Im Januar wurde im ersten Schwarzwaldkrimi des Jahres (Schneekind) das Thema der Gewalt in Verschickungsheimen thematisiert. Die Autorin des Films, Annette Reeker war selbst ein Verschickungskind.

In diesem Podcast erzählt Annette Reeker von ihren Recherchen zum Film.
In diesem Podcast wurde Anja Röhl zum Thema „Verschickungskinder“ interviewt.

Ergänzend dazu:

Die Bewertung der filmischen Umsetzung, ebenfalls von Anja Röhl:

Der erste Schwarzwaldkrimi (ZDF) des Jahres 2024 hat es in sich, da geht es um das Schicksal von früheren Verschickungskindern. Der Film ist für meine Begriffe mit etwas sehr viel Effekten, angstmachender Musik, und grausamen Menschen bestückt, aber hat sich dem Thema der Gewalt, die den in Kurheime und Kinderheilstätten verschickten Kindern angetan wurde, sehr detailgetreu zugewandt. Seit einiger Zeit schon versucht das Krimi-Genre sich mit unserem Thema, meist läuft es auf eine Racheaktion ehemaliger Verschickungskinder hinaus, die in ihren Gewalttaten an ehemaligen Heimtanten oder Heimleitern Hinweise auf ihre Traumata hinterlassen. So auch hier: Eine Clique gequälter Kinder schwört sich, Rache zu nehmen. Doch ein Unterschied, hier ist ein Täternachfahre unterwegs und versucht ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Sehr genau recherchiert, was die Gewaltformen angeht, daher ein großer emotionaler Informationswert, aber im Fall der Möglichkeit einer Cliquenbildung geirrt. Es war fast nie möglich, dass sich Freundschaften bildeten, da die Zeit zu kurz, die Überwachung mit Redeverbot zu umfassend, die Unterdrückung zu hart, und die Kinder zu vereinzelt waren. Sabine Ludwig hat in ihrem Buch eine Freundesclique erfunden, damit es ein bißchen Hoffnung gibt, wie sie sagt, real ist von Freundschaften, Trost und Solidarität fast nie die Rede. Aber auch die Affinität zur Rache, so gut sie passen würde, findet sich in Berichten von Verschickungskindern nie. Da ist vielleicht ab und an mal die Phantasie da, „die Insel in die Luft zu sprengen“, aber meist sind die Betroffenen in ihrer Gedankenwelt konzentriert auf: „Nie wieder!“ Oder: „Das darf meinen Kindern nicht passieren“. Jedoch finden wir auch heute manchmal noch Gewalt auf ehemaliger Täterseite vor. Versteckt und maskiert in Angst vor Aufdeckung und in Denunziation der Aufdeckenden. Darauf könnte sich auch mal ein Krimi konzentrieren. Denn sonst werden die ehemaligen kindlichen Opfer von Gewalt in späte Täter umgedeutet und dieser einfache Zirkelschluss denunziert nun erneut die Menschen, die schon als Kinder als böse, schlimm, oder unartig bezeichnet wurden. Der Autorin des Krimis, Annette Reeker, ist trotzdem zu danken, denn sie hat deutlich gezeigt, dass alle Gewalt, die von den ehemaligen Opfern hier ausgeübt wird, durch die tausendmal schlimmere Gewalt, die ihnen in ihrer Kindheit angetan wurde, induziert wurde. Immerhin wurde z.B. in Bad Salzdetfurth der vierjährige André 1969 von einem Sechsjährigen tot geprügelt. Niemand würde auf die Idee kommen, ihm dieses selbst anzulasten. Denn wir wissen aus zahllosen Berichten, dass Kinder von den Tanten systematisch dazu angehalten, oft sogar gezwungen wurden, ihre kleinen Mitinsassinnen und Bettnachbarn zu demütigen, zu schlagen und zu quälen.

Hier der Link zum Krimi in der Mediathek, zwei Folgen.