Die DIAKONIE in Hannover ist einen ersten Schritt gegangen, indem sie einen eigenen Untersuchungsbericht, Geschichtswissenschaftliche Dokumentation, über die drei ehemaligen Kinderkurheime der Inneren Mission (Waldhaus, Haus Sonnenblick und Hildurheim) in Bad Salzdetfurth” angefertigt hat. Weitere Untersuchungen sollen folgen. Die schon im ersten Bericht zutage gekommenen Tatsachen haben die Diakonie, wie Joachim Lenke am 30.11. 20 auf einer Pressekonferenz verkündete, „zutiefst beschämt“ Eine Entschuldigung bei allen Verschickungskindern für die erlittenen Grausamkeiten wurde formuliert. Von hier aus muss es weitergehen! Eine Konferenz aller Wohltätigkeitsorganisationen muss stattfinden. Jahrzehntelang wurde mit uns Geld verdient. Es muss zu einer umfassenden Unterstützung der Recherchen und Nachforschungen jedes Betroffenen bezüglich seines Heimes geben. Wir brauchen Anlauf- und Beratungsstellen!

Aus der Rede von Joachim Lenke
auf der Pressekonferenz zu Bad Salzdetfurth am 30.11.20:

„Wir sind … entsetzt über die Vorkommnisse in den Kinderkurheimen… Wir bedauern zutiefst, was diese Dokumentation offenbart hat. Wir bitten alle Betroffenen, die ein solches Leid erlitten haben und die damit solange alleine gelassen wurden, um  Entschuldigung.Als erster Verband in Deutschland  haben wir eine exemplarische strukturierte Aufarbeitung veranlasst. Das hatten wir den Betroffenen, mit denen wir während des Jahres über auch immer wieder in Kontakt standen, versprochen. Dieses Versprechen haben wir gehalten. …

Dazu unserer Grußwort von Valerie Lenk und Sabine Schwemm:

Wir begrüßen die Geschichtswissenschaftliche Dokumentation zur Kinderheilanstalt Bad Salzdetfurth der Diakonie Niedersachsen, die hier heute vorgestellt wird. Die Zusammenstellung und sachliche Bewertung der vorhandenen Zeugnisse aus den verschiedenen Archiven zeigt aus unserer Sicht eine vorbildliche Verantwortungsübernahme eines ehemaligen Heimbetreibers. Herr Lenke, Ihre Worte der Beschämung und Trauer aus dem Vorwort können erfahrenes Leid natürlich nicht ungeschehen machen, aber die damit zum Ausdruck gebrachte Anerkennung unseres Leids, seien Sie sich gewiss, die bedeutet uns viel.

In der Schlussfolgerung der Dokumentation steht, es seien noch weitere Forschungen nötig, um vertiefende Erkenntnisse zu den Kinderverschickungen zu erlangen und dass solche Forschung nur gemeinsam mit anderen Anbietern der Kinderkuren, der Forschung, der Politik und vor allem mit den Betroffenen, also mit uns gemacht werden kann. Da geben wir Ihnen vollständig recht. Sie haben Ihren Teil der Arbeit geleistet und die Archive ausgewertet. Wir werden unseren Teil dazu beitragen und Erkenntnisse aus den vielen Erlebnisberichten, die uns von Verschickungskindern anvertraut wurden und weiter täglich anvertraut werden, gewinnen. Tausende haben sich gemeldet und sehr viele von ihnen wollen mittun, mitforschen, herausfinden was war und warum es war.

Unsere Initiative hat im November 2019 auf unserem Gründungskongress auf Sylt zwei Forderungen formuliert, die sich in Ihrem Vorwort, Herr Lenke, wiederfinden. Die Anerkennung des Leids der Verschickungskinder und die Finanzierung einer selbst bestimmten Forschung, einer Citizen Science Forschung insbesondere durch Wissenschafler*innen mit Doppelexpertise (Profession und Verschickungskind) mit einem unabhängigen Beirat. Die Anerkennung wurde uns im letzten Jahr von vielen Seiten gewährt. Die Konferenz der Sozialminister*innen forderte nach ihrer Mai-Sitzung die Bundesregierung auf, sich des Verschickungsthemas federführend anzunehmen.

Die Diakonie Niedersachen allerdings gehörte zu den ersten, die sich mit uns getroffen haben, die unser Leid anerkannt haben und die uns für unseren Forschungsantrag einen Letter of Intent geschrieben haben. Herzlichen Dank hierfür!

Jetzt muss noch unsere zweite Forderung von den Trägervertretern, den Länder- und der Bundesregierung aufgegriffen werden. Wir brauchen Geld für unsere Betroffenen und deren Recherchen, wir brauchen Geld um Anlauf- und Beratungsstellen einrichten zu können. Die immense ehrenamtliche Arbeit, die seit einem Jahr an sehr vielen Stellen im Land geleistet wird, braucht einen finanzierten Rahmen.

Im Advent 2019 haben wir mit Ihnen, Herr Lenke, zusammengesessen und überlegt ob und ggf. wie wir uns gemeinsam des Themas Kinderverschickungen annehmen könnten. Wir nähern uns dem Thema von zwei verschiedenen Richtungen, Sie in der Verantwortung eines ehemaligen Heimbetreibers, wir als die Betroffene. Und dennoch scheint es möglich am gleichen Strang zu ziehen. Unser gemeinsames Ziel, die Erforschung und Aufarbeitung der Kinderverschickungen, dient nicht nur dem Begreifen der Vergangenheit. Es soll auch generalisierend das Thema des Machtmissbrauchs in Institutionen in den Fokus nehmen und einen Diskurs in der Gesellschaft anstoßen.

Wir danken Ihnen, dass Sie Ihren Teil der Verantwortung übernommen haben.

Valerie Lenck, Vorstand Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickungen e.V. Sabine Schwemm, Initiative der Verschickungskinder, Landeskoordination Niedersachsen