ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN
Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel
Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:
- Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
- Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
- Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen
Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!
Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.
Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.
Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen
Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.: IBAN: DE704306 09671042049800 Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de
Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen
2017 erzählte ich meiner Freundin Monika Weigt von dem Erlebnis was ich als 5 jährige bei Nonnen in einer Landverschickung mit meinen beiden älteren Schwestern erlebt hatte.
Das war so schrecklich das sie zu mir sagte – das kann ich nicht glauben -.
Jahre später als diese Ereignisse von anderen Betroffenen in den Medien veröffentlicht wurden
rief mich Frau Weigt an und sagte mir das dort genau das berichtet wird was ich Ihr damals erzählt hatte.
Dann kam Corona!
Nun bin ich bereit über meine Erlebnisse zu berichten.
Da die Landverschickung erst ab 6 Jahren erlaubt war kämpfte meine Mutter bei der Stadt Hagen
mich als 5 jährige mit meinen beiden älteren Schwestern mitzugeben. Mit Erfolg.
Wir waren bei Nonnen untergebracht.
Hier waren sehr viele Kinder; als jüngste war ich der Liebling der Nonne Oberin.
Diese saß in der Mitte des Speisesaals und wenn die Kinder sich zum essen setzten musste ich immer zur Nonne Oberin.
Sie machte Ihre Beine auf und schob ihre Kutte durch damit sie mich nah heranziehen konnte. Sie drückte meinen Körper ganz fest an sich so das mein Gesicht zwischen Ihrem großen Busen verschwand.
Ich bekam keine Luft mehr; sie setzte mich anschließend auf ihren Schoß weil mein Kreislauf
zusammen brach und ich wahrscheinlich sonst gefallen wäre. - Und das jeden Tag -.
Nun kommen wir zu dem Teil des Erbrochenen:
Es sollte eine Märchenaufführung stattfinden. Wir hatten Tage vorher geprobt sowie die Kostüme gebastelt bzw. aus dem Fundus geholt.
Martina war die Prinzessin, Ulrike der Kater und ich die Maus.
An dem besagten Abend an dem die Aufführung stattfinden sollte saßen wir alle im Speisesaal
zum Abendessen. Es gab Milchreis mit Grütze.
Ich sagte der Nonne das ich das nicht essen kann worauf sie einen Löffel nahm und mir das Essen in den Mund schob. Sofort musste ich mich übergeben und das Erbrochene verteilte sich auf dem Tisch. Die Mädchen in meiner Nähe wanden sich angeekelt ab.
Die Nonne aber nahm meinen Teller und wischte mit ihrer Handkante mein Erbrochenes vom
Tisch in meinen Teller und forderte mich auf das alles zu essen. Ich weigerte mich und aß nichts.
Alle Mädchen durften den Speisesaal nach dem Essen verlassen nur ich musste vor meinem Erbrochenem sitzen bleiben.
Die Aufführung durfte ich nicht mitmachen. Jede Stunde wurde nachgesehen ob mein Teller leer war. Als es schon dunkel war kam die Nonne herein und teilte mir mit jetzt das Licht auszumachen.
An der Wand hing ein sehr großes Krokodil mit aufgerissenem Maul welches wohl Kinder in früheren Zeiten gebastelt hatte.
Die Nonne sagte zu mir wenn ich jetzt nicht den Teller leere würde das Krokodil runter kommen und mich auffressen.
Meine 91jährige Mutter konnte sich noch an den Ort (für mich) des Grauens erinnern.
Auf meine Frage nach Bad Soden antwortete sie spontan „Allendorf“.
Meine Schwester Ulrike lebt nicht mehr, meine Schwester Martina kann sich noch gut daran
erinnern mich auf dem Schoß der Nonne Oberin sitzen zu sehen.
Beim Hagener Stadtarchiv konnte ich keine Dokumente aus der Zeit 1965 erhalten, wegen dem
Hochwasser sei angeblich vieles vernichtet worden ?!?
Ohrfeigen für vermeintliche Verfehlungen, das Durchsuchen von Paketen nach Süßigkeiten und die strikte Kontrolle bei Stadtausflügen und Post hinterließen tiefe Spuren bei mir. Ausflüge nach List oder ins Legoland gerieten oft zu einem regelrechten Spießrutenlauf. Jahrzehnte später, als ich von einem Brand im Speisesaal erfuhr, empfand ich eine Art Erleichterung – als hätte sich eine Form von Gerechtigkeit durchgesetzt.
Besonders stark erinnere ich mich an einen aggressiven Pfleger, dessen Name sinnbildlich für sein Verhalten stand. Seine Gewaltbereitschaft und seine Art haben mich nachhaltig geprägt. Dennoch gibt es auch eine schöne Erinnerung: Ein liebes Mädchen aus Peine, türkischer Abstammung, mit dem ich eine freundschaftliche Verbindung hatte. Oft habe ich an sie gedacht und frage mich, ob sie sich vielleicht auch noch an mich erinnert.
Falls sich jemand angesprochen fühlt oder Lust hat, mir zu schreiben, würde ich mich sehr freuen.
Ich (jetzt 63 Jahre alt) war auch ein Verschickungskind. Ich war 5 Jahre alt (bin im Heim 6 geworden), als bei einer Schuluntersuchung festgestellt wurde, dass ich zu dünn bin.
Im März/April 1967 wurde ich für 6 Wochen ins Kinderkurheim nach Greiz geschickt, um zuzunehmen.
Sehr viele Erinnerungen habe ich nicht mehr an diese Zeit. Vielleicht spielt da auch Verdrängung eine große Rolle.
Ich kann mich aber erinnern, dass wir gezwungen wurden aufzuessen, was für uns Kinder eine Qual war.
Schnelle Bewegungen, wie rennen und toben waren verboten, weil es für die Gewichtszunahme hinderlich war. Wer gegen irgendwelche Vorgaben verstoßen hatte, musste im Waschraum bleiben, wogegen die anderen zum Essen gehen durften.
Erinnern kann ich mich auch, dass es jeden Tag zum Frühstück Mehlsuppe gab. Und dann weiß ich noch, dass es dort einen Raum mit einer Art Höhensonne gab, um die wir nackt herumlaufen mussten.
An Misshandlungen, wie Schläge oder andere Repressalien, kann ich mich nicht erinnern. Das Schlimmste war der Esszwang und die wochenlange Trennung von der Familie ohne jeglichen Kontakt.
Wahrscheinlich habe ich auch vieles verdrängt. Aber wenn ich die Erfahrungen und die daraus erfolgten Ängste und Zwänge vieler anderer Verschickungskinder lese, denke ich, dass einige Verhaltenszüge von mir auf diese schlimme Zeit zurückzuführen sind, worüber ich mir bis jetzt noch keine Gedanken gemacht habe.
z.B. reise ich ungern, brauche meine vertraute Umgebung, ich lass mich nur ungern von Fremden berühren und ganz ausgeprägt, ich würde nie jemanden zwingen zu essen bzw. aufzuessen.
Ich weiß nicht, ob der Kuraufenthalt dafür verantwortlich ist. Aber eine Erklärung wäre das.
Vielen Dank für die Aufarbeitung!
Mein Name ist Thorsten Gerlach und ich schreibe hier zum ersten Male über die Erlebnisse in den "Erholungsheim Upstalsboom" in Norderney an die ich mich noch erinnere.
Ich war damals kurz vor meinem 8. Geburtstag und mein Bruder noch 4 Jahre als wir am von Uelzen unter der Aufsicht von zwei älteren Damen des Gesundheitsamtes in Uelzen in Empfang genommen und nach Norderney "verschickt" wurden.
Ein solches Verfahren wäre heute nicht mehr denkbar aber für die Kinder die aus der Nachkriegszeit kamen und selbst an körperlichen und geistlichen Misshandlungen erlebten war so etwas wohl völlig normal und vielleicht handelten sie aus dem Verlangen ihren Kindern etwas Gutes zu tun .
Wer weiß, wer weiß .
Nach einer Fahrt von mehreren Stunden mit der Bahn, damals D-Zug, und und einem Transfer auf einer Fähre, was natürlich für mich und meinem Bruder ein tolles Erlebnis war, kamen wir beide an einem Sammelpunkt zusammen wo alle Kinder auf die einzelnen Heime aufgeteilt wurden.
Am ersten Abend wurden wir eingeteilt in verschiedene Altersgruppen;
Kleine Jungs ( In diese Gruppe waren die Kleinsten Untergebracht)
Mittlere Jungs (Hier war ich untergekommen)
2.Jungs und große Jungs
So saßen wir nun in dieser Konstellation die 6 Wochen an unseren Tischen.
Meinen Bruder sah ich nur zu den Essenszeiten im großen Speisesaal aber ansonsten hatte ich keinen Kontakt zu ihm.
Die erste Nacht
An die erste Nacht an die ich mich noch mit der viel Schrecken erinnere und machten mir einen kleinen Vorgeschmack auf die restliche Zeit.
Das alle Kinder und für einige Kindern besonders nach einer sehr langen Reise aufgedreht waren, war doch eigentlich mehr als nur normal.
Aber wir machten alle sehr Schnell eine einschüchternde Erfahrung mit einer sehr brutalen weiblichen Aufsicht und Betreuerin, die jeden in den Haaren zog, in den Nacken kniff oder an den Ohren zog bis sie rot wurden.
Ich weiß noch, dass ich die halbe Nacht stehend in einem kleinen Schrank verbringen musste nur weil ich den Jungen im Nebenbett gefragt habe von wo er denn her was mir das o.g. "Privileg" im Schrank bescherte.
Diese Betreuerin war an Brutalität nicht zu übertreffen.
Außerdem kann ich mich noch sehr gut an ihre keifende Stimme und an das fiese Lachen erinnern wenn sie jemanden stundenlang in den Schrank oder in eine Ecke stellte.
Ich glaube, sie hatte sehr viel Spaß an ihrer Arbeit und hoffe inständig, dass
Sie selber keine Kinder hatte , den sie ihre "Werte" weitergeben konnte.
Zwar musste ich während der Nachtruhe nach dieser Nacht nie mehr in den Schrank aber gekniffen oder an den Ohren gezogen das kam schon des Öfteren vor.
Die Morgenwäsche
Vor einem langen Waschbecken wurden die Zähne geputzt und sich mit einem Waschlappen reinigte und das Nackt mit ca. 20 anderen Jungs in einer Reihe.
nach der morgendlichen Körperwäsche wurden dann auch die Unterwäsche für die Reinigung eingesammelt.
Auf die Unterwäsche komme ich aber später noch einmal zurück.
Das Frühstück
Da ich zu dieser Zeit ein kleines pummliges Kind war, musste ich in Regelmäßigen abständigen von einigen Tagen ein Glas mit Salzwasser trinken.
Diejenigen , die das auch trinken mussten wissen bestimmt noch wie "lecker" das war und wenn man es nicht zum Anfang auf Ex getrunken hatte musste solange sitzen bleiben bis das Glas alle war.
Hin und wieder klappte das auch aber meistens musste ich mich davon übergeben und dann gab es den ganzen Tag nur schwarzen Tee und Zwieback was nicht unbedingt satt machte.
Nach dem Frühstück ging man in der Gruppe bei gutem Wetter durch die Stadt oder an dem Strand wo man im Sand spielen durfte und der Besuch alle zwei Wochen im Wellenbad in der Zeit war für mich persönlich das Highlight schlechthin.
Aber ich möchte dazu sagen, dass solche sehr wenigen positiven Ereignisse mich nicht zu einer Aussage wie zum Beispiel:" Es war ja nicht alles so schlecht" hinreißen lasse.
Denn die wenigen gute Erinnerungen machen die vielen schlechten Dinge nicht besser oder ungeschehen.
Das Mittagessen
Man saß also am Tisch und wartete auf das Essen, was aber seinem Namen nicht gerecht wurde.
Es gab viel "Suppe" verkochten Fisch und faden Kartoffelpüree, die Kartoffeln waren tröge und die Nudeln klebrig und pappig.
Das Fleisch war so ungenießbar und unfassbar schlecht, das ich heute noch sehr ungern Fleisch als Beilage esse.
Beim Essen durfte Selb verständlich nicht gesprochen werden und wer es doch wagte, der wurde unter einer demütigenden Ansprache vor die Tür geschickt und bekam natürlich kein Mittagessen.
Der "Mittagsschlaf"
Nach dem Essen wurde Mittagsruhe gehalten.
Ob es nun 1,5 Stunden oder 2 Stunden oder länger waren weiß ich nicht mehr so genau aber da ich, wie die meisten Kinder zu Hause eine solche Ruhepause nicht kannten war es natürlich sehr ungewohnt sich hinzulegen und zu schlafen.
Aber meistens waren wir sehr Ruhig ,da die "nette" Betreuerin, heute würde ich sagen Aufseherin, mit der Brille auf ihre nicht unbedingt einfühlsamen Art und Weise für Ruhe sorgte,
War man selbst ruhig und im Zimmer wurde niemand sanktioniert ,dann durfte man die letzte halbe Stunde sich leise unterhalten.
Nach dem Mittagsschlaf ging man in das Gruppenzimmer wo man Spielen durfte und wo man mindestens einmal in der Woche Postkarten oder Briefe nach Hause schicken durfte oder besser geschrieben musste.
Als erstes wurde auf ein Blatt Papier vorgeschrieben und anschließend von den "Betreuern" korrigiert zurück gegeben.
Natürlich wurden die Passagen wo man im Schrank stand oder anderseits Misshandelt wurde weggestrichen mit der Begründung unsere Eltern wären traurig oder böse auf uns, da wir uns so "schlecht" benehmen würden und welches Kind in diesem Alter möchte es das ihre Eltern traurig oder böse sind.
Vor dem Abendbrot kam meistens die Heimleitung, eine ältere Frau vom Typ nette Omi, mit ihrer Gitarre und wir mussten Volkslieder bzw, und wie passend Seemannslieder singen nur wer nicht mitsingen wollte oder Faxen machte, musste vor die Tür und meistens auf Geheiß der Heimleitung, sie wissen noch...netter Omityp , gab es kein Abendessen und es war das Warten vor dem verschlossenen Essenssaal angesagt.
Vor dem Schlafen gehen
Bevor es ins Bett ging saß unser Zimmer mit einer Betreuerin zusammen und es wurden Geschichten erzählt, doch danach gab es eine Art Inquisition die berüchtigt und gefürchtet war unter uns.
Dort wurden wir gemaßregelt für die Fehler des Tages und lächerlich gemacht und gedemütigt für Unterhosen wo zum Beispiel eine kleine Bremsspur war was in diesem Alter doch einmal vorkommen kann.
Die Wäscherei wurde darauf angewiesen solche Unterwäsche nicht zu waschen und da in ALLEN Wäschestücken ein Namensschild war, war es auch kein Problem den "Übeltäter" dingfest zu machen.
Jetzt wurde die Hose mit spitzen Fingern hoch gehalten und es wurde jeden im Zimmer gezeigt wem diese Hose gehörte mit den Worten:" Diese vollgeschissene Hose gehört dem Dreckschwein, Schwein, der alten Sau oder wenn man sehr viel Glück hat gab es nur die Bezeichnung Schmutzfink" dann wurde der 7 oder 8 jährige vor dem kompletten Zimmer herunter gemacht , was wohl zu der Zeit eine therapeutische Maßnahme war um es nicht mehr zu machen.
Das waren die "Flashlights" an die mich erinnere zum Schluss möchte ich sagen, dass ich meinen Kindern ein solchen langen Zeitraum ohne Eltern und in diesem Alter NIEMALS angetan habe oder antun könnte.
Meine Mutter hat mich alle 6 Wochen besuchen dürfen bei meinem 6 Monate Aufenthalt.
Da hatte ich einen ganzen roten Handabdruck auf meinem Po.Heute noch habe ich Angst vor Dunkelheit und ich hasse Nonnen.Vielleicht kann mir jemand mehr aus diesem Zeitraum 1971/1972 erzählen habe noch alte Briefe wo die Nonnen meinen Eltern geschrieben haben.Auch alte Rechnungen wo immer Taschengeld aufgeführt wurde.Wir kinder wurden in Mannheim am Bahnhof versammelt.
- Essenszwang ( zumindest in St. Peter O. und Grömitz ) Ich war immer die
Letzte beim Abendessen und saß so lange alleine mit der
furchteinflößenden , gnadenlosen und empathielosen ,
schwarzgekleideten (Nonne?) Heimleiterin im Speisesaal, bis ich den
Teller endlich leer hatte.
- Toilettenverbot
- Zensur der Briefe ans Elternhaus - mit Bloßstellung bei negativen
Äußerungen
- teilweise ungenießbares Essen - z.B. mit dicker Schweinefleischschwarte
mit Borsten obendrauf
Nicht erinnern kann ich mich an den Zwang zum Aufessen von Erbrochenem und an sexuellen Missbrauch
Berichten möchte ich gerne über St. Peter Ording, weil es dort am
Traumatisierendsten für mich war:
7-jährig wurde ich dorthin geschickt. Die Atmosphäre war geprägt von Lieblosigkeit , Gnadenlosigkeit und Strenge. Heute frage ich mich, warum ich mich nicht an eine Freundin, die ich dort vielleicht gefunden haben könnte, erinnern kann. Ich vermute das lag daran, dass wir gar nicht die Möglichkeit hatten, viel miteinander zu reden. Dass Freundschaften geschlossen werden sollten, passte gar nicht zum Konzept des Heims. Mindestens ein Mal täglich mussten wir nach draußen gehen und über den weiten Sandstrand in Zweierreihe marschieren. Außer am ersten Abend (Gruppenspiele wie stille Post) kann ich mich auch nicht erinnern, dass wir jemals gespielt hätten, geschweige denn, dass dort Spielzeug vorhanden gewesen wäre.
Das Heim: Man betrat es durch den Keller, in dem sich die Jacken und Schuhe befanden. An den dort vorherrschenden Geruch nach Schuhcreme kann ich mich noch erinnern. Nach dem Mittagessen musste man 2 Stunden in der Liegehalle liegen , zugedeckt mit einer kratzigen Wolldecke. Ich würde sehr gerne den Namen dieses Heims erfahren, ob es noch existiert, und mich austauschen mit anderen , die auch dort gewesen waren. Erinnern kann ich mich nur noch an den Vornamen der Heimleiterin: Tante Annemarie.
Seit Langem leide ich unter Blasenentleerungsstörungen mit hohen Restharnmengen. Das hat zur Folge, dass ich die Blase nur noch durch Einführen eines Katheters in die Harnröhre entleeren kann. Diesen Umstand auf das Toilettenverbot zurückzuführen, erscheint mir nicht unsinnig. Hat jemand vielleicht ähnliche Beschwerden?
Interessieren würde mich auch die Antwort auf folgende Frage : Hat jemand eigentlich gesehen, ob die "Tanten" sich das "überaus schmackhafte" Essen auch angetan hatten?
Bei mir, vierjährig, wurde Tuberkulose Anfang 1953 diagnostiziert. und ich wurde gleich nach Königsfeld im Schwarzwald in die Schwester-Frieda-Klimsch-Stiftung verschickt. Ich war in einer Gruppe von Kleinkindern im Haupthaus. Ich erinnere mich, dass ich zuerst gebadet wurde. Das war sicher nötig, denn viele Kinder kamen noch aus sehr ärmlichen und ungesunden Wohnverhältnissen. Schwester Brigitte war unsere Gruppenschwester. In der Gruppe waren wir zu sechst. Drei kleine Mädchen und drei kleine Jungen. Schwester Brigitte war wirklich sehr lieb, ich kann mich an nicht Unerfreuliches erinnern. Wenn es das Wetter zuließ, gingen wir spazieren, spielten draußen in einem Sandkasten oder saßen an einem großen Tisch unter Bäumen und spielten oder bastelten. Jeden Morgen wurde die Temperatur gemessen, und Hygiene spielte eine große Rolle. An den großen Speisesaal kann ich mich erinnern, wo alle Kinder des Haupthauses zusammen aßen. Es gab Regeln: man durfte den Löffel oder die Gabel erst wieder füllen, wenn der Mund leer war. Vermutlich deswegen, weil viele Kinder in dieser Nachkriegszeit aus immer noch sehr armen Verhältnissen kamen, und geprägt durch den vielen Hunger, den sie gehabt hatten, immer so viel und so schnell wie möglich essen wollten.
Die eigentliche Therapie waren Liegekuren und Lebertran. Lebertran war schrecklich, aber irgendwie konnte ich ihn doch schlucken. Ob wir Medikamente bekommen haben, weiß ich nicht mehr. Damals gab es schon Neoteben, dessen Entwicklung viele Menschenleben rettet und gerettet hat.
An Ostereiersuche im Wald kann ich mich erinnern. Es muss ein kühler Tag gewesen sein, denn auf dem Erinnerungsfoto tragen wir alle warme Kleidung. Ich fand ein großes, buntes Papposterei – natürlich gefüllt mit Süßigkeiten.
Anfang 1958 brach die TB bei mir wieder aus, und ich kam in ein Sanatorium (Krankenhaus) in Brauel bei Zeven. Ich habe daran nicht sehr viele Erinnerungen, auf jeden Fall keine negativen. Es gab viel Liegekur und es wurde viel gebastelt. Dann wurde ich als geheilt entlassen.
Das Bremer Gesundheitsamt war aber anderer Meinung – Diagnose: offene Tuberkulose – und schickt mich im Juni 1958 wieder nach Königsfeld in die Schwester-Frieda-Klimsch-Stiftung.
Ich kam ins Haus Waldfrieden in eine Gruppe mit zehn Kindern. Fünf größere, fünf kleinere Mädchen. Unsere Schwester, Schwester Ursel, war wirklich sehr nett. Es gab keine Gewalt, kein Mobbing, kein Lieblingskind. Sie konnte gut erzählen und vorlesen, wir haben viel gebastelt und gesungen. Wir durften sie sogar einmal an den Marterpfahl binden, als wir Indianerless spielten. Ihre Freundin war Tante Margret vom Haus Vogelsang, auch sie immer sehr nett und fröhlich. Spaziergang gab es jeden Tag. Der betreuende Arzt war Dr. Donath, kam zu Untersuchungen und Blutabnahme. Und auch er war immer freundlich. Jede Woche mussten wir eine Brief an die Eltern schreiben, und das wurde uns manchmal wirklich sauer. Es ereignete sich ja nicht so viel. Ich wurde kurz vor Weihnachten entlassen, was ich etwas bedauerte, denn wir hatten gerade so ein schönes Krippenspiel einstudiert.
Im Winter 1962 wurde ich noch einmal verschickt, diesmal zur Erholung in das Kinderheim Bergfreude in Scheidegg. Also eine echte Verschickung. Dort gab es vier Gruppen, große und kleine Mädchen, große und kleine Jungen. Es war wunderschön, jede Menge Schnee, viele Unternehmungen. Die Tanten und die Leiterin sehr freundlich und nett. Es spricht für dieses Heim, dass, als wir am Entlassungstag zum Bus gebracht wurden, alle (!!!) Kinder weinten, sogar die großen Jungen.
Ich habe also nie Gewalt, Unfreundlichkeit, mieses Essen o. ä. erlebt.
Allerdings: es wurde eine Tante Mechthild in der Klimsch-Stiftung unter den Zeugnissen erwähnt, die war mit ihrer Gruppe im Erdgeschoss. Sie war wirklich unfreundlich. Aber zum Glück hatten wir oben mit ihr nichts zu tun.
Und ich möchte durchaus nicht die Erlebnisse anderer Verschickten anzweifeln. Es ist auch gut, dass deren Erlebnisse thematisiert werden. Ihre Arbeit ist sehr wichtig!
Dennoch finde ich, positive Erlebnisse müssen auch erzählt werden.
Meine Eltern haben geglaubt, das sie mir damit etwas Gutes tun und einen Kururlaub ermöglichen.
An meinen Aufenthalt habe ich nur wenige, aber leider überwiegend schlimme Erinnerungen.
Ich erinnere mich noch an Heilbehandelungen wie Wassertreten und
Bestrahlungen, dies fand regelmäßig in größeren Gruppen statt und war nicht so unangenehm.
Schlimme Erinnerungen habe ich beim Thema Essen.
Es gab morgens oft einen Haferbrei, den ich wegen seiner Konsistenz nicht essen konnte. Mittags oft Kartoffelbrei mit einer warmen Sosse und Apfelmuss.
Beide Gerichte vermochte ich nicht zu essen. Ich musste dann immer so lange unter Aufsicht im Speisesaal sitzen bleiben, bis ich meinen Teller gelehrt hatte. Ich erinnere mich noch an erbrechen und panische Angst vorm nächsten Essen.
Gerichte mit dieser Konsistenz kann ich bis heute nicht mehr essen.
Eine weitere schlimme Erinnerung ist das Thema Nachtruhe und Toilettengang.
Abends war ab einer bestimmten Uhrzeit
kein Toilettengang mehr erlaubt.
In meiner Not habe ich mir Nachts mehrfach in die Hose gemacht.
Das wurde dann in der Regel Nachts, bei Kontrollgängen, die mit Taschenlampen stattfanden, bemerkt.
Ich wurde dann aus dem Zimmer geführt und musste mich mit kalten Wasser waschen. Im Anschluss bekam ich ein weisses Nachthemd und musste die weitere Nacht alleine in einem separaten Zimmer verbringen.
Wenn ich mich noch richtig erinnere, musste ich das Nachthemd auch nach dem aufstehen noch tragen und wurde so vor den anderen Kindern als Bettnässer geautet.
Meine einzige schöne Erinnerung war ein Ausflug zur Adlerwarte.
Ich denke bis heute mit Schrecken an diese Zeit zurück.
Berichte von anderen Betroffenen, auf die ich vor kurzem durch Zufall gestoßen bin,
haben diese Erinnerungen wieder lebendig gemacht.
Meine Eltern haben mich damals nach meiner Heimkehr als verändert wahrgenommen, aber was dort wirklich passiert ist wussten sie glaube ich nicht.
Meine Mutter lebt heute noch. Sie ist 87 Jahre alt. Jetzt, wo ich erfahre, wie viele Kinder ähnliches erleiden mussten, möchte ich sie damit auch nicht mehr konfrontieren.
Sie hat tatsächlich geglaubt, das ich dort
eine schöne Zeit verbringe.
In Bad Marienberg war es genauso.
In Cuxhaven mussten wir uns in einer Reihe aufstellen und bekamen mit dem Stock auf die Finger wenn wir nicht essen wollten.
Wenn ich aus Angst nachts ins Bett gemacht hatte musste ich die nächste Nacht an der Wand stehen und im Stehen schlafen.
Ich kann mich nicht wirklich an Gewalt oder Missbrauch erinnern, nur an Kälte und Einsamkeit. Und an 2 Kinder, welche nichts vom Nikolaus bekamen, weil sie unartig waren. Ich weiß nicht mehr, was da alles passiert ist, aber ich habe manchmal das Gefühl, dass dort ein Grund für einige meiner Verhaltensweisen zu finden ist.
1974 war meine Inhaftierung in einem Nonnenkloster bzw. Kurheim. Und ich glaube noch von meiner Mutter noch zu Wissen, dass es in Bad Soden war? Ich war damals 5 Jahre alt und auch heute noch könnte ich weinen, wenn ich daran zurückdenke bzw. über meinem dortigen Aufenthalt spreche. Auch jetzt kommen mir im Moment die Tränen beim schreiben…😢😢😢 Und das, obwohl ich mittlerweile 55 Jahre alt bin…für mich selbst im Moment des Schreibens kaum zu glauben. Diese negativen Erlebnisse dort, sind für mich tatsächlich bis heute noch fest in meinem Kopf verankert…unfassbar!😢😔 Und sobald meine Eltern mich damals auf diese grauenhaften Kur angesprochen hatten, um mehr zu erfahren…liefen bei mir tagelang ohne Worte die tränen.😢 War absolut der Horror dort unter den Nonnen!😱…😢
Damals ging es ohne meine Eltern auf eine lange Zugreise zum Haus des Grauens und es war für mich persönlich das allerschlimmste Erlebnis in meinem Leben. Und wie lange ich dort in Kur war, weiß ich leider nicht mehr? Aber ich denke mal, es waren 6 Wochen. Wir „Inhaftierten” durften in dieser grausamen Zeit nur 2 x zusammen an der frischen Luft in Zweierreihen spazieren gehen…mehr nicht! Kein Witz, denn Fotos habe ich noch von diesen zwei Spaziergängen. Natürlich gestellte Fotos, denn die Nonnen dort kontrollierten alles für das gute Image des Hauses. Es war sozusagen für uns Jungen dort Pflicht, uns auf den Fotos gegenüber dem Kloster und den Nonnen fröhlich zu präsentieren. Obwohl nicht eine Nonne mit auf den Fotos war…warum war das so??? Heutzutage weiß ich es eventuell tatsächlich zu Wissen! Und genau diese Fotos bekamen damals unsere Eltern an die Hand bei der Abholung nach 6 Wochen…und für die Nonnen waren weinende Jungen auf den Fotos ein absolutes NoGo damals!
Also insgesamt ging es seinerzeit während des 6 Wochen Aufenthaltes nur zwei mal nach draußen an die frische Luft und das, obwohl ich Asthmatiker bin…😶 Heutzutage für mich im Bereich meiner Krankheit kaum zu glauben, was man damals mit uns dort gemacht hatte! Ebenso kann ich mich noch gut daran erinnern, dass wir während unserer Wachphasen im Kloster alleinig 2-3 Steckspiele in einem großen Saal vorgelegt bekamen. Mehr Spielzeug gab es dort anscheinend nicht. Und sobald jemand unter uns durch das eintönige Spielen doch mal Heimweh bekam und kräftig anfing zu weinen, so wurden diese weinenden Jungen diesbezüglich ins lächerliche gezogen und ins schlechte Licht vor Allen gerückt…ich natürlich auch! Aber das nicht alleine, denn ab und zu gab es lange rot-gedrehte Ohren…wenn man zu oft weinte oder aus der Sicht der Nonnen mal was falsches gemacht hatte. Ebenso wurde damals von den Nonnen über unser Benehmen ein Buch geführt, sozusagen aus meiner heutigen Sicht…ein Ranking! Also derjenige unter uns, der am wenigsten weinte und sich gut benommen hatte, wurden ganz oben im Ranking geführt. Mehr dazu gleich noch…
Ebenfalls weiß ich noch gut zu Wissen, dass wir täglich Nudeln mit Apfelmus zum Essen bekommen hatten und tatsächlich kann ich mich an keinem anderem Essen dort erinnere...🤷♂️ Und was auf den Teller kam in diesem Kloster, musste definitiv gegessen werden…egal ob die Nudel verbrannt schmeckten oder auch nicht…das vorgesetzte Essen „musste“ definitiv bis zur letzten Nudel aufgegessen werden. Leere Teller waren dort Pflicht und es war absolut egal, ob erbrochenes vor einem lag! Und nach dem Essen ging es jedesmal in einem großen Schlafsaal und wir mussten „Alle“ mit dem Kopf zur Wand liegen. Reden durften wir natürlich nicht und derjenige, der nicht mitspielte…wurde mal kräftig an den Ohren gezogen bzw. 👋! Tja was soll ich sagen, es war absolut grausam für mich dort und durch den „Einschlafzwang“ der Nonnen, schliefen wir damals sehr schnell ein. Und ob wir fürs schnelle Einschlafen tatsächlich damals Medikamente bekommen hatten, weiß ich leider nicht mehr. Nur soviel weiß ich noch, dass es mir nach dem Schlafen oftmals so vorkam…als wäre ich aus einem tagelangen Tiefschlaf-Koma erwacht!
Ebenfalls kann ich mich noch gut daran erinnern, dass ich damals mit gerade mal 5 Jahren noch nicht alleine meinen Hintern nach einem großen Geschäft abputzen konnte. Ich rief somit damals nach den Nonnen…aber leider ohne Erfolg. Sie kamen einfach nicht, um mir diesbezüglich zu helfen. Vor der Tür in weiter Ferne schimpften Sie mit mir und stuften mich vor allen Jungen dort, durch erniedrigende Wortwahl als minderwertig ein…weil ich eben mein Gesäß mit 5 Jahren noch nicht selber abputzen konnte! Tja, und somit habe ich in all den vielen Wochen dort, meinen Hintern mit meinen eigenen Taschentüchern für die Nase aus Stoff, mit eingestickten Namen von mir, dafür benutzt. Denn eine hilfreiche Nonne gab es für mich damals definitiv nicht…😔 Die mir beigebracht hätten, dass man fürs abputzen des Hinterns Toilettenpapier benutzt. Auch meine Mutter war nach der Kur sehr erstaunt, wo denn all die Stofftücher mit meinem eingestickten Namen geblieben sind?🤷♂️ Ich hatte sie damals im Horror-Kloster nach dem Toiletten-Gebrauch unter meiner Bettmatratze heimlich versteckt und sammeln müssen…um dann diese verschmutzten Tücher während der zwei Spaziergänge heimlich in der dortigen Vegetation entsorgen zu können. Tja, und eventuell liegen diese Taschentücher heute noch dort in der Vegetation…grauenhaft und immer noch schämend für mich! Ja so war es seinerzeit und ich denke mal…dass ich 6 Wochen lang mit einem unsauberen Po und enkeling stinkenden Taschentüchern unter meiner Matratze…dort ein dahinvegetierendes „Güllefass“ war?🫣
Wie ich zuvor bereits angesprochen habe, es gab im Kloster unter uns Inhaftierten ein Ranking und der allerliebste unter uns bekam von den Nonnen zum Abschluss der Kur sogar ein Geschenk. Die Preise konnte sich jeder unter uns in Reih und Glied vor der Vergabe ansehen. Aber wo jeder von uns im Ranking gelandet war…wusste niemand unter uns? Tja…und mir gefiel von der Ranking-Skala sofort ein Modell eines Schneemobils. Und tatsächlich wurde ich damals als zweites aufgerufen, warum weiß ich bis heute nicht? Denn oftmals wurde ich dort heftig von den Nonnen erniedrigt! Ich durfte mir somit tatsächlich als zweiter etwas vom Gabentisch auszusuchen. Und ich überlegte damals diesbezüglich einen kleinen Moment und plötzlich fiel mir ein, dass ich ja noch eine jüngere Schwester hatte. Also schnappte ich mir nicht das erwünschte Schneemobil, sondern den minderwertigsten Preis auf dem Gabentisch…eine Stoffpuppe für meine kleine Schwester! Und warum seinerzeit dieses urplötzliche umdenken in meinem Kopf schoss…ich weiß es bis heute leider nicht!
Noch was…
Während dieser 6 Wochen im Nonnenkloster bzw. Kurhaus, hatte ich jegliches Aussehen meiner vier Geschwister tatsächlich vergessen…sogar das Aussehen meiner Eltern! Ebenso hatte ich vergessen, wie sie redeten bzw. deren aussprache war. Ja solange…bis ich meine Eltern im großen gefliesten Kloster-Saal zur Abholung wiedersah. Und als ich dann zur Abholung meine Mutter wiedersah und sie nach einem Moment der Ruhe wiedererkannte und somit anschließend in ihrem Armen lag…musste ich den ganzen Tag lang und bis spät in der Nacht hinein weinen…😥 Ebenso erzählte mir meine Mutter vor ein paar Jahren, wo sie noch lebte, dass sie erstaunt über mein damaliges blasses Aussehen war. Aber das nicht alleine, sie war erschrocken darüber, wie dick ich damals in den 6 Wochen der dortigen Mästung geworden bin.
Noch was diesbezüglich, meine Eltern hatten sich damals bis zu ihrem Tot für das damalige Weggeben bei mir andauernd entschuldigt. Sie wussten es einfach nicht, wie grausam es für mich dort war! Denn ich erzählte bis vor einpaar Jahren gegenüber meiner Mutter nie von dem erlebten im Kloster während der Horror-Kur…ich schämte mich einfach zu sehr! Es ist definitiv nicht die Schuld meiner Eltern alleine gewesen, mich damals mit 5-Jahren für 6 Wochen wegzugeben…denn sie dachten es wäre gesundheitlich das beste für mich. Sicherlich waren die Ärzte seinerzeit treibend für solche Kuren, die uns Kinder somit ins psychische verderben katapultierten! Tja🤷♂️…und so mancher erwachsene Mensch von damals, war seinerzeit anscheinend Arzthörig gewesen? Aber auch die damaligen Ärzte möchte ich persönlich nicht alleinig zum Schuldigen machen, denn auch diese Ärzte erfuhren von keinem Kurkind im Nachhinein…wie grausam diese Kuren tatsächlich für uns Verschickungskindern waren…
Ja wir Kurkinder schämten uns bis in die Ewigkeit, und wir redeten nicht über das damalig schrecklich erlebte…was uns innerhalb dieser Häuser des Grauens angetan wurde…😱😔
Ja so war es damals wahrheitsgemäß von mir, innerhalb des Klosters in Bad Soden. Und bis weit im Jugendalter hinein, hatte ich immer wieder einen grausamen Albtraum vom dortigen Aufenthalt und diesen Albtraum habe ich auch heute noch live vor meinen Augen stehend…👀😱 Aber diesen schlimmen Albtraum muss ich leider jetzt für mich behalten, denn ich weiß es nicht mehr ganz genau, ob dieser Traum vom Kloster tatsächlich der schrecklichen Wahrheit entspricht oder auch nicht?😱😥
Ich hoffe, dass hier einpaar Betroffene meine lange Geschichte von 1974 lesen und eventuell ist ja jemand darunter, der mit mir zusammen damals zur gleichen Zeit in diesem Nonnen-Kloster inhaftiert war? Ich würde mich auf jeden Fall sehr darüber freuen, einen dieser damaligen Jungen wiederzusehen…um diese negativen Erlebnisse eventuell komplett aufzuklären. Damit man endlich selbst mit all den damals negativ vorgefallenen, eventuell auf Ewigkeit abzuschließen kann…
LG. Uli
PS. Ich bin gerne bereit, meine damalige zwei Fotos vom Kuraufenthalt hier zu zeigen, um eventuell den einen oder anderen betroffenen Jungen von damals wiederzusehen.
nach wie vor suche ich Kontakt zu möglichen Heimkindern in den Jahren 59/60 evtl. 61 die ebenfalls in dem Kinderheim-Verschickungsheim
Rechtis-Weitnau im Allgäu gewesen sind. Wohl habe ich den einen oder anderen Kontakt doch sie sind wesentlich jünger und ich werde nun bald 70. Wäre dennoch über Kontakte froh, ich habe hier immer wieder mal einen Beitrag geschrieben.
Ich wünsche von Herzen allen ehemaligen Verschickungs-Heimkindern alles, alles gute.
Namasthe
ich bin in der ehemaligen DDR grossgeworden.
Nur aus Erzählungen weiß ich, dass ich in einer dieser Kuren war. Meine Mutter sagte nur, ich wäre in einem schlechten Zustand nach Hause gekommen. Ich selbst habe keine Erinnerung. Aber leide schon seit der Kindheit an Depressionen, später Essstörung und auch Alkoholproblemen. Selbst nach wiederholtem Nachfragen in der Familie, will mir keiner sagen, wo ich war.
Von daher, hätte ich die Frage, woher kann man das erfahren.
Freu mich über Antworten.
Hier ein guter Artikel auf Zeit Online:
https://www.zeit.de/zeit-wissen/2024/05/verschickungskinder-erholungsheime-kur-erinnerungen/komplettansicht
Erschreckend darin für mich:
"In zwei Studien untersucht Ilona Yim die Folgen von Verschickung: Verschickungskinder werden im Durchschnitt dreimal so häufig geschieden wie Kinder, die nicht verschickt wurden...
"Sie haben Schwierigkeiten, enge Partnerbeziehungen erfolgreich zu gestalten"..
"Die Studien zeigen, dass Menschen mit Verschickungserfahrung weniger gut mit Stress umgehen können",
"Sie empfinden weniger Nähe zu ihren Eltern als die Probanden der Vergleichsgruppe ohne Verschickungserfahrung."
... "Haben 10 bis 15 Prozent der Deutschen depressive Symptome, hat sie unter den Verschickungskindern jedes zweite."
- Stimmt alles, kann ich bestätigen.
Es gab eine "Schreibtante Sabine", die unserer Mutter am 11.05.1975 eine Postkarte nach Hause (Bremen) schickte. Es liest sich, als ginge es uns beiden bestens...
Im August 2023 war ich in Sankt-Peter-Ording die Wanderausstellung zu dem Thema Verschickungskinder besuchen. Und ich war auch im noch existierenden heutigen "Haus Frisia". Vor Ort traf ich zufällig ein weiteres Verschickungskind, die nur positive Erfahrungen in dem Kinderheim Frisia gemacht hat. Auch meine Schwester hat nicht solche leidlichen Erfahrungen machen müssen wie ich.
Möchte gerne mehr erfahren
Ich habe nur wenige Erinnerungen an die Zeit wo ich dort war
Kontakt erwünscht
Lg Silke
Hier ist das Kapitel:
Kinderheim-Scherginnen
Außer seiner Mutter, dem Kofferradio, einer warmherzigen und gelegentlich eine andere wahre Wirklichkeit schaffenden Tante hatte Leander eigentlich nur seine Krankheiten verlässlich an seiner Seite. „Es sind die Drüsen“, sagte der Lungenfacharzt gerne, als er die Besorgnisse der Mutter zu vergrößern verstand. Da gab es etliche Höhlen in Ohr und Kopf, über den Augen, hinter der Stirn und oberhalb der oberen Zahnreihe, die wollten sich offenbar gerne füllen mit allerlei Besatz, der dort nicht hingehörte. Der Hals tat weh oder das Ohr. Der Kopf drohte zu zerspringen, weil der Knochen über den Zähnen den Druck nicht mochte.
Dutzende Male und tapfer durchstreiften die Mutter und der kleine Sohn die kleine Stadt von Süd nach Nord, von einem Ende der Stadt, wo die Sozialwohnungen der Geflüchteten und Vertriebenen rasch aufgebaut worden waren, damit es nicht allzu viel Verdruss mit den Ur-Gatterstalern gab, in Stadtteil der Frischer Born hieß, wo es etliche Gründerzeitvillen oder mindestens stattliche Einfamilienhäuser gab. Ja, die vielen Flüchtlinge. Schlesien, Mecklenburg und Pommern und Ostpreußen – das passte nun wirklich nicht wirklich zu den stolzen Niedersachsen, die froh waren, dass der Krieg reichlich glimpflich an ihnen vorbei gegangen war. Einquartierungen der deutschen Landsleute – das musste dann auch mal ein Ende haben.
Vom Süden der kleinen Stadt also wanderten Mutter Lotte und Sohn Leander, gut eingepackt mit Schal und Pelzmütze, in den drei Kilometer entfernten Norden zum Facharzt. Der hörte sich dann stets die immer gleichen Klagen der Mutter an. Die Halsschmerzen, die enge Atmung, der geblähte Knochen überm Oberkiefer – das alles musste doch nun wirklich nicht sein, hatte sie denn nicht genug erleben müssen im fernen Pommern, in der zerbombten Stadt Stettin.
Dort, beim Facharzt, gab es – wie wohltuend warm – blaues und rotes Licht auf die Kiefer- und Stirnhöhlenknochen. Schade, dass man dann durch die eiskalte Luft wieder nach Hause in die kalte Wohnung musste, so dass schon der kleine Knirps erkennen konnte: So funktioniert eine Therapie, deren Wirkung zuverlässig umgehend verpufft. Das erlebte er bei anderen medizinischen und seelischen Herausforderungen noch viele Male.
Gewiss: Für Leander barg die wiederkehrende gesundheitliche Instabilität einen Vorteil, einen erlebbaren, fast planbaren Vorzug. Denn, was er sonst nicht hatte, konnte ihm die Krankheit verschaffen: Aufmerksamkeit. Ätherisch aufgeladene Pasten wurden auf seiner Brust verteilt, mit Watte wurde okklusiv die Wirkung verstärkt und über Stunden bewahrt. Wichtiger noch: Aus dem Keller wurden Säfte zu Tage gefördert, die er sonst nie sah. Leckere Säfte. Später hörte er bei einer Ernährungsberatung, dass der Saft Muttersaft hieß. Wenigstens rückwirkend betrachtet, passend. Johannisbeersaft – von Mutter im Kartoffelkeller selbst entsaftet mit einem Monstrum, scheinbar aus dem Chemielabor entliehen – wurde am Krankenbett des Sohnes feilgeboten. Was sonst oft nicht gelang, funktionierte jetzt: Mutter brachte etwas, und Leander verspürte Lust, es anzunehmen. Es schmeckte ihm. Mutter zeigte sogar ein Lächeln.
Aber die Bakterien freuten sich, Leander immer wieder zuverlässig als Spielkameraden zu haben. Denn es gab es kein Übungsfeld für die Antikörperchen des Kindes in einem Kindergarten. Der war ja für den Knaben tabu, damit Mutter Abhilfe in ihrem Alleinsein geboten werden konnte.
Dr. med. Alfons Lüttergard, der angesehenste und einzige Hals-Nasen-Ohren-Mediziner und Lungenfacharzt der kleinen ordentlichen Stadt, entwickelte im Zeitablauf zunächst mit der Mutter, dann auch mit dem Vater einen Plan, wie dem kleinen untergewichtigen und infektanfälligen Knirps wohl geholfen werden könne. Nähe und Wärme, Bindungsbereitschaft von Mutter und Vater gegenüber ihrem Nachwuchs, die gab es nicht auf Rezept. Wohl aber eine in diesen Jahren gut in der Bundesrepublik verbreitete Maßnahme, die man für eine zielführende Methode der Krankheitsbekämpfung und vor allem der stählenden Menschwerdung hielt.
Spaßig fand Leander gut zwölf Jahre später, dass es der gleiche Arzt Lüttergard war, der der Bundeswehr in einem Attest empfahl, den just Volljährigen für tauglich zu erklären. Tauglichkeitsgrad: wehrdienstfähig, Stufe drei. Wegen der erheblichen Atemprobleme aufgrund der heftigen Allergien wurde unter der Nummer drei ergänzt: „Nicht im Frühjahr einberufen!“ Da war die Behörde fürsorglich, genauso wie beim Verhör, die Gewissensentscheidung auf Relevanz hin zu durchleuchten.
Leander, der kleine und untergewichtige Knabe, müsse in ein Kinderheim verschickt werden. So lautete der Beschluss und die kaum abweisbare Empfehlung des erfahrenen Lungenarztes. Hunderttausendfach habe sich in ganz Deutschland – damals meinte man damit „ganz Westdeutschland“ – die Verschickung bewährt, berichtete der Mediziner, die Kinder würden ihre Infektanfälligkeit durch Abhärtung und die sogenannte Luftveränderung überwinden, würden quasi über Nacht – genauer: Binnen sechs Wochen – stabil, geheilt, weniger mager, heiter, widerstandsfähig, kurzum: Pralle glückliche Kinder werden.
Mindestens glücklich genug, um die Vorzüge des Wirtschaftswunders ohne Hinterfragen zu genießen. Wie diese Abhärtung aussehen sollte, das wusste Leander damals noch nicht, als er alleingelassen im Beisein seiner Eltern im mit Desinfektionsmitteln geschwängerten Behandlungsraum des ehemaligen Stabsarztes stand und das Urteil über seinen weiteren Werdegang vernahm. Erwachsene denken oft, die Kinder, die kriegen nichts mit. Kriegen sie aber. Nicht zum letzten Mal wurde Leander Empfänger einer Entscheidung; er hörte sie und spürte gar nicht wirklich, dass es ihn selbst betraf.
Im Oktober 1962, Leander war fünf Jahre alt, begann jene Reise von Niedersachsen nach Westfalen. In der Nähe von Soest gab es ein Kinderheim, das sich nach der schönen Hansestadt Hamburg benannt hatte. Die Angestelltenkrankenkasse betrieb in Bad Sassendorf dieses Haus, in dem sich fünfzehn Frauen, die mal Tanten und mal Schwestern genannt wurden, die Aufgaben mit den zweihundert Kindern aus ganz Westdeutschland teilten.
Aufgabe der Tanten war es, die Kinder einzuschüchtern, sie anzubrüllen, ihnen ekelhaftes Essen aufzudrängen und überhaupt alles zu unternehmen, um die Kinder von zu Hause und ihrem Heimweh dorthin fernzuhalten. Die Angst und die unbedingte Anpassung, das war die Währung, mit der dort bezahlt wurde. Das war die Aufgabe der Klienten der Anstalt.
Viele Jahre später, als sich Leander umfassend mit der Entwicklung von Sprache und der Bedeutung von Worten befasste, war er immer noch nicht vollständig in der Lage, den Unterschied zu destillieren, der zwischen ge-schickt und ver-schickt lag. Vielleicht war es noch ehesten die Nähe zum Verschicken von Briefen und Postkarten. Die waren ja auch vor allem eins: Nach dem Versenden einfach weg, nicht aufs Wiederkommen programmiert. So war auch er ver-schickt und glaubte auch wirklich oft, niemals wieder zurückkehren zu dürfen.
Die Aufgabe der oftmals sehr kranken, hüstelnden, niesenden und weinenden Kinder war es, still und brav zu sein, die Maßnahmen zum Gesundwerden in ihr kleines Leben tapfer zu integrieren. Das dauernde Husten, das Weinen, das Flehen, endlich wieder nach Hause zu dürfen – ein bizarrer Teppich der Kälte, oft des Hasses war im Haus und vor allem in ihm ausgelegt.
Erst viele Jahre später, da war er schon vierzehn, fand Leander zufällig heraus, dass außer den erstaunlichen Maßnahmen – wie Erbrochenes aufessen und im Unterhemd in den kalten Ostwind vor die Tür gestellt werden – auch die Lüge ein tragendes Element dieses christlichen Hauses war. Leander war fünf, er konnte noch nicht schreiben. Jeden Sonntag innerhalb dieser unfassbar langen sechs Wochen setzten sich die Tanten im zum Glück leeren Speiseraum mit ihren Schützlingen an den Tisch, um Postkarten nach Hause an Mutti zu schreiben. Immer flehte Leander in den Postkarten, man möge ihn dort wegholen, die Tante möge schreiben, er wolle schnell heim. Darum hatte Leander gebeten.
Aber als Leander die Postkarten – in einem gelben Schuhkarton, von Mutter aufbewahrt und zufällig aus dem Wohnzimmerschrank gefallen – las, stand da nichts von seinen Sehnsüchten auf Heimkehr, auf ein Ende des schaurigen Aufenthalts. Da standen nur Lügen. Dass es dem kleinen Leander so gut gefalle, alle seien nett, es werde viel gespielt und viel gelacht. Nein, es wurde nicht viel gelacht. Es wurde nicht gelacht. Es wurde gelitten.
Immer, wenn Leander später einmal fror, dann war es das Frieren des Fünfjährigen, der zur Strafe für Nichtverzehr von fauligem Obst für eine Stunde im kalten Oktoberregen im Unterhemd vor die Tür gesperrt worden war.
Immer, wenn Leander später einmal schlecht schlief, dann sah er spätestens im Traum die klein-blaurotweiß-karierten Bettbezüge auf den Feldbetten, die in der Sporthalle von Haus Hamburg zum Zwecke des heilenden Mittagsschlafs aufgestellt waren.
Zweck der Sporthalle: Mittagsschlaf. Von eins bis drei. Mittagsschlaf. Damit die Kinder gedeihen. Und Schlaf bedeutete auch wirklich Schlaf, da gab es keinen Pardon. Leander war mittags um eins oft nicht müde, eher war er hungrig, vielleicht wollte er mit seinen Insassenkameraden reden, fragen, wie es ihnen denn geht, was ihre Wünsche wohl seien.
Jedenfalls lag er brav auf dem Feldbett mit der Nummer 7 – diese Zahl hatte er sich eingeprägt – und kniff die Augen zu. Er störte nicht, er gab keinen Laut von sich, atmete flach – so wie er es von seiner Bronchitis gut kannte, damit sie sich nicht allzu stark aufbäumte und das Giemen hörbar wurde.
Er sprach nicht, flüsterte nicht, lachte und kicherte nicht mit seinen Feldbettnachbarn, die auch alle so um die fünf bis acht Jahre alt waren. Nein, er gab keinen Laut von sich und hoffte, die strenge Tante würde bei ihrem Schlafkontrollgang ihre Kontrolle bewahren. Sie bewahrte sie nicht. Ein Dutzendmal wurde Leander während des verordneten Mittagsschlafs der über hundert Kinder kasernenhoftauglich angebrüllt, von jener Schwester, deren Namen er leider später nicht mehr erinnern konnte. Das war wohl besser so.
„Ich habe gesagt, dass hier geschlafen wird, verdammt noch mal, nicht, dass die Augen zugekniffen werden. Ich sehe das. Ich sehe das ganz genau. Glaub nur nicht, dass du mich anlügen kannst.“ Sowas sitzt. Und es förderte weder damals noch später Leanders Gesundheit. Die Schlafanordnung hielt ihn fern davon, wohlig müde zu werden.
War das Brüllen, diesmal sogar von Frauen, noch immer das gleiche Brüllen wie jenes des Bösmenschen aus Braunau? War das immer noch so nah an der Oberfläche, zu kurz her? Der Krieg und die Herrenmenschenherrschaft waren doch schon siebzehn Jahre vorbei. War das nicht lange genug? War es nicht.
Im Oktober 1962 – es waren drei der als umfassend heilsam versprochenen sechs Wochen verstrichen – kamen Mutter und Vater für einen Nachmittag zu Besuch, der Mercedes rollte über den Kies der Hofeinfahrt des Hamburg-Heims. Der hämmernde Diesel war dem Leander ein vertrautes Geräusch, das er bereits durchs gekippte Fenster des oft erschreckenden Speisesaals hören durfte.
Vater kommt zu Besuch, Mutter ist dabei. Gewiss haben sie die Postkarten gelesen, die die Tanten an den Sonntagen nachmittags nach dem Großen Geschlafe mit den Kinderinsassen verfassten. Leander war natürlich vom Authentischen dieser Karten ausgegangen. Gefleht hatte er, man möge ihn nach Hause holen, gejammert und geweint.
Kalt war es ja bereits zu Hause. Aber im Vergleich zu dieser erkalteten Abgeschiedenheit im Angesicht der rieselnden Saline und der Gewissheit der stets geschlossenen Türen – verglichen mit Haus Hamburg in Bad Sassendorf war es kuschelig warm in der winzigen Wohnung in Bad Gatterstal, froh für jedes gute Wort von Mutter war Leander und dankbar für jeden seltenen Blick des Vaters, der seine Wärme nur aus Versehen und Überforderung verbarg.
Ein langer Aufenthalt. Ein langer Entzug der Heimat. Sechs Wochen. Solche sechs Wochen rauschten sechzig Jahre später in den zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts – zu Beginn der Zeit der Großen Pandemien – für Leander und seine liebe Frau rasend hart und schnell wie ein eisig kantiger Sandsturm vorbei. Sechs Wochen; die dauerten bei guter innerer Führung in den Zeiten der Pandemie gewiss nicht länger als zweieinhalb Tage, aus Sicht der gereiften Seele gesehen.
Aber für Leander als Kind vergingen sechs Wochen langsam. Sie vergingen immer langsam, auch, weil der Vater verlässlich fern war, von Montag sechs Uhr bis Freitag fünf Uhr nachmittags. Nun, in Bad Sassendorf, konnte diese klebrige Wegstrecke durch die Zeit also noch gesteigert werden in ihrer Zähigkeit.
In Bad Gatterstal lebte er umhüllt von einem Mehltau-Mantel. In Bad Sassendorf lebte er zusätzlich in einem Bleikorsett, nach unten verstärkt mit Eisenkugeln, damit die innere Freude nicht auf die irrwitzige Idee kommen möge, frei zu hüpfen oder gar zu tanzen.
Diese sechs Wochen während der Kubakrise 1962 waren für den kleinen zarten Leander die erste persönliche unterbewusste Verknüpfung mit Krieg und Elend, jenes, das es zu vermeiden gelte.
Jeder einzelne Tag dieser sechs Wochen unter dem Kommando der Schwestern und Tanten im Verschickungsheim in Westfalen erschien ihm wie eine Woche, eher wie ein Monat. Keine Freude, keine Glanzpunkte, kein Hangeln von Spiel zu Spiel, keine heiteren Gespräche, kein freies Singen, kein Tanzen, nur stilles Erleiden der Anordnungen. Ein Tag, an dem er nicht geschimpft wurde, an dem er und die anderen nicht zerbrüllt wurden, war bereits ein besonderer Tag.
Es entstand eine jener umfassenden Verwechslungen: Das Ausbleiben von Trauer und Druck, das war bereits Glück. Es trainierte früh die Fähigkeit zur Contenance. Möglicherweise war das der verdeckte Auftrag, den die Sozialminister und Krankenkassen dieser Tage an die Verschickungsheime erteilt hatten. Vielleicht war das Quälen der Kinder nur ein Nebeneffekt. Sich unterordnen – das war schon einmal Tausend lange Jahre richtig, warum sollte das nun in einer freiheitlichen demokratischen Republik plötzlich anders sein.
Zurück zum Besuch der Eltern, dort im Haus Hamburg. Leander hatte also die kindliche Hoffnung, aus dem Besuch in der zeitlichen Mitte des Aufenthalts in Bad Sassendorf würde ein Heimholen nach Bad Gatterstal werden. Man – in diesem Falle, die Eltern – glaubte ihm nicht. Die Lügenpostkarten hatten gewirkt. Trauer oder gar Empörung konnte er nicht mobilisieren. Und er hatte schon damals die Fähigkeit, still zu leiden, so etwas, das er zwanzig und dreißig Jahr später gerne als „Mäßigung“ bezeichnete. Gelegentlich war er regelrecht stolz auf diese Umdeutung, auf diese fatale Verwechslung. Man sah seinem Gesicht jahrzehntelang nicht an, was sich hinter dem Pokerface verbarg. Es war selten Zorn, meistens Enttäuschung, was man hätte entdecken können.
Im Oktober 1962 gab es eine Krise in der Welt. Kuba stand im Zentrum des Interesses der Weltmächte. Später erfuhr Leander, wie brisant, wie unfassbar knapp der Planet vor dem Ausbruch des Dritten und vermutlich Letzten Großen Kulturbruchs gestanden hatte. Und als alles Flehen nichts nutzte, er an Mutter und Vater zerrte, die wieder in den Mercedes einstiegen, da hörte er den Vater sagen: „Du musst schön artig sein und auf die Tanten hören, damit du schön gesund wirst.“ Dieser Satz war belastend für Leander. Nicht belastend, sondern verstörend jedoch war jener Satz, den der Vater kurz danach beim Einsteigen an die Mutter richtete.
Drinnen im Auto lief das Autoradio. Nachrichten des Nordwestdeutschen Rundfunks. Das Thema war Kuba. Was der Präsident der USA wohl nun als nächstes machen werde, war eine der Fragen. Vater sagte zu Mutter – er war sicher davon überzeugt, der kleine Sohn würde es nicht hören: „Hoffentlich bricht kein Atomkrieg aus.“ Und dann fuhren die Eltern los, Leander weinte, winkte und blickte, er hatte gute Übung darin, in den Auspuff des 180-er Diesel.
Der Atomkrieg, der brach durch die Verkettung glücklicher Zufälle dann doch nicht aus. Atomkrieg und das Androhen mit Menschenmassenvernichtung, das war auch später etwas, das Leander nicht gut fand. Wie kam es zum Krieg der deutschen Herrenmenschen, wie zur Tötungsorgie gegenüber einem Dutzend Staaten, gegenüber anders Denkenden, anders Gläubigen, wie zum Zertreten eigener Landsleute? Das war eine Frage, die ihn politisch und historisch, vor allem aber tief in seinem Herzen sein Leben lang bewegte. Die andere Frage war: Wie eng und unabweisbar sind Lust an Unterdrückung und Sklaverei mit dem Einmünden in einen Großen Krieg verknüpft?
Vater Heinrich ging in neuer Gewohnheit und eigentlich zum Zwecke der Rehabilitation wöchentlich sonntags in die evangelische Kirche von Bad Gatterstal, um dem Pfarrer Nord zu lauschen, Mitglied der Bekennenden Kirche und ein Freund Pastor Martin Niemöllers.
Sohn Leander war – nur drei Jahre nach seiner Kriegsdienstverweigerung – stolz darauf, mit Pastor Martin Niemöller in Wiesbaden und Frankfurt am Main im Vorbereitungskomitee für die großen Friedensdemonstrationen Ende der siebziger Jahre, Anfang der achtziger Jahre gesessen zu haben. Leander und seine Mitstreiter, meist junge Gewerkschafter, waren ziemlich beeindruckt von der Vitalität des Pastors, der ein Freund des großen Dietrich Bonhoeffer gewesen war. 85 Jahre alt war Niemöller, als Leander ihn kennenlernen durfte. Der Pastor kam fünf Minuten vor Beginn der Tagung ins Haus der Gewerkschaftsjugend, nahm wie selbstverständlich drei Stufen auf einmal nach oben, überholte Leander und seinen Freund Horst – mit dem Zuruf: „Los, Jungs, lasst uns anfangen, wir haben nicht viel Zeit.“
Mit den ersten Demonstrationen in Wiesbaden, zwanzigtausend Leute waren es wohl, begann es 1977. Und die dreihunderttausend westdeutschen Menschen mit offenem Geist und der Sorge um die Erhaltung des Friedens, die in Bonn im Oktober 1981 auf der Hofgartenwiese gegen Raketen aller Art demonstrierten, sie vermochten es, dem jungen Leander Glücksmomente zu verschaffen, Geborgenheit, Zuversicht, Angstverminderung, ja echte Heiterkeit. Er spürte, auf der richtigen Seite zu sein, wie ein paar Jahre zuvor, als er sich für den Zivildienst und gegen den Kriegsdienst entschieden hatte.
Aber die großen Demonstrationen, umrahmt von Musikern und Literaten, leisteten mehr, als nur am Ende des Schlafs der Vernunft beteiligt zu sein. „Vom Schrei nach dem Frieden ist die Luft hier ganz schwer. Ja, wo kommt denn der Frieden her?“ rief André Heller, der Künstler aus Wien, den wachen und freundlichen alternativen Bundesbürgern und Bundesbürgerinnen auf der Bonner Hofgartenwiese zu.
Es war Konsens dieser herzlich Vernünftigen in Bonn, der Frieden komme nicht nur vom bloßen Fordern, nein, er komme vom eigenen Tun. „Wenn in unseren Seelen die Mörderwaffen ruh’n. Wenn wir Gewalt verweigern in Sprache, Not und Streit. Wenn wir als Haltung lieben, Zeit unserer Lebenszeit“, empfahl der große österreichische Künstler.
Die Freude in den Gesichtern der vielen Gleichgesinnten, ihre Buntheit und Weltoffenheit, ihre Herzlichkeit, ihr Mut und ihre Demut – sie vermochten die Kälte der elterlichen Sozialwohnung und mehr noch die Eiseskälte der beiden zehrenden Kinderheimaufenthalte mit Wärme und mit einem Geschmack von Zukunft zu vertreiben.
Ich bin mir sicher, dass sich dieser "Kuraufenthalt" tief in meine Seele eingebrannt hat, ohne Genaueres zu wissen. Vielleicht einer der entscheidenden Gründe für meine lebenslangen Depressionen?!
Ich würde mich gerne mit anderen Menschen austauschen, die auch eine "Kinderlandverschickung" erleiden mussten.
Martin
Zum Glück fand ich unter den anderen Kindern im Schloss am Meer bald einen Freund, einen Jungen aus der Nähe von Stuttgart. Wir verstanden uns gut und waren immer zusammen, wenn es ging. Wir gingen nebeneinander bei Strandwanderungen und wenn wir durch Wyk zum Sportplatz gingen, um dort Fußball zu spielen. Ich mochte Fußball nicht, was die Betreuerinnen aber akzeptierten. Ich durfte auf einer Bank sitzen und zuschauen, was ich viel schöner fand, als dem Ball hinterherzurennen. Ich war damals ziemlich dick, die Rennerei nervte mich. Toll war, dass wir anschließend bei einem Dorfladen vorbeigingen und uns etwas kaufen durften. Süßigkeiten waren nicht erlaubt, aber eine Banane war o. k. und ich fand sie damals köstlich. Das lag an dem etwas kargen Essen, das ich aufgrund meines Übergewichts bekam. Ich fand das ungerecht, aber es war eigentlich schon nötig. Ich erinnere mich an den großen Speisesaal, in dem alle Kinder saßen und aßen. Ein Gericht gab es öfters: Kartoffelbrei mit Sauerkraut und in Scheiben geschnittene Frankfurter Würstchen. Alles durcheinandergerührt zu einer ziemlich massiven Masse. Ich erinnere mich, dass mein neuer Freund das nicht mochte, aber ich aß eigentlich alles gern. Dazu gab es Hagebuttentee aus einer Edelstahltasse. Ich kannte das nicht, bei uns zuhause gab es nie Tee. Aber ich mochte es, ich fand es erfrischend.
Nach dem Mittagessen mussten alle Mittagsschlaf machen. Wir lagen in einem großen Saal auf einer Art Campingliege, jeder hatte eine Wolldecke. Auch das kannte ich von zuhause nicht, denn ich war mittags nie müde. Daher fand ich die Ruhezeit im Kinderheim sehr, sehr langweilig. Eigentlich durften wir nichts mit in den Ruhesaal nehmen, aber nach ein paar Tagen Langeweile schmuggelte ich immer ein kleines Blatt Papier mit hinein und faltete damit unter der Wolldecke Tiere, Schiffchen und Ziehharmonikas. Natürlich musste ich sehr vorsichtig sein, so dass die Aufpasserin nicht sehen konnte, das ich beschäftigt war. Ich wurde aber nie erwischt. Das war klasse und fortan war die Ruhezeit erträglich.
Tagsüber haben wir viel gebastelt, denn es regnete oft, oder wir sangen Lieder zusammen, aus der Mundorgel; jeder hatte so ein kleines Heftchen bekommen und trug es bei sich. Manchmal saßen wir beisammen und haben Postkarten an unsere Eltern geschrieben. Auch gab es einen Souvernierhändler, der mit Seepferdchen, Muscheln und ähnlichen Dingen ins Haus kam und wir konnten etwas als Mitbringsel für unsere Eltern kaufen. Ich weiß noch, dass ich mich über meinen Seepferdchenkauf sehr gefreut hatte.
Die Betreuerinnen, die sich um uns den ganzen Tag lang kümmerten, waren alles junge Frauen. Ich fand sie ziemlich nett. Sie machten lustige Spiele mit uns, ließen uns ein Zehnpfennigstück suchen, das sie ganz offen auf ihren Fuß gelegt hatten und niemand fand es. Wir spielten Stadt-Land-Fluss und stille Post, gingen einmal sogar in eine Eisdiele und die Betreuerinnen warfen Geld in eine Jukebox. Ich hatte zuvor so ein Gerät noch nie gesehen und fand es faszinierend, wie die Schallplatten automatisch auf den Plattenteller gelegt wurden.
In der Nacht irritierte es mich, was ein anderer Junge unter der Bettdecke machte. In meinem Raum gab es vielleicht vier Betten, einer der Jungs war schon älter. Er befriedigte sich wohl selbst und wusste dann nicht, wohin damit, so dass am nächsten Morgen die Erzieherinnen sein Bett neu beziehen mussten. Es gab aber deswegen kein Theater, nur ich verstand damals nicht, was das alles war.
Gegen Ende des Aufenthalts wurde ich krank, eine Erkältung mit Fieber, so dass ich nicht wie geplant mit den anderen Kindern wieder nachhause fahren konnte. Ich blieb ein paar Tage länger im Bett und bekam nun endlich gutes Essen, weswegen in diese letzten Tage gar nicht so schlecht in Erinnerung habe.
Ich denke, ich habe mit meinem Aufenthalt im Kindererholungsheim viel Glück gehabt. Erst vor kurzem las ich, dass es in diesem Haus ein paar Jahre früher noch einen ganz anderen Umgang mit den Kindern gab. Davon habe ich jedoch nichts mehr gemerkt. Abgesehen davon, dass ich meine Eltern sehr vermisst habe und ich immer Diätkost essen musste, habe ich keine negativen Erinnerungen an meine Zeit im Schloss am Meer. Auch kann ich mich nicht erinnern, dass ich dort gemobbt wurde, was mir gutgetan hat. Ich glaube, ich habe damals sogar etwas an Selbstbewusstsein gewonnen.
1969 – St. Peter-Ording, Leitung Familie Doll, 7 Jahre alt
1970 – Kindersanatorium Waldesruh, Dausenau/Lahn, 8 oder 9 Jahre alt
1972 - Amrum, Haus Satteldüne, 10 Jahre alt
1974 – Bad Kreuznach, 12 Jahre alt
Als ich mir einige der vielen Berichte hier durchgelesen habe, stellte ich fest, dass ich zum Teil sehr ähnliche Erfahrungen gemacht habe während den fünf 6-wöchigen Verschickungen, an denen ich aufgrund meines Asthmas teilnehmen musste. Ich kann wohl von Glück sagen, dass ich schon immer eine Frohnatur war, aufgrund der vielen Bücher, die ich las, mich als Abenteurer und tapferen Helden sah (und dazu zählten wohl auch die Gefahren eines Heimaufenthaltes, die es zu bezwingen galt). Allerdings sind auch an mir diese Aufenthalte nicht ganz spurlos vorbei gegangen und ich frage mich, ob ich einige meiner „Überlebensstrategien“ vielleicht sogar dort entwickelt habe.
Bei der ersten Verschickung war ich gerade mal 5 Jahre alt. Ich kann mich an so gut wie nichts erinnern, was in der Kinderheilstätte Donnersberg geschah. Ich weiß nur, dass es uns nicht erlaubt war, unsere eigene Puppe oder Teddybär dabei zu haben, was zu einem großen Trennungsdrama führte, als man meine Puppe meinen Eltern wieder mitgab, die mich im Auto eines Bekannten hingefahren hatten. Es gibt ein Foto, wo man uns zum Fasching angemalt hatte und man kann auf dem Foto sehen, dass ich mich sehr unwohl fühlte.
Die nächste Verschickung führte mich nach St. Peter-Ording und an diese Zeit kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich war mit 7 Jahren die Jüngste und wurde von den großen Mädchen gehänselt, geschubst, vom Spiel ausgeschlossen und nachts im Schlafsaal drangsaliert. Das Ehepaar, das damals das Haus leitete (ich glaube, sie hießen Doll), beschloss, dass dies eine untragbare Situation sei und nahm mich kurzerhand mit in die Privatwohnung, wo ich in der Besucherritze zwischen den beiden mit im Ehebett schlafen durfte. Morgens sprang der Dackel der Familie aufs Bett und begrüsste mich freudig. Nach anfänglicher Bedrängnis wandelte sich dieser Aufenthalt daher für mich in eine wunderschöne Zeit, dank des liebevollen Ehepaars. Ich habe noch lange Kontakt gehalten mit der Familie, erinnere mich an Telefonate aus der gelben Telefonzelle und die Frau, die mich ihre „Micky Mouse“ nannte.
Bei der nächsten Verschickung landete ich wohl mit 8 oder 9 Jahren in Dausenau an der Lahn. Seltsamerweise hat meine Mutter jahrelang bestritten, dass ich jemals dort war, bis eines Tages eine Postkarte von dort auftauchte, die ich eigenhändig geschrieben hatte. Wahrscheinlich hat meine Mutter dies verdrängen wollen, da ich offenbar dort Ärger machte. Die einzige Szene aus diesem ganzen Aufenthalt, an die ich mich nämlich erinnern kann, ist eine Fahrt auf der Lahn auf einem Ausflugschiff. Offenbar habe ich es so sehr gehasst dort, dass ich, als das Schiff in der Schleuse aufstieg über Bord und an Land gesprungen bin. Leider kam ich nicht weit, da mich ein Betreuer ganz schnell wieder einfing. Diese Situation kam mir erst Jahre später wieder ins Gedächtnis, als ich mich mit Freunden auf so einem Ausflugschiff befand und beim Auftauchen aus der Schleuse plötzlich den gleichen Blickwinkel einnahm wie damals.
Danach folgten 6 Wochen in Haus Satteldüne auf Amrum, als ich 10 Jahre war. Obwohl es teilweise eine schlimme Zeit für mich war, wollte ich immer wieder dorthin zurück in Urlaub fahren und Amrum ist bis heute meine Lieblingsinsel. Dies ist wahrscheinlich auf die lieben jungen Erzieherinnen zurückzuführen, die damals unsere Gruppe betreuten. Das Regiment führten jedoch einige Ordensschwestern, die uns ziemlich schikanierten. Es musste immer aufgegessen werden und einmal war ich so satt, dass ich nach dem Mittagessen den Schokopudding nicht aufessen konnte. Ich musste noch ganz lange sitzen und begann schon zu würgen. Als ich es dennoch nicht schaffte, aufzuessen, hat man mir zum Abendbrot kurzerhand noch einmal eine volle Schüssel Schokopudding mit dicker Haut hingestellt und zum Frühstück wiederum – während die anderen normales Essen bekamen. Das Einzige, was ich bis heute nicht essen kann und wovon mir nur beim Gedanken daran schlecht wird, ist Schokopudding. Nach dem Essen mussten alle Kinder den Kopf in den Nacken legen und dann kam eine Ordensschwester, hat uns die Nase zugekniffen und einen Löffel Lebertran in den Mund gegossen. Wenn die Schwester mal nicht da war, haben die jungen Betreuerinnen die Kinder durchgezählt und dann die Löffel abgezählt und in den Ausguss geschüttet, denn vielen wurde immer schlecht von dieser Gabe nach dem Essen und der Lebertran kam uns stundenlang immer wieder hoch.
Ich erinnere mich noch gut an die Vorbereitungen für jede Verschickung – meine Mutter musste in jedes Kleidungsstück meinen Namen einnähen, es gab dazu extra Aufnäher mit roten Druckbuchstaben. Außerdem hatte jedes Kind eine Kleiderliste im Koffer. Wir mussten nun immer in so Unterdruckkapseln sitzen, in denen ich Panik bekam, weil es so eng und dunkel darin war, komisch roch und klang. Zum Rausschauen gab es nur ein kleines Bullauge. An einem Tag kam eine der Betreuerinnen und hielt mehrere Kleidungsstücke vor das Bullauge und wollte wohl wissen, ob sie jemand von uns gehören. Ich konnte nichts erkennen, da die Sicht nach draußen sehr schlecht war und beim Verlassen der Kapsel bat ich die Erzieherin, mir die Sachen noch einmal zu zeigen. Da sagte sie, ich sei ein dummes Kind und sie habe meine Sachen in den Müll geworfen, die seien jetzt weg. Ich habe meine Kleider nie wieder bekommen.
Uns wurde auch immerzu Blut geholt und noch heute kann ich nicht hinschauen, wenn mir jemand eine Spritze in den Arm steckt oder in den Finger pieken will. Eine große starke Ordensschwester hielt mich im Klammergriff während ein Arzt mir Blut abnahm. Ich kann bis heute das Ticken der Uhr hören, die die Schwester umhängen hatte und gegen die sie mein Ohr presste, während sie versuchte, meinen Kopf so zu drehen, dass ich hinschauen musste, was der Arzt da machte.
Nachts war die schlimmste Zeit: am Abend las uns eine liebe Erzieherin immer ein Kapitel aus Tom Sawyer vor, es brannte nur noch ein Licht im Flur, wir lagen alle still im Bett und hörten andächtig zu. In dieser Zeit durfte man auch noch zur Toilette. Dann wurde auch das Licht im Flur gelöscht und die Ordensschwester schärfte uns ein, dass wir bestraft würden, wenn wir es wagten, nachts unsere Betten zu verlassen und zur Toilette zu gehen. Ich hatte in den 6 Wochen sehr oft Durchfall und schlich mich regelmäßig nachts mit Todesangst über den Flur zur Toilette und traute mich nicht, abzuziehen, da dies die Nonne auf den Plan gerufen hätte. Am Morgen war dann immer großes Geschrei, weil wieder jemand trotz Verbot aufgestanden war und man drohte uns an, dass man schon diejenige erwischen würde, die sich nachts rausschleicht. Diese Zeit hat mich tief beeindruckt, aber trotz der Schikanen wollte ich nicht mehr nachhause, weil es mir so gut gefiel.
Die letzte Verschickung fand statt, als ich etwa 12 Jahre alt war. Hier war es der Heimleiter, der uns Kinder in Angst und Schrecken versetzte. Wir durften ab einer bestimmten Zeit das Haus nicht mehr verlassen, um in den Hof zu gehen, weil der Mann dort seinen Schäferhund frei laufen ließ und drohte, ihn auf uns zu hetzen, sollten wir uns draußen blicken lassen. Es gab oft Griesbrei zu essen, den ich liebte, aber von dem vielen Kindern schlecht wurde. Es gab Schläge mit dem Holzlöffel, wenn wir nicht essen wollten. Ich erinnere mich, dass es wenig zu trinken gab, wir hatten ständig Durst und bei Wanderungen rieten uns die Erzieherinnen, einen Kieselstein in den Mund zu legen, dann würde man den Durst nicht so spüren. Es gab einen Kiosk in dem Gebäude, an dem man sich selbst Getränke kaufen sollte, aber der Heimleiter machte den Kiosk nicht auf. Gegen Ende der Kur kam eine Gruppe von Stadtratsmitgliedern meiner Heimatstadt zur Besichtigung und um zu prüfen, ob wir gut untergebracht sind. Der Heimleiter drohte uns mit Schlägen und Strafen, wenn wir etwas Nachteiliges über ihn und das Heim sagen. Einer der Männer war jedoch ein Freund meines Vaters und ich bat ihn um einen kurzen Moment und klärte ihn auf, was hier für Zustände herrschten. Daraufhin kam es zu einer Untersuchung, aber ich weiß nicht, was dabei herauskam.
Meine Schwester ist auch zweimal verschickt worden, einmal ins nördliche Saarland und einmal nach Wyk auf Föhr. Sie hatte jedes Mal eine schlimme Zeit, große Trennungsängste und erhielt wohl viel Schläge, hat bis heute Gewichtsprobleme, wurde immer zum Aufessen und Überessen gezwungen, weil sie zunehmen sollte. Auch sie durfte nachts nicht zur Toilette, hat ihre eingenässte und eingekotete Unterwäsche im Schrank versteckt und wurde dafür bestraft.
Ich war fünf und konnte singen. Gut singen. Mir sofort Melodien und Texte der deutschen Volkslieder merken. Ich glaube, das war meine Rettung. Ich war keiner jener Kinder, denen nach einem Streit an den Haaren ziehend die Köpfe zusammengeschlagen wurden. Ich kam damit davon, nachts stehend zu verbringen, wenn ich mal wieder ins Bett gemacht hatte.
Ich war der, bei denen die Augen der alten Fratzen, die unsere "Schwestern" waren, zu leuchten anfingen. Und ich war froh, dass ich im echten Leben nur Brüder hatte.
Noch heute habe ich Angst, nach St. Peter Ording zu fahren. Ich war nie wieder dort.
Fast zwei Jahre nach dieser "Kur", nach der sich mein Kinderarzt wunderte, warum es mir immer schlechter ging, hatte ich wohl langsam begonnen, meinen Eltern von der Zeit in St. Peter Ording zu berichten. Deren Schuldgefühle, ihren Sohn dem ausgesetzt zu haben, hat sie ihr Leben lang begleitet.
Deutschland und den Deutschen, meinen Leuten, trau ich bis heute keinen Meter über den Weg.
Ich leide bis heute, aufgrund dieses Aufenthalt, unter Berührungsängsten und
einer sozialen Phobie.
Ich weiss aber sicher, wenn ich nicht artig war, wurde ich von den Tanten in einen dunklen Kellerraum, ohne Licht und Fenster, für längere Zeit eingesperrt.
Auch der Mittagsschlaf war hart. War es von Zuhaus nicht gewöhnt.
Also bin ich aufgestanden. danach weiss ich nur noch, ich lag ab da 2 Stunden stocksteif auf der Liege, mit geschlossenen Augen und traute mir nicht auch nur die kleinste Bewegung zu.
Wieder zurück habe ich meiner Mutter erzählt, ich habe da in dem Heim sehr viel Schläge bekommen. So richtig geglaubt hat man mir es aber nicht.
1. Ich bin zufällig auf das Thema im Internet gekommen. Ich erlebte als 5jähriger (1960) in Bad Laasphe den stundenlangen Esszwang und den Schlafzwang. Durch den Esszwang erbrach ich auf eine Steintreppe im Haus und rutschte aus. Ich erlitt eine Platzwunde über dem Auge und wurde in einer Hausarztpraxis versorgt. Anschließend hatte ich absolute Bettruhe. Darüber war ich als kleiner Junge recht froh. Ich konnte nicht mehr mit Essen traktiert werden. Schließlich hatte ein externer Arzt "ein Auge auf mich". Kontakt zu den Eltern war nicht möglich. Meine Eltern waren sehr zurückhaltend und beschwichtigten nach meiner Rückkehr. Mir blieb eine Narbe in der Augenbraue.
2. Meine zweite Kinderkur fand wegen Luftveränderung auf Amrum statt. Der Großteil der Kurkinder waren aber als schlechte Esser dort. Hier erlebte ich mit, wie Kinder vor meinen Augen bestraft und erniedrigt wurden. Essen oft von Milchsuppen und ähnlichen ungenießbaren mussten mit mehreren Portionen teilweise über lange Zeit heruntergewürgt einschließlich oft Erbrochenes aufgegessen werden. Oftmals wurden herrlich duftende Gerichte durch den Essenssaal zur Heimleiterin und den Schwestern geschoben was unsere ausgelieferte Situation nicht besser machte und bei mir auch Angst hinterließ. Ein strenger Winter während meiner "Kur" ließ Amrum einfrieren. Es kam keine ausreichende Versorgung per Schiff. Angeblich wurde die Insel mit Hubschraubern versorgt. Mir machte das als Zehnjährigen natürlich Angst. Heftiger Sturm machte es nicht besser. Bei einem vorgeschriebenen Kartengruss an die Eltern durfte ich das schwere und lange Wetterereignis nicht mitteilen. Man sagte mir, ich würde den Eltern damit nur Sorgen bereiten. Diese wollte man nicht und ich musste eine neue Karte mit Belanglosem abschicken. Ich fühlte mich hilflos und von meiner Familie isolliert. Ein kleines Geburtstagpäckchen mit Süssigkeiten wurde mir nicht gegeben. Vermutlich hat der Inhalt der Belegschaft gut geschmeckt. Nach meiner Rückkehr erlebte ich wieder bei meinen Eltern eine gewisse Verharmlosung meines Erlebten. Das Erlebte wird mir heute durch Betroffene im Internet wieder bewusst gemacht. Ich hatte das Erlebte so hingenommen, weil ich sowieso kein Gehör und keine Hilfe erwarten konnte.
Noch nie habe ich soviel Stränge erlebt. Noch nie wurde ich so oft angeschrien. Ich hasste es Tomatem zu essen zb,das weiss ich noch. Musste mich davon übergeben. Man zwang mich,in mitten des Speisesaals diese zu essen,stehend vor allen. Bis ich mich übergab. Musste dann auf knien alles putzen. Das war Standart! 1 mal die Woche wurden Briefe der Eltern vorgelesen. Eltern bekamen eine zurück. Ich war zu klein zum schreiben, daher weiss ich nicht was da stand. Wir mussten in Reih und Glied (Mädchen,Junge,Mädchen,Junge) auf den Schultern fassenden hintereinander zum Duschen. 1 Min warm. Dann kam der kalte Schlauch... sollte fürs Immunsystem sein,sagte man. Im Anschluss bekam jeder seine eigene Handbürste (so eine für die Nägel) und wir mussten uns zum Teil den Rücken blutig schrubben,für die Durchblutung. Ich weiss nicht extrem viel mehr.. aber ich weiss und erinnere mich genau an mein Gefühl...diese Ängste,Traurigkeit,ja auch Hass. Auch meiner Mutter gegenüber. Wie konnte sie das zulassen? Heute,will sie davon wenig hören. Ist ihr schlicht egal! Aber mit mir hat das viel Gemacht. Und das macht auch heute viel mit mir,meinen Kindern gegenüber. Bin so eine typische Helikopter Mutter! Sehr extrem sogar,bis hin zu Panikattacken bei mir,wenn ich Angst habe das mein Kind nur hinfällt. Das führe ich darauf zurück...ich werde diese Gefühle die ich dort hatte,einfach nicht los. Auch fast 40 Jahre später nicht
Mir wurde bewusst, auch ich bin damals verschickt worden, auch ich bin ein Verschickungskind, auch wenn ich offenbar das Schlimmste verdrängt und nur bruchstückhafte Erinnerungen habe.
Im Jahr 1963 wurde ich im Alter von 9 Jahren per Bahn aus dem Rhein-Main-Gebiet nach Villingen im Schwarzwald verschickt. Anlass war keineswegs eine medizinische Indikation. Vielmehr waren meine Eltern irrigerweise der Meinung mir als Einzelkind würde das dort gut tun.
Mehre Kinder teilten sich ein Abteil im Zug. An eine Begleitperson kann ich mich nicht erinnern. Dort angekommen wurden wir per Bus zum Haus Tannenhöhe (der Diakonie) gebracht und begrüßt. Danach nahm man uns unsere persönlichen Gegenstände ab, inkl. Plätzchen, Süßigkeiten und Obst, teilweise auch mitgebrachte Spielsachen.
An eine gesundheitliche Eingangsuntersuchung kann ich mich nicht erinnern. Untergebracht waren wir in großen Schlafräumen. Die Betten mussten wir selbst machen. Das Ergebisse wurde täglich benotet. Wir bekamen Punkte und sollten diese bis zum Schluss sammeln (vgl. unten).
Der Umgangston war herzlos, rauh und kalt, insbesonders gegenüber kleinen Kindern oder "Jammerkindern". Wir wurden verwahrt, eigene Vorstellungen waren nicht erwünscht. Es gab ein festes Programm und einen Tagesablauf, dem wir unterworfen wurden. Wer das Gelände verlies wurde bestraft. Oft weinte ich heimlich.
Einzig einige der tlw. sehr jungen Praktikantinnen waren nett zu uns. Deren Aufgabe war u. a. uns vor dem Mittagsschlaf (Bettenpflicht) etwas vorzulesen. Einige waren auch bemüht kleinere Kinder voller Heimweh zu trösten, zumindest solange keine Diakonissen in der Nähe waren.
Das Essen habe ich als gleichförmig, minderwertig und wenig schmackhaft in Erinnerung. Bei gutem Wetter organisierten die Praktikantinnen Spiele im Freien. Ich kann mich außerdem an einen anstrengenden Waldspaziergang erinnern und an einen tristen Ausflug zum Titisee bei Regen.
Anrufe nach Hause wurden mir verwehrt. Wöchentlich sollten Postkarten geschrieben werden. Oft kam es nicht dazu. Ich wurde angewiesen positiv zu schreiben, sonst würde man die Karte "um die Eltern nicht zu beunruhigen" nicht abschicken. Ich hatte jedoch mit meinen Eltern zuvor einen Code vereinbart, in dem ich versteckt eine Schulnote für die jeweilige Woche auf der Karte hinterlies. Diese Note fiel von anfangs 2 auf zuletzt 6. Geblieben ist mir lediglich ein Brief mit einem nichtssagenden Text und einem unscharfen Gruppenfoto.
In diesen Wochen erlebte ich die schlimmste Zeit meines Lebens. Anders als viele andere Kinder konnte ich mit meinen 9 Jahren meine Sitation einschätzen und versuchte unauffällig zu bleiben, um nicht betraft zu werden, z. B. mit Ecke stehen, kein Essen, keine Spiele. Es war dort sehr schwer Freundschaften zu schließen oder sich solidarisch zu zeigen. Am letzten Tag wurden wir verabschiedet und durften in der Reihenfolge unserer gesammelten Bettenpunkte antreten und aus einer Kiste mit alten, gebrauchten Spielsachen sich ein Stück nehmen. So sind einige der Kinder zuletzt sogar wieder in den Besitz ihrer eigenen Spielsachen gekommen. Ich habe verzichtet. "Villingen" ist und bleibt für mich ein Unwort. Lange Zeit dachte ich alleine solch schlechte Erfahrungen gemacht zu haben - Pech eben.
Meine Eltern holten mich aufgrund meiner abfallenden Benotung direkt mit dem Auto ab. Ich habe Ihnen ausführlich berichtet und ihren Schock und die ehrliche Betroffenheit über die schlimmsten sechs Wochen meines Lebens gesehen. Diese Verschickung habe ich Ihnen trotzdem bis heute nicht verzeihen können.
1956/57 wurde ich im Alter von ca. 9 Jahren, weil ich zunehmen sollte, für 6 Wochen in Kur nach Bad Rippoldsau in den Schwarzwald mit dem Zug verschickt. Weil ich nach 6 Wochen nichts zugenommen hatte, wurde diese Kur nochmals 6 Wochen verlängert wobei ich nach dieser Zeit immer noch nichts zugenommen hatte. Bei unseren Betten wurden die Bettdecken an Beiden Bettkanten eingeklemmt. Wenn sie bei jemandem am Morgen nicht mehr korrekt waren, wurde derjenige in der folgenden Nacht abgeholt und mit anderen Kindern mitten in der Nacht eiskalt abgebraust. Diese Schreie in den Nächten, höre ich heute noch. Beim Essen mussten wir so lange sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war. Ich musste das, weil ich keine gekochten Möhren mochte. Ich hatte mich mit einem Jungen aus Mönchengladbach angefreundet. Er mochte beim Frühstück keine Leberwurst, trotzdem musste er sie Essen und nachher dann wieder das erbrochene. Einmal kamen wir etwa mit 12 Jungen in Quarantäne. Ich hatte keine Beschwerden, aber uns wurde gesagt, wir dürfen mit anderen eine Woche lang nicht in Berührung kommen. Jeden Tag bekamen wir eine Spritze. Wir mussten uns auf den Bauch legen. Den nackte Hintern nach oben. Die Schwester kam mit einem Tablett Spritzen, und hat sie jedem wie beim Dart in den Hintern geworfen. Post wurde natürlich kontrolliert. Es durfte nur geschrieben werden, wie schön es dort war. Alles wurde kontrolliert. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen. Auch mit meinen Eltern nicht. Mich hat das alles wieder eingeholt, als ich mit 55 Jahren wegen Depressionen in Kur kam. Ich fühlte mich eingesperrt. Kein Handy, kein Notebook, kein Kontakt zur Familie. Zum Glück wurde es mir später alles erlaubt, als sie von meinem Trauma erfahren haben. Das Kinderheim in Bad Rippoldsau wurde übrigens von katholischen Nonnen geleitet. Jetzt bin ich 76 Jahre alt und es verfolgt mich immer noch.
Seit 18 Jahren lebe ich auf Gran Canaria. Das hilft mir, weil ich weit weg von diesem Ort bin.
Als das Thema Verschickung jetzt in einer Therapiestunde angesprochen wurde, habe ich extrem physisch und psychisch reagiert. Leider, oder Gott sei Dank, habe ich keinerlei Erinnerungen mehr an diese Zeit. Da ich schon viele Jahre an Depressionen leide, mich schon ewig in Therapie befinde, mehrere Klinikaufenthalte hatte, frage ich mich nun: was ist da passiert? Ich habe noch Fotos, Schreiben und von mir geschriebene Postkarten aus dieser Zeit vorliegen. So suche ich Menschen, mit denen ich mich über das Haus Schlichter unterhalten kann, denen ich die Unterlagen zeigen kann.
Ja, im Nachhinein betrachtet war bzw bin ich traumatisiert. Ich musste, weil ich auf eine Postkarte geschrieben hatte „ es ist absolut furchtbar und unerträglich hier, zu Chef Vogt und dieser absolut eklige Typ erklärte mir dann, dass ich nie mehr nach Hause komme oder er ein Taxi bestellen muss und meine Eltern werden ein Leben lang daran bezahlen müssen. Ich dachte und fühlte damals: Das ist das Ende meines Lebens und ich sehe alle Menschen die ich liebe nie mehr. Nachts wurde ich von einer Aufsichtfrau dann aus dem Bett geholt und musste bis früh vor dem Schrank im Flur stehen. Schlimm war für mich dann auch die Untersuchung bei einem Arzt in Seeg. Was genau gemacht wurde weiß ich nicht mehr….nur das Gefühl habe ich noch in mir. Es fühlte sich an, als wenn ich kurz vor der Schlachtbank angekommen bin und nun auseinandergenommen werde. Ein Gefühl der Machtlosigkeit und der Ohnmacht. Was mir auch noch in Erinnerung blieb, war eine Betreuerin die total liebevoll mit uns umgegangen ist. Allerdings war sie nur ein paar Tage im Haus und war dann verschwunden. Heute weiß ich natürlich warum. Sie war einfach zu gut zu uns.
Ich weiß noch, dass ich in Schweinfurt am Sachs Stadion ausgestiegen bin und hätte meinen Eltern am liebsten links und rechts eine verpasst. Ich bin kein gewalttätiger Mensch aber das war mein Gefühl damals. Ich dachte noch: Wie konntet ihr mir das antun ?? Ich hatte richtig Wut in mir.
Jahre später fuhr ich mit meinen Eltern nach Seeg und traf dort am Haus auch eine Frau. Ob es sich um Fr. Vogt gehandelt hat, kann ich nicht sagen. Jedenfalls war sie sehr komisch und abweisend. Ich bin mir relativ sicher, dass sie das war. Wenn ich heute daran zurückdenke wird mir einfach nur schlecht.
Lasst uns auf unsere Kinder und Enkelkinder aufpassen. Dieses düstere Kapitel darf sich ( wie so viele andere Kapitel auch ) nie mehr wiederholen.
Heute, nach langer Aufarbeitung auch von anderen traumatischen Ereignissen, kann ich sagen: Es hat mich absolut aufmerksamer und achtsamer gemacht. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich bis vor ca 1 oder 2 Jahren gar nicht gewusst hatte, dass ich ein Verschickungskind bin. Das war wirklich vergraben. Ich habe erst durch Anja Röhl einen Zugang gefunden und ich bin ihr zutiefst dankbar für ihre Arbeit.
in den 80er Jahren war ich insgesamt acht Mal zur Erholungskur in einem Kinder-Erholungsheim in Meura (Thüringen). Und nun suche ich Leute, die auch dort waren und mit denen ich Erinnerungen austauschen kann.
Vielleicht ist ja hier im Forum jemand dabei, der/die dieses Kinderkurheim auch kennt...
Ich selbst habe wunderschöne Erinnerungen an diese Zeit:
Eine Kur in Meura dauerte immer vier Wochen. Es kamen aber nicht nur Kinder aus Berlin, sondern auch aus anderen großen Städten der DDR. Für Berliner Kinder (also auch für mich) ging die Reise immer von Berlin-Lichtenberg los, genauer gesagt von der Parkaue Ecke Deutschmeisterstraße.
Dort warteten immer viele Eltern mit Ihren Kindern. Es kamen dann zwei Ikarus-Reisebusse mit jeweils zwei Frauen, die die Kinder während der siebenstündigen Fahrt nach Meura betreuten.
Ja, das dauerte wirklich so lange, weil Busse damals nicht so schnell fahren durften.
Außerdem wurden während der Reise mehrere Pausen eingelegt.
Die Busfahrer luden die Koffer ein. Und damit es beim Einsteigen kein Gedrängel und Geschubse gab, wurden alle Kinder anhand einer Namensliste aufgerufen. Und welcher Name gesagt wurde, der- oder diejenige durfte dann einsteigen und sich einen Platz suchen. So wurde es im Bus immer gehandhabt. Auch dann, wenn wir in Meura ausgestiegen sind, sowie beim Ein- und Ausstieg auf der Heimfahrt. Außerdem bekam jeder vor der Abfahrt eine Reisetablette.
Zum Heim gehörten vier Häuser, soweit ich mich erinnern kann: Das Bettenhaus am Meuraberg, unten an der Straße das weiß-rote Haus, in dem die Heim-Krankenschwester Elfriede wohnte.
Weiter unten war das Haus, in dem es Mittagessen und Abendbrot gab. Und am Berghang gab es noch ein Haus, in dem die Reinemachefrau wohnte.
Als wir in Meura ankamen, wurden wir von den Erzieherinnen (deren Namen ich übrigens auch noch kenne) begrüßt. Dann wurde die ganze Kinderschah in drei Gruppen aufgeteilt:
Die Kleinsten (Kindergarten bis Vorschule) bildeten die Gruppe "Freundschaft", die etwas größeren und älteren kamen zur Gruppe "Pionier" und die ältesten Kinder gehörten der Gruppe "Aufbau" an.
Nach der Begrüßung saßen alle Kinder zusammen in der obersten Etage des Bettenhauses und es wurden die Benimmregeln genau erklärt. Dann wurden uns die Zimmer gezeigt. In den Schlafräumen wurden dann die Koffer ausgepackt und dann stellten wir diese in den Dachspeicher des Hauses.
Und wenn wir nach einiger Zeit schmutzige Wäsche hatten, kam diese immer in unsere Koffer, die die ganze Zeit auf dem Dachspeicher blieben. Und jedes Mal, wenn wir Sachen ein- oder auspackten, hielt die Erzieherin etwas davon in der Hand und fragte wörtlich: "Ricardo, ist das Dir?" Darüber musste ich immer etwas schmunzeln, denn diese thüringische Ausdrucksweise hatte ich vorher noch nie gehört. Aber ich wusste, wie das gemeint war: "Ricardo, gehört das dir?"
Wie der weitere Tagesablauf war, weiß ich leider nicht mehr. Abends hieß es dann Abendbrot essen, waschen und dann war um 19:00 Uhr Nachtruhe. Und jede Nacht war eine andere Erzieherin im Haus, die uns bewachte und mit einer Taschenlampe in die Zimmer leuchtete. Und jedes Mal, wenn noch jemand schwatzte oder Faxen machte, kam die Erzieherin rein und ermahnte diejenigen.
Einmal merkten zwei Kinder beim Schwatzen, dass die Erzieherin im Anmarsch war. Dann warnte einer: "Achtung! Sie kommt! Sie kommt!" Und schon stand die Erzieherin in der Tür, leuchtete wieder mit ihrer Taschenlampe ins Zimmer und meinte: "Sie kommt nicht erst, sie ist schon da!" Dann war alles Mux-Mäuschen-still.
Die nächsten Tage verliefen dann bis zum Ende des Kuraufenthaltes gleich:
Früh um 7:00 Uhr hieß es aufstehen. Dann mussten wir uns alle unter Anleitung einer Erzieherin "trockenbürsten". Das heißt: Wir mussten uns ausziehen und jeder musste sich dann selbst abbürsten. Es wurde uns gesagt, dass dies für die Durchblutung gut ist. Dann trafen wir uns alle in Schlafanzügen in der obersten Etage des Hauses und es war Morgengymnastik mit Schwester Elfriede angesagt. Dann hieß es: Waschen, anziehen und ab zum ersten Frühstück. Das Frühstück gab es immer im Bettenhaus. Es bestand unter Anderem aus einem ganz gesunden Müsli.
Rezept: - 2 gehäufte Esslöffel Haferflocken (am besten vorher einweichen in 6 EL Wasser),
klein geschnittenes Obst nach Wahl, süßen mit Honig oder Zucker, Weizenkeime, geriebene Nüsse, Kokosraspel, Milch. Wenn wir einen Tag zuvor bei einer Wanderung Beeren gepflückt hatten, waren diese am nächsten Tag in das Müsli gemixt worden. Desweiteren gab es Zitronentee und belegte Brote.
Dann folgte die erste Wanderung. Wir liefen durch das Waldgebiet in der Nähe des Heimes.
Danach ging es wieder zurück ins Bettenhaus, wo bereits das zweite Frühstück auf uns wartete:
Soweit ich mich erinnern kann, gab es dann immer Äpfel und Knäckebrot, da kann ich mich aber auch irren!
Dann eine zweite Wanderung durch den Ort, danach Mittagessen im unteren Haus.
Mindestens einmal die Woche bekamen wir dann alle Post von unseren Eltern aus Berlin. Darüber freute sich jedes Kind. Die Karten wurden dann immer von der Erzieherin vorgelesen. Und wir schrieben dann auch Karten aus Meura zurück an unsere Eltern: "Liebe Eltern! Mir geht es gut! Wie geht es Euch" usw...
Einmal ist mir vor dem Essen etwas ganz Kurioses passiert: Ich musste vor dem Essen dringend auf die Toilette. Und bei den Toiletten im Kurheim waren die Wasserkästen oben und mann musste an einer Strippe ziehen, um zu spülen. Als ich mich wieder angezogen hatte und an der Strippe zog, löste sich das Spülrohr vom Wasserkasten. Das ganze Wasser plätscherte mir auf meinen rechten Arm und floss über den Boden unter der toilettentür durch in den Raum zu den Waschbecken. Ich hörte, wie einige Kinder sich erschraken: "Guck mal, da unten kommt Wasser raus..." Ich meldete das Missgeschick sofort einer Erzieherin und die Toilette wurde repariert.
Nach dem Essen hieß es: Wieder zurück ins Schlafhaus, Zähne putzen, mit Sohle-Wasser (Wasser mit Emser-Salz) gurgeln und dann ab ins Bett zur Mittagsruhe.
Dann war "Vesper" angesagt, also Nachmittags-Mahlzeit. Was es da zu essen gab, weiß ich nicht mehr. Aber es gab immer Milch in Glasflaschen mit Papierdeckel. Und zwar jedes Mal eine andere Sorte: Mal Fruchtmilch, mal Vanillemilch und mal Kakaomilch.
Und auch hier kann ich mich auch noch an eine Anekdote erinnern: Es gab im Kurheim eine Erzieherin, die wir alle nicht besonders mochten, weil sie sehr streng war und immer einen bösartigen Ton an den Tag legte. Manchmal sprach sie die Kinder nur mit Nachnamen an.
Nun hatte diese Erzieherin uns an einem Tag während der Vesperzeit beaufsichtigt.
Und die Milch, die wir bekamen, ist schlecht geworden und schmeckte sauer. Das sagten wir der Erzieherin auch, aber die stritt es vehement ab und war fest der Meinung, dass das nicht stimmte. Denn die Milch in ihrer Flasche war noch gut. Nach einigen Minuten Diskussion probierte sie bei einem Kurkind und musste feststellen, dass es tatsächlich stimmte...
Aber nun wieder zurück zu den schönen Erinnerungen: Manchmal machten wir auch eine Kutschfahrt ("Kremserfahrt"). Denn in Meura steht das größte Haflingergestüt Europas. Vom Gestüt kam dann der Kutscher mit einer großen Kutsche und zwei Haflingern. Das war auch immer ein sehr schönes Erlebnis. Wir sind dann bis runter zum Schlagebach gefahren und wieder zurück.
Während der Kur haben wir auch Wanderungen zu den "Meurasteinen" unternommen. Dort war es ziemlich steil und wir mussten sehr aufpassen. Auf einem Felsen der Meurasteine stand eine Schutzhütte. Dort machten wir Rast und die Erzieherin erzählte uns die "Fribbchen-Sage":
Die "Fribbchen" sollen kleine Zwerge gewesen sein, die graue Gewänder und hohe Kapuzen trugen.
Laut der Sage haben sie vor sehr vielen Jahren in den Meurasteinen gelebt und sind als Korbmacher sehr fleißig gewesen...
Einmal pro Kur gab es auch die Möglichkeit, bei den Erziehern Andenken zu kaufen. Was das genau für Sachen waren, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Aber kleine Souvenirs halt, als Andenken an die Kur in Meura.
Abends nach dem Abendbrot ging es wieder rauf ins Bettenhaus. Dort trafen wir uns vor dem Schlafengehen im Gruppenraum zur "Auswertung": Das Benehmen eines jeden Kurkindes wurde ausgewertet und in eine Liste mit Namen eingetragen. Wenn Kinder undiszipliniert waren, wurden sie darauf angesprochen, der "Gruppenrat" und die anderen Kinder wurden gefragt, es gab eine Eintragung und derjenige, den es betraf, schämte sich dann.
In unseren Zimmern hing für jedes Kurkind ein A5-Blatt mit seinem Namen und jeweils vier untereinanderliegenden Spalten, für jede Woche eine. In diese Spalten wurde nach jeder Woche ein Papier-Dreieck eingeklebt, welches ein Pionierhalstuch darstellte. Rote Halstücher standen fürh SEHR vorbildliches Betragen, blaue für normales bis schlechtes Benehmen.
Manchmal, wenn schlechtes Wetter war, hörten wir oben im Gruppenraum Kinder-Schallplatten.
Meine Lieblingsplatte war immer "Ferdinands Zauberhäuschen". Auch wurde einmal pro Kur ein Puppenspiel aufgeführt: Der Puppenspieler baute seine Bühne "Frechdachs" auf, spielte uns Geschichten vom Kasperle vor, hatte dann auch immer sein freches "Schnattchen" dabei, dass dann z. B. den Kindern eine Ohrfeige verpasste und sich danach schämte. Und dann waren da noch die beiden Mäuse "Singeschön" und "Springeschön"...
Sehr schön begannen auch immer die Sonntage: Da gab es im unteren Haus auch immer Frühstück, was sonst nur im Bettenhaus der Fall war. Sonntags stand bei uns im Gruppenraum auf den Tischen rotes Plastikgeschirr und es gab heißen Kakao. Nach der sonntäglichen Mittagsruhe schauten wir immer Kinderfernsehen: Die "Flimmerstunde" mit "Professor Doktor Flimmrich". Der erste Fernseher, den ich dort kannte, war ein Farbfernseher vom Typ Raduga 706. Es war ein Fernseher mit einem sehr schönen dunklen Holzgehäuse. Später muss er dann wohl defekt gewesen sein, jedenfalls wurde er dann durch einen neueren, grauen RFT Colotron 4000 ausgetauscht.
Nun ist mir noch etwas eingefallen: Im Waschraum hatten wir einmal pro Kur für jedes Kind jeweils zwei Plastikschüsseln für die Füße: Eine gelbe mit warmem und eine orangene mit kaltem Wasser. Oder war es umgekehrt? Jedenfalls mussten wir dann unsere Füße lange im warmen Wasser haben, dann kurz ins kalte wechseln und wieder zurück ins warme... Auch dies sollte wohl gut sein für die Blutzirkulation. Auch haben wir mehrmals in der Woche geduscht. Ganz lange unter warmem Wasser, dann zum Schluss ganz kurz unter die kalte Dusche. Die wunderschönen gelb gefliesten Waschräume habe ich heute noch vor Augen.
Jedes Kurkind bekam eine sogenannte "Gesundheitsfibel", auf deren Vorderseite das Kurheim in schwarzweiß abgebildet war. In dieser Fibel erklärte Kundi, das "Gesundheitsmännchen", wie man seinen Körper vorbildlich und korrekt pflegt (z.B., dass man nach dem Zähneputzen keinen Betthupfer mehr zu sich nehmen sollte, dass zu viel Süßes ungesund ist etc...). Die Comicfigur "Kundi" war bis Anfang der 90er Jahre das Maskottchen des Dresdner Hygienemuseums. Das Männchen mit der blauen Mütze mit dem gelbem Bommel sehe ich heute noch genau vor mir.
Tja, und nach vier Wochen hieß es dann Abschied nehmen: Auf zur Heimfahrt nach Berlin.
Einen Tag vorher hieß es Koffer packen. Und wieder amüsierte ich mich, wenn ich gefragt wurde: "Ricardo, ist das Dir?". Die fertig gepackten Koffer standen dann über Nacht aufgestapelt im Treppenhaus auf der jeweiligen Etage.
Am nächsten Tag bekamen wir vor dem Frühstück jeweils eine Reisetablette, sowie auch bei der Hinreise. Das waren so ganz kleine, runde, graue Tabletten. Dann wurden wir von den Erziehern gefragt, wie die Kur uns gefallen hat. Dann nahmen wir Abschied, stiegen in die Busse, die Koffer wurden unten eingeladen, die Busse fuhren los und die Erzieher winkten uns hinterher.
Und an eine Heimfahrt kann ich mich noch sehr gut erinnern, weil da folgendes passierte:
Wie erwähnt, waren wir ja immer mit zwei Bussen unterwegs. Und auf den Reisen hin und zurück machten wir, wie bereits erwähnt, mehrere Pausen. Und während der ersten Pause stellte sich heraus, dass der vordere Bus, in dem die Gruppe "Aufbau" saß, plötzlich eine Panne hatte. Was da genau kaputt war, weiß ich leider nicht. Jedenfalls musste die ganze Gruppe samt Gepäck aus dem Bus aussteigen und unser Bus war dann proppevoll. Da im Gepäckraum kein Platz mehr war, mussten die ganzen Koffer aus dem kaputten Bus zu uns hinten in den Fahrgastraum. So fuhren wir dann alle mit einem Bus nach Berlin, der andere musste zurück fahren.
Wenn wir dann nach Berlin reinkamen, wurden im Bus fröhliche Lieder gesungen. Bei einer Heimfahrt (ich weiß nicht mehr, ob es die selbe war) sang ich mit ganz tiefer Brumm-Stimme das Lied "Häns'chen klein" mit und die Betreuerinnen fragten verwundert, wer hier so eine tiefe Stimme hat.
Ich hatte nämlich einige Zeit zuvor eines Abends im Waschraum in Meura plötzlich einen Stimmbruch bekommen. Als ich meine Mutti bei der Ankunft in Lichtenberg mit einem brummigen "Hallo, hier bin ich" begrüßte, bekam diese erst einmal einen Schreck...
Von unseren Eltern wurden wir dann auch wieder in Lichtenberg in Empfang genommen.
Der Unterschied war nur, dass wir bei den Heimfahrten nicht zur Parkaue Ecke Deutschmeisterstraße fuhren (wo unsere Eltern uns verabschiedeten), sondern immer zum Bahnhof Lichtenberg.
Dort konnten wir unsere Eltern wieder in die Arme schließen und jeder hatte dann zuhause sicher eine Menge zu erzählen...
Nach der politischen "Wende" ist das Kurheim leider abgewickelt worden. Die Häuser existieren alle noch, werden aber für andere Zwecke genutzt. Das Bettenhaus nennt sich heute "Ferienhof Haus am Wald".
Ich fahre heutzutage hin und wieder privat von Berlin nach Meura, um alte Erinnerungen wieder aufleben zu lassen.
Vielleicht wird mein Beitrag ja von Leuten gelesen, die auch in Meura zur Kur waren und sich noch an einiges erinnern können. Womöglich hat ja meine Geschichte beim einen oder anderen Leser wieder Erinnerungen geweckt.
Ganz liebe Grüße sendet Ricardo.
Ich war von November bis Dezember 1970 für 5 Wochen in Nußdorf (Nussdorf) am Inn, ich war damals 5 Jahre alt, im Januar wurde ich 6 Jahre alt. Über die wenigen Erinnerungen, die ich habe, kann nicht viel Gutes berichten. Ich hatte drei Monate zuvor meinen jüngeren Bruder nach langer Krankheit verloren, ich kam also schon traumatisiert dort hin. Es hat dort aber wohl niemanden interessiert. Als meine Eltern mich nach 5 Wochen abholten, war ich laut deren Erzählungen völlig verstört.
Ich war zusammen mit einer Kindergartenfreundin dorthin gefahren, bei der Ankunft wurden wir allerdings sofort getrennt, da sie 1964 und ich 1965 geboren war. Sie kam in die "Schneewittchengruppe", ich zu den "Zwergen". Wir haben uns dann quasi kaum noch gesehen. Für mich war diese Trennung furchtbar, ich war völlig allein, habe mich schrecklich einsam gefühlt. Ich war im Untergeschoss untergebracht, sie im oberen Geschoss. Ich war in der Zwergengruppe die Älteste (unfassbar, dass man damals sogar 3 und 4 Jährige schon verschickte) und hatte dementsprechend keinen vernünftigen Anschluss, ich hätte von meiner Entwicklung auf jeden Fall in die "Schneewittchengruppe" gehört.
An folgende Dinge kann ich mich erinnern:
Ich musste jeden Tag Mittagsschlaf mit den Kleinen halten, obwohl ich altersmäßig nicht mehr dazu bereit war und dementsprechend wach da lag und gewartet habe, bis die Zeit vorbei war
Wir durften nachts nicht zur Toilette gehen
Ich habe mich gefühlt jede Nacht vor Heimweh in den Schlaf geweint
Als ich einen Brei aus Hefeklösschen mit Zwetschgen nicht essen wollte, wurde ich zwangsgefüttert
Ich musste mich einmal nach einem ekligen Leberwurstbrot übergeben, danach konnte ich jahrelang keine Leberwurst mehr essen
Es gab eine Nikolausfeier, die mich völlig verängstigt hat. Der Nikolaus kam mit dem Krampus, einer mir völlig fremden Figur, die es wohl nur in Bayern gibt. Dieser hatte eine furchterregende Maske auf und warf eine Kette über den Boden hin- und her. Der Nikolaus las aus einem goldenen und einem schwarzen Buch vor. Im schwarzen Buch standen die "bösen" Kinder. Ein etwas älteres, lebhaftes Mädchen wurde vorgelesen und musste nach vorne kommen. Ihr wurde irgendetwas "Böses" vorgeworfen, danach schlug der Nikolaus ihr mit einem Stock oder Rute auf das Gesäss, sie schlug die Hände vor das Gesicht und fing bitterlich an zu weinen. Ich hatte wahnsinnige Angst, auch in dem schwarzen Buch zu stehen und auch Schläge zu bekommen, zum Glück war es nicht so.
Wenn ich an diese Zeit denke, kommt mir immer ein Lied von Daliah Lavi "Oh, wann kommst Du" in den Sinn. Eine junge, sehr nette "Tante" wohnte bei uns im Untergeschoss, sie hörte immer dieses Lied. Eines Abends hörte ich sie aufschreien und weinen. Andere "Tanten" kamen dazu und fragten, was passiert sei. Ich hörte nur, wie sie sagte "er hat mich geschlagen".
Anlass: Wie meine Mutter erzählt hat, war ich nach einer überstandenen Masern-Erkrankung stark untergewichtig und sollte zunehmen, bevor ich eingeschult wurde. Als Alternative war nach meiner eigenen Erinnerung ein Erholungsaufenthalt am Lago Maggiore in der Diskussion. Mir ist nicht bekannt, was letztlich den Ausschlag für Scheidegg gegeben hat. Um mir den Aufenthalt im Allgäu schmackhaft zu machen, hieß es, dürfe ich meine Ski mitnehmen. Meine Eltern haben mir erzählt, dass sie nicht auf Besuch kommen dürften. Ich glaube, das hat mich nicht groß beeindruckt, denn zum einen war ich bis dahin noch nie allein weg und hatte zum anderen auch keine Vorstellung davon, wie lange fünf oder sechs Wochen sein können.
Vorbereitung: Es mussten alle Kleidungs- und Wäschestücke mit eingenähten Namensschildern versehen werden. Also besorgte Mama eine Art langes Band, welches fortlaufend mit Vor- und Nachnamen in roten Großbuchstaben bestickt war. Diese Namensschildchen fanden noch jahrzehntelang Verwendung, z.B. auf Handtüchern. Taschengeld sollten wir auch mitbringen, ich hatte einen 20-Mark-Schein in einem Briefumschlag dabei.
Die Reise: Der Kindertransport ging per Bahn ab Stuttgart Hbf. vonstatten. Ich wurde mit meinen Ski verschickt. In meinem Abteil saß eine Aufseherin, die im Kinderheim dann auch 'Tante (Heidi)' war. Es war noch eine jüngere und, wie ich damals fand, hübsche Frau, mit der ich mich unterhalten habe. Ich habe wohl erzählt, dass meine Großeltern im Laucherthal wohnen, sie komme aus Ebingen. Zu ihr fasste ich Vertrauen.
Irgendwo kamen wir an, und dann ging's in einem VW-Bus der ersten Generation weiter. Der hatte eine getrennte Frontscheibe und seitlich kleine Fensterchen am Dach.
Die ersten Eindrücke: Meine Ski wurden mir abgenommen. Sie habe ich dann auf der Rückreise wieder gesehen. Die Süßigkeiten (wie auch das Taschengeld) wurden allen Kindern abgenommen. Warum hatten wir überhaupt welche dabei?
Ich schlief in einem Schlafsaal, mein Bett stand mittendrin. Zähne haben wir an einem ganz langen Waschbecken geputzt, alle in einer Reihe.
Was haben wir den ganzen Tag gemacht? Wir sollten essen und ruhen, dann essen und ruhen und essen und schlafen. Wir waren schließlich zur "Erholung" dort. Ich habe dort zum ersten Mal in meinem Leben bewusst wahrgenommen, dass es mir nicht schmeckte. Zum Frühstück gab es Schwarzbrot mit Marmelade. Das schmeckte mir nicht, dazu gab es warme Milch mit Haut, das schüttelte mich. Es half nichts, es musste runter. Ich weiß heute noch, wie sich Milch mit Haut im Mund anfühlt. Mittags gab es Spinat, das schmeckte den wenigsten Kindern. Es half nichts, ... . Ich erinnere mich, wie wir an langen Bankreihen zu Tisch saßen und die Kinder Reih auf, Reih ab sich übergeben und auf dem Tisch für eine bunte Mischung aus Spinatresten und Kotze gesorgt haben. Wenn es zum Nachtisch Pudding gab, musste man (ob man Pudding wollte oder nicht) Schlange stehen und bekam einen Schlag aus einem riesigen Kessel, wie mir vorkam. Der Pudding hatte eine Haut, die war einen Zentimeter dick. Wenn ich zurückdenke, dreht sich mir heute noch der Magen um. Aber es half nichts, man musste Schlange stehen und ... . Das Gute an meinem Leben ist, dass ich seitdem nie wieder gezwungen wurde, Pudding mit Haut zu essen.
Nach dem Essen war Ruhe angesagt, denn Gewichtszunahme war der entscheidende Punkt. Ich erinnere mich, dass wir z.B. bei schönem Wetter auf der Terrasse liegen mussten, eingewickelt in kratzige, schwere Wolldecken. Als ich älter war, habe ich derartige Decken wieder in Militärbeständen oder beim Roten Kreuz gesehen. Größere Verschickungskinder haben aus Michael Endes "Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer" vorgelesen. Ich hatte mich mit Günter Spohn angefreundet, der war schon älter und hat mir immer geholfen.
Ich kann mich an ein oder zwei Spaziergänge während des ganzen Lageraufenthaltes erinnern, das hat einen nicht überfordert in fünf oder sechs Wochen "Erholung". An Spiele und spielen erinnere ich mich nicht. Dass ich auch mal Schlittenfahren war, habe ich erst zuhause erfahren, als meine Mama mir einen Standardbrief der Lagerleitung gezeigt hat, der mit zwei individualisierten Sätzen versehen war. Es war eine schriftliche Lüge.
Zu "erholten" Kindern gehört eine gute Farbe im Gesicht. Dafür mussten wir vor die "Höhensonne". Das war eine Art Heizspirale, die man einige Minuten vor das stark eingecremte Gesicht bekam, bis man es vor Hitze fast nicht mehr ausgehalten hat. Die stand im Büro der "Heim(= Lager-)leiterin" Tante Gertrud, und während mein Kopf geröstet wurde, las sie mir einen Brief an meine Eltern vor, in welchem ich überschwänglich meine Begeisterung über das Lagerleben ausrichten ließ.
Erlebniswert: Eingeprägt hat sich mir nur ein Erlebnis. Ich musste nachts mal raus. Meine Hausschuhe waren Birkenstock-Holzklapperlatschen, die waren modern damals und - wie der Name sagt - klapperten sie auf dem Steinfußboden und draußen auf den Fluren. Es dauerte nicht lange, und die nette Aufseherin aus dem Zug hatte mich gestellt und so richtig rund gemacht, dass ich es mit der Angst zu tun bekam. Fortan bin ich nachts nicht mehr auf das Klo, um den Heimklassiker Pfefferminztee abzulassen. Stattdessen bin ich ein oder zwei Nächte später des Morgens in einer Pfütze aufgewacht. Da war dann wirklich was los. Neben Schimpf und Schande mitten im Schlafsaal durfte ich bei der Beseitigung der Sauerei mithelfen und musste das nasse Laken hochhalten bis das Bett neu bezogen war.
Und das Ende? Alles geht einmal vorüber, auch ein paar Wochen Lageraufenthalt. Das wurde ein bisschen gefeiert. Die nach der Einweisung konfiszierten Süßigkeiten wurden wieder hervorgeholt und an alle verteilt. Manches, wie Mohrenköpfe oder offene Gummischlangen, war dann etwas vertrocknet. Wer das Pech hatte und die zugeteilt bekam, konnte andere damit totschmeißen.
Danach sollten wir auch an unsere Eltern denken und denen was mitbringen. Das ging so: Der Briefumschlag mit dem Taschengeld tauchte wieder auf. Eine Aufseherin wollte, dass ich der Mutti ein standardisiertes kleines Fotoalbum für fünf Mark mitbringe (habe ich heute noch). Da war ein Gruppenbild der Kinder meiner Gruppe und eines der Aufseherinnen drin, ansonsten nur Aufnahmen des Gebäudes und vom schönen Allgäu. Außerdem sollte ich noch ein Brotkörbchen und einen Zuckerstreuer nach Hause bringen. In dem Umschlag waren danach nur noch ein paar Münzen drin.
Was bleibt? Meine Mama war begeistert, dass ich noch lange Zeit nach meiner Rückkehr abends meine Kleider so zusammengefaltet neben das Bett gelegt habe, dass alle Kleidungsstücke auf dem Stapel haargenau das selbe Format aufgewiesen haben ("auf Kante"). Erzählt habe ich wohl nicht viel. Nur, dass ich Milch und Pudding mit Haut nicht mag. Als ich, längst erwachsen, ein paar Einzelheiten aus meinem Lageraufenthalt erwähnt habe, war meine Mutter überrascht.
Ich habe keinerlei Erinnerungen an meine Gefühle von damals. Ich könnte nicht aus der Erinnerung behaupten, dass ich unter Heimweh gelitten hätte, oder geweint habe, ob ich mich allein, hilflos oder gemein behandelt gefühlt habe. Ich hatte schon ein Staatsexamen hinter mir, als ich einen anderen jungen Mann getroffen habe, der ebenfalls in "Erholung" war und ähnliche Erlebnisse berichten konnte. Wir haben herzlich darüber gelacht, aber ich weiß noch, dass mein Lachen nicht echt war. Etwas drückte heftig auf meinen Magen. Wir sprachen vom "Kinder-KZ". Ich weiß: dieser Vergleich verbietet sich völlig (im KZ haben sie die Kinder zu Hunderttausenden oder Millionen umgebracht).
Nachdem ich -zig Berichte anderer Verschickungskinder gelesen habe, denke ich, war das Lager "Bergfeude" noch eines der weniger inhumanen.
Ich wurde dort im Wesentlichen lediglich gedemütigt und erniedrigt, genötigt (durch Essenszwang und Toilettenverbot), angelogen und nach Strich und Faden verar...; mein als Kind gefasstes Vertrauen zu einer Bezugsperson wurde gebrochen und missbraucht, meine Geschäftsunfähigkeit als Kind zum Nachteil meiner Eltern ausgenutzt.
Ich wurde aber nicht verprügelt, nicht im Bunker isoliert, musste nicht Erbrochenes essen, wurde nicht missbraucht oder Medikamentenversuchen und weiteren schweren Straftaten ausgesetzt und durfte sogar meine Kleidung behalten.
Ich wurde auf anraten des Kinderarztes im Alter von 9 Jahren von April bis Juni 1971 nach Königsfeld „verschickt“. Ich soll zu dünn gewesen sein und für mein Alter viel zu wenig gewogen haben. Im Kindersanatorium sollte dem abgeholfen werden. Zudem sollte die Luft der Gesundheit auch sehr zuträglich sein.
Ich kann mich nur noch an ein paar Dinge meines Aufenthalts dorterinnern, aber die sind ziemlich bedrückend.
Ich war von Beginn an total eingeschüchtert von den „Tanten“ die sich um uns Jungen gekümmert haben. Ganz besonders von der Stations-„Tante“ Margot, einer älteren Frau. Es herrschte ein Ton von Zucht und Ordnung. Wer nicht aufessen konnte oder wollte (weil er das von zu Hause nicht kannte, das Essen nicht schmeckte oder er schlicht und ergreifend satt war) musste so lange sitzen bleiben, bis der Teller leer gegessen war. Weinen wegen Heimweh ging gar nicht. Wenn einer von uns dies tat, wurde er vor allen anderen Kindern als verzogen und verweichlicht beschimpft. Egal welches Alter. Wenn eines von uns Kindern über die Strenge geschlagen hat (welches Kind in dem Alter tut das nicht! Und ist es verwerflich, bei einem Spaziergang auf dem Aussengelände sich für Dinge die um einen herum passieren zu interessieren?), wurde mit Bestrafungen reagiert. Die gingen von Isolierung von der Gruppe, wo man in eine dunkle Kammer gesperrt wurde bis zu körperlichen Angriffen wie Schlägen auf die Hände - gerne auf die Fingerknöchel oder schmerzhaftes verdrehen eines Ohrs. Das regelmäßige schneiden der Fingernägel durch die Stations-„Tante“ Margot war eine Tortur. Die Nägel wurden uns mit der Begründung „damit du Nicht in der Nase bohrst“ so kurz geschnitten, dass es bei manchen von uns zum Teil blutete. Nur ein Mal machte es eine sehr junge Stations-„Tante“, die sehr behutsam war. Sie war aber nur sehr selten auf der Station, was wir sehr schade fanden, da sie die einzig nette Betreuungsperson war, die traurige Kinder auch getröstet hat. Sie war auch die einzige Person, bei der ich mich sicher gefühlt habe.
Schlimm und mit viel Scham behaftet war das zwangsweise gemeinsame duschen, nackt unter Beobachtung einer „Tante“ mit kaltem Wasser.
Als „Kur“ für die Atemwege mussten wir mindestens ein Mal in einem gefliesten und gekachelten Raum sitzen, während der Raum mit medizinischem Dampf für die Atemwege eingenebelt wurde.
Einmal die Woche haben wir Kinder nach Hause geschrieben. Die Briefe wurden danach von der Stations-„Tante“ Margot gelesen und wenn etwas von Heimweh oder dem Essen geschrieben wurde, musste der Brief nochmals geschrieben werden. Damit wir überhaupt schreiben konnten, mussten im ersten Brief nach Hause Briefmarken von den Eltern angefordert werden.
Päckchen von den Eltern wurden von der Stations-„Tante“ Margot grundsätzlich konfisziert und bis auf den beiliegenden Brief der Eltern einbehalten. War etwas zu Naschen mitgeschickt worden, wurde das einbehalten und zum Teil wurde es am Sonntag an alle Kinder auf der Station verteilt. Spielzeug wurde einbehalten.
Ein Dr. Alstede schickte ein Mal pro Woche eine vorgedruckte Karte an meine Eltern, auf der mit Schreibmaschine nur meine angebliche Verfassung und mein Essverhalten mit „gut“, „blass“, „unverändert“ und „lebhaft“ oder „vergnügt“ eingetragen wurde. Auf der ersten und die letzten Postkarte wurde meinen Eltern auch mein Gewicht mitgeteilt. Ich habe in den 6 Wochen grade einmal 1 Kg zugenommen. Die Untersuchungen durch einen Arzt waren ebenfalls erniedrigend. Nur in Unterhose vor ihm und einer „Tante“ stehend wurde ich vermessen und gewogen und zum Abschluss fummelte der Arzt im Genitalbereich herum.
Als ich nun im Internet ein wenig über das Kindersanatorium recherchiert habe bin ich auf einiges gestoßen was das System der Kinderverschickungen betraf. Schlimm finde ich, dass diese Zustände (auch in Königsfeld) bereits 1966 in der ZEIT beschrieben wurden (leider nur hinter einer Pay Wall lesbar). Nachdem ich dies gelesen hatte, war ich einerseits fassungslos und wütend, dass noch fast zwei Jahrzehnte lang (das Sanatorium wurde anscheinend in den 1980er Jahren geschlossen) Kinder diesen Torturen und Misshandlungen ausgesetzt wurden. Andererseits wundert es mich nicht. Wurden doch in der Zeit als ich dort hin musste, noch immer NS-Angehörige beschäftigt. Die Leiterin in Königsfeld wurde nach dem Krieg kurzerhand „entnazifiziert“ und konnte dort weitermachen, wo sie 1945 aufhören musste.
Zudem hatte, wie fast immer in solchen Einrichtungen, der Täterschutz und das Ansehen der Einrichtungen einen höheren Wert als das Schicksal der Kinder.
Im Schlafsaal waren wir mindestens zu siebt. Es musste immer still sein, wenn nicht wurden wir bestraft. Ich kann mich an schreien erinnern und Verbote an bestimmten Aktivitäten teilzunehmen. Der Esszwang war für mich sehr streßig, stundenlanges sitzen vor dem Essen, bis man es aufgegessen hatte. Es gab kein einsehen von der Betreuer Seite. Jeden Tag mussten wir diesen ekeligen Apfelessig trinken. Dann gab es sehr lange erschöpfende Wanderungen, auf denen ich oft weinte, weil ich nicht mehr konnte, half aber nichts, irgendwann bin ich dann wie in Trance mit marschiert. Ich kann mich noch an einen Fliegenpilz erinnern, wenn der kam waren wir fast im Heim und ich konnte aufatmen. Dann gab es sowas wie mit Salzwasser zu spülen, da mussten wir Salzwasser in die Nase schütten und durch den Mund ausspucken, wenn man das nicht freiwillig gemacht hat, wurde einem "geholfen". An das "Duschen" mit kaltem Wasser und harter Bürste erinnere ich mich auch noch, wann und wie oft vermag ich nicht zu sagen. Dann gab es auch sowas zu ein Solarium, unter welches wir uns legen mussten, selbst wenn man schon verbrannt war. Ich bin hellhäutig und rothaarig. Während des 6-wöchigem Aufenthaltes war ich zweimal krank, einmal hatte ich Mittelohr Entzündung und das andere Mal weiß ich nicht was ich hatte. Allerdings fühlte ich mich während der Krankheit gut, weil wir nicht marschieren mussten und auch nicht zum essen gezwungen worden. Alles im allem war für mich das schlimmste, das ich etwas essen musste was ich nicht mochte und seit dem auch nicht mehrgegessen habe. Bei meiner Weigerung wurde ich lächerlich gemacht vor allen Kindern, und als ich den Brathering nach den Abendessen immer noch nicht angerührt hatte wurde ich geschlagen und bekam erst wieder am nächsten Tag zum Mittag etwas zum essen, damit ich den Wert der Nahrung zu schätzen weiß. Auf dem Spielplatz gegenüber des Eingangs, gab es eine Art Karussell, das fand ich toll. An Spielzeug erinnere ich mich nicht, aber ich weiß das ich viel gemalt habe. Nach den sechs Wochen war ich Froh wieder zu Hause zu sein.
Wir haben keine schöne Erinnerung, nur schlechte und übergriffige Dinge erlebt - aber wir 4 Geschwister hatten zum Glück uns zum Trösten und Helfen.
Doch mein eigentliches Anliegen, hier etwas zu schreiben gilt einer damaligen "Schicksalsgenossin" über die wir in all den Jahren immer wieder gesprochen haben. Sie heißt Annette, war damals 10/11 Jahre alt, hatte dunkle Haare und kam aus Köln (?). Ihr schmeckte scheinbar das Essen genau so schlecht wie uns allen, sodass sie sich in den Teller übergeben musste. Daraufhin wurde sie gezwungen den Teller samt Erbrochenem leer zu essen. Nie werden wir vergessen, wie schrecklich diese Situation für sie gewesen sein musste. Sie tat uns unendlich leid und sie hatte Niemanden, der sie trösten konnte.
Bis heute finde ich schlimm, dass niemand für Dich einstand, aber wir waren wohl alle viel zu verängstigt in dieser autoritären Umgebung.
Ich hoffe, Du hast diese "Geschichte" verarbeitet und hast heute Menschen um Dich, die Dich trösten und für Dich einstehen.
Liebe Grüße Dagmar und Geschwister
Mit 5 Jahren wurde ich nach einer Masern Erkrankung zur Kur geschickt. Begründung: Zur Zunahme an Gewicht und da wirst du lernen Gemüse zu essen. In Lünen am Bahnhof war für uns die Sammelstelle. Dort nahm und die Begleitung in Empfang. Die Kur wurde von der Knappschaft bezahlt. Mit dem Zug ging es dann nach Wildeshausen. In Erinnerung blieb die schwarze Dampflok, die für mich riesengroß wirkte. Das sehr kleine Kurheim lag im ländlichen Bereich, umgeben von viel Wald. Sofort nach unserer Anfahrt ging es ins Badezimmer, 15 Kinder Jungen und Mädchen gemischt. Dort gab es eine Badewanne, in der wir im Schnelldurchgang gebadet wurden. Direkt mit Schlafanzug bekleidet ging es ins Bett. Dort bekamen wir unser Brot in die Hand gedrückt, etwas zu trinken und dann hieß es schlafen, mit der Warnung , wir wären alle zur Toilette gewesen. Geleitet wurde das Haus von zwei älteren Damen, eine die dickere Fame war für die Küche zuständig, und die andere , ich glaube sie hatte eine Kopfbedeckung ,wie eine Diakonissen auf. Sie war zumindestens recht Angst einflößend. Um das ganze zu verstärken schlug sie bevor sie ging mit einem Rohrstock auf jedes Bett. Ich selbst war voller Angst. Somit war am anderen Morgen mein Bett nass. Hier fehlt jede Erinnerung, wie sie damit umgegangen sind. Ich weiss nur noch, dass ich als Strafe abends nichts mehr zu trinken bekam. Zum Frühstück bekamen wir alle ein Lätzchen,welches wir nach Gebrauch an unserem Haken hängen mussten. Es gab morgens Haferflocken mit heißer Milch. Damit bin ich klar gekommen, mein Glück. Der Albtraum war das Mittagessen. Es war Pflicht, schliesslich sollten wir ja zunehmen,einen zweiten Nachschlag zu essen. Vor dem Essen war ein gemeinsamer Toilettengang, man hatte müssen zu müssen und das auch unter Aufsicht. Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich mal allein zur Toilette gegangen bin, immer nur in Zweierreihe. Bevor ich zum Essen meinen Platz einnahm, bestückt mit Lätzchen, stieg die Angst schon hoch, was ist in der Schüssel, war es etwas,was ich möchte, falls nicht, stieg die Panik schon wieder hoch. Warum, man müsste die Schüssel leer machen und dann noch ein zweites Mal. Pech für mich, es war gnadenlos. Hatte man dann erbrochen, musste man auch das weiter essen. Wenn auch das nicht geschah, war vor der Küche eine lange Anrichte. Dort wurde man hingeschleppt, draufgelegt, Hose runter und man erntete eine Tracht Prügel. Zum Abendbrot gab es fertige Brote. Ich mochte überhaupt keinen Käse, egal in welcher Form. Und stets war das Brot mit dick Schmierkaese, den ich heute nicht nicht essen kann, da steigt sofort der Ekel Faktor auf. Es musste gegessen werden. Auch am Abend wurde genauso widerfahren. Nach dem Abendessen würden wir jeweils zu zweit unter die Höhensonne gelegt, mit dick Nivea Creme und einer Schutzbrille. Auch hier dürfte nicht gesprochen werden. Danach wieder gemeinsamer Toilettengang und dann ins Bett. Von Glück kann ich sprechen, mein Körper reagierte, ich würde krank, mit hohem Fieber. Müssen wohl mehrere Tage gewesen sein. In dieser Zeit kein Essenszwang.
Während dieser Zeit ist meine kleine Schwester verstorben. Niemand redete mit mir, ich musste wieder in dem Gitterbett schlafen, indem sonst meine Schwester geschlafen hatte. Ich war so eingeschüchtert, habe nicht danach gefragt.
Mein Essverhalten war gestört, konnte nicht gut essen, auch des öfteren erbrochen. Somit würde wieder eine Kur von der Knappschaft bewilligt. Und ohne Schreck, wieder in das gleiche Kurheim mit den schrecklichen Tanten, nur dass ich jetzt zwei Jahre älter war. Es lief wieder alles so ab , wie bei der ersten Kur. Nur für abends mit dem Belag der Brote, bekam ich oft die Gelegenheit, diesen in meiner Bollerbuxe verschwinden zu lassen. Mein Bett stand nämlich dieses Mal direkt unter dem Fenster. Und darunter befand sich das Flachdach der Liegehalle, auf dem ich den Belag fallen ließ. Eine Begebenheit während der Mittagsruhe, über meinem Bett war eine Spinne. Ich bin aufgestanden und habe die mit meinem Hausschuh platt gemacht. Es dauerte nicht lange und die dicke Tante aus der Küche kam, zig mir die Hose runter und verprügelte mich. Ich habe geschrien. Nach der Mittagsruhe gab es immer Tee und Kuchen oder Kekse. Die Kids wurden aufgefordert über mich zu lachen und ich bekam keine Plätzchen zur Strafe. Auch während dieser Zeit war mir das Glück hold und ich würde krank. Wieder mit hohem Fieber, das Zahnfleisch war geschwollen und recht schmerzhaft. Kauen war nicht möglich. Danach bekam ich zum Essen meinen Platz vor der Küche,dort hat man mich gnädig behandelt ohne zwang, statt Brote mehr Pudding usw.
Das Ende der Zeit: und wieder nicht zugenommen.
Ich blieb ein schlechter Esser, somit nahm ich auch nicht an Gewicht zu.
Das ergab wieder , dass ich nach zwei Jahren zur Kur musste. Doch dieses Mal ging es auf die Insel Norderney Haus Heckenrose in der Mühlenstraße 22. Die Überfahrt von Norddeich dorthin war natürlich aufregend. Zwei aus meiner Schulklasse waren auch dabei. Dich Jungen und Mädchen wurden getrennt. Dort angekommen würden wir nach Alter eingeteilt. Dann wurde von unserer Betreuerin die Betten an uns verteilt. Leider hatte ich Pech. Ich blieb über und stand dann da ,wie ein begossener Pudel. Musste dann zum Schlafen in eine andere Gruppe, fühlte mich dadurch nirgendwo zugehörig. Ich ließ es über mich ergehen. Ich war traurig, in meiner Gruppe wurde vor dem Schlafen noch vorgelesen und durfte nicht dabei sein. Dort wo ich schlafen mußte passierte nichts.
Auch in diesem Kurheim durfte man nachts und in der Mittagsruhe nicht auf die Toilette. Nur , wenn die Nette Wache hatte, war es möglich. Die Not macht erfinderisch. Jeder hatte sein Handtuch zu über dem Bett hängen. In der Dunkelheit habe ich mir das zusammen geknuddelt und da hinein uriniert. Es wurde aber nur einmal in der Woche die gesamte Wäsche gewechselt. Bald schon beschwerten sich die Kinder aus diesem Schlafraum. Ich würde ins Bett machen. Mein Bett wurde kontrolliert, doch da waren keine Spuren. Das Handtuch hat niemand beachtet. Eine Begebenheit hat mir dann das Leben in diesem Schlafraum erschwert. Ein Mädchen bekam ein Päckchen mit Süßigkeiten von ihren Eltern. An alle hat sie verteilt. Ich musste zuschauen, gehörte ja nicht zu dieser Gruppe. Im Speisesaal durfte während des Essens nicht geredet werden. Es wurde in dieser Zeit vorgelesen. Ich würde beim Reden erwischt und musste dann zur Strafe in den Schlafraum. Die Versuchung dort war recht gross,mal in das Päckchen mit den Süßigkeiten zu schauen und habe mir zwei KitKat herausgenommen. Die betroffene Person hat es gemerkt. Alle aus diesem Schlafraum haben es mich spüren lassen, das war keine einfache Zeit.Ein kleiner Ausgleich war dann immer die Zeiten am Strand, die habe ich genossen, da war ich unbeschwert. Noch heute ist die Nordsee meins. Trotz allem hatte ich in den sechs Wochen gut zugenommen.
Glücksburg St. Ansgar ein größeres Kurheim mit ca.180- 200 Kindern. Jede Gruppe hatte einen Tiernamen. Hier wurde viel gebetet. Vor dem Frühstück Morgengebet und zu allen anderen Mahlzeiten vor und nach dem Essen und vor dem Schlafen gehenJeden Sonntag mussten wir in die Kirche. Morgens ,mittags und abends wurden wir bewacht, auch von Personen, die keine Betreuer waren. Sie waren auch schon teilweise älter. Abends wurde von der Wache vorgelesen. In der Mittagsruhe durfte nicht geredet werden. Zur Toilette gehen würde erst immer unterbunden, aber letztendlich könnte man doch gehen. Schlimm war das duschen. Diese befand sich unten im Keller, ein großer Becken mit vielen Duschköpfen. Wir hatten alle einen Badeanzug an. Die Dusche wurde angestellt,da müssten wir uns nass machen, Dusche wieder aus, auf Kommando einseifen wie die Schneemänner, Dusche an zum entseifen. Dieser Ort war erdrückend. Heute würde ich sagen verkörpert es für mich,wie damals die Gaskammern, ich hatte selbst noch Lehrer, die davon erzählt hatten.
Abends mussten wir schon um 20.00 ins Bett, obwohl draußen die Sonne schien und es auch in den Schlafräumen trotz Gardine nicht annähernd dunkel war.
Wir haben einiges an Ausflügen gemacht. Mit dem Schiff nach Flensburg ins Naturkundemuseum, nach Sonderborg, und mit dem Bus nach Romo, da könnte der Bus bis zum Strand fahren. Einmal in der Woche ging es ins Wellenbad, durften aber nur vorne bleiben, die Betreuerin konnte nicht schwimmen. Der Sonntag war außer dem Kirchgang etwas Besonderes. An dem Tag lag immer auf dem Frühstückssteller eine Süßigkeit. Jede Gruppe hat te passend zu einem gestellten Thema etwas vorbereitet. Alle Gruppen kamen dann zusammen und zeigten was sie vorbereitet hatten. Dreimal in der Kur wurden unsere Köpfe nach Läusen untersucht. Wer Läuse hatte bekam etwas auf dem Kopf mit einer Badekappe auf dem Kopf.
Schrecklich war immer der Tee, der in einer Blechkanne abgefüllt war.
Die schönste Zeit war am Strand.
Haus Nordmark Westerland auf Sylt
Wir mussten vom Bahnhof aus den Weg zum Kurheim laufen. Dort angekommen würden wir von der Heimleitung in die Alters entsprechende Gruppe eingeteilt. Bis alle da waren dauerte bis zum Abend, da Viele eine lange Anreise hatten. Jede Gruppe hatte einen Namen und zum größten Teil einen eigenen Gruppenraum. Als wir ins Haus kamen, könnten wir Fifi ein Kapuzineräffchen im großen Käfig begrüßen. Seine Pflegerin, die die Krankenstation unter sich hatte gab ihm ein Gummibärchen. Einmal durften wir sogar erleben,wie er gebadet wurde. Für den Anreisetag und den darauffolgenden Tag hatten wir eine Vertretung als Betreuerin, weil die Gruppenleiterin unsere Koffer auspackte. Auch hier fand Morgen und Abendgebet statt, sowie zu allen Mahlzeiten vor und nach dem Essen. Sonntags würden wir aufgeteilt in katholische und evangelische Kinder aufgeteilt und zu den Gottesdiensten geschleppt. Niemand konnte sich dem entziehen.
Heute weiß ich, dass die Häuser St. Ansgar in Glücksburg und Haus Nordmark in Westerland von einer religiösen Gemeinschaft geleitet wurde. Beide Häuser gibt es nicht mehr.
Jeden zweiten Tag gab es morgens Milchsuppe und Brot mit Marmelade, die auf einem Tablett waren. Während des Frühstücks wurde die Betreuerin manchmal abgelöst, sie ging dann zum Gottesdienst. Diese Ersatzpersonen kamen aus den Bereichen: Küche, Haus, Waschküche. Mittags das Essen möchte ich Vieles nicht. Einmal gab es Spinat ,wohl ein Fehlgriff : eine von uns sagte weinerlich : die Seile mag ich aber nicht, er war noch ganz.Zum Abend wenn wir wieder kamen befanden sich die fertigen Brote im Gruppenraum. Manchmal mit ekelhafter Streichwurst. Der gesamte Gruppenraum stank danach. Schlimm war es, wenn es dann auch noch Schwarzbrot war und der Blümchen Tee. Samstagsabends gab es Cornflakes mit warmer gesüßter Milch.
Wir haben viele Ausflüge gemacht. Dafür wurde Proviant mitgenommen. Leider auch wieder belegtes Schwarzbrot, für jeden einen Apfel und einen Kanister mit Sirup. Bei der ersten Raststätte wurde er mit Wasser aufgefüllt. Das Schönste war die Fahrt in die Wanderdünen. Da konnten wir den ganzen Tag toben.Mittags kam der Bulli mit einem riesen Topf mit Eintopf, den es dann im Blechteller gab, für 200 Kinder. Bei diesem Ausflug hatte eine von uns ihre Zahnspange im Sand verloren, wurde auch nicht wiedergefunden. Wir sind sogar auch im Meer schwimmen gewesen. Dazu hatten wir alle orange farbende Badekappen auf. Die Betreuer bildeten eine Grenze und am Flutsaum stand Jemand mit einer Trillerpfeife. Ich war nur mit den Füßen drin, hatte zuviel Angst vor den Wellen.
Die Wäsche wurde zweimal die Woche gewechselt. Die Betreuerinnen hatten die Möglichkeit, Unterwäsche und Strümpfe zu waschen.
Zum Schluss sind wir alle zum Souvenirladen gegangen, im dort Andenken zu kaufen für zu Hause.
Im Gegensatz zu den Kuren in Wildeshausen waren die letzten beiden Kuren, außer der vielen Beterei okay.
Die Insel Sylt ist zu meiner Insel geworden. Es war schon komisch zu sehen, dass das Haus platt gemacht wurde.
Ich erinnere mich, dass zuvor meine Cousine auch zur Kur gefahren war. Vielleicht mag das für meine Eltern eine Anregung gewesen sein, für mich auch eine Kur zu beantragen. - Meine Mutter erklärte mir sehr viel später, dass eine Kinderkur damals so üblich gewesen wäre. - Als Anlass für eine Kur wurde vermutlich Untergewicht oder auch Blässe für mich angegeben.
Nach der Bewilligung wurden alle meine Kleidungsstücke und sonstige Dinge, die ich mitnehmen musste, mit einem mit meinem Namen beschrifteten Bügelband versehen, was meine Mutter lange am Bügelbrett beschäftigte. Meine Mutter schien jedoch sehr stolz zu sein, dass ihre Krankenkasse, die Kur für mich genehmigt hatte.
Das liebste Kuscheltier nahm ich nicht mit, was ich als sehr schmerzhaft empfand. Ob dies so vorgeschrieben was oder ob wir uns in der Familie selbst darauf geeinigt hatten, weiß ich nicht mehr. Ich bat meine jüngere Schwester in meiner Abwesenheit mit ihm zu spielen. Auf jeden Fall fehlte mir mein Kuscheltier in den sechs Wochen sehr und es hätte mir meine Einsamkeit dort wesentlich erträglicher gemacht.
Die Anreise erfolgte über den Hbf Hannover per Zug, zu dem mich meine Eltern brachten. Dort wurden wir Kur-Kinder bei einer mir unbekannten Begleitperson abgegeben. An den Blick aus dem Zugfenster zu meinen Eltern bei der Abfahrt kann ich mich gut erinnern. Ein erstes Gefühl der Einsamkeit befiehl mich.
Es gab es viele Quarkspeisen, besonders als Nachtisch. Das kannte ich von zu Hause nicht, hat mir aber geschmeckt. Auch den Zwieback eingetunkt in Milch am Nachmittag mochte ich. An die sonstigen Mittagessen habe ich trotz meiner Aufzeichnungen keine bewussten Erinnerung mehr, bis auf die langen, weißen, blanken Tische im Speisesaal, die einen kühlen, abweisenden, strengen Eindruck vermittelten.
An die Trinkkur konnte ich mich nicht gewöhnen! Aus einem durchsichtigen ausgewaschenen Joghurtbecher mussten wir regelmäßig ein sehr stark perlendes Mineralwasser mit etwas Salz und 1 EL Apfelessig trinken. Das schmeckte mir ekelig, zu sauer, essigscharf. - Heute mag ich die Mischung allerdings gerne.
Am Samstag gab es am Abend immer eine Grillwurst mit Gurke, Tomaten, Senf und Brötchen. Das war lecker und erinnerte mich an unsere Grillaktionen zu Hause. Ob es am Samstag Mittagessen gab, weiß ich nicht mehr.
Abgeduscht wurden wir mit kaltem Wasser. Dazu wurden wir mit einer harten Bürste kräftig abgebürstet. Einmal gab es einen Wasserschaden und das Duschen fiel glücklicherweise aus!
Die Heimleiterin, Frau Selter, vermittelte einen sehr strengen, klar strukturierten, autoritären und lieblosen Eindruck. Alle Mitarbeiter hielten sich streng an ihre Richtlinien und verhielten sich uns Kindern gegenüber ebenso empathielos.
Insgesamt strahlten die Mitarbeiter eine sehr sachliche, kühle, aber auch wankelmütige Haltung aus. Ich kann mich an kein liebes, freundliches, zugewandtes, Trost spendendes Verhalten der Betreuerinnen gleichermaßen gegenüber allen Kindern erinnern. Dagegen teilten die Mitarbeiterinnen ihre Zuneigung ganz willkürlich, eher den dominanten Kindern zu und bevorzugten diese, während die stillen, zurückhaltenden Kinder unbeachtet und mit ihren Sorgen und ihrem Leid allein blieben.
Als ich im Juli ´73 ankam, bestand die Gruppe u. a. aus einigen sehr dominanten älteren niveaulosen Mädchen im vorpubertären Alter, die die jüngeren Kinder drangsalierten. Sie stellten sie bloß, lachten sie aus, machten sich öffentlich über sie lustig und demonstrierten dadurch ihre Machtposition innerhalb der Gruppe.
Ich erkannte diese Gruppenzusammensetzung ziemlich schnell, versuchte nicht in deren Aufmerksamkeit zu geraten und versuchte mich immer unsichtbar zu machen. Ständig war ich wachsam, um keinen Anlass für Quälereien zu bieten, was mir einmal leider nicht gelang.
Die Betreuerinnen griffen in diese internen Machtverhältnisse nicht ein und behandelten die Mädchen eher mit Vorsicht, um selbst keinen Konflikt mit ihnen hervorzurufen, so habe ich es empfunden.
Nach 14 Tagen schien sich regelmäßig die Gruppenzusammensetzung zu ändern. Nun war ein sehr junges Mädchen dabei, 4 oder 5 Jahre alt. Die älteren Mädchen übernahmen begeistert die Mutterrolle, nahmen ihre Betreuung den offiziellen Betreuerinnen ab und reduzierten ihre Drangsalierungen dadurch gegenüber den anderen Kindern ein wenig. Eine geringfügige Entspannung, wobei jedoch die Wachsamkeit und innere Anspannung bei mir blieb.
Nach weiteren 14 Tagen reisten auch diese älteren Mädchen ab. Das war für mich eine große Erleichterung.
Jedoch wurde ich einige Tage später krank und verbrachte den größten Teil des Endes meines Kuraufenthaltes isoliert in einem Krankenzimmer im Dachgeschoss.
Zwischen dem Kurheim und dem eingezäunten Spiel- und Draußenbereich befand sich ein wenig befahrener Wirtschaftsweg. Dort wurde in meiner zweiten Kurwoche einer der beiden Kurzhaardackel - Knüfke - angefahren. Das war schrecklich, er jaulte jämmerlich und kam von seinem „Krankenhausaufenthalt“ auch nicht wieder. Was mit ihm geschehen war, wurde uns nicht mitgeteilt.
Der Spielbereich gegenüber dem Heim bestand aus einem Sitzbereich vorne an der Straßenseite. Heute würde ich sagen, er bestand aus einer Menge Partybänken und Tischen. Das weitere Gelände hatte wohl eine Schaukel und endete auf einer Anhöhe – dem Spielberg.
Von dort oben konnte man über das Tal hinweg zu den gegenüber liegenden Hügeln schauen. Diesen Blick habe ich als sehr erholsam, für meine an starkem Heimweh leidende Seele tröstend wahrgenommen. Dieser Blick von dort oben von dem Spielberg in die weite Natur hat mir geholfen die einsame, sprachlose Zeit – und sozial angespannte, sehr stressige Zeit - in der Kur zu ertragen. So oft ich konnte, habe ich mich dort oben hingesetzt, um aus der Beobachtung der Natur Kraft zu verspüren, die Zeit zu überstehen.
Ich habe dort an die Familie gedacht, für mich gesungen, mir Mut gemacht, den Kontakt zu Gott gesucht und daraus Hoffnung geschöpft und Durchhaltevermögen entwickelt.
Wir sind als ganze Kindergruppe gelegentlich durch Wald, Feld und Hügel gewandert oder spaziert. Anfangs des Weges geordnet in Zweierreihen, später lockerer. Die Natureindrücke gefielen mir sehr und taten mir gut, das erlebte ich zu Hause nicht: Der dichte Wald, das Wassertreten im Bach, das Spazieren durch den Nebel, das Sonnenlicht über den Hügeln, …
Das strenge Reglement beim Gehen nahm ich einfach so hin.
Insgesamt war es eine sehr, sehr einsame Zeit. Freundschaften haben sich dort nicht ergeben und wurden auch nicht gefördert. Durch den häufigen Wechsel der Kinder, meine Vorsicht und das gemischte Alter war es nicht einfach Kontakte zu knüpfen. Ich war oft allein mit meinen Wahrnehmungen, meinen Gedanken und musste meist gut aufpassen, nicht in eine Opferrolle innerhalb der Gruppe zu geraten. Dazu kam das starke Heimweh.
Die Erzählungen der Briefe, die ich von der Familie erhielt, stimmten mich meist traurig. Ich fühlte mich verlassen und von dem Familiengeschehen ausgeschlossen.
Trotzdem habe ich von meinen eigenen Sorgen nichts in meinen Briefen geschrieben, um meine Familie nicht traurig und besorgt zu stimmen. Schließlich hatte sich die Familie dafür eingesetzt, dass ich zu dieser „tollen Kur“ gehen konnte.
Auch zu Hause habe ich später von meinen schmerzhaften Erfahrungen nichts berichtet. Es hat aber auch niemand ernsthaft danach gefragt.
Als ich nach 4 Wochen Aufenthalt krank wurde, habe ich die Erkrankung aus den oben genannten Gründen – das belastende soziale Gefüge der Gruppe - anfangs als starke Erleichterung empfunden, obwohl die Erkrankung mit tagelangem isolierten Aufenthalt in einem Dachzimmer verbunden war. - Keine Angst mehr vor Drangsalierungen, Bloßstellung, kein sich Verstecken mehr, keine zwanghafte Wachsamkeit gegenüber empathielosen Betreuerinnen, nur sozial entspannen.
Ich lag ständig im Bett – 7 Tage - , den Blick auf einen Baum gerichtet, in dem ein Vogel wohnte, erhielt nur 1x Besuch von einem Mädchen. Diese Monotonie war anfangs sehr beruhigend, - später langweilig.
Ich fragte mich, ob meine Eltern von meiner Erkrankung wussten, besonders da die Abreise gefühlt langsam bevor stand und ich lange keine Post mehr von ihnen erhalten hatte. – Ich vermute, dass meine Post zurückgehalten wurde, da mir kurz vor der Abreise eine größere Anzahl Briefe ausgehändigt wurden.
Ein Zeitgefühl hatte ich während der Zeit im Krankenzimmer verloren und malte mir später, nachdem ich eine Betreuerin nach dem Datum gefragt hatte, deshalb einen eigenen Kalender, auf dem ich die Tage bis zur Abreise abkreuzte.
Zu Beginn meiner Kur hatte ich von meiner Mutter einen kleinen Taschen-Kalender erhalten, in dem ich mir jeden Tag einige Notizen zu meinem Aufenthalt machte. Diese persönlichen Dinge blieben jedoch während meiner Erkrankung in meinem ursprünglichen Zimmer, - an dieses Zimmer habe ich keine Erinnerung mehr. Ich traute mich nicht, die Betreuerinnen zu bitten, mir meine Sachen in mein Krankenzimmer zu bringen, da ich Angst hatte, sie würden in meinem Kalender-Tagebuch lesen und ich dann Ärger bekommen würde. Später habe ich in meinem Kalender-Tagebuch alles nachgetragen.
Nach meiner Erkrankung musste ich anfangs zur Schonung im Haus bleiben. Dort habe ich mit einer Betreuerin die Schuhe von Kindern geputzt, die abreisten, erinnere ich mich. Das fand ich sehr ungewöhnlich, aber nicht ganz schlimm. So genau Schuhe geputzt hatte ich zu Hause noch nie. Das war neu für mich und nach dem langweiligen Aufenthalt im Krankenzimmer unter dem Dach interessant.
An einen Arztbesuch während meiner Erkrankung, kann ich mich nicht erinnern.
Was wir an Regentagen gemacht haben sowie welche und ob es Spielzeuge im Haus gab, ist einfach aus der Erinnerung weg. An „Tanzstunden“ habe ich eine dunkle Vorstellung: Immer Sonntags, bewegen im Raum, bei Musik?, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Für die jungen Kinder, wie mich, eher verwirrend. Für die älteren Kinder eine peinliche, befangene Situation.
An eine „Turnstunde“ mit Übungen an einer Sprossenwand, kann ich mich unangenehm erinnern. Auch an einen Besuch des Schützenfestes und einige „Reitstunden“ auf dem Pony Lorbas.
Gelegentlich wurden Kreisspiele durchgeführt: „Der Plumpsack geht rum“. Bei Gruppenspielen war ich immer schlecht. Zu viel sozialer Stress für mich und ein potentieller Angriffspunkt für ein späteres Bloßstellen durch die Betreuerinnen und durch die Kinder.
An zwei Samstagen meines Aufenthaltes – vermutlich 1x pro Monat - kam ein Arzt, um uns zu untersuchen: wiegen, messen, …
Einmal in der Woche mussten wir Briefe an unsere Angehörigen schreiben. Das wurde verordnet und war Pflicht. Meine Mutter hatte mir Briefmarken mit gegeben und nachgeschickt.
Öffentlich verteilt wurden die Briefe nach dem Mittagessen – meine ich. Das war immer traurig, wenn man keine Post erhielt.
An einigen Tagen sangen wir regelmäßig mit einer uns mit Gitarre begleitenden jungen Mitarbeiterin Lieder aus der „Mundorgel“ . Ich war musikalisch gebildet und empfand dieses für mich neue Liedergenre – ich war eher religiös geprägt - sehr erfrischend.
Ich lernte Lieder wie: Polle reist zu Pfingsten, Wer nur den lieben langen Tag ohne Arbeit , In einem Harung jung und schlank, Kein schöner Land, Hoch auf den gelben Wagen, Sabinchen war ein Frauenzimmer, Sascha liebt nicht große Worte, Heute an Bord, …
Später habe ich meinen Geschwistern diese Lieder auf familiären Urlaubsreisen vermittelt. Das hat uns sehr viel Spaß bereitet!
Einen Tag vor der Abreise nach Hause konnten wir Andenken kaufen. Mein Taschengeld bewahrte ich die sechs Wochen über in meinem von meiner Mutter mitgegebenen extra angeschafften roten Portemonnaie mit Doppeltaschen auf. Wobei ich vermutete, dass etwas Geld während meiner Erkrankung abhanden gekommen war. Meine Frage an die Betreuerinnen wurde damit abgetan, dass vermutlich Briefmarken angerechnet worden waren.
Auf langen Tischen waren regional typische Produkte aufgebaut bzw. Kuckucksuhren, ….. Ich wunderte mich, was in dieser Gegend alles typisch war, denn davon hatte ich während der 6 Wochen nichts mitbekommen.
Wir wurden von einem Fotografen gedrängt ein Foto machen zu lassen. Das wollte ich aber nicht, denn ich wollte keine Bilder als Erinnerung von dem Aufenthalt mit nach Hause nehmen. Auch war mein Geld dafür zu knapp.
Ich kaufte für meine Eltern und die ganze Familie ein Wetterhäuschen. Das hing tatsächlich lange zu Hause an einer Wand. Ich habe mich einerseits gefreut, dass es meinen Eltern so wichtig war, dass sie es aufhängten – das hatte ich nicht erwartet.
Andererseits kamen beim Anblick immer zwiespältige Erinnerungen bei mir hoch.
Mein Kuraufenthalt erinnerte mich sehr stark an meinen quälenden Krankenhausaufenthalt in der Kinderheilanstalt Hannover in der Ellernstraße zwei Jahre zuvor.
Dort musste ich anlässlich eines Armbruches 6 Wochen im Bett liegend verbringen: Ausgeliefert lieblosen Kinderkrankenschwestern, zwanghaftem Drängen das Essen aufzuessen, getrennt von den Geschwistern und nur den erlaubten 30 Minuten-Besuchen durch die Eltern zweimal die Woche.
Das Laufen und Treppensteigen musste ich nach den 6 Wochen neu erlernen ….
Diese Situationen in den damaligen Kinderkrankenhäusern wären eine ähnliche Aufarbeitung wert ….,
… wobei, vielleicht würde sie sich nur geringfügig unterscheiden ….
ich war 1979 (?) auf Amrum 6 Wochen zur Kur wegen meiner chronischen Bronchitis.
Meine Erfahrungen decken sich mit vielen Schilderungen:
Nur zensierte Post nach Hause
Ansonsten kein Kontakt zur Familie
Anrufe der Familie gab es nur in dringenden/außergewöhnlichen Fällen
Post der Eltern war bereits geöffnet, wenn sie bei uns ankam
Zugesandte Süßigkeiten wurden an alle verteilt
Geschlafen wurde in einem großen Schlafsaal, die Ruhe wurde überwacht
Regelmäßig wurden wir gewogen und auf Läuse kontrolliert
Täglich gingen wir Mädchen mit Kopftuch lange spazieren
Ansonsten gab es nur noch Inhalationen als einzige weitere medizinische Anwendung
Die „Schwestern“ waren sehr streng, unangenehm und gefühllos, es gab viel Heimweh für das es allerdings kein Verständnis gab
Ich war damals in der sechsten Klasse und erinnere mich noch, dass meine Eltern mich bis nach Pinneberg brachten und von dort reiste ich allein weiter.
Ich habe es nicht so schlimm erwischt, wie viele andere. Wahrscheinlich weil ich mich so gut es ging anpasste und quasi unsichtbar blieb, so weit das möglich war. Wie ich mich an die Reaktionen der „Schwestern“ erinnere, war es auf jeden Fall besser nichts zu sagen und alles mit sich selbst auszumachen.
Vieles von damals habe ich wohl erfolgreich verdrängt. Eine positive Erinnerung habe ich an ein gemeinsames Fest am Ende der Kur. Hier waren auch die Jungs eingeladen und es wurde sogar etwas getanzt.
vor ein paar Wochen bin ich durch Zufall auf einen Artikel über Verschickungskinder gestossen und mir ist erst dort bewusst geworden, dass die Kur in die ich im Alter von 6 Jahren geschickt wurde, gar nicht nur mich betraf, sondern dass sie Teil eines Systems war. Seitdem fühle ich mich rastlos und sauge alles zu diesem Thema auf.
Ich wurde von Bremen aus verschickt, wo ich im Februar 1973 geboren wurde und wir bis zu meinem 9. Lebensjahr gewohnt haben. Ich kann mich an den Bahnsteig in Bremen erinnern, aber nicht an die Zugfahrt. Ich kann mich auch nicht an das Heim erinnern. Selbst die alten Fotos im Internet sagen mir nichts und wecken keinerlei Erinnerung. Ich kann mich auch nicht an die ErzieherInnen/BetreuerInnen erinnern. Ich sehe einen Schlafraum mit mehreren Betten vor mir, kann mich aber nicht an einen Speisesaal erinnern. Ich erinnere mich, dass ich mit einer Gruppe von Kindern und einer Frau zusammensass und es irgendwie um Post ging, kann mich aber nicht erinnern ob wir welche bekamen oder selbst geschrieben haben. In meiner Erinnerung sassen wir eng zusammen in einer Art Vorraum zum Schlafraum, in den man durch eine Scheibe hineinsehen konnte. Das Bild löst nur ein Gefühl von Traurigkeit in mir aus.
Ich kann mich an einen Gang erinnern und an einen Jungen, vor dem ich Angst hatte. Ich sehe mich in einer Toilettenkabine vor ihm verstecken und dass er mir auf dem Gang entgegenkommt und ich ganz an der ihm entgegengesetzten Wand gehe und spüre dabei die Angst vor ihm. An die anderen Kinder habe ich keine konkreten Erinnerungen. Ich kann mich an Heimweh erinnern und daran, dass ich nachts im Bett geweint habe. Ich kann mich aber an keine Mahlzeiten erinnern. Ich wurde verschickt um abzunehmen und erinnere mich, dass ich Blendi Zahncreme gegessen habe und Assugrin Tabletten, weil ich Hunger hatte. Den Geschmack habe ich heute noch im Mund... Ich sehe den Waschraum mit mehreren Waschbecken vor mir, aber wenn ich daran denke, fühle ich mich allein. Ich sehe keine anderen Kinder in dem Raum. Und ich kann mich auch überhaupt nicht erinnern, wie wir die Tage verbracht haben.
Aus den Notizen meiner Mutter weiss ich, dass ich bei meiner Rückkehr völlig verstört war. Ich hatte einen Wasserbauch von all der Suppe die ich wohl bekommen hatte, meine Haare waren stumpf und kaum durchkämmbar. Ich soll sie mit grossen Augen angeschaut haben und als ich etwas sagen wollte kam kein Ton raus. In der ersten Nacht habe ich mich ganz nah an meine Mutter gekuschelt. Ich bin ihr tagelang kaum von der Seite gewichen und habe keinen Schritt ohne sie gemacht. Es dauerte 5 Tage bis ich wieder gesprochen habe und langsam meine Sicherheit wiederfand.
Dass ich zur Kur geschickt wurde, weiss ich schon lange und ich bin seit langem überzeugt, dass diese Kur der Startschuss dafür war, dass ich mich seither immer zu dick gefühlt habe und fühle. Wenn ich Fotos aus der Zeit anschaue, kann ich nur mit dem Kopf schütteln, denn ich war völlig normal.
Ich bin heute 51 Jahre alt aber noch heute habe ich das Gefühl nicht gut zu sein wie ich bin. Ich definiere mein "gut sein" sehr über meinen Körper, obwohl ich viel mehr als das bin und wirklich allen Grund habe stolz auf mich und mein Leben zu sein.
Seit ich den Artikel gelesen habe, habe ich bereits ein wenig recherchiert. Ich war in Kontakt mit dem Bremer Staatsarchiv und mit Birgit Lübben, deren Buch "Ware Kurkind" ich gelesen habe und die mich wiederum an jemanden weiterverwiesen hat, mit dem ich mich aktuell in einem wertvollen Austausch befinde.
Ich verstehe das Ganze heute schon viel besser und habe das Gefühl auch mich selbst etwas besser zu verstehen. Aber ich fühle mich noch ganz am Anfang meiner Suche. Ich habe das Gefühl, ein wichtiges, bisher fehlendes Puzzelteil gefunden zu haben, aber im Moment ist das Puzzleteil noch irgendwie grau und diffus. Deshalb werde ich weiter nach Antworten suchen. Ich hoffe herauszufinden in welchem Heim ich konkret war und so weitere Fragen beantworten zu können.
Ich wünsche allen hier von Herzen alles Gute!
mein Name ist Christina und ich bin ein Verschickungskind... früher wusste ich das natürlich nicht, es hieß, mein Bruder und ich fahren im Sommer in Kur, ans Meer, ach, das wird toll! Ich hatte gleich nach dieser Mitteilung ein flaues Gefühl im Magen und sah sehr freudlos auf das auf mich zukriechende Abreisedatum, während meine Mutter fleißig Namensschildchen in unsere Kleidungsstücke nähte. Teddy bekam auch eins um den Arm genäht, denn ohne Teddy konnte ich nicht ans Meer, das war klar! Ich war 7 und hatte gerade die erste Klasse absolviert; ein kleines etwas pummliges Mädchen, das nicht verstand, warum es ohne die Mama an dieses doofe Meer reisen sollte. Ohne Mama ging ich außerhalb der Schule eigentlich nirgendwo hin. Ich war empört! Und ich hatte Angst! Aber alles Flehen, Heulen und auch kein Trotzanfall half... mein Bruder und ich wurden am besagten Tag am Bahnsteig letztmalig von den Eltern umarmt und in ein überfülltes Zugabteil gequetscht. Als sich die Türen schlossen wurde mein Herz mit aller Wucht von einem schrecklichen Trennungsschmerz getroffen, der die nächsten acht Wochen keine Sekunde innehalten sollte. Mein Bruder, zwei Jahre älter, zerrte mich ungeduldig beim Umsteigen in Hannover hinter diesem "großen Jungen" her, der zum Geleit abgeordert war. Der Rest der Reise und auch die Überfahrt mit der Fähre versank im Schleier meiner Tränen, die ich angestrengt zurückzudrücken versuchte. Ich war innerlich erstarrt. Das Kurheim war riesig! Rot verklinkerte Häuser, die wie aneinandergereihte Bauklötze auf dem großen Areal standen. Weil ich mit 7 zu groß für die sogenannte "Hosenscheißergruppe" bis 5 Jahre war, kam ich ins Haus 4 zu den Mädchen zwischen 9 und 13. Mein Bruder verschwand in einem der anderen Bauklötze. Als erstes musste ich meinen Koffer am Kleidungsraum abgeben. Meine Sachen wurden zu den übrigen Kleidungsstücken in große Regalfächer gestopft. Die mitgegebenen Pflegeprodukte wurden mir abgenommen und kamen in das obere Fach eines riesigen weiß lackierten Wandschranks. Nun war ich nicht mehr nur traurig sondern wiederum empört. Man hatte mich bestohlen! Mein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn schlug Alarm und ich beschloss, diesem System nicht zu ttrauen und in Zukunft ständig auf der Hut zu sein. Nach der Kofferplünderung kam ich in "mein" Zimmer, das ich mit sechs weiteren Mädchen teilte, es hieß Nordseezimmer. Ich bezog das Bett direkt an der Tür. Am Abend des Anreisetages bekam ich sehr hohes Fieber, das auch am Folgetag nicht verschwand. Deshalb durfte ich im Bett bleiben. Ich lag den ganzen Tag allein in diesem Zimmer, nur zwei oder dreimal schaute jemand kurz zur Tür hinein. Irgendwann musste ich mich übergeben und schaffte es gerade so, dass es nicht im sondern vor dem Bett landete. Ich war verzweifelt und weinte und wusste mir nicht zu helfen. So dusselte ich ein. Als das nächste Mal ein Kopf in der stückbreit geöffneten Tür auftauchte, flog diese plötzlich weit auf... eine Schimpftirade prasselte auf mich nieder und schreckte mich aus dem Fieberschlaf auf. Die schwarz gekleidete Schwester zerrte an meinem Arm, unablässig schimpfte sie weiter, was das für eine Sauerei sei, die ich verursacht hatte. Sie zog mich aus dem Bett und ich tappte barfüßig in mein Erbrochenes. Dafür erhielt ich einen Klaps auf den Hinterkopf. Damit ich mit meinen besudelten Füßen nicht den Flur zum Waschraum schmutzig mache, holte die Schwester selbst einen Eimer und Lappen lautstark aus dem Waschraum, während ich wartend im klammen Nachthemd schlotternd vor Schüttelfrost in der Kotze stand. Sie warf den Lappen auf meine Füße und stellte den Eimer daneben. "Aufwischen!" Ich tat es ohne Widerrede.
Es gab zwei oder drei ältere Mädchen, vielleicht Abiturientinnen, die anscheinend eine Art Praktikum absolvierten und Aufsichtspflichten übernahmen. Eins dieser Mädchen werde ich nie vergessen. Sie hatte einen ganz kalten Blick und offensichtlich überhaupt keine Lust, sich mit uns Bälgern abzuplagen. Sie nannte uns stets beim Nachnamen und hatte Freude daran, uns zu demütigen und zu quälen. Eines Tages kam ich nachmittags die Treppe von den Schlafräumen herunter in den Eingangsbereich und das grausame Mädchen stand im Flur und telefonierte: "Die Christina möchten Sie sprechen?" Kurze Pause, in der sie mich am Treppenabsatz stehend fixierte. Mein Gesicht hellte sich auf, mein Herz hüpfte freudig in meiner Brust. Meine Mama war am Telefon! "Tut mir leid, die Kinder sind allesamt am Strand." Ich stand wie erstarrt. Nachdem das böse Mädchen sich kurz von meiner enttäuschten Mutter verabschiedet hatte und den Hörer auflegte, sah sie mich hämisch grinsend an. Ich konnte nichts sagen, ein fetter Kloß saß in meiner Kehle. Ich lief heulend aus dem Haus. Da ich ja die Jüngste im ganzen Haus war, sozusagen gerade knapp altersmäßig an den Hosenscheißern vorbei, wie mir ständig gesagt wurde, bekam ich oft von den anderen Mädchen kräftig auf die Mütze. Das älteste Mädchen war schon 13 einhalb und gefühlte fünf Köpfe größer. Eigentlich verstanden wir uns gut, aber eines Nachmittags war ihr Frust und Heimweh so groß, dass sie mich am Strand schnappte, ins kniehohe Meer zerrte und unter Wasser drückte. Ich hatte Todesangst und zappelte wie verrückt. Sie ließ mich frei, als ich ihr in die Hand biss und bekam dafür einen Tritt in den Magen. Ich verstand das alles nicht. Warum war hier alles so gemein und böse? Die Aufsicht, der ich die Sache heulend petzte, zuckte nur mit den Schultern und meinte, ich solle mich nicht so anstellen, das Mädchen hätte nur Spaß gemacht. Von da an beschloss ich, mit der Heulerei aufzuhören und zu den Harten zu gehören. Nein, die Härteste wollte ich sein! Ich betrachtete das als absolut notwendige Strategie, um mein Überleben zu sichern. Ich wurde aufmüpfig, sehr vorlaut und stiftete die anderen Mädchen zu Streichen an. Eines Nachts erklomm ich auf der Räuberleiter das obere Fach des weiß lackierten Wandschranks und eroberte mir meine Pflegecreme zurück. Auch die versteckten Süßigkeiten aus den Päckchen von Eltern, die nie bei den Kindern angekommen waren, kramte ich aus dem Schrank. In der Nacht stopften wir uns mit Süßkram voll und fühlten uns wie die Königinnen. Mich hat niewieder eins der Mädchen attackiert. Ich war angenommen. Dafür mussten wir uns ständig vor den drakonischen Strafen der Schwestern in acht nehmen. Für nächtliches Gelächter oder gar Verlassen des Bettes wurde der Lärmverursacher bzw. Freiläufer unter die kalte Dusche gestellt. Das war Standard und passierte fast jede Nacht. Ein krebserkranktes Mädchen, das sich in der Kur von den Strapazen der Chemotherapie erholen sollte, bekam bei Fehlverhalten zur Strafe die Perücke abgenommen. Ich war empört! Auch das allmorgendliche nackte Anstehen im Flur zum Waschraum, wo jede einzelne mit einem kalten Schlauch abgeduscht wurde, empörte mich. Warum durfte ich nicht im Bademantel warten? Wenn das böse Mädchen morgens Dienst hatte, mussten wir zusätzlich noch im Schlüpfer mehrere Runden ums Haus herum laufen. Nur die älteren Mädchen, die schon einen Brustansatz hatten, durften ihr Unterhemd anziehen. Abends bei der Gebetsrunde betete ich insgeheim, dass ich bis zum nächsten Morgen einen Brustansatz bekomme, was aber nicht erhört wurde. Meine beste Freundin hieß auch Christina und sie ließ sich gar zu gern von mir zu kleinen Auflehnungen hinreißen. Zur Strafe wurden wir mal zusammen in den Keller gesperrt, der wie eine Umkleide eingerichtet war. Dort hingen unsere Jacken und standen die Schuhe. Diese sollten wir zur Strafe putzen. Stattdessen turnten wir auf den Bänken herum und fanden, dass wir großeartige Revoluzzer abgaben. Ich war mächtig stolz auf uns. Weil ich mittlerweile dermaßen aufrührerisch und vorlaut war, ertrotzte ich mir bei einer genervten gutmütigen Aufsicht einen Besuch in der Sauna, zu der eigentlich nur die älteren Mädchen ab 12 hin durften. Wir gingen in einer Gruppe von fünf Mädchen allein zu der Saunaeinrichtung. Während des Saunabesuchs wurden wir durch einen jungen Mann angeleitet. Er machte ständig dumme Witze und wendete sich mit auffälliger Hingabe den größeren Mädchen zu. Von mir vorlautem Zwerg war er total genervt. Zur Abkühlung gab es einen großen Holzbottich, in den wir nacheinander steigen sollten. Damit wir das auch richtig machten, sprang der Mann nackt mit in den Bottich und wusch die Mädchen von Kopf bis Fuß mit dem kalten Wasser ab. Ich wurde von dieser Prozedur verschont. Wahrscheinlich lag es daran, dass meine Gebete nicht erhört worden waren. Erst viele Jahre später wurde mir bewusst, dass dieses Verhalten tatsächlich sexuelle Übergriffe waren. Damals hatte ich das so nicht gesehen. Wir witzelten auf dem Nachhauseweg und neckten einander, wer sich wohl in den Typen verliebt hatte und sangen ständig das blöde "Liebeskummer lohnt sich nicht"-Lied. Ich war sogar etwas empört über diese Nichtbeachtung, obwohl ich mir doch solche Mühe mit meinem vorlauten Mundwerk gegeben hatte. Das Vorlaute war natürlich nur meine Fassade, nachts wenn endlich Ruhe im Zimmer war, heulte ich stundenlang in meinen Teddy hinein. Ich verstand nicht, warum mich meine Eltern hierher geschickt hatten... direkt in die Hölle. Die tat sich mir auch auf, als ich fünf Tage vor Ende der sechswöchigen Kur in das Büro der Heimleitung gerufen wurde. Dort sah ich auch meinen Bruder nach langer Zeit wieder. Sonstige Treffen wurden unterbunden. Uns wurde mitgeteilt, dass wir uns glücklich schätzen könnten weil unsere Aufenthaltsverlängerung um zwei Wochen bewilligt worden war. Ich war entsetzt und anschließend restlos davon überzeugt, dass uns unsere Eltern loswerden wollen. Ich heulte wieder. Unsere Eltern hatten diese Verlängerung jedoch nicht beantragt, die Verlängerung wurde vom Kurhaus empfohlen. Weil wir die Briefe und Karten nach Hause unter Aufsicht schreiben mussten und uns Sätze vorgegeben wurden, wie toll alles sei, hatten unsere Eltern keinen blassen Schimmer davon, wie es tatsächlich war. Mein Bruder hatte es in seinem Haus auch eigentlich ganz gut getroffen. Es gab dort keine nächtlichen kalten Duschen und auch keine Schläge auf den Hinterkopf. Lediglich das erzwungene Aufessen war gleich. Noch heute rieche ich diese eklige Obstsuppe, die ich über Stunden in mich hineingewürgt habe. Dass diese Kur sehr tiefe Wunden auf meiner Kinderseele hinterlassen hat, wurde mir erstmalig bei einem Krankenhausaufenthalt mit 17 bewusst. Ich sollte abends die Station nicht verlassen, wollte aber telefonieren. Das Telefon war im Flur ein Stockwerk tiefer. Da ich noch minderjährig war, untersagte mir die Schwester das Verlassen der Station und griff mich am Arm. Da bin ich ausgeflippt und geflüchtet. Der Arzt, der später mit mir sprach, fragte mich direkt, ob ich ein Verschickungskind sei. Damals hörte ich dieses Wort das erste Mal. Mittlerweile kenne ich die Triggerpunkte meines Traumas und kann besser damit umgehen. Ich träume bis heute von dem bösen Mädchen.
Ich habe immer angenommen, dass ich ein Einzelfall war, den die Verschickung besonders mitgenommen hatte.
Irgend ein Amtsarzt beim Heilbronner Gesundheitsamt hatte mich untersucht und als zu dünn für mein Alter befunden. Da war mein Schicksal wohl besiegelt worden.
Ich muss zwischen 4 und 6 Jahren alt gewesen sein.
Bewußt weiß ich noch, dass ich am Bahnhof laut geweint, geschrien und mich an meine Mutter geklammert habe. Sie trug mich dann in ein Zugabteil, in dem schon mehrere Kinder saßen und 2 Begleitpersonen dabei waren. Ich weiß noch, daß eine Begleitperson zu meiner Mutter sagte, daß sie jetzt besser gehen solle.
Ich muß die ganze Zugfahrt bis in Allgäu geweint haben, wurde mir nach dem Zwangsaufenthalt gesagt.
Dann erinnere ich mich noch daran, daß ich so sehr Heimweh hatte, daß ich die ersten Nächte als einzigster in einem mit hohen Gittern versehenen Bett verbringen mußte, geschlafen werde nicht viel haben. Irgendwann habe ich mich meinem Schicksal ergeben, weil ich merkte, dass mir alles nichts half. Gehänselt wurde ich über einen längeren Zeitraum von anderen Kindern. Erst als ich mich mit einem stärkeren größeren Kind angefreundet hatte, hörte das auf, weil er mich beschützt hatte.
An das Essen kann ich mich nicht mehr erinnern, weiß nur noch, daß ich "falsches Hähnchen" mochte.
Als ich nach Hause kam, wurde ich von meinen älteren Brüdern, die auch schon verschickt worden waren und angeblich keine Angst hatten,
als Schwächling hingestellt, weil ich so Heimweh und so geweint hatte.
Mein Selbstvertrauen, das mir damals genommen wurde, hat sich tatsächlich erst im Alter von 45 Jahren mit Beginn meiner beruflichen Selbstständigkeit gebessert.
Bis heute verreise ich immer noch ungern, obwohl es mir dann nach Ankunft am Urlaubsort gefällt.
Ich konnte sehr viele Jahre nicht bei anderen übernachten, auch nicht bei Verwandten, oder hatte wieder Angst, wenn meine Mutter nicht dabei war.
Große Ansammlungen von Personen sowie
Orte mit mehreren WC versuche ich immer noch zu vermeiden.
Ich bin froh, diese Plattform gefunden zu haben.
Ich wünsche euch allen, dass ihr das Ganze jetzt ein wenig besser einordnen und verarbeiten könnt. Nicht nur euch ist dieses Schicksal passiert, auch andere hatten Angst und Heimweh, wenn das auch häufig nicht zugegeben wurde...vor allem von Aussen.
Eine Erinnerung ist mir auch noch heute sehr präsent: Ich hatte in die Hose gepinkelt und musste deshalb fast die ganze Nacht ohne Unterhose und nur mit einem Unterhemd bekleidet, auf der kalten Treppe sitzen. Das waren meine schlimmsten Erinnerungen die sich bis heute in mir festbetoniert haben. Ich war damals 5 Jahre alt und meine Schwester 3 Jahre.
Ich war 2mal im Polling ,wo ein Kloster dabei war.
Ich wurde über die Post von München HBF geschickt.
Das erstemal Okt-Nov. Ich habe dort meine 6 Geb. im November gefeiert. Das 2 mal circa 1977 in einem 4 Bett Zimmer. Ein Mädchen war auch aus München. Wir waren in München beim Olyp.Halle zu besuch. Ihre Eltern durften Sie dort besuchen.
Ich war zur Kur sollte zunehmen. An anderen Tischen waren Mädchen die Abnehmen mussten.Im 1 Stock waren Jungen untergebracht . Eimal die Woche durften wir zu 2 Duschen gehen. Ich hatte dort Läuse und meine Haare waren lang die Schwester(Nonne) wollte sie abschneiden ich habe aber so geweint das sie es gelassen hat. Ich kann mich noch an den langen Gang errinnern wo die Schränke mit der Wäsche war. Ich glaube es gab auch noch das Wassertreten unter Aufsicht. An mein erstes mal kann ich mich nur durch ein Foto auf einem Karussell errinnern.
Ich war 1984 in Garz und erinnere mich bewusst an wenig. Was ich noch weiß, ist, dass wir in den Kohlenkeller gesperrt wurden wenn wir ins Bett gemacht haben. Wir waren ca 15 Kinder in einem Zimmer. Jede Nacht wurde viel geweint…wir mussten eiskaltes Wasser über unsere Köpfe schütten…direkt nach dem Aufstehen…
Es gab immer Brot mit Teewurst oder Leberwurst.
Ich werde niemals vergessen, was ich gefühlt habe als mich meine Eltern nach 6 Wochen abgeholt haben.
Ich war 5 Jahre alt.
Ich hatte als Kind permanent Bronchitis oder Lungenentzündungen. Vor der Einschulung sagten die Ärzte, dass eine Kur sein muss da ich sonst zu oft fehlen würde. Tatsächlich hatte ich nie wieder Probleme mit meinen Atemwegen. Aber es waren grausame Wochen und ich habe die Erinnerung daran verdrängt.
Kerstin
Ich war verstört deswegen und machte ins Bett. Wenn Schwester Margarete das mitbekam, fasste sie mein Kinn mit einer Hand und schüttelte es heftig hin und her, was unangenehm und schmerzhaft war. Das tat sie auch mit anderen Kindern, wenn diese in ihren Augen Böses getan hatten. Sie duschte mich im kalten Bad ab. Dabei muss sie auch die blauen Flecke gesehen haben, die ich am ganzen Körper hatte, weil mich der 7jährige Junge oft getreten hatte. Ich hatte den Abdruck eines Schuh-Absatzes im Gesicht. Ich musste jedoch die gesamten 6 Wochen mit dem Jungen im gleichen Zimmer wohnen. Wenn Kinder mitbekommen, dass ich in die Hose gemacht hatte und mich auslachten, sagte Schwester Margarete: " Ja, lacht sie ruhig aus!" Darauf hin umringten mich viele Kinder und zeigten mit dem Finger auf mich.
Als es nach 6 Wochen wieder nach Hause ging, sah ich meinen Vater auf dem Bahnsteig entlang eilen und mich suchen. Er war max. 5 m von mir entfernt. Ich sagte zu den Begleiterinnen: "Da ist mein Vater!". Sie sagten:"Das ist nicht Dein Vater." Ich war so eingeschüchtert, dass ich stumm ausharrte und wartete, dass er mich von selbst fände.
Die Kur hatte mich fürs Leben gezeichnet.
Ich leide seit meinem zweiten Lebensjahr unter schwerem allergischem Asthma (und einem dutzend anderer Allergien)
Deswegen hatte ich 3 Aufenthalte von jeweils 6 Wochen in Kinderkurheimen :
Jan/Feb 1973 Bad Dürrheim, DRK Kindersolbad, im Alter von 4 Jahren
Jan/ Feb 1974 Bad Reichenhall, im Alter von 5 Jahren
April/Mai 1978 Nieblum auf Föhr, „Haus Goltermann“, im Alter von 10 Jahren
Mein fünfter und sechster Geburtstag fielen damals in den Kuraufenthalt.
Ich habe zu den ersten beiden Aufenthalten keinerlei Erinnerung an die anderen Kinder, an die Betreuerinnen noch an irgenwelche Therapiemassnahmen (gerade letzteres wundert mich bis heute)
Ich habe auch keine Erinnerung an körperliche Gewalt, weder mir gegenüber noch gegen andere Kinder. Ich habe allerdings sehr wohl Erinnerung an das straffe Zwangsregime in diesen Heimen (das volle Programm : nachts kein Toilettengang, Essen bis alles weg war, Mittagsschlaf in „Totenstarre“, die Gewaltmärsche durch den Schwarzwald in militärischer Marschordnung etc.)
Und, müßig zu sagen, die Kuren hatten natürlich nicht den gewünschten Erfolg. Der Dreck war damals überall, aber vor allem in der Luft.
Die Zustände, die damals in den Heimen herrschten, sind die eine Sache.
Aber es gibt da noch die andere, die Haupt-Sache :
Man hat mich mit gerademal 4 Jahren meines kompletten sozialen Umfelds beraubt, hat mir jede Bezugsperson genommen, die ich bis dahin kannte um mich in eine völlig unbekannte Umgebung zu wildfremden Menschen zu stecken, die plötzlich „Verfügungsgewalt“ über mich hatten.
Bei meinem ersten Aufenthalt in Bad Dürrheim habe ich diese Situation noch akzeptiert (was hätte ich auch anderes tun können) obwohl ich nicht so recht wusste, wie mir geschieht und was das alles sollte.
Bei meinem zweiten Aufenthalt in Bad Reichenhall ein Jahr später war das anders. Da hat es mir buchstäblich den Boden unter den Füssen weggezogen.
Genausogut hätte man mich in ein tiefes, dunkles, nasses Loch (ohne Wasser und Brot) stecken können.
Und einem 5-jährigen zu sagen man würde in 6 Wochen wiederkommen um einen abzuholen, ist, als ob man sagt man würde in 60 Jahren wiederkommen. Kinder besitzen kein Zeitgefühl. Man konnte ihnen als Kind nur glauben dass sie überhaupt irgendwann einmal wiederkommen.
Ich kann ohne Übertreibung sagen dass diese Erfahrungen mein ganzes späteres Leben entscheidend geprägt haben, auch wenn mir mein Leben lang mein soziales Umfeld dies nie geglaubt hat.
Ich kann meinen Eltern keine Vorwürfe machen. Die 1970er Jahre waren für mich ein einziges Schnappen nach Luft. Wer selbst Asthmatiker ist oder ein Kind mit dieser Krankheit hat, weiß wovon ich rede. Wer ein krankes Kind hat klammert sich an jeden Strohhalm der Besserung verspricht. Nachts stundenlanges Sitzen an der Bettkante (über Monate und Jahre !), das dürfte für meine Eltern noch traumatischer gewesen sein als für mich selbst.
Man musste allerdings nicht unbedingt zu einer Kur fahren um solch einer „Pädagogik“ zu begegnen. Dazu zwei Beispiele aus meiner Kindheit, das erste Beispiel ist sozusagen der „Klassiker“ schlechthin :
Ich bin von Geburt an linkshändig. Das wurde mir allerdings in der ersten Klasse der Grundschule mit Gewalt ausgetrieben. Alles was damals nicht der Norm entsprach wurde glattgebügelt. Zuerst war ich ziemlich renitent. Mir und meinen Eltern wurden dann Sanktionen angedroht wenn ich nicht spure. Ich entsinne mich wie mich meine Klassenlehrerin zum Lehrerpult rief und mich vor versammelter Mannschaft bloßstellte (das kam mir damals allerdings nicht so vor; Kinder denken/fühlen nicht wie Erwachsene)
Sommer 1978, Wandertag zum Schulabschluss, 4. Klasse der Grundschule, sogar mit dem Konrektor (der auch der hiesige Landschulrat war; Und SPD-Mitglied, das nur nebenbei). Schönes und heisses Wetter. Nach etwa einer Stunde greifen die ersten Schüler zur Wasserflasche. Aber : Getrunken wird nicht ! Befehl von ganz oben ! Den ersten Schluck Wasser (bei etwa 30 Grad Aussentemperatur) erst bei Ankunft in der Schule, nach 4 Stunden. Wasserentzug war damals eine Erziehungsmassnahme, denn : „Was uns nicht umbringt macht uns nur härter !“.
Das alles ist jetzt etwa 50 Jahre her. Aber der kleine Junge von damals denkt noch oft daran !
auch ich bin Betroffene. Ich suche meine Freundin Conny. Wir waren in einem Zimmer und Conny war bereits 1 Woche vor mir angekommen. Conny kam aus Berlin. In unserem Zimmer waren noch 2 weitere Mädchen (Geschwister) aus dem Schwabenland. An die anderen Kinder kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich wünsche mir schon mein ganzes Leben Conny wiederzusehen. Sie war mir eine große Hilfe in dieser schweren Zeit. Am ersten Abend fiel mir mein Fieberthermometer aus dem Mund, weil ich vor Angst zitterte. Conny gab mir ihr Thermometer und steckte die Schläge ein. Das war so mutig von ihr. Wir waren 9 Jahre alt. Wenn wir weinten, wurden wir in die Großküche gesperrt. Ich weiß noch, dass wir die kleinen Kinder unter unseren Bettdecken versteckt haben, nachdem wir sie Nachts befreit hatten. Man hörte die ganze Nacht Kinder schreien und weinen. Ich dachte, ich würde dort sterben. Das Essen von Erbrochenem war bei uns auch an der Tagesordnung. Man wurde von 2 Erzieherinnen festgehalten und musste es essen. Das war die reinste Folter.
Mich hat dieser Aufenthalt auch extrem traumatisiert, bis heute.
ich bin ein Verschickungskind.
Zeitsprung zurück in das Jahr 2023, muss so Oktober rum gewesen sein.
Beim Aussortieren alter Unterlagen meines Vaters, der schon 2016 verstorben
ist, fällt mir eine Postkarte in die Hände.
Kein Stempel, kein Text. Man sagt ungelaufen zu solchen Karten. Dann hab ich
erst realisiert, was das war. Eine Aufnahme des Kinderheimes Goltermann in
Nieblum auf der Insel Föhr. Mir lief es in dem Moment richtig kalt den
Rücken runter. An DAS hab ich schon sehr sehr lange nicht mehr gedacht. Mit
Erfolg in die letzte Gedächtnisschublade gesteckt. Woher mein Vater diese
ungelaufene (!) Karte hatte ...?
An das Gebäude erinnere ich mich nicht mehr. Nur an den Namen.
Ich habe dort sechs sehr schlimme Wochen meines Lebens verbracht. Als
Verschickungskind.
Einschub.
Ich war in meiner Kindheit zwischen dem 5. und ca. 14. Lebensjahr ein
Drittel der Zeit krank. Hatte fortwährend Husten und chronische Bronchitis.
Auch das Entfernen der Mandeln brachte keine Besserung. Auf die Idee, mal
das Wohnumfeld zu untersuchen, kam damals niemand. Aber das nur am Rande.
So kam wohl der Hausarzt (das vermute ich jetzt) auf die Idee, mich an die
Nordsee verschicken zu lassen. Das kann nichts gekostet haben, sonst hätten
sich meine Eltern darauf nicht eingelassen. Mein Vater war damals über die
DAK krankenversichert. Das weiss ich definitiv. Demzufolge hat das wohl die
DAK bezahlt.
Nun denn. Ich habe an die Zeit und das Heim nur ganz wenig Erinnerungen.
Aber die paar Erinnerungsfetzen, ich bezeichne das jetzt mal so, haben es in
sich.
Von der Hinfahrt nach Föhr habe ich nur ein paar Erinnerungsbilder. Von der
Bahnfahrt weiss ich nichts mehr. Es muss sich um eine Nachtfahrt gehandelt
haben. Denn die wenigen Bilder im Kopf sind von dem Schiff, mit dem wir nach
Föhr fuhren. Es war hell. Und ich saß in einem Raum mit anderen Kindern und
hatte einen Blick durch die Fenster auf Leute an der Reling, die sich
ausk........ Es kam jemand rein und sagte, wem es schlecht wird, soll raus
gehen. Wir hatten richtig Wellengang. Daran erinnere ich mich genau. Mir
wurde es nicht schlecht. Ich bin gegen sowas bis heute vollkommen
unempfindlich. Das war es mit den ersten Erinnerungen. Wie ich zum Heim kam,
kann ich nicht sagen. Ab hier ist ein großes schwarzes Loch in meinen
Erinnerungen.
Details
Einzelerinnerungen habe ich. Einzelne Bilder, 1-2 sekündige Filmchen könnte
man sagen. Vom Essen weiss ich fast nichts. Bis auf diesen unsäglichen
Pampf, der aussah wie aufgeweichte Rauhfasertapete und auch so schmeckte.
Ich hab ihn runtergeschaufelt. Hatte da schon schlimmeres Essen erlebt. An
Vorkommnisse währed der Essen kann ich mich nicht erinnern. Alles weg.
Zu ein paar wenigen Erinnerungen: Einmal hatten wir Besuch von einem
Zauberer, der im Essenssaal seine Vorführung machte. Er war unsäglich
schlecht. Ich als 9-jähriger sah jeden blöden Trick. Nun ja, der durfte
wohl nichts kosten. Ein zweites Vorkommnis hat sich dafür bis heute in mein
Gedächtnis regelrecht eingebrannt. Während des Essens rannte plötzlich eine
der Aufpasserinnen herein. Ich habe sofort gewußt, es ist etwas passiert.
Etwas schlimmes. Die Aufpasserinnen standen zusammen und machten erschreckte
Gesichter und schlugen die Hände vors Gesicht. Ich schnappte dann ein paar
Worte auf. Kennedy, ermordet, erschossen .....
Daher weiss ich heute, es war der November 1963. Und Kennedy war mir als
9-jähriger durchaus ein Begriff. Ich hatte im Jahr vorher erlebt, wie meine
Eltern in der Wohnung rumgerannt sind und der Fernseher lief. Kennedy,
Kubakrise. Ich hab das miterlebt.
Eine weitere Erinnerung sind die Prügel, die ich im Bett bekommen habe, weil
ich nicht schlafen wollte oder konnte. Eine der KZ-Damen, ich nenne die
jetzt mal so, drehte mich auf den Bauch, zog mir die Hose runter und schlug mir
auf den nackten Hintern. Mit was, weiss ich nicht mehr. Das kam öfter vor.
Ich hab das aber wegsteckt, da ich Prügel gewohnt war. Das ist aber eine
andere Geschichte.
Nun eine Sache, die ich auch nie vergessen werde. Es war Nacht. Und ich
wachte auf. Und stehe in einem Raum, der mir vollkommen unbekannt war. Ende
der Erinnerung. Man hat mir später gesagt, dass ich wohl schlafgewandelt
war. Über Folgen oder Konsequenzen weiss ich nichts mehr. Aber das hat sich
bis auf den heutigen Tag ausgewirkt. So manches Mal, wenn ich am aufwachen
bin, so die ersten Sekunden, noch im Halbschlaf, frage ich mich, wo bin ich.
Die Angst, nicht zu wissen, wo ich bin, ist bis heute da.
Eine weitere Erinnerung, die sich gehalten hat, ist eine ärztliche
'Behandlung'. Ich stehe mit anderen Kindern in einer Reihe und wir werden von
einem Weißkittel gespritzt. Keine Ahnung wofür oder wogegen. Ich weiss nicht
mal, ob in den Po oder Arm. Ende der Erinnerung. An Medikamente erinnere ich
mich auch nicht.
Eine schwache Erinnerung an außerhalb des Hauses. Wir waren bei schlechtem
Wetter, es regnete, es war windig und einfach nur unangenehm, am Strand
unterwegs. Da waren Abruchkanten am Ufer. Und ich machte mir den Spass, an
einer dieser Kanten runter zu springen. War ja alles Sand. Ich erinnere mich
nur noch an das Geschrei der KZ-Damen. Da hatte ich wohl Schnappatmung
ausgelöst. Ende der Erinnerung. Aber bis zum heutigen Tage interessiert mich
das Meer nicht wirklich. Ein kurzer Aufenthalt vielleicht. Aber dann ist es
auch schon gut. Und auf Inseln fühle ich mich eingesperrt. Bis heute.
Dann wurde ich krank. Mumps. Ich lag alleine in einem Raum. Schmerzen. Dicker
Hals, Fieber. Mehr weiss ich nicht. Wie die Versorgeung war, keine
Erinnerung. In diesem Zustand trat ich die Rückreise an. Daran habe ich
absolut keine Erinnerung. Nur der Moment, an dem ich am Bahnhof von meinem
Vater abgeholt wurde, ist als Bild im Gedächtnis noch da.
Ich habe wohl mit großem Erfolg die Vorkommnisse im Kinderheim Goltermann in
einer Gedächtnis-Schublade verstaut. Und ich weiss nicht, ob es mir gut tut,
das alles wieder hervor zu kramen.
Aber eine Erkenntnis habe ich: Dank der Recherche im Internet ausgehend von
der Postkarte weiss ich heute, dass ich nicht alleine bin. Ich habe all das
jetzt erst meiner Lebenspartnerin erzählt. Niemand sonst weiss davon. Wer
hätte das einem schon geglaubt.
Der Fraß war ungenießbar, doch selbst wenn man sich von dem undefinierbaren Zeug übergeben musste, musste auch das Erbrochene aufgegessen werden! Erst wenn der Teller leer war, durfte man aufstehen, selbst wenn man von Mittag bis zum Abend vor dem Teller saß.
Den Strand haben wir nie zu Gesicht bekommen, stattdessen gab es ewig lange Wanderungen in den Forst. Wenn man sich während der Mittagsruhe bewege, bekam man die Hände seitlich am Bettgestell festgebunden. Das gleiche war auch nachts. Auf die Toilette gehen war unmöglich und ohnehin verboten.
Für jede kleinste Unartigkeit bekam man Ohrfeigen, einige Kinder wurden sogar mit einem Kleiderbügel geschlagen.
Besonders schlimm war "Tante" Rita. Weil ich und zwei weitere Kinder nicht schnell genug gegessen hatten, ließ uns diese Tante vor einem Ausflug in den Hansa-Park (der hieß damals noch Hansaland) nicht zur Toilette gehen. Während der einstündigen Wanderung zum Hansaland blieb uns dann nichts anderes übrig als in die Hose zu machen.
Auch im Heim musste ich während der 6 Wochen öfters einnässen, da man nur 3 mal am Tag auf die Toilette durfte!
Es war die schlimmste Zeit meiner Kindheit. Ich hätte mir gewünscht das die Monster für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Aber leider schützt man noch immer die Täter, von denen heute sicher noch einige leben.
Ich war noch sehr klein und doch erinnere ich mich heute noch an Szenen, die einfach nur schrecklich waren. Oft fragte ich meine Mutter, wann das war, aber sie glaubte mir nicht und meinte, ich hab mir alles nur eingebildet.
Ich litt viele Jahre unter Panikattacken, wenn ich Vanillepudding, Florenacreme und Chlor roch.
Wie gesagt, ich war noch sehr klein.
Meine Erinnerungen:
Der große Schlafsaal, mit ca 12 Betten, auf jedem Bett lag ein Schlafanzug. Die Tante sagte, dass jetzt jeder zu seinem Bett mit seinem Schlafanzug geht. Gleich vorn war mein Schlafanzug und ich versuchte irgendwie in das Bett zu kommen. Was mir nicht gelang und so würde ich sehr laut schimpfend und genervt auf das Bett geworfen.
Das war mein erster Schreck.
Ich war ohnehin die ganze Zeit am Weinen.
Mein Teddy lag auf einem anderen Bett und ich wollte ihn unbedingt haben. Ich weiß nicht, wie viele Stunden des schluchzen und rotzen ich schon hinter mir hatte. Und jetzt nahmen sie mir meinen Teddy weg. Das einzige Spielzeug,was ich besaß. Wie eiskalt muss ein Mensch sein. Eine andere Tante brachte ihn mir dann, als ich. Schon eingeschlafen war.
Ich war ein wirklich braves Kind. Essen habe ich sicher immer gegessen, denn bei uns Zuhause gab es selten was. Ich war sehr sehr dünn. (Erzählungen meiner ältesten Schwester)
Der nächste Schock war, ich hatte eingemacht und die böse Tante hatte das gesehen und mich am Arm durch den langen Flur, in den Keller gezerrt. Dort hat sie mir die nasse Strumpfhose und Unterhose, brutal vom Leib gerissen. Sie brüllte mich an. Ich kann nicht wiedergeben was. Mir war sehr kalt da unten und sie ließ mich ewig da unten stehen.
Dann kam sie wieder und nahm die nasse Strumpfhose und drückte sie mir ins Gesicht. Dann tauchte sie die Hose in einen Eimer, in dem Wasser und vermutlich Chlorix war und klatschte mir die nasse Hose um die Ohren.
Ich weinte und zitterte am ganzen Körper.
Als nächstes erinnere ich mich an einen Weihnachtsmann der mich mit einem umgedrehten Stock, am Hals packte und zu sich zog. Ich saß mit den kleinen ganz vorn. Ich hatte panische Angst.
Und weiter erinnere ich mich daran, dass wir sehr oft durch den Schnee liefen. Mit einer Laterne in der Hand. Auch hier sehe ich mich weinend und vor Kälte zitternd. Ich weiß nicht, wo ich da hin musste und warum. Ich war nicht alleine. Es waren mehrere kleine Kinder.
Ich wurde oft geschlagen, weil ich hingefallen bin oder mir was herunter fiel.
An was ich mich noch erinnern kann ist Pudding Suppe. Die gab es immer im Wechsel mit Müsli.
I
Ich habe, wie alle hier, ein massives Trennungstrauma erfahren, so dass ich immer, nur bei dem kleinsten Anschein einer Trennung vom meiner Mutter durchgedreht bin. Darauf hin hat man mich sehr gerne auch noch in Ferienlager gesteckt, wo das ganze Drama seinen Lauf nahm.
Ich leide bis heute unter schweren Depressionen und Angstzuständen.
Auch wenn ich schon einiges verarbeiten konnte.
Ich weiß noch, dass mich meine Tante damals zum Bahnhof gebracht hat und ich alleine in den Zug stieg und nicht wusste wohin ich eigentlich fuhr. Ich kann mich nicht mehr an die Fahrt sowie an die Ankunft am Bahnhof sowie an die Ankunft im Heim erinnern. Vom Heimaufenthalt selbst habe ich auch nur einige Bruchstücke im Gedächtnis, aber ich spür da ist noch einiges tief vergraben in mir.
Dass es zum Frühstück warmen Pudding gab, an das kann ich mich noch erinnern. Ich glaube, das war das einzige was ich dort zum essen mochte. Bei den anderen Essen konnte ich den Teller wohl öfters nicht leeressen, ich kann mich noch erinnern, dass ich dann immer solange sitzen bleiben musste, bis der Teller leer war. Ob ich das verdränge oder nicht mehr weiß, aber ich meine mich, zumindest an eine "Fütterung" durch das Personal erinnern zu können, weil ich eigentlich nichts mehr essen wollte.
Bei uns war damals der Mittagschlaf Pflicht. Man musste ganz ruhig sein, durfte auch nicht lesen. Die einzige Ausnahme war, wenn man Reste vom Essen oder sonst. Bioabfall mit einem Leiterwagen zu einem Bauernhof brachte, es waren dann, glaube ich 3 oder 4 Kinder (welche Kinder und warum diese ausgesucht wurden, weiß ich nicht). Dann war man vom Mittagschlaf befreit (ich habe diese Zeit als eine der wenigen, wenn nicht sogar einzigen, schönen "freien" Zeit in Erinnerung). Es war zwar eine körperliche Arbeit, aber, ich meine, wir durften alleine gehen und DAS zählte.
Dann hatte ich ja furchtbares Heimweh, aber telefonieren war nicht erlaubt. Meine Mutter erzählte mir später mal, sie habe angerufen, aber die "Schwestern" oder "Tanten" wehrten den Anruf mit irgendwelchen Gründen ab. Wenn ich fragte, ob jemand angerufen hätte, wurde verneint. Ich dachte, meine Eltern wollen nichts mehr von mir wissen. Ich schrieb nach Hause, jedoch wurde jeder Brief und jede Postkarte von den "Tanten" gelesen und bei Nichtgefallen vernichtet. Dann wurde einem diktiert, was man schreiben sollte - natürlich nur "Gutes".
Für mich war und ist die damalige "Trennung" von zuhause ein tief einschneidendes Erlebnis. Jetzt wird mir erst bewusst, dass dies wohl der Grund war, weswegen ich später in der Schule zu keiner Klassenfahrt mit wollte. Ich ging dann während dieser Zeit in eine andere Klasse an der Schule.
Ich kann mich an Vieles momentan immer noch nicht erinnern, weiß aber, da ist immer noch Einiges in mir vorhanden.
Dieser Aufenthalt hat in meiner Kindheit vieles zerstört. Ich sprach wohl nicht viel als ich wieder nach hause kam, wurde dann ein (aus meiner jetzigen Sicht) teilweise etwas schwieriges Kind, bockig und herausfordernd und gleichzeitig habe ich immer versucht (vor allem bei meiner Mutter) ein "gutes" Kind zu sein. Ich (geb.1966) habe noch zwei Schwestern (geb. 1964 und 1967), die beide nicht in ein Heim mussten und ich mich deswegen von meinen Eltern (vor allem meiner Mutter) nicht genügend geliebt fühlte. Das führte immer mal wieder zu Spannungen.
Zum Ende des Heimaufenthaltes hatte ich wohl gerade mal 1 kg zugenommen. Ich war über die ganze Schulzeit immer ein "dünnes" Mädchen und habe auch noch heute eher zu wenig Kilos auf der Waage. Mein Stoffwechsel ist wohl sehr schnell.
Ich habe erst jetzt mit meiner Mutter darüber gesprochen und sie wusste das alles gar nicht. Warum ich nichts erzählt hätte?
Ich habe damals nie mit meinen Eltern darüber gesprochen, was im Heim vorgefallen ist. Ich war so wütend und traurig zugleich und damals dachte ich wirklich, meine Eltern wollten mich nicht mehr.
Mussten alles Essen was auf den Tisch kam...Blutwurst und Hagebuttentee..Gegenüber saß ein Junge am Tisch der Löffelte eine Suppe oder Brei hastig hinein. Dann fing er an zu Würgen und Kotze alles zurück in den Teller. Darauf hin musste ich es auch. Dann kam ich auf die Krankenstation wo ich meherere Tage lag. Dann kam ein Brief von meiner Stiefmutter und Vater, dass ich eine Schwester bekommen hatte am 26.02.1971 . Ich konnte nicht lesen , wurde mir vor gelesen und ein Bild war dabei vom Baby.
Mitrags mussten wir immer Mitrags schlafen. An der Decke waren viele Ovale Löcher. Wir waren oft im Spielzimmer aber kaum draußen im Schnee.
1669 hatten wir einen Autounfall wo wir alle , meine Familie zu siebt im Auto die Böschung runter Stürzten. Dabei stab meine Mutter. 1970 Heiratete mein Vater wieder uns 1971 wurde meine Schwester Geboren .
Vieleicht weiss jemand was von dem Heim , wo ws war.
Matthias 5.12.1959: ca. Februar 66 – März/April 66, 6 Wochen, Alter 6
Gebhard 8.5.1965 15.3.71- 24.4.1971, Alter 5
Gerold 10.6.1966 15.3.71-24.4.1971, Alter 4
Gebhard:
Der Arzt meiner Mutter hatte Ihr eine Kur verschrieben die von ca. 16.3. – 8.4. 1071 ging. Meine Eltern beschlossen mich und meinen jüngeren Bruder Gerold für 6 Wochen in das Kinderverschickungsheim Krauchenwies für Erholung und Erziehung zu geben. Das war ca. vom 15.3. – 24.4.1971.
Es war sehr viel emotionaler Stress von unserer Mutter so abrupt getrennt zu werden, von unserem Vater zum Bahnhof gefahren zu werden, um dann von 2 älteren Damen von der Caritas zur Betreuung auf die Zugfahrt nach Krauchenwies abgegeben zu werden.
In Krauchenwies angekommen wurden wir in der Eingangshalle von Schönstatter Mariennonnen empfangen. Ich habe sehr geweint und mich an meinen kleinen Plueschhasen geklammertWir wurden in Gruppen eingeteilt und Schwester Rachild übernahm unsere Gruppe. Wir mussten in zweier Reihen Ihr folgen und Sie führte uns in den Schlafraum mit ca. 10 – 12 Betten., weiß gestrichen, weiße Metallbetten und ein Hocker, neben jedem Bett wo wir unsere Kleider zusammenlegen mussten, wenn wir abends in das Bett gingen.
Am ersten Morgen waren wir in dem Spielzimmer mit einer, ich vermute, weltlichen Pflegerin, die netter war als die Nonnen. Sie schlug Kinder nie. Wir saßen am Tisch für ein Spiel und mir wurde schlecht. Ich war sehr verunsichert und wusste nicht was machen. Ich fragte, ob ich auf das Klo darf, und Sie erlaubte das. Ich saß auf einer Eckbank und musste mich über mehrere Kinder hindurchzwängen. Beim letzten Kind, ein Junge, erbrach ich mich und traf Ihn am Ärmel. Chaos brach aus. Schwester Rachild kam und packte mich am Oberarm und zehrte mich raus auf den Gang. Gleichzeitig zum Erbrechen hatte ich auch noch Durchfall in die Hose rein. Schwester Rachild baute sich vor mir auf und fragte streng, wieso ich das gemacht habe (an den Arm des Jungen zu erbrechen). Ich war völlig verunsichert und stammelte, dass mir schlecht ist/war. Diese Antwort war für Sie nicht befriedigend und Sie gab mir eine schallende Ohrfeige auf die rechte Backe, so stark, dass ich umfiel. Sie schrie mich an aufzustehen. Gleiche Frage, stammelnde Antwort, Ohrfeige links und wieder umgefallen. Aufstehen, Ohrfeige, umfallen, rechts, links, rechts, links … Ich schätze es war drei Mal auf jede Backe. Ich war völlig weg und kam wieder zu mir, auf dem Boden und musste den Boden putzen, ich vermute, ich hatte nochmal erbrochen. Dann schnappte Sie mich und es ging auf das Klo im Gang, wo auch eine Dusche war. Ich musste mich ausziehen und wurde eiskalt abgeduscht, und mich waschen, da ich ja auch in die Hose gemacht hatte. Dann musste ich nackt und nass im kalten Badezimmer stehen bleiben, bis Rachild zurück kam mit einem Handtuch und frischen Kleidern. Nachdem ich wieder angezogen war, musste ich den Boden des Badezimmers auch noch putzen. Danach musste ich bis Mitte des Nachmittags im Bett bleiben. Ich bekam nichts zu Esse, etwas Tee zum Trinken.
Als Kind war ich Bettnässer. Meine Eltern hatten wohl diese Information den Schwestern mitgeteilt und ich wurde nachts manchmal aufgeweckt, um auf das Klo zu gehen. Einmal wurde ich aufgeweckt und ich hatte schon in das Bett gemacht. Ich bin mir sicher es war Schwester Rachhild die Nachtwache hielt. Sie zehrte ich aus dem Bett und fragte wieder einmal, wieso ich in das Bett gemacht hätte. Ich war so müde und bevor ich überhaupt antworten konnte, hat Sie mir eine von Ihren gefürchteten Ohrfeigen ausgeteilt. Ich musste mich nackt ausziehen und neben dem Bett stehen bleiben. Sie zog das Bett ab und ging weg. Ich musste warten, bis Sie wieder zurückkam und das ging eine Weile. Es ist sehr schwer zu sagen, wie lange ich warten musste, da ich so müde war und immer fast im Stehen einschlief, doch aus Angst hatte ich mich nicht getraut hinzusitzen. Ich wartete vielleicht 20 – 30 Minuten. Sie kam zurück, bezog das Bett und ich konnte wieder weiterschlafen, doch erst bekam ich noch eine Strafpredigt, dass man sowas nicht macht, wieso ich das überhaupt machen würde. Ich war völlig überfordert …
Wir mussten immer Mittagsruhe halten von 13:00 bis 15:00 Uhr. Wir mussten die Augen geschlossen halten und durften nicht reden, sonst gab es einen Anschiss oder auch Ohrfeigen. Mein Bett war neben meinem Bruder Gerold und wir haben miteinander geredet während einer Mittagsruhe. Da kam Schwester Rachild rein schrie meinen Bruder, dass er neben das Bett stehen soll. Sie gab Ihm eine starke Ohrfeige und seine Brille flog über das Zimmer. Ich war so besorgt, dass ich weinte und mit meinen Füßen auf der Stelle trampelte und wollte Ihm helfen die Brille zu finden. Rachhild schrie mich an Ihm nicht zu helfen und dann sehe ich alles wie in Zeitlupe. Gerold auf Händen und Füßen sucht nach seiner Brille, er war ohne Brille sehr eingeschränkt, er fand seine Brille und logischerweise setzte Sie gleich auf. Schwester Rachild befahl Ihm wieder neben das Bett zu stehen und die Brille abzunehmen. Gleich darauf wurde er nun wieder geschlagen, auf die andere Backe.
Am Ende vom Gang, wo die Schlafsäle waren, war das Spielzimmer. Ein paar Türen davor war ein Zimmer mit einem Fenster drin, weiß gestrichen und wenn ich mich richtig erinnere nichts drin. In dem Zimmer wurden Kinder zur Strafe eingesperrt.
Im Spielzimmer war auch ein Junge, ca. 3 – Jahre älter als ich und er war voller Energie und ärgerte Kinder manchmal oder räumte nicht auf, etc. Er musste sich in die Mitte des Zimmers stellen und wurde dann geschlagen. Manchmal wurde er, als Bestrafung, in das Zimmer im Gang gesteckt. Manchmal mussten Kinder auch in die Ecke stehen.
Im Gang zum Spielzimmer war ein Einbauschrank mit den Schuhen für die Kinder. Dort mussten wir unseren Schuhen ordentlich i das Regal stellen. Eines Tages ging es raus und wir mussten unsere Schuhe holen, das Licht in dem Einbauschrank ging aus und Panik brach aus unter den Kindern. Die Schwester schrie uns an, ich vermute es war Rachhild, das nützte jedoch wenig, da nahm Sie eine Besenstange und schlug einfach auf die zusammengedrängten Kinder, die nach Schuhen suchten, ein. Auf den Rücken, Arme, Schultern und auf den Kopf. Kinder weinten, hielten sich die aufgezählten Körperteile. Einige Kinder bluteten am Kopf, so auch ich. Ich hatte so Angst, dass ich nichts sagte, um nicht noch mehr in Schwierigkeiten zu kommen. Soweit ich mich erinnern kann, sagten die anderen Kinder auch nichts.
Wir waren über Ostern in Krauchenwies. Am Ostersonntag bekam jedes Kind ein Körbchen mit Schokoladeneiern, typischen Oster Süßigkeiten. Wir durften nach jedem Essen eine Süßigkeit aus dem Körbchen herausnehmen. Als wir am Ostersonntag, nach dem Mittagessen wieder zu unserm Körbchen gingen, war fast die Hälfte von den Süßigkeiten verschwunden. Alle Kinder fragten, waren enttäuscht und die Schwestern säuselten uns einen vor, dass wir uns nicht richtig erinnern oder falsch gezählt hätten. Die Oster Süßigkeiten wurden uns von den Schwestern weggenommen, um sie selbst zu genießen. Es ging nichtmale eine Woche da war alles weg.
Wenn man nicht alles essen konnte, was einem auf den Teller gegeben wurde, musste man sitzen bleiben, bis man es gegessen hatte. Manchmal mussten Kinder den Teller mitnehmen, wenn man aus dem Speisesaal ging, bis Sie alles aufaßen, oder der Teller mit den Resten wurde Ihnen wieder gegeben z. B. zum Abendessen oder Frühstück. Ich hatte wahnsinnige Angst nicht zu viel auf dem Teller zu haben, um immer alles aufessen zu können.
Da war ein Mädchen, die ich immer nur im Speisesaal sah, zum Mittagessen und Abendessen. Ich schätze Sie war vielleicht so um die 13/14 Jahre alte. Sie kam immer etwas später zum Mittagessen und ich habe mitbekommen, dass Sie auf die Schule ging außerhalb des Heimes. Sie wurde oft angeschrien, wieso Sie zu spät sei. Sie hatte oft Magenschmerzen und musste sitzen bleiben, bis Sie alles aufaß. Ein Tag hat sich besonders in mein Gedächtnis eingeprägt. Das Mädchen wollte nicht essen, da kamen drei Schwestern, eine davon Schwester Ursula. 2 Schwestern packten das Mädchen links und rechts und hielten Ihren Kopf fest. Schwester Ursula hielt dem Mädchen die Nase zu, bis Sie nach Luft schnappte und stopfte Ihr das Essen in den Mund. Das Mädchen wehrte sich spuckte einen Teil das Essen raus daraufhin wurde Sie angeschrien und die zwei Schwestern, die Sie hielten, schnappten Sie und zerrten Sie weg und wurde von Ihnen abgeführt, vermutlich weggesperrt. Ich war völlig geschockt und bestürzt. Dieses Mädchen hatte auch einige Schläge einkassiert, an anderen Tagen, an denen Sie nicht essen wollte.
Ergänzungen Gerold:
Bei der Ankunft mussten wir uns aufstellen bevor es ins Gebäude ging. Ich hielt meinen Bruder Gebhard an der Hand. Eine Schwester schlug uns die Hände von oben auseinander. Ich hatte völlige Panik von meinem Bruder getrennt zu werden.
Als es meinem Bruder schlecht ging und er erbrechen musste durfte ich nicht zu ihm um ihm zu helfen und mir wurde befohlen auf meinem Platz zu bleiben. Ich meine irgendwann durfte ich ihm einen Eimer ans Bett bringen. Sprechen durften wir nicht miteinander.
Es gab einmal zum Mittagessen Hackbraten als Leberknödel mit einem hartgekochten Ei in der Knödelmitte. Ich konnte das nicht essen, es hat mich gewürgt. Wie Gebhard schon beschrieben hatte musste ich sitzen bleiben. Nach über einer Stunde, ich konnte einfach nicht, musste ich das Essen abräumen und bekam es am Abend erneut vorgesetzt und am kommenden Morgen nochmals. Mit dreimal hatte ich das Essen kalt dann aufgegessen.
Das mit den Ostereiern war völlig verwirrend. Die Osterkörbchen der in der waren auf einer Art Staffelregal gestanden und die Freude auf eine Süßigkeit nach dem Essen war anfangs groß. Ich glaube wir durften zweimal etwas aus dem Körbchen nehmen, es war eine völlige Enttäuschung.
Nachts durfte man nicht auf die Toilette gehen. Im Gang saß eine Schwester an einem Tisch. Wenn ich es nicht mehr aushielt, habe ich mich an die Türe geschlichen und mich am Korridorschrank cm für cm vorgeschlichen zu der Toilette um zu pinkeln. Dabei hatte ich solche Angst Geräusche zu machen. Ich glaube vom Bett zur Toilette und zurück habe ich eine halbe Stunde gebraucht.
Die Toiletten warn teils offen und man saß sich gegenüber. Ich konnte wegen Scham fast nie richtig das große Geschäft erledigen. Eines Tages ging es nicht. Nachts habe ich dann im Bett gelegen und musst dringend. Ich konnte es nicht mehr zurückhalten und es hat mich geschmerzt es zurückzuhalten. Da man nicht auf die Toilette durfte und ich auch wegen der Geräusche viel zu viel Angst hatte, ging das Geschäft in die Hose. Aus Angst habe ich das tagelang beim Bett machen unter die Decke gelegt. Als es nach Tagen angetrocknet war habe ich teilweise den Kot in der Toilette entsorgt. Einmal in der Woche wurden die Betten kontrolliert. Der verschmierte Schlafanzug wurde entdeckt, ich geohrfeigt und ich musste meinen Schrank im Flur zeigen. Es wurde alles rausgerissen und ich musste ihn wieder sauber einräumen. Danach musste ich vor dem Schrank stehen bleiben, wie lange weiß ich nicht mehr.
An das Zimmer ohne Möbel, in dem Kinder zur Strafe eingesperrt wurden, kann ich mich auch erinnern.
Ich meine ich hatte so geheult als wir endlich wieder in Lörrach waren. Die Mutter war ziemlich verstört, ich hatte mich so an sie geklammert bei der Ankunft. Was wir erzählt haben wurde uns nicht geglaubt. Trost gab es keinen. Das hat die ganze Sache noch abgerundet.
Ergänzungen Matthias:
Die Mitteilung ca. Jan 66, dass ich verschickt werden sollte hat Angst ausgelöst und das Gefühl nicht erwünscht zu sein, im Weg zu sein hervorgerufen. Der Boden unter den Füssen wurde mir weggerissen. Ich habe es überhaupt nicht verstanden. Sehr traumatisch.
Meine Proteste dagegen wurden vehement und fast wütend zurückgewiesen. Die Begründung war, dass ich die Erholung bräuchte und es mir gut tun würde. Doch warum, ich fühlte mich ja nicht unwohl oder schlecht ernährt oder was auch immer.
Das Gefühl das Ausgestoßenseins des nicht gewünscht zu sein, war äußerst mächtig.
Ich sollte einfach weg. Dieses Trauma hat mich leider bis heute auf verschiedene Weise geprägt.
Heute weiß ich, dass unsere Eltern mit der anstehenden Geburt des vierten Kindes (Gerold) wohl völlig überfordert waren, insbesondere unsere Mutter. Das vierte Kind ein Jahr nach dem dritten Kind (Gebhard). Durchaus verständlich.
Allerdings keine Entschuldigung für ihr Verhalten und das Verschicken.
Bin mir auch sicher, dass sie der Meinung waren, dass diese knallharte katholische Erziehung bei den Nonnen sehr gut für mich wäre.
An viele Details kann ich mich, im Gegensatz zu meinen Brüdern, nicht mehr erinnern.
Bin mir sicher, dass ich diese verdrängt habe und versucht habe möglichst unter dem Radar der Schwestern irgendwie durchzukommen.
Schlechtes Wetter, Schneefall, Kälte und eine lange Zugfahrt mit ein zwei weiteren Kindern. An die Begleitung kann ich mich nicht mehr erinnern.
Bei der Ankunft in Reihe stehen in der Kälte.
Sonntags nach dem Mittagessen wurde der Fernseher angeschaltet. Da kann ich mich noch an einen Western erinnern, der mich völlig verstört hat und mich vor dem Einschlafen noch tagelang geängstigt hat. Ich kannte Fernsehen bis dahin überhaupt nicht. Den Nonnen war es wohl egal was da lief. Die waren im Raum nebenan. Kindgerecht war der Film sicher nicht.
Die Nächte im Schlafsaal waren sehr traumatisch. Einem Jungen, der sich immer wieder eingenässt hatte wurde übel mitgespielt. Wie genau, auch das habe ich verdrängt.
Ich selbst hatte Angst nachts auf Toilette zu müssen.
Doch irgendwann habe ich herausgefunden mich an die Tür zu schleichen und wenn die Nonne schlief vorbei zu huschen. Der Toilettengang hat gedauert und war sehr stressig.
Hin und wieder war auch eine junge Frau möglicherweise eine Praktikantin als Nachtwache da. Die war sehr freundlich und warmherzig und hat mich in die Arme genommen. Sie hat Verständnis gehabt und hat mir das Gefühl von Wärme und Angenommensein vermittelt. Das gab es die ganzen sechs Wochen sonst nicht.
Alles war sehr streng und extrem gefühlskalt.
Wie gesagt an vieles kann ich mich nicht mehr erinnern.
Als ich nach Hause zurückkam war ich sehr froh. Aber auch hier kann ich mich an nichts mehr genau erinnern.
Ihre düsteren Erlebnisse dort tun mir in der Seele weh! Wäre es möglich mit Fotos von damals zu überlassen?
Während der Kur herrschte ein strenger Umgangston seitens der Verantwortlichen. Auch das Essen und die Essensvorschriften habe ich in keiner guten Erinnerung.
Besonders unangenehm war jedoch die Fixierung auf den Schlaf.
Wer beim Mittagsschlaf nicht schlief, musste aufstehen und vor dem Eingang des Schlafsaals im Stillstand bis zum offiziellen Ende des Mittagsschlafes verharren. Zusätzlich bekam man bei der nächsten Mahlzeit nichts zu essen. Dies störte mich jedoch nicht, da das Essen sowieso nicht schmeckte.
Noch schlimmer war es aber, wenn man abends nicht rechtzeitig einschlief. Wer beim Kontrollgang noch nicht schlief, bekam mit einem Pantoffel Schläge auf den nackten Po. Wir versuchten daher uns beim Kontrollgang schlafend zu stellen, falls wir noch wach waren. Dies wurde jedoch genau begutachtet und man musste schauspielerische Fähigkeiten besitzen, um als schlafend beurteilt zu werden. Die Angst und unsere Schreie habe ich noch sehr gut im Gedächtnis.
Natürlich brachte die Kur nicht das gewünschte Ergebnis. Meiner Mutter sagte ich anschließend, dass sie mich totschlagen kann, aber ich werde nie mehr zur Kur gehen.
Geburtsort: Deutschland / Hessen / Philippstahl (bis 6 Jahre)
Kindheit: Hessen / Fulda (bis 16 Jahre)
Heimatort: Bremen (seit 1991)
Kuraufenthalte: zwei Mal auf der gleichen Nordseeinsel (Name möchte ich nicht nennen)
1971 (9 Jahre) 3 Wochen Aufenthalt
Wegen Gewichtszunahme, Unterernährung
1973 (11 Jahre) 6 Wochen
Wegen Gewichtszunahme, Unterernährung / Gleicher Ort, fast gleiches Geschehen
Achtung: Trigger Gefahr!
Die nachfolgenden Inhalte können sensible und verstörende Wörter enthalten und den Trigger bei einigen Lesern hervorrufen.
Ich werde aber nicht schweigen und kein Blatt vor dem Mund nehmen. Nach meiner zweijährigen Therapie (2015) kann ich heute darüber sprechen. Texte verfassen ohne zu triggern.
Es geht um Demütigung, Machtausübung, Scham, Verletzbarkeit, Hilflosigkeit, Missbrauch
Nach dem ich nun viele Schicksale hier gelesen habe und weiß, dass ich nicht allein bin, möchte ich meine Geschichte auch öffentlich bekannt geben und hoffe auch so Kontakt zu Leidgenossen zu finden.
Ich kann daher nur eine Verkürzte Version präsentieren, weil mehr als 20 Seiten wollte ich nicht senden.
Vorwort 01:
Ich war bereits als Kleinkind stark untergewichtig und meine Kinderärztin hatte meiner Mutter den Kuraufenthalt wärmstens empfohlen. Die Organisation lief über die Krankenkasse und das Ziel war es natürlich der kleine, schmächtige, unterernährte Bub „aufzupäppeln“.
1971 (Erster Aufenthalt):
An diesem Aufenthalt habe ich nur noch Bruchstücke, und die waren leider negativ. Man müsste ja eigentlich meinen, dass ein 9-jähriger Bub sich an solchen Dingen gut erinnern kann. Meer und Strand. Aber nein, leider nur den negativen Dingen sind dort verankert.
Erinnerungen 01:
An die Fahrt selber erinnere ich mich gar nicht mehr. Das einzige schöne war die frische Seeluft, das Meer, die Wellen, der Strand und das Geschrei der Möwen. Für mich völlig fremdartig.
Dann ein langer Weg zu einer kleinen Siedlung. Der Weg war mit roten Pflastersteinen belegt. Ein kleines Wäldchen (kein Vergleich mit den vielen Bäumen bei uns in Hessen); und dann ein langes Gebäude, roter Backstein, zweistöckig. Direkt in den Dünen, wundervoller Anblick.
Daneben aber ein Stilbruch. Ein langer eckiger Betonklotz, mit vielen Fenstern. Total schrecklich.
In diesem Gebäudeteil, Turnhalle, Küche, Essensraum (EG), Duschen, Stellraum, Heizung (UG)
Im Haupthaus, die Schlafräume der „Tanten, Erzieher“ (OG), Schlafraum der Mädchen (EG) Schlafräume der Jungen (1 Etage), sowie zwei Aufenthaltsräume.
Überall im Haupthaus kleine Fenster, im Betonklotz, große Fenster.
(Diese Erinnerungen stammen aus dem zweiten Aufenthalt; da gleiches Gebäude)
*
Die Tanten trugen Schwesternhauben. Die Erzieher (graue Kittel). Eine freundliche Tante hat mir mein Zimmer gezeigt. Ein Vierbett-Zimmer. = Lücken, keine Erinnerungen
*
Essenzwang:
Ich war ein braves Kind und habe alles aufgegessen was man mir auf dem Tisch stellte. Die Tanten passten auf, dass man alles aufgegessen hat. Ich habe das große Glück (fast) alles zu mögen. Daher keine großen Hürden. Aber lecker war nur die Suppen am Abend.
Es wagte niemand es nicht auf zu essen!
Das einige was für mich wirklich ekelig war: Blutwurst, Leber mit Apfelmuss. Bis heute würde ich Kotzen, bei den Gedanken.
Arzt:
Spargel Tarzan, Klapper Storch, Klapper Gestell und ähnliche Formen hat dieser Arzt zu mir gesagt.
Gleich am ersten Tag eine ärztliche Begutachtung meines Gesundheitszustanden.
Der Arzt hatte ein rundliches Gesicht, einen dicken Oberlippenbart, sein Hemd war oben offen, und seine Brusthaare waren zu erkennen. Darüber trug er einen weißen Kittel. Um den Hals das Stethoskop.
Seine Hände waren stark behaart, dichtes dunkles Haar, sowie auf dem Arm. Es waren große dicke Hände; Hände die mich überall berührten.
Das Untersuchungszimmer: (auch diese Erinnerungen stammen aus meinem zweiten Aufenthalt)
Links ein weißes Regal, mit Büchern und diversen Dingen. An der Wand daneben eine Untersuchungsliege, ein Maßstab für Körpergröße zu messen, eine Waage, die groß war. So etwas kannte ich vorher nicht. Dann sein Schreibtisch, dahinter das Fenster.
*
Er war nicht unfreundlich, aber beherrschte die Macht. Machtvoll und männlich sein Auftreten und seine Stimme.
„Zieh deine Sachen aus!“
Ich war zwar von meiner Kinderärztin es gewohnt, mich vor jemanden fremden auszuziehen (meine Mutter war bis zu meinem 10 Lebensjahr immer dabei); aber diese Situation überforderte mich. Da ich hier allein und Schutzlos war.
Zog meine Sache aus und legte sie auf einen Stuhl.
„Auch die Unterhose!“
Das war mir befremdlich; schamhaft hielt ich die Hände vor meinen Genitalien.
„Hände da weg – Was soll das!“
Glühendes rotes Gesicht.
Ich musste mich dann auf die Messlatte stellen. Mit dem Rücken zur Wand. Er drückte meinen zarten Körper kräftig zur Wand, damit ich mich gerade hinstellen sollte.
Er ging zum Schreibtisch zurück. Ich bewegte mich nicht. Starrte nur zum Fenster und war völlig nackt. Ich fühlte mich so unwohl. Anschließend ging es zur Waage und er machte sich Notizen. Dann nannte er mich ein „Dürres Gestell“ und weitere Worte die ich anfänglich schon beschrieben habe.
*
Warum tut man das ein Kind an?
*
Anschließend musste ich mich vor ihm präsentieren. Was dazu führte das er meinen ganzen Körper abgetastet hat und dabei meine Phimose bemerkte. Diese verengte Vorhaut wurde mir dann zum Verhängnis. Auf Grund der Textkürzung gehe ich nicht näher darauf ein.
*
Duschzwang:
Jeden Abend vor dem Schlafen gehen wurden wir nackt in den Keller gebracht und in dieser schrecklichen Dusche musste wir uns dann vor den Tanten und Erziehern waschen. Und die standen da und schauten sich das an. Die Kommentare und Demütigung waren schrecklich.
Meer baden unter Zwang:
Jeden Morgen mit einer Trillerpfeife halbnackt zum Strand gelaufen (nur Badeschlappen und Unterhose), nur die Jungs, die Mädchen brauchten keine Abhärtung. Ein Erzieher mit der Trillerpfeife vor uns und wir im Gänsemarsch hinterher.
Egal wie das Wetter war.
Der erste Pfiff war als Kommando gedacht, Unterhosen runter.
Der zweite Pfiff war für den Sprung ins Meer gedacht.
Der dritte Pfiff war für das Rauskommen gedacht.
Der vierte Pfiff für das Anziehen der Unterhose und abschließend der Pfiff zurück ins Haus.
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Wiegenzwang:
Jeden dritten Tag, erneut nackt auf die Wiege. Erneutes mehrfaches Anfassen meines Körpers.
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1973 (11 Jahre) 6 Wochen / zweiter Aufenthalt
Vorwort 01:
Die erste Kur hatte nach Meinung meiner Mutter und den Kinderärzten mir so gutgetan (wenn die gewusst hätten und ich nicht geschwiegen hätte); dass man mich erneut auf die gleiche Insel schickte und wieder in das gleiche Haus.
Erinnerungen 02:
Es hatte sich nur verändert, dass die Tanten keine Häubchen mir trugen und die Erzieher kein grauer Kittel. Ansonsten die gleichen fast seelenlosen Mitarbeiter. Kaum einer der Führsorge zeigte. Bis auf zwei Tanten.
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Essenzwang 02:
Gab es Gott sei Dank nicht mehr. Es wurde zwar verstärkt darauf geachtet, dass wir brav alle aufessen, aber ich habe niemanden gesehen, der einem das Essen zwangsweise einführte oder das man solange am Tisch sitzen bleiben musste, bis alles aufgegessen war.
Diese Horrorvorstellung blieb mir beim zweiten Aufenthalt erspart.
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Arzt:
Beim Arzt hatte sich gar nichts geändert. Nur die Tatsache (negativ) dass ich kurz vor meiner Pubertät nun körperlich gereift bin und somit sexuell erregbar war. Es folgten die gleichen Untersuchungsmethoden (nackt wiegen, messen und befingern lassen).
Auf Grund der Textkürzung kann ich nur sagen, dass ich dabei oftmals eine Erektion bekam und er immer wieder meine Phimose als Anlass nahm, um mich zu demütigen und zu befummeln.
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Warum tut das ein Arzt?
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Duschzwang:
Gleiches Verfahren, Gleiche Demütigung. Nur diesmal intensiver, weil ich schon 11 Jahre alt war und mich doppelt und dreifach geschämt habe.
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Meerbaden 2:
Hier hatte sich auch nichts verändert. Nur die Trillerpfeife wurde nur verwendet um uns Jungs aus dem Wasser zu holen.
Wie beschämend und schnell wir versuchten die Unterhosen anzuziehen. Bitter kalt, verschämt, den Blicken des Erziehers ausgeliefert. Es kam zweimal zu Begebenheiten mit Kurgästen. Männer und Frauen die das sahen und sich entweder fragten, was tun die da. Oder sich amüsierten.
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Sexueller Übergriff 01:
Ein paar stärkere und ältere Jungs haben sich die schwachen und kleinen ausgesucht. Ich war einer dieser Opfer.
Festhalten, Hose runterziehen, lachen und befummeln lassen.
Festhalten und „Eiern“, ein Spiel was diese Jungs täglich taten.
(damit ist gemeint, durch die Hose an die Hoden zu gehen und so fest wie möglich die Eier zu drücken). Wen man schrie oder um Gnade winselte, war es ein Hochgenuss für diese Jungs.
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Sexueller Übergriff 02:
Festhalten, nackt ausziehen, befummeln lassen und mit Gummiringen die Hoden abgebunden. Oder mit den Einweckgummi Ringen als Zwille benutzt und möglichst tiefen Scham auszulösen. In dem der Schmerz an den Hoden unerträglich wurde. Bis heute habe ich Hodenprobleme.
Anmerkung:
Oftmals hat ein Erzieher oder eine Tante diese Taten gesehen und nichts unternommen. Eher sich daran „Aufgegeilt“.
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Sexueller Übergriff 03:
Zweimal wurden wir jüngere Buben aus dem Zimmer geholt (Opferstatus, ich und ein anderer), und dann in das Zimmer der Älteren gebracht. Schlimmste Albträume. Missbrauch an Seele und Körper
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Schöne Dinge 01:
Gemeinsame Nachmittage mit Karten spielen, Mau Mau, Quartett oder AS-Werfen.
Gemeinsame Sparziergänge am Strand und in den Dünen
Lagerfeuer am Abend mit Cola und Bratwürsten.
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Schöne Dinge 02:
Gemeinschaft mit drei weiteren Jungen in meinem Alter. Wo wir im kleinen Wäldchen spielten und ein Gefühl der Geborgenheit bekamen. Die Namen sind mir leider nicht mehr bekannt.
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Fazit:
Ich war in den darauffolgenden Jahren solcher massiven Machtausübung von Personen (Polizei, Ärzten, Lehrgeselle, Zivildienst) ausgeliefert das man sich praktisch als Opfer in eine Struktur der Hilflosigkeit verliert. Das ist ein anderes Kapitel meines Lebens aber auf Grund dieser vielen negativen Rückblicke musste ich im Jahr 2015 zwei Therapien machen.
Ich wünsche allen Opfern das den Mut haben sich zu wehren und sich das nicht gefallen lassen dürfen. Ich habe es damals nicht geschafft und bin daher immer noch so wütend über mich selbst. Und fühle mich dadurch auch als Täter, weil ich es zugelassen habe.
Peter
https://youtu.be/lNsx09u6CaI?si=yOSG2H7sa5WrGnAh
Es war für mich sehr wichtig den "kleinen Jungen in mir" endlich mal zu Wort kommen zu lassen.
Das Kloster und die Umgebung sind sehr schön, leider waren die Nonnen um so hässlicher.
Alles war kalt und streng. Ich konnte das fette Essen nicht vertragen und hatte schon mehrmals mit Durchfall und Erbrechen Probleme gehabt.
Dann wollte/konnte ich meine "Kasspatzen" nicht essen. Zuerst wurde ich durchgeschüttelt und an den Ohren gezogen, dann geschlagen. Dann durften die anderen Jungs nicht aufstehen, bis ich fertig gegessen haben würde. Dann wurde gedroht, dass keiner am Freitag die ersehnten Süßigkeiten bekommen würde. Ich blieb standhaft, bis Schwester Lucia meinen Knackpunkt erahnte. Eine andere Schwester schnappte sich meinen Bruder und watschte ihn rhythmisch rechts und links ins Gesicht, bis ich versuchte aufzuessen. Als ich mich, meinen Bruder und die beiden Schwestern vollkotzte, ging's erst richtig los. Unter dem Gejohle der anderen Burschen wurden wir am Aussenwasserhahn nackt abgespritzt. Danach wurden alle anderen Kinder (auch die sonst streng verborgenen Mädchen) zusammengeholt und mein Bruder und ich wurden öffentlich nackt über eine Bank gezogen und mit Teppichklopfern verprügelt. Ich weiss nicht mehr, wie lange die Restzeit war, jedenfalls wurde ich isoliert und durfte nur auf die Toilette, wenn ich fertig gegessen hatte. Vor der Heimfahrt sagte mir eine Schwester, wenn ich zu Hause etwas erzählen würde, was ihnen nicht gefällt, würde meinem Bruder etwas schreckliches zustossen.
Ich wusste im weiteren Verlauf meines Lebens, dass ich/wir dort waren und dass ich rasende Angst um meinen Bruder haben musste, alles andere blieb in meiner Seele verborgen. Erst als ich mit knapp 50 Jahren während eines Selbstfindungsseminares ein "seelisches ComingOut" erleben musste, kam alles wieder hoch. Dann gab's aber ordentlich Arbeit, kann ich Euch sagen.... PS: mein Bruder verweigert bis heute jeglichen Austausch über dieses Thema.
Ich hoffe, es melden sich noch andere "Häftlinge"!
Auch damals gab es schon andere Kinder, die sich am Leid er anderen ergötzten, wahrscheinlich um nicht selber ins Visier der brutalen Kinderpflegerinnen zu geraten.
Für uns Betroffenen ist die Aufarbeitung ein Anker, da braucht es keinen Hohn von Menschen die wahrscheinlich unter diesen Qualen nicht durchgehalten hätten.
Ich wünsche allen Betroffenen alles erdenklich Gute und allen die eine schöne Zeit dort hatten mehr Mitgefühl und Respekt!
ich kann mich nicht mehr an viel erinnern, ausser:
-meine Eltern erzählten mir von einer Kur, weil ich zu dünn gewesen sei.
-Fahrt mit Betreuern, aber ohne Eltern, mit dem Zug. Die Gruppe wurde immer grösser
-kein Kontakt zu den Eltern
-Auslachen als "Spaghettifresser"
-Essenszwang: Als Ausweg habe ich das Essen in die Hosentaschen gestopft, was dazu führte, dass meine Kleidung die Färbung des Essens annahm.
-Schwimmzwang, obwohl ich das noch nicht konnte. -Zwang zum Tablettenschlucken, obwohl ich sie nicht herunter bekam. Wenn ich sie weggeworfen hatte, bekam ich eine Neue.
-Duschzwang mit dem Kopf nach oben und
gleichzeitig geöffneten Augen
Verschickungsheim: Kaufbeuren Bayern
Zeitraum (Jahr): 1960 ev 61
Meine Mutter hatte mich einen Tag vorher informiert: Du machst eine tolle Reise, weil Dr. ERDMANN BERLIN NEUKÖLLN, SONNENALLEE, gesagt hat, du bist zu dünn. Am nächsten Tag ging die Fahrt mit dem Bus los. Ich habe keine Erinnerung an die Fahrt. Zu schrecklich war die Trennung. Auch die Ankunft hüllt sich in Erinnerungsnebel, jedoch als ich vor 3 tg ein Foto des Heims sah, war mein mulmiges Gefühl wieder da. Schlimmer noch, ich weinte hemmungslos. Heute bin ich 70 Jahre alt. Damals war ich ca. 6 Jahre alt. Angekommen, wurde uns ein düsteres Zimmer gegeben mit 2 Doppelstockbetten.
Ich schlief am Fenster im unteren Bett. Nach dem Abendessen und Zubettgehen durften wir das Zimmer nicht mehr verlassen. Verboten war ein nächtlicher Toilettengang. Gefühlt habe ich 6 Wochen lang geweint vor Heimweh. In den folgenden Tagen ermahnte mich die Tante immer wieder , nicht zu weinen. Sieh, die Anderen können es doch auch. Ich wurde ausgelacht.
Zum Essen gab es häufig Brote mit einem hellen süssen Aufstrich. Auch an kleine rote Tabletten erinnere ich mich. Unsere Koffer wurden uns bei Anreise abgenommen..die Süssigkeiten verteilt an alle Kinder. Das war schmerzlich, denn es noch nach zuhause.
Ich hatte nur meinen Brummi, der mich nicht allein ließ.
Nach ein paar Tagen wurde nach Hause geschrieben. Wer kann schreiben? So war die Frage und ich log, weil ich den Umschlag meiner Mama erkannte. Er enthielt die Postkarten für zuhause. Ich wollte ihn gern haben. Schnell war der Tante klar, dass ich nicht schreiben konnte. Das wurde dann allen laut mitgeteilt und man sollte mich auslachen, weil ich gelogen hatte. Wie peinlich. Ich schämte mich sehr.
Ich durfte dann aber sagen, was geschrieben werden sollte und malte meinen Namen zum Schluß drunter.
Alle 2 wochen kam Post von zuhause. Das führte zu erneuter Trauer bei mir. Ich weinte und konnte kaum aufhören. Soviel die anderen auch lachten.
Wir machten viele Wanderungen und es war sehr schön, dass 1 Junge mit mir Hand in Hand ging. Wir alle gingen immer angefasst in Zweierreihen.Ein bisschen Sicherheit. Noch heute beruhigt mich das.
Das Highlight dort war ein Besuch auf dem Rummel.
2 grössere Kinder zogen mich hinter sich her und versuchten mich zu bewegen, mit.der Walzerbahn zu fahren. Ich wollte nicht und hatte Angst. Doch alle fuhren mit ....und du traust dich nicht? Hahaha..ich stieg mit den Kindern ein und war so in Panik, das ich aus der Gondel springen wollte. Es sollte nur aufhören! Die beiden Kinder drückten mich zu Boden bs das Grauen der Fahrt ein Ende hatte. Ich zitterte vor Angst und meine Zähne klapperten vor Kälte. Draußen war es warm!
Es gab ständig warme Milch mit Pelle. Ekelhaft. Ich musste mich auch übergeben. Einmal war ich den ganzen Tag im Bett weil ich schlimmes Bauchweh hatte. Noch heute führt der Geruch von warmer Milch bei mir zu Übelkeit.
Eines nachts musste ich schnell zur Toilette. Die ewige Milch mit Haferflocken musste schnell raus.
Ich rief in den dunklen Gang...ich muss schnell zur Toilette..Nach einer Weile kam eine Tante und brachte mich weit den dunklen Gang entlang zur Toilette. Stundenlang blieb ich dort ohne das Jemand nach mir sah. Erst als ich laut weinte, brachte mich die Tante zurück ins Bett.
Noch heute fürchte ich mich im dunklen.
An mehr kann ich mich nicht erinnern.
Nur die Rückfahrt ist präsent. Mein Karorucksack mit meinem Brummt waren bei mir. Das Frühstück grummelte während der Fahrt in meinem Bauch. Wie immer gab es Milch mit Haferflocken. Ich musste dringend . Ich merkte, dass ich Durchfall bekam. Keine Abweichungen bei den Pausenzeiten.
Setz dich auf deinen Platz!. Als dann endlich angehalten wurde, auf freiem Feld war es bereits geschehen. Ich stank fürchterlich und schämte mich.
So ging es dann noch ein paar Stunden bis zur Ankunft in Berlin. Meine Mama schimpfte mich an,weil ich so stank. Man macht nicht in die Hose!!!
Eine schreckliche Kur ... meine Mutter hat es bestimmt gut gemeint aber es war ganz traurig.
Mein Vater war in der Betriebskrsnkenkasse. Die hat das alles bestimmt übernommen.
Gern wüsste ich, wer der Junge war,der mir soviel Sicherheit gab. Ich danke ihm dafür.
2 Jahre später wurde ich nach Wenningstedt/Sylt verschickt, nur 4 Wochen aber hier habe ich wunderschöne Erinnerungen.
Ich hoffe, es melden sich noch andere Insassen aus Kaufbeuren.
Aus Kaufbeuren ist zurückgeblieben, dass ich bei Druck gegen meinen Willen leicht ungehalten und hektisch werde.
Warme Milch führt zu Übelkeit und die Angst im Dunkeln ist geblieben.
Auch fürchte ich mich, etwas falsch zu sagen, aus Angst vor Häme und Spott.
Das Wort: Einzelkind habe ich vom Schimpfwort zu meinem Markenzeichen gemacht. Wenn ich nicht weiß wo ich zur Toilette gehen kann, werde ich sehr unruhig
Aufgrund asthmaänlichen Problemen wurde ich im Alter von 10 Jahren für 6 Wochen zur Erholung an die Nordsee geschickt. Natürlich gab es auch bei mir kleine Probleme mit Heimweh, aber in der Summe hielt sich das doch wirklich in Grenzen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass zu diesem Zeitpunkt so viel beschriebene derbe Erziehungsmethoden angewendet wurden. Keine Strafe fürs nicht aufessen etc. Eher sind mir die schönen Spaziergänge über die Insel in Erinnerung geblieben. Für mich als Schwarzwaldangrenzer war der Sandstrand natürlich ein bombastisches Erlebnis. Gegen Ende des Aufenthaltes konnte sogar in der Nordsee gebadet werden. Also bei mir überwiegen die positiven Erinnerungen bei weitem. Keinerlei Erinnerung an gröbere Missstände. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mir das nur einbilde. Ich finde das sollte ebenso hier vorgebracht werden.
Also es war nicht Alles schlecht und bei mir hatte das Ganze sogar noch den positiven Effekt, dass es seither kein Asthmaanfall mehr gab.
Grüssle aus Südbaden
Reinhard