Übergabe des Abschlussberichts: “Hamburger Kinderverschickungen”
Strandfoto einer Betroffenen aus dem Hamburger Kinderheim in Wyk a. Föhr: Das Lachen musste den Kindern mehrfach abgefordert werden, keinem Kind war zum Lachen zumute, nur die Betreuerinnen hatten keine Probleme damit
Am 7.10.24 wurde der Abschlussbericht der Studie: Hamburger Kinderverschickungen, in der Hamburger Alster City den aus Hamburg verschickten Verschickungskindern feierlich übergeben. Unter Anwesend der Hamburger Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer, den Forschern, den beteiligten Studierenden und den Beiratsmitgliedern, wurde die Studie ausführlich vorgestellt.
Die Hamburger Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer spricht den Verschickungskindern ihr aufrichtiges Mitgefühl aus.
Ergebnis der Studie:
Bei der Gewalt gegen z.T auch sehr kleine Kinder, in ehemaligen Verschickungsheimen, die aus Hamburg verschickt wurden, handelt es sich nicht um Einzelfälle, sondern sie hatte einen systemimanenten Charakter. Damit bestätigt die Studie die oft schmerzhaften Berichte der Verschickungskinder über die an ihnen ausgeübten schweren Demütigungen, Hartherzigkeiten, über das Erleiden von Angst, psychischer und körperlicher Gewalt über den gesamten Zeitraum der Verschickung. Die z.T erst zwei-bis vierjährigen Kleinkinder, sehr viele Vorschul- und Schulkinder wurden grundsätzlich allein verschickt, regelhaft über sechs Wochen, oft auf Monate hinaus verlängert, ohne dass die Eltern Besuchsrecht hatten.
Dem Beiratsvorsitzenden Peter Krausse wird die Studie feierlich für Verschickungskinder aus Hamburg übergeben
Hier mit den Leitern der Studie: Sarah Meyer und Johannes Richter
Die Studie der Prof. Dr. Sarah Meyer und des Prof. Dr. Johannes Richter, beauftragt von Jens Petri (Ballinstiftung) und der Hamburger Sozialbehörde, hat einen großen Teil der Kinderverschickungen aus Hamburg erstmalig erforscht. Dabei war es ungeheuer wertvoll, dass 700 Akten auf dem Boden des ehemaligen “Hamburger Kinderheim” in Wyk auf Föhr gefunden und gesichert werden konnten. Obgleich es zu Beginn von Nachfragen, bei vielen Trägern, Krankenkassen und Heimbetreibern oft heißt, es gäbe keine Akten mehr, ist es hier gelungen, durch die gesteigerte Aufmerksamkeit, uralte Akten, die in Kisten auf einem Boden vergessen worden waren, für die Forschung dauerhaft zu sichern. Dies ist insbesondere dem Engagement des Leiters der Ballinstiftung, Jens Petri und den aufmerksamen heutigen Mitarbeitern des ehemaligen Kinderheims zu verdanken! Letzterer hielt auf der Abschlussveranstaltung einen ergreifenden Vortrag, in dem er u.a. darauf hinwies, dass wir aufgrund der Ergebnisse dieser Studie auch heute wieder aufmerksam sein müssen, einmal, was einen autoritären Rollback in den Krippen und Kitas betrifft, andererseits, was die Zustände in vielen Feldern der sozialen Arbeit betreffen, die jetzt schon unter hohem Fachkräftemangel litten und unter steigendem Finanzdruck der sozialen Systeme in großer Gefahr seien, erneut Gewalt erzeugende Verhältnisse hervorzurufen.
Jens Petri, Leiter der Ballinstiftung bei seinen eindrucksvollen Worten
Kern der Studie war die Auswertung von 22 Betroffenen-Interviews, die exemplarisch für über 150.000 Kinder ausgewählt worden waren, die in diesem Zeitraum verschickt wurden. Die Studie war als Lehrforschungsprojekt angelegt, so dass hier auch engagierte Studierende mitgewirkt haben. Danke auch an diese! Sie wurde am 7.10.24 in diesem Vortrag vorgestellt, den wir hier dankenswerter Weise zur Verfügung stellen können.
Für die Beiratsmitglieder der Studie, die selbst Verschickungskinder waren und von denen der Impuls zur Aufabeitung ausging, Petra Vierecke (im Vorstand der Initiative Verschickungskinder e.V.) und Peter Krausse (Beiratsvorsitzender der HH-Studie), sprach Letzterer ein großes Danke an die Forschenden aus. Er berichtete dabei auch aus seiner eigenen Verschickung, wo er u.a. Zeuge von Essenszwang und dem Einfüttern von Erbrochenem wurde, wo er Hartherzigkeit, Angst und öffentliche Abstrafung erlebte. Dieses Erlebnis hätte ihn stark und lebenslang aufmerksam auf Ungerechtigkeit gegen Schwächere gemacht.
Fotos privat: © Michael Heinze, Mitglied der Initiative Verschickungskinder e.V.”
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Wie soll es weitergehen in Hamburg?
Welche Unterstützungen sind nun für Verschickungskinder in Hamburg eventuell möglich ins Auge zu fassen? Wird es ein Erinnerungs-Mahnmal, einen Gedenkort, wie in Bad Salzdetfurth und Bad Sassendorf, eine Ausstellung, wie in St. Peter-Ording, Bayern, NRW, geben? Die Heimortgruppe Wyk/Föhr wünscht sich ein Mahnmal an der Kurpromenade für alle 30 Heime auf der Insel und steht dazu schon im Kontakt mit den Gemeindevertretern.
Betroffene, die dazu gern mit beraten möchten, melden sich gerne über diese mailadresse: Jan Juhnke, Team Hamburg der Initiative Verschickungskinder e.V.: Hamburg-LK@verschickungsheime.de
Ein TREFFEN Hamburger Verschickungskinder findet am 17.10.24 um 11 Uhr vormittags statt
Hier noch ein interessanter Hintergrundbericht:
Der ausgebildete Erzieher und Hauptschullehrer Hans-Jürgen Brennecke, der 1971 angestellter Mitarbeiter im Kinderheim Linden-Au erlebte damals schwere Gewaltvorkommen und Sadismus gegen verschickte Kleinkinder. Es wurden die Kinder regelmäßig zu Beginn der Kur auf vielerlei Weise verprügelt. Es wurde ausdrücklich gelacht, während Grausamkeiten an den Kindern verübt wurden. Als er zusammen mit mehreren jüngeren Mitarbeiterinnen diese Zustände öffentlich aufgedeckt hat und darüber sogar im STERN berichtet wurde, wurde er dafür von der Ballinstiftung fristlos gekündigt, die Zustände wurden anschließend stark heruntergespielt. Eine Entschädigung für das ihm damals durch die fristlose Kündigung entgangene Gehalt von drei Monaten (ordentliche Kündigungsfrist) bekam er leider bis heute nicht. Sein ausführlicher Bericht ist aber in die Studie eingeflossen. Dafür wird ihm in der Studie ausdrücklich für sein damaliges Engagement gedankt.
Historische Fotos aus dem AEKV-Archiv