AWO-Studie zum Kinderkurheim Stauffenhof liegt vor

19.11.24: Die AWO Bayern legt nun auch eine Studie zu den von ihnen betriebenen Kinderkurheimen, mit dem Schwerpunkt Stauffenhof vor. Dazu beauftragten sie die Historiker Johannes Lang und Hermann Rumschöttel.

Wir zitieren aus der PM:

Es waren und es sind in erster Linie die ehemaligen Kurkinder selbst, die die Öffentlichkeit auf Missstände in jenen Einrichtungen aufmerksam gemacht haben, in denen sie während der Nachkriegszeit eigentlich kuren und entsprechend einfühlsam umsorgt werden sollten, aber oftmals Traumatisches erlitten haben. Auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bayern hat damals Kinderkurheime betrieben und ist in jüngster Zeit Hinweisen von ehemaligen Kurkindern zu fragwürdiger Pädagogik in einem, dem Stauffenhof, nachgegangen” „Individuelle Leiderfahrung machten Kinder und Jugendliche auch im ,Stauffenhof‘, angefangen bei unstillbarem Heimweh bis hin zum traumatischen Erleben.”

Die Studie kommt im Fazit zu folgenden Ergebnissen:

  1. Zum Gewalterleben spielt die persönliche Resilienz einen entscheidenden Faktor.
  2. Die Einzelfälle lassen nicht den Schluss zu, dass es in dem Kinderkurheim systematische Gewalt aus niederen Beweggründen gegeben hat
  3. Der AWO-Landesverband bedauert, dass Kinder in ihren Heimen negative Erfahrungen machen mussten
  4. Der AWO-Landesverband verurteilt das Verhalten “einzelner ehemaliger Mitarbeter:innen” ausdrücklich

Die vorliegende historische Bestandsaufnahme versteht sich aber nach meinung der AWO Bayern als ein vorläufiger Arbeitsbericht. Darüber hinaus sollen weitere Forschungen angeregt werden, um ein umfassendes Bild über die Kinderkurheime in Bayern ab 1945 zu erlangen. Diese sollte vom Freistaat Bayern, analog zur im Jahr 2022 veröffentlichten Studie des Sozialministeriums in NRW, in Auftrag gegeben werden, für die dann die AWO-Studie als ein Baustein zur Verfügung stünde.

WICHTIG:

In diesem Heim ist einstmals Margret R. als Sechsjährige damit bedroht worden, dass man sie, wenn sie weiter “schwatzen” würde (obgleich sie nichts gesagt hatte) im Keller im Ofen verbrennen würde. Danach wurde sie aus ihrem Bett herausgeholt, gewaltsam in einen Sack gestopft und die Kellertreppe herunter vor einen großen Ofen gezerrt, in den sie hineingepasst hätte. Sie schrie in heilloser Todesangst und verlor das Bewusstein, das verfolgt sie bis heute. (siehe Röhl, Anja, 2021: Heimweh-Verschickungskinder erzählen, S. 119 (Tonbandprotokolle von Verschickungskindern)

Weitere BETROFFENENAUSSAGEN:

Wir haben 66 öffentliche Berichte in unserem Gästebuch zu Bad Reichenhall, nicht alle können dabei sagen, wie ihr Heim hieß, man kann bei etlichen aber auf die Asthma-Heilstätte Stauffenhof rückschließen. Zitate aus unserem Gästebuch ZEUGNIS ABLEGEN:

.… Im August 1956 war ich ” zur Erholung” nach Bad Reichenhall in den Staufenhof geschickt worden. Durch eine Fernsehsendung heute wurde ich daran erinnert, was ich seit damals verdrängt habe. Es war eine schreckliche Zeit – für mich entsetzlich die sogenannten Abhärtungsmassnahmen: Nackt in einem gekachelten großen Kellerraum wurden wir mit kaltem Wasser aus Gartenschläuchen kalt abgeduscht und dann mit Zweigen von Birken abgeschlagen. Schreckliches Porridge zum Frühstück. Die Liste ließe sich lang fortsetzen wie z. B. barfuß im Nachthemd in der Ecke stehen, wenn man nach dem Hinlegen abends noch ein Wort gesprochen hat. Ich habe das alles offensichtlich erfolgreich verdrängt, aber es hatte Auswirkungen auf die Zeit danach! Leider sind meine Eltern schon vor über 30 Jahren verstorben, ich hätte viele Fragen! Nach langem Suchen habe ich noch ein Foto von dort gefunden. Es würde mich interessieren , ob sich noch jemand aus dieser Zeit daran erinnern kann. Ich war damals 9 Jahre alt. Mit freundlichen Grüßen, Uta K. ( damals Heinz)

(aus Gästebuch der Homepage: www.verschickungsheime.de, am 22.2.22)

…”Ich weiß noch, dass ich von Giessen aus mit einem Sammeltransport nach Bad Reichenhall kam. Im Heim sehe ich noch den großen Schlafsaal und den Essraum mit blanken Holztischen und -Stühlen vor mir. Da ich von Haus aus durch entsprechende Erziehung ein besonders angepasstes Kind war, kann ich mich nicht an besondere Erziehungsmassnahmen erinnern, von denen andere berichten. Eine Situation bleibt aber mit Scham verbunden auf ewig in mir. Aufgrund ererbter Schwerhörigkeit konnte ich die Texte der morgendlich gesungenen Volkslieder nicht verstehen. Beim Versuch das zu vertuschen und nur Mundbewegungen zu machen, fiel ich auf. So musste ich vor den vollbesetzten Saal treten und sollte allein vorsingen. Da das nicht klappte, wurde ich heruntergeputzt und lächerlich gemacht. Das hat sich eingebrannt, denn ich konnte ja nichts dafür. Mir wurde aber auch nicht geholfen. Ich hab mich unendlich geschämt und bloßgestellt gefühlt. Noch heute bin ich ein Gerechtigkeitsfanatiker. Ansonsten erinnere ich einen Gottesdienstbesuch in einer Kath. Kirche, wo eine von uns ohnmächtig wurde wegen dem Geruch des Weihrauches. Eine gute Erinnerung habe ich an einen Ausflug nach Salzburg. Ich besitze ein kleines Album mit gesammelten Ansichtskarten aus Bad Reichenhall und Fotos von Salzburg.
Was auch schlimm war, wenn man zu den ärztlichen Untersuchungen in Reih und Glied nackt im Flur warten musste auf die Untersuchung. Die ein-und ausgehende Post wurde kontrolliert. Wenn ich heute lese, dass viele Heime von ehemaligen Stasioffizieren geleitet wurden, wundert mich das alles nicht.” Helga H.

(aus Gästebuch der Homepage: www.verschickungsheime.de, am 17.12.21)

...”An das Heim in Bad Reichenhall (leider weiß ich hier nicht mehr den Namen des Hauses) habe ich die schlimmsten Erinnerungen. Ich wurde gezwungen den Teller leer zu essen, obwohl ich mich ekelte die gebratete Leber zu essen. Nachdem ich das Fleisch heruntergewürgt hatte (die Tante saß daneben und kontrollierte es) habe ich alles erbrochen. Hierfür wurde ich bestraft, indem ich den ganzen Nachmittag auf einer Pritsche liegen mußte, ohne mich zu bewegen.
Eine andere Strafe in dem Kinderheim war unter anderem, dass man im Schlafanzug nur mit einer rauen Decke umhüllt, stundenlang nachts im kalten Hausflur in einer Ecke stehen mußte. Ich war bei diesem Aufenthalt übrigens erst 5 Jahre alt. Die Geschenke, die ich zu Ostern von meinen Eltern geschickt bekommen hatte, wurde mir sofort fortgenommen. Eine schreckliche Zeit, die nachdem ich den heutigen Radiobeitrag gehört habe, wieder hoch kamen…”, Siegrid B.

(aus Gästebuch der Homepage: www.verschickungsheime.de, am 08.12.20)

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