Neue Studie der Diakonie Niedersachsen

Nach der ersten Dokumentation zum Kinderheim Bad Salzdetfurth wird nun eine weitere Dokumentation zu verschiedenen Kinderkurheimen in Trägerschaft von diakonischen Einrichtungen vorgelegt. Hier. Im Vorwort wird davon gesprochen, dass die Betroffenenberichte und Gespräche „mit Menschen, die vor Jahren an einer Kurmaßnahme teilgenommen haben,…uns die Schamesröte ins Gesicht getrieben haben. Daher wurde nun Aktenstudium betrieben und versucht, einen Überblick über die Verhältnisse in folgenden Heimen nach 1945 zu verschaffen: das Adolfinenheim auf Borkum, das Helenenheim in Bad Pyrmont und das Seehospiz Norderney. Weiter wurden auch das Flinthörnhaus auf Langeoog, das Marienheim Norderney sowie die Kinderheimat Bad Harzburg untersucht.  Die Heime wurden exemplarisch aufgrund ihrer Größe, ihrer Lage sowie ihrer Zugehörigkeit zur Vorgängerorganisation des heutigen Landesverbandes Diakonisches Werk evangelischer Kirchen in Niedersachsen e.V. ausgewählt. Es fand sich auch tatsächlich noch eine nennenswerte Aktenlage. Die Diakonie Niedersachsen möchte sich damit ihrer Verantwortung stellen, Licht in dieses für viele Betroffene dunkle und bislang weitgehend unerforschte Kapitel zu bringen. Beteiligt waren der Historiker Stefan Kleinschmidt sowie der Historikerin Dr. Nicole Schweig.

Es fanden sich die folgenden wiederkehrenden Probleme:

1. Bauliche Mängel bzw. eine Überalterung der Gebäude und ihrer Einrichtung zogen oftmals auch hygienische und sanitäre Mängel nach sich. 

2. Eine Überbelegung der Heime in den 1950er und 1960er Jahren war an der Tagesordnung. 

3. Spätestens ab den 1960er Jahren gab es in allen Heimen einen zum Teil eklatanten Mangel an Mitarbeitenden in den Häusern. Dies gilt sowohl für Fach- als auch für Hilfspersonal und führte dazu, dass eine zugewandte, kindgerechte und fachlich kompetente Versorgung und Betreuung der Kinder in den angesetzten Kuren oftmals nicht in voller Weise gewährleistet werden konnte. 

4. Auch wenn die untersuchten Dokumente zumeist Verwaltungsakten sind, finden sich Hinweise auf Züchtigungen von Kindern sowie Beschwerden über nicht kindgerechtes oder liebloses Verhalten. 

Zusammenfassende Stellungnahme:

„Nach wie vor sind wir der Meinung, dass das „System“ der Verschickungskinder einer grundsätzlicheren umfassenden Untersuchung bedarf, die sich der Fragen annimmt, die sich uns Heutigen aufdrängen, wenn wir uns mit diesem Phänomen befassen. Dazu gehören die pädagogischen, medizinischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Solange es eine solche wissenschaftliche Bearbeitung nicht gibt, werden nur einzelne Einrichtungen betrachtet. Dabei besteht das Risiko, die Gesamtsituation aus dem Blick zu verlieren.“

Eine kritische Durcharbeitung dieses Berichts von unserer Seite steht noch aus. Wir freuen uns aber, dass die neidersächsische Diakonie als Träger den Anfang gemacht hat, Akten zu sichten, zu bewerten, zu beurteilen. Ihre Stellungnahme ist keineswegs beschönigend. Das ist ein erster Schritt. In einem zweiten sollten nun Betroffenenaussagen den untersuchten Heimen gegenübergestellt werden. Das können nur die Heimortgruppen tun. Die meisten anderen Träger hüllen sich leider noch in Schweigen, manche haben schon Gutachter beauftragt. Bisher ist bnoch kein Runder Tisch eingerichtet worden. Wir wünschen uns: Zu jeder Träger-Forschung ein Betroffenen-Beirat, wie er in Hamburg für die Forschung der Ballinstiftung eingerichtet wurde. Das reine Aktenstudium kann nur zusammen mit den Betroffenenaussagen zu fundierten Aussagen führen.

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