Subjekte unserer eigenen Geschichte: Verschickungskinder tragen Wissen zusammen
Als wir uns das erste mal zusammengefunden haben, auf Sylt, auf einem ersten Kongress voller Solidarität und Respekt, haben unsere damaligen Fachexperten meist nur über verwandte Bereiche unseres Themas referieren können, denn unser eigentliches Thema war noch völlig unbekannt und unerschlossen. Keine Universität hat sich je damit beschäftigt, keine Professorin, kein Gutachter hat je auch nur eine Akte dieser Verschickungs- und Kurheime, Erholungsstätten und Kinderheilstätten angesehen. Es gab kein Buch, keinen Fachartikel, nichts.
Das ist nun anders! Heute haben wir selbst, als Subjekte unserer Geschichte, die Forschung zum Thema Verschickungen vorangebracht! Auf der Webseite: www.verschickungsheime.de, im FORUM, im FRAGEBOGEN, in unserem eigenen Forschungsprojekt. Im Laufe des Jahres 2020 haben sich aktive Landesgruppen in Baden-Württemberg und NRW gegründet, die eigenen zeitbegrenzte Projekte als Landesvereine durchsetzen konnten, andere Landesgruppen sind im Aufbau, Heimortgruppen führen Heimortreisen und Recherchen durch, eine BÜRGERFORSCHUNG ist überall in Gang gekommen und hat auch die universitäre Forschung angeregt.
Angesetzt an unseren eigenen Erinnerungen, versuchen wir mit unserer Öffentlichkeitsarbeit auf allen Ebenen nach 50 Jahren des Schweigens, unsere Erinnerungen wie Puzzlestücke zusammen zu montieren. Wir haben erste Definitionen, Analysen und Ursachen des Phänomens „Verschickungen“ zusammengetragen, wir haben durch die Möglichkeit des öffentlichen Zeugnis Ablegens eine Belegliste von Berichten ermöglicht, die die Öffentlichkeit entsetzt und aufgerüttelt hat. In allen Kurorten, quer durch Deutschland, bekommen unsere inneren Kinder langsam eine immer lautere Stimme, über die nicht mehr hinweg gegangen werden kann. Zusammen mit der Webseite, dem Forschungsprojekt, unseren Kongressen und den Aktivitäten der Heimort- und Landesgruppen, haben wir schon viel erreicht. Wir, die Betroffenen, sind stark und kompetent. Das ist eine große Kraft, unsere Betroffenen haben den Mut gehabt, ihre Berichte öffentlich zu machen, in dem sie sie unter: ZEUGNIS ABLEGEN selbst eingestellt haben. Die Geschichte in die eigenen Hände zu nehmen, ist der erste Schritt auf dem Weg, dass wir keine bedauernswerten Opfer sind, schwach und hilflos wie damals, sondern dass wir Subjekte unserer eigenen Geschichte geworden sind.
Diese Geschichte wollen wir lückenlos aufklären. Es gibt keine Zukunft ohne Vergangenheit. Wir haben in 8 Akten bereits 5 tote Kinder entdeckt, wie viele Kinder sind noch gestorben? Wir wollen das aufklären. Wir müssen es herausbekommen! Deshalb: Bundesweite Unterstützung von Aufarbeitung, Selbsthilfe und unabhängiger Recherchemöglichkeit für alle Verschickungskinder. Das sind unsere Forderungen! Helft uns sie durchzusetzen.