Wir haben dafür gekämpft und es immer wieder gefordert, dass ehemalige Träger von Kindererholungsheimen und Kurheilstätten die Geschichte der Gewalt in diesen Einrichtungen gründlich aufarbeiten. Denn am Anfang gab es keinerlei Kenntnisse, es war, als sei diese Epoche und das mit ihr verbundene Kindesleid ganz und gar in der Geschichte verschwunden. Es existierten ausnahmslos positive Berichte von wunderbaren Urlauben zur Gesundung von Kindern aus großstädtischen Ballungsgebieten, die von aufopferungsvollem Personal freundlich betreut wurden.
50 Jahre lang war es so. Erst im Jahre 2019 sammelten sich Betroffene auf einem Kongress, die das erste Mal ihr Schweigen brachen und seither reißt der Strom der Stimmen, die Leid dort erfahren haben, nicht mehr ab. Auf unser Drängen haben nun Trägereinrichtungen begonnen, bei Wissenschaftlern ihrer Wahl Studien in Auftrag zu geben, die das Leid der ehemals verschickten Kinder aufarbeiten sollen. Seither sind verschiedene Studien entstanden, die wir auf unserer Webseite kontinuierlich dokumentieren. Aufgearbeitet wurde dabei zunächst die Praxis der Verschickungen, wie sie sich aus Akten der Heimbetreibenden ergab, selbst da fanden sich Hinweise auf Gewalt: Strafbücher, illegale Medikamentengaben, Propagierung von Briefzensur und Besuchsverboten, viele Hinweise auf totale Institutionen, Unfälle, Todesfälle durch Verprügeln, Einzwingen von Nahrung, Abweisung von Beschwerden u.w.
In einem zweiten Schritt nahmen die Studien dann auch Jugendamtsbeschwerden und exemplarische Betroffeneninterviews in ihren Blick. Diese verstärken den Eindruck, dass sich bei dem Verschickungswesen um ein System gehandelt hat, in dem Gewalt und Demütigungen von Kindern, wie auch Überforderung des Personals und zum Alttag dazu gehörten. Immer wieder wird aber zum Abschluss solcher Studien betont, was bereits 50 Jahre lang im allgemeinen Diskurs war, nämlich, dass es auch Kinder gibt, denen es in den Heimen gut gefallen hätte.
Für die Aufarbeitung der Gewalt in solche Einrichtungen mag es interessant sein, unter welchen Bedingungen es weniger Gewalt gegeben hat, für die Betroffenen ist es oft schmerzhaft zu erleben, wie in einer Studie zur Aufarbeitung der Gewalt in Verschickungsheimen, diese zunächst angezweifelt, dann durch 50 % positive Berichte sozusagen ausgeglichen und damit kleingeredet wird. Die Betroffenen wünschen sich eine Aufarbeitung der schlimmen Vorkommnisse, unabhängig davon wie viele Menschen die Verschickung positiv erlebt haben. Und in Anbetracht der Tatsache, dass der Initiative bereits über 15.000 Negativberichte vorliegen, sollte versucht werden, vor allem dieser Betroffenengruppe gerecht zu werden.
Die Träger von Verschickungsheimen waren aber auch zu ca. 50 % Privatpersonen, die heute meist längst verstorben sind, denen nachzuforschen sich trotzdem noch lohnt, da man über die Strukturen dieser Medizin-Industrie etwas lernen kann. Die restlichen Träger bestanden aus kirchlichen und Wohltätigkeitsorganisationen, manchmal auch Betriebs- und Kranken-Versicherungsorganisationen.
Viele wünschen sich, über die TRÄGER in die Akte des eigenen Heimes Einblick zu erhalten. Persönliche Heimakten, in denen unsere Namen stehen, existieren in unseren Fällen leider aber meist nicht, es gab aber sogenannte „Anmeldeformulare“ . Diese Anmeldeformulare sind zT noch erhalten, und liegen manchmal in den Landesarchiven des Landes, in dem die Heime lagen. Sie können den Aufenthalt nachweisen und enthalten auf der Rückseite manchmal aufschlussreiche Bewertungen des Kurauftenhalts.
Betroffene können sich über uns versuchen sachkundig zu machen, in welcher Trägerschaft ihr Heim lag. (Dazu bei uns die Heimliste anfordern: Erstinfo@verschickungsheime.de)
Einige Träger haben, wie z.B. die DAK, für Verschickungskinder eine Beratungsmail eingerichtet: An diese E-Mail-Adresse Verschickungskinder@dak.de sollen sich Verschickungskinder wenden, die in ein DAK-Kurheim geschickt wurden! Wenn Betroffene dort nicht zurückgerufen werden, bitte das an uns weitertragen. Hier eine Stellungnahme der DAK-Gesundheit als Beispiel für Reaktionen von Trägern: https://www.dak.de/dak/bundesthemen/gemeinsame-stellungnahme-2390496.html#/
Träger haben damals von den Heimen profitiert, diese nicht genügend kontrolliert und eventuelle Beschwerden oft harsch und grob abgewimmelt. Vielfach gab es, wenn Gewalt oder Unzulänglichkeiten bekannt wurden, nur die eine Sorge, dass es ja nicht bekannt wird.
Heute wünschen wir uns von den Trägern, dass diese nicht nur eigene Studien in Auftrag gibt, sich entschuldigt, und Gedenksteine setzt, sondern, dass sie auch soweit die Betroffenen ernst nimmt, dass sie die überall angestrebte eigenständige Recherche der Betroffenen versteht und unterstützt. Dies nicht nur ideell, sondern auch finanziell, eine Kinderverschickungs-Stiftung könnte ins Leben gerufen werden, die unabhängige Recherche-, Forschungs- und Doktorarbeiten der Betroffenen selbst, von Universitäten, des Wissenschaftsvereins der Initiative oder allgemein zum Thema „Aufarbeitung Kinderverschickungen“ fördert.