Suchen Sie in den Erinnerungen anderer Verschickungskinder nach ihrem Heim
138 Ergebnisse für: Borkum
Ich wurde von Dinslaken im Rurgebiet 1964 auf Borkum verschickt. Das Heim ist mir nicht bekannt. Um das herauszufinden möchte ich nach 2 Begebenheiten fragen. 1. Wer mußte auch seine Kleidung mit Namen beschriften? Es wurde ein Baumwollbändchen mit schwarzer Wäschetinte beschriftet und eingenäht. 2. Als Souveniere hatte ich einen metallenen bronzefarbenen Leuchtturm, eine Muschel und eine Schneekugel mitgebracht. Ich bin evangelisch und der Mann meiner Mutter war Bergmann bzw. Bahnangestellter. Danke!
Verschickungsheim: Borkum
Zeitraum-Jahr: ca. 1962/63
Kontakt: Kontakt: Unerwünscht
Ich war im Alter von ca. 7 oder 8 Jahren mit meinem jüngeren Bruder ca. 1962/1963 ganze 6 Wochen lang "zur Erholung" in einem Kinderheim auf Borkum (großer, weißer Kasten). Es wurde von katholischen Nonnen (u. a. Schwester Benno oder Berno) geführt, ein kleiner Anteil ziviler Frauen war auch dort tätig. Egal welcher Konfession wir angehörten, mussten wir Sonntags ausnahmslos an katholischen Gottesdiensten teilnehmen und auch deren Gebete laut mit aufsagen ("Gebenedeit sei..."). In einem riesigen Schlafsaal, in dem alle 20 - 30 Kinder schliefen, ließ uns die Aufsicht, eine der Nonnen, erstmal im Pyjama stundenlang neben dem Bett stramm stehen. Einer nach dem anderen wurde dann oder wann namentlich aufgerufen und durfte sich ins Bett legen.
Verschickungsheim: Muggendorf, Schuppenhörnle, Rumpelstilzchen, Goltermann, Bergerhof
Zeitraum-Jahr: 1972, 1976, 1978, 1979, 1981
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ein Horrortrip und eine rauhe Menge Eisbein
Damals war ich 6 Jahre alt. Meine Schwester 5. Einige Monate zuvor war unser Vater bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt und meine Mutter sollte sich bei einer Kur von den Strapazen der letzten Monate erholen. Dies waren die traurigen Voraussetzungen für eine Kinderkur, verbunden mit einer langen Anreise nach Muggendorf in die Fränkischen Schweiz.
Von den Vorbereitungen bekamen wir als Kinder nicht viel mit. Auch wurden wir nur wenig auf diese Reise vorbereitet. Uns wurde aber eine schöne Zeit versprochen.
Woran ich mich erinnern kann, war, dass es eine Liste mit Vorgaben gab, welche Kleidungsstücke wir mitzunehmen hatten. Unsere Mutter schrieb in unsere Kleidung unseren Namen oder nähte kleine Namensetiketten ein. Nur „bei Bedarf“ wurde in dem Kinderkurheim für uns Kinder gewaschen. Das wurde auch auf der Liste so vermerkt.
Laut Liste sollten sich für sechs Wochen Kuraufenthalt 6 bis 8 Schlüpfer und
6 Unterhemden pro Kind in dem Koffer befinden. Wenn etwas dreckig war, musste es weiter getragen werden, bis wieder der Kleidungswechsel anstand.
Das war einmal in der Woche!
Am Tag der Abfahrt nach Muggendorf, bekamen wir ein Band mit einem Anhänger um den Hals, auf dem unser Name und Anschrift stand. Wie bei einem Gepäckstück, dass man aufgibt.
Unsere Mutter verabschiedete sich morgens in Hannover am Bahnhof von meiner Schwester und mir, übergab uns ein kleines Glücksschwein aus Marzipan und richtete die Worten an mich „Pass gut auf Deine kleine Schwester auf“.
Den Adressanhänger durften wir auf der gesamten langen Fahrt von Niedersachsen in die
Fränkische Schweiz nicht abnehmen. Es war dunkel als wir in Muggendorf um 18:23 Uhr ankamen.
Wir hatten damals den Tod von unserem Vater noch nicht richtig verarbeitet.
Traten eine lange Reise ohne unsere Mutter an und als Geschwisterkinder wurden wir sofort nach der Ankunft in Muggendorf getrennt. Es war so grausam.
Es fühlte sich so schlimm an. Es muss doch alles in unserer Akte gestanden haben. Warum hat man uns das nur angetan? Wir waren Kinder, hilflos, wehrlos und hatten doch nichts verbrochen…….
Ich saß nach der Ankunft in Muggendorf und der Trennung von meiner Schwester ganz allein in einem leeren Speisesaal und bekam einen Teller mit ein paar geschmierten Brotscheiben hingestellt. Es gab roten Tee. Ich glaube es war Hagebutte. Meine Schwester – so hieß es - saß in einem anderen Raum. Ich bekam keinen Bissen hinunter. Musste aber eine halbe Ewigkeit sitzen bleiben und durfte nicht aufstehen.
An diesem ersten Abend kam ich mir so allein und verloren vor. So weit weg von Zuhause, saß ich in einem großen kalten Raum, mit vielen nackten Tischen und leeren Wänden.
Nachdem ich mehrmals nach meiner Schwester fragte, sagte mir eine Frau, dass meine Schwester alles aufgegessen hat und schon im Bett lag.
Auch nach einigen Tagen aß ich schlecht, man ließ mich ewig allein im Speisesaal zurück, bis ich die Speisen auf meinem gefüllten Teller aufgegessen hatte. Ich weinte viel. Immer wieder fragte ich nach meiner Schwester. Ich vermisste sie so sehr. Meine Schwester und ich „wohnten“ in diesem Muggendorf unter einem Dach, doch wir sahen uns nicht.
Wie konnte es nur möglich sein, dass wir uns nicht über den Weg liefen?
Lebte meine Schwester noch? Ich sollte doch gut auf sie aufpassen….
Ich kann mich noch genau erinnern, wie groß mein Kummer damals war und erinnere mich, wie ich nach etlichen Tagen unter Tränen einer Frau (ich habe sie inzwischen als Heimleiterin identifiziert) auf ihre Fragen im schroffen Ton „warum weinst Du denn so viel und isst nichts?“ von dem Tod meines Vaters, von dem Heimweh nach meiner Mutter und Schwester erzählte und denke, dass sie dafür sorgte, dass ich ein paar Tage darauf in die Gruppe zu meiner Schwester „verlegt“ wurde.
Die Kinder in dieser Gruppe waren alle viel jünger und kleiner als ich. Das war egal.
Das was zählte, war, dass ich ab sofort wieder mit meiner Schwester zusammen sein konnte und so ließ tatsächlich auch ein wenig das Heimweh nach.
Alle meine Erinnerungen an diese Kur sind entweder sehr dunkel oder mit dunklen Schatten durchzogen. Ich frage mich heute, lag es wirklich nur an der Jahreszeit?
Es gab sehr oft Redeverbot in diesem Muggendorf. So durften wir auch nicht während der Mahlzeiten reden. Es musste muckmäuschenstill sein. Reden oder auch flüstern war nicht erlaubt. Wehe, man hielt sich nicht daran. Eine Betreuerin war sehr grausam. Ich fürchtete mich sehr vor ihr. Sie war gewalttätig. Beachtete man dieses Redeverbot nicht, kam sie blitzschnell um den Tisch herum und schlug uns von hinten mit einem Löffel auf den Kopf.
Ich weiß noch, dass ich damals sehr erleichtert war, als sie sich beim Sitzen am Basteltisch ein Rückenleiden zuzog, sich nicht mehr bewegen und uns für ein paar Tage nicht betreuen konnte.
In Muggendorf bekamen wir das Essen zugeteilt und mussten alles aufessen.
Die Portionen bzw. das Essen oder auch die Beilagen durften wir nicht frei wählen.
Das Essen war weder kindgerecht, noch liebevoll angerichtet. Es roch merkwürdig und schmeckte scheußlich. Oft schaffte ich diese großen Portionen nicht aufzuessen und musste lange alleine vor meinem gefüllten Teller im leeren Speisesaal (oder fast leeren Speisesaal – manchmal saßen wir auch zu zweit oder dritt) sitzen bleiben.
Teilweise sogar bis zur nächsten Mahlzeit.
Es gab auch oft heiße Milch, auf der sich „Flott“ absetzte. Ich brachte sie nicht hinunter….es war so scheußlich und immer wieder wurde ich gezwungen, die Tasse auszutrinken.
Hatte ich aufgegessen, wurde Mittagsschlaf abgehalten. Auch hier bestand das absolute Redeverbot. So wie wir uns hinlegten, mussten wir über die gesamte Zeit der Mittagsruhe liegen bleiben. Keiner durfte sich bewegen. Das war für mich kaum auszuhalten.
Das Gefühl das ich damals empfand, war, als würden tausende Armeisen über meinen gesamten Körper laufen und ich kam nicht weg. Rührte man sich, wurde man bestraft und musste die zwei Stunden Mittagsruhe mit dem Gesicht zur Wand im Flur stehen.
Um 19 Uhr galt für alle Kinder Bettruhe. Wir durften nach 19 Uhr nicht mehr aufstehen. Auch nicht, wenn wir noch einmal dringend zur Toilette mussten. Als Kinder waren wir, meine Schwester und ich, sehr früh „sauber“ und benötigten keine Windel oder machten auch nachts nicht ins Bett. Darauf war unsere Mutter sehr stolz gewesen.
Aber in Muggendorf war alles anders. Wenn ich nicht mehr aufhalten konnte, machte ich zwangsläufig ins Bett. Ich schämte mich sehr, zumal andere Kinder das auch mitbekamen und auch einige spotteten.
Wer ins Bett machte, wurde mit Flüssigkeitsentzug bestraft.
Auch ab 19 Uhr galt ein absolutes Redeverbot. Manchmal flüsterten meine Schwester und ich im Bett. Wenn wir erwischt wurden, wurde ich von der Aufsicht aus dem Bett gezerrt und musste mit nackten Füßen im kalten Flur stehen. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie kalt meine Füße waren und wie oft ich dort fror. Es war Winter und die Schlafsäle waren nicht sonderlich warm oder beheizt.
Kinder verspüren im Dunkeln oft Angst. Das war in Muggendorf nicht anders. Warum man uns dann noch mit einer Taschenlampe ins Gesicht leuchten musste, um lange zu überprüfen, ob wir wirklich schlafen, ist mir heute unbegreiflich. Ich weiß noch, dass das jedes mal wahnsinnige Angst in mir auslöste. Zumal man auch im schlaflosen Zustand bestraft wurde. Immer und überall wurden wir Kinder kontrolliert und standen unter Beobachtung. Es gab keine Privatsphäre.
Meine Mutter nahm mich als sehr sensibles Kind wahr. Auch nahm ich mir vieles sehr
„zu Herzen“. So wurden mir die ganzen sechs Wochen in Muggendorf immer wieder angedroht, dass wenn ich nicht lieb bin, wir auch nicht nach Hause fahren dürfen.
Da man ja mit mir so viel geschimpft, mich gezerrt und geschlagen hatte, war ich damals fest davon überzeugt gewesen, dass wir unsere Mutter nie wieder sehen würden.
Ich weiß noch, dass ich sehr überrascht war, als mein Koffer plötzlich auf meinem Bett lag und es hieß, alles muss eingepackt werden, es geht nach Hause. Ich konnte mein Glück überhaupt nicht fassen.
Lange konnte ich nicht über diese Kuraufenthalte reden, da ich als Kind immer dachte, dass ich die angeordneten Aufgaben falsch umgesetzt hätte und deshalb bestraft wurde.
Hatte an mir gezweifelt und mich fürchterlich dafür geschämt. Die Betreuerinnen hatten uns auch eingeschüchtert und ich wollte meiner Mutter keinen zusätzlichen Kummer bereiten. Und so kam es, dass ich noch vier weitere Male zur Kur entsendet wurde.
Meine Aufenthalte waren:
3. 11. - 14. 12.1972
BRK-Heim „Muggendorf“, Wiesenttal /Fränkische Schweiz
23.09. - 29.10.1976
DAK-Kinderkurheim „Schuppenhörnle“, Feldberg / Schwarzwald
13.09. - 26.10.1978
Kinderkurheim „Rumpelstilzchen“, Insel Borkum / Ostfriesland
02.05. - 07.06.1979
Kinderheim Haus Goltermann, Insel Föhr / Nordfriesland
13.03. - 10.04.1981
DAK-Jugendkurheim „Bergerhof“, Dietramszell / Oberbayern
Ich wurde also fünfmal über die DAK verschickt. Zugenommen – das war das Ziel dieser
Kuren - hatte ich selten, meistens sogar abgenommen. Dafür nahm ich nicht nur einen Koffer mit meiner eingestaubten Kleidung mit zurück nach Peine, ich nahm einen Koffer mit Erinnerungen und Erfahrungen mit, die mich mein ganze Leben begleiten sollten.
Oft hinderten mich diese Erinnerungen und Erfahrungen daran, ein unbesorgtes Leben zu führen, hielten mich nachts wach, ließen mich in Unruhe zurück. Auch konnte ich nie jemanden vertrauen, hatte Bindungsängste und vieles, vieles mehr……
Als ich in die Schule kam, bekam ich schlechte Noten, weil ich nichts sagte. Ich war so stark von der Kur in Muggendorf traumatisiert, dass ich mich nicht mehr traute, etwas außerhalb meiner vertrauten Umgebung zu sagen. Ich war still, lebte zurückgezogen in meiner eigenen (Traum)Welt und verhielt mich angepasst. Dieses System hat mich gelehrt zu einer stillen Beobachterin zu werden…..
Im Kinderkurheim Schuppenhörnle wurde ich während des Kuraufenthalts krank.
Ich bekam hohes Fieber und man brachte mich in ein Isolierzimmer. Keiner durfte mich besuchen. Auch meine Schwester nicht. Ich lag allein in diesem Zimmer. Alles war weiß. Das Bett, die Bettwäsche, die Wände, die Decke. Morgens, mittags und abends sah jemand nach mir, brachte mir Essen, es wurde Fieber gemessen, ich bekam Wadenwickel und Medikamente. Es gab nichts zu lesen und auch nichts zu spielen. Fernsehen sowieso nicht. Wenn ich nicht schlief, starrte ich an die Decke. Eine komplette Woche. Es war zum verrückt werden…..
Wie oft wurde ich nur in diesen Kurheimen von Kopf bis Fuß mit kaltem Wasser abgespritzt? Angeblich soll die Therapie gut für den Kreislauf sein. Bei mir verursachte das kalte Wasser am ganzen Körper Schmerzen. Das ist heute noch so.
Die Kuren in den zwei großen Heimen waren unmenschlich und grausam.
Die Aufenthalte in den kleineren Heimen waren - aus meiner Sicht heute – ok bis sehr gut.
Mit der Jugendkur hadere ich noch sehr. Warum mussten wir Mädels und jungen Frauen, alle zwischen 14 und 17 Jahre, so oft in die Sauna? In einem Alter, wo sich der Körper stark verändert und ein größeres Schamgefühl entsteht. Und warum wurde der Saunaaufguss immer von einem Mann vollzogen? Es gab doch genügend Frauen.
Abschließend haben wir Mädels ein Gedicht verfasst. Die Betreuer kamen dabei nicht gut weg. Wertschätzend war das nicht. Spiegelte sich da etwas?
Im Mai 2023 war ich ziemlich überrascht, als ich auf die Internetseite des
Vereins “Initiative Verschickungskinder e.V.” (zu finden unter Verschickungsheime.de) aufmerksam wurde. Ich las dort die Erfahrungsberichte von anderen ehemaligen Verschickungskindern, die sich mit meinen Erinnerungen deckten.
Ich erkannte endlich, so verkehrt war mein kindliches Verhalten gar nicht, sondern eher dieses Verschickungssystem, mit dem Milliarden Geld verdient wurde.
Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und ungeschehen machen, aber ich kann dazu beitragen, dass das, was wir in diesen Kinderkurheimen erlebten, sich nie wiederholt.
Und dazu will ich meinen Beitrag leisten.
Petra Webersik
früher: aus Peine / Niedersachsen
heute: Insel Rügen / Mecklenburg-Vorpommern
1970 war ich 6 Jahre alt. Warum ich zur Kur musste, weiß ich nicht. Ich erinnere mich, dass meine Eltern oder nur meine Mutter, das weiß ich nicht mehr, mich in, ich glaube Bremerhaven, es könnte auch Wilhelmshaven gewesen sein, absetzten. Ich hatte ein Schild mit meinem Namen an mir. Meine Mutter drückte mich nochmal, dann wurde ich auf ein, für mich damals, riesiges Schiff gebracht. Wir wurden nach Borkum gebracht, den Namen des "Kurhauses" weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass ich fürchterliches Heimweh hatte. Die Nächte musste ich oft auf dem Flur in so einem komischen Stuhl verbringen, weil ich wegen dem Heimweh so viel geweint hatte. Mir wurde gesagt, dass ich da auf dem Stuhl schlafen müsse, damit ich die anderen Kinder nicht wecke. An meinem Geburtstag bekam ich ein Paket mit vielen Süßigkeiten und einem Stofftier. Die Süßigkeiten wurden mir abgenommen, wie sie verteilt wurden, weiß ich nicht mehr. Ich kann mich erinnern, dass da zwei Mädchen waren, die sagten, dass sie nichts davon bekommen dürften, weil sie zu dick seien. Ich erinnere mich, dass wir manchmal am Strand spazieren gegangen sind. Das ist das einzig Schöne, an das ich mich erinnere. Es gab Bettensääle, Reihen von Waschbecken, die an Tröge mit vielen Wasserhähnen erinnerten. Im Speisesaal kann ich mich nur daran erinnern, dass die "Aufseherinnen" an einem Extratisch unter uns Kindern saßen, Kuchen und leckeres Essen hatten, während wir etwas anderes nicht schmeckendes bekamen.
Ich war nach der Kur viele Jahre nicht mehr in der Lage, irgendwo zu übernachten. Selbst dann nicht, als meine Cousine mich fragte, ob ich bei ihnen schlafen wollte. Ich hatte freudig eine Tasche gepackt und bin bis an die Tür mitgegangen. Dann drehte ich mich um und sagte, dass ich heimweh habe. Ich war noch garnicht aus dem Haus.
Verschickungsheim: Dünenhaus, Möwennest, Adolfinenheim
Zeitraum-Jahr: 1972 - 1980
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Hallo, alle miteinander.
Ich heiße Dirk und bin seit etwa 1972 regelmäßig jedes Jahr um die Osterzeit für 6 Wochen auf Borkum in verschiedenen Heimen gewesen.
Ganz am Anfang im Möwennest.
Dann irgendwann so mit etwa 7 oder 8 Jahren einmal im Adolfinenheim und danach noch einige Male im Dünenhaus.
Ich weiß nicht, ob ihr mich nun in der Luft zerreißen werdet, aber ich habe keinerlei (allzu) negative Erfahrungen gemacht. - Nirgendwo!
Beim ersten Mal im Möwennest hatte ich furchtbares Heimweh, das weiß ich noch.
Da war aber eine tolle "Tante" (Betreuerin), die sich Abends mit mir (alle anderen schliefen schon) ins Treppenhaus gesetzt hat und Briefe an meine Eltern schrieb. (Ich konnte ja noch nicht schreiben.)
Gut - da gab es einen garstigen Jungen auf meinem Zimmer, der mich (und die anderen auch) mit seinem Ledergürtel geschlagen hat.
(Wahrscheinlich kannte er das von zuhause.)
Irgendwann war er dann weg.
Danach war alles gut.
Im Adolfinenheim kann ich mich daran erinnern, dass manche zum zunehmen, andere zum abnehmen dort waren.
Die zum zunehmen dort waren, waren echt zu beneiden!
Ich war allerdings zum abnehmen da... 😩
Im Nachhinein muss ich zugeben, dass mir das wirklich für mein weiteres Leben etwas gebracht hat!
Die Pfunde purzelten und ich habe mich super gefühlt!
Ja, nach jedem Abendessen wurde gewogen und alle sind vorher noch schnell aufs Klo geflitzt, damit die Waage bloß nichts falsches anzeigte!
Es waren trotzdem schöne 6 Wochen!
Wir hatten Essen und Trinken genug und es fehlte uns an nichts!
Und, dass die dünnen Kinder Limonade bekamen und wir nur Tee, fanden wir zwar doof, aber nie ungerecht!
Und: Ja, die Osterpäckchen wurden immer unter allen Kindern verteilt.
Allerdings habe ich als Kind schon gemerkt, dass manche Kinder KEIN Päckchen bekamen!
Und da fand ich es nur gerecht, dass die Süßigkeiten verteilt wurden!
Am wohlsten jedoch fühlte ich mich im Dünenhaus!
Ich glaube, Frau Mühe hätte mich am liebsten adoptiert! 😂
Aber diese Funktion hatte ja schon Trixie, ihre Tochter! 😄
Sie war ein Herz von einer Frau und ich mochte sie sehr!
Natürlich konnte sie auch anders - aber da musste es schon bunt und komisch zugehen!
Da waren außerdem sehr tolle Betreuerinnen.
Glaube eine hieß Ute oder Uta und eine Danuta.
Wir haben unglaublich viele schöne Stunden am Strand oder im Wald verbracht.
Haben Sandburgen und Asthütten gebaut und sind sogar ins Kino gegangen!
Einmal in der Woche natürlich auch immer ins Wellenbad!
Es machte übrigens auch keinen Unterschied, ob es draußen regnete, hagelte oder schneite!
Wir waren fast immer draußen!
Kann mich wirklich noch an verschneite Dünen zu Ostern erinnern!
Und wenn ihr fragt, ob mir irgendetwas dort geschadet hätte, müsste ich ehrlich antworten: ich glaube nicht...!
Liebe Grüße. 😉
Ich erinnere mich nur an ein paar wenige Dinge: Mit 5 wurde ich für 5-6 Wochen nach Borkum geschickt, da ich nicht gut gegessen habe und öfter Infekte hatte. An schlechten Erinnerungen ist bei mir hängen geblieben, dass man im Schlafsaal, wenn einem vom Nachbarn die Decke runtergezogen wurde und man beim wieder hochheben erwischt wurde von den Nonnen beschimpft wurde. Man droht mir auch, mich ins Nebengebäude zu den Jungen zu schicken. Beim Essen musste man sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war, Päckcheninhalte wurde an alle im Zimmer verteilt, Postkarten wurden geschönt, da ich noch nicht schreiben konnte…Was ich als schlimm empfunden habe waren die Wechselduschen, denn wenn man bei kaltem Wasser an den Rand sprang, haben die Nonnen einen wieder unter das kalte Wasser geschoben. Mir sind nur diese Dinge hängen geblieben, alle vielleicht schönen Dinge leider nicht.
Verschickungsheim: freudenstadt und Borkum
Zeitraum-Jahr: 60er?
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
ich wuchs auf in einem 2000 einwohner ort an der Mosel, geboren 1956. zweimal bin ich in einem kinderheim gewesen: in freudenstadt und Borkum. leider weiss ich sonst keine weiteren Details. Ich erinnere mich negativ nur an das Heimweh. Von Borkum erinnere ich etwas was ich als fies empfand, und da ich es erinnere vermute ich es traf mich im 'innersten'...warum jedoch weiss ich nicht: meine Mutter schickte mir ein paket mit meinen liebsten suessikeiten, dabei war auch eine (wie mir ershien, oder im nachhinein so erscheint) grosse tuete lakritz. Diese(aber vielleicht alles im paket, ich weiss es nicht mehr), wurde mir weggenommen, und es hiess: wird geteilt. (was ja auch irgendwie richtig waere). An Gutem erinnere ich das fuer mich damals neue leckere fruehstueck: haferflocken mit milch und banana. Und auch an ein klein wenig Schabernack den wir betrieben, wie zb. nachts in ein anderes schlafzimmer schleichen, ....Ich hatte also auch spass.
Wenn es leute gibt die auch auf Borkum waren, dann koennten die mir vielleicht sagen....habe ich etwas absolut verdraengt was dort geschah? oder habt ihr auch eher positive erinnerungen? Fuer freudenstadt erinnere ich ausser dem heimweh gar nichts.
Verschickungsheim: Seehospiz Norderney, Sanatorium Dr. Scheede Ühlingen Schwarzwald
Zeitraum-Jahr: 1965, 1967, 1969 Seehospiz, 1972 und 1973 Ühlingen
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich bekam im Alter von 11 Monaten Keuchhusten und wurde vom Kinderarzt noch auf die Schnelle gegen Keuchhusten geimpft. Da ich schon Neurodermitis hatte soll das der Auslöser für mein Asthma gewesen sein. Dauerhafte Atemnot und Hustenanfälle bei der kleinsten Anstrengung waren die Folge. Meine Mutter ist in ihrer Verzweiflung ständig mit mir beim Kinderarzt gewesen. Der empfahl ein weiteres Kind zu bekommen damit sie sich nicht immer so auf dieses eine kranke Kind konzentriert. Als meine Schwester dann geboren wurde war ich 3 1/2 Jahre alt. Mein Asthma war unverändert und dann auch noch ein Neugeborenes in der kleinen Wohnung. Meine Mutter war endgültig am Ende ihrer Kräfte. Der Kinderarzt empfahl für mich einen Aufenthalt an der See und meine Eltern glaubten es würde mir dort geholfen.
Ich wurde am 27. 8. 1965 zum ersten Mal nach Norderney in das Seehospiz verschickt. Ich hatte das Glück nicht mit einem Sammeltransport anreisen zu müssen. Meine Eltern brachten mich. Sie hatten sich auf der Insel eingemietet um mich in der ersten Woche besuchen zu können, das wurde ihnen verboten. Sie haben noch versucht am nächsten Morgen meine Gruppe beim Spaziergang zu finden, ich war aber nirgendwo zu sehen. Das deckt sich mit dem Arztbericht ich habe in der ersten Nacht Fieber bekommen und musste neben der Trennung auch noch mit einer Pneumonie klar kommen. Man hatte meinen Eltern auch verboten zu schreiben damit ich kein Heimweh bekomme. Daran haben sie sich gehalten. Jeden Mittag wurde die Post verteilt, ich bekam nichts daran erinnere ich mich. Nur an meinem Geburtstag bekam ich Post ein Paket mit Süßigkeiten die an alle verteilt wurden. Als mich meine Eltern am 1. Dezember wieder abholten habe ich nicht gesprochen bis wir auf der Fähre waren und diese abgelegt hatte. Meine ersten Worte waren dann "Ich habe geglaubt Ihr holt mich nie mehr wieder".
Diese Kur wurde vom Kinderarzt empfohlen und 1967 und 1970 wiederholt, jeweils 14 Wochen.
Einige Erlebnisse aus meinen 3 Aufenthalten im Seehospiz möchte ich hier schildern.
Essen und Gewicht zunehmen war sehr wichtig. Es wurde von den Nonnen aufgetan und das musste aufgegessen werden. Mann musste so lange am Tisch sitzen bis der Teller leer war. Ich erinnere mich mit Nachdruck gefüttert worden zu sein, mit einer Hand gefüttert, mit der anderen Hand wurde der Mund zu gehalten. Ein Mädchen neben mir am Tisch erbrach sich über den Teller. Sie musste weiter essen und auch das Erbrochene aufessen.
Einmal gelang es mir ein Stück Brot mit grober fettiger Leberwurst in die Rocktasche zu stecken. Als wir hinterher zur Toilette durften habe ich versucht dieses Stück zu "versenken" . Das klappte leider nicht. Es wurde später von den Nonnen entdeckt, ließ sich aber nicht mehr einem Kind zuordnen. Die Nonnen schimpften mit der ganzen Gruppe und zum Schluss sagten sie "der liebe Gott wird den Täter bestrafen " ... ich habe jahrelang Angst gehabt in eine Kirche zu gehen.
Zur Toilette gehen war nur zu bestimmten Zeiten erlaubt. Wenn ich in der Nacht musste, so musste ich lange allein im dunklen Flur stehen bis die Nonne dann irgendwann die Erlaubnis gab. Andererseits bekam man aber auch großen Ärger wenn man ins Bett machte.
Tagsüber gab es feste Zeiten für den Toilettengang, außerhalb dieser Zeiten war es nicht erlaubt. Da hab ich mich in die Puppenecke gesetzt und habe auf die Kissen gemacht. Da Mädchen immer Röcke tragen mussten hat das keiner bemerkt. Ich erinnere mich das mehr als einmal gemacht zu haben und dann bin ich mit der nassen Unterhose rumgelaufen bis sie wieder getrocknet war.
Mittags gab es Liegekuren draußen in einem langen Gang. Alle lagen nebeneinander auf Liegen und mussten in eine Richtung auf der Seite liegen damit wir nicht reden. Damit sich keiner dreht wurde eine Decke um den Körper gewickelt und stramm fest gesteckt - ich ertrage heute noch keine engen Kleidungsstücke.
Eine Nonne hat die Kinder beaufsichtigt, reden durften wir nicht.
Beim 2. und 3. Aufenthalt habe ich dann Post von meinen Eltern und Großeltern bekommen. Die erste Karte von meiner Mutter hat ganz rund gekaute Ecken.
Die Post wurde Mittags natürlich nur verteilt wenn alle Kinder aufgegessen hatten und ruhig waren. Sonst wurde sie bis zum nächsten Tag wieder mitgenommen.
Mittags wurden auch Pakete mit in den Speiseraum gebracht die man z. B. bekam wenn man Geburtstag hatte. Ich hatte 2x dort Geburtstag. Beim ersten Mal wurde ich dort 4. das Paket wurde vor allen geöffnet. Die Süßigkeiten wurden allen gezeigt und dann wurde ich gefragt ob sie verteilt werden sollen oder in meinen Koffer gelegt. Das zu entscheiden war wirklich schwer mit gerade einmal 4 Jahren.
Bei meinem 3. Aufenthalt war ich 8 Jahre alt. Als ich gebracht wurde musste ich im Speiseraum auf meine Gruppe warten. Da saß ein Kind das auf seine Eltern wartete. Mit diesem Kind habe ich gespielt. Dann stellte sich nach einer Woche heraus das dieses Kind eine Hepatitis hatte. Also wurden alle Kontaktkinder isoliert. Ein kleines Haus mit ca 10 Kindern, kein Garten, keine Spaziergänge an der See. Das habe ich meinen Eltern geschrieben. Mein Vater hat dann im Seehospiz angerufen und gesagt das es wichtig wäre wenn ich an die Seeluft komme und wenn ich in den Isohaus bin würde er mich abholen kommen. Da wurde ihm gesagt "Ihre Tochter hat gelogen" . Als ich dann nach 14 Wochen abgeholt wurde sagte man meinen Eltern die Wahrheit. Das war für meine Eltern der Grund mich nicht wieder dort hin zu schicken. Aus dem Isolations Haus wurden nach und nach alle Kinder entlassen sodass wir die letzte Woche nur noch zu zweit da waren.
An Medikamentengaben kann ich mich kaum erinnern, weiß natürlich auch nicht was ich bekommen habe. Eines lässt mich im Nachhinein aber stutzig werden. In meiner Ausbildung zur Kinderkrankenschwester habe ich den typischen Geruch von Atosil Tropfen als einen vertrauten Geruch wahrgenommen. Laut meinen Eltern habe ich aber nie Beruhigungsmittel bekommen.
An vieles aus den ersten Beiden Aufenthalten kann ich mich nur ganz wage erinnern. Ich habe zum Beispiel gelesen dass Kinder auf Dachböden gesperrt wurden. Das kann ich nicht beschwören, aber ich sehe immer mal wieder einen großen leeren Dachboden vor meinem inneren Auge und ich habe heute noch Angst über einen knackenden Holzboden zu gehen.
Nicht stören dürfen habe ich gelernt. Das sitzt tief. Jemanden nur mal so anrufen kann ich nicht.
Angst im Dunkeln, bekomme ich nicht weg, manchmal kann ich nur mit dem Gesicht zur Tür schlafen, liege ich mit dem Rücken zur Tür habe ich oft das Gefühl eine Hand auf die Schulter gelegt zu bekommen und das ist keine freundliche Hand.
Zur Toilette gehe ich in fremder Umgebung nicht selbst bei Besuchen in der Familie, oder aber wenn wir Besuch haben, dann kann ich auch nicht zur Toilette gehen.
Das sind alles Dinge die geblieben sind.
Eine Nonne habe ich als Kollegin wieder getroffen in der Hautklinik in Hannover. Ich habe ihr das Foto aus dem Seehospiz gezeigt und sie hat sich wieder erkannt. Um über die Geschehnisse zu sprechen war ich damals noch zu verschüchtert und wahrscheinlich auch zu jung.
Mein Asthma war mit den Aufenthalten im Seehospiz nicht besiegt und die Ärzte empfahlen weiterhin Verschickungen. So kam es, das ich 1972 mit 11 Jahren und 1973 mit fast 13 Jahren nach Ühlingen kam in das Kindersanatorium Dr. Scheede.
Meine Eltern fuhren gern Auto und so brachten sie mich hin. Die Fahrt von Celle bis Ühlingen dauerte lange, im Käfer mit 2 rauchenden Eltern (Kind wir wussten doch nicht das das nicht gut für Dein Asthma ist) .
Dort angekommen kamen wir in ein Arztzimmer zur Untersuchung und zum Gespräch. Dort musste und konnte ich mich dann auch von meinen Eltern verabschieden. Anschließend steckte man mich sofort in die Badewanne. Damals war ich empört darüber, heute denke ich ich muss unendlich nach Rauch gerochen haben.
Ich kam in ein 6 Bett Zimmer und wurde freundlich aufgenommen. Ich hatte sogar einen Schrank für meine Sachen, das war auf Norderney deutlich anders. Beim 2. Aufenthalt waren 2 Betten mehr in dem Zimmer weil Ferien waren und mehr Kinder zur Kur fuhren.
Das Essen wurde an den Tisch auf Platten und in Schüsseln gebracht. Man durfte sich die Menge nehmen die man wollte. Man konnte jederzeit nachnehmen. Was man sich genommen hatte das musste man aufessen. Ich hatte mehr als genug das Zwangsfüttern auf Norderney erlebt und fühlte mich wie im Paradies.
Auch sonst war es ganz anders als das was ich schon kannte. Wir durften jederzeit zur Toilette gehen, auch in der Nacht.
Mittags mussten wir in die Zimmer, wenn wir nicht schlafen wollten, dann durften wir uns leise beschäftigen, lesen oder Spiele spielen, nur die Anderen nicht stören. So hat mir z.B. ein Mädchen das Kontergam bedingt keine Arme hatte auf einem Reiseschachspiel das Schachspielen beigebracht.
Das Heim hatte eine Sporthalle im Keller in der wir in Kleingruppen Übungen machen mussten.
Ich hatte jeden 2. Tag Unterricht mit noch einem Mädchen in Englisch und Mathe. Da war ein Lehrer der ins Haus kam.
Es gab aber auch einen grossen Spielplatz hinter dem Haus auf dem wir gern gespielt haben.
An Ausflüge kann ich mich nur wenig erinnern.
Einmal in der Woche wurde nach Hause geschrieben. Die Briefe wurden von den Betreuerinnen gelesen, "damit keine Schreibfehler drin sind". Heute ist mir klar was das sollte, damals konnte ich das glauben.
Abends hatten wir einen großen Waschraum in dem wir uns alle gleichzeitig (nach Geschlechtern getrennt) bettfertig gemacht haben. Als ich im 2. Jahr kurz vor meinem 13. Geburtstag dort war wurde ich gefragt ob ich am Abend nach den Anderen lieber allein duschen möchte. Das fand ich sehr gut.
Im 2. Aufenthalt bekam ich Röteln. Das war eine tolle Krankheit. Ich fühlte mich nicht sonderlich schlecht, blieb im Bett und alle Mädchen durften mich besuchen. Wenn sie sich anstecken brauchten sie wenigstens nicht mehr geimpft zu werden war das Motto.
Vor Kurzem habe ich mit meiner Mutter noch einmal über meine Verschickungen gesprochen. Da erzählte sie mir das die Leiterin Frau Dr. Scheede von ihrem Liebhaber umgebracht worden ist. Das wäre sogar in Niedersachsen durch die Presse gegangen, das soll gewesen sein als ich das 2. Mal dort war. Da hat man uns Kinder wohl sehr gut abgeschirmt, denn das habe ich bis vor Kurzem nicht gewusst.
Alles in Allem blicke ich positiv auf die beiden Aufenthalte zurück. Sicher war nicht alles toll aber um Längen besser als das was ich in meiner Kleinkindzeit auf Norderney erlebt hatte.
2013 schickte mich mein Personalarzt zur "Kur" nach Borkum. Meine Verschickungen waren noch nicht so wirklich Thema aber mein Verhalten spricht im Nachhinein doch eine deutliche Sprache. Wir sollten möglichst mit dem Zug anreisen, ich nahm das Auto und nahm es auch mit auf die Insel, der Preis war mir egal. Am ersten Morgen sollten wir in Unterwäsche und Bademantel zum Wiegen kommen, ich kam voll angezogen und hab mich so auf die Waage gestellt. Eine Blutentnahme habe ich verweigert. Ebenso die Gewichtskontrolle am Ende des Aufenthaltes. Ich bekam Anwendungen in einer großen Badewanne mit warmen Wasser. Ich sollte nackt nur mit Bademantel bekleidet zur Anwendung kommen, mich anschließen schnell abtrocknen und so wieder zurück ins Zimmer. Ich kam voll bekleidet, zog zur Anwendung einen Badeanzug an und zog mich anschließen wieder vollständig an. Das machte die Therapeuten ärgerlich weil es Zeit kostete aber ich konnte nicht anders. Ich habe viel Heimweh gehabt, habe keine Kontakte zugelassen und jede freie Minute in meinem Zimmer gesessen. Die meiste Zeit hab ich geweint. Ein paar mal bin ich mit dem Auto zum Fähranleger gefahren. Am Abreise Tag war ich die erste an der Schranke zur Fähre. Ich habe dafür sogar das Frühstück sausen lassen und auf der Fähre gefrühstückt. Zu Hause hab ich dann vor Freude nur noch geheult.
Ich war 10 als ich in eine 6wöchige Kinderkur nach Borkum geschickt wurde, weil ich sehr häufig Bronchitis hatte und man offenbar befürchtete, ich könne Asthma bekommen.
Wir waren in 3 und 4 Bettzimmern untergebracht. Die Schränke für unsere persönlichen Dinge waren auf dem Gang und uns war verboten worden ohne Aufsichtsperson an unser Gepäck dranzugehen. Auch das mitgebrachte Taschengeld wurde uns abgenommen und wir mussten, wenn wir z.B. bei Spaziergängen etwas kaufen wollten um den entsprechenden Betrag bitten.
Duschen durften wir nur einmal pro Woche, auch die Kleidung und Unterwäsche durfte nur an diesen Tagen gewechselt werden, auch wenn wir, wie in meinem Fall, ausreichend Wäsche und Kleidung für 6 Wochen mitbekommen hatten.
Die Telefonate mit den Eltern fanden unter Aufsicht statt und wir wurden angehalten, nur positives zu erzählen und Heimweh zu verheimlichen. Auch Brife wurden geöffnet und kontrolliert, sowohl die Briefe der Eltern als auch unsere Briefe an die Eltern.
Obwohl ich als Kind keine Milch mochte und auch heute noch nicht mag, wurde ich einmal gezwungen kuhwarme Milch zu trinken, mit dem Hinweis, dass das gesund wäre.
Auch eine ca. 2-stündige Mittagsruhe mussten alle Kinder einhalten. Wir mussten uns ausziehen und uns ins Bett legen, auch wenn wir nicht müde waren und nicht schlafen konnten. Jegliche Unterhaltung war in dieser Zeit verboten.
Es waren auch sehr viel jüngere Kinder in diesem Kurheim untergebracht, die oft Heimweh hatten und sich von den Erziherinnen anhören mussten, dass sie von zu viel Weinen krank werden würden und dann nicht mit den anderen Kindern am Ende der Kur nachhause fahren können, was deren Heimweh und Traurigkeit nur noch verschlimmert hatte.
Wieder zuhause, habe ich mit meiner Mutter über die Kur und das Verhalten der Erzieherinnen gesprochen und meine Mutter war zwar sehr verärgert über die Zustände. Beschweren wollte sie sich aber nicht, da das ganz nun vorbei war und eine weitere Kur für mich nicht geplant war.
Ich war gerade in die 2.Klasse gekommen und wurde im Winter 1965/66 für 6 endlos lange Wochen nach Borkum geschickt, weil ich der Schulärztin nach zu dünn und zu häufig erkältet war. Im Sommer davor hatte ich gerade schwimmen gelernt, deshalb fand ich es schon doof, im Winter an´s Meer zu müssen.
Dieses Heim wurde von Nonnen geführt und ich erinnere mich nur an eine Erzieherin, die nicht Nonne war. Das ist sehr wichtig, weil ich selbst evangelisch bin und seit diesem Aufenthalt eine heftige Nonnen-Phobie habe. Wir mußten uns nach dem Frühstück und Gebet bekreuzigen. Das habe ich verweigert mit den Worten, ich sein evangelisch und bräuchte das nicht. Daraufhin gab es einen Anruf bei meinen Eltern, weil ich so ein bockiges Kind sei. Mein Vater hat völlig hinter mir gestanden und meine Aussage bekräftigt. Wenn uns Nonnen in den Gängen begegneten, mußten wir immer an die Seite treten und an den Wänden entlanglaufen. Das war so fremd und einschüchternd für mich, ich habe das Gehusche der Nonnen gehaßt. Das Gefühl ist immer noch ganz stark in mir. Wir mußten auch alles aufessen und das Essen war fettig und eklig. Ich habe kein bißchen zugenommen und dann gab es deshalb wieder einen Anruf bei meinen Eltern. Ich durfte meinen Vater sprechen und habe ihm gesagt, daß das Essen scheußlich sei. Meine Eltern haben total hinter mir gestanden und ich bin ihnen noch heute sehr dankbar dafür. Das Schlimmste war aber, daß wir ein Mädchen in unserem Schlafsaal hatten, daß nachts ihr Bett vollgenäßt hat. Daraufhin wurde, soweit ich mich erinnere, in mehreren Nächten plötzlich das Licht angemacht, eine Nonne ging an das Bett des Mädchens, riß sie aus dem Bett und stellte sie vor uns allen bloß mit den Worten: "Schaut her, das Schwein hat wieder das Bett vollgepinkelt". Ich habe mich schon damals mit 7 Jahren gefragt, warum diese Nonnen Kinder betreuen, wenn sie doch Kinder hassen. Dieses Gefühl ist geblieben und beim Anblick von Nonnen packt es mich jedes Mal. Alles in allem kann ich nicht von selbst erlebten Mißhandlungen berichten, aber trotzdem waren es die schlimmsten 6 Wochen meines Kinderlebens. Meine Eltern waren nach meiner Rückkehr auch entsetzt darüber, was sie durch die Anrufe mitbekommen hatten und daß ich überhaupt nicht zugenommen hatte. Daß sie nur mein Bestes wollten, war mir schon damals bewußt und ich habe ihnen auch verziehen.
Verschickungsheim: Borkum - verm. Sancta Maria
Zeitraum-Jahr: 1974
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Hallo,
ich bin Heike und 1970 geboren.
1974 kam ich für 6 Wochen nach Borkum wegen Bronchitis, vermutlich in das Heim Sancta Maria. Zumindest habe ich Nonnen in Erinnerung und mich überfällt ein Brechreiz, wenn ich Bilder des Hauses sehe. Vor ca 15 Jahren bin ich noch einmal auf die Insel gefahren, habe das Haus gesucht und bin genau vor diesem Haus emotional zusammen gebrochen.
Ich habe sonst leider sehr rudimentäre Erinnerungen an meine Verschickung. Ich weiß noch wie der Waschraum ausgesehen hat und dass viele unbekleidete Kinder an dem langen Waschbecken standen. Dann war ich wohl krank (Mumps?) und kam in Isolation. Ich stand weinend und völlig verängstigt im Gitterbett. Das Zimmer war dunkel und ich schaue Richtung Tür. Jemand großes im weißen Kittel kam vom beleuchteten Flur in mein Zimmer. Es gab grüne Bohnen und Esszwang. Ich mochte sie nicht, habe sie erbrochen und trotzdem bekam ich immer wieder grüne Bohnen.
Vor der Verschickung war ich ein fröhliches und plapperndes, aufgewecktes Papa-Kind.
Danach war nichts mehr wie vorher. Wochenlang habe ich nicht gesprochen, nur geweint und Nahrung verweigert. Mein Vater durfte mich nicht mehr anfassen. Meine Eltern haben mehrere Kindertherapeuten aufgesucht, aber auch die bekamen nichts aus mir heraus.
Seit der Zeit leide ich unter Depressionen, Borderline und Binge-eating-disorder. Ich wurde stark übergewichtig, wollte immer nur durch Leistung und brav aufessen gefallen. Zudem habe ich starke Probleme selbst mit leichter Kritik umzugehen. Ich fühle mich dann wertlos, breche Arbeitsstellen und Beziehungen ab (bin in vierter Ehe).
Ich muss dieses Trauma, was auch immer dort geschehen ist, unbedingt aufarbeiten und hoffe, dass ich vielleicht Menschen finde, die zur gleichen Zeit dort waren und mehr Erinnerungen haben.
Verschickungsheim: Friedenweiler und Borkum (Haus Concordia)
Zeitraum-Jahr: 1972/1973 und 1976
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich war aufgrund einer Lungenerkrankung von November 1972 bis April 1973 in der Lunkenheilanstalt Friedenweiler. Im Sommer 1976 war ich für eine 6-Wochen-Kur im Haus Concordia auf Borkum. Meine Erinnerungen decken sich mit den Schilderungen auf dieser Seite. Ich bin gerade dabei, meine Kindheitserlebnisse aufzuarbeiten und herauszufinden, was diese mit mir gemacht haben. Ich würde mich über Kontaktaufnahmen und einen Austauch freuen.
Verschickungsheim: Marienhof, Borkum
Zeitraum-Jahr: Juni 1965
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Mit fünf Jahren wurde ich für sechs Wochen nach Borkum geschickt in den Marienhof.
Wir hatten ständig Hunger und wurden mittags auf einer großen Wiese wie Tiere gehalten, die nicht ins Haus gehen durften. Wir sangen das Lied „Wir haben Hunger, Hunger…“ und pflückten und aßen Sauerampfer.
Als ich einmal nachts zur Toilette musste, war ich in Panik. Ich erinnerte mich, dass uns erlaubt worden war, ein großes Gefäß, das in der Mitte des Schlafsaals stand, zu benutzen. Ich habe sehr lange gezögert und dann voller Scham das Gefäß benutzt. Am nächsten Morgen wurde dies bemerkt und dann ging es los: Vor aller Augen wurde nach der „Täterin“ gesucht. Nach langem Zögern habe ich es gestanden und wurde denunziert. Ich war fünf Jahre alt!
Pakete, die von Zuhause kamen, wurden geöffnet und der Inhalt an alle Kinder verteilt.
Ein älteres Mädchen formulierte eine Karte für meine Eltern. Es ging mir schlecht und ich war krank vor Heimweh. Diese Nachricht wurde abgefangen, ich einem Verhör unterzogen und dann ein neuer Text geschrieben.
Ich habe nur wenige Erinnerungen an die Zeit im Marienhof, daher würde ich mich gerne mit Menschen austauschen, die auch dort waren. Lücken auffüllen…
Es gibt eine Postkarte, die das Heim an meine Eltern geschrieben hat. Dort wird beschrieben, dass ich mich in einer Gruppe mit 15 kleinen Mädchen befinde. Unterschrieben ist die Karte von einer „Tante“ Waltraud. Eine Klapp-Fotomappe des Heims habe ich auch.
Ich war ein schüchtern-verstörtes Kind, das meist geschwiegen hat. Ängste begleiten mich mein Leben lang und es erforderte eine große Kraftanstrengung, mich im Leben und in der Berufswelt durchzusetzen. Bis heute habe ich ein gestört-schamhaftes Verhältnis zu Körperausscheidungen. Dass es hier einen Zusammenhang zu meinem Aufenthalt im Marienhof geben könnte, wird mir - bei aller Therapieerfahrung - erst in der letzten Zeit deutlich.
Sehe ich mich als Kind, so habe ich mich in eine Phantasiewelt zurückgezogen, meist gelesen, kaum Kontakt zu anderen Kindern aufgenommen.
Verschickungsheim: Heim Concordia Borkum
Zeitraum-Jahr: 1962
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich war 1962 mit knapp sechs Jahren im Heim Concordia auf Borkum. Noch immer ist mir der Name der Leiterin im Gedächtnis. Frau Meibert.
Wir bekamen sehr wenig zu trinken, hatten immer Durst.Nach dem Mittagessen mussten wir am Tisch Mittagsruhe halten. Den Kopf auf die verschränkten Arme legen, wehe man hat den Kopf gehoben. Für mich war ausser Heimweh am schlimmsten, dass ich nicht alleine zur Toilette gehen konnte. Wenn man an einem Tag keinen Stuhlgang hatte, musste man ein Glas Meerwasser trinken. Ich bin sehr still und angepasst wieder nach Hause gekommen. Es hat lange gedauert, bis ich wieder mehr Lebensfreude bekam und ich mich traute meine Meinung zu sagen.
Bin 1966 für 6 Wochen zur Kur gefahren, weil ich seinerzeit ein schmächtiges Kind war. Diese wurde durch die seinerzeitige Deutsche Bundespost organisiert. Treffpunkt war der Hbf Köln gewesen, wohin mich mein Vater begleitet hat. Von dort aus wurden wir mit dem Sonderzug nach Wilhelmshaven und mittels Schiff/Fähre nach Borkum gebracht.
Ich habe auch hier nur die besten Erinnerungen, wir wurden stets freundlich und überaus liebevoll behandelt. Meine Mutter sagt heute noch (ich bin 61), dass ich bei der Rückkehr so viele neue Lieder singen konnte. Die einzige negative Erfahrung war, dass es immer süßen Salat gab. Scheinbar war dies auf Borkum Gang und Gebe. Aber dies kann man sicherlich vernachlässigen 🙂 Diese Zubereitungsart mag ich aber heute noch nicht 🙂
Mein Aufenthalt in Borkum ist bis heute in sehr guter Erinnerung. Leider weiß ich nicht mehr den Namen der Klinik.
Verschickungsheim: Dünenhaus Borkum
Zeitraum-Jahr: Ostern 1985
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich war 6 Jahre alt und wurde gemeinsam mit meinem Bruder für 4 Wochen nach Borkum geschickt. Ich erinnere mich, dass meine Eltern mir erzählten, dass mich etwas schönes erwartet, etwas was meiner Gesundheit gut tun würde. Mein Vater war Angestellter der Bayer AG und das Ganze wurde über die Bayer KK organisiert meine ich .
Ich erinnere mich noch ganz genau an meinen Schlafraum, den ich mit 2 Mädchen teilte. In unserem Zimmer stand ein, aus damaliger Sicht toller Einkaufsladen- anfassen und spielen strengstens verboten! Und ich erinnere mich daran, das mindestens 1 Mädchen kein richtiges Bett hatte sondern eine Klappliege. Jeden Mittag mussten wir uns in die Betten legen und niemand durfte einen Mucks von sich geben. Wir lagen wie Zinnsoldaten da und trauten uns nicht zu atmen. Abends wurde kontrolliert, ob wir Unterwäsche anhatten. Das war auch verboten. Ich habe furchtbar geweint, jeden Abend weil ich so furchtbares Heimweh hatte. Eine Erzieherin gab mir einen Kalender, damit ich jeden Tag den ich geschafft hatte durchkreuzen konnte. Sie hatte ein gutes Herz. Die Heimleiterin, ich glaube sie hieß Frau Mühe hat mir manches Mal eine Ohrfeige verpasst, weil sie mein Weinen nicht ertragen hat. Dann wurde ich von den anderen separiert. Mit meinem Bruder durfte ich keinen Kontakt haben, wir wurden strikt getrennt.
Trinken gab es nur zu bestimmten Zeiten. Beim Mittagessen durften wir nicht trinken. Briefe an meine Eltern wurden kontrolliert, bzw. mir wurde vorgegeben was ich schreiben darf.
Ich war ziemlich mager und gehörte zu der Gruppe die zunehmen musste und jeden Morgen Haferschleim zu Essen bekam. Zu meinem Glück mochte ich das Zeug. Die Übergewichtigen Kinder wurden auf Diät gesetzt. Jeder musste auf die Waage und alles wurde laut kommentiert. Ich weiß noch, dass mir die Übergewichtigen Kinder leid taten. Sie haben uns beim Essen zugesehen und wurden vor allen anderen gewogen. Es gab Kinder, die haben eingekotet. In einem großen Waschraum mit langen Waschbecken wurden diese Kinder vor allen gedemütigt. Sie mussten sich vor allen Kindern ausziehen und ihre Kleidung waschen. Dabei wurden sich über sie lustig gemacht. Es gab einen Jungen, seinen Namen weiss ich nicht mehr. Mit ihm habe ich mich immer versteckt, ich glaube in einem Schrank.
Ich habe aber auch schöne Erinnerungen, an das Wellenbad und die vielen Lieder, die wir ständig gesungen haben.
Leider kann ich sagen, dass die Trennung und das Erlebte große Auswirkungen auf mein Leben hatte/hat. Ich habe als Kind bis ins Erwachsenenalter nie mehr entspannt woanders schlafen können. Auch zu Hause hatte ich lange Zeit Schlafstörungen und habe lange Zeit immer wieder im Schlafzimmer meiner Eltern geschlafen. Ich mag mir nicht ausmalen, wie man mit den Kindern in früheren Jahren in diesen Heimen umgegangen ist.
Verschickungsheim: Borkum und St. Peter-Ording
Zeitraum-Jahr: 1967 - 1972
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative
Durch die DAK-Studie bin ich auf dieses Thema gestoßen habe begonnen zu recherchieren.
Ich bin von meinen Eltern immer in den Sommerferien nach Borkum und St. Peter-Ording verschickt worden. Kostenträger waren damals die Barmer und die Continental-Gummiwerke, Hannover. Ich war immer untergewichtig und oft erkältet mit Bronchitis. Mein Vater war Kettenraucher !!
Glücklicherweise habe ich keine bekannten Schäden davon getragen, manche Verhaltensmuster irritieren mich allerdings. Auch ich habe so gut wie gar keine Erinnerungen. Ich kann mich nur an diesen grünen Barmer-Rucksack erinnern und dass ich unsägliches Heimweh hatte. An der Wand und in der Ecke stehen ist mir tatsächlich nicht ganz unbekannt. An Bettnässen kann ich mich auch noch erinnern. Aber sonst.... ???
Ich bin mir noch nicht so sicher, ob ich der Sache wirklich auf den Grund gehen soll. Das Erinnerungsgrab in der Seele hat mich sehr gut über die Jahre gebracht. Wer weiß, was ich zu Tage bringe, wenn ich anfange zu graben?? Andererseits habe ich Befürchtungen, dass es mich u. U. einmal später einholt. Reha, Demenz .... ?
Ich hätte nie gedacht, das es mal ein so großes Thema sein wird!!!
Verschickungsheim: Borkum, F. Schiller
Zeitraum-Jahr: 1973
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative
1973 auf Borkum bei einer „Frau Schiller“. 6 Wochen der blanke Horror. Pakete von Zuhause wurden geöffnet, Inhalte verteilt. Briefe nach Hause komtrolliert, wg. Schreibfehler wirde ich vor allen Kindern lächerlich gemacht. Haferflocken mit Wasser, Jungs mussten in Eimer pinkeln, Mittagsschlaf von 13:00-15:00 Uhr … Harte Zeit.
Verschickungsheim: Borkum (Adolfinenheim?)
Zeitraum-Jahr: 1971
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich bin 1966 geboren und war noch nicht mal 5 Jahre alt als ich gemeinsam mit meinem 2 Jahre älteren Bruder 5 Wochen nach Borkum in die Kinderkur geschickt wurde. Es muss 1971 gewesen sein.
Ich kann von mir aus nicht mehr sagen wie das Heim hieß. Aber nachdem ich all die Berichte von anderen gelesen habe, kann es nur das Adolfinenheim gewesen sein. Da finde ich vieles wieder, was ich auch erlebt habe.
Sicherlich wollten meine Eltern nur das Beste, aber das war absolut nicht das Beste.
Da ich noch so jung war, habe ich nicht mehr sehr viele Details in Erinnerung, aber ich habe viele Fragmente in Erinnerung, die mich bis heute begleiten.
Ich weiß nur, dass es dort sehr sehr streng zuging. Das Haus wurde von Nonnen oder Schwestern geführt, eine davon war besonders schrecklich.
Meinen Bruder bekam ich eigentlich nie zu Gesicht, da Geschwister getrennt untergebracht wurden. Wir waren in einem Schlafsaal mit ca. 6 Mädchen. Wir alle hatten starkes Heimweh. Viele Mädchen weinten die ganze Nacht. Aber wenn aus den Zimmern zu viel Weinen nach außen drang, wurde die Türe aufgerissen und die Mädchen ausgeschimpft, bloßgestellt und erniedrigt. Ich habe einfach ständig meine Decke über den Kopf gezogen, damit ich nicht gehört und nicht gesehen werde. Viele Mädchen machten nachts ins Bett. Die Beschämungen die dann folgten waren schlimm. Auch diesbezüglich drückte ich mir alles weg was irgendwie ging. Eigentlich durfte man nachts nicht auf die Toilette. Aber da die schrecklichen Schwestern wohl keine Lust hatten ständig die Betten neu zu beziehen, wurden wir jede Nacht 1 x mitten im Tiefschlaf geweckt und wurden aufs Klo gescheucht, ob wir nun mussten oder nicht. Unser "Geschäft" wurde kontrolliert.
Angeblich war ich zu dünn und kränkelnd und wurde daher ständig zum Essen gezwungen. Das schreckliche Essen blieb mir oft genug im Hals stecken. Ich durfte erst aufstehen wenn ich aufgegessen hatte, während der Speisesaal bereits leer war. Ich konnte nur mit Mühe ein Erbrechen unterdrücken. Denn ich bekam mit, was anderen Kindern passierte, die sich erbrochen hatten.
Es ging mir sehr schlecht dort und ich hatte fürchterliches Heimweh. Einmal sollten wir Karten an unsere Eltern schreiben. Ich konnte noch nicht schreiben, aber die Schwestern haben mir die Worte in den Mund gelegt, die ich schreiben sollte. Sie haben das für mich gemacht, damit sich die Mama zuhause freut. Wenn ich heute daran denke bekomme ich wieder einfach nur einen dicken Kloß in den Hals. Ich hätte meiner Mutter gerne geschrieben, dass ich unbedingt nach Hause möchte und sie mich abholen sollen.
Meine Eltern schickten uns ein Päckchen mit Süßigkeiten. Dieses Päckchen wurde in einen Schrank verschlossen und nur mein Bruder durfte ab und zu wohl an das Päckchen. Ich war so fürchterlich traurig als ich mitbekommen habe, dass ein Päckchen existierte und ich es nicht bekommen konnte.
Ja und das schlimmste für mich war eigentlich noch, dass ich bei meiner Rückkehr keine Chance bekam meinen Eltern davon zu berichten. Sie haben mich nicht gehört und gesehen wie schlecht es mir ergangen war. Meine Mutter hatte sich nur gewundert, dass unsere Kleidung total schmutzig war. Letztlich ging es aber nur ums angebliche körperliche Wohl, nämlich ums Essen und ums Gewicht zunehmen, alles andere war egal.
Ich war noch so klein und stark traumatisiert. Ich war vorher schon sensibel und schüchtern. Nach dem Aufenthalt hatte ich große Angst. Ich habe daraus gelernt immer schön still sein zu müssen, schwierige Situationen aushalten zu müssen, bloß nicht auffallen. Decke über den Kopf ziehen, heimlich weinen. Und es interessiert sich sowieso niemand dafür wie es mir geht. Und ich hatte danach Angst vor jeder etwas dominanteren Frau. Und ich bekam immer Beklemmungen in Räumen die mich an die Kurklinik erinnerten.
Das ganze hat mein Leben bis heute geprägt und für viele psychosomatische Leiden gesorgt. Wenn es mir heute schlecht geht, bin ich wieder die kleine Bine, die sich im Kurheim die Decke über den Kopf zieht. Die Gefühle sind dann wieder präsent.
Danke für dieses Forum und danke dafür, dass dieses Thema endlich "Gehör" findet, auch wenn man die maßgeblichen Personen nicht mehr zur Rechenschaft ziehen kann. Mal sehen, ob ich mich irgendwann wieder traue nach Borkum zu fahren. Im Moment kann ich es mir noch nicht vorstellen.
Verschickungsheim: Haus Sonnenschein, Borkum
Zeitraum-Jahr: 1969
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Textsuche:
0 Ergebnisse für: Mit ca. 9 Jahren wurden mein Bruder 7 und ich zur Kinderkur nach Borkum ins Haus Sonnenschein für 6 Wochen verschickt. Es war die Hölle und wir waren überglücklich, als wir wieder zuhause waren. Wir wurden zum Essen gezwungen. Morgens gab es Haferbrei, sonntags altes Wei�brot mit Marmelade. Mittags wurde uns z.B. eine sü�e, hei�e Obstsuppe vorgesetzt. Es gab grundsätzlich viel Eintopf. Die Teller mussten immer leer gegessen werden, wenn nicht, gab es heftige Sanktionen von Erzwingen des Essens über Stunden oder auch Schläge. Wer sich erbrach, musste das Essen mit dem Erbrochenen essen. Päckchen von zuhause wurden eingesackt von Sü�igkeiten sah man nur einen Bruchteil aus der elterlichen Post. Kleidungswechsel nur nach Genehmigung. Ebenso waschen oder duschen... Wir durften in Gru�karten nur schreiben, was uns gestattet war. Die Mittagsruhe wurde erzwungen, teil mit Schlägen. Das Meer und den Strand habe ich vlt. eine Handvoll Male gesehen. Es war die Hölle, wir hatten Heimweh und viel Angst. Ich verstehe bis heute nicht, warum meine Eltern nichts unternommen haben wenigstens im Nachhinein -. Diese Kur werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Sie fand ca. 1968/1969 statt. Heute bin ich 62 und die Erinnerung ist absolut präsent
Verschickungsheim: Borkum Kiebitzdelle
Zeitraum-Jahr: 1974
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Liebe Stephanie,
ich war ebenfalls 1974 oder 1975 auf Borkum. Deine Beschreibungen, längliches Gebäude nahe am Strand, passen zum Kinderheim Kiebitzdelle. Ich erinnere mich ebenfalls an die Zimmer, dass wir in Bezug auf Geld, Kleidung und anderen Besitz enteignet wurden. Es war furchtbar. Ich würde gern Kontakt zu anderen Betroffenen aufnehmen zwecks Erfahrungsaustausch.
Verschickungsheim: Borkum
Zeitraum-Jahr: 1979 - 1980
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative
Hallo,
ich bin durch Zufall auf diese Webseite gestoßen und sehr überrascht wie viele Menschen diese schlechten Erfahrungen machen mussten. Ich selber wurde mit 5 Jahren für 6 Wochen nach Borkum geschickt. Das Ganze wurde von der BEK organisiert. Ich bin zusammen mit einem anderen Kind von einer fremden Frau mit Bus und Bahn nach Emden gebracht. Dort wurden wir einer größeren Gruppe übergeben. Von der Kur selber weiß ich nicht mehr allzu viel. Nur noch das mir ständig langweilig war. Gefühlt haben wir kaum etwas gemacht. Eingebrannt haben sich bei mir lange schlaflose Nächte, in denen ich mir das Licht des Leutturms angesehen habe. Sehr viele Kimder haben ins Bett gemacht. Dazu weiß ich nur noch das es dann morgens Ärger gab und ich deswegen nachts die Matraze umgedreht habe. Hin und wieder gab es auch Ausflüge. Zum Kino, Wellenbad, an den Strand und einmal wurde ein Mega langer Spaziergang rund um die Insel gemacht. Dieser Spaziergang war viel zu lang und irgendwann konnte kein Kind mehr. Da das aber so schlecht organisiert war mussten wir den weg laufen.
Vielleicht gibt es ja noch jemanden der in diesen Zeitraum auf Borkum war.
Ich war mit meiner Schwester in Den 80 Jahren auf Borkum, 6 Wochen.
Ich kann mich noch daran erinnern das man sich anstellen musste wenn man auf Toilette wollte.
In eine Reihe ..
Morgens gab es immer Salzwasser zu trinken.
Die eine Frau hatte Brille und war sehr streng. Ich habe keine Erinnerung mehr welches Haus das war.
Verschickungsheim: in Mittenheim
Zeitraum-Jahr: ca. 1966
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Das erste Mal das ich ins Kinderheim verschickt wurde, war vor meiner Einschulung. Wie das Kinderheim geheissen hat, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Aber das ich mit fast 6 Jahren (geb. 1959) in ein Gitterbett gesteckt wurde. Einen Abend waren die anderen Kinder laut, aber sie haben mich beziechigt. Ich musste dann im Schlafanzug barfuss im Keller in einer Ecke stehen. Ich habe bitterlich geweint, als ich wieder nach Hause kam. Trotzdem haben mich meine Eltern oefters in Kinderheime geschickt. So war ich auch in Borkum, im Haus Blinkfuer. Da hat man mich gewungen einen Teller Kirschsuppe zu essen. An das Jahr kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Ich mag keine Kirschen. Ich dachte diese Vorkommnisse waeren ein Einzelfall. Nun weiss ich es besser und bin froh, das es nicht noch schlimmer gewesen ist.
Verschickungsheim: Borkum
Zeitraum-Jahr: 80er
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich war in den 1980er auf Borkum, habe heute zum ersten Mal von den Verschickungskindern gelesen. Wenn ich daran zurückdenke, dann war ich bisher der Meinung, dass es an mir lag, dass ich mich während dieser Zeit unwohl fühlte, es lag an mir, weil ich so bin wie ich bin. Es ist meine Schuld gewesen, so zu empfinden. Mit mir ist etwas nicht richtig.
Wir mussten uns jeden Abend im Waschsaal gemeinsam ausziehen und waschen und wir wurden auf Läuse und Zecken am ganzen Körper untersucht, ich habe mich dabei so sehr geschämt, bis heute habe ich ein Gefühl von Scham in mir. Der Teller musste leer gegessen werden, wer das nicht tat wurde bloßgestellt und musste so lange sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war, auch wenn es Stunden gedauert hat, wir mussten alles probieren, was auf dem Speiseplan stand, alles, ob man es mochte oder nicht. Ich habe mir schnell angewöhnt zu schlucken, nicht zu kauen. Wir waren mehrmals in der Woche zum inhalieren an Inhalationsgeräten, obwohl es keinen medizinischen Grund dafür gab. In den Schlafräumen gab es ca 30 Betten, ich hatte Angst herauszufallen, weil sie so schmal gewesen sind, auch hatte ich Angst nachts zur Toilette zu gehen, es durfte kein Licht angemacht werden, ich hielt dann die ganze Nacht den Urin zurück. Mit anderen Kindern hatte ich keinen Kontakt, ich war alleine, das fiel anscheinend keinem Pädagogen auf. Ich bin bis heute traumatisiert, bis heute habe ich Angst zu sagen, wenn mich von meinem Gefühl, meiner Intuition her etwas stört, etwas nicht stimmig ist, sich falsch anfühlt, dann unterdrücke ich dieses Gefühl, halte einfach aus, verlasse die Situation nicht, obwohl sie mir nicht gut tut, ich gegen mich arbeite, das konnte ich auf Borkum ja auch nicht, ich konnte nicht weg, mich niemanden anvertrauen, ich musste einfach nur durchhalten und nicht auffallen. Sicherlich kann ich mich nicht mehr an alles erinnern, vielleicht gab es viel mehr und ich will und kann noch nich hinschauen. Ich habe mich ganz oft gefragt, woran dass es liegt, dass ich mich so sehr verbiege, immer und immer wieder, woher nur diese Angst und Selbstverleugnung kommen mag.
Vor 6 Jahren hatte ich einen Burnout, ich stehe nun wieder kurz davor, weil ich es nicht schaffe, eine schlechte Situation zu verlassen, ich fürchte mich vor Konsequenzen und halte aus.
Ich wurde als Kind gebrochen.
Ein Muster, dass sich unbewusst seit vielen Jahren wiederholt.
Danke für die Berichterstattung und meine Erkenntnis ?.
Verschickungsheim: Borkum und Schwarzwald
Zeitraum-Jahr: Ca 1986-1989
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative
Ich war mehrmals mit meiner Zwillingsschwester in verschiedenen Kurheimen. Ich kann mich noch erinnern dass es auf Borkum und im Schwarzwald gewesen sein muss. Aufenthalt war ca 6 Wochen im Sommer. Wegen Übergewicht und Asthma waren wir dort. Ich kann mich an nicht viel erinnern. An viele Tränen und Heimweh, vorgefertigte Briefe die man abschreiben musste für die Eltern, die Kinder mit den Übergewicht waren seperat an Tischen gesessen. Als Süßigkeit gab es Lakritzschnecken. An Fahrradtouren durch die Dünen. Salzkammern zum inhalieren. Habe leider keine Unterlagen und meine Eltern sind schon verstorben.
Verschickungsheim: Ruhreck / Borkum
Zeitraum-Jahr: 1976
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative
Ich war 1976 vor der Einschulung für 6 Wochen im Haus Ruhreck auf Borkum. Es war eine furchtbare Zeit, die mein Vertrauen in "staatliche Fürsorge aller Art", besonders aber "Jugendamt" und vor allem "Jugendamt der Stadt Essen" sehr nachhaltig zerstört hat.
Es sollte wohl eine "Erholungsmaßnahme" sein, das war es aber natürlich nicht:
* Die Kinder wurden bei geringster Aufmüpfigkeit gerne mal mit Ohrfeigen diszipliniert
* Beliebt (beim Personal...) war auch, vor der Kindergruppe Ewigkeiten rumzustehen und über seine "Vergehen" nachzudenken und dann demütig um Verzeihung zu bitten
* Zu trinken gab es ausschließlich (in der warmen Sommerzeit) heiße Milch und heißen Kakao, Durstgefühl war durchgehend gegeben. Ich weiß noch deutlich, dass ich über dne dauernden Durst in den Postkarten nach Hause, die unsere Betreuer angeblich nach "Diktat" geschrieben haben, geklagt hatte. Jahre später habe ich die Karten gefunden, da stand in höchsten Tönen jubelnd, wie toll es mir gefallen würde- alles gelogen.
* Wir mussten bei Einzug unsere Betten selber beziehen. Soweit kein Problem. Mir kam aber komisch vor, dass alle Kinder eine Gummimatte unter das Laken legen mussten, weil wir Bettnässer seien. War ich (mit 7...) nicht. Wurde ich aber schlagartig in dem Heim, danach hörte es wieder auf.
Ich habe per Zufall Jahrzehnte später gelesen, dass das Personal Valium benutzt hat, damit die Kinder Mittagschlaf halten und Nachts durchschlafen, Einnässen beim Schlafen ist da wohl Nebenwirkung.
* Das Essen war unter aller Sau und die "Tischregeln" rigoros. Ich mochte noch nie fettige Suppen. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem es Hühnersuppe gab, auf der Fettaugen schwammen. Einige Kinder, ich auch, wollten das nicht essen. Mit Nackenschlägen und Haare ziehen wurden wir gezwungen. Wer sich (wie ich) in die Suppenschüssel übergeben musste, musste das dann eben mit aufessen
Ich hatte als Kind lange die Phantasiel, als Erwachsener zurückzukehren und mich beim dann anwesenden Personal in einer möglicherweise justitiablen Art zu "bedanken". Darüber sprach ich in der Oberstufe mit einem sehr guten Lehrer, der nur kommentierte: "Ruhreck? Den Laden haben sie zugemacht, da triffst Du keinen mehr an. Da haben wohl Altnazi-Weiber Kinder gequält."
Da fühlte ich mich erstmals verstanden, weil bis dahin die Elternmeinung war "Ach, so schlimm wird es nicht gewesen sein, Du hast ja auch nie darüber gesprochen."
Weiter geholfen hat dann, dass es inzwischen viele Berichte gibt, so auch hier.
Ich habe das Glück, zumindest subjektiv keine allzu großen Schäden mitgenommen zu haben (außer, dass ich weder mich selber noch mein Kind in irgendeiner Form städtischer oder staatlicher Obhut freiwillig aussetze, dazu hätte auch Wehrdienst gezählt), aber es tat dann schon gut zu lesen, dass ich mich offenbar nicht "anstelle" oder "viel zu schlecht" erinnere; es war, wie es war.
Mit bleibt das Bild zurück, dass das Jugendamt (und sicher nicht "einzelne Mitarbeiter ohne Wissen der Amtsleitung", dafür ist der Umfang zu groß!) mit zwielichtigen Firmen kooperiert hat und manche Menschen durch organisierte Kindesmißhandlung viel Geld verdient haben.
Danke für nichts, Jugendamt Stadt Essen.
Verschickungsheim: Borkun
Zeitraum-Jahr: 1967 / 68
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich hatte hier schon vor ein paar Tagen einen Beitrag über meine Erfahrungen auf Borkum geschrieben. In der Zwischenzeit habe ich hier viele weitere Beiträge gelesen und erlebe das es tatsächlich offensichtlich unendlich viele weitere "Kinder" gibt, die Ähnliches / Gleiches wie ich erlebt haben. Es kommen in mir wieder Erinnerungen, die ich fast alle bis bis heute vergessen/ verdrängt hatte.
Insbesondere sein Erbrochenes wieder auf essen zu müssen, das Verbot von nächtlichen Toilettengängen, den Durst als Druckmittel einzusetzen schien damals wohl "gängige / pädagogische" praxis zu sein.
Heute bin ich bei einem Spaziergang mal wieder mit meiner Frau an einem weiß blühendem Busch vorbei gegangen. Meine Frau schwärmte von dem schönen Sommerduft dieser Pflanze und das er sie an ihre schöne Kindheit erinnern würde. Ich kann diesen "Sommerduft" dieser weißen Blume seit meiner Kindheit/ meinem Aufenthalt auf Borkum nicht mehr ertragen... er erinnert mich nun seit über 50 Jahren an Borkum und dieses Kinderheim und ist für mich unerttäglich.
Aber wie schon im letzten Beitrag geschrieben: Es war eine andere Zeit, aber ob ich das als Entschuldigung gelten lassen kann..... ??? ...
Ich war mit ca. 7 oder 8 Jahren in einem Kinderheim auf Borkum. Es war tatsächlich schrecklich, so dass ich bis heute (mit 61) klare Erinnerungen daran habe. Tischnachbarn mussten ihr Erbrochenes wieder essen, ein Pups im Bett brachte mir 3 Tage Bettpflicht ein, abends in Reihe auf Toilette... erst die Jungs dann die Mädels.. gespült wurde nach dem letzten Kind, in der Nachtwar Toilettenverbot. Genauso wurde die Badewanne genutzt, Wasser (Dreckwasser) wurde nach dem letzten Kind abgelassen. Mein Tischnachbar bekam eine Ohrfeige weil er den Milchreis erbrochen hatte, musste so lange am Tisch sitzen, bis er sein Erbrochenes wieder aufgegessen hatte. Ein anderer Tischnachbar bekamm eine derbe Ohrfeige mit dem Kommentar er schaue durch seine Brille wie ein Auto. Es fallen mir noch so viele Dinge ein.
Aber nun, es war eine andere Zeit.. ob ich das allerdings als Entschuldigung gelten lassen kann, ich weiß es nicht.
Kontakt: Keine Angaben
Ich wurde im Alter von 10 Jahren nach Borkum verschickt. 3 Mädchen aus meinem Dorf waren auch dabei. Es war 1972. Das Schlimmste war der Hickhack unter den Kindern. Ich habe viel Vertrauen in Menschen verloren. Eine von uns 4 wurde von ihrer Mutter abgeholt. Wir anderen haben durchgehalten. Es war keine schöne Zeit. Dennoch stehe ich überrascht vor dem medialen Interesse um die Verschickungskinder. Mir ist nicht klar, was die Forderungen sind. Und es wird vieles hochgepeitscht, was skandalös klingen soll, aber Verschickungskinder gar nicht betrifft. Ich bin interessiert, was bei der Aufarbeitung herauskommt, finde das alles aber angesichts der wirklichen Probleme beispielsweise der Duogynongeschädigten Menschen duogynonopfer.de eher als Jammern auf hohem Niveau. Einige haben sicher wirkliches Leid erlitten und Schädigungen für ihr Leben davongetragen. Das sehe ich durchaus. Aber Mahnmale für Verschickungskinder So die die Skulpturen für Contergankinder oder Mahnmale für Holocaustopfer Bin gespannt, wie sich die Aufarbeitung entwickelt.
Verschickungsheim: Borkum Adolfinenheim
Zeitraum-Jahr: 1973
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Als lungenkränkelndes Kind wurde ich von meinen Eltern im guten Glauben ins Adolfinenheim/ Borkum verbracht. 1 Bett, 1 Hocker und das 20 x in einem Raum. Schwester Ester oder Esther, die Cruella von Disney offensichtlich als Vorlage galt, erklärte kurz und bündig um was es ging. Wäsche exakt falten im Gleichtakt mit den Anderen und in bestimmter Reihenfolge auf den Schelmel packen. Alle 20 Wäschestapel wurden kontrolliert. Nicht korrekte Stapel wurden mit einem dünnen Stock oder per Tritt im Raum verteilt, nicht aufrechte Haltung mit einem ordentlichen Stockhieb auf die Unterschenkel oder Rücken. Marsch ins Bett.. O-Ton der Barackenaufsicht. Alle hatten den Kopf nach rechts zu wenden, damit das Reden unterbrochen wurde. Ein Zwillingspaar mit Heimweh zog es zueinander weinend in ein Bett, Schwester Ester stieb in den Saal, verpügelte völlig irrwitzig brutal den einen und schleifte den Anderen aus dem Saal.
Ein Junge sagte er müsse. "WAS?"..."gross"..."NEIN!"
Er wimmerte die ganze Nacht und machte schließlich ins Bett.
Der Drache Schwester E. kam angerauscht..riess ihn aus dem Bett, immer bedacht, möglichst viel von ihm mit seinen Fäkalien zu beschmieren, das Laken wurde runtergerissen, ein Eimer mit Wasser und das Kind sollte das Laken im vollbeleuchtetenen Schlafsaal vor allen auswaschen.
Ein sehr beleibter Junge zu meiner Rechten eine unfassbar sanfte Seele bekam jeden Morgen nach dem Milchreis ein Glas Salzwasser, was er in Gänze austrinken sollte...da nach erbrach er logischer Weise regelmässig. Schwester E zwang Ihn die verschleimte Mischplörre mit der Hand wieder in Teller zu schieben und erneut zu essen....was für eine brilliante Fachkraft.
Toll,... !
Der dicke Junge entschuldigte sich trotz seines Märtyriums bei mir, der ihm gegenüber sass, für sein Erbrechen. Stellen Sie sich das vor, ein 6 jähriges gedemütiges Kind hat so ein unfassbaren Anstand und Grösse.
Geld meiner Familie kam nie an.
Post erfuhr eine Zensur... Dinge wie ich will heim oder es ist schrecklich hier bedeuteten Einzelhaft in einem alten OP Saal...nur mit Laken.
Den hab ich nach meinem Einsperren wirklich völlig zerlegt...man kam und fragte ensetzt, was passiert sei. Ich sagte ruhig und freundlich, es sei "etwas umgefallen"...da nach wurde es für mich besser...meine Eltern holten mich, ich berichtete und mein Vater griff sich die Heimleitung Schwester E. es wurde extrem laut. Ich liebte meine Eltern, weil sie mir voll umfänglich und sofort glaubten. Eine Tradition, die ich im Übrigen fortführte und auch konnte, da meine 4 Söhne mich nicht signifikant anlügen - ...das A und O um soetwas in einem stabilen Umfeld zu verarbeiten.
Henrik Gröne
Verschickungsheim: Kinderheim Möwennest Borkum
Zeitraum-Jahr: April 1972
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Ich bin vor zwei Tagen zufällig auf Youtube auf einen Bericht über "Verschickungskinder" gestoßen. Ich wusste bis dato nicht, dass es diesen Namen gibt, geschweige denn, dass es so viele Menschen gibt, die darunter bis heute leiden. Ich dachte immer - wie so viele wie ich jetzt weiß - ich wäre einfach ein komisches Kind gewesen und darum so schlecht behandelt worden. Ich wurde mit 10 Jahren in einen Zug mit anderen Kindern gesetzt, um auf die Insel Borkum zu reisen. Ich kann mich gut erinnern, dass ich das nicht wollte, höllische Angst hatte so allein und schrecklich geweint habe. Meine Erlebnisse dort teile ich mit so vielen, die hier schon geschrieben haben. Nur "Breimahlzeiten" die immer wieder zusammengeschüttet wurden, wenn nicht alles leer wurde. Erbrochenes essen müssen, still sitzen... so lange bis ich alles heruntergewürgt habe, eine ganze Nacht im Nachthemd und Barfuß auf dem Flur stehen müssen, wenn man in den Augen der Tanten etwas falsch gemacht hat. So habe ich zum Beispiel eines Nachts - ich musste so dringend zur Toilette - nachdem ich beim Schleichen zur Toilette erwischt worden bin, meine Zahnspange aus dem Mund geschlagen bekommen, weil ich keine ordentliche Antwort geben konnte. Niemand hat mir zu Hause geglaubt... Meine Mutter war zu der Zeit schon sehr krank und ist dann 1974 gestorben. Zwei Schicksale von so vielen die noch folgen sollten, habe ich in einem Buch festgehalten. Aber auch, wie ich gelernt habe mit diesem Seelengepäck umzugehen. Wer interesse hat: es heißt KOPFimBAUCH und ist derzeit bei Amazon erhältlich. Ich bin froh, diese Seite gefunden zu haben und dankbar, dass sich Menschen so den Schicksalen dieser Zeit damals angenommen haben. Danke.
Verschickungsheim: Dünenhaus Borkum
Zeitraum-Jahr: 1962
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Thomas Rensing
Brückenstr 90
47053 Duisburg
Duisburg, den 19.2.2022
Nach Lektüre des taz-Artikels von 11./12.Dez.2021 darf ich hier meine Erlebnisse beisteuern.
Ich habe kein Problem damit, an anderer Stelle namentlich erwähnt zu werden. Auch die Weitergabe meines Namens im Rahmen der Aufarbeitung der Verschickungen gestatte ich.
Ich kam im Sommer 1962 in den Genuss der Verschickung. Meinen achten Geburtstag werde ich wohl auf Borkum „gefeiert“ haben.
Ich nehme an, dass die Mannesmann-Werke in Duisburg die Reise für die Kinder ihrer Beschäftigten (Zeit des „Rheinischen Kapitalismus“) organisiert hatten. Jedenfalls wurden wir mit einem Werksbus nach Emden zur Fähre gefahren und ich hatte mich sehr gefreut, ans Meer zu dürfen. Ebenso an Bord mein vier Jahre älterer Bruder, den ich aber auf Borkum nicht so oft gesehen habe, da er in eine andere Gruppe kam.
Wir kamen ins Dünenhaus, in dem „Schwester Allmuth“ Regime führte. (Wieso hieß die eigentlich „Schwester“?)
Gepäck und Geld mussten wir abgeben; das wurde „von oben“ eingeteilt. Da hatte ich zwischenzeitlich ein großes Problem, weiland mich ein Durchfall quälte und ich nicht an eine saubere Unterhose kam.
Nach der Ankunft wurde ich gefragt, ob ich zum zu- oder abnehmen dort sei. Als ich das nicht wusste kam ich in die Zunehmgruppe. Unterkunft war ein Zimmer mit etwa 10 Betten (es könne auch 8 oder 12 gewesen sein). Darin waren 12 (14?)Jungen untergebracht, sodass des Abends noch zwei Feldbetten dazwischen geschoben wurden. Für persönliche Dinge gab es einen Hocker mit einem Fach von der Größe zweier Schuhkartons. Alles andere war unter Verschluss.
Geduscht wurde auf Komanndo von oben; wir mussten je zu viert splitternackt unter den Augen einer Erzieherin duschen, was mich sehr mitgenommen hat.
Schwester A. ging man am Besten aus dem Weg; die Leiterin meiner Gruppe war ein sechszehnjähriges Mädchen, das auf der Insel lebte. Manchmal saß es tränenüberströmt da und musste von uns Kindern getröstet werden – Schwester A. hat…
Manchmal mussten wir Gymnastik machen. Irgendeine weibliche Person kommandierte dann militärisch. Wir mussten antreten und wenn wir nicht ihren Vorstellungen entsprechend gerade standen, ergriff sie von hinten die Schultern und brach einem fast die Schlüsselbeine.
Zweimal muss ich wohl sehr böse gewesen sein. Ich durfte zur Strafe nicht am Besuch des Feuerwerks und an der Wattwanderung teilnehmen.
Ob der nächtliche Gang zum WC reglementiert war, weiß ich nicht mehr. Dass jemand drangsaliert wurde, seinen Teller leer zu essen, erinnere ich ebenso wenig.
Als ich ein Päckchen von meinen Großeltern bekam, vermutlich anlässlich meines Geburtstages, wurde die darin befindliche Schokolade sozialisiert; jeder in der Gruppe bekam ein Stück, ich den Rest. Juristisch natürlich ein Skandal. Hier bin ich aber in meiner sozialen Einstellung hin und hergerissen. Ich genehmige das im Nachhinein – den anderen hätte ja sonst das Herzchen geblutet.
Es hat aber auch nette Augenblicke gegeben, am Strand z.B. oder bei einer Schifffahrt zu den Seehundsbänken oder beim abendlichen Singen zur Gitarre auf der Terrasse.
Ob ich einen bleibenden Schaden davon getragen habe? Ich weiß nicht.
Verschickungsheim: Concordia, Borkum
Zeitraum-Jahr: 1967
Kontakt: Keine Angaben
Beim Recherchieren für ein berufliches Treffen in Norddeutschland ging ich mit Google – wie es manchmal so geht – auf die Ostfriesischen Inseln, um mich an schöne Ferienaufenthalte zu erinnern. Ich bin dabei auch ganz nach Westen gerutscht: Borkum. Ungute Erinnerungen. Undeutlich – wo war das noch? Wie hiess das Heim? Kinder mit blau-weiss gestreiften Strickkäppchen. Sprechen verboten. «Ihr sollt ruhig werden». Vorgeschriebene Texte auf Postkarten «alles ist sehr sauber und ordentlich». Und dann stiess ich auf dieses Foto: Kinderheim Concordia – da war es wieder. 1967 schickten mich meine Eltern dorthin, zusammen mit anderen Kindern aus der Firma. Damit es nicht hiesse, «die haben es nicht nötig». Sie selber verbrachten die Zeit auf einer anderen ostfriesischen Insel.
Als ich die Berichte anderer Menschen hier las, kam es wieder hoch. Die Nummer, die man immer sagen musste, ja die man ein Stück weit war. Immer wieder Milchreis mit Dörrobst, den ich zum Glück mochte. Aber dann dieser Linsenbrei! «Jetzt nimmst du auch zweimal, beim Milchreis nimmst du auch immer noch mal!» Das Stehen in Reihen vor den Toiletten. «Fräulein x, ich hab Gross gemacht.» Nachkontrolle mit der Strichliste. Bei mangelndem «Erfolg» gab es Meerwasser zum Trinken.
Oder der erste Abend im Schlafraum, 1 Stock: Ich sprach meinen Bettnachbarn an (der nicht aus unserer Gruppe war) und sofort legte er seinen Finger auf den Mund. (Er sagte übrigens vor seiner Abreise – für mich bis heute unverständlich – «ich freu mich schon auf nächstes Jahr».) Liegeposition auf dem Rücken, Hände auf die Bettdecke, hiess die Anweisung zum Einschlafen. Die Zwickel der Schlafanzughosen wurden morgens kontrolliert, ob sie etwa feucht waren. Ein Knabe, der auf der Nachttoilette kein Papier mehr gefunden hatte, wurde wegen seiner verschmutzten Unterhosen blossgestellt. Ich wurde blossgestellt, weil ich eine Heimwehphase hatte und weinen musste. Das hämische Lachen von Frl. x, begleitet vom Ausschluss vom Amt des Vorlesens (das ich liebte, weil es mich in eine andere Welt brachte – «Die rote Zora und ihre Bande» hiess das Buch) tat weh.
Dann ständig der Druck der angeblichen Berichte, die sie an unsere Eltern schreiben würden. Die Fräuleins unterhielten sich darüber, so dass wir es hörten. «Hast du schon angefangen? Hast du gute Berichte?» «Ja, aber bei mir sind es fast alles schlechte.» (Meine Eltern haben nie ein Wort über einen solchen «Bericht» verloren.)
Anstehen zum Kämmen. Jeden Tag dasselbe Sprüchlein. «Nummer xy – ich heisse nn, wohne in (Ort), bin z Jahre alt und (Konfession)». Abtreten, der Nächste.
Spaziergang. Immer Hand in Hand mit dem Nachbarn, Zweierreihe, Käppchen auf dem Kopf – und ja nicht reden! Nur an einem recht einsamen Strandabschnitt durften wir reden. «Ihr sollt ruhig werden.» An ein Bad im Meer kann ich mich nicht erinnern. Dafür an einen obligatorischen Besuch in einem Souvenirladen mit einem obligatorischen Kauf von etwas. Das Taschengeld musste schliesslich ausgegeben werden, ein Eis oder etwas Ähnliches lag ja nicht drin.
Für mich – ich war etwas rundlich – war es auch demütigend, immer vor dem Mittagessen fragen zu müssen «kann ich bitte meinen Apfel haben?» Der war mir verordnet, damit ich etwas abnehmen sollte. Ich war der einzige. Genützt hat es, glaube ich, nicht so viel – bei so viel Milchreis mit Dörrobst.
Ein Bub begehrte auf. «Das erzähl ich alles meinem Vater, dann kommt hier sooon dicker Brief an.» Wie wurde der vor allen blossgestellt und heruntergemacht! Und natürlich mit dem «Bericht» gedroht!
Das Schlimmste am Schluss war, dass weder die Sozialarbeiterin der Firma noch meine Eltern unsere/meine Erzählungen ernst nahmen. Meine Eltern lachten.
Später hiess es mal, der Leiter des Kinderheims sei halt so ein Oberst aus der Wehrmacht gewesen …..
Borkum ist ja vielleicht eine schöne Insel. Aber mir löst nur schon der Name Abneigung aus.
Verschickungsheim: Schloss am Meer
Zeitraum-Jahr: 1956
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative
verschickt – verdrängt – vergessen
1 warum dieser text?
Vor etwa 2 jahren hatte ich im radioprogramm den titel „verschickungskinder“ gelesen. Ich dachte dabei sogleich an eine neue übeltatvariation der priester, pastoren, lehrer, regisseure und trainer. Wegen der frage: ‚was kommt jetzt neues zum tema‘ habe ich mir die sendung angehört und alsbald überrascht erkannt: man spricht über mich. Die bezeichnung „verschickungskind“ war mir allerdings fremd; ich habe mich deshalb nicht unter dieser indizierung identifiziert. Meine eltern hatten mich seinerzeit 6 wochen zur kur geschickt. „Zur kur gehen“ verband man, damals wie heute, mit einem heilenden aufenthalt. Meine kur-zeit hatte allerdings keinen kurierenden charakter. Das zur kur geschickte kind kam als ein verschicktes kind zurück. Eine bestätigung dieser klassifikation fand ich in den berichten, die die schriftstellerin Anja Röhl gesammelt hat. Anja Röhl hat sich zum ziel gesetzt, die erlebnisse und langzeitschäden von verschickungskindern aufzuzeigen. Auf ihrer webseite appelliert Anja Röhl zum einsenden eigener erlebnisse.[1] Durch Anja Röhls initiative habe ich neue startpunkte für den verlauf meines lebens finden können. Zufällig fragte mich einige wochen nach der entdeckung meiner neuen kindlichen einordnung eine 20 jahre jüngere bekannte, ob ich einst verschickt war.[2] Ich war somit doppelt sensibilisiert, meine ins unterbewusste versunkene vergangenheit hervorzuholen.
2 geschichtlich, persönlicher hintergrund
Mein väterlicher grossvater hatte den sicheren tod in den schützengräben des 1. weltkriegs
mit seelischen verletzungen überlebt. Der mütterliche grossvater amputierte als sanitäts-soldat zerschossene gliedmasse. Die mütterliche grossmutter beobachte die vertreibung einer jüdischen nachbarsfamilie. Mein vater nahm als sanitäter in Amsterdam die deportation der juden wahr. Meine mutter war im arbeitsdienst erfolgreich aktiv und sah in ihrer helfenden tätigkeit einen positiven sinn.
Die grosse synagoge in der innenstadt von Essen, dem wohnort meiner eltern und gross-eltern, wurde gut sichtbar von den einwohnern am 9.11.1938 in brand gesteckt. Die mieter vieler Essener wohnungen bemerkten stumm oder allenfalls mit leisem protest die gewaltsame vertreibung von 2500 juden aus Essen.
Essen erhielt während des krieges von der Royal Air Force den label “primary target area for bombing”. Im märz 1943 begannen die bombardierungen. 242 bombenangriffe zerstörten
90% der innenstadt und 60% des übrigen stadtgebietes. Die explodierenden brandbomben bei nacht, später auch bei tag, deprimierten die bewohner. Die letzten bomben 1945 auf Essen töteten Hedwig, meine grossmutter väterlicherseits. Sie hatte alle hoffnung verloren und war nicht mehr zu bewegen, schutz in einem bunker zu suchen.
Die todesängste der grossväter im 1. krieg, die gestapo und die denunziationen ab 1933, der 2. krieg ab 1939 mit erschossenen ehemännern und brüdern, vergewaltigten müttern und schwestern, flucht und vertreibungen, kriegsgrausamkeiten und bombardierungen schafften ein alltägliches leben, in der gewalt, unsicherheit und lebensgefahr normal war.
Angst und schrecken verschwanden für die überlebenden einwohner Essens am 10.5.1945. Das bemühen brot, wasser, unterkunft und arbeit zu finden bestimmten hinfort den tag. Ein politiker wies den deutschen den weiteren weg: „Wer noch einmal eine Waffe in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfallen.“ 85% der deutschen bekräftigten in meinungsumfragen und volksentscheiden diese aussage.[3] Doch trotz des deutlich demonstrierten militärischen pazifismus: gewalt gegen kinder galt weiterhin als eine probate erziehungsmetode.
Die im gedächtnis verankerten gewaltsamen erfahrungen der grosseltern, eltern, lehrer und pädagogen blieben lebendig und wurden weitergetragen auf die nun geborenen töchter und söhne.
3 verschickt
Ich bin am 24.10.1948 in Essen geboren, 3 jahre und 5 monate nach kriegsende.
Die versorgungslage war immer noch kompliziert. Die freuden an ihren mahlzeiten, die meine eltern nach den entbehrungen erlebten, konnte ich nicht mitempfinden. Heisshunger oder bevorzugte lieblingsspeisen sind bei mir kaum aufgetreten. Ich blieb im verständnis der elterngeneration ein dünnes kind. Im frühjahr 1955 wurde ich volksschüler in einer klasse von 45-50 kindern. Wie zu hause so auch in der schule erlebte ich gewaltsames vorgehen gegen kinder mittels körperlicher strafen. In den gesprächen mit spielkameraden hörten wir, wie gewaltig es in anderen familien zu ging. Bekannte und kollegen meiner eltern beschrieben lachend und voller stolz, wie sie ihre kinder verprügelten bis sie nicht mehr sitzen konnten. Schlug man in einer familie weniger, so schlug man in einer anderen familie häufiger. Prügelten einige eltern gar nicht, so prügelten manche um so massloser. Das gewaltniveau gegen kinder war in der nachkriegszeit lange konstant.
Als ich 8 jahre alt war, stellte man endgültig fest, ich wäre zu dünn. Man diagnostizierte zwar keine unterernährung, trotzdem empfahl der hausarzt den aufenthalt in einem heim um mich zu mästen. Die kosten der terapie übernahm die krankenkasse. Krankenkasse? Ich fühlte mich mit meinem gewicht nicht krank. Das beabsichtigte ziel und der wohlwollende wunsch, mich selbstständiger werden zu lassen, veranlassten meine eltern mich „zur kur zu schicken“. Meine meinung zur beunruhigenden trennung von mutter, vater, bruder, spiel- und klassenkameraden war nicht gefragt. Ich erinnere mich, das meine mutter begann, namensetiketten in die kleider einzunähen.
Dann kam der tag der abreise. An die sonderzugfahrt mit vielen kindern von Essen bis Dagebüll kann ich mich nicht entsinnen. Ich war zwar bereits oft mit dem zug gereist, aber nicht so weit. Ein so grosses schiff wie die fähre nach Wyk auf Föhr hatte ich noch nie gesehen; die seereise ist mir völlig entfallen. Ich sah auch zum ersten mal das weite meer. Diese entdeckung hat ebenso keine spuren im gedächtnis hinterlassen. (Den überraschenden, erstaunten weitblick mit dem freudigen ausruf „das meer“ höre ich in meiner erinnerung erst 4 jahre später bei ferien auf Walcheren in Holland). Die ankunft auf Föhr und der empfang im kinderheim Schloss am Meer sind mir ebenso nicht gegenwärtig. Der heimname ist mir erst wieder eingefallen durch berichte von verschickten schloss-bewohnern.
Bei der ankunft wurden mädchen und jungen getrennt einquartiert. Ich teilte meinen raum mit 8-10 anderen jungs, möglicherweise einige mehr. Ich erinnere mich nur schemenhaft an eine kurze untersuchung bei einem onkel doktor, der danach nicht wieder erschien. Im speisesal mussten wir an vorbestimmen tischen platz nehmen, wieder jungen und mädchen getrennt. Ein oder zwei kleinere tische fielen auf, vorgesehen für die kalorienarme diät dicker mädchen. Mir fallen keine dicken jungen ein, denen diese ehre zuteil wurde. Dann kam man bald zum wichtigsten punkt des tages: der namentliche aufruf der anwesenden zur zentral platzierten waage. Das gewicht eines jeden kindes notierte man sorgfältig.
An mahlzeiten war ich nicht sonderlich interessiert. Sie waren wohl meist geniessbar, bei einigen gerichten musste ich erbrechen. Ich erreichte aber stets die toilette ohne vomitale spuren zu hinterlassen. Ob ich darauf einen nachschlag des emeticums bekam, das ich als mittagessen verzehrt hatte, daran kann ich mich nicht erinnern. Später wurde ein tisch in der nähe der toilettentür aufgestellt. Hier sassen nun die nausealen hyperemetiker. Ein mädchen werde ich nie vergessen; es regurgitierte in ihren teller und erhielt darauf den befehl zum verschlingen der kotze. Ich empfand das damals zwar als sauerei, es wunderte mich aber nicht. Es war lediglich eine innovative variation bekannter bestrafungen. Das mädchen mit dem teller voll erbrochenem hat zu meiner grossen bewunderung ihr hervorgewürgtes mahl mit grosser ruhe vertilgen können. Ich kann meine erinnerungsfetzen an weitere vomitale verspeisungsvorfälle nicht zusammensetzen. Es wäre möglich, das solche fälle mit heulen und zähneklappern geendet haben. Das souveräne verhalten des mädchens war allerdings einzigartig und beeindruckte mich sehr; in ihr haben sich in meinem gedächtnis möglicherweise andere kotzereien kondensiert.
An zwei zeitpunkte im täglichen stundenplan kann ich mich gut erinnern. Morgens mussten wir uns im waschraum halbnackt waschen unter distanzierter beobachtung einer einzigen tante. Abends war nacktwaschen vorgeschrieben. Im grossen waschraum standen viele kleine nackte jungs, nun beaufsichtigt von mehreren glotzenden tanten, die auch durch die reihen gingen. War ein kind zu laut, bekam die geräuschquelle einen klaps auf das nackte gesäss. Ich habe mich damals gefragt, warum man abends mehr aufsichtspersonal benötigte als morgens. Erst viel später erriet ich den grund: die zahlreichen tanten eilten freiwillig zum jungenwaschraum. Die sicht auf die vorpubertären unterleibsregionen der jungs erfreute die tanten, wie wir aus ihrem lebhaften gekicher und geflüster hätten feststellen können, wenn wir bereits sinn für solche zusammenhänge gehabt hätten.
Vom übrigen tagesablauf habe ich nur verschwommene anhaltspunkte. Das vorgeschriebene schlafen nach dem mittagessen erlebte ich als zumutung. Ich war hellwach und hatte wie alle 8-jährigen, den drang mich zu bewegen. Ich ruhte also gezwungenermassen auf der liege und schaute umher. Eine tante befahl dann strengstens die augen zu schliessen, was ein sehverbot darstellte. Ich möchte das als ersten übergriff mir gegenüber definieren. In gewissen abständen postkarten oder briefe nach hause zu schreiben war für mich als ein noch schreibenlernender schwierig. Ich war den tanten deshalb dankbar für vorformulierte sätze, selbst wenn sie meine wahrnehmungen nicht wahrheitsgemäss darstellten.
Prügelnde und ohrfeigende tanten habe ich nicht beobachtet. Die strafen waren gemeiner. Mein schlafsaal lag gegenüber der toilettentür. Neben der toilette befand sich der wohn-raum einer tante. Der lokus alten stils wirkte mit einer sehr effektiven wasserspülung, die von grosser höhe mit lautem getöse die hinterlassenschaften verschwinden liess. Die benutzung der toilette und der anschliessende wasserfall störte verständlicherweise die nachtruhe der im zimmer nebenan schlafenden tante. Wir erhielten daher striktes toiletten-benutzungsverbot. Ein eimer wurde notgedrungen als urinoir ins zimmer gestellt. Es gab zwei nächte während unserer heimzeit, in denen wir aussergewöhnlich grosse mengen urin abgaben. Der eimer war also bald vollgepisst. Um ihn nicht überlaufen zu lassen gingen wir zur toilette und benutzten danach intuitiv die wasserspülung. Die schlafgestörte tante kam wutentbrannt aus dem zimmer. Die kollektivpissenden übeltäter mussten sich nun mit dem gesicht zur gangwand aufstellen mit "hände hoch". Demjeningen, dem die erhobenen hände absackten, bekam von der tante einen schlag auf den arsch. Dadurch qualifizierte sich der pisser für eine decke, die die tante dem deliquenten, nun "hände runter", überlegen konnte, denn es war kalt im gang. Das ergebnis dieser pädagogischen massnahme war vor-programmiert. Bei der nächsten polyurie pinkelten wir den eimer voll bis zum rand und darüber hinaus. Die überlaufenden renalen exkretionen verteilte sich gelblich-grossflächig auf dem zimmerboden. Diese sauerei kritisierte indigniert am nächsten morgen die dienst-habende tante. Ich möchte dies als zweiten persönlichen übergriff definieren. Ein 8-jähriger kann rational entscheiden, hat durchaus einen begriff von ursache und wirkung. Das resultat unseres dilemmas (was wir auch tun ist falsch) konnten wir allerdings intellektuell nicht verarbeiten. Von Antigone hörten wir erst später in der schule. Der übervolle eimer und die verbotene toilette verdeutlichen das pädagogische ungeschick der tanten. Ich habe leider vergessen, wie der konflikt zwischen der zürnenden diensttante, der unausgeschlafenen latrinentante und uns jungen mit imperativem harndrang aufgearbeitet wurde. Ich frage mich heute, wie die nächtlichen faeces verschwanden. Der einzig zulässige ort war das WC, denn einen behälter für skatologische gebilde hatte man uns wohl aus olfaktorischen gründen erspart. Da die benutzung der wasserspülung verboten war, müssten sich im laufe der nacht allerlei exkremente im scheisshaus angesammelt haben, was zusammen mit dem lokuspapier sicher zu verstopfungen geführt hat. Ich kann mich aber weder an solche anrüchigen schandtaten noch an folgende bizarre strafaktionen erinnern.
Während eines ausgangs mit versteckspielen zwischen bäumen und büschen packten mich plötzlich zwei heimjungen und führten mich zu einer abgelegenen lichtung. Hier befahl mir eine grossschnauze gegen einen ausgewählten jungen zu kämpfen zur feststellung des stärksten im schloss. Ich protestiere mit dem argument, das bestimmen des stärksten interessiere mich nicht. Kampfverweigerung oder flucht war jedoch nicht möglich. Ich bekämpfte deshalb den mir angewiesenen gegner und verlor. Mit dem ablegen eines gelübdes, nichts über den mannhaft-muskulösen unsinn zu erzählen, entliess man mich aus dem kreis der starken jungs. Ich hielt leider mein versprechen. Irgendein verrückter kerl im heim hetzte andere jungs gegeneinander auf und die tanten ignorierten dieses inhaltslose männlichkeitssritual.
Einer der letzten tage im schloss begann feierlich. Vor versammelter gesellschaft betrat jedes mädchen und jeder junge die waagschale. Lautstark wurde darauf anfangs- und endgewicht des probanden proklamiert und die gewichtszunahme beurteilt, je zahlreicher die kg, desto grösser die fröhlichkeit. Das am meisten zugenommene kind erklärte man mit tösendem applaus zum sieger. Die verkündigung meiner kläglichen zunahme von 50 g[4] notierte man mit verdruss. Ich aber war begeistert. Instinktiv hatte ich mich den zwängen und vorschriften der schlosstanten verweigern können durch unbewusste beschränkung der ohnehin unschmackhaften mahlzeiten. Die öffentlich bekundete minimalzunahme war mein protest gegen das schloss, gegen arzt, eltern und krankenkasse, die mich dorthin verschickt hatten. Diese interpretation habe ich damals als 8-jähriger sicher nicht ausdrücken können. Erinnerungsfragmente lassen jedoch diese schlussfolgerung zu. Die gewichtsabnahme der anfangs zu dicken mädchen vermerkten die dicker gewordenen jungs mit geringem applaus.
Der letzte tag im schloss, die rückfahrt mit schiff und zug nach Essen, die freude zu hause zu sein, eltern und bruder zu sehen, wieder in den klassenverband aufgenommen zu werden, von alledem hat sich nichts eingeprägt. Habe ich meinen eltern, meinem bruder, den klassenkameraden von meinen bedrängnissen erzählt? Ich vermute, ich habe sehr zurückhaltend und wortkarg berichtet.
4 konklusion
Die 6-wöchige, 42 tage lange residenz im Schloss am Meer hat kein angenehmes andenken hinterlassen. Allerdings registriere ich beim nachsinnen 65 jahre später auch keine mich traumatisierenden vorfälle im Schloss am Meer.
Im nachhinein ist mir das fehlen von männern im heim aufgefallen. Wir kinder hatten nur mit frauen zu tun. Ob man sie tanten nannte oder nennen musste ist mir entfallen. Wenn es onkel gegeben haben sollte, so blieben sie unregistriert im hintergrund. Die tanten begegnen mir im rückblick als gesichts- und namenslose wesen. Sympatie oder antipatie konnte sich deshalb nicht entwickeln. Bis auf eine ausnahme: tante Siegrid war etwas älter als die anderen. Mit ihr war es angenehmer, sie zeigte uns eine gewisse zuneigung. Aber auch sie war keine verschweigungspflichtige vertrauensperson, keine ombudsfrau, der man probleme hätte mitteilen können. Hatten die jungen tanten damals eine pädagogische ausbildung? Reichte als qualifikation zum umgang mit kindern möglicherweise nur ihre fertilen fähigkeiten als künftige mütter?
Ich habe keine royale hierarchie im schloss bemerkt. Eine majestätische obertante, verantwortlich für die vorgänge, hat sich nicht offenbart.
Ich schliesse für meine periode im schloss die in anderen berichten vermuteten medikamententests aus. Solche untersuchungen erfordern genaue protokollierung. Ich konnte das nicht beobachten. Gerade das erbrechen hätte genau aufgezeichnet werden müssen als unverträglicheitsindikator eines arzneimittels.
Im rückblick hatte die verschickung einige durchaus wünschenswerte wirkungen auf mein leben. Ich habe gelernt in einer gruppe fysisch anwesend zu sein ohne psychisch dazu-zugehören. Dies hat mir später geholfen, bei langweiligen konferenzen und besprechungen mich von den rednern abzukoppeln und mich gedanklich mit interessanteren dingen zu beschäftigen. Der ringkampf zur bestimmung des stärksten jungen hat in mir eine geringschätzung jeder korporation ausgebildet. An mannschaftssportarten habe ich nie gefallen finden können. Gegen die allergrösste, seinerzeit obligatorische nationale männergemeinschaft entwickelte ich eine starke abneigung. Meine kriegsdienst-verweigerung hat wahrscheinlich zu einem teil mit der kasernierten kur auf Föhr zu tun. Ich habe vermutlich im schloss eine erste vage antwort zur frage gefunden: Ist das, was alle tun, unbedingt richtig? Ist es richtig für mich?[5]
Für den norddeutschen tourismus resultierte meine vorübergehende anwesenheit auf Föhr in einer darauffolgenden fortwährenden abwesenheit. Wenn mir freunde erzählen, sie wollen ferien auf Föhr machen, so reagiere ich instinktiv mit dem gedanken: da fahr ich nicht hin. Föhr hat mir auch die ostfriesischen inseln versperrt. Die westfriesischen inseln Texel, Vlieland und Ameland habe ich dagegen oft besucht. Mit diesen inseln verbinde ich schöne erfahrungen. Als die direktflüge von Trondheim nach Amsterdam eingeführt wurden, sass ich bevorzugt auf der rechten seite und erfreute mich im anflug auf Amsterdam bei klarem wetter im westen Schiermonnikoog, Ameland, Terschelling und etwas weiter entfernt Vlieland zu erkennen. Die direkt unter mir liegenden deutschen inseln von Wangerooge bis Borkum nahm ich nicht wahr. Bei anderen flügen nach Amsterdam, auf der linken seite des flugzeugs sitzend, schaute ich interessiert auf die dänische küste, auf die inseln Fanø und Rømø bis zum gut zu erkennenden Sylt. Meine geografischen beobachtungen waren damit abgeschlossen; Föhr und die nachbarinsel Amrum bemerkte ich nicht.
Als unangenehmer langzeitschaden des heimaufenthalts vermute ich den 6-wöchigen ausfall des rechenunterrichts. Ich habe den fehlenden stoff zwar den regeln entsprechend aufholen können. Es ist aber möglich, das mir die lange unterrichtspause einen ganzheitlichen zugang zur matematik verwehrt hat.
Mein jüngerer bruder ist 1 oder 2 jahre später ebenfalls verschickt worden, nach Bayern.
Ihm haben die 6 wochen als verschickungskind gefallen. Es ging also damals auch anders.
Wir brüder haben allerdings untereinander nie wieder unsere heimaufenthalte erwähnt.
Erstaunlicherweise habe ich, das verschickte kind, aus der unangenehmen residenz im Schloss am Meer einiges positiv prägende mitnehmen können für den darauffolgenden lebenslauf.
5 epilog
Was ist aus dem kleinen mädchen geworden, das gefasst ihre kotze verschlang? Hat sie emotionelle langzeitschäden davongetragen? Sie verhielt sich aussergewöhnlich; ich vermute, sie hat die brechreizeregende dummheit der tanten nicht in ihre seele eindringen lassen. Warum haben wir kinder unser gemeinsames leiden individualisiert? Warum habe ich als 8-jähriger nicht dem gleichaltrigen mädchen geholfen? Ich war zu unterstützender solidarität nicht fähig.
Gewalt gegen kinder hat die kinderbuchautorin Astrid Lindgren (1907-2002) unmiss-verständlich kritisiert. Warum war es eine bewohnerin aus dem vom krieg verschonten Schweden, die gewalt gegen kinder als frevel bezeichnete? Warum entsprang aus dem leidzufügenden und leidenden volk der dichter und denker nach dem krieg nicht sofort eine gewaltfreie pädagogik? Warum gaben deutsche juristen ihren kindern keine besonderen rechte? Die UN-kinderrechtskonvention trat 1990 in kraft. In Deutschland wurden körperstrafen eine generation nach mir, ab etwa 1968 verpönt, dann 2000 unzulässig und 2001 strafbar.[6]
Hätten die tanten im Schloss am Meer wegen "schwarzer pädagogig"[7] angeklagt werden können? Hätten deutsche juristen, die nach dem krieg die beihilfe zum massenmord mit milden strafen verurteilten,[8] erzwungene emetofagie als justiziabel angesehen?
Die naziführer und nazitäter nannten in den gerichten als motivation für ihre mörderischen untaten den befehlsnotstand. Man hätte nach 1970 eltern, erzieher, lehrer und pädgogen nach ihren beweggründen zur gewalt gegen ihre kinder befragen müssen. Ein befehl lag nicht vor. Eine darlegung der gründe hätte die moralische schuld der täter und tanten aufgedeckt, reue und auch die bitte um verzeihung ermöglicht.
[1] https://verschickungsheime.de/ https://anjaroehl.de/ abgerufen am 18.2.22
[2] Ich danke Nike Knoblach für diskussionen, anmerkungen und korrekturen mit einem soziologisch-
pädagogischen blickwinkel.
[3] Jürgen Kuczynski, So war es wirklich - Ein Rückblick auf 20 Jahre Bundesrepublik, Staatssekretariat für westdeutsche Fragen, Berlin 1969, p. 113
[4] Ich kann mich an die genaue gewichtszunahme nicht erinnern. Es war aber sehr wenig im vergleich zu den anderen.
[5] Die beantwortung der frage „Ist das, was alle tun, richtig für mich?“ hat mir früh ermöglicht, gruppenzwängen auszuweichen. Alle rauchten zu meiner jugendzeit. Ich nicht. Einige soffen. Ich
war nie besoffen. Alle trugen bei feierlichkeiten anzug + krawatte. Ich sah keine praktische funktion dieser textilien. Alle assen alles. Ich kaute ab einem bestimmten zeitpunkt keine kadaver mehr. Ein relikt aus dem mittelalter, die deutsche unrechtschreibung, ersetzte ich mit der reformierten, gemässigten kleinschreibung. Die ausgrenzenden konsequenzen, manchmal auch die ermutigende anerkennung als aussenseiter nahm ich in kauf. Bemerkenswert ist eine
beobachtung, die mir während des schreibens zum ersten mal deutlich wurde. Alle machten zu meiner jugendzeit möglichst schnell den führerschein und kauften ein auto. Sie erlebten die neue mobilität als zunahme der persönlichen freiheit. Ich zögerte diese wünsche hinaus, folgte dann aber doch dem trend der altersgenossen. Ich erhielt problemlos meinen führerschein. Ich kaufte ein auto. Wollte es dann aber zu meiner überraschung gar nicht fahren. Ich überwand erfolgreich den fahrwiderstand und bin dann viel gefahren. Von Essen zum studienort Fribourg (Schweiz) und zurück mehrmals im jahr; lange autofahrurlaube führten wiederholt bis Rumänien und Griechenland. Gute erinnerungen mit dem auto haben sich nicht eingeprägt; die lebensgefährlichen episoden sind jedoch präsent. Allmählich verursachte mir das fahren auch von kürzeren strecken eine ungeheuere langweiligkeit. Es erhöhten sich zunehmend die sekundenschlaf-momente. Nachdem ich 10 jahre am steuer sass, beschloss ich eine autopause einzulegen. Auf 10 gute jahre sollten nun 10 schlechte jahre kommen (in anlehnung an die alttestamentliche weisheit: nach 7
reichen jahren folgen 7 hungerjahre). Ich fuhr das fahrzeug zum schrottplatz und erlebe nun seitdem ohne auto die umweltfreundliche unabhängigkeit. Ich habe keine autofobi. Ich fahre gern mit. Doch für mich ist autofahren einfach nicht mein ding. Ich vermute, die verschickung ins Schloss am Meer hat mir den keim gegeben, unannehmlichkeiten und unverträglichkeiten zu erkennen und zu vermeiden.
[6] Bundesgesetzblatt 2000 Teil 1 nr. 48, s. 1479; § 1631 Abs. 2, Bürgerlichen Gesetzbuches 2001
[7] Unter schwarzer pädagogik wird erziehung verstanden, die gewalt, einschüchterung und
erniedrigung verwendet.
[8] Frankfurter Ausschwitzprozesse 1963-1968 und spätere vernichtungslagerprozesse
Trondheim 18.2.2022
Zur person
Hans-Richard Sliwka, deutscher und schweizer staatsbürger, verheiratet mit einer griechin, die ebenfalls schweizerin ist, lebt in Trondheim (Norwegen). Die nachnamensgebenden vorfahren stammen aus Östereich-Ungarn, aus einer gegend, die heute in Polen, Tschechien und der Slowakei liegt. Geboren am 24.10.1948 in Essen, einschulung 1955, dann 1 jahr gymnasium, 6 jahre realschule, 3 jahre ausbildung als chemielaborant (chemieindustrie, berufsschule), arbeit als chemielaborant, danach abiturklassen. Seit november 1972 studium der chemie in Fribourg (CH), abschluss als diplomchemiker, anschliessend promotion. 1984 post-doc in Trondheim (Norwegen), darauf in Trondheim industriechemiker, dann universitätsangestellter mit aufgaben in forschung, lehre und administration. Seit november 2018 rentner.
Hans-Richard Sliwka
Skansegata 26A
7014 Trondheim
Norwegen
richard.sliwka@ntnu.no
0047 73525538
Auch ich war im Jahr der Sturmflut auf Borkum, da war ich sechs. Ich erinnere mich nur noch, dass das Wasser über die Promenade bis ans Fenster gekommen ist. Die lange Mittagsruhe mit kratzenden grauen/braunen Decken sind mir ebenso in Erinnerung, wie das kleine Mädchen, dass bis spät nachmittags an ihrem Teller voll Hühnerfrikassee saß, sich über die gekochte Hühnchenpelle geekelt hatte und dann kam das, was nicht kommen sollte: Sie hat sich soweit geekelt, dass das Mittagessen wieder herauskam, sie musste solange sitzen bleiben, bis der Teller leergegessen war. Ich habe meine Portion mit Widerwillen aufgegessen, Seit dem mag ich kein Hühnerfrikassee mehr. Ach ja, Briefe wurden selbstverständlich geschönt, es war immer alles in bester Ordnung. Ja so waren die lieben „Schwestern“ eines städtischen Essener Kinderheimes. Gut, dass das Heim dann irgendwann geschlossen wurde.
Verschickungsheim: Adolfinenheim
Zeitraum-Jahr: 1966 (Sommer)
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich wurde mit gerade 6 Jahren ins Adolfinenheim verschickt, um für die Einschulung ins Winterkurzschuljahr "aufgepäppelt" zu werden. Ich habe diese Zeit in grausamer Erinnerung. Niemand war da, mich mit meinem entsetzlichen Heimweh zu trösten. Zuwendung bekam ich keine - ich erinnere mich daran, dass ich mich morgens zum Kämmen in die Reihe stellte und von der Erzieherin nur ein verächtliches "ach du mit deinen 5 Haaren" zu hören bekam. Ich hab's heute noch im Ohr. Für alle möglichen "Vergehen" musste ich am helllichten Tag zur Strafe ins
Bett und durfte noch nicht mal meine Puppe, das einzig vertraute, was ich hatte, mitnehmen. Ich sehe sie noch auf der Fensterbank sitzen. Die Betten waren mit durchgelegenen dünnen Matratzen ausgestattet. Viele meiner Zimmergenossinnen haben eingenässt, mir ist es nur einmal passiert, was ich irgendwie vertuschen konnte.
Das Essen war grauenhaft. Wie oft habe ich in einem düsteren Essensraum vor vollen Tellern mit süßlicher Milchsuppe, in der Nudeln schwammen, sitzen müssen, bis ich sie irgendwie heruntergewürgt habe. Noch heute wird mir beim Geruch von warmer Milch schlecht. Ich kann mich daran erinnern, dass es mal eine Kugel Vanilleeis zum Nachtisch gab, das war ein absolutes Highlight.
An Spiele mit anderen Kindern oder Basteleien habe ich keine Erinnerung. Irgendwie sehe ich mich immer nur herumstehen oder -sitzen. Ob wir oft an den Strand gegangen sind? Ich weiß es nicht...
Eine der Erzieherinnen hieß Tante Barbara. Sie betreute eine Jungengruppe und ich habe einmal gesehen, dass sie mit ihren Jungs abends gesungen hat und alle einen Becher Tee zu trinken bekamen. So etwas gab es bei uns Mädchen nicht.
Als endlich die verordneten 6 Wochen herum waren, erkrankte ich an Windpocken und musste noch 2 Wochen länger bleiben. Auf der Krankenstation war es etwas besser, ich glaube, es waren nur vier Betten in einem Zimmer. Außerdem gab es hier etwas Spielzeug und wir durften Weißbrot essen. Ich bekam während meiner Windpockenzeit einmal ein Paket von meinen Eltern, darin befanden sich nur 2 selbstgenähte Blusen "aus kühlendem Stoff". Keine Schokolade, kein Bonbon, keine Kleinigkeit zum Spielen, über das sich ein 6-jähriges Mädchen gefreut hätte... Das war eben von vornherein verboten und die Eltern hielten sich, autoritätshörig wie sie waren, daran. Das habe ich ihnen irgendwie übel genommen. Als diese ganz Zeit überstanden war, gingen wir in einen Andenkenladen und ich habe einen drehbaren Leuchtturm, eine große Muschel und einen stinkenden Seestern ausgesucht.
Ich war nie ganz sicher, ob ich auf Borkum tatsächlich im Adolfinenheim gewesen bin, bis ich vor einigen Jahren ein paar Tage im November auf der Insel verbracht habe, um mein Trauma zu verarbeiten. Im kleinen Heimatmuseum ließ man mir sehr viel Zeit, viele Ordner über dieses Heim zu durchforsten. Anhand der Fotos war mich mir dann ganz sicher, dass ich im Adolfinenheim war.
Das Haus existiert schon lange nicht mehr, das Grundstück wurde zu einem Teil mit einem Kindergarten bebaut. Da dort die Freiwillige Feuerwehr einen Bau plante, wurde neben dem Kindergarten das ganze Grundstück ausgebaggert. Schutt und Scherben des alten Adolfinenheims kamen wieder zu Vorschein und ein Stück einer gelben Waschsaal-Fliese ging als "Trophäe" mit nach Hause.... Nach Borkum werde ich sicher nie wieder zurückkehren.
Ich bin interessiert an Erinnerungen von LeidensgenossInnen, die vielleicht auch Mitte der 60er Jahre ins Adolfinenheim verschickt wurden.
Gräßlich, was man damals uns Kindern angetan hat.
Verschickungsheim: Adolphinenheim auf Borkum
Zeitraum-Jahr: September/Oktober 1966
Kontakt: Keine Angaben
Ich war 7 Jahre alt als ich wegen immer mit hohem Fieber auftretender "schwerer Bronchitis" vom Kinderarzt in eine sechswöchige Kur nach Borkum ins Adolphinenheim geschickt wurde. Vieles ist natürlich verblasst. Aber erinnern kann ich mich noch an unsere Betreuerin "Tante Gisela", an die alle zwei Tage stattfindenden "Salzbäder" und ich immer Angst hatte in der Badewanne zu ertrinken. Alle 2 Tage wurden die Haare nach Läusen abgesucht. Die bis heute andauernde große Abneigung gegen Milch, weil es entweder Milchsuppe mit Nudeln, Milchsuppe mit Pflaumen, Grießbrei etc. etc. gab. Und wofür es einen Eßlöffel mit Lebertran gab, weiß ich bis heute nicht.
Das ist im Vergleich zu den anderen Berichten nichts Schlimmes - dennoch hat mich diese Zeit auch "geformt".
Verschickungsheim: Marienhof und Haus Ruhreck, Borkum
Zeitraum-Jahr: ich glaube 1958 und 1962
Kontakt: Keine Angaben
Sehe heute rein zufällig diese Seite!
Ich glaube, ich war 1958 und 1962 in der Kinderkur auf Borkum.
Meine erste Kur war in "Marienhof" auf Borkum. Das Haus war die Hölle!!!
Erinnere mich ganz genau, dass im "Marienhof" auf Borkum Kinder wahnsinnig Heimweh hatten, beim Essen erbrochen haben und das auch wieder aufessen mussten!! DAS sehe ich heute noch lupenrein vor mir! In diesem Haus gab es Nonnen, stimmt. Von denen waren einige unerbittlich!! Millitärisch, kaltes Regime!
Später war ich in "Haus Ruhreck", das der Stadt Essen gehörte. Dort war es viel, viel besser! Die "Tanten" waren zwar auch sehr verschieden.... aber doch recht erträglich. Es gab in "Marienhof" und auch in "Haus Ruhreck" freitags häufig Walfischfleisch. Außerdem täglich 1 Esslöffel echten Lebertran (Pfuiteufel!!). Jedes Kind musste seinen Kopf nach hinten beugen, die "Tante" ging hinter den Stuhlreihen her und ließ in jeden Mund 1 Löffel Lebertran laufen.
Erinnert sich jemand an "Tante Christel" von Haus Ruhreck? Die war doch ganz okay!
Stimmt auch, dass die Schlafsäle nachts abgeschlossen waren bzw. man nicht zur Toilette gehen durfte. Komme, was da wolle...
JAAA, das war echt schlimm.
Stimmt auch, dass die "Tanten" für die kleineren Kinder die Postkarten geschrieben haben. Die älteren durften selber schreiben, aber den Brief nicht zukleben..... und manchmal neu schreiben!
Aber ich habe auch schöne Erinnerungen an Borkum und an Haus Ruhreck.
Ich glaube nicht, dass ich Schaden genommen habe, aber es war schon schräg, jetzt im Nachhinein gesehen. Das Beste war, möglichst unauffällig und angepasst zu sein. Dann vergingen die 6 Wochen ganz passabel.
Ich liebe aber seitdem die Insel, war schon öfter dort und habe die positiven Erinnerungen aufgefrischt.
Heute denke ich, was Borkum angeht, die meisten Betreuerinnen haben ihren Job gerne gemacht. Es war eine andere Zeit mit einem völlig anderen Umgangsverständnis mit Kindern! Man wusste es vielleicht nicht besser und dachte, man müsse Kindern Räson beibringen??
Mal ehrlich, heute gibt es auch Lehrer, Erzieher, Erwachsene überhaupt, die ihre Macht über Kinder ausspielen, mobben, verletzen usw. OBWOHL sie heute eine entsprechende pädagogische Ausbildung haben!
Als Eltern muss man seine Kinder von klein auf stärken und schützen, Dazu gehört bedingungslose Liebe zum Kind und Mut!
Verschickungsheim: Borkum
Zeitraum-Jahr: 1960,1961 und 1962
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative
ich war 3, 4 und 5 jahre alt und wurde wegen neurodermitis und asthma bronchiale je 6 wochen im sommer in ein kinderheim auf Borkum verschickt. mit 3 jahren war ich die jüngste im heim und stand in der hiearchie ganz unten. ich durfte nichts. jede nacht habe ich mich in den schlaf geweint. mein erbrochenes essen mußte ich auch im speisesaal allein zurück geblieben essen. kein kontakt zum elternhaus für mich, aber hinter meinem rücken berichte über mein angeblich renitentes verhalten im heim. zuhause wurde mir dann gesagt, sie könnten durch wände schauen und hätten es so mitbekommen. habe ich als kind jahrelang geglaubt und mich nie unbeobachtet gefühlt.
Verschickungsheim: Weiß ich leider nicht?
Zeitraum-Jahr: 1973
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Hallo mein Name ist auch Sabine.
Ich war 1973 mit 5 oder 6 Jahren auf Borkum.Ich habe fast keine Erinnerung doch meine Kindheit hatte wohl durch diese Ereignisse negative Auswirkungen.Kurzgefast ich war immer ein sehr ängstliches Kind hatte Angst vor Menschen mochte keine Kindergeburtstage weil man durch Spiele vorgeführt wurde habe mich vor Respektpersonen versteckt.....Später mit 14 begann ich dieses Problem mit Alkohol zu ertränken.Meine Mutter gab mir immer zu verstehen das ich unfähig bin mein eigenes Leben zu führen.Mit 18 bin ich ausgezogen "worden" versank ganz dem Alkohol....1986 lernte ich meinen Mann kennen gründete eine Familie aber die Ängste waren immer da vor allen Dingen Angst vor meiner Mutter.2016 der Zusammenbruch Psychosomatische Klinik Diagnose Postraumatische Belastungsstörung Ängste Panikattacken... durch Therapien fand ich dann heraus das dieser sechswöchige Kuraufenthalt auf Borkum wohl der Grund mitunter ist.Deshalb suche ich Gleichgesinnte die auch zur gleichen Zeit auf Borkum waren und noch Fotos haben auf denen ich mich vielleicht erkennen kann.Das alles ist mir sehr wichtig weil ich davon überzeugt bin das mein Leben anders verlaufen wäre.Meine Mutter weiß angeblich von nichts. LG Sabine aus Duisburg
Verschickungsheim: Adolfinenheim
Zeitraum-Jahr: Ca. 1969/70
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich war im Adolfinenheim auf Borkum. Das muss so 1969 oder 1970 gewesen sein. Bin 1961 geboren und ich konnte Briefe schon selber schreiben.
Esszwang, Toilettenverbot und an kalte Flure, wo man nackt warten musste bis man an der Reihe war zur Untersuchung, duschen oder baden. Ich weiß es nicht mehr. Aber mir kommen jedesmal Tränen, wenn ich Berichte lese. Es ist soviel Zeit vergangen. Warum hat uns damals keiner geglaubt? Meine Eltern leben nicht mehr...ich hätte noch viele Fragen ?
Verschickungsheim: weiß ich leider nicht, aber wie es ausgesehen hat
Zeitraum-Jahr: 1970
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Hallo, mit Erschrecken und auch Freude habe ich den Betrag im Fernsehen gesehen. Ich war auch dort und kenne die Gewaltmärsche nis zum umfallen, den ekligen Geruch von lauwarmen Tee in den Metallkannen und Haferschleim. Ich wurde täglich geschlagen und ans Bett gefesselt. In meinem Fall also wie mein bisheriges existieren zuhause.
Meine Erziehung bestand aus täglichem auspeitschen mit dem Rohrstock, einsperren ohne essen in der Gästetoilette im dunkeln (kein Fenster), einsperren bis zu drei Tagen im Keller, Kopf in die Toilette drücken und die Spülung betätigen, mental wurde ich nur als Idiot oder Missgeburt gerufen nicht beim Namen, ich bin nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln wert und lande in der Gosse. Das alles war täglich. Ca. 30 Selbstmordversuche hat niemand aufgerüttelt, auch nicht mehrfaches weglaufen. Immer wieder wurde ich zurück geführt da ich minderjährig war. Immer habe ich gedacht das ich doch irgendwas gemacht haben müsste, aber mein Fehler war nur geboren worden zu sein.
Bis heute habe ich gedacht das sie mir doch etwas gutes tun wollten als sie mich unter dem Vorwand Gesundheit nach Borkum und Bad Tölz verschickt haben. Jetzt weiß ich aber das es Heime für Schwererziehbare waren. Also vom Regen in die Traufe. Bis heute habe ich null Selbstwertgefühl oder Vertrauen, ich weiß nicht wie trauern geht oder lieben oder überhaupt Gefühle. Ich möchte einfach nur mein Leben hinter mich bringen..
LG Thomas
Verschickungsheim: Adolfinenheim Borkum
Zeitraum-Jahr: 1969 oder 1970
Kontakt: Keine Angaben
Hallo liebe Leute, ich war als 10-Jähriger für 6 Wochen im Adolfinenheim auf Borkum. Keine schöne Zeit! Ich nenne dafür ein paar Beispiele: * Schlafen in einem 16er-Saal mit vorgeschriebener Einschlafrichtung. Die Tür zum Flur weit geöffnet, weil die Nachtschwester ihre Kontrollgänge machte. * Mein Sitznachbar am Abendessens-Tisch sagte der Aufsicht, dass er seine Milchsuppe nicht essen könne. Er musste es trotzdem. Dann übergab er sich und wurde gezwungen, das Erbrochene noch einmal zu essen. * Einmal pro Woche schrieben wir eine Postkarte nachhause. Die Betreuerinnen sagten uns, dass sie die Postkarten hinterher nochmal durchlesen würden, "um Rechtschreibfehler zu korrigieren". Deshalb fing jede meiner Karten mit dem Satz an "Liebe Mama, hier ist es sehr schön. Gestern waren wir wieder in den Dünen ..." * Ich bin Pastor und habe davon mal in einem Gottesdienst erzählt. Anschließend kamen zwei Besucher zu mir und erzählten, dass sie als verschickte Kinder ganz ähniches erlebt hatten. *** Also: Das waren mit Sicherheit keine "Ausrutscher", sondern das hatte System.
Verschickungsheim: Donaueschingen, Huzenbach (Murgtal)
Zeitraum-Jahr: 1965, 1968
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Im Dezember 2019 habe ich, bedingt durch die Reportage im "Report Mainz", begonnen mich mit meiner Situation als ehemaliges Verschickungskind tiefergehend auseinanderzusetzen. Woher kommen meine grossen Verlassenheitsängste? Warum bin ich so wenig konfliktfähig? Warum bin ich so oft traurig? Warum tue ich mich so schwer in Beziehungen und kann mich nur schwerlich öffnen und anderen vertrauen? Langsam nur mache ich in einer begonnenen Therapie Fortschritte. Das heisst, ich kann mich selbst inzwischen besser verstehen und habe Achtung vor mir. Der Schmerz sitzt aber soooo unendlich tief.... Gerne wäre ich zum Kongress nach Borkum gekommen. Ich traue mir das Ganze aber noch nicht zu. Ich habe Angst davor, dass es mich zu sehr "verspulen" würde.
Im Sommer 1965 wurde ich, damals fünf Jahre alt, von Braunschweig aus für sechs Wochen nach Borkum verschickt. Ich hatte eine schwere chronische Bronchitis, die durch das Reizklima geheilt werden sollte.
Für mich war das Schlimmste daran, dass ich dachte, ich hätte etwas verkehrt gemacht und wäre von meiner Familie weggegeben, also verstoßen worden.
Ich hatte die ganze Zeit schreckliches Heimweh und Schuldgefühle und panische Angst, dass meinen Eltern etwas Schlimmes passiert, wenn ich nicht bei ihnen bin.
An Borkum habe ich nur sehr verschwommene Erinnerungen. Die schlimmste Zeit war, als ich nachts aufwachte; ich hatte mich erbrochen, und das Erbrochene war in meinen Haaren. Darum hat sich wohl mehrere Tage lang niemand gekümmert. Ich war ab dieser Nacht lange krank, durfte nicht hinaus und lag allein in einem Bett. Da mir die Zeit endlos schien, kann ich schlecht einschätzen, ob ich eine oder zwei Wochen oder sogar noch länger allein in dem Zimmer liegen musste.
Daraus schloss ich, dass ich auch hier nicht gut genug, sondern wiederum ausgestoßen war.
Das Elendsgefühl dieser Tage ist unbeschreiblich intensiv und immer noch in mir abrufbar.
Von der sonstigen Zeit im Heim sind nur einige vage Bilder und Eindrücke geblieben, vom Muschelsammeln am Strand, dem Schreiben einer Karte an die Eltern und einem Wechselbad von einigen schönen Augenblicken beim gemeinsamen Singen zu vielen schrecklichen Momenten, die jedoch nicht mit konkreten Erinnerungen verknüpft sind.
Als ich von Eltern und Großeltern am Bahnhof abgeholt wurde, konnte ich es nicht fassen, wieder daheim sein zu dürfen. Zwei Fotos zeigen meine ungläubige Freude in diesen Augenblicken.
Ich habe es meine ganze Kindheit hindurch nicht verstanden, wofür ich eigentlich so hart bestraft worden war und was genau dazu geführt hatte, dass mir meine "Strafe" erlassen wurde. Ab da und bis ins Teenageralter habe ich immer versucht, alles richtig zu machen, was schwierig ist, wenn man den Fehler nicht herausgefunden hat.
Ich war nachhaltig eingeschüchtert und lebte immer in der Angst, neuerlich verstoßen zu werden.
Verschickungsheim: Adolfinenheim
Zeitraum-Jahr: 1979
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Auch ich sah, wie viele von Euch, am Dienstag, den 10 September 2019 die Sendung Report Mainz mit dem Thema Verschickung. Das war kurz vor meinem 50. Geburtstag.
Danach hat sich sehr viel in meinem Leben verändert. Ich bekam Flashbacks, Schlafstörungen, litt oft an Lethargie und depressiven Episoden. Ich beantragte gemeinsam mit meinem Hausarzt eine psychosomatische Reha, die innerhalb weniger Tage bewilligt wurde. Daran anschließend besuchte ich die Rehanachsorgegruppe Psyrena und befinde mich zur Zeit in einer Traumatherapiebehandlung, um mit den Erlebnissen von meiner Verschickung zurecht zukommen.
Kurz vor meinem 10. Geburtstag, in den NRW Sommerferien 21.06.-29.08.1079 wurde ich gemeinsam mit meiner Schwester Heike, damals 12 Jahre alt, nach Borkum verschickt.
Unsere Reise begann in Deutz. Durch den Austausch in der Kölner Selbsthilfegruppe Verschickungskids, weiß ich heute, dass die Verschickungen von Deutz-Tief stattgefunden haben. Dort erhielten meine Schwester und ich die rosafarbenen Umhängekarten. Den Abschied von meinen Eltern habe ich als nicht so traurig in Erinnerung. Ich war neugierig und aufgeregt und fühlte mich an der Seite meiner Schwester sicher.
An die weitere Fahrt habe ich wenig Erinnerung, ich erinnere mich an einen alten Zug und Holzbänke, meine Schwester erinnert sich an furchtbare Übelkeit während der Fährfahrt.
Bei unserer Ankunft auf Borkum am Adolfinenheim, wurden meine Schwester und ich getrennt. Ich musste mit anderen Kindern und zwei Nonnen (Schwester Lina oder Schwester Ilse, trug eine weiß-graue Diakonissentracht, hatte eine Gehbehinderung und benutzte einen Stock, Schwester Johanna trug eine braune Tracht und war in ihrer ganzen Art und im Wesen viel „milder“) in einen Altbautrakt, meine Schwester ging mit einer jungen Gruppenleiterin und anderen Kindern in eine andere Richtung zu einem Neubau. Wir haben uns in der ganzen Zeit nur einmal sehen dürfen, als Belohnung für „artiges Aufessen“. Immer wurde ich hingehalten, habe viel geweint und bin vertröstet worden meine Schwester treffen zu können.
Die gesamte Essenssituation im Speiseraum erlebte ich als sehr angsteinflößend. Die Nonne mit dem Stock schlug auf Hände, wenn ich Brot nahm, bevor ich die Schokoladensuppe gegessen hatte, sie schlug auf den Rücken, wenn ich auf der Holzbank nicht gerade gesessen hatte. So erging es vielen Kindern.
Die Sammelduschen, in meiner Erinnerung im Keller, waren riesig mit Brauseköpfen an den Decken. Wir mussten uns vor mehreren Erwachsenen ausziehen und gesammelt unter den Brauseköpfen stehen, aus denen dann irgendwann eiskaltes Wasser kam. Es wurde laut kommandiert und wir wurden immer zur Eile angetrieben.
Ich erinnere mich an einen Inhalationsraum. Dort drin war es sehr nebelig. Wenn ich drin war, wurde die Tür zugeschlagen und ich musste mich vor die Wand setzen, wo aus einem Rohr Dampf austrat. Ich hatte immer Angst zu ersticken und nicht mehr rauszukommen.
Mittags mussten wir ins Bett zum Mittagsschlaf. Immer mussten wir mit dem Gesicht zur Wand schlafen. Die Betten waren aus Metall und die dünne Matratze lag auf Metallfedern. Durch Recherche weiß ich heute, dass das Adolfinenheim früher Achilleion hieß und eine Kaserne war. Es war taghell, ich erinnere mich nicht an Gardinen. Als beruhigend habe ich den Lichtkegel des nahen Leuchtturmes in der Nacht empfunden. Der hat mich abgelenkt, wenn ich zur Toilette musste, das war nicht erlaubt.
Abends, nachdem wir schon unsere Schlafsachen angezogen haben, standen wir in einer Reihe vor dem „Schwesternzimmer“. Dort hielten wir entweder die Hand auf oder sollten den Mund öffnen. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was genau wir dort einnehmen mussten.
Zusätzlich zu den Nonnen gab es eine Gruppenleiterin, die hieß Frl. Wollmann. Sie schrieb meinen Eltern einen Brief, dass ich an einer Gastritis erkrankt sei. Ich hatte immer Bauchschmerzen, ich musste mich häufig übergeben.
Wenn wir Spaziergänge gemacht haben, sind wir wie Zwerge losmarschiert. Auf der rechten Schulter lag eine Metallschaufel mit Holzgriff. Erst sind wir durch den Ort, dann zum Strand.
Wir waren auch im Wellenbad. Ich glaube das war ganz schön.
Als befreiend habe ich die Lieder empfunden die wir gesungen haben. „Wir lagen vor Madagaskar….“ „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“…sind mir noch in Erinnerung. Singen hat mir manchmal gegen Weinen geholfen.
42 Jahre später bin ich dankbar mit Verschickungskindern im Austausch sein zu können. Es ist sehr hilfreich zu wissen, dass ich mit dem Geschehenen nicht alleine bin.
Viele werde ich im nächsten Monat auf Borkum zum Kongress das erste Mal „live“ treffen. Ich bin aufgeregt und neugierig. Immer mehr Zusammenhänge werden klar, zwischen den Erlebnissen während der Kinderkur und meinem späteren Leben, bis heute…….
Silke
Verschickungsheim: St. Ursula Winterberg
Zeitraum-Jahr: 1972/1973
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich war im Sommer 1972 oder 1973 zur Verschickung im St. Ursula-Haus bei Nonnen in Winterberg. Damals muss ich etwa 6 Jahre alt gewesen sein, ich war jedenfalls noch nicht in der Schule.
Es war meine zweite Verschickung, nachdem ich im Jahr zuvor auf Borkum war. An die Zeit auf Borkum kann ich mich allerdings gar nicht mehr erinnern, außer daran, dass das Haus auf Borkum von außen sehr dunkel aussah. Die Erinnerung daran ist wohl sehr tief in meinem Kopf vergraben.
Nach Winterberg kam ich im Jahr darauf mit dem Zug, zusammen mit vielen anderen Kindern. Ich weiß noch, dass viel geweint wurde unter den anwesenden Kindern, was mich unglaublich verunsichert hatte, weil ich nicht wusste, was da jetzt gerade passiert und was uns bevorsteht. An den Abschied auf dem Bahnsteig in Krefeld erinnere ich mich auch nur noch dunkel.
Im Heim selber kam ich dann in die Gruppe von „Schwester Vita“. Sie war, nach meiner Erinnerung, recht ruppig, aber insgesamt noch die Zugänglichste von allen.
Da ich als Kind im Kindergarten immer die Kleinste und Schmächtigste von allen war, wurde ich über meine Kinderärztin und die Familienfürsorge Krefeld, bei der meine Oma damals arbeitete, in die Verschickung gelotst.
Und ab hier melden sich meine Erinnerungen sehr deutlich. An Dinge, die ich essen musste, ob ich wollte oder nicht. Auch, wenn sie schon kalt geworden waren. Und bis zum Erbrechen und dann nochmal. Es gab damals einen „Dornröschenpudding“. Irgendein warmes, rosafarbenes, extrem süsses Zeug. Der wurde mir immer und immer wieder reingezwungen. Dazu Erbsen- und Linsensuppen, die ich sowieso auch vorher schon nie runterbekommen hatte. Solche Suppen kann ich auch heute noch nicht riechen, ohne dass mich sofort eine heftige Übelkeit an diese „Zwangsernährung“ erinnert. Auch das total fette Fleisch dort mit Schwarte war und ist für mich eine absolute Horrorerinnerung.
Hatte ich nachts Heimweh und deswegen im Bett gelegen und geweint, wurde ich barfuß in das große, dunkle Gemeinschaftsbad eingeschlossen, das nachts sowieso immer abgeschlossen war, denn außer der Reihe auf die Toilette gehen war uns untersagt. Ich erinnere mich, dass ich einmal nachts, als ich dort eingeschlossen war, durch das vergitterte Fenster des Badezimmers ein Feuerwerk gesehen habe. Das hat meine Angst im Dunkeln aber auch nicht wirklich abgeschwächt. In dem kalten Badezimmer roch es nachts abgestanden und nach Zahnpasta und die teils nur halb geschlossenen Türen der einzelnen Toilettenzellen haben mich total geängstigt. Noch heute wird mir übel, wenn ich in ein kaltes Bad komme, in dem es deutlich nach Zahncreme riecht.
In unserer gemischten Gruppe gab es einen Jungen, der nachts ins Bett gemacht hat. Ich erinnere mich daran, dass es mehrere Nächte gab, in dem die Betreuerinnen bei vollem Licht den Jungen aus dem Bett holten und kontrollierten, ob er wieder eingenässt hatte. Wenn ja, war das Geschrei groß und wir anderen hatten unglaubliche Angst. Es hat uns ja auch keiner getröstet.
An den Wochenenden fand meist eine Art „Party“ statt. Da gab es zur Abwechslung dann Kuchen und Limonade für alle, außerdem lief ein Kassettenrekorder oder ein Radio mit Musik, zu der wir durch den Raum hüpfen und springen durften. Hatte der oben genannte Junge aber unter der Woche ins Bett gemacht, wurde unserer ganzen Gruppe verboten, an diesem Partynachmittag teilzunehmen und wir mussten in unserem Schlafsaal bleiben. Für den betreffenden Jungen muss das furchtbar gewesen sein. Die Scham, ins Bett gemacht zu haben und wahrscheinlich auch die Schuldgefühle, dass die ganze Gruppe wegen ihm im Kollektiv dafür bestraft wurde. Ein schlimmer Gedanke, was dem Jungen widerfahren war, dass er überhaupt ins Bett gemacht hat. Psychologisch hatte das damals ja leider keiner hinterfragt, sondern den Druck auf den Jungen nur noch viel mehr aufgebaut.
An den Wochenenden durften wir Karten nachhause schicken. Da ich noch nicht schreiben und lesen konnte, musste ich notgedrungen der Betreuerin diktieren, was ich meinen Eltern mitteilen wollte. Ich weiß noch sehr genau, dass ich in den Karten darum gebettelt habe, dass man mich heimholt, dass ich Heimweh hätte, dass es in dem Heim ganz furchtbar sei, dass meine Mama mich bitte-bitte besuchen kommen sollte. Viele Jahre später habe ich mit meiner Mutter mal über den Aufenthalt in Winterberg gesprochen. Sie erinnerte sich, dass sie die alten Postkarten tatsächlich noch hätte. Wir haben sie dann gemeinsam gelesen und gemeinsam geweint, denn auf den Karten stand drauf, „dass das Wetter schön, die Betreuer sehr nett und der Ausflug auf den Kahlen Asten mit seinen vielen leckeren Blaubeeren ganz toll gewesen war!“ Seitdem fühlt sich meine Mutter bodenlos schuldig, dass sie sich von meiner Oma, die ja bei der Familienfürsorge an der Quelle für meine Verschickung saß, hat bequatschen lassen, weil „mir so eine Kur sicher nicht schaden würde“ und sich meine Mutter „mal nicht so anstellen sollte, weil sie mal ein paar Wochen auf mich verzichten müsse“. Meine Oma gehört noch der Generation an, die sich keine Gedanken darüber gemacht hat, ob es einem Kleinkind vielleicht schaden könnte, wenn es wochenlang allein und ohne seine Eltern von seinem Zuhause weg ist, drangsaliert wird und vor Heimweh und Angst eine komplette Wesensänderung durchmacht.
Meine Mutter hatte mir in dieser Zeit, die ich dort war, mal ein Paket geschickt, mit Süßigkeiten drin. Ich weiß noch, dass mein Mund wohl ein großes O geformt hat, als der Inhalt an alle Anwesenden verteilt wurde, noch bevor ich das Paket selber aufmachen durfte. In meiner Erinnerung „schwebt“ das Paket einfach von mir weg und die Kinder um mich herum waren selig, weil es außer der Reihe Schokolade für alle gab.
Ganz fies in Erinnerung sind mir auch die Spielenachmittage geblieben. Diese waren – rückblickend – einfach nur traumatisch und entwürdigend. Wohlgemerkt: ich war rund 6 Jahre alt! Das erste Spiel hieß oder war etwas in der Art von „Stühle schnüffeln“. Alle Kinder saßen draußen auf dem Gang oder standen herum. Man (ich) wurde nacheinander in einen Raum gerufen, die Tür wurde geschlossen und man (ich) musste sich auf einen von mehreren, nebeneinanderstehenden Stühlen setzen, den man sich aussuchen durfte. Dann wurde man aufgefordert, wieder aufzustehen und sich zu den Betreuerinnen zu stellen. Danach wurde eine weitere Betreuerin von draußen reingerufen („Kannst reinkommen“), die sich vor den ersten Stuhl kniete, daran tief und intensiv schnüffelte und nach und nach jeden weiteren Stuhl mit der Nase absuchte. Am Ende stand sie auf und zeigte zielstrebig auf den Stuhl Nummer 2, auf dem ich kurz vorher gesessen war. „Hier hat sie gesessen!“ – Ich war völlig beschämt, weil ich in dem Moment wirklich panisch dachte, ich würde stinken! Wie konnte diese Frau erschnüffeln, wo ich gesessen hatte??? Erst Jahre später habe ich das System dieses Spieles durchschaut, aber ich erinnere mich immer noch mit Grausen an meine Angst, dass ich „müffeln“ könnte. Das hat bis heute Spuren hinterlassen.
Ein weiteres, für mich sehr schlimmes Spiel war das mit den Schaumküssen. Auch hier standen und saßen wir alle wieder in einem Gang vor einer verschlossenen Tür und wurden nacheinander reingerufen. Keines von uns Kindern wusste, was uns hinter der geschlossenen Tür erwartete. Jedes Mal, wenn ein Kind in den Raum gerufen und dann die Tür geschlossen wurde, erscholl umgehend ein furchtbarer Schrei. Die meisten von uns haben sich wahrscheinlich in dem Moment in die Hose gemacht, vermute ich. Als ich an der Reihe war, kam ich in einen komplett dunklen Raum und die Tür schloss sich sofort hinter mir. Im selben Moment drückte mir jemand ziemlich feste einen Schaumkuss mitten ins Gesicht und raunte mir ins Ohr: „Los, jetzt schrei mal ganz laut!“ – Natürlich habe ich das gemacht, und sicher nicht nur, um der Aufforderung nachzukommen. Ich war ja völlig überrascht und hatte immer noch die Panik von der Warterei vor der Tür in den Knochen. Der einzige positive Effekt aus diesem Spiel ist, dass ich mir das Sterben heutzutage ähnlich wünsche. Keine Ahnung zu haben, was einen erwartet, aber dann hinterher – wenn es ein „Hinterher“ gibt – denken zu können: „Wie, das war alles?“. Denn wie Sterben fühlte sich die Angst in dem Moment garantiert an. Warum tat man kleinen Kindern sowas an?
Der schlimmste Albtraum für mich persönlich war der Kinderspielplatz, links hinter dem Haus, ein bisschen abseits gelegen am Hang. Dort gab es eine Holztrommel, so ein Laufrad, in dem die Kinder wie die Hamster rennen konnten. Während meiner Zeit dort hatten sich zwei größere Kinder – ich weiß nicht mehr, ob Junge oder Mädchen – einige Finger gebrochen, weil sie mit den Fingern zwischen die einzelnen Holz-Spalten geraten waren und dann in der Rolle einen Überschlag gemacht hatten.
Ich selber hatte in der 3. oder 4. Woche meines Aufenthalts dann final auch einen sehr schweren Unfall. Es gab dort auf dem Spielplatz einen Kletterbogen aus Metall, auf dem ich eines nachmittags saß, während es geregnet hatte. Ich war ganz allein dort! Von Betreuerinnen keine Spur. Das weiß ich, weil es nach dem Unfall längere Zeit gedauert hatte, bis ich gefunden wurde und man eine Betreuerin herangeholt hatte. Als ich jedenfalls oben auf einer der höchsten Stangen saß, die Füße auf der nächsten, rutschte ich durch die Nässe ab, schlug in der Luft wohl einen Purzelbaum und landete mit dem Gesicht auf den Steinplatten darunter. Damals war man leider noch nicht so schlau, Gras unter ein Klettergerüst zu pflanzen. Jedenfalls habe ich mir mit den Schneidezähnen an 2 Stellen die Unterlippe komplett durchbissen und dabei die Schneide- und einige weitere Zähne unwiederbringlich eingebüßt. Damit war für mich zumindest diese Kur dort abrupt vorbei. Durch die komplett vernähte und verpflasterte Schnute konnte ich monatelang keine feste Nahrung mehr zu mir nehmen und hatte durch den Unfall später einen so extremen Zahn- und Kieferschiefstand, dass ich bereits zu meinen frühesten Schulzeiten ein fast komplett neues Gebiss bekommen musste, welches über die Jahre dann natürlich auch mehrfach erneuert werden musste. Für meine Mutter war es eine Tortur, mich immer wieder zum Fädenziehen und Nachoperieren zum Kinderarzt zu begleiten und mehr als einmal ist sie dabei umgefallen.
Nach dem Aufenthalt in Winterberg fingen dann die Verhaltensauffälligkeiten an. Ich stand nachts zuhause in meinem Bett und zog bahnenweise die Tapeten von der Wand. Ich konnte an keiner Vereinsfahrt vom Kinderturnen teilnehmen, ohne als heulendes Elend zu enden, weil ich so Heimweh hatte. Ich schämte mich jahrelang für meine große Narbe an der Lippe und meine teils schiefen Zähne. Vor Jahren hat mir meine Mutter erzählt, dass sie mich aus psychologischen Gründen kurz nach der Kur in einem Malkurs angemeldet hatte, um von Fachleuten einschätzen zu lassen, warum ich so „komisch düstere“ Bilder malte. Egal, wo meine Eltern mich „nach der Zeit in Winterberg“ allein lassen wollten: ich war sofort durch den Wind und wollte nicht ohne zumindest einen Elternteil sein. Auch heute ist Alleinsein für mich die schlimmste Strafe, so dass ich zwischen früheren Partnerschaften so gut wie nie einen Tag mal allein sein konnte. Und das Alleinsein auch bis heute nie genießen kann.
Da ich in meiner Jugend mit meinen Eltern nach Bayern und mit Mitte 30 wieder zurück nach NRW gezogen bin, habe ich etwa vor 15 bis 20 Jahren Winterberg wieder mal besucht, weil ich die Gelegenheit nutzen wollte, wenn schon in der Nähe zu wohnen, dann auch gleich mit der Vergangenheit abschließen, denn ich hatte bis dato immer wieder schlimme flashbacks. Also fuhr ich nach Winterberg.
Zuerst habe ich das Gebäude gar nicht gefunden. Als Kind hatte ich eine lange Zufahrt in Erinnerung. Als ich jetzt wieder dort war, war die Siedlungsbebauung schon recht nah an das Gelände der Kurklinik rangekommen. Die Klinik lag gefühlt einfach mittendrin. An den Eingangsbereich erinnerte ich mich aber sofort. Inzwischen war aus dem Kinderkurheim ein Mutter-Kind-Kurheim geworden. Ich wusste auch noch, dass sich der Eingang zur Kapelle im Eingangsbereich befand. Also bin ich ins Gebäude gegangen, auf der Suche nach jemandem, dem ich erzählen konnte, dass ich Anfang der 70er dort zur Kinderkur war und einfach mal schauen wollte, wie das alles inzwischen aussah.
In der Eingangshalle traf ich auf eine uralte Nonne, der ich von Schwester Vita erzählte. Sie sagte, ja, Schwester Vita gäbe es tatsächlich noch, aber sie läge leider aktuell im Sterben, es könne sich leider nur noch um wenige Tage handeln, deswegen wäre es leider auch nicht möglich, dass ich sie besuche. Ich war total erstaunt, dass sie immer noch lebte. Damals Anfang der 70er kam sie mir schon steinalt vor.
Als ich von dem Spielplatz erzählte, auf dem ich diesen schrecklichen Unfall hatte, hat mich die Schwester gefragt: „Wollen Sie ihn sehen?“ Und ich: „ES GIBT IHN NOCH????“ – Da meinte sie: „Ja, den gibt es noch. Sie haben Glück, er soll in der nächsten Woche komplett abgebaut werden. Wir haben ja jetzt einen schönen neuen Spielplatz hier.“ Der Moment war und ist bis heute Gänsehaut pur.
Ich war total fassungslos! Wir gingen hinten aus dem Gebäude raus in den hinteren Teil und dann leicht bergab links Richtung ehemaligem Spielplatz. Weiter unten konnte man viele Kinder mit ihren Müttern ausgelassen lachen hören und spielen sehen. Was für ein Unterschied gegenüber damals!
Als wir zu dem alten Spielplatz kamen, konnte ich sehen, dass die einstmaligen Geräte fast im hohen Gras verschwunden waren. Als Erwachsene kamen mir die Geräte so winzig vor. Auch das Klettergerüst war noch da und ich wusste nicht, ob ich Lachen oder Brechen sollte. Die alte Nonne, die mich netterweise dorthin geführt hatte, hatte dann wohl gemerkt, dass mir die Erinnerungen unglaublich zu Schaffen machen und hat mich mit meinen Emotionen allein gelassen, was ich sehr nett fand. Ich habe mir ein paar Minuten Zeit gelassen, um mich endgültig von diesem Ort zu verabschieden, der jetzt, als ein Heim, wo Kinder mit ihren Müttern ausgelassen toben können, so völlig seinen Schrecken verloren hatte. Ich dachte wirklich, das war´s jetzt, jetzt kann ich endlich mit dem Thema abschließen und loslassen.
Pustekuchen!
Vor 2 Jahren bin ich schwer krank geworden. Erst körperlich, dann psychisch. Mit der Depression kamen plötzlich, wie kleine, fiese Unkrautpflanzen, viele Erinnerungen sehr deutlich wieder in mein Gedächtnis zurück gewuchert. Meine Unsicherheit von früher vor fremden Menschen und Orten meldet sich auf einmal wieder sehr deutlich. Meine Anhänglichkeit an meinen Partner wird immer schlimmer und panischer. Für 2022 steht bei mir die erste psychosomatische Reha in meinem Leben an. Leicht vorstellbar, was es jetzt schon für ein Stress für mich ist, daran zu denken, dass ich dann 5 Wochen allein bin. Wieder in einer Einrichtung, unter völlig fremden und sicher teils auch kranken und verunsicherten Menschen, wie ich oft einer bin. Ich werde mit zunehmendem Alter empfindlicher, was Gerüche angeht, denn bestimmte Gerüche lösen sofort unglaublich beklemmende Erinnerungen an Alleinsein, Zwang, Angst und psychische Gewalt aus. Ich habe nie daran gezweifelt, ob mich meine Erinnerungen vielleicht trügen, ob ich mir vieles vielleicht eingebildet habe, das möchte ich unbedingt dazu erwähnen. Auch wenn ich vieles vergessen habe – was sicher auch gut ist – so bin ich doch davon überzeugt, dass alles so passiert ist, wie ich oben beschrieben habe. Umso wichtiger finde ich es, dass alle Betroffenen die Möglichkeit haben, ihre Erinnerungen mit anderen Betroffenen zu teilen, zu vergleichen, zu verarbeiten. Mir, in meinem Fall, tut es gut, das alles mal aufzuschreiben, denn es schmerzt wesentlich weniger, als wenn es im Kopf bleibt und vielleicht macht es bei dem einen oder anderen "klick" und längst verschüttet geglaubte Erinnerungen kommen wieder zutage, die dann hoffentlich gut zu verarbeiten sind und nicht alte Wunden wieder aufreißen.
Und danke an alle, die bei der Aufarbeitung helfen und die, die sich trauen, ihre Geschichten zu erzählen. Es ist für mich auch beruhigend zu wissen, dass es heute gang und gäbe ist, Kinder MIT ihren Müttern zusammen in Kur zu schicken, um zu vermeiden, dass die zarten Seelen dieser kleinen Kinder durch Fremde gebrochen werden! Danke für eure Geduld beim Lesen meiner Erinnerungen!
Verschickungsheim: Borkum
Zeitraum-Jahr: 1973 (6 Jahre alt)
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Vor meiner Einschulung wurde ich im Kindergarten von einem Arzt untersucht. Er fragte mich, ob ich mit meiner Schwester und meiner Mutter einen Urlaub am Meer machen wolle. Natürlich wollte ich ich, Wasser und Meer sind meine Leidenschaft. Ich habe von der Zeit nur bruchstückhafte Erinnerungen.
Im Zug fragte ich die Begleitung, wo denn meine Schwester und Mutter wären. Sie sagte mir, die würden nachkommen.
Nach einer stürmischen Überfahrt, bei der ich große Angst hatte, kamen wir auf Borkum im Kinderheim an. Uns wurden Nummern zugeteilt, mit denen wir auch angeredet worden sind und die sich nach der Lage im Schlafsaal richtete. Ich war Nummer 1, weil ich als erste in einem Saal mit 40 Kindern (Jungen und Mädchen) lag. Ich erinnere mich, dass Nummer 2 neben mir Claudia hieß. Wir beide haben ständig Fluchtpläne geschmiedet, konnten diese aber nicht umsetzen.
Ich muss zur Karnevalszeit dagewesene sein, da man mir auf mein wiederholtes Nachfragen erzählte, dass meine Mutter und meine Schwester zur Karnevalsfeier kämen, was natürlich nicht passierte.
Wir mussten beim Tischdecken und Tischabdecken helfen. Da ich noch nicht schreiben konnte, waren meine Briefe, geschrieben von einer Betreuerin, natürlich zensiert.
Wir durften Nachts nicht auf Toilette und Bettnässer wurden gedehmütigt.
Ich bekam Mumps und durfte in einem Einzelzimmer schlafen, das war trotz Krankheit eine Wohltat, da keiner meine Sachen stahl. Meine Lieblingspuppe wurde von anderen Kindern beschädigt.
Wir haben viele Spaziergänge am Meer gemacht und konnten Muscheln sammeln, das fand ich immer schön. Getränke wurden auf diesen Spaziergängen nicht mitgenommen und die Betreuerinnen tranken vor unsren Augen, während uns die Zunge zum Hals heraushing.
Ab und zu gingen wir in ein Hallenbad mit Wellen und Salzwasser, daran erinnere ich mich gerne.
Kurz vor Ende der „Kur“ bekam ich Röteln und kam auf die Krankenstation. Die Krankenschwester dort war eine Wohltat, sie war sehr fürsorglich. Sie hat mich trotz Fieber nach Hause geschickt, obwohl sie das nicht durfte.
Ich kam in einem erbärmlichen Zustand nach Hause und meinen Mutter wollte mir nicht recht glauben, wie es auf Borkum war. Sie war damit beschäftigt meinen Vater zu verlassen. Kurz nach meiner Rückkehr sind wir ausgezogen.
Später sagte sie mir, sie wäre froh gewesen, dass ich in der Zeit, wo sie die Trennung vorbereitet hatte, nicht da war.
Mein Vater erzählte mir später, dass ich wegen Problemen mit den Bronchien nach Borkum kam, meine Mutter konnte sich nicht mehr erinnern.
Diese Zeit kann ich nicht vergessen und sie kommt immer wieder hoch und ich muss darüber erzählen.
Ich war 1965 im Alter von 7 Jahren für 6 Wochen auf Borkum, und keine Erinnerung mehr an das Heim, ich weiß nur noch das ich sehr viel Heimweh hatte und sehr viel geweint habe, eine schlimme Zeit.....
Verschickungsheim: Adolfinenheim, Borkum
Zeitraum-Jahr: Januar 1965
Kontakt: Keine Angaben
Hallo zusammen, mit 7 Jahren wurde ich aufgrund meiner schwachen körperlichen Verfassung (Asthma, Herzschwäche) zur 6 wöchigen Kur nach Borkum geschickt. Die Betreuung dort war, berücksichtigt man die Zeit, sehr liebevoll und fürsorglich. Körperliche Züchtigung ist mir nicht bekannt oder bewusst, war aber 1965 noch völlig
normal. Für mich persönlich hat sich diese Zeit dennoch sehr eingeprägt. Ich fahre seit
dem sehr ungern alleine irgendwo hin. Meine Kinder habe ich nie alleine gelassen. Bei einer Geschäftsreise nach Wien bin ich Abends nach Hannover zurückgeflogen, weil ich meine damals 7 und 4 Jahre alten Kinder unbedingt ins Bett bringen wollte, da sie es nicht anders kannten. Insoweit war es im Nachhinein doch positiv, da auch meine Söhne ihre Kinder so erziehen.
Verschickungsheim: Borkum / Heimname unbekannt
Zeitraum-Jahr: Herbst 1970
Kontakt: Kontakt nur über den Verein
Nach dem Lesen des o.g. Buches konnte ich eine Veränderung bei mir feststellen: Ich fühle mich
in diesem Punkt zum ersten Mal ernst genommen und ich habe nie gelogen in Bezug auf meine
Erinnerungen.
Und ich war nicht die Einzige.
Aber es hat mich auch erschüttert, aufgewühlt. Das Begreifen, „ich war dabei, es ist alles wahr“,
hat mich auch erst einmal sprachlos gemacht und still werden lassen. Nachdenklich, meine Gedanken
und Gefühle erst einmal ankommen lassen und überhaupt zuzulassen.
Und ich hatte plötzlich keinen Hunger mehr, nur Durst.
Die Erkenntnis, das heim- und zeitunabhängig über ganz Deutschland diese grauenhaften Taten
belegt worden sind (und hoffentlich noch weiter belegt werden), beweist: Das hatte System! Und
war nur möglich, weil alle weggeschaut habe: Familien, Ärzte, Krankenkassen, Gesundheits- und
Jugendämter, Träger, Kirchen, Lehrer, Staat… Und es bis heute weiterhin tun.
Ich war ca. ½ Jahr alt, als ich an Asthma und Neurodermitis erkrankte und mein Kinderarzt, Dr.
Götting (Paderborn), den ich als mit-leidenden, freundlichen Mann erinnere, alles versucht hat,
um mir zu helfen. Vermutlich hat er meinen Eltern zu dieser „Kur“ geraten, was damals ja offenbar
durchaus üblich war.
Aufgewachsen bin ich mit zwei Schwestern (*1966 und *1967) in einem liebevollen, fürsorglichen
Elternhaus, das katholisch geprägt war und in dem die christlichen Werte gelebt wurden. Die
Familie habe ich immer als Schutzraum empfunden gegen „Feinde“ von außen. Auch meine
Schwestern waren immer meine Verteidiger, wenn andere Kinder aufgrund meiner „kaputten“
Haut gegen mich waren. Echte Freunde / Freundinnen hatte ich aber nicht. Wir wohnten damals
außerhalb von Stadt und Dorf und Mobilität gab es nicht. Meine Mutter war zuhause und für sie
war das Mutter-Sein eine echte Berufung, die sie selbst für sich frei gewählt hatte und bis heute
lebt. Mein Vater war zwar der klassische Versorger, aber immer für uns da, liebevoll, fürsorglich
und weitblickend, fantasievoll und humorvoll. Meine Mutter war, so vermute ich heute, mit drei
Kindern, davon einem sehr kranken, trotz all ihrer Mühe oft am Ende ihrer Kräfte. Mein Vater hat
sie unterstützt, wo er konnte und immer darauf geachtet, dass sie selbst nicht zu kurz kommt.
Vor diesem Hintergrund ist wahrscheinlich auch die Entscheidung, mich in eine „Kur“ zu schicken,
damit es mir besser geht, gefällt worden.
Interessanterweise bringe ich meinen Vater überhaupt nicht mit den Erlebnissen um das Thema
Borkum in Verbindung, vermutlich, weil er bei Abfahrt und Rückkehr nicht dabei war. Was ich
erinnere, ist seine Umarmung, als ich wieder zu Hause war und das Gefühl: „Ich bin in Sicherheit!“
Meine Mutter vermutet, die „Kur“ könnte über die Barmer Ersatzkasse oder auch über die Caritas
gelaufen sein, an den Namen des Heims und ob es ein kirchlicher Träger war, erinnert sie sich
nicht.
Ich war gerade 6 Jahre alt geworden, als ich von Paderborn aus in ein Heim auf Borkum verschickt
wurde. Meine Mutter erzählt, dass sie einige Zeit vor der Abfahrt noch ein Foto hat machen lassen,
auf dem sie vermerkt hat, dass ich 6 Jahre alt war. Damit müsste es Oktober / November
1970 gewesen sein. Dazu passen auch meine Erinnerungen an Borkum: draußen kalt und grau,
es gab keine Sonne, Blumen oder grüne Bäume; drinnen immer nur spärlich beleuchtet und viele
graue Farbtöne.
Auch die Rückfahrt nach der „Kur“ passt zur diesem Zeitfenster: Meine Mutter, meine Oma und
ich sind mit dem Bahnbus gefahren, da war es schon dunkel. Meine Mutter weiß noch, dass der
letzte Bus von Paderborn in unseren Ort entweder um 16:30 oder 17:30 fuhr, damit kann es nicht
im Sommer gewesen sein. Ich erinnere mich an das Licht im Bus und die Sitze: sie waren aus
einem dunkleren roten Plastik und durchzogen mit bräunlichen Äderungen und sahen aus wie
Blut.
Zur Abfahrt hatten mich meine Mutter und meine Oma gebracht. Ich erinnere mich noch an die
Karte um den Hals und dass die Bänke im Zug aus Holz waren und der Po vom langen Sitzen
wehtat. Der Rest ist weg, ebenso die Fährfahrt und die Ankunft. Auch an das Haus habe ich keine
Erinnerung. Trotz Sichten alter Bilder und einem Besuch auf der Insel vor ein paar Jahren kam da
nichts wieder.
Die Erinnerung an den Aufenthalt auf Borkum kann ich in keine Zeitachse packen; ich kann nur
einzelne Situationen erinnern, aber nicht, was zuerst oder was zuletzt war.
Ich habe auch keine Erinnerung, dass ich je in einem riesigen Schlafsaal war, auch nicht an andere
Mädchen (außer einer) und schon gar nicht an Jungen. Daher kann ich nur die einzelnen Bruchstücke
aufschreiben, die mir aber noch absolut präsent sind:
Bruchstück 1:
Ich war allein in einem Zimmer und saß in einem Gitterbett. Gegenüber auf einem hohen Schrank
saß hoch oben mein Teddybär, den mir Pater Sonntag von der Mission Mariental in Süd-West-
Afrika (heute Namibia) extra für diese „Kur“ geschickt hatte. Der Teddy war unerreichbar für mich
und ich habe ihn danach auch nie wieder gesehen oder gar zurückbekommen. Das Bettlaken war
nass und voller Blutflecken und -streifen, weil ich mich offenbar gekratzt hatte. Jemand in weißer
Kleidung saß neben mir und zeigte mir eine Postkarte mit Teddybären darauf und hatte ein Päckchen
von meinen Eltern dabei. Was darin war, durfte ich nicht sehen und habe den Inhalt auch
nie bekommen. Nur die Karte durfte ich kurz anschauen, aber nicht anfassen oder gar behalten.
Auch sie war danach weg. Vorgelesen wurde sie nicht. Weil das Bett so schmutzig war, musste
ich es abziehen und mit der Schwester (ich vermute, es war eine wegen der weißen Kleidung) im
Waschraum waschen. Die braunen Flecken vom Blut hab ich nicht wegbekommen, deshalb
musste ich solange waschen, bis sie ganz blass waren. Der Boden war eiskalt und ich durfte keine
Schuhe tragen. Und es brannte nur ganz wenig Licht. Irgendwann waren dann viele hohe Stimmen
da, die mich ausgelacht haben, es gibt aber keine Körper oder Gesichter dazu.
Diese Prozedur musste ich immer wieder machen, weil ich oft ins Bett gemacht habe und mich
blutig gekratzt habe. Vielleicht war ich auch immer nur in diesem Einzelzimmer. An Medizin oder
Salben kann ich mich nicht erinnern, auch nicht an einen Arzt.
Bruchstück 2:
Ich erinnere mich an den Waschraum mit ganz vielen Waschbecken in einer langen Reihe mit
Spiegeln darüber, aber die waren zu hoch, ich kannte mich nie sehen. Der Raum war ganz kalt
und dunkelgrau gestrichen. Es gab kein helles Licht, nur eine einzige Leuchte unter der Decke.
Auf den Waschbecken lagen Zahnbürsten und Zahnpasta. Ganz viele Kinder hatten diese rosafarbene
Blendi-Kinderzahnpasta, die es auch heute noch unverändert gibt. Ich bin immer wieder in
diesen Waschraum geschlichen und habe diese Zahnpasta gegessen, die war lecker und
schmeckte nach Himbeeren. Ich erinnere außer mir kein einziges Kind in diesem Raum, auch kein
gemeinsames Waschen oder Zähneputzen. Auch dass ich dort hinschleichen konnte, legt die Vermutung
nahe, dass ich in einem Einzelzimmer untergebracht war, vielleicht, weil ich keinen anstecken
sollte.
Den Geruch und den Geschmack dieser Zahnpasta finde ich heute noch angenehm.
Bruchstück 3:
Ich erinnere mich an einen endlos langen, kalten und dunklen Flur, der wie alles nur spärlich
beleuchtet war. Auf beiden Seiten waren viele Türen, aber alle geschlossen. Und es war ganz still.
Am Ende des Flurs gab es kein Fenster, dafür aber eine dunkle Ecke. Die Wände waren dunkelgrau
und ganz glatt und kalt, so wie der Fußboden. In dieser Ecke musste ich immer wieder stehen,
wieso, kann ich nicht sagen. Vielleicht wegen dem verschmutzen Bett, weil es nie besser wurde
mit dem Ins-Bett-Machen und sich-blutig-kratzen. Ich war immer barfuß und hatte ein
Nachthemd an, aber keine Unterhose und keine Decke. Ich musste immer auf die Wand schauen
und durfte mich nicht umdrehen. Wie lange das jeweils gedauert hat, weiß ich nicht, es fühlte ich
an wie eine Ewigkeit. Manchmal war auch dort das Gelächter der hohen Stimmen, auch an die
Worte „kaputte Haut“ erinnere ich mich. An Schläge erinnere ich mich dagegen nicht. Aber daran,
dass ich mir in dieser Ecke immer das kleine Mädchen aus dem Märchen „Das kleine Mädchen
mit den Schwefelhölzchen“ vorgestellt habe. Es ist bis heute mein Lieblingsmärchen und wenn
ich es vorlese, wird meine Stimme immer ganz brüchig, manchmal kommen auch Tränen.
Bruchstück 4:
Ich erinnere mich, dass es eine Nachtschwester gab. Aber sie sah nicht aus wie eine Schwester
oder Nonne, sie hatte keine Haube. Sie hatte dunkelgraue Haare, ein graues Kleid an und der
Stoff war etwas rau. Sie saß auf einem Stuhl bei den Toiletten. Sie sah aus wie meine Kindergärtnerin
Tante Lisbeth. Bei ihr war ich einmal (vielleicht auch öfter) in der Nacht. Dazu musste ich
eine Treppe hoch. Mit ihr verbinde ich die Worte gütig und tröstend. Erlaubt war das nicht, wir
durften nachts nicht zur Toilette gehen. Wieso ich trotzdem da war, kann ich nicht sagen, vielleicht
auch das ein Hinweis auf das Einzelzimmer. Diese Nachtschwester war jedenfalls die einzige
Person, die so etwas wie ein Gesicht hatte.
Bruchstück 5:
Von meiner Betreuerin erinnere ich nur die Rückenansicht. Sie hieß Fräulein Niederegger (ich
denke, es wird so geschrieben), den Begriff „Tante“ erinnere ich nicht.
Sie hatte lange schwarze glatte Haare bis zur Mitte des Rückens, sie waren strähnig und fettig.
Sie hatte einen extrem breiten Hintern und dicke Oberschenkel. Sie trug immer schwarz und
hatte eine schwarze Feincord-Hose mit dem braunen Wrangler-Etikett. Wenn sie lief, gab es immer
das typische Geräusch, das Cordhosen machen, wenn die Beine aneinander reiben. Dieses
Geräusch erzeugt bei mir bis heute ein ungutes Gefühl. Ich habe nie diese Cordhosen und schon
gar nicht die Marke Wrangler getragen oder tragen wollen.
Bruchstück 6:
Der Speisesaal war ein riesiger Raum in einem vergilbten beige, aber genau wie alle Räume immer
kalt. Der Tisch war ziemlich hoch, so dass ich fast mit dem Kinn an die Platte kam. Es gab
keine Blumen oder Tischdecken. Auch kein Besteck, nur einen Löffel. Der Teller immer so voll,
dass er fast überlief. Auch hier erinnere ich keine anderen Kinder oder Stimmen. Gefühlt war es
total still.
Ich erinnere mich nicht, dass das Essen farbig war, nur an graue oder grau-beige Farben. Es gab
auch keinen Geschmack. Alles war irgendwie gleich, eher pampig und sehr fettig. Ekelig war das
Fleisch: meist zäh, mit dicken Fettbrocken, sehnig und mit viel Knorpel. „Schneiden“ musste ich
das mit dem Löffel, was nie gelang. Das Brot schmeckte immer staubig, offenbar war es alt und /
oder schimmelig. Noch heute kann ich Schimmel sofort riechen und esse nur absolut mageres
Fleisch.
Ich musste immer alles aufessen und mir war immer schlecht danach, weil es einfach zu viel war.
An einmal kann ich mich erinnern, dass ich alles wieder ausgebrochen habe. Dann hat mich jemand
ohne Gesicht in den Nacken gepackt und mir alles wieder eingelöffelt, bis endlich alles leer
war. Ich hab mich mehrmals übergeben, weil das einfach so ekelig war und so hat das ziemlich
lange gedauert, bis ich fertig war.
Bis heute kann ich es nicht haben, wenn mich jemand im Nacken packt oder durch die Haare
wuselt. Und bis heute muss ich würgen, wenn im Fleisch mal eine Sehne auftaucht, die ich übersehen
habe. Auch sobald ich sehe oder höre, dass sich jemand übergibt, löst das Würgereiz bis
hin zum tatsächlichen Erbrechen aus, selbst bei geruchs- und geräuschlosen Szenen in Filmen
muss ich rausgehen oder die Augen und Ohren schließen. Ich bin ausgebildeter Ersthelfer und
habe schon viele schlimme Verletzungen gesehen, aber wenn sich da jemand übergeben hat,
kann ich nichts mehr tun.
Einmal gab es Grießbrei mit Kirschen (da war dann doch Farbe). Der Brei war wie Beton und völlig
ohne Geschmack, aber die Kirschen waren lecker. Die Kirschkerne hab ich geschluckt, vor lauter
Angst, sie auf den Teller zu legen. Und ich hatte Angst, dass sie im Bauch werden wie die Wackersteine
und ich daran sterbe. Aber das ist zum Glück nicht passiert.
Kirschen liebe ich heute noch, Grießbrei würde ich freiwillig nie wählen, ob wohl ich auch schon
leckeren gegessen habe und nicht würgen musste.
Außerdem erinnere ich mich, dass ich ständig Durst hatte. Es gab ganz wenig zu Trinken und dann
nur roten Tee mit einem üblen Nachgeschmack, der noch mehr Durst machte. Manchmal hab ich
heute noch echte Durstattacken, in denen ich dann sofort trinken muss. Das ist wie eine Art
Zwang. Roten Tee verabscheue ich heute noch.
Bruchstück 7:
An Borkum als Insel oder an das Meer habe ich so gut wie keine Erinnerungen. Ich glaube, wir
waren so gut wie nie draußen. Aber ich erinnere mich auch drinnen an keinen Raum, wo wir
gespielt hätten oder gebastelt. Auch nicht an Gruppen mit anderen Kindern. Da ist einfach nichts.
Einmal waren wir in einem Wellenbad. Die Halle war riesig und es roch eigenartig, vielleicht nach
Salz, weil auch das Wasser salzig war. Wenn ich Wasser geschluckt hatte, musste ich würgen. Die
Wellen waren riesig und ich hatte Angst, unterzugehen. Es waren noch andere Menschen im Bad,
aber die waren immer weit weg und sahen ganz winzig aus. Meine Haut hat höllisch gebrannt,
weil das Salz in die aufgekratzten Wunden kam. Zum Abtrocknen gab es Handtücher, die ganz
steif und hart waren und nicht richtig getrocknet haben. Hinterher war meine Haut ganz trocken
und ist immer wieder aufgeplatzt. Und dann war das Bett wieder blutig und die Waschprozedur
kam. Noch heute meide ich Schwimmbäder und Meerwasser.
Bruchstück 8:
Ähnliches erinnere ich auch von den Duschräumern. Duschen kannte ich nicht, wir hatten zu
Hause nur eine Badewanne. Hier erinnere ich auch andere Kinder, vermutlich Mädchen, aber alle
ohne Gesichter. Wir mussten uns zum Duschen alle nebeneinander nackt aufstellen. Das Wasser
kam aber nicht von oben, sondern aus einem Gartenschlauch. Es war ein ganz harter Strahl und
eiskalt. Es brannte auf meiner Haut und der harte Strahl tat weh. Seife gab es nicht. Einmal hab
die Arme um mich gelegt als Schutz: Da musste ich nach vorne kommen und wurde noch mal
„abgeduscht“. Und wieder mussten alle anderen mich auslachen. Wieder diese hohen Stimmen
und die Worte „kaputte Haut“.
Bruchstück 9:
Einmal waren wir in den Dünen. Ich bin mit einem Mädchen (an weitere Kinder erinnere ich mich
nicht) zusammen eine Düne hochgelaufen. Das Mädchen hatte einen roten Hut auf, ähnlich einem
Fes, nur die Quaste war eher ein schwarzer, dickerer Faden. Kurz bevor wir oben waren,
stand oben am Rand der Düne ein Mann, der sich gegen den grauen Himmel abhob und aussah
wie Zorro: mit dem Hut und einem schwarzem wehenden Umhang, der sich aufgebläht hatte.
Alles an dem Mann war schwarz, auch er hatte kein Gesicht. Er kam auf uns zu und wir sind
umgedreht und gefühlt um unser Leben gerannt. Diese Angst kann ich sogar jetzt wieder fühlen,
während ich dies schreibe.
Nach dem „Kuraufenthalt“ bin ich in die 5. Klasse auf’s Gymnasium gekommen. Ich war die einzige
aus der Grundschule, die auf das Mädchengymnasium kam, kannte dort also niemanden. Die
erste, die mir auffiel, war Anke W.. Ich bis heute zu 100 % sicher, dass sie das Mädchen mit dem
roten Hut war. Ich fragte sie, aber sie hatte es verneint. Später, ich war 17. oder 18 Jahre alt,
habe ich sie noch einmal darauf angesprochen: auch da hat sie behauptet, nie auf Borkum gewesen
zu sein. Diesmal allerdings mit einer ziemlichen Aggressivität und Wut in ihrer Stimme. Ich
habe sie danach nie wieder gefragt. Und bis heute begegne ich ihr mit einem gewissen Argwohn,
ich traue ihr irgendwie nicht.
Interessanterweise hatte ich in der Zeit in Pädagogik das Thema „vernachlässigte Kinder“. Mein
damaliger Lehrer sagte mir später einmal: „ich war sicher, Du würdest Pädagogik oder irgendetwas
Soziales studieren.“
Bruchstück 10:
Vermutlich eher zum Ende des Aufenthaltes müssen wir in der Stadt gewesen sein. Ich hatte ein
Leporello mit Bildern von Borkum mit nach Hause gebracht. Darauf war auch ein Foto vom berühmten
Wal-Knochenzaun in der Kirchenallee zu sehen. Den Zaun habe ich beim Besuch auf der
Insel wiedererkannt. Das Leporello hatte ich lange, irgendwann ist es verschwunden. Geblieben
ist nur das Bild vom Wal-Knochenzaun, alle anderen sind verschwunden oder basieren auf den
Bildern vom Besuch auf der Insel.
Besonders mögen tue ich Borkum nicht.
Als ich wieder zu Hause war, sagte meine Mutter: „Das ist nicht mehr das Kind, das wir losgeschickt
hatten! Nie wieder gebe ich ein Kind weg !“ Ich glaube, sie leidet bis heute unter dieser
Entscheidung, obwohl sie wirklich nur das Beste wollte.
Ich war trotz meiner Erkrankung den Erzählungen nach ein fröhliches, aufgewecktes und positives
Kind. Als ich zurückkam, war ich nur noch still und unauffällig, fast unterwürfig. Vieles davon
ist geblieben: ich mag auch heute noch keine Feiern oder Ereignisse, in denen ich der Mittelpunkt
bin. Immer noch habe ich diese Angst, ich könnte nicht gut genug sein, es geht etwas schief, weil
ich nicht alles bedacht habe, oder es kommen keine Leute, weil man mich doch nicht mag.
Ganz früh nach dieser „Kur“ wusste ich sicher und klar, dass ich niemals Kinder haben will.
Obwohl meine Mutter und meine ganze Familie alles getan haben, um mich wieder aufzubauen,
hat das Verhältnis zu meiner Mutter einen Knacks bekommen, der erst seit 2016 (Herzinfarkt
meines Vaters), also nach 50 Jahren, so langsam zu heilen beginnt. Was für eine Zeitspanne!
Mein Selbstvertrauen und Selbstsicherheit waren verschwunden. Statt dessen war das Gefühl,
nicht den Anforderungen zu genügen, ein permanenter Begleiter. Selbst wenn es belegbar war,
z.B. durch gute Zeugnisnoten, habe ich es nicht geglaubt.
Auch bedingt durch meine „kaputte“ Haut hatte ich jahrelang keine echten Freunde oder Freundinnen.
Ich habe lange versucht, durch lauter Unfug Freunde zu kaufen. Das konnte natürlich
nicht gelingen. Ich war der Klassenclown, aber nicht wirklich lustig. Lustig gemacht haben sich die
anderen über mich - Geschichte wiederholt sich halt. Irgendwann war ich dann nur noch still und
angepasst. Die Erfahrung zeigt: das läuft gut, ich war nicht mehr angreifbar. Die ersten Freunde
waren eine Gruppe von Jungen, da war ich fast 17 Jahre alt. Wenn etwas nicht so lief, haben sie
es mir direkt ins Gesicht gesagt und dann war es gut. Sie haben nie nachgetreten oder nachgetragen.
Bei den Mädels war das anders, denen konnte ich nie wirklich vertrauen. Das ist bis heute
so geblieben. Frauen gegenüber bin ich sehr vorsichtig und zurückhaltend. Wenn überhaupt, erfahren
sie erst nach langer Zeit etwas über mich.
Dafür begann ich, mich zu Hause anders zu verhalten: ich habe mit meinen “Heldentaten“ draußen
geprahlt, die es aber tatsächlich nie gab. Ich behauptete, die Größte zu sein, in Wahrheit war
ich ganz klein und unsichtbar. Ich wollte einfach nur Anerkennung dafür, dass es mich gab. Hatte
ich das Gefühl, sie nicht zu bekommen, wurde ich sauer, es folgen die Türen, zu argumentieren
hatte ich nie gelernt. Dieses Verhalten habe ich nur meiner Mutter gegenüber an den Tag gelegt.
Als ich einmal beim Ladendiebstahl einer Packung Kaugummi erwischt worden wird, brach für
meine Mutter eine Welt zusammen. Die Frage nach dem Warum oder nach Hintergründen
konnte sie nicht stellen und hat mir dieses Vergehen jahrelang immer wieder vorgehalten: sie
konnte mir nicht mehr vertrauen, ich hatte wieder einmal enttäuscht. Anders mein Vater: er hat
mit mir darüber gesprochen und mir das nie wieder vorgehalten. Von ihm habe ich das Verzeihen
gelernt.
Eine wichtige Folge der Borkum-Erfahrung war, dass ich ein sehr feines Gespür für Ungerechtigkeit,
benachteiligte und ausgegrenzte Kinder und Erwachsene entwickelt habe. Auch dafür bin
und werde ich bis heute oft belächelt und ausgegrenzt: dass ich immer den Schwachen in der
Klasse geholfen habe. Bei Lehrern, die keiner mochte, habe ich Kurse belegt. Und von all diesen
Menschen bin ich belohnt wurden: mit echtem Lächeln und Dankbarkeit. Das ist wahrscheinlich
das positivste, das bei dieser „Kur“ herausgekommen ist.
Heute erkenne ich sehr schnell, wohin die modernen Forderungen aus Politik und Gesellschaft
führen werden, nämlich hin zum Missachten der Rechte der Schwachen, egal ob Kinder, Behinderte
oder alte Menschen.
Um es modern auszudrücken:
Das wird ein Borkum 2.0, all diese Forderungen zum Kinderschutz im Grundgesetz inkl. Entziehung
der Erziehungshoheit der Eltern, nach dem Abstillen in die Horte und Kitas, bloß keine enge
Bindung an die Eltern, Abschaffung der Familie als Basis der Gesellschaft und als Schutzzone,
Leihmutterschaft, Abtreibungsfreigabe inkl. der Freigabe für die Forschung an Embryonen, assistierter
Suizid. Da ist der Schritt zur Euthanasie nicht weit.
All das hatten wir in den Auswirkungen in diesem System, dem wir Verschickungskinder hilflos
ausgeliefert waren.
Auch heute bekomme ich massiven Gegenwind, wenn ich das versuche klarzumachen. Dann
werde ich in die rechte braune Ecke verortet. Und dann falle ich oft in das alte Schema zurück
und werde still. Obwohl ich weiß, dass es falsch ist, bin ich dann wie gelähmt und kann nicht
dagegen angehen.
Aber trotz allem: ich komme gut zurecht in meinem Leben, habe einen wunderbaren Ehemann
und eine tolle Familie, die zusammensteht, wenn es eng wird.
Und auch einige echte Freunde mittlerweile.
Alles in allem ist es gut gelaufen, man hat es nicht geschafft, mich komplett zu brechen. Eine
kleine Genugtuung, immerhin.
Manchmal würde ich mich gerne an mehr erinnern. Vor allem interessiert mich, wieso ich mich
an keine anderen Kinder und an keine Gesichter erinnern kann. War ich vielleicht in einer Art
Einzelhaft, überwiegend isoliert und konnte ich deshalb die nächtlichen „Ausflüge“ machen?
Aber ich habe kein Vertrauen in Psychologen und Psychiater, um es aufzuklären und eigentlich
reicht der Dreck an Erinnerungen auch so.
Ich will auch kein Entschädigungsgeld, das gibt mir nichts. Wichtig ist mir, dass das Thema öffentlich
an Fahrt gewinnt und dass niemand jemals Menschen, insbesondere Kindern so etwas wieder
antun kann!
Meine Eltern glaubten, mir etwas Gutes zu tun: 6 Wochen Borkum während der Schulzeit, was ein letztes Mal möglich sein könnte, denn im Schuljahr darauf wäre ich auf dem Gymnasium und da könnte man ja nicht einfach zwischendurch mal eben 6 Wochen fehlen; Sonne also, Strand, andere Kinder, das Meer- ich war begeistert von dieser Idee, die sich auch daraus ergab, dass ich so dünn war, also zunehmen sollte. Was folgte war ein Martyrium. Ich erbrach das ungenießbare Essen und musste vom Teller mit dem Erbrochenen weiter essen. Ich erbrach auf der Treppe und musste sie säubern, während die Betreuungsperson daneben stand und mich beschimpfte. Ich konnte nicht aufessen und musste ganze Nachmittage im Speisesaal vor meinem Teller sitzen bleiben. Nachts wurden wir geweckt, um in langer Schlange auf dem zugigen Gang an der Toilette anzustehen. Dies sollte das Bettnässen verhindern. Das Mädchen in unserem Schlafsaal, das tatsächlich Bettnässerin war, machte natürlich dennoch ins Bett, wofür sie öffentlich gedemütigt wurde. Unsere Briefe nach Hause wurden gelesen, zensiert, zerrissen. Wir durften nur schreiben, dass es uns gut geht und das Essen uns schmeckte. Als ich Geburtstag hatte, ich wurde dort 10 Jahre alt, bekam ich ein Päckchen von zuhause. Die darin enthaltenen Süßigkeiten wurden entnommen und verteilt, die Bücher wurden zurück gehalten, ich erhielt lediglich eines zum dort lesen, was für mich als "Leseratte" natürlich nicht ausreichte. Das Meer sahen wir nur von Weitem, man ging mit uns nicht dorthin. Ich war kraftlos, traurig, fühlte mich einsam und hatte zwischendurch das Gefühl, meine Eltern und Freundinnen, mein Zuhause niemals wieder zu sehen; 6 Wochen können endlos sein. Als ich später davon erzählte sah ich zum ersten Mal meinen Vater weinen. Meine Eltern bereuten, mich dorthin geschickt zu haben. Dennoch war diese Art des Umgehens mit Kindern in der Zeit nicht unüblich. In der Schule wurde ja sogar noch geschlagen. Dies zu wissen, es also in einen zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext zu setzen macht es dennoch nicht schöner. Es war ein traumatisches Erlebnis mit Langzeitfolgen.
Verschickungsheim: 2 xBrilon, 1 x Borkum, 2 x Rottach-Egern
Zeitraum-Jahr: 1955, 1957, 1959, 1961, 1963
Als Flüchtlingskind aus der DDR mit gerade 6 Jahren in Köln angekommen, konnte ich laut Gesundheitsamt wegen Untergewicht nicht eingeschult werden!
Ich wurde für 6 Wochen ins Heim nach Brilon geschickt. Die schlimmste Erinnerung beim ersten Aufenthalt war, dass ich und andere Protestanten morgens in der katholischen Kirche permanent knien mussten!
Beim 2. Aufenthalt erinnere ich mich daran, dass ein kleines Kind mehrfach gezwungen wurde das erbrochene Essen wieder aufzuessen!
Als 10jähriger war ich 6 Wochen auf Borkum. Nach wenigen Tagen erkrankte ich an einer Infektion und war mehr als 3 Wochen im Krankenzimmer im Bett!
Mit 12 kam ich ins Heim nach Rottach-Egern, geleitet von einer älteren Nonne. Zwischen 13 und 15 Uhr war Mittagsruhe. Wir mussten still im abgedunkelten Raum in unseren Betten liegen. Wenn das Bett beim umdrehen knarrte, musste der Täter für die restliche Mittagsruhe in der Ecke stehen oder knien! Oft waren Bekannte der Mitarbeiterinnen am Mittag da und aßen auch. So reichte immer wieder das Essen nicht, um alle Kinder satt zu bekommen!
Dies alles berichtete ich meinen Eltern!
Mit 14 sollte ich dann nochmals nach Rottach-Egern. Zuvor wurde ich zu einem vertraulichen Gespräch zum Chef meines Vaters gebeten! Er bat mich Augen und Ohren offen zu halten und ihm nach meiner Rückkehr zu berichten. Dies alles vertraulich und ich sollte im Heim kein Wort dazu sagen! Irgendetwas musste durchgesickert sein, denn im Heim waren sie netter zu mir als 2 Jahre zuvor! Trotzdem gab es wieder viele negative Erlebnisse in den 6 Wochen. Im Prinzip hatte sich für die anderen Kinder nichts positiv verändert!
Nach meiner Rückkehr wurde ich im Beisein meines Vaters und in Anwesenheit zweier anderer Personen über meine Erlebnisse befragt. Wie ich erfuhr, gab es das gleiche Prozedere mit dem Sohn eines Kollegen meines Vaters, der vor mir in der Verschickung war.
Fazit: Das Heim in Rottach-Egern wurde im Hebst 1963 vom Landschaftsverband Rheinland, als zuständiger Träger, geschlossen!
In den späteren Jahren, als viele der Erlebnisse, auch beruflich bedingt, mir wieder in den Sinn kamen, war dies für mich eine besondere Genugtuung!
Als junger Mann war ich mit meiner Frau nochmals in der Region des Tegernsees. Aus dem Kinderheim war ein Hotel geworden!?
Einigermaßen verstört hat mich ein Radiobericht über Kinder-Verschickung in der Bundesrepublik. Deshalb will ich auch von meiner Mutter berichten.
Eine zu diesem Bericht in etwa gleichlautende Erzählung hat mir immer wieder meine Mutter aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts gegeben.
Meine Mutter Helga Köhler, geb. Kleige wurde am 24.3.1929 und ist im März 2004 verstorben. Sie ist in Berlin-Friedrichshagen aufgewachsen und wurde in den dreißiger Jahren nach Borkum verschickt.
In ihrem Schulzeugnis aus Friedrichshagen fand ich den Vermerk, dass sie vom 10.6. bis 29.7.1937 verschickt war. Ein Foto dieses Dokumentes lege ich bei (gelingt mir leider nicht, ich schicke es an den Verein).
Sie hat beschrieben Erbrochenes selber wegwischen, kein Wechsel der Bettwäsche, Nicht-an den Strand dürfen bis alles gegessen wurde, alleine essen. Erbrochenes aufzuessen ist ihr nicht selbst passiert, aber sie hat es bei anderen Kindern gesehen und beschrieben, dass es für sie wichtig war auf den Boden zu brechen, damit ihr nicht das gleiche passiert.
Wir haben das in unserer Familie immer als schlimme Zustände in der NS-Zeit angesehen. Die Fortführung noch Jahrzehnte hindurch weiter ist unfassbar. Vielleicht hilft ihnen diese Erinnerungs-Aussage einer Tochter in ihren Forschungen zu belegen, dass die Zustände in den Verschickungsheimen der Bundesrepublik ihre Wurzeln im Dritten Reich hatten. Es hat anscheinend nach dem Krieg niemand gefragt, was damals passiert ist und so konnten diese Ungeheuerlichkeiten fortgeführt werden.
Gabriele Köhler
Söbrigener Str.7
01326 Dresden
Ich verbrachte im Sommer 1962 als 3-Jährige sechs Wochen im Kinderheim Sancta Maria auf Borkum.
Wohl auch aufgrund meines jungen Alters habe ich nur sehr wenige Erinnerungen an diesen Aufenthalt, fühle aber noch heute, dass es ein ganz düsteres Kapitel in meinem Leben war.
Die stärkste Erinnerung ist die an einen großen kahlen Schlafsaal mit vielen weißen Metallbetten, einer Nonne als Nachtwache auf einem Stuhl sitzend, einem Nachttopf unterm Bett, der Geruch von Pfefferminztee auf dem Nachttisch und Heimweh, gepaart mit einem Gefühl der Verlassenheit ohne Ende.
Zumindest einmal musste ich mich beim Essen in die Ecke stellen, mit dem Gesicht zur Wand.
Meine Eltern schickten mir einmal ein Paket, dessen Inhalt irgendwie verteilt wurde.
Meine heiß geliebte Babypuppe erhielt ich wohl nur zu bestimmten Spielzeiten, aber nicht beim Schlafen gehen, wo sie mir bestimmt ein kleiner Trost in der großen Einsamkeit gewesen wäre. Ich erinnere mich daran, dass ich meine Puppe beim Spielen auch an andere Kinder abgeben sollte, was ich aber überhaupt nicht wollte. Das ist alles was ich noch sicher weiß. Keine Erinnerung an Tagesabläufe, andere Kinder, Betreuungspersonen, Mahlzeiten.
Laut Verzeichnis von Folberth, Sepp - Kinderheime - Kinderheilstätten, 2. Auflage 1964, S. 160 hatte „Sancta Maria“ 280 Betten für Kinder von 6!! - 13 Jahren. Ich habe noch vier Fotos von meiner Mädchengruppe, auf denen ich wohl als die Jüngste zu sehen bin.
Pfefferminztee konnte ich noch jahrzehntelang danach nicht trinken.
Es kostete mich sehr viel Überwindung und gutes Zureden, meine Kinder in einem Kindergarten anzumelden, der mir vom Konzept her sehr zusagte, aber von einer katholischen Nonne geleitet wurde. (Die Erzieherinnen waren aber „weltliche“ Fachkräfte.)
Nachdem ich die vielen erschütternden Erfahrungsberichte in diesem Blog gelesen habe, vermute ich, dass auch ich noch ganz andere Dinge erlebt habe, die in meinem Gedächtnis ausgelöscht sind. Das würde mir so manche Probleme, mit denen ich heute noch kämpfe, erklären.
Ich wurde 1985, als 5 jähriger, vor der Einschulung, für 6 Wochen nach Borkum geschickt. Leider fehlen mir viele Erinnerungen an diese Zeit, und ich habe Angst, sie verdrängt zu haben. Aber ich werde versuchen, mir mit Hilfe, diese wieder ins Gedächtnis zu rufen.
Verschickungsheim: Haus Struwwelpeter?, Privates Heim, Borkum
Zeitraum-Jahr: 1969/ 1970
Ich war mit ungefähr 6 Jahren für 6 Wochen in einem Kinderheim auf Borkum, weil ein Kinderarzt mich für untergewichtig und blass befunden hatte. Aus dem Bergischen Land brachten mich meine Mutter und eine Nachbarin zusammen mit deren Tochter dort hin. Am besten erinnere ich mich an die Situation im Schlafraum. Ich meine, er war unter dem Dach, und wir lagen alle dort in Feldbetten nebeneinander, außerdem ein noch kleineres Mädchen, ca. 3 Jahre alt (?) namens Eva in einem Kinderbettchen. Sie rief fast jedesmal etliche Male: "Muuß Pipi!", bis sie nur noch leise wimmerte und man sich denken konnte, was passiert war. Wir waren so eingeschüchtert, daß sich niemand traute, aufzustehen und irgendwo bescheid zu sagen. Man kannte sich im Haus auch nicht weiter aus und hätte gar nicht gewußt, wo sich die Heimbetreiber befinden. Wir hatten Sprechverbot und es mußte absolute Ruhe herrschen, es war stockfinster. Neben dem Schlafraum hatte der fast erwachsene Sohn des Hauses ein Zimmer. Wenn er Geräusche hörte, riß er die Tür auf, schrie uns an und stieß allgemeine Bedrohungen aus. Ich habe oft geweint oder es unterdrückt, jedenfalls tat ich immer, als ob ich schlief. Ein wenig Trost und Halt hatte ich nur durch ein Stoffäffchen mit Spieluhr, das die anderthalb Jahre jüngere Nachbarstochter dabei hatte. Sie ließ es manchmal heimlich unter der Decke laufen. An die Melodie erinnere ich mich bis heute. Wir waren auch mal am Strand, was ich aber nie erfreulich fand, denn wir bekamen bei Sommerhitze die Gesichter dick mit Niveacreme eingerieben, was recht grob vonstatten ging. Ob noch mehr eingecremt wurde, weiß ich nicht. Ich erinnere mich nur daran, daß ich es kaum aushielt, daß überall Sand festklebte, den ich nicht mehr los bekam. Wenn man mit irgendetwas mit schnell genug war, z.B. Sandalen anziehen, mußte man eben so mit, wie man gerade war, barfuß oder mit einer Sandale. Auch durfte einem nicht mehr einfallen, daß man vorher noch zur Toilette mußte oder andere Bedürfnisse hatte, die den hastigen Aufbruch verzögerten. An das Meer oder Spiele am Strand erinnere ich mich nicht, nur an den Gang dort hin in Zweierreihen und dieses Mithaltenmüssen. Ansonsten waren wir ohne Bewegungsfreiheit und mußten genau dot bleiben, wo man uns hin schickte. Am Haus war ein Garten mit Sandkasten, da haben wir wohl viel Zeit verbracht. Veranstaltet wurde sonst nichts weiter für uns, es waren endlose Stunden, die man irgendwie herumbrachte.
Die Mahlzeiten habe ich auch in schlechter Erinnerung: es waren riesige Portionen an Beilagen (Kartoffeln, Spinat) und dazu zum Beispiel ein Ei. Es mußte aufgegessen werden, und wer dies nicht schaffte, bekam massiven Druck. Ein Junge, der etwas älter war als ich, erbrach sich einmal in seinen Teller. Er mußte vor uns allen sein Erbrochenes wieder aufessen. Ich konnte nicht hinsehen, weil mir allein von der Vorstellung schon selber übel wurde. Ich war solche Portionen nicht gewöhnt und konnte das nicht. Darum bekam ich am Ende mehrfach die Strafe, die schon vor Beginn der Mahlzeit immer wieder erklärt wurde: wer nicht aufißt, bekommt keinen Nachtisch. Nicht der Verzicht auf den süßen, wohlschmeckenden Joghurt war daran das Schlimmste, sondern die soziale Ausgrenzung. Man wurde von der Heimmutter dann auch gesondert spöttisch vorgeführt: "Schaut her, die S. bekommt heute keinen Nachtisch, weil sie nicht aufgegessen hat!". Dies alles fand immer vor aller Augen statt. Da ich unbedingt zunehmen sollte, fühlte ich mich dann als Versagerin und war beschämt.
Merkwürdigerweise meine ich mich auch zu erinnern, daß wir einmal alle gemeinsam aufgefordert wurden, einen Brief nach Hause zu schreiben, der aber kurz und sehr allgemein ausfiel, weil er ja von der Heimfrau mitgelesen und abgeschickt wurde. Falls dies so war, muß ich doch ein Jahr älter, also 7, gewesen sein, ich bin mir einfach über mein Alter nicht ganz sicher.
Es wurde wohl irgendwie Buch geführt über unser Gewicht, jedenfalls stellte sich nachher heraus, daß ich etwas zugenommen hatte, auch wenn ich das selber nicht so empfand. Es kann auch nicht viel gewesen sein.
An körperliche Züchtigung kann ich mich nicht erinnern, mir bleibt vor allem ein Gefühl von Herzlosigkeit, fehlendem Ansprechpartner, Einsamkeitsgefühl, Übergriffigkeit und Langeweile, die ich vorher noch nie empfunden hatte. Die Zeit des Durchhaltens schien schier endlos, und ich fragte mich immer wieder, warum ich wohl in Wahrheit dort war.
Zum Glück blieb es mein einziger Aufenthalt dieser Art.
Seit ich vor kurzem über Verschickungskinder und Verschickungsheime in den Medien gehört und gelesen habe, beschäftigt mich die Recherche über meinen „Kuraufenthalt“ fast täglich. Ich war immer der Meinung dass meine Erlebnisse in zwei Kurheimen Einzelfälle gewesen seien und ich nur Pech hatte. Es handelte sich ja aber anscheinend um eine ganze Verschickungsindustrie, die Jahrzehntelang mit dem Drangsalieren von Kindern Geld verdient hat.
Ich war 1968 vier Jahre alt und für sechs Wochen in der „Kinderheilanstalt Viktoriastift“ in Bad Kreuznach. Ich vermute es war während der Sommerferien. Warum meine Eltern mich dorthin geschickt haben weiß ich bis heute nicht, es hieß irgendwie wegen Heuschnupfen, sie sind mittlerweile tot.
Ich weiß noch dass ich mich von Tag zu Tag schlechter gefühlt habe, je näher der Abreisetag kam. Als es dann soweit war weckte meine Mutter mich morgens fröhlich mit den Worten die mir bis heute im Gedächtnis geblieben sind „Heute ist der große Tag, es geht los“, ich wollte nicht weg von zuhause und hatte nur Angst!
Das nächste Bild dass ich noch im Kopf habe ist, wie ich mit anderen Kindern in einem Zugabteil sitze und ich aus dem Fenster schaue, es ist schlechtes Wetter und es regnet.
Untergebracht war ich nicht in dem großen Haupthaus, dass wohl zu der Zeit umgebaut wurde, sondern in dem kleineren Nebengebäude das "Haus Rheinstahl" hieß wie ich auf der Internetseite herausgefunden habe. Es lag etwas tiefer und war über eine Art Brücke zu erreichen, es steht heute glaube ich nicht mehr. Es ist auf neueren Bildern nicht mehr zu erkennen.
Ich habe von der „Kur“ nur wenige Bilder, einige Vorfälle und ein ganz schreckliches, düsteres Gefühl in Erinnerung, ich hatte fürchterliches Heimweh.
Für mich war der Aufenthalt damals als vier jähriger und auch wenn ich heute mit den wenigen Erinnerungen zurückschaue, ein nicht enden wollender Horrortrip, der mein gesamtes Leben in gewisser Weise bis heute massiv negativ beeinflusst/geprägt hat.
Als ich zurück war und wieder in den Kindergarten ging war ich auf jeden Fall ein anderes Kind als vorher. Meine Fröhlichkeit, Freude, Zuversicht, Neugier schon morgens beim Aufstehen waren verschwunden, das war mir damals natürlich noch nicht klar, da habe ich mich nur schlecht gefühlt und massive Verlust und andere Ängste entwickelt und mich gewundert was mit mir los ist. Ich weiß noch sehr gut, dass ich von diesem Zeitpunkt an panische Angst hatte, von meiner Mutter mittags nicht aus dem Kindergarten abgeholt zu werden.
Später habe ich dann viel darüber nachgedacht was 1968 im Viktoriastift und bei einem weiteren „Kuraufenthalt“ 1974 mit 10 Jahren auf Borkum (der auch nicht besser gewesen sein muss und den ich anscheinend fast komplett aus meinem Gedächtnis verdrängt habe, bis auf die Erinnerung, dass ich ständig Hunger hatte weil es nicht genug zu essen gab) mit mir passiert ist.
Man hat in den Heimen mein Urvertrauen, Unvoreingenommenheit, Lebensfreude und meine Kindheit zerstört!
Ich erinnere mich wie das "Haus Rheinstahl", der Schlafsaal usw. aussahen, wie ich im Speiseraum saß und beim Essen immer durch ein großes Fenster auf die Brücke zum Haus schaute und dachte, irgendwann gehe ich über diese Brücke wieder in die Freiheit.
Das Personal bestand aus heutiger Sicht aus bösartigen, sadistischen Nonnen/Schwestern, die nur im Befehlston mit den Kindern sprachen oder brüllten. Ich habe nur eine Nonne in Erinnerung, ich glaube sie wurde „Schwester Ursula“ genannt, die freundlicher und emphatischer war und zu der ich, wenn sie kam ein gutes Gefühl hatte. Leider habe ich sie in den sechs Wochen nur zwei oder dreimal gesehen.
Ich erinnere mich an einen ernsten, steifen Mann mit Regenschirm, der glaube ich oft eine braune Jacke trug (bis vor ein paar Jahren wusste ich den Namen auch noch) der immer kam um mit uns in Zweierreihen, eine gefühlte Ewigkeit um das Gradierwerk zu laufen damit man die salzige Luft einatmet. An Holzbottiche in die man gesteckt wurde und ich glaube an einen gekachelten Raum indem man nachher mit einem Wasserschlauch kalt abgespritzt wurde.
Mir wurde einmal beim Essen von einer dieser Schwestern ein 1 KG Paket Zucker oder Mehl an den Kopf geschmissen, weil ich nicht still gesessen habe. Ich erinnere mich auch an einen Vorfall am Anfang der „Kur“, als ein älterer Junge beim Essen von diesen Schwestern und dem ernsten Mann regelrecht abgeführt (ich weiß nicht warum) und kurze Zeit später, weinend und mit zerrissener Kleidung zurück gebracht wurde und an Kinder, die ihr erbrochenes aufessen mussten. Das Ganze war ein absoluter Schock für mich! Ob mir ähnliches passiert ist weiß ich nicht mehr. Ich habe auch keinerlei Erinnerung an die anderen Kinder, an Namen oder wer meine Bettnachbarn waren. Ich glaube jeder war irgendwann nur noch mit sich selber und seinen Ängsten beschäftigt und damit, möglichst nicht aufzufallen.
Soweit ich noch weiß schliefen wir in einem kahlen düsteren Schlafsaal mit insgesamt 30 oder vierzig Kindern, ich kann mich bei der Zahl aber auch vertun. Angst hatte ich auch immer vor dem Fiebermessen! Jeden Morgen mussten wir uns alle nach dem Wecken auf Befehl in den Metallbetten die Hosen runterziehen, auf den Bauch legen und dann gingen die Schwestern rum und rammten jedem ohne jegliches Gefühl, Vorsicht oder Rücksichtnahme ein Glasthermometer in den Hintern. Das war jedes Mal so schmerzhaft, dass ich immer stocksteif mit zusammengekniffenen Arschbacken im Bett gelegen habe wenn die Tortur losging.
Ich werde Zeitnah nach Bad Kreuznach fahren und sehen wie ich mich fühle wenn ich das Gelände dieser Kinderheilanstalt betrete, vielleicht kommen mehr Erinnerungen zurück. Vielleicht gibt es dort mehr Informationen über diese Zeit als auf der Internetseite unter dem Punkt Historie.
Der Bericht über die Verschickungskinder, der Artikel in unserer Tageszeitung trägt die Überschrift „Kinder-Kur in der Hölle“, hat die damaligen Erlebnisse bei mir wieder präsent werden lassen. Ich hatte die Erfahrungen gut verschlossen aufbewahrt, und verschlossen sollten sie auch bleiben. Als meine Eltern mir vor einigen Tagen den Bericht aus der Zeitung überreichten mit dem Kommentar: „Das ist doch ´was für dich“, habe ich den Artikel zusammengefaltet mit dem Hinweis „Lese ich mir zu Hause in Ruhe durch“ in die Tasche gesteckt. Trotzdem war ich froh, dass meine Eltern mir den Artikel gaben, da ich den Artikel am Tag der Veröffentlichung aus Zeitgründen nicht gelesen habe. Obwohl ich dachte, die Erlebnisse liegen doch schon so lange zurück, setzte bei mir sofort Herzrasen ein und ich haben 2 oder 3 Tage gebraucht, bis ich mir den Artikel durchgelesen habe. War ich bis dahin der Meinung, meine Erlebnisse waren schlimm, hat der Inhalt des Artikels mir Gänsehaut gemacht. Viele Grausamkeiten, die dort beschrieben wurden, musste ich nicht ertragen und/oder habe sie auch nicht wahrgenommen. Meine Erinnerungen sind auch nicht mehr sehr detailliert, vieles ist mit den Jahren verblasst.
In den Sommerferien zwischen dem 3. und 4. Grundschuljahr ( 1972 ) durfte ich in den Schwarzwald nach Hirsau zur Kur fahren. 6 Wochen lagen vor mir, auf die ich neugierig war. Da ich Jahrgang 1963 bin, war ich zu dem Zeitpunkt 9 Jahre alt. Die Zugfahrt war spannend, wir waren als Gruppe unterwegs. Mein Vater hat damals in Hervest - Dorsten ( heute Dorsten PLZ 46284 ) auf der Zeche Fürst-Leopold gearbeitet. Da das Geld bei meinen Eltern knapp war, haben sich meine Eltern gefreut, dass die Kinder der Bergleute die Möglichkeit bekamen, zur Kur zu fahren. Da auch ich angeblich zu dünn war, passte alles.
Bei unserer Ankunft wurde uns Schwester Waltraud vorgestellt, die für uns die nächsten 6 Wochen zuständig wäre. An das weitere Personal habe ich keine Erinnerung mehr. Ab in den Schlafsaal mit unserem Gepäck und auf zum Beziehen der Betten. Wie die Betten anschließend aussehen sollten, hat sie uns genau beschrieben. Das hätte auch bei der Bundeswehr jedem Apell standgehalten. Mein Bett war schnell bezogen. Dann fielen mir einige kleinere, jüngere Mädchen auf, geschätzt Kindergartenalter, die nicht zurechtkamen. Na dann ´mal schnell geholfen, einige weinten schon wegen der strengen Zurechtweisungen und wollte nach Hause. Mein Hilfsangebot brachte mir direkt den ersten Rüffel ein, da jeder für sein Bett selbst verantwortlich war. Aber manche Arme waren noch so kurz. Also haben einige ältere Mädchen und ich gewartet, bis die Aufsicht den Schlafsaal verlassen hatte und haben schnell geholfen, immer die Angst im Nacken, erwischt zu werden. Welche Strafe uns dann erwartet hätte, wussten wir nicht. Geschafft.
Obwohl ich ja schon 9 Jahre alt war, und damit zu den Älteren gehörte, war jeden Mittag für alle Kinder eine Pause von ca. 1 ½ Stunde angesagt. Zu Hause brauchte ich keine Pause machen und haben das auch erklärt. Geholfen hat es mir nicht, also habe ich mich jeden Mittag 1 ½ Stunde gelangweilt. Schlafen konnte ich in dem Schlafsaal auf Feldbetten mit allen anderen nicht. An die genauen Abläufe der folgenden 6 Wochen erinnere ich mich nicht mehr so genau. Am schönsten waren die Ausflüge.
Einige Punkte kann ich allerdings nicht vergessen und frage mich heute noch oft, wie die Frauen von damals mit ihrem Verhalten leben können/konnten.
Am wöchentlichen Wiegetag durften wir morgens erst nach dem Wiegen zur Toilette gehen, aber ich musste immer direkt nach dem Wecken. Wenn die Schlange vor mir, es wurden ja alle gewogen, sehr lang war, hatte ich manchmal schon Angst, mir in die Hose zu machen. Mädchen, denen das passierte bekamen Ärger und mussten beim Aufwischen helfen, egal wie alt oder besser wie jung sie waren.
Die Ausgabe des Essens war auch ein Punkt, an den ich mich gewöhnen musste. Aber das Prinzip habe ich schnell durchschaut. Wenn es etwas gab, das ich besonders gerne mochte, habe ich anfangs um Nachschlag gebeten. Dieser wurde mir dann verweigert oder die Portion fiel kleiner aus als bei den Anderen. Wenn es allerdings etwas gab, was ich nicht mochte, z. Bsp. rote Beete, und ich bat darum, dieses nicht essen zu müssen, bekam ich eine extra große Portion. Nachdem ich mich einige Male durch das Essen gekämpft habe, habe ich mir das System zu Nutze gemacht. Mochte ich etwas sehr gerne, haben ich darum gebeten nur eine kleine Portion zu bekommen, mochte ich etwas nicht so gerne, habe ich um eine größere Portion gebeten. Das hat meistens geklappt und machte die Mahlzeiten für mich erträglich. Spaß hat es auch gemacht, wenn es denn geklappt hat. Am Nachbartisch saß allerdings ein Mädchen, was sehr „schlecht“ aß und auch großes Heimweh hatte. Ich schätze, dass das Mädchen im Kindergartenalter war. Sie hat sich regelmäßig erbrochen, wenn sie etwas essen musste, was ihr nicht schmeckte, und musste, am Tisch mit den anderen Kindern, das Erbrochene essen. Als es ganz schlimm wurde, musste sie mit dem Teller aufs Klo und dort „aufessen“. Wenn es eben ging, „musste“ ich dann zur Toilette, was eigentlich während des Essens nicht erlaubt war, und konnte, wenn keine Aufsicht zu sehen war, das Essen in der Toilette entsorgen und dem Mädchen so helfen. Dabei hatte ich jedes Mal Angst, erwischt zu werden. Die darauf folgende Strafe habe ich zum Glück nicht kennengelernt. Oftmals musste die arme Kleine aber auch aufessen.
Wenn eine von uns etwas Schlimmes getan hatte, was das war kann ich nicht mehr sagen, konnte schon mal als Strafe ein ganzer Tag im Bett verordnet werden. Ob es dann etwas zu Essen und Trinken gab, kann ich nicht mehr sagen. Als ich einen Tag im Bett verbringen musste, warum auch immer, habe ich die Zeit genutzt um mir „Pipi Langstrumpf “ aus der Bücherecke im Flur zu entleihen. Das war selbstverständlich nicht erlaubt oder vorgesehen. Wir sollten doch den ganzen Tag über unsere Missetat nachdenken. Wenn die Aufsicht kam, um zu kontrollieren, ob bei mir noch alles in Ordnung war, habe ich das Buch schnell unter dem Kopfkissen versteckt und gehofft, dass ich nicht auffalle. Glück gehabt, aber ich habe während des Tages immer wieder überlegt, wie ich den Tag ohne Lesestoff überstanden hätte. Diese Strafe gab es auch für die Kleinen.
Einmal pro Woche durften wir einen Brief an die Familie schreiben. In meinem ersten Brief habe ich alles geschildert, was ich in der ersten Woche erlebt und gesehen habe. Nachdem ich den Brief vorgezeigt habe, die Briefe wurden kontrolliert, wurde dieser zerrissen und ich musste unter Aufsicht einen neuen „positiven“ Brief schreiben, der dann in die Post kam. Nach der zweiten Woche und dem zweiten Brief, bekam ich die Gelegenheit, die Briefe zum Briefkasten bringen zu dürfen. Wieso entzieht sich meiner Erinnerung. Die Kontrolle beim Schreiben wurde bei mir gelockert, weil die Schwestern den Kleinen helfen mussten und nicht überall sein konnten. Diese Lockerung habe ich dazu genutzt, zwei Briefe zu schreiben, einen für die Kontrolle und einen für den Briefkasten. Immer mit der Angst, dass der „richtige“ Brief für meine Eltern entdeckt wird, habe ich die Post zum Briefkasten gebracht und meine Briefe dann ausgetauscht. Der kontrollierte Brief landete dann zerrissen im Abfalleimer auf der Straße der richtige im Postkasten. Jedes Mal habe ich aufgeatmet, dass das Täuschungsmanöver nicht aufgefallen ist. Außerdem war ich froh, dass meine Mutter mir ausreichend Porto mitgegeben hat. Obwohl ich sicher war, dass das Verschwendung von wertvollem Porto war, wusste ich, dass meine Eltern mir diese Verschwendung nachsehen würden.
Als die 6 Wochen um waren, war das Team froh einen Erfolg verbuchen zu können, ich hatte tatsächlich etwas zugenommen.
Meine Eltern waren entsetzt, als ich endlich wieder zu Hause ankam. Sie hatten es gut gemeint und konnten nicht glauben, wie sie sich getäuscht hatten. Schlimmer war für meine Eltern noch die Tatsache, dass meine jüngere Schwester, geb. 1966, in jenem Jahr zum 2. Mal zur Kur war. Sie war im Jahr davor in 6 Wochen Hirsau und zeitgleich mit meinem Kuraufenthalt 4 Wochen auf Borkum. Da sie noch im Kindergartenalter war, hatte sie meinen Eltern von ihrem Aufenthalt und den Erlebnissen in Hirsau (1971) einige Vorkommnisse erzählt aber unsere Eltern haben ihr nicht geglaubt und alles Schilderungen auf ihre lebhafte Fantasie geschoben. Deshalb durfte sie noch ein zweites Mal zur Kur.
Den Rohentwurf für meine Schilderung ins Reine zu schreiben hat einige weitere Tage gedauert. Immer mal wieder sind die alten Erinnerungen bei mir aufgetaucht, aber auch wieder abgetaucht.
Verschickungsheim: Borkum, vermutlich Tüskendör oder Concordia
Zeitraum-Jahr: Sommer 1972
Spiegel.de 27.01.2021, »Ich hatte Todesangst. Dann verlor ich das Bewusstsein«
Was wir wohl alle mehrheitlich erlebt haben: Empathielosigkeit gepaart mit menschlicher Kälte, Demütigungen, punktuellem Sadismus ... Briefzensur. Ein Klima der Angst und des Verlorenseins. Und nach der Rückkehr: Ungläubigkeit der Eltern gegenüber den Schilderungen des Erlebten.
Mit 6 Jahren wurde ich alleine in Frankfurt am Main in den Zug auf meine Reise zur 6 –wöchigen „Erholung“ nach Borkum gesetzt. Ich erinnere überdeutlich die vielen Ermahnungen zum richtigen Verhalten und Benehmen, die mir meine Elternschaft noch haben angedeihen lassen. Darunter auch so schöne Sachen wie: Man spricht nicht von „zur Toilette gehen zu müssen“ oder gar nur „ich muss mal pinkeln“ Nein! Es heißt „austreten“. Solchermaßen kernig ausgestattet; die Klamotten natürlich komplett mit Namenschriftzügen versehen, einer mit einer Sicherheitsnadel an der Jacke befestigten filzenen, orangefarbenen Kokarde ging´s also los. Der Rest ist Geschichte. Doch nicht ganz.
Beim Durchlesen der vielen Schilderungen der Erlebnisse in diesem Forum ist mir aufgefallen, dass nur verschwindend wenige von Denunziation oder gar von ritualisierter Denunziation seitens des Heimpersonals berichten.
Ich erinnere ein bereits etabliertes Denunziationsystem, das wie folgt ablief:
1. Alle waren aufgefordert Regelverstöße zu melden
2. Für das Melden von Verstößen gab es eine Belohnung
3. Die Meldungen hatten (ausschließlich) im Speiseraum direkt vor dem Beginn des gemeinsamen Abendbrots zu erfolgen
4. Hatte ein Kind etwas zu „melden“ so musste dieses Kind vom Stuhl aufstehen und die Meldung mit dem Worten beginnen: „Ich habe etwas zu melden“
5. Das Kind durfte sich dann als „Belohnung“ direkt danach aus einer dafür bereitstehenden Schale ein Bonbon nehmen.
Ich halte diesen Teil der Unterdrückung für besonders wichtig, macht er doch die Kinder zu einem Teil des Systems der Unterdrückung. Neben allen sonstigen Erniedrigungen und Misshandlungen usw. ist dies für mich das Übelste, da sich hier nicht nur ein Individuum gegen ein anders „stellt“, sondern ein System gegen ein Individuum „stellt“.
Ich glaube, dies stark zu erinnern, aber eben auch: ich-bin-mir-nicht-wirklich-sicher, ob ich dbezgl. meinen Erinnerungen wirklich trauen kann.
Also wenn Ihr gleiche oder ähnliche Erinnerungen/ Erfahrungen habt – natürlich auch aus anderen Einrichtungen - wäre ich sehr interessiert daran, davon zu lesen.
Beste Grüße aus München
Ich glaube, dies stark zu erinnern, aber eben auch: ich-bin-mir-nicht-wirklich-sicher, ob ich dbezgl. meinen Erinnerungen wirklich trauen kann.
Also wenn Ihr gleiche oder ähnliche Erinnerungen habt – natürlich auch aus anderen Einrichtungen - wäre ich sehr interessiert daran, davon zu lesen.
Beste Grüße aus München
Ich war mit sieben Jahren in Haus Ruhreck auf Borkum.
Zum ersten Mal war ich alleine von zuhause weg! Verschickt von der Stadt Essen - um an Gewicht zuzunehmen, wie viele von euch. Es wurden die schrecklichsten sechs Wochen meines Lebens, auch das verbindet viele von uns. Kaum hatten wir das Haus betreten, wurden uns alle persönlichen Dinge abgenommen. Ich hatte Heimweh, ich war unsicher, ich war unendlich traurig. Meine Familie lebte von wenig Geld, lange hatte meine Mutter gespart, um mir ein paar Süßigkeiten mitgeben zu können. Das war sehr besonders. Es waren mehr als nur Süßigkeiten, es war ein warmes Gefühl in dieser Fremde. Die eine Tafel Schokolade, Gummibärchen, auch meine Puppe....alles wurde abgenommen, verschwand auf Nimmerwiedersehen, später sah man manchmal die ein- oder andere "Tante", die es sich mit der Schokolade gut gehen ließ, während wir die Milchsuppe in uns reinwürgten. Aber das war später....Am ersten Abend war das der Auftakt in die sechs Wochen und die Botschaft "So läuft das hier".
Viele von uns wurden nie mit ihrem Vornamen angesprochen, sondern nach Auffälligkeiten benannt. Bei mir war es meine Frisur. Ich wurde gleich am ersten Abend im Speisesaal nach vorne zitiert: "Zopfliesel, komm' nach vorne". Ich begriff nicht sofort, dass sie mich meinten. "Geht's auch schneller!" Ich stolperte vorwärts, die anderen Kinder lachten.
Mein Brustbeutel wurde mir rüde vom Hals über den Kopf gezerrt, ich hatte ihn unter meinem Pullover versteckt. Wie konnten sie ihn gesehen haben? Ein Foto meiner Mutter war darin aufbewahrt, sonst nichts, mein Anker nach Hause. Ich fühlte mich so einsam, so gedemütigt.
Die Mahlzeiten waren geprägt von Ekel, Angst, Spannung...Erbrochenes essen zu müssen, war normal. Gerne auch noch einmal tief eingetunkt in Bratkartoffel und Essiggurken, mit dem restlichen Essen verrührt. Ich erinnere stundenlange Schweige-"Strafgänge", so wurden sie offiziell genannt. Manchmal war ich dafür "verantwortlich", weil ich bei den "Tanten" Hilfe vor den Misshandlungen durch andere Kinder gesucht hatte: Quälereien mit Sicherheitsnadeln während des stundenlangen Mittagschlafs oder nachts..... Der Schlaf war reglementiert, Sprechverbot, die Hände über der Decke, nicht bewegen. Eine kalte, gefühllose Atmosphäre. Boshafte, erniedrigende "medizinische" Untersuchungen, wenn jemandem übel war. Thermometer in den Po, eine/r nach der/m anderen standen wir ohne Unterwäsche Schlange. Alles Simulanten, das war doch klar. Unsere kindlichen Bedürfnisse und die Sehnsucht nach Aufgehoben-Sein und Verständnis interessierten nicht, wir störten - das war die Botschaft an uns, von der ersten Minute an. Wir hatten uns unterzuordnen, uns zu fügen, waren keine Individuen, wir waren eine Masse, die es zu disziplinieren galt, ohne Recht auf Persönlichkeit. An dem ein- oder anderen Abend sangen wir zusammen im Speisesaal...."Der mächtigste König im Luftrevier" - im Ersten Weltkrieg eine Art inoffizielle Hymne der deutschen U-Bootfahrer (Wikipedia) und in der NS-Zeit gerne in textlicher Abwandlung gesungen. Oder "Wildgänse rauschen durch die Nacht", Symbol für die "Wandervogel-Soldaten", gerne in der Hitlerjugend, Wehrmacht oder Waffen-SS gesungen und bis in die 70er Jahre auch im Schulunterricht, bei der Fremdenlegion und Bundeswehr...... Aber beim Singen hatte ich wenigstens das Gefühl, nicht allein zu sein. Denn das waren wir sonst: allein in unserer Not auf dieser Insel, verlassen von der Welt, einsam.
Die sechs Wochen schienen nie enden zu wollen, ich weinte heimlich jeden Abend. Heimlich, weil ich verlacht, gedemütigt worden wäre, wenn es die "Tanten" entdeckt hätten. Mein wichtigstes Ziel wurde, nicht aufzufallen, unsichtbar zu sein, durchzuhalten. Ich erinnere mich nicht an freundschaftliche Kontakte unter den Kindern. Sie waren nicht erwünscht. Auch jeglicher Kontakt nach außen wurde unterbunden. Kontrolle und Erniedrigung, emotionale Kälte und Strafen, das war unser Alltag. Ein Leben in Angst, etwas falsch zu machen und dafür büßen zu müssen. Das werde ich nie vergessen. Es hat mich nachhaltig geprägt. Ich kann mir nicht vorstellen, diese Insel jemals wieder zu betreten und war sehr froh, dass der diesjährige Kongress unserer Verschickungsheim-Initiative virtuell stattfand und nicht auf Borkum.
Was ich durch den Aufenthalt gelernt habe: Autoritäten abzulehnen, ihnen zu misstrauen, nicht aufzufallen, niemandem zu vertrauen, auch meinen Eltern nicht, die mich ja nicht geschützt hatten... Meine Gefühle behielt ich seitdem lieber für mich...Aber ich lernte auch: "NIEMALS AUFGEBEN!" Nicht die Täter:innen siegen lassen. Niemals!
Heute bin ich ein fröhlicher und glücklicher Mensch. Der Weg dorthin war anstrengend.
Verschickungsheim: Nein
Ich bin ein Opfer der Heimerziehung. War in Waiblingen im ev.Säuglings.und und Kinderheim (Devizestr.)untergebracht. Mit ca.3 Monaten kam ich in diese Diakonissen Anstalt. Dort lernte mich eine Frau kennen, die damals eine Ausbildung zur Säuglings.und Kinderkrankenschwester absolvierte. Diese Schwester wurde ,als ich mit 10 Jahren getauft wurde,meine Patentante. In unregelmäßigen Abständen nahm mich diese Schwester zu sich nach hause in ihre Famillie. Dort erfuhr ich , das diese Schwester auch Einsätze hatte auf Norderney, möglicherweise auch Borkum oder so? Viel persönliches hatte diese Schwester von sich nie berichtet,als ich um die Schicksale der Verschickungskinder hörte, fiel mir dieser Umstand von dieser Schwester wieder ein. Bereits vor 30 Jahren hatte ich mich von dieser Frau abgewendet, da sie mir mein ganzes Leben ,neben den schrecklichen Erfahrungen während meiner Heimerziehung , zusätzlich zur Hölle machte. Da ich noch mitten in meiner Aufarbeitung meiner Heimerziehung stecke, gehört besagter Umstand um diese Schwester und ihre Einsätze in Erholungsheime im Norden dazu. Geschilderte Erfahrungen und Erlebnisse im Umgang von und mit Verschickungskindern durch Verschickungskinder decken sich mit den Erfahrungen im Umgang mit meiner Person durch diese Schwester ,bei der ich in unregelmäßigen Abständen in Fremdunterbringung war. Vielleicht kann man sich an die Schwester Gertrud Häffner erinnern, sie war ein Tyrann , unausstehlich, stammte aus Baden Württemberg, wohnte als ich noch Säugling war in Gerabronn (Hohenlohe) Kreis Schwäbisch Hall,hatte bis zu ihrer Pensionierung im Kinderhospital Olgäle in Stuttgart gearbeitet, eine Einrichtung der Diakonie. Bedanken möchte ich mich bei den Verschickungskindern und ihrem Mut, an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. Das Nachkriegsdeutschland wurde für viele Kinder und Jugendliche, zum Alptraum.Das muss beim Namen genannt werden, und es muss verhindert werden, das dies nie in Vergessenheit gerät. In diesem Sinne. Evelyne Klein
Einfügen:
Meine erste Begegnung mit der Nordsee 1965
Im Sommer 1965 wurden meine 3,5 Jahre jüngere Schwester und ich in das Kinderheim auf Borkum, Sancta Maria verschickt. Ja, verschickt, wie es mit Paketen und Transportern sprachlich/tatsächlich ebenfalls geschieht.
Dem war eine sehr traurige Zeit vorausgegangen. Meine Mutter war mit der " Verschickung " und einer ernsten längeren Trennung von den Kindern nicht einverstanden. Sie konnte sich gegenüber dem dominanten Vater und Familienvorstand aber nicht durchsetzen, denn damals gab es noch keine Gleichberechtigung. Mutter schwieg traurig und mich belastete es sehr. Ich kann mich erinnern, dass wir viele Tage zusammensaßen und gemeinsam Namensschilder in die Kleidung, die Wäsche und die Handtücher einnähen mussten.
Die Abreise stand ebenfalls unter großer Traurigkeit unserer Mutter, als wir am Hauptbahnhof Düsseldorf in den Zug gesetzt wurden. Die Eltern blieben beide dort zurück, wer uns die Fahrt über begleitete, weiß ich nicht.
Ich kann mich nur noch an die Überfahrt mit der Fähre erinnern, denn es war der erste Kontakt zum Meer und einem Schiff. Auf Borkum kamen gleichzeitig unheimlich viele Kinder an. Sie kamen aus allen Himmelsrichtungen und wurden dort von den Nonnen des/der Heime entgegengenommen und strikt nach Gruppen eingeteilt. Bereits hier wurde ich abrupt von meiner kleinen Schwester getrennt und sah sie die gesamten 6 Wochen bis auf eine kleine Begegnung nicht mehr wieder.
Mit den in schwarzen Kutten/Tuniken gewandeten Nonnen fuhren wir mit dem Inselbähnchen zum Heim Sancta Maria. Ob wir das letzte Stück liefen, weiß ich nicht mehr.
Es war ein großer dunkelgrauer Bau , der von Nonnen geleitet wurde, mit langen dunklen Fluren und damals zeitgemäßem schlichten Mobiliar. Wir hatten als Gruppe einen Gemeinschaftssaal, in dem wir aßen. Ebenso einen riesigen großen Schlafsaal voller Eisenbetten mit karger Ausstattung: Laken und graue Sanitätsdecken.
Uns wurde vermittelt, dass wir alles offenzulegen hatten. Nichts blieb unkontrolliert. Das fing mit einem gründlichen Ausfragen nach der Familie, den sozialen Belangen, dem Beruf von Vater und Mutter an und endete bei der Kleidung und dem Gepäck. Alles wurde vor der versammelten Gruppe verlautbart.
Sebalda, die für uns zuständige Nonne, war um die 60 Jahre alt, wobei das schwer zu schätzen war, da sie total in Schwarz gehüllt war, außer der weißen Stirnblende und ein sehr runzliges, strenges Gesicht zeigte. Ihre Haut wirkte gelblich fade und sie war streng , unnahbar und ständig ernst und mit Parolen zum Verhalten unterwegs. Ihrem Alter nach war sie eine aktive Schwester in der NS-Zeit in solchen bzw. diesem Heim gewesen, denn ihre Indoktrinierung und ihr Verhalten offenbarten das. Das Heim war im Krieg zuletzt ein Lazarett für Soldaten gewesen und Heime sprossen in der Nazizeit zur Landverschickung von Kindern und deren Infiltrierung.
Schwester Sebalda war für uns Kinder ein gefährlicher Drache; man musste dauernd Angst vor ihr haben und mit Strafen rechnen. Das fing bei persönlichen Schmähungen im Speisesaal an, wenn sie mit dem >Stock durch die Reihen ging. Sie kontrollierte, ob man gerade saß, alles aufaß und wie gekleidet war. Vor allem musste man bei jeder Gelegenheit gemeinsam beten und die katholischen Riten befolgen, obwohl ich evangelisch war und viele Inhalte gar nicht kannte.
Schwester Sebalda zeigte schon zu Beginn unseres Aufenthaltes, wo der Hammer hing. Wer nicht sein Essen aufaß, wurde von ihr dazu gezwungen und zwar so lange am Tisch zu sitzen, bis der Teller leer war. Ich kann mich erinnern, dass sich ein dickliches Mädchen mit krausen schwarzen Haaren erbrechen musste und schwer beschimpft wurde. Eine Roswitha wurde vom Tisch zitiert, weil Sebalda Locher in ihrem Strickpullover gesehen und das zum öffentlichen Blamage-Thema gemacht hatte. Roswitha weinte bitterlich, als sie als unsauber und mit Mottenlöchern in ihren Kleidern beschimpft wurde.
Im Schlafsaal waren mindestens 40 Personen untergebracht und zwar so, dass man sich nicht mit dem Gesicht zueinander hinlegen durfte. Die eine Reihe schaute zur Wand, die andere zu den abgewandten Rücken und die Grundregel lautete: Schweigen, kein Mucks. Zur Toilette durfte man nicht und wurde angehalten, sein Geschäft vor dem Zubettgehen zu verrichten. Auch wurde die Nachwäsche jeden Abend gründlich inspiziert und wehe, wenn Nachzeug oder Unterwäsche schmutzig waren. So war ein Mädchen Entdeckungsopfer einer verschmutzten Unterhose. Diese wurde unter lautstarken Abwertungen über die Köpfe im Schlafsaal hochgehalten und das Mädchen als schmutzig und unsauber beschimpft. Zur Strafe durfte es nicht in sein Bett sondern musste nun lange neben dem Bett stramm stehen und schweigen. Bis, ja bis ..... das weinende Mädchen in Ohnmacht fiel und mit seinem Kopf gegen das eiserne Bettgestell fiel. Die Schwester bugsierte es schimpfend in das Bett; wir alle schwiegen vor lauter Angst unter unseren Decken.
Ins Bett durften wir sowieso nur nach gemeinsamen Passieren eines langen Waschraums für viele Mädchen gleichzeitig. Dort wurde genauestens kontrolliert ob wir uns Hals und Ohren wuschen, wie es damals hieß und ob die Zähne gründlich geputzt wurden. Anschließend musste jede die Armarturen und ihr Waschbecken peinlich genau reinigen. Gab es noch Wasserspritzer oder einzelne Haare im Becken bekam man Schimpftiraden zu hören.
Duschen oder Baden geschah nie individuell, sondern immer einmal wöchentlich in einem separatem Waschhaus. Das war eine barackenähnliche düstere Einrichtung außerhalb des Haupthauses, die ich wie einen alten Schuppen in Erinnerung habe. Darin fand sich ein großes, betonartig eingefasstes großes Steinbassin mit den Ausmaßen 10 x 10 Meter wo viele Mädchen, auch aus anderen Gruppen gleichzeitig baden mussten. Und zwar immer in Anwesenheit von mehreren Nonnen, die um das Bassin herumsaßen. Den Mädchen die Köpfe heftig einseiften und alles genau beobachteten. Man schämte sich sehr, war man doch schon in der pubertären Entwicklung seines eigenen Körpers.
Spielen, Singen, Basteln etc. - eine Leerstelle. Es kam nicht im Haupthaus, auch nicht in den Nebengebäuden vor, sondern stets draußen an frischer Luft. Jeden Tag wurden nämlich gruppenweise lange und ausgedehnte Wanderungn zum Strand unternommen und auch im Meer gebadet wenn möglich. Das war ein herrliches Gefühl und völlig neu und vor allem es geschah mit einer freundlichen und jungen Nonne, die nichts von der Verbissenheit der Sebalda hatte. Das war ein richtiges Highlight und hat viel Freude verursacht.
Schlimm fand ich als evangelisches Kind, dass man mehrmals in der Woche die Kapelle aufsuchen und sich bekreuzigen musste wie im Katholischen Glauben mit Weihwasser Usus. Mir war das total fremd und ich fand es als Verrat an meinem eigenen evang. Glauben. Es wurde aber darauf bestanden. Vor allem zu knien und sich dauernd zu bekreuzigen. An Beichtzwang kann ich mich aber nicht erinnern.
Briefe nach Hause ohne Kontrolle durch Schwester Sebalda waren völlig undenkbar. Telefon stand schon gar nicht zur Verfügung. Sowohl die Eingangs- wie die Ausgangspost mussten durch die Zensur von Sebalda und wurden ausnahmslos vor dem gesamten Auditorium der eigenen Gruppe vorgelesen. Es gab keine Privatheit.
Ein einziges Mal in den 6 Wochen konnte ich meine kleine Schwester durch einen Türspalt zu unserem Schlafsaal sehen. Sie war klein und schüchtern mit einem Stofftier auf dem Arm der für sie zuständigen jüngeren Schwester. Sie sprach nicht, erschien mir unheimlich klein ( obwohl bald 9 Jahre) und sagte keinen Mucks. Die Schwester begleitete diese Szene mit den Worten, schau, da ist Beate. Es ist alles in Ordnung.
Dieser Heimaufenthalt hätte mich für immer verstört, hätte es nicht die ausgleichenden Gruppenwanderungen in den Dünen und am Meer gegeben. Die Gischt, der Salzgehalt der Luft, die Sonne und der Wind waren so neu und faszinierend, dass dies über die Qualen der Tagesabläufe im übrigen hinweghalf.
Später, nach 20 Jahren bin ich noch einmal nach Borkum, voller Wut und Zorn, um Leute im Heim zur Rede zu stellen. Natürlich waren alle Gespenster der Vergangenheit völlig verschwunden. Keine einzige Nonne, keine Betgrotten auf dem Außengelände, keine Baracken zum Schlafen oder Waschen mehr. Sondern frisch angestrichen ein schweigendes Haupthaus ohne jegliche christliche Insignien und hermetisch abgeriegelt.
1999 ist das gesamte Anwesen gründlich modernisiert worden und wurde zum Mutter-Kind-Kurheim. Es heißt dort vollmundig heute, es handele sich um ein traditionsreiches Haus. Ja, die Gespenster der Vergangenheit sind verschwunden und die Gemäuer schweigen.
Beate Schubert
Verschickungsheim: Friesenhof-Borkum und Herz-Jesu-Heim-Heimenkirch
Zeitraum-Jahr: 1964 und 1973
starrating: 5
In der Lokalzeit im WDR habe ich ein Bericht von „Verschickungsheime.org“ gesehen gesehen.
Ich habe stark überlegt, ob ich hier überhaupt etwas beitragen soll, weil ich, Gott sei Dank, so etwas Grausames nicht im Kindererholungsheim erleben brauchte. Aber vielleicht kann ich dennoch anderen helfen, um fehlende Informationen zuzufügen.
Da ich stets dünn und blaß war, wurde ich 1964 im Alter von 6 Jahren nach Borkum, Friesenhof und 1972 im Alter von 14 Jahren nach Heimenkirch, Herz-Jesu-Heim, in ein Kindererholungsheim geschickt .
Zu der damaligen Zeit war es wohl üblich, Kinder in ein Erholungsheim zu schicken, besonders in den Arbeiterklassen. Die Eltern wollten sicherlich nur das Beste für ihre Kinder. Die Schandtaten kamen schließlich nicht an die Öffentlichkeit. Ämter, Institutionen schwiegen dazu. Kindern glaubte man eh wenig, sie hatten nur zu folgen ohne zu nörgeln.
Borkum: Ich fuhr ganz sicher nicht gerne und freiwillig alleine weg, aber wie gesagt, man hatte nix zu melden. Da ich erst 6 Jahre alt war, habe ich nicht so viele Erinnerungen an den Aufenthalt. Morgens gab es warme Milch mit Haut drauf oder Milchsuppe, wovon ich mich auch einige Male übergeben musste, allerdings konnte,durfte, ich noch zur Toilette rennen. Im großen Speisesaal stand eine große Plüschgiraffe.
Zwischendurch bekam ich die Windpocken und musste einige Tage in einem Krankenzimmer bleiben während die anderen am Strand Muscheln sammeln gingen, jedenfalls an einem Tag.
Mittagsschlaf war Pflicht. Mehr weiß ich nicht aus der Zeit. Natürlich hatte ich Heimweh.
Ein Gefühle von Liebe habe ich dort aber nicht gespürt.
Wir waren nach wenigen Jahren noch mal mit der Familie auf Borkum im Urlaub.
Heimenkirch: Als ich im Sommer 1973 in Heimenkirch im Herz-Jesu-Heim zur Kindererholung war, war ich schon 14 Jahre, also Teenager;). Da hat man einen besseren Überblick über die Situation und lässt sich nicht mehr veräppeln. Ich war mit zwei Mädchen, Bettina?11 und Angelika 12 Jahre in einem Zimmer. Die kleineren Kinder schliefen in größeren Schlafsälen. Die gesamte Gruppe mit Kindern, Jungen und Mädchen, von 4-14 J.kam aus Bochum. Kleidereinbauschränke waren auf dem Flur, wo wir Älteren uns unsere Sachen aussuchen konnten. Leider musste man auch die schmutzige Wäsche in Tüten dort unterbringen, die dann durch Feuchtigkeit darin Stockflecken bekamen.
Es gab einen großen Speisesaal, über die Qualität des Essens kann ich nichts mehr sagen. Wird wohl essbar gewesen sein, denn ich war immer pingelig mit Essen. Wir Großen saßen außen am Tisch, um den Kleineren die Teller weiterzureichen. Beim Abräumen der Teller warfen wir auch mal einen Blick in die Küche.
Ausflüge wurden auch unternommen, meistens in näherer Umgebung zur „drei-Groschen-Wiese“. Einmal ging es zum Pfänder/Bregenz 25 km mit allen Kindern und den drei Betreuern. Ein kleines Stück fuhren wir mit einer Kleinbahn. Es war heiß, kann nicht mehr sagen, ob wir ein Lunchpaket mitbekommen haben, jedenfalls keine Wasserflaschen. Vor großem Durst habe ich Stadtmensch aus eine Kuhtränke Wasser getrunken;). Hoch zum Pfänder ging`s mit dem Sessellift, wo ich und andere Ältere die Kleinen beaufsichtigen mussten, wobei ich selbst auf dem Lift und beim Absteigen ein weinig ängstlich war.
Ob es Mittagsschlaf für uns Älteren gab, weiß ich nicht mehr. Öfters durften wir auf einer angrenzenden Wiese, Spielplatz den Nachmittag verbringen. Wir drei Mädchen 11,12,14 J., nutzten schon mal die Gelegenheit, uns wegzuschleichen und runter zum einzigen Laden zu laufen, um uns von unseren weinigen Groschen Bonbons zu kaufen.
Wir Älteren hatten auch das Privileg, ab und zu abends im Gemeinschaftsraum Spiele zu machen.
Päckchen und Briefe von zu Hause haben wir erhalten und Briefe oder Postkartenhaben wir auch nach Hause geschickt (habe noch welche). Wie gesagt mit 14 hat man die Möglichkeit seine Post selbst in den Briefkasten zu werfen.
Zu meiner Zeit gab es dort zwei nette Betreuerinnen, Christa 20J., Elke 36J. Heimleiter war Georg Danzer ca 46J. auch nett. Dann war ein netter junger Student aus Hamburg? als Praktikant zugegen.
Oberhaupt des Heimes war ein alter gewisser Dr.D. mit militärischem Ton und Auftreten, allzuoft sahen wir ihn nicht. Er bewohnte das anliegende Haus. Wir Großen nahmen ihn nicht ernst, nannten ihn DDD (den doofen Doktor). Wenn der das Kommando in den vielen Jahren davor hatte, möchte nicht wissen, was sich da ereignete.?
Vor ca.8 Jahren habe ich mich beim Gemeindebüro in Heimenkirch erkundigt, war aus dem Heim geworden sei. Die Antwort war, dass es vor einigen Jahren abgerissen wurde und eine Eigenheimsiedlung entstanden sei.
Hier ein link von einem Artikel vom 17.04.2010 in der WAZ:
https://www.waz.de/staedte/bochum/gewalt-im-ferienheim-in-den-50er-jahren-id3476974.html#community-anchor
https://www.waz.de/staedte/bochum/ferienkinder-fahrten-mit-langer-tradition-id3477009.html#community-anchor
Ich war entsetzt, ergriffen, schockiert über die Berichte in diesem Forum und habe ein tiefes Mitgefühl für die Menschen die sowas Grausamens in ihrer Kindheit erleben mussten. Unvorstellbar, unglaublich, widerlich, grausam, menschenunwürdig...ich finde keine Worte.
Mögen Sie alle von diesem Erlebten geheilt, befreit werden mit Gottes Hilfe. Und verzeihen können, denn im Verzeihen liegt die Heilung.
Ein Herz, das nicht verzeihen kann, wird keinen Frieden finden.
Albert Schweitzer
Der, der Böses tut, ist in seiner Seele unglücklicher,
als der, der Böses erleidet.
Leo Tolstoi
Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammet nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebet, so wird euch vergeben.
Lukas 6,37
Allen viel Kraft und Heilung
Esther R.
Verschickungsheim: Adolphinenheim Borkum
Zeitraum-Jahr: 1950 wegen Erkrankung auf 6 Wochen verlängert
starrating: 5
Ich habe als Kind ( 5 Jahre) nur gute Erfahrungen auf Borkum gemacht. Der Schlafraum war groß, ca 15 Betten. Als ich an Mittelohrentzündung erkrankte, wurde ich auf ein 3er Zimmer verlegt und trotz Heimweh sehr gut betreut. Das Essen war gewöhnungsbedürftig aber ich hatte, wie meine Eltern sagten, mich gut erholt. Die damalige Erziehung kann man mit heutigen Maßstäben nicht vergleichen.
Mein Aufenthalt ein Jahr später in Bad Orb war ähnlich positiv. Bis auf einen Zwischenfall, als mein Tischnachbar sein in den Teller erbrochenes weiter essen mußte.
Verschickungsheim: Borkum Heim unklar, Concordia, Friesenhof, Tüskendör?
Zeitraum-Jahr: 1971
starrating: 0
Ich war mit 5 Jahren für 6 Wochen auf Borkum. Habe nicht mehr oft daran gedacht, bis mein eigener Sohn 5 Jahre alt war und ich erkannt habe, wie zerbrechlich Kinder in dem Alter sind. Seit dem beschäftigt mich mein Aufenthalt dort und was er wohl aus mir gemacht hat. Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern. Das Heim hatte einen langen weisen Flachbau mit Schlafräumen zu einer Seite hin und Duschen über den Flur zur anderen. Der Essraum war größer und vermutlich in einem separaten Gebäude. Wenn ich mir Fotos im Internet anschaue kommen da mehrere Häuser in Frage, ohne dass ich es mit Bestimmtheit sagen kann. Ich würde am ehesten auf Haus Concordia tippen. Friesenhof wäre auch möglich. Oder Haus Tüskendör. Ich kann mich an Spaziergänge am Strand und an Bunkern vorbei erinnern. "What shall we do with the drunken Sailor..." wurde uns beigebracht, wobei ich Jahre später das Lied nur an der Melodie erkannt hatte, englisch konnte ich ja damals noch nicht. Beim Spaziergang kamen wir an ein altes großes Haus, in dessen Ecke ein Kiosk war, wo wir Lakritze gekauft (bekommen?) haben. Das muss am Ende der Spaziergänge gewesen sein, denn ich erinnere mich, mich darauf gefreut zu haben. Liederabende, bei denen "Ein Loch ist im Eimer, oh Henry, oh Henry..." gesungen wurde, gab es. Höhensonnen-Behandlungen, bei der ich diese schwarze Schwimmbrille aufgesetzt bekam. Zu Essen und Trinken weiss ich nichts mehr. Aber die Nächte... Ich kann mich erinnern aus dem Bett gezerrt und kalt geduscht worden zu sein. An unendliche Verzweiflung und Traurigkeit. Nach dem Aufenthalt hatte ich alle meine Spielsachen kaputt gemacht und mein Stofftier misshandelt. Das hat mich selbst an mir gestört, das weiss ich noch. Vor allem messe ich genau daran, wie sehr mich die 6 Wochen belastet und geprägt haben. Ich war schwierig danach. Ein vertrauensvolles Verhältnis zu meinen Eltern konnte ich nie mehr aufbauen.
starrating: 1
Ein Thema, das mich nicht los lässt - selbst mit fast 50 Jahren habe ich immer wieder ein komisches Gefühl in der Magengrube, wenn ich bestimmte Gerüche in der Nase habe (die ich nicht genau definieren kann).
Mit 6/7 (Herbst 1978) Jahren war ich auf Borkum im Adolfinenheim. Es war so traumatisch. Fahren sollte ich, weil ich schon immer zu dick war und schlimme Allergien hatte. Leider ist die meiste Zeit in einem schwarzen Loch, aber einzelne Dinge haben sich in meinen Kopf gebrannt.
Als wir ankamen, haben die Erzieherinnen die Kleidung sortiert und haben meinen neuen Lieblingspullover, den meine Mutter extra für die Kur gekauft hatte einfach wegsortiert, für die Rückfahrt in 6 Wochen. Dann haben sie sich über meine Kuscheldecke lustig gemacht und diese auch wegsortiert, so dass ich sie nicht hatte.
Wir mussten bei der Ankunft alle Süßigkeiten abgeben, die wir mitbekommen hatten. An den Gemeinschaftsabenden wurden die Süßigkeiten verteilt, da ich aber am Biomaristisch saß (Tisch der Fetten) - bekam ich ein Kaugummi. Dazu gab es oft Hering in Gelee (etwas, das ich heute noch nicht essen kann) und so komische Dinge wie Cornflakes mit Orangensaft. Wir mussten vor der Hauptmahlzeit in irgendeinem Büro immer einen Becher mit Glaubersalz trinken. Wir sind immer hingerannt und haben gerangelt, wer den Becher bekommt, in dem auch nur ein Milliliter weniger drin ist.
Die Toiletten haben furchtbar gerochen. Dazu immer der Durchfall von dem Glaubersalz.
Wir haben auch Ausflüge zum Strand gemacht - nachdem einer aus unserer Gruppe in die Hose gepieselt hatte (was bei Kindern ja durchaus mal vorkommen kann), bekamen wir aber ab nachmittags auf den Ausflügen nichts mehr zu trinken, sondern nur noch einen Apfel.
Wir hatten in der Gruppe einen dreijährigen Jungen, der sollte sich immer alleine anziehen, scheiterte aber an diesen schrecklichen Strumpfhosen, die wir in den 70ern alle hatten - und er durfte so lange nicht zum Frühstück, bis er sich angezogen hatte. Wir kamen vom Frühstück zurück und er saß immer noch heulend auf dem Bett.
In der Dusche habe ich die Bebe-Creme genutzt, die meine Eltern mir mitgegeben hatten. Die hat man mir aus der Hand geschlagen, weil ich nicht gefragt habe, ob ich sie nutzen darf.
Während des Aufenthalts sollten wir einen Mittagsschlaf machen. Das kannte ich von Zuhause nicht, daher habe ich nur ruhig im Bett gelegen und den Schlaf vorgetäuscht. Irgendwann kam eine Erzieherin ins Zimmer, hat festgestellt, dass ich nicht schlafe und hat mir eine Ohrfeige gegeben. Ich bin Zuhause nie geschlagen worden und war echt verstört.
Die Karten nach Hause wurden von den Erzieherinnen geschrieben, ich habe noch welche gefunden - ausschließlich positiv, ich kann mich an nichts davon erinnern.
Krank bin ich dort auch geworden und habe übel viel gebrochen, kann mich daran aber auch nicht erinnern, nur, dass mich mal eine Erzieherin ausgeschimpft hat, weil ich wohl im Halbschlaf ins Bett gebrochen habe und das einfach umgedreht habe (das vollgebrochene Ende ans Fußende gedreht.
Es war eine schreckliche Zeit.
Hallo ich war mit meiner Schwester 1969 auf Borkum im Adolfinenheim ...wir wurden direkt bei Ankunft getrennt und ich habe meine Schwester erst Wochen später wieder gesehen. Das Essen war entsetzlich immer Griesbrei Milchsuppe und ähnliches..habe mich erbrochen musste weiter essen...wurde dann auf eine Krankenstation gebracht und lag alleine und weinend im Bett..wie lange weiss ich nicht mehr.Alle Kinder waren immer am weinen. Vergessen hab ich und meine Schwester es nicht..lg
starrating: 5
Hallo,
ich war sehr wahrscheinlich in der 1970er Jahren unbegleitet zu einer Kur auf Borkum. Ich muss wohl zw. 6 u. 10 Jahre alt gewesen sein, dass Ziel der Kur war eine Gewichtszunahme.
Ich habe keine negativen Erinnerungen an die Kur, genau genommen gar keine Erinnerungen. Mir geht es lediglich um die Frage, ob es Menschen gibt, die in einem ähnlichen Alter u. mit gleichem Ziel auf Borkum waren und wie die Einrichtung heißt bzw. hieß.
Danke bereits jetzt für Ihre Rückmeldungen.
Grüße,
Thomas M.
1960 geboren, war ich insgesamt 3 mal in "Kinderkur"
1969 in Berchtesgaden, Königssee. Ich erinnere mich an Heimweh und ein Einzelzimmer mit rotweiss karierter Bettwäsche???
1971 gemeinsam mit meiner 2 Jahre jüngeren Schwester im "Adolphinenheim" auf Borkum. Meine Schwester hat sichtbar noch mehr gelitten als ich.
Besonders schlimm war hier das "Klappturnen" unter Anleitung einer alten Frau.
1973 dann noch einmal mit meiner Schwester im Schwarzwald, ganz abgelegen in Allerheiligen. Hier gab es einen Pater, der uns katholisch indoktriniert hat und ich fürchtete anschließend Strafe für all die schlimmen "Sünden" einer 13 Jährigen.
Aus alles Kuren gibt es Fotos.
Hallo und guten Abend, auch ich gehöre zu den Verschickungskindern. Ich war 1963 im Sommer für 6 Wochen auf Borkum in einem Kinderheim. Ich war 10,5 Jahre alt. Für mich war die Zeit schlimm, aber da ich mich schon immer sehr für andere eingesetzt habe, habe ich mir meine Strafen selbst zuzuschreiben. Ich habe den anderen Kindern, die ihr Erbrochenes mehrfach wieder essen sollten einfach die Teller weggenommen und in den Mülleimer entleert, was mir dann eine Woche Strandentzug einbrachte. Weil ich eine Postkarte an meine Mama rausgeschmuggelt hatte, musste ich einen Brief voller Lügen, wie schön es doch da sei, an meine Eltern schreiben, da natürlich die Eingangspost von den „Tanten“ gelesen wurde. Es war sehr unsauber da, viele Kinder hatten Läuse und ständig wurden wir mit Entlausungsmedikamenten Stunden lang behandelt. Es gab gemischte Schlafräume, die fürchterlich nach Schweiß und Schweißfüßen stanken.
Ich würde aus Nordhessen in den Sommerferien dahin verschickt und für mich war es nicht schön, für andere in meiner Gruppe aber noch schlimmer. Ich hoffe, dass diese Missstände aufgeklärt werden.
Die heutige Fernseh-Sendung "Report Mainz" hat mich plötzlich und völlig unerwartet an meine Verschickung erinnert. Einige Einzelheiten habe ich schon ab und zu mal erzählt aber erst heute ist mir so richtig bewusst geworden, wie schrecklich vieles dort Erlebte war.
Ich wurde mit 9 Jahren kurz vor dem Wechsel zur Realschule nach Borkum verschickt. Mein Lehrer meinte mir etwas Gutes zu tun und setzte sich sehr dafür ein, dass ich für sechs Wochen auf die Insel durfte. Es war Januar/Februar 1964 und meistens kalt und stürmisch. Geplant war, dass ich ins Haus Ruheck sollte. Dann sollte eine Klassenkameradin auch nach Borkum und wir wollten gern ins gleiche Heim. Bei mir war kein Platz mehr frei aber bei ihr im Haus Marienhof (von Nonnen geführt). Also wurde ich kurzerhand dorthin geschickt. Während des Aufenthalts auf Borkum habe ich das immer wieder bereut, denn immer wenn wir Ruheck-Kindern begegneten, waren sie sehr fröhlich, durften durcheinander laufen, Jungen und Mädchen...... während wir -nur Mädchen- artig in Zweierreihen marschieren mussten. Ich erinnere mich an Mädchen, die Läuse hatten und denen die Haare geschoren wurden, an ungenießbares Essen.... an ekligen verbrannten Grünkohl, vor dem ich stundenlang sitzen musste, bis er aufgegessen war (übergeben hab ich mich zwischendurch mehrmals auf der Toilette). Und daran, dass ich Durchfall bekam und die beschmutzte Unterhose vor Angst in der Toilette runtergespült habe, die dann verstopfte und ich sehr bald als Täterin bekannt wurde, da ja mein Name eingenäht war..... Das hab ich bisher kaum jemandem erzählt...... aber meine Klassenkameradin konnte es nach unserer Rückkehr nicht für sich behalten und ich hab mich lange dafür geschämt. Während des 2-stündigen Mittagsschlafs dürften wir nicht zur Toilette, davor saß eine der Schwestern und überwachte die Einhaltung dieser Regel. Kinder, die dann ins Bett gemacht haben, mussten auf dem Hof ihr Bettlaken mit dem verräterischen Kringel hochhalten. Briefe an die Eltern wurden zensiert und entweder zum großen Teil geschwärzt oder gar nicht versandt. Ich war in der Gruppe von Schwester Dagmar, die aber keine Nonne war und das große Glück für unsere Gruppe. Sie hat sich manchmal für uns den Regeln widersetzt, uns zum Beispiel Papier und Briefmarken besorgt, damit wir nach Hause schreiben konnten und den Spaziergang so gelegt, dass er am Briefkasten vorbei ging. Sie war der Lichtblick im Marienhof. Es fallen mir jetzt immer mehr Dinge ein..... von Missbrauch weiß ich nichts aber Prügel hat es wohl gegeben. So Schlimmes, wie es andere schildern, kann ich nicht berichten. Vielleicht ist meine Erinnerung auch selektiv und braucht noch etwas Zeit. Tatsächlich hab ich im April dieses Jahres ein paar Tage auf Borkum verbracht, um jemanden zu besuchen, der dort eine Reha machte. Ich hab mich auf die Suche gemacht und das Haus Marienhof gefunden. Ich hab es nach so langer Zeit sofort erkannt. Die Veranda, wo wir abwechselnd zeitlich begrenzt mit einer einzigen Puppe spielen durften. Es ist zum Glück kein Kinderheim mehr!
Es verwundert mich, dass das Haus mir keine Angst mehr gemacht hat und ich sogar auch schöne Erinnerungen daran habe.... Doch auch das Leid von damals spüre ich noch und bin dankbar, dass ich jetzt weiß, dass ich mit dieser Historie nicht alleine bin.
Meine Erfahrungen musste ich 1968 im "Kinderheim Tüskendör" auf Borkum machen ...
Wurde während des Aufenthalts zwölf Jahre (jung), und kann einige der im TV-Beitrag gemachten Schikanen nicht nur bestätigen, ich könnte sie auch einige mehr ergänzen ...
Ob es hier wohl "Leidensgenossen" aus besagter Zeit gibt ???
Liebe Grüße -carpe diem-
War im Alter von 5 Jahren auf Borkum, als gerade
die große Flut über Hamburg kam. Daran kann ich
mich nicht mehr so genau erinnern.
Dann Norderney zum Jahreswechsel 64/65. Ich sollte dort sechs Wochen bleiben und es wurde
verlängert auf drei Monate über Weihnachten.
Alle Geschenke aus den Paketen mussten abgegeben werden. Es war eisig kalt und wir mussten zum Turnen in eine eisige Turnhalle.
Schlimm war das Heimweh, wenn man aus einem
behüteten Elternhaus kam. Alles bestand aus Schikanen und Demütigungen. Vor allem, dass man die Toiletten nicht aufsuchen konnte, wenn das Bedürfnis da war. Nächtelang musste ich auf dem Flur stehen, weil ich zur Toilette wollte. Der Grund, man hat so lange angehalten, weil man
morgens Urin abgeben musste und wer das nicht konnte, dem hat man einen Katheder reingejagt.
Demütigend war auch das tägliche Fiebermessen. Alle mussten sich mit nacktem Po aufs Bett legen, damit das schnell ging.
Habe nur am Katzentisch gesessen, weil ich keine Schmalzbrote mochte. Finde ich heute noch ekelig. Als ich nach Hause kam, habe ich am Bahnhof geweint und weiß jetzt, dass man auch vor Freude weinen kann.
Ich habe sehr genaue Erinnerungen, und das kann ein Fluch sein.
Auch ich wurde - vermutlich 1970 - zu einer sechswöchigen Kur über Weihnachten nach Borkum geschickt, ins "Haus Ruhreck", weil ich zu dünn und zu blass war. Eine vierjährige Nachbarstochter ebenfalls, auf die ich aufpassen sollte. Vor Ort wurden wir sofort getrennt, Ich habe sie oft weinen hören, aber durfte nicht zu ihr. Ich habe diese Zeit als die schrecklichste meines Lebens empfunden, was aber mindestens genauso schlimm war, dass mir später weder meine Mutter noch sonst eine Vertrauensperson die schrecklichen Geschichten geglaubt hat, bis ich irgendwann selber schon dachte, ich habe mir das in meiner kindlichen Phantasie nur ausgedacht. Viele ältere Kinder, die vor mir bereits dort waren, konnten sich an nichts erinnern. Erst als ich im Jugendalter mit dem Bruder einer Freundin sprach, der vermutlich im selben Zeitraum im Haus Ruhreck war, bestätigten wir uns gegenseitig unsere Erlebnisse, das tat uns beiden nach so vielen Jahren der Verdrängung und Zweifel richtig gut.
Woran ich mich erinnere:
Bei der Ankunft wurde das Gepäck von den "Aufseherinnen" in Schränke geräumt, an die man nicht dran kam, Anziehsachen wurden -glaube ich - einmal täglich von den Aufseherinnen herausgegeben, dazu stand man halbnackt in einem kalten Flur in einer Schlange.
Strikte Toilettenzeiten, in denen die ganze Gruppe zur Toilette ging, außerhalb dieser Zeiten durfte man nicht gehen. Machte man sich deshalb in die Hose, wurde man "vorgeführt" und zur Strafe musste man die "verpinkelten" Sachen anbehalten.
Die schlimmsten Erinnerungen habe ich an das Mittagessen, das gruppenweise an langen Tischen mit ein bis zwei Betreuerinnen eingenommen wurde, denen Nichts entging: die Portionen waren für die dünnen Kinder riesig, und alles musste aufgegessen werden. Einige Kinder würgten das Essen wieder heraus, auch in der Hoffnung, das Essen dann nicht mehr anrühren zu müssen. Das war allerdings nicht der Fall. Sie mussten tatsächlich ihr "Erbrochenes" wieder aufessen, solange, bis der Teller leer war. Das war grausam und werde ich wohl nie vergessen.
Jeden Tag musste ein Mittagsschlaf gemacht werden, es hatte absolute Ruhe zu herrschen in den Schlafzimmern bei offener Tür, im Flur saß eine Aufsichtsperson, beim kleinsten Mucks kam die Aufsicht und meckerte höllisch rum. Kein Kind aus meinem Zimmer schlief, aus dem Alter war man nun mal heraus. ich war mit sechs Jahren eine der jüngsten in dieser Gruppe und nach gefühlt einer endlos langen Zeit, war dann die Zeit für den Mittagsschlaf abgelaufen. Das einzige Positive war, dass man danach ein Brötchen mit Honig im Speisesaal bekam, das war für mich wirklich das Highlight des Tages.
Wöchentlich wurden Briefe an die Eltern geschrieben, in denen aber nur Gutes stehen durfte, das haben die Aufseherinnen gründlich kontrolliert, und die Kinder, die sich auch nur ansatzweise beschwerten, mussten ihre Briefe umschreiben. Zukleben und davor nochmals kontrollieren war dann wieder Sache der Aufseherinnen. Einfacher hatten sie es bei uns kleineren Kindern, wir sollten irgendwas erzählen und sie haben dann irgendwas, was ihnen passte, aufgeschrieben. Nur Gutes ,wie ich hinterher erfuhr.
Gegen tägliche frische Luft hatte ich überhaupt Nichts, was sich allerdings anders gestaltete, als ich dachte. Freies Rumrennen oder Muscheln sammeln am Strand, stand definitiv nicht auf dem Programm. Stattdessen ging es in Zweierreihen durch den Ort und zum Meer, das war eher ein "Marschieren", denn wir mussten im Gleichtakt laufen und immer etwas Brüllen mit "Und eins und zwei ....und vorwärts, rückwärts, seitwärts, ran." Beim allerersten Mal fanden viele Kinder das noch lustig, aber danach war es einfach nur schlimm. Man konnte nicht mal stehenbleiben wo man wollte, denn das bestimmten die Aufseherinnen, man konnte durch das ewige "Gebrülle" auch nicht mit anderen Kinder quasseln oder gar Freundschaften schließen.
Mein einziger Freund war der Leuchtturm, dem ich in Gedanken meine Einsamkeit und Verzweifelung schilderte und versprach, dass ich alle Gemeinheiten dort später zuhause erzähle, damit da kein Kind mehr hin muss. Wie anfangs erwähnt, glaubte man mir nicht.
Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass ich bis zu dieser "Kur" ein in sich ruhendes, aber doch fröhliches Kind war, dass gerne zur Schule ging, die Lehrerin liebte und in den Pausen mit den anderen auf dem Schulhof tobte. Nach der Kur hatte ich erfahren, dass meine damalige Lehrerin wohl auch meiner Mutter zu dieser Kur geraten hatte, daraufhin war ich monatelang wie ausgewechselt. Ich habe im Unterricht gestört, und jeden Tag meiner Freundin ins Ohr geflüstert:"Die Frau X (Lehrerin) ist doof, bitte weitersagen." Wegen dieser Aufmüpfigkeit musste ich dann oft an den sogenannten "Katzentisch", alleine sitzen und Strafarbeiten machen. Irgendwann habe ich mich dann wieder gefangen.
Ich merke, dass mich das Aufschreiben und erinnern gerade sehr berührt, bin aber froh, dass diese schrecklichen Kindheitserlebnisse hier mal öffentlich gemacht werden und man noch einmal bestätigt wird durch die vielen anderen Berichte, dass man sich das definitiv nicht eingebildet hat. R.K.
Ich wurde 1964 wegen Bronchitis im lLter von 5 Jahren für 6 Wochen nach Borkum geschickt, die Betreuerinnen waren Nonnen, meine Erlebnisse waren ähnlich, wie die anderen Schilderungen hier, Kontaktverbot der Eltern, regelmäßig Schläge aus nichtigem Anlass, z.B: wenn im 10 Betten Schlafsaal abends nicht Ruhe herrschte, kamen die Nonnen und es hieß: über den Schoß der Nonne legen, Hose runter und Schläge auf den nackten Hintern mit dem Holzlatschen, Esssenszwang (ich wollte kein Käsebrot essen, da wurde es mir in den Mund gestopft und Mund und Nase zugehlten, so dass ich es runterschlucken musste, um nicht zu ersticken, als ich es sofort danach erbrach, gab es wieder Schläge und zur Strafe sofort ins Bett. Käse kann ich bis heute nicht essen, vieles habei ch sicherlich auch verdrängt und vergessen.
Ich würde 1983, mit fünf Jahren, gemeinsam mit meinem Bruder(4 Jahre alt) nach Borkum in das Kurheim Kiebitzdelle verschickt. Es muss der Zeitraum von Mitte/Ende Januar bis Februar gewesen sein. Die Gesamtdauer war 6 Wochen. Damals hatte die BEK meine Eltern angeschrieben und Werbung für diesen Kuraufenthalt gemacht. So kam eins zum andern und wir wurden zur „Kur“ geschickt! Leider oder vielleicht auch zum Glück sind meine Erinnerungen an die Zeit gering!Erinnern kann ich mich beispielsweise daran, dass ich zur Strafe allein und längere Zeit im Speiseraum stehen musste, mein Bruder stundenlang vor seinem Teller sitzen musste bis er aufaß, das alle Süßigkeiten/Plätzchen der Kinder eingesammelt und weg geschlossen wurden! Die gesamte Kurzeit war immens belastend für mich und bei der Heimkehr bin ich einfach unter Tränen zusammengebrochen! Meinen Eltern gegenüber haben wir wohl geschwiegen und kaum etwas über die Zeit dort erzählt! Doch seit dem Zeitpunkt habe ich mit „Kur“ nur negative Gefühle in Verbindung gebracht!
Mein Gefühl sagt mir, dass dort mehr geschehen ist, als das,was ich noch aus dieser Zeit erinnere!
Auch ich bin geschockt darüber, wieviele Kinder aus dieser Zeit betroffen waren und noch heute an den Folgen leiden!
Hallo, war jemand Anfang der 70er im Haus Murgtal im Schwarzwald, bzw auf Borkum im Kinderheim Sankta Maria? Ich kam im Alter von 4 und 5 Jahren in den “Genuss“ der Verschickung zur Erholung. Welch ein Hohn! Nie wieder im Leben litt ich solches Heimweh. Ich habe Eure Kommentare gelesen und vieles darin wieder erkannt. Erbrochenes essen, zur Strafe nachts allein im Speisesaal auf einer Holzbank schlafen müssen bis zum nächsten Morgen, und von allen gesehen werden. Viele viele Tränen. Ich wusste aber bis jetzt nicht, dass es so schrecklich viele Leidensgenossen gibt...
Theresa
Hallo zusammen,
ich bin heute durch eien SPIEGEL Online Artikel auch Euch aufmerksam geworden.
Ich bin Jg. 1963 und war im Herbst 1969 noch vor meiner Einschulung für 6 Wochen auf Borkum (ich glaube im Concordia Heim). Es war eine Zeit die ich lange ganz tief begraben hatte. Ich weis noch dass während des Aufenthaltes ein Sturm über Borkum zog und dieser mir als positiv in Erinnerung blieb.
Die Erinnerung ist durch zwei Ereignisse in den letzten Jahren wieder hochgekommen, wenn auch nur bruchstückhaft. Ich leide seit Jahren an Depressionen und im Rahmen der Therapie habe ich das erste mal wieder an diese Zeit zurückdenken müssen. Dazu kommt, dass ich letztes Jahr das erste mal seit dieser Zeit wieder auf Borkum war; und dieser Aufenthalt hatte gesundheitliche Folgen.
Auf Borkum selbst und in den Tagen vor der Reise , war ich in einer "komischen" Verfassung, es bedrückte und beschäftigte mich etwas was ich nicht so ganz einordnen konnte. Am ersten Tag auf Borkum waren wir am alten Leutchturm und sind von da aus Richtung neuer Leuchtturm und Promenade gelaufen, als mir auf einmal schwindelig wurde und ich Gänsehaut bekam, as wir vior dem "Weißen Haus" vorbeiliefen. Ich sagte zu meiner Frau "Hier war es" und brach iin Tränen aus.
Zwei Tage später ereilte mich ein Hexenschuß, den ich so noch nicht erlebt habe; körperlich wurden dafür keine Ursachen gefunden und ich war die nächsten vier Wochen wieder mit der Diagnose Depressiver Schub arbeitsunfähig (Die Depression ist erstmals 2016 festgestellt worden).
In dieser Zeit kamen auch wieder Erinnerungen hoch die sich um den Aufenthalt in ´69 drehten; z.B. das miese Essen, ich mochte keinen Reis, musste diesen aber immer essen. Auch Pfefferminztee ist seitdem ein Getränk, dass ich weder gerne trinke noch für andere zubereite. Ob ich auch zu den Kindern gehörte, die ihr Erbrochenes essen mussten weis ich heute nicht mehr, aber bis heute ist der Anblick von Erbrochenem für mich fast unerträglich.
Zudem habe ich in dieser Zeit wieder bettgenässt und und auch eingekotet: ich erinnere mich bildlich an eine Situation in der ich einem großen Treppenhaus mit einer bogenförmigen (Granit- oder dunklen Marmor-) treppe stehe und versuche auf eine Toiliette zu kommen um meine Unterhose zu wechseln, die beschmutzt war. Ich weis aber nicht mehr wie es ausgegangen ist.
Ich habe hier viele Kommentare gesehen (noch nicht gelesen) und bin irgendwie erleichtert, dass ich nicht alleine bin. Ich wünsche allen anderen Betroffenen dass es Euch gelingt dieses Traume zu verarbeiten.
Börries
Ich war als 11-jähriger im Kinderkurheim Sankta Maria auf Borkum in der Gruppe K1b unter dem Oberkommando von Schwester Martina. In Erinnerung geblieben ist mir eine mehrstündige Nachsitzung vor einem großen Teller Milchreis, obwohl ich angekündigt hatte, kein Milchreisfan zu sein. Die Nachtruhe ab 19 Uhr war ebenfalls sehr ungewohnt für mich. Alles in allem sechs Wochen, die man nur unter dem Kapitel "Lebenserfahrung" abhaken kann.
Hi, ich bin die Ute, die 1958 zur Erholung nach diversen Kinderkrankheiten mit 5 Jahren allein nach Borkum in das Heim MÖWENNEST verschickt wurde. Im Winter 1958 und über meinen Geburtstag am 15.2. Dieser Aufenthalt hat mich anfangs unbewusst, später bewusst mein Leben lang traumatisiert. Dort holte ich mir die Grundlage für meine späteren Blaseninfektionen und heutige Nierenerkrankung. Mit 5 Jahren nächtelang barfuß auf dem kalten Steinfußboden auf dem Flur stehen zu müssen, weil beim "Schlaftest" angeblich festgestellt wurde, dass ich nur so tat als ob ich schliefe...….Es folgten Blasenerkältungen mit Bettnässen und anschließendem Bloßstellen mit Herumtragen und Demonstrieren der nassen Schlafanzughose.Die Zeit war geprägt von Angst, was sich in meinem späten Leben als Angst- und Panikerkrankung manifestierte.
Ich wurde gezwungen trotz Panik und Atemnot die "angemessene " zeit in einer verriegelten Sauna zu verbringen trotz Weinens. Geblieben ist mir davon mit 67 J. heute eine Panik vor jeglicher Form von geschlossenen Räumen besonders im Sommer. Ich kann Sommer nur mit Klimaanlage verbringen und gehe bei Temperaturen ab 26 Grad nicht ins Freie. Meine therapeutische Aufarbeitung ergab, dass die Wurzeln hierfür in dem Heimaufenthalt im Möwenheim liegen. Es gäbe noch eine Menge von schlechten Erinnerungen zu schildern. Für heute reicht es.
Hallo zusammen,
ich war ca. 1974 gemeinsam mit meinem Bruder für 6 Wochen auf Borkum. Ich glaube, es war das Haus Concordia.
Vieles was ich hier lese ist uns und den anderen Kindern auch geschehen. Mein schlimmstes Erlebnis: Ein mit einer Zwangsjacke ans Bett gefesseltes Kind. In einem seperaten Raum. Warum, wie lange usw., daran kann ich mich nicht erinnern. ???
Ich heiße Birgitt, bin Jahrgang 1961 und war zur 'Kur' auf Borkum, im Heim Concordia. Wann genau, kann ich nicht sagen, ich denke das ich etwa 8 Jahr war. Seit ich den Artikel im Spiegel online gelesen habe, bin ich total aufgeregt, weil ich immer dachte, das die schlechten Erinnerungen daran nur durch meine eigene Wahrnehmung zustande kamen und ich bin erschüttert, wie vielen Anderen es genauso geht. Alle diese Bericht decken sich mit meinen Erinnerungen. Das Abnehmen persönlicher Dinge bei der Ankunft, das schlafen mit den Gesicht zu Wand, die Bestrafung von Einnässen im Bett mit Isolierung des Kindes und viele andere Erniedrigungen und Strafen. Jetzt ist die Erinnerung wieder greifbar. Auch ich bin erleichtert, das ich mit meinen Erlebnissen nicht alleine bin, denn es zeigt mir, das ich kein schlechts Kind war, so wie es einem im Concordia immer eingeredet wurde. Ich wünsche dir und allen Anderen viele Kraft, diese Erlebnisse zu verarbeiten.
Ich war ca. 1965 auf Borkum im Friesenheim,( hieß es so?), irgendwas mit ' Friesen', in der Nähe der Dünen. Wer war auch dort? Ich kann nicht behaupten, dass es traumatisierend war. Ich, aus Württemberg, konnte danach kein Schwäbisch mehr 🙂
Ich wurde 1973 mit 10 Jahren für sechs Wochen von Nordrheinwestfalen ins Kinderkurheim Kiebitzdelle auf Borkum verschickt. Solchen Foltermethoden, von denen viele Verschickungskinder berichten, war ich nicht ausgesetzt, und dennoch leide ich bis heute unter den Folgen des erdrückenden Systems und der persönlichen Demütigungen. Ich bekam außerdem die Behandlung einer Fünfjährigen mit, die Heimweh hatte, und wurde in deren Abwertung verwickelt.
Nach dem Kongress auf Sylt habe ich plötzlich zwei meiner Briefe aus dem Heim gefunden. Sie lösten noch einmal einen Erinnerungs-Schub aus, obwohl sie - oberflächlich gesehen – wenig mit meiner bedrückenden Erinnerung gemein haben: Ein Zauberer muss dort gewesen sein, es gab viele Tiere rund um das Haus, wir wurden auf eine Inselrundfahrt mitgenommen und gingen ins Wellenbad. Ich erinnere mich dagegen an viele Details, die den Aufenthalt für mich zu einer persönlichen Tortur machten:
Zunächst einmal ist es seltsam, dass ich überhaupt auf so eine „Kur“ geschickt wurde, denn bei Familienurlauben an der Ostsee haben wir immer mal Gruppen von Verschickungskindern mit Schildern um den Hals gesehen, die von meiner Mutter als bemitleidenswert betrachtet wurden. Als es bei mir so weit war, schien das aber ganz etwas anderes zu sein. Was genau der Grund für die Kur war, weiß ich nicht mehr, ich glaube, dass ich vorher eine Mandeloperation hatte. Ansonsten war ich nicht besonders oft krank, auch nicht unter- oder übergewichtig.
Mit meinen zehn Jahren kannte ich Jugendfahrten von Kirchen-Freizeiten und hatte vorher nie mit Heimweh zu tun. Meine Mutter hatte mir die Kur als einen tollen Urlaub in den Dünen ausgemalt, und ich hatte mich darauf gefreut. Beim Kofferpacken war ich in freudiger Erwartung. Ich weiß, dass wir für ein neues weißes Sweatshirt mit einem Mickeymouse-Aufdruck einpackten und dass ich eine eigene Dose Nivea-Creme bekam. Außerdem lernte ich extra noch, meine langen Zöpfe selbst zu flechten. Mein Vater gab mir eine alte Armbanduhr mit auf die Reise, auf der man das Datum ablesen konnte. Die wollte ich verwenden, um in einem Tageskalender für meine Mutter die Erlebnisse auf Borkum aufzuschreiben. Ich war fröhlich auf der Zugfahrt, fühlte mich groß und unabhängig und saß stolz im Abteil mit einer Gruppe gleichaltriger Jungen, die auch nach Emden zur Fähre fuhren. Ein Schild um den Hals mussten wir nicht tragen.
Mein Fall von dem Höhenflug begann bei der Ankunft im Heim, als die Anzahl der Jungen und Mädchen jeweils in der Mitte in „Große“ und „Kleine“ eingeteilt wurden. Ich lag altersmäßig auf der Mitte und kam in die Gruppe der „kleinen“ Mädchen. Diese Zuordnung hatte eine Reihe von Einschränkungen zur Folge, die mich in den nächsten Wochen immer weiter in eine Haltung von Scham, Schuld und Angst hineinbrachten:
1. Die „kleinen Mädchen“ mussten vor dem Abendessen den Schlafanzug anziehen und so zurück in den Essensraum kommen – gleich am ersten Abend schämte ich mich fürchterlich, denn die Jungen, mit denen ich vorher im Zug gesessen hatte, saßen nun am Nebentisch komplett angezogen. Hätte ich doch wenigstens einen Bademantel gehabt wie einige Andere! Aber der hatte nicht auf unserer Liste gestanden, an die meine Mutter sich genau gehalten hat. Ich fühlte mich total entblößt mit meinem Schlafanzug im Essenssaal.
2. Die „kleinen Mädchen“ durften sich ihre Wechsel-Sachen nicht selbst aus dem Schrank nehmen, der auch im Flur entsprechend erhöht war. Unsere „Tante Elisabeth“ stand einmal die Woche auf der Leiter, um uns nach ihrem Geschmack etwas für die Woche auszusuchen, und wir bettelten von unten um unsere Lieblingsstücke – ich immer wieder um mein neues weißes Sweatshirt. Ich bekam es erst in der letzten Woche.
3. Das Schlimmste aber war das Duschen, für das wir nackt aus unseren Zimmern über den Flur laufen mussten. Dort wurden wir dann von der Tante abgeduscht. Ich erinnere mich noch, wie ich beim ersten Mal mit einem anderen Mädchen im Zimmer hockte und wir uns nicht trauten, das Zimmer nackt zu verlassen. Die Tür zum Essenssaal stand offen und auf der andern Seite war der Jungenflur. Überhaupt waren wir von zu Hause nicht gewöhnt, außerhalb des Badezimmers nackt herumzulaufen. Aber es half nichts. Wir sollten uns nicht „so anstellen“ und wir mussten uns überwinden. Aus Spaß stellte Tante Elisabeth dann auch schon mal das Wasser kurz kalt und freute sich über unser Geschrei, aber das nur nebenbei.
Die Gruppenleiterinnen waren gar nicht so alte harte Frauen wie die, von denen andere Verschickungskinder berichten. Im Gegenteil, unsere „Tante Elisabeth“ war sogar noch sehr jung und fröhlich – gut möglich, sie machte diese Gruppenleitung der „kleinen Mädchen“ als Ferienjob. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn es ehemalige Verschickungskinder gäbe, die sie positiv in Erinnerung haben. Irgendwie wirkte sie ganz lässig, und ich bewunderte zum Beispiel auf unseren Strandwanderungen ihre coolen „Boots“ – habe wohl diese Bezeichnung sogar da zum ersten Mal gehört. In meinen Briefen spreche ich seltsamerweise von „Frl. Elisabeth“ oder nenne sie sogar mit Nachnamen, aber ich weiß genau, dass wir sie im Heim „Tante“ nannten. Wahrscheinlich war es mir gegenüber meinen Eltern peinlich, dass wir so „kindisch“ behandelt wurden. Ich erinnere mich jetzt auch, dass mir später die Tanten-Bezeichnung mal rausgerutscht ist und meine Mutter sich darüber wunderte.
Die Creme, die auf meiner Einpackliste gestanden hatte, wurde schon am Anfang eingesammelt. Ich kam ja überhaupt an meinen Koffer und meine persönlichen Sachen gar nicht mehr heran. Immer vor dem Schlafengehen kamen wir in einem der Zimmer zusammen; dann (oder nur nach dem wöchentlichen Abduschen?) suchte Tante Elisabeth sich in unserem Beisein die Creme aus, auf die sie Lust hatte. Das war auch immer mit einer gewissen Wertigkeitszuschreibung verbunden. Aus der ausgesuchten Cremedose tupfte sie uns allen Punkte aufs Gesicht. Weil das so lustig aussah, knotete sie bei mir dazu noch die Haare über dem Kopf zusammen, damit alle etwas zu lachen hatten, und experimentierte überhaupt ganz gerne mit meinen Haaren herum. Im ersten der beiden wiedergefundenen Briefe schreibe ich meiner Mutter, dass ich mit dem „Kämmen“ zurechtkäme und „Frl. Elisabeth“ mir einen Zopf flechten würde; das sei „auch gut“. Ich weiß aber noch genau, dass ich die Zöpfe selbst flechten wollte, wie ich es geübt hatte, und das nicht durfte. Offenbar waren wir der Tante als Spielpuppen überlassen worden.
Das jüngste Mädchen in meiner Gruppe war erst fünf Jahre alt und ich erinnere mich sogar an ihren Namen. Sie war die erste Zeit mit mir in einem (Dreibett-?)Zimmer und hat immer geweint. Deshalb nahm man ihr zur Strafe das Schmusetier ab – einen Frosch, von dem ich auch noch eine genaue Vorstellung habe. Wir anderen wurden in einer Art Gruppensitzung informiert, J. würde nur deshalb dauernd herumheulen, weil sie zuhause schrecklich verwöhnt würde; das sei widerlich, deshalb könnte sie sich hier nicht einfügen und man müsse ihr das abgewöhnen. Wir sollten uns auf keinen Fall um sie kümmern, denn sie wolle nur Aufmerksamkeit und dürfe nicht immer ihren Willen bekommen, dann höre das nie auf. Sie weinte also nächtelang in unserem Zimmer und wir trösteten sie nicht. Man hatte uns zu Mittäterinnen gemacht. „Trotz“ dieser Abhärtungskur hörte J. nicht auf zu weinen, wurde krank und dann tatsächlich abgeholt. Ich sah ihre Eltern am Eingang und fragte mich die ganze Zeit, wie ich das auch schaffen könnte, aber man durfte ja nicht „verwöhnt“ wirken.
Mir selbst wurde ziemlich schnell die geliebte Uhr (Zeichen meiner Größe und Unabhängigkeit) abgenommen, weil ich sie zweimal im Waschraum vergessen hatte. Auch hier half kein Flehen, dass ich sie doch dringend zum Tagebuchschreiben bräuchte – ich sollte lernen, dass man nichts liegenlassen darf und bekam sie erst zur Abreise nach sechs Wochen zurück.
Beim wöchentlichen Schreiben der Briefe und Postkarten nach Hause wurde uns gleich mitgeteilt, dass die Post kontrolliert würde und wir nichts Schlechtes schreiben dürften, um unsere Eltern nicht traurig zu machen. Die Umschläge mussten offengelassen werden. Immer überlegte ich, wie ich beim Spaziergang einen Hilferuf an meine Eltern in einen Briefkasten werfen könnte, aber ich hatte ja nicht einmal eine Briefmarke und schon gar kein Geld (unser gesamtes Taschengeld wurde am Anfang eingezogen). Außerdem wollte ich eigentlich auch meine Eltern nicht so enttäuschen und schrieb selbst in das Tagebuch für meine Mutter nur Belanglosigkeiten über nette Dünenspaziergänge. Bei den frühen Zubettgehzeiten und während der „Mittagsschläfe“ war ja genug Zeit zum Nachdenken, aber ich kam trotzdem nicht dahinter, warum es mir überhaupt so schlecht ging.
Wegen der Peinlichkeit mit dem Schlafanzug riskierte ich in einem Brief die wohlüberlegte Bitte, mir doch einen Bademantel zu schicken, weil mir abends kalt sei. Dieser kam aber nicht. Meine Mutter erzählte mir später, sie habe im Heim angerufen, man hatte ihr aber versichert, es sei warm genug im Essensraum, was ja auch stimmte. Mit mir sprechen durfte sie nicht. Mein zweiter wiedergefundener Brief beginnt gleich mit der erneuten Bitte um den Bademantel, jetzt schon flehentlich, fast anklagend. Überraschend, dass auch dieser Brief durch die angekündigte Zensur gegangen ist. Es geht daraus auch hervor, dass meine Mutter mich wohl auf eine Trainingsjacke verwiesen hat – diese war aber in meinen Sachen nicht mehr auffindbar.
Wirklich schlimm und traumatisch für mich wurde ein Dünenspaziergang, bei dem „Tante Elisabeth“ angeblich etwas vergessen hatte und ich es holen sollte – ein Vorwand, wie sich zeigte. Als ich zur Gruppe zurückkam, sagte sie, sie habe in der Zwischenzeit mal mit den anderen über mich gesprochen, weil ich ja gar keine Freundin gefunden hätte und mich so schlecht einfügen würde. Sie hätte die anderen mal gefragt, was sie an mir stört. Was ich denn selbst denken würde, was der Grund dafür sei. Ich wusste darauf nichts zu sagen, denn mir war gar nicht aufgefallen, dass ich „keinen Anschluss“ hatte. Die Tante meinte jedenfalls, irgendetwas sei eben „komisch“ mit mir. Und ich sollte mal darüber nachdenken. Das tat ich dann auch - die nächsten Jahre meines Lebens – vorerst aber bemühte ich mich um die anderen Mädchen, um nicht mehr weiter dem Vorwurf der Freundinnenlosigkeit ausgesetzt zu sein. Meine angebliche Seltsamkeit sollte wenigstens nach außen kaschiert werden. In meinem zweiten Brief nach Hause zähle ich lang und breit alle Namen der Mädchen auf, mit denen ich angeblich „befreundet“ sei, und wie nett alle wären.
Meine Mutter hatte sich einfach strikt an die Anweisung der BEK gehalten, keine Pakete zu schicken. Deshalb bekam ich auch zu Ostern kein Paket wie die meisten anderen Kinder. Im Essensraum zu sitzen und beim Auspacken zuzusehen, war schrecklich. Bisher hatte ich mich immer behütet gefühlt, und nun sah es so aus, als würde sich niemand um mich kümmern. Die Kinder mit Süßigkeiten mussten uns armen unversorgten Kindern etwas abgeben – als ob es bei diesem Problem um Naschereien gegangen wäre. Die Almosen machten die Scham nur noch schlimmer. Dabei hatte meine Mutter mir das mit den Paketen erklärt, ich wusste, dass ich nicht einfach vergessen worden war. Das Schlimme war die Erniedrigung vor der Gruppe. Erst nach Wochen kam endlich doch noch eine Reisetasche mit dem Bademantel an – und auch einigen versteckten Süßigkeiten, die ich nun im Zimmer teilen konnte.
Einen weiteren Einbruch für meine Kinderseele gab es, als aufflog, dass ich an meinem Bett die Tapete abgerissen hatte. Ein ganzer Haufen kleiner Fetzen wurden beim Putzen darunter gefunden. Die Tante machte bei der Strafpredigt keinen Hehl aus ihrer Vermutung, dass dies als ein weiteres Zeichen für meine angebliche Seltsamkeit oder geradezu Gestörtheit zu werten sei. Ich begann nun auch selbst daran zu glauben, obwohl ich in der Schule nie irgendwie auffällig gewesen war.
Bei einem der letzten Abendrunden in einem der Schlafräume kam es zu einer ähnlichen Ansprache wie bei dem Dünenspaziergang. Schon öfter war uns mit einem „Bericht“ an unsere Eltern gedroht worden, der über jede von uns geschrieben werden würde. Nun war die „Kur“ bald zu Ende – aber kein Grund zum Aufatmen! Ich sollte zuerst wieder selbst sagen, was Tante Elisabeth wohl in meinen Bericht schreiben würde. Immerhin konnte ich ja inzwischen Freundinnen vorweisen. Aber das Vergessen der Uhr, das Abreißen der Tapete und die Lüge wegen des Bademantels wurden dennoch als Anzeichen dafür dargestellt, dass ich mich nicht in Gruppen einfügen könnte – jedenfalls behauptete die Tante, dass sie das so schreiben würde. Wochenlang hatte ich nach meiner Rückkehr Angst vor diesem Bericht – Anpassung war auch bei uns zu Hause ein hoher Wert. Dabei haben meine Eltern diesen Bericht (angeblich) nie erhalten.
Zu guter Letzt musste ich meine Eltern auch noch um eine Nachzahlung meines Taschengelds bitten, weil ich wohl beim Andenkenkauf zu viel davon ausgegeben hatte – ohne es selbst in Händen gehalten zu haben und ohne über vorherige Ausgaben informiert worden zu sein. Dennoch wurde mir diese Fehlorganisation von den Tanten als erneutes peinliches Versagen meinerseits verkauft, und ich war auch inzwischen so weit, das sofort anzunehmen.
Obwohl ich zu Hause niemals erzählte, wie es mir tatsächlich ergangen war – weil ich ja dachte, ich sei alles selbst schuld gewesen – müssen meine Eltern mir etwas angemerkt haben. Auch meine jüngere Schwester erinnert sich an die Familien-Erzählung, dass sie wegen meiner „schlechten Erfahrung“ auf Borkum selbst nicht zur Kur geschickt worden ist.
Ich bin Jahrgang 1959 und wurde im März/April 1964, also mit 4 Jahren, zur Kur nach Borkum verschickt. Im Zug habe ich meiner Mutter noch gesagt, dass ich tapfer sein und nicht weinen werde.
Warum ich dahin geschickt wurde, weiß ich nicht. Meine Eltern haben es mir bis zuletzt nicht verraten. Nur Andeutungen, dass es sein musste usw.
Ich habe kaum noch Erinnerungen an diese Wochen. Ich kenne weder den Namen der Einrichtung, noch den irgend eines der Betreuer bzw. Betreuerinnen.
Ich weiß noch, dass morgens noch im Bett mein Oberkörper mit Meerwasser abgerieben wurde.
Nachts habe ich wohl regelmäßig eingenässt. Das wurde auch meinen Eltern geschrieben.
Ich kann mich noch erinnern, dass ich in einer Badewanne ins Wasser geschissen habe.
Aber eigentlich war ich zu der Zeit schon "stubenrein".
Ich kann mich an Augenblicke am Strand erinnern. Ich weiß noch, dass es verboten war, beim essen zu sprechen.
An Strafen kann ich mich nicht erinnern.
An andere Kinder kann ich mich nicht erinnern.
Meine beiden jüngeren Geschwister und meine ältere Schwester wurden nie verschickt.
Gibt es noch Möglichkeiten heraus zu finden, warum und wo ich damals war?
Grüsse
Klaus
Hallo Klaus, bitte wende dich an unsere Borkum-Gruppe unter "Heimort-Vernetzung".
Hallo, ich bin im Dezemder 1954 geboren und war 1960, kurz vor meinem 6sten Geburtstag, für 6 Wochen auf der Insel Borkum. Bis heute verfolgen mich diese 6 Wochen. Jahre habe ich diese Zeit verdrängt, aber statt endlich ganz zu vergessen, belasten mich die Erinnerungen an diese Zeit immer mehr. Je älter ich werde. Und wie man lesen kann, geht es wohl vielen so. Das Bild von dem Mädchen, welches bei "Frühstück" oft weinte, weil sie die graue Pampe nicht mochte, sich dann erbrach und gezwungen wurde weiter zu essen, hat sich in meinem Kopf festgesetzt. Auch der Schmerz den ich aushalten musste und die Ängste sind mir noch gegenwärtig. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich dort Nr.3 war. Eine Nummer. Ich weiss leider nicht mehr wie das Heim geheisen hat. Der Name " Adolfinenheim" kommt mir bekannt vor, aber nur eine Ahnung. Meine Mutter ist fast 90zig und dement, von Ihr kann ich keine Informationen bekommen. Viele Grüsse an alle Carola
Ich war 1961 Dezember im Kinderhaus Santa Maria in Borkum ich kann auch nur bestätigen - Kinder wurden misshandelt , das Essen war ein Horror und wenn man erbrochen hat solange essen bis der Teller Lehr war egal ob mit oder ohne kotze. Nachts aufs Klo war verboten wer ins Bett pinkelte musst nachts im Dunkeln auf der Treppe den Nonen die Schuhe putzen in der Küche arbeiten - als 6 und 7 jährige Kinder. Briefe an die Eltern wurden geöffnet und weggeschmissen Nikolaus Pakete verteilten die Nonnen unter sich! Sehr viele der Kinder In meiner Zeit ? wurden krank und total gestört. Ich war lange Zeit in psychologischer Behandlung . Diese Nonnen waren bösartig und eine Schande für alles was mit Schutz und Gutem für Kindern sein sollte. Unglaublich heute zu erfahren wie oft dieses Vorgekommen ist und das keiner je zur Rechenschaft gezogen wurde. Ich habe nichts über Misshandlungen bei Santa Maria im Internet gefunden. Sind die bisher nicht entdeckt worden?.....
Hallo zusammen,
Habe mit großem Interesse jetzt von dieser Initiative erfahren.
Ich bin fast 58 Jahre alt und als Kind dreimal verschickt worden, mit 4 nach Langeoog, mit 9 nach Oberstdorf und mit 11 Jahren nach Borkum. Namen, weder von Heimen noch Betreuern, kann ich nicht benennen.
Meine schlimmsten Erinnerungen habe ich an das Heim in Oberstdorf. Dort wurden Kinder geschlagen, wegen Nichtigkeiten, und auch gezwungen, Erbrochenes zu essen.
Ich fände es gut, wenn über die Hintergründe dieser Verschickung mehr heraus gefunden würde.
Was ging in den Eltern vor, die ihre Kinder teilweise so im Stich ließen und sich über ihre Gefühle hinwegsetzten ?
Die dritte Verschickung erfolgte klar gegen meinen Willen.
Liebe Grüße an alle Betroffenen
Marion
In meinem Elternhaus habe ich vor ein paar Jahren sämtliche Briefe gefunden, die ich (1952 geb.) an meine Eltern aus drei verschiedenen Kinderheimen geschickt habe (Borkum 1959 knapp 7-jährig, Scheidegg 1961 9-jährig, Wallgau 1964 12-jährig). Meine Erfahrungen waren sehr unterschiedlicher Art. Scheidegg war übel.
Aber ich habe nicht nur die Briefe von mir, sondern auch sämtliche Briefe gefunden, die meine Eltern an mich geschickt haben. Es sind Zeitzeugnisse.
Alle Briefe habe ich in den Computer getippt (mit Erklärungen) und würde sie gerne veröffentlichen (ca. 170 Seiten). Hat jemand eine Idee oder kennt jemand einen Verlag, der bereit wäre?
Ich habe damals schon gerne geschrieben und tue es heute auch noch. Im November ist mein zweiter Gedichtband erschienen: 'Füße im Tau'
Der erste Gedichtband: 'Wäre da nicht der Amselgesang' wurde im Selbstverlag ein paar Jahre vorher verlegt, wie auch eine wahre Zahngeschichte 'Odyssee Dental' als e-book.
Ein autobiografischer Roman wird folgen.
Auf das, was sich entwickeln und kommen wird, bin ich gespannt.
Dorothea Harrer
Hallo zusammen.
Ich muß so 5 oder 6 Jahre alt gewesen sein. Bin 1963 geboren, also 1968 oder so.
Ich war auf Borkum in einem Heim, wie es hieß weiß ich leider nicht. Jedenfalls wurde dieses auch irgendwann geschlossen wegen den schlimmen Zuständen.
Woran ich mich erinnere ist folgendes:
Das Taschengeld das wir mitbekommen haben wurde sofort einkassiert und am Ende diese 6 schlimmen Wochen bekamen wir einen kleinen Betrag zurück und mußten für die Eltern Geschenke kaufen. Ich habe meiner Mutter eine kleine Schmuckdose aus Muscheln kaufen müssen. Diese hat sie heute noch ????
Nachmittags sind wir mit einer Betreuerin zu Meer gegangen und sie hat mit einer Metallkanne Wasser aus der Nordsee geholt. Am folgenden Tag mußte jedes Kind das Salzwasser trinken, einen Becher voll.
Auch gab es ständig Milchreis mit Zimt, auf Plastikteller. Wir mußten die Teller sehr sauber kratzen, so dass auch das Plastik von der Tellern abrieb. Es schmeckte gräßlich. Manche mußten sich auch übergeben, am Tisch. Wir durften nichts machen und mußten tatsächlich weiter essen. Mein Gegenüber hat sich übergeben müssen, das gelang auch auf andere Teller. Das mußte natürlich auch alles aufgegessen werden.
Ansonsten weiß ich nicht viel, aber das reicht mir bis heute. Ich arbeite momentan alles auf.
LG Britta
Hej, ich war ungefæhr 1975 als 10 jæhrige in einem kurheim auf Borkum. Meine Erinnerungen daran sind nicht die besten. Denke an dicken hafersuppe, einen grossen speissesal, mussten um 5 uhr ins Bett, rote jogginganzuege, lieder fuer die leiterin singen und vieles mehr. Ich wohne jetzt schon 30 jahre i Dænemark aber diese wagen Erinnerungen haben mich nie verlassen.
In den 70er-Jahren war ich wegen meines Asthmas zwei mal für jeweils 6 Wochen in einem "Kindererholungsheim". Zuerst auf Borkum (im Alter von 5 oder 6 Jahren) und dann in Sankt Peter Ording (wohl mit 7 oder 8). Leider erinnere ich mich nur noch bruchstückhaft an viele schlimme Erlebnisse. In welchen Heimen ich konkret war, weiß ich leider nicht.
Schon die Zugfahrten waren furchtbar. Man wurde einfach zu wildfremden Leuten ins Abteil gesetzt, die dann gefragt wurden, ob sie ein wenig aufpassen könnten. Zu trinken gab's nichts. Nur eine Tüte Gummibären "gegen den Durst". Das in den Heimen Essen war mies, ich hatte entsetzliches Heimweh und wurde behandelt, als wäre ich ein Möbelstück. Die Betreuerinnen auf Borkum mussten wir "Tanten" nennen. Dabei hatten sie uns nur Kaltherzigkeit und Erniedrigung zu geben. Die Betreuerinnen in Sankt Peter Ording waren auch nicht besser. Ich erinnere mich nur an tiefe Traurigkeit, viel Heimweh, das Gefühl des Ausgeliefertseins und des Alleinseins. Briefe nach Hause wurden zensiert. Und mir ist es bis heute ein Rätsel, warum meine Mutter mich ein zweites Mal in Kur schickte, obwohl doch die erste Kur schon grauenhaft war und das Heim auf Borkum wegen der unhaltbaren Zustände wohl zwischenzeitlich geschlossen worden war.
Wenn ich in den Berichten der anderen von Missbrauch und Misshandlung lese, scheine ich es allerdings noch recht gut getroffen zu haben. Was mich allerdings sehr ärgert ist die Ignoranz, mit der dem Thema begegnet wird. Offenbar möchte man es nicht so genau wissen (so wie damals anscheinend auch meine Mutter). Niemand scheint ernsthaft gegen die Zustände vorgegangen zu sein. Auch heute wird versucht, abzublocken. Die Stadt Sankt Peter Ording lässt sich bspw. auf einer Webpage u.a. über die Geschichte der "Kindererholungsheime" aus und bedauert, dass sie heute nicht mehr existieren, wo doch über 44.000 Kinder Gesundheitsprophylaxe und Erholung gefunden hätten. Niemand will Verzeichnisse besitzen oder noch lebende Verantwortliche kennen.
Ich erinnere mich noch genau an meine Zeit in der Kinderkur im Adolfinenheim auf Borkum 1976. Es war nach dem Tod meines Vaters das zweitschlimmste traumatisierende Erlebnis meiner Kindheit. Wie auch aus anderen Heimen berichtet wurde, mussten Kinder die das ungenießbare Essen erbrochen hatten auch hier ihr Erbrochenes wieder essen. Ich selbst habe dies zwar nicht gemusst, kann es aber aus meiner Erinnerung bestätigen. Auch dass uns das Taschengeld von den Erzieherinnen gestohlen wurde kann ich bestätigen. Ich hatte damals von den Eltern und Großeltern bestimmt um die 100 DM bekommen. Diese hatte sich meine Erzieherin Frau Wesseling schnell eingesteckt, nein wir wollen die richtige Bezeichnung nennen, gestohlen. An ein Erlebnis kann ich mich besonders gut erinnern weil es mich bis heute nicht loslässt. Ich hatte mit dem Essen gespielt und wurde von einer Erzieherin unsanft am Oberarm gepackt und auf den Flur geschleift. Ich dachte zuerst hier muss ich jetzt warten bis die anderen Kinder gegessen haben und freute mich schon heimlich den Drecksfraß nicht mehr essen zu müssen. Doch das sollte nicht alles sein. Plötzlich kam die Erzieherin (Namen weiß ich leider nicht mehr) mit einem Rohrstock zurück. Nahm meine Hand am Handgelenk und schlug mir mehrmals mit diesem Rohrstock auf die Handfläche. Zuerst war ich so erschrocken und überrasch, dass ich den Schmerz nicht sofort gespürt hab, denn von zu Hause kannte ich keine Schläge. Doch schnell war ich in der Realität angekommen und merkte den stechenden Schmerz der sich durch den ganzen Arm zog. Es waren nicht ein paar Schläge, nein aus meiner Erinnerung meine ich, dass es minutenlang so ging. Ich dachte sie hört gar nicht mehr auf und meine Hand fällt ab. Als die Erzieherin endlich aufgehörte und ich schon ganz schön verheult war, tippte sie mir mit dem Finger auf die Nase, wuschelte meine Haare und sagte; ich werde es nie vergessen: „Na junger Mann, das Lustige ist, dass zu zwei Händchen hast“. Danach nahm sie meine andere Hand die nun auch mit dem Rohrstock malträtiert wurde. „Oh ja, schrei schön laut damit alle wissen was mit Kindern passiert die mit dem Essen spielen“, sagte sie. Meine Handflächen waren danach richtig rot und geschwollen und die Striemen waren noch am nächsten Tag gut zu sehen.
Ich wurde 1951 wegen latenten Untergewichts von der Bundesbahn-Kasse für 4 Wochen an das kath. "Erholungsheim" Santa-Maria auf Borkum geschickt. Der Aufenthalt war eine reine Katastrophe. Nur Versager: Die Nonnen, die Mitarbeiterinnen (etwa 15 Jahre alt), der Arzt und jegliches Personal.
Nach 4 Wochen wurde ich von den Nonnen in Emden-Außenhafen meinen
entsetzten Eltern übergeben. Ich hatte 41 Grad Fiber und brach etwa alle 15 Minuten zusammen. Die Nonnen hatten mich auf der Überfahrt durch viele Ohrfeigen wieder zum Bewusstsein erweckt.
Ich kam dann in Brake für 10 Wochen ins Krankenhaus wegen einer akuten Lungen-und Rippenfell-Entzündung. Bis zu meinem 21 Lebensjahr
musste ich jährlich zu einem Lungenfacharzt gehen, um mich röntgen zu lassen.
Als ich 1970 in den Schuldienst eintreten wollte, wurde ich wegen der Schatten auf der Lunge zunächst nicht zugelassen.
Mehr morgen.
Vg G. S.
Ich war Anfang der 70er Jahre in einem Erholungsheim der Deutschen Bundespost auf Borkum. Ich habe nur schemenhafte Erinnerungen an diese 6 Wochen, zwei Erinnerungen sind mir prägend geblieben: ich musste im Essensraum/Saal Milchreis mit Zimt essen, auch wenn ich ihn nicht runterbekam. Dieses Gericht gab es 6 Wochen lang abends. Desweiteren sind mir die anderen Kinder sehr agressiv begegnet, wenn keine Aufseherin anwesend war. Im Waschraum ist mir ein Zahn ausgeschlagen worden, nach meiner Erinnerung von anderen Kindern.
Es erschien mir alles wie ein Gefängnis, ein Erziehungsheim/Waisenhaus im schlechtesten Sinne. Zuhause angekommen, war meine Mutter schockiert und hat sich bei dem Sozialdienst der Post beschwert, was erfolglos blieb.
Hallo.... ich bin heute durch einen "Zufall" auf diese Seite gestoßen. Ich unterhalte mich mit einer Freundin wieder einmal über meine Kindheit, keine Erinnerungen etc., da wird ihr später auf dem Laptop der Bericht über "Kinderverschickungen" angezeigt. Wir also in der Recherche...und ich nun hier gelandet....
Ich bin jetzt 56 Jahre alt, und war im Alter von 4 oder 5 Jahren (1968/69) für 6 Wochen entweder auf Sylt oder Borkum, Amrum..... Ich habe eine Erinnerung. Das Haus war direkt am Meer, bei Ankunft hatte ich in die Hose gemacht und bekam ein rote Strumpfhose irgendwie "geliehen"......
Es gibt ein Foto, wo ich in einem Kleid mit einer Nonne im "Spielzimmer" wohl stehe. Und ein Foto, wo wir alle auf den Steinen am Strand (Landzunge) sitzen . Es ist wohl kalt. wir tragen Mützen.
Evtl. haben mich die Nonnen auch Michaela genannt und ich habe geweint... Weil dies steht in meinen Papieren, jedoch wurde ich schon immer Michelle genannt.... Aber bei den Geschichten, die hier so beschrieben werden, und ich habe leider keinerlei Erinnerungen außer meiner "nassen Ankunft"...., ist ja alles möglich und vieles wurde wohl hart bestraft.
Vielleicht erinnert sich jemand.
Ich werde die nächsten Tage die Fotos suchen und einstellen. Bin leider gerade in Urlaub .
Fühlt Euch alle gedrückt.... Ich weiß gerade nicht was "schöner" ist. Keine Erinnerung, oder Erinnerung. Es ist unfassbar.
Michelle
Hallo,
ich war im Oktober 1963 auf Borkum als 5jähriges Mädchen und hatte sehr starkes Heimweh gehabt und nächtelang nur geweint - ich wurde mit meiner Bettdecke auf den Gang geschickt und musste dort die ganze Nacht stehen. Ich weiß leider nicht mehr wie dieses Kinderheim auf Borkum hieß - es war sehr grausam und ich wurde jeden Tag dort gequält und über mein Heimweh machte sich die Gruppenleiterin nur lustig. Wenn ich heute den Geruch von Maggi Suppe rieche, werde ich immer sehr traurig und fühle mich sehr einsam und verlassen. In meiner Gruppe war eine Susanne 10 J., eine Ilka, eine Ilona - mehr weiß ich nicht mehr.
Liebe Grüße Claudia
Hallo, ich war auch bei den Nonnen auf Borkum und erinnere mich an ein sehr strenges Regime. Ich war noch nicht in der Schule also muss da im Sommer 1968 gewesen sein. Mädchen und Jungen waren auf unterschiedlichen Etagen und unter Strafe getrennt, sprechen im Schlafraum war verboten und ich musste sehr lange vor der Tür im Gang stehen. An Strandspaziergänge in Reih und Glied von Nonnen begleitet erinnere ich mich auch. Insgesamt keine gute Erinnerung mit viel Heimweh.
Kinder-“Kurverschickung“
Meine Schwester, Jg, 1961, war mit 5 Jahren für 4 Wochen nach Borkum verschickt worden.Wegen andauernder Mandelentzündungen. Es war wohl ein Haus der Caritas, so erinnert sich meine Mutter. Sie war ein ruhiges Kind, hat nie etwas davon erzählt zu Hause. In dem Jahr darauf musste sie 2x längere Zeit alleine im Krankenhaus sein – hier hat meine Mutter mitbekommen, wie sehr sie gelitten hat unter der Trennung. Meine Eltern durften sie nicht besuchen.
Als ich, Jg. 1963, dann mit vermutlich 4 oder 5 Jahren eine heftige Masern-Erkrankung hatte, riet die Kinderärztin meinen Eltern zu einer erneuten Kinder-Kur-Verschickung. Diesmal von uns beiden.
Leider habe ich fast gar keine Erinnerungen daran, meine Kindheit ist ziemlich ausgeblendet bei mir. Auch wohin wir verschickt wurden weiß ich nicht und meine Mutter kann sich nicht erinnern. Vermutlich, so meinte sie, irgendwo nach Bayern. Vier Wochen.
Meine fast einzige Erinnerung daran ist, dass sie meine Schwester und mich getrennt und in unterschiedliche Gruppen gesteckt hatten. Obwohl meine Eltern bei der Beantragung darauf bestanden hatten, dass wir zusammen bleiben sollen. Als ich sie auf einem Spaziergang dann mal gesehen habe, wollte ich unbedingt zu ihr, aber ich durfte nicht. Komische Bilder habe ich im Kopf, von einem großen Schlafsaal, in dem ich immer Angst hatte. Ausser „Peter“ hatte die Aufsicht. Keine Ahnung ob es den gab oder wer das war. Immer gesehen und fest vor Augen habe ich bei diesem Thema einen großen Tisch mit Einteilungen, wo die Wäsche sortiert gelagert wurde. Musste man wechseln, wurde das oberste der jeweiligen Kleidungsart vom Stapel genommen, d.h. man bekam nie seine eigene Kleidung, sondern irgendeine. Und das ich im Bett bleiben musste, wenn ich „böse“ war, während die anderen Kinder raus durften zum spielen. Mehr eigene Erinnerungen habe ich an diese Zeit nicht. Beschäftigt hat mich diese „Kur-Zeit“ jedoch schon sehr lange, denn meine Mutter erzählte irgendwann mal beiläufig, dass ich mich danach sehr verändert hatte.
Vor der Kur war ich wohl ein fröhliches und lebhaftes Kind, ein Mama-Kind zudem. Nach der Kur war ich total verängstigt und eingeschüchtert, so erzählt sie, habe mich nicht getraut, mir irgendetwas selbstständig zu nehmen (vom Tisch, oder ein Obst oder eine Süßigkeit etc.), habe immer verängstigt gefragt. Besonders betroffen war sie davon, dass ich sie nicht mehr mit Mama angeredet habe und beide Eltern mit „Sie“. Von Mama-Kind konnte keine Rede mehr sein.
Und woran sie schließlich endgültig gemerkt habe, dass in der Kur einiges „komisch“ gewesen sein muss war, dass ich noch lange Zeit danach meine Puppen ganz schrecklich verdroschen hätte. Dabei hätte ich die Puppen angeschrieen: „Wenn du jetzt nicht artig bist und weiter schreist, dann...“
Meine arme Schwester bekam nach den 4 Wochen Mumps und musste, so entschied die Einrichtung mit der Kinderärztin, noch eine Woche länger bleiben als ich. Um mich nicht anstecken zu können. Mutterseelenallein blieb sie in der Krankenstation, bis meine Eltern sie dann abholen durften.
Die Mumps habe ich dann trotzdem bekommen. Und meine Schwester hat nie etwas von der Zeit erzählt.
Die Beschwerde meiner Eltern bei der Kinderärztin…. Wer weiß schon, ob dies irgendeine Folge hatte.
Aufgearbeitet oder „geheilt“ haben unsere Eltern dies mit uns nicht. Sie waren selber noch so jung. Mit Schlägen strafen gehörte auch zu ihrem eigenen Erziehungsprogramm – da wird man schon was gemacht haben um das zu bekommen… .Verschickt haben sie uns danach jedoch nie wieder.
Geblieben sind mir davon heftige Verlassensängste bzw. Ängste, Jemanden verlieren zu können. Streitbar bin ich geblieben und bei Ungerechtigkeiten fahre ich aus der Haut. Aber lieben….mich selbst oder Andere? Ein schwieriges Thema. Und welchen Anteil dieser „kleine“ Abschnitt an meiner Depressionserkrankung hat...ich weiß es nicht.
Alles Liebe für euch, die ihr auch betroffen seid.
Ich war 1982 auf Borkum im "Sancta Maria". Das Essen war regelmäßig sehr knapp bemessen und ich bin regelmäßig abends hungrig zu Bett gegangen und das, obwohl ein Ziel der Maßnahme eine Gewichtszunahme war. Zur Toilette durften wir nur nach den Mahlzeiten gehen, also 3x am Tag. Selbstverständlich wurde die Post zensiert und uns wurde gedroht für den Fall, das wir etwa Negatives über die Kur in unsere Briefe schreiben. Es waren sechs Wochen ohne Spaß und mit viel Zwang und Drohungen.
Hallo, mir war bis vor ein paar Tagen gar nicht bewusst das wir so genannt wurden. Ich war 2 mal weg, 1x Langeoog, Datum usw keine Erinnerung.
2x Borkum, Sancta Maria Kinderkurheim vom 3.6.-1.7.1980. Da war ich gerade 9 Jahre geworden.
Die Kindertransport- Karte liegt vor mir.
Auf Langeoog war ich mit meiner Schwester zusammen, auf Borkum auch mit meiner Schwester aber getrennte Gruppen.
Mein Bruder war auch 1x weg, kam verängstigt zurück und hat sich immer unter dem Tisch versteckt, nach Erzählungen meiner Mutter.
Ganz ehrlich, ich kann mich an nicht viel erinnern.
Ich weiss auch nicht ob ich die Kuren vermische.
Kaltes abduschen nackt mit Wasserschlauch, Nagelhaut schneiden, Läusekämmen, essen bis zum erbrechen. Wenn man nicht war wie gewollt wurde dies unverzüglich gezeigt und vorgeführt.
Hallo zusammen,
Meine Schwester und ich,waren in den 80ern in einer sogenannten Kur auf Borkum. Wir waren kurz zuvor mit unseren Eltern aus der DDR vertrieben worden, ich litt lange an einer Boruliose. Dort sollten wir uns erholen. Wir beide leiden heute noch unter den traumatischen Erlebnissen dort. Es ist unfassbar, wie Erwachsene Menschen, kranke und belastete Kinder absichtlich erniedrigt, verängstigt und alleine gelassen haben. Ich muss heute mit fast 40 immer noch weinen, wenn ich daran denke. Ich wünsche euch allen, alles liebe,
SOFIA
Das Heim auf Borkum war sicher das Adolfinenheim. Auch da konnte man ein Traumata erwerben. Strafen, weil man nicht zur vorgeschriebenen Zeit zum WC gegangen war, weil man ein Essen nicht aufgegessen hatte musste man stundenlang vor dem Teller sitzen. Weil man beim Schlafen nicht in die vorgeschriebene Richtung geschaut hatte, wurde man ohne Bettzeug auf einem Brett im Waschraum "deponiert" und so weiter ...... Schlimme Zeit.
Hallo zusammen,
ich war 1965 als 8jährige 6 Wochen über Ostern im Haus Waldfriede in Bonndorf (Schwarzwald). Ich war ein blasses und dünnes Kind, so dass man meinen Eltern empfahl, mich in "Kur" zu schicken.
An vieles kann ich mich nicht mehr erinnern. An das, woran ich mich erinnern kann, ist nicht positiv.
Gleich nach meiner Ankunft wurde mir mein Kuscheltier weggenommen, was für mich schmerzlich war.
Das Essen war äußert unappetitlich und wurde den Kindern regelrecht reingezwängt. Ich erinnere mich noch an ein kleines Mädchen, das in den Teller erbrach. Der Teller wurde nur teilweise gesäubert, neu gefüllt, und es wurde gezwungen, solange sitzenzubleiben, bis es aufgegessen hatte.
Zu Ostern hatte mir meine Mutter ein Päckchen mit Süssigkeiten geschickt, welches ich nur aus der Ferne gesehen hatte, es wurde unter den Kindern aufgeteilt.
Während meines Aufenthaltes erkrankte ich an einer doppelseitigen Mittelohrentzündung und kam somit auf die Krankenstation. Ich hatte keinen Appetit, und auch hier unterließ man es nicht, mich zwangszufüttern. Ich weiß noch, dass ich meine Frühstücksbrote versteckte und anschließend die Toilette herunterspülte. Zum Glück hat man es nicht bemerkt.
Die gemeinschaftliche Gewichtskontrolle blieb ebenso in meinem Gedächtnis. Das Ergebnis wurde jedesmal in die Gruppe hinausposaunt. Nach 5 Wochen hatte ich insgesamt 1 Pfund (!!!) zugenommen, und man war sichtlich enttäuscht.
Als mein Vater mich nach 6 Wochen am Köln-Deutzer Bahnhof in Empfang nahm, war er sichtlich erschrocken. Nach wie vor dünn, blass und die Haare ungepflegt.
Ich konnte mit 8 Jahren begreifen, dass man so mit Kindern nicht umgeht.
Ich habe meinen Eltern gesagt, dass ich nie wieder in eine derartige "Kur" geschickt werden möchte, was sie auch nicht mehr taten. Meinen Eltern habe ich jedoch später nie einen Vorwurf gemacht; sie waren ahnungslos über diese Zustände. Glücklichweise haben sich die Zeiten geändert.
Ich habe mir geschworen, meinen eigenen Kindern so etwas zu ersparen. 1993 habe ich zusammen mit meinem 5jährigen Sohn 4 Wochen eine Mutter-und-Kind-Kur auf Borkum verbracht. Diese Kur war insgesamt erfolgreich. Während dieser Zeit mußte ich oft an meine eigene Kur denken.
Hallo Zusammen,
ich bin mit 6 Jahren nach Borkum geschickt worden, weil ich sehr dünn war. Das lief über die Barmer Ersatzkasse. Leider wissen auch meine Eltern nicht mehr, welches Haus es war. Ich erinnere mich an ein längliches Gebäude, nicht weit vom Strand entfernt. Meine Eltern sagten, ich ging als fröhliches Kind hin und kam völig verstört zurück. Leider erinnere ich mich nur noch an Kleinigkeiten. Das bisschen Taschengeld und Bonbons wurden mir genommen. Die kalten Hände sollten wir mit eiskaltem Wasser waschen. Irgendetwas war auch mit Gummistiefeln. Vor dem Aufenthalt trank ich gerne Milch, danach wurde mir schlecht, wenn ich sie nur roch. Ich weiß, dass irgendetwas beim Essen passiert ist. Ich weiß, dass nachts auch irgendetwas passiert ist, ich erinnere mich nur nicht mehr genau an was. Ich möchte das gerne ausarbeiten. Erinnert sich jemand an die Zeit Borkum 1975?
3 Jahre später wurde ich wieder verschickt, diesmal mit meinem kleinen Bruder (5 Jahre alt). Ich weiß, ich schrie, ich will dort nicht wieder hin. Ich schrie noch am Bahnhof. Meine Eltern sagten, im Glauben, dass es sich nur um Heimweh handelt, dass es doch diesmal nicht schlimm sei, diesmal sei ja mein Bruder dabei. Im Heim wurde ich von vielem isoliert, weil ich die einzig 9-jährige war. Wie komme ich an weitere Informationen, um die Lücken mehr aufzufüllen?
Jahrzehntelang hatte ich nur einen sehnlichen Wunsch: Ich wollte wie John Rambo sein: die dicke Wumme in der Hand, Zwei Gürtel mit Handgranaten umgeschnallt und ein riesiges Messer zwischen den Zähnen. So wollte ich in Borkum von der Fähre steigen und das elende Haus Concordia in die Luft jagen.
Im Sommer 1970 war ich sechs Wochen in dieser Einrichtung, die von Cläre Meibert geleitet wurde. Ich hatte mich sogar gefreut an die See zu kommen. Doch was dann folgte war der Horror. Ich war der zweitgrößte in unserer Gruppe und hatte die Nr. 24 in dem weißblau-gestreiften Strickkäppchen, das wir tragen mussten sobald wir die "Anstalt" verließen. Wir schliefen mit 25 jungen in einem großen Raum unter dem Dach. Sprechen war natürlich verboten. Unsere Aufseherin schlief in einem Vorraum. Durch diesen mussten wir, wenn wir nachts auf einen der beiden Eimer mussten, die uns als Toliletten dienten. Die Aufseherin war dan immer sauer, wenn sie im Schlaf gestört wurde. Also hat man sich zehnmal überlegt, ob man auf den Eimer ging.
Wegen chronischer Bronchitis war ich über das Gesundheitsamt nach Borkum geschickt worden., Die meiste Zeit haben wir in einer Art Kellerverschlag die Zeit verbracht. Es gab dort Spielzeug nach Art von Lego. Wenn wir uns als Gruppe benommen hatten, rückte die Aufseherin Räder heraus, damit wir aus den Klötzchen Fahrzeuge bauen konnten.
Schlimm fand ich die gemeinsamen Gänge der 25köpfigen Gruppe zur Toilette. Abspülen durften wir nicht. Die Aufseherin kontrollierte die "Qualität" unseres "großen Geschäftes". Es gab drei Kategorien: Je nach Größe wurde in einer Liste ein Kreuz, ein Strich oder ein Punkt eingetragen. Je nachdem gab es anschließend Salzwasser zur Verdauungsförderung zu trinken. Von Zensur in den Briefen ist schon oft berichtet worden. ICh fühle noch wie heute meine Verzweiflung, dass ich unter den Blicken der Aufseherin schreiben musste "Wir dürfen nicht an den STrand weil wir nicht lieb waren". Wie gerne hätte ich meinen ELtern die Wahrheit geschrieben.
Es war erlaubt, zwei Pakete in den sechs WOchen geschickt zu bekommen. Irgendwann mussten wir aber schreiben, dass wir nur ein Paket bekommen durften. Warum? Niemand weiß es.
Die Sache mit den Paketen war auch ein Besondere. Die ankommenden Pakete wurden von der Aufseherin einkassiert. Je nach Lust und Laune entschied sich die Aufseherin ein "Zuckerfest" zu veranstalten. Dann wurden die Pakete geöffnet und er Inhalt an alle verteilt. Das war der wahre Kommunismus...
Ich könnte noch viel über diese Zeit erzählen, die sich in meinem Gehirn eingebrannt hat als wäre es gestern gewesen. Nur eines noch: Von Borkum bis Köln war es auch 1970 eine lange Zugfahrt. Ich muss den Leserinnen und Lesern dieses Forum nicht erklären, was ein Sunkist-Tütchen ist: Davon bekamen wir im HOchsommer genau ein einziges für die lange Zugfahrt.
Vielleicht kann der/die ein oder andere jetzt verstehen, warum ich gerne einmal John Rambo gewesen wäre.
Hallo Robert,ich habe die gleichen Erfahrungen gemach wie du.
Ich war 1978 mit meiner Schwester im gleichen Kurheim auf Borkum.
Ich war 6 u.meine Schwester 4.
Die blau-weißen Strickmützen kenne ich nur zu gut,ich war die Nummer 3.
Singend(wenn die bunten Fahnen wehen)mußten wir durch den Ort laufen.
Auch die Blecheimer vor der Türe sind mir gut in Erinnerung.
Eines nachts bekam ich Durchfall,habe es aber nicht mehr rechtzeitig auf den Eimer geschafft.Als Strafe mußte ich eine Jungenunterhose tragen.
Auch das Essen ist mir in Erinnerung.
Es gab öffter Milchreis.Wer sich nicht erbrochen hat mußte ihn aufessen.
Seid dieser Zeit kann ich weder Milchreis richen noch essen.
Ich könnte hier noch mehr erzählen aber das ganze wühlt mich sehr auf seid ich diese Seite u.den Bericht im Fernsehen gesehen habe.
Aber endlich weiß ich das ich mit diesen Erinnerungen nicht alleine bin.
Hallo,
im November 1964 war ich im Kinderheim "Sancta Maria" auf Borkum. 2 Tage habe ich gebraucht, um mich hier zu melden. Damals war ich 8 Jahre alt und die Erinnerungen erzeugen immer noch ein dumpf-trauriges Gefühl in mir.
Erst nach 46 Jahren konnte ich die Insel besuchen und stellte fest, dass das Haus noch existiert und nun für Mutter-Kind-Kuren genutzt wird.
Selbst habe ich keine körperliche Gewalt erfahren, aber der restriktiv-kaltherzige Umgang mit uns Kindern und die eingesetzten Methoden zur psychischen Unterdrückung erzeugten ein Klima der Angst. Sechs Wochen Heimweh, einmal in der Woche eine zensierte Postkarte schreiben, vorgegebene Toilettenzeiten und eingeteiltes "Klopapier", lautlose Mittagsruhe im Bett, der Zwang zum Essen, riesige Schlafsäle ......
Einige Kinder bekamen Päckchen, die sie nicht oder nur teilweise behalten durften. Das, was sie bekamen, wurde am Tisch aufgeteilt.
Ich habe nun einiges über die "Verschickungen" gelesen. Die angewandte "Pädagogik" scheint den Prinzipien der Adenauerzeit zu entsprechen....
Viele Grüße
Ingrid
Hallo alle miteinander! Auch ich wurde erst vorgestern durch Radio und Fernsehen auf die Initiative Verschickungskinder aufmerksam.
Ich war 1973 auf Borkum und habe ähnliche Erfahrungen gemacht wie alle anderen hier.
Den vielfach beschriebenen Essenszwang habe ich auch erlebt. Mir wurde ein Teller Eintopf mit Speckwürfeln mehrfach vorgesetzt, weil ich den Speck vor Ekel nicht gegessen hatte.
Zwischen den Mahlzeiten durften wir spielen. Spielen lief so ab, dass Noppenbausteine auf dem Tisch ausgeschüttet wurden und man durfte sich daran bedienen und etwas bauen, im Sitzen, am Tisch, einsam, schweigend und unter strenger Aufsicht der Betreuerinnen. Reden, lachen und weinen war verboten.
In diese Zeit fiel Ostern. Die von den Eltern geschickten Süßigkeiten wurden reihum verteilt. Anderen etwas abgeben fand und finde ich eigentlich gut. Allerdings waren meine Süßigkeiten verteilt, ehe ich an die Reihe kam, was das immerwährende Heimweh sehr verstärkte, ich habe geweint und mir wurden - wie bei jeder vermeintlichen Regelmissachtung - Strafen und Aufenthaltsverlängerungen angedroht.
Unentwegt wurde uns gesagt, wir seien "ungezogene, böse" Kinder. Von den Betreuerinnen wurden nur Drohungen und Entwertungen ausgesprochen. Ich kann mich nicht erinnern, dass eine sich auf freundliche oder tröstende Weise einem Kind zugewandt hätte.
Wir mussten Kleidung des Heims tragen, so dass wir nicht einmal mehr die eigene Kleidung als etwas Vertrautes hatten.
Dass jetzt eine Auseinandersetzung mit diesem Thema erfolgt, finde ich sehr gut!
Annette
Gestern habe ich einen Bericht über die Verschickungsheime gesehen und bin so froh, dass endlich öffentlich darüber gesprochen wird. Ich hatte nie im Blick, dass natürlich noch unzählige Kinder außer mir damals traumatisiert worden sind.
Ich war 1969 im Alter von 6 Jahren für 6 Wochen in einem Heim auf Borkum. Ich war sowieso ein schüchternes Kind, der Aufenthalt da war so schlimm und furchtbar für mich. Die Trennung von meinen Eltern am Bahnhof werde ich nie vergessen. Ich wusste nicht, was man man mit mir vorhatte, dachte 6 Wochen lang, dass ich nie wieder nach Hause käme. Ich hatte nur Heimweh und Angst, weinte mich jeden Abend in den Schlaf. Auf einem Marsch machte ich in die Hose, weil ich mich nicht getraut hatte, zu sagen, dass ich zur Toilette musste. Als das entdeckt wurde, war es furchtbar. Ich musste auf dem Dachboden schlafen, habe nur noch geweint und geweint.
Den Geruch des Essens werde ich nicht vergessen, noch heute bekomme ich Beklemmungen, wenn ich Haferbrei und Pfefferminztee rieche.
Auch der Begriff "Borkum" löst immer noch Angsterinnerungen aus.
Als meine Eltern mich am Bahnhof wieder in Empfang nahmen, sagte eine Begleiterin zu meiner Mutter, so ein Kind wie mich könne man einfach nicht liebhaben. Mein Koffer war voll mit sauberer, nicht benutzter Wäsche.
Nach dieser "Kur" war ich ein angepasstes, harmoniesüchtiges Kind, immer darauf bedacht, bloß nie wieder weggeschickt zu werden. Das bereitet mir bis heute Probleme, auch beim Loslassen meiner eigenen erwachsenen Kinder, die indirekt auch an meinen traumatischen Erfahrungen leiden.
1965 in den Sommerferien war ich 12 Jahre alt. Meine Eltern fragten mich, ob ich zur Erholung ans Meer fahren wolle. Als "Wasserratte" sagte ich voller Freude ja zu Borkum. Ein Nachbarsjunge fuhr ebenfalls mit. Ich glaube, das Heim hieß Concordia.
Als wir ankamen, wurden wir in feste Jungen- und Mädchengruppen eingeteilt und erhielten eine Nummer, ich war 6 Wochen lang die 22.
Unsere Uhren wurden uns abgenommen - es gab im ganzen Kinderheim keine Uhren - sodass wir nie wussten, wie spät es war. Die eigene Kleidung wurde durch Heimkleidung ersetzt.
Wir gingen von da an überall hin in 2er-Reihen, immer mit der entsprechenden "Nummer" an seiner Seite. Auch auf die Toilette, ca. 5x am Tag; dazwischen durfte man nicht. Während die Schlange vor der Tür wartete, musste man zusehen, dass man einmal am Tag "groß" machte, was man abends in der Runde berichten musste, bzw. was von den "Fräuleins" vor dem Spülen kontrolliert wurde. Wer 3x nicht "groß" gemacht hatte, musste ein Glas Seewasser trinken.
Die Abendrunden waren sehr unangenehm. Die Tageskleidung kam in einen Beutel, die Unterhosen mussten wir umgedreht vor allen in die Mitte legen. Wer sie "schmutzig gemacht " hatte, wurde getadelt. Besonders schockiert war ich, als ein Mädchen dort zum ersten Mal ihre Regel bekam und man das natürlich auch sah. Auch sie wurde von unserm Fräulein als schmutzig beschimpft.
Mein Nachbarsjunge, ca. 8 Jahre alt, bekam eine Kinderkrankheit (Windpocken oder Masern...). Ihm wurden wiederholt Vorwürfe gemacht, die Krankheit eingeschleppt zu haben.
Gegessen wurde immer in den festen Gruppen. Es gab sehr oft Milchreis. Man musste alles aufessen, ggf. stundenlang vor dem Teller sitzen bleiben, sonst wurde man mit Bettzeit bestraft. Einmal bekam ich mit, wie ein Kind sein Erbrochenes aufessen musste.
Schlafen mussten wir in Schlafsälen, immer mit dem Gesicht zur Wand. Reden war streng verboten. Die Schlafzeiten erschienen mir endlos, auch nachmittags. Dabei war ich mittags gar nicht müde. Manchmal hatte ich den Eindruck, sie lassen uns zum Abendessen gar nicht mehr aufstehen. Aber wir konnten ja nirgends auf die Uhr sehen.
Unseren Eltern durften wir ca. 2-3 mal schreiben. Die Inhalte wurden zensiert, d.h. bei negativen Aussagen mussten wir die Karte neu schreiben mit "Textvorschlägen" der Fräuleins. Wer nicht gehorchte, dem drohte man, ihn/sie auf Kosten der Eltern nach Hause zu schicken.
Die Eltern schickten Päckchen mit Süßigkeiten. Wir durften sie lange nicht aufmachen; aber 2-3 mal durften wir das. Dann mussten wir uns alles, was wir mochten, auf einen Teller laden und auf einmal aufessen. Uns war kotzübel!
Meine Sehnsucht nach Baden im Meer konnte ich mir abschminken. Wir waren 2, höchstens 3 mal am Strand. Wir gingen in der Gruppe ins Wasser und mussten im Kreis angefasst bleiben. Eigene Schwimmbewegungen waren nicht erlaubt.
Als wir nach Hause kamen, glaubten uns die Eltern, da wir unabhängig voneinander das Gleiche berichteten. Sie bedauerten uns wegen der enttäuschenden Ferien. Leider hatten sie nicht den Mut, sich zu beschweren oder zumindest die AOK, die den Aufenthalt bezahlt hat, zu informieren.
Moin, ich war mit 7 Jahren von Mitte August bis Mitte September 1967 auf Borkum im Haus Oberhausen. Diese Zeit war für mich völlig aus dem Gedächtnis verschwunden. Nach dem Bericht im Fernsehen und dem Lesen der Berichte hier im Forum kommen die Erinnerungen wieder. Ich bin damals nach 6 Wochen schwerem Keuchhusten über die BEK zur Kur gekommen. Ich war zu dünn. Später hatte ich ein Leben lang mit Übergewicht zu kämpfen. Das Lebensmotto meiner Mutter war immer "nur nicht auffallen." Vielleicht hat mich das in der Zeit gerettet. Ich habe keine wirklich schlimmen Erinnerungen an diese Zeit. Prügeleien unter uns Kindern gab es glaub ich nicht. Alles, was nicht schön war, die großen Schlafsäle, das pappige Essen, dass aufgegessen werden musste, die Wegnahme der eignenen Sachen, vorgeschriebene Postkarten, das alles sind Dinge, die alle erlebt haben. Ich habe sie damals auch klaglos hingenommen. Nicht auffallen und durchhalten.Irgendwann war ich zwischendurch krank in Borkum, aber was , weiss ich nicht mehr. Ich hab auch nach der Rückkehr nichts erzählt. Wozu? Es war vorbei. Jetzt fange ich langsam an zu begreifen, wie sehr mich das dennoch geprägt hat und welche Spuren es inmeinem Leben hinterlassen hat. Genau dieses damals eingeübte Verhalten hat mich immer begleitet. Ich habe eine hohe Leidensfähigkeit entwickelt. Vielleicht ist dies auch das Trauma der Kindheit, was zu meiner schweren Fibromyalgie geführt hat, wie mir Ärzte immer sagen. Ich habe es bisher abgestritten, denn da war ja nichts. Aber vielleicht kann ich mit den langsam zurückkommenden Erinnerungen jetzt arbeiten. Ich würde mich freuen, wenn es hier noch mehr gäbe, die Erinnerungen an dieses Haus auf Borkum haben. Ich habe noch zwei Namen im Kopf (ohne Anspruch auf Genauigkeit), die mit mir dort waren: eine Helga Kobbe aus Celle ud eine Almuth Engel aus Gifhorn.
1963/1964 Insel Borkum (ich war 5 J.) in unserem Schlafsaal konnte man nachts die Lichter des sich drehenden Leuchtturmes sehen. Grauenhafte Erinnerungen, Spritzen in den Po - Vitamine - du musst dicker werden, dabei war ich ganz normal, Bestrafungen stundenlang im dunklen, kalten Treppenhaus stehen, Essenszwang, Gemeinschaftsduschen Zwang - Panik und schreckliche Ängste, Demütigungen, schlafen, schlafen, schlafen. Geschenke die zum Geburtstag gesandt wurden - wurden verschenkt an andere weil man dies oder das - Taschengeld Null - Eselreiten versprochen - aber am nächsten Tag abgesagt - wegen ... du warst nicht artig Tomate nicht gegessen. Es war ein Alptraum - bis Heute - die Duschen auf dem Boden schmale Holzleisten und Eisendüsen oben an der Decke - vorher Panik und Angstmache - da in der Familie Menschen das KZ überlebt und nicht überlebt hatten - assozierte ich diese riesige Dusche mit dem Tod. Ich hatte Todesangst. Tagsüber allein im Riesenschlafsaal - nicht raus - ich sollte schlafen - Stubenarrest wegen der Tomate die nicht gegessen wurde - nachts lag ich wach - ich lag vorn rechts an der Tür und sah auf ein großes Fenster - Licht Leuchtturm - 1 x in den Dünen in 6 Wochen - NRW
Ich wurde zusammen mit meiner Cousine 1970 mit 4 Jahren für 6 Wochen nach Borkum zur Kur geschickt. Ärztlicher Rat, weil wir angeblich zu dünn wären. An den Namen des Hauses kann ich mich leider nicht mehr erinnern, es war eine kirchliche Einrichtung, das Heim lag direkt am Meer, ein Leuchtturm in der Nähe, Großes weißes Haus ist in meiner Erinnerung.
Meine Mutter hatte mir versprochen, dass es ganz wunderschön wäre dort, und sie mir ganz viele Briefe schreiben würde und auch ich ihr doch schreiben sollte.
Tatsächlich war der Ort schön, direkt am Meer, Leuchtturm, viele Kinder. Aber dann zeigte sich sehr schnell, dass wir in einem Heim/ Gefängnis waren und unsere Wärterinnen Sadistinnen.
Ich erinnere mich vor allem an die Angst und die Wut über die Ungerechtigkeiten. Zuerst wurden ich und meine gleichaltrige Cousine getrennt, ich habe sie 6 Wochen nicht einmal sehen oder sprechen können, dann wurden wir im großen Massen- Schlafsaal einem Bett zugewiesen. Meines stand so, dass ich vor der "Wickelkommode" stand. Jeden morgen mussten dort, die Kinder, die eingenässt hatten ihr Bettzeug abgeben, wurden beschimpft, gedemütigt und bestraft. Ich hatte Angst, dass es mir auch passieren könnte, so schlief ich in der Nacht nur schlecht. Jede Nacht wurde das Neonlicht 2 x eingeschaltet und alle Kinder, die einen Strumpf an ihr Bett gebunden hatten (das war das Zeichen) wurden geweckt und mussten auf die Toilette gehen. Die Wärterinnen standen vor der offenen Toilette und beobachteten die Kinder, ob sie auch wirklich Pipi machen.
Es gab immer mal wieder Spitzen in den Po, es gab sehr schlechtes fettes breiartiges Essen, man musste aufessen, sonst musste man sitzen bleiben. Ich habe mich manchmal übergeben, dann musste ich dennoch weiter essen. Da ich nicht gut aß, durfte ich auch nicht spielen. Der Spielzeugschrank war einmal am Tag für die "lieben" Kinder zugänglich. Die anderen mussten ins Bett. Wir konnten den Schrank und die spielenden Kinder sehen. Ich habe nicht einmal spielen dürfen. Ich schrieb meiner Mutter jeden Tag einen Brief (ich konnte bereits schreiben und lesen), dass sie mich bitte abhole. Jeden Tag kam Post, aber es gab für mich keine Briefe, meine Mutter hat auch keinen meiner Briefe erhalten. Ich habe gedacht, dass sie mich vergessen hat und nie wieder abholt. Dabei wurden unsere Briefe einfach nicht weitergegeben, Sie hatte immer geschrieben. Mein Vertrauen zu ihr war zerstört.
Einmal am Tag durften wir spazieren gehen, an einem Seil, auf dem Steg, im Sand sah ich Muscheln, sah das Meer und durfte nichts aufheben oder mal die Füße ins Wasser stecken. Nur in Reih und Glied marschieren auf einem Holzsteg. Danach wieder schlafen. Das schönste war die Singstunde. Ich erinnere mich an die Lieder, die wir lernten bis heute, die gaben mir Halt und Mut.
Zum Abschied bekamen wir einen Plastikleuchtturm und buntbemalte Muscheln in einem Säckchen. Ich habe das Geschenk sofort weggeschmissen. Als ich wieder zuhause war, war ich fett, aufgedunsen, Still und traurig, aß aber nun gar nicht mehr und die kindliche Lebensfreude war weg.
Die Angst, die Einsamkeit, die Demütigung aber bleiben für immer und tauchen auch heute nach 50 Jahren immer wieder in den Gedanken auf. Essen ist mir nie wieder richtig lieb geworden. Meine Cousine hat es nicht verkraftet, sie starb in der Psychiatrie mit 40 Jahren,
Liebe Elisabeth,
ich war 1967 auf Borkum zur Kur. Ich wusste den Namen des Hauses auch nicht mehr. Dank alter Postkarten und meiner Erinnerungen habe ich es gefunden. Es existiert heute noch als Teil einer anderen Einrichtungen. Die Bilder des Speisesaals haben bei mir sofort Erinnerungen ausgelöst. Gib die Suche nicht auf. Vielleicht war es das Adolfinenheim oder das Haus Santa Maria auf Borkum. Suche alte Fotos dazu. Es ist schlimm, was Dir passiert ist. Ich weiss heute nach den vielen Berichten, ich hatte noch viel Glück. Auch bei uns war es nicht schön, aber nicht so schlimm. Was ich aber tröstend finde, ich war nicht die Einzige der es so ging. Das gibt Kraft. Ich habe auch die gesamte Kinderheimzeit verdrängt. Ich habe weder Gutes noch Schlechtes damit in Verbindung gebracht. Es war wie weg. Langsam lüftet sich der Nebel. Auch die schönen Sachen kommen hoch. Meine Liebe zum Meer, das mir in schwierigen Situationen Kraft gibt und meine Fähigkeit mit Liedtexte zu merken bzw. mich mit Liedern zu trösten. Vor allem die Lieder aus dem Kinderheim kann ich immer noch. Sie haben mir wohl wie Dir auch geholfen. Die Einsamkeit, der Vertrauensverlust vieles hat mich geprägt. Ich wusste nie woher es kam. Je mehr ich mich damit auseinandersetze, je mehr verstehe ich mich jetzt.
Hallo Elisabeth,
ich war so um das Jahr 1975 in dem gleichen Heim Sancta Maria, Borkum. Auch bei mir hies es, das ich zu "schmächtig" bin, aussderm hatte ich Heuschnupfen. In dem Heim waren viele Kinder mit Asthma-Beschwerden, die jeden morgen und Nachmittag inhalieren mussten.
Während dieser Inhalationszeit hat sich niemand um mich gekümmert, ich musste entweder im Haus oder direkt vor dem Haus die Zeit absitzen.
Was Du über den Tagesablauf, das schlechte Essen, die Pflicht alles aufzuessen, dass dauernde Eingesperrtsein, die kurze Ausflüge, die Pflicht im Bett zu bleiben, besonders zur Mittagsruhe, der grosse Schlafsaal, das Zurückbehalten der Post, schreibst, kann ich alles bestätigen.
Nach dem Aufenthalt (ca. 6 Wochen) war ich von einem frechen, aufgeweckten, unbeschwerten zu einem schüchternen, in sich zurückgezogen Jungen mutiert.
Heute leide ich unter Depresssionen und Angstzuständen ....
Ich bin neu hier und eigentlich wollte ich nicht mehr darüber nachdenken. Dieser Zeit keinen Platz in meinen Gedanken geben aber das damals Erlebte ist bis heute geblieben.
Ich bin heute 60 Jahre. Damals war ich 9 Jahre. 1969 habe ich in mein Tagebuch geschrieben.
Ich war noch nie im Urlaub und schon gar nicht auf einer Insel. Jetzt mache ich Urlaub auf Borkum. Meine ständigen Asthma Anfälle hatten meine Mutter und den Doktor dazu gebracht eine Kinderheilkur beim Jugendamt zu beantragen.
Die Kinder-Verschickung wurde auch genehmigt und so habe ich sechs Wochen auf der Insel Borkum, im Kinderhaus Concordia verbracht. Das Haus war ein Gefängnis für Kinder die alle blauweißen Mützen tragen mussten, die nicht spielen, nicht reden und nicht fröhlich sein durften. Ich war 6 Wochen im Kindergefängnis, einmal bei Regen am Strand und unheimlich lange sechs Wochen traurig. Asthma ist doch kein Verbrechen.
Hallo, ich war 1966 auf Borkum im Adolfinenheim zur Kinderverschickung welches von strengen Nonnen geleitet wurde. Kinder wurden regelrecht gemästet sodass ich bis heute bestimmte Sachen nicht essen kann. Bestrafung war an der Tagesordnung z. B. mit nackten Füssen Stunden auf den kalten Boden in der Ecke stehen oder im extra Raum einsperren bis alles aufgegessen war.Nach sechs Wochen hatte ich auch dann ein paar kilos drauf, Ziel erreicht egal wie.
Nicole -
2024-02-25
Verschickungsheim: Kinderheim Concordia auf Borkum
Zeitraum-Jahr: Frühjahr 1982
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich wurde damals wegen Untergewicht und Atemweges Problemen Verschickt. Habe erst vor kurzem Erfahren das es so viele Kinder (heute Erwachsene ) gibt die diese Seelischen Grausamkeiten auch erleben mussten.
Ich erinnere mich daran das wir in der Gruppe ein Mädchen hatten das eine geistige Behinderung hatte und ganz alleine an einem Tisch sitzen musste 😠 und wenn sie auffällig war dann wurde sie vor unseren Augen geschlagen und misshandelt.
Das Essen war ekelhaft so das man es kaum runter bekommen hat. Habe oft bis abends vor meinem Teller gesessen. Jeden Tag mussten wir Meerwasser trinken das in riesigen Lenor Flaschen gelagert wurde.
Toilettengänge waren die reinste demütig, denn wir mussten rufen was es für ein Geschäft es war. Die Schwester kam dann und wischte sehr grob den po ab.
Jeden Abend mussten wir stramm vor unseren Betten stehen, wir wurden zu gedeckt und bestraft wenn wir uns zu oft bewegt haben.
Mein starkes Heimweh wurde ignoriert.
Uns wurde damit gedroht wenn wir zuhause was erzählen würden dann würden alle persönlich kommen und das aufklären.
Es war die schlimmste Erfahrung die ich in Menschen gemacht habe und tief in mir sitzt es noch sehr sehr fest.
Ulrike Leuten -
2024-02-13
Verschickungsheim: Borkum Adolfinenheim
Zeitraum-Jahr: November - Dezember 1966
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich bin von 1961 und war somit mit 5,6 Jahren in diesem grausamen Heim. Ins detail möchte ich nicht gehen, aber ich erinner mich so deutlich an ein blondes Zwillingspaar, 2 Jungens, die beim Essen mir gegenüber saßen. Es gab wieder diesen widerlichen Kakao. Einer von den Zwillingen hatte den Mut, ihr leergetrunkenes Kakaoglas mit meinem vollen Glas zu tauschen, so dass ich es nicht trinken mußte.
Bis heute fühle ich die Erleichterung über diese Heldentat. Vll liest einer von euch ja diesen Beitrag, wenn ja, dann nochmal danke 😊
Birgit -
2023-06-26
Verschickungsheim: Möwennest Borkum
Zeitraum-Jahr: 1974
Kontakt:
Ich habe leider kaum bis keine Erinnerung an diese Zeit. Nur, dass ich sehr krank nach Hause gekommen bin mit Furunkeln an der Haut und völlig abgemagert. Ich kann mich an meinen Schlafsaal erinnern und daran, dass ich starkes Heimweh hatte und viel geweint habe.
Zu essen gab es sehr oft Kartoffelpüree mit Roter Beete. Ekelhaft.
Axel Bremer -
2023-05-02
Verschickungsheim: Adolfinenheim Borkum
Zeitraum-Jahr: 1973
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Hallo Sabine, ich war im Winter 1973 im Adolfinenheim, und es war die Hölle. Ich war damals sechs Jahre.
Marina -
2023-03-24
Verschickungsheim: Borkum
Zeitraum-Jahr: 1970
Kontakt: Keine Angaben
In welchem Jahr ich dort war oder wie alt ich gewesen bin kann ich garnicht sagen. Ich wurde mit meinem Stiefbruder "verschickt", aber wir wurden gleich nach Ankunft getrennt. Das war doppelt schmerzhaft, weil ich mich umso einsamer fühlte. Er ist einen Monat älter als ich und wir waren wie Zwillinge.
Ich erinnere mich an folgende Episoden:
Beim Essen. "Du isst das jetzt!! Nein?!? “ Schwupps kam ein Löffel Spinat dazu und erst wenn ALLES aufgegessen war, durfte ich aufstehen. Das konnte mitunter Stunden dauern.
Beim Nägelschneiden unter Zwang wurde ich mit Gewalt festgehalten und dann bekam ich die Finger-und Fussnägel geschnitten. Ab und zu floss Blut; und auch wenn nicht tat es immer weh.
Beim Mittagsschlaf durfte man nicht aufstehen, sich bewegen oder die Augen öffnen. Ich wurde mit offenen Augen erwischt als die Nonne zur Kontrolle in den Schlafraum kam und musste dann mit meiner Decke in den Flur umziehen. Dort sollte ich dann auf dem kalten, harten Boden meinen Mittagsschlaf fortsetzen.
Beim Briefeschreiben wurde mir diktiert was ich zu schreiben habe. Am liebsten hätte ich geschrieben "bitte, bitte holt mich hier raus", aber es musste ein "wir haben so viel Spaß hier" werden. Das wurde kontrolliert. Die Nonne saß immer daneben.
Obwohl man schnell lernte sich anzupassen war es ein wochenlanges Martyrium bei dem man jederzeit mit dem Schlimmsten rechnete. Mein Bruder hat seine eigenen Geschichten die zum Teil noch schlimmer sind. Scheinbar hatten die Jungs es noch schwerer als wir Mädchen.
Überbehalten habe ich einen tief sitzenden Hass auf die Institution Kirche und ihre "Angestellten". Wohl zu Recht wie sich langsam aber sicher herausstellt.
Ich danke Allen für Ihre Arbeit an dieser Seite und den Betroffenen für Ihre Erzählungen.
Es tut gut zu wissen "Ich bin nicht allein"
Liebe Grüße, Marina
N. P. -
2023-02-21
Verschickungsheim: Sancta Maria Borkum
Zeitraum-Jahr: 1994
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Ich war im Jahre 1994 mit 14 Jahren 6 Wochen bei einer Kinderkur. An diese schreckliche Zeit habe ich sehr gute Erinnerungen:
Toilettengänge waren nachts verboten
Toilettengänge am Tag mussten bei der Betreuerin angemeldet werden und waren bei einer Betreuerin zeitlich begrenzt. Hierfür wurde eine Eieruhr auf 5 Minuten eingestellt. Bei Ablauf der Zeit wurde man vom WC abgeholt.
Duschen 1x wöchentlich, bei Periode täglich. Hierfür musste man beweisen, dass man seine Periode hat.
Wöchentlich mussten aus einer Kiste mit schmutziger Wäsche aller Kinder die eigene Unterwäsche gesucht und vor allen gezählt werden. Ich hatte einmal einmal zu wenig verbraucht. Ursache Wäschewechsel zu Hause morgens, in der Klinik abends. Meine Versuche das zu erklären wurden abgebrochen und ich wurde als dreckig vor allen beschimpft.
Eltern durften nicht kontaktiert werden in der ersten Woche. Danach wurden Briefe nachmittags verteilt. Diese mussten wir vor allen vorlesen.
Briefe wurden kontrolliert bevor wir die versenden durften.
Tisch für zu dünne kinder: Sahnemilchgemisch musste ausgetrunken werden. Essen, welches nicht gegessen wurde, wurde immer wieder aufgetischt. In Wurstscheiben waren die Gruppennamen geritzt, auch bei Götterspeise (Orange). Die Wurstscheiben waren grau und wellten sich.
Läusekämmen, ich hatte Schuppen. Das haben die Betreuerinnen zunächst nicht erkannt, so musste ich im Schlafraum alleine warten, gefühlt eine Ewigkeit. Als ich zurück in den Gruppenraum durfte, haben mich alle wegen angeblicher Läuse gehänselt.
Ich hatte Geburtstag während der Zeit. Mein Paket von den Eltern musste ich vor allen öffnen. Die Süßigkeiten wurden mir sofort abgenommen und an alle verteilt. Der Karton roch nach zu Hause, ich wollte den deshalb unbedingt behalten. Aber der wurde mir aus der Hand genommen und weggeworfen.
Es musste täglich mehrfach gebetet werden, Gottesdienst mitgestaltet werden, unabhängig von Glauben, Glaubensrichtung.
Ein Junge aus einer Gruppe hatte sich verlaufen und fragte mich nach dem Weg. Ich kam gerade vom WC. Ich versuchte zu helfen, wurde erwischt und durfte als Strafe den restlichen Tag (nach dem Mittag bis nach dem Abendbrot) nicht mehr auf WC.
Kallenbach -
2022-03-23
Verschickungsheim: ? Borkum
Zeitraum-Jahr: 1971
Kontakt:
Wie kann man man herausfinden in welchem Heim man gewesen ist?
Meine Schwester und Cousine waren 1971 auf Kur dort. Beide waren vier Jahre alt und sollten dort aufgepäppelte werden weil beide sehr dünn waren
Wir wohnten damals in Bensberg und Bergisch Gladbach
Welches Heim könnte es gewesen sein.
Krankenkasse war die Barmer
Beide kamen ziemlich traumatisierte zurück und haben sich nicht davon erholt
Elisabeth -
2022-02-16
Verschickungsheim: Borkum
Zeitraum-Jahr: 1970/71
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
An was ich mich erinnere: Es muss im Jahre 71 oder 72 gewesen sein. Ich kam aus Bergisch Gladbach. Der Kinderarzt hatte meinen Eltern empfohlen, mich in
eine Kur zu schicken, da ich Untergewicht hatte. Ich war ein sehr mutiges, lustiges und intelligentes Kind, dennoch wollte ich nicht alleine fahren. So wurde auch meine gleichaltrige Kousine mitgeschickt.
Wir freuten uns darauf, weil wir sehr befreundet waren. Wir waren 4-5 Jahre alt.
Das Haus war in meiner Erinnerung direkt am Strand, es gab einen Holz-Steg am Meer entlang, auf dem wir spazieren gegangen wurden (wir durften nicht ans
Meer, obwohl so nah). In dem Haus gab es mehrere große Schlafsääle mit Betten in ca 1, 5 m Abstand an einer Seite in dem Saal, wo ich mein Bett hatte. Auf der anderen Seite waren eine Art Wickeltische. Es muss einen weiteren Schlafsaal gegeben haben, denn meine Kousine habe ich die 6 Wochen meines Aufenthaltes nicht gesehen, wir wurden bewußt getrennt. Es gab einen lichten Raum mit großen Fenstern, wo wir Kinderlieder sangen.
In meinem Gehirn ist das Lied, "Es war ein kleines Segelschiffchen" eingebrannt.
Es gab einen Essaal, aber daran erinnere ich mich nicht mehr so genau, nur dass ich dort Stunden über Stunden sitzen musste, bis ich mein Essen aufgegessen hatte.
Dann gab es ein Zimmer mit einem Schrank, in dem die Spielsachen weggeschlossen waren. Einige wenige auserwählte Kinder durften damit spielen, ich war leider nie dabei. Und es gab Toiletten mit mehreren Toilletten nebeneinander abgetrennt
durch Zwischenwände, aber in meiner Erinnerung ohne Türen. Diese
Toilettenanlage war direkt neben den Schlafsäälen, ich konnte sie von meinem Bett aus sehen, das Licht war immer an und nachts wurden Kinder, die einen Strumpf ans Bett gebunden hatten (als Zeichen, dass sie ins Bett machen könnten) mehrfach geweckt und mussten dort unter Aufsicht pinkeln. Kinder, die dennoch ins Bett machten, mussten am Morgen mit
ihrer Bettwäsche an die Wickeltische treten und wurden bestraft (Schläge und Beschimpfungen). Ich hatte große Angst vor den Aufseherinnen, die sehr viel schimpften und schlugen.
Ich konnte bereits ganz gut lesen und schreiben (meine Schwester kam in die Schule,als ich 4 war und ich habe es einfach mitgelernt) Ich hatte mit meiner Mutter verabredet, dass ich ihr jeden Tag schreibe und male, was ich sehe und erlebe und sie mir. Ich habe das getan, ich bat sie, mich abzuholen. Schrieb, dass man uns schlägt und ich nur den ganzen Tag
zum Essen gezwungen werde. Die Briefe gab ich den Aufseherinnen. Diese wurden aber nie abgeschickt. Die Briefe meiner Mutter wurden mir nicht
ausgehändigt. Andere Kinder bekamen Briefe und Pakete von den Eltern, aber ich erhielt nichts. So hörte ich nichts von ihr 6 Wochen lang, sah meine Kousine nicht und habe gedacht, dass ich nie wieder nach Haus komme. Ich dachte, meine Eltern hätten beschlossen, mich für immer in ein Heim zu geben und mich nur angelogen, dass das eine schöne Kur am Meer sei. Ich
fragte nach meiner Kousine, bekam aber keine Antwort. Überhaupt gab es wenig Gesprächsmöglichkeit mit anderen Kindern oder Erwachsenen. Es wurde nicht gewünscht und so verstummte ich mehr und mehr. Nur die
Singstunden sind mir als schön in Erinnerung geblieben, weil ich da einfach singen durfte.
Bei den Spaziergängen mussten wir in Reih und Glied auf den Holzstegen gehen, an Mützen kann ich mich nicht erinnern. Nur das wir komplett angezogen waren und an das Meer in Reichweite, die Muscheln, die ich so gerne angefasst oder gesammelt hätte. Aber wir durften uns nicht aus der Reihe bewegen. Stattdessen wurden wir aufgefordert "Ein Hut ein Stock ein Regenschirm und vorwärts rückwärts seitwärts ran zu sprechen und in diesem Rhythmus zu marschieren.
Am Ende der Kur erhielten wir als Geschenk einen Plastikleuchtturm und gefärbte Muscheln und einem Säckchen. Ich habe das sofort weggeschmissen. Ich hatte mindestens sehr zugenommen, sprach nicht
mehr und wollte auch gar nicht mehr essen (die Kilos waren in Kürze wieder runter. Ich hatte dann Jahre Land ständig Blasenentzündung (psychosomatisch vermute ich, weil ich dort immer einhalten musste und daher so gut wie nichts mehr trank, um nicht ins Bett oder in die Hose zu machen, da ja die Toilettengänge stark eingeschränkt waren und ich mich vor den offenen Toiletten fürchtete. Meine Kousine konnte sich an nicht erinnern, auch sie war stumm, traurig und fett gefüttert worden. Was ihr
passiert ist, weiß ich nicht, als Jugendliche ist sie krank psychisch erkrankt, sprach davon vergewaltigt worden zu sein (wo das sagte sie nicht) und starb mit 40 in der geschlossenen Psychatrie.
Dr. Martin Rosebrock -
2021-12-17
Verschickungsheim: Borkum, Triberg
Zeitraum-Jahr: 1962 und 1964
Kontakt: Keine Angaben
Hallo zusammen,
erschütternd, was man da liest ... aber ich habe in zwei Verschickungen gute Erfahrungen gemacht. Ok, die Erinnerung ist nicht mehr richtig da, aber so Momente, bspw. gemeinsam Blaubeerensammeln (und essen) im Schwarzwald, leckeren Blumenkohl, den ich mir nachgeholt habe, so ein paar Dinge sind noch ein bisschen präsent. Also es war nicht überall schlimm.
Grüße Martin Rosebrock
Julia -
2021-12-03
Verschickungsheim: Borkum, Kinderkurheim St.Maria
Zeitraum-Jahr: 1977
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Guten Tag und herzliche Grüße,
ich hatte diese Verschickung jahrzehntelang nicht als Trauma im Blick. Lediglich mein Unfall dort (beim Fangenspielen aufs Gesicht gestürzt) der mich meine Schneidezähne gekostet hat, erinnert mich täglich daran, da ich die Kronen ständig spüre. Die Schwester (Herrmann Frieda?) hat mich vor allen Anwesenden ausgelacht, ob der fehlenden Zahnstücke...ich sehe ja nun aus, wie ihre Großmutter. Mein Körper hatte zudem viele Abschürfungen vom Sturz auf den sandbedeckten Betonboden.
Ich war 9 Jahre alt beim Aufenthalt im August und September 1977. Für 4 Wochen in 'St. Maria'. Erinnere mich an herzlose Schwestern und eine liebevolle Pflegerin, Frl. Helga. Durfte nicht mit auf eine Nachtwanderung, weil ich geweint hatte (Heimweh aufgrund eines Briefes meines großen Bruders). Ich kann mich darüber hinaus an so gut wie nichts erinnern, spüre aber, dass mich irgendetwas von damals bis heute - bin knapp 54 Jahre alt - blockiert. Ich irgendwie nicht in meine Lebenskraft komme. Ich lese die Berichte anderer Betroffener und spüre kaum, dass es auch mir ähnlich ergangen sein muss. Komplett verdrängt. Das erschreckt mich zutiefst.
Beim kürzlichen Aufräumen fand ich 2 Postkarten, die ich an meine Eltern schrieb. In recht fröhlichen Worten schildere ich, was wir so erleben. Z.B. Kinofilm geschaut (Onkel Toms Hütte). Wurden wir medikamentös ruhig gestellt?
Ich wäre sehr froh, wenn es Jemanden gibt der mit mir vll sogar zur gleichen Zeit da war und mir 'auf die Sprünge helfen' kann.
Liebe Grüße aus Hamburg.
Julia Arendt -
2021-12-03
Verschickungsheim: Borkum, Kinderkurheim St.Maria
Zeitraum-Jahr: 1977
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Guten Tag und herzliche Grüße,
ich hatte diese Verschickung jahrzehntelang nicht als Trauma im Blick. Lediglich mein Unfall dort (beim Fangenspielen aufs Gesicht gestürzt) der mich meine Schneidezähne gekostet hat, erinnert mich täglich daran, da ich die Kronen ständig spüre. Die Schwester (Herrmann Frieda?) hat mich vor allen Anwesenden ausgelacht, ob der fehlenden Zahnstücke...ich sehe ja nun aus, wie ihre Großmutter. Mein Körper hatte zudem viele Abschürfungen vom Sturz auf den sandbedeckten Betonboden.
Ich war 9 Jahre alt beim Aufenthalt im August und September 1977. Für 4 Wochen in 'St. Maria'. Erinnere mich an herzlose Schwestern und eine liebevolle Pflegerin, Frl. Helga. Durfte nicht mit auf eine Nachtwanderung, weil ich geweint hatte (Heimweh aufgrund eines Briefes meines großen Bruders). Ich kann mich darüber hinaus an so gut wie nichts erinnern, spüre aber, dass mich irgendetwas von damals bis heute - bin knapp 54 Jahre alt - blockiert. Ich irgendwie nicht in meine Lebenskraft komme. Ich lese die Berichte anderer Betroffener und spüre kaum, dass es auch mir ähnlich ergangen sein muss. Komplett verdrängt. Das erschreckt mich zutiefst.
Beim kürzlichen Aufräumen fand ich 2 Postkarten, die ich an meine Eltern schrieb. In recht fröhlichen Worten schildere ich, was wir so erleben. Z.B. Kinofilm geschaut (Onkel Toms Hütte). Wurden wir medikamentös ruhig gestellt?
Ich wäre sehr froh, wenn es Jemanden gibt der mit mir vll sogar zur gleichen Zeit da war und mir 'auf die Sprünge helfen' kann.
Liebe Grüße aus Hamburg.
Petra -
2021-06-17
Verschickungsheim: Borkum Friesenhörn
Zeitraum-Jahr: 05.06.1967- 15.08.1967
Kontakt: Kontakt Erwünscht
Der Aufenthalt war mit Höhen und Tiefen verbunden. Das erste Mal allein von den Eltern getrennt. Es herrschte ein rüder Ton - vor allem bei den Mahlzeiten wurden wir gezwungen, den Teller leer zu essen jeweils eine Tortur , wenn du als untergewichtig eingestuft wurdest. Nachts wurden wir von der Nachtschwester reglementiert, wenn wir nicht schlafen konnten, mußten wir uns zur Wand drehen und stillsein selbst wenn wir vor Heimweh und Kummer weinten. In der Tagesbetreuung konnten wir etwas Luft holen, aber insgesamt war das eine traumatische Erfahrung. Unmittelbar nach Rückkehr bin ich 6 Wochen mit schweren Atemwegsbeschwerden, die der eigentliche Kuranlass waren , wieder erkrankt.
Herb Newen -
2021-05-05
Verschickungsheim: Borkum + Bad Reichenhall
Zeitraum-Jahr: 61 + 63
Mein Name ist Herb(ert) Newen, Jahrgang 1957.
Anfang der 60er Jahre wurde ich auf dringendes Anraten meines Kinderarztes zweimal zu sog. Kinderkuren verschickt, da mein Vater starker Asthmatiker war und mir dieses Schicksal unbedingt erspart bleiben sollte. Gut gedacht, aber leider nicht auch gut gemacht! Denn anders als bei heutigen Eltern-Kindkuren, bin ich damals als 3,5 und nochmals als 5-Jähriger, im wahrsten Sinne des Wortes, mutterseelen-alleine ver- bzw. weggeschickt worden. Dabei dürfte ich, als Kind diesen Alters, die jeweiligen sechs Wochen sicherlich als unübersehbaren Zeitraum, eher als endgültige und finale Trennung von meiner Familie und sämtlichem Liebgewonnen empfunden haben.
Seit jeher war ich ein durchaus quirlliges und lebensfrohes Kind und habe mir dies glücklicherweise auch während dieser Leidenszeit nicht ´nehmen lassen´! Dies allerdings mit fatalen Folgen, die meinen Lebensweg bis zum heutigen Tage grundlegend - oder sollte ich zutreffender formulieren - ´grund-nehmend´ beeinflusst und belastet haben!
So erwartete uns damals, nach der radikalen Trennung von unseren Familien vermeindlich allein gelassen, in den Kinderheimen ein rigoroses, ja gnadenloses Regime der sog. `lieben Fräuleins´. Überwiegend Damen mittleren Alters mit fragwürdigstem Hang zu unverantwortlichen, ja menschenverachtenden `Erziehungs´-Methoden.
Da ich mir meine Lebendigkeit trotz allem nicht `aberziehen` lassen wollte, kam es, wie es kommen musste: So war in dem Heim u.a. nach dem Zubettgehen absolute Bettruhe angeordnet! Als in unserem Schlafsaal dennoch einmal leises Getuschel festgestellt wurde, bin prompt ich als `Rädelsführer`ausgemacht worden, was für mich fatale Konsequenzen nach sich ziehen sollte: So wurde ich in der Nacht rigoros aus meinem Bettchen gerissen, durfte fluchtartig nur mein Kopfkissen mitnehmen und musste der `lieben Tante´ barfüßig auf einen kalten, stockdunklen Dachspeicher folgen, innerhalb dessen ich, in einen beengten Holzverschlag gesperrt, auf einer kargen Pritsche mucksmäuschenstill die Nacht verbringen musste.
Mein einziger Halt in dieser ´finsteren Hölle` war mein kleiner Löwe, den ich - streng verbotener Weise - dennoch in meinem Kopfkissen mitgeschmuggelt und an den ich mich in meiner Verzweiflung geklammert habe, so winzig klein dieser auch war. Nur wenige Zentimeter groß, war Leon für mich dennoch der Größte, mein einziger Begleiter durch diese grausame und nicht enden wollende Nacht in meinem hölzernen Verlies.
Nach Rückkehr aus der zweiten Verschickungskur habe ich jahrelang wieder eingenässt und schleichend einen Sprechfehler entwickelt, der mich - mal mehr, mal weniger - bis zum heutigen Tage durch mein gesamtes Leben begleitet.
Glücklicherweise haben meine Eltern schon damals therapeutischen Rat bei einer Familienberatung gesucht, so dass ich die Aufarbeitung meiner traumatischen Erlebnisse dieser `Erholungskuren´aufnehmen konnte. Negativste Prägungen, wie z.B. eine grds. Skepsis hinsichtlich meines Vertrauens in die `Verlässigkeit und eines Gehörtwerdens` von handelnden Personen, kann ich dennoch bis zum heutigen Tage bei mir in Tendenzen immer wieder feststellen.
Aufgrund der erfolgten Aufarbeitung meines Kindheitstraumas liegt mein primäres Augenmerk heute, anders als bei vielen anderen der Verschickungskinder-Initiative ( `www.verschickungsheime.de´ ), nicht mehr auf Selbstreflektion und Aufklärung von Verantwortlichkeiten und der menschenverachtenden Strukturen, sondern vielmehr darauf, Kindern und anderen Schutzbedürftigen eine Stimme zu geben! Darauf, mehr Achtsamkeit auf deren ganz individuellen Erlebniswelten zu lenken, da meines Erachtens nach wie vor Schutzbefohlenen, die ihren Bedürfnissen nicht den entsprechend Aus- bzw. Nachdruck verleihen können, auch heute noch viel zu wenig ´Einfühlung´-svermögen und Achtsamkeit entgegen gebracht wird. Sei es am Anfang des Lebenszylus als Kinder, oder auch an dessen Ende, als hochbetagte Senioren.
Sicherlich geprägt durch meine eigenen Erlebnisse und bestätigt auch während meiner späteren Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie, habe ich mich schon immer vehement für die Bedürfnisse von Kindern eingesetzt, am stärksten natürlich in Bezug auf meine eigene Tochter. Dies übrigens meist belächelt und sogar gegen den Widerstand ihrer eigenen Mutter, denn ´...Kinder kriegen doch noch gar nicht so viel mit`. M.E. eine fatale Fehleinschätzung, und das noch Anfang der 90er.
Obwohl sich mittlerweile Vieles bereits zum Positiven hin ´ent-wickelt´ hat, werden allerdings weiterhin - teils zwar in subtilerer Form - Bedürfnisse von Kindern oft eher nachrangig behandelt, sondern primär das Empfinden, die Einschätzung und die eigene Zielsetzung der Erwachsenen in den Vordergrund gestellt.
Beispielhaft sei hier etwa die lapidar erscheinende Aufforderung angeführt, `...als Kind lieb zu sein und der Oma ein Küsschen zu geben´. Oder auch `....stell Dich nicht so an, andere Kinder üben auch jeden Tag Klavierspielen, gehen zum Tennisclub, lernen Einradfahren`.
Oder, wie gesagt, am anderen Ende des Lebenszyklus, `...na komm, der Opa versteht das sowieso nicht mehr`. Oft vordergründig gar gut gemeint; aber auch gut ge- bzw. bedacht?
Das für mein Empfinden einzig Richtige z.B. an der `Opa`-Aussage ist das `Verstehen`. Denn ´verstehen´ können ganz junge, oder auch hochbetagte Menschen vieles kognitiv wohl tatsächlich noch nicht, bzw. nicht mehr; erleben, empfinden und sehr wohl wahrnehmen allerdings sicherlich Vieles mehr, als uns in unserer oftmals unbedachten, vllt. sogar anmaßenden Sichtweise bewusst sein dürfte.
Zum Wohle v.a. der Kinder wäre es äußerst wünschenswert, wenn sich das Handeln von uns Erwachsenen primär an deren ganz individuellen Bedürfnissen und Erlebniswelten ausrichten würde, und nicht an unseren eigenen Sichtweisen, Einschätzungen und Interessen. Sei es bei der Begleitung während der Findung eines Hobbies, bis hin z.B. auch im Zusammenhang mit Scheidungen, wobei gerade auch in diesen, für Kinder äußerst belastenden Zeiten, viel zu oft Kinder teilweise auch als Werkzeuge der eigenen Empfindlichkeiten der Erwachsenen `missbraucht´, und viel zu wenig deren berechtigte, kindgerechten Bedürfnisse als maßgeblich berücksichtigt werden. Denn nicht nur damals bei den `lieben Tanten´, sondern oftmals auch noch in den heutigen, fraglos aufgeklärteren Zeiten, scheinen Überlegenheit, Manipulation und Macht - ob bewusst, oder unbewusst - weiterhin nicht unwesentliche Triebfedern menschlichen Handelns zu sein. Dies nach wie vor mit teils fatalen Prägungen und Auswirkungen auf so manchem Lebensweg.
Wie heißt es in einem Lied von H.Grönemeyer: ´Kinder an die Macht´. Soweit braucht man/frau ja nicht unbedingt zu gehen, aber ein Mehr an Achtsamkeit, an Verständnis und Einbeziehung, im kindgerechten und bestgemeinten Sinne, wäre meines Erachtens ´Not-wendig´, auch - und immer noch - in unserer fraglos positiv weiterentwickelten Zeit!
Ganz im Sinne der durchaus tiefgründigen Botschaft des Hollywood-Blockbuster Avatar: `Ich sehe Dich! Ich sehe Deine wahre Natur, wer Du wirklich bist`.
Sabine Scheer -
2021-02-08
Verschickungsheim: Borkum
Zeitraum-Jahr: 1966/67
Ich war 5 Jahre alt und kann mich an so gut wie nichts mehr erinnern. Nicht an Personen, nicht an das Haus und nicht an die Umgebung, nur an sehr großes Heimweh und daran, dass ich, weil ich wohl nachts keine Ruhe gab, aus dem Gemeinschaftsschlafraum ganz allein für mehrere Nächte in eine Dachkammer eingeschlossen wurde. Alles dort war aus Holz und es gab nur ein kleines Fenster, ein Bett und die betenden Hände von Dürer an der Wand. Als meine Eltern mich nach der Heimreise am Bahnhof abholten, muss ich wohl erbärmlich ausgesehen haben. Ich weinte, war braun gebrannt und dünn. Trotz sommerlicher Temperaturen trug ich meinen Wintermantel und an den Füßen zwei unterschiedliche Schuhe, die nicht mir gehörten. Danach war ich wochenlang sehr krank, der Kinderarzt sagte, das sei seelisch bedingt. Meine Eltern waren entsetzt und „verschickten“ mich nie wieder.
Dr. Jürgen Baumgart -
2021-01-10
Verschickungsheim: Sanatorium Dr. Bensch Borkum
Zeitraum-Jahr: 1958 1960. 1962
Wegen Unterernährung war ich ich 3 Mal für jeweils 6 Wochen auf der „ Milchsuppeninsel“.
Meine ekelhafteste Erinnerung ist die an die
„Tanten“,
Vor allem Tante Gesche, die mich gezwungen hat, erbrochenen Kochfisch erneut zu essen.
Ein Pfleger hat mich dabei festgehalten.
Die Mittagsruhe war die reinste Schikane.
Der Schlafsaal mit 10 Kindern hatte einen Nachttopf. Den musste ich, der Jüngste randvoll
gepinkelt ausleeren.
Da ging jedes Mal was daneben. Ich musste danach den Flur mit einer Zahnbürste schrubben.
Die endlosen Wanderungen ohne Trinken waren eine Plage.
Da half auch die Prämierung der „ Mastopfer“
Am Ende der Kur nicht. MancheKinder haben 10 Teller Milchsuppe am Abend essen müssen, um das Mastziel zu erreichen.
Ich habe nach 1962 diese Insel bewusst nicht mehr aufgesucht, obwohl ich als Hobbysegler
Eine Affinität zu Wasser habe.
beate Schubert -
2020-12-07
Verschickungsheim: Sancta Maria Borkum
Zeitraum-Jahr: Sommer 1965
Nachtrag/Ergänzungen zum Zeugnis vom 7.12.2020
Ich habe den Text ohne erneute Fehlerkorrektur abgesandt, da er mir schon einmal zerschossen wurde.
Deshalb möchte ich hier anfügen:
Es ist gut, dass " Erinnerungskultur " seit spätestens 1990 ein wichtiges Menschenrecht ist. Allzu oft erlebt man, dass einem gesagt wird, ach was sollen die alten Geschichten noch bewirken?
Sie sind nicht nur ein Mittel der persönlichen Lebensreflektion und -biografie, sondern auch ein gesellschaftlich stark prägender Umstand besonders in den Jahren 1950-1970 gewesen. Denn sie geschahen in einem Klima des allseitig verordneten Schweigens über die brutalen Folgen des Krieges und seiner Verwüstungen an den Seelen der Menschen, nicht nur des Materiellen. Aus diesen Zeiten gingen Menschen in maßgeblichen Positionen in der frühen BRD hervor, ob in der Politik Adenauers, der Obersten Gerichte, des Bundestages, der -Regierung, der Schulen etc. Sie schwiegen zwar - denn mit diesen Menschen sollte der Neuaufbau BRD gelingen und Schuld keine behindernde Rolle spielen - aber mit ihren Prägungen und Indoktrinierungen begegneten sie in ihrer Arbeit den Menschen, vor allem den unschuldigen Kindern.
Schwarze Pädagogik war an der Tagesordnung, Drill und Gehorsam und Ordnung.
Ich empfehle den Lesern dieses Forums die verinnerlichte und reflektierte Bearbeitung der Vergangenheit und die Wachsamkeit in der Gegenwart ohne sich darauf zu beschränken sich viktimisiert zu fühlen oder lassen.
Gute Literatur für eine kreative und wirkungsvolle Erinnerungskultur in jedweder gesellschaftlichen Beziehung finden Sie bei Aleida Assmann in " Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur ". Erschienen bei CH Beck.
Nicht das Rückbeziehen auf eine Opferrolle hilft uns und der Gesellschaft weiter, sondern das Identifizieren mit allen kulturellen Verwerfungen und Verhaltensmustern.
Gruß B. Schubert
Claudia Genings -
2020-11-15
Verschickungsheim: Borkum Oberlin - ich weis es aber nicht genau kann auch das Adolfinenheim gew. sein. Es war ein großes weißes Haus
Zeitraum-Jahr: 1964
starrating: 0
Es war die Hölle - habe nur geweint und sehr starkes Heimweh gehabt. Die Erzieherin hat mich auf 6 Wochen lang auf Flüssigkeitsentzug gesetzt, obwohl ich eigentlich wegen einer Nierenbeckenentzündung nicht eingeschult worden bin und ich ganz viel hätte trinken müssen. Die Gruppenleiterin hat alle Kinder auf mich angesetzt aufzupassen, daß ich nichts trinken soll - habe mich nachts auf die Toilette geschlichen und das Trinken nachgeholt - oft haben mich die Mädchen beim Zähneputzen / Gurgeln verpetzt, nur um bei der Gruppenleiterin zu "punkten" und diese gab mir dann grundlos vor allen anderen Kindern (die dann mich auslachten) eine schallende Ohrfeige. Dann hat die Gruppenleiterin mich fast jede Nacht mit samt meiner Bettdecke auf den langen kalten Korridor gestellt und ich mußt die ganze Nacht dort stehen und habe geweint. Meine Mutter hat mir ein Paket mit Süßigkeiten geschickt und man hat es mir direkt abgenommmen. Ich weis nicht mehr wie dieses Kurheim hieß - habe es nur noch als großes weißes Haus in Errinnerung und ein weißer langer Zaun - weiß vielleicht jemand wie das hieß?
Liebe Grüße
Claudia
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