Bad Kreuznacher Erklärung der Verschickungskinder

Beschlossen durch die Bundeskonferenz der Verschickungskinder am 22.11.24

Vom 22.-23.11.2024 fand der sechste Bundeskongress der ehemaligen Verschickungskinder statt, diesmal in Bad Kreuznach, wo zeitweise acht Kinderkurheime gleichzeitig in Betrieb waren und die Erinnerung daran jetzt öffentlicher wird. Deutschlandweit wurden mindestens acht Millionen Kinder von den 1950er bis in die 1980er Jahre zu solchen Kindererholungskuren verschickt, unzählige von ihnen erlitten schwerwiegende körperliche und seelische Misshandlungen, über 20 Todesfälle sind inzwischen bekannt.

Nach wie vor kämpft die Initiative Verschickungskinderdarum, diese Geschehnisse öffentlich zu machen, aufzuarbeiten sowie die Betroffenen zu vernetzen und zu unterstützen. In den vergangenen fünf Jahren ist daraus die größte Citizen-Science-Bewegung Deutschlands geworden. Bisher leisten die Engagierten in der Initiative dies alles ehrenamtlich. Die Unterstützung durch Mitglieder des Deutschen Bundestags hat uns in diesem Jahr sehr ermutigt. Wir bedauern aber, dass die Bundesregierung und die zuständigen Ministerien für Gesundheit und für Familie es an konkreten Maßnahmen haben fehlen lassen. Das muss sich mit der neuen Bundesregierung ändern!

Für die Unterstützung und Vernetzung der ehemaligen Verschickungskinder, die in großer Zahl Opfer von seelischen und körperlichen Misshandlungen wurden, fordern wir die Schaffung einer zentralen Anlaufstelle auf Bundesebene, z.B. angegliedert an den Zuständigkeitsbereich der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. 

Diese Forderung lässt sich, da die organisatorischen Voraussetzungen bereits gegeben sind, mit geringen finanziellen Mitteln in den Rahmenbedingungen des neuen Bundeshaushalts umsetzenund ist ein notwendiger erster Schritt. Die Initiative braucht darüber hinaus Förderung der Vernetzung, psychosozialen Beratung und Bürgerforschung, insbesondere durch die Einrichtung eines digitalen Informations- und Dokumentationszentrums. 

Wir, die Teilnehmenden des Bad Kreuznacher Bundeskongresses der Verschickungskinder, appellieren an alle demokratischen Parteien, dies in ihr Wahlprogramm und nachfolgend in einen Koalitionsvertrag und ein Regierungsprogramm aufzunehmen.

Auf dem Kongress wurde erneut deutlich, wie schwierig sich der Zugang zu den Aktenbeständen für unsere vielen Forschenden gestaltet. Es gibt umfangreiches Material bei nichtstaatlichen Trägern, das Aufschluss über das Schicksal der Verschickungskinder gibt. Der Zugang zu diesen Unterlagen ist jedoch durch Datenschutz- und Patientengeheimnis-Regelungen stark erschwert. Hier könnte ein Aufarbeitungsgesetz nach Schweizer Vorbild helfen, um Archiven die Möglichkeit zu geben, Unterlagen aus privaten Einrichtungen zu übernehmen und damit der Öffentlichkeit für die Forschung und Aufarbeitung zugänglich zu machen.

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