Bedrückende Erinnerungen in Berlebeck
Eine Woche lang haben wir, sieben Verschickungskinder aus Berlebeck, zusammen mit einem Filmteam und dem Regisseur Silas Degen, in unserem ehemaligen Heim, dem DRK-Kinderkurheim Johannaberg in Berlebeck, einen Film gedreht. Dabei haben wir angsterregende Szenen und schmerzhafte Erinnerungen aus unserem eigenen damaligem Erleben nachgestellt. Wir sind dabei für kurze Zeit selbst in die Rolle des Regisseurs geschlüpft, haben die Schauspieler angewiesen, wie sie die Szene gestalten sollten und haben Kontakt zu unseren damaligen kleinen Kindern aufgenommen. Dabei haben wir alle eine einzige große wertvolle Erfahrung gemacht: Es ist gelungen, die Herrschaft des Hauses über uns zu brechen, am Ende hatte das Haus für uns alle seine Schrecken mindestens teilweise verloren, wir haben uns durch das Nachspiel von den inneren Szenen befreit, indem wir sie nach außen getragen und der Welt als Mahnung gezeigt haben.
Ein Wagnis. Einzutauchen in die Vergangenheit und nachspielen, was einem damals geschah? Noch dazu in demselben alten Haus, wo jede Farbe, jedes Wandstück, jede Tür, die Kneipp-, Wasch- und Toilettenräume, sowie der Ess-Saal in Art eines Lost Places auf uns als ungeheure Trigger eingewirkt haben? Selbst das Essen bestand aus nachgekochten Speisen des damals angebotenen Speisezettels. Große anfängliche Skepsis beherrschte uns, einige sind krank vor Angst geworden. Aber als es begann und deutlich wurde, dass wir an einem Kunstwerk mitwirken, das seelenbefreiend wirkte, wurden wir eine einzige Freundesgruppe. Die Freundschaften, die wir damals wegen Redeverbots nicht anknüpfen konnten, gelangen uns nun, die Verbote, die uns damals die Luft abschnürten, konnten wir nun übertreten und damit abschütteln, Schmerzen und Angst, die uns damals beherrschten, haben wir nun nachgespielt und damit Distanz dazu entwickelt. Alles in allem eine aufwühlende, aber heilsame Erfahrung. Der Film wird wahrscheinlich 2025 fertiggestellt und im Kino zu sehen sein. Wir wünschen dem Film ein gutes Gelingen!
Der Regisseur Silas Degen wurde zu einem Studiogespräch eingeladen. Hier der Link: WDR Lokalzeit OWL 2024-03-18
Start nach 10 Minuten und 20 Sekunden, Dauer des Beitrags ca. 8 Minuten