Ehemaliger Heimarzt unterschreibt Unterlassungserklärung

Aus den Heimortgruppen: Engelbert Tacke berichtet von seinen Recherchen aus Brilon:

Der Kampf um die Wahrheit der Kinderverschickung verlangt manchmal Hartnäckigkeit. Das ehemaliges Verschickungskind wollte sich nicht der Lüge bezichtigen lassen und holte sich juristischen Rat. Jetzt wird der ehemalige Heimarzt Dr. Manfred Selter aus Brilon nicht mehr behaupten dürfen, dass der Autor Engelbert Tacke in einem Aufsatz über die damalige Heimleiterin die Unwahrheit gesagt habe. Würde er dies nochmal sagen, müsste er 5.000€ bezahlen. Was war geschehen?

Im Februar 2024 sprechen zwei ehemalige Kurkinder mit der „Westfalenpost“ in Brilon über ihre verstörende Zeit im Kinderheim Dr. Selter. Dazu hatte Tacke intensiv recherchiert und ausführlich über das Kinderheim, die NS-Vergangenheit des Gründers Paul Selter und seiner Ehefrau, die langjährige Heimleiterin Elfriede Selter, in mehreren Artikeln berichtet.

Die „Westfalenpost“ griff dies auf und berichtete ausführlich. Doch zwei Wochen später meldete sich Manfred Selter, der ehemalige Heimarzt, Adoptivsohn der Elfriede Selter, zu Wort, stellt die Fakten in Frage und ließ sich mit den Worten zitieren: „Herr
Tacke sagt die Unwahrheit und das kann ich beweisen.“
Den Beweis blieb er schuldig. Ein Jahr später entschloss sich Engelbert Tacke, juristisch gegen die Falschbehauptung vorzugehen: Bei Strafe von 5000€ darf Dr. Selter die ehrverletzende Aussage nicht wiederholen. Der ehemalige Heimarzt konnte keine Beweise liefern und unterschreibt die „strafbewehrte Unterlassungserklärung“. Er wollte nun auch nicht mehr mit der „Westfalenpost“ sprechen, die in einer dritten Berichterstattung die Fakten wieder gerade rückte.

Die Fakten in Kurzform:

Die Recherchen um das Kinderheim und sein Gründerpaar haben die folgenden Fakten zu Tage befördert: Das Kinderheim war von 1953 bis 1981 in Betrieb, gegründet von Paul Selter. Etwa zwanzig Kinder hatten in den vergangenen Jahren öffentlich und in Foren oder Chats über die zum Teil entwürdigenden Praktiken der „Tanten“ und der Heimleiterin Elfriede Selter berichtet. Der Gründer, Paul Selter, war schon 1930 der SA und der NSDAP beigetreten. Über seine Biographie machte er widersprüchliche Angaben. In der Entnazifizierung gelang es ihm, von „politisch bedingt tragbar“ zu „entlastet“ heruntergestuft zu werden. Der Gründung des Kinderheims geht angeblich seine Promotion voraus, von der Dissertation gibt es in der Nationalbibliothek allerdings nicht mehr als einen schmalen Entwurf. Auch Elfriede Selter gehörte seit 1941 der NSDAP an. Neben den heutigen Klagen über das Verhalten der Heimverantwortlichen gibt es auch historische Belege über einzelne Beschwerden, die aber im Landesjugendamt des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe damals nicht aufgegriffen wurden.

Zum Hintergrund:

Das Kinderheim Dr. Selter war ein Vertragsheim der Barmer Ersatzkasse. Gegenüber der „Westfalenpost“ behauptet die Kasse, dass heute aus datenschutzrechtlichen Gründen alle relevanten Akten vernichtet seien. Mit „Bedauern“ schaue man heute auf das Leid der Verschickungskinder, Betroffene von Kinderverschickung wünschen sich jedoch Entschuldigungen, die mit Anstrengungen zur Aufklärung verbunden sind, Unterstützung der Betroffenen, ernsthafte Beschäftigung mit dem Leid der Betroffenen, ähnlich wie das die ersten Schritte auf diesem Weg sie DAK, die Diakonie oder das DRK unter Beweis gestellt hat. Leider sind manche Träger noch sehr wenig bereit, die dringend nötige Aufklärung aller Hintergründe zu unterstützen. Dazu gehört u.a. die Barmer Ersatzkasse. Auf einer Sitzung in Wyk auf Föhr im Frühsommer 2024 musste der Vertreterin der Barmer Ersatzkasse erst eine Postkarte vorgelegt werden, wo auf dem Giebel des Kindererholungsheimes in großen Schriftzügen: „Barmer Ersatzkasse“ zu lesen war, damit sie glaubte, dass es ein Heim der Barmer in Wyk auf Föhr gegeben habe. Dies, obwohl die Existenz des Heims 2021 in der Hauptverwaltung der Kasse in Wuppertal durch eine Auftragsstudie bekannt und bestätigt war. Eine beteiligung an einem Mahnmal azuf der Insel Föhr, wäre ein schönes Zeichen, durch das Aufarbeitungsbemühen praktisch umgesetzt werden könnte. Ein solches Mahnmal ist sehr wertvoll für die Betroffenen, ihr Ziel ist, dass ihr Leid nicht weiterhin vergessen, verdrängt und ohne Möglichkeit bleibt, darazus zu lernen: Kinder sind nicht durch Angst zu erziehen, sie brauchen Einfühlung und Liebe. Sie sind auf die Welt gekommen, ohne dass sie es wollten, sie können nicht für ihr kindliches Wesen, sie müssen sich entwickeln, eine durch Angst, Gewalt und Überforderung bestimmte Erziehung, die sich das Brechen des Willens eines Kinde zum Ziel setzt, zerstört menschliche Seelen nachhaltig! 

Ähnliche Beiträge