ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN
Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH schmerzhafte Erfahrung mit der Verschickung in Kindererholungsheime, Kinderkurheime und Kinderheilstätten eingetragen, die in der Regel 6 Wochen Alleinunterbringung in einem weit entfernten Kurort zur Luftveränderung bedeuteten. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil einer Selbsthilfe von ehemaligen Verschickungskindern, die die Verschickungen in diese Kureinrichtungen schmerzhaft, angstvoll und gewalttätig erlebt haben. Die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Auch positive Erinnerungen können geschildert werden, es ist wichtig zu wissen, was den Kindern und wer ihnen mglw. geholfen hat. Auch diejenigen, die im Gebiet der „neuen Bundesländer“ (einschließlich DDR-Zeit) in die bisher 130 Kinderkurheime (Liste bisher noch unvollständig) verbracht worden sind, haben die Möglichkeit hier Zeugnis abzulegen.
Alle Geschichten dienen der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel
Diejenigen, die uns kontaktieren und Teil unseres Selbsthilfe-Netzwerks werden wollen: Wir organisieren uns in HEIMORTGRUPPEN zum Erinnerungsaustausch, und sind dann den Bundesländern zugeordnet. Gern könnt ihr mit anderne Heimortgruppen aufmachen oder in eine schon bstehende eintreten. Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch proaktiv selbst zuzugehen, deshalb hier die folgenden Möglichkeiten:
- Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei vorstandsmitglied-fuer-vernetzung@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
- Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
- Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen
Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!
Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.
Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.
Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der „Initiative Verschickungskinder“ (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und Genehmigung der Initiative Verschickungskinder e.V. oder des AEKV e.V. zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen
Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.: IBAN: DE704306 09671042049800 Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de
Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen
Auf der Kur habe ich keine Gewalterfahrung erlebt. Ich war aber auch ein kleines stilles und sehr braves Kind. Ich kann mich an ein Einzelzimmer/ Krankenhauszimmer alles in weiß, keine Bilder, keine Kinderbücher, isoliert von den anderen Kindern erinnern. Wie lange ich isoliert war, kann ich nicht sagen, habe aber seid dem Probleme mit geschlossenen Türen. Wir bekamen Zuckerei an der Küchetür und Lichttherapie zum Wachsen in Unterwäsche im Kreis aufgestellt um eine große UV-Lampe herum
Mein Gynäkologe hat die Tabletten später abgesetzt und mir Androcur und Diane verschrieben um meinen Hormonstatus ins Lot zu bringen wie er sagte (Testosteron erhöht). Daher gehe ich davon aus, dass es sich bei den Herzchentabletten um Wachstumshormone gehandelt hat. Berichte ließen sich weder bei dem Kinderarzt noch anderswo anfordern...weil, wen wundert es, 10Jahre Aufbewahrungsfrist für Medizinische Unterlagen.
Mich würde interessieren, wer ebenfalls in diesem Zeitraum Medikamente nehmen musste und wenn ja welche. Sie waren klein braun und hatten die Form eines Herzens.
Sie packte mit mir zusammen den Koffer, mit meinem Teddy, damit ich kein Heimweh bekäme.
Wir gingen zu einem Bus, es warteten bereits andere Kinder, und meine Mutter früh einen älteren Jungen, ob er auf mich aufpassen könne, damit ich nicht so allein wäre. Der junge nahm die ganze Fahrt meine Hand.
Angekommen, wurden wir auseinander gerissen, junge und Mädchen getrennt, und ich schrie und schrie, jetzt ganz alleine, kenne niemanden.
Sofort kamen wir in ein grosses Bad mit vielen Wannen. Zuerst suchte man nach Läusen, dann in die riesengroße Badewanne, ich verstand nicht, war doch von meiner Mutter bereits gebadet worden.
Anschließend in ein grosse Halle mit Eisenbetten, eine Trennglasscheibe.
Ich soll die Aufsicht machen. Ich hatte ein rotes Kleid an und beige Strumpfhosen.
Ich lief leise durch die Gänge der Betten.
Ein Kind meldete sich, es müsse mal.
Ich suchte dann die Schwester. Es gab eine Glastür, klopfte, es meldete sich niemand, also hämmerte ich an die Tür, keine Reaktion. Ich öffnete nun die Tür und wurde barsch von Sr. Ursel angewiesen, sofort zu gehen. (Sie tranken Kaffee und Kuchen) Darauf schrie ich: "das Kind muss Pipi"!! Man schickte mich weg. Ich weiss noch, dass ich so wütend war. Und weiss bis heute nicht, was aus dem Kind wurde.
Ich erinnere mich an das Solezimmer, mit Kapuze, Dampf und singen.
Ich erinnere mich an schweigende Mahlzeiten. Dass man den ganzen apiaufessen musste und ich mich weigerte.
Ich erinnere mich, dass es kein spielen oder vorlesen oder ähnliches gab.
Ich erinnere mich an kein einziges Kind, dass mit mir 6 Wochen verbrachte, obwohl ich das Abschlussbild so oft anschaue.
Ich erinnere mich, dass ich mit einer Decke auf einem Liegestuhl auf dem Balkon ging, und dachte, ich komme da nie wieder raus, und wenn sind meine Eltern gestorben.
Ich erinnere mich an tägliche Tablettengabe, eine Kinderschlange, still, vor einer Tür wartend. Wenn man eintrat, nur einzeln, bekam ich Tabletten, ich glaube, eine weiße, eine rosa. Es gab einen Arzt und eine Schwester. Dann ging man aus einer anderen Tür rechts wieder raus. Da wartete dann noch eine Schwester.
Etwas 1x Woche würde ich geröntgt, gemessen und gewogen. In Unterhose. Und ich erinnere mich an das kalte Röntgengerät.
Ich erinnere mich an ständiges warten.
Ich erinnere mich, dass ich nachts in einem leeren Flur stehen musste, nicht anlehnen, nicht auf den Boden legen, dunkel, und die Schwester kontrollierte. Angst. Und Wut.
Ich erinnere mich an tunken in der überdimensionierten Badewanne, Angst zu sterben.
Ich erinnere mich an einen Speisesaal, ein Podest, auf dem die Erwachsenen saßen.
Ich erinnere mich, dass ich dort 5 Jahre alt wurde, und Sr.Ursel meinte, meine Eltern schenken mir nichts, sie hätten geschrieben, weil ich so ein ungezogenes, boeses Kind sei, wollen sie mich nicht zurück. Wieder Wut, da meine Eltern doch gar nicht wissen, wie es hier ist, wie wollen sie so etwas sagen.
Am letzten Tag das Foto. Endlich.
Mit dem Zug nach Hause, Abholung durch meine Mutter. Ich habe einen Bogen um sie gemacht, sie durfte mich ab da nie wieder anfassen. Ich vertraute ihr nie wieder. Wir hatten ein Leben lang ein schlechtes Verhältnis.
Allerdings fragt sie mich nach ihren Briefen und Geburtstag Geschenke, worauf ich zu ihr sagte, ihr wolltet mich ja nicht mehr, deshalb bekam ich doch nichts!
Ich erinnere mich, dass ich mit 5 Jahren zu einer Kindertherapie ging, nehme an, als Folge dieser Aussage.
Ich musste nie mehr weg.
Nachdem ich heim kam, begannen Allergien, meine Mutter veränderte das Essen und änderte das Waschpulver, nutze nichts, und mit 18 bekam ich Asthma. Niemand im Verwandtenkreis hatte sowas.
Geblieben ist Einsamkeit, gestörtes Vertrauen in andere, Hospitalisation, Probleme mit Gruppen. Angst weg zu fahren. Das Zuhause zu einem gemütlichen Laufstall ausbauen. Probleme Freundschaften zu schließen.
Essensprobleme, d.h. schlecht und zu wenig essen. Überverantwortung für mich und andere. Übergerechtigkeit. Meine Wut ist geblieben, wenn ich merke, etwas stimmt nicht, mische ich mich ein, streite, wütend.
Seit 4 Jahren gehe ich in Therapie, sehr fruchtbar.
In diesem Jahr in eine psychotherapeutische Reha, bin nach 4 Tagen gegangen, in einem erbärmlichen, schlimmen Zustand, da ich da eine Reitraumarisierung bekam, zittern, schluchzen und Angstzustände.
Die Klinik reagierte unverschämt.
Heute keine Beziehung zu meinen Kindern, da sie mit meinen Depressionen und 2x Suizidversuche nicht klar kommen.
Mein gesamtes Leben unterdrückte was da alles geschah, und später; und als es vor 4 Jahren dann nicht mehr ging, holte ich mir Hilfe. Seitdem heilen diese ganzen schlimmen Dinge. Nach 40 Jahren.
Soetwas darf nie wieder passieren!!!!
Nun ist der Blick frei und ich kann zum Grund blicken, zum Anfang. Noch immer bin ich in Behandlung und es wird noch dauern das alles zu verstehen und zu verarbeiten. Auch künstlerisch kann ich mich der Kur 1985 nicht nähern und brach oftmals mit schreiben, zeichnen und malen ab. Es ist schwierig die Gefühle, Sequenzen und Bilder darstellen.
Ein Versuch: meine Mutter heiratete neu und die belastete erste Ehe war der Grund, dass ich mich aus den "zerrütteten" Verhältnissen erholen sollte. Die Sozialistische Erziehung ließ zu wünschen übrig. Spätere Repressalien.
Wie lange ich dort war, weiß ich nicht und auch erst mit der Traumaarbeit zu andren Themen, habe ich verstanden wo diese Bilder hingehören. Ich fand im Nachlass meiner Mutter ein Briefcouvert und konnte nun endlich einordnen, was ich mit 5 Jahre erlebte.
1985 Kindererholungsheim Gernrode. Der Briefumschlag war leer. In dieser Kurzeit zog meine Mutter mit meinem 6 Jahre älteren Bruder von Erfurt nach Schwerin, zum 1. Stiefvater, der dann auch ein Täter sein würde.
An Esssituationen kann ich mich nur erinnern, dass anderen Kindern Gewalt angetan wurde und sie am Tisch sitzen mussten und alles aufzuessen hatten. Ich begann zu der Zeit und später zu essen, um zu kompensieren.
Ich wurde an den Ohren gezogen, dass es mehrmals knackte und einriss, weh tat und brannte. Ich bekam auch Ohrfeigen und wurde einmal so heftig am Arm gezogen, dass es auch dort knackte. Das Armzucken ist im Therapieprozess aufeinmal wieder aufgetreten. Wie in meiner Kindheit, als ich stotterte und andere Auffälligkeiten hatte.
In der Kur kann ich mich an drei Dinge erinnern die sich wie Ohren, Wange und Arm in mich einbrannten.
Ich musste abends/nachts auf Toilette und durfte immer wieder nicht...Ich versuchte mich hinauszuschleichen, denn ich musste wirklich dringend. Die Erzieherin schimpfte mich aus und bedrohte mich, zerrte und befahl mir im Bett zu bleiben. Ich war voller Angst und ich kann mich nicht mehr erinnern wieviele Kinder mit im Zimmer waren und wie es aussah.
Aber ich kotette und machte ins Bett und weinte im Dunkeln und alles war voll, ich war voll, alles stank und ich hatte solche Angst. Ich schämte mich sehr und dieses Thema wiederholte sich später. Auch ganz anders. Sie kam wieder und beschimpft mich als Schwein und pfui, als pervers und der letzte Dreck. Sie zerrte mich in die Dusche und dann weiß ich nichts mehr...
Immer wieder herumzerren und Ohrfeigen, an den Ohren ziehen und ausschimpfen. Ich habe immernoch Angst vor Kritik und Autoritäten, wenn ich meine Gefühle zulasse.
Ich stand dann in dem dunklen "langen" (?) Flur und zitterte und weinte und hatte Todesängste. Die ganze Nacht und ich löste mich auf, phantasierte... dort in der dunklen Ecke, im gruseligen Flur...alleine.
Ich erinnere mich, mit anderen Kinder nackt, in einem dunklen Raum im Kreis zu laufen. Höhensonne/ Bestrahlung und wir sollten Brillen aufsetzen. Ich hatte furchtbare Angst und wurde fürs weinen ausgeschimpft. Erniedrigt und entwertet. Ich kann mich an das Gefühl erinnern ein nicht und wertlos zu sein. Man behandelte mich wie eine Puppe, Körpertaubheit und mich aus der Ferne sehen.
Dieses Gefühl begleitet mich mein ganzes Leben schon, und ich hatte zu schweigen.. immer. Keine Wiederworte, keine Klagen und Wünsche. Wenn Erwachsene reden, schweigt das Kind... in der Familie musste ich auch schweigen.
In der Kur wurde ich gebrochen und meine Persönlichkeit zerstückelt und kaputt gemacht. Ein Gefühl begleitet mich seitdem und dass ist ein zugeschnürtes Herz und beklemmendes Atmen: Krämpfe und die Angst vor Untersuchungen, Ärzten und Räumen/Betten/ festgemacht zu werden und Zwangsmedikamentiert.
Soetwas sagte dann später auch mein 1. Stiefvater, weil ich so anders war und komisch. Meine Mutter überlebte die Gewalt in ihrem Leben nicht.
Im Zuge meiner jahrelangen Therapien ambulant und stationär, ist mein Herz befreit worden und ich kann frei atmen, Angstschweiß und Panik minderten sich. Ich habe viel gelernt und begann mich zu trauen wieder "mich" zu fühlen und nicht nur für andere herzlich, hilfsbereit zu sein und mit Leistung zu funktionieren. Die Ängste Stück für Stück zu überwinden.
Dennoch bleibt vieles noch zu bewältigen.
Es wird noch lange dauern und weiteres kann ich zur Kur noch nicht zulassen.
Ich bin stolz auf mich es hier nun einmal öffentlich aufgeschrieben zu haben.
Also falls ihr dort wart und mehr wisst Kontaktiert mich.
Ich habe meinen ehemaligen Kurort Bad Sassendorf besucht.
Den Bildern nach müsste ich im Haus Hamburg gewesen sein. Mein Vater war damals in der DAK, das würde passen.
Ich bin im Okt 1985 am Wuppertaler Hauptbahnhof in den Zug gestiegen, begleitet wurde ich von einer Frau, ich glaube es waren noch 1-2 Kinder mit dabei.
Geschlafen habe ich mit mehreren Kindern in einem Raum, es war alles mit Betten zugestellt.
Hinterm Haus standen einige Bäume, ich glaube da konnten wir zum Spielen raus.
Es war alles streng getaktet….
Jeden Tag ein „Event“.
Solebäder, Inhalieren, Spaziergang.
Nach dem Solebad mussten wir uns alle hinstellen und frieren, bis die Damen einmal durch waren und man seinen riesigen Messbecher eiskaltes Wasser über den Kopf geschüttet bekommen hat.
Zum abhärten.
Beim inhalieren in der Kammer mussten wir uns auf die Holzbänke setzten und den Kopf hinten anlehnen und tief ein und ausatmen.
Ich fande es schrecklich und ich meine mir ist davon schlecht geworden.
Jeden Tag gab es den Mittagsschlaf.
In diesem Schlafsaal mit den großen Fenstern , wie ein Wintergarten,viele Betten . Man musste still sein und ich glaube uns wurde der Räuber Hotzenplotz vorgelesen. Einmal wurde ein Junge zur Strafe mit nackten Füßen ,vor den Fenstern ,durch den Schnee gejagt, alle haben zu gesehen.
Ich habe mich immer schlafend gestellt und kaum getraut , die Augen zu öffnen.
Zu meinem 6. Geburtstag bekam ich ein Päckchen von meinen Eltern.
Ich meine es war schon auf als ich es bekam. Ich kann mich an ein Kuscheltier erinnern und an Süßigkeiten. Wenn ich etwas nahm, musste ich allen Kindern etwas abgeben. Alle saßen um mich rum und streckten ihre Hände aus, weil sie auch etwas wollten.
Es gab Kinder die ich garnicht mochte, denen habe ich zum Schluss etwas gegeben.
Ich kann mich an keine einzige Freundschaft erinnern.
Ich glaube ich war immer „alleine“.
Einmal in der Woche war Telefontag. Da waren gefühlt alle in einem langen Gang und haben gehofft aufgerufen zu werden, damit man mit den Eltern telefonieren konnte. Es hat Ewigkeiten gedauert. In den 6 Wochen sind meine Eltern einmal durchgekommen.
Ich habe mich gefreut. Das Ganze war von Zeitdruck geprägt und einer Sanduhr, die rumgedreht wurde. Vielleicht war es 1 Minute… jedenfalls sehr kurz ,um wirklich zu sprechen.
Wenn man nicht aufgelegt hat, wenn die Sanduhr durch war, wurde auf die Gabel gedrückt. Ein Telefonat und eine große Enttäuschung, nicht wirklich Zeit um zu sprechen.
Gegessen wurde im Speisesaal.
Und was auf den Tisch kam , wurde aufgegessen. Es war keine Spargelzeit, es gab ihn trotzdem und ich musste solange sitzen bleiben, bis ich aufgegessen hatte ebenso bei Sülze. Auch ich war angeblich zu dünn und kam zum „Aufpäppeln“.
Ich war alleine, einsam und habe nur funktioniert, ein Gefühl von ausgeliefert sein, Ohnmacht.
Einfach nur durchhalten.
Zurück bin ich wieder mit dem Zug nach Wuppertal und es lag Schnee.
Ich habe nur negative Erinnerungen, ein schlechtes Gefühl.
Heute denke ich, das mich dies alles sehr geprägt hat.
Wenn ich die ganzen Berichte lese,
hatte ich ja noch „Glück“ im „Unglück“.
An viel kann ich mich nicht erinnern,
was noch war kann ich nicht sagen.
Ich finde es einfach nur schrecklich, was so vielen Kindern angetan wurde . Und auch wie lange bis in die 90er….
Ich versuche das Beste zu machen, für meine Familie und meine beiden Kindern.
Insgesamt bin ich eher ein trauriger, zurückgezogener Mensch, obwohl ich alles habe. Dafür bin ich sehr dankbar. Trotzdem kann ich nicht richtig glücklich sein.
Nachdem ich auf all das gestoßen bin, habe ich meine Mutter gefragt, wie das alles sein kann?
Wie man ein 5 jähriges Kind , 6 Wochen wegschickt, zu Fremden?
Die Berichte aus den Medien, das hat sie sehr schockiert und fertig gemacht. Ich glaube sie hat jetzt erst realisiert, was das alles war.
Und erst jetzt wurde ich ernst genommen.
Sie sagte, das der Kindergartenarzt die Kur empfohlen hat, daraufhin war sie bei der Kinderärztin Fr Dr Leopold/ Wittener Str.. und dann wurde das gemacht. Es wurde nichts hinterfragt, das was Ärzte gesagt haben wurde gemacht.
Ich glaube sie hat auch viel verdrängt. Ich habe das Gefühl, das sie heute versucht viel wieder gut zu machen, weil ihr klar ist, das früher doch einiges nicht in Ordnung war.
Insgesamt hatte ich auch keine liebevolle, behütete Kindheit.
Ich vermute auch, das mein Vater Jahrgang 1949 auch ein Verschickungskind war. Zu ihm habe ich kein Kontakt mehr. Das würde auch einiges erklären, aber nicht rechtfertigen.
Ich bin heute Mutter 2er toller Kinder, habe kein Selbstwert, kein Selbstbewusstsein.
Ich hoffe sehr, das ich eine gute Mutter bin und meinen Kindern nicht meinen Schaden weiter gebe.
Falls hier jemand ist, der zur gleichen Zeit in Bad Sassendorf war, würde ich mich über eine Kontaktaufnahme freuen.
Danke an diese Initiative!
Leider kann ich mich nicht mehr an den Namen der Einrichtung erinnern.
Ich weiss nur noch, dass die "Heimleiterin" in einem Reetdachhaus auf dem Grundstück des Heimes wohne.
Ich war in einer Gruppe, die von einem "Onkel Detlef" betreut wurde.
Es war kein schönes Erlebnis! Mir persönlich wurde nichts "angetan" aber die Strafen waren teil's brutal.
Wenn man z.B. beim erzwungenen Mittagsschlaf nicht schlafen konnte, wurde man in den Waschraum verwiesen und musste da die Zeit absitzen.
Auch das Essen war immer ein Drama, Kinder die sich übergaben mussten ihr eigenes Erbrochenes aufessen.....
Wenn Eltern z.B. mal einen Kuchen geschickt haben, wurde dieser dem Kind weggenommen.
Mit mir war auch ein älterer Junge, der aus dem gleichen Dorf wie ich kam in dieser 6-wöchigen Kur.
Er war natürlich nicht in meiner Gruppe, aber ich durfte nicht einmal Kontakt zu ihm haben..... Wir sahen uns nur zu den Mahlzeiten kurz, durften aber nicht zusammen sitzen bzw. essen.
Am Ende der Kur wurden wir dann noch für irgendwelchen Andenken-Kitsch um unser Taschengeld betrogen.
Keine schöne Zeit!
Ich möchte unbedingt mehr erfahren ob dieser Aufenthalt vielleicht auch was mit mir gemacht hat.
Es gibt einige Verhaltensweisen die ich nicht zuordnen kann.
Es war 1977, ich sollte nächstes Jahr zur Schule, aber ich wog nicht genug. Es war Winter, wir sind mit einem weinroten Bus hingefahren. wir standen vor einer riesen-flügeltür, es ging stufen hinauf, drinnen wieder. dann kam eine graue dreiteilige tür, die führte in ein treppenhaus. wir gingen nach oben. hier waren speisesaal, spielzimmer und eine groß küche. es gab drei gruppen, erstmal die spatzen, das waren wir jüngsten, dann die finken und die adler. ich konnte mich nie eingewöhnen, weil ich so verschlossen war, freunde hatte ich dort nie, (wie sonst auch nicht in den "pionierlagern", mein heimatdorf hatte eins, und jede sommerferien musste ich zwei wochen dort verbringen, während meine freunde vor dem tor standen - ich musste den tag über dableiben. meine verschlossenheit überwand dieses dennoch nicht!) in pausa wurde ich oft von meinen mitkindern verlacht, weil ich so schüchtern war. einmal brauchten wir wasser für irgendwas, und ich wurde in die küche geschickt, die unserem spielzimmer gegenüber war. eine betreuerin war drin, ich guck sie an und sagte, ich möchte bitte wasser (ob ich bitte sagte weiß ich nicht mehr). ehe sie in mich dringen konnte, ging die tür auf und die ganze bande kam rausgestürmt und brachte einen eimer mit: wasser holen ohne eimer, du dummerjahn (oder so ähnlich).
zu den schlafräumen gings die treppe runter - nanu, dachte ich, schlafzimmer sind doch immer oben - ich schlief schlecht, kriegte bald fieber, mir war hundeelend, ich glaub sogar, ich hab ins bett gekotzt. die betreuerinnen waren nicht unfreundlich, aber sie waren gestresst, glaub ich.
morgens gings los mit duschen und bürstenmassage. die sanitärräume lagen noch unter den schlafzimmern. wenn wir hinaus spazierengingen (es lag viel schnee), benutzten wir IMMER eine ausgangstür von den sanitärräumen aus, niemals die haupteingangstür, durch die wir am anreisetag ins haus gekommen waren.
apropos tür: hier sah ich zum ersten mal eine "ziehharmonikatür". geschlossen sah die aus wie eine wand, offen war plötzlich die wand weg und der raum viel größer! in diesem raum haben wir abends immer den sandmann gesehen, ich erinnere mich noch an die folge, wo er mit dem schneeräumer kommt und hab gerade kürzlich die folge via net aufgerufen.
tür anders: wenn wir nach oben oder unten gingen, kamen wir immer an dieser grauen tür vorbei. ich wusste, dass da der ausgang war, aber man konnte nicht durchsehen, denn die scheiben waren milchglas. eine klinke hatte sie auch nicht sondern einen schwarzen runden türknauf. oft stand ich davor, musste oft gerufen oder geholt werden.
wenn ich vor dieser tür stand, dachte ich immer: wenn die jetzt aufgeht, biste zu hause!
schlimm wars eigentlich nicht in pausa, besonders streng auch nicht, jedenfalls nicht strenger als woanders. und immerhin bin ich mit sollgewicht nach hause gekommen ...
ABER SCHLIMM - SCHLIMM - SCHLIMM WAR DAS HEIMWEH!
Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern, aber das was ich weiß bzw auch vor mir sehe, ist wohl mit verantwortlich für meinen psychischen Zustand, Angststörung.
Ich sehe den Schlafraum, mit mehreren Doppelstockbetten längst an den Wänden, an beiden langen Seiten entlang, und in der Mitte unzählige Einzelbetten.
Von dem Schlafraum aus ging es in einen langen dunklen Flur an dessen Ende das "Bad" war. Wir waren unten untergebracht, glaube es waren Kellerräume.
In diesem Flur stand ich einige Male nachts an der Wand, weil ich im Bett weinte. Ich glaube ich habe auch mal ins Bett gemacht. Ein Junge war mit im Schlafraum, mit demich zusammen im Kindergarten war, wir flüsterten auch öfter, wieder Strafe.
Zu meinem Geburtstag kamen meine Eltern und schenkten mir eine Puppe. Diese wurde mir nach der Abfahrt der Eltern abgenommen, ich bekomme sie wieder wenn ich lieb bin, oder so ähnlich. Bekommen hab ich sie bei der Abreise.
Ich musste mehrmals im Speisesaal stundenlang vor dem Teller sitzen, mit 2 oder 3 Kartoffeln und einem riesigen Stück fettiges Fleisch, eigentlich nur Fett. Ich bekam es nicht runter. Alle durften spielen gehen, ich nicht, erst wenn der Teller leer ist. Ich habe geweint, gewürgt, geweint, gewürgt...stundenlang. Ich schneide noch heute jedes Milligramm Fett vom Fleisch bei der Zubereitung.
Ich erinner mich an die Außenanlage, da war so ein ziemlich großer Pavillon aus Holz glaube ich, da saß ich manchmal.
Ich glaube ich war 6 Wochen dort.
Wenn man den Eltern was erzählt hat, wurde man als Lügner abgestempelt, ich bilde mir das nur ein. Später habe ich noch mal nachgefragt, als ich in der psychosomatischen Klinik war, ob es Bilder oder ähnliches gibt, Postkarten wurden auch verschickt, aber ich bekam keine Antworten mehr, dieses Thema wurde tot geschwiegen.
unsere Fam. (8 Pers.) notdürftig in einer Jungendherverge untergebracht. Wir Kinder wurden nach und nach aufgeteilt und wegegeschickt. Als wir in St. Peter ankamen ging es sofort los. Aggressives Verhalten der „Aufpasser“ uns gegenüber zog sich durch die ganze Zeit des Aufenthalts. Es waren furchtbare Wochen. Wir waren traumatisiert von der Sturmflut und wurden an die Nordsee geschickt. Nächtliche Alpträume und Weinen waren in den Augen der Aufpasserinnen etwas das es nicht geben durfte. Nach dem zu Bett gehen durfte nicht mehr aufgestanden werden. Auch nicht zum Toilettengang. Als Folge davon und aus Angst wurde ins Bett gemacht. Grausam was dann am Morgen geschah. Bloßstellung vor allen anderen, anschreien und Bestrafung in Form von heute bleibst du hier alleine im „Zimmer“. Beim Essen der Zwang alles aufessen zu müssen. Auch wenn man von mittags bis zum späten Nachmittag daran saß. Die Behandlung durch die Erwachsenen war nicht nur streng sondern auch abwertend. Mit uns waren viele Kinder aus Berlin im Heim. Diese Kinder waren offenbar bemitleidenswert weil sie aus Berlin kamen und wurden komplett anders behandelt. Briefe die wir von zu Hause bekamen wurden geöffnet und vor allen laut vorgelesen. Päckchen wurden geöffnet und der Inhalt an die armen bedauernswerten Kinder aus Berlin verteilt. Ich kann mich erinnern das meine Schwester und ich unsere Sachen gepackt hatten und nachts verschwinden wollten. Leider hat man uns erwischt. Ich habe immer das Problem gehabt das ich nicht damit
umgehen konnte wenn Mitmenschen einfach nur nett zu mir
waren und sind. Ich fühlte mich wertlos. Das man darunter leidet und schlechte Erinnerungen verdrängt ist wohl klar. Lange habe ich überlegt ob ich die Erinnerungsfetzen die noch da sind einmal niederschreibe. Jetzt, mit 72, mach ich das. Ich hatte das Problem das ich linkshändig bin und schon deshalb als zu dumm für alles hingestellt wurde.
Wie verroht muss man sein um so mit Kindern umzugehen?!
Bis heute hab ich ein Problem damit wenn man geraten hat oder rät eine Reha zu machen. Irgendwann war mir klar das es einen Zusammenhang geben muss mit dem Aufenthalt im Kinderkurheim. Ich ertrage es nicht wenn andere bestimmen was ich wann zu machen habe.
ich würde gerne mal das Heim besuchen, um endlich abschließen zu können. Allerdings traue ich mich nicht alleine. Wer fährt mit mir dort hin und wir arbeiten gemeinsam auf?
Ich wurde am 2. Juli 1974 während der Schulzeit von der BEK für 6 Wochen zu dem Kinderheim Kiebitzdelle auf Borkum verschickt.
Weder an die Zufahrt vom Rheinland nach Emden noch an die Überfahrt nach Borkum habe ich irgendeine Erinnerung. Dies ist erstaunlich, da für mich die Reise sehr spannend und interessant gewesen sein muss.
Das Heimgebäude lag nach meiner Erinnerung abgelegen am Stadtrand ohne direkte Nachbarbebauung. Das Haus war ein eingeschossiges, langgestrecktes Gebäude an dem Geune Stee Weg 31 an dem sich ein Dünen- und Waldgebiet und dann der Strand anschloss.
In einer Postkarte schreibe ich von 5 Jungenzimmern mit je 4 Betten, einem Speiseraum und einer gegenüber liegenden Mädchenabteilung. Das Zimmer war eng und dunkel, der Speiseraum kalt und ungemütlich. An den Waschraum und die Toilette habe ich keinerlei Erinnerung.
Obwohl ich von zuhause weiss Gott nicht verwöhnt war, empfand ich das Mittags- und Abendessen fürchterlich. Ich kann bis heute keine Hülsenfruchteintöpfe und Fleischwurstaufschnitt mit Paprika essen, beides gab es in Erinnerung ständig. An ein Frühstück habe ich keine Erinnerung. Am Mittagstisch musste man solange sitzen bis alles aufgegessen war. Die Erbsensuppe habe ich erst versucht zu verweigern, mangels Erfolg dann teilweise gegessen und erbrochen. Zur Strafe durfte ich dann alles essen.
Mittags müssten wir uns 1 bis 2 Stunden schlafen legen, was mir als 9 jährigem sehr schwer gefallen ist zumal wir in dieser Zeit nicht reden oder zur Toilette durften. Die Nachtruhe begann früh und mann musste wieder ruhig sein und durfte nicht zu Toilette.
Schöne Erinnerungen habe ich an stundenlange Wanderungen am Strand, in den Dünen, im Wald und in der Stadt.
In meinen wöchentlichen Pflichtpostkarten schreibe ich von mehrmaligem Baden im Meer sowie im Wellenbad und von einem Ausflug mit einem Fischkutter. Hieran habe ich keinerlei Erinnerungen. Die Postkarteninhalte sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, da deren Inhalt kontrolliert und mindestens teilweise vorgegeben wurde. Ich habe eine Erinnerung, das eine meiner Postkarten zerrissen wurde und ich sie gemäß Vorgaben neu schreiben musste. Die Post meiner Eltern wurde ebenfalls zensiert und mir erst am Ende der Kur und z.T. auch gar nicht gegeben. Dies ergibt sich aus lückenhaften Briefen meiner Eltern, in denen sie sich darüber beschweren warum ich nur so wenig und belangloses schreibe und nicht auf Fragen in diesem oder jenem Brief eingehe.
Insgesamt ist mir die Kurzeit als unendlich lange Abfolge von Tagen mit ständig gleichem Ablauf in einem dunklen, kalten Gebäude, bei ständig kaltem nassen und windigen Wetter im Gedächtnis geblieben. An körperliche oder sexuelle Misshandlungen habe ich keine Erinnerungen. Deutliche jedoch an einen rauhen Ton, häufigem Gebrüll, dem fortwährendem Zwang auf Ge- und Verbote zu achten um Strafen zu vermeiden.
Nach Angaben meiner Eltern und meines Bruders bin ich als völlig anderer Mensch aus der Kur zurückgekommen. Aus einem lebensfrohen, aufgeschlossen und unternehmungslustigen Kind war ein ruhiges, verschlossenes und ängstliches Kind geworden. Nach der Kur wurden eine Legasthenie und feinmotorische Störungen bei mir festgestellt, die mich die nächsten Jahre bei meiner schulischen Entwicklung stark behindert haben.
Ich habe Jahre gebraucht um wieder halbwegs selbstsicher und offener zu werden. Geschafft habe ich dieses wie ich heute weiß, indem ich Alkohol als Hilfsmittel eingesetzt und mich als zynischer Spaßvogel vor meinen Mitmenschen geschützt habe. Im Ergebnis bin ich über die Jahre zum Alkoholiker geworden, seit 3 Jahren trocken, um dafür jedoch infolge Depressionen und ein paar körplichen Folgeschäden der Sucht arbeitsunfähig zu sein.
Nach der Kinderverschickung habe ich eine starke Abneigung gegenüber Gruppen und Vereinen jeglicher Art und vermeide Hallenbäder, Saunen, öffentliche Duschen. Enger Körperkontakt - wie bei Massagen, Physiotherapie, Umarmungen, etc. - ist mir sehr unangenehm. Fremden gegenüber kann ich mich nur sehr schwer öffnen, Vertrauen in meine Mitmenschen habe ich nur wenig. Bis heute stört mich aufgrund meiner Erinnerungslücken das unangenehme Gefühl, das in meiner
Kurzeit noch andere für meine spätere Entwicklung relevante negative Dinge vorgefallen sein könnten.
Ob diese Auffälligkeiten und Störungen mit meiner Kinderverschickung in Zusammenhang stehen weiß ich nicht, vermute es aber zumindest in Teilen.
Da ich die letzten 50 Jahre erfolgreich vieles von meiner Verschickung verdrängen konnte, bin ich mir nicht sicher ob ich diesen Zustand so spät noch ändern und die Lücken füllen sollte.
Ich war in Weimar und erlebte auch sehr viele schlimme Dinge.
-Kaltes Abduschen im Keller inklusive Auslachen von einem Mann und mehreren Erzieherinnen
-Ans Bett gefesselt nachts um nicht zu stören, auf Toilette gehen unmöglich
-"Aufessenzwang" inklusive Wiederaufnahme des Essen in Form von Erbrochenen
-Stundenlange Märsche im Schnee zur Abhärtung
usw usw usw ...
Vieles hat der Körper verdrängt, in Form von Trauma gespeichert.
Ich wünsche allen ehemaligen Kindern ein schönes weiteres Leben.
Ihr seid Stark!
A.M.
Bevor ich nach Reinhardshausen kam, hatte ich bereits zwei Aufenthalte bei Verwandten hinter mir, die eher positiv waren. Dort, und auch zuhause hatte ich eine weitgehende Freiheit, konnte überall mit dem Fahrrad hinfahren. In Reinhardshausen war es eher restriktiv, wenn wir irgendwo hingingen, mussten wir uns zu zweit an den Händen halten. Als ich aus der Reihe tanzte, kassierte ich eine Ohrfeige. (War aber für mich die einzige). Nun gut, mein Vater und ganz besonders meine Mutter verprügelten mich regelmäßig mit einem Kochlöffel oder auch mit dem Teppichklopfer, so war das jetzt nichts Besonderes für mich. Das hat erst wirklich aufgehört, als ich für meinen Vater zu stark wurde, und ihn mit 15 einfach hochgehoben habe, als er mich übers Knie legen wollte. Ich hatte in Reinhardshausen unglaubliches Heimweh, ich habe am Anfang gar nicht mehr aufgehört zu heulen, ich wusste ja, dass es auch ganz anders ging. Ich war nicht gewohnt, so eingesperrt zu sein.
Bei uns bestand die Bloßstellung daraus, das nach dem Waschen die Unterhosen vor versammelter Mannschaft kontrolliert wurden, ob sich darin Spuren von einem feuchten Pupser befanden. Das war uns allen schon sehr peinlich. Die Badeausflüge habe ich als eher positiv empfunden. Es gab auch die Ausflüge in die Blaubeerfelder. Was bei mir persönlich noch dazu kam, war, daß ich meinen Eltern das Versprechen abgenommen hatte, daß sie mich wieder nach Hause holten, wenn das Heim schrecklich war, was sie dann natürlich nicht taten, heute würde man sagen: LOL. Daß jemand sein Erbrochenes essen mußte, weiß ich nicht mehr, kann sein. Ich war nicht betroffen, und könnte das auch verdrängt haben. Im Vergleich zu anderen Traumata, war das in Reinhardshausen eher mittelgradig, denn ich kann mich noch relativ gut daran erinnern, während ich andere Dinge über Jahrzehnte völlig verdrängt hatte, und, selbst, als ich konkret darauf angesprochen wurde, absolut nichts mehr davon wusste. Die Hälfte meines Traumas in Reinhardshausen war die Enttäuschung über meine Eltern, die mich offensichtlich abschieben wollten. Später, mit 15, habe ich zum ersten Mal in den Sommerferien in der Fabrik gearbeitet, und war völlig erstaunt, wie hochzufrieden meine Mutter damit war. Ich konnte dadurch ja nicht im Garten helfen, über den sie immer jammerte. Es gab offensichtlich etwas noch besseres, nämlich mich einfach los zu sein. Ich habe danach jede Sommerferien am Fließband gearbeitet.
in den Schulferien 30. Juli (Do) bis 03. September 1953 (Do)
Im April 1953 wurde ich in Altenbeken eingeschult. Vier Monate später, direkt zu Ferienbeginn schickten mich meine Eltern wegen meines Asthma`s zur Kur nach Norderney.
Wie ich heute weiß, es war das “Haus Warburg”.
Meine Erinnerung geht zurück auf die Zugabfahrt mit vielen anderen Kindern im Bahnhof Altenbeken (Kreis Paderborn).
Ich weiß auch noch, dass wir irgendwann mit dem Schiff gefahren sind.
An die Fahrt kann ich mich nicht näher erinnern.
Meine Mutter hatte mir für die Reise Butterbrote und Äpfel mitgegeben.
Den größten und schönsten Apfel habe ich mir verwahrt.
Wie ich mich genau erinnere ist, dass nach der Ankunft im Heim die Schwestern alles Essbare von den Kindern eingesammelt haben.
Auch meinen schönen und großen Apfel.
Am anderen Morgen wurden die eingesammelten Früchte wieder verteilt, aber ich bekam leider nicht meinen Apfel, sondern nur einen kleinen, schrumpeligen Apfel zurück.
Negative Erinnerungen an den Aufenthalt habe ich nicht, außer das bei den Toilettengängen, -eine Kabine reihte sich an die andere-, schon nach kurzer Zeit von den Schwestern heftig an die Türen geklopft wurde, sich zu beeilen.
Ich erinnere mich aber auch an die schönen Wanderungen durch die Dünen zum Strand, wo wir Kinder dann im Sand buddeln und bauen durften.
Und ich erinnere mich an ein nahe gelegenes Kiefernwäldchen, durch das wir oft gingen.
Der Kiefernwald neben dem ehem. Haus Warburg existiert noch.
Das einschneidenste Erlebnis für mich war, dass nach vier Wochen
bei mir Scharlach festgestellt wurde.
Ich wurde sofort isoliert und war drei Wochen “sozusagen” in Einzelhaft.
Meine Mahlzeiten wurden mir durch eine Klappe gereicht. Aber sonstige Erinnerungen habe ich nicht.
Nach drei Wochen durfte ich den Raum verlassen und wieder nach draußen gehen, war aber durch einen Zaun zu den anderen Kindern getrennt.
Allerdings waren die Kinder, die mit mir angekommen waren, nicht mehr da.
An meine Heimreise kann ich mich leider überhaupt nicht mehr erinnern.
Auch nicht, ob ich begleitet wurde und wenn ja, von wem.
Positiv für mich ist, dass es außer den geschilderten Erinnerungen vor allem keine negativen Missstände oder Übergriffe gab.
Als Trauma ist mir geblieben, dass man mich nach der Kur nirgendwo mehr hinschicken konnte, auch z. B. nicht in Zeltlager.
Das hat sich aber gelegt, spätestens als ich allein als 16-jähriger 1963 mit der Bahn in eine DAG-Jugendhaus nach Schliersee gefahren bin.
Insgesamt ist es so. dass ich gerne mehr
Erinnerungen an meinen Kur-Aufenthalt hätte.
Aber auch im Mai 1971 (unsere Hochzeitsreise) habe ich vor Ort keine Anhaltspunkte finden können, zumal ich auch damals überhaupt keine
Idee hatte, wo das Haus hätte sein können.
"Heute weiß ich nach langen Recherchen, dass das „Haus Warburg“ von Rote-Kreuz-Schwestern geleitet wurde und zu der Zeit wohl der Landschaftsverband Westfalen-Lippe neben dem Kreis Höxter die
Träger des Hauses waren".
in den Schulferien 30. Juli (Do) bis 03. September 1953 (Do)
Im April 1953 wurde ich in Altenbeken eingeschult. Vier Monate später, direkt zu Ferienbeginn schickten mich meine Eltern wegen meines Asthma`s zur Kur nach Norderney.
Ich weiß heute, es war das “Haus Warburg”.
Meine Erinnerung geht zurück auf die Zugabfahrt mit vielen anderen Kindern im Bahnhof Altenbeken (Kreis Paderborn).
Ich weiß auch noch, dass wir irgendwann mit dem Schiff gefahren sind.
An die Fahrt kann ich mich nicht näher erinnern.
Meine Mutter hatte mir für die Reise Butterbrote und Äpfel mitgegeben.
Den größten und schönsten Apfel habe ich mir verwahrt.
Wie ich mich genau erinnere ist, dass nach der Ankunft im Heim die Schwestern alles Essbare von den Kindern eingesammelt haben.
Auch meinen schönen und großen Apfel.
Am anderen Morgen wurden die eingesammelten Früchte wieder verteilt, aber ich bekam leider nicht meinen Apfel, sondern nur einen kleinen, schrumpeligen Apfel zurück.
Negative Erinnerungen an den Aufenthalt habe ich nicht, außer das bei den Toilettengängen, -eine Kabine reihte sich an die andere-, schon nach kurzer Zeit von den Schwestern heftig an die Türen geklopft wurde, sich zu beeilen.
Ich erinnere mich aber auch an die schönen Wanderungen durch die Dünen zum Strand, wo wir Kinder dann im Sand buddeln und bauen durften.
Und ich erinnere mich an ein nahe gelegenes Kiefernwäldchen, durch das wir oft gingen.
Der Kiefernwald neben dem ehem.Haus Warburg existiert noch.
Das einschneidenste Erlebnis für mich war, dass nach vier Wochen
bei mir Scharlach festgestellt wurde.
Ich wurde sofort isoliert und war drei Wochen “sozusagen” in Einzelhaft.
Meine Mahlzeiten wurden mir durch eine Klappe gereicht. Aber sonstige Erinnerungen habe ich nicht.
Nach drei Wochen durfte ich den Raum verlassen und wieder nach draußen gehen, war aber durch einen Zaun zu den anderen Kindern getrennt.
Allerdings waren die Kinder, die mit mir angekommen waren, nicht mehr da.
An meine Heimreise kann ich mich leider überhaupt nicht mehr erinnern.
Auch nicht, ob ich begleitet wurde und wenn ja, von wem.
Positiv für mich ist, das es außer den geschilderten Erinnerungen vor allem keine negativen Missstände oder Übergriffe gab.
Als Trauma ist mir geblieben, das man mich nach der Kur nirgendwo mehr hinschicken konnte, auch z. B. nicht in Zeltlager.
Das hat sich aber gelegt, spätestens als ich allein als 16-jähriger 1963 mit der Bahn in eine DAG-Jugendhaus nach Schliersee gefahren bin.
Insgesamt ist es so. dass ich gerne mehr
Erinnerungen an meinen Kur-Aufenthalt hätte.
Aber auch im Mai 1971 (unsere Hochzeitsreise nach Norderney) habe ich vor Ort keine Anhaltspunkte finden können, zumal ich auch damals überhaupt keine Idee hatte, wo das Haus hätte sein können.
"Heute weiß ich nach langen Recherchen, dass das „Haus Warburg“ von Rote-Kreuz-Schwestern geleitet wurde und zu der Zeit wohl der Landschaftsverband Westfalen-Lippe neben dem Kreis Höxter die
Träger des Hauses waren".
in den Schulferien 30. Juli (Do) bis 03. September 1953 (Do)
Ich wurde direkt zu Ferienbeginn wegen meines Astma`s zur Kur nach Norderney geschickt.
Wie ich heute weiß, ins Haus Warburg.
Meine Erinnerung geht zurück auf die Zugabfahrt mit vielen anderen Kindern im Bahnhof Altenbeken (Kreis Paderborn).
Ich weiss auch noch, da? Wir irgendwann mit dem Schiff gefahren sind.
An die Fahrt kann ich mich nicht näher erinnern. Meine Mutter hatte mit wohl Butterbrote und Äpfel mitgegeben. Den größten und schönsten Apfel habe ich mir verwahrt.
Wo ich mich genau dran erinnere ist, dass nach der Ankunft im Heim die Schwestern alles Essbare von den Kindern eingesammelt haben. Auch meinen schönen und großen Apfel.
Am anderen Morgen wurden die eingesammelten Früchte wieder verteilt, aber ich bekam leider nicht meinen Apfel, sondern nur einen kleinen, schrumpeligen Apfel zurück.
Negative Erinnerungen an den Aufenthalt hatte ich nicht, außer das bei den Toilettengängen, -eine Kabine reihte sich an die andere-, schon nach kurzer Zeit von den Schwestern heftig an die Türen geklopft wurde, sich zu beeilen.
Ich erinnere mich aber auch an die schönen Wanderungen durch die Dünen zum Strand, wo wir Kinder dann im Sand buddeln und bauen durften.
Und ich erinnere mich an ein nahegelegene Kiefernwäldchen, durch das wir oft gingen.
Der Kiefernwald neben dem ehem.Haus Warburg existiert noch.
Das einschneidenste Erlebnis für mich war, daas nach vier Wochen bei mir Scharlach festgestellt wurde.
Ich wurde sofort isloliert und war drei Wochen sozusagen in Einzelhaft.
Meine Mahlzeiten wurden mir durch eine Klappe gereicht. Aber sonstige Erinnerungen habe ich nicht.
Nach drei Wochen durfte ich den Raum verlassen und nach draußen, war aber getrennt durch einen Zaun zu den anderen Kindern.
Allerdings waren die Kinder, die mit mir angekommen waren, nicht mehr da.
An meine Heimreise kann ich mich leider überhaut nicht mehr erinnern.
Ob ich begleitet wurde und wenn ja, von wem.
Positiv für mich ist, das es außer den geschilderten Erinnerungen vor allem keine negativen Missstände oder Übergriffe gab.
Als Trauma ist mir geblieben, das man mich nach der Kur nirgendwo mehr hinschicken konnte, auch z. B. nicht in Zeltlager.
Das hat sich aber gelegt, spätestens als ich alleine als 16-jähriger 1963 mit der Bahn in eine DAG-Jugendhaus nach Schliersee gefahren bin.
Insgesamt ist es so. dass ich gerne mehr Erinnerungen
an meinen Aufenthalt hätte.
Aber auch im Mai 1971 (unsere Hochzeitsreise) habe ich vor Ort keine Anhaltspunkte finden können, zumal ich auch damals überhaupt keine Idee hatte, wo das Haus hätte sein können.
"Heute weiß ich nach langen Recherchen, dass das Haus Warburg von Rote Kreuz-Schwestern geleitet wurde und zu der Zeit wohl der Landschaftverband Westfalen-Lippe neben dem Kreis Höxter Träger des Hauses waren".
So sieht das Haus heute aus:
Haus Klipper (Jann-Berghaus-Straße 40
Die Begleitung im Zug Richtung Tannenhöhe schimpfte mit mir, weil ich weinte und nicht mitfahren wollte.
Als wir dort ankamen, weiß ich noch, wie wir auf dieses riesige Haus zugingen. Ich hatte furchtbare Angst und wollte nur nachhause. Wir wurden 1 mal die Woche im Keller gewogen und waren fast nackig und wurden von einem Mann (Arzt) begutachtet.
Es wurde notiert, ob man zu oder abgenommen hat. Im Erdgeschoss war das Esszimmer. Im ersten Geschoss die Schlafzimmer und im Dachgeschoss gab es einen Ruheraum mit vielen Matten. Es gab jeden Tag eine Zwangsruhestunde. Jedes Kind lag auf einer Matte und musste schlafen. Wir wurden die ganze Zeit bewacht und durften nur ganz ruhig liegen bleiben. Ich hatte damit sehr große Schwierigkeiten und konnte nie schlafen. Ich kann mich erinnern, dass ich mehr essen musste. Es gab noch einen riesigen Nachtisch und ich musste Alles aufessen. Ich bin krank geworden und habe mich in der Nacht übergeben und Fieber bekommen. Ich bin einfach ins Badezimmer gegangen, obwohl wir dass nicht durften und dann ist mir Schwarz vor Augen geworden. Ich musste dann in einem Metallbett bei der Heimleiterin im Büro an der Wand liegen und hatte fürchterliche Angst. Es wurde 1 Anruf mit meiner Mutter erlaubt, der genau überwacht wurde mit strengen Blicken. Die Heimleiterin sagte zu mir, ich solle diesen Anruf zu schätzen wissen und es ist nur eine Ausnahme weil ich krank bin. Das Gespräch mit meiner Mutter ist sehr kurz gewesen und ich konnte kaum reden. Ich lag jede Nacht in meinem Bett und habe mir vorgestellt, dass ich weglaufe, in den Zug steige und wieder nach Hause fahre. Ich habe zu der Zeit angefangen ins Bett zu machen. Die Nachtaufsicht hat es mitbekommen und zur Strafe hätte ich eigentlich für den Rest der Nacht im Flur sitzen müssen. Sie drückte aber ein Auge zu und ich durfte im Bett liegen bleiben. In dem Zimmer waren 4 - 6 Mädchen, ich weiß es nicht mehr genau. Ich musste 4 Wochen dort bleiben, an vieles kann ich mich nicht mehr erinnern.
Es gibt eine Situation, die ein anderes Mädchen betraf, darüber möchte ich hier nicht schreiben. Ich habe später eine Angsterkrankung entwickelt und auch heute habe ich noch Ängste.
Im Alter von 13 Jahren nach klappholltal auf sylt im November
Vom Gesundheitsamt in Bad schwalbach
Ich wurde alleine in einem Auto mit einer " fürsorgerin" dorthin gefahren.
Auf der Fahrt wurde mir schlecht. Man ließ mich kurz aussteigen
Keine wärmenden Worte.
Vom 1. Aufenthalt erinnere ich mich an eine Tante rosi, die sehr nett zu mir war.
Der 2. Aufenthalt war sehr schlimm.
Da gab es eine Tante, sie hieß glaube ich Monika, nicht sicher.
Sie hat fast nur geschrien und war schon heiser.
Sie schien überfordert zu sein
Ich hatte ganz schlimmes Heimweh und weinte jeden Tag im Bett.
Ich kann mich an kein liebes Wort erinnern.
Niemand sprach mit mir.
Die Mädchen waren fast alle bettnässer und es roch jeden Morgen nach Urin.
Es war deshalb immer eine Panikstimmung am Morgen.
Beim Frühstück musste jedes Mädchen vor allen sagen ob es ins Bett gemacht hat oder nicht.
Dies wurde dann eingetragen.
Ich war froh, nie ins Bett gemacht zu haben und die Mädchen Taten mir leid.
Ein zierliches Mädchen sollte sein erbrochenes am Tisch noch mal aufessen.
Eine dicke küchenfrau stellte sich wie ein dragoner hinter ihren Stuhl, und befahl ihr aufzuessen. Ich sehe noch heute, den flehenden Blick dieses Mädchens ,zu mir. Ich litt darunter ihr nicht helfen zu können.
Ich weiß nicht mehr , wie es ausgegangen ist.
Mittwochs wurden wir zu den wannenbädern geschickt nach bad Wildungen
Ein freundlicher Mann fuhr uns immer und ich beneidet ihn. Er lebte für mich in der Freiheit, und ich hätte ihm am liebsten von meiner Not berichtet und was in diesem Heim passiert.
Wir spielten in einer fichtenmomokultur immer mit viel Leidenschaft " Familie " . Es war für kurze Zeit wie ein kleiner Trost.
Vor kurzem war ich mal wieder in reinhardshausen, und stellte fest, daß mir Bad Wildungen völlig unbekannt war. Wir scheinen nie dort oben rausbekommen zu sein?
Die Nebengebäude des Heimes sind alle abgerissen worden.
Es steht bestens renoviert das Schwarzwaldhaus, von weitem gut sichtbar.
Weiter unten sah ich dann eine kleine alleenstraße, und ich wusste plötzlich wieder, daß diese Straße der Weg zurück in die Freiheit war.
Ich wurde wieder als einzige in diesem Auto abgeholt.
Ich saß alleine in einem gelb gestrichenen hohen Vorraum, ich denke es war in diesem Schwarzwaldhaus.
Ich war erleichtert endlich wegzukommen, aber sie kamen nicht pünktlich. Da verlor ich fast im letzten Moment meine Fassung.
Ich dachte, die kommen nicht !!!!
Zu Hause hatte meine Mutter einige Überraschungen für mich vorbereitet, und schaute mich gespannt an. Aber ich konnte keine Freude empfinden. Ich glaube ich ging einfach stumm weg.
Mehr weiß ich nicht mehr.
Vor 2 Monaten erst, bekam ich eine sehr wichtige Information von meiner besten Kinder und schulfreundin A. B. Sie sagte, ich hätte nicht mehr gesprochen. Sie kannte mich davor immer sprudelt und lebendig.
Sie habe mich gefragt, vera warum redest du nichts mehr.? Da soll ich gesagt habe, ich hatte so schlimmes Heimweh.
Ich kann mich an dieses Gespräch nicht mehr erinnern!!!
Ich kann mich nicht erinnern, das meine Eltern mich etwas diesbezüglichen gefragt haben.
Mein Bruder Thomas kann sich an mein verändertes verhalten auch nicht mehr erinnern
Er riet aber meinen Eltern von dieser Kur ab, im Vorfeld.
Denn, er war 4 mal verschickt....
Hat nichts genützt.
Mein Bruder ist 6 Jahre älter als ich.
Nun erst begreife ich, woher meine atembeklemmungen mit 10 Jahren kamen......!
Mir hat es wohl für einige Zeit die Sprache verschlagen....
Ich habe sie wiedergefunden!
Klappholltal auf sylt war eine gute Zeit. Wir hatten warmherzig uns wahrnehmende Betreuer dort.
Sie haben uns nach unserem befinden gefragt.... das war neu.
Wir hatten so viel Spaß und wollten nicht mehr nach Hause.
Ich denke , daß war eine Heilung für mich.
Allerdings las ich nun hier, daß jemand ganz schlimmes dort erlebt hat.
Das hat mich doch sehr traurig gemacht. Ich dachte, klappholltal sei von dieser schlimmen Vergangenheit nicht betroffen. Auch aufgrund seiner speziellen historischen Vergangenheit...!
Heute ist klappholltal eine Akademie am Meer . Ich machte dort meine beruflichen Fortbildungen . Eutonie nach Gerda Alexander.
Möge diese Aufarbeitung viel Heilung für alle bringen.
Mein Dank gilt allen, die sich so dafür einsetzen.
Besonderen Dank an Anja Röhl. Die dies initiiert hat.
Vera Z.
Ergänzung: ich kam mal auf die krankenstation. Dort musste ich unmengen von Wasser trinken. Es wurde ein test gemacht. Nur ganz langsam konnte ich mich wieder von diesem Wasser befreien.
Ich lag alleine in einem Bett, für einen Tag.
Die Schwester war hektisch, unterkühlt.
Niemand sprach mit mir oder erklärte etwas.
Ich war ja dort, wegen blasenprobleme.
Aber auch das hatte ganz andere Ursachen, die in diesem Heim gar nicht erfasst wurden, die Kur hat nichts gebracht.
Resultat der Kur : 3 Kg Gewichtszunahme, mein Gesundheitszustand besserte
sich kontinuierlich, ich fing mit Sport an und wurde Leistungsturner. Bestand vorher noch die Gefahr, dass ich von der Realschule zur Hauptschule zurück musste, so wurde ich in der Schule immer besser und habe später die Uni besucht. All das führe ich auf die Verschickung zurück. Ein damaliger Kur-freund sagte mir später, die Kur sei die beste Zeit seines Lebens gewesen. Für mich war es eindeutig der Auslöser für bessere Zeiten.
Meine Mutter hat mich 1965 in einem Verschickungsheim in Wangen im Allgäu abgeliefert und für ein halbes Jahr einfach dort zurückgelassen und ist wieder abgehauen. Seltsamerweise erinnere ich mich noch an rauchende Lokomotiven in einem Bahnhof am Bodensee auf der Fahrt dorthin. In Wangen angekommen ist vieles nur verschwommen, aber ich erinnere mich das ich den Milchreis, den wir ständig bekamen, in eine Schublade neben meinem Bett gekippt habe und dafür schwer bestraft wurde. Alle Nase lang gab es irgendwelche Untersuchungen. Und irgendwann bin ich nachts aus dem Heim verschwunden und wurde nach mehreren Tagen an einem Waldweg gefunden. Wie ich da rausgekommen bin wurde nie geklärt weil das Haus nachts immer abgeschlossen wurde. Eine schlimme Zeit und ich hoffe das alle Verantwortlichen auf ewig in der Hölle schmoren.
Mit 5 Jahren war ich dort 9 Monate verschickt und Frau Dr. Rothermund hat an mir schmerzhafte genitale Untersuchungen vorgenommen, die bei einem 5 jährigem Mädchen sicher nicht notwendig waren .
Einmal hatte ich Kontakt mit einer Frau aus Lübeck (den Namen habe ich leider vergessen ), die mir erzählte, Dr.Rothermund hat sich immer einzelne Mädchen rausgegriffen und sie mit in ihr einzel stehendes Haus auf dem Gelände mitgenommen. Sie habe sie dann am Bauch gestreichelt.
Über Erfahrungsberichte wäre ich Euch dankbar.
Grüße an alle von Eve-Marie
1997 war ich ein weiteres Mal im Schwarzwald. Dieses Mal 10 Jahre alt. Ich war dort, um zuzunehmen. Also musste ich den Teller immer komplett leer essen. Dadurch habe ich heute noch Probleme. Dann kann ich mich immer an eine erzwungene Mittagsruhe erinnern. Ein großer Wintergarten, in dem ein Bett neben dem anderen stand. Und wir MUSSTEN schlafen!
Bei diesem Aufenthalt fing ich mir Läuse ein. Gemeinsam mit einem Geschwisterpärchen musste ich dann abends um 20 Uhr nach unten. Nachtschwester Maria hat unsere Köpfe mit einer Tinktur eingerieben, die ekelhaft nach Edding stank. Diese musste 1h einwirken und wir MUSSTEN in dieser Zeit die Essenräume fegen und die Tische für das Frühstück am nächsten Morgen decken.
Die Kommunikation nachhause war ebenfalls sehr schwierig. Wir konnten 2x telefonieren und Briefe schreiben. Mein Vater war zu dieser Zeit alleinerziehend. Nach meinem Kuraufenthalt haben wir ohnehin einen Urlaub im Schwarzwald geplant, also war der Plan, dass er mich an meinem letzten Kurtag abholt. So hatten wir das ausgemacht. EINEN Tag vor Kurende kam die Heimleitung zu mir und teilte mir mit, dass das mit dem Abholen nichts wird, da mein Vater "keine Lust" habe, den weiten Weg auf sich zu nehmen. Ich sagte, dass wir sowieso in Loßburg Urlaub gebucht haben und er den Weg ohnehin fahren müsse. Ich solle still sein und mit allen anderen am nächsten Tag mit dem Bus zurück nach Wiesbaden fahren. Dort angekommen sprang ich meinem Vater weinend in die Arme und fragte, warum er mich nicht abholen wollte. Er sagte daraufhin, dass das Heim ihn angerufen hätte und sagte, dass ICH mit dem Bus heimfahren WOLLTE!
Ich könnte noch so viele Geschichten erzählen. Hier vielleicht ein paar Stichpunkte:
- Heimweh, Tränen, die man auf dem Brief an die Eltern auf dem Papier sah. Ich musste den Brief nochmal schreiben ("Deine Eltern sollen nicht merken, dass du Heimweh hast!")
- erzwungene Mahlzeiten für die "dünnen" und sehr rationierte Portionen für die "dicken" Kinder. Übergewichtige Kinder wurden übrigens "Dinos" genannt inkl. Aufkleber am Sitzplatz, damit die Essensausgabe wusste, wer nicht viel zu Essen bekommt.
- Absolute Nachtruhe. Kein Flüstern. Nichts. Bei zu laut ging ein rotes Lämpchen an und über Lautsprecher wurde man zurechtgewiesen (das passierte auch, wenn man sich nachts umdrehte, schnarchte, etc. Folge: Man wurde durch die Durchsage 'Ruhe jetzt!' häufig aus dem Schlaf gerissen)
- Nachtschwester macht sich über "Läusekinder" lustig
Ich würde NIE NIE NIE auf die Idee kommen, meine Kinder zu einer Kur zu schicken. Schon garnicht alleine. Schon garnicht so lange. Und schon garnicht in so einem jungen Alter wie ich es damals war!
Schreibt mich gerne an, falls ihr euch austauschen wollt. Leider habe ich keine Unterlagen mehr von 1997 oder Namen, aber ich weiß, ich hatte ein Mädchen in meinem Zimmer. Sehr groß für ihr Alter, sehr schlank, kurze dunkle Haare. Gewohnt hat sie in Homberg/Ohm.
Ich bin Jahrgang 1964 und 1973 oder 1974 zu Ostern mit 2 weiteren Jungen aus dem damaligen Kreis Ziegenhein (Hessen) verschickt worden, über das Gesundheitsamt, wegen Asthma und leichter Neurodermitis, nach St. Peter Ording. An was ich mich erinnere ist, daß wir zu dritt in Treysa in den Zug stiegen und in einem Abteil saßen. Der eine Junge hieß auch Reinhold so wie ich und der andere evtl. Andreas ( 2 oder 3 Jahre älter als ich) und kam aus dem Dorf Wasenberg. An mehr erinnere ich von der Hinfahrt nicht. Auch an den Aufenthalt im Kinderheim erinnere ich mich nur Lückenhaft.Der große Schlafraum war im 1. Stock, Im Zimmer lag ich dann mit 8-10 Jungen. Mein Bett stand gleich an der Tür rechts. Die erste Nacht habe ich vor Heimweh nur geweint. Die Jungs im Zimmer waren ziemliche Rabauken, kamen zum Teil aus Frankfurt/M. Dagegen war ich eher zart beseidet. Wer sich nicht benahm musste die Nacht in einer kleinen Kammer, unter der Treppe, die zu den Zimmern unter das Dach führte, verbringen. An das Essen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ob es geschmeckt hat oder nicht. Einmal hab ich dem o.g. Reinhold mal von mir den Teller gegeben. Aber ob das dannFolgen hatte, , daran kann ich mich nicht erinnern. Zu Hause musste bei uns ja auch gegessen werden, was auf den Tisch kam. So lange bis der Teller leer war. Das kannte ich also schon.
Aus mir heute nicht mehr erinnerbaren Gründen, hielt ich irgendwann den Stuhlgang ein, bis ich mir in die Hosen machte. Hab versucht das zu verheimlichen, die Unterhose zu verstecken... dann reißt der Erinnerungsfaden. In meiner nächsten Erinnerung werde ich (nackend) mit kaltem Wasser, mit einem Schlauch abgespritzt und jemand sagt "ich wäre ein Schwein". Diese Worte hatte meine Mutter aus meinen Erzählungen damals, noch heute in Erinnerung. Ich selbst hatte sie vergessen.
Vor dem Kinderheim war eine kleine Anhöhe auf der wir manchmal spielten.
Mein Osterpäckchen durfte ich nicht behalten. Ob und wieviel ich daraus bekommen habe, kann ich nicht erinnern.
Irgendwann durfte ich aus dem großen Schlafraum ausziehen und unters Dach ziehen, zu dem älteren Jungen o. g. aus Wasenberg. Das fühlte sich wie eine Befreiung an. Wir lagen dort zu 3.Der andere Reinhold kam irgendwann auch dazu
Ob wir viel gewandert sind weiß ich nicht mehr. Oder im Wellenschwimmbad waren auch nicht. Verliebt hatte ich mich in ein Mädchen namens Tosca.(glaube ich).
An die Rückfahrt mit dem Zug nach Hause kann ich mich nicht mehr erinnern
Im Forum schrieb jemand etwas von einem Spielplatz namens Ponderosa. Der Name kam mir bekannt vor. Ach ja, eine Postkarte vom Weberhäuschen im Internet hat mich auf den Namen des Kinderheimes gebracht.
Wenn jemand ungefähr in diesen
Jahren im Weberhäuschen war, würde ich mich über Austausch freuen.
VG Reinhold
Ich kann mich (leider) an garnichts erinnern.
Meine Mutter erzählte mir, dass ich mich nicht gefreut hatte wieder zuhause zu sein und dass ich erstmal nicht gesprochen habe.
Ich habe 1 Foto und 4 Briefe von damals, die die Betreuer meinen Eltern geschrieben hatten.
Ich würde sehr gern andere Betroffene kennenlernen, die auch in Mönchwinkel waren, vielleicht sogar im selben Jahr 🙂
ich war 2x von der AOK aus in einer Kinderkur, weil ich klein und schmächtig war.
Das erste Mal mit 5 Jahren in Villingen, Haus Tannenhöhe für 3 Wochen. Das Haus wurde von Diakonissen geführt. Ich hatte großes Heimweh. Eingehende Post der Eltern wurde weder erwähnt noch vorgelesen. Schön waren die Gruppenspaziergänge im Wald gegenüber zu
einem Eichhörnchen namens Hansi.
Einmal wurde ich eingesperrt in einem abgedunkelten eiskalten Raum, der mit Stapelstühlen und Tischen vollgestellt war. Ich musste mich bis zur Unterwäsche ausziehen und zur Strafe allein und frierend über -gefühlt sehr lange Zeit- schweigend und stehend darin verharren. Das war eine übliche Strafe. Ich weiß nicht mehr, wieso ich diese bekam.
Jedenfalls war ich das 2. Kind, das auf diese Weise an Scharlach erkrankte. Und das war mein und unser Glück: Wir kamen allesamt ins Krankenhaus und füllten dort als Gruppe mindestens 2 , nur durch eine Glaswand getrennte Zimmer. Da gings uns gut. Uns wurde vorgelesen und ich erinnere mich an eine fröhliche Kissenschlacht.
Wir waren dem Kurheim und den dortigen Schwestern entronnen!
Allerdings verständigten die Diakonissen nicht die Eltern, über die Krankenhauseinweisung und als Begründung wurde mir gesagt, dass, wenn man das täte, ich dann länger zur Kur bleiben müsste.
Dieser Zusammenhang erschließt sich mir heute natürlich nicht, allerdings habe ich den auch als 5 Jährige nicht hinterfragt.
Zerbrochen bin ich damals nicht. Das hing auch damit zusammen, dass wir als Gruppe unsere Scharlacherkrankung und den Krankenhausaufenthalt als glücklichen Ausweg des Entkommens empfanden. Wir waren dem Sadismus nicht ohnmächtig ausgesetzt, das machte uns stark.
Ich wurde noch ein weiteres Mal zur Kur geschickt - 1970/71 von der AOK aus nach Wyk auf Föhr. Den Namen des Heimes weiß ich nicht mehr.
Dieses mal für 6 Wochen.
Die Tanten hießen Rani, Britta und Ingeborg.
Rani und Britta waren oft abends und in der Nacht weg. Brittas Lieblingswort war "dufte".
Es war oft unter Tags und immer ab abends verboten zu trinken. Das war furchtbar schlimm. Denn das Essen war sehr salzig. Allein "Tante Ingeborg" erlaubte hin und wieder zu trinken nach dem Zubettgehen, wenn der Durst sehr schlimm war.
Das Essen war oft ekelig. Einmal erbrach ich eine Bratwurst - gleichwohl musste ich den Rest des Essens aufessen. Ich schnipste warum auch immer mit Erbsen durch den Speisesaal - und wurde daraufhin an den sogenannten " Eselstisch" gesetzt.
Irgendwie fühlte ich mich dabei jedoch auch stolz, weil ich mich wehrte.
Ich war die Zimmerälteste - und hatte lt. der Tanten die "Zimmerverantwortung". Ein Kind im Zimmer, sie hieß Michaela, hatte einmal abends hohes Fieber - es war nirgendwo jemand vom Betreuungspersonal zu finden. Mitten in der Nacht kamen die Tanten Rani und Britta nach Hause - ihr Betreuerzimmer lag neben unserem Gruppenzimmer - und schimpften, weil wir noch nicht schliefen.
Ab da schmiedeten wir Pläne abzuhauen - was jedoch am Inseldasein scheiterte und weil uns das doch niemand glauben würde...
Telefonate wurden überwacht, ausgehende Briefe zensiert und das Päckchen, das ich von meinen Eltern erhielt, wurde mir weggenommen. Ich durfte lediglich eine Blendi-Zahnpasta und ein Micky Maus Heft entnehmen. Dabei hatte ich mich so über den Gruß der Eltern gefreut - ich hatte schreckliches Heimweh.
Vielleicht weiß jemand, um welches Heim es sich hier handelte?
Indikation war vermutlich schlechter Allgemeinzustand, Untergewicht und soziale Indikation.
Die lange Trennung von der Mutter und dem häuslichen Umfeld war traumatisch, die Umstände der Unterbringung und der Umgang der Nonnen mit den Kindern ebenso.
Ich kam mit Windpocken nach Hause zurück und war dadurch weitere 4 Wochen krank, fehlte also insgesammt 2 bis 3 Monate in der Schule.
Während der Kur wurde ich regelrecht krank vor Heimweh. Die ganze Zeit war eine Art Alptraum, der gefühlt ewig gedauert hat. Es war eine Zäsur in meiner Kindheit. Ich war danach nicht mehr der selbe. Habe kaum meine Mutter mehr erkannt, die Bindung und Beziehung zu ihr wurde nachhaltig unterbrochen. Auch aus dem Schulleben war ich irgendwie heraus katapultiert.
Ein Kurerfolg wr natürlich nicht festzustellen. Dafür eine nachhaltige Traumatisierung mit lebenslangen seelischen Folgestörungen und auch sozialen Verhaltensstörungen.
Trennungen jeder Art sind seither kaum noch zu bewältigen gewesen. Längere Zeit von zuhausse weg zu sein ging lange nicht. In Urlaub fahren war reiner Stress.
Natürlich gab es in meiner Kindheit multiple Faktoren und Traumata, wie bei vielen Kindern meiner Generation. Aber die Kur war eine Art Atombombe für meine Kindheit. Das war jenseits dessen, was man aushalten und verarbeiten konnte.
Explizite schwere Mißhandlungen erinnere ich nicht, ich möchte auch nicht vergessen dass es dort eine jüngere Schwester gab, sie trug glaube ich weiß, die lieb war und mich getröstet hat. Sie spielte und tobte auch mal mit uns, wurde dafür aber von der Schwester Oberin (glaube ich) ausgeschimpft.
Ich habe als Erwachsener lange Therapie gemacht und das hat auch geholfen. Aber man lernt im Grunde nur damit zu leben. Man kann es nicht rückgängig machen.
Die Folgen insgesammt waren für mich letzten Endes volle Erwerbsminderungsrente mit 49 Jahren, vorrangig wegen schwerer chronifizierter Depressionen.
Ich würde sagen, dass ich in dier Zeit auf Kur ein Stück weit gestorben bin.
Seelen-Mord, das wäre eine treffende Umschreibung für das was damals passiert ist oder zumindest "versucht" wurde.
Mich aber kann man nicht brechen, das weiß ich mittlerweile ganz genau. Auch später im Leben nochwurde das immer und immer wieder versucht.
Ich bleibe aber wer ich bin. Im innersten bin ich einfach nicht tot zu kriegen. Gut so!
Die An- und Abreise fand per Bus statt.
Ich erinnere mich an das Gehen in Zweierreihen am Strand im Regen.
Mehr ist nicht da.
Ich weiß, daß mein Freund aus Berlin im selben Alter dabei war, aber ich kann mich nicht daran erinnern.
Ich weiß nur noch sehr genau, dass ich nichts gefühlt habe, als ich wieder zuhause war. Meine Mutter hatte Waffeln für mich gemacht und es gab ein Geschenk. Ich sehe beides vor mir auf dem Schränkchen und ich fühle nichts, keine Freude, gar nichts.
Meine Mutter erzählt mir, dass ich nicht mehr gesprochen habe und sie Lebensmittel bei mir gefunden hat, die ich hortete.
Mein Freund und ich haben immer von unserer Verschickung ins Kinder-KZ gesprochen, und nun stellt sich heraus, es könnte wirklich eins gewesen sein.
viele Grüße
Oliver
Ich war mit vier Jahren dort. Drei Wochen in Quarantäne mit Windpocken. Einzelzimmer. Vorher würde ich von älteren Kindern geärgert. Es war alles schrecklich. Ich hatte verfilzte Haare. Es waren die Läuse ausgebrochen . Es war schrecklich.
Nach der Kur bin ich nicht einen Tag in den Kindergarten. Mein Vater gab dafür meiner Mutter die Schuld. Meine unbeschwerte Kindheit war nach der Kur vorbei. Ich hatte Alpträume über Scham. Ich fühle seitdem Scham und Schuld. Niemand hat jemals über die Kur mit mir gesprochen.
Karin
Für alle noch nachträglich ein Gutes, erfreuliches, gesundes und wundersames neues Jahr 2025.
Verschickungsheim: Rechtis-Weitnau im Allgäu
Zeitraum (Jahr): 1959-1960?
Hallo liebe Heimkinder,
nach wie vor suche ich Kontakt zu möglichen Heimkindern in den Jahren 59/60 evtl. 61 die ebenfalls in dem Kinderheim-Verschickungsheim
Rechtis-Weitnau im Allgäu gewesen sind. Wohl habe ich den einen oder anderen Kontakt doch sie sind wesentlich jünger und ich werde nun bald 70. Wäre dennoch über Kontakte froh, ich habe hier immer wieder mal einen Beitrag geschrieben.
Wer kann sich auch an Rechtis in diesen Jahren Erinnern weil er dort zur
"Kur" gewesen ist.
Namasthe
Die Erinnerungen an den eigentlichen Aufenthalt liegen undeutlich hinter einer Nebelwand des Vergessens. Nur einige wenige Eindrücke und Bilder scheinen hindurch: Der Gang mit unserer Mutter an einer Häuserreihe entlang zu einem Bus, indem schon andere Kinder mit Gepäckstücken warteten. Ein Haus in Hanglage in bewaldeter Umgebung. Eine Frau, die das Kommando hatte. Heimweh. Ein Teller Suppe vor mir. Ein Schlafsaal mit weißen Bettgestellen.
Nur zwei Szenen kommen etwas deutlicher hervor: Es ist Winter, draußen liegt Schnee. Wir betreten das Haus durch einen Seiteneingang im Untergeschoss. Links und rechts an der Wand steht jeweils eine lange Bank mit Garderobenhaken darüber. Wir sitzen auf der Bank und zeihen uns unsere Winterkleidung aus.
Zweite Szene: Eine Spielrunde in einem großen Saal. Wir sitzen im Kreis. Die Frau mit dem Kommando fragt, ob wir Sterne sehen wollen. Ein oder mehrere Kinder werden vor die Tür geschickt. Wir anderen sollen nichts verraten. Ein Junge wird hereingerufen. Es muss sich inmitten des Kreises auf dem Boden legen und an die Decke schauen. Er soll ein Fernrohr bekommen. Das Fernrohr ist der lange Ärmel eines Mantels. Der Mantel wird über sein Gesicht gelegt, der Ärmel nach oben gehalten, so dass der Junge noch ein wenig von der Zimmerdecke sehen kann. Dann nimmt die Kommandofrau ein Glas Wasser, schüttet es von oben in den Ärmel auf das Gesicht des Jungen und sagt: „So, jetzt siehst du Sterne“. Der Junge ist erschrocken, springt auf und weint. Wir anderen lachen.
Zu Hause, als einmal mehrere Kinder zum Spielen bei uns waren, wollte ich dieses Spiel wiederholen. Ich suchte nach einem Mantel. Unsere Mutter konnte mich zum Glück von meinem Vorhaben abhalten. Es wäre nicht gut, anderen Menschen Schaden zuzufügen und sich dann darüber lustig zu machen. Das sah ich ein und schämte mich ein bisschen.
Ob mir die Kinderverschickung auch ein wenig genützt oder eher geschadet hat, kann ich nicht beantworten.
Ich hätte aber gern gewusst, wo ich damals überhaupt gewesen bin. Unterlagen oder Wissen gibt es in der Familie dazu nicht mehr. Ich erinnere mich noch dunkel, dass von einem Ausflug an die Lorelei die Rede war. Ich wusste damals nicht, was die Lorelei ist und bin auch nicht dort gewesen. War ich krank und durfte nicht mit oder hat der versprochene Ausflug garnicht stattgefunden? Aber immerhin ist die Lorelei ein örtlicher Anhaltspunkt.
Über https://verschickungsheime.de habe ich das wahrscheinliche Heim ausfindig gemacht. Alles passt zusammen. Es muss das Kindererholungsheim „Jagdhaus Dr. Stäckel“ in Weisel bei St.Goarshausen/Rheinland-Pflaz gewesen sein. 1955 eröffnet war es Vertragsheim der Barmer Ersatzkasse und hatte seit 1964 Platz für „20 Knaben u. 30 Mädchen v. 6- 12 Jahren, ganzjährig“. Träger waren Dr. Walter Stäckel und seine Frau Erna Stäckel. War Erna Stäckel die „Komandofrau“?
alleine weg. Ersten 2 Wochen waren sehr
hart. Geld u. Persönliche Gegenstände
wurden abgenommen.
Mit der Zeit wurde es aber besser
Schule war ich gut Fußball durften
wir auch spielen . War schon eine
harte Zeit nach 6 Wochen ging es wieder
nach Hause. Hatte 600 Gramm zugenommen. Hat mich für mein
ganzes Leben bis jetzt stark gemacht.
War nicht alles so schlecht
Liebe Grüße
Gerne würde ich mit Ingo einen direkten Kontakt aufnehmen wollen. Schreiben Sie mir bitte auf meine Adresse = Peter.Drude(at)gmx.(net); gerne auch andere Betroffene mit dem Betreff Verschickungsheime.
Herzlichen Dank.
Fremden ausgeliefert. Meine Erinnerungen an die Kuren sind gut, die Bilder davon sehe ich mir noch immer gern an. Deshalb habe ich auch unsere Tochter 1990 nach Wiek auf Rügen fahren lassen.
Einzig nicht so gut war, dass in Heidenau unsere im August 1973 begonnene Kur um 3 Wochen verlängert wurde, weil eine Ruhrepedemie ausgebrochen war. Wir verpassten den Schuljahresbeginn, was besonders für die Schulanfänger unter uns schlimm war. Wer hier war da auch dabei? Ich würde mich zu diesen Erinnerungen gern austauschen!
Die schlimmste Zeit in meiner Kindheit. Habe noch folgende Dinge in Erinnerung:
Essenszwang ( egal, wie lange es dauert), Toilettenverbot nachts ( Nachtwache durch Nonne)
Das Bett musste man nach Einnässen und Erbrechen nächsten Morgen selbst wieder in Ordnung bringen.
Auf Ausflügen gab es Brote mit Zucker. Habe die gehasst, wobei das Essen mich im allgemein eher an eine Srafanstalt erinnert hat!
Bestrafung durch Arrest in Einzelzimmern. Ein Kind wurde meist nachts aus dem Gruppenraum geholt ( oft ohne Grund) und musste alleine schlafen ) wo und mitwem auch auch immer, mittlerweile kann man es ja denken!
Kein Kontakt zu meiner Schwester, die zu dieser Zeit auch dort in der Einrichtung war, sie die Zeit aber nicht so schlimm empfand!
Komplett Ausziehen vor einem Arzt und einer Nonne , um zu sehen, wie man sich so entwickelt, (auch Geschlechtsteile) wurden 1 x pro Woche interessiert beschaut und teilweise angefasst.
Bin dort nicht vergewaltigt oder sexuell misshandelt worden ( außer oben beschrieben ) kann mir das aber sehr gut vorstellen, das es solche Fälle gegeben hat.
Ob die Kur im Nachhinein uns Kindern etwas gebracht hat wurde von Seiten der Verschickungsorganisationen nie nachgefragt.
Habe im Nachhinein das Gefühl gehabt die haben Hand in Hand gearbeitet .
Mir tut es wahnsinnig leid für alle die Kinder, die hier sexuell missbraucht worden sind .
Hoffentlich passiert so etwas nie wieder!!
Seelischer Missbrauch fand hier bei fast allen Kindern statt!
Kann mich noch an die strenge Oberschwester Burghade erinnern. Erzieherinnen waren damals eine Maria, Petra und eine Praktikantin.
Wir wurden zuhause von uns fremden Personen abgeholt und in einen Zug gesetzt. An die Zugfahrt kann ich mich nicht mehr erinnern, sie muss aber lang gewesen sein, da wir aus Mittelhessen kommen.
Im Heim wurde ich von meiner Schwester getrennt. ich kann mich nur an einzelne Sequenzen unseres sechswöchigen Aufenthaltes dort erinnern, der Rest liegt wie unter einem Schleier.
Zum Mittagessen gab es dicken ekligen Reisbrei, der aufgegessen werden musste. Die " Tanten " selbst aßen bessere Speisen.
Wir mussten stundenlang wandern und jeden Tag ca. 2 Stunden Mittagschlaf entweder auf dem großen Balkon oder in den Zimmern machen machen. Fand der in den Zimmern statt, mussten wir uns mit geschlossenen Augen mit dem Gesicht zur Wand legen. Einmal wurde ich körperlich bestraft, weil ich zwar regungslos - wie vorgeschrieben, aber mit geöffneten Augen da lag. Wir durften während des Mittagschlafes weder sprechen noch auf Toilette gehen. Auch nachts durften wir nicht auf Toilette gehen. Beim Mittagschlaf auf dem Balkon lagen wir zeitweise in der prallen Sonne. Ich holte mir einen starken Sonnenbrand mit einer großen Blase im Gesicht, darum kümmerte sich aber niemand. Die Blase platzte dann irgendwann beim Mittagessen.
Die Stimmung war, soweit ich mich erinnere, immer gedrückt. wir mussten immer still sein, es herrschte ein Klima der Angst nach dem Motto " bloß nicht auffallen ". An fröhliche Kinderspiele kann ich mich nicht erinnern.
Ich kann mich an zwei körperliche Bestrafungen erinnern, einmal an das oben beschriebene "Vergehen " mit offenen Augen im Bett zu liegen und einmal, weil ich heimlich versucht habe mein Mettwurstbrot mit dem meiner Tischnachbarin zu tauschen. Meine Tischnachbarin hieß Karoline, an die Namen anderer Kinder kann ich mich nicht erinnern. nur noch an den Namen einer " Tante " , sie hieß Helene.
Die Briefe nach Hause wurden zensiert man durfte nur Positives schreiben.
Meine Schwester hat dort auch sehr gelitten, obwohl sie schon 10 war, das hat sie mir Jahre später erzählt.
An die Heimreise und das Wiedersehen mit meinen Eltern kann ich mich nicht erinnern. Meine Mutter beschrieb mich später als apathisch und versteinert beim Wiedersehen. sie sagt, sie habe mich gefragt: " Kennst du mich nicht?" und ich habe apathisch geantwortet : " Doch, du bist meine Mama." Mit unseren Eltern haben wir nie über die schlimme Zeit in Hogschür geredet, sie hätten uns sowieso nicht geglaubt.
Ich hatte in meiner Kindheit Dissoziationen - häufig während Schulausflügen und habe mich oft in Gruppen mit vielen Kindern unwohl gefühlt. Das hat sich erst als Jugendliche in der Oberstufe geändert.
Wenn meine Tochter auf Klassenreise war mir immer hundeelend, ich weiß nicht, ob das etwas mit dem Kuraufenthalt zu tun hat.
Danke, dass ihr euch Zeit genommen habt, meinen Bericht zu lesen.
Liebe Grüße Karin
Vom 21.02. - 4.4.1975 wurde ich über die Barmer Ersatzkasse von Wiesbaden aus zur sogenannten "Kinderkur" nach Haffkrug in das Haus Marion (Privatkinderkurheim der Familie Ellenberger) geschickt.
Grund: ständig wiederauftretende Bronchitis und angeblich zu dünn
die Idee zur Kur wurde angestoßen von einem Freund meines Vaters, K.H.Grund, damals in der Barmer Ersatzkasse tätig, die Kinderärztin Frau Dr. Sommer stellte dann wohl den Antrag.
Die Abreiseuntersuchung fand genau an meinem achten Geburtstag statt, nur 3 Tage später ging es los. Bis dahin war ich ein glückliches und aufgewecktes Kind mit einer liebevollen Verbindung zur Familie und habe gerne draußen spielt. Zurück kam ich still, in mich gekehrt und verändert. Es gibt einiges, an das ich mich erinnere, aber auch noch viele Erinnerungslücken.
Trotz attestiertem angeblich "guten Kurerfolg" ist die Bronchitis bis ins junge Erwachsenenalter geblieben , zugenommen habe ich 300g, einhoher Preis, wie ich finde für das Getrenntsein von der Familie und die Verschickungsfolgen...
Ich erinnere mich an das Packen, die obligatorischen Namensschilder in allen Kleidern und dass der Koffer schon am Vortag am Hauptbahnhof aufgegeben wurde. Für die Abfahrt gab es dann noch einen Rucksack, gefüllt mit etwas zu Essen, einer Feldflasche, gefüllt mit Tee, einer Dose Limonade und Zahnbürste, Schalfanzug und Handtuch für den ersten Abend.
Bis zu dem Moment, als meine Eltern mich in den Zug setzten, habe ich nicht geglaubt, dass sie das wirklich tun. 11 Stunden dauerte die Reise damals, ich kann mich an kein anderes Kind, keine Betreuungsperson erinnern, nur an das Gefühl von unendlichem Alleinsein. Und irgendwie bestraft...wofür eigentlich.
Ab jetzt gibt es nur Erinnerungsfetzen:
- an die unendliche Fahrt, später durch die Dunkelheit...ich war noch alleine nie von zuhause weg, erst recht nicht im Dunkeln, das Heimweh war das schlimmste
- Habe noch nie zuvor eine Getränkedose benutzt und wußte nicht, dass sie ausläuft, wenn man sie geöffnet in den Rucksack stellt: Mein Schlafsanzug war pitschnass, als wir ankamen und ich mich bettfertigmachen sollte...ich habe mich niemandem anvertraut, kann mich auch an niemanden vertrauenswürdigen erinnern, der da war für mich...die eiskalte Nacht im nassen Schlafsack voller Angst vor den nächsten Wochen erinnere ich als eine der schlimmsten meines Lebens. Heute weiß ich: ab da habe ich mich verschlossen, um diese Zeit und das getrenntsein von der Familie Vater (Mutter und 2 Schwestern, mit denen ich sehr eng verbunden war) durchzustehen. Bis heute ist oft die erste Nacht an einem fremden Ort die schlimmste, selbst wenn z.B. der Anlass (Urlaub) ein selbstgewählter und schöner ist.
- Das Essen: Ich sollte ja zunehmen, also war "essen, was auf den Tisch kommt", Pflicht. Das Essen war ungewohnt, es gab viel Innereien (Leber, Nieren), vor den Gerüchen von Leber, von Karokaffee und auch Kaffee(duft damals aus der Küche) und aus Pulver angerührtem Kartoffelbrei oder nicht durchgegahrten kartoffeln im Kartoffelsalat ekle ich mich bis heute. Ich habe oft als letzte noch lange im Speisesal gesessen. Zum Glück durfte ich dann irgendwann aufstehen und wurde nicht gezwungen, auch den letzten Rest runterzuwürgen.
Karokaffee habe ich, wann immer heimlich möglich, in größtmöglichen Mengen im Mund zum Klo transportiert und hineingespuckt. Die Innereien, die ich auch essen musste, als ich krank war, habe ich einmal hinter den Schrank im Zimmer geworfen, zum Glück hats keiner gemerkt. Meinen Platz im Speisesal weiß ich heute noch, habe ihn auf einem Foto von Haus Marion wiederentdeckt...neben zwei Kindern eingequetscht an einer Wand, so dass man nicht einfach rauskonnte. Solche Situationen oder unerwartet lange Wartesituationen hasse ich bis heute, bekomme dann Panik....was ich jetzt endlich einordnen kann.
- ich kann mich nicht direkt an Strafen erinnern, aber daran, dass wir immer sehr leise sein mussten, v.a. beim Mittagsschlaf und nachts. Haben wir überhaupt jemals gesprochen?
- Morgens ging es auf lange Spaziergänge an den Strand (das war für mich, als ehemaliges Wanderkindergartenkind ein Glück und vielleich tein Rettungsanker und darum nicht so schlimm, wie für andere...das hies aber auch lange Einhalten ohne Toilette, hat nicht immer geklappt....das war mir sehr peinlich, denn ich musste dann jemand erwachsenen bitten, mir frische Kleidung zu geben, da mein Schrankfach im großen Flurschrank so weit oben wa, dass ich nicht alleine drann kam.
Bis heute bin ich sehr froh, wenn immer eine Toilette in der Nähe ist...
- Nachmittags malen oder Spielen) (etwas zusammenstecken o.ä. am Tisch, große und kleine, Jungen und Mädchen in getrennten Gruppen, manchmal draußen auf dem Klettergerüst im Garten. Haben wir uns da unterhalten? Ich erinnere mich an Stille.
- Ja genau, das allabendliche Singen aus der Mundorgel, für mich (im Gegensatz zu anderen) zum Glück auch ein Lichtblick vom Heimweh, da in Kindergarten und Schule viel gesungen wurde und auch meine Familie immer schon viel gesungen hat und ich dass schon immer geliebt habe
- Ich musste meine neue Brotdose...Geschenk meines Vaters für diese Fahrt... bei der Ankunft abgeben, zum spülen, habe sie nie wieder gesehen, das hat mir damals sehr weh getan
- Wellenbadbesuche, ich glaube 2x, war für mich als Nichtschwimmerin schon beängstigend, aber auch spannend
-einmal in der Woche, sehr unangenehm, mit Angst verbunden: Gang zur ärztlichen Untersuchung, ich glaube, die fand im Henry - Everling-Haus statt, damals ein großes Kinderkurheim in der Nähe, dort war auch ein kleines Süßigkeitenkiosk, wenn ich mich richtig erinnere
- ärztliche Untersuchungen, gruselig, ausgeliefert: halbnackt in Unterhose in Reihe warten, bis man dran kam, abgehört und gewogen wurde, erinnere nur unangenehme Gefühle, sonst weiß ich nichts mehr davon,
- keine Erinnerung an Gesichter, nur an gesichtslose große und kleine Personen
- meine Eltern und Geschwister feiern Ostern ohne mich...trotz liebem Päckchen erlebe ich das als Bestrafung..wofür eigentlich?
- Heimreise 4. März, ich kann mich an nichts erinnern, nicht ans Abfahren und die 11-Stündige Bahnreise, und nicht ans heimkommen oder die Begrüßung von den Eltern, irgendwie muss ich wieder zuhause gelandet sein, danach ist alles dunkel in meiner Erinnerung. Als hätten alle, da weiter gemacht, wo sie vor der Kur aufgehört hatten und als sei nichts geschehen...nur ich habe nicht mehr hineingepasst. Für mich fühlt sich diese Erinnerung an, wie ein dunkles schwarzes Loch. Erst ungefähr ein Jahr später ( Familienfest zur Erstkommunion) setzten die ersten Erinnerungen wieder ein.
- ab da bin ich ein schüchternes sehr ängstliches Kind, versuche möglichst nicht aufzufallen, heute würde ich sagen, ich hatte gelernt, mich tozustellen
Das Vertrauen in die Eltern ist - so weiß ich es heute - zutiefst erschüttert worden und die Angst blieb bis zu meinem Auszug aus dem Elternhaus, dass ich jederzeit wieder weggeschickt werden könnte...
- im folgenden Jahr 1976 wurde meine jüngere Schwester im Sommer nach St. Peter Ording verschickt, das habe ich dann noch weniger verstanden, das Gefühl ist bis heute, dass kann man doch nicht machen, die müssen doch wissen, dass das nicht gut ist....
-Über die Erlebnisse und vor allem die Folgen des Getrenntseins von der Familie in der Kur wurde bei uns nie wirklich offen gesprochen, denn schließlich war das ja nur zu Eurem Besten gedacht und wenn die Ärztin das sagt, dann muss das ja helfen, konnte ja keiner ahnen, " dass Du als verkorkstes Kind zurückkommst" Immerhin, vor ein paar Jahren habe ich meine noch vorhandenen Kurunterlagen von der Mutter bekommen, eine kleine Hilfe bei der Aufarbeitung
- Mit 14 sollte ich wieder zur Kur...ich war sofort wieder panisch, doch zum Glück sollte es "nur" eine ambulante Kur auf Norderney sein, während der Rest der Familie Urlaub macht. Ich habe mich falsch gefühlt und bestraft dafür, dass ich immer krank bin. Erinnere mich nur an einen unheimlichen Kurarzt, dunkle Räume zum Meerwasserinhalieren und irgendwelche Wannenbäder...ich war so voller Angst, dass ich nach der ersten Woche krank geworden bin, dann hatte ich zum Glück meine Ruhe.
Erste wirkliche Aufarbeitungen beginnen 1987/88mit dem eigenen Ausbildungsweg in die Pädagogik und später Heilpädagogik und Naturheilkunde, bis dahin dachte ich immer, ich war damals halt zu empfindlich, zu schwach, zu schüchtern und es war mein Fehler, dass es mir in Haffkrug nicht gut ging. Mindestens ein Einzelfall. Als Mit -Erzieherinnen in Ausbildung 1988 (!) berichten, sie machten ein Praktikum im Kinder -Kurheim, keine Mutter-Kind-Kur, bin ich innerlich zu Tode erschrocken, dass es sowas noch gibt....das hat etwas in mir wachgerüttelt, dass hier damals irgendwas nicht gestimmt hat, aber (damals meine Vermutung)scheinbar nur ich das wohl so erlebt habe.
1997 nach einem Skandinavienurlaub dann die erste geplante Stippvisite in Haffkrug, ich stehe vor dem Haus Marion, aber es ist ein Ferienhaus geworden, so dass ich zunächst nicht begreife, dass ich hier richtig bin....aber die Angst und der Ausnahmezustand ist zu spüren, als ich mich weiter in diesem Ort bewege, auch als Erwachsene. Zum Glück bin ich nicht alleine dort und habe liebevolle Begleitung. So richtig fassungslos bin ich dann , als ich Mutter werde und meine Tochter 2010 acht Jahre alt wird und mir nocheinmal bewußt wird, was das getrenntsein von der Familie über viele Wochen mit einem Kind dieses Alters anrichten kann. Irgendwann 2013 bekomme ich im Internet mit, dass das Haus Marion abgerissen wurde, die damals zu findenden Abrissbilder der Trümmer tun mir gut. Endlich gibt es diesen Ort nicht mehr.
2019 dann nach in den Wechseljahren verstärktem Aufbrechen diffuser Ängste, was das Reisen, Essen gehen, Aufenthalt in großen Menschenmassen und anstehende Arztbesuche/Wartezimersituationen anbelangt, endlich die Erleichterung und das entsprechende einsortieren:
Ich bin nicht schräg, unfähig oder zu schwach, zu empfindlich etc..., die Umstände waren schräg, wie mir geht es Millionen anderen, viele Reaktionen auf das Erlebte sind völlig gesund / normal und haben bei vielen bis heute Folgen! Ich bin Anja Röhl und allen Mitarbeitenden und Mit - Forschenden sehr dankbar!
In meinem Buchprojekt über unser Leben als religiöse Minderheit in Deutschland in den 60ern und 70ern schreibe ich auch zur Verschickung meines Bruders und die Erfahrung im Umgang mit Speisegeboten und „den Muff von tausend Jahren“ der hier wirkte. Von diesem Gästebuch habe ich vor zwei Wochen erfahren und möchte diesen Text hier einstellen. So habe ich es erlebt als seine Schwester und meine Mutter sprach immer wieder davon.
Das wird dem Kind guttun
Ein paar Wochen voller Sonne - Spiel - Spaß - Landerholungsheim so riet der Arzt, frische Luft und Bewegung, das ist genau das Richtige. Unser Bruder fieberte dieser Zeit entgegen, wir sagten neidisch "Tschüss", klappernde Absätze auf der Treppe, Autotür auf und sie fuhr mit ihm weg.
Ein Beschwerdeanruf der "Erziehungsanstalt" spätabends verlangte nach Beistand der elterlichen Autorität, doch sobald sie meinen Bruder sah, stieß sie wie eine Adlerin vor, statt ihre Methoden zu segnen. Entriss ihren geliebten Sohn außer sich vor Zorn und brachte nach Hause. Das hatte sich noch keine Mutter erlaubt! Hieß es und überhaupt, "wir haben mit dem Vater gerechnet!!"
Da stand er nun, drei Tage später und wir sahen schlaftrunken im Nachtzeug zu. Sanft, ganz sanft umschmeichelte ihn ihre Stimme "Alles ist gut, alles ist gut mein Schatz" während sie versuchte ihn zu entkleiden. Bei jeder Bewegung rieselte Essen aus Hosentaschen, Kleiderfalten, Schuhen, und Socken auf den Boden und bildete einen stinkenden Kranz um ihn. Noch im Flur wusch sie seinen Körper, trotz stummer Schreie seiner Augen. Entfernte unendlich liebevoll und geduldig vor unseren Augen diese Schicht aus Essen, die er hingeschmiert hatte. Auch dort zu verstecken suchte, damit der Teller leerer wurde. In seiner Not und Angst um der nächsten Prügelrunde zu entgehen. Stunde um Stunde um Stunde, bereits seit der Mittagsessenszeit.
Unser Großer, unser Held - nie werde ich den Anblick vergessen: nass, verschmiert, stinkend, zitternd, übersäht mit den Spuren der Gewalt vom Gesicht bis zu den Füßen grün und blaugeschlagen, verängstigt und die Tränen hörten nicht auf, hörten nicht auf in seinem stummen Schrei dieser völlig verschreckten Kinderseele.
Sein Verbrechen? Werdet ihr nun fragen. Er bekam nicht herunter was auf dem Teller lag. Einfach keinen Bissen in den Mund .........
Doch: Was auf einem "Deutschen Tisch" kommt, wird aufgegessen.
"Schlachtplatte"! Schnaubte meine Mutter, "Schlachtplatte, mit Blut- und Leberwurst!"
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Ich bin Jahrgang 1964, hatte seit frühester Kindheit schweres Asthma und war 1973 mit acht Jahren für ein paar Wochen auf Juist. Außer dass das Essen dort (im Nachhinein betrachtet) nicht gut und vor allem billig war (oft Vanille- oder Schokoladesuppe, was mir damals gut geschmeckt hat, aber eigentlich keine geeignete Ernährung darstellte), hab ich kaum Erinnerungen an die Zeit.
1976 war ich dann sechs Wochen auf Sylt im DAK Haus Quickborn. Und an die Zeit erinnere ich mich noch ganz gut, auch weil ich dort meinen zwölften Geburtstag feierte. Wir hatten sehr nette Betreuerinnen, vor allem eine blieb mir in Erinnerung, Hiltrud hieß sie, die erste Person, die nicht mit mir sprach wie mit einem kleinen Kind, sondern auf Augenhöhe.
Wir unternahmen viel, Fahrten über die Insel, Strandwanderungen, wir probten ein kleines Stück passend zum Advent ein, es gab Tanzabende, wo wir bissl tanzen lernen konnten...
Also meine Erfahrungen sind überwiegend positiv; umso mehr tut es mir unendlich leid, was für traumatischen Erlebnisse ihr machen musstet.
Ich wünsche Euch von ganzem Herzen, dass Ihr darüber hinweg kommt, gegebenenfalls lasst Euch dabei helfen.
Herzliche Grüße, Jörg
In der Mittagsruhe, 2 Stunden ( im Flur saß die Erzieherin der Jungs und überwachte, dass wir nicht zur Toilette gingen oder geredet haben) musste ich zur Toilette, sie hat es mir verboten, ich habe eingenässt, den Kot habe ich in meine Hände genommen und unter der Bettdecke versteckt. Ich hatte schlimme Bauchschmerzen. In meinem Anorack habe ich dann weiter den kot versteckt, um ihn im Erdgeschoss zu entsorgen. Drei Wochen keinen einzigen Schritt um im Schnee zu wandern, lediglich die paar Minuten, wo ich mein erbrochenes in den Bach zum Teil entsorgen musste. Der Geruch war ekelhaft.
Jeden Abend als alle Kinder im Bett waren, war laute Musik mit Tanz im Erdgeschoss, es duftete nach Braten, der Pastor war jeden Abend zu Gast. Was diese Personen uns angetan haben, glaubt heute niemand, wir waren hilflos, haben den ganzen Tag geweint, mir wird jetzt noch ganz übel und es erschöpft mich völlig, wie ist das möglich?
Die Erinnerung ist fast haargenau so, als wäre ich 8 Jahre.
Was für eine Möglichkeit hatten wir hilflosen Kinder? Sie haben Schaden für unser ganzes Leben zugefügt. Ich wäre damals so gerne gestorben, habe zu Gott gepflegt, dass er mich nicht mehr weckt am Morgen. Ich werde bald meinen Bruder ansprechen über das Jahr 1959 und den Aufenthalt in Buhlbach. Für die Jungs war es nicht so schlimm, sie durften täglich zwei mal raus in den Schnee, mussten nichts arbeiten, waren außer den Mahlzeiten von den Mädchen getrennt und hatten eine „ Tante“.
Schade, dass diese teufel nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Ganz und gar unvorstellbar, dass so schlimme Dinge zwei Generationen vor mir an unschuldigen Kindern , die vertrauen in die Erwachsenen hatten , geschehen sind
Viele Grüße
(ein ehemaliges Kind, das jetzt sehr traurig ist)
Ich schreibe heute zum 1. mal online, außer der alltäglichen WhatsApp usw.
2017 erzählte ich meiner Freundin Monika Weigt von dem Erlebnis was ich als 5 jährige bei Nonnen in einer Landverschickung mit meinen beiden älteren Schwestern erlebt hatte.
Das war so schrecklich das sie zu mir sagte – das kann ich nicht glauben -.
Jahre später als diese Ereignisse von anderen Betroffenen in den Medien veröffentlicht wurden
rief mich Frau Weigt an und sagte mir das dort genau das berichtet wird was ich Ihr damals erzählt hatte.
Dann kam Corona!
Nun bin ich bereit über meine Erlebnisse zu berichten.
Da die Landverschickung erst ab 6 Jahren erlaubt war kämpfte meine Mutter bei der Stadt Hagen
mich als 5 jährige mit meinen beiden älteren Schwestern mitzugeben. Mit Erfolg.
Wir waren bei Nonnen untergebracht.
Hier waren sehr viele Kinder; als jüngste war ich der Liebling der Nonne Oberin.
Diese saß in der Mitte des Speisesaals und wenn die Kinder sich zum essen setzten musste ich immer zur Nonne Oberin.
Sie machte Ihre Beine auf und schob ihre Kutte durch damit sie mich nah heranziehen konnte. Sie drückte meinen Körper ganz fest an sich so das mein Gesicht zwischen Ihrem großen Busen verschwand.
Ich bekam keine Luft mehr; sie setzte mich anschließend auf ihren Schoß weil mein Kreislauf
zusammen brach und ich wahrscheinlich sonst gefallen wäre. - Und das jeden Tag -.
Nun kommen wir zu dem Teil des Erbrochenen:
Es sollte eine Märchenaufführung stattfinden. Wir hatten Tage vorher geprobt sowie die Kostüme gebastelt bzw. aus dem Fundus geholt.
Martina war die Prinzessin, Ulrike der Kater und ich die Maus.
An dem besagten Abend an dem die Aufführung stattfinden sollte saßen wir alle im Speisesaal
zum Abendessen. Es gab Milchreis mit Grütze.
Ich sagte der Nonne das ich das nicht essen kann worauf sie einen Löffel nahm und mir das Essen in den Mund schob. Sofort musste ich mich übergeben und das Erbrochene verteilte sich auf dem Tisch. Die Mädchen in meiner Nähe wanden sich angeekelt ab.
Die Nonne aber nahm meinen Teller und wischte mit ihrer Handkante mein Erbrochenes vom
Tisch in meinen Teller und forderte mich auf das alles zu essen. Ich weigerte mich und aß nichts.
Alle Mädchen durften den Speisesaal nach dem Essen verlassen nur ich musste vor meinem Erbrochenem sitzen bleiben.
Die Aufführung durfte ich nicht mitmachen. Jede Stunde wurde nachgesehen ob mein Teller leer war. Als es schon dunkel war kam die Nonne herein und teilte mir mit jetzt das Licht auszumachen.
An der Wand hing ein sehr großes Krokodil mit aufgerissenem Maul welches wohl Kinder in früheren Zeiten gebastelt hatte.
Die Nonne sagte zu mir wenn ich jetzt nicht den Teller leere würde das Krokodil runter kommen und mich auffressen.
Meine 91jährige Mutter konnte sich noch an den Ort (für mich) des Grauens erinnern.
Auf meine Frage nach Bad Soden antwortete sie spontan „Allendorf“.
Meine Schwester Ulrike lebt nicht mehr, meine Schwester Martina kann sich noch gut daran
erinnern mich auf dem Schoß der Nonne Oberin sitzen zu sehen.
Beim Hagener Stadtarchiv konnte ich keine Dokumente aus der Zeit 1965 erhalten, wegen dem
Hochwasser sei angeblich vieles vernichtet worden ?!?
Ohrfeigen für vermeintliche Verfehlungen, das Durchsuchen von Paketen nach Süßigkeiten und die strikte Kontrolle bei Stadtausflügen und Post hinterließen tiefe Spuren bei mir. Ausflüge nach List oder ins Legoland gerieten oft zu einem regelrechten Spießrutenlauf. Jahrzehnte später, als ich von einem Brand im Speisesaal erfuhr, empfand ich eine Art Erleichterung – als hätte sich eine Form von Gerechtigkeit durchgesetzt.
Besonders stark erinnere ich mich an einen aggressiven Pfleger, dessen Name sinnbildlich für sein Verhalten stand. Seine Gewaltbereitschaft und seine Art haben mich nachhaltig geprägt. Dennoch gibt es auch eine schöne Erinnerung: Ein liebes Mädchen aus Peine, türkischer Abstammung, mit dem ich eine freundschaftliche Verbindung hatte. Oft habe ich an sie gedacht und frage mich, ob sie sich vielleicht auch noch an mich erinnert.
Falls sich jemand angesprochen fühlt oder Lust hat, mir zu schreiben, würde ich mich sehr freuen.
Ich (jetzt 63 Jahre alt) war auch ein Verschickungskind. Ich war 5 Jahre alt (bin im Heim 6 geworden), als bei einer Schuluntersuchung festgestellt wurde, dass ich zu dünn bin.
Im März/April 1967 wurde ich für 6 Wochen ins Kinderkurheim nach Greiz geschickt, um zuzunehmen.
Sehr viele Erinnerungen habe ich nicht mehr an diese Zeit. Vielleicht spielt da auch Verdrängung eine große Rolle.
Ich kann mich aber erinnern, dass wir gezwungen wurden aufzuessen, was für uns Kinder eine Qual war.
Schnelle Bewegungen, wie rennen und toben waren verboten, weil es für die Gewichtszunahme hinderlich war. Wer gegen irgendwelche Vorgaben verstoßen hatte, musste im Waschraum bleiben, wogegen die anderen zum Essen gehen durften.
Erinnern kann ich mich auch, dass es jeden Tag zum Frühstück Mehlsuppe gab. Und dann weiß ich noch, dass es dort einen Raum mit einer Art Höhensonne gab, um die wir nackt herumlaufen mussten.
An Misshandlungen, wie Schläge oder andere Repressalien, kann ich mich nicht erinnern. Das Schlimmste war der Esszwang und die wochenlange Trennung von der Familie ohne jeglichen Kontakt.
Wahrscheinlich habe ich auch vieles verdrängt. Aber wenn ich die Erfahrungen und die daraus erfolgten Ängste und Zwänge vieler anderer Verschickungskinder lese, denke ich, dass einige Verhaltenszüge von mir auf diese schlimme Zeit zurückzuführen sind, worüber ich mir bis jetzt noch keine Gedanken gemacht habe.
z.B. reise ich ungern, brauche meine vertraute Umgebung, ich lass mich nur ungern von Fremden berühren und ganz ausgeprägt, ich würde nie jemanden zwingen zu essen bzw. aufzuessen.
Ich weiß nicht, ob der Kuraufenthalt dafür verantwortlich ist. Aber eine Erklärung wäre das.
Vielen Dank für die Aufarbeitung!
Mein Name ist Thorsten Gerlach und ich schreibe hier zum ersten Male über die Erlebnisse in den "Erholungsheim Upstalsboom" in Norderney an die ich mich noch erinnere.
Ich war damals kurz vor meinem 8. Geburtstag und mein Bruder noch 4 Jahre als wir am von Uelzen unter der Aufsicht von zwei älteren Damen des Gesundheitsamtes in Uelzen in Empfang genommen und nach Norderney "verschickt" wurden.
Ein solches Verfahren wäre heute nicht mehr denkbar aber für die Kinder die aus der Nachkriegszeit kamen und selbst an körperlichen und geistlichen Misshandlungen erlebten war so etwas wohl völlig normal und vielleicht handelten sie aus dem Verlangen ihren Kindern etwas Gutes zu tun .
Wer weiß, wer weiß .
Nach einer Fahrt von mehreren Stunden mit der Bahn, damals D-Zug, und und einem Transfer auf einer Fähre, was natürlich für mich und meinem Bruder ein tolles Erlebnis war, kamen wir beide an einem Sammelpunkt zusammen wo alle Kinder auf die einzelnen Heime aufgeteilt wurden.
Am ersten Abend wurden wir eingeteilt in verschiedene Altersgruppen;
Kleine Jungs ( In diese Gruppe waren die Kleinsten Untergebracht)
Mittlere Jungs (Hier war ich untergekommen)
2.Jungs und große Jungs
So saßen wir nun in dieser Konstellation die 6 Wochen an unseren Tischen.
Meinen Bruder sah ich nur zu den Essenszeiten im großen Speisesaal aber ansonsten hatte ich keinen Kontakt zu ihm.
Die erste Nacht
An die erste Nacht an die ich mich noch mit der viel Schrecken erinnere und machten mir einen kleinen Vorgeschmack auf die restliche Zeit.
Das alle Kinder und für einige Kindern besonders nach einer sehr langen Reise aufgedreht waren, war doch eigentlich mehr als nur normal.
Aber wir machten alle sehr Schnell eine einschüchternde Erfahrung mit einer sehr brutalen weiblichen Aufsicht und Betreuerin, die jeden in den Haaren zog, in den Nacken kniff oder an den Ohren zog bis sie rot wurden.
Ich weiß noch, dass ich die halbe Nacht stehend in einem kleinen Schrank verbringen musste nur weil ich den Jungen im Nebenbett gefragt habe von wo er denn her was mir das o.g. "Privileg" im Schrank bescherte.
Diese Betreuerin war an Brutalität nicht zu übertreffen.
Außerdem kann ich mich noch sehr gut an ihre keifende Stimme und an das fiese Lachen erinnern wenn sie jemanden stundenlang in den Schrank oder in eine Ecke stellte.
Ich glaube, sie hatte sehr viel Spaß an ihrer Arbeit und hoffe inständig, dass
Sie selber keine Kinder hatte , den sie ihre "Werte" weitergeben konnte.
Zwar musste ich während der Nachtruhe nach dieser Nacht nie mehr in den Schrank aber gekniffen oder an den Ohren gezogen das kam schon des Öfteren vor.
Die Morgenwäsche
Vor einem langen Waschbecken wurden die Zähne geputzt und sich mit einem Waschlappen reinigte und das Nackt mit ca. 20 anderen Jungs in einer Reihe.
nach der morgendlichen Körperwäsche wurden dann auch die Unterwäsche für die Reinigung eingesammelt.
Auf die Unterwäsche komme ich aber später noch einmal zurück.
Das Frühstück
Da ich zu dieser Zeit ein kleines pummliges Kind war, musste ich in Regelmäßigen abständigen von einigen Tagen ein Glas mit Salzwasser trinken.
Diejenigen , die das auch trinken mussten wissen bestimmt noch wie "lecker" das war und wenn man es nicht zum Anfang auf Ex getrunken hatte musste solange sitzen bleiben bis das Glas alle war.
Hin und wieder klappte das auch aber meistens musste ich mich davon übergeben und dann gab es den ganzen Tag nur schwarzen Tee und Zwieback was nicht unbedingt satt machte.
Nach dem Frühstück ging man in der Gruppe bei gutem Wetter durch die Stadt oder an dem Strand wo man im Sand spielen durfte und der Besuch alle zwei Wochen im Wellenbad in der Zeit war für mich persönlich das Highlight schlechthin.
Aber ich möchte dazu sagen, dass solche sehr wenigen positiven Ereignisse mich nicht zu einer Aussage wie zum Beispiel:" Es war ja nicht alles so schlecht" hinreißen lasse.
Denn die wenigen gute Erinnerungen machen die vielen schlechten Dinge nicht besser oder ungeschehen.
Das Mittagessen
Man saß also am Tisch und wartete auf das Essen, was aber seinem Namen nicht gerecht wurde.
Es gab viel "Suppe" verkochten Fisch und faden Kartoffelpüree, die Kartoffeln waren tröge und die Nudeln klebrig und pappig.
Das Fleisch war so ungenießbar und unfassbar schlecht, das ich heute noch sehr ungern Fleisch als Beilage esse.
Beim Essen durfte Selb verständlich nicht gesprochen werden und wer es doch wagte, der wurde unter einer demütigenden Ansprache vor die Tür geschickt und bekam natürlich kein Mittagessen.
Der "Mittagsschlaf"
Nach dem Essen wurde Mittagsruhe gehalten.
Ob es nun 1,5 Stunden oder 2 Stunden oder länger waren weiß ich nicht mehr so genau aber da ich, wie die meisten Kinder zu Hause eine solche Ruhepause nicht kannten war es natürlich sehr ungewohnt sich hinzulegen und zu schlafen.
Aber meistens waren wir sehr Ruhig ,da die "nette" Betreuerin, heute würde ich sagen Aufseherin, mit der Brille auf ihre nicht unbedingt einfühlsamen Art und Weise für Ruhe sorgte,
War man selbst ruhig und im Zimmer wurde niemand sanktioniert ,dann durfte man die letzte halbe Stunde sich leise unterhalten.
Nach dem Mittagsschlaf ging man in das Gruppenzimmer wo man Spielen durfte und wo man mindestens einmal in der Woche Postkarten oder Briefe nach Hause schicken durfte oder besser geschrieben musste.
Als erstes wurde auf ein Blatt Papier vorgeschrieben und anschließend von den "Betreuern" korrigiert zurück gegeben.
Natürlich wurden die Passagen wo man im Schrank stand oder anderseits Misshandelt wurde weggestrichen mit der Begründung unsere Eltern wären traurig oder böse auf uns, da wir uns so "schlecht" benehmen würden und welches Kind in diesem Alter möchte es das ihre Eltern traurig oder böse sind.
Vor dem Abendbrot kam meistens die Heimleitung, eine ältere Frau vom Typ nette Omi, mit ihrer Gitarre und wir mussten Volkslieder bzw, und wie passend Seemannslieder singen nur wer nicht mitsingen wollte oder Faxen machte, musste vor die Tür und meistens auf Geheiß der Heimleitung, sie wissen noch...netter Omityp , gab es kein Abendessen und es war das Warten vor dem verschlossenen Essenssaal angesagt.
Vor dem Schlafen gehen
Bevor es ins Bett ging saß unser Zimmer mit einer Betreuerin zusammen und es wurden Geschichten erzählt, doch danach gab es eine Art Inquisition die berüchtigt und gefürchtet war unter uns.
Dort wurden wir gemaßregelt für die Fehler des Tages und lächerlich gemacht und gedemütigt für Unterhosen wo zum Beispiel eine kleine Bremsspur war was in diesem Alter doch einmal vorkommen kann.
Die Wäscherei wurde darauf angewiesen solche Unterwäsche nicht zu waschen und da in ALLEN Wäschestücken ein Namensschild war, war es auch kein Problem den "Übeltäter" dingfest zu machen.
Jetzt wurde die Hose mit spitzen Fingern hoch gehalten und es wurde jeden im Zimmer gezeigt wem diese Hose gehörte mit den Worten:" Diese vollgeschissene Hose gehört dem Dreckschwein, Schwein, der alten Sau oder wenn man sehr viel Glück hat gab es nur die Bezeichnung Schmutzfink" dann wurde der 7 oder 8 jährige vor dem kompletten Zimmer herunter gemacht , was wohl zu der Zeit eine therapeutische Maßnahme war um es nicht mehr zu machen.
Das waren die "Flashlights" an die mich erinnere zum Schluss möchte ich sagen, dass ich meinen Kindern ein solchen langen Zeitraum ohne Eltern und in diesem Alter NIEMALS angetan habe oder antun könnte.
Meine Mutter hat mich alle 6 Wochen besuchen dürfen bei meinem 6 Monate Aufenthalt.
Da hatte ich einen ganzen roten Handabdruck auf meinem Po.Heute noch habe ich Angst vor Dunkelheit und ich hasse Nonnen.Vielleicht kann mir jemand mehr aus diesem Zeitraum 1971/1972 erzählen habe noch alte Briefe wo die Nonnen meinen Eltern geschrieben haben.Auch alte Rechnungen wo immer Taschengeld aufgeführt wurde.Wir kinder wurden in Mannheim am Bahnhof versammelt.
- Essenszwang ( zumindest in St. Peter O. und Grömitz ) Ich war immer die
Letzte beim Abendessen und saß so lange alleine mit der
furchteinflößenden , gnadenlosen und empathielosen ,
schwarzgekleideten (Nonne?) Heimleiterin im Speisesaal, bis ich den
Teller endlich leer hatte.
- Toilettenverbot
- Zensur der Briefe ans Elternhaus - mit Bloßstellung bei negativen
Äußerungen
- teilweise ungenießbares Essen - z.B. mit dicker Schweinefleischschwarte
mit Borsten obendrauf
Nicht erinnern kann ich mich an den Zwang zum Aufessen von Erbrochenem und an sexuellen Missbrauch
Berichten möchte ich gerne über St. Peter Ording, weil es dort am
Traumatisierendsten für mich war:
7-jährig wurde ich dorthin geschickt. Die Atmosphäre war geprägt von Lieblosigkeit , Gnadenlosigkeit und Strenge. Heute frage ich mich, warum ich mich nicht an eine Freundin, die ich dort vielleicht gefunden haben könnte, erinnern kann. Ich vermute das lag daran, dass wir gar nicht die Möglichkeit hatten, viel miteinander zu reden. Dass Freundschaften geschlossen werden sollten, passte gar nicht zum Konzept des Heims. Mindestens ein Mal täglich mussten wir nach draußen gehen und über den weiten Sandstrand in Zweierreihe marschieren. Außer am ersten Abend (Gruppenspiele wie stille Post) kann ich mich auch nicht erinnern, dass wir jemals gespielt hätten, geschweige denn, dass dort Spielzeug vorhanden gewesen wäre.
Das Heim: Man betrat es durch den Keller, in dem sich die Jacken und Schuhe befanden. An den dort vorherrschenden Geruch nach Schuhcreme kann ich mich noch erinnern. Nach dem Mittagessen musste man 2 Stunden in der Liegehalle liegen , zugedeckt mit einer kratzigen Wolldecke. Ich würde sehr gerne den Namen dieses Heims erfahren, ob es noch existiert, und mich austauschen mit anderen , die auch dort gewesen waren. Erinnern kann ich mich nur noch an den Vornamen der Heimleiterin: Tante Annemarie.
Seit Langem leide ich unter Blasenentleerungsstörungen mit hohen Restharnmengen. Das hat zur Folge, dass ich die Blase nur noch durch Einführen eines Katheters in die Harnröhre entleeren kann. Diesen Umstand auf das Toilettenverbot zurückzuführen, erscheint mir nicht unsinnig. Hat jemand vielleicht ähnliche Beschwerden?
Interessieren würde mich auch die Antwort auf folgende Frage : Hat jemand eigentlich gesehen, ob die "Tanten" sich das "überaus schmackhafte" Essen auch angetan hatten?
Bei mir, vierjährig, wurde Tuberkulose Anfang 1953 diagnostiziert. und ich wurde gleich nach Königsfeld im Schwarzwald in die Schwester-Frieda-Klimsch-Stiftung verschickt. Ich war in einer Gruppe von Kleinkindern im Haupthaus. Ich erinnere mich, dass ich zuerst gebadet wurde. Das war sicher nötig, denn viele Kinder kamen noch aus sehr ärmlichen und ungesunden Wohnverhältnissen. Schwester Brigitte war unsere Gruppenschwester. In der Gruppe waren wir zu sechst. Drei kleine Mädchen und drei kleine Jungen. Schwester Brigitte war wirklich sehr lieb, ich kann mich an nicht Unerfreuliches erinnern. Wenn es das Wetter zuließ, gingen wir spazieren, spielten draußen in einem Sandkasten oder saßen an einem großen Tisch unter Bäumen und spielten oder bastelten. Jeden Morgen wurde die Temperatur gemessen, und Hygiene spielte eine große Rolle. An den großen Speisesaal kann ich mich erinnern, wo alle Kinder des Haupthauses zusammen aßen. Es gab Regeln: man durfte den Löffel oder die Gabel erst wieder füllen, wenn der Mund leer war. Vermutlich deswegen, weil viele Kinder in dieser Nachkriegszeit aus immer noch sehr armen Verhältnissen kamen, und geprägt durch den vielen Hunger, den sie gehabt hatten, immer so viel und so schnell wie möglich essen wollten.
Die eigentliche Therapie waren Liegekuren und Lebertran. Lebertran war schrecklich, aber irgendwie konnte ich ihn doch schlucken. Ob wir Medikamente bekommen haben, weiß ich nicht mehr. Damals gab es schon Neoteben, dessen Entwicklung viele Menschenleben rettet und gerettet hat.
An Ostereiersuche im Wald kann ich mich erinnern. Es muss ein kühler Tag gewesen sein, denn auf dem Erinnerungsfoto tragen wir alle warme Kleidung. Ich fand ein großes, buntes Papposterei – natürlich gefüllt mit Süßigkeiten.
Anfang 1958 brach die TB bei mir wieder aus, und ich kam in ein Sanatorium (Krankenhaus) in Brauel bei Zeven. Ich habe daran nicht sehr viele Erinnerungen, auf jeden Fall keine negativen. Es gab viel Liegekur und es wurde viel gebastelt. Dann wurde ich als geheilt entlassen.
Das Bremer Gesundheitsamt war aber anderer Meinung – Diagnose: offene Tuberkulose – und schickt mich im Juni 1958 wieder nach Königsfeld in die Schwester-Frieda-Klimsch-Stiftung.
Ich kam ins Haus Waldfrieden in eine Gruppe mit zehn Kindern. Fünf größere, fünf kleinere Mädchen. Unsere Schwester, Schwester Ursel, war wirklich sehr nett. Es gab keine Gewalt, kein Mobbing, kein Lieblingskind. Sie konnte gut erzählen und vorlesen, wir haben viel gebastelt und gesungen. Wir durften sie sogar einmal an den Marterpfahl binden, als wir Indianerless spielten. Ihre Freundin war Tante Margret vom Haus Vogelsang, auch sie immer sehr nett und fröhlich. Spaziergang gab es jeden Tag. Der betreuende Arzt war Dr. Donath, kam zu Untersuchungen und Blutabnahme. Und auch er war immer freundlich. Jede Woche mussten wir eine Brief an die Eltern schreiben, und das wurde uns manchmal wirklich sauer. Es ereignete sich ja nicht so viel. Ich wurde kurz vor Weihnachten entlassen, was ich etwas bedauerte, denn wir hatten gerade so ein schönes Krippenspiel einstudiert.
Im Winter 1962 wurde ich noch einmal verschickt, diesmal zur Erholung in das Kinderheim Bergfreude in Scheidegg. Also eine echte Verschickung. Dort gab es vier Gruppen, große und kleine Mädchen, große und kleine Jungen. Es war wunderschön, jede Menge Schnee, viele Unternehmungen. Die Tanten und die Leiterin sehr freundlich und nett. Es spricht für dieses Heim, dass, als wir am Entlassungstag zum Bus gebracht wurden, alle (!!!) Kinder weinten, sogar die großen Jungen.
Ich habe also nie Gewalt, Unfreundlichkeit, mieses Essen o. ä. erlebt.
Allerdings: es wurde eine Tante Mechthild in der Klimsch-Stiftung unter den Zeugnissen erwähnt, die war mit ihrer Gruppe im Erdgeschoss. Sie war wirklich unfreundlich. Aber zum Glück hatten wir oben mit ihr nichts zu tun.
Und ich möchte durchaus nicht die Erlebnisse anderer Verschickten anzweifeln. Es ist auch gut, dass deren Erlebnisse thematisiert werden. Ihre Arbeit ist sehr wichtig!
Dennoch finde ich, positive Erlebnisse müssen auch erzählt werden.
Meine Eltern haben geglaubt, das sie mir damit etwas Gutes tun und einen Kururlaub ermöglichen.
An meinen Aufenthalt habe ich nur wenige, aber leider überwiegend schlimme Erinnerungen.
Ich erinnere mich noch an Heilbehandelungen wie Wassertreten und
Bestrahlungen, dies fand regelmäßig in größeren Gruppen statt und war nicht so unangenehm.
Schlimme Erinnerungen habe ich beim Thema Essen.
Es gab morgens oft einen Haferbrei, den ich wegen seiner Konsistenz nicht essen konnte. Mittags oft Kartoffelbrei mit einer warmen Sosse und Apfelmuss.
Beide Gerichte vermochte ich nicht zu essen. Ich musste dann immer so lange unter Aufsicht im Speisesaal sitzen bleiben, bis ich meinen Teller gelehrt hatte. Ich erinnere mich noch an erbrechen und panische Angst vorm nächsten Essen.
Gerichte mit dieser Konsistenz kann ich bis heute nicht mehr essen.
Eine weitere schlimme Erinnerung ist das Thema Nachtruhe und Toilettengang.
Abends war ab einer bestimmten Uhrzeit
kein Toilettengang mehr erlaubt.
In meiner Not habe ich mir Nachts mehrfach in die Hose gemacht.
Das wurde dann in der Regel Nachts, bei Kontrollgängen, die mit Taschenlampen stattfanden, bemerkt.
Ich wurde dann aus dem Zimmer geführt und musste mich mit kalten Wasser waschen. Im Anschluss bekam ich ein weisses Nachthemd und musste die weitere Nacht alleine in einem separaten Zimmer verbringen.
Wenn ich mich noch richtig erinnere, musste ich das Nachthemd auch nach dem aufstehen noch tragen und wurde so vor den anderen Kindern als Bettnässer geautet.
Meine einzige schöne Erinnerung war ein Ausflug zur Adlerwarte.
Ich denke bis heute mit Schrecken an diese Zeit zurück.
Berichte von anderen Betroffenen, auf die ich vor kurzem durch Zufall gestoßen bin,
haben diese Erinnerungen wieder lebendig gemacht.
Meine Eltern haben mich damals nach meiner Heimkehr als verändert wahrgenommen, aber was dort wirklich passiert ist wussten sie glaube ich nicht.
Meine Mutter lebt heute noch. Sie ist 87 Jahre alt. Jetzt, wo ich erfahre, wie viele Kinder ähnliches erleiden mussten, möchte ich sie damit auch nicht mehr konfrontieren.
Sie hat tatsächlich geglaubt, das ich dort
eine schöne Zeit verbringe.
In Bad Marienberg war es genauso.
In Cuxhaven mussten wir uns in einer Reihe aufstellen und bekamen mit dem Stock auf die Finger wenn wir nicht essen wollten.
Wenn ich aus Angst nachts ins Bett gemacht hatte musste ich die nächste Nacht an der Wand stehen und im Stehen schlafen.
Ich kann mich nicht wirklich an Gewalt oder Missbrauch erinnern, nur an Kälte und Einsamkeit. Und an 2 Kinder, welche nichts vom Nikolaus bekamen, weil sie unartig waren. Ich weiß nicht mehr, was da alles passiert ist, aber ich habe manchmal das Gefühl, dass dort ein Grund für einige meiner Verhaltensweisen zu finden ist.
DetzelMona-@t-online.de
Herzliche Grüße an Alle Mona
1974 war meine Inhaftierung in einem Nonnenkloster bzw. Kurheim. Und ich glaube noch von meiner Mutter noch zu Wissen, dass es in Bad Soden war? Ich war damals 5 Jahre alt und auch heute noch könnte ich weinen, wenn ich daran zurückdenke bzw. über meinem dortigen Aufenthalt spreche. Auch jetzt kommen mir im Moment die Tränen beim schreiben…😢😢😢 Und das, obwohl ich mittlerweile 55 Jahre alt bin…für mich selbst im Moment des Schreibens kaum zu glauben. Diese negativen Erlebnisse dort, sind für mich tatsächlich bis heute noch fest in meinem Kopf verankert…unfassbar!😢😔 Und sobald meine Eltern mich damals auf diese grauenhaften Kur angesprochen hatten, um mehr zu erfahren…liefen bei mir tagelang ohne Worte die tränen.😢 War absolut der Horror dort unter den Nonnen!😱…😢
Damals ging es ohne meine Eltern auf eine lange Zugreise zum Haus des Grauens und es war für mich persönlich das allerschlimmste Erlebnis in meinem Leben. Und wie lange ich dort in Kur war, weiß ich leider nicht mehr? Aber ich denke mal, es waren 6 Wochen. Wir „Inhaftierten” durften in dieser grausamen Zeit nur 2 x zusammen an der frischen Luft in Zweierreihen spazieren gehen…mehr nicht! Kein Witz, denn Fotos habe ich noch von diesen zwei Spaziergängen. Natürlich gestellte Fotos, denn die Nonnen dort kontrollierten alles für das gute Image des Hauses. Es war sozusagen für uns Jungen dort Pflicht, uns auf den Fotos gegenüber dem Kloster und den Nonnen fröhlich zu präsentieren. Obwohl nicht eine Nonne mit auf den Fotos war…warum war das so??? Heutzutage weiß ich es eventuell tatsächlich zu Wissen! Und genau diese Fotos bekamen damals unsere Eltern an die Hand bei der Abholung nach 6 Wochen…und für die Nonnen waren weinende Jungen auf den Fotos ein absolutes NoGo damals!
Also insgesamt ging es seinerzeit während des 6 Wochen Aufenthaltes nur zwei mal nach draußen an die frische Luft und das, obwohl ich Asthmatiker bin…😶 Heutzutage für mich im Bereich meiner Krankheit kaum zu glauben, was man damals mit uns dort gemacht hatte! Ebenso kann ich mich noch gut daran erinnern, dass wir während unserer Wachphasen im Kloster alleinig 2-3 Steckspiele in einem großen Saal vorgelegt bekamen. Mehr Spielzeug gab es dort anscheinend nicht. Und sobald jemand unter uns durch das eintönige Spielen doch mal Heimweh bekam und kräftig anfing zu weinen, so wurden diese weinenden Jungen diesbezüglich ins lächerliche gezogen und ins schlechte Licht vor Allen gerückt…ich natürlich auch! Aber das nicht alleine, denn ab und zu gab es lange rot-gedrehte Ohren…wenn man zu oft weinte oder aus der Sicht der Nonnen mal was falsches gemacht hatte. Ebenso wurde damals von den Nonnen über unser Benehmen ein Buch geführt, sozusagen aus meiner heutigen Sicht…ein Ranking! Also derjenige unter uns, der am wenigsten weinte und sich gut benommen hatte, wurden ganz oben im Ranking geführt. Mehr dazu gleich noch…
Ebenfalls weiß ich noch gut zu Wissen, dass wir täglich Nudeln mit Apfelmus zum Essen bekommen hatten und tatsächlich kann ich mich an keinem anderem Essen dort erinnere...🤷♂️ Und was auf den Teller kam in diesem Kloster, musste definitiv gegessen werden…egal ob die Nudel verbrannt schmeckten oder auch nicht…das vorgesetzte Essen „musste“ definitiv bis zur letzten Nudel aufgegessen werden. Leere Teller waren dort Pflicht und es war absolut egal, ob erbrochenes vor einem lag! Und nach dem Essen ging es jedesmal in einem großen Schlafsaal und wir mussten „Alle“ mit dem Kopf zur Wand liegen. Reden durften wir natürlich nicht und derjenige, der nicht mitspielte…wurde mal kräftig an den Ohren gezogen bzw. 👋! Tja was soll ich sagen, es war absolut grausam für mich dort und durch den „Einschlafzwang“ der Nonnen, schliefen wir damals sehr schnell ein. Und ob wir fürs schnelle Einschlafen tatsächlich damals Medikamente bekommen hatten, weiß ich leider nicht mehr. Nur soviel weiß ich noch, dass es mir nach dem Schlafen oftmals so vorkam…als wäre ich aus einem tagelangen Tiefschlaf-Koma erwacht!
Ebenfalls kann ich mich noch gut daran erinnern, dass ich damals mit gerade mal 5 Jahren noch nicht alleine meinen Hintern nach einem großen Geschäft abputzen konnte. Ich rief somit damals nach den Nonnen…aber leider ohne Erfolg. Sie kamen einfach nicht, um mir diesbezüglich zu helfen. Vor der Tür in weiter Ferne schimpften Sie mit mir und stuften mich vor allen Jungen dort, durch erniedrigende Wortwahl als minderwertig ein…weil ich eben mein Gesäß mit 5 Jahren noch nicht selber abputzen konnte! Tja, und somit habe ich in all den vielen Wochen dort, meinen Hintern mit meinen eigenen Taschentüchern für die Nase aus Stoff, mit eingestickten Namen von mir, dafür benutzt. Denn eine hilfreiche Nonne gab es für mich damals definitiv nicht…😔 Die mir beigebracht hätten, dass man fürs abputzen des Hinterns Toilettenpapier benutzt. Auch meine Mutter war nach der Kur sehr erstaunt, wo denn all die Stofftücher mit meinem eingestickten Namen geblieben sind?🤷♂️ Ich hatte sie damals im Horror-Kloster nach dem Toiletten-Gebrauch unter meiner Bettmatratze heimlich versteckt und sammeln müssen…um dann diese verschmutzten Tücher während der zwei Spaziergänge heimlich in der dortigen Vegetation entsorgen zu können. Tja, und eventuell liegen diese Taschentücher heute noch dort in der Vegetation…grauenhaft und immer noch schämend für mich! Ja so war es seinerzeit und ich denke mal…dass ich 6 Wochen lang mit einem unsauberen Po und enkeling stinkenden Taschentüchern unter meiner Matratze…dort ein dahinvegetierendes „Güllefass“ war?🫣
Wie ich zuvor bereits angesprochen habe, es gab im Kloster unter uns Inhaftierten ein Ranking und der allerliebste unter uns bekam von den Nonnen zum Abschluss der Kur sogar ein Geschenk. Die Preise konnte sich jeder unter uns in Reih und Glied vor der Vergabe ansehen. Aber wo jeder von uns im Ranking gelandet war…wusste niemand unter uns? Tja…und mir gefiel von der Ranking-Skala sofort ein Modell eines Schneemobils. Und tatsächlich wurde ich damals als zweites aufgerufen, warum weiß ich bis heute nicht? Denn oftmals wurde ich dort heftig von den Nonnen erniedrigt! Ich durfte mir somit tatsächlich als zweiter etwas vom Gabentisch auszusuchen. Und ich überlegte damals diesbezüglich einen kleinen Moment und plötzlich fiel mir ein, dass ich ja noch eine jüngere Schwester hatte. Also schnappte ich mir nicht das erwünschte Schneemobil, sondern den minderwertigsten Preis auf dem Gabentisch…eine Stoffpuppe für meine kleine Schwester! Und warum seinerzeit dieses urplötzliche umdenken in meinem Kopf schoss…ich weiß es bis heute leider nicht!
Noch was…
Während dieser 6 Wochen im Nonnenkloster bzw. Kurhaus, hatte ich jegliches Aussehen meiner vier Geschwister tatsächlich vergessen…sogar das Aussehen meiner Eltern! Ebenso hatte ich vergessen, wie sie redeten bzw. deren aussprache war. Ja solange…bis ich meine Eltern im großen gefliesten Kloster-Saal zur Abholung wiedersah. Und als ich dann zur Abholung meine Mutter wiedersah und sie nach einem Moment der Ruhe wiedererkannte und somit anschließend in ihrem Armen lag…musste ich den ganzen Tag lang und bis spät in der Nacht hinein weinen…😥 Ebenso erzählte mir meine Mutter vor ein paar Jahren, wo sie noch lebte, dass sie erstaunt über mein damaliges blasses Aussehen war. Aber das nicht alleine, sie war erschrocken darüber, wie dick ich damals in den 6 Wochen der dortigen Mästung geworden bin.
Noch was diesbezüglich, meine Eltern hatten sich damals bis zu ihrem Tot für das damalige Weggeben bei mir andauernd entschuldigt. Sie wussten es einfach nicht, wie grausam es für mich dort war! Denn ich erzählte bis vor einpaar Jahren gegenüber meiner Mutter nie von dem erlebten im Kloster während der Horror-Kur…ich schämte mich einfach zu sehr! Es ist definitiv nicht die Schuld meiner Eltern alleine gewesen, mich damals mit 5-Jahren für 6 Wochen wegzugeben…denn sie dachten es wäre gesundheitlich das beste für mich. Sicherlich waren die Ärzte seinerzeit treibend für solche Kuren, die uns Kinder somit ins psychische verderben katapultierten! Tja🤷♂️…und so mancher erwachsene Mensch von damals, war seinerzeit anscheinend Arzthörig gewesen? Aber auch die damaligen Ärzte möchte ich persönlich nicht alleinig zum Schuldigen machen, denn auch diese Ärzte erfuhren von keinem Kurkind im Nachhinein…wie grausam diese Kuren tatsächlich für uns Verschickungskindern waren…
Ja wir Kurkinder schämten uns bis in die Ewigkeit, und wir redeten nicht über das damalig schrecklich erlebte…was uns innerhalb dieser Häuser des Grauens angetan wurde…😱😔
Ja so war es damals wahrheitsgemäß von mir, innerhalb des Klosters in Bad Soden. Und bis weit im Jugendalter hinein, hatte ich immer wieder einen grausamen Albtraum vom dortigen Aufenthalt und diesen Albtraum habe ich auch heute noch live vor meinen Augen stehend…👀😱 Aber diesen schlimmen Albtraum muss ich leider jetzt für mich behalten, denn ich weiß es nicht mehr ganz genau, ob dieser Traum vom Kloster tatsächlich der schrecklichen Wahrheit entspricht oder auch nicht?😱😥
Ich hoffe, dass hier einpaar Betroffene meine lange Geschichte von 1974 lesen und eventuell ist ja jemand darunter, der mit mir zusammen damals zur gleichen Zeit in diesem Nonnen-Kloster inhaftiert war? Ich würde mich auf jeden Fall sehr darüber freuen, einen dieser damaligen Jungen wiederzusehen…um diese negativen Erlebnisse eventuell komplett aufzuklären. Damit man endlich selbst mit all den damals negativ vorgefallenen, eventuell auf Ewigkeit abzuschließen kann…
LG. Uli
PS. Ich bin gerne bereit, meine damalige zwei Fotos vom Kuraufenthalt hier zu zeigen, um eventuell den einen oder anderen betroffenen Jungen von damals wiederzusehen.
nach wie vor suche ich Kontakt zu möglichen Heimkindern in den Jahren 59/60 evtl. 61 die ebenfalls in dem Kinderheim-Verschickungsheim
Rechtis-Weitnau im Allgäu gewesen sind. Wohl habe ich den einen oder anderen Kontakt doch sie sind wesentlich jünger und ich werde nun bald 70. Wäre dennoch über Kontakte froh, ich habe hier immer wieder mal einen Beitrag geschrieben.
Ich wünsche von Herzen allen ehemaligen Verschickungs-Heimkindern alles, alles gute.
Namasthe
ich bin in der ehemaligen DDR grossgeworden.
Nur aus Erzählungen weiß ich, dass ich in einer dieser Kuren war. Meine Mutter sagte nur, ich wäre in einem schlechten Zustand nach Hause gekommen. Ich selbst habe keine Erinnerung. Aber leide schon seit der Kindheit an Depressionen, später Essstörung und auch Alkoholproblemen. Selbst nach wiederholtem Nachfragen in der Familie, will mir keiner sagen, wo ich war.
Von daher, hätte ich die Frage, woher kann man das erfahren.
Freu mich über Antworten.
Hier ein guter Artikel auf Zeit Online:
https://www.zeit.de/zeit-wissen/2024/05/verschickungskinder-erholungsheime-kur-erinnerungen/komplettansicht
Erschreckend darin für mich:
"In zwei Studien untersucht Ilona Yim die Folgen von Verschickung: Verschickungskinder werden im Durchschnitt dreimal so häufig geschieden wie Kinder, die nicht verschickt wurden...
"Sie haben Schwierigkeiten, enge Partnerbeziehungen erfolgreich zu gestalten"..
"Die Studien zeigen, dass Menschen mit Verschickungserfahrung weniger gut mit Stress umgehen können",
"Sie empfinden weniger Nähe zu ihren Eltern als die Probanden der Vergleichsgruppe ohne Verschickungserfahrung."
... "Haben 10 bis 15 Prozent der Deutschen depressive Symptome, hat sie unter den Verschickungskindern jedes zweite."
- Stimmt alles, kann ich bestätigen.
Es gab eine "Schreibtante Sabine", die unserer Mutter am 11.05.1975 eine Postkarte nach Hause (Bremen) schickte. Es liest sich, als ginge es uns beiden bestens...
Im August 2023 war ich in Sankt-Peter-Ording die Wanderausstellung zu dem Thema Verschickungskinder besuchen. Und ich war auch im noch existierenden heutigen "Haus Frisia". Vor Ort traf ich zufällig ein weiteres Verschickungskind, die nur positive Erfahrungen in dem Kinderheim Frisia gemacht hat. Auch meine Schwester hat nicht solche leidlichen Erfahrungen machen müssen wie ich.
Möchte gerne mehr erfahren
Ich habe nur wenige Erinnerungen an die Zeit wo ich dort war
Kontakt erwünscht
Lg Silke
Hier ist das Kapitel:
Kinderheim-Scherginnen
Außer seiner Mutter, dem Kofferradio, einer warmherzigen und gelegentlich eine andere wahre Wirklichkeit schaffenden Tante hatte Leander eigentlich nur seine Krankheiten verlässlich an seiner Seite. „Es sind die Drüsen“, sagte der Lungenfacharzt gerne, als er die Besorgnisse der Mutter zu vergrößern verstand. Da gab es etliche Höhlen in Ohr und Kopf, über den Augen, hinter der Stirn und oberhalb der oberen Zahnreihe, die wollten sich offenbar gerne füllen mit allerlei Besatz, der dort nicht hingehörte. Der Hals tat weh oder das Ohr. Der Kopf drohte zu zerspringen, weil der Knochen über den Zähnen den Druck nicht mochte.
Dutzende Male und tapfer durchstreiften die Mutter und der kleine Sohn die kleine Stadt von Süd nach Nord, von einem Ende der Stadt, wo die Sozialwohnungen der Geflüchteten und Vertriebenen rasch aufgebaut worden waren, damit es nicht allzu viel Verdruss mit den Ur-Gatterstalern gab, in Stadtteil der Frischer Born hieß, wo es etliche Gründerzeitvillen oder mindestens stattliche Einfamilienhäuser gab. Ja, die vielen Flüchtlinge. Schlesien, Mecklenburg und Pommern und Ostpreußen – das passte nun wirklich nicht wirklich zu den stolzen Niedersachsen, die froh waren, dass der Krieg reichlich glimpflich an ihnen vorbei gegangen war. Einquartierungen der deutschen Landsleute – das musste dann auch mal ein Ende haben.
Vom Süden der kleinen Stadt also wanderten Mutter Lotte und Sohn Leander, gut eingepackt mit Schal und Pelzmütze, in den drei Kilometer entfernten Norden zum Facharzt. Der hörte sich dann stets die immer gleichen Klagen der Mutter an. Die Halsschmerzen, die enge Atmung, der geblähte Knochen überm Oberkiefer – das alles musste doch nun wirklich nicht sein, hatte sie denn nicht genug erleben müssen im fernen Pommern, in der zerbombten Stadt Stettin.
Dort, beim Facharzt, gab es – wie wohltuend warm – blaues und rotes Licht auf die Kiefer- und Stirnhöhlenknochen. Schade, dass man dann durch die eiskalte Luft wieder nach Hause in die kalte Wohnung musste, so dass schon der kleine Knirps erkennen konnte: So funktioniert eine Therapie, deren Wirkung zuverlässig umgehend verpufft. Das erlebte er bei anderen medizinischen und seelischen Herausforderungen noch viele Male.
Gewiss: Für Leander barg die wiederkehrende gesundheitliche Instabilität einen Vorteil, einen erlebbaren, fast planbaren Vorzug. Denn, was er sonst nicht hatte, konnte ihm die Krankheit verschaffen: Aufmerksamkeit. Ätherisch aufgeladene Pasten wurden auf seiner Brust verteilt, mit Watte wurde okklusiv die Wirkung verstärkt und über Stunden bewahrt. Wichtiger noch: Aus dem Keller wurden Säfte zu Tage gefördert, die er sonst nie sah. Leckere Säfte. Später hörte er bei einer Ernährungsberatung, dass der Saft Muttersaft hieß. Wenigstens rückwirkend betrachtet, passend. Johannisbeersaft – von Mutter im Kartoffelkeller selbst entsaftet mit einem Monstrum, scheinbar aus dem Chemielabor entliehen – wurde am Krankenbett des Sohnes feilgeboten. Was sonst oft nicht gelang, funktionierte jetzt: Mutter brachte etwas, und Leander verspürte Lust, es anzunehmen. Es schmeckte ihm. Mutter zeigte sogar ein Lächeln.
Aber die Bakterien freuten sich, Leander immer wieder zuverlässig als Spielkameraden zu haben. Denn es gab es kein Übungsfeld für die Antikörperchen des Kindes in einem Kindergarten. Der war ja für den Knaben tabu, damit Mutter Abhilfe in ihrem Alleinsein geboten werden konnte.
Dr. med. Alfons Lüttergard, der angesehenste und einzige Hals-Nasen-Ohren-Mediziner und Lungenfacharzt der kleinen ordentlichen Stadt, entwickelte im Zeitablauf zunächst mit der Mutter, dann auch mit dem Vater einen Plan, wie dem kleinen untergewichtigen und infektanfälligen Knirps wohl geholfen werden könne. Nähe und Wärme, Bindungsbereitschaft von Mutter und Vater gegenüber ihrem Nachwuchs, die gab es nicht auf Rezept. Wohl aber eine in diesen Jahren gut in der Bundesrepublik verbreitete Maßnahme, die man für eine zielführende Methode der Krankheitsbekämpfung und vor allem der stählenden Menschwerdung hielt.
Spaßig fand Leander gut zwölf Jahre später, dass es der gleiche Arzt Lüttergard war, der der Bundeswehr in einem Attest empfahl, den just Volljährigen für tauglich zu erklären. Tauglichkeitsgrad: wehrdienstfähig, Stufe drei. Wegen der erheblichen Atemprobleme aufgrund der heftigen Allergien wurde unter der Nummer drei ergänzt: „Nicht im Frühjahr einberufen!“ Da war die Behörde fürsorglich, genauso wie beim Verhör, die Gewissensentscheidung auf Relevanz hin zu durchleuchten.
Leander, der kleine und untergewichtige Knabe, müsse in ein Kinderheim verschickt werden. So lautete der Beschluss und die kaum abweisbare Empfehlung des erfahrenen Lungenarztes. Hunderttausendfach habe sich in ganz Deutschland – damals meinte man damit „ganz Westdeutschland“ – die Verschickung bewährt, berichtete der Mediziner, die Kinder würden ihre Infektanfälligkeit durch Abhärtung und die sogenannte Luftveränderung überwinden, würden quasi über Nacht – genauer: Binnen sechs Wochen – stabil, geheilt, weniger mager, heiter, widerstandsfähig, kurzum: Pralle glückliche Kinder werden.
Mindestens glücklich genug, um die Vorzüge des Wirtschaftswunders ohne Hinterfragen zu genießen. Wie diese Abhärtung aussehen sollte, das wusste Leander damals noch nicht, als er alleingelassen im Beisein seiner Eltern im mit Desinfektionsmitteln geschwängerten Behandlungsraum des ehemaligen Stabsarztes stand und das Urteil über seinen weiteren Werdegang vernahm. Erwachsene denken oft, die Kinder, die kriegen nichts mit. Kriegen sie aber. Nicht zum letzten Mal wurde Leander Empfänger einer Entscheidung; er hörte sie und spürte gar nicht wirklich, dass es ihn selbst betraf.
Im Oktober 1962, Leander war fünf Jahre alt, begann jene Reise von Niedersachsen nach Westfalen. In der Nähe von Soest gab es ein Kinderheim, das sich nach der schönen Hansestadt Hamburg benannt hatte. Die Angestelltenkrankenkasse betrieb in Bad Sassendorf dieses Haus, in dem sich fünfzehn Frauen, die mal Tanten und mal Schwestern genannt wurden, die Aufgaben mit den zweihundert Kindern aus ganz Westdeutschland teilten.
Aufgabe der Tanten war es, die Kinder einzuschüchtern, sie anzubrüllen, ihnen ekelhaftes Essen aufzudrängen und überhaupt alles zu unternehmen, um die Kinder von zu Hause und ihrem Heimweh dorthin fernzuhalten. Die Angst und die unbedingte Anpassung, das war die Währung, mit der dort bezahlt wurde. Das war die Aufgabe der Klienten der Anstalt.
Viele Jahre später, als sich Leander umfassend mit der Entwicklung von Sprache und der Bedeutung von Worten befasste, war er immer noch nicht vollständig in der Lage, den Unterschied zu destillieren, der zwischen ge-schickt und ver-schickt lag. Vielleicht war es noch ehesten die Nähe zum Verschicken von Briefen und Postkarten. Die waren ja auch vor allem eins: Nach dem Versenden einfach weg, nicht aufs Wiederkommen programmiert. So war auch er ver-schickt und glaubte auch wirklich oft, niemals wieder zurückkehren zu dürfen.
Die Aufgabe der oftmals sehr kranken, hüstelnden, niesenden und weinenden Kinder war es, still und brav zu sein, die Maßnahmen zum Gesundwerden in ihr kleines Leben tapfer zu integrieren. Das dauernde Husten, das Weinen, das Flehen, endlich wieder nach Hause zu dürfen – ein bizarrer Teppich der Kälte, oft des Hasses war im Haus und vor allem in ihm ausgelegt.
Erst viele Jahre später, da war er schon vierzehn, fand Leander zufällig heraus, dass außer den erstaunlichen Maßnahmen – wie Erbrochenes aufessen und im Unterhemd in den kalten Ostwind vor die Tür gestellt werden – auch die Lüge ein tragendes Element dieses christlichen Hauses war. Leander war fünf, er konnte noch nicht schreiben. Jeden Sonntag innerhalb dieser unfassbar langen sechs Wochen setzten sich die Tanten im zum Glück leeren Speiseraum mit ihren Schützlingen an den Tisch, um Postkarten nach Hause an Mutti zu schreiben. Immer flehte Leander in den Postkarten, man möge ihn dort wegholen, die Tante möge schreiben, er wolle schnell heim. Darum hatte Leander gebeten.
Aber als Leander die Postkarten – in einem gelben Schuhkarton, von Mutter aufbewahrt und zufällig aus dem Wohnzimmerschrank gefallen – las, stand da nichts von seinen Sehnsüchten auf Heimkehr, auf ein Ende des schaurigen Aufenthalts. Da standen nur Lügen. Dass es dem kleinen Leander so gut gefalle, alle seien nett, es werde viel gespielt und viel gelacht. Nein, es wurde nicht viel gelacht. Es wurde nicht gelacht. Es wurde gelitten.
Immer, wenn Leander später einmal fror, dann war es das Frieren des Fünfjährigen, der zur Strafe für Nichtverzehr von fauligem Obst für eine Stunde im kalten Oktoberregen im Unterhemd vor die Tür gesperrt worden war.
Immer, wenn Leander später einmal schlecht schlief, dann sah er spätestens im Traum die klein-blaurotweiß-karierten Bettbezüge auf den Feldbetten, die in der Sporthalle von Haus Hamburg zum Zwecke des heilenden Mittagsschlafs aufgestellt waren.
Zweck der Sporthalle: Mittagsschlaf. Von eins bis drei. Mittagsschlaf. Damit die Kinder gedeihen. Und Schlaf bedeutete auch wirklich Schlaf, da gab es keinen Pardon. Leander war mittags um eins oft nicht müde, eher war er hungrig, vielleicht wollte er mit seinen Insassenkameraden reden, fragen, wie es ihnen denn geht, was ihre Wünsche wohl seien.
Jedenfalls lag er brav auf dem Feldbett mit der Nummer 7 – diese Zahl hatte er sich eingeprägt – und kniff die Augen zu. Er störte nicht, er gab keinen Laut von sich, atmete flach – so wie er es von seiner Bronchitis gut kannte, damit sie sich nicht allzu stark aufbäumte und das Giemen hörbar wurde.
Er sprach nicht, flüsterte nicht, lachte und kicherte nicht mit seinen Feldbettnachbarn, die auch alle so um die fünf bis acht Jahre alt waren. Nein, er gab keinen Laut von sich und hoffte, die strenge Tante würde bei ihrem Schlafkontrollgang ihre Kontrolle bewahren. Sie bewahrte sie nicht. Ein Dutzendmal wurde Leander während des verordneten Mittagsschlafs der über hundert Kinder kasernenhoftauglich angebrüllt, von jener Schwester, deren Namen er leider später nicht mehr erinnern konnte. Das war wohl besser so.
„Ich habe gesagt, dass hier geschlafen wird, verdammt noch mal, nicht, dass die Augen zugekniffen werden. Ich sehe das. Ich sehe das ganz genau. Glaub nur nicht, dass du mich anlügen kannst.“ Sowas sitzt. Und es förderte weder damals noch später Leanders Gesundheit. Die Schlafanordnung hielt ihn fern davon, wohlig müde zu werden.
War das Brüllen, diesmal sogar von Frauen, noch immer das gleiche Brüllen wie jenes des Bösmenschen aus Braunau? War das immer noch so nah an der Oberfläche, zu kurz her? Der Krieg und die Herrenmenschenherrschaft waren doch schon siebzehn Jahre vorbei. War das nicht lange genug? War es nicht.
Im Oktober 1962 – es waren drei der als umfassend heilsam versprochenen sechs Wochen verstrichen – kamen Mutter und Vater für einen Nachmittag zu Besuch, der Mercedes rollte über den Kies der Hofeinfahrt des Hamburg-Heims. Der hämmernde Diesel war dem Leander ein vertrautes Geräusch, das er bereits durchs gekippte Fenster des oft erschreckenden Speisesaals hören durfte.
Vater kommt zu Besuch, Mutter ist dabei. Gewiss haben sie die Postkarten gelesen, die die Tanten an den Sonntagen nachmittags nach dem Großen Geschlafe mit den Kinderinsassen verfassten. Leander war natürlich vom Authentischen dieser Karten ausgegangen. Gefleht hatte er, man möge ihn nach Hause holen, gejammert und geweint.
Kalt war es ja bereits zu Hause. Aber im Vergleich zu dieser erkalteten Abgeschiedenheit im Angesicht der rieselnden Saline und der Gewissheit der stets geschlossenen Türen – verglichen mit Haus Hamburg in Bad Sassendorf war es kuschelig warm in der winzigen Wohnung in Bad Gatterstal, froh für jedes gute Wort von Mutter war Leander und dankbar für jeden seltenen Blick des Vaters, der seine Wärme nur aus Versehen und Überforderung verbarg.
Ein langer Aufenthalt. Ein langer Entzug der Heimat. Sechs Wochen. Solche sechs Wochen rauschten sechzig Jahre später in den zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts – zu Beginn der Zeit der Großen Pandemien – für Leander und seine liebe Frau rasend hart und schnell wie ein eisig kantiger Sandsturm vorbei. Sechs Wochen; die dauerten bei guter innerer Führung in den Zeiten der Pandemie gewiss nicht länger als zweieinhalb Tage, aus Sicht der gereiften Seele gesehen.
Aber für Leander als Kind vergingen sechs Wochen langsam. Sie vergingen immer langsam, auch, weil der Vater verlässlich fern war, von Montag sechs Uhr bis Freitag fünf Uhr nachmittags. Nun, in Bad Sassendorf, konnte diese klebrige Wegstrecke durch die Zeit also noch gesteigert werden in ihrer Zähigkeit.
In Bad Gatterstal lebte er umhüllt von einem Mehltau-Mantel. In Bad Sassendorf lebte er zusätzlich in einem Bleikorsett, nach unten verstärkt mit Eisenkugeln, damit die innere Freude nicht auf die irrwitzige Idee kommen möge, frei zu hüpfen oder gar zu tanzen.
Diese sechs Wochen während der Kubakrise 1962 waren für den kleinen zarten Leander die erste persönliche unterbewusste Verknüpfung mit Krieg und Elend, jenes, das es zu vermeiden gelte.
Jeder einzelne Tag dieser sechs Wochen unter dem Kommando der Schwestern und Tanten im Verschickungsheim in Westfalen erschien ihm wie eine Woche, eher wie ein Monat. Keine Freude, keine Glanzpunkte, kein Hangeln von Spiel zu Spiel, keine heiteren Gespräche, kein freies Singen, kein Tanzen, nur stilles Erleiden der Anordnungen. Ein Tag, an dem er nicht geschimpft wurde, an dem er und die anderen nicht zerbrüllt wurden, war bereits ein besonderer Tag.
Es entstand eine jener umfassenden Verwechslungen: Das Ausbleiben von Trauer und Druck, das war bereits Glück. Es trainierte früh die Fähigkeit zur Contenance. Möglicherweise war das der verdeckte Auftrag, den die Sozialminister und Krankenkassen dieser Tage an die Verschickungsheime erteilt hatten. Vielleicht war das Quälen der Kinder nur ein Nebeneffekt. Sich unterordnen – das war schon einmal Tausend lange Jahre richtig, warum sollte das nun in einer freiheitlichen demokratischen Republik plötzlich anders sein.
Zurück zum Besuch der Eltern, dort im Haus Hamburg. Leander hatte also die kindliche Hoffnung, aus dem Besuch in der zeitlichen Mitte des Aufenthalts in Bad Sassendorf würde ein Heimholen nach Bad Gatterstal werden. Man – in diesem Falle, die Eltern – glaubte ihm nicht. Die Lügenpostkarten hatten gewirkt. Trauer oder gar Empörung konnte er nicht mobilisieren. Und er hatte schon damals die Fähigkeit, still zu leiden, so etwas, das er zwanzig und dreißig Jahr später gerne als „Mäßigung“ bezeichnete. Gelegentlich war er regelrecht stolz auf diese Umdeutung, auf diese fatale Verwechslung. Man sah seinem Gesicht jahrzehntelang nicht an, was sich hinter dem Pokerface verbarg. Es war selten Zorn, meistens Enttäuschung, was man hätte entdecken können.
Im Oktober 1962 gab es eine Krise in der Welt. Kuba stand im Zentrum des Interesses der Weltmächte. Später erfuhr Leander, wie brisant, wie unfassbar knapp der Planet vor dem Ausbruch des Dritten und vermutlich Letzten Großen Kulturbruchs gestanden hatte. Und als alles Flehen nichts nutzte, er an Mutter und Vater zerrte, die wieder in den Mercedes einstiegen, da hörte er den Vater sagen: „Du musst schön artig sein und auf die Tanten hören, damit du schön gesund wirst.“ Dieser Satz war belastend für Leander. Nicht belastend, sondern verstörend jedoch war jener Satz, den der Vater kurz danach beim Einsteigen an die Mutter richtete.
Drinnen im Auto lief das Autoradio. Nachrichten des Nordwestdeutschen Rundfunks. Das Thema war Kuba. Was der Präsident der USA wohl nun als nächstes machen werde, war eine der Fragen. Vater sagte zu Mutter – er war sicher davon überzeugt, der kleine Sohn würde es nicht hören: „Hoffentlich bricht kein Atomkrieg aus.“ Und dann fuhren die Eltern los, Leander weinte, winkte und blickte, er hatte gute Übung darin, in den Auspuff des 180-er Diesel.
Der Atomkrieg, der brach durch die Verkettung glücklicher Zufälle dann doch nicht aus. Atomkrieg und das Androhen mit Menschenmassenvernichtung, das war auch später etwas, das Leander nicht gut fand. Wie kam es zum Krieg der deutschen Herrenmenschen, wie zur Tötungsorgie gegenüber einem Dutzend Staaten, gegenüber anders Denkenden, anders Gläubigen, wie zum Zertreten eigener Landsleute? Das war eine Frage, die ihn politisch und historisch, vor allem aber tief in seinem Herzen sein Leben lang bewegte. Die andere Frage war: Wie eng und unabweisbar sind Lust an Unterdrückung und Sklaverei mit dem Einmünden in einen Großen Krieg verknüpft?
Vater Heinrich ging in neuer Gewohnheit und eigentlich zum Zwecke der Rehabilitation wöchentlich sonntags in die evangelische Kirche von Bad Gatterstal, um dem Pfarrer Nord zu lauschen, Mitglied der Bekennenden Kirche und ein Freund Pastor Martin Niemöllers.
Sohn Leander war – nur drei Jahre nach seiner Kriegsdienstverweigerung – stolz darauf, mit Pastor Martin Niemöller in Wiesbaden und Frankfurt am Main im Vorbereitungskomitee für die großen Friedensdemonstrationen Ende der siebziger Jahre, Anfang der achtziger Jahre gesessen zu haben. Leander und seine Mitstreiter, meist junge Gewerkschafter, waren ziemlich beeindruckt von der Vitalität des Pastors, der ein Freund des großen Dietrich Bonhoeffer gewesen war. 85 Jahre alt war Niemöller, als Leander ihn kennenlernen durfte. Der Pastor kam fünf Minuten vor Beginn der Tagung ins Haus der Gewerkschaftsjugend, nahm wie selbstverständlich drei Stufen auf einmal nach oben, überholte Leander und seinen Freund Horst – mit dem Zuruf: „Los, Jungs, lasst uns anfangen, wir haben nicht viel Zeit.“
Mit den ersten Demonstrationen in Wiesbaden, zwanzigtausend Leute waren es wohl, begann es 1977. Und die dreihunderttausend westdeutschen Menschen mit offenem Geist und der Sorge um die Erhaltung des Friedens, die in Bonn im Oktober 1981 auf der Hofgartenwiese gegen Raketen aller Art demonstrierten, sie vermochten es, dem jungen Leander Glücksmomente zu verschaffen, Geborgenheit, Zuversicht, Angstverminderung, ja echte Heiterkeit. Er spürte, auf der richtigen Seite zu sein, wie ein paar Jahre zuvor, als er sich für den Zivildienst und gegen den Kriegsdienst entschieden hatte.
Aber die großen Demonstrationen, umrahmt von Musikern und Literaten, leisteten mehr, als nur am Ende des Schlafs der Vernunft beteiligt zu sein. „Vom Schrei nach dem Frieden ist die Luft hier ganz schwer. Ja, wo kommt denn der Frieden her?“ rief André Heller, der Künstler aus Wien, den wachen und freundlichen alternativen Bundesbürgern und Bundesbürgerinnen auf der Bonner Hofgartenwiese zu.
Es war Konsens dieser herzlich Vernünftigen in Bonn, der Frieden komme nicht nur vom bloßen Fordern, nein, er komme vom eigenen Tun. „Wenn in unseren Seelen die Mörderwaffen ruh’n. Wenn wir Gewalt verweigern in Sprache, Not und Streit. Wenn wir als Haltung lieben, Zeit unserer Lebenszeit“, empfahl der große österreichische Künstler.
Die Freude in den Gesichtern der vielen Gleichgesinnten, ihre Buntheit und Weltoffenheit, ihre Herzlichkeit, ihr Mut und ihre Demut – sie vermochten die Kälte der elterlichen Sozialwohnung und mehr noch die Eiseskälte der beiden zehrenden Kinderheimaufenthalte mit Wärme und mit einem Geschmack von Zukunft zu vertreiben.
Ich bin mir sicher, dass sich dieser "Kuraufenthalt" tief in meine Seele eingebrannt hat, ohne Genaueres zu wissen. Vielleicht einer der entscheidenden Gründe für meine lebenslangen Depressionen?!
Ich würde mich gerne mit anderen Menschen austauschen, die auch eine "Kinderlandverschickung" erleiden mussten.
Martin
Zum Glück fand ich unter den anderen Kindern im Schloss am Meer bald einen Freund, einen Jungen aus der Nähe von Stuttgart. Wir verstanden uns gut und waren immer zusammen, wenn es ging. Wir gingen nebeneinander bei Strandwanderungen und wenn wir durch Wyk zum Sportplatz gingen, um dort Fußball zu spielen. Ich mochte Fußball nicht, was die Betreuerinnen aber akzeptierten. Ich durfte auf einer Bank sitzen und zuschauen, was ich viel schöner fand, als dem Ball hinterherzurennen. Ich war damals ziemlich dick, die Rennerei nervte mich. Toll war, dass wir anschließend bei einem Dorfladen vorbeigingen und uns etwas kaufen durften. Süßigkeiten waren nicht erlaubt, aber eine Banane war o. k. und ich fand sie damals köstlich. Das lag an dem etwas kargen Essen, das ich aufgrund meines Übergewichts bekam. Ich fand das ungerecht, aber es war eigentlich schon nötig. Ich erinnere mich an den großen Speisesaal, in dem alle Kinder saßen und aßen. Ein Gericht gab es öfters: Kartoffelbrei mit Sauerkraut und in Scheiben geschnittene Frankfurter Würstchen. Alles durcheinandergerührt zu einer ziemlich massiven Masse. Ich erinnere mich, dass mein neuer Freund das nicht mochte, aber ich aß eigentlich alles gern. Dazu gab es Hagebuttentee aus einer Edelstahltasse. Ich kannte das nicht, bei uns zuhause gab es nie Tee. Aber ich mochte es, ich fand es erfrischend.
Nach dem Mittagessen mussten alle Mittagsschlaf machen. Wir lagen in einem großen Saal auf einer Art Campingliege, jeder hatte eine Wolldecke. Auch das kannte ich von zuhause nicht, denn ich war mittags nie müde. Daher fand ich die Ruhezeit im Kinderheim sehr, sehr langweilig. Eigentlich durften wir nichts mit in den Ruhesaal nehmen, aber nach ein paar Tagen Langeweile schmuggelte ich immer ein kleines Blatt Papier mit hinein und faltete damit unter der Wolldecke Tiere, Schiffchen und Ziehharmonikas. Natürlich musste ich sehr vorsichtig sein, so dass die Aufpasserin nicht sehen konnte, das ich beschäftigt war. Ich wurde aber nie erwischt. Das war klasse und fortan war die Ruhezeit erträglich.
Tagsüber haben wir viel gebastelt, denn es regnete oft, oder wir sangen Lieder zusammen, aus der Mundorgel; jeder hatte so ein kleines Heftchen bekommen und trug es bei sich. Manchmal saßen wir beisammen und haben Postkarten an unsere Eltern geschrieben. Auch gab es einen Souvernierhändler, der mit Seepferdchen, Muscheln und ähnlichen Dingen ins Haus kam und wir konnten etwas als Mitbringsel für unsere Eltern kaufen. Ich weiß noch, dass ich mich über meinen Seepferdchenkauf sehr gefreut hatte.
Die Betreuerinnen, die sich um uns den ganzen Tag lang kümmerten, waren alles junge Frauen. Ich fand sie ziemlich nett. Sie machten lustige Spiele mit uns, ließen uns ein Zehnpfennigstück suchen, das sie ganz offen auf ihren Fuß gelegt hatten und niemand fand es. Wir spielten Stadt-Land-Fluss und stille Post, gingen einmal sogar in eine Eisdiele und die Betreuerinnen warfen Geld in eine Jukebox. Ich hatte zuvor so ein Gerät noch nie gesehen und fand es faszinierend, wie die Schallplatten automatisch auf den Plattenteller gelegt wurden.
In der Nacht irritierte es mich, was ein anderer Junge unter der Bettdecke machte. In meinem Raum gab es vielleicht vier Betten, einer der Jungs war schon älter. Er befriedigte sich wohl selbst und wusste dann nicht, wohin damit, so dass am nächsten Morgen die Erzieherinnen sein Bett neu beziehen mussten. Es gab aber deswegen kein Theater, nur ich verstand damals nicht, was das alles war.
Gegen Ende des Aufenthalts wurde ich krank, eine Erkältung mit Fieber, so dass ich nicht wie geplant mit den anderen Kindern wieder nachhause fahren konnte. Ich blieb ein paar Tage länger im Bett und bekam nun endlich gutes Essen, weswegen in diese letzten Tage gar nicht so schlecht in Erinnerung habe.
Ich denke, ich habe mit meinem Aufenthalt im Kindererholungsheim viel Glück gehabt. Erst vor kurzem las ich, dass es in diesem Haus ein paar Jahre früher noch einen ganz anderen Umgang mit den Kindern gab. Davon habe ich jedoch nichts mehr gemerkt. Abgesehen davon, dass ich meine Eltern sehr vermisst habe und ich immer Diätkost essen musste, habe ich keine negativen Erinnerungen an meine Zeit im Schloss am Meer. Auch kann ich mich nicht erinnern, dass ich dort gemobbt wurde, was mir gutgetan hat. Ich glaube, ich habe damals sogar etwas an Selbstbewusstsein gewonnen.
1969 – St. Peter-Ording, Leitung Familie Doll, 7 Jahre alt
1970 – Kindersanatorium Waldesruh, Dausenau/Lahn, 8 oder 9 Jahre alt
1972 - Amrum, Haus Satteldüne, 10 Jahre alt
1974 – Bad Kreuznach, 12 Jahre alt
Als ich mir einige der vielen Berichte hier durchgelesen habe, stellte ich fest, dass ich zum Teil sehr ähnliche Erfahrungen gemacht habe während den fünf 6-wöchigen Verschickungen, an denen ich aufgrund meines Asthmas teilnehmen musste. Ich kann wohl von Glück sagen, dass ich schon immer eine Frohnatur war, aufgrund der vielen Bücher, die ich las, mich als Abenteurer und tapferen Helden sah (und dazu zählten wohl auch die Gefahren eines Heimaufenthaltes, die es zu bezwingen galt). Allerdings sind auch an mir diese Aufenthalte nicht ganz spurlos vorbei gegangen und ich frage mich, ob ich einige meiner „Überlebensstrategien“ vielleicht sogar dort entwickelt habe.
Bei der ersten Verschickung war ich gerade mal 5 Jahre alt. Ich kann mich an so gut wie nichts erinnern, was in der Kinderheilstätte Donnersberg geschah. Ich weiß nur, dass es uns nicht erlaubt war, unsere eigene Puppe oder Teddybär dabei zu haben, was zu einem großen Trennungsdrama führte, als man meine Puppe meinen Eltern wieder mitgab, die mich im Auto eines Bekannten hingefahren hatten. Es gibt ein Foto, wo man uns zum Fasching angemalt hatte und man kann auf dem Foto sehen, dass ich mich sehr unwohl fühlte.
Die nächste Verschickung führte mich nach St. Peter-Ording und an diese Zeit kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich war mit 7 Jahren die Jüngste und wurde von den großen Mädchen gehänselt, geschubst, vom Spiel ausgeschlossen und nachts im Schlafsaal drangsaliert. Das Ehepaar, das damals das Haus leitete (ich glaube, sie hießen Doll), beschloss, dass dies eine untragbare Situation sei und nahm mich kurzerhand mit in die Privatwohnung, wo ich in der Besucherritze zwischen den beiden mit im Ehebett schlafen durfte. Morgens sprang der Dackel der Familie aufs Bett und begrüsste mich freudig. Nach anfänglicher Bedrängnis wandelte sich dieser Aufenthalt daher für mich in eine wunderschöne Zeit, dank des liebevollen Ehepaars. Ich habe noch lange Kontakt gehalten mit der Familie, erinnere mich an Telefonate aus der gelben Telefonzelle und die Frau, die mich ihre „Micky Mouse“ nannte.
Bei der nächsten Verschickung landete ich wohl mit 8 oder 9 Jahren in Dausenau an der Lahn. Seltsamerweise hat meine Mutter jahrelang bestritten, dass ich jemals dort war, bis eines Tages eine Postkarte von dort auftauchte, die ich eigenhändig geschrieben hatte. Wahrscheinlich hat meine Mutter dies verdrängen wollen, da ich offenbar dort Ärger machte. Die einzige Szene aus diesem ganzen Aufenthalt, an die ich mich nämlich erinnern kann, ist eine Fahrt auf der Lahn auf einem Ausflugschiff. Offenbar habe ich es so sehr gehasst dort, dass ich, als das Schiff in der Schleuse aufstieg über Bord und an Land gesprungen bin. Leider kam ich nicht weit, da mich ein Betreuer ganz schnell wieder einfing. Diese Situation kam mir erst Jahre später wieder ins Gedächtnis, als ich mich mit Freunden auf so einem Ausflugschiff befand und beim Auftauchen aus der Schleuse plötzlich den gleichen Blickwinkel einnahm wie damals.
Danach folgten 6 Wochen in Haus Satteldüne auf Amrum, als ich 10 Jahre war. Obwohl es teilweise eine schlimme Zeit für mich war, wollte ich immer wieder dorthin zurück in Urlaub fahren und Amrum ist bis heute meine Lieblingsinsel. Dies ist wahrscheinlich auf die lieben jungen Erzieherinnen zurückzuführen, die damals unsere Gruppe betreuten. Das Regiment führten jedoch einige Ordensschwestern, die uns ziemlich schikanierten. Es musste immer aufgegessen werden und einmal war ich so satt, dass ich nach dem Mittagessen den Schokopudding nicht aufessen konnte. Ich musste noch ganz lange sitzen und begann schon zu würgen. Als ich es dennoch nicht schaffte, aufzuessen, hat man mir zum Abendbrot kurzerhand noch einmal eine volle Schüssel Schokopudding mit dicker Haut hingestellt und zum Frühstück wiederum – während die anderen normales Essen bekamen. Das Einzige, was ich bis heute nicht essen kann und wovon mir nur beim Gedanken daran schlecht wird, ist Schokopudding. Nach dem Essen mussten alle Kinder den Kopf in den Nacken legen und dann kam eine Ordensschwester, hat uns die Nase zugekniffen und einen Löffel Lebertran in den Mund gegossen. Wenn die Schwester mal nicht da war, haben die jungen Betreuerinnen die Kinder durchgezählt und dann die Löffel abgezählt und in den Ausguss geschüttet, denn vielen wurde immer schlecht von dieser Gabe nach dem Essen und der Lebertran kam uns stundenlang immer wieder hoch.
Ich erinnere mich noch gut an die Vorbereitungen für jede Verschickung – meine Mutter musste in jedes Kleidungsstück meinen Namen einnähen, es gab dazu extra Aufnäher mit roten Druckbuchstaben. Außerdem hatte jedes Kind eine Kleiderliste im Koffer. Wir mussten nun immer in so Unterdruckkapseln sitzen, in denen ich Panik bekam, weil es so eng und dunkel darin war, komisch roch und klang. Zum Rausschauen gab es nur ein kleines Bullauge. An einem Tag kam eine der Betreuerinnen und hielt mehrere Kleidungsstücke vor das Bullauge und wollte wohl wissen, ob sie jemand von uns gehören. Ich konnte nichts erkennen, da die Sicht nach draußen sehr schlecht war und beim Verlassen der Kapsel bat ich die Erzieherin, mir die Sachen noch einmal zu zeigen. Da sagte sie, ich sei ein dummes Kind und sie habe meine Sachen in den Müll geworfen, die seien jetzt weg. Ich habe meine Kleider nie wieder bekommen.
Uns wurde auch immerzu Blut geholt und noch heute kann ich nicht hinschauen, wenn mir jemand eine Spritze in den Arm steckt oder in den Finger pieken will. Eine große starke Ordensschwester hielt mich im Klammergriff während ein Arzt mir Blut abnahm. Ich kann bis heute das Ticken der Uhr hören, die die Schwester umhängen hatte und gegen die sie mein Ohr presste, während sie versuchte, meinen Kopf so zu drehen, dass ich hinschauen musste, was der Arzt da machte.
Nachts war die schlimmste Zeit: am Abend las uns eine liebe Erzieherin immer ein Kapitel aus Tom Sawyer vor, es brannte nur noch ein Licht im Flur, wir lagen alle still im Bett und hörten andächtig zu. In dieser Zeit durfte man auch noch zur Toilette. Dann wurde auch das Licht im Flur gelöscht und die Ordensschwester schärfte uns ein, dass wir bestraft würden, wenn wir es wagten, nachts unsere Betten zu verlassen und zur Toilette zu gehen. Ich hatte in den 6 Wochen sehr oft Durchfall und schlich mich regelmäßig nachts mit Todesangst über den Flur zur Toilette und traute mich nicht, abzuziehen, da dies die Nonne auf den Plan gerufen hätte. Am Morgen war dann immer großes Geschrei, weil wieder jemand trotz Verbot aufgestanden war und man drohte uns an, dass man schon diejenige erwischen würde, die sich nachts rausschleicht. Diese Zeit hat mich tief beeindruckt, aber trotz der Schikanen wollte ich nicht mehr nachhause, weil es mir so gut gefiel.
Die letzte Verschickung fand statt, als ich etwa 12 Jahre alt war. Hier war es der Heimleiter, der uns Kinder in Angst und Schrecken versetzte. Wir durften ab einer bestimmten Zeit das Haus nicht mehr verlassen, um in den Hof zu gehen, weil der Mann dort seinen Schäferhund frei laufen ließ und drohte, ihn auf uns zu hetzen, sollten wir uns draußen blicken lassen. Es gab oft Griesbrei zu essen, den ich liebte, aber von dem vielen Kindern schlecht wurde. Es gab Schläge mit dem Holzlöffel, wenn wir nicht essen wollten. Ich erinnere mich, dass es wenig zu trinken gab, wir hatten ständig Durst und bei Wanderungen rieten uns die Erzieherinnen, einen Kieselstein in den Mund zu legen, dann würde man den Durst nicht so spüren. Es gab einen Kiosk in dem Gebäude, an dem man sich selbst Getränke kaufen sollte, aber der Heimleiter machte den Kiosk nicht auf. Gegen Ende der Kur kam eine Gruppe von Stadtratsmitgliedern meiner Heimatstadt zur Besichtigung und um zu prüfen, ob wir gut untergebracht sind. Der Heimleiter drohte uns mit Schlägen und Strafen, wenn wir etwas Nachteiliges über ihn und das Heim sagen. Einer der Männer war jedoch ein Freund meines Vaters und ich bat ihn um einen kurzen Moment und klärte ihn auf, was hier für Zustände herrschten. Daraufhin kam es zu einer Untersuchung, aber ich weiß nicht, was dabei herauskam.
Meine Schwester ist auch zweimal verschickt worden, einmal ins nördliche Saarland und einmal nach Wyk auf Föhr. Sie hatte jedes Mal eine schlimme Zeit, große Trennungsängste und erhielt wohl viel Schläge, hat bis heute Gewichtsprobleme, wurde immer zum Aufessen und Überessen gezwungen, weil sie zunehmen sollte. Auch sie durfte nachts nicht zur Toilette, hat ihre eingenässte und eingekotete Unterwäsche im Schrank versteckt und wurde dafür bestraft.
Ich war fünf und konnte singen. Gut singen. Mir sofort Melodien und Texte der deutschen Volkslieder merken. Ich glaube, das war meine Rettung. Ich war keiner jener Kinder, denen nach einem Streit an den Haaren ziehend die Köpfe zusammengeschlagen wurden. Ich kam damit davon, nachts stehend zu verbringen, wenn ich mal wieder ins Bett gemacht hatte.
Ich war der, bei denen die Augen der alten Fratzen, die unsere "Schwestern" waren, zu leuchten anfingen. Und ich war froh, dass ich im echten Leben nur Brüder hatte.
Noch heute habe ich Angst, nach St. Peter Ording zu fahren. Ich war nie wieder dort.
Fast zwei Jahre nach dieser "Kur", nach der sich mein Kinderarzt wunderte, warum es mir immer schlechter ging, hatte ich wohl langsam begonnen, meinen Eltern von der Zeit in St. Peter Ording zu berichten. Deren Schuldgefühle, ihren Sohn dem ausgesetzt zu haben, hat sie ihr Leben lang begleitet.
Deutschland und den Deutschen, meinen Leuten, trau ich bis heute keinen Meter über den Weg.
Ich leide bis heute, aufgrund dieses Aufenthalt, unter Berührungsängsten und
einer sozialen Phobie.
Ich weiss aber sicher, wenn ich nicht artig war, wurde ich von den Tanten in einen dunklen Kellerraum, ohne Licht und Fenster, für längere Zeit eingesperrt.
Auch der Mittagsschlaf war hart. War es von Zuhaus nicht gewöhnt.
Also bin ich aufgestanden. danach weiss ich nur noch, ich lag ab da 2 Stunden stocksteif auf der Liege, mit geschlossenen Augen und traute mir nicht auch nur die kleinste Bewegung zu.
Wieder zurück habe ich meiner Mutter erzählt, ich habe da in dem Heim sehr viel Schläge bekommen. So richtig geglaubt hat man mir es aber nicht.
1. Ich bin zufällig auf das Thema im Internet gekommen. Ich erlebte als 5jähriger (1960) in Bad Laasphe den stundenlangen Esszwang und den Schlafzwang. Durch den Esszwang erbrach ich auf eine Steintreppe im Haus und rutschte aus. Ich erlitt eine Platzwunde über dem Auge und wurde in einer Hausarztpraxis versorgt. Anschließend hatte ich absolute Bettruhe. Darüber war ich als kleiner Junge recht froh. Ich konnte nicht mehr mit Essen traktiert werden. Schließlich hatte ein externer Arzt "ein Auge auf mich". Kontakt zu den Eltern war nicht möglich. Meine Eltern waren sehr zurückhaltend und beschwichtigten nach meiner Rückkehr. Mir blieb eine Narbe in der Augenbraue.
2. Meine zweite Kinderkur fand wegen Luftveränderung auf Amrum statt. Der Großteil der Kurkinder waren aber als schlechte Esser dort. Hier erlebte ich mit, wie Kinder vor meinen Augen bestraft und erniedrigt wurden. Essen oft von Milchsuppen und ähnlichen ungenießbaren mussten mit mehreren Portionen teilweise über lange Zeit heruntergewürgt einschließlich oft Erbrochenes aufgegessen werden. Oftmals wurden herrlich duftende Gerichte durch den Essenssaal zur Heimleiterin und den Schwestern geschoben was unsere ausgelieferte Situation nicht besser machte und bei mir auch Angst hinterließ. Ein strenger Winter während meiner "Kur" ließ Amrum einfrieren. Es kam keine ausreichende Versorgung per Schiff. Angeblich wurde die Insel mit Hubschraubern versorgt. Mir machte das als Zehnjährigen natürlich Angst. Heftiger Sturm machte es nicht besser. Bei einem vorgeschriebenen Kartengruss an die Eltern durfte ich das schwere und lange Wetterereignis nicht mitteilen. Man sagte mir, ich würde den Eltern damit nur Sorgen bereiten. Diese wollte man nicht und ich musste eine neue Karte mit Belanglosem abschicken. Ich fühlte mich hilflos und von meiner Familie isolliert. Ein kleines Geburtstagpäckchen mit Süssigkeiten wurde mir nicht gegeben. Vermutlich hat der Inhalt der Belegschaft gut geschmeckt. Nach meiner Rückkehr erlebte ich wieder bei meinen Eltern eine gewisse Verharmlosung meines Erlebten. Das Erlebte wird mir heute durch Betroffene im Internet wieder bewusst gemacht. Ich hatte das Erlebte so hingenommen, weil ich sowieso kein Gehör und keine Hilfe erwarten konnte.
Noch nie habe ich soviel Stränge erlebt. Noch nie wurde ich so oft angeschrien. Ich hasste es Tomatem zu essen zb,das weiss ich noch. Musste mich davon übergeben. Man zwang mich,in mitten des Speisesaals diese zu essen,stehend vor allen. Bis ich mich übergab. Musste dann auf knien alles putzen. Das war Standart! 1 mal die Woche wurden Briefe der Eltern vorgelesen. Eltern bekamen eine zurück. Ich war zu klein zum schreiben, daher weiss ich nicht was da stand. Wir mussten in Reih und Glied (Mädchen,Junge,Mädchen,Junge) auf den Schultern fassenden hintereinander zum Duschen. 1 Min warm. Dann kam der kalte Schlauch... sollte fürs Immunsystem sein,sagte man. Im Anschluss bekam jeder seine eigene Handbürste (so eine für die Nägel) und wir mussten uns zum Teil den Rücken blutig schrubben,für die Durchblutung. Ich weiss nicht extrem viel mehr.. aber ich weiss und erinnere mich genau an mein Gefühl...diese Ängste,Traurigkeit,ja auch Hass. Auch meiner Mutter gegenüber. Wie konnte sie das zulassen? Heute,will sie davon wenig hören. Ist ihr schlicht egal! Aber mit mir hat das viel Gemacht. Und das macht auch heute viel mit mir,meinen Kindern gegenüber. Bin so eine typische Helikopter Mutter! Sehr extrem sogar,bis hin zu Panikattacken bei mir,wenn ich Angst habe das mein Kind nur hinfällt. Das führe ich darauf zurück...ich werde diese Gefühle die ich dort hatte,einfach nicht los. Auch fast 40 Jahre später nicht
Mir wurde bewusst, auch ich bin damals verschickt worden, auch ich bin ein Verschickungskind, auch wenn ich offenbar das Schlimmste verdrängt und nur bruchstückhafte Erinnerungen habe.
Im Jahr 1963 wurde ich im Alter von 9 Jahren per Bahn aus dem Rhein-Main-Gebiet nach Villingen im Schwarzwald verschickt. Anlass war keineswegs eine medizinische Indikation. Vielmehr waren meine Eltern irrigerweise der Meinung mir als Einzelkind würde das dort gut tun.
Mehre Kinder teilten sich ein Abteil im Zug. An eine Begleitperson kann ich mich nicht erinnern. Dort angekommen wurden wir per Bus zum Haus Tannenhöhe (der Diakonie) gebracht und begrüßt. Danach nahm man uns unsere persönlichen Gegenstände ab, inkl. Plätzchen, Süßigkeiten und Obst, teilweise auch mitgebrachte Spielsachen.
An eine gesundheitliche Eingangsuntersuchung kann ich mich nicht erinnern. Untergebracht waren wir in großen Schlafräumen. Die Betten mussten wir selbst machen. Das Ergebisse wurde täglich benotet. Wir bekamen Punkte und sollten diese bis zum Schluss sammeln (vgl. unten).
Der Umgangston war herzlos, rauh und kalt, insbesonders gegenüber kleinen Kindern oder "Jammerkindern". Wir wurden verwahrt, eigene Vorstellungen waren nicht erwünscht. Es gab ein festes Programm und einen Tagesablauf, dem wir unterworfen wurden. Wer das Gelände verlies wurde bestraft. Oft weinte ich heimlich.
Einzig einige der tlw. sehr jungen Praktikantinnen waren nett zu uns. Deren Aufgabe war u. a. uns vor dem Mittagsschlaf (Bettenpflicht) etwas vorzulesen. Einige waren auch bemüht kleinere Kinder voller Heimweh zu trösten, zumindest solange keine Diakonissen in der Nähe waren.
Das Essen habe ich als gleichförmig, minderwertig und wenig schmackhaft in Erinnerung. Bei gutem Wetter organisierten die Praktikantinnen Spiele im Freien. Ich kann mich außerdem an einen anstrengenden Waldspaziergang erinnern und an einen tristen Ausflug zum Titisee bei Regen.
Anrufe nach Hause wurden mir verwehrt. Wöchentlich sollten Postkarten geschrieben werden. Oft kam es nicht dazu. Ich wurde angewiesen positiv zu schreiben, sonst würde man die Karte "um die Eltern nicht zu beunruhigen" nicht abschicken. Ich hatte jedoch mit meinen Eltern zuvor einen Code vereinbart, in dem ich versteckt eine Schulnote für die jeweilige Woche auf der Karte hinterlies. Diese Note fiel von anfangs 2 auf zuletzt 6. Geblieben ist mir lediglich ein Brief mit einem nichtssagenden Text und einem unscharfen Gruppenfoto.
In diesen Wochen erlebte ich die schlimmste Zeit meines Lebens. Anders als viele andere Kinder konnte ich mit meinen 9 Jahren meine Sitation einschätzen und versuchte unauffällig zu bleiben, um nicht betraft zu werden, z. B. mit Ecke stehen, kein Essen, keine Spiele. Es war dort sehr schwer Freundschaften zu schließen oder sich solidarisch zu zeigen. Am letzten Tag wurden wir verabschiedet und durften in der Reihenfolge unserer gesammelten Bettenpunkte antreten und aus einer Kiste mit alten, gebrauchten Spielsachen sich ein Stück nehmen. So sind einige der Kinder zuletzt sogar wieder in den Besitz ihrer eigenen Spielsachen gekommen. Ich habe verzichtet. "Villingen" ist und bleibt für mich ein Unwort. Lange Zeit dachte ich alleine solch schlechte Erfahrungen gemacht zu haben - Pech eben.
Meine Eltern holten mich aufgrund meiner abfallenden Benotung direkt mit dem Auto ab. Ich habe Ihnen ausführlich berichtet und ihren Schock und die ehrliche Betroffenheit über die schlimmsten sechs Wochen meines Lebens gesehen. Diese Verschickung habe ich Ihnen trotzdem bis heute nicht verzeihen können.
1956/57 wurde ich im Alter von ca. 9 Jahren, weil ich zunehmen sollte, für 6 Wochen in Kur nach Bad Rippoldsau in den Schwarzwald mit dem Zug verschickt. Weil ich nach 6 Wochen nichts zugenommen hatte, wurde diese Kur nochmals 6 Wochen verlängert wobei ich nach dieser Zeit immer noch nichts zugenommen hatte. Bei unseren Betten wurden die Bettdecken an Beiden Bettkanten eingeklemmt. Wenn sie bei jemandem am Morgen nicht mehr korrekt waren, wurde derjenige in der folgenden Nacht abgeholt und mit anderen Kindern mitten in der Nacht eiskalt abgebraust. Diese Schreie in den Nächten, höre ich heute noch. Beim Essen mussten wir so lange sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war. Ich musste das, weil ich keine gekochten Möhren mochte. Ich hatte mich mit einem Jungen aus Mönchengladbach angefreundet. Er mochte beim Frühstück keine Leberwurst, trotzdem musste er sie Essen und nachher dann wieder das erbrochene. Einmal kamen wir etwa mit 12 Jungen in Quarantäne. Ich hatte keine Beschwerden, aber uns wurde gesagt, wir dürfen mit anderen eine Woche lang nicht in Berührung kommen. Jeden Tag bekamen wir eine Spritze. Wir mussten uns auf den Bauch legen. Den nackte Hintern nach oben. Die Schwester kam mit einem Tablett Spritzen, und hat sie jedem wie beim Dart in den Hintern geworfen. Post wurde natürlich kontrolliert. Es durfte nur geschrieben werden, wie schön es dort war. Alles wurde kontrolliert. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen. Auch mit meinen Eltern nicht. Mich hat das alles wieder eingeholt, als ich mit 55 Jahren wegen Depressionen in Kur kam. Ich fühlte mich eingesperrt. Kein Handy, kein Notebook, kein Kontakt zur Familie. Zum Glück wurde es mir später alles erlaubt, als sie von meinem Trauma erfahren haben. Das Kinderheim in Bad Rippoldsau wurde übrigens von katholischen Nonnen geleitet. Jetzt bin ich 76 Jahre alt und es verfolgt mich immer noch.
Seit 18 Jahren lebe ich auf Gran Canaria. Das hilft mir, weil ich weit weg von diesem Ort bin.