ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2741 Einträge
Iris aus Esslingen schrieb am 18.08.2023
Die Ausgangsituation war die, daß unsere Mutter total mit der Erziehung von 3 Kindern überfordert, das jüngste 1 ½ Jahre alt, und am Ende ihrer Kräfte war. Zudem litt sie unter Migräneattacken. Sie musste eine Müttererholungskur machen und die beiden ältesten, meine Schwester damals 5 Jahre und mich, damals 3 Jahre, in der Zeit außer Haus unterbringen. Meine Schwester und ich haben voller Vorfreude den Flur auf und ab getanzt.Unser Vater hat uns an einem sonnigen Tag ins Heim gebracht.
Wir Kinder wurden sofort in ein düsteres dunkles Spielzimmer mit anderen Kindern geführt. Nach dem Abendessen, was noch kein Problem war, brachte eine Tante uns in ein Schlafzimmer im 1.Stock unterm Dach mit 8 Gitterbetten und 6 anderen Mädchen, die uns alle seltsam anschauten, aber nicht mit uns gesprochen haben wie auch die ganze restliche Kur nicht. Wir bekamen die Betten in der rechten Viererreihe mittendrin. Wir waren keine Gitterbetten von zuhause mehr gewohnt. Es kam mir alles so seltsam vor, aber ich hatte meine Hoffnung auf den nächsten Tag gesetzt, an dem sich alles aufklären würde, und war allen widrigen Umständen zum Trotz eingeschlafen.
Danach ging der tagtägliche Horror los. Die Zimmertür wurde aufgerissen und wer noch nicht wach war, wurde wachgerüttelt. Ich muss dabei zumindest an mehreren Tagen angebrüllt worden sein, weil ich ins Bett gemacht hatte. In meiner Erinnerung fühle ich, daß ich am liebsten gar nicht mehr aufgewacht wäre, weil ich Angst vor den nicht abschätzbaren Ereignissen des Tages hatte. Ich sehe mich voller Angst in dem Bett liegen und hoffen, dass nichts für mich Schlimmes passiert. Dann wurden wir alle von einer Tante in ein Badezimmer mit endlos vielen Waschbecken gescheucht und mussten uns in Unterwäsche nach Anweisung der Tante waschen.
Das Frühstück war mit seinen Marmeladenbroten und Tee noch für mich essbar. Den Kakao mit der widerlichen Milchhaut hatte ich auch noch getrunken, wenn ich aber auch nach der Kur nie mehr danach Kakao zu Hause getrunken habe. Was aber gar nicht ging, war die ekelhafte Haferschleimpampe, die ich irgendwie heruntergewürgt habe. Zumindest die meisten Tage. Gegen Ende der Kur, als nur noch wenige Kinder im Esszimmer waren, konnten wir sehen, wie einer der älteren Jungs der Heimkatze, die durch die offene Tür hereinstolzierte, seinen gefüllten Teller hingestellt hat, als die Tante gerade nicht im Raum war. Das haben wir ab dann auch gemacht. Ich weiß nicht mehr, ob wir dabei erwischt und bestraft wurden.
Wir mussten essen, was wir vor uns hingestellt bekamen. Es wurde nicht gefragt, was wir wovon wieviel mochten oder nicht, und erst recht nicht, vor was es uns ekelte. Schlimm war der Geruch, wohl eher der Gestank, aus der Küche. Ich erinnere mich an eine Szene, in der Erbsensuppe in tiefen Tellern auf den Tischen vor uns steht. Ich höre an meinem Kleinkindertisch (jawohl, sie haben uns sogar beim Essen ohne Not getrennt), wie jemand an einem anderen Tisch kotzt. Ich sehe dann, wie meine Schwester würgt und die ausgekotzte Suppe in den Teller fällt, der über zu laufen droht. Die eine aufsichtführende Erzieherin hält meine Schwester fest und die andere rennt in die Küche, um einen weiteren tiefen Teller zu holen, den sie dann vor meine nach wie vor würgende Schwester stellt, damit ja kein bisschen von der Kotze daneben geht. Ich habe gedacht, daß meine Schwester nun in den Arm genommen und getröstet wird, so wird das unsere Mutter immer in solchen Fällen gemacht hätte. Stattdessen zwingen die beiden „Tanten“ meine Schwester, das Erbrochene aufzuessen! Ich an meinem Tisch will aufstehen und zu meiner Schwester, weil ich instinktiv fühle, daß das falsch ist, was da mit ihr gemacht wird. Ich will ihr irgendwie helfen, aber ich werde an meinem Platz von einer dritten Tante festgehalten. Die anderen Kinder dürfen gehen. Ich habe bis heute, mehr als 55 Jahre danach, Probleme mit Erbsen als Nahrungsmittel, insbesondere Erbsensuppe.
Ich war bis knapp vor 2 Wochen der Meinung, daß mir sowas in dieser Zeit nicht passiert wäre. Aber als ich die Berichte von anderen Betroffenen gelesen habe, insbesondere den von Maria, daß ein kleines Mädchen unter Androhung von Spritzen zum vollständigen Aufessen des Erbrochenen gezwungen wurde und ich weiß, daß wir panische Angst vor Spritzen hatten, sehe ich das anderes. Vielleicht waren es in meinem Fall Ravioli, die ich bis heute wie auch meine Schwester nicht essen kann.
Mindestens 1 Spritze haben wir beide unter Angst gesetzt bekommen. Ich sehe mich und meine Schwester noch mit nacktem Popo in dem unheimlichen Arztzimmer, das mit seltsamen Apparaten vollgestopft war, auf einer Liege; wofür oder wogegen eigentlich? Ich finde in meinem alten Impfbuch/Impfkarte keine passende Eintragung. Das Wiegen an sich war weniger schlimm, wenn wir auch vorher lange vor dem Zimmer warten mussten und uns dann die Kleider von den „Tanten“ vom Leibe gerissen wurden. Meine Schwester hätte zu dieser Zeit eigentlich noch Antibiotika wegen einer Nierenentzündung schlucken müssen. Die Heimleiterin hatte sie ihr nicht gegeben. Es gab keine Rücksprache dazu mit meinen Eltern.
Was haben wir ganzen Tag über gemacht? Ich erinnere mich an das dunkle, düstere Spielzimmer, in dem es Spielzeug gab, wie ich es zum Teil vom heimischen Kindergarten kannte und teils auch nicht. Meine Schwester meint, dass darin schwere Holztische so wie im Alpenraum üblich gestanden hätten. Wir mussten auch malen, wir konnten ja noch nicht schreiben. Dass das die Bilder für die Eltern zu Hause zur Dokumentation der ach so tollen Kur waren, reime ich mir zusammen. Ich hatte jedenfalls damals schon Malen gehasst, weil die Bilder nie so wurden, wie ich es wollte. Ich hatte gute Miene zum bösen Spiel gemacht, den Stift in die Hand genommen und gekrakelt. Vielleicht war ich dabei über den Rand des Blattes hinausgekommen und hatte den Tisch bemalt, vielleicht hatte ich die Malblätter aus Frust zerknüllt oder zerrissen. Den „Tanten“ hatte das nicht gepasst und ich erinnere mich, unter dem Stuhl der Heimleiterin für längere Zeit gesessen zu haben. Später erinnere ich mich, immer das gleiche gemalt zu haben: Sonne am Himmel, grüne Wiese, vermutlich so, wie die Tanten es mir gesagt hatten. Meine Schwester hatte protestiert, daß ich dasselbe wie sie zu malen versuchte.
Und dann gab es den Kreis, in dem irgendetwas mit allen Kindern gemacht wurde. Ich war zu klein, als daß es mich hätte ansprechen können. Ich meine, auf die Toilette gemusst zu haben und dafür um Erlaubnis gebeten zu haben. Die Heimleiterin persönlich hatte es verboten und als ich es trotzdem versucht hatte zu gehen, wurde ich von ihr auf ihren Schoss gesetzt und festgehalten. Der Erinnerungsfetzen hört da auf. Wahrscheinlich war das passiert, was passieren musste. Die Strafe war mit Sicherheit so drastisch und schlimm ausgefallen, daß ich mich nicht daran erinnere.
Wie in jedem Kinderheim, gab es den Mittagsschlaf, den jedes Kind machen musste, egal wie alt und ob es den Schlaf gebraucht hat oder nicht. An Schlechtwettertagen so wie meistens wurde er im Schlafzimmer gemacht, an schönen auf dem langen Holzbalkon auf Gartenliegen. Mein Pech war, daß es eine Liege zu wenig die Kinder gab und mich als Kleinste und Jüngste hat es getroffen. Während alle anderen, auch meine Schwester, mit den „Großen“ aus meiner Sicht die Sonne genießen durften, musste ich allein im Schlafzimmer in meinem Gitterbett bleiben. Meine Proteste blieben ungehört. Die Sonne schien heiß durch die Fenster und ich hatte in meiner 60ziger Jahre Wollstrumpfhose geschwitzt. Das war aber nicht das Problem. Das Schlimmste war, dass sie fürchterlich gekratzt hatte. Um den Juckreiz zu bekämpfen, hatte ich mit der Zopfspange meiner Flechtzöpfe auf dem Oberschenkel gerieben. Mit dem Ergebnis, daß die Strumpfhose anschließend ein riesiges Loch hatte und somit kaputt war. Ich wurde sofort ohne Anhörung meiner Sicht und ohne neue Strumpfhose in den ungeheizten Keller im Allgäuer Winter gebracht und eingesperrt. Das Schlimmste war nicht die dunkle und unbekannte Umgebung, sondern die Ungerechtigkeit.
Sonntags und/oder samstags muss es wohl eine Art religiöses katholisches Zeremoniell, abgehalten von einer Nonne, gegeben haben. Alle Kinder waren in einem Raum mit Kruzifix in der Ecke versammelt. Ich hatte mich trotz evangelischer Erziehung sicher und entspannt gefühlt, denn wir kannten vom heimischen katholischen Kindergarten das Bekreuzigungsritual. Ich hatte die Welt nicht mehr verstanden, als meine Schwester und ich zusammen mit einem älteren Jungen (wieso der, ältere Kinder wurden doch nie bestraft?) von der älteren Nonne zusammengestaucht wurden.
Es gab auch eine Art seltsamen Gymnastikraum mit noch seltsameren Turngeräten. Ich sehe mich und meine Schwester im Turnhemd umherlaufen. Es war gut, weil wir uns endlich mal so bewegen durften, so wie wir wollten und es keine Strafen zumindest für mich gab.
Ein einziges Mal erinnere ich mich, daß wir mit unseren von zuhause mitgebrachten Puppen spielen durften. Ich habe mich gewundert und gefreut, daß das Heim die gleichen Puppen wie wir hatte: Meine Schwester und ich sitzen im Schneidersitz im Schlafraum zusammen im Bett meiner Schwester. Eine Einladung von ihr, der ich nur zu gerne gefolgt bin. Eine gelöste, vertraute Atmosphäre fast wie zu Hause. Wir beiden entspannen, wir r e d e n endlich mal wieder miteinander und l a c h e n . Ich ziehe meiner Puppe gerade die Kleider aus, da wird die Zimmertür aufgerissen und die Tante stürmt herein. Sie sieht uns zusammen im Bett und zerrt mich heraus. Die Puppen werden eingesammelt, in einen Koffer gestopft, den ich noch nicht kenne, und auf einen Spind oder Schrank in für uns unerreichbare Höhen gestellt. Ich weiß nicht, welche Strafe wir dafür bekommen haben, aber ich sehe uns, wie wir von 2 „Tanten“ eine steile Außensteintreppe hinuntergeschoben und -gezerrt werden. Dann stehe ich in der einzigen gemeinsamen Strafszene mit meiner Schwester zusammen an einer eiskalten gekachelten Wand. Meine liebe, gehohrsame, angepasste, motorisch geschickte Schwester wird wegen mir bestraft.
Einmal stand ein Marmorkuchen im Esszimmer, so wie ihn meine Mutter oder Großmutter zuhause gebacken haben: Irgendjemand muss mir gesagt haben, daß ich an dem Tag den 4. Geburtstag habe. Ich bin entsetzt, denn ich nehme das als weiteres Anzeichen dafür, daß ich für immer im Heim bleiben muss; es hat sich alles so falsch und unwirklich angefühlt. Das halbe Stück Marmorkuchen, das auf meinem Teller war, hat seltsam geschmeckt, dafür gab es ja genügend Gründe, aber besser als das andere Zeugs, was es sonst gab. Als ich ein zweites Stück will, wird mir gesagt, es sei nichts mehr da. Meine Schwester sagt, daß ich eine Rolle Schokoladenkekse an die Kinder verteilt habe und sie Angst hatte, daß sie keinen Keks mehr bekommt.
Die einzige schöne Erinnerung, die ich habe, war das Spielen im Schnee auf einem Holzblockhaus vor dem Haus: Es liegt Schnee, die Sonne scheint und ich sehe die Berge. Ich sehe einen Weg, aber keine weiteren Häuser. Ich, meine Schwester und ein anderes kleines Kind, - hurra, ich bin endlich nicht mehr die kleinste in der Gruppe-, sind in den ersten Stock über eine Leiter hochgeklettert und haben aus Schnee eine Mauer gebaut. Eine junge Tante hilft uns, den Schnee nach oben in einem Eimer zu bringen und hält sogar die großen Jungs von uns fern. Leider ist die Freude vorbei, als unsere Kleider nass sind und wir zurück ins Haus müssen. Das einzige Mal, daß ich wirklich draußen an der frischen Luft war und Freigang hatte.
Es muss für mich ein spezielles abendliches Ritual mit einer Tante gegeben haben. Anders, als das Liebevolle zuhause mit einem Gutenachtlied: Ich sehe eine schimpfende Tante neben meinem Bett.
Wir durften nicht zur Toilette, wann wir wollten. Besonders nicht nachts. Ich kannte die Regeln nicht: Ich sehe mich nachts mit meiner Schwester über einen schwach beleuchteten Flur an einer dunklen, steilen Treppe vorbei zur Toilette tappen. Meine Schwester macht mehrmals „Psst“ zu mir. Auf der Toilette unterm Schrägdach angenommen, machen wir kein Licht. Ich möchte die Spülung drücken, aber meine Schwester hindert mich daran. Ich weiß nicht, ob wir ertappt worden sind und was die Strafe war.
Besonders abends gab es nicht genug zu trinken: Ich sehe mich beim abendlichen Zähneputzen Wasser aus dem Wasserhahn trinken. Meine Schwestern hatte mich darauf aufmerksam gemacht, daß ich meinen schrecklichen Durst auch aus dem Wasserhahn stillen kann.
An einem Tag werden meine Schwester und ich ins Büro der schrecklichen, furchteinflößenden Heimleiterin gerufen. Wir mussten sie „Mama“ Darm nennen. Gut, daß wir unsere eigene Mutter „Mutti“ genannt haben. Ich erwarte eine weitere Bestrafung, denn so war das immer in der Vergangenheit, wenn man ins Büro gerufen wurde. Aber das Unmögliche ist eingetreten: Unsere Eltern stehen im Büro. Meine Strafe ist also vorbei. Ich soll laut späteren Aussagen meinen Eltern nach gesagt haben „Ich muss ja so lachen, weil ich so fröhlich bin“, und gleichzeitig so geheult und hysterisch gelacht haben, dass es sogar dieser hart gesottenen Frau peinlich war. Dann hat sie ein Armbandkettchen mit einem Eichhörnchen-Anhänger dran aus einer Schublade geholt und mir als angebliches Geburtstagsgeschenk um das Handgelenk gelegt. Das kann ich zulassen, weil unsere Eltern in der Nähe sind und mich notfalls beschützen werden. Unsere Eltern wollen noch, daß wir der „Mama“ Darm, der schrecklichen Frau, die Hand geben. Was ich auch, wenn auch nur den Eltern zuliebe mache (ich will ja keine neue Strafe), weil ich spüre, dass jetzt alles wieder gut wird. Dann renne ich die Eingangstreppe in die Freiheit.
Wir sind zu viert durch das idyllisch verschneite Illertal mit dem Zug gefahren. In Ulm sind wir in einen damaligen D-Zug umgestiegen, der überfüllt ist, sodass wir im Gang Sitzplätze aufklappen müssen. Ich habe mir dabei schmerzhaft den kleinen Finger eingeklemmt. Aber es ist mir so was von egal gewesen!
Meinen vierten Geburtstag haben wir zuhause nachgefeiert. Ich sehe auf dem Foto nicht sehr glücklich und ernst aus. Auch dieses Geburtstagfest hat sich irgendwie trotz vertrauter sicherer Umgebung falsch angefühlt, und es lag nicht an den Geschenken oder am Geburtstagskuchen.
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Annette Kühne aus Braunschweig schrieb am 17.08.2023
Es ist mein zweiter Eintrag hier. Ich habe keine Erinnerung an diese Zeit, nur ein Bild von dem Speisesaal und meine Alpträume danach..
1. Alptraum. Ich suche verzweifelt eine Toilette, finde die endlich und das Bett ist nass.
2. Traum. Ich bin in einen Raum allein und Nebel steigt auf, ich bekomme keine Luft und ersticke.
3.Traum. Ich werde verfolgt und die Tür ist kleiner als der Türrahmen.
4. Traum. Es wird Fleisch aus meinen Beinen geschnitten, ich bin ohnmächtig vor Schmerz.
Ein Lehrer in der 12. Klasse sagte „Male es auf“ und es war damit vorbei.
Kennt ihr diese Träume?
Liebe Grüße, Annette
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Sandau Manfred aus 31693 Hespe schrieb am 17.08.2023
Das Haus Heyden war ein relativ kleines Heim oberhalb des Alpenfreibades. Ich bin etwa 1963 durch das Jugendamt in Braunschweig in das Heim gekommen. Es gab einen misshndelnden Stiefvater, der mich ziemlich zugerichtet hatte. So beschloss der Vormund, dass ich nach Scheidegg kam. Ich besuchte zunäachst die Volksschule in Scheidegg. Später die Realschule in Lindenberg im Allgäu. Zu Weihnachten durften wir in das Erholungsheim Bergfried, das sich ebenfalls im Ortsteil Forst befand. etwas unterhalb des Freibades. Dann gab es noch die Sonnenhalde, wo etwa 60 Kinder untergebracht waren. Die Kinder gingen teilweise auch in die Volksschule. Im Winter wenn es Schnee gab sind wir auf der Wiese des Bauern Miltz Ski und Schlitten gefahren. Beim Bauer Bantel und in der Käserei, die ein Herr Aichele betrieb, wurde Butter Milch und Käse eingekauft. Später gab es dann einen Milchwagen, der die Kannen leerpumpte und die Milch in einen größeren Verarbeitungsbetrieb brachte. In dem kleinen Heim habe ich nicht so viele schlechte Erfahrungen gemacht. Frau Heiden und ihr Stiefsohn führten das Haus ordentlich, es gab regelmäßig und gutes Essen. Als ich älter wurde musste ich Aufgaben im Haus übernehmen, so den Kühlschrank in Ordnung halten, mich auf die Treppe setzen, wenn die kleineren eineMittagsruhe hielten. Später. kamen kleinere Einkäufe beim Bäcker und beim Metzger dazu. Der Schulweg über den Kreuzberg war im Sommer sehr schön. Im Winter fuhr Herr Boll mit dem Schneepflug oder der Schneefräse durch die Straßen. Ich war bei den Lehrerinnen Frau Minn Frau Förster und zuletzt bei Herrn Ostler in der Klasse, der gerne sportliche französische Autos fuhr. Eine Lehrerin Frau Knipperts heiratete den Inhabe eines Schreibwarengeschäftes. In der Faschingszeit gab es einen kleinen Umzug durch den Ort und an einem Tag, St. Martin, zogen wir durch den Ort, sangen unser Lied und bekamen Süßigkeiten in die Tasche gesteckt. Später kam ich in eine sog. Erziehungsanstalt, mit dem Namen Blauer Stein in Wolfenbüttel. Dort wurden meist schwierige Kinder von sog. Erzehern und Sozialarbeitern betreut. Die Methoden, die dort angewendet wurden würde ich heute als sehr fragwürdig ansehen. Mittlerweile ist auf dem Gelände des ehemaligen Blauen Steins die Lebenshilfe eingezogen. Es wurden mehrere Gebäude angebaut und es werden in den Werkstätten Teile für VW angefertigt und zusammengebaut, dafür erhält der Träger pro Stück Geld vom Auftraggeber. Es waren Zeiten, in denen man noch hier und da eine Ohrfeige kassierte, oder inder Schule eine Strafe absitzen musste. Ein Lehrer stolperte über eine Schultasche. Da musste der Verursacher 100 mal schreiben: Ich darf auf meinen Lehrer keinen Mordversuch unternehmen. Vollkommener Schwachsinn. Später habe ich gehört, dass. einer der Jugendlichen einem Erzieher eine Ohrfeige gegeben habe. Ich nehme an er wird dafür seine Gründe gehabt haben.
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Heinz schrieb am 17.08.2023
Sehr geehrte Damen und Herren,

Mitte der fünfziger Jahre wurde ich mit meiner Schwester über das Bundesbahn-Sozialwerk in ein Kinderheim bei Tutzing am Starnberger See verschickt. Ich war 5 oder 6 Jahre alt, meine ältere Schwester bereits in der Grundschule. Was ich im Kinderheim als Albtraum erleiden musste, beschäftigt mich noch heute.

Direkt nach der Ankunft wurde ich von meiner Schwester getrennt und sah sie nur noch aus der Ferne, wenn wir zum Essen anstanden. Kontaktaufnahme war streng verboten. Post nach Hause funktionierte nicht, weil ich noch nicht schreiben konnte. Allgemein wurde die Post sowieso zensiert. Ich fühlte mich so verlassen und alleine.

Der Teller des Mittagessens musste leer sein, ansonsten gab es Nachsitzen im Speisesaal. Ich mochte keine Nudeln. Deshalb habe ich manchmal bis 16 Uhr im Saal gesessen und versucht, die Nudeln einzeln herunterzuwürgen. Was für eine Barbarei.
Kein Mitleid.

Das Schlimmste aber war, dass ich kurz nach Beginn der Verschickung eine Blinddarmreizung bekam, die sich im Laufe der sechs Wochen zu einer Entzündung entwickelte. Die Symptome wurde von den Pflegeschwestern einfach ignoriert oder weggewischt. Ich musste mich oft nachts aus dem Schlaf heraus übergeben und wurde deshalb heftig morgens ausgeschimpft, weil das Bettzeug beschmutzt war. Ich musste als Kind dann die Bettwäsche selber wechseln. Weil ich Angst vor der Schimpferei hatte, habe ich das Erbrochene manchmal runtergeschluckt. Manchmal gelang es mir, das Erbrochene auf dem Bettlaken mit einem Waschlappen notdürftig zu entfernen und den Flecken zu verbergen. Das gelang aber selten, denn bei der Kontrolle des gemachten Betts fiel ich dann doch auf. Und wieder ging das Geschimpfe los. Einmal habe ich mich bei einem Ausflug in den Starnberger See erbrochen. Es war grauenhaft.

Ich entwickelte aus meiner Angst heraus Schuldgefühle, weil ich den Schwestern Arbeit machte. Ich sah mich als Schuldigen. Ich wusste damals nicht, dass ich sehr krank war und versuchte auch, die heftigen Bauchschmerzen zu verbergen. Das den Schwestern zu erzählen, hätte ja wieder Geschimpfe bedeutet. Auch ein Arzt hat damals alles bagatellisiert.

Heute weiß ich nicht, wie ich das damals ausgehalten habe. Nachdem ich wieder zu Hause in Essen war, kam ich drei Tage später ins Krankenhaus und wurde operiert. Das Risiko eines Durchbruchs bestand akut . Die OP hat mir wohl das Leben gerettet.
Meine Eltern waren schockiert und haben mich nie wieder in eine Kinderkur verschickt.

Diese Erlebnisse belasten mich bis heute. Wie konnte es passieren, dass so mit mir umgegangen wurde? Das war Vergewaltigung einer Kinderseele. Manchmal habe ich heute noch flashbacks.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin trotz dieser Tortur im weiteren Leben ein gestandener Ingenieur sowie Ehemann und Vater geworden. Ich sitze nicht in der Ecke und bedauere mich selbst.

Der Auslöser für meine E-Mail ist ein Artikel im heutigen (01.07.2023) Kölner Stadtanzeiger mit dem Titel ‚Ein tiefes Gefühl der Verlassenheit‘. Genauso war es und noch schlimmer. Noch viel schlimmer.
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Simone aus Vista, CA USA schrieb am 14.08.2023
Ich war im Sommer 1978 in Dahmshöhe. Ich war damals schon fast 13, habe daher sehr klare Erinnerungen. Auch habe ich damals Tagebuch geführt, weiß also, dass meine Erinnerungen real sind.

Ich erinnere mich sehr deutlich an den Tag unserer Ankunft. Wir mussten alle unter Aufsicht eine Karte an unsere Eltern schreiben, der Text war auf einer Tafel vorgeschrieben. Natürlich nur positives. Dann wurde alles von uns eingesammelt, was man nur einsammeln konnte. Taschengeld wurde weggeschlossen, das bekam ich dann am Ende der Kur wieder, mit einer Quittung auf der stand, dass Geld für Spende für deutsch-sowietische Freundschaft oder so was entnommen worden war. Auf meinen Protest hin, sagte die Erzieherin "Du bist also gegen deutsch-sowjetische Freundschaft?" Naja, was sagt man dann noch, als Kind. Meine Armbanduhr wurde auch weggeschlossen. Auch alle Süssigkeiten wurden eingesammelt ("Sonst kommen Mäuse ins Haus"). Wir kriegten dann Sonntags ein kleines Stückchen, irgendwas, es war alles gemischt. Sicherlich haben die Erzieher sich die besten Sachen genommen. Dasselbe mit Zahnpasta. ("Die kleinen Kinder essen sonst die Zahnpasta") Ich hatte eine sehr gute, von der Tschechei. Stattdessen wurde mir jeden Abend diese grässliche süssliche DDR-Kinderzahnpasta Putzi auf die Zahnbürste geschmiert. Als ich mal Zahnpasta-Dienst hatte, habe ich meine eigene in der grossen Schüssel gesucht, weiß nicht mehr, ob ich sie gefunden habe.

Ich war mit noch einem fast 13-jährigen Mädchen allein im Turmzimmer. Laut Heimleiter hatten wir das schönste Zimmer. Und waren ihm dafür nicht dankbar genug. Er nannte uns seine "Zimtzicken". Überhaupt kann ich mich an recht viele beleidigende Bemerkungen erinnern. Ich weiss noch, dass alle unsere Sachen weggeschlossen wurden. Ich glaube wir durften nur einmal in der Woche richtig duschen. Genau weiss ich, dass wir nur einmal in der Woche neue Sachen anziehen durften. Das fanden wir als pubertierende Mädchen so ekelig! Meine Zimmernachbarin hatte schon ihre Tage. Ich weiss noch, dass wir es dann geschafft hatten, mit einem Stift heimlich den Schrank in unserem Zimmer aufzubrechen, um an saubere Unterwäsche heranzukommen. Wir hatten ja genug mit! (Es mussten genügend Sachen für vier Wochen mitgebracht werden. Ich erinnere mich noch an die endlose Stickerei, alles mit meinem Zeichen zu versehen. Ob die Heimleute irgendwann mal Wäsche gewaschen hätten, ist mir nicht bewusst.)

An irgendwelche sexuellen Übergriffe von Seiten des Heimleiters erinnere ich mich nicht. Ich war aber auch damals eher sehr mager, deshalb war ich ja hingeschickt worden. Ich habe mich in dem Heim so geärgert, dass ich dann nochmal zwei Kilo abgenommen hatte. Wenn es solche Übergriffe gegeben hat, dann hat sich der Mann möglicherweise auch lieber Opfer gesucht, die jünger waren, und sich nicht so gut erinnern würden.

Das Essen war manchmal schlecht, manchmal ok. Ich musste auch zu Hause immer aufessen, von daher war ich solchen Kummer gewohnt. Aber so schlimm wie im Heim war es zu Hause nicht. Ich mag auf Schnitten meine Butter nur ganz dünn. Ich erinnere mich, dass mich einmal eine Erzieherin zwang, den ganzen Rest meiner Butter auf einen kleinen Rest Schnitte zu schmieren, und das zu essen. Da kommt es mir heute nocht fast hoch bei dem Gedanken. Ich erinnere mich auch an das Pilzesammeln. Es gab massenhaft Pilze, aber sie endeten nie in unserem Essen. Wer weiss was die Leute damit gemacht haben.

Jeder Tag begann mit kalten Gesichts- und Nackengüssen, und einer Bürstenmassage. Dabei mussten wir alle zusammen nackt in einem Raum stehen, und ein Kind musste die Bewegungen vormachen. Mich hat das nicht gestört, unsere Familie hat immer FKK gemacht. Aber wenn ich jetzt so darüber nachdenke, kommt es mir doch sehr seltsam vor.

Es gab auch ein paar schöne Erinnerungen. Wir durften baden gehen, haben viele Lieder gelernt. Einmal waren wir im nahegelegenen Ort und haben dort Eis gegessen. Die vielen Wanderungen fand ich eher öde und viel zu lang. Eine Exkursion war zum KZ Museum. Irgendwann durften wir basteln, das hat mir dann sehr über die letzten zwei Wochen geholfen.

Das Schlimmste fand ich die Zensur der Briefe. Wir mussten immer unsere Briefe offen einer Erzieherin geben. Eine war jung, und fand die Sache offenbar peinlich. Der hab ich dann einen Brief gegeben, sie las ihn, und dann hab ich ihn zugeklebt. In dem Brief erwähnte ich Heimweh, und dass unsere Schokolade eingesammelt worden war. Am nächsten Tag kam der Heimleiter mit dem wieder geöffneten Brief in unser Zimmer und hat einen riesigen Krach gemacht. Ich habe den ganzen Abend geheult, und musste einen neuen Brief schreiben. Ich habe dann in einer geheimen Zeichensprache, die nur ich und meine Schwester kannten, den Satz "Alles Scheiße hier" an den Rand gekrakelt. Mehr hab ich mir nicht getraut, ich hatte Angst, der Mensch würde sonst merken, dass die Zeichen ein Alphabet waren. Hoffte dann lange, dass mich meine Eltern abholen kommen würden, aber sie kamen nie. (Sie sagten mir später, dass sie sich Sorgen gemacht hatten, aber einfach nicht wussten, wie schlimm es war. Ich hatte einfach nicht genug Information durchschleusen können.) Ich habe dann lange darüber fantasiert, mich irgendwie zum nahen Ort durchzuschlagen, um einen unzensierten Brief in die Post zu geben, aber das war hoffnungslos.

In meiner Erinnerung hiess der Heimleiter Fred Goldberg, aber viele andere hier sagen Goldmann. Ich erinnere mich, dass er immer wieder erzählte, dass er im KZ gewesen war. Er brachte uns verschiedene Protestlieder bei, die sie damals im KZ gesungen hatten, unter anderem ein Piratenlied, in der eine Zeile hiess "Und dann steigt am schwankenden Mast empor unsere Fahne, so rot wie das Blut". Das war so deren heimlicher Protest gewesen. Er betonte uns gegenüber immer wieder, dass er nach dieser Gefangenschaft sehr scharfe Ohren hätte, und ALLES von uns hören könnte, und alles in Erfahrung bringen würde.
Ich dachte als Erwachsene oft über diese Kur nach, und dachte damals, der Mann hatte sich an uns deutschen Kindern rächen wollen. Ich dachte auch immer, es sollten Ermittlungen stattfinden, und die Leute dort zur Rechenschaft gezogen werden. Ich hatte keine Ahnung, dass diese Kurheime so weit verbreitet und fast alle so schlimm waren.
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Silke aus 46569 Hünxe schrieb am 13.08.2023
Ich war 1970 mit 6 Jahren für 6 Wochen über die Krankenkasse in Brilon.
Erinnerungen sind nur bruchstückhaft vorhanden:
Heimleiterin herrisch und mit Dutt(?), Bettnässen sollte mit 'umerziehen' geheilt werden, der Heimleiterin in ein Vorschlaghammer auf den Fuss gefallen..... Also wirklich nur schemenhafte Erinnerungen, die aber immer mit Gefühlen der Hilflosigkeit, Angst und enormer Einsamkeit verbunden sind. Vielleicht findet sich hier ja noch jemand, der in diesem Jahr auch dort war. Bei mir haben diese 6 Wochen bis heute starke Spuren hinterlassen. Ich denke, dass mir u.a. deswegen auch Erinnerungen fehlen.
Vielleicht gelingt es mir ja durch eure Erfahrungen, die Lücken etwas zu schließen.
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Birgit Lehne aus Celle schrieb am 11.08.2023
Ich bekam im Alter von 11 Monaten Keuchhusten und wurde vom Kinderarzt noch auf die Schnelle gegen Keuchhusten geimpft. Da ich schon Neurodermitis hatte soll das der Auslöser für mein Asthma gewesen sein. Dauerhafte Atemnot und Hustenanfälle bei der kleinsten Anstrengung waren die Folge. Meine Mutter ist in ihrer Verzweiflung ständig mit mir beim Kinderarzt gewesen. Der empfahl ein weiteres Kind zu bekommen damit sie sich nicht immer so auf dieses eine kranke Kind konzentriert. Als meine Schwester dann geboren wurde war ich 3 1/2 Jahre alt. Mein Asthma war unverändert und dann auch noch ein Neugeborenes in der kleinen Wohnung. Meine Mutter war endgültig am Ende ihrer Kräfte. Der Kinderarzt empfahl für mich einen Aufenthalt an der See und meine Eltern glaubten es würde mir dort geholfen.
Ich wurde am 27. 8. 1965 zum ersten Mal nach Norderney in das Seehospiz verschickt. Ich hatte das Glück nicht mit einem Sammeltransport anreisen zu müssen. Meine Eltern brachten mich. Sie hatten sich auf der Insel eingemietet um mich in der ersten Woche besuchen zu können, das wurde ihnen verboten. Sie haben noch versucht am nächsten Morgen meine Gruppe beim Spaziergang zu finden, ich war aber nirgendwo zu sehen. Das deckt sich mit dem Arztbericht ich habe in der ersten Nacht Fieber bekommen und musste neben der Trennung auch noch mit einer Pneumonie klar kommen. Man hatte meinen Eltern auch verboten zu schreiben damit ich kein Heimweh bekomme. Daran haben sie sich gehalten. Jeden Mittag wurde die Post verteilt, ich bekam nichts daran erinnere ich mich. Nur an meinem Geburtstag bekam ich Post ein Paket mit Süßigkeiten die an alle verteilt wurden. Als mich meine Eltern am 1. Dezember wieder abholten habe ich nicht gesprochen bis wir auf der Fähre waren und diese abgelegt hatte. Meine ersten Worte waren dann "Ich habe geglaubt Ihr holt mich nie mehr wieder".

Diese Kur wurde vom Kinderarzt empfohlen und 1967 und 1970 wiederholt, jeweils 14 Wochen.

Einige Erlebnisse aus meinen 3 Aufenthalten im Seehospiz möchte ich hier schildern.

Essen und Gewicht zunehmen war sehr wichtig. Es wurde von den Nonnen aufgetan und das musste aufgegessen werden. Mann musste so lange am Tisch sitzen bis der Teller leer war. Ich erinnere mich mit Nachdruck gefüttert worden zu sein, mit einer Hand gefüttert, mit der anderen Hand wurde der Mund zu gehalten. Ein Mädchen neben mir am Tisch erbrach sich über den Teller. Sie musste weiter essen und auch das Erbrochene aufessen.

Einmal gelang es mir ein Stück Brot mit grober fettiger Leberwurst in die Rocktasche zu stecken. Als wir hinterher zur Toilette durften habe ich versucht dieses Stück zu "versenken" . Das klappte leider nicht. Es wurde später von den Nonnen entdeckt, ließ sich aber nicht mehr einem Kind zuordnen. Die Nonnen schimpften mit der ganzen Gruppe und zum Schluss sagten sie "der liebe Gott wird den Täter bestrafen " ... ich habe jahrelang Angst gehabt in eine Kirche zu gehen.

Zur Toilette gehen war nur zu bestimmten Zeiten erlaubt. Wenn ich in der Nacht musste, so musste ich lange allein im dunklen Flur stehen bis die Nonne dann irgendwann die Erlaubnis gab. Andererseits bekam man aber auch großen Ärger wenn man ins Bett machte.

Tagsüber gab es feste Zeiten für den Toilettengang, außerhalb dieser Zeiten war es nicht erlaubt. Da hab ich mich in die Puppenecke gesetzt und habe auf die Kissen gemacht. Da Mädchen immer Röcke tragen mussten hat das keiner bemerkt. Ich erinnere mich das mehr als einmal gemacht zu haben und dann bin ich mit der nassen Unterhose rumgelaufen bis sie wieder getrocknet war.

Mittags gab es Liegekuren draußen in einem langen Gang. Alle lagen nebeneinander auf Liegen und mussten in eine Richtung auf der Seite liegen damit wir nicht reden. Damit sich keiner dreht wurde eine Decke um den Körper gewickelt und stramm fest gesteckt - ich ertrage heute noch keine engen Kleidungsstücke.
Eine Nonne hat die Kinder beaufsichtigt, reden durften wir nicht.

Beim 2. und 3. Aufenthalt habe ich dann Post von meinen Eltern und Großeltern bekommen. Die erste Karte von meiner Mutter hat ganz rund gekaute Ecken.
Die Post wurde Mittags natürlich nur verteilt wenn alle Kinder aufgegessen hatten und ruhig waren. Sonst wurde sie bis zum nächsten Tag wieder mitgenommen.

Mittags wurden auch Pakete mit in den Speiseraum gebracht die man z. B. bekam wenn man Geburtstag hatte. Ich hatte 2x dort Geburtstag. Beim ersten Mal wurde ich dort 4. das Paket wurde vor allen geöffnet. Die Süßigkeiten wurden allen gezeigt und dann wurde ich gefragt ob sie verteilt werden sollen oder in meinen Koffer gelegt. Das zu entscheiden war wirklich schwer mit gerade einmal 4 Jahren.

Bei meinem 3. Aufenthalt war ich 8 Jahre alt. Als ich gebracht wurde musste ich im Speiseraum auf meine Gruppe warten. Da saß ein Kind das auf seine Eltern wartete. Mit diesem Kind habe ich gespielt. Dann stellte sich nach einer Woche heraus das dieses Kind eine Hepatitis hatte. Also wurden alle Kontaktkinder isoliert. Ein kleines Haus mit ca 10 Kindern, kein Garten, keine Spaziergänge an der See. Das habe ich meinen Eltern geschrieben. Mein Vater hat dann im Seehospiz angerufen und gesagt das es wichtig wäre wenn ich an die Seeluft komme und wenn ich in den Isohaus bin würde er mich abholen kommen. Da wurde ihm gesagt "Ihre Tochter hat gelogen" . Als ich dann nach 14 Wochen abgeholt wurde sagte man meinen Eltern die Wahrheit. Das war für meine Eltern der Grund mich nicht wieder dort hin zu schicken. Aus dem Isolations Haus wurden nach und nach alle Kinder entlassen sodass wir die letzte Woche nur noch zu zweit da waren.

An Medikamentengaben kann ich mich kaum erinnern, weiß natürlich auch nicht was ich bekommen habe. Eines lässt mich im Nachhinein aber stutzig werden. In meiner Ausbildung zur Kinderkrankenschwester habe ich den typischen Geruch von Atosil Tropfen als einen vertrauten Geruch wahrgenommen. Laut meinen Eltern habe ich aber nie Beruhigungsmittel bekommen.

An vieles aus den ersten Beiden Aufenthalten kann ich mich nur ganz wage erinnern. Ich habe zum Beispiel gelesen dass Kinder auf Dachböden gesperrt wurden. Das kann ich nicht beschwören, aber ich sehe immer mal wieder einen großen leeren Dachboden vor meinem inneren Auge und ich habe heute noch Angst über einen knackenden Holzboden zu gehen.
Nicht stören dürfen habe ich gelernt. Das sitzt tief. Jemanden nur mal so anrufen kann ich nicht.
Angst im Dunkeln, bekomme ich nicht weg, manchmal kann ich nur mit dem Gesicht zur Tür schlafen, liege ich mit dem Rücken zur Tür habe ich oft das Gefühl eine Hand auf die Schulter gelegt zu bekommen und das ist keine freundliche Hand.
Zur Toilette gehe ich in fremder Umgebung nicht selbst bei Besuchen in der Familie, oder aber wenn wir Besuch haben, dann kann ich auch nicht zur Toilette gehen.
Das sind alles Dinge die geblieben sind.

Eine Nonne habe ich als Kollegin wieder getroffen in der Hautklinik in Hannover. Ich habe ihr das Foto aus dem Seehospiz gezeigt und sie hat sich wieder erkannt. Um über die Geschehnisse zu sprechen war ich damals noch zu verschüchtert und wahrscheinlich auch zu jung.
Mein Asthma war mit den Aufenthalten im Seehospiz nicht besiegt und die Ärzte empfahlen weiterhin Verschickungen. So kam es, das ich 1972 mit 11 Jahren und 1973 mit fast 13 Jahren nach Ühlingen kam in das Kindersanatorium Dr. Scheede.

Meine Eltern fuhren gern Auto und so brachten sie mich hin. Die Fahrt von Celle bis Ühlingen dauerte lange, im Käfer mit 2 rauchenden Eltern (Kind wir wussten doch nicht das das nicht gut für Dein Asthma ist) .

Dort angekommen kamen wir in ein Arztzimmer zur Untersuchung und zum Gespräch. Dort musste und konnte ich mich dann auch von meinen Eltern verabschieden. Anschließend steckte man mich sofort in die Badewanne. Damals war ich empört darüber, heute denke ich ich muss unendlich nach Rauch gerochen haben.

Ich kam in ein 6 Bett Zimmer und wurde freundlich aufgenommen. Ich hatte sogar einen Schrank für meine Sachen, das war auf Norderney deutlich anders. Beim 2. Aufenthalt waren 2 Betten mehr in dem Zimmer weil Ferien waren und mehr Kinder zur Kur fuhren.

Das Essen wurde an den Tisch auf Platten und in Schüsseln gebracht. Man durfte sich die Menge nehmen die man wollte. Man konnte jederzeit nachnehmen. Was man sich genommen hatte das musste man aufessen. Ich hatte mehr als genug das Zwangsfüttern auf Norderney erlebt und fühlte mich wie im Paradies.

Auch sonst war es ganz anders als das was ich schon kannte. Wir durften jederzeit zur Toilette gehen, auch in der Nacht.

Mittags mussten wir in die Zimmer, wenn wir nicht schlafen wollten, dann durften wir uns leise beschäftigen, lesen oder Spiele spielen, nur die Anderen nicht stören. So hat mir z.B. ein Mädchen das Kontergam bedingt keine Arme hatte auf einem Reiseschachspiel das Schachspielen beigebracht.

Das Heim hatte eine Sporthalle im Keller in der wir in Kleingruppen Übungen machen mussten.

Ich hatte jeden 2. Tag Unterricht mit noch einem Mädchen in Englisch und Mathe. Da war ein Lehrer der ins Haus kam.

Es gab aber auch einen grossen Spielplatz hinter dem Haus auf dem wir gern gespielt haben.

An Ausflüge kann ich mich nur wenig erinnern.

Einmal in der Woche wurde nach Hause geschrieben. Die Briefe wurden von den Betreuerinnen gelesen, "damit keine Schreibfehler drin sind". Heute ist mir klar was das sollte, damals konnte ich das glauben.

Abends hatten wir einen großen Waschraum in dem wir uns alle gleichzeitig (nach Geschlechtern getrennt) bettfertig gemacht haben. Als ich im 2. Jahr kurz vor meinem 13. Geburtstag dort war wurde ich gefragt ob ich am Abend nach den Anderen lieber allein duschen möchte. Das fand ich sehr gut.

Im 2. Aufenthalt bekam ich Röteln. Das war eine tolle Krankheit. Ich fühlte mich nicht sonderlich schlecht, blieb im Bett und alle Mädchen durften mich besuchen. Wenn sie sich anstecken brauchten sie wenigstens nicht mehr geimpft zu werden war das Motto.

Vor Kurzem habe ich mit meiner Mutter noch einmal über meine Verschickungen gesprochen. Da erzählte sie mir das die Leiterin Frau Dr. Scheede von ihrem Liebhaber umgebracht worden ist. Das wäre sogar in Niedersachsen durch die Presse gegangen, das soll gewesen sein als ich das 2. Mal dort war. Da hat man uns Kinder wohl sehr gut abgeschirmt, denn das habe ich bis vor Kurzem nicht gewusst.

Alles in Allem blicke ich positiv auf die beiden Aufenthalte zurück. Sicher war nicht alles toll aber um Längen besser als das was ich in meiner Kleinkindzeit auf Norderney erlebt hatte.
2013 schickte mich mein Personalarzt zur "Kur" nach Borkum. Meine Verschickungen waren noch nicht so wirklich Thema aber mein Verhalten spricht im Nachhinein doch eine deutliche Sprache. Wir sollten möglichst mit dem Zug anreisen, ich nahm das Auto und nahm es auch mit auf die Insel, der Preis war mir egal. Am ersten Morgen sollten wir in Unterwäsche und Bademantel zum Wiegen kommen, ich kam voll angezogen und hab mich so auf die Waage gestellt. Eine Blutentnahme habe ich verweigert. Ebenso die Gewichtskontrolle am Ende des Aufenthaltes. Ich bekam Anwendungen in einer großen Badewanne mit warmen Wasser. Ich sollte nackt nur mit Bademantel bekleidet zur Anwendung kommen, mich anschließen schnell abtrocknen und so wieder zurück ins Zimmer. Ich kam voll bekleidet, zog zur Anwendung einen Badeanzug an und zog mich anschließen wieder vollständig an. Das machte die Therapeuten ärgerlich weil es Zeit kostete aber ich konnte nicht anders. Ich habe viel Heimweh gehabt, habe keine Kontakte zugelassen und jede freie Minute in meinem Zimmer gesessen. Die meiste Zeit hab ich geweint. Ein paar mal bin ich mit dem Auto zum Fähranleger gefahren. Am Abreise Tag war ich die erste an der Schranke zur Fähre. Ich habe dafür sogar das Frühstück sausen lassen und auf der Fähre gefrühstückt. Zu Hause hab ich dann vor Freude nur noch geheult.
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Iris W. aus München schrieb am 11.08.2023
Ich war 10 als ich in eine 6wöchige Kinderkur nach Borkum geschickt wurde, weil ich sehr häufig Bronchitis hatte und man offenbar befürchtete, ich könne Asthma bekommen.

Wir waren in 3 und 4 Bettzimmern untergebracht. Die Schränke für unsere persönlichen Dinge waren auf dem Gang und uns war verboten worden ohne Aufsichtsperson an unser Gepäck dranzugehen. Auch das mitgebrachte Taschengeld wurde uns abgenommen und wir mussten, wenn wir z.B. bei Spaziergängen etwas kaufen wollten um den entsprechenden Betrag bitten.

Duschen durften wir nur einmal pro Woche, auch die Kleidung und Unterwäsche durfte nur an diesen Tagen gewechselt werden, auch wenn wir, wie in meinem Fall, ausreichend Wäsche und Kleidung für 6 Wochen mitbekommen hatten.
Die Telefonate mit den Eltern fanden unter Aufsicht statt und wir wurden angehalten, nur positives zu erzählen und Heimweh zu verheimlichen. Auch Brife wurden geöffnet und kontrolliert, sowohl die Briefe der Eltern als auch unsere Briefe an die Eltern.
Obwohl ich als Kind keine Milch mochte und auch heute noch nicht mag, wurde ich einmal gezwungen kuhwarme Milch zu trinken, mit dem Hinweis, dass das gesund wäre.
Auch eine ca. 2-stündige Mittagsruhe mussten alle Kinder einhalten. Wir mussten uns ausziehen und uns ins Bett legen, auch wenn wir nicht müde waren und nicht schlafen konnten. Jegliche Unterhaltung war in dieser Zeit verboten.
Es waren auch sehr viel jüngere Kinder in diesem Kurheim untergebracht, die oft Heimweh hatten und sich von den Erziherinnen anhören mussten, dass sie von zu viel Weinen krank werden würden und dann nicht mit den anderen Kindern am Ende der Kur nachhause fahren können, was deren Heimweh und Traurigkeit nur noch verschlimmert hatte.
Wieder zuhause, habe ich mit meiner Mutter über die Kur und das Verhalten der Erzieherinnen gesprochen und meine Mutter war zwar sehr verärgert über die Zustände. Beschweren wollte sie sich aber nicht, da das ganz nun vorbei war und eine weitere Kur für mich nicht geplant war.
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RitaSch aus 63526 Erlensee schrieb am 09.08.2023
Im Alter von 5 Jahren wurde ich wegen Untergewicht für 6 Wochen nach Donaueschingen geschickt zur Kur. Es muss Winter 1962 gewesen sein. Vor der Schule sollte ich unbedingt zunehmen. Ich wurde alleine in einen Zug gesetzt, dort wartete eine "Tante" in einem Abteil, die nach und nach bei verschiedenen Stationen Kinder einsammelte. Im Heim angekommen standen Unmengen von Kindern aller Altersgruppen in einer großen Halle um aufgerufen und in Gruppen eingeteilt zu werden. Ich gehört mit zu den Kleinsten. Danach ging es in den Schlafsaal. Dort waren Doppelstockbetten aus Eisen aufgestellt und Metallspinde für unser Gepäck. Es war ein großer Saal, wieviele Betten es waren kann ich nicht mehr sagen. Um es abzukürzen, das Essen war furchtbar, Erbrochenes musste aufgegessen werden, Spielsachen gab es so gut wie keine, es gab lange Ruhezeiten auch Mittags. Da es Winter war und Schnee lag, waren wir kaum draußen. Ich habe viel geweint, und dachte meine Eltern haben mich weggegeben. Geschlagen wurde ich nicht, aber psychisch war es eine Folter. Ich hatte keine Ahnung wie lange ich dort bleiben sollte, ob für immer oder übergangsweise. Ich habe dort mit niemandem gesprochen, die ganzen 6 Wochen nicht, außer zu meiner Gruppentante, dass ich nach Hause möchte. Die hat nur immer abgewiegelt. Sie hat für mich wöchentlich eine Postkarte nach Hause geschrieben, worin stand, dass es mir gut ginge und ich alles toll fände, wie ich im Nachhinein von meinen Eltern erfahren habe. Einmal haben wir einen Ausflug nach draußen gemacht mit der Gruppe von geschätzt 40 Kindern und 3 Schlitten. Es war wohl gerade Fastnacht und wir sind in so eine verkleidete Hexengruppe geraten. Da waren auch Leute mit fürchterlichen Masken, die mich sehr erschreckt haben. Eine Hexe hat mich mit ihrem Besen gejagt, sodass ich weggerannt bin und mich irgendwo im Schnee unter einem Busch versteckt habe, ich hatte Panik. Die Leute vom Heim haben mich erst nachts gefunden und ich hatte eine fürchterliche Erkältung eingefangen. Daraufhin musste ich etwa eine Woche alleine im Schlafraum bleiben ohne jegliche Ablenkung oder Beschäftigung. Am Tag der Abreise, wir mussten vormittags unsere Taschen packen, gab es wieder ein scheußliches Mittagessen mit verdorbenen Eiern. Die erbrach ich wieder, musste das Erbrochene wieder aufessen, erbrach wieder usw. Deshalb durfte ich dann nicht mit abreisen und musste eine Nacht länger ganz alleine im Schlafsaal bleiben. Am nächsten Vormittag wurde ich zum Zug gebracht und alleine in den Zug gesetzt, die Gruppen mit Betreuung unterwegs waren ja bereits am Vortag abgereist. Ich weiß nicht mehr, wie ich am richtigen Bahnhof ausgestiegen bin, hat vermutlich der Schaffner drauf geachtet. Jedenfalls waren meine Eltern da in Offenbach/Main und haben mich abgeholt. Man sollte meinen ich war froh sie wiederzusehen, jedoch war ich sehr böse auf sie und traurig und habe die ersten Wochen auch nicht mit ihnen gesprochen, nur mit meinem älteren Bruder, der zuhause bleiben durfte. Dann wurde ich gleich zum Hausarzt gebracht, wo dann festgestellt wurde, dass ich 3 kg abgenommen hatte. Da wusste ich, dass die Reise überflüssig gewesen war und hatte schreckliche Angst nochmal verschickt zu werden. Wie ich heute weiß war diese Kur psychisch äußerst schädlich für meine weitere Entwicklung. Ich blieb ein sehr zurückhaltendes scheues Kind, das sehr schwer Freunde gefunden hat und dem Vertrauen zu anderen Menschen schwer fiel. Auch heute bin ich zurückhaltend, ich glaube diese Verschickung, die zu nichts nütze war, hat mir sehr geschadet.
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Melanie L. aus Halle/ Saale - Kurort unbekannt schrieb am 06.08.2023
Ich war im Alter von 5 Jahren im Jahr 1982 zur Kur. Wir wohnten damals in Halle/ Saale, der Kurort ist mir nicht (mehr) bekannt. Erst im vergangenen Sommer kam die Erinnerung hoch, dass ich zur Kur war, jedoch sind diese 6 Wochen wie ausradiert.
Ich kann mich an Situationen aus meinem Kindergarten und der Schule erinnern, aber fast nichts von der Kur - keine Gesichter, Namen oder Gefühle.
Einzig wusste ich noch, dass wir aus einem privaten Garten Pflaumen gemopst hatten (also muss es Spätsommer gewesen sein) und am Tisch mit dem Armen hinter der Lehne sitzen mussten, damit der Oberkörper kerzengerade ist.

Dank Google stieß ich auf diese Seite. Die Tatsache, dass kaum Berichte aus der DDR zu finden sind und die meisten keine Erinnerungen haben, macht mir Angst! Ich sprach eine Freundin an, ob sie auch zur Kur war. Sie bejahte es und hat ebenfalls keinerlei Erinnerungen.
Durch das Lesen und die Gespräche darüber mit meiner Mutter kamen folgende Erinnerungen bei ihr oder mir wieder hoch:
- Wassertreten; auch ich watete in der Kinderkur in kalten Wasser, weiß aber nicht in welcher Räumlichkeit
- Szene, wo eine Frau auf meiner Bettkante saß und mir einen Brief meiner Eltern vorlas (jedoch nicht wie es mir ging, was um mich herum geschah)
- Meine Mutter bestätigte, dass auch ich mit einem Koffer voll sauberer Kleidung heim kam. Nur wenig Kleidung war schmutzig. Sie dachte damals dass diese gewaschen worden sei, aber nachdem, was ich hier las, wurde sie sicher bei Ankunft abgenommen.
- Nach meiner Rückkehr war ich sehr still, völlig verändert. Auf alten Bildern der Sonnenschein, war ich auf Bildern nach der Kur ein Trauerkloß.
- Wir sprachen nochmal zu Tisch, aber nach meiner Rückkehr sagte ich am Tisch kein Wort, selbst nachdem mir meine Eltern sagten das sei ok und ich darf es, erwiderte ich, dass ich es nicht darf. Auch saß ich weiterhin am Tisch mit den Armen rückwärts über die Lehne.
- Ich habe nach meiner Rückkehr kaum etwas gegessen.
- Meine Eltern durften mir keine Pakete senden. Nur einmal kam Post von mir. 6 Wochen absolutes Kontaktverbot, lediglich Briefe durften sie senden. Wie oft wir diese erhielten weiß ich nicht.

Ich wurde zur Kur geschickt (vom System, nicht meinen Eltern), um zu wachsen, da ich als Vorschulkind zu klein war. Ich kam nach den 6 Wochen tatsächlich etwas größer zurück. Wie das???

Auf der Suche nach Antworten las ich hier sehr viele Berichte und frage mich, ob ich deswegen
- Sauna und Hitze nicht mag. Es gibt mir das Gefühl, keine Luft zu bekommen.
- Eisbaden/kalt duschen meide.
- Butter nicht mag.
- Verlassensängste habe. Meine Eltern waren sehr fürsorglich, aus meiner sonst behüteten Kindheit kann es nicht kommen.
- Immer wieder Situationen erfahre, in denen ich absolute Ohnmacht fühle, also andere ihre Macht mir gegenüber ausspielen können, ohne dass ich etwas daran ändern könnte.
- Trotz dass ich eine schöne Frau bin, kein Selbstwertgefühl habe.

Als Kind war ich Linkshänder und musste umerzogen werden. Ob dies während der Kur begann der später weiß ich jedoch nicht.

Denen, die wie ich auf der Suche nach Antworten sind, kann ich ebenfalls keine geben, aber ich werde mir professionelle Hilfe suchen, da ich die Geschehnisse dieser 6 Wochen wissen möchte, egal wie schmerzhaft sie sind.

Ich wünsche und allen Antworten und Heilung.
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Renate Gogler aus 61169 Friedberg schrieb am 04.08.2023
Ich war gerade in die 2.Klasse gekommen und wurde im Winter 1965/66 für 6 endlos lange Wochen nach Borkum geschickt, weil ich der Schulärztin nach zu dünn und zu häufig erkältet war. Im Sommer davor hatte ich gerade schwimmen gelernt, deshalb fand ich es schon doof, im Winter an´s Meer zu müssen.
Dieses Heim wurde von Nonnen geführt und ich erinnere mich nur an eine Erzieherin, die nicht Nonne war. Das ist sehr wichtig, weil ich selbst evangelisch bin und seit diesem Aufenthalt eine heftige Nonnen-Phobie habe. Wir mußten uns nach dem Frühstück und Gebet bekreuzigen. Das habe ich verweigert mit den Worten, ich sein evangelisch und bräuchte das nicht. Daraufhin gab es einen Anruf bei meinen Eltern, weil ich so ein bockiges Kind sei. Mein Vater hat völlig hinter mir gestanden und meine Aussage bekräftigt. Wenn uns Nonnen in den Gängen begegneten, mußten wir immer an die Seite treten und an den Wänden entlanglaufen. Das war so fremd und einschüchternd für mich, ich habe das Gehusche der Nonnen gehaßt. Das Gefühl ist immer noch ganz stark in mir. Wir mußten auch alles aufessen und das Essen war fettig und eklig. Ich habe kein bißchen zugenommen und dann gab es deshalb wieder einen Anruf bei meinen Eltern. Ich durfte meinen Vater sprechen und habe ihm gesagt, daß das Essen scheußlich sei. Meine Eltern haben total hinter mir gestanden und ich bin ihnen noch heute sehr dankbar dafür. Das Schlimmste war aber, daß wir ein Mädchen in unserem Schlafsaal hatten, daß nachts ihr Bett vollgenäßt hat. Daraufhin wurde, soweit ich mich erinnere, in mehreren Nächten plötzlich das Licht angemacht, eine Nonne ging an das Bett des Mädchens, riß sie aus dem Bett und stellte sie vor uns allen bloß mit den Worten: "Schaut her, das Schwein hat wieder das Bett vollgepinkelt". Ich habe mich schon damals mit 7 Jahren gefragt, warum diese Nonnen Kinder betreuen, wenn sie doch Kinder hassen. Dieses Gefühl ist geblieben und beim Anblick von Nonnen packt es mich jedes Mal. Alles in allem kann ich nicht von selbst erlebten Mißhandlungen berichten, aber trotzdem waren es die schlimmsten 6 Wochen meines Kinderlebens. Meine Eltern waren nach meiner Rückkehr auch entsetzt darüber, was sie durch die Anrufe mitbekommen hatten und daß ich überhaupt nicht zugenommen hatte. Daß sie nur mein Bestes wollten, war mir schon damals bewußt und ich habe ihnen auch verziehen.
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H. F. aus Friedrichsdorf schrieb am 04.08.2023
Ich bin 1964 geboren und wurde denke ich in der 3. Grundschulklasse 1973 noch vor den Sommerferien in ein "Kindererholungsheim" der DAK in der Nähe von Hamburg mit zwei meiner 3 Brüder verschickt von Nürnberg aus mit dem Zug ohne die Eltern mit meinen Brüdern und einer fremden Betreuerin, da unsere Mutter in die Kur mußte und mein Vater sich nur um den jüngsten Bruder kümmern konnte.
In meiner Erinnerung wurde ich gleich am Anfang gewogen, ich denke ich war zu dünn in deren Augen und ich sollte zunehmen. Im Speisesaal wurde mir deswegen oft ungefragt zum Mittagessen ein heißer "Nachschlag" auf den Teller gekippt - auch über meine Hände wenn ich diese verrneinend und ablehnend über den Teller hielt. Meine Hände waren oft verbrüht und ich musste dann alleine im Speisesaal "nachsitzen" bis ich den Teller komplett aufgesessen hatte.
Nach dem Speisesaal ging es in den "Mittagschlaf Saal" - wir Kinder mussten uns mit einer speziellen Wickeltechnik auf den Feldbetten einwickeln. Dieser Schlafsaal war sehr hell, es war für mich schwierig zu schlafen - also tat ich so als würde man schlafen - wer mit offenen Augen entdeckt wurde musste "nachschlafen", das ist mir auch ab und zu passiert.
Ab und zu mussten wir in braune große Bottiche mit heißem Wasser - evtl Solewasser - steigen. Da es mir einmal beim einsteigen zu heiß war, hatte ich mich verweigert hinein zu steigen. Das half nichts ich wurde hinein geschubst und wurde dann durch die Hitze ohnmächtig und wieder heraus gezogen. Ich hatte im Anschluss immer Panik vor diesem heißen "Solebad"
Wir waren im Hochsommer in Hamburg, da wird es schon um 5 Uhr früh hell und die Sonne schien in den Schlafsaal - wir hatten keine dunklen Vorhänge, sodass der Schlafsaal schon ab 5 Uhr hell war. Das heißt ich wurde ab und zu "unerlaubt" wach zu einer Zeit in der ich nicht wach hätte sein dürfen. So bald ich mit offenen Augen gesichtet wurde, wurde ich aus dem Bett gezerrt und musste im "Waschsaal" auf einem Stuhl 2 Stunden ruhig verbringen und "nachschlafen " bis offizieller Aufwachzeitpunkt gewesen ist. Einmal wurde ich deswegen in die Besenkammer gesperrt, da der Waschsaal schon "belegt" war.
Einmal die Woche hatten wir einen Basteltag für die Eltern, dazu haben wir immer einen Brief geschrieben. Mein Brief wurde regelmäßig zerrissen und mir wurde diktiert was ich zu schreiben hatte, daher gingen meine Eltern davon aus, dass ich in den ca 4 Wochen eine tolle Zeit gehabt hätte.
Unser Spaziergang ging immer "um den Pudding" da gab es einen Graben voller Brennessel. Größere Kinder machten sich oft einen Spaß daraus kleinere Kinder - so wie mich - in den Brennessel Graben zu schubsen. Dagegen unternahmen die "Erzieherinnen" nichts - auch nicht für die Pflege der brennenden Haut im Anschluss.
Es war ein sehr sehr heißer Sommer. Damit niemand nachts in die Hose machte, bekamen wir nur im Laufe des Tages einen Becher mit Hagebutten Tee - ich hatte unendlichen Durst in den 4 Wochen. Den Geschmack von diesem Hagebutten Tee hatte ich oft in den Jahren danach noch im Mund, wenn ich nach einem langen Schultag in der weiterführenden Schule an heißen Tagen Durst hatte in den öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Weg nach Hause.
Während der ca 4 Wochen in dem "Kindererholungsheim" hatte ich kein Recht mit meinen Brüdern zu sprechen.
Es war alles andere als Erholung, es war der reinste Horror
H. F.
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Kontakt Wunsch: Kontakt: Über die Initiative
Egon Luce aus 48329 Havixbeck schrieb am 04.08.2023
Ich war mit 4 Jahren mit meinem älteren Bruder zur Kur in Bad Sassendorf. Ich musste solange essen, bis ich das erbrochene Wurzelgemüse aufgegessen hatte.
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Renate Lenz aus Hannover schrieb am 03.08.2023
ERFAHRUNGSBERICHT
verfasst am 03.08.2023

Mein Name ist Renate Lenz, geb. am 17.4.53 in Hannover. Mit 5 Jahren wurde ich am 26. 09. 58 bis zum 7.11.58 nach Wyk auf Föhr ins Kinderheim geschickt wegen verschiedener Atemwegsprobleme (Polypen entfernt, schwerer Keuchhusten mit 4 Jahren, wiederholte vereiterte Mandelentzündungen, ständige Erkältungen mit schwerem Husten, angegriffene Hilusdrüsen). Der Aufenthalt wurde durch die ÜSTRA Hannover ermöglicht, wo mein Vater angestellt war. Ich weiß nicht, wie das Heim hieß, ich dachte immer, es gäbe nur eins und das hieße "Wikauför" Ich kann dies auch nicht mehr erfahren, es gibt keine Unterlagen darüber, nur das Datum habe ich aus dem Tagebuch meiner Mutter, die vor mehr als 10 Jahren verstorben ist.

Die Vorfreude auf den Aufenthalt auf der Insel war groß. Eltern, Großeltern Tanten sorgen für meine "Ausrüstung": Eimerchen und kleine Schaufeln und Harken sollten wir mitbringen, denn wir würden ja viel am Strand spielen. Badezeug war auch dabei, ich konnte schon schwimmen.

Bei der Ankunft stellte sich uns "Tante Else" vor, die für uns kleine Mädchen zuständig sein werde. Als erstes mussten wir unser Strandspielzeug abliefern, denn für den Strand seien wir noch zu klein und könnten ins Meer fallen und verschwinden. Dabei war der Strand auf den Fotos so breit. Und ins Meer durften wir erst recht nicht. Unser Spielzeug wurde eingesammelt, um es älteren Kindern zu übergeben. Tante Else erklärte uns auch, dass wir beim essen nicht reden dürften, sonst gäbe es Strafen. Und alles müsste aufgegessen werden. Tante Else zeigte uns unseren Schlafraum und die Toiletten. Sie selbst würde im Raum neben uns schlafen und wir könnten sie jederzeit rufen, wenn jemand zum Beispiel nachts auf die Toilette müsste und den Weg nicht fände.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war das Bett nass! Ich hatte mich eingenässt, denn ich fand den Weg zur Toilette im Dunkeln nicht oder vielleicht wurde ich erschreckt.
Ich habe diese Tante Else ganz oft in jener ersten Nacht gerufen, andere Mädchen haben das am nächsten Morgen, als mein eingepinkeltes Bett entdeckt wurde, bestätigt. Tante Else hat alles als Lüge bezeichnet und den anderen Kindern verboten, mit so einer wie mir zu reden. Ich wurde von den anderen Kindern isoliert gehalten. Tante Else taten meine Eltern leid, die mit einer Bettnässerin gestraft worden seien.

Ich war so verzweifelt, dass ich mich immer mehr vollpinkelte, dann überhaupt keinen Schließmuskel mehr beherrschte. Für Tante Else war ich das perfekte Beispiel eines total missratenen Kindes, aus dem nie etwas werden würde.

Bis zum letzten Tag. Ein Mädchen hat eines Tages das Redeverbot mit mir durchbrochen, bei einem Spaziergang wartete sie auf mich, die immer einen Sicherheitsabstand von ca.20m zu der Gruppe halten musste. Das Mädchen stand einfach neben mir und fasste meine Hand: ich täte ihr so leid. Dann stand Tante Else neben uns: Wenn Du nicht sofort zur Gruppe zurückkehrst , geht es Dir genauso wie Renate, schrie sie. Ich war dem Mädchen so dankbar für ihre Solidarität!!
Allerdings hat auch mein Schließmuskel sofort auf Tante Else reagiert und mein Höschen war mal wieder vollgeschissen...
Und das Schlimmste war für mich, dass Tante Else mir gedroht hatte, alle vollgepinkelten und -geschissenen Höschen in meinen Koffer zu packen, damit meine Eltern wüßten, was für ein unerzogenes Dreckskind sie haben. Ich war damals leider noch nicht in der Lage, zu berechnen, wie viele Schlüpfer für mich eingepackt waren für einen Aufenthalt von 6 Wochen. Ich befürchtete, der ganze Koffer würde mit dreckigen Hosen gefüllt sein.

Ein weiteres Detail: wir kleinen Kinder, ich war 5 Jahre alt, konnten natürlich noch nicht schreiben, sollten aber eine Postkarte an unsere Eltern bemalen. Die Idee war gut, meine Interpretation des Themas haute aber nicht hin. Ich wollte die Insel aus der Vogelperspektive malen, mit den Häusern, Wegen und Straßen. Ein trauriges Gekritzel von Straßen und Wegen und mehrere undefierbare Flecken als grüne Wälder, Bäume und Häuser mit roten und braunen Dächern waren das Ergebnis. Tante Else nahm dies zum Anlass mich mal wieder vor allen Kindern bloßzustellen: ich würde mir selbst, meinen Eltern und allen Anwesenden nur beweisen, wie unfähig ich sei. Nicht mal meinen Eltern könnte ich ein schönes Bild malen. Ich weiß noch, dass ich kein schönes Bild malen wollte, sondern etwas ganz besonderes, was absolut in die Hose ging.

Der Aufenthalt war die Hölle für mich, ich habe nach meiner Rückkehr niemandem etwas erzählt, aber alle merkten, dass ich sehr still geworden war.

Jahre später, ich war inzwischen 33 Jahre alt und lebte schon in Südamerika, war ich bei meiner Mutter zu Besuch. Irgendwann ging sie zum Geschirrschrank und holte eine total kitschige Moccasammeltasse mit Verzierungen in rot und Gold heraus. Sie fragte mich, ob ich diese Tasse aufheben wollte. Ich verneinte, sie würde doch wohl meinen Geschmack kennen. Ob ich mich wirklich nicht erinnern könne, fragte sie. Die Tasse hätte ich ihr als Mitbringsel von Wyk auf Föhr mitgebracht. Da kam plötzlich eine Erinnerung: kurz vor der Rückfahrt sollten wir kleinen Mädchen in einem Souvenierladen ein Mitbringsel für unsere Eltern aussuchen. Ich habe diese furchbar kitschige Tasse ausgesucht, denn mein Mitbringsel sollte ganz besonders toll und teuer aussehen. Tante Else hat mich sogar gelobt!!!
Abends bei einem Glas Wein habe ich meiner Mutter dann erzählt, was in diesem Heim abgelaufen war. Meine Mutter sagte, sie habe nach meiner Rückkehr mehrmals gefragt, was dort passiert war, weshalb ich so verstört zurückgekommen bin. Ich habe nie geantwortet.
Meine Erinnerungen waren immer mit Demütigung, Bloßstellung und Scham verbunden. Die dreckigen Höschen waren nicht im Koffer gewesen, nur eine einzige, mit Spuren von Urin. Und diese war meiner Mutter egal, weil ich ja schon lange ´sauber´ war und auch hinterher meine Schließmuskel wieder normal beherrschte. Alles war fast wie vorher.


Diese Heimerfahrung war zwar für mich schrecklich, aber heute weiß ich, dass andere in anderen Heimen noch viel mehr zu erleiden hatten.

Nichtsdestotrotz: meine Atemprobleme und Husten waren für den Rest meines Lebens kuriert!!
Was dieser Aufenthalt wirklich für mich bedeutet hat, ob er für meine weitere Entwicklung wichtig war und in welcher Beziehung kann ich nicht beurteilen. Andere Vorfälle haben meine Erfahrungen übertönt: drei Wochen nach meiner Rückkehr starb mein von mir sehr geliebter Großvater an einem Schlaganfall. Er war auf der Straße zusammengebrochen und die Polizei steckte ihn für die Nacht in die Ausnüchterungszelle, statt einen Notarzt zu rufen. Am nächsten Morgen war er tot und man brachte ihn zu meiner Großmutter. Die Polizeistation befand sich 30m neben unserem Haus.
Ein Jahr nach meinem Aufenthalt in Wyk verstarb mein Vater an einem plötzlichen Herzinfarkt. Ich habe sein Sterben von meinem Kinderzimmer aus miterlebt. So wurde aus unserer 5-köpfigen Familie plötzlich eine kleine Familie, bestehend aus meiner arbeitenden Großmutter, meiner arbeitenden Mutter und mir. Ich wurde zum Halbwaisenkind und Schlüsselkind. Den Schlüssel um den Hals habe ich gern getragen und fühlte mich sehr erwachsen damit.
Vielleicht ahnte ich, dass es kein Zurück mehr gab, und dass Angst ein schlechter Wegweiser ist, der einen niemals lähmen darf.
Meine Mutter hielt es manchmal für nötig, mich mit dem Rohrstock zu erziehen, um mir das "Böckchen" auszutreiben. Allerdings ließ ich mir kein "Böckchen" austreiben, sondern sagte ihr unter Tränen nach der Tracht Prügel, nun hätte ich zwei "Böckchen".
Kinder dürfen nie wieder so gedemütigt und verletzt werden. Das kleine Mädchen, ein wenig kleiner als ich, das auf mich wartete und sich dem Gesetz des Heimes, dem Gehorsam, widersetzte, ist mir nie aus dem Kopf gegangen. Ihr warmer Händedruck und ihre paar Worte haben für mich in meinem Leben bedeutet, mich überall für Menschenrechte einzusetzen, für die Rechte der Verfolgten, der Geflüchteten, derer ohne eine Heimat im Kopf. Gerechtigkeit nicht nur für mich, sondern für alle Menschen einzufordern. Und sich niemals von der Angst lähmen zu lassen. Meine Schließmuskel waren vor Angst gelähmt und haben mir gezeigt, was lähmende Angst ausmacht: nur große Scheißerei. Nie wieder!

Danke für´s Zuhören, und bitte um Entschuldigung für das Sch...wort. Renate Lenz
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Melanie Huster aus Dortmund schrieb am 02.08.2023
Ich war 1982 und 1983 in Bühl. Und die Jahre danach in Mittelberg Oy. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern was in Bühl war aber das was übriggeblieben ist , ist keine schöne Erinnerung! Ich kann mich noch an große Schlafräume erinnern und das wir nicht reden durften und wer es doch getan hat wurde mit Matratze auf den Flur verfrachtet ! Ich kann mich auch noch erinnern das ich mich immer schlafend gestellt habe wenn die Nonnen durch den Schlafsaal gingen weil ich solche Angst hatte! Ich kann mich auch noch Bruchstück weise daran erinnern wie es war wenn wir in die Waschräume geschickt wurden . Wo wir uns vor allen anderen waschen mussten . Oder ans Essen…wie ich stundenlang alleine im Speisesaal sitzen musste und gezwungen wurde mein Essen runter zu würgen bis ich mich im hohen Bogen übergeben habe ! Das erste mal war ich übrigens da wegen Bronchitis…die Jahre danach wurde ich immer in Kur geschickt weil ich zu dünn war . Ein Schelm wer denkt das das in irgendeinem Zusammenhang steht und ich ein sehr schlecht essendes Kind war ! Irgendwann musste ich auch mal zum Hauseigenen Arzt , warum weiß sich nicht mehr aber auch da war es anscheinend schrecklich, da ich mich nur noch schreiend auf dieser liege sehe…den Rest habe ich verdrängt , so wie vieles andere auch ! Medikamente mussten wir nehmen keine Ahnung warum …zuhause habe ich nie Medikamente bekommen! Ich war 6 Jahre alt! Danach bin ich immer nach Mittelberg Oy geschickt worden. An diese Kur habe ich nicht so schreckliche Erinnerungen (außer das wir immer zur Beichte mussten ) Auch da waren Nonnen, auch da war es ziemlich streng aber auf diese Kur habe ich mich immer gefreut.da habe ich nur gute Erinnerungen . Wahrscheinlich war für mich alles besser als Bühl!
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Claudia Luterbach schrieb am 01.08.2023
Hallo
Ich bin als 4-Jährige für 6 Wochen im Kindersanatorium Helmut Just in Bad Frankenhausen gewesen. Die Erinnerungen an diese Zeit sind rudimentär, was (hoffentlich) am Alter liegt. Es gibt keine Fotos und etwaige medizinische Berichte habe ich auch nie gesehen.
Ich weiß noch, wie die Anreise ablief, nämlich ohne meine Eltern. Es ist ihnen nicht gestattet gewesen, mich zu bringen. Ich musste mit dem Zug anreisen. Die Schlafräume waren groß und wenn ich nachts auf‘s WC musste, empfand ich es als gruselig, da dunkel. Meine Eltern schrieben mir regelmäßig Briefe und schickten auch Päckchen. Besuchen durften sie mich die ganzen 6 Wochen nicht, obwohl ich in dieser Zeit Geburtstag hatte. Die Briefe blieben bei der Abreise im Sanatorium.
In meinem Gedächtnis sind einzelne Miniszenen gespeichert, aber mehrheitlich ist alles weg. Ich weiß nicht, was wir den ganzen Tag gemacht haben, wie die Mahlzeiten abliefen, ob wir untersucht wurden oder sonstige Therapien machten. Einzig an eine Betreuerin kann ich mich gut erinnern.
Ich bin vor kurzem in Bad Frankenhausen gewesen. Das Sanatorium wird zu Ferienappartements umgebaut. Das, was ich gesehen habe, weckte ein paar Erinnerungen. Vielleicht ist hier jemand, der etwa zur selben Zeit hier gewesen ist und kann mir ein paar Details nennen?
Der Aufenthalt an sich hat mir gesundheitlich sehr geholfen. Ich litt danach nicht mehr an Bronchitis und musste nicht mehr bis zum Erbrechen husten. Aber ich denke, die Erfahrung hat mich wesentlich geprägt.
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Gabriele Form schrieb am 01.08.2023
Hallo ich war 1967 in Bad Soden Salmünster im Marien Kinderkuranstalt ich war am letzen Samstag dort hin gefahren mein einziger Hinweis war ein Gruppenfoto an einem Kriegsdenkmal der Sebrende Sodalt darauf hin fand ich auch das Kinderheim viles ist bnoch wie damals dieses heim wurde von Vinzentianerinnen geführt und von angestellten Betreuerinen eine wie auf dem Gruppenfoto
ich war 4 Jahre trotzdem kann ich mich an das lange sitzen in den Speisesaal erinnern und auch an ein Lied das alle laut sangen an den Pavillion im Garten .....ich habe Fotos gemacht wenn die jemand sehen möchte schreibt mir
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Andreas Keller schrieb am 01.08.2023
Es hat sehr lange gedauert, bis ich begriffen habe, dass meine heutigen gesundheitlichen Probleme auf traumatische Erlebnisse bei der Landverschickung beruhen. Ich kann mich nur noch an zwei Ereignisse erinnern. Das erste war, ich musste mein eigenes Erbrochene aufessen. Die Folge war, dass ich bis zu meinem 50zigsten Lebensjahr kein sichtbares Fett am Fleisch essen konnte. Ich hatte alles sezieren müssen. Got sei dank ist das vorbei.
Das zweite Ereignis ist im nachhinein das folgenschwerste. Der einzige Bezugspunkt nach Hause war ein kleiner oranger Stoffhund. Dieser wurde mir weggenommen.
Ich habe jetzt schon zwei Rehas wegen Panikattacken hinter mir. Bei der zweiten Reha wurde endlich die Verbindung zum Traumatischem Ereignis festgestellt. Wenn man mir etwas wegnimmt, kommt der kleine hilflose Junge hervor und ist wie gelähmt. Mein ehemaliger Chef hat das gemerkt und dann dementsprechend gemoppt.
Ich habe jetzt noch knapp zwei Jahre bis zur Rente, an richtiges Arbeiten ist aber nicht mehr zu denken.
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Jo schrieb am 29.07.2023
Ich bin 1966 geboren und gegen 1970/71, mit etwa vier oder fünf, für einige Wochen in einem solchen Heim gewesen. Als Name erinnere ich mich nur an "Berchtesgaden". Ich habe in diesem Forum und anderswo nach diesem Heim gesucht, bisher ohne Erfolg. Meine Erinnerung ist, dass es sich eher nicht um eine Alm gehandelt hat sondern um einen ein wenig städtischeren großen düsteren Bau. Ich war im von der Straßenseite linken Bereich, meine Schwester in dem für Mädchen rechts davon untergebracht. (Diese Erinnerungen können trügen; ich versuch's so wie es eben geht.) Betrieben wurde das von Nonnen oder Schwestern in Tracht mit Hauben. Ich erinnere mich ausschließlich an Frauen. Die ranghöchste Frau dort hatte zu der Zeit einen Gips oder eine Armschlinge (von dem Medizingeruch der Verbände wird mir bis heute übel). Vom Gebäude habe ich wenig weitere Erinnerungen; es gab wohl einen großen Saal zum Essen, hohe Decken oder Säulen, aber da wird es schon sehr schwammig. Wie viele hier erinnere ich mich an das erzwungene streng beaufsichtigte Aufessen (in meinem Fall waren es Knorpel in einer Suppe, die in besonderer Erinnerung sind). Ganz allgemein herrschte eine Atmosphäre von Einschüchterung Drohung, Erniedrigung. Körperliche Gewalt war nicht unbedingt vorherrschend (und für mich auch leider nicht ungewöhnlich). Den Gipsarm habe ich gefüchtet, aber ob ich dafür gute Gründe hatte, erinnere ich nicht mehr. Meine zeitgleich im anderen Block untergebrachte Schwester hat von mit Pflaster zugeklebtem Mund und langem Stillstehen berichtet. Die immer wieder geäußerte Drohung war, dass wir nie wieder zu unseren Eltern zurückkommen, wenn wir nicht brav sind. Das muss sehr effektiv gewesen sein und beweist, wie sehr sich die Erzieherinnen des ausgeübten Schreckens bewusst waren. Ich erinnere mich an eine jüngere Schwester/Erzieherin, bei der man in seltenen Momenten Trost finden konnte. Mir ist bei ihr aber auch gedämmert, dass auch scheinbar allmächtige Erwachsene nicht immer Wunder bewirken konnten. Nicht ganz sicher bin ich, ob sie es war, die mir angeboten hat, die geforderte Postkarte, auf die ich eine dringende Bitte um Hilfe und Abholung gekritzelt hatte, nochmal schön abzuschreiben. Weil sie ja eine schönere Schrift hatte, und das musste ich zugeben. Gesehen habe ich sie Jahrzehnte später, sie war auch inhaltlich schön, sonnig und blumig geworden... Ich erinnere mich dann noch, wie ich mit meiner Schwester zu zweit eine Straßenecke weitergegangen bin, wo meine Eltern uns erwartet haben. (Aus heutiger Sicht eine völlig absurde Gestaltung, aber wie sorgfältig die Eltern vom eigentlichen Heim ferngehalten wurden, haben andere schon gut beschrieben.) Wir haben uns erst schnell zu rennen getraut, als wir sicher waren, dass wir die Autotüren erreichen könnten, und dann - gefühlt - stundenlang geweint. Dass unsere Eltern uns beiden nicht geglaubt haben, ist nur eine der vielen Wunden, Traumata, Ängste und Verlustneurosen, Unsicherheiten und Seelenschäden, die wir aus dieser "Kur" mitgebracht haben. (Die Gerechtigkeit meiner Mutter gegenüber erfordert es, dass ich schreibe, dass sie uns später durchaus geglaubt hat, und regelrecht entsetzt darüber war, was da passiert ist. Die meisten hier werden verstehen, wie wichtig so etwas ist.) Ich würde mich freuen, wenn es hier vielleicht gelänge, mehr über das konkrete Heim herauszufinden.
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Birgit aus Troisdorf schrieb am 29.07.2023
Hallo zusammen, mein Name ist Birgit und bin 64. Nachdem ich jetzt im Alter Zeit habe mich um meine Vergangenheit zu kümmern kommen mir die ganzen Quälereien, aus der Zeit meiner Verschickung, langsam hoch. Ich wurde als Kind vom Gesundheitsamt Wanne-Eickel, wegen Untergewicht, für 6Wochen in die Hölle St. Marien-Kindererholungsheim Segeten geschickt. Alles bekomme ich nicht mehr zusammen aber die Erinnerung ans Müsli bringt mich bis heute zum Würgen. Schläge gab es auch und zwar in einem Badezimmer, was in diesem Raum sonst noch abgelaufen ist bekomme ich nicht mehr ganz zusammen, auf jeden Fall nichts Gutes. Würde mich freuen wenn ich noch Leidensgenossen finde damit man sich gegenseitig bei den Erinnerungen unterstützen kann. Wie oben schon erwähnt, ich bin aus Wanne-Eickel und zu der Zeit wurden viele Kinder aus dem Ruhrgebiet dort hin verschickt. Liebe Grüsse Birgit
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Jürgen Schedel aus Schwabmünchen schrieb am 29.07.2023
Sehr geehrter Herr Andreas Piefer, ich wende mich heute an Sie, weil ich ebenfalls sehr an einer Kontaktaufnahme interessiert bin. Wir haben uns im Mai 1985 kurz verpasst. Ich bin am Tag nach Ihrer Abreise in St. Michael angereist und wurde in der Gruppe „Pit“ untergebracht. Ich habe dort 6 schlimme Wochen „überlebt“. Mich würde es sehr freuen, wenn Sie mich per E-Mail kontaktieren möchten. Meine E-Mail-Adresse: mt.schedel@gmx.de. Viele Dank und eine gute Zeit. Jürgen Schedel
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Sabine Kügler aus Zwickau schrieb am 28.07.2023
Mei Sohn war in diesem Kurheim im Alter von 4 oder 5 Jahren für 6 Wochen zur Kur wegen Untergewicht. Ich war der Meinung, dass ich meinm Kind etwas gutes tun kann.
Wiederbekommen habe ich ein vollkommen eingeschüchtertes und trauriges Kind bekommen.
Es tut mir heute immer noch weh, wenn ich daran denke.
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Martina Kaden aus Olbernhau schrieb am 25.07.2023
Im Sommer 1959 - ich war noch nicht mal 6 Jahre alt, wurde ich für 4 Wochen nach Zingst in ein Kinderkurheim ( christl.) geschickt. Ich bin ein 8 Monate Kind und war körperlich sehr zierlich, aber um so lebhafter. Schon die Anreise - allein mit fremden Kindern und Erwachsenen war für mich angstmachend, da ich nie einen Kindergarten besuchte. Ich habe sehr wenig Erinnerung an die Zeit, ich bin vor Heimweh krank geworden, mußte am Frühstückstisch sitzenbleiben weil ich diese schreckliche Haferflockensuppe nicht essen konnte. Ich saß noch allein am Tisch - hatte ja den Befehl nicht aufzustehen bis der Teller leer ist - da kamen die anderen Kinder schon zurück zum Mittagessen . Oft hatte ich mich nichtmal getraut zur Toilette zu gehen und das Ergebnis , die Scham und die Strafe habe ich bis heute nicht vergessen. Ich kann mich nicht an die geringste Art von Trost oder Zuspruch erinnern. Also bin ich krank und verschüchert zurück nach Hause gekommen. Mein ganzes Leben habe ich Schwierigkeiten von zu Hause weg zu sein, später mit meiner Familie ging es besser.
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Elvira aus Rheine schrieb am 24.07.2023
Im April 1973 wurde ich in das Kinderkurheim
Reinhardshausen verschickt. Leider kann ich
mich nur noch bruchstückhaft erinnern, da
noch viel schlimmere Dinge Schlag auf Schlag
in mein Leben treten sollten, die anscheinend die
Geschehnisse rund um die Kur überdeckt haben.
Ich hatte schon beim Einstieg in den Zug große Angst, da ich noch nie von meinen Eltern getrennt
war. Ich war damals 8 Jahre alt und erlebte meinen neunten Geburtstag in dieser Kur auf
einer traurigen Weise. Zum Glück waren in diesem
Zug zwei Jungs (es waren Zwillinge) die mich
wie Ihre Schwester behandelten und mir einen
großen Teil meiner Ängste nahmen. Ich möchte
Ihnen heute noch meinen großen Dank dafür
aussprechen, leider weiss ich weder Ihren Namen
noch habe ich sonst irgendeinen Anhaltspunkt.
Ich hoffe das Sie noch leben und das hier vielleicht lesen. Ansonsten kann ich mich an
die unbequemen Betten und auch an den großen
Eßsaal erinnern. Auch das man Hiebe auf das
Hinterteil bekam und Im Flur oder in einer Kammer
zur Strafe stundenlang stehen mußte. Soweit ich
weiß war ich aber nie von einer solchen Strafe betroffen, da ich es immer gut verstanden habe
mich praktisch unsichtbar/unscheinbar zu machen.
So das ich als einziges Geburtstagskind kein
Geburtstagskuchen bekam, weil ich einfach vergessen worden bin. War zwar traurig aber
vielleicht auch besser so. Kann mich auch daran
erinnern das die Post von den Aufseherinnen gelesen worden ist, denn als ich meiner Mutter
in einer Karte gebeten hatte mir meine Tierkarten
sammlung zu schicken, kam eine von den Aufseherinnen und meinte, dies würde sich doch
wohl nicht mehr lohnen, da ich nicht mehr lange
hier wäre. Da wusste ich, dass ich nichts über
mein fürchterliches Heimweh schreiben werden
dürfte und auch nichts über diese schlimmen Zustände in dieser sogenannten Kinderkur.
Mehr Erinnerungen an diese Zeit habe ich leider nicht mehr. Weiß nur das ich über mehrere
Monate Alpträume hatte und immer von einer
Erziehungsanstalt gesprochen habe.
Ich hoffe, dass sich auf diesem Wege noch mehr
Zeitzeugen aus Rheine in dem Verschickungjahr
1973 melden werden.
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Andrea Moller aus BOULOGNE schrieb am 24.07.2023
Heute schreibe ich Ihnen zum zweiten Mal. Da ich Zeugenaussagen in Verbindung mit dem Viktoriastift in Bad Kreuznach gelesen habe, mit den gleichen grausamen Verhalten des Personals und dem Horror des Aufenthalts dort, möchte ich noch etwas hinzufügen.
Ich bin 64 Jahre alt. Seit zirka 60 Jahren liegen Bilder des Stifts in einer Schublade, und ich weiss immer haargenau wo ich sie verwahre.
60 Jahre lang habe ich nicht sehr viel über meinen Aufenthalt dort erzählt. 60 Jahre sind eine lange Zeit, aber die Konsequenzen spüre ich heute noch. Ich leide an Angst oder Panikattacken. Meine diversen Therapien helfen mir zwar, aber ich hatte immer den Eindruck, dass ich etwas in mir trage, eine gewisse Angst, die nie aufgearbeitet werden konnte.
Als ich von dem Thema über FB erfuhr machte sich eine Erleichterung in mir breit. Erleichterung darüber, dass ich nicht alleine bin, war. Ist es möglich, dass die Nachfolgen des Aufenthalts immer noch Spuren hinterlassen? Ich lebe in Frankreich und konnte leider nicht die Reportage sichtigen, aber durch die Internetseite, die sich mit diesem Thema beschäftigt, durch das Lesen der diversen Zeugenaussagen macht sich in mir ein grosses Tor in meiner Seele auf. Es wäre für mich sehr wichtig mehr zu erfahren, vielleicht mit jemandem auszutauschen. Wie auch immer, grossen Dank an alle, die es heute möglich machen, auszusprechen was damals mit den Kindern gemacht wurde.
Mein persönliches Erlebnis wurde auch von meinen Eltern verdrängt, da sie mir nicht geglaubt haben was sich dort abgespielt hatte. Daher auch die Erleichterung zu lesen, dass es keine "Hirngespinste" waren, sondern traurige Realität.
Danke, dass Sie dieses Thema anschneiden.
Andrea Moller
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Angelika Gollnast geb. Schulz aus 22880 Wedel schrieb am 23.07.2023
Inspiriert durch den aktuellen Artikel im stern 7.23 (Das verschickte Kind), fühle ich mich angesprochen, hier meine wenigen Erinnerungsschnipsel zu teilen. Wenn es der Sache und vielleicht auch mir nach all der Zeit dienlich ist.
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Manuela Holt geb. Sterrmann aus Bochum früher Falkensee schrieb am 22.07.2023
Ich bin in der DDR groß geworden. Ich war als Kleinkind schon krank. Bis man irgendwann rausfand das ich Nierenkrank bin.Ich war meine halbe Kindheit nur im Krankenhaus oder in diesem Sanatorium Kartzow. 3 mal war ich da immer 6 oder 8 Wochen. Nie werde ich vergessen wie lang die Tage und Wochen waren . Keine Verbindung nach Hause,keine Besuche von zu Hause.Dort wurden Anwendungen gemacht ( Schlammbäder u.s.w.)
Jeden Tag zig Medikamente bekommen.Angeblich Vitamine wurde den Kindern gesagt.
Alles wurde dokumentiert. Niemand durfte wiedersprechen.
Wir haben viel geweint.
Ich entsinne mich das wir irgendwie nur Mädels dort waren?,!
Heute ich werde dieses Jahr 56 Gesundheitlich sehr angeschlagen grübelt man natürlich was haben die dort gemacht mit uns?!
Experimente?
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Thomas Lerch aus Berlin schrieb am 21.07.2023
Ich kann mich kaum daran erinnern was alles mit mir und meinem Bruder gemacht wurde, doch ich erinnere mich daran das wir Tabletten bekommen haben oder auch Spritzen. Leider sind genaue Daten und Erinnerungen so nicht mehr präsent, doch aus der Verschickung folgte dann in meiner Kindheit das ich nicht mehr zur Schule gegangen bin und daraus das ich und mein Bruder ins Heim geschickt wurden und auch dort sind wir dann beide Missbraucht worden. Nach etlichen Jahren war ich nach dem Aufenthalt im Heim dann endlich in einer Therapie welche mir zumindest das klar gemacht hat was nicht durch Medikamente ins Vergessen gedrängt wurde.
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Sabine aus Berlin schrieb am 20.07.2023
1958, dreijährig, bin ich auf die Insel Baltrum verschickt worden. Ich habe leider nur einzelne wenige und erschreckende Bilder/Erinnerungen an diese Zeit. Nach dem sechswöchigen winterlichen Aufenthalt soll ich nicht mehr gesprochen haben, so meine Mutter, die es später sehr bereut habe, dass sie mich dorthin geschickt hat. Hat jemand mehr Erinnerungen als ich an diese Zeit auf Baltrum? Erst vor kurzem habe ich durch einen Zeitungsartikel erfahren, dass ich kein "Einzelfall" war.
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Birgit Becker aus Rhede schrieb am 17.07.2023
Ich bin 1967 dort in diesem von den Schwestern geführten Heim gewesen im Alter von 6 Jahren, kurz vor der Einschulung, aufgrund wiederkehrender Bronchitiden. Habe fast keine Erinnerung mehr außer an nächtliches Bettnässen, kalte dunkle Flure und eine unendliche Einsamkeit. Der Speisesaal ist mir noch vage in Erinnerung , das Schlafzimmer mit Hochbetten, 1Strandspaziergang. Ich habe keine Erinnerung mehr an Sanktionen oder sonstige Gewalttaten, an evt. Bestrafungen das Essen oder auch Nichtessen betreffend und würde mich freuen über Erfahrungsberichte Anderer aus dieser Zeit .
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Katrin K. aus Berlin schrieb am 16.07.2023
.. ich musste zweimal zur Kur

Frühjahr 1978, als Vorbereitung für meine Einschulung .
Ich bin 1971 mit angebeorenen Herzfehlern zur Welt gekommen, habe praktisch mein ganze erstes Lebensjahr im KH verbracht, mehrmals op.
Daraufhin war ich immer zu dünn, zu klein… „Spätentwickler“, sagte man gerne, mein Körper hatte eben zu tun, gesund zu werden.
Bei der Schuluntersuchung wurde ich darum 1 Jahr „zurückgestellt“ (vielleicht sogar auch auf Wunsch meiner Mutti, damit ich zusammen mit meiner 1 Jahr jüngeren Schwester eingeschult werden konnte) Es hieß immer, ich bin viel zu winzig, kann ja gar nicht die Schulmappe tragen – das war mitfühlend & auch spaßig gemeint, ich fand es erniedrigend.
Als Kind will man immer „groß“ sein, was können – ich konnte nicht mal die Schulmappe tragen…. erniedrigend.

Als es hieß, ich soll zur Kur, konnte ich mir darunter nichts vorstellen, nur, dass ich lange von Zuhause weg sollte, wusste ich genau – & wollte es nicht.
Obwohl mir meine Eltern versuchten, Mut zu machen – verreisen, es ist was ganz besonders. Etc...

An die Abfahrt von irgendeinem Berliner Busbahnhof kann ich mich wage erinnern, meine Angst, meine Traurigkeit, meine Ohnmacht. An Dietlas (Rhön) selbst habe ich kaum Erinnerungen:
die riesigen Schlafräume mit unheimlich vielen Betten, die Bastelarbeiten für meine Eltern zu Hause (die Vorschulkinder konnten ja nichts schreiben), an Wassertreten (Kneippkuren?), an lange Spaziergänge. An Kälte, an Angst, an unendliches Heimweh – immer dieses Bedürfnis zu weinen, aber keine „Heulsuse“ sein zu wollen – das empfinde ich ganz genau. & immer still sein. Ich bin schon ein zurückhaltender Mensch, aber ich denke (oder schlussfolgere heute nur), in der Kur wurde ich still, vielleicht sogar stumm. Ich lernte mich zu verstecken & unsichtbar zu bleiben, aber ich erinnere nicht warum.
An die Essensgeschichten habe ich ebenfalls gar keine Erinnerung – die kommen erst später in der zweiten Kur in Bad Gottleuba 1982/1983

Im Übrigen kam ich von Dietlas mit Röteln zurück. An das Glück, endlich zu Hause zu sein, erinnere ich mich – nie wieder wollte ich weg.

Aber ein paar Jahre später musste ich;
es hieß, ich sei ja nun schon älter, das würde toll werden, viele Freundinnen, gut für meine Gesundheit, wir hätten da auch Schule, etc.
Mit mulmigen Gefühl erlebte ich die Vorbereitungen – der riesige Koffer wurde gepackt, füllte sich nach & nach gemäß einem Plan, was alles mit muss, Schildchen wurden in die Klamotten genäht, neue Klamotten wurden gekauft – ich fand das alles bedrückend & wollte nicht.

Aber das stand nicht zur Diskussion… nicht nur aus gesundheitlicher Sicht...
In der DDR war es beinahe eine „Auszeichnung“, zur Kur zu dürfen.
Man musste nicht nur besonders krank sein, der Haus-, Kinder- oder Facharzt mussten sich vor allem besonders dafür einsetzen, dass jemand zur Kur durfte… Dementsprechend waren meine Eltern immer dankbar & froh, wenn ich zur Kur durfte. Sie dachten, sie tun mir was Gutes….
– Kurplätze waren knapp… & ich mochte meine Kinderärztin.

& ich war ja leider zu still. ich habe mich als Kind nie beschwert, nichts erzählt…
dass ich so unglücklich aus Dietlas (& auch krank) zurück kam, schrieb man dem zu, dass ich damals erst 6 Jahre alt war, & vielleicht waren 6 Wochen von zu Hause weg etwas zu lange, dass ich einfach anhänglich bin & schnell Heimweh kriege, sehr sensibel, das dachte man eben.
Danke Mutti, dass du mich deswegen nie gezwungen hast, in so ein schreckliches Ferienlager zu fahren!

Aber ein zweitesmal zur Kur musste ich eben doch, nach Bad Gottleuba! 1982/1983? ich weiß es nicht genau, & finde darüber nichts. Keine Fotos, keine Briefe...

An diese Kur erinnere ich mehr:
1.) die ewig lange Busfahrt, bei der wir aus vielen anderen Städten neue Kinder einsammelten, die genauso beim Abschied weinten wie ich in Berlin….
2.) der Zwang aufzuessen für alle, die zu dünn waren – d.h.
ekliges fettes Fleisch, undefinierbare Wurst, stinkender Käse, widerliche Milchspeisen (Milchnudeln, Griesbrei, warme Milch mit Haut),
Marmeladenbrote (ich hasse Marmelade, Honig, etc & das konnte man natürlich gar nicht verstehen – ein Kind muss doch Süßes mögen….)
3.) im ganzen Objekt stank es immer nach diesem eklig obersüßen Tee (oder Sirup? keine Ahnung)
4.) dauerhafte Übelkeit (zum Glück kein Erbrechen) & Ekel.
5.) Wir mussten so lange am Essenstisch sitzenbleiben, bis wir aufgegessen hatten, & manchmal konnte ich dann vom leeren Teller weg schnell in die Toilette & wenigstens den letzten Rest ausspucken, aber es war kein Erbrechen, & es hat kein Erzieher bemerkt oder bestraft….
Manchmal konnten wir unbemerkt Essen tauschen – mit denen die kaum was kriegten, oder anderes, & immer Hunger hatten….
6.) Das wöchentliche Wiegen – gruselig. Immer die Angst, abgenommen zu haben.
Nicht nur nicht zugenommen zu haben, sondern abgenommen zu haben. Wir wurden permanent ermahnt, das Kurziel (aufgepäppelt nach Hause zu kommen) muss erreicht werden! Denn wenn es nicht erreicht würde, würden unsere Eltern die Kur bezahlen müssen. Das war eine ungeheuerliche Drohung für mich. In der DDR musste niemand seine medizinische Sachen bezahlen – aber ich lief Gefahr, Schuld zu sein, wenn meine Eltern Riesenbeträge für eine wochenlange Kur aufbringen müssen??? Das hat mir tatsächlich Angst gemacht. Zu versagen & Schuld haben am Unglück meiner Eltern. & vor allem, das gar nicht beeinflussen zu können, denn obwohl wir brav aufaßen, nahmen ja viele vor lauter Stress & Heimweh ab….
7.) generell immer Angst. obwohl ich keine Schläge oder sexuellen Missbrauch erleben musste, hatte ich die ganze Zeit Angst. Uns wurde jede Freude genommen – offen & subtil… Mit jeder Freude war was Unangenehmes verbunden, wahrscheinlich, damit wir bloß nicht „ausflippten“ & uns nicht „zu wohl“ fühlten.
8.) Pakete bekamen wir grundsätzlich nicht, die Süßigkeiten wurden auf alle verteilt, manchmal als Zugabe beim Vesper. Manchmal bekamen wir gar nichts. Kinder, deren Eltern das nicht wussten & Riesenpakete schickten, mussten alles „abgeben“, man nannte es harmlos “teilen“, aber das meiste landete garantiert in den Bäuchen der Erzieher – vor allem Süßes aus dem Westen war begehrt & bekamen wir nicht...
9.) Briefe & Karten von Zuhause durften wir nicht zu viele am selben Tag bekommen, denn dann mussten wir uns vor allen Kindern & Erziehern „produzieren“, d.h. ein Lied singen, ein Gedicht aufsagen…., bevor wir unsere Post bekamen. Super für ein schüchternes Kind – immer das Bibbern, wenigstens ein Brief, aber bitte keine drei – traurig. & mit Schuldgefühlen beladen – ich wollte mich doch freuen & nicht hoffen, wenig Post zu kriegen…. Alles wurde uns vermiest. Ich weiß nicht, ob wir unsere Post wirklich nicht bekommen hätten, wenn wir uns geweigert hätten – es hat niemand gewagt. Ob Post von uns Größeren zensiert wurde, weiß ich nicht, vermute es aber.
10.) morgendliche Wäsche mit eiskaltem Wasser… inwieweit das übergriffig war, erinnere ich nicht, aber morgens von irgendeiner ruppigen Erzieherin von Kopf bis Fuß mit eiskaltem Waschlappen (Abhärtung) am Waschbecken des Schlafsaales, im Beisein aller anderen Mädels, abgeseift zu werden – sehr unangenehm. & vor allem kalt, eiskalt.
11.) Mittagsschlaf in komplett abgedunkeltem Schlafsaal. Die Vorhänge waren mit irgendeiner schwarzen Farbe bezogen, sodass es finsterer war als nachts, wenn sie nicht zugezogen wurden & immerhin Mondlicht rein scheinen konnte.
12.) Natürlich herrschte zu den Ruhezeiten Sprechverbot, aber geflüstert & über die Betten hinweg Händchen gehalten haben wir trotzdem. & wurden dafür nicht bestraft.
Ich wünsche mir, dass das nicht etwa daran lag, weil statt dessen die Kleineren gequält wurden.

Es macht mich unendlich traurig, was ich hier lesen konnte. Dass es genauso & viel schlimmer auch in der BRD zuging…
Dass ich irgendwie noch gut davon gekommen bin..

Ich bin erstaunt, wieviel beim Schreiben hochkam, & dass meine einzige gute Erinnerung ist:
die Freundschaft mit den Mädels in Bad Gottleuba.
Dass keine der dort geschlossenen Freundschaften hielt, zeigt, dass wir alle tief verletzt nur vergessen wollten.

Ich hoffe, mit meinem Text dazu beizutragen, dieses Kapitel auch für die DDR-Kinderkuren aufzuarbeiten.

Danke für euer Engagement,
Katrin K.
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William Dr. Lechner aus Nürtingen schrieb am 16.07.2023
Es sind viele Jahre vergangen, aber vergessen habe ich die schreckliche Zeit dort Nie vor vielen Jahren war ich wieder dort, es gibt es noch, das Pius Kinderheim in Gmund. Auch heute noch, hoffentlich geht es den Kindern heute besser, Nonnen als Aufpasserinnen, körperliche Gewalt und Misshandlungen waren im Tagesablauf ein festes Ritual, ich habe damals als Kind meinen Glauben an die katholische Kirche verloren, und bin auch so doch durch das Leben gekommen. Diese Scheinheiligkeit hat sie nie verloren, wie die vielen Missbrauchsfälle zeigen.
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Emilia aus Berlin schrieb am 15.07.2023
Ich war im November 1984 in Kölpinsee auf Usedom zur Kur. Damals hieß das Heim „Geschwister Scholl“. Ich musste wegen meiner Neurodermitis dorthin. Ich war 5 Jahre alt und kam traumatisiert und verstört zurück.
Ich habe die Zeit der Kur furchtbar in Erinnerung, die Erzieherinnen waren kalt und ruppig. Ich hatte extremes Heimweh. Mein Gepäck wurde verwahrt und mir wurden Spielsachen, z.B. nagelneue Filzstifte (extra für die Kur gekauft, ich hatte mich drauf gefreut) und mein Kuscheltier vorenthalten. Einmal sah ich eine Erzieherin eine Schublade öffnen und entdeckte meine Tasche mit meinen Malstiften.
Jeden Abend vorm Schlafengehen mussten wir unsere Sachen zu einem kleinen Päckchen schnüren, das wir schnell mitnehmen konnten, falls es brennen sollte. Eines nachts gab es tatsächlich Alarm und wir mussten mit unseren Päckchen im Nachthemd lange frierend draußen stehen. Gebrannt hat es nicht, es war nur ein Probealarm.
Ich bekam während der Kur eine Furunkulose (das einzige Mal in meinem Leben). Mir wurden regelmäßig die Verbände gewechselt und zwar brutal abgerissen. Es tat jedes Mal wahnsinnig weh, weil die Verbände an der Wunde festklebten.
Die Postkarten wurden von den Erzieherinnen geschrieben. Meine Mutter hatte mir auch Post geschickt und wunderte sich, warum ich nie auf ihre Fragen antwortete.
Ansonsten fallen mir noch sehr lange Spaziergänge ein und an einer bestimmten Stelle mussten wir singen, da dort die Luft besonders gut sei und beim Singen mehr Luft in die Lungen gelangen würde.
Ein Mädchen, bei dem ich dachte, ich hätte in ihr eine Freundin gefunden, log mich an (sie hätte einer Oma im Vorbeigehen einen teuren Ring aus der Tasche geklaut). Ich durchschaute sie und merkte, dass sie mir etwas vorspielte und weiß noch, dass ich traurig und enttäuscht war und dachte: nicht mal den Kindern hier kann ich vertrauen.
Nach meiner Rückkehr erzählte ich meiner Mutter, dass ich geglaubt hatte, nie wieder nach Hause zu kommen.
Später wollte ich nie ins Ferienlager fahren (nach der Kurerfahrung rückblickend verständlich), musste aber trotzdem. Zum Glück habe ich dort überwiegend schöne Erfahrungen gesammelt.

Ein paar Monate vor der Kur hatte ich eine Mandel-OP und musste dafür 1-2 Wochen im Krankenhaus verbringen – ebenfalls mit schlimmen Erinnerungen und ohne Elternbesuch. Die OP war Bedingung dafür, dass ich zur Kur „durfte“, da befürchtet wurde, dass ich sonst während der Kur eine Bronchitis bekomme (hatte ich damals sehr häufig).

Mir hilft diese Website sehr viel dabei, alles zu verarbeiten. Es ist erleichternd, dass endlich alles öffentlich wird und bestätigt wird, dass so etwas psychischen Schaden anrichten kann. Ich habe mehrere Therapien aufgrund von Depressionen hinter mir, bin extrem unsicher, habe soziale Ängste und kein Grund-Vertrauen in mich und andere. Eventuell hat die Kur einen Anteil daran.
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Uschi aus Bad Windheim schrieb am 15.07.2023
Hallo Karin Bay, ich kann deinen Eintrag leider nicht mehr finden?! Ich war im Kinderheim Bergheim in Rechtis, Allgäu, Okt 72

Ich kann dir nur zustimmen, es war kein guter Ort! Habe viel negatives erlebt! Melde dich gerne! Uschi
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Andreas Piefer aus Langenfeld schrieb am 14.07.2023
Das waren 6 schreckliche wochen ich bitte um Rückmeldung wer noch so schlechte Erfahrungen mit diesem kurheim gemacht hat
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Stephan-Andrés Heuschen aus Wuppertal schrieb am 14.07.2023
In den 60er Jahren bin ich zwei Mal als Verschickungskind an der Nordsee gewesen: 1963 mit 6 Jahren in Wyk auf Föhr und 1966 mit 9 Jahren in Cuxhaven-Duhnen. Die öffentliche Diskussion der jüngsten Zeit über Verschickungskinder hat bei mir – wenn auch nur bruchstückhaft – Erinnerungen überwiegend an die Zeit in Cuxhaven zurückkommen lassen.
Denke ich an Cuxhaven, erscheinen mir die Erinnerungsbilder überwiegend in Schwarz-Weiß-Tönen. Untergebracht war ich für sechs Wochen im Haus „Sonnenhof“, einem im Inneren düsteren Haus, in dem eine dunkle, bedrückende Atmosphäre herrschte und in dem nicht laut geredet wurde. In den vollen Schlafräumen standen die Betten eng beieinander.
Auch im Speiseraum saßen wir Kinder eng gedrängt an langen Tischen. An das Essen erinnere ich mich nicht, auch nicht an physische Strafen. Insgesamt aber herrschte stets ein strenger, ruppiger Ton und es kam nahezu täglich vor, dass Kinder während der Mahlzeiten wegen „Plapperns“ mit dem Gesicht zur Wand stehen oder so lange bei Tisch sitzen mussten, bis die Teller leer waren.
Die Herrin des Hauses war Inhaberin Herta Koopmann. Die bloße Nennung des Namens flößte Respekt ein oder diente als Druckmittel. Den Namen habe ich zeitlebens nicht vergessen. Als ich zu Beginn stark unter Heimweh litt, wurde ich ihr Zimmer zitiert. Mit scharfem Ton stellte sie klar, dass ich – mit 9 Jahren - jederzeit alleine mit dem Zug nachhause fahren könne, ansonsten wolle sie von Heimweh „keinen Ton mehr“ hören. Die Betreuerinnen wurden als „Tanten“ angesprochen, wobei deren Vorgesetzte eine ebenso gefühlskalte und verhärmte Frau war wie die Eigentümerin.
Es herrschte oft Langeweile. Höhepunkte waren gemeinsame Besuche aller Kinder am Strand, an dem es keine Möglichkeit gab, zur Toilette zu gehen. Auf dem Rückweg wurden die in Zweierreihen laufenden Kinder dann aufgefordert, das „Sonnenhof-Lied“ zu singen: „Wir wollen Frau Koopmann doch eine Freude machen“, hieß es.
Kontakte zu Familien der Kinder wurden strikt eingeschränkt. Kinder, die schreiben konnten, bekamen belanglose Postkartentexte diktiert, den anderen wurden Karten vorgeschrieben. Vor dem Versenden wurden die Karten noch einmal daraufhin durchgesehen, ob Zusätze heimlich ergänzt wurden. Kamen Pakete von zuhause, wurden sie den Kindern nicht persönlich ausgehändigt. Die Inhalte, zumeist Süßigkeiten, wurden an alle Kinder verteilt. Dies diente zugleich als Belohnungssystem für „besonders Brave“. Andere Paketinhalte wurden zurückgehalten bis zur Abreise.
Meinem Großvater machten vor allem die stereotypen Inhalte der Postkarten skeptisch, sodass er kurzerhand beschloss, mit meiner Mutter nach Cuxhaven zu fahren. Inhaberin Koopmann machte ihnen eine lautstarke Szene und forderte sie zur sofortigen Abreise auf. In der Post-Nazi-Zeit schien derartig autoritäres Gebaren offenbar noch zu verfangen. Die Herrin des Sonnenhofs ließ mich während des „Donnerwetters“ vor der Türe warten und anschließend alleine in ihrem Zimmer antreten. Sie beklagte sich über das unmögliche Verhalten meiner Familie und schüchterte mich damit ein, mich jederzeit alleine in den Zug zu setzen.
Wie gesagt, die Erinnerungen kamen erst jetzt teilweise wieder ans Licht. Dinge, die mich in Folge zeitlebens beschäftigt haben, sind mir nicht bewusst. Ich erinnere mich nur noch daran, dass ich nach dem Cuxhaven-Aufenthalt lange Zeit an den Fingernägeln gekaut haben.
Meiner Mutter mache ich im Nachhinein keine Vorwürfe. Sie war alleinerziehend, berufstätig und nervlich schwer angespannt zu jener Zeit. Die Kinderkur war ihr von einer Betriebsärztin empfohlen worden, was ihr wohl eine gewisse Sicherheit vermittelt hatte. Nach Cuxhaven allerdings war das Thema Verschickung für alle Zeiten vom Tisch.
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Heike Griebowski aus Gifhorn schrieb am 14.07.2023
Hallo,

ich bin Heike und 1970 geboren.

1974 kam ich für 6 Wochen nach Borkum wegen Bronchitis, vermutlich in das Heim Sancta Maria. Zumindest habe ich Nonnen in Erinnerung und mich überfällt ein Brechreiz, wenn ich Bilder des Hauses sehe. Vor ca 15 Jahren bin ich noch einmal auf die Insel gefahren, habe das Haus gesucht und bin genau vor diesem Haus emotional zusammen gebrochen.

Ich habe sonst leider sehr rudimentäre Erinnerungen an meine Verschickung. Ich weiß noch wie der Waschraum ausgesehen hat und dass viele unbekleidete Kinder an dem langen Waschbecken standen. Dann war ich wohl krank (Mumps?) und kam in Isolation. Ich stand weinend und völlig verängstigt im Gitterbett. Das Zimmer war dunkel und ich schaue Richtung Tür. Jemand großes im weißen Kittel kam vom beleuchteten Flur in mein Zimmer. Es gab grüne Bohnen und Esszwang. Ich mochte sie nicht, habe sie erbrochen und trotzdem bekam ich immer wieder grüne Bohnen.

Vor der Verschickung war ich ein fröhliches und plapperndes, aufgewecktes Papa-Kind.
Danach war nichts mehr wie vorher. Wochenlang habe ich nicht gesprochen, nur geweint und Nahrung verweigert. Mein Vater durfte mich nicht mehr anfassen. Meine Eltern haben mehrere Kindertherapeuten aufgesucht, aber auch die bekamen nichts aus mir heraus.

Seit der Zeit leide ich unter Depressionen, Borderline und Binge-eating-disorder. Ich wurde stark übergewichtig, wollte immer nur durch Leistung und brav aufessen gefallen. Zudem habe ich starke Probleme selbst mit leichter Kritik umzugehen. Ich fühle mich dann wertlos, breche Arbeitsstellen und Beziehungen ab (bin in vierter Ehe).

Ich muss dieses Trauma, was auch immer dort geschehen ist, unbedingt aufarbeiten und hoffe, dass ich vielleicht Menschen finde, die zur gleichen Zeit dort waren und mehr Erinnerungen haben.
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Jutta Jung schrieb am 14.07.2023
War auch jemand im Kinderkurheim Haus Maria Helferin in Nettetal?
Ich war vor meiner Einschulung 1962/ 63 in der Kinder-Lungenheilstätte Haus Maria Helferin in Nettetal, wegen einer Entzündung der Hilusdrüse. Die Nonnen waren kalt und unfreundlich zu uns Kindern. Ich, sowie andere Kinder auch, mussten unser Erbrochenes essen, wurden geschlagen, zur Strafe in einer kleinen Kammer isoliert. Ich wurde auch vor anderen Kindern gedemütigt, wir Kinder mussten stundenlang in dicke Wolldecken bewegungslos eingewickelt in einem großen Schlafsaal liegen. Mir wurde ohne elterlichen Bestand der Magen ausgepumpt, auch das hatte lange große Ängste und Zahnarztphobie zur Folge.
Als ich nachts erwischt wurde wie ich mit einem Mädchen aus dem Nachbarbett leise flüsterte kam eine Nonne, schimpfte mit uns und nahm mich mit in das Schlafzimmer für ganz kleine Kinder. Dort hatte sie in einem extra Abteil ihr Bett für ihre Nachtschicht. Sie zwang mich, mich in ein ganz kleines Säuglingsbett zu quetschen. Ich war 6 Jahre alt und natürlich zu groß für das Bett. Ich konnte in der Nacht daher nicht schlafen und alles war Horror für mich. Am Morgen durfte ich nicht aufstehen. Sie holte die Kinder aus meinem eigentlichen Schlafsaal. Sie mussten sich rundum um mein kleines Baby-Gitterbettchen aufstellen und sie verhönte mich zusammen mit den Kindern in meinem Alter. Ich schämte mich sehr.
Wir wurden ja sowieso in gute und schlechte Kinder eingeteilt. Karneval wurde ein kleines “Kostümfest” veranstaltet. Wir Kinder durften uns unsere Verkleidung nicht aussuchen, sie wurde uns zugeteilt.
Es gab 2 Arten: Engelchen und “Neger”. Ich gehörte zu den “Negern” und mir wurde das Gesicht mit schwarzer “Schuhwichse” eingekleistert, das stank eklig.
An diese Dinge erinnere ich mich noch. Als ich zurück war erzählte ich meinem Vater einiges davon. Er lachte und sagte nur:”Du hast wohl schlecht geträumt”. Das sagte er in meinem Leben oft zu mir…
War jemand von euch auch in dem Kindersanatorium “Maria Helferin” in Nettetal/ Leuth? Es liegt kurz vor der holländischen Grenze an einer Bahnlinie. Später wurde ein Heim für psychisch behinderte Kinder daraus.

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Annette Kühne aus Braunschweig schrieb am 12.07.2023
Danke für die kollektive Aufarbeitung.
Den Tränen nahe und erst einmal sprachlos, verstehe ich jetzt mein Leben oder finde Anhaltspunkte. Mit neun Jahren war ich in Grömitz (Kinderheim Seestern) für sechs Wochen zur Verschickung. Mitunter saß ich 2-3 Stunden allein im Speisesaal.. Drei Jahre nach der Verschickung und bis jetzt, lebe ich mit Magersucht.
Alles Gute an alle ehemaligen Verschickungskinder.
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Nicolett K aus Hamburg schrieb am 12.07.2023
Nach der Untersuchung, ob man schulreif ist, wurde entschiedenen, dass ich vorher verschickt werden soll, weil ich wohl zu dünn war, genau weiß ich es aber nicht. Meine Eltern haben mir von der Verschickung erst am Abend vor der Abreise erzählt, wohl weil sie sonst Tränen und Geschrei befürchteten, wenn ich es eher erfahren hätte. Ich weiß noch genau, dass ich es nicht glauben wollte und dachte, man will mich nur ärgern. Aber am nächsten Morgen saß ich dann tatsächlich mit einem Schild um den Hals im Bus und fuhr vom Barmbeker Bahnhof aus los. Wo es hinging wusste ich damals nicht genau.
Angekommen im Heim, welches eine ehemalige schöne Villa war, nahm man allen Kindern, wir waren ausschließlich Mädchen, sofort die mitgebrachten Puppen bzw. Teddys ab und sperrte diese in einen Schrank. So war der einzige Halt an Zuhause weg. Ein einziges Mal für einen Fototermin wurde die Puppen/ Teddys hervorgeholt, damit es fürs Foto gut aussah. Für mich war das schlimm in meiner Erinnerung. Geschlafen wurde in Gitterbetten, was ich mit damals sechs Jahren schlimm fand, schließlich war man ja kein Baby mehr. Wurde nach dem Zubettgehen abends noch geredet, kam die Schwester rein und haute dem jeweiligen Mädchen eins an die Backen.
Weil ich ja angeblich zu dünn war ( heute bis ich, welch Überraschung, übergewichtig), musste ich abends zur Grießsuppe, die ich eigentlich liebte und noch liebe, den Knust vom Brot essen, was eine einzige Qual für mich war. Ich sehe mich noch heute allein am Tisch sitzen im Versuch, das harte Zeug runter zu quälen. Ich esse bis heute ungern dies bestimmte Brot, wenn, dann schneide ich die Rinde ab und toaste es. Morgens gab es immer eine Lebertrantablette, die ich kaum runter bekam.
Zum Thema sexuelle Übergriffe: die gab es nur indirekt aus heutiger Sicht, aber keiner von uns durfte sich nach dem Stuhlgang allein den Hintern abputzen, man musste hockenbleiben, bis die Schwester kam und es gemacht hat. Ich habe mich in Grund und Boden geschämt, weil ich das zuhause schon Jahre allein erledigt hatte!
Zweimal die Woche ging es unter die sogenannte,Höhensonne‘, dazu mussten wir komplett nackt vom Zimmer aus durch ganze Haus in den betreffenden Raum laufen, auch das war mir mehr als unangenehm. Dann in einer Reihe nebeneinander auf den Boden legen und auf Kommando alle paar Minuten drehen, fürchterlich….
Vorm Speiseraum draußen auf der Terrasse stand ein Vogelhaus, wo abwechselnd jeder morgens mal Körner ausstreuen durfte. Ich weiß nur, dass ich nie dran kam als Strafe für irgendwas, das fand ich so gemein… ich war nur ein einziges Mal auf der Terrasse, nämlich um heimlich den gehassten Brotknust in den Garten zu werfen, als ich einmal kurz allein gelassen wurde. Wie sich sowas einprägt, ist schon erschreckend.
Ich habe diese sechs Wochen als absolut schrecklich in Erinnerung und meine Eltern sagen heute noch, dass ich als völlig verändertes Kind wieder nach Hause kam. Ich war damals schon sehr selbstständig, wenn ich gewusst hätte, wo ich war, wäre ich abgehauen und mit der U-Bahn nach Hause gefahren so als Enkeltochter eines Hochbahners, welches sich mit Bus und Bahn dadurch schon ganz gut auskannte. Durch die täglichen stundenlangen Märsche in Reih und Glied aber wusste ich null, in welchen Teil von Deutschland ich mich befand, sie Schwestern erzählten immer, wir wären , hinter Bremen‘… und das war für mich doch gedanklich eine Weltreise.
Zurückblickend kann ich nichts positives sondern nur negatives an so einer Verschickung sehen.
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Marliese Schröder aus Bremen schrieb am 11.07.2023
Weil in unserem Haus offene TB ausgebrochen war, schickten mich meine Eltern für 3 Monate in den Schwarzwald nach Saig ins Kinderkurheim Schwoerer. Ich war 7 Jahre alt. Die Schilderungen von Gerd Müller kann ich bestätigen, ich mußte auch das Fett vom Fleisch essen. Der Ekel ist bis heute geblieben. Auch wurde ich beim Essen angebrüllt , meine Beine still zuhalten.
Die Süßigkeitspakete meiner Eltern wurden in einen großen Korb geschüttet, der rumging, und jedes Kind durfte sich eine Süßigkeit nehmen.
In der ersten Woche meines Aufenthaltes mußte ich mittags im Zimmer bleiben zum Mittagsschlaf. Dabei wurde bei mir rektal Fieber gemessen, man vergaß mich dann aber. Ich könnte heute noch das Zimmer aufmalen, das Bild an der Wand, die Spinde auf dem Flur. Habe wohl viel geweint, beim Besuch meiner Eltern wurde ihnen gesagt, dass man merken würde , dass ich von der "Waterkant" (Wasserkante) sprich Küste, kommen würde. Ich wußte, dass eine der betreuenden Damen aus Bremen stammte. kannte ihren Namen und durch Zufall konnte ich durch deren Schwägerin Kontakt zu ihr herstellen. ( Ich hätte ein paar Fragen und würde mich gern mal mit ihr unterhalten). Als Erstes fragte sie, was ich denn für eine Geborene sei, um dann einen Kontakt abzulehnen! Warum wohl ??? Das muß jetzt aber auch schon ca. 10 Jahre her sein.
Ich kann mich nicht erinnern, meinen Eltern von diesen Dingen berichtet zu haben. Aber es ist ja auch schon etwas her. Einige Dinge sind bei mir aber immer noch sehr präsent. Am Schlimmsten
war das Alleingelassen worden zu sein und von keiner Seite Unterstützung zu bekommen.
Falls meine Eltern etwas gewußt hätten, wären sie sicherlich aktiv geworden, aber es waren eben andere Zeiten.
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Jennifer Tencz aus Sersheim schrieb am 11.07.2023
Hallo mein Name ist Jenny und ich und meine zwei Brüder 10/5/11 Jahre wurden im Jahr 1987 nach Sylt (Westerland?) verschickt. Wir kamen aus BW und wurden mit den Nachtzug nach Sylt gebracht.

Ich was damals 9/10 Jahre alt. Das ist das einzige was ich genau weiß, da ich in der Kinderkur meinen 10 Geburtstag feiern musste und das war kein schönes Erlebnis.

Ich kann mich nicht an viel erinnern. Doch die Dinge die ich weiß, lassen mich nicht mehr los.
Als ich von 6 Monaten über einen Bericht über Verschickungskinder stolperte, hat es mir die Augen geöffnet und richtig Angst und Panik in mir ausgelöst. Ich fragte mich ob es Sinn macht weiter die Beiträge zulesen und mich mit meiner Schlechten Kindheitserinnerung auseinanderzusetzen. Doch ich will versuchen das Thema aufzuarbeiten.

Die Fahrt nach Sylt war schon dramatisch, da mir im Zug schon gleich meine Plüschtiere abgenommen wurden. Ich hatte 2 kleine und ein größeres dabei. Ich musst mich Entscheiden welches ich behalten wollte.

Meine Brüder waren mit mir in einem Schlafabteil und mein kleiner Bruder 5 Jahre wurde nach der Abfahrt aus dem Schlafabteil geholt und wo anders untergebracht. Auch mein großer Bruder 11 Jahre hätte aus dem Abteil sollen, doch wir klammerten uns wie Affen an einander und weinten. So durften wir zusammen bleiben. Wir machten in dieser Nacht kein Auge zu.

Das Heim? Ich weiß nicht genau wo es war, kann ich nur von Innen beschreiben. An Außen hab ich keine Erinnerung, es war nicht weit vom Strand weg. Denn wir machten jeden Tag bei Wind und regen eine Wanderung am Strand. In zweier Reihe und ohne das man auch nur einmal am Strand gespielt hätte. Wie Soldaten sind wir maschiert.

Wir waren 5 Mädchen in einem Zimmer und auch insgesamt. Er waren eigentlich zwei Zimmer (durchgangs Zimmer) im vorderen Zimmer standen 2 Betten da schliefen die größeren Mädchen. Ich war mit zwei weiteren jüngeren Mädchen in dem kleineren Zimmer. Es gab 1 Gitterbett und 2 normale Betten. Die 2 Betten standen hinter einander. Ich war die Älteste. Ich kann mich an das Mädchen im Gitterbett kaum erinnern. Nur das Mädchen im normalen Bett ist mir in Erinnerung geblieben, da ich ihr jede Nacht und bei jedem Mittagsschlaf immer die Hand gehalten habe. Das Mädchen hat immer geweint!
Wir wurden jeden Tag zum Mittagsschlaf gezwungen, wir mussten uns immer bis auf die Unterhose ausziehen und im Bett liegen. Wir durften nicht aufstehen und auch nicht mit einander sprechen. Wir durften nicht auf die Toilette. Wenn der Wachhund merkte das wir nicht schliefen. Kamm sie ins Zimmer und hat fürchterlich gebrüllt. Wenn sie sieh,Dass ich dem anderen Mädchen die Hand hielt musste ich zur Strafe auf die Treppe sitzen im kalten Flur und nur mit der Unterhose bekleidet. Im Treppenhaus war der Zugang in den jungen Bereich. Es war sehr erniedrigend wenn andere an mir vorbei liefen und ich nur in Unterhose auf der Treppe saß.
Meine beiden Brüder waren im ersten Stock in Zimmer eingeteilt. Ich war kein einziges Mal in dem Zimmer meines großen Bruders und ich weiß auch nicht wo mein kleiner Bruder geschlafen hat. Wir durften auch im Speiseraum nicht am gleichen Tisch sitzen mein kleiner Bruder saß bei den kleinen Jungs und mein großer Bruder bei den großen Jungs. Der Speiseraum war sehr groß.

Jeden Tag gab es Diskussionen wegen des Mittagsschlafs.

Zum Frühstück gab es immer einen Haferbrei und ein Löffel Lebertran oder so ein ekelhaftes Zeug. Man musste den Teller immer aufessen auch wenn man keinen Appetit mehr hatte. Man musste immer sitzen bleiben bis alles leer war. Manche Kinder sind den ganzen Vormittag vor ihren Tellern gesessen. Und konnten nicht mit zum Spaziergang ans Meer.
Das gleiche war beim Mittagessen. Wenn die Kinder erbrochen haben musste man das erbrochene essen. Am Essenstisch durfte nicht gesprochen werden und auch nichts getrunken.

An die Aktivitäten am Nachmittag kann ich mich nicht erinnern. Nur an den Mittagsschlaf der jeden Tag ein Problem war.

Nach dem Abendbrot was wie beim Frühstück und beim Mittagessen ablief mussten wir uns fürs Bett fertig machen. Man musste mit den Jungs zusammen duschen und durfte wenn man mal im Bett war nicht mehr auf die Toilette gehen. Man musste sich nachts aus dem Zimmer schleichen und hoffen nicht erwischt zu werden.Wenn ein Missgeschick im Bett passiert war wurde man vor allen Kindern geschimpft und bestraft. Ein Mädchen musste die ganze Nacht im nassen Bett schlafen.

Abends beim fürs Bett fertig machen gab es sexuelle Übergriffe und Missbrauch auch ich wurde nicht verschont. Man wurde an allen Stellen des Körpers berührt und musste ständig nackt herumlaufen.

Zu meinem zehnten Geburtstag habe ich von meinen Eltern ein Paket bekommen. Den Inhalt durfte ich nicht behalten. Die Süßigkeiten haben sich die Schwestern geteilt oder weggeworfen. Ein Buch welches ich von meiner Oma bekam durfte ich einmal durch Blättern und musste es wieder abgeben. Meine Mutter hat mir meine Lieblingspuppe geschickt da ich diese sehr vermisste und ich sie bei einem Telefonat darum bat sie mir zu schicken, durfte ich nur an meinem Geburtstag haben. Danach wurde auch sie mir wieder weggenommen. Zu meinem Geburtstag musste ich keinen Mittagsschlaf machen und durfte zwei Kinder zu meinem Geburtstag einladen und für 1 Stunde im Speiseraum mit ihnen ein Spiel spielen. Natürlich wollte ich meinen kleinen Bruder bei mir haben,Aber das erlaubt die Schwester nicht da er zu klein war und Mittagsschlaf machen sollte. So saß ich mit meinem Bruder alleine im Speiseraum und machte ein Spiel. Mehr Geburtstag gab es nicht.

Ich kann mich an einen Ausflug erinnern, wir wollten Laterne laufen gehen. Wir wurden in Gruppen eingeteilt und als ich bei meinen Brüdern sein wollte wurde mir das untersagt. Daraufhin wurde ich wütend und schrie die Schwestern an. Daraufhin wurde ich auf die Bühne in ein Büro gesperrt welches nicht einmal beheizt war und stockdunkel. Dort musste ich bleiben bis die restlichen Kinder vom Laterne laufen wieder zurück gekommen.

Ich kann mich an einen etwas kräftigeren Jungen erinnern welcher einmal einen Tag nichts zu essen bekommen hat weil er mit seiner Mama telefonieren wollte.

Ich habe ein einziges Bild von unserem Kuraufenthalt. Es gab einen Ausflug nach Westerland. Bei diesem Ausflug wurden Bilder gemacht und Souvenirs eingekauft. Das war das einzige positive Erlebnis an das ich mich erinnern kann.

Ich habe lange überlegt ob ich hier einen Eintrag machen soll da ich erst 1987 in Chur war und ich wenig Einträge über Sylt und 1980 finde. Doch vielleicht findet sich auf diesem Weg andere Betroffene. Es tat gut sich die ganze Sache einmal von der Seele zu schreiben.
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Emilia aus Berlin schrieb am 10.07.2023
Ich war im November 1984 in Kölpinsee auf Usedom zur Kur. Damals hieß das Heim „Geschwister Scholl“. Ich musste wegen meiner Neurodermitis dorthin. Ich war 5 Jahre alt und kam traumatisiert und verstört zurück.
Ich habe die Zeit der Kur furchtbar in Erinnerung, die Erzieherinnen waren kalt und ruppig. Ich hatte extremes Heimweh. Mein Gepäck wurde verwahrt und mir wurden Spielsachen, z.B. nagelneue Filzstifte (extra für die Kur gekauft, ich hatte mich drauf gefreut) und mein Kuscheltier vorenthalten. Einmal sah ich eine Erzieherin eine Schublade öffnen und entdeckte meine Tasche mit meinen Malstiften.
Jeden Abend vorm Schlafengehen mussten wir unsere Sachen zu einem kleinen Päckchen schnüren, das wir schnell mitnehmen konnten, falls es brennen sollte. Eines nachts gab es tatsächlich Alarm und wir mussten mit unseren Päckchen im Nachthemd lange frierend draußen stehen. Gebrannt hat es nicht, es war nur ein Probealarm.
Ich bekam während der Kur eine Furunkulose (das einzige Mal in meinem Leben). Mir wurden regelmäßig die Verbände gewechselt und zwar brutal abgerissen. Es tat jedes Mal wahnsinnig weh, weil die Verbände an der Wunde festklebten.
Die Postkarten wurden von den Erzieherinnen geschrieben. Meine Mutter hatte mir auch Post geschickt und wunderte sich, warum ich nie auf ihre Fragen antwortete. Eine Postkarte besitze ich noch. Darauf werden u.a. die Erzieherinnen Frau Raths, Frau Labahn und Frau Bast erwähnt.
Ansonsten fallen mir noch sehr lange Spaziergänge ein und an einer bestimmten Stelle mussten wir singen, da dort die Luft besonders gut sei und beim Singen mehr Luft in die Lungen gelangen würde.
Ein Mädchen, bei dem ich dachte, ich hätte in ihr eine Freundin gefunden, log mich an (sie hätte einer Oma im Vorbeigehen einen teuren Ring aus der Tasche geklaut). Ich durchschaute sie und merkte, dass sie mir etwas vorspielte und weiß noch, dass ich traurig und enttäuscht war und dachte: nicht mal den Kindern hier kann ich vertrauen.
Nach meiner Rückkehr erzählte ich meiner Mutter, dass ich geglaubt hatte, nie wieder nach Hause zu kommen.
Später wollte ich nie ins Ferienlager fahren (nach der Kurerfahrung rückblickend verständlich), musste aber trotzdem. Zum Glück habe ich dort überwiegend schöne Erfahrungen gesammelt.

Ein paar Monate vor der Kur hatte ich eine Mandel-OP und musste dafür 1-2 Wochen im Krankenhaus verbringen – ebenfalls mit schlimmen Erinnerungen und ohne Elternbesuch. Die OP war Bedingung dafür, dass ich zur Kur „durfte“, da befürchtet wurde, dass ich sonst während der Kur eine Bronchitis bekomme (hatte ich damals sehr häufig).

Mir hilft diese Website sehr viel dabei, alles zu verarbeiten. Es ist erleichternd, dass endlich alles öffentlich wird und bestätigt wird, dass so etwas psychischen Schaden anrichten kann. Ich habe mehrere Therapien aufgrund von Depressionen hinter mir, bin extrem unsicher, habe soziale Ängste und kein Grund-Vertrauen in mich und andere. Eventuell hat die Kur einen Anteil daran.
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Wahle, Jürgen aus Wolfen schrieb am 10.07.2023
Guten Abend, ich war nach einer Oberschenkel Operation und einem längeren Krankenhausaufenthalt wohl etwas zu dünn und musste etwas aufgepäppelt werden. Daher wurde ich unmittelbar nach dem Krankenhausaufenthalt nach Kröchlendorf und ein Jahr später nach Graal - Müritz mit einem ordentlichen Reisebus für jeweils 6 Wochen verschickt. Beide Aufhalte sind in keiner schlechten Erinnerung geblieben. Es gab in meinem beiden Aufenthalten keine Repressalien. Der Lernrückstand musste an den Vormittagen aufgeholt werden und Nachmittags gab es reichlich Zeit für sportliche Aktivitäten, wie Volleyball, Fußball und Baden im Templiner See. Leider waren Jungen und Mädchen Gruppen von einander getrennt. Ich kann ansonsten nur positive Eindrücke wiedergeben. Mit freundlichen Grüßen Jürgen
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Susanne Eichhammer (damals: Schlegelmilch) aus München schrieb am 10.07.2023
Hallo, ich wurde im Sommer 1969 in ein Kurheim in Bayern verschickt. Es muß ein Schloß oder Kloster gewesen sein. Ich erinnere mich an die großen Räume und Fenster, an lange Flure und Treppen. Es war sehr streng dort. An meinem Geburtstag am 10.08.1969 durfte ich mein Päckchen nicht öffnen. Auch die Sachen, die darin waren, wurden mir weggenommen. Wir durften nicht mit den anderen Kindern sprechen. Alle Kleidung musste akkurat am Ende des Bettes in einer Truhe verwahrt sein. Als Strafe mussten wir abends stundenlang im Nachthemd im dunklen Gang stehen. Als ich krank wurde, kam ich in ein Zimmer unter dem Dach. Ich war dort ganz allein. Aus Angst, oder weil ich eine Blasenentzündung hatte, pieselte ich ins Bett. Ich hatte große Angst vor Strafe. Bei der Mittagsruhe herrschte ebenfalls Sprechverbot. Mädchen und Jungen waren auf verschiedenen Stockwerken untergebracht. Einmal waren wir an einem kleinen See baden. Dort habe ich einen Salamander gesehen. Das war ein wunderschöner Moment.
Ich würde gerne wissen, wo dieses Heim war, und welche Organisation es geleitet hat? Vielen Dank! Mit freundlichen Grüßen, Susanne Eichhammer (Mädchenname: Schlegelmilch), München
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Rita Werner schrieb am 10.07.2023
Man stelle sich eine für ihr Alter zu kleine, introvertierte Elfjährige vor. Nach einer Bauch-OP qualifizierte ich mich für eine mehrwöchige Kur auf einem zum Kinderheim umfunktionierten Bauernhof bei Bühl am Alpsee. Konnte nicht schlimmer sein als daheim, Stress statt Geborgenheit war ich gewohnt. Allerdings erhielt ich beim ersten Beisammensein im Esssaal auf kommende Zwänge einen Vorgeschmack. Im wahrsten Sinne des Wortes:

Die „gute Bauernmilch“ zur Begrüßung war, wie die „Betreuerin“ durchaus zugab, verdorben. Die Devise lautete nicht etwa Wegschütten, sondern: „Die wird jetzt trotzdem getrunken“. Keine durfte aufstehen, bevor nicht alle ihre Tasse geleert hatten. Was dann auch alle taten außer mir. Ich war eine brave Esserin, aber ich trank keine Milch, geschweige denn eine mit Stich.

Zum Glück war ich alt genug, um eine Art Strategie zu entwickeln. Nach einer Stunde Kinderkur ahnte ich: Um hier einigermaßen unbeschadet durchzukommen, musste ich unter dem Radar fliegen, mir was einfallen lassen und die Nerven behalten. In diesem Fall kippte ich blitzschnell meine Milch zurück in die Kanne, während die Tante kurz abgelenkt war. Selbstverständlich haben auch Kindergruppen eine soziale Dynamik, die im Übrigen gerne von den Erzieherinnen ausgenutzt wurde. Ein Mädchen wollte petzen, wurde jedoch durch die Blicke aller anderen eiskalt gestoppt. Sie wollten lieber endlich raus.

Speisen verschwinden lassen wurde meine Paradedisziplin, denn auch in den nächsten Wochen herrschte Esspflicht. Zum Glück wurden während meiner Kinderkur keine Foltermethoden wie der Zwang, Erbrochenes wieder zu essen, angewendet. Aber weil nach kurzer Zeit fast alle Kinder ihr Essen ohnehin nicht mehr auf normale Weise ausschieden – ich vermute aus heutiger Sicht Unverträglichkeiten in Abwechslung mit Magen-Darm-Viren – wollte ich besonders vorsichtig sein. Ich erinnere mich gut, wie ich ein fettes Würstchen von suspekter Konsistenz nicht in den Mund, sondern heimlich in die Hosentasche beförderte. Als ich es später draußen der Hofkatze anbot, ergriff diese nach kurzem Schnuppern entsetzt die Flucht.

Unsere „Tanten“ waren nicht wirklich bösartig, aber zumindest ziemlich manipulativ. So überredete mich eine, die Unterhose mit den Fäkalien der an Verdauungsstörungen – was sonst – erkrankten Zimmergenossin von Hand auszuwaschen: „Das machst du doch sicher für deine Freundin.“ Ich machte es. Leider unvergesslich.

Post an die Eltern hielt ich für sinnlos, da ganz offen zensiert wurde. Die Betreuerin verlies einen schwelgerischen Brief mit schönsten Schilderungen als Vorlage. "So macht ihr das."

An Zwänge, Ekel und körperliche Nöte des überforderten Kindes erinnert man sich leider besser als an die Schönheit der Allgäuer Landschaft. Nach dem Mittagessen war Bettruhe angesagt, was bei aufgekratzten Vorpubertären absurd war und offenbar dazu diente, sie eine Zeitlang aus dem Weg zu schaffen. Wir lagen Bett an Bett in einem kleinen Zimmer, keine tat ein Auge zu, doch es herrschte strenges Sprechverbot. Erstaunlicherweise hatten die „Tanten“ offenbar Riesenohren, und jedem noch so zarten Flüstern folgte die übliche Strafe: endlos lange im Nachthemd an der Wand stehen. Natürlich musste man während dieser pädagogischen Meisterleistung bald dringend zur Toilette, was allerdings auch verboten war.

Die Fremdbestimmung elementarer körperlicher Bedürfnisse war sicher auch ein Grund für die Verdauungsprobleme als stetiges Begleitprogramm. Dass die Kinder nicht zunahmen, konnte auch die Fütterung mit Unmengen von Marmeladenbroten nicht verhindern. Als auch mich kurz vor „Kur“-Ende noch der Durchfall erwischte, kam ich in ein Isolationszimmer samt Rausgeh- und Besuchsverbot. Was konnte man in dieser Einzelhaft noch verbieten? Ganz einfach: alles. Inklusive das Lesen, denn an die Decke starren förderte nach Meinung der jungen, unerfahrenen Erzieherin die Gesundheit. Um nicht völlig irre zu werden, bat ich meine Essenlieferantin um ein Buch. Hanni und Nanni, der Räuber Hotzenplotz, egal was. Allerdings platzte auch die Betreuerin hin und wieder ins Krankenzimmer - ich musste mein Buch jedes Mal unter die Decke retten, es war nervenaufreibend. Ich hielt das Isolationsexperiment nicht mehr aus. Also erklärte mich für gesund, obwohl ich es nicht war. Der Deal: „Dann musst du aber auch unsere große Wanderung mitmachen.“ So schleppte ich mich vollkommen dehydriert und mit schweren Bauchkrämpfen einen Tag lang durch die Allgäuer Sommerhitze. Ich habe seither nie wieder solchen Durst erlitten. In meiner Not ließ ich mich zurückfallen, um heimlich aus einem Bach zu trinken.

Habe ich psychische Schäden davongetragen? Keine Ahnung, aber zu einem Grundvertrauen hat es sicher nicht beigetragen.

Es bleiben vor allem einige Fragen: Wie konnten Menschen, die Macht über Schutzbefohlene haben, so viel Gleichgültigkeit und Empathielosigkeit besitzen? Wieso gab es keine Kontrolle? Und ist es heute wirklich eine andere Zeit? Angst vor dem Altenheim? Irgendwie schon.
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Claudia aus Münster schrieb am 10.07.2023
Meine Schwester (damals 8 j. und ich 10 J. alt) wurden in das Heim zur Kur geschickt, weil wir untergewichtig waren. Die Nonnen zwangen uns zu essen u.a. die Schmandschicht auf dem Kakao. Auch nachdem meine Schwester sich deshalb mehrfach übergeben hat.
Wenn wir während der Schlafzeiten mittags und abends geredet haben, gab es Prügel und Verbote. Auch waren Toilettengänge während der Schlafenszeiten verboten. Wir hatten ziemlichen Stress damit und Angst vor dem Bettnässen. Meine Schwester wurde u.a. einmal mit einem Kleiderbügel geschlagen.
Die an die Eltern geschriebenen Postkarten wurden uns diktiert (nur lobenswertes über den Aufenthalt) und anschließend kontrolliert. Mehrmals wurden wir mit einem stinkenden Läusemittel behandelt. Vor dem wöchentlichen Wiegen hatten wir große Angst. Bei Untergewicht wurde uns noch mehr von dem wenig schmackhaften Essen (u.a.Fischstücke in Gelee) und Kakaoschmand vorgesetzt. Die zum Geburtstag meiner Schwester geschickten Süßigkeiten wurden an alle Kinder der Gruppe verteilt. Sonntags wurde für c.a. eine Stunde ein Fernseher im Speisesaal angestellt. Das Highlight der Woche, aber nur für die ganz braven Kinder. Ausflüge über die Insel waren selten und nur in der Gruppe als Wanderung durchgeführt. Spielen am Strand gab es nicht. Nach der Kur hatten wir Angst über die Missstände zu sprechen.
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Wolfgang Schaefer aus Berlin schrieb am 09.07.2023
Ich wurde vor der Einschulung im Alter von 4-5 Jahren nach St.Peter-Ording verschickt. Angeblich wg. Untergewicht und häufiger Bronchitis - so zumindest die Aussagen meiner Mutter.

Das Drama begann schon am Bahnhof Koeln. Meine Mutter hatte mir auf Anraten des Psychologen verschwiegen, dass ich alleine 'in Urlaub' fuhr. Entsprechend war ich ausser mir, als sich die Wahrheit offenbarte, zumal ich eh durch ein fruehkindliches Trauma extreme Verlustaengste und teilweise Paranoia hatte. Ich schrie und weinte wie noch nie zuvor - und nie wieder seitdem. Ich klammerte mich an meiner Mutter fest, wollte aus dem Zugfenster springen, weglaufen ... natuerlich alles ohne Erfolg.

Glücklicherweise erwies sich die Reise-Begleitperson, eine ältere Dame, bald als sehr zugewandt und ich fasste langsam Vertrauen zu ihr. Es blieb mir ja auch nichts anderes. Allerdings war auch dieses 'Glück' bald beendet, denn die Dame lieferte uns nach sechs bis acht Stunden Fahrt nur dem Heim aus - und macht umgehend kehrt. Der zweite traumatische Verlust in einem Tag.

Danach geschah das, von dem ich inzwischen leider weiss, dass es Methode war: Unempathische, harte Strafpädagogik, keine menschliche Nähe oder Wärme, kein Lächeln, Esszwang bis hin zu stundenlangem 'Nachsitzen' vor dem nichtgegessenen Essen im grossen, verlassenen Kantinensaal, nächtliches Toilettenverbot mit zwangsläufigem Einnässen, nächtliches Strafsitzen auf einem Stuhl im Gang, 'angeleitetes' Briefschreiben zur Beruhigung der Eltern, nicht vermittelte Elternpost bzw. Anrufe usw.

Zur Krönung infizierte ich mich nach ca. drei Wochen auch noch (ich glaube Masern) und musste auf die Krankenstation. Das allerdings empfand ich letztlich als 'Himmel' im Vergleich zur taeglichen Heim-Hölle. Hier wurde ich wenigstens 'pfleglich' behandelt und durfte auf Toilette, wenn ich musste. Und Essen-Nachsitzen war ja schlechterdings auch nicht mehr moeglich.

Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit, in Realitaet wohl 6-8 Wochen, wieder nach Hause kam, war ich erwachsen. Zwar immer noch Kind, aber ohne Vertrauen in meine Eltern und Erwachsene im Allgemeinen, felsenfest davon ueberzeugt, dass ich mich auf dieser Welt letztlich nur auf mich selbst verlassen kann.

Ich danke Ihnen von Herzen fuer diese Initiative. Jahrzehntelang dachte ich, meine Erfahrungen waeren ein Einzelfall, unglueckliche Umstände, Reste nazistischer Haltungen selbst geschädigter Erzieherinnen ... Dass Menschen, insbesondere auf dem Hintergrund der noch frischen, faschistischen Erfahrungen und des Holocaust, so etwas anderen Menschen, noch dazu wehrlosen Kindern, absichtsvoll antun, staatlich sanktioniert, das konnte ich mir trotz all meiner frühkindlichen Ent-Taeuschungen und des daraus erwachsenen Zynismus, nicht vorstellen.

Das Leid der anderen lindert das eigene wenig, auch wenn geteiltes Leid angeblich halbes ist. Aber das Wissen um die Systematik mit der hier Eltern belogen und Kinder gepeinigt wurden, reduziert zumindest das Gefühl der Eigenschuld und -scham und die innerlichen Schuldvorwuerfe gegenueber meinen Eltern.

Danke Ihnen! Wolf Schaefer
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Anja aus Aachen schrieb am 09.07.2023
Mein sechswöchiger Aufenthalt dort war geprägt von ungeheuerlichen Angst und dem Glauben, nie wieder nach Hause zurückkehren zu können.
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Ursula Redeke aus 20457 Hamburg schrieb am 08.07.2023
Ich wurde als Kind über das Bundesbahnsozialwerk nach Schulenberg im Harz mit ca 9 oder 10 Jahren (ca. 1974/75 verschickt weil ich Übergewicht hatte und wenig am Kontakt mit gleichaltrigen Schülern war. Ich war unselbstständig und uninteressiert am Kontakt mit Mitschülern war.

Heute gibt es ja im Kontakt mit Hochbegabten und Hochsensiblen zum Glück ganz andere Möglichkeiten!

Zum Glück habe ich dort niemals sexuellen Missbrauch erlebt. Aber ich hatte Mittagsschlaf zu halten, musste meine Schuhe putzen und durfte nachts nicht die Toilette aufsuchen.

In einem riesigen Speisesaal setzte man mich auf Diät. Am Tag gab es festgelegte Zeiten, in denen ein Becher Früchte- oder Pfefferminztee ausgeschenkt wurde.
Bis heute finde ich kalten Tee ganz furchtbar.

An die Zwangsmittagsruhe und den Schlafsaal erinnere ich mich auch noch.
Ich habe es über mich ergehen lassen und war froh, als es vorbei war.
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Reinhilde schrieb am 08.07.2023
Hallo,meine Schwester und Ich ,wurden in Weidenau in den Zug gesetzt für die Verschickung nach Niendorf.In Weidenau stiegen noch 2 Mädchen ein.Es war eine lange fahrt für ein Kind ohne Eltern reisen.Ich hatte Heimweh ,weinen durfte man nicht .Eine strenge Schwester die als Begleitperson mitfuhr ,duldete dies nicht .In der Kur wurde ich krank ,eigentlich wegen Untergewicht dort hingeschickt ,konnte ich kaum etwas essen.Wir mussten sitzen bis der Teller leer war .Anschließend Kopf auf den Tisch für Mittagsruhe ,aber das waren wir schon gewohnt von den Schwestern im Kindergarten.In der Kur wurden Briefe zensiert oder gar nicht weiter geleitet.Paktete die die Eltern schickten wurden durch sucht und einbehalten.Nachts wurde man Kontrolliert ob man schlief ,aufstehen durfte man nicht .Vor Angst nässte ich ein und wüsch morgens schnell heimlich dir Wäsche..Ich erinnere mich das die Schwestern sich mit Ausdrücken betitulierten.Als ich nach Hause kam war ich lange krank wegen Windpocken und noch größeren Essstörungen.Ich verpasste viel in der Schule was ich nie wieder eingeholt habe.
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Stefanie Jerz, geb König aus Duisburg schrieb am 07.07.2023
Ich wurde mit 5 Jahren nach Bad Rothenfelde verschickt. Habe Erinnerungen von gro�er Angst und Verloren sein. Erkrankte dort an Mumps. Wurde dafür ausgeschimpft und isoliert. Bekam Schuld zugewiesen. Ich würde alle anstecken. Ich erinnere mich an täglich brennender Haut durch zu lange Thermalbäder. Ich hatte Zum Geburtstag ein Paket von den Eltern bekommen. Durfte mir ein Stofftier daraus aussuchen. Der Rest wurde unter den Kindern verteilt. - Stefanie Jerz, geb. König
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Claudia F. schrieb am 07.07.2023
Kurz nach meinem 4. Geburtstag kam ich im Juni 1960 in die Kinderheilstätte Aprath. Meine Mutter war schwanger, die Ehe meiner Eltern in einer Krise und ich sollte nicht im Wege stehen. Da ich angeblich eine Tuberkulose hatte, erfolgte die Verschickung in ein Lungensanatorium.
Und da man dort befürchtete, ich sei ansteckend, wurde ich isoliert, alleine in einem großen Zimmer untergebracht, von wo aus ich das Toben der anderen Kinder hören konnte.
Ausgeschlossen! Wen interessierten schon die Qualen eines kleinen Mädchens?
Mehr als zwei Monate sah ich nur andere Menschen, wenn mir das Essen gebracht wurde oder wenn ich zu den medizinischen Untersuchungen gebracht wurde. Ansonsten war ich alleine mit mir selber und meiner Puppe „Toni“ als einzigem Spielzeug.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass in dieser Zeit irgendjemand mit mir geredet hat, geschweige denn gespielt hat. Und eines Tages gingen die Gummibänder kaputt, die Arme, Beine und Kopf meiner Puppe zusammenhielten……
Ich erinnere mich daran, dass ich regungslos im Bett lag und mir vorstellte ich sei tot. Diese unglaubliche Leere!!!
Hier wurde der Grundstein für eine depressive Erkrankung gelegt die mich mein Leben lang nicht mehr verließ.
Am Ende meines dreimonatigen Aufenthaltes kam ich schließlich doch zusammen mit anderen Kindern in ein Zimmer, aber nur, um mich mit Masern und Mumps anzustecken und diese Krankheiten unter Aufsicht durchzumachen. Plötzlich war keine Rede mehr von der angeblichen Ansteckungsgefahr, die von mir ausgehen sollte.
Als Erwachsene wurde ich Erzieherin, getrieben von der Vorstellung, kein Kind solle jemals solche psychische Folter erleiden wie ich unter dem Deckmantel der Medizin.
Weder meine Eltern noch meine späteren Therapeuten haben sich auf meine Geschichten eingelassen. Ich blieb zeitlebens alleine mit diesen Erfahrungen und würde mich nun sehr freuen andere Menschen kennenzulernen, mit denen ich mich austauschen kann.
Mitfühlende Grüße an alle, die ebenfalls leiden mussten
Claudia
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Muriel Baudy schrieb am 07.07.2023
Ich erinnere mich, dass ich in den Kofferraum eines Variant gesetzt wurde und mit anderen Kindern von unserem Wohnort Eichstetten am Kaiserstuhl in den Schwarzwald gekarrt wurde. Ich war 4,5 Jahre alt. Ich hatte Angst. Ich habe keine zusammenhängenden Erinnerungen. Fragmente. Dicke Suppe mit Fleisch oder ekliger Wurst essen müssen. Ich aß eigentlich weder Fleisch noch Wurst. Fieberthermometer im Po mit Schmerzen, angebunden im Bett, die Hände mussten neben dem Kopf liegen, Lichtschutzbrillen, Inhalationsräume, Badewannen. Mir wurde Jahrzehnte lang unweigerlich speiübel bei der bloßen Erwähnung des Ortsnamen. Meine Mutter hat nichts hören wollen. "Ach du immer, das bildest du dir ein, was bist du auch empfindlich, das war doch nur gut für dich...... " Furchtbar. Ich habe an mir und meiner Wahrnehmung gezweifelt. Ich hab im Internet recherchiert, ob es vielleicht doch noch jemanden gibt, der Ähnliches erlebt hat. Etwa 2016 fand ich dann einige wenige Berichte. Was war das für eine Erleichterung. Ich bin richtig, ich habe mir das weder ausgedacht noch eingebildet. Die noch größere Erleichterung kam, als Frau Röhl ihre Forschung veröffentlicht. Danke!!!!!!! Noch immer bin ich mit den Folgen dieser Erfahrungen beschäftigt.Vermutlich den Rest meines Lebens.
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Benedikt Westhoff aus Bönen schrieb am 06.07.2023
Mein Bruder und ich wurden Mitte der 70iger zur Kur verschickt. Wir waren im Schwarzwald. Nach meiner Recherche müsste es das Kinderheim Stieg in Albbruck Unteralpfen gewesen sein. Leider liegen mir keine weiteren Informationen oder Fotos aus der Zeit vor. Grundätzlich war Gewalt gegen Kinder an der Tagesordung. Meine Gruppe hatte noch Glück und eine damals recht junge Erzieherin, die vernünftig mit den Kindern umging. Man war allerdings auch den Übergriffen anderer Erzieherinnen ausgeliefert. So habe ich mir einmal "eine gefangen", als ich in der Mittagsruhe kurz die Augen geöffnet hatte. Die Mahlzeiten mussten natürlich aufgegessen werden, sonst durfte man stundenlang am Tisch sitzen bleiben. Ich erinnere mich an einem Jungen der an den Haaren ins Spielzimmer geschliffen wurde und die Erzieherin danach einen ganzen Büschel Haare in der Hand hielt. Dieser Junge hat es auch trotz Zensur irgendwie geschafft, seine Eltern zu informieren, die den Jungen dann vorzeitig abholten.
Wenn der Heimleiter (ein älterer Herr mit Fassonschnitt) die Station inspizierte, durfte dieser nicht angespochen werden. Zu seinen Ehren, mussten wir auch ein Theaterstück aufführen, während dieser Herr mit Gauleitergehabe auf seinem Sessel thronte.

Vergessen habe ich das nie - besonders der Tag der Ankunft, als mein großer Bruder bitterlich weinte und der Tag der Abreise, wo wir nicht glauben konnten, dass es vorbei war.
Es gab auch ältere Kinder die mehrere Jahre in diesem Heim verbringen mussten - für uns waren die 6 Wochen schon eine Ewigkeit.
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Marcel Schmidt aus Büttelborn schrieb am 06.07.2023
Ich habe am Montag die Sendung gesehen und hatte bis dahin noch nichts mit dem Begriff anfangen können. Ich weiß, das ich als Kind mal in Kur war, weil ich zu dünn war. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich von meiner Mutter in den Zug gesetzt wurde und es von Kassel in den Schwarzwald ging. Muß in den 1970ern gewesen sein. Mehr weiß ich nicht mehr, es gibt auch niemanden mehr, den ich fragen kann um vielleicht ein paar Sachen aufzuarbeiten. Gibt es Listen oder Ansprechpartner, die man kontaktieren kann?
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Frank von Gliszczynski-Endler aus Panketal schrieb am 05.07.2023
Hallo,
wenn ich zurückblicke, dann erinnere ich mich an Gewalt. Keine körperliche Züchtung; vielmehr mentale Anstrengungen der "Erzieher", Kinder in passgerecht in Formen zu pressen. Vermeintliches Fehlverhalten wurde öffentlich gebrandmarkt. Der/die betreffenden Kinder wurden vorgeführt.
Politische Indoktrination, typisch für das Schulsystem der DDR, waren alltäglich. Pädagogik, Einfühlungsvermögen, Sensibilität spielten seitens des Heimes keine Rolle.

Frank von Gliszczynski-Endler
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Michaela Bayerle aus Mühlenbeck schrieb am 05.07.2023
Guten Tag, ich habe durch Zufall den Film in der ARD gesehen und ich war erschreckt und gleichzeitig erfreut das es so einen Film und diese Homepage gibt. Ich kann mich an das Heim nicht richtig erinnern - bis her habe ich noch niemanden gehört der auch dort war. Ich war zur Kur weil ich mit 5 Jahren einen schweren Unfall - Schädelbasisbruch - hatte und mich erholen sollte.
Ich war vorher schon 8 Wochen alleine im Krankenhaus was ja schlimm genug ist und danach die Kur ca. 6 Wochen. Ich kann mich nur an Bruchteile erinnern aber nur schlechtes. Ich war ein "Heimwehkind" und wurde permanent von den Schwertern geärgert mit den Worten: Du kommst nicht mehr nach Hause zurück. Es war ein Schock.
Ich musste nachts Barfuß irgendwo auf Kacheln im stehen Schlafen - ich glaube weil ich zu viel geredet hatte. Es war ein Sammelschlafsaal.
Es wurden Karten an meine Eltern geschrieben - ich konnte ja noch nicht schreiben - das es mir gut geht usw.. die hatten keine Ahnung wie schlecht es mir dort ging. Es waren alles Nonnen - ich kann die Umhänge immer wieder sehen. Am Abreisetag war ich ganz aufgeregt - endlich nach Haus
- da kam wieder eine Schwester und sagte Du fährst nicht nach Hause ...ich fing sofort an zu weinen und eine andere Schwester sagte nun höre doch auf und las sie in Ruhe. Was sind das für Menschen gewesen? Ich musste auf die Krankenstation - warum weiss ich nicht und meine Eltern waren davon gar nicht informiert - und es gab eine Feier - ich glaube Fasching - und ich durfte nicht daran teilnehmen.... Meine Eltern haben mir geglaubt, aber die waren den Obrigkeiten zu sehr hörig-glaube ich. Meine Mutter sagte, als ich wieder zu Hause war, habe ich sie keine Sekunde mehr aus den Augen gelassen und hing an ihrem Bein fest. Meine Eltern sind beide Tod und ich konnte es nie klären. Nach den Berichten hier und im Fernsehen kann man ja fast sagen ich hätte Glück gehabt mit dem Heim wo ich war. Oder ich habe alles andere Verdrängt !?
Danke, wenn jemand etwas zu dem Heim sagen kann. Ich wünsche allen "Verschickungskindern" viel Kraft und Energie. Ich habe eine Hypnosetherapie gemacht die war super - ich war wieder in dem Kindeheim als "kleine Michaela" und in Trance holte ich die "grosse Michaela"
als Hilfe und Unterstützung dazu.
Liebe Grüße Michaela Bayerle
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Jörg Winter aus Bad Wilsnack schrieb am 05.07.2023
Ich wurde weil ich auch sehr dünn war, in den ersten Schuljahren einmal nach Wiek auf Rügen verschickt.
Es war kurz nach der Stillegung der Kleinbahn, die Fähre mit der Kleinbahn fuhr meiner Erinnerung nicht mehr.
Ich wurde in Perlenerg in einen Ikarus-66 Bus gesetzt, die Fahrt ging über Schwerin und weitere Orte wo weitere Kinder in meinem Alter zustiegen.
Am Tag der Anreise war es sehr warm, da dran kann ich mich noch erinnern.
In dem Heim war ich in der Gruppe einer von den schmächtigsten Jungs.
In dem Heim ging es recht streng zu. Es wurde auch Fragen mit wünschen und Kritik gestellt. Ich kann mich nur noch an zwei weitere Dinge erinnern, zum einen hat das Seetang am Strand gestunken, wenn wir zum Strand gingen. Des weiteren kam aus dem Wasserhahn oft braunes Wasser, die Ablagerungen sich zuvor in den Leitungen abgelagert hatten und sich von Zeit zu Zeit lösten.
Auf meine Frage hin zu der braunfärbung des Wassers wurde uns von den Betreuerinnen gesagt es sei nicht schön aber ungefährlich. Das Problem war bekannt, die Ursache sei eine lange Wasserleitung auf der Insel. So wetwas kannte ich nicht von zuhause.
Das Taschengeld glaube ich war im vorhinein auf eine bestimmte Summe festgelegt, ich meine das ich eine Ansichtskarte zu meinen Eltern geschickt habe, auch ein kleines Souvenier zum ende hatte ich gekauft.
Es war in meiner Jugend mal eine Abwechslung, Gewalt von Betreuern habe ich dort nicht erlebt, evenuell von den größeren Jungs in der Gruppe.
An weitere Details kann ich mich nicht mehr erinnern.
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Margret Rosemeyer aus Hamburg schrieb am 04.07.2023
Ich wurde als Kind mehrmals verschickt, weil ich zu dünn war und immer blass, im Gegensatz zu meiner Schwester! Ich hatte vieles verdrängt und nach diesem Bericht kam so einiges wieder hoch.

Ich, war ein Fan der Milchsuppe und hatte da wohl alles gefuttert, was im tiefen Teller, wie eine Suppe aussah. Fisch war nie mein Ding und da bekam ich dann nur Kartoffeln und Kräutersoße. Oh der Tee, Früh, Mittags und Abends.


Aber bis heute leide ich unter dem Aspekt, dass ich Bettnässer war und immer eine Gummiunterlage hatte und ein bis zweimal Nachts hinausmusste, um zum Klo zugehen. Wenn ich nicht konnte, wurde ich ausgeschimpft! Nach der Ursache wurde nie geforscht! Viel schlimmer war, dass andere Kinder mich geärgert hätten und ich dann, mit Wut im Bauch, mit meiner schwingenden Gummiunterlage hinder den her war. Bestraft wurde ich dann und nicht die, die mich geärgert hatten. In einem Heim musste ich zusätzlich eine Gummihose tragen. Wenn es doch passierte, hatte man mich gezwungen, selber das Bett neu zu beziehen und wurde wieder ausgelachte. Wyk auf Föhr, das Heim war mir bis heute ein Groll!
Dieser Bericht spiegelt so vieles wieder. 


Zum Heim in Niendorf, ich war zur Mutter und Kind Kur dort 1986 und 1987 und hatte da auch die Stränge erlebt, allerdings weniger mit den Kindern, nein oft mit uns Müttern. Es gab Schwestern dort, die waren sehr nett und lieb und dann war eine da, groß gewachsen, oft mürrischer Blick, aber lieb zu den Kindern. Leider weiß ich nicht mehr den Namen.


Ich kann nur hoffen, dass der Orden Wort hält und mit hilft bei der Aufklärung ...

Das schlimmste aber war, dass ich trotz meiner eigenen schlechten Erfahrungen, auch meine fünf Kinder, regelmäßig zu Erholungen über die AOK und später DAK geschickt hatte und viel später von den Kindern erfuhr, wie schlimm einige Heime waren. 


Ich persönlich bin eine Überlebende und hatte sexuelle Gewalt auf einem Hamburger Spielplatz von 8 bis 10 Lebensjahr erfahren. Kann mich in die Opfer hineindenken? Kenne das Gefühl bis heute und trotz einer Therapie, vergessen kann es keiner von uns...
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Sabine Hufer aus 41747 Viersen schrieb am 04.07.2023
Ich war einer von ihnen 1976 mit meinem Bruder...sechs Wochen...ich habe in der ARD heute vom 3.7.2023, einen Bericht mir angeschaut, darin erwähnte man Schwester Burkarde und mir viel die Kirnladen runter,den sie hatte ich als Drache in Erinnerung, habe noch ein Foto mit den Erzieher als Beweis und Postkarten... unfassbar..den es hat mich nicht nur getriggert,da vieles wieder hoch kam...von Bestrafungen auf den Flur die Halbe Nacht, Ohrfeigen, Überprüfung der Post... ich würde von meinem Bruder Andreas Hufer getrennt,sodass ich ihn nur auf einem abgelegenen Spielplatz sah...es waren Erinnerungen der angst.grosser Schlafsaal, ich musste Unterhemd und Unterhose immer anlassen,die Hände auf der Bettdecke..ich erinnere mich,das ich das Bett an einem großen Fenster hatte.einmal hatte ich so Heimweh,das diese Schwester Burkarde mich am Ohr sus dem Bett geschliffen hat und mich in einem Zimmer versohlt hat ..ich suche hier welche,die mich und mein Bruder kannten . will auch wissen,da mein Bruder verstorben schon ist und er nie darüber sprach,was mit ihm passiert ist...
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Andreas M. aus Duisburg schrieb am 04.07.2023
Ich erinnere mich auch ungern an diese Zeit. Ich denke dass ich 1980 ca. dort war. Meine beiden Brüder waren mit dabei. Wir wurden in altersbedingte Gruppen eingeteilt. Angereist waren wir aus Duisburg mit dem Zug. Unser Vater war damals auch bei der ATH (August Thyssen Hütte) beschäftig. Wir waren so ziemlich die gesammten Sommerferien dort. Ich sehe gerade (03.07.2023) in der ARD einen Bericht über Verschickungskinder. Da kam mir das alles wieder hoch. Ich erinnere mich an den streng durchzuführenden Mittagsschlaf von zwei Stunden. Auch wenn man nicht müde war wurde man gezwungen zwei Stunden ruhig und still im Bett zu liegen. Wer sich nicht daran hielt, musste barfuß mit dem Gesicht zur Wand in der Nähe der Aufseherin stehen. Bis die Mittagszeit zu Ende war. Auch zur Toilette durfte man in der Zeit des Mittagsschlaf nicht gehen. Ich erinnere mich dass ein Junge auf meinem Zimmer darauf hin ins Bett machte. Er musste dann in den nassen Sachen auf dem Flur stehen. Das Essen war ziemlich übel. Es musste immer alles aufgegessen werden auch wenn man es absolut nicht mochte. Als ich hin und wieder das mir vorgesetzte Essen nicht aufgegessen hatte gab es bei den wöchentlichen Taschengeldverhandlungen weniger Geld zur Strafe. Auch bei anderen Verfehlungen gab es weniger bis gar kein Geld. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass uns viel Geld für Postkarten abgeknöpft wurde. Die Karten und Briefe wurden durchgelesen und auch zensiert. Einmal die Woche war ein angeblicher Arzt da. Gemacht hat dieser eigentlich nichts. Man wurde immer nackt gewogen. Es herrschte bis auf die Ausflüge zum Strand irgenwie kein schönes Klima im Kinderheim Tannenblick. Die Aufseherinnen waren eigentlich so ziemlich emphatisch nicht gut auf Augenhöhe des Kindes. "Tannenblick" der Name ist bei mir hängen geblieben. Mitgebrachte Wäsche wurde nach dem Waschen öffentlich aus dem Korb geholt und in der Gruppe hochgehalten ( "wem gehört diese Unterhose etc.) Teilweise mit großem Gelächter der anderen Kinder. Da kam oft bei vielen und auch bei mir Schamgefühl auf. Gegenüber war ein Spielplatz, die "Ponderosa". Das ist bei mir auch noch hängen geblieben. Warum wir eigentlich dort zur "Kur" mussten weiß ich bis heute nicht. Erholt habe ich mich jedenfalls nicht. Nur das wir alle irgendwie da durch mussten und der Zusammenhalt ließ einen diese 6 Wochen ertragen. Zu meinen Brüdern in der anderen Gruppe hatte ich auch kaum Kontakt, was sehr merkwürdig war. Gesprochen habe ich bis heute mit niemandem darüber. Ich wünschte das alles würde bei den zuständigen Behörden aufgearbeitet. Wer sich in diesem Kinderheim war, kann sich gerne melden. Liebe Grüße Andreas
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Christine Lombardo aus Mühlacker schrieb am 04.07.2023
Ich war zu dem Zeitpunkt sieben Jahre alt und musste sechs Wochen in den Sommerferien in die "Kindererholung" nach Sylt. Angeblich weil ich zu oft krank war.
Ich kann mich noch gut an die Fahrt im Zug erinnern. Schon unmittelbar nach der Abfahrt würde ich von einer Begleitperson angeschrien und geschüttelt weil ich weinte.
Während des Aufenthalt mussten wir alles essen was uns vorgesetzt wurde und durften erst aufstehen wenn der Teller leer war. Nach etwa zwei Wochen habe ich Windpocken bekommen und lag tagelang alleine im Bett. Es gab drei Mal am Tag etwas zu essen, ansonsten sah ich niemanden. Vor lauter Heimweh und Traurigkeit habe ich an der Tapete gezupft. Als die Betreuerin das sah, hat sie mir mit einem Stock so lange auf die Hände geschlagen bis sie bluteten und geschwollen waren. Sie hat mir verboten zu schreien. Als ich mich vor Schmerzen und Angst eingenässt hatte musste ich die ganze Nacht im nassen Schlafanzug im Bett bleiben.
Noch heute ist es mir nicht möglich die Insel Sylt zu besuchen.
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Markus Haug aus Kohlberg schrieb am 03.07.2023
Bin gerade auf diese Seite gestoßen.
Ich war mit meinem Bruder in Herrlingen, müsste so um 1973 oder 1974 gewesen sein.
Es war der Horror. Wir Brüder wurden getrennt, es gab 2 verschiedene Häuser. Einen ekelhaft Brei musste ich essen, ich glaube es war Milchreis oder Grießbtei. Mir wurde der Brei reingeddrückt und nach dem ich diesen erbrochen habe, musste ich das Erbrochene wieder essen.
Ich wurde weinend auf dem Boden herumgekickt und anschließend in ein kleines Zimmer gesperrt.
Ich habe bis heute diese Bilder im Kopf und weiß nicht wie ich damit umgehen soll oder an welche Stelle ich mich wenden kann. Ich wünsche mir, dass ich die Erzieherinnen von damals zur Rechenschaft ziehen könnte. Ich hab immer wieder die Bilder im Kopf.
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Ursel Scheurer geb. Schuhmacher aus Waghäusel schrieb am 02.07.2023
Ich war aufgrund einer Lungenerkrankung von November 1972 bis April 1973 in der Lunkenheilanstalt Friedenweiler. Im Sommer 1976 war ich für eine 6-Wochen-Kur im Haus Concordia auf Borkum. Meine Erinnerungen decken sich mit den Schilderungen auf dieser Seite. Ich bin gerade dabei, meine Kindheitserlebnisse aufzuarbeiten und herauszufinden, was diese mit mir gemacht haben. Ich würde mich über Kontaktaufnahmen und einen Austauch freuen.
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Mia Herber aus Wadgassen schrieb am 02.07.2023
Mit 10 Jahren wurde ich in eine 6wöchige Erholungskur nach Wyk auf Föhr geschickt. Träger der Maßnahme war die Knappschaft Saar. Die Kur fand im Haus Jungborn 1966 statt. Ich bin nicht traumatisiert und habe auch keine quälenden Erinnerungen an die 6 Wochen auf Föhr. Es war aber auch ganz sicher kein Wellnessaufenthalt. In Erinnerung habe ich Heimweh, das Gefühl unendlich weit von zu Hause weg zu sein, Essenszwang, schlechtes Essen, quälend lange Mittagsruhe, öde Spaziergänge auf dem Deich bei Wind und Wetter und schreckliche Langeweile. Aber es gab auch Lichtblicke wie der abendliche Singkreis oder Muschelsammeln am Strand.
An die Betreuerinnen kann ich mich weder positiv noch negativ erinnern. Sie waren eher jung und wenig empathisch.
Richtig erholt habe ich mich dort nicht, vor allem nicht die erwünschte Gewichtszunahme erreicht. Das durchgestanden zu haben, hat mich psychisch gestärkt und selbstbewusster zurückkehren lassen. Ich hätte aber keine 2.Kur dieser Art mehr machen wollen. Dennoch faszinieren mich Föhr und die Nordsee bis heute.
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Sonja R. aus Köln schrieb am 02.07.2023
Meine zweite Kinderkur über sechs Wochen fand im Berghaus Loretto statt. Auch hier gibt es nur wenige Erinnerungen.

Es gab ständig Erdbeerquark mit Haferflocken zu essen, eine zähe Masse, die in großen Mengen jeden Tag gegessen werden musste.

Mittags saßen wir auf Bänken aufgereiht draußen in der Sonne und wurden zwangsgebräunt. Nur diejenigen Kinder, die kollabierten, durften ins Haus zurückgehen. Wir sollten „gesund“ aussehen.

Eine ganz schwache Erinnerung habe ich daran, dass man irgendwie meine Singstimme für schön befunden hatte und ich immer vor allen singen musste, was mir sehr unangenehm war.

Ich lernte ein älteres Mädchen kennen, das viel freundlicher behandelt wurde und Mercedes hieß. Sie war ein Halt für mich - bis sie erkrankte und separat von uns untergebracht wurde. Wir konnten uns nur noch aus der Ferne sehen.

Viele Jahre später habe ich den Ort aufgesucht, wo das Heim stand. Ich kenne sie durch eine Postkarte, die meine Großmutter mir geschrieben hatte. Das Haus steht dort nicht mehr, stattdessen eine Gedenktafel und ein Privathaus. Überhaupt taucht dieses „Berghaus Loretto“ in keiner Schilderung eines ehemaligen Verschickungskindes auf. Ich würde mich gerne mit anderen, die dort waren, austauschen.
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Sonja R. aus Köln schrieb am 02.07.2023
Mit fünf Jahren wurde ich für sechs Wochen nach Borkum geschickt in den Marienhof.

Wir hatten ständig Hunger und wurden mittags auf einer großen Wiese wie Tiere gehalten, die nicht ins Haus gehen durften. Wir sangen das Lied „Wir haben Hunger, Hunger…“ und pflückten und aßen Sauerampfer.

Als ich einmal nachts zur Toilette musste, war ich in Panik. Ich erinnerte mich, dass uns erlaubt worden war, ein großes Gefäß, das in der Mitte des Schlafsaals stand, zu benutzen. Ich habe sehr lange gezögert und dann voller Scham das Gefäß benutzt. Am nächsten Morgen wurde dies bemerkt und dann ging es los: Vor aller Augen wurde nach der „Täterin“ gesucht. Nach langem Zögern habe ich es gestanden und wurde denunziert. Ich war fünf Jahre alt!

Pakete, die von Zuhause kamen, wurden geöffnet und der Inhalt an alle Kinder verteilt.

Ein älteres Mädchen formulierte eine Karte für meine Eltern. Es ging mir schlecht und ich war krank vor Heimweh. Diese Nachricht wurde abgefangen, ich einem Verhör unterzogen und dann ein neuer Text geschrieben.

Ich habe nur wenige Erinnerungen an die Zeit im Marienhof, daher würde ich mich gerne mit Menschen austauschen, die auch dort waren. Lücken auffüllen…

Es gibt eine Postkarte, die das Heim an meine Eltern geschrieben hat. Dort wird beschrieben, dass ich mich in einer Gruppe mit 15 kleinen Mädchen befinde. Unterschrieben ist die Karte von einer „Tante“ Waltraud. Eine Klapp-Fotomappe des Heims habe ich auch.

Ich war ein schüchtern-verstörtes Kind, das meist geschwiegen hat. Ängste begleiten mich mein Leben lang und es erforderte eine große Kraftanstrengung, mich im Leben und in der Berufswelt durchzusetzen. Bis heute habe ich ein gestört-schamhaftes Verhältnis zu Körperausscheidungen. Dass es hier einen Zusammenhang zu meinem Aufenthalt im Marienhof geben könnte, wird mir - bei aller Therapieerfahrung - erst in der letzten Zeit deutlich.
Sehe ich mich als Kind, so habe ich mich in eine Phantasiewelt zurückgezogen, meist gelesen, kaum Kontakt zu anderen Kindern aufgenommen.
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S. Wöhler aus Köln, als Kind Leverkusen schrieb am 01.07.2023
Ich war insgesamt dreimal à 6 Wochen jeweils um die Osterzeit herum in Niendorf bei den Nonnen zur Kur, weil ich „zu schmächtig“ war. Beim ersten Mal muss ich unter 6 Jahre gewesen sein, das zweite Mal war ich genau während des Brandes 1971 dort zur Kur und das letzte Mal 1978 als 13-jährige (steht auf der Rückseite eines Strandfotos). Bei der ersten und letzten Kur war ich jeweils in der Mädchengruppe, die von einer Schwester Gottfriede geleitet wurde. Sie war eine sehr strenge, absolut humorlose und unfreundliche Person, unter der alle ziemlich gelitten haben.
Rausgehende Briefe an unsere Eltern wurden zensiert, eingehende Briefe wurden auch gelesen und manche kamen nie bei mir an. Wenn meine Eltern ein „Care“-Paket mit ein paar Süßigkeiten schickten, bekam ich sie entweder gar nicht oder musste sie zwangsweise mit allen teilen.
Vor und nach jedem Essen musste gebetet werden. Man musste alles aufessen, was serviert wurde, sonst gab es mächtig Ärger. Egal wie satt ich war, ich musste aufessen.
Täglich mussten endlos lange irgendwelche Volkslieder von uns gesungen werden.
Schlafen durften wir nur in einer bestimmten Position und wehe, wenn einen die Nachtschwester erwischte, dass man anders lag oder gar weinte.
Mein jüngerer Bruder war einmal zeitgleich mit mir dort; wir durften jedoch während des Aufenthaltes keinen Kontakt zueinander haben. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich mich inmitten dieser vielen anderen Kinder und den Nonnen furchtbar einsam und unglücklich gefühlt und viel geweint habe, aber das durfte ich meinen Eltern nicht schreiben.
Während der zweiten Kur dort war ich in der Gruppe einer relativ netten Nonne. Der Brand des Heims war eine schreckliche Erfahrung, aber ich war froh, dass meine Eltern kamen, um mich abzuholen und die Kur so frühzeitig beendet war. Ich habe bis heute starke Angst vor Feuer und kann Brandgeruch jeglicher Intensität nicht haben.
Mehrmals pro Kur mussten wir in einem kleineren Schwimmbecken mit eiskaltem Wasser schwimmen gehen; zum Schluss war ich total blau vor lauter Kälte.
Obwohl man mich immer zum Essen gezwungen hat, war ich bei der Gewichtskontrolle am Ende der Kur immer leichter als vorher; ich denke, ich hatte einfach so viel Stress dort, dass ich gar nicht zunehmen konnte.
Die einzig positiven Dinge, die ich mit diesen Kuren in Verbindung bringe, sind Bastelarbeiten wie Makramee-Eule, Fadenbilder und das Erstellen von Briefbeschwerern mit Muscheln usw., die in Harz gegossen wurden. Außerdem fuhren wir während einer der Kuren einmal mit einer Betreuerin zu 10 Kindern in ihrem VW-Käfer zum Wellenbad. Außerdem wurde dort in einem Dachraum, der sehr sehr kalt war, etwas mit uns gemacht, was sich viele Jahre später als Autogenes Training herausstellte. Diese „geistigen Reisen“ fand ich eigentlich immer schön.
Meine Erlebnisse dort waren -verglichen mit dem, was manch Anderer dort durchgemacht hat- noch relativ harmlos. Trotzdem haben sie ihre Spuren hinterlassen, weil einfach so viel Zwang herrschte und man besonders vor Schwester Gottfriede und ihren Launen immer Angst haben musste. Nicht zu unterschätzen ist auch der Faktor, dass man als so junges Kind einfach in einen Zug gesetzt und sehr weit weg von Zuhause sechs endlos lange Wochen (eine Ewigkeit in dem Alter) mit fremden Kindern und Erwachsenen zubringen muss und man ein wahnsinniges Heimweh hat und gar nicht versteht, warum man dort sein muss.
Ich wünsche allen, die noch heute unter den Geschehnissen während der Kinderverschickung leiden, dass ihre Seele geheilt wird und die Erinnerungen keine Macht mehr über sie haben.
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Sabine schrieb am 01.07.2023
Zunächst möchte ich "Danke" sagen, dass das Thema aufgearbeitet wird. Ich habe jahrelang gedacht, ich sei hyperempfindlich und würde mich (z.B. vor Klassenfahrten) in meine Angst reinsteigern. Außerdem habe ich lange gedacht, ich sei die einzige, die solche Ereignisse schrecklich fand, wobei ich sagen muss, dass ich im Verhältnis zu vielen anderen hier, nur weniger Schreckliches erlebt habe. Aufgrund einer verschleppten Lungenentzündung wurde ich im Sommer 1975 mit 8 Jahren von NRW aus auf Kur in den Schwarzwald (mit einem Bus) geschickt (mit mehreren anderen, die über die gleiche Krankenkasse versichert waren). Wir waren in großen Gruppenschlafräumen, so dass nachdem eine Windpocken hatte, alle anderen auch erkrankten. Gegen den Juckreiz bekamen wir aus meiner Erinnerung heraus nichts. Regelmäßig wurden unsere Köpfe auf Läuse untersucht und wenn man etwas fand, wurde diese Person vor den Augen aller anderen mit einem Mittel behandelt. In den Mittagspausen durften die Älteren religiöse Bücher lesen, alle anderen mussten schlafen. Ich habe dann immer die Augen geschlossen und so getan als würde ich schlafen (auch abends/nachts bei der Kontrolle, da es sonst Ärger gab). Den Teller musste man leer essen, sonst musste man sitzen bleiben bis er leer war. Ich erinnere mich nur daran, dass ich einmal Rosinen essen sollte, die ich nicht mochte. Nach längerem alleine Sitzenbleiben am Tisch habe ich die Rosinen in den Mund genommen und auf der Toilette ausgespuckt - ich esse bis heute keine Rosinen oder Dinge, in denen Rosinen sind. Briefe nach Hause wurden zensiert, wenn etwas Negatives drin stand, wurden sie nicht abgeschickt. Meine Mutter hat nachher erzählt, dass sie sich gewundert hat, dass ich ihr Bilder geschickt habe - das war wohl mein Versuch, ihr klar zu machen, was passiert. Ich habe nach der Rückkehr (ich war 6 Wochen dort) nicht mehr ohne vorherige Angst auf Klassenfahrten fahren können und meine Kinder habe ich nie auf Ferienfreizeiten fahren lassen, nur auf Klassenfahrten, weil ich dort ja dann erlebt hatte, dass es auch anders geht. Als ich meinen Eltern erzählt habe, wie es dort war, haben sie es gar nicht wirklich geglaubt, höchstens so etwas gesagt wie "jetzt bist du ja wieder zuhause".
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Ewald aus Köln schrieb am 01.07.2023
Hallo,

nun, lange Zeit dieses Kindheitstrauma vergessen. Gott sei Dank! (Kinderheim Bethesda Bad Salzufflen)

Durch die Diskussion über diese wohl von der Intention gut gemeinten Verschickung, in der Realität aber katastrophale Umsetzung, hat mich das im Alter wieder eingeholt. Ich habe im Nachhinein eine bodenlose Verachtung über diese Einrichtung. Vielleicht kann man das als Leiden betrachten. Ich habe es aber so verarbeitet, dass ich, insbesondere gegenüber kirchlich-karitativen Einrichtungen, extrem misstrauisch bin.

Die Ursache ist nicht nur das Erlebnis in dieser Einrichtung. Verstärkend sind die aktuellen Missbrauchsfälle der Kleriker aller Konfessionen.
In meiner Studentenzeit habe ich mich intensiv mit der Rolle der Kirchen im 3.Reich beschäftigt. Die Auswirkungen der nationalsozialistischen Doktrin spiegelten sich lange Zeit in den Einrichtungen, die mit Erziehung und Rechtsauffassung zu tun hatten, wieder.
In Schulen waren sehr viele ehemalige Reichswehroffiziere als Lehrer tätig. Was sollte man auch mit denen sonst anfangen. Für die karikativen Einrichtungen galt dies als Weiterführung der Erziehungsideale des NS - und der Kaiserzeit ebenso. Die Ursache, dass Diakonissinnen solche „Erziehungsideale“ weiter praktizierten liegen dort. Ein Umdenken dieser Ideale funktionierte nur durch einen Generationenwechsel. Aber, so ganz hat das nicht funktioniert. Fälle gibt es ja heute noch zuhauf. Die breite Öffentlichkeit ist aber sensibler geworden und reagiert darauf.

Nun zu meiner Erfahrung „Bethesda“:
Aus einem sorgsamen und liebevollen Elternhaus wurde ich als schwer asthmakrankes Kind wegen einer vom Arzt angeraten Luftveränderung nach „Bethesda“ Bad Salzufflen verschickt.
Meine Wäsche wurden mit kleinen Aufnähern mit den Ziffern 13 versehen (meine Mutter war pragmatisch in diesen Dingen- andere Kinder haben bestimmt nicht diese Ziffern am Hemdchen), damit man sie in einer Gemeinschaft zuordnen kann. Nun war ich dort die Nummer 13.

Ein einschneidendes Erlebnis war das Frühstück mit eine schleimigen von einer Haut überzogenen Milchsuppe. Zu Hause hab ich sie immer abgelehnt was auch respektiert wurde. In Bethesda aber ging es dann zur Sache:
Los aufessen! Mit einem Stoß in den Rücken!

Was dann abging war der Horror. Ich erbrach mich in dieser Schüssel.
Man schubste und schleifte mich auf die Toilette. Ich wehrte mich, bekam ein Schlag ins Gesicht, so dass die Nase und die Lippe stark bluteten. Ich musste eine lange Zeit in der Toilettenkabine verbringen. Anschließen musste ich ins Bett. Das Bett wurde natürlich blutig. Dann ging es abermals los. Ich musste das Bett abziehen und wurde als hoffungsloser Nichtsnutz beschimpft.

Da ich untergewichtig war versuchte man es mit einer Mastkur. Nachmittags mussten alle Kinder in einer Freilufthalle für ca. 1 Stunde auf Liegen verbringen. Man musste die Augen geschlossen halten. Bei einer Zuwiderhandlung ging direkt das Theater und Gezeter los.
Die untergewichtigen mageren Kinder mussten den ganzen Nachmittag auf diesen Liegen verbringen Man versprach sich dadurch wohl eine Gewichtszunahme dadurch.
Zum Glück hatten 3 oder 4 Jungs dann etwas Freiraum um z.B. Bücher zu lesen und sich über diese miese Behandlung auszuquatschen. Die anderen Kinder unternahmen irgendwelche Ausflüge mit der Diakonissin und ihrer Hilfskraft. Päckchen und Briefe von den Eltern wurden einbehalten. Kontakte sollten in dieser Zeit nicht stattfinden. Meine Großmutter wohnte in Salzufflen. Sie erschien einmal und wollte mich sehen, da meine Eltern, die in Köln wohnten sich Sorgen machten, da man nichts von mir hörte. Nun die Großmutter war sehr robust und hatte einen heftigen Auftritt im Eingangsbereich veranstaltet. Ich bekam den lauten Disput mit. Die Tafel Schokolade, die sie mir mitbrachte, konnte sie nicht überreichen.

Die Hilfskraft, eine junge Frau, die sich zu nichts äußerte, stand kurz vor der Verlobung oder Hochzeit. Viele Kinder hatten von zu Hause aus etwas Taschengeld mit auf den Weg ins Unbekannte bekommen. Das Geld wurde natürlich von den „Schwarzen-Pädagogen“ einbehalten. Man teilte uns mit, dass wir uns an einem Geschenk für diese Hilfskraft beteiligen müssen. Also wurde mit von unserem Taschengeld, über das wir nicht verfügen durften, eben ein gemeinsames Geschenk gekauft. Ich glaube, es war ein kleines Transistorradio, die damals auf den Markt kamen.

Abschließend möchte ich hier sagen: die Erlebnisse mit Geldansprüchen „wiedergutzumachen“, halte ich für mich persönlich für den falschen Weg.
Meine Erklärung der Ursachen einer solchen Behandlung ist in der Nachkriegsgesellschaft begründet. Dies habe ich vorab dargelegt. Mir bleibt nur -wie schon Anfangs gesagt- eine abgrundtiefe Verachtung der beteiligten Diakonissen. Kirchliche Einrichtungen sind mir bis heute durch ihre Scheinheiligkeit sehr hinterfragungswürdig, um nicht zu sagen suspekt.
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Monika aus Lörrach schrieb am 30.06.2023
Ich wurde nach überstandener Meningitis, zur Erholung 6 Wochen verschickt.
Das schlimmste waren die Nächte. Man durfte nicht zur Toilette. Vor dem Zimmer saß eine Tante zur Aufsicht.
Ich habe fast jede Nacht eingenäßt, und dann am Rand ohne Decke, geschlafen, damit das Bett bis zum Morgen trocken wurde.
Briefe an Zuhause durften nichts negatives enthalten.
Es mußte alles gegessen werden, notfalls saß man Stundenlang. Bis heute kann ich Quarkspeise nicht essen.
Als die getragene Unterwäsche verbraucht war, musste ich die getragenen Schlüpfen anziehen.
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Sybille Wehrle aus 79780 Stühlingen schrieb am 29.06.2023
Ich war 1962 mit knapp sechs Jahren im Heim Concordia auf Borkum. Noch immer ist mir der Name der Leiterin im Gedächtnis. Frau Meibert.
Wir bekamen sehr wenig zu trinken, hatten immer Durst.Nach dem Mittagessen mussten wir am Tisch Mittagsruhe halten. Den Kopf auf die verschränkten Arme legen, wehe man hat den Kopf gehoben. Für mich war ausser Heimweh am schlimmsten, dass ich nicht alleine zur Toilette gehen konnte. Wenn man an einem Tag keinen Stuhlgang hatte, musste man ein Glas Meerwasser trinken. Ich bin sehr still und angepasst wieder nach Hause gekommen. Es hat lange gedauert, bis ich wieder mehr Lebensfreude bekam und ich mich traute meine Meinung zu sagen.
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Maria aus Köln schrieb am 29.06.2023
Wir waren 5 Kinder zu Hause. Jahrgang 1948, 1952, 1958 1961 und1964. Und vier von uns einschließlich ich ,waren mehrfach in den sogenannten Kindererholungsheimen. Immer für ca. 6 Wochen
Das erste mal war ich mit zweieinhalb/ drei Jahren auf Norderney. 1963/64. Das letzte mal Anfang der 70 er Jahr. Insgesamt 5 mal.
Mein älterer Bruder meint es wäre jedes Jahr gewesen.
Leider oder vielleicht sogar Gott sei Dank kann ich mich nicht an mehr erinnern. Auch nicht wie die Kurheime hießen,

Ich selber bin ein sehr ernster Mensch. Ständig sehe ich in allem zuerst die Gefahr und das Böse. Es fällt mir schwer Nähe zu zu lassen und fühle mich mein leben lang minderwertig.
Positiv zu denken fällt mir schwer.

Norderney
Hier war ich das erste mal in Kinderkur zusammen mit meinen beiden Brüdern. Der älteste muss 11/12Jahre gewesen sein und der jüngere ca, 5-6Jahre. ich war ca. 2 oder 3Jahre alt.
Hier herrschten die Pinguine( Nonnen).
Es herrschte ein Befehlston und eisige Kälte.
Sie hatten ihre eigenen Regeln. Wir konnten gar nicht richtig machen!!! So habe ich es empfunden.
Dieses Ständige beten beim aufstehen und zu Bett gehen, vor jeder Mahlzeit.
Zu essen gab es nach meinen Erinnerungen immer einen dicken Klumpen Grießbrei mit Rosinen.
Weil es so viele Rosinen waren habe ich sie auf dem Teller an den Rand gelegt. Ich musste sie trotzdem alle essen. Und als ich erwischt wurde wie ich die Rosinen heimlich in meine Schürzentasche steckt und sie den Möwen beim Strandspaziergang verfütterte war der Teufel los. Ab da wurden mir die Rosinen öfter mal pur in den Mund gestopft.
Rosinen konnte ich Jahrelang nicht mehr essen oder riechen.

Mein Bruder meint er wäre mit mir 2 mal da gewesen. Ich weiß es nicht mehr.

Wenn ich Nonnen sehe bekomme ich Beklemmungen und es steigt eine Wut in mir hoch.
In der Kirche war ich das letzte mal vor 15 Jahren zur Taufe meines Großneffen. Ich habe die Kirche panikartig verlassen. Habe kaum Luft bekommen und musste mich übergeben.
Alles was mit Kirche zu tun hat, ist für mich ein rotes Tuch.



Oberstdorf In der Nähe von der Skisprunganlage ( wir mussten dann den Berg runter)
Ich erinnere mich an den täglichen ca. 2stündigen Mittagsschlaf (egal wie alt die Kinder waren) Wir lagen auf den langen Balkonen auf Liegestühlen im Sommer und auch im Winter ( ich war zweimal da) feste in Decken eingewickelt, so das wir uns nicht rühren konnten.
Es durfte nicht mehr gesprochen oder geflüstert geschweige denn gelacht werden. Dafür gab es dann Strafen.

Besonders hat es ein Mädchen getroffen, es war mit seiner älteren Schwester da. Die kleine war eine schlechte Esserin und machte ab und an noch ins Bett.

Ihr wurde abends vor versammelter Mannschaft eine Stoffwindel (mit Sicherheitsnadel) angezogen und dazu hat die „Tante“ sie ganz schlimm beleidigt. Morgens wurde sie sehr oft über das Knie gelegt und mit einem Schlappen wurde ihr auf den Hintern gehauen. Wir mussten zusehen.
Auch beim Essen hat sie immer wieder Probleme mit den „Tanten bekommen.
Beim Essen durfte man nicht aufstehen, auch nicht zur Toilette.

Eine Szene die mich bis heute verfolgt ist als sie nicht aufessen konnte und wir alle zusehen mussten wie sie das Essen hineingestopft bekam, sich dann übergeben hat und das Erbrochenen unter Androhung ihr eine Spritze zu geben ( die wurde aus dem Schrank geholt und auf den Tisch gelegt) wenn sie nicht ihre eigene Kotze aufisst.
Wir durften aufstehen und den Speisesaal verlassen, wenn alle Kinder mit Essen fertig waren.

Die Erzieherin öffneten die Pakete der Kinder im Speisesaal, der Inhalt wurde einbehalten und /oder an uns alle verteilt. Auch die Post die wir bekamen wurde im Speisesaal vorgelesen.
Briefe und Postkarten die wir geschrieben haben wurden gelesen und wenn der Inhalt nicht deren Wunsch entsprach, setzte es eine und wir mussten einen neuen schreiben der von den Tanten diktiert wurde.

Das erste mal war ich alleine dort. Beim zweiten mal wußte ich ja was auf mich zukommt. Diesmal fuhr meine 4 Jahre jüngere Schwester mit. Sie war eine schlechte Esserin hatte Rachitis und sah sehr mager aus. Ich nahm mir vor auf sie aufzupassen und sie zu beschützen!!!!!!

Ich war ständig in Habachtstellung. Bloß nicht auffallen. Unsichtbar machen.
Dies habe ich sehr lange Zeit meines Lebens so beibehalten.

Und dann war ich noch in Manderscheid. Da war ich schon älter. Meine Schwester war auch mit.
Dort habe ich mich mit einem Mädchen ( ich glaube sie hieß Birgit, Brigitteoder Barbara). Unsere Betten standen nebeneinander.
Auch hier waren Demütigungen an der Tagesordnung. Aber alles nicht zu vergleichen mit Norderney und Oberstdorf.

Mit 23/24 Jahren habe ich meine erste Therapie gemacht. Es folgten weitere. Doch erst vor einigen Jahren wurde mir Bewusst das einiges auch mit den Verschickungen zu tun hat.

Ich habe nur Negativ Erinnerungen - nichts, rein gar nichts Positives.

Gerne würde ich andere Betroffene kennenlernen die an den gleichen Orten waren, wie ich.
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Hassenpflug, Dagmar aus Ahnatal schrieb am 29.06.2023
Hallo Soffia,
ich war in 1962 im Alter von 9 Jahren im Haus Tanneck und wurde seinerzeit über das Bundesbahnsozialwerk (BSW) dorthin vermittelt.

Das Haus gehört offenbar auch heute noch dem BSW und hat die Adresse Olhörnweg 32, das konnte ich soeben über Googlemaps feststellen.
Falls du noch immer auf der Suche bist, kannst du mich gern kontaktieren.
Freundliche Grüße
Dagmar Hassenpflug
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Cornelia Zenker-Werner aus Ulm schrieb am 29.06.2023
Leider habe ich wenig Erinnerungen an diese Zeit. Ich wurde mit ca. 7 Jahren wegen chronischer Nebenhoehlenentzuendung dorthin von Ulm aus verschickt. Erinnere mich nicht mehr gut an diese Zeit, hatte aber furchtbares Heimweh. Ich schrieb dies auch nach Hause und habe die Briefe, die von der Heimleitung zensiert wurden noch. An den grausigen Haferschleim zum Fruehstueck erinnere ich mich und an die eingenaehten Namensetiketten in allen mitgebrachten Kleidungsstuecken.
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Mike schrieb am 29.06.2023
1969 Niendorf, Alter 5-6 Jahre. Grund Untergewicht.
Das anscheinend übliche ist mir am deutlichsten in Erinnerung, weil es wohl eine tägliche Prozedur war: Undefinierten billigen Schleim essen, Teller ablecken, dann erbrechen, nochmal essen.
Danach 1 Stunde den Kopf auf den Tisch legen als Mittagsruhe. Schläge bei Bewegung oder Kopf anheben.
Insgesamt bestand der Aufenthalt aus Schlägen, Zwang, Demütigungen und Diebstahl vom christlichen Personal. Einzelne Erlebnisse möchte ich nicht beschreiben, verfüge jedoch auch über einen kompletten Bericht.

Die Eltern berichteten, dass ich nach der Rückreise monatelang nicht mehr gesprochen habe, seitdem geistesabwesend bin, nachts um Hilfe schreie und mich ständig verfolgt fühle.
Meine Mutter hat versucht der Angelegenheit auf den Grund zu gehen, ist aber nicht weiter gelangt als zu den ebenso Ahnungslosen: Dem Arzt und die örtliche Krankenversicherung.
Der Grundstein für eine bislang lebenslange psychische Erkrankung wurde gelegt.
Massive soziale Phobie, Depressionen, Mißtrauen gegenüber anderen Menschen, paranoide Persönlichkeitsstörung.
Insgesamt 7 Jahre in psychiatrischen kliniken. Unzählige Suizidversuche. 35 Jahre lang das Haus nicht verlassen, keine sozialen Kontakte, Frührentner.

Anfang der 90er Jahre habe ich erstmals ausführlich im web von den Erlebnissen berichtet.
Mir ist daran gelegen, dass dieser dunkle Fleck in der Geschichte unverfälscht dokumentiert wird, ausgehend von niederträchtigen Christen, durchgeführt von Einzelstraftätern.
Mehr können die Betroffenen nicht erwarten, denke ich. Auf Entschuldigungen kann komplett verzichten.
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Michael Rupalla aus Brühl , Rheinl schrieb am 28.06.2023
Ich wurde über das Sozialwerk der Bundesbahn verschickt. Den Kinderausweis dazu habe ich noch. Das Jahr ist mir nicht mehr geläufig. Es war wahrscheinlich in meinem 5ten Lebensjahr .Ich bin 1953 geboren .
Ich mußte allein die Reise aus Stuttgart antreten.
Der Grund war meine Unterernährung.
Dort erwartete mich die Hölle.
Das Hauptgericht in dieser Zeit war Blumenkohl, was ich immer schon hasste. Zudem aß ich damals sowieso zu wenig. Wenn ich nicht meinen Blumenkohl aufgegessen hatte, wurde ich ins Schwesternzimmer geführt und mir wurde mitteils eines Schlauches Nudelsuppe eingetrichtert. Wenn der Schlauch wieder gezogen wurde, war die Nudelsuppe auch wieder draußen. Des Nachts, mußten wir mit den Händen auf der Bettdecke schlafen um nichts böses zu machen.
Wurdest du trotzdem beim Schlafen mit der Hand unter der DEcke erwischt, wurdest du ans Bett gefesselt.
Ich wurde nach 3 Wochen vorzeitig nach Hause geschickt, da sie nicht wollten daß ich im Heim sterbe, da ich weiter abgenommen hatte.
Es war nicht das schlimmste was mich in meinem Leben erwartete, aber damals ein absoluter Schock , der der erste Schritt zur Distanzierung von meinen Eltern war.
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Kai Borwig aus Bad Bleiberg schrieb am 28.06.2023
ich bin als 4-5 Jähriger Junge mehrfach nach Amrum und Sylt verschickt worden und habe dort in den Unterbringungsstätten traumatisches erlebt. Die Erinnerungen plagen mich bis heute. Mein Bruder, der zwei Jahre älter war wurde zu Pflegeeltern gebracht und ich hatte jahrelang keinen Kontakt mit ihm. Erst in der Schulzeit war mir dann bewusst dass ich einen Bruder hatte, da er dann wieder zu Hause bei meiner alleinerziehenden Mutter war. In den Verschickungsheimen ging es sehr streng zu. Mann durfte Nachts nicht auf die Toilette und dies wurde auch bewacht. Und wenn man dann ins Bett urinierte wurde man brutal gemassregelt. Zum Essen gab es meist nur Senfsuppe mit einem gekochten Ei; karge Kost halt. Gespielt haben wir garnicht . Dafür gab es lange Wanderungen in der rauhen Nordseewitterung. Ich kann mich noch an die aufpeitschende Gischt bei Sturm erinnern. Alles in allem war ich mehrfach wochenlang, wenn nicht sogar gefühlt monatelang allein und es war einfach eine schlimme Erfahrung, deren Bilder mir immer noch im Kopf herumspuken und mich quälen.
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Birgit Wagner aus München schrieb am 27.06.2023
Ich war 1977 in einem Kindekurheim in Bad Wörishofen ( den Namen des Heimes weiß ich nicht mehr) zum abnehmen. Es wurde von Nonnen liebevoll geführt, an eine kann ich mich noch sehr gut erinnern die besonders nett, geduldig und einfühlsam war. Es gab keine Strafen, ich hab nur gute Erinnerungen daran.
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