Karl Gebhardt, Leiter der TBC-Kurklinik Hohenlychen für Frauen und Kinder, Leibarzt Adolf Hitlers

Die NS-Gesellschaft hat ab 1933 die Werte, Sitten, Gebräuche, Haltungen, Meinungen und Handlungen, die Einstellungen und moralischen Vorstellungen der Menschen, der Kinder, der Berufstätigen und Jugendlichen völlig umgewälzt. Diese Umwälzung hatte u.U. ein ganzes Lebensalter Auswirkungen, denn bis zu dem Zeitpunkt, wo die unter den Nazis erstmalig gesellschaftlich Erzogenen gestorben waren, wirkten diese Haltungen unbewusst und bewusst in ihren Gedanken, Äußerungen und moralischen Haltungen weiter. Es gab also, bezogen auf die Mitarbeitenden in den Verschickungsheimen verschiedene Einflüsse, man kann die NS-Einflüsse auf die „Tanten“, Hausmeister, Ärzte, je nach Lebensalter, zusammenfassen in:

  1. Kindheitsmuster einer lückenlosen NS-Erziehung der ab 1928 geborenen, die unter dem Einfluss des NS-Gedankenguts und seiner Abwertungen des Menschlichen ab dem ersten Schuljahr standen ( 1960 = 32 Jahre alt)
  2. Berufliche Prägungen aus Pflegeberufen der ab 1915 geborenen Mitarbeitenden in den Verschickungsheimen, deren berufliche erste Prägungen in die NS-Zeit fiel, von denen etliche in 200.000 Sterilisationsmeldungen-, Operationen und in weit über 100 000 Euthanasiehandlungen durch Mittäterschaft, Zusehen oder Beihilfe einbezogen waren. ( 1960 = 45 Jahre alt)
  3. Berufliche Prägungen der in NS-Leitungsfunktionen arbeitenden Menschen, meist Ärzten, Heimdirektoren, Professoren, der ab 1900 geborenen ( 1960 = 60Jahre alt), von denen zahlreiche in NS-Gutachtertätigkeit in Gesundheitsämtern und im Zusammenhang mit der Euthansie und anderen NS-Massenverbrechen, in Morde und tödlich-schmerzhafte Experimente der Kinderfachabteilungen, der Forschungsvorhaben, oder auch andere Kriegsverbrecherische Handlungen einbezogen, beteiligt, durch Mittäterschaft, Zusehen oder Beihilfe beteiligt waren.
  4. Prägung durch verbrecherische NS-Forschungen, meist zu TBC, Impfpräperaten, Sulfonamiden und Sedativa, die nach 1945 aus Forschungsinteresse in Verschickungsheimen und Kinderheilstätten in Kinder-Kurorten weitergeführt wurden.

Die unmittelbare Vergangenheit der Mitarbeitenden in Verschickungsheimen der 50-80er Jahre war die NS-Zeit, viele der „Tanten“ und ärztlichen Leiter haben ihre Kindheitsprägungen und ihre beruflichen Hauptprägungen während der NS-Zeit erworben. Etliche hatten NS-Leitungsfunktionen inne und sind nie dafür verurteilt worden.

Hier dazu ein Radiofaeture aus dem Bayrischen Rundfunk: Beispiel für NS-Täter als Klinikleiter, weitere auf unserer Liste der ärztlichen Leiter und Autoren der Verschickungsindustrie , die stetig ergänzt wird.

Es ist nötig, alle NS-Zusammenhänge von Tätern in den Verschickungsheimen lückenlos durch biografische Nachforschungen, Veröffentlichungen der Ärzte und Aktenstudium aufzuklären. Inwieweit haben Behörden NS-Täter und Täterinnen gedeckt und ihnen eine Arbeit an Kindern erneut ermöglicht, obgleich sie schon vorher schwere Verbrechen an Kindern begangen hatten, die nie verurteilt worden waren?

Ein weiteres Beispiel für eine NS-Täterin, die nach 1945 unbehelligt und weiterhin im Bereich Gesundheitsamt und Sozialfürsorge arbeiten konnte, ist z.B. die Medizinalrätin, María Götz, tätig in der Gesundheitsfür – und Vorsorge, in der Säuglingsfürsorge und im Bereich der Schuleingangsuntersuchungen, wo maßgeblich die Empfehlungen für Verschickungen ausgeschrieben wurden. (Beispiel aus: „Dabeigewesene“, und NS-Täter und Täterinnen aus Gelsenkirchen!)

Manche der ärztlichen Leiter von Kur- und Verschickungsheimen haben auch schon in der NS-Zeit gewirkt, ein Beispiel ist Karl Gebhardt, er war ab 1933 Leiter des Tuberkulose-Sanatoriums in Hohenlychen, einer Lungenklinik für Frauen und Kinder. Leibarzt Adolf Hitlers. Er hat in seiner Kurklinik Hohenlychen sowie im KZ Auschwitz schwere Verbrechen verübt: Schmerzhafte, meist tödlich ausgehende Menschenversuche, Sulfonamid- und Meerwasserversuche. Dafür wurde er, nachdem er zunächst mit der HIAG über die Rattenlinie Nord nach Flensburg floh, in den Nürnberger Prozessen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tod verurteilt und hingerichtet. (Vergl. dazu auch: Alexander Mitscherlich, u. a. (Hrsg.): Medizin ohne Menschlichkeit. Fischer, Frankfurt/M. 1997, (kommentierte Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses).

Viele seiner Forschungskollegen zum Thema TBC haben auch nach 1945 weiter geschrieben und geforscht. (u.a. Dr. Hans Kleinschmidt und Dr. Werner Catel). Einige von ihnen haben an diesen Themen auch noch in den 50/60er Jahren weitergearbeitet, dort sogar auch noch Menschenversuche mit Kindern, mit Todesfolge gemacht.

Einen ersten Anfang, ärztlichen Biografien hinterherzuforschen und sie auf mögliche NS-Täterschaften zu durchleuchten, stellt unsere Liste der ärztlichen Leiter und Autoren der Verschickungsindustrie dar. Sie ist erst der Beginn, intensivere Forschung tut dringend Not.
Eine weitere Studie über die NS-Wurzeln, am Beispiel der Barmer Ersatzkasse wird in diesem Beitrag versucht vorzunehmen.

Solche Studien müssen fortgeführt werden!