Porträts ärztlicher Funktionäre der Verschickungsindustrie

Hier einige Porträts ärztlicher Funktionäre der Verschickungsindustrie, sie waren als Heimbetreiber und/oder als Badeärzte aktiv, manchmal waren sie auch noch als honore Autoren im Grundsatzwerk: Kinderheime-Kinderheilstätten (Sepp Folberth, 1956/1964) als Autoritäten vertreten und haben in der Fortbildung gewirkt. Sie waren Heilstättenleiter, und/oder balneologische Forscher, nach Bundesländern und Heimorten (Auswahl) geordnet, oftmals mit interessanten Forschungsschwerpunkten in den Bereichen Impfologie, Ernährungslehre, TBC, Medikamententestungen.

Baden-Württemberg:

Bad Dürrheim:

Dr. Hans Kleinschmidt (Klinikleiter Bad Dürrheim, Buchautor im Folberth-Buch von 1964 (Biografie mit vielen Belegen, zusammengestellt von Dagmar Bunk, AKV-BW: hier.) Als Leiter der Kinderheilstätte Bad Dürrheim, postulierte er 1964 im Grundsatzwerk (Folberth, Sepp, S.72) 18 verschiedene „Strafen“ für Kinder in der Kur, sie ähnelten Zuchthausstrafen. dieser Text über Strafen ist in einem mahnenden Tonfall geschrieben, er soll den Mitarbeitenden Richtschnur sein, niemals schwerer zu strafen als dort angegeben. Trotzdem wurden die dort 1964 empfohlenen Strafen laut zahlloser Zeitzeugenberichte sehr oft um ein vielfaches übertroffen. Über seine NS-Vergangenheit sind kürzlich mehrere Artikel in der Stuttgarter Zeitung erschienen. Er hat Arzneihmittelversuche an seinem kindlichen Klientel in Bad Dürrheim durchgeführt und sich nach Ansicht von Experten strafbar gemacht. durchgeführt, Näheres dazu hier. Informationen durch ehrenamtliche Recherche des AKV-Baden-Württemberg weitere in einem Hörfunkfeature vom 12.1.22 hier.

Hans Kleinschmidt | Bild: Mitteilungsblatt d. Dt. Roten Kreuzes, Landesverb. Ba-Wü u. Südbaden. 14 (1962), H. 5/6, S. 7 

Ausgerechnet Dr. Hans Kleinschmidt, Leiter der Kinderheilstätte Bad Dürrheim, dazu Autor einer berüchtigten Strafenliste im historischen Buch über Verschickungen von 1964, hat, wie jetzt der SÜDKURIER Stuttgart publizierte, nicht nur Arzneimitteltests an gesunden Verschickungskindern durchgeführt, ohne die Eltern zu informieren, sondern auch Präparate ohne Marktzulassung verabreicht. Das schreibt die Pharma-Historikerin Wagner. Sie hat die Aufsätze des Arztes analysiert. Der schrieb etwa nach dem Versuch mit Zäpfchen, es seien 65 Kinder „zur Testung ausgewählt“ worden. Der Autor nannte nur den Namen des Wirkstoffs, nicht den des Präparats. Das lässt die Vermutung zu, dass das Medikament noch nicht auf dem Markt war. (Mit freundlicher Genehmigung hier der vollständige Artikel, danke an den SÜDKURIER!)

Nickersberg

Dr. Paul Bartsch (Kinderkurklinikleiter Schwarzwald, Nickersberg)

war von 1950-1963 Leiter des Kinderkurheims Dr. Bartsch in Nickersberg im Schwarzwald, aus der Grausamkeiten an Kindern bekannt sind, geboren war er 20.4.1893 in Berlin, arbeitete als Hilfs- und Handelsschullehrer, wandte sich den Nazis zu: 1932 NS-Lehrerbund, 33 Mitglied NSDAP, NSV und Kolonialbund, war dann tätig in der Anstalt für Epilepsie Wuhlegarten, von der aus 1000 Patienten dem Euthanasieprogramm zum Opfer fielen. War ein hochrangiger NS-Sonderpädagogischer Propagandist des Sterilisations-und Euthanasieprogramms der Nazis. Verfälschte seinen Lebenslauf und gab sich als Arzt in seinem Kinderheim aus. Quelle: Ottmann, Anton: Gewitternächte in Nickersberg, 2021, Lindemanns, S. 45)

Lörrach

Dr. med. Dr. med. Sepp Folberth Herausgeber des Buches: Kinderheime Kinderheilstätten, 1956 und 1964,

Sepp Folberth ist der Herausgeber und Initiator des Grundsatzwerks für die Kindererholungsheime und -heilstätten, weist sich als Schüler des E.Romminger aus und ist Erfinder der von ihm patentierten und beworbenen „Speckdiät für Säuglinge“, (Sepp Folberth: Kinderheime Kinderheilstätten, 1956, Werbeanzeige S. 56/57), die er erfolgreich über die Kinderheilstätten als Allheilmittel gegen Dermatosen und zur Gewichtszunahme vertrieb. (Er besitzt damit ein wirtschaftliches Interesse an der Vermarktung eines angeblichen medizinischen Produktes aus Schweinespeck aus einer Wurstfabrik in Lörrach, die er selbst besitzt).

Hessen:

Mammolshöhe:

Dr. Werner Catel (Kinder-Kurklinikleiter Mammolshöhe):

Dr. med. Werner Catel, (Klee, S.91) war unmittelbar nach 1947 bis 1954 als Heilstättenleiter (Kinderkurklinik Mammolshöhe) aktiv , bevor er den Ruf an die Universität Kiel übernahm, man könnte sagen, er zog sich als hochbelasteter NS-Verbrecher dahin zurück. Später war er sogar in der Kinder-Bädermedizin als Berater und Referent tätig. Dr. Werner Catel, war einer der höchsten NS-Euthanasiefunktionäre mit einem ungeheuren Renomee als Kinderarzt. Er hat das pädiatrische Grundsatzwerk für Medizinstudenten geschrieben (und nach 1945 mit NS-Streichungen neu herausgebracht). Am 27.6.1894 in Mannheim geboren, gestorben am 30.4.1981 in Kiel, war als ein deutscher Kinderarzt und Hochschullehrer, einer der drei Hauptgutachter, sowie als Propagandist in seinem medizinischen Grundsatzwerk, theoretisch wie praktisch an der Kinder-Euthanasie maßgeblich beteiligt. Leiter der Leipziger NS-Kinderfachabteilung für medizinische Versuche. Er war einer der drei T4-Gutachter, die über Leben oder Tod der von den Gesundheitsämtern des Reiches gemeldeten, angeblich behinderten Kinder entschied. Zwischen 1947 und 1954 leitete er die Kinderheilstätte Mammolshöhe im Taunus, ein Verschickungsheim, in der bei medizinischen Versuchen mit TBC-Mitteln unter ihm und in seiner Verantwortung vier Kinder starben. Hier die Quelle.

Schleswig-Holstein

Kiel:

Werner Catel (s.o.) ( Ab 1954: Leiter der Kinderklinik der Christian-Albrecht-Universität). Nach 1963, seiner Entlassung wegen NS-Verbrechen, war er als freier Gutachter im Verschickungswesen aktiv (s.o.)

Kiel:

Prof. Dr. Erich Romminger, (1886–1967) / Autor bei Folberth, 1956

Erich Romminger schreibt im Vorwort des Folberth-Buches (Folberth, Sepp, 1956, S.9), dass diese Kuren „in den letzten 20 Jahren eine immer noch zunehmende Bedeutung erlangt“ hätten, was darauf schließen lässt, dass er sich mit diesem Thema schon 1935 in führender Rolle beschäftigt hat. Er war Lehrstuhlinhaber und Leiter der Kinder-Abteilung an der Kieler Universität von 1925 bis 1954 in Kiel, er hat den NS-Massenmörder Werner Catel als seinen Nachfolger an die Christian-Albrecht-Universität zu Kiel geholt. Doktorvater von Sepp Folberth s.u.

Kiel:

Prof. F. Klose (27.7.1887-1978) /Autor bei Folberth, 1956

1923 Stadtmedizinalrat und Leiter des Gesundheitsamtes in Kiel. Ab 1935 lehrte er „Sozialhygiene“ an der Universität Kiel, ein von den Nazis erfundener Begriff, der für Ausrottung unwerten Lebens stand. 1939 Stabsarzt,1943 als außerordentlicher Professor. Von 1919 bis 1945 war er Vertrauensarzt der Reichsversicherungsanstalt. In der NS-Zeit war er beratender Hygieniker beim stellvertretenden Generalkommando des 3. Armeekorps sowie in Berlin beim Wehrkreisamt III, im Rang eines Oberstabsarztes der Reserve. 1943: Anwärter NS-Ärztebund. Ab 1956: Leiter des Hygiene-Instituts, später des Gesundheitsamts Kiel.

St.Peter-Ording:

Hugo Kraas (Kinderkurklinikleiter vom Seeschloss in St.Peter-Ording):

geboren 25.1.1911 in Witten, gestorben 20.2.1980 in Selk, 1969 -1980 Leiter des Kinderkurheims „Seeschloss“ in St.Peter-Ording. Er war ein deutscher SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS, Regimentskommandeur der Leibstandarte Adolf Hitler und ab 15. November 1944 der letzte Kommandeur der 12. SS- Panzer-Division „Hitlerjugend“. Er wurde 1952 Geschäftsführer des Bezirksverbands der FDP Westfalen, von der nach 1945 zeitweilig eine rechte Sammlungsbewegung ausging. Er führte in den 70er-Jahren das Kinderkurheim “Seeschloß” in St. Peter-Ording. Hugo Kraas war Mitglied in der “Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS” (HIAG), diese hatte sich zur Aufgabe gemacht, ehemalige SS-Mitarbeiter nach 45 zu retten, zu verstecken, wieder in Arbeit zu bringen. Sie wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch bewertet. Sein Grabstein ist mit SS-Runen geschmückt. Aus dem Kinderkurheim Seeschloß in St.-Peter-Ording sind zahlreiche Grausamkeiten an Kindern in den 50-70/80er Jahre belegt. Ausführliche Dokumentation zu Hugo Kraas, zusammengestellt von Jörg Römer.

St.Peter-Ording:

Dr. Richard Felten ( Leiter der Nordsee-Kuranstalt des DRK „Goldene Schlüssel“)

wurde am 22. Juni 1882 in Woserin geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums wurde er 1909 als Doktor der Medizin approbiert. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er an der Front. Karriere machte er im „Dritten Reich“. Am 2. November 1933 trat er der SS bei. Im November 1940 nahm er den Dienstgrad eines Untersturmführers ein. Ortsgruppenleiter der NSDAP in St. Peter. Er war nach 1945 Leiter der Nordsee-Kuranstalt des DRK „Goldene Schlüssel“ 1967 wurde Felten zum ersten Ehrenbürger in St. Peter Ording ernannt. Er verstarb am 24. Januar 1968. Die Kliniknamen im Wandel der Zeit. Quelle: soziologie.uni-kiel.de/de/professuren/professur-fuer-soziologie-und-empirische-sozialforschung/forschung/kinderkurheime-in-st-peter-ording-orte-der-erholung-orte-der-gewalt/zukuenftige-forschungsfragen-ns-einfluesse-auf-das-kinderkurwesen-in-st-peter-ording/

St.Peter-Ording:

Gerhard Kreyenburg, (Vorsitzender des Vereins, der das Haus Köhlbrand in St. Peter-Ording betrieb)

Er war in der NS-Zeit: Gaustellenleiter des Rassenpolitischen Amts der NSDAP und in dieser Funktion verantwortlich für zahlreiche Zwangssterilisationen und die Erstellung der Vorgaben im Umgang mit geistig Behinderten. Das Haus war eines der – wenn nicht – das führende Vertragsheim der DAK. https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Kreyenberg, Gerhard Kreyenburg war zur NS-Zeit stellvertretender Leiter in den Alsterdorfer Anstalten. Es existieren umfangreiche Dokumentationen über Grausamkeiten in dieser Einrichtung. Folter und Zuführungen untereinander, Gewalt, Vergewaltigungen, Medikamentenmissbrauch, Fixierungen etc. und auch über Zwangssterilisation und Abtransporte. Nach 1945, trotz seiner Verbrechen gegen Kinder und seine Ermordungen unschuldiger Menschen, erneut im Sozialbereich tätig. Er war Vorsitzender des Vereins, der das Haus Köhlbrand in St. Peter-Ording betrieb. Das Haus Köhlbrand war ein Kindererholungsheim, ein Buch dazu: https://www.lehmanns.de/…/37691774-9783170315334-auf…, daraus ein Zitat:

„Die Autoren haben je aus ihrer Sicht diese Geschichte aufgearbeitet. Im Vordergrund stehen dabei die Schicksale der Opfer: Menschen mit Behinderung, deren Lebens- und Leidensweg zum Teil bis in die Tötungsanstalten verfolgt wird. Die Verwicklung der Medizin und der Theologie wird anhand der Porträts des damaligen Anstaltsdirektors Pastor Friedrich Lensch und des Oberarztes Dr. Gerhard Kreyenberg dargestellt.“

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Wyk auf Föhr

Professor Dr. Carl Häberlin (1870-1954) Badearzt in Wyk auf Föhr

Carl Haeberlin studierte Medizin in Göttingen, München und  Tübingen, wo er 1895 das Staatsexamen ablegte und promovierte, danach in Tübingen und Stuttgart als Assistenzarzt tätig, Unternahm eine psychiatrische Studienreise nach Paris und siedelte 1902 nach Wyk auf Föhr über, dort als Badearzt tätig. Zusammen mit Carl Gmelin beteiligte er sich seit 1925 am Aufbau der bioklimatischen Forschungsanstalt in Wyk, die 1928 eingeweiht wurde, die die balneologischen Forschungen durchführte, die ab 1931 von otto Pfleiderer übernommen wurde, mit dem auch Häberlin noch eng zusammen arbeitete.  Ehrenprofessur 1946, Bundesverdienstkreuz 1954[20] Sein Buch “Grundlagen der Meeresheilkunde” gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Walter Goeters (1899-1955) soll eine große Wirkung entfaltet haben

Wyk auf Föhr

Alfred Otto Heinrich Pfleiderer (2.2.1900-31.12.73), Bioklimatologe, Wyk und Sylt

Er war Bioklimatologe und Hochschullehrer.  Er studierte Medizin in Tübingen und Jena, promovierte über ein zellbiologisches Thema (ulcus ventrikuli). Ab 1931 leitete er die Bioklimatische Forschungsanstalt der Universität Kiel in Wyk auf Föhr.  Später leitete er (1935)  das Projekt „Zwangsatmung“. Dort in der Sanitäts-Versuchs- und Lehrabteilung, beschäftigte er sich mit Kälteversuchen an Gefangenen. Im April 1939 übernahm Pfleiderer den Posten des Direktors am zentralen Institut für Bioklimatologie und Meeresheilkunde der Universität Kiel in Westerland Sylt, wo er ab 1941 als außerplanmäßiger Professor tätig war. Nach 1945 unbehelligt weiter an der Universität Kiel, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Balneologie, im Redaktionsteam der Zeitschrift: Grenzgebiete der Medizin.

Amrum:

Dr. Ide: Johannes Ide wurde in Parchim (Mecklenburg) geboren und kam mit Ehefrau Martha geb. Dreyer im Jahre 1897 als Badearzt nach Amrum. Hier wirkte er einige Jahre im Warmbadehaus neben dem Seehospiz und als praktischer Arzt, ehe er nach Nebel zog und hier ein eigenes Sanatorium errichtete. Das Grundstück für sein Sanatorium erwarb Johannes Ide von der Kirchengemeinde. Dr. Ide nutzte das alte Pastorat als “Kinderheim” für sein “Nordsee-Sanatorium”, das im Jahre 1905 erbaut worden war.

Das “Nordsee-Sanatorium” – rechts das alte Pastorat, als Kinderheimstätte eingerichtet

Zum Sanatorium gehörte auch noch die 1898 erworbene “Villa Krönert”. Johannes Ide versuchtein den umliegenden Friesenhäusern zusätzliche Betten mit Patienten zu belegen. Zu dieser Zeit hatte der Fremdenverkehr, vor allem durch die NS-Ferienorganisation “Kraft durch Freude” (KdF) auf Amrum zugelegt. Johannes Ide und seine beiden Söhne Wilhelm und Günter waren engagierte Vertreter der “NS-Bewegung”. Günter Ide wurde als Mitglied des Gemeinderates in Nebel, wie damals üblich, nach dem “Führerprinzip” ernannt. Bruder Wilhelm, langjähriger Land- und Badearzt, war NS-Ortsgruppenleiter.

Günter Ide – langjähriger Betreiber des “Sanatoriums” als Kinderheim

Johannes Ide schrieb in der NS-Zeit die Publikationen: “Das Nordseeklima als Heilmittel”. Nach Kriegsende wurde das Nordsee-Sanatorium als Kindererholungsheim eingerichtet, geleitet von Günter Ide und betreut von Dr. Wilhelm Ide. Rund 60 Betten standen für die Kindererholung bereit. Von 1948 bis 1973 stand das Haus unter der Trägerschaft der Städte Soest und Gütersloh. 1973 wurde das Kinderheim an die Lebenshilfe verkauft, später erwarb es die Gemeinde, jetzt soll es abgerissen werden. (Text gekürzt aus: Amrum News). Betroffene aus dem Kindererholungsheim erinnern sich nur mit Angst und Schmerzen an das Heim und den Heimbetreiber Dr. Ide, ein Zeitzeuge bezeichnete es als “Kinderknast”. Es herrschte eine hartherzige, von Strafen geprägte Atmosphäre.

Mittelberg/Oy

Prof. Dr. Georg Hensel, Psychiater, Leiter der Kinderheilstätte Mittelberg/Oy

Georg Hensel war (laut Ernst Klee, ebd, S. 246) als Schüler von Bessau, in Berlin Wittenau an TBC-Versuchen zur Immunisierung von Kindern, deren Lebenshaltung für die Nation keinen Vorteil bedeutet (Habilitationsschrift) beteiligt. Ab 1939 war er Oberarzt der Kinderheilstätte Mittelberg Oy in Mittelberg im Allgäu, in die Kinder zu 6-Wochenkuren hin verschickt wurden. Er hatte schon länger eine Tbc-Schutzimpfung entwickelt, die er nun an „körperlich nicht besonders wertvollen“ Kindern erproben wollte. Nachdem er den Impfstoff an zwei behinderten Säuglingen getestet hatte, führte er im November 1942 an Kindern, die in der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren Irrsee (Allgäu) untergebracht waren, TBC-Impf-Experimente durch. 13 Fälle davon sind aktenkundig geworden. Sechs dieser 13 Kinder verstarben an einer Tuberkuloseinfektion.

Scheidegg:

Prof. Kurt Klare ( früherer Kinderkurklinikleiter Scheidegg (1918-1938))

Geboren am 10. 10.1885 in Bielefeld, dort gestorben am 12. Juli 1954, Dr. med., er war Arzt, Tuberkulosespezialist, Ärztefunktionär (Gründungsmitglied NSDÄB), Honorarprofessor, 1935 in München für “Tuberkulose und Konstitution“ und 1939 in Münster. Von 1918 – 1938 war er Direktor der Prinzregent Luitpold-Kinderheilstätte Scheidegg. Klare hatte zur Zeit des Nationalsozialismus hohe Funktionen inne. Er war Beauftragter des Reichsärzteführers für die gesamte deutsche medizinische Fachpresse. Bereits 1928 leitete er die Fachgruppe Ärzte der nationalsozialistischen Gesellschaft für Deutsche Kultur. Er war 1929 Gründungsmitglied des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes (NSDÄB), Belege bei Proske, Wolfgang (2021): NS-Belastete aus dem Allgäu, Kugelberg Verlag, Gerstetten, S.152 ff),

Berchtesgaden:

Prof. A. Viethen1897-1978),  (Leiter des Kinderkrankenhauses sowie der Heilstätten Felicitas und Schönhäusl, Berchtesgaden / Autor bei Sepp Folberth, 1956)

Albert Viethen war ein NS-Arzt und Hochschullehrer. Er stieg in der NS-Zeit zu höchsten Funktionen auf. Er war Mitglied zahlreicher NS-Organisationen und bei der SS. Nach dem Krieg kurze Zeit Lagerhaft, danach Chefarzt der Kinderheilstätte Berchtesgaden. 1963 kam es zum Vorwurf der Beihilfe im Ansbach-Prozess. Es war ihm eine Zusammenarbeit mit der „Kinderfachabteilung“ Ansbach nachzuweisen, wohin er Kinder überwiesen hat, die im Rahmen der nationalsozialistischen „Kindereuthanasie“ ermordet worden sind. 1962 trat er in den Ruhestand und wirkte anschließend noch als Kinder- und Bäderarzt weiter. Er forschte und publizierte über TBC.

Niedersachsen

Borkum:

Dr. Werner Scheu (Kinderkurklinikleiter in Borkum, Möwennest)

Geboren am 30. März 1910 in Heydekrug, gestorben 13.10.89 in Borkum, war er ein deutscher Kinderarzt, SS-Untersturmführer, Täter des Holocaust und verurteilter Kriegsverbrecher. Er besaß das Kinderheim Möwennest, noch heute ein weithin sichtbares stattliches Gebäude, mit sicher hohem Immobilienwert. Laut Ernst Klee (S.532) war er beteiligt an der Ermordung von 220, angeblich arbeitsunfähigen Juden in seinem Geburtstort, Heydekrug. Im August 1942 heiratete Scheu Anne-Liese Werner und hatte zwei Söhne (* 1943 und * 1945). 1948 pachtete er mit seiner Frau, einer Kinderkrankenschwester, auf der Nordseeinsel Borkum ein Grundstück mit einem Haus, und gründete das Kinderkurheim Mövennest, wo Kinder nachweislich drangsaliert und gequält wurden. (Akte NLA-OL Rep 946 Akz. 38/1997 Nr. 457 IX)

Hannover:

Prof. Kurt Nitsch, Chefarzt des Kinderkrankenhauses Cecilienstift, Hannover / Autor bei Folberth, 1956 und 1964:

K. Nitsch war einer der bedeutensten Autoren im Buch: Kinderheime Kinderheilstätten, von Sepp Folberth, in beiden Auflagen, 1956 und 1964 (K. Nitsch in Folberth, Sepp, Grundsätze der Kinderverschickung, S. 9ff) , er wendet sich dort vehement gegen eine Verkürzung der Kurzeiten unter 6 Wochen und empfiehlt stattdessen Verlängerung auch über 12 Wochen hinaus, besonders für jüngere (!) Kinder. (Nitsch, K. in Folberth, Sepp, ebenda, S. 11ff). Er propagiert für eine Verschickung wegen “Konstitutionsschwäche” unbedingt: “vor Schulanfang” und spricht in dem Zusammenhang von der Notwendigkeit der “Durchmusterung der Schulanfänger des kommenden Jahres” (ebenda, S.16) und der Notwendigkeit 3-5-jährige Kinder besonders häufig zu verschicken.

Er leitete von 1953 bis 1973 den Cecilienstift Hannover. und war in der 6. Legislaturperioide Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes.

Neben der obigen Veröffentlichung hat er Forschungen zur Verträglichkeit bestimmter Arzneimittel betrieben. Hier ein Ausschnitt zur Forschung antibiotischer Therapie, bei der auch Kinder zu Tode kamen:

„Von Februar bis Juli 1955 wurden bakterielle Infektionen einer Kinderklinik, die antibiotischer Therapie bedurften, ohne dass das Ergebnis bakteriologischer Untersuchungen abgewartet werden konnte, mit Tetracyclin (Hostacyclin) behandelt. Nach Aussonderung von Fällen, die sich im weiteren Verlauf als relativ leichte Infektionen herausgestellt hatten, blieben 114 Fälle, über die berichtet wird. 5 Todesfälle werden eingehender besprochen. Sie waren nach der Lage der Dinge auch durch eine andere antibiotische Therapie mit größter Wahrscheinlichkeit nicht zu vermeiden. — In 7 Fällen wurde gleichzeitig ein zweites Antibiotikum (Hostamycin) gegeben, 5mal bei Pneumonien im ersten Trimenon, 1mal bei einer Pertussispneumonie, 1mal bei einer durch Staphylococcus aureus hervorgerufenen Pneumonie. — Bei Staphylococcus-aureus-Erkrankungen besteht — wie mit den anderen sogenannten Breitspektrumantibiotika, vor allem dem Penicillin — am ehesten die Gefahr, daß Tetracyclin nicht ausreichend zur Wirkung kommt, so daß wir in diesen Fällen Erythromycin, das bei uns vorerst noch keinen Versager zeigte, vorziehen, falls die Schwere der Erkrankung zu Sorgen Anlaß gibt. Sonst zeigte sich in unserem Krankengut eine gute Wirkung. Die Verträglichkeit ist gut. Die Dosierung wurde relativ hoch gewählt, zwischen 20 und 30 mg/kg Körpergewicht. In der Regel dürften aber Werte zwischen 15 und 25 mg genügen; junge Säuglinge sollten prinzipiell mit der oberen Grenze der angegebenen Dosierung behandelt werden. Wir bevorzugten Tropfen für Säuglinge, Kapseln zu 50 mg und Saft für ältere Kinder. — Der Sinn der Arbeit soll dahingehend verstanden werden, dass bei akuten bakteriellen Infektionen verschiedener Art, die keine vorhergehende bakteriologische Klärung oder gar Resistenzprüfung zulassen, Tetracyclin hohe Wirkungssicherheit zeitigt und dass lediglich bei schweren Staphylokokkeninfektionen ein anderes Antibiotikum (Erythromycin) vorzuziehen ist ( b ).   “

a = Nitsch, K: Das Flachlandklima, in Folberth, Sepp, 1956, S. 43-56 und Grundsätze der Kinderverschickung, in Folberth, Sepp, 1964, S. 9-24

b = (Dtsch med Wochenschr 1956; 81(41): 1646-1650 DOI: 10.1055/s-0028-1115200, Georg Thieme Verlag, Stuttgart:  Kinderklinische Erfahrungen mit Tetracyclin (Hostacyclin)The treatment of bacterial infections of childhood with tetracyclin, von U. Becker, K. Nitsch) Veröffentlichung: Prof. K. Nitsch: Balneotherapie und Klimakuren im Kindesalter, Dt. Bäderverband, Bonn, 1959

Hannover Wunstorf

Professor Dr. Hans Heinze,

Hans Heinze, Direktor der Landesanstalt Görden, war einer der wichtigsten Protagonisten der „NS-Euthanasie“. Im November 1938 im Kuratorium des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung aktiv. T4-Gutachter ab 1939. Die Landesanstalt Görden war laut Ernst Klee (NS-Personenlexikon, S.240), eine Modelleinrichtung zur Beobachtung, Beforschung und Ermordung “behinderter und sozial auffälliger Kinder” und ein Ausbildungszentrum mordbereiter Jugendpsychiater, deshalb auch: Reichsschulstation genannt. Heinze über seine “Forschungen” am 28.11.43 zu einem T4-Kollegen: Bei unseren neurologischen Fischzügen haben wir so wundervolle Hechte aus dem Netz geholt!. Mitarbeit am Euthanasiegesetz. 1945 Verhaftung, 7 Jahre Haft, 1952 entlassen, ab März 1954 erneut Leiter der Jugendpsychiatrischen Klinik beim niedersächsischen Landeskrankenhaus Wunstorf. 1966 Einstellung Ermittlungsverfahren. Das Wunstorfer Krankenhaus war zeitweise auch ein Verschickungsheim und Heinze war in auch der Kinderverschickung aktiv.

Norderney,

Preidt, Hermine (09.04.1901 – 29.03.1966) Assistenzärztin im Seehospiz „Kaiserin Friedrich“ auf Norderney von 1928 – 1930 und 1931 – 1935. Sie war Leitende Ärztin vom 1. Januar 1936 – 31. August 1939. Hermine Preidt war die letzte ärztliche Leitung, bevor das Seehospiz Norderney Kriegslazarett wurde, sie kam 1928 als Assistenzärztin an das Seehospiz Norderney und blieb dort bis zu ihrer Kriegsverpflichtung.

Prof. W. Goeters (3.3.1899-28.12.1955), Chefarzt der Kinderheilstätte Seehospiz „Kaiserin Friedrich“, Norderney / Autor bei Folberth, 1956

Walter Goeters war zunächst studierter Landwirt und Tierzuchtexperte, als Assistent an der Virus-Forschungsanstalt in Jena, promovierte dann zum Dr. phil. 1928 an der Universität Leipzig, dann als Assistent am bakteriologischen Institut der preußischen Forschungsanstalt für Milchwirtschaft in Kiel In der NS-Zeit nach 39 arbeitete Walter Goeters erfolgreich als Bakteriologe. Für seine Forschungen arbeitete er mit pathologischem „Material“ aus Kinderfachabteilungen. Walter Goeters übernahm am 1. Mai 1948 die erste medizinische Leitung des Seehospizes auf Norderney. Damit wurde das Seehospiz als Kinderheilstätte geführt und nicht mehr vom Jugendamt überprüft. Sein Buch über die Anzüchtung von Kulturen für die Untersuchung von Liquor, enthält Belege für zahlreiche Gehirnwasserentnahmen in seiner Heilstätte ab 1948, die nicht aus medizinischen, sondern aus Forschungs-Gründen erfolgten.

NRW

Bonn:

Dr. Otto Müller: Leiter des Kindersanatoriums Haus Bernward in Bonn-Oberkassel

Der Arzt Otto Müller leitete 1960-1976 das Kindersanatorium Haus Bernward, ihm wurde wegen zunehmender Beschwerden u.a. am 6. August 1976 die Konzession entzogen. Er fiel durch schwere körperliche Gewalt und andere Brutalitäten gegen Kinder auf, u.a. schmerzhafte Injektionen als Strafmaßnahmen bei nächtlichem Einnässen, Verabreichen von Sedativa, und dem Ausspruch: „Sedieren, sedieren, bis er im Stehen einschläft!“ ( siehe dazu: Beschwerdebrief vom Oktober 1974, Kinderschutzbund) Näheres bei Detlef Lichtrauter, AKV-NRW, Bericht über seine traumatischen Erlebnisse in Bonn-Oberkassel

Schweiz und Berlin

Prof. E. Glanzmann, (12.4.1887- 2.2.1959), Direktor der Univ.-Kinderklinik Bern / Autor bei Folberth,

E.Glanzmann war 1956 ein Schweizer Kinderarzt. Nach ihm ist eine angeborene Funktionsstörung der Blutplättchen (Thrombozytopathie), die Glanzmann-Thrombasthenie, benannt. Er studierte in Zürich, Berlin und Bern Medizin. Er bildete sich in den 20er Jahren bei Adalbert Czerny an der Charité Berlin in der Kinderheilkunde weiter. Während der NS-Zeit, 1932 und durchgehend bis 1959, war er Mitherausgeber der “Internationalen Zeitschrift für Vitaminforschung”. Dieser Mikrobiologe ist Autor bei Folberth und Chefarzt einer Kinderklinik und ein bedeutender Hochschullehrer, er beschäftigte sich mit Ernährungsstoffen, Zellbestandteilen und Vitaminen. Er nahm maßgeblichen Einfluss auf Forschung und Lehre durch sein umfangreiches Standardwerk. In seinem Artikel im Folberth-Buch behauptet er auf S.13, Mitte, dass „Syphillis …namentlich bei französischen Kindern“ vorkäme.

Diese Liste ist unvollständig, gern nehmen wir Hinweise weiterer Recherchen über ärztliche Leiter von Verschickungsheimen entgegen: info@verschickungsheime.de

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