Die Erinnerung an einige Phasen ihrer Kindheit ist mit Leid verbunden: Karola Hoppe (65) zählt zu den Millionen Kindern, die zur Erholung in Heime verschickt wurden. Wochenlang war sie mancherorts Schikanen des Personals ausgesetzt.

Die Horror-Kur – so nennt Karola Hoppe ihren Aufenthalt im Hedwigshaus in Bad Rothenfelde. Zehn Jahre alt ist das zarte, stille Kind, als es wieder einmal von den Eltern in einen Zug gesetzt und in eine sechswöchige Erholungskur geschickt wird. Ein Prozedere, dass sich in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts millionenfach wiederholt. Verschickung nennt
man diese Kinderkuren. „Wir sollten gemästet werden“, erzählt die 65-jährige Fotografin. Ihr Bericht über die Mittel, zu denen dabei gegriffen wird, ist schwer zu ertragen. „Wir mussten bergeweise essen, was auf den Tisch kam.
Mir wurde schlecht, ich übergab mich und sollte dann mein Erbrochenes aufessen.“

Früh beginnt ihre Karriere als Verschickungskind. Mit vier Jahren verlebt die kleine Karola erstmals ganz allein einige Wochen in einer Einrichtung in Oer-Erkenschwick. Es ist ein Aufenthalt im Stil der Kinderlandverschickung nach dem Krieg: Bedürftige und kränkelnde Stadtkinder werden zur Erholung aufs Land geschickt.

Daheim hat kaum jemand Muße, sich mit Karola, dem Ältesten von vier Kindern, zu befassen. Die Eltern – die Mutter ist Friseurin, der Vater Stuckateur – arbeiten hart. Sie wohnen zur Miete an der Richterstraße, wollen ein Haus in der Helenenstraße
bauen. „Es war wenig Zeit für gemeinsame Unternehmungen.“ Was Kinder wollten, habe damals ohnehin keine große Rolle gespielt. „Wir sollten
brav sein und gehorchen.“ Die Oma unterstützt die Eltern. Sie wohnt mit im Haus und gibt den Kindern liebevolle Zuwendung.

Auszug: Herten: 16.1.2021