2018:
Dieser Artikel von Caroline Fetscher ist sehr erschütternd und aufrüttelnd. Sie erhielt zahlreiche bestätigende Zuschriften von Betroffenen, Danke an Caroline Fetscher, Ihr sehr gut recherchierter Artikel hat uns damals beflügelt und ermutigt: https://www.tagesspiegel.de/politik/kindesmissbrauch-in-der-nachkriegszeit-ferienverschickung-vor-allem-tat-meist-das-heim-weh/22779554.html
2017:
Diesen Artikel hat die Journalistin Lena Gillhaus im Jahre 2017 geschrieben, hier wurde ermittelt, dass das Thema der Kurverschickungen eine bedeutende Rolle in den 50-80er Jahren gespielt hat. Sie hat auch damals schon viele Betroffene interviewt, Täter konfrontiert und Zusammenhänge zur NS-Zeit hergestellt. Auch sie erhielt zahllose bestätigende Zuschriften, ihr Artikel hat uns in unseren schlimmsten Ahnungen bestätigt.
https://www.deutschlandfunk.de/heimerziehung-albtraum-kinderkur.886.de.html?dram:article_id=384656
https://www.zeit.de/2017/27/kinderkuren-missbrauch-kloster-aufarbeitung
2014:
2014 gab es dieses wunderbare Buch zum Thema. Sabine Ludwig hatte mit Lesungen aus diesem Buch die größten Erfolge bei Kindern, das Buch beschreibt schonungslos die Zustände in einem Verschickungsheim, schafft es aber, dass sich auch Solidarität zeigt. Bestellungen an den Verlag: https://books.google.de/books/about/Schwarze_Häuser.html?id=S-AuCwAAQBAJ&printsec=frontcover&source=kp_read_button&redir_esc=
2013:
Im Jahre 2013 schrieb Merten Wortmann diesen Artikel über seine eigenen Erlebnisse, auch dieser Artikel hat uns erschüttert: https://www.zeit.de/2013/28/sommertrauma-langeoog-indonesien-kinderfreizeit-provence-ruegen
2009:
In der Tageszeitung jw legte 2009 der Feuilleton-Artikel zum Thema Verschickungen: Hände hoch – und dann bin ich verloren, den Grundstein für die riesige Kommentarsammlung der „Initiative Verschickungskinder“.
Der link dazu hier
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Kontakt und Interviews über: presse@verschickungsheime.de
Ein Beispiel für das Presse-Echo in der HAZ vom 5.12.19:
Hannover.
Die meisten Kinder haben sich nicht wohlgefühlt – vorsichtig ausgedrückt. Die Berichte der HAZ über das Schicksal von Kindern, die in den Jahrzehnten nach dem Krieg in Kurheime wie das Waldhaus in Bad Salzdetfurth verschickt worden sind, haben ein gewaltiges Echo unter den Leserinnen und Lesern hervorgerufen. Viele haben geschrieben und zeigten sich entsetzt, vor allem darüber, dass in Bad Salzdetfurth drei Kinder ums Leben gekommen sind. Insbesondere aber haben etliche frühere Verschickungskinder ihre eigenen Erlebnisse geschildert. Es ist oft die Rede von Heimweh, von Demütigungen. Aber der eine oder andere fand die Kuraufenthalte auch schön. Wir haben einige Auszüge zusammengestellt:
Ich bin im Jahr 1950 zur Kinderverschickung von der DAK nach Wyk auf Föhr gewesen. Auch dort ist uns Kindern erbrochenes Mittagessen wieder verabreicht worden. Nicht aufgegessenes Mittagessen musste kalt zur Kaffeezeit gegessen werden. Auch Schläge gab es im Schlafsaal, wenn nicht sofort Ruhe herrschte. Ich bin mittlerweile 76 Jahre alt und habe diese Zeit nie vergessen.
Heidemarie Sporer, Sehnde
Auch ich war als Kind zur Kur in Bad Salzdetfurth. In Ihrem Bericht sollten Sie erwähnen, dass wir Kinder an furchtbarem Heimweh litten, die Post von zu Hause nicht erhielten, selbst nicht schreiben durften und auch nicht konnten. Eine furchtbare Zeit!
Karin Flohr, Delmenhorst
Ich wurde Anfang 1954 als unterernährtes Flüchtlingskind nach Bad Salzdetfurth ins Haus Sonnenblick geschickt. Wir Kinder wurden dort vom „BDM-Mädchen-Personal“ im Alter von Anfang/Mitte 20 häufig drangsaliert und gedemütigt. Daneben hatten auch die älteren Kinder das Recht, sich wie Kapos um die Jüngeren „zu kümmern“ und diese nach Gutdünken auch zu schlagen. Am schlimmsten war die Essenseinnahme, bei der niemand aufstehen durfte. Wem dabei, aus welchen Gründen auch immer, übel wurde, der musste sitzen bleiben, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich auf den Teller zu erbrechen. Die „Schwestern“ kamen dann, eine hielt mir die Nase zu und fixierte mich, und die andere verabreichte mir dann diese neue „Mahlzeit“! Wer bei Tisch zur Toilette musste, der durfte auch nicht aufstehen und wurde nach dem erfolgten Einnässen entsprechend vor der „Gemeinschaft“ präsentiert.
Von Wolfgang Koschorke, Ronnenberg
Ihre Artikel über die Erholungsheime in den Sechzigerjahren haben meine schlechten Erinnerungen von damals wieder aufleben lassen. Ich habe diese Verlassenheit noch gut im Kopf und nie vergessen.
Von Renate Wolf, Hannover
In den Artikeln wird von den Schicksalen einiger Kinder auf die Gesamtheit der Millionen von Kurkindern geschlossen. Dies ist fahrlässig. Ich selbst war 1959 und 1960 mit zwölf bzw. gerade 14 Jahren je vier Wochen zur Kur. Die Zeit auf Langeoog im Spätsommer 1960 gehört zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen – und das vier Wochen am Stück! Nichts von den negativen Tendenzen, die Sie beschreiben, habe ich dort erlebt.
Von Adolf Ronnenberg, Hannover
Auch ich war in den Fünfzigerjahren zweimal zur Kinderkur. Besonders mein sechswöchiger Aufenthalt in Bad Dürrheim ist mir noch heute schmerzhaft in Erinnerung. Zum ersten Mal von den Eltern getrennt und ohne jeglichen Kontakt über sechs Wochen wurden wir Kinder auch noch gequält und mit strengen Strafen belegt. Zum Beispiel wurden allen Kindern einmal die Woche auf brutale Weise die Ohren gereinigt. Ich selbst durfte einmal nachts im Schlafanzug stundenlang auf dem Flur stehen, weil ich „geschwatzt“ hatte.
Von Wolfgang Bräuer, Langenhagen
Ja, ich war so ein Kind, und zwar im Schwarzwald. Ich war vier Jahre alt. Die Leiterin, „Tante Regina“, herrschte mit strenger Hand, unterstützt von mehreren sehr freundlichen Praktikantinnen. Ich war meist die Letzte beim Essen. Zur Strafe musste ich einen schwarzen Hut tragen. Wir mussten oft lange Spaziergänge machen, auch mit Magen-Darm-Grippe. Mehrere kleine Kinder haben ihre Hosen vollgemacht, ich konnte das trotz Bauchschmerzen vermeiden. Dafür habe ich dann beim Mittagessen meinen Teller vollgekotzt (allerdings ohne dass ich das Gemisch aufessen musste). Wieder zu Hause fragte meine Mutter, ob es schön gewesen sei. Wie kann man als Vierjährige der Mutter erzählen, was Lieblosigkeit, Ausgrenzung und Erniedrigung sind?
Von Ursula Wittenburg, Hannover
Einsam und allein. Ich war fünf! Bis heute waren es „stumme Tränen“.
Von Mirjam Schiwara-Rupp, Hannover
Auch ich bin Mitte der Sechzigerjahre mit sechs Jahren in ein Kinderkurheim in Wyk auf Föhr verschickt worden, zum Zunehmen. Ständiger Essenszwang, danach habe ich mich manchmal übergeben. Demütigungen (Anstimmen von Schmähliedern des ganzen Saales, weil ich die Letzte beim Essen war), in der Unterwäsche im kalten Flur stehen, wenn man mittags nicht schlafen konnte, Zukleben des Mundes mit Leukoplast, Abschreiben vorgefertigter Briefe an die Eltern. Ich bin mit weniger Gewicht als vorher und krank vor Heimweh wieder nach Hause gekommen. Noch heute denke ich voller Ängste und Schmerz an diese Zeit zurück.
Von Vera Nitschke, Wennigsen
Die Reaktionen zeigen mir, welches entsetzliche Ausmaß diese in Kinderkurheimen früher offenbar weitverbreitete Züchtigung hatte. In meinem Fall sind die entsprechenden Erlebnisse fast 70 Jahre her, und ich könnte sie noch immer im Detail beschreiben.
Von Heide-Rose Berger, Hannover
Ich bin nach Langeoog verschickt worden. Im Winter 1956. Spaziergang am Strand, es durfte nicht gesprochen werden, kein Stein oder Muschel angeschaut oder aufgehoben werden. Es gab Nudeln in Milch, süß, ich mochte es nicht (bis heute sind mir deshalb warme Süßspeisen ein Gräuel), mein Gesicht wurde in den Teller gedrückt, ich musste mich übergeben. Die Post nach Hause wurde vor meinen Augen zerrissen. Im Schlafsaal wurden wir leise tuschelnden Mädchen an den Haaren auseinander gerissen. Die Eltern haben mir leider nicht geglaubt, deshalb staune ich jetzt, dass es offenbar Leidgenossen gibt.
Von Christine Kobbe, Wedemark
Mitte der Fünfzigerjahre war ich (fünf Jahre alt) im Schwarzwald, Freudenstadt. Dort mochte ich keine Haferschleimsuppe, die sollte ich noch ganz allein im Speisesaal mit Kontrolle essen. Mithilfe einer Küchenkraft, die mir einen leeren Teller hinstellte, wurde ich erlöst. Eine bleibende Erinnerung!
Von Karen Stahl, Isernhagen
Drei Jahre Bombenterror, an Schlaf nicht zu denken, oft mehrmals nachts der Weg in den Bunker. Mangelernährung mit den entsprechenden Folgen. Und dann das Kriegsende. Da kommt für meine Eltern das Angebot, ihr Kind für sechs Wochen zur Erholung zu schicken, auch wenn die Trennung nicht leichtfällt, wie ein Wunder. Ein Heim auf einer kleinen Nordseeinsel. Frische Luft, spielen am Strand, ungestörter Schlaf. Selbstverständlich Maßregelung, wenn ich es zu doll treibe. Aber Schläge, Erniedrigungen, unmenschliche Behandlung? Fehlanzeige. Das Essen besser als zu Hause. Bei allem Verständnis für alle, die Unsägliches zu ertragen hatten: Auch die vielen guten Erfahrungen dürfen nicht unerwähnt bleiben.
Von Klaus Mohrbotter, Hannover
Ich war sechs Jahre alt und im Winter 1962 zur Kinderkur im Harz, in Hahnenklee. Erinnern kann ich mich, dass ich mein Erbrochenes an die Seite vom Teller kratzen und den Rest aufessen musste. Es durfte nur geräuschlos gegessen werden, als ich einmal die Suppe mit dem Löffel auskratzte und dies der Erzieherin zu laut war, musste ich mich in die Ecke stellen zur Strafe. Jedenfalls habe ich nicht zugenommen, bin sehr krank geworden und auch krank nach Hause gekommen. Ich verbinde mit der Zeit keine guten Erinnerungen.
Von Marion Grote, Wennigsen
Mein Vater ist 1944 gefallen. Im Alter von zehn Jahren war ich mehr als unterernährt. Man verschickte mich 1950 nach Spiekeroog, in das Haus Stranddistel. Für mich und meine Gesundheit waren die sechs Wochen eine entscheidende Wende. Ich habe mich dort mächtig erholt.
Von Peter Ehlers, Wedemark
Das Leid der Kinder muss aufgearbeitet werden, ohne Frage. Das durfte nie geschehen. Ich (Jahrgang 1946) bin im Alter von elf und 13 Jahren über die Innere Mission nach Langeoog „verschickt“ worden, wie man das nannte. Für mich waren es wunderbare Wochen voller Abenteuer und Anregungen. Meine Erinnerungen an diese Kinderkuren sind verbunden mit liebevollen Erzieherinnen, die uns alle Freiheit und Empathie schenkten. Ich gehörte wohl zu den Glücklichen. Das Schicksal der Kinder, wie ich es den Berichten entnahm, stimmt mich sehr traurig.
Von Wulf Lothar Köppe, Eldingen
Etwa im Jahr 1950 kam mein Vater mit der Nachricht von der Hanomag nach Hause, dass ihr „Mickerling“ Herbert zu einer Erholungskur an die Nordsee fahren könnte. Meine Eltern waren erleichtert, denn mein Gesundheitszustand war wirklich nicht der beste. Schon die Hinfahrt war toll. Und dann die Nordsee! Zum allerallerersten Mal habe ich wirklich das Meer gesehen! Das Heim war so weit in Ordnung. Wir mussten mit zwölf Jungen in einem Raum schlafen. Das Heim hatte den Vorteil, dass ich ein Bett für mich allein hatte. Die Betreuerinnen gingen so. Auch das Essen ging so. Etwas unangenehm waren mir die dauernden ärztlichen Untersuchungen.
Von Herbert Stoepper, Neustadt a. Rbge.
Anfang der Sechzigerjahre war ich in einem Heim in Cuxhaven-Duhnen, sechs Wochen lang. Demütigungen, Schläge und andere Quälereien waren an der Tagesordnung. Trotzdem kann ich offenbar dankbar sein, dass ich nicht in Bad Salzdetfurth war.
Von Dietmar Frevel, Hannover