ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2741 Einträge
Monika Rack aus 58300 Wetter ( Ruhr ) schrieb am 19.11.2024
Hier erzähle ich meine Erlebnisse als 5 jährige.

2017 erzählte ich meiner Freundin Monika Weigt von dem Erlebnis was ich als 5 jährige bei Nonnen in einer Landverschickung mit meinen beiden älteren Schwestern erlebt hatte.

Das war so schrecklich das sie zu mir sagte – das kann ich nicht glauben -.
Jahre später als diese Ereignisse von anderen Betroffenen in den Medien veröffentlicht wurden
rief mich Frau Weigt an und sagte mir das dort genau das berichtet wird was ich Ihr damals erzählt hatte.
Dann kam Corona!
Nun bin ich bereit über meine Erlebnisse zu berichten.

Da die Landverschickung erst ab 6 Jahren erlaubt war kämpfte meine Mutter bei der Stadt Hagen
mich als 5 jährige mit meinen beiden älteren Schwestern mitzugeben. Mit Erfolg.
Wir waren bei Nonnen untergebracht.
Hier waren sehr viele Kinder; als jüngste war ich der Liebling der Nonne Oberin.
Diese saß in der Mitte des Speisesaals und wenn die Kinder sich zum essen setzten musste ich immer zur Nonne Oberin.
Sie machte Ihre Beine auf und schob ihre Kutte durch damit sie mich nah heranziehen konnte. Sie drückte meinen Körper ganz fest an sich so das mein Gesicht zwischen Ihrem großen Busen verschwand.
Ich bekam keine Luft mehr; sie setzte mich anschließend auf ihren Schoß weil mein Kreislauf
zusammen brach und ich wahrscheinlich sonst gefallen wäre. - Und das jeden Tag -.

Nun kommen wir zu dem Teil des Erbrochenen:
Es sollte eine Märchenaufführung stattfinden. Wir hatten Tage vorher geprobt sowie die Kostüme gebastelt bzw. aus dem Fundus geholt.
Martina war die Prinzessin, Ulrike der Kater und ich die Maus.
An dem besagten Abend an dem die Aufführung stattfinden sollte saßen wir alle im Speisesaal
zum Abendessen. Es gab Milchreis mit Grütze.
Ich sagte der Nonne das ich das nicht essen kann worauf sie einen Löffel nahm und mir das Essen in den Mund schob. Sofort musste ich mich übergeben und das Erbrochene verteilte sich auf dem Tisch. Die Mädchen in meiner Nähe wanden sich angeekelt ab.
Die Nonne aber nahm meinen Teller und wischte mit ihrer Handkante mein Erbrochenes vom
Tisch in meinen Teller und forderte mich auf das alles zu essen. Ich weigerte mich und aß nichts.
Alle Mädchen durften den Speisesaal nach dem Essen verlassen nur ich musste vor meinem Erbrochenem sitzen bleiben.
Die Aufführung durfte ich nicht mitmachen. Jede Stunde wurde nachgesehen ob mein Teller leer war. Als es schon dunkel war kam die Nonne herein und teilte mir mit jetzt das Licht auszumachen.

An der Wand hing ein sehr großes Krokodil mit aufgerissenem Maul welches wohl Kinder in früheren Zeiten gebastelt hatte.
Die Nonne sagte zu mir wenn ich jetzt nicht den Teller leere würde das Krokodil runter kommen und mich auffressen.

Meine 91jährige Mutter konnte sich noch an den Ort (für mich) des Grauens erinnern.
Auf meine Frage nach Bad Soden antwortete sie spontan „Allendorf“.

Meine Schwester Ulrike lebt nicht mehr, meine Schwester Martina kann sich noch gut daran
erinnern mich auf dem Schoß der Nonne Oberin sitzen zu sehen.

Beim Hagener Stadtarchiv konnte ich keine Dokumente aus der Zeit 1965 erhalten, wegen dem
Hochwasser sei angeblich vieles vernichtet worden ?!?
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THORSTEN KRUPPKA aus Frankfurt am Main schrieb am 19.11.2024
In den frühen 70er Jahren war ich zweimal im Klappholttal auf Sylt, eine Maßnahme, die über das Gesundheitsamt der Stadt Offenbach am Main organisiert wurde, um Gewicht zu verlieren. Die Zeit dort war von strengen Regeln und Demütigungen geprägt, vor allem im großen Speisesaal, wo Kontrolle und Schikane an der Tagesordnung waren. Wir „dicken“ Jungs mussten in einem Zimmer mit direktem Zugang zum Aufenthaltsraum schlafen, um jederzeit überwacht werden zu können. Beim zweiten Aufenthalt wohnten wir oberhalb des Speisesaals in einer kleinen Hütte.

Ohrfeigen für vermeintliche Verfehlungen, das Durchsuchen von Paketen nach Süßigkeiten und die strikte Kontrolle bei Stadtausflügen und Post hinterließen tiefe Spuren bei mir. Ausflüge nach List oder ins Legoland gerieten oft zu einem regelrechten Spießrutenlauf. Jahrzehnte später, als ich von einem Brand im Speisesaal erfuhr, empfand ich eine Art Erleichterung – als hätte sich eine Form von Gerechtigkeit durchgesetzt.

Besonders stark erinnere ich mich an einen aggressiven Pfleger, dessen Name sinnbildlich für sein Verhalten stand. Seine Gewaltbereitschaft und seine Art haben mich nachhaltig geprägt. Dennoch gibt es auch eine schöne Erinnerung: Ein liebes Mädchen aus Peine, türkischer Abstammung, mit dem ich eine freundschaftliche Verbindung hatte. Oft habe ich an sie gedacht und frage mich, ob sie sich vielleicht auch noch an mich erinnert.

Falls sich jemand angesprochen fühlt oder Lust hat, mir zu schreiben, würde ich mich sehr freuen.
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Alexandra aus Essen schrieb am 09.11.2024
Hallo liebe ♥️ Menschen ich war auch ein Verschickungskind und leide heute noch darunter 😞 liebe Grüße Alexandra
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Petra Sch. aus Bautzen schrieb am 06.11.2024
Hallo, ich bin durch Zufall auf die Reportage "Verschickungskinder" im TV gestoßen und habe mich dadurch näher mit dem Thema befasst.
Ich (jetzt 63 Jahre alt) war auch ein Verschickungskind. Ich war 5 Jahre alt (bin im Heim 6 geworden), als bei einer Schuluntersuchung festgestellt wurde, dass ich zu dünn bin.
Im März/April 1967 wurde ich für 6 Wochen ins Kinderkurheim nach Greiz geschickt, um zuzunehmen.
Sehr viele Erinnerungen habe ich nicht mehr an diese Zeit. Vielleicht spielt da auch Verdrängung eine große Rolle.
Ich kann mich aber erinnern, dass wir gezwungen wurden aufzuessen, was für uns Kinder eine Qual war.
Schnelle Bewegungen, wie rennen und toben waren verboten, weil es für die Gewichtszunahme hinderlich war. Wer gegen irgendwelche Vorgaben verstoßen hatte, musste im Waschraum bleiben, wogegen die anderen zum Essen gehen durften.
Erinnern kann ich mich auch, dass es jeden Tag zum Frühstück Mehlsuppe gab. Und dann weiß ich noch, dass es dort einen Raum mit einer Art Höhensonne gab, um die wir nackt herumlaufen mussten.
An Misshandlungen, wie Schläge oder andere Repressalien, kann ich mich nicht erinnern. Das Schlimmste war der Esszwang und die wochenlange Trennung von der Familie ohne jeglichen Kontakt.
Wahrscheinlich habe ich auch vieles verdrängt. Aber wenn ich die Erfahrungen und die daraus erfolgten Ängste und Zwänge vieler anderer Verschickungskinder lese, denke ich, dass einige Verhaltenszüge von mir auf diese schlimme Zeit zurückzuführen sind, worüber ich mir bis jetzt noch keine Gedanken gemacht habe.
z.B. reise ich ungern, brauche meine vertraute Umgebung, ich lass mich nur ungern von Fremden berühren und ganz ausgeprägt, ich würde nie jemanden zwingen zu essen bzw. aufzuessen.
Ich weiß nicht, ob der Kuraufenthalt dafür verantwortlich ist. Aber eine Erklärung wäre das.
Vielen Dank für die Aufarbeitung!
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Thorsten Gerlach geb.Kinder aus 29525 Uelzen schrieb am 24.10.2024
Hallo
Mein Name ist Thorsten Gerlach und ich schreibe hier zum ersten Male über die Erlebnisse in den "Erholungsheim Upstalsboom" in Norderney an die ich mich noch erinnere.
Ich war damals kurz vor meinem 8. Geburtstag und mein Bruder noch 4 Jahre als wir am von Uelzen unter der Aufsicht von zwei älteren Damen des Gesundheitsamtes in Uelzen in Empfang genommen und nach Norderney "verschickt" wurden.
Ein solches Verfahren wäre heute nicht mehr denkbar aber für die Kinder die aus der Nachkriegszeit kamen und selbst an körperlichen und geistlichen Misshandlungen erlebten war so etwas wohl völlig normal und vielleicht handelten sie aus dem Verlangen ihren Kindern etwas Gutes zu tun .
Wer weiß, wer weiß .
Nach einer Fahrt von mehreren Stunden mit der Bahn, damals D-Zug, und und einem Transfer auf einer Fähre, was natürlich für mich und meinem Bruder ein tolles Erlebnis war, kamen wir beide an einem Sammelpunkt zusammen wo alle Kinder auf die einzelnen Heime aufgeteilt wurden.
Am ersten Abend wurden wir eingeteilt in verschiedene Altersgruppen;
Kleine Jungs ( In diese Gruppe waren die Kleinsten Untergebracht)
Mittlere Jungs (Hier war ich untergekommen)
2.Jungs und große Jungs
So saßen wir nun in dieser Konstellation die 6 Wochen an unseren Tischen.
Meinen Bruder sah ich nur zu den Essenszeiten im großen Speisesaal aber ansonsten hatte ich keinen Kontakt zu ihm.
Die erste Nacht
An die erste Nacht an die ich mich noch mit der viel Schrecken erinnere und machten mir einen kleinen Vorgeschmack auf die restliche Zeit.
Das alle Kinder und für einige Kindern besonders nach einer sehr langen Reise aufgedreht waren, war doch eigentlich mehr als nur normal.
Aber wir machten alle sehr Schnell eine einschüchternde Erfahrung mit einer sehr brutalen weiblichen Aufsicht und Betreuerin, die jeden in den Haaren zog, in den Nacken kniff oder an den Ohren zog bis sie rot wurden.
Ich weiß noch, dass ich die halbe Nacht stehend in einem kleinen Schrank verbringen musste nur weil ich den Jungen im Nebenbett gefragt habe von wo er denn her was mir das o.g. "Privileg" im Schrank bescherte.
Diese Betreuerin war an Brutalität nicht zu übertreffen.
Außerdem kann ich mich noch sehr gut an ihre keifende Stimme und an das fiese Lachen erinnern wenn sie jemanden stundenlang in den Schrank oder in eine Ecke stellte.
Ich glaube, sie hatte sehr viel Spaß an ihrer Arbeit und hoffe inständig, dass
Sie selber keine Kinder hatte , den sie ihre "Werte" weitergeben konnte.
Zwar musste ich während der Nachtruhe nach dieser Nacht nie mehr in den Schrank aber gekniffen oder an den Ohren gezogen das kam schon des Öfteren vor.
Die Morgenwäsche
Vor einem langen Waschbecken wurden die Zähne geputzt und sich mit einem Waschlappen reinigte und das Nackt mit ca. 20 anderen Jungs in einer Reihe.
nach der morgendlichen Körperwäsche wurden dann auch die Unterwäsche für die Reinigung eingesammelt.
Auf die Unterwäsche komme ich aber später noch einmal zurück.
Das Frühstück
Da ich zu dieser Zeit ein kleines pummliges Kind war, musste ich in Regelmäßigen abständigen von einigen Tagen ein Glas mit Salzwasser trinken.
Diejenigen , die das auch trinken mussten wissen bestimmt noch wie "lecker" das war und wenn man es nicht zum Anfang auf Ex getrunken hatte musste solange sitzen bleiben bis das Glas alle war.
Hin und wieder klappte das auch aber meistens musste ich mich davon übergeben und dann gab es den ganzen Tag nur schwarzen Tee und Zwieback was nicht unbedingt satt machte.
Nach dem Frühstück ging man in der Gruppe bei gutem Wetter durch die Stadt oder an dem Strand wo man im Sand spielen durfte und der Besuch alle zwei Wochen im Wellenbad in der Zeit war für mich persönlich das Highlight schlechthin.
Aber ich möchte dazu sagen, dass solche sehr wenigen positiven Ereignisse mich nicht zu einer Aussage wie zum Beispiel:" Es war ja nicht alles so schlecht" hinreißen lasse.
Denn die wenigen gute Erinnerungen machen die vielen schlechten Dinge nicht besser oder ungeschehen.
Das Mittagessen
Man saß also am Tisch und wartete auf das Essen, was aber seinem Namen nicht gerecht wurde.
Es gab viel "Suppe" verkochten Fisch und faden Kartoffelpüree, die Kartoffeln waren tröge und die Nudeln klebrig und pappig.
Das Fleisch war so ungenießbar und unfassbar schlecht, das ich heute noch sehr ungern Fleisch als Beilage esse.
Beim Essen durfte Selb verständlich nicht gesprochen werden und wer es doch wagte, der wurde unter einer demütigenden Ansprache vor die Tür geschickt und bekam natürlich kein Mittagessen.
Der "Mittagsschlaf"
Nach dem Essen wurde Mittagsruhe gehalten.
Ob es nun 1,5 Stunden oder 2 Stunden oder länger waren weiß ich nicht mehr so genau aber da ich, wie die meisten Kinder zu Hause eine solche Ruhepause nicht kannten war es natürlich sehr ungewohnt sich hinzulegen und zu schlafen.
Aber meistens waren wir sehr Ruhig ,da die "nette" Betreuerin, heute würde ich sagen Aufseherin, mit der Brille auf ihre nicht unbedingt einfühlsamen Art und Weise für Ruhe sorgte,
War man selbst ruhig und im Zimmer wurde niemand sanktioniert ,dann durfte man die letzte halbe Stunde sich leise unterhalten.
Nach dem Mittagsschlaf ging man in das Gruppenzimmer wo man Spielen durfte und wo man mindestens einmal in der Woche Postkarten oder Briefe nach Hause schicken durfte oder besser geschrieben musste.
Als erstes wurde auf ein Blatt Papier vorgeschrieben und anschließend von den "Betreuern" korrigiert zurück gegeben.
Natürlich wurden die Passagen wo man im Schrank stand oder anderseits Misshandelt wurde weggestrichen mit der Begründung unsere Eltern wären traurig oder böse auf uns, da wir uns so "schlecht" benehmen würden und welches Kind in diesem Alter möchte es das ihre Eltern traurig oder böse sind.
Vor dem Abendbrot kam meistens die Heimleitung, eine ältere Frau vom Typ nette Omi, mit ihrer Gitarre und wir mussten Volkslieder bzw, und wie passend Seemannslieder singen nur wer nicht mitsingen wollte oder Faxen machte, musste vor die Tür und meistens auf Geheiß der Heimleitung, sie wissen noch...netter Omityp , gab es kein Abendessen und es war das Warten vor dem verschlossenen Essenssaal angesagt.
Vor dem Schlafen gehen
Bevor es ins Bett ging saß unser Zimmer mit einer Betreuerin zusammen und es wurden Geschichten erzählt, doch danach gab es eine Art Inquisition die berüchtigt und gefürchtet war unter uns.
Dort wurden wir gemaßregelt für die Fehler des Tages und lächerlich gemacht und gedemütigt für Unterhosen wo zum Beispiel eine kleine Bremsspur war was in diesem Alter doch einmal vorkommen kann.
Die Wäscherei wurde darauf angewiesen solche Unterwäsche nicht zu waschen und da in ALLEN Wäschestücken ein Namensschild war, war es auch kein Problem den "Übeltäter" dingfest zu machen.
Jetzt wurde die Hose mit spitzen Fingern hoch gehalten und es wurde jeden im Zimmer gezeigt wem diese Hose gehörte mit den Worten:" Diese vollgeschissene Hose gehört dem Dreckschwein, Schwein, der alten Sau oder wenn man sehr viel Glück hat gab es nur die Bezeichnung Schmutzfink" dann wurde der 7 oder 8 jährige vor dem kompletten Zimmer herunter gemacht , was wohl zu der Zeit eine therapeutische Maßnahme war um es nicht mehr zu machen.
Das waren die "Flashlights" an die mich erinnere zum Schluss möchte ich sagen, dass ich meinen Kindern ein solchen langen Zeitraum ohne Eltern und in diesem Alter NIEMALS angetan habe oder antun könnte.
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Antje Puerta aus Heppenheim (Bergstraße) schrieb am 22.10.2024
Ich war 4 Jahre alt kann mich nicht so Recht erinnern nur das ich Panik bekam das ich mit 5 Jahren noch Mal zur Nach erholung hin musste.Einen extremen Ekel vor Spinat Angst vorm Wassermann (habe bis zu meinem 12 Lebensjahr nur mit hellen Licht schlafen können).Sie haben mir gleich beim ankommen meine lange blonden Haare abgeschnitten
Meine Mutter hat mich alle 6 Wochen besuchen dürfen bei meinem 6 Monate Aufenthalt.
Da hatte ich einen ganzen roten Handabdruck auf meinem Po.Heute noch habe ich Angst vor Dunkelheit und ich hasse Nonnen.Vielleicht kann mir jemand mehr aus diesem Zeitraum 1971/1972 erzählen habe noch alte Briefe wo die Nonnen meinen Eltern geschrieben haben.Auch alte Rechnungen wo immer Taschengeld aufgeführt wurde.Wir kinder wurden in Mannheim am Bahnhof versammelt.
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Ingelid Kühn aus Boostedt schrieb am 19.10.2024
Wie oben angegeben, wurde ich 3mal verschickt. Folgende Angaben der vor mir abgegebenen Berichte kann ich bestätigen:
- Essenszwang ( zumindest in St. Peter O. und Grömitz ) Ich war immer die
Letzte beim Abendessen und saß so lange alleine mit der
furchteinflößenden , gnadenlosen und empathielosen ,
schwarzgekleideten (Nonne?) Heimleiterin im Speisesaal, bis ich den
Teller endlich leer hatte.
- Toilettenverbot
- Zensur der Briefe ans Elternhaus - mit Bloßstellung bei negativen
Äußerungen
- teilweise ungenießbares Essen - z.B. mit dicker Schweinefleischschwarte
mit Borsten obendrauf
Nicht erinnern kann ich mich an den Zwang zum Aufessen von Erbrochenem und an sexuellen Missbrauch
Berichten möchte ich gerne über St. Peter Ording, weil es dort am
Traumatisierendsten für mich war:
7-jährig wurde ich dorthin geschickt. Die Atmosphäre war geprägt von Lieblosigkeit , Gnadenlosigkeit und Strenge. Heute frage ich mich, warum ich mich nicht an eine Freundin, die ich dort vielleicht gefunden haben könnte, erinnern kann. Ich vermute das lag daran, dass wir gar nicht die Möglichkeit hatten, viel miteinander zu reden. Dass Freundschaften geschlossen werden sollten, passte gar nicht zum Konzept des Heims. Mindestens ein Mal täglich mussten wir nach draußen gehen und über den weiten Sandstrand in Zweierreihe marschieren. Außer am ersten Abend (Gruppenspiele wie stille Post) kann ich mich auch nicht erinnern, dass wir jemals gespielt hätten, geschweige denn, dass dort Spielzeug vorhanden gewesen wäre.
Das Heim: Man betrat es durch den Keller, in dem sich die Jacken und Schuhe befanden. An den dort vorherrschenden Geruch nach Schuhcreme kann ich mich noch erinnern. Nach dem Mittagessen musste man 2 Stunden in der Liegehalle liegen , zugedeckt mit einer kratzigen Wolldecke. Ich würde sehr gerne den Namen dieses Heims erfahren, ob es noch existiert, und mich austauschen mit anderen , die auch dort gewesen waren. Erinnern kann ich mich nur noch an den Vornamen der Heimleiterin: Tante Annemarie.
Seit Langem leide ich unter Blasenentleerungsstörungen mit hohen Restharnmengen. Das hat zur Folge, dass ich die Blase nur noch durch Einführen eines Katheters in die Harnröhre entleeren kann. Diesen Umstand auf das Toilettenverbot zurückzuführen, erscheint mir nicht unsinnig. Hat jemand vielleicht ähnliche Beschwerden?
Interessieren würde mich auch die Antwort auf folgende Frage : Hat jemand eigentlich gesehen, ob die "Tanten" sich das "überaus schmackhafte" Essen auch angetan hatten?
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Astrid schrieb am 08.10.2024
Ich möchte zu diesem Thema auch etwas mitteilen. Meine persönlichen Erlebnisse waren nämlich ganz andere. Und ich habe es alles ein wenig zusammengeschrieben und füge es hier ein:
Bei mir, vierjährig, wurde Tuberkulose Anfang 1953 diagnostiziert. und ich wurde gleich nach Königsfeld im Schwarzwald in die Schwester-Frieda-Klimsch-Stiftung verschickt. Ich war in einer Gruppe von Kleinkindern im Haupthaus. Ich erinnere mich, dass ich zuerst gebadet wurde. Das war sicher nötig, denn viele Kinder kamen noch aus sehr ärmlichen und ungesunden Wohnverhältnissen. Schwester Brigitte war unsere Gruppenschwester. In der Gruppe waren wir zu sechst. Drei kleine Mädchen und drei kleine Jungen. Schwester Brigitte war wirklich sehr lieb, ich kann mich an nicht Unerfreuliches erinnern. Wenn es das Wetter zuließ, gingen wir spazieren, spielten draußen in einem Sandkasten oder saßen an einem großen Tisch unter Bäumen und spielten oder bastelten. Jeden Morgen wurde die Temperatur gemessen, und Hygiene spielte eine große Rolle. An den großen Speisesaal kann ich mich erinnern, wo alle Kinder des Haupthauses zusammen aßen. Es gab Regeln: man durfte den Löffel oder die Gabel erst wieder füllen, wenn der Mund leer war. Vermutlich deswegen, weil viele Kinder in dieser Nachkriegszeit aus immer noch sehr armen Verhältnissen kamen, und geprägt durch den vielen Hunger, den sie gehabt hatten, immer so viel und so schnell wie möglich essen wollten.
Die eigentliche Therapie waren Liegekuren und Lebertran. Lebertran war schrecklich, aber irgendwie konnte ich ihn doch schlucken. Ob wir Medikamente bekommen haben, weiß ich nicht mehr. Damals gab es schon Neoteben, dessen Entwicklung viele Menschenleben rettet und gerettet hat.
An Ostereiersuche im Wald kann ich mich erinnern. Es muss ein kühler Tag gewesen sein, denn auf dem Erinnerungsfoto tragen wir alle warme Kleidung. Ich fand ein großes, buntes Papposterei – natürlich gefüllt mit Süßigkeiten.

Anfang 1958 brach die TB bei mir wieder aus, und ich kam in ein Sanatorium (Krankenhaus) in Brauel bei Zeven. Ich habe daran nicht sehr viele Erinnerungen, auf jeden Fall keine negativen. Es gab viel Liegekur und es wurde viel gebastelt. Dann wurde ich als geheilt entlassen.
Das Bremer Gesundheitsamt war aber anderer Meinung – Diagnose: offene Tuberkulose – und schickt mich im Juni 1958 wieder nach Königsfeld in die Schwester-Frieda-Klimsch-Stiftung.
Ich kam ins Haus Waldfrieden in eine Gruppe mit zehn Kindern. Fünf größere, fünf kleinere Mädchen. Unsere Schwester, Schwester Ursel, war wirklich sehr nett. Es gab keine Gewalt, kein Mobbing, kein Lieblingskind. Sie konnte gut erzählen und vorlesen, wir haben viel gebastelt und gesungen. Wir durften sie sogar einmal an den Marterpfahl binden, als wir Indianerless spielten. Ihre Freundin war Tante Margret vom Haus Vogelsang, auch sie immer sehr nett und fröhlich. Spaziergang gab es jeden Tag. Der betreuende Arzt war Dr. Donath, kam zu Untersuchungen und Blutabnahme. Und auch er war immer freundlich. Jede Woche mussten wir eine Brief an die Eltern schreiben, und das wurde uns manchmal wirklich sauer. Es ereignete sich ja nicht so viel. Ich wurde kurz vor Weihnachten entlassen, was ich etwas bedauerte, denn wir hatten gerade so ein schönes Krippenspiel einstudiert.

Im Winter 1962 wurde ich noch einmal verschickt, diesmal zur Erholung in das Kinderheim Bergfreude in Scheidegg. Also eine echte Verschickung. Dort gab es vier Gruppen, große und kleine Mädchen, große und kleine Jungen. Es war wunderschön, jede Menge Schnee, viele Unternehmungen. Die Tanten und die Leiterin sehr freundlich und nett. Es spricht für dieses Heim, dass, als wir am Entlassungstag zum Bus gebracht wurden, alle (!!!) Kinder weinten, sogar die großen Jungen.
Ich habe also nie Gewalt, Unfreundlichkeit, mieses Essen o. ä. erlebt.

Allerdings: es wurde eine Tante Mechthild in der Klimsch-Stiftung unter den Zeugnissen erwähnt, die war mit ihrer Gruppe im Erdgeschoss. Sie war wirklich unfreundlich. Aber zum Glück hatten wir oben mit ihr nichts zu tun.

Und ich möchte durchaus nicht die Erlebnisse anderer Verschickten anzweifeln. Es ist auch gut, dass deren Erlebnisse thematisiert werden. Ihre Arbeit ist sehr wichtig!
Dennoch finde ich, positive Erlebnisse müssen auch erzählt werden.
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Peter Walther aus Menden schrieb am 02.10.2024
Ich muss etwa 6 Jahre alt gewesen sein, als ich für mehrere Wochen nach Berlebeck geschickt worden bin.
Meine Eltern haben geglaubt, das sie mir damit etwas Gutes tun und einen Kururlaub ermöglichen.
An meinen Aufenthalt habe ich nur wenige, aber leider überwiegend schlimme Erinnerungen.
Ich erinnere mich noch an Heilbehandelungen wie Wassertreten und
Bestrahlungen, dies fand regelmäßig in größeren Gruppen statt und war nicht so unangenehm.
Schlimme Erinnerungen habe ich beim Thema Essen.
Es gab morgens oft einen Haferbrei, den ich wegen seiner Konsistenz nicht essen konnte. Mittags oft Kartoffelbrei mit einer warmen Sosse und Apfelmuss.
Beide Gerichte vermochte ich nicht zu essen. Ich musste dann immer so lange unter Aufsicht im Speisesaal sitzen bleiben, bis ich meinen Teller gelehrt hatte. Ich erinnere mich noch an erbrechen und panische Angst vorm nächsten Essen.
Gerichte mit dieser Konsistenz kann ich bis heute nicht mehr essen.
Eine weitere schlimme Erinnerung ist das Thema Nachtruhe und Toilettengang.
Abends war ab einer bestimmten Uhrzeit
kein Toilettengang mehr erlaubt.
In meiner Not habe ich mir Nachts mehrfach in die Hose gemacht.
Das wurde dann in der Regel Nachts, bei Kontrollgängen, die mit Taschenlampen stattfanden, bemerkt.
Ich wurde dann aus dem Zimmer geführt und musste mich mit kalten Wasser waschen. Im Anschluss bekam ich ein weisses Nachthemd und musste die weitere Nacht alleine in einem separaten Zimmer verbringen.
Wenn ich mich noch richtig erinnere, musste ich das Nachthemd auch nach dem aufstehen noch tragen und wurde so vor den anderen Kindern als Bettnässer geautet.
Meine einzige schöne Erinnerung war ein Ausflug zur Adlerwarte.
Ich denke bis heute mit Schrecken an diese Zeit zurück.
Berichte von anderen Betroffenen, auf die ich vor kurzem durch Zufall gestoßen bin,
haben diese Erinnerungen wieder lebendig gemacht.
Meine Eltern haben mich damals nach meiner Heimkehr als verändert wahrgenommen, aber was dort wirklich passiert ist wussten sie glaube ich nicht.
Meine Mutter lebt heute noch. Sie ist 87 Jahre alt. Jetzt, wo ich erfahre, wie viele Kinder ähnliches erleiden mussten, möchte ich sie damit auch nicht mehr konfrontieren.
Sie hat tatsächlich geglaubt, das ich dort
eine schöne Zeit verbringe.
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Thomas Bäuerle aus Schmelz schrieb am 28.09.2024
Hallo auch ich war in dieser Kuranstalt am Donnersberg und habe keine gute Erfahrung gemacht. Ich kann mich noch an diesen Esel erinnern namens Batzi oder so . Ich habe auch noch ein Gruppenbild bei mir zuhause .
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Gabriele Baum aus Rheinland-Pfalz - Lahnstein schrieb am 17.09.2024
Ich bin mit 4 Jahren, nach einer Lungenentzündung, nach Bad Kreuznach gekommen. Als erstes wurde mir, von anderen Kindern, gesagt nachts dürfe ich nicht die Arme unter die Bettdecke legen. Ich hatte schrecklich Angst einzuschlafen weil ich mit dem Stock Prügel bekam wenn die Hände unter der Bettdecke waren oder wenn ich ins Bett gemacht hatte. Ich kam nach der Prügel alleine in einen dunklen Raum und bekam kein Essen. Wir wurden gezwungen unser Essen zu essen. Ich musste alleine am Tisch sitzen bleiben bis der Teller leer war. Manchmal musste ich alles wieder raus brechen das kam dann auf den Teller und ich musste es mitessen. Wenn ich heute an die Zeit denke, auch jetzt beim Schreiben muss ich weinen und fühle im Bauch die schreckliche Angst.

In Bad Marienberg war es genauso.

In Cuxhaven mussten wir uns in einer Reihe aufstellen und bekamen mit dem Stock auf die Finger wenn wir nicht essen wollten.
Wenn ich aus Angst nachts ins Bett gemacht hatte musste ich die nächste Nacht an der Wand stehen und im Stehen schlafen.
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A aus Leipzig schrieb am 16.09.2024
Ich war acht, als ich ins Kinderkurheim fahren musste. Mir fehlen die meisten Erinnerungen, aber an das Gebäude, den Schlafsaal, die morgendlichen Rituale kann ich mich noch gut erinnern. Auch an das Weinen der Kinder, welche nicht so still mit dem Heimweh umgehen konnten wie ich. Morgens gab es nur Schwarzbrot mit Erdbeermarmelade oder Haferschleim. Oder abends? Ich mochte jedenfalls beides nicht. Ich war dort, weil ich zunehmen sollte. Das hat wohl nicht wirklich geklappt. Ich weiß noch, wie ich einmal nachts aufstand, weil mir schlecht war. Die Nachtschwester schickte mich zurück ins Bett. Tja, danach musste sie mein Erbrochenes wegputzen, ich schaute zu.
Ich kann mich nicht wirklich an Gewalt oder Missbrauch erinnern, nur an Kälte und Einsamkeit. Und an 2 Kinder, welche nichts vom Nikolaus bekamen, weil sie unartig waren. Ich weiß nicht mehr, was da alles passiert ist, aber ich habe manchmal das Gefühl, dass dort ein Grund für einige meiner Verhaltensweisen zu finden ist.
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Uli aus Münsterland schrieb am 11.09.2024
Habe sehr lange überlegt, ob auch ich mein erlebtes in einem Kurheim hier öffentlich machen soll…😔 Und ich bin zu dem Entschluss gekommen, mein Wissen über die damalige Kur im Kloster mit Euch allen zu teilen. Denn nach 50zig Jahren schweigen, ist es für mich an der Zeit gekommen, über all das negativ Erlebte hier zu erzählen. Und wer weiß, eventuell tut es ja meiner angekratzten Seele sogar gut?

1974 war meine Inhaftierung in einem Nonnenkloster bzw. Kurheim. Und ich glaube noch von meiner Mutter noch zu Wissen, dass es in Bad Soden war? Ich war damals 5 Jahre alt und auch heute noch könnte ich weinen, wenn ich daran zurückdenke bzw. über meinem dortigen Aufenthalt spreche. Auch jetzt kommen mir im Moment die Tränen beim schreiben…😢😢😢 Und das, obwohl ich mittlerweile 55 Jahre alt bin…für mich selbst im Moment des Schreibens kaum zu glauben. Diese negativen Erlebnisse dort, sind für mich tatsächlich bis heute noch fest in meinem Kopf verankert…unfassbar!😢😔 Und sobald meine Eltern mich damals auf diese grauenhaften Kur angesprochen hatten, um mehr zu erfahren…liefen bei mir tagelang ohne Worte die tränen.😢 War absolut der Horror dort unter den Nonnen!😱…😢

Damals ging es ohne meine Eltern auf eine lange Zugreise zum Haus des Grauens und es war für mich persönlich das allerschlimmste Erlebnis in meinem Leben. Und wie lange ich dort in Kur war, weiß ich leider nicht mehr? Aber ich denke mal, es waren 6 Wochen. Wir „Inhaftierten” durften in dieser grausamen Zeit nur 2 x zusammen an der frischen Luft in Zweierreihen spazieren gehen…mehr nicht! Kein Witz, denn Fotos habe ich noch von diesen zwei Spaziergängen. Natürlich gestellte Fotos, denn die Nonnen dort kontrollierten alles für das gute Image des Hauses. Es war sozusagen für uns Jungen dort Pflicht, uns auf den Fotos gegenüber dem Kloster und den Nonnen fröhlich zu präsentieren. Obwohl nicht eine Nonne mit auf den Fotos war…warum war das so??? Heutzutage weiß ich es eventuell tatsächlich zu Wissen! Und genau diese Fotos bekamen damals unsere Eltern an die Hand bei der Abholung nach 6 Wochen…und für die Nonnen waren weinende Jungen auf den Fotos ein absolutes NoGo damals!
Also insgesamt ging es seinerzeit während des 6 Wochen Aufenthaltes nur zwei mal nach draußen an die frische Luft und das, obwohl ich Asthmatiker bin…😶 Heutzutage für mich im Bereich meiner Krankheit kaum zu glauben, was man damals mit uns dort gemacht hatte! Ebenso kann ich mich noch gut daran erinnern, dass wir während unserer Wachphasen im Kloster alleinig 2-3 Steckspiele in einem großen Saal vorgelegt bekamen. Mehr Spielzeug gab es dort anscheinend nicht. Und sobald jemand unter uns durch das eintönige Spielen doch mal Heimweh bekam und kräftig anfing zu weinen, so wurden diese weinenden Jungen diesbezüglich ins lächerliche gezogen und ins schlechte Licht vor Allen gerückt…ich natürlich auch! Aber das nicht alleine, denn ab und zu gab es lange rot-gedrehte Ohren…wenn man zu oft weinte oder aus der Sicht der Nonnen mal was falsches gemacht hatte. Ebenso wurde damals von den Nonnen über unser Benehmen ein Buch geführt, sozusagen aus meiner heutigen Sicht…ein Ranking! Also derjenige unter uns, der am wenigsten weinte und sich gut benommen hatte, wurden ganz oben im Ranking geführt. Mehr dazu gleich noch…

Ebenfalls weiß ich noch gut zu Wissen, dass wir täglich Nudeln mit Apfelmus zum Essen bekommen hatten und tatsächlich kann ich mich an keinem anderem Essen dort erinnere...🤷‍♂️ Und was auf den Teller kam in diesem Kloster, musste definitiv gegessen werden…egal ob die Nudel verbrannt schmeckten oder auch nicht…das vorgesetzte Essen „musste“ definitiv bis zur letzten Nudel aufgegessen werden. Leere Teller waren dort Pflicht und es war absolut egal, ob erbrochenes vor einem lag! Und nach dem Essen ging es jedesmal in einem großen Schlafsaal und wir mussten „Alle“ mit dem Kopf zur Wand liegen. Reden durften wir natürlich nicht und derjenige, der nicht mitspielte…wurde mal kräftig an den Ohren gezogen bzw. 👋! Tja was soll ich sagen, es war absolut grausam für mich dort und durch den „Einschlafzwang“ der Nonnen, schliefen wir damals sehr schnell ein. Und ob wir fürs schnelle Einschlafen tatsächlich damals Medikamente bekommen hatten, weiß ich leider nicht mehr. Nur soviel weiß ich noch, dass es mir nach dem Schlafen oftmals so vorkam…als wäre ich aus einem tagelangen Tiefschlaf-Koma erwacht!

Ebenfalls kann ich mich noch gut daran erinnern, dass ich damals mit gerade mal 5 Jahren noch nicht alleine meinen Hintern nach einem großen Geschäft abputzen konnte. Ich rief somit damals nach den Nonnen…aber leider ohne Erfolg. Sie kamen einfach nicht, um mir diesbezüglich zu helfen. Vor der Tür in weiter Ferne schimpften Sie mit mir und stuften mich vor allen Jungen dort, durch erniedrigende Wortwahl als minderwertig ein…weil ich eben mein Gesäß mit 5 Jahren noch nicht selber abputzen konnte! Tja, und somit habe ich in all den vielen Wochen dort, meinen Hintern mit meinen eigenen Taschentüchern für die Nase aus Stoff, mit eingestickten Namen von mir, dafür benutzt. Denn eine hilfreiche Nonne gab es für mich damals definitiv nicht…😔 Die mir beigebracht hätten, dass man fürs abputzen des Hinterns Toilettenpapier benutzt. Auch meine Mutter war nach der Kur sehr erstaunt, wo denn all die Stofftücher mit meinem eingestickten Namen geblieben sind?🤷‍♂️ Ich hatte sie damals im Horror-Kloster nach dem Toiletten-Gebrauch unter meiner Bettmatratze heimlich versteckt und sammeln müssen…um dann diese verschmutzten Tücher während der zwei Spaziergänge heimlich in der dortigen Vegetation entsorgen zu können. Tja, und eventuell liegen diese Taschentücher heute noch dort in der Vegetation…grauenhaft und immer noch schämend für mich! Ja so war es seinerzeit und ich denke mal…dass ich 6 Wochen lang mit einem unsauberen Po und enkeling stinkenden Taschentüchern unter meiner Matratze…dort ein dahinvegetierendes „Güllefass“ war?🫣

Wie ich zuvor bereits angesprochen habe, es gab im Kloster unter uns Inhaftierten ein Ranking und der allerliebste unter uns bekam von den Nonnen zum Abschluss der Kur sogar ein Geschenk. Die Preise konnte sich jeder unter uns in Reih und Glied vor der Vergabe ansehen. Aber wo jeder von uns im Ranking gelandet war…wusste niemand unter uns? Tja…und mir gefiel von der Ranking-Skala sofort ein Modell eines Schneemobils. Und tatsächlich wurde ich damals als zweites aufgerufen, warum weiß ich bis heute nicht? Denn oftmals wurde ich dort heftig von den Nonnen erniedrigt! Ich durfte mir somit tatsächlich als zweiter etwas vom Gabentisch auszusuchen. Und ich überlegte damals diesbezüglich einen kleinen Moment und plötzlich fiel mir ein, dass ich ja noch eine jüngere Schwester hatte. Also schnappte ich mir nicht das erwünschte Schneemobil, sondern den minderwertigsten Preis auf dem Gabentisch…eine Stoffpuppe für meine kleine Schwester! Und warum seinerzeit dieses urplötzliche umdenken in meinem Kopf schoss…ich weiß es bis heute leider nicht!

Noch was…
Während dieser 6 Wochen im Nonnenkloster bzw. Kurhaus, hatte ich jegliches Aussehen meiner vier Geschwister tatsächlich vergessen…sogar das Aussehen meiner Eltern! Ebenso hatte ich vergessen, wie sie redeten bzw. deren aussprache war. Ja solange…bis ich meine Eltern im großen gefliesten Kloster-Saal zur Abholung wiedersah. Und als ich dann zur Abholung meine Mutter wiedersah und sie nach einem Moment der Ruhe wiedererkannte und somit anschließend in ihrem Armen lag…musste ich den ganzen Tag lang und bis spät in der Nacht hinein weinen…😥 Ebenso erzählte mir meine Mutter vor ein paar Jahren, wo sie noch lebte, dass sie erstaunt über mein damaliges blasses Aussehen war. Aber das nicht alleine, sie war erschrocken darüber, wie dick ich damals in den 6 Wochen der dortigen Mästung geworden bin.

Noch was diesbezüglich, meine Eltern hatten sich damals bis zu ihrem Tot für das damalige Weggeben bei mir andauernd entschuldigt. Sie wussten es einfach nicht, wie grausam es für mich dort war! Denn ich erzählte bis vor einpaar Jahren gegenüber meiner Mutter nie von dem erlebten im Kloster während der Horror-Kur…ich schämte mich einfach zu sehr! Es ist definitiv nicht die Schuld meiner Eltern alleine gewesen, mich damals mit 5-Jahren für 6 Wochen wegzugeben…denn sie dachten es wäre gesundheitlich das beste für mich. Sicherlich waren die Ärzte seinerzeit treibend für solche Kuren, die uns Kinder somit ins psychische verderben katapultierten! Tja🤷‍♂️…und so mancher erwachsene Mensch von damals, war seinerzeit anscheinend Arzthörig gewesen? Aber auch die damaligen Ärzte möchte ich persönlich nicht alleinig zum Schuldigen machen, denn auch diese Ärzte erfuhren von keinem Kurkind im Nachhinein…wie grausam diese Kuren tatsächlich für uns Verschickungskindern waren…
Ja wir Kurkinder schämten uns bis in die Ewigkeit, und wir redeten nicht über das damalig schrecklich erlebte…was uns innerhalb dieser Häuser des Grauens angetan wurde…😱😔

Ja so war es damals wahrheitsgemäß von mir, innerhalb des Klosters in Bad Soden. Und bis weit im Jugendalter hinein, hatte ich immer wieder einen grausamen Albtraum vom dortigen Aufenthalt und diesen Albtraum habe ich auch heute noch live vor meinen Augen stehend…👀😱 Aber diesen schlimmen Albtraum muss ich leider jetzt für mich behalten, denn ich weiß es nicht mehr ganz genau, ob dieser Traum vom Kloster tatsächlich der schrecklichen Wahrheit entspricht oder auch nicht?😱😥

Ich hoffe, dass hier einpaar Betroffene meine lange Geschichte von 1974 lesen und eventuell ist ja jemand darunter, der mit mir zusammen damals zur gleichen Zeit in diesem Nonnen-Kloster inhaftiert war? Ich würde mich auf jeden Fall sehr darüber freuen, einen dieser damaligen Jungen wiederzusehen…um diese negativen Erlebnisse eventuell komplett aufzuklären. Damit man endlich selbst mit all den damals negativ vorgefallenen, eventuell auf Ewigkeit abzuschließen kann…
LG. Uli

PS. Ich bin gerne bereit, meine damalige zwei Fotos vom Kuraufenthalt hier zu zeigen, um eventuell den einen oder anderen betroffenen Jungen von damals wiederzusehen.
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Mona aus Großraum München schrieb am 10.09.2024
Hallo liebe Heimkinder,
nach wie vor suche ich Kontakt zu möglichen Heimkindern in den Jahren 59/60 evtl. 61 die ebenfalls in dem Kinderheim-Verschickungsheim
Rechtis-Weitnau im Allgäu gewesen sind. Wohl habe ich den einen oder anderen Kontakt doch sie sind wesentlich jünger und ich werde nun bald 70. Wäre dennoch über Kontakte froh, ich habe hier immer wieder mal einen Beitrag geschrieben.
Ich wünsche von Herzen allen ehemaligen Verschickungs-Heimkindern alles, alles gute.
Namasthe
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Tatjana aus Bergisch Gladbach schrieb am 09.09.2024
Hallo Zusammen,
ich bin in der ehemaligen DDR grossgeworden.
Nur aus Erzählungen weiß ich, dass ich in einer dieser Kuren war. Meine Mutter sagte nur, ich wäre in einem schlechten Zustand nach Hause gekommen. Ich selbst habe keine Erinnerung. Aber leide schon seit der Kindheit an Depressionen, später Essstörung und auch Alkoholproblemen. Selbst nach wiederholtem Nachfragen in der Familie, will mir keiner sagen, wo ich war.
Von daher, hätte ich die Frage, woher kann man das erfahren.
Freu mich über Antworten.
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Stephan aus Lindenfels schrieb am 09.09.2024
1968 Seehospiz auf Norderney, ich war als Fünfjähriger dort zur Kur. Abhärtung erfolgte am Strand: ins Wasser gehen, Kopf untertauchen, danach stundenlange Fussmärsche im nasskalten Wind. Bekam eine Ohrenentzündung, nur hatten mir meine Eltern keine Mütze mitgegeben, es war ja Sommer. Für das Gejammer wegen dem Ohrenweh wurde ich noch bestraft. Kann heute noch Wind nicht ausstehen.

Hier ein guter Artikel auf Zeit Online:
https://www.zeit.de/zeit-wissen/2024/05/verschickungskinder-erholungsheime-kur-erinnerungen/komplettansicht

Erschreckend darin für mich:
"In zwei Studien untersucht Ilona Yim die Folgen von Verschickung: Verschickungskinder werden im Durchschnitt dreimal so häufig geschieden wie Kinder, die nicht verschickt wurden...

"Sie haben Schwierigkeiten, enge Partnerbeziehungen erfolgreich zu gestalten"..

"Die Studien zeigen, dass Menschen mit Verschickungserfahrung weniger gut mit Stress umgehen können",

"Sie empfinden weniger Nähe zu ihren Eltern als die Probanden der Vergleichsgruppe ohne Verschickungserfahrung."

... "Haben 10 bis 15 Prozent der Deutschen depressive Symptome, hat sie unter den Verschickungskindern jedes zweite."
- Stimmt alles, kann ich bestätigen.
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Christina Meyer aus Hamburg schrieb am 09.09.2024
Ich war mit 4 Jahren 1975 zusammen mit meiner Schwester im damaligen Kinderheim Frisia in Sankt-Peter-Ording zur "Erholung". Ich wurde ein "Opfer". Essenszwang, nach Erbrechen Erbrochenes essen müssen, Erniedrigungen (an "Stühlen riechen müssen"). Separierung von der Schwester im Schlafsaal.

Es gab eine "Schreibtante Sabine", die unserer Mutter am 11.05.1975 eine Postkarte nach Hause (Bremen) schickte. Es liest sich, als ginge es uns beiden bestens...

Im August 2023 war ich in Sankt-Peter-Ording die Wanderausstellung zu dem Thema Verschickungskinder besuchen. Und ich war auch im noch existierenden heutigen "Haus Frisia". Vor Ort traf ich zufällig ein weiteres Verschickungskind, die nur positive Erfahrungen in dem Kinderheim Frisia gemacht hat. Auch meine Schwester hat nicht solche leidlichen Erfahrungen machen müssen wie ich.
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Kerstin aus Drewitz schrieb am 07.09.2024
Ich war 2 mal in Blankenburg, noch heute kommen noch immer Fetzen dieser Höllenzeit hoch, 2x 6 Wochen ohne Kontakt zur Familie unvorstellbar. Meine Kinder mussten niemals diese Einsamkeit spüren. Nach dieser Zeit war auch ich Bettnässer. Ich kann noch heute ganz schlecht wirklich Kontakte schließen. Was geschrieben wurde zum Essen ist auch mir passiert nur wer die Milch Nudeln aufgegessen hat bekam ein Brot. Ich habe nie wieder Milch Nudeln gegessen. Wir mussten Jodeln lernen wer es nicht konnte wurde angeschrien. Ich kann schreien nicht ertragen. Das Bürsten war die Hölle man war auf den anderen angewiesen, wenn der schlecht drauf war hatte man keine Haut mehr. An den Ausflug zu den Höllen kann ich mich nur ungenau erinnern. Ich war all die Jahre nicht mehr in Blankenburg eben keine gute Erinnerung. Schön das ich auf die Gruppe gestossen bin. Kerstin
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Silke aus Landkreis Gießen schrieb am 07.09.2024
Hallo wer war zur Zeit auch dort
Möchte gerne mehr erfahren
Ich habe nur wenige Erinnerungen an die Zeit wo ich dort war
Kontakt erwünscht
Lg Silke
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Ruhl-Bady, Erich aus Oberursel (Taunus) schrieb am 06.09.2024
Meine Erfahrungen habe ich im Kapitel KINDERHEIMSCHERGINNEN in meinem Roman VATERFERN MUTTERSTILL (Verlag Kleine Schritte Trier) niedergelegt.

Hier ist das Kapitel:

Kinderheim-Scherginnen

Außer seiner Mutter, dem Kofferradio, einer warmherzigen und gelegentlich eine andere wahre Wirklichkeit schaffenden Tante hatte Leander eigentlich nur seine Krankheiten verlässlich an seiner Seite. „Es sind die Drüsen“, sagte der Lungenfacharzt gerne, als er die Besorgnisse der Mutter zu vergrößern verstand. Da gab es etliche Höhlen in Ohr und Kopf, über den Augen, hinter der Stirn und oberhalb der oberen Zahnreihe, die wollten sich offenbar gerne füllen mit allerlei Besatz, der dort nicht hingehörte. Der Hals tat weh oder das Ohr. Der Kopf drohte zu zerspringen, weil der Knochen über den Zähnen den Druck nicht mochte.

Dutzende Male und tapfer durchstreiften die Mutter und der kleine Sohn die kleine Stadt von Süd nach Nord, von einem Ende der Stadt, wo die Sozialwohnungen der Geflüchteten und Vertriebenen rasch aufgebaut worden waren, damit es nicht allzu viel Verdruss mit den Ur-Gatterstalern gab, in Stadtteil der Frischer Born hieß, wo es etliche Gründerzeitvillen oder mindestens stattliche Einfamilienhäuser gab. Ja, die vielen Flüchtlinge. Schlesien, Mecklenburg und Pommern und Ostpreußen – das passte nun wirklich nicht wirklich zu den stolzen Niedersachsen, die froh waren, dass der Krieg reichlich glimpflich an ihnen vorbei gegangen war. Einquartierungen der deutschen Landsleute – das musste dann auch mal ein Ende haben.

Vom Süden der kleinen Stadt also wanderten Mutter Lotte und Sohn Leander, gut eingepackt mit Schal und Pelzmütze, in den drei Kilometer entfernten Norden zum Facharzt. Der hörte sich dann stets die immer gleichen Klagen der Mutter an. Die Halsschmerzen, die enge Atmung, der geblähte Knochen überm Oberkiefer – das alles musste doch nun wirklich nicht sein, hatte sie denn nicht genug erleben müssen im fernen Pommern, in der zerbombten Stadt Stettin.

Dort, beim Facharzt, gab es – wie wohltuend warm – blaues und rotes Licht auf die Kiefer- und Stirnhöhlenknochen. Schade, dass man dann durch die eiskalte Luft wieder nach Hause in die kalte Wohnung musste, so dass schon der kleine Knirps erkennen konnte: So funktioniert eine Therapie, deren Wirkung zuverlässig umgehend verpufft. Das erlebte er bei anderen medizinischen und seelischen Herausforderungen noch viele Male.

Gewiss: Für Leander barg die wiederkehrende gesundheitliche Instabilität einen Vorteil, einen erlebbaren, fast planbaren Vorzug. Denn, was er sonst nicht hatte, konnte ihm die Krankheit verschaffen: Aufmerksamkeit. Ätherisch aufgeladene Pasten wurden auf seiner Brust verteilt, mit Watte wurde okklusiv die Wirkung verstärkt und über Stunden bewahrt. Wichtiger noch: Aus dem Keller wurden Säfte zu Tage gefördert, die er sonst nie sah. Leckere Säfte. Später hörte er bei einer Ernährungsberatung, dass der Saft Muttersaft hieß. Wenigstens rückwirkend betrachtet, passend. Johannisbeersaft – von Mutter im Kartoffelkeller selbst entsaftet mit einem Monstrum, scheinbar aus dem Chemielabor entliehen – wurde am Krankenbett des Sohnes feilgeboten. Was sonst oft nicht gelang, funktionierte jetzt: Mutter brachte etwas, und Leander verspürte Lust, es anzunehmen. Es schmeckte ihm. Mutter zeigte sogar ein Lächeln.

Aber die Bakterien freuten sich, Leander immer wieder zuverlässig als Spielkameraden zu haben. Denn es gab es kein Übungsfeld für die Antikörperchen des Kindes in einem Kindergarten. Der war ja für den Knaben tabu, damit Mutter Abhilfe in ihrem Alleinsein geboten werden konnte.

Dr. med. Alfons Lüttergard, der angesehenste und einzige Hals-Nasen-Ohren-Mediziner und Lungenfacharzt der kleinen ordentlichen Stadt, entwickelte im Zeitablauf zunächst mit der Mutter, dann auch mit dem Vater einen Plan, wie dem kleinen untergewichtigen und infektanfälligen Knirps wohl geholfen werden könne. Nähe und Wärme, Bindungsbereitschaft von Mutter und Vater gegenüber ihrem Nachwuchs, die gab es nicht auf Rezept. Wohl aber eine in diesen Jahren gut in der Bundesrepublik verbreitete Maßnahme, die man für eine zielführende Methode der Krankheitsbekämpfung und vor allem der stählenden Menschwerdung hielt.

Spaßig fand Leander gut zwölf Jahre später, dass es der gleiche Arzt Lüttergard war, der der Bundeswehr in einem Attest empfahl, den just Volljährigen für tauglich zu erklären. Tauglichkeitsgrad: wehrdienstfähig, Stufe drei. Wegen der erheblichen Atemprobleme aufgrund der heftigen Allergien wurde unter der Nummer drei ergänzt: „Nicht im Frühjahr einberufen!“ Da war die Behörde fürsorglich, genauso wie beim Verhör, die Gewissensentscheidung auf Relevanz hin zu durchleuchten.

Leander, der kleine und untergewichtige Knabe, müsse in ein Kinderheim verschickt werden. So lautete der Beschluss und die kaum abweisbare Empfehlung des erfahrenen Lungenarztes. Hunderttausendfach habe sich in ganz Deutschland – damals meinte man damit „ganz Westdeutschland“ – die Verschickung bewährt, berichtete der Mediziner, die Kinder würden ihre Infektanfälligkeit durch Abhärtung und die sogenannte Luftveränderung überwinden, würden quasi über Nacht – genauer: Binnen sechs Wochen – stabil, geheilt, weniger mager, heiter, widerstandsfähig, kurzum: Pralle glückliche Kinder werden.

Mindestens glücklich genug, um die Vorzüge des Wirtschaftswunders ohne Hinterfragen zu genießen. Wie diese Abhärtung aussehen sollte, das wusste Leander damals noch nicht, als er alleingelassen im Beisein seiner Eltern im mit Desinfektionsmitteln geschwängerten Behandlungsraum des ehemaligen Stabsarztes stand und das Urteil über seinen weiteren Werdegang vernahm. Erwachsene denken oft, die Kinder, die kriegen nichts mit. Kriegen sie aber. Nicht zum letzten Mal wurde Leander Empfänger einer Entscheidung; er hörte sie und spürte gar nicht wirklich, dass es ihn selbst betraf.

Im Oktober 1962, Leander war fünf Jahre alt, begann jene Reise von Niedersachsen nach Westfalen. In der Nähe von Soest gab es ein Kinderheim, das sich nach der schönen Hansestadt Hamburg benannt hatte. Die Angestelltenkrankenkasse betrieb in Bad Sassendorf dieses Haus, in dem sich fünfzehn Frauen, die mal Tanten und mal Schwestern genannt wurden, die Aufgaben mit den zweihundert Kindern aus ganz Westdeutschland teilten.

Aufgabe der Tanten war es, die Kinder einzuschüchtern, sie anzubrüllen, ihnen ekelhaftes Essen aufzudrängen und überhaupt alles zu unternehmen, um die Kinder von zu Hause und ihrem Heimweh dorthin fernzuhalten. Die Angst und die unbedingte Anpassung, das war die Währung, mit der dort bezahlt wurde. Das war die Aufgabe der Klienten der Anstalt.

Viele Jahre später, als sich Leander umfassend mit der Entwicklung von Sprache und der Bedeutung von Worten befasste, war er immer noch nicht vollständig in der Lage, den Unterschied zu destillieren, der zwischen ge-schickt und ver-schickt lag. Vielleicht war es noch ehesten die Nähe zum Verschicken von Briefen und Postkarten. Die waren ja auch vor allem eins: Nach dem Versenden einfach weg, nicht aufs Wiederkommen programmiert. So war auch er ver-schickt und glaubte auch wirklich oft, niemals wieder zurückkehren zu dürfen.

Die Aufgabe der oftmals sehr kranken, hüstelnden, niesenden und weinenden Kinder war es, still und brav zu sein, die Maßnahmen zum Gesundwerden in ihr kleines Leben tapfer zu integrieren. Das dauernde Husten, das Weinen, das Flehen, endlich wieder nach Hause zu dürfen – ein bizarrer Teppich der Kälte, oft des Hasses war im Haus und vor allem in ihm ausgelegt.

Erst viele Jahre später, da war er schon vierzehn, fand Leander zufällig heraus, dass außer den erstaunlichen Maßnahmen – wie Erbrochenes aufessen und im Unterhemd in den kalten Ostwind vor die Tür gestellt werden – auch die Lüge ein tragendes Element dieses christlichen Hauses war. Leander war fünf, er konnte noch nicht schreiben. Jeden Sonntag innerhalb dieser unfassbar langen sechs Wochen setzten sich die Tanten im zum Glück leeren Speiseraum mit ihren Schützlingen an den Tisch, um Postkarten nach Hause an Mutti zu schreiben. Immer flehte Leander in den Postkarten, man möge ihn dort wegholen, die Tante möge schreiben, er wolle schnell heim. Darum hatte Leander gebeten.

Aber als Leander die Postkarten – in einem gelben Schuhkarton, von Mutter aufbewahrt und zufällig aus dem Wohnzimmerschrank gefallen – las, stand da nichts von seinen Sehnsüchten auf Heimkehr, auf ein Ende des schaurigen Aufenthalts. Da standen nur Lügen. Dass es dem kleinen Leander so gut gefalle, alle seien nett, es werde viel gespielt und viel gelacht. Nein, es wurde nicht viel gelacht. Es wurde nicht gelacht. Es wurde gelitten.

Immer, wenn Leander später einmal fror, dann war es das Frieren des Fünfjährigen, der zur Strafe für Nichtverzehr von fauligem Obst für eine Stunde im kalten Oktoberregen im Unterhemd vor die Tür gesperrt worden war.

Immer, wenn Leander später einmal schlecht schlief, dann sah er spätestens im Traum die klein-blaurotweiß-karierten Bettbezüge auf den Feldbetten, die in der Sporthalle von Haus Hamburg zum Zwecke des heilenden Mittagsschlafs aufgestellt waren.

Zweck der Sporthalle: Mittagsschlaf. Von eins bis drei. Mittagsschlaf. Damit die Kinder gedeihen. Und Schlaf bedeutete auch wirklich Schlaf, da gab es keinen Pardon. Leander war mittags um eins oft nicht müde, eher war er hungrig, vielleicht wollte er mit seinen Insassenkameraden reden, fragen, wie es ihnen denn geht, was ihre Wünsche wohl seien.

Jedenfalls lag er brav auf dem Feldbett mit der Nummer 7 – diese Zahl hatte er sich eingeprägt – und kniff die Augen zu. Er störte nicht, er gab keinen Laut von sich, atmete flach – so wie er es von seiner Bronchitis gut kannte, damit sie sich nicht allzu stark aufbäumte und das Giemen hörbar wurde.

Er sprach nicht, flüsterte nicht, lachte und kicherte nicht mit seinen Feldbettnachbarn, die auch alle so um die fünf bis acht Jahre alt waren. Nein, er gab keinen Laut von sich und hoffte, die strenge Tante würde bei ihrem Schlafkontrollgang ihre Kontrolle bewahren. Sie bewahrte sie nicht. Ein Dutzendmal wurde Leander während des verordneten Mittagsschlafs der über hundert Kinder kasernenhoftauglich angebrüllt, von jener Schwester, deren Namen er leider später nicht mehr erinnern konnte. Das war wohl besser so.

„Ich habe gesagt, dass hier geschlafen wird, verdammt noch mal, nicht, dass die Augen zugekniffen werden. Ich sehe das. Ich sehe das ganz genau. Glaub nur nicht, dass du mich anlügen kannst.“ Sowas sitzt. Und es förderte weder damals noch später Leanders Gesundheit. Die Schlafanordnung hielt ihn fern davon, wohlig müde zu werden.

War das Brüllen, diesmal sogar von Frauen, noch immer das gleiche Brüllen wie jenes des Bösmenschen aus Braunau? War das immer noch so nah an der Oberfläche, zu kurz her? Der Krieg und die Herrenmenschenherrschaft waren doch schon siebzehn Jahre vorbei. War das nicht lange genug? War es nicht.

Im Oktober 1962 – es waren drei der als umfassend heilsam versprochenen sechs Wochen verstrichen – kamen Mutter und Vater für einen Nachmittag zu Besuch, der Mercedes rollte über den Kies der Hofeinfahrt des Hamburg-Heims. Der hämmernde Diesel war dem Leander ein vertrautes Geräusch, das er bereits durchs gekippte Fenster des oft erschreckenden Speisesaals hören durfte.

Vater kommt zu Besuch, Mutter ist dabei. Gewiss haben sie die Postkarten gelesen, die die Tanten an den Sonntagen nachmittags nach dem Großen Geschlafe mit den Kinderinsassen verfassten. Leander war natürlich vom Authentischen dieser Karten ausgegangen. Gefleht hatte er, man möge ihn nach Hause holen, gejammert und geweint.

Kalt war es ja bereits zu Hause. Aber im Vergleich zu dieser erkalteten Abgeschiedenheit im Angesicht der rieselnden Saline und der Gewissheit der stets geschlossenen Türen – verglichen mit Haus Hamburg in Bad Sassendorf war es kuschelig warm in der winzigen Wohnung in Bad Gatterstal, froh für jedes gute Wort von Mutter war Leander und dankbar für jeden seltenen Blick des Vaters, der seine Wärme nur aus Versehen und Überforderung verbarg.

Ein langer Aufenthalt. Ein langer Entzug der Heimat. Sechs Wochen. Solche sechs Wochen rauschten sechzig Jahre später in den zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts – zu Beginn der Zeit der Großen Pandemien – für Leander und seine liebe Frau rasend hart und schnell wie ein eisig kantiger Sandsturm vorbei. Sechs Wochen; die dauerten bei guter innerer Führung in den Zeiten der Pandemie gewiss nicht länger als zweieinhalb Tage, aus Sicht der gereiften Seele gesehen.

Aber für Leander als Kind vergingen sechs Wochen langsam. Sie vergingen immer langsam, auch, weil der Vater verlässlich fern war, von Montag sechs Uhr bis Freitag fünf Uhr nachmittags. Nun, in Bad Sassendorf, konnte diese klebrige Wegstrecke durch die Zeit also noch gesteigert werden in ihrer Zähigkeit.

In Bad Gatterstal lebte er umhüllt von einem Mehltau-Mantel. In Bad Sassendorf lebte er zusätzlich in einem Bleikorsett, nach unten verstärkt mit Eisenkugeln, damit die innere Freude nicht auf die irrwitzige Idee kommen möge, frei zu hüpfen oder gar zu tanzen.

Diese sechs Wochen während der Kubakrise 1962 waren für den kleinen zarten Leander die erste persönliche unterbewusste Verknüpfung mit Krieg und Elend, jenes, das es zu vermeiden gelte.

Jeder einzelne Tag dieser sechs Wochen unter dem Kommando der Schwestern und Tanten im Verschickungsheim in Westfalen erschien ihm wie eine Woche, eher wie ein Monat. Keine Freude, keine Glanzpunkte, kein Hangeln von Spiel zu Spiel, keine heiteren Gespräche, kein freies Singen, kein Tanzen, nur stilles Erleiden der Anordnungen. Ein Tag, an dem er nicht geschimpft wurde, an dem er und die anderen nicht zerbrüllt wurden, war bereits ein besonderer Tag.

Es entstand eine jener umfassenden Verwechslungen: Das Ausbleiben von Trauer und Druck, das war bereits Glück. Es trainierte früh die Fähigkeit zur Contenance. Möglicherweise war das der verdeckte Auftrag, den die Sozialminister und Krankenkassen dieser Tage an die Verschickungsheime erteilt hatten. Vielleicht war das Quälen der Kinder nur ein Nebeneffekt. Sich unterordnen – das war schon einmal Tausend lange Jahre richtig, warum sollte das nun in einer freiheitlichen demokratischen Republik plötzlich anders sein.

Zurück zum Besuch der Eltern, dort im Haus Hamburg. Leander hatte also die kindliche Hoffnung, aus dem Besuch in der zeitlichen Mitte des Aufenthalts in Bad Sassendorf würde ein Heimholen nach Bad Gatterstal werden. Man – in diesem Falle, die Eltern – glaubte ihm nicht. Die Lügenpostkarten hatten gewirkt. Trauer oder gar Empörung konnte er nicht mobilisieren. Und er hatte schon damals die Fähigkeit, still zu leiden, so etwas, das er zwanzig und dreißig Jahr später gerne als „Mäßigung“ bezeichnete. Gelegentlich war er regelrecht stolz auf diese Umdeutung, auf diese fatale Verwechslung. Man sah seinem Gesicht jahrzehntelang nicht an, was sich hinter dem Pokerface verbarg. Es war selten Zorn, meistens Enttäuschung, was man hätte entdecken können.

Im Oktober 1962 gab es eine Krise in der Welt. Kuba stand im Zentrum des Interesses der Weltmächte. Später erfuhr Leander, wie brisant, wie unfassbar knapp der Planet vor dem Ausbruch des Dritten und vermutlich Letzten Großen Kulturbruchs gestanden hatte. Und als alles Flehen nichts nutzte, er an Mutter und Vater zerrte, die wieder in den Mercedes einstiegen, da hörte er den Vater sagen: „Du musst schön artig sein und auf die Tanten hören, damit du schön gesund wirst.“ Dieser Satz war belastend für Leander. Nicht belastend, sondern verstörend jedoch war jener Satz, den der Vater kurz danach beim Einsteigen an die Mutter richtete.

Drinnen im Auto lief das Autoradio. Nachrichten des Nordwestdeutschen Rundfunks. Das Thema war Kuba. Was der Präsident der USA wohl nun als nächstes machen werde, war eine der Fragen. Vater sagte zu Mutter – er war sicher davon überzeugt, der kleine Sohn würde es nicht hören: „Hoffentlich bricht kein Atomkrieg aus.“ Und dann fuhren die Eltern los, Leander weinte, winkte und blickte, er hatte gute Übung darin, in den Auspuff des 180-er Diesel.

Der Atomkrieg, der brach durch die Verkettung glücklicher Zufälle dann doch nicht aus. Atomkrieg und das Androhen mit Menschenmassenvernichtung, das war auch später etwas, das Leander nicht gut fand. Wie kam es zum Krieg der deutschen Herrenmenschen, wie zur Tötungsorgie gegenüber einem Dutzend Staaten, gegenüber anders Denkenden, anders Gläubigen, wie zum Zertreten eigener Landsleute? Das war eine Frage, die ihn politisch und historisch, vor allem aber tief in seinem Herzen sein Leben lang bewegte. Die andere Frage war: Wie eng und unabweisbar sind Lust an Unterdrückung und Sklaverei mit dem Einmünden in einen Großen Krieg verknüpft?

Vater Heinrich ging in neuer Gewohnheit und eigentlich zum Zwecke der Rehabilitation wöchentlich sonntags in die evangelische Kirche von Bad Gatterstal, um dem Pfarrer Nord zu lauschen, Mitglied der Bekennenden Kirche und ein Freund Pastor Martin Niemöllers.

Sohn Leander war – nur drei Jahre nach seiner Kriegsdienstverweigerung – stolz darauf, mit Pastor Martin Niemöller in Wiesbaden und Frankfurt am Main im Vorbereitungskomitee für die großen Friedensdemonstrationen Ende der siebziger Jahre, Anfang der achtziger Jahre gesessen zu haben. Leander und seine Mitstreiter, meist junge Gewerkschafter, waren ziemlich beeindruckt von der Vitalität des Pastors, der ein Freund des großen Dietrich Bonhoeffer gewesen war. 85 Jahre alt war Niemöller, als Leander ihn kennenlernen durfte. Der Pastor kam fünf Minuten vor Beginn der Tagung ins Haus der Gewerkschaftsjugend, nahm wie selbstverständlich drei Stufen auf einmal nach oben, überholte Leander und seinen Freund Horst – mit dem Zuruf: „Los, Jungs, lasst uns anfangen, wir haben nicht viel Zeit.“

Mit den ersten Demonstrationen in Wiesbaden, zwanzigtausend Leute waren es wohl, begann es 1977. Und die dreihunderttausend westdeutschen Menschen mit offenem Geist und der Sorge um die Erhaltung des Friedens, die in Bonn im Oktober 1981 auf der Hofgartenwiese gegen Raketen aller Art demonstrierten, sie vermochten es, dem jungen Leander Glücksmomente zu verschaffen, Geborgenheit, Zuversicht, Angstverminderung, ja echte Heiterkeit. Er spürte, auf der richtigen Seite zu sein, wie ein paar Jahre zuvor, als er sich für den Zivildienst und gegen den Kriegsdienst entschieden hatte.

Aber die großen Demonstrationen, umrahmt von Musikern und Literaten, leisteten mehr, als nur am Ende des Schlafs der Vernunft beteiligt zu sein. „Vom Schrei nach dem Frieden ist die Luft hier ganz schwer. Ja, wo kommt denn der Frieden her?“ rief André Heller, der Künstler aus Wien, den wachen und freundlichen alternativen Bundesbürgern und Bundesbürgerinnen auf der Bonner Hofgartenwiese zu.

Es war Konsens dieser herzlich Vernünftigen in Bonn, der Frieden komme nicht nur vom bloßen Fordern, nein, er komme vom eigenen Tun. „Wenn in unseren Seelen die Mörderwaffen ruh’n. Wenn wir Gewalt verweigern in Sprache, Not und Streit. Wenn wir als Haltung lieben, Zeit unserer Lebenszeit“, empfahl der große österreichische Künstler.

Die Freude in den Gesichtern der vielen Gleichgesinnten, ihre Buntheit und Weltoffenheit, ihre Herzlichkeit, ihr Mut und ihre Demut – sie vermochten die Kälte der elterlichen Sozialwohnung und mehr noch die Eiseskälte der beiden zehrenden Kinderheimaufenthalte mit Wärme und mit einem Geschmack von Zukunft zu vertreiben.
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Martin Achterkamp, geb. 6.April 1958 aus Münster schrieb am 03.09.2024
Ich habe nur noch wenige Erinnerungen an diese sechs Wochen, habe aber wenige Jahre später ein Erinnerungsfoto untertitelt mit "Die hässlichste Zeit meines Lebens! "
Ich bin mir sicher, dass sich dieser "Kuraufenthalt" tief in meine Seele eingebrannt hat, ohne Genaueres zu wissen. Vielleicht einer der entscheidenden Gründe für meine lebenslangen Depressionen?!
Ich würde mich gerne mit anderen Menschen austauschen, die auch eine "Kinderlandverschickung" erleiden mussten.
Martin
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Frank Gauterin aus Leinsweiler schrieb am 03.09.2024
Ich war in den Sommerferien 1967 für sechs Wochen im Haus "Schloss am Meer" in Wyk auf Föhr. Ich war neun Jahre alt. Ich war damals öfters krank gewesen, hatte Bronchitis und Lungenentzündung gehabt. Meine Eltern gingen davon aus, dass ein Aufenthalt an der Nordsee gut für meine Gesundheit sein würde. Ich erinnere mich, dass ich mich vor der Reise darauf freute, auf eine Nordseeinsel fahren zu können. Die vielen fremden Menschen und die Ferne von meinen Eltern machten mir allerdings zu schaffen. Ich war damals ein eher schüchterner Junge, hatte in der Grundschule eine harte Zeit, da ich von den Mitschülern viel gemobbt wurde. Es war mir nicht klar, wie ich in der unbekannten Umgebung klarkommen würde. Ich habe noch den vollen D-Zug vor Augen, der mich zusammen mit vielen anderen Kindern von Süddeutschland an die Nordsee brachte. In der Nacht das Gedränge im Zugabteil. Wir schliefen auf den ausgezogenen Sitzen, so gut es ging. Ich schaute aus dem Fenster und sah bei Frankfurt den Henninger-Turm. Das beruhigte mich, ich kannte ihn von Besuchen bei meinen Großeltern, die im Taunus wohnten. Ich sehe es heute mit 66 Jahren noch so deutlich und plastisch vor mir, als sei es gestern gewesen. Das Ganze war für mich sehr eindrücklich.
Zum Glück fand ich unter den anderen Kindern im Schloss am Meer bald einen Freund, einen Jungen aus der Nähe von Stuttgart. Wir verstanden uns gut und waren immer zusammen, wenn es ging. Wir gingen nebeneinander bei Strandwanderungen und wenn wir durch Wyk zum Sportplatz gingen, um dort Fußball zu spielen. Ich mochte Fußball nicht, was die Betreuerinnen aber akzeptierten. Ich durfte auf einer Bank sitzen und zuschauen, was ich viel schöner fand, als dem Ball hinterherzurennen. Ich war damals ziemlich dick, die Rennerei nervte mich. Toll war, dass wir anschließend bei einem Dorfladen vorbeigingen und uns etwas kaufen durften. Süßigkeiten waren nicht erlaubt, aber eine Banane war o. k. und ich fand sie damals köstlich. Das lag an dem etwas kargen Essen, das ich aufgrund meines Übergewichts bekam. Ich fand das ungerecht, aber es war eigentlich schon nötig. Ich erinnere mich an den großen Speisesaal, in dem alle Kinder saßen und aßen. Ein Gericht gab es öfters: Kartoffelbrei mit Sauerkraut und in Scheiben geschnittene Frankfurter Würstchen. Alles durcheinandergerührt zu einer ziemlich massiven Masse. Ich erinnere mich, dass mein neuer Freund das nicht mochte, aber ich aß eigentlich alles gern. Dazu gab es Hagebuttentee aus einer Edelstahltasse. Ich kannte das nicht, bei uns zuhause gab es nie Tee. Aber ich mochte es, ich fand es erfrischend.
Nach dem Mittagessen mussten alle Mittagsschlaf machen. Wir lagen in einem großen Saal auf einer Art Campingliege, jeder hatte eine Wolldecke. Auch das kannte ich von zuhause nicht, denn ich war mittags nie müde. Daher fand ich die Ruhezeit im Kinderheim sehr, sehr langweilig. Eigentlich durften wir nichts mit in den Ruhesaal nehmen, aber nach ein paar Tagen Langeweile schmuggelte ich immer ein kleines Blatt Papier mit hinein und faltete damit unter der Wolldecke Tiere, Schiffchen und Ziehharmonikas. Natürlich musste ich sehr vorsichtig sein, so dass die Aufpasserin nicht sehen konnte, das ich beschäftigt war. Ich wurde aber nie erwischt. Das war klasse und fortan war die Ruhezeit erträglich.
Tagsüber haben wir viel gebastelt, denn es regnete oft, oder wir sangen Lieder zusammen, aus der Mundorgel; jeder hatte so ein kleines Heftchen bekommen und trug es bei sich. Manchmal saßen wir beisammen und haben Postkarten an unsere Eltern geschrieben. Auch gab es einen Souvernierhändler, der mit Seepferdchen, Muscheln und ähnlichen Dingen ins Haus kam und wir konnten etwas als Mitbringsel für unsere Eltern kaufen. Ich weiß noch, dass ich mich über meinen Seepferdchenkauf sehr gefreut hatte.
Die Betreuerinnen, die sich um uns den ganzen Tag lang kümmerten, waren alles junge Frauen. Ich fand sie ziemlich nett. Sie machten lustige Spiele mit uns, ließen uns ein Zehnpfennigstück suchen, das sie ganz offen auf ihren Fuß gelegt hatten und niemand fand es. Wir spielten Stadt-Land-Fluss und stille Post, gingen einmal sogar in eine Eisdiele und die Betreuerinnen warfen Geld in eine Jukebox. Ich hatte zuvor so ein Gerät noch nie gesehen und fand es faszinierend, wie die Schallplatten automatisch auf den Plattenteller gelegt wurden.
In der Nacht irritierte es mich, was ein anderer Junge unter der Bettdecke machte. In meinem Raum gab es vielleicht vier Betten, einer der Jungs war schon älter. Er befriedigte sich wohl selbst und wusste dann nicht, wohin damit, so dass am nächsten Morgen die Erzieherinnen sein Bett neu beziehen mussten. Es gab aber deswegen kein Theater, nur ich verstand damals nicht, was das alles war.
Gegen Ende des Aufenthalts wurde ich krank, eine Erkältung mit Fieber, so dass ich nicht wie geplant mit den anderen Kindern wieder nachhause fahren konnte. Ich blieb ein paar Tage länger im Bett und bekam nun endlich gutes Essen, weswegen in diese letzten Tage gar nicht so schlecht in Erinnerung habe.
Ich denke, ich habe mit meinem Aufenthalt im Kindererholungsheim viel Glück gehabt. Erst vor kurzem las ich, dass es in diesem Haus ein paar Jahre früher noch einen ganz anderen Umgang mit den Kindern gab. Davon habe ich jedoch nichts mehr gemerkt. Abgesehen davon, dass ich meine Eltern sehr vermisst habe und ich immer Diätkost essen musste, habe ich keine negativen Erinnerungen an meine Zeit im Schloss am Meer. Auch kann ich mich nicht erinnern, dass ich dort gemobbt wurde, was mir gutgetan hat. Ich glaube, ich habe damals sogar etwas an Selbstbewusstsein gewonnen.
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Daniela schrieb am 03.09.2024
1967 – Kinderheilstätte Donnersberg, 5 Jahre alt
1969 – St. Peter-Ording, Leitung Familie Doll, 7 Jahre alt
1970 – Kindersanatorium Waldesruh, Dausenau/Lahn, 8 oder 9 Jahre alt
1972 - Amrum, Haus Satteldüne, 10 Jahre alt
1974 – Bad Kreuznach, 12 Jahre alt
Als ich mir einige der vielen Berichte hier durchgelesen habe, stellte ich fest, dass ich zum Teil sehr ähnliche Erfahrungen gemacht habe während den fünf 6-wöchigen Verschickungen, an denen ich aufgrund meines Asthmas teilnehmen musste. Ich kann wohl von Glück sagen, dass ich schon immer eine Frohnatur war, aufgrund der vielen Bücher, die ich las, mich als Abenteurer und tapferen Helden sah (und dazu zählten wohl auch die Gefahren eines Heimaufenthaltes, die es zu bezwingen galt). Allerdings sind auch an mir diese Aufenthalte nicht ganz spurlos vorbei gegangen und ich frage mich, ob ich einige meiner „Überlebensstrategien“ vielleicht sogar dort entwickelt habe.
Bei der ersten Verschickung war ich gerade mal 5 Jahre alt. Ich kann mich an so gut wie nichts erinnern, was in der Kinderheilstätte Donnersberg geschah. Ich weiß nur, dass es uns nicht erlaubt war, unsere eigene Puppe oder Teddybär dabei zu haben, was zu einem großen Trennungsdrama führte, als man meine Puppe meinen Eltern wieder mitgab, die mich im Auto eines Bekannten hingefahren hatten. Es gibt ein Foto, wo man uns zum Fasching angemalt hatte und man kann auf dem Foto sehen, dass ich mich sehr unwohl fühlte.
Die nächste Verschickung führte mich nach St. Peter-Ording und an diese Zeit kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich war mit 7 Jahren die Jüngste und wurde von den großen Mädchen gehänselt, geschubst, vom Spiel ausgeschlossen und nachts im Schlafsaal drangsaliert. Das Ehepaar, das damals das Haus leitete (ich glaube, sie hießen Doll), beschloss, dass dies eine untragbare Situation sei und nahm mich kurzerhand mit in die Privatwohnung, wo ich in der Besucherritze zwischen den beiden mit im Ehebett schlafen durfte. Morgens sprang der Dackel der Familie aufs Bett und begrüsste mich freudig. Nach anfänglicher Bedrängnis wandelte sich dieser Aufenthalt daher für mich in eine wunderschöne Zeit, dank des liebevollen Ehepaars. Ich habe noch lange Kontakt gehalten mit der Familie, erinnere mich an Telefonate aus der gelben Telefonzelle und die Frau, die mich ihre „Micky Mouse“ nannte.
Bei der nächsten Verschickung landete ich wohl mit 8 oder 9 Jahren in Dausenau an der Lahn. Seltsamerweise hat meine Mutter jahrelang bestritten, dass ich jemals dort war, bis eines Tages eine Postkarte von dort auftauchte, die ich eigenhändig geschrieben hatte. Wahrscheinlich hat meine Mutter dies verdrängen wollen, da ich offenbar dort Ärger machte. Die einzige Szene aus diesem ganzen Aufenthalt, an die ich mich nämlich erinnern kann, ist eine Fahrt auf der Lahn auf einem Ausflugschiff. Offenbar habe ich es so sehr gehasst dort, dass ich, als das Schiff in der Schleuse aufstieg über Bord und an Land gesprungen bin. Leider kam ich nicht weit, da mich ein Betreuer ganz schnell wieder einfing. Diese Situation kam mir erst Jahre später wieder ins Gedächtnis, als ich mich mit Freunden auf so einem Ausflugschiff befand und beim Auftauchen aus der Schleuse plötzlich den gleichen Blickwinkel einnahm wie damals.
Danach folgten 6 Wochen in Haus Satteldüne auf Amrum, als ich 10 Jahre war. Obwohl es teilweise eine schlimme Zeit für mich war, wollte ich immer wieder dorthin zurück in Urlaub fahren und Amrum ist bis heute meine Lieblingsinsel. Dies ist wahrscheinlich auf die lieben jungen Erzieherinnen zurückzuführen, die damals unsere Gruppe betreuten. Das Regiment führten jedoch einige Ordensschwestern, die uns ziemlich schikanierten. Es musste immer aufgegessen werden und einmal war ich so satt, dass ich nach dem Mittagessen den Schokopudding nicht aufessen konnte. Ich musste noch ganz lange sitzen und begann schon zu würgen. Als ich es dennoch nicht schaffte, aufzuessen, hat man mir zum Abendbrot kurzerhand noch einmal eine volle Schüssel Schokopudding mit dicker Haut hingestellt und zum Frühstück wiederum – während die anderen normales Essen bekamen. Das Einzige, was ich bis heute nicht essen kann und wovon mir nur beim Gedanken daran schlecht wird, ist Schokopudding. Nach dem Essen mussten alle Kinder den Kopf in den Nacken legen und dann kam eine Ordensschwester, hat uns die Nase zugekniffen und einen Löffel Lebertran in den Mund gegossen. Wenn die Schwester mal nicht da war, haben die jungen Betreuerinnen die Kinder durchgezählt und dann die Löffel abgezählt und in den Ausguss geschüttet, denn vielen wurde immer schlecht von dieser Gabe nach dem Essen und der Lebertran kam uns stundenlang immer wieder hoch.
Ich erinnere mich noch gut an die Vorbereitungen für jede Verschickung – meine Mutter musste in jedes Kleidungsstück meinen Namen einnähen, es gab dazu extra Aufnäher mit roten Druckbuchstaben. Außerdem hatte jedes Kind eine Kleiderliste im Koffer. Wir mussten nun immer in so Unterdruckkapseln sitzen, in denen ich Panik bekam, weil es so eng und dunkel darin war, komisch roch und klang. Zum Rausschauen gab es nur ein kleines Bullauge. An einem Tag kam eine der Betreuerinnen und hielt mehrere Kleidungsstücke vor das Bullauge und wollte wohl wissen, ob sie jemand von uns gehören. Ich konnte nichts erkennen, da die Sicht nach draußen sehr schlecht war und beim Verlassen der Kapsel bat ich die Erzieherin, mir die Sachen noch einmal zu zeigen. Da sagte sie, ich sei ein dummes Kind und sie habe meine Sachen in den Müll geworfen, die seien jetzt weg. Ich habe meine Kleider nie wieder bekommen.
Uns wurde auch immerzu Blut geholt und noch heute kann ich nicht hinschauen, wenn mir jemand eine Spritze in den Arm steckt oder in den Finger pieken will. Eine große starke Ordensschwester hielt mich im Klammergriff während ein Arzt mir Blut abnahm. Ich kann bis heute das Ticken der Uhr hören, die die Schwester umhängen hatte und gegen die sie mein Ohr presste, während sie versuchte, meinen Kopf so zu drehen, dass ich hinschauen musste, was der Arzt da machte.
Nachts war die schlimmste Zeit: am Abend las uns eine liebe Erzieherin immer ein Kapitel aus Tom Sawyer vor, es brannte nur noch ein Licht im Flur, wir lagen alle still im Bett und hörten andächtig zu. In dieser Zeit durfte man auch noch zur Toilette. Dann wurde auch das Licht im Flur gelöscht und die Ordensschwester schärfte uns ein, dass wir bestraft würden, wenn wir es wagten, nachts unsere Betten zu verlassen und zur Toilette zu gehen. Ich hatte in den 6 Wochen sehr oft Durchfall und schlich mich regelmäßig nachts mit Todesangst über den Flur zur Toilette und traute mich nicht, abzuziehen, da dies die Nonne auf den Plan gerufen hätte. Am Morgen war dann immer großes Geschrei, weil wieder jemand trotz Verbot aufgestanden war und man drohte uns an, dass man schon diejenige erwischen würde, die sich nachts rausschleicht. Diese Zeit hat mich tief beeindruckt, aber trotz der Schikanen wollte ich nicht mehr nachhause, weil es mir so gut gefiel.
Die letzte Verschickung fand statt, als ich etwa 12 Jahre alt war. Hier war es der Heimleiter, der uns Kinder in Angst und Schrecken versetzte. Wir durften ab einer bestimmten Zeit das Haus nicht mehr verlassen, um in den Hof zu gehen, weil der Mann dort seinen Schäferhund frei laufen ließ und drohte, ihn auf uns zu hetzen, sollten wir uns draußen blicken lassen. Es gab oft Griesbrei zu essen, den ich liebte, aber von dem vielen Kindern schlecht wurde. Es gab Schläge mit dem Holzlöffel, wenn wir nicht essen wollten. Ich erinnere mich, dass es wenig zu trinken gab, wir hatten ständig Durst und bei Wanderungen rieten uns die Erzieherinnen, einen Kieselstein in den Mund zu legen, dann würde man den Durst nicht so spüren. Es gab einen Kiosk in dem Gebäude, an dem man sich selbst Getränke kaufen sollte, aber der Heimleiter machte den Kiosk nicht auf. Gegen Ende der Kur kam eine Gruppe von Stadtratsmitgliedern meiner Heimatstadt zur Besichtigung und um zu prüfen, ob wir gut untergebracht sind. Der Heimleiter drohte uns mit Schlägen und Strafen, wenn wir etwas Nachteiliges über ihn und das Heim sagen. Einer der Männer war jedoch ein Freund meines Vaters und ich bat ihn um einen kurzen Moment und klärte ihn auf, was hier für Zustände herrschten. Daraufhin kam es zu einer Untersuchung, aber ich weiß nicht, was dabei herauskam.
Meine Schwester ist auch zweimal verschickt worden, einmal ins nördliche Saarland und einmal nach Wyk auf Föhr. Sie hatte jedes Mal eine schlimme Zeit, große Trennungsängste und erhielt wohl viel Schläge, hat bis heute Gewichtsprobleme, wurde immer zum Aufessen und Überessen gezwungen, weil sie zunehmen sollte. Auch sie durfte nachts nicht zur Toilette, hat ihre eingenässte und eingekotete Unterwäsche im Schrank versteckt und wurde dafür bestraft.
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Thomas K. aus Bremen schrieb am 02.09.2024
Lebenslanges Trauma. Unterschwellig. Ebenso verdrängt wie prägend.
Ich war fünf und konnte singen. Gut singen. Mir sofort Melodien und Texte der deutschen Volkslieder merken. Ich glaube, das war meine Rettung. Ich war keiner jener Kinder, denen nach einem Streit an den Haaren ziehend die Köpfe zusammengeschlagen wurden. Ich kam damit davon, nachts stehend zu verbringen, wenn ich mal wieder ins Bett gemacht hatte.
Ich war der, bei denen die Augen der alten Fratzen, die unsere "Schwestern" waren, zu leuchten anfingen. Und ich war froh, dass ich im echten Leben nur Brüder hatte.
Noch heute habe ich Angst, nach St. Peter Ording zu fahren. Ich war nie wieder dort.
Fast zwei Jahre nach dieser "Kur", nach der sich mein Kinderarzt wunderte, warum es mir immer schlechter ging, hatte ich wohl langsam begonnen, meinen Eltern von der Zeit in St. Peter Ording zu berichten. Deren Schuldgefühle, ihren Sohn dem ausgesetzt zu haben, hat sie ihr Leben lang begleitet.
Deutschland und den Deutschen, meinen Leuten, trau ich bis heute keinen Meter über den Weg.
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Uwe schrieb am 02.09.2024
Kleiner Nachtrag noch, vielleicht kann man es bei meinem ersten Eintrag zusammenfügen ?
Ich leide bis heute, aufgrund dieses Aufenthalt, unter Berührungsängsten und
einer sozialen Phobie.
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Uwe schrieb am 02.09.2024
Ich bin mit 4 oder 5 Jahren verschickt worden. Habe wenig Erinnerungen.
Ich weiss aber sicher, wenn ich nicht artig war, wurde ich von den Tanten in einen dunklen Kellerraum, ohne Licht und Fenster, für längere Zeit eingesperrt.

Auch der Mittagsschlaf war hart. War es von Zuhaus nicht gewöhnt.
Also bin ich aufgestanden. danach weiss ich nur noch, ich lag ab da 2 Stunden stocksteif auf der Liege, mit geschlossenen Augen und traute mir nicht auch nur die kleinste Bewegung zu.

Wieder zurück habe ich meiner Mutter erzählt, ich habe da in dem Heim sehr viel Schläge bekommen. So richtig geglaubt hat man mir es aber nicht.
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Hoffmann schrieb am 30.08.2024
Zeitraum (Jahr): 1960 und 1966
1. Ich bin zufällig auf das Thema im Internet gekommen. Ich erlebte als 5jähriger (1960) in Bad Laasphe den stundenlangen Esszwang und den Schlafzwang. Durch den Esszwang erbrach ich auf eine Steintreppe im Haus und rutschte aus. Ich erlitt eine Platzwunde über dem Auge und wurde in einer Hausarztpraxis versorgt. Anschließend hatte ich absolute Bettruhe. Darüber war ich als kleiner Junge recht froh. Ich konnte nicht mehr mit Essen traktiert werden. Schließlich hatte ein externer Arzt "ein Auge auf mich". Kontakt zu den Eltern war nicht möglich. Meine Eltern waren sehr zurückhaltend und beschwichtigten nach meiner Rückkehr. Mir blieb eine Narbe in der Augenbraue.
2. Meine zweite Kinderkur fand wegen Luftveränderung auf Amrum statt. Der Großteil der Kurkinder waren aber als schlechte Esser dort. Hier erlebte ich mit, wie Kinder vor meinen Augen bestraft und erniedrigt wurden. Essen oft von Milchsuppen und ähnlichen ungenießbaren mussten mit mehreren Portionen teilweise über lange Zeit heruntergewürgt einschließlich oft Erbrochenes aufgegessen werden. Oftmals wurden herrlich duftende Gerichte durch den Essenssaal zur Heimleiterin und den Schwestern geschoben was unsere ausgelieferte Situation nicht besser machte und bei mir auch Angst hinterließ. Ein strenger Winter während meiner "Kur" ließ Amrum einfrieren. Es kam keine ausreichende Versorgung per Schiff. Angeblich wurde die Insel mit Hubschraubern versorgt. Mir machte das als Zehnjährigen natürlich Angst. Heftiger Sturm machte es nicht besser. Bei einem vorgeschriebenen Kartengruss an die Eltern durfte ich das schwere und lange Wetterereignis nicht mitteilen. Man sagte mir, ich würde den Eltern damit nur Sorgen bereiten. Diese wollte man nicht und ich musste eine neue Karte mit Belanglosem abschicken. Ich fühlte mich hilflos und von meiner Familie isolliert. Ein kleines Geburtstagpäckchen mit Süssigkeiten wurde mir nicht gegeben. Vermutlich hat der Inhalt der Belegschaft gut geschmeckt. Nach meiner Rückkehr erlebte ich wieder bei meinen Eltern eine gewisse Verharmlosung meines Erlebten. Das Erlebte wird mir heute durch Betroffene im Internet wieder bewusst gemacht. Ich hatte das Erlebte so hingenommen, weil ich sowieso kein Gehör und keine Hilfe erwarten konnte.
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Nicole aus Eberswalde schrieb am 30.08.2024
Hallo... wie soll ich Anfangen? Ich bin Nicole und heute 41 Jahre alt. Lange Zeit war diese "Kur" in Vergessenheit für mich geraten. Seit ein paar Jahren, denke ich aber immer wieder,mit Entsetzen,Traurigkeit, Fassungslosigkeit zurück. Oft fragte ich mich,warum bin ich heute wie ich bin. Warum leider ich seit 20 Jahren zb an Panikattacken usw. Es gab viele Ereignisse die dazu führen konnten. Aber eine davon ist devinitiv dieses "Verschickungsheim". Ich war sehr jung (kann mich leider nicht an alle Details erinnern. Ich war zwischen 4 und 6 Jahre alt. Ich werde niemals vergessen,wie meine Mama mit mir zum Bahnhof lief und dort ein großer Bus stand... ich freute mich,da Mama sagte,mit dem fahren WIR jetzt. Wie aufregend... ich suchte schnell einen Platz für uns beide. Lachte... dann schlossen die Türen und der Bus setzte sich in Bewegung. Mama? Mama war nicht da. Sie stand einfach draußen und ging. Ich war allein,hilflos zwischen so vielen weinenden Kindern. Ich weiss nicht einmal mehr wo ich war! Berlin? Es gab auf jedenfall Straßenbahn,die ich noch nie gesehen hatte vorher.
Noch nie habe ich soviel Stränge erlebt. Noch nie wurde ich so oft angeschrien. Ich hasste es Tomatem zu essen zb,das weiss ich noch. Musste mich davon übergeben. Man zwang mich,in mitten des Speisesaals diese zu essen,stehend vor allen. Bis ich mich übergab. Musste dann auf knien alles putzen. Das war Standart! 1 mal die Woche wurden Briefe der Eltern vorgelesen. Eltern bekamen eine zurück. Ich war zu klein zum schreiben, daher weiss ich nicht was da stand. Wir mussten in Reih und Glied (Mädchen,Junge,Mädchen,Junge) auf den Schultern fassenden hintereinander zum Duschen. 1 Min warm. Dann kam der kalte Schlauch... sollte fürs Immunsystem sein,sagte man. Im Anschluss bekam jeder seine eigene Handbürste (so eine für die Nägel) und wir mussten uns zum Teil den Rücken blutig schrubben,für die Durchblutung. Ich weiss nicht extrem viel mehr.. aber ich weiss und erinnere mich genau an mein Gefühl...diese Ängste,Traurigkeit,ja auch Hass. Auch meiner Mutter gegenüber. Wie konnte sie das zulassen? Heute,will sie davon wenig hören. Ist ihr schlicht egal! Aber mit mir hat das viel Gemacht. Und das macht auch heute viel mit mir,meinen Kindern gegenüber. Bin so eine typische Helikopter Mutter! Sehr extrem sogar,bis hin zu Panikattacken bei mir,wenn ich Angst habe das mein Kind nur hinfällt. Das führe ich darauf zurück...ich werde diese Gefühle die ich dort hatte,einfach nicht los. Auch fast 40 Jahre später nicht
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Martin aus Paderborn schrieb am 18.08.2024
Hallo, ich war 1971 o. 1972 als 5/6 Jähriger in Wessobrunn und würde mich gern mit Personen austauschen, die zum ähnlichen Zeitpunkt vor Ort waren.
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Joachim Ohler aus Lambrecht schrieb am 16.08.2024
Mein Name ist Joachim. Ich wurde mit fünf Jahren alleine ,für vier Wochen nach Schillig zur Erholung versandt. Es war die schlimmste Zeit meiner Kindheit. Ich habe heute noch,mit 63 damit zu kämpfen. Diese Zeit der psychischen Qualen hat in mir große Wunden hinterlassen. Minderwertigkeitsgefühle.... Verlassenheit... Panik... Depressionen... Drogen... Alkohol...Danke ihr Perversen Menschenschinder von 1966 im Kindererholungsheim Schillig...ihr habt mich mit Sicherheit geprägt!
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Silke aus Halle schrieb am 15.08.2024
Hallo, ich wurde 1980 geboren und war 1986 in Bad Salzungen. Es war ganz ok dort, so weit ich mich erinnern kann. Ich war mit meiner 5 Jahre älteren Schwester dort. Ich habe die negativen Erlebnisse immer weggewischt. Vielleicht stehen auch meine psychischen Probleme damit in Verbindung. In der Nacht kam eine Art Nachtwache. Zu Beginn nahm ich nur eine Taschenlampe wahr, weil sie schaute, ob wir im Schlafsaal sind. Später wachte ich auf, weil mir jemand an die Genitalien fasste. Ich erwachte, wieder die Frau mit der Taschenlampe. Sie sagte, dass sie mich eincremen müsste. Weil ich wund sei. Ich war sehr müde und versuchte die Hand wegzuschieben. Es war unangenehm, aber nicht schmerzhaft. Einem Mädchen, das neben mir schlief erging es nicht besser. Erst viel später begriff ich, dass das Handeln dieser Frau einen sexuellen und keinen medizinischen Hintergrund hatte. Ich träume bis heute von diesem Ausgeliefert sein. Ich leide unter Schlafstörungen und Depressionen. Für viele war so eine Kur bestimmt ein Abenteuer, für mich auch, dennoch hätte ich gern auf die übergriffige Frau verzichtet
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Achim aus Heilbronn schrieb am 01.08.2024
Ich bin 1962 geboren und war 1968 in Bad Dürrheim, Klinik Huber. Es gibt ein Bild vor meiner Abreise vor der elterlichen Wohnung, mit dem Kinderkoffer, der mir dann abgenommen wurde. Wir mussten das Lied „Wir sind die Huberkinder“ oft singen, den Text kann ich teilweise noch. Esssaal, Schlafraum und Singen im Nebel erinnere ich noch recht gut, auch dass ich bereits erbrochenes essen musste. Ich möchte mich, wenn möglich, etwas intensiver mit der Zeit auseinandersetzen, eventuell auch austauschen.
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Jo schrieb am 29.07.2024
Auf das Thema Verschickung bin ich erst vor wenigen Jahren durch diverse Veröffentlichungen in den Medien aufmerksam geworden.
Mir wurde bewusst, auch ich bin damals verschickt worden, auch ich bin ein Verschickungskind, auch wenn ich offenbar das Schlimmste verdrängt und nur bruchstückhafte Erinnerungen habe.

Im Jahr 1963 wurde ich im Alter von 9 Jahren per Bahn aus dem Rhein-Main-Gebiet nach Villingen im Schwarzwald verschickt. Anlass war keineswegs eine medizinische Indikation. Vielmehr waren meine Eltern irrigerweise der Meinung mir als Einzelkind würde das dort gut tun.
Mehre Kinder teilten sich ein Abteil im Zug. An eine Begleitperson kann ich mich nicht erinnern. Dort angekommen wurden wir per Bus zum Haus Tannenhöhe (der Diakonie) gebracht und begrüßt. Danach nahm man uns unsere persönlichen Gegenstände ab, inkl. Plätzchen, Süßigkeiten und Obst, teilweise auch mitgebrachte Spielsachen.

An eine gesundheitliche Eingangsuntersuchung kann ich mich nicht erinnern. Untergebracht waren wir in großen Schlafräumen. Die Betten mussten wir selbst machen. Das Ergebisse wurde täglich benotet. Wir bekamen Punkte und sollten diese bis zum Schluss sammeln (vgl. unten).
Der Umgangston war herzlos, rauh und kalt, insbesonders gegenüber kleinen Kindern oder "Jammerkindern". Wir wurden verwahrt, eigene Vorstellungen waren nicht erwünscht. Es gab ein festes Programm und einen Tagesablauf, dem wir unterworfen wurden. Wer das Gelände verlies wurde bestraft. Oft weinte ich heimlich.
Einzig einige der tlw. sehr jungen Praktikantinnen waren nett zu uns. Deren Aufgabe war u. a. uns vor dem Mittagsschlaf (Bettenpflicht) etwas vorzulesen. Einige waren auch bemüht kleinere Kinder voller Heimweh zu trösten, zumindest solange keine Diakonissen in der Nähe waren.

Das Essen habe ich als gleichförmig, minderwertig und wenig schmackhaft in Erinnerung. Bei gutem Wetter organisierten die Praktikantinnen Spiele im Freien. Ich kann mich außerdem an einen anstrengenden Waldspaziergang erinnern und an einen tristen Ausflug zum Titisee bei Regen.

Anrufe nach Hause wurden mir verwehrt. Wöchentlich sollten Postkarten geschrieben werden. Oft kam es nicht dazu. Ich wurde angewiesen positiv zu schreiben, sonst würde man die Karte "um die Eltern nicht zu beunruhigen" nicht abschicken. Ich hatte jedoch mit meinen Eltern zuvor einen Code vereinbart, in dem ich versteckt eine Schulnote für die jeweilige Woche auf der Karte hinterlies. Diese Note fiel von anfangs 2 auf zuletzt 6. Geblieben ist mir lediglich ein Brief mit einem nichtssagenden Text und einem unscharfen Gruppenfoto.

In diesen Wochen erlebte ich die schlimmste Zeit meines Lebens. Anders als viele andere Kinder konnte ich mit meinen 9 Jahren meine Sitation einschätzen und versuchte unauffällig zu bleiben, um nicht betraft zu werden, z. B. mit Ecke stehen, kein Essen, keine Spiele. Es war dort sehr schwer Freundschaften zu schließen oder sich solidarisch zu zeigen. Am letzten Tag wurden wir verabschiedet und durften in der Reihenfolge unserer gesammelten Bettenpunkte antreten und aus einer Kiste mit alten, gebrauchten Spielsachen sich ein Stück nehmen. So sind einige der Kinder zuletzt sogar wieder in den Besitz ihrer eigenen Spielsachen gekommen. Ich habe verzichtet. "Villingen" ist und bleibt für mich ein Unwort. Lange Zeit dachte ich alleine solch schlechte Erfahrungen gemacht zu haben - Pech eben.

Meine Eltern holten mich aufgrund meiner abfallenden Benotung direkt mit dem Auto ab. Ich habe Ihnen ausführlich berichtet und ihren Schock und die ehrliche Betroffenheit über die schlimmsten sechs Wochen meines Lebens gesehen. Diese Verschickung habe ich Ihnen trotzdem bis heute nicht verzeihen können.
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Hermann Josef Cremer aus Playa del Ingles schrieb am 28.07.2024
Hermann aus Rommerskirchen

1956/57 wurde ich im Alter von ca. 9 Jahren, weil ich zunehmen sollte, für 6 Wochen in Kur nach Bad Rippoldsau in den Schwarzwald mit dem Zug verschickt. Weil ich nach 6 Wochen nichts zugenommen hatte, wurde diese Kur nochmals 6 Wochen verlängert wobei ich nach dieser Zeit immer noch nichts zugenommen hatte. Bei unseren Betten wurden die Bettdecken an Beiden Bettkanten eingeklemmt. Wenn sie bei jemandem am Morgen nicht mehr korrekt waren, wurde derjenige in der folgenden Nacht abgeholt und mit anderen Kindern mitten in der Nacht eiskalt abgebraust. Diese Schreie in den Nächten, höre ich heute noch. Beim Essen mussten wir so lange sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war. Ich musste das, weil ich keine gekochten Möhren mochte. Ich hatte mich mit einem Jungen aus Mönchengladbach angefreundet. Er mochte beim Frühstück keine Leberwurst, trotzdem musste er sie Essen und nachher dann wieder das erbrochene. Einmal kamen wir etwa mit 12 Jungen in Quarantäne. Ich hatte keine Beschwerden, aber uns wurde gesagt, wir dürfen mit anderen eine Woche lang nicht in Berührung kommen. Jeden Tag bekamen wir eine Spritze. Wir mussten uns auf den Bauch legen. Den nackte Hintern nach oben. Die Schwester kam mit einem Tablett Spritzen, und hat sie jedem wie beim Dart in den Hintern geworfen. Post wurde natürlich kontrolliert. Es durfte nur geschrieben werden, wie schön es dort war. Alles wurde kontrolliert. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen. Auch mit meinen Eltern nicht. Mich hat das alles wieder eingeholt, als ich mit 55 Jahren wegen Depressionen in Kur kam. Ich fühlte mich eingesperrt. Kein Handy, kein Notebook, kein Kontakt zur Familie. Zum Glück wurde es mir später alles erlaubt, als sie von meinem Trauma erfahren haben. Das Kinderheim in Bad Rippoldsau wurde übrigens von katholischen Nonnen geleitet. Jetzt bin ich 76 Jahre alt und es verfolgt mich immer noch.
Seit 18 Jahren lebe ich auf Gran Canaria. Das hilft mir, weil ich weit weg von diesem Ort bin.
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Ellen aus Bonn schrieb am 26.07.2024
als 1957 Geborene habe ich vom18.5.65 bis zum 29.6.65 Zeit im Kinderheim Schlichter, Fischhausen-Neuhaus am Schliersee/Obb verbracht.
Als das Thema Verschickung jetzt in einer Therapiestunde angesprochen wurde, habe ich extrem physisch und psychisch reagiert. Leider, oder Gott sei Dank, habe ich keinerlei Erinnerungen mehr an diese Zeit. Da ich schon viele Jahre an Depressionen leide, mich schon ewig in Therapie befinde, mehrere Klinikaufenthalte hatte, frage ich mich nun: was ist da passiert? Ich habe noch Fotos, Schreiben und von mir geschriebene Postkarten aus dieser Zeit vorliegen. So suche ich Menschen, mit denen ich mich über das Haus Schlichter unterhalten kann, denen ich die Unterlagen zeigen kann.
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Robert Ducksch aus Seeg schrieb am 23.07.2024
Mein Name ist Robert und ich war als ca 11 jähriger im Verschickungsheim Alpenblick in Seeg im Allgäu. Ich glaube ich war so ca 6 Wochen dort.
Ja, im Nachhinein betrachtet war bzw bin ich traumatisiert. Ich musste, weil ich auf eine Postkarte geschrieben hatte „ es ist absolut furchtbar und unerträglich hier, zu Chef Vogt und dieser absolut eklige Typ erklärte mir dann, dass ich nie mehr nach Hause komme oder er ein Taxi bestellen muss und meine Eltern werden ein Leben lang daran bezahlen müssen. Ich dachte und fühlte damals: Das ist das Ende meines Lebens und ich sehe alle Menschen die ich liebe nie mehr. Nachts wurde ich von einer Aufsichtfrau dann aus dem Bett geholt und musste bis früh vor dem Schrank im Flur stehen. Schlimm war für mich dann auch die Untersuchung bei einem Arzt in Seeg. Was genau gemacht wurde weiß ich nicht mehr….nur das Gefühl habe ich noch in mir. Es fühlte sich an, als wenn ich kurz vor der Schlachtbank angekommen bin und nun auseinandergenommen werde. Ein Gefühl der Machtlosigkeit und der Ohnmacht. Was mir auch noch in Erinnerung blieb, war eine Betreuerin die total liebevoll mit uns umgegangen ist. Allerdings war sie nur ein paar Tage im Haus und war dann verschwunden. Heute weiß ich natürlich warum. Sie war einfach zu gut zu uns.

Ich weiß noch, dass ich in Schweinfurt am Sachs Stadion ausgestiegen bin und hätte meinen Eltern am liebsten links und rechts eine verpasst. Ich bin kein gewalttätiger Mensch aber das war mein Gefühl damals. Ich dachte noch: Wie konntet ihr mir das antun ?? Ich hatte richtig Wut in mir.
Jahre später fuhr ich mit meinen Eltern nach Seeg und traf dort am Haus auch eine Frau. Ob es sich um Fr. Vogt gehandelt hat, kann ich nicht sagen. Jedenfalls war sie sehr komisch und abweisend. Ich bin mir relativ sicher, dass sie das war. Wenn ich heute daran zurückdenke wird mir einfach nur schlecht.
Lasst uns auf unsere Kinder und Enkelkinder aufpassen. Dieses düstere Kapitel darf sich ( wie so viele andere Kapitel auch ) nie mehr wiederholen.

Heute, nach langer Aufarbeitung auch von anderen traumatischen Ereignissen, kann ich sagen: Es hat mich absolut aufmerksamer und achtsamer gemacht. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich bis vor ca 1 oder 2 Jahren gar nicht gewusst hatte, dass ich ein Verschickungskind bin. Das war wirklich vergraben. Ich habe erst durch Anja Röhl einen Zugang gefunden und ich bin ihr zutiefst dankbar für ihre Arbeit.
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Ricardo aus Weener schrieb am 23.07.2024
Liebe MeuranerInnen und ehemalige Kurkinder,

in den 80er Jahren war ich insgesamt acht Mal zur Erholungskur in einem Kinder-Erholungsheim in Meura (Thüringen). Und nun suche ich Leute, die auch dort waren und mit denen ich Erinnerungen austauschen kann.
Vielleicht ist ja hier im Forum jemand dabei, der/die dieses Kinderkurheim auch kennt...

Ich selbst habe wunderschöne Erinnerungen an diese Zeit:
Eine Kur in Meura dauerte immer vier Wochen. Es kamen aber nicht nur Kinder aus Berlin, sondern auch aus anderen großen Städten der DDR. Für Berliner Kinder (also auch für mich) ging die Reise immer von Berlin-Lichtenberg los, genauer gesagt von der Parkaue Ecke Deutschmeisterstraße.
Dort warteten immer viele Eltern mit Ihren Kindern. Es kamen dann zwei Ikarus-Reisebusse mit jeweils zwei Frauen, die die Kinder während der siebenstündigen Fahrt nach Meura betreuten.
Ja, das dauerte wirklich so lange, weil Busse damals nicht so schnell fahren durften.
Außerdem wurden während der Reise mehrere Pausen eingelegt.
Die Busfahrer luden die Koffer ein. Und damit es beim Einsteigen kein Gedrängel und Geschubse gab, wurden alle Kinder anhand einer Namensliste aufgerufen. Und welcher Name gesagt wurde, der- oder diejenige durfte dann einsteigen und sich einen Platz suchen. So wurde es im Bus immer gehandhabt. Auch dann, wenn wir in Meura ausgestiegen sind, sowie beim Ein- und Ausstieg auf der Heimfahrt. Außerdem bekam jeder vor der Abfahrt eine Reisetablette.

Zum Heim gehörten vier Häuser, soweit ich mich erinnern kann: Das Bettenhaus am Meuraberg, unten an der Straße das weiß-rote Haus, in dem die Heim-Krankenschwester Elfriede wohnte.
Weiter unten war das Haus, in dem es Mittagessen und Abendbrot gab. Und am Berghang gab es noch ein Haus, in dem die Reinemachefrau wohnte.

Als wir in Meura ankamen, wurden wir von den Erzieherinnen (deren Namen ich übrigens auch noch kenne) begrüßt. Dann wurde die ganze Kinderschah in drei Gruppen aufgeteilt:
Die Kleinsten (Kindergarten bis Vorschule) bildeten die Gruppe "Freundschaft", die etwas größeren und älteren kamen zur Gruppe "Pionier" und die ältesten Kinder gehörten der Gruppe "Aufbau" an.

Nach der Begrüßung saßen alle Kinder zusammen in der obersten Etage des Bettenhauses und es wurden die Benimmregeln genau erklärt. Dann wurden uns die Zimmer gezeigt. In den Schlafräumen wurden dann die Koffer ausgepackt und dann stellten wir diese in den Dachspeicher des Hauses.
Und wenn wir nach einiger Zeit schmutzige Wäsche hatten, kam diese immer in unsere Koffer, die die ganze Zeit auf dem Dachspeicher blieben. Und jedes Mal, wenn wir Sachen ein- oder auspackten, hielt die Erzieherin etwas davon in der Hand und fragte wörtlich: "Ricardo, ist das Dir?" Darüber musste ich immer etwas schmunzeln, denn diese thüringische Ausdrucksweise hatte ich vorher noch nie gehört. Aber ich wusste, wie das gemeint war: "Ricardo, gehört das dir?"

Wie der weitere Tagesablauf war, weiß ich leider nicht mehr. Abends hieß es dann Abendbrot essen, waschen und dann war um 19:00 Uhr Nachtruhe. Und jede Nacht war eine andere Erzieherin im Haus, die uns bewachte und mit einer Taschenlampe in die Zimmer leuchtete. Und jedes Mal, wenn noch jemand schwatzte oder Faxen machte, kam die Erzieherin rein und ermahnte diejenigen.
Einmal merkten zwei Kinder beim Schwatzen, dass die Erzieherin im Anmarsch war. Dann warnte einer: "Achtung! Sie kommt! Sie kommt!" Und schon stand die Erzieherin in der Tür, leuchtete wieder mit ihrer Taschenlampe ins Zimmer und meinte: "Sie kommt nicht erst, sie ist schon da!" Dann war alles Mux-Mäuschen-still.

Die nächsten Tage verliefen dann bis zum Ende des Kuraufenthaltes gleich:
Früh um 7:00 Uhr hieß es aufstehen. Dann mussten wir uns alle unter Anleitung einer Erzieherin "trockenbürsten". Das heißt: Wir mussten uns ausziehen und jeder musste sich dann selbst abbürsten. Es wurde uns gesagt, dass dies für die Durchblutung gut ist. Dann trafen wir uns alle in Schlafanzügen in der obersten Etage des Hauses und es war Morgengymnastik mit Schwester Elfriede angesagt. Dann hieß es: Waschen, anziehen und ab zum ersten Frühstück. Das Frühstück gab es immer im Bettenhaus. Es bestand unter Anderem aus einem ganz gesunden Müsli.
Rezept: - 2 gehäufte Esslöffel Haferflocken (am besten vorher einweichen in 6 EL Wasser),
klein geschnittenes Obst nach Wahl, süßen mit Honig oder Zucker, Weizenkeime, geriebene Nüsse, Kokosraspel, Milch. Wenn wir einen Tag zuvor bei einer Wanderung Beeren gepflückt hatten, waren diese am nächsten Tag in das Müsli gemixt worden. Desweiteren gab es Zitronentee und belegte Brote.

Dann folgte die erste Wanderung. Wir liefen durch das Waldgebiet in der Nähe des Heimes.
Danach ging es wieder zurück ins Bettenhaus, wo bereits das zweite Frühstück auf uns wartete:
Soweit ich mich erinnern kann, gab es dann immer Äpfel und Knäckebrot, da kann ich mich aber auch irren!
Dann eine zweite Wanderung durch den Ort, danach Mittagessen im unteren Haus.

Mindestens einmal die Woche bekamen wir dann alle Post von unseren Eltern aus Berlin. Darüber freute sich jedes Kind. Die Karten wurden dann immer von der Erzieherin vorgelesen. Und wir schrieben dann auch Karten aus Meura zurück an unsere Eltern: "Liebe Eltern! Mir geht es gut! Wie geht es Euch" usw...

Einmal ist mir vor dem Essen etwas ganz Kurioses passiert: Ich musste vor dem Essen dringend auf die Toilette. Und bei den Toiletten im Kurheim waren die Wasserkästen oben und mann musste an einer Strippe ziehen, um zu spülen. Als ich mich wieder angezogen hatte und an der Strippe zog, löste sich das Spülrohr vom Wasserkasten. Das ganze Wasser plätscherte mir auf meinen rechten Arm und floss über den Boden unter der toilettentür durch in den Raum zu den Waschbecken. Ich hörte, wie einige Kinder sich erschraken: "Guck mal, da unten kommt Wasser raus..." Ich meldete das Missgeschick sofort einer Erzieherin und die Toilette wurde repariert.

Nach dem Essen hieß es: Wieder zurück ins Schlafhaus, Zähne putzen, mit Sohle-Wasser (Wasser mit Emser-Salz) gurgeln und dann ab ins Bett zur Mittagsruhe.
Dann war "Vesper" angesagt, also Nachmittags-Mahlzeit. Was es da zu essen gab, weiß ich nicht mehr. Aber es gab immer Milch in Glasflaschen mit Papierdeckel. Und zwar jedes Mal eine andere Sorte: Mal Fruchtmilch, mal Vanillemilch und mal Kakaomilch.

Und auch hier kann ich mich auch noch an eine Anekdote erinnern: Es gab im Kurheim eine Erzieherin, die wir alle nicht besonders mochten, weil sie sehr streng war und immer einen bösartigen Ton an den Tag legte. Manchmal sprach sie die Kinder nur mit Nachnamen an.
Nun hatte diese Erzieherin uns an einem Tag während der Vesperzeit beaufsichtigt.
Und die Milch, die wir bekamen, ist schlecht geworden und schmeckte sauer. Das sagten wir der Erzieherin auch, aber die stritt es vehement ab und war fest der Meinung, dass das nicht stimmte. Denn die Milch in ihrer Flasche war noch gut. Nach einigen Minuten Diskussion probierte sie bei einem Kurkind und musste feststellen, dass es tatsächlich stimmte...

Aber nun wieder zurück zu den schönen Erinnerungen: Manchmal machten wir auch eine Kutschfahrt ("Kremserfahrt"). Denn in Meura steht das größte Haflingergestüt Europas. Vom Gestüt kam dann der Kutscher mit einer großen Kutsche und zwei Haflingern. Das war auch immer ein sehr schönes Erlebnis. Wir sind dann bis runter zum Schlagebach gefahren und wieder zurück.

Während der Kur haben wir auch Wanderungen zu den "Meurasteinen" unternommen. Dort war es ziemlich steil und wir mussten sehr aufpassen. Auf einem Felsen der Meurasteine stand eine Schutzhütte. Dort machten wir Rast und die Erzieherin erzählte uns die "Fribbchen-Sage":

Die "Fribbchen" sollen kleine Zwerge gewesen sein, die graue Gewänder und hohe Kapuzen trugen.
Laut der Sage haben sie vor sehr vielen Jahren in den Meurasteinen gelebt und sind als Korbmacher sehr fleißig gewesen...

Einmal pro Kur gab es auch die Möglichkeit, bei den Erziehern Andenken zu kaufen. Was das genau für Sachen waren, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Aber kleine Souvenirs halt, als Andenken an die Kur in Meura.

Abends nach dem Abendbrot ging es wieder rauf ins Bettenhaus. Dort trafen wir uns vor dem Schlafengehen im Gruppenraum zur "Auswertung": Das Benehmen eines jeden Kurkindes wurde ausgewertet und in eine Liste mit Namen eingetragen. Wenn Kinder undiszipliniert waren, wurden sie darauf angesprochen, der "Gruppenrat" und die anderen Kinder wurden gefragt, es gab eine Eintragung und derjenige, den es betraf, schämte sich dann.

In unseren Zimmern hing für jedes Kurkind ein A5-Blatt mit seinem Namen und jeweils vier untereinanderliegenden Spalten, für jede Woche eine. In diese Spalten wurde nach jeder Woche ein Papier-Dreieck eingeklebt, welches ein Pionierhalstuch darstellte. Rote Halstücher standen fürh SEHR vorbildliches Betragen, blaue für normales bis schlechtes Benehmen.

Manchmal, wenn schlechtes Wetter war, hörten wir oben im Gruppenraum Kinder-Schallplatten.
Meine Lieblingsplatte war immer "Ferdinands Zauberhäuschen". Auch wurde einmal pro Kur ein Puppenspiel aufgeführt: Der Puppenspieler baute seine Bühne "Frechdachs" auf, spielte uns Geschichten vom Kasperle vor, hatte dann auch immer sein freches "Schnattchen" dabei, dass dann z. B. den Kindern eine Ohrfeige verpasste und sich danach schämte. Und dann waren da noch die beiden Mäuse "Singeschön" und "Springeschön"...

Sehr schön begannen auch immer die Sonntage: Da gab es im unteren Haus auch immer Frühstück, was sonst nur im Bettenhaus der Fall war. Sonntags stand bei uns im Gruppenraum auf den Tischen rotes Plastikgeschirr und es gab heißen Kakao. Nach der sonntäglichen Mittagsruhe schauten wir immer Kinderfernsehen: Die "Flimmerstunde" mit "Professor Doktor Flimmrich". Der erste Fernseher, den ich dort kannte, war ein Farbfernseher vom Typ Raduga 706. Es war ein Fernseher mit einem sehr schönen dunklen Holzgehäuse. Später muss er dann wohl defekt gewesen sein, jedenfalls wurde er dann durch einen neueren, grauen RFT Colotron 4000 ausgetauscht.

Nun ist mir noch etwas eingefallen: Im Waschraum hatten wir einmal pro Kur für jedes Kind jeweils zwei Plastikschüsseln für die Füße: Eine gelbe mit warmem und eine orangene mit kaltem Wasser. Oder war es umgekehrt? Jedenfalls mussten wir dann unsere Füße lange im warmen Wasser haben, dann kurz ins kalte wechseln und wieder zurück ins warme... Auch dies sollte wohl gut sein für die Blutzirkulation. Auch haben wir mehrmals in der Woche geduscht. Ganz lange unter warmem Wasser, dann zum Schluss ganz kurz unter die kalte Dusche. Die wunderschönen gelb gefliesten Waschräume habe ich heute noch vor Augen.

Jedes Kurkind bekam eine sogenannte "Gesundheitsfibel", auf deren Vorderseite das Kurheim in schwarzweiß abgebildet war. In dieser Fibel erklärte Kundi, das "Gesundheitsmännchen", wie man seinen Körper vorbildlich und korrekt pflegt (z.B., dass man nach dem Zähneputzen keinen Betthupfer mehr zu sich nehmen sollte, dass zu viel Süßes ungesund ist etc...). Die Comicfigur "Kundi" war bis Anfang der 90er Jahre das Maskottchen des Dresdner Hygienemuseums. Das Männchen mit der blauen Mütze mit dem gelbem Bommel sehe ich heute noch genau vor mir.

Tja, und nach vier Wochen hieß es dann Abschied nehmen: Auf zur Heimfahrt nach Berlin.
Einen Tag vorher hieß es Koffer packen. Und wieder amüsierte ich mich, wenn ich gefragt wurde: "Ricardo, ist das Dir?". Die fertig gepackten Koffer standen dann über Nacht aufgestapelt im Treppenhaus auf der jeweiligen Etage.

Am nächsten Tag bekamen wir vor dem Frühstück jeweils eine Reisetablette, sowie auch bei der Hinreise. Das waren so ganz kleine, runde, graue Tabletten. Dann wurden wir von den Erziehern gefragt, wie die Kur uns gefallen hat. Dann nahmen wir Abschied, stiegen in die Busse, die Koffer wurden unten eingeladen, die Busse fuhren los und die Erzieher winkten uns hinterher.

Und an eine Heimfahrt kann ich mich noch sehr gut erinnern, weil da folgendes passierte:
Wie erwähnt, waren wir ja immer mit zwei Bussen unterwegs. Und auf den Reisen hin und zurück machten wir, wie bereits erwähnt, mehrere Pausen. Und während der ersten Pause stellte sich heraus, dass der vordere Bus, in dem die Gruppe "Aufbau" saß, plötzlich eine Panne hatte. Was da genau kaputt war, weiß ich leider nicht. Jedenfalls musste die ganze Gruppe samt Gepäck aus dem Bus aussteigen und unser Bus war dann proppevoll. Da im Gepäckraum kein Platz mehr war, mussten die ganzen Koffer aus dem kaputten Bus zu uns hinten in den Fahrgastraum. So fuhren wir dann alle mit einem Bus nach Berlin, der andere musste zurück fahren.

Wenn wir dann nach Berlin reinkamen, wurden im Bus fröhliche Lieder gesungen. Bei einer Heimfahrt (ich weiß nicht mehr, ob es die selbe war) sang ich mit ganz tiefer Brumm-Stimme das Lied "Häns'chen klein" mit und die Betreuerinnen fragten verwundert, wer hier so eine tiefe Stimme hat.
Ich hatte nämlich einige Zeit zuvor eines Abends im Waschraum in Meura plötzlich einen Stimmbruch bekommen. Als ich meine Mutti bei der Ankunft in Lichtenberg mit einem brummigen "Hallo, hier bin ich" begrüßte, bekam diese erst einmal einen Schreck...

Von unseren Eltern wurden wir dann auch wieder in Lichtenberg in Empfang genommen.
Der Unterschied war nur, dass wir bei den Heimfahrten nicht zur Parkaue Ecke Deutschmeisterstraße fuhren (wo unsere Eltern uns verabschiedeten), sondern immer zum Bahnhof Lichtenberg.
Dort konnten wir unsere Eltern wieder in die Arme schließen und jeder hatte dann zuhause sicher eine Menge zu erzählen...

Nach der politischen "Wende" ist das Kurheim leider abgewickelt worden. Die Häuser existieren alle noch, werden aber für andere Zwecke genutzt. Das Bettenhaus nennt sich heute "Ferienhof Haus am Wald".

Ich fahre heutzutage hin und wieder privat von Berlin nach Meura, um alte Erinnerungen wieder aufleben zu lassen.

Vielleicht wird mein Beitrag ja von Leuten gelesen, die auch in Meura zur Kur waren und sich noch an einiges erinnern können. Womöglich hat ja meine Geschichte beim einen oder anderen Leser wieder Erinnerungen geweckt.

Ganz liebe Grüße sendet Ricardo.
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Regine schrieb am 21.07.2024
Ich habe meinen Bericht bereits 2020 geschrieben, nun habe ich gesehen, dass man die Einträge direkt mit Angabe des Verschickungsheims und der Aufenthaltszeit erfassen kann. Deshalb habe ich meinen Bericht jetzt nochmals unter dem Verschickungsheim "Nussdorf am Inn" eingefügt.

Ich war von November bis Dezember 1970 für 5 Wochen in Nußdorf (Nussdorf) am Inn, ich war damals 5 Jahre alt, im Januar wurde ich 6 Jahre alt. Über die wenigen Erinnerungen, die ich habe, kann nicht viel Gutes berichten. Ich hatte drei Monate zuvor meinen jüngeren Bruder nach langer Krankheit verloren, ich kam also schon traumatisiert dort hin. Es hat dort aber wohl niemanden interessiert. Als meine Eltern mich nach 5 Wochen abholten, war ich laut deren Erzählungen völlig verstört.

Ich war zusammen mit einer Kindergartenfreundin dorthin gefahren, bei der Ankunft wurden wir allerdings sofort getrennt, da sie 1964 und ich 1965 geboren war. Sie kam in die "Schneewittchengruppe", ich zu den "Zwergen". Wir haben uns dann quasi kaum noch gesehen. Für mich war diese Trennung furchtbar, ich war völlig allein, habe mich schrecklich einsam gefühlt. Ich war im Untergeschoss untergebracht, sie im oberen Geschoss. Ich war in der Zwergengruppe die Älteste (unfassbar, dass man damals sogar 3 und 4 Jährige schon verschickte) und hatte dementsprechend keinen vernünftigen Anschluss, ich hätte von meiner Entwicklung auf jeden Fall in die "Schneewittchengruppe" gehört.

An folgende Dinge kann ich mich erinnern:

Ich musste jeden Tag Mittagsschlaf mit den Kleinen halten, obwohl ich altersmäßig nicht mehr dazu bereit war und dementsprechend wach da lag und gewartet habe, bis die Zeit vorbei war
Wir durften nachts nicht zur Toilette gehen
Ich habe mich gefühlt jede Nacht vor Heimweh in den Schlaf geweint
Als ich einen Brei aus Hefeklösschen mit Zwetschgen nicht essen wollte, wurde ich zwangsgefüttert
Ich musste mich einmal nach einem ekligen Leberwurstbrot übergeben, danach konnte ich jahrelang keine Leberwurst mehr essen
Es gab eine Nikolausfeier, die mich völlig verängstigt hat. Der Nikolaus kam mit dem Krampus, einer mir völlig fremden Figur, die es wohl nur in Bayern gibt. Dieser hatte eine furchterregende Maske auf und warf eine Kette über den Boden hin- und her. Der Nikolaus las aus einem goldenen und einem schwarzen Buch vor. Im schwarzen Buch standen die "bösen" Kinder. Ein etwas älteres, lebhaftes Mädchen wurde vorgelesen und musste nach vorne kommen. Ihr wurde irgendetwas "Böses" vorgeworfen, danach schlug der Nikolaus ihr mit einem Stock oder Rute auf das Gesäss, sie schlug die Hände vor das Gesicht und fing bitterlich an zu weinen. Ich hatte wahnsinnige Angst, auch in dem schwarzen Buch zu stehen und auch Schläge zu bekommen, zum Glück war es nicht so.

Wenn ich an diese Zeit denke, kommt mir immer ein Lied von Daliah Lavi "Oh, wann kommst Du" in den Sinn. Eine junge, sehr nette "Tante" wohnte bei uns im Untergeschoss, sie hörte immer dieses Lied. Eines Abends hörte ich sie aufschreien und weinen. Andere "Tanten" kamen dazu und fragten, was passiert sei. Ich hörte nur, wie sie sagte "er hat mich geschlagen".
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Ulrich Nilkes schrieb am 19.07.2024
Kinderverschickung nach Scheidegg/Allgäu, Kindererholungsheim "Bergfreude", Winter 1966

Anlass: Wie meine Mutter erzählt hat, war ich nach einer überstandenen Masern-Erkrankung stark untergewichtig und sollte zunehmen, bevor ich eingeschult wurde. Als Alternative war nach meiner eigenen Erinnerung ein Erholungsaufenthalt am Lago Maggiore in der Diskussion. Mir ist nicht bekannt, was letztlich den Ausschlag für Scheidegg gegeben hat. Um mir den Aufenthalt im Allgäu schmackhaft zu machen, hieß es, dürfe ich meine Ski mitnehmen. Meine Eltern haben mir erzählt, dass sie nicht auf Besuch kommen dürften. Ich glaube, das hat mich nicht groß beeindruckt, denn zum einen war ich bis dahin noch nie allein weg und hatte zum anderen auch keine Vorstellung davon, wie lange fünf oder sechs Wochen sein können.

Vorbereitung: Es mussten alle Kleidungs- und Wäschestücke mit eingenähten Namensschildern versehen werden. Also besorgte Mama eine Art langes Band, welches fortlaufend mit Vor- und Nachnamen in roten Großbuchstaben bestickt war. Diese Namensschildchen fanden noch jahrzehntelang Verwendung, z.B. auf Handtüchern. Taschengeld sollten wir auch mitbringen, ich hatte einen 20-Mark-Schein in einem Briefumschlag dabei.

Die Reise: Der Kindertransport ging per Bahn ab Stuttgart Hbf. vonstatten. Ich wurde mit meinen Ski verschickt. In meinem Abteil saß eine Aufseherin, die im Kinderheim dann auch 'Tante (Heidi)' war. Es war noch eine jüngere und, wie ich damals fand, hübsche Frau, mit der ich mich unterhalten habe. Ich habe wohl erzählt, dass meine Großeltern im Laucherthal wohnen, sie komme aus Ebingen. Zu ihr fasste ich Vertrauen.
Irgendwo kamen wir an, und dann ging's in einem VW-Bus der ersten Generation weiter. Der hatte eine getrennte Frontscheibe und seitlich kleine Fensterchen am Dach.

Die ersten Eindrücke: Meine Ski wurden mir abgenommen. Sie habe ich dann auf der Rückreise wieder gesehen. Die Süßigkeiten (wie auch das Taschengeld) wurden allen Kindern abgenommen. Warum hatten wir überhaupt welche dabei?
Ich schlief in einem Schlafsaal, mein Bett stand mittendrin. Zähne haben wir an einem ganz langen Waschbecken geputzt, alle in einer Reihe.

Was haben wir den ganzen Tag gemacht? Wir sollten essen und ruhen, dann essen und ruhen und essen und schlafen. Wir waren schließlich zur "Erholung" dort. Ich habe dort zum ersten Mal in meinem Leben bewusst wahrgenommen, dass es mir nicht schmeckte. Zum Frühstück gab es Schwarzbrot mit Marmelade. Das schmeckte mir nicht, dazu gab es warme Milch mit Haut, das schüttelte mich. Es half nichts, es musste runter. Ich weiß heute noch, wie sich Milch mit Haut im Mund anfühlt. Mittags gab es Spinat, das schmeckte den wenigsten Kindern. Es half nichts, ... . Ich erinnere mich, wie wir an langen Bankreihen zu Tisch saßen und die Kinder Reih auf, Reih ab sich übergeben und auf dem Tisch für eine bunte Mischung aus Spinatresten und Kotze gesorgt haben. Wenn es zum Nachtisch Pudding gab, musste man (ob man Pudding wollte oder nicht) Schlange stehen und bekam einen Schlag aus einem riesigen Kessel, wie mir vorkam. Der Pudding hatte eine Haut, die war einen Zentimeter dick. Wenn ich zurückdenke, dreht sich mir heute noch der Magen um. Aber es half nichts, man musste Schlange stehen und ... . Das Gute an meinem Leben ist, dass ich seitdem nie wieder gezwungen wurde, Pudding mit Haut zu essen.
Nach dem Essen war Ruhe angesagt, denn Gewichtszunahme war der entscheidende Punkt. Ich erinnere mich, dass wir z.B. bei schönem Wetter auf der Terrasse liegen mussten, eingewickelt in kratzige, schwere Wolldecken. Als ich älter war, habe ich derartige Decken wieder in Militärbeständen oder beim Roten Kreuz gesehen. Größere Verschickungskinder haben aus Michael Endes "Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer" vorgelesen. Ich hatte mich mit Günter Spohn angefreundet, der war schon älter und hat mir immer geholfen.
Ich kann mich an ein oder zwei Spaziergänge während des ganzen Lageraufenthaltes erinnern, das hat einen nicht überfordert in fünf oder sechs Wochen "Erholung". An Spiele und spielen erinnere ich mich nicht. Dass ich auch mal Schlittenfahren war, habe ich erst zuhause erfahren, als meine Mama mir einen Standardbrief der Lagerleitung gezeigt hat, der mit zwei individualisierten Sätzen versehen war. Es war eine schriftliche Lüge.
Zu "erholten" Kindern gehört eine gute Farbe im Gesicht. Dafür mussten wir vor die "Höhensonne". Das war eine Art Heizspirale, die man einige Minuten vor das stark eingecremte Gesicht bekam, bis man es vor Hitze fast nicht mehr ausgehalten hat. Die stand im Büro der "Heim(= Lager-)leiterin" Tante Gertrud, und während mein Kopf geröstet wurde, las sie mir einen Brief an meine Eltern vor, in welchem ich überschwänglich meine Begeisterung über das Lagerleben ausrichten ließ.

Erlebniswert: Eingeprägt hat sich mir nur ein Erlebnis. Ich musste nachts mal raus. Meine Hausschuhe waren Birkenstock-Holzklapperlatschen, die waren modern damals und - wie der Name sagt - klapperten sie auf dem Steinfußboden und draußen auf den Fluren. Es dauerte nicht lange, und die nette Aufseherin aus dem Zug hatte mich gestellt und so richtig rund gemacht, dass ich es mit der Angst zu tun bekam. Fortan bin ich nachts nicht mehr auf das Klo, um den Heimklassiker Pfefferminztee abzulassen. Stattdessen bin ich ein oder zwei Nächte später des Morgens in einer Pfütze aufgewacht. Da war dann wirklich was los. Neben Schimpf und Schande mitten im Schlafsaal durfte ich bei der Beseitigung der Sauerei mithelfen und musste das nasse Laken hochhalten bis das Bett neu bezogen war.

Und das Ende? Alles geht einmal vorüber, auch ein paar Wochen Lageraufenthalt. Das wurde ein bisschen gefeiert. Die nach der Einweisung konfiszierten Süßigkeiten wurden wieder hervorgeholt und an alle verteilt. Manches, wie Mohrenköpfe oder offene Gummischlangen, war dann etwas vertrocknet. Wer das Pech hatte und die zugeteilt bekam, konnte andere damit totschmeißen.
Danach sollten wir auch an unsere Eltern denken und denen was mitbringen. Das ging so: Der Briefumschlag mit dem Taschengeld tauchte wieder auf. Eine Aufseherin wollte, dass ich der Mutti ein standardisiertes kleines Fotoalbum für fünf Mark mitbringe (habe ich heute noch). Da war ein Gruppenbild der Kinder meiner Gruppe und eines der Aufseherinnen drin, ansonsten nur Aufnahmen des Gebäudes und vom schönen Allgäu. Außerdem sollte ich noch ein Brotkörbchen und einen Zuckerstreuer nach Hause bringen. In dem Umschlag waren danach nur noch ein paar Münzen drin.

Was bleibt? Meine Mama war begeistert, dass ich noch lange Zeit nach meiner Rückkehr abends meine Kleider so zusammengefaltet neben das Bett gelegt habe, dass alle Kleidungsstücke auf dem Stapel haargenau das selbe Format aufgewiesen haben ("auf Kante"). Erzählt habe ich wohl nicht viel. Nur, dass ich Milch und Pudding mit Haut nicht mag. Als ich, längst erwachsen, ein paar Einzelheiten aus meinem Lageraufenthalt erwähnt habe, war meine Mutter überrascht.
Ich habe keinerlei Erinnerungen an meine Gefühle von damals. Ich könnte nicht aus der Erinnerung behaupten, dass ich unter Heimweh gelitten hätte, oder geweint habe, ob ich mich allein, hilflos oder gemein behandelt gefühlt habe. Ich hatte schon ein Staatsexamen hinter mir, als ich einen anderen jungen Mann getroffen habe, der ebenfalls in "Erholung" war und ähnliche Erlebnisse berichten konnte. Wir haben herzlich darüber gelacht, aber ich weiß noch, dass mein Lachen nicht echt war. Etwas drückte heftig auf meinen Magen. Wir sprachen vom "Kinder-KZ". Ich weiß: dieser Vergleich verbietet sich völlig (im KZ haben sie die Kinder zu Hunderttausenden oder Millionen umgebracht).
Nachdem ich -zig Berichte anderer Verschickungskinder gelesen habe, denke ich, war das Lager "Bergfeude" noch eines der weniger inhumanen.
Ich wurde dort im Wesentlichen lediglich gedemütigt und erniedrigt, genötigt (durch Essenszwang und Toilettenverbot), angelogen und nach Strich und Faden verar...; mein als Kind gefasstes Vertrauen zu einer Bezugsperson wurde gebrochen und missbraucht, meine Geschäftsunfähigkeit als Kind zum Nachteil meiner Eltern ausgenutzt.
Ich wurde aber nicht verprügelt, nicht im Bunker isoliert, musste nicht Erbrochenes essen, wurde nicht missbraucht oder Medikamentenversuchen und weiteren schweren Straftaten ausgesetzt und durfte sogar meine Kleidung behalten.
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C.D. aus Hamburg schrieb am 18.07.2024
Beim durchschauen alter Unterlagen im Haus meiner Mutter bin ich auf Postkarten und Schreiben aus dem „Kindersanatorium“ Königsfeld im Schwarzwald der Schwester-Frieda-Klimsch-Stiftung gestoßen und so einiges an schlimmen Erfahrungen kam wieder hoch.

Ich wurde auf anraten des Kinderarztes im Alter von 9 Jahren von April bis Juni 1971 nach Königsfeld „verschickt“. Ich soll zu dünn gewesen sein und für mein Alter viel zu wenig gewogen haben. Im Kindersanatorium sollte dem abgeholfen werden. Zudem sollte die Luft der Gesundheit auch sehr zuträglich sein.
Ich kann mich nur noch an ein paar Dinge meines Aufenthalts dorterinnern, aber die sind ziemlich bedrückend.
Ich war von Beginn an total eingeschüchtert von den „Tanten“ die sich um uns Jungen gekümmert haben. Ganz besonders von der Stations-„Tante“ Margot, einer älteren Frau. Es herrschte ein Ton von Zucht und Ordnung. Wer nicht aufessen konnte oder wollte (weil er das von zu Hause nicht kannte, das Essen nicht schmeckte oder er schlicht und ergreifend satt war) musste so lange sitzen bleiben, bis der Teller leer gegessen war. Weinen wegen Heimweh ging gar nicht. Wenn einer von uns dies tat, wurde er vor allen anderen Kindern als verzogen und verweichlicht beschimpft. Egal welches Alter. Wenn eines von uns Kindern über die Strenge geschlagen hat (welches Kind in dem Alter tut das nicht! Und ist es verwerflich, bei einem Spaziergang auf dem Aussengelände sich für Dinge die um einen herum passieren zu interessieren?), wurde mit Bestrafungen reagiert. Die gingen von Isolierung von der Gruppe, wo man in eine dunkle Kammer gesperrt wurde bis zu körperlichen Angriffen wie Schlägen auf die Hände - gerne auf die Fingerknöchel oder schmerzhaftes verdrehen eines Ohrs. Das regelmäßige schneiden der Fingernägel durch die Stations-„Tante“ Margot war eine Tortur. Die Nägel wurden uns mit der Begründung „damit du Nicht in der Nase bohrst“ so kurz geschnitten, dass es bei manchen von uns zum Teil blutete. Nur ein Mal machte es eine sehr junge Stations-„Tante“, die sehr behutsam war. Sie war aber nur sehr selten auf der Station, was wir sehr schade fanden, da sie die einzig nette Betreuungsperson war, die traurige Kinder auch getröstet hat. Sie war auch die einzige Person, bei der ich mich sicher gefühlt habe.
Schlimm und mit viel Scham behaftet war das zwangsweise gemeinsame duschen, nackt unter Beobachtung einer „Tante“ mit kaltem Wasser.
Als „Kur“ für die Atemwege mussten wir mindestens ein Mal in einem gefliesten und gekachelten Raum sitzen, während der Raum mit medizinischem Dampf für die Atemwege eingenebelt wurde.
Einmal die Woche haben wir Kinder nach Hause geschrieben. Die Briefe wurden danach von der Stations-„Tante“ Margot gelesen und wenn etwas von Heimweh oder dem Essen geschrieben wurde, musste der Brief nochmals geschrieben werden. Damit wir überhaupt schreiben konnten, mussten im ersten Brief nach Hause Briefmarken von den Eltern angefordert werden.
Päckchen von den Eltern wurden von der Stations-„Tante“ Margot grundsätzlich konfisziert und bis auf den beiliegenden Brief der Eltern einbehalten. War etwas zu Naschen mitgeschickt worden, wurde das einbehalten und zum Teil wurde es am Sonntag an alle Kinder auf der Station verteilt. Spielzeug wurde einbehalten.
Ein Dr. Alstede schickte ein Mal pro Woche eine vorgedruckte Karte an meine Eltern, auf der mit Schreibmaschine nur meine angebliche Verfassung und mein Essverhalten mit „gut“, „blass“, „unverändert“ und „lebhaft“ oder „vergnügt“ eingetragen wurde. Auf der ersten und die letzten Postkarte wurde meinen Eltern auch mein Gewicht mitgeteilt. Ich habe in den 6 Wochen grade einmal 1 Kg zugenommen. Die Untersuchungen durch einen Arzt waren ebenfalls erniedrigend. Nur in Unterhose vor ihm und einer „Tante“ stehend wurde ich vermessen und gewogen und zum Abschluss fummelte der Arzt im Genitalbereich herum.

Als ich nun im Internet ein wenig über das Kindersanatorium recherchiert habe bin ich auf einiges gestoßen was das System der Kinderverschickungen betraf. Schlimm finde ich, dass diese Zustände (auch in Königsfeld) bereits 1966 in der ZEIT beschrieben wurden (leider nur hinter einer Pay Wall lesbar). Nachdem ich dies gelesen hatte, war ich einerseits fassungslos und wütend, dass noch fast zwei Jahrzehnte lang (das Sanatorium wurde anscheinend in den 1980er Jahren geschlossen) Kinder diesen Torturen und Misshandlungen ausgesetzt wurden. Andererseits wundert es mich nicht. Wurden doch in der Zeit als ich dort hin musste, noch immer NS-Angehörige beschäftigt. Die Leiterin in Königsfeld wurde nach dem Krieg kurzerhand „entnazifiziert“ und konnte dort weitermachen, wo sie 1945 aufhören musste.
Zudem hatte, wie fast immer in solchen Einrichtungen, der Täterschutz und das Ansehen der Einrichtungen einen höheren Wert als das Schicksal der Kinder.
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Brüder Heilmann schrieb am 15.07.2024
Im Sommer 1977 wurden wir zur Vorbeugung von Atemwegserkrankung nach Glückburg geschickt. An das Heim kann ich mich nur wenig erinnern. Er war wohl wie eine Schule mit Schulhof. Im Flur waren Schaukästen mit getrockneten Seesternen und anderen Meeresbewohnern. Der Schlafsaal war eher ein Klassenraum mit dunkelblauen Vorhängen. Mein Bruder war damals 4 und ich war 7 Jahre alt. An die Erzieher kann ich mich nicht mehr erinnern. Auch kann ich mich an keine Übergrifflichkeit erinnern. Ich weiß jedoch, dass mein Bruder und ich fast täglich geweint haben.
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Stephanie Diercks aus Bremen schrieb am 14.07.2024
Ich war sieben Jahre alt als ich im Spätsommer zu meinem sechswöchigen Aufenthalt nach Brilon kam. Ich war blaß, klein und untergewichtig, deshalb die Kur.
Im Schlafsaal waren wir mindestens zu siebt. Es musste immer still sein, wenn nicht wurden wir bestraft. Ich kann mich an schreien erinnern und Verbote an bestimmten Aktivitäten teilzunehmen. Der Esszwang war für mich sehr streßig, stundenlanges sitzen vor dem Essen, bis man es aufgegessen hatte. Es gab kein einsehen von der Betreuer Seite. Jeden Tag mussten wir diesen ekeligen Apfelessig trinken. Dann gab es sehr lange erschöpfende Wanderungen, auf denen ich oft weinte, weil ich nicht mehr konnte, half aber nichts, irgendwann bin ich dann wie in Trance mit marschiert. Ich kann mich noch an einen Fliegenpilz erinnern, wenn der kam waren wir fast im Heim und ich konnte aufatmen. Dann gab es sowas wie mit Salzwasser zu spülen, da mussten wir Salzwasser in die Nase schütten und durch den Mund ausspucken, wenn man das nicht freiwillig gemacht hat, wurde einem "geholfen". An das "Duschen" mit kaltem Wasser und harter Bürste erinnere ich mich auch noch, wann und wie oft vermag ich nicht zu sagen. Dann gab es auch sowas zu ein Solarium, unter welches wir uns legen mussten, selbst wenn man schon verbrannt war. Ich bin hellhäutig und rothaarig. Während des 6-wöchigem Aufenthaltes war ich zweimal krank, einmal hatte ich Mittelohr Entzündung und das andere Mal weiß ich nicht was ich hatte. Allerdings fühlte ich mich während der Krankheit gut, weil wir nicht marschieren mussten und auch nicht zum essen gezwungen worden. Alles im allem war für mich das schlimmste, das ich etwas essen musste was ich nicht mochte und seit dem auch nicht mehrgegessen habe. Bei meiner Weigerung wurde ich lächerlich gemacht vor allen Kindern, und als ich den Brathering nach den Abendessen immer noch nicht angerührt hatte wurde ich geschlagen und bekam erst wieder am nächsten Tag zum Mittag etwas zum essen, damit ich den Wert der Nahrung zu schätzen weiß. Auf dem Spielplatz gegenüber des Eingangs, gab es eine Art Karussell, das fand ich toll. An Spielzeug erinnere ich mich nicht, aber ich weiß das ich viel gemalt habe. Nach den sechs Wochen war ich Froh wieder zu Hause zu sein.
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Dagmar aus Paderborn schrieb am 14.07.2024
Auch wir waren Verschickungskinder im Jahr 1966. Wir heißt: ich war 7, meine beiden Schwestern 11 und 12 sowie ein Bruder 13 Jahre alt. Wir waren für 6 Wochen in einem "Kindererholungsheim" in der Nähe des Schliersees/ Bayern (in meiner Rechersche habe ich es nicht gefunden). Die Hauseltern mussten wir "Onkel Fürsisch" (o.ä.) und "Tante Gretel" nennen. Deren Hauptaufgabe bestand offensichtlich aus Zwang, Bestrafungen und Demütigungen.Dann gab es noch eine einzige Betreuerin (Bettina ?), die sich wenigstens Mühe gab und einen kleinen Augleich schaffte.
Wir haben keine schöne Erinnerung, nur schlechte und übergriffige Dinge erlebt - aber wir 4 Geschwister hatten zum Glück uns zum Trösten und Helfen.
Doch mein eigentliches Anliegen, hier etwas zu schreiben gilt einer damaligen "Schicksalsgenossin" über die wir in all den Jahren immer wieder gesprochen haben. Sie heißt Annette, war damals 10/11 Jahre alt, hatte dunkle Haare und kam aus Köln (?). Ihr schmeckte scheinbar das Essen genau so schlecht wie uns allen, sodass sie sich in den Teller übergeben musste. Daraufhin wurde sie gezwungen den Teller samt Erbrochenem leer zu essen. Nie werden wir vergessen, wie schrecklich diese Situation für sie gewesen sein musste. Sie tat uns unendlich leid und sie hatte Niemanden, der sie trösten konnte.
Bis heute finde ich schlimm, dass niemand für Dich einstand, aber wir waren wohl alle viel zu verängstigt in dieser autoritären Umgebung.
Ich hoffe, Du hast diese "Geschichte" verarbeitet und hast heute Menschen um Dich, die Dich trösten und für Dich einstehen.
Liebe Grüße Dagmar und Geschwister
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Gabriela Schwartbeck aus Metelen schrieb am 14.07.2024
Hallo, bei mir würden durch einen Zeitungsartikel in der Münsterschen Zeitung wieder alle Erinnerungen wach gerufen. Ich bin mittlerweile 70 Jahre und Rentnerin.
Mit 5 Jahren wurde ich nach einer Masern Erkrankung zur Kur geschickt. Begründung: Zur Zunahme an Gewicht und da wirst du lernen Gemüse zu essen. In Lünen am Bahnhof war für uns die Sammelstelle. Dort nahm und die Begleitung in Empfang. Die Kur wurde von der Knappschaft bezahlt. Mit dem Zug ging es dann nach Wildeshausen. In Erinnerung blieb die schwarze Dampflok, die für mich riesengroß wirkte. Das sehr kleine Kurheim lag im ländlichen Bereich, umgeben von viel Wald. Sofort nach unserer Anfahrt ging es ins Badezimmer, 15 Kinder Jungen und Mädchen gemischt. Dort gab es eine Badewanne, in der wir im Schnelldurchgang gebadet wurden. Direkt mit Schlafanzug bekleidet ging es ins Bett. Dort bekamen wir unser Brot in die Hand gedrückt, etwas zu trinken und dann hieß es schlafen, mit der Warnung , wir wären alle zur Toilette gewesen. Geleitet wurde das Haus von zwei älteren Damen, eine die dickere Fame war für die Küche zuständig, und die andere , ich glaube sie hatte eine Kopfbedeckung ,wie eine Diakonissen auf. Sie war zumindestens recht Angst einflößend. Um das ganze zu verstärken schlug sie bevor sie ging mit einem Rohrstock auf jedes Bett. Ich selbst war voller Angst. Somit war am anderen Morgen mein Bett nass. Hier fehlt jede Erinnerung, wie sie damit umgegangen sind. Ich weiss nur noch, dass ich als Strafe abends nichts mehr zu trinken bekam. Zum Frühstück bekamen wir alle ein Lätzchen,welches wir nach Gebrauch an unserem Haken hängen mussten. Es gab morgens Haferflocken mit heißer Milch. Damit bin ich klar gekommen, mein Glück. Der Albtraum war das Mittagessen. Es war Pflicht, schliesslich sollten wir ja zunehmen,einen zweiten Nachschlag zu essen. Vor dem Essen war ein gemeinsamer Toilettengang, man hatte müssen zu müssen und das auch unter Aufsicht. Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich mal allein zur Toilette gegangen bin, immer nur in Zweierreihe. Bevor ich zum Essen meinen Platz einnahm, bestückt mit Lätzchen, stieg die Angst schon hoch, was ist in der Schüssel, war es etwas,was ich möchte, falls nicht, stieg die Panik schon wieder hoch. Warum, man müsste die Schüssel leer machen und dann noch ein zweites Mal. Pech für mich, es war gnadenlos. Hatte man dann erbrochen, musste man auch das weiter essen. Wenn auch das nicht geschah, war vor der Küche eine lange Anrichte. Dort wurde man hingeschleppt, draufgelegt, Hose runter und man erntete eine Tracht Prügel. Zum Abendbrot gab es fertige Brote. Ich mochte überhaupt keinen Käse, egal in welcher Form. Und stets war das Brot mit dick Schmierkaese, den ich heute nicht nicht essen kann, da steigt sofort der Ekel Faktor auf. Es musste gegessen werden. Auch am Abend wurde genauso widerfahren. Nach dem Abendessen würden wir jeweils zu zweit unter die Höhensonne gelegt, mit dick Nivea Creme und einer Schutzbrille. Auch hier dürfte nicht gesprochen werden. Danach wieder gemeinsamer Toilettengang und dann ins Bett. Von Glück kann ich sprechen, mein Körper reagierte, ich würde krank, mit hohem Fieber. Müssen wohl mehrere Tage gewesen sein. In dieser Zeit kein Essenszwang.
Während dieser Zeit ist meine kleine Schwester verstorben. Niemand redete mit mir, ich musste wieder in dem Gitterbett schlafen, indem sonst meine Schwester geschlafen hatte. Ich war so eingeschüchtert, habe nicht danach gefragt.
Mein Essverhalten war gestört, konnte nicht gut essen, auch des öfteren erbrochen. Somit würde wieder eine Kur von der Knappschaft bewilligt. Und ohne Schreck, wieder in das gleiche Kurheim mit den schrecklichen Tanten, nur dass ich jetzt zwei Jahre älter war. Es lief wieder alles so ab , wie bei der ersten Kur. Nur für abends mit dem Belag der Brote, bekam ich oft die Gelegenheit, diesen in meiner Bollerbuxe verschwinden zu lassen. Mein Bett stand nämlich dieses Mal direkt unter dem Fenster. Und darunter befand sich das Flachdach der Liegehalle, auf dem ich den Belag fallen ließ. Eine Begebenheit während der Mittagsruhe, über meinem Bett war eine Spinne. Ich bin aufgestanden und habe die mit meinem Hausschuh platt gemacht. Es dauerte nicht lange und die dicke Tante aus der Küche kam, zig mir die Hose runter und verprügelte mich. Ich habe geschrien. Nach der Mittagsruhe gab es immer Tee und Kuchen oder Kekse. Die Kids wurden aufgefordert über mich zu lachen und ich bekam keine Plätzchen zur Strafe. Auch während dieser Zeit war mir das Glück hold und ich würde krank. Wieder mit hohem Fieber, das Zahnfleisch war geschwollen und recht schmerzhaft. Kauen war nicht möglich. Danach bekam ich zum Essen meinen Platz vor der Küche,dort hat man mich gnädig behandelt ohne zwang, statt Brote mehr Pudding usw.
Das Ende der Zeit: und wieder nicht zugenommen.
Ich blieb ein schlechter Esser, somit nahm ich auch nicht an Gewicht zu.
Das ergab wieder , dass ich nach zwei Jahren zur Kur musste. Doch dieses Mal ging es auf die Insel Norderney Haus Heckenrose in der Mühlenstraße 22. Die Überfahrt von Norddeich dorthin war natürlich aufregend. Zwei aus meiner Schulklasse waren auch dabei. Dich Jungen und Mädchen wurden getrennt. Dort angekommen würden wir nach Alter eingeteilt. Dann wurde von unserer Betreuerin die Betten an uns verteilt. Leider hatte ich Pech. Ich blieb über und stand dann da ,wie ein begossener Pudel. Musste dann zum Schlafen in eine andere Gruppe, fühlte mich dadurch nirgendwo zugehörig. Ich ließ es über mich ergehen. Ich war traurig, in meiner Gruppe wurde vor dem Schlafen noch vorgelesen und durfte nicht dabei sein. Dort wo ich schlafen mußte passierte nichts.
Auch in diesem Kurheim durfte man nachts und in der Mittagsruhe nicht auf die Toilette. Nur , wenn die Nette Wache hatte, war es möglich. Die Not macht erfinderisch. Jeder hatte sein Handtuch zu über dem Bett hängen. In der Dunkelheit habe ich mir das zusammen geknuddelt und da hinein uriniert. Es wurde aber nur einmal in der Woche die gesamte Wäsche gewechselt. Bald schon beschwerten sich die Kinder aus diesem Schlafraum. Ich würde ins Bett machen. Mein Bett wurde kontrolliert, doch da waren keine Spuren. Das Handtuch hat niemand beachtet. Eine Begebenheit hat mir dann das Leben in diesem Schlafraum erschwert. Ein Mädchen bekam ein Päckchen mit Süßigkeiten von ihren Eltern. An alle hat sie verteilt. Ich musste zuschauen, gehörte ja nicht zu dieser Gruppe. Im Speisesaal durfte während des Essens nicht geredet werden. Es wurde in dieser Zeit vorgelesen. Ich würde beim Reden erwischt und musste dann zur Strafe in den Schlafraum. Die Versuchung dort war recht gross,mal in das Päckchen mit den Süßigkeiten zu schauen und habe mir zwei KitKat herausgenommen. Die betroffene Person hat es gemerkt. Alle aus diesem Schlafraum haben es mich spüren lassen, das war keine einfache Zeit.Ein kleiner Ausgleich war dann immer die Zeiten am Strand, die habe ich genossen, da war ich unbeschwert. Noch heute ist die Nordsee meins. Trotz allem hatte ich in den sechs Wochen gut zugenommen.
Glücksburg St. Ansgar ein größeres Kurheim mit ca.180- 200 Kindern. Jede Gruppe hatte einen Tiernamen. Hier wurde viel gebetet. Vor dem Frühstück Morgengebet und zu allen anderen Mahlzeiten vor und nach dem Essen und vor dem Schlafen gehenJeden Sonntag mussten wir in die Kirche. Morgens ,mittags und abends wurden wir bewacht, auch von Personen, die keine Betreuer waren. Sie waren auch schon teilweise älter. Abends wurde von der Wache vorgelesen. In der Mittagsruhe durfte nicht geredet werden. Zur Toilette gehen würde erst immer unterbunden, aber letztendlich könnte man doch gehen. Schlimm war das duschen. Diese befand sich unten im Keller, ein großer Becken mit vielen Duschköpfen. Wir hatten alle einen Badeanzug an. Die Dusche wurde angestellt,da müssten wir uns nass machen, Dusche wieder aus, auf Kommando einseifen wie die Schneemänner, Dusche an zum entseifen. Dieser Ort war erdrückend. Heute würde ich sagen verkörpert es für mich,wie damals die Gaskammern, ich hatte selbst noch Lehrer, die davon erzählt hatten.
Abends mussten wir schon um 20.00 ins Bett, obwohl draußen die Sonne schien und es auch in den Schlafräumen trotz Gardine nicht annähernd dunkel war.
Wir haben einiges an Ausflügen gemacht. Mit dem Schiff nach Flensburg ins Naturkundemuseum, nach Sonderborg, und mit dem Bus nach Romo, da könnte der Bus bis zum Strand fahren. Einmal in der Woche ging es ins Wellenbad, durften aber nur vorne bleiben, die Betreuerin konnte nicht schwimmen. Der Sonntag war außer dem Kirchgang etwas Besonderes. An dem Tag lag immer auf dem Frühstückssteller eine Süßigkeit. Jede Gruppe hat te passend zu einem gestellten Thema etwas vorbereitet. Alle Gruppen kamen dann zusammen und zeigten was sie vorbereitet hatten. Dreimal in der Kur wurden unsere Köpfe nach Läusen untersucht. Wer Läuse hatte bekam etwas auf dem Kopf mit einer Badekappe auf dem Kopf.
Schrecklich war immer der Tee, der in einer Blechkanne abgefüllt war.
Die schönste Zeit war am Strand.
Haus Nordmark Westerland auf Sylt
Wir mussten vom Bahnhof aus den Weg zum Kurheim laufen. Dort angekommen würden wir von der Heimleitung in die Alters entsprechende Gruppe eingeteilt. Bis alle da waren dauerte bis zum Abend, da Viele eine lange Anreise hatten. Jede Gruppe hatte einen Namen und zum größten Teil einen eigenen Gruppenraum. Als wir ins Haus kamen, könnten wir Fifi ein Kapuzineräffchen im großen Käfig begrüßen. Seine Pflegerin, die die Krankenstation unter sich hatte gab ihm ein Gummibärchen. Einmal durften wir sogar erleben,wie er gebadet wurde. Für den Anreisetag und den darauffolgenden Tag hatten wir eine Vertretung als Betreuerin, weil die Gruppenleiterin unsere Koffer auspackte. Auch hier fand Morgen und Abendgebet statt, sowie zu allen Mahlzeiten vor und nach dem Essen. Sonntags würden wir aufgeteilt in katholische und evangelische Kinder aufgeteilt und zu den Gottesdiensten geschleppt. Niemand konnte sich dem entziehen.
Heute weiß ich, dass die Häuser St. Ansgar in Glücksburg und Haus Nordmark in Westerland von einer religiösen Gemeinschaft geleitet wurde. Beide Häuser gibt es nicht mehr.
Jeden zweiten Tag gab es morgens Milchsuppe und Brot mit Marmelade, die auf einem Tablett waren. Während des Frühstücks wurde die Betreuerin manchmal abgelöst, sie ging dann zum Gottesdienst. Diese Ersatzpersonen kamen aus den Bereichen: Küche, Haus, Waschküche. Mittags das Essen möchte ich Vieles nicht. Einmal gab es Spinat ,wohl ein Fehlgriff : eine von uns sagte weinerlich : die Seile mag ich aber nicht, er war noch ganz.Zum Abend wenn wir wieder kamen befanden sich die fertigen Brote im Gruppenraum. Manchmal mit ekelhafter Streichwurst. Der gesamte Gruppenraum stank danach. Schlimm war es, wenn es dann auch noch Schwarzbrot war und der Blümchen Tee. Samstagsabends gab es Cornflakes mit warmer gesüßter Milch.
Wir haben viele Ausflüge gemacht. Dafür wurde Proviant mitgenommen. Leider auch wieder belegtes Schwarzbrot, für jeden einen Apfel und einen Kanister mit Sirup. Bei der ersten Raststätte wurde er mit Wasser aufgefüllt. Das Schönste war die Fahrt in die Wanderdünen. Da konnten wir den ganzen Tag toben.Mittags kam der Bulli mit einem riesen Topf mit Eintopf, den es dann im Blechteller gab, für 200 Kinder. Bei diesem Ausflug hatte eine von uns ihre Zahnspange im Sand verloren, wurde auch nicht wiedergefunden. Wir sind sogar auch im Meer schwimmen gewesen. Dazu hatten wir alle orange farbende Badekappen auf. Die Betreuer bildeten eine Grenze und am Flutsaum stand Jemand mit einer Trillerpfeife. Ich war nur mit den Füßen drin, hatte zuviel Angst vor den Wellen.
Die Wäsche wurde zweimal die Woche gewechselt. Die Betreuerinnen hatten die Möglichkeit, Unterwäsche und Strümpfe zu waschen.
Zum Schluss sind wir alle zum Souvenirladen gegangen, im dort Andenken zu kaufen für zu Hause.
Im Gegensatz zu den Kuren in Wildeshausen waren die letzten beiden Kuren, außer der vielen Beterei okay.
Die Insel Sylt ist zu meiner Insel geworden. Es war schon komisch zu sehen, dass das Haus platt gemacht wurde.
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Konrad aus Konstanz schrieb am 11.07.2024
Ich war 1965 über die Barmer Ersatzkasse in Lenggries zur Kur. Schreckliche Zeit, denn das Personal, insbesondere die Nachtschicht haben ihre Befriedigung an uns ausgelassen. Ich wurde mehrmals am Bett festgebunden und hatte festgestellt, daß sich jemand neben mich gelegt hatte. Aus Angst und weil es auch dunkel war hatte ich mich nicht gerührt und keinen einzigen Blick auf die Person geworfen. Nur ihre Berührungen gespürt. Dies hatte aber nur abschreckende Wirkung. Es lief später alles wie in einem Film in meinen Gedanken ab und ich habe nie mit jemanden darüber gesprochen.
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Gisela schrieb am 06.07.2024
Ich war vom 3.07.73 bis zum 14.08.73 sechs Wochen im Kinderheim „Dr. Selter“, 579 Brilon - Möhneburg, Möhneburg 3 zur Kinderkur.

Ich erinnere mich, dass zuvor meine Cousine auch zur Kur gefahren war. Vielleicht mag das für meine Eltern eine Anregung gewesen sein, für mich auch eine Kur zu beantragen. - Meine Mutter erklärte mir sehr viel später, dass eine Kinderkur damals so üblich gewesen wäre. - Als Anlass für eine Kur wurde vermutlich Untergewicht oder auch Blässe für mich angegeben.
Nach der Bewilligung wurden alle meine Kleidungsstücke und sonstige Dinge, die ich mitnehmen musste, mit einem mit meinem Namen beschrifteten Bügelband versehen, was meine Mutter lange am Bügelbrett beschäftigte. Meine Mutter schien jedoch sehr stolz zu sein, dass ihre Krankenkasse, die Kur für mich genehmigt hatte.

Das liebste Kuscheltier nahm ich nicht mit, was ich als sehr schmerzhaft empfand. Ob dies so vorgeschrieben was oder ob wir uns in der Familie selbst darauf geeinigt hatten, weiß ich nicht mehr. Ich bat meine jüngere Schwester in meiner Abwesenheit mit ihm zu spielen. Auf jeden Fall fehlte mir mein Kuscheltier in den sechs Wochen sehr und es hätte mir meine Einsamkeit dort wesentlich erträglicher gemacht.

Die Anreise erfolgte über den Hbf Hannover per Zug, zu dem mich meine Eltern brachten. Dort wurden wir Kur-Kinder bei einer mir unbekannten Begleitperson abgegeben. An den Blick aus dem Zugfenster zu meinen Eltern bei der Abfahrt kann ich mich gut erinnern. Ein erstes Gefühl der Einsamkeit befiehl mich.

Es gab es viele Quarkspeisen, besonders als Nachtisch. Das kannte ich von zu Hause nicht, hat mir aber geschmeckt. Auch den Zwieback eingetunkt in Milch am Nachmittag mochte ich. An die sonstigen Mittagessen habe ich trotz meiner Aufzeichnungen keine bewussten Erinnerung mehr, bis auf die langen, weißen, blanken Tische im Speisesaal, die einen kühlen, abweisenden, strengen Eindruck vermittelten.
An die Trinkkur konnte ich mich nicht gewöhnen! Aus einem durchsichtigen ausgewaschenen Joghurtbecher mussten wir regelmäßig ein sehr stark perlendes Mineralwasser mit etwas Salz und 1 EL Apfelessig trinken. Das schmeckte mir ekelig, zu sauer, essigscharf. - Heute mag ich die Mischung allerdings gerne.
Am Samstag gab es am Abend immer eine Grillwurst mit Gurke, Tomaten, Senf und Brötchen. Das war lecker und erinnerte mich an unsere Grillaktionen zu Hause. Ob es am Samstag Mittagessen gab, weiß ich nicht mehr.

Abgeduscht wurden wir mit kaltem Wasser. Dazu wurden wir mit einer harten Bürste kräftig abgebürstet. Einmal gab es einen Wasserschaden und das Duschen fiel glücklicherweise aus!

Die Heimleiterin, Frau Selter, vermittelte einen sehr strengen, klar strukturierten, autoritären und lieblosen Eindruck. Alle Mitarbeiter hielten sich streng an ihre Richtlinien und verhielten sich uns Kindern gegenüber ebenso empathielos.
Insgesamt strahlten die Mitarbeiter eine sehr sachliche, kühle, aber auch wankelmütige Haltung aus. Ich kann mich an kein liebes, freundliches, zugewandtes, Trost spendendes Verhalten der Betreuerinnen gleichermaßen gegenüber allen Kindern erinnern. Dagegen teilten die Mitarbeiterinnen ihre Zuneigung ganz willkürlich, eher den dominanten Kindern zu und bevorzugten diese, während die stillen, zurückhaltenden Kinder unbeachtet und mit ihren Sorgen und ihrem Leid allein blieben.
Als ich im Juli ´73 ankam, bestand die Gruppe u. a. aus einigen sehr dominanten älteren niveaulosen Mädchen im vorpubertären Alter, die die jüngeren Kinder drangsalierten. Sie stellten sie bloß, lachten sie aus, machten sich öffentlich über sie lustig und demonstrierten dadurch ihre Machtposition innerhalb der Gruppe.
Ich erkannte diese Gruppenzusammensetzung ziemlich schnell, versuchte nicht in deren Aufmerksamkeit zu geraten und versuchte mich immer unsichtbar zu machen. Ständig war ich wachsam, um keinen Anlass für Quälereien zu bieten, was mir einmal leider nicht gelang.
Die Betreuerinnen griffen in diese internen Machtverhältnisse nicht ein und behandelten die Mädchen eher mit Vorsicht, um selbst keinen Konflikt mit ihnen hervorzurufen, so habe ich es empfunden.
Nach 14 Tagen schien sich regelmäßig die Gruppenzusammensetzung zu ändern. Nun war ein sehr junges Mädchen dabei, 4 oder 5 Jahre alt. Die älteren Mädchen übernahmen begeistert die Mutterrolle, nahmen ihre Betreuung den offiziellen Betreuerinnen ab und reduzierten ihre Drangsalierungen dadurch gegenüber den anderen Kindern ein wenig. Eine geringfügige Entspannung, wobei jedoch die Wachsamkeit und innere Anspannung bei mir blieb.
Nach weiteren 14 Tagen reisten auch diese älteren Mädchen ab. Das war für mich eine große Erleichterung.
Jedoch wurde ich einige Tage später krank und verbrachte den größten Teil des Endes meines Kuraufenthaltes isoliert in einem Krankenzimmer im Dachgeschoss.

Zwischen dem Kurheim und dem eingezäunten Spiel- und Draußenbereich befand sich ein wenig befahrener Wirtschaftsweg. Dort wurde in meiner zweiten Kurwoche einer der beiden Kurzhaardackel - Knüfke - angefahren. Das war schrecklich, er jaulte jämmerlich und kam von seinem „Krankenhausaufenthalt“ auch nicht wieder. Was mit ihm geschehen war, wurde uns nicht mitgeteilt.

Der Spielbereich gegenüber dem Heim bestand aus einem Sitzbereich vorne an der Straßenseite. Heute würde ich sagen, er bestand aus einer Menge Partybänken und Tischen. Das weitere Gelände hatte wohl eine Schaukel und endete auf einer Anhöhe – dem Spielberg.

Von dort oben konnte man über das Tal hinweg zu den gegenüber liegenden Hügeln schauen. Diesen Blick habe ich als sehr erholsam, für meine an starkem Heimweh leidende Seele tröstend wahrgenommen. Dieser Blick von dort oben von dem Spielberg in die weite Natur hat mir geholfen die einsame, sprachlose Zeit – und sozial angespannte, sehr stressige Zeit - in der Kur zu ertragen. So oft ich konnte, habe ich mich dort oben hingesetzt, um aus der Beobachtung der Natur Kraft zu verspüren, die Zeit zu überstehen.
Ich habe dort an die Familie gedacht, für mich gesungen, mir Mut gemacht, den Kontakt zu Gott gesucht und daraus Hoffnung geschöpft und Durchhaltevermögen entwickelt.

Wir sind als ganze Kindergruppe gelegentlich durch Wald, Feld und Hügel gewandert oder spaziert. Anfangs des Weges geordnet in Zweierreihen, später lockerer. Die Natureindrücke gefielen mir sehr und taten mir gut, das erlebte ich zu Hause nicht: Der dichte Wald, das Wassertreten im Bach, das Spazieren durch den Nebel, das Sonnenlicht über den Hügeln, …
Das strenge Reglement beim Gehen nahm ich einfach so hin.

Insgesamt war es eine sehr, sehr einsame Zeit. Freundschaften haben sich dort nicht ergeben und wurden auch nicht gefördert. Durch den häufigen Wechsel der Kinder, meine Vorsicht und das gemischte Alter war es nicht einfach Kontakte zu knüpfen. Ich war oft allein mit meinen Wahrnehmungen, meinen Gedanken und musste meist gut aufpassen, nicht in eine Opferrolle innerhalb der Gruppe zu geraten. Dazu kam das starke Heimweh.
Die Erzählungen der Briefe, die ich von der Familie erhielt, stimmten mich meist traurig. Ich fühlte mich verlassen und von dem Familiengeschehen ausgeschlossen.
Trotzdem habe ich von meinen eigenen Sorgen nichts in meinen Briefen geschrieben, um meine Familie nicht traurig und besorgt zu stimmen. Schließlich hatte sich die Familie dafür eingesetzt, dass ich zu dieser „tollen Kur“ gehen konnte.
Auch zu Hause habe ich später von meinen schmerzhaften Erfahrungen nichts berichtet. Es hat aber auch niemand ernsthaft danach gefragt.

Als ich nach 4 Wochen Aufenthalt krank wurde, habe ich die Erkrankung aus den oben genannten Gründen – das belastende soziale Gefüge der Gruppe - anfangs als starke Erleichterung empfunden, obwohl die Erkrankung mit tagelangem isolierten Aufenthalt in einem Dachzimmer verbunden war. - Keine Angst mehr vor Drangsalierungen, Bloßstellung, kein sich Verstecken mehr, keine zwanghafte Wachsamkeit gegenüber empathielosen Betreuerinnen, nur sozial entspannen.
Ich lag ständig im Bett – 7 Tage - , den Blick auf einen Baum gerichtet, in dem ein Vogel wohnte, erhielt nur 1x Besuch von einem Mädchen. Diese Monotonie war anfangs sehr beruhigend, - später langweilig.
Ich fragte mich, ob meine Eltern von meiner Erkrankung wussten, besonders da die Abreise gefühlt langsam bevor stand und ich lange keine Post mehr von ihnen erhalten hatte. – Ich vermute, dass meine Post zurückgehalten wurde, da mir kurz vor der Abreise eine größere Anzahl Briefe ausgehändigt wurden.
Ein Zeitgefühl hatte ich während der Zeit im Krankenzimmer verloren und malte mir später, nachdem ich eine Betreuerin nach dem Datum gefragt hatte, deshalb einen eigenen Kalender, auf dem ich die Tage bis zur Abreise abkreuzte.
Zu Beginn meiner Kur hatte ich von meiner Mutter einen kleinen Taschen-Kalender erhalten, in dem ich mir jeden Tag einige Notizen zu meinem Aufenthalt machte. Diese persönlichen Dinge blieben jedoch während meiner Erkrankung in meinem ursprünglichen Zimmer, - an dieses Zimmer habe ich keine Erinnerung mehr. Ich traute mich nicht, die Betreuerinnen zu bitten, mir meine Sachen in mein Krankenzimmer zu bringen, da ich Angst hatte, sie würden in meinem Kalender-Tagebuch lesen und ich dann Ärger bekommen würde. Später habe ich in meinem Kalender-Tagebuch alles nachgetragen.

Nach meiner Erkrankung musste ich anfangs zur Schonung im Haus bleiben. Dort habe ich mit einer Betreuerin die Schuhe von Kindern geputzt, die abreisten, erinnere ich mich. Das fand ich sehr ungewöhnlich, aber nicht ganz schlimm. So genau Schuhe geputzt hatte ich zu Hause noch nie. Das war neu für mich und nach dem langweiligen Aufenthalt im Krankenzimmer unter dem Dach interessant.

An einen Arztbesuch während meiner Erkrankung, kann ich mich nicht erinnern.
Was wir an Regentagen gemacht haben sowie welche und ob es Spielzeuge im Haus gab, ist einfach aus der Erinnerung weg. An „Tanzstunden“ habe ich eine dunkle Vorstellung: Immer Sonntags, bewegen im Raum, bei Musik?, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Für die jungen Kinder, wie mich, eher verwirrend. Für die älteren Kinder eine peinliche, befangene Situation.
An eine „Turnstunde“ mit Übungen an einer Sprossenwand, kann ich mich unangenehm erinnern. Auch an einen Besuch des Schützenfestes und einige „Reitstunden“ auf dem Pony Lorbas.
Gelegentlich wurden Kreisspiele durchgeführt: „Der Plumpsack geht rum“. Bei Gruppenspielen war ich immer schlecht. Zu viel sozialer Stress für mich und ein potentieller Angriffspunkt für ein späteres Bloßstellen durch die Betreuerinnen und durch die Kinder.
An zwei Samstagen meines Aufenthaltes – vermutlich 1x pro Monat - kam ein Arzt, um uns zu untersuchen: wiegen, messen, …

Einmal in der Woche mussten wir Briefe an unsere Angehörigen schreiben. Das wurde verordnet und war Pflicht. Meine Mutter hatte mir Briefmarken mit gegeben und nachgeschickt.
Öffentlich verteilt wurden die Briefe nach dem Mittagessen – meine ich. Das war immer traurig, wenn man keine Post erhielt.

An einigen Tagen sangen wir regelmäßig mit einer uns mit Gitarre begleitenden jungen Mitarbeiterin Lieder aus der „Mundorgel“ . Ich war musikalisch gebildet und empfand dieses für mich neue Liedergenre – ich war eher religiös geprägt - sehr erfrischend.
Ich lernte Lieder wie: Polle reist zu Pfingsten, Wer nur den lieben langen Tag ohne Arbeit , In einem Harung jung und schlank, Kein schöner Land, Hoch auf den gelben Wagen, Sabinchen war ein Frauenzimmer, Sascha liebt nicht große Worte, Heute an Bord, …
Später habe ich meinen Geschwistern diese Lieder auf familiären Urlaubsreisen vermittelt. Das hat uns sehr viel Spaß bereitet!

Einen Tag vor der Abreise nach Hause konnten wir Andenken kaufen. Mein Taschengeld bewahrte ich die sechs Wochen über in meinem von meiner Mutter mitgegebenen extra angeschafften roten Portemonnaie mit Doppeltaschen auf. Wobei ich vermutete, dass etwas Geld während meiner Erkrankung abhanden gekommen war. Meine Frage an die Betreuerinnen wurde damit abgetan, dass vermutlich Briefmarken angerechnet worden waren.
Auf langen Tischen waren regional typische Produkte aufgebaut bzw. Kuckucksuhren, ….. Ich wunderte mich, was in dieser Gegend alles typisch war, denn davon hatte ich während der 6 Wochen nichts mitbekommen.
Wir wurden von einem Fotografen gedrängt ein Foto machen zu lassen. Das wollte ich aber nicht, denn ich wollte keine Bilder als Erinnerung von dem Aufenthalt mit nach Hause nehmen. Auch war mein Geld dafür zu knapp.
Ich kaufte für meine Eltern und die ganze Familie ein Wetterhäuschen. Das hing tatsächlich lange zu Hause an einer Wand. Ich habe mich einerseits gefreut, dass es meinen Eltern so wichtig war, dass sie es aufhängten – das hatte ich nicht erwartet.
Andererseits kamen beim Anblick immer zwiespältige Erinnerungen bei mir hoch.


Mein Kuraufenthalt erinnerte mich sehr stark an meinen quälenden Krankenhausaufenthalt in der Kinderheilanstalt Hannover in der Ellernstraße zwei Jahre zuvor.
Dort musste ich anlässlich eines Armbruches 6 Wochen im Bett liegend verbringen: Ausgeliefert lieblosen Kinderkrankenschwestern, zwanghaftem Drängen das Essen aufzuessen, getrennt von den Geschwistern und nur den erlaubten 30 Minuten-Besuchen durch die Eltern zweimal die Woche.
Das Laufen und Treppensteigen musste ich nach den 6 Wochen neu erlernen ….
Diese Situationen in den damaligen Kinderkrankenhäusern wären eine ähnliche Aufarbeitung wert ….,
… wobei, vielleicht würde sie sich nur geringfügig unterscheiden ….
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Karin aus Amrum schrieb am 06.07.2024
Hallo,
ich war 1979 (?) auf Amrum 6 Wochen zur Kur wegen meiner chronischen Bronchitis.
Meine Erfahrungen decken sich mit vielen Schilderungen:
Nur zensierte Post nach Hause
Ansonsten kein Kontakt zur Familie
Anrufe der Familie gab es nur in dringenden/außergewöhnlichen Fällen
Post der Eltern war bereits geöffnet, wenn sie bei uns ankam
Zugesandte Süßigkeiten wurden an alle verteilt
Geschlafen wurde in einem großen Schlafsaal, die Ruhe wurde überwacht
Regelmäßig wurden wir gewogen und auf Läuse kontrolliert
Täglich gingen wir Mädchen mit Kopftuch lange spazieren
Ansonsten gab es nur noch Inhalationen als einzige weitere medizinische Anwendung
Die „Schwestern“ waren sehr streng, unangenehm und gefühllos, es gab viel Heimweh für das es allerdings kein Verständnis gab

Ich war damals in der sechsten Klasse und erinnere mich noch, dass meine Eltern mich bis nach Pinneberg brachten und von dort reiste ich allein weiter.

Ich habe es nicht so schlimm erwischt, wie viele andere. Wahrscheinlich weil ich mich so gut es ging anpasste und quasi unsichtbar blieb, so weit das möglich war. Wie ich mich an die Reaktionen der „Schwestern“ erinnere, war es auf jeden Fall besser nichts zu sagen und alles mit sich selbst auszumachen.

Vieles von damals habe ich wohl erfolgreich verdrängt. Eine positive Erinnerung habe ich an ein gemeinsames Fest am Ende der Kur. Hier waren auch die Jungs eingeladen und es wurde sogar etwas getanzt.
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Michaela aus Radolfzell am Bodensee schrieb am 06.07.2024
Hallo zusammen,

vor ein paar Wochen bin ich durch Zufall auf einen Artikel über Verschickungskinder gestossen und mir ist erst dort bewusst geworden, dass die Kur in die ich im Alter von 6 Jahren geschickt wurde, gar nicht nur mich betraf, sondern dass sie Teil eines Systems war. Seitdem fühle ich mich rastlos und sauge alles zu diesem Thema auf.

Ich wurde von Bremen aus verschickt, wo ich im Februar 1973 geboren wurde und wir bis zu meinem 9. Lebensjahr gewohnt haben. Ich kann mich an den Bahnsteig in Bremen erinnern, aber nicht an die Zugfahrt. Ich kann mich auch nicht an das Heim erinnern. Selbst die alten Fotos im Internet sagen mir nichts und wecken keinerlei Erinnerung. Ich kann mich auch nicht an die ErzieherInnen/BetreuerInnen erinnern. Ich sehe einen Schlafraum mit mehreren Betten vor mir, kann mich aber nicht an einen Speisesaal erinnern. Ich erinnere mich, dass ich mit einer Gruppe von Kindern und einer Frau zusammensass und es irgendwie um Post ging, kann mich aber nicht erinnern ob wir welche bekamen oder selbst geschrieben haben. In meiner Erinnerung sassen wir eng zusammen in einer Art Vorraum zum Schlafraum, in den man durch eine Scheibe hineinsehen konnte. Das Bild löst nur ein Gefühl von Traurigkeit in mir aus.

Ich kann mich an einen Gang erinnern und an einen Jungen, vor dem ich Angst hatte. Ich sehe mich in einer Toilettenkabine vor ihm verstecken und dass er mir auf dem Gang entgegenkommt und ich ganz an der ihm entgegengesetzten Wand gehe und spüre dabei die Angst vor ihm. An die anderen Kinder habe ich keine konkreten Erinnerungen. Ich kann mich an Heimweh erinnern und daran, dass ich nachts im Bett geweint habe. Ich kann mich aber an keine Mahlzeiten erinnern. Ich wurde verschickt um abzunehmen und erinnere mich, dass ich Blendi Zahncreme gegessen habe und Assugrin Tabletten, weil ich Hunger hatte. Den Geschmack habe ich heute noch im Mund... Ich sehe den Waschraum mit mehreren Waschbecken vor mir, aber wenn ich daran denke, fühle ich mich allein. Ich sehe keine anderen Kinder in dem Raum. Und ich kann mich auch überhaupt nicht erinnern, wie wir die Tage verbracht haben.

Aus den Notizen meiner Mutter weiss ich, dass ich bei meiner Rückkehr völlig verstört war. Ich hatte einen Wasserbauch von all der Suppe die ich wohl bekommen hatte, meine Haare waren stumpf und kaum durchkämmbar. Ich soll sie mit grossen Augen angeschaut haben und als ich etwas sagen wollte kam kein Ton raus. In der ersten Nacht habe ich mich ganz nah an meine Mutter gekuschelt. Ich bin ihr tagelang kaum von der Seite gewichen und habe keinen Schritt ohne sie gemacht. Es dauerte 5 Tage bis ich wieder gesprochen habe und langsam meine Sicherheit wiederfand.

Dass ich zur Kur geschickt wurde, weiss ich schon lange und ich bin seit langem überzeugt, dass diese Kur der Startschuss dafür war, dass ich mich seither immer zu dick gefühlt habe und fühle. Wenn ich Fotos aus der Zeit anschaue, kann ich nur mit dem Kopf schütteln, denn ich war völlig normal.

Ich bin heute 51 Jahre alt aber noch heute habe ich das Gefühl nicht gut zu sein wie ich bin. Ich definiere mein "gut sein" sehr über meinen Körper, obwohl ich viel mehr als das bin und wirklich allen Grund habe stolz auf mich und mein Leben zu sein.

Seit ich den Artikel gelesen habe, habe ich bereits ein wenig recherchiert. Ich war in Kontakt mit dem Bremer Staatsarchiv und mit Birgit Lübben, deren Buch "Ware Kurkind" ich gelesen habe und die mich wiederum an jemanden weiterverwiesen hat, mit dem ich mich aktuell in einem wertvollen Austausch befinde.

Ich verstehe das Ganze heute schon viel besser und habe das Gefühl auch mich selbst etwas besser zu verstehen. Aber ich fühle mich noch ganz am Anfang meiner Suche. Ich habe das Gefühl, ein wichtiges, bisher fehlendes Puzzelteil gefunden zu haben, aber im Moment ist das Puzzleteil noch irgendwie grau und diffus. Deshalb werde ich weiter nach Antworten suchen. Ich hoffe herauszufinden in welchem Heim ich konkret war und so weitere Fragen beantworten zu können.

Ich wünsche allen hier von Herzen alles Gute!
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Christina W. schrieb am 03.07.2024
Hallo miteinander,
mein Name ist Christina und ich bin ein Verschickungskind... früher wusste ich das natürlich nicht, es hieß, mein Bruder und ich fahren im Sommer in Kur, ans Meer, ach, das wird toll! Ich hatte gleich nach dieser Mitteilung ein flaues Gefühl im Magen und sah sehr freudlos auf das auf mich zukriechende Abreisedatum, während meine Mutter fleißig Namensschildchen in unsere Kleidungsstücke nähte. Teddy bekam auch eins um den Arm genäht, denn ohne Teddy konnte ich nicht ans Meer, das war klar! Ich war 7 und hatte gerade die erste Klasse absolviert; ein kleines etwas pummliges Mädchen, das nicht verstand, warum es ohne die Mama an dieses doofe Meer reisen sollte. Ohne Mama ging ich außerhalb der Schule eigentlich nirgendwo hin. Ich war empört! Und ich hatte Angst! Aber alles Flehen, Heulen und auch kein Trotzanfall half... mein Bruder und ich wurden am besagten Tag am Bahnsteig letztmalig von den Eltern umarmt und in ein überfülltes Zugabteil gequetscht. Als sich die Türen schlossen wurde mein Herz mit aller Wucht von einem schrecklichen Trennungsschmerz getroffen, der die nächsten acht Wochen keine Sekunde innehalten sollte. Mein Bruder, zwei Jahre älter, zerrte mich ungeduldig beim Umsteigen in Hannover hinter diesem "großen Jungen" her, der zum Geleit abgeordert war. Der Rest der Reise und auch die Überfahrt mit der Fähre versank im Schleier meiner Tränen, die ich angestrengt zurückzudrücken versuchte. Ich war innerlich erstarrt. Das Kurheim war riesig! Rot verklinkerte Häuser, die wie aneinandergereihte Bauklötze auf dem großen Areal standen. Weil ich mit 7 zu groß für die sogenannte "Hosenscheißergruppe" bis 5 Jahre war, kam ich ins Haus 4 zu den Mädchen zwischen 9 und 13. Mein Bruder verschwand in einem der anderen Bauklötze. Als erstes musste ich meinen Koffer am Kleidungsraum abgeben. Meine Sachen wurden zu den übrigen Kleidungsstücken in große Regalfächer gestopft. Die mitgegebenen Pflegeprodukte wurden mir abgenommen und kamen in das obere Fach eines riesigen weiß lackierten Wandschranks. Nun war ich nicht mehr nur traurig sondern wiederum empört. Man hatte mich bestohlen! Mein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn schlug Alarm und ich beschloss, diesem System nicht zu ttrauen und in Zukunft ständig auf der Hut zu sein. Nach der Kofferplünderung kam ich in "mein" Zimmer, das ich mit sechs weiteren Mädchen teilte, es hieß Nordseezimmer. Ich bezog das Bett direkt an der Tür. Am Abend des Anreisetages bekam ich sehr hohes Fieber, das auch am Folgetag nicht verschwand. Deshalb durfte ich im Bett bleiben. Ich lag den ganzen Tag allein in diesem Zimmer, nur zwei oder dreimal schaute jemand kurz zur Tür hinein. Irgendwann musste ich mich übergeben und schaffte es gerade so, dass es nicht im sondern vor dem Bett landete. Ich war verzweifelt und weinte und wusste mir nicht zu helfen. So dusselte ich ein. Als das nächste Mal ein Kopf in der stückbreit geöffneten Tür auftauchte, flog diese plötzlich weit auf... eine Schimpftirade prasselte auf mich nieder und schreckte mich aus dem Fieberschlaf auf. Die schwarz gekleidete Schwester zerrte an meinem Arm, unablässig schimpfte sie weiter, was das für eine Sauerei sei, die ich verursacht hatte. Sie zog mich aus dem Bett und ich tappte barfüßig in mein Erbrochenes. Dafür erhielt ich einen Klaps auf den Hinterkopf. Damit ich mit meinen besudelten Füßen nicht den Flur zum Waschraum schmutzig mache, holte die Schwester selbst einen Eimer und Lappen lautstark aus dem Waschraum, während ich wartend im klammen Nachthemd schlotternd vor Schüttelfrost in der Kotze stand. Sie warf den Lappen auf meine Füße und stellte den Eimer daneben. "Aufwischen!" Ich tat es ohne Widerrede.
Es gab zwei oder drei ältere Mädchen, vielleicht Abiturientinnen, die anscheinend eine Art Praktikum absolvierten und Aufsichtspflichten übernahmen. Eins dieser Mädchen werde ich nie vergessen. Sie hatte einen ganz kalten Blick und offensichtlich überhaupt keine Lust, sich mit uns Bälgern abzuplagen. Sie nannte uns stets beim Nachnamen und hatte Freude daran, uns zu demütigen und zu quälen. Eines Tages kam ich nachmittags die Treppe von den Schlafräumen herunter in den Eingangsbereich und das grausame Mädchen stand im Flur und telefonierte: "Die Christina möchten Sie sprechen?" Kurze Pause, in der sie mich am Treppenabsatz stehend fixierte. Mein Gesicht hellte sich auf, mein Herz hüpfte freudig in meiner Brust. Meine Mama war am Telefon! "Tut mir leid, die Kinder sind allesamt am Strand." Ich stand wie erstarrt. Nachdem das böse Mädchen sich kurz von meiner enttäuschten Mutter verabschiedet hatte und den Hörer auflegte, sah sie mich hämisch grinsend an. Ich konnte nichts sagen, ein fetter Kloß saß in meiner Kehle. Ich lief heulend aus dem Haus. Da ich ja die Jüngste im ganzen Haus war, sozusagen gerade knapp altersmäßig an den Hosenscheißern vorbei, wie mir ständig gesagt wurde, bekam ich oft von den anderen Mädchen kräftig auf die Mütze. Das älteste Mädchen war schon 13 einhalb und gefühlte fünf Köpfe größer. Eigentlich verstanden wir uns gut, aber eines Nachmittags war ihr Frust und Heimweh so groß, dass sie mich am Strand schnappte, ins kniehohe Meer zerrte und unter Wasser drückte. Ich hatte Todesangst und zappelte wie verrückt. Sie ließ mich frei, als ich ihr in die Hand biss und bekam dafür einen Tritt in den Magen. Ich verstand das alles nicht. Warum war hier alles so gemein und böse? Die Aufsicht, der ich die Sache heulend petzte, zuckte nur mit den Schultern und meinte, ich solle mich nicht so anstellen, das Mädchen hätte nur Spaß gemacht. Von da an beschloss ich, mit der Heulerei aufzuhören und zu den Harten zu gehören. Nein, die Härteste wollte ich sein! Ich betrachtete das als absolut notwendige Strategie, um mein Überleben zu sichern. Ich wurde aufmüpfig, sehr vorlaut und stiftete die anderen Mädchen zu Streichen an. Eines Nachts erklomm ich auf der Räuberleiter das obere Fach des weiß lackierten Wandschranks und eroberte mir meine Pflegecreme zurück. Auch die versteckten Süßigkeiten aus den Päckchen von Eltern, die nie bei den Kindern angekommen waren, kramte ich aus dem Schrank. In der Nacht stopften wir uns mit Süßkram voll und fühlten uns wie die Königinnen. Mich hat niewieder eins der Mädchen attackiert. Ich war angenommen. Dafür mussten wir uns ständig vor den drakonischen Strafen der Schwestern in acht nehmen. Für nächtliches Gelächter oder gar Verlassen des Bettes wurde der Lärmverursacher bzw. Freiläufer unter die kalte Dusche gestellt. Das war Standard und passierte fast jede Nacht. Ein krebserkranktes Mädchen, das sich in der Kur von den Strapazen der Chemotherapie erholen sollte, bekam bei Fehlverhalten zur Strafe die Perücke abgenommen. Ich war empört! Auch das allmorgendliche nackte Anstehen im Flur zum Waschraum, wo jede einzelne mit einem kalten Schlauch abgeduscht wurde, empörte mich. Warum durfte ich nicht im Bademantel warten? Wenn das böse Mädchen morgens Dienst hatte, mussten wir zusätzlich noch im Schlüpfer mehrere Runden ums Haus herum laufen. Nur die älteren Mädchen, die schon einen Brustansatz hatten, durften ihr Unterhemd anziehen. Abends bei der Gebetsrunde betete ich insgeheim, dass ich bis zum nächsten Morgen einen Brustansatz bekomme, was aber nicht erhört wurde. Meine beste Freundin hieß auch Christina und sie ließ sich gar zu gern von mir zu kleinen Auflehnungen hinreißen. Zur Strafe wurden wir mal zusammen in den Keller gesperrt, der wie eine Umkleide eingerichtet war. Dort hingen unsere Jacken und standen die Schuhe. Diese sollten wir zur Strafe putzen. Stattdessen turnten wir auf den Bänken herum und fanden, dass wir großeartige Revoluzzer abgaben. Ich war mächtig stolz auf uns. Weil ich mittlerweile dermaßen aufrührerisch und vorlaut war, ertrotzte ich mir bei einer genervten gutmütigen Aufsicht einen Besuch in der Sauna, zu der eigentlich nur die älteren Mädchen ab 12 hin durften. Wir gingen in einer Gruppe von fünf Mädchen allein zu der Saunaeinrichtung. Während des Saunabesuchs wurden wir durch einen jungen Mann angeleitet. Er machte ständig dumme Witze und wendete sich mit auffälliger Hingabe den größeren Mädchen zu. Von mir vorlautem Zwerg war er total genervt. Zur Abkühlung gab es einen großen Holzbottich, in den wir nacheinander steigen sollten. Damit wir das auch richtig machten, sprang der Mann nackt mit in den Bottich und wusch die Mädchen von Kopf bis Fuß mit dem kalten Wasser ab. Ich wurde von dieser Prozedur verschont. Wahrscheinlich lag es daran, dass meine Gebete nicht erhört worden waren. Erst viele Jahre später wurde mir bewusst, dass dieses Verhalten tatsächlich sexuelle Übergriffe waren. Damals hatte ich das so nicht gesehen. Wir witzelten auf dem Nachhauseweg und neckten einander, wer sich wohl in den Typen verliebt hatte und sangen ständig das blöde "Liebeskummer lohnt sich nicht"-Lied. Ich war sogar etwas empört über diese Nichtbeachtung, obwohl ich mir doch solche Mühe mit meinem vorlauten Mundwerk gegeben hatte. Das Vorlaute war natürlich nur meine Fassade, nachts wenn endlich Ruhe im Zimmer war, heulte ich stundenlang in meinen Teddy hinein. Ich verstand nicht, warum mich meine Eltern hierher geschickt hatten... direkt in die Hölle. Die tat sich mir auch auf, als ich fünf Tage vor Ende der sechswöchigen Kur in das Büro der Heimleitung gerufen wurde. Dort sah ich auch meinen Bruder nach langer Zeit wieder. Sonstige Treffen wurden unterbunden. Uns wurde mitgeteilt, dass wir uns glücklich schätzen könnten weil unsere Aufenthaltsverlängerung um zwei Wochen bewilligt worden war. Ich war entsetzt und anschließend restlos davon überzeugt, dass uns unsere Eltern loswerden wollen. Ich heulte wieder. Unsere Eltern hatten diese Verlängerung jedoch nicht beantragt, die Verlängerung wurde vom Kurhaus empfohlen. Weil wir die Briefe und Karten nach Hause unter Aufsicht schreiben mussten und uns Sätze vorgegeben wurden, wie toll alles sei, hatten unsere Eltern keinen blassen Schimmer davon, wie es tatsächlich war. Mein Bruder hatte es in seinem Haus auch eigentlich ganz gut getroffen. Es gab dort keine nächtlichen kalten Duschen und auch keine Schläge auf den Hinterkopf. Lediglich das erzwungene Aufessen war gleich. Noch heute rieche ich diese eklige Obstsuppe, die ich über Stunden in mich hineingewürgt habe. Dass diese Kur sehr tiefe Wunden auf meiner Kinderseele hinterlassen hat, wurde mir erstmalig bei einem Krankenhausaufenthalt mit 17 bewusst. Ich sollte abends die Station nicht verlassen, wollte aber telefonieren. Das Telefon war im Flur ein Stockwerk tiefer. Da ich noch minderjährig war, untersagte mir die Schwester das Verlassen der Station und griff mich am Arm. Da bin ich ausgeflippt und geflüchtet. Der Arzt, der später mit mir sprach, fragte mich direkt, ob ich ein Verschickungskind sei. Damals hörte ich dieses Wort das erste Mal. Mittlerweile kenne ich die Triggerpunkte meines Traumas und kann besser damit umgehen. Ich träume bis heute von dem bösen Mädchen.
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Matthias Klein aus Heilbronn schrieb am 03.07.2024
Ich bin froh, dass dieses Thema nicht mehr verschwiegen wird.
Ich habe immer angenommen, dass ich ein Einzelfall war, den die Verschickung besonders mitgenommen hatte.
Irgend ein Amtsarzt beim Heilbronner Gesundheitsamt hatte mich untersucht und als zu dünn für mein Alter befunden. Da war mein Schicksal wohl besiegelt worden.
Ich muss zwischen 4 und 6 Jahren alt gewesen sein.
Bewußt weiß ich noch, dass ich am Bahnhof laut geweint, geschrien und mich an meine Mutter geklammert habe. Sie trug mich dann in ein Zugabteil, in dem schon mehrere Kinder saßen und 2 Begleitpersonen dabei waren. Ich weiß noch, daß eine Begleitperson zu meiner Mutter sagte, daß sie jetzt besser gehen solle.

Ich muß die ganze Zugfahrt bis in Allgäu geweint haben, wurde mir nach dem Zwangsaufenthalt gesagt.
Dann erinnere ich mich noch daran, daß ich so sehr Heimweh hatte, daß ich die ersten Nächte als einzigster in einem mit hohen Gittern versehenen Bett verbringen mußte, geschlafen werde nicht viel haben. Irgendwann habe ich mich meinem Schicksal ergeben, weil ich merkte, dass mir alles nichts half. Gehänselt wurde ich über einen längeren Zeitraum von anderen Kindern. Erst als ich mich mit einem stärkeren größeren Kind angefreundet hatte, hörte das auf, weil er mich beschützt hatte.
An das Essen kann ich mich nicht mehr erinnern, weiß nur noch, daß ich "falsches Hähnchen" mochte.
Als ich nach Hause kam, wurde ich von meinen älteren Brüdern, die auch schon verschickt worden waren und angeblich keine Angst hatten,
als Schwächling hingestellt, weil ich so Heimweh und so geweint hatte.

Mein Selbstvertrauen, das mir damals genommen wurde, hat sich tatsächlich erst im Alter von 45 Jahren mit Beginn meiner beruflichen Selbstständigkeit gebessert.
Bis heute verreise ich immer noch ungern, obwohl es mir dann nach Ankunft am Urlaubsort gefällt.
Ich konnte sehr viele Jahre nicht bei anderen übernachten, auch nicht bei Verwandten, oder hatte wieder Angst, wenn meine Mutter nicht dabei war.
Große Ansammlungen von Personen sowie
Orte mit mehreren WC versuche ich immer noch zu vermeiden.

Ich bin froh, diese Plattform gefunden zu haben.
Ich wünsche euch allen, dass ihr das Ganze jetzt ein wenig besser einordnen und verarbeiten könnt. Nicht nur euch ist dieses Schicksal passiert, auch andere hatten Angst und Heimweh, wenn das auch häufig nicht zugegeben wurde...vor allem von Aussen.
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Hella Kemper aus Hamburg schrieb am 03.07.2024
Suche Verschickungskinder, die August bis November 1972 im Seehospiz Norderney waren. Gern melden unter hella.kemper@zeit.de
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Christian Baltrusch aus 88085 Langenargen schrieb am 30.06.2024
Ich kann mich noch sehr gut an das erzwungene Essen erinnern: Es gab eine Art Haferschleim, dass wurde mir in den Mund hineingestopft. Eine Schwester steckte dabei Ihre Zeigefinger der rechten und linken Hand in meine Mundwinkel und riss dabei meinen Mund auf. Die andere stopfte mir den Haferschleim hinein. Auch durfte ich nicht vom Tisch aufstehen bis ich den Teller leergemacht habe. Übrigens: Handtuchdresche gab es regelmäßig.
Eine Erinnerung ist mir auch noch heute sehr präsent: Ich hatte in die Hose gepinkelt und musste deshalb fast die ganze Nacht ohne Unterhose und nur mit einem Unterhemd bekleidet, auf der kalten Treppe sitzen. Das waren meine schlimmsten Erinnerungen die sich bis heute in mir festbetoniert haben. Ich war damals 5 Jahre alt und meine Schwester 3 Jahre.
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Martina aus Germering schrieb am 30.06.2024
Hallo,
Ich war 2mal im Polling ,wo ein Kloster dabei war.
Ich wurde über die Post von München HBF geschickt.
Das erstemal Okt-Nov. Ich habe dort meine 6 Geb. im November gefeiert. Das 2 mal circa 1977 in einem 4 Bett Zimmer. Ein Mädchen war auch aus München. Wir waren in München beim Olyp.Halle zu besuch. Ihre Eltern durften Sie dort besuchen.
Ich war zur Kur sollte zunehmen. An anderen Tischen waren Mädchen die Abnehmen mussten.Im 1 Stock waren Jungen untergebracht . Eimal die Woche durften wir zu 2 Duschen gehen. Ich hatte dort Läuse und meine Haare waren lang die Schwester(Nonne) wollte sie abschneiden ich habe aber so geweint das sie es gelassen hat. Ich kann mich noch an den langen Gang errinnern wo die Schränke mit der Wäsche war. Ich glaube es gab auch noch das Wassertreten unter Aufsicht. An mein erstes mal kann ich mich nur durch ein Foto auf einem Karussell errinnern.
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Renée Morloc aus Eisenberg schrieb am 25.06.2024
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Kerstin Wolf aus Berlin schrieb am 23.06.2024
Hallo,
Ich war 1984 in Garz und erinnere mich bewusst an wenig. Was ich noch weiß, ist, dass wir in den Kohlenkeller gesperrt wurden wenn wir ins Bett gemacht haben. Wir waren ca 15 Kinder in einem Zimmer. Jede Nacht wurde viel geweint…wir mussten eiskaltes Wasser über unsere Köpfe schütten…direkt nach dem Aufstehen…
Es gab immer Brot mit Teewurst oder Leberwurst.
Ich werde niemals vergessen, was ich gefühlt habe als mich meine Eltern nach 6 Wochen abgeholt haben.
Ich war 5 Jahre alt.
Ich hatte als Kind permanent Bronchitis oder Lungenentzündungen. Vor der Einschulung sagten die Ärzte, dass eine Kur sein muss da ich sonst zu oft fehlen würde. Tatsächlich hatte ich nie wieder Probleme mit meinen Atemwegen. Aber es waren grausame Wochen und ich habe die Erinnerung daran verdrängt.
Kerstin
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A. N. aus Köln schrieb am 23.06.2024
Ich wurde 1975 zur Kur nach Buseweiler / Alpirsbach geschickt, weil ich oft Bronchitis hatte. Wir wurden von unseren Eltern nach Köln-Deutz (tief) gebracht, von wo der Zug startete. Nach der Ankunft teilte uns die Leiterin des Hauses, Schwester Margarete, auf die Zimmer auf. Ich als 4jähriges Mädchen musste mit einem 7jährigen Jungen in einem Zimmer schlafen, der ein Sadist war. Er sperrte mich regelmäßig-insbesondere während unserer Mittagsschlafzeit- in unser Schrankfach ein. Es war ca. 50 cm breit und 1m hoch und hatte orangene Türen. Hierin musste ich ohne jegliches Zeitgefühl die Mittagszeit zusammengekauert auf den Knien warten, bis er mich wieder herausließ.
Ich war verstört deswegen und machte ins Bett. Wenn Schwester Margarete das mitbekam, fasste sie mein Kinn mit einer Hand und schüttelte es heftig hin und her, was unangenehm und schmerzhaft war. Das tat sie auch mit anderen Kindern, wenn diese in ihren Augen Böses getan hatten. Sie duschte mich im kalten Bad ab. Dabei muss sie auch die blauen Flecke gesehen haben, die ich am ganzen Körper hatte, weil mich der 7jährige Junge oft getreten hatte. Ich hatte den Abdruck eines Schuh-Absatzes im Gesicht. Ich musste jedoch die gesamten 6 Wochen mit dem Jungen im gleichen Zimmer wohnen. Wenn Kinder mitbekommen, dass ich in die Hose gemacht hatte und mich auslachten, sagte Schwester Margarete: " Ja, lacht sie ruhig aus!" Darauf hin umringten mich viele Kinder und zeigten mit dem Finger auf mich.
Als es nach 6 Wochen wieder nach Hause ging, sah ich meinen Vater auf dem Bahnsteig entlang eilen und mich suchen. Er war max. 5 m von mir entfernt. Ich sagte zu den Begleiterinnen: "Da ist mein Vater!". Sie sagten:"Das ist nicht Dein Vater." Ich war so eingeschüchtert, dass ich stumm ausharrte und wartete, dass er mich von selbst fände.
Die Kur hatte mich fürs Leben gezeichnet.
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Michael aus Bayreuth schrieb am 21.06.2024
Ich bin Michael, Jahrgang 1968
Ich leide seit meinem zweiten Lebensjahr unter schwerem allergischem Asthma (und einem dutzend anderer Allergien)
Deswegen hatte ich 3 Aufenthalte von jeweils 6 Wochen in Kinderkurheimen :
Jan/Feb 1973 Bad Dürrheim, DRK Kindersolbad, im Alter von 4 Jahren
Jan/ Feb 1974 Bad Reichenhall, im Alter von 5 Jahren
April/Mai 1978 Nieblum auf Föhr, „Haus Goltermann“, im Alter von 10 Jahren

Mein fünfter und sechster Geburtstag fielen damals in den Kuraufenthalt.

Ich habe zu den ersten beiden Aufenthalten keinerlei Erinnerung an die anderen Kinder, an die Betreuerinnen noch an irgenwelche Therapiemassnahmen (gerade letzteres wundert mich bis heute)

Ich habe auch keine Erinnerung an körperliche Gewalt, weder mir gegenüber noch gegen andere Kinder. Ich habe allerdings sehr wohl Erinnerung an das straffe Zwangsregime in diesen Heimen (das volle Programm : nachts kein Toilettengang, Essen bis alles weg war, Mittagsschlaf in „Totenstarre“, die Gewaltmärsche durch den Schwarzwald in militärischer Marschordnung etc.)

Und, müßig zu sagen, die Kuren hatten natürlich nicht den gewünschten Erfolg. Der Dreck war damals überall, aber vor allem in der Luft.

Die Zustände, die damals in den Heimen herrschten, sind die eine Sache.
Aber es gibt da noch die andere, die Haupt-Sache :

Man hat mich mit gerademal 4 Jahren meines kompletten sozialen Umfelds beraubt, hat mir jede Bezugsperson genommen, die ich bis dahin kannte um mich in eine völlig unbekannte Umgebung zu wildfremden Menschen zu stecken, die plötzlich „Verfügungsgewalt“ über mich hatten.

Bei meinem ersten Aufenthalt in Bad Dürrheim habe ich diese Situation noch akzeptiert (was hätte ich auch anderes tun können) obwohl ich nicht so recht wusste, wie mir geschieht und was das alles sollte.
Bei meinem zweiten Aufenthalt in Bad Reichenhall ein Jahr später war das anders. Da hat es mir buchstäblich den Boden unter den Füssen weggezogen.
Genausogut hätte man mich in ein tiefes, dunkles, nasses Loch (ohne Wasser und Brot) stecken können.
Und einem 5-jährigen zu sagen man würde in 6 Wochen wiederkommen um einen abzuholen, ist, als ob man sagt man würde in 60 Jahren wiederkommen. Kinder besitzen kein Zeitgefühl. Man konnte ihnen als Kind nur glauben dass sie überhaupt irgendwann einmal wiederkommen.

Ich kann ohne Übertreibung sagen dass diese Erfahrungen mein ganzes späteres Leben entscheidend geprägt haben, auch wenn mir mein Leben lang mein soziales Umfeld dies nie geglaubt hat.

Ich kann meinen Eltern keine Vorwürfe machen. Die 1970er Jahre waren für mich ein einziges Schnappen nach Luft. Wer selbst Asthmatiker ist oder ein Kind mit dieser Krankheit hat, weiß wovon ich rede. Wer ein krankes Kind hat klammert sich an jeden Strohhalm der Besserung verspricht. Nachts stundenlanges Sitzen an der Bettkante (über Monate und Jahre !), das dürfte für meine Eltern noch traumatischer gewesen sein als für mich selbst.

Man musste allerdings nicht unbedingt zu einer Kur fahren um solch einer „Pädagogik“ zu begegnen. Dazu zwei Beispiele aus meiner Kindheit, das erste Beispiel ist sozusagen der „Klassiker“ schlechthin :

Ich bin von Geburt an linkshändig. Das wurde mir allerdings in der ersten Klasse der Grundschule mit Gewalt ausgetrieben. Alles was damals nicht der Norm entsprach wurde glattgebügelt. Zuerst war ich ziemlich renitent. Mir und meinen Eltern wurden dann Sanktionen angedroht wenn ich nicht spure. Ich entsinne mich wie mich meine Klassenlehrerin zum Lehrerpult rief und mich vor versammelter Mannschaft bloßstellte (das kam mir damals allerdings nicht so vor; Kinder denken/fühlen nicht wie Erwachsene)

Sommer 1978, Wandertag zum Schulabschluss, 4. Klasse der Grundschule, sogar mit dem Konrektor (der auch der hiesige Landschulrat war; Und SPD-Mitglied, das nur nebenbei). Schönes und heisses Wetter. Nach etwa einer Stunde greifen die ersten Schüler zur Wasserflasche. Aber : Getrunken wird nicht ! Befehl von ganz oben ! Den ersten Schluck Wasser (bei etwa 30 Grad Aussentemperatur) erst bei Ankunft in der Schule, nach 4 Stunden. Wasserentzug war damals eine Erziehungsmassnahme, denn : „Was uns nicht umbringt macht uns nur härter !“.

Das alles ist jetzt etwa 50 Jahre her. Aber der kleine Junge von damals denkt noch oft daran !
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Silke aus Pohlheim schrieb am 18.06.2024
Wer war auch dort ich habe kaum noch eine Erinnerungen
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Regine aus Hamburg schrieb am 07.06.2024
Liebe Community,
auch ich bin Betroffene. Ich suche meine Freundin Conny. Wir waren in einem Zimmer und Conny war bereits 1 Woche vor mir angekommen. Conny kam aus Berlin. In unserem Zimmer waren noch 2 weitere Mädchen (Geschwister) aus dem Schwabenland. An die anderen Kinder kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich wünsche mir schon mein ganzes Leben Conny wiederzusehen. Sie war mir eine große Hilfe in dieser schweren Zeit. Am ersten Abend fiel mir mein Fieberthermometer aus dem Mund, weil ich vor Angst zitterte. Conny gab mir ihr Thermometer und steckte die Schläge ein. Das war so mutig von ihr. Wir waren 9 Jahre alt. Wenn wir weinten, wurden wir in die Großküche gesperrt. Ich weiß noch, dass wir die kleinen Kinder unter unseren Bettdecken versteckt haben, nachdem wir sie Nachts befreit hatten. Man hörte die ganze Nacht Kinder schreien und weinen. Ich dachte, ich würde dort sterben. Das Essen von Erbrochenem war bei uns auch an der Tagesordnung. Man wurde von 2 Erzieherinnen festgehalten und musste es essen. Das war die reinste Folter.
Mich hat dieser Aufenthalt auch extrem traumatisiert, bis heute.
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Helga schrieb am 05.06.2024
Suche Kontakt zu Personen die 1961 in der Kinderheilstätte Wangen im Allgäu waren.besonders einen Jungen namens Andreas. Habe wenig Erinnerung. war erst 3,5 Jahre alt. Kamm aber traumatisiert nach Hause und bin bis heute unfähig Beziehungen aufzubauen.
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Helga schrieb am 05.06.2024
Suche Kontakt zu Personen die 1961 in der Kinderheilstätte Wangen im Allgäu waren.besonders einen Jungen namens Andreas. Habe wenig Erinnerung. war erst 3,5 Jahre alt. Kamm aber traumatisiert nach Hause und bin bis heute unfähig Beziehungen aufzubauen.
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Maike aus Hannover schrieb am 02.06.2024
Ich bin ebenfalls Betroffene, mit 4 Jahren wurde ich für 4 bis 6 Wochen nach Langeoog ins Flinthörnhaus geschickt. Mein Bruder war das Jahr zuvor am selben Ort. Bei uns in der Kindergartengruppe wurden mehrere Kinder geschickt, ich war die jüngste, warum ich fuhr weiß ich nicht, ich war weder Unter- noch übergewichtig noch hatte ich Erkrankungen. Allerdings war ich, da ich seit frühester Kindheit missbraucht wurde, ein sehr ängstliches und anhängliches Kind für meine Mutter und konnte kaum damit leben wenn sie den Raum verließ. Heute weiß ich, das sie von dem Missbrauch die ganze Zeit über wusste und das sogar unterstützte. Ich war ihr einfach lästig geworden, sie war überfordert und wollte für ein Paar Wochen ihre Ruhe. Ich fuhr mit einigen Kindern aus meiner Kindergartengruppe, eine davon meine beste Freundin. Im Jahr zuvor ist sie, in der Zeit als mein Bruder auf Langeoog war, in meinem beisein vom selben Peiniger missbraucht worden, daran erinnerte ich mich aber erst, als sie mir vor 15 Jahren davon erzählte, wir waren in einem Zelt und ich weinte neben ihr. Wir beide sind dann das Jahr darauf auf Langeoog gelandet. Ich erinner mich schwach an die Zugfahrt und das Schiff. Ich hatte da schon entsetzliches Heimweh. Ich erinner mich an große Schlafräume, an den Aufenthaltsraum, an die Waschräume und daran, wie mir eine der Frauen dort immer helfen musste meine Latzhose zu zu machen weil ich das allein nicht konnte. Ich empfand die Berührungen als extrem unangenehm. Ich bekam in all den Wochen nur einmal Post von meinen Eltern. Ich erinner mich an meiner Wäsche die Handcreme meiner Mutter gerochen zu haben und ich bin vor Heimweh und Angst fast umgekommen, ich war starr vor Angst in all der Zeit. Ich erinner mich weder an einen Arzt dort, noch an Gespräche mit den Beträuerinnen. Ich erinner mich schwach an Medikamentengaben, krank war ich aber nicht. Was es gewesen sein könnte weiß ich nicht. Ich habe jeden Tag geweint und mich in allen möglichen Situationen abgespalten. Viele viele schwarze Lücken in meiner Erinnerung. Beim Gedanken an die Nächte überkommt mich einfach nur die Angst. Nach der Rückkehr konnte meine Mutter noch weniger irgendwo allein hin ohne das ich komplett panisch wurde. Ich weinte im Kindergarten vom Morgen bis zum abholen, in der Schule das selbe. Bis zum 13. Lebensjahr hatte ich mit Trennungsängsten und schweren Depressionen zu tun. Meinen Eltern wäre es vollkommen egal was mir dort passiert ist. Aber ich finde, jede einzelne Geschichte verdient es gehört zu werden. Es tut mir leid für jeden einzelnen hier was ihr erleben musstet. Ich lese jeden eurer Berichte und bin froh, dass ich nicht auch noch damit allein bin.
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Peter Herttrich aus 75417 Mühlacker schrieb am 01.06.2024
Ich heiße Peter, bin jetzt 70 Jahre alt und
ich bin ein Verschickungskind.




Zeitsprung zurück in das Jahr 2023, muss so Oktober rum gewesen sein.

Beim Aussortieren alter Unterlagen meines Vaters, der schon 2016 verstorben
ist, fällt mir eine Postkarte in die Hände.
Kein Stempel, kein Text. Man sagt ungelaufen zu solchen Karten. Dann hab ich
erst realisiert, was das war. Eine Aufnahme des Kinderheimes Goltermann in
Nieblum auf der Insel Föhr. Mir lief es in dem Moment richtig kalt den
Rücken runter. An DAS hab ich schon sehr sehr lange nicht mehr gedacht. Mit
Erfolg in die letzte Gedächtnisschublade gesteckt. Woher mein Vater diese
ungelaufene (!) Karte hatte ...?

An das Gebäude erinnere ich mich nicht mehr. Nur an den Namen.
Ich habe dort sechs sehr schlimme Wochen meines Lebens verbracht. Als
Verschickungskind.

Einschub.
Ich war in meiner Kindheit zwischen dem 5. und ca. 14. Lebensjahr ein
Drittel der Zeit krank. Hatte fortwährend Husten und chronische Bronchitis.
Auch das Entfernen der Mandeln brachte keine Besserung. Auf die Idee, mal
das Wohnumfeld zu untersuchen, kam damals niemand. Aber das nur am Rande.
So kam wohl der Hausarzt (das vermute ich jetzt) auf die Idee, mich an die
Nordsee verschicken zu lassen. Das kann nichts gekostet haben, sonst hätten
sich meine Eltern darauf nicht eingelassen. Mein Vater war damals über die
DAK krankenversichert. Das weiss ich definitiv. Demzufolge hat das wohl die
DAK bezahlt.

Nun denn. Ich habe an die Zeit und das Heim nur ganz wenig Erinnerungen.
Aber die paar Erinnerungsfetzen, ich bezeichne das jetzt mal so, haben es in
sich.
Von der Hinfahrt nach Föhr habe ich nur ein paar Erinnerungsbilder. Von der
Bahnfahrt weiss ich nichts mehr. Es muss sich um eine Nachtfahrt gehandelt
haben. Denn die wenigen Bilder im Kopf sind von dem Schiff, mit dem wir nach
Föhr fuhren. Es war hell. Und ich saß in einem Raum mit anderen Kindern und
hatte einen Blick durch die Fenster auf Leute an der Reling, die sich
ausk........ Es kam jemand rein und sagte, wem es schlecht wird, soll raus
gehen. Wir hatten richtig Wellengang. Daran erinnere ich mich genau. Mir
wurde es nicht schlecht. Ich bin gegen sowas bis heute vollkommen
unempfindlich. Das war es mit den ersten Erinnerungen. Wie ich zum Heim kam,
kann ich nicht sagen. Ab hier ist ein großes schwarzes Loch in meinen
Erinnerungen.

Details
Einzelerinnerungen habe ich. Einzelne Bilder, 1-2 sekündige Filmchen könnte
man sagen. Vom Essen weiss ich fast nichts. Bis auf diesen unsäglichen
Pampf, der aussah wie aufgeweichte Rauhfasertapete und auch so schmeckte.
Ich hab ihn runtergeschaufelt. Hatte da schon schlimmeres Essen erlebt. An
Vorkommnisse währed der Essen kann ich mich nicht erinnern. Alles weg.
Zu ein paar wenigen Erinnerungen: Einmal hatten wir Besuch von einem
Zauberer, der im Essenssaal seine Vorführung machte. Er war unsäglich
schlecht. Ich als 9-jähriger sah jeden blöden Trick. Nun ja, der durfte
wohl nichts kosten. Ein zweites Vorkommnis hat sich dafür bis heute in mein
Gedächtnis regelrecht eingebrannt. Während des Essens rannte plötzlich eine
der Aufpasserinnen herein. Ich habe sofort gewußt, es ist etwas passiert.
Etwas schlimmes. Die Aufpasserinnen standen zusammen und machten erschreckte
Gesichter und schlugen die Hände vors Gesicht. Ich schnappte dann ein paar
Worte auf. Kennedy, ermordet, erschossen .....
Daher weiss ich heute, es war der November 1963. Und Kennedy war mir als
9-jähriger durchaus ein Begriff. Ich hatte im Jahr vorher erlebt, wie meine
Eltern in der Wohnung rumgerannt sind und der Fernseher lief. Kennedy,
Kubakrise. Ich hab das miterlebt.
Eine weitere Erinnerung sind die Prügel, die ich im Bett bekommen habe, weil
ich nicht schlafen wollte oder konnte. Eine der KZ-Damen, ich nenne die
jetzt mal so, drehte mich auf den Bauch, zog mir die Hose runter und schlug mir
auf den nackten Hintern. Mit was, weiss ich nicht mehr. Das kam öfter vor.
Ich hab das aber wegsteckt, da ich Prügel gewohnt war. Das ist aber eine
andere Geschichte.
Nun eine Sache, die ich auch nie vergessen werde. Es war Nacht. Und ich
wachte auf. Und stehe in einem Raum, der mir vollkommen unbekannt war. Ende
der Erinnerung. Man hat mir später gesagt, dass ich wohl schlafgewandelt
war. Über Folgen oder Konsequenzen weiss ich nichts mehr. Aber das hat sich
bis auf den heutigen Tag ausgewirkt. So manches Mal, wenn ich am aufwachen
bin, so die ersten Sekunden, noch im Halbschlaf, frage ich mich, wo bin ich.
Die Angst, nicht zu wissen, wo ich bin, ist bis heute da.
Eine weitere Erinnerung, die sich gehalten hat, ist eine ärztliche
'Behandlung'. Ich stehe mit anderen Kindern in einer Reihe und wir werden von
einem Weißkittel gespritzt. Keine Ahnung wofür oder wogegen. Ich weiss nicht
mal, ob in den Po oder Arm. Ende der Erinnerung. An Medikamente erinnere ich
mich auch nicht.
Eine schwache Erinnerung an außerhalb des Hauses. Wir waren bei schlechtem
Wetter, es regnete, es war windig und einfach nur unangenehm, am Strand
unterwegs. Da waren Abruchkanten am Ufer. Und ich machte mir den Spass, an
einer dieser Kanten runter zu springen. War ja alles Sand. Ich erinnere mich
nur noch an das Geschrei der KZ-Damen. Da hatte ich wohl Schnappatmung
ausgelöst. Ende der Erinnerung. Aber bis zum heutigen Tage interessiert mich
das Meer nicht wirklich. Ein kurzer Aufenthalt vielleicht. Aber dann ist es
auch schon gut. Und auf Inseln fühle ich mich eingesperrt. Bis heute.

Dann wurde ich krank. Mumps. Ich lag alleine in einem Raum. Schmerzen. Dicker
Hals, Fieber. Mehr weiss ich nicht. Wie die Versorgeung war, keine
Erinnerung. In diesem Zustand trat ich die Rückreise an. Daran habe ich
absolut keine Erinnerung. Nur der Moment, an dem ich am Bahnhof von meinem
Vater abgeholt wurde, ist als Bild im Gedächtnis noch da.

Ich habe wohl mit großem Erfolg die Vorkommnisse im Kinderheim Goltermann in
einer Gedächtnis-Schublade verstaut. Und ich weiss nicht, ob es mir gut tut,
das alles wieder hervor zu kramen.
Aber eine Erkenntnis habe ich: Dank der Recherche im Internet ausgehend von
der Postkarte weiss ich heute, dass ich nicht alleine bin. Ich habe all das
jetzt erst meiner Lebenspartnerin erzählt. Niemand sonst weiss davon. Wer
hätte das einem schon geglaubt.
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Hannah Berger (damals Hannah Weller) aus Ulm schrieb am 28.05.2024
Ich kam mit 8 Jahren für sechs Wochen in das Kinder-"Erholungs"-Heim Haffkrug. Von Erholung konnte keine Rede sein, es war schlichtweg Misshandlung.
Der Fraß war ungenießbar, doch selbst wenn man sich von dem undefinierbaren Zeug übergeben musste, musste auch das Erbrochene aufgegessen werden! Erst wenn der Teller leer war, durfte man aufstehen, selbst wenn man von Mittag bis zum Abend vor dem Teller saß.
Den Strand haben wir nie zu Gesicht bekommen, stattdessen gab es ewig lange Wanderungen in den Forst. Wenn man sich während der Mittagsruhe bewege, bekam man die Hände seitlich am Bettgestell festgebunden. Das gleiche war auch nachts. Auf die Toilette gehen war unmöglich und ohnehin verboten.
Für jede kleinste Unartigkeit bekam man Ohrfeigen, einige Kinder wurden sogar mit einem Kleiderbügel geschlagen.
Besonders schlimm war "Tante" Rita. Weil ich und zwei weitere Kinder nicht schnell genug gegessen hatten, ließ uns diese Tante vor einem Ausflug in den Hansa-Park (der hieß damals noch Hansaland) nicht zur Toilette gehen. Während der einstündigen Wanderung zum Hansaland blieb uns dann nichts anderes übrig als in die Hose zu machen.
Auch im Heim musste ich während der 6 Wochen öfters einnässen, da man nur 3 mal am Tag auf die Toilette durfte!
Es war die schlimmste Zeit meiner Kindheit. Ich hätte mir gewünscht das die Monster für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Aber leider schützt man noch immer die Täter, von denen heute sicher noch einige leben.
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Annette aus Leipzig schrieb am 20.05.2024
Ich war 1,7 Jahre alt. Meine Mutter musste ins Krankenhaus, weil sie meine Schwester zu früh erwartete. Also war ich von Anfang Dezember bis Mitte Januar in dieser Einrichtung.
Ich war noch sehr klein und doch erinnere ich mich heute noch an Szenen, die einfach nur schrecklich waren. Oft fragte ich meine Mutter, wann das war, aber sie glaubte mir nicht und meinte, ich hab mir alles nur eingebildet.
Ich litt viele Jahre unter Panikattacken, wenn ich Vanillepudding, Florenacreme und Chlor roch.
Wie gesagt, ich war noch sehr klein.
Meine Erinnerungen:
Der große Schlafsaal, mit ca 12 Betten, auf jedem Bett lag ein Schlafanzug. Die Tante sagte, dass jetzt jeder zu seinem Bett mit seinem Schlafanzug geht. Gleich vorn war mein Schlafanzug und ich versuchte irgendwie in das Bett zu kommen. Was mir nicht gelang und so würde ich sehr laut schimpfend und genervt auf das Bett geworfen.
Das war mein erster Schreck.
Ich war ohnehin die ganze Zeit am Weinen.
Mein Teddy lag auf einem anderen Bett und ich wollte ihn unbedingt haben. Ich weiß nicht, wie viele Stunden des schluchzen und rotzen ich schon hinter mir hatte. Und jetzt nahmen sie mir meinen Teddy weg. Das einzige Spielzeug,was ich besaß. Wie eiskalt muss ein Mensch sein. Eine andere Tante brachte ihn mir dann, als ich. Schon eingeschlafen war.
Ich war ein wirklich braves Kind. Essen habe ich sicher immer gegessen, denn bei uns Zuhause gab es selten was. Ich war sehr sehr dünn. (Erzählungen meiner ältesten Schwester)

Der nächste Schock war, ich hatte eingemacht und die böse Tante hatte das gesehen und mich am Arm durch den langen Flur, in den Keller gezerrt. Dort hat sie mir die nasse Strumpfhose und Unterhose, brutal vom Leib gerissen. Sie brüllte mich an. Ich kann nicht wiedergeben was. Mir war sehr kalt da unten und sie ließ mich ewig da unten stehen.
Dann kam sie wieder und nahm die nasse Strumpfhose und drückte sie mir ins Gesicht. Dann tauchte sie die Hose in einen Eimer, in dem Wasser und vermutlich Chlorix war und klatschte mir die nasse Hose um die Ohren.
Ich weinte und zitterte am ganzen Körper.

Als nächstes erinnere ich mich an einen Weihnachtsmann der mich mit einem umgedrehten Stock, am Hals packte und zu sich zog. Ich saß mit den kleinen ganz vorn. Ich hatte panische Angst.

Und weiter erinnere ich mich daran, dass wir sehr oft durch den Schnee liefen. Mit einer Laterne in der Hand. Auch hier sehe ich mich weinend und vor Kälte zitternd. Ich weiß nicht, wo ich da hin musste und warum. Ich war nicht alleine. Es waren mehrere kleine Kinder.

Ich wurde oft geschlagen, weil ich hingefallen bin oder mir was herunter fiel.
An was ich mich noch erinnern kann ist Pudding Suppe. Die gab es immer im Wechsel mit Müsli.
I
Ich habe, wie alle hier, ein massives Trennungstrauma erfahren, so dass ich immer, nur bei dem kleinsten Anschein einer Trennung vom meiner Mutter durchgedreht bin. Darauf hin hat man mich sehr gerne auch noch in Ferienlager gesteckt, wo das ganze Drama seinen Lauf nahm.

Ich leide bis heute unter schweren Depressionen und Angstzuständen.
Auch wenn ich schon einiges verarbeiten konnte.
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Antje Achatz aus Kronach schrieb am 19.05.2024
Hallo. Mein Mädchenname ist Antje van Rems. Ich bin geboren am 25.09.1971 in Schmölln bei Altenburg. Irgendwann im Vorschulalter war ich in Annaberg Buchholz zu einer Erholungskur. Ich war ein sehr schlechter Esser und viel zu dünn und blass; schon als Säugling hatte ich Probleme mit der Ernährung. Könnt ihr rausfinden wann genau ich dort war? Bzw kennt ihr einen Weg, wie ich es herausfinden könnte? Seit Jahren ist diese Frage in meinem Kopf. Es würde evtl einiges erklären. Mein Vater ist bereits verstorben und meine Mutter kann oder will sich nicht erinnern. Es wäre schön, wenn ihr mir helfen könntet, diese Ungewissheit zu beenden. Vlg Antje Achatz
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Sibylle Schmidt aus Nordheim schrieb am 17.05.2024
Ich ( damals 10 Jahre alt) wurde, auf Empfehlung des Gesundheitsamtes, wegen meines geringeren Gewichts in das "Erholungsheim" Bergheim Rechtis in Weitnau (vermutlich 6 Wochen, bin mir nicht mehr ganz sicher) geschickt. Es war bevor ich in die 5. Klasse der weiterführenden Schule kam, daher fing ich 2 Wochen später in der Schule an, weil ich noch im Heim war.
Ich weiß noch, dass mich meine Tante damals zum Bahnhof gebracht hat und ich alleine in den Zug stieg und nicht wusste wohin ich eigentlich fuhr. Ich kann mich nicht mehr an die Fahrt sowie an die Ankunft am Bahnhof sowie an die Ankunft im Heim erinnern. Vom Heimaufenthalt selbst habe ich auch nur einige Bruchstücke im Gedächtnis, aber ich spür da ist noch einiges tief vergraben in mir.
Dass es zum Frühstück warmen Pudding gab, an das kann ich mich noch erinnern. Ich glaube, das war das einzige was ich dort zum essen mochte. Bei den anderen Essen konnte ich den Teller wohl öfters nicht leeressen, ich kann mich noch erinnern, dass ich dann immer solange sitzen bleiben musste, bis der Teller leer war. Ob ich das verdränge oder nicht mehr weiß, aber ich meine mich, zumindest an eine "Fütterung" durch das Personal erinnern zu können, weil ich eigentlich nichts mehr essen wollte.
Bei uns war damals der Mittagschlaf Pflicht. Man musste ganz ruhig sein, durfte auch nicht lesen. Die einzige Ausnahme war, wenn man Reste vom Essen oder sonst. Bioabfall mit einem Leiterwagen zu einem Bauernhof brachte, es waren dann, glaube ich 3 oder 4 Kinder (welche Kinder und warum diese ausgesucht wurden, weiß ich nicht). Dann war man vom Mittagschlaf befreit (ich habe diese Zeit als eine der wenigen, wenn nicht sogar einzigen, schönen "freien" Zeit in Erinnerung). Es war zwar eine körperliche Arbeit, aber, ich meine, wir durften alleine gehen und DAS zählte.
Dann hatte ich ja furchtbares Heimweh, aber telefonieren war nicht erlaubt. Meine Mutter erzählte mir später mal, sie habe angerufen, aber die "Schwestern" oder "Tanten" wehrten den Anruf mit irgendwelchen Gründen ab. Wenn ich fragte, ob jemand angerufen hätte, wurde verneint. Ich dachte, meine Eltern wollen nichts mehr von mir wissen. Ich schrieb nach Hause, jedoch wurde jeder Brief und jede Postkarte von den "Tanten" gelesen und bei Nichtgefallen vernichtet. Dann wurde einem diktiert, was man schreiben sollte - natürlich nur "Gutes".
Für mich war und ist die damalige "Trennung" von zuhause ein tief einschneidendes Erlebnis. Jetzt wird mir erst bewusst, dass dies wohl der Grund war, weswegen ich später in der Schule zu keiner Klassenfahrt mit wollte. Ich ging dann während dieser Zeit in eine andere Klasse an der Schule.
Ich kann mich an Vieles momentan immer noch nicht erinnern, weiß aber, da ist immer noch Einiges in mir vorhanden.
Dieser Aufenthalt hat in meiner Kindheit vieles zerstört. Ich sprach wohl nicht viel als ich wieder nach hause kam, wurde dann ein (aus meiner jetzigen Sicht) teilweise etwas schwieriges Kind, bockig und herausfordernd und gleichzeitig habe ich immer versucht (vor allem bei meiner Mutter) ein "gutes" Kind zu sein. Ich (geb.1966) habe noch zwei Schwestern (geb. 1964 und 1967), die beide nicht in ein Heim mussten und ich mich deswegen von meinen Eltern (vor allem meiner Mutter) nicht genügend geliebt fühlte. Das führte immer mal wieder zu Spannungen.
Zum Ende des Heimaufenthaltes hatte ich wohl gerade mal 1 kg zugenommen. Ich war über die ganze Schulzeit immer ein "dünnes" Mädchen und habe auch noch heute eher zu wenig Kilos auf der Waage. Mein Stoffwechsel ist wohl sehr schnell.

Ich habe erst jetzt mit meiner Mutter darüber gesprochen und sie wusste das alles gar nicht. Warum ich nichts erzählt hätte?
Ich habe damals nie mit meinen Eltern darüber gesprochen, was im Heim vorgefallen ist. Ich war so wütend und traurig zugleich und damals dachte ich wirklich, meine Eltern wollten mich nicht mehr.
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Edmund Janz schrieb am 07.05.2024
Ich bin 1964 in Ludwigshafen geboren. Da ich angeblich noch nicht Reif genug für die Schule war ,wurde ich ein Jahr zurück gestellt und in Kur geschickt. Ich war stark Untergewichtig. Über die Post Führsorge fuhr ich mit der Bahn in Begleitung der damaligen Sozialbetreuerin der Post . Wohin weis ich nicht mehr. Es war wohl ein Katholisches Heim weil dort nur Nonnen waren.
Mussten alles Essen was auf den Tisch kam...Blutwurst und Hagebuttentee..Gegenüber saß ein Junge am Tisch der Löffelte eine Suppe oder Brei hastig hinein. Dann fing er an zu Würgen und Kotze alles zurück in den Teller. Darauf hin musste ich es auch. Dann kam ich auf die Krankenstation wo ich meherere Tage lag. Dann kam ein Brief von meiner Stiefmutter und Vater, dass ich eine Schwester bekommen hatte am 26.02.1971 . Ich konnte nicht lesen , wurde mir vor gelesen und ein Bild war dabei vom Baby.
Mitrags mussten wir immer Mitrags schlafen. An der Decke waren viele Ovale Löcher. Wir waren oft im Spielzimmer aber kaum draußen im Schnee.
1669 hatten wir einen Autounfall wo wir alle , meine Familie zu siebt im Auto die Böschung runter Stürzten. Dabei stab meine Mutter. 1970 Heiratete mein Vater wieder uns 1971 wurde meine Schwester Geboren .
Vieleicht weiss jemand was von dem Heim , wo ws war.
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Matthias Ebert aus Weiterstadt schrieb am 06.05.2024
Krauchenwies Verschickung Brüder Ebert
Matthias 5.12.1959: ca. Februar 66 – März/April 66, 6 Wochen, Alter 6
Gebhard 8.5.1965 15.3.71- 24.4.1971, Alter 5
Gerold 10.6.1966 15.3.71-24.4.1971, Alter 4
Gebhard:

Der Arzt meiner Mutter hatte Ihr eine Kur verschrieben die von ca. 16.3. – 8.4. 1071 ging. Meine Eltern beschlossen mich und meinen jüngeren Bruder Gerold für 6 Wochen in das Kinderverschickungsheim Krauchenwies für Erholung und Erziehung zu geben. Das war ca. vom 15.3. – 24.4.1971.
Es war sehr viel emotionaler Stress von unserer Mutter so abrupt getrennt zu werden, von unserem Vater zum Bahnhof gefahren zu werden, um dann von 2 älteren Damen von der Caritas zur Betreuung auf die Zugfahrt nach Krauchenwies abgegeben zu werden.
In Krauchenwies angekommen wurden wir in der Eingangshalle von Schönstatter Mariennonnen empfangen. Ich habe sehr geweint und mich an meinen kleinen Plueschhasen geklammertWir wurden in Gruppen eingeteilt und Schwester Rachild übernahm unsere Gruppe. Wir mussten in zweier Reihen Ihr folgen und Sie führte uns in den Schlafraum mit ca. 10 – 12 Betten., weiß gestrichen, weiße Metallbetten und ein Hocker, neben jedem Bett wo wir unsere Kleider zusammenlegen mussten, wenn wir abends in das Bett gingen.
Am ersten Morgen waren wir in dem Spielzimmer mit einer, ich vermute, weltlichen Pflegerin, die netter war als die Nonnen. Sie schlug Kinder nie. Wir saßen am Tisch für ein Spiel und mir wurde schlecht. Ich war sehr verunsichert und wusste nicht was machen. Ich fragte, ob ich auf das Klo darf, und Sie erlaubte das. Ich saß auf einer Eckbank und musste mich über mehrere Kinder hindurchzwängen. Beim letzten Kind, ein Junge, erbrach ich mich und traf Ihn am Ärmel. Chaos brach aus. Schwester Rachild kam und packte mich am Oberarm und zehrte mich raus auf den Gang. Gleichzeitig zum Erbrechen hatte ich auch noch Durchfall in die Hose rein. Schwester Rachild baute sich vor mir auf und fragte streng, wieso ich das gemacht habe (an den Arm des Jungen zu erbrechen). Ich war völlig verunsichert und stammelte, dass mir schlecht ist/war. Diese Antwort war für Sie nicht befriedigend und Sie gab mir eine schallende Ohrfeige auf die rechte Backe, so stark, dass ich umfiel. Sie schrie mich an aufzustehen. Gleiche Frage, stammelnde Antwort, Ohrfeige links und wieder umgefallen. Aufstehen, Ohrfeige, umfallen, rechts, links, rechts, links … Ich schätze es war drei Mal auf jede Backe. Ich war völlig weg und kam wieder zu mir, auf dem Boden und musste den Boden putzen, ich vermute, ich hatte nochmal erbrochen. Dann schnappte Sie mich und es ging auf das Klo im Gang, wo auch eine Dusche war. Ich musste mich ausziehen und wurde eiskalt abgeduscht, und mich waschen, da ich ja auch in die Hose gemacht hatte. Dann musste ich nackt und nass im kalten Badezimmer stehen bleiben, bis Rachild zurück kam mit einem Handtuch und frischen Kleidern. Nachdem ich wieder angezogen war, musste ich den Boden des Badezimmers auch noch putzen. Danach musste ich bis Mitte des Nachmittags im Bett bleiben. Ich bekam nichts zu Esse, etwas Tee zum Trinken.
Als Kind war ich Bettnässer. Meine Eltern hatten wohl diese Information den Schwestern mitgeteilt und ich wurde nachts manchmal aufgeweckt, um auf das Klo zu gehen. Einmal wurde ich aufgeweckt und ich hatte schon in das Bett gemacht. Ich bin mir sicher es war Schwester Rachhild die Nachtwache hielt. Sie zehrte ich aus dem Bett und fragte wieder einmal, wieso ich in das Bett gemacht hätte. Ich war so müde und bevor ich überhaupt antworten konnte, hat Sie mir eine von Ihren gefürchteten Ohrfeigen ausgeteilt. Ich musste mich nackt ausziehen und neben dem Bett stehen bleiben. Sie zog das Bett ab und ging weg. Ich musste warten, bis Sie wieder zurückkam und das ging eine Weile. Es ist sehr schwer zu sagen, wie lange ich warten musste, da ich so müde war und immer fast im Stehen einschlief, doch aus Angst hatte ich mich nicht getraut hinzusitzen. Ich wartete vielleicht 20 – 30 Minuten. Sie kam zurück, bezog das Bett und ich konnte wieder weiterschlafen, doch erst bekam ich noch eine Strafpredigt, dass man sowas nicht macht, wieso ich das überhaupt machen würde. Ich war völlig überfordert …
Wir mussten immer Mittagsruhe halten von 13:00 bis 15:00 Uhr. Wir mussten die Augen geschlossen halten und durften nicht reden, sonst gab es einen Anschiss oder auch Ohrfeigen. Mein Bett war neben meinem Bruder Gerold und wir haben miteinander geredet während einer Mittagsruhe. Da kam Schwester Rachild rein schrie meinen Bruder, dass er neben das Bett stehen soll. Sie gab Ihm eine starke Ohrfeige und seine Brille flog über das Zimmer. Ich war so besorgt, dass ich weinte und mit meinen Füßen auf der Stelle trampelte und wollte Ihm helfen die Brille zu finden. Rachhild schrie mich an Ihm nicht zu helfen und dann sehe ich alles wie in Zeitlupe. Gerold auf Händen und Füßen sucht nach seiner Brille, er war ohne Brille sehr eingeschränkt, er fand seine Brille und logischerweise setzte Sie gleich auf. Schwester Rachild befahl Ihm wieder neben das Bett zu stehen und die Brille abzunehmen. Gleich darauf wurde er nun wieder geschlagen, auf die andere Backe.
Am Ende vom Gang, wo die Schlafsäle waren, war das Spielzimmer. Ein paar Türen davor war ein Zimmer mit einem Fenster drin, weiß gestrichen und wenn ich mich richtig erinnere nichts drin. In dem Zimmer wurden Kinder zur Strafe eingesperrt.
Im Spielzimmer war auch ein Junge, ca. 3 – Jahre älter als ich und er war voller Energie und ärgerte Kinder manchmal oder räumte nicht auf, etc. Er musste sich in die Mitte des Zimmers stellen und wurde dann geschlagen. Manchmal wurde er, als Bestrafung, in das Zimmer im Gang gesteckt. Manchmal mussten Kinder auch in die Ecke stehen.
Im Gang zum Spielzimmer war ein Einbauschrank mit den Schuhen für die Kinder. Dort mussten wir unseren Schuhen ordentlich i das Regal stellen. Eines Tages ging es raus und wir mussten unsere Schuhe holen, das Licht in dem Einbauschrank ging aus und Panik brach aus unter den Kindern. Die Schwester schrie uns an, ich vermute es war Rachhild, das nützte jedoch wenig, da nahm Sie eine Besenstange und schlug einfach auf die zusammengedrängten Kinder, die nach Schuhen suchten, ein. Auf den Rücken, Arme, Schultern und auf den Kopf. Kinder weinten, hielten sich die aufgezählten Körperteile. Einige Kinder bluteten am Kopf, so auch ich. Ich hatte so Angst, dass ich nichts sagte, um nicht noch mehr in Schwierigkeiten zu kommen. Soweit ich mich erinnern kann, sagten die anderen Kinder auch nichts.
Wir waren über Ostern in Krauchenwies. Am Ostersonntag bekam jedes Kind ein Körbchen mit Schokoladeneiern, typischen Oster Süßigkeiten. Wir durften nach jedem Essen eine Süßigkeit aus dem Körbchen herausnehmen. Als wir am Ostersonntag, nach dem Mittagessen wieder zu unserm Körbchen gingen, war fast die Hälfte von den Süßigkeiten verschwunden. Alle Kinder fragten, waren enttäuscht und die Schwestern säuselten uns einen vor, dass wir uns nicht richtig erinnern oder falsch gezählt hätten. Die Oster Süßigkeiten wurden uns von den Schwestern weggenommen, um sie selbst zu genießen. Es ging nichtmale eine Woche da war alles weg.
Wenn man nicht alles essen konnte, was einem auf den Teller gegeben wurde, musste man sitzen bleiben, bis man es gegessen hatte. Manchmal mussten Kinder den Teller mitnehmen, wenn man aus dem Speisesaal ging, bis Sie alles aufaßen, oder der Teller mit den Resten wurde Ihnen wieder gegeben z. B. zum Abendessen oder Frühstück. Ich hatte wahnsinnige Angst nicht zu viel auf dem Teller zu haben, um immer alles aufessen zu können.
Da war ein Mädchen, die ich immer nur im Speisesaal sah, zum Mittagessen und Abendessen. Ich schätze Sie war vielleicht so um die 13/14 Jahre alte. Sie kam immer etwas später zum Mittagessen und ich habe mitbekommen, dass Sie auf die Schule ging außerhalb des Heimes. Sie wurde oft angeschrien, wieso Sie zu spät sei. Sie hatte oft Magenschmerzen und musste sitzen bleiben, bis Sie alles aufaß. Ein Tag hat sich besonders in mein Gedächtnis eingeprägt. Das Mädchen wollte nicht essen, da kamen drei Schwestern, eine davon Schwester Ursula. 2 Schwestern packten das Mädchen links und rechts und hielten Ihren Kopf fest. Schwester Ursula hielt dem Mädchen die Nase zu, bis Sie nach Luft schnappte und stopfte Ihr das Essen in den Mund. Das Mädchen wehrte sich spuckte einen Teil das Essen raus daraufhin wurde Sie angeschrien und die zwei Schwestern, die Sie hielten, schnappten Sie und zerrten Sie weg und wurde von Ihnen abgeführt, vermutlich weggesperrt. Ich war völlig geschockt und bestürzt. Dieses Mädchen hatte auch einige Schläge einkassiert, an anderen Tagen, an denen Sie nicht essen wollte.

Ergänzungen Gerold:
Bei der Ankunft mussten wir uns aufstellen bevor es ins Gebäude ging. Ich hielt meinen Bruder Gebhard an der Hand. Eine Schwester schlug uns die Hände von oben auseinander. Ich hatte völlige Panik von meinem Bruder getrennt zu werden.
Als es meinem Bruder schlecht ging und er erbrechen musste durfte ich nicht zu ihm um ihm zu helfen und mir wurde befohlen auf meinem Platz zu bleiben. Ich meine irgendwann durfte ich ihm einen Eimer ans Bett bringen. Sprechen durften wir nicht miteinander.
Es gab einmal zum Mittagessen Hackbraten als Leberknödel mit einem hartgekochten Ei in der Knödelmitte. Ich konnte das nicht essen, es hat mich gewürgt. Wie Gebhard schon beschrieben hatte musste ich sitzen bleiben. Nach über einer Stunde, ich konnte einfach nicht, musste ich das Essen abräumen und bekam es am Abend erneut vorgesetzt und am kommenden Morgen nochmals. Mit dreimal hatte ich das Essen kalt dann aufgegessen.
Das mit den Ostereiern war völlig verwirrend. Die Osterkörbchen der in der waren auf einer Art Staffelregal gestanden und die Freude auf eine Süßigkeit nach dem Essen war anfangs groß. Ich glaube wir durften zweimal etwas aus dem Körbchen nehmen, es war eine völlige Enttäuschung.
Nachts durfte man nicht auf die Toilette gehen. Im Gang saß eine Schwester an einem Tisch. Wenn ich es nicht mehr aushielt, habe ich mich an die Türe geschlichen und mich am Korridorschrank cm für cm vorgeschlichen zu der Toilette um zu pinkeln. Dabei hatte ich solche Angst Geräusche zu machen. Ich glaube vom Bett zur Toilette und zurück habe ich eine halbe Stunde gebraucht.
Die Toiletten warn teils offen und man saß sich gegenüber. Ich konnte wegen Scham fast nie richtig das große Geschäft erledigen. Eines Tages ging es nicht. Nachts habe ich dann im Bett gelegen und musst dringend. Ich konnte es nicht mehr zurückhalten und es hat mich geschmerzt es zurückzuhalten. Da man nicht auf die Toilette durfte und ich auch wegen der Geräusche viel zu viel Angst hatte, ging das Geschäft in die Hose. Aus Angst habe ich das tagelang beim Bett machen unter die Decke gelegt. Als es nach Tagen angetrocknet war habe ich teilweise den Kot in der Toilette entsorgt. Einmal in der Woche wurden die Betten kontrolliert. Der verschmierte Schlafanzug wurde entdeckt, ich geohrfeigt und ich musste meinen Schrank im Flur zeigen. Es wurde alles rausgerissen und ich musste ihn wieder sauber einräumen. Danach musste ich vor dem Schrank stehen bleiben, wie lange weiß ich nicht mehr.
An das Zimmer ohne Möbel, in dem Kinder zur Strafe eingesperrt wurden, kann ich mich auch erinnern.
Ich meine ich hatte so geheult als wir endlich wieder in Lörrach waren. Die Mutter war ziemlich verstört, ich hatte mich so an sie geklammert bei der Ankunft. Was wir erzählt haben wurde uns nicht geglaubt. Trost gab es keinen. Das hat die ganze Sache noch abgerundet.

Ergänzungen Matthias:

Die Mitteilung ca. Jan 66, dass ich verschickt werden sollte hat Angst ausgelöst und das Gefühl nicht erwünscht zu sein, im Weg zu sein hervorgerufen. Der Boden unter den Füssen wurde mir weggerissen. Ich habe es überhaupt nicht verstanden. Sehr traumatisch.
Meine Proteste dagegen wurden vehement und fast wütend zurückgewiesen. Die Begründung war, dass ich die Erholung bräuchte und es mir gut tun würde. Doch warum, ich fühlte mich ja nicht unwohl oder schlecht ernährt oder was auch immer.

Das Gefühl das Ausgestoßenseins des nicht gewünscht zu sein, war äußerst mächtig.
Ich sollte einfach weg. Dieses Trauma hat mich leider bis heute auf verschiedene Weise geprägt.

Heute weiß ich, dass unsere Eltern mit der anstehenden Geburt des vierten Kindes (Gerold) wohl völlig überfordert waren, insbesondere unsere Mutter. Das vierte Kind ein Jahr nach dem dritten Kind (Gebhard). Durchaus verständlich.
Allerdings keine Entschuldigung für ihr Verhalten und das Verschicken.

Bin mir auch sicher, dass sie der Meinung waren, dass diese knallharte katholische Erziehung bei den Nonnen sehr gut für mich wäre.

An viele Details kann ich mich, im Gegensatz zu meinen Brüdern, nicht mehr erinnern.
Bin mir sicher, dass ich diese verdrängt habe und versucht habe möglichst unter dem Radar der Schwestern irgendwie durchzukommen.

Schlechtes Wetter, Schneefall, Kälte und eine lange Zugfahrt mit ein zwei weiteren Kindern. An die Begleitung kann ich mich nicht mehr erinnern.
Bei der Ankunft in Reihe stehen in der Kälte.

Sonntags nach dem Mittagessen wurde der Fernseher angeschaltet. Da kann ich mich noch an einen Western erinnern, der mich völlig verstört hat und mich vor dem Einschlafen noch tagelang geängstigt hat. Ich kannte Fernsehen bis dahin überhaupt nicht. Den Nonnen war es wohl egal was da lief. Die waren im Raum nebenan. Kindgerecht war der Film sicher nicht.
Die Nächte im Schlafsaal waren sehr traumatisch. Einem Jungen, der sich immer wieder eingenässt hatte wurde übel mitgespielt. Wie genau, auch das habe ich verdrängt.
Ich selbst hatte Angst nachts auf Toilette zu müssen.
Doch irgendwann habe ich herausgefunden mich an die Tür zu schleichen und wenn die Nonne schlief vorbei zu huschen. Der Toilettengang hat gedauert und war sehr stressig.

Hin und wieder war auch eine junge Frau möglicherweise eine Praktikantin als Nachtwache da. Die war sehr freundlich und warmherzig und hat mich in die Arme genommen. Sie hat Verständnis gehabt und hat mir das Gefühl von Wärme und Angenommensein vermittelt. Das gab es die ganzen sechs Wochen sonst nicht.
Alles war sehr streng und extrem gefühlskalt.

Wie gesagt an vieles kann ich mich nicht mehr erinnern.

Als ich nach Hause zurückkam war ich sehr froh. Aber auch hier kann ich mich an nichts mehr genau erinnern.
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Hans-Joachim Ritter aus Homburg schrieb am 04.05.2024
Ich arbeite gerade an einem Bericht über dieses Haus und seine Verganenheit auch als Hotel und was heute daraus wurde.
Ihre düsteren Erlebnisse dort tun mir in der Seele weh! Wäre es möglich mit Fotos von damals zu überlassen?
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Heinz Werner Görgens aus Rösrath schrieb am 02.05.2024
Bin 1942 geboren,am denkwürdigem 20.Juli 1944 starb meine Mutter,ich wuchs danach bei meinen Großeltern auf.Nach dem Krieg wurde ich mehrmals zur „ Erholung“ verschickt.Was ich 1950 in Unna- Königsborn,ein von der evangelischen Kirche geleitetet Kindererholungsheim erlebte, ging mir nie wieder aus dem Kopf.Besonders schlimme Ereignisse mit dem Essen,ich mochte keine Möhren,wenn ich diese essen mußte,kamen sie umgehend durch Erbrechen wieder raus,ich mußte das Erbrochene wieder essen,wieder dieselbe Reaktion und dann hörte man auf,bis es wieder Möhren gab.Wir machten Liegekuren und wenn ich dabei zur Toilette mußte wurde das abgelehnt.Man machte sich in die Hose und wurde dann zum Gespött den anderen Kindern vorgeführt,auch viele unter diesen traf es ebenfalls.Bekam man ein Päckchen von zu Hause,wurde der Inhalt von den „ Pflegerinnen eingenommen,man bekam etwas davon,der Rest wurde irgendwie verteilt.Dieses Heim war das schlimmste was ich bei insgesamt bei solchen Einrichtungen erlebt habe und das über 12 Wochen.Das Gegenstück war das Erholungsheim in Langenhorst bei Ochtrup,wurde von kath.Nonnen geleitet und in den insgesamt. 26 Wochen in 2 Zeiträumen,war fast nur absolute Zufriedenheit bei allen Kindern.Diese Nonnen war einfach Super !
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Stefan Schweitzer aus Quierschied schrieb am 01.05.2024
Mein Name ist Stefan. Ich bin Jahrgang 1962 und war Ende 1968 in Haffkrug im Haus Marion zum Kinderkurgang, wie es im offiziellen Schreiben der Barmer Ersatzkasse hieß. Ich litt damals unter einer ständigen Bronchitis, weshalb man dachte, dass diese Kur mir gut täte.
Während der Kur herrschte ein strenger Umgangston seitens der Verantwortlichen. Auch das Essen und die Essensvorschriften habe ich in keiner guten Erinnerung.
Besonders unangenehm war jedoch die Fixierung auf den Schlaf.
Wer beim Mittagsschlaf nicht schlief, musste aufstehen und vor dem Eingang des Schlafsaals im Stillstand bis zum offiziellen Ende des Mittagsschlafes verharren. Zusätzlich bekam man bei der nächsten Mahlzeit nichts zu essen. Dies störte mich jedoch nicht, da das Essen sowieso nicht schmeckte.
Noch schlimmer war es aber, wenn man abends nicht rechtzeitig einschlief. Wer beim Kontrollgang noch nicht schlief, bekam mit einem Pantoffel Schläge auf den nackten Po. Wir versuchten daher uns beim Kontrollgang schlafend zu stellen, falls wir noch wach waren. Dies wurde jedoch genau begutachtet und man musste schauspielerische Fähigkeiten besitzen, um als schlafend beurteilt zu werden. Die Angst und unsere Schreie habe ich noch sehr gut im Gedächtnis.
Natürlich brachte die Kur nicht das gewünschte Ergebnis. Meiner Mutter sagte ich anschließend, dass sie mich totschlagen kann, aber ich werde nie mehr zur Kur gehen.
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Peter aus Bremen (seit 1991), vorher Hessen schrieb am 29.04.2024
Geburtsjahr 09/1961
Geburtsort: Deutschland / Hessen / Philippstahl (bis 6 Jahre)
Kindheit: Hessen / Fulda (bis 16 Jahre)
Heimatort: Bremen (seit 1991)
Kuraufenthalte: zwei Mal auf der gleichen Nordseeinsel (Name möchte ich nicht nennen)
1971 (9 Jahre) 3 Wochen Aufenthalt
Wegen Gewichtszunahme, Unterernährung
1973 (11 Jahre) 6 Wochen
Wegen Gewichtszunahme, Unterernährung / Gleicher Ort, fast gleiches Geschehen
Achtung: Trigger Gefahr!
Die nachfolgenden Inhalte können sensible und verstörende Wörter enthalten und den Trigger bei einigen Lesern hervorrufen.
Ich werde aber nicht schweigen und kein Blatt vor dem Mund nehmen. Nach meiner zweijährigen Therapie (2015) kann ich heute darüber sprechen. Texte verfassen ohne zu triggern.
Es geht um Demütigung, Machtausübung, Scham, Verletzbarkeit, Hilflosigkeit, Missbrauch
Nach dem ich nun viele Schicksale hier gelesen habe und weiß, dass ich nicht allein bin, möchte ich meine Geschichte auch öffentlich bekannt geben und hoffe auch so Kontakt zu Leidgenossen zu finden.
Ich kann daher nur eine Verkürzte Version präsentieren, weil mehr als 20 Seiten wollte ich nicht senden.
Vorwort 01:
Ich war bereits als Kleinkind stark untergewichtig und meine Kinderärztin hatte meiner Mutter den Kuraufenthalt wärmstens empfohlen. Die Organisation lief über die Krankenkasse und das Ziel war es natürlich der kleine, schmächtige, unterernährte Bub „aufzupäppeln“.
1971 (Erster Aufenthalt):
An diesem Aufenthalt habe ich nur noch Bruchstücke, und die waren leider negativ. Man müsste ja eigentlich meinen, dass ein 9-jähriger Bub sich an solchen Dingen gut erinnern kann. Meer und Strand. Aber nein, leider nur den negativen Dingen sind dort verankert.
Erinnerungen 01:

An die Fahrt selber erinnere ich mich gar nicht mehr. Das einzige schöne war die frische Seeluft, das Meer, die Wellen, der Strand und das Geschrei der Möwen. Für mich völlig fremdartig.
Dann ein langer Weg zu einer kleinen Siedlung. Der Weg war mit roten Pflastersteinen belegt. Ein kleines Wäldchen (kein Vergleich mit den vielen Bäumen bei uns in Hessen); und dann ein langes Gebäude, roter Backstein, zweistöckig. Direkt in den Dünen, wundervoller Anblick.
Daneben aber ein Stilbruch. Ein langer eckiger Betonklotz, mit vielen Fenstern. Total schrecklich.
In diesem Gebäudeteil, Turnhalle, Küche, Essensraum (EG), Duschen, Stellraum, Heizung (UG)
Im Haupthaus, die Schlafräume der „Tanten, Erzieher“ (OG), Schlafraum der Mädchen (EG) Schlafräume der Jungen (1 Etage), sowie zwei Aufenthaltsräume.
Überall im Haupthaus kleine Fenster, im Betonklotz, große Fenster.
(Diese Erinnerungen stammen aus dem zweiten Aufenthalt; da gleiches Gebäude)
*
Die Tanten trugen Schwesternhauben. Die Erzieher (graue Kittel). Eine freundliche Tante hat mir mein Zimmer gezeigt. Ein Vierbett-Zimmer. = Lücken, keine Erinnerungen
*
Essenzwang:
Ich war ein braves Kind und habe alles aufgegessen was man mir auf dem Tisch stellte. Die Tanten passten auf, dass man alles aufgegessen hat. Ich habe das große Glück (fast) alles zu mögen. Daher keine großen Hürden. Aber lecker war nur die Suppen am Abend.
Es wagte niemand es nicht auf zu essen!
Das einige was für mich wirklich ekelig war: Blutwurst, Leber mit Apfelmuss. Bis heute würde ich Kotzen, bei den Gedanken.
Arzt:
Spargel Tarzan, Klapper Storch, Klapper Gestell und ähnliche Formen hat dieser Arzt zu mir gesagt.
Gleich am ersten Tag eine ärztliche Begutachtung meines Gesundheitszustanden.
Der Arzt hatte ein rundliches Gesicht, einen dicken Oberlippenbart, sein Hemd war oben offen, und seine Brusthaare waren zu erkennen. Darüber trug er einen weißen Kittel. Um den Hals das Stethoskop.
Seine Hände waren stark behaart, dichtes dunkles Haar, sowie auf dem Arm. Es waren große dicke Hände; Hände die mich überall berührten.
Das Untersuchungszimmer: (auch diese Erinnerungen stammen aus meinem zweiten Aufenthalt)
Links ein weißes Regal, mit Büchern und diversen Dingen. An der Wand daneben eine Untersuchungsliege, ein Maßstab für Körpergröße zu messen, eine Waage, die groß war. So etwas kannte ich vorher nicht. Dann sein Schreibtisch, dahinter das Fenster.
*
Er war nicht unfreundlich, aber beherrschte die Macht. Machtvoll und männlich sein Auftreten und seine Stimme.
„Zieh deine Sachen aus!“
Ich war zwar von meiner Kinderärztin es gewohnt, mich vor jemanden fremden auszuziehen (meine Mutter war bis zu meinem 10 Lebensjahr immer dabei); aber diese Situation überforderte mich. Da ich hier allein und Schutzlos war.
Zog meine Sache aus und legte sie auf einen Stuhl.
„Auch die Unterhose!“
Das war mir befremdlich; schamhaft hielt ich die Hände vor meinen Genitalien.
„Hände da weg – Was soll das!“
Glühendes rotes Gesicht.
Ich musste mich dann auf die Messlatte stellen. Mit dem Rücken zur Wand. Er drückte meinen zarten Körper kräftig zur Wand, damit ich mich gerade hinstellen sollte.
Er ging zum Schreibtisch zurück. Ich bewegte mich nicht. Starrte nur zum Fenster und war völlig nackt. Ich fühlte mich so unwohl. Anschließend ging es zur Waage und er machte sich Notizen. Dann nannte er mich ein „Dürres Gestell“ und weitere Worte die ich anfänglich schon beschrieben habe.
*
Warum tut man das ein Kind an?
*
Anschließend musste ich mich vor ihm präsentieren. Was dazu führte das er meinen ganzen Körper abgetastet hat und dabei meine Phimose bemerkte. Diese verengte Vorhaut wurde mir dann zum Verhängnis. Auf Grund der Textkürzung gehe ich nicht näher darauf ein.
*
Duschzwang:
Jeden Abend vor dem Schlafen gehen wurden wir nackt in den Keller gebracht und in dieser schrecklichen Dusche musste wir uns dann vor den Tanten und Erziehern waschen. Und die standen da und schauten sich das an. Die Kommentare und Demütigung waren schrecklich.
Meer baden unter Zwang:
Jeden Morgen mit einer Trillerpfeife halbnackt zum Strand gelaufen (nur Badeschlappen und Unterhose), nur die Jungs, die Mädchen brauchten keine Abhärtung. Ein Erzieher mit der Trillerpfeife vor uns und wir im Gänsemarsch hinterher.
Egal wie das Wetter war.
Der erste Pfiff war als Kommando gedacht, Unterhosen runter.
Der zweite Pfiff war für den Sprung ins Meer gedacht.
Der dritte Pfiff war für das Rauskommen gedacht.
Der vierte Pfiff für das Anziehen der Unterhose und abschließend der Pfiff zurück ins Haus.
*
Wiegenzwang:
Jeden dritten Tag, erneut nackt auf die Wiege. Erneutes mehrfaches Anfassen meines Körpers.
*
1973 (11 Jahre) 6 Wochen / zweiter Aufenthalt
Vorwort 01:
Die erste Kur hatte nach Meinung meiner Mutter und den Kinderärzten mir so gutgetan (wenn die gewusst hätten und ich nicht geschwiegen hätte); dass man mich erneut auf die gleiche Insel schickte und wieder in das gleiche Haus.
Erinnerungen 02:
Es hatte sich nur verändert, dass die Tanten keine Häubchen mir trugen und die Erzieher kein grauer Kittel. Ansonsten die gleichen fast seelenlosen Mitarbeiter. Kaum einer der Führsorge zeigte. Bis auf zwei Tanten.
*
Essenzwang 02:
Gab es Gott sei Dank nicht mehr. Es wurde zwar verstärkt darauf geachtet, dass wir brav alle aufessen, aber ich habe niemanden gesehen, der einem das Essen zwangsweise einführte oder das man solange am Tisch sitzen bleiben musste, bis alles aufgegessen war.
Diese Horrorvorstellung blieb mir beim zweiten Aufenthalt erspart.
*
Arzt:
Beim Arzt hatte sich gar nichts geändert. Nur die Tatsache (negativ) dass ich kurz vor meiner Pubertät nun körperlich gereift bin und somit sexuell erregbar war. Es folgten die gleichen Untersuchungsmethoden (nackt wiegen, messen und befingern lassen).
Auf Grund der Textkürzung kann ich nur sagen, dass ich dabei oftmals eine Erektion bekam und er immer wieder meine Phimose als Anlass nahm, um mich zu demütigen und zu befummeln.
*
Warum tut das ein Arzt?
*
Duschzwang:
Gleiches Verfahren, Gleiche Demütigung. Nur diesmal intensiver, weil ich schon 11 Jahre alt war und mich doppelt und dreifach geschämt habe.
*
Meerbaden 2:
Hier hatte sich auch nichts verändert. Nur die Trillerpfeife wurde nur verwendet um uns Jungs aus dem Wasser zu holen.
Wie beschämend und schnell wir versuchten die Unterhosen anzuziehen. Bitter kalt, verschämt, den Blicken des Erziehers ausgeliefert. Es kam zweimal zu Begebenheiten mit Kurgästen. Männer und Frauen die das sahen und sich entweder fragten, was tun die da. Oder sich amüsierten.
*
Sexueller Übergriff 01:
Ein paar stärkere und ältere Jungs haben sich die schwachen und kleinen ausgesucht. Ich war einer dieser Opfer.
Festhalten, Hose runterziehen, lachen und befummeln lassen.


Festhalten und „Eiern“, ein Spiel was diese Jungs täglich taten.
(damit ist gemeint, durch die Hose an die Hoden zu gehen und so fest wie möglich die Eier zu drücken). Wen man schrie oder um Gnade winselte, war es ein Hochgenuss für diese Jungs.
*
Sexueller Übergriff 02:
Festhalten, nackt ausziehen, befummeln lassen und mit Gummiringen die Hoden abgebunden. Oder mit den Einweckgummi Ringen als Zwille benutzt und möglichst tiefen Scham auszulösen. In dem der Schmerz an den Hoden unerträglich wurde. Bis heute habe ich Hodenprobleme.
Anmerkung:
Oftmals hat ein Erzieher oder eine Tante diese Taten gesehen und nichts unternommen. Eher sich daran „Aufgegeilt“.
*
Sexueller Übergriff 03:
Zweimal wurden wir jüngere Buben aus dem Zimmer geholt (Opferstatus, ich und ein anderer), und dann in das Zimmer der Älteren gebracht. Schlimmste Albträume. Missbrauch an Seele und Körper
*
Schöne Dinge 01:
Gemeinsame Nachmittage mit Karten spielen, Mau Mau, Quartett oder AS-Werfen.
Gemeinsame Sparziergänge am Strand und in den Dünen
Lagerfeuer am Abend mit Cola und Bratwürsten.
*
Schöne Dinge 02:
Gemeinschaft mit drei weiteren Jungen in meinem Alter. Wo wir im kleinen Wäldchen spielten und ein Gefühl der Geborgenheit bekamen. Die Namen sind mir leider nicht mehr bekannt.
*
Fazit:
Ich war in den darauffolgenden Jahren solcher massiven Machtausübung von Personen (Polizei, Ärzten, Lehrgeselle, Zivildienst) ausgeliefert das man sich praktisch als Opfer in eine Struktur der Hilflosigkeit verliert. Das ist ein anderes Kapitel meines Lebens aber auf Grund dieser vielen negativen Rückblicke musste ich im Jahr 2015 zwei Therapien machen.
Ich wünsche allen Opfern das den Mut haben sich zu wehren und sich das nicht gefallen lassen dürfen. Ich habe es damals nicht geschafft und bin daher immer noch so wütend über mich selbst. Und fühle mich dadurch auch als Täter, weil ich es zugelassen habe.
Peter
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Willi Gellings aus Viersen schrieb am 28.04.2024
Ich habe über meine Erfahrungen als 6-jähiger "Willibert" ein Lied geschrieben:
https://youtu.be/lNsx09u6CaI?si=yOSG2H7sa5WrGnAh
Es war für mich sehr wichtig den "kleinen Jungen in mir" endlich mal zu Wort kommen zu lassen.
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Christian Miesbauer aus 83317 Teisendorf schrieb am 27.04.2024
Mein Bruder (geb. 1962) und ich (geb.1961) wurden (vermutlich 1967) zur Erholung nach Altenhohenau am Inn geschickt. Die Familienverhältnisse waren "schwierig", offensichtlich konnte uns niemand erklären, was warum vor sich ging. Wir saßen im Zug mit einer uns flüchtig bekannten Frau, die uns in Freilassing an einen Schaffner weiterreichte. Mein Bruder war sich sicher, dass wir nie wieder nach Hause kommen würden.
Das Kloster und die Umgebung sind sehr schön, leider waren die Nonnen um so hässlicher.
Alles war kalt und streng. Ich konnte das fette Essen nicht vertragen und hatte schon mehrmals mit Durchfall und Erbrechen Probleme gehabt.
Dann wollte/konnte ich meine "Kasspatzen" nicht essen. Zuerst wurde ich durchgeschüttelt und an den Ohren gezogen, dann geschlagen. Dann durften die anderen Jungs nicht aufstehen, bis ich fertig gegessen haben würde. Dann wurde gedroht, dass keiner am Freitag die ersehnten Süßigkeiten bekommen würde. Ich blieb standhaft, bis Schwester Lucia meinen Knackpunkt erahnte. Eine andere Schwester schnappte sich meinen Bruder und watschte ihn rhythmisch rechts und links ins Gesicht, bis ich versuchte aufzuessen. Als ich mich, meinen Bruder und die beiden Schwestern vollkotzte, ging's erst richtig los. Unter dem Gejohle der anderen Burschen wurden wir am Aussenwasserhahn nackt abgespritzt. Danach wurden alle anderen Kinder (auch die sonst streng verborgenen Mädchen) zusammengeholt und mein Bruder und ich wurden öffentlich nackt über eine Bank gezogen und mit Teppichklopfern verprügelt. Ich weiss nicht mehr, wie lange die Restzeit war, jedenfalls wurde ich isoliert und durfte nur auf die Toilette, wenn ich fertig gegessen hatte. Vor der Heimfahrt sagte mir eine Schwester, wenn ich zu Hause etwas erzählen würde, was ihnen nicht gefällt, würde meinem Bruder etwas schreckliches zustossen.
Ich wusste im weiteren Verlauf meines Lebens, dass ich/wir dort waren und dass ich rasende Angst um meinen Bruder haben musste, alles andere blieb in meiner Seele verborgen. Erst als ich mit knapp 50 Jahren während eines Selbstfindungsseminares ein "seelisches ComingOut" erleben musste, kam alles wieder hoch. Dann gab's aber ordentlich Arbeit, kann ich Euch sagen.... PS: mein Bruder verweigert bis heute jeglichen Austausch über dieses Thema.
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Marion Fensterer aus Gummersbach schrieb am 26.04.2024
Ich wurde vom 18.2.1964- 1.4.1964 zusammen mit meiner Schwester von Gummersbach nach Bonndorf im Schwarzwald verschickt. Ich war damals 6 Jahre alt. Nichts hat mir dort Freude gemacht- selbst die Schlittenfahrten im Schnee nicht. Es war grausam kalt überall. Morgens gab es Haferschleim mit harten, trockenen Brotkanten. Ich habe es ausgekotzt, da ich keinen Haferschleim mag. Das Gekotzte musste ich dann wieder essen. Das Essen war eine Katastrophe: Ekliger Schokopudding mit Büchsenmilch, wässrige Eintöpfe mit ekligem Zeug drin, Milchsuppen mit Haut drauf. Dabei war ich doch zu dünn und sollte zunehmen. Das war der Grund der Verschickung. Ich habe immer nur geweint. Mittags mussten wir ins Bett- niemand hat geschlafen. Vor der Tür passte eine "Tante" auf, dass niemand auf Toilette ging, denn das durften wir nicht. Genauso war es nachts: Toilettengang strengstens verboten. Zum duschen musste man sich in Eiseskälte nackt ausziehen. Einen einzigen Brief meiner Eltern in den ganzen 6 Wochen habe ich zu sehen bekommen und Post von der Schulklasse. Da hab ich mich gefreut! Ich habe alle Zettel bestimmt 10mal gelesen.
Ich hoffe, es melden sich noch andere "Häftlinge"!
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A. Puttfarken aus Schlesen schrieb am 26.04.2024
1972 wurde ich in das Kinderverschickungsheim Hanstedt geschickt, es war der schlimmste Ort an dem ich mich erinnern kann, er wurde so schlimm durch die herzlosen und brutalen Kinderpflegerinnen. Sicherlich haben nicht alle ihre Kinderverschickung in schlechter Erinnerung, doch um diese geht es hier nicht, deshalb ist es für mich völlig unverständlich und verhöhnend, wenn hier in einer Gruppe von misshandelten und missbrauchten Kindern Leute schreiben wie schön ihre Verschickung war, was stimmt mit diesen Menschen nicht? Kinder die sechs Wochen und mehr die Hölle erlebte und ihr ganzes Leben dadurch ein Kampf wurde, werden damit ins lächerliche gezogen und als Lügner dargestellt. Ich habe als 6 jähriger Qualen erlitten die für unbeteiligte unvorstellbar sind, von Schlägen bis Wochen in einem dunklen Raum alleine eingesperrt zu sein, das hat mir meine heile Kinderwelt zerstört und tiefe Narben bis heute auf meiner Seele hinterlassen…
Auch damals gab es schon andere Kinder, die sich am Leid er anderen ergötzten, wahrscheinlich um nicht selber ins Visier der brutalen Kinderpflegerinnen zu geraten.
Für uns Betroffenen ist die Aufarbeitung ein Anker, da braucht es keinen Hohn von Menschen die wahrscheinlich unter diesen Qualen nicht durchgehalten hätten.
Ich wünsche allen Betroffenen alles erdenklich Gute und allen die eine schöne Zeit dort hatten mehr Mitgefühl und Respekt!
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Stefan aus Oberjoch, Hindelang, Allgäu schrieb am 25.04.2024
Hallo,

ich kann mich nicht mehr an viel erinnern, ausser:

-meine Eltern erzählten mir von einer Kur, weil ich zu dünn gewesen sei.
-Fahrt mit Betreuern, aber ohne Eltern, mit dem Zug. Die Gruppe wurde immer grösser
-kein Kontakt zu den Eltern
-Auslachen als "Spaghettifresser"
-Essenszwang: Als Ausweg habe ich das Essen in die Hosentaschen gestopft, was dazu führte, dass meine Kleidung die Färbung des Essens annahm.
-Schwimmzwang, obwohl ich das noch nicht konnte. -Zwang zum Tablettenschlucken, obwohl ich sie nicht herunter bekam. Wenn ich sie weggeworfen hatte, bekam ich eine Neue.
-Duschzwang mit dem Kopf nach oben und
gleichzeitig geöffneten Augen
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Elke Niggeloh aus Berlin schrieb am 24.04.2024
Niggeloh, Elke geb. Wenzel aus 12349 Berlin schrieb am 14.04.2024
Verschickungsheim: Kaufbeuren Bayern
Zeitraum (Jahr): 1960 ev 61
Meine Mutter hatte mich einen Tag vorher informiert: Du machst eine tolle Reise, weil Dr. ERDMANN BERLIN NEUKÖLLN, SONNENALLEE, gesagt hat, du bist zu dünn. Am nächsten Tag ging die Fahrt mit dem Bus los. Ich habe keine Erinnerung an die Fahrt. Zu schrecklich war die Trennung. Auch die Ankunft hüllt sich in Erinnerungsnebel, jedoch als ich vor 3 tg ein Foto des Heims sah, war mein mulmiges Gefühl wieder da. Schlimmer noch, ich weinte hemmungslos. Heute bin ich 70 Jahre alt. Damals war ich ca. 6 Jahre alt. Angekommen, wurde uns ein düsteres Zimmer gegeben mit 2 Doppelstockbetten.
Ich schlief am Fenster im unteren Bett. Nach dem Abendessen und Zubettgehen durften wir das Zimmer nicht mehr verlassen. Verboten war ein nächtlicher Toilettengang. Gefühlt habe ich 6 Wochen lang geweint vor Heimweh. In den folgenden Tagen ermahnte mich die Tante immer wieder , nicht zu weinen. Sieh, die Anderen können es doch auch. Ich wurde ausgelacht.
Zum Essen gab es häufig Brote mit einem hellen süssen Aufstrich. Auch an kleine rote Tabletten erinnere ich mich. Unsere Koffer wurden uns bei Anreise abgenommen..die Süssigkeiten verteilt an alle Kinder. Das war schmerzlich, denn es noch nach zuhause.
Ich hatte nur meinen Brummi, der mich nicht allein ließ.
Nach ein paar Tagen wurde nach Hause geschrieben. Wer kann schreiben? So war die Frage und ich log, weil ich den Umschlag meiner Mama erkannte. Er enthielt die Postkarten für zuhause. Ich wollte ihn gern haben. Schnell war der Tante klar, dass ich nicht schreiben konnte. Das wurde dann allen laut mitgeteilt und man sollte mich auslachen, weil ich gelogen hatte. Wie peinlich. Ich schämte mich sehr.
Ich durfte dann aber sagen, was geschrieben werden sollte und malte meinen Namen zum Schluß drunter.
Alle 2 wochen kam Post von zuhause. Das führte zu erneuter Trauer bei mir. Ich weinte und konnte kaum aufhören. Soviel die anderen auch lachten.
Wir machten viele Wanderungen und es war sehr schön, dass 1 Junge mit mir Hand in Hand ging. Wir alle gingen immer angefasst in Zweierreihen.Ein bisschen Sicherheit. Noch heute beruhigt mich das.
Das Highlight dort war ein Besuch auf dem Rummel.
2 grössere Kinder zogen mich hinter sich her und versuchten mich zu bewegen, mit.der Walzerbahn zu fahren. Ich wollte nicht und hatte Angst. Doch alle fuhren mit ....und du traust dich nicht? Hahaha..ich stieg mit den Kindern ein und war so in Panik, das ich aus der Gondel springen wollte. Es sollte nur aufhören! Die beiden Kinder drückten mich zu Boden bs das Grauen der Fahrt ein Ende hatte. Ich zitterte vor Angst und meine Zähne klapperten vor Kälte. Draußen war es warm!
Es gab ständig warme Milch mit Pelle. Ekelhaft. Ich musste mich auch übergeben. Einmal war ich den ganzen Tag im Bett weil ich schlimmes Bauchweh hatte. Noch heute führt der Geruch von warmer Milch bei mir zu Übelkeit.
Eines nachts musste ich schnell zur Toilette. Die ewige Milch mit Haferflocken musste schnell raus.
Ich rief in den dunklen Gang...ich muss schnell zur Toilette..Nach einer Weile kam eine Tante und brachte mich weit den dunklen Gang entlang zur Toilette. Stundenlang blieb ich dort ohne das Jemand nach mir sah. Erst als ich laut weinte, brachte mich die Tante zurück ins Bett.
Noch heute fürchte ich mich im dunklen.
An mehr kann ich mich nicht erinnern.
Nur die Rückfahrt ist präsent. Mein Karorucksack mit meinem Brummt waren bei mir. Das Frühstück grummelte während der Fahrt in meinem Bauch. Wie immer gab es Milch mit Haferflocken. Ich musste dringend . Ich merkte, dass ich Durchfall bekam. Keine Abweichungen bei den Pausenzeiten.
Setz dich auf deinen Platz!. Als dann endlich angehalten wurde, auf freiem Feld war es bereits geschehen. Ich stank fürchterlich und schämte mich.
So ging es dann noch ein paar Stunden bis zur Ankunft in Berlin. Meine Mama schimpfte mich an,weil ich so stank. Man macht nicht in die Hose!!!

Eine schreckliche Kur ... meine Mutter hat es bestimmt gut gemeint aber es war ganz traurig.
Mein Vater war in der Betriebskrsnkenkasse. Die hat das alles bestimmt übernommen.
Gern wüsste ich, wer der Junge war,der mir soviel Sicherheit gab. Ich danke ihm dafür.
2 Jahre später wurde ich nach Wenningstedt/Sylt verschickt, nur 4 Wochen aber hier habe ich wunderschöne Erinnerungen.
Ich hoffe, es melden sich noch andere Insassen aus Kaufbeuren.
Aus Kaufbeuren ist zurückgeblieben, dass ich bei Druck gegen meinen Willen leicht ungehalten und hektisch werde.
Warme Milch führt zu Übelkeit und die Angst im Dunkeln ist geblieben.
Auch fürchte ich mich, etwas falsch zu sagen, aus Angst vor Häme und Spott.
Das Wort: Einzelkind habe ich vom Schimpfwort zu meinem Markenzeichen gemacht. Wenn ich nicht weiß wo ich zur Toilette gehen kann, werde ich sehr unruhig
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Reinhard Gehringer aus Hondingen schrieb am 23.04.2024
Hi Allerseits
Aufgrund asthmaänlichen Problemen wurde ich im Alter von 10 Jahren für 6 Wochen zur Erholung an die Nordsee geschickt. Natürlich gab es auch bei mir kleine Probleme mit Heimweh, aber in der Summe hielt sich das doch wirklich in Grenzen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass zu diesem Zeitpunkt so viel beschriebene derbe Erziehungsmethoden angewendet wurden. Keine Strafe fürs nicht aufessen etc. Eher sind mir die schönen Spaziergänge über die Insel in Erinnerung geblieben. Für mich als Schwarzwaldangrenzer war der Sandstrand natürlich ein bombastisches Erlebnis. Gegen Ende des Aufenthaltes konnte sogar in der Nordsee gebadet werden. Also bei mir überwiegen die positiven Erinnerungen bei weitem. Keinerlei Erinnerung an gröbere Missstände. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mir das nur einbilde. Ich finde das sollte ebenso hier vorgebracht werden.
Also es war nicht Alles schlecht und bei mir hatte das Ganze sogar noch den positiven Effekt, dass es seither kein Asthmaanfall mehr gab.
Grüssle aus Südbaden
Reinhard
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Harald schrieb am 22.04.2024
Als Kind einer vielköpfigen Familie wurde ich damals zur Erholung geschickt, weil ich immer blass und schmal war.
In Saarbrücken wurde ich von meiner Mutter an eine Gruppe abgegeben, die mit dem Bus zu dem Heim fuhr. Ich erinnere mich an eine strenge Heimführung, aber nicht an gezielte Demütigungen oder gar Züchtigungen. Ich hatte eher das Problem, dass ich als einer der Kleineren von größeren Kindern drangsaliert wurde. Strenge Erziehung kannte ich von zu Hause. Das war allerdings damals nicht unüblich, wie ich das auch von anderen Kindern in meinem Alter weiß. Das macht es nicht besser, entsprach aber leider oft noch den damaligen Vorstellungen von Pädagogik.
An lange Mittagsruhezeiten in großen Schlafsälen erinnere ich mich. Dort musste man still sein und durfte sich nicht rühren. Schlimm war es, wenn ältere Jungs Aufsicht führen durften. Die nutzten diese "Machtposition" dann gerne aus.
Insgesamt hatte ich das Gefühl des Verlorenseins in dieser Zeit. Das lag vermutlich an der großen Masse von Kindern unter denen ich auch noch einer der Kleinsten war.
Einmal in der Woche durften wir eine Karte schreiben, die wir auch selbst aussuchen konnten und die die Schulkinder für uns schreiben mussten. Ich durfte aber sagen, was sie schreiben sollten.
Die sechs Wochen waren sehr lange für mich und ich war froh, als ich wieder zu Hause war. Für mich war es vor allem eine Zeit, in der ich mich auch unter den vielen Kindern sehr einsam fühlte.
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Silke Maron schrieb am 22.04.2024
Ich war 1976 für 6 Wochen im Haus am Schmalensee in Mittenwald. Grund: ich sollte zunehmen.
Obwohl damals 9 Jahre alt, mussten wir täglich Mittagsschlaf halten und still sein. Ich habe dann immer leise vor mich hin geweint.
Die Briefe und Pakete von zu Hause wurden mir erst nach 3-4 Wochen gegeben. Davor musste ich täglich zusehen, wie die Post an die anderen Kinder verteilt wurde: die Namen der Kinder, die einen Brief oder ein Päckchen erhielten, wurden einzeln aufgerufen und ich hoffte immer bis zum Schluss, jedoch leider vergeblich, dass mein Name fallen würde.
Nach 3-4 Wochen erhielt ich dann einen ganzen Stapel Briefe und Pakete von zu Hause. Ich hatte schreckliches Heimweh und habe das alles nur deshalb einigermaßen gut überstanden, weil ich eine sehr gute innere Bindung zu meiner Mutter hatte und trotz allem wusste, dass sie mich nicht vergessen hatte.
Während der Zeit schrieb ich täglich Postkarten nach Hause. Um niemanden zu beunruhigen schrieb ich "mir geht es gut, wie geht es Euch? Bitte schreibt mir bald zurück". Mehr schrieb ich nicht, aber hinter das "bitte schreibt mir bald zurück" setzte ich Hunderte Ausrufezeichen, bis nichts mehr auf die Postkarte passte - etwa so: !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Meine Mutter erzählte mir später, dass sie mehrfach im Haus am Schmalensee angerufen hat, um mit mir zu telefonieren. Man hat sie aber nie durchgestellt, sondern abgewimmelt und gesagt, es wäre nicht gut für mich, mit ihr zu sprechen.
In der 5. Kur-Woche machten wir einen Ausflug in die Berge und ich schwamm in einem Tümpel, wodurch ich mir einen schlimmen Hautausschlag zuzgezogen habe. Deshalb wurde ich in ein anderes Haus in Quarantäne verlegt. Das war ein Einzelzimmer, das ich nicht verlassen konnte, weil es abgeschlossen wurde. 3x täglich kam eine "Schwester" vorbei, brachte Essen und schaute nach einem. Sie hatte keinerlei Mitgefühl und war eine eiskalte Person. Als ich nach ein paar Tagen furchtbar weinte, weil ich einsam war und raus wollte, setzte sie sich ganz scheinheilig auf mein Bett und sagte mir, wenn ich weiter so weinen würde, könnte ich nicht nach Hause fahren und sie würden mich weitere 6 Wochen da behalten. Da war ich still. Ich hatte furchtbare Angst, dass sie mich tatsächlich da behalten würden.
Ansonsten habe ich wenige Erinnerungen an die Kur. Nur, dass ich die Tage gezählt habe, es irgendwie durchgestanden habe und überglücklich war, als ich wieder zu Hause war.
Wenn ich lese, was andere in solchen "Heimen" durchgemacht haben, weiß ich, dass ich noch großes Glück gehabt habe - auch wenn ich die Behandlung als seelische Grausamkeit empfunden habe.
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Anja F. schrieb am 21.04.2024
Hallo ich bin Anja und ich war 1970 im Alter von 7 Jahren für 6 Wochen in Bad Sachsa. Das war von Anfang April bis Mitte Mai. Ich weiß leider nicht mehr genau, in welcher Einrichtung. Aufgrund der Bilder im Netz könnte es das Heim in der Steinaer Straße gewesen sein. Meine Erinnerungen sind bruckstückhaft weil ich die Tatsache, dass ich ein Verschickungskind war, lange verdrängt habe. Was ich noch genau weiß, ich mochte einmal das Essen nicht. Ich musste so lange sitzen bleiben, bis der Teller leer war. Ein weiters Mal habe ich mit der Zimmernachbarin während des Mittagschlafs rum gealbert und wir wurden erwischt. Wir mussten im Bett bleiben und es gab kein Abendessen. Einmal in der Woche ging es dann zum Duschen. Dazu mussten wir in Unterwäsche eine Treppe runter gehen und wurden dann abgeduscht. Ich habe Heimweh gehabt, dass hat aber niemanden interessiert. Die Heimleiterin war eine ältere Frau, leider weiß ich den Namen nicht mehr. Ich kann mich noch an eine Tante Brunhilde erinnern. Sie war so Anfang bis Mitte 30. Vielleicht ist ja jemand hier, der auch zur gleichen Zeit in Bad Sachsa war.
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Markus Rombach aus Würzburg schrieb am 21.04.2024
Ich war im Frühling 1972 zur Kindererholung im Kinderparadies Bad Rothenfelde. Körperliche Übergriffe gab es nicht.
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Markus aus Hannover schrieb am 20.04.2024
Ich kann den Ausführungen von Miriam (schrieb am 1.1.21) nur beipflichten. Genau so war es bei mir auch & besonders ist mir Schwester Rosemarie in Erinnerung geblieben (wir nannten sie immer alte Rosine, eine widerliche Alte). Ich werde die 5 Wochen Aufenthalt dort nie vergessen, es war die „längste Zeit meines Lebens“. 2018 war ich mal wieder in St. Peter-Ording und habe das verfallene Kinderheim aufgesucht und sogar auf dem Grundstück den alten Richardsen gesehen. Das war ein flashback, den ich lieber nicht gehabt hätte.
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Stefanie Casper aus Westerdeichstrich schrieb am 20.04.2024
1968 war ich zur Kinderlandverschichgung auf Sylt Westerland im Alter von 5 Jahren, weil ich zu dünn war für die Einschulung 1969. Dieses Trauma verfolgt mich bis heute. Der Kinderarzt Dr. Spielberg aus Hamburg Altona empfahl meinen Eltern diese "Kur" zur Gewichtsaufnahme. Meine Mutter bekamm für diese Zeit Beruhigungsmittel wegen Heimweh zu mir und ich auch wegen Heimweh zu meiner Familie. Was ich dort als 5 jährige erlebt habe, verfolgt mich bis heute. Nägelknabbern incl. Nagelaussenhaut(61 Jahre bin ich heute) Kakao mit Haut kann ich bis heute nicht sehen oder riechen. Verlustängste, Panikattaken, Depressionen etc. sind mein Begleiter nach der Kinderverschickung durch mein Leben. Die Betreuerinnen waren hart, empathielos und gewalttätig. Es tut weh und gut das wir jetzt endlich gehört werden und uns nicht anhören müssen: So schlimm war es wohl nicht und nun übertreibe mal nicht. Wir werden endlich ernstgenommen und dürfen erzählen. Danke LG
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Wilhelm Schild aus 52525 Heinsberg schrieb am 19.04.2024
Erlebnisse im Kloster Wessobrunn
Ich war 10 Jahre alt, als ich im o.a. Kloster im Juli/August 1965 war.
In der Eingangshalle mussten wir uns bis auf die Unterhose ausziehen. Dann wurden wir auf die Krankenstation geführt. Dort Saßen ein Arzt und Sr. Ravokata. Der Arzt untersuchte die Kinder und zum Schluss zog Sr. R. jedem die Unterhose runter und der Arzt untersuchte die Genitalien.
Als ich als letzter an der Reihe war, wurde der Arzt
rausgerufen. Sr.R. zog mir die Hose runter. Nach einiger Zeit öffnete sich die Tür und eine andere Nonne fragte, ob sie mit ihrer Mädchengruppe durch das Zimmer gehen darf. Sr. R. bejahte die Frage. Die Gruppe ging nun an mir vorbei. Sr. R. sah mich in der Zeit an und grinste.
Danach wurden wir zum Schlafraum geführt. Ich hatte das Bett rechts neben der Tür. Wir sollten nun schlafen. Der Junge links neben der Tür sprach laut mit sich selbst. Plötzlich stand Sr. R. an der Tür und rief: Warum ist hier keine Ruhe? Ein Junge rief: Der vorne an der Tür spricht immer. Vollkommen unerwartet bekam ich eine Ohrfeige, dass mir der Kopf dröhnte. Als sie darauf aufmerksam gemacht wurde, dass sie den falschen erwicht hat, sagte sie nur: Der hat es auch verdient. Dann ging sie zu dem anderen Jungen, der, wie sich rausstellte, geistig behindert war und schlug mehrmals auf ihn ein.
Später betrat Sr. Ewalda das Zimmer und stellte sich als für uns zuständige Nonne vor.
Am nächsten Tag musste jeder 4 Postkarten kaufen und sofort eine Karte schreiben. Diese wurden dann eingesammelt und zensiert. Wir durften nur positives schreiben. Nach einigen Tagen, wir lagen gerade im Bett zum 2 stündigen Mittagsschlaf, holte Sr. R. den geistig behinderten Jungen aus dem Zimmer. Kurz vor Ablauf der Ruhezeit brachte sie ihn wieder zurück. Er weinte leise. Dann betrat Sr. E den Raum und wir sollten uns anziehen. Der Junge zog sich den Schlafanzug aus. Er hatte über den ganzen hinteren Körper verteilt rote Striemen.
Da ich Nachmittags nicht schlafen konnte, war die Zeit für mich immer Horror. Sr. R. prüfte, ob man wirklich schlief. Sie konnte an den Augenlidern sehen, ob man wirklich schlief. Wenn nicht, gab es eine schallende Ohrfeige. Ich deckte mich daher immer komplett zu. Wenn sie kam, versuchte ich unter der Decke möglichst gleichmäßig zu atmen.
Leider wurde die Luft nach einiger Zeit knapp. Ich bekam Atemnot bis zum Schwindel. Wenn dann einer die Ohrfeige bekam, konnte ich die Decke etwas anheben und nach Luft schnappen.
Samstags war Badetag. Zuständig waren Sr. E und eine junge Praktikantin. Zuerst musste man sich mit der Unterhose bekleidet in die Wanne setzen und sich selbst säubern. Nach wenigen Minuten musste man sich dann hinknien und einen Waschlappen vor die Augen halten. Nun wurden von der Praktikantin, die nicht viel älter als wir war, die Haare gewaschen. Gleichzeitig zog Sr. E die Unterhose runter und wusch die Genitalien. Für die Haare gab es 2 Waschgänge. Während der ganzen Zeit wurde auch der Penis gewaschen. Meine Vorhaut konnte ich nicht über die Eichel ziehen. Ich sollte noch beschnitten werden. Sr. E hatte damit aber keine Probleme. Mit Gewalt zog sie die Vorhaut zurück und wusch die Eichel mit Seife. Ich hatte unerträgliche Schmerzen, hielt aber trotzdem still, da ich vor der Praktikantin nichts sagen wollte.
So war auch der Badetag für mich der reinste Horror.
Die letzten 10 Tage der Kur übernahm Sr. R die Gruppe. Wir befanden uns gerade im Schlafzimmer zum Mittagsschlaf, als die 2 Nonnen erschienen.Sr. E verabschiedete sich. Sie war nur einige Sekunden weg, da packte Sr. R mich am Handgelenk und rief in die Gruppe: Der hat die Windpocken und kommt auf die Krankenstation. Sr. R hatte auf der Krankenstation ein eigenes Zimmer. Ich kam nicht auf die Krankenstation, sondern sie brachte mich auf ihr Zimmer.
Ich hieß ab sofort Männlein und ab dem 4. Tag auch Nackedei.
Sie zog mich sofort aus. Auf meine Frage, wo die Windpocken sind, antwortete sie, dass nur sie die Pöckchen sehen könnte, aber noch eher könne sie die Pöckchen ertasten. Deshalb musste sie nun meinen ganzen Körper abtasten.
Danach holte sie ein kleines Töpfchen und setzte sich auf einen Stuhl. Ich musste mich vor sie stellen und das Töpfchen an beiden Henkeln festhalten. Sie nahm meine Penis in die Hand und ich musste Pipi machen. Anschließend holte sie eine Schüssel mit Wasser. Ich musste die Schüssel festhalten. Sie seifte sich dann ihre Hände ein und säuberte "mein kleines Männlein
und das Säckchen".
So ging das jetzt immer. Ab dem zweiten mal zog sie mir wohl auch noch die Vorhaut zurück. Nach 2 Tagen hatte sich die Vorhaut so entzündet, dass ich sie auch nicht mehr zurück bekam.
Bei den Mahlzeiten musste ich mich ausziehen,
den Penis auf ihr Knie legen. Sie nahm das Essen jeweils zuerst in ihren Mund und bespuckte es noch mit ihrem Speichel.
Morgens und Abends musste ich die Zähne am Waschbecken putzen und anschließend wurde ich gewaschen.
Nachdem ich die Zähne geputzt habe, musste ich den Mund öffnen. Angeblich hatte ich immer noch Zahnpasta in den Mundwinkeln. Sie spuckte auf ihren Zeige- und Mittelfinger und reinigte den Mund. Danach musste ich die Finger ablutschen. Dann musste ich mich auf den Tisch legen. Sie legte mein Kopfkissen auf meine Brust und Bauch. Mein Gesicht wurde mit einem kleinen Lappen und ihrem Speichel gereinigt. Anschließend wurden noch die Genitalien gewaschen, was immer sehr schmerzhaft war. Leider konnte ich nicht sehen, was sie macht, da das Kopfkissen die Sicht versperrte.
Da mein Bett bei jeder Bewegung Geräuche machte, musste ich mich nachts nackt neben ihr Bett stellen und den Penis auf ihr Kopfkissen legen.
In der Frühe erklang ganz leise ein Glöckchen. Anscheinend wurden die Nonnen so zum Gebet gerufen. Sie sprang dann auf und zog sich im Nebenzimmer an. Ich musste mich über den Stuhl legen und sie versohlte mir noch den Hintern bevor sie das Zimmer verließ.
Nach dem Mittagessen, also zur Schlafenszeit, musste ich mein Bett mit dem Laken beziehen.
Sie saß auf einen Stuhl und beobachtete mich dabei. Angeblich war das nicht gut genug und ich machte nur Murks. Ich musste mich deshalb über Ihr Knie legen und bekam jedes mal 25 Schläge auf die nackte Po. So ging das die ganz Zeit. Nach einer Minute Bett beziehen folgten 25 Schläge.
Am morgen des 4 Tages nahm sie mir mein Hemd ab, weil die Pöckchen so nicht heilen können.
Als sie später wieder ins Zimmer kam, sagte ich ihr, dass ich mal groß muss. Sie setzte das Töpfchen so, dass ich mit dem Rücken zur Tür saß und zog mir die Hose aus.
Als ich ihr sagte, dass ich fertig bin, reagierte sie nicht. Sie verließ sogar das Zimmer ohne abzuschließen. Dann kam sie wieder in das Zimmer und stellte sich hinten in die Ecke. Dabei stand die Tür noch halb auf.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Sie rief: Herein.
4 Mädchen aus der Gruppe 12-14 Jahre betraten das Zimmer und stellten sich hinter mich. Die Sr.
ging ihnen entgegen. Die Mädchen sollten ein Medikament holen. Sr. R sagte, dass sie nachsehen muss, ob das Medikament vorrätig sei.
Die Mädchen sollten dort warten. Bevor sie ging, sagte sie noch:"Ach der da, das ist ein ganz freches Männlein. Da braucht ihr kein Mitleid mit haben. Tut so, als wäre der nicht da:"
Ich hörte die Mädchen flüstern und kichern.
Ich habe mich sehr geschämt und zum ersten mal hoffte ich, dass die Sr. bald kommt.
Was dann aber geschah, fällt mir auch heute noch sehr schwer zu beschreiben und ich überspringe den Teil. Auf jeden Fall wollte ich mich umbringen.
Leider fiel mir nicht ein, wie ich das machen könnte. Daher beschloss ich, alles zu vergessen.
Danach war wieder Schlafenszeit und ich musste das Bett beziehen. Sie zog mir die Hose aus.
Die war dann auch weg. Ich hieß jetzt Nackedei.
Nach einigen Runden um das Bett und jeweils 25 Schlägen nahm sie meine Hand und führte mich zu ihrem Bett. Sie stellte einen Stuhl mit dem Rückenteil zum Bett. Ich musste mich darauf knien, die Arme auf die Lehne legen und beten.
Dabei musste ich die Augen schließen und mich ganz fest gegen die Lehne drücken. An der Rückenlehne hatte der Stuhl Längsstreben. In der Mitte standen die Streben auseinander. Mein Penis kam so auf der Bettseite zwischen den Streben hervor. Nach einiger Zeit bemerkte ich starke Schmerzen am Penis. Ich kniff meine Augen fest zu. Dann bekam ich einen Krampf im rechten Augenlid und im Reflex öffnete ich die Augen. Sr. R saß auf dem Bett und hatte ihren Kopf neben mir, schaute aber nach unten und ließ sich dann umkippen. Ich sah nach unten und sah meinen Penis, der ganz dunkel und groß war.
Dann verschwand der Penis im Mund von Sr.R
Diese Schmerzen kannte ich doch. Immer wenn sie mich auf dem Tisch gewaschen hat, hatte ich doch solche Schmerzen.
Nach langer Zeit hörte sie auf und ich sollte aufstehen. Mein Penis war ganz dunkel und groß.
Dann bemerkte ich, das Blut in die Vorhaut lief.
Dennoch musste ich noch 2 mal das Bett beziehen. Dann war die Erektion weg und Sr. R verließ das Zimmer.
Am Abreisetag zog Sr. R mir die Unterhose an. Diese bedeckte alle farbigen Stellen, die ich ihr verdankte.
Der Arzt stellte fest, dass die Kur erfolgreich war.
Ich habe dann auch alles vergessen.
1997 hat meine Mutter mir ein Fotoalbum mit Bildern aus meiner Kindheit gemacht. Darunter waren auch meine 4 Postkarten aus Wessobrunn.
Plötzlich und wie Hammerschläge in meinem Kopf kamen nach und nach wieder die Erinnerungen.
Einige Zeit später besuche ich das Kloster und mache eine Besichtigung mit.
Als ich der Nonne sagte, dass ich als Kind dort war und eine Schwester mich wegen Windpocken
mit auf ihr Zimmer genommen hat, reagierte sie sofort panisch. Sie sagte: " Was da gelaufen ist, das ging ja auch nicht. Sr. R hat ja auch andere Aufgaben bekommen, damit sichergestellt ist, dass sie nie mehr mit Kindern in Berührung kommt". Als ich Ihr sagte, dass in dem Zimmer kein Fenster war, sagte Sie, das war ja nicht mehr Zeitgemäß und die Zimmer hätten noch 1965 oder spätestens 1966 Fenster bekommen.
Nun hatte ich einen Namen und ich erinnerte mich, dass wir Kinder sie Sr. Rabiata nannten.
Im April 2010 melde ich mich bei beratung-caritas
an. Dort erfuhr ich, dass sich noch jemand aus dieser Zeit gemeldet hätte. Die Deutsche Bischofskonferenz hätte deshalb einen offiziellen
Ansprechpartner (Sr. Ruth Schönenbergen) zur Verfügung gestellt.
2012 besuchte ich das Kloster. Leider wurde mir nicht ,wie versprochen, geholfen.
Sr. Ravokata hätte den Orden kurz danach verlassen. Ein Zimmer ohne Fenster hätte es nie gegeben und ich wäre der Einzige, der sich gemeldet hätte. Also würde ich mir alles wohl nur einbilden.
Es ging also nicht um Hilfe, sondern um Vertuschung.
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Steffi Seidensticker aus Haan schrieb am 19.04.2024
Als fünfjähriges Mädchen wurde ich von meinen Eltern verschickt, sicherlich in dem guten Glauben, dass ich für die Einschulung gestärkt werden sollte, weil ich unter vielen Atemwegserkrankungen in früher Kindheit gelitten habe. Dann schicken wir das Kind mal ans Meer. Mit dem Zug ging es nach Norderney, bei meiner Ankunft im Haus Warburg erinner ich mich als erstes an einige glatzköpfige Kinder, denen man wohl wegen Läusen die Haare abrasiert hatte. Meine Mama hatte mir viel Wäsche mitgegeben, die sie vorab mit der Nummer "4" bestickt hatte. Von dieser Wäsche wurde nach 6 Wochen fast alles sauber wieder mit nach Hause gegeben. Geschlafen habe ich in einem kleinen Raum mit 4 oder 6 anderen Kindern. Es gab eine kleine Ablage über dem Bett, wo man seine Tageskleidung ablegen konnte. Frische Wäsche gab es einmal in der Woche. Da die Toilettengänge sehr eingeschränkt wurden und man auch mit grösstem Drang nicht zur Toilette gelassen wurde, habe ich öfter in die Hose gemacht. Da gab es dann auch keine frische Wäsche. Ich weiss, dass ich kleinste Fusseln von den verdreckten Unterhosen und Schlafanzügen ausgefriemelt habe, damit es wieder sauber wurde. Einmal (ich habe nur einmal in Erinnerung) habe ich mich ins Essen erbrochen, das musste ich bis zum letzten Bissen aufessen, ich werde es nie vergessen. Ich bekam die Windpocken und musste auf die Krankenstation. Dort waren wir zu 4. in einem kleinen Zimmer, das wir nicht verlassen durften. Wir hatten einen Eimer in der Mitte des Zimmers stehen in welchem wir unsere Notdurft verrichten mussten. Nach langer Zeit auf der Krankenstation kam ich dann in den Waschsaal, wo mich eine Nonne mit einem kalten Wasserschlauch abgespritzt hat. Ich bekam eine Mittelohrentzündung, von deren Folgen sich meine Ohren nie wieder richtig erholt haben. Auf der Fahrt nach Hause band man mir Handtücher um den Kopf, weil so viel Eiter aus den Ohren lief. Es gibt ein Abschiedsfoto vorm Haus Warburg, dort trage ich meine damaligen Lieblingssachen. Speziell arrangiert für die Eltern. Ich glaube in der ganzen Zeit habe ich einmal das Meer gesehen. Die Erinnerungen kommen gerade in letzter Zeit vermehrt und intensiver denn je. Mit meinen Eltern konnte ich nie darüber reden, wenn überhaupt kam ein "stell dich nicht so an - so schlimm wars ja nicht. und wir wollten dir nur gut !"
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Peter aus Hannover schrieb am 19.04.2024
Ich wuchs die ersten 8 Lebensjahre bei meinen Großeltern auf. Da ich vergleichsweise klein war, haben mich meine Großeltern zweimal zur "Kur" nach Baltrum verschickt. Ich kann mich noch an die Situation im Sammelraum des HBF Hannover erinnern. Irgendwie hatte ich dort registriert, dass ich von meinen Großeltern getrennt werde und "allein" irgendwohin verschickt werde. Ich habe geheult wie ein Schlosshund, auch noch eine ganze Zeit während er Zugfahrt.
Im Heim bin ich mehrmals "weggesperrt" worden, weil ich das "Verbrechen" begangen hatte, vor dem allgemeinen Aufstehen zu Toilette zu müssen. Als ich dabei "erwischt" wurde, musste ich mein Bettzeug nehmen und wurde in irgendeinem Zimmer (Büro?) auf zwei Sesseln untergebracht. Dort musste ich dann gefühlt stundenlang ausharren, bis man mich wieder abholte. Ich hatte dabei große Angst, dass man mich vergessen hat und keiner mich dort wieder rausholt. Einmal pro Woche wurden wir bei Zähneputzen gezwungen, einen Becher Nordseewasser zu trinken. Dies wäre besonders gesund...
Das Personal bestand nach meiner Erinnerung überwiegend aus sehr garstigen Menschen.
Insgesamt war die ganze Veranstaltung mehr Tortur als Kur.
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Jasmin aus Hohberg schrieb am 18.04.2024
ich war ca. 1963/64 zur Kur in Baiersbronn im Haus Holderrain. Ich hatte damals Glück, dass mich keine der Kinderbetreuerinnen auf dem Kicker hatten. Auch bei uns gab es Fälle wo Kinder zum Essen gezwungen wurden. Bei uns war das Schlimmste, der Samstagabend, wenn wir Kinder in der Badewanne geduscht wurden. Unsere Körper wurden mit einer Wurzelbürste bearbeitet. Kinder welche die Betreuerinnen nicht gemocht haben, oder eben auf dem Kicker hatten, wurden mit den Wurzelbürsten so geschruppt, dass die Kinder geblutet haben. Da hatten alle immer Angst davor. Das Essen war mehr oder weniger akzeptabel. Wir durften zwar nach Hause schreiben, jedoch wurden unsere Briefe vor dem absenden überprüft. Somit konnte man keine Informationen an die Eltern senden. Manche Kinder wurden hart bestraft. Ich selbst hatte Glück, jedoch taten mir die anderen Kinder sehr leid, wir haben dann immer versucht wenigstens zu trösten.
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Monika aus SPO schrieb am 18.04.2024
Im Sommer 1971 war ich als 3jähriges Mädchen vermutlich im Seeschloss zur „Kur“ - begleitet von meiner Mutter zur Eingewöhnung.
Ich weiß noch, dass das Heimgebäude modern, hell und zweigeschossig war und vermute, dass es das Seeschloss gewesen sein muss. Als mir in einer Doku ein Bild von Hugo Kraas begegnete, ging es mir durch Mark und Bein: Das war der „Arzt“ von damals!!! Er war Leiter des Seeschloss.
Ich habe an diese Zeit meine allerersten und ambivalenten Erinnerungen. Bruchstückhaft zwar, aber das wenige das mir präsent ist, habe ich klar vor Augen.

Auch wenn ich es eigentlich nicht wissen kann, WEISS ich, dass ich missbraucht wurde.

Pfingsten fahre ich nach Jahrzehnten wieder dorthin, um mich auf Spurensuche zu begeben. Die ganze belastende und verdrängt geglaubte Geschichte kommt mir allmählich wieder ins Bewusstsein. Wie wäre meine Kindheit und mein Leben verlaufen, wenn mir diese belastenden Erfahrungen erspart geblieben wären?
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Marlene Hammann aus Mainz schrieb am 16.04.2024
Ich bin erschüttert über die vielen schlimmen Erlebnisse in den Heimen, aber auch über die Elternhäuser, in denen offenbar häufig, sogar ohne Grund, geprügelt wurde. Also es gab schon Siuationen, in denen ich vor unserem Vater etwas Angst hatte, z.B. abends vom Spielen zu spät nach Hause zu kommen, da wurde lautstark geschimpft, aber es gab keine körperliche Züchtigung, auch bei meinen (jüngeren) Brüdern nicht. Aber zurück zu der Verschickung. Den Grund weiß ich nicht, zu dünn könnte möglich sein. Den Zeitpunkt weiß ich deswegen so genau, weil ich weiß, was ich in der Schule versäumt habe. Ich war in den Osterferien dort und wahrscheinlich sechs Wochen, so dass ich den Anfang der Bruchrechnung versäumt habe, damals fing das neue Schuljahr nach den Osterferien an. Ich gehöre zu den ganz wenigen, die nur gute Erinnerungen an diese Zeit hat, ob ich evtl. Schlechtes verdänge, weiß ich nicht. Ich war auch nicht mehr so ganz klein, ich bin 11 gewesen und wurde schon immer in den langen Sommerferien "veschickt", nur zu den Großeltern, aber immerhin. Die kamen aus einer anderen Generation und waren schon recht streng mit mir, was z.B. das Essen betraf (aber ich musste nichts Erbrochenes essen). Bei dem Heimaufenthalt kann ich mich nur an zwei junge Erzieherinnen erinnern, von denen ich auch ein Foto habe. Ich kann mich an viele Ausflüge erinnern (Wanderungen), wo wohl auch Schlager gesungen wurden, die ich von zu Hause nicht kannte (wir hatten keinen Fernseher, nicht mal ein Radio, bei uns wurde Hausmusik gemacht. Es wurde gebastelt und gehandarbeitet, was ich gerne machte und wo ich mich so geschickt anstellte, dass ich in der Mittagspause, während die anderen schlafen mussten, ein Lesezeichen flechten durfte mit Stickgarn (ich habe es später als Makramee kennengelernt) für den Geburtstag einer Erzieherin. Ans Eassen kann ich mich nicht erinnern, nur, dass ich keine Wurst essen sollte und stattdessen hatte ich Feigen dabei und getrocknete Bananen, die wir uns aufs Brot schnippelten. Wir waren so gemäßigte Vegetarier, es gab gelegentlich Fleisch zum Mittagessen, ich erinnere mich an Frikadellen und Kalbsnierenbraten. Im Heim wird es auch nicht so häufig Fleisch gegeben haben.
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Jeannette Bartusch aus Bonn schrieb am 15.04.2024
Ich wurde von Dinslaken im Rurgebiet 1964 auf Borkum verschickt. Das Heim ist mir nicht bekannt. Um das herauszufinden möchte ich nach 2 Begebenheiten fragen. 1. Wer mußte auch seine Kleidung mit Namen beschriften? Es wurde ein Baumwollbändchen mit schwarzer Wäschetinte beschriftet und eingenäht. 2. Als Souveniere hatte ich einen metallenen bronzefarbenen Leuchtturm, eine Muschel und eine Schneekugel mitgebracht. Ich bin evangelisch und der Mann meiner Mutter war Bergmann bzw. Bahnangestellter. Danke!
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Ruth Sebastian aus 66119 Saarbrücken schrieb am 14.04.2024
Auch noch heute im Alter von 64 Jahren, muss ich noch oft
an die schrecklichen sechs Wochen im Kinderheim Schloss
am Meer denken.
Am schlimmsten war für mich , dass ich nicht bei der Abschlussfeier dabei sein durfte, und das nur weil ich am Abend davor ein Gespräch mit einem Mädchen das neben mir im Schlafsaal lag hatte.
Unsanft spürte ich die Hand der Tante im Gesicht und musste am nächsten Abend alleine die Zeit im Mehrbettzimmer verbringen.
Die mitgebrachten Fotos und davon gibt es einige sind bis heute in einem Fotoalbum.
Auch den Namen vom Kinderarzt der die Kur empfohlen hat
ist mir im Gedächtnis geblieben.
Auch die Krankenkasse ist auf einem Foto das mich kurz vor der Abreise zeigt auf meinem Rucksack verewigt.
Es wäre sehr wichtig , wenn dieses Leid , was wir als Kinder erfahren mussten endlich auch entschädigt wird.
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Jutta aus München schrieb am 11.04.2024
Ich war im März 1971 für 6 Wochen zur "Kur" in Mittelberg. Zu diesem Zeitpunkt war ich 6 Jahre alt. Bei der Ankunft nach der langen Zugreise von München hatte ich großen Durst. Ein Becher mit Wasser stand vor meinem Teller. Als ich trinken wollte, wurde mir das verboten. Ich sollte zuerst den Teller leeren. Es schmeckte fad und trocken.
Ich würgte es hinunter um endlich trinken zu dürfen.
Wir wurden regelmäßig gewogen und per Finger-Picks Blut abgenommen von einer Krankenschwester, mit einer hässlichen Hasenscharte. Diese Frau konnte nichts für dieses Manko und hatte bestimmt darunter zu leiden, aber wir Kinder hatten große Angst vor ihr.
Irgenwann an einem Tag während des Nachmittagsschlafes war ich sehr unruhig und konnte nicht schlafen. Man nahm mich mit und wurde von einem Arzt (Dr. Geiger) untersucht und dann in ein Zimmer gebracht. Es war stockdunkel und nur durch ein Oberlicht an der Tür kam ein Spalt Licht herein. Ich denke, dass ich dort ca. 1 Woche lag und meistens schlief. Wenn ich auffwachte, war ich allein und hatte Angst. Ca. 2 Mal in dieser Zeit kam eine Nonne, die ich sehr gern mochte und besuchte mich.
Meine Eltern erhielten in dieser Zeit von der Heimleitung einen Brief, in dem Ihnen mitgeteilt wurde, dass ich an Masern erkrankt war. Ein Besuch wurde Ihnen verboten. Mir ist nicht bekannt, ob weitere Kinder krank waren.
Als ich das "dunkle Zimmer" wieder verliess, endete der Kuraufenthalt bereits schon und ich durfte wieder nach Hause fahren.
In der Zeit danach, hatte ich oft Alpträume. Stand Nachts auf und suchte den Lichtschalter. Als ich diesen nicht fand und weinte, sind meine Eltern oft davon aufgewacht, konnten sich mein Verhalten nicht erklären und schimpften mich.
Nach dem ich von den "Verschickungskindern" erfahren habe, kam alles wieder in meine Gedanken zurück und mir wurde einiges klar.
Auch bis heute kann ich nicht im Dunklen schlafen.
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Christine aus Hohen Schwarfs schrieb am 02.04.2024
Ich war 1986 in Sohland um mich zu ,, erholen " es gab schöne Momente aber auch weniger Schöne. Angefangen hat damals alles schon bei der Hinfahrt im Bus, abgeholt wurden wir Kinder damals vom Hauptbahnhof in Rostock . Als es losging haben wir alle eine Stulle in die Hand gedrückt bekommen, auf meiner Schnitte war Käse drauf und damals mochte ich Käse überhaupt nicht, natürlich habe ich geweint weil die Dame dort die sie mir gab gesagt hat ich soll die essen was anderes gibt es nicht ich war meiner Sitz - Nachbarin sehr dankbar, dass sie mir ihre Schnitte gab, dort war Wurst drauf. Dir erste Nacht dann in der Kur habe ich so geweint weil ich Heimweh hatte und hatte dann ins Bett gepullert worauf die Betreuerin ins Zimmer kam ( wir schliefen damals alle zusammen in so einem großen Raum) und hat mich so zusammebgefaltet, dass andere Kinder die schon schliefen wieder wach wurden. Sie hatte mir meine neuen, trockenen Sachen auch ins Bett geschmissen, und ich hatte so ein altes Krankenhaus Bett wo man so ein Gitter nach oben zog damit ich da nicht raus falle.
Das Essen da kann ich mich noch sehr gut dran erinnern, wurde auch in einem großen Raum zusammen eingenommen und einmal gab es kartoffelklöße und die mochte ich nicht, ich habe immer schon gewürgt und musste sie trotzdem auf essen auch die, die ich wieder auf meinen Teller gespuckt hatte. Ebenso gab es Tage da kam die Post der Eltern und ich weiß noch ganz genau das ich nicht gleich Post von meinen Eltern bekommen hatte und die eine Erzieherin mich damit aufgezogen hatte.
Die Sonnenbestrahlung die unseren Teint aufbessern sollte war auch immer sehr unangenehm die Brillen die man dazu aufsetzen musste hatten die einen auch immer so doll über den Kopf gezogen das es an den Haaren gezogen hat, ebenso unschön war das gemeinsame Duschen alle Kinder mussten im Kreis gehen und den Vordermann von hinten waschen ...

Es gab natürlich auch schöne Momente, die Gegend dort war sehr schön, wir sind auch viel unterwegs gewesen eine Erzieherin war besonders lieb die wohnte glaube ich auch im selben Ort und in deren Haus im Keller hatten wir immer Sport. Das war auch dir einzige Erzieherin die toll war die mir im Herzen geblieben ist
Am letzten Abend wurden die Kinder verabschiedet mit Urkunden und Geschenken
Ich war von all den Kindern das artigste, ruhigtste und ich werde nie vergessen wie die Erzieherin geweint hat als sie mir das Geschenk übergeben hat, es gab ein Puzzle, ein Domino Spiel und ein Holzbrettchen wo der die Kur und ein paar Tannen drauf gemalt waren ...

Diese Dame von damals da hätte ich so gerne gewusst ob die wohl noch lebt. Im Mai diesen Jahres soll es für ein paar Tage nach Sohland gehen ich hoffe das klappt alles . Bin gespannt wie sich das Haus verändert hat und was mir noch bekannt vor kommt jetzt soll es ein Landschulheim sein
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Annemarie schrieb am 01.04.2024
Im Alter von etwa 9/10 Jahren kam ich im Jahre 1962 oder 1963, für 4 oder 6 Wochen nach Mittelberg/Oy zur "Erholung" / "Gewichtszunahme".

Ein paar Eindrücke:
- Unsere für die Gruppe zuständige ziemlich junge Schwester war ohne Freundlichkeit und ohne Empathie für die Kinder, die meist das erste Mal von zuhause weg waren.
- Ich konnte meinen Fleischkäse nicht essen, musste mit meinem Teller in den Schlafraum, um aufzuessen. Ich hatte unter meinem Kleid eine Turnhose mit Gesäßtasche an. Dort hat ihn die Schwester gefunden. Folge: Ich hatte Nachteile (Kontrolle) bei allen weiteren Mahlzeiten.
- Eine Evi aus München mochte keine Suppe, sie bekam jeden Tag 2 Teller, die sie aufessen musste.
- Ich hatte lange Haare mit Naturkrause. Beim Badetag wurde mein Kopf unter Wasser gedrückt. Ich geriet in Panik. Das spätere Kämmen/Reißen war brutal.
- Schlimmster Tag der Woche: der Morgen des Wiegetages. Ziel des Heimaufenthaltes war ja, die Kinder sollten zunehmen. Ich ging nicht zur Toilette, trank noch Wasser, wog aber jede Woche weniger. Folge: weitere Schikanen bei den Mahlzeiten.
- Zensur der ein- und ausgehenden Post.
- Sehr schlimm für mich, die ich sehr gerne in die Schule ging, war, ich "durfte" die Ferien um 2 oder 3 Wochen für den Heimaufenthalt verlängern.

Es ist gut, dass es eine Plattform gibt, an die man sich mit seinen Erinnerungen wenden kann. Das Ausmaß dieser Quälereien ist unerträglich.
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Uwe Frenzel schrieb am 01.04.2024
Hallo,
ich war in den 70-iger Jahren in Bad Brambach/Vogtl. im Kinder-Erholungsheim - Gewerkschaft Unterricht und Erziehung.
Leider fehlen mir die Erinnerungen – aber es beschäftigt mich bis heute.
Falls jemand darüber noch etwas weiß, würde ich mich über eine Kontaktaufnahme freuen.

Danke
Uwe Frenzel
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Simone Liebig aus Berlin schrieb am 31.03.2024
Ich war 1983 mit 12 Jahren im Kinderkurheim in Gösen bei Eisenach (DDR) In der Schule wurde festgestellt das ich zu dünn war, deshalb sollte ich zur Kur und zunehmen. Ich kann mir noch daran erinnern das es Cornflakes gab, die es zu Hause nie gab, und das ich so viel gegessen hatte das ich nicht mehr auf die Toilette gehen konnte. Dafür gab es dann Medizin, die man trinken musste. Ansonsten war alles strukturiert, mit Frühsport, Spaziergang, Mittagsschlaf.. Es gab auch Kinder die geweint haben und nach Hause wollten. Es war schon eine lange Zeit ohne Eltern. Ich habe noch ein Foto zu Hause, mit Namen auf der Rückseite u a. Dörthe Feige, Marco Bock, Rita Hoffmann, Diana Schütz. Vielleicht erinnert sich jemand daran.
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Petra aus Bad Aibling schrieb am 31.03.2024
Ich wurde im August 1975 für 6 Wochen nach Westerland/Sylt ins Haus Nordmark wegen chron. Bronchitis mit 9 Jahren verschickt.
Auf diese Kinderkur habe ich mich total gefreut, 6 Wochen am Meer - wunderschön.
Am Hauptbahnhof München wurden wir von unseren Betreuern in Empfang genommen. Da wurde mir klar, ich muss da alleine hin. Ich wollte nicht mehr, wollte wieder nach Hause, alles Weinen half nicht - ich musste.
Nach 16 Std. mit dem D-Zug im Liegewagen zu sechst in einem Abteil kamen wir in Sylt an, wurden dann auf die verschiedenen Gruppen aufgeteilt. Ich hatte starkes Heimweh, da hat es nur geheißen von einer Betreuerin: Ich bin auch weit weg von zu Hause, es wurde nicht darauf eingegangen, man konnte auch kein Verständnis erwarten.
Eine Betreuerin hieß Fräulein Blum, ich kann mich noch genau an sie erinnern - sie war klein, dünn, hatte dunkle Haare und eine Brille, auch an eine jüngere kann ich mich erinnern, die hat mir erzählt, sie komme aus Dinslaken, habe aber keinen Namen.
Ich habe - Gott sei Dank - nie mitbekommen, dass wir geschlagen, zwangsernährt oder weggesperrt wurden.
Aber wir hatten in der Nacht Toilettenverbot, ich musste unbedingt, habe mich in der Nacht hinausgeschlichen und habe vor der Tür die "Wache" gesehen. Stunden später habe ich es nochmal versucht, dann war sie weg. So wusste ich, ich muss nur lange genug warten.
Morgens mussten wir unsere Betten machen, wir waren zu viert oder sechst in einem Schlafraum mit Eisenbetten, wenn eine von uns ihr Bett nicht gemacht hatte, dann durften wir alle nicht den Schlafraum verlassen.
An das Äffchen am Eingang kann ich mich noch gut erinnern, sogar an den Käfig, er war weiß lackiert und hatte einen Maschendrahtzaun.
Im Waschraum hatten wir kleine Waschbecken, die haben mir gut gefallen, ich wollte meine Füße waschen, da hat meine "Waschnachbarin" zu mir gesagt, ich solle sofort den Fuß aus dem Waschbecken nehmen: Was meinst Du was da los ist, wenn die das sehen. Die Füße kannst Du dir da hinten waschen.
Wir haben schöne Ausflüge gemacht: ins Sylter Wellenbad, in die Dünen, nach List, nach Kampen, eine Wattwanderung. Einmal war in der Nacht starker Sturm, das Fensterbrett neben meinem Bett war ganz nass. Wir sind dann am nächsten Morgen zum Meer gegangen, nachdem wir Treppen zum Deich raufgegangen sind hat sich das Ausmaß der Nacht gezeigt: Das Meer war ganz grau und der Wellengang war sehr stark, sie haben allen Strandkörbe weggeräumt, nur einer war übrig, den hat es immer wieder an die Deichmauer gespült. Der Ausblick war für mich sehr schön und überwältigend.
Wir haben auch einen häßlichen Badeausflug gemacht: Wir mussten in der Nordsee schwimmen, damals war gerade eine starke Quallenplage, am Strand, im Wasser überall waren sie. Wir mussten trotzdem rein. Wir haben uns an den Händen gehalten, im Wasser - es war auch Wellengang- kann ich mich noch gut erinnern, wie die Kinder geschrien haben. Mich hat Gott sei Dank keine Qualle erwischt. Seitdem ist die Nordsee für mich gestorben.
An das Essen kann ich mich nicht mehr erinnern, nur noch an die "Schokoladensuppe".
Ich war in einer Gruppe von Mädchen, kann mich aber nur noch an eine erinnern, ich meine sie hieß Judith und hatte nach meiner Erinnerung leicht rotes Haar. Einmal haben wir einen Ausflug mit dem Bus gemacht: wie wir vor dem Haus Nordmark gestanden und auf die Abfahrt gewartet haben, haben meine Sitznachbarin und ich auf das Haus geschaut, da hat sie zu mir gesagt: Ich werde meine Eltern bitten, mich nie mehr hierher zu schicken. Ich habe mir auch gedacht einmal und nie wieder.
Zusammengefasst kann ich sagen: Es war nicht schön, es herrschte Kasernenton, meine Bronchitis war nach dem Aufenthalt weg, aber ich wollte da nie wieder hin.
Gerne hätte ich mir das Haus nochmal angeschaut, aber nach einer Internetsuche habe ich erfahren, dass es vor einigen Jahren abgerissen worden ist. Auf Bildern habe ich es sofort erkannt.
Vielleicht kann sich ja jemand an mich erinnern, ich war die einzige aus Bayern im August 1975 im Haus Nordmark. Ich hatte oder habe von diesem Aufenthalt keine psychischen oder physischen Nachwirkungen und habe jahrelang auch gar nicht mehr daran gedacht, erst als ich über Berichte über Verschickungskinder gelesen habe. Ich war sehr betroffen, dass viele noch Jahre unter dieser Kinderkur leiden und wünsche ihnen, dass sie mit Hilfe von Berichten und Erinnerungen alles gut verarbeiten können.
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Birgit aus Bad Oeynhausen schrieb am 31.03.2024
Ich habe das Heim als sehr dunkel empfunden. Bestrafungen, Angst, Abstellraum, Kälte ....
In den späteren Jahren wurde daraus die Villa Ferrette. 2022 ist das Haus abgebrannt
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Jessica Scherer aus Daun schrieb am 29.03.2024
Hallo und guten Abend!

Ich habe diese Woche erfahren, dass auch ICH ein Verschickungskind war.
Leider weiß ich nur, dass ich im Schwarzwald war für 6 Wochen und dass ich als Kindergartenkind dort war (es war Winter) und es lag jede Menge Schnee.
Das muss zwischen 1985 und 1986 gewesen sein.
Ich wurde wegen Pseudpokrupp "verschickt" .
Ich kann mich bloß daran erinnern, dass ich schlimmes Heimweh hatte und viel geweint habe. Ich fragte mehrmals ob ich meine Mama anrufen darf, das gab Ärger!
Es gab immer das gleiche zu Essen und ich weiß, dass ich sehr oft nackt war und ich barfuß im Schnee laufen musste und mir die Füsse unendlich weh taten. Man hat mir dort Mandeln und Polypen entfernt. Ich wurde währenddessen wach!
Das einzig positive, was ich zu berichten habe, dass wir in/mit einer Kutsche gefahren sind.
Ach und ich habe immer ein Bild im Kopf, wo ich in einem dunklen Raum meine Strumpfhose anziehen musste aber ich konnte es nicht.
Ich leide seit meiner Kindheit unter anderem an schlimmen Depressionen, Angstzuständen und Panikattacken.
Und ich gehe stark davon aus , dass diese "Erfahrungen" eine große Rolle spielen...
Meine Mutter kann sich leider nicht erinnern, wo das im Schwarzwald war. Sie konnte mir nur sagen, dass ich die Überweisung von unserem Hausarzt bekam und er ihr sagte, das müsste sein,da ich sonst ein Leben lang Asthma haben würde und sie hatte natürlich Sorge um mich; Dass Kontakt in den 6 Wochen verboten seien, da die Kinder sonst noch mehr Heimweh bekommen. Sie bekam in den 6 Wochen 2 Briefe, die ich angeblich diktiert haben soll, wo drinsteht, dass es mir gut geht...
Ich bin fassungslos. Meine Mutter hat das vor kurzer Zeit wohl im TV gesehen,dass es das überhaupt gab. Sie hat jetzt natürlich ein schlechtes Gewissen. Ich für mich muss sagen, dass ich psychisch relativ stabil war und ich jetzt seit Tagen nur weine.
Die Menschen tun mir so schrecklich leid, die das erleben mussten und vllt sogar wie ich, dass ganze Leben darunter leiden mussten, müssen.
Fühlt Euch alle feste umarmt.
Ich fühle mit Euch !
Ich würde so gerne erfahren, was man sonst noch mit mir getan hat. Vllt könnte ich dann wenigstens die ein oder andere Situation in der mich die Panik überkommt, nachvollziehen...

Nachtrag...
Meine Mutter sagte, als ich zurückkam und sie mich am Bahnhof abholte, sah ich sehr verwahrlost aus, die Brille beschmiert,als hätte man sie 6 Wochen nicht geputzt und ich habe wohl richtig gestunken!!!
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Lucia A. schrieb am 29.03.2024
Ich besitze noch ein Foto, wo ich mich morgens in der Dunkelheit auf dem Tübinger Bahnhof, neben einem mittelgroßen Koffer stehend, von meinen Eltern verabschiede. Verschickt wurde ich mit 9 Jahren über die BEK Baden-Württemberg. Der Inhalt des Koffers war genau vorgeschrieben. Die Wäsche konnte in den 6 Wochen nicht gewaschen werden. Die Unterwäsche wurde wöchentlich gewechselt, die Oberbekleidung und Nachtwäsche seltener. Einmal bin ich beim Spaziergang aus Versehen mit einem Fuß in einen modrigen Graben hineingerutscht. Ich wurde ins Heim zurückgeschickt und musste, nachdem ich den Schuh und das Hosenbein gereinigt und zum Trocknen gehängt hatte, gefühlt den Rest des Tages im Bett verbringen, bis die Sachen wieder trocken waren.
Warmes Wasser kam 1962 für die meisten von uns noch nicht aus der Leitung.Gewaschen haben wir uns an einem Rondell mit 6 oder 8 Wasserhähnen. Bevor es alle 1-2 Wochen zur ärzlichen Untersuchung ging, wurden wir mit kaltem Wasser aus einem Schlauch abgeduscht. Hernach gab es wohl auch frische Kleidung.
Die türlosen Schlafräume hatten bei uns Mädchen je vier Betten. Nach dem Esssen war Mittagsschlaf Pflicht, egal wie alt man war. In den den Schlafräumen durfte nicht geredet werden. Auf dem Gang ging eine Aufsicht hin und her. Ich erinnere mich an den Engländer, den wir besonders fürchteten. Wer bei Reden erwischt wurde, wurde bestraft. Unter diesen Bedingungen konnte zu Niemandem Vertrauen aufgebaut werden.
Wie schon vielfach hier berichtet, wurde die Briefe nach Hause vorher kontrolliert und es durfte nur Gutes berichtet werden, vielleicht auch um die Eltern nicht zu beunruhigen. Dass ich nicht die Wahrheit schreiben durfte, hat mich in meiner Erinnerung besonders aufgewühlt. Ich habe ständig darüber nachgedacht, wie es mir gelingen könnte, einen unzensierten Brief nach draußen zu bringen und wem ich diesen Brief wohl anvertrauen könnte. Zum Glück ist mir niemand eingefallen, das hätte sicher Folgen gehabt.
Ich stamme aus einer sehr katholisch geprägten Umgebung und hatte zusammen mit noch einem anderen Mädchen die Gelegenheit, in Begleitung einer Tante gelegentlich an Sonntagen um 6 Uhr den Frühgottesdienst in der Dorfkirche zu besuchen. Auf diesen Freigang aus der Anstalt habe ich mich immer gefreut, weil selbst eine Messe um 6 Uhr früh in damals noch latenischer Sprache, mir ein vertrautes Gefühl vermittelte und die Verlorenheit für kürze Zeit weg war.
Als ich wieder zu Hause war, habe ich wohl meinem Vater Vorwürfe gemacht, dass er mich zur Verschickung angemeldet hat. Im Gegensatz zu den meisten Kindern war ich nicht unterernährt oder schwächlich. Mein Vater, der selbst mit 17 Jahren schon Marinesoldat war, meinte wohl, dass die "Härten der Fremde" mir nicht schaden würden. Ob mich die Zeit nachhaltig geprägt hat, kann ich nicht sagen. Da ich aus einer großen Familie stamme und mit Gleichaltrigen viel Zeit draußen verbracht habe, waren die Verschickungszeiten schnell vergessen. Reden wollte ich darüber nicht, einfach nur hinter mir lassen.
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Christiane schrieb am 29.03.2024
1968, mit fünf Jahren ging es für mich nach Juist.
Nach den negativen Erfahrungen ( Hirschegg) wollten meine Eltern mich dort besuchen.
Das wurde mit der Begründung von aufloderndem Heimweh verweigert.
Der mir vertraute Kinderarzt aus Oberhausen besuchte allerdings während meines Aufenthalts die Einrichtung.
Ich kann mich an lange, einsame Zeiten vor einem vollen Teller erinnern, an meinen " verschwundenen " Tröster (Kuscheltier) Brummi.
Ich war die Kleinste in der Gruppe und durfte manchmal bei der Köchin auf einem Tisch sitzen und zusehen wie gekocht wurde.

Besonders in Erinnerung ist mir geblieben, wir wurden in einer Zweierreihe in ein Geschirr gespannt, wenn das Haus verlassen wurde.
Vorne ging eine Erzieherin und auch hinten.
Erklärt wurde das so :
Die Insel ist schmal und das Meer nah!

Zum Abschluss gab es ein Foto. Alle Kinder stehen in einem Ruderboot.

Der zweite Aufenhalt 2 Jahre später:

Mein Bruder ( Jahrgang 1965) und mein Cousin ( Jahrgang 1963) fuhren mit mir gemeinsam nach Juist.
Wir wurden direkt getrennt. Gesehen habe ich Bruder und Cousin nur bei den Mahlzeiten...aber wirklich nur gesehen...nie gesprochen.
Gesungen wurde auch im Speisesaal.
Ich erkrankte während des Aufenthalts an Röteln und wurde isoliert.
Ein Arzt schenkte mir eine Schneekugel kurz vor der Rückfahrt.
Besonders in Erinnerung blieb bei diesem Aufenthalt die Rückfahrt mit der Inselbahn und das Gefühl durch Wasser zu fahren.
Mir kullerten richtige Steine vom Herzen bei der Aussicht...bald bin ich daheim.
6 Wochen war ich jeweils dort.
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Christiane schrieb am 29.03.2024
Am 22.09.1966 ging es mit dem Zug nach Hirschegg.Meine Mutter weinte beim Abschied. Mir hatte man von netten Kindern dort erzählt...
Im Oktober erreichte meine Eltern dann eine Postkarte, abgebildet war ein Spielzimmer.
Mitte Oktober kam dann ein Brief einer Erzieherin, die Kleine ist sehr lieb und vollständig sauber.
Erinnern kann ich mich an die Zeit nicht mehr, nur, ich musste öfter im Haus bleiben,weil mir das passende Schuhwerk fehlte. Ich hatte und habe sehr kleine Füße und es gab keine Stiefel für mich.
Ich muss wohl dann eine Mittelohrentzündung gehabt haben.
Ende Oktober gab es wohl Schnee und es wurden Wintersachen für mich erbeten.
Meine Eltern haben dann die Sachen per Paket abgesandt und Luftballons für alle Kinder beigelegt.
Auf einer Karte wurde bemerkt, ich wäre sehr ernst und schüchtern. Auf Fotos würde ich alle Familienmitglieder erkennen.
Im nächsten Brief wurde von schorfiger Kopfhaut berichtet und aus Pflegegründen hätten die Haare sehr kurz geschnitten werden müssen.
Am 16.12.66 haben meine Eltern mich vom Bahnhof abgeholt.
Daheim angekommen habe ich nur genickt oder den Kopf geschüttelt. Gesprochen habe ich nicht.
Ich soll sehr verschüchtert gewesen sein. Der Kinderarzt diagnostizierte einen Trommelbauch und setzte sich mit der Krankenkasse in Verbindung.
Ich soll noch lange gesungen haben...und jetzt machen wir die Schuhbandel zu.

Alle Postkarten aus Hirschegg ( von meiner Mutter vorher vorbereitet und mit Porto versehen...kleben in meinem ( von meiner Mutter erstellten) Tagebuch.
Das Tagebuch habe ich dann zum 10. Geburtstag erhalten.
1968 und 1970 ging es nach Juist
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Sabine Wiegmann aus Riede-Felde schrieb am 29.03.2024
Meine Schwester war 5 oder 6 und ich etwa 4 Jahre alt, als wir gemeinsam auf Anordnung des Hausarztes Dr. Tausch in Bremen für 6 Wochen verschickt wurden. Unsere Eltern waren bei der DAK Bremen versichert.
Wir mussten, nur in Begleitung einer fremden "Tante", mit dem Zug anreisen. Im Kinderkurheim erlebten wir Zucht und Ordnung, Unterdrückung, Angst und Prügel, während der Rest unserer Familie einen wunderschönen Urlaub auf Mallorca verbrachte.
Trotz vieler Erinnerungslücken kann ich ein paar schreckliche Dinge vom Kuraufenthalt nicht vergessen:
Gleich nach der Ankunft wurde ich von meiner Schwester getrennt. Ich hatte fürchterliche Angst, war nie zuvor von Zuhause weg und schon gar nicht alleine gelassen.
Im Heim wurde uns ekliges Essen reingeprügelt. Ständig wurden wir von den strengen Tanten ermahnt. Wir mussten so lange am Tisch im Speisesaal sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war. Notfalls stundenlang. Auch Erbrochenes musste gegessen werden, bis der Teller leer war.
Es gab warme Milch mit dicker Haut, Milchsuppen, Lebertran und speckiges Fleisch. (Ich kriege heute noch das Würgen bei dem Geschmack von Speck und durchwachsenem Fleisch. Milch kann ich nur im Kaffee oder mit Kakao trinken.)

Nie zuvor hatte mir das tägliche Kämmen meiner langen Haare so weh getan. Das Bürsten der Tanten war gnadenlos und brutal.
Stofftiere und Puppen wurden uns als Druckmittel weggenommen.

Der tägliche Mittagschlaf kam mir endlos vor. Im Schlafsaal tagsüber und bei der Nachtruhe herrschte absolute Stille und Sprechverbot. Aufstehen war streng untersagt. Wir mussten stramm liegen. Während der Ruhezeiten waren die Toiletten verschlossen. Obwohl wir nicht zur Toilette gehen durften, wurde Einnässen hart bestraft, unter anderem mit eiskalten Duschen und weiteren Demütigungen.

Widerworte gab es nicht. Ich war damals schon artig, folgsam und verträumt. Meine Schwester war aufmüpfig und hyperaktiv. Vielleicht musste sie deshalb noch mehr leiden als ich.

Statt Spielen im Garten gab es stramme Spaziergänge bei schlechtem Wetter. Ich hatte oft sehnsüchtig aus dem Fenster in den Garten geschaut und andere Kinder beim Spielen und Toben im Garten beobachtet. Für uns war es wohl verboten.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dort überhaupt gespielt zu haben. Gab es dort auch Spielzeug?

Die ständige Zurechtweisung durch die Tanten sorgte dafür, dass ich noch ängstlicher und ruhiger wurde.
Regelmäßig wurden wir in einer Wanne mit eiskaltem Wasser immer wieder mit einem eingetauchten Lappen von oben bis unten abgerieben. Diese Prozedur dauerte ewig und war schmerzhaft und brutal. Ein Ohnmachtsgefühl, bei dem Schreien und Weinen zusätzlich bestraft wurde.
Angeblich sollte es den Körper abhärten.

Weinen war generell verboten. Heimweh und Kummer musste unterdrückt werden, da es Prügel und andere Strafen zur Folge hatte.
Freundliche Worte oder Trost durch die Tanten gab es nicht. Meine Schwester war außerhalb meiner Reichweite. Ich konnte und durfte mit Niemandem reden.

Die Texte für die Postkarten wurden diktiert oder von den Tanten geschrieben. Es durfte nichts Schlechtes über das Heim geschrieben werden.
Besuche der Eltern sowie Telefonate waren grundsätzlich untersagt.

Die meiste Zeit des 6 wöchigen Aufenthaltes in diesem "Straflager" sind noch aus meinem Gedächtnis verschwunden.

Als meine Schwester und ich nach dieser grauenhaften Erholungskur Zuhause ankamen, wurden wir von unseren Brüdern mit deren schönen Urlaubserlebnissen überschüttet. Unsere Eltern hatten die Zeit mit nur zwei Kindern genutzt und sind mit unseren Brüdern (2 und 8 J.) für 14 Tage nach Mallorca geflogen. Wunderschön, viel Sonne, Sandstrand, das Meer, gutes Essen und tolle Ausflüge...

Ich fühlte mich erniedrigt und ungeliebt. Meiner Schwester erging es bestimmt genauso. Von den Qualen, die wir erleben mussten, erzählten wir nichts. Wir haben 54 Jahre über diesen schrecklichen Kuraufenthalt in Muggendorf geschwiegen, auch untereinander.

Jetzt hat das Schweigen ein Ende!
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Karin Geesink aus Ibbenbüren schrieb am 28.03.2024
Verschickungsheim: Rothaus in Boffzen am Solling
Zeitraum: Feb./März/ 1968
Hallo Ralf.
Auch ich wurde im Alter von 6 Jahren nach Boffzen verschickt. Dort sollte ich zunehmen. Mir ist es dort ähnlich ergangen wie dir. Kannst du dich noch daran erinnern, in welchem der beiden Häuser du untergebracht warst? Da gab es ja zum einen das schlossähnliche "Jagdhaus" und zum anderen das kleinere Nebengebäude.
Ich war in dem großen Gebäude untergebracht und habe - so wie du auch - in einem großen Schlafsall mit insgesamt ca. 20 Mädchen geschlafen.
Zum Frühstück gab es gefühlt jeden Tag: Haferschleimsuppe mit 1-2 Scheiben Sauerteigbrot, bestrichen mit Butter (oder Margarine?) und dazu eine Schale mit rohem Sauerkraut.
An Aktivitäten kann ich mich gar nicht erinnern, bis auf einen Rodelnachmittag auf dem kleinen Hügel vor dem Haupthaus. Ich kann mich erinnern, dass ich das nicht wollte. Aber danach wurde ja nicht gefragt.
Nachts das absoluteToilettenverbot. Eine Nacht konnte ich es nicht mehr aushalten und habe ins Bett gemacht. Die ganze Nacht lag ich in dem nassen Bett und hoffte am nächsten Tag, dass niemand es bemerkt. Aber es wurde entdeckt und ich musste meine Wäsche in dem kalten Waschkeller mit der Hand selbst waschen. Das war so demütigend. Ich könnte noch mehr erzählen, aber vielleicht können wir ja auf anderem Wege Kontakt aufnehmen? Ich würde mich über eine Nachricht von dir freuen.
Hast du übrigens schon mit der Heimortkoordinatorin Martina Kontakt aufgenommen?
Liebe Grüße
Karin Geesink
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Kerstin Weber aus Dessau-Roßlau schrieb am 27.03.2024
Hallo, ich bin Kerstin.
Mit ca. 4 Jahren (1961) wurde ich in ein Kurheim nach Ahlbeck ( damals DDR) verschickt.
Meine Eltern brachten mich zum Zug am Bahnhof Dessau, meinem Heimatort. Dort stieg ich zu einer "Tante" in ein Zug und meine Eltern entschwanden.
Der für mich traumatisierten Aufenthalt im Kurheim Ahlbeck hat tiefe Spuren hinterlassen, obwohl mir das erst im späten Erwachsenenalter bewusst wurde.

Trauma

Dem Kind, dem kleinem Mädchen,
geht es immer schlechter
Das Fieber steigt heftig.
Die Ärzte können nicht helfen.
Den Eltern wird erläutert,
nur eine Kur an der See
verspräche noch Rettung.
Die Tasche wird eilig gepackt.
Den Lieblingsteddybären
fest umklammert,
ist Kind ist ganz verstört,
als die Mutter es weinend
zum Abschied küsst,
weil sie es so ungern wegschickt,
für lange Zeit an die Küste.
(Mama, ich bin doch so brav)

Das Kind ist angekommen in
dem Heim, mit dem großem
Schlafsaal, wo viele duzend
Gitterbettchen stehen.
Es fühlt sich einsam unter
den vielen fremden Kindern.
Die Kleine fürchtet
sich vor den Schwestern und Ärzten,
denn sie weiß,
sie tun ihr weh.
Es ist Winter.
Das Mädchen friert in ihrem Bettchen
ohne sich zu beschweren, doch nicht
ohne heimlich zu weinen.
(Ach Mama, ich bin doch ganz brav!)

Die Kinder sind kleine Ungeheuer
Dem Teddy Max hat ein Junge
das Bein ausgerissen,
Sie rufen ihr "Spitznase" nach.
Im Pool, wo sie baden muss,
weil Meerwasser gut für sie ist,
schwimmen Kackwürstchen.
Sie ekelt sich so sehr.
Das Essen schmeckt nicht
Erbsbrei ist ihm widerlich.
Es muss aufgegessen werden,
wird ihr gesagt,
sonst darf sie nicht nach Hause.
Also würgt sie es herunter.
(Ach, Mama ich bin wirklich brav!)

Die Tage vergehen wie Jahre.
Mit den Nächten kommen die Gespenster,
die in den Gardinen hängend,
ihr schreckliche Angst machen.
Das Mädchen beginnt sich Geschichten
auszudenken, die es zur Mutter tragen.
Als ihm die Hoffnung abhanden gekommen,
sie nur noch in ihrer Märchenwelt lebt,
sagt der Doktor,
die Kleine hat ihre Krankheit besiegt.
(Ach, Mama, ich bin immer brav)

Mechanisch steigt das Mädchen in den Zug,
den Teddy ohne Bein im Gepäck,
fährt sie mit leerem Blick nach Hause.
Am Bahnhof wird es abgeholt.
Ansehen will es die Mutter nicht.
Die nimmt sie schluchzend in den Arm.
Das Kind kann sich nicht rühren,
es glaubt es einfach nicht.
Der Vater wartet schon zu Hause,
er hat sich heute sehr beeilt, um seinem
kleinen Liebling zu begrüßen.
Das Kind wird warm gebadet.
Sein Lieblingsessen steht auf dem Tisch.
Es hat keinen Hunger mehr,
zuviel Erbsbrei im kleinem Magen.
Von den Eltern liebevoll ins Bettchen
Gekuschelt, macht sie die Augen zu,
träumt sich in ihre Welt, zur Mutter.
(Ach Mama, ich will immer brav sein!)

Morgens liebevoll geweckt,
bewegt sich das Kind, wie eine Marionette.
Drei Tage spricht es kein Wort.
Das erste was man von ihm hört,
„Mama schicke mich nicht wieder fort“

Der Körper war geheilt.
Die kleine Psyche war gebrochen.
Sie träumt bis heut noch von Wellen
die ihr, wen immer sie liebte, genommen.
Vor allem und jedem hatte sie Angst,
sie musste sich immer beweisen.,
Sie funktionierte, sie war ja so brav,
konnte aber weder lachen noch weinen.

Bis sie wieder ihre Geister traf,
die immer noch in den Gardinen hingen.
Ihre Märchen waren nicht mehr abrufbar,
hatten die Geister verschlungen.
Da brachen Seele und Körper entzwei.
Sie trat ein in den dunklen Nebel,
Sie konnte und wollte nicht mehr sein,
sich ihrem Schicksal ergebend.

Und meine Mutter weinte
meine ungeweinten Tränen
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Jürgen Heuser aus Legden schrieb am 27.03.2024
Ich bin 4 Jahren für eine Lange Zeit bei den Nonnen zu Besuch gewesen
- Essensenzug
- Nachts nicht auf die Toilette dürfen
- Ärger(Züchtigung) bekommen wenn man ins Bett macht
- Nur einmal die Woche Telefonieren und nicht frei sprechen dürfen (wer sich negativ äußert darf nicht mehr telefonieren)
- Haarschnitt Mangelware
- Spielzeug habe ich zum Abschluss anscheinend dem Haus geschenkt….

Bin zur Zeit mit meiner Tochter (6 Jahre) hier um auch für mich ein wenig Klarheit zu finden.
Aber der Text an der Wand sagt schon alles
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Roland Mollet aus Völklingen (Ludweiler) schrieb am 25.03.2024
Sechs Wochen im Sommer 1961. Wer der Träger der Maßnahme war, weiß ich nicht (mehr). Ich war 9 Jahre alt. Habe wenig Erinnerungen. Habe noch vier Gruppen-Fotos. Kann mich aber an großes Heimweh erinnern und lag auch deswegen tagelang "krank" im Bett. Heimfahrt war nicht möglich, da meine Eltern noch nicht motorsiert waren. Wir hatten noch kein Telefon, daher auch keinen Kontakt, nur Briefe und Karten. Wen Päckchen von den Eltern kamen, musste die Süßigkeiten mit den andern Kindern geteilt werden.
Schlimm war für mich jedenfalls, dass diese "Kur" während der Schulzeit war und ich 6 Wochen Unterricht versäumte. Das musste ich dann irgendwie nachholen, indem ich mir von Klassenkameraden die Hefte geben ließ und den Stoff weitgehend mit Hilfe meiner Eltern und älteren Geschwister nacharbeiten konnte.
Es war keine schöne Zeit. An Misshandlungen oder übles Essen usw. habe ich keine Erinnerungen.
So schrecklich wie bei den Schilderungen der anderen Kinder kann es dann eigentlich nicht gewesen sein. Wahrscheinlich habe ich alle schlechten Dinge verdrängt.
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Ulrich Nilkes schrieb am 25.03.2024
Ich wurde im Januar/Februar 1966 als damals 6-jähriger noch vor der Einschulung verschickt. Die Einweisung erfolgte mutmaßlich wegen eines mangelhaften Ernährungszustandes.
Nachdem ich -zig Berichte anderer Verschickungskinder gelesen habe, denke ich, war das Lager "Bergfeude" noch eines der weniger inhumanen.
Ich wurde dort im Wesentlichen lediglich gedemütigt und erniedrigt, genötigt (durch Essenszwang und Toilettenverbot), angelogen und nach Strich und Faden verar...; mein als Kind gefasstes Vertrauen zu einer Bezugsperson wurde gebrochen und missbraucht, meine Geschäftsunfähigkeit als Kind zum Nachteil meiner Eltern ausgenutzt.
Ich wurde aber nicht verprügelt, nicht im Bunker isoliert, musste nicht Erbrochenes essen, wurde nicht Medikamentenversuchen und weiteren schweren Straftaten ausgesetzt und durfte sogar meine Kleidung behalten.
Ein ausführlicher Bericht, der, wie ich meine, viele Details und Tatsachen einschließlich Fotos sowie eines der gefälschten Schreiben der Lagerleiterin an die Eltern enthält, wird auf dieser Homepage unter in die Rubrik 'Selbstzeugnisse' eingestellt.
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Barbara Freier geb.Ochlich aus Schondorf am Ammersee schrieb am 24.03.2024
Wegen einer angeblichen Hillus TBC war ich 1952 für 6 Monate in der Lungenheilstätte Oy Mittenwald. Da ich erst 4 Jahre alt war, sind meine Erinnerungen nur sehr bruchstückhaft. Ich suche deshalb Austausch mit Menschen, die auch dort waren. Ich habe Fotos aus dieser Zeit. Es quält mich immer mehr, dass mir 6 Jahre meines Lebens fehlen. Bitte meldet euch bei mir.
Danke!
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Dr. Ulrich Ellinghaus aus Syke schrieb am 24.03.2024
Zusammen mit meinem Zwillingsbruder wurden wir im Grundschulalter auf dringende Empfehlung von der Ärztin meiner Eltern zur „Kinderkur“ für 6 Wochen nach Wyk auf Föhr geschickt, weil wir „schlechte Esser“ waren. Für mich war es die Hölle. Trennung von den Eltern, drastische Strafen, vor dem (kalten) Essen so lange sitzenbleiben bis es aufgegessen war, Mittagsschlaf obwohl ich nicht schlafen wollte & konnte, Redeverbote in bestimmten Situationen. Als ich zurückkam war meine erste Aussage zu meinen Eltern: „So was macht Ihr mit mir nie wieder!“
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Ingo Forster schrieb am 22.03.2024
Ich kam mit 8 Jahren nach Mönchwinkel, weil ich zu klein und dünn war.
Es war das pure Graunen, anders kann ich es nicht bezeichnen.
Die ganzen Dinge wie Essenszwang, Toilettenverbot, maßlose Strafen kann ich alles nur bestätigen.
Ich möchte nur kurz von meinem einschneidendsten Erlebnis berichten, dass mir noch heute sehr nahe geht. Das mich noch heute in Tränen ausbrechen lässt.

Wir saßen alle im Gemeinschaftsraum und bastelten Drachen (die wir aber später nie steigen lassen durften). Weil eine Holzleiste fehlte schickte mich die Tante zum Hausmeister um noch eine zu holen. Ich musste dazu durch mehrere Gänge und eine Treppe runter. Schon auf der Treppe hörte ich Gebrüll und Weinen. Im unteren Gang war die Tür des Schlafraumes offen. Eine Tante schubste ein kleines Mädchen (sie war höchstens 5) gegen die Wand. Sie fiel darauf zu Boden und blieb regungslos liegen. Sie gab keinen Laut von sich. Aus ihrer Nase lief Blut. Ich dachte sie wäre tot. Als die Tante mich sah sagte sie nur: "Was glotzt du so, ab Marsch!"
Ich war total schockiert und konnte die ganze Nacht an nichts anderes denken.
Einen Tag später nahm ich allen Mut zusammen und fragte eine andere Tante was mit dem Mädchen aus dem unteren Schlafsaal ist.
Und die sagte: "Die ist unter der Erde und die Würmer fressen sie."
Ich bekam einen regelrechten Heulkrampf. Ich wurde geschlagen und in den Schlafsaal gesperrt, aber keine Schläge und Bestrafungen konnten mich beruhigen. Ich schrie und schrie. Stundenlang, bis ich völlig heiser war. Dann kam eine Tante und zerrte mich aus dem Schlafssal. Ich schlug wild um mich, versuchte mich mit allen Mitteln zu wehren, ich dachte ernsthaft die will mich jetzt umbringen, aber sie sagte dann ich soll mich beruhigen und dem Mädchen geht es gut und sie will mir das zeigen. Ich glaubte ihr nicht, aber sie zog mich dann einfach wild strampelnd runter in den anderen Schlafsaal und da war das Mädchen tatsächlich. Sie war nicht tot. Aber die Bilder verfolgen mich bis heute, die bekomm ich nie mehr aus dem Kopf. Wie das Mädchen regungslos blutend auf dem Boden lag.
Ich war natürlich heilfroh das es dem Mädchen gut ging aber ich war hinterher dennoch so fertig, dass ich richtig krank wurde. Ich konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Ich konnte mich tagelang nicht mehr beruhigen. Ich lag auf der Krankenstation und alles war irgendwie egal. Ich glaube ich bekam dann auch Beruhigungsmittel, denn an die Tage im Bett auf der Station erinnere ich mich kaum.

Der kleine dünne Junge der zur Kur gefahren ist, kam noch dünner zurück.

Gern würde ich wissen was aus dem kleinen Mädchen geworden ist, ich glaube sie hieß Ulrike. Vielleicht erkennt sich jemand wieder.
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Manuela A. schrieb am 22.03.2024
Hallo, ich bin durch einen TV-Bericht auf diese Seite aufmerkssam geworden.
Ich wurde mit 10 Jahren nach Immenstadt zur Kur verschickt. Die ganzen 6 Wochen waren eine Aneinanderreihung von Folter, Schlägen und Misshandlungen.
Immer wieder versuchte ich aus diesem Albtraum aufzuwachen weil ich einfach nicht wahrhaben wollte, dass es sowas gibt. Immer wieder dachte ich das können die doch nicht machen, das dürfen die doch gar nicht. Man war den Nonnen völlig ausgeliefert. Es gab keine Kontaktmöglichkeiten zu den Eltern. In den Briefen MUSSTE man schreiben das es einem gut gehen würde. Man wurde von Nonnen zum Lügen gezwungen!
In den endlosen Nächten nahm ich mir fest vor, alles meinen Eltern zu erzählen, diese Lügen aufzudecken. Doch als ich wieder zuhause war, sagte ich kein Wort, im Gegenteil, ich log weiter, sagte das es schön gewesen wäre.
Obwohl es nicht meine Schuld war, war es mir schlichtweg zu peinlich meinen Eltern zu erzählen das ich mit 10 Jahren mein eigenes Erbrochenes gegessen habe, ständig in die Hose gemacht habe, geheult habe wie ein Baby.
Das ich damals nichts gesagt habe, bereue ich zutiefst. Erst als ich 30 war hatte ich mich mit meinen Vater darüber unterhalten, meine Mutter war da leider schon tot.
Mein Vater war fassungslos. Er sagte, hätte ich damals was gesagt hätte er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt um diese Teufelsweiber zur Rechenschaft zu ziehen.
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Sandra Herold schrieb am 21.03.2024
Ich war im Alter von 10 Jahren für sechs Wochen in Graal Müritz zur Kur. Und in erster Line verbinde ich den Kuraufenthalt mit Wind, Kälte und Regen.
- endloses Spazieren bei Regen
- Wattwanderungen im Oktober bei denen einem vor Kälte fast die Füße abgefroren sind
- Frühsport im Freien, nur mit Unterwäsche bekleidet
- Abspritzen mit eiskaltem Wasser

Es gab zwar auch eine Sauna, aber in der waren wir nur einmal. Positiv war, dass ich mir mit nur drei anderen Mädchen ein Zimmer teilte. Und zum Glück verstanden wir vier uns auf Anhieb und wurden ein eingeschworendes Team. Da wir nachts im Zimmer eingeschlossen wurden hatten wir unsere Ruhe und konnten ungestört stundelang quatschen. In der Nacht schaute nie jemand nach uns. Allerdings war auf Toilette gehen unmöglich. Wir versteckten eine alte Blechbüchse die wir in einem Mülleimer fanden hinter dem Heizkörper. Das Fenster ließ sich nicht öffnen, aber zum Glück kippen. Und so konnten wir die Büchse nach Benutzung aus dem Fenster entleeren. Man musste allerdings in zwei Teilen pinkeln, weil die Büchse nicht all zu groß war und man sie zwischenzeitlich leeren musste.
Ich kann mich noch haarklein an eine Situation erinnern, in der ich in die Büchse pinkelte und, ich weiß nicht wieso, einen Lachanfall bekam. Vermutlich weil die ganze Situation so absurd war und das Plätschern in der kleinen Mandarinenbüchse so komisch klang. Ich konnte vor Lachen gar nicht aufhören mit pinkeln und die Büchse lief über. Auch die anderen fingen dann heftig an zu lachen. Ich habe dann die Bescherung mit einem Schreibblock aufgesaugt, den ich auch durch das gekippte Fenster nach draußen warf.
Vormittags hatten wir immer zwei, manchmal drei Stunden Unterricht.
Im Großen und Ganzen war die Kur erträglich, wenn auch unsere Betreuerinnen ziemlich streng waren. Auch das Essen war OK. Was mir am meisten zu schaffen machte war, dass ich immer gefroren habe. Bei Wind und Wetter oder im Regen barfuss durch den kalten Sand zu laufen war ich einfach nicht gewöhnt.
Hinzufügen muss ich noch, dass ich wirklich enormes Glück hatte mit drei so wunderbaren Kindern in einem Zimmer zu sein. Das hat mir viel über das Heimweh hinweggeholfen. Ich will mir nicht ausmalen wie ich gelitten hätte, wenn ich nicht diesen Zusammenhalt unserer 4er-Clique gehabt hätte.
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Joachim schrieb am 21.03.2024
Meinen 7. Geburtstag hatte ich während meiner 6wöchigen Kur. Das war ein deprimierender Tag. Ein Anruf meiner Eltern war nicht erlaubt und ein Päckchen kam erst ein paar Tage später an. Ich bekam nur die Karte, alles andere wurde einbehalten.

Schon vom ersten Tag an zählte ich die Tage bis diese Kur endlich vorbei ist.
Vieles habe ich verdrängt. Manche Dinge habe ich allerdings noch gut in Erinnerung.
Lange dunkle Gänge, es roch immer nach Bohnerwachs.
Ich erinnere mich auch an die Räume im Keller. Dort fanden die Bürstenmassagen und das Wassertreten statt.
Dazu mussten wir eine ziemlich lange Treppe hinuntersteigen und uns dabei an den Händen halten. Ich weiß noch genau, das ich immer ein Mädchen an die Hand nehmen musste und ihre Hände waren immer klebrig. Das fand ich eklig und ich versuchte mich immer an einer anderen Stelle der Schlage einzureihen.
In den Kellerräumen war es immer furchtbar kalt und einmal bekam ich eine Ohrfeige weil ich vor Kälte meine Arme um meinen Körper schlang.
Nachts durften wir nicht aufs Klo und ich habe ins Bett gemacht. Als Strafe bekam ich am nächsten Tag nur ganz wenig zu trinken und weil ich so großen Durst hatte habe ich mir beim Spazieren Schnee in den Mund geschoben. Die Tante hatte es nicht gesehen aber ein anderes Kind hat mich verpetzt. Dafür bekam ich eine heftige Ohrfeige das mir die Mütze vom Kopf flog. Als wir wieder zurück im Heim waren durfte ich nicht am Mittagessen teilnehmen, ich musste mich auf einen Stuhl in den Flur setzen und durfte mich nicht rühren. Selbst während die anderen Kinder Mittagsschlaf hatten saß ich noch auf dem Stuhl.
An das Essen kann ich mich nur bruchstückhaft erinnern. Ob ich gezwungen wurde immer aufzuessen vermag ich nicht zu sagen. Ich weiß nur das immer vier Kinder an einem Tisch saßen und ich sehe die Schüsseln vom Nachtisch noch bildlich vor mir. Es waren kleine rechteckige Schalen aus Hartplaste, pastellblau. Und meistens gab es Apfelkompott.
Insgesamt habe ich die Zeit der Kur als sehr negativ in Erinnerung.
Selbst die Heimreise war eine Katastrophe. Eine Betreuer, den ich vorher noch nie gesehen hatte, begleitete mich auf der Bahnfahrt nach Hause.
Obwohl es im Zug eine Toilette gab, durfte ich die aus welchen Gründen auch immer, nicht benutzen!
Ich musste mich schließlich einkoten und meine Eltern durften dann am Bahnhof ein stinkendes Kind in Empfang nehmen.
Ich hab mich so geschämt!!
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Helga Bauer schrieb am 21.03.2024
Ich war mit 9 Jahren für 6 Wochen zur Kur.
Für mich war das eine sehr schlimme Zeit und ich leide teilweise noch heute unter den Folgen.
Es herrschte eine allgemeine Strenge und keine der Tanten hatten jemals ein freundliches Gesicht. Im Grunde genommen gab es niemals normal gesprochene Sätze. Immer alles nur im Kommandoton. "Los Betten machen!", "Los zum Frühstück!", "Schneller!"
Das Heimweh war mein ständiger Begleiter. Heimweh und Langeweile. Eine richtige Beschäftigung gab es gar nicht. Ganz oft saßen wir nur im "Spielzimmer", doch spielen war da gar nicht möglich. Es gab unvollständige Brettspiele, kaputte Spielsachen oder Malbücher für 5Jährige. Außerdem musste man selbst beim "spielen" leise sein. Unterhalten konnten wir uns nur im Flüsterton. Soweit ich mich erinnern kann waren wir nur 4 oder 5 mal draußen.
Das Essen war soweit ok, es war nicht besonders lecker, aber auch nicht eklig. Man musste aufessen, aber reingezwungen wurde es einem nicht. Allerdings bekam man die nächste Mahlzeit gestrichen wenn man nicht aufgegessen hatte.
Das beim Essen jemand kotzte kam nur selten vor.

Wir haben in der gesamten Zeit nur zweimal gebadet. Da war ein Raum im Keller in dem es ziemlich kalt war. Dort gab es eine Art Becken in das immer 4 Kinder reinpassten. Wir standen alle nackt und frierend in einer Schlange bis wir an der Reihe waren. Das Wasser war nur lauwarm und roch nach Seifenpulver. Zu allem Übel wurden wir hinterher mit einem Schlauch und eiskaltem Wasser abgespritzt.
Die Unterwäsche wurde nur einmal pro Woche gewechselt.
Besonders schlimm habe ich auch den Schlafsaal in Erinnerung. Dort war es viel zu warm und mein Bett stand genau am Fenster neben der Heizung, die auch nachts lief.
Die Betten quitschten bei jeder noch so kleinen Bewegung und dann kam eine Tante ins Zimmer gestürmt und hat uns angebrüllt oder manchmal auch aus den Betten gezerrt, dann musste man die Nacht auf einem Stuhl im Flur verbringen.

Das allerschlimmste für mich war, dass man nur 3 mal am Tag aufs Klo durfte und zwar immer nach dem Essen.
Früh war das besonders problematisch. Wenn man nicht bereits aus lauter Verzweiflung nachts ins Bett gemacht hatte, saß man früh mit zusammengekniffenen Beinen beim Frühstück und hoffte das man es bis zum erlaubten Toilettengang noch aushält. Und so war es die ganze Zeit, die ganzen Wochen. Immer wartete man mit drückender Blase daurauf, endlich aufs Klo gehen zu dürfen. Ich hatte schon große Mühe es immer von früh bis mittags auszuhalten, aber von mittags bis abends war für mich unmöglich zu schaffen. Meistens musste ich schon nach dem Mittagsschlaf (bei dem man auch nicht gehen durfte) so dringend, dass ich es nicht einen einzigen Tag bis abends nach dem Abendessen aushielt! Ich hatte jeden Tag eingepinkelt und bekam dafür Ohrfeigen oder musste stundelang in der Ecke stehen was zu weiterem Einnässen führte.
Wer ins Bett oder in die Hosen machte bekam eine rote Schleife ans Handgelenk gebunden, so das jeder im Heim sehen konnte, was für ein "Verbrecher" man war. Nach den 6 Wochen "Kur" war meine Blase so überreizt das ich zuhause ständig in die Hose machte. Schon der kleinste Blasendruck war für mich so unerträglich das es einfach lief. Nachts hatte ich für eine sehr lange Zeit gar keine Kontrolle mehr über meine Blase, was zu vielen Folgeproblemen führte. Übernachtungen bei Freundinnen oder Klassenfahrten konnte ich alles vergessen und ich wurde zur Außenseiterin. Meine Eltern kamen mit dem Ganzen überhaupt nicht klar. Ich brauchte mit 9 Jahren nachts plötzlich wieder Windeln und die größte Sorge meiner Eltern war, das es jemand mitbekommen könnte. Die Windeln, die damals noch gewaschen werden mussten, hängte meine Mutter nie in den Garten an die Wäscheleine, sondern die wurden immer in der Wohnung getrocknet, damit um GottesWillen die Nachbarn nichts von dieser "Schande" bemerken.
Die Reizblase die ich noch heute habe, ist eindeutig Folge der Kur.
Die eigentliche Ursache wurde von meinen Eltern nie ergründet. Klar, dass ich als Kind nie ein Wort von der Kur erzählt habe, aber gerade das hätte sie doch stutzig machen müssen! Vor allem weil ich vor der Kur nie derartige Probleme hatte. Als ich viele Jahre später meinen Eltern von der Kur erzählte, taten die es mit einem Satz ab: So schlimm wirds ja nicht gewesen sein. Schließlich hätte ich ja in den Briefen stets geschrieben das es mir gut ginge.
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Anja Schulz schrieb am 21.03.2024
Ich bin schockiert über die ganzen schlimmen Dinge die hier berichtet werden und die Betroffenen tun mir unendlich leid. Wie es scheint bin ich eine Ausnahme, denn ich habe das genaue Gegenteil erlebt.

Vielleicht liegt es auch daran, dass wir insgesamt nur 13 Kinder im Heim waren. Anfang der zweiten Klasse kam ich zur Kur nach Pausa im Vogtland. Natürlich hatte ich anfangs Heimweh aber das verflog rasch, denn der Umgang war wirklich liebevoll. Gleich nach der Ankunft versammelten wir uns im Speisesaal und uns wurden die Erzieher vorgestellt. Insgesamt gab es vier. Und dann wurden uns die "Regeln" verkündet. Ich kann mich noch gut daran erinnern.
Regel Nummer 1: Keiner läuft ohne Hausschuhe auf den kalten Fliesen
Regel Nummer 2: Erholen
Regel Nummer 3: Spaß haben

Wir wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, tagsüber waren aber die Mädchengruppe und Jungsgruppe zusammen. Nur Mittwochs verbrachte die Jungsgruppe ein paar Stunden beim Hausmeister und wir Mädchen in der Küche. Die Küchenfrau war bei uns Kindern besonders beliebt. Sie war ziemlich dick, aber gemütlich und richtig gutmütig. Oft sind wir auch tagsüber zwischen den Mahlzeiten zu ihr geganen, sie hatte immer etwas, mal paar Bombons, oder einen Joghurt oder ein Kompott. Sie sagte dann immer "Ihr fresst mir noch die Haare vom Kopf". Sie lachte immer sehr viel. Wir haben sehr viel unternommen, wir waren auch ein paar mal im Freibad. Das war ein wunderschönes Bad leicht ausserhalb des Ortes. Der Weg war zwar weit und es dauerte fast eine Stunde ehe wir ankamen, aber der Betreuer erzählte uns meistens spannende Dinge. Er zeigte uns auch das Rathaus, auf dessen Dach ein rießiger gläsener Globus war der sich dreht. Einmal sang er auf dem Weg ins Freibad Weihnachtslieder, mitten im Sommer. Das fanden wir als Kinder natürlich unglaublich witzig. Zweimal in der Woche kam ein Arzt, wir wurden nacheinander gewogen und abgehört. Einmal ließ er mich selbst mit dem Stetoskop hören. Danach wollte ich unbedingt später Ärztin werden. Nach den Untersuchungen hielt er immer noch eine Art Vortrag. Dann saßen wir alle im Schneidersitz im Gruppenraum. Einmal brachte er ein Skelett mit und erklärte uns die ganzen Knochen, einmal erzählte er eine halbe Stunde lang übers Pupsen, wie das entsteht usw. Für uns Kinder war das natürlich extrem spannend und lustig. Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals ein böses Wort gab. Die Erzieher waren alle nett und witzig. Es wurde sehr viel Spaß gemacht und die Zeit verflog im Nu.
Tränen gab es nur einmal und zwar am letzten Tag zum Abschied, denn ich hatte meine neuen Freunde echt liebgewonnen. Die Kur war für mich ein sehr schönes Erlebnis und sie hat mein Leben verändert. Ich bin aufgeblüht. Ich war vorher ziemlich schüchtern, war Bettnässerin und nach den 6 Wochen war ich viel selbstsicherer und das allerbeste: ich war trocken. Das hab ich einer der Erzieherinnen zu verdanken. Sie sagte mir abends ich solle an einen Wecker denken, mir immer einen Wecker vorstellen während ich einschlafe. Und sie gab mir Wollsocken die ich beim schlafen anziehen sollte, sie sagte mir das seien Zaubersocken. Ich weiß nicht warum und wieso, aber es funktionierte. Schon nach paar Tagen wachte ich nachts auf wenn ich mal musste. Wir konnten jederzeit auf die Toilette gehen, auch während der Mittagsruhe. Mittalsschlaf gab es nicht wirklich, Mittagsruhe bedeutete das wir uns ruhig verhalten sollten, aber man konnte auch ein Buch anschauen oder sich leise unterhalten.
Nachruhe war immer 20 Uhr, die Erzieherin kam ins Zimmer und sagte immer: Mädels Schlafenszeit. Nur am letzten Abend waren wir bis 22 Uhr auf, da gab es ein Lagerfeuer.

Insgesamt war der Kuraufenthalt eine unvergesslich schöne Zeit, die mich positiv verändert hat. Ich lernte Kuchenbacken, Zöpfe flechten und viele andere nützliche Dinge die uns immer spielerisch "nebenbei" erklärt wurden. Übrigens gab mir die Erzieherin die Wollsocken mit nach hause und ich habe das noch mindestens zwei Jahre beibehalten, weil ich ernsthaft glaubte wenn ich die Socken weglasse würde das Bettnässen wieder zurückkehren. Irgendwann hatte ich sie auf einer Klassenfahrt zuhause vergessen, aber es geschah nichts. Seit dem hatte ich sie nachts nie mehr getragen, aber ich besitze sie noch heute. Ich habe sie als eine wertvolle Erinnerung aufgehoben.
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Dagmar Casten aus 14167 Berlin schrieb am 20.03.2024
Durch zahlreiche Beiträge/ Dokus kamen meine Erinnerungen wieder hoch.
Ich bin Jahrgang 1959 und wurde zweimal für endlos lange sechs Wochen verschickt.
Akribische Aufzeichnung meiner Mutter belegt die Zeiten
1 - 22.09. - 04.11.1964 - Wyk auf Föhr
2 -17.02. - 30.03.1966 St. Peter Ording - Haus Quisisana

Es sind dunkle Erinnerungen , die mich heute teilweise noch tangieren - ich fühlte mich als Kleinkind
völlig hilflos, verloren, unglücklich.
Quälereien durch ältere Kinder (heute würde man es als schweres Mobbing u. Körperverletzung benennen).
Dazu viele andere düsteren Begebenheiten, die auch ich bestätigen kann.
Meine Eltern hatten nie eine Ahnung, wie schrecklich diese Verschickungszeiten für mich waren und ein Leben lang belasten.
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Claudia M. schrieb am 20.03.2024
Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, weil mich das Thema noch heute, nach so vielen Jahren enorm emotional aufwühlt.

Gleich vornweg: Ich wurde im Alter von 10 Jahren als gesundes Kind zur Kur geschickt und kam krank und schwer traumatisiert zurück. Das was uns angetan wurde, möchte ich nicht als Misshandlung bezeichnen, denn das würde nicht das Ausmaß zum Ausdruck bringen. Es war Folter! Meine damals urprünglich 6-wöchige Kur wurde aus fadenscheinigen Gründen um zwei Wochen verlängert. Heute bin ich fest davon überzeugt, dass man erst die blauen Flecken abklingen lassen wollte. Denn in den letzten zwei Wochen wurde ich zumindest nicht mehr verprügelt.
Vor der Kur war ich, wie schon erwähnt, völlig gesund, hatte Freunde und Spaß und war auch gut in der Schule. Ich verstand überhaupt nicht, wieso ich als gesundes Kind zur Kur muss. Nach der Kur litt ich unter Angststörungen, entwickelte einen Waschzwang und war jahrelang inkontinent. Ich sprach kaum noch ein Wort, schon gar nicht über die Zeit im Kurheim. Ich traf keine Freunde mehr, verkroch mich nur noch zuhause. Meine Noten in der Schule wurden so schlecht, dass ich nicht versetzt wurde.
Meine damals alleinerziehende Mutter war mit der Situation völlig überfordert. Erst nach der Wende hatte ich im Laufe der Jahre mehrere Therapien. Ich konnte den Waschzwang erfolgreich überwinden und auch die Inkontinenz verschwand allmählich als ich 17 wurde. Die Angststörungen sind bis heute geblieben. Ich ertrage bis heute keine geschlossenen Türen oder enge Räume. In meiner Wohnung sind stets alle Zimmertüren geöffnet. Ich kann in keinen Fahrstuhl gehen. Dabei fällt mir eine Situation ein, die zeigt wie groß meine Angst vor kleinen Räumen ist. Es war noch zu der Zeit in der Handys nicht verbreitet waren. Eine ältere Frau war auf der Straße gestürzt und zwei Passanten kümmerten sich um die Frau. Einer der beiden bat mich einen Arzt zu rufen, eine Telefonzelle war keine 50 Meter entfernt. Ich war nicht in der Lage in die Telefonzelle zu gehen. Ich bekam Schweißausbrüche und Atemnot. So sehr ich es auch wollte in die Zelle zu gehen, es ging nicht.
Immer wieder blitzen in solchen Situationen Flashbacks auf, das Einsperren in winzig kleine Besenkammern, kaum größer als ein Kleiderschrank.
Für jedes noch so kleine "Vergehen" wurde man verprügelt und stundenlang eingesperrt. Es reichte schon wenn man während der Mittagsruhe verbotenerweise seinen Bettnachbarn etwas zugeflüstert hat.
Auch kann ich bis heute bestimmte Speisen nicht mehr sehen, geschweige denn essen. Von Milch wird mir schlecht. Zu tief sitzt die Erinnerung an die oft saure Milch mit der ekligen Haut, die man trinken musste. Wir wurden bis zum Erbrechen gezwungen aufzuessen. Das Essen war durchweg schlecht, es gab nicht ein einziges Mal etwas was gut schmeckte.

Das tägliche gegenseitige Abschruppen der Haut mit harten Bürsten war eine Tortur. Auch das ewig lange im Kreis laufen im eiskalten Wasser war schrecklich. Viele von uns Kindern waren bereits nach einer Woche stark erkältet. Noch heute kann ich kein kaltes Wasser ertragen. Ein unbeheizter Pool ist ein NoGo. Das Schlimmste war die Hilflosigkeit. Es wurde keine Rücksicht genommen. Egal ob man krank war oder Schmerzen hatte. Ich hatte oft wahnsinnige Angst dass ich ernsthaft krank werde und die mir dann nicht helfen und mich einfach sterben lassen.

Besonders litt ich unter der Toilettensituation.
Während der Nacht und der Mittagsruhe durfte man nicht auf die Toilette und auch tagsüber musste man vorher um Erlaubnis fragen.
Und dann hing es immer von der jeweiligen Tante ab ob man gehen durfte oder nicht. Eine besonders schreckliche Tante, vor der wir alle Angst hatten, teilte die Kinder in "gute Kinder" und "schlechte Kinder" ein. Ich weiß ihren Namen nicht mehr, wir Kinder nannten sie heimlich Hexe. Ich gehörte mit ein paar anderen Kindern zu den "schlechten Kindern", weil wir es oft nachts nicht so lang einhalten konnten und ins Bett machten.
Und diese Hexe ließ uns "schlechte Kinder" dann tagsüber nicht zur Toilette. Extrem traumatisch war eine Situation von der ich noch heute ab und zu Albträume bekomme.
Obwohl ich sehr dringend groß musste, ließ mich die Hexe vor einen mehrstündigen Ausflug in ein Museum nicht zur Toilette. Als ich mir dann später meine Jacke um die Hüften band um meine volle Hose zu verbergen, wurde mir auch das verboten und ich musste die Jacke wieder anziehen.
Bis heute habe ich Panik wenn ich nicht weiß wo das nächste Klo ist.

Viele Jahre später, nach meinen Therapien, entwickelte ich einen unendlichen Hass auf die "Tanten", besonders auf die Hexe. Oft lag ich abends im Bett und stellte mir vor, wie sie vom Blitz getroffen wird. Erst nach und nach erkannte ich, dass diese Hexen nicht mal Hass verdient haben. Denn Hass ist ein Gefühl und Gefühle haben diese kranken Sadisten nicht verdient.
Ich bin fest davon überzeugt, dass man krank im Kopf sein muss, um Kinder so zu quälen.
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Anja Ehlers aus Bremen schrieb am 19.03.2024
Ich war 6 Wochen zur Kur und kann mich leider nicht an den ganzen Aufenthalt erinnern. Ein paar Vornamen von Mädchen und Jungen, die mit mir dort waren, weiß ich noch. Ich glaube ich hab auch den Namen einer Erzieherin noch. Bin mir aber nicht sicher.
Alle Mädchen haben in einem großen Saal in Metallbetten geschlafen.
Ich war dort, weil ich zu klein und zu dünn war und ich musste aufessen. Immer, egal was es gab. Das kannte ich von Zuhause nicht und es war für mich der Horror. Ich habe immer versucht, die Sachen die ich nicht mochte heimlich zu tauschen. Sonst hätte man so lange sitzen bleiben müssen, bis alles aufgegessen war.
Wir haben Wassertreten gemacht und Bürstenmassage und wir wurden kalt abgeduscht.
Die letzte Woche bin ich sehr krank geworden und wurde unterm Dach in einem kleinen Zimmer isoliert. Mir wurde Penicillin gespritzt und ich habe unter einem riesigen Federbett geschlafen.
Ich habe mit meiner Mama vor kurzem darüber gesprochen und sie gefragt, ob ich nach dem Aufenthalt darüber gesprochen habe. Sie meinte zu mir, dass ich sehr still und ruhig nach diesem Kuraufenthalt war und nichts darüber erzählen wollte, außer, dass ich immer aufessen musste.
Ich kann nicht direkt sagen, dass man mir schlimmes angetan hat, aber in mir drin ist ein komisches Gefühl, das ich nicht deuten kann...
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Britta Weber schrieb am 18.03.2024
Ich war 1977 im "Seehospiz Kaiserin Friedrich", Norderney. Die Kur begann kurz nach meinem 8. Geburtstag.
Schon auf der endlosen Anreise hatte mir das Heimweh fast das Herz zerissen.
Gegen Mittag kamen wir an. Ich weiß noch das es geregnet hatte.
Der erste Schock war gleich nach der Ankunft, man nahm uns unsere Taschen und Plüschtiere weg! Keiner bekam seine eigene Kleidung, eine Tante warf jeden etwas zu, dass sie wahllos aus verschiedenen Taschen und Koffern herauskramte. Ich bekam einen Pullover der mir viel zu groß war und eine Hose die eigentlich einem Jungen gehörte. Es war ein heilloses Geschrei und Geheule, bis eine andere Tante dazu kam und uns dermaßen anbrüllte, dass wir eingeschüchtert mucksmäuschenstill waren. Dann wurden wir in Gruppen aufgeteilt und in verschiedene Zimmer gebracht. In unserem Zimmer waren acht Betten, zwei waren leer.
Glücklicherweise gelang es mir wenigstens den viel zu großen Pullover gegen meinen eigenen einzutauschen, den die Tante einem Mädchen gegeben hatte das ebenfalls in meiner Gruppe war. Das wurde zum Glück nicht bemerkt. Mittagessen gab es an dem Tag nicht, wir sollten gleich Mittagsruhe machen. Alle aus meinem Zimmer mussten nach der langen Anreise auf die Toilette, das wurde uns aber nicht erlaubt. Erst nach den zwei Stunden Mittagsschlaf durften wir "ausnahmsweise" gehen. Die offiziellen Klozeiten waren vor dem Frühstück gegen halb 8, nach dem Mittagessen gegen 12:30 Uhr und nochmal 18:50 Uhr vor dem Schlafengehen, also insgesamt nur dreimal am Tag.

Mahlzeiten gab es viermal am Tag, das Frühstück bestand entweder aus irgend einem undefinierbaren Brei oder einer Scheibe Brot mit einer mindestens drei Zentimeter dicken Schicht Butter und zusätzlich Marmelade darauf. Ich hatte extreme Schwierigkeiten diese viele Butter zu essen, öfters als einmal habe ich mich auf den Tisch und Teller übgergeben. Mittags gab es ebenfalls einen Brei oder Milchnudeln, beides extrem eklig. Nach dem Mittagsschlaf gab es ab und zu ein Stück Kuchen, der genießbar war, oder eine viel zu große Schale mit Milch und Haferflocken. Abends gab es Brot, wieder mit extrem viel Butter und Käse oder Teewurst. Teewurst war noch das kleinere Übel, der Käse war wie Gummi und schmeckte so widerlich dass ich schon vom Anblick einen Würgereiz bekam.
Alle Mahlzeiten waren immer viel zu viel, aber man musste aufessen, egal wie satt man war. Zu Trinken gab es nur Tee, die ganzen Wochen. Immer nur lauwarmen Zitronentee, der mir schon nach paar Tagen zum Hals raushing.

Geschlagen wurde ich nie, aber von den Tanten oft an den Haaren gezogen und in den Arm gezwickt. Oft wurde ich auch unsanft am Arm gezogen und mir wurde öfters gedroht meine Zöpfe abzuschneiden. Da ich einmal gedankenversunken an meinen Nägeln kaute bekam ich einen ganzen Tag lang Handschuhe über die Hände gezogen, was es mir unmöglich machte meine Schnürsenkel zuzubinden. Dafür wurde ich bestraft und statt mit den anderen Kindern raus zu dürfen, musste ich drei Stunden in einer Ecke stehen.

Einmal musste ich nach dem Mittagsschlaf dringend groß. Da Toilettengänge aber nur dreimal pro Tag erlaubt waren, hat mich die Tante nicht aufs Klo gelassen.
Ich bekam heftige Bauchschmerzen und schaffte es auch nicht das Stück Kuchen zu essen. Ich saß bis zum Abendessen unter Aufsicht einer Tante im Speisesaal vor dem Kuchen und litt Höllenqualen. Währenddessen habe ich in die Hose eingekotet und mich furchtbar geschämt. Wenigstens musste ich den Kuchen nicht mehr essen und auch Abendessen bekam ich keins.

Ein anderes Mal warf mir ein Junge während eines Spazierganges einen Stein an den Kopf. Der traf mich über dem Auge und ich hab heftig geblutet. Doch nicht der Junge wurde bestraft, sondern ich. Ich musste mich, wieder angekommen im Heim, in die Ecke stellen. Erst am nächsten Tag schaute es sich der Doktor an und meinte, das hätte eigentlich genäht werden müssen.

Ein paar Tage vor Ende der Kur wurde ich krank. Mir war ständig kalt, ich hatte Magenkrämpfe und Durchfall. Die Tanten drohten immer damit, wer krank ist, darf nicht nach Hause. Weil ich so schlapp war, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte, kam ich auf die Krankenstation.
Zum Glück kam ab dem zweiten Tag noch ein anderes Mädchen auf die Krankenstation und so konnten wir uns heimlich, flüsternd unterhalten. Das war strengstens verboten, aber es hat keiner mitbekommen. In der Krankenstation durfte man das Bett nicht verlassen, man bekam Windeln ran was mir unendlich peinlich war.

Ich war froh als die Horrorkur endlich zu ende war. Ich hatte bis zur letzten Minute Angst, ich dürfe nicht heimfahren.

Meinen Eltern habe ich jahrelang nichts erzählt, erst als ich schon fast erwachsen war. Sie waren schockiert und tief betroffen.
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Anne aus Schweinfurt schrieb am 18.03.2024
Ich war gerade 5 Jahre alt, als ich das erste Mal nach Scheidegg geschickt wurde. Diagnose: Übergewicht. Meine erste Erinnerung ist, wie ich heulend im Zug saß, weil meine Mama am Bahnsteig zurückblieb. Ich, ein Kindergartenkind, fuhr alleine mit dem Zug ins Allgäu.
Jungen und Mädchen waren zum schlafen getrennt, aber zu den Aktivitäten und Mahlzeiten gemischt.
Ich erinnere mich sehr genau an die Schlafräume. Es war ein Zimmer mit 3 Stockbetten darin.
Eines Nachts wurde ich wach und sah, was ich als kleines Kind als sehr beängstigend empfand, zwei glühend rote Augen aus der Dunkelheit in das Zimmer schauen. Ich bekam einen schrecklichen Panikanfall, schrie, weinte, zitterte - ich konnte mich gar nicht beruhigen. Es stellte sich zwar heraus, dass diese "roten Augen" die Lichter eines Batterie-Ladegerätes waren, was in der Steckdose neben der Tür steckte, jedoch findet kein Kind in diesem Alter das rational. Es kam eine der Schwestern und schrie mich an, ich solle mich beruhigen - dies machte mich natürlich noch ängstlicher.
Letzten Endes nahm mich die Schwester mit, ich musste mich in einen kalten Abstellraum setzen, alleine, bis ich mich beruhigt hatte.

Ich erinnere mich daran, dass die Kleiderschränke, eher Einbauschränke, auf dem Flur waren. Es gab keine Einzelduschen oder Toiletten - alles am Ende des Flures für Gruppen ausgelegt. Das war mir sehr peinlich, denn mir wurde ja ohnehin schon dauernd eingetrichtert, dass mein Körper "falsch" ist.

Ich erinnere mich sehr gut an die Mahlzeiten: Die Abnehm-Kinder (wir waren zu dritt beim ersten Aufenthalt) und die Zunehm-Kinder teilten sich einen Tisch. Wir Abnehmer mussten ungesüßten Hagebuttentee trinken, es gab jeden Morgen eine Scheibe Knäckebrot mit einer Scheibe Magerkäse und ein Stück Obst.
Gleichzeitig standen auf dem Tisch Körbe mit frischen Brötchen, Marmelade, Nutella, Kakao, Wurst. Es war die reinste Folter.
Drei Tage in der Woche gab es den sogenannten "Reistag". Zu allen Mahlzeiten gab es an diesen Tagen ausschließlich Reis. Puren gekochten weißen Reis. Keine Gewürze, keine Proteine, nichts. Einmal gab es die Möglichkeit, ungewürzten Tomatensaft auf den Reis zu geben.

Da schießt mir direkt die nächste Erinnerung in den Kopf : Wiegen. Es wurde sich im Speiseraum gewogen - vor allen anderen Kindern. Die Gewichte wurden laut vorgelesen. Wir Abnehm-Kinder mussten unsere Kleidung ausziehen, damit wir ein besseres Ergebnis hatten. Eine enorme Demütigung.

Es wurden viele Spaziergänge gemacht. Immer in der Gruppe und immer im Grünen, hieran habe ich schöne Erinnerungen (einmal hat mich eine Kuh geleckt, das fand ich lustig). Allerdings wurde auch erwartet, dass wir uns bewegen, wann immer es ging.
Im Keller gab es einen Sportraum. Dort gab es ein Rudergerät - dieses sollte mein bester Freund werden. Wann immer wir gerade nichts zu tun hatten, sollten wir uns sportlich betätigen, also wurde ich mehrere Stunden am Tag in den Sportraum geschickt, ohne Aufsichtsperson versteht sich. Die älteren Kinder hatten Unterricht - ich aber noch nicht, daher war viel freie Zeit.
Meine Mutter schickte nahezu täglich eine Postkarte. Es war immer eine mit Mecki, dem Igel. Besuchen durften meine Eltern mich damals nicht, jedoch bei meinem zweiten Aufenthalt.
Bei meinem zweiten Aufenthalt in der gleichen Klinik, waren mehr Kinder in meinem Alter, daher konnte ich mich auch mit anderen Kindern ein wenig anfreunden. Dies machte es tatsächlich etwas erträglicher - aber wahrlich nicht schön!
In den 4-6 Jahren, die zwischen meinen Aufenthalten lagen, hatte sich nichts verändert.
Ich erinnere mich, als mein Vater mich besuchen kam. Er beantragte einen Tagesausflug mit mir machen zu dürfen und wir fuhren nach Konstanz. Ich durfte dort ein Stück Pizza und eine Kugel Eis haben. Mein Vater wollte nie, dass ich auf diese Kuren geschickt wurde, ihm tat es furchtbar leid, dass ich diese Qual durchmachen musste, aber er konnte sich nicht dagegen wehren.
Leider hatte ich nie die Gelegenheit, mit meinem Vater hierüber zu sprechen.
Mit meiner Mutter redete ich jedoch darüber - ich machte ihr Vorwürfe. Sie sagte, sie wollte nur mein Bestes.
Tja, mein Bestes ist heute ein extrem gestörtes Verhältnis zu Essen und Adipositas in einem Ausmaß, dem ohne Operation nicht mehr Herr zu werden ist.

Ich habe mir die aktuellen Fotos der Klinik angesehen und es erinnert nur noch sehr wenig daran, wie es früher war. In meinem Kopf leben die Ausschnitte aber wie ein Film-Trailer immer weiter.....
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Andrea Wedler aus Bielefeld schrieb am 18.03.2024
Ich war als 6-jährige zusammen mit meinem 5-jährigen Bruder auf Juist. Wir wurden sofort getrennt und haben uns erst nach 6 Wochen bei der Heimreise wiedersehen können.
Diese 6 Wochen waren die Hölle, die Kinder waren den Erwachsenen total ausgeliefert. Was ich bisher hier gelesen habe, kann ich nur bestätigen.
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Jeannette Graf aus Egelsee schrieb am 17.03.2024
Ich war im Alter von 5 Jahren für 6 Wochen in Mönchwinkel weil ich zu dünn war. (jetzt weiß ich, dass es normal für mich war, habe erst mit 48 mit Beginn der Wechseljahre zugenommen).
Zu den Mahlzeiten musste alles aufgegessen werden. Es gab sehr oft HAFERFLOCKENSUPPE oder so. Ich kann bis heute an Müsli nicht ran, wenn ich es rieche ekelt es mich. Am schlimmsten war ein Eintopf - ich musste unter Ekel ihn aufessen, doch ich übergab mich direkt auf den Teller. Irgendwann gab es wieder diesen Eintopf, ich musste unter Tränen ihn essen, der Teller war wieder voller wie davor.
Es gab eine Tante die nett war, ich durfte bei ihr nachts auf Toilette wenn ich mal musste. Als sie wohl frei hatte ging das Dilemma los: wir mussten alle gleichzeitig vor dem Schlafengehen auf die Toilette gehen. Ich musste aber nicht, man zwang mich sitzen zu bleiben bis ich wohl mich entleert hatte. War aber nicht so. Ich musste nun mal nicht. Ich durfte in den Schlafraum ins "Bett", aber wehe ich wöllte auf die Toilette! Das war dann wohl mehrmals so. Irgendwann nachts musste ich, ich versuchte es krampfhaft aufzuhalten, durfte natürlich nicht aufstehen. Irgendwann ging es nicht mehr und der Schlafanzug war voll! Ich musste liegenbleiben! Später durfte ich aufstehen und musste ins Bad, dort wusch man mich mit einem Schlauch ab. Ich musste das "Bad" putzen - mit 5!
Dann kam Fasching, alle durften sich ein Kostüm heraussuchen, mir sagte man direkt: du aber nicht - du bekommst einen Umhang mit Kackwürsten dran! Zum Schluss aber hatte ich wohl ein Kostüm, die andere Tante war auch wieder da...
Es gab auch noch andere Schikanen. Aber das war für mich am schlimmsten!!! Ich habe mich geschämt! mit 5 Jahren -
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Astrid Schneider aus 42109 Wuppertal schrieb am 17.03.2024
Ich wurde als Vierjährige, damals von Hagen/ Westfalen nach Freudenstadt geschickt. Name des Heimes ist mir nicht bekannt.
Ich habe nur Bruchstücke in meiner Erinnerung aber ich habe intensive Gefühls- und Körpererinnerungen.
Ich hatte keinerlei medizinische Gründe in „Kur“ zu gehen. Ich war weder untergewichtig noch „kränkelnd „, was immer das heißen mag.
Der elterliche Grund bei mir war, „ich müsse selbstständiger werden, da mein kleiner Bruder nun auf der Welt war.“
Ich erinnere mich an die Abreise auf dem Hagener Hauptbahnhof. Ich habe entsetzlich geschrien und mich mit all meinen Kräften gewehrt, mich in den Zug zu setzen aber es half nichts. Mein Weinen und Schreien reichten nicht, die Mutter zu erreichen. Sie unterstützte nur meinen Abtransport.
Ich erinnere mich, als der Zug los fuhr, verschwandt die Astrid die ich vorher war. Ich habe es richtig gespürt. Sie ging in mir weg und jemand anders kam.
Von dem 6wöchigen Aufenthalt weiß ich nur noch Fragmente.
Am ersten Abend durfte ich mit der Mutter telefonieren. Ich habe geweint und gebettelt, dass sie mich holen soll. Nein, war die Antwortet, ich werde dort selbstständiger werden…
Ich musste in Strumpfhose schlafen, da mein Koffer noch nicht angekommen war.
Die Jahreszeit war Winter. Ich erinnere mich an Schnee.
Ich musste immer 2 Teller essen. Einmal gab es Linsensuppe und danach Spinat mit Kartoffeln und Ei. Ich wollte aber nicht die Linsensuppe essen sondern nur den Spinat. Ich musste aber zuerst die Linsensuppe aufessen. Ich weiß nicht wie lange ich ganz allein an dem Tisch vor der Suppe saß, ich durfte nicht aufstehen. Der Stuhl war ganz eng an den Tisch geschoben so das ich mich nicht bewegen konnte.
Es gab Spüldienst. Ich half beim Abtrocknen. Danach gab es ein Baise Teilchen (süßer Eischnee gebacken). Dieses Teilchen wurde zu einem lebenslangen Trigger. Immer wenn ich das in einer Bäckerei sehe, bin ich im Kurheim. Ein Teil in mir ekelt sich davor.
Ich glaube es war im Keller, da waren die Duschen. Ich hatte schlimme Angst davor. Ich musste solange unter die Dusche bis ich aufhörte zu weinen. Ich hatte als Kind einfach Angst vor Wasser von oben.
Ich wurde dort krank. Ich weiß nicht mit was. Da musste ich zu einer Nonne ins Zimmer und dort bleiben.
An die Heimreise erinnere ich mich nicht. Ich erinnere aber, dass ich am nächsten Morgen direkt mein Bett gefaltet habe, so wie es im Heim gemacht wurde. Die Mutter war sehr stolz auf mich, dass ich das jetzt konnte. Das ist die bildliche Erinnerung von wieder zu Hause sein. Emotional waren wir aber nicht mehr zusammen. Nie wieder!
Denn die Astrid, die in den Zug gezwungen wurde, ist nicht zurückgekommen.
Das hat die Mutter nie begriffen. Bis heute.
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Holger Sobek aus Krefeld schrieb am 14.03.2024
1966, damals 6 Jahre alt
Holger Sobek, damals Duisburg-Hochfeld.
Wir wurden mit einen Kleinbus, roter Ford Transit, vom Bahnhof abgeholt und in einen Keller, dort stand ein Fernseher, gebracht. Die Tafel Schokolade, die ich von meiner Mutter erhalten hatte, wurde mir abgenommen. Ich erinnere mich noch an den ständigen Durst, da es ab Nachmittag nichts mehr zu trinken gab, der Durst war so groß, das ich die Waschlappen der Bettnachbarn aus Verzweiflung aussaugte, die waren an der Bettkante zum trocknen gelegt. Morgens gab es immer eine rote Pille aus einer silbernen, grossen Dose und wer ins Bett gemacht hatte, musste in den Keller, bekam eine Spritze in den Rücken, wer den Doktor ansah, das war verboten, bekam eine deftige Ohrfeige ins Gesicht.
Brutalietät war an der Tagesordnung.
Gut kann ich mich auch an einen Mitleidenden erinnern, der wurde wegen agressives Verhalten in die Kleiderkammer, wo die Koffer untergebracht waren, neben dem Schlafraum unter dem Dach, eingesperrt. Sein Name-Willy Fiegen-.
Die eigendliche Betreuerin, Schwester Edith, war wohl die menschliche Seite von Haus Bernward, unternahm auch mit den Opfern dieser Einrichtung Ausflüge. Die ekeligen Schmalzbrote wird wohl keiner vergessen haben, auch erbrochenes musste man unter Zwang essen.. Dort habe ich auch Windpocken bekommen, und musste mit Weiteren den ganzen Tag im verdunkelten Schlafraum verbringen, ohne betreut zu werden. Meine Eltern wollten mich besuchen, wurden aber am Tor unvermittelter Dinge abgewiesen, schätze aus vertuschungstaktischen Gründen.
Jetzt fragt man sich, warum kann man sich als 6jähriger noch so gut daran erinnern?
Zu Hause habe ich immer gedacht, Es, das zu Hause wäre ausgetauscht worden.
Noch Heute vermute ich, das meine Rückenoperationen eine Folge der Spritzen ist. Meine Lendenwirbelsäule musste 1993 versteift werden, beweisen kann man das ja niemals.
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Angela Franke aus 40789 Monheim schrieb am 14.03.2024
Ich war 1980 in Bad Kreuznach nach einer Lungenentzündung dort zur Kinderkur ich erinnere mich noch recht gut wie ich stundenlang allein im Essenssal vor meinem vollen Teller sass den ich leermacgen sollte aber nicht konnte.Als ich mal ein Päckchen von zuhause bekam wurde dieses einfach geöffnet und die Süssigkeiten wurden einfach genommen und ich sah sie dann am nächsten Tag bei anderen Kindern am Essenstisch ich weiss noch das es ein heisser Sommer war und wir einen geführten Spaziergang machten wir waren alle in langärmligen Oberteilen mit Unterhämden drunter bekleidet und immer wurden wir so am Freibad vorbeigeführt wo wir neidvoll due anderen Kinder dort im kühlen Wasser lachend sahen und hörten, wir durften Nachts nicht auf die Toilette ich erinnere mich auch sehr unangenehm an die Salzbäder auf die Briefe an meine Eltern wurden kontrolliert als ich eine negative Sache schreiben wollte sagte eine Schwester das ich das nicht schreiben solle meine Eltern sollten such doch keine Sorgen machen
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Karin Starke schrieb am 13.03.2024
Mit 9 Jahren wurde ich zur 6-wöchigen Kur nach Schöneck, (Bezirk Karl-Marx-Stadt) geschickt, weil ich angeblich zu klein und schmächtig war.
Obwohl ich auf keinen Fall so lang von zu Haus weg wollte, redete ich mir ein, dass es schön werden wird, zumindest wurde mir das im Vorfeld immer weißgemacht, was ich für ein Glück hätte auf Kur fahren zu dürfen. Doch schon die insgesamt 9-stündige Anreise war eine Qual. Noch halb in der Nacht wurde ich von meinen Eltern zur Bushaltestelle gebracht. Der Bus fuhr mehrere Orte an und es dauerte fast zwei Stunden ehe alle Kinder abgeholt waren und wir uns dann auf den Weg nach Schöneck machten. Eine "Tante" stellte sich kurz vor, ich glaube Kühnert oder Kuhnert hieß sie. Wir durften im Bus nicht sprechen, Getränke und Süßigkeiten sammelte sie ein.
Wir sollten die Augen schließen und schlafen, was bei dem Geschaukel unmöglich war. Weil ich eine der ersten war, die eingestiegen war und schon knapp wir Stunden im Bus saß, musste ich nötig auf die Toilette. Als es immer dringender wurde stand ich auf, ging zur "Tante" und sagte es ihr. Sie schrie mich an, was mir einfällt einfach aufzustehen und obendrein hätte ich gegen das Sprechverbot verstoßen. Ich wurde vorher noch nie so angebrüllt und war derart eingeschüchtert das ich weinte. Ich musste mich wieder hinsetzen und die Tante verkündete das in einer Stunde eine Pause sei. Diese Stunde war die Hölle. Mein Harndrang war so schlimm dass ich nicht aufhören konnte zu weinen. Mir tat alles weh und ich war heilfroh als der Bus endlich an einer Raststätte hielt. Doch meine Erleichterung währte nur kurz. Alle Kinder durften aussteigen, außer ich. "Du nicht!", sagte sie zu mir. Die hat mich ernsthaft nicht auf die Toilette gelassen und ich musste in die Hose machen, weil ich es keine Minute länger aushielt.
Ich kam also schon total verstört im "Kurheim" an und diese "Tante" hatte mich vom ersten Tag an auf dem Kicker. Unsere Taschen und Koffer wurden uns weggenommen und für die gesamte Zeit weggeschlossen. Auch Kuscheltiere und Puppen mussten wir abgeben.
Das Essen war eine Qual. Weil ich zu dünn und schmächtig war, bekam ich jeden Tag abwechselnd Milchreis und Grießbrei. Von dem Lebertran den ich jeden Tag früh und abends bekam, musste ich mich regelmäßig übergeben und musste es danach selbst aufwischen. Oft saß ich noch ein oder zwei Stunden am Tisch, bis ich den Milchreis hintergewürgt hatte, während alle anderen Kinder draußen waren.
Noch heute bekomm ich Würgereiz wenn ich nur an Milchreis denke. Erzählen war im Speiseraum strengstens verboten. Man durfte nicht mit dem Besteck klappern.
Mittwoch war Badetag, jeweils zwei Kinder gingen nacheinander für 5 Minuten in eine Wanne mit einer lauwarmen graubraunen Brühe.
Das Schlimmste war, das wir nur drei mal am Tag, jeweils nach den Mahlzeiten, auf die Toilette durften. Außerhalb dieser Zeiten waren die Toiletten abgeschlossen, auch nachts. Für mich war das doppelt schlimm, da ich eine schlechte Esserin war. Weil ich regelmäßig sitzen bleiben musste, war die "Toilettenzeit" meistens schon vorbei ehe ich alles aufgegessen hatte und aufstehen durfte. Dann waren die Toiletten bereits wieder abgeschlossen. Es kam auch einmal vor, dass eine Toilettenzeit für die gesamte Gruppe gestrichen wurde, weil zwei Kinder während des Mittagsessens laut gelacht hatten. Wie es nach dem Mittagsschlaf im Zimmer gestunken hat, kann sich jeder vorstellen.
Das ständige Einnässen und Einkoten hatte mich für viele Jahre traumatisiert. Dabei waren die Strafen und Ohrfeigen noch das geringere Übel gewesen, die Scham und das Bloßstellen waren schlimmer, obwohl ich nicht die einzige war. Viele Kinder haben in die Hose oder ins Bett gemacht.
Nach der "Kur" war ich ein Nervenbündel und habe mindestens ein halbes Jahr lang ins Bett gemacht.
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Kornelia jansen aus Heinsberg schrieb am 12.03.2024
Meine Name war damals Kornelia Weber, bin am 4.1.1963 in Heinsberg geboren. Ich glaube, ich war 6 oder 7, als ich zur Erholung nach Braunlage verschickt wurde!
Es war damals eine lange Zeit, meine Eltern haben aber ab und zu mich dort angerufen. Dadurch wurde das Heimweh natürlich größer, und ich hab dann geweint. Wurde dann aber liebevoll getröstet, dann ging es wieder. In großem und ganzem war es dort eine schöne Zeit. Tagsüber wurde immer viel unternommen. Im angrenzenden Wald war es immer abenteuerlich zu spielen. Kann mich natürlich nicht mehr an alles erinnern, dafür ist es zu lange her. Aber ich habe absolut nichts schlechtes zu berichten!!
Für diejenigen die schlechtes erfahren haben, tut es mir wirklich aufrichtig leid!!
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Werner Glasmacher aus 52224 Stolberg schrieb am 12.03.2024
Hallo,
meinen ersten Eintrag möchte ich noch ergänzen.
Nachdem ich am 20.12.1961 wieder nach Hause durfte bin ich wenige Wochen später an Gelbsucht erkrankt- aus der Gelbsucht folgte eine Hepatitis A mit hohem Leberwert, starken Gelenkschmerzen die bis heute andauern.
Ich bin überzeugt
ich hatte während der Erholung starkes Heimweh, habe viel geweint- das durfte nicht sein, musste abgestellt werden weil es die ganze Gruppe beeinträchtigt hätte- Heimweh abstellen ging nur mit Medikamenten- also muss ich Medikamente erhalten haben-- ich konnte schlecht schlafen, auch dies wurde oft mit Medikamenten abgestellt.
Ins Solebad mussten wir nackt, das hätte in der Pubertät Probleme geben können- also erhielten wir, davon gehe ich aus,. triebhemmende Mittel.
Ob diese Mittel nun zur Gelbsucht geführt haben kann ich nur vermuten.
Der Träger war damals und heute die kfj München Erzbistum München-Freising. Lt.kfj gebe es keine Akten mehr woraus eine Medikamentengabe ersichtlich werden könnte.
Ich habe der kfj nun mitgeteilt dass ich der Auffassung bin dass Medikamente damals meine Gesundheit auf Dauer geschädigt haben.
Ich hoffe auf die Hilfe der kjf bzw.des Erzbistums München-Freising.
Werner Glasmacher
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Peter Troska aus Königswinter schrieb am 11.03.2024
Auch heute fällt es mir schwer, über das für mich Tauma Furtwangen zu schreiben. Ich wurde damals für 6 Wochen in diese Hölle verschickt, obwohl ich mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt habe. Was ich damals erlebt hatte, ist immer noch präsent und ein Albtraum.
Kinder haben sich vor Heimweh die Haare ausgerissen. Die wöchentliche Untersuchung, zu dem man sich ohne Geschlechtertrennung nackt in einem dunklen, kalten Flur aufstellen musste war das schlimmste, was ich bis dahin erlebt habe. In Haus würden die Jüngeren von den Älteren Kindern drangsaliert. Es gab Schlägereien und ich würde beinahe mit einem Kissen erstickt.
Aber endlich wird das alles aufgearbeitet. Ich denke, dass niemand von den Verantwortlichen mehr am Leben ist. Sollen Sie in der Hölle schmoren!
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Gaby Carstensen aus Berlin schrieb am 11.03.2024
Ich habe, für mich ein extremes Erlebnis in dem Kindererholungsheim, indem ich 6 Wochen war, am Chiemsee erlebt:

Wir Kinder, an der Zahl 4-5 um die 10 Jahre alt, mussten uns als Strafe, weil wir in der Nacht unruhig waren, bei offenen Fenster auf das Bett legen und 15 Min. oder länger ohne uns zu bewegen still liegen bleiben.
Das war wirklich Folter, denn es kamen Fliegen durchs offenen Fenster von der Alm und kitzelte uns auf der Haut. Natürlich konnten wir nicht ruhig liegen bleiben.
Für jede Bewegung bekamen wir 5 Min. länger liegen bleiben. Ich bin jetzt 62 Jahre alt und trage dies nicht gute Erfahrung schon ewig mit mir rum.
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Mona aus Münchner Umland schrieb am 09.03.2024
Hallo an Alle in diesem neuen Jahr-
Nachdem ich nun doch ein paar Kontakte bekommen habe. Will ich ganz gezielt nochmalig an meine Zeit anknüpfen in der ich in Rechtis-Weitnau gewesen bin. Die Kontakte die sich nun in dem vergangen Jahr mit mir in Verbindung gesetzt haben, sind alle Jünger gewesen.
Deshalb nochmalig mein Aufruf, wer war noch in dem Zeitrahmen von 1959 - 1961 für diese "Erholzeit" in Rechtis.
Allen anderen alles Gute weiterhin bei der Aufarbeitung.
meine email: DetzelMona-@t-online.de
Viele Grüße Mona
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Angelika Gottschling aus 63225 Langen schrieb am 06.03.2024
Ich bin Jahrgang 1948. 1954 in Leipzig in die Schule gekommen. 1955 sind meine Eltern aus der damaligen DDR geflohen. Mein Vater hat eine Stelle bei Buderus in Wetzlar bekommen. Die Kinder der Werksangehörigen durften in den Ferien 6 Wochen in einem Heim in Hirzenhain verbringen. Auch hier war der Druck alles aufzuessen groß. Kinder die auf ihren Teller erbrachen mussten sitzen bleiben, bis aufgegessen war. Anschließend zwei Stunden
Mittagsruhe. Wir durften nicht aufstehen um auf die Toilette zu gehen. Im Treppenhaus saß eine Betreuerin
und passte auf. Wir sind auf dem Bauch zur Toilette gerobbt und hofften nicht erwischt zu werden Meine
Bettnachbarin saß auf der Bettkante und wippte auf der Bettkante um den Drang zu unterdrücken. Für mich war das Verbot auf die Toilette zu gehen traumatisch. Ich hatte später immer Angst, ich darf nicht gehen wenn ich muss. Ich habe ein Gruppenfoto von diesem Aufenthalt und stelle es gerne zur Verfügung.
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Dr. Gudrun Güth aus Waltrop schrieb am 05.03.2024
Seit einem Jahr setze ich mich verstärkt mit meinen vergangenen negativen Erfahrungen der Kinderverschickungen auseinander. Ich war 2x im Druiden Heim in Cuxhaven-Duhnen. Trotz eines ärztlichen Attests einer Hühnerei Allergie musste ich Hühnerei essen. Es wurde mir trotz meiner Abwehr mit Gewalt in den Mund gestopft. Ich erbrach und musste mein Erbrochenes aufessen. Die Atmosphäre dort war kalt und herzlos. Ich litt extrem unter Heimweh. Weinen durfte man bei Strafe nicht. Jeden Abend bekamen wir schon im Bett liegend ein flüssiges Medikament. An die Nächte kann ich mich nicht erinnern. Da ist so eine große Erinnerungslücke. Beim 2. Mal war mein Bruder mit. Wir durften die ganzen sechs Wochen keinerlei Kontakt zueinander haben.
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Gerlinde Jansen aus 41564 Kaarst schrieb am 04.03.2024
Ich bin am 28.Juni 1947 geboren. Sehr dünn. Wie die meisten Kinder in diesen Jahren. Ich war nur kurz in der 1. Klasse, schlief oftmals im Unterricht ein. Ich hatte TB. Im Krankenhaus lag ich isoliert, meine Mutti und meine Schwester schauten mich durch ein kleines Fenster an. Ich musste immer weinen. danach kam ich in die Lungenheilstätte Aprath. Meine Mutti gab mich am Bahnhof, Oberhausen, an eine Frau ab. Ich war so traumatisiert, dass ich kaum Erinnerungen habe. Irgendwie war da ein langer Tisch, ich schätze der Esstisch. Die Butter darauf, falls es Butter war, war fingerdick auf der dicken Stulle, die ich essen musste. Daran kann ich mich gut erinnern, es war ekelhaft, es war widerlich. Ich musste es essen. Ich sollte ja wieder gesund werden. Medikamente habe ich ganz bestimmt einnehmen müssen. Ansonsten kann ich mich nicht an sehr viel erinnern, vielleicht waren es ja die Sedierungspillen? Meine Mutti hätte mir auch nicht erzählt, was mit mir durch Medikamenten geschehen war, die ich nehmen musste. wenn sie es überhaupt wusste.
Sehnsucht hatte ich und habe ich, dieses Gefühl habe ich heute noch nicht ablegen können und ich bin bereits 76 Jahre. Ich wurde dann ein Jahr später eingeschult, der 2. Versuch. Hat einigermaßen geklappt.
Ca. 1 Jahr nach Aprath, wurde ich dann in den Schwarzwald am Titisee verschickt. Sehnsucht hatte ich immer. Sehnsucht nach Liebe und Zuwendung. Dort waren viele Kinder und ich habe keine negativen Erinnerungen. Ich war sogar in einem Theaterstück, zum Abschluss der Kur, ein kleiner Seppel.
Ein Kind war in den ersten Jahren nach dem Krieg, nicht so ein wertvolles Gut, wie ein Kind es heute ist. Unsere Eltern hatte viele Existenzängste.
Viele Grüße Gerlinde
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Inge schrieb am 03.03.2024
Als ich 1,5 Jahre alt war, kam ich aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung auf Anordnung des Gesundheitsamtes in die Klinik nach Aprath, wo ich 10 Monate war. Meine Eltern durften mich 3 Monate nicht besuchen und dann einmal im Monat an einem Sonntagnachmittag für 3 Stunden. In der Zeit hatten sie dann auch ein Gespräch mit dem Arzt. Wir Kinder lagen in großen Schlafsäalen, etwa 25 Kinder und zur Genesung mussten wir Liegekuren morgens und abends mehrere Stunden machen. Als Medikamente habe ich Streptomycin und Neoteben bekommen, wie es in der Postkarte stand, die Schwester Irmgard an meine Eltern geschrieben hat. Nachdem meine Eltern mich auf eigene Verantwortung nach Hause geholt haben, kannte ich sie nicht mehr als meine Eltern und musste im Sportwagen geschoben werden, weil ich körperlich sehr schwach war. Aber sie haben mich mit viel Liebe aufgepeppelt.
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Stephan Böcker aus Rüsselsheim schrieb am 29.02.2024
Durch Zufall habe ich nun von Schicksalen erfahren, wie sie auch mir wiederfanden sind. Ich war 8 oder 9 Jahre alt und zur Kur wegen starker Bronchitis.
Besonders in Erinnerung ist mir geblieben, das ich den Schokoladenpudding aufessen musste, bis zu 3 Std. durfte ich im Schwesternzimmer unter Aufsicht aufessen.
Während die anderen Kinder nach 6 Wochen heim durften musste ich dort weitere 6 verbringen.
Beim Besuch von Mami und Papi durfte ich nicht weinen, sonst würden sie nie wiederkommen um mich abzuholen. Geweint habe ich anschließend im Bett.
Ich habe Gott sei Dank keine weitere Erinnerungen an diese Zeit.
Das einzige positive, meine Bronchitis was geheilt und ist nie wieder aufgetreten.
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Ralf Burow aus Osterholz-Scharmbeck schrieb am 29.02.2024
[Hallo, ich bin 1959 in Bremen-Nord geboren und wurde ca. 1965 vor der Einschulung wegen Untergewicht nach Boffzen ins Weserbergland zur Kur verschickt. In Gesprächen mit meiner Frau habe ich des öfteren von meinen Erinnerungen an diese, fü mich sehr schlimme Zeit, erzählt.
Auslöser war immer das Thema, warum fühle ich mich so unwohl bei fremden Menschen und warum kann ich mich keinen Gruppen oder Vereinen anschließen. Musste ich es dann doch einmal, fühlte ich mich immer sehr unwohl, sogar mitunter ängstlich.Ich habe diese Gefühle aber gut überspielen können.
Meine Erinnerungen an damals:
Ich liege in einem großen Schlafraum. Wir sollten schlafen, wir machten aber Witze und llachten. Ich fühlte mich gut. Wie aus dem dunklen Nichts heraus bekam ich eine schallende Ohrfeige. Ich fühle diese noch heute wenn ich davon erzähle.
Meine Mutter erzählte mir, dass sie für mich ein großes Osterei mit etwas Süßem und 20,- DM für Ostern mitgibt. Ich bekam aber nur das Süße!
Ich sitze alleine an einem Eßtisch. Vor mir ein Teller Milchsuppe mit " grünen Punkten ", ich ekelte mich davor.
Eine Gruppe Kinder sprachen Drohungen gegen mich aus, sie wollten mich verprügeln. Ich hatte immer Angst!
Ein älterer Junge stand mir bei, er nannte mich Sportsfreund. Ich fühlte mich beschützt.
Damals habe ich niemandem von dem Erlebten erzählt. Schamgefühl!
In den 2000er Jahren bin ich mit meiner Frau dann nach Boffzen gefahren. Ich wollte sehen ob es dieses Haus noch gab. Ich erkannte in diesem Ort nichts mehr, zu vieles hatte sich verändert. Wir wollten nun heimfahren, da sah ich eine Turmspitze mit einer Wetterfahne. Das war es, das Gebäude. Wir fuhren dann dort hin. Mit einem ängstlichen Gefühl fuhr ich nun auf das Gelände. Nun wurde es als ein Altenpflegeheim geführt.
Ja, fast wie in meiner Erinnerung. Aussteigen, nein! Ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl!
Danke, das es diese Initiative gibt.
Liebe Grüße
Ralf Burow
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Gisela Schwarz schrieb am 29.02.2024
Ich war mit meinen beiden Schwestern dort. Da ich panische Angst vor Spritzen hatte, haben meine Eltern darauf bestanden, dass wir zwar 3 Wochen quasi als "kranke" Kinder dorthin fahren, aber auf keinen Fall dort geimpft werden dürfen. Das Gesundheitsamt in Schramberg (Nordschwarzwald) hat das versprochen und die Reise genehmigt. Allerdings war allen Eltern verboten worden, uns Kinder in Österreich zu besuchen. Das hat meine Mutter skeptisch gemacht. Auf dem Weg nach Jugoslawien ist sie mit meinem Vater daher jzu uns in die Berge gefahren. Leider sind sie 15 Minuten zu spät eingetroffen. Da war ich gerade schreiend und in absoluter Panik meinerseits zwangsgeimpft worden. Immerhin konnten meine Eltern mich noch trösten.
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Inge Keller aus Unterhaching bei München schrieb am 28.02.2024
Ich Inge Keller wurde, damals wohnhaft in Stuttgart-Untertürkheim, mit 8 Jahren wegen Unterernährung an den Starnberger See verschickt. Im Moment versuche ich rauszubekommen wo das Kinderheim genau war und wie es hieß. Es war ein Alptraum mit dem Essen. Zum Frühstück gab es eine sogenannte Kakaosuppe mit den Resten des vorigen Tages. Ich musste so lange sitzen bis alles aufgegessen war. Wir mussten in den noch sehr kalten See rein, obwohl ich nicht schwimmen konnte. Alles war extrem streng. Widerspruch wurde nicht akzeptiert. Nachdem ich dann an einer Gastritis erkrankte hat mit der Heimarzt dann nach Hause entlassen.
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Heike Bauer aus 56218. Mülheim-Kärlich schrieb am 28.02.2024
Hallo ich bin die Heike.
Ich war wohl 6 oder 7als ich zum Ponyhof nach Schönau
verschickt wurde. Damals wurde ich bereits von meinem Cousin sexuell mißbraucht, was bis heute niemand meiner Familie weiß. Durch die seelischen Schäden habe ich nicht gegessen und war auch sonst auffällig.
Aus diesem Grund wurde ich verschickt. 6Wochen zum Ponyhof nach Schönau.
Bereits seelisch zerstört musste ich dann noch meine Familie für so eine lange Zeit verlassen. Eine wunderschöne Zeit wurde mir versprochen. Jeden Tag reiten und viel Zeit mit den Ponys verbringen.
Es war eine grauenhafte Zeit. Kind sein war in diesen Heimen wohl verboten. Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern aber was ich nicht vergessen werde ist, das verzweifelte Kinder in Lego Eimer pinkelten weil man nachts nicht zur Toilette durfte. Ich selbst habe auch einmal vor lauter Heimweh ins Bett gemacht. Ich habe versucht die Bettwäsche abzuziehen und im Bad zu reinigen weil ich so eine große Angst vor der Strafe hatte.
Ich musste dann den ganzen nächsten Tag im dunklen Zimmer im Bett verbringen. Kontakt zu den Eltern war verboten.
Ich habe erst jetzt durch einen Artikel in einer Frauenzeitschrift von den Verschickungsheimen erfahren. Mir war nicht bewusst das es so vielen Kindern auch so ergangen ist. So nach und nach kommen die Erinnerungen zurück.
Ich hatte lange Albträume war immer sehr auffällig und irgendwie hab ich in Erinnerung das ich mal Contergan bekommen habe.
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Elke Näffgen aus Lichtenau91586 schrieb am 28.02.2024
Ich war als 5 Jährige auch ein Verschickungskind im Schwarzwald in Sankt Blasien. Ich habe keine Ahnung wie die Einrichtung hieß. Heute weiss ich noch genau was mir dort alles Schlimmes geschehen ist.
Werde gerne meine Geschichte erzählen.
Ich bin gebürtig aus Essen, wurde von der Zeche verschickt. Mein Vater hatte damals offene TB und meine Mutter hatte sehr wenig Geld.
Meine Nachbarskinder wurden auch mit mir in den Zug gesetzt. Wir wurden sofort getrennt. Somit war ich ganz alleine.
Einmal wurde mir abends ein nasser Waschlappen in mein Bett gelegt. Ich erschrak und habe wohl ein Laut von mir gegeben. Sofort würde ich mit anderen Kindern , mit dem Gesicht zur Wand mit Bettdecke über mich, stundenlang in dem achteckigen Flur stehen.
Wenn ich keinen Hunger hatte, wurde ich in den Keller transportiert mit Gewalt und einer korpulenten Frau mit Pferdeschwanz auf den Schoss gesetzt. Sie hat mich festgehalten und das Essen in den Mund geschoben und den Mund zugehalten bis ich geschluckt habe. Das mehrmals.
Seitdem esse ich keine Tomatensuppe und gewürfelte Möhren mehr.
Beim spazieren gehen , kamen wir täglich an eine Brücke. Dort wurde uns gesagt....wer gelogen hat fällt gleich in die Tiefe. Wir hatten grosse Angst.
Meine Mutter hatte mir einen kleinen Tiger von Steif gekauft zum trösten. Auch Der wurde mir weggenommen....Ich habe Ihn nie mehr wieder bekommen.
Eine Nachbarin konnte schreiben. Sie hat für mich eine Karte an meine Eltern geschrieben. Die Karte wurde vor meinen Augen vernichtet und ich musste ständig in der Ecke im Flur stehen.
Ich weiss bis heute noch wie die Frau aussah...der Flur und das ekelige Essen.
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Pascal schrieb am 28.02.2024
Ich wurde in den 90ern wegen Untergewicht in eine Unterkunft geschickt. Das hat mein Leben nachhaltig verändert. Wir wurde gezwungen immer aufzuessen. Wenn nicht, würden wir so lange sitzen müssen, bis es leer ist. Bei Dingen die uns nicht schmeckten, wurde gesagt, wir würden es so lange wieder vorgesetzt bekommen, bis es leer ist. Ich hatte mich fast jeden Abend übergeben. Das war das schlimmste, was mir jemals passiert ist. Ich habe Essstörungen entwickelt und habe mein Leben lang Probleme damit bei anderen zu Essen.
Zudem habe ich danach eine immer stärker werdende Panikstörung entwickelt.
Leider lebt niemand mehr, der mir sagen kann, wo das war. Für mich als damals 5-6 Jähriges Kind war es ein purer Albtraum.
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Rolf Koschinat aus Frankfurt schrieb am 28.02.2024
Ich war im Alter von ca. 7 oder 8 Jahren mit meinem jüngeren Bruder ca. 1962/1963 ganze 6 Wochen lang "zur Erholung" in einem Kinderheim auf Borkum (großer, weißer Kasten). Es wurde von katholischen Nonnen (u. a. Schwester Benno oder Berno) geführt, ein kleiner Anteil ziviler Frauen war auch dort tätig. Egal welcher Konfession wir angehörten, mussten wir Sonntags ausnahmslos an katholischen Gottesdiensten teilnehmen und auch deren Gebete laut mit aufsagen ("Gebenedeit sei..."). In einem riesigen Schlafsaal, in dem alle 20 - 30 Kinder schliefen, ließ uns die Aufsicht, eine der Nonnen, erstmal im Pyjama stundenlang neben dem Bett stramm stehen. Einer nach dem anderen wurde dann oder wann namentlich aufgerufen und durfte sich ins Bett legen.
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Petra aus Friedberg schrieb am 27.02.2024
Ich hatte und habe so lange ich denken kann mit den Nieren Probleme. Aus diesem Grund wurde ich im Alter von 5 Jahren nach Donaueschingen verschickt. Diese ‚Kur‘ sollte meine Gesundheit stärken und durch die Solebäder sollten sich die Probleme mit meinen Nieren verbessern. Eine Frau begleitete mich im Zug und sprach die ganze Fahrt über kein Wort mit mir. Ich hatte unfassbar große Angst. In Donaueschingen angekommen war ich völlig von diesem schrecklichen Gebäude und der Kälte des Personals eingeschüchtert. Ich kann mich noch an einen Jungen erinnern. Er saß immer in der Wanne neben mir und hat durch das warme Wasser nicht an sich halten können. Er wurde angeschrien und aus der Wanne gezerrt. Im großen Schlafsaal lag ich direkt neben der Tür und wurde jedes Mal gerügt, wenn ich durch den Kontrollgang des Personals aufgewacht bin. Seit dieser Zeit schlafe ich ganz am Rand im Bett. Einmal kam ein Zauberer. Das ist das einzig Positive, an das ich mich erinnern kann. Alles andere war einfach nur Horror für Kinder. Es beschäftigt mich bis heute und wühlt mich noch immer auf. Diese Prägung hätte ich gerne ausgelassen und meinen Nieren hat es auch nicht geholfen. Im Gegenteil, mir geht durch diese Erfahrung bis heute sehr vieles an die Nieren.
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Lambart hubert aus 90469 nürnberg schrieb am 27.02.2024
Grausame zeit ...
Habe heute noch psychisch mit den erinnerungen zj kämpfen wenn ich an diese zeit denke..von physischen und psychischen terroraktionen wollte sich ein mitbewohner(auch aus nürnberg)sogar das leben nehmen,ich konnte ihn als freund dann aber davon abbringen..
Wenn ich heute jemand verantwortlichen ìn die finger bekommen würde könnte ich wahrscheinlich meinen hass gegen solche charakteren nicht mehr unter kontrolle bringen..
Schade dass niemand mehr greifbar ist...
Wollte diese einrichtung 2019 mal besuchen,habe aber von einem anwohner erfahren dass das gebäude abgerissen wurde....
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Corinna aus Nordhessen schrieb am 27.02.2024
Ich wurde als ca. 6-jähriges Kind für 6 Wochen nach Bad Soden-Allendorf verschickt und sollte dort zunehmen. Ich erinnere mich positiv an die Saline, an der wir täglich spazieren gehen mussten. Noch heute finde ich Gradierwerke faszinierend und sie erinnern mich immer an diese Zeit. Negative Erinnerungen bringen die täglichen Haferbrei - Sitzungen (...bis der Teller leer war) hervor. Außerdem wurden wir mit Kleiderbügeln geschlagen, wenn wir nicht "gespurt" haben. Das galt vor allem für die abendliche Bettruhe. Ich war ein sehr stilles, angepasstes Kind und hatte damit wenig Probleme. Während dieser Zeit bekamen wir einen Zahnbecher geschenkt, auf dem die Heimanschrift aufgedruckt war. Ich habe ihn geliebt und gehütet wie einen Schatz. Ich erinnere mich genau an mein Entsetzen, als meine Mutter diesen Becher in einem Wutanfall zertreten hat. Insgesamt glaube ich, dass mir diese Zeit mein Selbstvertrauen geraubt hat, ich habe mich nie etwas getraut, ich hatte ein sehr schlechtes Verhältnis zu meiner Mutter und ich wurde in der Schule sehr gemobbt. Ich freue mich, dass ich heute drei wunderbare Kinder habe, die selbstbewusst und frei aufwachsen konnten, dass ich diese Zeit überwunden habe und in meiner Familie einen guten Halt gefunden habe.
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Manfred Teubner aus Rehburg-Loccum schrieb am 27.02.2024
1956/57 lebte ich mit meinen Eltern, Großmutter, Bruder im Notaufnahme der Flüchtlinge aus der SBZ im Lager Loccum. Aufgrund vieler Erkrankungen, u.a. auch Ruhr, war ich stark unterernährt. Ich war etwa 4-5 Jahre alt und wurde vom Lagerarzt zum "Aufpäppeln" in ein katholisches Kinderheim, vermutlich Hildesheim, verbracht. Dort begann für mich ein unglaubliches Matyrium mit schrecklichen Erlebnissen. Wegen meiner Unterernährung bekam ich fettes, gewürfeltes Schweinefleisch ohne Magerfleischanteil vorgesetzt. Ich konnte das nicht essen. Darufhin gab es Prügel von den Nonnen. Als ich es trotzdem nicht gegessen hatte wurde ich Zwangsernährt. Eine Nonne nahm mich auf ihren Schoß und hielt mir die Arme fest. Eine zweite Nonne drückte mir auf die Wangen um meinen Mund zu öffnen. Die dritte Nonne fütterte mich bis ich mich erbrach. Nun sei es vorbei, dachte ich. Im Gegenteil, nun wurde mir mein Erbrochenes wieder in den Mund gestopft. Ich schrie wie am Spieß, worauf der Druck auf meinen ausgemergelten Körper immer stärker wurde. Irgendwann bin ich dann vermutlich kollabiert und fand mich dann im Schlafsaal an das Bett gefesselt wieder. Die Zwangsernährung wiederholte sich täglich. Ich weiß leider nicht mehr, was noch alles mit mir geschah. Es waren viele ältere Kinder im Heim, die mich wegen meiner Essstörung drangsalierten. Ich war zu schwach, um mich wehren zu können.
Die zweite schlimme Zeit erlebte ich bei meiner Rückkehr im Lager. Meine tief gläubige, katholische Familie glaubte meinen Schilderungen nicht und ich musste Hohn und Spott von ihnen ertragen. Besonders von meinen älteren Brüdern über Jahrzehnte. Auch daheim konnte ich bis in das Erwachsenenalter keinen Bissen Fleisch herunterbringen. Erst im Alter von etwa 18 Jahren gab es zaghafte Versuche Fleisch zu konsumieren. Ab etwa dem 10. Lebensjahr hatte ich mich an Wurst herangetraut. Von nun an hieß ich in der Familie "Würstchen Fred" was mir sehr weh tat. Noch schlimmer war für mich, dass mir niemand in der Familie geglaubt hat. ich leide auch heute noch darunter und es kommen die Erinerungen wieder hoch. Als die ersten Fälle von Kindesmissbrauch in den Medien erschienen war es leider zu spät. Meine Eltern und meine geliebte Großmutter leben seit Ende der 1970ger Jahre nicht mehr. Wenn ich heute die Fotos meiner Kindheit betrachte, kann ich kaum glauben, dass ich das einmal war. Spindeldürr, nur Haut und Knochen. Ich weiß leider nichts von Anmerkungen über meinen körperlichen Zustand von Kinder-, bzw., Schulärzten.
Als immer mehr Mißbrauchsfälle in der katholischen Kirche bekannt wurden, trat ich aus der Kirche aus. Leider existiert keine Hölle, wie uns die katholische Kirche aus ihren Märchenbücher vorgelesen hat, sonst würde ich heute den damaligen Verantwortliche einen dauerhaften Aufenthalt dort gönnen.
Es wäre schön, wenn ich von anderen Mißbrauchsopfern, die vielleicht auch in der Zeit in Loccum lebten und vielleicht auch in diesem Heim untergebracht waren, mir berichten könnten.
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Gabriela Luck aus Berlin schrieb am 27.02.2024
Hallo,
Ich habe auch jetzt erst von der Möglichkeit erfahren, mal los zu werden, was mir alles angetan wurde.
Ich war mit 6 Jahren wegen Untergewicht über das Bezirksamt Spandau von Berlin verschickt worden.
Ich versuche hier mal aufzuzählen, was alles war:
Man durfte den Eltern nichts erzählen/ es wurde behauptet , dann müsste man bleiben.
Ich wurde mit Gewalt gezwungen ein großes Brot abends zu essen, sie pressten mir es rein und ich erbrach.
Nach 19.00 Uhr musste ich auf die Toulette und wurde dafür in einen dunklen Raum eingesperrt und sah dem Mond durch das Fenster.
Ich musste Zuckerrüben Sirup essen und Rosinen.
Es war Ekel. Deshalb kann ich es bis heute nicht essen.
Ich trinke keinen Kaffee und hasse Bitterstoffe, da ich dort gezwungen wurde Karo Kaffee zu trinken.
Ich hatte viele lange Jahre als Kind Alpträume.
Mittlerer Weile habe ich sie nicht mehr.
Die Älteren puschten abends in Taschentücher und schmissen sie aus Angst unters Bett
Postkarten etc wurden uns nicht gezeigt, wenn die Eltern welche schickten
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Inge Königshoven aus 40764 Langenfeld schrieb am 27.02.2024
Zeugnis ablegen ….
Durch die verstärkte TV-Präsens in den letzten Tagen zum Thema „Kinderverschickung“ sind auch bei mir wieder die alten Erinnerungen geweckt worden. Daher habe ich mich entschlossen auch meine Geschichte zu erzählen. Außer mit meinem Mann habe ich noch nie über meine schlimmen Erlebnisse gesprochen.

Mein Name ist Inge Königshoven geb. Gawrisch und bin Jahrgang 1946. In den 1950er Jahren habe ich wegen Unterernährung dreimal an diesen Kinderverschickungen teilgenommen.

Zuerst war ich im Kinderheim in Waldbröhl, danach in Schloss Herdringen im Sauerland, sowie in Bad Rippoldsau im Schwarzwald (durch notwendige Verlängerung insgesamt 12 Wochen).

Die von unterschiedlichen Personen geschilderten schlimme Dinge in der Rubrik „Zeugnis ablegen…“ habe auch ich erlebt und habe damals sehr darunter gelitten. Ich kann alles bestätigen, was in den vielen Veröffentlichungen geschrieben wurde.

In den drei unterschiedlichen Heimen habe ich immer wieder das gleiche erlebt. Es waren durchweg Bestrafungen, Gewaltanwendungen und Zwang.

Hier einige Beispiele:

Essen, es musste alles aufgegessen werden, solange mussten wir am Tisch sitzen bleiben. Hat sich ein Kind erbrochen mussten sie das Erbrochene essen und alle Kinder mussten zuschauen.
Schlafenzeit, die Mittagsruhe und die Nachtruhe mussten streng eingehalten werden, alle Kinder mussten ruhig in Ihren Betten liegen. Toilettengang war verboten und wurde bestraft. Wenn wir dringend mussten, haben wir heimlich ins Waschbecken gemacht.
Lebertran, jedem Kind wurde zwangsweise der eklige und ölige Fisch Lebertran eingeflößt.
Morgendliches Waschen, wir mussten uns täglich und nackt vor die Waschrinne stellen und dann wurden wir mit dem Schlauch und eiskalten Wasser von unten abgespritzt (ich hatte von dem kalten Wasser teilweise blaue Lippen).
Post nach Hause, wurde zensiert und vorgesagt, nur schöne Worte. Es wurde mit Strafe gedroht, wenn man etwas anderes schreiben wollte.
Heimweh, ich hatte fürchterliches Heimweh. Am schlimmsten war es bei meinem letzten Heimaufenthalt. Alle Kinder fuhren nach 6 Wochen heim, nur ich nicht. Da ich während der 6 Wochen nur 30 Gramm zugenommen hatte, kontaktierte der Arzt meine Eltern für eine Zustimmung die Kur zu wiederholen. Keiner hat mit mir darüber gesprochen. Für mich brach eine Welt zusammen und habe gedacht meine Eltern wollten mich nicht mehr. Meine Augen waren vom vielen Weinen entzündet und voller Krusten.

Heute fehlen einem die Worte, wenn man darüber nachdenkt. Statt einer Erholung war nur das Gefühl des Zwanges und der Verlassenheit präsent. Man hat kleine Kinderseelen systematisch zerbrochen und das auch unter religiöser Leitung. Ich habe mir als junge Frau geschworen das ich mein Kind NIE an einer Kinderverschickung teilnehmen lasse!

Danke das Sie das Thema aufgegriffen und öffentlich gemacht haben und es auch weiter tun. Es ist wichtig lesen zu können was mit uns Kindern der Nachkriegszeit passiert ist und nicht vergessen wird!

Liebe Grüße
Inge Königshoven
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Lippe aus Bergkamen schrieb am 27.02.2024
Ich war im Sommer, in Altastenberg im Kinderkurheim Haus Sonnenschein. Nachdem wir zwei aufregende Tage verbracht hatten, stand eine unerwartete Wendung bevor. Wir wurde gezwungen, Karten nach Hause zu schreiben, eine Aktivität, die uns eine Mischung aus Aufregung und Unsicherheit bescherte.
Nachdem wir unsere Karten geschrieben hatten, wurden sie streng kontrolliert und korrigiert. Die Schwestern überprüften jede Zeile sorgfältig, und wir spürten die Anspannung in der Luft. Es stellte sich heraus, dass nicht die Schreibweise wichtig war, sondern der Inhalt.
Das nächste Ereignis war unerwartet und belastend, wir wurden gezwungen, alles aufzuessen, was auf unseren Tellern lag.
Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich mit Abscheu auf meine Milchsuppe starrte. Ich mochte sie überhaupt nicht, aber es gab keine Gnade. Die Regeln waren klar: Niemand durfte den Raum verlassen, bis sein Teller leer war. Der Druck war enorm, und ich saß da, kämpfend gegen die widerliche Milchsuppe.
Die Situation nahm jedoch eine grausame Wendung, als der Junge neben mir plötzlich krank wurde. Er konnte die Milchsuppe nicht mehr halten, und sie landete auf seinem Teller und dem Boden. Die Schwestern waren unerbittlich, er wurde gezwungen, nicht nur sein eigenes Erbrochenes zu essen, sondern auch den Rest seiner Mahlzeit.
Mein Widerstand gegen die Milchsuppe wurde ignoriert, und ich musste sitzen bleiben, bis auch mein Teller leer war. Diese Erfahrung prägte sich tief in meine Erinnerungen ein und ließ mich nachdenklich zurück.
Die Tortur setzte sich fort, als wir zu einem Spaziergang aufgebrochen sind. Auf dem Weg entwickelte ich eine schmerzhafte Blase an meinem Fuß. Anstatt Mitgefühl zu zeigen, wurde ich isoliert. Man setzte mich alleine auf eine Bank und ließ mich dort für ungefähr zwei Stunden allein zurück. In diesem Moment fühlte ich mich verlassen und hilflos, nur sechs Jahre alt und mit einer schmerzenden Blase.
Dies ist nur ein teil, von dem was uns dort widerfahren ist.
Diese Erlebnisse haben mich geprägt und mir eine Perspektive aufgezeigt, die weit über die normalen Ferienerfahrungen hinausging. Sie haben mich gelehrt, wie wichtig Empathie und Mitgefühl sind und wie belastend autoritäre Regeln sein können, besonders für Kinder.
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Andres Manig aus Regensburg schrieb am 26.02.2024
"Kinderheilstätte", einen schöne Umschreibung. Ich denke, Kinderkonzentrationslager trifft die Zustände deutlich besser. 6 verlorene Wochen, die noch heute Brechreiz auslösen.
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Edwin aus Saarlouis schrieb am 26.02.2024
Ich war 5 Jahre alt ,als ich bei den Barmherzigen Brüder in der Mastkur war.Der Nicolaus und der Knecht Ruprecht waren im Haus.Alle Kinder wollten unbedingt zu der Veranstaltung ,ich auch ,aber ich durfte nicht ,weil ich meinen Teller nicht leer machen wollte .Also hat man noch zwei größere Kinder dazu verdonnert mich zu überwachen ,bis ich den Teller leer machte.ich ekelte mich und wollte nicht Essen .Die Kinder wollten zum Nicolaus und wurden böse.Sie schlugen mich auf den Kopf ,dann aß ich und musste mich erbrechen danach schlugen sie mich wieder und wieder und zwangen mich den Teller leer zu machen mit dem Erbrochenem.
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Maren Dorschner aus Babenhausen schrieb am 26.02.2024
Ich war im März / April 1980 für 4 Wochen mit meiner Schwester in dieses Heim verschickt. Ich war 8 Jahre alt, meine Schwester 9.
Geschwister wurden grundsätzlich getrennt untergebracht. Das Personal war sehr streng, ich kann mich an niemanden erinnern, bei dem ich mich wohl gefühlt habe.
Das Essen wurde einem aufgefüllt und musste aufgegessen werden. Wer das nicht schaffte, bekam das Mittagessen kalt zum Abend wieder serviert. Etwas anderes durfte nicht genommen werden, wenn es nicht gegessen wurde, gab es dieses zum Frühstück....
Mittags war 2 Stunden Mittagsschlaf, es durfte nicht geredet werden in dieser Zeit. Wer beim Reden erwischt wurde, musste nachts im Duschraum schlafen.
Die Briefe meiner Mutter wurden nur 1x pro Woche ausgehändigt und waren geöffnet. Zu Ostern schickte meine Mutter ein Päckchen mit Süßigkeiten. Auch dieses wurde geöffnet und der Inhalt an alle Kinder verteilt. Telefonieren durften wir nicht mit unseren Eltern. Wenn wir an die Eltern schreiben wollten, mussten wir die Briefe offen bei der Heimleitung abgeben.
Auf unser großes Heimweh ging niemand ein.
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Iris schrieb am 26.02.2024
Ich war 1978 in Brilon und 1980 in Wyk auf Föhr (Schloss am Meer) - als 5- bzw. 7-Jährige. Beide Male über die Barmer / BEK, jeweils 6 Wochen zur Erholung (von was auch immer, ein bisschen Urlaub auf Kassenkosten). Ich erinnere mich an Schnee und Lenkschlittenfahrten in Brilon und schöne Tage am Meer in Wyk. Schade, dass es den Berichten nach bei vielen Kindern negativ verlief.
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Bernd aus Butenhamburger schrieb am 26.02.2024
Ich habe überwiegend sehr positive Erinnerungen ans Kinderheim. Von den beiden Erzieherinnen fühlte ich mich immer ernst genommen. Mit dem Essen hatte ich keine Probleme. Das Freizeit- und Bäderprogramm fand ich gut bis lustig. Einzig der Umgang mit schwierigen Kameraden war für mich nicht akzeptabel – Erbrochenes aufzuessen fand ich furchtbar und habe das den Erzieherinnen auch gesagt und nach dem Grund gefragt. Sie haben das zugelassen (was damals durchaus nicht selbstverständlich war!) und gefragt, ob ich mich nicht etwas um den Kameraden kümmern könnte – für mich durchaus überfordernd (ich war 9!) Aber insgesamt: Anscheinend Glück gehabt! Ich war gut vorbereitet, hatte Lust zu reisen und kein Heimweh.
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Britta aus Weyhe schrieb am 26.02.2024
Ich war ca. 1972 oder 73 in Kreuzthal im Allgäu. Mehr weiß ich leider nicht. Nur das 3 Zwillingspärchen zusammen mit mir dort waren. Erinnern kann ich mich nur daran das wir Zitronentee trinken mussten und ich wieder zum Bettnässer wurde! Alles andere habe ich, glaube ich verdrängt. Es gab damals aber einen schweren Unfall mit einem Jungen Namens Matthias ca. 14 J. alt. (Meine dass das der Name war) was danach passiert ist.....keine Erinnerung mehr 🥺
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Friedrich Ziegenmeyer aus Bad Rothenfelde schrieb am 26.02.2024
Moin moin liebe Leute ich kann mich nur noch daran erinnern das ich eine Graupensuppe nicht mochte, die erbrochen habe und dann den Teller leer essen musste. Beim essen wurden mir unter Prügel Essmaniren beigebracht, gerade sitzen usw.
Friedrich ziegenmeyer
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Lilian Weimbs aus Bonn schrieb am 25.02.2024
Ich bin Anfang 1953 mit gerade einmal 4 Jahren zur Erholung in das Erholungsheim Kaldenkirchen gekommen, und zwar für 3 Monate. Ich erinnere mich, dass ich mich mit Händen und Füssen gewehrt habe, als meine Tante mich dort abgeliefert hat. Bis heute kan ich noch keine Milchspeisen (Porridge usw.) essen, weil es das dort täglich gab und man bis zum Mittagessen am Tisch sitzen musste, wenn ma es nicht aufgegessen hatte. Ich bin heute 75 Jahre alt und immer noch kommen mir die Tränen, wenn ich an diese Zeit zurückdenke. So etwas darf man keinem Kind antun.
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Nicole aus Krefeld schrieb am 25.02.2024
Ich wurde damals wegen Untergewicht und Atemweges Problemen Verschickt. Habe erst vor kurzem Erfahren das es so viele Kinder (heute Erwachsene ) gibt die diese Seelischen Grausamkeiten auch erleben mussten.
Ich erinnere mich daran das wir in der Gruppe ein Mädchen hatten das eine geistige Behinderung hatte und ganz alleine an einem Tisch sitzen musste 😠 und wenn sie auffällig war dann wurde sie vor unseren Augen geschlagen und misshandelt.
Das Essen war ekelhaft so das man es kaum runter bekommen hat. Habe oft bis abends vor meinem Teller gesessen. Jeden Tag mussten wir Meerwasser trinken das in riesigen Lenor Flaschen gelagert wurde.
Toilettengänge waren die reinste demütig, denn wir mussten rufen was es für ein Geschäft es war. Die Schwester kam dann und wischte sehr grob den po ab.
Jeden Abend mussten wir stramm vor unseren Betten stehen, wir wurden zu gedeckt und bestraft wenn wir uns zu oft bewegt haben.
Mein starkes Heimweh wurde ignoriert.
Uns wurde damit gedroht wenn wir zuhause was erzählen würden dann würden alle persönlich kommen und das aufklären.
Es war die schlimmste Erfahrung die ich in Menschen gemacht habe und tief in mir sitzt es noch sehr sehr fest.
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Marion Drill aus Münstermaifeld schrieb am 25.02.2024
Ich bin durch Zufall auf die Verschickungsheime gestoßen und kann mich erinnern das ich in den 70igern mit meinem Bruder im Josefsheim in Ruhpolding zur Erholung war. Meine Erinnerungen sind nur schwach. Das lief glaub ich über Caritas und auch kann ich mich erinnern das Briefe die nach Hause geschrieben wurden kontrolliert wurden. Ich schrieb meiner Mama damals das ich nach Hause möchte es mir nicht gefällt . Das musste ich ändern in hier ist es sehr schön mir geht es gut. Unfassbar so im Nachhinein.
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Udo Fiß aus Leverkusen schrieb am 25.02.2024
Ich war in den beiden Kinderheimen gewesen...aufgrund meiner Nierenerkrankung mit Steinen!
Es war einfach nur die Hölle...Angst...Schrecken..Pein..Schläge..Hänselei..Ecke stellen..Zwang zum.Essen..Bis zum übergeben..Mit einem Feuerwehrschlauch abgestritten nach dem Solebad..dass man an die Wand flog...usw.usw...wer hat ähnliche Erfahrungen dort gemacht..
Mfg Udo aus Leverkusen
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Sandra Buchloh aus Mülheim schrieb am 24.02.2024
Auch ich wurde in den Sommerferien 1979 für sechs Wochen in das Kinderkurheim Waldmühle in Braunlage geschickt. Ich wurde einfach in einen Zug gesetzt und fuhr mit anderen Kindern, aber es fühlte sich sehr einsam an, an einen fern entlegenen Ort in den Harz. Die Reise schien ewig zu dauern und ich kannte niemanden, mit dem ich während der Fahrt hätte spielen oder reden können. Im Grunde wusste ich noch nicht einmal was mich erwartete, auch wenn mir meine Mutter erzählte, dass ich Urlaub mache und Spaß haben werde. Ich hatte keine Ahnung, was diese Aussage für Erfahrungen beinhaltete. Ich war einfach nur weg von meinem Elternhaus, das mir Sicherheit gab.
.Irgendwann hatte der Zug, mit mir im Gepäck den Zielbahnhof erreicht. Mit dem Bus ging es weiter zum Heim. Dort wo das Haus stand sah es ganz wunderbar aus! Das Kurhaus schien aus zwei Haupthäusern zu bestehen, wo im linken Haus die Mädchen untergebracht waren und im rechten die Jungen.
Ich kann mich noch daran erinnern, wie die älteren Mädchen vom Flurfenster aus den Jungen im gegenüberliegenden Haus, die ebenfalls an ihren Flurfenstern standen, zuwinkten oder Grimassen schnitten. Eine grosse Wiese hinter den Häusern lud zum spielen und rennen ein, umgeben von riesigen Tannen, wo man sicherlich gut hätte verstecken spielen können, doch dazu kam es in den 6 Wochen nur ein mal! Man durfte einfach nicht raus gehen. Ich hatte darum gebettelt an schönen und auch unschönen Sommertagen einfach nur über die Wiese zu rennen, doch es war nicht erlaubt! Ich fühlte mich wie eine Gefangene, darauf wartend endlich frei gelassen zu werden. Es war so traurig und es zerriss mir mein Herz diese wundervolle Natur nur mit den Augen vom Flurfenster betrachten zu dürfen. Manchmal durften andere Kinder, anderer Gruppen nach draußen gehen - und das zu sehen, verschlimmerte mein Herzgefühl um ein Vielfaches. Ich wäre am liebsten zu meiner Mutter gerannt und hätte ihr all diese Ungerechtigkeit berichtet, doch sie war für 6 Wochen einfach nicht für mich da. Anrufen war nicht erlaubt, Schreiben schon, doch wie, wenn man es noch gar nicht konnte?! Also durfte ich meinen Unmut einer Betreuerin erzählen, damit sie es auf eine Postkarte oder einen Brief schrieb. Da ihr der Inhalt aber nicht gefiel, blieb es nur bei „Liebe Grüße aus Braunlage.“
Da nun bekannt war, dass ich von dem ganzen Laden nichts hielt und ich alles nur doof fand, wurde ich dementsprechend auch mit viel Ignoranz behandelt. Wenn ich Heimweh hatte sollte ich mich nicht so anstellen, wenn ich Bauchweh hatte, sollte ich mich auf den Bauch legen (was ein Schwachsinn), man hatte einfach keine adäquate Hilfe oder Unterstützung in den Situation bekommen, mit denen man sich konfrontiert sah. Es war auch schwierig mit den anderen Kindern Kontakte zu knüpfen, denn sobald man Spaß hatte, spielte, lachte, wurde man von den Betreuern wieder auseinander getrieben, weil man zu laut war, dass scheinbar kranke Kinder unter diesen Umständen nicht genesen konnten. Man durfte in den Essensraum gehen und sich dort mit basteln und malen leise in der Gruppe beschäftigen, doch das war für mich viel zu langweilig!
Soweit ich mich daran erinnern kann, gab es an einem Tag ein „Straßenfest“ mit Wettkämpfen im Sackhüpfen, Eierlaufen, Dosenlaufen und Apfelfischen aus einer Wasserschüssel mit dem Mund. Der Tag war wirklich schön, mal nicht langweilig wie alle anderen.
An einem anderen Tag machten wir eine Bustour. Ich weiß nicht mehr wohin, doch am Ende konnte man sich einen überdimensionalen langen, dicken Bleistift als Souvenir kaufen. Wenn man es mochte auch diese hässlichen Porzelanfiguren, die je nach Wetterlage blau oder rosa glitzerten.
Der Busfahrer schien mir in dieser unendlich langen Zeit der netteste Mensch zu sein, denn während wir fuhren erklärte er uns die Welt, die wir da draußen sahen. Er bemühte sich um unsere Aufmerksamkeit und ich nahm es dankend an. Endlich jemand, der sich für uns zu interessieren schien.
In den Nächten wenn die Gedanken besonders laut wurden, wenn man nicht reden durfte und das Gefühl von Heimweh sich wie eine Decke um das Herz legte, machten die Betreuer netter Weise „Das kleine Nachtgespenst“ an und ließen die Geschichte über den Flur laufen. So schlief man leichter ein, mit der Hoffnung am nächsten Tag endlich wieder in den Zug gesetzt zu werden, Richtung Heimat, Richtung Freiheit!
Handgreiflich ist mir gegenüber niemand geworden, doch die emotionale Kälte, das Gefühl von Einsamkeit, ohne Freunde und Familie zu sein, das Gefühl gefangen zu sein, keine Entscheidungen treffen zu dürfen hat gereicht, dass ich seit dem für 2 weitere Jahre nach stressigen Situationen immer schön eingenässt hatte. Dieser Urlaub schien mir richtig gut getan zu haben 😕

Verrückt, wie present die Emotionen sind, wenn man sich mit diesem Teil der Vergangenheit bewusst beschäftigt und dachte, das ist vergangen und vergessen.
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Antje aus Tübingen schrieb am 22.02.2024
Betrifft: Ratzenried /Argenbrühl

Ich war 1969 von September bis Oktober 6 Wochen in diesem " Erholungsheim". Ich weiß es nur deswegen so genau, weil ich damals im Heim Geburtstag hatte und 6 Jahre alt geworden bin. Ich bin die mittlere von 5 Kindern und mein damals 1 Jahr älterer Bruder war auch dabei.
Wir wurden schon gleich beim Ankommen im Heim voneinander getrennt und sahen uns nur zufällig wenn wir beim Aufstellen in Zweierreihen zum Spazierengehen direkt im Haus oder vor dem Haus aneinander vorbeiliefen.
Sonst sah ich meinen Bruder erst wieder richtig zu Hause.
Ich komme aus dem Baden-Württemberg und uns wurde sofort untersagt "Schwäbisch" zu reden.
Als ich dann nach Hause kam, redete ich auf jeden Fall Hochdeutsch, was sich aber schnell wieder legte.
Wir mussten auch immer alles essen was auf den Tisch kam. Meistens gab es zum Nachtisch irgendwas mit Apfel. Wenn es Äpfel gab, stand ein Bottich auf dem Tisch, wie wir meinten für die Apfelbutzen. Das war dann wohl der Trick der Ordensschwestern für die erste Quälerei.
Alle warfen ihren Apfelrest in den Eimer. Als alle fertig waren, wurde mitgeteilt dass der Apfel bis auf den Stiel gegessen werden müsste. Also mit Haus und allem. Sodann wurden willkürlich alle Apfelreste ausgeteilt, egal wem sie gehörten und man musste den Apfelrest essen. Ich fand das wirklich widerlich.
Wenn es Apfelmus nach dem Essen gab wurde mir oft schlecht. Ich habe einmal am Tisch erbrechen müssen. Erstens musste ich alles selbst aufputzen und dann das restliche Apfelmus mit Erbrochenem Inhalt leer essen. Ich weiß nicht genau, wie lange ich gebraucht habe. Aber auf jeden Fall war es eine schreckliche Quälerei für mich.
Man fühlte sich ganz klein und allein auf der Welt wie noch nie.
Irgendwie konnte man in dieser Zeit keine Freundschaften schließen. Ich glaube das war auch nicht gewollt.
Wegen irgendwelchen Vergehen z.B. ungefragtes reden oder so musste ich stundenlang in einer Ecke stehen. Der Raum war sehr groß und alle hielten sich da auf.
Ich weiß von einem kleineren Mädchen, dem wurde immer der Keller angedroht. Ich weiß aber nicht, ob sie da auch hinein musste.
Zumindest war es eine Abschreckung für uns.
Zu meinem Geburtstag bekam ich einen Kuchen von meiner Mutter geschickt und einen Filzclown mit Glöckchen zum Basteln. Der Kuchen wurde an alle verteilt und ich bekam nur 1 Stück.
Der Filzclown wurde mir von einer der netteren Ordensschwestern zusammengestellt. Das war eigentlich was zum aufhängen, denke ich. Es war ein dünner Faden zwischen den Filzteilen. Natürlich habe ich damit gespielt. Da ist mir der Faden zwischen den Gliedern gerissen. Als alle einen Film anschauen durften, sollte ich ohne Nadel nur mit den Fingern im halbdunkeln den Clown reparieren. Ich glaube ich war noch nie so verzweifelt.
Irgendwann hatte eine von den Schwestern ein Einsehen. Sie nahmen mir den Clown weg und schickten mich ins Bett. Ich war völlig fertig.
Jeden Abend mussten wir um ein Fusswanne herumsitzen die im Bad im Boden eingelassen war.
Das Wasser war immens heiß, aber wir wurden gezwungen unsere Füße hinein zu strecken bis die Schwestern sagten, es sei genug.
Unsere Waschutensilien rochen nach einiger Zeit ganz süßlich. Wenn ich den Geruch heute wahrnehme bin ich gleich wieder in Ratzenried.
In der Nacht saß eine von den Schwestern vor der Toilette und hielt Wache. Denn obwohl viele noch Bettnässer waren, durfte man nicht zur Toilette. Dafür gab es mächtig Ärger falls das Bett nass war.
Einmal habe ich mich vor meinem Bett erbrechen müssen, Hausschuhe und Boden musste von mir selbst unter Beschimpfungen gereinigt werden und ich war mit der Situation mehr als überfordert.

Wir mussten viele Briefe und Postkarten schreiben.Alles wurde zensiert und wenn es nicht gut geschrieben war, musste man nochmal anfangen.

Bei den Jungs bekamen wir mit, dass einmal ein Spielzeugauto fehlte. Alle Buben bekamen Schläge, bis der Schuldige gefunden wurde.

Einmal durften die Eltern zu Besuch kommen. Natürlich wurden wir vorher gebrieft. Im Garten wurden ganz viele Spielsachen wie Hüpfbälle, Bälle, Federball und vieles andere ausgeteilt. Wir durften fröhlich sein. Obwohl unseren Eltern wohl klar sein musste, dass wir total verändert waren.
Als die Eltern fort waren, wurde sofort alles an Spielsachen wieder weggeräumt.

Auf jeden Fall war es eine schreckliche Zeit. Noch heute, wenn ich vom Düngen der Felder Landwirtschaftlichen Geruch wahrnehme, bekomme ich sofort Kopfschmerzen und bin in eine andere Zeit versetzt. Wir mussten dort viel Spazierengehen.

Als mein Bruder und ich heim kamen und jeder so seine Geschichten erzählte wurde uns nicht geglaubt. Nicht einmal später als wir bei unseren Geschichten blieben
Das war auch so ein Ding, dass einem nicht geglaubt wird.
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Bettina aus Göttingen schrieb am 19.02.2024
Ich wurde 1978 als Zehnjährige in das Kinderheim Frisia nach St. Peter Ording geschickt. Als Privatinitiative meiner Eltern, da ich häufiger krank war und vor dem Gymnasium "fit gemacht" werden sollte. Der 6-wöchige Aufenthalt war der Anfang von tiefen Depressionen und chronischer schwerer Krankheit, die sich bis heute - 2024 - durch mein gesamtes Leben ziehen. Dabei habe ich alles glasklar vor Augen. Ich wollte dort nicht hin, habe mich noch am Tag vor der Abreise zuhause gewehrt, es half nichts. Das Elternhaus war streng, unter Anleitung meiner Großmutter mußte ich die Namensschilder nachmittags nach der Schule in meine Kleidung nähen. Der Aufnahmetag im Haus Frisia nach 4 Stunden Autofahrt begann extrem traumatisch. Mir wurde gesagt, ich solle mit einer Kindergruppe mitgehen, zum Spaziergang. Meine Eltern würden auf mich warten. Als wir zurückkamen, sah ich unser Auto links auf dem kleinen Parkplatz vor dem Haus stehen und war beruhigt. Alles gut, sie sind da! Im Speisesaal während des Abendessens sah ich meine Eltern aus dem Haus zum Auto gehen und einsteigen. Ohne sich mit einem Wort oder einer Umarmung von mir zu verabschieden! Ich sprang vom Tisch auf, rannte zum Fenster, hämmerte dagegen, schrie und weinte, rief so laut ich konnte "Mami, Mami" - und wurde von einer der "Tanten" weggezogen und festgehalten. Ich mußte zusehen wie der silberfarbene Audi meiner Eltern vom Grundstück fuhr, auf der Hutablage noch mein Comic-Heft, dass ich mir als Besonderheit hatte aussuchen dürfen, ein Ponybuch, und eine Tüte Erdnußflips. Besondere Extras, um mir das Kinderheim schön zu machen. Alles nahmen meine Eltern wieder mit und ließen mich einfach zurück, ohne sich umzudrehen. Ich wurde in ein volles Dreierzimmer in ein Zustellbett gepackt, dem "Sportplatz". Wurde ab der ersten Minute gehänselt. Die Mädchen nahmen mir sofort meine wenigen Kleinigkeiten weg, die ich als Erinnerung an Zuhause eingepackt hatte. Ein kleiner Notizblock mit einem silbrigen Deckel. Mein Taschengeld, auf das ich ganz stolz war, weil meine Mutter mir versprochen hatte, ich könnte in St. Peter Ording allein einkaufen gehen. Ich habe meine Sachen, mein Geld nie wieder gesehen. Beschwerde zwecklos. Nachts weinte ich viel. Ein Mal kam eine der Nachtwachen am frühen Morgen und nahm mich zu sich mit ins Bett, weil ich so viel geweint und gehustet hatte - dort habe ich mich kurz geborgen gefühlt. Nach wenigen Tagen wurde ich in ein anderes Zimmer verlegt und weigerte mich morgens aufzustehen. Decke über den Kopf, das Schimpfen ließ ich an mir abprallen. Konnte nicht, ich wollte nicht, es war mir alles egal. Ich hatte das Gefühl ich gebe auf. Aus heutiger Sicht weiß ich, dass ich schwer depressiv war. Alles war sehr streng geregelt: zum Mittagschlaf mußten wir uns komplett ausziehen und die Schlafanzüge an. Nach dem Wecken hatten wir 2 Minuten Zeit, um angezogen in Reih und Glied im Waschraum zu stehen. Die Klotüren im Waschraum konnte man nicht abschließen, es gab immer wieder Kinder die versucht haben sie zu öffnen, wenn ich dort saß. Verstopfung vorprogrammiert, ich versuchte also außerhalb der Waschraumzeiten aufs Klo zu gehen, mußte mich dafür immer melden und um Erlaubnis fragen. Die Körperpflege bestand nur aus Katzenwäsche (Gesicht, Hände, Zähneputzen, mehr nicht!), was mir mit 10 Jahren unangenehm war, da ich anfing leichten Körpergeruch zu entwickeln. Was mir bewußt war. Die Haut in den Achselhöhlen und am Po fing irgendwann an zu jucken. Die Kopfhaut ebenso. Jeden Sonntag gab es frische Kleidung, die Unterwäsche wurde zusätzlich am Mittwoch gewechselt. Alle 2-3 Wochen durften wir zu Dritt kurz unter die Dusche. Alle gleichzeitig unter eine Brause. Abduschen, Haare waschen, fertig. Mir war das fettige Haar sehr unangehm. Zuhause wurde es auch nur ein Mal in der Woche gewaschen, aber dann war es auch nötig. Und hier nur alle 2-3. Wir hatten mehrere Bettnässer, von ganz klein (4 Jahre) bis groß (12 Jahre). Die wurden vor der ganzen Gruppe von den Tanten verhöhnt, beschimpft - und die großen Bettnässer mußten vor unser Augen unter diesen Beschimpfungen die nasse Bettwäsche in der einzigen Badewanne im Waschraum auswaschen. Grausam. Als Kollektivstrafe für das Bettnässen gab es ab dem frühen Nachmittag 14.30 Uhr für alle Kinder nichts mehr zu trinken. Der Tee zum Abendbrot wurde gestrichen. Uns wurde erzählt, dass das Leitungswasser vergiftet wäre, wir dürften das auf keinen Fall trinken!! Es wurde streng kontrolliert, ob wir nicht doch beim Zähneputzen einen Schluck nahmen. Ich hatte so furchtbaren Durst, dass ich es doch irgendwann mal heimlich getrunken habe, nach einem extra erbettelten Klogang (ich mußte nicht, ich wollte einfach nur trinken). Und nichts passierte. Keine fürchterlichen Bauchschmerzen, wie von den Tanten prophezeit... - Einmal wöchentlich mußten wir einen Brief nach Hause schreiben. Habe ich die Wahrheit erzählt, wurde ich zur Tante gerufen und beschimpft, dass ich Lügen erzählen würde. Ich mußte meinen Brief neu verfassen und dabei "schön schreiben", also alles positiv erzählen. Später fand ich einmal so einen Brief bei meinen Eltern, in dem ich versucht hatte trotzdem meine Situation zu schildern. Einige Passagen waren herausgeschnitten. Darunter stand von den Tanten geschrieben, dass ich eine blühende Phantasie hätte und mir das alles nur ausdenken würde. - Ich versuchte schließlich wegzulaufen. Wir waren in einem Waldstück, spielten irgendein Versteckspiel. Ich hatte einem Jungen, der mich gehänselt hatte, mit aller Wut die ich in mir hatte zwischen die Beine getreten und war entsprechend von der Erzieherin vor allen ausgeschimpft worden. Ich bin einfach so weit ich konnte immer weiter und weiter in den Wald hineingelaufen. Und hatte nur einen Gedanken: zum Bahnhof, irgendwie. In einen Zug, irgendwie. Nach Hause. Ich hörte alle nach mir rufen - und bin einfach weitergelaufen. Bis ich im immer tieferen Dickicht Angst bekam und mich in einem trockenen Bachbett niedergekauert habe. So wurde ich gefunden. Ab da an bekam ich einen Saft, der mich für wenige Stunden ruhigstellte. Sobald ich ihn geschluckt hatte, schien alles wieder gut, ich fühlte mich total ruhig und hatte kein Heimweh mehr. Nach einer gewissen Zeit brach alles Heimweh wieder über mich hinein. Ich nehme an es war Valium, oder ähnliches. Ich versuchte ein 2. Mal wegzulaufen, nachdem ich es schon nachts ganz leise versucht hatte (in allen Zimmern war eine Art Babyfon) und merkte, dass die Haustür abgeschlossen und der Schlüssel abgezogen war. Also bin ich tagsüber, während wir auf der Wiese hinter dem Haus spielten, einfach und ruhig um das Haus herumgegangen und auf die Straße Richtung Ort, ohne mich umzudrehen. Ich wollte nur zum Bahnhof und hatte gehofft dass mich niemand bemerkt, wenn ich ganz ruhig gehe. Doch Kinder hatten mein Fortgehen gemerkt und mich verpetzt. Ich wurde zurückgeholt, bekam den Beruhigungs-Saft und wurde gefragt, ob ich wisse warum ich in Frisia sei. Ja, weil ich häufig krank gewesen sei. Nein, lautete die Antwort. Weil ich zu sehr an meiner Mutter hängen würde. Sie hätte mich nicht mehr zuhause haben wollen, darum wäre ich nach Frisia gebracht worden! In mir zerbrach das allerletzte bischen - und ich habe keinen weiteren Versuch mehr unternommen wegzulaufen. Wenn meine Eltern mich nicht mehr haben wollen, schicken sie mich doch sofort wieder zurück ... dachte ich. Ich wurde später ins Storchennest verlegt, gemeinsam mit zwei gleichaltrigen Mädchen. Die anderen Betten blieben leer. Das war nach 3 Wochen. Ab da an habe ich mich etwas eingelebt, da ich zum ersten Mal Freundinnen dort hatte. Bekam ich ein Päckchen von Zuhause, eine sehr große Besonderheit für mich, als 4. Kind in einer sparsamen Familie, habe ich es nicht erhalten. Sondern es wurde vor meinen Augen aufgeteilt, an alle Kinder. Selbst ein Riegel Mars mußte geteilt werden. Als ich mich beschwerte, dass es doch mein eigenes Päckchen von meiner Mami sei, wurde ich streng zurechtgewiesen. Ich müsse lernen zu teilen! (was ich wie gesagt zuhause mit 3 Geschwistern sowieso immer getan hatte) Aß ich bei den Mahlzeiten nicht auf, weil ich z. B. keinen Fisch essen konnte (sofortiges Würgen) oder einfach das Gericht nicht mochte (Obstsuppe, jeden Morgen! abgewechselt von Vanille-oder Schokoladensuppe mit Haut, eklig) mußte ich solange alleine im Speisesaal sitzen bleiben, bis ich aufgegessen hatte. Und wenn es Stunden dauerte. Ein Mal habe ich bis zur nächsten Mahlzeit sitzen müssen. Fischfrikadellen führten dazu, dass ich mich übergeben habe. Was neue Strenge nach sich zog.... Ich könnte immer weiter schreiben. Meine seelische Erkrankung begann im Haus Frisia, dort wurde mir meine Seele gebrochen. In unmittelbar zeitlicher Folge wurde ich schwerst darmkrank, Colitis ulcerosa, therapieresistent. Eine Autoimmunerkrankung, die stark psychosomatischen Einflüssen unterliegt. Typisches Thema dabei ist Verlust, Trennungserfahrung, Trauer. Stimmt. Erst viele Jahre später habe ich erfahren, dass meine Cousins ebenfalls einige Jahre davor auch im Kinderheim Frisia waren - und es genauso schrecklich, genauso traumatisch fanden. Aber als Zwillinge waren sie zumindest nicht alleine. Mit dem Aufenthalt im Kinderheim Frisia endete meine Kindheit - und mein Leben als chronisch Kranke begann. Meine Eltern wollten nie wissen, was sie mir damit angetan haben. Sie haben mir meine Erzählungen nie geglaubt.
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Birgit aus Menden schrieb am 17.02.2024
Ich bin im April 1972 kurz vor meinem 6. Geburtstag mit meiner kleinen Schwester zur Kur ins Fichtelgebirge gekommen. Gerne würde ich wissen, wie das Heim im Fichtelgebirge wohl hieß. Ich kann mich an manches erinnern und an vieles leider nicht mehr. Es war für mich die schrecklichen Wochen meines Lebens. Ich leide nach 50 Jahren noch immer an Angstzuständen, teilweise stottere ich und bin lieber alleine. Zur Zeit gehen mir viele Gedanken durch den Kopf, das ich mich zum Teil an einige schreckliche Erlebnisse mich erinnern kann und warum ich anderes ausblende und ich mich einfach nicht erinnere. Ich wurde damals zur Kur geschickt, weil ich zu dünn war. Grausam was den Kindern dort angetan wurde😢
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Alexander Bieseke aus Bad Driburg schrieb am 17.02.2024
Ich wurde 1974/75? als 6/7 jähriger in ein Kurheim mit dem Namen Haus Warburg verschickt. Meiner Erinnerung nach über mehrere Wochen. Ich erinnere mich, an eine damalige Zeitungsmeldung, wonach die ehemalige Heimleiterin ermordet worden war. Ich erinnere mich leider sehr negativ anbdie Aufenthalte. Ich wurde Sonntags von fremden Männern (Amtsträger Neuapostolische Kirche) in eine Kirche abgeholt, da meine Eltern darauf bestanden hatten.
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Brunhild Stephan aus Usedom schrieb am 14.02.2024
Ich wurde 1959,1960 nach Wieck auf Rügen verschickt, zusammen mit meinem kleinen Bruder. Ich muß 5 Jahre gewesen sein und mein Bruder 4 Jahre, es war keine gute Zeit für uns. Wir wurden auseinander gerissen und ich durfte meinen Bruder nicht sehen. Ich habe viel geweint und wurde dort auch gedemütigt. An den großen Schlafsal kann ich mich erinnern und an die weißen Eisenbetten. Bei Tisch durften wir nicht auf die Toilette gehen und wenn Kinder in die Hosen machten wurden sie bestraft. Wir mussten Mittags aufessen, es durfte nichts auf dem Teller bleiben, es war grausam. Auch an die kalten Duschen in Steinwaschbottigen kann ich mich erinnern . Ist hier jemand mit dem ich mich austauschen könnte?
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Ulrike Leuten aus Kempen schrieb am 13.02.2024
Ich bin von 1961 und war somit mit 5,6 Jahren in diesem grausamen Heim. Ins detail möchte ich nicht gehen, aber ich erinner mich so deutlich an ein blondes Zwillingspaar, 2 Jungens, die beim Essen mir gegenüber saßen. Es gab wieder diesen widerlichen Kakao. Einer von den Zwillingen hatte den Mut, ihr leergetrunkenes Kakaoglas mit meinem vollen Glas zu tauschen, so dass ich es nicht trinken mußte.
Bis heute fühle ich die Erleichterung über diese Heldentat. Vll liest einer von euch ja diesen Beitrag, wenn ja, dann nochmal danke 😊
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Mandy Eidtner aus Blankenfelde-Mahlow schrieb am 11.02.2024
Hallo zusammen,

ich habe durch Zufall eine Dokumentation auf Youtube zum Thema "Verschickungskinder" gesehen und würde mich gern mit anderen Betroffenen austauschen.
Ich bin Jahrgang 1985 und wurde als 5-jährige zu einer Bronchitskur ins Volkssolbad 4732 Bad Frankenhausen Kindersanatorium "Helmut Just" geschickt (Kurbeginn: 29.03.1990, Kurende:08.05.1990).
Auch wenn ich aus dieser Zeit nur noch wenige Erinnerungen habe

- ohne Eltern zur Kur geschickt
- meine Eltern wussten zunächst nicht, wo ich war, bis Post aus dem Sanatorium kam
- keine Besuchserlaubnis; Telefon hatten wir damals nicht
- überwiegender Aufenthalt auf Krankenstation
wünsche ich mir für alle Betroffenen eine Aufarbeitung und Anerkennung seitens der Regierung, so wie es durch den Fonds Heimerziehung von 2012 bis 2018 für ehemalige Heimkinder in der BRD und DDR geschah.
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Marga aus Hessen - Büdingen schrieb am 11.02.2024
@ Sabine Elender, ich war ebenfalls im Sommer 1965 in einem dieser sog. Kindererholungsheime in St. Peter-Ording und bitte um Kontaktaufnahme. Danke.
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Rolf Kiemes aus Köln schrieb am 10.02.2024
Ich beziehe mich auf folgenden Eintrag:
[Ulrich Breitbach schrieb am 02.02.2022
Verschickungsheim: Bad Kreuznach, Knabenheilstätte „St. Marienwörth“
Zeitraum (Jahr): 1961 oder 1962
Ich suche Kontakt zu Personen, die wie ich Anfang der 60er Jahre ins Heim "Knabenheilstätte St. Marienwörth“ verschickt worden sind.

Ich denke ich war im Mai-Juni 1961 in diesem Heim, bin aber nicht sicher.
Das Heim wurde von Mönchen (ich denke Franziskaner) betreut. Ich war insgesamt sehr unglücklich in dieser Zeit, obwohl wir auch schöne Ausflüge gemacht haben und die Betreuung nicht so schlimm war.
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Volker aus Baden Würrtemberg schrieb am 10.02.2024
Ich war 1972 in Bad Salzuflen im Heim Roseneck (Name des Heims habe hab ich hier heute
erfahren).

Ich wurde hingeschickt weil ich anscheinend so "zappelig" war. Der Hausarzt hatte das empfohlen.
Ich war erst 5 1/4 Jahre alt und komplett überfordert.

Ich kann mich an folgendes erinnern:

Ich fuhr mit einer "TANTE" von Stuttgart HBF nach
Bad Salzuflen. Am Bahnhof hat mir meine Mama damals noch einen Teddy Bären gekauft. (Den gibt es noch😉)

An was ich mich erinnere:

* Moorbäder mit Wecker an der Badewanne.
* Abends wurde im Schlafsaal "Das kleine Gespenst" vorgelesen. Die junge Frau war nett.
*Wir waren in einem Zoo mit dem Bus und ein grosses Tier hat zum Fenster hereingespukt. (Giraffe ?) ...
Keine Ahnung ob es in Bad Salzuflen einen Zoo gibt bei dem man mit dem Bus durchfahren kann.

Ich war dann irgendwie krank.. Vermute Erkältung.
Wollte immer nach Hause....
Mehr weiss ich leider nicht (mehr)....

Die 6 Wochen waren wohl einschneidend.
Bis zum 16ten Lebensjahr konnte ich nicht alleine sein.
Wollte nicht auf Schullandheime fahren und wenn doch ging es mir sehr schlecht und ich wollte wieder nach Hause...
Hatte Angst alleine zuhause zu sein....
wollte nirgends alleine wegfahren....

Fazit und Gedanken:

Was für eine psychologische Ausbildung hatten die damals, Kinder mit 5 Jahren 6 Wochen von zuhause wegzuschicken ? 😤
Geld wurde sicher auch mit den ganzen Kindern verdient......
Die Eltern hatten es sicher gut gemeint und wussten es wohl nicht besser.

Meine eigenen Kinder mussten nirgends hin. Auch wenn es im Kindergarten eine Nacht war und es ging nicht, dann wurden die Kinder wieder abgeholt. Da gab es keine Diskussion...
Heute sind meine beiden Kinder junge selbstständige Erwachsene, die gerne verreisen und selbstständig leben und entscheiden können.
Niemand muss als Kindergartenkind wochenlang irgendwohin. Niemand........
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Dagmar schrieb am 10.02.2024
Hallo
Ich war ende 1979 in Bad Soden Allendorf. Erzieherinnen waren Nonnen. Zucht und Ordnung, Bestrafung ganz normal dort. Ich war dort wegen Inkontinenz, was nach der Kur noch schlimmer wurde.
Ich habe daran keine einzige gute Erinnerung. Ich war 9 Jahre alt.
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Eckart Meese aus 31632 Husum schrieb am 09.02.2024
Zeitzeugenbericht zum Eisenbahn-Kindererholungsheim 1960 in Bad Pyrmont Parkstraße:


Im Jahre 1960 wurde ich (Eckart) als viereinhalbjähriger Junge zusammen mit meinem 21 Monate älteren Bruder per Bahn ins Kindererholungsheim der Eisenbahn nach Bad Pyrmont verschickt.
Dort wurden wir einige Wochen lang gedrillt und gequält.
Es war größtenteils grauenhaft und angstbesetzt.
Unser Speisesaal befand sich in einem historischen Wintergartenanbau einer großen Stadtvilla aus der Gründerzeit. Die Kinder saßen zum Essen an einem langen Tisch, der von einer "Aufseherin" mit Stock zur Züchtigung ständig umrundet wurde, die darauf achtete, dass jeder seinen Teller leerte.
Wer das übermäßige / Ekel erregende Fett nicht essen wollte und sich auf den Teller erbrochen hatte, der wurde mit Stockhieben auf den Nacken gezwungen, das Erbrochene aufzuessen. Verweigerte man trotzdem, musste man am folgenden Tag insgesamt im Bett bleiben.
So erging es nicht nur mir.

Die Strafen, die Lieblosigkeit, die Angst und das Heimweh haben uns gebrochen.
Der Schlafsaal war ein mit Betten vollgestellter Raum, in dem man sich kaum bewegen konnte (teilweise Bett an Bett).
Das Verlassen des Bettes während der Nacht war bei Strafe untersagt. Wurde man mit offenen Augen im Bett liegend erwischt, gab es eine Ermahnung - "Augen zu - jetzt wird geschlafen".
Während der "Erholungszeit" kam einmal ein ambulanter Zahnarzt vorbei, der mir einen lockeren Milchzahn ohne Betäubung gezogen hatte. Ich verlor fast das Bewusstsein.

Im Jahre 2018 habe ich im Rahmen eines Kururlaubs auch Bad Pyrmont in der Parkstraße aufgesucht, um mich nach 58 Jahren an das noch immer nicht vergessene Grauen zu erinnern. Mein Bruder, der damals nur wenige Monate kurz vor seiner Einschulung stand, hat das Erlebte wohl besser verarbeiten, bzw. wegstecken - um nicht zu sagen - verdrängen können.
Bis heute erlebe ich bei fettigen Speisen einen Ekel.
Das Kinder-Erholungsheim der Eisenbahn steht dort nicht mehr.
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Franz aus Saarland schrieb am 08.02.2024
Ich war im September 1979 zusammen mit meiner kleinen Schwester aus dem Saarland im KKH Marienhof in Wyk auf Föhr. Ich habe noch eine original handgeschriebene Einladung der Mädchengruppe 4 für uns Jungs zu einer Discoveranstaltung 19.10.79.Unterschrieben haben damals " Regina Adam, Angelika Kohnke, Anja Rausch, Maren Kalkowski, Meike Franzen, Bettina Nissen, Nicole Portz, Simone Zim. ?,Sabine Stegermann, Susanne Sch. Gabi Höll, Ute Pormann, Petra Berger, Susanne Bolling. Vielleicht erkennen sich einige wieder und haben Lust mir zu schreiben um sich auszutauschen über die damaligen Verhältnisse. Ich bin entsetzt über die vielen Misshandlugen, von denen hier berichtet wird. Bei uns ging es einigermaßen moderat zu. Allerdings hat man als Kind auch nicht alles mitbekommen. Unsere Betreuerinnen waren soweit okay, manchmal sehr streng und manchmal auch genervt von uns. Allerdings waren wir Jungs auch richtige Rabauken und haben uns natürlich im kindlichen Sinne ausgetobt. An Misshandlungen oder Schläge kann ich mich nicht erinnern. Ich habe noch ein Original Gruppenfoto mit unserer Betreuerin Rosi. Ich selbst bin teilweise im Kinderheim und in einer Pflegefamilie aufgewachsen. Misshandlungen aller Art waren damals an der Tagesordnung. Von daher wundert es mich nicht, was hier viele schreiben. Vielleicht haben wir damals einfach nur Glück gehabt, vielleicht habe ich als Kind aber auch nicht alles mitbekommen. Von daher wäre es schön, wenn sich Ehemalige zum Austausch melden würden > September 1979. Die Kinderdisco wurde damals brutal von den Betreuerinnen abgebrochen, weil wir Kidds alle schüchtern waren und keine richtige Stimmung aufkam. Der Betreuerin Rosi habe ich damals erzählt, das ich im Heim war und in einer Pflegefamilie lebte. Ich erinnere mich, das sie tagelang nachbohrte um mehr zu erfahren. Ich erinnere mich, das sie danach anders war zu mir > seltsam, abweisend und strenger. Insgesamt muss ich aber sagen, hatten wir wohl viel Glück gehabt, nachdem was ich hier so gelesen habe.
Ich grüße alle ganz herzlich, Lg. Franz
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Nicole aus Wittenberg schrieb am 08.02.2024
Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich es überaus wichtig und großartig finde, dass durch diese Aufklärungsarbeit, dieses „ans Licht bringen“, den geschundenen, misshandelten Kindern von damals eine Stimme verliehen wird. Das sie so die Möglichkeit bekommen, endlich gehört zu werden... und somit evtl. anfangen können, all diese schrecklichen Geschehnisse zumindest ein Stück weit zu verarbeiten. Es bewegt mich zutiefst, wenn ich diese furchtbaren Berichte hier lese und dabei an die hilflosen Kinder denke, die sie einst waren. Ich wünsche jedem einzelnen von ihnen alles erdenklich Gute...
Nun zu mir. Ich weiß nicht inwieweit meine eigenen „Kuraufenthalte“ / bzw. Verschickungen hier relevant sind, da sie in der damaligen DDR stattgefunden haben und wohl vieles etwas anders ablief. Ich kann dennoch sagen, dass auch an mir nicht alles spurlos vorübergegangen ist. Allein die Verschickung an sich... die Trennung von der Familie, von allem was einem vertraut ist... ohne einordnen zu können, wohin man gebracht wurde, wie weit weg von zuhause und ob bzw. wie man wieder zurückkommt. 6 Wochen sind lang und als Kind kommt man da auf die merkwürdigsten Gedanken. Dazu fremde Menschen, die prinzipiell jede nur erdenkliche Macht über einen haben. Weiterhin medizinische Anwendungen, die nie kindgerecht kommuniziert wurden... stattdessen wurde alles einfach mit einem gemacht. Egal ob es für das Kind beängstigend war oder nicht. Das interessierte niemanden. Diese Praxis war damals generell üblich. Auch bei Krankenhausaufenthalten habe ich dadurch schlimme Erfahrungen gemacht, z.B. als mir unter Anwendung von Gewalt der Magen ausgepumpt wurde. Ich war 8 Jahre alt und hatte die ganze Zeit das Gefühl zu ersticken. Die ganze Prozedur ohne Beisein eines Elternteils. Doch das ist eine andere Geschichte... Fakt ist, man fühlte sich in diesen sogenannten „Kuren“ irgendwie ausgeliefert, hilflos... man passt sich so weit es geht an, lässt alles über sich ergehen, fügt sich und schluckt die Ängste zusammen mit dem enormen Heimweh herunter.
Als ich das erste Mal verschickt wurde, war ich 4 oder 5 Jahre alt. Es war Ende der 70er Jahre und es ging nach Bad Frankenhausen in das Heim „Helmut Just“. Ich kann mich an fast nichts mehr davon erinnern.. Außer an einen großen Schlafsaal mit diesen typischen weißen Metallbetten (Lazarett-Betten, wie ich sie nenne) und daran, dass es gefühlt jeden Morgen Brote mit Erdbeermarmelade zu essen gab (die ich aber durchaus recht lecker fand). Auch weiß ich noch, dass mir oft Karten von meiner Oma vorgelesen wurden. Sie fand es schrecklich für mich, als Kind solange von zuhause weg sein zu müssen und wollte mir auf diese Weise Halt und Unterstützung zukommen lassen. Ich bin ihr dafür bis heute sehr dankbar... Zur Anreise erzählte mir meine Mutter (auf Nachfrage), dass sie mich zum Hauptbahnhof in Halle/Saale bringen mussten. Dort war so eine Art Sammelplatz, wo (laut ihrer Aussage) schon viele andere weinende Kinder warteten. Von dort ging es dann, ohne Eltern, mit dem Bus weiter. Ich habe keinerlei Erinnerung mehr daran. Meine Therapeutin meint, dass ich mich normalerweise daran erinnern müsste, da dies in diesem Alter prinzipiell möglich ist und die Verschickung ein intensives Erlebnis, abseits des Alltags war. Meine Kindergartenerlebnisse aus der selben Zeit sind merkwürdigerweise nach wie vor erinnerungstechnisch präsent. Sie denkt, dass damals eine Art Selbstschutz meiner Psyche einiges praktisch „ausgeblendet“ hat.
Auch von meiner zweiten „Kur“ (1983, in Graal Müritz, wahrscheinlich Heim „Richard Aßmann“) fehlen mir große Teile meiner Erinnerung, obwohl ich da bereits 9 Jahre alt war. Ich sehe das Zimmer vor mir, wo ich mit vier anderen Mädchen untergebracht worden bin. An einigen Tagen gab es in einem Nebengebäude etwas Schulunterricht, in kleinen Gruppen. Zu dem gab es Strandläufe und Wasserwaten am Meer, wo wir im Anschluss daran noch ein wenig Zeit bekamen, um Muscheln zu sammeln. Ein- oder zweimal wurde ein Waldspaziergang gemacht. Früh morgens Atemübungen (im Zimmer) vor dem offenen Fenster, mit freiem Oberkörper (es ging wohl hierbei auch um Abhärtung, denn es war mitunter recht frisch). Des Weiteren wurden in einem großen Gemeinschaftswaschraum kalte Güsse zelebriert. Auch an Bürstenmassagen kann ich mich erinnern. Unsere Betten mussten wir jeden Morgen selbst machen, auf eine uns vorgeschriebene Weise. Decke und Kissen hatten so zu liegen, wie es uns vorher gezeigt worden war, und das Bettlaken durfte keine Falten mehr zeigen. Zu Zeiten ohne Spannbettlaken keine einfache Aufgabe für ein Kind, eine schwere Matratze anzuheben und die Ecken des Lakens entsprechend der Vorgaben so zu falten, dass es am Ende komplett glatt aufliegt. Alles wurde anschließend vom Personal kontrolliert. Gab es Beanstandungen (welche durchaus in schroffem Ton geäußert wurden), musste man es noch einmal machen. Ich weiß noch, dass ich sogar später zuhause darauf achtete, dass mein Bettlaken faltenfrei war.
Vage kann ich mich an ein Mädchen erinnern, das einmal auf dem Flur stand, was wohl als Strafe gedacht war. Wofür, weiß ich nicht mehr.
Meine schlimmste Erinnerung aus dieser Zeit sind jedoch die Saunagänge. Ich konnte bis zu diesem Zeitpunkt mit dem Begriff „Sauna“ gar nichts anfangen. Ich kannte so etwas schlichtweg nicht. Man brachte uns in einen kleinen sehr dunklen Raum (In meiner Erinnerung sind die Wände fast schwarz, z.T. wie verkohlt. Dies kann sich aber auch mit Albträumen vermischen, welche ich danach selbst nach Jahren immer wieder hatte). Die Hitze darin, schien mir unmenschlich und es roch merkwürdig. Dann wurde abgeschlossen. Ich hatte das Gefühl, in eine Art Backofen gesteckt worden zu sein und wusste ich kann nicht raus. Es war eine sehr beängstigende Situation. Ab und an schaute eine Schwester durch das kleine Sichtfenster oben in der Tür. Ich hoffte jedes Mal, dass sie uns rauslässt. Doch dann ging sie wieder. Irgendwann hörte ich das erlösende Geräusch des Schlüssels im Schloss. Danach wurden wir in einen anderen Raum gebracht. Dort mussten wir uns auf Pritschen legen und wurden mit angelegten Armen straff in Wolldecken gewickelt, damit die Hitze in unserem Körper nachwirken konnte. Es war beklemmend. Man kam von selbst nicht wieder aus dieser Decke heraus, man schwitzte und die Wolldecke kratzte auf der Haut. Doch fürs Erste war ich froh, aus der Sauna herausgekommen zu sein. Natürlich wiederholte sich das Ganze noch so einige Male in den sechs Wochen. Für mich hieß es jedes Mal: „nur irgendwie duchstehen“. Ich habe in meinem Leben nie wieder eine Sauna aufgesucht. 17 Jahre später hat mein Körper einmal mit einer starken Panikattacke auf einen Geruch reagiert (mir war plötzlich heiß und kalt geworden, ich fing an zu zittern, hatte Kreislaufprobleme und wollte nur noch dort weg) > später erfuhr ich, dass der Geruch, welchen ich kurz zuvor wahrgenommen hatte, aus einer Sauna kam, die sich unmittelbar in der Nähe befand. Es hat mich sehr überrascht, dass die besagte frühere Erfahrung aus der „Kur“ selbst nach so langer Zeit noch immer nachwirkte. Nicht auszurechnen, wie es denen ergehen muss, die während ihrer Verschickungen massivste Gewalt erlebt haben und diese als Erinnerung mit sich tragen. In einer der beiden „Kuren“ gab es einen Raum, in dem wir Soledampf einatmen/inhalieren mussten. Da ich aber Inhalationen in anderer Form aus der Praxis meines behandelnden Kinderarztes kannte, war dies für mich nicht schlimm. Ich konnte es als harmlos einordnen und somit war das okay. An weitere Dinge wie z.B. weitere Freizeitbeschäftigungen, Behandlungen, jegliche Mahlzeiten, weitere Räumlichkeiten, genaueres zum Personal etc., sowie An-und Abreise kann ich mich nicht erinnern. Auch frage ich mich immer wieder, wo unsere Sachen eigentlich verstaut waren. Das ist mir bei allen drei Verschickungen ein Rätsel.
2 Jahre später (1985-86), ich war 11 und wurde während der „Kur“ 12 Jahre alt, ging es in die dritte Verschickung. Es geschah jedes Mal auf Veranlassung durch meinen Kinderarzt , wegen angeblich chronischer Bronchitis. Dieses Mal schickte man mich sogar ins Ausland, in die damalige CSSR, nach Strbské Pleso (Hohe Tatra), ins Sanatorium „Helios“. Ich wollte keineswegs so weit von zu Hause weg und schon gar nicht wieder zu so einer „Kur“. Was würde mich dort nun wieder erwarten? Ich hatte Angst und doch keine Wahl. Am Flughafen Berlin-Schönefeld wurden wir „eingesammelt“. Mir liefen die Tränen und mein Vater sagte nur vorwurfsvoll: „Reiß dich mal zusammen! Wie alt bist du denn?!“ Es wurde meine erste Flugerfahrung und abgesehen vom späteren Rückflug auch meine letzte. Die alte Interflugmaschine war nicht gerade Vertrauen erweckend. Diesmal sind einige Erinnerungen an die Reise vorhanden. Es ging nach der Landung mit dem Bus weiter... eine sehr lange Fahrt. Ich wusste, dass ich nun definitiv so weit weg von zuhause war, wie noch nie zuvor. Ich befand mich in einem fremden Land, wusste nicht was mir dort bevorstand... allein das war schon beängstigend, selbst in diesem Alter noch.
Das Sanatorium war riesig. Es gab Mehrbettzimmer, wo wir ca. zu viert untergebracht waren. Die Altersstruktur ging etwas weiter auseinander, als ich es bisher kannte. Ich war eine der jüngsten in unserer Gruppe. Es war Hochwinter dort im Gebirge. Unsere Sachen, unser Schuhwerk (typisch für durchschnittliche Stadtkinder in der damaligen DDR) waren den stark winterlichen Verhältnissen nicht gewachsen. Alles wurde immer wieder innerhalb kurzer Zeit durchnässt und es war ziemlich kalt. Das Essen war soweit in Ordnung, wenn auch mitunter etwas fremd anmutend. In der Freizeit wurde viel draußen unternommen, meist Spaziergänge und Wanderungen, 1 oder 2mal ging es zum Rodeln am Hang hinter dem Sanatorium. In der Stadt durften wir manchmal von unserem Taschengeld einige Süßigkeiten kaufen, das war ein Highlight. Es gab auch 1 oder 2mal einen Kinonachmittag (das Kino befand sich in einer der unteren Etagen im Sanatorium, soweit ich weiß). Leider waren die Filme eher etwas für kleinere Kinder und ausschließlich in der Landessprache, aber Zeichentrickfilme versteht man ja dennoch irgendwie. Auch durften wir öfter nachmittags in einer Art Gemeinschaftsraum Karten spielen, Zeichnen etc. und dabei mit einem Plattenspieler Musik hören.
Früh wurde regelmäßig die Körper-Temperatur gemessen (unter dem Arm oder im Mund) und es wurde hin und wieder mit Salzwasser gegurgelt. Geduscht wurde gemeinsam, nach Gechlecht aber nicht nach Alter getrennt … manchmal etwas eigenartig vom Gefühl her. Das Personal war sehr nett. Bis auf eine Schwester, die sehr rigoros war. Sie sah es nicht gern, wenn wir zur Schlafenszeit zur Toilette gingen, also taten wir es irgendwie heimlich, wenn sie Aufsicht hatte. Alle anderen Schwestern waren freundlich und fürsorglich. Ich kann mich sogar noch an ihre Namen erinnern, sowie auch an einige der anderen Kinder bzw. Jugendlichen. Insgesamt habe ich an diese Verschickung die meisten Erinnerungen und durchaus einige gute. Dennoch war ich auch dort von beständigem Heimweh geplagt, zumal ich den Jahreswechsel und meinen Geburtstag dort verbrachte. Wie es sich mit den Weihnachtstagen verhielt weiß ich nicht mehr. Sechs Wochen sind jedenfalls lang, dazu die große Entfernung von der Heimat, in einem fremden Land. Man ist darauf angewiesen, dass Menschen, die man nicht kennt, einen wieder nach Hause bringen. Da man selbst nicht in der Lage dazu ist. Das ist und bleibt beängstigend.
Ich weiß noch wie erleichtert ich war, als das Flugzeug bei meiner Rückreise endlich wieder in Berlin-Schönefeld landete.
1987 sollte ich noch einmal ins Ausland verschickt werden (wahlweise nach Zypern oder Jugoslawien). Dagegen habe ich mich jedoch erfolgreich gewehrt. Meine Eltern haben mir das jahrelang immer wieder vorgehalten, wie „dumm“ ich doch war, so etwas tolles abzulehnen.
Noch lange nach meiner Verweigerung habe ich befürchtet, man würde mich irgendwann (praktisch über meinen Kopf hinweg) doch noch wieder wegschicken. Das passierte aber, Gott sei Dank, nicht. Gesprochen habe ich über all meine Ängste und Belastungen nie. Man hatte sich anzupassen und zu funktionieren, wie es von einem erwartet wurde.
Bis zur heutigen Zeit, bin ich ein Mensch, der zutiefst verunsichert ist und für den Reisen purer Stress sind. Weswegen sie soweit als irgendwie möglich vermieden werden. Ich brauche meine gewohnte Umgebung, meine alltägliche Routine und vertraute Menschen und Abläufe, um mich wohlzufühlen. Es muss quasi alles irgendwie kontrollierbar für mich sein. Ich muss die Gegebenheiten um mich herum einordnen können. Alles darüber hinaus bedeutet für mich Stress in höchstem Maße.
Vor einigen Jahren sollte ich zu einer medizinischen Rehamaßnahme, angedacht von einer größeren Behörde. Es kam mir vor, als hätte ich keine Wahl... ich fing an zu zittern, brachte kaum noch ein Wort heraus, hatte Panik. Die Sachbearbeiterin war sehr erschrocken über meine Reaktion und so nahm man letztendlich davon Abstand, was für mich eine große Erleichterung war.
Bei mir ist einiges in meiner Kindheit und Jugend, aber auch später, nicht so gelaufen wie es besser hätte sein sollen. Derzeit bin ich erwerbsunfähig verrentet. Nach diversen Diagnosen (wie Angststörung, Agoraphobie, Bindungsstörung u.s.w.) ergab sich im Laufe jahrelanger Therapie, dass ich unter einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung leide. Die Verschickungen haben ihren Teil dazu beigetragen, selbst wenn ich nicht so massive Gewalterfahrungen machen musste, wie so viele andere hier.
In meiner Familie wird dieses Thema eher abgetan, nach dem Motto: „Das war halt damals so.“ Ich sollte es doch endlich ruhen lassen.
Für mich sind es einige der Erfahrungen meines Lebens, die mir schon früh das Empfinden von Sicherheit genommen haben. Was blieb war ein permanentes Gefühl von Unsicherheit, Ausgeliefertsein, Machtlosigkeit und latenter Bedrohung... bis heute.
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Ursula Geißelmeier aus Fürth schrieb am 08.02.2024
Liebe ehemalige Verschickungskinder,
auch ich wurde mit 3 1/4 oder 3 1/2 Jahren 1962 vom Gesundheitsamt nach Tutzing geschickt, um die Nachwirkungen einer Lungenentzündung auszukurieren. Eines Tages wurde ich von der jüngeren Schwester meiner Mutter, die damals schwanger war, zum Bahnhof gebracht. Dort waren viele Kinder und einige Betreuer. Wir wurden in einen Zug gesetzt. Als Reisebegleiter hatte mir meine Mutter einen Teddybären gekauft. Ich war völlig ahnungslos, was vor sich ging und begann sehr schnell nach meiner Mutter zu fragen. Als Antwort bekam ich zu hören, dass sie beim nächsten Bahnhof auf mich warten würde. Als der Zug stoppte, hielt ich natürlich Ausschau nach meiner Mutter, aber sie war nirgends zu sehen und der Zug setzte sich rasch wieder in Bewegung. So ging es immer weiter, meine Frage nach meiner Mutter und die gleiche Antwort. Schließlich hieß es, dass wir zu einem großen Haus fahren würden, wo meine Mutter mich erwartete. Natürlich Pustekuchen. Ich kann mich noch an das Haus erinnern, aber viel weiß ich nicht mehr. So gab es wohl zum Frühstück Marmeladenbrote und mittags Grießbrei. An das Abendessen kann ich mich nicht erinnern. Es wurde aber Wert darauf gelegt, dass aufgegessen wurde. Die Kinder wurden alle regelmäßig gewogen, wobei ich im Arztzimmer immer Angst verspürte. An Grausamkeiten kann ich mich nicht erinnern. Gut im Gedächtnis sind mir noch der große Schlafraum, das Bad und der Sandkasten im Garten geblieben. Der Speiseraum wurde auch als Spielzimmer genutzt und es gibt auch Fotos mit mir darin. Aus den geplanten 4 Wochen wurden 6, da ich an Masern erkrankte. Man verlegte mich in das Krankenzimmer, ein kleiner Raum, in dem noch 2 oder 3 weitere Kinder waren. Dort ging es uns ganz gut. Es gab im Heim auch eine Betreuerin, wohl im Alter meiner Mutter, die mich öfter hinter der Tür versteckte, wenn die anderen Kinder raus gingen. Sie nahm mich dann auf Besorgungen in die Stadt mit. Ich glaube, dass sie Mitleid mit mir hatte, weil ich damals die Jüngste war. Sie schrieb auch Briefe an meine Mutter. Am Ende der Kur bekam ich zum Abschied ein kleines Geschenk. Zuhause musste ich nach 3 Tagen in die Klinik wegen des Verdachts auf Blinddarmentzündung. Die starken Bauchschmerzen kamen aber wohl durch die Umstellung auf das Essen meiner Mutter. Durch den Aufenthalt und das ganze Drumherum habe ich jedoch ein Trauma behalten. Jahrelang litt ich unter starken Trennungsängsten, so hatte ich riesige Angst, dass meine Eltern sterben würden und ich sie nie mehr wiedersehen könnte. Ein Versuch, mich in den Kindergarten zu bringen, scheiterte kläglich. Am Beginn der 1. Klasse musste ich zur Schule gebracht werden, wobei ich mich auf dem Schulweg an mehreren Hausecken übergab. Später waren Klassenfahrten für mich auch nicht einfach. Ich litt einfach immer unter der Angst, dass ich meine Eltern nie mehr wiedersehen würde, wenn ich fortging. Mein Auszug von zu Hause wegen der Aufnahme meines Studiums in einer weiter entfernten Stadt belastete mich anfangs auch sehr. Meiner Mutter habe ich nie verzeihen können, dass sie mich so ahnungslos weggeben hat. Ich habe als Erwachsene mehrfach versucht mit ihr darüber zu reden, aber sie blockte immer mit den Worten ab, dass das sein musste, weil ich mich damals ja erholen musste. Das letzte Mal versuchte ich es 2009, aber sie wiederholte ihre Begründung. Danach bekam sie einen schweren Schlaganfall und wurde zum Pflegefall. Ich habe mir immer gewünscht, dass sie wenigstens ein einziges Mal zu mir sagen würde, dass es ihr leid tut und sie das niemals wieder machen würde. Dann hätte ich mit der Geschichte vielleicht abschließen können. Das Schlimmste für mich war das erlittene Heimweh und ich habe bei meinen 3 Kindern alles vermieden, dass sie dieses Gefühl kennen lernen.
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Göldner Claudia aus 92715 Püchersreuth schrieb am 08.02.2024
Ich bin erst heute von meiner Ergotherapeutin auf die Verschickungskinder aufmerksam gemacht worden. Bis dahin konnte ich mich an kaum etwas aus dieser Zeit erinnern, außer an ein paar fürchterliche, prägende Erlebnisse und dass es auf Sylt war. Was ich noch wie heute weiß, ist wie schlimm es für mich war. Viele Erlebnisse habe ich wahrscheinlich verdrängt. Auch ich kann mich an eine Situation erinnern, in der ich nicht auf die Toilette konnte, in meiner Verzweiflung bin ich damals in eine der Duschen gegangen, um mich zu Erleichtern. Nicole, als ich deinen Bericht gelesen habe, kam dies alles auf einmal in mir hoch. Leider sind meine Eltern schon verstorben und ich kann sie nicht mehr fragen, wann und wo es genau war. Endlich erklären sich mir auch viele Probleme, die ich seit dieser Zeit habe und seit ein paar Jahren versuche aufzuarbeiten.
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Barbara Knechtel schrieb am 08.02.2024
[Gabi hat einen Eintrag über dieses Heim geschrieben,dem ich voll zustimmen kann
Ich würde gerne Kontakt mit Ihr aufnehmen oder auch anderen Kindern
die BEK war auch unsere Krankenkasse,ich wurde krank und bekam Medikamente,Tabletten.die so groß waren,dass ich sie nicht schlucken konnte
Deshalb habe ich heimlich Brot mitgenommen in mein Bett,die Tabletten darin eingewickelt und das Päckchen unter meiner Bettmatratze versteckt
Ich hatte fuerchterliche Angst erwischt zu
werden und die Hoffnung,dass meine Eltern mich abholen,wenn sie erfahren,dass ich krank bin
Sie haben es nie erfahren,Gottseidank waren meine Selbstheilungskraefte so gut,dass ich auch so gesund wurde und auch ich wie
wurde (wie Gabi) nach diesem Aufenthalt
als aufmüpfig empfunden,welch ein Missbrauch an uns Kindern in seelischer und körperlicher Hinsicht,die uns unser Leben sicher erschwert haben
Mich würde interessieren,ob Dr.Ewald an Medikamentenversuchen beteiligt war
Es gibt noch sehr viel mehr zu berichten,aber für jetzt hoffe ich,auf einen Kontakt zu Gabi
Barbara
Ich habe übrigens vor ca 4 Jahren Wuestensachsen besucht, zu meiner persönlichen Recherche,habe zufällig mit einem Mann gesprochen,dessen Frau damals in der Heimkueche gearbeitet hat,er sagte mir,dass seine Frau gekündigt hat,weil sie die Zustände dort nicht mehr Mitertragen und-ansehen konnte.Auch bei Anfrage in der Gemeinde keine Hilfe,genauso wenig wie bei der BEK.



Mich würde n
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Thomas aus Garbsen schrieb am 08.02.2024
Auch ich war damals von Essen aus nach Oberstdorf zur Kur. Kann mich an zurückgehaltene Briefe, erzwungene Korrekturen in diesen Briefen, Kaltwasserduschen, Gartenarbeiten u.a.m. erinnern. Lange ist es her, positive Erinnerungen gab es aber auch. Wanderungen und Sommer in den Bergen sind unvergessen.
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Gerd Eyssele aus Stuttgart schrieb am 08.02.2024
Ich war etwa 7 Jahre alt, als ich wegen Untergewicht nach Storzeln verschickt wurde. (20 Jahre später Operation wegen Hyperthyreose) Eigentlich habe ich keine schlechten Erinnerungen daran. Ich erinnere mich an eine sehr nette Betreuerin, die mit uns gesungen hat, mit mir Klavier spielte und mir half, meinen Eltern zu schreiben. Mein Bett war in einem großen Schlafsaal hinten, rechts an der Wand. Auch erinnere ich mich an einen Ausflug auf den Hohentwiel, an Ausflüge in den nahe gelegenen Wald und an ein Abspritzen mit dem Wasserschlauch, wo wir allerdings freiwillig in den Wasserstrahl treten konnten; ich habe mich 2x hinein gewagt. Auch erinnere ich mich an die Hinfahrt mit dem Zug, die ich als aufregende Erwartung empfand. Bestrafungen und Medikamente sind mir nicht in Erinnerung.
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Stefan schrieb am 08.02.2024
Hallo,
obwohl ich heute viel geweint habe, nach der Wut, vielen Dank an diese Seite und alle Berichte. Ich werde recherchieren und hoffentlich das Jahr und das Heim raus finden. Dann werde ich auch Zeugnis ablegen.
Mir hat nie jemand geglaubt, es ist so gut und wichtig darüber zu reden!
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Ulrike Hampel aus 71394 Kernen schrieb am 07.02.2024
Im November/Dezember 1957 wurde ich als 6-Jährige, sechs Wochen lang, vom Gesundheitsamt Kassel in das Kinderheim in Karlshafen zur "Kur" geschickt. Es wurden die schlimmsten 6 Wochen in meinem Leben und ich hasse diese Stadt, die ich bis heute nie wieder betreten habe.

Wir Kinder wurden in Kassel alleine in den Zug gesetzt und nach Karlshafen gebracht. Im Zug habe ich mich mit einem gleichaltrigen Jungen befreundet und wir haben uns geschworen, die ganze Heimzeit zusammen zu bleiben.
Der erste Schock kam, als wir am Heim ankamen: Schon vor der Tür, wurden Jungen und Mädchen getrennt! Ich habe ihn nie wieder gesehen.

Jeden Mittag, wir bekamen das Essen in einer tiefen Schale, die wie ein Hundenapf aussah, habe ich mich in diese Schale übergeben, weil wir nicht aufstehen durften. Ich war eh ein "Spuckkind" und es war daher nicht verwunderlich.
Ich musste das Übergebene 3x aufessen, ehe ich mir einen neuen Schlag holen durfte. Den habe ich auch 3x übergeben, bis ich schließlich das Erbrochene wegbringen durfte. Sechs Wochen lang, jeden Mittag das gleich Prozedere...
Mir wird heute noch übel, wenn ich an die Konsistenz der "bearbeiteten Mahlzeit" denke.
Alle Kinder, die gespuckt hatten, durften bei den Spaziergängen keinen Schnee anfassen und auch beim Kaspertheater nicht zuschauen.

Jeden Mittag mussten wir Mittagsschlaf machen. Ich war schon immer ein sehr temperamentvolles Kind, das sehr sehr wenig Schlaf brauchte. Ich weiß bis heute nicht, wie ich es dort geschafft habe soviel zu schlafen.
Aber einmal konnte ich mittags nicht einschlafen und als die Schwester zur Kontrolle kam, habe ich schnell die Augen geschlossen, aber sie hat trotzdem bemerkt, dass ich noch wach war. Sie hat mir die Bettdecke über den Kopf gezogen, und mich solange geschüttelt, bis ich nichts mehr mitbekommen habe.

Wir mussten auch unsere Waschbecken putzen und wehe, es war nicht gut genug. Mich hat die Schwester regelmäßig angeschrien. Dabei wusste ich gar nicht was ich besser machen sollte.

Es war eine schreckliche Zeit dort, ich bin drei Jahre lang nicht mehr alleine verreist, womit ich vorher kein Problem hatte.

Als meine Mutter mich nach sechs Wochen in Kassel vom Zug abgeholt hat, bekam sie einen Schreck: sie hatte gedacht, sie holt den lebenden Tod ab. Aber trotzdem hat sie beim Gesundheitsamt keine Beschwerde eingelegt. Ich hätte denen die Hölle heiß gemacht, wenn es mein Kind gewesen wäre!!!
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Jasmin Rosenberger aus Lingenfeld schrieb am 07.02.2024
Ich wurde 1974 geboren, leider erkrankte ich mit nur 3 Monaten an
Keuchhusten. Was Anfang der 70er bedeutete, dass die Mutter ihr Kind im Krankenhaus auf der
Station abgeben musste und von da an es nur noch über eine Trennscheibe sehen
konnte.
Keine Berührung, keine Nähe nichts, wir Babys hatten nur Kontakt zu den Schwestern, was hieß, sie fütterten einen, wechselten die
Windeln, das war es. Wenn man schrie, dann schrie man eben, da kam niemand und mit der Zeit wurden die Babys immer er stiller
und stiller. Heute weiß man wie schädlich so eine Isolation sein kann für ein Baby.
Ich musste ganze 3 Monate dort bleiben, was ich erst vor ein paar Jahren
herausfand war die Tatsache, das ich durch diese Behandlung schon
frühkindliche Störungen erlitten haben, Diagnose "Hospitalismus".
Menschen mit dieser Störung fällt es schwer vertrauen aufzubauen zur Mutter, Vater, Familie, man kann schon als Baby, Kleinkind unter
Depressionen leiden. Mir wurde das Urvertrauen genommen, das da wer
ist wo einen beschützt, liebt, sich um einen kümmert.

Meine Mutter sagte mal etwas zu mir, was ich seither nicht mehr
vergessen kann.
"Als ich dich aus dem Krankenhaus damals aus dem Krankenhaus holte und dich im Arm hielt, sagte ich zu deinem Onkel, das ist nicht mein Kind, sie ist so ganz
anders!!!
Und so war es auch, ich schrie einfach nicht mehr wenn ich Hunger oder
die Windel voll hatte. Ich schlief nur, schlief immer und überall...
Meine Mutter musste mich immer immer aufwecken damit ich überhaupt aß und da
war noch etwas, sobald sie mich ins Bett legte, fing ich an meinem Kopf hin und her zu drehen, monoton bis ich einschlief.
Kein guter Start ins Leben oder?

Seit ich denken kann habe ich von kleinst auf schon immer das Gefühl
gehabt, dass ich nicht in diese Familie passe, gehöre, nicht mal auf diese Welt.
Das ist etwas, was ich heute noch in mir trage.
Mein Leben stand einfach unter keinem guten Stern.

Mit nur 2,5 Jahren also 1976/77 schickte meine Mutter ( die zu dieser Zeit alleinerziehend war) mein Bruder 2,5 Jahre älter als ich) und mich in
ein sog. Kindererholungsheim!

Eine Freundin von ihr, die auch 2 Kinder hatte schwärmte ihr vor wie toll das doch wäre für Kinder und das es über die Arbeiterwohlfahrt AWO
finanziert werden würde.

So kam es, dass sie eines morgens zu uns sagte, dass wir mit dem Zug in
Urlaub fahren würden.
Sie begleitete uns in den Schwarzwald nach Schonungen. Sie ging mit uns
in das große graue mehrstöckige Haus.
Ich erinnere mich noch gut daran, dass dort viele Kinder mit ihren Müttern waren.
Seit ich in dem Krankenhaus war, als Baby, war ich eine Mama-Klette, niemand durfte mich hochheben, da
verfiel ich sofort in Panik, fing an mich völlig zu versteifen bis hin,
dass ich aufhörte zu atmen. Von daher wich ich meiner Mutter nicht von
der Seite. Alle Mütter und Kinder waren im großen Speisesaal, dort gab
es für alle warme Schokolade und ein Nutellabrot.

Dann sagte meine Mutter zu meinem Bruder er solle kurz auf mich aufpassen, sie käme gleich wieder...
Sie verließ den Saal und kam nicht mehr zurück.
Für mich brach eine Welt zusammen, warum ließ sie mich/uns schon wieder
alleine???
Zu allem Übel wurden Geschwister sofort getrennt. Mein Bruder musste mit
den anderen Jungs in den 2 Stock und mich brachte eine sog. Tante in den1 Stock.
Ich war so unter Schock, dass ich nicht mehr sprach an diesem Abend, Nacht und auch sonst nur selten was von mir gab.

Ich war mit ein paar ebenfalls sehr kleinen Mädchen die jüngsten dort,
doch für uns galten alle Regeln und Bestrafungen genauso wie für die
älteren Kinder dort.
Mein Bruder sah ich nur noch bei den Mahlzeiten im großen Speisesaal,
doch unterhalten, mit einander spielen, uns in den Arm nehmen war absolut verboten.

Die Tanten und Onkels so wie die Heimmutter und Vater waren ganz furchtbar streng, sie schrien ständig herum.

* Prügel , Schläge mit allem was sie in die Hände bekamen waren an der Tagesordnung, egal wie alt du warst.

* wer nicht tat was man ihm sagte, nicht schnell genug war bekam Schläge, mit dem wurde herum gebrüllt, musste Strafarbeiten erledigen.
Den sog. Erzieher/innen machte es regelrecht Spaß uns Kinder mit Worten zu erniedrigen, beschimpfen, dieses ständige angebrüllt werden war
einfach nur furchtbar.

* wer nicht essen wollte oder nicht aß was auf dem Teller war, auf den wartete eine besonders harte Strafe.
Dazu muss man sagen, dass das Essen dort furchtbar war, oft roch es schlecht, Brot gab es auch schon mal angeschimmelt
Teils roch es übelst, war zu hart, zu trocken, versalzen und ich glaube
auch oft überhaupt nicht mehr essbar denn viele von uns erbrochen sich
oft oder hatten ständig Durchfall und Magenkrämpfe.

So erging es mir eines Nachmittags, das es Hähnchen gab, es roch seltsam
und es war mit Paprikapulver über und über bestreut, dass mir schier alles hoch kam.
Doch die Tante war gnadenlos, sie schrie mich die ganze Zeit an ich solle essen, drohte mir mit Prügel, versuchte mir das Essen mit Gewalt in den Mund zu schieben, packte mich grob an, bis ich mich irgendwann
über dem Teller übergeben musste.
Sie riss mich an den Haaren hoch und prügelte auf mich ein.
Mein Bruder schrie los und rannte zu mir herüber aber da waren die
Onkels schneller, hielten ihn fest, während sie mich aus dem Saal
schleiften in die Küche.

In die Küche wollte niemand kommen, jeder wusste was nun passieren würde.
Ich hörte mein Bruder schreien, wie er rief, sie sollen mich raus
lassen, dass sie das nicht tun dürften und er schlug und trat gegen die Tür, bis es auf einmal ganz ruhig wurde.
Ich saß auf der Eckbank, bekam mein Teller mit dem erbrochenem und dem
Hähnchen vor mich gestellt und den Befehl "iss"!!!
Ich war 2,5 Jahre alt, war völlig verstört, hatte Todesangst, ich bekam nichts runter.
Dann rief sie die Schäferhunde rein, einer nahm rechts, der andere links
von mir Platz und dann hieß es wieder " iss" oder die Hunde beißen dich.
Ich kann mich noch an die ersten Bisse erinnern, es waren schlimme
Schmerzen, ich stand so unter Schock, dass ich nicht mal mehr weinen konnte.
Irgendwann wachte ich auf, ich lag im Krankenzimmer meine Finger, Arme waren eingewickelt in Verbände und ich musste einige Tage dort bleiben.

* Ich kann jetzt nur für mich sprechen, ich wurde in dieser Zeit;
geschlagen, bestraft, auf mich wurde mit Gegenstände eingeschlagen von
Ästen, Ruten über Kochlöffel, Lineal, der Hand, mal auch die Faust...
* mir wurden Medikamente, Säfte gegeben wovon einem oft furchtbar übel
wurde, man Fieber bekam, bis hin zur völliger Müdigkeit.
Das man einschlief war gewollt, sobald man aufwachte war man in Kellerräume oder auf dem Dachboden, oft irgendwo angebunden und die
Onkels und Tanten so wie die Nonnen und Brüder, die ab und an da waren,
missbrauchten uns, mit Vorliebe besonders gerne uns ganz kleine Mädchen.
Ob Jungs das ebenfalls erleben mussten, weiß ich nicht, ich war ja immer nur mit
Mädchen zusammen.
Von Berührungen über Folter, Schläge, eindringen in einen, einzeln oder zu mehreren, sie waren brutal und je mehr man schrie oder weinte desto
mehr Freude zeigten sie, sie lachten.
Es war die Hölle auch wenn ich erst viel später verstand was mir da tatsächlich angetan wurde.

* Mein Bruder und ich mussten 8 Wochen dort bleiben, was mein Bruder
alles erlebt hat weiß ich nicht, er sprach eigentlich nie mehr über das Heim und heute haben wir keinen Kontakt mehr miteinander.
Ich weiß noch, dass ich am Anfang meiner Mutter versucht hatte zu
erklären, wie schrecklich es dort war, doch sie glaubte mir einfach nicht.
Niemand glaubte mir in der Familie.
Mein Bruder schwieg und ich machte es ihm nach.

Erst im Alter von 9-10 Jahren kamen die ersten Träume hoch, manchmal auch nur
Wortfetzen, einzelne Bilder...
Mein Pech war als ich 4 Jahre alt war brachte meine Mutter einen Mann mit in
die Familie, der mein Stiefvater wurde.

Er war wie zwei Personen in einer. Er war großzügig zu uns, war aber
andererseits ein furchtbarer Workerholiker, der total cholerisch,
unberechenbar war von seinen Wutausbrüchen her.
Eigentlich war es ein...vom Regen in die Traufe zu kommen für mich.
Die Schläge, Erniedrigungen, Bestrafungen, jeden Tag Streit, Wut, Zorn,
endlos Diskussionen nahmen ab da, nie mehr ein Ende in meiner Familie .
Da wo es im Heim aufgehört hatte ging es zu Hause gerade so weiter.

Was kommt dabei heraus?

Ein Kind, Mädchen, Teenager wo verschlossen, oft schwer depressiv war,
ein Kind das Schwierigkeiten im lesen und schreiben hatte, ich wurde von
meinem Stiefvater immer als dumm bezeichnet, nutzlos, ich wurde ein Kind
das mit 9 Jahren von einer Brücke gesprungen ist weil der Tod besser
war, wie die ewigen Beschimpfungen, Erniedrigungen tagtäglich ertragen
zu müssen und mit all diesen Alpträumen vom Heim und deren Bewohnern .
Ich hatte mit Autoritäten von je her meine Schwierigkeiten, auch heute teils noch.
Meine Familie verstand einfach nicht, dass ich psychologische Hilfe benötigt hätte.

Ich war in ihren Augen immer nur die Aufmüpfige, die wo sich nicht
anpassen wollte, ein Störenfried, zu nicht's nutze, die sich komisch
verhaltet und mein Bruder, der wurde immer bevorzugt, alles was er
machte war mega toll und erfolgreich, ich war der Dauer-Loser, das ewige
schwarze Schaf der Familie.

In der Teenagerzeit fing ich an mich zu ritzen, schluckte Tabletten, ich
war sehr oft schwerst depressiv, wollte nicht mehr leben, ich kam mir so unnütz und alleine auf der Welt vor.

Mit 18 Jahren ging ich freiwillig in eine psychosomatische Klinik, diese baute mich in soweit auf, dass ich nach Hause kam und verkündete, dass
ich von Zuhause ausziehen werde, was ich dann auch machte!
Zwar wurde ich nun nicht mehr jeden Tag beschimpft, geschlagen etc. doch
die tiefen Narben blieben, sie sind heute noch da!
Ich hatte mit vielen Dämonen zu kämpfen und es kamen immer neue dazu.
Mit 19 Jahren tat sich dann eine andere Hölle auf namens "Krebs".

Als ich von "Verschickungsheime/Kinder hörte, schrieb ich das Jugendamt
an und fragte nach meiner Akte. Doch ich erhielt nur ein "die wurde
schon vernichtet" von der zuständigen Dame.
Auch die AWO will von Verschickungsheime nichts wissen!
Egal wo man sich hinwendet winken alle ab aber so viele ehemalige Kinder
können nicht lügen.

Ich wünsche mir etwas dazu beitragen zu können damit die
Verantwortlichen ENDLICH zur Rechenschaft gezogen werden! Das die
Menschen, Instituten von damals und heute zugeben was sie uns allen damals angetan haben!

Ich wünsche mir eine richtige Aufarbeitung, ich wünsche mir, dass die Länder,
Behörden, Ärzteschaft, Pharmaindustrie, Behörden dazu stehen was sie
Jahrzehnte lang gedeckt und mit- verschuldet haben.

Ich wünsche mir eine finanzielle Wiedergutmachung, denn so viele von uns
ehemaligen Kindern kämpfen heute noch mit schweren seelischen,
körperlichen, psychischen Erkrankungen herum. Sind heute so wie ich
schon frühverrentet, leben in Altersarmut etc..

Wir sollten zumindestens in soweit finanziell entschädigt werden, dass
wir den Rest unseres Lebens wenigstens einigermaßen sorgenfrei leben
können.

Von dem was ich dort an Medikamenten schlucken musste, Infusionen,
Spritzen, Bestrahlung bekam, wer weiß da schon, ob nicht mein Krebs,
meine Allergien, Unverträglichkeiten, schwerste Erkrankungen nicht von
den damaligen Medikamenten kommen?
Und es ist für mich heute mit 49 Jahren eine große finanzielle Belastung nur
mit einer Minirente klar kommen zu müssen.

Medikamente die nicht verschrieben werden, gesonderte Untersuchungen,
spezielle Cremes, Pflegemittel wo nicht bezahlt werden, ich würde mich
gerne vegan ernähren aber wovon soll man das denn alles bezahlen?

Mit Haftstrafen ist keinem geholfen, sind wir ehrlich Millionen Kinder
die ein Schicksal teilen, teilweise ihr Leben lang schwerst
traumatisiert wurden und es bis heute sind wovon sich wahrscheinlich
unzählige Kinder, Jugendliche, Erwachsene sich das Leben genommen haben weil
deren Dämonen einfach zu stark waren.

Was will man da "Gut" machen mit Haftstrafen?

Wo fängt man heute denn da an?

Wenn man genau weiß, dass ein ganzes Land mit Ihren ehemaligen
Politikern, Ärzten, Schwestern der Pharmaindustrie, die Kirchen,
Krankenkassen, Behörden, Erziehern, die oft ehemalige Narzis waren, alle
unter einer Decke steckten und sehr wohl von dem ganzen Leid wussten wo
Millionen Kindern seit 1944/45 angetan wurden ist und das über
unglaubliche 50 Jahre lang.

Ein Fass ohne Boden.
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Roswitha Weber schrieb am 07.02.2024
Hallo, mein Name ist Roswitha. Ich habe heute eine Doku über die Kinderverschickung gesehen und bin erschrocken. Ich kann diese schlimmen Erfahrungen zum Glück nicht teilen.
Im Januar/ Februar 1977 bin ich, im Alter von 9 Jahren, in Wiesbaden im Kinderkurheim Taunusfreude gewesen.
Ich hatte das Glück, dass wir nicht viele Kinder waren. Auch wurde es dort so gehalten, dass es ein Kurgang mit Mädchen und abwechselnd mit Jungen, also keine gemischten Kurgänge gab.
Wir hatten eine sehr junge Gruppenleitung, Christine Göllner, die mir immer noch positiv in Erinnerung ist.
Uns wurden am Abend, im Bett, Geschichten vorgelesen. Wir haben gesungen, gebastelt, gemalt und Fasching gefeiert.
Das was mir als negativ in Erinnerung geblieben ist, ist das wir zum Mittagessen Medikamente nehmen mussten, und dazu nichts trinken durften.
Zu der Zeit wurde es auch in den Elternhäusern praktiziert, beim Essen nichts zu trinken:"Dann ist der Bauch schon voll" 🙁
Mich haben diese schönen Erinnerungen an die 6 Wochen mein Leben lang begleitet.
Im Nachhinein empfinde ich es so, dass ich dort Strucktur und Freude erfahren habe. Ich hatte im Anschluss viele Jahre Brieffreundinen aus der Kur.
Ach heute habe ich immer noch Kontakt zu einer Kurfreundin.
Die Zeit hat mein Leben positiv geprägt.
Anscheinend hatte ich Glück!
Es ist mir wichtig, dass auch diese positiven Berichte in die Öffentlichkeit gelangen. Als Dank an die damaligen Mitarbeiter!
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Andreas Boenig aus 41462 Neuss schrieb am 04.02.2024
Auch ich melde mich als Betroffener.
Ich war mit meiner Schwester in den 70er Jahren, so ca. 1974 und 1975, zweimal je in den Sommerferien zur Kinderverschickung in dem Heim in Bad Kreuznach, dem Viktoriastift .

Ich kann mich nur anschließen: hier gab es Gewalt, Zwangsernährung, Erniedrigung und Bedrohung.

Unsere Familie wohnte seinerzeit in Dormagen, mein Vater war bei den Bayer-Werken in Dormagen angestellt.

Ich war wohl laut Hausarzt auch zu dünn, sollte aufgepäppelt werden. Warum meine Schwester dorthin sollte, weiß ich nicht. Sie hat das auch nicht als so schlimm empfunden. Wir wurden bei Ankunft eh sofort getrennt, da unterschiedliche Geschlechter.

Es war für mich das reinste Martyrium, schlimmer als im Gefängnis. Es grenzte an Folter.

Das ekelhafte Essen musste nach Erbrechen gegessen werden. Auch wenn das Stunden dauerte. Die anderen Kinder machten „Freizeitprogramm“, ich musste weiter sitzen, bis ich aufgegessen hatte.

Auch ich habe nur lückenhafte Erinnerungen. Wahrscheinlich vieles wegen Traumatisierung verdrängt.

Körperliche Gewalt war Tagesordnung. Ein Junge mochte keinen Käse, wollte ein angebotenes Käsebrot nicht essen. Er wurde von zwei „Tanten“ rausgeführt. Als sie wieder mit ihm in den Raum kamen, hatte er ein rot verheultes Gesicht und würgte sich in Aufsicht der Tanten das Käsebrot rein.

Auch ich erbrach mich Abends im Bett ob des ekelhaften Essens.

Auch bei uns gab es eine eine gute Tante, die auch selten zugegen war. Die anderen waren sadistische Monster. Allen voran die rothaarige Tante Marlies, welche mich zu ihrem „Liebling“ erkoren hatte.

Nun zur Demütigung: ein Junge hatte glatte lange blonde Haare und war von schlanker Statur und trug eine Brille. Er hieß Kai-Uwe. Wir sollten Hänsel und Gretel aufführen. Obwohl es genug blonde langhaarige Mädchen - inkl. Inklusive meiner Schwester - gab, Musste Kai-Uwe die Gretel im Kleidchen spielen. Gegen seinen Willen.

Dann gab es noch diese entwürdigende Solebäder und wenn man mittags zur allgemeinen Mittagsruhe auf den Pritschen nicht schlafen konnte und sich ganz leise unterhielt, wurden wir an den Ohren gezogen und mit den Köpfen zusammen geknallt mit dem Verweis auf absolute Stille.

Androhung vor Heimfahrt von bösen Briefen an die Eltern wegen vermeintlichen Fehlverhalten schürten die Angst.

Und prompt kam ein Brief kurz vor Weihnachten. Ich hatte Todesangst, als der Brief ankam. Er entpuppte sich letztendlich als heuchlerische Weihnachtskarte.

Da meine Kindheit eh schon alles andere als schön war, trugen diese „Kuren“ einen großen Teil dazu bei, dass ich mich als wertloser Mensch sah, es beeinträchtigt mich noch heute.

Den Eltern haben sich aus bekannten Gründen die wenigsten anvertraut, ich auch nicht.

Zum Glück können solche Grausamkeiten heute nicht mehr ungestraft zelebriert werden.

Also wer in dem Zeitraum auch dort war, kann sich gerne zwecks Aufarbeitung / Austausch bei mir melden: 01735185384

Viele Grüße
Andreas
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Sylvia Gorski aus Wittingen schrieb am 02.02.2024
Hallo,
ich war wegen meines Asthmas in dieser Kurklinik.
Gott sei Dank wurde ich gut behandelt und habe nur schreckliche Erinnerungen an die Trennung meiner Mutter. Auch das Heimweh war sehr schlimm. Ich war bestimmt drei Wochen auf der Krankenstation. Ich hatte eine Nierenbeckenentzündung. Auf dem Foto was von mir im Krankenbett gemacht wurde , sah ich sehr schlecht aus. Ansonsten kann ich mich an leckeres Müsli zum Frühstück erinnern. Ich war auch immer froh, wenn wir uns dick beschmierte Marmeladenbrote machen konnten. Die aß ich am liebsten.
Im Schlafraum standen 3 Doppelstockbetten und ein Doppelbett. Die Räume waren sehr hoch. Als das Licht ausgeschaltet wurde, war es stockfinster. Ich hatte immer große Angst vor der Dunkelheit und das ich die Toilette nicht finde. Es gab auch nette Erzieher die das Licht im Flur anließen.
Ich erinnere mich auch noch an Rotlichtsitzungen und kalte Stirngüsse. Das sollte bestimmt den festsitzenden Schleim lösen.
Es wurde auch mal ein Ausflug ich meine nach Eisenach gemacht.
Wir sind oft in das Gradierwerk gegangen. Dort trugen wir weiße Überhänge und sangen Lieder.
Was auch überhaupt nicht schön war, das man nur eine bestimmte Anzahl an Wäsche mitnehmen durfte. Das hieß drei Tage den gleichen Schlüpfer.
Ich habe noch meine Kurfibel. Deshalb weiß ich, das ich in Gruppe 4 war mit Grit Fabisch, Peggy Troitsch, Britta Zarling, Doreen Werner, Anja Köwing, Sandra Fulsche, Jeanette Marx, Diana Strauß, Reina Wagner, Jana Volbach, Alexandra Wilke, Sylke Schirmer, Sandra Tausch, Yvonne Friedrichs, Simone Wittig, Katja Heinrich, Anja Liebscher
Vielleicht meldet sich ja mal ein Mädel was mit mir in der Gruppe war.
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Sylvia Gorski aus Wittingen schrieb am 02.02.2024
Hallo,
ich war wegen Neurodermitis zur Kur.
Ich habe Gott sei Dank keine Erinnerungen daran, das wir schlecht behandelt wurden. Am schlimmsten war die Trennung von meiner Mutter. Wir sind mit dem Bus von Potsdam gefahren. Das war schrecklich das meine Mutter mich nicht wieder mit nach Hause genommen hat. Auch das Heimweh war furchtbar.
Ich habe noch meine Kurfibel. Deshalb weiß ich das ich in Gruppe 4 war.
Der Chefarzt hieß Dr. Rosenhahn. Die Schwestern hießen Elke, Petra, Gudi,Madeleine, Renate, Christine, Ute, Inge,Jutta und Gisela.
Die Erzieherinnen hießen Frau Schrade, Frau Kraul,Frau Felber, Frau Hengstler und Frl. Glatzer.
Wir waren 16 Mädchen in einer Gruppe.
Die Kinder hießen Katrin Birkholz, Nicole Busse, Andrea Gerlach, Brit und Silke Gochmann, Doreen Görg,Jacqueline Guleiof, Manuela Kind,Daniela Konrad, Sylvia Krüger, Katja Lohmann, Heike Matzkat, Simone Mohr, Doreen Palm, Ellen Ruß, Sylvia Schild
Ich war in den Sommerferien da und wir sind viel am Strand gewesen. Ich erinnere mich auch noch, das wir jeden morgen in den Keller gingen zum eincremen. Wir waren alle nackt. Die Schwestern haben aus großen Gläsern mit Holzspatel Salben auf unserem Körper verteilt. Verschmiert hat es dann jeder bei sich selbst. Auch an Molkebäder kann ich mich erinnern. Ich musste auch ein paar Tage auf die Krankenstation. Dort war ich ganz allein.
Wir waren zu viert in einem Zimmer.
Ich war 2010 noch einmal auf Usedom. Ich habe das Gebäude erst nicht gefunden. Es ist auf der Postkarte von hinten abgebildet. Ich erinnere mich auch noch an einen Spielplatz im Wald vor dem Strand. Wir haben im Wald immer heimlich Blaubeeren genascht.
Bin gespannt ob sich irgendwann mal Jemand aus meiner Gruppe meldet.
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Günther aus Brrlin schrieb am 01.02.2024
Hallo, ich suche weitere Betroffene aus dem Kurheim Freudenholm im Kreis Plön. Bisher gibt es nur 1 Zeugnis von Brigitta, deren Erfahrungen ich z.T. Auch machen musste. Leider kann ich eigene Erlebnisse und Erzählungen dortiger Kinder damals oft nicht gut auseinanderhalten. Jedoch habe ich und haben andere Kinder dort einiges mitgemacht: Zwang, bestimmte Dinge gegen eigenen Willen (auf)zuessen, Heimweh zu verdrängen, ängstliche Kinder, die im Bett einmachten, wurden fürchterlich ausgeschimpft usw. Die Versuche, mich zu mästen, haben bewirkt, dass ich immer noch recht mager bin (Reaktanz).
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Katrin Kikillus-Schroedter aus Löbnitz schrieb am 01.02.2024
Ich war ca. 1975 im Kinderkurheim Haindorf bei Schmalkalden. Ich habe hier einen Beitrag gelesen, von einer Claudia, welche erwähnt hat, dass Sie noch das Kundi Heft hat. Sofort kam die Erinnerung wieder hoch, welche doch sehr tief in mir verborgen war. Die Erfahrungen in diesem Kinderkurheim waren traumatisch. Ich habe Jahrelang die Karten aufgehoben, welche meine Eltern mir ins Kurheim geschickt haben. Darauf waren Puppen abgebildet. Irgendwann habe ich diese weggeworfen. Vielleicht um zu vergessen, vielleicht um nicht mehr daran erinnert zu werden. Genauso machte ich es mit dem Kuscheltier, welches ich dort hatte. Es war Pittiplatsch.
Ich würde mich gerne mit ehemaligen,,Kurkindern" austauschen. Leider finde ich nicht wirklich Fotos von diesem Heim.
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Renate aus damals Osteel schrieb am 31.01.2024
Erst einmal Hallo an alle die mal in einer sogenannten Erholungskur waren . Ich bin geboren 1964 und ich kann leider nur Bruchstücke erzählen . Meine Mutter starb 1974 was für mich sehr schlimm war .Im selben Jahr schickte mein Vater mich zur Kur . Später hieß es weil ich viel zu dünn war und den verlust meiner Mutter so besser verkraften könnte . Ich fühlte mich so unglaublich schuldig. Ich dachte ich wäre schuld das meine Mutter nicht mehr da sei und ich deswegen weg geschickt wurde. Ich weiß den Ort nicht mehr aber vieles habe ich wohl nicht vergessen . Es war ein fürchterliches Haus, ich erinnere mich daran das ich zum Bahnhof gebracht wurde und eine Frau in einem komischen langen Kleid brachte mich weit weg . An die Bahnfahrt erinnere ich mich nicht weiter . Als ich in diesem Haus war , waren dort ganz viele Kinder. Viele weinten und ich hatte so unglaublich viel angst. Ich weiß nicht mehr warum, aber ich weiß das wir in zwei Reihen gestanden haben . Wir hatten nichts an und es war kalt . Irgend etwas passierte in dem Raum mit dem Arzt und die komische Frau. Ich weiß nur noch das der Arzt überall angefasst hatte und mir sehr weh getan hat . Ein Mädchen hatte sehr lange Haare und versuchte ihre Brust damit abzudecken , ich glaube sie war schon etwas älter, aber irgend jemand zog an ihren Haaren und sie weinte . Es gab dort einen riesen Saal wo wir irgend wie aufgeteilt wurden . das essen war scheußlich , man musste alles aufessen am schlimmsten fand ich Schmalzbrot war das glaube ich . das gab es am Nachmittag für die, die zu dünn waren . Ich weiß das ich einmal versucht habe den Schmalz unterm Tisch abzustreifen . Es war so schlimm weil ich das ab machen musste und auf essen musste. Wenn man es erbrochen hatte musste man auch das essen . Ich erinnere mich an einem großen Raum dort waren zwei Sonnen . Man musste sich ausziehen und man bekam so komische schwarze Brillen und man musste im Kreis laufen . Ich wurde dort zum Bettnässer und man hat mich vor allen anderen Kindern ausgelacht , ich wollte immer zur Toilette aber das durfte man nicht . Wenn man es trotzdem tat, und ich tat es , musste man die ganze Nacht auf eine kalte große Treppe sitzen . Ich weiß noch das die Jungens oben waren und die Treppe glaube ich etwas rund verlief . Einmal in der Woche saßen wir alle im Flur und vor uns waren ganz große Schränke , ich glaube unsere Namen waren da drauf und wir bekamen dann neue anziehsachen . Ich kann mich nur an einmal erinnern das wir raus gegangen sind und ganz komische Lieder mussten wir singen . Mein Vater war ein wandersmann und irgend etwas mit Stock und Hut . Als ich die 6 Wochen rum hatte weiß ich nur noch das ich am Bahnhhof meinen Vater sah und weinend auf ihn zugerannt bin . Ich wollte ihm erzählen was passiert ist , aber geglaubt hat er mir nicht . Mein Leben ist komisch verlaufen . Ich bin heute fast 60 Jahre bin geschieden lebe noch immer alleine , habe schwierigkeiten Kontakte zu knüpfen , nin schon seit ein paar Jahren auf Rente und in einer immer wieder folgende Therapie die mir auch nicht sagt was mit mir los ist . Ich habe (wie soll ich das schreiben ) angst vor umarmungen, Ehen sind zerbrochen weil ich das sexuelle einfach nicht ertragen kann, weiß nicht was mit mir los ist, warum ich irgendwie anders bin . Komisch war... als ich diese Seite gefunden hatte und anfing zu lesen bin ich in Tränen ausgebrochen . Wo war das all die Jahre ? warum hab ich das vergessen ? das schlimme ist . Ich muss 2 mal in Kur gewesen sein aber das würde heißen das ich vor dem tot meiner Mutter schon mal in Kur gewesen sein muss . Irgendwie denke ich an Lüneburg Lünerburgeheide ? ich glaube wir waren an dem Tag wo wir endlich mal raus waren auf einem Kalt oder Kalkberg . ich frage mich ..ist das denn normal das ich keine erinnerungen an einmal habe und an dem zweiten mal nur noch Bruchstücke . Es gab da eine Susanne und ihr Bruder hieß Frank oder Franz . Ein Mädchen war sehr dick und sie weinte sehr viel weil sie hunger hatte , war das Susanne ? woher kommen auf einmal diese Bilder . Ich kann nur sagen . Es war schrecklich , ich blieb Bettnässer bis zum 16 . Geburtstag , ich habe heute noch angststörungen , fürchte mich im dunkeln , glaube immer zu versagen und habe sehr große angst Menschen zu verlieren was natürlich auch geschah . Heute lebe ich alleine denn vertrauen ? habe ich zu keinem . Vielleicht versteht mich hier irgend jemand wenn ich sage : anfassen tut mir weh . Vielleicht erinnert sich jemand an Hand von dem was ich geschrieben habe . Ich kann versuchen ein paar Stichwörter zu nennen . Kalt oder Kalkberg , schwarze Brillen wie taucherbrillen , in zweier Reihe aufstellen immer , am schlimmsten bei dem komischen Arzt. Die große Treppe , oben die Jungen und eine tiefer die Mädchen . Es gab ein Spielzimmer , ganz hinten links waren Puppen , wenn man nicht lieb war musste man vorne stehen bleiben . Elefanten mit Rosa schleifchen suchen mit Bleistifte wurde auf dem Kopf gekratzt , der blöde Wasserschlauch mit dem eisigem Wasser nach dem Baden in den Holzdingern . Ich hoffe alle die auch dort waren , das euer Leben besser verlaufen ist und ihr keine so großen ängste zurück behalten habt .
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Sabine Wendtland aus Heidelberg schrieb am 30.01.2024
Verschickung wg. chronischer Bronchitis

Bad Dürrheim, Luisenheim
*knapp 6 Jahre alt
*Frühjahr 77
*habe 3 Fotos: Im Kurpark, mit Sommertagsstecken, Gruppenfoto im Park
Erzieherinnen darauf zu sehen
*In meiner Erinnerung meine ich, dass die Erzieherinnen "Lieblingskinder" hatten
*Diakonissen überwachten Mittagsschlaf
*Mittagsschlaf in Gruppenräumen mit Metall-Gitterbetten
*Habe mir mit Bettnachbarin durch die Gitter hindurch die Hände und Arme zugestreckt, haben uns Arme zerkratzt
*Teller/Essen musste leer gegessen werden
*Machte mir mal "beim Essen" in die Hose/
wurde aus dem Raum geführt, andere Kinder lachten
*Ich musste einmal Schwarzwurzelgemüse essen.
Ich habe es "holzig" in Erinnerung. Noch heute bekomme ich Würgereiz beim Gedanken daran.
*Meine Mutter erzählte, meine Eltern wollten mich besuchen, fuhren hin, durften mich aber nicht sehen.
*Bei uns zu Hause wurde Dialekt gesprochen. Als ich abgeholt wurde, muss ich in wohl in astreinem Hochdeutsch gesagt haben:" Wenn ich in die Ferne schaue, denke ich da ist meine Heimat."

Meine Gedanken heute dazu:
*Wie konnte man Kinder so früh, so lange alleine "wegschicken"?
*Schüchterne Kinder haben die unguten Gefühle, genau wie das unbekömmliche Essen runtergeschluckt!?
*Viele Diakonissen waren schon während der Nazizeit tätig. Die Tante meiner Mutter war Diakonisse. Diese berichtete in der Familie von ehemaligen "braunen" Diakonissen. Wer hat die eigentlich entnazifiziert?
*Ich hoffe aus meiner Verschickungszeit nichts verdrängt zu haben...!
*Ich habe diese wenigen Erinnerungen nicht als schön oder unbefangen abgespeichert.


Sankt Peter Ording/Heim kann ich leider nicht mehr erinnern
*8 oder 9 Jahre alt
*79 oder 80
*meine Mutter brachte mich mit dem Zug von Süddeutschland/Heidelberg hin
*sie sagt, sie musste mich an der Tür "abgeben"
Erinnerung:
*Straße vor Heim, auf der wir als Gruppe standen, bevor wir mit BetreuerInnen zu Aktivitäten aufbrachen
*Heim (Haus aus Backstein?)
*Strandspaziergänge
*Souvenirkaufen für zu Hause in einem Laden (Fischaschenbecher, Robbenschlüsselanhänger)
*Wir schauten mal in einem Gruppenraum zusammen Winnetou im Fernsehen.
*Meine Oma und eine Tante holten mich mit dem Zug wieder ab.

Meine Gedanken/Erinnerungen an S.P. Ording:
*Ich habe das Wetter dort grau abgespeichert.
*Meine Gefühlslosigkeit beim Bringen und Abholen (funktionieren als Kind)

In den 80er musste ich noch 2× oder 3× nach Davos. Das war zu meiner beginnenden Tenniezeit. Einige Erlebnisse dort sind mir lebhaft und positiv in Erinnerung geblieben. Trotzdem musste man dort wohl auch die Mahlzeiten essen. Ich weiß, dass ich Leberkäse in das Waschbecken in unserem 2er Zimmer erbrochen habe.

Allgemeine Erinnerungen zu den Aufenthalten: Packlisten, beschriftete Kleidung, weg von Zuhause: aus Alltag mit Freunden gerissen, zurück wieder Anschluss (im Schulstoff) bekommen, Klassenfoto auf dem ich fehle,
Sehnsucht nach Post, Angst vor Verlängerung

Fazit:
Ich hoffe aus der Verschickungszeit nichts "verdrängt" zu haben, da meine Erinnerungen nicht sehr reichhaltig sind.
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Doris Janssen aus Schweiz schrieb am 29.01.2024
Guten Tag an alle Betroffenen

Ich schreibe Euch über eine Erfahrung von Mike Bossard, welcher mir seine Geschichte nach dem Tod seines Adoptivvaters erzählt hat. Es hat mich sehr erschüttert. Nach mehr als 50 Jahren hat er die Ereignisse nie vergessen und über seine Religion schließlich Frieden "schließen können. Da er es nicht gewagt hat, seinem Adoptivvater zu erzählen, was er in den vielen Monaten im Kinderheim erlebt hatte, gehe ich aber davon aus, dass auch die Religion nicht über alles hinweg helfen kann. Er hat es nie dem Bistum Chur mitgeteilt, obwohl dort eine Anlaufstelle für sexueller Missbrauch geschaffen wurde. Was ich wiederum auch verstehen kann...
Ich stehe nun alleine mit dieser Erzählung, weil meine Mutter, die letzte Partnerin dieses Adoptivvaters, behauptet, jeder könne so eine Geschichte erzählen. Und Schläge hätten diese Kinder sicher nicht umsonst bekommen. Ich war ehrlich gesagt schockiert über diese ( immernoch) Haltung. Er selbst und sein Bruder wurden offenbar über Monate sexuell fast täglich missbraucht im Toilettenhäusschen außerhalb des Gebäudes, irgendwo im Park. Er und sein Bruder wurden auch psychisch misshandelt und nach langem Kampf ( mit Hilfe eines Anwalts) dann endlich wieder dem Adoptivvater übergeben. Diese beiden Söhne waren noch im Kindesalter und Kleinkindalter. Dem Adoptivvater wurden die Söhne aus der Stadt Zürich während einer bösen Scheidungsschlacht von der KESB entrissen und in ein Kinderheim auf Lenzerheide geschickt. Bei der Abholung der Adoptivsöhne am Schluss dieses Aufenthaltes wurden die beiden Kinder fast nackt übergeben. Schläge und andere Demütigungen waren an der Tagesordnung. Könnte rgendjemand von Euch diese Schilderungen bestätigen? Hat jemand von Euch das in Lenzerheide auch so erlebt? Es müssen Ordensleute gewesen sein, die das Kinderheim geführt haben. Leider wurden die Söhne dann von der 2. Ehefrau weiter geschlagen und das im Gesetz verankerte Wort " Züchtigung" dauerhaft umgesetzt. Es war ein langer Leidensweg. Ich danke Euch jetzt schon für Eure Antworten dazu. Lieben Dank.
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Merz Petra aus Saint-Malo (Frankreich) schrieb am 28.01.2024
Ich wurde zweimal für 6 Wochen an die Nordsee verschickt.

Das erste Mal, 1973, mit sieben Jahren nach Langeoog ins Dünenheim. Es war eine lange Zeit für mich, aber ich habe trotzdem viele gute Erinnerungen an diesen Aufenthalt.

Es gab aber doch ein traumatisches Erlebnis. Ich habe aus Versehen beim Essen mein Glas umgeworfen. Leider ist es auf den Boden gefallen und zerbrochen. Eine der Serviererinnen hat daraus ein wahres Drama gemacht. Sie hat mich heftig angeschrien, alles geheißen und gesagt, die Heimleiterin würde jetzt meine Mutter anrufen, ihr sagen wie ungezogen ich sei und sie hat mir damit gedroht, daß meine Mutter das Glas bezahlen muß. Ich wußte aber damals, daß das Geld in meiner Familie nach der Scheidung meiner Eltern knapp war und deshalb hat mich diese Bedrohung wie der Blitz getroffen. Ich konnte mich nicht mehr bewegen und nichts mehr essen. Ich hatte plötzlich schreckliche Angst, was da für Kosten, wegen mir, auf meine Mutter zukommen, Angst auch vor ihrer Schelte und daß Sie wegen mir Geld verliert. Meine Gruppenleiterin wurde gerufen, weil ich nichts mehr essen konnte. Sie hat versucht, mich mit Worten zum Lachen zu bringen, aber das hat nichts genützt. Schließlich ist Sie vor mir auf die Knie gegangen und hat mich auf lustige Weise gebeten, ich soll doch wieder lachen und essen. Mir kommen heute noch beim Gedanken an diese Szene die Tränen und ich bin dieser Frau sehr dankbar, denn dank ihr war der Aufenthalt für mich dort gerettet.





Das zweite Mal, 1975, mit neun Jahren, gings nach Sylt, entweder ins Haus Nordmark oder ins Kurt-Pohle Heim, ich weiß es nicht sicher. Ich weiß noch, dass das Kinderkurheim nicht so nah am Strand lag, wie es für das Kurt-Pohle Heim den Anschein hat, obwohl ich den Speisesaal (auf der davon existierenden Postkarte) dieses Heims zu erkennen glaube. Ich glaube aber auch mich an den Eingang des Hauses Nordmark zu erinnern. Wir kamen rein und dann war da so eine Art Gang mit unseren Jacken und Schuhen. Aber ich kann mich nicht an den Affen erinnern, den viele Verschickungskinder erwähnen.

Mein Aufenthalt dort hat schon, bevor ich dort ankam, schlecht begonnen. Auf dem Bahnsteig vor der Insel Sylt wurden wir von einer Betreuerin oder Erzieherin? abgeholt. Ich habe Sie angesprochen und wollte ihr einen Gruß von meinen Brüdern ausrichten, die im Vorjahr dort waren. Daß ich es gewagt habe sie anzusprechen, hat ihr aber gar nicht gefallen. Sie sagte mir ich sei frech, schlecht erzogen, und daß sie mir deswegen das Leben in den nächsten Wochen schwer machen würde, und so kams dann auch. Ich weiß noch wie geschockt ich war, denn ich habe nicht verstanden, was ich falsch gemacht habe. Mir war als Kind plötzlich klar, daß ich dieser aggressiven Frau hilflos ausgesetzt war und hatte große Angst, dabei war ich noch nicht einmal dort angekommen. Diese Hilflosigkeit und Angst, sowie auch das Gefühl der Ungerechtigkeit, Verlorenheit und des Ausgeliefertseins, verfolgen mich noch heute. Sie sagte uns später, sie möge keine Mädchen, sondern nur Jungs.

Ich erinnere mich daran, daß wir ständig von den Erzieherinnen angeschrien und zur Eile aufgerufen wurden. Alles ging nur mit Androhen von Strafen. Vor dem Essen mußten wir uns immer zum Tischgebet die Hände reichen. Der Junge, der neben mir saß, hat mir dabei ständig die Hand zerquetscht. Ich konnte aber nichts sagen, denn ich wurde von den katholischen Schwestern, die das Essen austeilten, sofort angeschrien und als Lügnerin bezeichnet. Ich erinnere mich auch an das schlechte Essen, an den Geruch der Kartoffeln, und vor allem an das Sauerkraut, das ich auch heute noch nicht essen kann und auch daran, daß ich immer riesigen Hunger hatte. Ich habe damals meine Mutter, bei einem der wenigen erlaubten Anrufe, angefleht mir ein Esspaket zu schicken. Ich konnte ihr am Telefon nicht erklären daß ich Hunger hatte, denn die Betreuerinnen waren hinter mir und haben zugehört. Ich erinnere mich noch daran, wie meine Mutter mich mehrmals danach gefragt hat, ob ich genug zum Essen bekomme. Ich habe sehnsüchtig auf das Paket gewartet. Es kam dann auch, aber ich durfte nur eine Keksschachtel (Eine Prinzenrolle) behalten, den Rest mußte ich abgeben.

Ich kann mich auch an die Gummibärchen erinnern, die vor dem Schlafengehen ausgeteilt wurden, ich weiß aber nicht mehr, ob ich selbst auch welche bekommen habe.

Ich erinnere mich auch noch besonders an meine Bettnachbarin, die immer hart fürs Bettnässen bestraft wurde und wie sehr ich mit ihr gelitten habe. Ich habe dort auch wieder ins Bett gemacht. Ich weiß noch, wie sehr mich das schockiert hat, denn ich verstand lange nicht wie sowas möglich war.

Als ich nach Haus kam, war ich total traurig und mußte ständig weinen. Ich konnte aber meiner Mutter nicht erklären was vorgefallen war. Ich konnte nur immer wieder sagen, daß die von meinen Brüdern geschätzte Erzieherin so schrecklich zu mir war. Meine Brüder haben mir dann gesagt, daß das sicher meine eigene Schuld sei, denn zu ihnen waren Sie ja nett.

Wenn man mir nicht glaubt, dann habe ich heute noch dieses Gefühl der Ohnmacht und ich werde wieder genauso traurig in meiner Seele wie damals. Sobald ich mich heute noch von jemandem schlecht behandelt fühle, kommt sofort dieses Gefühl der radikalen Hilflosigkeit wieder und auch die Angst und Verzweiflung, die damit verbunden sind. Ich habe heute ständig das Gefühl, daß egal was ich tue, es nie dafür ausreicht, daß der Andere mir glaubt, mich schätzt oder sogar liebt.

Ich habe ein Gruppenfoto von dieser schrecklichen Zeit.
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Claudia aus Leipzig schrieb am 28.01.2024
Hallo liebe Haindorf Kurkinder,
ich bis Jg. 71 aus Leipzig, und war mit 5 1/2 Jahren, 6 Wochen, (ab März 1977) in Haindorf zur Kur zum zunehmen. Auch für mich war es eine traumatische Zeit.
Ich möchte mich gerne mit anderen austauschen, ich habe auch noch Fotos vom Fasching, das Kundi-Heft und andere Dokumente. Habt ihr auch noch Fotos oder anderes?
Liebe Grüße von Claudia
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Esther Kupka aus Waldbröl schrieb am 27.01.2024
Ich bin wirklich ein glückspilz! Schon immer gewesen und auch hier zeigt es sich wieder: Ich habe immer geglaubt, mir ist es in Bad Wildungen sehr schlecht gegangen - aber wenn ich die berichte hier lese, habe ich es wirklich gut getroffen.
1958 war ich für 6 wochen zur kur (nierenbeckenentzündung). Ja, auch wir wurden gemästet, auch bei uns haben sich immer wieder kinder erbrochen, aber die meisten haben es bis zur toilette geschafft, die ständig verstopft war und deren boden häufig mit urin, kot und erbrochenem bedeckt war. Nur einmal hat sich ein mädchen auf ihren teller erbrochen, musste aber nur den teil aufessen, der frei von erbrochenem war.
Ein junge hat zu viel frühstückssuppe gegessen und sich erbrochen, das musste er dann aufessen. Von dieser schrecklichen milchsuppe mussten wir immer mindestens 2 teller essen, einmal war die milch sauer, da wurde uns 1 teller erlassen!
An strafen kann ich mich nicht erinnern, allerdings wurden manchmal kinder ins büro zitiert, ob da was passiert ist, weiß ich nicht.
Briefe wurden gelesen, „damit wir die eltern nicht unnötig beunruhigen“.
Was ich nachträglich am schlimmsten finde, war, dass mir als 12jähriger aufgefallen war, dass es drei klassen von kindern gab. Am besten ging es den kurkindern (wir waren 6, für die wurde wahrscheinlich besser bezahlt); dann kamen die DRK-Kinder, die für jeweils 3 wochen mit dem bus ankamen; am schlimmsten ging es den kindern (an 2 kann ich mich erinnern, ich glaube, es waren 3 bis 5), die anscheinend dauerhaft da lebten: Die mussten beim putzen helfen, der umgangston war sehr viel unfreundlicher als bei den kurkindern und sie wurden auch geschlagen. (Und für die erzieherinnen gab es fleisch zum mittagessen.)
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Nadine aus Würzburg schrieb am 26.01.2024
Ich war im Mai 1980 im Viktoriastfit, Bad Kreuznach für 6 Wochen, und zwar in der Schwalbengruppe (oder im "Schwalbenhaus")

Warum ich dort war:
Damals war ich 10 Jahre alt und als "zu dick" eingestuft. Davon gab es 1980 glaube ich nur wenige in der Gruppe. Die meisten anderen Kinder waren wegen Untergewicht dort.

Ganz kurz etwas zu meinem Hintergrund:
Meine Eltern hatten extreme Probleme in ihren Leben und ein Grund warum ich dorthin geschickt wurde war, weil im Jahr vorher mein Vater eine mehr-monatige Alkohol-Entzugs-Reha machen musste und meine Mutter meinte dass ich "wahrscheinlich das mit der Sucht von ihm erben werde" Sie meinte bei mir fing das mit dem Zu-viel-essen an und würde über kurz oder lang auch beim Alkoholismus enden. Ich sehe die Dinge heute anders, aber damals war das schon gruselig, also dieser Gedanke dass man “jetzt schon sehen kann wie es auch bei mir alles schief laufen wird.”

Erinnerungen an das Viktoriastift in Bad Kreuznach:
Zu den schlimmen Erinnerungen zählt das schreckliche Heimweh - vor allem nachts im Schlafsaal - das morgendliche Fiebermessen (Auf dem Bauch liegend, halb nackt, Thermometer in den Po gesteckt bekommen, echt jeden Morgen!) diese Sole-Bäder in den Holzbottichen im Keller, ganz dunkel an eine Untersuchung (Warum? Was musste untersucht warden? Ich weiss es nicht mehr) und auch das 6-wöchige Gefühl des komplett ausgeliefert sein.

Ich habe dort angefangen, an einer Stelle am Arm so heftig zu kratzen dass es blutete. Immer und immer wieder kratzte ich die Wunde auf. Das habe ich natürlich versucht zu verheimlichen, wollte dass es keine der Betreuerinnen sieht, hielt die andere Hand über die blutende Wunde. Das dauerte mehrere Tage lang bis es dann nicht mehr so offensichtlich war. Ich erinnere mich daran, dass der Schmerz irgendetwas beruhigendes in sich hatte. Ich hatte die Kontrolle über etwas was ich ganz akut spüren konnte. Heute verstehen ich selbstverletzendes Verhalten, habe es recherchiert, weiss dass es anderen ähnlich ging und geht:
Der innere Schmerz kann so gross warden dass er sich ein Ventil sucht. Ich musste diese Gefühle der Einsamkeit und des Sich-selbst-nicht-mögen-weil-man-zu-dick-ist unterdrücken, denn sie waren überwältigend. Aber die Gefühle und Schmerzen suchten sich ihren ganz eigenen Weg, einen heimlichen, von dem niemand etwas sehen konnte. Diesen Modus kenne ich bis heute. Ich halte sehr viel tief in mir versteckt. Von aussen sieht man NICHTS! Ich will oder kann keinen reinlassen. Ich will alles selber bewältigen. Eine tiefe Einsamkeit und ein Sich-selbst-nicht-mögen-weil-man-zu-dick-ist begleiten mich bis heute.

Ich versuche mich auch, um es objektiv zu halten, an andere neutrale oder sogar positive Momente zu erinnern: Ausflüge fand ich immer super. Also, da war einmal ein Spaziergang durchs Freiluftinhalatorium “Salinental” , eine Wanderung im Hunsrück, ein Spaziergang runter in die Stadtmitte, und ein einziges mal waren wir in dem grossen Spielraum. Also insgesamt nur 4 Erinnerungen an Momente ausserhalb des Gebäudes. Ganz fragmentiert auch die Erinnerungen an einige Freundschaften und vertraulichen Gespräche mit einigen anderen Mädchen. Da ging es darum warum sie hier sind, wie man wohl ausbrechen und wegrennen könnte (also an welchem Zeitpunkt: nachts wäre am besten oder? Aber es ist ja alles abgeschlossen, lassen wir’s wohl besser)

Jetzt, wo ich die Erinnerungen so lese, frage ich mich was ich an all den anderen Tagen gemacht habe? Keine Ahnung. Haben wir denn nie was gebastelt oder gemalt? Was haben wir in den 6 Wochen gemacht? Keine einzige weitere Erinnerung blieb.

Ich konnte Bad Kreuznach als Erwachsene nochmal besuchen. Auf eigene Faust war ich dort, wollte auch schaun wie das Viktoristift heute so aussieht und ob noch andere Erinnerungen wach werden. Ich glaube das war ein erste therapeutischer Schritt, dorthin zu fahren. Ich glaube das hat mir ein Stück weit geholfen.
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Wolfgang Terjung aus Gelsenkirchen schrieb am 25.01.2024
Ich habe nicht mehr viele Erinnerungen an meinen Aufenthalt in diesem Heim, aber es sind keine positiven.
Angefangen von aufessen müssen egal was es gibt, über Schläge, wenn die Mitagsruhe nicht eingehalten wurde, oder einen Zwangs"Spaziergang" über eine gaaaanz lange Straße als Strafe für Fehlverhalten bis hin zur Zensur von ausgehender Post, die ich im Alter von 5 Jahren natürlich nur diktieren konnte und Aufteilen des gesamten Inhaltes eines erhaltenes Pakets. Ich kann mich noch an mein stilles unterdrücktes Weinen im Schlafsaal erinnern wenn irgendetwas mit einer Nonne? vorgefallen war
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Michael Neumayer aus Bad Reichenhall schrieb am 25.01.2024
Zu dem Beitrag sex. Missbrauch in den 60ern bis 80ern in der damaligen Asthma -Heilanstalt in der Kurfürstenstraße 26 in Bad Reichenhall wird am Sonntag den 28.01.24 in der Sendung Radiowelt im Bayrischen Rundfunk ein Radiofeature zum aktuellen Stand stattfinden. Ein viertes Opfer wird dazu berichten wollen. Ehemalige Beschäftigte dieser Klinik widersprechen den Vorwürfen und behaupten der Klinikleiter Dr. Franz Braun sei nett gewesen. Ebenso hätte es keinen männlichen Bediensteten/ Pfleger oder ähnlich gegeben, sowie Missbrauch und Gewalt auch nicht.
Die ehemaligen Beschäftigten werden auch zu Wort kommen können.
Die Aussage: Es habe männliche Bedienstete gegeben, haben mittlerweile 6 Personen - ehemalige Verschickungskinder - geäußert und damit die Aussagen der Opfer bekräftigt.
Wir hoffen auf weiter Zeitzeugen zum Austauschen.
Viele Grüße Michael
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Michael aus Oestrich-winkel schrieb am 25.01.2024
Ich wurde entweder 1969 oder 1970 über die Barmer Ersatzkasse in dieses "Kurheim geschickt. Ich habe leider nicht eine einzige schöne Erinnerung an diese
grausamen 6 Wochen. Ich war ein kleines Kind und konnte weder lesen noch schreiben. An die Zugfahrt dorthin habe ich keinerlei Erinnerung. Wohl aber trotz meines kleinen Alters an das Heim und die Gegebenheiten dort. Es war wie in einer Kaserne. Die Schwestern waren hart und herzlos. Besonders eine, Edith, war eine schlimme Person. Ich gehörte ja zu den Kleinsten dort. Ich erinnere mich, daß wir wenn wir im Bett waren, nicht mehr auf die Toilette durften. Folglich habe ich ins Bett gemacht, was ich zuhause nie tat. Ich wurde laut vor allen Kindern ausgeschimpft. Komischerweise erinnere ich mich nicht, daß ich jemals geweint hätte.......Jeden Morgen und Abend gab es Milchsuppe und die musste gegessen werden. Diesen Geschmack schmecke ich noch heute. Ich trinke bis heute keine Milch und esse keinen Käse.
Ich musste essen bis der Teller leer, auch wenn ich es nicht wollte. Daß ich gebrochen habe, erinnere ich mich jedoch nicht. Meine Eltern haben mir zu Nikolaus kein Paket geschickt. Sie sagten immer, daß man es im Heim nicht wollte. Andere Kinder bekamen ein Paket. Als der Nikolaus kam, sassen wir im Stuhlkreis und als ich an der Reihe war, hielt im meine Händchen auf. Ich bekam ein paar Walnüsse und einen kleinen Nikolaus. Später zwangen mich die Schwestern den Nikolaus in der Milchsuppe aufzulösen. Grausam, vergesse ich nie.
Wir waren mal im Schnee spazieren, da haben mich die älteren Kinder eingeseift. Meine Mütze war nass, genau wie mein Schal und die Handschuhe. Ob ich geweint habe, weiß ich wieder nicht. Wohl aber, daß Edith mich ausgelacht hat.

Wir mussten singen, unter anderem "Es ist für uns eine Zeit angekommen" Höre ich dieses Lied heute, kommt sofort wieder alles bei mir hoch.

Daß ich dort Freunde oder Kontakt mit anderen Kindern hatte, weiß ich komischerweise nicht.
Wohl aber, daß der Griesbrei in hellbaluen Plastikschüsseln auf den Tisch kam. Ich musste ihn essen, fand ihn ekelhaft und essse heute noch keinen Grießbrei........
Manchmal gab es etwas ganz Hartes mit Apfelkompott, auch das musste gegessen werden.Ebenso wie das Brot mit dem Schmierkäse.
Ich meine, daß es eine Schwester gab, welche sich um mich bisschen gekümmert hat. Aber leider weiß ich da keinen Namen. Schade.......

Da ich weder Lesen noch Schreiben konnte, hatte ich keinerlei Zeitgefühl und wusste nicht wie lange ich noch bleiben musste und wo überhaupt meine Eltern sind. Ich frage mich heute, wie man das einem Kind antun kann. Meine damalige Kinderärztin aus unserem Nachbarort hat mich wegen ständigen Erkältungen dorthin geschickt.
DER JUNGE MUSS ABGEHÄRTET WERDEN, sagte sie gerne. Jeder kann sich selbst Gedanken machen, welche Ideologie hinter diesem Satz stecken mag.

Vor Jahren gab mir meine Mutter Postkarten von dort, welche irgendeine Schwester geschrieben hat, immer der gleiche Wortlaut: Wie gut es mir geht und wie schön alles ist.......
Ich habe das alles vernichtet, war vielleicht ein Fehler.

Ich gehe davon aus, daß meine Eltern es gut gemeint haben, aber das war es nicht. Es war die Hölle und bestimmt mein Leben zum Teil bis heute.
Ängste VOR ALLEM NEUEN - VOR FEHLERN -
VOR LEHRER (Früher) UND ICH BIN AM LIEBSTEN DAHEIM UND FAHRE NICHT GERN WEG

Vor vielen Jahren war ich nochmals im Kinderheim Marianne. Ich mache den heutigen Betreibern keinen Vorwurf, sie können nichts dafür. Es ist heute ein Mutter/Vater-Kurheim.

Mich jedoch werden diese grausamen 6 Woche bis zum Lebensende begleiten und zum Teil prägen.
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Hennrich Norbert schrieb am 25.01.2024
IZweimal erlebte ich herrliche Tage im Kinderheim Hus Sünnschien inn Nieblum auf Föhr. Geboren 1946, ein Strich in der Landschaft kam ich 1954 erstmals im NovemberDezember nach Nieblum. Ich träume heute noch vom täglichen Haferflockenbrei mit frischem im Heim gebackenen Vollkornbrot. Sonntags nachmittags gab’s frisch gebackene Rosinenbrötchen. Nach kurzer Zeit habe ich zugenommen. Es war herrlich im Schnee barfuß und Oberkörperfrei durch den Garten rennen zu müssen und dann eine Schneeballschlacht zu machen. Und dann wurde gewogen. Ich kann im Nachhinein dieses als eine gesunde körperkräftigende Sache ansehen. Das einzige Negative war mein damaliger Regenumhang aus einem Wehrmachtszelt von meiner Mutter, einer Kriegerwitwe geschneidert. Da fühlte ich mich schon von anderen ausgegrenzt. Die Verschickung im Winter 1954 hat mir gesundheitlich sehr gut getan und so wurde ich vom Hausarzt nochmals im Winter 1958 wiederum ins Hus Sünnschien nach Nieblum auf Föhr verschickt. Ich kann mich nicht an irgendwelche schlechten Erfahrungen erinnern. Die Betreuerinnen waren sehr nett und besorgt. Gerne denke ich an eine Tante Ragenhild zurück. Angst hatte ich bei einem Sturm im Dezember 1958 als die Fenstervorhänge waagrecht ins Zimmer wehten, doch das Reetdach hielt. Schön war auch das Burgenbauen am Strand, oder das Zusehen der Aquarienfische. Diese Tage haben mein späteres Leben gestärkt.
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Job-Busche, Ursula aus 92637 Weiden schrieb am 25.01.2024
Es gibt sehr viele Berichte über schreckliche Zustände in Erholungsheimen. Deshalb möchte ich berichten, dass ich ganz andere Erfahrungen gemacht habe. Weil ich dünn und schüchtern war und wenig gegessen habe, wurde ich 1961 zur Erholung geschickt. Damals war ich 10 Jahre alt. Ich war in Schloss Sandizell bei Schrobenhausen in Oberbayern. Der Träger des Heimes war damals das Rote Kreuz. Es war eine wunderbare Zeit für mich. Die ersten Tage hatte ich Heimweh, aber die Betreuerinnen haben sich nett um mich gekümmert und das Heimweh war bald weg. Es war spannend in einem echten Schloss zu wohnen. Wir haben viel im Schlosspark gespielt, haben Ausflüge unternommen z.B. zu einer nahen Porzellanfabrik. An einem Tag sind wir sogar ins Schwimmbad gegangen. Im Schlossgraben gab es einen Schwan, den wir Jakob nannten. Wir haben Lieder gelernt und uns wurde vorgelesen. Über das Essen kann ich auch nichts Negatives sagen. Das Einzige, woran ich mich erinnere, was ich nicht mochte, waren Kartoffeln mit Quark. Mir hat sogar der Grießbrei geschmeckt. Die Betreuerinnen waren junge Frauen und alle sehr nett. Die Heimleiterin war etwas älter, aber ein warmherziger, mütterlicher Typ. Am Ende des Aufenthaltes haben wir ein Theaterstück aufgeführt. Es hieß: „Die zertanzten Schuhe“. Eine der Betreuerinnen hat mir ihr Nachthemd geliehen, weil ich eine Prinzessin spielte und kein langes Gewand hatte. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. Ich habe Freundinnen gefunden, mit denen ich noch einige Zeit Briefe schrieb und ich hatte auch nach meinem Aufenthalt noch Kontakt zu einer Betreuerin. Wir haben gegenseitig Fotos ausgetauscht, die ich heute noch besitze. Es ist zwar schon lange her, aber ich habe mich immer gerne an die Zeit in Sandizell erinnert und tue es auch heute noch.
Deshalb finde ich, bei all den negativen Berichten, sollte man auch erwähnen, dass es durchaus auch Heime gab, in denen die Kinder Spaß hatten und wirklich gut betreut wurden.
P.S. Ich habe die Briefe, die mir damals nach Sandizell geschickt wurden, von der Familie und meinen Klassenkameradinnen, noch einmal gelesen. Ich hatte alle aufgehoben. Aus den Briefen geht auch hervor, dass es uns in Sandizell gut gefallen hat.
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Karin aus Hessen schrieb am 24.01.2024
Dieses Heim war für mich als sieben jährige der Horror. Ich war untergewichtig und sollte während dieser Kur zunehmen, das Gegenteil war der Fall. Es ging damit los, dass es morgens entweder heiße Milch (der Geruch der angebrannten zog durchs ganze Haus) oder Haferschleim mit dicken Brocken gab und natürlich durfte man nicht vom Tisch aufstehen wenn nicht alles aufgegessen war. Der einzige Lichtblick in Bezug auf Essen war das süße Teilchen nach dem Besuch des Hallenbades. Wir mussten außerhalb es Heims immer Hand in Hand gehen, das mir zugteilte Mädchen hatte beide Hände voller Warzen, ich hatte mich so geekelt, es gab keine entkommen. Das waren Viruswarzen und natürlich bekam ich sie auch. Auch musste ich während der Mittagsruhe einmal im Nachthemd im Treppenhaus in der Ecke stehen. Jegliche Post unterlag der Zensur und an mich gehende Päckchen wurden unter allen Kindern verteilt. Geschlagen wurde ich nicht, aber Liebe oder Zuneigung durfte man nicht erwarten, es war ein strengens Regiment. Das Ganze ist jetzt 67 Jahre her, aber die Erinnerung an diese sechs Wochen sind immer noch frisch. Ich habe seitdem nie wieder Milch pur getrunken noch war ich jemals wieder an der Nordsee.
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Ingrid Freise aus Tostedt schrieb am 24.01.2024
Ich bin 1948 geboren und wurde mit etwa 5 Jahren nach St. Peter Ording verschickt. Meine Erinnerungen sind verblasst, aber eine Scene ist mir noch heute deutlich vor Augen: Ich stand vor einem Doppelstockbett, um mich herum einige Kinder und über mich gebeugt eine Betreuerin, die mich beschuldigte, Schokolade geklaut zu haben. Ich weinte verzweifelt, denn ich hatte keine Schokolade genommen, aber mir wurde nicht geglaubt. Diese Erfahrung der Ungerechtigkeit hilflos ausgeliefert zu sein, hat mich mein Leben lang begleitet und dafür gesorgt, dass mich Misstrauen oder Ungerechtigkeit mir gegenüber, immer sehr verletzt hat und ich andere davor schützen wollte... Meine damalige Erfahrung war zwar nicht mit der Schwere und den traumatisierten Erfahrungen anderer vergleichbar, trotzdem hat sie mein Leben, wenn auch in diesem Fall positiv, geprägt. Ich habe tiefes Mitgefühl für alle Geschädigten! Mit herzlichem Gruß - Ingrid
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Benjamin aus Kön schrieb am 24.01.2024
Mit vier Jahren mußte ich vier Wochen im Kinderkurheim Irmgard Remé und Herzland Riese” in Wyk auf Föhr verbringen. Ich war ein dünner und blasser Junge mit Asthma. Statt meinen Eltern zu empfehlen, mit dem Rauchen im Haus aufzuhören, empfahl der Kinderarzt die "Kur" in Wyk. Meine Mutter war ein glückliches "BDM-Mädel" gewesen und ich meine, dass sowohl der Kinderarzt als auch Leute, die ich mit meiner Mutter in Wyk besuchte, irgendwie eine Nazivergangenheit hatten - vielleicht kann jemand diesen Zusammenhang nachvollziehen?
Ich kann mich an die Reihe der Kinder erinnern, bei der die Jungen einen Diener, die Mädchen einen Knicks vor den Tanten Irmgard und Herzland machen mussten. Statt Säften gab es Zuckerwasser zu trinken. Ich habe ins Bett gemacht, musste im Badezimmer die Laken auswaschen, wurde ausgeschimpft und auf den Po gehauen. Das Heimweh dauerte ewig und ließ mich resignieren, weil ich mit vier einfach nicht wusste, wann diese Zeit zu Ende gehen würde. Ich habe bis heute ein problematisches Verhältnis zum Alleinsein und mit Selbstfürsorge.
Anfang zwanzig habe ich Psychotherapie gemacht und dann versucht, mit meinen Eltern den seltsamen Umstand zu besprechen, dass ein vierjähriges Kind vier Wochen allein in ein Kinderheim geschickt wird, sie konnten es sich auch nicht mehr so richtig erklären, nur das es das beste und teuerste Heim in Wyk gewesen sei.
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Ursula aus Hamilton - Neuseeland schrieb am 23.01.2024
Ich wurde 1958 in Deutschland geboren und lebe seit über 30 Jahren in Neuseeland. Vor ein paar Tagen bin ich durch Zufall auf einen Bericht und Video über Verschickungsheime im Internet gestolpert. Ich war lediglich erstaunt von so vielen Geschichten zu hören, weil mir ein ähnliches Schicksal widerfahren ist.
Ich musste als Kind dreimal zur Kinderkur fahren, weil ich zu dünn war.
Bei der ersten Kur in Marl-Hüls in NRW war ich ca. 5 Jahre alt und habe leider nur wenige Erinnerungen an die 6 Wochen. Aber ich muss sehr gelitten haben, weil ich viel Heimweh hatte. Dadurch das wir nachts nicht auf die Toilette durften, habe ich sehr oft ins Bett gepinkelt und am nächsten morgen gab es Schimpferei und mir wurde der Hintern versohlt. Ich musste des öfteren in der Ecke stehen, aber warum weiss ich leider nicht mehr. Für die Kur wurden all meine Kleidungsstücke mit einem Namensschild versehen. Einmal wurde ein Kleid mit dem eines anderen Mädchens vertauscht. Es war dasselbe Kleid, nur war mein Kleid noch neu und sah hübscher aus. Trotz der Namenschilder habe ich mein Kleid nie wieder zurückbekommen, was mich sehr traurig gemacht hat. Ich war eher ein schüchternes Kind und habe es nie wieder erwähnt.
Viele Jahre später habe ich gelegentlich gewünscht dass diese Kurleiterinnen in Marl-Hüls für ihre Untaten bestraft werden müssten.

Mein zweiter Kuraufenthalt war im Kurort Laaspe und ich war 10 Jahe alt. Wir mussten immer unsere Teller leer essen, womit ich kein Probleme hatte. Aber es gab jüngere Kinder die den ganzen Vormittag im Speisesaal verbringen mussten, bis der Teller leer war. Wir mussten Mittags schlafen und wer nicht schlafen konnte, durfte auch nur ruhen. Es wurde viel gespielt und ausgiebig gewandert. Wir mochten unsere Leiterinnen sehr und hatten viel Spass in unserer Gruppe. Das war für mich eine schöne Kur mit schönen Erinnerungen.

Mein dritter Kuraufenthalt war im Schwarzwald und ich war 11 Jahr alt. Eine Freundin fuhr mit und auch hier kann ich mich nur an einen schönen Kuraufenthalt erinnern. Die Leiterinnen waren wesentlich jünger und morderner. Es wurde viel Gitarre gespielt und gesungen.

Liebe Grüsse.
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Annett M. schrieb am 23.01.2024
Erschütternde Berichte, die hier zu lesen sind. Ich kann mich noch dunkel an meinen Kur-Aufenthalt erinnern. Wegen mehrerer schwerer Darmoperationen wurde ich, damals 7, für 6 Wochen nach Schmalkalden geschickt. Essen bis zum Platzen, dafür nur einen halben Becher pro Mahlzeit trinken. Schlafen in einem Großraum mit vielen anderen Kindern. Zeitung als Toilettenpapier, Toiletten ohne Abtrennung. Aber: ich habe genauso gute Erinnerungen. Das Müsli war göttlich 😀 Die Betreuerinnen (bis auf wenige Ausnahmen) liebevoll und gerecht. Traumhafte Waldspaziergänge mit Singen und Lachen. Mir wurde keine körperliche Gewalt angetan. Am Ende der Kur wurden wir alle sogar gefragt, wie es uns gefallen hat. Ich fühle mich nicht als Opfer, wünsche aber all denen, die so unsagbar schlechte Erfahrungen gemacht haben, viel Erfolg beim Verarbeiten ihrer Traumata.
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Manfred Lang aus Bühl/Baden schrieb am 23.01.2024
Hallo
Ich war 9 Monate in Schloss Friedenweiler
Habe sogar meine Erstkommunion dort mit noch einem anderen Jungen gefeiert
Aber irgendwie fehlen mir ganze Erinnerungen
Es waren einige aus der Mannheimer Gegend dabei
Ich habe nie genau erfahren warum ich dort war
Nach dem Tod meiner Mutter fiel mir ein Abschlussbericht in die Hände
Dort stehen solche Dinge wie Lungenkrank und dass ich eine Chemotherapie bekommen hätte
Mutter hst immer erzählt ich hätte einen Schatten auf der Lunge gehabt
Bin auch jahrelang danach regelmäßig beim Gesundheitsamt gecheckt worden
Allerdings kann ich mich an dunkle Kellerräume in Friedenweiler erinnern dort musste ich Sonden die angeblich bis in den Magen führen sollten schlucken
Was hat das mit der Lunge zu tun
Kennt das jemand auch
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Petra Webersik schrieb am 23.01.2024
Ein Horrortrip und eine rauhe Menge Eisbein

Damals war ich 6 Jahre alt. Meine Schwester 5. Einige Monate zuvor war unser Vater bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt und meine Mutter sollte sich bei einer Kur von den Strapazen der letzten Monate erholen. Dies waren die traurigen Voraussetzungen für eine Kinderkur, verbunden mit einer langen Anreise nach Muggendorf in die Fränkischen Schweiz.

Von den Vorbereitungen bekamen wir als Kinder nicht viel mit. Auch wurden wir nur wenig auf diese Reise vorbereitet. Uns wurde aber eine schöne Zeit versprochen.
Woran ich mich erinnern kann, war, dass es eine Liste mit Vorgaben gab, welche Kleidungsstücke wir mitzunehmen hatten. Unsere Mutter schrieb in unsere Kleidung unseren Namen oder nähte kleine Namensetiketten ein. Nur „bei Bedarf“ wurde in dem Kinderkurheim für uns Kinder gewaschen. Das wurde auch auf der Liste so vermerkt.
Laut Liste sollten sich für sechs Wochen Kuraufenthalt 6 bis 8 Schlüpfer und
6 Unterhemden pro Kind in dem Koffer befinden. Wenn etwas dreckig war, musste es weiter getragen werden, bis wieder der Kleidungswechsel anstand.
Das war einmal in der Woche!

Am Tag der Abfahrt nach Muggendorf, bekamen wir ein Band mit einem Anhänger um den Hals, auf dem unser Name und Anschrift stand. Wie bei einem Gepäckstück, dass man aufgibt.
Unsere Mutter verabschiedete sich morgens in Hannover am Bahnhof von meiner Schwester und mir, übergab uns ein kleines Glücksschwein aus Marzipan und richtete die Worten an mich „Pass gut auf Deine kleine Schwester auf“.
Den Adressanhänger durften wir auf der gesamten langen Fahrt von Niedersachsen in die
Fränkische Schweiz nicht abnehmen. Es war dunkel als wir in Muggendorf um 18:23 Uhr ankamen.

Wir hatten damals den Tod von unserem Vater noch nicht richtig verarbeitet.
Traten eine lange Reise ohne unsere Mutter an und als Geschwisterkinder wurden wir sofort nach der Ankunft in Muggendorf getrennt. Es war so grausam.
Es fühlte sich so schlimm an. Es muss doch alles in unserer Akte gestanden haben. Warum hat man uns das nur angetan? Wir waren Kinder, hilflos, wehrlos und hatten doch nichts verbrochen…….

Ich saß nach der Ankunft in Muggendorf und der Trennung von meiner Schwester ganz allein in einem leeren Speisesaal und bekam einen Teller mit ein paar geschmierten Brotscheiben hingestellt. Es gab roten Tee. Ich glaube es war Hagebutte. Meine Schwester – so hieß es - saß in einem anderen Raum. Ich bekam keinen Bissen hinunter. Musste aber eine halbe Ewigkeit sitzen bleiben und durfte nicht aufstehen.
An diesem ersten Abend kam ich mir so allein und verloren vor. So weit weg von Zuhause, saß ich in einem großen kalten Raum, mit vielen nackten Tischen und leeren Wänden.
Nachdem ich mehrmals nach meiner Schwester fragte, sagte mir eine Frau, dass meine Schwester alles aufgegessen hat und schon im Bett lag.

Auch nach einigen Tagen aß ich schlecht, man ließ mich ewig allein im Speisesaal zurück, bis ich die Speisen auf meinem gefüllten Teller aufgegessen hatte. Ich weinte viel. Immer wieder fragte ich nach meiner Schwester. Ich vermisste sie so sehr. Meine Schwester und ich „wohnten“ in diesem Muggendorf unter einem Dach, doch wir sahen uns nicht.
Wie konnte es nur möglich sein, dass wir uns nicht über den Weg liefen?
Lebte meine Schwester noch? Ich sollte doch gut auf sie aufpassen….
Ich kann mich noch genau erinnern, wie groß mein Kummer damals war und erinnere mich, wie ich nach etlichen Tagen unter Tränen einer Frau (ich habe sie inzwischen als Heimleiterin identifiziert) auf ihre Fragen im schroffen Ton „warum weinst Du denn so viel und isst nichts?“ von dem Tod meines Vaters, von dem Heimweh nach meiner Mutter und Schwester erzählte und denke, dass sie dafür sorgte, dass ich ein paar Tage darauf in die Gruppe zu meiner Schwester „verlegt“ wurde.
Die Kinder in dieser Gruppe waren alle viel jünger und kleiner als ich. Das war egal.
Das was zählte, war, dass ich ab sofort wieder mit meiner Schwester zusammen sein konnte und so ließ tatsächlich auch ein wenig das Heimweh nach.

Alle meine Erinnerungen an diese Kur sind entweder sehr dunkel oder mit dunklen Schatten durchzogen. Ich frage mich heute, lag es wirklich nur an der Jahreszeit?

Es gab sehr oft Redeverbot in diesem Muggendorf. So durften wir auch nicht während der Mahlzeiten reden. Es musste muckmäuschenstill sein. Reden oder auch flüstern war nicht erlaubt. Wehe, man hielt sich nicht daran. Eine Betreuerin war sehr grausam. Ich fürchtete mich sehr vor ihr. Sie war gewalttätig. Beachtete man dieses Redeverbot nicht, kam sie blitzschnell um den Tisch herum und schlug uns von hinten mit einem Löffel auf den Kopf.
Ich weiß noch, dass ich damals sehr erleichtert war, als sie sich beim Sitzen am Basteltisch ein Rückenleiden zuzog, sich nicht mehr bewegen und uns für ein paar Tage nicht betreuen konnte.

In Muggendorf bekamen wir das Essen zugeteilt und mussten alles aufessen.
Die Portionen bzw. das Essen oder auch die Beilagen durften wir nicht frei wählen.
Das Essen war weder kindgerecht, noch liebevoll angerichtet. Es roch merkwürdig und schmeckte scheußlich. Oft schaffte ich diese großen Portionen nicht aufzuessen und musste lange alleine vor meinem gefüllten Teller im leeren Speisesaal (oder fast leeren Speisesaal – manchmal saßen wir auch zu zweit oder dritt) sitzen bleiben.
Teilweise sogar bis zur nächsten Mahlzeit.
Es gab auch oft heiße Milch, auf der sich „Flott“ absetzte. Ich brachte sie nicht hinunter….es war so scheußlich und immer wieder wurde ich gezwungen, die Tasse auszutrinken.

Hatte ich aufgegessen, wurde Mittagsschlaf abgehalten. Auch hier bestand das absolute Redeverbot. So wie wir uns hinlegten, mussten wir über die gesamte Zeit der Mittagsruhe liegen bleiben. Keiner durfte sich bewegen. Das war für mich kaum auszuhalten.
Das Gefühl das ich damals empfand, war, als würden tausende Armeisen über meinen gesamten Körper laufen und ich kam nicht weg. Rührte man sich, wurde man bestraft und musste die zwei Stunden Mittagsruhe mit dem Gesicht zur Wand im Flur stehen.

Um 19 Uhr galt für alle Kinder Bettruhe. Wir durften nach 19 Uhr nicht mehr aufstehen. Auch nicht, wenn wir noch einmal dringend zur Toilette mussten. Als Kinder waren wir, meine Schwester und ich, sehr früh „sauber“ und benötigten keine Windel oder machten auch nachts nicht ins Bett. Darauf war unsere Mutter sehr stolz gewesen.
Aber in Muggendorf war alles anders. Wenn ich nicht mehr aufhalten konnte, machte ich zwangsläufig ins Bett. Ich schämte mich sehr, zumal andere Kinder das auch mitbekamen und auch einige spotteten.
Wer ins Bett machte, wurde mit Flüssigkeitsentzug bestraft.

Auch ab 19 Uhr galt ein absolutes Redeverbot. Manchmal flüsterten meine Schwester und ich im Bett. Wenn wir erwischt wurden, wurde ich von der Aufsicht aus dem Bett gezerrt und musste mit nackten Füßen im kalten Flur stehen. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie kalt meine Füße waren und wie oft ich dort fror. Es war Winter und die Schlafsäle waren nicht sonderlich warm oder beheizt.

Kinder verspüren im Dunkeln oft Angst. Das war in Muggendorf nicht anders. Warum man uns dann noch mit einer Taschenlampe ins Gesicht leuchten musste, um lange zu überprüfen, ob wir wirklich schlafen, ist mir heute unbegreiflich. Ich weiß noch, dass das jedes mal wahnsinnige Angst in mir auslöste. Zumal man auch im schlaflosen Zustand bestraft wurde. Immer und überall wurden wir Kinder kontrolliert und standen unter Beobachtung. Es gab keine Privatsphäre.

Meine Mutter nahm mich als sehr sensibles Kind wahr. Auch nahm ich mir vieles sehr
„zu Herzen“. So wurden mir die ganzen sechs Wochen in Muggendorf immer wieder angedroht, dass wenn ich nicht lieb bin, wir auch nicht nach Hause fahren dürfen.
Da man ja mit mir so viel geschimpft, mich gezerrt und geschlagen hatte, war ich damals fest davon überzeugt gewesen, dass wir unsere Mutter nie wieder sehen würden.
Ich weiß noch, dass ich sehr überrascht war, als mein Koffer plötzlich auf meinem Bett lag und es hieß, alles muss eingepackt werden, es geht nach Hause. Ich konnte mein Glück überhaupt nicht fassen.

Lange konnte ich nicht über diese Kuraufenthalte reden, da ich als Kind immer dachte, dass ich die angeordneten Aufgaben falsch umgesetzt hätte und deshalb bestraft wurde.
Hatte an mir gezweifelt und mich fürchterlich dafür geschämt. Die Betreuerinnen hatten uns auch eingeschüchtert und ich wollte meiner Mutter keinen zusätzlichen Kummer bereiten. Und so kam es, dass ich noch vier weitere Male zur Kur entsendet wurde.

Meine Aufenthalte waren:

3. 11. - 14. 12.1972
BRK-Heim „Muggendorf“, Wiesenttal /Fränkische Schweiz

23.09. - 29.10.1976
DAK-Kinderkurheim „Schuppenhörnle“, Feldberg / Schwarzwald

13.09. - 26.10.1978
Kinderkurheim „Rumpelstilzchen“, Insel Borkum / Ostfriesland

02.05. - 07.06.1979
Kinderheim Haus Goltermann, Insel Föhr / Nordfriesland

13.03. - 10.04.1981
DAK-Jugendkurheim „Bergerhof“, Dietramszell / Oberbayern


Ich wurde also fünfmal über die DAK verschickt. Zugenommen – das war das Ziel dieser
Kuren - hatte ich selten, meistens sogar abgenommen. Dafür nahm ich nicht nur einen Koffer mit meiner eingestaubten Kleidung mit zurück nach Peine, ich nahm einen Koffer mit Erinnerungen und Erfahrungen mit, die mich mein ganze Leben begleiten sollten.
Oft hinderten mich diese Erinnerungen und Erfahrungen daran, ein unbesorgtes Leben zu führen, hielten mich nachts wach, ließen mich in Unruhe zurück. Auch konnte ich nie jemanden vertrauen, hatte Bindungsängste und vieles, vieles mehr……

Als ich in die Schule kam, bekam ich schlechte Noten, weil ich nichts sagte. Ich war so stark von der Kur in Muggendorf traumatisiert, dass ich mich nicht mehr traute, etwas außerhalb meiner vertrauten Umgebung zu sagen. Ich war still, lebte zurückgezogen in meiner eigenen (Traum)Welt und verhielt mich angepasst. Dieses System hat mich gelehrt zu einer stillen Beobachterin zu werden…..

Im Kinderkurheim Schuppenhörnle wurde ich während des Kuraufenthalts krank.
Ich bekam hohes Fieber und man brachte mich in ein Isolierzimmer. Keiner durfte mich besuchen. Auch meine Schwester nicht. Ich lag allein in diesem Zimmer. Alles war weiß. Das Bett, die Bettwäsche, die Wände, die Decke. Morgens, mittags und abends sah jemand nach mir, brachte mir Essen, es wurde Fieber gemessen, ich bekam Wadenwickel und Medikamente. Es gab nichts zu lesen und auch nichts zu spielen. Fernsehen sowieso nicht. Wenn ich nicht schlief, starrte ich an die Decke. Eine komplette Woche. Es war zum verrückt werden…..

Wie oft wurde ich nur in diesen Kurheimen von Kopf bis Fuß mit kaltem Wasser abgespritzt? Angeblich soll die Therapie gut für den Kreislauf sein. Bei mir verursachte das kalte Wasser am ganzen Körper Schmerzen. Das ist heute noch so.

Die Kuren in den zwei großen Heimen waren unmenschlich und grausam.
Die Aufenthalte in den kleineren Heimen waren - aus meiner Sicht heute – ok bis sehr gut.
Mit der Jugendkur hadere ich noch sehr. Warum mussten wir Mädels und jungen Frauen, alle zwischen 14 und 17 Jahre, so oft in die Sauna? In einem Alter, wo sich der Körper stark verändert und ein größeres Schamgefühl entsteht. Und warum wurde der Saunaaufguss immer von einem Mann vollzogen? Es gab doch genügend Frauen.
Abschließend haben wir Mädels ein Gedicht verfasst. Die Betreuer kamen dabei nicht gut weg. Wertschätzend war das nicht. Spiegelte sich da etwas?

Im Mai 2023 war ich ziemlich überrascht, als ich auf die Internetseite des
Vereins “Initiative Verschickungskinder e.V.” (zu finden unter Verschickungsheime.de) aufmerksam wurde. Ich las dort die Erfahrungsberichte von anderen ehemaligen Verschickungskindern, die sich mit meinen Erinnerungen deckten.
Ich erkannte endlich, so verkehrt war mein kindliches Verhalten gar nicht, sondern eher dieses Verschickungssystem, mit dem Milliarden Geld verdient wurde.

Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und ungeschehen machen, aber ich kann dazu beitragen, dass das, was wir in diesen Kinderkurheimen erlebten, sich nie wiederholt.
Und dazu will ich meinen Beitrag leisten.


Petra Webersik
früher: aus Peine / Niedersachsen
heute: Insel Rügen / Mecklenburg-Vorpommern
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Birgit schrieb am 23.01.2024
Verschickungsheim Feldberg im Schwarzwald (1966)
St. Peter Ording Kindererholungsheim "Goldener Schlüssel"(1971)

Während meiner Kindheit wurde ich zweimal in "Kindererholungsheime" verschickt. Das erste Mal fand mit sechs Jahren statt, in den Schwarzwald zum Feldberg, das zweite Mal mit elf Jahren nach St. Peter Ording.

Die Ärzte hatten diese Maßnahmen vorgeschlagen wegen meines Asthmas, das während meiner Kindheit teilweise sehr ausgeprägt war.

Ich erinnere mich an die Zeit am Feldberg bruchstückhaft, weiß jedoch noch genau, wie stark mein Heimweh war, wie einsam und unglücklich ich mich gefühlt habe. Sehr lebendig habe ich die Essenseinnahme in Erinnerung, bei der die Kinder gezwungen wurden, aufzuessen. Ich meine mich an eine Situation zu erinnern, bei der ein Kind sich erbrach und es trotzdem alles essen musste.
Auch habe ich sehr lange Spaziergänge in Erinnerung. Es war Winter und der Schnee lag sehr hoch. Mit meinen sechs Jahren versank ich knietief im Schnee und musste mich folglich den gesamten Weg über durch den hohen Schnee kämpfen, war sehr erschöpft. Ich habe in Erinnerung, dass ich die ganze Zeit über hoffte, dass dieser Weg irgendwann endlich ein Ende nehmen würde.
Die Betreuerinnen schrieben Karten für uns, die an die Eltern versendet wurden und auf denen stand, dass es uns sehr gut ging, wir uns hier erholen würden. Auf der Karte befand sich ein Schwarz-Weiß-Photo des Kurhauses. Wenn die Eltern zurück geschrieben hatten, lasen die Betreuerinnen uns den Text vor. Ich erinnere mich, dass ich dann sehr starkes Heimweh bekam, aber versuchte, es zu verbergen.

Regelmäßig wurden wir gewogen und untersucht.
Das Schlafen im Schlafraum habe ich als unruhig in Erinnerung, da mehrere Kinder in einem Raum schliefen. Es wurde Bettruhe verordnet, aber ich konnte nachts das Atmen hören und ich meine, nachts manchmal Schluchzen gehört zu haben, könnte das heute aber nicht mehr mit Sicherheit sagen.
Ich habe diese ganze Zeit als emotional bedrückend in Erinnerung, geprägt von Strenge und keiner Zuwendung.

Mit elf Jahren wurde ich nach St. Peter Ording verschickt. Diese Zeit habe ich als weniger belastend in Erinnerung, vermutlich auch, da ich bereits älter war.
Um schulisch nicht zu viel zu versäumen, wurden mir regelmäßig Schulaufgaben geschickt, die ich nacharbeiten musste.

Auch aus dieser Zeit erinnere ich mich an lange Spaziergänge, einmal auf einem Deich bei sehr starkem Wind, gegen den ich ziemlich ankämpfen musste.
Als willkommene Abwechslung habe ich den Besuch im Wellenbad erlebt, da ich so etwas zuvor noch nie kennengelernt hatte.
Es fanden regelmäßige ärztliche Untersuchungen statt und wir mussten zu bestimmten Zeiten inhalieren. Dabei saß man vor einem Inhalationsgerät und musste das Inhalat einatmen. Die Nase wurde dabei verschlossen, so dass man keine Wahl hatte, als nur durch den Mund zu atmen. Ich erinnere mich, dass ich diese medizinische Maßnahme als sehr unangenehm empfand und jedesmal froh war, wenn das Inhalieren beendet war.

Rückblickend kann ich sagen, dass mir der erste Aufenthalt im Alter von sechs Jahren am Feldberg keine wirklich messbaren gesundheitlichen Vorteile gebracht hat - meine Mutter musste mich anschließend dennoch öfter morgens von der Schule abmelden, da ich die ganze Nacht über gehustet hatte. In Bezug auf die emotionalen Erlebnisse jedoch, hinterließ diese Zeit einen Gesamteindruck von Düsterkeit.

Der zweite Aufenthalt in St. Peter Ording war positiver, aber dennoch emotional geprägt von Heimweh und einem Gefühl von innerer Einsamkeit.
Gesundheitlich war diese Zeit für mich von Vorteil - mein Asthma war danach nicht mehr so ausgeprägt.

Ich habe ärztlicherseits über zehn Jahre Cortison Tabletten bekommen, bei zweimal täglicher Einnahme. Diese Einnahmen gingen nach dem zweiten Kuraufenthalt weiter, was deutlich macht, dass der gewünschte Erfolg noch nicht erreicht wurde. Die Cortisoneinnahme wurde dann drei Jahre später, mit vierzehn Jahren, endlich beendet.

Abschließend betrachtet, war insbesondere der Kuraufenthalt mit sechs Jahren eine Zeit, die ich als emotional belastend, düster, von Einsamkeit und Strenge geprägt, in Erinnerung habe. Es ist in mir abgespeichert wie eine Lebensphase, die in einen tiefen Schatten getaucht erscheint.

Der zweite Aufenthalt war ebenfalls nicht erfreulich, aber nicht so düster und belastend wie der erste. Ich war bereits elf Jahre alt und konnte entsprechend mehr verstehen, warum ich da war und wofür gewisse Maßnahmen notwendig erschienen. Auch diese Zeit habe ich als streng organisiert und mit vielen Vorschriften in Erinnerung.

An dieser Stelle möchte ich bedanken bei den Initiatorinnen und Initiatoren dieses Projektes. Es war für mich sehr aufschlussreich, auch die anderen Berichte lesen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Birgit
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Kerstin aus Göttingen schrieb am 22.01.2024
Erstaunlich, was die Psyche in so vielen Jahrzehnten eingräbt und was beim Lesen dieser entsetzlichen Dinge wieder zum Vorschein kommt.
All das habe ich auch erlebt, vom Zwangsessen bis ich mich übergeben musste, liebevollen Päckchen von der Patentante, welche geöffnet und unvollständig ankamen, Zwangsmittagsschlaf,mein tränenüberströmtes Gesicht beim Diktat der Post .Wovon ich noch nichts gelesen habe war, gab es noch andere Kinder, die wie ich beim Zahnarzt in der Einrichtung fest gehalten wurden (von vier Personen) damit er mit seinem alten Tretbohrer vermeintliche Karies damit entfernte.?
Unbegreiflich wie kleine Menschenkinder behandelt wurden, für mich auch unbegreiflich wie Eltern ihre Kinder somit zur Seite schoben.Kann sich jemand an mich erinnern, hat jemand Fotos aus dieser Zeit..?
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Simone schrieb am 22.01.2024
Ich bin 56 Jahre alt. Im Sommer 1977 wurde ich mit neun Jahren von meinen Eltern für 4 Wochen zur Kur nach Österreich in die Pension Ernani geschickt. Der Aufenthalt dort war eigentlich für Kinder vorgesehen, die krank waren oder aus sozial schlechten Verhältnissen kamen. Auf mich traf weder das eine noch das andere zu, aber mein Vater arbeitete beim Deutschen Roten Kreuz und konnte so erreichen, dass ich an dieser kostengünstigen Maßnahme teilnehmen konnte. Meinen Eltern ging es zu dieser Zeit schlecht, sie waren beide voll berufstätig, hatten wenige Jahre zuvor eigenhändig ein Haus gebaut und meine Mutter hatte gerade zwei Fehlgeburten hinter sich. Sie waren wohl einfach froh, dass ich während der langen Sommerferien irgendwo gut untergebracht war. Ich hatte nicht die geringste Lust darauf, ganz alleine auf Reisen zu gehen, begriff aber irgendwie, dass das meinen Eltern wichtig war. Und so setzten sie mich in den Zug, in dem auch ein paar fremde andere Kinder mit gleichem Ziel saßen. Ich erinnere mich daran, dass mir die vier Wochen endlos vorkamen und ich ständig Heimweh hatte. Die Kinder der Gruppe waren zwischen 9 und 13 Jahren alt, ich war die jüngste und konnte mit den anderen Kindern nicht viel anfangen. Viele spielten regelmäßig seltsame Rollenspiele, in denen es um Unterwerfung, Verprügeln und sexuellen Missbrauch ging. Heute denke ich, dass sicher viele der anderen Kinder aus sehr problematischen Verhältnissen kamen. Ich frage mich oft, ob den Betreuern in dem Heim nicht auffiel, welche fragwürdigen Spiele die Kinder spielten und warum sie darauf nicht reagierten. Ich selbst versuchte, möglichst unsichtbar zu bleiben, hielt mich aus allem raus und wartete, bis der Aufenthalt endlich vorbei war. Meine Eltern erzählten noch Jahre später, dass sich mein Wortschatz nach der Rückkehr aus Pension Ernani katastrophal verändert hatte und ich Schimpfwörter verwendete, die bei uns zu Hause vollkommen inakzeptabel waren. Hätten meine Eltern geahnt, in welcher Gesellschaft ich mich während der Kurmaßnahme befand, so hätten sie mich sicher nicht dorthin geschickt. Ich erinnere mich noch gut daran, dass die Kinder einmal in der Woche Taschengeld ausgeteilt bekamen. Dieses Geld war von den Eltern dafür zur Verfügung gestellt worden. Ich wollte gleich in der ersten Woche für meine Eltern als Mitbringsel einen Tonkrug mit Likör kaufen, der ungefähr genauso viel kostete, wie mein gesamtes Taschengeld für die 4 Wochen Aufenthalt. Als ich den Betrag von der Betreuerin ausgezahlt haben wollte, lehnte sie mit der Begründung ab, ich erhielte jede Woche nur eine begrenzte Summe. Und so ließ ich mir wöchentlich diese Summe auszahlen und sparte vier Wochen lang, bis ich kurz vor der Abreise den Likör kaufen konnte... Den Aufsichtspersonen, die uns damals betreuten, kann ich eigentlich keinen Vorwurf machen - ich habe nicht beobachtet, dass es Strafen oder Misshandlungen in dem Haus gab. Allerdings herrschte ein strenges Regiment und die Tage waren fest getaktet. Vor allem der verordnete Mittagsschlaf, im Bett liegen zu müssen ohne schlafen zu können war lästig.
Zum Glück musste ich später nicht noch einmal zur Kur verreisen!
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P. G. aus Saale-Holzland-Kreis schrieb am 22.01.2024
1984 war ich von vor Silvester bis Mitte Februar im Heim in Graal-Müritz. Den Platz hatte mein Vater aufgrund vieler Bronchitiden ohne Einverständnis meiner Mutter organisiert. Familienkontakt gab es in der Zeit nicht und ich kann mich kaum erinnern.
Allerdings weiß ich, daß ich zum Silvester Angst hatte, aus dem Gitterbett kletterte und auf den Flur lief. Daraufhin wurde ich (m.E. mit einer Spritze) ruhig gestellt. Danach entwickelte ich für über 20 Jahre eine Spritzen-Phobie mit Hyperventilation und Ohnmacht. Den Inhalationsbereich erinnere ich als lange dunkle Betonröhre, in der wir saßen und Dämpfe einatmeten.
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Nikola Dietrich aus Blankenburg schrieb am 22.01.2024
Hallo an alle, die in Sinnershausen im selben Zeitraum waren, wie ich. (ich war im Februar 1978 und im Februar 1979 dort). Ich würde mich gerne mit Euch austauschen. Meldet Euch bitte.
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Christian aus Lüdenscheid schrieb am 22.01.2024
1970 - ich wurde bald fünf und meine Eltern bereiteten den Umzug in das neue Haus vor, wurde ich für 6 Wochen nach Föhr verschickt.Wyk@Verschickungsheime. Meine beiden älteren Geschwister waren auch zuvor verschickt worden (Bad Sassendorf), aber nach 1 Woche wieder nach Hause gekommen, weil das Heimweh und die Windpocken dazwischen kamen.

Angeblich, nach Aussage meiner Mutter, wollte ich unbedingt auch so eine tolle Kinderkur erleben... mit 4-5 Jahren ...

EIn Zug mit Begleitern ("Schau mal das sind Onkel und Tante Soundso, die sind nett") brachte mich aus dem Sauerland nach Föhr. Die Fahrt war endlos lang und ich erinnere mich noch an meine Angst vor der Fährüberfahrt, denn ich hatte auch das Meer noch nie gesehen. Alles war fremd und schon f dem Hinweg hatte ich fürchterliches Heimweh.
in Schlafsaal mit ca. 20 hellblauen Betten, einem Tisch für die Mittagsaufsicht und kalte Duschen sind mir in Erinnerung. Das Rosinenbrötchen nach dem Mittagsschlaf, was bei jeder Kleinigkeit von frechem Betragen gestrichen wurde ebenso. Ich hatte so großes Heimweh, dass ich abends im Bett weinte und auch zweimal ins Bett machte - was mir sonst nie passierte. Dafür wurde man heftig ausgeschimpft und unter die kalte Dusche im kalten Duschraum gestellt.
Ich hatte einen "Freund" in meiner Gruppe, dessen großer Bruder auch dort war. Mit diesem tauschte ich mein Heimweh aus und wir weinten häufig zusammen ... und wurden dafür wieder ausgeschimpft oder von den wenigen Aktionen ausgeschlossen (Strandspaziergänge, Schwimmbad).
Briefe/Karten wurden für mich geschrieben- natürlich war immer alles toll!
Die Mittagspausen war mir ein Grauen. Man musste in seinem Bett still liegen und die Augen geschlossen halten, wenn nicht, so musste man sich in die Ecke stellen. Kinder die weinten ebenso und man wurde geschimpft, wie undankbar man sei und dass die Eltern darüber informiert würden. Geschimpft wurde ohnehin sehr viel und bei jeden geringsten Anlass. Ich erinnere mich auch daran, dass ich immer Hunger hatte. Bis heute sind Heimweh, ein z.T. übersteigertes Harmoniebedürfnis, oder die Angst es nicht Rechtzu machen (auch ohne Anlass) geblieben.
Warum ich ein solches Heimweh hatte, kann ich mir kaum erklären, da meine Eltern mir dafür eigentlich keinen Anlass gaben. Sicher meinten sie es irgendwie gut, aber für ein Kind mit 4-5 Jahren ist dies nur schwer nachzuvollziehen.
Die spätere Aufarbeitung mit meinen Eltern scheiterte übrigens kläglich, sie konnten mein Leiden nicht nachvollziehen. Auch mir selbst konnte ich jahrelang diese traumatischen Erlebnisse eestehen. Von daher bin ich froh, dass es ein solches Forum gibt und ich nicht allein mit meinem Erleben bin!
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Friedel schrieb am 22.01.2024
Hallo, ich bin durch eine Doku vom y-kollektiv auf Eure Seite gestoßen und schreibe nun im Namen meiner Großmutter, die Mitte der 50er Jahre in das Kinderkurheim Pomßen kam, wo sie mehrere Wochen (ich meine es waren vier) untergebracht war. Ich sprach meine Oma am Wochenende direkt auf die Kinderverschickung an und sofort konnte sie mir den Ort nennen, wo sie untergebracht war. "Pomßen - wo auch immer das ist. Wir wurden von zuhause abgeholt. Ich habe noch brav gewunken," hat sie mir erzählt. Wir haben uns Bilder vom damaligen Kurheim angeschaut und sofort hat sie den Ort wiedererkannt. "Das war so ein Schloss und die Frauen dort waren streng." Meine Oma kam dorthin, weil sie nicht (viel oder genug) gegessen hat. Sie war damals ein schlankes, sportliches Kind. "Ich sollte in der Zeit dort zunehmen, habe aber noch mehr Gewicht verloren und kam dünner zurück nachhause, als ich von daheim losgefahren bin." Sie hat mir ebenso erzählt, dass sie mit vielen anderen Kindern in einem großen Schlafsaal untergebracht war und immer ganz eng in eine Decke eng eingewickelt wurde, damit sie sich nicht bewegen konnte. Dies ließ bei ihr ein Beklemmungsgefühl zurück, was bis heute anhält. "Weinen durften wir nicht. Wenn wir geweint haben, dann haben wir Ärger bekommen." Auf Nachfrage, ob ihr auch körperliche Gewalt angetan wurde, sagte sie: "Nein. Höchstens geschüttelt haben sie mich, als ich nicht wollte, wie sie." (Was ja schon übergriffig ist und meiner Meinung nach an körperliche Gewalt grenzt) Meine Oma kommt aus einem wohlbehüteten Elternhaus. Meinen Urgroßeltern, so sagte sie mir, hat sie niemals etwas davon erzählt, aber mein Urgroßvater, also ihr Papa, habe es ihr wohl angemerkt. Ich kannte meine Urgroßeltern. Auch die haben selten von der Vergangenheit gesprochen. Ich finde es erschreckend, solche Dinge über die Vergangenheit meiner Oma zu erfahren, die mir ohne Nachfrage niemals davon erzählt hätte. "An sowas denkt man nicht mehr. Das war so schlimm und hat die Kindheit verändert. Erst die Ferienausflüge an die Ostsee haben mir als Kind wieder ein gutes Gefühl gegeben," sagt meine Oma, die im Vorschulalter nach Pomßen kam. Ich danke denjenigen, die diese Webseite aufgebaut haben, damit andere/ ihre Angehörigen das Leid teilen können. Dieses Leid gehört ausgesprochen, verarbeitet und eingeordnet, damit Generationen Ruhe finden und sich gehört und verstanden fühlen.
Meine Oma musste zweimal insgesamt, in kürzerem Abstand "zur Kur". Einmal nach Sachsen, einmal in Thüringen.
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Judith Schmitt aus Köln schrieb am 22.01.2024
Hallo zusammen,

ich wurde 1972 "verschickt" für sechs Wochen nach Hindelang, ich war damals sechs Jahre alt. Was habe ich für Erinnerungen daran?
Dass ich zunächst rebellierte, denn alle Kinder sollten Lätzchen anziehen, das war ich von zu Hause nicht gewöhnt. Ich wurde dann aufs Zimmer geschickt und mir wurde dort erklärt, dass ich nur mitessen dürfe, wenn ich mich an diese Regel halte. Na ja, es gibt Schlimmeres. Zum Beispiel das Heimweh abends im Schlafsaal, über das wir untereinander flüsterten und die Tränen, die wir deswegen vergossen.
Ich kann mich ansonsten an die schöne, offene Architektur des Hauses erinnern, wollte dort im letzten Jahr vorbeifahren, aber das Gebäude wurde zwischenzeitlich leider abgerissen. Ich kann mich an Kinder erinnern, die dort durchaus länger waren als ich, ich meine sogar über Jahre, wie sie mir erzählten. Ich würde diese gerne Kinder wiedertreffen oder über sie erfahren, sie waren mir ein großer Trost dort.
Ich erinnere mich an die Spaziergänge und die gute Luft, an eine Prüfung, bei der ich mich geschmeichelt gefühlt habe, dass ich mit zu den Probanten gehören durfte, offenbar, weil ich dann mittlerweile gelernt hatte, mich anzupassen.
Ich kann mich an die vielen Briefe erinnern, die meine Eltern und meine Oma mir schrieben und an das Paket, dass ich dort zugeschickt bekam, als ich am 30. Mai Geburtstag hatte. Telefoniert werden durfte nicht, ein Besuchsverbot gab es auch.
Meine Mutter erzählt mir heute noch unter Tränen, dass ich bei der Abholung nur auf meine kleine Schwester (damals 2) zu lief und die Eltern ignorierte. Sie bereut sehr, mich damals in die Kur gegeben zu haben.
Wie konnte eine solche "Therapie" nur durchgeführt werden? Ganz schlimm!
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Elvira schrieb am 21.01.2024
1970 war ich 6 Jahre alt. Warum ich zur Kur musste, weiß ich nicht. Ich erinnere mich, dass meine Eltern oder nur meine Mutter, das weiß ich nicht mehr, mich in, ich glaube Bremerhaven, es könnte auch Wilhelmshaven gewesen sein, absetzten. Ich hatte ein Schild mit meinem Namen an mir. Meine Mutter drückte mich nochmal, dann wurde ich auf ein, für mich damals, riesiges Schiff gebracht. Wir wurden nach Borkum gebracht, den Namen des "Kurhauses" weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass ich fürchterliches Heimweh hatte. Die Nächte musste ich oft auf dem Flur in so einem komischen Stuhl verbringen, weil ich wegen dem Heimweh so viel geweint hatte. Mir wurde gesagt, dass ich da auf dem Stuhl schlafen müsse, damit ich die anderen Kinder nicht wecke. An meinem Geburtstag bekam ich ein Paket mit vielen Süßigkeiten und einem Stofftier. Die Süßigkeiten wurden mir abgenommen, wie sie verteilt wurden, weiß ich nicht mehr. Ich kann mich erinnern, dass da zwei Mädchen waren, die sagten, dass sie nichts davon bekommen dürften, weil sie zu dick seien. Ich erinnere mich, dass wir manchmal am Strand spazieren gegangen sind. Das ist das einzig Schöne, an das ich mich erinnere. Es gab Bettensääle, Reihen von Waschbecken, die an Tröge mit vielen Wasserhähnen erinnerten. Im Speisesaal kann ich mich nur daran erinnern, dass die "Aufseherinnen" an einem Extratisch unter uns Kindern saßen, Kuchen und leckeres Essen hatten, während wir etwas anderes nicht schmeckendes bekamen.
Ich war nach der Kur viele Jahre nicht mehr in der Lage, irgendwo zu übernachten. Selbst dann nicht, als meine Cousine mich fragte, ob ich bei ihnen schlafen wollte. Ich hatte freudig eine Tasche gepackt und bin bis an die Tür mitgegangen. Dann drehte ich mich um und sagte, dass ich heimweh habe. Ich war noch garnicht aus dem Haus.
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Marga aus Hessen - Büdingen schrieb am 17.01.2024
@ Petra, ich war ebenfalls im Jahr 1965 in St. Peter Ording als dreijähriges Kind und habe ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. Ich würde mich sehr gerne austauschen!
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Ramona aus Dresden schrieb am 16.01.2024
Liebe Verschickungsheim - Leser, mein Name ist Ramona, ich wohne in Dresden bin 60 Jahre alt und war in den 1969 oder 70er Jahren an der Ostsee zur Kinderkur. Im Alter von 6 oder 7 Jahren wurde ich auf Grund einer chronischen Bronchial - Erkrankung an die Ostsee mit der Bahn, natürlich alleine in einer organisierten Kinder-Gruppe geschickt. Die Dauer des Aufenthaltes war 6 Wochen. Ich kann mich sehr gut erinnern, habe die Zeit immer verdrängt und eigentlich darüber nicht gesprochen. Ich war ein sehr zartes Kind, schlechter Esser und hatte ständig Heimweh. Ich lebte mit meiner Mutter in Grünberg bei Pasewalk alleine. Ich vermisste sie sehr, so sehr das es Schmerzen verursachte. Ich hatte zum festhalten eine kleine Handpuppe von zu Hause mitgebracht. Als man merkte, dass ich mich nachts daran festhielt, um besser einzuschlafen, nahm mir eine Schwester die Puppe weg und legte sie auf einen hohen Schrank. Ich war darüber entsetzt, ich konnte sie sehen aber kam nicht an sie heran. Am Morgen mussten wir splitternackt, was ich aus Scham nie freiwillig gemacht hätte, Frühsport absolvieren. Wir waren ein riesiges gemischtes, also Jungs und Mädchen-Zimmer/Saal. Eine Übung beinhaltete das Trommeln auf die Brust solange bis die Luft aus der Lunge war. Ich hatte Probleme bei der Übung und erhielt regelmäßig Schläge ins Gesicht, so sehr, dass mein Gesicht rot anlief. In der Nacht herrschte ein sehr strenges Toilettenverbot. Auch bei dem Versuch auf die Toilette zu gehen, wurde man direkt zurück geschickt. Ich habe heute den Verdacht, wir sollten nicht merken, dass die Nachtwache schläft! Es war eine Folter für mich. Einige der Kinder nässten ein und wurden dann vorgeführt. Das Essen war eine Qual, es gab ständig Sagosuppe mit Milch, mir ist heute noch schlecht davon. Ich wurde ständig gefüttert, Knorpelfleisch wurde mir in den Mund gesteckt. Ich sammelte das Essen im Mund, lies es dann in meinen Schürzentaschen verschwinden. Das Highlight war, wenn jemand aus der Küche fragte, "wer möchte Quark?" und kam mit einer großen Schüssel davon. Man musste sich melden und wenn man Glück hatte, bekam man die wirklich leckere Nachspeise. Die Behandlung an der Ostsee beinhaltete Strandspaziergänge, Inhalationen in einem großen Raum sowie Solebäder in Holzwannen. Die Behandlung war relativ erfolgreich, meine Luftprobleme waren sehr viel besser. Ich erinnere mich an eine große breite Feuerleiter, diese war direkt vor meinem Bett durch das Fenster sichtbar. Ich überlegte, wie ich aus der Kuranstalt über diese Leiter fliehen könnte. Wir hatten ab und zu Schule, dabei mussten wir Briefe an unsere Eltern schreiben. Der Text wurde an die Tafel geschrieben. Er musste 1 zu 1 abgeschrieben werden, die Briefe durften nicht zugeklebt werden. Damit meine Mutter merkt, dass der Text nicht von mir ist (Text wie: mir gefällt es hier so gut usw), schrieb ich nicht "Liebe Mutti" sondern "Liebe Eltern". Ich hätte am liebsten geschrieben: Hol mich hier raus! Ich denke so ein Heim- Leben war immer von denjenigen geprägt, die das Heim führten, also die Menschen dahinter - mit ihren Neigungen, Charakter und sexuellen Vorlieben wie SM usw. Leider können Menschen mit negativen Neigungen sich gezielt Berufe aussuchen, in denen sie Macht über andere Kreaturen ausüben können. Das ist heute nicht anders! Kontrolle ist daher wichtig, Nachfrage durch Institutionen usw.!! Ich muss auch sagen, diese geschilderte Situation zog sich wie ein roter Faden durch meine Kindheit. Mit 12 mein erstes Ferienlager von Bad Frankenhausen aus, ähnliche Situationen wo Erwachsene ihre Macht ausnutzen, meist Menschen mit geringer Persönlichkeitsentwicklung und eher ohne Erfolg im Leben. Ich sollte ein Jahr später nochmals zur Kur fahren. Natürlich konnte ich mich erfolgreich dagegen wehren und trat nie wieder eine Kur in meiner Kindheit und Jugend an. Ramona aus Dresden
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Bernd Rosenkranz aus Magdeburg schrieb am 15.01.2024
Hallo, ich wurde 1956 oder 1957 von meiner Mutter oder meinen Eltern für 6 Wochen zur „Erholung“ geschickt, wahrscheinlich weil ich sehr dünn war, bin Jahrgang 1950, war also 6 oder 7 Jahre alt. Ich habe keinerlei Erinnerung daran, was da passiert ist, ich weiss nur, dass ich danach jahrelang keine Wurst und kein Fleisch mehr essen konnte. Vielleicht gibt es andere Betroffene die darüber etwas berichten können.
Bernd aus Magdeburg
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Heike Böhm aus Bendorf/Rhein schrieb am 14.01.2024
Hallo zusammen, bin Heike, 60 Jahre alt und komme aus Bendorf am Rhein. Ich war in zwei verschiedenen Kinderkurheime. Im Oktober 1969 im Kloster Wessobrunn und entweder davor oder danach (bin dann mit 7 Jahren 1970 eingeschult worden, Jahrgang 1963) in Kinderkurheim „St. Antonius“ in Bad Münster am Stein.
Ich kann mich an ein paar Dinge erinnern, kann aber nicht sagen ob das in Bad Münster am Stein oder Kloster Wessobrunn war. - Ich hatte mein Essen ausgebrochen und musste das Erbrochene essen bzw. den Teller leer essen. - Ich kann mich an eine Kabine erinnern in die man gehen musste und da bekam man dieses eklige Sole-Wasser zum Trinken. Ich habe den Geruch der Sole noch in der Nase, alles stank danach. - Ich kann mich erinnern, dass ich so eine komische, dunkle Brille anziehen musste und dann wohl
in diese Höhensonne. - Wir wurden nach Läusen untersucht, kann mich erinnern, dass die Tanten usw. im Kopf herumgesucht haben ob wir Läuse haben. Es kommen ab und zu noch andere Momente hoch die ich
nicht richtig zuordnen kann.
Habe von Bad Münster am Stein eine alte Postkarte und zwei Briefe aus Wessobrunn an meine Familie aus der „Kur“, sogar ein selbst gemaltes Bild von mir lag bei einem Brief. Der Brief war vorgedruckt und nur die Namen mit der Hand dazu geschrieben. Das zweite war eine selbst ausgemalte Postkarte. Die Schwester hieß Schwester Frumentia und das Fräulein Gaby.
Gibt es Leute die in der gleichen Zeit in einem der Kinderheime war, gibt es ähnlicher Erinnerungen oder sogar Fotos? Würde mich sehr freuen, wenn sich jemand melden würde, gerne auch per PN oder mail: h.boehm@yahoo.de
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Julian aus Lörrach schrieb am 14.01.2024
Kam im Jahr 1977 für 6 Wochen nach Sankt Peter Ording in ein Verschickungsheim. Ich vermute, es war das Seeschlösschen. Denke, auf einem Bild, den Speisesaal auf Bildern im Internet zu erkennen. Mein Zimmer oder Gruppe, hiess die "Strandläufer", daran kann ich mich absolut sicher erinnern.
1976 verstarb mein Opa, was mich in eine tiefe Krise brachte, Schule klappte es auch nicht, bei der Einschulung, darum kam das wohl, die Verschickung.
IMeine Vermutung, Ich wurde mit Medikamenten, gegeben auf Lõffel mit Zuckerwürfel, wohl täglich ruhiggestellt, weil Mittagsschlaf, wäre für mich, eigentlich nicht möglich gewesen. Aus meiner Kindheit, kann ich eigentlich mich weit zurück erinnern, aber komischerweise, diese Zeit, ist wie eine "Black Box",sehr schwer, mich an Konkretes zu erinnern, nur kleine Bruchstücke. An tägliche Gewichtskontrolle, hatte immer unter 25 kg, kann ich mich auch erinnern. Persönlich, kann ich mich nicht an Schläge erinnern, aber kann mich erinnern, bei Anderen, die Probleme mit dem Mittagsschlaf hatten, gab es Schläge. Das es bei mir nicht dazu kam, wobei Mittagsschlaf eigentlich für mich unmöglich war, denke ich, das wurde mit Medikamenten erzwungen, anders kann ich mir das heutzutage nicht vorstellen, wie Die mich dazu bringen hätten können. Andere wurden diszipliniert, die nicht schlafen konnten.
Damit ich aber kein falsches Verschickungsheim beschuldigen mõchte, vermute aber wegen dem Speisesaal, es war das Seeschlõsschen.
Das Schlafzimmer hatte 3-4 Doppeletagenbetten, also mit 6-8 Kindern belegt.
Würde mich freuen, jemand hätte aus dieser Zeit Bilder aus dem Seeschlõsschen, die Zimmer um 1977, das ich mich besser erinnern kann.
Ich bin seit Jahren in Behandlung, bei meinem Psychiater und bei meiner Psychotherapeutin.
Sie meinte, wegen meinen "Verdrängungskünsten", hält Sie sehr für wahrscheinlich, da war mehr, darum die Verdrängung.
Für jegliche Informationen, aus 1977, wäre ich sehr dankbar, auch wenn jemand ein anderes Verschickungsheim erkennen würde. Thema, Name der Gruppe/Zimmer, war "Strandläufer".
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Werner Glasmacher aus Stolberg schrieb am 09.01.2024
Hallo,
ich war laut mir vorliegendem Ärztlichen Schlussbericht des Chefarztes Dr.Franz Braun vom 10.11.1961 bis 20.12.1961 in der Asthma-Kinderheilstätte Bad Reichenhall, Kurfürstenstr.26.
Ich kann mich an das schlechte Essen, an die Solebäder, an die Druckkammer erinnern.
Ich suche Betroffene die zu diesem Zeitpunkt auch in der Heilstätte waren- insbesondere frage ich Euch, kann sich jemand an Verabreichung von Medikamenten erinnern?
Lt.Arztbericht wurden keine Medikamente gegeben.
Vielen Dank.
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Alexandra Sophie Kadner aus Troy, NY 12180, USA schrieb am 08.01.2024
Mein Name ist Alexandra, ich bin heute 58 Jahre alt und lebe seit 24 Jahren in den USA. Deswegen hätte ich die Diskussion um Verschickungskinder in Deutschland auch beinahe verpasst, bis ich zufällig auf einen Bericht von BR24 stieß:
(https://www.pnp.de/print/lokales/landkreis-berchtesgadener-land/piding/sexueller-missbrauch-in-asthma-kinderheilstaette-14865582)
Wie dem auch sei, ich wurde als Kind zweimal verschickt. Meine Diagnose damals war chronische Bronchitis. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich eine Transfrau bin, und meine Erlebnisse bei der Verschickung waren also die eines kleinen Jungen. Das erste Mal war im Sommer 1971. Ich war damals 6 Jahre alt. Ich bin mir heute nicht ganz sicher, wohin ich verschickt wurde. Zum einen erinnere ich mich, dass ich in der Fränkischen Schweiz gewesen sein soll, andererseits aber war der Name des Ortes Bonndorf. Es gibt ein Bonndorf im Schwarzwald, aber keines in der Fränkischen Schweiz. Ich weiss heute, dass Bonndorf im Schwarzwald ein Verschickungsheim hatte, und dass es auf alten Bildern so ähnlich aussieht wie das Gebäude, an das ich mich erinnere. Außerdem kann ich mich gut an den fragwürdigen Schokoladenpudding erinnern, den andere vor mir beschrieben haben. Also bin ich wahrscheinlich in Bonndorf im Schwarzwald gewesen.
Meine Erinnerungen an diesen ersten Aufenthalt sind eher spärlich. Ich kann mich an die Abreise und die Zugfahrt erinnern, an das Haus selbst, den Schlafsaal, den Speisesaal, den Spielplatz, aber nicht allzu viel mehr. Ich weiß aber noch genau, dass ich da nicht hin wollte und dass ich, als ich da war, alles nur richtig Scheisse fand.
Ich kann mich an die Tanten nicht deutlich erinnern, jedenfalls nicht als Einzelpersonen. Kollektiv waren sie alle so um die 50 oder vielleicht auch älter, streng, kalt und unfreundlich. Andererseits kann ich mich aber auch erinnern daß ich mit anderen Kindern gespielt habe und auf den Spielplatz herum geklettert bin.
Insgesamt war die erste Verschickung viel zu lang und sie war richtig Scheisse. Wenn’s bei einer Verschickung geblieben wäre, dann wäre es ja gerade nochmal gut gegangen. Es war halt richtig Scheisse aber eben auch nicht schlimmer als richtig Scheisse.
Aber bei einer Verschickung ist es ja nicht geblieben. Im Sommer 1972, im Alter von 7 Jahren, war ich in Bad Reichenhall, und das war um einiges schlimmer als Bonndorf. Anhand des Berichtes von BR24 und den alten Fotos in diesem Bericht kann ich rekonstruieren, dass ich in der Asthma-Kinderheilstätte an der Kurfürstenstraße war. Ich erkenne das Haus und das Nebengebäude wieder, und ich kann sogar das Fenster identifizieren, an dem mein Bett damals stand. Ein Vergleich mit Google Maps zeigt, dass das Haus da gestanden hat, wo ich es erinnere. Meine Erinnerungen an Ereignisse während des Aufenthalts sind gemischt. Ich erinnere mich an ein paar Dinge, die mir Spass gemacht haben. Ich erinnere mich beispielsweise an einen Ausflug nach Salzburg. Wir besuchten das Schloss und die Wasserspiele und ich war fasziniert. Den Predigtstuhl möchte ich auch, besonders die Bergdohlen hatten es mir angetan. Ich erinnere mich, dass wir mehrmals auf dem Predigtstuhl waren, vielleicht wöchentlich. Einmal waren wir mit einer jungen Pflegerin oben. Wir waren eine kleine Gruppe von Kindern, vielleicht vier oder fünf. Als wir von der Seilbahn vom Predigtstuhl zurückkamen, nahm sie uns in ihre Wohnung mit. Es gab Saft und wir haben irgendwas gespielt, und erst dann ging’s wieder ins Heim. Wie das alles ins Bild passt, kann ich heute nicht sagen, aber mir ist es als einer der angenehmen Momente in Erinnerung.
Aber die angenehmen Momente in Bad Reichenhall waren selten. Der Rest meiner Erinnerungen ist bruchstückhaft. Ich erinnere mich an den ersten Tag. Wir kamen morgens an und verbrachten den ganzen tag in den Tagesräumen. Ich weiss dass ich den ganzen Tag geweint habe und alles nur verschwommen gesehen habe wegen der Tränen. Ich weiss auch dass ich deshalb ein paar mal geschimpft worden bin aber einfach nicht zu beruhigen war. Am naechsten Tag Hatte ich keine Tränen mehr, aber die Verzweiflung war immer noch da und sie blieb während der ganzen sechs Wochen. Mir kam das wie eine Ewigkeit vor, aber mit sieben Jahren verstand ich, dass sechs Wochen 42 Tage waren und zählte rückwärts. Jeden
Abend lag ich mit meinem Stofftier, einem schwarzen Kater von dem ich mich auch heute noch nicht trenne, im Bett und erzählte ihm wie lange wir schon da waren wie lange es noch war bis wir wieder nach Hause dürfen, was am Tag passiert war und wie ich es anstelle um da bloß heil wieder rauszukommen. Das alles erzählte ich ihm im leisesten Flüsterton, mit dem Gesicht zum Fenster, damit ja niemand sieht, dass ich die Augen noch offen habe und damit niemand hört, dass ich mit meinem Kater flüstere und was ich sage.
Das mit dem heil da rausgekommen war nicht so einfach, auch wenn mir da sicher wichtige Erinnerungen fehlen. Ich erinnere mich an folgendes: Die ganz normale und ständig wiederholte Drohung der Pflegerinnen war, dass ich nochmal 6 Wochen bleiben müsste, wenn ich mich nicht anständig benehme. Ein einziger Anruf würde genügen und dann wäre alles klar. Davor hatte ich unglaubliche Angst. Sechs Wochen weg von zuhause hatte ich ja schonmal überstanden, aber 12? Unmöglich. Diese Angst saß mir ständig im Nacken.
Dann waren da die Schlägereien. Ich habe nie vorher in nie nachher solche Kämpfe zwischen Kindern erlebt. Da wurde geschlagen, getreten, gebissen und Haare wurden gleich büschelweise ausgerissen, auch meine. Ich weiß das ich einmal mit dem Kopf zuerst in einen Heizkörper geworfen wurde und eine Platzwunde hatte, die versorgt werden musste. Natürlich bin ich da erstmal angebrüllt worden, bevor sich jemand um die Wunde gekümmert hat. Bei einem dieser Kämpfe hat einer der anderen Jungs meinem Kater den Schwanz abgerissen. Meine Welt brach zusammen, denn mein Kater war ja alles, was ich hatte, um mich einigermaßen bei mir selbst zu halten. Als ich ihn den Pflegerinnen zeigte, gab's natürlich erstmal wieder eine Tirade, aber eine von den jüngeren Pflegerinnen hat mir den Kater dann abgenommen, mich dann Frühstück geschickt und ihm den Schwanz wieder angenäht. Nach dem Frühstück hatte ich meinen Kater wieder. Glück gehabt!
Ich erinnere mich, dass es nachts immer wieder Geschrei gab. Ich wurde mitten in der Nacht davon geweckt, aber ich glaube nicht, dass ich damals wusste, worum es ging und heute weiß ich es erst recht nicht. Was ich aber sehr wohl weiss is dass ich mir in einer dieser Nächte die Hosen und das Bett vollgeschissen habe. Mein Schlafanzug war bis zu den Knien hinunter voll, und alles musste im Bad ausgewaschen werden. Ich erinnere mich, dass die Nachtwache mich bei voller Lautstärke angebrüllt hat, scheinbar ohne Luft zu holen. Wieso und warum das passiert ist, kann ich heute nicht mehr sagen. Vielleicht hatte ich einfach Durchfall, oder vielleicht war irgendwas vorgefallen dass mich dermaßen verängstigt hat? Ich weiß es nicht mehr. Das jedenfalls war mein Beitrag zu dem nächtlichen Geplärre.
Andere Impressionen: “Wer ins Solebad pinkelt, läuft schwarz an und bleibt schwarz. Das geht wochenlang nicht ab.” Das Solebad war also jedesmal eine Zitterpartie. Dann gabs da diese Höhenluft Kammer mit Unterdruck und UV Strahlung. Das Ding war winzig, man musste sich bis auf die Unterhose ausziehen und eine rote Taucherbrille tragen. Außer stillsitzen war alles verboten und es war endlos langweilig. Geduscht wurde alle paar Tage, immer mit vier oder fünf Kindern in einer offenen Duschkabine. Ich finde das heute eher befremdlich, aber damals war das eine der weniger bedrohlichen Situationen.
Die Briefe, die wir nach nach Hause schreiben mussten, haben mich damals geärgert und tun das heute noch. Wir wurden in einen Raum mit einer Tafel gesetzt. Auf der Tafel stand der Text unseres Briefes. Den hatten wir abzuschreiben und sonst garnichts. Der Inhalt wurde kontrolliert. Ich habe gerade schreiben gelernt und war mir sicher, dass ich meinen eigenen Brief schreiben konnte. Und meine Eltern würden doch sofort merken, dass das nicht meine Worte sind! Es half aber alles nichts. Es mußte wortwörtlich der Brief of der Tafel geschrieben werden und mir das passte oder nicht war egal. Ausser natürlich, wenn ich vielleicht noch sechs Wochen länger bleiben wollte.
Diese wenigen Erinnerungen stimmen aber nicht mit meiner emotionalen Reaktion überein, weder damals noch heute. Ich hatte damals den Eindruck, dass ich wirklich in Gefahr war, nicht wieder nach Hause zu kommen oder dass mir sonst irgendwas furchtbares passieren könnte. Mein Eindruck war, dass die Leute in diesem Heim mit uns machen könnten, was sie wollten. Ich was ständig in Angst und ständig auf der Hut. Jedenfalls hab’ ich mir geschworen daß ich wenn ich die Kur überstanden habe nie wieder in diese Scheißstadt zurückkommen würde. Gehalten hab’ ich das nicht, aber davon später.
Nach einer von meinem Kater und mir genau bemessenen Ewigkeit kam schließlich der Abreisetag. Wenn ich vorher die Tage gezählt hatte, dann zählte ich jetzt die Stunden bis zur Abreise. Ich kann mich erinnern, wie wir uns zwei und zwei auf dem Bahnhofsvorplatz aufstellen mussten und warten, bis unser Name aufgerufen wurde. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, aber auch das ging irgendwann vorbei. Der Zug fuhr über nacht. Am nächsten Morgen wachte ich auf, als der Zug gerade ankam. Geschafft!
Meine Mutter erzählte gerne, dass meine ersten Worte zuhause “Endlich kann ich in Ruhe scheißen!" waren. Ich soll mich dann auf die Toilette verzogen haben und eine lange Zeit nicht wieder rausgekommen sein. Kann gut sein, aber das sind nicht meine Erinnerungen. Trotzdem ist diese Anekdote ist vielleicht charakteristisch für andere wichtige Dinge, an die mir die Erinnerung entweder ganz fehlt oder nur so undeutlich ist, dass ich mir nicht sicher bin.
Mir fehlen beispielsweise Erinnerungen an die Dinge, die immer wieder als die traumatischen Ereignisse bei diesen Kinderkuren beschrieben werden: Essen, Toilettengang, und Prügel.
Ich kann mich erinnern, wo der Speisesaal war, aber ich habe nicht die geringste Erinnerung an irgendwelche Mahlzeiten, abgesehen von riesigen Tellern voll Marmelade, die zum Frühstück auf den Tischen standen. Toiletten? Aus den Berichten von anderen weiss ich dass die Toiletten in Bad Reichenhall keine Türen hatten and das man nur unter genauer Beobachtung zur Toilette durfte. Erinnern kann ich das nicht, aber es würde meinen Kommentar zu hause erklären. In Bad Reichenhall scheint es ja nicht möglich gewesen zu sein, in Ruhe zu scheissen. Prügelstrafe? Keine Ahnung. Ich hab’ als Kind reichlich Prügel bezogen. Möglich, dass das auch in Bad Reichenhall passiert ist, aber Erinnerungen daran habe ich nicht.
Ich weiss durch den oben erwähnten Report von BR24 auch, dass in Bad Reichenhall sexueller Missbrauch stattgefunden hat. Ich war 1972 da und die Berichte von BR24 beziehen sich auf Ereignisse zwischen 1967 und 1974. Es ist also wahrscheinlich, dass Kindesmißbrauch auch während meines Aufenthaltes stattgefunden hat. Nun scheinen die Täter alle Männer gewesen zu sein, aber ich kann mich an keinen einzigen Mann erinnern. Ich weiss das Abspalten von Erinnerungen ein Schutzmechanismus ist. Und das bringt mich jetzt zu den Folgen meines Aufenthaltes in Bad Reichenhall.
Vorher fühlte ich mich geborgen in meiner Familie und mein Zuhause war mein liebster Ort überhaupt. Aber ich habe mich seither eben nicht mehr sicher gefühlt. Ich hatte Schwierigkeiten mich zu konzentrieren, oder meine Schulsachen (oder sonst irgendwas) in Ordnung zu halten. Ich fühlte mich einfach kaputt, aber ich wußte und weiß bis heute nicht warum. In meiner Erinnerung gibt es kein Trauma, oder wenigstens kein klar definiertes traumatisches Ereignis. Trotzdem habe ich Bad Reichenhall als Hölle in Erinnerung.
Spätere Folgen: Mit 20 Jahren trat ich meinen Zivildienst in einer psychiatrischen Klinik an. Ich habe damals Medikamente ausgegeben, halt alles, was in einer psychiatrischen Klinik so verschrieben wurde: Haldol, Truxal, Neurocil, Melleril, Dipiperon, Rohypnol, Glianimon, um nur einige zu nennen. Viele dieser Medikamente wurden in Tropfenform verschrieben, damit es leichter zu kontrollieren war, ob die Patienten sie auch nehmen. Ich habe also jede Menge dieser Tropfen ausgegeben. Und dabei machte ich eine Entdeckung: Haldol und Dipiperontrophen haben charakteristische Gerüche, die mir sofort bekannt waren. Meine allererste Reaktion war: “Ich hab’ das als Kind genommen!". Das machte aber keinen Sinn, denn ich hatte ja nie eine psychiatrische Diagnose, die diese Medikamente gerechtfertigt hätte. Wann und wo, also hätte ich diese Medikamente nehmen können? Das einzige Szenario, das Sinn ergab, war, dass mir diese Medikamente während meiner Verschickung verabreicht wurden. Aber das schien mir damals unmöglich, denn wie gesagt eine medizinische Begründung gab’s ja nicht. Dass einem ein Heimarzt einfach so Psychopharmaka verschreibt, schien mir weit hergeholt. Schließlich stehen die ja unter behördlicher Aufsicht und haben ihre Approbation zu verlieren, oder?
Ich konnte diesen Widerspruch nie wirklich auflösen, aber ich habe während meines Studiums in der Psychiatrie als Krankenpflegehelfer weitergearbeitet. In meinen zehn Jahren in der Krankenpflege habe ich an allen Tropfen gerochen, die ich in die Finger bekam, um möglicherweise eine andere Erklärung für meine Erinnerungen zu finden. Fazit: Haldol Tropfen riechen wie nichts anderes und nichts anderes riecht wie Haldol. Dasselbe für Dipiperon. Ich bin den Verdacht nie losgeworden dass ich während meiner Verschickung Psychopharmaka bekam. Aber dieser Widerspruch zwischen meiner Überzeugung einerseits dass mir niemand Psychopharmaka verabreicht hat und dass ich meine Erinnerungen an meine Verschickung nach Bad Reichenhall einfach maßlos übertreibe, und meinen halb verschütteten und sehr bedrohlichen Erinnerungen andererseits war schwer zu ertragen.
Im Frühjahr 1987, ich war damals 22 Jahre alt, machte ich von einem Kurzurlaub in München aus deshalb einen Abstecher nach Bad Reichenhall. Ich wollte das Kinderheim finden und mir das genau ansehen. Ich hoffte daß ich zu der Überzeugung gelangen würde dass das einfach nur ein Haus ist, und das da weiter nichts bedrohliches ist. Das hat aber nicht funktioniert, ganz einfach weil ich's nicht gefunden habe. Ich dachte, ich weiß noch ungefähr, wo das war, wie der Weg zum Bahnhof und zur Seilbahnstation geht, und Bad Reichenhall ist ja nicht groß….. Aber das blöde Kinderheim war wie vom Erdboden verschluckt. Heute wiess ich, dass das Kinderheim im Jahr vorher geschlossen wurde. Das Gebäude war zu der Zeit als ich da war möglicherweise schon abgerissen.
Ich habe seitdem es das Internet gibt, alle paar Jahre nach “Kinderkurheim Bad Reichenhall” gesucht, aber nie irgendwas gefunden. Genauer gesagt, bis Dezember 2023. Da fand ich dann die Reportage von BR24 und nach noch ein paar Internetrecherchen ist mir klar, dass meine Erinnerungen wahrscheinlich weder vollständig noch korrekt sind. Aber sie sind zumindest plausibel.
Der Eindruck den ich als Kind hatte scheint richtig zu sein: Die hätten mich damals in dem Heim behalten können solange sie wollen und Gottweiswas mit mir anstellen können. Und die Medikamente waren vermutlich auch kein Hirngespinst. Zumindest bin ich mir heute darüber klar, dass die Gefahr in Bad Reichenhall real war. Deshalb kann ich mir heute aber auch glaubhaft versichern, dass ich da nicht mehr bin, und dass die meisten dieser Dreckschweine schon lange tot sind. Die Frage ist vielmehr, was ich jetzt mache. Wahrscheinlich Traumatherapie, denn die ist wohl ein paar Jahrzehnte überfällig.
Und bevor ich’s vergesse: Das Prädikat “Richtig Scheiße” ist das größte Kompliment das ich fuer Verschickungsheime habe.
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Kerstin Winter aus Herold schrieb am 07.01.2024
Ich, fast 10 jahre alt, war zusammen mit meiner Schwester 7Jahre alt wegen Bronchitis in der Adventszeit 1975 im Ponyhof Schönau zur Kinderkur. Die Berichte, die ich gelesen habe berühren mich und gleichzeitig glaube ich, dass ich auch Glück hatte. In Kulmbach (mit Schild um den Hals) wurden wir in einen Kurswagen Richtung Berchtesgaden gesetzt, ohne das wir wussten wo wir hinfahren. Ich hoffe meine Eltern wusste den Ort. Da wir das mit dem KurswagenZugfahren schon gewohnt waren, war das der einfache Teil. In Berchtesgaden angekommen wurde uns eröffnet, dass wir in zwei verschiedene Einrichtungen sollen. Ich zu den Großen, meine Schwester zu den Kleinen in den Ponyhof. Wir sind in Tränen ausgebrochen und wurden irgendwann auch gefragt warum und zum Glück "Meinen Mutter hatte unsere Sachen in EINEN Koffer gepackt. Das hieß wir durften gemeinsam auf den Ponyhof. Die erste Nacht haben wir aneinandergeklammert in einem Bett geschlafen. Die Erzieherin/Betreuerin hat uns erklärt, dass das nicht erlaubt sei, aber wir ausnahmsweise dürfen. Wir hatten Betten nebeneinander und das war auch die einzige Nacht, die wir in einem Bett verbracht haben, soweit ich mich erinner. Wir haben, wie andere PonyhofKinder in der Adventszeit auch, den Ausflug auf den Königssee mit Echotrompeter gemacht, die Krampusse waren da und ich habe jahrelang davon geträumt auf der Strasse verfolgt zu werden bei Spaziergängen, weil uns gruselige Sachen über die Krampusse erzählt wurden. Trotzdem habe ich dem Nikolaus bei dem Besuch ein Gedicht vorgesagt und wurde für meinen Mut gelobt. Der Junge, der vorher gesagt hat er schmeisst die Krampusse aus dem Haus lag unter der Bank nd durfte da auch sein! Ich erinner mich, das ich ein Vorzeigekind war, die Älteste im Haus immer nett und freundlich und ich habe entweder nichts wirklich Schlechtes erlebt oder es verdrängt. Ich erinner mich auch, dass wir beim Mittagsschlaf Angst hatten, wenn der Freund der Erzieherin in Uniform während der Schlafwache im Flur sass, mehr Angst, als wenn er nicht da war oder die dickere Erzieherin (ich glaube Leni, aber sicher bin ich nicht) Wache hatte. Die war auf jeden Fall entspannter. Das beste war eine Prakitkantin, die ein Zimmer im Haus hatte und uns zu einem Angebot für die Schule gebeten hat. Diese Praktikantin/Auszubildende war für uns ein Engel. Die mochte uns wirklich. Ich habe einen auch etwas älteren Jungen mit schwarzen Haaren sehr gemocht und wir haben viel zusammen gespielt. An das Ponyfoto erinner ich mich und das wir sonst nichts mit den Ponys zu tun hatten, zu meinem Leidwesen. Ich bin schon immer sehr Tier-afin. Sie haben mir damals erklärt, dass die Hufe der Ponys krank sind wegen dem Füttern. Heute weiss ich, dass die Ponys Reheschübe hatten. Die Ponys haben in einem an eine Kapelle erinernden Stall gelebt. Ich hoffe es ging ihnen nicht so schlecht, wie ich vermute. Ich erinner aber auch, dass es einen kleinen Jungen gab der ohne Unterbrechung weinte und in einer Einzelkammer schlafen musste. Ich glaube gedacht nicht als Strafe, aber keiner konnte schlafen mit ihm im Zimmer. Nach spätestens sieben Tagen wurde dieser Junge von seinen Eltern abgeholt. Die Eltern durften das Haus aber nicht betreten, daran erinner ich mich genau. Der Junge hatte einen großen hellen Teddy, den er immer im Arm hielt. Die große Diele, der große Raum mit Kamin und die Stiege nach oben haben mir gefallen, das weiss ich auch noch. Wie das mit dem Essen war erinner ich gar nicht. Ich weiss aber, dass sich die Köchin gefreut hat, dass wir ihre rote Beete geliebt haben. Seitdem mag ich rote Beete, vorher habe ich sie nicht gegessen.
Wir haben auch einen Theaterbesuch gemacht. Ich erinnere einen hohen Schrank mit lauter viereckigen Fächern mit unseren Klamotten. Da mussten wir unsere schicken Sachen abholen und anziehen, bevor wir ins Theater gefahren sind.
Es sind also nicht wirklich beglückende Erinnerungen, aber mein Gefühl erinnert auch keine traumatischen Erlebnisse, bis auf die Ankunft und die Krampusse. Ich meine zu erinnern, ich war anschließend ganz fröhlich. Nach der Kur war ich in der Schule genausogut wie vorher, obwohl es das Übergangsjahr war und wir im Januar Prüfungen geschrieben haben, für die Aufnahme im Gymnasium. Vielleicht habe ich mit dem Ponyhof auch Glück gehabt, wer weis wo ich ohne gemeinsamen Koffer mit meiner Schwester gelandet wäre. Vielleicht habe ich aber auch Sachen verdrängt. Allerdings kam ich an meinem 7.Geburtstag mit Scharlach auf die Isolierstation im Krankenhaus und durfte meine Eltern 10 Tage lang nur durch eine Glasscheiben sehen. Ein Arzt hat dann sehr richtig festgestellt, dass ich im Krankenhaus nicht gesund werde und hat mich, trotz immer noch Fieber, wieder heimgelassen. Das war mein Trauma. Vielleicht erkennt sich der Junge mit dem Teddy oder der Junge mit den schwarzen Haaren, den ich sehr mochte?
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Thomas aus Plochingen schrieb am 07.01.2024
Hallo, ich bin 1965 geboren und kam 1970 in das "Erholungsheim" in Ratzenried, einem Schloss-ähnlichen Gebäude, geführt von Nonnen. Meine Erfahrungen in diesem Heim, haben mich bis heute prägt und dies, obwohl ich "nur" für 4 Wochen dort hin musste. Außer, dass ich an Heuschnupfen litt, wusste ich nicht, wovon ich mich eigentlich erholen sollte. Ab dem ersten Tag war mir klar: Hier geht es um Bestrafung und Züchtigung. Allerdings war mir auch nicht klar, wegen was ich bestraft werde.
Einiges hat sich in mir besonders eingebrannt, das ich hier erzählen möchte. Da war die Situation, dass ich Pipi machen musste. Unter Beobachtung wurde mir vorgeschrieben, nicht die Kloschüssel sondern das Pissoir zu benutzen, welches für mich jedoch zu hoch hing. Dennoch wurde mir befohlen, dort Wasser zu lassen. Als ich erklärte, dass ich da nicht wirklich hochkomme, wurde mir, mit runtergelassenen Hosen, vor dem Pissoir stehend, mit einem Rohrstock der Hintern versohlt. Besonders im Ohr habe ich noch das hämische Lachen, weil es die Dame belustigte, wie ich verzweifelt versuchte auf Zehenspitzen Wasser zu lassen. Auch in Erinnerung blieb mir, dass wir selbst in der Nacht nicht in Ruhe gelassen wurden. In einem sehr großen Schlafsaal, Bett an Bett in Zweierreihen, durch große Tücher, ähnlich einem Lazarett, getrennt von den den nächsten Zweier-Bettreihen, waren wir doch viele Kinder in einem Raum. Selbstverständlich hatten immer mehrere Kinder Heimweh und begannen nachts zu weinen. Die Nonnen die Nachtdienst hatten, wurden sofort wütend, in ihrer Nachtruhe gestört zu werden. Bereits auf dem Gang draußen fluchend, kam immer eine in den Saal, schnappte sich das nächstbeste Kind, manchmal der Reihe nach mehrere, und versohlte ihnen den Hintern mit der Hand oder dem Rohrstock. Wir kamen irgendwie alle dran. Mit der Zeit getraute sich kein Kind mehr, wegen Heimweh zu weinen. Das veranlasste die Nonnen, ab und an durch den Saal zu gehen und uns Angst zu machen. Rührte sich ein Kind falsch, gab es wieder den Rohrstock. Die Nächte waren furchtbar und unterschieden sich daher nicht von den Tagen. Einmal standen wir vor dem Gebäude um eine kleine Wanderung zu machen. Plötzlich öffnete sich ein Fenster aus einem oberen Stockwerk und eine Nonne schüttete eine großen Eimer voller kaltem Wasser über mich. Ich war klatsch nass. Die Nonnen lachten. Ich wollte mich umziehen gehen. Es wurde mir verboten. Ich musste an der Wanderung bei kalten Temperaturen zwei Stunden mitwandern. Ich habe mich damals getraut zu fragen, weshalb sie das denn gemacht hat. Die Antwort war, weil ich dumm sei. Besonders war auch die Schreibstunde, wenn ich mich recht erinnere, jeden Dienstag. Da ich noch nicht zur Schule ging, musste ich die Texte für die Postkarten diktieren. Ich traute mich nicht, zu sagen, was ich tatsächlich meinen Eltern mitteilen möchte. Es wurde mir jedoch immer glaubhaft versichert, ich könne diktieren, was ich möchte, keiner sei böse und sie würden auch genau das schreiben. So bat ich immer, zu schreiben, dass es mir hier nicht gefällt, dass ich täglich geschlagen werde und dass mich meine Eltern doch bitte abholen sollen. Wie ich später von meinen Eltern erfahren habe, stand auf den Postkarten, wie gut es mir gefällt und dass mir das Essen so gut schmeckt etc. In Erinnerung habe ich auch noch, den "Pool". Auf einer großen Wiese mit Hecken drumherum, war ein Becken. Ich schätze, in meiner Erinnerung 4 m auf 3 m maximal. Das Wasser war sehr dreckig, eisigkalt und voller Laub. Wir mussten alle rein, auch wenn wir gar keinen Platz hatten. Es war viel zu kalt dafür und selbstredend wollte keiner in diesem schmutzige Wasser stehen. Es war sehr schlimm für uns. Ich weiß noch, dass ich einen Jungen, ca. in meinem Alter mit seiner Schwester, als Freunde oder eher "Verbündete" hatte, mit denen ich mich immer dort unterhalten habe, ob wir uns getrauen, unbemerkt in der Menge der Kinder, nach dem Baden abzuhauen. Wir taten es natürlich nicht, weil wir nicht wussten wohin. Vieles dieser Zeit, ist verschleiert, an vieles kann ich mich nicht mehr erinnern. Als ich nach den 4 Wochen am Bahnhof meiner Heimatstadt von meinen Eltern abgeholt wurde, sagte ich zu ihnen noch auf dem Bahnsteig, dass ich da nicht mehr hinmöchte weil ich so oft geschlagen wurde. Meine Eltern waren der Meinung, dass ich das nur erfinde, weil ich Heimweh hatte und deshalb nicht mehr nach Ratzenried möchte. Ich habe es bis heute nicht geschafft, meiner Mutter (mein Vater lebt nicht mehr) glaubhaft zu vermitteln, was dort eigentlich mit mir gemacht wurde. Für sie ist es Übertreibung und vor allem ja schon rund 54 Jahre her. ich weiß nicht, was mich mehr beschäftigt. Das was geschehen ist oder, dass einem die eigenen Eltern nie geglaubt haben. Heute als Erwachsener ist mir natürlich längst bewusst, wie groß die Misshandlungen und das Verbrechen an uns Kindern war. Es waren sadistische Züge, die an uns ausgelebt wurden. Ich denke, dass dies folgende Auswirkungen auf mich hatte und hat: Wenn ich mich selbst reflektiere, habe ich ein gesteigertes Schutzbedürfnis für Kinder, insbesondere natürlich für meine eigenen (drei Söhne) Gleichzeitig wurde ich in meinem Verhalten sicher dahin gehend geprägt, dass es mich besonders wütend macht,. ausgelacht zu werden. Ich habe das Lachen der Nonnen heute noch in den Ohren. Ungerechtigkeit macht mich sehr wütend. Ich denke äußerst objektiv, verurteile aber Ungerechtigkeit so streng, dass andere meine heftige Diskussionsweise nicht nachvollziehen können. Es ist oftmals so, als kehre ich in das Heim zurück und sehe heute, was dort betrieben wurde, als geschehe es gerade noch einmal. Schade ist, dass diese Nonnen nie zur Rechenschaft gezogen wurden. Natürlich bin ich aus der Kirche ausgetreten und habe damit auch nichts am Hut. Nicht auszudenken, was mit Kindern geschehen ist, die meine Erlebnisse nicht "nur" 4 Wochen, sondern viel länger mitmachen mussten.
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Martin schrieb am 07.01.2024
Schlechte Erinnerungen an dieses Heim begleiten mich schon seit Jahren: Strafestehen in Unterwäsche im kalten Treppenhaus. Schläge mit der flachen Hand eines männlichen Erziehers. Nackt abbürsten der Haut, eine Wanderung auf die Lausche und wir waren mal in der Ortschaft einkaufen. Hatte mir von meinem Geld einen Feuerroten Plastik Barkas (Spielzeugauto) gekauft, der mir von den Erziehern bei der Heimfahrt gestohlen wurde!
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Anja aus Boizenburg, damals Hamburg schrieb am 06.01.2024
Hallo,
mein Name ich Anja und ich bin jetzt 53 Jahre alt.
Ich war im Juni 1975 für 6 Wochen in Bad Sachsa und im Juni 1977 in Königsfeld.
Ich erinnere mich nur schemenhaft an diese Zeit und weiss nicht genau, was mir widerfahren ist.
Gibt es jemanden, der auch zu dieser Zeit dort war? Jemanden, der Foto von dieser Zeit hat ( ich habe jeweils 2 Fotos, auch mit anderen Kindern drauf)?
Ich wünsche mir Kontakt zu anderen von damals.
LG Anja
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Nora aus FDS schrieb am 06.01.2024
Meine Geschwister und ich waren nach unserer Erinnerung 1992 in Pelzerhaken in meinen ersten Sommerferien mehrere Wochen auf Kinderkur. Ich selbst kann mich an Spiele und viel Beschäftigung erinnern.
In Kassel haben unsere Eltern uns (ich 7, meine Schwester 6 und mein Bruder 4 Jahre) den Betreuern übergeben, mit denen wir in Kleingruppen mit dem Zug gereist sind (mein 4-jähriger Bruder hatte eine fremde Einzelzugbegleitung, die ihn im Zielort übergeben hat).
Erinnern kann ich mich daran, dass wir als Geschwister in getrennten Gruppen untergebracht waren, mein Bruder bei den Jungen.
Weil ich die einzige war, die schon schreiben konnte (1. Klasse), habe ich die Verwandtschaft angeschrieben und um Telefonkarten gebeten, um gemeinsam anrufen zu können.
Meine Geschwister habe ich tagsüber nicht immer, aber zum Essen gesehen. Beim Essen taten uns überhaupt die Kinder leid, die zum Abnehmen dort waren, während wir zunehmen sollten. Meine Schwester und ich wurden sehr oft zu unserem Bruder gerufen, weil er immer geweint und schreckliches Heimweh hatte, das war aber weg, sobald er uns gesehen hatte.
Meine Schwester empfand die Zeit als schlimm, ich habe auch einige schöne Erinnerungen, mein Bruder gar keine. Ob ein Urvertrauen zu unseren Eltern beeinträchtigt wurde, kann ich nicht sagen, vielleicht. Wir kamen nach dem Aufenthalt alle mit Läusen nach Hause zurück und das führte dann nach den Sommerferien auch zu Mobbing in der Grundschule.
Im Nachhinein vermute ich, dass wir dort waren, damit unsere Eltern den Hausumbau abschließen konnten.
In eine Kur ging es danach für uns nicht mehr - zum Glück.
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Petra schrieb am 05.01.2024
Ich habe zufällig in einer Mediathek die Sendungen gesehen und hatte die eine oder andere Erinnerung plötzlich. Ich weiß, dass ich mit 3 Jahren das erste Mal verschickt wurde. Mein Bruder war 1 Jahr älter als ich und war auch dabei. Meine Mutter tat das, damit sie Zeit für sich hatte. Sie hat mit 17 meinen Vater geheiratet (und mit knapp 18 meinen Bruder bekommen), der ebenfalls ein emotionaler Tiefflieger war und hat glaube ich auch ihre Scheidung zeitig vorbereitet. Wie gesagt, wurde ich mit meinem Bruder dann, ich denke 1965, nach Sankt Peter Ording verschickt. Ich hing an ihm wie eine Klette und ihm war es eher lästig. Als wir angekommen sind, wurden wir sofort getrennt. Ich habe die ganze Zeit nur geweint. Das war die einsamste Zeit in meinem Leben. Es gibt ein Foto, da hat man mich kurzzeitig zu meinem Bruder aufs Bett gesetzt weil ich so fürchterlich geweint habe die ganze Zeit. Die Freude sieht man in meinem Gesicht ganz deutlich, mein Bruder guckt nicht ganz so fröhlich. Ich glaube er hatte es auch sehr schwer, er musste immer den starken spielen, er war ja der “große” Bruder dabei war er ja selbst erst 4 Jahre alt.
Wir wurden öfter verschickt, irgendwie einmal im Jahr mindestens, damit meine Mutter “Urlaub” hatte. Ich glaube, sie musste nichts zahlen für diese Verschickungen.
Ich kann mich erinnern, dass wir Mittags immer schlafen mussten in diesen Heimen. Es gab eine Aufsicht (auch abends) die aufgepasst hat, dass keiner das Bett verlässt und das alle ruhig sind.
Ich durfte auch nicht zur Toilette und ich kann mich erinnern, dass ich einmal das Laken zur Seite geschoben habe, mich ganz an den Rand des Bettes gelegt habe und dann gepullert habe. Ich wollte nicht im Nassen liegen.
Immer alles aufessen, daran kann ich mich auch erinnern.
Mich würde interessieren ob man vielleicht jemanden finden kann, der auch 1965 (1966?)in Sankt Peter Ording war. Sehr gerne würde ich Kontakt aufnehmen. Ich bekomme sonst nirgendwo Informationen, meine Mutter weigert sich über Dinge zu sprechen die mich belasten und an denen sie evt. ihren Anteil beigetragen hat und mein Bruder ist mit 46 Jahren an Krebs verstorben. Das macht mich noch immer sehr traurig, wenn ich daran denke.
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Milo Meisenbach aus Lindlar schrieb am 05.01.2024
Ich würde 1969 nach Winterberg geschickt, im Alter von 5 Jahren. Ich erinnere mich nur an blanken Horror. Ich hatte in der Zeit Masern, es ging mir sehr schlecht, und ich wurde tagsüber ganz allein gelassen in dem großen Schlafsaal, der höllisch kalt war. Ich erinnere mich heute noch an ganz furchtbare Fieberträume. Die Nonnen, die mich "betreut" haben, waren alles andere als liebenswert. Mich hat niemand getröstet oder mal gehalten. Das war eine ganz gruselige Zeit. Die restliche Zeit war auch nicht viel besser. Ich erinnere mich eigentlich am meisten daran, daß wir immer gefroren haben. Nur schlechte Erinnerungen. Ich will nicht behaupten, daß es keine positiven Erlebnisse gab, nur habe ich daran überhaupt gar keine Erinnerung.
Milo aus Overath
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Marc schrieb am 04.01.2024
Hallo,auch ich war 1985 im März/April zur "Kur" imnHaus am Schmalensee.Allerdings war es dort(ich war schon 12)einigermaßen okay,im Gegensatz zu meinen früheren Aufenthalte Ende der 70er und Anfang der 80er,denn in dieser Zeit hab ich keine guten Erinnerungen daran,ich sags ganz offen und ehrlich:der Leiter Dr Häußler war ein Sadist und wir hatten alle Angst vor ihm,mehr möcht und kann ich jetzt nicht dazu sagen.
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Sylvia schrieb am 04.01.2024
In den Jahren 1987 bis 1989 war ich für jeweils 3 Wochen im Mai/Juni im Kinderkurheim Rübezahlbaude in Waltersdorf. Mit mir eine bunte Gruppe weiterer Kinder mit Diabetes. Die Krankheit setzt beim Patienten einige Disziplin voraus, so dass auch der Aufenthalt in Bezug auf das Leben nach der Uhr, die Bewegung an der frischen Luft und die erlaubten Kohlenhydrate strenger geregelt war. Aber aus meiner Sicht kam das Kindsein nie zu kurz und ich kann mich überwiegend nur an gute Erzieher (es gibt ja immer den einen "Lehrer", der nicht so gut mit Kindern umgehen kann) und einen sehr empathischen Arzt erinnern. Der Morgensport war sicher kein Spaßtermin, aber die Ausflüge nach Zittau oder in die Schwimmhalle in Hirschfelde, die Wanderungen auf die Berge des Zittauer Gebirge, die Lagerfeuer zur Johannisnacht und die Rhabarber Bowle "Lausche Zische" haben sich bei mir als schöne Erinnerungen eingebrannt. Briefe und Karten an meine Eltern hab ich selbstständig geschrieben. Beim Abschlussfest haben wir Kinder uns ein Unterhaltungsprogramm ausgedacht und vorgeführt. Von Zwang in irgendeiner Weise, Strafen, schlechter Behandlung und Heimweh kann ich gottseidank nicht berichten und hab das auch bei anderen nicht wahrgenommen. Dadurch, dass wir rund um die Uhr zusammen waren und in einem Schlafsaal untergebracht waren, wäre das mit Sicherheit aufgefallen. Ich meine mich aber zu erinnern, dass für unsere Belegschaft teilweise spezielle Betreuer vor Ort waren. Die Erzieherin Frau Petra Goldberg, die aus der Gegend stammte, hat sich jedenfalls gut um uns gekümmert.
Ich schließe nicht aus, dass in dem Heim auch andere Erfahrungen gemacht wurden. Aber ich für meine Person bin immer gerne dort gewesen und meine Wahrnehmung wurde durch keine negativen Erlebnisse überschattet.
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Jürgen schrieb am 04.01.2024
Verschickungsheim: Haus „Waldfriede“ Bonndorf (Schwarzwald) des Caritasverbandes Bonn
Zeitraum-Jahr: Januar bis Februar 1970
Ich war zusammen mit meinem Zwillingsbruder für 6 Wochen in Bonndorf (Schwarzwald) im Haus „Waldfriede“ des Caritasverbandes Bonn. Wir war en gerade erst 4 Jahre alt geworden.
Leider kann ich mich nur an sehr wenige konkrete Bilder und Ereignisse erinnern.
zB
- Angst
- es war immer kalt
- Fenster wurden nachts nicht zugemacht
- Geräusche von irgendwelchen Tieren nachts am Fenster
Vielleicht gibt es ja noch andere, die in der Zeit (Januar/Februar 1970) auch dort waren und sich an die kleinen Zwillinge erinnern können.
Mich würde interessieren was damals dort abgelaufen ist.
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Annette aus Rochlitz schrieb am 04.01.2024
Mein Name ist Annette, mittlerweile 60 Jahre alt, ich war in Rottleberode Dr. Arndts Kurheim für Kinder Anfang der 70-er Jahre zur Kur. Ich muss damals ca. 8 Jahre alt gewesen sein und kann mich kaum an irgendwas erinnern. Nur an den Schlafsaal. Mir geht es da seltsamerweise wie Kerstin, die auch keine Erinnerungen hat. Ich wei� nicht, ob wir gut oder schelcht behandelt worden sind, nur, dass ich gro�es Heimweh hatte und auch später nie mehr in ein Ferienlager wollte...
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Jörg Kausler aus Bodenheim schrieb am 03.01.2024
Im Jahre 1972 wurde ich von Dortmund aus, für 6 Wochen ins Kindererholungsheim nach Mittelberg / Oy mit der Bahn, einem Sammeltransport nach Kempten geschickt. Gerade mal 10 Jahre geworden, meinte man meines Asthmas Herr zu werden, indem man mich ins Allgäu schickt. Sehr wohl weiß ich noch, wie ich zu den Essenszeiten auch beten und bekreuzigen musste, obwohl die katholischen Nonnen wussten, dass ich evangelisch erzogen wurde und war. Widerspruch fúhrte dazu, das die Nonnen direkt an meiner Seite standen und auf meine Bekreuzigung bestanden. Oft durfte ich im Speisesaal in der Ecke stehen und hatte reichlich Zeit mir Gedanken über meine Verweigerung zu machen. Schnell gab ich auf und führte aus was man mir auferlegte. Der Teller musste leer sein, auch wenn’s mal nicht schmeckte.
Es herrschte ein strenger Ton. Gespräche beim Essen, im Schlafsaal, waren nicht geduldet und wurden unterbunden. Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass wir unter Aufsicht einmal, vielleicht auch zwei Mal Postkarten an die Eltern schreiben durften. Nur Gutes!
Im Verlauf von 6 Wochen, durfte ich 1 Mal mit meiner Mutter telefonieren. Kann aber auch sein, dass meine Mutter Druck machte, ein Lebenszeichen von mir zu hören. Ein äußerst kurzes Telefonat fand unter Aufsicht einer der Nonnen im Flur des Langhauses statt und dauerte wohl nur wenige Augenblicke.
Früh, ich meine um 6 Uhr, mussten wir alltäglich aus den Betten. Kalt war es in den Schlafsälen, in den Waschräumen, trotz des Frühlings. Es war schon ein wenig so, wie später in der Grundausbildung bei der Bundeswehr.
Erinnern kann ich mich daran, dass meine negativen Erlebnisse die mich plagten, zuhause kein Gehör fanden. Mir glaubte niemand. Nicht mal meine eigenen Eltern. Darauf baute man auch wohl, wenn der Rohrstock gezückt wunde, in der Ecke stehen angesagt war.

I
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Oswald Kappel aus Rüsselsheim schrieb am 03.01.2024
Ich war 1967 für 6 Wochen in dem Heim weil ich etwas dünn war. Ich war 7 Jahre alt. Ich kann mich an das schlechte Essen erinnern und wenn man darin rumstocherte wurde man sofort ins Bett geschickt, egal ob Mittag oder Abendessen. Wenn man bei dem täglich angeordneten Mittagsschlaf sprach und erwischt wurde (die "Kindertanten" standen oft neben den geöffneten Türen und lauschten) musste man aufstehen und barfuß sich in die Ecke auf den kalten Steinboden im Flur mit dem damals schweren Federbett auf dem Kopf 1 Stunde stellen. Bei der angeordneten Schreibstunde durfte nur positiv geschrieben werden. Die Tanten patrouillierten permanent und schaute den Kindern über die Schulter. Schrieb man was falsches, wurde der Brief zerrissen. Wenn Kinder nach Hause durften behielten sie teilweise Sachen wie Schwimmhilfen oder Spielsachen und stapelten es in einem Raum.
Als ich meinen Schwimmreif erkannte und danach fragte, wurde ich weggezogen und gesagt es wäre nicht meiner.
Es ist jetzt 56 Jahre her, aber das bleibt bis heute im Gedächtnis
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Dirk Schröter aus Ruppichteroth schrieb am 02.01.2024
Hallo, alle miteinander.
Ich heiße Dirk und bin seit etwa 1972 regelmäßig jedes Jahr um die Osterzeit für 6 Wochen auf Borkum in verschiedenen Heimen gewesen.
Ganz am Anfang im Möwennest.
Dann irgendwann so mit etwa 7 oder 8 Jahren einmal im Adolfinenheim und danach noch einige Male im Dünenhaus.
Ich weiß nicht, ob ihr mich nun in der Luft zerreißen werdet, aber ich habe keinerlei (allzu) negative Erfahrungen gemacht. - Nirgendwo!
Beim ersten Mal im Möwennest hatte ich furchtbares Heimweh, das weiß ich noch.
Da war aber eine tolle "Tante" (Betreuerin), die sich Abends mit mir (alle anderen schliefen schon) ins Treppenhaus gesetzt hat und Briefe an meine Eltern schrieb. (Ich konnte ja noch nicht schreiben.)
Gut - da gab es einen garstigen Jungen auf meinem Zimmer, der mich (und die anderen auch) mit seinem Ledergürtel geschlagen hat.
(Wahrscheinlich kannte er das von zuhause.)
Irgendwann war er dann weg.
Danach war alles gut.
Im Adolfinenheim kann ich mich daran erinnern, dass manche zum zunehmen, andere zum abnehmen dort waren.
Die zum zunehmen dort waren, waren echt zu beneiden!
Ich war allerdings zum abnehmen da... 😩
Im Nachhinein muss ich zugeben, dass mir das wirklich für mein weiteres Leben etwas gebracht hat!
Die Pfunde purzelten und ich habe mich super gefühlt!
Ja, nach jedem Abendessen wurde gewogen und alle sind vorher noch schnell aufs Klo geflitzt, damit die Waage bloß nichts falsches anzeigte!
Es waren trotzdem schöne 6 Wochen!
Wir hatten Essen und Trinken genug und es fehlte uns an nichts!
Und, dass die dünnen Kinder Limonade bekamen und wir nur Tee, fanden wir zwar doof, aber nie ungerecht!
Und: Ja, die Osterpäckchen wurden immer unter allen Kindern verteilt.
Allerdings habe ich als Kind schon gemerkt, dass manche Kinder KEIN Päckchen bekamen!
Und da fand ich es nur gerecht, dass die Süßigkeiten verteilt wurden!
Am wohlsten jedoch fühlte ich mich im Dünenhaus!
Ich glaube, Frau Mühe hätte mich am liebsten adoptiert! 😂
Aber diese Funktion hatte ja schon Trixie, ihre Tochter! 😄
Sie war ein Herz von einer Frau und ich mochte sie sehr!
Natürlich konnte sie auch anders - aber da musste es schon bunt und komisch zugehen!
Da waren außerdem sehr tolle Betreuerinnen.
Glaube eine hieß Ute oder Uta und eine Danuta.
Wir haben unglaublich viele schöne Stunden am Strand oder im Wald verbracht.
Haben Sandburgen und Asthütten gebaut und sind sogar ins Kino gegangen!
Einmal in der Woche natürlich auch immer ins Wellenbad!
Es machte übrigens auch keinen Unterschied, ob es draußen regnete, hagelte oder schneite!
Wir waren fast immer draußen!
Kann mich wirklich noch an verschneite Dünen zu Ostern erinnern!
Und wenn ihr fragt, ob mir irgendetwas dort geschadet hätte, müsste ich ehrlich antworten: ich glaube nicht...!

Liebe Grüße. 😉
Administrator-Antwort von: Redaktion
Lieber Dirk
Keiner wird dich in der Luft zerreißen, wofür denn? Wir freuen uns über jeden und jede, die es besser getroffen hat. Auch interessieren uns die Kriterien für positive Erlebnisse in den Verschickungsheimen sehr, daraus können wir viel sehen und lernen. Häufig genannt werden: Sommer, Kontakt mit jungen Betreuerinnen, positive Beziehungsqualität zu einer Ersatzbindungsperson, freies Draußenspiel ohne strenges Reglement, ab 1970, eigenes Alter über 8, uvm. Insofern danke, dass du uns über deine positiven Erfahrungen etwas geschrieben hast! Anja Röhl
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manne aus Hannover schrieb am 31.12.2023
Hallo in die Runde ...

ich bin zufällig über eine Dokumentation der ARD über Verschickungskinder gestolpert und hatte sofort ein Deja Vu zu meiner Kindheit. Ich bin das erste Mal auch für 8 Wochen (also ca. 1965, im Alter von ca. 4 Jahren) nach Baltrum verschickt worden.
https://www.baltrumdirekt.de/Baltrum/Naturhotel-Baltrum/264:235/zimmer.html

Hört sich alles schön an, war aber für mich die HÖLLE. Es gab immer widerlich freche, kalte Betreuerinnen mit einen rauen, schreienden Ton. Völlig unschuldig, bekam ich Schläge, meist auf den Rücken mit einem Teppichklopfer, oder Kleiderbügel, alles wie zu Hause.
Auch jede Menge Backpfeifen gab es zwischendurch.
Das Essen (ich konnte kein fettiges Fleisch, Fisch oder Spinat runterschlucken) wurde in mich regelrecht reingeprügelt. Wenn ich dann erbrochen habe, musste ich den Teller trotzdem mit dem Erbrochenen aufessen, sonst wurde ich in die Ecke gestellt, isoliert oder weggesperrt.
Es gab Spritzen und Medikamente gratis. Wofür die waren, weiß ich leider bis heute nicht.
Ein (oder mehrere) psychisch gestörter Junge ca. 12 J. alt, hatte mich jeden Tag im gefühlten 12-Bett-Zimmer gequält, geschlagen, gedemütigt und u.a. meinen Teddy (meine einzige Bezugsperson von Zuhause) zerrissen. Als ich mich zur Wehr gesetzt habe, wurde ich auch von den Nonnen (oder was auch immer das für Monster waren) wieder mit einem Teppichklopfer bearbeitet.
Es war die Hölle, hatte trotzdem Heimweh, auch wenn ich zu Hause auch oft geprügelt wurde. Sie sagten mir, dass ich niemals mehr nach Hause komme, wenn ich weiterhin so störrisch bin.
Nach 8 Wochen zuhause angekommen, schien meine Mutter das Prügelkonzept mit dem Teppichklopfer direkt wieder übernommen zu haben.
Außerdem hatte ich leider in diesen unendlich langen 8 Wochen das Stottern für mich entdeckt. Es war mir so dermaßen peinlich und brachte mir zu Hause nur weitere Prügel ein. Ich würde mich toll damit finden, habe meine Eltern zu anderen Eltern gesagt.
Nur mit ganz viel Peinlichkeit ob des Stotterns, habe ich es meistens unterdrücken können. Auch heute stottere ich manchmal, was ich aber mit meiner eigenen Technik zu umgehen weiß. Wer mich kennt, weiß aber was das für eine Last für mich ist.
Ich hatte (so wie ich mich jetzt wieder erinnern kann) nach der Kinderverschickung JEDE Woche 1x bis 3x starke Kopfschmerzen, die mich zum Weinen (vielleicht auch zum Schreien) brachten. Die Antwort dazu war ein einsperren in unser Gemeinschaftszimmer, oder oft der Teppichbesen oder Kleiderbügel, um mich ruhig zu stellen. Unzählige Kleiderbügel sind auf meinem Rücken zerschellt.
Woher meine Kopfschmerzen die immer so um die 24 Std. anhielten, kamen (ich hatte diese von ca. 4 Jahren bis 40 Jahren, min. 1-3x pro Woche) ist bis heute ungeklärt. Diese Kopfschmerzen waren immer so heftig, dass ich nur ruhig liegen konnte, teilweise so schlimm, dass ich mich übergeben musste und mehrfach im jugendlichen Alter an Suizid dachte. Seit ich mit 40 Jahren eine Chemotherapie bekam, gingen die Kopfschmerzen komischerweise weg.
Meine Wirbelsäule und meine Knie sehen mit ca. 45 Jahren nachweislich aus, wie bei einem 90 jährigen. Meine Wirbelsäule musste schon bei 7 Wirbel (mit 62 Jahren) versteift werden und meine beiden Knie stehen kurz vor einer Vollprothese. Hier frage ich mich einmal mehr, was wir in diesen Heimen für Medikamente bekommen haben. Ich habe was von Versuchen mit Contergan gehört, um die Kinder ruhig zu stellen, kann es aber (noch) nicht belegen. Mit Contergan wurde damals aber definitiv geforscht und auch an Kindern ausprobiert. Contergan greift stark die Knochen an, was meine schlechte Wirbelsäule & Knie erklären würden.
Außerdem kann ich mich an häufigen eitrigen Ausfluss aus der Hahnröhre erinnern, der mein Glied ständig an der Unterhose festkleben lies. Da es mir peinlich war, hatte ich da nie drüber gesprochen. Ebenso wie über die ganzen anderen Demütigungen.

Ich will keinem etwas unterstellen, aber es ist schon komisch und ich werde recherchieren, was für einen Medikamentencocktail samt dem Fraß, ich damals bekommen habe. Ich habe nun schon von mehreren Fällen mit teilweise noch schlimmeren Verläufen auch mit Kopfschmerzen gehört.

Viele Grüße aus dem Raum Hannover,

manne
man.dorn@web.de
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Beate schrieb am 28.12.2023
Hallo an alle! Heute habe ich durch Zufall im TV ein Interview mit Frau Anja Röhl gesehen, wobei es um die Verschickungskinder und ihr Leid geht. Nun, ich bin auch eins von ihnen.
ganz besonders berührt hat mich der Bericht von Tamara, die als bisher einzige im gleichen Erholungsheim war wie ich, und zwar im "HAUS BATTENFELD" in Bad Rothenfelde.
Ich war 6 Jahre jung, und der Arzt vom Gesundheitsamt befand mich für die Schule als zu dünn. Ich lebte damals mit meinen Eltern in Essen.
Es ging dann imHerbst/ Winter 1964/65 in den Teutoburger Wald, nach Bad Rothenfelde ins "Haus Battenfeld" - ganz alleine, für 6 lange Wochen.
Was soll ich sagen, meine (noch sehr lebhaften) Erinnerungen decken sich in vielem mit denen meiner Schicksalsgenossinnen und Genossen. Mein Zimmer hatte, wie bei Tamara, den Namen "Schneewittchen". Das war aber auch das einzig Märchenhafte an dieser Zeit. Die "Tanten" waren teils Nonnen (jedenfalls in Tracht), teils zivil gekleidet. Als ich mich mal auf einem der langen Gänge verlief, kam eine dieser "Nonnen", fragte mich, was ich da zu suchen hätte, und bekam, noch bevor ich etwas sagen konnte, eine Ohrfeige. Das war die einzige Ohrfeige, die ich in meinem Leben je bekam. das Essen war fürchterlich, aber Gott sei Dank behielt ich es drin. Schlimm waren die festgesetzten Toilettenzeiten. Genau dann "musste" man nicht, aber später dafür um so mehr, wobei es dann unweigerlich in die Hose bzw. ins Bett ging. Ich erinnere mich lebhaft an einen Jungen, der im Waschraum nackt vorgeführt wurde, mit Kot beschmiert, und wir mussten ihn auf Geheiß der "Tanten" auslachen, währenddessen er mit den Wasserschlauch abgespritzt wurde. Als ich eine Angina bekam, weil ich für die Jahreszeit zu dünn gekleidet war (wir bekamen die Kleidung vorgeschrieben), kam ich auf die Krankenstation. Dort war ich im Zimmer mit 4 anderen, zum Teil älteren Mädchen, für die es ein Spaß war, mich schüchternes Ding zu demütigen. ich war wie ein Sklave für die. Eine hieß Pia, ich weiß es noch genau. Die machten sich einen Spaß daraus, mich abends auf die Fensterbank zum Garten hinaus zu stellen, wo sich Jungs aus dem Ort versammelt hatten. Dort stand ich dann mit hochgehobenem Nachthemd und den Schlüpfer an den Knöcheln. Und ich schämte mich entsetzlich. Die Jungs unten johlten. Als ich mich einmal umdrehte, sah ich, wie eine der Mädchen auf mein Kopfkissen urinierte. Ich durfte nichts verraten. Natürlich war ich selber die "Sau". Jeder kann sicherlich nachvollziehen, was solche Dinge bei einem kleinen Mädchen anrichten. Und dann war da noch mein Zeichentalent....weil ich für mein Alter bemerkenswert gut zeichnen konnte, kam die Heimleitung, damals die Frauen Battenfeld, Mutter und Tochter, auf die Idee, ich könnte doch die Illustrationen für ein Kinderbuch erstellen. Es ging dabei um die Geschichte eines Steinzeitjungen und seinem zahmen Stier. Als folgsames Kind machte ich tatsächlich, was man mir auftrug. Die Battenfelds wollten das Buch wohl drucken lassen, aber ich weiß nicht, ob es wirklich dazu gekommen ist. Die hatten doch tatsächlich die Dreistigkeit besessen, Jahre später noch Kontakt zu meinen Eltern aufzunehmen und sie zu bitten, die Zeichnungen von zu Hause aus noch einmal (mit Filzstiften) anzufertigen, da ich mit damals 9, 10 Jahren besser zeichnen konnte als mit 6 Jahren.
Als Belohnung konnte ich die Filzstifte behalten und man schickte mir ein kleines Päckchen mit ein paar Emaillearbeiten, Schale, Anhänger usw. Na toll.
Von den beschämenden Vorgängen im Heim erzählte ich meinen Eltern natürlich kein Wort. Nach den 6 Wochen kam ich übrigens dünner zurück als ich hingekommen bin - obendrein mit einer verschleppten Angina und einer Salmonelleninfektion.
Als ich nach der Heimreise in Essen am Bahnhof endlich von meinen Eltern in Empfang genommen wurde, kam doch tatsächlich diese Pia, das Mädchen, dass mich am meisten gequält hatte, zu mir und bot mir ein Bonbon an. Und ich nahm es, dankend. Wie konnte ich nur so demütig werden. Diese Angst und Demut und der Wunsch, bloß nicht unangenehm aufzufallen, ist bis heute geblieben. Daran hat auch eine Therapie nichts ändern können.
Vielleich liest Tamara dies, da sie ja auch im Haus Battenfeld war ... eventuell auch in diesem Zeitraum?
Das Haus gibt es auch hier im Internet als Postkarte zu kaufen, aber ich trau mich nicht wegen Copyright, da etwas zu posten. man findet es bei Google.
Ob dieses Kinderbuch jemals gedruckt wurde? Ich werde es wohl nie erfahren. Danke, das ich mir das alles mal von der Seele schreiben konnte - und danke fürs Lesen.
Eines möchte ich noch nachtragen: In meinem Fall ging es um sexuelle Gewalt - nicht von Erwachsenen an Kindern, sondern von Kindern an Kinder - aber ich meine, dieses ist nicht weniger schlimm und verurteilenswert.
Beate
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Karsten Timm aus Herdecke schrieb am 27.12.2023
Ich bin Anfang/Mitte der 70er Jahre mehrfach im Seehospitz Norderney gewesen und meine Erinnerungen sind nur negativ an diese Zeit ….alles was ich hier in den Foren gelesen habe lässt mich erinnern und meine negativen Gedanken an diese Zeit hochkommen….ich bin sehr dran interessiert das diese schlimme Zeit die zigtausende von Kindern geprägt hat aufgeklärt wird …..
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Michaela aus Bayern schrieb am 20.12.2023
Meine Erinnerungen an die verschiedenen Heime und meine Erlebnisse sind sehr bruchstückhaft, weder die Namen noch die genauen Ortschaften konnte ich in den letzten Jahren herausfinden. Ich selbst erinnere mich nur an zwei Aufenthalte, einmal mit 4 Jahren, einmal mit 9 Jahren. Meine Mutter hat mir aber glaubhaft versichert, dass ich ein drittes mal irgendwann dazwischen verschickt wurde (Leider hat auch sie keinerlei Unterlagen, einziger Zeuge ist eine Schwarzwaldpuppe mit roten Bommeln auf dem Kopf, die ich bei einer Zwangs-Mitbringsel-Veranstaltung gekauft habe und die noch heute ihre Vitrine ziert. Wie bereits angedeutet, kann ich die einzelnen Erlebnisse auch nur bedingt den Heimen zuordnen, vieles ist in meinen Erinnerungen vermischt. Mit vier Jahren war ich in einem Heim, dass von Schwestern geführt wurde (kann aber auch das zweite gewesen sein), einzig der Oberarzt war ein Mann. Heute kommt mir alles sehr altertümlich vor, der große Schlafsaal mit den Metallbetten, die Angst, Nachts mal zu müssen, die Einsamkeit, Kälte, aber auch das "Gruppenduschen" mit einer Sprenkelanlage von oben, die Höhensonne und die komischen Säftchen und Pillen, die wir zu unserer Gesundheit schlucken mussten. Kontakt zu den Eltern gab es nicht. Einmal ging meine neue rote Brille kaputt, weil sie vom Nachtkästchen fiel, ich wurde heftig geschimpft und durfte einen Tag lang nur zusehen. Einmal wollte ich meinen Kaba nicht mit der "Pelle darauf" trinken, weil ich mich so geekelt habe, ich musste den ganzen Tag vor meiner Tasse sitzen bleiben, bis ich ihn endlich heruntergewürgt hatte. Leider blieb er nicht drin, weshalb mich eine Schwester im Essensaufzug mit nach unten in den Keller nahm, auch der Oberarzt fuhr mit, hier endet die Erinnerung, aber mir wird heut noch schlecht wenn ich das Typische "Kantinenessen" rieche.
An das dritte Heim habe ich die angenehmsten Erinnerungen. Ich war dort zu meinem 9. Geburtstag und durfte "ausnahmsweise" sogar mit meinen Eltern telefonieren, weil ich die Wochen vorher so folgsam und tapfer war. Ein kleiner Junge hatte in dieser Zeit Mumps und wurde mindestens eine Woche von den anderen isoliert. Nachdem ich die Erzieherinnen davon überzeugt hatte, dass ich Mumps bereits hatte und mich somit nicht mehr anstecken könne, durfte ich ihn jeden Tag besuchen und eine Weile mit ihm spielen. Schemenhaft habe ich auch dort vieles mitbekommen, unter dem die anderen Kinder litten. Ich selbst wusste bereits, wie mann sich "vorbildlich benehmen" musste, wenn man keinen Ärger bekommen wollte. Leider begleitet mich diese Eigenschaft nun mein ganzes Leben. Immer noch habe ich eine Solche Angst davor, Fehler zu machen und zu versagen, dass ich bereits vorher für alle Katastrophenszenarien einen Fluchtplan haben muss und niemals den Überblick/ die Kontrolle verlieren darf. Am schlimmsten war für mich jedoch, dass mir niemand meine Erlebnisse glaubte und ich oft als "Märchenerzähler" betitelt wurde, der "immer maßlos übertreibt", bis ich mir selbst nicht mehr sicher war (und heute noch bin), welche Erlebnisse echt und welche erfunden waren. Auf solch einer Grundlage ist es mir bis heute unmöglich, innige und dauerhafte Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Gottseidank ist meine Tochter vor einiger Zeit durch Zufall auf das Thema mit den Verschickungskindern gestossen und hat sich daran erinnert, was ich ihr über meine "Post-Verschickungen" erzählt habe. So konnte ich mich vor mir selbst (teilweise) rehabilitieren, und fange gerade an die Bruchstücke, die nun immer wieder in meinem Gedächtnis auftauchen zusammenzusetzen und zu sortieren. Ich bin im Herzen und in Gedanken bei all denen, die es schlimmer erwischt hat als mich und danke für all den Mut und die Kraft diese Geschehnisse ans Licht zu bringen und aufzuarbeiten.
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Anja aus Freudenstadt schrieb am 20.12.2023
Ich war sicher in Freudenstadt, in welchem Heim weiß ich nicht, abends wurde "Der Mond ist aufgegangen" gesungen

Ich war 4 oder 5, das heißt, es muss 1972 oder 1973 gewesen sein.

Ich erinner mich an die Schlafsäle. Ich lag an der Wand und am Kopfende rechts kam irgendwie ein Heizungsrohr aus der Wand.

Ich hatte ganz furchtbares Heimweh, habe gebetet, dass ich aufwache und alles nur ein Traum ist. Ich habe dann immer mit geschlossenen Augen nach der Wand getastet und wenn ich das "Rohr" gefühlt habe, wusste ich, es ist noch nicht vorbei.

Ich erinner mich an riesige, weißgekachelte Waschsäle und daran, dass ich nackt mit den anderen Kindern in einer riesigen Dusche stand und wir alle mit einem Gartenschlauch eiskalt abgespritzt wurden, Das Geschrei der Verzweiflung höre ich heute noch, ich weiß, dass wir alle immer versucht haben, dem Wasserstrahl auszuweichen und dann erst richtig draufgehalten wurde.

Ich erinnere mich an Holztische in einem Raum, der aussah wie in einer gutbürgerlichen Gastronomie. Es gab eine Eckbank mit roten Sitzkissen, ich weiß, dass ich da mal mit einer "Betreuerin" saß und einen Brief nach Hause diktiert habe. Ich habe geweint und gesagt, sie soll schreiben, dass ich nach Hause will. Später habe ich erfahren, dass in dem Brief stand, wie gut es mir geht und wie sehr es mir gefällt.

Ich habe nachts geweint, habe nicht getraut mich zu bewegen und versucht ganz still zu sein. Trotzdem wurde ich jede Nacht barfuß und nur mit Unterhose in den eiskalten Flur in eine Ecke gestellt, damit ich lerne mich zu benehmen und die anderen Kinder mit meiner Weinerei nicht aufwecke.

Es gab auf dem Flur irgendwie so ein "Glashäuschen" in dem jemand saß.

Es gab Wanderungen im Schnee, wir sind durch einen Wald gegangen, es ging ziemlich steil runter und haben gesungen. Was wir gesungen haben weiß ich nicht mehr.

Ich erinner mich, dass ich mit anderen Mädchen in Unterhose in einer Reihe stand. Wir hatten alle sehr lange Haare, diese wurden uns raspelkurz abgeschnitten, warum weiß ich nicht mehr.

Die andern Mädchen und ich haben geschrieen und wir wurden festegehalten. Ich weiß, dass ich dann immer mit meiner Hand über meinen Kopf gestrichen habe und es sich ganz hart und komisch angefühlt hat.

Es gab komisches Essen, was genau, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich an irgendeinen weißen Brei und an sowas wie Stollen. Es musste alles aufgegessen werden, auch wenn einem schon schlecht war.

Ich schleppe das seit Jahren mit mir herumg, habe zig Therapien gemacht wegen Panikattacken und Herzangst. Ich bin heute noch bemüht, nur nicht aufzufallen und es jedem Recht zu machen, auch über meine eigene Grenze hinaus.

Ich hoffe, dass die Erinnerung, die jetzt in meiner neuen Therapie langsam hochkommt, mir hilft, das Trauma aktiv zu bewältigen
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Vanessa aus Marburg schrieb am 18.12.2023
Ich bin hier im Forum noch eine junge Frau (*1979) Es wird u.a. mit meiner Geschichte hier deutlich, wie lange diese Verschickungen in ihrer Brutalität noch vollzogen worden. Ich selbst habe meine letzte Erfahrungen dort 1991 gemacht. Zu dieser Zeit hatte der Ort nichts an seinem Grauen eingebüsst.
Wegen schwerem Asthmas wurde ich mit drei Jahren zum ersten Mal für drei Monate nach Norderney geschickt. Dort schrie und weinte ich wegen Heimweh praktisch drei Monate durch. Ich verstand überhaupt nicht, was los war, dachte meine Eltern hätten mich abgegeben. Dort wurde ich nicht aufgefangen, sondern beschimpft und bestraft. Bis ich 12 Jahre alt war, kam ich ca 6 Mal dorthin, dann immer für 6 Wochen.
Wir wurden herzlos und streng behandelt. Die Kinder in meinem Heim waren tatsächlich sehr krank, die meisten Asthamtiker*innen, Neurodermitis oder beides, niemand nahm sich emotional unser an, obwohl wir diverse Leiden und Probleme hatten. Zum Beipiel wurden Kinder mit Neurodermitis nachts an Bet festegebunden, damit sie sich nicht kratzen konnten. Auf ihr Weinen und Rufen reagierte niemand.
Es gab einen strengen Drill, sehr frühes Aufstehn, dann Gymnastk, dann Sauna, dann Fürhstück, dann Abhärten und so weiter.
Wir wurden zur Abhärtung im Winter in die eisige Nordsee geschickt, wenn Schnee lag, mussten wir uns im Badeanzug im Schnee aufhalten und abreiben. Es war eine Tortur. Einmal bekam ich eine schwere Lungenentzündung davon. Die Symptome wurden zunächst trotz meiner Klage abgetan. Dann bekam ich schweres Fieber, ich wurde ins Bett gesteckt, aber immer, wenn das Fieber sank, musste ich wieder aufstehen und am Alltag teilnehmen, so kam es immer wieder und ich blieb wochenlang krank. Irgendwann kam ich endlich an den Tropf. Ich wurde auch während der Krankheit, halb im Delirium zum Essen gezwungen.
Kontakt zu meinen Eltern gab es kaum bis gar nicht, als ich wieder nach Hause kam, habe ich mit meinem Vater nicht mehr gesprochen.
Die schwere pädagosche Folter, die ich erfuhr, durch lieblosen, verachtenden, fast schon militärischen Umgang habe ich auch Anfang der 90er Jahre dort noch erlebt. Zudem erlebet ich vieles, was hier von anderen geschildert wird: Demütigung, Strafen, Essenszwang, emotionale Verwahrlosung, Verneinung und Abwertung meines Wesens, Trennung von Eltern, von andren Kindern. Zudem körperliche Folter durch die Abhärtungen, Falschbehandlung von ernstzunehmenden Erkrankungen. Lange dachte ich, ich wäre quasi alleine mit der Ehrfahrung, bis Anja Röhl bei uns in Marburg eine Lesung gab und mir bewusst machte, was neben dem Alleinsein mein größter Schmerz ist: Das Gefühl. das meine Eltern mich nicht davor beschützt haben. Meine Mutter leidet selbst darunter. Ärtzte drohten ihr, daß ich sterben würde, wenn sie mich nicht zur Kur gäbe. Jetzt darf die Aufarbeitung dank diese Initative hier endlich beginnen. Danke
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Manuela aus Wuppertal schrieb am 15.12.2023
Hallo zusammen!
Ich war im Alter von 4 bzw. 5 Jahren (ich hatte während des Aufenthalts Geburtstag) in Berchtesgaden, „Haus Schönau“, über die Barmer EK aufgrund von Bronchialasthma. Nach dem Aufenthalt ging es mir gesundheitlich schlechter als zuvor. Ich erinnere mich noch gut an den großen Saal zum Essen und die „Spieleecke“ für Kinder, die erkrankt waren. Wir mussten am Tisch sitzen, bis alles aufgegessen war und es gab ganz oft Milchbrei oder ganz süße Suppen. Ich mag davon gar nichts mehr heute essen. Wenn das Wetter schlecht war, gingen wir wandern und der Regen peitschte uns ins Gesicht, sodass wir Husten und Fieber bekamen. Nachts herrschte strenge Nachtruhe und wer sich nicht daran hielt, musste mit nackten Füßen im Schlafanzug auf einem Stuhl im Flur sitzen. Auch mittags wurde geschlafen. Ich hatte unendliches Heimweh und, da im Heim Mumps grassierte, verlängerte sich der Aufenthalt auf 3 1/2 Monate. Für Untersuchungen mussten wir uns nackt ausziehen und das Fieberthermometer wurde uns in den Po gesteckt. Ich erinnere mich außerdem noch an einen ledernen grünen Rücksack, den wir für die „Reise“ erhalten hatten, und an Lieder, die wir auf dem Hin- und Rückweg in der Bahn sangen. In allen Kleidungsstücken und Handtüchern stand mein Name. Vor Ort wurden meine Dinge auch schonmal an andere abgegeben.
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Elke aus Köln schrieb am 05.12.2023
Ich erinnere mich nur an ein paar wenige Dinge: Mit 5 wurde ich für 5-6 Wochen nach Borkum geschickt, da ich nicht gut gegessen habe und öfter Infekte hatte. An schlechten Erinnerungen ist bei mir hängen geblieben, dass man im Schlafsaal, wenn einem vom Nachbarn die Decke runtergezogen wurde und man beim wieder hochheben erwischt wurde von den Nonnen beschimpft wurde. Man droht mir auch, mich ins Nebengebäude zu den Jungen zu schicken. Beim Essen musste man sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war, Päckcheninhalte wurde an alle im Zimmer verteilt, Postkarten wurden geschönt, da ich noch nicht schreiben konnte…Was ich als schlimm empfunden habe waren die Wechselduschen, denn wenn man bei kaltem Wasser an den Rand sprang, haben die Nonnen einen wieder unter das kalte Wasser geschoben. Mir sind nur diese Dinge hängen geblieben, alle vielleicht schönen Dinge leider nicht.
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Elisabeth schrieb am 05.12.2023
Ich war im Alter von 7 Jahren aufgrund ständiger Infekte auf einer "Kur" in Pelzerhaken in "Gruppe 4". In Mannheim wurde ich am Bahnhof mit einer netten alten Dame als Begleitung per Zug auf die lange Reise geschickt. Es war schrecklich weit. Ich erinnere mich, dass die Gruppenleitung gleich unser Briefpapier in ihrem Büro eingeschlossen hat und dann ging sie in Urlaub. Dass ich nicht nachhause schreiben konnte (mit meiner Erstklässlerschrift), war für mich eine Katastrophe. Meine Mutter schrieb mir Briefe und fragte, warum ich nicht antworte. Mein Hauptproblem war schreckliches Heimweh. Die Spaziergänge am Strand, das Inhalieren, die Turnhalle, das Tanzen in einem runden Gebäude habe ich als ganz schön bzw. interessant in Erinnerung. Wir haben bei einer Art Atemtherapie mit Bewegung mit einer netten Therapeutin Lieder gesungen, die ich heute noch kann. Aber wenn wir in der Gruppe waren, dann gab es keine Spielsachen und es war sehr langweilig. Ein Lichtblick war eine Praktikantin aus Schweden (Annalena?). Sie hat mit uns schwedische Kinderlieder gesungen und ich liebte sie sehr. Ihre Eltern waren mit dem Wohnwagen auf dem Campingplatz und die haben wir mal mit Ihr besucht. Die waren so freudlich und winkten uns aus dem Wohnwagen, das war das Highlight in den so langen 6 Wochen. Ich habe das mit der Wäsche auch nicht hingekriegt. Ich glaube, ich hatte 6 Wochen die gleichen Socken an. In meinem Schlafzimmer waren auch Kinder mit körperlichen Behinderungen. Ein Mädchen konnte nicht sprechen und wir Sprechenden haben uns laut über sie unterhalten. Kein Erwachsener hat uns mal erklärt, was das Mädchen hat und was wir mit ihr spielen könnten, dass wir respektvoll mit ihr sein sollen. Das tut mir heute noch leid. Dann wurde ich krank. Ich habe versucht, es geheim zu halten aus Angst, nicht heim zu dürfen. Als ich die Halsschmerzen nicht mehr ausgehalten habe, habe ich mich geoutet. Mir wurde gesagt, ich solle zur Krankenstation laufen und vor der Tür nach "Schwester Heidi" rufen. Das habe ich auch ganz leise getan und gehofft, dass keiner kommt. Durch meine Krankengeschichte hatte ich große Angst vor Ärzten und allem Medizinischen. Unverrichteter Dinge bin ich zurück gekommen. Ich bekam keine Hilfe oder Medikamente. Ich habe durchgehalten und war auch auf der Rückfahrt hoch fiebrig und schlapp. Wir mussten damals in Kassel Hbf umsteigen und ich konnte kaum laufen. Zuhause habe ich dann mit meinen Eltern gefremdelt. Ich war so am Ende, dass ich 2 Wochen krank im Bett lag. Meine Mutter hat sich danach bei der Krankenkasse über das Heim beschwert. Meinen letzten Albtraum von der Kur hatte ich mit 16. Meiner Meinung nach, kann ein Kind nicht gesund werden, wenn es mit 7 alleine irgendwo hin geschickt wird. Das ist so eine Überforderung und traumatisierend! Und dabei hatte ich es noch vergleichsweise gut. Ich habe glücklicherweise keine Gewalt erlebt und gute Menschen getroffen. Als ich selbst Kinder hatte und ich gesehen habe, wie bedürftig und verletztlich die sind, wurde ich wieder an die "Kur" erinnert und ich war entsetzt, was man uns Kindern da zugemutet hat. Ich hätte alternativ mit meiner Mutter in eine Kur fahren können. Wir hätte eine gute Zeit gehabt und ich hätte gesundheitlich profitiert.
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Barbara aus Raum Bremen schrieb am 04.12.2023
Schön, dass ich mich mit meiner Wahrnehmung meiner sogenannten Erholungszeit nicht alleine fühle und mir als Zehnjähriger nichts eingebildet habe hier einige Stichworte meiner Leidenszeit Erbrochenes musste gegessen werden
-- eine Unterdrückungstechnik war, dass ist es viel zu wenig zu trinken gab während der ganzen sechs Wochen.
Beim Zähneputzen versuchte man dann so viel Wasser zu trinken wie möglich aber man wurde oft von dem beobachtenden Schwestern gestoppt.

Es fanden eigentlich gar keine Ausflüge statt
Auf diesen ganz seltenen Ausflügen aßen wir heimlich Sauerampfer gegen den Durst.

Abends und nachts mussten wir auf der rechten Seite schlafen sonst würde man entsprechend hin geschubst und beim zweiten Mal dann ohne Deckel in einem Abstellraum geschoben.

Ich habe natürlich die andere öfter eingenässt und musste morgens beschämt vor den anderen das Laken wechseln.

Das Osterpaket meiner Mutter mit Süßigkeiten wurde zwischen den Schwestern aufgeteilt ich bekam nur ihre Postkarte.

Übrigens werde ich den Namen der beiden Schwestern wohl nie vergessen ..
Schwester Elvira und Schwester Jutta
Wieder zu Hause glaubt mir keiner..

--
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sandra aus Söhrewald schrieb am 03.12.2023
Im Alter von 5 Jahren wegen Asthmas dort für 6 Wochen gewesen. Erinnere mich bis heute an den Essiggeruch; die Schlange anstehen mit dem Löffel in der Hand bis hin zum großen Honigtopf. Nackt im Garten herumspringen, mit eiskaltem Wasser aus dem Schlauch abgespritzt werden. Einen Waldweg entlangrennen bis ich den Geschmack von Blut in meinem Mund verspürte. Kein Wunder, dass es nicht lang dauerte bis auch ich unterm Dach in einem Einzelzimmer verschwunden war. Ich meine mich allerdings daran zu erinnern, dass man mich mit fruchtigen Kaubonbons von Suchard offenbar versuchte, aufzumuntern. Vielleicht drückte auch das schlechte Gewissen? Wer über Nacht ins Bett gemacht hatte, dessen Betttuch wurde morgens beim Frühstück hochgehalten und namentlich genannt (ich selbst war auch einmal dabei, jedoch war das vorher niemals der Fall gewesen). Ich erinnere mich an das Brief schreiben nach Hause, da ich ja nur malen konnte.. die Sätze wurden quasi vordiktiert. Einen Brief sowie die Packliste und Endabrechnung habe ich noch. Auch erinnere ich mich an eine merkwürdige "Verkaufveranstaltung", bei der man Souvenirs für zuhause kaufen konnte. Ein braunes Tonhühnchen, das ich damals für meine Mutter kaufte, nenne ich noch heute mein Eigentum. Ist 4 cm groß und hat meine Mutter damals schon stolze 2,60 DM gekostet...nun lebt sie seit 18 Jahren nicht mehr und ich hab es als "Mahnmal" aufgehoben.
Hier kommt mir so viel Gelesenes erschreckend bekannt vor. Inwieweit dieser Aufenthalt und ein weiterer ein Jahr später (glücklicherweise in einem anderen Kurheim) zu meinen Bindungsstörungen beigetragen hat, weiß der....ich weiß nur, dass ich mit diesen 6 Wochen meines Lebens nur Trauer, Angst und Schrecken verbinde, ein einziger Lichtblick waren die Karl-May- Festspiele, zu denen wir gefahren sind. Ich bin kränker nach Hause, als ich hingekommen bin.
Mein Mitgefühl mit allen Betroffenen.
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Helke aus Hamburg schrieb am 29.11.2023
Guten Tag,
im Herbst 1979, im Alter von 10 Jahren, war ich für vier Wochen im Kinderheim Berghalde in Fischen im Allgäu und kann nur Gutes berichten. Ich war untergewichtig und hatte Probleme mit den Atemwegen.
Die Heimleiterin und die Betreuerinnen waren sehr kinderlieb und nett zu uns Kindern und wir gingen jeden Tag raus in die Umgebung, machten Geländespiele, spielten am Bach usw.
Das Essen war in Ordnung und wenn jemand Heimweh hatte, wurde sich um ihn gekümmert. Jeden Abend wurde eine Geschichte vorgelesen und wir durften aus unserem "Schleckerkasten", das waren Süßigkeiten, die unsere Eltern uns geschickt hatten, etwas naschen. Tagsüber wurden die Süßigkeiten verwahrt.
Als unerwartet 30 cm Schnee gefallen waren, schwebten wir Kinder aus Hamburg im siebten Himmel und es wurden dreißig Schlitten aus einem Schuppen herbeigezaubert und wir hatten riesigen Spaß. Außerdem wurde für den Abend eine gigantische Schneeballschlacht gegen einige Kinder aus dem Ort organisiert.
Es tut mir sehr leid für alle, die als Verschickungskinder schlimme Erfahrungen gemacht haben! Gleichzeitig ist es mir wichtig zu sagen, dass im Kinderheim Berghalde, damals aber sehr gut und liebevoll mit uns umgegangen wurde und meine Probleme mit den Atemwegen waren anschließend auch weg.
Liebe Grüße Helke
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Britta aus Löhne schrieb am 26.11.2023
Ich bin im Jahr 1969 im Alter von 4 Jahren über die Post für 6 Wochen nach Ratzenried verschickt worden. Ich war ein schmächtiger Kind und sollte dort zur Erholung hin.
Ich habe nur wenige Erinnerungen daran, aber das, woran ich mich erinnere, sorgt bei mir heute für große Probleme.
Ich würde in meinem Heimatort von meinen Eltern zu einer mir völlig fremden Frau gesetzt, die uns nach Ratzenried begleitet hat.
Ich weiß noch, dass wir in einem "riesigen" Schlafsaal geschlafen haben. Ich war alleine verschickt worden, kannte niemanden dort. Im Schlafsaal durfte man keinen Laut von sich geben, sonst kamen die Schwestern, nahmen einen mit. Teilweise musste man alleine in einem Raum bleiben. Ob es Schläge gab, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich glaube aber, ja. Wenn man Heimweh hatte und geweint hat, hat man versucht ins Kissen zu weinen, damit es ja niemand hört.
Beim Essen musste immer alles aufgegessen werden, egal ob man es möchte oder vertrug. Wenn man sich erbrach, musste auch das gegessen werden. Ich weiß, dass ich einmal meinem Tischnachbarn mein Käsebrot gegeben habe. Wir würden erwischt, es gab Schläge und ich kam alleine in ein Zimmer. Keine Ahnung, wie lange. In meiner Erinnerung war es eine Ewigkeit.
Auch mussten wir "Briefe" nach Hause schreiben oder malen. Es dürfte nichts schlechtes über das Heim oder die Schwestern drin stehen oder dass man Heimweh hatte. Dann gab es Sanktionen und der Brief würde zerrissen.
Ich weiß noch, dass ich mich einmal auf dem Spielplatz mit einem Jungen geschlagen habe. Dafür wurde ich dann auch wieder "weggesperrt".
Der Aufenthalt dort hat bei mir ein tiefes Trauma hinterlassen.

Trotzdem hatte ich dann 2 Jahre später wieder das Vergnügen verschickt zu werden. Diesmal an die Nordsee nach Cuxhaven.
Die Erinnerung daran ist zum Glück nicht ganz so negativ belegt.
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Hubertus Pütz aus Bovenden schrieb am 26.11.2023
Heim Nußdorf Inn, mit Unterernährung angereist, weiterer Gewichtsverlust in Folge, Blasenschwäche entwickelt bei Heimweh und fehlenden Kontakt..
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Hans aus Lunden schrieb am 26.11.2023
Hallo Community,
ich war 4 x in verschiedenen Heimen.
Auf Föhr wurden wir im Roten Kreuz Heim anständig behandelt. Muss auch mal gesagt werden.
In Neustadt and Ostsee habe ich mich an Weltkrieg 2 Munition ziemlich verletzt weil die "Tante" uns an einem Strandabschnitt spazieren lies, der bekanntermaßen von alter Munition verseucht war.
In Muggendorf war es eigentlich auch ok bis auf den Essenszwang. Ach so: Bettnässen wurde mit Flüssigkeitsentzug bestraft.
Der Aufenthalt in Schorndorf war schlimm.
Es war ein von Nonnen geführtes Heim, eine absolute Tyrannei . Seitdem, ich muss es so hart sagen: hasse ich Nonnen.
Als einzelnes Kind wurde ich im Gewölbekeller eingeschlossen, weil ich nicht schnell genug meine Schuhe zubinden konnte. Dort wurde ich stundenlang bei absoluter Dunkelheit weggesperrt.
Das nennt man heute Folter.
Da ist es ja schon harmlos, dass unser Pfarrer mich regelmäßig verprügelte. ...
War wohl damals so der Umgang mit Besatzungskindern.
Habs überstanden, alles ganz tief vergraben,
meine Sandkastenliebe geheiratet und bis heute ein ganz tolles Leben
Liebe Grüsse Hans
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Gudrun aus Langenhagen schrieb am 26.11.2023
Ich wurde mit 10 Jahren in ein Erholungsheim der Caritas nach Bad Orb im Spessart geschickt, für 6 Wochen. Den Angaben nach war ich anämisch und leicht untergewichtig. Die Kinder waren, nach Geschlecht getrennt, in Zweibettzimmern untergebracht. Die Leitung des Heims hatten Nonnen. Es herrschte insgesamt ein autoritärer, strenger Drill. Regelmäßige Untersuchungen und sogenannte Leibeserziehung waren Pflicht. Ich hatte im Jahr zuvor einen komplizierten Schienbeinbruch und war immer noch etwas gehandicapt in der Bewegung, dennoch wurde ich zu den Sportübungen gezwungen, etwaige Verletzungen wurden in Kauf genommen. Es gab Schlaf- und Esszwang, auch Kinder in meinem Alter wurden zum Mittagsschlaf gezwungen. Während der Schlafenszeiten durften die Toiletten nicht aufgesucht werden, unter den Betten stand jeweils ein Nachttopf. Ging etwas daneben, gab es Schläge und Strafen. Wir durften Briefe nach Hause schreiben, die allerdings, wie wir später erfuhren, nie dort ankamen. Meine Eltern wähnten mich in guter Obhut und glaubten mir auch später nicht wirklich, was dort geschehen war. Es gab durchaus auch nette Aktivitäten, die allerdings das Negative nicht wettmachten. Das, was ich dort erlebt habe, war auch mit verantwortlich für spätere Probleme, die mein Leben beeinflusst haben. Das ist mir aber erst sehr viel später klar geworden. Nach meiner Rückkehr hatte ich immer wieder Panikattacken, meistens in der Nacht, die ich als Kind nicht einordnen konnte und auch verheimlicht habe. Angstzustände traten über Jahrzehnte immer wieder mal auf, ich konnte aber gut damit umgehen und habe im späteren Leben durch eine Therapie viel aufarbeiten können. Ich schreibe diesen Bericht in der Hoffnung, dass zu diesem Thema noch viel mehr aufgearbeitet und erforscht wird und Kinder so etwas nie wieder erleben müssen.
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Möchte ich nicht mitteilen schrieb am 25.11.2023
Ich war 1976 in dem Seehospiz auf Norderney. Zufällig bin ich durch einen Bericht auf NTV auf Ihren Verein aufmerksam geworden. Ich hätte diesen Artikel nicht lesen dürfen. Er hat alte Wunden geöffnet. Sie waren nie verheilt und haben mein Leben im Unterbewusstsein gesteuert. Ich kann meine Tränen nicht zurückhalten. Es war so schlimm was den Kindern damals angetan wurde. So schlimm.
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Torsten aus Geestland schrieb am 25.11.2023
Ich wurde aufgrund meines Gesundheitszustandes im Alter von 7 Jahren für 6 Wochen nach Bad Sachsa in das Haus 'Bergfrieden' verschickt. Die Dinge, die eine andere Betroffene geschildert hat, kann ich nur bestätigen weil ich sie selbst genau so erlebt habe. Das Essen musste aufgegessen werden. Kam es aufgrund dessen zum Erbrechen, musste das Erbrochene wieder gegessen werden. Einem Jungen kam das Erbrochene aus der Nase und auch er musste alles nochmal essen.
Postkarten wurden erst in Kladde auf einem Zettel geschrieben und nach Korrektur durch die Aufseher (ich weiß nicht wie man die Leute sonst nennen kann) kontrolliert, korrigiert und dann mussten wir die Postkarten mit dem genehmigten Text ausfüllen.
Vor dem Schlafengehen mussten immer alle aufs Klo gehen und als ich das mal nicht konnte, dafür aber eine Stunde später musste, hat mich eine der Aufseherinnen dabei erwischt. In meiner Angst bin ich vor ihr weggelaufen und habe mich in meinem 8-Betten-Zimmer im Schrank versteckt. Dort hatte sie mich schnell aufgespürt und mit einem Kleiderbügel verdroschen. Zur Strafe musste ich danach draußen vor der Zimmertür hocken. Erst nach mehreren Stunden durfte ich völlig durchgefroren wieder ins Bett.
Ich erinnere mich auch mal an einen Ausflug in den Wald aber die meisten Erinnerungen habe ich immer noch an die Brutalität der Erwachsenen. Es war schrecklich.
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Annett Schoppnies aus Vechelde schrieb am 24.11.2023
Kam kurz vor meinem 9. Geburtstag 1980 für mehrere Wochen ins Kindererholungsheim Bad Brambach. Ich war insofern traumatisiert, weil meine Mutter mich wegen ihrer eigenen Überforderung dahin geschickt hatte. Ohne Gründe oder vorherige Ansagen. Ich fühlte mich in diesen Wochen dort sehr einsam und verlassen. Es kam nur einmal ein Paket zu meinem Geburtstag. Mehr nicht. Negativ in Erinnerung war das Essen. Ich wurde mit Bestrafung und Zwang genötigt, Dinge zu essen, die ich nicht mochte. Zum Beispiel Fettstücke in der Suppe, wovon mir immer schlecht wurde. Ich musste stundenlang allein am Tisch sitzen, bis ich dieses Fett gegessen hatte Willen berechen. Das war schlimm. Alles war sehr streng und disziplinär. Nur ein Betreuer war wirklich toll. Er ging mit uns stundenlang auf Bergkristallsuche bei den Steinminen in der Umgebung. Das hatte was von Freiheit und Leichtigkeit. Zur Erinnerung an diesen Menschen habe ich heute noch diese Bergkristalle.
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Iris Stübiger aus 86972 Altenstadt schrieb am 20.11.2023
Mein Name ist Iris ich war im Alter von 8 Jahren im Mai/Juni für 6 Wochen im Kindererhohlungsheim Haus Marion in Haffkrug Scharbeuz. Ich kann mich erinnern das ich in München mit anderen Kindern in den Zug gesetzt wurde. Vom ersten Moment an hatte ich unheimliches Heimweh ich wollte nicht aber der Zug fuhr los. Ein paar ältere Mädchen haben mich getröstet. Im Heim angekommen erinnere ich mich an den Speisesaal, wir wurden gleich in kleine Mädchen, große Mädchen, kleine Buben, große Buben sortiert und so mussten wir auch sitzen. Da ich zum zunehmen dort war habe ich viel Zeit im Speisesaal verbracht, weil man gezwungen wurde alles auf zu essen. Ich kann mich nicht daran erinnern was es gab, aber ich mochte es scheinbar nicht. Wir waren zu viert im Zimmer Esther, Claudia, Marita und ich. Mit Esther war ich befreundet. Am Gang gegenüber war der ein großer Waschsaal dort mussten wir jeden Morgen nur in Unterhosen uns anstellen und waschen. Nachmittags mussten wir einen Mittagschlaf machen. Nachts war es nicht erlaubt auf Toilette zu gehen, ich erinnere mich daran das wir es gewagt hatten zur Toilette zu gehen und wurden prompt von der Nachtwache erwischt, zur Strafe sagte sie müsst ihr die ganze Nacht dort bleiben. Wir waren sehr viel draußen, spazieren, am Spielplatz und ab und zu auch am Strand. Alle Erinnerungen im Haus waren nicht schön, aber mir fehlt einiges an Erinnerung es waren 6 lange Wochen und mein Heimweh war unerträglich als ich wieder zu Hause war wollte ich die erste Zeit nie wieder weg.
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Viktoria schrieb am 20.11.2023
Ich habe nach dem Abitur als Betreuerin im Haus am Schmalensee mit 2 weiteren jungen Frauen einige Wochen gearbeitet. Dort wurden Kinder mit Adipositas und Haut und Atemwegserkrankungen behandelt. Ich habe keine Gewalt erlebt, aber die Zustände als wenig liebevoll und das Essen als sehr minderwertig empfunden. Das feste Personal war wenig fachkundig. Ein "Koch" war immer betrunken und lies Zigarettenasche und -Stummel in das Essen fallen.
Die übergewichtigen Kinder erhielten kaum und wenig gesundes Essen und wurden als einziger ärztlicher Eingriff täglich gewogen. Dazu wurden täglich auch in praller Mittagshitze sehr lange Wanderungen, die ich teils recht unsicher alleine mit großer altersgemischter Gruppe begleiten musste, unternommen. ICh hatte wirklich Angst, dass mir ein Kind wegklappt, da viele diese Strecken kaum schafften, litten und weinten. Auch hatten die meisten Kinder keine geeigneten Schuhe für die Berge und machten öfter einen verwahrlosten und bedürftigen, gelegentlich zurückgebliebenen Eindruck.
Zu trinken gab es prinzipiell wenig und immer nur sehr dünnen lauwarmen Tee.
Die hautkranken Kinder sollten nach dem Schwimmen gecremt werden, aber es war dafür nur sehr zähe preiswerte Allzweckcreme vorhanden. Keine medizinische Pflege.
Verstörend wirkten auf mich sehr junge (15, 16 Jahre) in der Ausbildung befindliche Erzieherinnen, die kaum älter als die Patienten waren und sich allabendlich mit wechselnden pubertären Jungs und auch dem alkoholiserten Koch aus der Kur herumknutschen und befummelten. Wir hatten auch damit zu tun Berge von sehr verdreckter Wäsche (Fäkalien) zu waschen, da es keine Hauswirtschaftkräfte gab.
Der Ton und die Behandlung der Kinder, war nur gegenüber einzelnen Lieblingen nett und respektvoll, ansonsten eher genervt und gleichgültig. Seitens der Leitung Herrn H. wurde uns vermittelt, dass es sich um größtenteils "assoziale" Kinder handele, für die sich unsere pädagogischen und psychologischen Bemühungen nicht rentieren würden.
Insgesamt fand ich die Umgebung schön, das Haus war aber nicht zur Erholung und Gesundung geeignet und es herrschte eine gruselige und geringschätzende, übergriffige Atmosphäre.
Ich habe vor den dortigen Menschen oft Abscheu empfunden.
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Petra aus Volkhardinghausen schrieb am 20.11.2023
Hallo ich habe diese Kindererholung die es eigentlich sein sollte ,ich wurde zum Zug gebracht und dort von einer Frau bis zum Heim gebracht .Da war mir dann bewusst das ich von zu Hause weg bin für lange Zeit.Dann kam die Untersuchung vom Arzt zu Blass und Unterernährung.
Dann wurden wir alle in einem Zimmer zum schlafen gelegt und gezwungen und wehe dem nicht . Musste man die ganze Nacht vor der Zimmertür im dunklen stehen und weinen durfte man garnicht .
Am morgengab es warme Milch mit Eigelb ich musste das Trinken und mir wird beim Schreiben schon schlecht ,ich habe das nicht getrunken was zur Folge hatte das alle darauf aufmerksam gemacht wurden was passiert wenn ich das nicht trinke ich wurde festgehalten und man Flöte mir das Trinken ein dann erbrach ich es was zur folge hatte das ich das auflecken musste .Und das jeden Morgen. Beim Mittagsschlaf hab ich einmal in ein Muckey Mäuse Heft reingeguckt unter der Decke wurde erwischt hatte zur Folge Hegt wurde vor den Augen aller zerrisen und ich musste in den Schrank im Flur für 2 Stunden .Karten nach Hause schreiben durften wir der Text stand an der Tafel .
Mir geht es gut .Liebe grüsse eure Tochter Petra und diese ansichtskarten wurden kontrolliert wehe dem da stand was anderes .
Also alles in allem gab es viele schlimme Sachen und ich durfte auch noch 4 Wochen länger bleiben weil ich die Röteln bekam .
Es war grauenvoll und ich wollte nurnoch nachhause. Ich muss heute noch weinen wenn ich daran denke .Als ich dann im Zug nachhause gebracht wurde ,wusste ich nicht wie ich meine Eltern ansprechen sollte und meine Schwester war mir fremd .So etwas darf nie mehr passieren ich habe Panikattaken Angst in engen Räumen Allergien Herzschmerzen ect.davon getragen nach der Erholungskur war ich ein anderes Kind .
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Anja aus Marburg schrieb am 20.11.2023
Ich war elf Jahre alt und wurde zusammen mit meiner jüngeren Schwester verschickt. Ich erinnere mich an starre Strukturen, Essen- und Schlaf-Zwang, Gottesdienstbesuche und Kopfnüsse. Da ich in der auferlegten 2stündigen Mittagsruhe im Bett auf dem Nachttisch Heimweh-Briefe nach Hause schrieb, musste ich zur Strafe zwei Stunden stehend im Flur mit dem Gesicht zur Wand verbringen, die Aufsichtsperson saß währenddessen strickend, sitzend im Flur. Im Anschluss wurde ich gefragt, ob ich nun wieder lieb sein werde. Ein Mädchen hat sich während der ganzen Zeit vor Kummer die Haut von den Füßen gezogen, erst am Tag vor der Abreise wurden ihre Eltern gerufen, um sie abzuholen.
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Karla Brand aus Breuna schrieb am 20.11.2023
Damals, ich kann nicht mehr sagen, wie alt ich genau war, wurde ich ,damals,,Karla Kell" und mein Bruder ,,Karl-Heinz Kell " nach Sylt verschickt.
Ich selber hatte nichts zu ertragen aber andere Kinder, einen Namen weiß ich noch,,Monika Piontek" und eine Betreuerin ,, Frau Hochhut" sie war in meiner Gegenwart immer nett.
An die bösen kann ich mich nicht erinnern.
Sie haben die Kinder gezwungen zu essen und erbrochenes wieder zu essen ,ein Mädchen wurde den ganzen Tag eingesperrt und durfte nicht zur Toilette.
Ich war einfach erzogen alles zu essen und zu tun was gesagt wurde, daher bin ich wohl an allen Sanktionen vorbei gekommen und mein Bruder hat nie etwas gesagt. Eventuell ist noch wer am leben und erinnert sich ,ich wohnte in Kassel und die Fahrt ging vom Hauptbahnhof aus.
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Ursula aus Nürnberg schrieb am 19.11.2023
Nach einer Routine Untersuchung in der Schule, wurden meine Eltern vom Gesundheitsamt/Jugendamt? einbestellt und ich musste kurzfristig sechs Wochen zum Abnehmen weg.
Sechs Wochen Drill, wie bei der Armee und Hungern waren angesagt.
Laufen durch den kalten Wald vor dem Frühstück.
Bis auf Postkarten kein Kontakt mit den Eltern. Ich weiß nicht mehr viel, ich war 6-8 Jahre alt.
Es wurde auch gebastelt, getanzt und auch mal etwas Gesundes gemeinsam zum Essen gemacht.
Diese angeblich schönen (?) Pflicht Veranstaltungen haben aber über das kalte Klima, dass man einfach irgendwo hin weggebracht wurde, nicht hinweg getröstet.
In dem alten Nazigebäude war eine gruselig kalte Stimmung. Ich kann mich an keine Interaktion zwischen den Kindern erinnern. Wir hatten alle ein unterschiedliches Alter und wurden auch jahrgangsübergreifend in einer Klasse unterrichtet.

Schlafen in engen 4 Bett Zimmern - 2 Doppelbetten, das Bett war mein Zufluchtsort - bis das nächste Kommando kam.
Stimmung: Jeder kämpft für sich allein.

Erst jetzt, als ich mir Fotos von der Pfeifferhütte angesehen habe und von den Verschickungs-Kindern lese, wird mir klar, woher das gestörte Verhältnis zu meinem Körper und zu meinen Eltern kam.
Warum haben sie mir das angetan?

Ich weiß, sie waren jung, die Sachen, die ich dorthin mitbringen musste lt. Liste waren teuer für uns. Gut erzogen, war ich auch dankbar, dass ich dorthin durfte. Weil ich war ja zu dick?!

Wirklich?

Meine Eltern hatten kein Auto, als mich nach 6 endlos langen Wochen eine Tante abgeholt hat, habe ich ganz gleichgültig gezeigt, dass ich mir die Haare strähnenweise rausziehen konnte.
Auf Nachfrage haben wir ein paar Vitaminkapseln mitbekommen.

Überhaupt hab ich erstmal keine Emotionen mehr gezeigt.
Wie kann man das einem kleinen Mädchen antun- auch die Rückkehr in die Klasse… eine Grausamkeit - JEDER wusste ich war zu dick und verkehrt.

Aus der Gemeinschaft gerissen … zur PFEIFFERHÜTTE geschickt…

Ab da ging es nur noch um Abnehmen/ Essen/ Abnehmen…

Ich bin ja jetzt noch sehr jung. Die Welt hat sich verändert. Ich habe mich meiner Themen angenommen und bin im Hier und Jetzt glücklich.

Gesundheitsangelegenheiten und Intoleranzen haben dort ihren Anfang genommen, das ist mir jetzt klar!

Leute passt auf eure Kinder auf und lasst euch von niemandem reinreden! Vielleicht erinnern sich Kinder später nicht an Details- weil ihnen absurde Dinge als Normalität verkauft werden.
Die Gefühle und Stimmungen bleiben für immer im Gedächtnis.

Meine Eltern haben es gut gemeint und viel dafür gegeben mir so etwas Wichtiges ( was sich für mich als Höllentour erwiesen hat) zu ermöglichen.

Ich hab den Weg zu meinem Körper, guter Ernährung und Bewegung noch gefunden.

Die Pfeifferhütte ist jetzt ein Kulturtreff 😁

Solche Kinderverschickungen darf es niemals mehr geben!

Danke für diese Plattform
und ALLES LIEBE
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Kein Name aus Merseburg schrieb am 19.11.2023
Ich war mit 9 Jahren zur Kur. Es war vom ersten bis zum letzten Tag die Hölle. Es fing schon beim Essen an. Es musste aufgegessen werden. Wer nicht essen wollte musste solange sitzen bleiben bis er aufgegessen hat. Jeden Morgen nach dem Wecken war Fieber messen angesagt. Dabei mussten wir uns nackig aufs Bett legen und das Thermometer wurde mitunter schmerzhaft in den Po gesteckt. Dabei ist es immer wieder vorgekommen das man auch zwischen den Beinen berührt wurde. Danach war Bürstenmassage. Dazu musste man nackig in den Aufenthaltsraum laufen. Einmal in der Woche war Untersuchung. Und da begann der Albtraum. Wir mussten dazu in einem kleinen Raum uns alle bis auf den Schlüpfer ausziehen und dann in Zweierreihe in das Arzt Zimmer. Es war ein grosser Raum mit grelllem Licht. Dort wurden wir gemessen und gewogen. Danach mussten wir wieder in den Vorraum und noch unseren Schlüpfer ausziehen und dann in Zweierreihe in das Arzt Zimmer gehen. Dort mussten wir uns nacheinander nackig auf so eine Metallliege legen. Es war kalt und eklig. Dort wurden wir abgehört und abgetastet. Dann hieß es wieder in Zweierreihe aufstellen. Eine Reihe Mädchen und eine Reihe Jungen. Und dann wurden wir unten Untersucht. Die Jungs wurden von der Ärztin untersucht und die Mädels von dem Arzt. Ich fand es so demütigend und widerlich. Weil alle anderen zugucken mussten wie man "Untersucht " wurde. Die Jungs wurden an ihren Geschlechtsteilen angefasst. Und sie mussten sich bücken und der Finger wurde in den Po gesteckt und bei den Mädels war es genauso. Sie mussten sich auch bücken und da wurde auch der Finger in den Po gesteckt und zwischen den Beinen auch. Wenn man sich geweigert hat wurde man gezwungen und festgehalten. Wir hatten auch schon reifere Kinder dabei wo sich der Körper schon entwickelte. Da haben sich die Ärzte und Betreuer lustig gemacht. Weil bei den Untersuchungen dann schon Gefühle da waren. Wer nicht das gemacht hat was die wollten musste zur Strafe in den Keller zum eiskalt abduschen. Auch nackig. Das war die schlimmste Zeit meines Lebens und ich habe heute noch die Bilder vor mir. Und bin nicht fähig eine Beziehung einzugehen.
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Michael Neumayer aus Bad Reichenhall schrieb am 18.11.2023
Kontrovers: Misshandelt und missbraucht: Ehemalige Verschickungskinder klagen an! Am 15.11.23 im BR oder auf YouTube ein Film (19 Minuten) über die Asthma-Heilanstalt Bad Reichenhall.
Wir suchen weitere Zeitzeugen, die den Pfleger oder weitere Personen beschreiben können. Vielleicht willst du auch deine Erlebnisse beitragen.
Melde dich! Auch anonym über die Initiative möglich!
Viele Grüße Michael Neumayer
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Gabriele aus Berlin schrieb am 17.11.2023
Ich war 4 Jahre alt als ich Kinder TBC bekam und nach Wyk auf Föhr verschickt wurde.Ich erinnere mich heute noch nach all den Jahren an die furchtbare Zeit.Pakete die mir meine Eltern schickten erhielt ich nie.Briefe die ich an meine Eltern schickte wurde mir vorgesagt was ich zu malen hatte,schreiben konnte ich ja noch nicht.Beim Mittagsschlaf den ich gar nicht mehr gewohnt war wurden alle Kinder im Schlafsaal ans Bett fest gebunden.Wenn man sich aufrichtete und nicht still lag wurde man geschlagen.Essen wurde einen notfalle mit Gewalt in den Mund gestopft auch wenn man sich erbrach !!!.Ich erinnere mich noch das auf dem Weg zur Toilette ein Zimmer mit einen behinderten Mädchen lag das nur Laute von sich geben konnte und auf alle vieren rum kroch auch diese wurde oft geschlagen.Ich blieb ein ganzes Jahr dort,meinen Eltern wurde gesagt das sie mich nicht besuchen dürfen,als Kind habe ich überhaupt nicht verstanden warum meine Eltern mich so plötzlich abgegeben haben.Bis heute kann ich mich nicht überwinden an die Nordsee zu fahren weil sofort der Name Wyk in meine Kopf rum spuckt.
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Sabine aus Marburg schrieb am 17.11.2023
Sabine (54) aus Marburg, ich wurde mit 5 Jahren (1974) zur Kur für 6 Wochen als
„verwöhntes“ einzel- Kind nach Norderney geschickt.

Meine spastische Bronchitis sollte geheilt werden.

Ich bin wohl auch ein " Verschickungskind" und habe aus dem Fernsehen davon
gehört und war erstaunt, dass viele anderen Kinder auch negative Erlebnisse durch
ein angebliches Gesund werden erlebt haben!
Ich kann mich ein Glück kaum noch daran erinnern.
Es war für mich, wenn ich versuche mich darin zu erinnern > keine schöne Zeit!
Ich weiß nur noch, dass ich das Essen komplett auf essen musste, egal ob es
geschmeckt hat oder nicht, oder wie ich durch die Luft durch die bekannten Allergien. Ich habe nach meinem „Albtraum“ Butter, Käse und Milch essen bzw. trinken müssen erst mit ca. 40ig überwunden. Ich ekelte mich Jahre lang diese Dinge zu mir zu nehmen. Mittlerweile trinke ich Mandelmilch und essen pflanzliche Margarine sowie ein wenig Käse auf der Pizza.
Ich kam nach 6 Wochen völlig dick nach Haus, meine Hose ging nicht mehr zu und konnte nur noch durch den Gürtel gehalten werden. Meine Eltern hatten sich zwar gewundert, aber für meine Eltern war nur wichtig, dass meine spastische Bronchitis
besser war! Ich kann mich auch noch an total große Schlafsäle und Speise Säle erinnern wo ein Drill wie in der „Armee“ herrschte was mich als Kind durchaus eingeschüchtert hatte! Auch wie andere Kinder die in die Hose gemacht hatten > behandelt wurden.
Ich wollte nie wieder dahin zurück, aber ich sollte eigentlich noch einmal zur Kur…
ein Glück hatten meine Eltern ein Einsehen und fuhren mit mir zweimal im Jahr ans
Meer > nämlich in den warmen Süden…. dies hat mir auch sehr geholfen.
Was auch noch ganz schlimm für mich war > mir wurde mein Schnuller und mein Schnuffeltuch abgenommen, was zur Folge hatte, ich konnte kaum einschlafen….

Naja… ich habe es überlebt.. und erinnere mich ein Glück kaum noch an andere Dinge
die dort passiert sind und Postkarten oder Briefe habe ich zu dieser Zeit noch nicht
geschrieben, ich bin erst später nach der Rückkehr in die Schule gekommen….
Grüße
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bittekeinname aus Niendorf/Timmendorfer Strand St. Johann schrieb am 16.11.2023
Ich bin damals über die BEK verschickt worden. Wie viele andere fehlen mir "richtige" Erinnerungen an diese Zeit. Es sind Streiflichter, einzelne Szenen, die hängen geblieben sind.
Ich bin damals wohl aus zwei Gründen dorthin geschickt worden: ein Todesfall in der Familie, den ich mitangesehen hatte, und meine Mutter erwartete ein weiteres Kind. Damals war es üblich, dass die Mutter vor der Geburt entlastet wurde und ihre anderen Kinder für ein, zwei Monate z. B. zu Verwandten geschickt wurden. Für mich war es die Kinderkur.
Ich kann mich an die erste Nacht erinnern, man hatte mich mit Vierjährigen zusammen in ein Zimmer gesteckt, wohl, weil ich so klein war - dabei war ich bereits 5.5 Jahre alt, was ich auch empört erklärt habe. Ich hatte selbst unglaubliches Heimweh in dieser Nacht, aber ich gab mir alle Mühe, den kleineren Mädchen Trost zuzusprechen. Am nächsten Tag wurde ich dann in ein Zimmer mit Gleichaltrigen verlegt.
Ich erinnere mich an den grossen Schrank, in den man seine Schuhe stellen musste.
An den Katzentisch im Speisesaal, an den man verwiesen wurde, wenn man etwas angestellt hatte (was immer es war...) - und vor dem alle große Angst hatten, weil dort "die alte Nonne" sass.
Ich erinnere mich, wie ich vor einem Stück Bienenstichkuchen im völlig leeren Speisesaal sitze. Ich mag keinen Bienenstich, bis heute nicht.
Das Schlangestehen im Flur, bis man in das Gemeinschaftsbadezimmer eintreten durfte. Zahnbürste und Waschlappen in der Hand, und nur mit Unterhose und Hausschlappen bekleidet.
Die Mittagsruhe, bei der ich im Bett zumindest lesen durfte, und die daher zur zweiten Kur gehören muss, denn bei der ersten konnte ich nicht einmal schreiben.
Entsprechend das Kartenschreiben, das ja nur ging, wenn jemand für mich aufschrieb - und dunkel erinnere ich mich an Diskussionen darüber, wieso ich es dort nicht schön fand, wo ich war.
Ich erinnere mich daran, dass ich keine Post bekam. Und dass ich versuchte, das vereinbarte Zeichen auf meine Briefe und Karten zu malen, das bedeutete, dass man mich abholen solle. Nicht, dass meine Eltern gekommen wären...
Ich erinnere mich daran, dass ich es geschafft hatte, Süssigkeiten für mich zu behalten: diese mussten eigentlich mit allen anderen Kindern geteilt werden.
Ich weiss, dass ich bei der zweiten Kur mit einer Schulfreundin zusammen fuhr; aber wir wurden getrennt und ich habe sie während der gesamten Kur nicht wieder gesehen.
Ich erinnere mich, wie ich einmal nachts aufwachte - ich hatte einen Alptraum gehabt und glaubte, in meinem Bett, auf meiner Decke, sässe eine fette Spinne. Ich hatte solche Angst vor dieser Spinne, aber genauso viel Angst hatte ich davor, aus dem Zimmer in den erleuchteten Flur zu gehen und zu den Nachtschwestern, denn wir durften nachts nicht aufstehen. Ich glaube, irgendwie bin ich dann doch zu ihnen gegangen und bekam zur Antwort, man würde sich gleich kümmern, ich solle schon mal zurück ins Zimmer gehen. Ich weiss nicht mehr, wie lange ich gewartet habe, aber mir wurde kalt, und schließlich traute ich mich doch, mich auf die äußerste Ecke meines Bettes zu setzen, und wieder wartete ich, bis ich schließlich kapitulierte und versuchte, so klein wie möglich auf dem Bett zu liegen, mit dem winzigsten Zipfel der spinnenverseuchten Decke zugedeckt. Auch diese Erinnerung ist aus der zweiten Kur.
Ich erinnere mich, dass ich im Speisesaal stand und von der Küchenkraft (Roswitha?) im Fenster der Essensausgabe vor allen Kindern angeschrieen wurde, was ich für ein widerliches Kind sei - ich weiss nicht mehr, wofür.
Ich weiss, dass meine erste Kur endete, weil mein Geschwisterchen geboren worden war und mein Vater mich umgehend abholte.
Meine zweite Kur endete, weil ich auf einem Spielplatz von einem Klettergerüst aus ca. 2m Höhe auf den Rücken gestürzt war. Nachdem man mich zurück zum Heim laufen liess, obwohl ich über schlimme Schmerzen klagte, lag ich dort im Bett und weigerte mich, wieder aufzustehen. Irgendwie muss ich dann ins Krankenhaus gebracht worden sein, wo mich auch diesmal mein Vater abholte und so die Kur beendete. Aber es muss ein paar Tage gedauert haben - ich war dort allein, und es war mir versprochen worden, dass die ganze Gruppe mich besuchen würde, aber niemand kam.
Ich bin mir auch sicher, dass meine Eltern mich in einer dieser Kuren besuchten, obwohl die Leitung eigentlich strikt gegen solche Besuche war - weil sie bei den Kindern das Heimweh schüren würde. Nun, ich kann mich erinnern, wie sehr ich gebettelt habe, dass man mich doch mitnehmen solle, aber ich musste bleiben. Ich kann nicht beschreiben, was ich nach der Abfahrt meiner Eltern gefühlt habe, aber es war sicherlich nicht Heimweh.
Es wird sicherlich niemanden überraschen, dass ich unter einer PTBS leide, seit zehn Jahren immer wieder in psychosomatischen Kliniken bin und das Gefühl habe, dass andere Menschen vor allem GEFÄHRLICH sind. Gefährlich und fremd, und dass ich niemandem vertrauen kann. Ich will das nicht allein auf diese Kuren schieben - meine Mutter hat mich jahrelang geschlagen, gedemütigt und unterdrückt. Geholfen hat es sicherlich nicht.
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M. Weber schrieb am 15.11.2023
Ich war 5 als man meinen Eltern eröffnete ich bin zu klein und dürr und müsse zur Kur ohne wenn und aber. Meine Mutter versuchte es abzuwenden.

Ich habe nur fleckenhafte Erinnerungen. Riesen Schlafsäle. Wir mussten uns alle im Gang stehend morgens mit Bürsten schrubben. Nackt. Das essen wurde uns Reingezwungen. Wassertreten durften wir dürren. Sonst nichts. Keine Bewegung.
Ich machte einmal ein und wurde ins Bad geschickt, musste unter der dusche stehen und mich und das Nachthemd säubern.

Ich habe gar nicht verstanden was ich angestellt hatte um dort zu sein. 6 Wochen als 5 jähriges Kind.

Ich kämpfe bis heute mit Verlustängsten, habe immer Alpträume meine Familie lässt mich zurück Depressionen und Angstattacken und extremes Bedürfniss es allen recht zu machen aus angst man verlässt mich. Der schlimmste Moment war als eine Karte meiner Familie aus dem Urlaub kam. Sie hätten viel Spass und hoffen ich auch.
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Anja Eitzenberger aus Flöha schrieb am 12.11.2023
Kurheim Strausberg/Brandenburg
10.5.1982 - 17.6.1982

Ich war im Alter von knapp 7 Jahren dort und habe ausschließlich negative Erinnerungen an diese für mich damals knapp 6 langen Wochen.
Da ich laut Kinderarzt zu dünn und schwach war, im Kindergarten sogar Heimweh hatte und von dort regelmäßig abgeholt werden musste, wurde meinen Eltern diese "Erholungskur" für mich empfohlen. Gelebt habe ich damals wie heute in der Chemnitzer Gegend.

Ich erinnere mich daran, wie ich viele Nächte auf einer Bodentreppe hinter verschlossener Tür im Nachthemd verbringen musste. Weil ich im Bett lag und fürchterlich Heimweh hatte und geweint habe. Am Arm wurde ich gepackt und zu dieser Treppe gezerrt.
Ich hatte durchweg Angst, dass ich nie wieder nachhause komme.

An irgendeine Mahlzeit kann ich mich absolut nicht erinnern.

Dann erinnere ich mich daran, dass wir unbekleidet auf so einem Flur stehen mussten und unseren ganzen Körper mit einer Bürste abbürsten mussten. Danach ging es zum sogenannten Wassertreten ins eiskalte Wasser.

Als ich mal ganz tapfer war und nicht im Bett geweint habe, hat ein Mädchen, was mit im Zimmer war, in die Hände geklatscht und "aua, aua" gerufen. Die "Tante" kam rein, das Mädchen sagte, ich hätte es geschlagen und schon saß ich wieder auf der Bodentreppe hinter verschlossener Tür.

Draußen im Garten schlug mir ein Mädchen mit dem Ellenbogen einen Zahn aus. Natürlich hab ich geweint und wurde auch da gleich weggesperrt.

Das einzige Schöne, an was ich mich erinnern kann, war ein Teich in der Nähe, wo wir manchmal hingelaufen sind, und die Frösche ihr Konzert gaben.

Meine Mutti sagt, dass ich danach ziemlich "moppelig" war, bitterlich geweint habe und verstört war.

Gibt es denn hier jemanden, der auch in Strausberg war?

Ich habe mittlerweile Kontakt zur Stadtverwaltung Strausberg aufgenommen und eine sehr nette Antwort erhalten, es wird versucht, Kontakt zu einer Historikerin der Stadt herzustellen. Im Stadtarchiv gibt es leider keine Infos zu dem ehemaligen Kurheim.
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Michael schrieb am 12.11.2023
Wegen Bronchitis wurde ich mit 7 und 10 Jahren im Juli jeweils für 6 Wochen nach St. Peter-Ording verschickt.

Mich beschäftigt am meisten, dass ich bis auf den Geruch von Milchsuppe und Inhalationsdampf keine konkreten Erinnerungen an die Aufenthalte habe. Mein Leben aber immer wieder Widrigkeiten aufweist, die ich mir nicht erklären kann.

2 Ansichtskarten sowie einen Brief, die ich an meine Eltern und Großeltern geschrieben habe, habe ich noch, die lesen sich so, als ob es mir gut gegangen ist.

Von meiner Mutter weiß ich, dass ich mit 7 Jahren ausschließlich schwarzwälder Dialekt sprechend an die Nordsee gefahren bin und total hochdeutsch sprechend zurückgekommen bin. Dazu bin ich wohl sehr schmutzig zurückgekommen, meine Mutter spricht davon, dass sie sich an eine schwarze Badewanne, nach einem ersten Bad zuhause, erinnert.
Auch erinnert sie sich, dass ich bei der Abfahrt am Karlsruher Bahnhof im Zug sitzend, meine Eltern nicht mehr angeschaut habe.

Seit gut 30 Jahren beschäftige ich mich bewusst mit dem Thema Verschickung, etwas in mir will wissen, was ich in den 2 x 6 Wochen erlebt habe.
Berichte über Verschickungen von anderen lösen oft Frösteln in mir aus. Ich fühle mich auf eine eigenartige Weise verbunden.

Ich war vor gut 15 Jahren am Karlsruher Bahnhof, habe mich als Erwachsener in einen Zug nach Norden gesetzt, war 2 Mal in St. Peter-Ording und habe mir das Heim Goldener Schlüssel von außen angeschaut und bin am Strand gelaufen.

Manchmal kommen in letzter Zeit einzelne Bilder hoch, wie zum Beispiel ein asphaltierter Damm.
Aber konkrete Erinnerungen gibt es bis jetzt keine. Nur Vermutungen, was die Hintergründe für das Erleben eines Teiles meines Lebens, sein könnten.

Gerne würde ich mich mit Menschen austauschen, die 1968 und 1971 in St. Peter-Ording im Goldenen Schlüssel waren. In meinen Brief von 1971 schreibe ich von einem Roland aus Heidelberg, den ich schon 1968 dort getroffen habe.
Des Weiteren schreibe ich, dass es mir hier sehr gefällt, dass das Essen nicht schlecht sei, dass wir 20 Jungen im Zimmer, Unterkunft Zwergenland, sind, ich schon viele Freunde habe, die Tanten heißen Tante Brigitte und Fräulein Bresau und dass es ein Uhr ist und wir jetzt 2 Stunden ausruhen.

Verbindende Grüße
Michael
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zeuge schrieb am 08.11.2023
das Kindersanatorium in 2337 Binz/Rügen hatte den Name "Frohe Jugend" statt "Frohe Zukunft".
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Heike Diederich aus Ebergötzen schrieb am 08.11.2023
Ich bin 67 Jahre alt.
Weil ich als Kind eine „schlechte Esserin“ war, wurde ich auf die Initiative meiner Mutter mit 9 Jahren im Winter 1965 für 6 Wochen „zur Erholung“ nach Freudenstadt geschickt. Mit dem Zug, mit einer Gruppe Kindern und einer weiblichen Aufsichtsperson. Ich habe nur einige wenige Erinnerungen daran, aber trotzdem hat dieser Aufenthalt einen Teil meines Lebens bestimmt, und das bis heute. Es war ein kalter Winter mit viel Schnee und ich habe oft gefroren. Am deutlichsten erinnere ich mich an das heftige Heimweh in der ganzen Zeit. Alles war streng reglementiert und die Schwestern/Tanten waren sehr autoritär. Es gab z. B. Linsen mit Nudeln zu essen, was ich sehr ekelig fand, jeden Tag Milch mit Haut, Erdbeerquark und Arme Ritter, bestehend aus uraltem widerlich schmeckenden Gersterbrot und obendrauf Vanillepudding. Ich esse bis heute weder Erdbeerquark noch Erdbeerjoghurt noch Erdbeermarmelade Ich erinnere mich an ein Mädchen, das sich nach dem Essen ins Waschbecken erbrochen hatte. Sie musste das dann allein sauber machen. Wir durften auch Briefe nach Hause schreiben, diese wurden aber zensiert und wenn etwas negatives über das Heim und die Zustände darin stand, nicht abgeschickt bzw. es musste geändert werden. Kurz vor Ende der Kur hieß es, das nur diejenigen nach Hause dürften, die zugenommen hatten. Die anderen sollten 2 Wochen länger bleiben. Ich erinnere mich an die furchtbare Angst, die ich davor hatte. Letzten Endes traf das dann nicht zu, aber ich bin nach der Zeit krank und abgemagert nach Hause gekommen. Ich reise bis heute nicht gern, weil ich mich manchmal innerlich noch wie ein Kleinkind fühle, mutterseelenallein und verlassen.
Auch Ängste und depressive Verstimmungen begleiten mich immer mal wieder seit vielen Jahren.
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Kathi aus Dormagen schrieb am 07.11.2023
Ich war im Sommer 1964 für sechs lange Wochen (die ganzen Schulferien über) im Haus Hamburg in Bad Sassendorf.
Jetzt habe ich ein kleines Fotomäppchen von der großen Mädchengruppe gefunden, leider ohne die dazugehörigen Fotos.
Auf der letzten Seite haben drei Betreuerinnen unterschrieben: Marianne Eberl aus München, Arnhild Sievers aus Laboe und Gertrud Kemke (ohne Ortsangabe). Wenn ich mich recht erinnere, war Frau Kemke für meine Gruppe zuständig.
Ich erinnere mich weder positiv noch negativ an diese Frauen. Es ging streng geregelt zu, aber gequält oder missbraucht haben sie uns nicht. Massiv gestört hat mich allerdings, dass man keine Privatsphäre hatte: immer unter Kontrolle, Tag und Nacht.
Genau weiß ich noch, dass wir diese Frauen mit Frau …… angesprochen und gesiezt haben.
Vielleicht erinnert sich jemand an die Namen.
Alles Gute
Kathi
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Axel Lichtenstein aus Gelsenkirchen schrieb am 06.11.2023
Da ich als Kind ein sehr schlechter Esser war, haben mich meine Eltern zur „ Kur“ während der Sommerferien in den Schwarzwald geschickt. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie lange ich dort war. Vielleicht 4 Wochen, aber die kamen mir endlos vor. Ich erinnere mich, dass ich wohl auf Grund meines Alters in einer Gruppe von jüngeren Kindern war. Die Mehrheit der dortigen Kinder hielten sich in anderen Räumen auf. Ich wurde dort nicht körperlich misshandelt. Allerdings gab es Zwang auf eine elegantere Art. Zum Frühstück gab es Schwarzbrot mit roter Marmelade und roten Tee aus großen Alukannen. Mittags gab es Grießbrei, auf Wunsch mit einem Löffel voll roter Marmelade.
Und das, gab es jeden Tag, und es musste aufgegessen werden. Der Mittagsschlaf fand auf Sonnenliegen am Waldrand statt. Ich habe in meinem Leben noch nie einen Mittagsschlaf gemacht. Bis heute noch nicht. Also musste ich mich schlafend stellen, die Pinguine ( Ordensschwestern) haben sehr aufgepasst. Es waren die Sommerferien zwischen meinem ersten und zweiten Schuljahr, ich wollte meinen Eltern eine Postkarte schreiben, die Ordensschwestern waren mir dabei sehr behilflich und haben mir den Text vorgegeben. Ich kann mich noch daran erinnern, dass mich meine Mutter vom Bahnhof abgeholt hat und ich an dem Abend zwei Teller mit Linseneintopf gegessen habe. Das hätte ich vorher niemals gemacht. Bis heute verabscheue ich roten Tee, Grießprodukte in jeder Form und bei dem Gedanken an Schwarzbrot mit Marmelade wird mir schlecht. Später als älterer Schüler bereitete mir der Geruch von Jugendherbergstoiletten und auch Waschräumen Angstzustände, die ich mir bis heute nicht erklären kann.
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Rapunzel aus Kronau schrieb am 05.11.2023
Hallo meine Name ist Petra
ich bin nun fast 64 Jahre alt und zur Zeit bei der Aufarbeitung meiner Vergangenheit( Trauma)
ich wurde im Sommer da war ich 4 1/2 für 6 oder 8 Wochen wegen Untergewicht mit meiner größeren
Schwester am Bahnhof abgeliefert dort wurde uns gesagt das wir zur Kindererholung fahren. Alleine! Das war damals ein richtiger Schock. Dort angekommen wurde ich sofort von meiner Schwester getrennt, in einem Schlafsaal untergebracht, die Koffer wurden aussortiert und die Kleidung wurde zum Teil weggeschloßen, warum habe ich damals nicht verstanden. Im Speisesaal gab es schrecklich ecklige Sachen zu essen, ich war sehr empfindlich und konnte unter Zwang nicht essen ich ekelte mich vor vielen Sachen und erbrach mich in den Teller. Ich musste solange sitzen und das Essen mit dem Erbrochenen essen, machmal bin ich vor Erschöpfung am Tisch eingeschlafen, ich wurde wach gerüttelt und wurde gezwungen den Teller leer zu essen, wenn das Essen wieder hoch kam bekam man den Mund und die Nase zugehalten bis man alles wieder schluckte, nur um wieder Luft zu bekommen. Im anderen Speisesaal saßen die Nonnen und speisten leckere Sachen wir konnte es bei uns im Speisesaal riechen freuten uns machmal - endlich was leckeres- aber nein nicht für uns Kinder
An machen Tagen war es so schlimm das wir gegearte Kartoffelschalen essen mussten. Einmal wurde ich sehr krank und wurde in ein Zimmer unter das Dach gebracht hier wurden mir alle Kleider und die Unterwäsche weggenommen, nur der Schlafanzug blieb mir, den trug ich Tag und Nacht ich war alleine, wurde eingeschloßen auch meinen liebsten Teddy nahmen sie mir weg. 3 mal am Tag für einige Minuten kam einer der Nonnen und brachte mir Essen und Tee, kein liebes Wort nur geschnautze wenn der Teller nicht leer war.Nach gefühlten Wochen durfte ich dann wieder in den Schlafsaal, aber alles war anderst für mich ich konnte mit den Kinder nicht mehr reden es war als hätte ich meine Sprache verloren, ich war verängstigt und mutlos. Ich dachte ich sehe meine Eltern und die Oma nicht mehr.Irgend wann hatte einer der Nonnen erbarmen und gab mir den Teddy zurück, das war der schönste Tag. Im Speisesaal zurück wurde ich nun öffendlich vor den Kinder gehänselt und ich bekam noch schlimmer Sachen zu essen, da die Nonnen dachten ich bin ausgehungert und ich müsste nun unbedingt zunehmen, das war ja der eigenliche Sinn dieser Kur
Leider wurde ich immer schwächer und dünner so das die Nonnen sich immer grausamere Strafen ausdachten haare ziehen, kalt abduschen, Haare schneiden, keine frische Unterwäsche ausgeben, stundenlang in der Ecke stehen, und Beten, nachts wurde ich aufgeweckt, einfach nur piesaken, Die Nonnen haben nicht alle Kinder gequält, sie suchten sich nur die schwachen Kinder aus, da ich sehr großes Heimweh hatte und immer weinte war ich offenbar das perfekte Opfer für die sardistischen Spiele. Ich habe heute noch das Gefühl das man mir Beruhgungsmedikamente oder ähnliches gegeben hat, da ich in meinen Träume noch einiges im Nebel sehe, es aber nicht zuordnen kann. In der Hoffnung alles ein bischen besser zuverarbeiten schreibe ich in das Forum.
Ich danke euch falls sich zu meinem erlebten jemand meldet.
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Gabriele Bornschein aus Schkopau Ot Ermlitz schrieb am 05.11.2023
Du meine Güte, als ich diese "Erinnerungen" gelesen hatte, war ich entsetzt und fühlte mich zurückversetzt. Kann diese Erfahrungen keineswegs teilen. Ich bin Jahrgang 1950, kam im Jan./Febr. 1965 ins Kindersanatorium "Charlottenhall", wegen starker Atemwegserkrankung. Sicher ging es vielen Kindern so, die aus dem ehemaligen Chemiebezirk Halle stammten und wissen was ich meine. Die Behandlungen waren überaus hilfreich, die Erzieherinnen und medizinischen Kräfte waren freundlich und kompetent. Am Essen und kulturellen Ablenkungen finde ich auch keine negativen Erinnerungen. Im Gegenteil, es war Winter und bei der Faschingsfeier war ich die Prinzessin, das machte viel Spaß. Schade nur, dass mein Prinz einen ganzen Kopf kleiner war als ich. Jeden Morgen wurden im Treppenhaus abwechselnd Kinder eingeteilt, die ein Lied sangen, um alle Kinder zu wecken und auf den Tag einzustimmen. Den Text und Melodie kenne ich immer noch und sang es meiner Enkelin heute noch vor. Sicher war es für die Kleinsten schwerer, hatten Heimweh und wurden von uns Größeren in Art Patenschaft mit betreut. Möglicherweise sieht es inzwischen räumlich ganz anders aus. Zu meiner Zeit gab es 4 Schlafsäle, je 2 auf einer Etage, die mit gemeinsamem Bad verbunden waren. Aufregend war es, als die Erzieher außerhalb des Hauses zu einer Feier waren und durch uns Größere auf unserer Etage Einbrecher gestellt wurden und die Polizei kam. An Strichlisten für gutes oder schlechtes Benehmen kann ich mich absolut nicht erinnern, auch nicht über derartige Bestrafungen, wie sie hier geschildert worden sind. Eines allerdings kann ich auch bis heute nicht, mir irgendwas in die Nase stecken lassen, denn diese Spülungen mit Solewasser waren tatsächlich ekelig, aber wohl als medizinische Maßnahme erforderlich. Mein Ziel ist es, das Heim irgendwann nochmal aufzusuchen. Ich hoffe, es klappt auch, denn dort hatte ich mich sehr wohl gefühlt und wollte das hier als meine Erinnerung beitragen.
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Stefanie aus Berlin schrieb am 31.10.2023
Ich war als 6-jährige für 8 Wochen im Herbst 1965 im Heim “Kinderkurheim Irmgard Remé und Herzland Riese” in Wyk auf Föhr.

Wir durften nur drei mal am Tag zu bestimmten Zeiten zur Toilette gehen. Da ich aber während des erzwungenen Mittagsschlafes mal musste schlich ich mich raus, um auf Klo zu gehen. Als ich sah, dass eine der Tanten vor den Toiletten Wache stand, lief ich schnell zurück, sprang ins Bett und stellte mich schlafend. Da die Tür hinter mir ins Schloss fiel, stand die Tante sofort im Zimmer und fragte, wer denn eben aufgestanden war. Darauf waren plötzlich alle Kinder hellwach und zeigten auf mich. Ich wurde aus dem Bett geholt, wurde auf den nackten Po geschlagen und in das Bett der Tante gesteckt, dass ich dann voll pinkelte, da ich nicht mehr anhalten konnte. Daraufhin gab es wieder Schläge. Ein anderes Mal, während einer Wanderung, musste ich auch so dringend, dass ich mich auf den Wanderweg gelegt hatte und verzweifelt auf meiner Blase rumgedrückt habe um nicht in die Hose zu pinkeln. Das war sehr schmerzhaft. Letztlich hab ich dann doch in die Hose pinkeln müssen und bekam wieder Schläge.

Ein höchstens 3-jähriger Junge wurde vor uns allen im Waschraum ganz heftig geschlagen, nachdem er in die Hose gekackt hatte.

Nachdem ich viele der Berichte hier, anderer "Kinder" gelesen habe kam die Erinnerung hoch, dass wir ständig ruhig sein mussten, nicht reden durften, egal wo und wann.

Ich kann mich auch nicht daran erinnern, je gelacht zu haben. Ganz im Gegenteil weiss ich noch, dass ich ganz viel geweint habe und damit ständig geärgert wurde, von wegen "Heulsuse". Auch kann ich mich nicht daran erinnern mit anderen Kindern Kontakt gehabt, oder gespielt zu haben.

Morgens gab es immer ganz ekligen Haferschleim, den ich zuerst nicht essen wollte. Da ich aber jedes Mal, wenn ich weinte und aufhörte zu essen nicht nur diesen Teller aufessen musste, sondern dann noch einen weiteren (ob es sich dabei um Erbrochenes handelte, kann und möchte ich nicht erinnern), egal wie lange ich dafür brauchte, hab ich dann lieber gleich den einen Teller mir reingezwungen.

Auch erinnere ich mich daran, dass wir einmal die Woche zum Nägelschneiden in langen Reihen in Unterwäsche vor unserem Schlafsaal stehen mussten. Es war schrecklich kalt und nicht selten wurde einem sehr schmerzhaft ins Nagelbett geschnitten, da die Nägel immer extrem kurz geschnitten wurden.

Irgendwie kam ich in den Besitz einer Postkarte (ich glaube, ich habe sie im Vorbeigehen auf einem Ständer geklaut) um meinen Eltern zu schreiben, dass sie mich bitte sofort abholen müssen. Da ich aber noch nicht schreiben konnte, ich ging noch nicht zur Schule, hab ich sie an "Mami und Papi" adressiert und den Text jeweils mit dem Anfangsbuchstaben abgekürzt. Also etwa: h. i. e. s. h. m. b. a. i. w. n .h. Dann hab ich sie in einen Briefkasten geschmissen.

Zum Ende hin war ich so verzweifelt, dass ich ernsthaft lange und immer wieder über einem Plan grübelte, wie ich abhauen konnte. Ich wollte Feuer legen und das ganze Heim abfackeln. Ich dachte, so würde es nicht auffallen, wenn ich verschwinden würde um mich auf einem Boot oder Schiff zu verstecken. Hauptsache weg, egal wohin.

Ich war auch eine ganze Weile sehr krank, hatte hohes Fieber, lag in meinem Bett, bekam einmal am Tag irgend einen Saft und war ansonsten völlig allein.

Von meinen Eltern weiss ich, dass sie mich wiederholt versuchten zu sprechen, was aber mit irgendwelchen Ausreden, von wegen "ich sei nicht da, grade auf einem Ausflug etc. verhindert wurde. Auch schrieben mir meine Eltern jeden Tag eine Karte, von denen ich höchstens ein Bruchteil vorgelesen und ausgehändigt bekam.

Ursprünglich sollte ich "nur" 6 Wochen bleiben, aber die Heimleiterinnen überredeten meine Eltern noch 2 Wochen zu verlängern, weil mir der Aufenthalt so gut täte.

Als mich dann meine Eltern abholten waren sie geschockt, wie dick ich geworden war. Ich stürzte mich in ihre Arme und konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen.

Nach ca. 2 Wochen bekamen meine Eltern von dem Heim einen Brief, dass ich jederzeit wieder gern willkommen sei. Mein Vater machte daraufhin einen "Scherz", dass sie mich ja nächstes Jahr wieder dorthin schicken könnten, woraufhin ich schreiend ins Badezimmer stürzte, mich einschloss und erst nach sehr langer Zeit mich überreden ließ die Tür wieder aufzuschließen und rauszukommen. Ich glaube, dass war der Moment, wo meine Eltern erst verstanden, wie schrecklich der Aufenthalt für mich war. Erzählt habe ich, glaube ich, so gut wie nichts.

Inwieweit dieses frühkindliche Trauma Ursache für meine bis heute andauernde Depression, mein Minderwertigkeitsgefühl und meine Angststörungen verantwortlich ist, kann ich nicht sagen. Da sich aber diese Symptome bei ganz vielen von uns äußern, gehe ich mal davon aus, dass es enorme Einflüsse auf mein weiteres Leben hatte.
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Sabine Homann aus Lippstadt schrieb am 30.10.2023
Ich habe dort furchtbare Misshandlung und Gewalt erfahren! Wurde über TK dorthin verschickt! Erbrochenes musste gegessen werden, man hat mehrere Stunden beim Essen gesessen bis der Teller leer war! Schlafen mit Gesicht zur Wand sonst gab es Schläge! Elternbriefe, ich konnte nicht mit 5 Jahren nicht schreiben, waren Fake News! Päckchen, auch zum Geburtstag wurden an alle Kinder verteilt! Ich habe einige Jahre später eine Kollegin getroffen, die dieses Martyrium ebenfalls erlebt hat, leider hat uns ja nie jemand geglaubt!
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Jana Uhlmann aus Obersulm schrieb am 30.10.2023
Ja, was ist zu schreiben, es ist ein wenig wie etwas öffnen, was lieber verschlossen bleiben sollte. Da ich aber nun eh an der professionellen Aufarbeitung der Ursprünge von meiner Angststörung bin, ist es an der Zeit. Ich kann mich bewusst nicht an sehr viel erinnern, schlechtes wird halt eher 'überschrieben'. An einiges aber umso mehr. Täglicher Essenszwang. Nicht nur der Zwang etwas zu essen, sondern aufzuessen, kein Rest durfte auf dem Teller bleiben. Und die Menge des Essens durfte natürlich nicht selbst bestimmt werden. Bei mir ist dir Erinnerung ein Brot mit Blutwurst. Ich habe mich geweigert, das zu essen. Ich weiß nicht, wie lange ich alleine mit den Aufsehern (Erzieher kann man es nicht nennen) im Speisesaal sitzen musste. Es gab verbale Drohungen, dass die Eltern dafür bestraft werden, bis dass ich länger dort bleiben muss. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob mir das Brot in den Mund geschoben wurde, nur dass ich mich danach mehrmals übergeben musste. Bestrafungen wie, keine Filme am Wochende(war das einzige Highlight), keine Briefe von den Eltern usw..Ich habe bisher noch nie mit jemanden darüber geredet.
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Uwe aus Düsseldorf schrieb am 29.10.2023
Meine Eltern verschickten mich 1957 im Alter von 12 Jahren nach Murnau am Staffelsee um den anstehenden Umzug innerhalb von Düsseldorf in eine neue Wohnung ungestört organisieren zu können. Ich kann mich - wie Gabriele aus Lüdenscheid - an großes Heimweh erinnern. Im Gegensatz zu einer Verschickung 4 Jahre zuvor mit meinem 4 Jahre älteren Bruder nach Bad Kreuznach habe ich den Aufenthalt in Murnau, abgesehen vom Heimweh, nicht in schlimmer Erinnerung. Ich weiß noch, dass ich im dem katholisch geprägten Heim bei einem Gottesdienst morgens auf nüchternen Magen umgekippt bin. Eine junge Betreuerin kümmerte sich um mich. Sie hatte sich bemüht, uns den Aufenthalt abwechslungsreich zu gestalten. Im Nachhinein glaube ich, dass ich dort mich zum ersten mal verliebt habe.
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Sylvia aus Karlsruhe schrieb am 29.10.2023
Ich wurde kurz vor meiner Einschlung vom Kinderarzt für 6 Wochen nach Bad Dürrheim geschickt (Kindersolebad oder Luisenklinik) wegen meiner anhaltenden bronchialen Infekte (1979). Es existiert noch ein Gruppenfoto aus dieser Zeit, auf der mehrere Kinder zu sehen sind. Es zeigt den Eingang der Luisenklinik. Ich weiß noch, dass meine Eltern (meine Mutter ging zur gleichen Zeit in Kur, aber woanders hin) mich laut Aussage einer der Schwestern (alles Nonnen) mich ohne Verabschiedung verlassen sollten. Das sei besser so. Ich durfte aus einem Fenster ganz oben im Gebäude schauen und habe mir gewünscht, dass sie sich umdrehen würden, was natürlich nicht geschah. Zwei Erinnerungen prägen mich bis heute (vielleicht erinnert sich ebenfalls jemand daran):
Ich wurde im Anschluss in eine Art "Aufenthaltsraum" geführt. Eine steile Treppe führte in diesen Raum. Die Fenster dort gingen bis zum Boden und wenn man raus sah, gab es eine Wiese und einen großen Baum. An einem Abend saß ich dort auf dem Boden, ein schweres Gewitter zog auf und ein Blitz traf diesen Baum.
Eine weitere Erinnerung ist, dass ein Mädchen seine langen braunen Haare abrasiert bekam, weil sie angeblich Läuse hatte. Wir saßen alle beim Essen. Das Mädchen wurde als letztes reingeschickt und musste den Raum alleine komplett durchqueren, so dass jeder sie so sehen konnte. Ich fand das sehr demütigend.
Wir gingen zweimal pro Woche in einen weiß gekachelten Raum zur Inhalation. Fast jeden Tag im Wald spazieren. Ich freundete mich mit einem der anderen Mädchen dort an. Sie hieß Claudia.
Ich erinnere mich noch, dass wir oft in Richtung Waschraum gingen, um Quatsch zu machen. Die Schwestern zogen uns an den Ohren und drohten, dass wir die Seife essen müssten, wenn das so weiter ginge. Ich war in der Zeit krank und musste einige Tage im Bett verbringen. Warum weiß ich allerdings nicht mehr. Ich hatte viel Heimweh, was allerdings keinen interessierte. Dass ich lange Zeit danach noch massive Trennungsängste hatte führe ich heute auf diesen Aufenthalt zurück. Das sind alles nur Bruchstücke, aber vielleicht war jemand zur gleichen Zeit dort.
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petra sunner aus St. John's schrieb am 28.10.2023
ich wuchs auf in einem 2000 einwohner ort an der Mosel, geboren 1956. zweimal bin ich in einem kinderheim gewesen: in freudenstadt und borkum. leider weiss ich sonst keine weiteren Details. Ich erinnere mich negativ nur an das Heimweh. Von Borkum erinnere ich etwas was ich als fies empfand, und da ich es erinnere vermute ich es traf mich im 'innersten'...warum jedoch weiss ich nicht: meine Mutter schickte mir ein paket mit meinen liebsten suessikeiten, dabei war auch eine (wie mir ershien, oder im nachhinein so erscheint) grosse tuete lakritz. Diese(aber vielleicht alles im paket, ich weiss es nicht mehr), wurde mir weggenommen, und es hiess: wird geteilt. (was ja auch irgendwie richtig waere). An Gutem erinnere ich das fuer mich damals neue leckere fruehstueck: haferflocken mit milch und banana. Und auch an ein klein wenig Schabernack den wir betrieben, wie zb. nachts in ein anderes schlafzimmer schleichen, ....Ich hatte also auch spass.
Wenn es leute gibt die auch auf borkum waren, dann koennten die mir vielleicht sagen....habe ich etwas absolut verdraengt was dort geschah? oder habt ihr auch eher positive erinnerungen? Fuer freudenstadt erinnere ich ausser dem heimweh gar nichts.
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Nicole aus Bielefeld/ Zinnowitz schrieb am 27.10.2023
Ich bin mir nicht im Klaren,ob es damals ein Verschickungsheim war, ich weiß aber,dass ich laut meiner Mutter mit meiner Schwester dort zur "Abhärtung" war- und wegen Bettnässen. Laut einem später entdeckten Bericht waren wir wohl auch aus psychologischen Gründen dort, meine Mutter war alleinerziehend, unser Vater war Alkoholiker,es herrschte trotz der Trennung viel Gewalt. Zusammen mit uns beiden war auch ein Mädchen aus meiner Kindergartengruppe dabei, wir waren 5 Jahre alt, meine Schwester 3; insgesamt waren wir für 6 Wochen dort.
Ich kann mich daran erinnern,daß wir am Bielefelder Bahnhof sehr früh losgefahren sind,die Erzieher erzählten uns von den Schlafwagen,die es wohl auch im Zug gab. Es war für mich ein kleines Abenteuer, letztendlich wusste ich auch nicht wirklich,warum ich dort war.
Im Kurheim selbst kamen meine Schwester, meine Freundin und ich auf ein gemeinsames Zimmer, die Betten waren große, weiße Metalldinger auf Rollen.
Vieles damals habe ich nicht als Gewalt empfunden, aber als Quälerei.
Ich wurde Nachts geweckt und ausgeschimpft, weil mein Bett nass war,konnte nicht erklären,warum es nass war,hab es ja nicht mal bemerkt.Die Erzieherin moserte, weil sie mein Bett ständig neu machen musste.Ich selber hatte immer ein schlechtes Gewissen und gehofft,daß die anderen Kinder das nicht mitbekommen..Wenn wir morgens in Gruppen zum Frühstück gingen und das nasse Bettzeug vor den Zimmern lag, meinte die Erzieherin, das das nur Babys machen und wir ja alle groß genug wären,um auf die Toilette zu gehen.Jedes mal betete ich,daß keines von den anderen Kindern wusste,daß ich dort schlief.
Wir jüngeren Kinder bekamen auch oft zu hören,dass die Älteren ihr Bett alleine machen können, sowas gehört sich einfach...
Als ich krank wurde mit hohem Fieber kam ich auf ein Einzelzimmer.Ich weiß davon nicht mehr sehr viel,es müssen aber mehrere Tage gewesen sein, denn irgendwann standen meine Schwester mit meiner Kindergartenfreundin und einem anderen Mädel in dem Raum und sagten,sie wollten gucken,ob ich noch lebe. Eine Erzieherin kam und hat die 3 ausgeschimpft, weil sie mich verbotenerweise gesucht hatten.
Die langen Spaziergänge im tiefen Schnee waren herrlich, sowas kannte ich ja nicht,aber irgendwann bekam ich schlimme Knieschmerzen.Doch ich musste immer weiter laufen,jedes Mal aufs Neue. Heute weiß ich: schon damals bin ich zu schnell gewachsen und mein Knorpel saß nicht richtig an der Kniescheibe, die Probleme hab ich selbst noch im Erwachsenenalter.
Ich war immer ein Kind,was viel lachte, ich weiß, das ich damals aus dem Essensraum verwiesen wurde,weil ein anderes Kind beim Essen eingeschlafen ist und ich das sehr lustig fand.
Den Spaß ließ ich mir nie nehmen,doch wirklich Panik bekam ich einmal sehr deutlich: ich bin von dem Bett mit dem hohen Gitter an den Enden rückwärts in mein Bett gerollt.Das wiederholte ich ganz oft, weil es einfach Spaß machte.Das sag eine Erzieherin und schimpfte mich laut aus,ich könnte mir den Hals brechen.Das habe ich nicht verstanden,es hatte doch Spaß gemacht.Die Erzieherin schimpfte noch mehr,was ich einfach nicht einsehen konnte.Daraufhin drohte sie mir,ich werde Keller schlafen wenn ich nicht aufhöre. Das überhöhte ich und sie machte die Rollen vom Bett los und schob mich in den Flur. Daraufhin bekam ich Angst und rief nein,ich bin ja schon still umd sie rollte mich wieder rein.
Einmal mussten wir zum Baden,alle hintereinander, und wir wurden in der Schlange stehend angeschaut.Das Mädchen vor mir wurde lauthals angeschrien, weil sie an den Fingernägeln knabberte,sie wurde fertig gemacht,das das nur schlimme Kinder machen und war sauer,das ihr das Kind keinen Grund dafür nennen konnte. Ich hatte Angst,weil ich das auch tat und verbarg meine Finger vor ihr,als ich an der Reihe war... die Erzieherin machte die Hände von mir auf,sah meine abgekauten Nägel und schaute mich entsetzt an.Aber Die Schimpfe blieb aus,was mich sehr froh machte.
Mehrmals wurde ich Nachts geweckt,damit bei mir rektal Fieber gemessen wurde. Ich empfand das immer als schmerzhaft.Einmal tat das sehr dolle weh,ich spürte Splitter und die Erzieherin war sehr erschrocken und fragte sich laut,wieso das Thermometer zerbrochen ist. Da bekam ich auch mal liebe Worte zu hören,das das mal passieren kann und mir nichts passiert ist,ich soll einfach schlafen und am nächsten Tag sind die Schmerzen weg.
Vor ein paar Jahren habe ich nach Unterlagen aus der Zeit in der Klinik angefragt,weil ich gerne wissen wollte,warum ich wirklich dort war... denn das Bettnässen hörte zwar auf,trotzdem bin ich immer noch oft krank geworden und ich kam sogar mit noch weniger Gewicht aus der Klinik raus,als ich eingewiesen wurde.Leider existieren aus der Zeit wohl keine mehr.
Heute ist die Kinderkurklinik für Kinder mit Essstörungen und wohl auch sehr erfolgreich,aber wofür war sie damals,Ende der 80er gedacht?
Wenn ich die Berichte lese,kann ich mich glücklich schätzen, nicht Schlimmeres erlebt zu haben, aber die Angst vor Kellern ist mir bis heute geblieben, auch die abwertenden Blicke und Kommentare der Erzieherinnen.
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Martin Thoms geb.Säwert aus Erfurt schrieb am 25.10.2023
Ich bin Jahrgang 60. Meine Heimatstadt war Zeitz und die Kopfsteinpflasterritzen waren mit Kohlestaub gefüllt. Ich hatte oft Atemwegserkrankungen und war aus diesem Grund zur Kur. Mit der Kureinrichtung bin ich mir nicht sicher. Das Erinnern fällt mir schwer. Trockenbürsten und Wasserschlauch (kalt?) ist noch in einem Winkel meines Körpers abgespeichert...
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Vera Nitschke aus Wennigsen schrieb am 25.10.2023
Ich bin Jahrgang 1960 und kam auf Anraten des Kinderarztes, weil ich zu dünn war, zur Verschickung nach Wyk auf Föhr. Es waren traumatische 6 Wochen mit unendlichem Heimweh. Am schlimmsten war das Essen, der Essenzwang und das Wiegen jeden Montag. Dann mussten vorgeschriebene Briefe abgeschrieben werden, in denen natürlich stand, dass es uns gut geht und alles wunderbar ist. Privates Schreiben war verboten. Das Gelände war weitläufig mit viel Baumbestand und die Kinder waren gruppenweise in kleinen flachen Gebäuden untergebracht. Zum Essen ging es in das "Schwedenhaus", schön in Zweierreihen. Das Schlimmste war, dass ich immer sehr langsam gegessen habe und wenig, in dieser Situation natürlich besonders. Die Aufseherin ließ dann den ganzen Saal Spottlieder auf mich singen, so etwas wie "Bummelletzer". Ich fühlte mich sehr gedemütigt. Natürlich habe ich während der ganzen Zeit kein Gramm zugenommen, sondern kam in einem kranken, noch dünneren und desolaten Zustand zuhause wieder an. Meiner Schwester blieb das dann zum Glück nach diesen Erfahrungen erspart.
Meine Frage: Wer kann mir helfen, den Namen des Heims herauszufinden? Leider habe ich keine weiteren Anhaltspunkte als diese Erinnerungen. Ich wäre sehr dankbar, wenn ich wüsste, wie das Heim hieß, um nach Föhr fahren zu können und Spuren zu suchen.
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Susanne aus Duisburg schrieb am 24.10.2023
Hallo zusammen,
auch ich bin wohl ein
" Verschickungskind",auch wenn ich es nie so ausgedrückt habe.Ich war mit meiner Zwillingsschwester ca. 1965,da 4-jährig, zur Kindererholung.Wer der Träger war,weiß ich nicht.Ich fühlte mich garnicht krank oder sowas,allerdings war die Scheidung der Eltern vorausgegangen.Ich freute mich auf dieses Abenteuer,war ganz aufgeregt und die Vorstellung ans Meer zu fahren gefiel mir.Zu den Vorbereitungen gehörte neben Koffer packen auch das einnähen von Namensschildchen in JEDEM Kleidungsstück.Das fand ich schon spannend...unser Lieblingsstofftier kam mit ins Gepäck.Auch gut!
Der Tag der Abreise kam...und ab da war gar nichts mehr so schön wie ich es mir vorgestellt hatte.
Mit der Zugfahrt im Dunkeln fing das 6-wöchige Drama unserer Kindererholung schon an.Die so aufgeregten Kinder wurden auf die Abteile verteilt und angehalten uns hinzulegen und den Mund zu halten.Na DAS sage man mal aufgeregten Kindern,die ans Meer fahren... Natürlich wurde in den Abteilen gekichert,gelacht und gequikst...eine Betreuerin kam und drohte das 1. Mal,wir sollten schlafen und ruhig sein!Ich habe mich sehr bemüht und wollte der Anweisung auch folgen,nur schlafen konnte ich nicht...Es war immer noch laut in unserem Abteil,die Betreuerin kam erneut,rupfte mich aus der Schlafstätte,zog mich am Arm hinaus,quetschte mich in den engen Gang und meinte,ich müsse jetzt eben den Rest der Fahrt stehend im Flur verbringen...ich durfte mich nicht auf diese ausklappbaren Sitze setzen...ich fühlte mich ungerecht behandelt,sie hat ja einfach mich aus dem Bett gezogen und garnicht geguckt,wer eigentlich noch geredet hat...Nuja,so stand ich halt im dunklen,kalten Zugabteil und die Fahrt war noch seeeehr lang.
Angekommen in Sylt- und nun waren fast alle wirklich müde- ging es in Zweierreihen durch die dunkle Nacht marschierend ins Kinderheim,wo wir von einem heißen Getränk empfangen wurden.Es roch wie Brühe in Plastikbechern...ich fand,es stank...Wir sollten es Austrinken und danach wurden wir auf die Zimmer verteilt.
Insgesamt ging es wochenlang in einem SEHR lieblosen,strengen,bis übergriffigem Verhalten durch die Nonnen so weiter...
Wir waren 4 Jahre alt,gehörten zu den " Kleinen" und mussten beim Essen noch Lätzchen tragen( ich fühlte mich schon viel zu groß für Letzchen).Wir mussten aufessen,da gab es kein Pardon,und wir mussten solange am Tisch sitzen bleiben,bis wir aufgegessen hatten.Reden am Tisch war nicht erlaubt.An einem anderen Tisch war ein noch kleineres Mädchen...sie hat so sehr geweint,daß sie nicht essen konnte,da wurde sie auf den Schoss genommen und gefüttert,aber die arme Kleine schluchzte und weinte immer mehr,und erbrach sich in den Teller...die Nonne rührte das Erbrochene unter und schob es der Kleinen weiter rein,die Kleine erbrach sich immer wieder und immer wieder wurde es untergerührt...ich war sehr schockiert,das mitanzusehen.
Ich selbst musste mal lange am Tisch sitzen bleiben,weil ich den Nachtisch nicht essen wollte. Und ein anderes Mal wurde ich in eine,am Speisesaal angrenzende Kammer gesperrt,weil ich am Tisch geredet habe.
Die Kleinen mussten Mittagschlaf halten,also hieß es auch für mich bei schönstem Sonnenschein still und bewegungslos unter dicken Federbetten zu liegen.Man durfte nichtmal die Augen offen haben...eine Nonne kontrollierte das...so schlich sie sich an,beugte sich über mich,sah meine geöffneten Augen und gab mir ohne Vorwarnung einen Schlag ins Gesicht" Augen zu"! war alles,was sie drohte...
Jeden Morgen mussten wir auf dem langen Balkon Gymnastikübungen machen,den Hampelmann,den Gänsemarsch auf dem laaangen Balkon.
Morgens zum Waschraum: wir standen bis auf Unterhose bekleidet in Reihe und Glied an der Wand und marschierten geordnet in den Waschraum,wo wir geordnet an den Waschbecken Zähne putzen und Gesicht wuschen...( wir hatten extra leckere Erdbeerzahncreme mitbekommen,die haben wir lieber gegessen,als sich die Zähne damit zu putzen).
Es kam Nikolaus,es kam unser 5.Geburtstag,es kam Weihnachten und es kam Sylvester...diese blöde Kinderkur wollte einfach kein Ende nehmen.
Zu unserem Geburtstag bekamen wir ein Paket geschickt,was haben wir uns gefreut...das Stofftier daraus durften wir behalten,die leckeren Süßigkeiten nicht- UNSER Paket wurde hoch oben auf den Schrank gestellt und jeden Tag daraus die Süßigkeiten an alle Kinder verteilt.
Ich fand's gemein!Es war UNSERES!
Zwischenzeitlich sollten wir unseren Eltern dann mal einen Brief schreiben...da wir noch nicht schreiben konnten,wurden wir von den Nonnen gefragt,was wir denn schreiben wollen..." hier ist es nicht schön,wir wollen nach Hause...!" Die Nonne meinte: " NEIN NEIN,SOOOWAS SCHREIBEN WIR NICHT!! Wir schreiben lieber: uns gefällt es gut,alle sind freundlich und lieb...und genau DAS kam dann bei den Eltern an.
Die Adventzeit kam und im Beschäftigungsraum hing ein Adventkalender mit vielen kleinen Säckchen von der Decke...jeden Tag durfte ein Kind,welches sich besonders gut benahm ein Säckchen abschneiden.....die,die sich angeblich nicht so gut benahmen,wie Nonnen sich das vorstellen gingen leider leer aus...ich leider auch,und ich hatte mich doch soooo bemüht.
Ich weiss nicht,warum ich ständig in dunkle Kammern gesperrt wurde,im Flur im Dunkeln an der Wand stand oder auch die ein oder andere Ohrfeige kassierte oder den Klaps auf den Po....keine Ahnung...
Es gab 1 Besuchstag für Eltern,alles Gebastelte kam auf lange Tische,die Stimmung war brennend aufgeregt,die Kinder standen fast Kopf vor Freude.Alle Zimmer,jede Nonne,jedes Kind wurde auf Hochglanz poliert und alle und alles zeigte sich plötzlich von seiner allerbesten Seite.Die Nonnen konnten LÄCHELN,wirklich! Das hatten wir bis dahin nicht gesehen.
Leider kam für uns keiner....da war ich echt unglücklich.
Ich kann mich an 1 einzigen Strandbesuch erinnern,endlich das Meer sehen und Muscheln sammeln,dafür hatten wir sogar ein Eimerchen bekommen.Ansonsten lief der Strandbesuch ab,wie alles andere: in Reihe und Glied,nicht trödeln,weitergehen,Beeilung,dranbleiben,gehorchen,und die schönen Muscheln am Strand zurücklassen...
Wir waren noch zu klein um aufzubegehren,waren ja noch nicht mal in der Lage uns richtig und ordentlich anzuziehen.Auf einem Foto dieser Kur stehen wir in fleckigem Pulli ,mit Latzhose,dessen Träger runterhängt vor Nikolaus...
Als Erwachsene sagte ich immer,wir sind aus der Kur kränker zurückgekommen,als hingeschickt.
Ich habe diese Kur nie als so schädigend oder gar traumatisch gehalten,aber öfter über diese " elendige,schreckliche Kinderkur" geredet.
Insgesamt war ich der Meinung,Nuja,die Zeit war halt so...unbarmherzig,hart,lieblos bis brutal...schwarze Pädagogik der Nachkriegszeit....
Ich fand die Zeit dort im Kindererholungsheim schrecklich,das ist alles,was davon übrig blieb...
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Jörg Fischer aus Langenfeld schrieb am 24.10.2023
Ich war in Schönau auf dem Ponyhof und war noch 5 Jahre alt.
Ich kann mich nur an Bruchstücke erinnern.
Der Aufenthalt war in der Adventszeit. Wir hatten einen Besuch der Krampusse, was für uns kleine Kinder sehr gruselig war. Das Lied "Es ist für uns eine Zeit angekommen" macht mich immer traurig, ohne dass ich weiß warum.
Der Duft von Zigarettenrauch und Instantkaffee erinnert mich direkt an die Zeit. Den großen Gemeinschaftsraum mit dem Kachelofen.
An den Schlafraum kann ich mich nur schwach erinnern. Ich musste aber auch mindestens eine Nacht auf dem Flur stehen.
Ich erinnere mich an den Königssee und an Wanderungen durch den Schnee.
Ich bin auch mal krank gewesen und konnte deshalb nicht nach draußen. Ich haben dann drinnen gespielt. Mit grünen Plastiksoldaten.
An einen Nachmittag mit Zauberer kann ich mich noch erinnern.
Auf der Zugfahrt zurück nach Ahlen/Westfalen ist, glaube ich, mein Marienkäfer Portemonnaie verlorengegangen. Es war weg.
Ich hatte mal die Adresse des jetzigen Besitzers herausgefunden und versucht, etwas über die weitere Geschichte zu erfahren. Er war sehr unfreundlich wegen des Anrufs. Vielleicht war ich nicht der erste Anrufer.
Ich habe auch ein paar persönliche Probleme und weiß nicht, ob das etwas mit dem Aufenthalt zu tun hat.
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Heike aus Köln schrieb am 24.10.2023
Ich bin 1977 mit 6 Jahren nach Adenau zur sogenannten Kur geschickt worden.
ICH dem Kindergarten und bevor ich eingeschult werden sollte, sollte ich zur Kur. Ich weiß noch das ich gar nicht von zuhause weg wollte. Ich bin die jüngste von 4 Geschwister, aber die einzige die zur Kur sollte. Ich verstehe eigentlich bis heute nicht warum ich dorthin musste. Für mich war es die Hölle. Heimweh ohne Ende .
Ich kann mich erinnern das in meine Kleidung Namensschilder gebügelt wurde. Und das wir mit vielen Kindern in einem Bus nach Adenau gefahren worden sind. Ich meine mich zu erinnern bei Ankunft wurden uns die Stofftiere und Süßigkeiten abgenommen die wir von zuhause mitgebracht hatten. Bei den Süßigkeiten hiess es das wir es mit allen teilen müssen. Kann mich aber nicht erinnern das wir jemals was süßes bekamen.
Im Speiseraum musste ich an den Diät Tisch. Obwohl ich eigentlich nicht Dick war. Wir am Diät Tisch bekamen wenig zu Essen. Ich weiß das ich immer Hunger hatte . Wir mussten zusehen wie die anderen viel zu essen bekamen. Nachts durften wir nicht auf Toilette, da ich aber nachts musste wollte ich heimlich schnell aufs Klo, bin erwischt worden und bekam mächtig Ärger und durfte nicht auf Klo. Somit machte ich dann ins Bett. Musste mein Bett in der Nacht noch abziehen und im Keller in die Wäschekammer bringen. Durfte mich nicht mehr hinlegen um zu Schlafen. Morgens beim Frühstück musste ich mich vor die Gruppe stellen und sagen " Ich bin ein Bettnässer"
Zur Bestrafung durfte ich an dem Tag nicht mit den anderen draußen im Garten spielen. Musste unter Beobachtung im Zimmer bleiben. Durfte auch nicht sprechen. Ich weiss noch das wir Postkarten für die Eltern schreiben sollten. Diese wurden aber kontrolliert, es durften nur positive Dinge drin stehen, negative Postkarten wurden zerrissen.
ICH hatte wahnsinniges Heimweh und für mich war es die Hölle. Als ich endlich wieder zuhause war, hab ich erstmal alles gegessen was ich in die Hände bekam. Ich erinnere mich auch, als meine Mutter mich am Bus abgeholt hat, das sie zu mir sagte... mein gott was hast du abgenommen.
Aber von der Kur selber durfte ich nie drüber reden. Ich habe jahre danach noch Albträume gehabt. Als ich die Dokus im TV sah, war es für mich wie ein Befreiungsschlag. Endlich glaubt mir jemand.
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Mario schrieb am 23.10.2023
Ich weiß nicht ob diese Erfahrung unter "Verschickungsheim" gehört, ob es das ist, was damit konkret gemeint ist und teilweise ist mein Beitrag recht hart und kann hinsichtlich Gewalt gegen Kinder und Missbrauch antriggern (lieber gut überlegen was man lesen und ertragen kann und was nicht)

...
Immer wenn ich was über Verschickungsheime mitbekomme, muss ich an Ruhpolding denken.

(Vorsicht Triggergefahr, ich bin da recht offen)

Ich habe am Ende des Textes eine Überschrift gefunden:

"Wozu braucht man eine Kullertränenfabrik?"

Ich war vielleicht vier oder fünf Jahre alt und wurde gemeinsam mit meinem Bruder nach Ruhpolding geschickt. Das muss so 1979 rum gewesen sein.
Wenn ich heute nur Ruhpolding höre, dann löst das in mir enorm viel aus. Es war die Hölle und ich kann mich nur noch an Bruchstücke erinnern.
Ich habe keine Ahnung, wie lange es dauerte. Ich weiß aber noch ganz genau, wie wir ankamen, mit vielen anderen Kindern in einem Bus, der vor diesem Haus hielt, es war neblig, kalt und alles sehr fremd und bedrückend. Wir schienen irgendwie alle keine Ahnung zu haben, warum, weshalb und wie lange wir dort sein sollten. Wir mussten dann ein paar Betonstufen runter, in einen Speisesaal.
Es wurde ausschließlich mit Befehlston mit uns gesprochen und wir mussten (ja mussten) Kakao trinken.
Dieser hatte Haut oben drauf, vor der ich mich sehr ekelte und die ich erbrechen musste, ich musste würgen und erbrechen vor Ekel und diese Frauen dort (ich glaube Schwestern oder Nonnen) zwangen mich dieses Erbrochene wieder aufzuessen es gab Schläge auf den Hinterkopf (auch heute habe ich noch große Probleme mit Erbrochenem, aber wer auch nicht). Das war am ersten Tag, am zweiten Tag dasselbe, aber mein älterer Bruder (ca 1 Jahr älter) fand Haut auf dem Kakao nicht so schlimm und er hatte die ganz schnell für mich runter gemacht. Er bekam ja mit, wie ich litt und gequält wurde, wie ich schrie und weinte und wie lange wir am Tisch sitzen mussten, gefühlt bis spät in die Nacht bis ich das Erbrochene eben irgendwie runterwürgen konnte. Bis meine Augen leer geweint waren.
Ich weiß sonst noch, dass wir träumen MUSSTEN, um am nächsten Tag Träume zu erzählen, ich wurde als Lügner hingestellt und ziemlich fertig gemacht, dass ich da nicht lügen dürfe und dass alle träumen und ich sagen muss, was ich geträumt hätte. Als ich aber sagte, ich hätte nichts geträumt wurde ich hart und streng bestraft (ich kann mich allerdings nur noch an das Gefühl erinnern, ich glaube ich musste mich auf so einen gelben Würfel stellen und alle zeigten auf mich und sollten Lügner sagen oder böse rufen oder sowas). Man wurde dort generell oft vor anderen bloß gestellt, auch wenn man vor Angst ins Bett machte wurde vor allen ausgelacht und bloß gestellt.
Ich hatte solche Angst und war so eingeschüchtert, dass ich beim nächsten Mal erzählte, dass ich von Superman geträumt hätte, was ich mir ausdachte um nicht wieder bestraft zu werden. Den malte ich dann auch, womit ich mich sehr unwohl fühlte, weil man in unserer Familie eigentlich ehrlich war.
Ich habe bruchstückhafte Erinnerungen wie ich in eine Art Arztzimmer musste, mit orangebraunen Wänden und so einer dunkelblauen oder schwarzen Arztliege. Dort zog ein Mann mich aus und fasste mich überall an, auch an den Genitalien, auch am und im Po, wie oft das passierte, weiß ich nicht mehr. Sonst waren nur Frauen dort, nur böse Frauen mit Strafen und Befehlen, ich glaube dieser Pseudoarzt war der einzige Mann dort. Inwiefern diese "Untersuchung" medizinisch bzw. irgendwie diagnostisch notwendig war, kann ich schwer einschätzen, vielleicht hatten solche Methoden damals einen Sinn, heute würde man bei Vorschulkindern wahrscheinlich keine Prostata untersuchen...
Dies triggerte mich allerdings alles auch sehr an, da ich seit meinem dritten Lebensjahr (oder früher, jedenfalls seit ich denken und mich erinnern kann), von meinem Opa sexuell missbraucht wurde. Von daher dachte ich sowieso es sei völlig normal, wenn alte, stinkende Menschen einen ausziehen und überall anfassen oder verlangen, dass man sie anfasst, oder dass man gestreichelt wird oder streicheln soll oder dass man irgendwas in den Hintern gesteckt bekommt.
Als Kind dachte ich zumindest alle alten Menschen machen dies mit ihren Enkeln und da sei nichts außergewöhnlich dran. Erst mit 8 sowas lernte ich über das Fernsehen, dass sowas nicht normal ist und verboten dann wollte ich nicht mehr, wurde erpresst und unter Druck gesetzt und so mit 9 oder 10 sagte ich "nein" und war fest davon überzeugt er würde mich für meine Verweigerung umbringen, stattdessen zerstörte mein Opa ganz gezielt mit Lügen meine Glaubwürdigkeit in meiner Familie, die ich dadurch sozusagen für eine Lange Zeit verlor, (hoffe das ist nicht zu hart, ich kann da mittlerweile gut und frei drüber reden, dies klappte bis zu meinem 22. Lebensjahr nicht, da mir bis dahin schlicht die Worte für das Erlebte fehlten).

Seit diesem Zeitpunkt dieser "Untersuchung" in Ruhpolding habe ich eigentlich garkeine Erinnerungen mehr an dieses Haus und an das was da genau passierte, ich befürchte schlimmeres oder noch mehr Ähnliches, irgendwie Dinge vor denen mich mein Gehirn versucht zu schützen eben.
In meiner Erinnerung ist Ruhpolding für mich der Inbegriff von Hölle, von Unterdrückung, von harten Strafen und ja ich würde es Folter nennen, auf jeden Fall enorme unfassbare Gewalt.
Ich habe an die Zeit dort keine eine schöne Erinnerung, außer dass mein Bruder mich davor rettete die Kakaohaut erneut zu erbrechen und dieses Erbrochene dann wieder aufessen zu müssen.

Es war der liebloseste Ort, an dem ich je war, den ich mir überhaupt vorstellen kann.

Die Bedrückung und Angststarre der Kinder dort waberte wie der Nebel über Ruhpolding und wenn ich das schon höre "RUHPOLDING", dann ist der Nebel über Ruhpolding das passende Bild für dieses Kalte, Nasse, Feuchte, Eklige genau das wie alles dort war. Ein Ort an dem möglichst keine Menschen sein sollten, aber an welchen erstrecht keine schutzlosen einsamen Kinder geschickt werden sollten. Doch diese brachte man mit Bussen alleine und voller Angst dorthin und keines der Kinder wusste warum oder wie lange oder ob sie je wieder aus dieser Hölle heraus kommen würden.
Es gab keinen Kontakt zu den Eltern, man war plötzlich in einer anderen Welt, eklig, kalt, herzlos, brutal und dann dieser Nebel mit einem unangenehm kalten Nieselregen der immer da war und vor dem es keinen Schutz gab.
Genauso war die Kälte in den Herzen der bösen Frauen dort und wie vor dieser Kälte erstarrt waren die Blicke der Kinder, große starre Kinderaugen ohne Freude, ohne Lächeln in ständiger Angst, vor der nächsten Gefahr vor der nächsten Aktion, vor der nächsten unangenessenen Strafe, vor der Hilflosigkeit und der Machtausübung dieser bösen Menschen dort.
Aber die Kinderaugen waren nicht schnell, nicht wie auf der Flucht, nicht wie in Panik, nicht wie erschreckte Kanninchen. Nein! Es war der Schock in ihren Augen, die großen Kinderaugen voller Angst, voller Fassungslosigkeit, voll Schock, gepaart mit Hilflosigkeit. Sie konnten nicht mehr springen, rennen, spielen oder fliehen. Sie wirkten wie man sich die Tiere in Seligmans Experimenten zur erlernten Hilflosigkeit vorstellt, aber die Kinder durften sich nicht zusammenkauern, sie durften nicht richtig trauern, obwohl sie alles verloren hatten, was sie kannten.

Wir mussten jetzt Befehlen gehorchen, Tränen kullerten aus Kinderaugen, die nicht verstanden was passierte.
Es schienen alle, wie ich aus der Familie gerissen worden zu sein, weit weg von Schutz, Wärme, Geborgenheit und Verständnis in eine Welt von Befehlen und Anweisungen, von Regeln, die wir weder kennen, noch verstehen konnten, von solch kalter Herzlosigkeit, die Kinder nicht fassen oder verstehen können, die niemals ein Kind erleben sollte.

Es schockierte zusätzlich das, was anderen an Leid angetan wurde.
Man sah schockierte Kinderaugen mit leisen ängstlichen Kullertränen.

Gefühlt war keines der Kinder bereits im Schulalter, wir waren noch richtig richtig klein. Wir waren bedürftig und abhängig, brauchten Schutz, wir brauchten doch mal eine Umarmung, mit Mama Kuscheln, auf Papas dickem Bauch einschlafen, Nähe, mal etwas Aufmerksamkeit, wir brauchten doch Liebe.

Aber es war Ruhpolding, hier gab es keine Liebe, von niemandem, für niemanden, Ruhpolding eben.

Kullertränen interessierten niemanden, es gab sie täglich, bei allen. Aber Ruhpolding liegt auf einem kalten Berg, vielleicht um nicht in Kullertränen zu versinken, diese kullerten runter, aus den geschockten Kinderaugen, die Wange runter tropften sie auf den Boden. Ich glaube es war ein grauer Linoleumboden passend zum grauen kalten Himmel über dem nieselnebligen Ruhpolding (wie ich diesen Namen hasse, diesen Hass kann man geschrieben garnicht ausdrücken). Die Kullertränen von allen tropften zu allen Zeiten. Nein, nicht von allen gleichzeitig, manchmal waren Kinder einfach leergekullert, dann kamen auch keine Tränen mehr. Dann wurden wir so kurzatmig, man rang nach Luft, suchte Kraft und Energie, weil es noch so viel zu weinen gab und die Verzweiflung nicht zu ertragen war. Es gab immer ein Kind, dass noch Reserven hatte, vielleicht hatten welche auch eine bessere Atemtechnik, oder, oder, oder. Es weinte ständig eins von uns Kindern, denn es war uns allen zu viel, zu schlimm. Einige wurden geohrfeigt, einige bekamen vor allen den Hintern versohlt und einige am Ohr hoch in die Luft gezogen. Immer wieder wurden einzelne Kinder vor allen bloß gestellt, zum Gespött gemacht, ausgelacht, gedemütigt. Es gab keine Lieblinge, alle erlebten das, alle wurden von den bösen Frauen dort ausnahmlos gehasst. Solche Menschen sollten nicht mit Menschen arbeiten und schon gar nicht ihre Gewalt an Kindern ausleben. Was war nur los mit diesen Frauen, wieviel Hass und Gewalt kann nur in diesen Frauen gesteckt haben?

Erst als ich viel älter war, lernte ich wie der Kreislauf des Wassers funktioniert. Vielleicht war der nasse, unangenegme Nebel über Ruhpolding aus verdunsteten kalten Kullertränen gemacht, oder die Kullertränen kullerten ins Tal zum Kreislauf der Kullertränen, die dann wieder neuen Nebel schufen, was für ein schlimmer Ort - RUHPOLDING.
Aber alle Kinder hatten die Kullertränen, die immer leiser wurden, denn alles schluchzen, weinen und nach Atem ringen machte es höchstens schlimmer, doch helfen konnte nichts.
Es war eine herzlose und gottlose Kullertränenfabrik nur wusste ich als Kind nicht wozu, die anderen wussten es auch nicht, es wusste damals niemand.
Heute? Ja heute!
Heute weiß ich es auch nicht... Wer zur Hölle braucht eine kalte Kinderkullertränenfabrik die Ruhpolding heißt?
In Ruhpolding war egal, ob geweint, geschrien, geschluchzt oder getobt wurde man war unter vielen geschockten Kindern alleine, denn kaum ein Kind hatte Ressourcen für die anderen. Außer mein großer Bruder, der mich an einigen Tagen vor der Haut auf dem Kakao und der Gewalt der bösen Frauen dort retten konnte.

Ich hatte damals eine Puppe dabei, und mit dieser habe ich wohl um mich geschlagen um mich zu wehren gegen die Gewalt dieser Frauen, aber auch gegen andere Kinder, die mich ärgerten (auch weil ich ein Junge mit Puppe war), sie wurden ja auch dazu angestachelt, durch das ständige bloß Stellen durch die bösen Frauen dort. (irgendwie fällt mir auch keine andere Bezeichnung als "böse Frauen" ein, denn Nonnen, Schwestern, Betreuerinnen sind zu positive und damit falsche Bezeichnungen, für mich als Kind kamen sie direkt aus der Hölle).

Vor kurzem sah ich irgendwo im Fernsehen wieder etwas über "Verschickungsheime" und musste wieder genau daran denken, an RUHPOLDING. Aber ich habe keine Ahnung, ob diese Hölle tatsächlich solch ein "Verschickungsheim" war.
Ich glaube es wurde im Nachhinein immer Kur genannt. Kur, Verschickungsheim, Kullertränenfabrik, für mich war immer das Wort "Ruhpolding" das was das alles beschrieb.
Natürlich weiß ich heute als erwachsener Mann, dass Ruhpolding ein Ortsname ist, aber wenn ich an Ruhpolding denke, dann fühle ich das Leid, das Leid, dass eine Kullertränenfabrik produzierte, wo ich wahrscheinlich niemals verstehen werde, wer dieses Leid denn für was gebrauchen konnte. Ich verstehe bis heute nicht warum und wieso. Als Kind scheint es normal, dies oder das nicht zu verstehen und im Vorschulalter versteht man, je nach Entwicklung, nichtmal die Uhr oder den Kalender, vor allem hatten wir auch beides nicht. Es war zu Zeiten, als Captain Future in seinem Raumschiff, in der Komet, ein schnurgebundenes Telefon benutzte, Handys konnte man sich damals nichtmal vorstellen.
Wie soll man verstehen weg zu sein, wie soll man wissen oder hoffen können, ob man da wieder rauskommt (konnte je jemand aus einer Kullertränenfabrik fliehen?). Man fühlte viel und wusste garnichts, und wünschte sich so sehr was zu wissen. Aber bitte, bitte nichts mehr zu fühlen.
Aber selbst die großen Leute haben Probleme ihre Gefühle zu kontrollieren, ihre Ängste in den Griff zu bekommen und es ist normal, dass Menschen da manchmal Hilfe brauchen.
In Ruhpolding gab es keine Hilfe, für niemanden, es war RUHPOLDING, das Tor zur Hölle.
Es schien eine sehr professionelle Kullertränenfabrik zu sein, aus der es kein entkommen, kein entfühlen gab. Man musste fühlen, die Kälte und den ständig nassen Nebel. In meiner Erinnerung war dort immer eklig kalter Nebel, nichtmal Gott konnte mit Licht, Wärme und Sonne durchdringen, um den Kindern, die gefangen waren, alleine in der Kullertränenfabrik, nichtmal Gott konnte uns wärmen.
Und wir wurden sehr christlich aufgezogen, ich wollte später lange Zeit Pfarrer werden und während andere bei Vorbildern und Idolen Karl Heinz Rummenigge nannten, dachte ich an Jesus. Mein Vater war bei Kirche unterwegs aktiv und wir waren auf einigen Campingplätzen es wurden mit den Kindern Spiele gespielt und Lieder gesungen und getanzt, das war für mich als Kind was, wo Gott war, alles Schöne eben.

Aber wenn das Gott war, dann war Ruhpolding der gottloseste Ort, den man sich nichtmal vorstellen konnte, ich hätte mir so einen kalten Ort insbesondere zu der Zeit nicht vorstellen können und ich glaube als Kind war Ruhpolding für mich dasselbe wie Gottlos, das Tor zur Hölle eben.

Auf www.ruhpolding.de steht:
"Ruhpolding ist ein idyllischer Ort in den Bergen, wo man Sommerfrische, Almen, Bergtouren, Radfahren und Veranstaltungen genießen kann"

Irgendwie scheint es eine sehr unterschiedliche Sichtweise zu geben und ich weiß, dass meine negative Sicht, durch dieses Haus und diese Erfahrungen dort herrühren. Aber mein Gehirn kann einfach nicht annehmen, dass es an so einem Ort Sommer geben kann, Frische ja, wenn Frische gleich Kälte und ekligen nassen Nebel meint, ok... Leider geht es mir auch mit dem Wort genießen so, wer kann denn eine Kullertränenfabrik genießen? Was müssen das für Leute sein? Ich weiß, dass dies meine Vorurteile und meine gottlosen Erfahrungen an diesem Ort sind. Und es wäre sicher sinnvoll, mal dort hin zu fahren vielleicht ein paar Tage, vielleicht gibt es dort ja wirklich auch was anderes als diesen ekligen Nebel um die Kullertränenfabrik herum...
Vielleicht wurde diese Fabrik auch längst abgerissen, ich traute mich noch nicht wirklich zu schauen. Die strafenden Unmenschen die dort arbeiteten sind wahrscheinlich schon tot oder kurz davor. Vielleicht tragen auch garnicht alle von dort so viel Schuld, wir waren klein, sehr klein und es gab gefühlt keine Liebe in Ruhpolding....

Heute fragte ich meine Mutter per WhatsApp Nachricht, angeregt durch diese Verschickungsheim Reportage im Fernsehen, ob sie sich an Ruhpolding erinnern könne und noch weiß wie das hieß oder über welche Organisation das lief und sie antwortete einfach nur "nein", was ich sehr ungewöhnlich finde (allerdings ist sie auch gerade mit einer Freundin im Urlaub).
Wenn ich ein Vorschulkind mehrere Wochen alleine, bzw. mit Bruder irgendwo hin schicke, dann mache ich das doch mit einem Grund oder mit Ziel. Vielleicht frage ich meinen Bruder auch nochmal wie seine Erinnerungen Ruhpolding betreffend sind.

Ich selbst bin mir absolut unsicher, ob sowas ein sogenanntes Verschickungsheim war.
Da ich wirklich nur Bruchstücke erinnere und diese wie bei einem Trauma in visuellen Flashbacks zurück kamen.
Also ich habe auch noch das Bild im Kopf wie wir bei diesem Nebel eine graue Treppe runter in dieses Haus gingen, es hatte glaube ich so 50er Jahre Türgriffe mit gold und schwarz. Auf dem Tisch standen diese Metallkannen, die man aus Jugendherbergen kennt, mit dem Kakao mit der Ekelhaut drauf. Zu anderen Zeiten gab es diesen Jugendherbergsfrüchtetee, den ich bis heute nicht mehr trinken kann (Hagebutte).
Und wir waren mehrere in einem Zimmer mindestens vier oder sechs in Stockbetten, zusammen mit anderen Kindern und alle waren bedrückt, eingeschüchtert, ängstlich, gefangen, eine kalte und grausame Atmosphäre geprägt von der Gewalt der Erwachsenen an diesem Ort (ich wollte erst Betreuende schreiben, aber das wäre irgendwie falsch, die waren einfach nur so böse, wie ich es nie vorher erlebte richtig, richtig böse).

Das sind so grob die einzigen Bilder die ich noch erinnere. Das schlimmste ist wirklich das Gefühl, dass ich erinnere diese Befehle, die Strafen, das Betatschen, das bloß stellen, Vorführen und auslachen, Ekel, Angst, richtig viel Angst man war in einem ständigen Hyperarousal. Also diese Grundstimmung, dass man nicht weiß was wohl als nächstes passiert, man aber enorme Angst davor hat. Und dann die Emotionen der anderen Kinder (ich bin sehr sensibel für Emotionen). Diese geballte Angst und dass alle nicht verstanden, was da passierte und Hilflosigkeit, ich konnte weder mir, noch anderen helfen, alle mussten alles über sich ergehen lassen. Hilflosigkeit, viel Hilflosigkeit. Gefangen in einer unbegreiflichen Kullertränenfabrik in einem "idyllischen Ort in den Bergen, wo man Sommerfrische, Almen, Bergtouren, Radfahren und Veranstaltungen genießen kann".

Aber ich spüre auch Dankbarkeit, dass mein Bruder mich an einigen Tagen retten konnte und er die Haut von meinem Kakao nahm. Und dass es vorbei ging, es war nicht für immer, irgendwann war es vorbei. Ich würde mich so gerne daran erinnern wie es vorbei war, wie wir nach Hause durften, aber da habe ich keinerlei Erinnerungen mehr dran.

Ohje jetzt wo ich das alles schreibe, ich glaube sie hatten mich auch irgendwann von meinem Bruder getrennt, das kann ich aber nicht zu 100% sagen. Sie taten viel um uns zu foltern, zu quälen und psychisch klein zu halten...

Aber gehört sowas denn mit zur Definition der Verschickungsheime, oder war das einfach nur eine Kinderkur mit schlechtem Personal, als wir viel zu jung für sowas waren?

Auch wenn die Erinnerung daran immer einfach nur Schock und Ekel auslöste und an die Angst erinnerte und an diesen schlimmstmöglichen Ort, spielte Ruhpolding für mich nie so eine entscheidende Rolle, der Ort ist schlicht als Kullertränenfabrik und gefühlte Hölle gespeichert und ich bin mir sicher dort irgendwann mal hin zu fahren, denn ich weiß dass meine Erfahrungen nicht im kausalen Zusammenhang mit dem Ort an sich stehen und ich möchte mich gerne meinen Ängsten und Vorurteilen stellen. Vielleicht gibt es dort auch was schönes, vielleicht ein Wellnesshotel in das ich mich mal eine Woche einbuche, oder vielleicht fahre ich erstmal mit meinem Camper dorthin (um im Notfall flüchten zu können, denn als Kinder konnten wir nicht flüchten, jetzt bin ich groß und stark und solch ein Ort sollte mir eigentlich keine schlechten Gefühle mehr machen - vielleicht sollte ich diese Erfahrungen mal den Tourismusverantwortlichen dort schicken vielleicht werde ich ja als Entschädigung eingeladen 😬 nein ich weiß ja, der Ort Ruhpolding selbst kann wohl garnichts für die Hölle, die es in diesem dort gab)

Erst durch eine Reportage im Fernsehen vor einigen Jahren über Verschickungsheime wurde ich regelrecht angetriggert und ich glaube auch gehört oder gelesen zu haben, dass in einer dieser Anstalten, ein anderes Kind auch das eigene Erbrochene wieder aufessen musste. Ich meine es gäbe zahlreiche ähnliche und auch schlimmere Geschichten.
Es gibt einige Parallelen, aber ich verstehe nicht genau, ab wann so eine Einrichtung als Verschickungsheim gilt, oder eben als eine Kur, in welcher SadistInnen arbeiteten oder ob diese Gewalt zu der Zeit vielleicht auch normal war. Immerhin durften Kinder noch bis November 2000 von ihren Eltern geschlagen werden, wir sind da ja recht langsam, was Kinderschutz angeht.
Ich habe mich nie näher mit Ruhpolding befasst und finde es schade, dass meine Mutter nichts dazu sagen kann oder möchte. Die müssen doch irgendwie erfahren haben, dass Kinder dahin können oder jemand muss das empfohlen haben... Ich bin überzeugt, meine Eltern dachten es sei was Gutes für uns und ich glaube nicht, dass sie wussten, oder sich hätten denken können, wie wir dort behandelt wurden.

Ohje jetzt war ich hier voll im Romanmodus, vielleicht kann ich das mit in meinem Buch verwenden, wenn ich an dem über meine Geschichte irgendwann mal weiter schreiben sollte....

Vielleicht schreibe ich hier nochmal, wenn ich mich meinen Vorurteilen stellte und den Ort Ruhpolding besuchte, ich würde mich jedenfalls freuen, die Hölle Ruhpolding von einer anderen Seite kennenzulernen (und jetzt schaue ich tatsächlich mal ob es dort vielleicht ein Hotel mit Sauna oder eine Therme oder sowas gibt, denn die negativen Erfahrungen dort dürfen doch nicht ein ganzes Dorf in meiner Erinnerung in solch ein schlechtes Licht rücken, so viel Macht möchte ich dem Böse nicht geben...)
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Daniel1979 schrieb am 16.10.2023
Hallo !

Als es mir am 11.10.2023 wie Schuppen von den Augen fiel !!!! Ich war ein Verschickungskind...nie drüber gesprochen...es waren ja 6 Wochen "Ferien" 😉

Das kam so BÄM einfach mitten in die Fresse und erklärt einiges, hilft mir jedoch auf meinem Weg der Selbsterkenntnis. Habe noch bissl Material von dort, das habe ich nie beachtet...aber stets aufgehoben. 2 Briefe und ein Heft was wir dort gemacht haben (mit Gruppen-Bildern und Berichten, (Vor-)Namen der Jungs (teilweise auch volle Namen) und auch Namen von den "Schwestern").

Schlechte Erinnerungen ? Weiß ich nicht, als ich den einen Brief gelesen habe, kam es mir, dass es streng war (Nachts keinen Mucks, sonst biste weggekommen) Ich muss da noch mehr reingehen und Erinnerungen sammeln. Ich war aber damals (10 Jahre alt), teilweise noch bettnässer, je nachdem was ich grad hatte und je nach Erlebnis. Das war dort mit Sicherheit nicht gerne gesehen.

Ich will jetzt hier auch nicht zu viel schreiben, bin noch am sortieren im Kopf 😉

Vielleicht findet sich ja zufällig jemand der sich wiedererkennt auf dem Bild.

Einen Namen habe ich, sogar mit Adresse damals in Wiesbaden.
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Gabriele aus Lüdenscheid schrieb am 14.10.2023
Ich bin Jahrgang 1959 und würde zusammen mit meinem Bruder Jahrgang 1958 von Lüdenscheid nach Murnau 632 km entfernt, verschickt. Ich kann mich an unsägliches Heimweh erinnern, an die Fahrt mit Eisenbahn 1965 Holzklasse, an Schwestern mit Hauben, an viele Bastelarbeiten. Die Betreuerinnen haben uns geholfen Briefe an die Eltern zu schreiben . Es war vor der Einschulung und für uns eine schlimme Zeit, weil wir um kamen vor Heimweh. Wir waren bis dahin nie von unseren Eltern getrennt gewesen. Das Heimweh war das schlimmste und das 6 Wochen lang. Mein Bruder wurde dort krank,und durfte mich wegen der Ansteckung nicht sehen. Windpocken meine ich, als wir nach 6 Wochen wieder heim kamen, hatte ich am nächsten Windpocken . Demütigungen, Schläge haben wir nicht erlebt. Ich habe meine kleinen Kinder niemals solange alleine in die Fremde geschickt. Meine Mutter sagte später, sie habe das später sehr bereut.
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Gabriele aus Lüdenscheid schrieb am 13.10.2023
0 Ergebnisse für: Ich bin Jahrgang 1959 und wurde zusammen mit meinem Bruder Jahrgang 1958 von Lüdenscheid nach Murnau verschickt. Ich kann mich an den Beginn der Fahrt mit der Eisenbahn erinnern, (Holzklasse) an unsägliches Heimweh, an die großen Schlafsäle, an Schwestern mit Hauben, an viele Bastelarbeiten. Die Betreuerinnen haben uns die Briefe unserer Eltern vorgelesen, uns geholfen " Briefe" an die Eltern zu schreiben . Es war vor der Einschulung und für uns eine schlimme Zeit, weil wir um kamen vor Heimweh. Wir waren bis dahin nie von unseren Eltern getrennt gewesen. Das Heimweh war das schlimmste und das 6 Wochen lang. Mein Bruder wurde dort krank,und durfte mich wegen der Ansteckung nicht sehen. Masern, meine ich, als wir nach 6 Wochen wieder heim kamen, hatte ich am nächsten Tag Masern. Demütigungen, Schläge haben wir nicht erlebt. Ich habe meine kleinen Kinder niemals alleine ohne uns fortgeschickt. Meine Mutter sagte später, sie habe das später sehr bereut.
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Simone schrieb am 05.10.2023
Ich bin Jahrgang 1966 und wurde kurz vor meiner geplanten Einschulung 1972 von einem Amtsarzt untersucht und für nicht lernfähig befunden, da ich zu dünn war. Darauf hin kam ich mit 5 Jahren nach Schmalkalden zur Kur. Eltern hatten damals in der DDR Eltern kein Recht sich gegen diese Maßnahme auszusprechen. Das weiß ich von meiner Mutter. An die Anreise habe ich keinerlei Erinnerungen mehr. Meine Mutter sagte mir nur, dass sie mich zum Bahnhof nach Leipzig gebracht haben und dort wurde ich von einer Betreuerin in Empfang genommen.
Ich war ein stilles und schüchternes Mädchen, das während der 6wöchigen Kur nur geweint hat, vor lauter Heimweh. Das Heimweh war so stark, dass mein Hunger und Appetit darunter gelitten haben. Ja, man musste aufessen. Wenn man nicht aufgegessen hat, musste man am Tisch sitzen bleiben bis der Teller leer war. Da ich fast ununterbrochen geweint habe sind die Erzieherinnen mit mir verzweifelt. Als ich einmal wieder nicht aufgegessen habe, hat mir eine Erzieherin (schwarze Haare ein Dutt - sehe ich heute noch vor mir) eine Ohrfeige gegeben. Ich fiel um und machte mir dabei in die Hose vor Angst. Dies hatte zur Folge, dass ich nach dem Abendbrot nicht mit den anderen Kindern den Sandmann im Fernsehen anschauen durfte. Nein, so eingenässt wie ich war musste ich mich hinter den Fernseher mit dem Gesicht zur Wand stellen, und so stehen bleiben bis die Sendung vorbei war. So klein ich damals war, aber das konnte ich nie vergessen. Ich sehe immer noch förmlich den großen Speisesaal vor mir. Auch den Schlafsaal wo mein Bett an einem Fenster stand. An den Park vor dem Heim kann ich mich auch gut erinnern. Es gab große Bäume und dahinter waren große Berge. Damals saß ich oft auf einer Bank und habe die Berge angestarrt. Ich dachte damals, wenn ich diese bezwingen könnte, dann wäre ich wieder zu Hause. Die Zeit dort kam mir wie ein halbes Leben vor. Meine Eltern schrieben mir Briefe auf denen sie bunte Bilder geklebt hatten, denn ich konnte ja noch nicht lesen und schreiben. Die Briefe wurden mir vorgelesen. Jedoch nicht alle, wie ich später erfuhr, da ich jedes Mal beim Vorlesen bitterlich geweint habe.
An den Tag der Abreise kann ich mich ebenfalls kaum noch erinnern. Nur als der Zug in Leipzig einfuhr, ich ausstieg und an meinen Eltern vorbei gelaufen bin. Meine Mutter sagte später, dass sie ganz erschrocken war, wie ich aussah. Noch dünner bin ich wiedergekommen. Ich habe wochenlang nicht mit meinen Eltern gesprochen. Saß eingeschüchtert und teilnahmslos da und man konnte mich nicht mehr alleine lassen. Als endlich die verspätete Einschulschulung stattfand, war das für mich eine Tortour. Alle Kinder waren glücklich nur ich weinte zum Schulanfang. Es gibt ein Foto von mir mit der Zuckertüte, auf welchem ich wahrlich total traurig aussah.
Im Schulalter war ich noch zweimal in einem Ferienlager, wo ich ebenfalls nur geweint habe. Nichts habe ich dort genossen. Es war einfach nur schrecklich für mich. Ich denke schon, dass mich dieser Kuraufenthalt dermaßen geprägt hat. Trennungen, Abschiede usw. - mit vielen zwischenmenschlichen Dingen kann ich einfach nicht umgehen. Auch meine Beziehungen scheiterten letztendlich an meiner Bindungsunfähigkeit und meine Verlustängsten. Lieber keine Beziehung eingehen, als eine Trennung durchmachen.
Ich finde es gut, dass man sich hier austauschen und sein Erlebtes mitteilen kann. So kleine Kinder ohne Eltern zur Kur zu schicken ist schon fast unzumutbar. Damals habe ich nicht begreifen können, was es bedeutet 6 Wochen von zu Hause fort zu müssen. Auch die Tatsache dass mein permanenter Gewichtsverlust zur Kur doch jemandem hätte auffallen müssen, verwirrt mich sehr. Dann muss man ein Kind doch nach Hause schicken. Die Ohrfeige und das Einnässen habe ich erst im Erwachsenenalter meinen Eltern erzählt. Sie waren entsetzt und erstaunt, dass ich das alles nie vergessen habe.
Diese Erinnerungen verblassen nie!
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Irmgard Koschate aus Bonn schrieb am 03.10.2023
Bevor meine Mutter 1994 starb, bemerkte sie mal, dass es ihr größter Fehler gewesen wäre, mich zu dieser Kur geschickt zu haben!
Nun habe ich gerade zu „meiner“ Kurklinik noch keine Bemerkungen hier im Forum gelesen. Das Haus besteht bis heute, aber natürlich unter weitaus besseren Bedingungen!
Die Daten meines Aufenthalts, 16. Mai bis 24. Juni 1958, hatten sich mir schon früh eingeprägt. Ich war Ostern zuvor in die 2.Klasse gekommen und wurde im August danach 8 Jahre alt. Die Vorbereitungen bedeuteten für mich schon eine große Vorfreude: das IK wurde in alle Wäschestücke eingenäht, Pixibücher als leichte Unterhaltung besorgt, zwei (!) Koffer und eine Tasche gepackt. Um 10.00 Uhr sollte die Fahrt mit dem Kindersonderzug in Beuel starten, wurde dann aber auf 8.10 Uhr per D-Zug vorverlegt. Alles aufregend! Die Entsendestelle war das Gesundheitsamt der Stadt Bonn.
Fast 6 Wochen sollte oben am Feldberg die Höhenluft meiner Lunge guttun. Nach meiner Erinnerung waren wir aber kaum draußen an der frischen Luft.
In meinen drei noch erhaltenen Briefen von damals an meine Eltern schrieb ich: „Wir haben jeden Samstag und Montag Turnen. Mir geht es noch immer gut.Das Essen schmeckt mir auch noch sehr gut.Es ist nicht sehr gutes Wetter. Ich komme ja bald wieder nach Hause. Wir spielen sehr viel. Ich habe schon sehr viele Spiele und Lieder gelernt.“ In einem anderen Brief schrieb ich: „Ich hatte auch mal Fieber, aber jetzt ist es schon wieder gut.“ Daraufhin bemerkte die Heimärztin Dr. Richartz auf der Rückseite meines Briefes, dass ich eine fieberhafte Halsentzündung gehabt hätte, ich jetzt aber nur noch ein paar Tage im Bett liegen müsste.... Meine Eltern wurden also nicht informiert, dass ich wohl fast zwei Wochen in der Krankenabteilung verbringen musste!
Und was meine anderen Bemerkungen betrifft: ich hatte ständig Durst und bekam kaum etwas zu trinken. Ich erinnere mich nur an (wenig!) Wasser mit Himbeersirup.
Ich war nie Bettnässer, aber dort wurde ich es, - wahrscheinlich wurde es auch uns verboten, nachts auf Toilette zu gehen. Ich musste noch in der Nacht meine nasse Bettwäsche und meinen Schlafanzug im Waschbecken waschen, irgendwo aufhängen und mein Bett selbst neu beziehen. Von der Schimpferei ganz zu schweigen! Und das alle paar Tage!
Ich mochte sehr oft das Essen nicht, aß nicht auf oder mir wurde schlecht bis zum Übergeben. Dann musste ich unter Beschimpfungen an den „Katzentisch“ in einer Abstellkammer. Das ist OFT passiert, aber im Brief an die Eltern sollte man davon nichts schreiben....
Im Gegensatz zu den Erlebnissen und Schicksalen anderer Verschickungskinder hört sich das nicht aufregend an, — aber für mich war es die Hölle! Rausgerissen aus einem intakten Familienleben, verbannt in ein großes Haus im Wald, - so allein gelassen habe ich mich nie wieder gefühlt. Ich konnte lange nicht darüber sprechen, meine Mutter hat erst nach und nach alles von mir erfahren, wie sie mir später berichtete.
Auf der Website vom Caritas Haus ist heute unter „Geschichte des Hauses“ zu lesen, dass man damals zu einem hohen Prozentsatz Selbstversorger war. Das betraf auch Kirschen, die explizit dort erwähnt wurden: 50 Zentner wurden im Jahr dort verarbeitet. Warum sollte das Personal sich damit abgeben? Wir haben doch die Kurkinder! So saßen wir im großen Kreis auf dem Hof und entsteinten die Kirschen! Wozu führte das? Durchfall! Wir hatten ja ständig Durst, und selten gab es so leckeres wie Kirschen zu essen.....
Gelernt haben wir eventuell doch etwas - ich schrieb eine Woche vor dem Ende des Aufenthalts: „Es blühen hier sehr viel Kuckuckslichtnelken und Butterblumen und auch Lupinen. In einer Woche fahren wir nach Hause. Ich freue mich, wenn ich bei euch bin.“ Diese Pflanzennamen musste ich ja dort gelernt haben.
Meine Gruppenleiterin war „Tante Brigitte“, sie steht mir nicht mehr vor Augen, - anders als ein gleichaltriges nettes Mädchen. Wir wollten uns später schreiben, ich habe Name und Adresse immer noch im Kopf: Sigrid Müller, Hagen in Westfalen, Goldbergstrasse 1. Wir haben uns nie geschrieben....
Meiner Gesundheit zuträglich war diese Kur nicht. Sie brachte nichts, und ich war ständig traurig, auch wenn die Briefe eine andere Sprache sprechen. Ich fühlte mich total isoliert, hatte nur in jener gleichaltrigen Sigrid eine Ansprechpartnerin.
Vielleicht meldet sich jemand, der auch zu jener Zeit dort oben am Feldberg war. In einem Brief erwähne ich noch einen Hans-Peter...
Ich wurde nie mehr von meinen Eltern zur „Erholung“ fortgeschickt!
1989 war ich nochmal mit meinem Mann und meinen kleinen Töchtern dort oben am Caritas Haus und hatte sofort wieder das Gefühl von früher, obwohl jetzt alles heller und freundlicher ist.
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Marion Deutscher aus Gehrden schrieb am 02.10.2023
Ich bin durch Zufall auf diese Seite gestoßen. Ich war im Herbst 1968 als noch 5-jähriges Kind in einem Heim in Niendorf. Viel Erinnerung daran habe ich nicht mehr. Allerdings kann ich mich noch gut daran erinnern, dass ich gerade am Sonntag immer unter Heimweh gelitten habe. Das wurde von den Betreuerinnen als lapidar weggewischt. Einige der Betreuerinnen waren Nonnen. Desweiteren wurden wir gezwungen, Lebertran zu schlucken. Es war egal, wie eklig der geschmeckt hat. Ich mochte noch nie warme Milch mit Honig, zuhause habe ich immer Kakao zum Frühstück getrunken. Im Heim musste ich die warme Milch trinken mit dem Ergebnis, dass sie jedes Mal wieder durch Erbrechen raus kam. Richtigen Kontakt zu meinen Eltern hatte ich während des sechswöchigen Aufenthaltes so gut wie gar nicht.
Das sind meine Erinnerungen an die Verschickung.
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Annedore Haerder aus 6330 Cham schrieb am 23.09.2023
Hallo
Meine Mutter, geb. 1940, ist mit 6 Jahren nach Norderney verschickt worden.
Sie ist eine untherapierte Frau mit Mehrfachtraumatisierungen. Sie war ohne eine Impulskontrolle, lebte ihre Emotionen an ihren 7 Kindern und Ehemann aus.
An ihren Aufenthalt kann sie sich kaum erinnern ( Schuhe gab es neu und ihr Hautekzem heilte endlich, die 1. Klasse musste sie wiederholen).
Ich suchte immer nach einer Erklärung, wieso sie so war wie sie ist und durch einen Zufall bin ich auf diese Berichte hier auf dieser Seite gestoßen.
So langsam begreife ich, was meine Mutter so unberechenbar gemacht haben könnte denn ihre anderen 4 Geschwister sind gar nie so gewesen wie sie. Auch hatte meine Mutter eine irre Wut auf ihre Mutter, ihre Geschwister hatten diese gar nicht.
Jedenfalls organisierte meine Mutter für mich 1972 im Alter von 10 Jahren eine Kinderverschickung.
Meine Lehrerin versuchte alles, meine Mutter vom Gegenteil zu überzeugen, da die Versetzung in die 5. Klasse Anstand und 6 Wochen fehlen vom Unterricht Schwierigkeiten mit der Versetzung bedeuten würde.
Leider war es dann auch so gekommen, mein Wunsch auf die Realschule zu kommen war anschließend zunichte gemacht, nach der Rückkehr kam ich im Unterricht nicht mehr mit und in meinem Verschickungsheim Bad Soden Allendorf gab es keinen Unterricht leider.
Ich vermisste meine Schulklasse, meine Freundinnen und natürlich meine 9 köpfige Familie sehr.
Es war alles sehr kühl dort, weil ich schon mit negativen Gefühlen hinfuhr, gegen meinem Willen.
Ich sah, das andere Kinder auch auf dem Schoß von Betreuerinnen saßen. Ich konnte nicht auf mich aufmerksam machen und blieb darum auch einsam im Gefühl.
Ich fühlte mich sehr fremd bestimmt, zumal ich daheim viel Freiheiten hatte.
Die Bettruhezeit mittags war extrem befremdlich mit 10 Jahren für mich.
Das Wiegen fand ich grausig, mich bis auf die Unterwäsche ausziehen und wie eine Nummer behandelt zu werden von den Weisskitteln, es schüchterte mich ein und nie konnte ich genügen. Ich war lang und sehr dünn. Das gehört zu unserem Familientypus, das waren wir alle und da ich auch kaum zunahm, bekam ich ein Gefühl der Ablehnung zu mir in diesem Kuraufenthalt für die nächsten Jahrzehnte!
Vorher hab ich mir doch nie nur einen Gedanke gemacht wie ich aussehe!
Ich habe dann selber mit 19 Jahren angefangen Essdiäten über 6 Wochen zum zunehmen durchzuführen! Ich war ja deutlich nicht richtig, da zu dünn… das war jetzt eingeimpft bei mir.
Bei uns daheim gab es in meiner Kinderzeit diese “Schokoladensuppe” auch zu essen.
Am Familientisch fand ich es super lecker! Jetzt weiß ich auch, woher meine Mutter das Rezept her hatte 😜
Die Esssituation im Speisesaal empfand ich als Stress und somit auch als unangenehm. Warum genau, kann ich nicht mehr beschreiben.
Neben dem Wiegen empfand ich diese Szene, wie schon oft beschrieben, das Karte/Brief schreiben auch ganz schrecklich, denn ich wollte nur nach Hause, sobald und so schnell als möglich! Doch auch ich musste alle anlügen daheim, wie toll ich es habe und wie wohl ich mich fühlte im Kinderheim.
Das lesen meiner Briefe empfand ich als schweren Bruch und ich betrachtete die Betreuerinnen als meine Feinde. Folglich konnte ich mich auch nicht irgendjemandem zuwenden um meine Einsamkeit etwas zu mildern, wenn ich meinte, mein Heimweh nicht aushalten zu können.
Ich empfand auch diese heißen Solebäder in großen Bottichen als beängstigend, ich hab den Sinn nicht verstanden und traute mich auch nicht zu fragen.
Ich folgte einfach.
Die Spaziergänge im Park, Singspiele, tanzen in der Gruppe und bestimmt gab es noch andere Aktivitäten, machte ich begeistert mit.
Ganz schwierig war es für mich, als ich Zahnweh bekam. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich beim Zahnarzt. Mir wurde ein Backenzahn gezogen. Auch damit war ich anschließend allein, niemand setze sich zu mir, schaute mich an und nahm sich Zeit, meinen Kummer anzuhören.
Meine Heimkehr empfand ich als sehr belastend.
Alles und alle waren mir fremd, die 6 Wochen haben mich aus allem “rausgebracht” und erst jetzt, wo ich diese Webseite “Verschickungskinder” gefunden und viel gelesen hab, fange ich an zu begreifen, das viele meine negativen Gefühle die ich heute noch kenne von dieser Verschickung her kommen.
Für mich ist klar, das ich das mittels Therapie mir anschauen möchte!
Vielen Dank für diese Plattform!
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Eberhard Riech aus Langelsheim schrieb am 20.09.2023
Ich (Jahrgang 1946) bin über einen Zeitungsartikel auf diese Webseite aufmerksam geworden und kann die (meist) negative Sichtweise der Kinderkuraufenthalte als selbst Betroffener nicht nachvollziehen. Aufgewachsen als Flüchtlingskind in einer südhessischen Undustriestadt war die Verschickung, 1959 nach Westerland/Sylt sowie 1960 nach Hochried b. Murnau ein wahrer "Segen". Meine Mutter war alleinerziehend, voll berufstätig (mit Nachtdienst) und hatte drei Personen zu versorgen. Wir lebten zu viert in einer kleinen 2-Zimmer-Wohnung. Irgendwie wurde das Gesundheitsamt der Stadt Offenbach auf mich aufmerksam (ich war wohl ein "Hänfling") und veranlasste diese Verschickungen (in meiner Erinnerung je 6 Wochen). Es war für mich ein Segen, es gab einen geregelten Tag, wohlschmeckendes und reichliches Essen und dazu sogar einige Ausflüge mit Betreuungspersonen, an die ich mich heute noch gerne erinnere (lange Strandwanderung; Baden im Meer und Staffelsee, Bergwanderung bei Kloster Ettal - und wir durften dort beim Ausflug sogar Bier trinken!). Ich kam erholt wieder nach Hause. Natürlich gab es keine Besuche von Eltern - aber das erwartete auch kein Kind. Und so wie ich genossen auch alle Kinder, mit denen ich dort zusammenlebte, die Heimsituation, obwohl wir in 8 bis 12-Betten-Zimmern untergebracht waren. Vor und nach dem Aufenthalt erfolgten Untersuchungen im Gesundheitsamt Offenbach/M. Es mag negative Erlebnisse von Kindern gegeben haben, aber das können aus meiner Sicht nur Einzelfälle gewesen sein. Für mic waren die Aufenthalte jedenfalls segensreich und hatten anhaltende positive Wirkungen, körperlich und psychisch.
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Thomas aus Halle schrieb am 11.09.2023
Ich bin 63er Jahrgang und weiß ehrlich nicht so recht wie ich mit den vielen, meist negativen Meinungen hier umgehen soll. Um es vorweg zu sagen ich habe meinen Aufenthalt 1974 nicht als negative Kinderverschickung in Erinnerung auch wenn die meisten Erinnerungen nur noch schemenhaft vorhanden sind. Warum ich nach Wiek geschickt wurde weiß ich nicht da ich gesund war und wohl aber etwas dünn. Meine Eltern sind mittlerweile verstorben und können mir da nicht weiterhelfen. Die kalten Duschen, die vermeintlichen Esszwänge, Büstenmassagen das hat sich nicht als besonders negativ eingeprägt. Einmal den Magen verdorben und eine recht unsensible Reaktion der Erzieherin... mit viel mehr Negativem kann ich da nicht dienen. Ich habe es als normale Auszeit vom Schul- und Lebensalltag in Erinnerung so auch meine kleine Freundin Martina Winkler aus Leipzig, die Spaziergänge mit ihr, die Abschlussveranstaltung... alles nicht wirklich bedrückend. Auch der große Schlafsaal, war doch im Ferienlager nicht so viel anders.
Es ist schlimm dass viele dieser Kinder bis heute traumatisiert sind und das nicht nur oder insbesondere in den DDR Kinderkurheimen. Für mich ist mein Kuraufenthalt wie auch mein Leben in der DDR ein bunter Mosaikstein meines Lebens . Vielleicht ist das auch ein Resultat meiner doch schönen Kindheit welche ich nicht missen möchte.
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Frank Manthey aus Bremen schrieb am 11.09.2023
Hallo,
Ich fange gerade an erinnerungen aufzufrischen. Durch das wiederfinden eines klassenkameradens, mit dem ich in bad sooden allendorf war, kam einiges vergessenes wieder hoch. Schläge, unterdrückung, kontrolle, einschüchterung sind wohl die säulen, auf denen meine erinnerungen stehen.
Leider habe ich keine genauen erinnerungen mehr an die unterkunft, glaube aber zu wissen, dass es kein großer klotz sondern eher ein größeres haus gewesen ist.
Und dann war da noch ein moorbad, dass wir im rahmen eines ausflugs besucht hatten. Ich sollte in die wanne mit moormatsch steigen, hatte aber angst vor der pampe und das es mich runterziehen könnte. Da hat mich die olle tante gepackt und regelrecht reingedrückt. Ich sollte die schnauze halten und ja nicht auf den gedanken kommen aus der wanne zu steigen.
Dann war da noch ein raum voller nebel. Sollte gut für die atemwege sein. Die bude war sooo voller nebel, dass ich meine eigene hand nicht mehr vor augen sah, geschweige eine tür, durch die man hätte rauskommen können. Schemenhaft drang licht durch die oberlichter und da niemand auf meine verängstigten hilferufe reagierte hab ich mich dann an den wänden entlang zum ausgang getastet.
Ein kind hatte sich bei essen beckleckert. Da kam die tante, zerrte das kind in die mitte des speisesaals und sagte "guckt euch diese sau an ..."
Oft bekam man grundlos backpfeifen. Entweder WEIL man was gesagt hat oder WEIL man nichts gesagt hat.
Briefkontrolle gab es bei uns auch.
Mein kamerad hatte sich beim toben/kämpfen/spielen ein loch im kopf durch den aufprall auf einen rippenheizkörper zugezogen. Widerwillen wurde das loch von einer der tanten medizinisch versorgt. Als er seine eltern anrufen wollte damit sie ihn abholen kommen wurde er bedroht und mit bösen blicken eingeschüchtert.

Als wir wieder am bahnhof abgeholt wurden soll ich zu meiner mama gesagt haben "lieber jeden tag einen arschvoll aber bitte nie wieder da hin".
Meine mutter erzählte mir, dass wir (angeblich) "nur" 3 wochen dort verbracht haben. Vom gefühl war es eine ewigkeit voller angst, verzweiflung, tränen und hilflosigkeit. Den genauen zeitpunkt versuche ich gerade zu rekonstruieren. Es sollte jedenfalls eine art urlaub für mich sein, da ich durch meinen erkrankten bruder und weil meine eltern durch das bauen unseres hauses viel zurückstecken musste und in allem zu kurz kam.
Soweit mein stand der dinge. Aber ich bin im kontakt mit meinem kameraden von früher. Und er kann sich irgendwie noch besser an alles erinnern als ich. Der erfahrungsaustausch läuft etwas holperig. Aber gut ding will weile haben.

Liebe Grüsse,
Frank
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Iris Jensen aus 25917 Leck schrieb am 06.09.2023
Liebe Frau Röhl!
Ich war in den 50er Jahren zur "Erholung" im Marienhof in Wyk auf Föhr. Ich bin 1949 geboren, weiß nicht, wie alt ich da war. Ich kann mich gut an unser Zimmer mit 8 oder mehr Stockbetten und an die Bäume hinter den hochgelegenen Fenstern erinnern. Bei unglücklichen Vorkommnissen wie Erbrechen, Bettnässen oder Daumenlutschen wurde ich streng "ins Gebet genommen", richtig bloßgestellt. Ich war dann sehr still, wie auch heute noch, wenn an mir Kritik geübt wird. Das wird mir erst jetzt klar, wenn ich mich nicht positionieren kann.
In dem großen Flur im ersten Stock haben wir Spiele gespielt oder Ansichtskarten geschrieben. Ich habe nie wieder meine Ansichtskarten zu Gesicht bekommen.
Eine längere Zeit war ich krank und wurde in einem kleinen Haus isoliert. Da habe ich Spritzen bekommen, die sehr schmerzhaft waren. Ich erinnere mich, dass ich mich immer umdrehen musste und laut geweint habe. Danach wurde ich "Das Träumerle" genannt. "Guck mal, da kommt das Träumerle." Dann habe ich diese Rolle in einem kleinen Theaterstück, das wir auf einer Wiese im Wald/Park einübten, gespielt.
Ich kann mich kaum an Strandspaziergänge erinnern, nur an einen Keller, wo wir unsere Schuhe putzen mussten. Wahrscheinlich hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Angst, dass etwas im Wasser passiert. Wir waren öfter draußen im Park vor dem großen Haus, auch in Liegestühlen, um uns zu erholen. An Namen oder Gesichter kann ich mich überhaupt nicht erinnern. Vielleicht kann mir jemand beim Erinnern helfen.
Viele Grüße Iris
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Mona aus München schrieb am 02.09.2023
Einen wunderschönen Septembersamstag allen hier,
ich komme nicht umhin hier immer wieder die neuen Berichte-Erfahrungen zu lesen. Und auch die weiterzurückliegenden ist so gravierend an Tatsachen, kaum zu Ertragen.
Was mich jedoch auch beschäftigt als ehemaliges Verschickungskind ist der Sachverhalt, dass es wie ich lese-durchgehend- diese Perversion von erbrochenem zu Essen- ja fast alle Betrifft. Ich hatte wirklich gedacht nur ich hätte das machen müssen damals.
Auch ich muss mir immer mal wieder professionelle Hilfe holen, gerade die Corona Zeit hatte hier einiges an die Oberfläche wieder gebracht, an das ich schon nicht mehr gedacht hatte - klar verdrängt.
Doch ebenso möchte ich allen hier sagen, lasst uns nie, mehr von irgendjemanden beeinflussen, manipulieren oder sonstiges aufdoktrieren. Wir leben unser leben wie es für uns gut und richtig und wichtig ist und was uns gut tut.
Allen hier, alles Gute weiterhin viel Kraft, denn mit diesen Erlebnissen zu Leben erfordert viel Kraft.
Grüße Mona
Vielleicht war noch jemand in diesem Heim
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Uli L. schrieb am 28.08.2023
Dies sind meine Erinnerungen an 6 Wochen in Niendorf, Antonius-Heim, Sommer 1973.

Vorausgegangen war ein Winter mit einer Reihe an fiebrigen Atemwegsinfekten nebst einem pädiatrisch für ungünstig befundenen Mangel an Übergewicht. Wir Kinder bewegten uns viel, verbrannten alles Gegessene im Handumdrehen und fühlten uns wohl dabei. Allein, die Medizin befürwortete eine Kinderkur. So hieß das beschönigend hier in der Gegend.

Die Anfahrt über hunderte Bahnkilometer wurde begleitet von ehrenamtlichen Damen, ich glaube von der Caritas. Sie waren freundlich und heiter. Ich war 9 Jahre alt und gespannt, das Meer zu sehen.

Die Heimleitung unterstand einer Nonne, und ich erinnerte mich an meine fröhliche Kindergartenzeit unter Leitung ebenfalls einer Nonne. Tatsächlich wurde einiges zur Unterhaltung von uns Kindern unternommen, eine Fahrt ins Legoland, eine Bootsfahrt in Travemünde, ein Sommerfest mit Süßigkeiten, Knackwurst und Umzug, für den Lieder eingeübt wurden. Sonntags gab es die "Sendung mit der Maus" oder eine Messe. Niemand wurde geschlagen oder sexuell misshandelt. Damit sind die positiven Seiten aufgezählt, und wir nähern uns dem Kern des Problems.

Angekommen im Heim, begrüßten uns Schwester Irmlind und ihre säkularen Helferinnen mit dem Auftrag, eine Postkarte an die Eltern zu schreiben. Dazu brauchte ich drei Anläufe. Der erste wurde sogleich zerrissen wegen meiner krakeligen Handschrift. Weil ich dabei sehr rüde angefahren wurde, beinhaltete mein zweiter Versuch eine Bemerkung, die erkennen ließ, dass ich bei nicht sehr netten Menschen gelandet war, verfasst mit der schönsten mir möglichen Handschrift. Nun war der Inhalt nicht genehm. "Sollen sich Deine Eltern etwa schreckliche Sorgen machen?", lautete die psychologisch erpresserische Zensurbegründung, und man ließ keinen Zweifel daran, dass wir Betroffenen an dem Schreibplatz ewig schmoren würden, wenn wir nicht gehorchten.

Der dritte Versuch ging durch, und ich dachte, diese Menschen sind unehrlich. Falle besser nicht auf, mit denen ist wahrscheinlich nicht zu spaßen. Kinder sind weder erfahren noch vorausschauend, aber beobachten sehr genau und erfassen intuitiv. Meine Briefe in den folgenden Wochen waren krakelig und voller Schreibfehler, beinhalteten aber stets einen Satz, dass es dort "schön" sei oder es mir gefiele. Ich Bub vergaß auch nicht, die vom Heim gelegentlich organisierten Bespaßungsaktionen wortreich zu loben. Damit gaben sie sich zufrieden.

Abendbrot, Zähneputzen, ab in die Falle. 24 Jungen verteilten sich auf mehrere Schlafräume.

Am nächsten Tag erfuhren wir den eigentlichen Zweck der Maßnahme. Mast! Es ging zum Wiegen. Die Gewichtszunahme bis zum letzten Wiegetag war die einzig gültige Währung an diesem Ort. Wir bekamen nassforsch Essen aufgefüllt, vor allem mittags, so als wüssten Kinder nicht, wann sie satt sind. Um meinen Appetit zu "sparen", verzichtete ich auf den Nachtisch, was toleriert wurde.

Das reichte aber nicht. Mehrmals wurde mir beim Essen so übel, dass ich flüchten und mich übergeben musste. Die Konsequenz war, die nächsten 24 Stunden bei Tee und Zwieback im Bett verbringen zu müssen. Natürlich spielte es offiziell keine Rolle, dass sie mein Essvermögen überfordert hatten, nein, sie verdächtigten mich eines Magen-Darm-Infekts, mit dem ich andere hätte anstecken können. Quarantäne also. Wie verlogen. Wie boshaft. Als Geschundenem wurde einem auch noch die "Schuld" zugeschoben, und die Strafe war Isolation.

Der Speiseplan wiederholte sich ab und zu, und so auch das Schicksal eines Leidensgenossen, der keinen Rotkohl essen konnte. Er musste vor seinem Rotkohlteller im Speisesaal sitzen bis zum Abendbrot.

Im Juli hatte ich Geburtstag, und es kam ein Paket. Den beigelegten Brief händigten sie mir wohl aus, behielten aber den Inhalt an Süßigkeiten ein. Begründung: Es sei zu schwierig, ihn in der Gruppe zu verteilen. Meine Eltern hatten mich für diesen Fall vorgewarnt. Sie waren in einem Schreiben gebeten worden, keine Pakete zu schicken. Vielleicht dachten sie, weil es mein 10. Geburtstag war, würde es vielleicht eine Ausnahme geben.

Zwischenzeitlich fand eine ärztliche Untersuchung für alle statt und danach Inhalationen in einem eigens dafür ausgestatteten Raum. Über mehrere Wochen hatte ich eine kleine, eiternde Wunde am Unterschenkel. Die hat niemand entdeckt, und weil sie nicht schmerzte, habe ich sie mit keinem Wort erwähnt. Da war eine diffuse Angst, dass dann irgendetwas Unangenehmes passieren würde.

Bei warmem Wetter wurde gelegentlich ein Bad in der sehr nahen Ostsee angeordnet. Das hatte wenig Schönes. Alle kurz hinein ins Wasser und dann wieder raus. Auf dem Gelände gab es einen Sandkasten, wo wir oft spielten, z. B. angetriebene Quallen mit Sand panieren.

Die Wochen verrannen zähflüssig, und in der Gruppe herrschte eine freudlose, bleierne Stimmung. Jeder war in sich gekehrt, mit sich selbst beschäftigt. Der für Jungen so typische Trieb, sich zu bewegen und mit anderen zu messen, kam zu Erliegen. Beim Kicken auf dem kleinen Aschenplatz waren mir das Torezählen egal. Hatte etwas Symbolträchtiges. Warum sollte es an diesem unglückseligen Platz einen Sieger geben? In den trüben Gesichtern auf dem Abschlussphoto ist es festgehalten, niemand lächelte.

Am letzten Wiegetag notierte das Personal selbstzufrieden: "900 Gramm zugenommen". Mission accomplished. Das ganze elende Theater für 900 Gramm, aber nun war es überstanden, und es ging endlich heim.

Daheim am Bahnhof holten mich meine Eltern und Geschwister ab. Sie sorgten sich ein wenig, ich hätte nach der vermeintlich schönen, langen Zeit womöglich Fernweh. Sie fielen aus allen Wolken, als ich ihnen erklären musste, dass ich ihnen in den Briefen ein Trugbild hatte vorgaukeln müssen. Geschehen ist nichts. Ich lebte mich rasch wieder ein. Jahre später hatte ich eine massive, psychosomatische Essstörung, die mit Niendorf zu tun gehabt haben kann, aber wer weiß das schon? Auch das wuchs sich aus.

Fazit

Unter dem Banner der Kindesgesundheit wurden wir vom Heimatort, von Freunden, Geschwistern und Eltern wochenlang und in jedweder Hinsicht isoliert. Ich erduldete die Unterschlagung meines Eigentums, Körperverletzung, Freiheitsberaubung und psychische Deformation. Stets hatten die Methoden ein scheinbares Argument. Für alles gab es einen Vorwand. Wer erbricht, ist krank und ergo zu isolieren. Natürlich nur tagsüber. Nachts schliefen ja alle zusammen im selben Zimmer. Den Schwindel bemerken sogar wir Kinder. Bekommt jemand ein Paket, blutet den anderen das Herz, also ist das schlecht. Berichtet ein Kind wahrheitsgemäß, wird der Brief zensiert, schließlich soll sich niemand Sorgen machen. Sehr vielsagend ist das oben erwähnte Anschreiben an die Eltern. Darin stand, sie sollten um Himmels Willen ihre Kinder dort nicht besuchen, sonst drohe schlimmes Heimweh, und ihr Kind wäre unglücklich. Emotionale Manipulation. Auf den ersten Blick sieht das jeder ein. Tatsächlich diente es hauptsächlich der Sicherstellung einer allumfassenden Kontrolle. Ich Bub verstand das sofort. Dieses System war raffiniert und perfide, und seine Agierenden handelten planvoll. Vorsatz ist zu unterstellen und das Unrecht vollzog sich an Schutzbefohlenen.

In der Rückschau wird (mir) klar, wie es zu den von anderen geschilderten, weit schlimmeren Misshandlungen kommen konnte. In einem solchen Regime außerhalb jeder äußeren Kontrolle haben Täter, die wie in meinem Fall nicht nur kaltherzig, gleichgültig und bequem sind, sondern sadistisch oder sexuell pervers veranlagt, leichtes Spiel. Ein Selbstbedienungsladen geradezu.

Wenn ich sagen sollte, was ich den Täterinnen bis heute am meisten übel nehme, dann vielleicht dies: Dass ihr mich genötigt habt, mich zu verstellen, zu heucheln und meine Eltern in den Briefen zu belügen.
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Sabrina aus Wetter schrieb am 28.08.2023
Aktuelles nach fahrt zu. SAMABERG
Ich konnte Fotos vom Gebäude machen leider durfte ich nicht rein.
Ich suche gleichgesinnte die in diesen kinder heim waren
In bayer am Samsberg in Friesing
Unmittelbar gibt es dort noch ein Gebäude mit einem Schwimmbad da war wohl auch ein kur Heim.
Bitte schaut auch bei faceboog vorbei dort hsbe ich Bilder von mehreren ki der bekommen vieleicht erkennt sich jemand wieder
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Andreas Göttlich aus Hamburg schrieb am 27.08.2023
Mein Name ist Andreas, Jahrgang 1961. Ich bin dreimal verschickt worden.
Bevor ich im Alter von vier Jahren das erste Mal verschickt wurde, haben mich meine Eltern, als ich zwei und ein halbes Jahr alt war, in ein Heim gegeben, weil meine Mutter eine Kur machen wollte.
Ich habe daran überhaupt keine Erinnerung. Meine Mutter erzählte, dass ich, als sie mich wieder abholte, nicht mehr laufen wollte oder konnte.
Mit den Erinnerungen ist das bei mir so eine Sache, da ist nämlich nicht viel, an das ich mich erinnern kann.
Also, das erste Mal wurde ich an den Timmendorfer Strand verschickt. Ich erinnere lediglich, von einem Mann aus dem Heim in die Ostsee geschubst, gestoßen oder geworfen worden zu sein. Wasser war nicht so mein Element und an meine Tränen und an meine Verzweiflung und Angst erinnere mich gut.
Und das war es auch schon, alles andere liegt im Dunkeln.
Das zweite Mal ging es mit sieben Jahren, ich war in der ersten Klasse, nach St. Peter-Ording in das "Haus Blinkfuer".
Mein Zeugnis aus der ersten Klasse weist 61 Fehltage wegen zweier Verschickungen aus.
Da mein gesundheitlicher Zustand nicht zufriedenstellend war, habe ich eine Verlängerung bekommen, also war ich drei Monate von zuhause fort. Ich hatte ganz schreckliches Heimweh. Wegen des Heimwehs ging es mir nicht gut und statt mich wieder zurück zu schicken, musste ich noch sechs Wochen länger das Heimweh erdulden.
Meinen Leistungen in der Schule waren die fehlenden drei Monate keinesfalls dienlich.
Meine Mutter hat sich dann, aus Sorge um mich, in dem Ort ein Zimmer genommen und mich aus der Ferne beobachtet, Kontakt durfte es keinen geben.
Allerdings habe ich nach dem Mittagessen immer ein Stück von der Schokolade haben dürfen, von meiner Mutter vorbeigebracht, um das Heimweh etwas zu lindern.
Aber auch hier nur ganz wenig Erinnerung. Ich sollte etwas essen, was mir nicht schmeckte, es gelang mir, es in die Kloschüssel zu spucken. Vielleicht erinnere ich hier auch die Schokoladensuppe, die war einfach nur widerlich.
Die dritte Verschickung, ich glaube es ging nach Westerland auf Sylt, für sechs Wochen, hatte ich mit zehn Jahren.
Mal wieder wegen der Bronchien, wie es hieß.
Diese Verschickung ist ein einziger weißer Fleck, ich bin mir selbst mit Westerland nicht sicher.
Nach den Wochen bat ich meine Mutter mich nie wieder wegzugeben, wahrscheinlich hatte ich wieder sechs Wochen lang Heimweh. Ich hatte das Gefühl, meine Eltern haben mich abgeschoben, weil sie mich nicht lieb hatten.

Die ersten depressiven Episoden, mit Mitte zwanzig, ich wohnte seit einigen Monaten mit meiner Freundin zusammen, nahm ich zum Anlass für eine erste Therapie, ich vermutete einen Zusammenhang zwischen der depressiven Erkrankung meiner Mutter und meiner eigenen.
Etliche Therapien und vierzig Jahre später sehe ich auch einen ganz starken Zusammenhang mit dem viermaligen ungewollten Getrenntsein von meinen Eltern, Geschwistern und der gewohnten Umgebung.

Ich habe mit vierzehn Jahren angefangen, Medikamente und Drogen zu missbrauchen.
Trennungen sind, seitdem ich das erste mal fortgeschickt wurde, sehr schmerzhaft und hatten oftmals sehr negative Folgeerscheinungen für mich.
Der Auszug meiner älteren geliebten Geschwister aus unserem Elternhaus, die Auswanderung meiner Schwester mit ihrer Familie, das anfängliche wöchentliche Abschied nehmen von meiner Frau.
Ich habe in meinen Beziehungen Nähe nicht zulassen können, wurde depressiv und, weil ich mich eingeengt fühlte, aggressiv. Als ich mit meiner Frau zusammenzog, konnte ich die Nähe nicht ertragen und hab komplett zugemacht, die schönen Gefühle für sie waren nicht mehr da.
Meine Frau und meine Töchter mussten mich so jahrzehntelang ertragen. Darüber bin ich maßlos traurig aber auch voller Dankbarkeit und Liebe für meine Frau und für meine Töchter, die trotz allem zu mir gehalten haben.
Ich habe mich immer stärker separiert, habe Feste und Einladungen ausgeschlagen, mein Freundeskreis dezimierte sich auf Null.
Mein Selbstwertgefühl ist gering und meine Selbstwahrnehmung gestört.
Mittlerweile erlebe ich soziale Kontakte durchaus wieder als angenehm und bereichernd. Ein klein wenig stolz bin ich darauf sämtlichen Drogen entsagt zu haben. Die vielen Therapien und die Einnahme von Psychopharmaka haben es ermöglicht. Sie, die Kontakte wie die Therapien, sind aber auch sehr anstrengend und ermüdend. Ich muss mich dann wieder zurückziehen, um mich erholen zu können.
Mittlerweile beziehe ich eine Erwerbsminderungsrente, die Kräfte schwanden vor ein paar Jahren erheblich.
Termine wahrzunehmen kostet Kraft und lösen oft ein panisches Gefühl in mir aus.

Die vielen Berichte, die ich bisher von Verschickungskindern las, machen mich sehr traurig.
Ich denke, ich hatte "einfach nur" schreckliches Heimweh, und hoffe, nicht zu denen zu gehören, die während ihrer Aufenthalte in den Heimen so unfassbares Leid erleben mussten.

Ich wünsche mir eine Aufarbeitung zum Wohle von uns Verschickungskindern und bin Anja Röhl und allen Berichtenden dankbar für ihren Mut, sich dem Geschehenen zu stellen.
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Prohn aus Winsen (Luhe) schrieb am 25.08.2023
Meine Schwester ( Jahrgang 64) hatte seit ihrer Geburt eine Bronchitis und war daher immer furchtbar krank. Die Aussicht auf Hilfe durch eine Kur an der Nordsee war wohl sehr verlockend für meine Mutter,die wegen der vielen Husten- und Erstickungsanfälle meiner Schwester grosse Schlafprobleme bekommen hatte. Der Antrag wurde aktiv über die LVA gestellt,nicht vom Kinderarzt, sondern von meinen Eltern. Ich war eigentlich immer gesund, aber da ich knapp 2 Jahre älter war, sollte ich quasi zur Begleitung und zum " Schutze" meiner 3 1/2 jährigen kleinen Schwester, gleich mit verschickt werden. Mit 5 1/2 Jahren!! Diese Rechnung ging aber leider nicht auf.
Kaum betraten wir am Altonaer Bahnhof den Zug Rg. Sylt, da wurden wir auch schon getrennt. Eine "Tante" kam von rechts und nahm meine Schwester mit und eine andere Tante zog mich nach links. Im Abteil saßen schon wenigstens 4 andere kleine Mädchen und die genannte Tante. Meine Mutter hatte uns auf Ausflügen häufig Sunkist Tüten mitgegeben. So auch dieses Mal. Es war Kirschgeschmack. Das weiss ich so genau, weil ich in den Strohhalm reinpustete und der Kirschsaft wie eine Fontäne heraus schoss, mein Kleid versaute und das meiner Nachbarn gleich mit. Die Tante sprang auf und wedelte wild mit einem Taschentuch herum um zu retten was nicht zu retten war. Mein Kommentar war " das ist nur passiert, weil das Kirsche war" ( Tatsache hatte ich das schon vorher gemacht und es war auch damals Kirschsaft gewesen...) die Tante wurde sauer und sagte :" ich gebe dir gleich Kirschsaft" ...das war alles nicht schlimm, denn der Spruch hätte auch von meiner Mutter sein können...in Westerland angekommen, bezogen wir ein eher kleines Gebäude. Es sah aus wie eine alte Stadtvilla in L-Form. Ich bin ziemlich sicher dass ich das Haus noch wieder erkannt habe, als ich auf den Spuren der Vergangenheit Sylt besuchte.. Heute denke ich, dass ich ausgelagert worden bin, denn ausser unserer Gruppe von höchstens 10 kleinen Mädchen gab es nur noch eine kleine Gruppe von grossen Mädchen im Haus, die wenigstens 10-12 Jahre alt waren. Die haben uns kleinen Mädchen so manches Mal vor Schaden bewahrt während des 6 wöchigen Aufenthaltes im Haus. Meine Schwester war also erstmal weit weg. Meine Eltern erfuhren nicht offiziell, dass wir getrennt wurden. Mama hatte nach wie vor nur eine Postadresse für uns beide. Sie hatte die 6 Wochen dazu genutzt Geld hinzu zu verdienen. Das war bei uns immer knapp und meine Eltern dachten uns ja in guten Händen. Es dauerte dann auch gar nicht lange, bis deutlich wurde wie schnell die Kinderrechte auf der Kur verletzt wurden. Ich muss im Nachhinein sagen, dass ich viel Glück im Unglück hatte. Ich aß immer mein Essen auf und ich mochte auch alles was es dort gab. Auch Puddingsuppe am Morgen, aber das war bei vielen Kindern in unserer Gruppe anders. Kleine Mädchen, die sich morgens schon in ihre Teller erbrachen und mit auf dem Rücken festgehaltenen Händen gewaltsam mit dem erbrochenem gefüttert wurden, sah ich häufiger. An meine Gefühle dabei kann ich mich nicht erinnern, aber die Tatsache, dass ich es nie vergessen habe spricht für sich. Das Abendessen bestand aus fertig geschmierten Schwarzbrotscheiben mit Gurke und Butter. Wenn alle im Speiseraum aufgegessen hatten, wurde Fred Feuerstein im Fernsehen eingeschaltet, aber eben nur wenn.... Vor dem Schlafen wurde gemeinsam gesungen. Ich sang sehr gerne und genoss die Zeit vor dem Schlafen gehen. Einmal duzte ich aus Versehen die "Tante" während der Singstunde. Ich musste sofort den Raum verlassen und mich ins Bett legen. Das empfand ich als sehr schmerzlich. Die "Tante" erschien noch an meinem Bett und forderte mich auf, mich bei ihr zu entschuldigen. Das war erniedrigend, aber ich tat das sofort. Vor dem Schlafen wurden alle unsere Puppen und Stofftiere oben auf einen Schrank gelegt. Die grossen Mädchen holten sie manchmal wieder für uns runter. Die waren sowieso in meinen Augen unglaublich mutig. Im Schlafraum gab es sehr viele Kinderbücher. Ich habe das sehr genossen, weil wir zuhause nur wenige Kinderbücher besassen. Ich erinnere mich an " das hässliche Entlein" und " wir Kinder aus Bullerbü". Unten im Speisesaal gab es eine Puppenecke. Jeden Tag nach dem Mittag mussten wir 2 Stunden Mittagsschlaf machen. Nicht im Bett, sondern unten im Saal auf kleinen Pritschen. Ich hatte schon seit meinem 2.Lebensjahr den Mittagsschlaf abgelehnt. Hier wurden wir gezwungen die Augen zu schließen. Das ist mir 6 Wochen lang fast nie gelungen. Hatte ich die Augen nicht geschlossen musste ich 2 Stunden " nachschlafen" während die anderen Kinder ins Wellenbad gingen. Was für eine Zeitverschwendung. Schlimmer war es des nachts. Schliefen wir nicht oder geisterten im Flur rum weil wir aufs Klo mussten, wanderten wir barfuß in den Schuhraum. Dort standen wir gefühlt stundenlang rum bis wir irgendwann befreit wurden. Einmal hatte ich während ich mit dem Gesicht zur weissen Wand stand, Nasenbluten bekommen. Das Blut spritzte gegen die Wand und die "Nacht-Tante" geriet in Panik ( wegen der Wand, ncht wegen mir...)
Einmal bin ich barfuss in Glasscherben getreten. Da wurde ich von einer Tante Huckepack getragen und zum Arzt gebracht, sodass die anderen Kinder mich beneideten. Es war eine externe Arztpraxis. Nicht der Arzt der manchmal ins Kurheim kam. Wir waren auch alle gemeinsam am Strand und bekamen Schaufeln. Auch waren wir ein bisschen im Wasser. Regelmäßig gab es ärztliche Untersuchungen beim Arzt. Dafür mussten wir uns im Schlüpfer auf dem Flur in eine Reihe stellen und warten. Erst wurden wir gewogen. Sollte man abnehmen und hatte man dies geschafft, gab es einen Bombon. Ebenso wars mit dem Zunehmen. Der Bonbon war die Belohnung. An Impfungen und dergl. kann ich mich nicht erinnern. Die Karten schrieben die Tanten. " Es geht mir gut, ich habe viele Freunde usw....
Nachdem wir ca 1-2 Wochen auf Sylt waren, ist unsere Oma hinter uns her gefahren. Ihr fiel dann auf ,dass meine kleine Schwester in ihrer Truppe 1 Woche lang nicht mehr draussen auftauchte. Also fragte sie bei den Tanten nach. Diese sagten Linda hätte Hausarrest. Sie hatte es mit ihren 3 1/2 Jahren gewagt ihr Eibrot abends beim Abendbrot unter die Bank zu werfen. Also wurde sie, die Bronchienkranke von Frischer Luft und Bewegung ausgeschlossen. Da nützte es auch nichts dass unsere Großmutter ständig beim Kurhaus meiner Schwester an die Tür klingelte. Man öffnete ihr einfach nicht. Ich hatte mehr Glück. Oma durfte mich tatsächlich einmal kurz besuchen. Wir waren gemeinsam in einem kleinen Raum mit einem Sessel auf dem ich kurze Zeit auf Ihrem Schoss sitzen durfte. Meine Oma berichtete nach Ablauf ihres Aufenthaltes alles brühwarm meinen Eltern. Auch, dass wir immer nur die Badesandalen und den Plastikrock trugen und all die hübschen Anziehsachen waren nie aus dem Schrank herausgekommen. Meine Eltern wunderten sich zwar, hofften aber, dass es so schlimm schon nicht sein würde. Als die sechs Wochen um waren, hatten wir erstmal aufgehört zu sprechen. Der Schock über das erlebte und die lange Trennung waren im warsten Sinne nicht in Worte zu fassen. Lange Zeit brauchte meine Mutter uns nur anzudrohen, dass wir wieder verschickt werden würden, um brav zu sein. Dennoch war es unseren Eltern schnell klar, dass die Aktion ein Fehler war. Mama hatte nicht mit Worten gespart den Nachbarn zu berichten, was auf Sylt alles vorgefallen war. Trotzdem verschickten unsere Nachbarn ihre Kinder Jahr für Jahr zur Kur. Und alle Nachbarskinder kamen trotz Vorwarnung "stumm" zurück. Unsere Kinderverschickung war lange Zeit Thema in der Familie und durch die Initiative Verschickungskinder, wurde sie nochmal wieder " aus der Versenkung geholt". Ich habe keine Langzeitschäden zurück behalten. Bei meiner kleinen Schwester war ich mir da weniger sicher. Mein Mitgefühl gilt allen " Verschickungskindern", denen damals grosse Gewalt und Unrecht zugefügt wurde. Wenn all die schrecklichen Dinge meinen eigenen Kindern passiert wären, ich hätte als Mutter Vergeltung gefordert. Unsere Eltern waren hilflos, obrigkeitshörig und ängstlich. Geprägt durch eine Kindheit im Krieg, nicht in der Lage die Situation richtig einzuschätzen. Ich habe ihnen die Kinderkur längst verziehen.
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Sabine S aus Bremen schrieb am 23.08.2023
Hallo , ich möchte meinen Eintrag noch vervollständigen.
Erfahrungen mit Schlägen habe ich persönlich nicht, aber das ist meinem Bruder auf Sylt passiert, nachdem er eingenäht hatte.
In dem Kloster in Rottenbuch sind wir evangelischen Kinder nicht so gerne gesehen gewesen.
In Oberjoch schwamm immer eine braune Tablette in der Suppe, ich hoffe mal es war Lebertran oder so .
Ich habe heute das größte Problem mit dem Schweigen unserer Eltern. Bis heute redet meine Mutter( Kriegskind ) nicht mit mir darüber. Das ärgert mich sehr.
Ich habe aber auch gute Geschichten aus den Kuren zu erzählen.
Schön dass wir uns alle auf den Weg machen.
Danke
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Veronika schrieb am 23.08.2023
mein Bruder und ich wurden zusammen verschickt, er war höchstens 4 Jahre alt !! ich 5 oder 6 , ich sollte vor Schuleintritt bessere Gesundheit bekommen, mein Bruder hat in der ersten Nacht ins Bett gemacht, daraufhin wurde er von mir getrennt zur Strafe !!! , mittags mussten wir Mittagsschlaf halten , auf dem Balkon , Kerzengerade im Bett liegen, man durfte sich Nicht auf die Seite drehen ! ich lutschte damals am Daumen , dass durfte man aber nicht, man MUSSTE schlafen ... ich mochte auch keine gekochten Tomaten , man MUSSTE sie aber essen,,, das einzig Gute waren Brötchen mit Honig Samstag abends.. wir haben später Postkarten im Nachlass unserer Mutter gefunden, die die Erzieherinnen an unsere Eltern geschrieben hatten, auf denen stand, dass es uns gut geht... meine Mutter hat nie verstanden , wieso es so schrecklich war, sie war als Kind oder Jugendliche schließlich selber dort ..
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Sabine S aus Bremen schrieb am 23.08.2023
Mit 4 Jahren wurde ich das erste Mal ins Allgäu für 6 Wo chen verschickt.
Danach fast alle 2 Jahre. 2 Mal davon war das Kurheim von katholischen Schwestern geleitet.
Ich denke heute die 2 ersten Verschickungen haben das Urvertrauen in die Eltern, besonders die Mutter stark beeinträchtigt.
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Mischa schrieb am 23.08.2023
Timmendorfer Strand: Deutsches Kindererholungsheim, Privatheim Frau Etta Düvel, Krankenschwester, Kastanienallee 3-5. Jeweils 6 Wochen 1957 und 1958.

Allerheiligen/Oppenau, Schwarzwald: Kinderkurheim, Caritas. 6 Wochen ca. 1962.

Glücksburg: Kindergenesungsheim St. Ansgar, von Ursulinen geleitet, Sandwigstraße 8.
6 Wochen November/Dezember 1964.

Mein Geburtsjahr ist 1954. Ich bin viermal verschickt worden, erstmals als Dreijähriger 1957 und erneut 1958 als Vierjähriger, beide Male nach Timmendorfer Strand, sehr wahrscheinlich in das Privatheim von Frau Düvel. Ca. 1962 (das genaue Jahr ist unbekannt) verschickte man mich zusammen mit meiner ein Jahr jüngeren Schwester nach Allerheiligen im Schwarzwald. 1964 wurde ich mit einem Jungen aus einem Nachbarort nach St. Ansgar in Glücksburg verschickt.

Timmendorfer Strand 1957 und 1958.
Als ich 2009 erstmals vom Schicksal der Verschickungskinder hörte, habe ich umgehend begonnen, meine 4 Verschickungen zu rekonstruieren. Bis auf wenige Ausnahmen habe ich an alle 4 Aufenthalte keine Erinnerungen mehr.

Von einer freundlichen und zuvorkommenden Mitarbeiterin des Fremdenverkehrsamtes Timmendorfer Strand habe ich 2009 auf meine Anfrage hin Informationen und Materialien zugeschickt bekommen, u.a. Kopien von Fotos einer Werbebroschüre für das private Erholungsheim. Im Schriftverkehr mit der Mitarbeiterin habe ich dann durch den Hinweis von ihr, dass Kinder u.a. über die Knappschaft in das Heim verschickt wurden, die Einrichtung von Frau Düvel als „mein“ Kindererholungsheim identifiziert. Mein Vater war mit seiner Familie bei der Knappschaft versichert.

Laut einem undatierten Zeitungsartikel aus Timmendorfer Strand, den ich als Kopie von der Mitarbeiterin erhalten hatte, wurde das Haus (vor 2009) abgerissen, nachdem Frau Düvel, die das Heim mit kriegsbedingter Unterbrechung (1945 – 1948 als Lazarett für Kriegsblinde genutzt) seit 1939 geleitet hatte, mit 70 Jahren in den Ruhestand gegangen war. Zitat aus dem Zeitungsartikel: „Jungen und Mädchen im Alter zwischen vier und zwölf Jahren […] strömten selbst aus fernen Ländern, beispielsweise aus Japan, nach Timmendorfer Strand, um im Kinderheim Urlaub zu machen.“ Weiterhin ist zu lesen, dass „kleine Gäste aus fast allen europäischen Ländern beherbergt“ wurden. Von Frau Düvel geschätzte Zahl der Verschickungskinder seit der Gründung 1912: 20.000.

Bei den zwei Verschickungen nach Timmendorfer Strand erinnere ich mich nur an eine Begebenheit: Während eines Gruppenaufenthaltes am Meer wurde ich am Strand von der Erzieherin allein zurück ins Wasser geschickt, weil ich bei der Rückkehr der Gruppe aus dem Wasser mit der nassen Badehose in den Sand gefallen war. Ich sollte noch einmal ins (vermutlich sehr flache) Meerwasser eintauchen, um die Badehose zu „säubern“. Ich mag mich aus der Erwachsenenperspektive gar nicht in die damalige Situation emotional hineinversetzen, aber man kann sich denken, wie unendlich allein, verlassen und ausgeschlossen ich mich gefühlt haben muss. Als dreijähriges (und im folgenden Jahr als vierjähriges) Kleinkind in der Fremde, ohne Eltern und Geschwister und weitere vertraute Bezugspersonen, war ich sowieso schon, wie auch meine Mitbetroffenen, im übertragenen wie im Wortsinn „mutterseelenallein“. Ich muss mich, wie es in einem Verschickungszeugnis formuliert wurde, in den 6 Wochen „verraten und verkauft“ gefühlt haben, ohne dies damals als Kleinkind verbalisieren zu können.
Und dann noch allein ins Meer geschickt zu werden, in die von Menschen nicht zu kontrollierende Urgewalt des Wassers, war das für die kleine Kinderseele überhaupt noch aushaltbar? Jedenfalls müssen meine Isolation in diesem Moment, mein Gefühl der Fremdheit, der Verlorenheit und des Verrats unermesslich gewesen sein.

Die von Thuiner Franziskanerinnen geleiteten Kindererholungsheime St. Johann und Antonhaus im Ortsteil Niendorf (Stichwort „Gedenkstein“) sind mir wohl erspart geblieben. Aber auch bezüglich des Deutschen Kindererholungsheimes sind hier auf dieser Website von Betroffenen schlimme Erfahrungen dokumentiert worden.

An Weihnachten 1979 schenkten meine Eltern meinen Schwestern und mir je ein persönliches Fotoalbum mit Fotografien aus der Kindheit und Jugend. Mein Album enthält 3 Fotos aus Timmendorfer Strand 1957/1958. Zwei davon zeigen mich inmitten einer fröhlichen Schar von unverkennbar älteren Mädchen – auf einem Klettergerüst bzw. auf einer Bank. Für das Zustandekommen dieses Motivs - ich als einziger Junge mit 10 bzw. 4 älteren Mädchen - habe ich keine Erklärung. Auf dem dritten Foto bin ich mit anderen Jungen und Mädchen sowie 3 Erzieherinnen auf dem Außendeck eines kleinen Schiffes abgebildet, das in der Ostsee unterwegs ist. Die Jungs sitzen für sich auf der einen Seite des Decks, die Mädchen, getrennt durch einen Gang, auf der anderen Seite. Von mir ist nur der Kopf im Vordergrund zu sehen, vor den Mädchenbänken und neben einer Betreuerin.
Inzwischen bin ich geneigt, diese fotografischen Dokumentationen meiner beiden Kuren in Timmendorfer Strand positiv für mich zu interpretieren. Vielleicht haben die älteren Mädchen mich kleinen Knirps zumindest in den beschriebenen Situationen ein wenig unter ihre Fittiche genommen, mich in gewisser Weise beschützt.

Allerheiligen/Oppenau ca. 1962.
Meine Anfrage 2009 beim Verkehrsamt Oppenau ermöglichte mir den Kontakt zur letzten Gesamtverantwortlichen des Heimes, die in der Leitung des Hauses vom Diözesan-Caritas-Verband Mainz unterstützt wurde. Die zu diesem Zeitpunkt hochbetagte Dame hat mir einen freundlichen Brief geschrieben und mir einige Fotografien u.a. vom Haus sowie Informationen zum Kindererholungsheim zugeschickt.

In der Zeit von 1947 bis 1972 wurden mehr als 25.000 Kinder aus den Diözesen Mainz und Trier sowie aus staatlichen und kommunalen Verbänden aus dem Rheinland und aus Nordrhein-Westfalen nach Allerheiligen verschickt. Anfangs standen 160, später 120 Betten für jährlich 8 sechswöchige Kuren zur Verfügung. Eine Gruppe musste immer von zwei Personen betreut werden, mindestens von einer ausgebildeten Erzieherin und ggf. einer Praktikantin. Die Mittagsruhe wurde von den Kindern in der Liegehalle verbracht. Die Funktion des Heimarztes wurde von einem Mediziner in Oppenau übernommen. Er untersuchte die Kinder am Anfang einer Kur, in der Mitte und am Ende.

Weiterführung des Heimes als Landschulheim 1978, seit 1990 wird die Einrichtung von der katholischen Laienmissionsorganisation ICPE (International Catholic Program for Evangelisation) genutzt.

Die Klosterruine Allerheiligen (ehemaliges Prämonstratenser-Kloster) und die Umgebung werden noch heute touristisch genutzt. Ein ehemaliges Hotelareal mit zwei Gebäuden wurde 1947 von der Caritas Mainz für das geplante Kindergenesungsheim gekauft. Die Allerheiligenkapelle, 1960 neu erbaut, spielte auch bei den Kinderkuren eine wichtige Rolle.

Von meinem sechswöchigen Aufenthalt in Allerheiligen habe ich nur eine Erinnerung: Ich wurde dorthin mit meiner ein Jahr jüngeren Schwester verschickt. Nach der Ankunft standen wir zwei Hand in Hand vor einer oder mehreren Betreuerinnen. Ich habe es so in Erinnerung, dass unsere Hände durch einen harten Schlag getrennt wurden und ich so meine Schwester, meinen einzigen Halt in der Fremde, verlor. Alles andere aus den 6 Wochen ist wie bei allen meinen 4 Heimaufenthalten komplett gelöscht.
Meine Mutter habe ich vor sehr vielen Jahren, als mir der Name des Ortes der Verschickung in den Schwarzwald nicht mehr eingefallen war, danach gefragt. Die Antwort kam prompt: „Allerheiligen“. Als ich sie fragte, wie es dort gewesen sei, sagte sie nur: „Nicht gut.“

Glücksburg 1964.
Sechswöchiger Aufenthalt mit einem Jungen aus einem Nachbardorf im November/Dezember im von Ursulinen (katholischer Frauenorden) geleiteten Kinderkurheim St. Ansgar, das 1950 vom Ursulinenkonvent aus dem ehemaligen Liebenthal, Niederschlesien, übernommen, renoviert und neu eingerichtet wurde. Das Gebäude wurde 1999 abgerissen.

Auf meine 2009 getätigte Anfrage bei der Stadtverwaltung Glücksburg hin, schickte mir das Bürgerbüro u.a. Kopien einer Broschüre über St. Ansgar von 1968 mit Fotos vom Gebäude und den Räumlichkeiten sowie Informationen über das Heim. Es wurden 120 Kinder, je zur Hälfte Jungen und Mädchen im Alter von 5 bis 14 Jahren, aufgenommen, Mädchen auch älter als 14 Jahre. Für die 120 Kinder, die nach Altersstufen in Gruppen eingeteilt wurden, standen lediglich 8 Badezellen und 1 Brausebad zur Verfügung. In der Broschüre ist auch zu lesen, dass als Teil des Kurverfahrens „je nach Bedürfnis Medikamente und zusätzliche Stärkungsmittel“ eingesetzt wurden. Mitzubringen hatten die Kinder u.a. „das Diözesan-Gesangbuch“. Neben der Oberin waren eine Jugendleiterin, Kindergärtnerinnen und Krankenschwestern für die Betreuung der Kinder zuständig.
Weiterhin liegen mir Kopien von Fotos mit dem Gebäude St. Ansgar von 1954, 1958, 1990 und 1998 vor. Eine von einem Verschickungskind 1962 beschriebene Ansichtskarte vom Speisesaal von St. Ansgar beschaffte ich mir über einen Ansichtskartenversand. Der verschickte Junge hatte für seine Eltern seinen Platz im Speisesaal markiert. Offenbar gab es also zumindest in dieser Zeit fest zugewiesene Plätze bei den Mahlzeiten.

Der freundliche Mitarbeiter vom Bürgerbüro schickte mir auch Kopien einer weiteren Broschüre mit Fotos und knappen Informationen sowie Kopien von 6 weiteren Fotos von Küche, Wäscherei, Schlafsaal und Aufenthaltsräumen zu. Die Broschüre und die 6 Fotos stammen aus der NS-Zeit: auf einem Foto in der Broschüre steht die Hakenkreuzflagge im Mittelpunkt („Blick vom Spielplatz am Hause“). Auf einem der 6 Fotos ist in einem Aufenthaltsraum u.a. ein Bücherregal zu sehen, 2 Bücher liegen auf einem Tisch. Den Titel des einen Buches konnte ich mit Hilfe einer Lupe und einer Recherche in der Deutschen Nationalbibliografie identifizieren: Adolf Hitler spricht. Ein Lexikon des Nationalsozialismus. Leipzig: Kittler, 1934. Dem Inhaltsverzeichnis des Eintrages in der Bibliografie ist zu entnehmen, dass es sich nicht um ein klassisches Lexikon von A – Z handelt, sondern um eine Sammlung von Hitler-Zitaten zu verschiedenen Themen.

St. Ansgar hat also eine NS-Vergangenheit. Auch im Deutschen Kindererholungsheim in Timmendorfer Strand lief der Betrieb in den unseligen Jahren der Nazi-Diktatur weiter. Inwieweit die Verschickungsheime der „Gleichschaltung“ unterlagen, ist z.B. in der Studie „Kur oder Verschickung?“ von Hans-Walter Schmuhl am Beispiel der Kinderheime der Deutschen Angestellten Krankenkasse DAK nachzulesen. Auf das Buch und weitere Publikationen zum Thema wird auch auf dieser Website hingewiesen. Darüber, dass die langen Schatten der menschverachtenden Nazi-Ideologie bis in die Kinderkurheime der 1950er und 1960er Jahre reichten, z.T. mit dem gleichen Personal, wird z.B. auch auf verschickungsheime.de auf der Seite „Mögliche Einflüsse der NS-Zeit auf Verschickungsheime“ informiert.

Auch heute steht in der Glücksburger Sandwigstraße 8 wieder ein „Haus St. Ansgar“: lt. Website des Instituts St. Bonifatius lebt dort eine „kleine geistliche Zelle“ der katholischen Pfarrei Flensburg mit 4 Mitgliedern.

Lt. den beiden Broschüren aus der Nazi-Zeit und von 1968 war das Kindererholungsheim St. Ansgar im Besitz des „Gemeinnützigen Vereins für Kinderhilfe e.V. Sendenhorst“. Über diesen Verein konnte ich nur einen Eintrag im Historischen Archiv des Erzbistums Köln (Bestandsangaben über die Deutsche Digitale Bibliothek aufrufbar) ermitteln: der Bestand des Diözesan-Caritasverbandes Köln enthält u.a. eine Niederschrift der Konferenz der katholischen Anstalten der Kindergesundheitsfürsorge aus der Zeit zwischen 1937 und 1984. Es handelte sich also um einen Verein, der sich aus dem katholischen Weltbild heraus der Kinderhilfe verschrieben hatte.

Ich habe nicht einmal eine Erinnerung daran, dass der mir bekannte Junge aus einem Nachbardorf mit mir in Glücksburg gewesen ist. Es gibt eine Erinnerung, die ich keiner der 4 Kuren eindeutig zuordnen kann: Ich befinde mich tagsüber allein in einem großen Schlafsaal im Bett. Wie schon bei der Badehose-Episode in Timmendorfer Strand ist auch diese Erinnerung an ein erzwungenes Ausgeschlossensein ein Bild der Verbannung, des in der Welt Verlorenen, des schuldig Gewordenen. Was noch einmal eine Steigerung war innerhalb des von der Außenwelt sowie so schon abgeschotteten geschlossenen Systems der Heime mit ausschließlich Kindern und Personal. Aus Zeugnissen von Mitbetroffenen weiß ich, dass zu den Strafmaßnahmen auch gehörte, dass man von seiner gerade mit Aktivitäten befassten Gruppe ausgeschlossen wurde und sich u.U. für Stunden in sein Bett im ansonsten leeren Schlafsaal legen musste.

Im Nachlass meiner Mutter habe ich nach ihrem Tod 21 Karten und Briefe meiner Mutter, von der restlichen Familie und weiteren Verwandten sowie von Schulfreunden gefunden, die mir 1964 nach Glücksburg geschickt wurden. Weiterhin 8 Briefe, die ich als Zehnjähriger nachhause geschrieben hatte. Ich bin meiner Mutter sehr dankbar, dass ihr die Glücksburger Briefe so wichtig waren, dass sie sie zu ihren persönlichen Unterlagen genommen hat und werde sie wie einen wertvollen Schatz hüten.

Sehr vage erinnere ich mich an eine Schifffahrt, mit der ich ein Gefühl positiver Aufregung verbinde. Die Briefe offenbaren, dass wir zwei Ausflüge nach Dänemark – ins Ausland! – gemacht haben. Einmal mit einem kleinen Dampfschiff, das in der Broschüre abgebildet ist, einmal mit dem Bus. Der eine Ausflug führte uns nach Sonderborg, der andere zu Schloss Gravenstein, der Sommerresidenz der dänischen Königsfamilie. In einem Brief an die Eltern erzähle ich ausführlich von einem Museum in Sonderborg, das wir besucht haben und von einem „Schattenspiel der großen Mädchen“ sowie einem Marionettentheater über die Bremer Stadtmusikanten, das wohl von einigen Jungen gestaltet wurde.

In fast allen Briefen schreibe ich, dass es mir gut geht. Und ich erzähle von meinen ausschließlich positiven Erlebnissen: es sei „sehr schön“ in St. Ansgar und das Essen sei „sehr gut“. Das Heim sei „sehr schön eingerichtet“. Ein Beleg dafür, dass die Kinder angehalten waren, nur Gutes nachhause zu berichten? Oder entsprach das, was ich geschrieben hatte, tatsächlich meiner damaligen Wahrnehmung?
In einem meiner Briefe (alle mit blauer Tinte geschrieben) ist in schwarzer Tinte ein grammatikalischer Fehler korrigiert. Meine Mutter schreibt mir in einem Brief, dass die Oma eine Karte von mir erhalten hätte, die gar nicht von mir selbst geschrieben worden wäre, und dass sie sich deshalb Sorgen machte, dass ich krank sei. Was ich in meinem Antwortbrief verneine und mitteile, dass ich nichts von einer solchen „falschen“ Karte weiß. Belege dafür, dass alle ausgehenden Briefe der Kinder gelesen und ggf. Negatives eliminiert wurde oder gar Briefe einbehalten und vom Personal neu geschrieben wurden? Aus Zeugnissen von Betroffenen ist bekannt, dass kein Brief das Heim verlassen durfte, der nicht kontrolliert und ggf. zensiert wurde.

Aus den Briefen weiß ich auch, dass eine „Frl. Petra“ die Betreuerin meiner Gruppe war. Von meinen Eltern wurde ich in den Briefen ermahnt, „Frl. Petra immer Freude zu machen“ und dass ich mich „an die Ordnung halten“ soll, dann hätte ich selbst „viel Freude“. In einem anderen Brief erzähle ich, dass ich für Vater Manschettenknöpfe bastele. Dies verbindet sich mit der vagen Erinnerung an Emaille-Arbeiten in unserer Gruppe.
Ein Satz aus einem Brief meiner Mutter, der mir gut gefällt: „Du kleiner Kerl bekommst allerhand zu sehen“. Noch ein bemerkenswerter Satz eines Freundes, der den von den Verantwortlichen beabsichtigten Zweck der Kinderverschickungen in entlarvender Weise auf den Punkt bringt: „Werde ja reichlich dick.“

Über eine weitere positive Erinnerung kann ich bei meinen 4 sogenannten Kindererholungen berichten, allerdings auch nur eine sehr vage: Es werden Briefe und/oder ein Päckchen (in einem der aufgefundenen Briefe ist von einem Nikolauspäckchen die Rede) von zuhause verteilt, bei mir verbunden mit einem wohligen und herzerwärmenden Gefühl.

Das, was ich in den 24 Wochen bei 4 Kuren in 3 Heimen im Alter von 3 bis 10 Jahren erlebt habe, ist nahezu vollständig in meinem Bewusstsein gelöscht. Die wenigen Ausnahmen habe ich in meinem Bericht aufgeschrieben. Nach einem psychischen Zusammenbruch als 22jähriger begann ich meine erste Psychotherapie. Noch heute konsultiere ich in großen Abständen einen Psychotherapeuten.

Dankbar bin ich meinen Leidensgenossen und -genossinnen, die auf dieser Website Zeugnis abgelegt haben. Ich fühle mich mit ihnen in dem, was uns bei den Verschickungen widerfahren ist, verbunden. Das hilft.
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K.S. schrieb am 22.08.2023
1973 war ich als 10-Jährige in der Vorweihnachtszeit für sechs Wochen in Bad Sulza zur Kur, da ich Asthma habe. Diese Kur hat mir gesundheitlich sehr geholfen! Ich kann mich an einen großen Schlafsaal erinnern. Wir hatten ein wenig Schule und sind sehr viel draußen gewandert. Sechs Wochen von Hause fort, war schon hart. Die Briefe, die wir nach Hause geschrieben haben, durften wir nicht zukleben. Am Nikolaustag hatte jeder was im Stiefel. Leider war ich an diesem Tag morgens irgendwie zu einem Badetermin und meiner war dann leer ☹. Beim Essen kann ich mich erinnern, dass wir Käse und Wurst untereinander getauscht haben. Ich kann mich nicht erinnern, dass man gezwungen wurde aufzuessen.
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Fr.Ba. aus Kronshagen schrieb am 22.08.2023
Ich war 1972 in St. Peter-Ording im "Haus am Meer" verschickt, da ich zu dünn war und nicht essen mochte. Die Leitung des Heimes war ein Ehepaar, was ein paar Jahre später, weil sie sich strafbar gemacht haben, auch in der Presse war! Ich war mit einem älteren Jungen in einem Zimmer, der immer wieder versuchte unter meine Bettdecke zu gelangen. Mir wurde aber von der Leitung nicht geholfen. Erst als 2 Praktikantinnen dort anfingen und ich denen meine Not schilderte, haben sie versucht zu helfen. Ich musste aber bis zum Ende mit dem Jungen in dem Zimmer bleiben. Beim Essen musste ich alles aufessen und wenn nicht, dann saß ich dort am Tisch den ganzen Tag vor meinem Essen - auch, wenn die anderen kamen und andere Mahlzeiten zu sich nahmen. Ich habe mein Essen essen müssen - bis zum Würgen und zum Erbrechen. Ich hatte Heimweh und Ängste. Richtige Angst, weil mir die Dauerkinder, die dort mit uns Kurkindern untergebracht waren, mir erzählten, dass ich auch bleiben müsste und nur damit ich ruhig bin, gesagt wird, ich sei Kurkind. In Wirklichkeit sei ich auf Dauer dort. Ich wollte nur noch weg und schrieb dieses auch nach Hause. Daraufhin wurde ich zur Heimleitung zitiert, die meine Briefe, bevor sie abgeschickt wurden, gelesen hatte. Mir wurde mitgeteilt, dass ich nicht mehr mit meinen Eltern in Kontakt treten durfte. Ich bin daraufhin weggelaufen - Richtung Tönning - da lebten meine Großeltern. Sie haben mich eingefangen und noch mehr unter Druck gesetzt. Ich wusste die ganze Zeit nicht, ob ich dort Dauerkind sein werde und hatte nur noch Panik. Ich wurde nach 6 Wochen vvon meinen Eltern abgeholt und war sehr erleichtert. Es war ein sehr schlimmer Aufenthalt dort und mir taten die Dauerkinder, die bleiben mussten echt leid. Ein ganz schlimmes Heimleiterpaar mit klar sadistischen Zügen! Verbrecher an Kindern, die sowieso schon geschwächt waren!
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M.W. schrieb am 22.08.2023
Im April / Mai 1961 war ich – gerade 6jährig - in Königsfeld / Schwarzwald, gemeinsam mit meinem knapp zwei Jahre älteren Bruder. Konkrete Erinnerungen an das „Haus Waldfrieden“, ein Nebengebäude des Kindersanatoriums „Luisenruhe“ der Schwester-Frieda-Klimsch-Stiftung, habe ich so gut wie gar nicht. Abgesehen von einer vagen nächtlichen Situation in einem Schlafsaal voller Gitterbetten, ist meinem Bewusstsein nichts mehr zugänglich, weder in Bezug auf die An- und Abreise, die Räumlichkeiten und den Tagesablauf, noch auf andere Kinder oder das betreuende bzw. medizinische Personal. Meinen Bruder (damals getrennt untergebracht im Nebengebäude für Jungen, dem „Haus Vogelsang“) kann ich nicht mehr befragen – er ist vor mehr als 10 Jahren verstorben.

Es gab eine zweite, ebenfalls sechswöchige Verschickung im Jahr 1964 – gemeinsam mit meiner jüngeren Schwester – nach Wyk auf Föhr (Name des Heims nicht mehr bekannt). Auch aus dieser Zeit erinnere ich fast nichts mehr - außer dem täglichen Zwang, nach der Mittagsruhe eine große Tasse abgekochte warme Milch mit ekliger rahmiger Haut zu trinken und eine fingerdicke Scheibe fettiger Leberwurst zu essen.

Als „Kriegsenkel“ habe ich vor Jahren schon meine lebenslänglich wiederkehrenden depressiven Phasen und Angststörungen psychotherapeutisch bearbeitet, leider erfolglos. Mir scheint, ich muss angesichts der abgespaltenen Erfahrungen als „Verschickungskind“ einen neuen Versuch der Problembewältigung starten...
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Müller-Enbers aus Schwelm schrieb am 19.08.2023
Ich habe bereits einen Erlebnisbericht geschrieben, finde mich und das Heim aber nicht in den Verzeichnissen.
Viele Grüße
Sabine Müller-Ebbers
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Ute aus Eisenach schrieb am 18.08.2023
Ich bin Ute und jetzt 62 Jahre alt und wurde mit 5 Jahren zu einer Kur an die Ostsee geschickt. Ich war ein schlechter Esser und sollte dort wohl gepäppelt werden. Bildhafte Erinnerungen habe ich nur no ch sehr wenige aber das sehr ungute und mulmige Gefühl beim Rückblick fühle ich noch sehr gut. Ich sollte mich an der Ostsee in Bansin, in einem Kurheim der SV- Sozialversicherung der DDR, erholen. Ich erinnere mich an 10 Betten in einem Zimmer, weitere drei Zimmer auf diesem Treppenabsatz und annähernd militärische Abläufe und eben diesen Befehlston. Zu den Mahlzeiten musste ich, so auch einige wenige andere Kinder, solange im Speisesaal bleiben, bis wir unsere Teller leer hatten. Ich erinnere mich heute noch an die stetig in mir aufsteigende Übelkeit. Regelmässig nach den Mahlzeiten gingen alle Kinder in langen Schlangen zur Toilette. Ausserhalb dieser Zeiten war es nicht möglich. An der Toilettentür stand eine der Betreuerinnen, in meiner Erinnerung dick, alt, grau gekleidet und mit bösem Gesicht und verteilte an jedes Kind eine kleine Menge Toilettenpapier. Meistens war es nicht ausreichend. Sehr oft habe ich aber diese offiziellen Toilettenzeiten nicht mitmachen können, weil mein Teller noch nicht leer war. Als ich dann im Speisesaal soweit war, ging ich allein zur Toilette...die auch nur dort war. Die Papierrolle hing an einem Band ganz oben im Türrahmen und war für ein 5jähriges Kind unerreichbar. Manchmal habe ich mir, in Verstärkung einzelner anderer Kinder, einen Stuhl aus dem Speisesaal geholt, um an das wichtige Utensil zu gelangen. Oft haben wir es uns aber nicht getraut und viele Stunden alles angehalten. In solch einer Situation habe ich dann auch mal eingnässt. Als es bemerkt wurde, musste ich meine Unterhose ausziehen und sie, untenrum nackt, auswaschen. Dieses Waschbecken war auf dem Treppenabsatz von dem alle Zimmer ausgingen. Alle anderen Kinder konnten mich also so sehen und ich habe mich ganz furchtbar geschämt. Nach dem Auswaschen wurde der Schlüpfer auf einen dort befindlichen Heizkörper- riesiger alter Gussheizkörper mit abgeblätterter Farbe- aufgehängt und ich musste daneben stehen bleiben, bis meine Unterwäsche getrocknet war. Ebenso nackt untenrum. Ich weiß nicht wie lange ich da stand,aber alle anderen Kinder schliefen schon fest und es war draußen stockdunkel. Ich war am nächsten Morgen sehr müde. Wenn ich mich recht entsinne, war es eine vierwöchige Kur. Nach ca. 2 Wochen erkrankten die ersten Kinder dort an Masern und Keuchhusten und wurden in das nächste Krankenhaus nach Ahlbeck transportiert. Hier gingen gefühlt täglich Transporte ab und ich war dann nach ca. 3 Wochen auch dabei. Ich erinnere mich noch ganz genau an das Gefühl, als ich dann in diesem Krankenhausbett lag. Hier waren die Schwestern alle sehr nett, sie lächelten mich an und ich durfte nur essen was ich schaffte. Insgesamt war ich mehr als sieben Wochen von zu Hause weg und ich dachte mir manchmal, dass ich wohl nie wieder dort hin zurück komme. Aber im Krankenhaus war es viel viel besser als in dieser Kurklinik und so fand ich mich fast mit einem möglichen dauerhaften Aufenthalt auf dieser Station ab. Manchmal veblassten die Bilder von zu Hause vor meinen Augen und ich musste mich sehr anstrengen, die Gesichter meiner Eltern und meines kleinen Bruders vor mir zu sehen. Aber alle hier waren nett, keiner hat mich schikaniert oder verletzt, also sollte es wohl so sein. Irgendwann nach einer gefühlten Ewigkeit,es müssen ca. 7 1/2 Wochen gewesen sein, kam abends eine Schwester an mein Bett und war ganz aufgeregt. Sie sagte ich solle mich ganz schnell anziehen, ich würde abgeholt und sie packt rasch meine Sachen. Ich folgte ihrer Aufforderung, aber alles war so unwirklich. Ich hatte nur Angst wieder zur Kur zu müssen...Draussen im Flur standen zwei Männer und als ich näher kam erkannte ich, allerdings sehr langsam, meinen Vater. Er hatte eine Dienstreise nach Greifswald und hat mit dem Chauffeur einen Umweg nach Ahlbeck ausgemacht, um mich nach Hause zu holen. Wir sind dann viele Stunden durch die Nacht gefahren und ich war wach die ganze Zeit, um wirklich zu sehen, wie es nach Hause ging....Ich habe das erste Mal nach mehr als 35 Jahren darüber gesprochen....Meine Eltern waren entsetzt, hatten sie doch mein Bestes gewollt...Vor nicht allzu langer Zeit war ich auf Usedom im Urlaub und habe in Bansin dieses Gebäude gesucht und auch gefunden. Es war damals eine schöne alte Villa und ist heute in Privatbesitz und toll saniert. Irgendwie hatte ich wohl gehofft, eine dieser ehemaligen Betreuerinnen dort zu treffen um ihr ins Gesicht zu spucken.....
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Iris aus Esslingen schrieb am 18.08.2023
Die Ausgangsituation war die, daß unsere Mutter total mit der Erziehung von 3 Kindern überfordert, das jüngste 1 ½ Jahre alt, und am Ende ihrer Kräfte war. Zudem litt sie unter Migräneattacken. Sie musste eine Müttererholungskur machen und die beiden ältesten, meine Schwester damals 5 Jahre und mich, damals 3 Jahre, in der Zeit außer Haus unterbringen. Meine Schwester und ich haben voller Vorfreude den Flur auf und ab getanzt.Unser Vater hat uns an einem sonnigen Tag ins Heim gebracht.
Wir Kinder wurden sofort in ein düsteres dunkles Spielzimmer mit anderen Kindern geführt. Nach dem Abendessen, was noch kein Problem war, brachte eine Tante uns in ein Schlafzimmer im 1.Stock unterm Dach mit 8 Gitterbetten und 6 anderen Mädchen, die uns alle seltsam anschauten, aber nicht mit uns gesprochen haben wie auch die ganze restliche Kur nicht. Wir bekamen die Betten in der rechten Viererreihe mittendrin. Wir waren keine Gitterbetten von zuhause mehr gewohnt. Es kam mir alles so seltsam vor, aber ich hatte meine Hoffnung auf den nächsten Tag gesetzt, an dem sich alles aufklären würde, und war allen widrigen Umständen zum Trotz eingeschlafen.
Danach ging der tagtägliche Horror los. Die Zimmertür wurde aufgerissen und wer noch nicht wach war, wurde wachgerüttelt. Ich muss dabei zumindest an mehreren Tagen angebrüllt worden sein, weil ich ins Bett gemacht hatte. In meiner Erinnerung fühle ich, daß ich am liebsten gar nicht mehr aufgewacht wäre, weil ich Angst vor den nicht abschätzbaren Ereignissen des Tages hatte. Ich sehe mich voller Angst in dem Bett liegen und hoffen, dass nichts für mich Schlimmes passiert. Dann wurden wir alle von einer Tante in ein Badezimmer mit endlos vielen Waschbecken gescheucht und mussten uns in Unterwäsche nach Anweisung der Tante waschen.
Das Frühstück war mit seinen Marmeladenbroten und Tee noch für mich essbar. Den Kakao mit der widerlichen Milchhaut hatte ich auch noch getrunken, wenn ich aber auch nach der Kur nie mehr danach Kakao zu Hause getrunken habe. Was aber gar nicht ging, war die ekelhafte Haferschleimpampe, die ich irgendwie heruntergewürgt habe. Zumindest die meisten Tage. Gegen Ende der Kur, als nur noch wenige Kinder im Esszimmer waren, konnten wir sehen, wie einer der älteren Jungs der Heimkatze, die durch die offene Tür hereinstolzierte, seinen gefüllten Teller hingestellt hat, als die Tante gerade nicht im Raum war. Das haben wir ab dann auch gemacht. Ich weiß nicht mehr, ob wir dabei erwischt und bestraft wurden.
Wir mussten essen, was wir vor uns hingestellt bekamen. Es wurde nicht gefragt, was wir wovon wieviel mochten oder nicht, und erst recht nicht, vor was es uns ekelte. Schlimm war der Geruch, wohl eher der Gestank, aus der Küche. Ich erinnere mich an eine Szene, in der Erbsensuppe in tiefen Tellern auf den Tischen vor uns steht. Ich höre an meinem Kleinkindertisch (jawohl, sie haben uns sogar beim Essen ohne Not getrennt), wie jemand an einem anderen Tisch kotzt. Ich sehe dann, wie meine Schwester würgt und die ausgekotzte Suppe in den Teller fällt, der über zu laufen droht. Die eine aufsichtführende Erzieherin hält meine Schwester fest und die andere rennt in die Küche, um einen weiteren tiefen Teller zu holen, den sie dann vor meine nach wie vor würgende Schwester stellt, damit ja kein bisschen von der Kotze daneben geht. Ich habe gedacht, daß meine Schwester nun in den Arm genommen und getröstet wird, so wird das unsere Mutter immer in solchen Fällen gemacht hätte. Stattdessen zwingen die beiden „Tanten“ meine Schwester, das Erbrochene aufzuessen! Ich an meinem Tisch will aufstehen und zu meiner Schwester, weil ich instinktiv fühle, daß das falsch ist, was da mit ihr gemacht wird. Ich will ihr irgendwie helfen, aber ich werde an meinem Platz von einer dritten Tante festgehalten. Die anderen Kinder dürfen gehen. Ich habe bis heute, mehr als 55 Jahre danach, Probleme mit Erbsen als Nahrungsmittel, insbesondere Erbsensuppe.
Ich war bis knapp vor 2 Wochen der Meinung, daß mir sowas in dieser Zeit nicht passiert wäre. Aber als ich die Berichte von anderen Betroffenen gelesen habe, insbesondere den von Maria, daß ein kleines Mädchen unter Androhung von Spritzen zum vollständigen Aufessen des Erbrochenen gezwungen wurde und ich weiß, daß wir panische Angst vor Spritzen hatten, sehe ich das anderes. Vielleicht waren es in meinem Fall Ravioli, die ich bis heute wie auch meine Schwester nicht essen kann.
Mindestens 1 Spritze haben wir beide unter Angst gesetzt bekommen. Ich sehe mich und meine Schwester noch mit nacktem Popo in dem unheimlichen Arztzimmer, das mit seltsamen Apparaten vollgestopft war, auf einer Liege; wofür oder wogegen eigentlich? Ich finde in meinem alten Impfbuch/Impfkarte keine passende Eintragung. Das Wiegen an sich war weniger schlimm, wenn wir auch vorher lange vor dem Zimmer warten mussten und uns dann die Kleider von den „Tanten“ vom Leibe gerissen wurden. Meine Schwester hätte zu dieser Zeit eigentlich noch Antibiotika wegen einer Nierenentzündung schlucken müssen. Die Heimleiterin hatte sie ihr nicht gegeben. Es gab keine Rücksprache dazu mit meinen Eltern.
Was haben wir ganzen Tag über gemacht? Ich erinnere mich an das dunkle, düstere Spielzimmer, in dem es Spielzeug gab, wie ich es zum Teil vom heimischen Kindergarten kannte und teils auch nicht. Meine Schwester meint, dass darin schwere Holztische so wie im Alpenraum üblich gestanden hätten. Wir mussten auch malen, wir konnten ja noch nicht schreiben. Dass das die Bilder für die Eltern zu Hause zur Dokumentation der ach so tollen Kur waren, reime ich mir zusammen. Ich hatte jedenfalls damals schon Malen gehasst, weil die Bilder nie so wurden, wie ich es wollte. Ich hatte gute Miene zum bösen Spiel gemacht, den Stift in die Hand genommen und gekrakelt. Vielleicht war ich dabei über den Rand des Blattes hinausgekommen und hatte den Tisch bemalt, vielleicht hatte ich die Malblätter aus Frust zerknüllt oder zerrissen. Den „Tanten“ hatte das nicht gepasst und ich erinnere mich, unter dem Stuhl der Heimleiterin für längere Zeit gesessen zu haben. Später erinnere ich mich, immer das gleiche gemalt zu haben: Sonne am Himmel, grüne Wiese, vermutlich so, wie die Tanten es mir gesagt hatten. Meine Schwester hatte protestiert, daß ich dasselbe wie sie zu malen versuchte.
Und dann gab es den Kreis, in dem irgendetwas mit allen Kindern gemacht wurde. Ich war zu klein, als daß es mich hätte ansprechen können. Ich meine, auf die Toilette gemusst zu haben und dafür um Erlaubnis gebeten zu haben. Die Heimleiterin persönlich hatte es verboten und als ich es trotzdem versucht hatte zu gehen, wurde ich von ihr auf ihren Schoss gesetzt und festgehalten. Der Erinnerungsfetzen hört da auf. Wahrscheinlich war das passiert, was passieren musste. Die Strafe war mit Sicherheit so drastisch und schlimm ausgefallen, daß ich mich nicht daran erinnere.
Wie in jedem Kinderheim, gab es den Mittagsschlaf, den jedes Kind machen musste, egal wie alt und ob es den Schlaf gebraucht hat oder nicht. An Schlechtwettertagen so wie meistens wurde er im Schlafzimmer gemacht, an schönen auf dem langen Holzbalkon auf Gartenliegen. Mein Pech war, daß es eine Liege zu wenig die Kinder gab und mich als Kleinste und Jüngste hat es getroffen. Während alle anderen, auch meine Schwester, mit den „Großen“ aus meiner Sicht die Sonne genießen durften, musste ich allein im Schlafzimmer in meinem Gitterbett bleiben. Meine Proteste blieben ungehört. Die Sonne schien heiß durch die Fenster und ich hatte in meiner 60ziger Jahre Wollstrumpfhose geschwitzt. Das war aber nicht das Problem. Das Schlimmste war, dass sie fürchterlich gekratzt hatte. Um den Juckreiz zu bekämpfen, hatte ich mit der Zopfspange meiner Flechtzöpfe auf dem Oberschenkel gerieben. Mit dem Ergebnis, daß die Strumpfhose anschließend ein riesiges Loch hatte und somit kaputt war. Ich wurde sofort ohne Anhörung meiner Sicht und ohne neue Strumpfhose in den ungeheizten Keller im Allgäuer Winter gebracht und eingesperrt. Das Schlimmste war nicht die dunkle und unbekannte Umgebung, sondern die Ungerechtigkeit.
Sonntags und/oder samstags muss es wohl eine Art religiöses katholisches Zeremoniell, abgehalten von einer Nonne, gegeben haben. Alle Kinder waren in einem Raum mit Kruzifix in der Ecke versammelt. Ich hatte mich trotz evangelischer Erziehung sicher und entspannt gefühlt, denn wir kannten vom heimischen katholischen Kindergarten das Bekreuzigungsritual. Ich hatte die Welt nicht mehr verstanden, als meine Schwester und ich zusammen mit einem älteren Jungen (wieso der, ältere Kinder wurden doch nie bestraft?) von der älteren Nonne zusammengestaucht wurden.
Es gab auch eine Art seltsamen Gymnastikraum mit noch seltsameren Turngeräten. Ich sehe mich und meine Schwester im Turnhemd umherlaufen. Es war gut, weil wir uns endlich mal so bewegen durften, so wie wir wollten und es keine Strafen zumindest für mich gab.
Ein einziges Mal erinnere ich mich, daß wir mit unseren von zuhause mitgebrachten Puppen spielen durften. Ich habe mich gewundert und gefreut, daß das Heim die gleichen Puppen wie wir hatte: Meine Schwester und ich sitzen im Schneidersitz im Schlafraum zusammen im Bett meiner Schwester. Eine Einladung von ihr, der ich nur zu gerne gefolgt bin. Eine gelöste, vertraute Atmosphäre fast wie zu Hause. Wir beiden entspannen, wir r e d e n endlich mal wieder miteinander und l a c h e n . Ich ziehe meiner Puppe gerade die Kleider aus, da wird die Zimmertür aufgerissen und die Tante stürmt herein. Sie sieht uns zusammen im Bett und zerrt mich heraus. Die Puppen werden eingesammelt, in einen Koffer gestopft, den ich noch nicht kenne, und auf einen Spind oder Schrank in für uns unerreichbare Höhen gestellt. Ich weiß nicht, welche Strafe wir dafür bekommen haben, aber ich sehe uns, wie wir von 2 „Tanten“ eine steile Außensteintreppe hinuntergeschoben und -gezerrt werden. Dann stehe ich in der einzigen gemeinsamen Strafszene mit meiner Schwester zusammen an einer eiskalten gekachelten Wand. Meine liebe, gehohrsame, angepasste, motorisch geschickte Schwester wird wegen mir bestraft.
Einmal stand ein Marmorkuchen im Esszimmer, so wie ihn meine Mutter oder Großmutter zuhause gebacken haben: Irgendjemand muss mir gesagt haben, daß ich an dem Tag den 4. Geburtstag habe. Ich bin entsetzt, denn ich nehme das als weiteres Anzeichen dafür, daß ich für immer im Heim bleiben muss; es hat sich alles so falsch und unwirklich angefühlt. Das halbe Stück Marmorkuchen, das auf meinem Teller war, hat seltsam geschmeckt, dafür gab es ja genügend Gründe, aber besser als das andere Zeugs, was es sonst gab. Als ich ein zweites Stück will, wird mir gesagt, es sei nichts mehr da. Meine Schwester sagt, daß ich eine Rolle Schokoladenkekse an die Kinder verteilt habe und sie Angst hatte, daß sie keinen Keks mehr bekommt.
Die einzige schöne Erinnerung, die ich habe, war das Spielen im Schnee auf einem Holzblockhaus vor dem Haus: Es liegt Schnee, die Sonne scheint und ich sehe die Berge. Ich sehe einen Weg, aber keine weiteren Häuser. Ich, meine Schwester und ein anderes kleines Kind, - hurra, ich bin endlich nicht mehr die kleinste in der Gruppe-, sind in den ersten Stock über eine Leiter hochgeklettert und haben aus Schnee eine Mauer gebaut. Eine junge Tante hilft uns, den Schnee nach oben in einem Eimer zu bringen und hält sogar die großen Jungs von uns fern. Leider ist die Freude vorbei, als unsere Kleider nass sind und wir zurück ins Haus müssen. Das einzige Mal, daß ich wirklich draußen an der frischen Luft war und Freigang hatte.
Es muss für mich ein spezielles abendliches Ritual mit einer Tante gegeben haben. Anders, als das Liebevolle zuhause mit einem Gutenachtlied: Ich sehe eine schimpfende Tante neben meinem Bett.
Wir durften nicht zur Toilette, wann wir wollten. Besonders nicht nachts. Ich kannte die Regeln nicht: Ich sehe mich nachts mit meiner Schwester über einen schwach beleuchteten Flur an einer dunklen, steilen Treppe vorbei zur Toilette tappen. Meine Schwester macht mehrmals „Psst“ zu mir. Auf der Toilette unterm Schrägdach angenommen, machen wir kein Licht. Ich möchte die Spülung drücken, aber meine Schwester hindert mich daran. Ich weiß nicht, ob wir ertappt worden sind und was die Strafe war.
Besonders abends gab es nicht genug zu trinken: Ich sehe mich beim abendlichen Zähneputzen Wasser aus dem Wasserhahn trinken. Meine Schwestern hatte mich darauf aufmerksam gemacht, daß ich meinen schrecklichen Durst auch aus dem Wasserhahn stillen kann.
An einem Tag werden meine Schwester und ich ins Büro der schrecklichen, furchteinflößenden Heimleiterin gerufen. Wir mussten sie „Mama“ Darm nennen. Gut, daß wir unsere eigene Mutter „Mutti“ genannt haben. Ich erwarte eine weitere Bestrafung, denn so war das immer in der Vergangenheit, wenn man ins Büro gerufen wurde. Aber das Unmögliche ist eingetreten: Unsere Eltern stehen im Büro. Meine Strafe ist also vorbei. Ich soll laut späteren Aussagen meinen Eltern nach gesagt haben „Ich muss ja so lachen, weil ich so fröhlich bin“, und gleichzeitig so geheult und hysterisch gelacht haben, dass es sogar dieser hart gesottenen Frau peinlich war. Dann hat sie ein Armbandkettchen mit einem Eichhörnchen-Anhänger dran aus einer Schublade geholt und mir als angebliches Geburtstagsgeschenk um das Handgelenk gelegt. Das kann ich zulassen, weil unsere Eltern in der Nähe sind und mich notfalls beschützen werden. Unsere Eltern wollen noch, daß wir der „Mama“ Darm, der schrecklichen Frau, die Hand geben. Was ich auch, wenn auch nur den Eltern zuliebe mache (ich will ja keine neue Strafe), weil ich spüre, dass jetzt alles wieder gut wird. Dann renne ich die Eingangstreppe in die Freiheit.
Wir sind zu viert durch das idyllisch verschneite Illertal mit dem Zug gefahren. In Ulm sind wir in einen damaligen D-Zug umgestiegen, der überfüllt ist, sodass wir im Gang Sitzplätze aufklappen müssen. Ich habe mir dabei schmerzhaft den kleinen Finger eingeklemmt. Aber es ist mir so was von egal gewesen!
Meinen vierten Geburtstag haben wir zuhause nachgefeiert. Ich sehe auf dem Foto nicht sehr glücklich und ernst aus. Auch dieses Geburtstagfest hat sich irgendwie trotz vertrauter sicherer Umgebung falsch angefühlt, und es lag nicht an den Geschenken oder am Geburtstagskuchen.
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Annette Kühne aus Braunschweig schrieb am 17.08.2023
Es ist mein zweiter Eintrag hier. Ich habe keine Erinnerung an diese Zeit, nur ein Bild von dem Speisesaal und meine Alpträume danach..
1. Alptraum. Ich suche verzweifelt eine Toilette, finde die endlich und das Bett ist nass.
2. Traum. Ich bin in einen Raum allein und Nebel steigt auf, ich bekomme keine Luft und ersticke.
3.Traum. Ich werde verfolgt und die Tür ist kleiner als der Türrahmen.
4. Traum. Es wird Fleisch aus meinen Beinen geschnitten, ich bin ohnmächtig vor Schmerz.
Ein Lehrer in der 12. Klasse sagte „Male es auf“ und es war damit vorbei.
Kennt ihr diese Träume?
Liebe Grüße, Annette
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Sandau Manfred aus 31693 Hespe schrieb am 17.08.2023
Das Haus Heyden war ein relativ kleines Heim oberhalb des Alpenfreibades. Ich bin etwa 1963 durch das Jugendamt in Braunschweig in das Heim gekommen. Es gab einen misshndelnden Stiefvater, der mich ziemlich zugerichtet hatte. So beschloss der Vormund, dass ich nach Scheidegg kam. Ich besuchte zunäachst die Volksschule in Scheidegg. Später die Realschule in Lindenberg im Allgäu. Zu Weihnachten durften wir in das Erholungsheim Bergfried, das sich ebenfalls im Ortsteil Forst befand. etwas unterhalb des Freibades. Dann gab es noch die Sonnenhalde, wo etwa 60 Kinder untergebracht waren. Die Kinder gingen teilweise auch in die Volksschule. Im Winter wenn es Schnee gab sind wir auf der Wiese des Bauern Miltz Ski und Schlitten gefahren. Beim Bauer Bantel und in der Käserei, die ein Herr Aichele betrieb, wurde Butter Milch und Käse eingekauft. Später gab es dann einen Milchwagen, der die Kannen leerpumpte und die Milch in einen größeren Verarbeitungsbetrieb brachte. In dem kleinen Heim habe ich nicht so viele schlechte Erfahrungen gemacht. Frau Heiden und ihr Stiefsohn führten das Haus ordentlich, es gab regelmäßig und gutes Essen. Als ich älter wurde musste ich Aufgaben im Haus übernehmen, so den Kühlschrank in Ordnung halten, mich auf die Treppe setzen, wenn die kleineren eineMittagsruhe hielten. Später. kamen kleinere Einkäufe beim Bäcker und beim Metzger dazu. Der Schulweg über den Kreuzberg war im Sommer sehr schön. Im Winter fuhr Herr Boll mit dem Schneepflug oder der Schneefräse durch die Straßen. Ich war bei den Lehrerinnen Frau Minn Frau Förster und zuletzt bei Herrn Ostler in der Klasse, der gerne sportliche französische Autos fuhr. Eine Lehrerin Frau Knipperts heiratete den Inhabe eines Schreibwarengeschäftes. In der Faschingszeit gab es einen kleinen Umzug durch den Ort und an einem Tag, St. Martin, zogen wir durch den Ort, sangen unser Lied und bekamen Süßigkeiten in die Tasche gesteckt. Später kam ich in eine sog. Erziehungsanstalt, mit dem Namen Blauer Stein in Wolfenbüttel. Dort wurden meist schwierige Kinder von sog. Erzehern und Sozialarbeitern betreut. Die Methoden, die dort angewendet wurden würde ich heute als sehr fragwürdig ansehen. Mittlerweile ist auf dem Gelände des ehemaligen Blauen Steins die Lebenshilfe eingezogen. Es wurden mehrere Gebäude angebaut und es werden in den Werkstätten Teile für VW angefertigt und zusammengebaut, dafür erhält der Träger pro Stück Geld vom Auftraggeber. Es waren Zeiten, in denen man noch hier und da eine Ohrfeige kassierte, oder inder Schule eine Strafe absitzen musste. Ein Lehrer stolperte über eine Schultasche. Da musste der Verursacher 100 mal schreiben: Ich darf auf meinen Lehrer keinen Mordversuch unternehmen. Vollkommener Schwachsinn. Später habe ich gehört, dass. einer der Jugendlichen einem Erzieher eine Ohrfeige gegeben habe. Ich nehme an er wird dafür seine Gründe gehabt haben.
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Heinz schrieb am 17.08.2023
Sehr geehrte Damen und Herren,

Mitte der fünfziger Jahre wurde ich mit meiner Schwester über das Bundesbahn-Sozialwerk in ein Kinderheim bei Tutzing am Starnberger See verschickt. Ich war 5 oder 6 Jahre alt, meine ältere Schwester bereits in der Grundschule. Was ich im Kinderheim als Albtraum erleiden musste, beschäftigt mich noch heute.

Direkt nach der Ankunft wurde ich von meiner Schwester getrennt und sah sie nur noch aus der Ferne, wenn wir zum Essen anstanden. Kontaktaufnahme war streng verboten. Post nach Hause funktionierte nicht, weil ich noch nicht schreiben konnte. Allgemein wurde die Post sowieso zensiert. Ich fühlte mich so verlassen und alleine.

Der Teller des Mittagessens musste leer sein, ansonsten gab es Nachsitzen im Speisesaal. Ich mochte keine Nudeln. Deshalb habe ich manchmal bis 16 Uhr im Saal gesessen und versucht, die Nudeln einzeln herunterzuwürgen. Was für eine Barbarei.
Kein Mitleid.

Das Schlimmste aber war, dass ich kurz nach Beginn der Verschickung eine Blinddarmreizung bekam, die sich im Laufe der sechs Wochen zu einer Entzündung entwickelte. Die Symptome wurde von den Pflegeschwestern einfach ignoriert oder weggewischt. Ich musste mich oft nachts aus dem Schlaf heraus übergeben und wurde deshalb heftig morgens ausgeschimpft, weil das Bettzeug beschmutzt war. Ich musste als Kind dann die Bettwäsche selber wechseln. Weil ich Angst vor der Schimpferei hatte, habe ich das Erbrochene manchmal runtergeschluckt. Manchmal gelang es mir, das Erbrochene auf dem Bettlaken mit einem Waschlappen notdürftig zu entfernen und den Flecken zu verbergen. Das gelang aber selten, denn bei der Kontrolle des gemachten Betts fiel ich dann doch auf. Und wieder ging das Geschimpfe los. Einmal habe ich mich bei einem Ausflug in den Starnberger See erbrochen. Es war grauenhaft.

Ich entwickelte aus meiner Angst heraus Schuldgefühle, weil ich den Schwestern Arbeit machte. Ich sah mich als Schuldigen. Ich wusste damals nicht, dass ich sehr krank war und versuchte auch, die heftigen Bauchschmerzen zu verbergen. Das den Schwestern zu erzählen, hätte ja wieder Geschimpfe bedeutet. Auch ein Arzt hat damals alles bagatellisiert.

Heute weiß ich nicht, wie ich das damals ausgehalten habe. Nachdem ich wieder zu Hause in Essen war, kam ich drei Tage später ins Krankenhaus und wurde operiert. Das Risiko eines Durchbruchs bestand akut . Die OP hat mir wohl das Leben gerettet.
Meine Eltern waren schockiert und haben mich nie wieder in eine Kinderkur verschickt.

Diese Erlebnisse belasten mich bis heute. Wie konnte es passieren, dass so mit mir umgegangen wurde? Das war Vergewaltigung einer Kinderseele. Manchmal habe ich heute noch flashbacks.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin trotz dieser Tortur im weiteren Leben ein gestandener Ingenieur sowie Ehemann und Vater geworden. Ich sitze nicht in der Ecke und bedauere mich selbst.

Der Auslöser für meine E-Mail ist ein Artikel im heutigen (01.07.2023) Kölner Stadtanzeiger mit dem Titel ‚Ein tiefes Gefühl der Verlassenheit‘. Genauso war es und noch schlimmer. Noch viel schlimmer.
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Simone aus Vista, CA USA schrieb am 14.08.2023
Ich war im Sommer 1978 in Dahmshöhe. Ich war damals schon fast 13, habe daher sehr klare Erinnerungen. Auch habe ich damals Tagebuch geführt, weiß also, dass meine Erinnerungen real sind.

Ich erinnere mich sehr deutlich an den Tag unserer Ankunft. Wir mussten alle unter Aufsicht eine Karte an unsere Eltern schreiben, der Text war auf einer Tafel vorgeschrieben. Natürlich nur positives. Dann wurde alles von uns eingesammelt, was man nur einsammeln konnte. Taschengeld wurde weggeschlossen, das bekam ich dann am Ende der Kur wieder, mit einer Quittung auf der stand, dass Geld für Spende für deutsch-sowietische Freundschaft oder so was entnommen worden war. Auf meinen Protest hin, sagte die Erzieherin "Du bist also gegen deutsch-sowjetische Freundschaft?" Naja, was sagt man dann noch, als Kind. Meine Armbanduhr wurde auch weggeschlossen. Auch alle Süssigkeiten wurden eingesammelt ("Sonst kommen Mäuse ins Haus"). Wir kriegten dann Sonntags ein kleines Stückchen, irgendwas, es war alles gemischt. Sicherlich haben die Erzieher sich die besten Sachen genommen. Dasselbe mit Zahnpasta. ("Die kleinen Kinder essen sonst die Zahnpasta") Ich hatte eine sehr gute, von der Tschechei. Stattdessen wurde mir jeden Abend diese grässliche süssliche DDR-Kinderzahnpasta Putzi auf die Zahnbürste geschmiert. Als ich mal Zahnpasta-Dienst hatte, habe ich meine eigene in der grossen Schüssel gesucht, weiß nicht mehr, ob ich sie gefunden habe.

Ich war mit noch einem fast 13-jährigen Mädchen allein im Turmzimmer. Laut Heimleiter hatten wir das schönste Zimmer. Und waren ihm dafür nicht dankbar genug. Er nannte uns seine "Zimtzicken". Überhaupt kann ich mich an recht viele beleidigende Bemerkungen erinnern. Ich weiss noch, dass alle unsere Sachen weggeschlossen wurden. Ich glaube wir durften nur einmal in der Woche richtig duschen. Genau weiss ich, dass wir nur einmal in der Woche neue Sachen anziehen durften. Das fanden wir als pubertierende Mädchen so ekelig! Meine Zimmernachbarin hatte schon ihre Tage. Ich weiss noch, dass wir es dann geschafft hatten, mit einem Stift heimlich den Schrank in unserem Zimmer aufzubrechen, um an saubere Unterwäsche heranzukommen. Wir hatten ja genug mit! (Es mussten genügend Sachen für vier Wochen mitgebracht werden. Ich erinnere mich noch an die endlose Stickerei, alles mit meinem Zeichen zu versehen. Ob die Heimleute irgendwann mal Wäsche gewaschen hätten, ist mir nicht bewusst.)

An irgendwelche sexuellen Übergriffe von Seiten des Heimleiters erinnere ich mich nicht. Ich war aber auch damals eher sehr mager, deshalb war ich ja hingeschickt worden. Ich habe mich in dem Heim so geärgert, dass ich dann nochmal zwei Kilo abgenommen hatte. Wenn es solche Übergriffe gegeben hat, dann hat sich der Mann möglicherweise auch lieber Opfer gesucht, die jünger waren, und sich nicht so gut erinnern würden.

Das Essen war manchmal schlecht, manchmal ok. Ich musste auch zu Hause immer aufessen, von daher war ich solchen Kummer gewohnt. Aber so schlimm wie im Heim war es zu Hause nicht. Ich mag auf Schnitten meine Butter nur ganz dünn. Ich erinnere mich, dass mich einmal eine Erzieherin zwang, den ganzen Rest meiner Butter auf einen kleinen Rest Schnitte zu schmieren, und das zu essen. Da kommt es mir heute nocht fast hoch bei dem Gedanken. Ich erinnere mich auch an das Pilzesammeln. Es gab massenhaft Pilze, aber sie endeten nie in unserem Essen. Wer weiss was die Leute damit gemacht haben.

Jeder Tag begann mit kalten Gesichts- und Nackengüssen, und einer Bürstenmassage. Dabei mussten wir alle zusammen nackt in einem Raum stehen, und ein Kind musste die Bewegungen vormachen. Mich hat das nicht gestört, unsere Familie hat immer FKK gemacht. Aber wenn ich jetzt so darüber nachdenke, kommt es mir doch sehr seltsam vor.

Es gab auch ein paar schöne Erinnerungen. Wir durften baden gehen, haben viele Lieder gelernt. Einmal waren wir im nahegelegenen Ort und haben dort Eis gegessen. Die vielen Wanderungen fand ich eher öde und viel zu lang. Eine Exkursion war zum KZ Museum. Irgendwann durften wir basteln, das hat mir dann sehr über die letzten zwei Wochen geholfen.

Das Schlimmste fand ich die Zensur der Briefe. Wir mussten immer unsere Briefe offen einer Erzieherin geben. Eine war jung, und fand die Sache offenbar peinlich. Der hab ich dann einen Brief gegeben, sie las ihn, und dann hab ich ihn zugeklebt. In dem Brief erwähnte ich Heimweh, und dass unsere Schokolade eingesammelt worden war. Am nächsten Tag kam der Heimleiter mit dem wieder geöffneten Brief in unser Zimmer und hat einen riesigen Krach gemacht. Ich habe den ganzen Abend geheult, und musste einen neuen Brief schreiben. Ich habe dann in einer geheimen Zeichensprache, die nur ich und meine Schwester kannten, den Satz "Alles Scheiße hier" an den Rand gekrakelt. Mehr hab ich mir nicht getraut, ich hatte Angst, der Mensch würde sonst merken, dass die Zeichen ein Alphabet waren. Hoffte dann lange, dass mich meine Eltern abholen kommen würden, aber sie kamen nie. (Sie sagten mir später, dass sie sich Sorgen gemacht hatten, aber einfach nicht wussten, wie schlimm es war. Ich hatte einfach nicht genug Information durchschleusen können.) Ich habe dann lange darüber fantasiert, mich irgendwie zum nahen Ort durchzuschlagen, um einen unzensierten Brief in die Post zu geben, aber das war hoffnungslos.

In meiner Erinnerung hiess der Heimleiter Fred Goldberg, aber viele andere hier sagen Goldmann. Ich erinnere mich, dass er immer wieder erzählte, dass er im KZ gewesen war. Er brachte uns verschiedene Protestlieder bei, die sie damals im KZ gesungen hatten, unter anderem ein Piratenlied, in der eine Zeile hiess "Und dann steigt am schwankenden Mast empor unsere Fahne, so rot wie das Blut". Das war so deren heimlicher Protest gewesen. Er betonte uns gegenüber immer wieder, dass er nach dieser Gefangenschaft sehr scharfe Ohren hätte, und ALLES von uns hören könnte, und alles in Erfahrung bringen würde.
Ich dachte als Erwachsene oft über diese Kur nach, und dachte damals, der Mann hatte sich an uns deutschen Kindern rächen wollen. Ich dachte auch immer, es sollten Ermittlungen stattfinden, und die Leute dort zur Rechenschaft gezogen werden. Ich hatte keine Ahnung, dass diese Kurheime so weit verbreitet und fast alle so schlimm waren.
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Silke aus 46569 Hünxe schrieb am 13.08.2023
Ich war 1970 mit 6 Jahren für 6 Wochen über die Krankenkasse in Brilon.
Erinnerungen sind nur bruchstückhaft vorhanden:
Heimleiterin herrisch und mit Dutt(?), Bettnässen sollte mit 'umerziehen' geheilt werden, der Heimleiterin in ein Vorschlaghammer auf den Fuss gefallen..... Also wirklich nur schemenhafte Erinnerungen, die aber immer mit Gefühlen der Hilflosigkeit, Angst und enormer Einsamkeit verbunden sind. Vielleicht findet sich hier ja noch jemand, der in diesem Jahr auch dort war. Bei mir haben diese 6 Wochen bis heute starke Spuren hinterlassen. Ich denke, dass mir u.a. deswegen auch Erinnerungen fehlen.
Vielleicht gelingt es mir ja durch eure Erfahrungen, die Lücken etwas zu schließen.
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Birgit Lehne aus Celle schrieb am 11.08.2023
Ich bekam im Alter von 11 Monaten Keuchhusten und wurde vom Kinderarzt noch auf die Schnelle gegen Keuchhusten geimpft. Da ich schon Neurodermitis hatte soll das der Auslöser für mein Asthma gewesen sein. Dauerhafte Atemnot und Hustenanfälle bei der kleinsten Anstrengung waren die Folge. Meine Mutter ist in ihrer Verzweiflung ständig mit mir beim Kinderarzt gewesen. Der empfahl ein weiteres Kind zu bekommen damit sie sich nicht immer so auf dieses eine kranke Kind konzentriert. Als meine Schwester dann geboren wurde war ich 3 1/2 Jahre alt. Mein Asthma war unverändert und dann auch noch ein Neugeborenes in der kleinen Wohnung. Meine Mutter war endgültig am Ende ihrer Kräfte. Der Kinderarzt empfahl für mich einen Aufenthalt an der See und meine Eltern glaubten es würde mir dort geholfen.
Ich wurde am 27. 8. 1965 zum ersten Mal nach Norderney in das Seehospiz verschickt. Ich hatte das Glück nicht mit einem Sammeltransport anreisen zu müssen. Meine Eltern brachten mich. Sie hatten sich auf der Insel eingemietet um mich in der ersten Woche besuchen zu können, das wurde ihnen verboten. Sie haben noch versucht am nächsten Morgen meine Gruppe beim Spaziergang zu finden, ich war aber nirgendwo zu sehen. Das deckt sich mit dem Arztbericht ich habe in der ersten Nacht Fieber bekommen und musste neben der Trennung auch noch mit einer Pneumonie klar kommen. Man hatte meinen Eltern auch verboten zu schreiben damit ich kein Heimweh bekomme. Daran haben sie sich gehalten. Jeden Mittag wurde die Post verteilt, ich bekam nichts daran erinnere ich mich. Nur an meinem Geburtstag bekam ich Post ein Paket mit Süßigkeiten die an alle verteilt wurden. Als mich meine Eltern am 1. Dezember wieder abholten habe ich nicht gesprochen bis wir auf der Fähre waren und diese abgelegt hatte. Meine ersten Worte waren dann "Ich habe geglaubt Ihr holt mich nie mehr wieder".

Diese Kur wurde vom Kinderarzt empfohlen und 1967 und 1970 wiederholt, jeweils 14 Wochen.

Einige Erlebnisse aus meinen 3 Aufenthalten im Seehospiz möchte ich hier schildern.

Essen und Gewicht zunehmen war sehr wichtig. Es wurde von den Nonnen aufgetan und das musste aufgegessen werden. Mann musste so lange am Tisch sitzen bis der Teller leer war. Ich erinnere mich mit Nachdruck gefüttert worden zu sein, mit einer Hand gefüttert, mit der anderen Hand wurde der Mund zu gehalten. Ein Mädchen neben mir am Tisch erbrach sich über den Teller. Sie musste weiter essen und auch das Erbrochene aufessen.

Einmal gelang es mir ein Stück Brot mit grober fettiger Leberwurst in die Rocktasche zu stecken. Als wir hinterher zur Toilette durften habe ich versucht dieses Stück zu "versenken" . Das klappte leider nicht. Es wurde später von den Nonnen entdeckt, ließ sich aber nicht mehr einem Kind zuordnen. Die Nonnen schimpften mit der ganzen Gruppe und zum Schluss sagten sie "der liebe Gott wird den Täter bestrafen " ... ich habe jahrelang Angst gehabt in eine Kirche zu gehen.

Zur Toilette gehen war nur zu bestimmten Zeiten erlaubt. Wenn ich in der Nacht musste, so musste ich lange allein im dunklen Flur stehen bis die Nonne dann irgendwann die Erlaubnis gab. Andererseits bekam man aber auch großen Ärger wenn man ins Bett machte.

Tagsüber gab es feste Zeiten für den Toilettengang, außerhalb dieser Zeiten war es nicht erlaubt. Da hab ich mich in die Puppenecke gesetzt und habe auf die Kissen gemacht. Da Mädchen immer Röcke tragen mussten hat das keiner bemerkt. Ich erinnere mich das mehr als einmal gemacht zu haben und dann bin ich mit der nassen Unterhose rumgelaufen bis sie wieder getrocknet war.

Mittags gab es Liegekuren draußen in einem langen Gang. Alle lagen nebeneinander auf Liegen und mussten in eine Richtung auf der Seite liegen damit wir nicht reden. Damit sich keiner dreht wurde eine Decke um den Körper gewickelt und stramm fest gesteckt - ich ertrage heute noch keine engen Kleidungsstücke.
Eine Nonne hat die Kinder beaufsichtigt, reden durften wir nicht.

Beim 2. und 3. Aufenthalt habe ich dann Post von meinen Eltern und Großeltern bekommen. Die erste Karte von meiner Mutter hat ganz rund gekaute Ecken.
Die Post wurde Mittags natürlich nur verteilt wenn alle Kinder aufgegessen hatten und ruhig waren. Sonst wurde sie bis zum nächsten Tag wieder mitgenommen.

Mittags wurden auch Pakete mit in den Speiseraum gebracht die man z. B. bekam wenn man Geburtstag hatte. Ich hatte 2x dort Geburtstag. Beim ersten Mal wurde ich dort 4. das Paket wurde vor allen geöffnet. Die Süßigkeiten wurden allen gezeigt und dann wurde ich gefragt ob sie verteilt werden sollen oder in meinen Koffer gelegt. Das zu entscheiden war wirklich schwer mit gerade einmal 4 Jahren.

Bei meinem 3. Aufenthalt war ich 8 Jahre alt. Als ich gebracht wurde musste ich im Speiseraum auf meine Gruppe warten. Da saß ein Kind das auf seine Eltern wartete. Mit diesem Kind habe ich gespielt. Dann stellte sich nach einer Woche heraus das dieses Kind eine Hepatitis hatte. Also wurden alle Kontaktkinder isoliert. Ein kleines Haus mit ca 10 Kindern, kein Garten, keine Spaziergänge an der See. Das habe ich meinen Eltern geschrieben. Mein Vater hat dann im Seehospiz angerufen und gesagt das es wichtig wäre wenn ich an die Seeluft komme und wenn ich in den Isohaus bin würde er mich abholen kommen. Da wurde ihm gesagt "Ihre Tochter hat gelogen" . Als ich dann nach 14 Wochen abgeholt wurde sagte man meinen Eltern die Wahrheit. Das war für meine Eltern der Grund mich nicht wieder dort hin zu schicken. Aus dem Isolations Haus wurden nach und nach alle Kinder entlassen sodass wir die letzte Woche nur noch zu zweit da waren.

An Medikamentengaben kann ich mich kaum erinnern, weiß natürlich auch nicht was ich bekommen habe. Eines lässt mich im Nachhinein aber stutzig werden. In meiner Ausbildung zur Kinderkrankenschwester habe ich den typischen Geruch von Atosil Tropfen als einen vertrauten Geruch wahrgenommen. Laut meinen Eltern habe ich aber nie Beruhigungsmittel bekommen.

An vieles aus den ersten Beiden Aufenthalten kann ich mich nur ganz wage erinnern. Ich habe zum Beispiel gelesen dass Kinder auf Dachböden gesperrt wurden. Das kann ich nicht beschwören, aber ich sehe immer mal wieder einen großen leeren Dachboden vor meinem inneren Auge und ich habe heute noch Angst über einen knackenden Holzboden zu gehen.
Nicht stören dürfen habe ich gelernt. Das sitzt tief. Jemanden nur mal so anrufen kann ich nicht.
Angst im Dunkeln, bekomme ich nicht weg, manchmal kann ich nur mit dem Gesicht zur Tür schlafen, liege ich mit dem Rücken zur Tür habe ich oft das Gefühl eine Hand auf die Schulter gelegt zu bekommen und das ist keine freundliche Hand.
Zur Toilette gehe ich in fremder Umgebung nicht selbst bei Besuchen in der Familie, oder aber wenn wir Besuch haben, dann kann ich auch nicht zur Toilette gehen.
Das sind alles Dinge die geblieben sind.

Eine Nonne habe ich als Kollegin wieder getroffen in der Hautklinik in Hannover. Ich habe ihr das Foto aus dem Seehospiz gezeigt und sie hat sich wieder erkannt. Um über die Geschehnisse zu sprechen war ich damals noch zu verschüchtert und wahrscheinlich auch zu jung.
Mein Asthma war mit den Aufenthalten im Seehospiz nicht besiegt und die Ärzte empfahlen weiterhin Verschickungen. So kam es, das ich 1972 mit 11 Jahren und 1973 mit fast 13 Jahren nach Ühlingen kam in das Kindersanatorium Dr. Scheede.

Meine Eltern fuhren gern Auto und so brachten sie mich hin. Die Fahrt von Celle bis Ühlingen dauerte lange, im Käfer mit 2 rauchenden Eltern (Kind wir wussten doch nicht das das nicht gut für Dein Asthma ist) .

Dort angekommen kamen wir in ein Arztzimmer zur Untersuchung und zum Gespräch. Dort musste und konnte ich mich dann auch von meinen Eltern verabschieden. Anschließend steckte man mich sofort in die Badewanne. Damals war ich empört darüber, heute denke ich ich muss unendlich nach Rauch gerochen haben.

Ich kam in ein 6 Bett Zimmer und wurde freundlich aufgenommen. Ich hatte sogar einen Schrank für meine Sachen, das war auf Norderney deutlich anders. Beim 2. Aufenthalt waren 2 Betten mehr in dem Zimmer weil Ferien waren und mehr Kinder zur Kur fuhren.

Das Essen wurde an den Tisch auf Platten und in Schüsseln gebracht. Man durfte sich die Menge nehmen die man wollte. Man konnte jederzeit nachnehmen. Was man sich genommen hatte das musste man aufessen. Ich hatte mehr als genug das Zwangsfüttern auf Norderney erlebt und fühlte mich wie im Paradies.

Auch sonst war es ganz anders als das was ich schon kannte. Wir durften jederzeit zur Toilette gehen, auch in der Nacht.

Mittags mussten wir in die Zimmer, wenn wir nicht schlafen wollten, dann durften wir uns leise beschäftigen, lesen oder Spiele spielen, nur die Anderen nicht stören. So hat mir z.B. ein Mädchen das Kontergam bedingt keine Arme hatte auf einem Reiseschachspiel das Schachspielen beigebracht.

Das Heim hatte eine Sporthalle im Keller in der wir in Kleingruppen Übungen machen mussten.

Ich hatte jeden 2. Tag Unterricht mit noch einem Mädchen in Englisch und Mathe. Da war ein Lehrer der ins Haus kam.

Es gab aber auch einen grossen Spielplatz hinter dem Haus auf dem wir gern gespielt haben.

An Ausflüge kann ich mich nur wenig erinnern.

Einmal in der Woche wurde nach Hause geschrieben. Die Briefe wurden von den Betreuerinnen gelesen, "damit keine Schreibfehler drin sind". Heute ist mir klar was das sollte, damals konnte ich das glauben.

Abends hatten wir einen großen Waschraum in dem wir uns alle gleichzeitig (nach Geschlechtern getrennt) bettfertig gemacht haben. Als ich im 2. Jahr kurz vor meinem 13. Geburtstag dort war wurde ich gefragt ob ich am Abend nach den Anderen lieber allein duschen möchte. Das fand ich sehr gut.

Im 2. Aufenthalt bekam ich Röteln. Das war eine tolle Krankheit. Ich fühlte mich nicht sonderlich schlecht, blieb im Bett und alle Mädchen durften mich besuchen. Wenn sie sich anstecken brauchten sie wenigstens nicht mehr geimpft zu werden war das Motto.

Vor Kurzem habe ich mit meiner Mutter noch einmal über meine Verschickungen gesprochen. Da erzählte sie mir das die Leiterin Frau Dr. Scheede von ihrem Liebhaber umgebracht worden ist. Das wäre sogar in Niedersachsen durch die Presse gegangen, das soll gewesen sein als ich das 2. Mal dort war. Da hat man uns Kinder wohl sehr gut abgeschirmt, denn das habe ich bis vor Kurzem nicht gewusst.

Alles in Allem blicke ich positiv auf die beiden Aufenthalte zurück. Sicher war nicht alles toll aber um Längen besser als das was ich in meiner Kleinkindzeit auf Norderney erlebt hatte.
2013 schickte mich mein Personalarzt zur "Kur" nach Borkum. Meine Verschickungen waren noch nicht so wirklich Thema aber mein Verhalten spricht im Nachhinein doch eine deutliche Sprache. Wir sollten möglichst mit dem Zug anreisen, ich nahm das Auto und nahm es auch mit auf die Insel, der Preis war mir egal. Am ersten Morgen sollten wir in Unterwäsche und Bademantel zum Wiegen kommen, ich kam voll angezogen und hab mich so auf die Waage gestellt. Eine Blutentnahme habe ich verweigert. Ebenso die Gewichtskontrolle am Ende des Aufenthaltes. Ich bekam Anwendungen in einer großen Badewanne mit warmen Wasser. Ich sollte nackt nur mit Bademantel bekleidet zur Anwendung kommen, mich anschließen schnell abtrocknen und so wieder zurück ins Zimmer. Ich kam voll bekleidet, zog zur Anwendung einen Badeanzug an und zog mich anschließen wieder vollständig an. Das machte die Therapeuten ärgerlich weil es Zeit kostete aber ich konnte nicht anders. Ich habe viel Heimweh gehabt, habe keine Kontakte zugelassen und jede freie Minute in meinem Zimmer gesessen. Die meiste Zeit hab ich geweint. Ein paar mal bin ich mit dem Auto zum Fähranleger gefahren. Am Abreise Tag war ich die erste an der Schranke zur Fähre. Ich habe dafür sogar das Frühstück sausen lassen und auf der Fähre gefrühstückt. Zu Hause hab ich dann vor Freude nur noch geheult.
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Iris W. aus München schrieb am 11.08.2023
Ich war 10 als ich in eine 6wöchige Kinderkur nach Borkum geschickt wurde, weil ich sehr häufig Bronchitis hatte und man offenbar befürchtete, ich könne Asthma bekommen.

Wir waren in 3 und 4 Bettzimmern untergebracht. Die Schränke für unsere persönlichen Dinge waren auf dem Gang und uns war verboten worden ohne Aufsichtsperson an unser Gepäck dranzugehen. Auch das mitgebrachte Taschengeld wurde uns abgenommen und wir mussten, wenn wir z.B. bei Spaziergängen etwas kaufen wollten um den entsprechenden Betrag bitten.

Duschen durften wir nur einmal pro Woche, auch die Kleidung und Unterwäsche durfte nur an diesen Tagen gewechselt werden, auch wenn wir, wie in meinem Fall, ausreichend Wäsche und Kleidung für 6 Wochen mitbekommen hatten.
Die Telefonate mit den Eltern fanden unter Aufsicht statt und wir wurden angehalten, nur positives zu erzählen und Heimweh zu verheimlichen. Auch Brife wurden geöffnet und kontrolliert, sowohl die Briefe der Eltern als auch unsere Briefe an die Eltern.
Obwohl ich als Kind keine Milch mochte und auch heute noch nicht mag, wurde ich einmal gezwungen kuhwarme Milch zu trinken, mit dem Hinweis, dass das gesund wäre.
Auch eine ca. 2-stündige Mittagsruhe mussten alle Kinder einhalten. Wir mussten uns ausziehen und uns ins Bett legen, auch wenn wir nicht müde waren und nicht schlafen konnten. Jegliche Unterhaltung war in dieser Zeit verboten.
Es waren auch sehr viel jüngere Kinder in diesem Kurheim untergebracht, die oft Heimweh hatten und sich von den Erziherinnen anhören mussten, dass sie von zu viel Weinen krank werden würden und dann nicht mit den anderen Kindern am Ende der Kur nachhause fahren können, was deren Heimweh und Traurigkeit nur noch verschlimmert hatte.
Wieder zuhause, habe ich mit meiner Mutter über die Kur und das Verhalten der Erzieherinnen gesprochen und meine Mutter war zwar sehr verärgert über die Zustände. Beschweren wollte sie sich aber nicht, da das ganz nun vorbei war und eine weitere Kur für mich nicht geplant war.
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RitaSch aus 63526 Erlensee schrieb am 09.08.2023
Im Alter von 5 Jahren wurde ich wegen Untergewicht für 6 Wochen nach Donaueschingen geschickt zur Kur. Es muss Winter 1962 gewesen sein. Vor der Schule sollte ich unbedingt zunehmen. Ich wurde alleine in einen Zug gesetzt, dort wartete eine "Tante" in einem Abteil, die nach und nach bei verschiedenen Stationen Kinder einsammelte. Im Heim angekommen standen Unmengen von Kindern aller Altersgruppen in einer großen Halle um aufgerufen und in Gruppen eingeteilt zu werden. Ich gehört mit zu den Kleinsten. Danach ging es in den Schlafsaal. Dort waren Doppelstockbetten aus Eisen aufgestellt und Metallspinde für unser Gepäck. Es war ein großer Saal, wieviele Betten es waren kann ich nicht mehr sagen. Um es abzukürzen, das Essen war furchtbar, Erbrochenes musste aufgegessen werden, Spielsachen gab es so gut wie keine, es gab lange Ruhezeiten auch Mittags. Da es Winter war und Schnee lag, waren wir kaum draußen. Ich habe viel geweint, und dachte meine Eltern haben mich weggegeben. Geschlagen wurde ich nicht, aber psychisch war es eine Folter. Ich hatte keine Ahnung wie lange ich dort bleiben sollte, ob für immer oder übergangsweise. Ich habe dort mit niemandem gesprochen, die ganzen 6 Wochen nicht, außer zu meiner Gruppentante, dass ich nach Hause möchte. Die hat nur immer abgewiegelt. Sie hat für mich wöchentlich eine Postkarte nach Hause geschrieben, worin stand, dass es mir gut ginge und ich alles toll fände, wie ich im Nachhinein von meinen Eltern erfahren habe. Einmal haben wir einen Ausflug nach draußen gemacht mit der Gruppe von geschätzt 40 Kindern und 3 Schlitten. Es war wohl gerade Fastnacht und wir sind in so eine verkleidete Hexengruppe geraten. Da waren auch Leute mit fürchterlichen Masken, die mich sehr erschreckt haben. Eine Hexe hat mich mit ihrem Besen gejagt, sodass ich weggerannt bin und mich irgendwo im Schnee unter einem Busch versteckt habe, ich hatte Panik. Die Leute vom Heim haben mich erst nachts gefunden und ich hatte eine fürchterliche Erkältung eingefangen. Daraufhin musste ich etwa eine Woche alleine im Schlafraum bleiben ohne jegliche Ablenkung oder Beschäftigung. Am Tag der Abreise, wir mussten vormittags unsere Taschen packen, gab es wieder ein scheußliches Mittagessen mit verdorbenen Eiern. Die erbrach ich wieder, musste das Erbrochene wieder aufessen, erbrach wieder usw. Deshalb durfte ich dann nicht mit abreisen und musste eine Nacht länger ganz alleine im Schlafsaal bleiben. Am nächsten Vormittag wurde ich zum Zug gebracht und alleine in den Zug gesetzt, die Gruppen mit Betreuung unterwegs waren ja bereits am Vortag abgereist. Ich weiß nicht mehr, wie ich am richtigen Bahnhof ausgestiegen bin, hat vermutlich der Schaffner drauf geachtet. Jedenfalls waren meine Eltern da in Offenbach/Main und haben mich abgeholt. Man sollte meinen ich war froh sie wiederzusehen, jedoch war ich sehr böse auf sie und traurig und habe die ersten Wochen auch nicht mit ihnen gesprochen, nur mit meinem älteren Bruder, der zuhause bleiben durfte. Dann wurde ich gleich zum Hausarzt gebracht, wo dann festgestellt wurde, dass ich 3 kg abgenommen hatte. Da wusste ich, dass die Reise überflüssig gewesen war und hatte schreckliche Angst nochmal verschickt zu werden. Wie ich heute weiß war diese Kur psychisch äußerst schädlich für meine weitere Entwicklung. Ich blieb ein sehr zurückhaltendes scheues Kind, das sehr schwer Freunde gefunden hat und dem Vertrauen zu anderen Menschen schwer fiel. Auch heute bin ich zurückhaltend, ich glaube diese Verschickung, die zu nichts nütze war, hat mir sehr geschadet.
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Melanie L. aus Halle/ Saale - Kurort unbekannt schrieb am 06.08.2023
Ich war im Alter von 5 Jahren im Jahr 1982 zur Kur. Wir wohnten damals in Halle/ Saale, der Kurort ist mir nicht (mehr) bekannt. Erst im vergangenen Sommer kam die Erinnerung hoch, dass ich zur Kur war, jedoch sind diese 6 Wochen wie ausradiert.
Ich kann mich an Situationen aus meinem Kindergarten und der Schule erinnern, aber fast nichts von der Kur - keine Gesichter, Namen oder Gefühle.
Einzig wusste ich noch, dass wir aus einem privaten Garten Pflaumen gemopst hatten (also muss es Spätsommer gewesen sein) und am Tisch mit dem Armen hinter der Lehne sitzen mussten, damit der Oberkörper kerzengerade ist.

Dank Google stieß ich auf diese Seite. Die Tatsache, dass kaum Berichte aus der DDR zu finden sind und die meisten keine Erinnerungen haben, macht mir Angst! Ich sprach eine Freundin an, ob sie auch zur Kur war. Sie bejahte es und hat ebenfalls keinerlei Erinnerungen.
Durch das Lesen und die Gespräche darüber mit meiner Mutter kamen folgende Erinnerungen bei ihr oder mir wieder hoch:
- Wassertreten; auch ich watete in der Kinderkur in kalten Wasser, weiß aber nicht in welcher Räumlichkeit
- Szene, wo eine Frau auf meiner Bettkante saß und mir einen Brief meiner Eltern vorlas (jedoch nicht wie es mir ging, was um mich herum geschah)
- Meine Mutter bestätigte, dass auch ich mit einem Koffer voll sauberer Kleidung heim kam. Nur wenig Kleidung war schmutzig. Sie dachte damals dass diese gewaschen worden sei, aber nachdem, was ich hier las, wurde sie sicher bei Ankunft abgenommen.
- Nach meiner Rückkehr war ich sehr still, völlig verändert. Auf alten Bildern der Sonnenschein, war ich auf Bildern nach der Kur ein Trauerkloß.
- Wir sprachen nochmal zu Tisch, aber nach meiner Rückkehr sagte ich am Tisch kein Wort, selbst nachdem mir meine Eltern sagten das sei ok und ich darf es, erwiderte ich, dass ich es nicht darf. Auch saß ich weiterhin am Tisch mit den Armen rückwärts über die Lehne.
- Ich habe nach meiner Rückkehr kaum etwas gegessen.
- Meine Eltern durften mir keine Pakete senden. Nur einmal kam Post von mir. 6 Wochen absolutes Kontaktverbot, lediglich Briefe durften sie senden. Wie oft wir diese erhielten weiß ich nicht.

Ich wurde zur Kur geschickt (vom System, nicht meinen Eltern), um zu wachsen, da ich als Vorschulkind zu klein war. Ich kam nach den 6 Wochen tatsächlich etwas größer zurück. Wie das???

Auf der Suche nach Antworten las ich hier sehr viele Berichte und frage mich, ob ich deswegen
- Sauna und Hitze nicht mag. Es gibt mir das Gefühl, keine Luft zu bekommen.
- Eisbaden/kalt duschen meide.
- Butter nicht mag.
- Verlassensängste habe. Meine Eltern waren sehr fürsorglich, aus meiner sonst behüteten Kindheit kann es nicht kommen.
- Immer wieder Situationen erfahre, in denen ich absolute Ohnmacht fühle, also andere ihre Macht mir gegenüber ausspielen können, ohne dass ich etwas daran ändern könnte.
- Trotz dass ich eine schöne Frau bin, kein Selbstwertgefühl habe.

Als Kind war ich Linkshänder und musste umerzogen werden. Ob dies während der Kur begann der später weiß ich jedoch nicht.

Denen, die wie ich auf der Suche nach Antworten sind, kann ich ebenfalls keine geben, aber ich werde mir professionelle Hilfe suchen, da ich die Geschehnisse dieser 6 Wochen wissen möchte, egal wie schmerzhaft sie sind.

Ich wünsche und allen Antworten und Heilung.
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Renate Gogler aus 61169 Friedberg schrieb am 04.08.2023
Ich war gerade in die 2.Klasse gekommen und wurde im Winter 1965/66 für 6 endlos lange Wochen nach Borkum geschickt, weil ich der Schulärztin nach zu dünn und zu häufig erkältet war. Im Sommer davor hatte ich gerade schwimmen gelernt, deshalb fand ich es schon doof, im Winter an´s Meer zu müssen.
Dieses Heim wurde von Nonnen geführt und ich erinnere mich nur an eine Erzieherin, die nicht Nonne war. Das ist sehr wichtig, weil ich selbst evangelisch bin und seit diesem Aufenthalt eine heftige Nonnen-Phobie habe. Wir mußten uns nach dem Frühstück und Gebet bekreuzigen. Das habe ich verweigert mit den Worten, ich sein evangelisch und bräuchte das nicht. Daraufhin gab es einen Anruf bei meinen Eltern, weil ich so ein bockiges Kind sei. Mein Vater hat völlig hinter mir gestanden und meine Aussage bekräftigt. Wenn uns Nonnen in den Gängen begegneten, mußten wir immer an die Seite treten und an den Wänden entlanglaufen. Das war so fremd und einschüchternd für mich, ich habe das Gehusche der Nonnen gehaßt. Das Gefühl ist immer noch ganz stark in mir. Wir mußten auch alles aufessen und das Essen war fettig und eklig. Ich habe kein bißchen zugenommen und dann gab es deshalb wieder einen Anruf bei meinen Eltern. Ich durfte meinen Vater sprechen und habe ihm gesagt, daß das Essen scheußlich sei. Meine Eltern haben total hinter mir gestanden und ich bin ihnen noch heute sehr dankbar dafür. Das Schlimmste war aber, daß wir ein Mädchen in unserem Schlafsaal hatten, daß nachts ihr Bett vollgenäßt hat. Daraufhin wurde, soweit ich mich erinnere, in mehreren Nächten plötzlich das Licht angemacht, eine Nonne ging an das Bett des Mädchens, riß sie aus dem Bett und stellte sie vor uns allen bloß mit den Worten: "Schaut her, das Schwein hat wieder das Bett vollgepinkelt". Ich habe mich schon damals mit 7 Jahren gefragt, warum diese Nonnen Kinder betreuen, wenn sie doch Kinder hassen. Dieses Gefühl ist geblieben und beim Anblick von Nonnen packt es mich jedes Mal. Alles in allem kann ich nicht von selbst erlebten Mißhandlungen berichten, aber trotzdem waren es die schlimmsten 6 Wochen meines Kinderlebens. Meine Eltern waren nach meiner Rückkehr auch entsetzt darüber, was sie durch die Anrufe mitbekommen hatten und daß ich überhaupt nicht zugenommen hatte. Daß sie nur mein Bestes wollten, war mir schon damals bewußt und ich habe ihnen auch verziehen.
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H. F. aus Friedrichsdorf schrieb am 04.08.2023
Ich bin 1964 geboren und wurde denke ich in der 3. Grundschulklasse 1973 noch vor den Sommerferien in ein "Kindererholungsheim" der DAK in der Nähe von Hamburg mit zwei meiner 3 Brüder verschickt von Nürnberg aus mit dem Zug ohne die Eltern mit meinen Brüdern und einer fremden Betreuerin, da unsere Mutter in die Kur mußte und mein Vater sich nur um den jüngsten Bruder kümmern konnte.
In meiner Erinnerung wurde ich gleich am Anfang gewogen, ich denke ich war zu dünn in deren Augen und ich sollte zunehmen. Im Speisesaal wurde mir deswegen oft ungefragt zum Mittagessen ein heißer "Nachschlag" auf den Teller gekippt - auch über meine Hände wenn ich diese verrneinend und ablehnend über den Teller hielt. Meine Hände waren oft verbrüht und ich musste dann alleine im Speisesaal "nachsitzen" bis ich den Teller komplett aufgesessen hatte.
Nach dem Speisesaal ging es in den "Mittagschlaf Saal" - wir Kinder mussten uns mit einer speziellen Wickeltechnik auf den Feldbetten einwickeln. Dieser Schlafsaal war sehr hell, es war für mich schwierig zu schlafen - also tat ich so als würde man schlafen - wer mit offenen Augen entdeckt wurde musste "nachschlafen", das ist mir auch ab und zu passiert.
Ab und zu mussten wir in braune große Bottiche mit heißem Wasser - evtl Solewasser - steigen. Da es mir einmal beim einsteigen zu heiß war, hatte ich mich verweigert hinein zu steigen. Das half nichts ich wurde hinein geschubst und wurde dann durch die Hitze ohnmächtig und wieder heraus gezogen. Ich hatte im Anschluss immer Panik vor diesem heißen "Solebad"
Wir waren im Hochsommer in Hamburg, da wird es schon um 5 Uhr früh hell und die Sonne schien in den Schlafsaal - wir hatten keine dunklen Vorhänge, sodass der Schlafsaal schon ab 5 Uhr hell war. Das heißt ich wurde ab und zu "unerlaubt" wach zu einer Zeit in der ich nicht wach hätte sein dürfen. So bald ich mit offenen Augen gesichtet wurde, wurde ich aus dem Bett gezerrt und musste im "Waschsaal" auf einem Stuhl 2 Stunden ruhig verbringen und "nachschlafen " bis offizieller Aufwachzeitpunkt gewesen ist. Einmal wurde ich deswegen in die Besenkammer gesperrt, da der Waschsaal schon "belegt" war.
Einmal die Woche hatten wir einen Basteltag für die Eltern, dazu haben wir immer einen Brief geschrieben. Mein Brief wurde regelmäßig zerrissen und mir wurde diktiert was ich zu schreiben hatte, daher gingen meine Eltern davon aus, dass ich in den ca 4 Wochen eine tolle Zeit gehabt hätte.
Unser Spaziergang ging immer "um den Pudding" da gab es einen Graben voller Brennessel. Größere Kinder machten sich oft einen Spaß daraus kleinere Kinder - so wie mich - in den Brennessel Graben zu schubsen. Dagegen unternahmen die "Erzieherinnen" nichts - auch nicht für die Pflege der brennenden Haut im Anschluss.
Es war ein sehr sehr heißer Sommer. Damit niemand nachts in die Hose machte, bekamen wir nur im Laufe des Tages einen Becher mit Hagebutten Tee - ich hatte unendlichen Durst in den 4 Wochen. Den Geschmack von diesem Hagebutten Tee hatte ich oft in den Jahren danach noch im Mund, wenn ich nach einem langen Schultag in der weiterführenden Schule an heißen Tagen Durst hatte in den öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Weg nach Hause.
Während der ca 4 Wochen in dem "Kindererholungsheim" hatte ich kein Recht mit meinen Brüdern zu sprechen.
Es war alles andere als Erholung, es war der reinste Horror
H. F.
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Egon Luce aus 48329 Havixbeck schrieb am 04.08.2023
Ich war mit 4 Jahren mit meinem älteren Bruder zur Kur in Bad Sassendorf. Ich musste solange essen, bis ich das erbrochene Wurzelgemüse aufgegessen hatte.
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Renate Lenz aus Hannover schrieb am 03.08.2023
ERFAHRUNGSBERICHT
verfasst am 03.08.2023

Mein Name ist Renate Lenz, geb. am 17.4.53 in Hannover. Mit 5 Jahren wurde ich am 26. 09. 58 bis zum 7.11.58 nach Wyk auf Föhr ins Kinderheim geschickt wegen verschiedener Atemwegsprobleme (Polypen entfernt, schwerer Keuchhusten mit 4 Jahren, wiederholte vereiterte Mandelentzündungen, ständige Erkältungen mit schwerem Husten, angegriffene Hilusdrüsen). Der Aufenthalt wurde durch die ÜSTRA Hannover ermöglicht, wo mein Vater angestellt war. Ich weiß nicht, wie das Heim hieß, ich dachte immer, es gäbe nur eins und das hieße "Wikauför" Ich kann dies auch nicht mehr erfahren, es gibt keine Unterlagen darüber, nur das Datum habe ich aus dem Tagebuch meiner Mutter, die vor mehr als 10 Jahren verstorben ist.

Die Vorfreude auf den Aufenthalt auf der Insel war groß. Eltern, Großeltern Tanten sorgen für meine "Ausrüstung": Eimerchen und kleine Schaufeln und Harken sollten wir mitbringen, denn wir würden ja viel am Strand spielen. Badezeug war auch dabei, ich konnte schon schwimmen.

Bei der Ankunft stellte sich uns "Tante Else" vor, die für uns kleine Mädchen zuständig sein werde. Als erstes mussten wir unser Strandspielzeug abliefern, denn für den Strand seien wir noch zu klein und könnten ins Meer fallen und verschwinden. Dabei war der Strand auf den Fotos so breit. Und ins Meer durften wir erst recht nicht. Unser Spielzeug wurde eingesammelt, um es älteren Kindern zu übergeben. Tante Else erklärte uns auch, dass wir beim essen nicht reden dürften, sonst gäbe es Strafen. Und alles müsste aufgegessen werden. Tante Else zeigte uns unseren Schlafraum und die Toiletten. Sie selbst würde im Raum neben uns schlafen und wir könnten sie jederzeit rufen, wenn jemand zum Beispiel nachts auf die Toilette müsste und den Weg nicht fände.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war das Bett nass! Ich hatte mich eingenässt, denn ich fand den Weg zur Toilette im Dunkeln nicht oder vielleicht wurde ich erschreckt.
Ich habe diese Tante Else ganz oft in jener ersten Nacht gerufen, andere Mädchen haben das am nächsten Morgen, als mein eingepinkeltes Bett entdeckt wurde, bestätigt. Tante Else hat alles als Lüge bezeichnet und den anderen Kindern verboten, mit so einer wie mir zu reden. Ich wurde von den anderen Kindern isoliert gehalten. Tante Else taten meine Eltern leid, die mit einer Bettnässerin gestraft worden seien.

Ich war so verzweifelt, dass ich mich immer mehr vollpinkelte, dann überhaupt keinen Schließmuskel mehr beherrschte. Für Tante Else war ich das perfekte Beispiel eines total missratenen Kindes, aus dem nie etwas werden würde.

Bis zum letzten Tag. Ein Mädchen hat eines Tages das Redeverbot mit mir durchbrochen, bei einem Spaziergang wartete sie auf mich, die immer einen Sicherheitsabstand von ca.20m zu der Gruppe halten musste. Das Mädchen stand einfach neben mir und fasste meine Hand: ich täte ihr so leid. Dann stand Tante Else neben uns: Wenn Du nicht sofort zur Gruppe zurückkehrst , geht es Dir genauso wie Renate, schrie sie. Ich war dem Mädchen so dankbar für ihre Solidarität!!
Allerdings hat auch mein Schließmuskel sofort auf Tante Else reagiert und mein Höschen war mal wieder vollgeschissen...
Und das Schlimmste war für mich, dass Tante Else mir gedroht hatte, alle vollgepinkelten und -geschissenen Höschen in meinen Koffer zu packen, damit meine Eltern wüßten, was für ein unerzogenes Dreckskind sie haben. Ich war damals leider noch nicht in der Lage, zu berechnen, wie viele Schlüpfer für mich eingepackt waren für einen Aufenthalt von 6 Wochen. Ich befürchtete, der ganze Koffer würde mit dreckigen Hosen gefüllt sein.

Ein weiteres Detail: wir kleinen Kinder, ich war 5 Jahre alt, konnten natürlich noch nicht schreiben, sollten aber eine Postkarte an unsere Eltern bemalen. Die Idee war gut, meine Interpretation des Themas haute aber nicht hin. Ich wollte die Insel aus der Vogelperspektive malen, mit den Häusern, Wegen und Straßen. Ein trauriges Gekritzel von Straßen und Wegen und mehrere undefierbare Flecken als grüne Wälder, Bäume und Häuser mit roten und braunen Dächern waren das Ergebnis. Tante Else nahm dies zum Anlass mich mal wieder vor allen Kindern bloßzustellen: ich würde mir selbst, meinen Eltern und allen Anwesenden nur beweisen, wie unfähig ich sei. Nicht mal meinen Eltern könnte ich ein schönes Bild malen. Ich weiß noch, dass ich kein schönes Bild malen wollte, sondern etwas ganz besonderes, was absolut in die Hose ging.

Der Aufenthalt war die Hölle für mich, ich habe nach meiner Rückkehr niemandem etwas erzählt, aber alle merkten, dass ich sehr still geworden war.

Jahre später, ich war inzwischen 33 Jahre alt und lebte schon in Südamerika, war ich bei meiner Mutter zu Besuch. Irgendwann ging sie zum Geschirrschrank und holte eine total kitschige Moccasammeltasse mit Verzierungen in rot und Gold heraus. Sie fragte mich, ob ich diese Tasse aufheben wollte. Ich verneinte, sie würde doch wohl meinen Geschmack kennen. Ob ich mich wirklich nicht erinnern könne, fragte sie. Die Tasse hätte ich ihr als Mitbringsel von Wyk auf Föhr mitgebracht. Da kam plötzlich eine Erinnerung: kurz vor der Rückfahrt sollten wir kleinen Mädchen in einem Souvenierladen ein Mitbringsel für unsere Eltern aussuchen. Ich habe diese furchbar kitschige Tasse ausgesucht, denn mein Mitbringsel sollte ganz besonders toll und teuer aussehen. Tante Else hat mich sogar gelobt!!!
Abends bei einem Glas Wein habe ich meiner Mutter dann erzählt, was in diesem Heim abgelaufen war. Meine Mutter sagte, sie habe nach meiner Rückkehr mehrmals gefragt, was dort passiert war, weshalb ich so verstört zurückgekommen bin. Ich habe nie geantwortet.
Meine Erinnerungen waren immer mit Demütigung, Bloßstellung und Scham verbunden. Die dreckigen Höschen waren nicht im Koffer gewesen, nur eine einzige, mit Spuren von Urin. Und diese war meiner Mutter egal, weil ich ja schon lange ´sauber´ war und auch hinterher meine Schließmuskel wieder normal beherrschte. Alles war fast wie vorher.


Diese Heimerfahrung war zwar für mich schrecklich, aber heute weiß ich, dass andere in anderen Heimen noch viel mehr zu erleiden hatten.

Nichtsdestotrotz: meine Atemprobleme und Husten waren für den Rest meines Lebens kuriert!!
Was dieser Aufenthalt wirklich für mich bedeutet hat, ob er für meine weitere Entwicklung wichtig war und in welcher Beziehung kann ich nicht beurteilen. Andere Vorfälle haben meine Erfahrungen übertönt: drei Wochen nach meiner Rückkehr starb mein von mir sehr geliebter Großvater an einem Schlaganfall. Er war auf der Straße zusammengebrochen und die Polizei steckte ihn für die Nacht in die Ausnüchterungszelle, statt einen Notarzt zu rufen. Am nächsten Morgen war er tot und man brachte ihn zu meiner Großmutter. Die Polizeistation befand sich 30m neben unserem Haus.
Ein Jahr nach meinem Aufenthalt in Wyk verstarb mein Vater an einem plötzlichen Herzinfarkt. Ich habe sein Sterben von meinem Kinderzimmer aus miterlebt. So wurde aus unserer 5-köpfigen Familie plötzlich eine kleine Familie, bestehend aus meiner arbeitenden Großmutter, meiner arbeitenden Mutter und mir. Ich wurde zum Halbwaisenkind und Schlüsselkind. Den Schlüssel um den Hals habe ich gern getragen und fühlte mich sehr erwachsen damit.
Vielleicht ahnte ich, dass es kein Zurück mehr gab, und dass Angst ein schlechter Wegweiser ist, der einen niemals lähmen darf.
Meine Mutter hielt es manchmal für nötig, mich mit dem Rohrstock zu erziehen, um mir das "Böckchen" auszutreiben. Allerdings ließ ich mir kein "Böckchen" austreiben, sondern sagte ihr unter Tränen nach der Tracht Prügel, nun hätte ich zwei "Böckchen".
Kinder dürfen nie wieder so gedemütigt und verletzt werden. Das kleine Mädchen, ein wenig kleiner als ich, das auf mich wartete und sich dem Gesetz des Heimes, dem Gehorsam, widersetzte, ist mir nie aus dem Kopf gegangen. Ihr warmer Händedruck und ihre paar Worte haben für mich in meinem Leben bedeutet, mich überall für Menschenrechte einzusetzen, für die Rechte der Verfolgten, der Geflüchteten, derer ohne eine Heimat im Kopf. Gerechtigkeit nicht nur für mich, sondern für alle Menschen einzufordern. Und sich niemals von der Angst lähmen zu lassen. Meine Schließmuskel waren vor Angst gelähmt und haben mir gezeigt, was lähmende Angst ausmacht: nur große Scheißerei. Nie wieder!

Danke für´s Zuhören, und bitte um Entschuldigung für das Sch...wort. Renate Lenz
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Melanie Huster aus Dortmund schrieb am 02.08.2023
Ich war 1982 und 1983 in Bühl. Und die Jahre danach in Mittelberg Oy. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern was in Bühl war aber das was übriggeblieben ist , ist keine schöne Erinnerung! Ich kann mich noch an große Schlafräume erinnern und das wir nicht reden durften und wer es doch getan hat wurde mit Matratze auf den Flur verfrachtet ! Ich kann mich auch noch erinnern das ich mich immer schlafend gestellt habe wenn die Nonnen durch den Schlafsaal gingen weil ich solche Angst hatte! Ich kann mich auch noch Bruchstück weise daran erinnern wie es war wenn wir in die Waschräume geschickt wurden . Wo wir uns vor allen anderen waschen mussten . Oder ans Essen…wie ich stundenlang alleine im Speisesaal sitzen musste und gezwungen wurde mein Essen runter zu würgen bis ich mich im hohen Bogen übergeben habe ! Das erste mal war ich übrigens da wegen Bronchitis…die Jahre danach wurde ich immer in Kur geschickt weil ich zu dünn war . Ein Schelm wer denkt das das in irgendeinem Zusammenhang steht und ich ein sehr schlecht essendes Kind war ! Irgendwann musste ich auch mal zum Hauseigenen Arzt , warum weiß sich nicht mehr aber auch da war es anscheinend schrecklich, da ich mich nur noch schreiend auf dieser liege sehe…den Rest habe ich verdrängt , so wie vieles andere auch ! Medikamente mussten wir nehmen keine Ahnung warum …zuhause habe ich nie Medikamente bekommen! Ich war 6 Jahre alt! Danach bin ich immer nach Mittelberg Oy geschickt worden. An diese Kur habe ich nicht so schreckliche Erinnerungen (außer das wir immer zur Beichte mussten ) Auch da waren Nonnen, auch da war es ziemlich streng aber auf diese Kur habe ich mich immer gefreut.da habe ich nur gute Erinnerungen . Wahrscheinlich war für mich alles besser als Bühl!
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Claudia Luterbach schrieb am 01.08.2023
Hallo
Ich bin als 4-Jährige für 6 Wochen im Kindersanatorium Helmut Just in Bad Frankenhausen gewesen. Die Erinnerungen an diese Zeit sind rudimentär, was (hoffentlich) am Alter liegt. Es gibt keine Fotos und etwaige medizinische Berichte habe ich auch nie gesehen.
Ich weiß noch, wie die Anreise ablief, nämlich ohne meine Eltern. Es ist ihnen nicht gestattet gewesen, mich zu bringen. Ich musste mit dem Zug anreisen. Die Schlafräume waren groß und wenn ich nachts auf‘s WC musste, empfand ich es als gruselig, da dunkel. Meine Eltern schrieben mir regelmäßig Briefe und schickten auch Päckchen. Besuchen durften sie mich die ganzen 6 Wochen nicht, obwohl ich in dieser Zeit Geburtstag hatte. Die Briefe blieben bei der Abreise im Sanatorium.
In meinem Gedächtnis sind einzelne Miniszenen gespeichert, aber mehrheitlich ist alles weg. Ich weiß nicht, was wir den ganzen Tag gemacht haben, wie die Mahlzeiten abliefen, ob wir untersucht wurden oder sonstige Therapien machten. Einzig an eine Betreuerin kann ich mich gut erinnern.
Ich bin vor kurzem in Bad Frankenhausen gewesen. Das Sanatorium wird zu Ferienappartements umgebaut. Das, was ich gesehen habe, weckte ein paar Erinnerungen. Vielleicht ist hier jemand, der etwa zur selben Zeit hier gewesen ist und kann mir ein paar Details nennen?
Der Aufenthalt an sich hat mir gesundheitlich sehr geholfen. Ich litt danach nicht mehr an Bronchitis und musste nicht mehr bis zum Erbrechen husten. Aber ich denke, die Erfahrung hat mich wesentlich geprägt.
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Gabriele Form schrieb am 01.08.2023
Hallo ich war 1967 in Bad Soden Salmünster im Marien Kinderkuranstalt ich war am letzen Samstag dort hin gefahren mein einziger Hinweis war ein Gruppenfoto an einem Kriegsdenkmal der Sebrende Sodalt darauf hin fand ich auch das Kinderheim viles ist bnoch wie damals dieses heim wurde von Vinzentianerinnen geführt und von angestellten Betreuerinen eine wie auf dem Gruppenfoto
ich war 4 Jahre trotzdem kann ich mich an das lange sitzen in den Speisesaal erinnern und auch an ein Lied das alle laut sangen an den Pavillion im Garten .....ich habe Fotos gemacht wenn die jemand sehen möchte schreibt mir
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Andreas Keller schrieb am 01.08.2023
Es hat sehr lange gedauert, bis ich begriffen habe, dass meine heutigen gesundheitlichen Probleme auf traumatische Erlebnisse bei der Landverschickung beruhen. Ich kann mich nur noch an zwei Ereignisse erinnern. Das erste war, ich musste mein eigenes Erbrochene aufessen. Die Folge war, dass ich bis zu meinem 50zigsten Lebensjahr kein sichtbares Fett am Fleisch essen konnte. Ich hatte alles sezieren müssen. Got sei dank ist das vorbei.
Das zweite Ereignis ist im nachhinein das folgenschwerste. Der einzige Bezugspunkt nach Hause war ein kleiner oranger Stoffhund. Dieser wurde mir weggenommen.
Ich habe jetzt schon zwei Rehas wegen Panikattacken hinter mir. Bei der zweiten Reha wurde endlich die Verbindung zum Traumatischem Ereignis festgestellt. Wenn man mir etwas wegnimmt, kommt der kleine hilflose Junge hervor und ist wie gelähmt. Mein ehemaliger Chef hat das gemerkt und dann dementsprechend gemoppt.
Ich habe jetzt noch knapp zwei Jahre bis zur Rente, an richtiges Arbeiten ist aber nicht mehr zu denken.
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Jo schrieb am 29.07.2023
Ich bin 1966 geboren und gegen 1970/71, mit etwa vier oder fünf, für einige Wochen in einem solchen Heim gewesen. Als Name erinnere ich mich nur an "Berchtesgaden". Ich habe in diesem Forum und anderswo nach diesem Heim gesucht, bisher ohne Erfolg. Meine Erinnerung ist, dass es sich eher nicht um eine Alm gehandelt hat sondern um einen ein wenig städtischeren großen düsteren Bau. Ich war im von der Straßenseite linken Bereich, meine Schwester in dem für Mädchen rechts davon untergebracht. (Diese Erinnerungen können trügen; ich versuch's so wie es eben geht.) Betrieben wurde das von Nonnen oder Schwestern in Tracht mit Hauben. Ich erinnere mich ausschließlich an Frauen. Die ranghöchste Frau dort hatte zu der Zeit einen Gips oder eine Armschlinge (von dem Medizingeruch der Verbände wird mir bis heute übel). Vom Gebäude habe ich wenig weitere Erinnerungen; es gab wohl einen großen Saal zum Essen, hohe Decken oder Säulen, aber da wird es schon sehr schwammig. Wie viele hier erinnere ich mich an das erzwungene streng beaufsichtigte Aufessen (in meinem Fall waren es Knorpel in einer Suppe, die in besonderer Erinnerung sind). Ganz allgemein herrschte eine Atmosphäre von Einschüchterung Drohung, Erniedrigung. Körperliche Gewalt war nicht unbedingt vorherrschend (und für mich auch leider nicht ungewöhnlich). Den Gipsarm habe ich gefüchtet, aber ob ich dafür gute Gründe hatte, erinnere ich nicht mehr. Meine zeitgleich im anderen Block untergebrachte Schwester hat von mit Pflaster zugeklebtem Mund und langem Stillstehen berichtet. Die immer wieder geäußerte Drohung war, dass wir nie wieder zu unseren Eltern zurückkommen, wenn wir nicht brav sind. Das muss sehr effektiv gewesen sein und beweist, wie sehr sich die Erzieherinnen des ausgeübten Schreckens bewusst waren. Ich erinnere mich an eine jüngere Schwester/Erzieherin, bei der man in seltenen Momenten Trost finden konnte. Mir ist bei ihr aber auch gedämmert, dass auch scheinbar allmächtige Erwachsene nicht immer Wunder bewirken konnten. Nicht ganz sicher bin ich, ob sie es war, die mir angeboten hat, die geforderte Postkarte, auf die ich eine dringende Bitte um Hilfe und Abholung gekritzelt hatte, nochmal schön abzuschreiben. Weil sie ja eine schönere Schrift hatte, und das musste ich zugeben. Gesehen habe ich sie Jahrzehnte später, sie war auch inhaltlich schön, sonnig und blumig geworden... Ich erinnere mich dann noch, wie ich mit meiner Schwester zu zweit eine Straßenecke weitergegangen bin, wo meine Eltern uns erwartet haben. (Aus heutiger Sicht eine völlig absurde Gestaltung, aber wie sorgfältig die Eltern vom eigentlichen Heim ferngehalten wurden, haben andere schon gut beschrieben.) Wir haben uns erst schnell zu rennen getraut, als wir sicher waren, dass wir die Autotüren erreichen könnten, und dann - gefühlt - stundenlang geweint. Dass unsere Eltern uns beiden nicht geglaubt haben, ist nur eine der vielen Wunden, Traumata, Ängste und Verlustneurosen, Unsicherheiten und Seelenschäden, die wir aus dieser "Kur" mitgebracht haben. (Die Gerechtigkeit meiner Mutter gegenüber erfordert es, dass ich schreibe, dass sie uns später durchaus geglaubt hat, und regelrecht entsetzt darüber war, was da passiert ist. Die meisten hier werden verstehen, wie wichtig so etwas ist.) Ich würde mich freuen, wenn es hier vielleicht gelänge, mehr über das konkrete Heim herauszufinden.
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Birgit aus Troisdorf schrieb am 29.07.2023
Hallo zusammen, mein Name ist Birgit und bin 64. Nachdem ich jetzt im Alter Zeit habe mich um meine Vergangenheit zu kümmern kommen mir die ganzen Quälereien, aus der Zeit meiner Verschickung, langsam hoch. Ich wurde als Kind vom Gesundheitsamt Wanne-Eickel, wegen Untergewicht, für 6Wochen in die Hölle St. Marien-Kindererholungsheim Segeten geschickt. Alles bekomme ich nicht mehr zusammen aber die Erinnerung ans Müsli bringt mich bis heute zum Würgen. Schläge gab es auch und zwar in einem Badezimmer, was in diesem Raum sonst noch abgelaufen ist bekomme ich nicht mehr ganz zusammen, auf jeden Fall nichts Gutes. Würde mich freuen wenn ich noch Leidensgenossen finde damit man sich gegenseitig bei den Erinnerungen unterstützen kann. Wie oben schon erwähnt, ich bin aus Wanne-Eickel und zu der Zeit wurden viele Kinder aus dem Ruhrgebiet dort hin verschickt. Liebe Grüsse Birgit
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Jürgen Schedel aus Schwabmünchen schrieb am 29.07.2023
Sehr geehrter Herr Andreas Piefer, ich wende mich heute an Sie, weil ich ebenfalls sehr an einer Kontaktaufnahme interessiert bin. Wir haben uns im Mai 1985 kurz verpasst. Ich bin am Tag nach Ihrer Abreise in St. Michael angereist und wurde in der Gruppe „Pit“ untergebracht. Ich habe dort 6 schlimme Wochen „überlebt“. Mich würde es sehr freuen, wenn Sie mich per E-Mail kontaktieren möchten. Meine E-Mail-Adresse: mt.schedel@gmx.de. Viele Dank und eine gute Zeit. Jürgen Schedel
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Sabine Kügler aus Zwickau schrieb am 28.07.2023
Mei Sohn war in diesem Kurheim im Alter von 4 oder 5 Jahren für 6 Wochen zur Kur wegen Untergewicht. Ich war der Meinung, dass ich meinm Kind etwas gutes tun kann.
Wiederbekommen habe ich ein vollkommen eingeschüchtertes und trauriges Kind bekommen.
Es tut mir heute immer noch weh, wenn ich daran denke.
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Martina Kaden aus Olbernhau schrieb am 25.07.2023
Im Sommer 1959 - ich war noch nicht mal 6 Jahre alt, wurde ich für 4 Wochen nach Zingst in ein Kinderkurheim ( christl.) geschickt. Ich bin ein 8 Monate Kind und war körperlich sehr zierlich, aber um so lebhafter. Schon die Anreise - allein mit fremden Kindern und Erwachsenen war für mich angstmachend, da ich nie einen Kindergarten besuchte. Ich habe sehr wenig Erinnerung an die Zeit, ich bin vor Heimweh krank geworden, mußte am Frühstückstisch sitzenbleiben weil ich diese schreckliche Haferflockensuppe nicht essen konnte. Ich saß noch allein am Tisch - hatte ja den Befehl nicht aufzustehen bis der Teller leer ist - da kamen die anderen Kinder schon zurück zum Mittagessen . Oft hatte ich mich nichtmal getraut zur Toilette zu gehen und das Ergebnis , die Scham und die Strafe habe ich bis heute nicht vergessen. Ich kann mich nicht an die geringste Art von Trost oder Zuspruch erinnern. Also bin ich krank und verschüchert zurück nach Hause gekommen. Mein ganzes Leben habe ich Schwierigkeiten von zu Hause weg zu sein, später mit meiner Familie ging es besser.
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Elvira aus Rheine schrieb am 24.07.2023
Im April 1973 wurde ich in das Kinderkurheim
Reinhardshausen verschickt. Leider kann ich
mich nur noch bruchstückhaft erinnern, da
noch viel schlimmere Dinge Schlag auf Schlag
in mein Leben treten sollten, die anscheinend die
Geschehnisse rund um die Kur überdeckt haben.
Ich hatte schon beim Einstieg in den Zug große Angst, da ich noch nie von meinen Eltern getrennt
war. Ich war damals 8 Jahre alt und erlebte meinen neunten Geburtstag in dieser Kur auf
einer traurigen Weise. Zum Glück waren in diesem
Zug zwei Jungs (es waren Zwillinge) die mich
wie Ihre Schwester behandelten und mir einen
großen Teil meiner Ängste nahmen. Ich möchte
Ihnen heute noch meinen großen Dank dafür
aussprechen, leider weiss ich weder Ihren Namen
noch habe ich sonst irgendeinen Anhaltspunkt.
Ich hoffe das Sie noch leben und das hier vielleicht lesen. Ansonsten kann ich mich an
die unbequemen Betten und auch an den großen
Eßsaal erinnern. Auch das man Hiebe auf das
Hinterteil bekam und Im Flur oder in einer Kammer
zur Strafe stundenlang stehen mußte. Soweit ich
weiß war ich aber nie von einer solchen Strafe betroffen, da ich es immer gut verstanden habe
mich praktisch unsichtbar/unscheinbar zu machen.
So das ich als einziges Geburtstagskind kein
Geburtstagskuchen bekam, weil ich einfach vergessen worden bin. War zwar traurig aber
vielleicht auch besser so. Kann mich auch daran
erinnern das die Post von den Aufseherinnen gelesen worden ist, denn als ich meiner Mutter
in einer Karte gebeten hatte mir meine Tierkarten
sammlung zu schicken, kam eine von den Aufseherinnen und meinte, dies würde sich doch
wohl nicht mehr lohnen, da ich nicht mehr lange
hier wäre. Da wusste ich, dass ich nichts über
mein fürchterliches Heimweh schreiben werden
dürfte und auch nichts über diese schlimmen Zustände in dieser sogenannten Kinderkur.
Mehr Erinnerungen an diese Zeit habe ich leider nicht mehr. Weiß nur das ich über mehrere
Monate Alpträume hatte und immer von einer
Erziehungsanstalt gesprochen habe.
Ich hoffe, dass sich auf diesem Wege noch mehr
Zeitzeugen aus Rheine in dem Verschickungjahr
1973 melden werden.
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Andrea Moller aus BOULOGNE schrieb am 24.07.2023
Heute schreibe ich Ihnen zum zweiten Mal. Da ich Zeugenaussagen in Verbindung mit dem Viktoriastift in Bad Kreuznach gelesen habe, mit den gleichen grausamen Verhalten des Personals und dem Horror des Aufenthalts dort, möchte ich noch etwas hinzufügen.
Ich bin 64 Jahre alt. Seit zirka 60 Jahren liegen Bilder des Stifts in einer Schublade, und ich weiss immer haargenau wo ich sie verwahre.
60 Jahre lang habe ich nicht sehr viel über meinen Aufenthalt dort erzählt. 60 Jahre sind eine lange Zeit, aber die Konsequenzen spüre ich heute noch. Ich leide an Angst oder Panikattacken. Meine diversen Therapien helfen mir zwar, aber ich hatte immer den Eindruck, dass ich etwas in mir trage, eine gewisse Angst, die nie aufgearbeitet werden konnte.
Als ich von dem Thema über FB erfuhr machte sich eine Erleichterung in mir breit. Erleichterung darüber, dass ich nicht alleine bin, war. Ist es möglich, dass die Nachfolgen des Aufenthalts immer noch Spuren hinterlassen? Ich lebe in Frankreich und konnte leider nicht die Reportage sichtigen, aber durch die Internetseite, die sich mit diesem Thema beschäftigt, durch das Lesen der diversen Zeugenaussagen macht sich in mir ein grosses Tor in meiner Seele auf. Es wäre für mich sehr wichtig mehr zu erfahren, vielleicht mit jemandem auszutauschen. Wie auch immer, grossen Dank an alle, die es heute möglich machen, auszusprechen was damals mit den Kindern gemacht wurde.
Mein persönliches Erlebnis wurde auch von meinen Eltern verdrängt, da sie mir nicht geglaubt haben was sich dort abgespielt hatte. Daher auch die Erleichterung zu lesen, dass es keine "Hirngespinste" waren, sondern traurige Realität.
Danke, dass Sie dieses Thema anschneiden.
Andrea Moller
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Angelika Gollnast geb. Schulz aus 22880 Wedel schrieb am 23.07.2023
Inspiriert durch den aktuellen Artikel im stern 7.23 (Das verschickte Kind), fühle ich mich angesprochen, hier meine wenigen Erinnerungsschnipsel zu teilen. Wenn es der Sache und vielleicht auch mir nach all der Zeit dienlich ist.
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Manuela Holt geb. Sterrmann aus Bochum früher Falkensee schrieb am 22.07.2023
Ich bin in der DDR groß geworden. Ich war als Kleinkind schon krank. Bis man irgendwann rausfand das ich Nierenkrank bin.Ich war meine halbe Kindheit nur im Krankenhaus oder in diesem Sanatorium Kartzow. 3 mal war ich da immer 6 oder 8 Wochen. Nie werde ich vergessen wie lang die Tage und Wochen waren . Keine Verbindung nach Hause,keine Besuche von zu Hause.Dort wurden Anwendungen gemacht ( Schlammbäder u.s.w.)
Jeden Tag zig Medikamente bekommen.Angeblich Vitamine wurde den Kindern gesagt.
Alles wurde dokumentiert. Niemand durfte wiedersprechen.
Wir haben viel geweint.
Ich entsinne mich das wir irgendwie nur Mädels dort waren?,!
Heute ich werde dieses Jahr 56 Gesundheitlich sehr angeschlagen grübelt man natürlich was haben die dort gemacht mit uns?!
Experimente?
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Thomas Lerch aus Berlin schrieb am 21.07.2023
Ich kann mich kaum daran erinnern was alles mit mir und meinem Bruder gemacht wurde, doch ich erinnere mich daran das wir Tabletten bekommen haben oder auch Spritzen. Leider sind genaue Daten und Erinnerungen so nicht mehr präsent, doch aus der Verschickung folgte dann in meiner Kindheit das ich nicht mehr zur Schule gegangen bin und daraus das ich und mein Bruder ins Heim geschickt wurden und auch dort sind wir dann beide Missbraucht worden. Nach etlichen Jahren war ich nach dem Aufenthalt im Heim dann endlich in einer Therapie welche mir zumindest das klar gemacht hat was nicht durch Medikamente ins Vergessen gedrängt wurde.
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Sabine aus Berlin schrieb am 20.07.2023
1958, dreijährig, bin ich auf die Insel Baltrum verschickt worden. Ich habe leider nur einzelne wenige und erschreckende Bilder/Erinnerungen an diese Zeit. Nach dem sechswöchigen winterlichen Aufenthalt soll ich nicht mehr gesprochen haben, so meine Mutter, die es später sehr bereut habe, dass sie mich dorthin geschickt hat. Hat jemand mehr Erinnerungen als ich an diese Zeit auf Baltrum? Erst vor kurzem habe ich durch einen Zeitungsartikel erfahren, dass ich kein "Einzelfall" war.
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Birgit Becker aus Rhede schrieb am 17.07.2023
Ich bin 1967 dort in diesem von den Schwestern geführten Heim gewesen im Alter von 6 Jahren, kurz vor der Einschulung, aufgrund wiederkehrender Bronchitiden. Habe fast keine Erinnerung mehr außer an nächtliches Bettnässen, kalte dunkle Flure und eine unendliche Einsamkeit. Der Speisesaal ist mir noch vage in Erinnerung , das Schlafzimmer mit Hochbetten, 1Strandspaziergang. Ich habe keine Erinnerung mehr an Sanktionen oder sonstige Gewalttaten, an evt. Bestrafungen das Essen oder auch Nichtessen betreffend und würde mich freuen über Erfahrungsberichte Anderer aus dieser Zeit .
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Katrin K. aus Berlin schrieb am 16.07.2023
.. ich musste zweimal zur Kur

Frühjahr 1978, als Vorbereitung für meine Einschulung .
Ich bin 1971 mit angebeorenen Herzfehlern zur Welt gekommen, habe praktisch mein ganze erstes Lebensjahr im KH verbracht, mehrmals op.
Daraufhin war ich immer zu dünn, zu klein… „Spätentwickler“, sagte man gerne, mein Körper hatte eben zu tun, gesund zu werden.
Bei der Schuluntersuchung wurde ich darum 1 Jahr „zurückgestellt“ (vielleicht sogar auch auf Wunsch meiner Mutti, damit ich zusammen mit meiner 1 Jahr jüngeren Schwester eingeschult werden konnte) Es hieß immer, ich bin viel zu winzig, kann ja gar nicht die Schulmappe tragen – das war mitfühlend & auch spaßig gemeint, ich fand es erniedrigend.
Als Kind will man immer „groß“ sein, was können – ich konnte nicht mal die Schulmappe tragen…. erniedrigend.

Als es hieß, ich soll zur Kur, konnte ich mir darunter nichts vorstellen, nur, dass ich lange von Zuhause weg sollte, wusste ich genau – & wollte es nicht.
Obwohl mir meine Eltern versuchten, Mut zu machen – verreisen, es ist was ganz besonders. Etc...

An die Abfahrt von irgendeinem Berliner Busbahnhof kann ich mich wage erinnern, meine Angst, meine Traurigkeit, meine Ohnmacht. An Dietlas (Rhön) selbst habe ich kaum Erinnerungen:
die riesigen Schlafräume mit unheimlich vielen Betten, die Bastelarbeiten für meine Eltern zu Hause (die Vorschulkinder konnten ja nichts schreiben), an Wassertreten (Kneippkuren?), an lange Spaziergänge. An Kälte, an Angst, an unendliches Heimweh – immer dieses Bedürfnis zu weinen, aber keine „Heulsuse“ sein zu wollen – das empfinde ich ganz genau. & immer still sein. Ich bin schon ein zurückhaltender Mensch, aber ich denke (oder schlussfolgere heute nur), in der Kur wurde ich still, vielleicht sogar stumm. Ich lernte mich zu verstecken & unsichtbar zu bleiben, aber ich erinnere nicht warum.
An die Essensgeschichten habe ich ebenfalls gar keine Erinnerung – die kommen erst später in der zweiten Kur in Bad Gottleuba 1982/1983

Im Übrigen kam ich von Dietlas mit Röteln zurück. An das Glück, endlich zu Hause zu sein, erinnere ich mich – nie wieder wollte ich weg.

Aber ein paar Jahre später musste ich;
es hieß, ich sei ja nun schon älter, das würde toll werden, viele Freundinnen, gut für meine Gesundheit, wir hätten da auch Schule, etc.
Mit mulmigen Gefühl erlebte ich die Vorbereitungen – der riesige Koffer wurde gepackt, füllte sich nach & nach gemäß einem Plan, was alles mit muss, Schildchen wurden in die Klamotten genäht, neue Klamotten wurden gekauft – ich fand das alles bedrückend & wollte nicht.

Aber das stand nicht zur Diskussion… nicht nur aus gesundheitlicher Sicht...
In der DDR war es beinahe eine „Auszeichnung“, zur Kur zu dürfen.
Man musste nicht nur besonders krank sein, der Haus-, Kinder- oder Facharzt mussten sich vor allem besonders dafür einsetzen, dass jemand zur Kur durfte… Dementsprechend waren meine Eltern immer dankbar & froh, wenn ich zur Kur durfte. Sie dachten, sie tun mir was Gutes….
– Kurplätze waren knapp… & ich mochte meine Kinderärztin.

& ich war ja leider zu still. ich habe mich als Kind nie beschwert, nichts erzählt…
dass ich so unglücklich aus Dietlas (& auch krank) zurück kam, schrieb man dem zu, dass ich damals erst 6 Jahre alt war, & vielleicht waren 6 Wochen von zu Hause weg etwas zu lange, dass ich einfach anhänglich bin & schnell Heimweh kriege, sehr sensibel, das dachte man eben.
Danke Mutti, dass du mich deswegen nie gezwungen hast, in so ein schreckliches Ferienlager zu fahren!

Aber ein zweitesmal zur Kur musste ich eben doch, nach Bad Gottleuba! 1982/1983? ich weiß es nicht genau, & finde darüber nichts. Keine Fotos, keine Briefe...

An diese Kur erinnere ich mehr:
1.) die ewig lange Busfahrt, bei der wir aus vielen anderen Städten neue Kinder einsammelten, die genauso beim Abschied weinten wie ich in Berlin….
2.) der Zwang aufzuessen für alle, die zu dünn waren – d.h.
ekliges fettes Fleisch, undefinierbare Wurst, stinkender Käse, widerliche Milchspeisen (Milchnudeln, Griesbrei, warme Milch mit Haut),
Marmeladenbrote (ich hasse Marmelade, Honig, etc & das konnte man natürlich gar nicht verstehen – ein Kind muss doch Süßes mögen….)
3.) im ganzen Objekt stank es immer nach diesem eklig obersüßen Tee (oder Sirup? keine Ahnung)
4.) dauerhafte Übelkeit (zum Glück kein Erbrechen) & Ekel.
5.) Wir mussten so lange am Essenstisch sitzenbleiben, bis wir aufgegessen hatten, & manchmal konnte ich dann vom leeren Teller weg schnell in die Toilette & wenigstens den letzten Rest ausspucken, aber es war kein Erbrechen, & es hat kein Erzieher bemerkt oder bestraft….
Manchmal konnten wir unbemerkt Essen tauschen – mit denen die kaum was kriegten, oder anderes, & immer Hunger hatten….
6.) Das wöchentliche Wiegen – gruselig. Immer die Angst, abgenommen zu haben.
Nicht nur nicht zugenommen zu haben, sondern abgenommen zu haben. Wir wurden permanent ermahnt, das Kurziel (aufgepäppelt nach Hause zu kommen) muss erreicht werden! Denn wenn es nicht erreicht würde, würden unsere Eltern die Kur bezahlen müssen. Das war eine ungeheuerliche Drohung für mich. In der DDR musste niemand seine medizinische Sachen bezahlen – aber ich lief Gefahr, Schuld zu sein, wenn meine Eltern Riesenbeträge für eine wochenlange Kur aufbringen müssen??? Das hat mir tatsächlich Angst gemacht. Zu versagen & Schuld haben am Unglück meiner Eltern. & vor allem, das gar nicht beeinflussen zu können, denn obwohl wir brav aufaßen, nahmen ja viele vor lauter Stress & Heimweh ab….
7.) generell immer Angst. obwohl ich keine Schläge oder sexuellen Missbrauch erleben musste, hatte ich die ganze Zeit Angst. Uns wurde jede Freude genommen – offen & subtil… Mit jeder Freude war was Unangenehmes verbunden, wahrscheinlich, damit wir bloß nicht „ausflippten“ & uns nicht „zu wohl“ fühlten.
8.) Pakete bekamen wir grundsätzlich nicht, die Süßigkeiten wurden auf alle verteilt, manchmal als Zugabe beim Vesper. Manchmal bekamen wir gar nichts. Kinder, deren Eltern das nicht wussten & Riesenpakete schickten, mussten alles „abgeben“, man nannte es harmlos “teilen“, aber das meiste landete garantiert in den Bäuchen der Erzieher – vor allem Süßes aus dem Westen war begehrt & bekamen wir nicht...
9.) Briefe & Karten von Zuhause durften wir nicht zu viele am selben Tag bekommen, denn dann mussten wir uns vor allen Kindern & Erziehern „produzieren“, d.h. ein Lied singen, ein Gedicht aufsagen…., bevor wir unsere Post bekamen. Super für ein schüchternes Kind – immer das Bibbern, wenigstens ein Brief, aber bitte keine drei – traurig. & mit Schuldgefühlen beladen – ich wollte mich doch freuen & nicht hoffen, wenig Post zu kriegen…. Alles wurde uns vermiest. Ich weiß nicht, ob wir unsere Post wirklich nicht bekommen hätten, wenn wir uns geweigert hätten – es hat niemand gewagt. Ob Post von uns Größeren zensiert wurde, weiß ich nicht, vermute es aber.
10.) morgendliche Wäsche mit eiskaltem Wasser… inwieweit das übergriffig war, erinnere ich nicht, aber morgens von irgendeiner ruppigen Erzieherin von Kopf bis Fuß mit eiskaltem Waschlappen (Abhärtung) am Waschbecken des Schlafsaales, im Beisein aller anderen Mädels, abgeseift zu werden – sehr unangenehm. & vor allem kalt, eiskalt.
11.) Mittagsschlaf in komplett abgedunkeltem Schlafsaal. Die Vorhänge waren mit irgendeiner schwarzen Farbe bezogen, sodass es finsterer war als nachts, wenn sie nicht zugezogen wurden & immerhin Mondlicht rein scheinen konnte.
12.) Natürlich herrschte zu den Ruhezeiten Sprechverbot, aber geflüstert & über die Betten hinweg Händchen gehalten haben wir trotzdem. & wurden dafür nicht bestraft.
Ich wünsche mir, dass das nicht etwa daran lag, weil statt dessen die Kleineren gequält wurden.

Es macht mich unendlich traurig, was ich hier lesen konnte. Dass es genauso & viel schlimmer auch in der BRD zuging…
Dass ich irgendwie noch gut davon gekommen bin..

Ich bin erstaunt, wieviel beim Schreiben hochkam, & dass meine einzige gute Erinnerung ist:
die Freundschaft mit den Mädels in Bad Gottleuba.
Dass keine der dort geschlossenen Freundschaften hielt, zeigt, dass wir alle tief verletzt nur vergessen wollten.

Ich hoffe, mit meinem Text dazu beizutragen, dieses Kapitel auch für die DDR-Kinderkuren aufzuarbeiten.

Danke für euer Engagement,
Katrin K.
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William Dr. Lechner aus Nürtingen schrieb am 16.07.2023
Es sind viele Jahre vergangen, aber vergessen habe ich die schreckliche Zeit dort Nie vor vielen Jahren war ich wieder dort, es gibt es noch, das Pius Kinderheim in Gmund. Auch heute noch, hoffentlich geht es den Kindern heute besser, Nonnen als Aufpasserinnen, körperliche Gewalt und Misshandlungen waren im Tagesablauf ein festes Ritual, ich habe damals als Kind meinen Glauben an die katholische Kirche verloren, und bin auch so doch durch das Leben gekommen. Diese Scheinheiligkeit hat sie nie verloren, wie die vielen Missbrauchsfälle zeigen.
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Emilia aus Berlin schrieb am 15.07.2023
Ich war im November 1984 in Kölpinsee auf Usedom zur Kur. Damals hieß das Heim „Geschwister Scholl“. Ich musste wegen meiner Neurodermitis dorthin. Ich war 5 Jahre alt und kam traumatisiert und verstört zurück.
Ich habe die Zeit der Kur furchtbar in Erinnerung, die Erzieherinnen waren kalt und ruppig. Ich hatte extremes Heimweh. Mein Gepäck wurde verwahrt und mir wurden Spielsachen, z.B. nagelneue Filzstifte (extra für die Kur gekauft, ich hatte mich drauf gefreut) und mein Kuscheltier vorenthalten. Einmal sah ich eine Erzieherin eine Schublade öffnen und entdeckte meine Tasche mit meinen Malstiften.
Jeden Abend vorm Schlafengehen mussten wir unsere Sachen zu einem kleinen Päckchen schnüren, das wir schnell mitnehmen konnten, falls es brennen sollte. Eines nachts gab es tatsächlich Alarm und wir mussten mit unseren Päckchen im Nachthemd lange frierend draußen stehen. Gebrannt hat es nicht, es war nur ein Probealarm.
Ich bekam während der Kur eine Furunkulose (das einzige Mal in meinem Leben). Mir wurden regelmäßig die Verbände gewechselt und zwar brutal abgerissen. Es tat jedes Mal wahnsinnig weh, weil die Verbände an der Wunde festklebten.
Die Postkarten wurden von den Erzieherinnen geschrieben. Meine Mutter hatte mir auch Post geschickt und wunderte sich, warum ich nie auf ihre Fragen antwortete.
Ansonsten fallen mir noch sehr lange Spaziergänge ein und an einer bestimmten Stelle mussten wir singen, da dort die Luft besonders gut sei und beim Singen mehr Luft in die Lungen gelangen würde.
Ein Mädchen, bei dem ich dachte, ich hätte in ihr eine Freundin gefunden, log mich an (sie hätte einer Oma im Vorbeigehen einen teuren Ring aus der Tasche geklaut). Ich durchschaute sie und merkte, dass sie mir etwas vorspielte und weiß noch, dass ich traurig und enttäuscht war und dachte: nicht mal den Kindern hier kann ich vertrauen.
Nach meiner Rückkehr erzählte ich meiner Mutter, dass ich geglaubt hatte, nie wieder nach Hause zu kommen.
Später wollte ich nie ins Ferienlager fahren (nach der Kurerfahrung rückblickend verständlich), musste aber trotzdem. Zum Glück habe ich dort überwiegend schöne Erfahrungen gesammelt.

Ein paar Monate vor der Kur hatte ich eine Mandel-OP und musste dafür 1-2 Wochen im Krankenhaus verbringen – ebenfalls mit schlimmen Erinnerungen und ohne Elternbesuch. Die OP war Bedingung dafür, dass ich zur Kur „durfte“, da befürchtet wurde, dass ich sonst während der Kur eine Bronchitis bekomme (hatte ich damals sehr häufig).

Mir hilft diese Website sehr viel dabei, alles zu verarbeiten. Es ist erleichternd, dass endlich alles öffentlich wird und bestätigt wird, dass so etwas psychischen Schaden anrichten kann. Ich habe mehrere Therapien aufgrund von Depressionen hinter mir, bin extrem unsicher, habe soziale Ängste und kein Grund-Vertrauen in mich und andere. Eventuell hat die Kur einen Anteil daran.
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Uschi aus Bad Windheim schrieb am 15.07.2023
Hallo Karin Bay, ich kann deinen Eintrag leider nicht mehr finden?! Ich war im Kinderheim Bergheim in Rechtis, Allgäu, Okt 72

Ich kann dir nur zustimmen, es war kein guter Ort! Habe viel negatives erlebt! Melde dich gerne! Uschi
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Andreas Piefer aus Langenfeld schrieb am 14.07.2023
Das waren 6 schreckliche wochen ich bitte um Rückmeldung wer noch so schlechte Erfahrungen mit diesem kurheim gemacht hat
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Stephan-Andrés Heuschen aus Wuppertal schrieb am 14.07.2023
In den 60er Jahren bin ich zwei Mal als Verschickungskind an der Nordsee gewesen: 1963 mit 6 Jahren in Wyk auf Föhr und 1966 mit 9 Jahren in Cuxhaven-Duhnen. Die öffentliche Diskussion der jüngsten Zeit über Verschickungskinder hat bei mir – wenn auch nur bruchstückhaft – Erinnerungen überwiegend an die Zeit in Cuxhaven zurückkommen lassen.
Denke ich an Cuxhaven, erscheinen mir die Erinnerungsbilder überwiegend in Schwarz-Weiß-Tönen. Untergebracht war ich für sechs Wochen im Haus „Sonnenhof“, einem im Inneren düsteren Haus, in dem eine dunkle, bedrückende Atmosphäre herrschte und in dem nicht laut geredet wurde. In den vollen Schlafräumen standen die Betten eng beieinander.
Auch im Speiseraum saßen wir Kinder eng gedrängt an langen Tischen. An das Essen erinnere ich mich nicht, auch nicht an physische Strafen. Insgesamt aber herrschte stets ein strenger, ruppiger Ton und es kam nahezu täglich vor, dass Kinder während der Mahlzeiten wegen „Plapperns“ mit dem Gesicht zur Wand stehen oder so lange bei Tisch sitzen mussten, bis die Teller leer waren.
Die Herrin des Hauses war Inhaberin Herta Koopmann. Die bloße Nennung des Namens flößte Respekt ein oder diente als Druckmittel. Den Namen habe ich zeitlebens nicht vergessen. Als ich zu Beginn stark unter Heimweh litt, wurde ich ihr Zimmer zitiert. Mit scharfem Ton stellte sie klar, dass ich – mit 9 Jahren - jederzeit alleine mit dem Zug nachhause fahren könne, ansonsten wolle sie von Heimweh „keinen Ton mehr“ hören. Die Betreuerinnen wurden als „Tanten“ angesprochen, wobei deren Vorgesetzte eine ebenso gefühlskalte und verhärmte Frau war wie die Eigentümerin.
Es herrschte oft Langeweile. Höhepunkte waren gemeinsame Besuche aller Kinder am Strand, an dem es keine Möglichkeit gab, zur Toilette zu gehen. Auf dem Rückweg wurden die in Zweierreihen laufenden Kinder dann aufgefordert, das „Sonnenhof-Lied“ zu singen: „Wir wollen Frau Koopmann doch eine Freude machen“, hieß es.
Kontakte zu Familien der Kinder wurden strikt eingeschränkt. Kinder, die schreiben konnten, bekamen belanglose Postkartentexte diktiert, den anderen wurden Karten vorgeschrieben. Vor dem Versenden wurden die Karten noch einmal daraufhin durchgesehen, ob Zusätze heimlich ergänzt wurden. Kamen Pakete von zuhause, wurden sie den Kindern nicht persönlich ausgehändigt. Die Inhalte, zumeist Süßigkeiten, wurden an alle Kinder verteilt. Dies diente zugleich als Belohnungssystem für „besonders Brave“. Andere Paketinhalte wurden zurückgehalten bis zur Abreise.
Meinem Großvater machten vor allem die stereotypen Inhalte der Postkarten skeptisch, sodass er kurzerhand beschloss, mit meiner Mutter nach Cuxhaven zu fahren. Inhaberin Koopmann machte ihnen eine lautstarke Szene und forderte sie zur sofortigen Abreise auf. In der Post-Nazi-Zeit schien derartig autoritäres Gebaren offenbar noch zu verfangen. Die Herrin des Sonnenhofs ließ mich während des „Donnerwetters“ vor der Türe warten und anschließend alleine in ihrem Zimmer antreten. Sie beklagte sich über das unmögliche Verhalten meiner Familie und schüchterte mich damit ein, mich jederzeit alleine in den Zug zu setzen.
Wie gesagt, die Erinnerungen kamen erst jetzt teilweise wieder ans Licht. Dinge, die mich in Folge zeitlebens beschäftigt haben, sind mir nicht bewusst. Ich erinnere mich nur noch daran, dass ich nach dem Cuxhaven-Aufenthalt lange Zeit an den Fingernägeln gekaut haben.
Meiner Mutter mache ich im Nachhinein keine Vorwürfe. Sie war alleinerziehend, berufstätig und nervlich schwer angespannt zu jener Zeit. Die Kinderkur war ihr von einer Betriebsärztin empfohlen worden, was ihr wohl eine gewisse Sicherheit vermittelt hatte. Nach Cuxhaven allerdings war das Thema Verschickung für alle Zeiten vom Tisch.
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Heike Griebowski aus Gifhorn schrieb am 14.07.2023
Hallo,

ich bin Heike und 1970 geboren.

1974 kam ich für 6 Wochen nach Borkum wegen Bronchitis, vermutlich in das Heim Sancta Maria. Zumindest habe ich Nonnen in Erinnerung und mich überfällt ein Brechreiz, wenn ich Bilder des Hauses sehe. Vor ca 15 Jahren bin ich noch einmal auf die Insel gefahren, habe das Haus gesucht und bin genau vor diesem Haus emotional zusammen gebrochen.

Ich habe sonst leider sehr rudimentäre Erinnerungen an meine Verschickung. Ich weiß noch wie der Waschraum ausgesehen hat und dass viele unbekleidete Kinder an dem langen Waschbecken standen. Dann war ich wohl krank (Mumps?) und kam in Isolation. Ich stand weinend und völlig verängstigt im Gitterbett. Das Zimmer war dunkel und ich schaue Richtung Tür. Jemand großes im weißen Kittel kam vom beleuchteten Flur in mein Zimmer. Es gab grüne Bohnen und Esszwang. Ich mochte sie nicht, habe sie erbrochen und trotzdem bekam ich immer wieder grüne Bohnen.

Vor der Verschickung war ich ein fröhliches und plapperndes, aufgewecktes Papa-Kind.
Danach war nichts mehr wie vorher. Wochenlang habe ich nicht gesprochen, nur geweint und Nahrung verweigert. Mein Vater durfte mich nicht mehr anfassen. Meine Eltern haben mehrere Kindertherapeuten aufgesucht, aber auch die bekamen nichts aus mir heraus.

Seit der Zeit leide ich unter Depressionen, Borderline und Binge-eating-disorder. Ich wurde stark übergewichtig, wollte immer nur durch Leistung und brav aufessen gefallen. Zudem habe ich starke Probleme selbst mit leichter Kritik umzugehen. Ich fühle mich dann wertlos, breche Arbeitsstellen und Beziehungen ab (bin in vierter Ehe).

Ich muss dieses Trauma, was auch immer dort geschehen ist, unbedingt aufarbeiten und hoffe, dass ich vielleicht Menschen finde, die zur gleichen Zeit dort waren und mehr Erinnerungen haben.
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Jutta Jung schrieb am 14.07.2023
War auch jemand im Kinderkurheim Haus Maria Helferin in Nettetal?
Ich war vor meiner Einschulung 1962/ 63 in der Kinder-Lungenheilstätte Haus Maria Helferin in Nettetal, wegen einer Entzündung der Hilusdrüse. Die Nonnen waren kalt und unfreundlich zu uns Kindern. Ich, sowie andere Kinder auch, mussten unser Erbrochenes essen, wurden geschlagen, zur Strafe in einer kleinen Kammer isoliert. Ich wurde auch vor anderen Kindern gedemütigt, wir Kinder mussten stundenlang in dicke Wolldecken bewegungslos eingewickelt in einem großen Schlafsaal liegen. Mir wurde ohne elterlichen Bestand der Magen ausgepumpt, auch das hatte lange große Ängste und Zahnarztphobie zur Folge.
Als ich nachts erwischt wurde wie ich mit einem Mädchen aus dem Nachbarbett leise flüsterte kam eine Nonne, schimpfte mit uns und nahm mich mit in das Schlafzimmer für ganz kleine Kinder. Dort hatte sie in einem extra Abteil ihr Bett für ihre Nachtschicht. Sie zwang mich, mich in ein ganz kleines Säuglingsbett zu quetschen. Ich war 6 Jahre alt und natürlich zu groß für das Bett. Ich konnte in der Nacht daher nicht schlafen und alles war Horror für mich. Am Morgen durfte ich nicht aufstehen. Sie holte die Kinder aus meinem eigentlichen Schlafsaal. Sie mussten sich rundum um mein kleines Baby-Gitterbettchen aufstellen und sie verhönte mich zusammen mit den Kindern in meinem Alter. Ich schämte mich sehr.
Wir wurden ja sowieso in gute und schlechte Kinder eingeteilt. Karneval wurde ein kleines “Kostümfest” veranstaltet. Wir Kinder durften uns unsere Verkleidung nicht aussuchen, sie wurde uns zugeteilt.
Es gab 2 Arten: Engelchen und “Neger”. Ich gehörte zu den “Negern” und mir wurde das Gesicht mit schwarzer “Schuhwichse” eingekleistert, das stank eklig.
An diese Dinge erinnere ich mich noch. Als ich zurück war erzählte ich meinem Vater einiges davon. Er lachte und sagte nur:”Du hast wohl schlecht geträumt”. Das sagte er in meinem Leben oft zu mir…
War jemand von euch auch in dem Kindersanatorium “Maria Helferin” in Nettetal/ Leuth? Es liegt kurz vor der holländischen Grenze an einer Bahnlinie. Später wurde ein Heim für psychisch behinderte Kinder daraus.

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Annette Kühne aus Braunschweig schrieb am 12.07.2023
Danke für die kollektive Aufarbeitung.
Den Tränen nahe und erst einmal sprachlos, verstehe ich jetzt mein Leben oder finde Anhaltspunkte. Mit neun Jahren war ich in Grömitz (Kinderheim Seestern) für sechs Wochen zur Verschickung. Mitunter saß ich 2-3 Stunden allein im Speisesaal.. Drei Jahre nach der Verschickung und bis jetzt, lebe ich mit Magersucht.
Alles Gute an alle ehemaligen Verschickungskinder.
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Nicolett K aus Hamburg schrieb am 12.07.2023
Nach der Untersuchung, ob man schulreif ist, wurde entschiedenen, dass ich vorher verschickt werden soll, weil ich wohl zu dünn war, genau weiß ich es aber nicht. Meine Eltern haben mir von der Verschickung erst am Abend vor der Abreise erzählt, wohl weil sie sonst Tränen und Geschrei befürchteten, wenn ich es eher erfahren hätte. Ich weiß noch genau, dass ich es nicht glauben wollte und dachte, man will mich nur ärgern. Aber am nächsten Morgen saß ich dann tatsächlich mit einem Schild um den Hals im Bus und fuhr vom Barmbeker Bahnhof aus los. Wo es hinging wusste ich damals nicht genau.
Angekommen im Heim, welches eine ehemalige schöne Villa war, nahm man allen Kindern, wir waren ausschließlich Mädchen, sofort die mitgebrachten Puppen bzw. Teddys ab und sperrte diese in einen Schrank. So war der einzige Halt an Zuhause weg. Ein einziges Mal für einen Fototermin wurde die Puppen/ Teddys hervorgeholt, damit es fürs Foto gut aussah. Für mich war das schlimm in meiner Erinnerung. Geschlafen wurde in Gitterbetten, was ich mit damals sechs Jahren schlimm fand, schließlich war man ja kein Baby mehr. Wurde nach dem Zubettgehen abends noch geredet, kam die Schwester rein und haute dem jeweiligen Mädchen eins an die Backen.
Weil ich ja angeblich zu dünn war ( heute bis ich, welch Überraschung, übergewichtig), musste ich abends zur Grießsuppe, die ich eigentlich liebte und noch liebe, den Knust vom Brot essen, was eine einzige Qual für mich war. Ich sehe mich noch heute allein am Tisch sitzen im Versuch, das harte Zeug runter zu quälen. Ich esse bis heute ungern dies bestimmte Brot, wenn, dann schneide ich die Rinde ab und toaste es. Morgens gab es immer eine Lebertrantablette, die ich kaum runter bekam.
Zum Thema sexuelle Übergriffe: die gab es nur indirekt aus heutiger Sicht, aber keiner von uns durfte sich nach dem Stuhlgang allein den Hintern abputzen, man musste hockenbleiben, bis die Schwester kam und es gemacht hat. Ich habe mich in Grund und Boden geschämt, weil ich das zuhause schon Jahre allein erledigt hatte!
Zweimal die Woche ging es unter die sogenannte,Höhensonne‘, dazu mussten wir komplett nackt vom Zimmer aus durch ganze Haus in den betreffenden Raum laufen, auch das war mir mehr als unangenehm. Dann in einer Reihe nebeneinander auf den Boden legen und auf Kommando alle paar Minuten drehen, fürchterlich….
Vorm Speiseraum draußen auf der Terrasse stand ein Vogelhaus, wo abwechselnd jeder morgens mal Körner ausstreuen durfte. Ich weiß nur, dass ich nie dran kam als Strafe für irgendwas, das fand ich so gemein… ich war nur ein einziges Mal auf der Terrasse, nämlich um heimlich den gehassten Brotknust in den Garten zu werfen, als ich einmal kurz allein gelassen wurde. Wie sich sowas einprägt, ist schon erschreckend.
Ich habe diese sechs Wochen als absolut schrecklich in Erinnerung und meine Eltern sagen heute noch, dass ich als völlig verändertes Kind wieder nach Hause kam. Ich war damals schon sehr selbstständig, wenn ich gewusst hätte, wo ich war, wäre ich abgehauen und mit der U-Bahn nach Hause gefahren so als Enkeltochter eines Hochbahners, welches sich mit Bus und Bahn dadurch schon ganz gut auskannte. Durch die täglichen stundenlangen Märsche in Reih und Glied aber wusste ich null, in welchen Teil von Deutschland ich mich befand, sie Schwestern erzählten immer, wir wären , hinter Bremen‘… und das war für mich doch gedanklich eine Weltreise.
Zurückblickend kann ich nichts positives sondern nur negatives an so einer Verschickung sehen.
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Marliese Schröder aus Bremen schrieb am 11.07.2023
Weil in unserem Haus offene TB ausgebrochen war, schickten mich meine Eltern für 3 Monate in den Schwarzwald nach Saig ins Kinderkurheim Schwoerer. Ich war 7 Jahre alt. Die Schilderungen von Gerd Müller kann ich bestätigen, ich mußte auch das Fett vom Fleisch essen. Der Ekel ist bis heute geblieben. Auch wurde ich beim Essen angebrüllt , meine Beine still zuhalten.
Die Süßigkeitspakete meiner Eltern wurden in einen großen Korb geschüttet, der rumging, und jedes Kind durfte sich eine Süßigkeit nehmen.
In der ersten Woche meines Aufenthaltes mußte ich mittags im Zimmer bleiben zum Mittagsschlaf. Dabei wurde bei mir rektal Fieber gemessen, man vergaß mich dann aber. Ich könnte heute noch das Zimmer aufmalen, das Bild an der Wand, die Spinde auf dem Flur. Habe wohl viel geweint, beim Besuch meiner Eltern wurde ihnen gesagt, dass man merken würde , dass ich von der "Waterkant" (Wasserkante) sprich Küste, kommen würde. Ich wußte, dass eine der betreuenden Damen aus Bremen stammte. kannte ihren Namen und durch Zufall konnte ich durch deren Schwägerin Kontakt zu ihr herstellen. ( Ich hätte ein paar Fragen und würde mich gern mal mit ihr unterhalten). Als Erstes fragte sie, was ich denn für eine Geborene sei, um dann einen Kontakt abzulehnen! Warum wohl ??? Das muß jetzt aber auch schon ca. 10 Jahre her sein.
Ich kann mich nicht erinnern, meinen Eltern von diesen Dingen berichtet zu haben. Aber es ist ja auch schon etwas her. Einige Dinge sind bei mir aber immer noch sehr präsent. Am Schlimmsten
war das Alleingelassen worden zu sein und von keiner Seite Unterstützung zu bekommen.
Falls meine Eltern etwas gewußt hätten, wären sie sicherlich aktiv geworden, aber es waren eben andere Zeiten.
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Jennifer Tencz aus Sersheim schrieb am 11.07.2023
Hallo mein Name ist Jenny und ich und meine zwei Brüder 10/5/11 Jahre wurden im Jahr 1987 nach Sylt (Westerland?) verschickt. Wir kamen aus BW und wurden mit den Nachtzug nach Sylt gebracht.

Ich was damals 9/10 Jahre alt. Das ist das einzige was ich genau weiß, da ich in der Kinderkur meinen 10 Geburtstag feiern musste und das war kein schönes Erlebnis.

Ich kann mich nicht an viel erinnern. Doch die Dinge die ich weiß, lassen mich nicht mehr los.
Als ich von 6 Monaten über einen Bericht über Verschickungskinder stolperte, hat es mir die Augen geöffnet und richtig Angst und Panik in mir ausgelöst. Ich fragte mich ob es Sinn macht weiter die Beiträge zulesen und mich mit meiner Schlechten Kindheitserinnerung auseinanderzusetzen. Doch ich will versuchen das Thema aufzuarbeiten.

Die Fahrt nach Sylt war schon dramatisch, da mir im Zug schon gleich meine Plüschtiere abgenommen wurden. Ich hatte 2 kleine und ein größeres dabei. Ich musst mich Entscheiden welches ich behalten wollte.

Meine Brüder waren mit mir in einem Schlafabteil und mein kleiner Bruder 5 Jahre wurde nach der Abfahrt aus dem Schlafabteil geholt und wo anders untergebracht. Auch mein großer Bruder 11 Jahre hätte aus dem Abteil sollen, doch wir klammerten uns wie Affen an einander und weinten. So durften wir zusammen bleiben. Wir machten in dieser Nacht kein Auge zu.

Das Heim? Ich weiß nicht genau wo es war, kann ich nur von Innen beschreiben. An Außen hab ich keine Erinnerung, es war nicht weit vom Strand weg. Denn wir machten jeden Tag bei Wind und regen eine Wanderung am Strand. In zweier Reihe und ohne das man auch nur einmal am Strand gespielt hätte. Wie Soldaten sind wir maschiert.

Wir waren 5 Mädchen in einem Zimmer und auch insgesamt. Er waren eigentlich zwei Zimmer (durchgangs Zimmer) im vorderen Zimmer standen 2 Betten da schliefen die größeren Mädchen. Ich war mit zwei weiteren jüngeren Mädchen in dem kleineren Zimmer. Es gab 1 Gitterbett und 2 normale Betten. Die 2 Betten standen hinter einander. Ich war die Älteste. Ich kann mich an das Mädchen im Gitterbett kaum erinnern. Nur das Mädchen im normalen Bett ist mir in Erinnerung geblieben, da ich ihr jede Nacht und bei jedem Mittagsschlaf immer die Hand gehalten habe. Das Mädchen hat immer geweint!
Wir wurden jeden Tag zum Mittagsschlaf gezwungen, wir mussten uns immer bis auf die Unterhose ausziehen und im Bett liegen. Wir durften nicht aufstehen und auch nicht mit einander sprechen. Wir durften nicht auf die Toilette. Wenn der Wachhund merkte das wir nicht schliefen. Kamm sie ins Zimmer und hat fürchterlich gebrüllt. Wenn sie sieh,Dass ich dem anderen Mädchen die Hand hielt musste ich zur Strafe auf die Treppe sitzen im kalten Flur und nur mit der Unterhose bekleidet. Im Treppenhaus war der Zugang in den jungen Bereich. Es war sehr erniedrigend wenn andere an mir vorbei liefen und ich nur in Unterhose auf der Treppe saß.
Meine beiden Brüder waren im ersten Stock in Zimmer eingeteilt. Ich war kein einziges Mal in dem Zimmer meines großen Bruders und ich weiß auch nicht wo mein kleiner Bruder geschlafen hat. Wir durften auch im Speiseraum nicht am gleichen Tisch sitzen mein kleiner Bruder saß bei den kleinen Jungs und mein großer Bruder bei den großen Jungs. Der Speiseraum war sehr groß.

Jeden Tag gab es Diskussionen wegen des Mittagsschlafs.

Zum Frühstück gab es immer einen Haferbrei und ein Löffel Lebertran oder so ein ekelhaftes Zeug. Man musste den Teller immer aufessen auch wenn man keinen Appetit mehr hatte. Man musste immer sitzen bleiben bis alles leer war. Manche Kinder sind den ganzen Vormittag vor ihren Tellern gesessen. Und konnten nicht mit zum Spaziergang ans Meer.
Das gleiche war beim Mittagessen. Wenn die Kinder erbrochen haben musste man das erbrochene essen. Am Essenstisch durfte nicht gesprochen werden und auch nichts getrunken.

An die Aktivitäten am Nachmittag kann ich mich nicht erinnern. Nur an den Mittagsschlaf der jeden Tag ein Problem war.

Nach dem Abendbrot was wie beim Frühstück und beim Mittagessen ablief mussten wir uns fürs Bett fertig machen. Man musste mit den Jungs zusammen duschen und durfte wenn man mal im Bett war nicht mehr auf die Toilette gehen. Man musste sich nachts aus dem Zimmer schleichen und hoffen nicht erwischt zu werden.Wenn ein Missgeschick im Bett passiert war wurde man vor allen Kindern geschimpft und bestraft. Ein Mädchen musste die ganze Nacht im nassen Bett schlafen.

Abends beim fürs Bett fertig machen gab es sexuelle Übergriffe und Missbrauch auch ich wurde nicht verschont. Man wurde an allen Stellen des Körpers berührt und musste ständig nackt herumlaufen.

Zu meinem zehnten Geburtstag habe ich von meinen Eltern ein Paket bekommen. Den Inhalt durfte ich nicht behalten. Die Süßigkeiten haben sich die Schwestern geteilt oder weggeworfen. Ein Buch welches ich von meiner Oma bekam durfte ich einmal durch Blättern und musste es wieder abgeben. Meine Mutter hat mir meine Lieblingspuppe geschickt da ich diese sehr vermisste und ich sie bei einem Telefonat darum bat sie mir zu schicken, durfte ich nur an meinem Geburtstag haben. Danach wurde auch sie mir wieder weggenommen. Zu meinem Geburtstag musste ich keinen Mittagsschlaf machen und durfte zwei Kinder zu meinem Geburtstag einladen und für 1 Stunde im Speiseraum mit ihnen ein Spiel spielen. Natürlich wollte ich meinen kleinen Bruder bei mir haben,Aber das erlaubt die Schwester nicht da er zu klein war und Mittagsschlaf machen sollte. So saß ich mit meinem Bruder alleine im Speiseraum und machte ein Spiel. Mehr Geburtstag gab es nicht.

Ich kann mich an einen Ausflug erinnern, wir wollten Laterne laufen gehen. Wir wurden in Gruppen eingeteilt und als ich bei meinen Brüdern sein wollte wurde mir das untersagt. Daraufhin wurde ich wütend und schrie die Schwestern an. Daraufhin wurde ich auf die Bühne in ein Büro gesperrt welches nicht einmal beheizt war und stockdunkel. Dort musste ich bleiben bis die restlichen Kinder vom Laterne laufen wieder zurück gekommen.

Ich kann mich an einen etwas kräftigeren Jungen erinnern welcher einmal einen Tag nichts zu essen bekommen hat weil er mit seiner Mama telefonieren wollte.

Ich habe ein einziges Bild von unserem Kuraufenthalt. Es gab einen Ausflug nach Westerland. Bei diesem Ausflug wurden Bilder gemacht und Souvenirs eingekauft. Das war das einzige positive Erlebnis an das ich mich erinnern kann.

Ich habe lange überlegt ob ich hier einen Eintrag machen soll da ich erst 1987 in Chur war und ich wenig Einträge über Sylt und 1980 finde. Doch vielleicht findet sich auf diesem Weg andere Betroffene. Es tat gut sich die ganze Sache einmal von der Seele zu schreiben.
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Emilia aus Berlin schrieb am 10.07.2023
Ich war im November 1984 in Kölpinsee auf Usedom zur Kur. Damals hieß das Heim „Geschwister Scholl“. Ich musste wegen meiner Neurodermitis dorthin. Ich war 5 Jahre alt und kam traumatisiert und verstört zurück.
Ich habe die Zeit der Kur furchtbar in Erinnerung, die Erzieherinnen waren kalt und ruppig. Ich hatte extremes Heimweh. Mein Gepäck wurde verwahrt und mir wurden Spielsachen, z.B. nagelneue Filzstifte (extra für die Kur gekauft, ich hatte mich drauf gefreut) und mein Kuscheltier vorenthalten. Einmal sah ich eine Erzieherin eine Schublade öffnen und entdeckte meine Tasche mit meinen Malstiften.
Jeden Abend vorm Schlafengehen mussten wir unsere Sachen zu einem kleinen Päckchen schnüren, das wir schnell mitnehmen konnten, falls es brennen sollte. Eines nachts gab es tatsächlich Alarm und wir mussten mit unseren Päckchen im Nachthemd lange frierend draußen stehen. Gebrannt hat es nicht, es war nur ein Probealarm.
Ich bekam während der Kur eine Furunkulose (das einzige Mal in meinem Leben). Mir wurden regelmäßig die Verbände gewechselt und zwar brutal abgerissen. Es tat jedes Mal wahnsinnig weh, weil die Verbände an der Wunde festklebten.
Die Postkarten wurden von den Erzieherinnen geschrieben. Meine Mutter hatte mir auch Post geschickt und wunderte sich, warum ich nie auf ihre Fragen antwortete. Eine Postkarte besitze ich noch. Darauf werden u.a. die Erzieherinnen Frau Raths, Frau Labahn und Frau Bast erwähnt.
Ansonsten fallen mir noch sehr lange Spaziergänge ein und an einer bestimmten Stelle mussten wir singen, da dort die Luft besonders gut sei und beim Singen mehr Luft in die Lungen gelangen würde.
Ein Mädchen, bei dem ich dachte, ich hätte in ihr eine Freundin gefunden, log mich an (sie hätte einer Oma im Vorbeigehen einen teuren Ring aus der Tasche geklaut). Ich durchschaute sie und merkte, dass sie mir etwas vorspielte und weiß noch, dass ich traurig und enttäuscht war und dachte: nicht mal den Kindern hier kann ich vertrauen.
Nach meiner Rückkehr erzählte ich meiner Mutter, dass ich geglaubt hatte, nie wieder nach Hause zu kommen.
Später wollte ich nie ins Ferienlager fahren (nach der Kurerfahrung rückblickend verständlich), musste aber trotzdem. Zum Glück habe ich dort überwiegend schöne Erfahrungen gesammelt.

Ein paar Monate vor der Kur hatte ich eine Mandel-OP und musste dafür 1-2 Wochen im Krankenhaus verbringen – ebenfalls mit schlimmen Erinnerungen und ohne Elternbesuch. Die OP war Bedingung dafür, dass ich zur Kur „durfte“, da befürchtet wurde, dass ich sonst während der Kur eine Bronchitis bekomme (hatte ich damals sehr häufig).

Mir hilft diese Website sehr viel dabei, alles zu verarbeiten. Es ist erleichternd, dass endlich alles öffentlich wird und bestätigt wird, dass so etwas psychischen Schaden anrichten kann. Ich habe mehrere Therapien aufgrund von Depressionen hinter mir, bin extrem unsicher, habe soziale Ängste und kein Grund-Vertrauen in mich und andere. Eventuell hat die Kur einen Anteil daran.
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Wahle, Jürgen aus Wolfen schrieb am 10.07.2023
Guten Abend, ich war nach einer Oberschenkel Operation und einem längeren Krankenhausaufenthalt wohl etwas zu dünn und musste etwas aufgepäppelt werden. Daher wurde ich unmittelbar nach dem Krankenhausaufenthalt nach Kröchlendorf und ein Jahr später nach Graal - Müritz mit einem ordentlichen Reisebus für jeweils 6 Wochen verschickt. Beide Aufhalte sind in keiner schlechten Erinnerung geblieben. Es gab in meinem beiden Aufenthalten keine Repressalien. Der Lernrückstand musste an den Vormittagen aufgeholt werden und Nachmittags gab es reichlich Zeit für sportliche Aktivitäten, wie Volleyball, Fußball und Baden im Templiner See. Leider waren Jungen und Mädchen Gruppen von einander getrennt. Ich kann ansonsten nur positive Eindrücke wiedergeben. Mit freundlichen Grüßen Jürgen
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Susanne Eichhammer (damals: Schlegelmilch) aus München schrieb am 10.07.2023
Hallo, ich wurde im Sommer 1969 in ein Kurheim in Bayern verschickt. Es muß ein Schloß oder Kloster gewesen sein. Ich erinnere mich an die großen Räume und Fenster, an lange Flure und Treppen. Es war sehr streng dort. An meinem Geburtstag am 10.08.1969 durfte ich mein Päckchen nicht öffnen. Auch die Sachen, die darin waren, wurden mir weggenommen. Wir durften nicht mit den anderen Kindern sprechen. Alle Kleidung musste akkurat am Ende des Bettes in einer Truhe verwahrt sein. Als Strafe mussten wir abends stundenlang im Nachthemd im dunklen Gang stehen. Als ich krank wurde, kam ich in ein Zimmer unter dem Dach. Ich war dort ganz allein. Aus Angst, oder weil ich eine Blasenentzündung hatte, pieselte ich ins Bett. Ich hatte große Angst vor Strafe. Bei der Mittagsruhe herrschte ebenfalls Sprechverbot. Mädchen und Jungen waren auf verschiedenen Stockwerken untergebracht. Einmal waren wir an einem kleinen See baden. Dort habe ich einen Salamander gesehen. Das war ein wunderschöner Moment.
Ich würde gerne wissen, wo dieses Heim war, und welche Organisation es geleitet hat? Vielen Dank! Mit freundlichen Grüßen, Susanne Eichhammer (Mädchenname: Schlegelmilch), München
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Rita Werner schrieb am 10.07.2023
Man stelle sich eine für ihr Alter zu kleine, introvertierte Elfjährige vor. Nach einer Bauch-OP qualifizierte ich mich für eine mehrwöchige Kur auf einem zum Kinderheim umfunktionierten Bauernhof bei Bühl am Alpsee. Konnte nicht schlimmer sein als daheim, Stress statt Geborgenheit war ich gewohnt. Allerdings erhielt ich beim ersten Beisammensein im Esssaal auf kommende Zwänge einen Vorgeschmack. Im wahrsten Sinne des Wortes:

Die „gute Bauernmilch“ zur Begrüßung war, wie die „Betreuerin“ durchaus zugab, verdorben. Die Devise lautete nicht etwa Wegschütten, sondern: „Die wird jetzt trotzdem getrunken“. Keine durfte aufstehen, bevor nicht alle ihre Tasse geleert hatten. Was dann auch alle taten außer mir. Ich war eine brave Esserin, aber ich trank keine Milch, geschweige denn eine mit Stich.

Zum Glück war ich alt genug, um eine Art Strategie zu entwickeln. Nach einer Stunde Kinderkur ahnte ich: Um hier einigermaßen unbeschadet durchzukommen, musste ich unter dem Radar fliegen, mir was einfallen lassen und die Nerven behalten. In diesem Fall kippte ich blitzschnell meine Milch zurück in die Kanne, während die Tante kurz abgelenkt war. Selbstverständlich haben auch Kindergruppen eine soziale Dynamik, die im Übrigen gerne von den Erzieherinnen ausgenutzt wurde. Ein Mädchen wollte petzen, wurde jedoch durch die Blicke aller anderen eiskalt gestoppt. Sie wollten lieber endlich raus.

Speisen verschwinden lassen wurde meine Paradedisziplin, denn auch in den nächsten Wochen herrschte Esspflicht. Zum Glück wurden während meiner Kinderkur keine Foltermethoden wie der Zwang, Erbrochenes wieder zu essen, angewendet. Aber weil nach kurzer Zeit fast alle Kinder ihr Essen ohnehin nicht mehr auf normale Weise ausschieden – ich vermute aus heutiger Sicht Unverträglichkeiten in Abwechslung mit Magen-Darm-Viren – wollte ich besonders vorsichtig sein. Ich erinnere mich gut, wie ich ein fettes Würstchen von suspekter Konsistenz nicht in den Mund, sondern heimlich in die Hosentasche beförderte. Als ich es später draußen der Hofkatze anbot, ergriff diese nach kurzem Schnuppern entsetzt die Flucht.

Unsere „Tanten“ waren nicht wirklich bösartig, aber zumindest ziemlich manipulativ. So überredete mich eine, die Unterhose mit den Fäkalien der an Verdauungsstörungen – was sonst – erkrankten Zimmergenossin von Hand auszuwaschen: „Das machst du doch sicher für deine Freundin.“ Ich machte es. Leider unvergesslich.

Post an die Eltern hielt ich für sinnlos, da ganz offen zensiert wurde. Die Betreuerin verlies einen schwelgerischen Brief mit schönsten Schilderungen als Vorlage. "So macht ihr das."

An Zwänge, Ekel und körperliche Nöte des überforderten Kindes erinnert man sich leider besser als an die Schönheit der Allgäuer Landschaft. Nach dem Mittagessen war Bettruhe angesagt, was bei aufgekratzten Vorpubertären absurd war und offenbar dazu diente, sie eine Zeitlang aus dem Weg zu schaffen. Wir lagen Bett an Bett in einem kleinen Zimmer, keine tat ein Auge zu, doch es herrschte strenges Sprechverbot. Erstaunlicherweise hatten die „Tanten“ offenbar Riesenohren, und jedem noch so zarten Flüstern folgte die übliche Strafe: endlos lange im Nachthemd an der Wand stehen. Natürlich musste man während dieser pädagogischen Meisterleistung bald dringend zur Toilette, was allerdings auch verboten war.

Die Fremdbestimmung elementarer körperlicher Bedürfnisse war sicher auch ein Grund für die Verdauungsprobleme als stetiges Begleitprogramm. Dass die Kinder nicht zunahmen, konnte auch die Fütterung mit Unmengen von Marmeladenbroten nicht verhindern. Als auch mich kurz vor „Kur“-Ende noch der Durchfall erwischte, kam ich in ein Isolationszimmer samt Rausgeh- und Besuchsverbot. Was konnte man in dieser Einzelhaft noch verbieten? Ganz einfach: alles. Inklusive das Lesen, denn an die Decke starren förderte nach Meinung der jungen, unerfahrenen Erzieherin die Gesundheit. Um nicht völlig irre zu werden, bat ich meine Essenlieferantin um ein Buch. Hanni und Nanni, der Räuber Hotzenplotz, egal was. Allerdings platzte auch die Betreuerin hin und wieder ins Krankenzimmer - ich musste mein Buch jedes Mal unter die Decke retten, es war nervenaufreibend. Ich hielt das Isolationsexperiment nicht mehr aus. Also erklärte mich für gesund, obwohl ich es nicht war. Der Deal: „Dann musst du aber auch unsere große Wanderung mitmachen.“ So schleppte ich mich vollkommen dehydriert und mit schweren Bauchkrämpfen einen Tag lang durch die Allgäuer Sommerhitze. Ich habe seither nie wieder solchen Durst erlitten. In meiner Not ließ ich mich zurückfallen, um heimlich aus einem Bach zu trinken.

Habe ich psychische Schäden davongetragen? Keine Ahnung, aber zu einem Grundvertrauen hat es sicher nicht beigetragen.

Es bleiben vor allem einige Fragen: Wie konnten Menschen, die Macht über Schutzbefohlene haben, so viel Gleichgültigkeit und Empathielosigkeit besitzen? Wieso gab es keine Kontrolle? Und ist es heute wirklich eine andere Zeit? Angst vor dem Altenheim? Irgendwie schon.
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Claudia aus Münster schrieb am 10.07.2023
Meine Schwester (damals 8 j. und ich 10 J. alt) wurden in das Heim zur Kur geschickt, weil wir untergewichtig waren. Die Nonnen zwangen uns zu essen u.a. die Schmandschicht auf dem Kakao. Auch nachdem meine Schwester sich deshalb mehrfach übergeben hat.
Wenn wir während der Schlafzeiten mittags und abends geredet haben, gab es Prügel und Verbote. Auch waren Toilettengänge während der Schlafenszeiten verboten. Wir hatten ziemlichen Stress damit und Angst vor dem Bettnässen. Meine Schwester wurde u.a. einmal mit einem Kleiderbügel geschlagen.
Die an die Eltern geschriebenen Postkarten wurden uns diktiert (nur lobenswertes über den Aufenthalt) und anschließend kontrolliert. Mehrmals wurden wir mit einem stinkenden Läusemittel behandelt. Vor dem wöchentlichen Wiegen hatten wir große Angst. Bei Untergewicht wurde uns noch mehr von dem wenig schmackhaften Essen (u.a.Fischstücke in Gelee) und Kakaoschmand vorgesetzt. Die zum Geburtstag meiner Schwester geschickten Süßigkeiten wurden an alle Kinder der Gruppe verteilt. Sonntags wurde für c.a. eine Stunde ein Fernseher im Speisesaal angestellt. Das Highlight der Woche, aber nur für die ganz braven Kinder. Ausflüge über die Insel waren selten und nur in der Gruppe als Wanderung durchgeführt. Spielen am Strand gab es nicht. Nach der Kur hatten wir Angst über die Missstände zu sprechen.
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Wolfgang Schaefer aus Berlin schrieb am 09.07.2023
Ich wurde vor der Einschulung im Alter von 4-5 Jahren nach St.Peter-Ording verschickt. Angeblich wg. Untergewicht und häufiger Bronchitis - so zumindest die Aussagen meiner Mutter.

Das Drama begann schon am Bahnhof Koeln. Meine Mutter hatte mir auf Anraten des Psychologen verschwiegen, dass ich alleine 'in Urlaub' fuhr. Entsprechend war ich ausser mir, als sich die Wahrheit offenbarte, zumal ich eh durch ein fruehkindliches Trauma extreme Verlustaengste und teilweise Paranoia hatte. Ich schrie und weinte wie noch nie zuvor - und nie wieder seitdem. Ich klammerte mich an meiner Mutter fest, wollte aus dem Zugfenster springen, weglaufen ... natuerlich alles ohne Erfolg.

Glücklicherweise erwies sich die Reise-Begleitperson, eine ältere Dame, bald als sehr zugewandt und ich fasste langsam Vertrauen zu ihr. Es blieb mir ja auch nichts anderes. Allerdings war auch dieses 'Glück' bald beendet, denn die Dame lieferte uns nach sechs bis acht Stunden Fahrt nur dem Heim aus - und macht umgehend kehrt. Der zweite traumatische Verlust in einem Tag.

Danach geschah das, von dem ich inzwischen leider weiss, dass es Methode war: Unempathische, harte Strafpädagogik, keine menschliche Nähe oder Wärme, kein Lächeln, Esszwang bis hin zu stundenlangem 'Nachsitzen' vor dem nichtgegessenen Essen im grossen, verlassenen Kantinensaal, nächtliches Toilettenverbot mit zwangsläufigem Einnässen, nächtliches Strafsitzen auf einem Stuhl im Gang, 'angeleitetes' Briefschreiben zur Beruhigung der Eltern, nicht vermittelte Elternpost bzw. Anrufe usw.

Zur Krönung infizierte ich mich nach ca. drei Wochen auch noch (ich glaube Masern) und musste auf die Krankenstation. Das allerdings empfand ich letztlich als 'Himmel' im Vergleich zur taeglichen Heim-Hölle. Hier wurde ich wenigstens 'pfleglich' behandelt und durfte auf Toilette, wenn ich musste. Und Essen-Nachsitzen war ja schlechterdings auch nicht mehr moeglich.

Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit, in Realitaet wohl 6-8 Wochen, wieder nach Hause kam, war ich erwachsen. Zwar immer noch Kind, aber ohne Vertrauen in meine Eltern und Erwachsene im Allgemeinen, felsenfest davon ueberzeugt, dass ich mich auf dieser Welt letztlich nur auf mich selbst verlassen kann.

Ich danke Ihnen von Herzen fuer diese Initiative. Jahrzehntelang dachte ich, meine Erfahrungen waeren ein Einzelfall, unglueckliche Umstände, Reste nazistischer Haltungen selbst geschädigter Erzieherinnen ... Dass Menschen, insbesondere auf dem Hintergrund der noch frischen, faschistischen Erfahrungen und des Holocaust, so etwas anderen Menschen, noch dazu wehrlosen Kindern, absichtsvoll antun, staatlich sanktioniert, das konnte ich mir trotz all meiner frühkindlichen Ent-Taeuschungen und des daraus erwachsenen Zynismus, nicht vorstellen.

Das Leid der anderen lindert das eigene wenig, auch wenn geteiltes Leid angeblich halbes ist. Aber das Wissen um die Systematik mit der hier Eltern belogen und Kinder gepeinigt wurden, reduziert zumindest das Gefühl der Eigenschuld und -scham und die innerlichen Schuldvorwuerfe gegenueber meinen Eltern.

Danke Ihnen! Wolf Schaefer
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Anja aus Aachen schrieb am 09.07.2023
Mein sechswöchiger Aufenthalt dort war geprägt von ungeheuerlichen Angst und dem Glauben, nie wieder nach Hause zurückkehren zu können.
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Ursula Redeke aus 20457 Hamburg schrieb am 08.07.2023
Ich wurde als Kind über das Bundesbahnsozialwerk nach Schulenberg im Harz mit ca 9 oder 10 Jahren (ca. 1974/75 verschickt weil ich Übergewicht hatte und wenig am Kontakt mit gleichaltrigen Schülern war. Ich war unselbstständig und uninteressiert am Kontakt mit Mitschülern war.

Heute gibt es ja im Kontakt mit Hochbegabten und Hochsensiblen zum Glück ganz andere Möglichkeiten!

Zum Glück habe ich dort niemals sexuellen Missbrauch erlebt. Aber ich hatte Mittagsschlaf zu halten, musste meine Schuhe putzen und durfte nachts nicht die Toilette aufsuchen.

In einem riesigen Speisesaal setzte man mich auf Diät. Am Tag gab es festgelegte Zeiten, in denen ein Becher Früchte- oder Pfefferminztee ausgeschenkt wurde.
Bis heute finde ich kalten Tee ganz furchtbar.

An die Zwangsmittagsruhe und den Schlafsaal erinnere ich mich auch noch.
Ich habe es über mich ergehen lassen und war froh, als es vorbei war.
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Reinhilde schrieb am 08.07.2023
Hallo,meine Schwester und Ich ,wurden in Weidenau in den Zug gesetzt für die Verschickung nach Niendorf.In Weidenau stiegen noch 2 Mädchen ein.Es war eine lange fahrt für ein Kind ohne Eltern reisen.Ich hatte Heimweh ,weinen durfte man nicht .Eine strenge Schwester die als Begleitperson mitfuhr ,duldete dies nicht .In der Kur wurde ich krank ,eigentlich wegen Untergewicht dort hingeschickt ,konnte ich kaum etwas essen.Wir mussten sitzen bis der Teller leer war .Anschließend Kopf auf den Tisch für Mittagsruhe ,aber das waren wir schon gewohnt von den Schwestern im Kindergarten.In der Kur wurden Briefe zensiert oder gar nicht weiter geleitet.Paktete die die Eltern schickten wurden durch sucht und einbehalten.Nachts wurde man Kontrolliert ob man schlief ,aufstehen durfte man nicht .Vor Angst nässte ich ein und wüsch morgens schnell heimlich dir Wäsche..Ich erinnere mich das die Schwestern sich mit Ausdrücken betitulierten.Als ich nach Hause kam war ich lange krank wegen Windpocken und noch größeren Essstörungen.Ich verpasste viel in der Schule was ich nie wieder eingeholt habe.
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Stefanie Jerz, geb König aus Duisburg schrieb am 07.07.2023
Ich wurde mit 5 Jahren nach Bad Rothenfelde verschickt. Habe Erinnerungen von gro�er Angst und Verloren sein. Erkrankte dort an Mumps. Wurde dafür ausgeschimpft und isoliert. Bekam Schuld zugewiesen. Ich würde alle anstecken. Ich erinnere mich an täglich brennender Haut durch zu lange Thermalbäder. Ich hatte Zum Geburtstag ein Paket von den Eltern bekommen. Durfte mir ein Stofftier daraus aussuchen. Der Rest wurde unter den Kindern verteilt. - Stefanie Jerz, geb. König
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Claudia F. schrieb am 07.07.2023
Kurz nach meinem 4. Geburtstag kam ich im Juni 1960 in die Kinderheilstätte Aprath. Meine Mutter war schwanger, die Ehe meiner Eltern in einer Krise und ich sollte nicht im Wege stehen. Da ich angeblich eine Tuberkulose hatte, erfolgte die Verschickung in ein Lungensanatorium.
Und da man dort befürchtete, ich sei ansteckend, wurde ich isoliert, alleine in einem großen Zimmer untergebracht, von wo aus ich das Toben der anderen Kinder hören konnte.
Ausgeschlossen! Wen interessierten schon die Qualen eines kleinen Mädchens?
Mehr als zwei Monate sah ich nur andere Menschen, wenn mir das Essen gebracht wurde oder wenn ich zu den medizinischen Untersuchungen gebracht wurde. Ansonsten war ich alleine mit mir selber und meiner Puppe „Toni“ als einzigem Spielzeug.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass in dieser Zeit irgendjemand mit mir geredet hat, geschweige denn gespielt hat. Und eines Tages gingen die Gummibänder kaputt, die Arme, Beine und Kopf meiner Puppe zusammenhielten……
Ich erinnere mich daran, dass ich regungslos im Bett lag und mir vorstellte ich sei tot. Diese unglaubliche Leere!!!
Hier wurde der Grundstein für eine depressive Erkrankung gelegt die mich mein Leben lang nicht mehr verließ.
Am Ende meines dreimonatigen Aufenthaltes kam ich schließlich doch zusammen mit anderen Kindern in ein Zimmer, aber nur, um mich mit Masern und Mumps anzustecken und diese Krankheiten unter Aufsicht durchzumachen. Plötzlich war keine Rede mehr von der angeblichen Ansteckungsgefahr, die von mir ausgehen sollte.
Als Erwachsene wurde ich Erzieherin, getrieben von der Vorstellung, kein Kind solle jemals solche psychische Folter erleiden wie ich unter dem Deckmantel der Medizin.
Weder meine Eltern noch meine späteren Therapeuten haben sich auf meine Geschichten eingelassen. Ich blieb zeitlebens alleine mit diesen Erfahrungen und würde mich nun sehr freuen andere Menschen kennenzulernen, mit denen ich mich austauschen kann.
Mitfühlende Grüße an alle, die ebenfalls leiden mussten
Claudia
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Muriel Baudy schrieb am 07.07.2023
Ich erinnere mich, dass ich in den Kofferraum eines Variant gesetzt wurde und mit anderen Kindern von unserem Wohnort Eichstetten am Kaiserstuhl in den Schwarzwald gekarrt wurde. Ich war 4,5 Jahre alt. Ich hatte Angst. Ich habe keine zusammenhängenden Erinnerungen. Fragmente. Dicke Suppe mit Fleisch oder ekliger Wurst essen müssen. Ich aß eigentlich weder Fleisch noch Wurst. Fieberthermometer im Po mit Schmerzen, angebunden im Bett, die Hände mussten neben dem Kopf liegen, Lichtschutzbrillen, Inhalationsräume, Badewannen. Mir wurde Jahrzehnte lang unweigerlich speiübel bei der bloßen Erwähnung des Ortsnamen. Meine Mutter hat nichts hören wollen. "Ach du immer, das bildest du dir ein, was bist du auch empfindlich, das war doch nur gut für dich...... " Furchtbar. Ich habe an mir und meiner Wahrnehmung gezweifelt. Ich hab im Internet recherchiert, ob es vielleicht doch noch jemanden gibt, der Ähnliches erlebt hat. Etwa 2016 fand ich dann einige wenige Berichte. Was war das für eine Erleichterung. Ich bin richtig, ich habe mir das weder ausgedacht noch eingebildet. Die noch größere Erleichterung kam, als Frau Röhl ihre Forschung veröffentlicht. Danke!!!!!!! Noch immer bin ich mit den Folgen dieser Erfahrungen beschäftigt.Vermutlich den Rest meines Lebens.
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Benedikt Westhoff aus Bönen schrieb am 06.07.2023
Mein Bruder und ich wurden Mitte der 70iger zur Kur verschickt. Wir waren im Schwarzwald. Nach meiner Recherche müsste es das Kinderheim Stieg in Albbruck Unteralpfen gewesen sein. Leider liegen mir keine weiteren Informationen oder Fotos aus der Zeit vor. Grundätzlich war Gewalt gegen Kinder an der Tagesordung. Meine Gruppe hatte noch Glück und eine damals recht junge Erzieherin, die vernünftig mit den Kindern umging. Man war allerdings auch den Übergriffen anderer Erzieherinnen ausgeliefert. So habe ich mir einmal "eine gefangen", als ich in der Mittagsruhe kurz die Augen geöffnet hatte. Die Mahlzeiten mussten natürlich aufgegessen werden, sonst durfte man stundenlang am Tisch sitzen bleiben. Ich erinnere mich an einem Jungen der an den Haaren ins Spielzimmer geschliffen wurde und die Erzieherin danach einen ganzen Büschel Haare in der Hand hielt. Dieser Junge hat es auch trotz Zensur irgendwie geschafft, seine Eltern zu informieren, die den Jungen dann vorzeitig abholten.
Wenn der Heimleiter (ein älterer Herr mit Fassonschnitt) die Station inspizierte, durfte dieser nicht angespochen werden. Zu seinen Ehren, mussten wir auch ein Theaterstück aufführen, während dieser Herr mit Gauleitergehabe auf seinem Sessel thronte.

Vergessen habe ich das nie - besonders der Tag der Ankunft, als mein großer Bruder bitterlich weinte und der Tag der Abreise, wo wir nicht glauben konnten, dass es vorbei war.
Es gab auch ältere Kinder die mehrere Jahre in diesem Heim verbringen mussten - für uns waren die 6 Wochen schon eine Ewigkeit.
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Marcel Schmidt aus Büttelborn schrieb am 06.07.2023
Ich habe am Montag die Sendung gesehen und hatte bis dahin noch nichts mit dem Begriff anfangen können. Ich weiß, das ich als Kind mal in Kur war, weil ich zu dünn war. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich von meiner Mutter in den Zug gesetzt wurde und es von Kassel in den Schwarzwald ging. Muß in den 1970ern gewesen sein. Mehr weiß ich nicht mehr, es gibt auch niemanden mehr, den ich fragen kann um vielleicht ein paar Sachen aufzuarbeiten. Gibt es Listen oder Ansprechpartner, die man kontaktieren kann?
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Frank von Gliszczynski-Endler aus Panketal schrieb am 05.07.2023
Hallo,
wenn ich zurückblicke, dann erinnere ich mich an Gewalt. Keine körperliche Züchtung; vielmehr mentale Anstrengungen der "Erzieher", Kinder in passgerecht in Formen zu pressen. Vermeintliches Fehlverhalten wurde öffentlich gebrandmarkt. Der/die betreffenden Kinder wurden vorgeführt.
Politische Indoktrination, typisch für das Schulsystem der DDR, waren alltäglich. Pädagogik, Einfühlungsvermögen, Sensibilität spielten seitens des Heimes keine Rolle.

Frank von Gliszczynski-Endler
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Michaela Bayerle aus Mühlenbeck schrieb am 05.07.2023
Guten Tag, ich habe durch Zufall den Film in der ARD gesehen und ich war erschreckt und gleichzeitig erfreut das es so einen Film und diese Homepage gibt. Ich kann mich an das Heim nicht richtig erinnern - bis her habe ich noch niemanden gehört der auch dort war. Ich war zur Kur weil ich mit 5 Jahren einen schweren Unfall - Schädelbasisbruch - hatte und mich erholen sollte.
Ich war vorher schon 8 Wochen alleine im Krankenhaus was ja schlimm genug ist und danach die Kur ca. 6 Wochen. Ich kann mich nur an Bruchteile erinnern aber nur schlechtes. Ich war ein "Heimwehkind" und wurde permanent von den Schwertern geärgert mit den Worten: Du kommst nicht mehr nach Hause zurück. Es war ein Schock.
Ich musste nachts Barfuß irgendwo auf Kacheln im stehen Schlafen - ich glaube weil ich zu viel geredet hatte. Es war ein Sammelschlafsaal.
Es wurden Karten an meine Eltern geschrieben - ich konnte ja noch nicht schreiben - das es mir gut geht usw.. die hatten keine Ahnung wie schlecht es mir dort ging. Es waren alles Nonnen - ich kann die Umhänge immer wieder sehen. Am Abreisetag war ich ganz aufgeregt - endlich nach Haus
- da kam wieder eine Schwester und sagte Du fährst nicht nach Hause ...ich fing sofort an zu weinen und eine andere Schwester sagte nun höre doch auf und las sie in Ruhe. Was sind das für Menschen gewesen? Ich musste auf die Krankenstation - warum weiss ich nicht und meine Eltern waren davon gar nicht informiert - und es gab eine Feier - ich glaube Fasching - und ich durfte nicht daran teilnehmen.... Meine Eltern haben mir geglaubt, aber die waren den Obrigkeiten zu sehr hörig-glaube ich. Meine Mutter sagte, als ich wieder zu Hause war, habe ich sie keine Sekunde mehr aus den Augen gelassen und hing an ihrem Bein fest. Meine Eltern sind beide Tod und ich konnte es nie klären. Nach den Berichten hier und im Fernsehen kann man ja fast sagen ich hätte Glück gehabt mit dem Heim wo ich war. Oder ich habe alles andere Verdrängt !?
Danke, wenn jemand etwas zu dem Heim sagen kann. Ich wünsche allen "Verschickungskindern" viel Kraft und Energie. Ich habe eine Hypnosetherapie gemacht die war super - ich war wieder in dem Kindeheim als "kleine Michaela" und in Trance holte ich die "grosse Michaela"
als Hilfe und Unterstützung dazu.
Liebe Grüße Michaela Bayerle
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Jörg Winter aus Bad Wilsnack schrieb am 05.07.2023
Ich wurde weil ich auch sehr dünn war, in den ersten Schuljahren einmal nach Wiek auf Rügen verschickt.
Es war kurz nach der Stillegung der Kleinbahn, die Fähre mit der Kleinbahn fuhr meiner Erinnerung nicht mehr.
Ich wurde in Perlenerg in einen Ikarus-66 Bus gesetzt, die Fahrt ging über Schwerin und weitere Orte wo weitere Kinder in meinem Alter zustiegen.
Am Tag der Anreise war es sehr warm, da dran kann ich mich noch erinnern.
In dem Heim war ich in der Gruppe einer von den schmächtigsten Jungs.
In dem Heim ging es recht streng zu. Es wurde auch Fragen mit wünschen und Kritik gestellt. Ich kann mich nur noch an zwei weitere Dinge erinnern, zum einen hat das Seetang am Strand gestunken, wenn wir zum Strand gingen. Des weiteren kam aus dem Wasserhahn oft braunes Wasser, die Ablagerungen sich zuvor in den Leitungen abgelagert hatten und sich von Zeit zu Zeit lösten.
Auf meine Frage hin zu der braunfärbung des Wassers wurde uns von den Betreuerinnen gesagt es sei nicht schön aber ungefährlich. Das Problem war bekannt, die Ursache sei eine lange Wasserleitung auf der Insel. So wetwas kannte ich nicht von zuhause.
Das Taschengeld glaube ich war im vorhinein auf eine bestimmte Summe festgelegt, ich meine das ich eine Ansichtskarte zu meinen Eltern geschickt habe, auch ein kleines Souvenier zum ende hatte ich gekauft.
Es war in meiner Jugend mal eine Abwechslung, Gewalt von Betreuern habe ich dort nicht erlebt, evenuell von den größeren Jungs in der Gruppe.
An weitere Details kann ich mich nicht mehr erinnern.
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Margret Rosemeyer aus Hamburg schrieb am 04.07.2023
Ich wurde als Kind mehrmals verschickt, weil ich zu dünn war und immer blass, im Gegensatz zu meiner Schwester! Ich hatte vieles verdrängt und nach diesem Bericht kam so einiges wieder hoch.

Ich, war ein Fan der Milchsuppe und hatte da wohl alles gefuttert, was im tiefen Teller, wie eine Suppe aussah. Fisch war nie mein Ding und da bekam ich dann nur Kartoffeln und Kräutersoße. Oh der Tee, Früh, Mittags und Abends.


Aber bis heute leide ich unter dem Aspekt, dass ich Bettnässer war und immer eine Gummiunterlage hatte und ein bis zweimal Nachts hinausmusste, um zum Klo zugehen. Wenn ich nicht konnte, wurde ich ausgeschimpft! Nach der Ursache wurde nie geforscht! Viel schlimmer war, dass andere Kinder mich geärgert hätten und ich dann, mit Wut im Bauch, mit meiner schwingenden Gummiunterlage hinder den her war. Bestraft wurde ich dann und nicht die, die mich geärgert hatten. In einem Heim musste ich zusätzlich eine Gummihose tragen. Wenn es doch passierte, hatte man mich gezwungen, selber das Bett neu zu beziehen und wurde wieder ausgelachte. Wyk auf Föhr, das Heim war mir bis heute ein Groll!
Dieser Bericht spiegelt so vieles wieder. 


Zum Heim in Niendorf, ich war zur Mutter und Kind Kur dort 1986 und 1987 und hatte da auch die Stränge erlebt, allerdings weniger mit den Kindern, nein oft mit uns Müttern. Es gab Schwestern dort, die waren sehr nett und lieb und dann war eine da, groß gewachsen, oft mürrischer Blick, aber lieb zu den Kindern. Leider weiß ich nicht mehr den Namen.


Ich kann nur hoffen, dass der Orden Wort hält und mit hilft bei der Aufklärung ...

Das schlimmste aber war, dass ich trotz meiner eigenen schlechten Erfahrungen, auch meine fünf Kinder, regelmäßig zu Erholungen über die AOK und später DAK geschickt hatte und viel später von den Kindern erfuhr, wie schlimm einige Heime waren. 


Ich persönlich bin eine Überlebende und hatte sexuelle Gewalt auf einem Hamburger Spielplatz von 8 bis 10 Lebensjahr erfahren. Kann mich in die Opfer hineindenken? Kenne das Gefühl bis heute und trotz einer Therapie, vergessen kann es keiner von uns...
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Sabine Hufer aus 41747 Viersen schrieb am 04.07.2023
Ich war einer von ihnen 1976 mit meinem Bruder...sechs Wochen...ich habe in der ARD heute vom 3.7.2023, einen Bericht mir angeschaut, darin erwähnte man Schwester Burkarde und mir viel die Kirnladen runter,den sie hatte ich als Drache in Erinnerung, habe noch ein Foto mit den Erzieher als Beweis und Postkarten... unfassbar..den es hat mich nicht nur getriggert,da vieles wieder hoch kam...von Bestrafungen auf den Flur die Halbe Nacht, Ohrfeigen, Überprüfung der Post... ich würde von meinem Bruder Andreas Hufer getrennt,sodass ich ihn nur auf einem abgelegenen Spielplatz sah...es waren Erinnerungen der angst.grosser Schlafsaal, ich musste Unterhemd und Unterhose immer anlassen,die Hände auf der Bettdecke..ich erinnere mich,das ich das Bett an einem großen Fenster hatte.einmal hatte ich so Heimweh,das diese Schwester Burkarde mich am Ohr sus dem Bett geschliffen hat und mich in einem Zimmer versohlt hat ..ich suche hier welche,die mich und mein Bruder kannten . will auch wissen,da mein Bruder verstorben schon ist und er nie darüber sprach,was mit ihm passiert ist...
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Andreas M. aus Duisburg schrieb am 04.07.2023
Ich erinnere mich auch ungern an diese Zeit. Ich denke dass ich 1980 ca. dort war. Meine beiden Brüder waren mit dabei. Wir wurden in altersbedingte Gruppen eingeteilt. Angereist waren wir aus Duisburg mit dem Zug. Unser Vater war damals auch bei der ATH (August Thyssen Hütte) beschäftig. Wir waren so ziemlich die gesammten Sommerferien dort. Ich sehe gerade (03.07.2023) in der ARD einen Bericht über Verschickungskinder. Da kam mir das alles wieder hoch. Ich erinnere mich an den streng durchzuführenden Mittagsschlaf von zwei Stunden. Auch wenn man nicht müde war wurde man gezwungen zwei Stunden ruhig und still im Bett zu liegen. Wer sich nicht daran hielt, musste barfuß mit dem Gesicht zur Wand in der Nähe der Aufseherin stehen. Bis die Mittagszeit zu Ende war. Auch zur Toilette durfte man in der Zeit des Mittagsschlaf nicht gehen. Ich erinnere mich dass ein Junge auf meinem Zimmer darauf hin ins Bett machte. Er musste dann in den nassen Sachen auf dem Flur stehen. Das Essen war ziemlich übel. Es musste immer alles aufgegessen werden auch wenn man es absolut nicht mochte. Als ich hin und wieder das mir vorgesetzte Essen nicht aufgegessen hatte gab es bei den wöchentlichen Taschengeldverhandlungen weniger Geld zur Strafe. Auch bei anderen Verfehlungen gab es weniger bis gar kein Geld. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass uns viel Geld für Postkarten abgeknöpft wurde. Die Karten und Briefe wurden durchgelesen und auch zensiert. Einmal die Woche war ein angeblicher Arzt da. Gemacht hat dieser eigentlich nichts. Man wurde immer nackt gewogen. Es herrschte bis auf die Ausflüge zum Strand irgenwie kein schönes Klima im Kinderheim Tannenblick. Die Aufseherinnen waren eigentlich so ziemlich emphatisch nicht gut auf Augenhöhe des Kindes. "Tannenblick" der Name ist bei mir hängen geblieben. Mitgebrachte Wäsche wurde nach dem Waschen öffentlich aus dem Korb geholt und in der Gruppe hochgehalten ( "wem gehört diese Unterhose etc.) Teilweise mit großem Gelächter der anderen Kinder. Da kam oft bei vielen und auch bei mir Schamgefühl auf. Gegenüber war ein Spielplatz, die "Ponderosa". Das ist bei mir auch noch hängen geblieben. Warum wir eigentlich dort zur "Kur" mussten weiß ich bis heute nicht. Erholt habe ich mich jedenfalls nicht. Nur das wir alle irgendwie da durch mussten und der Zusammenhalt ließ einen diese 6 Wochen ertragen. Zu meinen Brüdern in der anderen Gruppe hatte ich auch kaum Kontakt, was sehr merkwürdig war. Gesprochen habe ich bis heute mit niemandem darüber. Ich wünschte das alles würde bei den zuständigen Behörden aufgearbeitet. Wer sich in diesem Kinderheim war, kann sich gerne melden. Liebe Grüße Andreas
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Christine Lombardo aus Mühlacker schrieb am 04.07.2023
Ich war zu dem Zeitpunkt sieben Jahre alt und musste sechs Wochen in den Sommerferien in die "Kindererholung" nach Sylt. Angeblich weil ich zu oft krank war.
Ich kann mich noch gut an die Fahrt im Zug erinnern. Schon unmittelbar nach der Abfahrt würde ich von einer Begleitperson angeschrien und geschüttelt weil ich weinte.
Während des Aufenthalt mussten wir alles essen was uns vorgesetzt wurde und durften erst aufstehen wenn der Teller leer war. Nach etwa zwei Wochen habe ich Windpocken bekommen und lag tagelang alleine im Bett. Es gab drei Mal am Tag etwas zu essen, ansonsten sah ich niemanden. Vor lauter Heimweh und Traurigkeit habe ich an der Tapete gezupft. Als die Betreuerin das sah, hat sie mir mit einem Stock so lange auf die Hände geschlagen bis sie bluteten und geschwollen waren. Sie hat mir verboten zu schreien. Als ich mich vor Schmerzen und Angst eingenässt hatte musste ich die ganze Nacht im nassen Schlafanzug im Bett bleiben.
Noch heute ist es mir nicht möglich die Insel Sylt zu besuchen.
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Markus Haug aus Kohlberg schrieb am 03.07.2023
Bin gerade auf diese Seite gestoßen.
Ich war mit meinem Bruder in Herrlingen, müsste so um 1973 oder 1974 gewesen sein.
Es war der Horror. Wir Brüder wurden getrennt, es gab 2 verschiedene Häuser. Einen ekelhaft Brei musste ich essen, ich glaube es war Milchreis oder Grießbtei. Mir wurde der Brei reingeddrückt und nach dem ich diesen erbrochen habe, musste ich das Erbrochene wieder essen.
Ich wurde weinend auf dem Boden herumgekickt und anschließend in ein kleines Zimmer gesperrt.
Ich habe bis heute diese Bilder im Kopf und weiß nicht wie ich damit umgehen soll oder an welche Stelle ich mich wenden kann. Ich wünsche mir, dass ich die Erzieherinnen von damals zur Rechenschaft ziehen könnte. Ich hab immer wieder die Bilder im Kopf.
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Ursel Scheurer geb. Schuhmacher aus Waghäusel schrieb am 02.07.2023
Ich war aufgrund einer Lungenerkrankung von November 1972 bis April 1973 in der Lunkenheilanstalt Friedenweiler. Im Sommer 1976 war ich für eine 6-Wochen-Kur im Haus Concordia auf Borkum. Meine Erinnerungen decken sich mit den Schilderungen auf dieser Seite. Ich bin gerade dabei, meine Kindheitserlebnisse aufzuarbeiten und herauszufinden, was diese mit mir gemacht haben. Ich würde mich über Kontaktaufnahmen und einen Austauch freuen.
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Mia Herber aus Wadgassen schrieb am 02.07.2023
Mit 10 Jahren wurde ich in eine 6wöchige Erholungskur nach Wyk auf Föhr geschickt. Träger der Maßnahme war die Knappschaft Saar. Die Kur fand im Haus Jungborn 1966 statt. Ich bin nicht traumatisiert und habe auch keine quälenden Erinnerungen an die 6 Wochen auf Föhr. Es war aber auch ganz sicher kein Wellnessaufenthalt. In Erinnerung habe ich Heimweh, das Gefühl unendlich weit von zu Hause weg zu sein, Essenszwang, schlechtes Essen, quälend lange Mittagsruhe, öde Spaziergänge auf dem Deich bei Wind und Wetter und schreckliche Langeweile. Aber es gab auch Lichtblicke wie der abendliche Singkreis oder Muschelsammeln am Strand.
An die Betreuerinnen kann ich mich weder positiv noch negativ erinnern. Sie waren eher jung und wenig empathisch.
Richtig erholt habe ich mich dort nicht, vor allem nicht die erwünschte Gewichtszunahme erreicht. Das durchgestanden zu haben, hat mich psychisch gestärkt und selbstbewusster zurückkehren lassen. Ich hätte aber keine 2.Kur dieser Art mehr machen wollen. Dennoch faszinieren mich Föhr und die Nordsee bis heute.
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Sonja R. aus Köln schrieb am 02.07.2023
Meine zweite Kinderkur über sechs Wochen fand im Berghaus Loretto statt. Auch hier gibt es nur wenige Erinnerungen.

Es gab ständig Erdbeerquark mit Haferflocken zu essen, eine zähe Masse, die in großen Mengen jeden Tag gegessen werden musste.

Mittags saßen wir auf Bänken aufgereiht draußen in der Sonne und wurden zwangsgebräunt. Nur diejenigen Kinder, die kollabierten, durften ins Haus zurückgehen. Wir sollten „gesund“ aussehen.

Eine ganz schwache Erinnerung habe ich daran, dass man irgendwie meine Singstimme für schön befunden hatte und ich immer vor allen singen musste, was mir sehr unangenehm war.

Ich lernte ein älteres Mädchen kennen, das viel freundlicher behandelt wurde und Mercedes hieß. Sie war ein Halt für mich - bis sie erkrankte und separat von uns untergebracht wurde. Wir konnten uns nur noch aus der Ferne sehen.

Viele Jahre später habe ich den Ort aufgesucht, wo das Heim stand. Ich kenne sie durch eine Postkarte, die meine Großmutter mir geschrieben hatte. Das Haus steht dort nicht mehr, stattdessen eine Gedenktafel und ein Privathaus. Überhaupt taucht dieses „Berghaus Loretto“ in keiner Schilderung eines ehemaligen Verschickungskindes auf. Ich würde mich gerne mit anderen, die dort waren, austauschen.
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Sonja R. aus Köln schrieb am 02.07.2023
Mit fünf Jahren wurde ich für sechs Wochen nach Borkum geschickt in den Marienhof.

Wir hatten ständig Hunger und wurden mittags auf einer großen Wiese wie Tiere gehalten, die nicht ins Haus gehen durften. Wir sangen das Lied „Wir haben Hunger, Hunger…“ und pflückten und aßen Sauerampfer.

Als ich einmal nachts zur Toilette musste, war ich in Panik. Ich erinnerte mich, dass uns erlaubt worden war, ein großes Gefäß, das in der Mitte des Schlafsaals stand, zu benutzen. Ich habe sehr lange gezögert und dann voller Scham das Gefäß benutzt. Am nächsten Morgen wurde dies bemerkt und dann ging es los: Vor aller Augen wurde nach der „Täterin“ gesucht. Nach langem Zögern habe ich es gestanden und wurde denunziert. Ich war fünf Jahre alt!

Pakete, die von Zuhause kamen, wurden geöffnet und der Inhalt an alle Kinder verteilt.

Ein älteres Mädchen formulierte eine Karte für meine Eltern. Es ging mir schlecht und ich war krank vor Heimweh. Diese Nachricht wurde abgefangen, ich einem Verhör unterzogen und dann ein neuer Text geschrieben.

Ich habe nur wenige Erinnerungen an die Zeit im Marienhof, daher würde ich mich gerne mit Menschen austauschen, die auch dort waren. Lücken auffüllen…

Es gibt eine Postkarte, die das Heim an meine Eltern geschrieben hat. Dort wird beschrieben, dass ich mich in einer Gruppe mit 15 kleinen Mädchen befinde. Unterschrieben ist die Karte von einer „Tante“ Waltraud. Eine Klapp-Fotomappe des Heims habe ich auch.

Ich war ein schüchtern-verstörtes Kind, das meist geschwiegen hat. Ängste begleiten mich mein Leben lang und es erforderte eine große Kraftanstrengung, mich im Leben und in der Berufswelt durchzusetzen. Bis heute habe ich ein gestört-schamhaftes Verhältnis zu Körperausscheidungen. Dass es hier einen Zusammenhang zu meinem Aufenthalt im Marienhof geben könnte, wird mir - bei aller Therapieerfahrung - erst in der letzten Zeit deutlich.
Sehe ich mich als Kind, so habe ich mich in eine Phantasiewelt zurückgezogen, meist gelesen, kaum Kontakt zu anderen Kindern aufgenommen.
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S. Wöhler aus Köln, als Kind Leverkusen schrieb am 01.07.2023
Ich war insgesamt dreimal à 6 Wochen jeweils um die Osterzeit herum in Niendorf bei den Nonnen zur Kur, weil ich „zu schmächtig“ war. Beim ersten Mal muss ich unter 6 Jahre gewesen sein, das zweite Mal war ich genau während des Brandes 1971 dort zur Kur und das letzte Mal 1978 als 13-jährige (steht auf der Rückseite eines Strandfotos). Bei der ersten und letzten Kur war ich jeweils in der Mädchengruppe, die von einer Schwester Gottfriede geleitet wurde. Sie war eine sehr strenge, absolut humorlose und unfreundliche Person, unter der alle ziemlich gelitten haben.
Rausgehende Briefe an unsere Eltern wurden zensiert, eingehende Briefe wurden auch gelesen und manche kamen nie bei mir an. Wenn meine Eltern ein „Care“-Paket mit ein paar Süßigkeiten schickten, bekam ich sie entweder gar nicht oder musste sie zwangsweise mit allen teilen.
Vor und nach jedem Essen musste gebetet werden. Man musste alles aufessen, was serviert wurde, sonst gab es mächtig Ärger. Egal wie satt ich war, ich musste aufessen.
Täglich mussten endlos lange irgendwelche Volkslieder von uns gesungen werden.
Schlafen durften wir nur in einer bestimmten Position und wehe, wenn einen die Nachtschwester erwischte, dass man anders lag oder gar weinte.
Mein jüngerer Bruder war einmal zeitgleich mit mir dort; wir durften jedoch während des Aufenthaltes keinen Kontakt zueinander haben. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich mich inmitten dieser vielen anderen Kinder und den Nonnen furchtbar einsam und unglücklich gefühlt und viel geweint habe, aber das durfte ich meinen Eltern nicht schreiben.
Während der zweiten Kur dort war ich in der Gruppe einer relativ netten Nonne. Der Brand des Heims war eine schreckliche Erfahrung, aber ich war froh, dass meine Eltern kamen, um mich abzuholen und die Kur so frühzeitig beendet war. Ich habe bis heute starke Angst vor Feuer und kann Brandgeruch jeglicher Intensität nicht haben.
Mehrmals pro Kur mussten wir in einem kleineren Schwimmbecken mit eiskaltem Wasser schwimmen gehen; zum Schluss war ich total blau vor lauter Kälte.
Obwohl man mich immer zum Essen gezwungen hat, war ich bei der Gewichtskontrolle am Ende der Kur immer leichter als vorher; ich denke, ich hatte einfach so viel Stress dort, dass ich gar nicht zunehmen konnte.
Die einzig positiven Dinge, die ich mit diesen Kuren in Verbindung bringe, sind Bastelarbeiten wie Makramee-Eule, Fadenbilder und das Erstellen von Briefbeschwerern mit Muscheln usw., die in Harz gegossen wurden. Außerdem fuhren wir während einer der Kuren einmal mit einer Betreuerin zu 10 Kindern in ihrem VW-Käfer zum Wellenbad. Außerdem wurde dort in einem Dachraum, der sehr sehr kalt war, etwas mit uns gemacht, was sich viele Jahre später als Autogenes Training herausstellte. Diese „geistigen Reisen“ fand ich eigentlich immer schön.
Meine Erlebnisse dort waren -verglichen mit dem, was manch Anderer dort durchgemacht hat- noch relativ harmlos. Trotzdem haben sie ihre Spuren hinterlassen, weil einfach so viel Zwang herrschte und man besonders vor Schwester Gottfriede und ihren Launen immer Angst haben musste. Nicht zu unterschätzen ist auch der Faktor, dass man als so junges Kind einfach in einen Zug gesetzt und sehr weit weg von Zuhause sechs endlos lange Wochen (eine Ewigkeit in dem Alter) mit fremden Kindern und Erwachsenen zubringen muss und man ein wahnsinniges Heimweh hat und gar nicht versteht, warum man dort sein muss.
Ich wünsche allen, die noch heute unter den Geschehnissen während der Kinderverschickung leiden, dass ihre Seele geheilt wird und die Erinnerungen keine Macht mehr über sie haben.
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Sabine schrieb am 01.07.2023
Zunächst möchte ich "Danke" sagen, dass das Thema aufgearbeitet wird. Ich habe jahrelang gedacht, ich sei hyperempfindlich und würde mich (z.B. vor Klassenfahrten) in meine Angst reinsteigern. Außerdem habe ich lange gedacht, ich sei die einzige, die solche Ereignisse schrecklich fand, wobei ich sagen muss, dass ich im Verhältnis zu vielen anderen hier, nur weniger Schreckliches erlebt habe. Aufgrund einer verschleppten Lungenentzündung wurde ich im Sommer 1975 mit 8 Jahren von NRW aus auf Kur in den Schwarzwald (mit einem Bus) geschickt (mit mehreren anderen, die über die gleiche Krankenkasse versichert waren). Wir waren in großen Gruppenschlafräumen, so dass nachdem eine Windpocken hatte, alle anderen auch erkrankten. Gegen den Juckreiz bekamen wir aus meiner Erinnerung heraus nichts. Regelmäßig wurden unsere Köpfe auf Läuse untersucht und wenn man etwas fand, wurde diese Person vor den Augen aller anderen mit einem Mittel behandelt. In den Mittagspausen durften die Älteren religiöse Bücher lesen, alle anderen mussten schlafen. Ich habe dann immer die Augen geschlossen und so getan als würde ich schlafen (auch abends/nachts bei der Kontrolle, da es sonst Ärger gab). Den Teller musste man leer essen, sonst musste man sitzen bleiben bis er leer war. Ich erinnere mich nur daran, dass ich einmal Rosinen essen sollte, die ich nicht mochte. Nach längerem alleine Sitzenbleiben am Tisch habe ich die Rosinen in den Mund genommen und auf der Toilette ausgespuckt - ich esse bis heute keine Rosinen oder Dinge, in denen Rosinen sind. Briefe nach Hause wurden zensiert, wenn etwas Negatives drin stand, wurden sie nicht abgeschickt. Meine Mutter hat nachher erzählt, dass sie sich gewundert hat, dass ich ihr Bilder geschickt habe - das war wohl mein Versuch, ihr klar zu machen, was passiert. Ich habe nach der Rückkehr (ich war 6 Wochen dort) nicht mehr ohne vorherige Angst auf Klassenfahrten fahren können und meine Kinder habe ich nie auf Ferienfreizeiten fahren lassen, nur auf Klassenfahrten, weil ich dort ja dann erlebt hatte, dass es auch anders geht. Als ich meinen Eltern erzählt habe, wie es dort war, haben sie es gar nicht wirklich geglaubt, höchstens so etwas gesagt wie "jetzt bist du ja wieder zuhause".
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Ewald aus Köln schrieb am 01.07.2023
Hallo,

nun, lange Zeit dieses Kindheitstrauma vergessen. Gott sei Dank! (Kinderheim Bethesda Bad Salzufflen)

Durch die Diskussion über diese wohl von der Intention gut gemeinten Verschickung, in der Realität aber katastrophale Umsetzung, hat mich das im Alter wieder eingeholt. Ich habe im Nachhinein eine bodenlose Verachtung über diese Einrichtung. Vielleicht kann man das als Leiden betrachten. Ich habe es aber so verarbeitet, dass ich, insbesondere gegenüber kirchlich-karitativen Einrichtungen, extrem misstrauisch bin.

Die Ursache ist nicht nur das Erlebnis in dieser Einrichtung. Verstärkend sind die aktuellen Missbrauchsfälle der Kleriker aller Konfessionen.
In meiner Studentenzeit habe ich mich intensiv mit der Rolle der Kirchen im 3.Reich beschäftigt. Die Auswirkungen der nationalsozialistischen Doktrin spiegelten sich lange Zeit in den Einrichtungen, die mit Erziehung und Rechtsauffassung zu tun hatten, wieder.
In Schulen waren sehr viele ehemalige Reichswehroffiziere als Lehrer tätig. Was sollte man auch mit denen sonst anfangen. Für die karikativen Einrichtungen galt dies als Weiterführung der Erziehungsideale des NS - und der Kaiserzeit ebenso. Die Ursache, dass Diakonissinnen solche „Erziehungsideale“ weiter praktizierten liegen dort. Ein Umdenken dieser Ideale funktionierte nur durch einen Generationenwechsel. Aber, so ganz hat das nicht funktioniert. Fälle gibt es ja heute noch zuhauf. Die breite Öffentlichkeit ist aber sensibler geworden und reagiert darauf.

Nun zu meiner Erfahrung „Bethesda“:
Aus einem sorgsamen und liebevollen Elternhaus wurde ich als schwer asthmakrankes Kind wegen einer vom Arzt angeraten Luftveränderung nach „Bethesda“ Bad Salzufflen verschickt.
Meine Wäsche wurden mit kleinen Aufnähern mit den Ziffern 13 versehen (meine Mutter war pragmatisch in diesen Dingen- andere Kinder haben bestimmt nicht diese Ziffern am Hemdchen), damit man sie in einer Gemeinschaft zuordnen kann. Nun war ich dort die Nummer 13.

Ein einschneidendes Erlebnis war das Frühstück mit eine schleimigen von einer Haut überzogenen Milchsuppe. Zu Hause hab ich sie immer abgelehnt was auch respektiert wurde. In Bethesda aber ging es dann zur Sache:
Los aufessen! Mit einem Stoß in den Rücken!

Was dann abging war der Horror. Ich erbrach mich in dieser Schüssel.
Man schubste und schleifte mich auf die Toilette. Ich wehrte mich, bekam ein Schlag ins Gesicht, so dass die Nase und die Lippe stark bluteten. Ich musste eine lange Zeit in der Toilettenkabine verbringen. Anschließen musste ich ins Bett. Das Bett wurde natürlich blutig. Dann ging es abermals los. Ich musste das Bett abziehen und wurde als hoffungsloser Nichtsnutz beschimpft.

Da ich untergewichtig war versuchte man es mit einer Mastkur. Nachmittags mussten alle Kinder in einer Freilufthalle für ca. 1 Stunde auf Liegen verbringen. Man musste die Augen geschlossen halten. Bei einer Zuwiderhandlung ging direkt das Theater und Gezeter los.
Die untergewichtigen mageren Kinder mussten den ganzen Nachmittag auf diesen Liegen verbringen Man versprach sich dadurch wohl eine Gewichtszunahme dadurch.
Zum Glück hatten 3 oder 4 Jungs dann etwas Freiraum um z.B. Bücher zu lesen und sich über diese miese Behandlung auszuquatschen. Die anderen Kinder unternahmen irgendwelche Ausflüge mit der Diakonissin und ihrer Hilfskraft. Päckchen und Briefe von den Eltern wurden einbehalten. Kontakte sollten in dieser Zeit nicht stattfinden. Meine Großmutter wohnte in Salzufflen. Sie erschien einmal und wollte mich sehen, da meine Eltern, die in Köln wohnten sich Sorgen machten, da man nichts von mir hörte. Nun die Großmutter war sehr robust und hatte einen heftigen Auftritt im Eingangsbereich veranstaltet. Ich bekam den lauten Disput mit. Die Tafel Schokolade, die sie mir mitbrachte, konnte sie nicht überreichen.

Die Hilfskraft, eine junge Frau, die sich zu nichts äußerte, stand kurz vor der Verlobung oder Hochzeit. Viele Kinder hatten von zu Hause aus etwas Taschengeld mit auf den Weg ins Unbekannte bekommen. Das Geld wurde natürlich von den „Schwarzen-Pädagogen“ einbehalten. Man teilte uns mit, dass wir uns an einem Geschenk für diese Hilfskraft beteiligen müssen. Also wurde mit von unserem Taschengeld, über das wir nicht verfügen durften, eben ein gemeinsames Geschenk gekauft. Ich glaube, es war ein kleines Transistorradio, die damals auf den Markt kamen.

Abschließend möchte ich hier sagen: die Erlebnisse mit Geldansprüchen „wiedergutzumachen“, halte ich für mich persönlich für den falschen Weg.
Meine Erklärung der Ursachen einer solchen Behandlung ist in der Nachkriegsgesellschaft begründet. Dies habe ich vorab dargelegt. Mir bleibt nur -wie schon Anfangs gesagt- eine abgrundtiefe Verachtung der beteiligten Diakonissen. Kirchliche Einrichtungen sind mir bis heute durch ihre Scheinheiligkeit sehr hinterfragungswürdig, um nicht zu sagen suspekt.
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Monika aus Lörrach schrieb am 30.06.2023
Ich wurde nach überstandener Meningitis, zur Erholung 6 Wochen verschickt.
Das schlimmste waren die Nächte. Man durfte nicht zur Toilette. Vor dem Zimmer saß eine Tante zur Aufsicht.
Ich habe fast jede Nacht eingenäßt, und dann am Rand ohne Decke, geschlafen, damit das Bett bis zum Morgen trocken wurde.
Briefe an Zuhause durften nichts negatives enthalten.
Es mußte alles gegessen werden, notfalls saß man Stundenlang. Bis heute kann ich Quarkspeise nicht essen.
Als die getragene Unterwäsche verbraucht war, musste ich die getragenen Schlüpfen anziehen.
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Sybille Wehrle aus 79780 Stühlingen schrieb am 29.06.2023
Ich war 1962 mit knapp sechs Jahren im Heim Concordia auf Borkum. Noch immer ist mir der Name der Leiterin im Gedächtnis. Frau Meibert.
Wir bekamen sehr wenig zu trinken, hatten immer Durst.Nach dem Mittagessen mussten wir am Tisch Mittagsruhe halten. Den Kopf auf die verschränkten Arme legen, wehe man hat den Kopf gehoben. Für mich war ausser Heimweh am schlimmsten, dass ich nicht alleine zur Toilette gehen konnte. Wenn man an einem Tag keinen Stuhlgang hatte, musste man ein Glas Meerwasser trinken. Ich bin sehr still und angepasst wieder nach Hause gekommen. Es hat lange gedauert, bis ich wieder mehr Lebensfreude bekam und ich mich traute meine Meinung zu sagen.
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Maria aus Köln schrieb am 29.06.2023
Wir waren 5 Kinder zu Hause. Jahrgang 1948, 1952, 1958 1961 und1964. Und vier von uns einschließlich ich ,waren mehrfach in den sogenannten Kindererholungsheimen. Immer für ca. 6 Wochen
Das erste mal war ich mit zweieinhalb/ drei Jahren auf Norderney. 1963/64. Das letzte mal Anfang der 70 er Jahr. Insgesamt 5 mal.
Mein älterer Bruder meint es wäre jedes Jahr gewesen.
Leider oder vielleicht sogar Gott sei Dank kann ich mich nicht an mehr erinnern. Auch nicht wie die Kurheime hießen,

Ich selber bin ein sehr ernster Mensch. Ständig sehe ich in allem zuerst die Gefahr und das Böse. Es fällt mir schwer Nähe zu zu lassen und fühle mich mein leben lang minderwertig.
Positiv zu denken fällt mir schwer.

Norderney
Hier war ich das erste mal in Kinderkur zusammen mit meinen beiden Brüdern. Der älteste muss 11/12Jahre gewesen sein und der jüngere ca, 5-6Jahre. ich war ca. 2 oder 3Jahre alt.
Hier herrschten die Pinguine( Nonnen).
Es herrschte ein Befehlston und eisige Kälte.
Sie hatten ihre eigenen Regeln. Wir konnten gar nicht richtig machen!!! So habe ich es empfunden.
Dieses Ständige beten beim aufstehen und zu Bett gehen, vor jeder Mahlzeit.
Zu essen gab es nach meinen Erinnerungen immer einen dicken Klumpen Grießbrei mit Rosinen.
Weil es so viele Rosinen waren habe ich sie auf dem Teller an den Rand gelegt. Ich musste sie trotzdem alle essen. Und als ich erwischt wurde wie ich die Rosinen heimlich in meine Schürzentasche steckt und sie den Möwen beim Strandspaziergang verfütterte war der Teufel los. Ab da wurden mir die Rosinen öfter mal pur in den Mund gestopft.
Rosinen konnte ich Jahrelang nicht mehr essen oder riechen.

Mein Bruder meint er wäre mit mir 2 mal da gewesen. Ich weiß es nicht mehr.

Wenn ich Nonnen sehe bekomme ich Beklemmungen und es steigt eine Wut in mir hoch.
In der Kirche war ich das letzte mal vor 15 Jahren zur Taufe meines Großneffen. Ich habe die Kirche panikartig verlassen. Habe kaum Luft bekommen und musste mich übergeben.
Alles was mit Kirche zu tun hat, ist für mich ein rotes Tuch.



Oberstdorf In der Nähe von der Skisprunganlage ( wir mussten dann den Berg runter)
Ich erinnere mich an den täglichen ca. 2stündigen Mittagsschlaf (egal wie alt die Kinder waren) Wir lagen auf den langen Balkonen auf Liegestühlen im Sommer und auch im Winter ( ich war zweimal da) feste in Decken eingewickelt, so das wir uns nicht rühren konnten.
Es durfte nicht mehr gesprochen oder geflüstert geschweige denn gelacht werden. Dafür gab es dann Strafen.

Besonders hat es ein Mädchen getroffen, es war mit seiner älteren Schwester da. Die kleine war eine schlechte Esserin und machte ab und an noch ins Bett.

Ihr wurde abends vor versammelter Mannschaft eine Stoffwindel (mit Sicherheitsnadel) angezogen und dazu hat die „Tante“ sie ganz schlimm beleidigt. Morgens wurde sie sehr oft über das Knie gelegt und mit einem Schlappen wurde ihr auf den Hintern gehauen. Wir mussten zusehen.
Auch beim Essen hat sie immer wieder Probleme mit den „Tanten bekommen.
Beim Essen durfte man nicht aufstehen, auch nicht zur Toilette.

Eine Szene die mich bis heute verfolgt ist als sie nicht aufessen konnte und wir alle zusehen mussten wie sie das Essen hineingestopft bekam, sich dann übergeben hat und das Erbrochenen unter Androhung ihr eine Spritze zu geben ( die wurde aus dem Schrank geholt und auf den Tisch gelegt) wenn sie nicht ihre eigene Kotze aufisst.
Wir durften aufstehen und den Speisesaal verlassen, wenn alle Kinder mit Essen fertig waren.

Die Erzieherin öffneten die Pakete der Kinder im Speisesaal, der Inhalt wurde einbehalten und /oder an uns alle verteilt. Auch die Post die wir bekamen wurde im Speisesaal vorgelesen.
Briefe und Postkarten die wir geschrieben haben wurden gelesen und wenn der Inhalt nicht deren Wunsch entsprach, setzte es eine und wir mussten einen neuen schreiben der von den Tanten diktiert wurde.

Das erste mal war ich alleine dort. Beim zweiten mal wußte ich ja was auf mich zukommt. Diesmal fuhr meine 4 Jahre jüngere Schwester mit. Sie war eine schlechte Esserin hatte Rachitis und sah sehr mager aus. Ich nahm mir vor auf sie aufzupassen und sie zu beschützen!!!!!!

Ich war ständig in Habachtstellung. Bloß nicht auffallen. Unsichtbar machen.
Dies habe ich sehr lange Zeit meines Lebens so beibehalten.

Und dann war ich noch in Manderscheid. Da war ich schon älter. Meine Schwester war auch mit.
Dort habe ich mich mit einem Mädchen ( ich glaube sie hieß Birgit, Brigitteoder Barbara). Unsere Betten standen nebeneinander.
Auch hier waren Demütigungen an der Tagesordnung. Aber alles nicht zu vergleichen mit Norderney und Oberstdorf.

Mit 23/24 Jahren habe ich meine erste Therapie gemacht. Es folgten weitere. Doch erst vor einigen Jahren wurde mir Bewusst das einiges auch mit den Verschickungen zu tun hat.

Ich habe nur Negativ Erinnerungen - nichts, rein gar nichts Positives.

Gerne würde ich andere Betroffene kennenlernen die an den gleichen Orten waren, wie ich.
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Hassenpflug, Dagmar aus Ahnatal schrieb am 29.06.2023
Hallo Soffia,
ich war in 1962 im Alter von 9 Jahren im Haus Tanneck und wurde seinerzeit über das Bundesbahnsozialwerk (BSW) dorthin vermittelt.

Das Haus gehört offenbar auch heute noch dem BSW und hat die Adresse Olhörnweg 32, das konnte ich soeben über Googlemaps feststellen.
Falls du noch immer auf der Suche bist, kannst du mich gern kontaktieren.
Freundliche Grüße
Dagmar Hassenpflug
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Cornelia Zenker-Werner aus Ulm schrieb am 29.06.2023
Leider habe ich wenig Erinnerungen an diese Zeit. Ich wurde mit ca. 7 Jahren wegen chronischer Nebenhoehlenentzuendung dorthin von Ulm aus verschickt. Erinnere mich nicht mehr gut an diese Zeit, hatte aber furchtbares Heimweh. Ich schrieb dies auch nach Hause und habe die Briefe, die von der Heimleitung zensiert wurden noch. An den grausigen Haferschleim zum Fruehstueck erinnere ich mich und an die eingenaehten Namensetiketten in allen mitgebrachten Kleidungsstuecken.
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Mike schrieb am 29.06.2023
1969 Niendorf, Alter 5-6 Jahre. Grund Untergewicht.
Das anscheinend übliche ist mir am deutlichsten in Erinnerung, weil es wohl eine tägliche Prozedur war: Undefinierten billigen Schleim essen, Teller ablecken, dann erbrechen, nochmal essen.
Danach 1 Stunde den Kopf auf den Tisch legen als Mittagsruhe. Schläge bei Bewegung oder Kopf anheben.
Insgesamt bestand der Aufenthalt aus Schlägen, Zwang, Demütigungen und Diebstahl vom christlichen Personal. Einzelne Erlebnisse möchte ich nicht beschreiben, verfüge jedoch auch über einen kompletten Bericht.

Die Eltern berichteten, dass ich nach der Rückreise monatelang nicht mehr gesprochen habe, seitdem geistesabwesend bin, nachts um Hilfe schreie und mich ständig verfolgt fühle.
Meine Mutter hat versucht der Angelegenheit auf den Grund zu gehen, ist aber nicht weiter gelangt als zu den ebenso Ahnungslosen: Dem Arzt und die örtliche Krankenversicherung.
Der Grundstein für eine bislang lebenslange psychische Erkrankung wurde gelegt.
Massive soziale Phobie, Depressionen, Mißtrauen gegenüber anderen Menschen, paranoide Persönlichkeitsstörung.
Insgesamt 7 Jahre in psychiatrischen kliniken. Unzählige Suizidversuche. 35 Jahre lang das Haus nicht verlassen, keine sozialen Kontakte, Frührentner.

Anfang der 90er Jahre habe ich erstmals ausführlich im web von den Erlebnissen berichtet.
Mir ist daran gelegen, dass dieser dunkle Fleck in der Geschichte unverfälscht dokumentiert wird, ausgehend von niederträchtigen Christen, durchgeführt von Einzelstraftätern.
Mehr können die Betroffenen nicht erwarten, denke ich. Auf Entschuldigungen kann komplett verzichten.
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Michael Rupalla aus Brühl , Rheinl schrieb am 28.06.2023
Ich wurde über das Sozialwerk der Bundesbahn verschickt. Den Kinderausweis dazu habe ich noch. Das Jahr ist mir nicht mehr geläufig. Es war wahrscheinlich in meinem 5ten Lebensjahr .Ich bin 1953 geboren .
Ich mußte allein die Reise aus Stuttgart antreten.
Der Grund war meine Unterernährung.
Dort erwartete mich die Hölle.
Das Hauptgericht in dieser Zeit war Blumenkohl, was ich immer schon hasste. Zudem aß ich damals sowieso zu wenig. Wenn ich nicht meinen Blumenkohl aufgegessen hatte, wurde ich ins Schwesternzimmer geführt und mir wurde mitteils eines Schlauches Nudelsuppe eingetrichtert. Wenn der Schlauch wieder gezogen wurde, war die Nudelsuppe auch wieder draußen. Des Nachts, mußten wir mit den Händen auf der Bettdecke schlafen um nichts böses zu machen.
Wurdest du trotzdem beim Schlafen mit der Hand unter der DEcke erwischt, wurdest du ans Bett gefesselt.
Ich wurde nach 3 Wochen vorzeitig nach Hause geschickt, da sie nicht wollten daß ich im Heim sterbe, da ich weiter abgenommen hatte.
Es war nicht das schlimmste was mich in meinem Leben erwartete, aber damals ein absoluter Schock , der der erste Schritt zur Distanzierung von meinen Eltern war.
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Kai Borwig aus Bad Bleiberg schrieb am 28.06.2023
ich bin als 4-5 Jähriger Junge mehrfach nach Amrum und Sylt verschickt worden und habe dort in den Unterbringungsstätten traumatisches erlebt. Die Erinnerungen plagen mich bis heute. Mein Bruder, der zwei Jahre älter war wurde zu Pflegeeltern gebracht und ich hatte jahrelang keinen Kontakt mit ihm. Erst in der Schulzeit war mir dann bewusst dass ich einen Bruder hatte, da er dann wieder zu Hause bei meiner alleinerziehenden Mutter war. In den Verschickungsheimen ging es sehr streng zu. Mann durfte Nachts nicht auf die Toilette und dies wurde auch bewacht. Und wenn man dann ins Bett urinierte wurde man brutal gemassregelt. Zum Essen gab es meist nur Senfsuppe mit einem gekochten Ei; karge Kost halt. Gespielt haben wir garnicht . Dafür gab es lange Wanderungen in der rauhen Nordseewitterung. Ich kann mich noch an die aufpeitschende Gischt bei Sturm erinnern. Alles in allem war ich mehrfach wochenlang, wenn nicht sogar gefühlt monatelang allein und es war einfach eine schlimme Erfahrung, deren Bilder mir immer noch im Kopf herumspuken und mich quälen.
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Birgit Wagner aus München schrieb am 27.06.2023
Ich war 1977 in einem Kindekurheim in Bad Wörishofen ( den Namen des Heimes weiß ich nicht mehr) zum abnehmen. Es wurde von Nonnen liebevoll geführt, an eine kann ich mich noch sehr gut erinnern die besonders nett, geduldig und einfühlsam war. Es gab keine Strafen, ich hab nur gute Erinnerungen daran.
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Helmut Cilleßen schrieb am 27.06.2023
Ich sehe gerade die Sendung Planet-Wissen über die Verschickungen. Mir fällt auf, dass unerwähnt bleibt, dass auch Arbeitgeber in die Organisation der Verschickungen involviert waren. In meinem Fall der Arbeitgeber meines Vaters, die "fMargerine-Union" (Unilever) in Kleve (NRW).
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Erhard Schurmann aus 59399 Olfen schrieb am 27.06.2023
Hallo zusammen,
ich wurde 01.02.1955 geboren und war insgesamt 2-mal zu den sogenannten „Verschickungsheimen“. 1963 bin ich für 6 Wochen nach Freudenstadt geschickt worden um an Gewicht und Hautfarbe zuzulegen. Vorweggesagt, es war für mich die Hölle!
Gleich am ersten Tag wurden uns Kinder mitgeteilt wie schlimm der Krieg war und wie Froh wir sein sollte, dass wir genug zu essen haben. Die Schwester Oberst oder so hat uns sicher 20 Minuten eingeheizt. Jedes Kind musste zu Mittag mind. 2 Teller vollessen. Eine Schwester hat die Teller gefüllt und darauf geachtet, dass wir auch reichlich von dem „Fraß“ gegessen haben. Ich erinnere mich sehr gut an einem Tag an dem ich keinen Hunger hatte und vor dem vollen Teller saß und versucht hatte das Essen zu entsorgen. Keine Chance, wir wurden beobachtet. Die lange Holzbank auf dem ich saß wurde langsam hart und ungemütlich. In einem unbeobachteten Augenblick habe ich den Telle unter der Band entleert. Ich wurde erwischt um musste noch mal einen Teller essen. Bis in die Nacht hinein saß ich im Speisesaal vor dem Teller. Schließlich hat eine andere Schwester mir den Teller entleert und ich durfte gehen.
Selbst die Toilettenbenutzung war geregelt. Ein Abend musste ich groß um wollte zur Toilette. Am Ende des langen Flures saß an einem Schreibtisch eine Schwester, die alles im Blick hatte. Niemand konnte so einfach aus dem Zimmer gehen. Nach dem ich mehrfach gebeten hatte die Toilette zu besuchen habe ich einen großen Haufen neben mein Bett gemacht. Unglaublich aber der Gang zur Toilette wurde mir verboten. Am nächsten Morgen war die Überraschung groß, ich wurde öffentlich vorgeführt und durfte nicht spielen. Allein vor dem Zimmer im langen Flur musste ich etwa 1 m zur Wand stehen und durfte nicht sprechen. Die ganze Aktion dauerte ca. 3-4 Stunden.
Die schlimmste Zeit meindes Leben......
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Jutta Schottstedt aus Rodenberg schrieb am 27.06.2023
Ich wurde 1967 als 8-jährige von der Gemeinde Kreuztal/Westf. in ein Kindererholungsheim in Nienburg/Ostsee verschickt. Zuvor war ich längere Zeit im Winter 1966/67 im Kreiskrankenhaus in Siegen mit Tuberkulose auf einer Isolierstation. Der Kuraufenthalt war im Anschluss daran. Ich hatte bei der Krankenhaus-Entlassung Keuchhusten und Untergewicht. Durch den Kuraufenthalt hatten sich meine Symptome verschlechtert und ich konnte deshalb erst einmal danach auch nicht mehr in die Schule gehen und versäumte so nach Lücken im 2. Schuljahr auch noch das gesamte 3. Schuljahr. Hätte meine Großmutter mich damals nicht aufgenommen, wäre ich aufgrund der Abwesenheit der Eltern - von der Kur sicher in ein weiteres "Erholungsheim" geraten.

Mein Problem bei dem Kuraufenthalt war, dass ich immer beim Mittagsschlaf husten musste und so die anderen Kinder im Schlafsaal störte. Ich wurde also im Flur mit dem Gesicht zur Wand an die Wand gestellt - mit einer muffigen grauen Decke über dem Kopf. Als das Husten sich verstärkte und auch immer noch hörbar war, wurde ich ohne Decke in Unterwäsche in den Waschraum gesperrt und erst am Ende der Mittagsruhe wieder herausgeholt. Dies war so über den gesamten Kuraufenthalt. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der ranzige Deckengeruch und das Signallied für den Beginn und das Ende der Mittagsruhe: Puppet on a String von Sandie Shaw.
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Mika (damals anderer Vorname) schrieb am 27.06.2023
Überwiegend positive Erinnerungen:
Ich war im Vorschulalter zwei Mal aus mir unbekannten Gründen zur Kinderverschickung (nach Erinnerung meiner Mutter wohl jeweils 2 Wochen). Ich habe nur sehr bruckstückhafte Erinnerungen daran. Aber auch wenn mir dort nicht immer alles uneingeschränkt gefiel, war es dort besser als zuhause, denn im Gegensatz zu meiner Mutter waren die Erzieherinnen/"Tanten" berechenbar, behandelten alle Kinder gleich und lächelten mich auch mal an. Dort fühlte ich mich akzeptiert, so wie ich war. Ich fühlte mich dort gut aufgehoben, habe keinerlei Erinnerungen an Strafen (in Bad Harzburg mussten diejenigen, die nach dem Mittagessen die Mittagsruhe/den Mittagsschlaf nicht einhielten, still im zentralen Speisesaal sitzen, damit die anderen ungestört schlafen konnten. Das war mir 1x passiert, vorsätzlich, weil ich auch mal draußen sitzen wollte während des Mittagsschlafs. Es war überhaupt nicht schlimm. In Bad Harzburg wurde ich einmal zum Essen gezwungen, bis ich das Essen nach wenigen Bissen auf meinen Teller erbrach. Ich erinnere mich, dass dort auch andere Kinder zum Essen gezwungen wurden durch Nase zuhalten. Bei einem 2. Mal bekamen sie meine Nase nicht zu fassen, weil ich meinen Kopf zu schnell schüttelte. Da hatten sie schließlich aufgegeben. Ich fand es "dumm" von den Erzieherinnen, dass sie meinen Kopf nicht festgehalten hatten, um meine Nase zu packen. Da ich zuhause schon gelernt hatte, dass Essen nicht verschwendet werden darf, hatte ich Verständnis dafür, dass es den Erzieherinnen wichtig war, dass die Teller geleert wurden. Als Kind empfand ich das deshalb nicht wirklich als schlimm, sondern nur als "blöd". So weit ich mich erinnern kann, wurde ich niemals Zeuge von Schlägen, Einsperren, Demütigungen oder Anschreien in einem der beiden Kindererholungsheime. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Heimweh.
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Barbara Thorborg aus Königstein schrieb am 27.06.2023
Mit 9 Jahren bin ich für 6 Wochen in obiges Heim verschickt worden. Wir waren dort zusammen mit Berliner Kindern. Schlafen im Schlafsaal mit über 20 Kindern, wir wurden gezwungen ekliges Müsli zu essen, morgens bei eisigem Wind in Turnzeug Gymnastik auf der Promenade, nachmittags Zwang zu stummer Liegekur, einmal wöchentlich in das langweilige Wäldchen, einmal wöchentlich Entlausung, ständige Beobachtung und Angst vor Fräulein Fritzke. Ich habe alle meine Ängste in die Briefe an meine Eltern geschrieben, nur leider sind diese Briefe niemals bei ihnen angekommen.
Um mich von all diesen schlechten Erinnerungen zu befreien, bin ich im Alter von ca. 50 Jahren extra nach Föhr gefahren, habe aber feststellen müssen, dass das Hamburger Kinderheim noch genauso bedrohlich dort steht, voll mit schreienden Kinder.
Diese Reise hat mir nicht geholfen.
Jetzt bin ich 79 Jahre alt und die Erinnerungen überfallen mich schlimmer denn je, auch durch die mittlerweile versuchte Aufarbeitung in den Medien.
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Birgit aus Wuppertal schrieb am 26.06.2023
Ich habe leider kaum bis keine Erinnerung an diese Zeit. Nur, dass ich sehr krank nach Hause gekommen bin mit Furunkeln an der Haut und völlig abgemagert. Ich kann mich an meinen Schlafsaal erinnern und daran, dass ich starkes Heimweh hatte und viel geweint habe.
Zu essen gab es sehr oft Kartoffelpüree mit Roter Beete. Ekelhaft.
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Noreen aus Bad Belzig schrieb am 25.06.2023
Ich war im Herbst 1972 für vier Wochen zur Kur auf dem Ettersberg. Ich war damals fünf Jahre alt, häufig krank und eher dünn. Ich sollte vor der Schule wohl noch etwas „aufgepäppelt“ werden. Ich war kein Kind, das gern weg von den Eltern war, höchstens mal bei den Großeltern. Daher habe ich auch schon beim Abschied schrecklich geweint. Ich habe nur einzelne Erinnerungsfragmente:
Das Schlimmste war das Essen. Ich hatte einen Ekel vor Milch und Milchbrei etc. Schon vom Geruch warmer Milch wurde mir schlecht. Aber dort musste ich Milch trinken bzw. Milchbrei essen. Als ich mich weigerte, wurde mir der Milchbrei von der Erzieherin „reingestopft“. Ich habe ihn erbrochen, bekam einen Schlag auf den Mund und dann wurde mir das Erbrochene wieder reingestopft. Sie hatten da trotz meiner Tränen kein Erbarmen.
Ich erinnere mich an einen eher großen Schlafraum, in dem mein Bett irgendwie in der Mitte stand, also nicht an einer Wand. Während der Mittagsruhe spielte ich leise mit meinem Plüschhund. Eine Aufseherin bemerkte das, riss ihn mir aus der Hand und warf ihn in meinen Koffer, der unter dem Bett stand. Der Kopf des Hundes hing noch raus, als sie den Deckel des Koffers zuschlug. Dadurch wurde der Kopf abgetrennt. Sie ließ ihn einfach liegen. Zum Glück hat eins der älteren Mädchen ihn später wieder angenäht.
Überhaupt haben sich die älteren Mädchen öfter um uns Kleine gekümmert. Ich konnte ja noch nicht schreiben und die älteren Mädchen haben dann für mich Briefe geschrieben, die ich ihnen diktierte. Ich schrieb nach Hause, dass es sehr schrecklich sei und dass meine Eltern doch bitte kommen und mich abholen sollten, dass ich ansonsten versuchen würde, abzuhauen. Wir ahnten nicht, dass diese Briefe nie zuhause ankamen. Und ich fühlte mich von meinen Eltern im Stich gelassen, weil sie nicht kamen und in ihren Briefen auch nicht darauf eingingen, dass es mir schlecht ging.
Die Schränke, in denen unsere Sachen verstaut waren, sind in meiner Erinnerung sehr hoch gewesen, so dass ich als Fünfjährige nicht allein an mein Fach kam. Daher wurden einem die Sachen, die man anziehen sollte, von der Erzieherin rausgegeben. Man hatte eine Schürze mitbringen sollen. Ich hasste Schürzen, vor allem diese Kunststoffkittel. Aber ich bekam ab und zu Sachen von einer Groß-Cousine aus Westberlin und da war eine rote Baumwoll-Schürze dabei, die ich mochte. Meine Mutter hatte mir die dann auch extra eingepackt. Die Erzieherin beschimpfte mich, warum ich keine Schürze dabei hätte. Ich sagte, dass ich doch eine Schürze hätte und zeigte sie ihr. Aber die Erzieherin war der Meinung, das sei keine Schürze, sondern ein Kleid und ich durfte sie nicht anziehen. Statt dessen bekam ich einen Kunststoff-Kittel von dort, vor dem ich mich ekelte.
Wir gingen auch viel bei trübem feuchten Wetter spazieren. Aus irgendeinem Grund bekam man Gummistiefel vom Heim. Einer von meinen war undicht und ich hatte immer kalte nasse Füße.
Wenige Tage vor der Abreise hieß es plötzlich, wir könnten nicht nach Hause, weil irgendeine ansteckende Erkrankung aufgetreten sei. Ich hatte schreckliche Angst, jetzt noch länger dableiben zu müssen. Aber das war dann zum Glück doch nicht der Fall. Meine Mutter erzählte mir, als ich aus dem Bus stieg, wäre ich laut weinend auf sie zugelaufen und die konnte mich nur schwer beruhigen.
Mit Anfang 30 bin ich mit meinem Mann in Weimar gewesen und wir haben das Heim gesucht. Ich habe es sofort wieder erkannt, obwohl ich nie ein Foto davon hatte. Als wir das Gebäude betraten, wurde mir plötzlich ganz komisch, ich begann zu zittern und musste heftig weinen. Und es kamen weitere verschwommene Bilder (u.a. an ein Arztzimmer im Obergeschoss und eine Art geschlossene Veranda) hoch. Aber ohne Erinnerungen an konkrete Erlebnisse, sondern nur Gefühle von Angst/Unsicherheit.
Mit dieser heftigen Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Eigentlich war das Thema für mich längst erledigt. Aber aufgrund dieser heftigen Reaktion wurde mir klar, dass das all die Jahre in mir „gearbeitet“ hat.
Ich wollte später viele Jahre lang nicht auf Klassenfahrt oder in Ferienlager fahren. Es wurde als Jugendliche dann etwas besser. Aber
noch heute meide ich nach Möglichkeit Aufenthalte in Einrichtungen mit organisiertem/vorgegebenen Tagesablauf.
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Marianne V. schrieb am 20.06.2023
Das Erholungsheim Schloss Sandizell wurde damals teilweise von der Arbeiterwohlfahrt angemietet. Ich wurde auf Anraten des Hausarztes verschickt, weil ich zu dünn war. Ich war 12 Jahre alt.
Wir wurden von Studentinnen betreut, die sehr liebevoll waren. Sie machten Spiele mit uns, lasen uns täglich aus einem Buch vor, aus dem jeden Tag
weiter gelesen wurde: Im Garten, im Schwimmbad oder beim Beerenpflücken im Wald. Ich weiß heute noch , dass es Daddy Longbein hieß.
Am Abend, um 19.00 Uhr, trafen wir uns täglich auf der Brücke, die über den Wassergraben führte, um bei Gitarrenbegleitung Abendlieder zu singen. Es gab eine Bibliothek mit Kinderbücher zum Ausleihen und es wurde ein Theaterstück geprobt, bei der ich eine von vier Rollen bekam.
Wir mochten unsere Tanten sehr, nicht nur weil sie uns täglich einen Gute Nachtkuss gaben. Lediglich beim Essen hörte auch bei uns der Spaß auf. Bei den wöchentlichen ärztlichen Untersuchungen und den Gewichtskontrollen versagte ich regelmäßig.
Das bescherte mir Extraportionen, die ich nicht essen konnte. Ich versuchte es mit „Bauchschmerzen „ und „Unwohlsein „, das mir aber nichts nützte. Ich wurde dann als Lügnerin aufs Zimmer geschickt und jeweils vom Abendsingen ausgeschlossen. Zugenommen habe ich am Ende trotzdem nur ein halbes Pfund.
Nach der Kindererholung kam ich in ein Internat. Dort hatte ich ebenfalls Probleme mit dem Essen.Erst als Erwachsene konnte ich einen Zusammenhang erkennen.Ich hatte eine Essstörung entwickelt. Dafür gab es damals noch kein Wort, aber übergeben musste ich mich nach dem Essen regelmäßig.
Mit dieser Störung blieb man damals allein.
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Caterina aus Koeln schrieb am 18.06.2023
Ich war im Jahr 1970 oder 1971 für 6 Wochen im Haus Bernward in Oberkassel, damals war ich 5 oder 6 Jahre alt und hatte Atemwegsprobleme.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass im ganzen Haus eine Atmosphäre der Angst herrschte.
Wir mussten jeden Tag 2 Minuten unter die ¨Höhensonne" und mussten uns Sonnencreme und Schutzbrille aufziehen. Dies wurde wahrscheinlich gemacht, damit wir eine "gesunde" Gesichtsfarbe bekamen, wenn die Eltern uns abholten. Wenn wir einander helfen wollten, die Sonnencreme im Gesicht aufzutragen, wurden wir geschlagen, mit dem Kommentar: "Lass das, die kann das alleine!"
Bei Mittagsschlaf, wenn jemand nicht schlief oder sogar aufstand, wurde er/sie ebenfalls geschlagen. Ansonsten kann ich mich noch gut an eine besondere Demütigung erinnern. Ich wurde als "Hexe" verkleidet und bekam am Rücken einen Buckel unter meinen Pullover gesteckt. Die anderen Kinder sollten mich auslachen und ausgrenzen.
Als meine Mutter mich abholte, habe ich sie zuerst gar nicht mehr erkannt. Ich kann mich noch an die Rückfahrt nach Hause erinnern, ich war total schweigsam.
Hinterher bin ich mit meiner Mutter noch einmal dorthin gefahren, weil ich etwas vergessen hatte. Die Aufseherinnen, besonders die Oberin, waren total nett, als wir ankamen. Ich bekam sogar noch Glanzbildchen mitgegeben, meine Mutter konnte mir und meinen Berichten gar nicht glauben, dass ich dort so unglücklich war! Sehr perfide, was mit uns gemacht wurde.
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Bianca aus Iserlohn schrieb am 17.06.2023
Ich dachte, das das alles nur mir passiert ist. Das ich schuld bin. Beziehungen und Freundschaften konnte ich nicht aufrechterhalten. Ich kann damit nicht abschließen. Ich möchte nicht in eine Klinik! Klar Depressionen und Vereinsamung. Ich arbeite im sozialen Beruf und helfe anderen Menschen. Mein Leid sieht niemand. Ich bin alleine. Ich habe wieder eine Partnerschaft und Kontakte zur Familie, nach so vielen Jahren. Aber niemand redet mit mir über diese schreckliche Sache. LG Bianca
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Claudia Höver aus Calw schrieb am 17.06.2023
Ich war dort mit meinem 5 - jährigen Bruder. Was ich noch weiß oder mir mein Bruder erzählt hat:
- wir wurden gezwungen Salzwasser zu trinken
- man mußte am Tisch sitzen bleiben bis der Teller leer war
- wer ins Bett gemacht hat, wurde bestraft und bloßgestellt
- wenn man krank war kam man in eine seperate Krankenstation (ich wurde gleich zu Beginn der Kur krank, habe daran aber keine Erinnerung mehr)
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Dohn schrieb am 17.06.2023
Es gibt eine klare Benennung des Verantwortlichen des Köhlbrand in St Peter Ording: Hugo Kraas. Und sein Sohn Godber Kraas. Da kann man also die Familien der Verantwortlichen dingfest machen und sie mit ihrem Vermögen zur Verantwortung und zur Entschädigung heranziehen. Enteignen. Bestrafen.
Bitte auch endlich endlich nach den "Tanten" suchen, die noch leben, und sie ebenfalls strafrechtlich für ihre Taten zur Verantwortung ziehen. Mögen sie ähnliches heute im Pflegeheim erleiden. Man sieht sich immer 2x im Leben. Ihr schlimmster Albtraum soll wahr werden. Denn den haben sie über Jahrzehnte Tausenden von Kindern selber zugefügt. Für ein Leben lang. Jetzt wird der Spieß endlich umgedreht.
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Torsten S. aus Berlin schrieb am 15.06.2023
Das Thema Kur begleitet mich schon sehr lange. Immer wenn irgendwo darüber gesprochen wurde, fiel mir sofort mein Aufenthalt dort ein. Ich sagte dann meistens, für mich war das eine Erziehungsmaßnahme getarnt als Ernährungskur. Bisher dachte ich, dass ich diese Zeit immer etwas überdramatisiert in Erinnerung habe. Bis ich auf die vielen Erfahrungsberichte gestoßen bin. Nun weiß ich, es ging scheinbar vielen anderen ähnlich. Seitdem ich dies nun weiß, lässt mich das Thema nicht mehr los. Daher habe ich beschlossen, meine Erinnerungen mitzuteilen.

In Meura war ich von Oktober – November 1988 mit damals 10 Jahren. Ich weiß noch, dass irgendwann vorher in der Schule Ärzte waren, die uns alle einzeln anschauten und mit uns redeten. Dort wurde ich damals, soweit es mir in Erinnerung ist, gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mal zu einer Kur zu fahren. Ich weiß noch, dass ich fragte, wie lange denn so was dauert und ich trotz der gesagt bekommenen Aufenthaltszeit die Frage dann scheinbar bejahte. Da ich auch schon im Ferienlager sehr starkes Heimweh hatte, hätte ich wohl besser nein sagen sollen. Ob meine persönliche Entscheidung Einfluss auf den anstehenden Kuraufenthalt hatte kann ich nicht sagen. Meine Eltern wissen leider auch nicht mehr wie genau das damals eigentlich zu Stande kam.
Wie schnell die Entscheidung viel kann ich nicht mehr genau sagen, aber es ging wohl recht schnell. Ein weiterer Freund aus meiner Klasse und ich wurden für eine Kur ausgewählt. Aus heutiger Sicht wohl eher wegen des schlechten Betragens in der Schule als wegen schlechter körperlicher Entwicklung. Den genauen Grund weiß aber leider niemand mehr sicher.

Am Abfahrtstag wurden wir in Berlin-Lichtenberg in Reisebusse gesetzt und führen dann etwa 7 Stunden bis nach Meura. Ich kann noch gut die Tränen in den Augen meiner Mutter sehen, als der Bus losfuhr.
Als wir angekommen waren, sind wir mit unseren Reisetaschen auf unsere Zimmer gegangen und haben die Taschen ausgepackt. Dabei wurden uns alle Süßigkeiten, die wir mitbekommen haben, abgenommen. Soweit ich mich erinnere, wurden diese auch nicht mehr zurückgeben. Als Ausgleich gab es einmal die Woche ein Riegel von einer Tafel Schokolade. Ansonsten gab es noch manchmal zum Frühstück Marmelade. Diese durfte man mit Knäckebrot essen, jedoch nur, wenn man zuvor zwei Schwarzbrotstullen gegessen hatte. Was ich in diesen Zusammenhang sehr lecker fand, war das Müsli, was wir dort bekommen haben. Das Rezept wurde in unser "Büchlein" geschrieben. In dieses Büchlein würden u.a. auch unsere wöchentlichen Verhaltensbewertungen eingetragen.

Wenn man artig war, hat man ein rotes Halstuch eingetragen bekommen, ein blaues gab es für "normales" Verhalten und für schlechtes Betragen hat man, zumindest hab ich es so in Erinnerung ein schwarzen Halstuch oder auch gar keins bekommen. Ebenso wurden dort Tadel vermerkt. Ich habe mindestens einen bekommen und man hat mir gesagt, dass dieser in die Schulakte übernommen wird. Den Tadel hab ich übrigens nicht ganz unberechtigt dafür bekommen, weil ich lose Steine beim Wandern den Hang heruntergestoßen habe. (das hätte eine Gefahr für andere Wanderer weiter unten sein können) Dieser Tadel und die fast immer sehr schlechten Wochenbewertungen in meinem Heft haben dazu geführt, dass ich aus Angst vor Strafe dieses unmittelbar nach meiner Ankunft zu Hause in der Mülltonne unserer Nachbarn entsorgt habe. Heute würde ich gerne noch einmal hinein schauen, was natürlich leider nicht mehr möglich ist!
Ich kann mich auch entsinnen, dass Kinder, die blaue und rote Halstücher bekommen haben, sonntags Fernsehen durften. Einmal muss ich es auch geschafft haben, vermutlich zum Schluss hin, da ich mich auch an eine Fernsehstunde erinnere. Es war jedenfalls etwas Besonderes, wenn man das durfte.
Das Verhalten wurde, soweit ich das noch weiß, täglich bewertet. In meinen Erinnerungen gab es jeden Tag Punkte, die am Ende einer Woche die entsprechenden „Halstücher“ ergaben.

Dass es bei der Kur unter anderem um „korrekte Ernährung“ ging, hab ich so auch in Erinnerung. Wie uns das damals jedoch vermittelt wurde, ist für mich bis heute eine Erfahrung, die ich nicht vergessen kann.
Einmal gab es Rosenkohl zum Mittag und diesen möchte ich überhaupt nicht. Ich wollte ihn nicht essen, was den Erzieherinnen überhaupt nicht gefallen hat. Also sagten sie zu mir, dass ich solange vor dem Teller sitzen bleiben müsse, bis ich alles aufgegessen habe. Ich habe dann Rest des Tages im Essensraum verbracht, aufgegessen habe ich trotzdem nicht. Irgendwann so gegen 18 Uhr bin ich dann weinend in mein Zimmer gegangen. Bevor ich aber den Essensraum verlassen habe, kam meine damalige Kurfreundin Betty zu mir und hat versucht, mich zum essen zu überreden. Ich habe daraufhin vielleicht zwei kalte Rosenkohle gegessen, was die Erzieherin immerhin bewegt hat, mich dann gehen zu lassen.

Meine Kurfreundin hat mir damals sehr geholfen. Wenn ich geweint habe, hat sie mich oft getröstet. Ich weiß noch, dass ich oft sehr starkes Heimweh hatte. Sie war eine von den älteren Kindern, ich glaube, sie war damals schon 14, sicher weiß ich es aber nicht mehr. Sie schrieb mir, während unserer Zeit dort viele Briefe, die ich leider irgendwann mal verlegt oder weggeworfen habe. Wie diese Freundschaft zu Stande gekommen ist weiß ich nicht mehr genau. Ich glaube sie hatte einfach Mitleid mit mir, da ich oft sehr traurig war.

Eine andere Sache, die ich sehr schlimm fand, war das kontrollierte Briefe schreiben. Ab und zu durften wir Briefe an unsere Eltern schreiben. Jedoch durften wir nur positive Sachen schreiben. Einige Dinge, die wir schreiben sollten, wurden an die Tafel geschrieben. Nachdem die Briefe fertig geschrieben waren, wurden sie von der Erzieherin gelesen. Wenn wir von Heimweh oder schlechten Erfahrungen geschrieben haben, wurde der Brief einfach zerrissen. Irgendwann habe ich diesen Betrug verstanden und nur noch Positives geschrieben, so hatte ich zumindest das Gefühl, Kontakt zu meinen Eltern zu haben.
An die strenge Nachtruhe kann ich mich auch noch recht gut erinnern. Wir mussten immer sehr zeitig ins Bett und wollten noch gar nicht schlafen. Wer beim quatschen erwischt wurde, wurde ermahnt. Beim zweiten oder dritten Mal durfte man dann im Flur schlafen.
Ansonsten kann ich mich leider kaum an unseren Tagesablauf erinnern. Wandern waren wir auf jeden Fall recht häufig.
Was mir aber noch einfällt, nachdem ich wieder zu Hause war und in die Schule ging, war ich darüber so froh, dass ich am Ende der ersten Schulwoche in Betragen eine zwei bekommen habe. Was ich vorher sowie danach nie wieder geschafft habe. (Damals gab es noch wöchentlich Noten für Betragen, Ordnung, Fleiß und Mitarbeit)

Rückblickend würde ich heute sagen, ich fühlte mich damals eingesperrt, hilflos, ausgeliefert und allein gelassen.
Es sei aber auch gesagt, dass sicher nicht alles schlecht war, es gibt ja auch schöne Erinnerungen, wie z. B. die an meine damalige Kurfreundin.
Trotzdem verbinde ich bis zum heutigen Tage mit dem Thema Kur hauptsächlich negative Gefühle. Auch heute noch würde ich nicht freiwillig zu einer Kur fahren. Zudem esse ich bis heute kein Rosenkohl, ich hasse ihn förmlich.
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Barbara schrieb am 15.06.2023
Ich war 1983 als junge Erzieherin kurzzeitig im Haus am Schmalensee angestellt. Es war meine erste Stelle. Ich kam aus Hessen und wollte unbedingt in Bayern arbeiten. Das Arbeitsamt hat mich dann ins Haus am Schmalensee vermittelt. Die Zustände dort waren das Schlimmste, was ich je erlebt hatte. Als ich angereist bin, wusste niemand was von mir und es war dem vorhandenen Personal nicht klar, was ich eigentlich machen sollte. Wie sich herausgestellt hat, war zu dieser Zeit die einzige ausgebildete Erzieherin dort. Für mich war keine Unterkunft vorbereitet. Ich war fassungslos über diese "Begrüßung" aber noch viel mehr entsetzt, über die Art und Weise, wie die Kinder dort behandelt wurden. Das Haus lag idyllisch aber es wurde von einem Regime von herzlosen, bösartigen und sadistischen Personen geführt, die nicht nur die Kinder, sondern auch das "niedere" Personal unterdrückt haben. Alleinherrscher war Dr. Häußler, ein herrischer, hoch aggressiver, arroganter Lebemann, der sich gerne ahnungslose Praktikanntinnen aus anderen Bundesländern vermitteln liess, die er ausbeuten konnte und die z.B. auch sein Privathaus putzen mussten. Er hat Ihnen die Entlohnung damals nicht ausgezahlt und sie so unter Druck gesetzt. Die Mädchen waren noch ganz jung und nervlich fix und fertig. Sie hatten Angst vor dem Mann. Ich war damals 20 Jahre alt und sollte 50 Jungs im Alter von 5- 15 Jahren zu betreuen. Die jüngeren Kinder, haben immerzu geweint vor Heimweh. Ich war den ganzen Tag damit beschäftigt zu trösten und irgendwie zu helfen, dass es Ihnen ein bisschen besser geht. Sie haben mir so leid getan. Viele Kinder kamen aus Norddeutschland um sich im Bergklima zu erholen. Sie waren alleine, weit weg von den Eltern und waren diesem Despoten und seinen Gehilfen ausgeliefert. Unter- und übergewichtige Kinder mussten im gleichen Raum essen. Für die übergewichtigen Kinder gab es sehr karge Mahlzeiten und sie mussten mit ansehen, wie die anderen normale Portionen bekamen, während sie selber kaum was bekamen. Sie wurden von Dr. Häussler auch geschlagen. Ich habe ihn dabei nie gesehen aber die Kinder haben es mir erzählt. Es war wie in einem schlimmen Gefängnis. Einmal in der Woche mussten die Kinder ihren Eltern schreiben. Diese Briefe sollte ich lesen und auf negative Kommentare prüfen. Wenn ein Kind schlechte Sachen über das Heim geschrieben hat, durfte der Brief nicht versendet werden. Es sollte nochmal neu schreiben, so lange, bis keine negativen Dinge mehr drin standen. In der Freizeit sollte ich mit der riesigen Gruppe täglich an einen nahegelegenen kleinen Badesee gehen. Der Weg dorthin führte durch ein Übungsgelände der Bundeswehr. Da fuhren Militärfahrzeuge herum und bewaffnete Soldaten machten militärische Übungen. Ich bin zu Tode erschrocken, als mir bewusst wurde, in welcher Gefahr ich mit den Kindern war. In diesem Heim gab es auch ein Schwimmbad. Eigentlich eine gute Sache, aber wegen dem fehlenden Personal, wurde die älteren Jungen dazu bestimmt Aufseher zu sein. Sie waren sich in kurzer Zeit ihrer Macht bewusst und haben dann die anderen gequält, sie nicht aus dem Wasser gelassen usw. Als ich dazu kam habe ich das unterbunden, aber die Tatsache, dass die Älteren die Jüngeren so unterdrücken war unerträglich für mich. Ich war die meiste Zeit alleine mit den Kindern. Die älteren Jungs sind jeden Tag abgehauen und haben irgendwo im Wald geraucht und ihr eigenes Programm gemacht. Ich hab sie gelassen, weil ich nicht alle überwachen konnte und ich einfach das Leid der Jüngeren so gut es ging lindern wollte. Besonders am Abend war es so schlimm, wenn sie alle in ihren Betten lagen und so viele geweint haben. Ich hab ihnen Geschichten erzählt und gesungen, damit sie sich beruhigen und immer wieder versucht Mut zu machen, dass sie ganz bald wieder nach Hause fahren. So viele Kinder alleine zu beaufsichtigen war eine Zumutung und aufsichtspflichttechnisch absolut nicht zulässig. Ich habe das immer wieder gesagt, aber es hat niemanden interessiert.

Manchmal war ein zwielichtiger Helfer dabei, der mir erzählte, dass er auch bei der Polizei gut bekannt sei. Ich war geschockt. Ich habe mehrfach versucht mit Dr. Häussler zu sprechen, aber er hat dann immer versucht auch mich zu demütigen und gesagt, wie dumm und naiv ich sei. Ich habe deutlich gemacht, dass ich unter diesen Umständen nicht arbeiten kann und zumindest Spielsachen und Materialien brauche um die Kinder zu beschäftigen. Er hat mich ausgelacht und verspottet. Er wollte mich zwingen den Arbeitsvertrag zu unterschreiben und hat gesagt ich sei, wegen der Vermittlung durch das Arbeitsamt dazu verpflichtet zu unterschreiben. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschieden zu gehen. Ich konnte einfach nicht mehr. Das Haus in dem ich untergebracht war wurde abends abgeschlossen. Ich bin mit meinem Koffer am frühen Morgen aus dem Fenster geklettert und nach Mittenwald gelaufen. Vorn dort aus habe ich Dr. Häussler aus einer Telefonzelle angerufen und gekündigt. Er hat getobt, mich angeschrien und gedroht er bringe mich vor Gericht. Ich hab einfach aufgelegt und bin direkt zur Polizei gegangen. Dort wollte Anzeige erstatten. Die Polizisten haben sich meine Geschichte angehört und gesagt es sei bekannt, dass Dr. Häussler ein schlechter Mann sein. Niemand aus der Umgebung wolle da arbeiten, darum hole der Doktor immer Leute von weiter weg. Ich konnte keine Anzeige machen, weil ich selber keine tätliche Gewalt gesehen oder erlebt hatte. Das habe ich bis heute nicht vergessen. Niemand hat geholfen, obwohl man wusste, was dort läuft. Ich bin mit dem Zug nach Hause gefahren. Wochenlang habe ich überlegt, was ich machen kann um dem Leid dort ein Ende zu setzen. Ich habe mit Krankenlassen telefoniert um darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Heim die Hölle für Kinder ist, aber es hat nicht wirklich interessiert. Vor ein paar Jahren war ich in Mittenwald im Urlaub und bin nochmal an den Schmalensee gefahren. Das Kinderheim ist seit langen geschlossen und die Häuser schienen verfallen. Gut so. Es soll zu Staub zerfallen. Es war ein schrecklicher Ort.
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Werner B. schrieb am 14.06.2023
Bin 1966 für 6 Wochen zur Kur gefahren, weil ich seinerzeit ein schmächtiges Kind war. Diese wurde durch die seinerzeitige Deutsche Bundespost organisiert. Treffpunkt war der Hbf Köln gewesen, wohin mich mein Vater begleitet hat. Von dort aus wurden wir mit dem Sonderzug nach Wilhelmshaven und mittels Schiff/Fähre nach Borkum gebracht.
Ich habe auch hier nur die besten Erinnerungen, wir wurden stets freundlich und überaus liebevoll behandelt. Meine Mutter sagt heute noch (ich bin 61), dass ich bei der Rückkehr so viele neue Lieder singen konnte. Die einzige negative Erfahrung war, dass es immer süßen Salat gab. Scheinbar war dies auf Borkum Gang und Gebe. Aber dies kann man sicherlich vernachlässigen 🙂 Diese Zubereitungsart mag ich aber heute noch nicht 🙂
Mein Aufenthalt in Borkum ist bis heute in sehr guter Erinnerung. Leider weiß ich nicht mehr den Namen der Klinik.
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Werner B. schrieb am 14.06.2023
War 1973 in der Bergklause, weil ich damals ein schmächtiger Junge war. Ich habe nur die besten Erinnerungen an eine sorgenfreie und gut behütete Zeit, vor allem aber an Schwester Maria. Sogar als nach zwei Wochen die Windpocken auftraten, fühlte ich mich gut umsorgt. Alle haben sich sehr gut gekümmert.
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Delia Fuchs aus 84144 Geisenhausen schrieb am 14.06.2023
Mit ca. 5 Jahren wurde ich wegen Appetitlosigkeit und gehäuft auftretender Mandelentzündungen zur 6 Wochen Kur verschickt. Es ist mir ohnehin unbegreiflich, wie man ein so kleines Kind ganz allein so weit (von München) mit dem Zug (an die Nordsee) ins Ungewisse schicken kann. Jedenfalls musste ich dort, weil mir versehentlich die Puppe aus dem Bett gefallen war und aus ihr „Mama“ ertönte, die ganze Nacht auf dem kalten Flur (Dezember) sitzend verbringen. Die Puppe bekam ich erst am Abreisetag wieder zurück. Die Aufseherinnen hab ich als sehr streng und empathielos erlebt. Ich habe alles jahrelang verdrängt, aber durch eine Veränderung in meinem Leben arbeite ich das jetzt alles auf.
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Dohn schrieb am 14.06.2023
Wieso wird nicht mit Hochdruck nach noch lebenden BetreuerInnen gesucht und diese werden zur Rechenschaft gezogen? Wieso schaut man nicht, welche Familien von den Verschickungskindern profitiert haben und entzieht das Vermögen, um zu entschädigen. Bei Heimen auf den Nordseeinseln ist das möglich.
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Karin-Maria Schäfer ehem. Leisegang aus Waldschmidtstr. 7 in 94252 Bayerisch-Eisenstein schrieb am 12.06.2023
Ich bin nicht einfach so nach St. Peter Ording (SPO) gefahren, das war seit etlichen Jahren mein Plan, um dort aufzuarbeiten, was ich erlebt habe. Doch dadurch ich meine Mutter pflegte, ist mir das noch nicht gegönnt worden. Ich könnte sie nicht solange alleine lassen und schade, dass sie nicht dabei sein konnte. Es wäre wohl heilsamer gewesen.
Kennst Du die Geschichte der Verschickungskinder (VSK)???
VSK wurden von 1948 bis einschl. ca 1991 verschickt. Dort wo man die Kinder hin verschickt hatte, sollten sie genesen, dicker, oder dünner werden. Es war ursprünglich diesmal auch für Kinder aus ärmlichen Elternhaus bestimmt, wo die Eltern sich einen Urlaub an der See, oder in den Bergen, oder in einer Kurtherme für ihr Kind, nicht hätten leisten können. Damals wehrten sich die Eltern nicht gegen solche Maßnahmen. Man gehorchte den Behörden.
Ich war 5 Jahre alt, als ich verschickt wurde. Angeordnet hat das damals 1964 ein Kinderarzt. Er befand mich zu klein und zu dünn, ewig kränklich, wegen Bauchschmerzen und Stuhlproblemen.
Es war Anfang April 1964 als ich weinend am Hauptbahnhof Frankfurt am Main in den Zug steigen musste, alleine.
Den ganzen Reisewege habe ich geheult und musste wohl den anderen Mitreisekinder auf die Nerven gegangen sein. Als wir nach langer Zeit in SPO angekommen waren, nahm man uns das Gepäck ab. Wo es hinkam, weiß ich nicht. Vom Spielzeug dürfte man ein Teil behalten, ich hatte nur eine Puppe Maria dabei. Wir bekamen unser Bett zugeteilt und Abendbrot fiel wegen der Ankunftszeit aus
Am nächsten Morgen schon begann das Drama. (Ich muss dazu sagen, dass ich in diesem Alter nur Haferflockenbrei mit Kaba und keine Milch aß und trank) Meine Eltern übersandten deswegen einige Pakete Haferflocken, Zucker und Kaba, nebst Geld für die Milch, die mit dem Brei verrührt wurde. Aber am Morgen stand da eine große Eisbecher, oder Kompottähnliche durchsichtige Schale, wo ganz unten der Kaba, dann der Zucker und der Rest füllten die Haferflocken. Dazu gab es warme Milch in der Tasse, mit Haut. Gut ich fand das Zeug trocken, doch so zusammen gerührt, wie es die anderen Kinder taten, fand ich es noch ekliger. (Das Paket meiner Eltern wurde auf alle Kinder verteilt.) Man versuchte sowieso zu sparen. So aß ich nur ein bissel trockenes Zeug, aber ich trank die Milch nicht. Das bemerkte eine der Tanten, so nannten sich die Aufsicht, ich nenne sie hier Wärterin denn das ist passender. So musste ich in die Mitte des Raumes und sollte vor ihr den Becher Milch trinken und ihre bedrohliche Art das zu fördern, hat mich dazu gebracht, die Milch mit Haut zu trinken, aber.. ich musste vor Ekel mich übergeben und so landete die Milch über ihre schöne weiße Schürze. Ich bekam zur Strafe mit der Peitsche über die rechte Gesichtshälfte geschlagen. Das spüre ich Heute noch.
Ich war in SPO im Kinderkurheim Köhlbrand am Strandweg in OT Ording angekommen.
Man dürfte nicht laut sein, nicht lachen nicht weinen und und und. Man müsste spüren wie in einer Kaserne. Mir machte das nichts aus, denn Gehorsamkeit usw kannte ich. Ich hatte bloss Probleme mit dem Essen. Gut, neben mir saßen zwei Mädel, die waren zu dick, also um zum abnehmen da. Die aßen mein Essen und tranken ab da meine Milch. Ich nur einmal am Abend etwas Tee.
In der Nacht war es nicht ruhig, denn viele Kinder weinten und würden deswegen geschlagen und mir gegenüber lag ein Mädel, das ins Bett machte. Es wurde jede Nacht verprügelt mit der Peitsche und musste auf dem Boden schlafen mit nur einer Decke.
Ich weinte mit dem Mädel, aber dafür wurde auch ich verprügelt und musste am Fussende schlafen, man nahm mir die Puppe ab.
Im Waschraum hatte ich dann die ersten bewussten Misshandlungen erlebt. Das Verprügeln nahm ich nicht so wahr.
Dadurch dass ich klein war, ( sah mit 5 Jahren aus wie eine 3 jährige) kam ich nicht an das Waschbecken heran und man stellte mir ein kleines Schemelchen hin. Da kippte ich dann um und schlug an das Waschbecken und weinte. Dafür wurde ich in die Dusche gezogen, die Wärterin hielt mich fest, stellte mich darunter und duschte mich mit kaltem Wasser, dass ich keine Luft bekam, danach musste ich den ganzen Tag ohne Essen ins Bett. Ich lag da nicht alleine, das Mädel mit dem durchnässten Bett lag auch da. Aber wir mussten uns so drehen, dass wir uns nicht sagen, mussten schweigen und Augen schließen.
Das waren so die ersten Strafmaßnahmen
Eines Tages dürfte ich mit an den Strand, wir sollten Muscheln sammeln es war kalt und feucht, das Meer sehr weit weg, ich sah es nicht. Ich lieg voller Ekel in dem nassen kalten Schlick herum und suchte mit nach Muscheln und fand eine Art Traube voller Muscheln. Die wollte ich aber nicht abgeben, sondern meiner Mutter mitbringen. Als die Wärterin mich gerade wieder züchtigen wollte, rief die Andere, dass das Meer käme. Was weiß eine 5 Jährige aus Hessen, wie das Meer kommt. Ich hatte Vorstellungen von einer Art Horrorszenarium und rannte zurück zum Kinderkurheim. Aber das war nicht das, was ich hätte tun sollen. So würde ich bestraft. Ich musste für 3 Tage auf dem Dachboden. Dort saß ich, weinte, es war kalt, muffig und dunkel. Ich kann mich nur noch an alten Gerümpel erinnern, dann war alles schwarz. Ich wachte wieder auf,cals ich in einer Klinik in Heide lag, wo man mich auf päppelte. Von dort holten meine Eltern mich ab. Auf eigene Gefahr. Aber davor waren sie in dem Heim und holten meine Sachen ab. An diesem Tag aber, würde auch die Heimleitung abgeholt, verhaftet und weg.....aber nicht weil sie die Kinder misshandelten, sondern weil sie Gelder veruntreuten. (Meine Recherche) Ich fuhr nie wieder in eine Kur, Heute gehe ich in keine Reha usw, es stinkt dort nach SPO
So wie mir erging es von 1955 bis 1991 etlichen Kindern, jeder Altersstufe. Viele trauten sich nichts zu sagen, weil man drohte sie dann zu holen, oder weil man Kindern nicht glaubte. Ich schwieg, weil meine Eltern immer erzähkten, dass ich nichts essen und viel weinen würde und schwierig wäre. Aber ich hatte gute und liebevolle Eltern, ich musste niemehr weg.
Aufgearbeitet habe ich das nie. Meine Kinder mussten niemals weg, auch nicht wenn es ein Schulausflug war. Wenn die nicht wollten, blieben die zu Hause.
Doch ich vergaß SPO nicht und immer musste ich von SPO reden, sodass mein jetziger Mann endlich wissen wollte warum. Ich sprach und wir recherchierten im Netz und wurden fündig.
Bei Interesse: www.kinderverschickung.de
Es gab da noch mehr Menschen, die über ihr Schicksal sprachen und ähnliche, beinahe noch schlimmere Erlebnisse hatte, als oder wie ich.
Ich musste nach SPO und musste das Haus sehen. Es steht noch, es wurde ein Hotel und gin Pleite, es wurde ein Mutter-Kindkurheim es wurde geschlossen. Das Haus Köhlbrand steht unter keinem guten Stern. Jetzt ist es mit einem Zaun geschützt, vor Vandalismus. Es schaut aus, als stünde es hinter Gittern.
Ich habe geweint, als ich es nach 60 Jahren zum ersten Mal wieder sah, dann würde ich versöhnlicher und es wurde leichter. Jetzt tut mir das Gebäude sogar leid. Am liebsten würde ich es kaufen und ein VSK-Museum draus nachen, im alten Haus. Die anderen Trakte an Künstler freigeben, die ihre Kunst ausstellen wollen. Aber ich bin kein Millionär
Ja das Haus und ich sahen uns wieder.
Weit vorher habe ich mit Gleichgesinnten der VSK-Gruppe geschrieben, wir haben uns das Leid von der Seele geschrieben und viele haben ja ähnliche, oder schlimmere Erlebnisse gehabt. Meine Krankheit ging zurück und die Lebensqualität wurde besser. Bei mir war es wohl mehr die Psyche, die sich so belastend auf Magen-Darm auswirkte. Es geht mir etwas besser.
Unsere VSK-Gruppe kämpft nun um Anerkennung und Aussöhnung. Wir wollen keine Entschädigung, denn das Land hat Geld für Afrika, Afghanistan usw, wo nichts erreicht wird. Für uns hat es kaum ein offenes Ohr. Dabei ist es deutsche Geschichte. Man hatte ja eine gute Idee, aber das Personal fehlte dazu, denn es kamen in ganz Deutschland Kinderkurheime vor, auch in Österreich, Schweiz und Holland. Man verdiente plötzlich Geld und das würde wichtiger. Da war es egal, welche Gesinnung das Personal hatte. Es waren überwuegen Erzieherinnen, Krankenschwestern und Ärzte aus der Nazizeit. Alles hat geschwiegen, ich war nicht das einzigste Kind, das halbtot in die Klinik Jam, wegen Dehydrierung usw. Da schwiegen alle, Klinik, soziale Organisationen und die Politik. Damals sehr engagiert die FDP.
Ja so war das und somit habe ich mit meinem SPO-Besuch meinen Frieden gefunden. Vlt kommen wir ja mal wieder. Dann steht hoffentlich das Haus noch und ich besuche das Robbenarium usw. Alles was ich eben diesmal noch nicht sah. Es war trotz des Umstandes ein schöner Urlaub.
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Kalle schrieb am 12.06.2023
Drei Verschickungen und keinerlei Erinnerungen… jedoch schwere Depressionen.

Erst seit ein paar Tagen weiß ich, dass ich ein „Verschickungskind“ war. Ich wusste immer, dass ich mehrmals in Kur war, wegen meines Asthmas, das mich als Kind sehr gequält hat. Aber ich wusste nicht, dass es Millionen Kinder gab, die eine ähnliche Geschichte haben. Dass es dafür einen Begriff gibt und Selbsthilfegruppen, und dass zahllose Menschen dort traumatische Erfahrungen machen mussten und an den Folgen oft heute noch leiden.

Ich kann nicht sagen, dass ich traumatische Erfahrungen gemacht habe, schlicht und einfach weil ich keinerlei Erinnerung an diese Zeiten habe, mehr noch, ich habe so gut wie keine Erinnerungen an meine gesamte Kindheit. Meine Erinnerungen setzen ganz schwach erst irgendwo ab dem Alter von 10-13 Jahren ein. Alles, was ich über die „Kuren“ weiß, weiß ich aus Erzählungen meiner Eltern:

Ich bin Jahrgang 1964, ältestes von vier Geschwistern. Als Kleinkind hatte ich sehr schweres Asthma. Als ich fünf war, sollte ich in Kur geschickt werden, bei der Krankenkasse wurde ein Antrag gestellt, der jedoch zunächst abgelehnt wurde. Es war jedoch über das Jugendamt ganz kurzfristig ein Platz in einem Kurheim frei geworden, so dass ich kurzerhand – mit einem Vorlauf von nur drei oder vier Tagen - für vier Wochen zur Kur nach Kempten ins Allgäu geschickt wurde; ich muss gerade sechs geworden sein.

Meine Mutter äußerte dem Arzt gegenüber Bedenken, ob das für ein kleines Kind nicht zu viel sei, so lange von der Familie wegzubleiben (zumal es damals ja ein striktes Besuchsverbot in der Kur gab), aber der Hausarzt wischte die Bedenken mit einem „die Kinder kommen damit klar, die Eltern leiden viel mehr darunter“ zur Seite.

Als ich aus Kempten zurückkam, war in der Zwischenzeit der Kurantrag durch die Krankenkasse doch noch bewilligt worden, so dass ich gleich wieder weggeschickt wurde, weniger als eine Woche nach meiner Rückkehr aus der ersten Kur - diesmal allerdings für ganze sechs Wochen. Die „Verschickung“ geschah wie beim ersten Mal mit Sonderzügen der Deutschen Bahn; bei der Rückkehr nach sechs Wochen sollte der Zug morgens um halb sieben in Düsseldorf ankommen. Meine Mutter war auch pünktlich um halb sieben dort, aber der Zug war bereits eine Stunde vor der angekündigten Zeit angekommen. Alle anderen Kinder waren bereits abgeholt worden, ich war der letzte; sie musste mich bei der Bahnhofsmission abholen.

Während dieser zweiten Kur begann das Schuljahr, mein erstes, so dass ich meine Einschulung verpasst habe. Ich kam erst zwei Wochen danach zurück aus der Kur und wurde in eine Schulklasse aufgenommen.

Vier Jahre später, 1974, kurz vor meinem zehnten Geburtstag, wurde ich erneut weggeschickt, wieder nach Bad Reichenhall, und wieder für sechs Wochen. Ich habe auch hieran keinerlei Erinnerungen. (Interessanterweise hatten auch meine Eltern völlig vergessen, dass ich noch ein drittes Mal weggeschickt worden war. Wären nicht noch ein Brief und eine Postkarte von mir aus Bad Reichenhall aufgetaucht, hätte ich auch geglaubt, dass ich mir das nur einbilde. Und im Zeugnis der Grundschule sind 36 entschuldigte Fehltage, also sechs Wochen, aufgrund einer „ärztlich verordneten Kur“ dokumentiert.)

All das weiß ich nur von meinen Eltern, ich habe keinerlei eigene Erinnerungen daran. Meine Eltern leben beide noch, sind auch trotz des hohen Alters noch geistig fit und klar im Kopf. Aber das oben Geschilderte ist alles, woran sie sich im Zusammenhang mit meinen Verschickungen erinnern können. Ich weiß nicht, ob sie damals zu sehr mit meinen Geschwistern oder anderen Dingen beschäftigt waren, aber sie können mir nicht sagen, wie ich war, als ich aus den Kuren zurückkam, ob ich verändert war, was ich damals erzählt habe, ob ich überhaupt etwas erzählt habe.
Als ich sie jetzt darauf ansprach, dass ich Berichte über ausgeübten Zwang, körperliche Züchtigungen, sogar sexuellen Missbrauch gelesen habe, sagte mein Vater nur: „Das war damals eben so.“ Sie haben es selber nicht anders erlebt (bis auf den sexuellen Missbrauch, vermute ich). Rückblickend bedauern sie, was damals geschah, aber sie hätten es damals nie in Frage gestellt – sie sind gute und anständige, aber eher einfache Menschen und sehr obrigkeitshörig.

Es ist noch nicht einmal sicher, dass ich tatsächlich in Kempten war oder ob nur der Zug bis Kempten fuhr und es von dort aus weiterging, wie andere Betroffene geschrieben haben. Nur von Bad Reichenhall steht fest, dass es die „Asthma-Kinderheilstätte“ in der Kurfürstenstraße war, weil das auf der Postkarte stand.

Es gab Fotos, an die ich mich erinnere, die leider verschollen sind; Ausflüge in die Berge, aber ich habe eben nur Erinnerungen an die Fotos, nicht an die Ereignisse selber.

Wie gesagt, an die gesamte Kindheit habe ich so gut wie keine Erinnerungen, erst recht keine an die „Kuren“. Da, wo die Erinnerung einsetzt - also ungefähr mit Beginn der Pubertät – litt ich wohl schon an Depressionen. Ich bin heute noch schwer depressiv, habe lange Phasen der Arbeitsunfähigkeit hinter mir und einen SB Status. Die genauere Schilderung meiner Depressionsgeschichte erspare ich mir hier, das würde den Rahmen vollends sprengen …

Ich habe schon lange vermutet, dass die „Kuren“ eine Rolle hierbei spielen. Wenn ich mir vorstelle, dass ein kleines Kind von fünf Jahren vier Wochen lang alleine weggeschickt wird, dann wieder zurückkommt und dann sofort wieder für sechs Wochen weggeschickt wird, und dann bei der Rückkehr noch eine Stunde lang alleine am Großstadtbahnhof steht, und das als Dorfkind, dann kann ich mir kaum vorstellen, wie es dem Kind damit gehen mag – das alleine reicht schon als Trauma. Die bloße Vorstellung davon berührt allerdings nichts in mir, das ist für mich ganz abstrakt und hat nichts mit mir zu tun.

Wenn ich nun aber in den Berichten anderer Betroffener lese, was vor Ort in den „Kuren“ anscheinend Alltag war, dann wundert mich nicht, dass ich alles vergessen - oder besser: verdrängt - habe, und dann liegt der Verdacht zumindest sehr nahe, dass hier der Grund für meine Depressionen liegt.

Meine Therapeutin rät mir nicht zu, tiefer zu graben, sie meint, dass die Psyche einen guten Grund habe, warum sie das verschlossen hält. Und trotzdem will ich wissen, was damals passiert ist – schlimmer kann es für mich ohnehin kaum kommen.

Wer war im August/September 1970 und im Mai 1974 in der „Asthma-Kinderheilstätte“ in Bad Reichenhall und kann davon berichten? Gab es 1970 in Kempten eine derartige Einrichtung für asthmakranke Kinder? Oder wer war dort in der Nähe und kann etwas hierüber erzählen?
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René S. aus Sebnitz/Sachsen schrieb am 12.06.2023
Ich war als 11-Jähriger, von Geburt an gehbehindert, in einem DRK-Ferienlager in Großenhein (Sachsen), 14 Tage lang. Ganz schlimm (: wir wurden toll verpflegt, gingen jeden Tag baden, konnten am Fenseher die Mondlandung miterleben, haben jede Menge Spiele gemacht, und ich gewann den ersten Preis bei einem Preisausschreiben, worauf ich richtig stolz war. Ich habe wunderbare Freundschaften geschlossen, sodass ich beim Abschied geheult habe. Ein Gruppenfoto hab ich noch. Es war so toll, dass ich im Folgejahr wieder 2 Wochen beim DRK Ferien machte.
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Bernd B. aus Velbert schrieb am 10.06.2023
Wir waren weder übergewichtig noch unterernährt. Vielleicht dachten unsere Eltern, es sei eine gute Idee und ein paar Wochen an der See täten uns gut - oder wollten einfach mal ein bisschen Zeit für sich haben. Sie schickten uns zur Kinderkur für sechs Wochen nach Sylt. Sylt - heutzutage ein Traum - damals für uns drei Geschwister ein Alptraum.

Ich bin der Jüngste der drei, bin 1966 geboren, meine Schwester ist Jahrgang 1965 und mein Bruder 1962. Bis heute ist uns der damalige Aufenthalt auf Sylt in Erinnerung geblieben. Es sind alles andere, als schöne Erinnerungen. Nach nun über 50 Jahren ist leider (oder Gott sei Dank?) nicht allzu viel hängen geblieben. Doch das, was noch präsent ist, ist durchweg negativ und verstörend. Rückblickend muss man sagen, dass man sich leider nicht immer zweimal im Leben trifft.

Leider wissen wir nicht mehr, in welcher Einrichtung wir waren oder um welchen Träger es sich handelte. Aus der Erinnerung heraus und nach einer Internetrecherche könnte es das Kurt-Pohle-Heim der AWO in Westerland gewesen sein. Es hatte einen kleinen Anbau im Eingangsbereich, in dem wir uns bei Bedarf die dort befindlichen Gummistiefel und Regenjacken angezogen haben - oder angezogen bekommen haben - inklusive einer großen Portion Creme, die uns per Wattestäbchen in die Ohren bugsiert wurde.

Auch, wenn ich mich an körperliche Gewalt oder sexuelle Übergriffe (wie andere berichten) nicht erinnern kann, eine Art der psychischen „Misshandlung“ ist hängengeblieben. Schließt das das Andere zwangsläufig aus?!
Vielleicht liegt es daran, dass ich erst ca. sechs Jahre alt war, vielleicht ist es aber auch eine Art Selbstschutz des Körpers, dass er sich nicht mehr an alle Details erinnern kann oder möchte. Mein Bruder zumindest (er ist vier Jahre älter) kann sich auch nur nebulös und schemenhaft an diese Zeit erinnern. Fakt ist, der Gedanke an diesen Aufenthalt löst bei uns rein gar nichts Positives aus - die wenigen Erinnerungen sind auch heute noch durchweg extrem negativ behaftet. Das wird wohl seine Gründe haben.

Ich erinnere mich ein wenig an den Schlafraum, in dem ich untergebracht war. Ich lag im unteren Teil eines Etagenbettes links neben der Zimmertür - meist weinend - und weiß noch, dass man stets mit dem Gesicht zur Wand liegen musste. Einmal Schlafenszeit, musste absolute Ruhe herrschen. Kein Muks! So lange man nicht schlief, war nicht einmal das Umdrehen im Bett gestattet. Eines Abends fiel das Stoff-Kuschel-Tier des Jungen, der in meinem Etagenbett oben lag, herunter - es war ein kleines Eichhörnchen. Ich stieg aus dem Bett, hob es auf und gab es ihm. In diesem Moment ging die Türe auf und ich wurde auf frischer „Tat“ ertappt. Jegliche Erklärungen und regelrechtes Flehen meinerseits bewirkten nichts und führten schlussendlich dazu, dass ich stundenlang im Treppenhaus auf halber Etage mit dem Gesicht zur Wand, die Arme ausgestreckt, in einer Ecke stehen musste. Ich weiß nicht, wie lange ich dort stand. Auch weiß ich nicht mehr, ob es über den gesamten Zeitraum insgesamt bei dieser einen Bestrafung geblieben ist.

Vor dem Schlafengehen musste der Toilettengang erledigt werden - denn, wer bis zur Schlafenszeit nicht war, durfte auch nicht mehr. So kam es, dass ich einmal nachts das „große Geschäft“ verrichten musste. Ich weiß noch, wie ich mich aus dem Zimmer geschlichen und mit dem Rücken an der Wand entlanghangelte und heilfroh war, die Toilette erreicht zu haben, ohne erwischt worden zu sein. Leider befand sich auf der Toilette kein Klopapier. Vielleicht wurde dieses zur Schlafenszeit absichtlich entfernt!? In meiner Not benutzte ich den Bodenwischer (Aufnehmer). Ich kann mich allerdings nicht mehr erinnern, ob diese Aktion eine Bestrafung oder sonstiges nach sich zog.

Das Essen muss grausam gewesen sein. Auch, wenn ich mich nur an eine, mich betreffende Situation erinnern kann, so sind mir reihenweise, sich übergebende Kinder im Gedächtnis geblieben. Eines Nachmittags gab es Hefeteilchen. Nach dem ersten Bissen verweigerte ich den weiteren Verzehr, wurde aber gezwungen, das Teilchen aufzuessen. Der Zuckerguss schmeckte nach Kerzenwachs - will heißen, er schmeckte so, wie frisch ausgepustete Kerzen riechen.

Briefe und Karten von zuhause wurden im großen Speisesaal laut vorgelesen. Fotos wurden nicht gemacht. Hat man selber welche gemacht, wurden die Filme eingezogen mit dem Hinweis, man würde diese für uns entwickeln lassen und uns zuschicken. Es kam nie etwas an.

Abschließend möchte ich erwähnen, dass ich mich nicht erinnern kann, während dieser Zeit überhaupt Kontakt zu meinen Geschwistern gehabt zu haben. Rückblickend fühlte ich mich durchweg allein und im Stich gelassen. Dies wäre nicht vielleicht so ausgeprägt gewesen, wären wir „zusammen“ da durch gegangen.

An mehr kann ich mich leider (oder Gott sei Dank) nicht erinnern. Ich vermute, dass tief im Innern noch einiges schlummert. Zu negativ sind die Erinnerungen - nichts, rein gar nichts Positives.

Ich wurde einmal gefragt, ob ich mir vorstellen kann, dass das Erlebte mein späteres Leben beeinflusst / geprägt hat. Das ist eine interessante Frage, die ich nicht beantworten kann. Vielleicht habe ich - aus Sicht anderer Leute schlechte, nervige Angewohnheiten und Macken, oder gar gewisse Ängste, Manien oder Phobien, die ich ohne Sylt heute nicht hätte. Auch fällt es mir bisweilen schwer oder empfinde ein unwohles Gefühl dabei, andere Menschen kennenzulernen. Und so dauert es mitunter eine Weile, bis ich mit jemandem „warm“ geworden bin.
Auch nach nunmehr über 50 Jahren stellt man sich die Frage, ob man vielleicht ein anderer Mensch geworden wäre, wäre einem dieses „Erlebnis“ erspart geblieben?!
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Claudia schrieb am 09.06.2023
Das erste Mal sprach ich mit meinem Vater über das auf Wangerooge erlebte, als wir gemeinsam mein bestandenes Physikum feierten -da war ich 23 Jahre alt. Er versicherte, wenn er dies gewusst hätte, hätte er mich sofort dort abgeholt. Das wusste ich auch als kleines Kind, aber: mir war klar, dass er zu lange Zeit benötigte, um mit dem Auto von Hamburg nach Wangerooge zu fahren und befürchtete, von den "Tanten" (tot-)geprügelt zu werden. Vor kurzem sah ich einen Fernsehbeitrag zu diesem Thema und dachte: "das ist genau meine Geschichte"! Gern möchte ich mehr über die Aufarbeitung erfahren. Mein ganzes Leben lang war ich beeinträchtigt und fühlte mich minderwert!
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W.R. aus Hannover schrieb am 08.06.2023
W.R.
geb. 1949
Einschulung Hannover- List, 1956
Ärztliche Untersuchung: zu Dünn
Kinderland - Verschickung: Aufpeppen
kleines Kinderlandheim.
Nach der ärztlichen Voruntersuchung und allen Impfungen ( etc.) wurde ich als Unterernährt befunden und zum Aufpeppeln nach Langeoog geschickt.
Meine Mutter brachte mich mit dem armseligen Koffer zum Setra Bus. Eine hübsche blonde Gruppenleiterin,
mit blauen Augen, hielt die Kinder im Griff.
Es ging an die Nordsee. Mit dem Schiff wurde nach Langeoog übergesetzt. Die Möwen begleiteten uns.
Anschließend ging es weiter mit der Inselbahn zum Landheim. Schwestern in weißen langen Schützen empfingen uns und es ging ins Obergeschoss zum auspacken in ein kleinen Spind. Das kleine Landheim mit den vielen weißen Fenstern mit Butzenscheiben sah heimelig aus. Es folgte das Abendessen im großen Saal mit Reihentischen auf Bänken. Graubrot fertig geschmiert mit Teewurst und Leberwurst auf Tablets standen auf den Tischen. Dazu gab es Früchtetee aus großen Blechkannen . Die erste Nacht habe ich fremd mit Heimweh verbracht. Aufstehen um 7:00 Uhr, waschen im Waschraum, anschließend Frühstück. Diesmal stand Graubrot mit Erdbeermarmelade gestapelt auf dem Tablet auf dem Tisch. Die Schwestern mit den weißen Schürzen legten die Brote auf meinen Teller. ISS mein Junge, daß du groß und stark wirst. Die Dicken Kinder in der Reihe hinter mir sollten abnehmen und nahmen gern die nicht geschafften Scheiben Brot an. Anschließend gab es die Wanderung über die Insel.
Das Mitttagessen war recht einfach. Viel Kartoffeln mit Gemüse, manchmal mit Fleisch. Graupensuppe wechselte mit Bohnen- oder Erbsensuppe.
Spiele im Hausgarten folgte. Manchmal kam Heimweh auf. Die Schwestern waren streng. Im Waschraum wurde das spritzen mit Wasser regide bestraft. Die Teilnahme am Anschlussfest wurde mit Verbannung ins Bett, sowie mit Entzug der kleinen kleinen Schokolade geahndet. Das tat weh und ließ das kleine Herz krampfen. Die Tränen rollten. Die Springflut war ein Ereignis und der starke Wind beeindruckte mich sehr.
Dann kam der Abschied. Der Koffer war gepackt und die Schwestern winkten mit weißen Bettlaken uns nach.
Zugfahrt zum Schiff, dann zum Bus. Keine blonde Betreuerin mit hübschen blauen Augen auf der Rückfahrt.
Anschließend die Schuljahre. Kinder der Reichen und der Akademiker kamen aufs Gymnasium, wir in die Lehre und anschließend auf den 2. Bildungsweg.
Vati, nach dem Krieg mit nur noch einem Arm, brachte die Familie gut durch die Aufbaujahre. Zu vererben gab es nichts.
Gerackert, malocht, Haus gebaut und den Eindruck, nur verarscht worden zu sein. Deutschland ist kein Kinderland.
Bisschen Wehmut, und die Erinnerung an eine hübsche blonde Gruppenleiterin mit schönen blauen Augen.
W.R.
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Kay B. aus Lippetal schrieb am 08.06.2023
Sylt, irgendwann um 1970

Es ist seltsam, wie viele andere auch, kann ich mich an das Jahr nicht mehr erinnern. Meine zwei Geschwister, die mit mir zusammen in Westerland waren, ebenfalls nicht.
Es gibt keine Aufzeichnungen oder Fotos, sodass wir nicht einmal wissen, in welchem Haus wir untergebracht waren. Alles liegt in dichtem Erinnerungsnebel.

Woran ich mich allerdings gut erinnere: Die Betreuer nannten sich „Moniteure“ also Beobachter. Sie taten jedoch deutlich mehr als zu beobachten. Sie wiesen an. Und zwar unmissverständlich.

Das Essen fand in einem großen Saal statt und es hatte zwei große Nachteile:
1. Es war widerlich
2. Es musste aufgegessen werden
Ich erinnere mich, dass ich große Teile ohne zu kauen einfach herunter gewürgt habe.

Die Nachtruhe begann recht früh und durfte niemals unterbrochen werden. Kein Sprechen, kein Licht.
Drang aus einem der Schlafräume ein Laut, stand auch prompt ein Moniteur im Raum, zog uns aus dem Bett und man durfte barfuss im Flur für eine unerträglich lange Zeit vor der Wand stehen. Lehnte man sich an, musste man zudem noch die Arme ausstrecken.

Die Morgenhygiene fand in einem Raum statt, der mich stark an den Waschraum bei der Bundeswehr erinnerte. Lange Reihen, altertümliche, durchgehende Waschbecken. Anweisung von oben:
„Ihr putzt solange, bis Blut auf der Zahnbürste zu sehen ist“.

Die Toiletten waren ein graus. Ich kann mich nicht erinnern, ob sie nur nicht gereinigt wurden oder irgendwelche Kinder ihr Geschäft im ganzen Raum verrichteten. Jedenfalls bin ich maximal einmal in der Woche dort gewesen und bin somit jedes mal knapp um einen Darmverschluss herumgekommen.

Pakete wurden stets geöffnet übergeben, ob sie vollständig waren, kann ich nur vermuten. In meiner Erinnerung eher nicht.

Auf dem Innenhof befand sich ein Spielplatz.

Ich erinnere mich noch daran, dass ich mit meinem Hass auf diese Anstalt nicht alleine war. Denn wir haben mal das altbekannte „in der Heimat ist es doch am schönsten“ gesungen, was wiederum mit härteren Strafen geahndet wurde.

Wenn jemand mit 7-8 Jahren gute sechs Wochen lang auf Sylt war, sollten doch auch schöne Erinnerungen zu finden sein… Da ist nichts. Auch keine weiteren Details.
Ich weiß, tief in meinem Inneren, dass da noch viel mehr war. Aber auch das ist wie ausgelöscht. Oder aus Selbstschutz verdrängt.

Als wir dann endlich wieder zu Hause waren, wurden unsere Erlebnisse als übertriebene Schauermärchen abgetan. Niemand glaubte uns und so teilten wir Drei diese Erfahrungen ganz alleine. Bis heute.

Es hat allerdings mein Leben klammheimlich und maßgeblich mit geprägt. Sei es, wenn es um die Auswahl meines Essens geht, sei es in größeren Gruppen unterwegs zu sein oder Vertrauen aufzubauen.

Als meine Einberufung zur Bundeswehr kam und ich am Bahnsteig auf dem Weg nach Hamburg stand und abends dann in die Kaserne musste, kamen einige Erinnerungen zurück. Ich fühlte mich plötzlich wieder wie der Siebenjährige:

Ausgeliefert. Ungewiss. Allein. Misstrauisch. Drangsaliert.

Diese Zeit wurde dann allerdings deutlich schöner als meine Sylt-„Erholung“. Und das soll was heißen…
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R.S. aus Pforzheim schrieb am 07.06.2023
Hallo
Auch ich hatte die " Ehre " in Friedenweiler mindestens 6 Wochen ( oder auch länger ) zu verbringen. Ich hatte diese schreckliche Zeit für Jahrzehnte verdrängt. Durch Zufall kam ich auf diese Seite und alles kam wieder hoch. Das war vor ein paar Wochen. An Vatertag unternahm ich mit einem Kollegen eine Motorradtour für 4 Tage in den Schwarzwald. Freitags fuhren wir auf meinen Wunsch nach Friedenweiler. Schon als ich das Gebäude von oben sah schnürte es mir den Hals zu. Alle Erinnerungen waren wieder da. Die Erniedrigungen, Ängste und Quälereien. Wir durften leider nur in einen kleinen Bereich des Gebäudes. Darin hingen Bilder die meine Erinnerung noch verstärkten.
Besonders ein Bild fand ich verhönend, es stand darunter " Die ungeliebte Liegekur". Es war nichts anderes als Zwangsschlafen mit Androhung von Schlägen. Ich hätte nie gedacht dass mich die Erlebnisse von damals wieder so einholen würden. Ob das ganze wirklich einmal von der Gesellschaft aufgearbeitet wird bezweifle ich sehr. Mit der Zeit werden wir alle die das erlebt haben sterben und dann kräht kein Hahn mehr danach.
Mit lieben Grüßen R.S.
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Bodo P. aus München (jetzt( schrieb am 07.06.2023
War dort und habe sehr unangenehme Erinnerungen. Zum Frühstück gab es Milchsuppe, wer 2 oder sogar 3 Teller schaffte wurde gelobt. Mir gegenüber übergab sich ein Junge und der Mageninhalt ging in den Teller zurück. Er mußte das Erbrochene erneut aufessen.Das war kein Einzelfall. Man hatte Angst nicht folgsam zu sein, Die Keiterin hieß Vogel, glaub ich. Eine große stattliche Frau mit Knoten, sehr streng und dominant. Vor der hatte man Angst, nicht Respekt! Das einzig positive waren kleine Ausflüge, auch mal zur Adlerrwarte.
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Manuela Schulz aus Karlsruhe schrieb am 06.06.2023
Erst mal hallo
Ich hab erst nach ca ca 43 Jahre,nach dem ich an ein Mädchen gedacht habe und sie suchen wollte, wo bzw was ich war. Verschickungs Kind. Und heute im TV das Thema. In fast jeder von den betroffenen hat das gleiche erlebt wie ich oder noch schlimmer. Ich kam wegen Untergewicht und Migräne Anfälle dort hin .Wenn ich früher erzählt hab war ich z.b. stolz die Tabletten auf den Platz der anderen zu verteilen und selber von den cacao Tabletten heimlich genascht zu haben. Gelbe weisse, rosa ,braune Kapseln . Nächst durfte ich vor der Tür im langen dunklen Gang sitzen,weil ich zur Mittagsruhe nicht still gelegen bin. Ich durfte mich nicht bewege,wen doch blühte mir immer der Gang in der Nacht . 2 Blätter Klopapier mehr gab's nicht. Essen das dir nicht schmeckte,das du raus gespuckt hast wieder weill sie es dir rein geschoben haben bevor du es überhaupt geschluckt hast wieder essen dürfen. Erlich gesagt kann ich mich an nix dort erinnern bis auf den Spielplatz. Und heim gekommen am Bahnhof auf die Mutter gewartet gewartet und hab ich sie nicht mehr erkannt.
Was Kinder hinnehmen ohne es zu hinterfragen nur weil sie den Erwachsenen vertrauten oder aus Angst ist erschreckend. Es ist schlimm was allen passiert ist und wünsche euch viel Kraft . Ich sagte immer die Zeit heilt Wunden nein es lässt dich Gott sei Dank Stück für Stück den schmerz vergessen.

LG Manu
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DKL schrieb am 04.06.2023
Wenn ich all diese Berichte hier lese, bin ich zutiefst berührt und mir kommen Tränen über all die Grausamkeiten welche die Kinderseelen erfahren haben!

Seit ich die Berichte hier gelesen habe, sind mir einige Dinge klarer geworden.
Beim Lesen habe ich immer wieder festgestellt, dass mir viele der beschriebenen „Erziehungsmaßnahmen“ bekannt vorkommen, obwohl ich selbst (zum Glück) nie in einer Kinderkur war (bin Jahrgang 1974).
Jedoch war meine Mutter in einer Kinderverschickung, wahrscheinlich 1957 als 9 jährige, wegen Untergewicht. Irgendwo an der Nordsee? Genaueres weiß ich leider nicht!

Nach den Berichten hier sieht es für mich ganz danach aus, als sei meine Mutter wahrscheinlich in dieser Kinderverschickung traumatisiert worden. Darüber wurde aber nie gesprochen (wie über so vieles nicht!). Nie hat meine Mutter diese Erlebnisse aufgearbeitet - sie hat sie einfach eins zu eins an ihre Kinder/an mich weitergegeben.

Auch ich musste vor dem Essen sitzen bis es aufgegessen war (egal was es war) – bisweilen isoliert in meinem Zimmer.
Ich wurde ausgeschlossen aus der Familiengemeinschaft und es wurden mir Kontakte zu Freunden verboten, wenn ich irgendwas gesagt/getan hatte, das (willkürlich) nicht „richtig“ war.
Ich musste im Zimmer schmoren und durfte nicht spielen gehen bis der Vater abends von der Arbeit kam und auch noch was dazu sagen würde (ich war an irgendetwas schuld, was ich nicht nachvollziehen konnte).
Ich wurde vor anderen bloßgestellt.
Mir wurde gedroht, dass wenn ich nicht „lieb“ sei, würde ich ins Kinderheim geschickt werden.
Wenn wir Streit hatten, musste ich meiner Mutter all die Geschenke, die ich von ihr hatte, zurückgeben.
Mit ca. 5 Jahren überredete sie mich, mein geliebtes Kuscheltier in den Müll zu werfen.
Wenn ich Streit mit Freundinnen hatte, diktierte sie mir böse Briefe.
Usw...
Oft habe ich eine Härte, Kälte und Grausamkeit bei meiner Mutter wahrgenommen, die ich mir als Kind (oder bis heute) nicht erklären konnte. Sie zeigte wenig Gnade und keine Reue.
Mich haben diese grausamen Erziehungsmaßnahmen traumatisiert und ich bin seit Jahren mit der Aufarbeitung beschäftigt.
Irgendwann tauchte die Erkenntnis auf, dass eine Mutter ihr Kind nur so behandeln kann, wenn sie selbst so behandelt worden ist, wenn sie selbst auf diese Weise traumatisiert worden ist.

Ob es tatsächlich der Aufenthalt in der Kinderverschickung war, der meine Mutter traumatisiert hat, werde ich wahrscheinlich nie erfahren. Die Berichte hier (Danke dafür!) hörten sich für mich sehr bekannt an. Wahrscheinlich war es eine Kombination aus vielen verschiedenen Missständen, die in der Nachkriegszeit herrschten. Traumatisierung teilweise schon im Mutterleib, durch Krieg/Nachkrieg, durch "wir reden nicht drüber und schauen nach vorn"-Mentalität,...usw. Die Erwachsenen waren ja auch alle größtenteils traumatisiert, die konnten sich nicht liebevoll um die Belange ihrer Kinder kümmern...

Ob meine Mutter ihr Trauma jemals bewältigen wird? Es wäre wünschenswert, ist jedoch sehr unwahrscheinlich.
Sie ist eine alte gebrochene Frau, die während ihres Lebens immer bitterer geworden ist und quasi den Kontakt zu allen nahestehenden Menschen/Familie (inklusive meiner Schwester und mir) abgebrochen hat.

Ich wünsche Ihnen/uns allen viel Kraft!
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Ulrich Goltsche aus Hamm schrieb am 01.06.2023
Erinnerungen an das Heim in Detmold (Johannaberg, Berlebeck):
Abends das rote Licht im Flur bedeutete Toilettenverbot. Ich schlich mich durch den nach Eichenholz und Bohnerwachs riehenden dunklen Flur Richtung Toilette, wurde erwischt, beschimpft und zurück in den Schlafraum geschickt.
Aus Angst nochmal erwischt zu werden habe ich ins Bett gepinkelt, als ich es nicht mehr aushalten konnte.
Das wurde am nächsten Morgen entdeckt und entsprechend "gewürdigt".
Die psychische Erniedrigung, Gewalt an meiner Kinderseele, lief folgendermaßen:

Im Speisesaal, wo es morgens einen Becher Kakao/Milch gab und irgendeine dicke Breisuppe, meist eine Art Milchbrei, setzte ich mich an meinen Platz.
Alle meine Tischnachbarn hatten sowohl den Brei-Teller vor der Nase als auch ihren Becher mit Milch/Kakao.
An meinem Platz fehlte der Becher. Ich dachte mir schon irgendwie, daß das wohl Strafe für das Bettnässen war, also protestierte ich nicht.
Nun kommts:
Kurz nachdem alle mit dem Essen begonnen hatten, erschien eine der "Haubenlerchen" (Schwestern) vorn an der Essenausgabe. Sie trug ein Tablett mit 2 oder drei winzigen Tassen und rief laut "Die Pinkler bitte!".
Nun durfte ich mir mit den anderen Leidensgenossen - vor aller Augen öffentlich als "Pinkler" geoutet - das Mini-Becherchen abholen.
Ich schämte mich fürchterlich ob dieser öffentlichen Erniedrigung.

==========

In diesem Stil lief es die ganze Zeit. Am gleichen Tag - auf einer "Wanderung" - bekam ich auch noch weniger zu trinken als die anderen Kinder.
Beim Briefeschreiben (war irgendwie einmal die Woche? weiß nicht mehr genau) wurde einem über die Schulter geschaut und mitgelesen. wer traute sich da noch die Eltern im Brief zu bitten dass man doch wieder heim möchte?!?

Nicht nur ich, auch andere haben dort seelische Gewalt erlebt und natürlich den berühmten "Klaps" bekommen, der ja bekanntlich noch niemand geschadet hat...
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Glave Hildegard aus 71636 Ludwigsburg BaWü schrieb am 01.06.2023
Ich dachte lange, ich seit die Einzige, die in der Diakonissenanstalt Schwäb.Hall war. Endlich hat sich jetzt jemand gemeldet. Ich war wegen Bettnässen dort, es war sehr schlimm. Wenn ich wieder das Bett nass gemacht hatte, gab es Strafen (in der dunklen Putzkammer die restliche Nacht verbringen oder im nassen Bett weiterschlafen). Dabei war ich ja dort, um dieses Leiden zu heilen.
Ich würde gerne mit Gaby aus Hagen Kontakt aufnehmen.
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Franziska Walter aus Berlin schrieb am 27.05.2023
Ich wurde wegen chronischer Bronchitis verschickt. Ich war erst 3 oder 4. wegen eines eitrigen Exzems auf dem Kopf u Läusen wurde ich mit einer lila Tinktur eingepinselt u musste in einem winzigen grau-grün gefliestem Raum bleiben, dort wo man Wassertreten musste. Es war kalt und ich hatte große Angst so allein. Den Garten mit den Schaukeln mochte ich, den Bienenstich nicht. Auch nicht, dass wir zum Matrjoschkafest alle Kopftücher tragen mussten. Die mussten die Eltern glaube ich extra mitschicken.
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Gaby S. aus Hagen schrieb am 26.05.2023
Ich war gerade 5 Jahre alt geworden als ich zur Kur verschickt wurde, war die Kleinste.
Abfahrt: Keine Übergabe von den Eltern an das Betreuungspersonal. Wurde rasch und ruppig ins Abteil geschoben, als der Zug eintraf. Bei der Abfahrt habe ich versucht aus dem Zug zu entkommen, wurde von mehreren Erwachsenen festgehalten, habe um mich geschlagen und getreten, mich dann weggeschrien. Totaler blackout. Als ich irgendwann wieder zu mir kam, wurde ich ausgeschimpft: Bist du jetzt endlich wieder lieb!!!
Ankunft: Riesiger Schlafsaal, irgendwo mein mir zugewiesenes Bett dazwischen, mein einziger Halt - meine kleine Schlafbegleiter-Puppe - wurde mir direkt nach Ankunft von der Betreuung weggenommen.
Toilettenverbot + Sprechverbot während der Schlafenszeit mittags und nachts: Wir durften das Bett nicht verlassen, durften nicht die Toilette aufsuchen. Wer erwischt wurde, wurde ausgeschimpft.
Keinerlei Kontakt zu den Eltern. Wöchentliche "Briefe" an die Eltern, dass es einem gut geht (ich sollte immer eine lachende Sonne malen). Traurige Sonnen durften nicht verschickt werden und wurden konfisziert.
Bestrafungsarbeit: Einen Haufen Schuhe putzen.
Essen: Wir mussten den Teller IMMER leer essen, egal wie lange es dauerte, bekamen zu den Mahlzeiten nichts zu trinken. Es hat nicht geschmeckt, es wurde sehr viel geschimpft.
Die Schwimmkuren: Gerade 5 Jahre alt, Nichtschwimmerin, hatte Angst vor Wasser, Schwimmflügel gab es nicht, der aufblasbare Schwimmring war zu groß als dass ich darin Halt fand, trotzdem musste ich mit den größeren bzw. älteren Kindern in das Becken und irgendwie mit den anderen im Kreis herumpaddelm. Per Schlauch Abduschen mit kaltem Wasser, alles begleitet von reichlich Schimpfen
Innerhalb der Kurzeit wurde ich auf eine Krankenstation verlegt, dort verbrachte ich einige Tage eingesperrt in einem Gitterbett. Der Grund ist mir bis heute unklar.
Die Kurzeit war die Hölle und prägt mich bis heute.
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Michael H. aus Wiesbaden schrieb am 24.05.2023
6 schlimme Wochen ohne Kontakt zu den Eltern, heftiges Heimweh- es war nicht nachvollziehbar, warum man keinen Kontakt zu seinen Eltern bekam, Drangsalierungen und miserables Essen. Sollte dort wegen Untergewicht hin und wog nach der "Kur" ganze 100Gramm mehr. Der Heimleiter dort war ein Mann- die Kinder im Nachbarzimmer wurden 2mal von ihm geschlagen, Grund unbekannt. Wir hatten solche Angst, dass er auch zu uns ins Zimmer kommt. Alle Geburtstagsgeschenke wurden mir abgenommen und verteilt, ausser ein Micky Maus Heft und etwas Schokolade. Es war der einzigste Kontakt in 6 Wochen per Glückwunschkarte. Es gab aber auch ein paar nettere Schwestern dort, trotzdem: wie kann man kleinen Kindern nur so etwas antun? Man hatte zeitweise das Gefühl, man sieht seine Eltern nie mehr wieder und wo man genau war, wusste man auch nicht, da man im Kindesalter noch kein Gespür für Entfernungen und Zeit hatte. Dieses Erlebniss war sicher ein Mitauslöser für spätere Ängste und Aggressionen. Es herrschte generell ein strenges und autoritäres Regiment, kann mich aber an viele Details nicht mehr erinnern, nur an ein Mädchen aus Eschwege die sich freute, weil ich 100Gramm zugenommen hatte.Ein kleiner Lichtblick war sie......
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Wilfried Rudolf Franke aus Gönnersdorf/Vulkaneifel schrieb am 22.05.2023
Ein sehr schweres Erleben hatte ich, als ich erst 9 Jahre alt war. Just heute, am 22.5.2023, fand ich „zufällig“ im Internet viele Seiten über das Thema „Verschickungskinder“ in den 1960er bis 1980er Jahren. Ich dachte bisher, dieses Thema gut verarbeitet zu haben, doch erfasste mich mit 66 Jahren das Leid von damals so sehr, dass es mich völlig fassungslos ergriff und die damaligen Gefühle und Erfahrungen wieder in Tränenausbrüchen hoch kamen. Offenbar sitzt das Trauma von damals noch tief und muss von mir noch bearbeitet werden. Was war geschehen? Wohl auch durch die Wohnverhältnisse in kalten Wintern ohne Wärme in eiskalten Zimmern zu schlafen, hatte ich öfter Husten auf den Bronchien festsitzen. Die Ärzte und Jugendämter empfahlen damals Eltern, wenn die Kinder oft husteten, wie ich, oder als zu dünn oder zu dick erachtet wurden, eine sogenannte Kindererholungszeit mit Luftveränderung, also möglichst weit weg. Laut Internet begann man erst seit 2017 so richtig diese Kinderquälereien aufzuarbeiten, wobei ich noch bei den Glücklichen war, nicht sexuell misshandelt oder geschlagen worden zu sein, und auch keine Pillen zu Versuchszwecken einnehmen musste, was man von anderen derartigen Heimen liest. Ich wurde für 6 Wochen ins Allgäu „verschickt“, in das Kinderkurheim Sonnenhang bei Oberstdorf. Mein Vater brachte mich von Orsberg nach Koblenz zum Bahnhof. Ab da fuhr ein Zug ohne umzusteigen nach Kempten im Allgäu, dann ging es mit einem Regionalzug weiter. Meine Eltern hatten mir einen vollen Koffer mit Kleidung und Handtücher gepackt, der beim Ankommen sofort weggeschlossen wurde. Nur Zahnbürste, Zahnpasta, ein Stück Seife und einen Schlafanzug durfte ich herausnehmen. Innerhalb der für mich endlosen 6 Wochen wurden wir einmal an die Koffer gelassen, um uns Wechselkleidung heraus zu holen. Somit brachte ich fast alles ungetragen wieder mit nach Hause. Wir wurden 6 Wochen eingesperrt, mit Bewegungsfreiheit nur im Schlafsaal mit mindestens 10 Etagenbetten und einem Aufenthaltsraum für tagsüber. Die andere Abwechslung war der Gang zum Essen, was möglichst billig zusammen gekocht wurde. Als ich mir erlaubte, an einem nicht so traurigen Tag in meinem Befinden einen Witz über das Essen zu machen, wurde ich sofort heftigst zurecht gestaucht, dass ich nie mehr einen Mucks sagte. Ich schaute Tag für Tag durch verschlossene vergitterte Fenster in die schöne Schneelandschaft, in die wir in 6 Wochen dreimal für eine halbe Stunde raus gelassen wurden. Wir bettelten anfangs täglich, raus in den Schnee zu dürfen, was sich schnell legte, da wir stets ein nein zur Antwort bekamen. Kurz vor Heimreise gab es den einzigsten Spaziergang runter ins Dorf, für ein Mitbringsel für zu Hause zu kaufen. Es kümmerte sich niemand um uns, es gab kein Programm und wir lebten eingesperrt und völlig verwahrlost. Die Zimmer wurden nicht kontrolliert, gefegt oder neue Bettwäsche aufgelegt. Wöchentlich mussten wir einmal eine Karte nach Hause schreiben und ich schrieb, was los war und dass es mir überhaupt nicht gefiel und ich riesiges Heimweh hatte und mich völlig allein gelassen fühlte. Solch eine ehrliche Beschreibung wurde sofort zensiert und nicht verschickt. Ich erhielt meine Karte zurück mit der Aufforderung, ausschließlich zu schreiben, dass es schön sei. Anderes werde nicht verschickt. Ab da musste ich jede Woche den gleichen Satz schreiben, es wäre schön. Meine Eltern wunderten sich über meine Einsilbigkeit ohne wirklich Schönes zu erzählen. Ob durch die psychische Belastung oder/und schlechtes Essen bekam ich jedenfalls eines Nachts einen derart dünnen Durchfall, dass ich nicht schnell genug aus dem Bett zur Toilette kam. Aus mir schoss die ganze stinkende Brühe bereits im Bett. Ich schlief in der Ecke hinten links im oberen Bett. Mein Schlafanzug war voll verschissen und das Bett, Oberbett, Bettlaken und Matratze und es stank fürchterlich. Ich ging mit wenig Licht der Notbeleuchtung zum Klo und wischte mit viel Klopapier meinen Schlafanzug und meine Haut so trocken, wie es notweise ging und legte mich wieder schlafen ins nasse Bett. Von da an lag ich jede Nacht bis zur Heimreise in diesem stinkenden Bett. Wenn ich mich recht erinnere, wurde mir ein weiteres Öffnen meines Koffers für einen reinen Schlafanzug verwehrt und ich traute mich nicht, den Vorfall zu berichten, da das gesamte Personal so unfreundlich war und nur schimpfte. Die Stunden und Tage und Wochen vergingen soooo langsam, dass ich verzweifelt nach einem Plan suchte, aus diesem Gefängnis auszubrechen und zu einem Bahnhof zu gelangen, um irgendwie nach Hause zu kommen, doch es gab keine Lösung. Die Türen wurden stets abgeschlossen wie in einem Gefängnis und alle Fenster waren vergittert. Die Fenster selbst mussten geschlossen bleiben, damit die Heizung nicht zu teuer liefe. Irgendwann endeten diese traumatischen 6 Wochen und die lange Zugfahrt nach Hause stand an. Was hatte ich alles meinen Eltern zu erzählen über die Wahrheit dieser Quälerei und durch meinen Kopf liefen die Berichte an sie zu Hause in der großen Hoffnung, dass das Erlebte geahndet wird, dass meine Eltern etwas unternahmen, sich beschwerten und damit andere Kinder vor diesem Heim warnten und schützen würden. Ich hatte meine Eltern so sehr entbehrt und hoffte so sehr auf deren rückwirkende Unterstützung für mich, ihren Sohn. Sie hörten sich meine Berichte an mit einem ah, deshalb kam immer nur derselbe Satz in der wöchentlichen Karte, die ich schreiben musste. Ich durfte mich nicht weigern, nach Hause zu schreiben. Ich musste schreiben und ich musste lügen. Meine Eltern sahen auch am fast unberührten Kofferinhalt, dass ich Recht hatte mit meinen Beschwerden, wieso sollte auch ein kleiner 9-Jähriger Junge sich kriminelle Geschichten erfinden? Und dann erlebte ich den zweiten Schock nach diesem langen Martyrium, indem meine Eltern sich nicht empörten und nicht vorhatten, sich für meine Behandlung und den Skandal zu beschweren. Ich konnte es nicht fassen und war erneut am Boden zerstört, fühlte mich nach dem Verlassensein in diesem Heim nun von meinen Eltern zu Hause verlassen, die förmlich desinteressiert waren, was mir passiert war.
Ich dachte, dieses Trauma gut weggesteckt zu haben, und ich war heute nach 57 Jahren sehr erstaunt, dass dieses Leid so sehr in mir hochkam, als ich im Internet davon las, dass dies kein Einzelschicksal von mir war, sondern eine Kinderquälerei sonders gleichen in weit mehr als 1.000 derartiger „Heime“ in Deutschland, dass mir die Stimme zitternd wegblieb, die Tränen liefen und mir erstmal ein Kaffee zur Stärkung angeboten wurde, wo ich mich gerade zu Besuch befand.
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Silke Balsser aus Pohlheim schrieb am 22.05.2023
Möchte gerne meine Kindheit aufrecht halten wer war zu diesem Zeitpunkt auch dort
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Julia N. schrieb am 20.05.2023
Ich habe keine Erinnerungen mehr über diese Zeit. Ich war 6 und davor und auch danach ist alles weg.
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Andrea Gellert aus Dresden schrieb am 19.05.2023
Auf der Suche nach Informationen zu meinem Kuraufenthalt bin ich auf diese Seite gestoßen. Ich habe noch ein Foto und einen Brief (mit Anschrift Bad Kösen, Gruppe 3) vom Kindergarten an mich sowie eine gebastelte Mappe aus dieser Zeit. Ich war damals 6 Jahre, Vorschulkind. Es war wohl bereits der zweite Aufenthalt dort. Der erste Aufenthalt ist aus meinem Gedächtnis weg. Ich erinnere mich, dass ich bei Ankunft von einer Erzieherin an den Haaren gezogen wurde und sie meinte: "Bist du auch wieder da!" Meine Mutter hatte mir versprochen, dass sie mich nach 3 Tagen wieder abholt. Ich fragte eine Erzieherin, ob die drei Tage vergangen sind. Dies beantwortete mir die Erzieherin mit einem höhnischem Lachen und sagte: "Drei Tage, nach sechs Wochen kommst du wieder heim!" Ich war sehr unglücklich und hatte Heimweh. Weiterhin habe ich nur fragmentierte Erinnerungen an diese Zeit. Ein großer Schlafsaal und das ich ständig Angst hatte. Heute fällt mir ein, dass ich unsichtbar sein wollte. Nachts durften wir nicht auf Toilette gehen. Ein Mädchen wurde kalt geduscht und hat laut geschrien. Das machte mir sehr Angst. Eine Erzieherin, die mir sagte - auf den Blick in den Wald/Burg? den man aus dem Fenster sehen konnte - dass da ein Bär schläft (ich meine die Wälder ergaben schemenhaft ein Bild eines liegenden Bären). Ich verbinde zumindest damit keine Angst. Ich erinnere mich an Spaziergänge am Gradierwerk vorbei und an heiße Bäder und nachher warm einpacken. Ich meine, dass ich Fieber hatte und es sehr heiß war. Sonst habe ich keine weiteren Erinnerungen an die Kur. Ich sollte noch ein weiteres Mal dahin fahren, was ich jedoch mit Gebrüll und tobend nicht wollte. Mein Wunsch wurde erhört. Wenn gewünscht, stelle ich gern das Foto zur Verfügung. Ich freue mich, wenn Gleichgesinnte treffe.
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Sehmer Adolf aus Sitterswald schrieb am 18.05.2023
Ich war ender der 50 ziger oder Anfang der 60 ziger Jahre als Kind im Erholungsheim Burg Stauf. Leider fehlt mir jede Erinnerung, Es könnte in Eisenberg in der Pfalz gewesen sein. Ich kann man noch an zwei Namen erinnern: Schwester Libich und eventuell an einen jungen Klaus Siliwanowski. Gibt es jemand der zufällig auch dort war. Mir geht es nur um die Erinnerung die leider komplett fehlt. Ach ja wir hatten oft Völkerball auf der Burg gespielt. Vielen Dank
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Ute Magdeburg aus Köln schrieb am 09.05.2023
Hallo Rosi,
ich heiße Ute und bin in dem Zeitraum, in dem du in Bad Kreuznach warst, ebenfalls im Viktoriastift.
Ich habe noch ein Gruppenfoto.
Damals war ich 5 Jahre alt und habe nicht mehr viele Erinnerungen an diese Zeit, aber ich weiß, dass ich damals sehr viel Heimweh hatte und todunglücklich war.
Bad Kreuznach als Ort ist mir auch total verhasst.
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Friedhelm Venjacob schrieb am 09.05.2023
Ich bin zufällig über das Internet auf dieses Thema gestossen, was dazu führte, dass ich mich ebenfalls an meinen Aufenthalt dort erinnerte: Ich weiß noch, dass ich als 7oder 8 jähriger im Sommer mit einem Pappschild um den Hals und einem winzigen abgeranzten Köfferchen in Gütersloh in den Zug gesetzt wurde. Auf dem Schild stand groß "Köln Hbf" drauf. Irdendwie wurde man in Köln aufgegabelt, damit es mit einem Bus in das Ferienheim weitergehen konnte. (Eigentlich hatte ich mir unter Ferien etwas anderes vorgestellt). Alles in allem habe ich das Heim nicht in sehr guter Erinnerung, da dort Zwänge herrschten, die so nicht kannte. Zuhause lief bei uns so einges schief -ist ein anderes Thema- aber dort konnte ich in unserer Siedlung zusammen mit meinem 1 Jahr älteren Bruder größtenteils unbeaufsichtigt herumstreunen und mit den Nachbarkindern spielen.
Die Zwänge im Jagdhaus Stäckel waren das Essen von Hafersuppe, der Gehorsam gegenüber den Tanten und der ganze Rest.
Nach ungefähr einer Woche durfte ich nur noch an der Hand einer dieser Tanten nach draußen, da ich weglaufen wollte; wohin weiß ich nicht mehr, hauptsache weg.
Ich weiß noch dass ich deshalb unter Druck gesetzt wurde, und man mir drohte dass man mich vorzeitig zurück schicken würde, was sehr teuer wäre, wenn ich mich nicht benehmen würde.
Irgendwann sind wir mal am Loreleyfelsen gewesen, das war ganz schön, besonders die Aussicht auf den Rhein.
Kurz vor Ende der "Ferien" gab es ein Sommerfest auf der Wiese unterhalb der Terrasse, bei dem Süßigkeiten an einer Schnur aufgehängt waren, die man mittels hochspringen abreißen konnte. Leider bin ich beim Betreten der Wiese in eine Hummel getreten, die mich stach. Ich bekam deshalb keine Süßigkeiten und humpelte 2 Tage herum. Wenigstens musste ich da nicht mehr an der Hand der Tante laufen.
Die Postkarte, die ich seinerzeit meiner Familie gesendet habe, besitze ich heute noch und glaube auch dass der Text uns mehr oder weniger diktiert wurde.
Wie ich nach Hause gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Es gab nach meiner Rückkehr keine großartigen Erzählungen oder dergleichen. Ich habe einfach da weitergemacht, wo ich sechs Wochen vorher aufgehört habe.
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Jan Henrik schrieb am 08.05.2023
Ich bin im Sommer 1988 mit sechs Jahren in die Kinderklinik im Borntal, Bad Sachsa, verschickt worden. Der Grund war eine Empfehlung vom Amtskinderarzt bei der Schuluntersuchung, weil ich zu unterernährt wäre und sonst die Schule "nicht schaffen" würde. Meine Mutter wollte gerne eine Mutter-Kind-Kur, jedoch war ich dafür schon "zu alt". Für meine Eltern galt die Verschickung als Privileg, was nicht jedem angeboten wurde. Generell hatte die Verschickungskur einen sehr guten Ruf. Natürlich hatten meine Eltern ein schlechtes Gefühl, mich alleine weg zu schicken, gingen aber davon aus, mir mit der Kur etwas gutes zu tun. Besuchen kommen durften sie mich nicht. Anrufen durfte meine Mutter nur einmal in der Woche, immer am selben Tag, zur selben Zeit. Hätte ich nach den Telefonaten Heimweh gehabt, hätte sie nicht mehr anrufen dürfen. Meine Eltern brachten mich zum Hamburger Hauptbahnhof, wo ich von einer Begleitperson, in meiner Erinnerung eine nette Frau, in Empfang genommen wurde. Laut meinen Eltern war ich wohl fröhlich und habe beim Abschied nicht geweint. Zusammen mit zwei weiteren Kindern, zwei Mädchen, sind wir dann von ihr nach Bad Sachsa gebracht worden.

Was ich weis
Nach der Ankunft bin ich in Haus 1 untergebracht worden. Ich kam in einen Schlafsaal am Ende des Flurs im ersten Obergeschoss. Ich lag in einem Bett mit Blick auf die Tür. Diese stand immer offen, ob nachts oder zur Mittagsruhe. Wir durften manchmal Hörspiele hören. Ich weiß nicht mehr, ob das die mitgebrachten Hörspiele von Kindern waren oder ob diese der Unterkunft gehörten. Jedenfalls wurde immer abgestimmt, was gehört wurde. Meistens gewann immer das selbe Hörspiel. Welches das war, daran kann ich mich nicht erinnern (vielleicht war es "Gullivers Reisen"). Ich weiß aber noch, dass das so eine gruselige Stelle hatte. Deswegen fand ich es immer doof. Der Kassettenrekorder stand immer auf dem Flur, damit alle Zimmer die Kassette hören konnten. Außerdem saß dort auch immer eine der Diakonissen und hat aufgepasst, dass Ruhe herrschte.

Ein Kind in unserem Zimmer hat irgendwann immer wieder angefangen zu reden. Das Kind wurde dann aus dem Zimmer geholt und ich glaube in ein Nebenzimmer gebracht. Ich bin mir unsicher ob dort dann die Tür aufgelassen wurde oder nicht. Generell habe ich genau diese Situation nur sehr umnebelt in Erinnerung. Ich bin mir aber sehr sicher, dass einmal ein Kind wegen "Unruhestiftung" zur Schlafenszeit aus dem Zimmer geholt wurde.

Kurz nachdem ich dort ankam, ging mir meine mitgebrachte Zahnpasta aus. Ich hatte noch Kinderzahnpasta der Marke Blendi, welche süß schmeckte und fragte, ob ich davon eine neue bekommen könnte. Das wurde verneint und eine Diakonisse gab mir eine scharfe nach Minze schmeckende Erwachsenenzahnpasta. Ich war total unglücklich, dass ich diese nun verwenden musste. Andere Kinder haben mich auch gehänselt, weil ich noch Blendi verwendete.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich gesehen habe, wie ein anderes Kind im Badezimmer abgeduscht wurde. Eine Diakonisse hat das Kind dabei am Arm festgehalten.

Es gab ein paar Kinder, welche alle eine Art ferngesteuertes Auto hatten. Ich wollte auch so eines und fragte eine der Schwestern, wo es die gäbe. Die Schwester meinte, dass sie einmal mit den Kindern in der Stadt gewesen wären, und diese dort die Autos gekauft hätten. Mir wurde gesagt, dass ich das auch dürfe, wenn wir mal in die Stadt gehen würden. Ich glaube, wir waren nie in der Stadt. Ich bin mir auch unsicher, ob ich überhaupt Taschengeld von meinen Eltern mit bekommen habe.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich mal eine Lokomotive aus Bausteinen gebaut hab. Mein Bruder hatte so eine ähnliche aus Lego und ich habe sie nachgebaut. Ein anderes älteres Kind, sein Name war Ronny, hat mir dann meine Lok kaputt gemacht. Ich war sehr traurig und habe geweint. Ronny's Name ist übrigens der einzige, den ich mir aus der gesamten Zeit merken konnte. Ich hab zwar mit ein oder zwei Kindern regelmäßiger gespielt, aber die Namen weiß ich nicht mehr. Ich weiß auch keine Namen der Diakonissen, geschweige denn von Ärzten oder anderen Bediensteten.

Meine Eltern durften zwar, wie beschrieben, nur einmal die Woche zu einer festen Zeit anrufen, ich kann mich aber nur noch an ein einziges Mal erinnern. Ich musste an dem Tag mit einem anderen Kind die Treppe im Haus immer wieder hoch und runter laufen (warum weiß ich nicht, ich glaube das war irgendeine therapeutische Anwendung). Irgendwann wurde ich dann gerufen, weil meine Mutter am Telefon war. An das Gespräch selbst kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich glaube das Telefon war im Erdgeschoss im Flur und eine der Diakonissen saß während des Gesprächs neben mir. Meine Mutter meinte, dass die Gespräche immer völlig normal gelaufen seien und ich Dinge von der Woche erzählt habe, mich jedoch nie beklagt hätte.

Irgendwann bekam ich auch ein Geschenkpaket von zu Hause. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass da ein Spielzeugauto drin gewesen ist. Dieses fand ein anderes Kind toll und hat es direkt nach dem Auspacken genommen und auf den Boden fallen gelassen, um die "Federung" zu testen. Diese ging dabei kaputt und das Auto fuhr nicht mehr richtig. Ich war wieder sehr niedergeschlagen.

Ich war damals starker Pollenallergiker und im Borntal wurde das erste mal bei mir ein Allergietest gemacht (Pricktest). Ich hatte zwar immer große Angst vor Nadeln, aber vor mir war ein anderes Kind dran und sagte mir, dass der Test überhaupt nicht schlimm sei. Das hat mir die Angst genommen und ich hab den Test recht Tapfer durchgestanden. Ich glaube der Test wurde auf meinem Arm gemacht, könnte aber auch der Rücken gewesen sein. Es hat auf jeden Fall sehr gejuckt.

Wir waren auch mal im Wald spazieren. Dort wuchsen wilde Himbeeren und wir haben davon genascht. Bei der Waldwanderung war es verboten zu rennen. Ich habe das aber trotzdem gemacht und bin direkt hingefallen und hab mir beide Knie aufgeschlagen. Ich weiß noch, dass es sehr stark geblutet hat und ich ein paar Tage Verbände um die Knie tragen musste.

Eines Abends, beim Einschlafen, habe ich mich in mein Bett übergeben. Ich hatte aber Angst das zu sagen. Woher diese Angst kam weiß ich nicht mehr, sie war aber sehr groß. Ich schlief also die ganze Nacht in dem voll gespuckten Bett. Am nächsten Tag wurde das Malheur entdeckt. Ich weiß noch, wie ich am nächsten Tag neben dem Bett stand und gewartet hab, bis eine Diakonisse das Bett neu bezogen hat. Den Rest des Tages musste ich dann allein im Bett verbringen. Irgendwann kam die Putzfrau und hat das Zimmer sauber gemacht. Mit dieser habe ich mich unterhalten und war froh, etwas Gesellschaft zu haben.

Ich wurde auch einmal für zwei oder drei Tage in die angeschlossene Klinik verlegt. Der Grund ist mir nicht mehr bekannt, ich hatte dort aber Durchfall. Meine Eltern wurden auch darüber informiert. Ich weiß noch, dass dieser Aufenthalt für mich wie Urlaub war. Ich hatte ein Einzelzimmer und die Schwestern dort waren sehr nett. Als ich anschließend wieder zurück ins Haus 1 musste, ging es mir nicht gut. Ich hatte Angst und wollte nicht wieder dort hin, habe mich aber nicht gewehrt.

Was ich glaube
Ich kann mich noch dunkel daran erinnern, einmal in einem kleinen Zimmer (das war glaube ich unter dem Dach) mit einem Arzt gewesen zu sein. Was der Grund war oder welche Untersuchung es gab, das weiß ich nicht mehr. Dies ist auch die einzige Situation, an die ich mich erinnern kann, wo ich mit einem Arzt zusammen war.

Ich glaube, dass einmal ein paar Kinder an einem Tisch saßen, und Briefe schrieben. Eine der Diakonissen stand daneben. Ob die Kinder frei schreiben durften oder der Brief diktiert wurde, weiß ich nicht mehr. Aber ich kann mich erinnern, dass ich einmal einen Brief "diktieren" durfte. Ich konnte ja noch nicht schreiben. Meine Mutter glaubt ebenfalls, dass einmal ein Brief von mir zu Hause ankam. Was dort drin stand weiß sie jedoch leider nicht mehr.

Wenn ich an die Diakonissen denke, sehe ich nur das Gesicht von einer vor mir. Es war eine ältere Frau, vielleicht Anfang 60. Sie trug eine Brille. In meiner Erinnerung war es eine sehr strenge Schwester.

Was ich nicht mehr weiß
Ich kann mich leider überhaupt nicht mehr an diverse, vermutlich wichtige, Dinge erinnern. Ich weiß nicht mehr, was es dort zu essen gab. Wie die Mahlzeiten überhaupt vor sich gingen. Ich kann mich nicht erinnern, dort überhaupt nur eine einzige Mahlzeit zu mir genommen zu haben. Außerdem weiß ich auch nicht, ob ich dort jemals geduscht oder gebadet habe. Auch an Toilettengänge kann ich mich gar nicht erinnern. Zudem kann ich mich an keine, bis auf die bereits geschilderten klinischen Anwendungen erinnern. Wenn ich die Geschichten anderer Verschickungskinder lese habe ich das Gefühl, dass ich hier irgendetwas verdrängt habe. Es ist mir unbegreiflich, warum ich mich an solch alltägliche Dinge nicht mehr erinnern kann. In Kombination mit meiner Ur-Angst, die mich beim Anblick von Bildern des Borntal ergreift und den Erfahrungsberichten anderer Verschickungskinder habe ich das Gefühl, erfolgreich etwas verdrängt zu haben.

Danach
Die Rückfahrt vom Heim war, so glaube ich, mit den selben zwei Mädchen und der Begleitperson wie bei der Hinreise. Ich erinnere mich noch, dass es eine vollkommen andere Stimmung als zur Hinfahrt war. Die zwei Mädchen wirkten sehr geknickt. Wir haben auch nicht viel gesprochen. Als wir in Hamburg ankamen und ich meine Eltern auf dem Bahnsteig stehen sah, habe ich angefangen zu weinen. Wir sind dann noch zu einem Spielzeugladen gefahren und ich durfte mir was aussuchen. Es war ein He-Man-Fahrzeug. Ich freute mich zwar darüber, hatte aber eine sehr gedrückte Stimmung in mir. Ich erinnere mich noch, wie ich nach meiner Rückkehr im Wohnzimmer damit gespielt habe und sehr unglücklich war.

Meine Eltern haben keine Veränderung an mir feststellen können. Für sie habe ich mich nach der Kur genau so verhalten wie vorher. Ich konnte mit ihnen jedoch erfolgreich erarbeiten, dass ich vor der Kur immer über alles mit meiner Mutter sprechen konnte und grenzenloses Vertrauen in meine Eltern hatte. Ich habe insbesondere immer gesagt, wenn mir irgendetwas nicht gepasst hat oder es mir schlecht ging. Nach der Kur habe ich das nicht mehr getan. Ich habe mich zurückgehalten mich mitzuteilen wenn es mir schlecht ging und wollte keinen Kummer bereiten. Also blieb ich still. Da jedoch vor der Kur, wenn ich still war, es mir ja gut ging, weil ich ja sonst etwas gesagt habe, gingen meine Eltern davon aus, dass alles gut ist. Ich habe außerdem nach der Kur angefangen lieber alleine zu spielen und nur schwer Kontakt zu fremden Kindern aufbauen können.

Ich bin mit meinen Eltern später noch einmal im Rahmen eines Urlaubs in Bad Sachsa gewesen. Wir haben die alte Kinderklinik aufgesucht, sie muss kurz vorher geschlossen worden sein. Vermutlich waren wir also zwischen Anfang und Mitte der 1990er Jahre dort. Mein Vater sagte mir, dass ich auf dem Weg zur alten Klinik wohl sehr reserviert war und nicht viel geredet habe. Ich habe aber auch keine negativen Dinge darüber erzählt. Es lagen noch Spielsachen in den Gärten um die Häuser. Ich erinnere mich, dass ich ein sehr schlechtes Gefühl beim Anblick meines alten Unterbrinungsgebäudes Haus 1 hatte. An die anderen Häuser dort hatte ich gar keine Erinnerung mehr. Aber Haus 1 hat in mir sehr großes Unbehagen ausgelöst. Ich weis noch genau, welchen Gedanken ich hatte, als ich in der verlassenen Anlage stand: "Wenigstens werden hier jetzt keine Kinder mehr gequält."

Die vergangenen fünfzehn Jahre wurde ich mehrfach wegen Depressionen therapiert. Ich habe diverse Verhaltensweisen an den Tag gelegt (Konfliktängste, fehlende Selbstfürsorge, fehlendes Selbstvertrauen, kein Selbstwertgefühl), welche ich mittlerweile auf den Aufenthalt im Borntal zurück führen könnte. Insbesondere wenn sich bestätigen sollte, dass ich dort noch schlimmere als die bereits geschilderten Dinge erlebt habe, würde ich davon ausgehen, dass dort zumindest ein fruchtbarer Nährboden für die Depressionen in meinem Erwachsenenalter gelegt wurde.

Wenn ich mir heute noch Bilder von meiner Unterbringung ansehe kommen immer wieder negative Gefühle hoch. Angst, Unbehagen, Flucht. Und ein Satz: "Dieses Haus frisst Kinder."

Mein Wunsch
Ich hoffe, durch diesen Bericht Kontakte zu anderen Kindern, welche Ende der 1980er Jahre ins Borntal verschickt wurden, zu knüpfen. Ich möchte Antworten auf meine geschilderten Erinnerungslücken finden. Es fühlt sich einfach so an, als fehlen wichtige Erinnerungen. Falls also jemand zur selben Zeit dort war oder mir Informationen zu den Zuständen zu dieser Zeit geben kann, bitte ich innigst um Kontaktaufnahme.
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Nadine aus Leverkusen schrieb am 04.05.2023
Ich war 6 Jahre alt und wurde gemeinsam mit meinem Bruder für 4 Wochen nach Borkum geschickt. Ich erinnere mich, dass meine Eltern mir erzählten, dass mich etwas schönes erwartet, etwas was meiner Gesundheit gut tun würde. Mein Vater war Angestellter der Bayer AG und das Ganze wurde über die Bayer KK organisiert meine ich .

Ich erinnere mich noch ganz genau an meinen Schlafraum, den ich mit 2 Mädchen teilte. In unserem Zimmer stand ein, aus damaliger Sicht toller Einkaufsladen- anfassen und spielen strengstens verboten! Und ich erinnere mich daran, das mindestens 1 Mädchen kein richtiges Bett hatte sondern eine Klappliege. Jeden Mittag mussten wir uns in die Betten legen und niemand durfte einen Mucks von sich geben. Wir lagen wie Zinnsoldaten da und trauten uns nicht zu atmen. Abends wurde kontrolliert, ob wir Unterwäsche anhatten. Das war auch verboten. Ich habe furchtbar geweint, jeden Abend weil ich so furchtbares Heimweh hatte. Eine Erzieherin gab mir einen Kalender, damit ich jeden Tag den ich geschafft hatte durchkreuzen konnte. Sie hatte ein gutes Herz. Die Heimleiterin, ich glaube sie hieß Frau Mühe hat mir manches Mal eine Ohrfeige verpasst, weil sie mein Weinen nicht ertragen hat. Dann wurde ich von den anderen separiert. Mit meinem Bruder durfte ich keinen Kontakt haben, wir wurden strikt getrennt.

Trinken gab es nur zu bestimmten Zeiten. Beim Mittagessen durften wir nicht trinken. Briefe an meine Eltern wurden kontrolliert, bzw. mir wurde vorgegeben was ich schreiben darf.

Ich war ziemlich mager und gehörte zu der Gruppe die zunehmen musste und jeden Morgen Haferschleim zu Essen bekam. Zu meinem Glück mochte ich das Zeug. Die Übergewichtigen Kinder wurden auf Diät gesetzt. Jeder musste auf die Waage und alles wurde laut kommentiert. Ich weiß noch, dass mir die Übergewichtigen Kinder leid taten. Sie haben uns beim Essen zugesehen und wurden vor allen anderen gewogen. Es gab Kinder, die haben eingekotet. In einem großen Waschraum mit langen Waschbecken wurden diese Kinder vor allen gedemütigt. Sie mussten sich vor allen Kindern ausziehen und ihre Kleidung waschen. Dabei wurden sich über sie lustig gemacht. Es gab einen Jungen, seinen Namen weiss ich nicht mehr. Mit ihm habe ich mich immer versteckt, ich glaube in einem Schrank.
Ich habe aber auch schöne Erinnerungen, an das Wellenbad und die vielen Lieder, die wir ständig gesungen haben.
Leider kann ich sagen, dass die Trennung und das Erlebte große Auswirkungen auf mein Leben hatte/hat. Ich habe als Kind bis ins Erwachsenenalter nie mehr entspannt woanders schlafen können. Auch zu Hause hatte ich lange Zeit Schlafstörungen und habe lange Zeit immer wieder im Schlafzimmer meiner Eltern geschlafen. Ich mag mir nicht ausmalen, wie man mit den Kindern in früheren Jahren in diesen Heimen umgegangen ist.
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Martina aus Oberhausen schrieb am 03.05.2023
Hallo, ich wurde im Sommer 1975 zusammen mit meiner 4 Jahre älteren Schwester Eva für 6 Wochen nach Bad Kreuznach ins Viktoriastift geschickt. Meine Mutter hat uns extra zusammen dorthin geschickt, damit wir nicht alleine sind. Dort angekommen erinnere ich mich sofort von meiner Schwester getrennt worden zu sein, wir durften uns nur einmal in der Woche (ich glaube freitags) für 30 Minuten sehen. Aufgeteilt wurden wir in Altersgruppen nach Vogelarten benannt. Ich meine in der Gruppe der Schwalben gewesen zu sein.
Morgens gab es Caro-Kaffee oder Tee, beides mochte ich nicht. Alternativen gab es nicht. Das Essen musste immer aufgegessen werden. Schreiben konnte ich damals noch nicht, ich erinnere mich aber, dass die Post kontrolliert wurde. Es durfte nur positives geschrieben werden. Zu meinem Geburtstag schickte mir meine Mutter ein Paket mit Süßigkeiten. Alles wurde verteilt. Von meinem Geschenk blieb für mich nicht viel übrig. Einmal die Woche durfte die Unterwäsche gewechselt werden und geschlafen wurde in großen Schlafsälen mit vielen Betten. Es herrschten strenge Regeln die ich befolgte, weil ich Angst und schreckliches Heimweh hatte. Fieber messen jeden Morgen. Auf der Rückreise gab es keine Getränke im Zug, es war Hochsommer und ich hatte schrecklichen Durst. Meine Mutter war damals sehr geschockt darüber, was wir berichteten. Ich habe vieles verdrängt, aber wenn ich nur den Namen Bad Kreuznach höre wird mir übel. Körperliche Gewalt wurde nicht angewandt, aber es herrschte für mich ein liebloses Regiment. Möglicherweise ist das der Grund für die Angst, die ich viele Jahre nicht ablegen konnte, die mich auch heute noch manchmal einholt.
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Susanne Karpinski aus Hamburg schrieb am 03.05.2023
Ich war nach einem 6 wöchigen Krankenhausaufenthalt zur „Kur“ im Kinderheim Linden Au bei Lüneburg. Ich war damals 10 Jahre alt, also muss das. 1958 oder 1959 gewesen sein.
Ich kann mich erinnern, dass wir bei den Mahlzeiten solange sitzen bleiben mussten, bis wir alles aufgegessen hatten , ob wir mochten oder nicht.
Einmal wurde mir so übel, dass ich den Spinat mit Rührei wieder ausspuckte. Die Betreuerin zwang mich dann, solange am Tisch zu sitzen, bis ich das ausgekotzte Essen aufgegessen hatte!!
Abends bekam ich medizinische Sitzbäder. Ein paar Mal vergaßen die Krankenschwestern (?) mich, so dass ich Stunden in dem kalten Raum und dem inzwischen kalten Wasser sitzen musste. Ich habe zwar gerufen aber es kam niemand und irgendwie hab ich mich nicht getraut, allein da rauszugehen.
Wenn wir Postkarten nach Hause zuschrieben, mussten wir immer schreiben, wie schön es dort war und wie gut es uns gefiel. Kein Wort von Heimweh oder den Schikanen, denen man ausgesetzt war.
Ich habe das gut verdrängt aber durch die Berichte Anderer ist die Erinnerung daran wieder sehr präsent.
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Axel Bremer aus Landesbergen schrieb am 02.05.2023
Hallo Sabine, ich war im Winter 1973 im Adolfinenheim, und es war die Hölle. Ich war damals sechs Jahre.
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Brigitte Reinhardt aus Pfullingen schrieb am 02.05.2023
An die Verschickung als Jugendliche (14 Jahre) über die Barmer habe ich nicht viele Erinnerungen. Es war meine 5. Verschickung und letzte Verschickung. Teilweise kann ich mich aber an Ausflüge und eine Tante Frau Haumann erinnern. An negative Erfahrungen, außer die lange Auszeit von zu Hause, kann ich mich nicht erinnern.
Gibt es jemand, der auch in dieser Zeit (Sommer 1977) in diesem Heim war?
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Brigitte Reinhardt aus Pfullingen schrieb am 02.05.2023
Durch die DAK-Studie bin ich auf dieses Thema gestoßen habe begonnen zu recherchieren.
Ich bin von meinen Eltern immer in den Sommerferien nach Borkum und St. Peter-Ording verschickt worden. Kostenträger waren damals die Barmer und die Continental-Gummiwerke, Hannover. Ich war immer untergewichtig und oft erkältet mit Bronchitis. Mein Vater war Kettenraucher !!
Glücklicherweise habe ich keine bekannten Schäden davon getragen, manche Verhaltensmuster irritieren mich allerdings. Auch ich habe so gut wie gar keine Erinnerungen. Ich kann mich nur an diesen grünen Barmer-Rucksack erinnern und dass ich unsägliches Heimweh hatte. An der Wand und in der Ecke stehen ist mir tatsächlich nicht ganz unbekannt. An Bettnässen kann ich mich auch noch erinnern. Aber sonst.... ???
Ich bin mir noch nicht so sicher, ob ich der Sache wirklich auf den Grund gehen soll. Das Erinnerungsgrab in der Seele hat mich sehr gut über die Jahre gebracht. Wer weiß, was ich zu Tage bringe, wenn ich anfange zu graben?? Andererseits habe ich Befürchtungen, dass es mich u. U. einmal später einholt. Reha, Demenz .... ?
Ich hätte nie gedacht, das es mal ein so großes Thema sein wird!!!
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Holger Harms-Bartholdy aus 26655 Westerstede/Neuengland schrieb am 02.05.2023
Ich war im August 1968 als achtjähriger Junge für vier Wochen im Waldhaus Bad Salzdetfurth. Meine Erinnerung an die Zeit und das Haus ist gleich Null und ich frage mich, warum das so ist. Vielleicht finde ich durch Kontakte zu anderen Verschickten aus dem Waldhaus Zugang zu dem, was ich dort erlebt habe.
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Ulrike S schrieb am 01.05.2023
Ich bin im vergangenen Herbst per Zufall (im Zuge einer Google-Suche zu ,Kinderkurheim Pausa‘) auf diese Webseite gestoßen. Zu diesem Zeitpunkt war ich seit ein paar Monaten in Psychotherapie und gerade dabei, meinen Lebenslauf „aufzuarbeiten“. Ich war als 5-Jährige im Oktober 1979 in Pausa auf Kur, habe aber erst wieder an jene Zeit denken müssen, als das Thema früher Trennungsmomente zur Sprache kam. Dazu muss ich außerdem sagen, dass ich nicht in Deutschland wohne und daher die Medienberichte zum Thema Verschickung erst im Nachhinein entdeckt habe.
Ich war schwer erschüttert, als ich die hier vorliegenden Berichte zum Kinderkurheim in Pausa las. Es ist jedoch so, dass ich keine Erinnerungen an jene Zeit habe, was insofern erstaunlich ist, da ich durchaus Erinnerungen an einen Krankenhausaufenthalt im Jahr davor habe. Insofern habe ich mich nicht legitim gefühlt, hier Zeugnis abzulegen. Erst der Bericht von Peggy vom 26.04.2023 (Danke!), die eine ähnliche Situation beschreibt, hat mich nun ermuntert, dennoch ein paar Zeilen zu schreiben. Wie sie erinnere ich mich weder an andere Menschen oder Begebenheiten. Ich habe auch keine Erinnerungen an den Ort oder gar die Fahrt dorthin. In meinem Bewusstsein ist Pausa nur mit der Notwendigkeit des Essens und der Bürstenmassagen verbunden. Auch emotional kann ich zu der damaligen Zeit keine Beziehung herstellen. Allerdings benannte ich nach Aussagen meiner Eltern den Ort danach „Posau“, und es ist auf einmal dieser Name, der ja nun alles andere als schön ist (Po-Sau!), der mich aufhorchen ließ und der vielleicht auf ein bewusstes Verdrängen schließen lässt.
Man darf also spekulieren, dass Fälle wie die von Peggy und mir öfters auftreten, aber natürlich besonders schwer zu erfassen oder zu bewerten sind.
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Daniel Rothensee aus Breitenworbis schrieb am 01.05.2023
Ich war insgesamt 3x jeweils 6 Wochen in dieser Anstalt und 1x 6 Wochen auf Norderney. Insgesamt kam ich also 6 Monate in den Genuß von Kindererholungsheimen.
Wenn ich diese Geschichte in einem Buch verfassen müsste, dann würde ich ihm den Titel “Die Soziopathenfabrik, unschuldige Kinder rein, tickende Zeitbombe raus”, geben.
Entweder begehst du irgendwann in deinem Leben Suizid, oder aber du hast gelernt Schmerzen jeglicher Art zu verstoffwechseln. Du selbst, bleibst trotzdem gebrochen! Am einfachsten geht das, wenn man künftig sein Schmerzempfinden temporär abschaltet und agiert statt reagiert. Das heißt, anderen physische oder psychische Schmerzen zuzufügen, bevor sie es können. Parallel kann man Ängste abventilieren. Dabei aber objektiv und angemessen zu reagieren und die Kontrolle zu behalten ist fast unmöglich. Es gibt ja keinen Kurs oder eine Ausbildung, wie man unter diesen Voraussetzungen Sozialkompetenz behält. Grundlegende Voraussetzungen für soziales Verhalten existieren ja nicht mehr. Wie Vertrauen zu, oder in Menschen. Die Verhältnismäßigkeit ist der schmale Grad, der dich vom Soziopathen trennt!

Mit 4 Jahren, Anfang der 1980er, wurde ich das 1. Mal ins KKH Borntal verschleppt. Mir wurde schweres Asthma von meinem Kinderarzt, Dr. Appelmann aus Duderstadt, attestiert und eine Lungenkur dringend angeraten. Zur Info, ich bin jetzt 45 Jahre alt und ab meinem 16. Lebensjahr, habe ich die ersten verlässlichen Erinnerungen und ab dem Zeitpunkt bis heute, habe / hatte ich keine Asthmaanfälle! Ich habe sogar eine überaus derbe Konstitution. Kein Inhalator, keine Einschränkungen, oder Beeinträchtigungen, keine Allergien, keine regelmäßige Medikamente und ich kann sogar, ohne Sauerstoffzelt Berge hinaufklettern.
Die fragwürdige Diagnose ist der Beginn einer Kette fragwürdiger und mysteriöser Umstände der Kinderverschickung und dem systematischen Horror an sovielen Orten, mit sovielen Tätern! Zufall, oder geplant?

Ich habe letztes Jahr eine Doku über die “Kinder des 20. Juli” gesehen. Als die ersten Bilder von der Einrichtung im Borntal gezeigt wurden, habe ich wie ein Blitzeinschlag, ein so tiefes Gefühl von Panik, Hoffnungslosigkeit und Machtlosigkeit empfunden, daß ich mir nicht hätte vorstellen können. Mir kam es vor, als wenn ich im Vergleich zu diesem Gefühl zuvor niemals Angst gehabt hätte. So überwältigend und real war sie! Also der Begriff wurde neu definiert. Eine so fundamentale Angst, in dieser “Dreifaltigkeit” von Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und vollkommen Ohnmacht! Ich hatte keine Idee warum und war komplett starr, schwitzte und frierte gleichzeitig. Mich beschlich die Befürchtung, das mein Verstand gerade dabei ist, sich zu verabschieden. Immer mehr Bilder wurden im TV gezeigt und genauso blitzartig wusste ich, daß ich diese Gebäude im Fernsehen kannte und schon wußte, wie das Umfeld oder Zimmer aussahen, noch bevor sie gezeigt wurden, was meinen Zustand nicht gerade stabilisierte. Fast gleichzeitig wußte ich auch, daß ich dieser puren Urangst nicht zum 1. Mal begegnet bin. Vielmehr ist sie ein alter, bekannter Weggefährte, aus einer Zeit, an die ich absolut keine Erinnerung hatte!

Ich habe fast 60 Stunden, ohne Schlaf, das abebben dieses Gefühls ausgesessen und krampfhaft versucht mich zu erinnern. Wäre nicht Wochenende gewesen, wäre ich arbeitsunfähig im buchstäblichen Sinn gewesen. Aber ich konnte in dieser Zeit das Internet befragen und immer mehr Filmszenen wurden sichtbar… Der Chefarzt Dr. Kahk (o. Kaak, o. Caak) die Emaillebadewanne im Keller, die “Stirnfliese” im Duschraum, geschmackloser, lauwarmer Haferschleim, der wie Rotz im Mund war (aber nicht der eigene) und den man erst erbrach, um ihn nochmal essen zu müssen, die “Tanten” in ihren blauen Schürzen, die Medikamente, die Untersuchungen, die Schläge, die drakonischen Strafen, die Schmerzen, die Erniedrigungen, die Kinder, die allgegenwärtige Angst. Der Mißbrauch, den man erfuhr, wenn man gezwungen wurde, an einem anderen Kind eine Strafe zu vollziehen, daß diese so verdient hatte, wie man selbst, nämlich nicht ansatzweise.
Einem Kind wurden die Hosen runtergezogen, vor allen anderen erniedrigt und lächerlich gemacht, dann mußte es sich bauchlinks über den Schoß der Tante liegen und alle anderen Kinder mußten ihm der Reihe nach, so fest wie möglich auf den blanken Po hauen, bis alle durch waren und das Opfer weinte. Weinte Es nicht, ging es von vorne los… Manche konnten gar nicht mehr weinen und manche brachten es nicht fertig zuzuschlagen, die mußten dann den Platz mit dem anderen tauschen und der Vorgänger musste zuschlagen, bis der Verweigerer weinte. Weigerte sich derjenige auch, ging es barfuß in den kalten Keller, in die Duschräume. Manchmal wurde man zuvor kalt geduscht, bevor man sich auf zwei bestimmte Fliesen stellen und sich mit der Stirn an eine ebenfalls bestimmte Fliese, an die Wand lehnen musste. So stand der eine auf der einen Seite der Wand und das andere Kind auf der gegenüber liegenden Wand. Eine gefühlte Ewigkeit… Als Kind eine Zeit abzuschätzen ist fast unmöglich, aber danach waren die Füße fast nicht mehr zu spüren und blauweiß und oft mußte man an der Stelle auch an sich herunterurinieren, weil man nicht mehr aufhalten konnte. Wenn auch nur einer gewagt hat, dem anderen zuzuflüstern, wurde derjenige erneut kalt geduscht und ihm wurde erklärt, daß er das seinem Kameraden zu verdanken hat, der sich mit dieser leisen Kontaktaufnahme seelisch etwas wärmen wollte.

Das ist nur ein kleiner Auszug, aus dem pädagogischen Standart-Heilstättenrepartior. Die Familien-Tiefentherapie, ist da schon eher die Kür… Warum die Eltern ihr Kind dahinschickten… weil sie es nicht mehr leiden können, da es daran Schuld ist das Eltern sich streiten und womöglich Mama oder Papa die Familie verlassen, weil ihr Ableger nur Sorgen bereitet und Nerven kostet. Deswegen rufen sie auch nicht an schicken keine Pakete (beides würde zurückbehalten und abgelehnt, um den Heilerfolg nicht zu gefährden). Das wurde so den Kindern eingeredet. Manchmal wurde ein Paket aber doch, jedoch massiv geplündert, weitergegeben, um es als Instrument gegen das Kind zu pervertieren. Druckmittel, oder um Fehlverhalten zu provozieren, oder nur damit man es im nächsten Moment zur Erpressung wieder wegnehmen kann. Vermeintliche Briefe der Eltern wurden vorgelesen, um die Freude über liebe Worte von Mama und Papa in der Einsamkeit zu vernichten, indem der Lügenbrief beschreibt, daß man ein fürchterliches Kind ist, das wenn es nicht tut, was die Tanten sagen, als nächstes und endgültig direkt ins Kinderheim kommt und gar nicht mehr nach Hause.

Die Kreativität in dieser Folter auf allen Ebenen und systematischer Vernichtung des Kindes im Kinde, ist unerfaßbar und ist in keinem Horrorfilm gefühlsecht darstellbar! Selbst mir ringt es noch eine gewisse Bewunderung ab und ich staune immernoch über diese Effektivität in allen Bereichen der “spurlosen” Folter und Zerstörung des unsichtbaren, aber wichtigste, dem Kindergeist- und Seele. Mentale Zerfleischung, untermalt mit einer Sonate spurlosen, physischen Schmerzes. Totaler Verlust von Vertrauen und jedem Sicherheitsgefühl spielen im Duett dazu. Für mich ist es aber seid letztem Jahr eine Kette von Einsichten und Offenbarungen auf die Frage warum ich bin, wie ich bin und wieso ich wurde was ich war. Ein augenscheinlich normaler Mensch, mit einem versteckten Knopf… Wenn man einen entsprechenden Code eingegeben hatte, konnte man per Knopfdruck einen Sardisten, einen Mr. Hide, einen Soziopathen, oder Rachsüchtigen hervorholen, mit selektiver Befreiung von Reue und Empathie und mit einer sehr hohen Schmerztoleranz. Jemand, der auf emotionaler Ebene, je nach Bedarf blinde Flecken erzeugen kann. Wehe dem, der ausversehen auf diesen Knopf kam. Absichtlich hat ihn jedenfalls keiner gedrückt. Von den wenigen, die mich etwas genauer kannten.
Seid über 10 Jahren habe ich meine Traumfrau an meiner Seite und die zwei besten Töchter, die man sich nur wünschen kann, aus erster Ehe. Meine Frau hat mich in diesen Jahren, in so vielen Bereichen therapiert, ohne wahrscheinlich eine Ahnung von dessen Umfang zu haben. Dadurch konnte ich in den letzten Jahren auch ohne meine zurückkehrenden Erinnerungen, zu einem erträglichen Menschen werden. Zwar besteht immer noch eine latente Explosionsgefahr, aber der Zünder wurde viel sicherer verwahrt und eine positive Nutzung der freiwerdenden Energie ist auch möglich. Hätte ich die Erinnerungen zurückbekommen bevor ich meine Frau traf und hätten noch Folterknechte oder Tanten von damals gelebt, hätte ich ihnen sicherlich den Erfolg ihres Tatwerkes in allen Facetten vorgeführt und es ihnen in vollen Zügen erlebbar gemacht, ohne jeglichen Zeitdruck und eventuell Generationsübergreifend. Diese Wut, den Zorn, die Maßlosigkeit der Rachlust und das Verständnis von Schmerz, hätte sie vielleicht beeindruckt. Meiner Traumfrau, meinen Kindern und Jesus Christus verdanke ich es, daß das was restlos zerstört und verloren schien, auferstehen konnte. Vertrauen, Zuneigung, Liebe, Sicherheit, Geborgenheit und ein Weg aus der Einsam- und Hoffnungslosigkeit!
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ilona nass aus Dortmund schrieb am 01.05.2023
Ich war 7 Jahre alt. Es war schrecklich. Ich habe erbrochen und musste es aufessen, stundenlang allein im Speisesaal. Ich hatte Windpocken und wurde allein in einem Raum eingesperrt. Es gab immer Strafen. Noch heute erinnere ich mich mit Grauen an die Zeit. Eine meiner "Erzieherinnen" hieß Fräulein Ohlsen
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Oliver Tollkamp aus Olfen schrieb am 01.05.2023
Ich war im Sommer 1976 für 6 Woche auf Juist im Heim Schwalbennest.Es waren 6 Wochen der Hölle.Ich wurde gezwungen Sachen zu ess die ich nicht mag.Habe ich mich geweigert wurde ich festgehalten und mir wurde das Essen und den Mund gestopft und wenn ich erbrochen habe musste ich das Essen.Weil ich bei der Gesangsrunde husten musste wurde ich den Keller gesperrt und dafür geschlagen.Auch wenn ich nicht essen wollte wurde ich öffentlich gedemütigt und geschlagen.Briefe und Telefonate wurden kontrolliert.Den Heinleiter haben wir Onkel Gert genannt.es war die absolute Hölle für mich .Als ich nach Hause kam war ich völligst traumatisiert ich haben Tage lang in der Ecke gesessen und litt unter Hospitalismus.Warum meine Eltern nichts unternommen haben weiß ich nicht.Ich bin so froh das dieses Thema endlich öffentlich wird .Momentan bin ich in Psychiatrischer Behandlung unter anderem wegen PTBS.
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ullpie aus HH schrieb am 30.04.2023
hm, war wie eine riesen Klassenfahrt. ich war mit einen Mitschüler aus der Grundschule dort, sechs Wochen über die Sommerferien .
das essen war Mist, ach was, das war es überall pfff.
Heimweh? klar, u10 , sechs Wochen weg von zu hause, wen wundert das.
übergrifflichkeiten ? klar, aber n i c h t vom personal!
schulhofstyle, große verkloppen kleine, jedoch nichts was den rahmen staatlichen Schulhöfe sprengen würde, eher andersrum, so what.
positiv war : kein bastel terror, dafür irgendwas mit Tieren, Pferde, Pfauen und Bauernhof kram halt, was schon damals für viele Städter überfällig war.
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Sibylle Braun aus Kenzingen schrieb am 30.04.2023
Ich war im Frühsommer 1971 mit meiner Schwester in Krauchenwies und erinnere mich an eine grausame Zeit. Wir wurden gedemütigt, gequält und für Dinge bestraft, für die man nichts konnte. ....Ich hatte vermutlich die Nase gebrochen, sollte laut Arzt zum Röntgen gebracht werden, das ist aber nie geschehen. Meine Schwester sollte ihr Erbrochenes wieder essen, ich stand daneben. Ich erinnere mich an Kälte, frieren, barfuß auf dem Flur stehen, kaltes Wasser über dem Körper, schreckliche Gerüche, Angst, Horror, Schmerzen, lange, kalte Flure, Fliesen, Speisesaal mit ganz langen Tischreihen, Schwester Richhild, nur nicht auffallen, Zweierreihen, Kasernendrill, laute Befehle, zischende Laute, Tee mit komischem Geschmack, Saft, Schlafsaal, Eisenbetten, Einsamkeit...und mehr. Die Zeit dort hat unsere Kinderseelen gebrochen, unsere Persönlichkeit gab es nicht mehr. Wir leiden bis heute darunter, obwohl wir uns an vieles nur bruchstückhaft erinnern können.
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Christine Heckmann aus Riegelsberg schrieb am 30.04.2023
Prolog : Kinderverschickung 1966 Nordsee!!
‌Irgendwie war eine Unruhe in unserem Haus. Immer Getuschel, aber nichts, was ich später hätte deuten können. Irgendwann ging meine Mutter, mal wieder mit mir zum Arzt, und danach ging das relativ schnell, das ich jetzt immer öfter Gesprächsfetzen mitbekam. "
‌Die kommt jetzt mal weg", oder " nein die muss weg". Ich bin 1960 geboren, sehr spät im Dezember. Ich wurde aber mit meinem Jahrgang 1960 eingeschult. Man nannte das,
‌"Kurzschuljahr". Das hieß in meinem Fall, ich wurde 5Jahre im Dezember 1965 und wurde im April 1966 eingeschult. Ich war mal gerade so 5Jahre und 4Monate alt. Ich ging noch nicht sehr lange zur Schule, konnte aber meinen Namen schon schreiben. Mein Unglück , das ich eine Linkshänderin war, hat mir dann auch in der Schule, jeden Morgen, Prügel beschert. Diese Lehrerin, eine Frau Fischer, hat sich jeden Morgen neben mich gestellt und mir mit dem langen Zeige Stock, auf meine kleinen Hände drauf geschlagen um mir immer wieder klar zu machen, das ich gefälligst mein schönes Händchen zu nehmen hätte . Ich war schon sehr verschüchtert und eher still, ich hatte nämlich auch eine sehr harte Mutter, immer Schläge für alles um dann auch noch in der Schule immer Angst haben zu müssen. Und jetzt hat es angefangen, das ich verstanden habe, das mit den Sätzen, " das die weg muss", ich gemeint war. Nur war mir das Ausmaß nicht genau klar. Ich hatte das Glück, das wunderbare Glück, das wir in einem 4 Generationen Haus gelebt haben, und ich der absolute Liebling von meinem Uropa war. Geliebt, verwöhnt und beschützt. Er hat sich, so gut er konnte, immer vor mich gestellt und mich vor meiner Mutter zu beschützen versucht.
Epilog:
‌Eines Morgens, sind wir alle, also, ich, meine Eltern und auch mein Uropa, mit einem Koffer nach Saarbrücken zum Hauptbahnhof gefahren. Und dort, sollte ich alleine in einen anderen Bus einsteigen. Das wollte ich aber nicht. Ich fing an zu weinen und da bekam ich dann die erste Erklärung was denn hier jetzt passieren sollte. Meine Mutter sagte mir, ich käme jetzt in ein Heim, ich solle dankbar sein, das wäre auf einer Insel. Ich wäre zu dünn und die würden mich gesund machen. Das Wort unterernährt viel ein paar mal, aber damit, konnte ich nichts anfangen. Dann ging das Drama erst los. Ich wurde gezwungen, in diesen Bus einzusteigen. Ich schrie, ich wehrte mich, ich trat um mich und mein Uropa, ist dann zu mir in den Bus gestiegen, um mich zu halten und zu beruhigen. Meine Mutter kam dazu, um ihn wegzureißen. Es war ein absolutes Chaos, mein Uropa rief immer wieder" lass das Kind in Ruhe, lasst sie bei mir". Meine Mutter schrie immer wieder, " nichts da, die kommt jetzt weg". Und jetzt kann ich mich erst wieder richtig erinnern als wir übergesetzt wurden und ich auf einem Schiff war. Mir war tot schlecht, ich hatte schreckliche Angst und war ohne meinen Uropa irgendwo allein auf einem Schiff. Die nächste Erinnerung ist, das wir in einem riesigen Speisesaal ganz viele Kinder waren und wir mussten alle still sitzen. Was genau um mich herum geschah, daran habe ich keine Erinnerung, außer, das uns morgens jemand an den Haaren riss um unseren Kopf nach hinten zu reißen. Dann wurde uns gesagt, das wir Lebertran essen müssen um gesund zu werden. Und diese Prozedur war jeden Morgen die gleiche brutale Art, uns diesen Löffel mit diesem widerlichen Lebertran, einzuflößen. Erinnerungen von Spaziergängen zum Strand und zu einem Leuchturm, von kaltem Wind und der einzigen schönen Erinnerung, ich durfte immer an die Hand, von einer dieser Betreuerinnen. Ich kann mich an Kälte, an Angst, an Verzweiflung erinnern. Ansonsten vom alltäglichen Leben ist nichts in meiner Erinnerung. Bis auf jenen Tag, der sich für immer in meine Seele geschrieben hat. Ich wurde an der Hand gezogen, man sagte zu mir, ich sei krank. Ich müsse für zwei Wochen hier weg. Warum ich mich daran erinnere weiß ich nicht, also zwei Wochen und auch dieses Wort "Quarantäne", war mir keine Begrifflichkeit, aber, das wurde mir bald klar. Ich war noch keine 6Jahre alt und man hat mich, für zwei Wochen, ganz alleine weggeschlossen. Unten an der Tür, war eine Klappe, da hat man mir mein Essen durch geschoben. Ich habe das die ersten Tage, nicht richtig verstanden, aber es wurde mit jedem Tag brutaler. Nichts war mehr wahr, ich war allein, man hat mich einfach weggeschlossen. Niemand hat mit mir geredet, niemanden habe ich gesehen, außer das Geräuch, wenn man mir das Essen durch diese Lucke geschoben hat. Ich weiß noch, das ich den ganzen Tag, neben der Tür auf dem Boden saß , weinte, klopfte, rief, bitte lasst mich hier raus, aber niemand hat darauf reagiert. Dann meine nächsten Erinnerungen, ich war wieder in dem Schlafraum, in dem ich vorher war. Jetzt konnte ich nicht mehr richtig schlafen. Ich habe meine große Zudecke benutzt, um aufrecht zu sitzen, in meinem Bett. Ich hatte Angst zu ersticken, ich konnte mich nicht mehr flach hinlegen. Mein Kopfkissen, habe ich benutzt um mich vor der Kälte zu beschützen. Und ab jetzt gab es jeden Morgen, aufs übelste Geschimpfe, weil ich ins Bett ,Pippi gemacht habe. Ab diesem Zeitpunkt, war ich eine Bettnässerin. Und das war ich danach, eine lange Zeit.
Schlusswort:
‌Jetzt wieder keine Erinnerung, außer das ich irgendwann, wieder Zuhause war. Und vorher, war meine Mutter schon immer bereit zu schlagen, aber jetzt hatte sie einen richtigen Grund. Jetzt habe ich für eine lange Zeit jeden Morgen Prügel und gemeine Worte bekommen, weil ich mich eingenässt hatte. Ich konnte bis fast in mein Erwachsenen Leben, nur sitzend schlafen.
‌Fazit: Kinderverschickung war mein Kindlicher Alptraum.
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Martina aus Niedersachsen schrieb am 30.04.2023
Mit 3 Jahren wurde ich für 10 Wochen zur Kur nach Norderney geschickt. Dort bin ich 4 Jahre alt geworden. Kann sich jemand an ein Heim erinnern, in dem abends gerufen wurde: "Ruhe im Karton und Köpfe zur Wand!"? So bin ich dort eingeschlafen und hatte furchtbare Angst vor der Nachtschwester. Ich glaube, sie wurde "Tante" genannt. Tagsüber habe ich mich vor den weiß bandagierten Kindern gegruselt, weil ich nicht wusste, was mit ihnen los war. Ich selbst war wegen meines Hustens dort. Es gab ein Mädchen, das immer "RRRR-Ripsband" gesagt hat. Sonst habe ich fast alles vergessen, weil ich so klein war oder weil es so furchtbar war, keinerlei Kontakt zu meinen Eltern haben zu dürfen. Bevor ich von der Verschickungskinder-Initiative erfuhr, habe ich in einem Anflug von Trauer und Frustration alle Karten weggeworfen, die mir von Verwandten an das Kinderheim geschrieben worden waren. Ich konnte sie damals alle nicht lesen und später war der Inhalt für mich der blanke Hohn. Jetzt wüsste ich gerne, wo ich war. Meine Mutter war 1978 noch einmal mit mir auf Norderney und wollte das Kinderkurheim besuchen. Ich soll gerufen haben: "Nein, nicht zu dem Haus mit dem grünen Zaun!". Das sind meine einzigen Hinweise. Meine Mutter sagt, sie habe ein ganz verändertes Kind nach Hause bekommen. Besonders auffällig ist meine für immer gebliebene, extreme Schreckhafitgkeit.
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Andreas schrieb am 30.04.2023
Ich war 1967 während der Sommerferien 6 Wochen lang im Kinderheim Warteberg in Bad Sachsa. Ich war 11 Jahre alt, und diese Zeit war die schlimmste meines Lebens.
Heimleiter war Herr Köbrich, ein brutaler und widerwärtiger Verbrecher. Schläge von ihm und den übrigen Erzieherinnen waren an der Tagesordnung, und das für Nichtigkeiten. Beispiel: In einem Brief erwähnte ich, dass es regnet, und kassierte dafür eine Ohrfeige. Unsere Briefe wurden zensiert, damit die Wahrheit nicht bekannt wurde.
Der Zwang zum übermäßigen Essen wurde schon in vielen Beiträgen geschildert. Wir wurden jede Woche gewogen. Wer nicht zugenommen hatte, bekam - natürlich - Prügel. Wir hatten einen Bettnässer in unserer Gruppe, der von Herrn Köbrich auf brutalste Weise misshandelt wurde.
Das regelmäßige Duschritual war eine Qual. Nach dem Waschen musste wir mindestens 10 Minuten unter der eiskalten Dusche stehen bleiben. Mehrfach wurden wir Jungen von Erzieherinnen nackt mit einem eiskalten Wasserschlauch abgespritzt. Auch auf dem Heimgelände gab es eine kalte Dusche, wo wir ebenfalls regelmäßig nackt duschen mussten. An einer Wassertretstelle im Wald mussten wir unbekleidet baden. Herr Köbrich fand offenbar Gefallen am Anblick unbekleideter Knaben.
Unheimlich war auch der Hausmeister. Er hieß "Herr Martsch" oder so ähnlich. Von ihm wurde ich einmal in eine Hütte gezerrt, betascht und geküsst.
Am Ende der "Erholungskur" wurde unsere Jungengruppe dann von einem Friseur heimgesucht, der seine Lehrmädchen im Schlepptau hatte. Diese durften dann an uns das Haareschneiden üben. Das katastrophale Erlebnis wurde dann mit den Worten kommentiert "Die Jungs müssen ja anständig aussehen, wenn sie nach Hause kommen".
Jahre später habe ich das Heim in Bad Sachsa erneut aufgesucht. Leider zu spät, es war inzwischen geschlossen. Ich hätte es ansonsten dem sauberen Herrn Köbrich heimgezahlt.
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Yvonne aus Friedrichsdorf schrieb am 29.04.2023
Ich habe in dem Kinderheim im Alter von 4 Jahren das Lachen verlernt.
Als ich wieder nach Hause kam, hatte ich alles kindliche verloren.
In dem Heim lief vieles schief, aber das Schlimmste war, dass ich jede Nacht von mehreren Jungen, die im gleichen Zimmer geschlafen haben, gequält wurde.
Tagsüber herrschte Drill, es durfte im Speisesaal nicht gesprochen oder gelacht werden.
Alles musste aufgegessen werden.
Ich habe mich vor der Haut auf der Milch geekelt, aber ich durfte sie nicht zur Seite legen.
Im Schwimmbad wurden alle ins Wasser geworfen, egal ob sie schwimmen konnten oder nicht.
Zweimal wurden wir innerhalb der 6 Wochen entlaust.
Dazu mussten wir alle gemeinsam in einen großen Waschraum. Die ganze ‚Zeremonie‘ war demütigend und würdelos.
Jedes Kind musste eine Tafel Schokolade mit ins Heim bringen, aber wir haben kein einziges Stück bekommen.
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MaEu schrieb am 28.04.2023
Ich war als 5 jährige in Bad Wörishofen mit meiner jüngeren Schwester und dann allein als sechs oder sechseinhalbjährige in Berchtesgaden beide Male sechs Wochen.
Auch mich verfolgen die schlimmen Erfahrungen in Form von Flashbacks und anderen Traumasymptomen noch immer. Weil auch ich vor lauter Kummer eingenässt habe und schwere Repressalien in Form von
Demütigungen und Abwertungen erfahren musste (Berchtesgaden)
Ich erinnere mich auch daran, dass ich lange Zeit auf dem dunklen Flur in der Ecke mit dem Gesicht zur Wand stehen musste, weil wir - ich und meine Schwester im Bett noch geredet haben. Ich habe auf dem zugigen Flur in dem dünnen Schlafanzug und mit den nackten Füßen fürchterlich gefroren und war irgendwann völlig übermüdet und erschöpft und durfte nicht ins Bett. Habe ich mich auf den Boden gehockt, weil ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, wurde ich bestraft, in dem ich richtig grob hoch gerissen wurde und wieder auf die Beine gestellt wurde. Das ging stundenlang so, bis es absolut gar nicht mehr ging. Was dann war, weiß ich nicht mehr (Filmriss). Wir mussten uns in der Reihe aufstellen und uns wurde sehr grob ein Teelöffel Honig gewaltsam bis in den Rachen geschoben.
Ich sehe noch heute das Bild vor mir, mit dem schreienden Mädchen, die mit 2 Frauen festhalten wurde und wie sie fürchterlich würgen musste. Sie schrie und schrie und schrie, während ihr Gewalt angetan wurde. Sie stand in meiner unmittelbaren Nähe und ich musste alles mit ansehen. Es war fürchterlich, weil so grausam! Ich
war derart eingeschüchtert und erstarrt, dass ich mich nicht gegen diese Gewalt gewehrt habe. Es wurden Befehle erteilt, denen ich mich nicht im geringsten getraut habe zu widersprechen oder etwas entgegen zu setzen!
Als einer der Folgen habe ich den sogenannten Bambi Reflex( Fawn Response) entwickelt den ich gerade mühsam versuche unter therapeutischer Aufarbeitung abzulegen. Ich habe emotional so fürchterlich gelitten und deshalb eine dissoziative Störung und ebenso eine bis heute anhaltende schwere Essstörung entwickelt, die zuhause auffällig war und nicht richtig eingeschätzt wurde. Ich esse noch heute zwanghaft zu viel und zu schnell und habe deshalb schwere Verdauungsprobleme und eine krasse sehr ausgeprägte Essstörung entwickelt, die bis heute andauert.
Je mehr ich mich angestrengt habe, lieb und gehorsam zu sein, desto schlimmer habeich dissoziiert, bis sich das alles verselbstständigt hat. Ich bin jetzt gerade dabei, das mühsam in einer traumaorientierten Psychotherapie aufzuarbeiten, weil das Gefühl falsch zu sein tief sitzt. Zuhause wurden mir diese Erfahrungen abgesprochen, mit dem Satz: " Das war ganz bestimmt nicht so, du schwätzt dummes Zeug." Seit dem habe ich Schwierigkeiten, meine Wahrnehmung zu vertrauen.

Schlimm und schmerzhaft zu erkennen und zu fühlen wie sehr man der schwarzen Pädagogik durch die Nonnen, den alten Medizinern (Ärzt/Innen in den Kurheimen) schutzlos ausgeliefert war. Es geht mir nicht gut und ich kann die schmerzhaften Erinnerungen kaum aushalten.
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Sabine Boldt aus Berlin schrieb am 28.04.2023
Verschickung 1964

Als vor einigen Tagen die Studie der DAK zum Thema „Verschickungskinder“ in der Tagesschau vorgestellt wurde, war ich augenblicklich emotional sehr stark angesprochen.
Auch mir ist dies passiert und ich dachte die meiste Zeit meines Lebens, dass es ein Einzelfall war. Eine Recherche auf der Website „Verschickungskinder.de“ beweist jedoch das Gegenteil.
Auch wenn ich nun schon 65 Jahre alt bin, man meinen könnte, dass das Erlebte ja gut verarbeitet sein müsste, gerate ich bei diesem Thema immer noch „aus den Fugen“.
Es war traumatisierend und das durch und durch.

Hier ist meine Geschichte aus dem Jahr 1964.

Nach der Geburt meiner Schwester entschieden meine Eltern, dass sie einen Sommerurlaub in Dänemark machen wollten.
Aufgrund der Tatsache, dass sie wahrscheinlich nur wenig Platz im Fiat 600 hatten, wurde die Reise nur mit meiner halbjährigen Schwester, meinen Eltern und meiner Oma durchgeführt.
Ich war gerade sechs Jahre alt geworden und Ostern in die 1. Klasse eingeschult.

Aufgrund von Hautallergien befanden meiner Eltern, dass ich in meinem Alter auch schon alleine verreisen könnte. Hier wurden augenscheinlich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Mir wurde erzählt, dass ich ja schon groß sei und mit vielen Kindern den ganzen Tag spielen könne. Sie meinten es tatsächlich bestimmt gut, aber ich war erst sechs Jahre alt und gerade große Schwester geworden.

Worüber die Reise organisiert wurde, weiß ich nicht genau. Ich vermute, dass mein Vater als Siemens-Mitarbeiter von dort aus Angebote nutzte.

Die Reise ging mit einem Bus nach St. Peter Ording und dauerte ganze SECHS Wochen.

An das Heim habe ich nur die Erinnerung, dass es ein altes hohes Haus war, irgendwo in der Nähe zur Nordsee.

Andere Dinge erinnere ich jedoch gut.

1. Das Essen musste IMMER aufgegessen werden, egal ob es mir schmeckte oder nicht.
Bis heute kann ich keinen Fisch essen und auch Haferschleimsuppe, die es jeden morgen gab, verabscheue ich noch immer zutiefst.
Die Erinnerung, dass ich zumindest an einem Tag aufgrund von Mehlklümpchen in dieser Suppe einen Brechreiz bekam, mich in den Teller erbrach, sitzt tief.
Ich musste dieses Erbrochene nämlich aufessen. Alle Kindern durften schon aufstehen und spielen gehen, ich musste allein so lange am Tisch bleiben, bis ich fertig war.

2. Ich hatte IMMER Heimweh und enorme Sehnsucht nach meiner Mutter. Sie zu erreichen war unmöglich. Ich wäre gerne abgholt worden, völlig ausgeschlossen. Meine Mutter erzählte mir später, dass sie immer dachte, dass ich glücklich war.

3. Irgendwann wurde ich krank. Ich wurde isoliert auf den Dachboden. Stunden- und wahrscheinlich auch tagelang war ich dort allein, einfach ganz allein. Nur eine junge Frau kam, um sich meiner anzunehmen, mich zu versorgen. Sie war nett und sie ist meine einzig gute Erinnerung.

Nach sechs Wochen war das Martyrium vorbei und ich glücklich wieder mit meiner Familie vereint.
Einige Wochen nach der Verschickung pellten sich mir die Handinnenflächen.
Dies erzählte mir meine Mutter später. Ein Kinderarzt diagnostizierte Scharlach, was mir im Nachhinein die Isolierung erklärte.
Hier kommt natürlich der Verdacht auf, dass ich isoliert werden musste, um eventuell eine Meldung ans örtliche Gesundheitsamt zu vermeiden. Es drohte eine Heimschließung oder ähnliches, wer weiß das schon?

Meine Mutter bereute die Verschickung zutiefst. Dies ist in vielen Gesprächen später deutlich geworden. Sie wurde nie über meine Erkrankung informiert. Sie wusste auch nichts von meiner Isolierung und es blieb ihr nur übrig ihrem Kind zu glauben.
Ich glaube, sie tat es. Sie beteuerte immer, dass sie selbst unter der Trennung von mir gelitten habe und mich sofort abgeholt hätte.

Die Wunden des Traumas heilten zwar im Laufe der Jahre, dennoch bleiben Ängste zurück, die selbst heute noch manche Situationen schwer beeinflussen.

Danke, dass ich meine Geschichte erzählen durfte.
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Michael schrieb am 28.04.2023
Im Sommer 1975 wurde ich zusammen mit meinem vier Jahre älteren Bruder als Neunjähriger nach Glücksburg ins Kinderheim St. Ansgar verschickt.
Wir wurden von Beginn an konsequent voneinander getrennt. Im Heim herrschte eine Atmosphäre der Angst und Gleichgültigkeit. Ich wurde von einem verhaltensgestörten Jungen regelmäßig gedemütigt und geschlagen - die Heimfräuleins hat es nicht interessiert. Ich habe mich völlig einsam und verlassen gefühlt, hatte schreckliches Heimweh. Die traumatischen Erlebnisse habe noch heute glasklar vor Augen. Die Betreuerinnen hießen Fräulein Gaul und Fräulein Többen. Wie ich recherchieren konnte hat das Heim noch 1987 existiert.
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Sven Kaulfuss aus Bad Homburg schrieb am 28.04.2023
Hallo mein Name ist Sven geboren 1970. Ich wurde im Zeitraum 1977-1979 6 Wochen nach Norderney verschickt. Zusammen mit meinen beiden Klassenkameraden dachte meine alleinerziehende Mutter wohl das es mir gut tun würde. Habe sehr wenige bis keine guten Erinnerungen an die Zeit. Alles beschriebene bzgl. Essen, Schlafen, Ruhezeiten, Beten, Maßregelungen und Züchtigung, etc kann ich teilen. In Erinnerung blieb mir ein Mittagessen bei dem mir eine Gräte im Hals stecken blieb. Leider hatte ich mein Glas bereits ausgetrunken und es gab kein zweites. Da ich nach Luft hechelte schnappte ich mir irgendeines und wurde dann gemaßregelt. Meine Mutter schickte ein Paket mit meinem Lieblingsstofftier und Süßigkeiten nach. Dieses wurde in großer Runde mit Gelächter ausgepackt. Stofftier an mich Rest an die Gemeinschaft. Ein Spaziergang zum Leuchtturm war sicher ein Highlight - leider mußten wir dies in voller Montur erledigen während andere Kinder mit Ihren Eltern am Strand spielten und badeten. Nach 6 Wochen kam ich mit Scheitel und bis oben zugeknöpft nach Hause und als Begrüßung gab es ein „Guten Tag Mutter“. Das erlebte dort oben war nie positiv und meine Mutter hatte immer Gewissensbisse aber wir haben versucht das beste aus der Situation zu machen. Es verwundert mich allerdings bis heute das ich so wenige Erinnerungen an die Zeit und meine Kindheit habe. Ich freue mich sehr über diese Art der Aufarbeitung und vielleicht gibt es ja Leser die ebenfalls in der genannten Zeit aus dem Hochtaunuskreis nach Norderney verschickt wurden - wäre schön ein wenig Licht ins dunkle zu brigen.
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Fanny schrieb am 27.04.2023
Bis ich heute einen Artikel in unserer Tageszeitung über die Verschickungskinder gelesen hatte, dachte ich, ich habe ein Einzelschicksal / Einzeltrauma…..
Nachdem ich aber hier einige Artikel gelesen habe, mich in vielen wieder gefunden habe, möchte ich auch meine Erinnerungen los werden und vlt. ein Stück Traumabewältigung machen.

Ich war im Dezember 1977 mit 5 Jahren aufgrund einer Stoffwechselstörung und geringem Gewicht zusammen mit meinem Freund im gleichen Alter auf Langeoog in Kur. Verschickt wurden wir alleine mit dem Zug. Versprochen war, dass wir zusammen in ein Zimmer kommen, aber bereits nach der Ankunft wurden wir getrennt. Für mich als extrem schüchternes Mädchen war dies schrecklich. Ich wurde im unteren Stock, er im oberen untergebracht In meinem 4er Zimmer gab es ein Zwillingspaar. Gemein fand ich, dass der Junge unten bei uns Mädchen sein durfte. Ich litt schrecklich unter Heimweh (interessierte niemand) und beim regelmäßigen Schreiben der Postkarten, schrieben die Betreuerinnen, dass es mir sehr gut gehe und es mir gefällt. Meine Mutter glaubte das natürlich.
Die schlimmsten Erinnerungen habe ich allerdings zu den täglichen Essenszeiten. Als schmächtiges untergewichtiges Kind, natürlich auch sehr wählerisch beim Essen, bekam ich immer einen großen Schöpfer auf meinen Teller und den musste ich aufessen, egal ob ich das Gericht möchte oder nicht. Es stand immer eine Betreuerin in meiner Nähe und passte auf. Ein vorzeitiges Beenden gab es nicht. Notgedrungen aß ich auf bzw. würgte das Essen hinunter ….. und danach erbrach ich mich quer über den Tisch, ich glaube täglich. Man schimpfte mit mir, schickte mich zum Waschen, Zähneputzen und zum Mittagsschlaf. Ich fühlte mich so gedemütigt und traurig.
Meinen Freund sah ich täglich im Speisesaal am anderen Ende sitzen, er winkte mir immer. Kontakt zu den Jungs gab es nicht, alles war nach Geschlechtern getrennt.
Wöchentlich kam der Arzt und wir mussten in den oberen Stock ins Behandlungszimmer zum Wiegen usw.
Ausflüge zum Strand gab es auch, aber für mich gab/gibt es keine einzigste Situation, die ich positiv in Erinnerung habe. Ich weiß nur, dass ich in der letzten Nacht mein ganzes Bett verbrochen habe und bei den anderen Kindern dann am Fußende lag.
Von meiner Mutter weiß ich, dass ich mit völlig verschmutzten Kleidern heim kam und so gut wie keine Kleider aus meinem fast unbenutzten Koffer gebraucht hatte. Ich war quasi völlig verwahrlost. Als Positives blieb für meine Mutter zurück, dass ich danach keine Stoffwechselstörungen mehr hatte. Abgesehen von dieser Kur hatte ich eine sehr glückliche Kindheit mit vielen schönen Erinnerungen.
Der Kuraufenthalt war nie ein großes Thema in meinem Leben.
Jedoch zieht es mich bis heute nicht an die Nordsee zu den ostfriesischen Inseln und wenn im Fernsehen ein Bericht über die Inseln kommt, laufen mir einfach die Tränen. Bis vor wenigen Jahren fiel es mir auch schwer darüber zu sprechen und auch heute noch bin ich beim darüber Reden/Schreiben emotional sehr ergriffen. Bei einem Besuch vor ein paar Jahren am gegenüberliegendem Festland hat mich ebenfalls die Vergangenheit eingeholt. Ich kann die Gefühle diesbezüglich bis heute nicht steuern.
Ansonsten leide aber nicht unter diesem Trauma, sofern ich nicht an die Nordsee „muss“
Zum Schluss danke fürs Lesen meines Artikels. Ich sehe ihn als einen weiteren Punkt im Thema Traumabewältigung und hoffe, dass ihr anderen auch Kraft schöpfen könnt, wenn ihr seht, dass ihr nicht alleine dieses Schicksal tragt.
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Peggy Kania aus Angermünde schrieb am 26.04.2023
Ich war den ganzen August 1976 in Pausa zur Kur. Dort sollten Kinder hin, die zu dünn oder schlechte Esser waren. Ich war niemals in meinem Leben dünn und laut meiner Mutter war ich dort, weil noch ein Platz frei war (sie war wohl in der betrieblichen Vergabekommission FDGB, Soziales).
Seit sehr vielen Jahren treibt mich um, dass dieser August 1976 in mir komplett vergraben ist. Als Erinnerungen kann ich sagen, dass ich eine alte Villa umgeben von großen Bäumen in einer parkähnlichen Anlage vor Augen habe. In einem düsteren und ungemütlichen Speisesaal gab's Essen. Ich erinnere mich einzig daran, dass ich viel Butter essen musste und diese über Jahrzehnte gemieden habe. In eben diesem Saal saßen auch alle Kinder und jedem Einzelnen wurden die Finger- und Zehennägel geschnitten.
Ich war 7 Jahre alt, wurde am 1. September eingeschult, kann mich an meine Kindergartenzeit erinnern, an meinen Geburtstag am 31. Juli (also die Kur war genau zwischen meinem 7. Geburtstag und meiner Einschulung), aber die Kurzeit ist komplett "weg". Das macht mir Angst! Während einer Therapie wurde mir gesagt, dass die Erinnerungen alle da sind, irgendwann auftauchen und eventuell zum Selbstschutz ausgeblendet werden.
Seit mehreren Jahren leide ich an Depressionen, bei sonst glücklich verlebter Kindheit. Glücklich allerdings machten Ferienlager mich nicht. Da wollte ich nicht hin und nicht sein und ich kann mich erinnern, dass ich so sehr geweint habe, dass meine Eltern kommen mussten. Meine beiden Schwestern waren ebenso mit im Ferienlager und beide hatten nie Probleme damit, nicht zu Hause zu sein. Ich war bis zur Pubertät quasi am liebsten an der Seite meiner Mutter. Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen wurden mir, so denke ich heute, in Pausa genommen. Ich hoffe inständig, dass ich irgendwann an meine Erinnerungen gelange, um mein Ich verstehen zu können.
Wie gesagt, kann ich nichts zu all den anderen Räumen, Abläufen und Gegebenheiten erinnern. Ich habe auch kein Gesicht von Kindern oder Betreuern vor Augen, auch kann ich mich nicht an Post oder Spielzeug erinnern!
Geht es noch jemandem so?
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Anne aus Norderney schrieb am 26.04.2023
Ich war im Winter 1980/81 auf Norderney. Ich war in der 1 Klasse, Schulunterricht gab es nur Mittwochs meistens fiel er aber aus, Die Lehrerin war sehr nett und jung. Spazieren in Zweierreihen, viel Warten nackt auf dem Flur, nackt ums Haus Laufen im Schnee, Blutwurst, gültige Geschichten aus Was ist Was Bücher Dinosaurier wurden vorgelesen man musste dableiben und zuhören im Dunkeln, zugeteilte Kleidung, eincremen mit Melkfett und dann den Schlafanzug an, kein Besuch, keine Telefonate, Buttermilchsuppe, meine Bettnachbarin Cordula mit dicken blonden Haaren und Bussi Bär ein kleiner dünner immer kranker Junge der ach da war als ich kam und noch immer da war als ich drei Monate später ging, das sind die Dinge die ich erinner.Man wartete nackt auf dem Flur um in einer riesigen Wanne zu baden die Zeit wurde gestoppt das Wasser war für alle Kinder das gleiche. Man musste ständig Fieber messen, eigens Spielzeug wurde in Schränke gepackt auch die Kleidung da kamen wir gar nicht dran. Nachts haben viele Kinder geweint. Ich habe keine schönen Erinnerungen außer vielleicht an Cordula die mich getröstet hat und die nette Lehrerin die ich viel zu selten sah.
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BETTI aus Berlin schrieb am 26.04.2023
Ich besuchte Wennigstedt im Rahmen einer Kinderverschickung.
Ich war solch einen schädlichen Umgang nicht gewöhnt.
Ich kann mich noch an wenige Ding erinnern, zum einen wurde ich stets gezwungen mein Essen aufzuessen, unter Tränen saß ich da und musste achten, mich nicht zu übergeben. Gleichzeitig hatte ich Angst, dass eine Pflegerin füttert und das natürlich brutal mit Nase zuhalten. Eckelhaft. Da ich zuvor noch nie Margarine aß, nur Butter, wurde mir stets schlecht. Graubrot mit Margarine. Ich kann das bis heute nicht essen.
Ich habe ein Kinderbild, aufgenommen genau nach der Reise. Ich war stets ein schlankes Kind mit feinen Gesichtszügen, aber auf dem Bild erkenne ich mich kaum, geschwollenes Gesicht und eine fette Griebe an der Lippe. Einfach schrecklich.

Desweiteren wurden Postkarten unter dem stengen Blick der Pflegerinnen gemalt. Obwohl ich schon etwas schreiben konnte, durfte ich nicht. Wenn ich Regen malen wollte, zwang man mich zur Sonne. Leider war mein Code, den ich mit meiner Mutter vereinbarte, aufgedeckt worden.
Pakete der Eltern wurden geöffnet, gezeigt und an alle verteilt, was mir nicht so sehr leid tat. Grund der Verschickung war, dass meine Mutter jung geschieden war, mein Vater viele Jahre erfolglos ums Sorgerecht kämpfte und das Jugendamt ab und zu auf der Matte stand und rat, dass ich unter Kinder müsste. Ich war von der Vorschule befreit, da ich bereits mit 4 Jahren lesen und rechnen konnte. Die Schulärztin sagte, das Kind würde sich in der Vorschule langweilen. Hat lange gedauert, bis das in den Kopf der Jugenamtdame ankam.
Die Postkarten an die Mutter, durfte ich nicht beschriften, das war den Damen zu viel. Wenn ich darüber nachdenke und oft nachdachte, möchte ich den Umgang mit den Kindern durch die Erzieherinnen mit einem Zuchhaus vergleichen. Wer weiß, wo diese Damen früher einmal als Aufseherinnen vor 1945 tätig waren. Ich möchte nichts unterstellen, aber die Umgang war schlimm.
Meine Familie hatte sich nach meiner Rückkehr schriftlich bei den zuständigen Behörden beschwert und mit RA gedroht. Auch den Vergleich gezogen, wo diese Damen wohl einzuordnen seien. Denn so geht man mit Kindern nicht um. Von da an hatte meine Mutter Ruhe, damals traute man einer jungen Frau ein erfolgreiches Leben als Geschiedene Mutter nicht zu.
Bemerken möchte ich, dass die Kinder auf mich fast alle apathisch wirkten, als hätte man ihnen den Willen gebrochen oder etwas ins Essen getan.
Ich habe auf jeden Fall nie mehr so viel erbrochen, wie auf dieser Fahrt.
Tägluch bat ich darum meine Mutter zu kontaktieren, da ich abreisen wollte. Meine Mutter sagte mir, wenn was ist, hole ich dich sofort ab. Daraus wurde nichts, ich durfte nicht einmal meine Mutter überhaupt anrufen. Da ich das aus meiner Familie kannte, habe ich schon in dem Alter mit dem Rechtsanwalt gedroht. Vielleicht hat man mich deshalb nicht so sehr gequält wie andere Kinder. Ich hoffe, dass kein Kind, solche ekelhaften Erfahrung machen musst. Bei mir ging es mehr ums Essen. Andere Kinder wurden bloßgestellt. Und was ich besonders bedrückend fand, dort herrschte eine düstere und Stille Grundstimmung. Ich komme aus einer sehr lebhaften Familie, in der man viel spricht und viel lacht. Das war ein regelrecht Zombiehaus.
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M.M.G. aus Bad Rothenfelde schrieb am 26.04.2023
Ich war immer ein gesundes, agiles Kind. Als ich 8 Jahre war, meinten die Mitarbeiter*innen der „Werksfürsorge“, dass ich doch mal zur Kur müsse und überredeten meine Eltern zu einer 4-wöchigen Kur über die Knappschaft in Bad Rothenfelde. Das Haus wurde von Nonnen geführt, deren Hauptanliegen es war, Macht über Kinder auszuüben.
Wir mussten in einem großen Saal schlafen, dessen Tür abgeschlossen wurde, so dass wir nicht zur Toilette gehen konnten. Dafür gab es einen Nachttopf. Im Laufe der Zeit machten wir alle ins Bett, weil wir alle Probleme damit hatten, vor allen anderen auf den Topf zu gehen. Damit war das Ziel erreicht, eine konnte Bestrafung erfolgen. Ab dann gab es abends nichts mehr zu trinken, nur noch jeden Abend Zitronensuppe, 4 Wochen lang… irgendwann habe ich diese am Tisch wieder ausgebrochen mit der Folge, dass ich mein Erbrochenes vor allen anderen aufessen musste und zusätzlich geschlagen wurde.
Ich verlor an Gewicht und bekam zusätzlichen Druck, die Suppe zu essen. Am Ende wog ich nach 4 Wochen weniger als zu Beginn.
Zähneputzen nackend in der Gruppe, Unterwäsche durfte nur gewechselt werden, wenn die Nonne es wollte (sowas kannte ich von zu Hause nicht), wer beim Schuhe zubinden nicht schnell genug war, bekam eine Ohrfeige etc.
Bekamen Kinder zum Geburtstag ein Päckchen, wurde dies vor aller Augen konfisziert und verschwand. Post die wir nach Hause schrieben, durfte nur positives enthalten, sonst gab’s Schläge. Post von Zuhause wurde ebenfalls kontrolliert und nicht immer ausgehändigt.
Wieder zu Hause angekommen, wurde mir zunächst nicht geglaubt. Nachdem einem anderen Kind auf Norderney ähnliches widerfahren war, glaubten mir meine Eltern. Ein weiteres Mail musst Ich nicht zur Kur.
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Bettina Lichtenauer aus Buxtehude schrieb am 26.04.2023
Ich war 1985 für 5 Wochen in Alexisbad. Meine Mutter hatte keine andere Wahl, da ich untergewichtig war. Kinder wurden dort misshandelt und gequält. Uns wurden proforma die Haare entlaust. Kinder schrien, da das Zeug in die Augen lief und brannte. Irgendwas muss ich da gemacht haben. Daher durfte ich nie Sandmännchen gucken und musste ins Bett. Zum Essen wurden abends die Namen der Kinder aufgerufen und es musste so lange Stullen gegessen werden, bis die Bleche alle waren. Ein Kind klemmte sich den Kopf im Stuhlrücken ein. Ihm wurde nicht geholfen. Das Kind hat geweint und musste so bleiben, wir haben zugeguckt. Nachts war ich bei einer Frau auf dem Schoss, die vor der Toilette saß. Ich hatte Todesangst, Heimweh und kein Zeitgefühl. Karten wurden vorgstempelt an die Eltern geschickt. Ein Bummi bedeutete lieb und ein Kasper böse. Wenn die Post der Eltern kam, weinte der ganze Saal mit Kindern. Als ich zu Hause in Rostock mit dem Bus ankam, stiegen einige Kinder aus. Der Bus musste dann nur ein Stück vorfahren. Ich habe gedacht, es geht wieder los. Ich hab um mein Leben geschrien. Ich weiß, dass viele Störungen sich danach entwickelt haben, die ich hier nicht öffentlich machen möchte. Bis heute, mit meinen 44 Jahren, trifft es mich und hat mich traumatisiert. Vielleicht bin ich genau deshalb Erzieherin mit Herz und Seele geworden. Ich verfluche Alexisbad.
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Peter Rudolf aus Ingelheim schrieb am 26.04.2023
1973 auf Borkum bei einer „Frau Schiller“. 6 Wochen der blanke Horror. Pakete von Zuhause wurden geöffnet, Inhalte verteilt. Briefe nach Hause komtrolliert, wg. Schreibfehler wirde ich vor allen Kindern lächerlich gemacht. Haferflocken mit Wasser, Jungs mussten in Eimer pinkeln, Mittagsschlaf von 13:00-15:00 Uhr … Harte Zeit.
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Verena Zellweger aus Langnau, Schweiz schrieb am 23.04.2023
Als ich noch keine 5 Jahre alt war, wurde meine Mutter als sie mit mir spazieren ging öfter angesprochen, dass ich ja ein süsses kleines Mädchen sei, aber so dünn und ob mir meine Mama nicht genug zu essen geben würde. Das triggerte sie natürlich als klassisches Kriegskind, welches selbst die Kinderlandverschickung erlebte. Zudem wollte man in den Nachkriegsjahren gern seinen neuen Wohlstand kundtun (und das war meinen Eltern aus gutem Mittelstand sehr wichtig). Da ging es natürlich gar nicht, dass das eigene Kind «unterernährt» aussah. Mein Kinderarzt in Erkrath (b. Düsseldorf) verordnete dann die «Kinder-Kur». Angeblich litt ich auch an azetonämische Erbrechen (Stoffwechselreaktion aufgrund von zu viel Säure und Unterzuckerung, die Appetitlosigkeit auslöst – klar wollte meine Mutter mir da helfen mit der «Kur»). Wenn ich mich recht erinnere, traten diese krampfhaften und heftigen Brechattacken (2x/Jahr) aber erst nach der «Kur» in Bad Orb auf und zogen sich hin bis sie sich mit 15 auswuchsen. Warum ich denke, dass diese Brechattacken erst nach der Kur kamen: erstens tritt diese Körperreaktion oft in Zusammenhang mit psychischen Belastungssituationen – was diese «Kur» definitiv war - auf oder aufgrund von Infekten, die ich als Kleinkind öfter hatte. Resultat war, dass ich bis zu meinem 13./14. Lebensjahr öfter allein im Spital am Tropf lag, damit ich nicht dehydrierte wegen der Kotzerei. Auch kein Spass.
Nun aber zu dieser «Kur» die gar keine war – jedenfalls nicht in dem Sinne, wie man sich eine Kur vorstellt.
Meine Eltern haben die Gelegenheit genutzt, gleich selber in Bad Orb – also in unmittelbarer Nähe zu meiner «Kur»-Stätte eine Badekur zu machen. An die Anreise kann ich mich nicht erinnern. Ich glaube aber, dass es ein Bild gibt, wo ich mit Kindern zu sehen bin, die mir unbekannt sind. Gewundert habe ich mich später immer, warum mich meine Eltern nie besucht haben. Aufgrund der Infos, die ich nun habe ist klar, dass dies nicht zum «Kur»-Reglement gehörte. Sie haben mir aber geschrieben und Esspakete gesendet, von deren Inhalt ich nichts bekommen habe. Mein Zimmer – und das ist ungewöhnlich, wenn ich die anderen Berichte lese – war ein Einzelzimmer. An dieses kann ich mich sehr gut erinnern, da mein Bett mit Blick auf ein kleines Fenster an der rechten Seite eine Wand hatte und auf der Linken konnte ich in einen schlauchartigen kleinen fensterlosen Raum sehen, in dem sich öfter eine Aufseherin aufhielt. Sie bastelte Hampelmänner aus Filzscheiben, wovon mir einer versprochen wurde, wenn ich immer schön lieb und brav sei. Dieser Hampelmann war mein Lichtblick und natürlich wollte ich alles dafür tun, ihn zu bekommen. Das ist mir aber nicht gelungen – wie auch in einer solch lieblosen Atmosphäre ohne Trost und Zuspruch, ohne die geliebten Eltern in einem fremden Bett und als schüchternes Mädel unter sooo vielen fremden Gesichter. Ich habe (fast) jede Nacht ins Bett gemacht – und nicht nur «klein» sondern Durchfall. Zu Hause war ich bereits seit dem 3. Lebensjahr «sauber» - in der «Kur» überkam es mich in der Nacht als ich schlief und es nicht gemerkt habe. Es passierte einfach. Der essigscharfte Geruch meiner Exkremente ist mir bis heute präsent geblieben und immer, wenn ich etwas ähnlich toxisches rieche, bin ich wieder vor Ort und habe das Bild vor mir, wie ich allein im versifften Bett liege. Nun könnte man ja annehmen, dass sich die Aufseherinnen in Nonnentracht in christlicher Manie mit mir kleinem Würmchen erbarmen würden. Weit gefehlt: sie waren verärgert über so viel Boshaftigkeit von mir, ins Bett zu machen. Sie zerrten mich mit Gummischürze bekleidet aus dem Bett und ich musste so wie ich war nackt, verängstigt, verschmiert und stinkend über kalte Flure und Treppen gezerrt in einen Waschsaal laufen. Ich erinnere mich an eine lange Reihe Waschbecken links und einige Badewannen rechts. In einer wurde ich dann nicht sehr liebevoll und mit eher kaltem Wasser abgespritzt, während mich Kinder, die sich grad die Zähne putzten, naserümpfend auszählten. Es war Demütigung pur. Damit aber nicht genug.
Die ersten Tage wurde ich nach dem Wecken so behandelt. Keiner der Nonnen nahm sich die Zeit - geschweige denn das Herz – mal zu ergründen, warum mir das passierte. Im Gegenteil: sie meinten doch allen Ernstes, dass ich das mit Absicht mache und dafür bestraft werden müsste. Die Androhung lautete, dass ich bis Mittag in meinem Kot nackt liegenbleiben müsste, wenn das wieder vorkam. Natürlich kam es wieder vor – ganz entgegen meinem Wunsch – ich wollte doch den Hampelmann. Das wurde aber nicht so gedeutet und so lag ich fast jeden Tag der 6 Wochen im eingekoteten Bett. Ich lag dort, schaute auf das Fenster in den Himmel und erinnere mich, dass ich sterben wollte.
Später in der Schulzeit habe ich immer Sport oder Schwimmen blau gemacht, wenn wir danach hätten duschen sollen. Mein Schamgefühl war zu gross und ich verstand lange nicht, warum das so war. Erst als der Groschen bei meiner Ausbildung mit Eigenprozess fiel – ich war 40 – konnte ich dieses Trauma verabschieden.
An einigen Tagen hatte ich morgens beim Wecken ein sauberes Bett, was mir «na also, geht doch» belobigt wurde. Dies war aber nicht mein Verdienst, sondern der eines kleinen Engels, der das mit mir irgendwie mitbekommen hatte. Sie – leider weiss ich den Namen nicht aber sie war etwas älter als ich (8 glaube ich) – kam mich (sofen sie selber aufwachte) heimlich in der Nacht besuchen und fragte, ob ich schon ins Bett gemacht hätte. Ich schaute dann ängstlich unter die Bettdecke und meist war es noch sauber. Sie fragte mich weiter, ob ich denn «müsse» und ich wisse, wo das WC sei. Ich musste immer aber wusste nicht, wie ich zum WC finden sollte. Beide schlichen wir uns dann leise durch die kalten Gänge zu den WC’s (was in der Nacht wohl verboten war !?), wo ich mein dünnes Geschäft machen konnte, was auch immer höchste Zeit war. Diese Aktion wäre ja mal eher die Betreuungspflicht der Nonnen gewesen…
Bei diesem kleinen mutigen Engel würde ich mich so gerne bedanken. Sie hat sich selber in Gefahr gebracht, um mir zu helfen. Ich meine mich erinnern zu können, dass sie oder wir auch mal erwischt wruden und mir dann sagte, dass sie nicht mehr kommen dürfe und könne. Wenn sich dieser Engel auch hier auf diesen Seiten befindet, würde ich mich freuen, sie einmal in die Arme zu schliessen.
An Spielen, Spazierengehen oder sonstige Vergnügungen kann ich mich nicht erinnern. Auch nicht an Schläge oder an den Speisesaal. Ev. waren die Ess-Erlebnisse noch krasser als das hier berichtete. Ich könnte mir nämlich gut vorstellen, dass ich zum zunehmen dort war. Als ich die Berichte der anderen über das Essen las, kam mir ein Bild von zu Hause nach der Kur. Anscheinend wurden die Eltern mit den hilfreichen und eher weniger schlimmen Methoden der «Kur» geimpft: ich erinnere mich, dass ich nach der «Kur» immer noch nicht viel gegessen habe. Ich sass vor dem halbleeren Teller und war einfach satt. Meine Mutter legte dann einen Kochlöffel neben den Teller und ich sass allein davor und sollte aufessen, sonst würde ich den Kochlöffel zu spüren bekommen. Ich ass nicht auf, sondern entsorgte das Essen entweder heimlich im Müll, oder durfte dann doch nach einer halben Stunde ohne Aufessen gehen. Den Kochlöffel bekam ich nie zu spüren. So lernt Kind lügen, vertuschen und fühlt sich noch schlechter, da es ja etwas Falsches tut. Anscheinend wurden auch die Eltern manipuliert, um uns nach der «Kur» wohlwollend weiter zu therapieren.
An das Abholen durch meine Eltern kann ich mich nicht erinnern; wohl aber an die Autofahrt nach Hause. Ich hatte eine schwere und schmerzhafte Blasenentzündung, die sich über viele Jahre 2–3-mal jährlich wiederholte. Heute weiss ich, dass es meine Wut war, so behandelt worden zu sein. Jeder Trigger löste eine Blasenentzündung aus.
Heute bin ich in der glücklichen Lage, dass ich vor 20 Jahren eine 4-jährige therapeutische Ausbildung mit sehr viel Eigenprozess gemacht habe und mein Trauma der «Kur» bearbeitet habe. Ich lernte, mein inneres Kind an die Hand zu nehmen und zu beschützen. Das hat mir sehr geholfen und ich kann es sehr empfehlen.
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Thomas W. schrieb am 23.04.2023
Hallo an alle,
ich hatte ja unlängst erwähnt, dass ich als Kind damals fünf mal auf „Reise“ musste.
Hier möchte ich zunächst erst einmal auflisten, wann ich wo war und hoffe, doch ein paar Mitstreiter (nicht unbedingt aus dem gleichen Zeitraum - das wäre ja zu perfekt), für einen Erfahrungsaustausch zu finden.
Gerne gehe ich dann später auf die einzelnen Einrichtungen im Detail ein, was meine Erinnerungen so hergeben.

1. 1975 war ich von Anfang Oktober bis Mitte November in Schmalzgrube, 6 Wo (Westerzgebirge)

2. 1976 war ich von Anfang November bis Mitte Dezember in Bad Gottleuba, 6 Wo (Osterzgebirge)

3. 1978 war ich von Mitte März bis Ende April in Kölpinsee, 6 Wo (Usedom)

4. 1979 war ich von Anfang Februar bis Anfang März in Lindow, 4 Wo (heutiges Brandenburg)

5. 1980 war ich von Anfang März bis Anfang April in Klosterheide, 4 Wo ( heutiges Brandenburg)

Bin sehr gespannt, ob sich jemand meldet.
Das wäre schön.
Wünsche euch eine schöne Zeit.
Bleibt alle gesund und viele Grüße Thomas
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Bettina aus Köln schrieb am 23.04.2023
1966 wurde ich mit knapp 6 Jahren zum 2. Mal "in Kur" geschickt nach Adenau. Die Nonnen nahmen mir sofort bei Ankunft mein Kuscheltier ab. Mittags mussten wir in einer Turnhallte auf Pritschen in eine Filzdecke gehüllt 2 Stunden ruhig liegen, Sprechen war nicht erlaubt. Wenn ich zu lange auf der Toilette saß, wurde ich heruntergerissen, auch wenn noch ein Stück Kot klemmte und später die Hose verschmierte. Diese wurde dann den anderen Kindern hämisch präsentiert. Ich ekelte mich vor roten Beeten und wurde gezwungen, diese zu essen. Als ich mich auf den Teller erbrach, musste ich das Erbrochene essen. Meine Eltern kamen 1x zu Besuch, wurden aber nicht zu mir gelassen und ich erfuhr nichts von ihrem Besuch.
Ein Telefon war mir nicht zugänglich. Eine sehr bösartige Ordensschwester ließ sich auf der Rückfahrt des Busses zurück in Köln in einer Kurve auf den Boden fallen unmittelbar vor der Ankunft, um uns zum Lachen zu bringen
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Bettina aus Köln schrieb am 23.04.2023
Ich wurde 1963 mit knapp 3 Jahren zum 1. Mal für 4 bis 6 Wochen nach Berchtesgaden "in Kur" geschickt.
Erinnerlich ist mir das Gefühl des Alleinseins und fehlende Geborgenheit. Eine 8-bis 10 Jährige hat sich manchmal "mütterlich" um mich gekümmert. Bei meiner Rückkehr habe ich meine Eltern nicht mehr erkannt/gekannt.
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Fanny aus Schwäbisch Gmünd schrieb am 21.04.2023
Ich war als 5 jährige 4 Wochen alleine in Alexisbad. Die Frau, die mich am Bahnhof für die lange Busfahrt in Empfang nahm, fragte ich, ob ich mit ihr kommen möchte. Ich sagte "nein".
Ich erinnere mich an den einprägensten Satz in den 4 Wochen: "wenn ihr nicht dick werdet, dann dürft ihr nicht nach Hause". Ich erinnere mich an das Mädchen mit der Brille und den kurzen schwarzen Haaren, dass wegen Heinweh im Speisesaal weinte. Man stellte sie zur Strafe auf die Terasse und sagte ihr: "du kannst ja heim laufen, wenn du so weinst." Ich erinnere mich, dass es einen "Dickentisch" für die Kinder gab, die abnehmen sollten und einen "Dünnentisch" für die, die zunehmend sollten. Ich erinnere mich, dass ich mich vor den dick mit Butter gestrichenen Zuckerbroten ekelte und diese in den Übertopf der Zimmerpflanze verschwinden ließ, die neben meinem Platz stand, denn man durfte erst aufstehen, wenn alles aufgegessen war. Ich erinnere mich daran, dass es Zensuren für das Aufräumen des Kleiderfachs in der Garderobe gab. Ich hatte nur eine drei bekommen. Ich erinnere mich daran, dass ich meistens schlecht einschlafen konnte weil ich Angst und Heimweh hatte. Ich erinnere mich an einen Rotlichtraum, den wir mit Lichtschutzbrillen betreten haben. Ich erinnere mich an einen Rodelberg und roten Plastikschlitten, von denen ich selten einen abbekam. Ich erinnere mich an ein Papiernest zu Ostern mit grünen Bonbons drin. Ich fand vor ein paar Jahren bei meiner Mum eine alte Postkarte von Alexisbad. Darin stand: "Fanny geht es gut. Das Essen schmeckt ihr"
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Marcel Schreiber aus Schallstadt schrieb am 20.04.2023
Hallo zusamme, ich hoffe, dass das hier einige Lesen. Erstmal bin ich total begeistert wie sich das Thema immer mehr aufgearbeitet und erforscht wird. Dass das Thema auch immer mehr Raum gewinnt. Ich bin auch der Meinung, dass diese Epoche mehr in die Öffentlichkeit getragen werrden sollte und aus diesem Grund habe ich mich entschieden eine Facharbeit mit der Frage, wie sich die Erlebnisse heute auf Betroffene in ihrem Alltag auswirken, für meine Fachhochschulreife zu schreiben. Kurz zu mir ich heiße Marcel und bin 25 Jahre alt und komme aus Baden-Württemberg. Ich vermute schon seit einiger Zeit, dass meine Mutter(Jahrgang 1976) auch in einem dieser Heime war. Ich vermute, dass sie schwer durch diese Zeit geprägt wurde, da sie nie viel und genau darüber erzählt hatte, nur sich von ihren Eltern abgeschoben gefühlt hatte und ihnen das bis heute vorwirft. Da ihr psychischer Zustand meinen Zustand in der Kindheit unter anderem durch Vernachlässigung schwer schädigte, habe ich schweren Herzens dazu entschlossen mit ihr den Kontakt abzubrechen um meine Gesundheit nicht weiter zu gefährden und den richtigen Weg für mein Leben zu finden. Nun also ich schreibe eben zurzeit diese Facharbeit und würde gerne ein Interview durchführen um ein genaueres Bild davon zu bekommen. Am liebsten telefonisch oder auch über E-mail oder Whatsapp. Bevor ihr euch bei mir meldet geht doch nochmal in euch und überlegt ob ihr wirklich bereit seid euch dazu so zu öffnen und wie hoch die Triggergefahr ist. Übrigens muss ja auch nicht jede Frage beantwortet werden. Also wenn ihr euch bereit fühlt und Lust habt mit mir dieses Interview zu führen, würde ich mich riesig freuen, wenn sich jemand bei mir melden würde. Hier meine E-mail: schreibermarcel@gmx.net Liebe Grüße Marcel
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Jessica aus Fürstenwalde schrieb am 20.04.2023
Hallo, ich habe lange überlegt, ob ich ein paar Zeilen meiner Erlebnisse teile.
Auf Anraten meiner Therapeutin habe ich mich durchgerungen alle Erinnerungen, auch wenn es nur Fetzen sind aufzuschreiben.

Vorab: Ende 2022 war ich zur Reha. Im Rahmen der Einzeltherapie habe ich einen Zeitstrahl aufgezeichnet indem es um traumatische Erlebnisse in meinem Leben ging. Erst dort habe ich von der Therapeutin vom Begriff „Verschickungskinder“ erfahren. Seitdem beschäftige ich mich sehr intensiv mit dieser Thematik und bin vor kurzem hier eingetreten.

Ich wurde 1982 geboren und wurde kurz nach meinem 5.Geburtstag/ 1987 auf Anraten vom Kinderarzt und dem Gesundheitsamt nach Heiligenstadt (Thüringen) verschickt. Da ich ein Frühchen war und sehr viel krank und schwach war, sollte ich dort vor der Einschulung „aufgepäppelt“ werden.
Ich sollte zunehmen. So wurde es meinen Eltern erklärt.
Meine Mama hat in all meinen persönlichen Sachen (Bekleidung etc.) kleine rosa Herzchen genäht, so dass ich meine Sachen wieder erkenne. Ich kann mich an die Busfahrt erinnern und wie einsam und verlassen ich mich gefühlt habe.
Von dort habe ich Erinnerung, wovon zwei sehr prägend waren:

•ich erinnere mich an einen kalten Schlafraum und an ein Gitterbett indem ich geschlafen habe-mein Bett stand links und die Schränke standen rechts an der Wand entlang

•Bekleidung musste ordnungsgemäß zusammengelegt werden, in der Nacht waren Toilettengänge verboten, wer ins Bett gemacht hatte, der wurde vor allen Anderen bloß gestellt und ausgelacht/verspottet

•ich hab mich oft in den Schlaf gewimmert, man durfte nicht weinen, zur Strafe wurde von der Frau das Kuscheltier entzogen (ich hatte so Angst) oder man wurde aus dem Bett gerissen/gepackt und musste zur Strafe eine Ewigkeit auf kalten Fliesen stehen

•wir mussten ständig Rote Bete essen, ich wurde von einer Frau festgehalten/fixiert und die Andere stopfte mir die Rote Bete rein…bis zum Erbrechen und selbst das Erbrochene musste ich aufessen

•ich erinnere mich wie wir in die Sauna gesperrt wurden…als ich hinaus wollte, war die Tür verschlossen…danach wurden wir kalt abgespritzt

•dann gab es ein Wasserbecken indem wir kniehoch wie „Storche“ watscheln sollten, es gab auch Strafrunden

•wir haben blaue Pillen bekommen, ich nehme an es waren „nur“ Fluorid-Tabletten (Kariesschutz)

•ich erinnere mich, dass wir Kinder über längere Zeit in der Ecke stehen mussten

Bis heute sind Rote Bete und Sauna für mich ein „Rotes Tuch“. Es war eine Qual, in meiner Seele hat es Risse hinterlassen. Mein Aufenthalt dort war geprägt von Emotionaler Kälte, Drill, Angst, Erniedrigung, Essenszwang, harter/schroffer Ton und Umgang, körperliche und seelische Entblößung.
Wir haben in frühester Kindheit traumatische Erlebnisse erfahren und wurden damit allein gelassen. 😔
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Nicole aus Karlsruhe schrieb am 19.04.2023
Ich bin mit knapp 4 Jahren nach Donaueschingen für 6 Wochen zum Zunehmen verschickt worden.
Ich erinnere mich daran, dass es immer eine Art Schokopudding mit Brötchen gab. Ich wurde zum Essen gezwungen und musste sitzen bleiben, während alle anderen Kinder schon spielen durften. Die Schlafsäle sind mir noch sehr präsent. Viele weiße Eisenbetten in einem Raum. Sogar an die Bettwäsche kann ich mich noch erinnern. Nachts hatte ich manchmal Alpträume und sprang zu einem andern Mädchen in`s Bett. Die Nachtwache kam mit einer Taschenlampe und ertappte mich dabei. Statt weiterschlafen zu dürfen, musste ich bei ihr stehen. Noch heute verfolgen mich Nachtwachenträume.
Als ich auf dem frisch geputzten Boden ausrutschte, bekam ich eine Gehirnerschütterung und wurde in ein Einzelzimmer unter dem Dach isoliert. Gefühlt lag ich dort Ewigkeiten. Keine Ahnung. Nachdem ich lange Zeit weinte, erbarmte sich irgendwann mal eine Putzfrau. Weil ich mich wegen der Gehirnerschütterung ständig erbrach, wurde ich angemeckert.
Im Keller gab es Räume mit lauter grünen oder blauen Badewannen. Ich hatte fürcherliche Angst vor dem Wasser und den Solebädern. An Namen und Gesichter von Erziehern oder Schwestern kann ich mich nicht erinnern. Es hat sich für mich so angefühlt, als hätten sich vielmehr die KInder umeinander gekümmert .
Postkarten wurden an die Eltern geschickt. Ich glaube, meine Mutter ließ mich früher abholen. Sie war getrennt von mir in Kur. Das war, gottseidank, die einzige Verschickung. Ein anderes Mal bin ich mit meiner Mutter in Mutter- Kindkur gegangen.
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Marysol aus Zürich schrieb am 19.04.2023
Ich bin 53 Jahre alt und erinnere mich düster an die Verschickungen. Ich habe dies immer als eine Alptraumerfahrung in meinem Leben beschrieben und kannte leider nie jemanden, der auch verschickt wurde. Ich erinnere mich an die Zeiträume von 6 Wochen. Ich war ca.4-6 Jahre alt.
Ich kann mich kaum an längere Phasen erinnern, weil es glaube ich nicht erinnerungswert war, sondern nur schrecklich.
Ich erinnere mich, dass ich in einem Bus im Schwarzwald angekommen bin und direkt in einen riesigen alptraumartigen Raum, wie eine Halle, eine Viehhalle, musste, mich nackt ausziehen und in eine der vielen Badewannen mit Wasser gefüllt reinsetzen musste. Vor entsetzen und Angst hatte ich die Wanne voll geschissen und weinte verzweifelt und wurde mutterseelenallein alleine dort sitzen gelassen gelassen. Ich musste wie ein Sträfling anerkennen, dass ich selber schuld bin dort mit meiner Misere drin sitzen bleiben zu müssen. Weiter erinnere ich mich, dass ich dickflüssige, dunkelrote Flüssigkeiten zu mir nehmen musste, die wiederum roten Kot verursachte. Das fand ich gruselig.Ich habe nie verstanden, wofür das alles war. Ich weiss nur noch, dass ich gezwungen wurde dies und das zu trinken. Weiter wurde ich in Dampfräume mit weissen Kitteln geschickt. Ich habe mir später immer so Gefangenenlager vorgestellt mit Wärterinnen, die einen lieblos abfertigten. Ich erinnere mich daran, dass alles gespenstisch und angsteinflössend war. Die Atmosphäre war von Einsamkeit und Lieblosigkeit geprägt. Weiter erinnere ich mich daran, dass es Gesangsbücher gab, die bis zum Ende keine Eselsohren haben durften. Das muss in Süddeutschland gewesen sein. Es wurde ganz klar gesagt, dass nur diejenigen ein Geschenk bekommen werden, bei denen das Buch am Ende noch so aussieht, wie am Anfang. Meines hat es nicht geschafft. Und wir wahren dann die schlechten Kinder. Postkarten musste ich auch schreiben.
Meine Geschwister, die jünger als ich sind, wahren in einem anderen Haus untergebracht. Ich glaube es war in Plön. Ich erinnere mich nur noch daran, wie sie zusammenbleiben wollten (Zwillinge) aus Angst in der verachtenden, fremden Umgebung auseinander gerissen zu werden. Davon habe ich später gehört. Es gab Zimmer, die Namen hatten wie Esel, etc..Wir hatten während des Aufenthaltes keinen Kontakt. Ich hatte sie dort verloren. Ich fühle mich sehr traurig bei diesen Gedanken an diese abscheuliche Zeit in diesen grauenvollen Heimen mit TäterInnen wie auch Eltern, die dieses System aus Eigennutz gutgeheissen und für sich genutzt haben. Dies wurde ja finanziell gefördert und belohnt. Ich habe eine Mutter, die ebenfalls gewalttätig war. Und ich denke, dass ihre Vergangenheit schwer mit den Kriegsverbrechen an Kindern verknüpft ist. Pervers. So fühlt es sich an. Herzlichen Dank für die Initiative. Es tut gut diese Erinnerungen zu teilen. Ich habe gestaunt, dass es das gibt.
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Monika aus 57234 Wilnsdorf schrieb am 18.04.2023
Ich war 10 J. alt. Als ich unerlaubt Wasser beim Blumengiessen trank, mußte ich den ganzen Tag im Bett bleiben. Kleinkindern wurde Erbrochenes wieder eingelöffelt. Mein Beschwerdebrief an meine Eltern wurde zerrissen, ein erfundener Brief diktiert.
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Cendy aus Salem schrieb am 18.04.2023
Ich kann mich nur daran erinnern, dass ich Dinge essen musste, die ich nicht mochte sogenannter Essenszwang. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Wer war auch noch dort und etwas berichten?
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Christine aus Dormagen schrieb am 16.04.2023
Da ich schwere Neurodermitis und Asthma hatte ,kam ich 81/82 mit 6 Jahren nach Norderney ,Kaiserin Seehospiz.
Ich habe 6 Monate dort verbracht ....
Die Ordensschwestern haben und gedemütigt und gequält ... damit wir nicht kratzen wurden wir nachts ans Bett gebunden...Wer pipi musste hatte Pech gehabt und musste ins Bett machen.
Wenn man doch gekratzt hatte, dann musste man komplett nackt vor allen anderen Kindern und Schwestern stehen und wurde mit furchtbar brennender Tinktur " blau" gemacht... am Telefon und in Briefen mussten wir lügen , dass es uns ganz toll geht. Eingehende Post und Pakete wurden kontrolliert und einkassiert.
NNach6 Monaten sind meine Eltern gekommen, da sie gemerkt haben, dass was nicht stimmt ...vorgefunden haben sie eine 6 jährige, die am ganzen Körper vereitert war , kaum noch gesunde Haut am Körper.... Der Eiter lief aus meinen Ohren...es war schlimm... weitere 6 Monate hat man in Bremen um.mein Leben gekämpft ... und ich habe gewonnen ... nicht diese sadistischen Schwestern.... viele Jahrzehnte habe ich es verdrängt ... mich nur gewundert, warum ich Panik bekomme, wenn man mich an dek Händen festhält .... durch eine Therapie, die ich eigentlich wegen meinem.Exmann angefangen habe kamen diese Traumata vor ca 10 Jahren zum Vorschein ....
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Astrid schrieb am 16.04.2023
In Grömitz war mein Tag schon vor dem Frühstück gelaufen, weil ich eine Extrasuppe zum Zunehmen bekam und danach "gestopft" war. In Westerland das Übliche: erzwungener, erfolgloser Toilettengang nach dem Essen und dann weder im Mittagsschlaf noch Abends nach dem Zubettgehen erlaubt auf die Toilette zu gehen.....erst nach dem "Einschlafen" mit zusammengeklemmten Beinen. Briefzensur sowieso.
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Regina Gumtau aus Plön schrieb am 16.04.2023
Hallo in die Runde,

mein Bruder und ich waren 1976 für 6 Wochen in Plön im Seehof, dass von der Heilsarmee betrieben wurde. Mein Bruder war 6 und ich 5 Jahre alt. Diese 6 Wochen zählen absolut zu meinen allerschlimmsten in meinem Leben. Auch ich habe Albträume verbunden mit aufkeimenden, negativen Gefühle und Auswirkungen in Bezug auf diese traumatischen Erlebnisse. Ich erinnere, dass ich mich regelmäßig übergeben musste, da die Betreuerinnen dort uns das Essen reingestopft haben, schließlich sollten wir ja zunehmen. Eines nachts schaffte ich es nicht mehr rechtzeitig zur Toilette und ich habe mich auf dem großen, riesen Holzfußboden übergeben. Die Betreuerin brachte mir einen Eimer und einen Feudel und ich die Sauerei entfernen. Hilflos habe ich mein Erbrochenes hin und her geschoben, da ich nicht so recht wusste, wie ich den Boden wieder sauber kriegen könnte. Die Betreuerin nahm mir den Feudel aus der Hand und hat ihn mir ins Gesicht geklatscht mit den Worten “du alte Sau sollst das wieder sauber machen!”
Meine Eltern haben uns dort besucht, da ich während der Zeit dort Geburtstag hatte. Das war eigentlich nicht erlaubt, aber meinen Vater hat das nicht interessiert. Es gibt einen kleinen Super 8 Film und dort ist auch diese Frau zusehen, die mir den Feudel durchs Gesicht gezogen hat. Ich habe mir immer geschworen, sie irgendwann aufzusuchen und sie zur Rede zu stellen. Das habe ich nie gemacht, aber ich würde sie schon gerne mal treffen. Es gibt sehr viele, schlimme Erinnerungen an diese Verschickung, aber diese mit dem Feudel spüre ich noch immer, als sei sie gestern gewesen, dabei ist sie nun 42 Jahre her.

Liebe Grüße,

Regina
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Julia aus Dresden schrieb am 16.04.2023
Hallo, ich wurde 1986 geboren und war ca. 4 oder 5 Jahre alt, als ich auf einmal für 4 oder 6 Wochen zur "Kunderkur" nach Wijk musste.

Ich habe nur noch 1 Erinnerung: ich teilte mir das Zimmer mit einem gleichaltrigen Jungen.
Dieser Junge hatte, soweit ich mich richtig erinnere, eine Mickey Mäuse Figur, deren Nase rot leuchten konnte.

Der Junge hatte nachts mal eingenässt und die Erzieher sind richtig böse geworden, haben das anderen öffentlich erzählt, dass dieser Junge eingenässt hat.

Es existiert noch 1 Gruppenfoto. Der Junge trug damals eine Brille.

Ich leide unter einer Sozialphobie und Atychiphobie. Wo die Ängste ihre Wurzeln haben, kann ich nur vermuten.

Mein Vati erzählte mir erst letztes Jahr, dass ich nach dieser Kur nicht mehr das Kind war, das ich noch vor der Kur war.
Ich werde ihn morgen fragen, ob er noch Daten zum Aufenthalt hat.

Ich weiß bis heute nicht, warum ich zu dieser Kur musste.

Danke für's lesen

Julia
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Kerstin Weiß schrieb am 15.04.2023
Hallo Thomas aus Fehrbellin (08.04.2023)
Du findest mich im Forum "Sachsen-Anhalt"
Gruß Kerstin
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Jutta Simowski aus Essen schrieb am 14.04.2023
1964 in den Schulferien war mein Vater im Krankenhaus und meine Mutter musste unser Geschäft führen. Da gab ihr jemandvon der Diakonie den Rat, mich auf Kur zu schicken. Es war gruselig. Das meiste habe ich verdrängt. Nur am Enmde der 6 Wochen bekam ich eine Mündfäule, niemand brachte mich zum Arzt. Eine Schwester gab mir etwas zum Gurgeln. Trotzdem wurde ich gezwungen, Brot zu essen. Zu Hause angekommen war unser Hausarzt entsetzt, der ganze Mund entzündet und voll Blasen, hohes Fieber. 2 Wochen nur flüssige Kost und Antibiotika. Meine Eltern waren nahe dran, das Heim zu verklagen. Auch ich wurde dort gezwungen positive Ansichtskarten zu schreiben. Seitdem habe ich eine Antipathie gegenüber religiösen Institutionen.
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Mona schrieb am 14.04.2023
Hallo ich möchte nochmal Aufrufen in Bezug
des Heimes Rechtis-Weitnau im Allgäu.
Ich würde mich sehr freuen wenn sich hier tatsächlich eine-einer noch erinnern würde dort gewesen zu sein, bezw. eben dort in dieser Zeit war um sich Auszutauschen.
Und dann gerne Kontakt über:
DetzelMona-@t-online.de
Allen hier wünsche ich ein gutes und glückliches Leben
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Roland Handschuh aus Littleton, Colorado (USA) schrieb am 13.04.2023
Roland Handschuh
12. April 2023 20:18
Hallo, und Gruss an all die damaligen “Verschickungskinder”.
(Allein das Wort Verschickung erzeugt bei mir Unbehagen.)
Ich wurde im August 1958 für vier Wochen nach Bad Sachsa in das Heim “Bergfrieden” geschickt. Bis heute hab ich noch viele Erinnerungen an einzelne Begebenheiten in diesem Heim (Die meisten davon nicht gerade erfreulich!). Nach 65 (!) Jahren hatte ich heute die Gelegenheit, nach Bad Sachsa zu fahren. Was ein wundervolles idyllisches Städtchen in dieser traumhaften Umgebung im Harz. Da meine Mutter die Postkarte, welche ich damals nach Hause geschrieben hatte, all die Jahre aufbewahrt hat, konnte ich das alte (leider heruntergekommene und überwucherte Heim) ohne Mühe wiederfinden. Welche Erinnerungen bei dem Anblick kamen heute wieder in’s Gedächtnis. Es war damals sicherlich nicht alles schön, aber ich hab heute keine Bitterheit, sondern eher Wehmut und nostalgische Gefühle empfunden. Jedenfalls bin ich dankbar, dass ich heute diese kleine Zeitreise unternehmen konnte.
Mich würden natürlich die Kommentare und Erinnerungen anderer “Verschickungsopfer” von damals – besonders derer, die zu der Zeit auch in Bad Sachsa waren, brennend interessieren. Meine E-mail Adresse: Roland.zuhause@hotmail.com.
Vielen Dank für Eure Antworten im voraus.
Roland Handschuh, USA
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Udo aus Frechen schrieb am 12.04.2023
Im Jahr 1957 wurde ich auf Rat des Hausarztes für 6 Wochen in Kur geschickt. Bad Säckingen im Schwarzwald sollte der Kurort sein. Ich bin Jahrgang 1953. Zur Zeit der Kur war ich also 4 Jahre alt. Auf dem Bahnsteig des Kölner Hauptbahnhofs hab ich mich gegen die Verschickung sehr lautstark gewehrt. Meine Mutter erzählte Jahre später, das ich mich an ihrem Mantel festhielt und unter Geschrei , bei der Gewaltsamen Trennung alle Knöpfe des Mantels Abriss. Ich erinnere mich noch, das wir abends mit dem Bus vor dem Kinderheim ankamen.
Das Schlimmste war das Abendessen. Es gab dicke Bohnen. Die mochte ich überhaupt nicht. Aber, die Tante hatte kein Erbarmen. Ich durfte nicht aufstehen, bevor alles aufgegessen war. Nachdem ich mich erbrochen hatte, wurde das Erbrochene wieder in den Teller geschaufelt und ich mußte alles nochmal essen. Zur Strafe bekam ich danach noch eine Portion dicke Bohnen extra. Es dauerte ewig.

Ich erinnere mich noch, das wir Kinder im Wald aus Stöckchen und Moos kleine Häuser für Zwerge oder Elfen gebaut haben. Das hat Spaß gemacht.
Bei einem anderen Spaziergang gingen wir über eine Holzbrücke die ein Dach hatte. Das fand ich total spannend.
Zurück aus der Kur hab ich von nichts erzählt.
Erst Jahre später hab ich das mit den dicken Bohnen mal erzählt. Aber, es interessierte niemanden, oder sie haben es nicht geglaubt. Bis etwa 20 Jahren war Essen für mich ein Horror. Wenn meine Schwesten nach einer halben Stunde mit Essen fertig waren, hab ich immer mindestens eine Stunde gebraucht. Die Eltern haben immer gelästert und gemeckert weil immer über eine Stunde gebraucht habe. Meine Mutter hat meine Portionen immer größer gemacht als ich wollte. Wenn ich stop sagte, hat sie noch was zusätzlich auf den Teller getan. Ich durfte erst aufstehen wenn der Teller leer war.
Essen war für mich immer ein Horror.
Heute muß ich aufpassen das ich nicht zu schwer werde. Vor etwa einem Jahr machte mich meine ältere Schwester auf den YouTube Film „ Die Leiden der Verschickungskinder“ aufmerksam.
Erst jetzt war ich mir sicher, das alles wirklich passiert ist. Es war kein Traum und auch keine Fantasie.
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Iris schrieb am 10.04.2023
Hallo
Ich war März/April 1985 im Mittenwald, Haus am Schmalensee.
Zu der Zeit war ich 13 Jahre
Ich glaube dass mir viele Einnerungen verloren gegangen sind.
Gerne würde ich auf Menschen treffen die damals mit mir dort waren.
Viele Grüße
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Thomas schrieb am 08.04.2023
Hallo Kerstin (03.04.) aus Neuruppin.
Ich bin Thomas aus Fehrbellin und war in meiner Kindheit (von ca.1974 bis ca. 1981) 5x auf „Reise“
Würde mich gerne hier, aber auch explizit (via PN) austauschen.

Viele (Oster-) Grüße Thomas
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Kathrin Brunner-Schwer schrieb am 07.04.2023
Ich wurde im Juli und August 1963 zum Mästen in ein Heim nach Wyck auf Föhr verschickt und verbrachte meinen 7. Geburtstag dort. Wir wurden täglich dazu gezwungen, Haferschleim zu essen, jeden zweiten Tag ging es auf die Waage. Ich erinnere mich noch heute voll und ganz an das entsetzlichste Heimweh, das man sich vorstellen kann. Es war so schlimm, dass ich mir ernsthaft überlegte, wie ich mich umbringen konnte.
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Silke Schwaberau aus Weida schrieb am 05.04.2023
Ich war als fünfjähriges Kind zur Erholungskur, wie so oft beschrieben, vom Arzt verordnet zu dünn. Die Anreise war in einem Reisebus. Ich hatte eine Papiertüte in der Hand, weil busfahren nicht mein Ding war und ich mich übergeben musste. Es lag viel Schnee. das Kurheim war für mehrere Gruppen eingerichtet. Es gab Essen was vorgeschrieben war. Ich konnte es nicht so essen. Es war ekelig. Es gab einen großen Schlafraum mit einer Person die Nachtwache hielt. Ein Junge war Bettnässer und musste fast jede Nacht neben dem Bett stehen. In der Mittagsruhe, wenn man die Augen auf hatte gab es auch mal eine Ohrfeige. Wenn man auf Toilette musste war das Papier abgezählt. Es gab auch schöne Momente in der Vorweihnachtszeit. Wir sind Schlitten fahren gewesen. Unsere Eltern haben von uns Postkarten erhalten, obwohl wir noch schreiben konnten. Mit guten Nachrichten. Ich habe damals nicht verstanden was los war und viel Heimweh gehabt.
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Cornelia Gielow aus Wangen Im Allgäu schrieb am 04.04.2023
Ich bin Jahrgang 1952 und leider auch eins dieser Kinder. Wurde wegen Untergewicht verschickt. Wenn ich nicht aufgegessen hatte, musste ich viele Stunden allein im riesigen Schlafsaal verbringen, während die anderen Kinder draußen spielen durften. Oder ich wurde barfuß auf den kalten Kellerfliesen nur im Nachthemd im dunklen Duschraum eingesperrt. So lange her und immer noch präsent !
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Kerstin schrieb am 03.04.2023
Hallo, ich heiße Kerstin und bin ein Verschickungskind. Der Aufenthalt im Kinderkurheim in Rottleberode muss November bis Dezember (kurz vor Weihnachten) 1976, ich war damals 9 Jahre alt. Die Kur dauerte unendlich lange 6 Wochen. Ich wurde auf Empfehlung des Kinderarztes verschickt, sie sollte gegen meine ständigen Atemwegserkrankungen helfen.
Meine Eltern brachten mich am Tag der Abreise zum Hauptbahnhof meiner Heimatstadt Neuruppin. Ich kann mich erinnern, dass noch ein weiteres Kind - ein Junge im ähnlichen Alter - mit uns dort wartete. Wir wurden mit einem Bus von dort abgeholt.
An die Busfahrt kann ich mich nicht wirklich erinnern. Ich weiß nur, dass unterwegs immer wieder Kinder zustiegen und ich irgendwann etwas von Halle gelesen oder gehört habe. Und Halle war damals so unsagbar weit von zu Hause weg.
Im Kurheim angekommen erinnere ich mich an so etwas wie eine Diele, von der eine dunkle Holztreppe ins obere Geschoss führte. An diese Diele schloss sich ein Flur an, links ging es in die Speisesäle, rechts ging es zu den Toiletten. Hinter den Toiletten weiter auf dem Flur auf der rechten Seite waren große Einbauschränke, in meiner Erinnerung alles aus dunklem Holz. Dahinter wiederum befand sich die Tür zum Zimmer der Heimleiterin.
In die Wandschränke kamen unsere Sachen. Nachdem die Koffer ausgepackt waren, wurden diese auf den Dachboden gebracht. Mein Kuscheltier - ein kleines schwar-weißes Teufelchen - durfte ich nicht mit in mein Bett nehmen, der landete in besagtem Koffer und verbrachte die ganzen 6 Wochen auf dem Dachboden. Das zerriss mir fast das Herz, das Einzige was ich von zu Hause mitgebracht hatte, an dem ich mich als Kind hätte festhalten können, was mir Trost hätte geben können allein in der Fremde, wurde mir genommen.
Die beiden Schlafsäle für die Mädchen waren durch einen breiten gebogenen Durchgang in der Wand verbunden. In dem linken Saal schliefen die "größeren" Mädchen, in dem rechten die kleinen und ganz kleinen. Ich gehörte zu den Großen. Es standen ca 10 oder 12 Betten in jedem der Räume, genau weiß ich es nicht mehr. Mir wurde das Bett hinten links an der Wand zugewiesen. Wir mussten unsere Betten morgens nach dem Aufstehen selbst machen. Da ich das Pech hatte, nicht um mein Bett herumlaufen zu können, um das Laken straff zu ziehen wurde mein Bett immer wieder eingerissen und ich musste erneut anfangen. Und es wurde dabei ja ständig geschimpft. Die Sachen kamen nach dem Auskleiden auf so einen rollbaren Garderobenwagen. Der wurde dann nachts rausgeschoben auf den Flur.
Nachts durfte man nicht zur Toilette gehen. Man durfte eigentlich sowieso nicht alleine zur Toilette, nur in der Gemeinschaft, wenn Toilettenzeit ran war, nach den Mahlzeiten, unter Aufsicht der Erzieherinnen. Einigen Kindern passierte es nachts, dass sie ins Bett machten, auch von den Großen. Diese Kinder wurden morgens nach dem Aufstehen vor allen anderen bloßgestellt. Sie kamen regelrecht an den Pranger und wurden beschimpft. Das Bettlaken wurde auf den Garderobenwagen zur Schau aufgehängt und es gab ein riesen Theater. Obwohl mir selbst das nicht passiert ist, fand ich diesen Zustand unerträglich.
Ich erinnere mich an unermessliches Heimweh. Niemand war da zum Trösten. Man wurde beschimpft, wenn man weinte. Die Briefe und Karten, die wir nach Hause schrieben wurden zensiert. Briefumschläge durften nicht verschlossen werden, sie gingen vor dem Versenden zur Heimleiterin und wurden dort gelesen. Wehe es stand etwas von Heimweh drinnen. Ich habe einmal das Kuvert zu geklebt, weil ich geschrieben hatte, dass ich abgeholt werden will. Der Brief wurde mir postwendend auf den Tisch geknallt, es gab ein riesen Theater und ich musste einen neuen Brief schreiben, natürlich nur mit angenehmen Äußerungen, die mir quasi diktiert wurden.
Meine Mutter kann sich noch an eine Zeile eines meiner Briefe erinnern:"Mein Teufelchen schläft im Koffer." Das zu lesen war für sie furchtbar, sie hat die 6 Wochen hier zu Hause genauso gelitten wie ich dort.
Der Speisesaal war in meinen Erinnerungen auch mit diesem dunklen Holz an den Wänden verkleidet. An das eigentliche Essen kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß noch, dass im Speisesaal ein Eimer für Essensreste stand. Da durfte man aber keine Essensreste rein machen, man musste immer alles aufessen und wenn es einem nicht schmeckte, saß man halt so lange, bis man es sich reingequält hatte. Seither esse ich Käse, den ich vorher nicht gegessen habe und Milchsuppe mit Haferflocken.
Oben unter dem Dach befand sich ein kleiner Raum mit ganz alten Schulbänken, dort hatten wir glaube ich ein oder zwei Mal die Woche 2 Stunden Schulunterricht in Deutsch und Mathe. Ich saß dort unter einer Dachschräge.
Ich glaube mich erinnern zu können, dass der eigentliche Waschraum im Keller war. Waschbecken an Waschbecken. Und das wir mit kaltem Wasser aus dem Schlauch abgespritzt wurden.
Nach dem Mittagessen hielten wir Mittagsruhe. Hinter dem Schlafsaal der kleinen Mädchen war noch ein Raum mit vielen Fenstern in einen ans Gebäude angebauten Turm. Dort mussten wir zugedeckt auf Liegen im Kreis liegen und Ruhe halten, die Fenster wurden geöffnet. Auch schloss sich an den Schlafsaal der Kleinen noch ein Krankenzimmer an. Ich glaube es standen 4 Betten drin. Auch ich wurde krank mit Fieber und musste/durfte dort einige Tage mit noch einem oder zwei anderen Mädchen verbringen. Das war im Gegensatz zu den "normalen " Tagen eine richtige Erholung. Man wurde dort ziemlich in Ruhe gelassen.
Ich kann mich an 2 Erzieherinnen erinnern, die nett waren. Eine junge Frau und eine ältere (damals wahrscheinlich nicht mal annähernd so alt wie ich heute). Die junge ging aber nach den ersten Wochen. In meiner Erinnerung hatte sie da geheiratet und Urlaub. Mit der älteren durften wir während der Mittagsruhe auch mal singen. Sie war auch mit uns spazieren, aber da sind die Erinnerungen ziemlich wage. Ich weiß auch, dass ich inhalieren musste, aber auch hier fehlen die Details.
Einmal bekam ich dort Besuch von einer jungen Frau aus dem Ort, die wir im Sommer desselben Jahres auf einem Zeltplatz in der Nähe unseres Wohnortes kennengelernt hatten. Sie hörte Gespräche über die bevorstehende Kur und sie versprach, mich zu besuchen. Und sie kam wirklich, eine wildfremde Frau. Und sie brachte mir eine Tafel Katzenzungen mit. Diese musste ich sofort abgeben. Ich hätte sie so gern mit den anderen Mädchen geteilt. Nun durfte ich jeden Abend nach dem Abendessen zur Heimleiterin. Diese hatte schon die Tafel aus dem großen dunklen Wandschrank aus meinem Fach geholt. Ich bekam eine Schokokatzenzunge und musste sie gleich dort essen. Danach wanderte die Schokolade wieder in den Wandschrank und wurde weggeschlossen. So passierte es auch mit der Süßigkeit, die mir meine Mutter in einem Paket schickte. Da ich sehr abgenommen hatte, bat ich in einem Brief um Hosenträger, die mir meine Mutter dann auch schickte. Und natürlich war dort auch eine Leckerei im Paket.
Die Heimleiterin war eine kleine hagere ältere Frau mit zu einem Knoten am Hinterkopf gebundenem grauen Haar. In ihrem Zimmer stand so ein Arztschrank aus Metall mit Glasscheiben. Ich kann mich an nichts weiter in diesem Raum erinnern. Aber in diesem Schrank lagen mehrere Spritzen in verschiedenen Größen. Welches Kind hat nicht Angst vor Spritzen. Mir erschienen sie damals überdimensional groß, wahrscheinlich wiederspiegelte das eher meine Angst, die ich jedes Mal hatte, wenn ich zu dieser unfreundlichen Frau musste.
Auch erinnere ich mich daran, dass ich in der Nähe immer Geräusche eines Zuges gehört habe. Wahrscheinlich verband ich mit dem Geräusch ein Stück Heimat, weil auch wir an einer Bahnlinie wohnten.
Kurz vor Weihnachten sollte es dann wieder Richtung Heimat gehen. Ich weiß noch, dass ich in dieser Diele mit meinem Koffer wartete, wie einige andere Kinder auch. Die ersten waren schon abgeholt worden. Dann kam ein Mann zur Tür herein, der Busfahrer, meine Rettung. Und ich werde es in meinem ganzen Leben nicht vergessen, was dann passierte. Er schaute mich an und fragte:"Na Mädchen, wo willst du denn hin? " ich antwortete: "Nach Neuruppin." Daraufhin sagte er: "Neuruppin, das steht gar nicht auf meinem Plan." Ich glaube jeder kann sich vorstellen, was da in mir vorging. Ich dachte, ich komme nie mehr nach Hause. Ich muss jetzt für immer in diesem Haus bleiben. Telefone gab es nicht, Briefe wurden ja kontrolliert. Wie sollten meine Eltern denn wissen wo ich bin. Der Typ hatte natürlich nur geflunkert und war sich der Wirkung seiner Worte in keinster Weise bewusst, hoffe ich. Aber für mich brach in diesem Moment eine Welt zusammen. Der letzte Strohhalm flog gerade davon und ich konnte ihn nicht festhalten. Ich durfte dann doch mit in den Bus steigen und wurde auch in meine Heimatstadt gebracht, wo ich schon sehnsüchtig erwartet wurde. Laut Aussage meiner Mutter habe ich auch ziemlich schnell angefangen zu erzählen, wie es uns Kindern dort ergangen ist.
Es ist schon komisch, woran man sich alles erinnern kann, genauso verwundert es mich aber, dass ich viele Sachen einfach auch nicht mehr weiß oder ich habe sie verdrängt.
Ich kann mich nicht mehr an den Ort selbst erinnern, nicht wo der Junge war, mit dem ich am Bahnhof in Neuruppin stand, ob er wieder mit zurück fuhr. Ich weiß auch nicht mehr, ob die Jungs in der Etage über uns ihre Schlafräume hatten, ob wir etwas mit den Jungs zusammen unternommen haben oder nicht, ob wir spielen durften. Keine Ahnung, das ist alles weg.
Nur an einen Namen glaube ich mich zu erinnern, das Mädchen neben mir im Schlafsaal hieß wohl Heike.
Ich lese nun schon seit längerer Zeit die Berichte im Forum. Es gibt hier so viele, die wesentlich schlimmere Erlebnisse hatten. Und trotzdem lässt mich das alles auch nach über 45 Jahren einfach nicht los. Ich hatte es einige Jahre verdrängt und nur selten daran gedacht, aber je älter ich wurde, um so mehr kam vieles wieder zum Vorschein. Und dann bin ich durch Zufall auf den Beitrag von Anja Röhl im Fernsehen gestoßen. Ich habe immer gedacht, dass ich das alles vielleicht alleine nur so empfunden habe und das Erlebte überbewerte. Man konnte ja mit niemandem seine Erfahrungen austauschen. Aber nun weiß ich, dass es vielen, sehr vielen ähnlich ging wie mir. Das hätte ich nicht für möglich gehalten.
Meine Eltern haben mich danach nie mehr alleine weggeschickt, wenn ich es nicht wollte. Ich war z.B. nie im Ferienlager.
Lange habe ich mir vorgenommen, den Ort wieder zu besuchen und mich der Vergangenheit zu stellen.
Am 04.03.2023 habe ich mich mit meiner 83jährigen Mutter und meinem Bruder auf den Weg nach Rottleberode gemacht. Vorab hatte ich mit der Touristeninformation der nächst größeren Stadt telefoniert. Dort bekam ich die Auskunft, dass das Gebäude noch existiert, es wurde zwischenzeitlich zu einem Mehrfamilienhaus umgebaut.
Kurz vor der Ankunft dort hatte ich ganz schön weiche Knie.und als wir in die Straße bogen habe ich, obwohl einiges verändert wurde, das Haus sofort erkannt und die Emotionen stiegen sofort hoch. Ich begann zu zittern und zu weinen, als ich aus dem Auto stieg. Es war ein sehr emotionaler Moment. Leider hatte ich keine Möglichkeit in das Haus zu kommen. Es war viel kleiner, als ich es in Erinnerung hatte. Am Haus selbst ist eine Tagel angebracht, auf der das Kurhaus abgebildet ist, wie es ursprünglich mal aussah, mit der Inschrift "Dr. Andts Kinderkurheim seit 1925". Mit meinen Erinnerungen an die Eisenbahngeräusche lag ich nicht falsch. Hinter dem Haus ist noch immer der Bahnhof des Ortes. Parallel zur Straße vor dem Kurhaus zieht ein Flüsschen seine Bahnen. An den kann ich mich überhaupt nicht erinnern. Obwohl wir sicher über die kleine Brücke gegangen sind, bei den Spaziergängen. Auch der Ort an sich war mir komplett fremd und unbekannt. Gut es wurde viel gebaut, der Ort hat sich sicher verändert. Aber ich habe so gar keine Erinnerungen, wo wir evtl. lang gewandert sind oder dergleichen.
Ich finde es schon krass, dass so viele Erinnerungen fehlen, da man ja mit 9 Jahren nicht mehr so klein war.
Vielleicht findet sich ja jemand, der auch in Rottleberode war. Ich würde gern in Erfahrungsaustausch gehen.
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Christoph Meyer-Weller aus München schrieb am 03.04.2023
War für ca. 4-6 Wochen als nicht mal 5 Jähriger in Bad Wörishofen "stationiert". Meine Erinnerungen decken sich weitgehend mit denen der meisten Verschickungskinder: Gefühlskälte der sog. Tanten, Essens/Schlaf- und Tabletteneinnahmezwang, Regelmäßiges, rektales Fiebermessen (überwiegend Nachts). Starkes Heimweh. Am schlimmsten empfand ich das Gefühl des Verlassenseins und die Frage nach dem Warum?.
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R. schrieb am 01.04.2023
Las gerade den Bericht von Thomas Nawroth, der 1969 nach Bad Orb geschickt wurde. Auch ich war in Bad Orb, zusammen damals mit meinem um ein Jahr jüngeren Bruder. Erinnere nicht mehr genau an das Jahr, es muss 1967 oder 1968 gewesen sein, ich war zu dieser Zeit sechs oder sieben Jahre alt.

Wie meistens anscheinend fand der Aufenthalt auf Anraten des Hausarztes statt, da mein Bruder und ich beide (ich erinnere mich noch an den Ausdruck) etwas „schwächlich“ wirkten.

Meine Erinnerung bleibt bis auf einzelne Ereignisse schemenhaft, deckt sich im Wesentlichen aber mit vielem, was auch andere schreiben: Sogenannte „Tanten“ (in meinem Fall in weißem oder weißgrauem Schwesternhabit mit Häubchen), vor denen man sich durchweg fürchtete; militärisches Reglement und Betrafung, falls man aus der Reihe tanzte. Regelrechte Prügelstrafe, von der Thomas Nawroth betreffend Bad Orb schreibt, habe ich allerdings nicht erlebt.

Ein paar Situationen bleiben mir bis heute präsent:

Sämtliche Kinder wurden jeden Morgen in einen Bottich mit Wasser gestellt und auf ruppigste Weise von unten bis oben (inklusive Gesicht und Haare) abgeseift. Das Weinen von Kindern, die dabei Seife in die Augen bekamen, schien zum vorgeschriebenen Ritual zu gehören.

Andere Erinnerungen betreffen die Mahlzeiten: Es war uns verboten, auf dem Tisch den Ellbogen abzustützen. Als ich dies aus Versehen einmal tat, ergriff die betreuende Schwester im Vorbeigehen meinen Arm und hieb meinen Ellbogen äußerst schmerzhaft mit voller Wucht auf den Tisch. An einem Tag gab es zu Mittag irgendein Gericht, das bedeckt war mit Senfsauce. Ich hatte extreme Abneigung gegen die Sauce und wollte sie nicht essen. Man ließ mich den gesamten Nachmittag alleine vor dem Teller sitzen, während ich durchs offene Fenster hörte, wie die anderen Kinder draußen spielten. Wenn immer eine der Schwestern vorbei kam, fragte sie, ob ich nicht essen wolle, um hinaus zu den anderen Kindern zu gehen. Ich war mir bewusst, worum es in diesem Spiel ging, und sagte mir: Ihr könnt tun, was ihr wollt – ihr werdet meinen Willen nicht brechen! Ich saß den ganzen Nachmittag allein an dem riesigen Tisch und starrte auf meinen Teller. Zum Abendessen kamen die Kinder zurück. Es gab kein Essen für mich außer noch immer den Teller mit Senfsauce. Nach der Mahlzeit wurde auch dieser Teller mit abgeräunmt. Ich ging ins Bett, ohne an diesem Tag mehr als das Frühstück gegessen zu haben. In der Nacht weinte ich vor Hunger und Wut. Ich wurde daraufhin aus dem Schlafsaal in den Flur gerollt, wo ich alleine war und umso mehr weinte. Es gab eine Nachtschwester, die nicht zu dem Personal gehörte, das uns tagsüber betreute, und die ihren Dienst erst angetreten hatte, nachdem man mich aus dem Schlafsaal rollte. Sie hörte mich offenbar weinen, erschien an meinem Bett, reichte mir wortlos einen Pappbecher mit Pfefferminztee, lächelte mir zu, streichelte mir über den Kopf und entfernte sich wieder. Ich denke noch heute an sie, wenn ich Pfefferminztee schmecke. Dies war der einzige Moment, in dem ich in Bad Orb etwas wie Menschlichkeit erlebte.

Ich habe aus Bad Orb, wie ich denke, keine emotionalen Schäden davongetragen, aber auch für mich bleibt die Erinnerung alptraumartig. Meine Mutter erzählte in späteren Jahren öfters von dem Moment unserer Rückkehr: Als mein Bruder und ich aus dem Zug stiegen, sollen wir beide wie aus meinem Mund gleichzeitig gesagt haben „Da gehen wir nie mehr wieder hin!“. Zwar scheinen meine Mutter diese Worte irgendwie beeindruckt zu haben, aber es gibt keinerlei Anzeichen, dass sie oder mein Vater die Zeit, die ihre Kinder dort verbrachten, je für sich genauer hinterfragt hätten – schließlich geht es bei einer Kur mit auch um Änderung sonstiger Lebensgewohnheiten (mehr frische Luft, körperliche Ertüchtigung undsoweiter) und wohl fanden es beide nur natürlich, dass uns das nicht immer nur Spaß gemacht hatte.
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Hinrich schrieb am 27.03.2023
Die Hölle von Klappholttal

Hallo Ihr Lieben, ich muss leider etwas ausholen und euch mit meiner Vorgeschichte belasten, sonst wird es, so glaube ich, schwierig es zu verstehen. Ich lege hiermit nach bestem Wissen und Gewissen Zeugnis ab.

Ich nenne mich hier mal Hinrich, was nicht mein bürgerlicher Name ist, ich bin 1968 in einer Kleinstadt in Hessen geboren und meine Kindheit war die Hölle. Ich war kein Wunschkind, vielmehr ein Unfall, den man noch zu beseitigen versuchte, der Termin beim Engelmacher wurde jedoch, nach aufkommenden Muttergefühlen, abgesagt. Meine Erzeuger, die durch meine Geburt zur Heirat gezwungen wurden, ließen sich 1973 dann auch wieder scheiden.

An meinen Erzeuger habe ich nur noch wenige Erinnerungen, er war ein gewalttätiger Mensch, er verprügelte meine Erzeugerin und auch mich bereits in frühem Kindesalter, sodass es bis Heute in meinem Kopf eingebrannt ist.

Jetzt würde ich gerne sagen, dass nach der Scheidung alles besser wurde, aber dem war nicht so. Ich wurde nach einem Sorgerechtsstreit meiner Erzeugerin zugesprochen. Die, wie sie mir 1977 nach dem Sommer auf Sylt, reinen Wein einschenkte.

Sie hatte wieder geheiratet und offenbarte mir in einem vier Augen Gespräch, dass sie für mich keine Liebe empfinden könne, dass ich gar nicht auf der Welt sein sollte und ihr Leben total versaut habe. Das sie durch meine Niederkunft ihre Lebensziele nicht mehr verfolgen konnte und das ich sie immer wieder an meinen Erzeuger erinnern würde. Sie habe ja jetzt wieder geheiratet und wolle sich ein neues Leben aufbauen wobei ich nur störe.

Durch meine Atemwegsprobleme, die sich später zu einem Asthma erweitern sollten, kam ich dann im Sommer 1977 nach Klappholttal auf Sylt.

Auf dem Bahnhof abgegeben, ich konnte ihre Erleichterung sehen, ging die Zugreise auch schon los. Gefühlt war der ganze Zug voll mit Kindern die wohl alle das selbe Ziel hatten. Eine der schönsten Inseln der Welt, Sylt! Ein ganzen Sommer am Strand, raus aus der Hölle, durchatmen!

Angekommen, ich erinnere mich an den wunderbaren Duft der Insel, wurden wir auf die Barracken verteilt. Ich glaube ich war mit sechs anderen Jungs in einem Raum untergebracht und weil oben in den Stockbetten kaum einer schlafen wollte, hatte ich mein eigenes Reich neben dem Fenster mit Blick auf die Dünen und immer ein waches Auge auf den Hauptraum, was sich noch als sehr nützlich erweisen sollte.

Ab hier verschwimmen die Erinnerungen und es sind nur wenige Erlebnisse an die ich mich erinnern kann oder will, ich glaube die Meisten habe ich gekonnt verdrängt, jedoch möchte auch ich, dass was noch hängen geblieben ist, mit euch teilen.

Wegen meinen Atemwegsproblemen musste ich täglich zum Inhalieren in einen kalten dunklen Raum in dem angeblich reines Meerwasser versprüht wurde, dadurch war ich Vormittags oft für mich, wenn die Anderen irgendetwas anderes machten, ich habe nie gefragt und aus meiner Barracke war ich der einzige.

Der Sohn des Chefs meiner Erzeugerin war mit von der Partie, wir waren nicht in der selben Gruppe, ich weiß nur noch, dass er rebellierte, dass er seinen Vater anrief und er ihn nach einer Woche abholte. Ich musste da bleiben. Wir hatten von dem Tag an nie wieder Kontakt zueinander.

An das Essen erinnere mich kaum, ich weiß nur noch, dass ich es verweigerte und ich es lieber heimlich wieder erbrach, woraus sich eine Essstörung, die bis heute andauert, entwickelte. Mir wurde gedroht, dass es zur Zwangsernährung kommt, wenn ich nicht esse, also spielte ich mit.

Mittagsruhe hieß absolut ruhig mit geschlossenen Augen zu liegen, bei Zuwiderhandlung wurde uns der Saft oder Tee für den restlichen Tag verweigert.

Einmal musste die ganze Barracke, Jungen und Mädchen, die auf der anderen Seite der Barracke wohnten, im Hauptraum Barfuss einen Schritt von der Wand entfernt in Reih und Glied stehen. Nach ca. einer Stunde kippten die ersten Bewusstlos um.

Die Betreuerinnen haben sich die ältesten als ihre Handlanger gehalten, wenn man also nicht spurte, bekam man es mit denen zu tun. Was natürlich zu vermeiden war. Sie prahlten damit, dass sie Sex mit einzelnen Betreuerinnen hatten und wenn man sah wie sie miteinander umgingen, konnte ich mir das wirklich vorstellen.

Der jüngste und schwächste in unserem Raum wurde immer wieder von den Handlangern gemoppt, geschlagen und gedemütigt. Es führte dazu, dass er sich Nachts einmachte und alles noch schlimmer wurde. Als er am Strand im Wasser auf einen Seeigel getreten war, wurde er schwer krank und erst mit hohem Fieber aufs Festland gebracht. Wir haben nie wieder etwas von Ihm gehört. Ich schäme mich heute noch, dass ich mich irgendwann nicht mehr vor ihn stellte.

Post nach Hause wurde zensiert, Pakete wurden eingezogen, ich erinnere mich jedoch, dass ich einen Teil zurück bekam und es wie einen Schatz behütete.

Nach zwei Wochen wurde ich schwer krank, hohes Fieber und ich konnte nichts bei mir behalten. Ich wurde damit mehr oder weniger alleine gelassen und wankte zwischen Bett und Toilette für ca. fünf Tage umher. Nach zwei Tagen kam der Arzt und ab da wurde ich zwangsmedikamentiert. Sprich, mir wurde gedroht, wenn ich die Medikamente nicht einnehme, gehe dies auch anders. Keine Ahnung was ich da alles einnehmen musste. Meine Wahrnehmung war von da an sehr eingeschränkt und ich schlief die meiste Zeit.

Ich erinnere mich, dass eine der Betreuerinnen mir schnippisch sagte, dass ich mal langsam wieder aus dem Bett kommen solle, wenn ich an der Reise nach Dänemark ins Legoland teilnehmen möchte. Die Medikation wurde abgesetzt, ich konnte nach ca. drei Wochen wieder das erste Mal zum Inhalieren und fuhr mit nach Dänemark.

Weiter erinnere ich mich, dass wir Kinder untereinander anfingen gegen Aufmüpfige vorzugehen, da wir immer gemeinsam bestraft wurden, also hielten wir uns selber an der Kandare um den Repressionen zu entgehen. Denn wir wollten ja Nachmittags an den Strand, mal nach Westerland, durch das Watt wandern und wenn wir schön brav waren und unter dem Radar blieben, war das auch möglich. Freunde habe ich dort nicht gefunden, vielmehr waren wir Leidensgenossen und ausser mir haben sich alle auf Zuhause gefreut. Ich nicht, denn ich wusste das die Mutter aller Höllen schon wieder auf mich wartete.

Ich habe seit dem Sommer auf Sylt gesundheitliche Probleme, physisch wie psychisch. Allergien, Asthma, Lebensmittel Unverträglichkeiten, Aufmerksamkeitsdefizite, Energielosigkeit, Depressionen, Angstzustände, Panik Attacken und allgemeine Schmerzen. In den Wochen danach setzte meine Pubertät ein, viel zu früh, mit neun Jahren. Meine erste sexuelle Erfahrung sollte jedoch noch zehn Jahre auf sich warten.

Ich weiß heute, dass ich ein Trauma seit meiner frühen Kindheit in mir trage. Der Sommer auf Sylt hat seinen Teil dazu beigetragen. Ich vertraue erst mal Niemandem, ich habe nie eine gesunde Beziehung erlebt, deshalb lebe ich seit vielen Jahren allein. Natürlich wünsche ich mir eine liebevolle Beziehung mit einer Frau die ich nicht erdrücke und die mich so sein lässt wie ich bin. Jedoch zieht sich das Erlebte wie ein roter Faden durch mein Leben. Dennoch gebe ich nicht auf, denn ich weiß, dass ich keine Schuld daran habe. Ich habe gelernt mich selber so zu nehmen wie ich bin, mich zu lieben, das Leben zu lieben, täglich zu lernen und daran zu wachsen.

Dennoch ist es so, dass ein Teil von mir auf Sylt geblieben ist, oft fühle ich mich wie der kleine neunjährige Junge.

Danke fürs lesen!
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Christina Strauß aus Forchtenberg schrieb am 27.03.2023
War in denSommerferien 6 Wochen dort. Hatte immer Durst, wir durften nur im Kollektiv nach den Mahlzeiten zur Toilette oder im Freien. Wer nicht gegessen hat musste ins Bett. Kann mich an viel Heimweh erinnern. Es herrschte ein Kasernenton.
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Anne aus Niederbergheim Warstein / Wanne-Eickel schrieb am 27.03.2023
Ich war mit 5 Jahren, vor meiner Einschulung wegen einer leichten Blutarmut und weil ich zu dünn war in diesem Verschickungsheim. 6 Wochen Horror. Ich musste wie alle Kinder essen bis zum Erbrechen. Wem schlecht wurde drohten Ohrfeigen oder Eckenstehen. Die Angst vor Bestrafungen war immer da. Demütigend war auch das abendliche Waschritual. Alle Mädchen müssten sich von oben bis unten waschen. Eine Aufseherin kontrollierte nicht nur die Zähne sondern zwang uns in eine Bückstellung um an uns zu berühren und in den Po zu schauen. Es war einfach ekelig. Manche Kinder mussten sich danach nochmal waschen. Im Schlafraum herrschte ja absolute Ruhe. Wer nicht ruhig war musste endlos in der Ecke stehen. Unsere Gruppe hatte zum Glück eine nette Gruppenleiterin die Waldspaziergänge und Spiele mit uns gemacht hat damit wir von diesem ganzen Elend abgelenkt wurden . Einmal in der Woche gab es dann eine ganz "fantastische" Veranstaltung. Strafgericht oder so ähnlich. In einem größeren Raum stand ein Schreibtisch an dem 2 oder 3 Frauen saßen. Über den Tisch war eine Decke gelegt die bis über den Fußboden reichte. Wir Kinder standen in Reihe und Glied und warteten ab was passiert. Uns würde dann gesagt dass Kinder die irgendwelche Regeln nicht beachtet haben aufgerufen werden. Ich war dabei obwohl ich bis heute nicht weiß weshalb. Auf Anweisung stellte ich mich auf den am Boden liegenden Deckenteil. Eine der Frauen las bösartig aus einem Heft meine Verfehlungen/Sünden vor beschimpfte mich und die anderen nickten dazu. Dann meinten sie das müsse bestraft werden dafür wäre das Gericht da. Ich hatte furchtbare Angst und wartete. Auf einmal fiel ich mit voller Kraft auf den Fußboden und tat mir völlig weh. Die Frauen hatten mir zu dritt die Decke unter den Füßen weggezogen sodass ich auf die Erde knallte. Das war meine Strafe und die anderen Kinder. Es war einfach nur grausam. 6 Wochen die ich nie vergessen habe und als meine Mama mich am Bahnhof abholte rannte ich schreiend auf sie zu. Nie wieder Erholung Mama,bitte nie wieder. Mehr habe ich meinen Eltern nie erzählen können. Ich habe Jahre gebraucht bis ich mit einer Jugendgruppe angstlos in den Urlaub fahren konnte.
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Petra aus Bad Münstereifel schrieb am 26.03.2023
Ich und meine Zwillingsschwester sind mit 5 Jahren für 6Wochen ohne Kontakt ( Briefe, Anrufe)von unseren Eltern 'verschickt "worden! Ich habe noch nach 50 Jahren einige Erinnerungen. Es waren nicht schöne Momente.Unsere Kinderärztin hat es damals verordnet. Meiner Mutter habe ich oft Vorwürfe gemacht!
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Marion Krause-Thiel aus Heide /Holstein schrieb am 24.03.2023
Ich war in den 70er Jahren mit meiner älteren und jüngeren Schwester in Hammelbach.
Es war im Winter zur Adventszeit ....Kinderkur vermittelt von keine Ahnung. Ich bin gebürtig aus Recklinghausen, Ruhrgebiet. Wir sind eine Bergarbeiter Familie gewesen mit 7 Kindern.
Ich hatte diese "Kur" irgendwie aus meinem Gedächtnis verdrängt, bis sich in den Medien die Verschickunfskinder Berichte häuften.
Ich erinnerte mich selbst an den Namen des Ortes nicht mehr, den nannte mir meine ältere Schwester mit der Bitte wenn ich was erfahren sollte ihr zu berichten, eigene Erinnerungen ihrerseits kamen aber nicht.
Ich erinnere mich an :
Einen eckeligen Brei mit grünen Stippen den wir essen sollten, ich wollte nicht, wurde gezwungen zu essen auch wenn es wieder hoch kam und nicht gehen zu dürfen bis aufgegessen war.
An ärztliche Untersuchungen zu denen man musste, nur mit Schlüppi in der Schlange stehen vor dem Untersuchungszimmer.
An einen Nikolaus (Schoki) den wir bekamen und ich meiner älteren Schwester sagte "schau mal , weisse Schokolade, die esse ich sooo gerne" Sie nahm in mir weg und sagte nicht essen , der ist schlecht und nicht aus weisser Schokolade.
Zudem erinnere ich mich an Nachtruhe mit absoluter Ruhe, weinen und Heimweh war unerwünscht.

Gibt es Betroffene hier die auch in Hammelbach waren ?
LG
Marion
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Marina aus Bonn schrieb am 24.03.2023
In welchem Jahr ich dort war oder wie alt ich gewesen bin kann ich garnicht sagen. Ich wurde mit meinem Stiefbruder "verschickt", aber wir wurden gleich nach Ankunft getrennt. Das war doppelt schmerzhaft, weil ich mich umso einsamer fühlte. Er ist einen Monat älter als ich und wir waren wie Zwillinge.

Ich erinnere mich an folgende Episoden:

Beim Essen. "Du isst das jetzt!! Nein?!? “ Schwupps kam ein Löffel Spinat dazu und erst wenn ALLES aufgegessen war, durfte ich aufstehen. Das konnte mitunter Stunden dauern.

Beim Nägelschneiden unter Zwang wurde ich mit Gewalt festgehalten und dann bekam ich die Finger-und Fussnägel geschnitten. Ab und zu floss Blut; und auch wenn nicht tat es immer weh.

Beim Mittagsschlaf durfte man nicht aufstehen, sich bewegen oder die Augen öffnen. Ich wurde mit offenen Augen erwischt als die Nonne zur Kontrolle in den Schlafraum kam und musste dann mit meiner Decke in den Flur umziehen. Dort sollte ich dann auf dem kalten, harten Boden meinen Mittagsschlaf fortsetzen.

Beim Briefeschreiben wurde mir diktiert was ich zu schreiben habe. Am liebsten hätte ich geschrieben "bitte, bitte holt mich hier raus", aber es musste ein "wir haben so viel Spaß hier" werden. Das wurde kontrolliert. Die Nonne saß immer daneben.

Obwohl man schnell lernte sich anzupassen war es ein wochenlanges Martyrium bei dem man jederzeit mit dem Schlimmsten rechnete. Mein Bruder hat seine eigenen Geschichten die zum Teil noch schlimmer sind. Scheinbar hatten die Jungs es noch schwerer als wir Mädchen.

Überbehalten habe ich einen tief sitzenden Hass auf die Institution Kirche und ihre "Angestellten". Wohl zu Recht wie sich langsam aber sicher herausstellt.

Ich danke Allen für Ihre Arbeit an dieser Seite und den Betroffenen für Ihre Erzählungen.
Es tut gut zu wissen "Ich bin nicht allein"

Liebe Grüße, Marina
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Sabine aus Hilden schrieb am 24.03.2023
Ich bin 1966 geboren und war noch nicht mal 5 Jahre alt als ich gemeinsam mit meinem 2 Jahre älteren Bruder 5 Wochen nach Borkum in die Kinderkur geschickt wurde. Es muss 1971 gewesen sein.
Ich kann von mir aus nicht mehr sagen wie das Heim hieß. Aber nachdem ich all die Berichte von anderen gelesen habe, kann es nur das Adolfinenheim gewesen sein. Da finde ich vieles wieder, was ich auch erlebt habe.
Sicherlich wollten meine Eltern nur das Beste, aber das war absolut nicht das Beste.
Da ich noch so jung war, habe ich nicht mehr sehr viele Details in Erinnerung, aber ich habe viele Fragmente in Erinnerung, die mich bis heute begleiten.
Ich weiß nur, dass es dort sehr sehr streng zuging. Das Haus wurde von Nonnen oder Schwestern geführt, eine davon war besonders schrecklich.
Meinen Bruder bekam ich eigentlich nie zu Gesicht, da Geschwister getrennt untergebracht wurden. Wir waren in einem Schlafsaal mit ca. 6 Mädchen. Wir alle hatten starkes Heimweh. Viele Mädchen weinten die ganze Nacht. Aber wenn aus den Zimmern zu viel Weinen nach außen drang, wurde die Türe aufgerissen und die Mädchen ausgeschimpft, bloßgestellt und erniedrigt. Ich habe einfach ständig meine Decke über den Kopf gezogen, damit ich nicht gehört und nicht gesehen werde. Viele Mädchen machten nachts ins Bett. Die Beschämungen die dann folgten waren schlimm. Auch diesbezüglich drückte ich mir alles weg was irgendwie ging. Eigentlich durfte man nachts nicht auf die Toilette. Aber da die schrecklichen Schwestern wohl keine Lust hatten ständig die Betten neu zu beziehen, wurden wir jede Nacht 1 x mitten im Tiefschlaf geweckt und wurden aufs Klo gescheucht, ob wir nun mussten oder nicht. Unser "Geschäft" wurde kontrolliert.
Angeblich war ich zu dünn und kränkelnd und wurde daher ständig zum Essen gezwungen. Das schreckliche Essen blieb mir oft genug im Hals stecken. Ich durfte erst aufstehen wenn ich aufgegessen hatte, während der Speisesaal bereits leer war. Ich konnte nur mit Mühe ein Erbrechen unterdrücken. Denn ich bekam mit, was anderen Kindern passierte, die sich erbrochen hatten.
Es ging mir sehr schlecht dort und ich hatte fürchterliches Heimweh. Einmal sollten wir Karten an unsere Eltern schreiben. Ich konnte noch nicht schreiben, aber die Schwestern haben mir die Worte in den Mund gelegt, die ich schreiben sollte. Sie haben das für mich gemacht, damit sich die Mama zuhause freut. Wenn ich heute daran denke bekomme ich wieder einfach nur einen dicken Kloß in den Hals. Ich hätte meiner Mutter gerne geschrieben, dass ich unbedingt nach Hause möchte und sie mich abholen sollen.
Meine Eltern schickten uns ein Päckchen mit Süßigkeiten. Dieses Päckchen wurde in einen Schrank verschlossen und nur mein Bruder durfte ab und zu wohl an das Päckchen. Ich war so fürchterlich traurig als ich mitbekommen habe, dass ein Päckchen existierte und ich es nicht bekommen konnte.
Ja und das schlimmste für mich war eigentlich noch, dass ich bei meiner Rückkehr keine Chance bekam meinen Eltern davon zu berichten. Sie haben mich nicht gehört und gesehen wie schlecht es mir ergangen war. Meine Mutter hatte sich nur gewundert, dass unsere Kleidung total schmutzig war. Letztlich ging es aber nur ums angebliche körperliche Wohl, nämlich ums Essen und ums Gewicht zunehmen, alles andere war egal.
Ich war noch so klein und stark traumatisiert. Ich war vorher schon sensibel und schüchtern. Nach dem Aufenthalt hatte ich große Angst. Ich habe daraus gelernt immer schön still sein zu müssen, schwierige Situationen aushalten zu müssen, bloß nicht auffallen. Decke über den Kopf ziehen, heimlich weinen. Und es interessiert sich sowieso niemand dafür wie es mir geht. Und ich hatte danach Angst vor jeder etwas dominanteren Frau. Und ich bekam immer Beklemmungen in Räumen die mich an die Kurklinik erinnerten.
Das ganze hat mein Leben bis heute geprägt und für viele psychosomatische Leiden gesorgt. Wenn es mir heute schlecht geht, bin ich wieder die kleine Bine, die sich im Kurheim die Decke über den Kopf zieht. Die Gefühle sind dann wieder präsent.
Danke für dieses Forum und danke dafür, dass dieses Thema endlich "Gehör" findet, auch wenn man die maßgeblichen Personen nicht mehr zur Rechenschaft ziehen kann. Mal sehen, ob ich mich irgendwann wieder traue nach Borkum zu fahren. Im Moment kann ich es mir noch nicht vorstellen.
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Sonja Goldbach aus Leverkusen schrieb am 24.03.2023
Textsuche:

0 Ergebnisse für: Mit ca. 9 Jahren wurden mein Bruder 7 und ich zur Kinderkur nach Borkum ins Haus Sonnenschein für 6 Wochen verschickt. Es war die Hölle und wir waren überglücklich, als wir wieder zuhause waren. Wir wurden zum Essen gezwungen. Morgens gab es Haferbrei, sonntags altes Wei�brot mit Marmelade. Mittags wurde uns z.B. eine sü�e, hei�e Obstsuppe vorgesetzt. Es gab grundsätzlich viel Eintopf. Die Teller mussten immer leer gegessen werden, wenn nicht, gab es heftige Sanktionen von Erzwingen des Essens über Stunden oder auch Schläge. Wer sich erbrach, musste das Essen mit dem Erbrochenen essen. Päckchen von zuhause wurden eingesackt von Sü�igkeiten sah man nur einen Bruchteil aus der elterlichen Post. Kleidungswechsel nur nach Genehmigung. Ebenso waschen oder duschen... Wir durften in Gru�karten nur schreiben, was uns gestattet war. Die Mittagsruhe wurde erzwungen, teil mit Schlägen. Das Meer und den Strand habe ich vlt. eine Handvoll Male gesehen. Es war die Hölle, wir hatten Heimweh und viel Angst. Ich verstehe bis heute nicht, warum meine Eltern nichts unternommen haben wenigstens im Nachhinein -. Diese Kur werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Sie fand ca. 1968/1969 statt. Heute bin ich 62 und die Erinnerung ist absolut präsent
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Kerstin aus Bochum schrieb am 23.03.2023
Liebe Stephanie,
ich war ebenfalls 1974 oder 1975 auf Borkum. Deine Beschreibungen, längliches Gebäude nahe am Strand, passen zum Kinderheim Kiebitzdelle. Ich erinnere mich ebenfalls an die Zimmer, dass wir in Bezug auf Geld, Kleidung und anderen Besitz enteignet wurden. Es war furchtbar. Ich würde gern Kontakt zu anderen Betroffenen aufnehmen zwecks Erfahrungsaustausch.
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Stefanie Mertens schrieb am 23.03.2023
Hallo ich war 11 Jahre alt als ich zum Kinderkurheim nach Bad Sachsa fuhr. Die erste Enttäuschung war das dieses Haus nicht so aussah wie im Prospekt. Wir hatten vergitterte Fenster, wie im Gefängnis. So war auch die Stimmung. Psychische Folter war an der Tagesordnung. Es gab ein Jungenhaus und ein Mädchenhaus. Die Jungs mussten arbeiten im Garten,Ziegen hüten und wir Mädchen mussten Mittagsschlaf machen. Wer nicht spurte bekam die Wut und den Hass der Heimleiter zu spüren. Wir haben eine Hausdame gehabt wie Fräulein Rottenmeier(Heidi). Briefe wurden solange korrigiert bis der Brief keine Wahrheit mehr enthielt. Essen war grusselig, wir mussten mit den Zunehmen an einem Tisch sitzen. Abgenommen habe ich nichts. Sportliche Betätigung gleich null. Heute würde ich sogar sagen, die waren homophob, er fand das Mädchen mit kurzen Haaren nicht normal waren. Am schlimmsten fand ich das wir ohne Unterwäsche im Schlafanzug im Bett liegen mussten und morgens wurden wir in den Keller zu den Duschen geschickt und mussten uns ausziehen, wir wurden wie Vieh begutachtet von der Frau und mit einem Schlauch kalt ab gespritzt. Seine Ausraster waren schlimm, einmal sah ich wie er ein Mädchen mit dem Kopf gegen die Wand immer wieder haute. Auch kleinere Kinder waren da. Wir konnten nicht mehr vor Angst und sind bei Nacht und Nebel nur mit Nachthemd und ohne Schuhe in den Wald geflohen. Leider hatten wir es nicht zur Polizei geschafft wir wurde geschnappt. Wir durften die ganze Zeit unsere Eltern nicht anrufen. Geld und Papiere wurden uns am Anfang abgenommen. Irgendwann gab es nochmal ein Fluchtversuch. Danach wurde ein Ausflug gemacht angeblich um uns den Brocken zu zeigen. Wir fuhren zur Grenze der DDR. In Wahrheit wollten die uns über die Grenze schicken. Wir hatten Angst. Nur durch die junge Erzieherin,sie muss so 24 Jahre alt gewesen sein, erfuhren meine Eltern was davon. Meine ganze Kindheit verlief danach nicht mehr so wie vorher.
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Karsten Beckmann aus Leipzig schrieb am 22.03.2023
Ich bin mit 7 1/2 Jahren für 6 Wochen nach Bad Lippspringe gekommen, um mein Asthma zu kurieren. Das war danach auch weg. Die Kur war meine erste Erfahrung von Alleinsein und Trennung von allen mir bekannten Menschen. Auf Heimweh oder andere Gefühle wurde im Heim keine Rücksicht genommen, obwohl es christlich von Ordensschwestern in Tracht mit weißen Hauben geführt wurde. Wichtig war nur die Einhaltung der Regeln und alles mitzumachen, was verlangt wurde. Es war egal, ob jemand das Essen schmeckt, ob man beten mag oder keine Mittagsruhe wollte. Wer alles mitmachte wurde versorgt und betreut. Wer damit jedoch ein Problem hatte, musste mit Strafen rechnen.
Morgens gab es zum Frühstück erst einen Teller heißen Haferbrei und einen Löffel Lebertran. Wer diese Hürde genommen hat, konnte danach Brötchen essen bis er satt war. Wer daran scheiterte, blieb bis zum Mittagessen vor dem Teller sitzen.
Wenn die Schwestern bei einem Regelverstoss nicht den Schuldigen feststellen konnten, wurde willkürlich jemand bestraft. Das ist mir passiert, als in meinem Schlafsaal während der Nachtruhe andere Kinder noch herumalberten. Ich wurde im Schlafanzug in den kalten Duschraum gesperrt und durfte über eine Stunde auf den kalten Fliesen bei Neonlicht sitzen und frieren. Danach ging es in die Eingangshalle, wo ich unter Aufsicht der Nachtschwester eine gefühlte Ewigkeit in einem Sessel sitzen mußte. Irgendwann brachte sie mich wieder in den Schlafsaal zurück. Diese ungerechte sinnlose Willkür habe ich nie vergessen.
Von den 6 Wochen Aufenthalt ist mir nur ein positives Erlebnis in Erinnerung geblieben: Weil ich mit älteren Kinder zusammen in einem Zimmer war, durfte ich die Mondlandung von Apollo 12 abends im Fernsehen mit sehen.
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Heiko Herrmann aus Lohmar schrieb am 22.03.2023
Hallo, ich habe als 5 Jähriger 4 Wochen in Lindow/Strubensee verbracht und mein Päckchen von zuhause wurde geplündert und vom Personal verzehrt.An Falkensee kann ich mich besser erinnern und das war 1980 für Kinder der Horror:Ein Junge musste Fisch essen und erbrach sich und wir alle mussten warten bis er alles gegessen hatte. Ein Anderer hatte sich nachts eigenässt und das wurde vor allen Kindern thematisiert. Täglich mussten sich alle Kinder von5-14 nackt auf den Flur stellen und gegenseitig Bürstenmassage praktizieren, sowie einmal wöchentlich wieder alle nackt um eine Höhensonne im Kreis laufen. Das war damals normal aber mit dem Abstand von heute war es Psychoterror.
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Sylvia aus Aschersleben schrieb am 22.03.2023
Ich war das erste Mal zur Kinderkur mit 8 Jahren beim zweiten Mal mit 11. Ich kann nicht mehr genau sagen, welcher Aufenthalt schlimmer war. Aber die Erlebnisse waren ähnlich.
Am schlimmsten war der Essenszwang. Wir mussten immer alles aufessen, ich sollte zunehmen. Ich kann mich nicht erinnern, dass das Essen schlecht geschmeckt hat, aber es war zu viel für mich. Mir ist oft schlecht geworden. Dann musste ich draußen eine Runde spazieren gehen und dann weiter essen. Ich saß dann noch oft allein im Speisesaal. Am Ende hatte ich ganze 500g zugenommen, bei der zweiten kur wohl 800g. Manche Kinder haben ihr Essen in den Schlafsaal geschmuggelt und im Schrank versteckt. Natürlich haben die Erzieher das gefunden bei der täglichen Schrankkontrolle. Ich weiß nicht mehr, wie die Kinder bestraft wurden, kann mich nur noch erinnern, dass die Kinder dann immer geweint haben. Ich erinnere mich sowieso an viele verheulte Kindergesichter.
Ich musste meine Unterwäsche und Strümpfe immer mit der Hand waschen, weil ich zu wenig mit hatte.
Die Bürstenmassagen von denen hier schon einige berichtet haben, hab ich auch in schlechter in Erinnerung. Wir standen da alle im schlüpfer rum und mussten uns von oben nach unten abbürsten. Und Gymnastik machen, auch in Unterwäsche.
Ich erinnere mich auch noch daran, dass mal ein Mädchen eingenässt hat. Die wurde vor allen anderen Bloßgestellt.
Beim Briefe schreiben hat eine Erzieherin mich zur Schnecke gemacht, weil ich angeblich meinen eigenen Namen falsch geschrieben habe. Die hat mit mir gestritten, ich müsste meinen Namen mit i schreiben nicht mit y. War sowieso egal, weil die Briefe nie abgeschickt wurden.
Das einzig schöne waren die Ausflüge, die wir gemacht haben. Schloss Moritzburg z. B.
Ich habe aber bestimmt auch vieles verdrängt. Meine Mutter hat erzählt, dass ich nicht viel gesagt habe zu Hause. Ich war dann so in mich gekehrt.
Ich wußte bis jetzt auch nicht, dass es so vielen anderen Kindern in der DDR und in der BRD ähnlich ging und das viele noch schlimmere Erlebnisse hatten.
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Elisabeth Müller aus Köln schrieb am 22.03.2023
Mit 5 Jahren kam ich in ein Heim an der Sieg. Mein Vater war bei der Bundesbahn und über die Institution wurde ich verschickt. Meine Mutter brachte mich zu Hauptbahnhof in Köln und ich wurde einer fremden Frau übergeben. Viele Kinder stiegen ebenfalls in den Zug. Ich kann mich an einen riesigen Schlafsaal erinnern, und dass ich jede Nacht ins Bett gemacht hatte. Das war vorher nicht so. Ich wurde beschimpft und musste tagsüber auch im Bett bleiben. Was sie sonst noch mit mir gemacht haben, weiss ich nicht mehr. 6 Woch enlose Hölle.
Danach wurde ich noch 4 mal verschickt. Das war aber nicht mehr so schlimm. Mit 7 Jahren kam ich ins Kinder- und Jugendkurheim von Dr. Schütterle in Haslach Schwarzwald. Daran habe ich keine Erinnerungen mehr.
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Nadine Ewering aus Steinfurt schrieb am 21.03.2023
Ich bin mit 5 Jahren nach Berchtesgaden gekommen, eine Empfehlung vom Kinderarzt, da ich ständig krank war.
Viel weiß ich nicht mehr, aber eine Situation werde ich nie vergessen.
Ich hatte starkes Heimweh und in der Nacht ins Bett gemacht. Dafür hab ich eine dicke Backpfeife bekommen und zeitgleich hatte ich auch noch hohes Fieber und mir ging es ganz schlecht. Ich durfte mich nicht umziehen und musste den ganzen Tag alleine in dem großen Saal in meinem dreckigen Bett liegen und es hat sich keiner um mich gekümmert.
Und dann dieses schrecklich gestellte Foto mit dem Pony, welches ich festhalten musste. Das Foto wurde dann nach Hause geschickt, damit die Eltern dachten wir hätten eine tolle Zeit.
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Hannelore Harnisch aus Delbrück schrieb am 21.03.2023
Sehr geehrte Frau Röhl
Meine Schwester (8)und ich (7) wurden als Kinder auch verschickt 2mal,in die Hölle unseres Lebens.Eine Verschickung schlimmer als die andere.
Wir wurden zum Essen und schlafen gezwungen. Unsere Briefe zensiert oder kamen gar nicht an. Wenn man sprach musste man in der Ecke stehen. Beschimpft wurde man wenn man weinte man kann alles gar nicht wiedergeben was einem angetan wurde. Auch wenn man sein Leben lebt diese Erfahrungen haben tiefe Narben hinterlassen.
Mfg H. Harnisch
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Karin Schwarzenberg aus Paderborn schrieb am 21.03.2023
Sehr geehrte Frau Röhl,

Noch heute ist es für mich Horror, was ich als Kind erlebt habe. Anfang 72 verstarb unsere Mutter. 1972, 1973, 1974 wurden meine
Schwester und ich zum ersten Mal mit 7 u. 8 Jahren in den Sommerferien
verschickt. Einmal Bad Karlshafen, dort musste meine Schwester in
einem Gitterbett für Kleinkinder schlafen. Sie konnte nicht richtig
liegen und hat viel geweint. Ich habe versucht sie zu trösten, weil man aber nicht sprechen durfte, musste ich nachts auf dem kalten,
dunklen Flur allein in der Ecke stehen. Es gab Schläge oder man wurde
eingesperrt, die Strafe kein Essen zu bekommen, war für mich eher
Belohnung, denn das Essen war grauenvoll. Zum Essen wurde man gezwungen, man durfte erst aufstehen, wenn der Teller leer war. Sonst kam man in einen dunklen Raum. Am Tisch und während Spaziergängen
durfte nicht gesprochen werden. Dort wurden wir beide krank Masern und
mussten zu unserem Glück in der dritten Woche abgeholt werden. In Niendorf an der Ostsee war es noch schlimmer. Die Briefe, die ich geschrieben hatte, von Heimweh berichtete und dass wir Nachts in einem
Bett zusammen schlafen, weil wir solche Angst hatten, kamen nie zu Hause an. Dafür wurde meine Schwester sofort in einem anderen Zimmer untergebracht und wir wurden Nachts eingeschlossen. Beim Essen war es so schrecklich, Erbrochenes musste wieder gegessen werden. Selbst
ungenießbare Speisen wurden vorgesetzt. Ich habe tatsächlich mehrfach versucht aus dem Fenster zu springen, um wegzulaufen. Diese
Erinnerungen kann man nicht vergessen. Noch heute sind Dunkelheit, enge Räume und volle Teller für mich abschreckend.
Schade, dass ich erst durch den gestrigen Bericht in der Tageszeitung
aufmerksam wurde auf Ihren Aufruf. Die Petition habe ich sofort
unterschrieben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
Herzliche Grüße
Karin
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Tackenberg, Sylvia aus 45879 Gelsenkirchen schrieb am 21.03.2023
Ich war ein dünnes Kind, wurde zur Erholung 6 Wochen nach Bad Rothenfelde geschickt um zuzunehmen. Ich hatte mich so darauf gefreut, war ganz stolz alleine zu verreisen. Es wurde die Hölle für mich.Mir wurden bei Ankunft alle Süßigkeiten weggenommen, auch mein Kuscheltier wurde weggenommen. Wir mussten uns mit kaltem Wasser waschen. Alles essen , auch wenn man sich davor ekelte. Ich mochte keine Tomaten (bis heute kann ich sie nicht essen), musste Brote mit Tomaten essen. Ein anderes Mädchen mochte keine Blutwurst, wir tauschten unsere Brote unter dem Tisch. Leider ist es aufgefallen. Das andere Mädchen kam irgendwo in einen Raum und musste das Blutwurst Brot essen, sie erbrach es und musste dann das Erbrochene essen. Vor Angst und Heimweh hab ich nachts geweint und musste daraufhin im kalten Flur auf einer Pritsche ohne Zudecke die Nacht verbringen.Ich habe meinen Eltern geschrieben wie schlimm ichcda behandelt werde, dax wurde von den Erzieherinnen geschwärzt, dass meine Eltern es nicht lesen konnten. Ich hatte während dieser Zeit Geburtstag, mein Päckchen von den Eltern wurde mir weggenommen . Es sind bestimmt noch schlimmere Sachen passiert. Ich werde dieses Jahr 60, aber ich werde diese Zeit nie vergessen.
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Monika Groth aus Reken schrieb am 21.03.2023
Verschickungsheim in Erpen Bad Rothenfelde
Mein Name ist Monika Groth. Ich war ein schwächliches Kind, und viel erkältet. Deshalb dachten meine Eltern, dass es gut für mich wäre, zur Erholung zu kommen.
Also wurde ich zusammen mit einer Frau von der Fürsorge in den Zug gesetzt. Im Kinderheim angekommen, mussten wir unser Proviant abgeben. Jedes Kind durfte sich dann etwas davon nehmen. Dumm wie ich war,nahm ich mir einen großen Apfel, den ich dann nicht schaffte aufzuessen. Also bekam ich am ersten Tag schon Ärger. Ich hatte wohl so was wie Milchunverträglichkeit. Es gab jeden Morgen Haferbrei. Mir wurde immer wieder schlecht davon. Weil man Schläge bekam, wenn man nicht aufgegessen hatte,bekam ich solche Angst.Als Ich mich dann übergeben hatte, hab ich einfach das Erbrochene weitergegessen. Bis mir jemand den Teller weggenommen hatte. Wenn man seinen Teller nicht leergegessen hatte, musste man mit seinem Teller in die Garderobe. Dort musste man sich vor der Bank hinknien und essen, bis der Teller leer war. Erst dann durfte man wieder zu den anderen. Ich hatte so schreckliches Heimweh. So kam es auch vor, dass ich wieder ins Bett machte. Natürlich gab es deshalb auch wieder Schläge. Wir gingen auch öfters ins Badehaus. Dort waren Wannen mit warmem Solewasser aufgestellt. Darin musste man liegen und sich ruhig verhalten. Ich hatte mir eine Wanne ausgesucht, mit sehr viel Wasser drin. Die Betreuerin stellte deshalb einen Schemel in die Wanne, auf den ich mich dann setzen sollte. Doch der Schemel rutschte mir weg, so dass ich fast ertrunken wäre. Das Ende vom Lied war, ich wurde beschimpft. Warum ich denn so dumm war und mir die Wanne mit dem vielen Wasser ausgesucht hatte. Es war Adventszeit. Im Heim gab es einen Adventskalender . Er bestand aus einer Schnur, an der Walnüsse geklebt waren. Jeden Tag durfte ein Kind eine Nuss abschneiden. Nur wenn es lieb war. Dann kam der Tag wo die Erzieherin sagte, Monika war heute lieb, sie darf heute die Nuss abschneiden. Nein doch nicht.Es kam ein anderes Kind dran. Die Enttäuschung spüre ich noch heute.Ich war damals noch keine 7 Jahre alt. Jetzt bin ich 70 Jahre. Ich kann die 6 Wochen im Heim nicht vergessen.
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Christa Wortmann aus Oberhausen schrieb am 12.03.2023
Meine Schwester sollte zur Untersuchung zwecks Einschulung.Ich wollte unbedingt dabei sein.Bei meiner Schwester war alles gut,als der Arzt mich sah meinte er zu meiner Mutter dass ich zu dünn sei und ich zur Kur muss.Im November 1965 wurde ich in einen Zug Richtung Schwarzwald gesetzt.Sechs Wochen ging meine Kur.Wir schliefen mit mehreren Kindern in einem großen Schlafsaal.Morgens gab es Haferschleim, entweder mit Kakao oder ohne.Ich musste sehr oft brechen und mir wurde das erbrochene wieder vorgesetzt was erneutes brechen verursachte.Zur Strafe musste ich ins Bett.Ich hatte furchtbare Angst in dem großen Saal, besonders wenn es dunkel war.Draussen war ein Wald und im Saal war eine große Glasscheibe.Meine Fantasie spielte mir übel mit.Die Briefe die ich an meine Eltern schrieb wurden kontrolliert und "verbessert".Einmal die Woche war Badetage.Erst durften die großen Mädchen baden und danach wir.Alle in dem gleichen Wasser.Mir würde der nasse Lappen über Mund und Nase ausgedrückt dass ich dachte ich ersticke.Bis heute kann ich sehr schlecht Wasser im Gesicht haben ohne Panik zu bekommen.Der Geruch von Haferschleim und Kakao bereitet mir Übelkeit.Wir mussten öfters zur Untersuchung und ich kann mich an Spritzen erinnern die ich bekommen habe.Mittags mussten wir draußen auf einer Liege einen Mittagsschlaf machen.Es durfte nicht geredet werden.Ich hatte großes Heimweh und war froh nach sechs Wochen wieder nach Hause zu fahren Obwohl das fast 60 Jahre her ist denke ich noch sehr oft an diese Zeit.
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Jan schrieb am 12.03.2023
Ich war 1989 mit 6 in Wiek und mir kommen heute noch die Tränen, wenn ich daran zurückdenke.
Bereits die Abreise im Bus vom Leipziger Hauptbahnhof ist mir in trauriger Erinnerung. Ich hatte ein von meiner Mutter liebevoll gestaltetes Schild mit meinem Namen um den Hals, dann mussten wir uns verabschieden und führen mit Tränen in den Augen nach Wiek.
Dass wir immer aufessen mussten, uns nackt in einem Kreis aufstellen und dem Kind vor uns den Rücken mit einer fiesen Plastikbürste schrubben mussten etc. war bei uns auch so.
Am schlimmsten fand ich jedoch, wie ein Kind mit "Schlafzimmerblick" behandelt worden ist. Ständig schnauzten die Erzieherinnen es an, es solle die Augen gefälligst richtig aufmachen. Eines Tages, als das Kind wohl zusätzlich nicht aufgegessen hatte, musste unser gesamtes Haus abends antreten. Dann wurde das Kind vor aller Augen in Krepppapier eingewickelt, welches dann mit einer großen Schleife fixiert worden ist. Dann verkündeten die Erzieherinnen, dass Kind werde jetzt als Paket per Post verschickt - quasi als "Warnung" was mit unfolgsamen Kindern passiere. Als wir alle einen großen Schreck bekommen hatten, wurde das Kind wieder "ausgepackt". Wenn ich daran denke, möchte ich den heute wohl 40jährigen Mann am liebsten in den Arm nehmen und zusammen eine Runde heulen. Wie schlimm muss das für ihn erst gewesen sein, wenn mich das als hilfloser "Zuschauer" schon so mitgenommen hat.
An einen einzigen schönen Abend kann ich mich erinnern, als die Großen uns halfen uns rauszuschleichen und gemeinsam Elf 99 zu schauen.
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Andreas Ohmsen aus Hamburg schrieb am 12.03.2023
Ich bin durch den Hinweis einer ehemaligen Arbeitskollegin auf diese Initiative gestoßen und bin ganz überrascht, dass die damaligen Erholungs- oder Erziehungsinstitutionen nach so langer Zeit noch aufgearbeitet werden. Wir hatten bei einer privaten Unterhaltung festgestellt, dass wir uns in dem selben Verschickungs- bzw. Kinderheim zu allerdings unterschiedlichen Zeitpunkten aufgehalten haben. Unsere Erinnerungen und Eindrücke sind ähnlich. Die Aufenthaltsbedingungen haben sich in den Jahren danach wohl noch verschlimmert. Vielleicht habe ich mit meinen acht Jahren auch manches nicht mitbekommen. Meine Eltern hatten mich nach einer ausgeheilten Hepathitis-A Erkrankung aufgrund der Empfehlung eines Arztes dort hingeschickt. Ich habe noch viele insgesamt durchwachsene Erinnerungen an damals. Aus heutiger Sicht wurden wohl die autoritären Umgangsformen und Erziehungsrituale aus der Nazizeit hier fortgesetzt. 1962 war es noch zu früh für ein generelles Umdenken und Aufarbeitung wie sechs Jahre später. Das Personal in Berlebeck war altersmässig gemischt, die Leiterin erinnerte mich am ehesten an eine Klostervorsteherin. Die meist jüngeren Erzieherinnen waren teilweise recht nett und menschlich. Es gab aber auch physische Gewalt, die eine oder andere Ohrfeige oder eins hinten drauf. Eine Merkwürdigkeit waren die sogenannten "Liegekuren": Nach kleineren Vergehen musste man den ganzen Tag lang im Bett bleiben und durfte dann den "tollen" Ausflug zum Hermannsdenkmal nicht mitmachen. Die Altersstruktur der Kinder und Jugendlichen lag gefühlt so zwischen 5 und 18 Jahren. Als skandalös empfinde ich aus heutiger Sicht besonders die Mittagsruhe, man musste im Bett liegen und durfte 2 Stunden keine Toilette aufsuchen. Auch nachts war das nicht erlaubt. Ich konnte den Harndrang nicht immer unterdrücken und wurde einmal zur Heimleiterin zitiert: "Du machts mir ja die ganze Matratze kaputt!". Die Qualität der Speisen und Getränke empfand ich als weiteren Tiefpunkt bei dieser Anstalt. Morgens Milchsuppe bis zum Abwinken, bei Erbsensuppe und ähnlichen Eintopfgerichten musste ich mich übergeben. Als achtjähriger konnte ich mich damals noch nicht so artikulieren und ich wusste nichts von der Tradition der Kinderlandverschickung, Hitlerjugend etc. Die Erziehungskräfte von damals waren mit Sicherheit auch nach dem Krieg weiter im Dienst und nicht alle hatten das autoritäre Denken aufgegeben. Die Frage ist, ob es solche Zustände in bestimmten Regionen dieses Landes noch immer gibt...
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Silvia Arndt-Grund aus Berlin schrieb am 07.03.2023
Ich war mit ca. 15 Monaten an TBC erkrankt und lag 9 Monate lang im Krankenhaus. Tagsüber wurde ich an beiden Seiten des Bettchens festgebunden, was man noch auf Fotos gut erkennen kann. Meine Eltern durften beim Besuch nur vor einer Scheibe stehen - nach ca. 3 Monaten habe ich sie nicht mehr wahrgenommen.
1961 wurde ich dann zu einer „Liegekur“ nach Wyk auf Föhr geschickt. 4 Wochen sollten es sein, aber der Aufenthalt wurde von der Klinik immer wieder verlängert. Ich habe von dort noch meinen Entlassungsbericht, auf dem man die Namen der Verantwortlichen lesen kann.
Nach fast 5 Monaten holten mich meine Eltern auf „eigene Verantwortung“ nach Hause. In diesem Entlassungsbericht steht, dass mein Kurerfolg ungenügend sei, ich mich aber immerhin „gut eingefügt“ habe.
Ich hatte so viel Angst dort, weil alle so böse und streng waren.
Wir schliefen in einem riesigen Schlafsaal, in dem auf beiden Seiten ein Bett neben dem anderen stand. Niemand durfte auch nur einen Mucks von sich geben, sonst wurde man an den Ohren gezogen. Ich glaube, man hätte das Fallen einer Stecknadel hören können, so still war es in diesem großen Raum, mit so vielen Kindern.
Ich erlebte, wie ein Junge sein Erbrochenes essen musste. Er erbrach sich immer mehr. Dieses Erlebnis habe ich mein ganzes Leben immer wieder mal im Kopf.
Einmal saßen wir am Strand. Da bat ich eine Schwester etwas zu trinken zu dürfen. Sie sagte mir, es gäbe genug Wasser vor mir, und Muscheln um das Wasser damit trinken zu können lägen auch genügend rum. Das habe ich dann gemacht.
Zur Folge hatte ich schwere Verätzungen im Hals und musste gefühlt über sehr viele Tage und Nächte allein in einem dunklen Zimmer sein. Ich hatte fürchterliche Schmerzen und fühlte mich unendlich allein.
Ich leide heute unter einer Angstneurose, die mich in bestimmten Situationen immer wieder überkommt.
Und mir kommen die Tränen, wenn ich das ganze Leid von allen hier lese.
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Christine Müller schrieb am 04.03.2023
Meine Einschulung im April 1957 stand bevor. Da ich sehr untergewichtig war, schickten mich meine Eltern mit den besten Absichten zur Erholung in ein Kinderheim nach Westerland auf Sylt. Sie hofften, dass ich dort 6 Wochen gut versorgt würde und mit ein wenig mehr Gewicht nach Hause zurückkehren würde. Damals habe ich sehr stark an meinen Fingernägeln geknabbert. Als wir in dem Heim ankamen, wurden wir gleich darauf hingewiesen, dass Nägelknabbern nicht geduldet wird. Man zeigte uns auch gleich, was bei Verstößen geschehen würde. Kindern wurden Holzscheite mit Verbandszeug unter die Hände gebunden und tageweise nur zum Essen abgenommen.
Auch nachts blieben die Hände verbunden.
Essen mussten wir alles, was auf den Tisch kam. Zum Frühstück gab es immer u. a. ein Schälchen mit schrecklich klumpigem Grießbrei. Da ich diesen Brei nur sehr schwer herunterbekam, wurde ich jeden Tag 1/2 Stunde früher geweckt, um bis zum Ende des Frühstücks auch mit allem fertig zu sein.
Ein Mittagessen mit furchtbar angebranntem Backobst ist mir in besonders schrecklicher Erinnerung, denn wir mussten alle unsere Teller leer essen, auch die Kinder, die sich vor Ekel übergeben haben.
Einmal in der Woche wurden wir gebadet und anschließend wurden jedes Mal Finger- und Fußnägel geschnitten. Besonders die Fußnägel wurden so kurz gehalten, dass sich meine Eltern über die Entzündungen der Haut wunderten, als ich nach Hause kam. Wir wurden regelmäßig gewogen, um zu kontrollieren, ob wir Gewicht zugelegt hatten. Da ich zum Ende der 6 Wochen an einer Mandelentzündung erkrankt bin und etliche Tage im Bett verbringen musste, wo ich nach meiner Erinnerung nur mit furchtbar schmeckendem Lebertran behandelt wurde, hat es mit der Gewichtszunahme nicht geklappt.
Bis ich durch Zufall von der Initiative Verschickungskinder erfahren habe, war mir nicht bewusst, dass so viele Kinder über einen so langen Zeitraum in Kinderheimen die gleichen schrecklichen Erfahrungen machen mussten wie ich.
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Claudia aus Berlin schrieb am 03.03.2023
Ich war 1987 mit 7 Jahren für 3,5 Monate im Logopädischen Kindersanatorium in Thalheim.
Als Vorbereitung auf diese Kur sollte ich lernen zu schweigen (mehrere Stunden am Tag), meine Sachen selbst raus zu legen, mir selbst meine Brote zu machen, mein Zimmer selbst aufzuräumen. Über all das sollte ich Buch führen und jeden Tag abhaken. In den ersten 14 Tagen der Kur haben wir unter Medikamenteneinnahme geschlafen. Nur zum Essen sind wir aufgestanden. Dabei mussten wir schweigen. Somit habe ich 14 Tage kein Wort gesprochen. Alles war strengstens geregelt. Danach durften wir in der Gruppe nachsprechen. Danach einzeln nachsprechen usw. Briefe wurden kontrolliert. Die Briefe, die wir geschrieben haben, wurden vorgeschrieben. Die Körperhygiene war vorgeschriebene (wann welcher Lappen) und wurde überwacht. Es gab Listen und zur Belohnung Wimpel für gutes Verhalten und gutes Sprechen. Als ich meine Arme mal beim Einschlafen in der Luft bewegte, bekam ich einen Minuspunkt. Durch das Haus mussten wir mit Händen auf dem Rücken gehen alle in einer Reihe. Den vermeintlichen Fortschritt meines Sprechens musste ich jeden Tag in einem Heft reflektieren. Das wurde kontrolliert. Nichts durfte wild, laut oder spontan sein in diesem Haus. Es gab einen Tag, an dem alle Eltern gekommen sind. Dafür haben wir ein kleines Programm einstudiert. Danach durften wir zu unseren Eltern. Meine Eltern haben mich völlig verändert vorgefunden. Bis zum Schluss wurden uns Medikamente gegeben. Ich weiß nicht welche. An körperliche Gewalt kann ich mich nicht erinnern. Emotionale Begleitung gab es keine. Bis heute stottere ich. Ein toller Sprachtherapeut hat mir dann 1995 eine neue Sichtweise auf mein Stottern gegeben. Das hilft mir bis heute und hat vieles verbessert, so dass ich beruflich selbstbewusst Vorträge halte.
Die Erinnerungen an die Zeit, das alleine gelassen seins, das etwas weg soll und das Funktionieren müssen hat einige Spuren und Glaubenssätze hinterlassen.
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Bea schrieb am 03.03.2023
Hallo, ich war, wenn ich mich richtig erinnere, 1981 im Winter dort. Ich fand es sehr unangenehm. Ich erinnere mich an scheußliche, gelblich geflieste Duschräume im Keller, in die man nur zusammen reingelassen wurde. Ich erinnere mich an knarrendes Holzparkett und schwere Türen. Die strengste “Aufseherin” hieß Seifert. Es wurde einem viel verboten. Man durfte nie zur Toilette, wenn man musste. Nicht während der Mittagsruhe, auch nicht in der Nacht. Wenn Kinder ins Bett machten, wurden sie danach vor allen anderen gedemütigt. Im Bettenzimmer lagen etwa 10 oder mehr Kinder - aber da kann mich die Erinnerung auch täuschen. Es gab definitiv einen Zwang, Dinge zu essen. Pures Fett, Speck in Batzen, das sich nicht runterschlucken ließ und man konnte es nur heimlich in der Hand oder im Mund verstecken und dann auf der Toilette loswerden. Post wurde kontrolliert. Wenn man schrieb, dass man Heimweh hatte, wurde die Post konfisziert. Päckchen durfte man sich nicht schicken lassen. Es gab ein straffes Programm, zu dem auch Unterricht gehörte. Ich träume bis heute, dass ich meine Schulsachen vergessen habe, weil mir diese dort fehlten. Es gab auch eine Frau Weber, wenn ich den Namen richtig erinnere. Die war nett und beschützte die Kinder manchmal vor der Strenge der anderen Aufseherinnen. (In meiner Erinnerung nenne ich sie immer so ) Ich war immer müde und mir war immer kalt. Ich empfand ständig Scham, weil man keine persönliche Grenze haben durfte, was Nacktheit betraf. An die Bürstenmassagen erinnere ich mich auch. Kleine Plastikbürsten, die man über die Hand klemmte, dann sollte man sich von unten nach oben bürsten. Angeblich für die Durchblutung aber die Haut raute auf. Ich hatte immer Angst und wollte nach Hause. Es gab keinen Trost. Keine lieben Worte. Kein Aufgefangensein. Es fand ein Rodeltag statt Einen langen Weg durch den Wald hinab rodelten wir mit den Schlitten. Ich stürzte und hatte danach Schmerzen im Rücken, die nicht abgeklärt wurden. Es muss ein schöner Wald gewesen sein….aber dunkel. Das furchtbare Essen bis zum Erbrechen, die Duschkeller, die Kälte, straff durchorganisierter Tag, Toilettenverbote, Strenge – und noch andere diffuse, unangenehme Erinnerungen und Gerüche…. Lediglich am letzten Tag gab es eine Kinderdisco, die mir vorkam wie ein Freiheitsfest. Dort trugen Kinder barocke Kostüme und einige hatten einstudiert, Menuett zu tanzen. Nach Mozart, wenn ich mich nicht täusche. Als ich daheim aus dem Bus stieg, erschrak meine Mutter, als sie mich abholte. Ich hatte mehrere Kilo Gewicht verloren. Sie meinte später immer, ich hätte danach ausgesehen, als ob ich eine Kur nötgig gehabt hätte. Ich verbinde eigentlich nur ungute, traumatische Gefühle mit dieser Zeit. ich war 3 Wochen, andere Kinder 4.
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N. P. schrieb am 21.02.2023
Ich war im Jahre 1994 mit 14 Jahren 6 Wochen bei einer Kinderkur. An diese schreckliche Zeit habe ich sehr gute Erinnerungen:
Toilettengänge waren nachts verboten

Toilettengänge am Tag mussten bei der Betreuerin angemeldet werden und waren bei einer Betreuerin zeitlich begrenzt. Hierfür wurde eine Eieruhr auf 5 Minuten eingestellt. Bei Ablauf der Zeit wurde man vom WC abgeholt.

Duschen 1x wöchentlich, bei Periode täglich. Hierfür musste man beweisen, dass man seine Periode hat.

Wöchentlich mussten aus einer Kiste mit schmutziger Wäsche aller Kinder die eigene Unterwäsche gesucht und vor allen gezählt werden. Ich hatte einmal einmal zu wenig verbraucht. Ursache Wäschewechsel zu Hause morgens, in der Klinik abends. Meine Versuche das zu erklären wurden abgebrochen und ich wurde als dreckig vor allen beschimpft.

Eltern durften nicht kontaktiert werden in der ersten Woche. Danach wurden Briefe nachmittags verteilt. Diese mussten wir vor allen vorlesen.
Briefe wurden kontrolliert bevor wir die versenden durften.

Tisch für zu dünne kinder: Sahnemilchgemisch musste ausgetrunken werden. Essen, welches nicht gegessen wurde, wurde immer wieder aufgetischt. In Wurstscheiben waren die Gruppennamen geritzt, auch bei Götterspeise (Orange). Die Wurstscheiben waren grau und wellten sich.

Läusekämmen, ich hatte Schuppen. Das haben die Betreuerinnen zunächst nicht erkannt, so musste ich im Schlafraum alleine warten, gefühlt eine Ewigkeit. Als ich zurück in den Gruppenraum durfte, haben mich alle wegen angeblicher Läuse gehänselt.

Ich hatte Geburtstag während der Zeit. Mein Paket von den Eltern musste ich vor allen öffnen. Die Süßigkeiten wurden mir sofort abgenommen und an alle verteilt. Der Karton roch nach zu Hause, ich wollte den deshalb unbedingt behalten. Aber der wurde mir aus der Hand genommen und weggeworfen.

Es musste täglich mehrfach gebetet werden, Gottesdienst mitgestaltet werden, unabhängig von Glauben, Glaubensrichtung.

Ein Junge aus einer Gruppe hatte sich verlaufen und fragte mich nach dem Weg. Ich kam gerade vom WC. Ich versuchte zu helfen, wurde erwischt und durfte als Strafe den restlichen Tag (nach dem Mittag bis nach dem Abendbrot) nicht mehr auf WC.
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Cora S. schrieb am 20.02.2023
Ich war in Sommerferien 1979 in dem Verschickungsheim, mein Bruder in den Osterferien. Unsere Erfahrungen waren ziemlich gleich. Unsere Heimleiterin damals hieß Evi, die Betreuer waren noch ziemlich jung, z. T. erst 18-21. Ich kann mich noch an eine Elke, Hilde und Martina erinnern, es gab auch einen männlichen Betreuer, der Luca hieß.

Morgens um halb neun gingen die Betreuerinnen durch die Flure und sangen Morgenlieder. Das war für uns das Zeichen, dass wir aufstehen und die Zimmer verlassen durften. Um 9:00 Uhr gab es Frühstück: Von großen Tabletts, die turmartig beladen waren mit Honig- und Marmeladenbroten mussten zwei gegessen werden, zu trinken gab es Sirupwasser oder ungesüßten Tee. Zwei Mal die Woche kam ein Trainer, um mit uns nach dem Frühstück durch den Ort zu joggen. Die übrigen Tage mussten wir in Zweierreihen singend mit zwei Betreuerinnen durch die Ortschaft ziehen. Mittagessen gab es um 12:00 Uhr, meist sandige Kartoffeln, sandiges Gemüse, oft mit "Einlage" und immer dieselbe Soße. Ab und zu auch mal ein Würstchen, Rührei oder Leberkäse. Egal wie es schmeckte, Aufessen war Pflicht. Danach mussten wir 2 Stunden Mittagsruhe halten und um 15:00 Uhr schon wieder Marmeladenbrot essen. Abendessen gab es um 18:00 Uhr. Tagsüber oder auch mal nach dem Abendessen wurden öfter kleine Ausflüge gemacht, in den Ort, zu einem Bach, ins Freibad oder einfach nur zum Spielen im Garten.

Ein Mal die Woche gab es einen Wochenbrief von den Eltern und es war erlaubt, samstags ein Telefongespräch von 15 Minuten zu führen, natürlich unter Aufsicht. Auch sämtliche Briefe kamen nur geöffnet und gelesen bei uns an.

Wenn jemand etwas falsch gemacht hatte - z. B. unhöflich war, nicht aufgegessen hatte oder auch andere Kleinigkeiten, dann gab es jedes Mal eine Gruppenstrafe. Ich kann mich noch an ein Mal erinnern, als wir Mädchen mit der Heimleiterin im Freibad waren und die Jungen aus unserer Gruppe im Heim geblieben war. Einer der Jungen hatte die Betreuerin beleidigt - mit der Folge, dass wir alle für den Rest der Woche direkt nach dem Abendessen ins Bett gehen mussten.
Freitags gab es eine Disco, aber nur für diejenigen, die sich nichts "geleistet" haben unter der Woche. Alles in allem lief es sehr streng ab im Tagesablauf. Jedes Wort wurde auf die Goldwaage gelegt und beim Essen wurden wir streng überwacht. Nachts durften wir die Zimmer nicht verlassen, auch nicht, um zur Toilette zu gehen. Es gab aber einen Jungen, der nachts Asthma-Anfälle bekam und ins Arztzimmer gebracht werden musste. Diese Minuten haben wir meist ausgenutzt, um doch heimlich schnell zur Toilette zu kommen. Wären wir erwischt worden, hätte es eine Gruppenstrafe gegeben.

Da wir schon etwas älter waren, bekamen wir sonntags ein Taschengeld und durften in der Gruppe am Montag nach Fischen zum Einkaufen gehen. Am Sonntag gab es die Möglichkeit, in die Kirche zu gehen - und damit auch früher aufzustehen und Frühstück gab es anschließend beim Bäcker.

Das schlimmste dort waren die ständigen Kontrollen, das Missachten der Privatsphäre und vor allem das Heimweh. Zum Glück mussten wir nicht noch einmal in so ein Verschickungsheim.

Ich vermute mal, dass dies das selbe Heim gewesen ist, das Katharina aus Bremerhaven hier meinte. Auch ich habe danach gesucht. Wie es aussieht, wurden die Häuser in dieser Straße alle zu Ferienhäusern umgebaut, vielleicht auch das ehemalige Kinderheim?.

Auch unsere Gruppen kamen überwiegend aus Norddeutschland - Hamburg, Bremen, Lübeck, Heidekreis, usw. Die "Kur" wurde damals von unserer Krankenkasse befürwortet und regelrecht angepriesen und wurde vom Arzt genehmigt.

Eine ehemalige Klassenkameradin von mir war im selben Jahr in einem Verschickungsheim auf Amrum in Wittdün, das es heute auch nicht mehr gibt.
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Katharina aus Bremerhaven schrieb am 19.02.2023
Ich wurde 89 oder 90 zusammen mit meiner Schwester von Bremerhaven ins Allgäu geschickt. Ich erinnere mich nur in kleinen Bruchstücken. Damals war ich 5 oder 6 und meine Schwester ca. 12. Sie hat komischerweise kaum Erinnerung an diese 6 Wochen. Für mich eine schlimme Zeit. Mittags wenn man nicht schlafen konnte, musste man auf dem Flur stehen oder sitzen. Pakete und Briefe verschwanden. Ich wurde zum Essen gezwungen usw. Wie waren auch in einem freibad, wo ich fast ertrunken bin. Hatte dann Panik zu duschen und wurde dann auch gezwungen. Das Haus hatte vom Garten aus eine Treppe zur oberen Etage. Dort war ein Balkon wo wir kleineren gegessen haben. Ich war 2013 und 2019 dort, weil ich unbedingt das Haus finden und aufarbeiten wollte. Habe aber nichts rausbekommen. Das Gesundheitsamt in Bremerhaven wusste von nichts. Die Leute in fischen auch nicht. Es gibt einen Brief von mir an meinen Vater wo drinnen steht dass meine Betreuerin Frau Gutsmann hieß und wenn ich mich recht erinnere mit Vornamen Roswitha. Sie kam aus dem Schwarzwald. Wir sind im Laufe der Kur mal für 2 oder 3 Tage nach Österreich gefahren. Vielleicht erinnert sich jemand oder war im gleichen Haus. Ach und ich weiß noch dass wir Kinder aus bremerhaven und Hamburg kamen. Da waren Zwillingsschwester n im Rollstuhl. Eine davon hieß Antonia. Wir Bremerhavener mussten länger bleiben als die Hamburger und durften ab der Abreise der anderen auch nicht mehr auf unseren Zimmern schlafen. Würde mich wahnsinnig freuen wenn sich hier jemand findet der auch dort war.
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Goodwill Speck aus Mondorf-les-Bains schrieb am 18.02.2023
Ich war zwischen 6 bis 8 Jahre alt als ich in so einem Seehospiz gelandet bin wg Asthma für 6 Monate. Bin ich geheilt zurück gekommen? Nein. Herzrasen hohes Fieber nachts während langer Zeit waren normale Reaktionen. Ich bin nachts stundenlang um unseren grossen Küchentisch gerast und meine Eltern haben mich laufen lassen. Sie hatten Angst ich würde sonst in der Klapse landen aber aus der kam ich ja eigentlich. Mein Vater ist später mit mir zum BKA Düsseldorf gegangen und daraufhin gab es eine Untersuchung. Ärzte die zugegeben haben das sie sich nicht getraut haben bei diesen sogenannten Schwestern etwas zu sagen, sie durften nie die Unterhosen von den Kindern runterziehen (der Teil war jedesmal grün und blau geschlagen).
Briefe welche man nach Hause geschickt hat wurden vorher kontrolliert und je nachdem was drin stand gab es eine ins Gesicht. Haben die Eltern angerufen stand immer einer als Kontrolle daneben.
Es gab eine kleine Lichtung mit ein Bäumen, ich wollte immer dahin. Ich wurde angeschrien weil ich nicht mit zu dem Strand wollte.
Für mich war es die Fortsetzung von 1940 alte frustrierte Naziweiber welche alle ihre perversen Fantasien an den Kindern ausgelebt haben. Es hat sie ja auch keiner daran gehindert. Selbst wenn man es zu Hause nachher erzählt hat es wurde erst einmal nicht ernst genommen und später auch nicht. Meine Mutter hat mich Jahre danach einmal gefragt warum ich nicht zulasse das sie mir hilft. Das Vertrauen ist mit dem 6 monatigen Aufenthalt in Norderney zerstört worden und wurde auch nie wieder hergestellt. Selbst jetzt mit fast 60 wache ich manchmal nachts auf und das Herz rast und da ist nur eine große schwarze Wand. Ich mache extrem viel Sport und Yoga das hilft. Kinder und Tiere haben keine Stimme. Da ist wirklich was dran.
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Mathias aus Lüneburg schrieb am 16.02.2023
Ich war im Sommer zusammen mit meinem älteren Bruder auf Verschickung nach Sylt Vogelkoje. Schon kurz nach der Ankunft haben die Betreuer damit begonnen sich einen feinen Lenz zu machen und bestellten aus den Reihen der älteren Jungs "Ersatzbetreuer" welche ein hartes Regiment nach Faustrecht führten. Es gab dann täglich Prügel, ob man sich korrekt verhielt oder nicht. Später wurden wir vom Heimleiter abrekrutiert um in der gleißenden Sonne vom Heim aus Kabel verlegen durften. So mussten wir also tiefe Schächte dafür ausheben. Ein Junge aus unserer Nachbarschaft in Hamburg war ausgebrochen um zu Fuß über den Damm nach Hause zu laufen. Er wurde dann außerhalb des Heimes aufgegriffen. Habe erfahren dass dieser Junge sich mit 16 Jahren das Leben genommen hat. Mein Bruder ist heute starker Alkoholiker und bekam sein Leben nie wieder in den Griff. Ob Medikamente an uns getestet wurden ist mir nicht bekannt, würde mich aber interessieren. Über Nachrichten von Menschen die ähnliche Erfahrungen im Heim Vogelkoje gemacht haben würde ich mich freuen.
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Ulrich schrieb am 14.02.2023
Ich bin 1955 geboren und war als junges Kind, zusammen mit meiner ein Jahr jüngeren Schwester für 2 bis 3 Wochen im Haus Bernward. An zwei Erlebnisse erinnere ich mich besonders und sehe mich in jetzt noch bildlich in diesen Situationen:
Schon direkt am ersten oder zweiten Tag, musste ich mich an Milchsuppe erbrechen und das Erbrochene erneut aufessen. Das wurde dazu von einer Betreuerin im ganzen Esssaal angesagt. Was über den Tisch oder auf den Boden gegangen war, musste ich selbst säubern.
Dann gab es das Verbot, nächtens auf die Toilette zu gehen. Ich wurde dabei erwischt, als ich das dennoch tat um nicht einzunässen. Zur Strafe musste ich den Rest der Nacht stehend im Bett verbringen. Am nächsten Tag machten alle Kinder einen Ausflug zum Drachenfels. Ich durfte zur Strafe nicht teilnehmen.
Ich kann mich ansonsten wirklich an nichts anderes, als diese Geschehnisse aus dem Aufenthalt dort erinnern. Auch nicht an etwas Schönes. Ich erinnere aber noch, das ich, meine Schwester wohl auch, fürchterlich geweint haben, als wir unsere Eltern wieder gesehen haben.
Meine Schwester hat so etwas nicht erlebt, kann sich aber erinnern, die Situation, dass ich mein Erbrochenes essen musste, mit angesehen zu haben.
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Daniel Marx aus Steinfurt schrieb am 12.02.2023
Hallo,
ich bin durch Zufall auf diese Webseite gestoßen und sehr überrascht wie viele Menschen diese schlechten Erfahrungen machen mussten. Ich selber wurde mit 5 Jahren für 6 Wochen nach Borkum geschickt. Das Ganze wurde von der BEK organisiert. Ich bin zusammen mit einem anderen Kind von einer fremden Frau mit Bus und Bahn nach Emden gebracht. Dort wurden wir einer größeren Gruppe übergeben. Von der Kur selber weiß ich nicht mehr allzu viel. Nur noch das mir ständig langweilig war. Gefühlt haben wir kaum etwas gemacht. Eingebrannt haben sich bei mir lange schlaflose Nächte, in denen ich mir das Licht des Leutturms angesehen habe. Sehr viele Kimder haben ins Bett gemacht. Dazu weiß ich nur noch das es dann morgens Ärger gab und ich deswegen nachts die Matraze umgedreht habe. Hin und wieder gab es auch Ausflüge. Zum Kino, Wellenbad, an den Strand und einmal wurde ein Mega langer Spaziergang rund um die Insel gemacht. Dieser Spaziergang war viel zu lang und irgendwann konnte kein Kind mehr. Da das aber so schlecht organisiert war mussten wir den weg laufen.
Vielleicht gibt es ja noch jemanden der in diesen Zeitraum auf Borkum war.
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Maya aus Wiesbaden schrieb am 11.02.2023
Ich war 1959 wegen einer Lungenerkrankung für etwa 6 Monate in Königsfeld ( Frida Klimsch Stiftung ) Haus Waldfrieden hieß das und es leitete eine Tante Mechthild. Sie hatte eine auffällige Nase mit einer Narbe. Ich erinnere mich, daß ich abends Eusedon bekam, irgendeine grüne Flüssigkeit, die nicht gut schmeckte. Das Eusedon sollte mich wohl beruhigen, warum, weiß ich nicht. Wir haben dort Liegekuren gemacht und lagen den ganzen Tag in einer Art Freilufthalle in Liegestühlen. Mit zunehmender Gesundung durft ich dann später auch spazieren gehen. Dabei pflückten wir immer Heidelbeeren für die Schwester von Tante Mechthild. Insgesamt habe ich wenig schlechte Erinnerungen an die Zeit. Weiß aber, daß ich auch mal Nachts in irgendeinen Raum eingesperrt wurde. ( Toilette ? )
An körperliche Misshandlungen erinnere ich mich nicht. Ich weiß aber, daß wir ab und zu zu einer Untersuchung in ein anderes Haus mussten. Um dort hin zu kommen, führte der Weg durch den Wald. Bei einer Untersuchung muss mir wohl ein Arzt unter den Rock gegangen sein, jedenfalls habe ich im Unterleib einen Schmerz verspürt.
Entweder vor oder nach diesem langen Aufenthalt dort war ich auch noch 2 mal in Lenzkirch bei Schwester Anne. ( Anna Völkle ) Dort war Essenszwang an der Tagesordnung und Kinder mussten ihr Erbrochenes wieder aufessen. Gottsei Dank hat mich das nie betroffen, aber ich habe es miterlebt.
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Harald aus Berlin schrieb am 09.02.2023
Ich war 1966/67 jeweils einmal in dieser damaligen DDR Einrichtung.
Die Dauer war jeweils 6 Wochen. Ich war mit 7 Jahren an Hepatitis erkrankt und wurde nach dem Krankenhaus dorthin geschickt um mich zu erholen und zu kurieren. Ich kann mich noch genau an den liebevollen Umgang aller dortigen Betreuungskräfte gegenüber uns Kindern erinnern. Nach dem Frühstück wurde eine Liegekur mit Wärmflasche auf dem Bauch durchgeführt. Je nach Gesundheitszustand erhielten wir dann laufenden Schulunterricht aber nicht mehr als 2-3 Stunden am Tag. Nach dem Mittagessen wieder Ruhe.
Dann begann die schönste Zeit des Tages : ausgiebige Spaziergänge
in der Gruppe in die wunderschöne Landschaft mit weiten Feldern ...
Ich lernte dort alle Getreidesorten kennen und unterscheiden.
Während den Wanderungen sangen wir kindgerechte Lieder und waren
meistens sehr fröhlich. (außer dem Heimweh)
Einmal in der Woche kam nach dem Abendessen der "Kinomann" und führte einen Film vor.
Fazit: Die Fürsorge die ich dort als Kind erleben durfte wird mir immer
in Erinnerung bleiben !
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Lendis Kristin aus Eltville schrieb am 08.02.2023
Ich suche den blonden Michael und andere, die mit mir 1979 in Wessobrunn zur Kur waren.
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Martina aus Mülheim Ruhr schrieb am 06.02.2023
Martina
Hallo ! Ich wurde Oktober 1972 für 6 Wochen nach Karlshafen verschickt.Ich war damals 10Jahre alt. Heute Nacht habe ich wieder davon geträumt, Wie ich eine ganze Nacht im Waschraum verbringen musste .Darauf hin habe ich heute Karlshafen eingeben und bin auf diese Seite gestoßen. Durch Träume merkt man halt das es viel zuverarbeiten gibt.Ich würde mich über einen Austausch freuen.Ich habe wohl einiges verdrängt.

LG Martina
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Birgit T. aus Bochum schrieb am 01.02.2023
Ich bin von meinem 4-9 Lebensjahr dreimal verschickt worden und habe übelste seelische Grausamkeit erfahren . Die letzte Reise nach Bad Rothenfelde führte dazu, dass meine Mutter, als sie ihre Vorwürfe beim Kostenträger vorgebracht hat, unverschämt abgewiesen worden war. Viele der bereits vorgebrachten Erlebnisse kann ich hier bestätigen.
Wir wurden zum Essen gezwungen, wer erbrach mußte es wieder aufessen, Post wurde kontrolliert und vorgeschrieben, Taschengeld veruntreut, im Bett verbleiben nach Einnässen, Kasernenhofdrill im Haus und auf Spaziergängen, Qurantäne in einem Isolierzimmerbei Krankheit ( ohne Gesellschaft über mehrere Tage). Sexuelle Belästigung in den Zwangsbädern im Kurhaus Bad Rothenfelde. Die Auswirkungen all dieser Maßnahmen kann ich nur vermuten. Ich habe sie bis zu diesem Aufruf vor einigen Jahren verdrängt. Ob ein Zusammenhang besteht zwischen meiner langjährigen Psychotherapie ( mit 25-30) und Beziehungsproblemen, läßt sich zwar vermuten, ist jedoch ob des Traumas und der Verdrängung nie zur Sprache gekommen. Ich hatte diese Kindesmißhandlungen in meinem Leben akzeptiert und immer geglaubt ich sei es nicht anders wert gewesen. Wahrscheinlich bin ich nicht zufällig eine gute Erzieherin geworden und arbeite heute, nach einer Umschulung, bei einem der Kostenträger für Rehabilitationsmaßnahmen.
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Dirk Rosenbaum aus Aachen schrieb am 25.01.2023
Liebe Leidensgenossinnen und Genossen

Bin zufällig hierhin geraten und überrascht, dass ich da gar nicht so allein bin.
Schon der erste Beitrag kam mir sehr bekannt vor.
Habe immernoch eine Depression und momentan auch noch Herzklabastern, muss deshalb jetzt ins Bett.
Ich denke sehr ungern an die eiskalten frommen Frauen, die mich damals seelisch fertig gemacht haben.
Aber ich melde mich nochmal.
Im Überlebensfalle. ?

Bis dahin Kopf hoch, sie sollen nicht gewinnen!
Dirk aus Aachen
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Helga aus Köln schrieb am 22.01.2023
Im Laufe meines Lebens bin ich in verschiedene "Kinderkuren" verschickt worden. Noch vor der Einschulung, weil zu dünn etc. nach Bad Sassendorf mit meiner Schwester, hieran hab ich nur ganz wenige Erinnerungen und die, die ich habe waren ganz furchtbar. Später ging es in den Schwarzwald, wieder mit meiner Schwester nach Freudenstadt im Alter von 11 Jahren, auch hier habe ich nicht wirklich gute Erinnerungen, meine Mutter war krank. Später wegen Asthma nach Bad Reichenhall im Alter von ca. 12 Jahren (3 Monate, ich bekam die gefürchtete Verlängerung, da ich nicht genug auf die Waage brachte, nach Bad Kreuznach( ebenfalls 3 Monate), später nach Scheidegg (wieder Verlängerung) und dann im Alter von 15 Jahren nach Wangen im Allgäu! ein 3/4 Jahr.

Zu Scheidegg möchte ich bemerken, dass ich mich fürchterlich vor der berüchtigten Puddingsuppe ekelte, die ich immer wieder als Zwischenmahlzeit aufgezwungen bekam ekelte. Ansonsten hatte ich kaum mit den Nonnen zu tun, da auch weltliche Krankenschwestern dort waren. Ich hatte "Glück im Unglück" als Ältere später im 4-Bettzimmer untergebracht zu sein und viel seelische und moralische Unterstützung durch Schwester Maria und Hanna zu bekommen, sowie ein paar Mädels die sehr zusammen hielten. Ansonsten wäre es wohl noch viel schlimmer gewesen. Insgesamt ist mein Faszit, dass ich später sehr große Schwierigkeiten hatte, ins normale Leben zurück zu finden und wohl auch sehr viel Ängste (auch unterbewusst) durch diese Maßnahmen wohl erst hatte und manchmal immer noch nachwirken.,,
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Jenny aus Berlin schrieb am 21.01.2023
ich war 10, 4 Wochen dort in diesem grauen Haus, Wetter grau wahr genommen, Einsamkeit, weil keine Post erhalten, Aufseher unfreundlich, schrie viel und laut, Angst , keine Post von zuhaus, während andere ihre Briefe öffneten, jeden Morgen irgend so eine Tablette, wofür, nicht gross bekannt, erinnere mich an Zwillinge ( Jungs) die auch dort waren. Ih malte viel, das Kurheim mehrere male mit Bleistift, über Weihnachten dort geblieben, alles merkwürdig , Kühle untereinander, Spaziergänge im kalten Matsch, positiv, erstes mal Lieblingsband INXS gehört in Disko , vom Kurheim organisiert, wer war noch dort ? war selbst dort wegen Unterernährung , zu dünn damals
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Ramona schrieb am 19.01.2023
Ich war 9 Jahre alt und schwer krank, angeblich eine Nierenbeckenentzündung. Deshalb musste ich zur Kur. Ich sollte dort zunehmen und einigermaßen wieder gesund werden. Dort im Heim wurde man gezwungen zu essen, ich habe mich meistens immer wieder beim Essen übergeben müssen. Das Essen vor allen Dingen das Mittagessen war nicht essbar, alles bestand aus puren Fett. Am schlimmsten war grobe Leberwurst, alles musste gegessen werden und war es einfach nur eklig. Selbst erbrochenes musste wieder aufgegessen werden. Wenn man auf die Toilette musste, musste man immer um Erlaubnis fragen. War man nicht gehorsam mussten entweder Mädchen zusammen mit den Jungs duschen oder Jungs mit den Mädchen zusammen duschen. Normalerweise duschten immer abends immer erst die Mädchen und dann erst die Jungs. Pakete die man von seiner Familie bekommen hatte, wurden vorher einfach geöffnet und kontrolliert und dann haben wir sie erst erhalten, genau so war es auch mit den Briefen. Wenn man abends nicht einschlafen konnte, wurde man mit dem Kopf gegen das Brett vom Bett massiv dagegen gestoßen. Seine eigene Anziehsachen gab es nur auf Zuteilung, die waren nämlich eingeschlossen. Für mich war dieser Kuraufenthalt das schlimmste was ich bis dahin erleben musste. Als ich endlich wieder zu Hause war, war ich völlig verstört, sagten meine Eltern, ich fragte sie auch zu Hause ob ich auf die Toilette ? durfte.
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Berg Birgit aus Frankreich schrieb am 14.01.2023
Bin 1990 im Oktober im Kinderkurheim gewesen, als 9 Jährige. Mitten in einer Umsturzzeit. Gemischte Altersgruppen, Wanderungen, Wassertreten, viel essen (was ich nicht mochte), und jeden Morgen im Gang aufreihen zum bürsten des nackten Oberkörpers… nachts waren viele traurig, einige froh, ihre Eltern nicht zu sehen. Meine Mutter konnte sich im Dorf ein Zimmer mieten und mich zu meinem Geburtstag besuchen kommen. Ich hatte keinen Kontakt zu den anderen Mädchen nach der “Kur”. Bitte melde Dich, wenn Du auch dort warst in dieser Periode. Ein Mädchen hiess Virginie, und wurde wegen ihrem Namen gehänselt.
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Ute Theil aus Bruchsal schrieb am 14.01.2023
Hallo
Da ich meine erste Geschichte schon geschrieben habe, mit meinem ersten Verschickungsheim in Waldshut Stieg Unteralpfen folgt hier mein zweite, viel erinnerungen daran habe ich nicht, ich möchte gerne einen Aufruf starten.
Damals in den 70 jahre, kam ich mit meinem Bruder Gottfried Barth nach St.Peter-Ording für 6 wochen, ich weiß nicht wie das Haus hieß wo wir waren ich weiß nur noch das es nicht weit vom strand war und wir jeden Tag in den Dünen waren und eine Watt wanderung gemacht haben, drum bitte ich wer sich daran erinnern kann an eine tägliche watt wanderung ihr könnt euch gerne bei mir melden Ute Theil
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Ute Theil aus Bruchsal schrieb am 13.01.2023
Hallo da ich schon so viel gelesen habe von Leute die ihre Geschichte geschrieben haben , mach ich das auch mal.
Mein Name ist Ute, damals in den 60 igern gab es das noch das, das Gesundheitsamt in die Schule kam, als mann eingeschult wurde.
Mann bekam eine Salbe auf die Brust mit einem Pflaster, eine Woche später wurde nachgeschaut, bei demjennigen wo mann nichts sah der war gesund, bei die jennigen wo sich leichte pickelchen gebildet hatten, die mussten nochmal zum röntgen ins Gesundheitsamt,bei mir war das so.
Als wir ins Gesundheitsamt gingen stellten sie fest das ich leichte TBC hatte, als kam ich in die Kinderheilstätte Stieg Unteralpfen nach Waldshut.
Es war die schlimmste zeit meiner Kindheit.
Zuerst einmal wurde mann 5 Tage issoliert und musste in einem leicht abgedunkelten Raum bleiben, die Eltern durften die ersten 6 wochen nicht kommen, damit mann sich eingewöhnen konnte hieß es.
Nach diesen 5 Tagen kam ich in ein 4 Bett Zimmer, und durfte auch mit den anderen im Speisesall essen.
Nicht weit weg von der Kinderheilstätte, gab es einen Bauernhof von da wurde das Essen geliefert, hauptsächlich nur Kartoffeln und Milch, es gab also fast jeden Tag Kartoffeln, der wo nicht essen wollte musste so lange sitzenbleiben bis der Teller leer war meistens war es so das mann den ganzen Tag vor dem Teller saß, musste mann sich übergeben, hielten sie Mund und Nase zu das mann es wieder schluckt, blieb noch was vom essen übrig, bekam mann es den nächsten Tag wieder, das war auch der Grund das ich ab dieser zeit als ich wieder zuhause war keine Kartoffeln mehr gegessen hatte über Jahre hinweg nichtmal Pommes, und auch kein Apfelmus, denn das bekam mann auch jeden Tag,
Morgens beim Aufstehen traf mann sich im Waschraum wo Mädchen und Jungs zusammen waren, wir mussten uns ausziehen und waschen, wer sich geweigert hat, dem wurde mit einem stock auf den nackten Po geschlagen während alle ausenrum standen und zu schauten,
Einmal im Monat mussten wir zur Untersuchung, den Schlauch schlucken wie wir immer gesagt hatten, wir mussten draussen vor der Tür Schlange stehn bis jeder an der Reihe war, das war so schrecklich, ich dachte immer ich ersticke und war froh wenn es vorbei war.
Ich war 2 Jahre dort, meine Eltern kammen alle 2 oder 3 Wochen zu Besuch da gingen wir immer durch den Hotzenwald spazieren, aber ich durfte vom Heim nichts erzählen, das wurde vorher verboten da hieß es wenn mann was sagt wird mann ein Tag in ein dunkles zimmer gespeert also sagten wir nichts.
Meine Mutter hat mir bevor ich ins Heim musste neue Unterwäsche, Strumpfhosen und Klamotten gekauft, eine ganze Nacht saß sie da und hatte überall meinen Namen rein genäht, aber irgendwie waren dann alle sachen weg und ich bekam vom Heim Unterwäsche und Strumpfhosen, aber alles 1 oder 2 nrn zu klein, die Unterhosen schnitten mir ins Fleisch der Gummizug war zu eng.
Mittags mussten wir Mittagschlaf machen, das war ein großer Saal mit Britschen auf jeder Britsche lag ein brauner kratziger Teppich, wir mussten uns gerade hinstellen Arme nach unten, dann wurden wir eingewickelt und auf die Britsche gelegt, ob mann schlafen konnte oder nicht die Augen mussten wir zumachen 2 stunden lang.
Ich bekomme nicht mehr alles hin was alles passiert ist, aber diese Sachen sind immer noch nach 50 jahren in meinem Kopf geblieben.
Ich weiss nicht ob jemand in dieser zeit auch dort war, wenn es aber so ist und du fast das gleiche erlebt hast wie ich würde ich mich freuen wenn du dich meldest ich bin in Facebook zu finden unter dem Namen........Ute Theil
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Nicole aus Rennetod schrieb am 12.01.2023
Ich war mit meiner Schwester in Den 80 Jahren auf Borkum, 6 Wochen.
Ich kann mich noch daran erinnern das man sich anstellen musste wenn man auf Toilette wollte.
In eine Reihe ..
Morgens gab es immer Salzwasser zu trinken.
Die eine Frau hatte Brille und war sehr streng. Ich habe keine Erinnerung mehr welches Haus das war.
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Böhme aus Neuendettelsau schrieb am 12.01.2023
Hallo, ich war zweimal je 6 Wochen zur Kur- in rottleberode (Harz) war es alles ok- in Bad Sülze waren die Erzieher sehr streng, man wurde nachts vor die Tür in den kalten Flur gestellt wenn man geredet hat oder musste alles aufessen, auch wenn man es nicht vertragen hat (habe öffters übergeben)....
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Silke aus Wyk auf Föhr (Barmer Krankenkasse) schrieb am 08.01.2023
1969 (oder 1970) war ich in Wyk auf Föhr 6 Wochen lang von der Barmer Krankenkasse finanziert im Kinderheim „Das Schloss am Meer“.
Ich erinnere mich, dass mich meine Mutter fragte, ob ich wegen meiner häufigen Bronchitis an die See verschickt werden möchte. Sie sagte, ich könne jeden Tag an den Strand gehen und mit anderen Kindern spielen und das wäre sehr schön. Sie sagte aber auch das unser Hausarzt Zweifel an den Heimen angesprochen hatte. Ich wollte natürlich mit 7 Jahren dort hin. Ich wurde mit vielen anderen Kindern und einem Schild um den Hals in einen Sonderzug gesetzt. Später gab es eine Überfahrt mit der Fähre auf der vielen Kindern schlecht wurde (mir nicht nur von dem Geruch).

Ich hatte sehr viel Heimweh und habe mich komplett abgekapselt. Ich habe mir überlegt, wie ich dort weglaufen könne, um nach Haus zu kommen. Ich wollte immer an den Gleisen entlang laufen, so konnte ich mich nicht verlaufen. Dann fiel mir ein, dass ich auch Boot fahren müsste und mir war klar, dass ich die 6 Wochen durchhalten musste.
Die Tage liefen alle gleich ab. Das Leben war dort für die Kinder streng, fast militärisch geregelt. Dadurch wurden auch die Kinder voneinander isoliert, so dass z.B. Unterhaltungen fast nicht möglich waren und freies Spielen gar nicht. Wecken, Zähne putzen, anziehen, in Zweierreihen zum Frühstück in einen gemeinsamen Essensraum. Es gab Müsli mit Apfelschalen drin. Das mochte ich gar nicht. Es sollte aber alles aufgegessen werden. Das hat mir meine Mutter nicht geglaubt. Dann sind wir z.B. in Zweierreihen durch Wyk gelaufen und an den Strand gegangen. Wir mussten uns ausziehen und in Badekleidung auf ein Trillerpfeifenkommando in das Wasser laufen. Erst bei zweimaligem Pfeifen durften wir wieder aus dem Wasser kommen. Auch dies hat mir meine Mutter nicht geglaubt. Ich konnte noch nicht schwimmen und hatte Angst. Auf einem der Wyk-Gänge wurden wir angehalten uns ein kleines Souvenir zu kaufen, um etwas mit nach Haus zu bringen. Wir haben auch gemeinsam Schuhe geputzt oder gemeinsam Briefe an unsere Eltern geschrieben. Ich konnte noch nicht gut schreiben. Mir wurde ein Text vorgegeben. Briefe der Eltern wurden abends am Bett vorgelesen. Dann wurde Mittag gegessen (abends gab es meist Reste des Essens von mittags). Anschließend sollten wir schlafen. Wir durften uns nicht unterhalten. Wenn festgestellt wurde, dass wir nicht schliefen mussten wir im Flur an der Wand stehen. Ich stand da mehrfach. Ich wurde auch einmal an das Bett gebunden und später wurde mir damit gedroht, wenn ich nicht ruhig wäre. Wir durften in der Mittagszeit nicht auf die Toilette gehen, was dazu führte, dass auch ich ins Bett gepinkelt habe und ich musste dann meine Hose waschen.
Ein Mageninfekt ging in der Zeit rum, der auch mich erwischt hat und ich musste mich erbrechen und wollte zur Toilette laufen, auf dem Flur standen aber die Pflegerinnen und ich habe mich nicht getraut an ihnen vorbei zu laufen und hatte bereits Erbrochenes im Mund bis mir eine von ihnen sagte „nun lauf schon“.
Vor dem Abendessen wurden Volkslieder gesungen. Der Teil des Tages gefiel mir am besten. Nach dem Abendessen mussten wir uns ausziehen und wurden zur Abhärtung vor einer Wand kalt abgeduscht.
Insgesamt war ich unter den vielen Kindern sehr einsam dort und habe enormes Heimweh gehabt. Interaktion mit anderen Kindern wurde unterbunden. Ich weiß, dass ich nach ein paar Tagen des Erbrechens (Infekt) im Bett lag und von einer älteren Pflegerin mit gesalzenem Haferschleim gefüttert wurde und dies als Zuwendung genossen habe. Es gab nie einen Körperkontakt. Außer abends, da wurde uns im Bett vor dem Einschlafen die Hand gegeben. Das waren für eine 7 jährige 6 sehr lange und sehr einsame Wochen. Ich wollte da nie wieder hin.
Silke
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Ulla Hochstrat schrieb am 27.12.2022
Ich war dort 2 Mal. Das erste Mal als 5 jährige. Ein Jahr später noch einmal. Ich hatte unglaublich starkes Heimweh, ein Gefühl das ich noch Heute extrem empfinde. Milchsuppen die es dort zum Frühstück gab esse ich bis heute noch nicht. Es gab dort den Schäferhund 'Senta' ich denke meine Liebe zu Hunden ist dort entstanden. Man machte uns Angst mit einem Riesen der im Schlosspark lebte. Ich denke weil man nicht wollte das wir den Bereich allein aufsuchten. Eine Wunschbrücke gab es auch, allerdings haben sich meine leider nie erfüllt. Mir fällt gerade viel ein, zuviel für ein Gästebucheintrag.
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Thomas Nawroth aus 34302 Guxhagen schrieb am 22.12.2022
Ich erinnere mich noch sehr gut an die Situation, als ich zusammen mit meiner Mutter unseren
damaligen Hausarzt, Herrn Dr. Rellensmann konsultierte, der seine Praxis zu damaliger Zeit in
Herne, meiner Geburtsstadt in Nordrhein-Westfalen hatte. Bei der ärztlichen Kontrolle wurde bei
mir eine starke Annemie diagnostiziert, durch die ich an Appetitlosigkeit, dadurch an Untergewicht
und sehr starker Blässe litt.
Meine Eltern folgten dem Rat meines damaligen Hausarztes und schickten mich zu einem
sechswöchigen Kuraufenthalt in ein Kinderkurheim, das sich im hessischen Bad Orb befand. Zu
damaliger Zeit war ich gerade 6 Jahre alt. Was ich während dieses langen Aufenthaltes im
wahrsten Sinne durchleben musste, war die reinste Hölle und wirkt sich bis heute auf mein Leben
aus. Denke ich an diese Zeit zurück, tauchen auch heute noch die Bilder von damals in mir auf.
Ich wurde 1963 geboren und bin 59 Jahre alt konnte die traumatischen Erlebnisse aber erst mit
dem Abschluss meiner Psychotherapie verarbeiten, der ich mich bis Mitte diesen Jahres unterzog.

Es war das Jahr 1969, als ich mich eines Tages in Begleitung meiner Eltern befand, die mich zum
Bahnhof von Herne begleiteten, um mich einer älteren Dame zu übergeben. Es war ihre Aufgabe,
mich als Betreuerin nach Bad Orb, in das Kinderkurheim zu begleiten. Als sie sich von mir
verabschiedete, begann die Hölle auf Erden für mich.

Der Empfang durch eine ältere Dame, an die ich mich noch recht gut erinnern kann, war alles
andere als warmherzig und freundlich. Mit schroffen Worten befahl sie mir ihr zu folgen und führte
mich in ein großes Zimmer, in dem mehrere einfache Betten mit weiß lackiertem Eisengestell in
regelmäßigen Abständen zueinander aufgestellt waren. Völlig allein musste ich so lange in
diesem nicht beheizten und beleuchteten Zimmer warten, bis alle andere Kinder, (bis zu 10
Kindern), eingetroffen waren. Die Begrüßung wurde wieder von der älteren Dame mit einer
absoluten Gefühllosigkeit durchgeführt. Bei meiner genaueren Betrachtung dieser älteren sehr
schlanken Dame stellte ich mir wirklich vor, eine Hexe vor mir zu sehen.

Sie trug eine Nickelbrille, hatte ihr Haar sehr streng zu einem Dutt frisiert, trug eine weiße
Kittelschürze und wirkte alles andere als freundlich. Es sollte sich in den nachfolgenden Tagen
und Wochen heraus stellen, dass sie sich tatsächlich wie eine Hexe uns Kindern gegenüber zu
benehmen verstand. Nach einer mehr als sehr frostigen lieblosen Begrüßung, mussten wir Kinder
uns in Zweierreihen auf dem Flur, vor dem Zimmer aufstellen, wo bereits mehrere sogenannte
“Kindertanten” wie sie sich selbst zu betiteln verstanden, warteten. Sie standen in Reih und Glied,
ebenfalls in weißen Kittelschürzen auf der anderen Seite des Flures und beobachteten jedes
einzelne Kind sehr streng mit argwöhnischen Blicken.
Einige Kinder waren in ihrer Natürlichkeit etwas lebhafter als ich und begannen miteinander zu
sprechen. Wie erschrocken wir Kinder waren, als die ältere Aufseherin, (ich kann sie nicht anders
bezeichnen) laut schreiend uns Kindern verbot miteinander zu sprechen, kann man sich wohl
lebhaft vorstellen. Während des Gangs in den Speiseraum wagte sich seit diesem Zeitpunkt kein
Kind mehr mit einem anderen Kind zu unterhalten. Für die Einnahme der Mahlzeiten blieb uns
Kinder nur eine halbe Stunde. Die Kinder, die während dieser Zeit ihre Mahlzeit nicht vollständig
einnehmen konnten, mussten mit dem Essen aufhören, um sich mit der gesamten Gruppe in den
zugewiesenen Schlafsaal zu begeben.
Während des Rückmarsches zum Schlafsaal und besonders während der zwangsweise
verordneten einstündigen Ruhephase, war es uns Kindern ebenfalls verboten, auch nur ein Wort
zu sprechen. Sobald ein Kind es sich dennoch wagte, dieser unnatürlichen Maßregelung zu
widersetzen, erhielt harte Prügel und musste danach das eigene Bett in den Flur schieben, um
getrennt von allen anderen Kindern zu ruhen.
Nach der zwangsweisen Ruhephase hieß es sich in aller Eile anzuziehen, um sich auf dem Flur
vor dem Schlafsaal, erneut in Reih und Glied aufzustellen. Ein zweistündiger Spaziergang war
der nächste Tagesablaufpunkt. Für das Ankleiden blieb uns Kinder nicht mehr als eine viertel
Stunde. Sobald es ein Kind nicht schaffte, sich in dieser kurzen Zeit anzukleiden, erhielt es erneut
harte Prügel von Seiten einer der sogenannten “Kindertanten”.

Es ist kaum zu glauben, dass es uns Kindern sogar während des gemeinsamen Spaziergangs
nicht gestattet war, zu spielen oder uns zu unterhalten. Sobald das geschah, drohten erneut harte
Prügelstrafen. Wie ich es später bei der Bundeswehr erlebte, hatten sich alle Kinder in Reih und
Glied in Zweierreihen vorwärts zu bewegen. Begleitet wurden wir dabei von zwei “Kindertanten”,
(eine vor der Gruppe, eine hinter der Gruppe), die uns erneut während der ganzen Zeit wie
Strafgefangene argwöhnisch beobachteten.
Besonders kann ich mich an eine sehr skurrile Szene erinnern. Eine junge Betreuerin war
charakterlich nicht wie alle anderen Betreuerinnen geprägt, sondern eher von der lockeren,
lustigen Art. In einem Moment, in der sie sich unbeobachtet fühlte, wagte sie es, sich mit einigen
Kindern zu unterhalten und sogar mit ihnen einige Hüpfspiele durchzuführen. Was dann geschah,
habe ich bis heute nicht vergessen. Sie wurde nach dem alltäglichen Spaziergang der älteren
Aufseherin regelrecht vorgeführt. Vor der ganzen Gruppe aller Kinder wurde sie plötzlich von der
älteren Aufseherin laut und sehr harsch angebrüllt, was sie sich denn erlauben würde, den
Anweisungen der alten Aufseherin zu widersetzen. Seit dieser Zeit veränderte sich auch diese
freundliche “Kindertante” sehr zu unserem Nachteil.

Unser militärische Tagesablauf wurde immer wieder von sogenannten medizinisch notwendigen
Anwendungen unterbrochen, an die ich mich ebenfalls bis heute sehr gut erinnern kann. So
unglaublich es für manche Leser*innen auch erscheinen mag, kann ich mich sehr gut daran
erinnern, dass jedes einzelne Kind sich völlig entblößen musste, um von einer weiteren
Kindertante mit Hilfe eines normalen Gartenschlauchs mit eiskaltem Wasser geduscht zu werden.
Eine weitere Anwendung war die wöchentliche Gymnastikstunde in einer etwas weiter entfernten
Turnhalle, zu der wir erneut zu Fuß marschieren mussten, wie gewohnt, mit absolutem
Stillschweigen. Endlich, so glaubte ich konnte ich mich einmal völlig frei bewegen und fiel dem
Gymnastiklehrer dadurch auf, dass ich als Bester alle gymnastischen Übungen ausüben konnte.
Doch was dann geschah, verstehe ich bis heute nicht.

Eine der “Kindertanten” hatte uns zu dieser Gymnastikstunde begleitet. Von Anfang an fiel mir
diese “Kindertante” dadurch auf, dass sie äußerst gehässig und über alle Maßen missgünstig
war. Nachdem unsere Gruppe das Kinderkurheim wieder erreicht hatte, mussten wir uns wie
gewohnt, vor dem Schlafsaal in Reih und Glied auf dem Flur aufstellen. Plötzlich trat diese
gehässige “Kindertante” vor mich, um an meinen Haaren sehr kräftig und für mich äußerst
schmerzvoll zu ziehen. Dabei äußerte sie sehr hämisch die Worte, dass ich doch mal springen
solle, so wie ich es zuvor bei der Gymnastikstunde getan hätte. Ich habe das boshafte laute
Lachen aller Kinder die in meiner Reihe standen, heute noch in den Ohren. Doch damit nicht
genug.

Einfach unfassbar, dass diese gehässige, unfreundliche Aufseherin mir obendrein noch zu
verstehen gab, dass ich wegen meines unerlaubten fröhlichen Auffallens keinen Nachtisch, nach
der Einnahme meiner Abendmahlzeit erhalten würde. Seit diesem Zeitpunkt wurde ich täglich von
dieser unfreundlichen Person gehänselt, beleidigt, verhöhnt und verspottet. Doch ich war nicht
der Einzige, dem so zugesetzt wurde.
Einige Mädchen hielten es nach einigen Tagen nicht mehr aus und fielen in einen Weinkrampf.
Ungeachtet dieser Notsituation der damaligen Kinder, betrat die alte Aufseherin den Schlafsaal,
um diesen weinenden Mädchen mit lautem Gebrüll, dass sie sich zusammen zu reißen hätten,
mehrere harte Ohrfeigen. Weil diese armen Mädchen verständlicherweise sich in keiner Weise
getröstet fühlen konnten, wurden sie in ein anderes Zimmer verlegt und durften fortan nicht mehr
mit den anderen Kindern in Kontakt kommen. Einige Tage später schienen sich die Mädchen
beruhigt zu haben, so glaubten wir Kinder damals. Heute weiß ich, dass sie in ihrer Persönlichkeit
gebrochen waren. Ich erinnere mich noch sehr gut daran beobachtet zu haben, dass sich diese
Mädchen wie Marionetten hinfort bewegten, darüber hinaus ihre Mimik wie erstarrt schien und es
den Anschein hatte, als hätten sie keinerlei Emotionen mehr.

Es war an der Tagesordnung, dass es für die kleinsten Vergehen, sehr harte Prügel gab. Der
Entzug von Essen oder das Separieren einzelner Kinder von der gesamten Gruppe wurden für
alle anderen Kinder so selbstverständlich, dass die gesamte Gruppe nach über drei Wochen es
als vollkommen selbstverständlich hinnahm. Außerdem, welche Möglichkeit hatten wir Kinder
denn schon, um gegen diese ungerechten Behandlungen vorgehen zu können, vor allen Dingen
so weit entfernt von unseren Eltern.
Wie es in der Reportage zur Sprache kam, war es unseren Eltern tatsächlich untersagt worden,
ihren Kindern Karten oder Briefe schreiben zu dürfen. Besonders schlimm war es zumindest für
mich, nichts von meinen Eltern erhalten zu haben, obwohl ich während meines Aufenthaltes in
diesem Kinderkurheim Geburtstag hatte. Mit fortlaufender Zeit bemerkte ich eine Zunahme einer
Traurigkeit, wie ich sie vor der Verschickung nicht gehabt hatte.

Es verging keine Woche, in der wir nicht den Kinderarzt aufzusuchen hatten. Wie es bereits in
der Reportage dokumentiert wurde, erhielt auch ich immer wieder Medikamente in Form von
Tabletten und einigen Spritzen. Was mir noch in Erinnerung geblieben ist, dass ich nach einem
dieser zwangsweise verordneten Besuche, eine gewisse Lethargie verspürte. Egal, was um mich
herum geschah, ich nahm es nur noch beiläufig wahr, ohne dass es mich wirklich berührte.
Was mir ebenfalls nachhaltig in Erinnerung geblieben ist, dass ein Junge mit einem anderen sich
des Nachts sehr leise zu unterhalten verstand. Jede Nacht saß eine “Kindertante” auf einem
Stuhl vor der geöffneten Tür des Schlafsaals. Kurz nachdem beide Jungen es gewagt hatten, sich
miteinander sehr leise unterhalten, entfernte sich die Wache vor dem Schlafsaal. Wenige Minuten
später erschien die alte Aufseherin im Schlafsaal mit einem nassen Handtuch in der Hand, um
auf beide Jungen wie wild so hart einzuprügeln, dass sich beide vor Schmerzen in ihren Betten
krümmten. Wenige Augenblicke später wurden die Betten dieser beiden Jungen in denen sie
noch wimmernd vor Schmerzen lagen, auf den Flur gezerrt. Alle Kinder konnten das Herz
zerrreißende Schluchzen dieser beiden Jungen vernehmen. Ungeachtet dieser mehr als
bedenklich zu bezeichnenden Situation, erschien die alte Aufseherin mehrmals, um weiterhin auf
beide Jungen so lange zu schlagen, bis diese vor Angst zitternd, keinen Ton mehr von sich gaben.

Endlich, nach 6 Wochen war meine Tortur zu Ende. Abermals wurde ich von der älteren Dame
am Eingang des Kinderkurheims abgeholt und nach Hause begleitet, letztendlich meinen Eltern
zugeführt. Bis heute ist es mir in Erinnerung geblieben, dass es auch meinen Eltern aufgefallen
war, dass ich gegen all ihrer Erwartungen, ihnen absolut still und in mich gekehrt erschien. Wieder
zu Hause in der elterlichen Wohnung angekommen, war es mir plötzlich unmöglich, mich ohne
Anstoßen an den Türrahmen, von einem in ein anderes Zimmer zu begeben. Mehrmals verlor ich
die Kontrolle über meinen Körper und fiel zu Boden, da mich unerwartet, immer wieder ein
Schwindelgefühl erfasste. Im Gegensatz zu anderen Kindern, später als Jugendlicher fühlte ich
in mir eine Traurigkeit und vor allen Dingen ein Gefühl des Misstrauens, wie es nicht als normal
zu bezeichnen ist.
Durch die Reportage über die damals durchgeführte Kinderverschickung,
auf die ich durch meine Frau hingewiesen wurde, kamen alle alten Bilder über die eigenen
Erlebnisse wieder hoch. Heute sehe ich mich in die Lage versetzt, darüber in aller Neutralität
berichten zu können. Vor wenigen Monaten oder gar Jahren wäre das nicht möglich gewesen, da
ich mich aufgrund des Missbrauchs in meiner eigenen Familie, dieses über mehrere Jahrzehnte
hinweg, nicht in der Lage sah, dies zu erzählen. Über den Missbrauch in der eigenen Familie,
über einen so langen Zeitraum hinweg, habe ich ein Buch geschrieben, dass durch einen
christlichen Verlag veröffentlicht wurde. Der Titel dieses Buches lautet:
Der Weg eines Erzdruiden und gewinnt eine immer größere interessierte Leserschaft. Wie es
bereits in der Reportage zur Sprache kam ist, so glaube ich, nun die Zeit angebrochen, dass
manche Vergehen seitens sogenannter Erziehungsberechtigten den Kindern und Jugendlichen
gegenüber in den 60er- 70er- bis in die 80er Jahre hinein, nun endlich ans Tageslicht kommen.
Dass diese Vergehen nicht mehr rückgängig gemacht werden können und absolut
unentschuldbar sind, steht außer Zweifel. Was aber wichtiger denn je ist, besonders für die
nachfolgenden Generationen in einer neuen Ära der Menschheitsgeschichte, dass viel mehr
Menschen von derlei Vergehen erfahren müssen, um hierdurch gewappnet zu sein, gegen eine
Wiederholung gleichwertiger Vergehen. Und je mehr Menschen sensibilisiert werden, bezüglich
einer Misshandlung oder einer Vergewaltigung von Kindern und / oder Jugendlichen, umso
größer die Möglichkeit, präventiv gegen derlei Unmöglichkeiten vorgehen zu können.
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Carola aus Dresden schrieb am 21.12.2022
Ich war 1970 im Kinderkurheim (den Namen weiß ich nicht mehr) in Ruhla bei Eisenach. Die Diagnose lautete, ich wäre zu dünn. Ich habe Fleisch oft verschmäht und das hat meine Mutter geärgert. So ging ich zur "Fresskur", um zuzunehmen. Da ich psychisch ohnehin labil war, habe ich schon zu Hause manchmal ins Bett gemacht. So einmal auch im Heim, da man nachts nicht auf die Toilette durfte. Ich musste dann den darauf folgenden ganzen Tag im Waschraum auf dem Fliesenboden in einer Schüssel mein Laken mit der Hand "auswaschen" und durfte nicht an dem Gruppenausflug auf die Wartburg in Eisenach teilnehmen. Erst als alle zurückkamen am Nachmittag, durfte ich mit dem "Waschen" aufhören. Das waren ca. 6-7 Stunden.
Außerdem bestand Essenszwang. Ich kann mich noch gut an die irgendwie nach Medizin riechende Marmelade zum Frühstück erinnern, die aus einem Pappeimer auf den Tisch kam.
Ansonsten habe ich die restliche Zeit wahrscheinlich gut "verdrängt", denn ich kann mich an weitere Einzelheiten überhaupt nicht erinnern. Ich kann auch nicht mehr sagen, wie lange ich dort war.
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Bettina Krauß aus Wiesbaden schrieb am 18.12.2022
Ich war im Winter 1972 mit 10 Jahren in Bayrisch Gmain zu einer Kur für sechs Wochen. Ich war schon immer dünn, obwohl ich viel gegessen habe. Heute weiß ich, dass ich der "leptosome Typ" bin d.h. ich nehme nicht zu. Meine Eltern meinten es gut, aber es war als Kinder Horror. Da ich das dünnste Kind war, durfte ich immer das, was übrig blieb, leer essen. Ich musste so lange sitzen bleiben, bis ich definitiv nicht mehr konnte. Seit dem kann ich keinen Kaiserschmarrn mehr essen, da dieser mich immer zum Brechen brachte. Gebadet wurden wir einmal pro Woche und durften uns sonst nur am Becken waschen, wo es kalt und auch nicht gerade sauber war - ich bin schon immer Nierenkrank und Kälte war für mich gar nicht gut. Da ich mit 10 Jahren die Älteste im Zimmer war, wurde ich immer mit bestraft, wenn andere etwas angestellt hatten, obwohl ich nichts dafür konnte oder gar nicht dabei war. Die Briefe, die ich nach Hause geschrieben hatte, wurden eingesammelt und nicht verschickt. Meist hatte ich geweint und wollte weg. Wenn meine Eltern mir ein Päckchen geschickt hatten, wurde dies geöffnet und die darin enthaltenen Dinge verteilt oder mir gar nicht gegeben. Ich hatte nie die Möglichkeit, meinen Eltern mitzuteilen, was dort passiert. Es war wie im Gefängnis und ich dachte, ich müsste für immer bleiben. Bis heute darf ich nicht das Gefühl haben eingeengt zu sein oder irgendwo nicht raus zu können. Dann bekomme ich Panikattacken. Als ich dann endlich nach Hause kam, waren meine Eltern sehr entsetzt, was passiert war und sie haben mich nie mehr weggeschickt. Es war eine prägende und wirklich schlimme Zeit. Meine Eltern meinten es nur gut mit mir.
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Alfred aus Isny schrieb am 12.12.2022
Ich war im Oktober 1972 für mindestens 6 Wochen auf Sylt. Kam ganz aus dem Süden, entsprechend mein Heimweh ?
Viele Erinnerungen hab ich leider nicht mehr.
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Erik aus Mülheim an der Ruhr schrieb am 08.12.2022
Vor einigen Jahren habe ich die Bilder und Briefe von meiner „Kur“ in St. Peter Ording auf dem Dachboden meiner verstorbenen Eltern entdeckt. Dies habe ich zum Anlass genommen, um zu hinterfragen, warum ich damals in Kur geschickt wurde und warum man mir nicht geglaubt hat als ich nach meiner Rückkehr von den traumatisierenden Erlebnissen erzählt habe?
Die Antwort meiner Mutter war für mich sehr erschütternd, Sie meinte nur zur ersten Frage, „Das war damals IN!“ Mehr hat meine Mutter dazu nicht gesagt.
Das schlimmste allerdings war, dass mir jahrzehntelang eingeredet wurde, ich hätte das nur geträumt oder erfunden.
Meine damalige Erzieherin, ich war ja zu dem Zeitpunkt noch im Kindergarten, hat mir mal erzählt, dass Sie sehr erschrocken war als Sie mich nach der Kur wieder gesehen hat.
War ich vorher ein fröhliches, aufgewecktes Kind, so war ich danach still und verschlossen.
Auch das „Einnässen“, welches vor der „Kur“ aufgehört hatte, war nun wieder da!
Kurz vor Ihrem Tod hat meine Mutter sich bei mir entschuldigt!

Nun zur „Kur“:
Im Alter von 6 Jahren wurde ich im April 1978 für 6 Wochen in ein Kinderheim in St. Peter Ording in „Kur“ geschickt….
Wir waren zu 8 Jungs auf einem Zimmer, alle in meinem Alter.

- Essenszwang
Es gab jeden Tag entweder Milchreis oder Grießbrei und dieser mußte aufgegessen werden, selbst wenn man sich zwischendurch erbrechen mußte. Das hat dazu geführt hat, dass ich bis zum heutigen Tage weder Milchreis noch Grießbrei essen kann. Meine Frau und meine Kinder lieben beides und ich könnte weglaufen, wenn ich das nur rieche.

-Verbot auf die Toilette zu gehen
Wenn man nachts aufs Klo musste, dann hatte man ein Problem. Es war „STRENGSTENS VERBOTEN“ des Nachts aufs Klo zu gehen. Es gab eine Nachtwache und sollte man erwischt werden, so mußte man die ganze Nacht bei Ihr auf dem Zimmer bleiben und es gab den ganzen nächsten Tag nichts zu essen und durfte auch nicht mit den anderen Kindern spielen. Übrigens auch nicht allein. Es gab einen Stuhl, auf dem man den ganzen Tag sitzen und aus dem Fenster auf den Spielplatz schauen mußte.
Die Alternative war ins Bett zu machen, und das war noch schlimmer. Es gab dann auch nichts zu essen und außerdem mußte man das eigene Bett machen, das Zimmer komplett durchwischen und durfte auch nicht mit den anderen Kindern spielen.

- Schlafzwang
jeden Mittag ca.2 Stunden Mittagschlaf, ob man wollte oder nicht. Außer man ist in der Nacht zuvor erwischt worden auf dem Klo oder dem weg dorthin, dann saß man ja am Fenster. Ansonsten lag Ich oft einfach regungslos da, weil ich Angst vor Bestrafung hatte.
Ich habe viel geweint und unsägliches Heimweh gehabt.
Es wurde vorgeschrieben welche Sachen man anzuziehen hatte, einmal habe ich mich erdreistet und eine andere Jacke aus meinem Kleiderschrank angezogen…. Das Resultat war wieder der Stuhl am Fenster.

- Post wurde geöffnet o.ä.
Meine Freunde und auch meine Familie haben mir diverse Briefe und Pakete geschickt. Leider ist nur ein Brief angekommen und von den Paketen habe ich erst nach meiner Rückkehr erfahren.

- Koffer
Mein Koffer wurde von den Schwestern gepackt und leider wurde die Hälfte der Sachen nicht eingepackt. Das viel auch erst zuhause auf und mir wurde auch hier nicht geglaubt das ich den Koffer nicht gepackt habe…
Es fällt mir nicht leicht das hier alles schreiben, da ich vor lauter Tränen nichts mehr sehe.
Ich würde das ganze gerne vergessen, bin aber auch dankbar dafür, dass ich hier meine Geschichte erzählen kann, da ich ja Jahrelang geglaubt habe, ich hätte das tatsächlich nur geträumt.
Aber die Geschichten der anderen hier sagen mir, das ist wirklich alles so passiert!
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Eric aus Dresden schrieb am 07.12.2022
Ich war mit 5 Jahren in Mönchwinkel. Meine Eltern meinten es gut. Da ich sehr schlecht gegessen habe, sollte ich dort ein bisschen zunehmen. In der Einrichtung habe ich vom ersten Tag an häufig beobachtet wie andere Kinder welche nicht aufessen konnten dennoch dazu gezwungen worden sind und unter Tränen sich das Essen reingezwungen haben. Ich selber hatte so eine Angst, dass ich von selber immer alles aufgegessen hatte. Das waren aber nicht meine negativsten Erlebnisse.

Im Schlafraum hatte ich einen Bettnachbarn, der mir immer die Postkarten weggenommen hat (Nachts, heimlich) welche mir meine Eltern gesendet hatten. Ich konnte noch nicht lesen deshalb waren auf den Postkarten Modelleisenbahnen zu sehen ( hatte eine Eisenbahnplatte) die er offensichtlich auch interessant fand. Als ich die Karten verteidigte Leuchtete mir die Nachtwache mit einer Taschenlampe ins Gesicht und ich durfte die ganze Nacht wach in der Ecke stehen. Am nächsten Morgen musste ich dann mit wandern oder ich sollte mich am aufräumen beteiligen. Ich durfte nicht auf Toilette und sollte mich sofort mit auf den Weg machen. Ich hab dann natürlich alles in der Hose gehabt. Es war so peinlich. Das ist meine Erinnerung, wenn ich an dort denke. Ich war 5 Wochen dort. Habe erst viele Jahre später mit meinen Eltern darüber gesprochen.
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Astrid aus Heide schrieb am 07.12.2022
Ich war ca. 4 oder 5 Jahre alt und kann mich trotzdem sehr gut daran erinnern. Ich war Kind eines Postbeamten und war zu dünn und immer viel krank. Also ab nach SPO. Die Zugfahrt ins Grauen begann. Mein Koffer wurde geöffnet und meine Süßigkeiten wurden mir sofort weggenommen, laut der Tante für die Kinder die nichts hatten. Untergebracht wurden wir in großen Räumen wo gefühlt 30 Betten standen. Ich erinnere mich an diese Wannen aus Zink in den Duschräumen und an kalte harte Wasserstrahlen, damit wir abhärten. Wenn ein Kind in sein Bett gemacht hatte, wurde es vor allen bloß gestellt. Heimweh durfte man auch nicht haben, ich hatte es und musste als Strafe ins Bett. Mir wurde Prügel angedroht, wenn ich weiter weine. Spaziergänge waren am Deich. Ich mochte es nicht. Woran ich mich auch erinnere war das Essen am Abend. Es ging ein Würfel rum und jeder der eine 6 würfelte, bekam ein Schwarzbrot mit Schmalz. Ich hatte nie das Glück. Dann wurde ich krank und bekam Ausschlag. Wurde sofort ins Bett geschickt und durfte keinen Kontakt zu den anderen haben. Ein Erzieher der Jungs, die oben im Haus untergebracht waren, kam heimlich zu mir um mich zu trösten, der erste, der sehr nett war. Zum Glück musste ich die Kur wegen dem Ausschlag abbrechen und meine Eltern sollten mich abholen. Ich bekam mit, wie zwei Tanten panisch wurden und eine losgeschickt wurde, etwas für mich zu kaufen. Tatsächlich bekam ich einen kleinen Leuchtturm und noch etwas. Sie baten mich nichts zu erzählen, sonst bekäme ich kein Geschenk. Ich war so froh, wie meine Eltern da waren und endlich nach Hause kam. Ich war einfach zu jung, es glaubte mir keiner. Jetzt im Nachhinein fällt mir noch einiges ein, aber das haben andere auch schon geschrieben.
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Christine aus Nähe Würzburg schrieb am 02.12.2022
Hallo

dies ist mein 2. Versuch, der 1 erste hat nicht geklappt

ich war im März 1982 über meinem 6. Geburtstag im Haus Hamburg in Bad Sassendorf und habe nur sehr wenig bis gar keine Erinnerungen

Ich kann mich dunkel an die Zugfahrt von Würzburg nach Bad Sassendorf erinnern
wir waren ein Abteil mit Kindern (6-8 ?) und eine Aufpasserin
Ich sollte zunehmen auf der Kur (bis heute habe ich mit Übergewicht zu kämpfen)
am ersten Abend wurden wir in die Bottiche mit Salzwasser gesteckt, und ich hatte ein Pflaster auf der Wange, dies wurder runtergerupft und wurde ins Salzwasser getaucht.
ich kann mich noch an bestimmte Telefonzeiten erinnern, einmal ist meine mutter erst danach durchgekommen und ich wurde vom Abendessen? geholt und durfte mit Ihr telefonieren das ist das einzige Telefonat an das ich mich erinnern kann

ich kann mich daran erinnern wie ich im Speisesaal mein Geburtstagspäckchen ausgepackt habe, was darin war habe ich vergessen.
Ich kann sehr viele Sachen bis heute nicht essen, ekel mich davor
Auch kann ich keine Tabletten schlucken.
Jeden Tag mussten wir MIttagsschlaf halten
Ich kann mich noch an die Zimmer erinnern und weiß noch das ich am Fenster geschlafen habe.
Es waren lange Gänge und jedes Kind hatte einen Schrank.
Unterwäsche gewechselt wurde 1 x die woche, als ich dies meiner Mutter erzählt habe, glaubte sie mir nicht.
Laut meine mutter hätte es mir so gut gefallen das ich jedes Jahr auf kur wollt (kann ich mir nicht vorstellen)
Da sowohl meine Mutter und auch meine Tante in den50er bzw 60ern mehrfach auf Kur waren, und es angeblich schön war, glauben Sie mir beide nicht., bzw heißt es war halt damals so.
Viellecht finde ich auf diesen Wege jemanden der zur selben Zeit da war,
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Cordula Neidhardt aus Salzgitter schrieb am 29.11.2022
Ich bin erschüttert von Euren Erlebnissen, finde keine Worte. Ich war 3x im selben Kurheim, im Grunde war es bei mir eher umgekehrt, nachdem ich mich vom Heimweh erholt hatte, wollte ich lieber dort bleiben, als wieder nach Haus. Zu Haus war es schrecklich. Aber dort...die Erziehrinnen waren immer sehr nett und die Nachtwachen auch. Man durfte auch zur Toilette gehen. Einmal machte ich ins Bett, ich sagte es der Nachtwache und sie meinte nur, es sei doch nicht schlimm und wechselte meine Bettwäsche. Zwangsessen gab es auch nicht, die Kinder, die als unterernährt galten, bekamen 2x Nachtisch, wenn sie den aber nicht schafften, bekam ich ihn. Mir taten allerdings die Übergewichtigen Kids sehr leid, sie saßen an einem etra Tisch und bekamen viel Salat und Obst, und fettarmes Essen....sah nicht immer sehr lecker aus. Aber wir machten Strandausflüge, es gab einen Wandertag mit Goulaschkanone und einen Tagesausflug ins Hansaland, mit großem Carepaket. Und am Wochenende Disco im Rundbau. Es waren immer sehr schöne Ferien. Inzwischen ist es ein Mutter-Kind-Kurheim und 2014 war ich mit meinen Kids dort um ihnen das alles mal zu zeigen.
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Johannes Hädrich aus 79252 Stegen schrieb am 26.11.2022
Der kürzliche Anblick einer Postkarte des "Goldenen Schlüssels" auf https://verschickungskind.de erstmals nach 55 Jahren löste in mir spontan ein Gemisch äußerst unguter Gefühle aus, die mich ins Jahr 1967 zurückversetzen. Damals musste ich als 9-jähriger und über die Osterfeiertage mehrere Wochen im Kurheim „Goldene Schlüssel“ verbringen. Zwei Wochen davon lag ich mit Mumps auf der Krankenstation.
Wir waren Mädchen und Jungen im Alter von 6 bis 10 Jahren. Ich erinnere mich, dass es zum Frühstück häufig mit Grieß angedickte Milchsuppe gab, von der ich vor lauter Hunger bis zu vier große Teller gegessen habe. Am Tisch hatte Disziplin zu herrschen, der Tischälteste war dafür jeweils verantwortlich. Insgesamt war das Essen mäßig. Es wurde uns ganz offen mitgeteilt, das Heim müsse eben günstig Sonderangebote einkaufen, um Geld zu sparen.
Während der Ruhezeiten am Nachmittag waren das Sprechen und zur-Toilette-gehen ebenso verboten wie nach dem Lichtausschalten am Abend. Wir fürchteten die Nachtwache, meist eine unempathisch wirkende Ordensschwester (alle mit „Tante“ anzusprechen), die im Flur hinter einem Tisch saß und aufpasste.
Welche Freude, als ein Osterpäckchen von meinen Eltern eintraf! Das nahm man mir gleich weg und deponierte es auf einem Kleiderschrank im Schlafraum. So, dass ich es jeden Tag sehen, es aber nicht ohne weiteres erreichen konnte. Eines Nachts gegen 23:00 Uhr, ich glaube am Karfreitag, kletterte ich schließlich auf einen Stuhl, um das Päckchen herunterzuholen und wenigstens einmal hineinzusehen. Dabei wurde ich von der Nachtschwester erwischt und musste zur Strafe 1 Stunde lang barfuß mit dem Gesicht zur Wand frierend auf dem kalten Fliesenboden im Flur stehen. Der Inhalt meines Osterpäckchens wurde verteilt, ich glaube, ich erhielt zur Strafe gar nichts davon.
Die Meerwasser-Inhalationsanlage befand sich im düsteren Keller, wo wir uns während der Prozedur selbst überlassen blieben. Wattspaziergänge waren eine Abwechslung, doch auf dem Weg am Strand entlang ließ uns unsere Aufsichtsperson jeweils lange Zeit warten, während sie eine am Strand wohnende Bekannte aufsuchte, um mit ihr ausgiebig Kaffee zu trinken.
Briefe nach Hause wurden zensiert bzw. diktiert. Die ganze Atmosphäre war von Befehl und Gehorsam geprägt, und schien auch Erziehungsmethoden der Nazis abzubilden. Noch heute spüre ich dieses Gefühl vollkommenen Ausgeliefertseins nach, mit dem traumatischen Empfinden des Abgetrenntseins von der vertrauten Familie. Im Alter von 9 Jahren waren 6 Wochen ein schier nicht überschaubarer Zeitraum. Die Eltern weit entfernt im Schwarzwald, die auch noch glaubten, ihrem sensiblen Kind etwas Gutes zu tun. Es war die pure Erlösung, als ich erfuhr, dass in wenigen Tagen mein Vater kommen würde, um mich nach Hause zu holen. Ich habe die Stunden gezählt, bis es endlich soweit war.
Meinem Erzählen wollten meine Eltern allerdings gar nicht recht zuhören und sie schenkten mir auch keinen Glauben, so dass ich schwieg. Mein Vertrauen in meine Eltern hat damals enormen Schaden genommen.
Ängste vor Fehlverhalten oder Versagen habe ich aus St. Peter-Ording mitgenommen, diffus begleiten sie mich noch heute. Anstatt zu heilen, wurde im "Goldene Schlüssel" das Gegenteil erreicht. Gesundheitliche Beschwerden, die zur Verschreibung des Nordsee-Aufenthalts durch meine Kinderärztin führten (asthmoide Bronchitis), manifestierten sich wenige Jahre später auf andere Weise, aber ungleich massiver erneut.
Auch angesichts der Berichte anderer Betroffener, von denen ich gerade erst erfahren habe, empfinde ich die Eigenwerbung auf der Webseite der heutigen DRK-Nordsee-Reha-Klinik “Goldene Schlüssel” als Täuschung, wenn dort gesagt wird: “In der über 100-jährigen Geschichte des Hauses liegt unser Erfahrungsschatz in der ganzheitlichen Medizin begründet. 1913 errichtete ein visionäres Arztehepaar das damalige “Ärztliche Erholungshaus für Erwachsene und Kinder” ... Seit jeher verbinden sich medizinische Therapien und Naturheilverfahren zum größtmöglichen Nutzen für unsere Patient*innen. …” Zumindest in meinem Fall kann ich nicht von Nutzen, sondern nur von einem enormen Schaden sprechen, der dort angerichtet wurde.
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Franziska aus Berlin schrieb am 26.11.2022
Danke für die Aufklärung. Ich war im Alter von 8 Jahren zur Wendezeit in Meura. Ich sollte zunehmen. Wir wurden zum Essen gezwungen und durften nachts nicht auf die Toilette. Nachts sah ich auch wie der kleinste Junge aller Kinder geschlagen wurde, weil er geweint hatte, vermutlich aus Heimweh. Unsere Post wurde kontrolliert, aber trotzdem konnte ich meinen Eltern einmal schreiben, dass wir nachts nicht auf Toilette dürfen und dass ich abgeholt werden möchte. Meine Eltern riefen dann im Heim an und ich wurde von einer Erzieherin aus dem Essenssaal beim Abendessen zum Telefon wegzitiert. Vor allen anderen mit den Worten: Du hast Deinen Eltern geschrieben, dass Du nicht auf Toilette darfst? Das stimmt doch nicht! Als ich meine Mutter am Telefon hatte, konnte ich nicht frei sprechen, weil die Erzieherin direkt neben mir Wache hielt. Einmal wurde ich nachts auf der Toilette erwischt, die Tür wurde mit den Worten aha aufgerissen. Dann sollte ich unter Beobachtung pinkeln. Ging natürlich nicht und ich musste unverrichteter Dinge ins Bett zurück. Wochenlang wartete ich vergebens auf meine Eltern, im Bett abends zählte ich im Geiste alle mir Nahestehenden auf und sagte ihnen Gute Nacht. Ich fühlte mich im Stich gelassen, ausgeliefert und verraten. Meine Eltern machen sich heute Vorwürfe, weil sie dachten, ich übertreibe und alles sei schon gut. Ich leide noch heute darunter.
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Kirsten aus München schrieb am 18.11.2022
Ich war zwei Mal in einem Kinderheim. Wir Geschwister haben es dann später immer "Kinderknast" genannt.
Das erste Mal mit ca. 4 Jahren mit meinen 3 älteren Geschwistern in Neustift/Passau.

Ich erinnere mich, dass wir da alle nicht hin wollten und man uns sagte, wir blieben in jedem Fall zusammen. Das war eine Lüge. Meine 2 ältesten Geschwister kamen in eine andere Abteilung, die war hinter einer immer verschlossenen Milchglas-Türe (mit einem Briefschlitz, durch den wir uns ganz selten unterhielten) und meine eine Jahr ältere Schwester und ich haben sie während unseres gesamten, vierwöchigen Aufenthaltes nicht gesehen. Das war schon mal ein schrecklicher Start.
Weiter erinnere ich einen Schlafsaal, mit Glastüren, so dass man immer von außen reinsehen konnte. Und es gab eine Art langen Balkon mit einer ausfahrbaren Sonnenjalousie, wo wir manchmal draußen unseren Mittagsschlaf machen mussten. Ich konnte nie schlafen und es war einen Tortur für mich, bis diese 2 Stunden herum waren, man durfte sich ja nicht bewegen.
Ich erinnere mich, dass wir ein Paket mit GUmmibärchen und anderen Süßigkeiten von unseren Eltern geschickt bekommen hatten und es wurde uns weg genommen und wir bekamen abends EIN Gummibärchen, dass ich ganz langsam lutschte, damit ich möglichst lang etwas davon hatte.
Die Nonnen waren grob und gemein, sie schimpften uns für die kleinsten Versehen.
Was andere schrieben von Schlägen erinnere ich nicht, aber vielleicht ist es auch verdrängt. Es war so schrecklich für mich, von meinen Eltern, besonders von meiner Mutter getrennt zu sein und auch von meinen großen Geschwistern. Ich fühlte mich sehr verlassen. Es waren Gitterbettchen, erinnere ich mich, da konnte man alleine nicht raus. Ich habe vieles vergessen, aber ich erinnere mich noch genau, dass ich am letzten ABend, wo ich wusste, morgen geht es nach Hause, das ganze ABendessen über den Tisch erbrochen habe. Ich erinnere mich nicht, ob ich es aufessen musste, wie andere Betroffene hier schreiben. Aber wie geschrieben, vielleicht habe ich auch alles vergessen bzw. verdrängt.

Mein 2.Aufenthalt in einem Kinderheim war in der 3. Klasse, es ging nach Mittelberg / Oy ins Allgäu, ich war also ca. 8 Jahre alt. ich fuhr nur mit meiner ein Jahr älteren Schwester. Die großen Geschwister und mein kleiner Bruder (5) mussten nicht mit, ich fand es schrecklich und war froh, dass es nur 2 oder 3 Wochen sein sollten, also kürzer als beim letzten Mal. Ich wollte da auf keinen Fall hin aber meine Eltern überredeten mich, dass es ganz anders sein würde wie in Passau.
Meine Schwester wurde von mir getrennt, zumindest schliefen wir nicht in einem Zimmer, soweit ich mich erinnere. Ich fühlte mich sehr allein. Es gab keine Vertrauensperson, die Nonnen waren kaltherzig und hart.
Ich erinnere mich, dass wir 4er Zimmer hatten und ich in der Nacht immer mich selbst in den Schlaf gewiegt habe und leise dazu gesungen habe. Das hat meine Mitbewohnerinnen genervt, ich war immer in dem Dilemma, es so leise zu machen dass es sie nicht störte und andererseits, dass es mich in den Schlaf brachte. Dieses In den Schlaf wiegen habe ich mit meinem ersten langjährigen Freund, den ich erst mit 33 Jahren hatte, nicht mehr gebraucht. Ich war lange Single mit kurzen Affairen bevor ich meinen heutigen Mann kennengelernt habe. Ich bin leider kinderlos geblieben - ich habe nie verhütet aber wurde nie schwanger. Als ich in einer festen Beziehung war, habe ich aufgehört mit diesem Einschlaf-Ritual.
In Mittelberg Oy gingen wir viel wandern, ich erinnere mich dass es mal auf dem Weg ein (für mich) fürchterliches Gewitter gab und die Nonnen sinngemäß sagten, man solle sich nicht so anstellen. Man wurde jede Woche öffentlich gewogen und gemessen, alle hörten die Zahlen und da ich übergewichtig war, habe ich mich immer geschämt, wenn sie mein Gewicht laut gesagt haben und irgendetwas in der Art, ich hätte immer noch zu viel Gewicht (ich haben heute noch ein riesen Thema mit meinem Gewicht!). Ich hatte eine Freundin dort gefunden, sie hiess Kathleen und kam aus Neuss. Sie war meine Rettung weil ich so froh war, nicht mehr allein zu sein. Ich habe sie leider nach ein paar Briefwechseln aus den Augen verloren. Ich hatte durch meinen vorherigen Aufenthalt in Passau Neustift schon "Erfahrung" und wusste, was auf mich zu kam. Ich verhielt mich dementsprechend und kann mich nicht an Bestrafungen bei mir erinnern. Aber vielleicht ist das auch alles verschüttet und verdrängt. Es gibt eine Postkarte von meinem Vater ins Heim, in dem er mir schrieb, was sie alles zuhause in meiner Abwesenheit gemacht haben: ich bekam z.B. den neu lackierten Schreibtisch von meinem großen Bruder. Heute liest es sich so, als ob meine Eltern ein sehr schlechtes Gewissen hatten, dass sie uns ein 2. Mal ins Kinderheim geschickt hatten. Nach diesem Aufenthalt rang ich meinen Eltern das Versprechen ab, dass ich nie wieder in eine Kinderheim musste. Um Nonnen auf der Straße machte ich immer einen großen Bogen. Und im Allgäu und in Passau war ich bis vor einigen Jahren nie.
Danke, dass Sie diese Seite gestartet haben. Mir fällt sicher noch mehr ein, wenn ich noch mehr darüber nachdenke oder mit meinen Geschwistern spreche.
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Ingrid Neubarth aus Southport schrieb am 17.11.2022
Ich war 1963 als 10Jaehrige im Kinderheim Schwalbennest in Bonndorf im Schwarzwald. Es war nicht mein erstes Kinderheim, aber das erste aus dem ich weggelaufen bin. Es war im Hochsommer, wir bekamen nichts zu trinken und durften nach 19h nicht mehr auf die Toilette. Wurde man erwischt, musste man stundenlang auf dem Holzfussboden im Hausflur knien. Zur Mittagsruhe mussten wir uns ins Bett legen und mit dicken Bettdecken zudecken. Ich wurde einmal beim Sprechen waehrend der Mittagsruhe erwischt und als Strafe von der 'Tante' so eng in die Bettdecke gewickelt, dass ich ohnmaechtig wurde. Das wurde von der Heimleitung auf meinen niedrigen Blutdruck geschoben. Frische Waesche einschl. Unterwaesche gab es 1x pro Woche, 1x pro Woche wurden wir auch mit dem Wasserschlauch eiskalt abgespritzt. Kurz vor Ende meines Aufenthaltes kamen unangemeldet Eltern zu Besuch, sahen die Verhaeltnisse und schrieben an die zustehende Krankenkasse. Die Heimleitung wurde abgeloest. Ich denke oft daran, was diese Behandlung den juengeren veraengstigten Kindern angetan hat, die juengsten waren damals 2 Jahre alt und zu jung, ihre Erlebnisse zu artikulieren.
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Gudrun Kniep aus Grevenbroich schrieb am 15.11.2022
Ich war mit 4/5 Jahren etwa im Kinderheim in Bad Sooden-Allendorf für 6 Wochen aufgrund einer Herzkrankheit. 50 Jahre später kam ich durch Zufall mit meinem Mann nach Bad Sooden-Allendorf und wir speisten in einem schönen Restaurant dort in der Stadt. Anschließend führte uns ein kleiner Spaziergang an wunderschönen alten Fachwerkhäusern vorbei. Plötzlich hatte ich einen sog. Tunnelblick, in meinen Ohren rauschte es und Bilder tauchten vor mir auf und ohne etwas zu sagen rannte ich los. Mein Mann irritiert hinter mir her. Ich rannte und rannte, am Ende der Häuserzeile ging es nach links, gerade aus, dann nach rechts und immer weiter und dann stand ich am Ziel. Ich stand vor dem Kinderkurheim - genau so wie ich es in Erinnerung hatte. Es lag still vor mir und war wohl zu diesem Zeitpunkt ohne Funktion. Danach habe ich von all den Dingen erzählt, die ich auch meiner Mutter nicht erzählt habe, da ich sie nach meiner Rückkehr nicht glücklich machen konnte: sie hatte gehofft ich käme gesund und fröhlich wieder, sie hatte mich durch die Herzkrankheit eingeschränkt aber fröhlich und viel zu dünn einer Zugbegleiterin am Bahnhof Wilhelmshöhe in Kassel übergeben und hoffte auf "dicke Bäckchen", sie bekam ein noch dünneres blasses stilles kleines Mädchen zurück. Ein kleines Mädchen, dass viele Jahre lang glaubte etwas Schlechtes zu sein, ein schwarzer Zigeuner wie sie von einer Diakonissenschwester beschimpft wurde, die die 30er Jahre in Deutschland wohl noch nicht überwunden hatte. Und selbst wenn man als Erwachsener das alles klar analysieren kann, bleibt etwas hängen, denn DU bist schlecht. Von all den Schikanen, die ich durchaus wieder erinnerte, blieb ein wunderbarer Triumph meinerseits. Ich hatte als Kind wenig Hunger, Essen war eine Last, was ich gar nicht mochte waren Brötchen. Eines Tages gab es zum Frühstück Brötchen und Kakao. Kakao mochte ich und es wäre alles gut gegangen, hätte es mehrere Tassen Kakao pro Kind gegeben. Es gab nur eine. Und das Brötchen wollte sich nicht herunterschlucken lassen. Die von dieser Diakonisse betreute Kindergruppe war für einen Ausflug vorgesehen. Also beeilen mit dem Frühstück. 5 Kinder hatten ebenfalls Probleme, das Brötchen "trocken" hinunter zu würgen. Wir mussten in einer Reihe vor der Diakonisse antreten und mussten uns Kommentare anhören wie los kauen, schlucken, ihr seid schuld, wenn wir den Ausflug nicht machen können. Und ein Kind nach dem anderen schaffte das mit dem Runterschlucken. Ich blieb übrig. Ich kaute und kaute, doch das verdammte Brötchen wollte ohne Kakao nicht rutschen, und all das unter den Augen aller Kinder und der Diakonisse mit Lachen und Gejohle. Und dann passierte es. Ich erbrach den gesamten Brötchenbrei mit Kakao direkt auf den Schoß der vor mir auf einem Stuhl sitzenden Diakonisse, mitten zwischen die Beine in eine Kuhle der Kutte. Stille im Saal, nur die größeren Mädchen kicherten, ich denke mal die mochten die Diakonisse auch nicht. Diese raffte ihren schwarzen Rock über dem Erbrochenen zusammen, und griff mich im Nacken und zerrte mich ins Obergeschoss, von evtl. Blicken der anderen fort. Bereits während wir die Treppe erstiegen wurde ich an meinen Zöpfen gezerrt und geschlagen. Oben angekommen musste ich einen Eimer mit Wasser holen und ein Tuch und dann musste ich den Rock säubern unter ständigen Schlägen. Das war der Beginn eines ständigen Martyriums, wann immer irgendwo etwas schief lief, es war "der schwarze Zigeuner"
Einer meiner späteren Lehrer meinte irgendwann einmal in einer Unterrichtsstunde, in meine Richtung ein Kompliment machen zu müssen und bezeichnete mich als "schwarze Rose unter all den blühenden", ich habe mit ihm nie wieder ein Wort gewechselt, wie auch immer er das meinte, er war für mich erledigt. Heute bin ich ein weißer Zigeuner und kann durchaus auch über all das lachen, es ist so lange her und was gibt es für ein schöneres Kompliment als wodurch auch immer aus einer Vielfalt heraus zu leuchten. Könnte man Bilder hier veröffentlichen? Ich hätte zwei Beweisfotos!
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Birgit aus Essen schrieb am 14.11.2022
Im März 1972 bin ich im Alter von 8 Jahren für 6 Wochen in dieses Kurheim gekommen. Spastische Bronchitis und leichtes Untergewicht. 2 Erlebnisse waren für mich besonders schlimm. Wir schliefen in einem Saal mit ca 10 -15 Kindern. So genau erinnere ich mich nicht. Zu Anfang der Kur, hatte ich in den ersten Nächten schwere Hustenanfälle. In der 2. Nacht erschien die Heimleiterin (Sah aus wie Fräulein Krottenmüller) in der Nacht an meinem Bett. Wortlos nahm sie mein Bettzeug und bedeutete mir, mitzukommen. Wir sind dann auf den Riesigen,mit allerlei Gerümpel, nicht ausgebauten Dachboden gestiegen. Dort führte nur eine Stiege hoch. Dann wurde mein Bettzeug auf ein altes Eisenbett gelegt und ich durfte dann alleine auf diesem kalten, dunklen Dachboden verbringen. 3, 4 Nächte. Aber was einen nicht umbringt, macht einen hart. Das nächste Erlebnis war das Essen. Wir mussten solange am Tisch bleiben, bis alles aufgegessen war. Unter anderem abends einmal Butterbrote mit rohem Schinken, der einen üblen Fettrand hatte. Anschließend musste ich mich übergeben. Da habe ich mir geschworen, dass weder ich, noch mein Kind, wenn ich eins bekommen sollte, etwas isst, was es nicht möchte. Das habe ich bei meinem Kind dann auch so gehandhabt. Ohrfeigen gehörten ebenfalls zu erzieherischen Maßnahmen. Kalte Duschräume und Schlafräume. Es gab damals auch nur die Möglichkeit einmal die Woche mit meinen Eltern zu telefonieren. Die mussten dann bei der Heimleiterin in der priv. Wohnung anrufen und Fräulein Krottenmüller wohnte diesen Gesprächen dann bei. Ich habe wohl keinen Schaden davon getragen und habe diese Geschichten dann schon verschiedenen Leuten erzählt. Manch einer konnte es kaum glauben. Meine Eltern waren damals auch schockiert, vor allem, weil sie mir ja eigentlich etwas Gutes tun wollten. Durch den Artikel in der Zeitung, ist mir erst einmal klar geworden, dass ich keine Ausnahme war, sondern viele ähnliche Erlebnisse hatten.
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Ingo aus Ludwigsfelde schrieb am 07.11.2022
Ich war als sechsjähriger im Zeitraum 1974 im Kinderkurheim Sachsengrund in Morgenröthe-Rautenkranz. Später erfuhr ich den Grund meines Kuraufenthaltes, dass ich wohl angeblich zu wenig gegessen hätte. Die Fotos aus meiner Kindheit sehen aber nicht so aus, dass diese Kur notwendig gewesen wäre. Jedenfalls hält die Wirkung der Kur bis heute an, ich muss mich beim Essen eher bremsen.
Die Kurzeit betrug 4 Wochen, Rückreise war 1-2 Tage vor Heiligabend. Ich kann mich noch sehr gut an diesen Tag erinnern.
Gegen Mittag musste unserer Bus eine Werkstatt in Zwickau ansteuern weil irgendwas nicht in Ordnung war. Dort saßen wir dann stundenlang in einer Art Betriebshof-Kantine, bis es dann gegen Einbruch der Dunkelheit endlich weiter ging. Zum späten Abend hin wurde es nebelig, der im Verlauf immer dichter wurde. Zwischenzeitlich hatte der Bus immer wieder die Autobahn verlassen, da einige Kinder an weiteren Sammelpunkten abgesetzt wurden. Leider war ich einer der letzten, die gegen 23:00 Uhr endlich den Bahnhof in Zossen als letzten Sammelpunkt erreichten, wo unsere Eltern schon sehnsüchtig auf uns warteten. Es gab ja kein Telefon, lediglich per Telegramm wurden unsere Eltern über die Verzögerung informiert.
Für meine Eltern war es der Horror, da sie nun auch noch Mitternacht 20km im dichten Nebel (Sichtweite ca. 2m) mit mir und meiner bis dahin durchgefrorenen 1-jährigen Schwester weiter bis nach Hause mussten.

Nun zum Kurheim.
Bei der Anreise mit dem Robur-Bus hatten wir schon ab Zwickau den ersten Schnee. In Morgenröthe lagen ca. 15cm. Im Kurhaus wurden wir in Schlafsälen untergebracht. Da standen 10 Betten, 5 an der Fensterseite, 5 an der Wand gegenüber. Anders als in Ferienlagern mit Doppelstockbetten, waren das hier ganz normale Betten. Meines stand hinten links unter einem Fenster mit Blick auf den Markersbach, der fast vollständig mit Schnee bedeckt war. Dahinter standen große verschneite Fichten oder Tannen. Den Anblick konnte ich aber nicht genießen, da ich heftig von Heimweh geplagt wurde. Mein kleiner Löwe (ca. 8cm groß aus Kunstleder mit Fellmähne) hatte schwer zu tun, meine Sorgen in sich aufzunehmen. Bis auf einen anderen Jungen aus meinem Wohnort kannte ich sonst niemanden in meiner Gruppe.
Der Tagesablauf war geprägt von morgendlichem Massieren der Arme, Beine und Gelenke unter Anleitung mit einer gelben Plastikbürste, Wassertreten, Schulunterricht und Schlitten fahren. Die Bürste und andere persönlichen Sachen hatten wir mit Pflasterband beklebt und unseren Namen darauf geschrieben. Das Essen scheint in Ordnung gewesen zu sein, jedenfalls war ich nie der mäkelige Typ. An mehr kann ich mich nach über 40 Jahren nicht mehr erinnern. Beim Essen und Unterricht saßen wir jeweils an 4-er Tischen.
Das an uns Handlungen vorgenommen wurden, die heutzutage einer Aufklärung bedurften, kann ich mich nicht mehr erinnern.
2008 hatte ich das Kurheim noch einmal aufgesucht. Ich war zu der Zeit in der Nähe im Winterurlaub. Glücklicherweise traf ich vor Ort auf den Gebäude-Verwalter, den ich von meiner Erinnerung an die Zeit erzählte. Freundlicherweise nahm er sich die Zeit, mich noch einmal durch das Gebäude zu führen. Ich hatte dabei auch einige Fotos gemacht, es hat sich in den ganzen Jahren nicht viel verändert. Alles wirkte nur viel kleiner als aus der damaligen Blickposition eines 6-jährigen. Lediglich die Betten in den Schlafräumen fehlten und in einigen Räumen wurde was an der Aufteilung verändert. Wie diese früher aussahen, weis ich heute nicht mehr.
Es fühlte sich aber fast wieder so an wie damals, draußen war die Landschaft tief verschneit. Negative oder traumatisierte Erinnerungen kamen aber nicht hoch.
Im Vergleich zu Erlebnisberichten anderer Leute hatte ich dort offensichtlich eine Menge Glück gehabt.
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Jennifer Thomas aus Wyk auf Föhr schrieb am 06.11.2022
Ich war 1982/83 in Wyk auf der Insel Föhr, 4-5 Jahre alt. Ich hatte Bronchitis uns sollte mich dort 6 Wochen "erholen"! Geschickt wurde ich über die Barmer Ersatzkasse.
Was als Urlaub deklariert war, war leider der blanke Horror.
Misshandlung, Zwang und Demütigungen, bis hin zur versuchten Tötung.

- Essenszwang
- Erbrochenes wurde einem wieder eingelöffelt.

-Verbot auf die Toilette zu gehen, was zwangsläufig dazu führte, dass man ins Bett gemacht hat. Die Demütigungen folgte am nächsten Morgen. Mann musste sich im Waschraum so verschmutzt wie man war vor allen Anderen waschen uns seinen Kot aus Kleidung und Bettwäsche selbst herauswaschen.

-Schlafzwang , jeden Mittag ca.2 Stunden Mittagschlaf ob man wollte oder nicht. Ich lag oft einfach regungslos da, weil ich Angst vor Bestrafung hatte.

-Jeden Tag wurden wir auf Läuse untersucht und extrem grob mit dem Kamm bearbeiten, ich hatte langes Haar und unerträgliche Schmerzen bei der ganzen Prozedur.

Ich habe viel geweint und unsägliches Heimweh gehabt.

Todesangst hatte ich, als ich mit einen Gruppe älterer Kinder im Meer war und ins tiefe Wasser geworfen wurde. Ich konnte nicht schwimmen und sollte es wohl auf diese Art lernen. Die Wellen umspühlten mich wieder und wieder, ich hatte Angst zu ertrinken. Ich weiss noch, dass ich zu mir selbst sagte : " Jetzt ist es vorbei, ich werde sterben!" ,als mich eine Erzieherin doch noch aus dem Wasser zog.

Das schlimmste allerdings war, dass mir jahrzehntelang eingeredet wurde, ich hätte das nur geträumt oder erfunden. Richtig begriffen, dass meine Erinnerungen wahr sind habe ich vor etwa 12 Jahren, als ich im Internet auf einen sehr ähnlichen Erfahrungsbericht einer Frau in einem Urlaubsforum der Insel Föhr stieß.
Ich zitterte am ganzen Leib und weinte hysterisch als mir klar wurde, dass ich alles genau so erlebt hatte.

Meine eigene Familie wollte mit damals nicht glauben und Antworten auf meine Fragen habe ich bis heute nicht erhalten.
Ich wurde auch als Erwachsene mit dem Satz:
"das hat man halt damals so gemacht" abgefertigt.
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Martin S. aus dem Ruhrgebiet schrieb am 01.11.2022
Ich wurde aufgrund des Befundes "Untergewicht/Blutarmut" im Rahmen der Einschulungsuntersuchung für sechs Wochen in das Heim unter der Leitung von Dr. Selter in Brilon-Möhneburg geschickt. Ich kann die Lage meines dortigen Aufenthalts einigermaßen gut eingrenzen, da ich mich vor Ort zu Ostern übergeben habe, außerdem verbrachte ich dort meinen 6. Geburtstag. Es gibt noch Glückwunschkarten, die mir ins Heim geschickt wurden.
Verlässliche Erinnerungen habe ich schon an die Anreise mit einem Sonderzug vom Dortmunder Hbf aus. Ich habe aus Angst wegen der bevorstehenden langen Trennung vom Elternhaus ganz fürchterlich geweint, woraufhin mein Vater, der mich begleitet hatte, von den Kinder-Begleitpersonen im Zug sehr energisch weggeschickt wurde.
Im Heim angekommen mussten sich alle Kinder bis auf die Unterwäsche ausziehen und darauf warten, gebadet zu werden. Auch wurden die Finger- und Zehennägel geschnitten. Ich hatte am Vorabend der Abreise schon zu Hause gebadet und die Nägel waren bereits kurz. Von dem Mann, der für das Baden der Jungen zuständig war, wurde ich aufgefordert, zu klatschen. Dem kam ich nach, wurde dann aber sofort angeschrien: "Du bist wohl blöd! Unter Wasser natürlich!". Da sollte wohl simuliert werden, dass er mich wäscht, obwohl er es gar nicht getan hat.
Es gab große Schlafsäle (zumindest kam es mir damals so vor) für unterschiedliche Altersstufen. Zu jedem Bett gab es nur einen sehr kleinen Schrank oder Regal, was dazu führte, dass ich meinen Koffer nicht vollständig auspacken konnte. Der wurde in einem anderen Raum untergebracht und mir wurde gesagt, dass ich mich an eine Betreuerin wenden soll, wenn ich etwas daraus brauche. Das war dann auch irgendwann der Fall, aber die Bitte nach Aushändigung frischer (Unter-)Wäsche wurde abgelehnt. Es wurde mir nicht geglaubt, dass der Koffer an anderer Stelle lagert (dann wurde ich der Lüge bezichtigt und es gab deswegen Ärger), oder es war nie jemand zuständig oder bereit, sich darum zu kümmern.
An das Essen habe ich noch die Erinnerung, dass alles, was in Schüsseln/auf Tabletts auf die Gruppentische kam, aufgegessen werden musste. Ostersonntag oder Ostermontag 1970 habe ich vier weichgekochte Eier gegessen und musste mich daraufhin übergeben. Das Erbrochene hat sich großflächig auf dem Boden verteilt. Ich hatte nämlich - allerdings vergeblich - versucht, die Toilette zu erreichen. Ich wurde angeschrien, dass ich das extra gemacht hätte, und durfte eine längere Zeit nicht am Tagesprogramm teilnehmen.
Das von den Eltern mitgegebene Taschengeld wurde einbehalten und am Ende des Aufenthalts wurde ein Basar veranstaltet, auf dem man Souvenirs für sich selbst und die Familie kaufen konnte. Ich weiß noch, dass ich nur zwei Artikel haben wollte (eine Kuckucksuhr und einen kleinen grauen Porzellan-Seehund) und mehrfach nachgefragt wurde, ob ich wirklich nicht mehr kaufen will. Letztlich war meine Kaufzurückhaltung dann aber okay.
An den Tagesablauf kann ich mich nur noch vage erinnern. Es gab täglich einen längeren Mittagsschlaf. Einmal gab es einen Ausflug zum Schlitten fahren.

Außer, dass ich es die ganze Zeit schrecklich fand, weil ich keine Freunde vor Ort hatte, einsam war und deswegen schreckliches Heimweh litt, kann ich mich an keine Beschäftigungen, Spiele etc. erinnern. Ich habe viel geweint. Ob ich getröstet wurde, weiß ich nicht.

Zu Beginn einer Mittagsruhe musste ich zur Toilette. Um diese aufzusuchen, war einer der Gruppenräume zu durchqueren. Ein Mädchen meldete am Abend, ihr Lippenpflegestift sei nicht mehr da. Sie (oder ein anderes Kind) habe mich jedoch beim Herumschleichen im Gruppenraum gesehen. Wegen des "angeblich woanders abgestellten Koffers" galt ich bei den Betreuerinnen ja schon als Lügner. Nun aber wurde ich vor vielen anderen Kindern bloßgestellt und musste mich rechtfertigen. Ich war verzweifelt, da ich mit der Situation völlig überfordert war. "Hilflos und allein gelassen" beschreibt nur unzureichend, was ich damals gefühlt habe. Der Lippenpflegestift fand sich übrigens ein paar Tage später unter einem Schrank, wohin er wohl unbeabsichtigt gerollt war. Ich glaube, dass ich seit der "Anklage" von vielen der anderen Kinder gemieden worden war. Seit dem Zeitpunkt fühlte ich mich jedenfalls völlig isoliert.

Als ganz besonders schlimm habe ich empfunden, dass man gezwungen wurde, in der Post nach Hause zu lügen. In regelmäßigen Abständen war man angehalten, einen Brief oder eine Postkarte zu verfassen. Aufgrund meines Alters (5 J.) konnte ich noch nicht selber schreiben, sondern war darauf angewiesen, den "Tanten" zu diktieren. Ich wollte, dass sie schreiben, dass ich es ganz schlimm in Brilon finde und dass ich sofort nach Hause will. Dies wurde schlichtweg verweigert, stattdessen gab es Formulierungsvorschläge, die keine Kritik enthielten. Und man hatte keine andere Chance, als sie zu akzeptieren, da massiv Druck ausgeübt wurde.

An körperliche Züchtigung habe ich keine Erinnerung. Auch nicht daran, dass Erbrochenes wieder aufgegessen werden musste, dass es Essigwasser zu trinken gab oder täglich einen Löffel Honig - wovon in anderen Berichten zu lesen ist.

Es sind vielmehr seelische Grausamkeiten und/oder plötzlich wieder hochkommende Gefühle der Demütigung und Hilflosigkeit, die bei mir noch immer mit dem Ort verknüpft sind. An manchen Tagen reicht dafür ein Blick auf ein Verkehrsschild/einen Wegweiser nach Brilon oder auf eine Landkarte.

Die geschilderten Erinnerungen mögen jeweils für sich genommen gar nicht so schrecklich klingen, der Vorfall beim Baden ist sogar zum Schmunzeln. Dennoch: nach Brilon war ich kein fröhliches, unbeschwertes Kind mehr. Ich fing nachweislich danach an, mich aus dem sozialen Leben zurückzuziehen, wurde kontaktscheu, still und in mich gekehrt. Bei Ungerechtigkeiten habe ich, auch wenn ich im Recht war, kaum noch aufbegehrt, sondern vielmehr schnell resigniert. Eine gute Kindheit und Jugend hatte ich nicht. Ich war immer ein Außenseiter; jemand, der sich nicht wehren konnte und auf dem man (deswegen) gerne herumgehackt hat. Es hat mich einige Jahre Therapie gekostet, das wieder hinzubekommen.

Ausdrücklich weise ich die "Schuld" für die Schwierigkeiten in meinem Leben nicht nur dem Aufenthalt in Brilon zu. Auch mein Elternhaus war sicher nicht hilfreich für eine günstigere Entwicklung. Aber das ist eine andere Geschichte, die nicht hierher gehört.
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P.Becker aus Bonn schrieb am 01.11.2022
Mit 8Jahren entschied ein Arzt HNO mich aufgrund meiner ständigen Infektkrankheiten um mein Immunsystem zu stärken 1984 in eine sogenannte"sechswöchige Kinderkur" zu verschicken.Das Schreckliche war, dass ich zuvor einen jahrelangen manipulativen Scheidungskrieg zwischen meinen Eltern miterlebt hatte und dann so zeitnah noch obendrein "in Kur geschickt wurde".
Ich habe dort schreckliches Heimweh gehabt.
Meine Eltern haben mir jeden Tag einen Brief geschrieben.
In dem Heim (Haus Meerstern) war es grauenhaft Viele Kinder waren traumatisiert kamen aus Kinderheimen auf dem Festland wo sie auch schon die schwarze Pädagogik erfahren mussten und diese dann auf Spiekeroog an den Kindern, die sie aus ihrer Sicht als aus vermeintlich "besser" gestellten Familien sahen, massiv mobbten und sadistisch quälten.
Ich kann mich an eine Betreuerin erinnern die abends immer vorlas aus mitgebrachten Büchern.Das war sehr tröstend.Ich erinnere mich auch an Drill und Zwang in die Inselkirche gehen zu müssen.Zu der damaligen Zeit war es gesellschaftlich so gewünscht.
Leider hielten die Kinder nicht zusammen, das war gewünscht Die "fest angestellten Betreuer des Hauses Meerstern die die Kinderkurmaßnahmen begleiten sollten handelten nicht zum Wohl der Kinder.
Es gab für alle Kinder Küchenarbeit und Strafmaßnahmen waren reinigen der Küche und Klo statt Ausflüge mitmachen zu dürfen, Auch die Prügel auf den Po erinnere ich dass sie anderen geschahen und wie mir die Betreuerin S. (die als Studentin mitgefahren war als "Ferienfreizeitbetreuerin")wie sie mir die damals die Ohren einmal zuhielt als das Kind schrie dabei.
Auch die Briefe die ich an meine Eltern schrieb wurden gegengelesen und mir wurde gesagt dass ich bestimmte Passagen rausnehmen soll.Es wurde gedroht und eingeschüchtert.Es wurde mir einmal auch gesagt von einer verhärmten schrecklichen alten weißhaarigen kleineren stämmigen Betreuerin in weißem Kittel" ob ich auch im Kinderheim landen wolle wie der Peter, dann würde ich meine Eltern sehr traurig machen und sie bekämen dann ein lieberes Kind als mich" das gehorcht und ein dankbarereres.""Ich wisse nicht wie gut ich es habe,"
Ich bin daraufhin aus dem Heim weggelaufen zum Hafen und hab gefragt wann die nächste Fähre nach B. geht.....
Ich hatte Glück im Unglück.
Ein älterer Kapitän? Matrose? von der Fähre nahm mich an die Hand und brachte mich zurück zum Haus Meerstern mit dem Versprechen, dass ich dort gut behandelt würde ab sofort.
Wir hatten eingetrichtert bekommen wenn wir uns mal " verlaufen" sollten sollten wir sagen wir gehören zum Haus "Meerstern".
Als ich wieder im Haus Meerstern war hatte ich Angst vor Bestrafung.Doch die Betreuerin S beschützte mich und sagte mir sie würde hier selbst auch nicht mehr mitfahren sie sei nicht einverstanden mit den "Methoden" so dürfe man mit Kindern nicht umgehen, jedes Kind habe eine schwierige Vergangenheit".Man hätte sie beauftragt sie solle mich ausfragen ob ich weggelaufen sei und dann bestrafen was sie aber nicht tun würde.Sie vertrete eine andere Meinung.Sie und Ich spürten das Unrecht in dem Haus und ich verstand vieles einfach(noch) nicht.
Zum Beispiel dass es auch Erwachsene gibt die mit Freude Kinder missbrauchen und quälen.
Ich hatte eine Strichliste gemacht das war S Idee und ich strich jeden Tag vor Freude weg wenn es näher an die Abreise ging.
Als ich wieder Zuhause war habe ich stundenlang geweint.Ich war ziemlich verstört danach und als derselbe Arzt mich mit 15 noch einmal in Kur schicken wollte wollte ich keinesfalls mehr nach Spiekeroog.
Mit meinem Mann war ich vor zwei Jahren als Tagesgast dort um zu gucken ob mir Erinnerungen kommen weil ich Spiekeroog nie wieder besuchen wollte und es waren dunkle keine schönen Erinnerungen.Das ehemalige "KindererholungsHaus"Meerstern steht noch mit den alten Fenstern dort.Die Wiese hinter dem Haus habe ich betreten und mir kamen die Tränen und wir mussten schnell wieder gehen.So eine schöne Insel und so eine schreckliche Erinnerung an das Haus, das kein "KindererholungsHaus mehr ist und nie wirklich war"
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Elisabeth Dieckmann aus Möhnesee schrieb am 30.10.2022
Ich habe keine guten Erinnerungen an das Heim.Frau Dr. Selters war ein Teufel.Wenn wir nicht essen wollten,was es gab,bekamen wir gekochte Nudeln ohne Sauce und mussten so lange auf dem Stuhl sitzen bleiben, bis wir alles aufgegessen haben.Pakete von zu Hause wurden nicht ausgehändigt.Ich leide noch heute unter dem negativen Erlebnis.Morgens 6 Uhr bürstenmassagen und Molke,das war echt ätzend.
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Michaela aus Wiek schrieb am 29.10.2022
Ich war ein Verschickungskind im Kindergenesungsheim in Oy Mittelberg 1964

Der Beginn

Ich, Michaela und meine Schwester Eva kamen im Herbst 1964 für ca. 8 Wochen in das Kindergenesungsheim Oy Mittelberg im Allgäu. Bei meiner Schwester Eva gibt es nur noch wenig Erinnerung an unseren Aufenthalt; ich erinnere mich sehr gut.

Wir kamen aus München-Perlach. Meine Schwester Eva war 5 Jahre und ich 7,5 Jahre. Ich war ein dünnes Kind und, wie die Lehrer sagten, schlecht in der Schule und langweilig. Meine Schwester war lebhaft und eher „fester“ aber nicht dick. Wir waren gute Esser. Meine Schwester und ich hatten die letzten 1,5 Jahr mit Keuchhusten und Masern zu tun, so dass ein regelmäßiger Schulbesuch oft nicht statt fand.

Am 27. September 1964 kam unsere kleine Schwester Erika zur Welt. Es ging ihr sehr schlecht und meine Eltern mussten sie in München in der Klinik lassen und konnten das Baby erst nach ca. 3 Wochen nach Hause holen. Das müsse dann so zwischen 15. und 20. Oktober 1964 gewesen sein. Meine Schwester Eva und ich bekamen das Baby nicht zu sehen, da wir kurz vor der Klinikentlassung des Babys nach Oy geschickt wurden.

Um unsere Mutter mit dem neuen Baby zu entlasten, gaben die Eltern dem Hausarzt ihr Einverständnis zu unserer „Kur“. Eingewiesen hat uns unser Hausarzt Dr. Kampa in Perlach über das Müttergenesungswerk. Das hat uns unsere Mutter später erzählt.

Die Vorbereitungen

Ein Besuch im Heim durch unsere Eltern war verboten.
Es wurde uns Briefpost zum beschreiben von den Eltern eingepackt. Schon fertig mit der Heimatadresse und einer Briefmarke versehen. Unsere Kleider und Schürzen, die wir tragen sollten, waren alle mit Wäscheetiketten und unseren Namen benäht. Spielzeug oder Kuscheltier durfte nicht mitreisen.

Reise

Die Eltern brachten uns zum Hauptbahnhof München. Von dort ging der Zug mit vielen Kindern ins Allgäu. Mit Zwischenstationen in mehreren Kurorten, wo ebenfalls Kinder ausstiegen, kamen wir in Oy an. Dort wurden wir abgeholt. Wie, weiß ich nicht mehr.

Ankunft

In Oy Mittelberg gab es eine große Kinderkurklinik und ein oder mehrere angeschlossene Kindergenesungsheime.

Schon als ich unser Genesungsheim von außen sah und die vielen Kinder wurde mir Angst und ich hatte Heimweh.

Mädchen und Buben wurden erst mal vor dem Heim auseinandersortiert und wir durften nicht reden. Die Jungs, die mit uns gereist waren, wurden abgezweigt und von einem Lehrer weggebracht. Ich vermute, in ein weiteres Gebäude. Wir haben die Buben dann nur noch vereinzelt bei den ärztlichen Untersuchungen gesehen, bei denen wir auch nicht mehr miteinander sprechen durften.

Personal

Das Heim wurde von katholischen Nonnen geführt. Nachträglich konnte ich recherchieren: Die Schwestern kamen aus dem Kloster Mallersdorf – Mutterhaus der Armen Franziskanerinnen.

Zusammenhängend ist dazu zu sagen: Ich und meine Schwester Eva wurden in Mallersdorf geboren und lebten nun in München Perlach. Meine Lehrer dort und die Frauen im Kindergarten meiner Schwester waren ebenfalls Klosterschwestern. Mir flößten diese Schwestern stets Angst und Entsetzen ein. Meine Schwester ging allerdings gerne in diesen Kindergarten.

Aufteilung

Im Flur im Innenbereich angekommen, wurden meine Schwester Eva und ich „aufgeteilt“. Eva kam in eine andere Gruppe als ich und sollte zu den „Kleinen“. Ich kam in die Gruppe der „Großen“. Lange wurde von den Schwestern diskutiert, ob ich altersgemäß überhaupt in diese Gruppe passen könnte. Man hielt mich für zu jung, entschied sich dann aber doch für die „große“ Gruppe.

Wir mussten uns also sofort trennen. Unser Gepäck wurde von den Schwestern in unsere Schlafräume gebracht. Meine Schwester Eva weinte.

Was später mit meiner Schwester in ihrer Gruppe passierte, konnte ich oft nur durch lautes Weinen erahnen, da wir ständig durch Türen getrennt waren.

Im Zimmer der „Großen“ habe ich bemerkt, dass es anscheinend im Heim mehrere größere Mädchen gab, die ständig dort lebten.

Tagesablauf

Frühes aufstehen, ein paar mal wöchentlich frühmorgens ein langer Marsch in eine Bergkirche in dem dann ein Frühgottesdienst abgehalten wurde. Waschen. Frühstück. Briefe schreiben. Spielen. Mittagessen. Mittagsruhe. Spielen. Abendessen. Waschen. Schlafengehen. Die „größeren“ Mädchen, die ständig dort wohnten, gingen vormittags zur Schule. Ich kann mich an keine Ausflüge erinnern. Einmal waren wir nachmittags zum Schlitten fahren.

Das Essen

Das Essen fand an langen Tischen statt. Für jede Gruppe in deren Aufenthaltsraum. Jedes Kind hatte einen festen Platz mit einer Schublade unter der Tischplatte. Dort hinein kamen die vorgefertigten, mitgebrachten Briefkarten.

Es gab sehr fettes Fleisch, das ich als Kind nicht essen konnte. Mir graute einfach davor und ich würgte es ständig heraus. Ich musste es aber aufessen. Ich musste solange vor dem Teller sitzen, bis ich aufgegessen hatte. Es ging noch weiteren Kindern so.

Ich konnte das nicht essen und habe erbrochen. Um diese Tortur nicht weiter mitmachen zu müssen, habe ich das restliche Essen mit dem Fett in die Schublade unter mir geschüttet. Um das Briefpapier zu schützen habe ich mit Brot eine Barriere gebaut.

Als der Kuraufenthalt endete, war die Schublade voll, das Briefpapier leer und alles schimmelig. Aber dieses Essen brauchte ich wenigstens nicht mehr essen.

Meine Schwester Eva hatte solchen Hunger, dass sie einmal den Essenslift im Vorraum abwartete und anfing, die Suppen für das Mittagessen schon aus dem Lift zu löffeln. Sie war 5. Dann hörte ich nur noch Geschrei und es wurde nach mir gerufen. Ich sollte kommen und mir das Balg ansehen, das so sträflich gehandelt hatte. Meine Schwester wurde vor allen anderen Kindern verprügelt bis sie sich einnässte. Ich musste mit meiner weinenden Schwester dann zur Strafe mit ihr in die Schlafräume und sie umziehen. Wir durften erst zum Abendessen wieder in die Aufenthaltsräume. Wir mussten uns gegenseitig trösten. Niemand durfte dort an diesem Abend mehr mit uns sprechen.

Wir bekamen zu den jeweiligen Essen mehrere Tabletten auf den Tellerrand gelegt. Was das für Tabletten waren, kann ich natürlich nicht mehr sagen.

Manchmal kullerten die Tabletten in die Suppe und haben das Essen verbittert. Wir mussten trotzdem Essen. Es ist mir ein Mädchen in Erinnerung, das nicht die Suppe essen wollte und der die Suppe von einer Schwester regelrecht gewaltsam mit dem Löffel verabreicht wurde.

Einmal gab es einen Apfel zur Nachspeise. Mein Apfel war wurmig und auf einer Seite faulig. Aber ich musste abbeißen. Als die Schwester nicht mehr guckte, steckte ich den Apfel in meine Schürzentasche. Beim nächsten Toilettengang dachte ich mir aus, könnte ich den Apfel in der Toilette entsorgen. Das tat ich auch. Ich wusste nicht, dass Äpfel im Wasser schwimmen. Eine Klosterschwester riss die Toilettentür auf, guckte ins Klo, sah den Apfel. Ich musste ihn herausholen und sollte den Apfel vor allen Kindern essen. Ich versuchte es und musste wieder erbrechen. Die Strafe war, ich sollte den Apfel im Laufe des Tages essen, mein Erbrochenes aufwischen und die Strafe der „großen“ Mädchen abwarten. Das tat ich.

Ich steckte den Apfel wieder in die Schürzentasche. Dort gammelte er und wuchs sozusagen durch den Stoff durch bis wir wieder nach Hause kamen.

Ich kann mich nicht an gute und entspannte Essen dort erinnern.

Körperhygiene

Wir mussten 1 x in der Woche duschen. Dazu wurden wir alle in einen großen Raum im Keller gebracht. Der Raum war mit Holzpaletten ausgelegt und die Duschköpfe waren an der Raumdecke angebracht. Wir mussten unsere Unterwäsche anlassen und durften uns nicht am Unterleib berühren. Auch durften wir uns gegenseitig nicht anfassen, nicht lachen.
Dann wurde die Raumtüre geschlossen und von außen die Dusche aufgedreht. Das ging über Heiß- bis Kaltwasser. Es gab für uns keinen Schutz im Raum. Ein großes Kind machte uns vor, wie wir uns mit dem Waschlappen wo waschen sollten. Heiß- oder Kaltwasser kam willkürlich und wir konnten nicht aus. Eine Schwester stand vor der Tür und beobachtete die Prozedur durch eine Glasscheibe. Manche Kinder schützten sich, indem sie die Hände vor ihr Gesicht hielten. Manche weinten andere standen einfach total erstarrt da. Ich durfte meiner kleinen Schwester nicht helfen.

Toilettengänge durften nur zu angegebenen, bestimmten Zeiten statt finden. Sollte man das nicht aushalten, folgten Strafen. Eckestehen. Auslachen. Kein Nachmittagskaffee.

Spielzeug

Meiner Meinung nach gab es kein altersgerechtes Spielzeug in meiner Gruppe. Ich klebte Wochenlang nur kleine Tiere aus Plastikfolie auf eine Plastikunterlage. Gesellschaftsspiele durfte ich nicht mitspielen oder nur dann, wenn man mich auch bestrafen konnte. Wie es bei den „Kleinen“ aussah, weiß ich nicht und meine Schwester Eva erinnert sich auch nicht mehr.


Arztbesuche und Medikamente

Einmal wöchentlich kam ein Arzt und auch der Pfarrer. Die Schwestern waren an diesem Tag immer sehr aufgeregt. Pfarrer und Arzt wurden hofiert. Wir mussten uns gut und sauber anziehen und durften nicht sprechen. Der Arzt schlug uns mit einem Hämmerchen aufs Knie und hörte die Lunge ab. Weiter passierte meiner Ansicht nach nichts. An diesem Tag bekamen wir manche von den Jungs die mit uns ankamen wieder zu sehen, durften aber nicht mit ihnen sprechen.

Tabletten bekamen wir in größeren Mengen täglich auf den Tellerrand gelegt. Ich kann mich erinnern, dass ich einmal eine Spritze bekam.

Feste

Am Nikolaustag bekamen Eva und ich von unseren Eltern einen Nikolaussack zugeschickt. Wir freuten uns so sehr. Jedes Jahr brachte uns der Nikolaus ja etwas. Damals waren es Äpfel, Nüsse, Orangen, Lebkuchen und einen Schokoladennikolaus.

Es wurde am Nikolaustag nach dem Abendessen die Kinder alle einberufen. Vor unseren Augen wurde dann der Inhalt unseres Nikolaussackes an alle verteilt. Eva und ich bekamen nichts. Mit den Worten einer Schwester: Da kann man mal sehen, was Kinder hier bekommen, die sonst alles haben. Wir waren nicht reich.

Wir hatten einmal ein Geburtstagskind, die etwas Süßes von den Eltern bekam, dort wurde es genauso gehandhabt.

Eine Strafe für Kinder, deren Eltern ihnen ein kleines Geschenk andachten.

Briefe

Die mitgebrachten Briefkarten wurden ein- oder zweimal wöchentlich an die Eltern geschrieben. Meine erste Karte enthielt wahrheitsgemäß den Satz, dass es uns Kindern hier nicht gefällt, Heimweh hatten und wir wieder nach Hause möchten. Dieser Brief wurde von den Schwestern abgefangen, gelesen. Daraufhin wurde der Brief vor meinen Augen und allen anderen Kindern zerrissen und ich musste schreiben: „Liebe Mama, lieber Papa, wie geht es Euch? Uns geht es gut. Liebe Grüße, Eure Eva und Michaela.“ Diese Briefe hatte meine Mutter aufgehoben bis sie verstarb.

Mir wurde gedroht, dass meine Eltern uns nicht mehr zurück haben wollten, wenn ich nicht das schreibe, was die Schwestern sagten.

Nachtruhe

Ich schlief in einem kleineren Schlafraum mit hohen Decken mit weiteren 3 Mädchen aus der großen Gruppe, die auch zur Kur dort waren.

Meine Schwester musste in einem sehr großen Schlafsaal schlafen in dem viele kleinere Mädchen schliefen.

Der Schlafraum war durch eine Tür mit unserem Zimmer verbunden. Wir durften die Tür aber nicht öffnen. Wir taten es aber doch. Mehrer „größere“ Mädchen hatten ja ein Geschwisterkind mitgebracht. Es war gut zu sehen, dass unsere Geschwister ja sozusagen neben uns lagen.

Das Licht wurde durch die Schwestern ausgeschaltet und durfte nicht mehr angeschaltet werden. Es durfte Nachts nicht mehr zur Toilette gegangen werden. Es durfte nicht mehr miteinander gesprochen werden.

Oft weinten wir größeren Mädchen leise in unseren Betten.

In den Nächten wurden die Schlafraumtüren willkürlich aufgerissen. Licht angeschaltet und kontrolliert, ob wir großen Mädchen im Bett waren.

Bei den „Kleinen“ wurden die Bettdecken weggerissen, die Kinder aus dem Bett gezogen und die Laken kontrolliert. Manche von den Kleinen hatten eingenässt. Die Laken wurden herausgerissen aus den Betten, die Kinder am Arm gepackt und durch anschreien und Schläge bestraft. Es wurde jedesmal ein Kind ausgesucht, das dann im Keller in einen kleinen, fensterlosen Raum gesperrt. Dort musste es die Nacht verbringen. Ob es am Tage noch dort war, kann ich nicht sagen, da ich tagsüber nicht in die Räumlichkeiten der „Kleinen“ kam.

Das Einsperren der „Kleinen“ haben wir „Größeren“ nur herausgefunden, weil manche von uns Nachts an dieser Tür im Keller barfuß, im Schlafanzug und mit dem Gesicht zur Wand im Dunkeln auf den kalten Fliesen „stehen“ musste. Wenn wir zum Beispiel Nachts noch miteinander sprachen oder auf die Toilette huschten.. Wenn man auf Grund der Kälte zur Toilette musste, musste man einnässen, durfte sich nicht wegbewegen und handelte sich wieder eine Strafe für den nächsten Tag ein.

Wir Größeren haben dann beschlossen, dass wir jede Nacht nach den Kleinen schauen müssten. Die Kinder sollten sagen, ob sie eingenässt hätten. Dann haben wir Großen die Laken im Dunkeln abgezogen und haben unsere eigenen Laken eingelegt. Die eingenässten Laken versuchten wir Großen über unserer Heizung zu trocknen, wenn die „Kontrolle“ vorüber war.

Also hatten wir Nachts viel zu tun. An viel Schlaf war nicht zu denken. Wir mussten leise damit umgehen und ständig auf der Hut vor Kontrolle sein.

Einmal kam die Schwesternkontrolle und wir sprangen alle in unsere Betten. Mein Bein war noch nicht unter der Bettdecke verschwunden. Also musste ich diese Nacht das „stehen“ übernehmen und sah die Tür des „Gefängnisses“ und hörte darin ein Kind. Wir konnten und durften nicht durch die Tür miteinander sprechen. So haben wir nur leise an die Tür geklopft und haben versucht, etwas durchs Schlüsselloch zu sehen. Das war aber bei der Dunkelheit nicht möglich.

Wir Großen wussten also was geschah mit den Kleinen und damit auch mit unserern Geschwistern und wir konnten nicht helfen, da wir so schlimm bestraft wurden.

Strafen durch „größere“ Kinder

Die Schwestern wiesen die Mädchen an, die anscheinend ständig dort lebten, sich Strafen für mich auszudenken und diese an mir zu vollziehen. Dann sollten die Mädchen etwas „gut“ haben.

Meine Strafen waren:

Mir wurden die Augen verbunden, dann wurde ich um mich selbst gedreht, angehalten, dann wurde meine Hand genommen und auf einen stacheligen Kaktus geschlagen. Die Stacheln musste ich mir selber herausmachen. Meine Handfläche war entzündet.

Ich wurde gekniffen indem mir die Haut gedreht wurde, bis ein blauer Fleck entstand.
Es wurde an meinen Haaren gezogen, Haare ausgerissen und auf die Zehen getreten.

Nach meinen Bestrafungen durch die größeren Mädchen wurden diese von den Schwestern offen hervorgehoben und gelobt.

Strafen durch die Schwestern

Prügel, Essenszwang, Sitzstrafen, Stehstrafen, Haftstrafen, Redeverbot, Lachverbot, Weinverbot, Erniedrigung vor allen anderen Kindern und Schwestern und auslachen in der Gruppe mit Fingerzeigen. Drohungen, dass wir nicht mehr nach Hause dürften und unsere Eltern uns nicht mehr haben wollten.

Wieder Zuhause

Wir haben zuhause nichts davon unseren Eltern erzählt. Wir hatten Angst, wieder in das Heim zu müssen.
Ich hatte Angst vor Erwachsenen. Sogar noch, als ich eine junge Frau war und selbst schon Mama war..
Ich hatte Angst vor Strafe. Ich hatte Angst, ich könnte keine Toilette in der Nähe haben.
Ich hatte Angst vor der Schule und den Lehrern. Dort waren ja auch Schwestern.
Ich war schlecht in der Schule. Ich war still. Ab und an nässte ich ein.

Ich hatte einen starken Gerechtigkeitssinn entwickelt und verspürte Zorn, Enttäuschung und Wut wenn Gerechtigkeit nicht statt fand und ich nichts gegen Ungerechtigkeit tun konnte.

Ich kam nicht mit mehr Gewicht zurück, meine Schwester hatte auch nicht abgenommen. Wir waren auch nicht gesünder als vorher. Wir bekamen weiterhin Kinderkrankheiten und hatten ständig mit Husten zu tun.

Wie es meiner Schwester seelisch und erging kann ich nur erahnen, da wir vor lauter Angst nicht darüber sprachen.

Im Laufe der Jugendjahre entwickelten meine Schwester und ich die Krankheit Morbus-Crohn.

Aufarbeitung

Ich wurde 2011 sehr krank und die Erinnerung an diese Verschickungszeit ließ mich nicht los.

Ich schrieb damals auf, an was ich mich an unseren Aufenthalt im Heim erinnerte und erschrak fürchterlich über diese Misshandlungen.

Ich befragte ich meine Mutter, ob sie von den Zuständen in dem Kindergenesungsheim in Oy Mittelberg gewusst hatte oder etwas geahnt hätte. Sie hatte davon keine Ahnung und nichts bemerkt.
Meine Schwester Eva konnte sich nur an ganz wenig dort erinnern. Aber an das „Loch“, wie sie es nannte, wo die Kinder eingesperrt wurden, an das konnte sie sich erinnern.
Sie machte sich mit meiner Mutter auf den Weg nach Oy Mittelberg und fand auch das ehemalige Kindergenesungshaus dort wieder. Sie konnte es nicht betreten, da dort wieder eine Einrichtung für Kinder darin ist. Aber von außen fand sie den Kellerzugang zu dem dunklen Flur, wo das „Loch“ für die Kleinen war, sofort wieder.

Ich schrieb daraufhin einen Brief an das Mutterhaus der Mallersdorfer Schwestern und bekam da auch Antwort. Mir wurde gesagt, dass die Erziehungsmethoden damals halt so waren, dass ihnen das alles sehr leid täte und ich gerne einmal in das Mutterhaus kommen könnte, um mein Gewissen zu erleichtern. Leider ging mein Brief an das Schwesternhaus sowie die Antwort verloren. Ich bin auf der Suche danach, denn es kann eigentlich nicht sein, dass ich das alles weggeworfen hätte.

Ich lebe nicht mehr in Bayern. Ich betreibe zwei Ferienwohnung auf der Insel Rügen. Auch dort gibt es immer noch eine Mutter-Kind-Klinik. Während DDR-Zeiten war es das Kindergenesungsheim Frohe Zukunft. Bereits zwei mal hatte ich Gäste (Männer) in meinem Haus, die mit Ihrer Mutter kamen um den Ort ihrer Misshandlung zu besuchen und ihren völlig ahnungslosen Müttern alles zu erzählen und das Heim wenigstens von außen zu zeigen.

Durch einen Besuch bei unserem Trauzeugen habe ich erfahren, dass auch er in so ein Genesungsheim verschickt wurde und Erinnerungen durch meine Erzählung bei ihm wieder aufkommen. Er wird seine Mutter fragen, wo er hin verschickt wurde.

Ich bin im Internet darauf gestoßen, dass ein NS-Arzt Dr. Hensel bis ins Jahr 1965 in der Kinderkurklinik Oy-Mittelberg als Arzt tätig war. Dieser Arzt hat in Kaufbeuren in einer Kinderkurklinik während der NS-Zeit Versuche an kranken Kindern und behinderten Kindern zur TBC-Erkrankung vorgenommen und wechselte dann nach Oy Mittelberg. Von diesen „minderwertigen Versuchskindern“ verstarben mehrere. Es gab auch einen Prozess in dem er freigesprochen wurde und seine Arbeit als Arzt fortsetzen durfte.

Zitat Wikipedia: Georg Hensel, Pulmologe, 1939 Oberarzt Kinderheilstätte Mittelberg, führte dort tödliche TBC-Versuche an behinderten Kindern durch. 1946 Freispruch, 1960 neues Verfahren eingestellt.[18]

Für mich hat das alles schon Zusammenhänge und Methode.

Jetzt habe ich diese wunderbare Seite gefunden. Ich bin zutiefst entsetzt über das Leid so vieler Kinder, die jetzt alle schon erwachsen sind.

Alle erworbenen Ängste, alle erworbenen Erkrankungen, alle Misshandlungen an den Verschickungskindern müssen sofort offengelegt werden.


28.10.2022, Michaela Seliga


Ich war ein Verschickungskind im Kindergenesungsheim in Oy Mittelberg 1964

Der Beginn

Ich, Michaela und meine Schwester Eva kamen im Herbst 1964 für ca. 8 Wochen in das Kindergenesungsheim Oy Mittelberg im Allgäu. Bei meiner Schwester Eva gibt es nur noch wenig Erinnerung an unseren Aufenthalt; ich erinnere mich sehr gut.

Wir kamen aus München-Perlach. Meine Schwester Eva war 5 Jahre und ich 7,5 Jahre. Ich war ein dünnes Kind und, wie die Lehrer sagten, schlecht in der Schule und langweilig. Meine Schwester war lebhaft und eher „fester“ aber nicht dick. Wir waren gute Esser. Meine Schwester und ich hatten die letzten 1,5 Jahr mit Keuchhusten und Masern zu tun, so dass ein regelmäßiger Schulbesuch oft nicht statt fand.

Am 27. September 1964 kam unsere kleine Schwester Erika zur Welt. Es ging ihr sehr schlecht und meine Eltern mussten sie in München in der Klinik lassen und konnten das Baby erst nach ca. 3 Wochen nach Hause holen. Das müsse dann so zwischen 15. und 20. Oktober 1964 gewesen sein. Meine Schwester Eva und ich bekamen das Baby nicht zu sehen, da wir kurz vor der Klinikentlassung des Babys nach Oy geschickt wurden.

Um unsere Mutter mit dem neuen Baby zu entlasten, gaben die Eltern dem Hausarzt ihr Einverständnis zu unserer „Kur“. Eingewiesen hat uns unser Hausarzt Dr. Kampa in Perlach über das Müttergenesungswerk. Das hat uns unsere Mutter später erzählt.

Die Vorbereitungen

Ein Besuch im Heim durch unsere Eltern war verboten.
Es wurde uns Briefpost zum beschreiben von den Eltern eingepackt. Schon fertig mit der Heimatadresse und einer Briefmarke versehen. Unsere Kleider und Schürzen, die wir tragen sollten, waren alle mit Wäscheetiketten und unseren Namen benäht. Spielzeug oder Kuscheltier durfte nicht mitreisen.

Reise

Die Eltern brachten uns zum Hauptbahnhof München. Von dort ging der Zug mit vielen Kindern ins Allgäu. Mit Zwischenstationen in mehreren Kurorten, wo ebenfalls Kinder ausstiegen, kamen wir in Oy an. Dort wurden wir abgeholt. Wie, weiß ich nicht mehr.

Ankunft

In Oy Mittelberg gab es eine große Kinderkurklinik und ein oder mehrere angeschlossene Kindergenesungsheime.

Schon als ich unser Genesungsheim von außen sah und die vielen Kinder wurde mir Angst und ich hatte Heimweh.

Mädchen und Buben wurden erst mal vor dem Heim auseinandersortiert und wir durften nicht reden. Die Jungs, die mit uns gereist waren, wurden abgezweigt und von einem Lehrer weggebracht. Ich vermute, in ein weiteres Gebäude. Wir haben die Buben dann nur noch vereinzelt bei den ärztlichen Untersuchungen gesehen, bei denen wir auch nicht mehr miteinander sprechen durften.

Personal

Das Heim wurde von katholischen Nonnen geführt. Nachträglich konnte ich recherchieren: Die Schwestern kamen aus dem Kloster Mallersdorf – Mutterhaus der Armen Franziskanerinnen.

Zusammenhängend ist dazu zu sagen: Ich und meine Schwester Eva wurden in Mallersdorf geboren und lebten nun in München Perlach. Meine Lehrer dort und die Frauen im Kindergarten meiner Schwester waren ebenfalls Klosterschwestern. Mir flößten diese Schwestern stets Angst und Entsetzen ein. Meine Schwester ging allerdings gerne in diesen Kindergarten.

Aufteilung

Im Flur im Innenbereich angekommen, wurden meine Schwester Eva und ich „aufgeteilt“. Eva kam in eine andere Gruppe als ich und sollte zu den „Kleinen“. Ich kam in die Gruppe der „Großen“. Lange wurde von den Schwestern diskutiert, ob ich altersgemäß überhaupt in diese Gruppe passen könnte. Man hielt mich für zu jung, entschied sich dann aber doch für die „große“ Gruppe.

Wir mussten uns also sofort trennen. Unser Gepäck wurde von den Schwestern in unsere Schlafräume gebracht. Meine Schwester Eva weinte.

Was später mit meiner Schwester in ihrer Gruppe passierte, konnte ich oft nur durch lautes Weinen erahnen, da wir ständig durch Türen getrennt waren.

Im Zimmer der „Großen“ habe ich bemerkt, dass es anscheinend im Heim mehrere größere Mädchen gab, die ständig dort lebten.

Tagesablauf

Frühes aufstehen, ein paar mal wöchentlich frühmorgens ein langer Marsch in eine Bergkirche in dem dann ein Frühgottesdienst abgehalten wurde. Waschen. Frühstück. Briefe schreiben. Spielen. Mittagessen. Mittagsruhe. Spielen. Abendessen. Waschen. Schlafengehen. Die „größeren“ Mädchen, die ständig dort wohnten, gingen vormittags zur Schule. Ich kann mich an keine Ausflüge erinnern. Einmal waren wir nachmittags zum Schlitten fahren.

Das Essen

Das Essen fand an langen Tischen statt. Für jede Gruppe in deren Aufenthaltsraum. Jedes Kind hatte einen festen Platz mit einer Schublade unter der Tischplatte. Dort hinein kamen die vorgefertigten, mitgebrachten Briefkarten.

Es gab sehr fettes Fleisch, das ich als Kind nicht essen konnte. Mir graute einfach davor und ich würgte es ständig heraus. Ich musste es aber aufessen. Ich musste solange vor dem Teller sitzen, bis ich aufgegessen hatte. Es ging noch weiteren Kindern so.

Ich konnte das nicht essen und habe erbrochen. Um diese Tortur nicht weiter mitmachen zu müssen, habe ich das restliche Essen mit dem Fett in die Schublade unter mir geschüttet. Um das Briefpapier zu schützen habe ich mit Brot eine Barriere gebaut.

Als der Kuraufenthalt endete, war die Schublade voll, das Briefpapier leer und alles schimmelig. Aber dieses Essen brauchte ich wenigstens nicht mehr essen.

Meine Schwester Eva hatte solchen Hunger, dass sie einmal den Essenslift im Vorraum abwartete und anfing, die Suppen für das Mittagessen schon aus dem Lift zu löffeln. Sie war 5. Dann hörte ich nur noch Geschrei und es wurde nach mir gerufen. Ich sollte kommen und mir das Balg ansehen, das so sträflich gehandelt hatte. Meine Schwester wurde vor allen anderen Kindern verprügelt bis sie sich einnässte. Ich musste mit meiner weinenden Schwester dann zur Strafe mit ihr in die Schlafräume und sie umziehen. Wir durften erst zum Abendessen wieder in die Aufenthaltsräume. Wir mussten uns gegenseitig trösten. Niemand durfte dort an diesem Abend mehr mit uns sprechen.

Wir bekamen zu den jeweiligen Essen mehrere Tabletten auf den Tellerrand gelegt. Was das für Tabletten waren, kann ich natürlich nicht mehr sagen.

Manchmal kullerten die Tabletten in die Suppe und haben das Essen verbittert. Wir mussten trotzdem Essen. Es ist mir ein Mädchen in Erinnerung, das nicht die Suppe essen wollte und der die Suppe von einer Schwester regelrecht gewaltsam mit dem Löffel verabreicht wurde.

Einmal gab es einen Apfel zur Nachspeise. Mein Apfel war wurmig und auf einer Seite faulig. Aber ich musste abbeißen. Als die Schwester nicht mehr guckte, steckte ich den Apfel in meine Schürzentasche. Beim nächsten Toilettengang dachte ich mir aus, könnte ich den Apfel in der Toilette entsorgen. Das tat ich auch. Ich wusste nicht, dass Äpfel im Wasser schwimmen. Eine Klosterschwester riss die Toilettentür auf, guckte ins Klo, sah den Apfel. Ich musste ihn herausholen und sollte den Apfel vor allen Kindern essen. Ich versuchte es und musste wieder erbrechen. Die Strafe war, ich sollte den Apfel im Laufe des Tages essen, mein Erbrochenes aufwischen und die Strafe der „großen“ Mädchen abwarten. Das tat ich.

Ich steckte den Apfel wieder in die Schürzentasche. Dort gammelte er und wuchs sozusagen durch den Stoff durch bis wir wieder nach Hause kamen.

Ich kann mich nicht an gute und entspannte Essen dort erinnern.

Körperhygiene

Wir mussten 1 x in der Woche duschen. Dazu wurden wir alle in einen großen Raum im Keller gebracht. Der Raum war mit Holzpaletten ausgelegt und die Duschköpfe waren an der Raumdecke angebracht. Wir mussten unsere Unterwäsche anlassen und durften uns nicht am Unterleib berühren. Auch durften wir uns gegenseitig nicht anfassen, nicht lachen.
Dann wurde die Raumtüre geschlossen und von außen die Dusche aufgedreht. Das ging über Heiß- bis Kaltwasser. Es gab für uns keinen Schutz im Raum. Ein großes Kind machte uns vor, wie wir uns mit dem Waschlappen wo waschen sollten. Heiß- oder Kaltwasser kam willkürlich und wir konnten nicht aus. Eine Schwester stand vor der Tür und beobachtete die Prozedur durch eine Glasscheibe. Manche Kinder schützten sich, indem sie die Hände vor ihr Gesicht hielten. Manche weinten andere standen einfach total erstarrt da. Ich durfte meiner kleinen Schwester nicht helfen.

Toilettengänge durften nur zu angegebenen, bestimmten Zeiten statt finden. Sollte man das nicht aushalten, folgten Strafen. Eckestehen. Auslachen. Kein Nachmittagskaffee.

Spielzeug

Meiner Meinung nach gab es kein altersgerechtes Spielzeug in meiner Gruppe. Ich klebte Wochenlang nur kleine Tiere aus Plastikfolie auf eine Plastikunterlage. Gesellschaftsspiele durfte ich nicht mitspielen oder nur dann, wenn man mich auch bestrafen konnte. Wie es bei den „Kleinen“ aussah, weiß ich nicht und meine Schwester Eva erinnert sich auch nicht mehr.


Arztbesuche und Medikamente

Einmal wöchentlich kam ein Arzt und auch der Pfarrer. Die Schwestern waren an diesem Tag immer sehr aufgeregt. Pfarrer und Arzt wurden hofiert. Wir mussten uns gut und sauber anziehen und durften nicht sprechen. Der Arzt schlug uns mit einem Hämmerchen aufs Knie und hörte die Lunge ab. Weiter passierte meiner Ansicht nach nichts. An diesem Tag bekamen wir manche von den Jungs die mit uns ankamen wieder zu sehen, durften aber nicht mit ihnen sprechen.

Tabletten bekamen wir in größeren Mengen täglich auf den Tellerrand gelegt. Ich kann mich erinnern, dass ich einmal eine Spritze bekam.

Feste

Am Nikolaustag bekamen Eva und ich von unseren Eltern einen Nikolaussack zugeschickt. Wir freuten uns so sehr. Jedes Jahr brachte uns der Nikolaus ja etwas. Damals waren es Äpfel, Nüsse, Orangen, Lebkuchen und einen Schokoladennikolaus.

Es wurde am Nikolaustag nach dem Abendessen die Kinder alle einberufen. Vor unseren Augen wurde dann der Inhalt unseres Nikolaussackes an alle verteilt. Eva und ich bekamen nichts. Mit den Worten einer Schwester: Da kann man mal sehen, was Kinder hier bekommen, die sonst alles haben. Wir waren nicht reich.

Wir hatten einmal ein Geburtstagskind, die etwas Süßes von den Eltern bekam, dort wurde es genauso gehandhabt.

Eine Strafe für Kinder, deren Eltern ihnen ein kleines Geschenk andachten.

Briefe

Die mitgebrachten Briefkarten wurden ein- oder zweimal wöchentlich an die Eltern geschrieben. Meine erste Karte enthielt wahrheitsgemäß den Satz, dass es uns Kindern hier nicht gefällt, Heimweh hatten und wir wieder nach Hause möchten. Dieser Brief wurde von den Schwestern abgefangen, gelesen. Daraufhin wurde der Brief vor meinen Augen und allen anderen Kindern zerrissen und ich musste schreiben: „Liebe Mama, lieber Papa, wie geht es Euch? Uns geht es gut. Liebe Grüße, Eure Eva und Michaela.“ Diese Briefe hatte meine Mutter aufgehoben bis sie verstarb.

Mir wurde gedroht, dass meine Eltern uns nicht mehr zurück haben wollten, wenn ich nicht das schreibe, was die Schwestern sagten.

Nachtruhe

Ich schlief in einem kleineren Schlafraum mit hohen Decken mit weiteren 3 Mädchen aus der großen Gruppe, die auch zur Kur dort waren.

Meine Schwester musste in einem sehr großen Schlafsaal schlafen in dem viele kleinere Mädchen schliefen.

Der Schlafraum war durch eine Tür mit unserem Zimmer verbunden. Wir durften die Tür aber nicht öffnen. Wir taten es aber doch. Mehrer „größere“ Mädchen hatten ja ein Geschwisterkind mitgebracht. Es war gut zu sehen, dass unsere Geschwister ja sozusagen neben uns lagen.

Das Licht wurde durch die Schwestern ausgeschaltet und durfte nicht mehr angeschaltet werden. Es durfte Nachts nicht mehr zur Toilette gegangen werden. Es durfte nicht mehr miteinander gesprochen werden.

Oft weinten wir größeren Mädchen leise in unseren Betten.

In den Nächten wurden die Schlafraumtüren willkürlich aufgerissen. Licht angeschaltet und kontrolliert, ob wir großen Mädchen im Bett waren.

Bei den „Kleinen“ wurden die Bettdecken weggerissen, die Kinder aus dem Bett gezogen und die Laken kontrolliert. Manche von den Kleinen hatten eingenässt. Die Laken wurden herausgerissen aus den Betten, die Kinder am Arm gepackt und durch anschreien und Schläge bestraft. Es wurde jedesmal ein Kind ausgesucht, das dann im Keller in einen kleinen, fensterlosen Raum gesperrt. Dort musste es die Nacht verbringen. Ob es am Tage noch dort war, kann ich nicht sagen, da ich tagsüber nicht in die Räumlichkeiten der „Kleinen“ kam.

Das Einsperren der „Kleinen“ haben wir „Größeren“ nur herausgefunden, weil manche von uns Nachts an dieser Tür im Keller barfuß, im Schlafanzug und mit dem Gesicht zur Wand im Dunkeln auf den kalten Fliesen „stehen“ musste. Wenn wir zum Beispiel Nachts noch miteinander sprachen oder auf die Toilette huschten.. Wenn man auf Grund der Kälte zur Toilette musste, musste man einnässen, durfte sich nicht wegbewegen und handelte sich wieder eine Strafe für den nächsten Tag ein.

Wir Größeren haben dann beschlossen, dass wir jede Nacht nach den Kleinen schauen müssten. Die Kinder sollten sagen, ob sie eingenässt hätten. Dann haben wir Großen die Laken im Dunkeln abgezogen und haben unsere eigenen Laken eingelegt. Die eingenässten Laken versuchten wir Großen über unserer Heizung zu trocknen, wenn die „Kontrolle“ vorüber war.

Also hatten wir Nachts viel zu tun. An viel Schlaf war nicht zu denken. Wir mussten leise damit umgehen und ständig auf der Hut vor Kontrolle sein.

Einmal kam die Schwesternkontrolle und wir sprangen alle in unsere Betten. Mein Bein war noch nicht unter der Bettdecke verschwunden. Also musste ich diese Nacht das „stehen“ übernehmen und sah die Tür des „Gefängnisses“ und hörte darin ein Kind. Wir konnten und durften nicht durch die Tür miteinander sprechen. So haben wir nur leise an die Tür geklopft und haben versucht, etwas durchs Schlüsselloch zu sehen. Das war aber bei der Dunkelheit nicht möglich.

Wir Großen wussten also was geschah mit den Kleinen und damit auch mit unserern Geschwistern und wir konnten nicht helfen, da wir so schlimm bestraft wurden.

Strafen durch „größere“ Kinder

Die Schwestern wiesen die Mädchen an, die anscheinend ständig dort lebten, sich Strafen für mich auszudenken und diese an mir zu vollziehen. Dann sollten die Mädchen etwas „gut“ haben.

Meine Strafen waren:

Mir wurden die Augen verbunden, dann wurde ich um mich selbst gedreht, angehalten, dann wurde meine Hand genommen und auf einen stacheligen Kaktus geschlagen. Die Stacheln musste ich mir selber herausmachen. Meine Handfläche war entzündet.

Ich wurde gekniffen indem mir die Haut gedreht wurde, bis ein blauer Fleck entstand.
Es wurde an meinen Haaren gezogen, Haare ausgerissen und auf die Zehen getreten.

Nach meinen Bestrafungen durch die größeren Mädchen wurden diese von den Schwestern offen hervorgehoben und gelobt.

Strafen durch die Schwestern

Prügel, Essenszwang, Sitzstrafen, Stehstrafen, Haftstrafen, Redeverbot, Lachverbot, Weinverbot, Erniedrigung vor allen anderen Kindern und Schwestern und auslachen in der Gruppe mit Fingerzeigen. Drohungen, dass wir nicht mehr nach Hause dürften und unsere Eltern uns nicht mehr haben wollten.

Wieder Zuhause

Wir haben zuhause nichts davon unseren Eltern erzählt. Wir hatten Angst, wieder in das Heim zu müssen.
Ich hatte Angst vor Erwachsenen. Sogar noch, als ich eine junge Frau war und selbst schon Mama war..
Ich hatte Angst vor Strafe. Ich hatte Angst, ich könnte keine Toilette in der Nähe haben.
Ich hatte Angst vor der Schule und den Lehrern. Dort waren ja auch Schwestern.
Ich war schlecht in der Schule. Ich war still. Ab und an nässte ich ein.

Ich hatte einen starken Gerechtigkeitssinn entwickelt und verspürte Zorn, Enttäuschung und Wut wenn Gerechtigkeit nicht statt fand und ich nichts gegen Ungerechtigkeit tun konnte.

Ich kam nicht mit mehr Gewicht zurück, meine Schwester hatte auch nicht abgenommen. Wir waren auch nicht gesünder als vorher. Wir bekamen weiterhin Kinderkrankheiten und hatten ständig mit Husten zu tun.

Wie es meiner Schwester seelisch und erging kann ich nur erahnen, da wir vor lauter Angst nicht darüber sprachen.

Im Laufe der Jugendjahre entwickelten meine Schwester und ich die Krankheit Morbus-Crohn.

Aufarbeitung

Ich wurde 2011 sehr krank und die Erinnerung an diese Verschickungszeit ließ mich nicht los.

Ich schrieb damals auf, an was ich mich an unseren Aufenthalt im Heim erinnerte und erschrak fürchterlich über diese Misshandlungen.

Ich befragte ich meine Mutter, ob sie von den Zuständen in dem Kindergenesungsheim in Oy Mittelberg gewusst hatte oder etwas geahnt hätte. Sie hatte davon keine Ahnung und nichts bemerkt.
Meine Schwester Eva konnte sich nur an ganz wenig dort erinnern. Aber an das „Loch“, wie sie es nannte, wo die Kinder eingesperrt wurden, an das konnte sie sich erinnern.
Sie machte sich mit meiner Mutter auf den Weg nach Oy Mittelberg und fand auch das ehemalige Kindergenesungshaus dort wieder. Sie konnte es nicht betreten, da dort wieder eine Einrichtung für Kinder darin ist. Aber von außen fand sie den Kellerzugang zu dem dunklen Flur, wo das „Loch“ für die Kleinen war, sofort wieder.

Ich schrieb daraufhin einen Brief an das Mutterhaus der Mallersdorfer Schwestern und bekam da auch Antwort. Mir wurde gesagt, dass die Erziehungsmethoden damals halt so waren, dass ihnen das alles sehr leid täte und ich gerne einmal in das Mutterhaus kommen könnte, um mein Gewissen zu erleichtern. Leider ging mein Brief an das Schwesternhaus sowie die Antwort verloren. Ich bin auf der Suche danach, denn es kann eigentlich nicht sein, dass ich das alles weggeworfen hätte.

Ich lebe nicht mehr in Bayern. Ich betreibe zwei Ferienwohnung auf der Insel Rügen. Auch dort gibt es immer noch eine Mutter-Kind-Klinik. Während DDR-Zeiten war es das Kindergenesungsheim Frohe Zukunft. Bereits zwei mal hatte ich Gäste (Männer) in meinem Haus, die mit Ihrer Mutter kamen um den Ort ihrer Misshandlung zu besuchen und ihren völlig ahnungslosen Müttern alles zu erzählen und das Heim wenigstens von außen zu zeigen.

Durch einen Besuch bei unserem Trauzeugen habe ich erfahren, dass auch er in so ein Genesungsheim verschickt wurde und Erinnerungen durch meine Erzählung bei ihm wieder aufkommen. Er wird seine Mutter fragen, wo er hin verschickt wurde.

Ich bin im Internet darauf gestoßen, dass ein NS-Arzt Dr. Hensel bis ins Jahr 1965 in der Kinderkurklinik Oy-Mittelberg als Arzt tätig war. Dieser Arzt hat in Kaufbeuren in einer Kinderkurklinik während der NS-Zeit Versuche an kranken Kindern und behinderten Kindern zur TBC-Erkrankung vorgenommen und wechselte dann nach Oy Mittelberg. Von diesen „minderwertigen Versuchskindern“ verstarben mehrere. Es gab auch einen Prozess in dem er freigesprochen wurde und seine Arbeit als Arzt fortsetzen durfte.

Zitat Wikipedia: Georg Hensel, Pulmologe, 1939 Oberarzt Kinderheilstätte Mittelberg, führte dort tödliche TBC-Versuche an behinderten Kindern durch. 1946 Freispruch, 1960 neues Verfahren eingestellt.[18]

Für mich hat das alles schon Zusammenhänge und Methode.

Jetzt habe ich diese wunderbare Seite gefunden. Ich bin zutiefst entsetzt über das Leid so vieler Kinder, die jetzt alle schon erwachsen sind.

Alle erworbenen Ängste, alle erworbenen Erkrankungen, alle Misshandlungen an den Verschickungskindern müssen sofort offengelegt werden.


28.10.2022, Michaela Seliga
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PeterK. aus Fröndenberg schrieb am 25.10.2022
Mein vermutliches Verschickungsjahr war wahrscheinlich 1969, Juli/ August. 6 wöchiger Heimaufenthalt in Bad Reichenhall, Heim nicht mehr bekannt. (Kinderverschickung). Ich weiß nichts mehr von der Zugfahrt, Ankunft, überwiegendem Aufenthalt, Personal dort, usw. Alles scheint wie ausgelöscht.
Ich war zu dieser Zeit 12 Jahre alt. Der Grund der Verschickung war wohl: zu dünn und Bronchitis.
Ich habe fast gar keine Erinnerung daran. Meine Aufmerksamkeit wurde erst ca. Anfang Oktober `22 im Rahmen einer Fernsehsendung „Planet-Wissen“ mit Frau Anja Röhl aktiviert. Seitdem informiere ich mich in entsprechenden Foren und Literatur. Ich bin nun 65 Jahre alt und fand lange Zeit keine Erklärung zu bestimmten Verhaltensweisen in Bezug auf Essen, Schlafen und Urinieren. Auf Grund der vielen Schilderungen anderer Betroffener, eigentlich egal in welchem Heim sie waren, bin ich heute der Meinung, dass Vieles davon vielleicht auch bei mir zutreffend war. Überwiegende Erinnerung ist jedoch wie ausgelöscht. Wenn ich jedoch die Schilderungen auf mich übertrage, erklärt das „für mich“ Verhaltensweisen, die sich zumindest seit den Jahren nach `69 durch mein Leben bis heute ziehen.
Bestimmtes Essen (z.B. Hirnsuppe (?), Milchsuppe, warmer Milchreis, Haferflocken mit warmer Milch, warme Milch allgemein mit oder ohne „Haut“ oben auf, warmer Pudding mit schwabbeliger „Haut“) kann ich nicht essen oder riechen.
Soweit ich bis in meine frühe Jugendzeit zurückdenken kann, wurde ich zur Mittagszeit immer sehr müde. Soweit möglich brauchte ich bis heute stets eine Art Mittagsschlaf, wobei ich danach aber auch nicht wirklich fit war.
Ich habe mich immer gewundert, dass es mir nicht möglich war mich vor einem Urinal zu stellen um zu urinieren, wenn Andere sich ebenfalls dort aufhielten. Da klappt gar nichts, ob es in der Schule war oder später bei der Arbeit, in Restaurants oder bei Veranstaltungen. Der Hang dabei, „vorsorglich“ eine Toilette aufzusuchen, z.B. in Pausen bei Veranstaltungen, ist bis heute geblieben. Mache ich das nicht, fühle ich mich nach den Pausen unwohl.
Nach meinen ersten Recherchen und Lesen der Schilderungen anderer Betroffener kann ich mir nun eine Verbindung zu meinem früheren Kuraufenthalt vorstellen.

Sommer `69 (?). Ich habe anhand von 2 Fotos meiner Zeit in Bad Reichenhall und eines hohen Krankheitstandes in meiner damaligen Schule mein Verschickungsjahr recherchiert. Weitere Unterlagen habe ich nicht:
- Abfahrt, vermutlich mit Zug (gemeinschaftlich mit anderen Kindern) ab Dortmund , Ankunft in Bad Reichenhall (keinerlei Erinnerung).

Schlafraum: Stahlrohrbetten, Vielbettzimmer (wie damals auch in Krankenhäusern üblich).
Schöne Natur, vor allem Berge durch Blick aus dem Fenster des Schlafraumes.
Essens-/ Aufenthaltsraum mit Spielmöglichkeiten:
- Raum kann nicht beschrieben werden. Essen zusammen mit anderen Kindern. Keine konkreten Erinnerungen bezüglich Frühstück und Abendessen. Hier habe ich mit anderen Kindern gespielt, vor allem Schach. Das Brettspiel hat mir ein anderer Junge beigebracht.

Inhalierraum:
An den Inhalierraum habe ich auch keinerlei Erinnerung. Ich weiß aber dass ich da mehrmals drin war aus Therapiegründen (?), falls es ein Inhalierraum war….
Solebad:
Das Solebad habe ich in Erinnerung. Aber nur insoweit als das ich weiß, das wir gelegentlich darin waren und das es sehr salzig war.
Personal/ Aktivitäten:
Bis auf eine Mitarbeiterin „Null Erinnerung“. Besagte Frau war jung. Vom Typ her eine sehr liebe und nette Person. Sie hat häufig mit uns im Aufenthaltsraum gesungen und dabei mit einer Gitarre begleitet. Aus einem kleinen Textbuch wurden Lieder gesungen. Ich meine überwiegend Gospelsongs. „Kumbahya, my lord“ habe ich ganz konkret in Erinnerung. Das Zusammensein mit anderen Kindern und dieser Frau mit der Hausmusik habe ich wohlwollend in Erinnerung. Es scheint heute, als ob diese Frau für eine kleinere Gruppe Jungen zuständig war, der ich auch angehörte.
Eine Bergtour habe ich in Erinnerung. Hiervon habe ich 2 Schwarz/ Weiß Fotos im Kleinformat leider nur. Ich habe sie zur besseren Kenntlichmachung mit dem Smarthphone fotografiert und so auf DIN A-4 vergrößert. Ein Foto ist brauchbar geworden dadurch. Ich meine mich darauf erkannt zu haben. Die Frau auf dem Bild könnte die zuvor genannte sein. Fast alle lachen darauf und machten einen glücklichen Eindruck (?).
Die Bergtour ging auf einen Gipfel, vermutlich Zennokopf/ Zwieselberg. Das habe ich anhand von Fotos recherchieren können. Konkrete Erinnerung daran habe ich nicht.
Kurz vor Ende des Aufenthaltes durften einige Kinder in die Stadt,z.B. um Mitbringsel einzukaufen. Ich durfte dabei sein. Andere Kinder nicht.
Ich war gehorsam, gab keine Widerworte, machte alles was von mir verlangt wurde. Dadurch hatte ich wohl keinerlei Probleme. Ich war ein Kind, was man wohl unter „lieb und gehorsam“ verstand. So wurde ich bei meinen Großeltern von meiner Großmutter erzogen, leider aber mit körperlicher und verbaler Gewalt (Züchtigungen und Bestrafungen).
Als letztes erinnere ich mich an einen Vorfall beim Mittagessen (die einzige Erinnerung). Komischerweise kreisen da zwei Erinnerungen in meinem Kopf. Kann sein, dass ich das eine mit dem anderen verwechsle oder ob das vielleicht zwei verschiedene Vorfälle waren:
Es gab Hirnsuppe……..mir wurde schlecht als der Teller vor mir stand. Der Geruch und das Wissen, es war Hirn von einem Tier, war fürchterlich. Ich traute mich nicht etwas zu sagen, konnte aber auch nicht einen Bissen davon in den Mund nehmen. Ich hatte Glück im Unglück. Einer der anderen Kinder mochte Hirnsuppe so gerne, das er seinen Teller schnell leerte und wir tauschten unseren dann aus………...gerettet! Ich hatte dann zwar nichts gegessen, aber das war in dem Moment egal.
Meine zweite Erinnerung: Ich habe die Hirnsuppe probiert. Mir wurde schlecht. Ob ich das übel riechende Hirn wieder ausspuckte oder auf den Teller erbrach, weiß ich nicht mehr. Ob das Kosequenzen hatte für mich weiß ich auch nicht. Eine vage Erinnerung ist aber da.

Eigentlich erinnere ich mich bis auf die geschilderten Ausnahmen an gar nichts.
Auch an die Heimfahrt hab ich keine Erinnerung mehr. Ich weiß aber das ich kurioserweise gerne in dem Heim in Bad Reichenhall geblieben wäre. Ich war eigentlich traurig wieder nach Hause zu müssen…………...
Ich wollte mich nach der Zeit in Bad Reichenhall nicht mehr wirklich an Regeln halten und hielt gegen alles was mich bevormunden wollte. Ich weiß nicht ob das Ausflüsse aus der Kurzeit waren oder einfach das Ergebnis meiner vorherige Erziehung. Eine positive Entwicklung begann erst mit dem Kennenlernen meiner heutigen Frau. Wir sind seit dem 16. Lebensjahr ein Ehepaar.
Da ich an meinen Kuraufenthalt in Bad Reichenhall so gut wie überhaupt keine Erinnerung habe, wäre es schön, vielleicht von anderen Betroffenen die in etwa zur selben Zeit in eine der beiden in Frage kommenden Einrichtungen waren, mehr zu erfahren. Es wird auch oft von Misshandlungen gesprochen. Das kann ich weder bestätigen noch dementieren. Auch Tests wie z.B. mit Tabletten an Kindern habe ich nicht in Erinnerung, kann aber natürlich nicht ausschließen, dass wir Tabletten einnehmen mussten. Es würde mich brennend interessieren, ob so etwas statt fand und um welche Medikamente es sich da handelte und was die bewirkten. Und es wurde hin und wieder von einem „Drucksimulationsraum“ gesprochen (?).
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G.S. aus NRW schrieb am 23.10.2022
Hallo zusammen,

ich bin 1957 geboren und war im Januar/Februar 1967 in der Frieda-Klimsch Stiftung in Königsfeld und wurde während der Kur 10 Jahre alt.
Im Gegensatz zu vielen anderen habe ich ausschließlich gute Erinnerungen an diese Zeit. Sicher herrschte ein strenges Regiment und bestimmte Regeln, aber die kannte ich aus meinem strengen Elternhaus mit mehreren Geschwistern schon, also fiel es mir nicht schwer, mich unterzuordnen, zu essen, was auf den Tisch kam (bis auf einmal eine gelbe übel riechende Kohlsuppe, ob ich gezwungen wurde, diese zu essen, weiß ich nicht mehr) und zu gehorchen.
Morgens gab es Haferflocken mit wahlweise Kakao mit kalter oder warmer Milch. Insgesamt muss das Essen wohl in Ordnung gewesen sein, ich nahm 4 Kilo zu. An Duschräume erinnere ich mich gar nicht mehr aber dass man nachts und bei der Mittagsruhe nicht aufstehen und auf die Toilette gehen durfte.

Da alles schon 55 Jahre her ist, habe ich nach Bildern, Dokumenten und Nachweisen gesucht und wurde fündig in meinem Poesiealbum! Dazu später mehr.

An die Hinfahrt im Zug und das Ankommen im Heim kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich war auch eines der schmächtigen Kinder, das aufgepäppelt werden sollte. Ich lag mit mehreren anderen Mädchen, in etwa in meinem Alter, in einem Schlafsaal mit diesen weißen Metallbetten.
Wir verstanden uns alle sehr gut und als ich 10 Jahre alt wurde, standen die Mädchen vor meinem Bett und sangen mir ein Ständchen und hatten am Metallbett, während ich schlief, viele Blumen aus Tempos gebastelt und an die Stäbe des Bettes gebunden. Ich war total gerührt und musste weinen. Meine Mutter schickte mir ein Geburtstagspaket mit vielen Süßigkeiten und Haselnüssen für die Eichhörnchen. Diese Süßigkeiten wurden unter allen aufgeteilt, was ich in Ordnung fand, ich war teilen gewohnt.

Es lag viel Schnee und einmal gingen wir zum rodeln und soweit ich mich erinnere hatten wir große Schlitten, wo 3 Kinder drauf passten. Mittag mussten wir in warme Decken eingerollt draußen auf einer überdachten Terrasse Mittagsschlaf halten, es durfte nicht gesprochen oder gelesen werden. Abends nach dem Abendbrot saß unsere Gruppe zusammen und wir sangen, es wurde gelesen und erzählt.

Ich kann mich nicht an Schläge, Demütigungen, Strafen oder ähnliches erinnern. Ich habe mich dort wohlgefühlt und frage mich, ob ich Glück hatte und/oder ich vieles nicht mitbekommen habe, was evtl. anderen passiert sein könnte?

In meinem Poesiealbum haben sich Schwester, Tanten und einige der Mädchen verewigt.
Schwester Lieselore (die u.a. schrieb: "...Was wir brauchen in guten und bösen Tagen, das sind Menschen, die mit uns lieben, leiden und tragen...!" Ein Bild ist mit eingeklebt, auf dem das "Waldhaus" zu sehen ist. Ob ich in diesem Gebäude war, weiß ich nicht mehr. "Tante" Petra und "Tante" Claudia sowie aus meiner Gruppe Ursula G. aus Darmstadt, Gabriele B., Gerda A., Ursula Oe., Karin, Eva.
Auf der Heimfahrt mit dem Zug wurde ich von einer Schwester begleitet.

Vielleicht will es der Zufall, dass hier jemand liest, der in der Zeit auch dort war!

Liebe Grüße an Alle!
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Heinz-Theo Jopen aus Grevenbroich schrieb am 23.10.2022
Im Jahr 1972, während der Olympischen Spiele in München, war ich auf solch einer Kur. Das Heim in Bad Kreuznach war ein Altbau, Die Gruppennamen wurden mit Vogelnamen betitelt. Ich kam in die Gruppe der Spechte. Das Heim wurde von Nonnen geleitet, denen man wohl jede Menschlichkeit genommen hatte. Misshandlungen durch Schläge, Demütigungen und zum Zwang erbrochenes zu essen. Briefe nach Hause wurden auf einer Tafel vorgeschrieben und kontrolliert. Bis heute leide ich unter dem was mir in dieser Zeit widerfahren ist. Ich hoffe auf diesem Portal jemanden zu finden, der eine Erinnerung an dieses Heim hat und vielleicht auch bei den Spechten und Finken oder Spatzen war. Ich könnte noch mehr Details schildern, jedoch gehts mir grad nicht so toll, kommt wieder vieles hoch. Bitte meldet euch,
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Marita aus Kalkar schrieb am 22.10.2022
Sechs Wochen lang wurde ich als 4 jähriges Kleinkind in das Kindersanatorium Höhenklinik der Schwester Frieda-Klimsch-Stiftung in Königsfeld im Schwarzwald verschickt. Der Grund waren häufige Atemwegserkrankungen und wenig Gewicht.
Am Bahnhof in Duisburg musste ich mit einer fremden "Tante" gehen. Ich habe geweint weil ich nicht gehen wollte. An die Fahrt selber habe ich nur die Erinnerung das es ganz lange war.
Im Sanatorium waren dann noch weitere drei Mädchen und sieben Jungen. Bei den Mädchen war ein Geschwisterpaar. An einige, für mich bis heute traumatische, Ereignisse erinnere ich mich sehr gut.
So musste ich mich bei jeder Untersuchung beim Arzt nackt ausziehen, auf die Waage, kontrollieren ob ich zugenommen habe,dann Untersuchung durch den Doktor.
Beim Essen gab es große Portionen die ich auch immer aufessen musste, egal wie lange es gedauert hat. Nach dem Essen mussten alle Mittagsschlaf halten. Zwei Stunden lang. Die Augen müssten zu sein. Das wurde kontrolliert.
Danach gab es den Spaziergang im Wald. Wir durften aber nur auf dem Weg laufen. Einmal habe ich mich hingehockt, da ich ein Eichhörnchen gesehen habe, da wurde ich sehr unsanft von der Schwester weggezogen. Der Geruch von Waldboden im Herbst verursacht seitdem bei mir das Gefühl zu ersticken.
Zwei Situationen sind mir als besonders grausam in Erinnerung geblieben. Zum Einen durfte aus dem Schlafraum kein Laut zu hören sein sonst gab es Strafe. Einmal hatte ich so großes Heimweh das ich geweint und geweint habe. Die Schwester kam reingestürmt, zog mich aus dem Bett und stellte mich hinter einen dicken Vorhang auf dem Flur. Da musste ich muchsmäuschenstill stehen bleiben bis sie mich wieder abgeholt hat.
Ein anderes Mal haben die Geschwister ganz ganz leise miteinander geredet. Die Schwester dachte wohl ich war die, die geredet hat und zerrte mich aus dem Bett und sperrte mich in einen kleinen Raum. Ich musste mich auf einen Klavierstuhl zwischen Klavier und Kleiderschrank setzen. In diesem Raum waren so unglaubliche Geräusche. Gefühlt saß ich dort die ganze Nacht.
Am 13.10. hatte ich Geburtstag und wurde fünf Jahre alt. Auf diesen Tag habe ich mich gefreut, da mir gesagt wurde meine Eltern hätten Geschenke geschickt. Mein Platz wurde mit ein paar Blüten und Blättern geschmückt. Dann bekam ich von den Geschenken meiner Eltern eines. Alles andere wurde auf alle aufgeteilt.
Irgendwann durfte ich endlich nach Hause fahren.
Meine Mutter hat mich dann in Duisburg am Bahnhof wieder in Empfang genommen.
Viele Jahre später sagte sie mir sie hätte noch nie ein Kind gesehen das so verwahrlost und verdreckt nach Hause gekommen wäre.
Als ich mit meiner Schwester mal über den Aufenthalt geredet habe, sagte sie mir das sie sich nur daran erinnert das ich mit kaputtem Rock und Löchern in der Strumpfhose wie ein armes Würmchen auf dem Bahnhof angekommen bin und ein Schild um den Hals hatte wie ein Gepäckstück.
Bis heute, 55 Jahre nach diesem Aufenthalt sind viele Erinnerungen sehr präsent. 2020 musste ich zur Reha und hatte ziemliche Panik. Mein Mann, der bereits eine bewilligte Reha hatte, hat dann mit mir gemeinsam gekämpft das wir zur gleichen Zeit in die gleiche Klinik fahren konnten.
Im nächsten Frühjahr wollen wir nach Königsfeld fahren, da ich das Gefühl habe, ich muss den Ort,an den ich so grausame Erinnerungen habe nochmal aufsuchen.
Es tut mir Leid wenn ich zu viel geschrieben habe, aber es gibt noch unendlich vieles, was ich im Nachgang mit den Ereignissen im Sanatorium in Zusammenhang bringen würde.
Vielen Dank für die Möglichkeit hier zu schreiben.
Ganz liebe Grüße
Marita
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Ursula Wünsch aus Berlin Biesdorf schrieb am 22.10.2022
Im Kurier in Berlin las ich den Artikel über Heimweh und Schikane in Kinderkurheimen in der DDR. Mir kommt das Kotzen beim Lesen. Ich war dreimal verschickt und ich habe total andere Erfahrungen gemacht. Mir geht die verdammte Hetze gegen alles, was aus der DDR kommt, so auf den Geist und ich finde die Profilierungssucht mancher
" Wissenschaftler " unerträglich. Ich stelle mich gern einem seriösen Gespräch, falls es einen interessiert. Ich komme aus einem einfachen Haushalt, bin die älteste von 8 Kindern. Habe bis zum 68. Lebensjahr als Diplom Formgestalter gearbeitet - immer freischafend in der DDR und fürs westliche Ausland. Ich werde morgen 76 und ich lasse mir von niemanden ein X vors U machen.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Wünsch
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Norbert Zipper aus Bonn schrieb am 18.10.2022
Hallo und Guten Morgen, in dem o.g. Zeitraum war ich ein Berliner Verschickungskind von der Bundespost. Leider habe ich an diese Zeit keine Erinnerung mehr und würde mich freuen, wenn ich ein Person finden würde, die in demselben Heim zu dieser Zeit war. Mir ist es wichtig zu wissen, es dort auch Übergriffe auf die Kinder gab. Alle Recherchen die ich bisher führte haben mir keine Auskunft geben können. Eine Antwort bitte per E-Mail oder telefonisch: 0228 54 86 52 92. Vielen Dank im voraus. Norbert Zipper aus Bonn
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Elke aus Augusta schrieb am 18.10.2022
Das erste Mal das ich ins Kinderheim verschickt wurde, war vor meiner Einschulung. Wie das Kinderheim geheissen hat, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Aber das ich mit fast 6 Jahren (geb. 1959) in ein Gitterbett gesteckt wurde. Einen Abend waren die anderen Kinder laut, aber sie haben mich beziechigt. Ich musste dann im Schlafanzug barfuss im Keller in einer Ecke stehen. Ich habe bitterlich geweint, als ich wieder nach Hause kam. Trotzdem haben mich meine Eltern oefters in Kinderheime geschickt. So war ich auch in Borkum, im Haus Blinkfuer. Da hat man mich gewungen einen Teller Kirschsuppe zu essen. An das Jahr kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Ich mag keine Kirschen. Ich dachte diese Vorkommnisse waeren ein Einzelfall. Nun weiss ich es besser und bin froh, das es nicht noch schlimmer gewesen ist.
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Maria Katharina aus Karlsruhe schrieb am 16.10.2022
Ich war in den 1980er auf Borkum, habe heute zum ersten Mal von den Verschickungskindern gelesen. Wenn ich daran zurückdenke, dann war ich bisher der Meinung, dass es an mir lag, dass ich mich während dieser Zeit unwohl fühlte, es lag an mir, weil ich so bin wie ich bin. Es ist meine Schuld gewesen, so zu empfinden. Mit mir ist etwas nicht richtig.
Wir mussten uns jeden Abend im Waschsaal gemeinsam ausziehen und waschen und wir wurden auf Läuse und Zecken am ganzen Körper untersucht, ich habe mich dabei so sehr geschämt, bis heute habe ich ein Gefühl von Scham in mir. Der Teller musste leer gegessen werden, wer das nicht tat wurde bloßgestellt und musste so lange sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war, auch wenn es Stunden gedauert hat, wir mussten alles probieren, was auf dem Speiseplan stand, alles, ob man es mochte oder nicht. Ich habe mir schnell angewöhnt zu schlucken, nicht zu kauen. Wir waren mehrmals in der Woche zum inhalieren an Inhalationsgeräten, obwohl es keinen medizinischen Grund dafür gab. In den Schlafräumen gab es ca 30 Betten, ich hatte Angst herauszufallen, weil sie so schmal gewesen sind, auch hatte ich Angst nachts zur Toilette zu gehen, es durfte kein Licht angemacht werden, ich hielt dann die ganze Nacht den Urin zurück. Mit anderen Kindern hatte ich keinen Kontakt, ich war alleine, das fiel anscheinend keinem Pädagogen auf. Ich bin bis heute traumatisiert, bis heute habe ich Angst zu sagen, wenn mich von meinem Gefühl, meiner Intuition her etwas stört, etwas nicht stimmig ist, sich falsch anfühlt, dann unterdrücke ich dieses Gefühl, halte einfach aus, verlasse die Situation nicht, obwohl sie mir nicht gut tut, ich gegen mich arbeite, das konnte ich auf Borkum ja auch nicht, ich konnte nicht weg, mich niemanden anvertrauen, ich musste einfach nur durchhalten und nicht auffallen. Sicherlich kann ich mich nicht mehr an alles erinnern, vielleicht gab es viel mehr und ich will und kann noch nich hinschauen. Ich habe mich ganz oft gefragt, woran dass es liegt, dass ich mich so sehr verbiege, immer und immer wieder, woher nur diese Angst und Selbstverleugnung kommen mag.
Vor 6 Jahren hatte ich einen Burnout, ich stehe nun wieder kurz davor, weil ich es nicht schaffe, eine schlechte Situation zu verlassen, ich fürchte mich vor Konsequenzen und halte aus.
Ich wurde als Kind gebrochen.
Ein Muster, dass sich unbewusst seit vielen Jahren wiederholt.
Danke für die Berichterstattung und meine Erkenntnis ?.
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Dominique Bridstrup aus Kiel schrieb am 16.10.2022
Hallo, ich bin 1974 mit 6 Jahren vor der Einschulung nach Fischen verschickt worden, um abzunehmen. Mittags sollten wir immer Mittagsschlaf machen, das konnte ich aber nicht. Zur Strafe musste ich im Flur stehen während der gesamten Mittagsruhe mit dem Gesicht zur Wand.
Ich hatte ein Stoff-Taschentuch dabei, an dem ich mich während der ganzen sechs Wochen festgehalten habe als Kuscheltier bzw. Schnuffeltuch.
Ohne dieses Tuch wäre ich dort vielleicht verzweifelt, das Tuch hat mich gehalten und beschützt.
Dieses Tuch hatte ich noch als junge Erwachsene und konnte ohne das mittlerweile ziemlich zerfetzte Tuch nicht einschlafen.
Meine Mutter hatte mir Naschipakete geschickt, die wurden dann unter allen Kindern aufgeteilt.
Das tat mir auch weh, da diese Pakete der einzige Bezug nach Hause waren.
Ich konnte noch nicht schreiben, nur Bildern und mich nicht nach Hause mitteilen, dass es mir schlecht ging.
Auf dem Rückweg von Bayern nach Norddeutschland habe ich während der ganzen Zugfahrt gespuckt vor lauter Heimweh wieder nach Hause zu kommen.
Meine Mutter hat erzählt, dass ich bei Ankunft tagelang nicht mit ihr gesprochen habe.
Dieser Aufenthalt war höchst traumatisierend für mich, da meine Lebendigkeit unterdrückt wurde und ich mich total einsam gefühlt habe.
Als ich dann eingeschult wurde, haben mich ein Jahr lang meine Mitschüler/innen gemieden. Ich weiß nicht, ob das miteinander im Zusammenhang steht.
Das fällt mir jetzt gerade noch dazu ein, wo ich das hier niederschreibe.
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Manja schrieb am 13.10.2022
Ich kann mich erinnern, mit einem Bus gereist zu sein.
Ich war das erste Mal weg von zu Hause.
Heimweh war an der Tagesordnung.
Ich würde nach Kröchlendorff verschickt.
Epilepsie und viel zu dünn.... Noch vor Schulbeginn.
Schreiben und etwas lesen konnte ich dennoch damals schon. Ich war etwa 7.
Ich erinnere mich an Schlafsäle, Altersgemischt aber Geschlechtergetrennt.
Morgens musste man sich, egal wie alt, im Schlüpfen auf dem Flur aufreihen und sich gegenseitig mit einer Bürste den Rücken abbürsten. Den älteren Mädchen würden die Arme vor den Brüsten weggeschlagen, die sie dort aus Scham hielten.
Wir mussten vor dem Frühstück Wechselduschen. Oder wurden einfach mit kaltem Wasser abgespritzt weil wir so schwach seien. Wassertreten war auch immer schön. Andere Kinder würden aufgefordert den kleinen Schwächen dabei die Beine zu stellen.
Essen war eine Qual.
Ich saß oft stundenlang im Speisesaal und mir wurde gedroht das ich nie wieder nach Hause dürfte, sollte ich nicht essen.
Es haben sich reihenweise Kinder übergeben.
Weiteressen musste man dennoch.
Einmal saß ich vom Frühstück an, bis weit nach dem Abendessen. Allein das die sogenannte Erzieherin zu Toilette musste rettete mich, das die Frau aus der Küche Mitleid mit mir hatte und es wegwarf. Ich musste natürlich behaupten ich hätte es gegessen.
Niemand durfte Nachts zur Toilette, machte man es dennoch und Würde erwischt wurde man bestraft, in den Wäschekeller gebracht.
Hat man ins Bett gemacht, weil man es nicht mehr ausgehalten hat wurde man daran festgebunden und lag dort den halben Tag.
Wir mussten in unsere Kleidung Wäschetiketten einnägen, waren diese ab und man vermisste etwas wurde man auch den ganzen Tag in den Wäschekeller gesperrt und musste sämtliche Wäsche sortieren.
Ich erinnere mich an ein Mädchen aus Halle, sie war bestimmt 8-9 Jahre älter als ich. Sie erzählte viel. Wie schön ihr Leben sei, ihre Eltern seien reich und sie kaufen nur im Intershop.
Sie lachte immer, egal was sie ihr antaten.
Es wurden mit uns Freizeitaktivitäten unternommen. U. A. Ein jagdspiel...
Kinder in besseren körperlichen Verfassungen, die eher wegen angeblicher sozialer Auffälligkeiten dort waren, wurden als Jäger eingeteilt. Der Rest als Flüchtende. Ja so wurde es genannt.
Sie sollten uns im Wald jagen, finden und rausbringen, wo wir uns hinknien mussten mit den Armen hinterm Rücken und als "gefasst" galten. Sie sollten schreien, laut rufen, mit Ästen klopfen um uns aufzuscheuchen, das war ihr Auftrag.
Eine Erzieherin war nett, sie erzählte uns auf einem Spaziergang einmal das sie dort nicht arbeiten möchte, aber müsse, sie lebte im Nachbarort.
Post nach Hause durfte auch geschrieben werden. Ich konnte ein paar Worte schreiben und habe die anderen gefragt wie man das schreibt.... "bitte holt mich ab, ich möchte nach Hause".
Die Karte wurde gelesen, or allen anderen zerrissen u D ich musste eine neue schreiben. Der Text wurde mir aufgeschrieben und ich musste es abschreiben. Wie schön es sei.... Ich habe geheult, die Tränen waren auf der Karte... Aber so durfte sie abgesendet werden.
Ein Junge wurde zwischendurch abgeholt. Wir waren alle neidisch.
Ich war u. A. Dort um vor der Schule meine Epilepsie Medikamente zu reduzieren. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals dort Tabletten erhalten zu haben. Deshalb nehme ich an, verbrachte ich auch einen Tag auf der Krankenstation. Dort war es wie Erholung.
Heute stelle ich mir immer wieder die Frage wieso wir dort hin mussten.
In der DDR sicher nochmal aus anderen Gründen, politischen Gründen.
Ich bin fest davon überzeugt, daß wir gebrochen werden sollten um erst gar nicht Republikuntreu zu werden.
Ich habe viele Theorien warum das so sein könnte.
Ich habe lange verdrängt was ich dort erlebt oder gesehen habe. Erst vor ein paar Tagen lernte ich den Begriff "Verschickung" kennen.
Und plötzlich sind die Erinnerungen wieder präsent.
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Christine schrieb am 12.10.2022
Ich war sieben Jahre alt, da musste ich 1978 zu einer Kinderkur nach Sinnershausen bei Meiningen. Diese Zeit wird mir ewig in Erinnerung bleiben, denn es war keine gute.
Aufgewachsen bin ich in einem liebevollen Elternhaus und ich hatte eine unbeschwerte und fröhliche Kindheit. Bis auf den Fakt, dass ich wohl etwas zu dünn war, war mit mir alles in Ordnung. Ja, ich war extrem mäkelig, was fettiges Essen anging. Na und? Mäkelig zu sein ist doch kein Makel, sondern gehört meist bei jedem Menschen, ob jung oder alt, zum Leben dazu. Meine Mutti hat immer lecker gekocht und niemand hat mir zuhause Essen reingezwungen, das ich nicht möchte. Und ja, ich habe die ein oder andere Kinderkrankheit nicht so leicht weggesteckt, wie andere Kinder. Dennoch war ich in meiner Entwicklung nicht zurückgeblieben. Die Idee eines Arztes, meine allgemeine Konstitution in Kombination mit einer Gewichtszunahme durch eine Kinderkur zu stärken, haben meine Eltern unterstützt. Und schon mal vorweg, das habe ich ihnen niemals zum Vorwurf gemacht.
An vieles kann ich mich nicht mehr erinnern oder ich habe es verdrängt. So zum Beispiel, dass die An- und Abreise mit einem Bus erfolgte. Erinnerungen an die Ankunft selbst sind präsent. Der Bus hielt vor einem großen Haus, das ziemlich isoliert umgeben von bergigen Wiesen mit Kühen und Bäumen in der Landschaft stand. Das Haus selbst erschien mir riesig, verwinkelt mit Treppen, vielen Räumen und dunklen Treppenaufgängen. Wir wurden nach Jungen und Mädchen in Gruppen aufgeteilt. Geschlafen haben wir dann in der oberen Etage in einem Zimmer, dass mit vielen Betten zugestellt war. Wir hatten auch jeder einen kleinen Schrank für unsere Sachen.
Plötzlich umgaben mich fremde Kinder und Erwachsene. Ich hatte furchtbares Heimweh und habe mich dort nicht wohl gefühlt. Zum einen war es für mich eine neue Erfahrung, dass Kinder mich nicht mochten. Sie nannten mich Brillenschlange und ich war in kürzester Zeit eine Außenseiterin. Von Kindern abgekanzelt und schikaniert zu werden, kannte ich nicht und das tat schrecklich weh. Zum anderen wurde diese Isolation noch extremer, weil die Erzieherinnen dem keinen Riegel vorgeschoben haben. Ganz im Gegenteil, sie haben dabei noch mitgemacht und die anderen Kinder dadurch noch bestärkt. Ich habe an die Erzieher nicht eine gute Erinnerung. Es gibt aus der Zeit zwei Fotos. Ein Einzelfoto von mir an einem Tisch im Speiseraum und ein Gruppenfoto auf einer geschwungenen Treppe mit den anderen Kindern und einer Erzieherin. Die Fotos waren für unsere Eltern und wir mussten dafür in die Kamera lachen. Zum Lachen war mir nicht zumute, aber was hätte es gebracht, es nicht zu tun. Der Gesichtsausdruck der Erzieherin auf dem Foto spricht Bände. Sie schaut streng ohne einen Hauch von Freundlichkeit, geschweige denn einem Lächeln. Da war nur Kälte. So habe ich es jedenfalls empfunden.
Das Heimweh war allgegenwärtig und ich weiß nicht wie oft ich geweint habe. Ich wollte nur nach Hause und habe mich so verlassen gefühlt. Einmal hatte ich Hoffnung, dass sich an der Situation etwas ändern würde. Dass meine Eltern kommen würden, um mich abzuholen. Denn wir durften nach Hause schreiben. Wir bekamen alle eine Postkarte und ich weiß bis heute, was ich geschrieben habe: „Liebe Mutti, lieber Vati, die Kinder und die Erzieher sind gemein zu mir. Das Essen schmeckt nicht. Könnt ihr mich abholen kommen?“ Der Blick der Erzieherin hat sich bei mir eingebrannt, als sie las was ich geschrieben hatte. Ich bekam eine neue Karte und musste unter Aufsicht schreiben: „Liebe Mutti, lieber Vati, die Kinder und Erzieher sind alle lieb. Das Essen schmeckt gut und es gefällt mir hier.“ Damit erlosch jede Hoffnung, nach Hause zu kommen. Und beliebter hat mich das leider auch nicht gemacht.
Besonders schlimm ist eine Erinnerung an den dunklen Keller. Ich weiß nicht wie oft es war, aber ich kann mich noch genau daran erinnern, dass es dort einen gefliesten Raum gab. Wir mussten uns alle nackig ausziehen und uns mit dem Gesicht zur Wand aufreihen. Ich weiß noch, dass mir furchtbar kalt war und dass ich Angst hatte. Plötzlich schoss ein kalter harter Wasserstrahl von hinten auf mich. Der Druck war so extrem, dass ich mit voller Wucht an die Wand gedrückt wurde. Es war schrecklich. Manchmal frage ich mich, ob ich mir diese Erinnerung nur einbilde. Kann man wirklich so brutal mit wehrlosen Kindern umgehen? Ja, sie konnten es wohl.
Besondere Angst hatte ich auch vor den Mahlzeiten. Das viele Essen empfand ich als Last und hat mich den ganzen Tag über begleitet. Aufstehen, frühstücken, raus an die frische Luft, bewegen und schon gab es wieder zu essen. Es nannte sich zweites Frühstück und bestand aus klebrig süßem Saft oder einer Fruchtschnitte. Irgendwann Mittagessen und die Portionen waren nicht klein. Unter dem strengen Blick der Erzieherin musste immer aufgegessen werden. Würgereize, Tränen und Protest spielten keine Rolle. Sie ließ sich nicht erweichen und hatte uns fest im Blick. Ich saß an einer Säule an einem Vierertisch mit einer Wachsdecke. Und je länger ich dort saß, umso mehr verschwamm das Muster auf ihr. Es gab einfach kein Entrinnen. Besonders schlimm waren fettige Sachen oder Wurst zum Abendessen. Ich habe mich so sehr davor geekelt. Das Gefühl etwas zu essen war nicht mehr positiv belegt. Essen ging nur noch mit puren negativen Stress einher.
Von meiner Mutti weiß ich, dass ich mit weniger Gewicht nach Hause gekommen bin. Beim Kofferauspacken fand sie Scheiben von alter vergammelter Wurst und konnte sich das damals nicht erklären. Ich habe aber wohl auch nichts erzählt. Erst viele Jahre später. So auch die Geschichte mit der Wurst im Koffer. In meinem Schränkchen im Schlafsaal hatte ich ein Versteckt von Essen angelegt, dass ich aus dem Speisesaal schmuggeln konnte.
Die Zeit in Sinnershausen hat mich definitiv geprägt und mich in meiner charakterlichen Entwicklung beeinflusst. Aber das ist eine andere Geschichte.
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Karin aus Willing schrieb am 12.10.2022
Hallo,
ich suche andere Verschickungskinder die auch in Bad Sachsa waren. Ich habe keine Erinnerungen
wenn etwas ganz schrecklich ist verdrängt der Geist ja alles um weiterzuleben. ich war 6,7,8 Jahre alt.und angeblich zu dünn. Welches Heim weiß ich nicht. Ich weiß garnichts.Ich komme aus Kiel und es war wahrscheinlich von der Barmer.
Viele liebe Grüße
Karin Willing
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Karin Grund geb Würfl aus Marktredwitz schrieb am 11.10.2022
Ich war mehrmals mit meiner Zwillingsschwester in verschiedenen Kurheimen. Ich kann mich noch erinnern dass es auf Borkum und im Schwarzwald gewesen sein muss. Aufenthalt war ca 6 Wochen im Sommer. Wegen Übergewicht und Asthma waren wir dort. Ich kann mich an nicht viel erinnern. An viele Tränen und Heimweh, vorgefertigte Briefe die man abschreiben musste für die Eltern, die Kinder mit den Übergewicht waren seperat an Tischen gesessen. Als Süßigkeit gab es Lakritzschnecken. An Fahrradtouren durch die Dünen. Salzkammern zum inhalieren. Habe leider keine Unterlagen und meine Eltern sind schon verstorben.
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Merle M aus Gelnhausen schrieb am 11.10.2022
Als Kind wurde ich in den 70gern ins Kinderkurheim St. Peter Ording geschickt. Wir mussten auf Betten schlafen, die nicht mal eine Matratze hatten. Zu essen gab es Schleimsuppe, da kann ich mich noch genau dran erinnern. In der Zeit des sogenannten Kuraufenthaltes hatte ich Geburtstag. Meine Eltern hatten mir ein Paket mit einem Geschenk und Leckereien geschickt, doch davon habe ich nichts bekommen. Es würde aufgeteilt werden. Doch keiner bekam etwas. Ein Klassenkameraden aus der Grundschule war mit mir dort. Seine Eltern kamen zu Besuch, als sie die Umstände dort sahen haben sie ihren Sohn rausgeholt. Lange Telefonate mit meinen Eltern und der Heimleitung, sie wollten mich auch mitnehmen, brachten nichts. Meine Eltern sollten mich selber abholen. Morgens wurde man mit kaltem Wasser geweckt. Wollte man das Essen nicht, wurde man bestraft. Bei Urin im Bett gab es auch mal Hiebe. Wenn meine Eltern anriefen, dann durfte ich nicht mit ihnen telefonieren. Außer ganz kurz an meinem Geburtstag, da stand jemand dabei. Meinen Schulfreund durfte ich während dem Aufenthalt nur beim Essen sehen.
Meine Mutter hatte für den Aufenthalt neue Unterwäsche, Strumpfhosen, Pullis und vieles mehr gekauft. Es wurde mir alles abgenommen. Zurück kam ich mit alten, kaputten Sachen. Ich sollte damals zunehmend und kam verängstigt und abgemagert zurück.
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Julia aus Dinslaken schrieb am 11.10.2022
Ich wohnte in Bottrop und meine Mutter war Beamtin bei der Stadt Bottrop und die Verschickung lief ihrer Angabe zufolge über die Stadtverwaltung.
Eine Kinderkur der Stadtverwaltung. Organisiert über das Gesundheitsamt der Stadt.

Meine Mutter hat damals den Transport von Bottrop bis Freiburg per Zug begleitet und ab Freiburg ging es im Bus nach Bad Rippoldsau.

Das Ganze hat im Frühjahr oder Sommer 1975 (oder 1976) stattgefunden, ich versuche gerade noch herauszubekommen, wann genau. Ich war jedenfalls erst 5 (oder 6) und konnte noch nicht schreiben. Karten an meine Mutter wurden für mich geschrieben.

Ich habe noch zu einem anderen ehemaligen Verschickungskind Kontakt. Sie war mit mir in Bad Rippoldsau. Sie musste damals wegen einer Windpocken-Erkrankung sogar noch länger bleiben und ist nach eigenen Angaben krank vor Heimweh geworden, da sich niemand um sie gekümmert hat.

Wir erinnern uns beide an Nonnen, waren aber auch gemeinsam zu einer Verschickung in Küstelberg und können nicht mehr sagen, ob die dort oder in dem anderen Heim waren.

Ich würde gern mehr Informationen über die Operation, Medikamentengaben oder ähnliches finden. Mir wurde der Daumennagel gezogen. Meine Mutter wurde damals nicht über die Operation informiert und wurde auch vorher nicht um Erlaubnis gefragt. Ich erinnere mich daran, dass ich eine Vollnarkose bekommen habe und mit dick verbundenem Daumen erwacht bin. Ich erinnere mich, dass mir gesagt wurde, dass meine Mutter das erlaubt hat. Das hat meine Mutter verneint. Mir wurde keine Begründung für diese Operation gegeben. Mir wurde nicht erklärt, was ich habe und warum so etwas nötig ist. Ich erinnere mich an große Hilflosigkeit und Angst. Meine Mutter hat leider nach meiner Ankunft nichts unternommen, um die Verantwortlichen zu befragen.

Darüber hinaus erinnere ich mich an viel Zwang, was Essen angeht. Es gab Stapel mit Broten und eine Belohnung, wenn man möglichst viele davon gegessen hat. Ich musste Dinge essen, die ich nicht mochte und stundenlang allein im Schlafsaal vor einem Teller Rote Bete sitzen. Ich hatte noch jahrelang eine krasse Abneigung gegen dieses Essen.

Ich erinnere mich daran, zum Mittagsschlaf gezwungen worden zu sein. Und an große Angst, entdeckt zu werden, wenn ich nicht geschlafen habe.
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Monika Linn aus St.Ingbert schrieb am 10.10.2022
Ich war 1956 oder 1957 mit 6/7 Jahren für 6 Wochen durch die Kinderverschickung der Deutschen Bahn im Viktoriastift in Bad Kreuznach. Eigentlich habe ich es positiv in Erinnerung. Auch Die Betreuerin „Tante Ellen“ habe ich als nett in Erinnerung. Ich habe nur aus Heimweh damals Nägel gekaut. Später war ich nochmal weg in Bad Tölz im Prinzregenten Kinderheim. Dort gab es für sensible Kinder furchtbare Regeln. Ich war damals schon 13 und weiss noch ganz genau, dass Mädchen ihr Erbrochenes gefüttert bekamen. Grausam, aber dort sollte man in den 6 Wochen zunehmen, warum auch immer. Wie gemästetes Vieh.
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Martha schrieb am 10.10.2022
Gestern erfuhr ich in der Sendung planet wissen in ARD alpha vom Schicksal der Verschickungskinder. Ich war eines davon, denn meine Eltern machten sich Sorgen um ich, weil ich sehr dünn und häufig krank war.
Ich habe weder besonders gute, noch besonders schlechte, Erinnerungen an meinen Aufenthalt in SPO im Heim Quisisana. Ich erinnere Traurigkeit und Heimweh und mein Bemühen möglichst unauffällig im Getriebe des Heimes zu sein.
Nach der Sendung war mir jedoch so schlagartig klar, dass diese Zeit Wunden hinterlassen hat: Nach mich tief berührenden Ängsten habe ich jedes Mal mit nächtlichem Bettnässen reagiert, dessen Auftreten ich mir bisher noch nicht erklären konnte.
Jetzt, plötzlich, kann ich weinen und hoffentlich auch heilen.
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Nadja Hantschel aus Berlin schrieb am 10.10.2022
Ich war wegen Untergewichts 3 Wochen in Berlin-Buch zur Kur und sollte dort zunehmen. Meiner Mutter kann ich das nicht verübeln, sie wusste ja nicht wie schlimm die Heime waren und sie war froh, dass sie als alleinerziehende Witwe mit 3 Kinden mal für 3 Wochen eins abgeben konnte. Ihr mache ich keine Vorwürfe. Ich kann mich noch sehr gut an diese Kur erinnern. Ich war 4 oder 5, das muss also 1986 oder 1987 gewesen sein.
Ich wollte da nicht hin, welches Kind möchte schon in dem Alter 3 Wochen lang von der Familie getrennt werden. Ich habe bei Abreise fürchterlich geweint. Ich war ein gesundes Kind und kam vestört und traumatisiert nach Hause, habe aber meiner Mutter (mein Vater war 1983 verstorben) allerdings nicht erzählt wie es dort war. Vermutlich habe ich mich geschämt.
Die Zeit dort war geprägt von Angst und Traurigkeit. Im Rückblick verstehe ich jetzt warum ich ein Problem habe mit Autorität und mit Vertrauen und warum ich nicht gern gegessen habe.
Wir wurden zum Essen gezwungen, mussten doppelte Portionen essen und das Essen hineinzwingen. Wir durften nachts nicht auf Toilette, was dazu führte, dass mal ein Malheur passierte. Diese Scham, schrecklich. Ich habe in einem Gitterbett geschlafen, das viel zu klein war für mich, ich war ja schon 4 oder 5. Nachts habe ich vor Verzweiflung geweint und wurde dafür bestraft, eine Erzieherin hat mich mit ihren langen Fingernägeln gekniffen und mir gedroht. Man wurde überhaupt ständig bestraft.
Beim abendlichen Sandmannschauen im Fernsehzimmer hatte ich nach draußen geschaut, die Tür stand offen und dort stand ein Aquarium, ich hatte so etwas noch nie sehen und habe den bunten Fischen zugeschaut. Die Erzieherin hat mich daraufhin bestraft und ich musste mich neben sie stellen, die Tür wurde geschlossen und ich wurde zum Fernsehen gezwungen.
Diese 3 Wochen waren sehr prägend für mich und haben nicht dazu beigetragen, dass ich besser gegessen habe und dass ich mich gut entwickelt hätte.
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Katharina aus Bremen schrieb am 10.10.2022
Hallo,
zweimal wurde ich nach St. Peter-Ording in das Frisia (wenn ich das richtig erinnere) verschickt. Es war gruselig. Ich wurde zum Glück nicht so sehr schikaniert, weil ich es von zu Hause gewohnt war, möglichst nicht aufzufallen. Für mich war es einfach nur eine sehr unangenehme Zeit. Aber was ich dort erlebt habe, was an anderen Kindern "verbrochen" wurde, treibt mir heute noch die Tränen in die Augen. Nach dem 2. Aufenthalt habe ich einen derartigen "Zirkus" zu Hause veranstaltet, dass sogar meine sehr autoritären Eltern aufgegeben haben. Im krassen Gegensatz dazu stand das Erholungsheim in Willingen im Sauerland, an das ich nur gute Erinnerungen habe. Also auch damals hat es schon mal ein aus meiner Sicht gutes Erholungsheim gegeben.
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Katharina aus Bremen schrieb am 10.10.2022
Hallo,
in Willingen im Sauerland war ich 1964 und nochmal 1972. Die Heimleitung hatte eine Frau Nolte (wenn ich das recht erinnere). Dort habe ich mich außerodentlich wohl gefühlt! Das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt sein. Das war für mich ein vorbildliches Kindererholungsheim. Im Gegensatz zu anderen Erfahrungen, die ich leider in St. Peter-Ording machen musste.
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Harald Blank geb. Karlsch aus Berlin schrieb am 09.10.2022
Hallo,
als ca 5/6-Jähriger wurde ich nach Bad Salzdetfurth verschickt, vermutlich zum Aufpäppeln. Leider konnte ich nicht mit meinen Bruder verschickt werden, der kam nach Wyk auf Föhr. Das war eher entäuschend. Nun war ich alleine dort und es passierte mitten in der Nacht ( Ich werde es nie vergessen )..ich nässte ein, die Nachtaufsicht bekam dies mit. Sie hetzte die anderen Kinder in diesem großen Schlafsaal nun dazu auf, mir wegen der nächtlichen Störung eine Lektion zu erteilen. Ich lag in dem nassen Bett um mich herum ein Bettgitter..und nun um mich herum alle Kinder, die mit allem auf mich einschlugen. Nach der Lektion musste ich noch zur Strafe geraume Zeit im Flur auf einen Holzstuhl sitzen bis, ich wieder ins Bett durfte. Von da an stand ich jeden Tag bis zum Ende der Reise am Fenster und wartete auf meine Mutter. Seitdem ist dieser Vorfall Teil meines Lebens.
Gruß Harry aus Berlin
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MonikaD schrieb am 09.10.2022
Eigentlich hätte der Fernsehbeitrag über die Verschickungskinder vom 7.Okt. 2022 mit einer Triggerwarnung versehen werden müssen, denn ich reagierte augenblicklich mit Herzrasen und massiver Übelkeit darauf. Vom Begriff selbst hatte ich noch nie etwas gehört.

Wegen Neurodermitis an beiden Armen wurde ich 1974 als Achtjährige nach Norderney in Kinderkur geschickt. Beim Anblick des Heimes, dessen Namen ich nicht mehr weiß, dachte ich, es sei ein Dornröschenschloss, innen herrschte aber der blanke Horror.
Ich kann mich nur bruchstückhaft erinnern, mutmaßlich ist noch viel mehr geschehen: Es herrschte ein empathieloses Unterdrückungssystem mit ganz viel Angst und fürchterlichem Heimweh.
Im Schlafsaal und im Speisesaal hatte Ruhe zu herrschen. Wer aus der Reihe tanzte, wurde reglementiert und bloßgestellt. Der Nachtisch war in der Tischmitte in Glasschälchen ungleichmäßig abgefüllt, wer mit der Hauptspeise zuerst fertig war, durfte sich das größte Schälchen nehmen. Als vormals nörgeliger Esser stopfte ich alles widerwillig in mich hinein, um etwas mehr Nachspeise zu ergattern, denn der Teller musste leergegessen werden, da gab es keinen Verhandlungsspielraum.
Ersehnte Briefe aus der Heimat – Schreiben, die nur für mich persönlich waren - wurden öffentlich im Speisesaal vorgelesen, ausgehende Briefe korrigiert und zensiert. Jede Nacht weinte ich lautlos unter der Bettdecke und las mit der Taschenlampe die geliebten Zeilen meiner Familie tausende Male.

Der erzwungene Mittagsschlaf musste ohne einen Mucks vonstatten gehen. Aus Langeweile warfen wir uns meinen Teddy von Stockbett zu Stockbett zu und kicherten so leise wie möglich. Er landete dummerweise in einem mit Wasser gefüllten Kotzeimer und ich zur Strafe für ein paar Stunden in einem Extraraum für Störenfriede, wo ich auf einem Stuhl sitzend auf Erlösung warten musste.

Das nächtliche Toilettenverbot war für mich die schlimmste aller Regeln, denn dadurch musste ich erst recht aufs Klo und mich entscheiden, entweder ins Bett zu machen oder den heimlichen Weg aufs Örtchen zu riskieren. Beides wurde bestraft, so landete ich des öfteren im separaten Raum.

Ungefähr zur Halbzeit wurde von Seiten des Kinderheimes dem Wunsch der Schwester meines Opas nach einem Treffen stattgegeben. Diese kurte gerade auf Norderney, wir trafen uns im Wellenbad, das wir einmal wöchentlich besuchten. Aus Freude über ein bekanntes, vertrautes Gesicht bekam ich kaum einen Ton heraus. Ich hätte nur äußern müssen: „Hol' mich hier raus!“, aber ich war wie versteinert und schwieg, riesengroß war meine Angst. Warum zur Hölle hatte ich ihr nichts gesagt, fragte ich mich bis zum Ende des Aufenthaltes jeden einzelnen Tag.

Nach sechs Wochen kehrte ich ohne Hautekzeme zurück, dafür aber mit völlig abgekauten Fingernägeln und einer demolierten Kinderseele. Ich habe mich jahrelang geweigert, darüber zu reden, alles wurde verdrängt. Lebenslang zurückgeblieben sind eine Toilettenmacke, ein Autoritätsproblem und weitere Verhaltensweisen, die ich erst noch ergründen muss.
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Holger aus Peissenberg schrieb am 09.10.2022
6 Wochen mit 5 Jahren… klingt aus heutiger Sicht etwas schräg, aber: es war eine wundervolle Zeit. Die Anwendungen ( Wandelhallen mit Solenebel, Bäder, Atemgymnastik usw) waren sehr wohltuend. Wir waren alle Freunde und spielten gern draußen. Wir gruben Löcher in die Wiese in welche wir Schnecken, Ameisen, Brennnesseln und spitze Stöcke stopften, in der Hoffnung das irgendeiner in unsere gut getarnten Fallen tritt und sich maximal verletzt. Leider mussten wir vor dem Reingehen alle Internierten Lebewesen befreien und die Gruben zurückbauen.
Bei schlechtem Wetter bastelten wir, spielten Skat oder Brettspiele oder malten.
Ich war sehr glücklich über das gute Essen und kannte viele Dinge die es da gab vorher nicht. (Blattsalate, rote Beete, Gemüse in Aspik)
Damals hatten wir daheim noch kein Badezimmer und nur ein Plumsklo, da war das ständig verfügbare Warmwasser und die Tatsache, nachts nicht übern Hof zu rennen um die Toilette zu besuchen für mich ein Stück vom Paradies. Wir bekamen Unmengen Post, die Kindergärten aller Kinder schickten Massen an gemalten Bildern und jede Post wurde vor allen geöffnet und vorgelesen damit sich alle über die lieben Worte freuen konnten. Da war es schon fast egal wenn man selbst mal keine Post bekommen hat. Ich möchte mich an dieser Stelle bei unserer Erzieherin Frl. Tausche und Herrn Senf bedanken für die schöne Zeit die wir in Bad Sulza verbringen durften.
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Bernd Kalla aus FULDA schrieb am 09.10.2022
1966 hieß es von meinen Eltern, dass es diesmal (nachdem ich davor in Bad Sooden-Allendorf war)„in die Berge“ geht, das kannte ich noch nicht. Und dass es weiter weg ist. Da ich immer noch rappeldürr war, dachte ich wohl, dass das in Ordnung ist. Hierzu habe ich 2 Postkarten, beide vom Juni 1966, da war ich also 8 Jahre alt und es war diesmal Sommer. Auch diese Postkarten wurden vom Heim geschrieben, eine davon ist sehr undeutlich und kaum lesbar – kein Wunder, wenn man für so viele Kinder schreiben muss. Auf der einen Postkarte steht: „Orthopädisches Kinderkurheim Sonnhalde, Wallgau/Obb.“ Auf der Webseite www.verschickungskind.de findet man weitere Infos wie auch zu vielen anderen Kinderkurheimen. Aber warum heißt es „Orthopädisches“? Meine Füße waren doch in Ordnung – glaube ich. Hier war auch meine 6 ½-jährige Schwester dabei und darüber war ich froh. Wir hatten aber getrennte Zimmer, wie auf der Postkarte vermerkt. Sie hatte vorne einen Balkon und mein Zimmer lag weiter hinten mit 2 Fenstern (war also ein größerer Raum). Ihr Raum hieß „Schwalbennest“ und mein Raum „Märchenland“. Es existiert auch ein Foto von uns Kindern, was dort an einem Waldrand gemacht wurde – es zeigt 13 Kinder, keine Erwachsenen. Vielleicht kann ich es hochladen. Meine Mutter hatte mir vor kurzem berichtet, dass die ganze Gruppe wegen Grippe oder so noch eine Woche länger bleiben mussten, wovon wir Kinder vermutlich nichts mitbekommen haben. Das passte meinen Eltern sehr gut, denn sie bereiteten insgeheim den Umzug in ein neues Haus vor und brauchten noch etwas Zeit, weil einige Möbel noch nicht geliefert wurden, da alle Möbel neu gekauft wurden. Die Überraschung, plötzlich ein neues Zimmer in einem nagelneuen Haus (so roch es auch) zu haben, ist Ihnen gelungen und unvergessen.
1968 waren wir zum letzten Mal „zur Erholung“. Ich war 10 und meine Schwester 8 ½. Davon gibt es auch 2 Postkarten. Diesmal habe ich die beiden existierenden Postkarten selber geschrieben. Interessant ist das Datum der Postkarten: 19.05.68; u.a. schreibe ich „Wir sind gut angekommen.“ Das Datum der 2. Postkarte lautet: 18.06.68 und hier schreibe ich u.a. „Das ist die letzte Karte von mir.“ Von den beiden Zeiten in Wallgau habe ich wenig Erinnerungen – vielleicht ist mein „Gedächtnisspeicher“ nicht so groß und es wurde vieles gelöscht. Lediglich 2 Erinnerungen habe ich: Zum einen gab es an einem Tag plötzlich und völlig unerwartet ein so heftiges Gewitter, wie ich es in dieser Lautstärke noch nie erlebt hatte. Dagegen sind die zuhause in Hessen „Gewitterchen“. Ich stand an einem großen Glasfenster (so hat es meine Erinnerung für immer abgespeichert) und zuckte bei jedem Donnerkrachen erschrocken zusammen. Und ich glaube, es gab dann immer das mehrmalige Echo von den Bergen. Die 2. Erinnerung war, als wir beim Mittagessen waren. Meine Schwester saß mir gegenüber, wir alberten herum (keinerlei Bestrafung!) und ich warf ein Bröckchen Essen zu ihr hinüber. Das sah die Aufsicht, schimpfte mit mir und zur Strafe musste ich hoch in mein Zimmer und es gab keinen Nachtisch! Das war besonders schlimm, denn heute gab es wieder meinen Lieblingsnachtisch – eine Quarkcreme. Diese Creme hatte einen Geschmack, den ich nie wieder woanders gefunden habe. Die Creme war unbeschreiblich lecker. Da meine Schwester dies wusste, hat sie es irgendwie geschafft, mir eine Portion aufs Zimmer zu bringen – herrlich! Ich habe sie mal danach gefragt, aber sie konnte sich daran nicht mehr erinnern.
Heute bin ich 64, in meinem Kopf schwirren (wenn ich in mich gehe) viele, viele Erinnerungen kreuz und quer durch alle Jahre herum und manchmal denke ich, dass das alles jemand anderes erlebt und mir erzählt hat – so weit weg sind manche Erinnerungen. Aber dann sage ich mir: Das bin alles ich, das habe ich wirklich alles selbst erlebt.
Ich wünsche allen, die in den Heimen „die Hölle“ erlebt haben (anders kann man es nicht sagen), ganz viel Kraft und Mut, sich anderen anzuvertrauen und hier ebenfalls ihre Erlebnisse niederzuschreiben – denn Schreiben ist auch Therapie – sich alles von der Seele schreiben. Damit die Seele – und damit der Mensch – wieder gesund wird. Soweit dies möglich ist. Die Seele hat Narben davongetragen, die gehen nicht weg. Aber es gibt Hilfe zur Selbsthilfe – es gibt Therapien. Machen Sie den ersten Schritt.
Bernd
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Bernd Kalla aus FULDA schrieb am 09.10.2022
Zum Thema „Verschickungskinder“ kam ich durch Zufall, als ich bei Google fragte: „Darf man Kinder verschicken?“ (Antwort: ja. Das gab es früher tatsächlich bis 1920!). Dann kam ich zu der Seite „www.verschickungskind.de“ (vielleicht findet jemand hier auch Informationen). Übrigens sollte man die Seiten gegenseitig verlinken. Und nachdem ich nun 2 Berichte im Fernsehen über das Thema gesehen habe, bin ich schon den ganzen Tag „neben der Spur“, das viele Leid, das die Kinder erfahren mussten und bis heute nachwirkt, machen mich sehr traurig. Und gleichzeitig bin ich im Nachhinein wahnsinnig froh, dass mir und meiner Schwester dieses Schicksal erspart geblieben ist! Das ganze Ausmaß, was gewesen wäre, wenn… mein Leben wäre anders verlaufen.
Nun zu meinen Erlebnissen: Ich war 3x (für das angebliche 4. Mal gibt es keinen Beleg) „zur Erholung“, wie es bei uns zuhause immer hieß zum Teil auch mit meiner Schwester. Wir waren beide so dünn, dass man, wenn wir uns streckten, die Rippen zählen konnte (dazu gibt es ein Bild, wo wir uns am holländischen Strand strecken). Trotz Kuchen und Süßigkeiten essen, kam „nichts auf die Rippen“. Und um es gleich vorneweg zu sagen: wir hatten 3x Glück, dass uns nichts Schlimmes widerfahren ist! Beide Heime (Bad Sooden-Allendorf und Wallgau) waren in diesem Zeitraum „in Ordnung“, jedenfalls was ich als Kind mitbekommen habe. Und in Bad Sooden-Allendorf war ich genau in dem Heim, an deren Namen sich Christa und Ute (Zitat „…relativ kleines, Villen ähnliches Gebäude…“) nicht mehr erinnern können. Und ich war 1965 dort! Das Gebäude gibt es heute noch fast unverändert: damals hieß es wie auf meiner Postkarte steht: „Caritas Kinderheim Haus Elisabeth“, heute heißt es „Pfarrzentrum Haus Elisabeth“, Am Haintor 24. Wohlgemerkt: ein Heim der Caritas. An den Aufenthalt habe ich nur wenige, aber gute Erinnerungen: Ich erinnere mich an einen Bahnübergang in der Nähe, der mir sagte, dass wir gleich da sind (wichtig, wenn man mal dringend muss und ich ging immer „auf den letzten Drücker“) und an den dunkelbraunen Holzzaun mit einem kleinen Türchen. Und es gab ein großes Treppenhaus in der Mitte des Hauses. Eines Abends mussten wir uns alle ganz oben rundherum am Treppengeländer versammeln. Draußen war es schon dunkel und das Treppenhaus war nur wenig beleuchtet. Wir schauten hinunter. Dann sangen wir alle zusammen „Kein schöner Land in dieser Zeit“ (was grammatikalisch eigentlich falsch ist, aber deutsches Liedgut). Wenn es 1965 gewesen ist (der Poststempel ist leider nicht lesbar), war ich zu diesem Zeitpunkt 7. Natürlich wurde die Postkarte, die ich nun wiedergefunden habe, nicht von mir geschrieben. Darin standen nur wenige Zeilen: „Liebe Eltern! Ich bin gut in Bad Sooden-Allendorf angekommen. Hier liegt viel Schnee. Für heute diesen Kartengruß von Eurem Bernd.“ Wie ich dorthin gekommen bin und wieder zurück, weiß ich nicht mehr. Ich dachte immer, dass mein Papa mich hingefahren und abgeholt hat. Auf jeden Fall war es im Winter.
Heute bin ich 64, in meinem Kopf schwirren (wenn ich in mich gehe) viele, viele Erinnerungen kreuz und quer durch alle Jahre herum und manchmal denke ich, dass das alles jemand anderes erlebt und mir erzählt hat – so weit weg sind manche Erinnerungen. Aber dann sage ich mir: Das war und bin alles ich, das habe ich wirklich alles selbst erlebt. Und es gibt manchmal so kleine „Filmchen“ über ein bestimmtes Erlebnis – aus guten und aus schlechten Zeiten. Das ist das Leben eben.
Ich wünsche allen, die in den Heimen „die Hölle“ erlebt haben (anders kann man es nicht sagen), ganz viel Kraft und Mut, sich anderen anzuvertrauen und hier ebenfalls ihre Erlebnisse niederzuschreiben – denn Schreiben ist auch Therapie – sich alles von der Seele schreiben. Damit die Seele – und damit der Mensch – wieder gesund wird. Soweit dies möglich ist. Die Seele hat Narben davongetragen, die gehen nicht weg. Aber es gibt Hilfe zur Selbsthilfe – es gibt Therapien. Machen Sie den ersten Schritt.
Bernd
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Martin aus Gelsenkirchen schrieb am 09.10.2022
Ich war 1985 mit 6 Jahren in tarnewitz gewesen. Ich kann mich an Situationen erinnern das ich nackt war und auf der Toilette glaube ich unsanft angefasst worden bin. Es war mehrmals täglich gewesen. Ich würde sagen. Es war auch hin bis zur Vergewaltigung. Es wurde auch jetzt nachgewiesen das ich nicht nur unter Depressionen sondern auch unter einer PTBS leide.
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Kerstin Sörbom aus Stockholm schrieb am 09.10.2022
Bin wegen Bronchitis 2 mal im Heim gewesen, 7 und 9 Jahre und habe durch die Separation von meiner Familie furchtbar darunter gelitten. Vor allem beim zweiten Mal, kann mich genau auf die Fahrt ins Heim erinnern, die völlige Panik, ich wusste ja was mich etwartet. Meine Eltern denen mei Geschrei auf die Nerven ging.
Völlig unverstehende Eltern, es war ja wegen der Gesundheit. Sie folgten blind dem Rat der Experten. Das Heim lag am Watzmann.
Kontrollierte Briefe, Essen, Toilettenbesuche, Zwangsimpfung, alles Zwang, kein weiches Wort, kein Trost. Am deutlichsten kann ich mich erinnern an das Zwangsduschen, wir standen nackig nebeneinander und wurden mit einem Schlauch mit eiskalltem Wasser abgebraust. Ohne Ruecksicht. die Sauna, das Eiskallte Becken in dem wir uns abkuehlen mussten.
Wiederstand gabs nicht, der wurde ruecksichtslos bestraft.
Furchtbare Erinnerungen die ich im Terapizimmer bearbeitet habe. Was wurde mir damals alles geraubt.
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Hans-Dieter Otto aus Münster schrieb am 09.10.2022
1961 war ich für 6 Wochen (April/Mai) im Kinderheim Marianne in Obermaiselstein im Allgäu. Da ich sehr dünn und schmächtig war, sollte ich "aufgepeppelt" werden. Es wurde also darauf Wert gelegt, dass alles, was auf den Tisch kam, auch aufgegessen wurde. Häufig gab es dicke, sämige Suppen, die ich überhaupt nicht mochte. Einen Teller habe ich ich meistens mit viel Überwindung geschafft. Das reichte aber nicht! Es musste noch ein zweiter Teller voll sein. Den habe ich nie geschafft, sondern habe regelmäßig erbrochen. Bis zum heutigen Tag kann ich keine Suppen essen, die eine ähnliche Konsistenz aufweisen,wie die in Obermaiselstein. Damals war ich neun Jahre alt.
Briefe, die wir an unsere Eltern schrieben, wurden alle gelesen. Stand etwas darin, was der Heimleitung nicht passte, musste das von uns Kindern korrigiert werden.
Während der Mittagsruhe durfte man nicht zur Toilette gehen. Wer es trotzdem tat, weil er "musste", wurde aufgeschrieben und bekam weniger zu trinken.
Der Aufenthalt in Obermaiselstein wurde meinen Eltern von der Krankenkasse (BEK) empfohlen und auch großzügig bezuschusst. Meine Eltern handelten in der tiefen Überzeugung, daß beste für mich zu tun. Dass dem nicht so war, habe ich Ihnen erst viel später erzählt.
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Stefanie Geiler aus Berlin schrieb am 09.10.2022
Hallo, ich war in den Sommerferien 1978 für 6 Wochen in Sankt Peter Ording im Goldenen Schlüssel. Mit meinem damaligen Schulkameraden wurde ich zusammen aufgrund des Anratens meiner damaligen Kinderärztin dorthin verschickt, weil ich zu dünn war. Dort hatte ich unheimliches Heimweh, auch weil ich wenig Kontakt zu meinem Freund hatte, denn Mädchen und Jungen waren ja getrennt. Ich kann mich auch nur an den Inhalationskeller erinnern und ich wusste eigentlich nicht, wieso ich dort rein sollte. An das Essen kann ich mich kaum erinnern, nur an den Apfelmus mit Sahne, den die unterernährten Kinder als Nachspeise erhalten haben und die traurigen Blicke der Kinder, die das nicht essen durften. Ich kann mich auch an Spaziergänge ins Watt durch die Priele erinnern. Ansonsten habe ich alles verdrängt und weiß nur, dass das für mich keine schöne Zeit war. Der Kontakt zu meinem Schulkameraden lief irgendwie immer nur heimlich ab, so meine Erinnerung. Ich weiß nicht, ob mir Schlimmes wiederverfahren ist. Da ich Jahre vorher bereits mit 7 über 4 Wochen im Krankenhaus gelegen habe, wo mich Krankenschwestern ans Bett gebunden haben, damit ich mir die Schläuche nicht wieder rausziehe, mich andere Kinder beklaut haben, ich Studenten in der Vorlesung einfach mal so vorgeführt wurde und insgesamt keine guten Erlebnisse dort hatte, ausser der, dass ich überlebt habe, wird mir der Aufenthalt im Goldenen Schlüssel wahrscheinlich nichts Schlimmeres zugemutet haben, was ich nicht bereits kannte. Ich weiß nur, dass ich heute öfter daran denken muss und mich rückwirkend sehr allein gelassen gefühlt habe.
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Schäfer Karin - Maria (geb. Leisegang) aus Bayerisch-Eisrnstein schrieb am 08.10.2022
Hallo, ich möchte mich auch ins Gästebuch eintragen, da ich glaube, dass wir Verschickungskinder nur so öffentlich erhört werden.
Ich war mit 5 Jahren im April 1963 oder 1964 nach St. Peter Ording in das Kinderkurheim Köhlbrand, durch einen Amtsarzt in Frankfurt am Main, wegen Kränklichkeit und mangels an Größe, verschickt. Meinen Eltern würde glaubhaft gemacht, dass ich nur so wieder gesünder werden würde, wenn ich zur Erholung führe. Auf der Fahrt vom Frankfurter Bahnhof bis nach St. Peter Ording, habe ich nur geweint. Am Ort angekommen wurde uns das Gepäck weg genommen. Was damit geschah weiß ich nicht. Meine Puppe Maria, durfte ich bis auf Weiteres behalten. Am Abend gab es Brot mit Tee. Ich kaute auf dem Brot herum und trank meinen Tee und dann mussten wir ins Bett. Die Schuhe mussten akkurat vor dem Bett stehen und wir sollten mit dem Gesicht zur Wand liegen und schlafen. Am Morgen gab es komisches Frühstück, eine Schale mit Kaba, Zucker und Haferflocken und eine Tasse warme Milch mit Haut. Ich habe noch nie Milch getrunken und ich musste. Ich musste aufstehen, zu der Wärter kommen und unter Drohung mit der Peitsche, die Milch austrinken. Vor Ekel habe ich mich übergeben und genau über die schöne weiße Schürze, der Wärterin. Dafür bekam ich die kleine Peitsche ins Gesicht geschlagen und musste für den Rest des Tages ins Bett. Ich war oft über den Tag im Bett. Die nächsten Tage haben meine Tischnachbarinnen heimlich mein Essen genommen und ihre leeren Teller und Tassen zu mir gestellt, damit es aussah, als das ich essen würde. So aß ich nichts und trank nur den Tee am Mittag und Abend. In der Nacht wurde ich oft wach, weil mir gegenüber ein Mädel weinte und schrie. Sie wurde fast jede Nacht verprügelt, weil sie ins Bett machte und musste auf dem nackten Fußboden mit nur einer Decke schlafen. Oder im Waschraum, oder stehend im Flur. Den Waschraum habe ich auch böse kennen gelernt. Weil ich klein war, haben sie mir ein kleines Schemelchen vor das Waschbecken gestellt, damit ich meine Zähne putzen konnte und so, aber ich kippte damit um und würde in die de Dusche gezerrt, wo man mich unter die Brause stellte. Es war egal, ob ich schrie und weinte. Die Schläge gingen wieder von Nacht zu Nacht weiter. Als ich einmal mit dem Mädel weinte, bekam ich meine Puppe abgenommen, sie wurde auf das Fensterbrett gesetzt und ich musste am Fussende schlafen. Ich versuchte heimlich meine Puppe zu holen, dafür bekam ich Schläge und die Puppe weggenommen. Wir durften nicht reden und nicht weinen. Auf einem Ausflug ans Meer, sollten wir Muscheln sammeln und diese den Wärterinnen geben. Das Meer war nicht da. Ich fand eine Art Traube mit lauter Muscheln dran und wollte es meiner Mutter mitbringen. Als ich sie aber abgeben sollte, bin ich weggelaufen. Eine Strafe dafür bekam ich später, denn die andere Wärterin schrie, dass das Meer käme und wir sofort zurück gehen sollen. Ich dachte, dass das Meer in einer riesengroßen Welle käme und rannte um mein Leben. Die Muscheltraube verlor ich dabei. Ab da, kann ich mich kaum erinnern. Es war alles schwarz, kalt und unwirklich. Ich erwachte irgendwann dann im Krankenhaus in Heide, wo mich meine Eltern abholten und ich in die Uniklinik Frankfurt kam. Nach Recherchen war ich ungefähr 10 Tage im Heim und 5 Tage im Krankenhaus. Nach vielen Unterhaltungen mit Leidensgenossen und den Sendungen, die man sehen darf, wurde mir klar, dass ich wohl auf einem Dachboden gesperrt wurde. Mein ganzes Leben träume ich, dass ich über altes Sofa und Möbel auf dem Dachboden steige/kletterte und weine. Es ist dunkel, modrig und kalt. Seither war ich ängstlich, noch kränklicher. In der Schule habe ich Konzentrationsprobleme. Angst eher Panik vor Prüfungen und Versagen, ebenfalls vor Obrigkeiten und eine tiefe Abneigung gegen Rehakliniken, Heime und ähnlichen Häusern. Es ist der Geruch dort. Ein Geruch der mich erinnern lässt, obwohl ich das Erlebte tief in mich begraben habe. Nach jedem Reden mit Leidensgenossen, habe ich mehr und mehr Erinnerungen, doch es sind noch viele in mir begraben. Ich möchte so gerne wissen, was mit dem Mädel damals geschah, sie hieß glaube ich, Liane, oder Christiane. Sie hat so gelitten. Ich will kein Geld, auch nicht so viel Beachtung, aber ich will, dass diese schlimmen Taten in ganz Deutschland Puplik gemacht werden, dass man uns erhört und von unserem Schicksal wissen.
P. S. Die Heimleitung wurde nach meiner Verlegung in eine Klinik, von der Polizei verhaftet, es hieß wegen Betruges
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Ingrid B. aus Berlin schrieb am 08.10.2022
Meine ältere Schwester und ich waren 1979 im Haus Nordmark in Westerland auf Sylt. Ohne meine Schwester hätte ich den Aufenthalt dort nicht überlebt. Danach hatte ich schreckliche Esstörungen.
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Schäfer Karin-Maria aus Bayerisch Eisenstein schrieb am 08.10.2022
Nordsee.... St. Peter Ording....Kinderkurheim Köhlbrand, Strandweg 32 in St. Peter Ording.

Ich war 1964 auf Kur für 6 Wochen, im Alter von 5 Jahren, an die Nordsee verschickt worden, nach St. Peter Ording in ein Kurheim, wo ich aufgebaut und kräftiger und gesünder, werden sollte.
Da wollte ich mit 5 Jahren nicht hin. Es war wie ein Schock. Also weinte ich die ganze Zugfahrt und ging den anderen Kindern mächtig auf die Nerven damit. Aber ich habe nur noch weinen können. Weil ich als Kind so klein und schwächlich und kränklich war, hatte man mich dahin gezwungen, das wurde von der Krankenkasse und dem Amt so befohlen. Man nannte das/uns Verschickungskinder. So kam ich da an. Ein großes dunkles Gebäude. Kinderkurheim Köhlbrand. Innen war es halt, wie so Einrichtungen in den 50er und 60er Jahren waren. Meine Mutter hat dort eine Unmenge Haferflocken, Zucker und Kakao mitgesendet und hat denen gesagt, dass ich das mit Milch als Haferflockenbrei esse, was anderes habe ich nicht gegessen. (d. h. Milch wärmen, Haferflocken rein, bissel Zucker und darüber Kakao. So war mein Grundnahrungsmittel, dass ich noch bis 22 Jahre gegessen habe, bevor ich es jetzt nicht mehr sehen kann.) Morgens jedoch gab es dort trockenen Haferflockenmix mit Zucker und Kaba. Die haben eine kleine Schüssel mit etwas Haferflocken, Zucker und Kakao, ganz trocken einem jedem Kind hingestellt und ein Glas kalte, oder eher lauwarme Milch mit Haut, dazu gestellt. Das war jetzt jedem sein Frühstück. Gefühlt waren es ungefähr 30 Kinder. (Wenn ein Paket von den Eltern an das eigene Kind gesendet wurde, war es für alle. Besuchen durften sie auch nicht.) Ich konnte das nicht essen und sollte die Milch trinken, sonst bekäme ich die kleine Rute zu spüren, die die Aufseherin (so nenne ich die Kindertanten, denn lieb waren die nicht, schrien und keiften nur herum.)  in der Hand hatte. Also vor Angst trank ich die Milch und übergab mich gleich darauf über sie und ihrem weißen Kittel (ich trinke ja keine Milch, Heute noch nicht. )  da bekam ich das Ding zu spüren, aber nicht auf den Po, sondern ins Gesicht und ich musste den ganzen Tag ins Bett, ohne Essen und Trinken, was ich nicht schlimm fand, denn das Essen war gruselig. Am Abend, wenn alle ins Bett mussten, war da ein Mädel, ich glaube Liane oder so ähnlich, hieß sie, die musste immer vorm Bett auf dem Boden schlafen, weil sie angeblich ins Bett gemacht hatte und wenn sie weinte, wurde sie verprügelt solange bis sie nur noch wimmerte, das war jeden Abend und Nacht so. Wir würden von dem Krach, wo die Aufseherin dabei machte, wach. Doch wir durften nichts sagen, weinen, oder ähnliches. Weil ich mit ihr weinte, bekam ich meine Puppe abgenommen, wurde auch verprügelt und musste am Fußende schlafen und kein Mucks von mir geben, sonst würde ich auch weiter verprügelt werden, das wurde ich auch, weil ich heimlich meine Puppe holte. Eines Tages haben wir dann einen Ausflug ans Meer gemacht und durften Muscheln sammeln. Ich fand eine Art Traube mit vielen stinkenden Muscheln dran. Das wollte ich meiner Mum mitbringen. Aber die Wärterinnen nahmen den Kindern die Muscheln ab und wollten auch meine Traube. Ich bin weggerannt. Dann sagte eine der Wärterin, dass das Meer käme und wir müssten schnell zurück. Ich dachte das Meer kommt als riesige Welle und ließ die Muscheln fallen und rannte um mein Leben. Dort im Heim bekam ich die Rute zu spüren, weil ich die Traube nicht mitgenommen habe, aber wir hätten das sowieso nicht behalten dürfen. Ich aß nichts, sprach nichts, gab meinen Essensnachbarn mein Essen und die Milch, heimlich, wenn die Wärterin nicht guckte und wurde krank. Wie ich in das Krkh nach Heide kam, weiß ich noch Heute nicht. Plötzlich wachte ich dort auf und man päppelte mich auf. Länger als 10 Tage war ich nicht in dem Heim. Dafür fast 4 oder 5 Tage im Krkh Heide. Meine Eltern erfuhren nun endlich was mit mir geschah (ich war 5 j. und konnte nicht schreiben, bzw telefonieren, hatten das ja nicht) und an meinem Geburtstag, den 15.04.1964 haben Mum, Papa, meine Oma und mein Onkel, dort mich mit dem Auto abgeholt und mit nach Hause genommen, ob es denen Recht war, oder nicht. Ich wusste zwar nicht, dass es mein Geburtstag war, aber an diesem Tag habe ich meine Sachen gepackt, mich angezogen und aufs Bett gesetzt und sagte der Krankenschwester, dass ich jetzt abgeholt werde von meiner Mum. Die sagte nein das wäre nicht so, aber ich berharrte darauf, sie ließ mich in Ruhe und dann kam meine Mum. Es war wie eine Gedankenübertragung. Am nächsten Tag fuhr ich mit nach Hause, in Frankfurt musste ich nochmals ins Krkh, aber seit dem fahre ich in keine Kurklinik/Reha und so ähnliches und meine Kinder, mussten das auch nicht, wenn sie nicht wollten. Selbst solche Ferienlager mied ich, auch für meine Kinder. Nur alleine die Kinder dort, die Aufseher dort und der Geruch in dem Gebäude, war/ist für mich Horror. Nie vergesse ich das Mädel Liane. Lebt sie noch? Was ist aus ihr geworden? Ich hatte dort viele Misshandlungen gesehen, die die Wärterinnen an an den Kindern vollbracht haben. Ich kam ins Krkh nach Heide und würde dort wohl mehr tot, wie lebendig aufgepäppelt. Was ich im Kinderkurheim Köhlbrand  sah, und selbst erlebte ist tief in meinem Unterbewusstsein vergraben, nur bruchstückhaft, kommt da mal was hervor. Nun habe ich mit St Peter Ording nie Frieden geschlossen und würde mir gerne das alles nochmal anschauen. War letztens mit Uli meinem jetzigen Ehemann, im Internet und wir haben etwas aufgestöbert das unglaublich ist. Dort wurden in 50 Kinderkurheimen, Misshandlungen im Sinne von Nazimethoden an den Kindern durchgeführt, man nennt uns, Verschickungskinder. Man wollte den Kindern, den Willen brechen und entweder, verdünnen, oder mästen. Damit man sieht, wie gut es uns ginge, hat man uns hinter Höhensonnen gesetzt. Geglaubt hat den Kindern keiner, oder wenige. Viele schwiegen aus Angst, oder wie ich, die glaubten sie seien eben nur schwierig, oder es ginge nur ihnen so, weil sie es alleine erlebten. Es ist schwer es da aus dem Unterbewußtsein etwas  raus zu holen und ich habe Angst davor, vor dem was ich erlebt habe. Als Mum mich abholte, musste sie ja nochmal ins Heim, meine Sachen holen. Da  wurde ihr mitgeteilt, dass die gesamte Heimführung verhaftet und abgeführt wurde, angeblich wegen Betruges, den wahren Grund sagten die natürlich nicht. Ich sage, die wurden wegen Misshandlungen abgeführt, vlt haben sie Liane totgeschlagen. Vlt war ich der Auslöser, die im Krkh Heide, haben doch gesehen, was mit mir los war.  Musste ja im Gesicht und am Körper die Striemen, der Peitsche gehabt haben. Jetzt möchte ich gerne mal dort, oder in der Nähe, Urlaub machen und das furchtbare Köhlbrand sehen, das jetzt ein Hotelresort ist. Vlt habe ich durch diese Gruppe hier, dann bald Frieden mit St. Peter Ording und kann verzeihen. Aber es kommen weitere Erinnerungen, wie Hausschuhe mit den Fersen an die Seite des Bettes, oder vor das Bett stellen und den Schlafanzug zusammengelegt unters Kopfkissen stecken. Weil ich kaum an Waschbecken reichte, gab man mir ein Schemelchen. Da bin ich heruntergerutscht und würde dafür geschlagen und weil ich nicht duschen wollte (ich kannte das nicht, wir hatten keine Dusche, wuschen uns mit Waschlappen zu Hause, am Becken ab, der saßen in der Badewanne) wurde ich unter die Dusche gestellt und kalt abgeduscht. Im April, darin war die Heizung entweder aus, oder sie hatten keine. Ich bekam durch das Wasser keine Luft  und schrie, wofür ich geschlagen wurde. Es werden mit der Zeit immer mehr Erinnerungen kommen und ich aktualisiere es immer wieder. Dort waren Teufel am Werk, man nennt es auch schwarze Pädagogik. Doch niemand tat etwas dagegen. Die Eltern wurden nicht erhört und Ärzte, Krankenkassen und andere Einrichtungen, nebst die FDP, waren schweigsam. Das dürfte nicht an die Öffentlichkeit kommen. Das Geld war wichtiger.
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Jutta Staudenmayer aus Bei München schrieb am 08.10.2022
Hallo, liebe Mitwisser‘innen, ich war in den 60ern 6 Wochen in Hirsau bei Calw im Schwarzwald und habe dort unerhörtes erfahren. Auch ich dachte damals, ich sei kein gutes Kind, weil ich weine und Heimweh hatte, ich bekam Strafen, weil ich nachts weinte ( ein Mädchen im Nachbarbett hatte mich verraten, aber sie kann ja nichts dafür, sie hatte ja Anweisungen und wollte alle richtig machen) und tagsüber auf der Pritsche zum Mittagsschlaf meine Augen öffnete. Erlebnisse, die Schuldgefühle entwickeln. Es waren dort Schwestern (Kloster oder Kirchenschwestern), die uns sagten was wir wie tun müssen und die uns bestraften. Ich habe aber leider kaum noch Erinnerung über den Rest meines Aufenthalts und hoffe, daß ich nicht mit Medikamenten ruhig gestellt worden bin. Was mir aber in tiefer Erinnerung geblieben ist sind die dunklen Gefühle, die Angst und der Vertrauensverlust, sowie das Schuldgefühl das unartige, weinende Mädchen zu sein, daß seine Gefühle nicht im Zaum halten kann. Ich hab aber andererseits und wahrscheinlich „Zum Glück“ wohl einiges heilsam verdrängen können. Dieser Aufenthalt hat mein Leben geprägt und ich finde es so furchtbar, daß Menschen so mit Kindern umgegangen sind. Ich habe damals wohl aufgehört Kind zu sein und fühle mit all meinen Leidensgefährten‘innen. Danke für die Möglichkeit der Aufklärung. Ich hätte nie gedacht, daß ich nicht in Kur, sonder ein Verschickungskind war.
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Klaus Walbrecht aus Wesseling schrieb am 08.10.2022
Hallo, ich war insgesamt 4 mal im Zeitraum von 1959 bis 1970 in sogenannten Kinder Kurheime. Erinnerungen habe ich nur ganz schwach an die Zeit in Triberg, Murnau, und Bad Wildungen. Ich weiß nicht mehr die Namen der Kurheime, Die schlechtesten Erinnerungen habe ich an Triberg.
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Astrid Förster geb. Köster aus Gmund am Tegernsee schrieb am 08.10.2022
Ich war 8 Jahre alt als ich nach Bad Rothenfelde geschickt wurde. Leider weiß ich den Namen des sogenannten Kinderkurheims nicht mehr. Ich wurde in gut gemeintem Sinne meiner Eltern für sechs Wochen dort untergebracht, weil ich ein Einzelkind bin und unter Kinder sollte, war wirklich gut gemeint von meinen Eltern. Ich kann so viele Erfahrungen was Strafen angeht in diesem Heim mit den Berichten hier absolut bestätigen. Aber das Schlimmste war, dass ich in den sechs Wochen 26 Mal nachts aus meinem Bett gerissen wurde und mit dem Erzieher in sein privates Schlafgemach kommen musste. Es erschüttert mich noch heute...ich bin jetzt 57 Jahre alt. Ich habe es als Kind mitgezählt und weiß es noch ganz genau. Ich habe mit über 30 Jahren eine bipolare Störung entwickelt habe Panikattacken seit ich damals wieder zuhause war und kann schlecht schlafen. Manchmal gar nicht vor lauter Angst im Dunkeln. Wenn ich wieder morgens im Heim in meinen Schlafsaal geschickt wurde, musste ich im Schlafanzug durch den Jungentrackt gehen und wurde von allen Jungen schrecklich ausgelacht. Ich erinnere mich genau an all das, als wenn es vor fünf Minuten passiert wäre. Angekommen im Schlafsaal habe ich jeden Tag vor lauter Einsamkeit und Verzweiflung und Heimweh mit meiner Spucke die Blümchen auf der Blümchentapete neben meinem Bett weggerieben, so dass nach sechs Wochen ein Riesenfleck auf der Tapete war. Ich wurde auch oft bestraft und musste im Dunkeln allein in der Speisekammer sitzen, ich hatte fürchterliche Angst. Ich mache seit etlichen Jahren Therapie um den sexuellen Missbrauch an meiner damaligen Kinderseele zu verkraften. Ich bin froh den Bericht heute morgen auf planet-wissen gesehen zu haben und endlich erhört zu werden. So habe ich endlich das Gefühl, dass ich nicht mehr alleine damit bin. Ich wünsche allen Opfern alles Liebe....
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Ingrid Waldvogel aus St Blasien schrieb am 07.10.2022
Ich war ca. Mitte der 60 Jahre in einem Erholungsheim am Starnberger See. Der Aufenthalt dort habe ich bis heute nicht vergessen. Kinder mussten ihr Erbrochenes wieder essen. Ich selbst musste stundenlang nachts auf dem Flur mit ausgestreckten Armen stehen. Wenn ich die Arme nicht mehr hoch halten konnte wurde darauf geschlagen. Das Essen war nur auf hohen Fettgehalt ausgerichtet, damit schnell zugenommen wird. Mir wird heute nochschlecht wenn ich an das dortige Essen denke. Das Personal war sehr böse.
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Beate S. aus Sprockhövel schrieb am 07.10.2022
Ich war mit ca 5 Jahren, wegen familiärer Schwierigkeiten der Eltern und "Blässe" ca 1972/73 in Bad Wörishofen. Es gibt keine guten Erinnerungen. Wenn ich im Wäscheschrank der Mutter das eine oder andere alte Handtuch mit der roten eingenähten Nummer "5" finde, bekomme ich sofort einen Knoten im Magen. Wir mussten damals Mittagschlaf machen, durften nicht sprechen, nachts saß eine Nonne auf dem Flur. Mir gegenüber am Tisch im Esssaal saß ein Mädchen, welches jede Mahlzeit erbrach und dieses Erbrochene wieder essen musste. Ich war dermaßen verängstigt, dass ich mich in einer Nacht einkotete und versuchte, den Kot im Pyjama zu verstecken. Natürlich flog ich auf und wurde vor allen beschimpft und erniedrigt. Das Sonntagskleid, welches bei Ankunft zu bestimmen war, wurde in den ganzen Wochen nicht gewaschen, trotz Essensfleck vom ersten Sonntagsmittagessen (ich war im Vorschulalter!). Ich habe Erinnerung an lange, schmucklose Flure, einen Schlafsaal mit vielen Liegen für den erzwungenen Mittagschlaf, strenge Ordensschwestern, Angst, Heimweh und das entsetzte Gesicht meiner Mutter bei der Heimkehr. Die "Blässe" hatte sich nicht gebessert, im Gegenteil.
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Silke Balsser aus Pohlheim schrieb am 04.10.2022
Diese Zeit war furchtbar für mich meine Eltern durften mich nicht besuchen kommen jeden Therapie war 6 Jahre alt musste Sonntags in die katholische Kirche obwohl ich evangelisch bin warum das es so war keine Ahnung Mittagszeit musste man den mittagsschaf machen damit diese Tanten mal ihre Ruhe hatten danach immer spazieren gehen das Essen musste mal den Teller leer machen
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Monika Siebold aus Schwalmstadt schrieb am 03.10.2022
Ich war gerade 6 Jahre alt und bei der Untersuchung für meine Einschulung, befand man mich zu schwach und untergewichtig.
Das Gesundheitsamt riet meinen Eltern zu einer 6 wöchigen Erholungskurs.Ihnen war nicht klar, was sie mir damit antun würden, sie glaubten wirklich es wurde meiner Gesundheit gut tun.
Also würde ich an einem Morgen zum Bahnhof gebracht, wo eine Dame vom Kreis oder Jugendamt mich in Empfang nahm und es ging nach Nussdorf am Inn
Ich war bis dahin noch niemals von zu Hause getrennt. Schon im Zug bekam ich Heimweh und ich sagte der Dame ich wolle wieder mit nach Hause, aber das hat niemand interessiert.
Ein ungefähr 4 Jahre älteres Mädchen hat sich schon im Zug meiner angenommen und auch dort im Heim sich um mich gekümmert.
Das Heim, für mich auch wenn ich heute daran denke, das ist jetzt 60 Jahre her, war eine einzige Katastrophe in meinem Leben.
Ich konnte weder lesen noch schreiben noch konnte ich irgendwie sonst mit meinen Eltern in Kontakt treten und das lange 6 Wochen, ich habe ganz viel geweint und immer wieder gesagt, dass ich nach Hause möchte, das hat niemand interessiert. Erst wie geplant durfte ich nach Hause.
Wir mussten 2 mal in der Woche in 2er Reihen anstehen für die Höhensonne, damit wir gesund aussahen.
Meine Kleidung wurde einfach einem anderen Kind, das nicht genug zum Anziehen mit hatte, angezogen.
Gegessen habe ich wenig bis gar nichts und dadurch auch abgenommen statt zugenommen.
Ich bin nicht missbraucht worden aber die psychischen und seelischen Schäden die man mir zugefügt hat, sind nicht zu verzeihen.
Meine Eltern wollten nur das Beste für mich, wenn sie gewusst hätten wie sehr ich gelitten habe, hätten sie dem nie zugestimmt.
In der heutigen Zeit wäre so eine Kur für ein Kind ohne Elternteil undenkbar.
Warum hat man mir das angetan??
Heute darf ein Kind ohne Vater oder Mutter noch nicht mal eine Nacht ins Krankenhaus, wenn es das nicht will.
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Stefanie Gross aus ehemals Wanne-Eickel schrieb am 03.10.2022
Ich wurde in 1971 als Fünfjährige zu 6 Wochen Heimaufenthalt verdonnert. Grund: angebliches Untergewicht, das Städtische Kinderheim musste damals dringend amortisiert werden. Ich war neugierig, auch wenn mir die Trennung von meinen Eltern sehr weh tat. Der erste Aufenthalt am Meer! Heutzutage würde niemand mehr sein Kind sechs Wochen lang "verschicken" lassen, aber damals orientierten sich die Eltern noch stark an Autoritäten und befolgten brav deren Anordnungen. Die sechs Wochen waren eine Hölle. Als sensibles und schüchternes Kind hatte ich keine guten Karten und die "Tanten" tobten sich an mir aus. Von den ekelhaften Proteinschleudern (vor allem viel zu viel Milch), dem Sitzenbleiben bis man aufgegessen hatte, bis zur Zwangsernährung. Ich hatte Angst vor der nächtlichen Dunkelheit, den Erzieherinnen, dem Essen, einfach vor allem. Die versprochenen Strandspaziergänge beschränkten sich auf 2 mal 1 Stunden im Exerzierschritt, Muschelnsammeln verboten. Der Rest: vor allem ruhig sitzen, endlose Langeweile und Furcht vor dem Kommenden. Das Verbot, nachts zur Toilette zu gehen machte mich zur Bettnässerin und damit begann ein Teufelskreis: Unfall, mein Bettzeug waschen, Angst vor der kommenden Nacht, erneuter Unfall etc. Der einzige Effekt war übrigens keine Gewichtszunahme sondern ein Trauma, dass mich eigentlich bis heute begleitet. Erstaunlich, dass die Erinnerungen noch so wach sind und noch erstaunlicher, dass so viele Kinder betroffen waren. Ich hatte mich immer für eine Einzelgängerin gehalten.
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Sascha Hentschel aus Köln schrieb am 24.09.2022
Hallo,

also ich 80er Baujahr war als Kind mit meimer Schweater zweimal dort ca. 1987 & 1988 jeweils 6 Wochen da unsere Eltern auf dem weg zur Scheidung waren und habe sehr schöne Erinnerungen, natürlich auch Regeln hehe aber im Ganzen alles Super.

Ich erinnere mich z.b. an die langen Wandergänge schön ordentlich nebeneinander, durch den Meter Hohen Schnee.. Die Zäune mit Strom am weg zur Österreich, Lang Lauf Ski, Besuch auf der Ski Sprungschanze, die Räume mit dem Nebel bevor es raus ging, schön Vaseline aufs Gesicht geschmiert bekommen..
Warm Kalt Wasser Becken..
Die Spiel Olympiade im Ganzen Haus (Die ich nach Punkten tatsächlich gewann da ich alles zweimal machte hehe) der Auftritt als Vampir im Foyer unten, der Zauberer auf der Bühne in der Halle, der mir das Ei auf dem Kopf zerschlug, und ich nen selten Schein dafür bekam..

Die Besuche in den kleinen Kapellen wo gemeinsam Gesungen wurde..

Die Frische Milch vom Bauern..
Geschlafen wurde in Hochbetten, 4 Kinder ich oben und ich erinnere mich vor dem Schlafen gehen das ich ein Mädchen geküsst habe die sich rübed beugte vom andere Hochbetten.
Das falten unsere Wäsche mit der Betreuerin, Namens Schilder in der Wäschs..

Da gabs Postkarten zum verschicken die wir kauften von unserem Taschengeld, und auch Briefe von zuhause..
Man hatte auch Heimweh aber es war schön, viel uns hoher Schnee...

Der Pudding war dies, den musste man auch tatsächlich auf Essen, und das waren Regeln ohne Hauen o.ä. hehe..

Ich würde sehr gerne diesen Ort nochmals sehen und Erleben..
Leider besitze ich kein Führerschein und habe auch keine eigenen Kinder.


Schade das ich hier so negative Erfahrungen lese..


Grüße aus Köln
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MiriamT schrieb am 23.09.2022
Hallo,
Ich war im Sommer 87 ein Verschickungskind in Berchtesgarden.
Ich war 10 Jahre alt, meine Mutter wollte mir was guten Tun und schickte mich auf diese Kinderverschickung der Barmer Ersatzkasse.
Ich kam nach 6 Wochen Aufenthalt als ein Kind mit einer Angststörung zurück was unter Ticks und wahnsinnigen Angst vorm Schlafen gehen litt.
Meine Erinnerungen an diesen Aufenthalt sind furchtbar:
Wir Kinder wurden auf Bänke und Stühle gefesselt als Bestrafung, nur weil man z.B eine Wiese betrat die man nicht betreten sollte.
Man musste sich in einen Kreis stellen und laut singen oder Gedichte aufsagen um seine Post von Zuhause zu erhalten (ich hatte immer gehofft ich bekomme keine Post).
Als die Magen-Darm-Grippe ausbrach und ich mich als Kind in das Bett übergab, musste ich in meinem Erbrochenen als Bestrafung schlafen.
Das Duschen, Waschen, Zähneputzen erfolgte nur gemeinschaftlich und unter strenger Aufsicht.
Die Mahlzeitenaufnahme war sehr streng, es musste aufgegessen werden ansonsten musste man solange sitzen bleiben bis der Teller leer war.
In einer Nacht wurde ich sexuell Missbraucht. Ich habe Dies nächsten Tag einer Betreuerin erzählt, darauf wurde mir eingeredet ich hätte alles nur geträumt. Ich habe danach eingenässt und wollte nicht mehr in diesem Zimmer schlafen. Ich durfte nach langem Theater das Zimmer wechseln und habe mich versucht mit meiner neuen Zimmernachbarin tagtäglich Nachts einzuschliessen indem wir den Stuhl unter die Türklinke schoben. Dieses Mädchen hatte genauso Angst wie ich, dass ist mir heute bewusst geworden.
Meiner Mutter konnte ich mich nicht mitteilen, die Post die man schrieb wurde streng kontrolliert und man musste positive Sachen in die Karte schreiben.
Ich war wochenlang einer fürchterlichen Angst ausgesetzt.
Ich wurde als glückliches Kind auf diese Kur geschickt und kam als verstörtes und ängstliches Kind nach Hause. Ich habe Jahrzehnte gebraucht um über das erlebte zu reden. Ich leide heute noch unter einer Angststörung und unter Zwängen die sich dadurch bildeten.
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Joseph Siegfried aus Albstadt schrieb am 19.09.2022
Ich wurde 1963 bis 68 nach Scheidegg wegen Lungen Tuperkolose gebracht.Für mich war Die Klinik ein Glücksfall.Mein Bruder war ebenfalls 6 Jahre dort.Wir wurden beide als gesund Entlassen.Wir haben uns in Das Buch Die Kinder von Scheidegg eingetragen.Bin heute 61 Jahre und so was von gesund.Meine Mutter hatte nicht Das Glück und verstarb 1968 da war Die Klinik nicht so gut.Also ich kann nur gute berichten von Scheidegg und mache jedes Jahr eine Wanderung als Erinnerung an diesen Ort.M.F.G. S.Joeph
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Christine B. aus Heiligenstadt (Eisenach/Erfurt) schrieb am 10.09.2022
Hallo,
Auch ich hatte eine heilbehandlung bzw Kur im März und Dezember 1987.
Meine Mutter verstarb.
Alles an was ich mich erinner ist ein großer Waschraum und das ich mir mein Zimmer teilte mit einem Mädchen. Sie war traurig. Sie hatte ein Kuscheltier bzw eine Mond Spieluhr.
Ich weiß nicht warum ich dort war. Evtl weil meine Mutter verstarb in dem Jahr.
Leider fehlen mir weitere Erinnerungen.
Habe aber alles im Impf- bzw. Sozialausweis (DDR) als Eintrag belegt.
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AnjaM schrieb am 07.09.2022
auch ich war ein verschicktes Kind und war in Bad Sassendorf gelandet. Wie ich angereist bin, weiß ich nicht mehr. Es gab auch keinen Abschied in meiner Erinnerung, aber sehr viel Angst. Als sogenanntes Bettnässerkind war die Verschickung mehr eine Bestrafung. So paßte es natürlich auch, dass ich in einem von Nonnen, streng geführtes Haus landete.

Ich war 6 oder 7 Jahre alt, schreiben und lesen konnte ich noch nicht. Es gab 3 oder 4 weitere Kinder mit den Namen Anja (ich war die jüngste).

Ich erinnere mich an Holzwannen, mit salzigen Wasser, mein Aufenthalt war im Winter. So regelmäßig wie diese Wannen sich wiederholten, waren auch die Zeiten, in denen wir mit kleinen Schutzbrillen vor Lampen sitzen mussten. Neben der Kirche mussten wir regelmäßig zu Konzerten. Einmal haben wir übermütig geklatscht, so dass wir unsere Handrücken berührten. Wir durften anschließend, zur Strafe, nicht mehr raus und viel schlimmer, nicht mit den anderen zum schwimmen.
Wer an den Konzerttagen Geburtstag hatte, der bekam von den Musikern ein Plakat/Poster geschenkt.
Ich wusste meinen Geburtstag nicht, wollte aber auch so ein Geschenk. Also hatte ich mich einfach gemeldet, als nach einem Geburtstagskind gefragt wurde. Das war eindeutig nicht meine beste Idee…

Die Mahlzeiten waren sehr streng. In meiner Erinnerung durften wir nicht reden, alles musste aufgegessen werden. Zur Strafe wurde man auch schon einmal auf die Terrasse (oder war es ein Balkon?) geschickt, ohne Jacke, mit der Stulle in der Hand, in die Kälte, bis alle fertig waren. Fertig war man erst, wenn alles aufgegessen wurde.

Die Bettnässerkinder hatten einen Wochenplan, wenn das Bett trocken blieb, dann gab es einen Aufkleber. 1x in der Woche musste man mit diesen Plan zur Oberschwester. In meiner Erinnerung, eine alte und strenge Nonne. Ich bin mir nicht sicher, ob mich meine Erinnerungen da täuschen, oder ob sie tatsächlich 1 großen (oder sogar 2) Hund hatte. Vielleicht haben mir die anderen Kinder es erzählt, weil ich eine große Angst vor Hunden hatte.

Auf jeden Fall gab es von dieser Oberschwester entweder eine Belohnung (in Form von Süßigkeiten), oder eben Strafe/Schimpfe, je nachdem wie viele Aufkleber man hatte.

Ich hatte immer große Angst vor diesen Tagen und viel Süßes gab es für mich nicht.

Strafen waren allgegenwärtig. Einmal hatten die anderen Kinder meinen Teddy geklaut und auf dem Flur geworfen, es war Schlafenszeit. Der dunkle und sehr lange Flur machte mir nicht nur Angst, er durfte natürlich auch nicht, zur Schlafenszeit, betreten werden. Aber ohne Teddy ging auch nicht. Also schlich ich irgendwann raus und wurde natürlich prompt erwischt. Zur Strafe wurde ich ohne Teddy und ohne Decke, in einen Raum gesteckt, der in meiner Erinnerung sehr klein war und nur eine Matratze auf den Boden hatte. Dort musste ich die Nacht verbringen und war am nächsten Tag, für alle die unartige Anja.

Wir mussten regelmäßig spazieren, immer schön ordentlich in 2er Reihe.

Meine einzige schöne Erinnerung war eine liebe Nachtschwester. Diese nähte meinem Teddy neue Augen (mit gelben Stopfgarn). Der Teddy ist heute noch in meinem Besitz. Ich glaube, mein Aufenthalt dauerte 6-9 Wochen.

Sehr lange hatte ich Angst erneut dorthin zu müssen und alleine die Androhung (die es leider gab) reichte aus.

Ich glaube, es gab sicherlich positive Erlebnisse in Bad Sassendorf, leider brennen sich in kleine Kinderseelen die negativen Erinnerungen.
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Susanne Grünbeck aus München schrieb am 04.09.2022
Ich war im Frühjahr 1975 mit 9 Jahren für 6 Wochen im Kindererholungsheim in Glücksburg. Der Kinderarzt hatte die Kur verschrieben, weil ich unter starker Bronchitis litt. Ich fuhr fröhlich dorthin, weil ich noch nie am Meer gewesen war und neugierig und offen war. Ich komme aus der Nähe von Karlsruhe und das war für mich schon eine halbe Weltreise.
Dort aber litt ich unter unvorstellbarem Heimweh.
Ich bekam dort Windpocken und war sehr krank, aber die Betreuerinnen sagten, man sei nach drei Tagen wieder gesund. Also musste ich nach drei Tagen wieder alles mitmachen und durfte nicht länger im Bett liegen. Ich schleppte mich durch die Gegend und traute mich nicht, jemandem zu sagen, wie elend ich mich fühlte, aus Angst, dann am Ende nicht heim zu dürfen, denn es war in der 4. oder 5. Woche meines Aufenthaltes.
Als ich dann wieder Zuhause ankam, fieberte ich stark. Meine Mutter musste mir die Strumpfhosen vorsichtig von den Beinen schneiden, denn die Windpocken waren offen und alles war verklebt. Ich war in einem furchtbaren Zustand. Ich fehlte noch zwei weitere Wochen in meiner Schule, bis ich wieder genesen war.
Es ist mir heute völlig unverständlich, was für eine Atmosphäre von Angst in dem Heim verbreitet wurde, dass man seine Krankheit und sein Elend lieber versteckte, als sich einer Betreuerin anzuvertrauen. Auch mit Heimweh ging man nicht zu eine der Erzieherinnen. Dass mich dort ältere Kinder aufzogen und meiner Barbiepuppe die Kleider zerschnitten, hätte ich nie einer der Damen dort anvertraut!
Ich hoffe sehr, dass solche Kinderverschickungen heute nicht mehr existieren bzw. dass Erzieherinnen in solchen Einrichtungen besser ausgebildet und Kinder ihnen wirklich am Herzen liegen...
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Nils aus 45259 Essen schrieb am 01.09.2022
Nun,
es liegt lang zurück, in Erinnerung blieben gewaltige Erinnerungen.
Ich war bei der Verschickung 5 Jahre alt, und war kurz zuvor erst in den Kindergarten gekommen, ich war also nicht wirklich viele Kinder gewohnt.
In Erinnerung blieb, dass ich mich am Morgen der Abfahrt gewehrt habe, und es nicht wollte. Die Fahrt ging vom Rheinland nach Dagebüll per gecharterten Intercity, voller Kinder, und ich mittendrin, ohne Bezugsperson.
Bei der Ankunft dort herrschte Sturmflut. Als der Busfahrer, es war schon dunkel, am Fähranleger die Tür öffnete, schwappte das Wasser um den Bus.
Ich war in einem mutmasslich Sechsbettzimmer, und ich erinnere mich, dass ich im Dunkeln den Lichtern der ersten ankommenden Fähren zugesehen habe.
Die "bösen" Kinder, die abends auf den Zimmern Unruhe stifteten, mussten eine Etage tiefer auf dem Flur auf einer Matratze vor dem Betreuerzimmer liegen.
Was blieb noch in Erinnerung: Das erkennbare Desinteresse der Betreuerin an den Kindern.
Die gestickten Namensschildchen in allen klamotten, die noch jahrelang später zum Teil im Leben waren.
Das Postkartenschreiben war ein stumpfes Ritual. Einmal bekamen meine Eltern eine Karte auf der Stand schlicht: Nils hat heute keine Lust, eine Karte zu schreiben.

Gegen Ende der sechs Wochen, war soetwas wie Selbstsicherheit gewonnen, denn ich durfte nun auch einmal im Flur auf der Matratze liegen.
Schlimm für meine Mutter war bei der Wiederkehr am Bahnhof, dass ich meine eigene Familie nicht erkannte. Und was den Erholungseffekt anging, ich wer schwer erkältet, mit einer heftigen Mittelohrentzündung.
Alles in allem eine mehr traumatisierende als erholende Erfahrung. ohne Bezugsperson, unter Unmengen fremder Kinder, habe ich schwer gefremdelt.
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Elke schrieb am 30.08.2022
Auch ich bin eine Betroffene und war 1966 im Kinderheim „Frisia“ in St. Peter Ording.
Eigentlich sollte ich dort ein wenig zunehmen und die Seeluft sollte meiner chronischen Bronchitis helfen. Doch das Ganze entwickelte sich zu einem Albtraum für mich.

Ich wurde von meinen Eltern gebracht und wieder abgeholt. Die Trennung war erst in Ordnung. Ich wusste ja, bald bin ich wieder zu Hause. Doch es müssen dort Dinge geschehen sein, die mir fürchterliches Heimweh machten. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Doch einige Bruchstücke sind noch da.

Ich empfand das Haus als sehr dunkel, fast düster. Der Schlafsaal waren ein Graus für mich. Dieser große Raum war für mich mit fürchterlichem Zwang behaftet. Man durfte nicht weinen. Viele taten es heimlich unter der Bettdecke, wenn nicht mehr eine der Tanten dort herumschlich.

Man durfte, wenn man im schon im Bett war, nicht mehr zur Toilette. Wenn dann jemand aufgrund dessen in sein Bett machte, wurde er im Waschraum abgeduscht oder aber auf einen „Pipi-Topf“ mitten in den Schlafsaal gesetzt, so dass alle anderen es sehen konnten. Eine fürchterliche Demütigung. Auch haben mir dort andere Kinder erzählt, dass sie statt abgeduscht zu werden, mit nassen Handtüchern geschlagen wurden.
Jahre später, als mir dies einmal wieder in den Sinn kam, habe ich einmal nachgeschlagen, warum man so etwas tut. Ergebnis: Schlagen mit einem nassen Handtuch hinterlässt keine Spuren.

Ich kann mich auch daran erinnern, dass alles immer ordentlich im Schrank/Regal sein musste. Schuhe mussten auch geputzt werden, auf einer langen Bank in einem langen Flur.

Essen… dieses Thema verfolgt mich noch heute. Es musste immer alles aufgegessen werden, was auf dem Teller war, egal, ob man es mochte oder nicht. Für mich sind für immer und ewig Rote Beete und Rhabarber von meinem Speiseplan gestrichen. Die allerschlimmste Erinnerung ist für mich das Rhabarberkompott, dass ich überhaupt nicht mochte. Erstens einmal sah es für mich aus, wie schon einmal gegessen und zweitens war es vom Geschmack her ganz schrecklich. Ich musste es essen. Ich wurde damit nicht zur Essenszeit fertig und somit in einen extra Raum gesperrt und saß dort so lange vor meinem Kompott bis das Schälchen alle war. Ich musste immer wieder würgen. Ich habe es aber irgendwie geschafft, mich nicht zu übergeben. Das tat ich dann „heimlich“ später auf der Toilette. Andere hatten mir erzählt, dass es ihnen ähnlich und schlimmer ergangen war, so wie viele es hier mit dem Erbrochenen schon beschrieben haben.

Es wurden auch Postkarten nach Hause geschrieben. Mit 5 Jahren konnte ich noch nicht schreiben, also schrieb eine der „Tanten“. Und zwar immer nur positiv. Eine Karte habe ich davon noch. Ich weiß, dass es noch mehr gab, aber Sie sind irgendwann bei meiner Mutter abhandengekommen. Ich kann mich erinnern, dass auf einer dieser Karten stand, dass ich nun nicht mehr so viel weine und mein Heimweh fast weg ist. Von wegen… Ich wollte lieber heute als morgen wieder nach Hause.

Alles in allem war das Fazit für mich und meine entsetzten Eltern, als sie mich wieder in Empfang nahmen: Ziel der Kur absolut verfehlt. Die Fotos (siehe Forum/Regionalgruppe), die gemacht wurden auf der Fahrt dorthin – noch „freudestrahlend“, während der Kur – man sieht schon mein gequältes/erzwungenes Lächeln und auf der Heimfahrt – völlig verstört, verängstigt und mit dunklen Ringen unter den Augen, belegen das oben beschriebene Fazit.
Ich bin froh, dass meine Eltern mich hinterher entsprechend „aufgefangen“ und versucht haben, das Geschehene vergessen zu machen. Mein Misstrauen bestimmtem Essen gegenüber ist jedoch bis heute geblieben.
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Oliver Reinhardt aus Beverstedt schrieb am 28.08.2022
Ich wurde im Alter von 9 und 13 Jahren verschickt. 1972 kam ich mit meiner Schwester ins Kinderkurheim der Freien Hansestadt Bremen auf Wangerooge.
Dort waren Behandlung und Umgangston ganz okay, nur die Belegung mit um die 200 Kinder war für mich traumatisch. Immerhin gab es aber recht kleine Zimmer mit nur vier oder fünf Betten. Da ich zu den unterernährten Kindern gehörte (meine fast 90jährige Mutter schämt sich heute noch), musste ich mit wenigen anderen an einem separaten Tisch essen. Diese Exponiertheit war unangenehm und man wurde gehänselt.
Schlimmer aber war, dass es zum Frühstück zwangsweise Leberwurst und andere Dinge gab, die ich verabscheute. Alles in allem aber war der Aufenthalt in Ordnung.
Deshalb stimmte meine Mutter zu, als ich 1976 noch einmal verschickt werden sollte. Ich kam 6 Wochen nach Boffzen, in das Kinderkurheim das -wie ich mittlerweile weiß- schon von den Nazis betrieben wurde.
Uns Kindern wurde gesagt, das Haus sei privat, die Besitzerin wohne in der 50er Jahre Villa auf dem selben Gelände. Von der sah man nur ab und an einen großen, silbernen Mercedes.
Wir Kinder waren untergebracht in einem schlossähnlichen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert (es gibt noch Bilder im Netz). Ich denke, wir waren vielleicht 20 oder 30 in meiner Jungs-Gruppe und genauso viele in der abgetrennten Mädchen-Gruppe. Alle Jungs waren untergebracht in zwei miteinander verbundenen Schlafsälen. Nur neben dem Zimmer der Betreuerin (Name vergessen), die offenbar dort wohnte, gab es ein 3er-Zimmer. Da kam ich nach ein paar Tagen rein, weil ich mit dem Schlafsaal nicht klarkam und dort gehänselt wurde. Die beiden anderen Bewohner meines Zimmers waren wegen Ungehorsam aussortiert worden, weshalb wir unter ständiger Beobachtung standen. Es herrschte ein Klima latenter Angst und Bedrohung. Unter den Kindern bildeten sich Hackordnungen. Da stand ich weit unten. Ich wurde später noch jahrelang von Anrufen eines der Jungen verfolgt, der dann immer seinen Namen nannte und danach auflegte.
Die Tagesbeschäftigung bestand in Zeiten, in den wir auf dem Gelände spielen durften, auf einer Wiese, aber ohne Anleitung, Anregungen oder Spielgeräte. Ich glaube auch, dass es täglichen Frühsport auf dem Hof vor dem Haus gab. Außerdem gab es nahezu täglich Wanderungen. Es ging in die immer selbe Richtung. Zunächst eine steil ansteigende, gerade Straße hinauf, von den Betreuern Himmelsleiter genannt. Mir kam sie unendlich anstrengend und lang vor. Vermutlich war sie das nicht.
In Wald und Feld mussten wir dann Beerenfrüchte sammeln. Die gab's dann auf Pfannkuchen zum Abendbrot.
Das Essen war ausgesprochen mager und eklig. Als ich nach sechs Wochen heimkam, hatte ich mehrere Kilo abgenommen und hatte in der ganzen Zeit nur 2mal Fleisch bekommen.
Ich war als 13jähriger durchaus in der Lage, mal von daheim weg zu sein. Aber die Situation im Kinderheim war so bedrückend und beängstigend, dass ich recht bald einen Hilferuf an meine Mutter schrieb. Den trug ich immer mit mir herum, wurde ihn aber nicht los, weil die ausgehende Post zensiert wurde.
Das für mich schlimmste Erlebnis, dem ich bis heute einige "merkwürdige" Verhaltensweisen verdanke, war das gemeinsame Duschen. Es fand in einem Kellerraum eines benachbarten Remisen-Gebäudes statt. Dazu muss ich erklären, dass ich in einem streng antinazistischen Haushalt aufgewachsen bin und früh mit entsprechenden Bildern und Texten in Berührung kam.
Der Duschraum dort entsprach meinem Wissen von KZ-Ausstattungen. Ein großer, dunkler Raum mit Leitungen unter der Decke, an denen Duschköpfe hingen. Wir wurden zum gemeinsamen Duschen gezwungen. Für mich total belastend, weil ich sehr schamhaft war und immer Angst hatte, wieder wegen irgendwas gehänselt zu werden. (Wegen meiner abstehenden Ohren sowieso) Der Raum machte mir unendlich Angst, zumal die Betreuer einen sehr herrischen Ton drauf hatten und uns immer durch die Gegend scheuchten. Es ist wohl nichts wirklich schlimmes passiert, aber 6 Wochen in einem Klima von Angst, Befehlen und Ungerechtigkeiten waren für einen Heranwachsenden schwer zu ertragen und leider träume ich heute, mit fast 60 Jahren, noch regelmäßig davon.
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Andreas Almstedt aus 37136 Waake schrieb am 27.08.2022
1955 wurde ich im Alter von 5 Jahren in eine „christliche“ Einrichtung im Schwarzwald (Freudenstadt) verschickt.
Mein Vater war wenige Monate zuvor nach einem langen Leidensweg gestorben. Danach hatte ich keinen Appetit mehr, nahm ab und kam zur Erholung.
Gleich nach der Anreise wurde ich von meiner Schwester getrennt, da Mädchen in einem anderen Teil des Hauses getrennt untergebracht wurden.
Ich sollte essen, aber weil ich keinen Appetit und einen riesigen Heimwehklos im Hals hatte, ging gar nichts mehr.
Das mir auf den Teller gelegte musste aufgegessen werden. Ich konnte nichts runter kriegen.
Am ersten Abend waren die Aufseherinnen noch relativ gnädig. "Nur" verbales Drängen galt e.auszuhalten.
Die anderen Kinder hatten schon aufgegessen und waren aufgestanden und gegangen.
So blieb ich schließlich lange allein in dem großen Raum. Ab und zu wurde nachgesehen, ob ich endlich artig gegessen hätte. Schließlich galt ich als bockig und böse. Und sowas zu brechen hatte man ja Methoden.
Vielleicht wollten sie Feierabend machen. Jedenfalls blieben mir weitere pädagogische Bemühungen an diesem Abend erspart .
Ich hatte nicht nur Heimweh, ich war Heimweh. Ich schluchste und schluchste . Ich war vater- und mutterseelen allein.
Weinen (Heimweh) war abends verboten. Wer erwischt wurde, wurde in den kalten Duschraum abgeführt, wo er u.U. Stunden im Kalten verbringen musste. Manche Kinder, die so widerspenstig und ungezogen-böse waren, daß sie mit Weinen und Schluchzen einfach nicht aufhörten, wurden kalt abgeduscht . Das half .......nach einer gewissen Zeit.
In einer religiösen Unterweisung wurde Angst vor der Hölle für unartige Kinder geschürt. Auf welchem Weg, dem guten, steilen , beschwerlichen, oder schlechten, bequemen, nach unten gehenden befindest Du dich ?
Die Wege wurden auf der Tafel veranschaulicht .
Auf dem schlechten Weg wurde ein Punkt eingezeichnet, bei dem eine Umkehr nicht mehr möglich ist. Hat man den erst erreicht, ist man für immer verloren, dann geht es schnurstracks in das Höllenfeuer ewiglich.
Ihr wisst doch , wie es sich anfühlt, wenn man einen Finger in eine Kerze hält? Und nun den ganzen Körper für immer und niemand ist da, der helfen kann !
Böse waren wir ja wirklich:
Abendliches Weinen und nicht aufessen oder gar abnehmen ( ich wurde gewogen und zu leicht befunden ) waren die Hauptsünden.
Bei jedem Wiegen meines Gewichtes wurde auch meine Schuld, mein Ungehorsam mit gewogen. Wieder Gewichtszunahme verweigert. 
Doch für solche Fälle gab es die Methode der Mästung, die zum Gück nur einmal an mir praktiziert wurde. Vermutlich weil es bei mir vermutlich zu zeitaufwendig war und auch diese pädagogischen Massnahmen bei mir nichts fruchteten.
Wieder mal saß ich lange noch nach dem Frühstück allein vor einem für mich ekligen Käsebrot, das ich unbedingt essen sollte.  Schimpfen und Drängen der Aufseherinnen führten zu nicht mehr Appetit.
Diesmal war es nicht nur der Klos im Hals, sondern auch Widerstand, der natürlich gewaltsam gebrochen werden musste.
Ein herrisches ;"Mund auf ! " hatte keinen Erfolg. Es wurde eine zweite Kraft dazu geholt.  
Eine der Aufseherinnen drückte daraufhin meinen Mund auf, indem sie in die Wangen drückte und so den Kiefer gewaltsam öffnete.
Die andere schob mir ein Stück Brot in den Mund. "Kauen! , Schlucken !" Die Befehle hatten nicht den gewünschten Erfolg. Ich kaute und schluckte nicht. Die Prozedur wurde unter verschärften Bedingungen wiederholt. Nun wurden zusätzlich Mund und Nase zu- und ich fest gehalten. Das führte zum Erfolg. Unter Tränen, ein Brocken nach dem anderen.  Sie waren ein eingespieltes Team. Sie hatten es geschafft. Das Brot war drin. Danach war mir der Appetit gänzlich vergangen. Vor diesen Bestien hatte ich nur noch Angst.
Iimmerhin wußte ich nun, wer böse war. Von ihnen nahm ich nichts mehr an.

Was können wir daraus lernen ?
Auch diese Hexen waren Kinder ihrer Zeit. Es herrschte die schwarze Pädagogik über sie.
Unter Ausblendung von Mitgefühl hielten sie sich daran, was allgemein angesagt war, was Mainstream der Pädagogik war, was als richtig und förderlich für die Kinder galt. Die so zu Aufseherinnen gewordenen Frauen waren Täter und und Opfer zugleich . Sie opferten gegenüber den Kindern ihr Mitgefühl.ihre Seele, die den ihnen anvertrauten Kindern verrohte.
So auch wie wir heute verrohen, wenn auch in anderen Zusammenhängen:
Aus heutiger Perspektive kann rückblickend deutlich werden, wie der Zeitgeist, der Mainstream, über Empathie, Mitmenschlichkeit dominieren kann. Es braucht nur "gute", gesellschaftlich getragene Gründe, um Unmenschlichkeit, Gewalt um eines höheren Zieles willen, zu rechtfertigen. Schließlich heiligt der Zweck ja die Mittel. Alles ist gut , wenn es nur einem guten Zweck dient.
Mit dieser Haltung können wir überhaupt das "Böse" bzw. das, was nicht unseren Interessen entspricht, mit bestem Gewissen austreiben, bzw. vernichten.
Eigene moralische Massstäbe, so vorhanden, werden obsolet, wenn sie nicht mit dem Mainstream konform gehen. Und unser Interesse ist es natürlich, auf Teufel komm raus, immer dazu zu gehören.
Dem propagierten Mainstream folgend werden z-B. auch entgegen der ursprünglichen Überzeugung, Tötungsmittel Mit-Morden (damals wie heute mit dem Segnen von Waffen, bzw. mit dem Absegnen der Verschickung von Kindern und "guten" Waffen zum gefälligen Gebrauch. Mit guten Gründen lässt es sich gut morden, seien es Kinderseelen oder die zu Feinden erklärten Menschen.
Das kann man doch nicht miteinander vergleichen?
Doch, muss man sogar !
Der gemeinsame Nenner heißt:
Unterdrückung von Mitmenschlichkeit durch Interessen geleitete Erkenntnis /Ideologien.
 
 

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Christiane aus Göttingen schrieb am 27.08.2022
Ich war fünf Jahre alt, als man befand, dass ich zu dünn sei und meine Mutter mit drei Kindern eine Auszeit zumindest von einem, dem mittleren, haben sollte.

Ich war für sechs Wochen in einem Heim, wo ich an einem Tisch mittig in einem großen Speisesaal Essen immer wieder bekam, das ich nicht essen konnte, bis ich es aß und herunterzuwürgen versuchte.

Ich durfte nachts nicht auf Toilette, nässte deshalb ins Bett ein, es gab Gewalt und sogar Schläge mit der Hand, man nahm mir meinen Bär weg, dem einzigen, woran ich mich festzuhalten versuchte und bekam als einzigen Kontakt die Päckchen von zu Hause nicht, weil ich nicht funktionierte. Diese Päckchen mit bestimmten Süßigkeiten wurden vor meinen Augen an andere Kinder verteilt, weil ich sie nicht verdient hatte.

Man schrieb Karten an die Eltern, dass es mir blendend ginge, weil ich mit fünf Jahren noch nicht schreiben konnte.

Ich kam nach sechs Wochen als gebrochenes Kind mit Alpträumen und abgekauten Fingernägeln zurück. Ich kämpfe bis heute mit den Folgen.

Als ich ca. 10 war, war ich mit den Eltern in der Gegend und meine Mutter wollte das Heim sehen. Sie fanden es und ein verschrecktes Kind tauchte hinter den Gitterfenstern im Erdgeschoss auf. Meine Mutter weinte den gesamten Weg zurück zum Ferienort und entschuldigte sich immer wieder bei mir. Sie hatte mir meine kindlichen Schilderungen nicht abgenommen und war entsetzt zu sehen, dass alles, was ich erzählt hatte, stimmte. Das führte dazu, dass sie mir (erstmals) auch den Rest, den sie nicht überprüfen konnte, glaubte. Bis dahin war man zu Hause der Meinung, dass ich lüge und Aufmerksamkeit wollte.

Während ich das schreibe, habe ich Tränen in den Augen. Ich wünsche mir seit vielen Jahren, es vergessen zu können.

Wenn diese Aktion auch nicht zum Vergessen beiträgt, so ist sie doch trotzdem gut. Danke dafür
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Winfried aus WW schrieb am 25.08.2022
Ich war 1966 mit 8J. zur Erholung im Kinderheim Richardsen in St.Peter Ording. (Auf der Seite der AG OrtsChronik e.V. St.PO ist das Haus abgebildet. Als ich das Bild sah und den Namen laß, wußte ich: hier war ich). Ich hatte immer wieder Bronchitis, war ein schmächtiges Kind und sollte dort abgehärtet werden. Nun ja.
Vorher hatte ich schon mehrere traumatische Erlebnisse in Krankenhäusern: als Frühchen in den 50gern im Brutkasten einer Uniklinik, mit 3J. eine Blindarm OP (bei der die Narkose nicht richtig wirkte), mit 6J. eine Mandel OP ( bei vollem Bewußtsein wurden wir an die Stühle geschnallt, dann den Ätherlappen vors Gesicht, und alles brüllte…). Besuchsverbot für die Eltern.
Nun also St.Peter Ording. Währendessen lag meine Mutter mit Krebs im Krankenhaus (Kinder unter 12J. haben keinen Zutritt. Ich konnte sie also vor Abreise nicht mehr sehen.
Ich wollte nur nach Hause, hatte füchterliches Heimweh. Unter den Kindern ging das Gerücht um, wer ständig weint, wird nach Hause geschickt. Also habe ich die ersten Tage nur geweint, es half nichts.
Morgens der Haferbrei ging noch, das Mittagessen war viel zuviel, ich mußte mit einigen anderen immer solange sitzen bleiben bis ich alles hineingewürgt hatte. Das Abendessen war das schlimmste.
Es gab 5 halbe Brotscheiben, jeweils eine mit Quark m. Schnittlauch (bäh), Wurst, Käse, Bananenscheiben, Schokoraspeln. Ich konnte einfach nicht soviel essen. Andere schon, und noch viel mehr. Also bot ich meine Brote zum Tausch an, wenn du mein Brot isst…Die anderen Jungs wollten natürlich nur das Schoko- o. Bananenbrot. Das hätte ich auch mal gerne gegessen, würgte statt dessen das Quarkbrot hinunter. Natürlich alles heimlich, wer erwischt wurde, daß er nicht seinen Teller leer aß, wurde bestraft. Das klappte nur kurze Zeit, ich habe dann die Brote in die Hosentasche gesteckt und später im Clo entsorgt. Das viel natürlich auf, wurde verpetzt und ich wurde bestraft.
Ohrfeigen waren damals was völlig normales und auch der Lehrer in der Schule wurde nicht müde zu betonen: die Prügelstrafe ist noch nicht abgeschafft.
Briefe nach Hause wurden zensiert, Päckchen von Zuhause wurden geöffnet: Obst kam sofort in die Küche, Süßigkeiten (wenn mehr als 1 Teil) kamen in den Gemeinschaftspool, Briefe und anderes an das Kind.
Dann bekam ich Mumps und mußte auf die Krankenstation. Hier gab es kleine Portionen und ich war froh krank zu sein. Währendessen ist meine Mutter verstorben, was mir nicht mitgeteilt wurde.
Schlimm waren auch die wöchentlichen Untersuchungen beim Haus-Doktor,der in Ermangelung oder aus Sparsamkeit keine Holzspatel sondern Eßlöffel aus der Kücheverwendete und jeden „zur Sau“ machte, der dabei hustete. Manche zitterten schon vorher.
Nach der Mumps-Zeit wurde ich als Langsam-Esser eingestuft und mußte mein Mittagesse alleine im Speisesaal eine halbe Std. vor allen anderen einnehmen. Wie das dann mit den Broten war, weiß ich nicht mehr.
Dann wurden Andenken gekauft (die Händler kamen ins Haus), eine Kleinigkeit für Vater und Mutter, und ab gings nach Hause. Noch auf dem Bahnsteig habe ich gefragt, ob ich endlich meine Mutter besuchen darf, die Antwort: die ist doch schon im Himmel.
Das wars, die Kindheit war vorbei. Verständnis, Gefühle, Reden, das gab es nicht.
Ich habe angefangen zu stottern, Atemwegserkrankungen waren ständige Begleiter.
Folgerichtig kamen in den Folgejahren noch 3 Asthmakuren in Bad Reichenhall hinzu. Manchmal kam ich kränker zurück, als ich losgefahren war.
Im späteren Leben kamen noch Allergien und Süchte und Tinnitus hinzu. Verschiedene Therapien halfen nicht. Ich habe bis heute keine stabile Beziehung aufbauen können. Jetzt mit 65J. ist noch eine Neurodermitis hinzugekommen.
Ich bin nur noch müde, müde, traurig und wütend.
P.S.
Wie ich gehört habe, steht das Haus Richardsen noch. Lange Zeit als Gästehaus etc. genutzt (?)
Ich versuche mal hinzufahren und es mir anzusehen. Vielleicht passiert was.
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Petra Safferthal aus Berlin schrieb am 19.08.2022
Hallo, ich bin gestern auf diese Webseite gelandet und auf die Initiative aufmerksam geworden. Und ich bin froh, dass es sie gibt. Ich bin im Sommer 1969 mit 4 , fast 5 Jahren, auf eine vom Amt gut gemeinte Kur geschickt worden, ich kam aus zerrütteten Familienverhätnissen. Ich weiß nicht mehr, wie der Kurort hieß, bzw. lag. Vor 30 Jahren, als mein Sohn in diesem Alter war, kam mein Leben aus der Bahn. Ich hatte meinen fast ersten 6 Jahre völlig verdrängt. Aber nach und nach kamen Bider, Gefühle aus dieser Zeit wieder hoch. Und es waren sehr schreckliche, traumatiesierende Erinnerungen. Von Schlaf-, Essensverbot und mit dem Kopf in der Wanne unter Wasser gestugt zu werden. Ich bin selber gelernte Erzieherin, aber trotz mehrer Versuche in ein Arbeitsleben zurückzufinden sind gescheitert. Ich habe überhaubt nicht mehr in ein Lebenswertes Leben zurückgefunden. Ich finde sehr gut, dass es diese Initative gibt und ich davon erfahren habe. Ich finde es mehr als an der Zeit, das Schweigen zu brechen und das mir und anderen zugefügten Schmerz und Leid publik zu machen. Es wird keine Wunde heilen, aber ich hoffe Antworten, wie: warum ist das mit mir passiert, was habe ich falsch gemacht? Scham- und Schuldgefühle, Verzweiflung und die ständige Angst, sind Teil meines Leben geworden. Auch wenn der Verstand sagt, ich kann nichts dafür, was mir dort angetan wurde, die leidvollen Gefühle und Selbstzweifel werde ich nicht mehr los.
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Renate Link aus Unterhammer im Karlstal schrieb am 18.08.2022
Ich bin selbst keine Betroffene, möchte aber ehrenamtlich die Geschichte an meinem neuen Wohnort aufarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Wir sind gerade bei der Recherche und dankbar für weitere Infos.
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Manuela Litts aus Plön schrieb am 16.08.2022
Ich habe nur gute Erinnerungen an diesen Aufenthalt, Es war sehr nett , bin zwei mal da gewesen das schlimmste war als der Dackel von den Heimleitern auf einem Schäferhund attackiert wurde auf einem Spaziergang
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Wolfgang Hanke schrieb am 16.08.2022
Ich wurde als Eisenbahnerkind mit Kindern weiterer Berufskollegen meines Vaters im Winter 1965 5-jährig nach Schulenberg verschickt. Sicherlich ist nach fast 6 Jahrzehnten nicht alles present, daher beschränke ich mich auf 3 Vorkommnisse, die über die Jahre nicht aus dem Sinn gekommen sind:
1.) Es gab einen Jungen, der nach Angaben der Erzieherinnen ein böser Junge war. Nachdem die üblichen Methoden, in erster Linie Ohrfeigen, bei ihm nicht den gewünschten Erfolg brachten, wurde er in den Keller gesperrt. Wir hörten ihn, wenn wir über die Gänge gingen, unaufhörlich brüllen. Das flößte mächtig Angst ein. Uns wurde gesagt, dass dies mit allen unartigen Kindern geschieht - es waren eindeutige Drohungen. Der Junge war dann eines Tages nicht mehr da.
2.) Es gab Lieblingskinder. Hierzu gehörte ein Junge aus meinem Schlafsaal, vielleicht 3-jährig, der, während wir anderen uns keine Unachtsamkeit erlauben durften, während der Schlafzeiten durch den Saal sprang, hüpfte, turnte und die Erzieherinnen lachten über den süßen Fratz. Eigentlich war strenge Bettruhe verordnet. Auch in der Mittagszeit mussten wir schlafen, auch wenn jemand nicht schlafen konnte. Bei einer Kontrolle mittags versuchte ich, mich schlafend zu stellen. Ich hatte alles versucht, doch ich musste zwinkern und bekam sofort Ohrfeigen, während der kleine süße Junge herumjauchzte.
3.) Beim Mittagessen saß der kleine süße Junge neben mir und spuckte mir plötzlich auf den Teller (Braten mit Rotkohl und Kartoffeln). Ich meldete dies der Erzieherin, die mich dann zwang, meinen Teller inklusive fremder Spucke aufzusessen.
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Doreen Götze aus Berlin (geb. Finsterwalde) schrieb am 15.08.2022
Ich habe erst letzte Woche von der Seite Verschickungsheime erfahren und bin jetzt auf der Suche nach Antworten. Ich habe leider keine Ansprechpartner mehr (Mutter verstorben), um Details zu erfahren. Ich weiß nur noch, dass ich vor der Einschulung (es müsste das Jahr 1989 im Sommer vor der Einschulung gewesen sein) auf der Kur in Rügen (wahrscheinlich Wieck) war. Ich war zu dem Zeitpunkt 5/6 Jahre alt und mein Vater war das Jahr davor, 1988, plötzlich verstorben. Laut meiner Mutter, woran ich mich noch erinnern kann, war ich auf dieser Kur auch, um mich von ihr abzunabeln, da es sonst nicht möglich gewesen wäre, mich einzuschulen. Der Tod meines Vaters hat ein Trauma hinterlassen. Meine Tante, die noch lebt, sagt, ich wäre dort wegen häufig auftretender Bronchitis gewesen. Bei meiner Recherche kam mir der Name Wieck sehr gekannt vor. Ich hatte auch jahrelang ein Gruppenfoto im Album meiner Mutter, aber mit ihrem Tod ist das Foto verschwunden. Ich bin seit geraumer Zeit bei einer Heilpraktikern, um meine Traumata aufzuarbeiten und immer wieder kommt diese Kur in meinen Kopf. Ich habe aber leider keine Erinnerung daran. Das Einzige, was ich weiß: Es war ein Dreibettzimmer (zwei Mädchen, ein Junge), es gab Milchnudeln und jede Woche wurden Briefe von den Eltern vorgelesen. Ebenso kann ich mich an viele Tränen erinnern, die geflossen sind.

Wie gesagt, schätze ich, dass es der Sommer vor der Einschulung gewesen sein muss, 1989. Es kann aber auch sein, dass es 1988. Ich hoffe, dass es noch alte Datensätze gibt und mein Name und Aufenthalt dort irgendwo niedergeschrieben ist. 🙂

Auf dieser Internetseite habe ich ein Foto von 1979 gesehen von Wieck und es sieht mir sehr danach aus, dass es das Kurheim war, wo ich war.
Vielleicht findet sich jemand, der zur gleichen Zeit dort war und ich kann das Mysterium klären.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Martina schrieb am 13.08.2022
Ich (geb. 1967) wurde im März 1979 für sechs Wochen in das Kinderkurheim des BSW nach Lindenberg im Allgäu geschickt. Vor Ort wurde ich meiner Altersgruppe (mittlere Mädchen, ca. 10-14 Jahre) zugeteilt. Es gab je drei Gruppen für beide Geschlechter. Unsere Gruppe bestand aus 20 Mädchen und nannte sich zeitgeistgemäß "Discoqueens". Die altersgleiche Jungengruppe nannte sich nach einer bekannten TV-Serie die „PS-Feuerreiter“. Wir hatten zwei Betreuerinnen, die wir duzen durften/sollten. Alle Kräfte waren entsprechend ausgebildet und qualifiziert. Am Tag nach der Ankunft wurden wir von einem freundlichen Arzt medizinisch untersucht. Da ich Übergewicht hatte, sollte ich abnehmen. Im Speisesaal gab es dann aus organisatorischen Gründen drei oder vier separate „Diät-Tische“. Unser Essen war den Plänen entsprechend kalorienreduziert. Nach sechs Wochen hatte ich sieben Kilo verloren. Es gab natürlich auch Kinder, bei denen eine Gewichtszunahme wünschenswert gewesen wäre. Dennoch wurde niemals jemand zum Essen gezwungen. Da ich keine Erinnerung an die Gerichte habe, muss die Küche wohl durchschnittlich gewesen sein. Dagegen erinnere ich mich an den für alle Einrichtungen dieser Art typischen furchtbaren Hagebutten- und Pfefferminztee. Bei einer Führung durch das Haus wurden wir auf den riesigen Teeboiler in der Küche hingewiesen, an den wir uns bei Durst jederzeit bedienen durften. Die Betten waren, wie damals noch allgemein üblich, in Schlafsälen untergebracht. In unserem befanden sich 10 Betten, durch Sichtschutzwände getrennt, auf denen wir Autogrammkarten unserer Idole aufhängten. WCs und Waschräume befanden sich auf dem Gang genau gegenüber. Geweckt wurden wir um sieben oder acht durch Lichteinschalten. Abends um neun oder zehn Uhr wurde das Licht gelöscht. Ein für Gemeinschaften aller Art typisches Verfahren. Aber niemals wurde jemand daran gehindert, nachts zur Toilette zu gehen. Im Gegenteil: nachts war auf dem Gang für diese Fälle immer die Notbeleuchtung an. Der Vormittag war gemeinsamen Aktivitäten gewidmet: Sport, Spiel, Basteln, Spaziergänge, Besichtigungen. Nach dem Mittagsessen hatten wir in der sogenannten Ich-Zeit drei Stunden zur freien Verfügung. Wer wollte, konnte Mittagsschlaf machen. Ansonsten standen zur Verfügung: eine Minigolfanlage, Tischtennisplätze, ein Bolzplatz, ein Hallenbad, eine Bibliothek, ein Musikzimmer mit Instrumenten und Noten, ein Fernsehraum, eine Turn- und Veranstaltungshalle mit Bühne. Darüber hinaus wurden Ausflüge in die Umgebung organisiert, z. B. an den Bodensee oder nach Füssen. Auch waren wir im Zirkus und natürlich im Ort, wohin der Weg leider etwas weit war. Sonntags und Ostern durfte man die katholische Messe in der örtlichen Kirche besuchen. Jedes Wochenende wurde die Turnhalle zur Disco mit Musik- und Lichtanlage. Dann tanzten wir zu den Village People, Leif Garrett, Blondie oder den Teens. Auch führten wir auf der Bühne dort Theaterstücke und Sketche auf. Ab und zu wurde die Halle abgedunkelt, eine große Leinwand entrollt, und Filme wurden gezeigt. Ich erinnere mich, dort zum ersten Mal die „West-Side-Story“ gesehen zu haben. An Ostern durften wir im Fernsehraum Franco Zeffirellis Monumentalwerk „Jesus von Nazareth“ anschauen. Zwang gab es bei alldem nicht. Wir schrieben viele Briefe und bekamen viele Briefe. Zu Ostern auch Päckchen. Weder unsere Eingangs- noch unsere Ausgangspost wurde jemals kontrolliert oder zensiert. Einmal war mein Vater zu Besuch. Er verband eine Wandertour im Allgäu mit einem kurzen Abstecher zu uns, übernachtete aber natürlich im Ort. Elternbesuch war grundsätzlich nicht verboten. Unsere Betreuerinnen, allesamt Erzieherinnen oder Sozialpädagoginnen, die schon die Liberalisierung und Reformen der späten 60er und frühen 70er Jahre in Ausbildung oder Studium durchlaufen hatten (und das im konservativen Bayern!), waren allesamt empathisch und einfühlsam. Wer Heimweh hatte (und das kam trotz allem häufiger vor) wurde getröstet. Während unseres Aufenthalts erfuhr meine Bettnachbarin vom Tod ihres Opas und war den ganzen Tag in Tränen aufgelöst. Unsere Betreuerin (sie hieß Anneliese) saß lange an ihrem Bett und hielt ihre Hand. Mir wurde ähnliches Mitgefühl zuteil, als ich einmal wegen schwerer Verstopfung zur Ärztin in den Ort gefahren werden musste. Gab es Negatives? Ja. Neben dem schon erwähnten Heimweh gab es kleinere Diebstähle, wie sie leider in solchen Einrichtungen immer wieder vorkommen: kleinere Geldsummen, Briefmarken, Süßigkeiten, Stifte. Natürlich gab es auch die üblichen Hänseleien und die Cliquenbildung in der Gruppe. So habe ich mit der schon erwähnten Bettnachbarin eine Kameradin gemobbt, indem wir ihr Stofftier entwendeten, versteckten und behaupteten, es wäre die Toilette heruntergespült. Aus Rache landete dann der Teddy meiner Freundin tatsächlich in der Toilette. Außerdem bekamen einige Idole auf den Autogrammkarten heimlich Bärte, Brillen und schwarze Zähne aufgemalt, was ihre harten Fans in die Verzweiflung trieb. Der Hausmeister beklagte sich lautstark, dass regelmäßig Klopapierrollen aus dem Toilettenfenster der mittleren Mädchen flogen und das Papier den ganzen Hof bedeckte. Gab es Strafen? Ja. Meine Freundin und ich wurden für unseren Schabernack getrennt, d. h. für die letzten zwei Wochen bettentechnisch auseinandergelegt, was wir natürlich furchtbar ungerecht fanden. Dabei war dort wirklich alles okay. Manche von uns waren sogar auf eigenen Wunsch dort. Für einige war es bereits die zweite (freiwillige) Kur. Bei vielen gab es nach den sechs Wochen Tränen und Trennungsschmerz. Im Gegensatz zur Grundschule, die ich einige Wochen nach dieser Kur im Sommer 1979 beendete, erinnere ich mich an keine einzige demütigende Strafe oder Situation.
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Anja aus Aschersleben schrieb am 08.08.2022
Januar/Februar 1980
Ich war damals 10 Jahre alt. Wurde zur Kur geschickt, weil ich zu dünn war.
Viel ist mir nicht mehr in Erinnerung geblieben- nur Fragmente (wie fast alles aus meiner Kindheit. Wahrscheinlich- nein sicherlich ein Schutz meiner Psyche- den Schutz des Vergessens. Denn das ist überlebensnotwendig. Und Erinnerungen sind eh subjektiv

Sorry- ich schweife ab: Wenn ich an Volkersdorf denke, fällt mir Weniges ein, beim Schreiben vielleicht mehr: Daher kann ich nur aus Fragmenten meiner Erinnerung schreiben- mehr hab ich momentan nicht….
Busfahrt: Meine Mutter hat mir zur Abreise eine Tafel Schokolade gegeben (mit Waffelsplitter)- die hab ich nach den 6 Wochen völlig unbrauchbar wieder erhalten… Es gab da einen Raum zur Aufbewahrung (eine Baracke?)
Ich weiß noch: Es gab keine Namen- ich war Nummer 21.
Essen: Es musste gegessen werden, was auf den Tisch kam. Ein Kind hat auf dem Teller erbrochen und wurde gezwungen ihn aufzuessen.
Mittagschlaf musste sein, ich hab mich unter der Decke gewälzt und wurde mit etwas bestraft, von dem ich nicht mehr genau sagen kann womit. (Pittiplatsch- Tafel)
Ausflug nach Dresden- mehr weiß ich nicht.
Morgengymnastik und barfuß laufen im Schnee- mach ich heute noch gerne
Höhnsonne und Laufen im Kreis.
Apfelessen mit samt Griepsch- es durfte nur der Stiel übrig bleiben.
Ich war krank- meine Mutter hat mir Taschentücher per Brief geschickt.
Fasching: Mein „Schwarm“ hat sich beim Tanzen von mir abgewendet, weil ich eine Warze am Finger hatte.
Heimweh.
Briefe schreiben- festes, programmiertes Ritual- und deren Kontrolle.

Ich glaub, für heute reicht's erst mal. Vielleicht gibt es ja Gleichgesinnte? Würde mich freuen
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Silke aus Halle Saale schrieb am 07.08.2022
Ich war 6 Jahre alt und sollte vor der Einschulung wohl aufgepäppelt werden und war "gefühlt" den ganzen Sommer dort.
Ich mag seitdem keine süßen Speisen mehr und warme Milch oder Kakao (schon der Geruch) ekelt mich an.
Meine Mama hat mir, am Tag der Heimkehr, eine Freude machen wollen und Griesbrei gekocht, ich habe mich sofort übergeben und es nie wieder gegessen.
Ich erinnere mich an einen Speisesaal der geteilt war und die dünnen Kinder von den vermeintlich dicken Kindern getrennt hat.
Essen war problematisch, weil immer ein Zwang zum Aufessen bestand und es gab für uns Z.T. nur süße Speisen (Pudding, Milchreis etc.)
Einige Kinder waren oder wurden dort zu Bettnässern und das wurde damit bestraft, daß sie nicht an den Aktivitäten teilnehmen durften und die Post der Familie nicht vorgelesen bekamen.
Ach ja und zugenommen hatte ich nur minimal, habe aber gebettelt, das ich da nicht mehr hin möchte. Musste ich dann auch Gott sei Dank nicht.
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Nadine aus Saarland schrieb am 07.08.2022
Damals kam das gesundheitsamt in die Schule und meinte zu unseren Eltern wir würden doch ein wenig dicklich sein wir müssten sechs Wochen mal in Kur gehen was auch danach geschah meine zwillingsschwester und ich wurden sechs Wochen in den Schwarzwald geschickt der Horror begann es ist heute noch ein Trauma für uns beide wir hatten nichts zu essen bekommen wenn ich sage nichts dann war es auch nichts eine Schüssel voll Quark mit Petersilie oben drauf zum Mittagessen die dicklichen Kinder wurden rechts gehalten und die wo zunehmen sollten Links die bekam Pommes Schnitzel Salat alles was das Herz begehrt nur wir durften nichts essen unsere Päckchen wo wir geschickt bekommen haben von unseren Eltern wurden uns nicht ausgehändigt so vergingen Wochen aus lauter Hunger pflückten wir wenn wir unterwegs waren Sauerampfer und Asen sogar noch Zahnpasta dass der Hunger etwas gestillt war . Man wurde auch mit Schlägen bestraft ich kann mich noch erinnern ich bin die Treppe runter gelaufen und über den Teppich gestolpert mit Fransen und zack hatte ich eine backpfeife musste mit dem Kamm dann die Fransen wieder gerade machen und bin hoch auf mein Zimmer geschickt worden meine zwillingsschwester weinte bitterlich die durfte nicht bei mich wenn wir die Telefonate nach Hause durften führen durften wir nicht sagen was hier passiert ist wenn wir was schlechtes äußerten wurden wir mit dem telefonhörer geschlagen Post nach Hause ist so abgelaufen das was wir auf die grußkarten sollten Schreiben wurde an die Tafel geschrieben und das wurde abgeschrieben meine Schwester und ich war nachher zu dünn richtig abgemagert dass sie uns nach fünf Wochen eine große Schüssel Pommes frites vor die Nase stellten und sagten die ist ihr jetzt unser kleiner Magen konnte das ja gar nicht verkraften unsere Kleider passten uns nicht mehr um unsere Hüften wurden dann Seile gespannt und die Hose drin festgemacht schulisch wurde uns auch nichts beigebracht also waren sechs Wochen kein Unterricht gehalten worden was ja unseren Eltern alles versprochen wurde dass alles gemacht wird die haben Unterricht die werden beschäftigt nichts ist passiert ich weiß nur dass wir nur wandern waren sonst wurde nichts gemacht mit uns außer immer das Schwarzwälder Lied gesungen ich würde mich freuen wenn sich hier drauf jemand melden würde
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Anke schrieb am 06.08.2022
Habe gerade von Verschickung s Kindern in Facebook gelesen! Neugierig kucke ich was das für ein Buch ist und bin wie elektrisiert!!! Selber 3x betroffen!!! ( erste mal mit 5 Jahren)
Ich heule und heule. Obwohl ich soviel wie nix mehr weiß. Meine spontane, nicht endende Reaktion (Heulen) sagt mir Alles!!! Es ist wie eine innere Explosion, endlich darf ich trauern!!! Ich bin 61 Jahre……
Ob sich unter dem Nebel und der Trauer noch Bilder zeigen werden, außer: Unterdrückung, Strenge, Luft anhalten, still sein, verwahrlosen, Postkarte schreiben, strenger bewegungsloser Mittagsschlaf, getrennt werden, freudlos, besonderer Raum mit Sonnenbrille und Licht, Bestrafung,- wird sich zeigen. Das Schlimme ist wahrscheinlich: das Verdrängte, die Ahnung, die verschüttete Trauer, Angst und zurückgehaltenen Tränen Ozeane!!!
Sei lieb, ruhig, nicht vorhanden!!!
So ging es in der Familie dann weiter.
Was für ein Wahnsinn?
Ich muss mich jetzt erst mal wieder beruhigen und schlafen.
Für alle Beteiligten mein tiefes Mitgefühl.
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Mona schrieb am 06.08.2022
Hallo in diesen heißen Sommer hinein, und ich frage mich... war es damals in Rechtis-Weitnau im Allgäu auch so heiß.
An das Wetter so Erinnern kann ich mich nicht mehr.
Ursprünglich stamme ich aus der Goldschlägerstadt Schwabach/Mfr. Wer stand noch mit mir damals am Schwabacher Bahnhof?
Lebe jetzt jedoch im Ldkr. Paf.
Meine Frage nochmalig nach einem 1/2 Jahr war niemand sonst noch in diesem Heim?
Meine letzte Anfrage hatte ich am 23.2. hier geschrieben.
Die Hoffnung stirbt nie, vielleich findet sich doch noch eine oder einer der auch dort gewesen ist.
Alles gute. Namsthe
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Ivonne aus 96247 Michelau schrieb am 06.08.2022
Laut meinem Impfpass war ich im Kinderkurheim "August Berger" Jessen. Ich habe nur noch sehr wenig Erinnerung und würde mich über Austausch freuen. Wir waren wohl zu zweit im Zimmer. An der Wand war ein Pferdebild.
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Nicole aus Hünfeld schrieb am 04.08.2022
Ich bin vor kurzem von meiner Mutter gefragt worden, "aber dir ist nichts Schlimmes passiert?!“. Mit dieser Frage habe ich mich zum ersten Mal mit dem Thema beschäftigt. Und es ist erschreckend, ich erinnere mich an so gut wie gar nichts. Wie ich hinkam, wie die Tage dort waren, was ich gemacht oder getan habe. Ich kann mich nur an eine Sache erinnern, der Tisch für die Dünnen (meiner) und der für die Übergewichtigen. Ich musste immer sitzen bis ich aufgegessen hatte, das dauerte in meiner Erinnerung ein paar Stunden. Aber sonst nicht eine Erinnerung, faszinierend.. Jetzt stellt sich mir die Frage, ich hatte bis ich selbst Mutter wurde, ein ungesundes Verhältnis zum Essen (Ana und Mia lassen grüßen), kommt das daher...
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Lutz aus Ribnitz schrieb am 01.08.2022
Ich bin Jahrgang 58 und war 3 mal in den 60 er Jahren in der DDR auf Kur. Trautenstein, Zinnowitz und Strausberg. Leider vermengen sich Erinnerungen. Es waren die traurigsten Wochen jeweils in meiner Kindheit, Ich bin allein bei meiner Mutter aufgewachsen. In der Diagnose des Arztes stand zu mir: ..."magerer Knabe...". So war die Begründung für eine Kur gegeben. Alle Heime unterschieden sich nicht wesentlich. Ich kann mich an militärische Disziplinierung, unheimliche menschliche Kälte und Erniedrigungen erinnen. Tätliche oder sexuelle Übergriffe gab es nicht. Es gab wenig zu essen. Mich hätte mein Endgewicht interessiert. Gleichzeitig mussten in gemeinschaftlichen, riesigen Speisesräumen kollektiv Tischsprüche aufgesagt werden. Norden, Süden, Osten; Westen doch in Strausberg schmeck's am besten. Ich habe vor mich hin immer ..."zu Hause schmeckt's am besten" gemurmelt. Im Kurheim in Zinnowitz ist beim Spielen ein Puppenkinderwagen zerbrochen. Dieser war nicht für die darin überschwenglich transportierten Kinder ausgelegt. Als der Schaden aufflog, hat ein Erzieher vom Typ Glatzeder ein riesen Fass aufgemacht und die ganze Gruppe tyrannisiert. Uns schwante Polizei, Gefängnis, riesen Schadenersatz vor. Ich hatte Ängste ausgestanden ohne Ende. Einziger Trost waren Mosikcomics mit den Digedags, welche ich Nachts unter der Decke mit der Taschenlampe las. An das Mosaikcover zu der Zeit und Umgebung kann ich mich noch heute erinnern. Gelitten danach habe ich eigentlich nie. Ich konnte die Zeit schnell vergessen. Auch wenn es schwer war und vielleicht selbst die sogenannte "schwarze" Pädagogik vielleicht überbewertet wird, sind vielleicht auch derartige Erinnerungen und Erfahrungen wichtig. Letzlich waren diese auch von Solidarität Gleichaltriger und Zuversicht geprägt, dass die Zeit irgendwann zu Ende geht. Meine Mutter (Jahrgang 30 / in der NS Zeit BDM Führerin) hat sich wirklich nie danach für die Zeit in den Heimen interessiert. Sicher war sie mal froh auch ein wenig Zeit für sich damit gehabt zu haben. Ich denke es muss auch alles immer im Zeitkontext gesehen werden. Die heutige, ich nenne es mal rein "weiße Pädagogik" ist auch nicht unbedingt das Wahre. Disziplin, Wertschätzung von elementaren Dingen kommt heutzutage offenkundig bei Heranwachsenden in einer Blase sozialer Medien nicht vor. Ich sehe (in der Masse )eine entfremdete, allgemeinindividualisierte Generationsmasse junger Menschen vor mir.
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Harald aus Essen schrieb am 30.07.2022
Ich war 1976 vor der Einschulung für 6 Wochen im Haus Ruhreck auf Borkum. Es war eine furchtbare Zeit, die mein Vertrauen in "staatliche Fürsorge aller Art", besonders aber "Jugendamt" und vor allem "Jugendamt der Stadt Essen" sehr nachhaltig zerstört hat.
Es sollte wohl eine "Erholungsmaßnahme" sein, das war es aber natürlich nicht:
* Die Kinder wurden bei geringster Aufmüpfigkeit gerne mal mit Ohrfeigen diszipliniert
* Beliebt (beim Personal...) war auch, vor der Kindergruppe Ewigkeiten rumzustehen und über seine "Vergehen" nachzudenken und dann demütig um Verzeihung zu bitten
* Zu trinken gab es ausschließlich (in der warmen Sommerzeit) heiße Milch und heißen Kakao, Durstgefühl war durchgehend gegeben. Ich weiß noch deutlich, dass ich über dne dauernden Durst in den Postkarten nach Hause, die unsere Betreuer angeblich nach "Diktat" geschrieben haben, geklagt hatte. Jahre später habe ich die Karten gefunden, da stand in höchsten Tönen jubelnd, wie toll es mir gefallen würde- alles gelogen.
* Wir mussten bei Einzug unsere Betten selber beziehen. Soweit kein Problem. Mir kam aber komisch vor, dass alle Kinder eine Gummimatte unter das Laken legen mussten, weil wir Bettnässer seien. War ich (mit 7...) nicht. Wurde ich aber schlagartig in dem Heim, danach hörte es wieder auf.
Ich habe per Zufall Jahrzehnte später gelesen, dass das Personal Valium benutzt hat, damit die Kinder Mittagschlaf halten und Nachts durchschlafen, Einnässen beim Schlafen ist da wohl Nebenwirkung.
* Das Essen war unter aller Sau und die "Tischregeln" rigoros. Ich mochte noch nie fettige Suppen. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem es Hühnersuppe gab, auf der Fettaugen schwammen. Einige Kinder, ich auch, wollten das nicht essen. Mit Nackenschlägen und Haare ziehen wurden wir gezwungen. Wer sich (wie ich) in die Suppenschüssel übergeben musste, musste das dann eben mit aufessen

Ich hatte als Kind lange die Phantasiel, als Erwachsener zurückzukehren und mich beim dann anwesenden Personal in einer möglicherweise justitiablen Art zu "bedanken". Darüber sprach ich in der Oberstufe mit einem sehr guten Lehrer, der nur kommentierte: "Ruhreck? Den Laden haben sie zugemacht, da triffst Du keinen mehr an. Da haben wohl Altnazi-Weiber Kinder gequält."
Da fühlte ich mich erstmals verstanden, weil bis dahin die Elternmeinung war "Ach, so schlimm wird es nicht gewesen sein, Du hast ja auch nie darüber gesprochen."

Weiter geholfen hat dann, dass es inzwischen viele Berichte gibt, so auch hier.
Ich habe das Glück, zumindest subjektiv keine allzu großen Schäden mitgenommen zu haben (außer, dass ich weder mich selber noch mein Kind in irgendeiner Form städtischer oder staatlicher Obhut freiwillig aussetze, dazu hätte auch Wehrdienst gezählt), aber es tat dann schon gut zu lesen, dass ich mich offenbar nicht "anstelle" oder "viel zu schlecht" erinnere; es war, wie es war.

Mit bleibt das Bild zurück, dass das Jugendamt (und sicher nicht "einzelne Mitarbeiter ohne Wissen der Amtsleitung", dafür ist der Umfang zu groß!) mit zwielichtigen Firmen kooperiert hat und manche Menschen durch organisierte Kindesmißhandlung viel Geld verdient haben.

Danke für nichts, Jugendamt Stadt Essen.
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Wolfgang aus Tirol schrieb am 28.07.2022
Ich war 3 Jahre alt. 6 Wochen weg, die wie unendlich wirkten. Hände über der Decke lassen, Klosterschwestern kontrollierten und weckten einen sogar auf; nachts nicht aufstehen und was trinken dürfen, Essen notdürftig wie auf einer Hütte, in der Früh eine Scheibe Brot und Marmelade, Hagebuttentee.

Ich hatte Angst vor einer bestimmten Klosterschwester und weiß nicht mehr warum. Ich sah sie später wieder bei einem Ausflug mit meinen Eltern und duckte mich vor ihr in eine Kirchenbank. Meine Eltern lachten. Meine Mutter glaubt bis heute, die Kur war gut, notwendig und erfolgreich, weil ich so nette Lieder sang.

Das Schlimmste war das Gefühl des Verlassenseins.
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Christian Kaiser aus Giesen schrieb am 26.07.2022
Ich hatte hier schon vor ein paar Tagen einen Beitrag über meine Erfahrungen auf Borkum geschrieben. In der Zwischenzeit habe ich hier viele weitere Beiträge gelesen und erlebe das es tatsächlich offensichtlich unendlich viele weitere "Kinder" gibt, die Ähnliches / Gleiches wie ich erlebt haben. Es kommen in mir wieder Erinnerungen, die ich fast alle bis bis heute vergessen/ verdrängt hatte.
Insbesondere sein Erbrochenes wieder auf essen zu müssen, das Verbot von nächtlichen Toilettengängen, den Durst als Druckmittel einzusetzen schien damals wohl "gängige / pädagogische" praxis zu sein.
Heute bin ich bei einem Spaziergang mal wieder mit meiner Frau an einem weiß blühendem Busch vorbei gegangen. Meine Frau schwärmte von dem schönen Sommerduft dieser Pflanze und das er sie an ihre schöne Kindheit erinnern würde. Ich kann diesen "Sommerduft" dieser weißen Blume seit meiner Kindheit/ meinem Aufenthalt auf Borkum nicht mehr ertragen... er erinnert mich nun seit über 50 Jahren an Borkum und dieses Kinderheim und ist für mich unerttäglich.
Aber wie schon im letzten Beitrag geschrieben: Es war eine andere Zeit, aber ob ich das als Entschuldigung gelten lassen kann..... ??? ...
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Michaela Classen aus 45239 Essen schrieb am 24.07.2022
Ich kam mit gerade 5 Jahren, im Februar 1953 in das Kinderheim Vossfänger, für circa drei Monate. Der Aufenthalt begann mit Strafen und Prügel und endete auch so. Toilettenverbot , Zwangsessen, den ganzen Tag mit dem Gesicht zur Wand liegend ohne Essen, bei kleinen Vergehen. Das schlimmste war für mich mitanzusehen wie Kinder nackt verprügelt wurden. Es war nicht mein letzter Heim Aufenthalt, aber der schlimmste.
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Beatrix aus Vorwerk schrieb am 24.07.2022
Hallo
Vertrauen verloren , Ängste um Existenz, Bindungsangst. Toilettengänge können heute noch zum Horrortrip werden.
Es ist peinlich, ich bin inzwischen Inkontinent. Und habe furchtbare Angst alt zu werden ins Heim zu kommen und wieder entblößt zu werden von z.B. Personal aus Pflegeheimen.
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Stefan aus Berlin schrieb am 23.07.2022
Mit 8 Jahren wurde ich zusammen mit meinem drei Jahre jüngeren Bruder als Kinder eines Postbeamten über die Postbeamtenkrankenkasse nach Sankt Peter Ording verschickt. Gleich nach der Ankunft wurden wir getrennt. Ich kann mich an den großen Schlafsaal erinnern, im vorderen Teil gab es vier Betten, im hinteren nochmal ca. zehn. Die "Tanten" führten ein hartes Regime. Besonders krass war der Durst, den ich dort erlitten habe. Wir durften erst nach dem Essen etwas trinken, wobei die verlockenden Becher mit kaltem Tee in der Tischmitte standen. Es war eine Qual. In den Toilettenräumen standen die Tanten Wache, um zu verhindern, dass wir beim Händewaschen "heimlich" Wasser tranken. Wir sollten uns nicht "satt" trinken und dann nichts mehr essen - so die perverse Idee. Schließlich sollte beim regelmäßigen Wiegen unsere Gewichtszunahme bestätigt werden. Das Essen habe ich als fad bis ungenießbar in Erinnerung. Am schlimmsten war der Restetag, wo alle Reste der Woche zu einem braunen, ekligen Matsch zusammengekippt wurden. Wir wurden gezwungen, alles aufzuessen - sonst durften wir nicht an den begehrten Becher in der Tischmitte. Abends habe ich regelmäßig von dünnen Schläuchen fantasiert, die ich heimlich an mein Bett legen würde, um dann in der Nacht unbeobachtet endlich Wasser trinken zu können. Auch andere Aktivitäten waren von Bestrafungen und Belohnungen begleitet - das war "schwarze Pädagogik" wie ich später lernte, durchaus üblich in Postnazi-Deutschland.

Die schönen Erinnerungen verbinde ich mit der Solidarität der Kinder untereinander. Wir hatten Freude beim gemeinsamen Spielen am Strand, beim Spielen von Quartetten mit Autos oder Schiffen, beim nächtlichen Herumschleichen mit Angst vor den Tanten. Und gemeinsam erzählten wir uns, wieviel Tage wir jeweils noch im Heim verbringen mussten und beneideten jene, die endlich frei kamen und nach Hause fahren durften. Als wir in Berlin ankommend aus dem Zug stiegen, fiel ich meiner Mutter weinend in die Arme. Es war eine weitere Kränkung für mich, dass meine Eltern mein Leid nicht hören wollten: Ich solle mich nicht so haben, so schlimm wird es nicht gewesen sein. Doch, das war es. Erst Jahrzehnte später konnte ich wieder darüber sprechen. Wenn ich die Geschichten der anderen lese, bin ich noch gut durchgekommen. Dennoch war es auch für mich das schlimmste Kindheitserlebnis.
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Hetke, Renate aus Domersleben schrieb am 22.07.2022
Ich war im Jahr 1964 im Kinderheim Luisenthal, Thüringen, da war ich 9 Jahre alt. Was ich dort erlebt habe ist für mich auch heute noch erschreckend. Als Kind habe ich das alles immer wieder verdrängt. Heute spreche ich darüber, habe aber immer das Gefühl als glaube mir niemand so richtig. Es klingt heutzutage auch unglaublich. Erbrochenes musste wieder aufgegessen werden, zur Strafe gab es auf unbestimmte Zeit nur Haferschleim oder Griessbrei zu allen 3 Mahlzeiten. (ich war zur Gewichtsabnahme bei dieser Kur) Briefe wurden teilweise kontrolliert. Körperliche Züchtigung jeden Tag.
Bestrafungen für Kleinigkeiten waren an der Tagesordnung. Bei jedem Spaziergang wollte ich eigentlich abhauen. Aber ich hab mich nicht getraut, es war ein sehr kalter Januar.
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Jörg Christian Jakobi aus 50226 Frechen schrieb am 22.07.2022
Eines Tages, ich denke es war im Frühjahr 1971, stand ich mit meinen Eltern und meinem großen Bruder in Köln auf einem Bahnsteig und mein Bruder und ich wurden in einen Zug zur „Kinderkur“ nach Bühl am Alpsee/Immenstadt gesetzt.
Ich empfand das alles als 3 Jähriger als ein großes Abenteuer, aber es wurde ein Aufenthalt, der mein Leben nachhaltig beeinflussen würde.
Morgens gab es Käsebrote. Für mich ein absolutes No Go, da ich unter einer Milcheiweißallergie leide und keine Milchprodukte vertrage. Ich saß am ersten Morgen mit meinem großen Bruder, er war schon 4, am Tisch, sahen uns in die Augen und ließen die Käsescheiben unter dem Tisch verschwinden. Ein paar Tische weiter sah ich, was passierte, wenn ein Kind das Essen erbrach: das „Essen“ musste trotzdem restlos aufgegessen werden. Das empfand ich als so ekelhaft, das ich das um jeden Preis verhindern musste.
Danach gab es Vitamin-Paste aus der Tube, ein Geschmack der mich lange verfolgen sollte.
Meine Gruppe wurde auf eine kleine Wanderung geschickt mit einer netten Erzieherin, die mit uns aus gefundenen Dingen wie Stöckchen und Eicheln Pfeifen bauen lies. Ich fand die Berge so wunderschön und war so glücklich über meine Pfeife.
Im Heim angekommen suchte ich überall nach meinem Bruder. Ich fand ihn in dem Schlafraum seiner Gruppe und ich wollte ihm voller Stolz meine Pfeife zeigen. Zu meinem Entsetzen wies er mich schroff zurück, denn er durfte keinerlei Kontakt zu mir haben.
Das Heim wurde überwiegend von Erzieherinnen und Nonnen geführt, die von uns „Tanten“ genannt wurden. Diese Tanten zeichneten sich durch kurze, nachdrückliche Sätze aus, die keinerlei Widerrede duldete, nur Imperativ, keinerlei Empathie...
Eine von den Tanten erwischte mich und schimpfte mit mir. Als ich sagte, dass ich alles meinen Eltern erzählen werden, drohte sie mir, das ich dass nicht überleben werde.
Am nächste Tag war Turnen angesagt. Leider war ich der letzte beim anschließenden Anziehen, schließlich war ich mit 3 Jahren der Jüngste in der Gruppe. Die Gruppe war bereits weg und ich musste den Weg zurück suchen. Da ich zu spät ankam, musste ich die Schuhe der ganzen Gruppe putzen und bekam kein Essen.
Am nächsten Morgen, das böse Erwachen im Speisesaal, denn die Sache mit den Käsescheiben war aufgefallen.
Ich sollte wieder Käsebrote essen, war jedoch in einem unbeobachteten Moment zu den Toiletten gelaufen und hatte unterwegs eine Tube mit Vitamin-Paste mitgenommen, denn schließlich hatte ich Hunger. Eine der Tanten ist mir hinterher gekommen und hat mich angebrüllt. Danach sollte ich irgendwelche Tabletten schlucken. Habe ich natürlich nicht gemacht. Dann schleifte sie mich zum Arzt, zum „bösen“ Doktor. Der hatte mir eine Spritze auf Recht brutale Art in mein Hinterteil gerammt. Ab da habe ich große Lücken in der Erinnerung. Jedenfalls habe ich dann die Tabletten immer völlig willenlos geschluckt.
Erinnern kann ich mich noch, das Abends immer die Briefe der Eltern vorgelesen wurden und mitgeschickte Süssigkeiten mir irgendwelchen Argumenten nicht verteilt wurden, weil der ein oder andere sich nicht im Sinne der Tanten verhalten hatte. So wurde die ganze Gruppe permanent in Sippenhaft genommen.
Es gab auch einen anderen Arzt, der gab die tägliche Spritze ordentlich in den Arm. Welcher Arzt dran war, konnte man immer an den Schreien der anderen Kinder hören.
Und dann kam ein Filmriss...
Ich wurde wieder wach mit extremen Kopfschmerzen, lag im Keller in einer Art Krankenzimmer und fand als einzige Erleichterung, mit dem Hinterkopf wieder und wieder gegen die Wand zu schlagen.
Hier gab es eine junge Frau und ich empfand, nach der ersten Wanderung, zum zweiten Mal etwas wie Mitgefühl. Sie nahm sich Zeit für mich und kümmerte sich um mich wie eine Krankenschwester.
Dies fand ein jähes Ende, als sie von einer der Tanten erwischt wurde. Sie bekam eine Standpauke und ich fand meine Erfüllung darin, wieder und wieder mit dem Hinterkopf gegen die Wand zu schlagen. Mir erzählte sie, dass meine Eltern Tod seien und ich für immer hier bleiben musste.
In Köln auf dem Bahnsteig nahmen meine Eltern dann meinen Bruder entgegen und waren mehr als erstaunt, dass ich nicht dabei war. Später wurde ihnen am Telefon erst auf massiver Nachfrage mitgeteilt, das ich nicht transportfähig sei. Mein Vater und mein Großvater haben mich schließlich mit dem Auto in Bühl abgeholt.
Ich war erstaunt darüber, sie lebend zu sehen, aber meine Mutter war nicht dabei. Lebte sie noch ?
Meine Mutter kümmerte sich natürlich um meinen Bruder, aber das konnte ich zu diesem Zeitpunkt und in meinem schlechten Gesundheitszustand nicht wirklich glauben.

Später versuchte vergeblich, eine Kontaktaufnahme mit meinen Eltern. Ich war und bin immer noch entsetzt über den Glauben an die „Halbgötter in Weiß“ und die Ansicht, das Kinder das alles ja falsch aufschnappen. Zusammen mit dem Psychoterror der Tanten habe ich über 50 Jahre geschwiegen, wie mein Bruder das auch heute noch tut.
Durch die Dauersedierung und Medikamentierung, die ich ungefragt einnehmen musste, habe ich einen beidseitigen Innenohrdefekt erlitten und war später nie in der Lage, dem Schulunterricht vollständig zu folgen (habe aber viel durch Lesen ausgleichen können).
Der Hördefekt hat meine Schullaufbahn massgeblich geprägt, da ich höhere Stimmlagen kaum wahrnehmen, geschweige denn verstehen kann. Hinzu kommt ein Gleichgewichtsproblem.
Leider gab es damals in Frechen nur einen HNO-Arzt der bei jeder Untersuchung sagte, ich soll mich nicht so anstellen; er führte dann auch die schulischen HNO-Untersuchungen durch.
Später hat man dann noch einen Herzklappenfehler diagnostiziert, der operativ korrigiert werden musste, dessen Ursache möglicherweise auch auf den Aufenthalt in Bühl zurückzuführen ist.
Nachdem ich nun alle 5 Jahre den Kampf mit der Krankenkasse aufnehmen muss, da mein Hördefekt nicht mit Kassengeräten zu lösen ist, ist bei mir das Fass übergelaufen. Warum soll ich für den an mir verübten Medikamentenmissbrauch immer wieder tausende Euro's bezahlen?
Warum werden die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen ?
Ich bin froh darüber, nun endlich mein Schweigen zu brechen.
Jörg J.
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Marlies schrieb am 21.07.2022
Ich war mit 6 Jahren in Westerland auf Sylt und kam völlig verstört zurück. .
Ich musste alles aufessen, auch Gurke, die ich nicht mochte. Ich weiß noch, wie ich nachts dagesessen hatte - die anderen waren längst im Bett - und man mich zwingen wollte, den Bissen runterzuschlucken. Ich konnte nicht! Ich saß lange da mit dieser widerlichen Gurke im Mund ... Bis heute ertrage ich den Geruch davon nicht!
Ich kann mich erinnern, dass eine der "Pflegerinnen" (oder soll ich sagen "Folterknechte"?) zu mir sagte: "Zur Strafe, weil du eingenässt hast, musst du bei den Jungs schlafen!" Und ein Junge sagte zu mir: "Wehe, wenn du noch mal einnässt! Das ist das Bett von (...)!"
Meine Mutter sagte mir Jahre später, sie hätte den Hausmeister des Heims im Verdacht, mich vergewaltigt zu haben.
Es war sehr schrecklich dort, ich würde gern mit anderen reden, die ähnliches durchgemacht haben.
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Christian Kaiser aus Giesen schrieb am 20.07.2022
Ich war mit ca. 7 oder 8 Jahren in einem Kinderheim auf Borkum. Es war tatsächlich schrecklich, so dass ich bis heute (mit 61) klare Erinnerungen daran habe. Tischnachbarn mussten ihr Erbrochenes wieder essen, ein Pups im Bett brachte mir 3 Tage Bettpflicht ein, abends in Reihe auf Toilette... erst die Jungs dann die Mädels.. gespült wurde nach dem letzten Kind, in der Nachtwar Toilettenverbot. Genauso wurde die Badewanne genutzt, Wasser (Dreckwasser) wurde nach dem letzten Kind abgelassen. Mein Tischnachbar bekam eine Ohrfeige weil er den Milchreis erbrochen hatte, musste so lange am Tisch sitzen, bis er sein Erbrochenes wieder aufgegessen hatte. Ein anderer Tischnachbar bekamm eine derbe Ohrfeige mit dem Kommentar er schaue durch seine Brille wie ein Auto. Es fallen mir noch so viele Dinge ein.
Aber nun, es war eine andere Zeit.. ob ich das allerdings als Entschuldigung gelten lassen kann, ich weiß es nicht.
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Reinhold schrieb am 20.07.2022
Im Juni/Juli 1962 wurde ich – gerade sieben Jahre alt – mit meinem jüngeren Bruder (damals vier Jahre alt) wegen eines Krankenhaus-Aufenthalts meiner Mutter nach Langeoog ins Kinderheim geschickt.
Die Zeit in Langeoog haben wir beide in sehr unangenehmer Erinnerung. Mein Bruder fing unter dem Stress wieder das Bettnässen an und wurde dafür bestraft (geschlagen?). Meine Eltern hatten mir aufgetragen, auf ihn aufzupassen, und ich litt darunter, dass ich nichts für ihn tun konnte. Persönliche Gegenstände, auch die „Reiseverpflegung“ von unseren Eltern, wurden uns bei der Ankunft abgenommen. Mittagsschlaf war obligatorisch, auf dem Rücken liegend und Arme über der Decke. Wer sich im Schlaf umdrehte, wurde aufgeweckt und zurechtgewiesen. Etwa zur Halbzeit musste ich einen Brief an meine Eltern schreiben (das konnte ich schon so in etwa, weil ich Ostern 62 eingeschult worden war). Da habe ich geschrieben, dass es mir in Langeoog nicht gefällt. Der Brief wurde vor meinen Augen zerrissen und ich musste den Brief mit positivem Inhalt neu schreiben.
Ich erinnere mich noch ganz gut an das Gefühl der Angst und Ohnmacht, allein mit meinem Bruder weit weg von daheim den Betreuerinnen ausgeliefert zu sein.
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Kerstin aus Berlin schrieb am 20.07.2022
Ich war 1979/80 als 8-9 jährige zur Kur in Wieck Dort sollte ich an Gewicht zunehmen. Für mich ist es bis heute ein traumatisches Erlebnis geblieben. Wir Kinder wurden mit harter Hand geführt. Ich würde dort sehr krank(Lungenentzündung) und landete im Krankenhaus. Auf der Kur wurde ich gezwungen, Milch zu trinken, obwohl meine Eltern die Allergie mitteilten Ich erbrach mich regelmäßig und würde dafür bestraft. Mir wurde mein Kuscheltier entzogen, ich habe keine Post mehr bekommen und durfte auch keine schreiben. Ich würde Nachts in die Ecke gestellt, weil ich mit Husten die anderen Kinder wach machte. Da hatte ich schon Fieber und die Lungenentzündung. Ich kam dann ins Krankenhaus, in dem Kinder sogar geschlagen würden. Schrecklich. Meine Eltern würden nicht informiert, dass ich im Krankenhaus war und waren entsetzt, dass ich nicht im Bus saß. Für mich die Hölle, ich dachte, ich komme nie mehr nach Hause. Das Haus existiert heute wohl nicht mehr. Mein Papa weiß heut leider auch nicht mehr,wo genau die Kureinrichtung war.
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Kerstin aus Berlin schrieb am 20.07.2022
Ich war 1979/80 als 8-9 jährige zur Kur in Wieck Dort sollte ich an Gewicht zunehmen. Für mich ist es bis heute ein traumatisches Erlebnis geblieben. Wir Kinder wurden mit harter Hand geführt. Ich würde dort sehr krank(Lungenentzündung) und landete im Krankenhaus. Auf der Kur wurde ich gezwungen, Milch zu trinken, obwohl meine Eltern die Allergie mitteilten Ich erbrach mich regelmäßig und würde dafür bestraft. Mir wurde mein Kuscheltier entzogen, ich habe keine Post mehr bekommen und durfte auch keine schreiben. Ich würde Nachts in die Ecke gestellt, weil ich mit Husten die anderen Kinder wach machte. Da hatte ich schon Fieber und die Lungenentzündung. Ich kam dann ins Krankenhaus, in dem Kinder sogar geschlagen würden. Schrecklich. Meine Eltern würden nicht informiert, dass ich im Krankenhaus war und waren entsetzt, dass ich nicht im Bus saß. Für mich die Hölle, ich dachte, ich komme nie mehr nach Hause. Das Haus existiert heute wohl nicht mehr. Mein Papa weiß heut leider auch nicht mehr,wo genau die Kureinrichtung war.
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Dorothee schrieb am 13.07.2022
Ich war 1959 als Fünfjährige 6 Wochen lang in Bad Sassendorf (über die Stadt Gelsenkirchen). Es war die Hölle. Kinder mussten ihr Erbrochenes aufessen. Und das kam oft vor, denn das Essen war eklig. Post für mich und Kleidungsstücke sind spurlos verschwunden. Ich war krank, hatte Fieber bis zur Bewusstlosigkeit, aber meine Eltern wurden nicht informiert. Mindestens ein Kind wollte während eines Spaziergang weglaufen, wurde aber wieder eingefangen.. Als ich nach hause kam, war ich völlig eingeschüchtert und hatte meine Fingernägel komplett abgekaut. Da ich mit 5 Jahren noch nicht selber schreiben konnte, diktierte ich beim wöchentlichen Briefeschreiben an meine Eltern ehrlich, was sich dort abspielte. Ich habe nicht verstanden, warum meine Eltern mich nicht abgeholt haben. Ich konnte nicht wissen, dass die Frauen nicht das geschrieben haben, was ich diktierte.
Dorothee
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Beate schrieb am 09.07.2022
Ich wurde im Alter von 10 Jahren nach Borkum verschickt. 3 Mädchen aus meinem Dorf waren auch dabei. Es war 1972. Das Schlimmste war der Hickhack unter den Kindern. Ich habe viel Vertrauen in Menschen verloren. Eine von uns 4 wurde von ihrer Mutter abgeholt. Wir anderen haben durchgehalten. Es war keine schöne Zeit. Dennoch stehe ich überrascht vor dem medialen Interesse um die Verschickungskinder. Mir ist nicht klar, was die Forderungen sind. Und es wird vieles hochgepeitscht, was skandalös klingen soll, aber Verschickungskinder gar nicht betrifft. Ich bin interessiert, was bei der Aufarbeitung herauskommt, finde das alles aber angesichts der wirklichen Probleme beispielsweise der Duogynongeschädigten Menschen duogynonopfer.de eher als Jammern auf hohem Niveau. Einige haben sicher wirkliches Leid erlitten und Schädigungen für ihr Leben davongetragen. Das sehe ich durchaus. Aber Mahnmale für Verschickungskinder So die die Skulpturen für Contergankinder oder Mahnmale für Holocaustopfer Bin gespannt, wie sich die Aufarbeitung entwickelt.
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Jules schrieb am 05.07.2022
Ich war Ende der 80er Jahre auf „Gedeihkur“ auf Langeoog…
Es war schrecklich! Wir wurden zum Essen gezwungen, mussten stundenlang am Tisch sitzen bleiben und durften an Freizeitaktivitäten nicht teilnehmen, wenn wir nicht aufassen. Es gab einige, die am Tisch oder in den Fluren erbrachen und wer zur Schlafenszeit nicht rechtzeitig ruhig war, bekam einen kalten Waschlappen ins Gesicht gedrückt, keine Süssigkeiten aus der Belohnungsbox und musste den kommenden Morgen auf dem Zimmer verbringen.
Ich wollte einen Brief an meine Mutter schicken, die mich dahin abschob, in der Hoffnung, sie würde mich dort herausholen. Ich malte mich auf die Karte, am Weinen…man weigerte sich, diese Karte abzuschicken! Meine Mutter wurde erst Tage später kontaktiert und es wurde ihr mitgeteilt, dass ich jegliche „Behandlung“ welche doch zu meinem Wohl sei, ablehnen und verweigern würde…
Als meine Mutter mich abholte, wurde ich mit bösen Blicken gestraft, dass ich sie so blamierte, dass sie mich vorzeitig abholen musste…
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Claudia H. aus Emmerich am Rhein schrieb am 03.07.2022
Hallo,
ich war 1976 von März bis Juni im Viktoriastift Bad Kreuznach. Ich bin als Einzelkind in einem schwierigen Umfeld aufgewachsen. Habe schlecht gegessen, war zu dünn und hatte oft Bronchitis. Die Lösung: eine Kur ! Bisher dachte ich immer auch meine Anreise war, wie die Abreise, mit dem PKW und Eltern. Heute habe ich dann, auf Nachfrage, von meiner Mutter erfahren, dass auch ich in Duisburg in einen Zug gesetzt wurde für die Reise nach Bad Kreuznach. Ich habe daran und an den ganzen Aufenthalt über die 3 Monate keine Erinnerungen. Den langen Zeitraum erklärt man mir heute mit einer Aussage der Ärzte: "es wären weitere medizinische Maßnahmen nötig gewesen". Meine Eltern stimmten aus der Ferne zu, ohne es zu hinterfragen.
Sie erhielten mehrmals Postkarten mit dem Text, es ginge mir gut. Als sich Windpocken bekam, war ich auf der Isolier-Station.
Nach meiner Rückkehr war ich, nach Erzählungen meiner Eltern, verstört. Habe z. B. Blumenvasen vom Tisch geworfen ohne erkennbaren Grund. Weitere Beachtung schenkte man dem aber nicht.
Geahnt habe ich schon länger, dass diese Kur noch so einiges in sich verbirgt, aber das sie so wesentlichen Einfluss auf viele Bereiche hat, wird mir erst jetzt langsam klar.
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Merle aus Hamburg schrieb am 02.07.2022
ich war 1999, mit 9 Jahren auf einer furchtbaren Kinder- und Jugendreise, die circa Wochen andauerte. Die Reise wurde vom Jugenderholungswerk eV Hamburg organisiert und die Fahrt ging irgendwo nach MV. Schon auf der Hinfahrt, flippte ein älterer Junge im Bus aus und wurde von zwei Betreuern quasi an den Sitz gefesselt. Während der Reise mussten wir jeden Tag stundenlange Wanderungen absolvieren, wie bei der Bundeswehr. Nachmittags wurden wir denn auf unseren Zimmern zum Mittagsschlaf gezwungen und durften bis zum Abendessen, die Zimmer nicht verlassen. Als einige andere Mädchen und ich es gewagt hatten einmal während der Nachmittagsruhe, das Zimmer zu verlassen um Wäsche im Waschraum zu waschen, stürzte ein "Betreuer", wie ein wild gewordenes Tier in den Waschraum, schnappte sich ein nasses Handtuch und verprügelte mich damit eine halbe Stunde lang bis ich nur noch wimmernd in der Ecke lag. Einige Tage zuvor war dieser Betreuer schon ausgeflippt weil ich einmal darum gebeten habe, dass der Typ nicht immer seinen Zigarettenrauch in meine Richtung pustet. Ich wurde zur Strafe für so viel Aufsässigkeit von der Gruppe separiert und musste den ganzen Tag auf meinen Zimmer hocken. Zudem wurde mir dort mein ganzes Geld und Kleidung entwendet, hat die Betreuer natürlich einen Dreck interessiert. Der bereits genannte Betreuer war auch der Gruppenleiter und hatten seine eigene Tochter und seinen verrückten, gewalttätigen Sohn mit auf der Reise. Als seinem Töchterlein einmal Kaugummi ins Kopfkissen gelegt wurde, wurden danach alle Kinder quasi in Sippenhaft genommen und mussten solange Nachts auf dem Flur hockend ausharren, bis jemand freiwillig zugeben würde, der Kaugummi-Übeltäter gewesen zu sein. Der Betreuer hatte insbesondere mich im Verdacht und ich gehörte zu denjenigen, die bis Morgengrauen draußen sitzen durften. Zwischendurch kamen diese Teufel immer und leuchtenden uns Kindern mit Taschenlampen direkt in das Gesicht, wir sollten doch endlich zugeben.. Hinterher hat sich herausgestellt, dass der eigene Bruder des Mädchens, wohl aus Eifersucht, das Kaugummi aufs Kopfkissen gelegt hat. Die Betreuer haben sich jeden Abend volllaufen lassen, die meistens von denen waren Zivis, die haben auch gerne versucht uns Kinder zum Rauchen zu animieren. Zwei anderen älteren Jungen wurden die Koffern von dem verrückten Betreuer-Sohn, zertrümmert. Die durften denn früher abhauen. Leider hat mich meiner Mutter nicht früher abgeholt. Einmal hat mich eine Zivi-Betreuerin gezwungen, ihre ganzen aufgeweichten Cornflakes zu essen. Zudem wurde ich einmal von einem älteren Jungen beim Baden in einem See begrabscht. Richtige Dreckjugendreise, hoffe es gibt sowas wie Karma.
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Ines Weinert aus Eberswalde schrieb am 30.06.2022
Ich wurde wegen Lungenerkrankung zwei mal verschickt. Einmal mit 6 Jahren und dann noch mal mit 7 Jahren ca. 8 Wochen, da ich beide male krank wurde und länger bleiben musste. Einmal mit Windpocken, die Narbe auf der Stirn erinnert mich jeden Tag daran. Traumatische Erlebnisse die ich lebenslang nicht vergessen werde.
Ich war erschüttert, dass andere ähnliche Erfahrungen machen mussten.
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Sabine Baum aus Stuttgart schrieb am 26.06.2022
Hallo zusammen,
es ist einige Jahre her, als ich versuchte über das World-wide-Web herauszufinden, ob andere Menschen in ihrer Kindheit ähnliche Erfahrungen bezüglich sog. Kuraufenthalten gemacht haben. Leider habe ich zu dieser Zeit nichts gefunden und ich fühlte mich sehr alleine mit meiner Geschichte. Zudem krochen immer wieder Zweifel in mir hoch, ob das wirklich alles so passiert ist, wie ich es in meinem Körper und in meiner Seele „wahrgenommen“ habe.
Die Zeit ging ins Land und vor etwa 4 Wochen wurde in der Landesschau vom SWR ein Beitrag über die sog. Verschickungskinder ausgestrahlt. Diese Kinder wurden meist zur Erholung in Häuser bzw. Heime in Baden-Würrtemberg aber auch deutschlandweit „verschickt“. Ich wurde während des Beitrags so sehr angetriggert, daß ich zunächst wie versteinert war.
Es dauerte einige Tage bis dieser Beitrag Raum in mir nehmen konnte und ich begriff, daß ich mit meinen Erfahrungen nicht alleine bin und daß es wichtig ist, diese auch in die Welt zu bringen, sei es wie hier über das Wort, oder über andere Ausdrucksmöglichkeiten.
Danke für diese Plattform hier und die Möglichkeit, das lang verborgene Geschehen endlich ans Licht zu bringen und sich dadurch ein wenig zu erleichtern.
Ich verbrachte zweimal einige Wochen in einem Heim in Baiersbronn. Mein 2 Jahre älterer Bruder war oft krank. Zudem war meine Mutter überfordert und so wurden mein Bruder und ich „verschickt“.
Ich wollte nicht noch ein zweites Mal dorthin, doch ich hatte keine Chance gegenüber meinen Eltern.
Ich habe ebenfalls viele respektlose Situationen gegenüber uns Kindern erlebt, z.B. Essenszwang, nicht angemessene Strafen… Meine Thematik ist jedoch eine andere. Ich wurde während der Aufenthalte sexuell missbraucht. Diese Übergriffe geschahen abends und in der Nacht.
Ich bin in diesen Situationen erstarrt .
Ich habe mir das Symposium über die Verschickungskinder vom letztem Jahr angeschaut, das in Ludwigsburg stattfand. Dabei wurde eine
Auflistung der „Taten“ dieser Einrichtungen gezeigt. Ich habe mich sehr gewundert, daß sexuelle Übergriffe in diesem Zusammenhang noch nichtwirklich thematisiert wurden !!!
Ich fühle mich nun wieder alleine damit. Aber ich bin der Überzeugung , daß ich nicht die Einzige bin, die davon betroffen ist. Ich glaube, daß diese abscheulichen Handlungen viele Kinder traumatisiert haben.
Diese Aufenthalte haben mein Leben und meine Gesundheit bis heute beeinträchtigt. Es ist wichtig, daß sich so viele Menschen wie möglich zu Wort melden, damit dieses Unrecht gesehen, gewürdigt und ein stückweit wiedergutgemacht wird!
Ich wünsche allen Betroffenen den Mut, sich zu zeigen und das „ Unfassbare“ Fassbar zu machen und in die Welt zu bringen.
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Anette schrieb am 26.06.2022
Kinderkurheim des Landkreises Waldeck
Ich dachte lange, meine Erinnerungen an diese Zeit sind wenige, unbedeutende, wenn auch keine schönen. Dass sie traumatisch sind, habe ich erst verstanden als die Erinnerungen nach und nach zu mir zurückkamen. Ich war gerade 6 geworden. Ich war zu dünn für die Einschulung, deshalb schickten mich meine Eltern zur Kur, weil sie soviel Gutes davon gehört hatten. Mein Bruder war ein Jahr alt und meine Mutter mit dem dritten Kind überfordert. Ihre eigene Mutter todkrank. Sie verstarb im folgenden Sommer.
Die familiäre Situation war schon belastend genug für ein sensibles Kind, was aber im Haus Waldeck auf Norderney passierte, verletzte traumatisch meine Kinderseele.

Dunkel erinnere ich mich an kalte, lange Flure. Wir mussten in der Schlange stehen und warten bis wir ins Bad konnten, ich glaube in Unterwäsche. Reden war nicht gestattet. Alle Betreuungspersonen waren angsteinflößend. Wir wurden zum Essen gezwungen. Ich kann bis heute keinen Salat mit Schmand (auf Norderney: Schmand mit 2–3 grünen Blättern) ertragen. Wir mussten alleine sitzen bleiben, bis wir alles aufgegessen hatten. Ich erinnere mich an nicht einen einzigen Aufenthalt am Strand von Norderney. Vielleicht gab es keinen, vielleicht hab ich aber auch nur alle schönen Erlebnisse aus den 6 Wochen gelöscht … Nachts war es besonders schlimm. Wir schliefen in einem großen Saal. Viele Kinder weinten, alle möglichst so, dass es niemand hörte. Leises Wimmern unter den Decken. Niemand tröstete uns. Wenn ein Kind ins Bett gemacht hatte, kam eine Betreuerin und es wurde laut. Ich hörte nicht hin, stellte mich tot und hoffte, dass mir das nicht passierte. Ich wollte immer den Kindern in diesen Situationen helfen, wie ich es zu Hause für meine kleinen Geschwister auch tat, aber es ging nicht. Mir taten die anderen Kinder fast mehr leid, als ich mir selbst. Dabei war es auch für mich echt schlimm. Ich hatte furchtbares Heimweh. Ich dachte, ich sehe meine Familie nie wieder. Fühlte mich verkauft oder weggegeben. Ich weiß noch ganz genau, dass wir Briefe an unsere Eltern diktieren durften. Auch hier wieder Schlange stehen. Endlich war ich dran, konnte die Chance auf einen Kontakt nach Hause nutzen. Eine jüngere, nettere Betreuerin schrieb ihn für mich. Diese Erinnerung ist ganz klar. Ich weiß sogar noch, wie der Schreibtisch stand und wie ich vor ihr stehen musste. Ich vertraute mich ihr an und sagte, sie solle schreiben, dass meine Eltern mich schnell abholen sollen. Dass ich nach Hause will und dass es hier schrecklich sei. Ich weinte fürchterlich. Ich erinnere mich, wie ich mit meinen Händen den Stoff meiner Kleidung zerdrückte. Nachdem ich fertig war mit meinem Bericht, las sie mir vor, was sie geschrieben hatte. Es war reine Folter. Es gibt ihn heute noch. Er lautete:

„Liebe Mama, lieber Papa
Ich habe Eure Karte erhalten und mich sehr gefreut. Oma und Opa haben mir auch geschrieben. Und dann habe ich noch eine riesige Karte von Tante Gundula bekommen. Wenn ich zu Hause bin soll ich meine Erlebnisse auf Tonband sprechen. Ich möchte mal wissen warum Kai und Laura sich immer zanken. Aber wir zanken uns hier auch schon mal. Wir essen hier gar nicht in einer großen Küche, sondern in unserem Gruppenraum.
Viele liebe Grüße sendet Euch (unterschreiben durften wir selbst!) ANETTE“

Danach schwieg ich. Ich gab auf. Es war vorbei. Es gab keine Hoffnung mehr auf ein Wiedersehen. Ich verfiel in Trance, glaube ich. So fühlt es sich jetzt in der Erinnerung auf jeden Fall an.

2003 bekam ich erste Angstzustände. Ich wurde lange Zeit mit Medikamenten behandelt. Heute geht es ohne, aber gut ist es nicht. Ob meine Erkrankung mit dem Kuraufenthalt 1974 zu tun hat, weiß ich noch nicht. Sollte mein Bericht darüber mich persönlich nicht weiterbringen, so hoffe ich, dass er mindestens dazu beiträgt, dass das Leid, welches „Verschickungskindern“ zugefügt wurde, ans Licht kommt. Danke für diese Plattform.
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Lioba schrieb am 19.06.2022
Von Duisburg aus war es eine lange Fahrt, Eisenbahn und Fähre. Im Schloss am Meer, Kinderheim der Barmer Ersatzkasse, so stand es am Haus, angekommen. Da war ich nun, mit meinen 8 Jahren. Heimleitung war eine Fr. Dr. Riepen, Rieper, ist meine Erinnerung richtig, eine Frau immer in einem schwarzem Kostüm und immer mit einem Schlüsselbund in der Hand? ich glaube ich war in den 6 Wochen, nur 3-5 mal am Meer, es war Januar aber Erholung war das nicht. Ich habe zwar immer alles gegessen, dicke Puddingsuppen, das war mästen und alles was *fett'* macht - es gab einen Tisch für die Kleinen und ein Mädchen hat mir immer so leid getan, Heike???, die hat immer gebrochen musste aber immer alles aufessen incl. Erbrochenem, so ekelig, ich wüsste gerne wie sie das verkraftet hat?? Ich habe mich mit einem Mädchen Martina, aus Essen Altenessen, angefreundet und einem Bub auch aus Essen, Günter, der mir eine KreppapierRose geschenk hat, das weiß ich noch. In dem Heim ging es sehr streng zu aber mir hat es jetzt nicht wirklich geschadet, auch mein Kuscheltier wurde mir nicht abgenommen, weißer Teddybär.. Es war allerdings auch 1967 noch sehr streng, sehr drakonisch und nicht wikrlich lustig, ich war wieder sehr froh dahiem zu sein, nicht nach 6 Wochen sondern schon nach 5 Wochen, weil Scharlach ausgebrochen war, dem Himmel sei Dank. In der Schule viel verpasst.
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P. Andrea Steyer aus Groß-Gerau schrieb am 18.06.2022
Hallo ihr Lieben,

ich wurde im Alter von etwa 8 Jahren für 6 Wochen zur Kur nach Friedenweiler geschickt. Eine grausame Zeit.

Ich erinnere mich an schlimmes Heimweh, der Kontakt zu den Eltern war in jeder Weise untersagt. Ich schlief in einem großen Raum mit vielen anderen Kindern. Ich würde es einen Saal mit hellen Metallbetten nennen. Nachts nässte regelmäßig eines der Kinder ein, denn wir hatten Angst zur Toilette zu gehen. Evt war es auch verboten, ich erinnere mich nicht genau. Betreut wurden wir von Nonnen sowie Frauen, die eine Art Krankenschwester - Uniform trugen. An die Nonnen habe ich keine schlechten Erinnerungen, wohl aber an die "Krankenschwestern". Wenn ein Kind nachts weinte oder sich einnässte, kamen sie in den dunklen Schlafsaal und leuchteten einem mit einer Taschenlampe direkt ins Gesicht. Diese Frauen waren unnahbar, gefühlskalt und stellten sich in keiner Weise auf uns Kinder ein. Wir hatten zu gehorchen und die Regeln zu befolgen. Freundlichkeit gab es nicht.

Ich erinnere mich an ein sehr schlankes, blondes Mädchen, das zur Gewichtszunahme in Friedenweiler war. Es wurde zum Essen gezwungen, durfte den Tisch nicht verlassen, bis alles aufgegessen war. Das Mädchen erbrach sich auf den Teller und musste das Erbrochene wieder essen.

Weiterhin erinnere ich mich an ein Badezimmer mit Badewanne. Es wurden immer 2 Kinder gleichzeitig gebadet. Zwei oder drei Mädchen wurden die langen Haare gleich nach ihrer Ankuft abgeschnitten, dann kamen sie in die Badewanne.

In Friedenweiler lernte ich, in der Menge unterzutauchen, mich ganz klein zu machen und möglichst nicht aufzufallen. Die Kinder, denen das nicht gelang, wurden zur Zielscheibe für die "Betreuerinnen".

Ich kann mich noch heute an das Gefühl der ungeheuren Ungerechtigkeit erinnern, welches ich empfand. Mir war bewusst, dass uns Kindern ein großes Unrecht geschah. Dazu gesellte sich das Gefühl der Machtlosigkeit. Man konnte sich nicht wehren.

Ich überlegte mir eine Möglichkeit zu flüchten. Ich wollte es auf einem der Gruppenspaziergänge, die stattfanden, so einrichten, dass ich am Ende der Gruppe platziert wurde (immer 2 Kinder nebeneinander). Dann wollte ich mich bei passender Gelegenheit hinter einem Busch oder Baum verstecken und weglaufen. Allerdings habe ich mich letztlich nicht getraut, den Plan in die Tat umzusetzen.

Nach Kurende waren meine Erlebnisse in Friedenweiler jahrzehnte über kein Thema für mich. Ich erlernte zwei Berufe, gründete eine Familie, zog meine Kinder groß. So weit so gut, bis das Thema Friedenweiler vor einigen Jahren in meinem Kopf recht unerwartet wieder aufploppte. Das tat es immer wieder und die Abstände wurden kürzer. Parallel dazu entwickelte ich eine Angsttsörung, welche mir zeitweise ziemlich zu schaffen macht. Ob das irgendwie zusammenhängt weiß ich nicht. Der Gedanke liegt jedenfalls nahe. Daher habe ich mich um eine Therapie bemüht.
LG und eine herzliche Umarmung für jeden von euch.
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Rudi Weber aus Trier schrieb am 17.06.2022
Landschulheim im Odenwald

Auslöser meiner Gedanken zu meinen Erfahrungen mit der Gewaltausübung an mir durch und mit der ev. und kath. Kirche war ganz banal meine Frage an unsere Chorleitung wie wir es z.Z. mit den Abstandsregeln bei den Chorproben halten wollen.
Es wurde dann ein Schriftstück präsentiert herausgegeben vom Bistum Trier in der sehr merkwürdige Regeln, ganz entgegen den Regeln der Landesregierung RLP, aufgestellt worden waren.
Durch meine frühkindlichen Erfahrungen habe ich mir geschworen, egal welche Kirche auch immer mir irgendwelche Vorschriften machen will das diese nicht für mich gültig sind.

Ich war 11 Jahre, also war das 1968, und wurde für sechs Wochen in ein Landschulheim in Neunkirchen im Odenwald, wahrscheinlich über die (ev.) Kirche Bonn im wahrsten Sinne des Wortes verschickt. Einen Familienurlaub hat es in meiner ganzen Kindheit nicht gegeben. Dieses Angebot Kinder aus kinderreichen Familien einen Ferienaufenthalt zu bieten find ich im Grundsatz gut, aber was die Kirche dann daraus gemacht hat macht mich fassungslos.

Als siebtes von acht Kindern kann ich mich auch nicht an irgendwelche liebevollen Zuneigungen außer der Prügel durch meinen Vater und der Vorwürfe an mein Verhalten erinnern, und auch die Aufmerksamkeit meiner Mutter, die sich hätte schützend vor mich und meinen Geschwistern stellen müssen, ist nur nebulös vorhanden.
Wie immer waren meine Eltern bei wichtigen Abschnitten wie z.B. meine Einschulung nicht dabei, wo ich in Bonn mit anderen Kindern per Bus in den Odenwald verschickt wurde.
Mein gesamter Lebensweg von Schule, Realschulabschluss, Bundeswehr und Berufsausbildung hat ohne ein Interesse meiner Eltern stattgefunden.

Ich glaube, das einer meiner Geschwister mich dann zum Busabfahrplatz für die Verschickung gebracht haben.
Soweit war noch alles ok, aber angekommen merkte ich dass das komplette Bettzeug nicht dabei war, und ich dann, nachdem ich meiner Mutter geschrieben hatte, viele Tage ohne Bettzeug schlafen musste.
Das Landschulheim war ein ehemaliger Bauernhof mit entsprechend hergerichteten Räumen die ich gut in Erinnerung habe.
Es gab natürlich einige Ausflüge (Wanderungen) in der näheren Umgebung und bei einem Ausflug hatte ich mich etwas von der Gruppe abgeseilt und an einem Bach, den wir schon häufiger besucht haben, gespielt.
Man fand mich dann und die „Strafe“ folgte umgehend: zwei ältere haben mich an einem Zaun festgehalten und alle anderen mussten dann auf mich einschlagen mit Fäusten und Tritten.
Die Betreuer haben ihre Machtposition also reichlich ausgenutzt, und ich weis nicht was ein Mensch empfindet wenn er andere zu Gewalttaten auffordert, ich mag mir das auch nicht vorstellen wollen.
Und bis heute kann ich dieses Erlebnis nicht vergessen, schnürt es mir beim Gedanken daran den Bauch zu und auch das kann ich nicht vergessen so habe ich im Heim dann wohl fast zwei Wochen in der Nacht bitterlich geschluchzt und geweint.
Ich glaube das ist auch ein Teil der Bewältigung der Erlebnisse mit meinen Eltern und der Kirche: Zeit meines Lebens habe ich immer daran gearbeitet so unabhängig wie möglich von allen zu sein, der Austritt aus dem Religionsunterricht und der Austritt aus der Kirche war dann folgerichtig.

Was dieses Erlebnis mit meiner Psyche gemacht hat kann ich leider nicht so genau beurteilen, aber einige „Macken“ sind sehr fest in meiner Persönlichkeit verankert; ich muss mich immer noch für alles rechtfertigen was ich eventuell nicht richtig gemacht habe, Vertrauen zu anderen Menschen braucht lange um gefestigt zu sein.

Wenn ich heute sehe wie Bischöfe mit dieser Schuld herumeiern, nur das zugeben was bewiesen ist und keiner hat bisher seinen Rücktritt vollzogen. Nur ankündigen und dann vom Papst den Persilschein bekommen reicht nicht.

Ich gehe sogar so weit zu sagen: kein Mensch auf dieser Welt kann mir vorschreiben an wen oder was und zu welchen Bedingungen und Vorschriften ich zu glauben habe.
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Henrik Gröne aus Adolfin schrieb am 15.06.2022
Als lungenkränkelndes Kind wurde ich von meinen Eltern im guten Glauben ins Adolfinenheim/ Borkum verbracht. 1 Bett, 1 Hocker und das 20 x in einem Raum. Schwester Ester oder Esther, die Cruella von Disney offensichtlich als Vorlage galt, erklärte kurz und bündig um was es ging. Wäsche exakt falten im Gleichtakt mit den Anderen und in bestimmter Reihenfolge auf den Schelmel packen. Alle 20 Wäschestapel wurden kontrolliert. Nicht korrekte Stapel wurden mit einem dünnen Stock oder per Tritt im Raum verteilt, nicht aufrechte Haltung mit einem ordentlichen Stockhieb auf die Unterschenkel oder Rücken. Marsch ins Bett.. O-Ton der Barackenaufsicht. Alle hatten den Kopf nach rechts zu wenden, damit das Reden unterbrochen wurde. Ein Zwillingspaar mit Heimweh zog es zueinander weinend in ein Bett, Schwester Ester stieb in den Saal, verpügelte völlig irrwitzig brutal den einen und schleifte den Anderen aus dem Saal.
Ein Junge sagte er müsse. "WAS?"..."gross"..."NEIN!"
Er wimmerte die ganze Nacht und machte schließlich ins Bett.
Der Drache Schwester E. kam angerauscht..riess ihn aus dem Bett, immer bedacht, möglichst viel von ihm mit seinen Fäkalien zu beschmieren, das Laken wurde runtergerissen, ein Eimer mit Wasser und das Kind sollte das Laken im vollbeleuchtetenen Schlafsaal vor allen auswaschen.
Ein sehr beleibter Junge zu meiner Rechten eine unfassbar sanfte Seele bekam jeden Morgen nach dem Milchreis ein Glas Salzwasser, was er in Gänze austrinken sollte...da nach erbrach er logischer Weise regelmässig. Schwester E zwang Ihn die verschleimte Mischplörre mit der Hand wieder in Teller zu schieben und erneut zu essen....was für eine brilliante Fachkraft.
Toll,... !


Der dicke Junge entschuldigte sich trotz seines Märtyriums bei mir, der ihm gegenüber sass, für sein Erbrechen. Stellen Sie sich das vor, ein 6 jähriges gedemütiges Kind hat so ein unfassbaren Anstand und Grösse.

Geld meiner Familie kam nie an.

Post erfuhr eine Zensur... Dinge wie ich will heim oder es ist schrecklich hier bedeuteten Einzelhaft in einem alten OP Saal...nur mit Laken.

Den hab ich nach meinem Einsperren wirklich völlig zerlegt...man kam und fragte ensetzt, was passiert sei. Ich sagte ruhig und freundlich, es sei "etwas umgefallen"...da nach wurde es für mich besser...meine Eltern holten mich, ich berichtete und mein Vater griff sich die Heimleitung Schwester E. es wurde extrem laut. Ich liebte meine Eltern, weil sie mir voll umfänglich und sofort glaubten. Eine Tradition, die ich im Übrigen fortführte und auch konnte, da meine 4 Söhne mich nicht signifikant anlügen - ...das A und O um soetwas in einem stabilen Umfeld zu verarbeiten.

Henrik Gröne
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Sylvia schrieb am 02.06.2022
Hallo ,

mit Entsetzen habe ich die Berichte der ehemaligen Verschickungskinder gelesen und bin in Gedanken sehr damit beschäftigt, wie man so etwas menschenunwürdiges tun kann. Mein Mitgefühl allen Betroffenen!

Ich selbst habe 1977 eine wirklich schöne Zeit im Marienhof auf Föhr erlebt. Es gab zu dieser Zeit zum Glück keine solchen Ereignisse. Es wurde viel unternommen, die Erzieherinnen wurden auch nicht als „Tanten“ bezeichnet, sondern bei ihren Namen genannt. Ich war allerdings bereits 14 ! Wir haben Strandwanderungen, Besichtigungen, Inselrundfahrt , Nachtwanderung, Fahrt nach Amrum, Stadtbummel in Wyk oder einen Wellenbadbesuch unternommen. Kasperletheater für die Jüngeren aufgeführt, Fasching veranstaltet usw. Es war eine tolle Gruppe (Gruppe VI, Frau Hagen, falls sich jemand angesprochen fühlt) und ich habe keine negativen Eindrücke erhalten. Vielleicht war inzwischen auch eine andere Heimleitung (Herr Tietz) tätig , so dass solche schrecklichen Taten keinen Platz mehr hatten.
Ich finde es gut, dass die Menschen mit Negativerlebnissen austauschen und so ein Stück ihrer Kindheitserfahrung miteinander verarbeiten können . So etwas durfte und darf nie wieder passieren. Leider wird Kindern auch heute noch immer noch zuviel Leid angetan und sogar übers Internet verbreitet , so dass es noch mehr Passivtäter erreicht .

Sollte sich jemand aus der Kur 1977 angesprochen fühlen, um sich positiv auszutauschen , würde ich mich freuen.
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Bernd Thümmel schrieb am 30.05.2022
Ich wurde ca. 1971 in Berchtesgaden im ehemaligen "Kindererholungsheim" Stadlerlehen am Obersalzberg am Stadlerweg untergebracht.
Dort war ca. bis 1971 oder 1972 eine Frau Boot Heimleitung des sogenannten "Kinder-Erholungsheim Stadlerlehen". Ich selbst war ca. 1971 zusammen mit zunächst wenigen anderen Kindern als "Heimkind für immer" ins Kinderheim Stadlerlehen an den Obersalzberg verbracht worden.
Ich erlebte etwa 1 Jahr lang, dass das "Erholungsheim Stadlerlehen" ständig von neuen Kindern belegt wurde, die aus ganz Westdeutschland für je ca. 3-6 Wochen kamen.
Ich gehörte zu den ersten Kinder, die dort "für immer" hin verbracht wurden..wir wurden als "Helfer im Haushalt" eingesetzt durch die Heimleiterin Frau Boot.
Ich erinnere mich, dass Frau Boot eine Gitarre hatte und Abends auf dem Hof immer ein großer Kreis aller Kinder gebildet wurde, und Lieder gesungen wurden. Auch erinnere ich, dass bei Sonnenschein täglich alle Kinder auf, in die Sonne gestellten Bänken sitzen sollten.
Ich erlebte ab 1972/73 regelmäßige gewalttätige Übergriffe durch zwei Heimleiter namens Hennings und Büchter im Kinderheim Stadlerlehen. Die beiden hatten das Erholungsheim Stadlerlehen übernommen und dort fanden ab ca. 1973 keine sog. Kindererholungen mehr statt, sondern wir Kinder wurden von Jugendämtern in ganz Westdeutschland dort "für den Rest unserer Kindheit" untergebracht.
Ich interessiere mich für Betroffene, die das damalige "Kinder-Erholungsheim" Stadlerlehen am Obersalzberg in Berchtesgaden erlebt haben und hoffe, dass vielleicht jemand eines Tages hier her findet und darüber schreiben wird. Die Heimleiterin, Frau Boot hat damals nach meiner Erinnerung ganz viele Filmaufnahmen mit Super 8 gemacht.
Ich kann hier zu dem Thema Kinder-Verschickung nicht mehr beitragen. Meine gewaltvolle Kindheit im ehemaligen "Erholungs- Kinderheim" Stadlerlehen im Berchtesgaden begann, als das Erholungsheim in ein Kinderheim umgewandelt wurde. Das habe ich in verschiedenen Büchern verarbeitet, die ich alle auf meiner Internetseite veröffentlicht habe.
Meine Zeit im Kindererholungsheim Stadlerlehen ist für mich wie ein finsteres Loch, ich war 1971/72 acht Jahre alt.
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Tatjana Schütte aus Hamburg schrieb am 29.05.2022
Mein Name ist Tatjana Schütte. Ich habe eben gerade noch meine Mutter am Telefon gefragt in welchem Jahr das war....In Lüneburg meine Kur. Ich war drei Jahre alt und mit meiner 1 Jahr jüngeren (inzwischen verstorbenen) Schwester dort. Ich selbst habe nur kleine Sequenzen vor Augen. Bis heute allerdings kann ich ein paar Situationen nicht vergessen: Zum einen den Raum in dem ich alleine liege und mir Haare an der Stirn raus reiße. Im Nachhinein weiß man, daß ich fast blind bin (ich sehe auf nur einem Auge und das andere ist auch geschädigt). Meiner Mutter wurde mitgeteilt dass ich wohl einen Gehirntumor hätte. Ich wollte nur Essen wenn meine Schwester auch isst ( und nur das was sie isst, weil ich nicht erkennen konnte was es da gab) Deswegen wurde ich von ihr wohl getrennt. Ich hab zeitweise gedacht dass ich mir das einbilde und bin in den 80 ern mit meiner älteren Schwester (die ihren Sohn dort auch verschickt hatte) hin gefahren um überhaupt mehr zu erfahren. Info gab es nicht. Aber ich hatte sowas von Blitz-Bilder dass ich mir so vieles erklären konnte. Dieser Raum in dem ich da im Bett alleine liege. Die "Badehalle" in die ich nicht mit durfte ( Wer ins Wasser wollte der musste vorher auf die Toilette. Ich musste dringend und ging nicht in der mir zugewiesenen Reihenfolge) Dann das sogenannte (heute autogenes Training ) Man bekam eine Schutzbrille mit Gummi hinter den Kopf (ähnlich den heutigenTaucherbrillen ) , damit sie fest am Kopf saß und lag auf einer Matte und sollte ruhig sein. Später als man herausfand dass ich lediglich eine Brille brauche wars leider vorbei und geschehen. Meine Familie hatte unter mir und meinem Verhalten lange zu leiden ( wie ich mir bis heute auf jedem Treffen anhören darf/muss) Ich hatte sehr lange Magen und Ess probleme, ( War im UKE als Kleinkind und bin dort nach Aussagen meiner Mutter auch behandelt worden) Trennungsangst (durch das Trennen von meiner Schwester und dem Zuhause) Ich habe bis heute Angst vor Ärzten ( viele Jahre Therapie gemacht um wenigstens einfache normale Untersuchungen machen zu können) und Panik bis fast zur Selbstzerstörung vor Narkose ( Kontrollverlust lt Therapeutin) Heute kann ich mir die Ängste erklären, nur ändern kann ich nichts. Und das obwohl ich mit dem Verstand weiß wo das herkommen könnte und ich mir ja damals mit knapp 20 versucht habe Hilfe zu bekommen.
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Wolfram Kurrle aus Winnenden schrieb am 28.05.2022
Ich bin 1967 von Reutlingen aus in ein sogenanntes "Erholungsheim" ins Allgäu verschickt worden. In welches der Heime ist mir heute leider nicht mehr bekannt, da es im Allgäu mehrere gab, es könnte aber Oberstdorf gewesen sein, oder das Haus in Scheidegg. Daher wäre mir der Kontakt zu Andrea aus Reutlingen wichtig, da sie am 28.2.22 auch hier schrieb, dass sie Ende 1967 von Reutlingen mit dem Zug ins Allgäu verschickt wurde, vielleicht saßen wir sogar im gleichen Zug.
"Zug" ist auch das Stichwort:
Es gab 2 Momente an die ich mich eindrücklich erinnere:
1) im wahrsten Sinne des Wortes DIE VERSCHICKUNG, der Moment, als ich im Zug saß welcher sich langsam aus dem Bahnhof Reutlingen in Bewegung setzte, außen am Bahnsteig meine Eltern stehend und ich im Zug mit lauter fremden Menschen, gefühlt der intensivste Moment von Verlassenheit und Einsamkeit. Ich weinte bitterlich, zu dem Zeitpunkt war ich 6 Jahre alt.
Mir gegenüber saß eine Person, ich weiß nicht mehr ob es ein Mann oder eine Frau war. Sie/Er konnte das Elend nicht ertragen, erhob sich und griff in den Koffer über ihr und holte eine Tüte Haribo Gummibärchen raus und schenkte sie mir. Dieser Augenblick, dieses traumatische Erleben hat sich in meine Seele gebrannt.
Die Haribo Gummibärchen waren der Tröster und bis heute findet sich immer wieder eine Tüte in meinem Kühlschrank- ich mag sie nur gekühlt -. Die "Bären" sind tatsächlich zu meinem Lebens-Weg-Begleiter geworden und es zeigt, wie sehr die Seele Leid und Trost gekoppelt hat.
2) über die Geschehnisse Vorort hat sich ein Grauschleier gelegt, vielleicht ganz bewusst. Nur an eine Situation kann ich mich genau erinnern als ich - vermutlich aus Angst - in der Nacht in die Hose gemacht hatte, wurde ich auch noch in der gleichen Nacht in einen Sammelwaschraum - an den ich mich gut erinnere - gebracht, wo ich die Hose selber auswaschen musste.

Quintessenz:
Meine Mutter schrieb in meinem Kinder -Fotoalbum nach den Sommerferien 1967 vor der Verschickung folgendes:
" Bald darf er zu einer Erholungskur weg ins Allgäu, das wurde uns angeboten. Bis jetzt geht er noch gerne, mal sehen wenn es soweit ist."

Meinen Eltern mache ich keinen Vorwurf, mir ging es sicherlich ähnlich oder gleich wie vielen anderen Kindern damals auch. Über die psychischen Schäden die durch diese Erlebnisse bei mir und vielen meiner Mitleidensgenossen entstanden sind, hat man sich in diesen Zeiten im Vorfeld keine Gedanken gemacht. die Meisten Eltern - so möchte ich einmal behaupten - sind von guten Vorsätzen ausgegangen. Dass dahinter aber auch eine profitgierige Maschinerie stand blieb verschleiert. Es war - wie es meine Mutter schrieb - ein schönes Angebot welches von der Kasse finanziell übernommen wurde.

Meine Lebensqualität ist bis heute an verschiedenen Stellen sehr beeinträchtigt auf das ich hier nicht näher eingehen möchte, sehe es aber in engem Zusammenhang mit dem damals erlebten!
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Ilona Lange schrieb am 27.05.2022
Ich war im Februar 1962 im Oldenburger Kinderheim auf Wangerooge. Der Verschickungsgrund war die bevorstehende Einschulung Anfang April. Wegen der Sturmflut im Februar 1962 wurden wir nach nur wenigen Tagen wieder nach Hause geschickt. Hierzu kann ich mich an die Zugfahrt auf der Insel durch Wasser erinnern. Ansonsten habe ich keine Erinnerung an diese Zeit. Als Ersatz musste ich im Sommer nochmals nach Wangerooge reisen. Zunächst wollte ich nicht. Man tröstete mich damit, dass eine Freundin aus der Nachbarschaft zur gleichen Zeit fuhr. Da sie älter war kam sie aber in eine andere Gruppe. Ansonsten habe ich auch an diese Zeit kaum Erinnerungen. Meine Mutter erzählte mir, dass ihr, wie sie den Koffer nach meine Rückkehr öffnete, schlecht wurde, weil er derart nach Urin stank. Auch war kaum etwas der Kleidung benutzt. Ich soll darauf geantwortet haben, dass wir nicht zur Toilette gehen durften und ich immer nur das selbe anziehen musste. Wegen dem Toilettengang kann ich mich noch schwach erinnern, dass wir uns zu einer bestimmten Zeit anstellen mussten.
Bisher habe ich das alles als nicht so wichtig eingeschätzt. Doch, als ich jetzt hörte und las, dass es vielen Kindern so ging. bin ich hellhörig geworden und frage mich, warum ich so wenig Erinnerungen an diese Zeit habe. Meine Mutter lebt noch und ich konnte sie dazu befragen. Es ist ihr damals sehr schwer gefallen. mich reisen lassen und es tut ihr heute noch leid, was ich dort erleben musste.
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Judith Weidenmann aus Pleidelsheim schrieb am 24.05.2022
Hallo, ich war im Jahr 1974 im Malteser Kinderheim Krauchenwies für 6 Wochen angeblich zur Erholung. Was mir von dort in Erinnerung geblieben ist, es war der Ort des Grauens! Im Frühjahr 1974 wurde ich dort hin verschickt um etwas zu zunehmen. Laut Aussage meiner Mutter war ich wohl etwas zu leicht. Auf dem Foto das ich noch besitze sieht das aber anders aus. Ich wurde auch mit der Bahn dort hin gebracht. Am Heimatbahnhof wurde ich von meinen Eltern an eine Schönstetter Marienschwester übergeben die mich mit in den Zug nahm. Wir hatten ein Abteil in dem noch andere Kinder waren. Dort angekommen wurden wir auf verschiedene Zimmer verteilt. Ich war mit mehreren anderen Kinder im Erdgeschoss in einem kleinen Schlafraum mit 8 oder 10 Betten untergebracht.
Alles war sehr kalt eingerichtet mit Metallbetten. Es herrschte ein eisiges herrisches Regiment uns gegenüber. Schwester Richild ist mir bis heute in sehr negativer Erinnerung. Sie hatte wohl die Oberaufsicht bei uns. Sehr streng und eiskalt. Diverse Bestrafungen wie z.B.nicht teilhaben an irgendwelchen Aktivitäten, Fernsehverbot oder Schläge waren an der Tagesordnung. Auch das erniedrigen vor den anderen Kindern war sehr beliebt. Ich verbrachte diese Zeit in panischer Angst. Es musste gegessen werden was auf den Tisch kam. Wenn ich es nicht mochte musste ich so lange sitzen bleiben bis ich es gegessen hatte. Hatte ich es erbrochen gab es kein Pardon und musste es wieder essen. Jeden Nachmittag gleich nach dem Mittagessen war Bettruhe angesagt. Ich musste immer ganz still liegen und die Augen geschlossen haben ansonsten setzte es was. In meiner Erinnerung wollte diese Zeit nicht enden. Während meines Aufenthalts hatte ich Geburtstag und durfte mir das Mittagessen wünschen. Wie so ziemlich jedes Kind wünschte ich mir Nudeln mit Tomatensoße das wurde abgelehnt und so einigten wir uns auf Kartoffeln und Spinat mit der Folge das ich danach von sämtlichen Kinder verhauen wurde weil sie das nicht wollten. An diesem Nachmittag brauchte ich keinen Mittagsschlaf halten und durfte im Spielzimmer alleine unter Aufsicht ein bisschen spielen. Die Schwester die mich beaufsichtigte war noch sehr jung. Es war die einzigste die etwas liebevolles an sich hatte. Doch fühlte ich mich so alleine nicht wohl. Ich fühlte einsam und verlassen.
Im Garten gab es einen Spielplatz. Meistens war ich auf der Schaukel. Einmal hatte ich dort das Erlebnis das ich meinte meinen Vater am Gartenzaun zu sehen. Ich war mir nicht sicher doch im Nachhinein hat mir mein Vater und meine Geschwister versichert das es stimmte. Mein Vater wollte mich für einen Nachmittag abholen um meine Mutter zu besuchen. Sie war im gleichen Zeitraum in der Müttererholung wohl nicht all zu weit von Krauchenwies entfernt. Es wurde ihm schlicht weg untersagt mich zu besuchen da ich so großes Heimweh hatte. Darüber bin ich bis heute fassungslos!
Auch hatte ich im Laufe des Aufenthalts eine Verletzung am Knöchel meines Fußes die nicht ordentlich behandelt wurde. Die Narbe habe ich bis heute. Als ich wieder Zuhause war und berichtete was ich dort erlebt hatte glaubte mir meine Mutter nicht!
Erst als im Fernseher über uns Verschickungskinder berichtet wurde kam ihr in den Sinn das ich wohl mit meinen Schilderungen recht habe.
Meinen Vater flehte ich damals an mich nie wieder in solch ein Heim zu geben und er hat Wort gehalten.
Meine Mutter war noch öfter in Mütterkur und für mich wurde eine andere Lösung gefunden.
2011 bin ich nach Krauchenwies gefahren und habe mir das ehemalige Kinderheim angeschaut. Es ist ein baufälliges Gebäude.
Ich besuchte auch die Schönstetter Marienschwestern in der Hoffnung mich mit Schwester Richild zu unterhalten doch leider ist sie verstorben. Eine andere Schwester zeigte mir ihr Grab.
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Michaela Freiberger aus Kufstein schrieb am 24.05.2022
Ich erinnere mich genau an den Tag der Ankunft in Lenggries. Ich weiss auch noch dass wir zu zweit dort ankamen. Der Sohn eines Arbeitskollegen meines Vaters reiste mit an. Unsere Väter arbeiteten bei der Post und von da aus wurde diese"Erholung " auch organisiert.
Bei Ankunft wurde uns dann erst der große Speisesaal und die schlafsääle für Jungs und Mädchen gezeigt. Im Freien gab es für uns Mädels einen grossen Kaufladen in einer holzhütte zum Spielen. Die Jungs hatten einen fussballplatz.
Die Päckchen die wir von unseren Eltern geschickt bekamen wurden einbehalten. Alles kam dann in eine grosse Schüssel und jeder durfte sich 3 mal in der Woche etwas, rausnehmen.
Ich wurde dahin verschickt weil ich angeblich zu dünn war.... Das Essen war für mich horror... Alles musste leer gegessen werden.... Und wenn es mich noch so würgte... Sitzen bleiben und essen hieß es...... Sonst durfte man nicht raus zum Spielen
Das schlimmste aber war, dass der junge der mit mir war jeden Abend vor Heimweh weinte.... Da holten mich die Betreuer zu seinem Bett und ich musste versuchen ihn zu trösten. So war das jeden Abend.
Das ist was mir so ins Gedächtniss gebrannt hat.
Ich denke mal ganz viel habe ich verdrängt...... Und die Eltern wussten sicher nicht wie es uns dort erging
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Christina Debüser aus Köln schrieb am 22.05.2022
Ich war nach dem Tod meines Vater über die Barmer in einem Kinderheim in Furtwangen/Schwarzwald. Ich war 6 Jahre alt. Ich habe traumatische Erinnerungen an diese Zeit:
- Ich wurde zum Essen gezwungen; wenn der Teller leer war, wurde dieser nochmals vollgeladen und ich musste diesen ebenfalls aufessen (Ziel war Gewichtszunahme).
- Postkarten nach Hause wurden vom Klinikpersonal für mich geschrieben mit fingierten Texten, wie gut es mir gehe und wie wohl ich mich fühle.
- Mittagsruhe: wenn ich oder andere Kinder nicht sofort ruhig waren, wurde uns unser Kopfkissen auf das Gesicht gelegt und wir durften es nicht wegnehmen. Ich erinnere mich, dass ich kaum Luft bekam.
-schlimmstes Erlebnis: ich hatte mir beim Mittagessen aus Stress und Angst in die Hose gemacht und wurde dazu genötigt, mit nasser Strumpfhose unter aller Augen und dem Spott aller durch den ganzen Speisesaal zu gehen, um diesen zu verlassen. Ich weinte und schämte mich fürchterlich, es war ein "Spießrutenlauf"!
- Die Kur war im Winter: Spaziergang über einen höhergelegenen, sehr schmalen, vereisten Pfad am Waldrand entlang. Wir hatten Angst, dort entlang zu gehen und abzurutschen, wurden aber gezwungen, weiterzugehen.
Insgesamt: die Kur war ein Horrorerlebnis für mich. Meine Großmutter erzählte mir später, dass ich meine Großeltern nach meiner Rückkehr angefleht hätte, sie sollten mir versprechen, dass ich NIE wieder weggeschickt würde. (Meine Mutter hatte die Kur über die Barmer für mich veranlasst).
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Iris Averesch aus Bottrop schrieb am 22.05.2022
Hallo, ich habe leider sehr wenige Erinnerungen an meinen Aufenthalt. Ich war 5 Jahre und wurde von der Kinderärztin in dieses Kurheim geschickt. Meine Eltern fanden das zu früh, aber die Ärztin hat sie überredet. Ich hatte als kleines Kind immer Probleme mit Bronchitis und so musste ich in den Schwarzwald. Ich erinnere mich leider nur daran, das Nonnen dieses Haus geführt haben und das ich mein Stofftier abgeben musste. Außerdem bekam ich weniger zu essen als andere Kinder, da ich ein bisschen übergewichtig war. An eine Nacht habe ich eine gute Erinnerung, da ich aufgewacht bin, weil die Balkontür nicht richtig zu war und geklappert hat. Außerdem habe ich gefroren und fürchterliche Angst gehabt. Mein Bett war das einzige im Raum, das keine Gitterstäbe mehr hatte und ich weiß das ich furchtbar traurig war, das mein Bett keine Stäbe hatte. Ich fühlte mich nicht in Sicherheit! Es waren 5 Betten in dem Raum und es war eine Krankenhaus Atmosphäre. Ich musste außerdem 2 Wochen länger dort bleiben als alle anderen, weil ich Scharlach gehabt haben soll. Es hat mir das Herz zerissen alleine dort zu bleiben, und alle anderen Kinder sind in den Bus gestiegen und nach Hause gefahren. Meinen Eltern wurde mitgeteilt, das sie mich eine Woche später abholen könnten. Daraus wurden dann 2 Wochen. Als meine Eltern vor dem Haus standen wurde ich von einer Nonne an der Hand, nach draußen gebracht. Laut meiner Mutter wollte ich nicht ins Auto einsteigen und stand nur starr und steif neben der Nonne. Nachdem sie alles mögliche versucht hatten, haben sie mich mit einer Banane ins Auto gelockt. Ich habe 2 Tage nicht gesprochen und während der Autofahrt den kompletten Reiseproviant ( der für 2 Erwachsene und 1 Kind ausgerichtet war!) alleine aufgegessen. Nach diesem Aufenthalt habe ich meine Eltern gehasst, und tat es bis ich 2019 eine Therapie gemacht habe und verstanden habe, woher meine Ängste, mein Hass und meine Unsicherheit, sowie meine Fressattacken kommen.
Es war mir nie bewusst, das dieser Aufenthalt etwas mit meinem instabilem Seelenleben zu tun hat, bis ich Gott sei Dank! , die Berichte dazu gesehen habe.
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Dr med. Michael Klentze aus Diessen am Ammersee schrieb am 20.05.2022
1951 war für mich die Verschickung von Hamburg ( unterernährt). Ich empfand es als traumatisch: Zwänge : Schlaf, Mittagsschlaf, Zensur der Hilferuf- Briefe an die Eltern nach Hause. viele Briefe wurden nicht rausgeschickt ( angeblich wegen Lügen) . Wanderungen und Bäder . Alles irgendwie nur Zwang . An freies Dpielen war garnicht zu denken. Ab und zu gab es auch Schläge. Im Gegensatz zu Weiler( Sankt Goarshausen) später : spielen, spielen spielen, Freiheit.
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Roy Quilisch aus Berlin schrieb am 18.05.2022
1984 Bad Frankenhausen Helmut Just
An das an was ich mich erinnern kann ist das ich im Zug saß bei einer Fremden Frau die mir erzählte das meine Mutter mit kommt und im anderen Abteil sitzt. Als der Zug los Rollte und ich meine Mutter draußen stehen sah und zu mir Winkte war meine letzte Erinnerung. Keine Erinnerung an die Zugfahrt bzw. Ankunft. Ich wurde wahrscheinlich so oft ruhig gestellt das ich nur noch weiß :Ärztliche Untersuchen grundsätzlich Nackt und betapscht. Dass andere Kinder mit im Raum waren kann ich ausschließen, zumindest habe ich keine Erinnerung das mehrere gleichzeitig untersucht wurden.
Außerdem weiß ich das ich damals noch viel in die Hose gemacht habe und man mich vor anderen Kindern so vorgeführt wurde mit dem Satz der Roy hat wieder in die Hose gemacht. Ich stand auch in irgendeinem Keller und hab aus dem Fenster gekuckt und ich war auf der Suche nach einem WC im Schlafanzug und alle anderen Kinder waren komplett angezogen mit Bommel Mütze und sind raus gegangen.
ich habe gefühlt jede Nacht Erbrochen. 1 mal Sauna und ein Eiskaltes Wasserbecken ..... ich bin der Meinung das Wasser war Salzig. Wir haben Nackt an irgend einem Licht sitzen müssen und man mußte sich gegenseitig mit einer Büste den Rücken bürsten. Dafür das ich 6 Jahre war kann ich mich an viel zu wenig erinnern kein Essen keine Zimmer kein Draußen sein, aber das was ich im Kopf habe war alles, nur nicht schön. Ich kam von der Kur mit 40 Grad Fieber und man hat mich vom Zug aus mit der MSH ins Krankenhaus gefahren wurde mir von meiner Oma berichtet. Mutti und Oma berichteten das ich nicht der Roy war wie vor der Kur.
Ich habe nie eine richtige Feste Arbeit behalten können. (Depression und eine schwere Borderlinestörung)
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Sabine Häuser aus Wetzlar schrieb am 09.05.2022
Ich war 1962 im Alter von 5 Jahren einmal 6 Wochen lang in Hirschegg, in einem Verschickungsheim und im gleichen Jahr noch mal 6 Wochen in Bad Reichenhall. Der Name des Heims dort ist mir nicht bekannt. Es war schrecklich, ich habe mich laut Aufzeichungen meiner Mutter meist auf der Toilette eingesperrt und geweint.
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Karin M. aus Nürnberg schrieb am 08.05.2022
Ich war im August/September 1976 dort, als 12-jährige.
Mir hat es dort prima gefallen. Es wurde viel mit uns Kindern unternommen, Ausflüge, Wanderungen, jeden Tag tolle Spiele draußen auf dem Rasen, so was wie eine Olympiade, abends gab es Theaterstücke die andere Kinder aufgeführt haben oder Indoorspiele bis zum Schlafengehen und auch mal einen “Kinoabend” (Filmvorführung) im Haus. Und dann gab es ja auch noch das Schwimmbad, ein Highlight für mich als Wasserratte ... leider viel zu selten.

Mit einem andern Mädchen durfte ich jeden 2. Abend zum Bauernhof unten am Berg laufen um eine kleine Milchkanne voll frischer Milch vom Bauern für die “Heimleiterin?” (eine nette ältere Dame die im Heim wohnte) holen. Das hat uns immer viel Spaß gemacht.

Im Haus gab es auch in den Gruppenräumen Tiere, Meerschweinchen (vielleicht waren es auch Hamster) und Hasen um die wir uns kümmerten.

Strafen oder Mißhandlungen von denen viele Verschickungskinder berichten, gab es bei uns keine. Betten mussten selbst gemacht werden und die Schränke aufgeräumt werden, wenn das schlampig war, mußte man das noch mal machen (das war aber daheim auch so, von daher keine Strafe).

Einmal die Woche haben wir Briefe/Karten nach Hause geschrieben. Uns hat niemand was diktiert.
Eine Karte haben wir mal beim Aufräumen in meinem Elternhaus gefunden (als meine Eltern umgezogen sind), da berichtete ich von den Kühen die rund um das Heim auf den Weiden standen und dass da immer die Kuhglocken bimmelten .

Auch an einen Zwang irgendwas aufessen zu müssen, von dem aber viele berichten, kann ich mich nicht erinnern (und ich esse durchaus nicht alles). Alle BetreuerInnen die für meine Gruppe zuständig waren, waren sehr nett, verständnis- und liebevoll mit uns Kindern, trösteten auch die, die Heimweh hatten.

Heimweh hatte ich selbst keines, denn ich hatte mich seit vielen Monaten auf den Aufenthalt dort gefreut, weil mein Papa selbst als jüngeres Kind ca. 1946/47, also kurz nach dem Krieg zur Erholung gewesen war und auch nur gute Erinnerungen hatte (er und seine 5 Geschwister waren im Krieg Halbwaisen geworden) und uns oft davon erzählt hat (nichts Negatives).

Hätte dort liebend gerne noch mal einen Aufenthalt verbracht, die nächsten Sommerferien haben wir dann aber mit zwei befreundeten Familien und deren Kindern im gleichen Alter erstmalig in Italien verbracht.
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Karin M. aus Nürnberg schrieb am 08.05.2022
Ich war 1975 als 11-jährige in Schulenberg und habe im Gegensatz zu vielen anderen, wirklich nur positive Erinnerungen.

So kann ich kann mich z.B. noch an viele Ausflüge erinnern, in die Nähe vom Brocken, da konnte man rüber schauen auf den. Da war auch so eine Souvenirbude in der Nähe, da haben wir uns von unserem Taschengeld Kaugummis etc. geholt und auch das eine oder andere Andenken. Ich hab damals eine Brockenhexe auf einem Besenstil gekauft, die an einem Band hing, damit man das Ding irgendwo aufhängen konnte. Die hatte ich noch ein paar Jahre daheim im Kinderzimmer hängen. Viele Spaziergänge/Wanderungen im Wald haben wir gemacht. Besonders gut erinnere ich mich an einen Ausflüge zu einem Kohlemeiler im Wald wo uns der Köhler alles erklärte. Auch ein Besuch der Okertalsperre war ein Höhepunkt. Ansonsten haben wir viel draußen gespielt, sind mit Stelzen gelaufen, haben Fangen und Verstecken gespielt, Völkerball usw. also die typischen Spiele dieser Jahre. Es wurde gemeinsam gesungen, man saß zusammen, die BetreuerInnen haben Geschichten/Märchen erzählt von Hexen auf dem Blocksberg (Brocken) und der Walpurgisnacht und auch bekannte Märchen vorgelesen/erzählt.

Bei schlechterem Wetter wurde auch drinnen gespielt und gebastelt. Die BetreuerInnen waren alle freundlich und trösteten auch die Kinder die an Heimweg litten. Es war wirklich sehr liebevoll und es gab in meiner Gruppe definitiv keine Zwänge. Bettenmachen und Schrankaufräumen mussten die meisten von uns schließlich auch zuhause. Und zur Toilette durften wir auch wenn wir mussten.

Klar gab auch mal Essen das ich nicht kannte von zuhause, wie z.B. Königsberger Klopse oder Labskaus, dass hat man dann halt probiert hat und wenn es gar nicht schmeckte, einem anderem Kind auf den Teller geschoben das es mochte. Da gab es immer genug die neben einem saßen und es gerne genommen haben. Oder hat man einfach die Teller getauscht voll gegen leer. Mich hat nie jemand gezwungen irgend was aufzuessen was mir absolut nicht schmeckte.

Abends im Speisesaal wurde nach dem Essen immer noch das Teekesselchen-Spiel (https://de.wikipedia.org/wiki/Teekesselchen) gespielt bei dem einzelne Gruppen gegeneinander antraten. Das hat uns allen viel Spaß gemacht.

Ich habe wirklich nur positive Erinnerungen an den Aufenthalt. Allerdings wusste ich auch schon Wochen vorher, dass ich dort hin fahre in den Sommerferien (Aug./Sept) und es war für mich das Highlight des Sommers und ich in die Vorbereitungen, Koffer packen etc. involviert. Heimweh hatte ich nicht wirklich, denn ich hatte ein liebevolles Zuhause, wurde also auch nicht einfach weggeschickt und hab auch immer Post von daheim bekommen.

Ich weiß noch als mich meine Eltern und meine jüngere Schwester daheim in Bayern vom Bahnhof abholten und ich übersprudelte und alles auf einmal erzählen wollte was ich erlebt habe. Meine Schwester war ganz fasziniert, aber nicht von den Geschichten, ? sondern davon, dass ich auf einmal Hochdeutsch sprach … ich hatte mich irgendwie automatisch den anderen Kindern dort angepasst, die als ich dort war, überwiegend aus Regionen kamen wo man “ordentliches” Deutsch sprach, statt meinen heimischen Dialekt. Ach ja, das Hochdeutsch war nach kurzer Zeit daheim wieder dahin als ich wieder mit meinem Schulfreunden zusammen war.
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Kerstin Bader aus Teublitz schrieb am 06.05.2022
Hallo, ich war 1979 über die DAK mit 5 Jahren zur Kur. Ich war zu dünn und hatte Bronchitis. Ich kann mich an kaum etwas erinnern und es ist ein richtiger Filmriss. Am Ankunftstag beim Essen begann ein Kind am Tisch zu weinen und ich dann auch. Ich kann mich auch noch erinnern an einen langen Gang mit Treppen, die Tuer wo dann draussen die Kinder schon spielten. Ob es ein Schwimmpool war weiss ich nicht, ich weiss aber, daß Wasser im Spiel war. Eine Betreuerin hat mir die Karten meiner Familie vorgelesen am Bett. Ich glaube ich war in einem 4er Bettzimmer, es war immer dunkel. Ich erinnere mich an die tagelange Angst, als keine Post von meinen Eltern kam. Meine Mutter sagt, sie hätten jeden Tag geschrieben. Auf der Kur bekam ich Roeteln, ich war mit einem Kind in dem dunklen Zimmer. Evtl. war diese auch krank. Bei der Heimfahrt im Zug mit dem Schild um den Hals panische Angst, nicht abgeholt zu werden. Lt. Meiner Mutter sprach ich für fast 9 Monate kaum, war verstört und wich nicht mehr von der Seite meiner Eltern. Auch sagt meine Mutter, mein Gesicht war vom Weinen geprägt. Die Kur sollte wg. Der Roeteln aufgrund mangelnden Erfolgs wiederholt werden, ich musste nicht mehr weg. Ich hab noch 4 Bilder von dem Aufenthalt, auch mit dem Haus drauf. Als ich wie durch Zufall einen Bericht zu dem Thema sah, kamen mir die Tränen und ich fing am zu recherchieren. 4 Tage Leere in mir, so als waere ich depressiv. Es soll ja keine Zufälle geben und somit fang ich an, die Lücken zu finden. Mir wird einiges klar, warum mein Leben bisher so gelaufen ist und möchte es aufarbeiten.
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Bridget Pollock gebürtig Birgitt Bade aus in Paderborn Schloss Neuhaus NRW geboren, jetzt England schrieb am 03.05.2022
Ich bin ein paar Tage nach meiner Kommunion im Alter von 8 Jahren verschickt worden da ich vernehmlich zu dünn war. Meine Erinnerungen waren schon immer sehr nebelig, jedoch erinnere mich dass ich beim Nachmitag und Nachtschlaf im Bett festgeschnallt wurde. Zu Essen gab es dicken Haferschleim, in Sahne gekochte Leber und Brot dick mit Butter bestrichen. Ich erinnere mich dass die Zimmer sehr dunkel waren und die Betreuer trugen weisse Kittel. Ich glaube dass ich mit dem Zug von Paderborn abgefahren bin, kann mich jedoch nicht an die Heimfahrt erinnern oder an die anderen Kinder. Ich glaube das mein Gehirn andere Erlebnisse von der Zeit verbogen hat, trotzdem spielt es seit Jahren mit meinem Kopf. Ich bin so froh dass ich hier mit Gleichgesinnten frei sprechen kann und vielleicht Antworten finde - Danke.
Bitte entschuldigt mein Deutsch, ich habe Deutschland 1976 verlassen und spreche die Sprache sehr selten.
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Mac Bo aus bei Dresden schrieb am 02.05.2022
Hallo,

ich war für 6 Wochen auf Diätkur in besagtem Heim, nicht gerade die schönste Erinnerung aus meiner Kindheit. Das schmale Essen war tatsächlich das kleinste Problem, da gewöhnte man sich dran, sogar daß es (sicherlich absichtlich) kein Genuß sein sollte. Aber: so lange von zuhause weg, teilweise recht autoritäre Erzieher (auch wenn es meines Wissens keine quasi körperlichen Misshandlungen gab oder so, da will ich nicht pauschalisieren, manche waren durchaus nett, aber die Umgebung und die Umstände waren es nicht), 1 "Safttag" pro Woche mit Bettruhe den ganzen Tag und nur 3x einen Becher Orangensaft o.ä., Besuchsverbot, Paketverbot, (viel zu große und unbequeme) Krankenhausbetten, Frühsport bei eisigen Temperaturen, durchaus auch körperlicher Drill. Alles nicht gerade kindgerecht, ganz sicher nicht für dieses Alter und für Kinder, die zur Bewegung erstmal hätten (psychologisch) motiviert werden müssen. Die Zeit kam mir ewig vor, wie eine Strafe für meine (eigentlich noch vergleichsweise moderate) Übergewichtigkeit und die mangelnde Bewegung vorher. Das gnadenlose Heimweh setzte bei mir zwar erst spät ein, aber auch nur weil ich mich am Anfang zusammenreißen konnte. Irgendwann schlug es aber ausnahmslos bei jedem zu. Diesbezüglich gab es mutmaßlich sogar einen Suizidversuch in meiner Gruppe, so wurde gemunkelt (der Junge wurde danach umgehend aus der Gruppe genommen, striktes Kontaktverbot zum Rest). Gerade dieser Vorfall und daß es sich für keinen der Verantwortlichen andeutete bzw. es niemandem vorher auffiel, belegt eigentlich, daß das Kindeswohl in dem Kontext eher nicht im Fokus stand. So wie das Fingerspitzengefühl für eine sanfte Motivation der Kinder zum Abgewöhnen ihrer schädlichen Gewohnheiten fehlte, wurden auch Kinderbefindlichkeiten (Stichwort Heimweh) mehrheitlich mit eher barschem Zurechtweisen und mit Autorität gehandhabt.

Ich müsste im Frühjahr 1987 dort gewesen sein, wenn ich mich jetzt nicht komplett verrechne. Da war ich 10 Jahre.

Da ich Ende der Neunziger mal in der Gegend zu tun hatte, hab ich dort auch mal vorbeigeschaut. War alles noch wie mehr als 10 Jahre zuvor. Ebenfalls eine Kureinrichtung für Kinder, aber wohl nichts mehr zum Abnehmen.

Grüße,
Mac
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Gabriele aus Kempten schrieb am 26.04.2022
Ich war damals 10 Jahre alt und war sehr dünn.
Ich wurde von der Krankenkasse nach Büsum geschickt, um zuzunehmen. Ich wurde immer wieder gewogen und musste Vanille- und Schokoladensuppe essen! Da ich trotzdem nur wenig an Gewicht zulegte, wurde ich zu Liegekuren verdonnert, während andere Kinder spielen durften.
Meine Briefe an meine Eltern wurden nicht abgeschickt, weil ich mich über das Essen beklagte. Da sich meine Eltern Sorgen machten, weil sie von mir keine Post bekamen, riefen sie im Seeschlösschen an und erreichten nach hartnäckigem Nachhaken, dass sie mit mir sprechen konnten. Weil ich am Telefon weinte und bat, dass sie mich nach Hause holen sollten, wurde das Telefonat durch die dabeistehende Kinderheimschwester beendet!
Als ich bei der Rückkehr aus dem Zug ausstieg, waren meine ersten Worte zu meinen Eltern: "Bitte schickt mich nie wieder in Erholung!"
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Regina K. aus hier nicht zuhause, dort nicht daheim schrieb am 25.04.2022
1973 im Sommer ging es im Auftrag der Caritas Rottenburg/Stuttgart per Bus auf den Donnersberg.
Ich war 10, vor mir lagen 6 lange Wochen. Die Erinnerung an die Nonnen hab ich weitgehend verdrängt. Ich erinnere mich an Stundenlang im Speisesaal sitzen und ungenießbares Essen, Schwarzwurzel!, runter würgen.
Ungenießbaren Tee. Immer Durst haben.
Kontrolle, Zerreißen der Post wenn ein falsches Wort drin stand.
Kontrolle beim täglichen Waschen unter Aufsicht.
Stundenlange Wanderungen bei Hitze um Beeren zu pflücken.
Ich wüsste gerne ob meine Erinnerungen stimmen daß Kinder nachts aus dem Zimmer geholt wurden und warum.
Die unangenhmen ärztlichen Untersuchungen.
Ich selbst kam irgendwie noch relativ unbeschadet davon, hab mich vermutlich unsichtbar gemacht.

Ich erinnere mich an eine ganz liebe Betreuerin die mit uns ins Dorf ging und uns bei Ihren Eltern etwas zu trinken und Süßigkeiten gab.

Es gehörte sich damals so daß man seine Kinder zur Kur schickte.
Ich kann mich nicht daran erinnern daß ich darüber nach der Rückkehr geredet habe.
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Eve Wiemer aus 25767 Bunsoh schrieb am 24.04.2022
sehr interessant finde ich den Bericht über den Medikamentenmissbrauch. von 1953 bis 1954 war ich ein Jahr im Alter von 5 Jahren mit Tuberkulose im Haus Schöneberg und habe immer viele Tabletten erhalten. Es hat mich gewundert, dass alle Kinder nach ein oder 2 Monaten wieder nach Hause konnten, bloss ich musste ein Jahr zu meiner grossen Verzweiflung bleiben . Höchstwahrscheinlich war meine Medikamentenstudie noch nicht abgeschlossen. Die Pharmaindustrie, welche Verbrecher ! Ich fordere eine Entschädigung und finde hoffentlich Gleichgesinnte ! Eve Wiemer
.
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Sandra schrieb am 23.04.2022
Ich bin überrascht, dass es diese Seite gibt und über das Thema berichtet wird. Ich wurde mit 6 (1981) vor Beginn der Schule aufgrund von Bronchitis und ähnlichen chronischen Erkrankungen der Luftwege für 5 oder 6 Wochen zur Kur nach Bad Kösen geschickt. Ich kann mich nur an wenige Dinge erinnern. Im Schlafsaal lagen an die 10 Kinder. Während der gesamten Zeit durfte ich nur ein oder zweimal mit meinen Eltern telefonieren. Wenn ich heute daran denke, drückt es mir noch immer die Tränen und den Schmerz in die Augen. Zurückgekommen bin ich mit dem Zug - Ausschlag im Gesicht und in der Seele zerstört.
Gleich ein Jahr später in der 1. Klasse wurde mir aufgrund von Diphterie ein 5 wöchiger Krankenhausaufenthalt in Senftenberg verordnet - kein Besuch im Zimmer. Das Bild werde ich nicht vergessen - meine Eltern und meine Oma standen draussen vor dem Zaun und ich lag drinnen im Bett und durfte von da aus mit ihnen kommunizieren. Mittlerweile habe ich einiges davon aufgearbeitet. Das Verhältnis zu meinen Eltern werde ich nicht schaffen zu reparieren.
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Angelika H. aus St. Peter Ording schrieb am 21.04.2022
Ich war damals mit meinem Bruder im Seeschlösschen.
Ich kann mich an fast nichts mehr erinnern, da war ich ca. 5 Jahre alt.
Ich weiß nur, dass es oft Schokoladenpudding gab. Im Essenssaal gab es auch so Schiebetüren, wo die Kinder mit Übergewicht gegessen haben. Diese Schiebetür wurde dann immer zu gemacht beim Essen, da wir von den anderen Kindern dann getrennt waren.
Ich kann mich auch noch erinnern, dass ich mal von der Düne heruntergeladen kommen musste, um einen Satz zu sagen, der auf Video aufgenommen wurde.
"Kieck ein, wo geid dat denn hier zum Kinderkurheim Seeschloss verdammi no moi?"
Dies hat sich so eingeprägt bei mir.
Eine Nachtwanderung haben wir damals auch gemacht, da musste man mit.
Und ich glaube, oben im Flur gab es so weiße Säcke für die Wäsche...
An mehr kann ich mich leider nicht erinnern.
Ich weiß nur, dass ich unbedingt nach Hause wollte.
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Christina Mayerlen aus Augsburg schrieb am 20.04.2022
1976 schickten mich meine Eltern in das "Kinderkurheim" St. Michael Bühl am Alpsee. Meine Eltern schickten mich dorthin, da ich zu wenig Gewicht für mein Alter hatte und ich ein kränkliches Kind war, ich war damals 8 Jahre alt. Ich wurde in den Zug nach Immenstadt gesetzt, schon im Zug bekam ich Heimweh, obwohl Immenstadt nicht weit entfernt ist Kempten, wo ich geboren wurde und aufgewachsen bin. Ich wurde Knall auf Fall von meinen Eltern getrennt. Die gesamten Sommerferien verbrachte ich in diesem "Kurheim" . Was genau passierte, als ich dort ankam, weiß ich nicht mehr genau. Ich kann mich aber ganz genau an die erste Nacht in diesem Heim erinnern, ich konnte nicht einschlafen vor lauter Heimweh, musste mich mich mehrmals erbrechen, das Kopfkissen war voll mit meinem Erbrochenen, keiner dieser sogenannten Betreuerinnen erbarmte sich, zumindest die Bettwäsche zu wechseln. So musste ich die ganze Nacht in meinem Erbrochenen verbringen.

Das Essen dort war sehr eintönig, so gab es jeden Freitag Hering mit Kartoffeln, seitdem verabscheue ich Fisch.

Im Heim freundete ich mich mit einem anderen Mädchen an. Eines Nachts schoben wir unsere Betten zusammen, damit wir uns besser unterhalten konnten. Eine Erzieherin bekam Wind davon, wir mussten sofort die Betten wieder auseinander schieben. Zur Strafe mussten das Mädchen und ich am nächsten Tag zur Mittagszeit in unsere Betten gehen und dort bewegungslos mit dem Gesicht zur Wand dort verharren, Eine dieser sogenannten Erzieherinnen beaufsichtigte uns und wehe, wenn wir uns bewegten, wurden wir angeherrscht, uns nicht zu bewegen und wir selbst schuld wären hätten an dieser Situation, schließlich wären wir ungehorsam gewesen.

Überhaupt waren die Nächte in diesem Heim sehr schlimm. Wir hatten in unserem Schlafsaal ein verhaltensauffälliges Mädchen, das die ganze Nacht durch den Schlafsaal lief und nicht zur Ruhe kam, keine der Erzieherinnen unternahm etwas dagegen. Auch waren Toilettengänge nachts untersagt, ob ich deswegen ins Bett machte, weiß ich nicht mehr.

Kontakt zu meinen Eltern hatte ich während meines Aufenthalts in diesem Heim nicht, es war nicht erwünscht. Meine Eltern schickten mir lediglich ab und an ein Paket mit Süßigkeiten. Sehr wahrscheinlich wurden die Süßigkeiten von den Betreuerinnen gleich in der Gruppe verteilt, ganz genau kann ich mich allerdings nicht mehr daran erinnern. Es waren aber meine Süßigkeiten, die meine Eltern mir geschickt hatten!!!

Schlimm waren auch diese sogenannten Brombäder, das Badewasser war sehr, sehr heiß, ich habe geweint, weil es sehr schmerzhaft war, in diesem fast kochend heißen Wasser zu sitzen. Die Erzieherinnen, die diese Bäder beaufsichtigen, reagierten sehr ungehalten auf meine Bitten, wenigsten kaltes Wasser in das Bad einzulassen. Ich solle mich nicht so anstellen, kaltes Wasser wurde natürlich nicht eingelassen. Als ich endlich die Badewanne verlassen durfte, war meine Haut am ganzen Körper knallrot.

Auch die Tatsache, dass man splitternackt vor wildfremden Menschen in der Badewanne sitzen musste, fand ich für mich sehr beschämend.

Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass dieser Aufenthalt in diesem Kinderkurheim mir nichts gebracht hat, ich bekomme heute noch eine Mordswut, wenn ich daran zurück denke.
Ich habe mir oft im Erwachsenenalter ausgemalt, wie ich diese sogenannten Erzieherinnen zur Rede stelle.

Als ich endlich wieder daheim war, erzählte ich meinen Eltern nur, dass es einfach nur schrecklich war. Sie haben mit nicht geglaubt und erzählten mir immer wieder, wie sehr ich mich dort erholt habe. Über meinem Aufenthalt in diesem Heim wurde auch später nicht viel gesprochen.

Leider kann ich nicht mehr mit meinen Eltern darüber reden, da sie vor drei Jahren verstorben sind.

Ich habe erst vor kurzem von meiner Schwester erfahren, dass unsere Mutter mit ihr darüber gesprochen hat und unsere Mutter es sehr bedauert hatte, dass ich dort hingeschickt wurde.

Ich weiß, dass es meine Eltern gut mit mir gemeint hatten und nur das Beste für mich wollten, gut gemeint, aber schlecht gemacht.
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Isa Jakob-Pike aus Dillenburg-Donsbach schrieb am 19.04.2022
Ich bin vor zwei Tagen zufällig auf Youtube auf einen Bericht über "Verschickungskinder" gestoßen. Ich wusste bis dato nicht, dass es diesen Namen gibt, geschweige denn, dass es so viele Menschen gibt, die darunter bis heute leiden. Ich dachte immer - wie so viele wie ich jetzt weiß - ich wäre einfach ein komisches Kind gewesen und darum so schlecht behandelt worden. Ich wurde mit 10 Jahren in einen Zug mit anderen Kindern gesetzt, um auf die Insel Borkum zu reisen. Ich kann mich gut erinnern, dass ich das nicht wollte, höllische Angst hatte so allein und schrecklich geweint habe. Meine Erlebnisse dort teile ich mit so vielen, die hier schon geschrieben haben. Nur "Breimahlzeiten" die immer wieder zusammengeschüttet wurden, wenn nicht alles leer wurde. Erbrochenes essen müssen, still sitzen... so lange bis ich alles heruntergewürgt habe, eine ganze Nacht im Nachthemd und Barfuß auf dem Flur stehen müssen, wenn man in den Augen der Tanten etwas falsch gemacht hat. So habe ich zum Beispiel eines Nachts - ich musste so dringend zur Toilette - nachdem ich beim Schleichen zur Toilette erwischt worden bin, meine Zahnspange aus dem Mund geschlagen bekommen, weil ich keine ordentliche Antwort geben konnte. Niemand hat mir zu Hause geglaubt... Meine Mutter war zu der Zeit schon sehr krank und ist dann 1974 gestorben. Zwei Schicksale von so vielen die noch folgen sollten, habe ich in einem Buch festgehalten. Aber auch, wie ich gelernt habe mit diesem Seelengepäck umzugehen. Wer interesse hat: es heißt KOPFimBAUCH und ist derzeit bei Amazon erhältlich. Ich bin froh, diese Seite gefunden zu haben und dankbar, dass sich Menschen so den Schicksalen dieser Zeit damals angenommen haben. Danke.
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Sabine Elender schrieb am 16.04.2022
Ich war ein Verschickungskind. Mein Name war damals Sabine Bärwald.
Eines von den Vielen, die Jahre und Jahrzehnte geschwiegen hatten.
Weil niemand ihnen damals glaubte und auch heute öffnet sich erst langsam die Erinnerung und das Verdrängen des Erlebten. So ähnlich war es auch bei mir. Ich suche nach ehemaligen Mitpatient-Innen oder Betreuerinnen von 1965 aus der Nordsee-Kuranstalt des DRK
"GOLDENE SCHLÜSSEL".
Als 8-Jährige wurde ich vom 6. August bis zum 17. September 1965 in die Nordsee-Kuranstalt des DRK "GOLDENE SCHLÜSSEL" mit einem "Sammeltransport" von der Reise-Organisation "Schneiderhöhn" verschickt. Ein Amtsarzt hatte mir damals die Verschickung verpasst, weil ich zu dünn und zart war. Meine Eltern glaubten ihm.

Im "GOLDENE SCHLÜSSEL" erlebte ich die Hölle. Die Heimleiterin war damals Liesi Gebhardt, genannt "Gebchen". Chefarzt war Dr. Karl-Georg Lexow. Zu dieser Zeit gab es keine Abteilungsärzte und keine Assistenzärzte. Meine "Tanten" - so mussten wir die Betreuerinnen nennen - waren Tante Helga und Tante Annelene (Glashoff).

Diese Zeit wurde die Katastrophe in meinem Leben. Ich wurde von den anderen Kindern verhöhnt, gehänselt, beklaut und geschlagen, verprügelt, auch nachts. Und die Aufseherinnen schlugen, höhnten und straften ebenfalls. Es gab niemanden, dem ich das erzählen konnte, denn es wurde mir nicht geglaubt. Nach diesen vielen Jahren, nachdem ich zahllose Berichte gelesen und gesehen habe, wird deutlich, dass es den meisten Verschickungskindern ähnlich ging. Es herrschte eine Kultur des Schweigens, ein bösartiger Rest des Geistes des Nationalsozialismus.

An die Hinfahrt erinnere ich mich nicht. Am Ankunftstabend wurden die "Neuankömmlinge" im Essensraum einer öffentlichen Befragung unterzogen. Vor Schreck und Angst konnte ich nicht antworten und wurde dann sofort von den Betreuerinnen und den anderen Kindern als "stummes Eselchen" verhöhnt. So ging das tagelang. Mir wurden meine "Tröstetiere" weggenommen, mein kleines Schlafkissen, mein Sonnenschutzkäppi und meine ganze Wäsche.

Ein Päckchen für mich wurde geöffnet und auf den Inhalt geprüft. Die Süßigkeiten wurden entnommen und an die anderen Kinder verteilt. Das sollte als Exempel dienen, dass man keine Süßigkeiten geschickt bekommen darf.

Auf oder an dem Terrain der "Goldene Schlüssel" befand sich ein großes natürlich belassenes Areal, mit feinstem Sand, die große Dünenmulde vor Haus Kiek Ut. Ich schaute den anderen Kindern traurig bei deren Spielen zu, ich durfte nicht mitspielen, als Strafe. Wofür, erinnere ich mich nicht mehr, ich war nicht nur unglücklich, ich war verzweifelt.

Solange ich zurückdenken kann, malte ich gern und viel. Ich bat meine Mutter in einer Karte um Papier und Buntstifte. Was daraus geworden ist, weiß ich nicht. Ich habe nur den Beweis, dass ich auf Toilettenpapier gemalt habe. Einige Karten, die ich mit Bleistift an meine Eltern geschrieben hatte, wurden ausradiert und ich angewiesen, sie "hübscher" zu schreiben. Meine Eltern haben sie alle aufbewahrt.

An die Nächte erinnere ich mich nicht. Ob hier auch Beruhigungs- oder Schlafmittel wie in anderen Verschickungsheimen gegeben wurden, weiß ich nicht. Ich kannte das widerspruchslose Ausführen von Anweisungen - ohne Nachfragen - von meinem Elternhaus, deswegen ist es möglich. Auf einer ihrer Karten wiesen sie mich an:
"Und sei nett zu allen". Zu dem Essen kann ich auch nichts sagen - weder zu dem WAS? noch zu dem WIEVIEL? Von zuhause kannte ich nur: "Was auf dem Teller liegt wird aufgegessen!"

Nachmittags wurden wir in die Betten geschickt und ich erinnere mich an ein Verbot, sich zu rühren. Die wenigen Spaziergänge - exakt in Zweierreihen - waren gespickt mit Piesackereien der Begleiterinnen. Ich erinnere mich an Mädchen, - eine hieß Susi - die schlimme Faulecken hatten, ich sah sie nicht lange. Wohin hatten sie sie gebracht?

Meine Eltern, denen ich von Schlägen und Hänseleien die nicht aufhörten erzählte, als sie mich einmal besuchten, haben mir das nicht geglaubt. Und mich dort gelassen bis zum Ende. Weil sie den Ärzten nicht widersprechen wollten. Und schließlich sollte ich ja auch abgehärtet werden, denn ich war zart und feingliedrig, nicht so robust und hart, wie sie es gern gehabt hätten.

Während ihres Besuches - ich lag wegen Halsschmerzen 2 Wochen lang auf der Krankenstation (hier wurde ich besonders stark gequält) - hat mich meine Mutter förmlich ausgequetscht, ich sollte erzählen, was so schlimm für mich war. Sie saß an meinem Bett und ich war froh, ihr das anvertrauen zu können. Von den Prügeln, dem Arm-umdrehen, dem Füße-quetschen, dem Würgen, dem Mund-zuhalten. Weil ich fest glaubte, meine Eltern würden mich auf der Stelle mit nach Hause nehmen.

Es war ein Sechserzimmer. Alle Betten waren belegt und alle Kinder dort hörten zu. Alle, die mich schlugen und prügelten. Meine Eltern ließen mich dort. Einfach so. Zurückgelassen. Mein Vater filmte bei ihrer Abreise meine Tränen, die ich verzweifelt am Fenster vergoss. Sie waren den Obrigkeiten hörig, die darauf bestanden, mich dort zu behalten. Meine Eltern kannten es nicht anders. Danach kam von Seiten der anderen Kindern erst recht die Hölle an Verprügelungen, weil ich sie verraten hatte.

Ich bin nie darüber hinweggekommen, dass meine Eltern mir das alles nicht geglaubt haben und mich dort ließen. Sie hatten mich im Stich gelassen, als ich sie am meisten gebraucht hatte. Ich entwickelte Stottern und fing an, meine Finger zwanghaft zu verknoten (heute habe ich dort Arthrose) und mich selbst zu verletzen.

Nach meiner Rückkehr war ich verschlossen und in mich gekehrt geworden - meine Eltern nannten es verstockt - und habe kein Vertrauen mehr ernsthaft aufbauen können. Meine Eltern haben das nicht gemerkt oder merken wollen. Ich wäre sonst fortgegeben worden. In ein Heim oder eine Besserungsanstalt. Auch meine Rückkehr auf dem Kieler Bahnhof hat mein Vater auf Super 8 gefilmt. Ich sitze da wie betäubt oder weggetreten statt mich zu freuen, wieder zuhause zu sein. Ich habe mich, als ich den Film nach Jahrzehnten angeschaut habe, fast nicht erkannt. Zuhause im Wohnzimmer habe ich ins Nichts gestarrt und wurde ermahnt, meinen Eltern nicht "so ein böses Gesicht" zu zeigen. Das hörte ich bis in mein Erwachsenenalter. Das Stottern ging weg, aber das Fingerkneten und die Selbstverletzungen sind geblieben.

Ich zog mich ganz zurück in meine Phantasiewelt. Ab jetzt bestimmte die Angst vor anderen Menschen mein Leben in allen Bereichen. Ein Leben im Eisglaskäfig, beherrscht von Vermeidung, Distanz, Kontrolle, Zwang, Perfektion, Angst und Alpträumen. Ich hatte danach eine grauenhafte Angst vor fremden Menschen entwickelt. Mühsam errichtete ich die Fassade, "normal" zu sein, um Himmels willen nicht aufzufallen, damit das Thema "Ins Heim geben" oder "Schleswig" (fürs Irrenhaus) nur nicht wieder virulent wurde. Die schlimmste Drohung bei unerwünschter Lebendigkeit von meiner Seite war: "Dann holen sie dich (fort von hier)". Wer, um Himmels Willen, war das, vor dem mich nicht mal meine Eltern beschützen konnten?

In der Zeit danach habe ich eine Kunstfigur (Conny) erfunden, die die schöne und starke Seite des Lebens erleben durfte. Zu ihr konnte ich mich jederzeit hinbeamen (Dissoziation) und keiner hat etwas gemerkt. Ich hatte mich aufgespalten, das Trauma verdrängt.

In der Schule kam ich mit dem Lernstoff noch einigermaßen gut zurecht (sogar mit dem dissoziieren) und konnte das Verpasste nachholen. Das Zwischenmenschliche aber, die Freundschaften, die geschlossen worden waren, das alles hatte ich verpasst. Das war gelaufen. Ausgelöscht in nur 6 Wochen. Die Freundschaften, die ich vor meiner Verschickung vorsichtig geschlossen hatte, waren zugunsten anderer Kinder aufgelöst worden. Meine Eltern merkten nichts. Nachts hatte ich schlimme Alpträume. Jahrelang. Tagsüber lernte ich zu funktionieren. Notgedrungen.

20 Jahre lang übte ich nach dem schwer erkämpften (Konzentrationsprobleme) Abi einen für mich völlig ungeeigneten, verhassten Beruf aus (meine Eltern: "Mach das mal, dann hast du wenigstens etwas"), bis zu meinem Zusammenbruch, physisch und psychisch. Mein zwanghaft gewordener Glaube, auf immer perfekt funktionieren zu können, schmiss mich von einem Tag auf den anderen um. Nichts ging mehr, wirklich NICHTS. Ich hatte jahrzehntelang meine Grenzen weit überschritten. Reserven hatte ich nicht aufgebaut. Hilfe zur Aufarbeitung fand ich in einer Therapie, die auch meine Verschickung einschloss, und die Hölle von damals musste ich noch einmal durchleben.

Freude am Leben habe ich nicht mehr finden können, das Leben an sich ist für mich beschwerlich geblieben. Denn ich bin hochsensibel, das hat sich nach vielen Jahren herausgestellt.
Diese Eigenschaft hat sehr schöne künstlerische Seiten, die ich auch genossen habe, aber es bringt mich übermäßig oft an meine Grenzen.
Zu laut, zu voll mit Menschen, zu dicht, zu viele Eindrücke, die ein hochsensibler Mensch nicht in dem allgemein verschriebenen Tempo verarbeiten kann.
Vieles, was für andere Menschen selbstverständlich ist, ist für mich überfordernd und undenkbar.
Konzerte, Theater, Kino, Versammlungen, Shopping, Verreisen, all das geht für mich nicht.
Unterstützung bei den schweren Themen fand ich, indem ich meine Freude an der Kunst (wieder) entdeckte. Was ich mit Worten nicht ausdrücken konnte, malte, zeichnete, collagierte ich und ich arbeitete mich in Bildbearbeitungsprogramme ein, um meine zahllosen Fotos zu manipulieren, um in der Veränderung vielleicht irgendein Erinnern einsetzen konnte.

Ich habe nahezu alles aufgearbeitet, aber irgendeine Art von Schuld kann ich bei meinen Eltern trotzdem nicht erkennen, denn auch sie konnten mir nur das geben, was sie von ihren Eltern bekommen hatten. Was ihnen selbst an liebevoller Zuwendung, Vertrauen, Rückenstärkung gefehlt hatte, konnten sie auch nicht an mich weitergeben. Beide waren vom Krieg traumatisiert.
Mein Vater hat niemals etwas erzählt. Nach meiner Bitte, seine Kriegserlebnisse aufzuschreiben, hat er das kurz vor seinem Tod schweren Herzens getan. Er hatte 5 Jahre Krieg und 5 Jahre Kriegsgefangenschaft in Dnipropetrowsk (ehemalig UDSSR) überlebt.

Meine Mutter dagegen hat ständig von erschütternden Einzelheiten über russische Gewalttaten an Frauen erzählt. Da war ich noch ein ganz kleines Kind. Ich habe geweint und gebettelt, sie möge aufhören damit, weil es mich zutiefst schmerzte, was ihr und anderen geschehen war, aber sie höhnte nur: "Wir haben das alles Erleben müssen, und du willst das nicht mal hören?" So wurde mein Bitten, Flehen, Weinen schon früh in den Staub getreten und bot eine solide Grundlage für das Böse, das ich während meiner Verschickung erlebt hatte.

Im Jahr 1998 bin ich mit meinem Mann nach St. Peter-Ording gefahren und habe mir das "Goldene Schlüssel" noch einmal angesehen. Ich empfand eine unendliche tiefe Trauer, die ich mir damals und noch Jahre später nicht erklären konnte.
Es war eine Festschrift zum 75-jährigen Bestehen gedruckt worden, die ich mir fotokopieren konnte. Einige Fotos und Namen habe ich erinnert, und ich dachte, das Ganze wäre für mich abgeschlossen.
War es aber nicht. Die Stacheln im Fleisch schmerzen solange, bis man sich ihrer annimmt und das dahinter Liegende aufarbeitet. Es gibt unzählige Eigenschaften, bei deren Auftreten ich immer (elternseits) gesagt bekam: "DU siehst das völlig falsch!" "DU bist total verkehrt!" und ähnlich Grausames.
Ich fühlte mich unendlich beschämt, tatsächlich "falsch" und entwickelte starke Selbstvorwürfe, dass ich nicht so war, wie sie mich erwarteten.
Erst heute wird mir klar, dass fast alle dieser "falschen" Eigenschaften von mir auf schmerzhafte Erlebnisse während meiner Verschickung zurückzuführen ist. Unter anderem.

HEUTE - da sind 65 Jahre meines Lebens vorbei.
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Manuela Ringel aus Berlin schrieb am 15.04.2022
Ich war für 4 Wochen im Kinderkurheim Hütten. Ich musste dort hin, weil ich so dünn war. Es war noch vor der Einschulung. Ich habe fast keine Erinnerungen mehr, nur dass ich zum Essen gezwungen wurde. Es gab Essen, was ich nicht mochte. Ich kann mich an diese Rotwurst mit ganz viel Fettaugen erinnern. Ich aß schon als Kind kein Fett. Ich wurde gezwungem, diese Wurst zu essen, habe mich immer erbrochen, wurde immer dünner und landete dann auf der Krankenstation, wo ich immer im Bett liegen musste. Ich war dort wohl bis zum Schluss. Mehr Erinnerungen habe ich nicht. Kann sein, dass ich auch geschlagen wurde, doch das kannte ich auch von zu Hause.
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Harald Baron aus 49565 Bramsche schrieb am 14.04.2022
War gegen 1970 im Waldhaus in Badsalzdetfurth.
Ich kann mich erinnern, dass ich meinte, der Heimleiter hat es auf mich abgesehen.
Ich (und andere) wurden dort mehrfach vor Gericht gestellt, dessen Vorsitz er hatte und zu Strafen verurteilt.
Meine Eltern wunderten sich, dass ich ziemlich ungepflegt nach Hause kam.
Es ist schlimm zu lesen, dass dort drei Kinder zu Tode kamen.
Später kam ich in ein Heim in Rinteln, dort fand ich es sehr schön, es war herrlich.
Das absolute Gegenteil von Bad Salzdetfurth
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Katrin schrieb am 13.04.2022
Tja, das Kurheim Dietlas in Thüringen. Meine Eltern meinten es gut, als sie sagten, ich müsse zunehmen, weil ich so dünn bin. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich an diesen sechswöchigen Aufenthalt dort zurück denke. Nachts hallten Schreie durch das Heim von einem Mädchen, dass ins Bett gemacht hatte. Sie wurde vom Heimpersonal mit einer großen Kunststoffspritze bedroht. Es wurde jeden Tag Fieber gemessen. Wie, darauf möchte ich nicht näher eingehen. Täglich mussten wir unter die Höhensonne. Dazu mussten wir nackt durchs ganze Heim laufen. Wenn ich etwas nicht essen wollte, wurde es mir reingestopft. Ich musste einige Nächte im Flur des Heimes auf einem Stuhl am offenen Fenster verbringen, weil ich nicht gefragt hatte, ob ich auf Toilette gehen darf, sondern einfach gegangen bin. Ich habe nach diesem Aufenthalt sehr lange nicht mit meinen Eltern geredet, weil ich einfach nur traumatisiert war. Es war schlimm, was ich dort erlebt habe.
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Sandra aus Schwerin schrieb am 09.04.2022
Ich war 1987 10 Jahre alt und habe eine Nierenerkrankung.Aufgrund dessen bot man eine Kur an.Ich war 3 Wochen auf Rügen im Kinderkurheim und immer wenn ich daran denke,löst es unangenehme Gefühle aus.

Ich habe nur Sequenzen ,erinnere mich daran aber sehr gut.Wir waren im Obergeschoss untergebracht,ich teilte mir ein kleines Zimmer mit einem anderen Mädchen.

Wir mussten jeden Morgen nackt antreten und uns dann komplett mit kaltem Wasser mit dem Schlauch abspringen lassen. Obwohl ich normalgewichtig war,wurde ich auf Diät gesetzt.Alles war abgezählt,ich kann mich an schlimmen Hunger erinnern.Einmal am Sonntag gab es einen Lutscher,das wars.Die Äpfel MUSSTEN wir komplett essen,es durfte nur der Stiel abgegeben werden als,Abfall .Eine Karte dürften wir zwar schreiben, diese wurde Felsen und man musste korrigieren. Tenor musste sein:alles gut.
Ich fand es schrecklich und habe schreckliche Erinnerungen an diese 3 Wochen.Ich habe sehr viel abgenommen und meine Eltern waren sehr erschrocken, als sie mich vom Bus abhalten.

Ich glaube,diese schlimmen Erlebnisse sind tief in mir drin.Ich war 2005 nochmal da,als erwachsene Frau Ich habe es dort nicht ausgehalten.All das wiederzusehen.Es war gruselig dort.
Ich fahre in 1 Woche in den Urlaub und will nochmal dorthin, mir alles anschauen und endlich abschließen.
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Diana Bauer aus Hainichen schrieb am 08.04.2022
Lange habe ich überlegt, wie ich hier am besten schildere was mir passiert/widerfahren ist – wie ich es am besten in Worte fassen kann ohne mir weiterhin einzureden „Du bist bestimmt selbst daran schuld“! Ich hoffe heute kann ich die richtigen Worte finden.
Ich war 1976 8 Jahre alt, meine Eltern, meine Schwester und ich wollten endlich in die langersehnte neue Wohnung umziehen. Dies bedeutete für mich zwar einen Schulwechsel, aber ich war mir sicher auch dort bald neue Freunde finden zu können.
Kurz vor dem Umzug offenbarte mir meine Mutter, dass ich zu krank/zu dünn wäre und ich erst mal für 6 Wochen zur Kur müsste – dass wäre besser so für mich. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei gesundheitliche Probleme – noch war ich zu dünn! Ich war ein völlig normal gebautes 8jähriges Mädchen.
Der Tag der Abreise kam schnell, meine Mutter nur brachte mich zum Busbahnhof – winkte kurz und ich fuhr ins Ungewisse, für wie man mir noch sagte lange 6 Wochen!
Wir waren nur Mädchen alle zwischen 6 – 12 Jahre alt. Es war still während der Fahrt und man sah viele traurige Gesichter.
Im Heim in Trautenstein „Harzland“ angekommen wurden wir empfangen als wären wir schon Wochenlang dagewesen. Jacke aus – Zimmerzuweisung – Koffer auf den Boden bringen, wo man einen kleinen Spind zugewiesen bekam. Man durfte aus seinem Koffer Bekleidung für 1 Woche mit nach unten nehmen. Ich packte also Wechselwäsche für 7 Tage zusammen (wie ich es von zu Hause gewohnt war Unterwäsche also 7mal), als ich damit an der Tür der Bodenkammer ankam, standen dort zwei „Erzieherinnen“ die die Sachen kontrollierten. Kurz gesagt ich musste 6x Wäsche zurückbringen, da ich diese nicht brauchen würde.
Die übriggebliebene Wäsche (nicht viel) wurde vor dem Zimmer an einer kleinen Garderobe abgelegt. Im Zimmer – ein Vierbettzimmer gab es außer 4 Betten nichts – keinen Schrank – keinen Nachttisch – einfach nichts!
Wir durften auch während dieser Zeit nicht sprechen oder uns miteinander bekannt machen – Namen waren nicht wichtig.
Wir wurden dann eingewiesen was wir zu tun und zu lassen hätten und es ging zum Essen. Essen kann man es nicht bezeichnen – es lag immer irgendwie ein Scheußlicher Geruch im gesamten Gebäude – jetzt wusste ich warum!
Ich war eigentlich ein sehr aufgewecktes Kind, hatte nie Probleme damit mit fremden Menschen zu reden und auch zu sagen was mir nicht gefiel oder was mir nicht schmeckte. Ein „Glück“ für mich, dass ich nicht die erste war die dies tat! Nein, ein kleines vielleicht 6 Jahre altes Mädchen sagte „ich esse das nicht“ - ich weiß bis heute nicht ob sie es jemals gegessen hat, denn als wir anderen gingen saß sie noch alleine im Speisesaal und wir sahen sie erst am nächsten Tag wieder.
Wir wurden um 6 Uhr geweckt und mussten uns nur mit Schlüpfer bekleidet im Gang aufstellen – jeder von uns bekam eine Bürste und wir mussten Bürstenmassage machen – Gegenseitig. Es war so peinlich, vor allem ja auch da wir nur eine Schlüpfer für eine ganze lange Woche hatten und jeder sich schämte. Während wir das tun mussten standen „Erzieherinnen um uns herum und schauten zu. Danach durften wir zur Toilette, was wir nur ab und zu durften und nicht wann wir wirklich mussten. Dann ging es in die Waschräume, die ich aus heutiger Sicht nicht als so etwas bezeichnen würde – kaltes Wasser – alles immer unter Beobachtung.
Kämmte man sich nur einmal die Haare zu lange wurde man angeschnauzt, weil man wäre angeblich zu eitel und da man eh ein nichts wäre, sollte man sofort damit aufhören. Worte und Taten die ich mit 8 Jahren nicht verstand.
Jeden Tag das gleiche!
Danach zum Frühstück – danach in den „Schulraum“ es gab noch nicht einmal Lehrer, aber wir mussten alle an einer Holzbank sitzen und irgendeiner „Tante“ vorne zuhören – manchmal schrieben wir etwas von der Tafel ab – manchmal sollten wir rechnen, da wir alle nicht im gleichen Alter waren – aus heutiger Sicht völlig sinnlos. Dann ging es wieder zur Toilette und zum Mittagessen! Das Mittagessen war wie ich finde das schlimmste – es gab Zeug was ich vorher nie gesehen hatte – es roch übel, aber man musste aufessen. Wieder sah ich das kleine Mädchen sich sträuben, diesmal nahmen zwei „Erzieherinnen sie und zerrten sie in eine Tür die sich am Speisesaal befand – ich sah sie auch an diesem Tag nicht wieder.
Nachdem Mittagessen schlafen, dass kannte ich mit 8 von zu Hause nicht, aber irgendwie war man seitdem man dort war irgendwie immer Müde – lag es an dem Tee den man uns verabreichte oder woran sonst? Ich weiß es nicht – ausgepowert waren wir nun wirklich nicht. Nachdem schlafen durften manche Kinder sich anziehen und spazieren gehen – andere nicht. Wir mussten uns jeden Abend nachdem Abendbrot im „Schulraum“ einfinden, dort wurde von einer „Erzieherin“ der Tag von jedem einzelnen ausgewertet und bewertet. An einer großen Pinnwand hing eine große Tabelle wo jedes Kind jeden Tag Punkte verliehen bekam. Rote Punkte waren gut und Du durftest am nächsten Tag mit spazieren gehen und hattest Du die ganze Woche rote Punkte, so durften diese Kinder am Sonntag die Sendung „Telelotto“ im Fernsehen anschauen. Hattest Du das nicht, weil Du eventuell zu oft nach der Toilette gefragt hast, weil Du überhaupt gesprochen hast, weil Du nicht „essen wolltest“ oder ähnliches, dann waren die schlechten Punkte vorprogrammiert. In den 6 Wochen meiner „Kur“ durfte ich lediglich 1x mit spazieren gehen!
1x die Woche gab es für uns auch „Therapie“! Uns wurde dort dann entweder eine Gesangsstunde (wir sollten Jodeln lernen – wer das nicht konnte, bekam abends gleich wieder einen blauen Punkt) oder wir durften ein Geschenk eine „Brockenhexe“ für unsere Eltern basteln – einmal durften wir eine Karte für unsere Eltern schreiben – leider stand der vorgeschriebene Text an der Tafel und wir mussten ihn abschreiben und so wurde die Karte dann an unsere Eltern geschickt.
Lange habe ich beim Mittagessen dieses arme kleine Mädchen (von der ich leider nie den Namen erfahren habe) beobachtet! Um so länger wir da waren, um so seltener sah man sie – man hörte sie auch nicht mehr weinen! Ich wollte es „besser“ machen! Es gab Leber zum Mittag – schon der Geruch war pervers – ich legte mir in Gedanken einen Plan zurecht und hoffte auf Erfolg. Ich aß etwas von dem Kartoffelbrei, passte genau auf das die „Erzieherinnen“ weit genug von meinem Tisch weg waren und rannte zwei Stufen auf einmal nehmend los – um im ersten Stock die Toilette zu erreichen – so zu tun als müsste ich mich übergeben – es ging schief – sie holten mich ein und brachten mich an den Tisch zurück. Resultat ich aß Leber – übergab mich und aß danach das Erbrochene!
Ich hab es nie wieder versucht!
Dann kam der Tag an dem ich dort meinen 9. Geburtstag hatte.
Welches Kind freut sich nicht darauf.
Ich hatte also die Woche vorher beim „Wäschewechsel“ der immer Sonntags in der Bodenkammer stattfand bereits das einzigste Kleid was ich mit hatte mit nach unten genommen und war guter Laune.
Der Tag verlief tatsächlich anders.
Ich wurde nachdem Anziehen in das Zimmer der Heimleitung geführt – also kein Frühstück!
Dort stand ein bereits geöffnetes Paket für mich.
Als erstes wurde mir gesagt, dass dies nicht erlaubt sei und meine Eltern dies scheinbar nicht wüssten.
Als zweites sagte man mir, ich bräuchte mir nichts einbilden, ein Geburtstag sei ein völlig normaler Tag und ich sei nicht wichtiger wie andere an diesem Tag.
Als drittes schickte man mich wieder hinaus und befahl mir das Kleid ausziehen!
Danach musste ich wieder hinein und man zeigte auf das Paket – dies enthielt Süßigkeiten und ein paar Winterstiefel. Die Winterstiefel durfte ich mir nehmen, weil ich ja eh kein ordentliches Schuhwerk dabei hätte – alles andere bliebe im Büro der Heimleitung.
Als ich wieder hinausgehen wollte, kam ein Anruf meiner Mutter (heute empfinde ich diesen als abgesprochen), unter dem mehrmaligen Hinweis, dass ich so absolut nichts besonderes wäre und nichts schlechtes über das Heim sagen dürfte gab man mir den Telefonhörer. Mutter gratulierte – stellte keine Fragen!
Ich nahm meine Schuhe – die ich lediglich auf der Heimfahrt getragen habe und ging.
Für mich als nun mittlerweile 9jährige – war das der schlimmste Tag meines Lebens!
Endlich der Tag der Abreise – alle Kinder waren aufgeregt, dass sah man – reden durften wir nicht!
Im Bus – anders als auf der Hinfahrt – waren wir etwas gesprächiger, aber nicht mehr wie Kinder! Meine Mutter holte mich auch diesmal alleine vom Bahnhof ab – keine Freude – kalt wie immer.
Endlich zu Hause (neues zu Hause – sie waren ja ohne mich umgezogen) wurde der Koffer ausgepackt. Keiner fragte wie war es – hasst Du zugenommen (man war ja angeblich zu dünn vorher), nichts! Das einzigste war „warum stinkt Deine Wäsche so“ - hast Du noch nicht einmal die Unterwäsche gewechselt........ - ich habe mich so geschämt und immer wieder gesagt „ich durfte das nur 1x die Woche“, aber keiner hat mir geglaubt!! Ich verstehe das bis heute nicht.
Zwei Tage später in die neue Schule – neue Klasse!
Eingeschüchtert – Verstört und Wortlos stand ich da, konnte mich nicht vorstellen (man durfte doch nicht reden), ich wünschte mir so sehr im Erdboden zu versinken.
Ich weiß es nicht mehr genau, seit meiner Rückkehr von der „Kur“ hatte ich Durchfall, plötzlich bekam ich auch während des Unterrichts diese Bauchschmerzen konnte mich aber nicht melden um zu fragen ob ich auf die Toilette gehen darf – den dafür bekam man ja 6 Wochen lang einen blauen Punkt – das Resultat behalte ich für mich – Ihr könnt es Euch denken.
Heute bin ich 55 Jahre alt!
Habe Ängste (die ich mir beigebracht habe, gut zu überspielen) es ist soviel Traurigkeit in mir.
Ich kann niemanden sagen „ich habe Dich lieb“ - ich kann es niemanden zeigen.
Tief in mir bin ich ein sehr einsamer Mensch geworden, ich habe Mauern aufgebaut die ich nicht mag, aber zu meinem Schutz dienen.
Ich habe so viele Fragen, die keiner beantworten will.
Ich fühle mich als wäre ich 8 und frage mich anfangs „Warum“ und am Ende sage ich mir „Du hast es nicht besser verdient – warum auch immer“!
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Kathi schrieb am 07.04.2022
Auch ich war im Haus Gutermann in Oberstdorf, und zwar im Januar/Februar 1960 für sechs Wochen. Ich war damals acht Jahre alt.
An viel kann ich mich nicht erinnern, ist ja immerhin 62 Jahre her.
Von den näheren Umstände der Zugfahrt weiß ich nur noch, dass sie wohl nachts gewesen sein muss, denn morgens sah ich aus dem Fenster des Abteils zum ersten Mal in meinem Leben die Berge, schneebedeckt. Ich war überwältigt, wie schön das war.
An das Heim habe ich weder eine gute noch eine besonders schlechte Erinnerung.
Jeden Morgen gab es Haferschleimsuppe, die wir alle essen mussten. An besondere Vorkommnisse bei den Mahlzeiten erinnere ich mich nicht. Kein stundenlanges Sitzen, bis der Teller leer war, oder Erbrochenes aufessen müssen. Nicht bei mir, auch nicht bei anderen.
Auch keine Strafen wegen Fehlverhaltens.
Es war halt eine Zeit, in der die Kinder alle recht brav waren und gehorchten.
An die Betreuerinnen kann ich mich überhaupt nicht erinnern. Kein Name oder ihr Verhalten uns gegenüber- ich weiß es einfach nicht. Ich erinnere mich auch nicht an andere Kinder oder evt. Freundschaften.
Negativ für war nur, dass ich wie immer in meiner Kindheit und Jugend altersmäßig unterschätzt und mir nichts zugetraut wurde.
So sollten die älteren Kinder uns Kleinen beim Waschen helfen, was ich natürlich längst allein konnte. Zum Beweis meiner Fähigkeiten habe ich mir dann die dicksten Bücher zum Lesen genommen.
Die ganzen sechs Wochen lang lag Schnee. Wegen unpassender Kleidung habe ich draußen ständig gefroren.
Heimweh habe ich mir nicht erlaubt, war aber natürlich froh, als es wieder nach Hause ging.
Ob der Erholungsaufenthalt mir gesundheitlich genutzt hat, weiß ich nicht.
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Martina aus Oberstdorf schrieb am 05.04.2022
Ich war als 5- jährige im Heim Gutermann, Oberstdorf.
Ich habe nur unzusammenhängende Bilder aus dieser Zeit im Kopf, Fragmente. Keine meiner Erinnerungen ist positiv.
Ich erinnere mich an den Bahnhof und wie ich anfing zu weinen, als mir klar wurde, dass ich jetzt alleine abfahren muss.
Ich erinnere mich an das Mehrbettzimmer und das wir eine „ Bettnässerin“ im Zimmer hatten, die nachts im Zimmer umherirrte- aber wie die tatsächliche Toiletten-Situation nachts war, weiß ich nicht.
Ich erinnere mich an eine Situation beim Essen, da ich sehr,sehr lange sitzen bleiben musste, bis ich auch das fettige, ekelhafte Stück Fleisch heruntergewürgt hatte und postwendend wieder erbrach. Es beunruhigt mich, dass meine Erinnerung genau an der Stelle aufhört.
Ich erinnere mich, dass ich viel Zeit allein im Bett lag.
Ich hatte laut Abschlussbefund Masern während des Aufenthaltes, was zu der Erinnerung an die Abdunkelung passt. Oder war ich doch nur „schwierig“ und durfte daher nicht an Ausflügen teilnehmen? Ich habe mittlerweile recherchiert und stelle alles in Frage, was meinen Aufenthalt dort betrifft. Warum wurden wir von einem praktischen Arzt untersucht, und nicht von einem Kinderarzt?

Ich erinnere mich, dass in diesem Abschluss Bericht davon die Rede ist, mich nochmals zu einer Kur zu verschicken, was bei mir zu einer Panikreaktion führte.
Lange Zeit „traute“ ich diesen Erinnerungen nicht und fragte mich, ob der Fehler nicht bei mir und meiner Phanatasie/Empfindlichkeit lägen.
Einerseits tut es gut zu erfahren, dass man nicht allein ist, andererseits bin ich erschüttert, wenn ich jetzt lernen muss, welch ein System dahintersteckt und wie wir missbraucht wurden, damit gewissenlose Menschen sich über Jahrzehnte eine goldene Nase verdienen können.

Wenn jmd. meine Erinnerungen im Haus Gutermann ergänzen kann, wäre ich um Kontaktaufnahme sehr dankbar.
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Sonja Graßmann geb.Bobsien aus Furtwangen ehemals Erfurt schrieb am 04.04.2022
Hallo,
ich wurde im Jahr 1960 in Erfurt geboren, wohnte im Dorf Gispersleben und kam ca im Jahr 1966 vor meiner Einschulung in ein Heim nach Bad Frankenhausen. Ich musste ganz alleine ohne Eltern in einem Bus dorthin fahren. Ich weiss noch dass ich sehr geweint habe .
Vom Leben im Heim weiss ich noch dass ich das Essen dort nicht mochte und es erbrach, aber gezwungen wurde das Erbrochene vom Teller wieder aufzulöffeln und nochmals zu essen. Ich sass im Dunklen dort und sollte das essen während die anderen Kinder schon schliefen.
Oft gab es eine Art Milchbrei, sehr eklig.
Ich musste dort auch am Tag viel schlafen, dazu wickelte man alle Kinder in Decken. Meine Eltern haben mich nie besucht. Ich kann mich nicht mehr an vieles erinnern, aber die paar Dinge weiss ich noch. Meinen Eltern war ich Zeit meines Lebens böse dass sie mich einfach so weggegeben haben und das Verhältnis war dauerhaft getrübt. Mein Bruder, 4 Jahre jünger und genauso dünn wie ich musste nie zur Kur.
Wie kann man so kleine Kinder ganz alleine wegschicken und fremden Menschen ausliefern. Das hat mein Leben für immer verändert
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Thomas Rensing aus Duisburg schrieb am 04.04.2022
Thomas Rensing
Brückenstr 90
47053 Duisburg


Duisburg, den 19.2.2022

Nach Lektüre des taz-Artikels von 11./12.Dez.2021 darf ich hier meine Erlebnisse beisteuern.
Ich habe kein Problem damit, an anderer Stelle namentlich erwähnt zu werden. Auch die Weitergabe meines Namens im Rahmen der Aufarbeitung der Verschickungen gestatte ich.

Ich kam im Sommer 1962 in den Genuss der Verschickung. Meinen achten Geburtstag werde ich wohl auf Borkum „gefeiert“ haben.
Ich nehme an, dass die Mannesmann-Werke in Duisburg die Reise für die Kinder ihrer Beschäftigten (Zeit des „Rheinischen Kapitalismus“) organisiert hatten. Jedenfalls wurden wir mit einem Werksbus nach Emden zur Fähre gefahren und ich hatte mich sehr gefreut, ans Meer zu dürfen. Ebenso an Bord mein vier Jahre älterer Bruder, den ich aber auf Borkum nicht so oft gesehen habe, da er in eine andere Gruppe kam.
Wir kamen ins Dünenhaus, in dem „Schwester Allmuth“ Regime führte. (Wieso hieß die eigentlich „Schwester“?)
Gepäck und Geld mussten wir abgeben; das wurde „von oben“ eingeteilt. Da hatte ich zwischenzeitlich ein großes Problem, weiland mich ein Durchfall quälte und ich nicht an eine saubere Unterhose kam.
Nach der Ankunft wurde ich gefragt, ob ich zum zu- oder abnehmen dort sei. Als ich das nicht wusste kam ich in die Zunehmgruppe. Unterkunft war ein Zimmer mit etwa 10 Betten (es könne auch 8 oder 12 gewesen sein). Darin waren 12 (14?)Jungen untergebracht, sodass des Abends noch zwei Feldbetten dazwischen geschoben wurden. Für persönliche Dinge gab es einen Hocker mit einem Fach von der Größe zweier Schuhkartons. Alles andere war unter Verschluss.
Geduscht wurde auf Komanndo von oben; wir mussten je zu viert splitternackt unter den Augen einer Erzieherin duschen, was mich sehr mitgenommen hat.
Schwester A. ging man am Besten aus dem Weg; die Leiterin meiner Gruppe war ein sechszehnjähriges Mädchen, das auf der Insel lebte. Manchmal saß es tränenüberströmt da und musste von uns Kindern getröstet werden – Schwester A. hat…
Manchmal mussten wir Gymnastik machen. Irgendeine weibliche Person kommandierte dann militärisch. Wir mussten antreten und wenn wir nicht ihren Vorstellungen entsprechend gerade standen, ergriff sie von hinten die Schultern und brach einem fast die Schlüsselbeine.
Zweimal muss ich wohl sehr böse gewesen sein. Ich durfte zur Strafe nicht am Besuch des Feuerwerks und an der Wattwanderung teilnehmen.
Ob der nächtliche Gang zum WC reglementiert war, weiß ich nicht mehr. Dass jemand drangsaliert wurde, seinen Teller leer zu essen, erinnere ich ebenso wenig.
Als ich ein Päckchen von meinen Großeltern bekam, vermutlich anlässlich meines Geburtstages, wurde die darin befindliche Schokolade sozialisiert; jeder in der Gruppe bekam ein Stück, ich den Rest. Juristisch natürlich ein Skandal. Hier bin ich aber in meiner sozialen Einstellung hin und hergerissen. Ich genehmige das im Nachhinein – den anderen hätte ja sonst das Herzchen geblutet.
Es hat aber auch nette Augenblicke gegeben, am Strand z.B. oder bei einer Schifffahrt zu den Seehundsbänken oder beim abendlichen Singen zur Gitarre auf der Terrasse.

Ob ich einen bleibenden Schaden davon getragen habe? Ich weiß nicht.
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Tanja Städter aus Hannover schrieb am 04.04.2022
ich war Ende der 70er, Anfang der 80er, ich weiß es nicht mehr genau, im Kinderkurheim Asental, verschickt über VW.
Nachts Toilettenverbot, ein Topf stand im Zimmer. Die Treppe nach oben mit Podest in der Mitte, auf der Nachts der Schäferhund Rex untergebracht war, damit wir nicht weglaufen. Essenszwang, ich habe mich vor Ekel mehrfach erbrochen.
Jeden Morgen zwei Teller Haferscheimsuppe.
BRIEFZENSUR.
Einige Mädchen, darunter ich, mussten uns mit entblößtem Oberkörper auf Gartenstühlen in die Sonne vor das Haus setzen, weil wir Stadtkinder so blass seien. Einwände, dass ich vom Dorf komme und draußen quasi den ganzen Tag verbringe, galten nicht. Wir hatten schon ein wenig Brust und ich habe es sehr demütigend empfunden. Auch starrte ins der Gärtner währenddessen unentwegt an.
Frau Schelper, die Leiterin, hinkte, wohl nach einem Zusammenstoß mit einem Schafsbock. An eine Frau Kaufhold erinnere ich mich auch.
Einige Jungen sperrte man nachts in die Sanitärräume.
Jeden Tag entlose Wanderungen durch den Wald, keine Chance, sich Hilfe zu suchen. Christine Zimmer schrieb heimlich einen Brief nach Hause, sie hatte nie die Gelegenheit, diesen irgendwo in einen Briefkasten zu werfen.
Christine Zimmer, Kerstin Broska, Britta und Margitta John. Doris Ehrlich... Namen anderer Mädchen, die mir in Erinnerung geblieben sind.
Das Gebäude Villenartig, ein Reitstall in unmittelbarer Nähe. Ein langer Kiesweg zum Eingang, hoch gezäunt mit Schmiedeeisen.
Alles in allem noch immer traumatisch, geglaubt hat mir zuhause niemand.
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R.Beck aus Deidesheim schrieb am 04.04.2022
Mein Name ist R.Beck,
ich dachte immer ich sei ein Einzelfall, bis ich diese Seite vor kurzem entdeckt hatte,,,,,,
Ich war mit 12 Jahren 1977 im August im Verschickungsheim Dünenheim in Langeoog,meine Eltern hatten mich hin gefahren weil sie dachten mir was Gutes zu tun,der Skipper der das Boot zur Überfahrt fuhr, wurde von 2 Damen total Besoffen zum Boot gebracht,dem entsprechend war auch die Unvergessliche Überfahrt.In der Pension auf Langeoog ;wo meine eltern 1. nacht blieben sagten mir meine Eltern später hätte die hausherrin gesagt wenn der junge hunger hat soll er zu mir kommen ich gebe ihm was zu essen,ich bekam überwiegend 6 wochen lang Leber mit einem ekelhaften pürre und einer noch schlimmeren sauce zu essen weil damals die Mediziner irrtümlicher weise glaubten, das Leber gut für Asthma sei,ein kind wollte nach den ersten tagen durchs Fenster flüchten, weil es so Heimweh hatte,Besuch war ja verboten,als ich nach Hause kam, hatte ich eine doppelseitige Lungenentzündung, hatte 5 tage lang Blut gebrochen und 41 crad fieber,laut unserem Arzt war ich nicht mehr transportfähig und lag im sterben !der arzt sagte zu meinen Etern jetzt wörtlich"wenn derJunge noch einen Zug bekommt ist er tot"im nachhinein macht es mich richtig sauer was diese "Menschen"mit uns Kindern gemacht haben,was man auch so liest, haben diese Leute auch mit manchen von uns Tablettentests gemacht,,Ich wurde mit 5 Jahren 1970 das 1. mal Verschickt,,,viel zu Jung viel zu lange alleine,,,,,,
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Werner Hein aus 45968 Gladbeck schrieb am 03.04.2022
Ich war im o.a. Zeitraum 6 Wochen im angegebenem
Kinderkurheim als 12Jähriger untergebracht .
---sehr negative Erlebnisse---
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Werner Hein aus 45968 Gladbeck schrieb am 03.04.2022
Ich war im o.a. Zeitraum 6 Wochen im angegebenem
Kinderkurheim als 12Jähriger untergebracht .
---sehr negative Erlebnisse---
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Nadine Müller aus Baesweiler schrieb am 03.04.2022
Ja , was soll man dazu sagen , man wurde jeden Morgen mit Haferflockensuppe gemästet , Briefe und Pakete gab es vorm schlafen gehen und danach blieb man mit seinen Tränen alleine und wurde ausgeschimpft, wenn man zu laut weinte , zur Toilette gehen während der Mittagsruhe oder sobald Bettzeit war , ein No -Go , aber im Gegensatz zu anderen Schicksalen, habe ich wirklich Glück gehabt . Es war die Zeit in der wir vom Elternhaus gelernt hatten zu funktionieren und je nach Alter des Kindes und das Ausmaß der Misshandlung , hat dieser Aufenthalt unterschiedliche Auswirkungen auf das spätere Leben gehabt.
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Iris schrieb am 02.04.2022
Ich wurde damals zwei Mal in den Schwarzwald und einmal in ein Kurheim ins Sauerland geschickt. Diese Zeit dort hat mich geprägt. In erster Linie und vor allem die Zeit in dem Kurhaus im Schwarzwald. Ich war damals zu jung um ich zu wehren, heute würde ich mir das nicht mehr gefallen lassen. Den Namen von demjenigen der damals in charge war, bzw. verantwortlich für dieses Heim war habe ich bis heute nicht vergessen.
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Mona schrieb am 01.04.2022
Hallo hier ist Mona nochmal,
soll ich sagen leider oder Gott sei Dank, habe ich noch keinen weiteren Bericht in Bezug dem AWO - Kinderheim in Rechtis-Weitnau im Allgäu gefunden.
Ich kann mir jedoch kaum vorstellen dass ich dort die einzige gewesen bin. Falls sich jemand doch noch erinnert würde ich mich über den eventuellen Kontakt-Austausch doch freuen. Auch um zu hören ob es denn gesamt in dem Kinderheim genau so ablief wie ich es hier in all - den "zeugnis-berichten" lese.
Weiterhin euch allen, alles Gute und Gesundheit.
Viele Grüße Mona
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Katrin Siggelkow aus Werneuchen schrieb am 31.03.2022
Ich war im Alter von 6 Jahren im Kinderkurheim Clara Zetkin in Halle und habe in den 4 Wochen die Hölle auf Erden erlebt. Ich habe mir viele Erfahrungsberichte angeschaut und bin erschüttert, wie vielen Kindern Ähnliches widerfahren ist. Auch ich möchte meine Erfahrungen öffentlich machen, um bei der Aufklärungsarbeit beizutragen und bin nach so vielen Jahren dazu in der Lage.

Die Erinnerungen an diese Zeit sind eher bruchstückhaft. Ich weiß, dass es eine Kur sein sollte, in der ich zunehme, da ich schon immer untergewichtig war. An Mahlzeiten kann ich mich gar nicht erinnern, was wohl auf Verdrängung hinweisen kann. Allerdings sind die anderen Erinnerungen, die ich noch habe, eher schockierend und decken sich in großen Teilen mit Erfahrungen anderer in diesem Forum. Zum Beispiel durften wir nachts nicht zur Toilette und wer ins Bett machte, wurde bestraft und vor allen Kindern bloßgestellt. Auch an das eiskalte Duschen mit Wasserschlauch kann ich mich lebhaft erinnern. Leider existiert die Postkarte nicht mehr, diese wurde von den Betreuern geschrieben und nach Hause gesendet.

An einem Tag hatte ich etwas wie Kaugummi im Haar und die "Betreuerin" hat mir daraufhin die Haare in großen Teilen abrasiert. Das war sehr schlimm, ich weinte und musste vor allen Kindern zeigen, was passiert war.

Die sogenannte Kur war in der Vorweihnachtszeit und über Nikolaus. Am Abend des 5.12. besuchte der Nikolaus die Schlafsäle mit den Worten "Wer jetzt noch wach ist, bekommt die Rute zu spüren". Wir waren etwa 20-30 Kinder und er ist an jedes Bett gegangen und hat jedem Kind mit einer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet. Ich war wach, habe vor Angst die Augen zugekniffen und ins Bett gemacht. Der Nikolaus hat die Bettdecke weggezogen um mich mit der Rute zu schlagen und hat gesehen, dass ich ins Bett gemacht habe. Am nächsten Morgen gab es für mich kein Pfefferkuchenhaus wie für andere Kinder, mein Platz war leer. Ich wurde zusätzlich wieder vor allen bloßgestellt, weil ich ja ins Bett machte.

Ich kann mich auch noch an eine Situation erinnern, in der mir gesagt wurde, dass ich Spielsteine aus Holz gestohlen hätte. Meine ganzen Sachen wurden durchwühlt, obwohl ich das nicht gemacht habe.

Ich weiß, dass ich mich in der Zeit sehr einsam und allein gefühlt habe, kann mich auch kaum an andere Kinder erinnern. Ich denke, dass ich dort sehr introvertiert war, weil ich auch mehrfach vor den anderen bloßgestellt wurde und Gewalt an der Tagesordnung war.

Nach Hause ging es mit dem Bus. Ich kann mich erinnern, dass ich mich nicht freuen konnte, nach Hause zu kommen. Ich war wohl viel dünner als zuvor, weshalb ich auch denke, dass ich dort eine schlechte Esserin war und die Erinnerungen daran verdrängt habe.
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Heiko Lukait-Beer aus Bremerhaven schrieb am 31.03.2022
Es hieß ja Kinderkur damals und meine Mutter (alleinerziehend mit 4 Söhnen) dachte sicherlich, dass es ihrem kleinsten, mickrigsten Sohn gut tun würde. Die Verschickung ging übers Gesundheitsamt Bremerhaven damals. Ich war gerade 9 geworden, zu klein, zu asthmatisch, zu neurodermitisch.
Dass ich dort nicht ganz allein wäre, wurde meine etwas ältere Cousine mitgeschickt, nur waren Jungs und Mädchen strikt voneinander getrennt. Ich sah sie nur zu den Mahlzeiten hinter einer Glasscheibe.
Ich war zuerst im 'Eselzimmer' untergebracht, dass ich dann aber mit einem älteren tauschen musste, mein neues Bett lag in einem Mehrbettzimmer direkt unter einem permanent offenstehenden Fenster, es war Winter. Morgens standen wir alle nackt um ein rundes Steinwaschbecken herum, dort wurden wir eiskalt abgeduscht und mussten ständig mit Salzwasser gurgeln oder dieses sogar trinken. Ständig musste ich 2 Portionen essen, dem Haferflockenbrei wurde dann noch Kakaopulver untergemischt, dass er noch schwerer war und ich mich eigentlich nur noch übergeben musste. Dieses Wellenbad mit dem höhenverstellbaren Boden habe ich in sehr schlechter Erinnerung, ich konnte noch nicht gut schwimmen und Hilfe war weit und breit keine. Mir war eigentlich permanent kalt. Die Erzieherinnen waren, bis auf eine junge blonde Frau, ziemlich garstig und die Heimleiterin ließ sich 'Tante' Maria nennen. Jahre später fiel mir auf, dass wir mit ihr ständig Nazilieder singen mussten, leider kann ich mich bis heute an diese schrecklichen Texte erinnern.
Wir sind am 20. Dezember nach 6 Wochen dort, wieder nach Hause geschickt worden, es war somit die Vorweihnachtszeit und ich kam als übergewichtiges Kind, ziemlich traumatisiert wieder nach Hause, wurde dann durch das Übergewicht zur besten Zielscheibe von Mobbing in der Schule. Diese Erfahrungen haben mein Leben nachhaltig negativ beeinflusst.
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F.K. aus Schweiz schrieb am 31.03.2022
„Verschickungserfahrung“

Das ging damals – im Jahr 1955 – voraus:
Krankenhaus 1955 (Spitalhaft)
Ich habe wohl von Natur aus sehr trockene Schleimhäute. Und so litt ich schon als Kind sehr oft unter Nasenbluten. Im Spätsommer des Jahres 1955 war das wieder einmal so stark, dass man es nicht mehr stoppen konnte. Inzwischen war wohl fast das ganze Nachttöpfchen voll Blut und man wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als mich notfallmässig ins Krankenhaus Remscheid zu befördern. Hier hat man das Nasenbluten irgendwie zum Stillen gebracht. Anstatt mich nachher wieder nach Hause zu entlassen, fanden es die Ärzte wohl interessanter, an meinem Asthma herum zu doktern. „Die Mandeln sind im Weg, die müssen raus, dann kann er viel freier atmen“, so behaupteten die Ärzte. Und sie haben meine Eltern überzeugt, diesen Eingriff bei mir vornehmen zu lassen. Die Meinung der Männer im weissen Kittel traute man sich dazumal nicht in Frage zu stellen...
Ich weiss bis heute noch, wie man mir diese eklige Ätherkappe auf die Nase drückte, ja, wie es roch und man mir nachher die Mandeln, die der Schöpfer doch aus irgendeinem guten Grund auch für mich eingeplant hatte, heraus schnitt.
Was das Asthma betraf, hatte es nicht den erhofften Erfolg – und so probierte man noch eine Massnahme aus. Ich wurde mit Penicillin vollgepumpt (das war damals gerade die Zeit, in der man die Wirkung von Penicillin entdeckt hatte).
Jeden Tag mehrere Spritzen, mein Oberschenkel und mein Arm waren nach einigen Wochen ziemlich lädiert von den vielen Einstichen. Und mein Seelenzustand war auch lädiert, weil Besuch im Krankenzimmer damals noch untersagt war. Am Sonntag-Nachmittag standen dann jeweils für 1 bis 1.1/2 Stunden verschiedene Elternpaare vor einem kleinen ovalen Fensterchen in der Eingangstür und durften uns Kindern im Krankenzimmer winken. Die Türe blieb geschlossen und so konnte man sich nur mit mehr oder weniger gut gemeinten Gesten unterhalten. Und wir Kinder hätten eine Umarmung und ein beruhigendes Wort unserer Eltern so dringend gebraucht. Diese Spitalhaft dauerte volle 6 Wochen. Weil auch das noch nicht den erhofften Erfolg brachte, dachten sich die Ärzte noch etwas aus: der Junge muss an die See.

3 Monate auf Norderney („Erholungshaft“)
- ein Hospiz, das von den ehemaligen pommerschen Krankenschwestern geleitet wurde.
Und so wurde ich entlassen, um die Reise an die See anzutreten. Eine knappe Woche liess man uns, um zuhause die Reise vorzubereiten. Bei alledem wusste ich als 11-jähriger nicht so recht, wie mir geschah. Irgendwie muss es den Eltern wohl gelungen sein, mich zu überreden, so dass ich brav mitgemacht habe. Niemand aus der Familie war jemals am Meer gewesen und so sei ich der Erste, der dieses Vorrecht haben würde. Und dann noch dieses „Privileg“: unser Hausarzt Dr. Neudörfer habe doch dafür gesorgt, dass die Krankenkasse die Kosten übernehme – und so solle ich schön mitmachen und aushalten. Wenn man das Ganze abbrechen müsse, dann müssten die Eltern die Kosten selbst übernehmen und das Geld hätten sie nicht.

Ich habe nur den Abschied auf dem Wuppertaler Hauptbahnhof noch vor Augen – Tante Mariechen (Vaters Schwester) aus Barmen war extra gekommen, um mir Adieu zu sagen – und dann wurde ich von einer Krankenschwester, die ein spezielles weisses Häubchen trug, unter die Fittiche genommen. Wenn man mir damals gesagt hätte, dass dieser Aufenthalt volle 14 Wochen dauern werde, wäre ich wahrscheinlich fortgelaufen. Mit der Dauer des Krankenhauses waren es dann zusammen 20 Wochen, die ich von Daheim fort war. Je näher wir der Nordseeküste kamen, umso mehr Kinder stiegen in den Zug ein.

Und dann kam die eindrucksvolle Überfahrt mit der Fähre Friesia IV.
Und am Hafen in Norderney der geordnete Gang in Reih und Glied zum Seehospiz. Dieses Hospiz bestand aus mehreren Gebäuden, in denen an die 500 Kinder untergebracht waren. In einem riesigen Schlafsaal mit ca. 100 Betten wurde mir irgendwo mittendrin ein Bett zugewiesen, d.h. eher eine Pritsche mit magerem Bettinhalt.

Schläge
Den ersten Abend werde ich für mein ganzes Leben nicht mehr vergessen, denn hier wurde an mir ein Exempel statuiert. Es wurde uns unmissverständlich eingeschärft, dass absolute Ruhe im Schlafsaal zu herrschen habe. Am Schlafsaal angrenzend gab es eine Türe mit einem Fensterchen ins Schwesternzimmer. Dass hinter dem Fensterchen die Spähaugen der Aufsichtsschwester alles mitbekamen, was im Schlafsaal vor sich ging, wurde uns später eindrücklich vor Augen geführt. Jedenfalls war es so, dass ich meinte, irgendjemand von uns Buben verursache Lärm, indem er gegen das Bett schlage. Und so erhob ich mich ein wenig, um zu sehen, wer das sei und rief wohl etwas zu laut: Ruhe.
Ich wusste nicht, dass diese Geräusche Warngeräusche der Aufsichtsschwester waren, die dieses Signal an ihrer Türe an uns weitergeben wollte. Und dann geschah es: nachdem ich es gewagt hatte, umher zu sehen und „Ruhe“ zu rufen, ging diese Tür mit einem Mal auf und spukte eine wütende Krankenschwester aus. Diese kam schnurstracks (d.h. auf direktem Weg) zu mir und verprügelte mich derart, wie es noch niemand in meinem kurzen Leben jemals getan hatte. Sie hat mich an den Haaren aufgezogen und die Schläge prasselten von allen Seiten auf mich – mein Bett sah aus, als hätte man eine Schlacht veranstaltet und überall lagen meine Haare als stumme Zeugen dieser Prügelveranstaltung herum, die übrigens von eindeutigen Drohungen begleitet war.
Ich weiss nicht mehr, wie ich diese Nacht überstanden habe und ob ich überhaupt noch in der Lage war, Tränen zu vergiessen – so sehr war ich geschockt.
Irgendwie muss sich doch mein Heiland über mich erbarmt haben, denn ich bin
erschöpft von der Prügel eingeschlafen. Am nächsten Morgen mussten wir alle neben dem Bett Aufstellung nehmen und dann wurde uns das „Bettmachen“ gezeigt. Zusammenlegen des Pyjamas, quadratisch als Häufchen auf den neben dem Bett platzierten Hocker, glatt ziehen des Leintuches, Einstecken der Bettdecke mit Wolldecke und 20 oder 30 cm aufschlagen etc. Jeden Tag wurde unser Werk begutachtet und wenn irgendwo Falten auf der Bettdecke zu sehen waren, wurde das ganze Bett bis auf die Matratze auseinander gerissen und das Werk durfte von vorne beginnen.
Für den gemeinsamen Waschsaal gab es klare Anweisungen und eine Aufsicht, die alles kontrollierte. Ebenso wurden uns militärische Tischmanieren andressiert und unmissverständlich klar gemacht, dass man alles zu essen hatte, was serviert wurde.
Das war ein Problem für mich, weil ich damals keine Tomaten und demzufolge auch keine Tomatensuppe essen konnte. Und weil ich das dann eben doch musste, fand diese Suppe wieder den Weg nach oben... und das hatte natürlich Folgen, die ich hier aber nicht mehr im Detail beschreiben will.

Der Leser merkt bereits, dass dieser Aufenthalt, der ja als so genannte Erholung bezeichnet wurde (so hiess das damals. Man sagte: er ist zur Erholung fort), für mich keine Erholung war, sondern eher eine Tortur. Ich litt unter starkem Heimweh. Briefe von daheim und unsere Post nach daheim wurde alle gelesen (zensiert). Im Nachhinein bin ich auch überzeugt, dass meine Hinweise, mich hier weg zu nehmen, meine Eltern nie erreicht haben. Ich habe keinen einzigen ungeöffneten Brief bekommen. Päckchen mit gut gemeintem Inhalt wurden für alle verteilt. Ich habe kein einziges Päckchen von daheim selbst in die Hand bekommen – nur einmal wurde mir ein Quartett ausgehändigt, weil eine Tante so clever war, darauf zu schreiben „Eigentum von Friedhelm Kesper“.

Etwas hat sich mir aber damals ganz stark eingeprägt: ich habe nicht nur Heimweh nach daheim gehabt, ich hatte auch Heimweh nach der christlichen Versammlung (so nannte man damals die evangelische Freikirche).
Was hätte ich dafür gegeben, wieder einmal in der Versammlung still sitzen zu dürfen und diese Atmosphäre zu fühlen. Das war nichts Oberflächliches. Ich habe immer und immer wieder darüber nachgedacht und fand es damals schon recht erstaunlich. Denn Versammlung, das hiess zu dieser Zeit: Sonntag-Vormittag und Nachmittag. Das war der normale Sonntag. Am Abend lud man Gäste ein oder war selbst von jemand eingeladen.
Für uns Kinder war es eine ziemliche Herausforderung, so lange still zu sitzen und doch habe ich diese Atmosphäre schmerzlich vermisst.
Ich denke: hier hat mir Gott eine tiefe Liebe zur Gemeinde geschenkt, die mein Leben so stark geprägt hat, die bis heute geblieben ist.

Neben all dem Schweren aus dieser Zeit in Norderney, gab es auch viel Schönes: die Wanderungen am Strand oder in den Dünen, der wöchentliche Besuch im Wellenbad oder der Hafenrundgang. Spannend war auch, mitzuerleben, wie es Sturmfluten oder einmal sogar eine Hochflut gab, wie Teile der Insel überschwemmt waren und so weiter.
Aber auch in jener Zeit hatte ich Asthma-Anfälle. Dann wurde ich im Saal auf eine Pritsche im hinteren Teil verwiesen, wo man mich einfach liegen liess und nach geraumer Zeit wieder holte. Einmal hat man mich total vergessen und ich bin dann wohl eingeschlafen, weil ich mich nicht getraute, einfach alleine aufzustehen.
Jede Woche war Arztvisite, man wurde gewogen und weil ich nach den ursprünglich vorgesehenen 11 Wochen noch nicht zugenommen hatte, wurden mir 3 Wochen Verlängerung aufgebrummt. Das war eine ziemliche Enttäuschung für mich.
Irgendwann kam dann doch das Ende jener „Rekrutenzeit“ und wir durften endlich nach Hause. Ich wusste aber nicht mehr so recht, wie es zuhause in meiner Familie war und so kam ich mit gemischten Gefühlen zurück. Am Abend habe ich meine Kleider (wie in Norderney eingetrichtert) auf einem Hocker als quadratischen Stapel wohlgeordnet gelegt, und alleine dies löste bei Mutter und er älteren Schwester Schwester ziemliches Staunen aus. Daneben muss ich wohl auch einen eingeschüchterten Eindruck hinterlassen haben.
Die Freude, wieder zuhause zu sein, war noch nicht bei mir angekommen.
Als alles still in der Wohnung war, und ich in meinem Bettchen lag, hat man sich am Familientisch noch unterhalten und meinte wahrscheinlich, dass ich schon schlafe.
Aber alles war so ungewohnt für mich, das ich eben noch lange wach lag und dann hörte, wie einer zum anderen sagte, er ist nicht mehr derselbe, was hat man wohl mit ihm gemacht? Ja, ich weiss nicht so recht, wie ich das als 11jähriger alles verarbeitet habe. Jedenfalls habe ich mich sehr auf den nächsten Sonntag und die Gemeinde gefreut.

Aufarbeitung / Vergebung
Die Norderney-Erfahrung war im Jahr 1955. – 47 Jahre danach, also im Jahr 2002 habe ich mit meiner Frau, Louise zusammen eine Ferienwohnung auf Norderney gemietet. Es hatte mich nicht mehr losgelassen. Ich musste nochmals dahin und diesen Ort, das Seehospiz aufsuchen. Und wie es der „Zufall“ will: unsere Ferienwohnung lag schräg gegenüber dieses Heimes, das damals ein Heim für Mütter und Kinder geworden ist.
Ich habe es mir von aussen betrachtet, die Backsteinfassaden waren noch genau wie früher. Wir sind hinein gegangen und ich meinte, den Geruch von damals zu riechen. Ich habe dann jemand gefragt, ob ich mal kurz durch das Gebäude gehen dürfte - aus eben jenen Gründen. Leider hat man es mir nicht gestattet, was mich schon sehr befremdet hat.
Ich wollte das Kapitel jedoch abschliessen und habe dann in einer ruhigen Stunde ganz bewusst den damaligen Schwestern im Gebet Vergebung zugesprochen.
Damit ist Norderney und die Heimerfahrung zwar beendet – doch vergessen kannst du so etwas nicht. Noch Jahre später – wenn ich auf Reisen in Deutschland Schwestern in jener Tracht begegnete wie auf Norderney – lief es mir eiskalt den Rücken hinunter – und wie ein Film lief alles vor meinen Augen wieder ab.
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Claudia Brückner aus Erftstadt schrieb am 31.03.2022
Hallo,
Mein Name ist Claudia Brückner.
Ich wurde im Alter von ca. 5 Jahren für 6 Wochen nach Bad Dürrheim geschickt, weil ich blass und zu "mager" war. Der Kunderarzt hatte es angeordnet. Leider weiss ich nicht mehr, ob ich in Haus Hohenbaden oder im Luisenheim war. Ich erinner mich an Nonnen oder Schwestern . Ich durfte kein Spielzeug mitnehmen, mein Vater kaufte mir am Bahnhof einen Hasen, das war das Einzigste.
Das Essen musste immer aufgegessen werden, manchmal sahs ich bis spät noch alleine am Tisch. Ich erinnere mich an ein Zwillingsgeschwisterpaar...die eine zu dick, die andere zu dünn. Beim Mittagessen, hat die der anderen heimlich beim Essen geholfen, damit die Schwester keinen Ärger bekommt, bis sie sich übergeben musste. Ich glaube sie musste es säubern oder wurde bestraft.
Ich erinner mich an Schlafensräume und einen langen Flur, an den Türen hielten die Schwestern Wache, weil wir nicht sprechen durften. Einmal musste ich lachen und ich wurde in eine Besenkammer gesperrt, mein Hase wurde mir weggenommen, weil ich ihn aus dem Koffer holte.
Ich sehe uns Kinder noch schweigend, in 2-er Reihe zum Sandkasten laufen....
Ich weiss noch, dass es eine kleine Turnhalle gab mit Frühsport.
Ich kann mich nicht an Spielen erinnern, auch nicht an Bäder. Ich möchte meine Lücken füllen und suche Menschen, die zur gleichen Zeit da waren.
Ich habe schon so lange eine tiefe Traurigkeit in mir und Verlustangst, ich habe Angst vor kleinen Räumen und vor unter Wasser getaucht zu werden.
Wenn ihr auch in dem Zeitraum in Bad Dürrheim wart, dann bitte meldet euch....
Und allen Anderen wünsche ich abschließen zu können, durch Aufarbeitung und einen grossen Dank an alle Menschen, die daran mitarbeiten, dass das möglich ist.
Danke, Claudia Brückner
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Patrick Preussen aus Frankfurt am Main schrieb am 29.03.2022
Im März und April 1973 war ich in Mambach mit fünf Jahren zur allgemeinen Erholung und wegen Atemwegserkrankungen. Die Zeit war schrecklich und ich habe mich jeden Tag auf die Rückfahrt gefreut. Allerdings gab es auch Leute – vor allem ältere – die ordentlich Spaß hatten.

Viele litten wie ich unter Heimweh und Einsamkeit. Besonders schlimm fand ich, dass keine Telefonate mit den Eltern erlaubt waren. Die Begründung: Das würde das Heimweh noch verschlimmern. Immerhin durften an meinem sechsten Geburtstag die Eltern mich anrufen.

Die Zimmer waren mit drei oder vier Stockbetten ausgestattet. Auf dem Flur gab es einen Ganglautsprecher. Was dort verkündet wurde, habe ich mit einer Ausnahme vergessen. Eines Abends erzählte der Pfarrer der auf dem Berg gegenüber liegenden Kapelle von Flugzeugen, die Bomben abwarfen und anderen Grausamkeiten. So erfuhr ich - im Kinderheim allein im Bett - völlig unvorbereitet vom Zweiten Weltkrieg.

Irgendwann hatte ich den Bettbezug an den Knöpfen geöffnet und mich darin verkrochen, weil es sich geborgener anfühlte. Dazu lutschte ich mit dem Daumen die Ecken des Textils auf. Die Erzieherinnen – Tante Waltraud und Tante Gudrun – müssen das wohl entdeckt haben. Jedenfalls präsentierte die Heimleiterin den Bettbezug vor allen anderen beim Frühstücksraum und ich musste vor die Gruppe treten. Tränen, Schimpfe und keinen Trost!

Wir mussten viel wandern. Eigentlich keine schlechte Sache, aber die Großen erzählten immer von Blasen und durften dann im Heim bleiben. Ich wusste nicht, was eine Blase war. Nach Frankfurt zurückgekehrt, stellte mein Vater fest, dass ich auch eine hatte. Vielleicht wäre es an den Erzieherinnen gewesen, besser nach den Kindern zu schauen.

Ich erinnere mich noch daran, dass viele Kinder aus dem Ruhrpott kamen. Es gab Leute, die mussten immer zum Wiegen. Am Tag vor der Heimreise mussten wir unsere Pullover linksherum tragen, damit sie nicht schmutzig werden können.
Nach allem was ich gelesen habe, muss es in den Jahren davor noch schlimmer zugegangen sein. Mir bleibt jedoch unklar, wie so etwas noch in den siebziger Jahren existieren konnte nach aller gesellschaftlicher Gegenbewegung in dieser Zeit. Auch würde mich interessieren, was in den Köpfen der jungen Erzieherinnen vorgegangen ist.
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ulla aus nürnberg schrieb am 25.03.2022
Hallo, ich war 1967 im Alter von 3 Jahren für sechs Wochen in der Villa Dürkopp in Bad Salzuflen.
Dann im Dezember 1971 im Alter von 7 Jahren für sechs Wochen in einem Kinderkurheim, von dem ich leider nur Fotos habe.
Ich wüsste anhand der Fotos gerne, wo das gewesen ist 1971.
Hoffe ihr könnt mir helfen. War eine sehr schlimme Zeit für mich (Heimweh, nur "liebe" Briefe schreiben, Psychopharmaka, Esszwang, Wegsperren in den Keller u.a.
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Monika aus Duisburg schrieb am 24.03.2022
Im Alter von 5 Jahren war ich vor Ostern 1963 für 6 Wochen in Mülheim im Kloster Saarn. Wenn ich hier die Geschichten lese, die ich so oder ähnlich auch erlebt habe, frage ich mich, wie unsere Eltern das zulassen konnten. Selbst doch erst gerade dem Krieg entronnen. Meine Mutter hatte immer erzählt, wie sehr sie selbst im Pflichtjahr gelitten hatte. War aber ein großes Mädchen zu dieser Zeit. Und da schickt meine Mutter ihr kleines fünfjähriges Mädchen zur "Kur". Unverständlich.
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Wolfgang Fürstner aus Berlin schrieb am 23.03.2022
Da mein Vater im Juli 1944 gefallen ist, ist meine Mutter nach der Flucht aus Breslau in Mpnchen gelandet. Ich war von 1945 bis 1949 in einem Kinderheim in Greinau (?) oder Oberammergau. Das katholische Kinderheim wurde angeblich vom schlesischen Nonnen geleitet. Wer hat Informationen darüber? Wolfgang Fürstner
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Kallenbach aus Berlin schrieb am 23.03.2022
Wie kann man man herausfinden in welchem Heim man gewesen ist?
Meine Schwester und Cousine waren 1971 auf Kur dort. Beide waren vier Jahre alt und sollten dort aufgepäppelte werden weil beide sehr dünn waren

Wir wohnten damals in Bensberg und Bergisch Gladbach
Welches Heim könnte es gewesen sein.
Krankenkasse war die Barmer

Beide kamen ziemlich traumatisierte zurück und haben sich nicht davon erholt
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Jan aus Hamburg schrieb am 20.03.2022
Hallo ich war ca 1987 im Hochwald Sanatorium, ich habe schreckliche Erinnerungen an die Trennung von meinen Eltern, den Vertrauensbruch, die Bestrafung allein zu sein und ausgeschlossen zu werden, wenn man nicht machte was gesagt wurde, dass Ausgeliefertsein bei Untersuchungen ohne Erklärung was grade gemacht wird. Nur eine Frau dort war nett zu mir, ich tat ihr wohl leid wegen meinem schlimmen Heimweh, bis heute habe ich mit den psychischen Folgen zu kämpfen, LG Jan
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Stefanie Schilling aus Offenbach schrieb am 19.03.2022
Ich Stefanie Schilling war 4 Jahre alt als ich verschickt wurde meine erste Erfahrung hatte ich gleich am 1 Tag einem Montag meine Eltern gaben mich ab und versprachen mir mich Donnerstags wieder abzuholen wären ja nur 3 Tage Donnerstags saß ich dort i. Heim am Fenster und wartete auf meine Eltern sie kamen nicht statt dessen bekam ich eine Puppe Aneliese hatte ich sie genann
Danach 4 Tage später war es abends die Höhle
Ich ging selbstständig aufs Klo und zog natürlich auch ab das hätte ich aber nich gedurft weil man es sich ansehen wollte ich sag einfach nur abartig
Ich wurde ins Bett gesetzt auf einen Topf gestzt mußte natürlich nicht was die Erzieherinnen dann auch merkten man sagte mich mach nicht ins Bett
Sonst versohlen wir dir den Hintern 5 Std. War es passiert hatte vor lauter Kummer ins Bett gemacht
Man versohlte mir den Hintern ich schrie ich geh zur Heimleitung wo ich Nachmittags auch war eine sehr nette Dame sie versprach mir in einer anderen Gruppe wohnen zu dürfen was dann auch am gleichen Abend noch war
Dies war mein Bericht zum Hochlandhaus in Freudenstadt
Würde mich freun über Nachrichten wer soetwas ähnliches dort erlebt
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Regina Goertz aus Ennepetal schrieb am 17.03.2022
Ich war 6 Jahre alt und meinen 7. Geburtstag "erlebte" ich dort in diesem Heim, von dem ich nicht weiss, wie es hiess. Ich kann auch Niemanden mehr fragen. Die Erlebnisse aber sind bis heute präsent an diese schrecklichen 6 Wochen. Ich war zu mager, deshalb wurde ich dorthin geschickt. Aber zugenommen habe ich dort nicht: Zum Frühstück gab es Brötchen, Sardellenpaste oder Buttercreme. Letztere kann ich bis heute nicht mehr essen, genauso wie den Schokopudding mit der dicken Haut. Den Würgereiz spüre ich immer noch in der Erinnerung und auch die Haut vom Geflügel. Alles musste aufgegessen werden, sonst sass man so lange am Tisch, bis der Teller leer war. Ich sah immer wieder ein Kind vor seinem in das Essen Erbrochenen auch noch am Nachmittag da sitzen und ich hatte schreckliche Angst. Deshalb hab ich die dicke Haut immer in die Backen geschoben und wenn man zur Toilette durfte, hab ich sie ausgespuckt. Ein Mädchen hiess Ursula und war, wie ich, aus Wuppertal. An meinem Geburtstag zeigte man mir ein Päckchen, das mir eine Tante geschickt hatte. Da waren Süssigkeiten drin - aber bekommen habe ich Nichts davon. Nach dem Mittagessen in dem riesigen Speisesaal, ich sass immer an der Wand mit vielen anderen Kindern auf einer Holzbank, musste der " Mittagsschlaf " eingehalten werden. Auf dem Rücken still liegen und man durfte nicht sprechen. Und auch nicht aufs Klo! Ein Mädchen machte oft ins Bett und wurde bloßgestellt, als Bettpisser beschimpft und mit nacktem Po musste sie still auf dem kalten Boden stehen, bis sie sich anziehen durfte. Ich war starr vor Angst und Weinen war verboten. Und immer hatte ich schreckliches Heimweh, aber es gab kein Telefon und die eine Postkarte, die in der Woche geschrieben werden durfte, wurde streng zensiert und bei Nichtgefallen zerrissen. Die "Flintenweiber", so habe ich die Wachen in den Fluren bezeichnet später, waren zur Mittagsruhe und am Abend und in der Nacht allgegenwärtig. Man hatte keine Chance unbemerkt zur Toilette zu kommen und es gab kein Pardon: Die Toilettenbesuchszeiten waren streng geregelt. Diese und noch viele, viele schlimme Erlebnisse habe ich erst so richtig realisiert, als ich einige Jahre älter war. Meinen Eltern habe ich all das auch erst erzählt, als ich erwachsen war. Als 7jährige nach diesen 6 Wochen habe ich von diesen Schrecken Zuhause nichts erzählt. Ich war danach noch schüchterner und dünner als vorher.?
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Miriam aus Schwerte schrieb am 10.03.2022
Ich bin dankbar, dass es diese Initiative gibt und hoffe, dass nun endlich hingesehen und verstanden wird, welch furchtbarer Missbrauch da an unschuldigen Kindern von inkompetenten und empathielosen "Erwachsenen" an Schutzbefohlenen ausgeübt wurde.

Ich komme aus Hagen / Westf. und wurde im Alter von 4 Jahren und erneut mit 6 Jahren zur Kur geschickt.
1981 nach Bad Salzufflen und
1983 nach Bayern.
Ich war ein "schlechter Esser" und sollte zunehmen.
Mir geht es wie den meisten hier, hatte meine Erlebnisse für einen Einzelfall gehalten, es gab irgendwie nie den Rahmen sich über das auszutauschen, was passiert ist.
Ich fuhr als aufgewecktes, quirliges Mädchen vom Hagener Bahnhof ab, wollte auf der Bahnfahrt mit allen Freundschaft schließen, teilte fröhlich meine Bonbons und kam nach 6 Wochen verstummt, eingeschüchtert und von mir selbst und meinen Gefühlen getrennt zurück. Ganze vier Jahre alt.

Ich erinnere mich auch an bitteres Heimweh, heiße Tränen und dass ich nicht weinen durfte.
Ich erinnere mich auch an den Tischdienst, Lätzchen, Teller und Becher wurden von den Kindern, die Dienst hatten verteilt, ich konnte mein Lätzchen noch nicht binden, machte einen Knoten und bekam das Ding nicht mehr alleine ab und versuchte verzeifelt das Bindeband abzureißen, mehr weiß ich dann nicht mehr...
Dann der Essenszwang, wir mussten Riesenportionen aufessen, bis zum Erbrechen. Ob ich dann weiteressen musste, weiß ich nicht mehr... Ständig hat ein Kind sich übergeben, das Essen war ekelhaft, komische Suppen mit Klumpen, doch "es gibt kein aber, aufessen!" war eine Pflicht. Wenn wir fertig waren bekamen wir einen Nachtisch, wenn wir einen leeren Teller vorzeigen konnten, ich musste oft bis zum Abedessen vor meinem Teller sitzen und spielte mit den Bindfäden am Lätzchen.
Ich erinnere mich an Trinkverbote, ich sollte mich "satt essen und nicht satt trinken"...die durstige Verzweiflung hat mich dann dazu verleitetet, heimlich beim Zähneputzen, das ebenfalls verbotene Leitungswasser zu schlucken. Mein Mund war so trocken, die Lippen aufgesprungen und geschwollen. Danach habe ich mich ebenfalls tagelang übergeben... Wir wurden regelmäßig gewogen auf einer großen alten Waage nur im Schlüppi, wartend und frierend, bis man an der Reihe war.
Schreiben konnte ich noch nicht, versuchte dennoch alles von der Tafel abzumalen, wie alle anderen auch, nur nicht auffallen.
Nachts musste man auf einer kalten Stufe hocken, wenn man beim heimlichen Klogang erwischt wurde.
Wir wurden verbal erniedrigt und eiskalt abgeduscht und im Keller gab es sehr heiße Bäder, ich sprang immer wieder raus, die Badefrau war aber lieb und hat schnell etwas kaltes Wasser zugefügt.
Mittagsschlaf war pflicht, regungslose Bettruhe und kein nächtlicher Toilettengang.
Es gab so viele Verbote und ich fühlte mich so verloren, so hilflos, so ausgeliefert. Auch die anderen Kinder waren nicht alle nett. Es gab keinen Schutz, keine Gewissheit, ob man die Eltern je wieder sah, nur pure Verzweiflung.
Als ich nach 6 Wochen endlich wieder zu Hause war, hab ich nicht viel erzählt, der Hölle entkommen mit gebrochener Kinderseele. Von meinen Handfächen und Fußsohlen löste sich großflächig meine Haut, ich konnte sie regelrecht wegklappen, darunter lag frische rosa, teilweise rote Haut, was ist da passiert? Allergie auf Sole? Zu heiß gebadet? Kennt das noch Jemand? Ich erinnere mich noch an den entsetzten Blick meines Opas, als ich ihm meine "Klapphand präsentierte. Ansonsten schien meine Veränderung nicht groß aufgefallen zu sein, die Haut wurde als Unverträglichkeit abgetan.

Ich hoffe, dass mit jedem Hinsehen und jedem ehrlichen Mitgefühl endlich Heilung in allen so unnötig verletzten ehemaligen Kinderseelen entstehen kann.
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Andrea aus REutlingen schrieb am 28.02.2022
Ich muss im Spätherbst des Jahres 1967 ins Allgäu verschickt worden sein, weil ich zu mager war.
Ich war auf alle Fälle über den Nikolaustag in der Verschickung, da ich, weil ich "nicht brav" war, nur eine leere Rute bekommen habe.
Ich war wenig zuvor erst eingeschult worden und konnte so gut wie noch nicht schreiben. Bis vor wenigen Jahren existierte eine Postkarte von mir, die nicht zu entziffern war. Leider hat meine Mutter diese inzwischen weggeschmissen. Ich erinnere mich an einen Brief, den ich diktieren sollte, und meine Angabe "ich habe Heimweh" wurde nicht geschrieben. Von diesem Brief weiß ich allerdings auch nicht, ob er jemals meine Eltern erreicht hat. Ich erinnere auch, dass andere Kinder ihre geschriebenen Briefe nach der Korrektur wieder zurück bekamen, weil sie "falsche Dinge" drin geschrieben hatten, wie z.b. Heimweh oder das Essen schmeckt nicht.
Ich weiß auch noch, dass wir Pakete von den Eltern erhalten haben, aber der Inhalt wurde sicher durchgesucht und dezimiert. Vom Nikolaus Paket habe ich dann nachträglich etwas erhalten.
Neben unserem Heim war ein Heim für adipöse Kinder, die uns über den Zaun hinweg um Essen angebettelt haben. Ich erinnere mich noch, das diese Kinder ihre Äpfel gegen unsere Nikolausschokolade eintauschen wollten.
Meine Mutter hat mich auf den Bahnhof in Reutlingen gebracht, von dort aus wurde ich dann mit dem Zug verschickt. Ich erinnere mich noch daran, dass mein Koffer nicht zusammen mit mir angekommen ist und ich zunächst einmal Notkleidung tragen musste, die mich angeekelt hat.
Ich meine mich auch zu erinnern, dass Schnee lag als wir ankamen, und es furchtbar kalt war.
Zur gleichen Zeit war ein Mädchen mit einer relativ frischen Blinddarmoperation mit mir untergebracht. Das weiß ich noch, weil sie einmal auf der Treppe nach oben in den Schlafsaal direkt vor mir zusammengebrochen oder gestolpert ist, und man mir die Schuld daran gegeben hat. Am Abend wurde mir daraufhin der nackte Hintern öffentlich versohlt.
Im Bett neben mir schlief ein Mädchen namens "Cordula" oder mit einem ähnlich klingenden Namen, die "im Balett war" und mir deswegen immer ihren Fuß ins Gesicht gestreckt hat, weil sie Spagat konnte. Ich habe natürlich versucht mich zu wehren, und wurde wiederum bestraft....
Wenn ich an diese Zeit denke, habe ich nicht viel mehr, als die hier geschilderten Erinnerungen, aber ein Gefühl der Angst, des Ausgeliefert und Verlassen-seins legt sich wie ein dunkler Mantel über mich. Jedes Detail, das an die Oberfläche steigt löst Übelkeit und Trauer aus.
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Silke b.... aus Pohlheim schrieb am 27.02.2022
War mit 6 Jahre in Dehrn Hessen ein halbes Jahr dort wegen meinem Spachfehler es hat nicht viel gebracht meine Eltern dürften mich nicht besuchen wegen angeblich dem Heimweh die mitgebrachte Spielsachen wurde mir entzogen und bei Entlassung nicht wieder heraus gegeben frechheit finde ich man musste Mittagschlaf halten da mit diesen gestressten Tanten mal ruhe hatten jeden Tag Therapie furchtbar u Sonntags in die Kirche musste in die katholische obwohl ich evangelisch bin warum weiß ich heute noch nicht warum
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Joachim Finger aus Löhningen schrieb am 27.02.2022
Beim Recherchieren für ein berufliches Treffen in Norddeutschland ging ich mit Google – wie es manchmal so geht – auf die Ostfriesischen Inseln, um mich an schöne Ferienaufenthalte zu erinnern. Ich bin dabei auch ganz nach Westen gerutscht: Borkum. Ungute Erinnerungen. Undeutlich – wo war das noch? Wie hiess das Heim? Kinder mit blau-weiss gestreiften Strickkäppchen. Sprechen verboten. «Ihr sollt ruhig werden». Vorgeschriebene Texte auf Postkarten «alles ist sehr sauber und ordentlich». Und dann stiess ich auf dieses Foto: Kinderheim Concordia – da war es wieder. 1967 schickten mich meine Eltern dorthin, zusammen mit anderen Kindern aus der Firma. Damit es nicht hiesse, «die haben es nicht nötig». Sie selber verbrachten die Zeit auf einer anderen ostfriesischen Insel.
Als ich die Berichte anderer Menschen hier las, kam es wieder hoch. Die Nummer, die man immer sagen musste, ja die man ein Stück weit war. Immer wieder Milchreis mit Dörrobst, den ich zum Glück mochte. Aber dann dieser Linsenbrei! «Jetzt nimmst du auch zweimal, beim Milchreis nimmst du auch immer noch mal!» Das Stehen in Reihen vor den Toiletten. «Fräulein x, ich hab Gross gemacht.» Nachkontrolle mit der Strichliste. Bei mangelndem «Erfolg» gab es Meerwasser zum Trinken.
Oder der erste Abend im Schlafraum, 1 Stock: Ich sprach meinen Bettnachbarn an (der nicht aus unserer Gruppe war) und sofort legte er seinen Finger auf den Mund. (Er sagte übrigens vor seiner Abreise – für mich bis heute unverständlich – «ich freu mich schon auf nächstes Jahr».) Liegeposition auf dem Rücken, Hände auf die Bettdecke, hiess die Anweisung zum Einschlafen. Die Zwickel der Schlafanzughosen wurden morgens kontrolliert, ob sie etwa feucht waren. Ein Knabe, der auf der Nachttoilette kein Papier mehr gefunden hatte, wurde wegen seiner verschmutzten Unterhosen blossgestellt. Ich wurde blossgestellt, weil ich eine Heimwehphase hatte und weinen musste. Das hämische Lachen von Frl. x, begleitet vom Ausschluss vom Amt des Vorlesens (das ich liebte, weil es mich in eine andere Welt brachte – «Die rote Zora und ihre Bande» hiess das Buch) tat weh.
Dann ständig der Druck der angeblichen Berichte, die sie an unsere Eltern schreiben würden. Die Fräuleins unterhielten sich darüber, so dass wir es hörten. «Hast du schon angefangen? Hast du gute Berichte?» «Ja, aber bei mir sind es fast alles schlechte.» (Meine Eltern haben nie ein Wort über einen solchen «Bericht» verloren.)
Anstehen zum Kämmen. Jeden Tag dasselbe Sprüchlein. «Nummer xy – ich heisse nn, wohne in (Ort), bin z Jahre alt und (Konfession)». Abtreten, der Nächste.
Spaziergang. Immer Hand in Hand mit dem Nachbarn, Zweierreihe, Käppchen auf dem Kopf – und ja nicht reden! Nur an einem recht einsamen Strandabschnitt durften wir reden. «Ihr sollt ruhig werden.» An ein Bad im Meer kann ich mich nicht erinnern. Dafür an einen obligatorischen Besuch in einem Souvenirladen mit einem obligatorischen Kauf von etwas. Das Taschengeld musste schliesslich ausgegeben werden, ein Eis oder etwas Ähnliches lag ja nicht drin.
Für mich – ich war etwas rundlich – war es auch demütigend, immer vor dem Mittagessen fragen zu müssen «kann ich bitte meinen Apfel haben?» Der war mir verordnet, damit ich etwas abnehmen sollte. Ich war der einzige. Genützt hat es, glaube ich, nicht so viel – bei so viel Milchreis mit Dörrobst.
Ein Bub begehrte auf. «Das erzähl ich alles meinem Vater, dann kommt hier sooon dicker Brief an.» Wie wurde der vor allen blossgestellt und heruntergemacht! Und natürlich mit dem «Bericht» gedroht!
Das Schlimmste am Schluss war, dass weder die Sozialarbeiterin der Firma noch meine Eltern unsere/meine Erzählungen ernst nahmen. Meine Eltern lachten.
Später hiess es mal, der Leiter des Kinderheims sei halt so ein Oberst aus der Wehrmacht gewesen …..
Borkum ist ja vielleicht eine schöne Insel. Aber mir löst nur schon der Name Abneigung aus.
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Richard Mitschke aus Berlin schrieb am 27.02.2022
Anfang der 50ger Jahre war ich von Hamburg aus im Kinderheim Cuxhaven-Duhnen. An dieses vermutliche Roto-Kreuz-Kinderheim habe nur gute Erfahrungen.
Im Winter 1954 war ich noch einemal in Pollind, OBB. Auch hieran habe ich nur gute Erfahrungen. Wir waren im Olympia-Stadion Garmisch und in der Partnachklamm.
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Dagmar schrieb am 26.02.2022
Ich war untergewichtig, hatte oft Atemwegsinfekte. Heute weiß ich, dass ich schon damals unter Asthma litt.
Ich erinnere mich gut, dass ich fröhlich in den Zug stieg, auf Ausreise in die Kur. Alle hatte mir vorher gesagt, es werde schön mit den vielen Kindern - für mich als Einzelkind klang es nach einem paradiesischen Urlaub. Irritiert war ich über die anderen Kinder, die weinend in Bremen in den Zug stiegen. Ich war ja schon groß, stand mit 8 Jahren "darüber". So dachte ich.
Danach hört meine Erinnerung auf. Sie beginnt mit Vorlesen auf einem langen, kalten Flur, da saß ich im Schlafzeug frierend auf dem Fußboden, links und rechts von kleinern Mädchen gewärmt.
Mitten im Aufenthalt durften wir in neue Zimmer umziehen, mit neuen orangenen Spinden und je zwei nebeneinander stehenden Betten. Die Räume waren wärmer, geschützter vor den Tanten.
Nachts tröstete ich das Mädchen im Bett neben mir, wir hielten uns an den Händen, bis wir die Nachtwache mit ihrer Taschenlampe herankommen hörten - sie durfte die Tränen nicht sehen, die Hände schon gar nicht, wir stellten uns schlafend.
Ich hatte einmal erbrochen und Durchfall. Mein Lieblingsrock wurde kurzerhand weggeworfen. Das Bettzeug abgezogen, ich auf dem kalten Flur abgestellt bis ich Bauchkrämpfe bekam. Ich habe mich niemals vorher so verlassen gefühlt. Grob wurde ich gewaschen, selbst durfte ich es nicht, kontrolliert ob ich sauber war (kein Recht auf Intimsphäre) - das Abtrocknen überließen sie zum Glück mir. Ich kam dann alleine in ein eiskaltes Zimmer, hin und wieder kamm eine Tante zur Kontrolle. Ich hatte Fieber und furchtbaren Durst. Habe Farbe von den gekalkten Wänden gekratzt bis meine Fingernägel ab waren und die Fingerkuppen wehtaten.
Taschentücher gab es nicht, so habe ich nachts Schnotten in das Bettlagen geschmiert. Dafür wurde ich mehrmals vor allen Kindern runtergeputzt.
Dann die Mahlzeiten. Das Essen war fettig und einseitig. Milchreis, eklige Suppen mit widerlicher Kochwurst drin, Erbsensuppe mit dicken wabbeligen Fettstücken aber Fleischfrei, Nachtisch, künstlicher roter Pudding.
Am Nebentisch die Dicken bekamen Salat und Obst, Tauschen war natürlich streng verboten (ein Theater, als ich den Versuch unternahm. Die Schuld bekam die arme Dicke - sie wurde angeprangert. Dass ich gerne Obst/Gemüse bekommen hätte, versuchte ich zu sagen, wurde aber ignoriert.
Wer nicht aufaß, musste sitzenbleiben bis alles aufgegessen war. Ich lernte, schnell zu essen - das Überessen war dann leichter.
Beim Basteln wollte ich mir die Fingernägel schneiden, weil sie zu lang waren. Dafür bekam ich Schläge auf die Hände. Dann habe ich sie abgekaut - das wurde vor der ganzen Gruppe lächerlich gemacht.
Einmal die Woche mussten wir Briefe an die Eltern schreiben lassen. Ich konnte schon ein bisschen schreiben und tat das selbst. Der Brief wurde zerrissen, von der Tante neu geschrieben - mit völlig verändertem Inhalt. Natürlich durften meine Eltern nicht wissen, dass (und warum!) ich unbedingt nach Hause wollte.
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Sylvia aus Bad Königshofen schrieb am 26.02.2022
Hallo,
Ich hatte mich bereits 15.02.22 nach der Sendung auf SWR hier gemeldet.
War noch jemand in Bad Dürrheim, Solebad?
Wohin kann man sich wenden um mehr über die dortige Zeit zu erfahren?
Am schlechtesten sind mir die Zeiten vom Essen in Erinnerung.
Schon fand ich die Spaziergänge durch den Wald, auch wenn es kalt, Maß und regnerisch war, außerdem war es im November oft neblig
Bitte bei mir melden
Freundliche Grüße
Sylvia
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Thomas schrieb am 24.02.2022
Kleine Korrektur meines vorherigen Eintrags: Ich habe eine alte Postkarte meiner Eltern gefunden und gesehen, dass ich im November 1971 dort war.
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Sabine Stiel aus Wuppertal schrieb am 24.02.2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
Gerade sehe ich im ZDF ihren Bericht.
Ich war 10 Jahre alt und mein Bruder 8 Jahre.
Wir wurden beide nach Bad Sooden Allendorf verschickt. Unsere Mutter
war im festen glauben uns was gutes zu tun. Mein Bruder und ich
würden nach der Ankunft sofort getrennt und durften keinen Kontakt
zueinander aufnehmen. Ich kann einen Tag nicht vergessen. Ich habe
keine Milch gemocht und bekam zum Frühstück Haferschleimsuppe, da
ich das nicht essen wollte, hat man mich bis nach dem Abendessen vor
dem Teller sitzen lassen. Ich bekam nichts anderes zu essen oder
trinken. Dann wurde ich ins Bett gesteckt. Im Bett durfte Mann nicht
mit anderen Kindern Reden, sonst musste man für Stunden im Flur in
der Ecke stehen. Briefe an zu Hause wurden zensiert, stand was
negatives drin musste man einen neuen schreiben. Es gab noch so vieles
an kleinen Gemeinheiten, das kann man gar nicht alles aufzählen. Mein
Bruder und ich sind als Kinder nie wieder in Kur gefahren.
Als ich mit 42 Jahren eine Reha machen musste war mir ganz komisch.
Als der Brief vom Rentenamt kam wo ich hin sollte, stockte mir der
Atem "Bad Sooden Allendorf".
Das Kinderheim gab es nicht mehr.
Aber es war noch immer ein Schock.
Das musste ich mal eben schreiben.
Mit freundlichen Grüßen Sabine Stiel
--
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Mona schrieb am 23.02.2022
Seit Tagen lese ich nun diese Berichte, und mir stellen sich die Haare zu Berg.
Dennoch, vielleicht findet sich noch jemand anderer, der auch in meiner zeit -siehe Eintrag vom 15.2. 22- in diesem AWO - Kinderheim in Rechtis-Weitnau gewesen ist.
Ich wünsche - uns allen - dass wir weiterhin die Kraft haben, das ganze mit den Jahren unseres gelebten Lebens nun doch auf eine Art und Weise ablegen zu können um unser Leben zu leben, mit all dem was uns erfreut.
Grüße Mona
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Uta Klose geb.Heinz aus Biskirchen schrieb am 22.02.2022
Hallo,
im August 1956 war ich " zur Erholung" nach Bad Reichenhall in den Staufenhof geschickt worden .
Durch eine Fernsehsendung heute wurde ich daran erinnert, was ich seit damals verdrängt
habe. Es war eine schreckliche Zeit - für mich entsetzlich die sogenannten Abhärtungsmassnahmen : nackt in einem gekachelten großen Kellerraum wurden wir mit kaltem Wasser aus Gartenschläuchen kalt abgeduscht und dann mit Zweigen von Birken abgeschlagen. Schreckliches Porridgezum Frühstück. Die Liste ließe sich lang fortsetzen wie z. B.barfuß im Nachthemd in der Ecke stehen, wenn man nach dem Hinlegen abends noch ein Wort gesprochen hat.
Ich habe das alles offensichtlich erfolgreich verdrängt, aber es hatte Auswirkungen auf die Zeit danach!
Leider sind meine Eltern schon vor über 30 Jahren verstorben, ich hätte viele Fragen! Nach langem Suchen habe ich noch ein Foto von dort gefunden. Es würde mich interessieren , ob dich noch jemand aus dieserZeit daran erinnern kann.Ich war damals 9 Jahre alt.
Mit freundlichen Grüßen
Uta Klose ( geb.Heinz)
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Angelika Sroka schrieb am 22.02.2022
Ich war ca.1961/62 im Haus Seestern in Grömitz . Für 6 Wochen ,an die ich mich so gut wie nicht erinnern kann .Nicht an die Fahrt dorthin , nicht an die Heimreise .
Was ich über die Jahre allerdings nie vergessen habe ,war ein Schlag ins Gesicht ,weil ich während der Mittagsruhe auf der Toilette war . Das Erbrechen von einem Abendbrot , hatte es geschafft vom Tisch zu flüchten , bis in unser Zimmer , da kam alles hoch und ich musste es alles wieder sauber machen . Dann an ein Spiel in der Ostsee : Montag , Dienstag....bei Sonntag sollten wir Abtauchen . Ich kann bis heute nicht mit dem Kopf unter Wasser .
Es irritiert mich schon , daß ich mich an so wenig erinnere . Immerhin war ich ca . 10 Jahre alt .
Es wäre schön , wenn sich jemand zumindest an das Haus Seestern erinnern könnte .
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Barbara Blöcker aus Norderstedt schrieb am 22.02.2022
Auch ich war dabei. Damals mit unter meinem Mädchen Namen Barbara Schiweck.
Durch die N3Sendung 45 Min. kam bei mir die Erinnerung an die Zeit auf Langeoog.
Ich war 10 Jahre alt und wegen chronischer Bronchitis zur Verschickung gekommen.
In schlechter Erinnerung habe ich das Essen, besonders die Milchsuppen, die ich bis heute nicht mag. Der Mittagsschlaf war eine Strafe,
militärisch, ich durfte nicht auf Toilette mit Folgen. Das war schlimm. Post an zu Hause wurde kontrolliert, es durfte nichts negatives drin stehen. Dort kam ich kein zweites mal hin.
Dafür 61 und 62 in den Schwarzwald. Ein Heim hieß Heimbachhof. Daran habe ich keine großen Erinnerungen, offenbar war es dort nicht so streng. Ich fühle mich nicht traumatisiert. Der Verschickungsträger war jeweils das DRK Niedersachsen.
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Birgit Hey aus Seeheim-Jugenheim schrieb am 22.02.2022
Liebe Frau Röhl,
seit 3 Tagen lese ich auf dieser Internetseite.
Ich bin sprachlos, welche Dimension dieses Verschickungskinderleid hat. Ich glaubte, wie wohl wir alle, mein Kurheim sei eben Pech gewesen...
Nein, wir alle wurden gequält und mißbraucht. Ich konnte gar nicht alle Berichte von den Betroffenen lesen, soviel Kinderelend verkraftet man gar nicht.
Vor allem haben mich auch die Zusammenhänge mit Nazi Größen erschüttert.
Das es sogar Jahrzehnte möglich war, das diese Unmenschen Positionen innhatten, wo sie sich massgeblich an den Verschickungskindern bereichern konnten und uns schreckliche, traumatische Kuraufenthalte bescheren...
Unfassbar
Ich finde es großartig, das sie diese Zusammenhänge recherschiert und aufgedeckt haben, herzlichen Dank dafür!
Für ein Kind ist es doch das allerschlimmste, so lange Wochen von den Eltern getrennt zu sein.
Dieses bestialische Kontaktverbot und die Briefzensur, wie
konnte man nur so herzlos sein?
Nachdem man ganuer Bescheid weiß, über die Zahlen des Leids, man fragt sich, wie das soooo lange im Dunkeln bleiben konnte....aber Kindern wird eben nicht geglaubt....
Man muß sich auch mal vor Augen führen, wie viele Betreuer (Tanten) da tatkräftig an dem Mißbrauch beteiligt waren.
Haben diese Einrichtungen geziehlt nach sadistisch veranlagtem Personal gesucht???
Auf jeden Fall bin ich froh, das ich die Kur einigermaßen verkraftet habe und ich meine Eltern überzeugen konnte, das ich das niemals wieder machen muß!
Ich hatte recht schnell begriffen, das es besser ist, sich in der Kur zu fügen, sonst wird es nur noch unerträglicher.
Ich erinnere mich an eine Nacht, wo ich mich heimlich zur Toilette schleichen wollte und ein etwa 4 Jähriges Mädchen halbnackt barfuss vor dem geöffneten Flurfenster stehen sah.
Sie hatte ins Bett gepinkelt.... Ich nahm sie mit in mein Bett und hab sie später im Morgengrauen in ihr Bett zurück getragen. Unsere Nachtschwester hat gott sei Dank auch gerne mal gepennt....
Gemästet wurden wir alle auf jeden FALL, ich hasste das Hühnerfrikassee mit wabbeliger Haut, man mußte ja aufessen, egal wie lange es dauerte...
Also lernte ich, schluck, ohne zu kauen, dann haste es schnell hinter dir...

Nachdem ich den Fragebogen gelesen hatte, stellte ich mir selbst die Frage, ob es wohl ausnahmslos "Arbeiterkinder" waren, die verschickt wurden??
Weil nach den Berufen und der Ausbildung der Eltern gefragt wurde??? Sicher hätten gutbetuchte Akademiker einen riesen Wirbel gemacht, hätte man ihre Kinder derartig misshandelt, oder irre ich mich da????
Meine Eltern waren zwar überrascht, über meine Erzählungen und auch empört, aber das wars dann auch.
Sie hatten schließlich den Krieg überlebt! Was ist dagegen so ein bischen "Ärger" in der KUR....
Hoffentlich schmoren die Verantwortlichen für all dieses überflüssige Kinderleid in der HÖLLE!
Ich wünsche allen Leidensgenossen von Herzen alles Gute
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Thomas schrieb am 22.02.2022
Ich war im Alter von 8 Jahren in Neustift. Weil ich so dünn war, bin ich auf Anraten der Klassenlehrerin dorthin geschickt worden.

Weil sich Erinnerungen im Laufe des Lebens verändern/verfälschen können, möchte ich meine mit Hilfe der Erinnerungen anderer auffrischen/ergänzen/korrigieren und im Gegenzug meine Erinnerungen anderen Betroffenen zur Verfügung stellen.

Abfahrt war in einem Bus vom Bahnhof in München. Ich hatte schreckliches Heimweh und habe daher gleich in der ersten Nacht eingenässt und riesige Angst vor den möglichen Folgen. Die zuständige Nonne ging jedoch sehr freundlich mit mir um. Ich habe die meisten Nonnen zwar als pragmatisch und wenig empathisch erlebt, aber nur eine als ausgesprochen bösartig. Diese hat mich immer beschimpft, was für ein schlechter Mensch ich doch sei, obwohl ich mir meines Wissens nichts hatte zu Schulden kommen lassen. Mein Kuscheltier hatte ich im Nachtkästchen versteckt. Nach der ersten Nacht in einem größeren Schlafsaal mit hohen Glasfenstern war ich dann in einem Zimmer mit 3 oder 4 Betten. Ich erinnere mich, dass ich uns alle abends immer in den Schlaf gesummt habe mit von mir erfundenen Melodien, womit die anderen einverstanden gewesen waren. Bzgl. Essen erinnere ich mich nur, dass die schnellsten Esser sich die größte Portion selbst gemachtes Vanilleeis aussuchen durften. Wir saßen in einem großen Saal, die Mädchen saßen an extra Tischen am anderen Ende. Wir haben ein Liedertextheft "Die Mundorgel" geschenkt bekommen und viel gesungen.
Es gab auch kneipp'sche Güsse (warm/kalt) mit einem Schlauch in einer Wanne stehen. Desweiteren gab es Spaziergänge und Schlittenfahrten im Wald. Tagsüber wurden wir beschult, dazu mussten wir eine Treppe ins Dachgeschoss hinauf steigen. Die Lehrerin war, glaube ich, weltlich.
Wenn ich von anderen geärgert wurde, haben die Nonnen nie eingegriffen. Die regelmäßigen Briefe an die Eltern wurden uns diktiert. Ich habe auch Postkarten von Zuhause bekommen, die für mich emotionale Rettungsanker waren. Wie gerne hätte ich meinen Eltern geschrieben, wie es mir wirklich geht.
An Basteln kann ich mich nicht sicher erinnern, aber ich hatte später jahrelang ein Mobile zuhause, wo Bienen aus Bast um einen Bienenkorb flogen, das wahrscheinlich aus dieser Zeit stammt.
Wir studierten ein Krippenspiel ein, wo ich den Adam spielen musste. Die wurde am Schluss vor den abhlenden Eltern aufgeführt. Ich glaube aber, dass nicht alle von ihren Eltern abgeholt wurden. Ich durfte mir dann als Abschiedsgeschenk einen kleinen Teddy aussuchen, der von den Nonnen gestrickt worden war. Geliebt habe ich ihn nicht.
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Hans-Richard Sliwka aus Trondheim (Norwegen) schrieb am 22.02.2022
verschickt – verdrängt – vergessen

1 warum dieser text?
Vor etwa 2 jahren hatte ich im radioprogramm den titel „verschickungskinder“ gelesen. Ich dachte dabei sogleich an eine neue übeltatvariation der priester, pastoren, lehrer, regisseure und trainer. Wegen der frage: ‚was kommt jetzt neues zum tema‘ habe ich mir die sendung angehört und alsbald überrascht erkannt: man spricht über mich. Die bezeichnung „verschickungskind“ war mir allerdings fremd; ich habe mich deshalb nicht unter dieser indizierung identifiziert. Meine eltern hatten mich seinerzeit 6 wochen zur kur geschickt. „Zur kur gehen“ verband man, damals wie heute, mit einem heilenden aufenthalt. Meine kur-zeit hatte allerdings keinen kurierenden charakter. Das zur kur geschickte kind kam als ein verschicktes kind zurück. Eine bestätigung dieser klassifikation fand ich in den berichten, die die schriftstellerin Anja Röhl gesammelt hat. Anja Röhl hat sich zum ziel gesetzt, die erlebnisse und langzeitschäden von verschickungskindern aufzuzeigen. Auf ihrer webseite appelliert Anja Röhl zum einsenden eigener erlebnisse.[1] Durch Anja Röhls initiative habe ich neue startpunkte für den verlauf meines lebens finden können. Zufällig fragte mich einige wochen nach der entdeckung meiner neuen kindlichen einordnung eine 20 jahre jüngere bekannte, ob ich einst verschickt war.[2] Ich war somit doppelt sensibilisiert, meine ins unterbewusste versunkene vergangenheit hervorzuholen.

2 geschichtlich, persönlicher hintergrund
Mein väterlicher grossvater hatte den sicheren tod in den schützengräben des 1. weltkriegs
mit seelischen verletzungen überlebt. Der mütterliche grossvater amputierte als sanitäts-soldat zerschossene gliedmasse. Die mütterliche grossmutter beobachte die vertreibung einer jüdischen nachbarsfamilie. Mein vater nahm als sanitäter in Amsterdam die deportation der juden wahr. Meine mutter war im arbeitsdienst erfolgreich aktiv und sah in ihrer helfenden tätigkeit einen positiven sinn.
Die grosse synagoge in der innenstadt von Essen, dem wohnort meiner eltern und gross-eltern, wurde gut sichtbar von den einwohnern am 9.11.1938 in brand gesteckt. Die mieter vieler Essener wohnungen bemerkten stumm oder allenfalls mit leisem protest die gewaltsame vertreibung von 2500 juden aus Essen.
Essen erhielt während des krieges von der Royal Air Force den label “primary target area for bombing”. Im märz 1943 begannen die bombardierungen. 242 bombenangriffe zerstörten
90% der innenstadt und 60% des übrigen stadtgebietes. Die explodierenden brandbomben bei nacht, später auch bei tag, deprimierten die bewohner. Die letzten bomben 1945 auf Essen töteten Hedwig, meine grossmutter väterlicherseits. Sie hatte alle hoffnung verloren und war nicht mehr zu bewegen, schutz in einem bunker zu suchen.
Die todesängste der grossväter im 1. krieg, die gestapo und die denunziationen ab 1933, der 2. krieg ab 1939 mit erschossenen ehemännern und brüdern, vergewaltigten müttern und schwestern, flucht und vertreibungen, kriegsgrausamkeiten und bombardierungen schafften ein alltägliches leben, in der gewalt, unsicherheit und lebensgefahr normal war.
Angst und schrecken verschwanden für die überlebenden einwohner Essens am 10.5.1945. Das bemühen brot, wasser, unterkunft und arbeit zu finden bestimmten hinfort den tag. Ein politiker wies den deutschen den weiteren weg: „Wer noch einmal eine Waffe in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfallen.“ 85% der deutschen bekräftigten in meinungsumfragen und volksentscheiden diese aussage.[3] Doch trotz des deutlich demonstrierten militärischen pazifismus: gewalt gegen kinder galt weiterhin als eine probate erziehungsmetode.
Die im gedächtnis verankerten gewaltsamen erfahrungen der grosseltern, eltern, lehrer und pädagogen blieben lebendig und wurden weitergetragen auf die nun geborenen töchter und söhne.

3 verschickt
Ich bin am 24.10.1948 in Essen geboren, 3 jahre und 5 monate nach kriegsende.
Die versorgungslage war immer noch kompliziert. Die freuden an ihren mahlzeiten, die meine eltern nach den entbehrungen erlebten, konnte ich nicht mitempfinden. Heisshunger oder bevorzugte lieblingsspeisen sind bei mir kaum aufgetreten. Ich blieb im verständnis der elterngeneration ein dünnes kind. Im frühjahr 1955 wurde ich volksschüler in einer klasse von 45-50 kindern. Wie zu hause so auch in der schule erlebte ich gewaltsames vorgehen gegen kinder mittels körperlicher strafen. In den gesprächen mit spielkameraden hörten wir, wie gewaltig es in anderen familien zu ging. Bekannte und kollegen meiner eltern beschrieben lachend und voller stolz, wie sie ihre kinder verprügelten bis sie nicht mehr sitzen konnten. Schlug man in einer familie weniger, so schlug man in einer anderen familie häufiger. Prügelten einige eltern gar nicht, so prügelten manche um so massloser. Das gewaltniveau gegen kinder war in der nachkriegszeit lange konstant.
Als ich 8 jahre alt war, stellte man endgültig fest, ich wäre zu dünn. Man diagnostizierte zwar keine unterernährung, trotzdem empfahl der hausarzt den aufenthalt in einem heim um mich zu mästen. Die kosten der terapie übernahm die krankenkasse. Krankenkasse? Ich fühlte mich mit meinem gewicht nicht krank. Das beabsichtigte ziel und der wohlwollende wunsch, mich selbstständiger werden zu lassen, veranlassten meine eltern mich „zur kur zu schicken“. Meine meinung zur beunruhigenden trennung von mutter, vater, bruder, spiel- und klassenkameraden war nicht gefragt. Ich erinnere mich, das meine mutter begann, namensetiketten in die kleider einzunähen.
Dann kam der tag der abreise. An die sonderzugfahrt mit vielen kindern von Essen bis Dagebüll kann ich mich nicht entsinnen. Ich war zwar bereits oft mit dem zug gereist, aber nicht so weit. Ein so grosses schiff wie die fähre nach Wyk auf Föhr hatte ich noch nie gesehen; die seereise ist mir völlig entfallen. Ich sah auch zum ersten mal das weite meer. Diese entdeckung hat ebenso keine spuren im gedächtnis hinterlassen. (Den überraschenden, erstaunten weitblick mit dem freudigen ausruf „das meer“ höre ich in meiner erinnerung erst 4 jahre später bei ferien auf Walcheren in Holland). Die ankunft auf Föhr und der empfang im kinderheim Schloss am Meer sind mir ebenso nicht gegenwärtig. Der heimname ist mir erst wieder eingefallen durch berichte von verschickten schloss-bewohnern.
Bei der ankunft wurden mädchen und jungen getrennt einquartiert. Ich teilte meinen raum mit 8-10 anderen jungs, möglicherweise einige mehr. Ich erinnere mich nur schemenhaft an eine kurze untersuchung bei einem onkel doktor, der danach nicht wieder erschien. Im speisesal mussten wir an vorbestimmen tischen platz nehmen, wieder jungen und mädchen getrennt. Ein oder zwei kleinere tische fielen auf, vorgesehen für die kalorienarme diät dicker mädchen. Mir fallen keine dicken jungen ein, denen diese ehre zuteil wurde. Dann kam man bald zum wichtigsten punkt des tages: der namentliche aufruf der anwesenden zur zentral platzierten waage. Das gewicht eines jeden kindes notierte man sorgfältig.
An mahlzeiten war ich nicht sonderlich interessiert. Sie waren wohl meist geniessbar, bei einigen gerichten musste ich erbrechen. Ich erreichte aber stets die toilette ohne vomitale spuren zu hinterlassen. Ob ich darauf einen nachschlag des emeticums bekam, das ich als mittagessen verzehrt hatte, daran kann ich mich nicht erinnern. Später wurde ein tisch in der nähe der toilettentür aufgestellt. Hier sassen nun die nausealen hyperemetiker. Ein mädchen werde ich nie vergessen; es regurgitierte in ihren teller und erhielt darauf den befehl zum verschlingen der kotze. Ich empfand das damals zwar als sauerei, es wunderte mich aber nicht. Es war lediglich eine innovative variation bekannter bestrafungen. Das mädchen mit dem teller voll erbrochenem hat zu meiner grossen bewunderung ihr hervorgewürgtes mahl mit grosser ruhe vertilgen können. Ich kann meine erinnerungsfetzen an weitere vomitale verspeisungsvorfälle nicht zusammensetzen. Es wäre möglich, das solche fälle mit heulen und zähneklappern geendet haben. Das souveräne verhalten des mädchens war allerdings einzigartig und beeindruckte mich sehr; in ihr haben sich in meinem gedächtnis möglicherweise andere kotzereien kondensiert.
An zwei zeitpunkte im täglichen stundenplan kann ich mich gut erinnern. Morgens mussten wir uns im waschraum halbnackt waschen unter distanzierter beobachtung einer einzigen tante. Abends war nacktwaschen vorgeschrieben. Im grossen waschraum standen viele kleine nackte jungs, nun beaufsichtigt von mehreren glotzenden tanten, die auch durch die reihen gingen. War ein kind zu laut, bekam die geräuschquelle einen klaps auf das nackte gesäss. Ich habe mich damals gefragt, warum man abends mehr aufsichtspersonal benötigte als morgens. Erst viel später erriet ich den grund: die zahlreichen tanten eilten freiwillig zum jungenwaschraum. Die sicht auf die vorpubertären unterleibsregionen der jungs erfreute die tanten, wie wir aus ihrem lebhaften gekicher und geflüster hätten feststellen können, wenn wir bereits sinn für solche zusammenhänge gehabt hätten.
Vom übrigen tagesablauf habe ich nur verschwommene anhaltspunkte. Das vorgeschriebene schlafen nach dem mittagessen erlebte ich als zumutung. Ich war hellwach und hatte wie alle 8-jährigen, den drang mich zu bewegen. Ich ruhte also gezwungenermassen auf der liege und schaute umher. Eine tante befahl dann strengstens die augen zu schliessen, was ein sehverbot darstellte. Ich möchte das als ersten übergriff mir gegenüber definieren. In gewissen abständen postkarten oder briefe nach hause zu schreiben war für mich als ein noch schreibenlernender schwierig. Ich war den tanten deshalb dankbar für vorformulierte sätze, selbst wenn sie meine wahrnehmungen nicht wahrheitsgemäss darstellten.
Prügelnde und ohrfeigende tanten habe ich nicht beobachtet. Die strafen waren gemeiner. Mein schlafsaal lag gegenüber der toilettentür. Neben der toilette befand sich der wohn-raum einer tante. Der lokus alten stils wirkte mit einer sehr effektiven wasserspülung, die von grosser höhe mit lautem getöse die hinterlassenschaften verschwinden liess. Die benutzung der toilette und der anschliessende wasserfall störte verständlicherweise die nachtruhe der im zimmer nebenan schlafenden tante. Wir erhielten daher striktes toiletten-benutzungsverbot. Ein eimer wurde notgedrungen als urinoir ins zimmer gestellt. Es gab zwei nächte während unserer heimzeit, in denen wir aussergewöhnlich grosse mengen urin abgaben. Der eimer war also bald vollgepisst. Um ihn nicht überlaufen zu lassen gingen wir zur toilette und benutzten danach intuitiv die wasserspülung. Die schlafgestörte tante kam wutentbrannt aus dem zimmer. Die kollektivpissenden übeltäter mussten sich nun mit dem gesicht zur gangwand aufstellen mit "hände hoch". Demjeningen, dem die erhobenen hände absackten, bekam von der tante einen schlag auf den arsch. Dadurch qualifizierte sich der pisser für eine decke, die die tante dem deliquenten, nun "hände runter", überlegen konnte, denn es war kalt im gang. Das ergebnis dieser pädagogischen massnahme war vor-programmiert. Bei der nächsten polyurie pinkelten wir den eimer voll bis zum rand und darüber hinaus. Die überlaufenden renalen exkretionen verteilte sich gelblich-grossflächig auf dem zimmerboden. Diese sauerei kritisierte indigniert am nächsten morgen die dienst-habende tante. Ich möchte dies als zweiten persönlichen übergriff definieren. Ein 8-jähriger kann rational entscheiden, hat durchaus einen begriff von ursache und wirkung. Das resultat unseres dilemmas (was wir auch tun ist falsch) konnten wir allerdings intellektuell nicht verarbeiten. Von Antigone hörten wir erst später in der schule. Der übervolle eimer und die verbotene toilette verdeutlichen das pädagogische ungeschick der tanten. Ich habe leider vergessen, wie der konflikt zwischen der zürnenden diensttante, der unausgeschlafenen latrinentante und uns jungen mit imperativem harndrang aufgearbeitet wurde. Ich frage mich heute, wie die nächtlichen faeces verschwanden. Der einzig zulässige ort war das WC, denn einen behälter für skatologische gebilde hatte man uns wohl aus olfaktorischen gründen erspart. Da die benutzung der wasserspülung verboten war, müssten sich im laufe der nacht allerlei exkremente im scheisshaus angesammelt haben, was zusammen mit dem lokuspapier sicher zu verstopfungen geführt hat. Ich kann mich aber weder an solche anrüchigen schandtaten noch an folgende bizarre strafaktionen erinnern.
Während eines ausgangs mit versteckspielen zwischen bäumen und büschen packten mich plötzlich zwei heimjungen und führten mich zu einer abgelegenen lichtung. Hier befahl mir eine grossschnauze gegen einen ausgewählten jungen zu kämpfen zur feststellung des stärksten im schloss. Ich protestiere mit dem argument, das bestimmen des stärksten interessiere mich nicht. Kampfverweigerung oder flucht war jedoch nicht möglich. Ich bekämpfte deshalb den mir angewiesenen gegner und verlor. Mit dem ablegen eines gelübdes, nichts über den mannhaft-muskulösen unsinn zu erzählen, entliess man mich aus dem kreis der starken jungs. Ich hielt leider mein versprechen. Irgendein verrückter kerl im heim hetzte andere jungs gegeneinander auf und die tanten ignorierten dieses inhaltslose männlichkeitssritual.
Einer der letzten tage im schloss begann feierlich. Vor versammelter gesellschaft betrat jedes mädchen und jeder junge die waagschale. Lautstark wurde darauf anfangs- und endgewicht des probanden proklamiert und die gewichtszunahme beurteilt, je zahlreicher die kg, desto grösser die fröhlichkeit. Das am meisten zugenommene kind erklärte man mit tösendem applaus zum sieger. Die verkündigung meiner kläglichen zunahme von 50 g[4] notierte man mit verdruss. Ich aber war begeistert. Instinktiv hatte ich mich den zwängen und vorschriften der schlosstanten verweigern können durch unbewusste beschränkung der ohnehin unschmackhaften mahlzeiten. Die öffentlich bekundete minimalzunahme war mein protest gegen das schloss, gegen arzt, eltern und krankenkasse, die mich dorthin verschickt hatten. Diese interpretation habe ich damals als 8-jähriger sicher nicht ausdrücken können. Erinnerungsfragmente lassen jedoch diese schlussfolgerung zu. Die gewichtsabnahme der anfangs zu dicken mädchen vermerkten die dicker gewordenen jungs mit geringem applaus.
Der letzte tag im schloss, die rückfahrt mit schiff und zug nach Essen, die freude zu hause zu sein, eltern und bruder zu sehen, wieder in den klassenverband aufgenommen zu werden, von alledem hat sich nichts eingeprägt. Habe ich meinen eltern, meinem bruder, den klassenkameraden von meinen bedrängnissen erzählt? Ich vermute, ich habe sehr zurückhaltend und wortkarg berichtet.

4 konklusion
Die 6-wöchige, 42 tage lange residenz im Schloss am Meer hat kein angenehmes andenken hinterlassen. Allerdings registriere ich beim nachsinnen 65 jahre später auch keine mich traumatisierenden vorfälle im Schloss am Meer.
Im nachhinein ist mir das fehlen von männern im heim aufgefallen. Wir kinder hatten nur mit frauen zu tun. Ob man sie tanten nannte oder nennen musste ist mir entfallen. Wenn es onkel gegeben haben sollte, so blieben sie unregistriert im hintergrund. Die tanten begegnen mir im rückblick als gesichts- und namenslose wesen. Sympatie oder antipatie konnte sich deshalb nicht entwickeln. Bis auf eine ausnahme: tante Siegrid war etwas älter als die anderen. Mit ihr war es angenehmer, sie zeigte uns eine gewisse zuneigung. Aber auch sie war keine verschweigungspflichtige vertrauensperson, keine ombudsfrau, der man probleme hätte mitteilen können. Hatten die jungen tanten damals eine pädagogische ausbildung? Reichte als qualifikation zum umgang mit kindern möglicherweise nur ihre fertilen fähigkeiten als künftige mütter?
Ich habe keine royale hierarchie im schloss bemerkt. Eine majestätische obertante, verantwortlich für die vorgänge, hat sich nicht offenbart.
Ich schliesse für meine periode im schloss die in anderen berichten vermuteten medikamententests aus. Solche untersuchungen erfordern genaue protokollierung. Ich konnte das nicht beobachten. Gerade das erbrechen hätte genau aufgezeichnet werden müssen als unverträglicheitsindikator eines arzneimittels.
Im rückblick hatte die verschickung einige durchaus wünschenswerte wirkungen auf mein leben. Ich habe gelernt in einer gruppe fysisch anwesend zu sein ohne psychisch dazu-zugehören. Dies hat mir später geholfen, bei langweiligen konferenzen und besprechungen mich von den rednern abzukoppeln und mich gedanklich mit interessanteren dingen zu beschäftigen. Der ringkampf zur bestimmung des stärksten jungen hat in mir eine geringschätzung jeder korporation ausgebildet. An mannschaftssportarten habe ich nie gefallen finden können. Gegen die allergrösste, seinerzeit obligatorische nationale männergemeinschaft entwickelte ich eine starke abneigung. Meine kriegsdienst-verweigerung hat wahrscheinlich zu einem teil mit der kasernierten kur auf Föhr zu tun. Ich habe vermutlich im schloss eine erste vage antwort zur frage gefunden: Ist das, was alle tun, unbedingt richtig? Ist es richtig für mich?[5]
Für den norddeutschen tourismus resultierte meine vorübergehende anwesenheit auf Föhr in einer darauffolgenden fortwährenden abwesenheit. Wenn mir freunde erzählen, sie wollen ferien auf Föhr machen, so reagiere ich instinktiv mit dem gedanken: da fahr ich nicht hin. Föhr hat mir auch die ostfriesischen inseln versperrt. Die westfriesischen inseln Texel, Vlieland und Ameland habe ich dagegen oft besucht. Mit diesen inseln verbinde ich schöne erfahrungen. Als die direktflüge von Trondheim nach Amsterdam eingeführt wurden, sass ich bevorzugt auf der rechten seite und erfreute mich im anflug auf Amsterdam bei klarem wetter im westen Schiermonnikoog, Ameland, Terschelling und etwas weiter entfernt Vlieland zu erkennen. Die direkt unter mir liegenden deutschen inseln von Wangerooge bis Borkum nahm ich nicht wahr. Bei anderen flügen nach Amsterdam, auf der linken seite des flugzeugs sitzend, schaute ich interessiert auf die dänische küste, auf die inseln Fanø und Rømø bis zum gut zu erkennenden Sylt. Meine geografischen beobachtungen waren damit abgeschlossen; Föhr und die nachbarinsel Amrum bemerkte ich nicht.
Als unangenehmer langzeitschaden des heimaufenthalts vermute ich den 6-wöchigen ausfall des rechenunterrichts. Ich habe den fehlenden stoff zwar den regeln entsprechend aufholen können. Es ist aber möglich, das mir die lange unterrichtspause einen ganzheitlichen zugang zur matematik verwehrt hat.
Mein jüngerer bruder ist 1 oder 2 jahre später ebenfalls verschickt worden, nach Bayern.
Ihm haben die 6 wochen als verschickungskind gefallen. Es ging also damals auch anders.
Wir brüder haben allerdings untereinander nie wieder unsere heimaufenthalte erwähnt.
Erstaunlicherweise habe ich, das verschickte kind, aus der unangenehmen residenz im Schloss am Meer einiges positiv prägende mitnehmen können für den darauffolgenden lebenslauf.

5 epilog
Was ist aus dem kleinen mädchen geworden, das gefasst ihre kotze verschlang? Hat sie emotionelle langzeitschäden davongetragen? Sie verhielt sich aussergewöhnlich; ich vermute, sie hat die brechreizeregende dummheit der tanten nicht in ihre seele eindringen lassen. Warum haben wir kinder unser gemeinsames leiden individualisiert? Warum habe ich als 8-jähriger nicht dem gleichaltrigen mädchen geholfen? Ich war zu unterstützender solidarität nicht fähig.
Gewalt gegen kinder hat die kinderbuchautorin Astrid Lindgren (1907-2002) unmiss-verständlich kritisiert. Warum war es eine bewohnerin aus dem vom krieg verschonten Schweden, die gewalt gegen kinder als frevel bezeichnete? Warum entsprang aus dem leidzufügenden und leidenden volk der dichter und denker nach dem krieg nicht sofort eine gewaltfreie pädagogik? Warum gaben deutsche juristen ihren kindern keine besonderen rechte? Die UN-kinderrechtskonvention trat 1990 in kraft. In Deutschland wurden körperstrafen eine generation nach mir, ab etwa 1968 verpönt, dann 2000 unzulässig und 2001 strafbar.[6]
Hätten die tanten im Schloss am Meer wegen "schwarzer pädagogig"[7] angeklagt werden können? Hätten deutsche juristen, die nach dem krieg die beihilfe zum massenmord mit milden strafen verurteilten,[8] erzwungene emetofagie als justiziabel angesehen?
Die naziführer und nazitäter nannten in den gerichten als motivation für ihre mörderischen untaten den befehlsnotstand. Man hätte nach 1970 eltern, erzieher, lehrer und pädgogen nach ihren beweggründen zur gewalt gegen ihre kinder befragen müssen. Ein befehl lag nicht vor. Eine darlegung der gründe hätte die moralische schuld der täter und tanten aufgedeckt, reue und auch die bitte um verzeihung ermöglicht.


[1] https://verschickungsheime.de/ https://anjaroehl.de/ abgerufen am 18.2.22
[2] Ich danke Nike Knoblach für diskussionen, anmerkungen und korrekturen mit einem soziologisch-
pädagogischen blickwinkel.
[3] Jürgen Kuczynski, So war es wirklich - Ein Rückblick auf 20 Jahre Bundesrepublik, Staatssekretariat für westdeutsche Fragen, Berlin 1969, p. 113
[4] Ich kann mich an die genaue gewichtszunahme nicht erinnern. Es war aber sehr wenig im vergleich zu den anderen.
[5] Die beantwortung der frage „Ist das, was alle tun, richtig für mich?“ hat mir früh ermöglicht, gruppenzwängen auszuweichen. Alle rauchten zu meiner jugendzeit. Ich nicht. Einige soffen. Ich
war nie besoffen. Alle trugen bei feierlichkeiten anzug + krawatte. Ich sah keine praktische funktion dieser textilien. Alle assen alles. Ich kaute ab einem bestimmten zeitpunkt keine kadaver mehr. Ein relikt aus dem mittelalter, die deutsche unrechtschreibung, ersetzte ich mit der reformierten, gemässigten kleinschreibung. Die ausgrenzenden konsequenzen, manchmal auch die ermutigende anerkennung als aussenseiter nahm ich in kauf. Bemerkenswert ist eine
beobachtung, die mir während des schreibens zum ersten mal deutlich wurde. Alle machten zu meiner jugendzeit möglichst schnell den führerschein und kauften ein auto. Sie erlebten die neue mobilität als zunahme der persönlichen freiheit. Ich zögerte diese wünsche hinaus, folgte dann aber doch dem trend der altersgenossen. Ich erhielt problemlos meinen führerschein. Ich kaufte ein auto. Wollte es dann aber zu meiner überraschung gar nicht fahren. Ich überwand erfolgreich den fahrwiderstand und bin dann viel gefahren. Von Essen zum studienort Fribourg (Schweiz) und zurück mehrmals im jahr; lange autofahrurlaube führten wiederholt bis Rumänien und Griechenland. Gute erinnerungen mit dem auto haben sich nicht eingeprägt; die lebensgefährlichen episoden sind jedoch präsent. Allmählich verursachte mir das fahren auch von kürzeren strecken eine ungeheuere langweiligkeit. Es erhöhten sich zunehmend die sekundenschlaf-momente. Nachdem ich 10 jahre am steuer sass, beschloss ich eine autopause einzulegen. Auf 10 gute jahre sollten nun 10 schlechte jahre kommen (in anlehnung an die alttestamentliche weisheit: nach 7
reichen jahren folgen 7 hungerjahre). Ich fuhr das fahrzeug zum schrottplatz und erlebe nun seitdem ohne auto die umweltfreundliche unabhängigkeit. Ich habe keine autofobi. Ich fahre gern mit. Doch für mich ist autofahren einfach nicht mein ding. Ich vermute, die verschickung ins Schloss am Meer hat mir den keim gegeben, unannehmlichkeiten und unverträglichkeiten zu erkennen und zu vermeiden.
[6] Bundesgesetzblatt 2000 Teil 1 nr. 48, s. 1479; § 1631 Abs. 2, Bürgerlichen Gesetzbuches 2001
[7] Unter schwarzer pädagogik wird erziehung verstanden, die gewalt, einschüchterung und
erniedrigung verwendet.
[8] Frankfurter Ausschwitzprozesse 1963-1968 und spätere vernichtungslagerprozesse

Trondheim 18.2.2022

Zur person
Hans-Richard Sliwka, deutscher und schweizer staatsbürger, verheiratet mit einer griechin, die ebenfalls schweizerin ist, lebt in Trondheim (Norwegen). Die nachnamensgebenden vorfahren stammen aus Östereich-Ungarn, aus einer gegend, die heute in Polen, Tschechien und der Slowakei liegt. Geboren am 24.10.1948 in Essen, einschulung 1955, dann 1 jahr gymnasium, 6 jahre realschule, 3 jahre ausbildung als chemielaborant (chemieindustrie, berufsschule), arbeit als chemielaborant, danach abiturklassen. Seit november 1972 studium der chemie in Fribourg (CH), abschluss als diplomchemiker, anschliessend promotion. 1984 post-doc in Trondheim (Norwegen), darauf in Trondheim industriechemiker, dann universitätsangestellter mit aufgaben in forschung, lehre und administration. Seit november 2018 rentner.


Hans-Richard Sliwka
Skansegata 26A
7014 Trondheim
Norwegen

richard.sliwka@ntnu.no
0047 73525538
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Brigitte Wagner schrieb am 21.02.2022
Ich habe mit Interesse den Beitrag über die Verschickungskinder am 14.2.22 im TV verfolgt.

Nach Recherchen auf Ihrer Liste der Heime bin ich bisher nicht fündig geworden.
Ich erinnere, dass ich als Kind scheinbar auf Grund von häufiger Bronchitis verschickt wurde. Nach Beratung mit dem Hausarzt ( in Hamburg, Feldstr. oder Karolinenstr.) vermittelte das Bieberhaus (Hamburg / Hauptbahnhof) die Verschickung.

An Hand meiner Postkarten, die ich ins Heim bekommen habe, war ich ca.vom 20.2.1960. - 29.3.1960 letzte Postkarte im Haus Nordmark, Duhnen/ Cuxhaven.

Ich entsinne ebenso wie andere Kinder Schikanen in der Form, dass ich auf den Treppenstufen ( 2-3 kleiner Absatz) vor dem Schlafsaal sitzen musste bis alle anderen eingeschlafen waren, weil ich die Nachtruhe mit reden oder weinen gestört habe. Es war kalt im Treppenhaus und ich bin während der Kur erkrankt (mehrere Tage Fieber/ nachgelesen auf Karten an mich) und durfte nicht mit den anderen Kindern spielen.

Auch erinnere ich selber, dass mein Bett aus der Reihe genommen und an die andere Wand gestellt wurde.( weil ich störte)  Damit fühlte ich mich bestraft, aber es hatte den Vorteil, dass mein Bett nun so stand, dass wir alle von dort rückwärts gehockt ins Waschbecken uriniert haben, da wir nachts nicht zur Toilette durften.

Was das Essen anbelangt steht auf meinen Karten, dass ich nun wohl auch Milchsuppen und Pudding essen mag…. ich hasse diese Gerichte seit Jahrzehnten!

An Hand der Postkarten kann ich eine Tante Und eine Schwester als fürsorglich um unser „Wohlergehen bemüht“ benennen.
Als ich aus der Kur zurück kam hatte ich dann gleich Keuchhusten mitgebracht.

Ich fühle mich nicht traumatisiert, würde aber doch gerne wissen, ob auch dieses Heim dazu gehört und Ihnen evtl. von anderen ehemaligen Kindern bekannt ist.

Zu meiner Person : Mein Name war Brigitte Böbs,
geb. Nov. 1954 - also zur Zeit des Aufenthaltes 5 Jahre und 3 Monate alt.
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Christian aus Düseldorf schrieb am 21.02.2022
Mein kleines Auto hab ich so geliebt. Als Flüchtlingskind, mit den Eltern ein Jahr vorher aus Polen ausgesiedelt, gab es wenig Spielsachen. Dieses kleine Auto war ein Geburtstagsgeschenk zum 7. und ich wollte es unbedingt zur "Erholung" mitnehmen. Mit meiner zwei Jahre älteren Schwester und einer Karte um den Hals haben uns die Eltern in einen Zug gesetzt. In Buchau angekommen, wurden wir von lautem Personal getrennt, Mädels zu Mädels, Jungen zu Jungen (Kontakt während der "Erholungszeit" war nicht möglich). Wir mussten unsere Taschen leeren und durften nichts Persönliches behalten, das kleine Auto auch nicht.
Danach begann ein liebloser Befehl- und Gehorsam-Terror: Reden (und spielen mit anderen Kindern) nur, wenn es ausdrücklich erlaubt war. Essenzwang, egal ob man auf die eklige Puddingsuppe Appetit oder Hunger hatte. Schlafen im Schlafsaal, wenn es angeordnet wurde. Wer nicht sofort parierte wurde durch öffentliche Erniedrigung bestraft. Davor hatte jeder Angst Diese Angst begleitete einen vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Denn jede Kleinigkeit wurde geahndet. Nahezu militärisch durchgetaktet waren die Tagesabläufe. Viele sind dadurch Bettnässer geworden, die einen Socken an das Bettgestell knoten mussten, nächtens rau aus dem Schlaf gerissen wurden und so lange auf der Toilette verbringen mussten, bis das kleine Geschäft erledigt war. Die Zeit war alles andere als erholsam und kam mir wie ein nicht enden wollender böser Traum vor. Nur in der Nacht, in den Träumen, gab es noch eine gute Welt - und mein kleines Auto.
Dann nach sechs Wochen durften wir endlich unsere Sachen packen. Keiner konnte oder wollte mir sagen, wo mein kleines Auto war. Ich sah es nie wieder. Dennoch war ich heilfroh, Buchau auch ohne mein kleines Auto zu verlassen.
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Michelle schrieb am 21.02.2022
Ich war im Jahr 1978 mit sechs Jahren im Kinderheim Waldrennach. Wenn ich heute danach suche finde ich nicht wirklich etwas über das Heim. Aber ich habe den Bescheid des Sozialamtes, den meine Eltern damals erhalten haben. Bei meiner Einschulungsuntersuchung hat man festgestellt, dass ich etwas nervös war. Aufgrund dessen haben mich meine Eltern als Sechsjährige zum Bahnhof gebracht und in den Zug gesetzt. Danach habe ich sechs Wochen von Ihnen nichts gehört und kam zu Nonnen. Ich weiß zwar nicht mehr wie wir sie angesprochen haben aber optisch waren es Nonnen. Jungen und Mädchen waren getrennt. In meiner Erinnerung gab es zwei Haushälften. So war auch der Speisesaal getrennt, so dass sich Jungen und Mädchen nie begegnen (Einmal habe ich mich kurz mit einem im Speiseraum unterhalten können).Wir durften uns nicht unterhalten, durften nur zu bestimmten Zeiten auf die Toilette, mussten alles auf Essen, mussten gegebenfalls stundenlang am Tisch sitzen, wenn wir gebrochen haben mussten wir es entweder aufessen oder wegwischen, wenn wir nachts auf die Toilette mussten und erwischt wurden wurden wir eingesperrt und wenn man Pech hatte musste man dann immer noch. Ich kann mich erinnern dass ich im Duschraum eingesperrt wurde für die ganze Nacht und mein großes Geschäft nicht mehr halten konnte. Am nächsten Morgen musste ich es aufwischen während die anderen Kinder zugeschaut haben. Die Briefe wurden zensiert oder wir bekamen gar keine. Ich kann mich erinnern dass wir einmal bei der Schlachtung eines Schweines zuschauen mussten, dem die Kehle durchgeschnitten wurde und es elendig verbluten musste. Mir wurde der Kopf festgehalten. Wir hatten immer Angst vor Bestrafung und teilweise wurde auch Gewalt angewandt. Von meinem sechs Wochen Aufenthalt kann ich mich nur an kleine Bruchstücke erinnern und weiß, dass ich danach total traumatisiert war. Ich habe jahrelang Albträume gehabt.
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Birgit Hey aus Seeheim-Jugenheim schrieb am 21.02.2022
71/72 Durch Zufall habe ich den TV Beitrag im NDR gesehen und bin so auf diese Internetseite gestossen . Bis heute hab ich gedacht , das es nur in meinem Kinderkurheim so zugegangegangen ist, wie schrecklich, das es allen Verschickungskindern so ergangen ist! Auch ich erinnere mich an das Zwangsessen und das nächtliche Toilettenverbot. Seit damals bekomme ich sofort Kopfschmerzen, wenn ich pinkeln muß und keine Toilette ins der Nähe ist...Ja, viele Berichte sind sich in der Sache ähnlich .
Ich habe seither oft von diesen Erlebnissen erzählt , sogar im Urlaub 2 MAL Menschen getroffen, die im selben Kurheim gewesen sind.
Zwar lange später, aber da hatte sich noch nichts gebessert.
Ich habe sehr darunter gelitten, das ich meinen Eltern nicht "echt" schreiben durfte, sondern man mir jeweils wöchentlich einen Brief diktiert hat.
Pakete von Daheim wurden geplündert, die Sachen mir nicht ausgehändigt.
Nach ca. 3 Wochen habe ich mal geholfen, beim Koffer auspacken der Neuankömmlinge.
Ich durfte Süßigkeiten behalten und andere Dinge, die in den Koffern waren.
Nun wußte ich, wie meine eigenen Sachen verschwunden sind! Die "Tante hat hauptsächlich das Geld an sich genommen....Allerdings muß ich sagen, das dort auch Betreuerinnen waren, die sehr lieb mit uns Kindern umgegangen sind. Aber es gab eben auch die BÖSARTIGEN.
Auch ich wurde in dem Kurheim gemästet, nur dicke Kinder sind ein Kurerfolg....Das täglich ein Kind erbrochen hat, war der blanke Horor
Nachts bloß nicht weinen und um Gottes Willen nicht aufs Klo müssen, das wurde mit Ohrfeigen betraft!
Ich glaube, ich hab 6 Wohen lang Nachts still ins Kissen geweint und gedacht, ich sehe meine Eltern nie wieder...Ich bezeichne diese Zeit immer als "Kinderknast".
Es ist furchtbar traurig, das alles so spät ans Tageslicht kommt, die Verantwortlichen kann man sicher nicht mehr zur Rechenschaft ziehen, weil wohl kaum noch jemand von damals lebt....
Alles was ich aus den ganzen Erfahrungsberichten lesen konnte, es war ein Albtraum für uns Verschickungskinder
Viele haben lebenslang damit zu kämpfen, was sie in dieser Kinderkur erleben mußten. Die Nordsee ist seitdem für mich kein Ort, um einen Urlaub zu verbringen, weil mit viel zu düsteren Erinnerungen verbunden. Im TV Beitrag wird sogar erwöhnt, das in vielen Heimen Medikamentenversuche mit den Kindern gemaht wurden, das ist grauenvoll. Ich war jedenfalls mit 10 also ein Jahr nach meiner Kur bereits schlagartig "Erwachsen" bekam meine Periode, das ist doch nicht normal???? Wüßte heut gerne , ob es da einen Zusammenhang mit dieser Kur gibt????
Nach meiner Rückkehr hatte ich auch ein anderes Verhältnis zu meinen Eltern. Ich konnte es ihnen nicht verzeihen, das sie mir zugemutet haben, 6 Wochen alleine solchen Menschen/Zuständen ausgeliefert zu sein und das ohne jeden Heimatkontakt .
Zuerst haben mir meine Eltern diese "Schauermärchen" gar nicht geglaubt.
Die "Tanten" hatten ja nur positives zu berichten....und Kinder phantasieren sich nur was zusammen....
Erst als wir "Leidensgenossen" besucht haben, wurde klar, das ich mir nichts ausgedacht habe.
Mein Vater hat beim Axel -Springer Verlag gearbeitet und ich wurde von der dazugehöhrigen BKK verschickt.
Vater hat später beim zuständigen "Chef " vorgesprochen und die Zustände geschildert . Angeblich wurde damals dafür gesorgt, das kein Kind eines Betriebsangehöhrigen mehr dort hingeschickt wurde.
Nur traurig zu lesen, das es sozusagen überall in den VERSCHICKUNGSHEIMEN so zugegangen ist und ich nicht nur in einem bedauernswerten "Einzelfall" untergebracht war.
Ich wünsche all den Verantwortlichen von damals , sofern sie noch leben, das sie hoffentlich noch irgendwo und irgendwann eine Strafe erhalten! Schade, das siese Intitiative so lange gebraucht hat, um zu wachsen, wir alle hätten viel früher inseren Mund aufmachen sollen....
Warum haben wir ALLE solange gewartet???
KINDER leiden scheinbar STILL UND STUMM und alles wird Ewigkeiten verdrängt.
Vielleicht finden sich Leidensgenossen aus meiner Zeit, die auch im gleich Heim untergebracht waren???
ALLES GUTE
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Angela aus Bad Dürrheim schrieb am 21.02.2022
Hallo, Dagmar, ich habe deinen Bericht gelesen und mich gefreut, dass du so positiven Bericht geschrieben hast. Natürlich kann man das alles im zeitlichen Zusammenhang sehen. Und viele haben das auch gemacht. Stell dich nicht an, Andere haben schlimmere Erlebnisse gehabt, es war die Zeit, Kindheit wie heute gibt es nicht. So haben wir das Jahre lang gemacht, und vieles ist in Versenkung gelandet. Trotzdem hatten wir eine Seele, trotzdem hatten wir schlimme Dinge erlebt, die , ich spreche von mir, die mich geprägt haben. Einseimkeit, Isolation, kein Vertrauen, immer krank, selbstmordgedanken. Heute, besser seit 2 Jahren, verstehe ich die Zusammenhänge, und mache eine Traumatherapie. Höre auf, alles schön zu reden. Und meiner Familie und Umwelt und mir! tut es gut, zu diesem kleinen verletzten Kind zu schauen. Es war schrecklich. Und es tut gut, dass man nicht allein ist. LG Angela
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Huefler, Christina aus Hamburg schrieb am 20.02.2022
Während des Essens gesprochen. Wurde daraufhin in Unterwäsche mit zugeklebtem Mund zum Schlafappell vor die Tür der Schlafräume plaziert. Nur um ein Vergehen zu nennen. Müsste ich nicht wieder haben und hat mich ich als Kind bestimmt traurig gemacht. Aber nun 50 Jahre später ist mal Schluss. Bis zu Ihrem Bericht habe ich nicht ein einziges Mal dran gedacht und werde es auch so beibehalten. Es tut mir leid für die, die unter den Umständen noch immer leiden. Ich wünsche Ihnen alles Gute
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Sabine aus NRW schrieb am 20.02.2022
Ich bin Sabine, geboren im Mai 1963. Im Frühjahr 68 war ich in Sylt, da war gerade 5 geworden. Ich war immer klein und dünn und verschnupft, da gab man meinen Eltern den Rat mich auf eine Kinderkur zu schicken. Ich kann mich an eine lange Bahnfahrt von BW nach Sylt erinnern und dass ich entsetzlich Heimweh hatte und viel geweint habe, was ich nicht durfte. Ich erinnere mich an ein Gitterbett und dass ich ständig ausgeschimpft wurde, weil ich nachts nicht trocken war. Noch heute fühle ich mich entsetzlich, wenn ich daran denke. Irgendwann durfte ich zum Strand und mit den anderen Kindern essen. Das war fast noch schlimmer. Ich sollte riesige Portionen Grießbrei und Hafrebrei essen, was ich verabscheue und stundenlang am Tisch sitzen, um zu essen. Das mit dem Erbrochenen aufessen kommt mir bekannt vor, hab den Geruch in der Nase. Ob ich das gemacht habe, weiß ich nicht mehr. Meine Eltern haben mir wohl Süßigkeiten und Kleidung geschickt, die ich nie bekam. Nur die Karten, die mir mein Vater geschrieben hat. Daher weiß ich auch das Datum. Vieles ist wie im Nebel und es kommen nur Bruchstücke…es ist, als ob sich etwas in mir an das Erinnern wehrt. Als ich wieder zu Hause war, habe ich meine Eltern und Geschwister nicht erkannt und war teilnahmslos. Eingenässt habe ich zu Hause auch noch. Ich sollte mich deswegen schämen, und das tue ich glaube ich heute noch…Ein Jahr später war ich dann im Schwarzwald zur Kur, ich weiß nicht wo, nur dass es Inhalationen gab. Daran habe ich sehr wenig Erinnerungen. Die Aufenthalte waren jeweils 6 Wochen.
Es tut sehr gut, darüber zu schreiben und sich hoffentlich mit anderen ehemaligen Verschickungskindern auszutauschen zu können um endlich alles aufzuarbeiten.
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Karin schrieb am 18.02.2022
Ich war als 11jährige für 6 Wochen wegen Untergewichts dort und kann Postzensur, Einbehalten von Geschenkpaketen und Zwangsessen (einen großen Teller gewürfelte Möhren nach vorherigem nächtlichen Erbrechen) erinnern. Es gab auch nette junge Tanten, die trotzdem unwürdige bis traumatisierende Umgangsweisen mitgetragen haben. Alles in allem keine besonders schöne Zeit.
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Vicky schrieb am 18.02.2022
Ich war mit 4 Jahren im Kraushübel im Morgenröthe Rautenkranz. Ich habe einige Bruchteile an Erinnerungen. Eher negativer Art. Bürstenmassagen in der Reihe stehend, essen bis zum umfallen. Ich war zu dünn,durfte mehr essen und wurde durch andere Kinder mit kleineren Portionen gemobbt. Nachts war es am schlimmsten. Ich hatte starkes Heimweh. Gefühle von klein sen,allein sein und au h wertlos sein begleiten mich.

Gibt es jemanden,der in dieser Zeit ebenfalls dort war?!
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Monika Dombrink aus Rietberg schrieb am 17.02.2022
Eigndlich liebe ich die Insel und bin Immer wieder von der Insel begeistert. Dennoch wünsche ich mir einfach das ich mich besser an die Zeit erinnern kann. Ich war mit meinem Bruder zur Erholung da. Er wohl in einem Schlafzimmer mit 8 jungen und ich war erst 5 Jahre alt mit zwei kleinen Mädchen. Speiseraum waschkeller lange Spaziergänge nonnen und Erzieher. Bestrafung gab es auch müsste in der Mittagspause in der Ecke stehen im Schlafzimmer der oberin. Nachdem ich mal eingenaesst habe wurde ich nackt auf einem Stuhl gesetzt im Flur bis mein Bett fertig war. Ich durfte erst raus zum Spielen wenn ich es geschafft habe meine Schuhe zu binden. Und da ich zunehmen sollte bekam ich Schmalz Brote zu den Mahlzeiten, die ich essen musste. Ein Päckchen von Oma mussten wir mit allen t eilen...
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Carola Wolff aus Berlin schrieb am 17.02.2022
Aufgrund der Berichterstattung bin ich im Zuge meiner Zraumatherapie auf dieses Thema gestoßen.
Ich muss etwa 8 oder 9 Jahre alt gewesen sein, als ich zur 6wöchigen Kur nach Juist verschickt worden bin. Meine Grundschule war die Zürich- Grundschule in Berlin Neukölln.
Wer war noch mit? Wer kann sich erinnern? Was haben die dort mit uns gemacht?
Seit Jahrzehnten quäle ich mich mit Verlustängsten und absoluter Leere und Traurigkeit.
Ganz kleine Erinnerungen:
Süßigkeiten wurden geklaut
Briefe zensiert

Ich danke für Rückmeldungen
Carola Wolff
aus Rudow
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Elisabeth aus Sehnde schrieb am 16.02.2022
An was ich mich erinnere: Es muss im Jahre 71 oder 72 gewesen sein. Ich kam aus Bergisch Gladbach. Der Kinderarzt hatte meinen Eltern empfohlen, mich in
eine Kur zu schicken, da ich Untergewicht hatte. Ich war ein sehr mutiges, lustiges und intelligentes Kind, dennoch wollte ich nicht alleine fahren. So wurde auch meine gleichaltrige Kousine mitgeschickt.
Wir freuten uns darauf, weil wir sehr befreundet waren. Wir waren 4-5 Jahre alt.
Das Haus war in meiner Erinnerung direkt am Strand, es gab einen Holz-Steg am Meer entlang, auf dem wir spazieren gegangen wurden (wir durften nicht ans
Meer, obwohl so nah). In dem Haus gab es mehrere große Schlafsääle mit Betten in ca 1, 5 m Abstand an einer Seite in dem Saal, wo ich mein Bett hatte. Auf der anderen Seite waren eine Art Wickeltische. Es muss einen weiteren Schlafsaal gegeben haben, denn meine Kousine habe ich die 6 Wochen meines Aufenthaltes nicht gesehen, wir wurden bewußt getrennt. Es gab einen lichten Raum mit großen Fenstern, wo wir Kinderlieder sangen.
In meinem Gehirn ist das Lied, "Es war ein kleines Segelschiffchen" eingebrannt.
Es gab einen Essaal, aber daran erinnere ich mich nicht mehr so genau, nur dass ich dort Stunden über Stunden sitzen musste, bis ich mein Essen aufgegessen hatte.
Dann gab es ein Zimmer mit einem Schrank, in dem die Spielsachen weggeschlossen waren. Einige wenige auserwählte Kinder durften damit spielen, ich war leider nie dabei. Und es gab Toiletten mit mehreren Toilletten nebeneinander abgetrennt
durch Zwischenwände, aber in meiner Erinnerung ohne Türen. Diese
Toilettenanlage war direkt neben den Schlafsäälen, ich konnte sie von meinem Bett aus sehen, das Licht war immer an und nachts wurden Kinder, die einen Strumpf ans Bett gebunden hatten (als Zeichen, dass sie ins Bett machen könnten) mehrfach geweckt und mussten dort unter Aufsicht pinkeln. Kinder, die dennoch ins Bett machten, mussten am Morgen mit
ihrer Bettwäsche an die Wickeltische treten und wurden bestraft (Schläge und Beschimpfungen). Ich hatte große Angst vor den Aufseherinnen, die sehr viel schimpften und schlugen.
Ich konnte bereits ganz gut lesen und schreiben (meine Schwester kam in die Schule,als ich 4 war und ich habe es einfach mitgelernt) Ich hatte mit meiner Mutter verabredet, dass ich ihr jeden Tag schreibe und male, was ich sehe und erlebe und sie mir. Ich habe das getan, ich bat sie, mich abzuholen. Schrieb, dass man uns schlägt und ich nur den ganzen Tag
zum Essen gezwungen werde. Die Briefe gab ich den Aufseherinnen. Diese wurden aber nie abgeschickt. Die Briefe meiner Mutter wurden mir nicht
ausgehändigt. Andere Kinder bekamen Briefe und Pakete von den Eltern, aber ich erhielt nichts. So hörte ich nichts von ihr 6 Wochen lang, sah meine Kousine nicht und habe gedacht, dass ich nie wieder nach Haus komme. Ich dachte, meine Eltern hätten beschlossen, mich für immer in ein Heim zu geben und mich nur angelogen, dass das eine schöne Kur am Meer sei. Ich
fragte nach meiner Kousine, bekam aber keine Antwort. Überhaupt gab es wenig Gesprächsmöglichkeit mit anderen Kindern oder Erwachsenen. Es wurde nicht gewünscht und so verstummte ich mehr und mehr. Nur die
Singstunden sind mir als schön in Erinnerung geblieben, weil ich da einfach singen durfte.
Bei den Spaziergängen mussten wir in Reih und Glied auf den Holzstegen gehen, an Mützen kann ich mich nicht erinnern. Nur das wir komplett angezogen waren und an das Meer in Reichweite, die Muscheln, die ich so gerne angefasst oder gesammelt hätte. Aber wir durften uns nicht aus der Reihe bewegen. Stattdessen wurden wir aufgefordert "Ein Hut ein Stock ein Regenschirm und vorwärts rückwärts seitwärts ran zu sprechen und in diesem Rhythmus zu marschieren.
Am Ende der Kur erhielten wir als Geschenk einen Plastikleuchtturm und gefärbte Muscheln und einem Säckchen. Ich habe das sofort weggeschmissen. Ich hatte mindestens sehr zugenommen, sprach nicht
mehr und wollte auch gar nicht mehr essen (die Kilos waren in Kürze wieder runter. Ich hatte dann Jahre Land ständig Blasenentzündung (psychosomatisch vermute ich, weil ich dort immer einhalten musste und daher so gut wie nichts mehr trank, um nicht ins Bett oder in die Hose zu machen, da ja die Toilettengänge stark eingeschränkt waren und ich mich vor den offenen Toiletten fürchtete. Meine Kousine konnte sich an nicht erinnern, auch sie war stumm, traurig und fett gefüttert worden. Was ihr
passiert ist, weiß ich nicht, als Jugendliche ist sie krank psychisch erkrankt, sprach davon vergewaltigt worden zu sein (wo das sagte sie nicht) und starb mit 40 in der geschlossenen Psychatrie.
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Wilfried Prins aus München schrieb am 16.02.2022
Abspecken im Kinderheim
ei uns Kindern aus´m Kohlenpott bestand ja immer der
Verdacht einer gesundheitlichen Fehlentwicklung, von
Lungenkrankheit über Hautunreinheiten und anderen
allergischen Auffälligkeiten bis zur Mangelernährung. Der Arzt
beim Gesundheitsamt, der meine Schulreife feststellen sollte,
fand aber nur ein Loch in meinem Herzen. So sagte er es
jedenfalls wörtlich meinen Eltern. Die rannten natürlich total
besorgt sofort zu unserem Hausarzt Dr. Spieker. „Der Junge hat
ein Loch im Herz!“ Dr. Spieker setzte sein eiskaltes Stethoskop
auf meine junge Brust und klopfte und horchte das ganze zarte
Oberkörperchen ab, aber so viel er auch horchte und klopfte,
von Loch keine Spur. Statt Lochbehandlung empfahl er aber
ganz dringend einen 6wöchigen Aufenthalt in gesunder
Nordseeluft. So eine Kurmaßnahme bezahlte zum Glück die
Gesundheitsfürsorge der Zeche, bei der mein Vater malochte.
Die wollte ein wenig gutmachen für all die Sauerei, die sie mit
Abgasen aus Gruben und Kokereien anrichtete.
So stand ich dann – bald nach der Einschulung - an einem
trüben Vorsommertag an einem Nebengleis des Essener
Hauptbahnhofs - ein Schild mit meinem Namen um den Hals,
ein Köfferchen aus Karton ins feuchte Händchen geklammert -
und wurde in einen Waggon verfrachtet. Mit 200 anderen
Kohlenpottblagen. Noch nie war ich weiter als mit der
Straßenbahn nach Duisburg gekommen – und jetzt gleich an die
Nordsee! Ans Meer! Vorne pfiff die Dampflok und schleuderte
kleine schwarze Brocken und diesen unvergesslichen Duft nach
verbranntem Koks ins Abteil, wo ich heulend mit vielen
anderen Pimpfen einem ungewissen Schicksal entgegensah.
Tief durchatmen! Es begann ein mich heute noch belastender,
ein alptraumhafter Aufenthalt im „Kinderheim Bremen“ auf der
B
Insel Norderney!
Mein Bett, ein quietschendes Metallgestell, stand in einem
Riesenschlafsaal, zusammen mit zwanzig oder dreißig
weiteren. Meines war rechts vom Eingang aus, gleich das erste.
Das war sehr praktisch für die allabendlich hereinstürmende
Nachtschwester. Die brauchte dann nicht lange nachzuforschen
oder an der Tür zu horchen, wer vielleicht nicht sofort die
Klappe gehalten oder den Witzbold oder Quertreiber abgegeben
hatte. Die diensthabende Tante konnte reinrauschen, mir immer
ganz schnell die Schlafanzughose runterziehen und den nackten
Hintern versohlen, wenn nicht sofort nach dem Zubettgehen
absolute Stille einkehrte. Auf den bloßen Hintern. Mit meinem
eigenen Pantoffel! Der stand praktischerweise gleich unterm
Bett. Immer ich! Fand ich ganz schwer ungerecht, denn nicht
immer ich hatte komische Geräusche gemacht oder dumme
Sachen in den dunklen Schlafsaal gerufen. Da gab es auch
andere. Aber mein Hintern war der nächstliegende. So ist es nun
mal im Leben, lernte ich: Irgendein Arsch muss immer dran
glauben.
Zur Vorbeugung vor Rachitis mussten jeden Abend, vor dem
Abendessen, alle Kinder antreten und einen Löffel mit
Lebertran - purem, reinem Lebertran – schlucken. Nicht dieses
verfeinerte Zeug mit Apfelsinengeschmack und den
strahlenden pausbäckigen Kindchen auf der Flasche, das später
in allen Drogerien auftauchte - nein, reiner unverfälschter
stinkender Tran. Es gab dann zwar ein Eckchen Schwarzbrot
dazu, damit man nicht gleich erbrach, nicht direkt auf den
Löffel. Aber eine Tortur war es dennoch. Ich glaub, die
Walfangflotte lag direkt vor Norderney und lieferte dieses
gelbe, ekelhafte dickflüssige Öl schnurstracks und fangfrisch
per pipeline ins Kinderheim Bremen. Sich vor der Einnahme zu
drücken war schier unmöglich. Auf ewig in meiner Erinnerung
verankert ist, dass sich ein Kind auf einen Teller übergab und
dennoch gezwungen wurde, das Eingebrockte auszulöffeln.
Im Gegenzug zu diesen hartherzigen Kleinkinderquälereien hab
ich die Tanten auf einem anderen Gebiet mit meiner kindlichen
Finesse ausgetrickst. Und zwar so: Alle Mahlzeiten wurden
gemeinsam in dem großen Speisesaal eingenommen und man
saß immer am selben Platz. Meiner war ganz außen an der Ecke.
Zu meinem großen Abscheu gab es häufig eine Eintopfsuppe
mit ekligen dicken fetten Speckstücken drin. Noch heute, als
Erwachsener, puhle ich sorgfältig jedes erkennbare kleinste
Fisselchen Speck aus jedem Essen heraus, schneide bei
Schinken und Wurst jeden Fettrand ab. Keine Ahnung, woher
diese Abneigung schon im zarten Kindesalter kam, denn
eigentlich war es in der ersten Nachkriegszeit bis weit in die
Fünfziger hinein, geradezu erstrebenswert, möglichst fett zu
essen. Da saß ich armer Knirps nun, die barschen Tanten im
Nacken. Die peilten wie die Erdmännchen in der Kalahari und
wachten wie die Geier in den Anden, dass jedes Essen an den
Ort kam, für den es bestimmt war. Und die Speckstückchen in
der Suppe blickten mich an. Und es schüttelt mich vor
Widerwillen.... Ich bin stolz darauf, dass ich gleich zwei Tricks
gefunden habe, den Speck an einen Ort zu befördern, den die
geiernden Schwestern nicht kannten.
Für die erste Trickserei hab ich meine Hosentasche benutzt. Da
hinein ließ ich die kleinen Speckwürfel gleiten. Wenn die
wachsamen Augen der Schwestern mal nicht auf mir ruhten,
flutschte der Speck in meine Hose. Das nenn ich Abspecken!
Wenn das nicht mal raffiniert war! Das ging natürlich nur in
begrenzter Menge, denn irgendwann fetteten die Dinger durch
oder fingen an zu stinken oder zu schimmeln. Das war dann
doch etwas zu verräterisch in der Hose. Also musste ein
weiterer Zaubertrick her.
Das „Kinderheim Bremen“ war ja nun nicht das allerneuste.
Meine heutige Recherche lieferte mir den Nachweis, dass es
bereits in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als
„Kinderheim Dresden“ und sogar schon 30 Jahre vorher als
„Gasthof Frisia“ auf Norderney geführt wurde. Erst 1954
pachtete es das Land Bremen. Wie da die Drähte zu den
Ruhrgebietszechen gezogen wurden, ist nicht mehr
nachvollziehbar. Wegen dieses Alters war die Bausubstanz
entsprechend ein wenig marode – gerade richtig für meinen
Speck-weg-Trick. Ganz einfach hinter die nächst erreichbare
Fußleiste schieben! Die stand ein Stück von der Wand ab und
nahm bereitwillig alles auf, was mir nicht schmeckte. Dafür den
Ratten um so besser.
Das war´s: Ein neues Abspeckprogramm! Einige Zeit später
wurde das Heim abgerissen: Abspecken in letzter Konsequenz.
Die letzte Stufe meiner Rache

Diese Geschichte wurde entnommen meinem Buch "Bevor ich mich vergesse" von
Wilfried Prins
Boxberger Str. 20            80939 München
Tel. 089 32667725   oder   0178 1562436
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Irene Müller aus Lippetal schrieb am 16.02.2022
Ich war 3 Monate in diesem, von einem Ehepaar geführten Haus, die Familie wohnte mit einer Tochter auf dem Grundstück. Ich war wegen Allergien unanschaulich einer Gürtelrose dort, 3 Monate waren für mich eine schier unfassbare Zeit und ich litt unter entsetzlichen Heimweh! Briefe nach Hause wurden zensiert. Die Frau hatte, nach meiner rückblickenden Einschätzung massive psychische Probleme, die sie an den Kindern ausließ. Beim Essen gab es Kniffe und Kopfnüsse für falsches Verhalten, z. B. Nicht gerade sitzen, Quatsch machen usw. Sämtliches „ Felverhalten „wurde mit Ausgrenzung, Bloßstellung und Entzug von Privilegien ( z. B. Sportlichen Aktivitäten, bestraft und es gab körperliche Züchtigung. Häufig musste ich vor dem Schlafraum alleine auf einer Pritsche schlafen, da ich den anderen Kindern im Dunkeln Geschichten erzählt habe. Mir selbst wurde häufig so stark an den Haaren gezogen, dass ich die büschelweise herausziehen konnte, diese habe ich in einem „gedchmuggelten“ Briefnach Hause geschickt, darauf wurde mir meine Kleidung weggenommen und ich bekam nur einmal die Woche die Gelegenheit mich neu anzuziehen. Das abendliche , gemeinsame Singen wurde mir untersagt, nachdem meine Mutter in dem Heim angerufen hatte.
Ich musste in dieser Zeit dort die Schule besuchen, was eine ziemliche Katastrophe war, da ich das bayrisch kaum verstand.
An meinem 11 Geburtstag bekam ich ein Päckchen und außer derKleidung wurde alles verteilt.
Diese 3 Monate haben mich sehr verunsichert und ich habe , wieder zu Hause vor allem an meinen Eltern gezweifelt, ich konnte nicht glauben, dass Eltern ihrem Kind so etwas antun unshaven nach Hinweisen gesucht, dass sie gar nicht meine Eltern sind… es hat mein Grundvertrauen massiv erschüttert und hatte auch schulische Probleme zur Folge.
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Murzik schrieb am 15.02.2022
Hallo Christoph,
wie alt warst du damals, als du im Ponyhof warst?
Als wir mit dem Zug in Berchtesgaden ankamen, wurden wir selektiert. Alle unter zehn Jahren sollten zum Ponyhof und alle über zehn Jahre an den Königssee. Keine Ahnung, wie, aber ich als 9 10/12 Jahre alter Junge stellte mich einfach für den Königssee an. Und es klappte. Ob das nun gut oder schlecht war, weiß ich nicht. Irgendwie waren die beiden Häuser auch unter einem Dach, jedenfalls haben wir den Ponyhof bei einer Wanderung auch mal besucht, In der Nähe war wohl auch eine Forellenzucht. Jedenfalls hat Herr Hübner dort ein paar Forellen gekauft.
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Jochen schrieb am 15.02.2022
Hallo,
auch ich war für sechs Wochen in diesem Heim, das damals von einem Ehepaar mit dem Namen Hübner geleitet wurde.

Viele Grüße
Jochen
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Thorsten Pfau schrieb am 15.02.2022
Ich war im Alter von 9 Jahren ebenfalls in den Sommerferien 1972 zur Kur im "Haus Lieselotte" in Braunlage. Den Heimleiter, einen Herrn Ramm habe ich noch als feundlich und zugewandt in Erinnerung, anders als die "Tanten", deren Willkür man sich tagsüber ausgeliefert fühlte. An das "Zwangsessen" kann ich mich auch noch erinnern, insbesondere anm eine furchtbar schmeckende Milchsuppe. Ich esse sowas bis heute nicht mehr. Besonders belastend empfand ich die Kontaktsperre zu den Eltern. Wir durften zwar schreiben, aber nur Postkarten, die von den Tanten gelesen wurden. Gefiel ihnen der Inhalt nicht, z.B. weil man sich über die Zustände oder einfach über das Heimweh beklagte, wurden sie nicht abgeschickt. Mir gelang es, eine Postkarte raus zu schmuggeln, auf der ich meinen Eltern schrieb, sie sollen mir keine Pakete mehr schicken, weil diese von den "Tanten" geöffnet und der Inhalt unter allen Kindern verteilt wurde. Darauf hin rief mein Vater den Heimleiter an und beschwerte sich darüber. Es gab einen riesen Ärger für mich.
Die Ausflüge und Wanderungen habe ich allerdings noch positiv in Erinnerung. Auch wenn das Konzept dieser Einrichtung sicher Lichtjahre vom pädagogischen Standard selbst der 70er Jahre entfernt war, kann für mich trotz der negativen Eindrücke nicht sagen, dort in einer Weise traumatisiert worden zu sein, wie dieses andere Kinder schildern. Aber ich hatte wohl nur Glück. Ich kann mich an ein Kind erinnern, dass furchtbar unter Heimweh litt und häufig ins Bett machte. Der Junge wurde von dem Personal beschimpft und erniedrigt, ebenso ein anderesKind, das stotterte. Die dürften den Aufenthalt wohl in ganz anderer Erinnerung behalten haben. Wie falsch und ungerecht das war, habe ich selbst in meinem Alter schon gespürt. Ich war froh, dass man mich in Ruhe ließ.
Das Haus existiert heute nicht mehr, dort steht jetzt eine Wohnanlage mit Ferienwohnungen.
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Bine H. aus München schrieb am 15.02.2022
Ich lese nun schon so lange mit - und denke mir immer, wieso erinnere ich mich nicht an die Zeit im Kurheim Quisisana. Ich war 11 Jahre jung und es war 1978. Es gibt nur Bruchstücke an Erinnerung. Einzelne Szenen.
Ich erinnere mich an die Hinfahrt, die ich sehr aufregend fand. Ich war nicht schüchtern und hatte auch keine Angst für einige Wochen von zu Hause weg zu sein. Ich war begeistert, wir hatten ein Abteil für uns, waren vier oder fünf Kinder und eine Frau als Betreuerin. Vom Münchner Hauptbahnhof ging es nach Hamburg Altona. Dort stiegen wir um und bekamen neue Betreuer.
Verschickt wurde ich über die Postbeamtenkrankenkasse, denn Papa war Postbeamter.
Und ich war angeblich zu dick, ich sollte abspecken. Ich erinnere mich, dass ich zu dieser Zeit das erste Mal überhaupt merkte, dass ich zu dick sei. Und ich erinnere mich, dass mein Abnehmen nicht sehr von Erfolg gekrönt war. Ich nahm gerade mal 3 Kilo ab in diesen 6 Wochen und das war nicht zufriedenstellend. Von wem das nicht zufriedenstellend war, weiß ich leider nicht mehr. Ich finde es heute auch echt interessant, dass ich mich genau daran so sehr erinnern kann.
Aber dieser Gedanke, nicht gut genug an mir zu arbeiten und deswegen zu dick zu sein, der zieht sich durch mein Leben. Heute bin ich sicher, dass ich wegen dieser KUR damals erst meine zeitweise schlimme Adipositas und meine Essensproblematik her habe. Bis heute... immer extrem, entweder extrem viel am Essen mit viel, viel schlechtem Gewissen und Hass auf mich selbst, oder mit überhaupt keinem Essen mehr und schneller Abnahme.
Ich erinnere mich dann aber nicht mehr, wie wir am Bahnhof St.Peter Ording ankamen. Einzige Erinnerung ist das wunderschöne Reetdachhaus, das damals der Inhaberin des Hauses Quisisana gehörte und bewohnte. Dieses Haus fand ich ganz toll und machte schon in den ersten Tagen ein Foto davon.
Und nun hört es schlagartig auf mit Erinnerungen. Es gibt eine, da geht es um Kürbiskompott. Ich dachte, das ist Aprikosenkompott was ich von Zuhause her kannte und mochte und nahm mir davon eine kleine Schüssel. Beim ersten Bissen allerdings war mir klar, dass es etwas ganz anderes sein muss. Es schmeckte widerlich. Ich musste dieses ekelhafte Kürbiskompott aufessen. Seitdem habe ich nie wieder Kürbis gegessen.
Dann erinnere ich mich an eine Krankenphase - wieso weshalb warum weiß ich nicht mehr. Ich weiss aber noch, dass wir zu dritt zu den Dünen durften, was ich genial fand und nahm meine alte Kamera mit, die nur Schwarz/Weiß Bilder machte und auf die ich total stolz war. Ich fotografierte damals dann die beiden anderen. Dieses Bild klebte ich zu Hause dann in mein eigenes Fotoalbum und schrieb die Namen von Beiden dazu. Ich erinnere mich nur anhand dieses Bildes an diese Szene und weiß noch, dass mir dann meine Kamera weggenommen wurde. Man verbot mir auch, das Reetdachhaus zu fotografieren. Komisch finde ich heute, da ich ja mehrere Filmrollen dabei hatte, dass nur drei Bilder etwas geworden waren. Rest war schwarz.
Dann gibt es eine Erinnerung des Zimmers. Denn mein Bett stand nicht wie die anderen in Reihe sondern stand quer, da die Heizung im Weg war. Ich fand, als ich mich mit dem Thema Verschickungskinder auseinandersetzte ein Bild im Netz, was genau dieses Bett zeigt.
Dann erinnere ich mich an eine Plage mit fliegenden Ameisen. Es waren Tausende, gefühlt Millionen von fliegenden Ameisen in unserem Zimmer. Der Boden war übersät damit, die Wände waren voll, unsere Betten - alles. Bis heute weiss ich nicht, war das nur ein Albtraum oder Real. Seitdem habe ich aber Panik, wenn ich ein Insektensummen höre.
Ansonsten ist nichts da an wirklicher Erinnerung. Immer wieder, besonders wenn ich andere Geschichten höre/lese, habe ich das Gefühl da möchte etwas hoch, aber es ist wie hinter einer Nebelwand versteckt.
Ich habe meine Mutter mit dem Thema konfrontiert, die das alles einfach nur abtut. Auch hat sie keine Unterlagen mehr von damals. Sie selbst war allerdings in den 60er Jahren auch in einem Lungensanatorium für fast 2 Jahre und hatte auch dort keine schönen Erinnerungen. Aber bei mir waren es ja nur 6 Wochen. Sie meint, ich würde mich jetzt davon anstecken lassen, weil ich von anderen gelesen habe. Es verletzt mich. Obwohl ich heute 55 Jahre bin und mir eigentlich die Meinung meiner Mutter total egal sein könnte. Ist es aber nicht. Es ist ein Stich mitten ins Herz der kleinen Bine. Denn genau so fühlt es sich an. Ich wieder klein, jung und muss das so hinnehmen.
Ich war nie schüchtern und hatte nie wirklich Selbstwertprobleme als Kind. Meine Mutter erzählt bis heute, dass ich schon immer ein sehr schwieriges Kind war, mit dem sie nicht klar kam.
Schon mit 17 bin ich ausgezogen. Habe früh mit Süchten begonnen... Mein Leben war immer extrem. Was ich auch machte, es war extrem. Bis heute kämpfe ich damit. Es wird besser... vielleicht auch, weil ich heute fast sicher bin, dass mir damals etwas gegeben wurde, damit ich gut zu händeln war. Wieso sonst erinnere ich mich an kaum etwas aus dieser Zeit. Ich war ja auch schon fast 12 Jahre alt und kann mich sonst schon ganz gut an vieles erinnern aus meiner Kinder- und Jugendzeit.
Wieso erinnere ich mich nicht an die Heimfahrt? Ans Heimkommen ?
Ach ja - ich erinnere mich noch an eine Sache: an dieses Reetdachhaus. Ich war darin. Wegen einer Untersuchung beim Arzt. Beim Wiegen. Es ging eine Holztreppe hoch, ein rundlicher Vorraum mit mehreren Türen. Ich erinnere mich nicht genau, es ist wie im Nebel, aber ich erinnere mich an eine Szene, bei der Mann mir in meine Unterhose (sonst trug ich nichts) schaute. Auch wurden die Achseln untersucht. Diese Erinnerung ist - als möchte sie noch weiteres erzählen, kann aber nicht. Ja und an eine Waage erinnere ich mich, eine, die man selbst einstellen musste, so eine alte.
Das sind so meine Erinnerungen... wenige. Ich würde gerne mehr erfahren, denn heute denke ich, dass sich vieles aus meiner Lebensgeschichte danach erklären lässt.
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Monika Hauschild aus Wilhelmshaven schrieb am 15.02.2022
Hallo, ich war 1964 als 6jährige für 6 Wochen zur Kur im Kinderheim Elisabeth Braunlage. Leider habe ich kaum noch Erinnerungen, vielleicht habe ich sie auch verdrängt. Kann mich aber erinnern, das ein Kind mir gegenüber sich beim Essen übergeben hat und es aufessen mußte. Ich mußte mich dann auch übergeben und wir haben eine Ohrfeige bekommen. Die Teller mußten leergegessen werden. Alles andere ist sehr nebulös. Ich mußte zur Kur vom Arzt aus, weil ich oft Mandelentzündungen hatte und nach der Op. wieder zunehmen sollte. Ich habe irgendwann Besuch von meinen Großeltern bekommen, und als sie wieder wegfahren und mich dort zurück ließen, dachte ich, ich sehe meine Familie nie wieder. Ich habe mir immer vorgenommen, das ich das meinem eigenen Kind niemals antun würde. Ich habe mein ganzes Leben darunter gelitten, war immer nervös und puhle bis heute an den Fingern. Es würde mich interessieren, ob ich von Jemandem noch Informationen bekommen kann, der auch dort war. Es würde mich auch interessieren, ob evtl. Medikamente gegeben wurden.
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Mona schrieb am 15.02.2022
Nachtrag zu meinem Eintrag von Die. 15. 2. 2022
Ich denke das ist jetzt doch noch Relevant - der Grund warum ich wohl in dieses Kinderheim ge-verschickt wurde ist der Tatbestand, dass ich mit einer K-L-G- Spalte geboren wurde und Notoperiert wurde nach der Geburt um überhaupt Nahrung aufnehmen zu können.
Und ich zudem doch auf vieles Allergisch reagierte z B. keine Erdbeeren oder Pfirsiche Essen durfte und eben auch kein Hühnereiweiß - - diese Info hatten dann auch meine Eltern in einem Begleitbrief mir mitgegeben. Ich wurde auch mit dem Zug verschickt.
Es war wohl dann auch der damalige Kinderarzt der meinen Eltern das angeraten hatte, da ich sehr blass gewesen bin- man sprach damals von Blutarmut- und auch untergewicht hatte.
Es ist für mich aus meinem heutigen Wissen und Leben das ich gelebt habe, unfassbar was hier uns Kindern angetan wurde.
Und auch in der heutigen Zeit nimmt es ja leider kein Ende.
Mit Dank
Mona
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Mona schrieb am 15.02.2022
Sehr geehrte Frau Röhl,
nun habe ich innerhalb der letzten 5 Monate wiederholt diese Doku gesehen. Und mir ist nun wieder eingfallen ich war ja auch ein "Verschickungskind" . Habe sogar vor ein paar Jahren das Heim selbst nochmal aufgesucht.
Kurz zu mir Jahrgang 1955 - und ich war wohl zwischen 1959 und 1961 - 1x weg für einige Wochen.
Ich bin mir nicht sicher ob meine wenigen Erinnerungen daran, auch relevant sind.
Es ist in Rechtis Weitnau gewesen und wurde von der AWO betrieben soweit ich erinnere, seit einigen Jahren ist es ein Altenwohnheim, das habe ich damals vor Ort dann erfahren, von der Heimleiterin, das ehemalige Kinderheim wurde wohl so um die70ziger Jahre geschlossen, doch genau weiß ich es nicht.
2 Erinnerungen sind mir jedoch geblieben, - einmal dass es wohl irgendwann mal Spinat zu Mittag gegeben hatte mit Spiegelei und Kartoffel, und ich jedoch damals eine Eiweißallergie hatte, was wohl auch von meinen Eltern dann bei meiner Ankunft gesagt wurde. >>Dennoch musste ich das Essen, was ich dann erbrach und ich dann vor diesem Teller bis spät in die Nacht sitzen musste alleine in dem Speisesaal. Ich bekam dann auch kein normales Abendessen wie die anderen Kinder sondern saß nach wie vor vor diesem Teller. Und die anderen Kinder um mich herum, ärgerten mich zudem als ich da so saß.
Das 2. ist dass ich wohl doch öfters in den angrenzenden Wald gelaufen bin und mich dort irgendwie verstecken wollte oder hatte, so dass das personal mich suchen musste. Da ich scheint oft Stunden weg gewesen bin.<<

Vielen Dank -und ihre Arbeit ist immens wichtig.
Mit freundlichen Grüßen Frau M. Detzel
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Sylvia schrieb am 15.02.2022
Das schlimmste war der Zwang die Portionen zu essen die man aufgeladen bekam.
Ich bat auf Toilette gehen zu dürfen und würgte wieder alles heraus, entwickelte eine Essstörung heute sagt man Bulimie dazu, oder so ähnlich.
Zuhause war ich oft erkältet und Halsschmerzen.
Da meine Schwester und ich beide zu dünn waren kam vom Gesundheitsamt und der Krankenkasse die Aufforderung zur Kur.
Wer war 1979 noch in Solebad oder Luisenheim und weiß mehr was damals getan wurde und welche Medikamente man bekam?
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Nicola schrieb am 15.02.2022
Hallo,

ich war Anfang der 80 er Jahre in Polling und vielleicht 7 oder 8 Jahre alt.
Ein Erholungsheim/Kur welches von Nonnen geführt wurde. Mein Vater war bei der Post. Darum lief es auch über die Post. Ich musste mit einer fremden Person den weiten Weg mit dem Zug nach Bayern alleine ohne Eltern fahren. Dort im Heim wurden wir dann abgeliefert. Von strengen Nonnen geführtes Heim.
Ich kann mich noch sehr gut an das Haus und den Spielplatz, Schlafraum und Speisesaal erinnern. Auch die Kirche nebenan wo wir immer hin mussten. In der Kirche war ein durchsichtiger Sarg mit einen Skelett. Gruselig. Ich hoffe es erinnern sich andere und treten mit mir in Kontakt.
Es waren verschiedene Altersgruppen dort. Ich glaube nur Mädchen. Sicher bin ich nicht mehr.
Ich hielt mich gerne an 2 älteren Mädchen. Die haben das häkeln beigebracht bekommen und saßen draußen und häkelten mit Nonnen Kissen.
Wir durften nur positives nach Hause schreiben und es wurde gelesen was wir geschrieben haben. Wenn es nicht in Ordnung war, musste man es neu schreiben.
Ich bat eines der älteren Mädchen, sie durften Post weg bringen, glaube ich, meinen Brief heimlich mitzunehmen. Dort stand drin, das ich nach Hause möchte und es schrecklich ist. Der Brief ist nicht angekommen.
Mir wurde gedroht das meine Eltern die Kur bezahlen müssen wenn ich nach Hause fahre.
Ich war zum abnehmen dort. Musste mit Kindern am Tisch sitzen die normal essen durften. Ich bekam andere Kost. Zum Beispiel haben sie Nutella oder Marmeladenbrote bekommen und ich Beeren . Es war natürlich schrecklich für mich. Die Nonnen haben alles beobachtet. Heimlich gaben mir andere unter dem Tisch etwas von Ihren Broten ab.
Ich war in einen 4 er Zimmer. Die Räume waren recht groß und sauber. Eines der Mädchen aus meinen Zimmer laß Tiergeschichten vor. Ich weinte jeden Abend.
Draußen auf dem Flur waren die Schränke mit unseren Sachen.
Einmal die Woche war wiegen angesagt. Hände zeigen und mein Handgelenk wurde gemessen.
Ich durfte nicht zu Hause anrufen.
Ich bin der Meinung das manche schwimmen gefahren sind und andere mussten aufs Erdbeerfeld Erdbeeren pflücken. Ich auch.
Kann sich jemand daran erinnern und war auch dort?
Alles Gute für Euch, Gruß Nicola
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Bettina Warzecha aus Walsrode schrieb am 14.02.2022
ich war - da hatte ich so viel Glück - schon 10 Jahre alt als ich im Kinderkurheim Wetzel war. Ja, auch hier wurden wir Kinder zum Essen gezwungen. Für die meist sehr kleinen Kinder war das Horror, sie mussten stundenlang sitzenbleiben, bis sie eine eklige milchschleimige Suppe aufgegessen hatten. Besonders furchtbar, in diesem Heim lebten auch 3 elternlose sogenannte "Dauerkinder", 2 Mädchen, ich glaube Irene und Monika, und ein kleiner Junge, Michael, der oft hart bestraft wurde. Als er einmal im Bett gemalt hatte, wurde er mit seinen 4 Jahren unter die eiskalte Dusche gestellt. Besonders brutal der Gegensatz: die Heimleiterin hatte selbst einen Sohn, der wie ein Prinz dort behandelt wurde. Gerne wäre ich bereit, für diese drei Kinder, die hart gequält wurden, auch auszusagen. Aber in der Regel wird sich wohl niemand verantwortlich fühlen
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Uwe Harter aus Raum Offenburg schrieb am 14.02.2022
Bis vor drei Wochen hatte ich keine inhaltliche Erinnerungen. Im Bewusstsein war eigentlich nur dass ich im Alter von 5 Jahren für 6 Wochen in St. Peter Ording war. Als Heimname hatte ich mir „Goldener Schlüssel“ gemerkt.

Die Erinnerungen kamen am helllichten Tag, völlig aus dem Nichts. Als Auslöser habe ich den Tod meiner Mutter vor einem Jahr, eine aktuell bevorstehende Kur und einen Film über „Colonia Dignidad“, den ich einige Tage vorher geschaut habe,im Verdacht.

Es sind nur drei Situationen an die ich mich konkret erinnern kann. Zwei Situationen sind mittlerweile deutlich präsent, eine dritte ist ziemlich undeutlich.

In der ersten Situation habe ich ins Bett gemacht (kleines Geschäft). Es wird entdeckt, ich werde von einer „bösen Frau“ vor den anderen Kindern beschimpft und niedergemacht. Nach meiner Erinnerung waren es ausschließlich Jungen, die meisten älter als ich. Die Frau hetzt die andern Kinder auf mich zu bestrafen, ich werde auf mein Bett gedrückt und verprügelt. Zumindest einer der Jungen benutzt dazu einen Gürtel und ist mit großem Eifer bei der Sache, ich kann sein Grinsen oder Lachen sehen.
Ich empfinde absolutes Entsetzen, weiß gar nicht was mit mir passiert und warum alle so böse zu mir sind.

Die zweite Situation ist zeitgleich mit der ersten ins Bewusstsein gekommen. Es geht wieder um ein Geschäft, diesmal ein Großes. Ich stehe vor der verschlossenen Toilettentüre und versuche einer der „Tanten“ begreiflich zu machen dass ich dringend auf Toilette muss. Weil ich aus einer ländlichen Gegend in Süddeutschland komme kann ich mein Bedürfnis irgendwie nicht so in Worte fassen wie es die Tante gerne gehabt hätte, ich bitte, flehe und gestikuliere, aber es geht in die Hose.

Die Erinnerung an die dritte Situation ist undeutlich. Ich liege in einem Bett mit einem Metallrahmen auf der Seite. Mein linkes Handgelenk steckt in einem Ledergurt und ist am Rahmen befestigt. Im meinem Blickfeld ist nur mein linker Arm. Ich bin nicht panisch, eher gleichgültig.

In welcher zeitlichen Abfolge sich die Situationen abgespielt haben weiß ich nicht und es fehlt auch alles drumherum, also was z.B. nach dem Prügeln passiert ist, wie ich jeweils wieder sauber gemacht wurde, ob das große Geschäft in die Hose eine Strafe nach sich zog usw.

An den Schlafraum in dem sich das Prügeln abspielte kann ich mich einigermaßen erinnern. Ich glaube es war in einem oberen Stockwerk eines Gebäudes, nicht ebenerdig. Es waren ca. 10 Betten und sie waren so angeordnet dass man mit dem Kopf Richtung Wand lag, immer zwei Betten gegenüber, so dass es quasi einen Mittelhang zwischen den Fußsohlen gab. Im Türbogen zum Gebäudeinneren hin war entweder ein Absatz oder es gab ein paar Stufen nach oben und ich glaube da ging es über einen kleinen Gang auch zu der Toilette die mir verschlossen blieb.

Sonst ist da nicht mehr viel habe noch eine ganz schwache Erinnerungen an die Zug-Hinfahrt im Schlafabteil und an einen Spaziergang.
Es gab einen Raum für Inhalationen. Man musste eine Treppe runter gehen, dann war das so ein Vorraum wo man sich um- oder ausziehen musste. Dann ist da noch ein einziger Name: „Udo“. Er war ein bisschen älter als ich, damals vielleicht 7 Jahre alt. Wahrscheinlich auch aus Baden-Württemberg. Dieser Name ist das einzige positive was mir aus St. Peter Ording im Gedächtnis geblieben ist. Ich denke er hat mich ab und zu getröstet oder irgendwie versucht mir zu helfen so gut er konnte.

Diesen Udo hier zu finden wage ich gar nicht zu hoffen, aber vielleicht liest dies jemand der zu der Zeit dort war und sich an den kleinen, verängstigten Uwe mit schwarzen lockigen Haaren erinnert, der vermutlich kein Wort hochdeutsch konnte. Es gibt hier eine Gruppe zum Goldene Schlüssel der ich beigetreten bin und über die man Kontakt mit mir aufnehmen kann. Bin auch an anderem Material interessiert das mir helfen könnte meine Erinnerungen aufzufrischen, alte Fotos, Berichte etc.

Das alles ist jetzt 46 Jahre her und ich fange gerade erst an zu begreifen welche Auswirkungen diese 6 Wochen auf mein weiteres Leben hatten und was da alles in mir kaputt gemacht wurde. Da ist so viel Trauer um den fröhlichen kleinen Jungen der so nicht mehr nach Hause zurückkam. Die Momente in denen die Tränen kommen sind eigentlich noch die guten.

Da ist auch viel Wut in mir. Auf die Täter/Täterinnen, auf das ganze lebensverachtende System in dem so etwas in diesem Ausmaß überhaupt entstehen, gedeihen und über Jahrzehnte durchgezogen und größtenteils vertuscht werden kann. Es hat ja offensichtlich keinen der Träger, Behörden oder sonstigen Verantwortlichen ernsthaft interessiert wie es den Kindern geht. Einfach nur abstoßend dieses Geschmeiß und nicht besser sind diejenigen die heute das Leid der Kinder herunterspielen, das Thema verwässern, bei der Aufarbeitung auf Zeit spielen und nicht mal bei klarer Sachlage so etwas ähnliches wie ein Schuldeingeständnis über die Lippen kriegen.

Auf der Jubiläumsfeier 2013 zu 100 Jahre Goldene Schlüssel wurde dem „guten Geist des Hauses“, der symbolisch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steht, für 100 Jahre Treue und immerwährenden Einsatz zum Wohle der ihm anvertrauten Menschen gedankt. Dem kann ich mich ausdrücklich NICHT anschließen.

Vielen Dank an alle die mitgeholfen haben und weiter mithelfen das Thema ans Tageslicht zu bringen.
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Karin Hinterleitner aus Stuttgart schrieb am 14.02.2022
Da ich als 9 jährige seit Jahren chronisch erkältet war, entschied mein Hausarzt, mich in Kinderkur an die Nordsee zu schicken. Die DAK machte Bad Sassendorf, Haus Hamburg, daraus. Da ich von Geburt an regelmäßig isoliert von der Familie wochenlange Kinderkrankenhaus Aufenthalte absolvieren musste, kannte ich kein Heimweh. Die Fahrt mit dem Zug begann mit einem freudigen Abschied von der Familie. Ich freute mich einfach mal mit vielen anderen Kindern zusammen zu sein, statt wochenlang allein im Krankenhausbett liegen zu müssen. Nun die Euphorie der Zugfahrt, wir tobten die ganze Fahrt und zerfetzten alle Bahn Prospekte im Abteil und bei Halt pflaumten die Passanten auf den Bahnsteigen an, verflog als wir im Heim ankamen. Spartanische Kasernenhof Atmosphäre. Seltsam gezuckertes Essen, so gut wie nie Salat. Ich bekam am Ende den Preis, weil ich am meisten zugenommen hatte in daten 6 Wochen. 
Ich empfand die Atmosphäre im Haus immer als bedrückend. Nachts kontrollierte immer eine Erzieherin mit Taschenlampe, ob man auch wirklich schlief. Ich bekam stundenlang kein Auge zu, erst nach diesen Kontrollgängen. Ein paar mal wurde ich auch ermahnt: ""Schläfst du auch wirklich?"Nun die meisten Erzieherinnen bemühten sich, nett zu uns zu sein. Das Küchenpersonal und vor allem die Heimleiterin und die Ärzte schienen mir aus einer anderen Zeit, Großvaters Zeit, humorbefreit, autoritär. Wir mussten einfach funktionieren und uns total der Heimordnung unterwerfen. Klar bei einem Betreuungsschlüssel von ca. 2:40. Gefreut haben mich immer die Spaziergänge, da durften wir Mädchen uns hemmungslos unterhalten und Spaß machen. Auch die Völkerball Spiele Abends waren ein Highlight. An den Rest erinnere ich mich lieber nicht so gerne. Z. B. Die Inhalationsbehandlungen im Keller. Da wurde von der Decke Solewasser verdampft und wir sollten das einatmen - brrr. Auch wurden wir mit Kalt-Warm Bädern in alten Holzbottichen im Solewasser gebadet und kalt abgespritzt - zweimal die Woche ca. - auch im Keller. Und ich hatte mich auf das Meer und Sonne gefreut. 
Richtig wütend machte mich der "Mittagsschlaf": Da wurden wir streng angehalten gefühlte 2 Stunden brettsteif und ruhig zu liegen - mucksmäuschen still, Augen geschlossen halten.Die Post an die Eltern wurde diktiert und kontrolliert. Ich tauschte keine Adressen aus bei der Heimfahrt. Ich war einfach nur froh, endlich wieder wegzukommen und mich wieder frei und ungezwungen bewegen und sprechen zu  können. 
Meine Mutter war betroffen von meinen Erzählungen, aber noch mehr davon, wie ich gemästet worden war, nichts passte mir mehr. Eine zweite "Kur" wäre für mich nicht mehr in Frage gekommen. Ich habe danach allen Kindern von einer "Kur" abgeraten, meine Eltern anderen Eltern ebenso.
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Roswitha B. aus Wiesbaden schrieb am 14.02.2022
Meine Eltern schickten mich zur "Erholung" weil ich zu dünn und zu klein war, 6 Wochen allein ohne Besuch (über die Krankenkasse AOK)in den Schwarzwald. An die Zugfahrt dahin kann ich mich nicht erinnern, wohl aber an das Zwangsessen, alles aufzuessen. Weil ich beim Essen redete, musste ich vor der Tür stehen, Nachts meine Unterwäsche ausziehen und ein mir fremdes Nachthemd tragen. Ich schlief immer im Schlafanzug Zuhause.
Die Post nach Hause wurde diktiert und als ein Paket kam mit Süssigkeiten, wurde das unter den Kindern aufgeteilt. In diesem Paket war auch meine Puppe, meine Eltern wurden aufgefordert sie zu schicken,
es war eine Sprechpuppe und sie war kaputt als ich Sie erhielt. Ich hatte großes Heimweh. Bei einem Ausflug hat sich ein Mädchen, das mit mir zur Kur geschickt wurde (aus dem gleichen Kindergarten Zuhause aus dem ich kam), den Arm gebrochen. Ich habe Sie so beneidet, sie durfte nach Hause fahren, ist alles bruchstückhaft aber den Namen des Mädchens: Nicole Hundsberger habe ich niemals vergessen. Wie man den Namen richtig schreibt weiss ich leider nicht. Für meine Mutter habe ich einen kleine Schwarzwaldpuppe an einem Kiosk gekauft, mit Kirschen auf dem Hut..
Ich bin froh das Erlebte jetzt aufarbeiten zu können, es belastet mich sehr, dass ich mich nicht an alles erinnern kann, gern wüsste ich was mit dort angetan wurde, habe alles böse und dunkel empfunden, fühlte mich so alleingelassen. Es hat mich für mein Leben geprägt. Zuhause habe ich danach lange bei anderen Menschen nichts gegessen, nur Zuhause oder wenn meine Eltern dabei waren. Mit 10 Jahren wusste ich, dass ich Kinderkrankenschwester werde. Damals unbewusst eine Fürsorge für Kinder zu haben, sie zu beschützen, als Anwalt der Kinder.
Wie ein Puzzle setzen sich jetzt die Dinge für mich zusammen. Es gibt eine Karte mit Bild des Hauses in Farbe, mit Schreibmaschine der Text:
Ihre Tochter Roswitha ist am Donnerstag gut bei uns eingetroffen. Wir hoffen, daß es ihr bei uns gefallen wird und daß sie sich gut erholt. In Zukunft wird Ihnen die Betreuerin, Fräulein Waltraud Schuler, direkt schreiben. Mit freundlichem Gruß,
Gläser
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Dorothea H. schrieb am 12.02.2022
Ich war im Sommer 1968 im Kurheim auf Norderney und suche Menschen, die auch zu dieser Zeit dort waren.
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Dagmar aus Viersen schrieb am 12.02.2022
Wer kann sich noch an das Heim erinnern ?
Ich war erst 4 und die Wochen erschienen mir unendlich
lang. Als mich meine Eltern dort abholten, habe ich sie nicht mehr erkannt. Zu dem Zeitpunkt kam es mir vor, als würde ich schon immer im Kurheim gelebt haben.
Offenbar war ich die Jüngste, war immer zu langsam.
Meine Eltern leben heute noch und berichteten ich habe dann wieder zu Hause fürchterlich geschlungen(wohl weil ich das Tempo der anderen einholen musste) .
Heute gibt es Mutter/Vater Kind Kuren. So ein kleines Geschöpf schickt man nicht alleine weg. Natürlich haben die Eltern es damals nicht besser gewusst, sie wollten uns helfen. Ich sollte zunehmen und hatte schweres Asthma.
In einem großen Schlafsaal stand mein Bett Der Schlafsaal hatte 25 Betten oder mehr und eine Tante saß auf einem Stuhl an der Tür.
Wir wanderten im Winter in der Gruppe am Strand entlang, die Sandkörner peitschten mir ins Gesicht. Eine liebe Tante (Heidrun ? ) nahm mich unter ihren langen Mantel. Die anderen Tanten waren nicht freundlich. Besonders streng war eine Tante Marlies.
Unsanft wurde ich behandelt, als ich wegen Erbrechens die Toilette nicht mehr erreicht habe. Ausgeschimpft und geschüttelt wurde ich.
Laut Kurbericht den ich noch habe, waren es die Röteln.
Nun lag ich in einem anderen Zimmer und wurde im Bett gefüttert mit irgendeinem Brei, das weiß ich noch heute, musste erbrechen und musste den Teller mit Erbrochenem leeren.
Wie wir sonst den Tag verbracht haben kann ich nicht berichten. Haben wir da jemals gespielt ?
Und an einer Tür mit Klappe stand manchmal eine Tante und hat Briefe verteilt. Sie hat die großen Kinder aufgerufen ,die durften nach vorne kommen und ihre Post abholen. Ich wurde nicht nach vorne gerufen.
Im Kurbericht finde ich die Medikamente Soledum Amid Saft und Ditonal-Z. Wogegen genau wurde das verordnet ?
Wenn mir noch etwas einfällt kann ich es später ergänzen.
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Peter B. aus Winkelhaid/Bayern schrieb am 11.02.2022
Hallo,
aufgrund meiner Neurodermitis und meines Asthma "durfte" ich auf Anraten der Ärzte in der Zeit von 1961 - 1967 gleich fünfmal in ein Verschickungsheim. Natürlich musste ich als kleines Kind dieselben negativen Erfahrungen machen wie alle, die im Forum ihre Erlebnisse teils detailliert schilderten. Exemplarisch seien in diesem Zusammenhang der Essenszwang, die Demütigungen durch die autoritären, lieblosen "Tanten"/Schwestern, die Postzensur und die strenge Mittagsruhe genannt, die allesamt mein Heimweh verstärkten. Selbst wenn man die Geschehnisse von damals unter dem Lichte des seinerzeitigen Zeitgeistes betrachtet, wurde an uns m.E. großes Leid verursacht. Ich denke, dass die Erlebnisse durchaus charakterprägend waren und auch noch bis heute (60 Jahre später) ihre Spuren hinterlassen haben. Wenn man rückblickend irgend etwas Positives in den damaligen traumatischen Erlebnissen finden will, vielleicht dass sie (zumindest bei mir) zu einigen positiven Eigenschaften wie stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, gutes Einfühlungsvermögen oder Verachtung von jeglicher Gewalt führten. Mit den negativen Auswirkungen auf meine persönliche Entwicklung möchte ich mich gar nicht mehr auseinandersetzen, weil es sich eh nicht mehr ändern lässt. Hoffen wir zusammen, dass künftigen Generationen ähnliche Erlebnisse erspart bleiben.
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Sabine aus Schweinfurt schrieb am 09.02.2022
Ich war vom Anfang Nov. bis Mitte Dezember dort und suchen Kinder, die auch (ungefähr) zu dem Zeitraum dort waren. Bei mir war es die Barmer Ersatzkasse in Schweinfurt, bei der wir versichert waren. Von dort wird gemauert, keine Unterstützung. Da ich mich an kaum was erinnern kann bin ich für jeden Hinweis an schweinfurt.2021@web.de dankbar. Es waren einige Kinder aus dem Großraum Nürnberg dabei.
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Gaby Meyer aus Walsrode schrieb am 08.02.2022
1971...Ich war mit meinem 2 Jahre älteren Bruder in Bad Orb für sechs Wochen. Wir sind mit dem Zug dorthin gefahren. Ab Bahnhof Hannover kann ich mich an nichts mehr erinnern. Meinen Bruder habe ich nur einmal während der 6 Wochen von weitem gesehen.
Ich kann mich nur an ein paar Fetzen erinnern: Einmal die Woche war Kleidungswechsel auf dem Dachboden. An das Salzwasser tropfen Heugebaeude. Angst vorm Wiegen. Ekel vor Nahrung. Vielleicht wurde ich für 6 Wochen innerlich abgestellt ....PsychoTerror Medikamente Trauma Todesangst...
Einige Jahre später war ich mit meinem 1 Jahr jüngeren Bruder für 6 Wochen in Bonndorf. Auch daran habe ich kaum Erinnerungen.

Vor ein paar Tagen googelte ich einfach so nach "Bad Orb Kinderkur" und stieß auf diese Internetseite. Bei YouTube guckte ich ein paar Dokus zu dem Thema.
Jetzt weiß ich endlich wo die Wurzel des Übels liegt. Schwerst-Trauma-geplagtes Leben.....
Danke Gott für diese wunderbare Internetseite
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Frank Heinrich aus Remscheid schrieb am 08.02.2022
Ich war im Sommer 1976 in Bad Buchau. Ich war damals 14 Jahre alt und leicht untergewichtig. Meine Eltern waren wohl ganz froh, mich über den Sommer loszuwerden. Obwohl es sich um eine Kurheim der Caritas handelte, gab es da, nach meiner Erinnerung, keine Nonnen. Alle Kinder wurden in Gruppen von gleichalterigen unterteilt. Ich war damals in der Gruppe "Sankt Michael". Wir waren etwa 20 Jungs. Das Essen war eigentlich ganz OK (jedenfalls besser als zuhause), nur einmal haben wir Fußnägel im Essen gefunden und unsere Erzieherin (eine Frau Häringer oder so ähnlich) hat dann einen ziemlichen Wirbel in der Verwaltung veranstaltet. Danach gab es keine vergleichbaren Ereignisse mehr.
Was mich damals gestört hatte, war die obligatorische Mittagsruhe. Natürlich schlafen Jungs in diesem Alter nicht um die Mittagszeit, so dass es eher eine Lesestunde wurde. Wir haben uns gegenseitig Bücher und Heftromane ausgeliehen, so dass uns der Lesestoff nicht ausging.
Die Mittagsruhe war auch eine gute Gelegenheit für eine ausgiebige Kissenschlacht oder den gemeinsamen Verzehr der Süßigkeiten, die einige von uns zugeschickt bekamen. Mit einigen Jungs habe ich damals Freundschaften geschlossen, und tatsächlich noch einige Jahre durch Briefwechsel am Leben gehalten.
Wir konnten auch jederzeit, auch nachts, zur Toilette. Auch die wöchentlichen "Badetage" verbinde ich nicht mit dem hier vielfach geschilderten Schrecken. Tatsächlich gab es ein Badehaus mit Badewannen, die allerdings zumindest einen Sichtschutz hatten, möglicherweise aber auch einzeln in geschlossenen Räumen standen. Ich erinnere mich dunkel, dass wir nach dem Baden gewogen und ab und zu ärztlich untersucht wurden.
Ich habe keine Ahnung, ob es in meiner Gruppe auch Bettnässer gab. Sollte dies der Fall gewesen sein, wurde es wohl diskret behandelt.
Gelegentlich gab es organisierte Freizeitaktivitäten aber die meiste Zeit waren wir uns selbst überlassen. Einmal sind wir abends eine längere Strecke zu Fuß gegangen um in einem Kino den Film "Bonnie und Clyde" anzusehen. Damals war man im Allgemeinen der Ansicht, dass Filme in denen Menschen gut sichtbar erschossen werden, nicht so ganz kindegerecht sind. Das war wohl auch unseren Erziehern auf dem Heimweg in den Sinn gekommen, denn wir kriegten dann vor dem Schlafen alle noch einen Löffel Baldrian mit Zucker.

Ansonsten war es schon ziemlich langweilig. Unsere spontanen nächtlichen Exkursionen im Gebäude waren dagegen recht spannend, allerdings glückte es uns nie, in den Schlafsaal einer anderen Gruppe zu gelangen.
Zusammenfassend waren das langweilige aber in keiner Hinsicht traumatische sechs Wochen.
Wahrscheinlich hatte ich einfach Glück.
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Yvonne3012 aus Weilerswist schrieb am 06.02.2022
Durch Zufall habe ich diese Seite im Internet gefunden und weiss seit ein paar Tagen dass es für mein Erlebtes einen Namen gibt. " Verschickungskind ". Prinzregent Luipolt in Scheidegg.
Da ich zum Zunehmen dort war, wurde mir jeden Tag nicht kindgerechtes Essen vorgesetzt. Dieses musste ich unter Aufsicht aufessen , was nicht einfach war und ich mich oft geekelt habe.
Vor dem Essen musste ich eine Tablette schlucken. Ich kann mich erinnern , dass sie sehr gross und weiss war. Ich bekam sie nicht durch den Hals. Ich wurde gezwungen dazu und es stand so lange jemand hinter mir, bis ich dieses Teil ( oft zerbrochen ) durch den Hals hatte. Noch heute habe ich dieses schreckliche Gefühl, wenn ich Tabletten schlucken muss.
Ich hatte keinen Kontakt zu meinen Eltern. Meine Briefe wurden aufgerissen , und da den Nonnen das Geschriebene nicht passte musste ich in einem kleinen Zimmer, nach viel Schreierei, unter Tränen meinen Brief unter Aufsicht neu schreiben. Ein Ostergeschenk von meinen Eltern wurde mir nicht ausgehändigt.
Meine Hände waren als Kind schon immer sehr rauh. Jeden Morgen musste ich in einer Reihe stehen, und die Hände wurden nachgeguckt . Wenn sie rauh waren, wurde darauf gehauen und laut gesagt wie hässlich sie sind. Das war bei mir jeden Morgen.
Über meinem Bett hing ein Kreuz, jemand sagte zu mir, dass es alles sieht, und ich verflucht sei wenn ich mich nicht an alles halte. Ich hatte jeden Abend im Bett sehr große Angst, konnte nicht schlafen, hatte Heimweh. Man durfte nicht mehr aus dem Bett aufstehen. Die Toilette war auf dem Flur. Sobald man den Flur betrat kam die Nachtschwester und hat einen an den Haaren oder Ohren zurück ins Bett gezogen.
Sie gaben mir 6 Wochen mit Bemerkungen das Gefühl, dass meine Eltern mich nicht vermissen und wer weiss ob sie mich so wiederhaben möchten.
Einmal haben sie uns einen Film gezeigt über ein Kind, das Kinderlähmung bekam. Ich habe mir tagelang eingebildet, dass meine Beine schmerzen und ich gelähmt sein werde.
Es wurde sich oft über einen lächerlich gemacht. Die Anziehsachen waren in einem kleinen Fach auf dem Flur. Einmal wollten die Schwestern dass ich ein Kleid trage. Aber ich habe keine Strumpfhosen ertragen, die jucken so schrecklich an den Beinen. Die Schwestern durchwühlten mein Fach bis sie Erfolg hatten. Ich musste auf dem Flur vor allen Kindern meine Anziehsachen wechseln, und musste eine dieser Strumpfhosen anziehen mit Kleid. Danach musste ich das Chaos in meinem Fach beseitigen. Alles unter Aufsicht der sich lächerlich machenden Schwestern. Heute tragen meine Kinder im Winter unter der Kleidung Leggins.
Ich war zum Zunehmen dort und habe über 6 Kilo abgenommen. Ich wog nur noch um die 20 Kilo und wurde nach 6 Wochen total geschwächt und voller Tränen von meiner Mutter in Empfang genommen. Eine schreckliche Zeit , die mich den Rest meiner Kindheit immer verfolgt hat. Die Erinnerungen werden von Tag zu mehr und erklärt so manches , das mich noch im Erwachsenenalter verfolgt.
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Herrmann, Kirsten schrieb am 06.02.2022
Ich kann es gar nicht fassen, dass sich jemand für diese Ereignisse interessiert, dass es dafür einen Namen gibt.

Ich war vom 12.04.1966 bis 24.05.1966 im Kindersanatorium "Waldesruh" in Dausenau an der Lahn. Der Zeitraum müsste stimmen, da ich noch ein paar Briefe von mir aus dieser Zeit habe, 2 davon enthalten Zusatzschreiben an meine Mutter unterschrieben von einer Anne Vogt. Ich war damals 8 Jahre alt und hatte die ganze Zeit fürchterliches Heimweh, worüber ich auch krank wurde. Ich wurde dorthin geschickt, weil ich zu dünn war.

Diese schreckliche Zeit hat Auswirkungen bis heute, hat mein Leben geprägt.

Ich habe viele Jahre Therapie hinter mir, zuletzt während meines Burn Outs. Im Sommer vergangenen Jahres schloss ich sie ab. Es ging mir viel besser und ich dachte, ich hätte es endlich geschafft, aber ich habe weiter zu kämpfen.

Und als ich dann über die Suche nach einem Hörspiel oder einer Dokumentation (ich kann so besser einschlafen) auf den SWR2-Beitrag "Was habt ihr mit uns gemacht? Ehemalige Verschickungskinder fordern Aufklärung" in der "ardaudiothek" stieß, hat es mich wieder gepackt. Meine Arme und Beine wurden eiskalt und ich verspürte wieder eine so große Schwäche in den Beinen. Genau eines der Hauptsymptome während meines Burn Outs. Ich glaube, da sitzt noch was, was unbedingt endlich heraus will.

Einiges erinnere ich noch, anderes liegt unter schwarzen Flecken. Wie schon gesagt, ich hatte fürchterliches Heimweh, was in keiner Weise von den sog. Schwestern aufgefangen wurde. Im Gegenteil, ich wurde unter Druck gesetzt. Man sagte mir, dass ich mich nicht so anstellen solle. Auch sollte ich meinen Eltern davon nichts schreiben, ich wolle sie doch nicht etwa traurig machen. Besonders dramatisch wurde es, als ich Nachricht erhielt, dass mein geliebter Großvater im Krankenhaus war. Und ich durfte nicht zu ihm. Das Gefühl von Hilflosigkeit, das Gefühl gefangen zu sein war übermächtig.

Beim Essen ist mir besonders die eklige Milchsuppe und die große Tasse Kakao in Erinnerung, die wir ja noch vor den Hauptmahlzeiten essen mussten, was für mich regelmäßig zu viel war. Aber es gab kein Erbarmen, es musste aufgegessen werden. Irgendwann habe ich ihnen auf den Tisch gekotzt.

Durch das Heimweh wurde ich krank und musste im Bett bleiben. Mein Bett stand im Gemeinschaftsschlafsaal. Da lag ich krank und fühlte mich verloren. Ich erinnere nicht, ob jemand kam und sich um mich kümmerte. Wird wohl so gewesen sein, dass ich Essen bekam. Aber den Zusammenhang zwischen Heimweh und Erkrankung bemerkte sicher niemand.

Ich weiß noch, dass ich dann irgendwann mal aufstand und durch das stille, verlassene Haus wanderte, es war niemand da, die Türen nach draußen verschlossen. Zu der Zeit waren Jugendliche aus Berlin da, die in einem anderen Trakt ihre Zimmer hatten. Bei ihnen brach ich dann in Tränen aus, weil ich so froh war, jemanden zu finden. Ich hab so sehr geweint und von meinem Heimweh erzählt, dass die Jugendlichen sich rührend um mich kümmerten. Ich kann mich an ihre Betroffenheit noch erinnern.

Es gibt 11 Briefe und Postkarten aus dieser Zeit, die ich nach Hause geschrieben hatte. Sie wurden vor dem Versenden kontrolliert. Bei zwei Briefen finden sich handschriftliche Kommentare von Anne Vogt. Darin beruhigt sie meine Eltern und beschreibt mein Heimweh als „Umstellungsschwierigkeiten“, die sich in den nächsten Tagen legen werden. Später lügt sie einfach und behauptet, ich sei sehr froh und würde gut erholt zurückkommen.

Dieser Aufenthalt hatte definitiv Auswirkungen auf mein Leben. Bis heute habe ich Schwierigkeiten wegzufahren. Es kam und kommt vor, dass ich eine Reise oder einen Ausflug verabrede und kurz vorher überfällt mich Todesangst, dass mir etwas Schreckliches passieren wird, wenn ich die Reise oder den Ausflug antrete. Ich kann dann nicht anders, als abzusagen.

Sogenannte Autoritäten machen keinen Eindruck auf mich. Im Gegenteil, Titel und Ämter erfüllen mich mit großem Misstrauen. Ich habe einen unbändigen Freiheitsdrang und kriege Beklemmungen, wenn ich in geschlossenen Räumen bin. Geschlossene Räume bedeuten für mich auch gedankliche Räume. Ich entwickelte ein feines Gespür für Manipulation und für die Stimmungen meines Gegenübers. Heute weiß ich, dass es meine Überlebensstrategie war und heute noch ist. Ungerechtigkeiten ertrage ich nicht und wo ich nichts daran ändern kann, leide ich darunter.

Von meinen Eltern fühlte ich mich verraten und verkauft. Nach meiner Rückkehr reagierte meine Mutter auf das Thema Heimweh abschließend mit den Worten ab: „Du bist selbst daran Schuld, Du wolltest ja unbedingt dahin. Also stell Dich nicht so an“. Das war es.
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Michael R. aus Bremen schrieb am 06.02.2022
Hallo, ich bin auf der Suche nach dem Heim, in das mich meine Eltern Anfang der 1970er Jahre von Bremen aus verschickt haben.
Ich bin Jahrgang 1964 und muss damals 7 Jahre alt gewesen sein.
Leider habe ich mich erst als Erwachsener mit diesem unschönen Kapitel meiner Kindheit befasst, meine Eltern hatten keinerlei Unterlagen mehr zu dem Heim.
Ich weiß nur noch, dass ich mit dem Zug hin und wieder zurück nach Bremen gefahren bin.
An Einzelheiten des Alltages kann ich mich aber noch gut erinnern. Bei der Ankunft mussten wir alle mitgebrachten Comichefte und Süßigkeiten abgeben. Untergebracht waren wir Jungs in einem großen Schlafsaal. Zwischen meinem und dem Bett meines Nachbarn war ein kleiner Stuhl / Tisch.
Ich erinnere mich an einen Jungen, der mal auf seinem Bett stand und in den Saal gepinkelt hat. Ein anderes Mal hat er ein Lustiges Taschenbuch von mir zerrissen.
Ich erinnere mich, mit anderen Jungs Eimer mit Marmelade aus der Küche geholt zu haben, dass wir für Postkarten nach Hause vorgefertigte Texte von einer Tafel abschreiben mussten, dass wir ekeligen Griesbrei vorgesetzt bekamen - und zwar den selben Teller immer wieder, wenn er nicht aufgegessen wurde.
Ich hatte mich damals mit dem Jungen angefreundet, der im Bett neben mir schlief und meine, dass dieser Junge auch im Zug mit mir zurück nach Bremen gefahren ist. Leider habe ich keine Erinnerung mehr an seinen Namen.
An das Aussehen des Heimgebäudes kann ich mich leider auch nicht mehr erinnern, es lag aber nicht an der See. Ich weiß aber noch, dass ich das Areal mit meinem Heimfreund mal erkundet habe und wir erstaunt waren, dass es dort auch Unterbringungen in Zwei-Bett-Zimmern gab. Wir dachten damals, dass dort wohl die Mädchen wohnten.
Noch eines ist mir in Erinnerung geblieben: Am Tag vor der Abreise wurde bei uns Fieber gemessen, verbunden mit dem Hinweis, dass noch bleiben müsse, wer erhöhte Temperatur habe.
Ich würde mich sehr über jeden Hinweis freuen bei meiner Suche nach dem Heim. Vielleicht gab es ja Heime, in die Kinder aus Bremen bevorzugt geschickt wurden damals. Das würde die Suche eingrenzen.
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Christa Aumiller, ehemals Jansen aus 85253 Kleinberghofen (Bayern) schrieb am 05.02.2022
Ich war damals 5 Jahre, fast 6 (hatte während des Aufenthaltes am 12.03.1956 Geburtstag) Mein mir geschicktes Päckchen mit Inhalt wurde an alle verteilt. Morgens gab es immer dicke Haferflockensuppe. Da ich keine Milch mochte, habe ich mich so geekelt, dass ich immer in die Suppe erbrochenen habe, aber ich musste immer weiteressen bis ich nicht mehr konnte. Nachts waren wir in einem großen Schlafsaal untergebracht, in dem in der Mitte ein großer Ofen stand, der den Raum beheizte. Da ich nachts immer so großes Heimweh hatte, habe ich ins Bett eingenässt. Ich versuchte deshalb an dem Ofen meine nasse Schlafanzugshose zu trocknen. Dabei wurde ich erwischt und musste als Strafe die restliche Nacht mit der nassen Hose neben dem Bett stehen. Ich habe in dieser Zeit angefangen an den Fingernägeln zu kauen, damit habe ich bis heute (71) nicht aufhören können. Nach meiner Ankunft Zu Hause nach 6 Wochen aus Bad Neuenahr waren meine Eltern nur noch entsetzt, wie zerlumpt und verstört ich war. Meine Mutter hatte damals auch Beschwerde bei der Behörde eingelegt, diese diese Verschickungen veranlasste, aber ich kann mich leider nicht mehr erinnern, was dabei heraus gekommen war.
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Bernd aus Hückeswagen schrieb am 04.02.2022
Ich war nach den Osterferien 1958 als 7-jähriger für 6 Wochen auf Amrum. Organisiert wurde die Verschickung durch den damaligen Rhein-Wupper-Kreis (NRW). Viel weiß ich nicht mehr, hängen geblieben sind nur schlechte Erinnerungen. Gibt es jemand, der auch zu dieser Zeit dort war? Angeblich ist das Heim nicht lange nach meinem Aufenthalt geschlossen worden.
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Eva-Maria Kötter aus Münster schrieb am 04.02.2022
ich war in Essen in Schloß Landsberg, ein Haus von der Thyssen AG.
Meine Eltern sind an das Heim gekommen, weil sie Bekannte hatten, die bei der Thyssen AG gearbeitet haben, Ich bin mit 2 weiteren älteren Schwestern in dieses Heim für 6 Wochen gekommen. Ich war 3 Jahre, meine Schwestern waren 4 und 5 Jahre alt.
Schloß Landsberg ist wirklich ein Schloß gewesen, mit den alten dicken Gemäuern.
Ich kann mich erinnern, das man uns sehr viel Angst eingejagt hat, wir waren über Nikolaus dort, da haben die sog. Tanten am Nikolausabend an den heruntergelassenen Rollen mit Stöcken gerappelt, damit wir Angst vor Knecht Ruprecht bekommen sollten. Kleine Koffer, die meine Eltern uns mit Süßigkeiten gefüllt hatten, wurden an alle verteilt. Briefe wurden nicht vorgelesen,
ich hatte große Probleme mit dem Essen, meine Schwester durfte mir nicht helfen beim Essen, sie wollte mich füttern, damit ich das scheußliche Essen aufesse, weil sie wusste, dass es wieder Schimpfe gab. Erbrochenes musste wieder aufgegessen werden. Des weiteren wurden wir in den kalten Waschraum gesperrt, wenn wir beim Einschlafen noch gesprochen haben, meine Schwester war Bettnässerin, sie musste in ihren nassen Sachen in der kalten Badewanne ohne eine Decke schlafen, ansonsten mussten wir auf einen Metalleimer nachts Pippi machen. Als 3 jährige weiß ich nicht mehr so viel, weiß aber, dass man uns in einem sehr ungepflegten Zustand nach 6 Wochen wieder nach Hause schickte, bzw. meine Eltern uns abgeholt haben, meine Mutter hat später erzählt, dass sie über unseren Zustand so entsetzt war, dass sie geweint hat.
Ich muss allerdings sagen, dass wir zu Hause auch schlimme Dinge erlebt haben, wie unter die kalte Duschen gestellt zu werden, mit dem Gummiknuppel geschlagen werden, so lange am Tisch sitzen, bis man das Schlimmste, rohen Speck, und das einen ganzen Haufen, aufgegessen hatte. Also nicht viel weniger schlimme Dinge.
Ich kann heute nichts essen, was mir auch nur im Kleinsten nicht schmeckt, ekel mich vor vielen Gerüchen, die ich in Schloß Landsberg zuhauf gerochen habe. Habe bis heute kein Vertrauen in irgendeinen Menschen, habe deswegen große Bindungsschwierigkeiten.
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Heinz B. aus Kreis Recklinghausen schrieb am 04.02.2022
Hallo zusammen!

Zuerst einmal vielen Dank an Frau Röhl für ihre Initiative in Sachen Verschickungsheime. Ich bin per Zufall auf die Internetseite gestossen und war einfach nur entsetzt über die #Dinge, die ich da gelesen habe. Es hat mir aber auch gezeigt, dass meine Erlebnisse im DRK-Kinderheim auf Amrum kein Einzelfall waren und es wohl in vielen Einrichtungen so aussah.

Ich hatte als Kind häufig Bronchitis, war zu dünn und immer blass. Da schien meinen Eltern die Nordsee gerade richtig zu sein. Obwohl ich damals bereits 12 Jahr alt war, habe ich nur noch wenige Erinnerungen an diese schrecklichen 6 Wochen.

Wir wurden als Kinder zentral gesammelt und in einen Zug gesetzt. Alle hatten eine Pappkarte um den Hals mit Heimatadresse und Zielort. Ich kann mich noch daran erinnern, dass es fürchterlich warm war im Zug und wir bei Zwischenhalten oft von der Bahnhofsmission mit Tee versorgt wurden. Das DRK-Heim lag in Wittün direkt am Strand, eigentlich schön gelegen. Wie vielen anderen ist mir noch die Tortur des Essens im Gedächtnis geblieben, d.h. Teller leer essen bis zum Erbrechen. Immer roten Tee, häufig Froschaugensuppe und Zwieback mit warmem Vanillepudding. Da ich ja zunehmen sollte, war auch immer reichlich Brot auf dem Teller, was ich alles gar nicht essen konnte. Ich habe es mir dann so manches mal heimlich in die Hosentasche gesteckt und versucht es auf den Spaziergängen wieder wegzuwerfen. Als es der Tante einmal aufviel, wurde ich als "Brotmörder" beschimpft. Ich hatte selbst ein schlechtes Gewissen, da ich so erzogen wurde, dass man kein Brot wegwirft.

Abends war der Toilettengang angesagt! In Reih´und Glied aufgestellt, abgezähltes (und limitiertes) Toilettenpapier und eine ganze Reihe von nach vorne hin offenen Toilettenboxen. Eigentlich waren es keine Boxen, sondern mehr Trennwände. Alles stand unter strenger Aufsicht der Tanten. Geradezu tragisch war es , wenn man in der Nacht zur Toilette musste. Heimlich konnte man nicht dorthin gelangen, ohne entdeckt zu werden. Wir Jungens halfen uns damit, in eine Plastiktüte zu pinkeln und dann in die Dachrinne unterhalb des Fensters zu schütten.

Eine Briefzensur gab es auch bei uns. Sie wurde damit begründet, dass viele Schilderungen übertrieben würden und das den Eltern dann unnötig Angst machen würde. Manche Kinder versuchten, Kurzmitteilungen über die Art und Weise wie die Briefmarke aufgeklebt wurde, an die Eltern zu übermitteln. Briefmarke auf dem Kopf hieß "es ist schrecklich hier" oder schräg links geneigt hieß " es geht so". Diese Tricks waren bei den Tanten aber alle bekannt und funktionierten am Ende dann doch nicht.

Ich besitze noch ein Abschiedfoto, wo wir alle mit einer Matrosenmütze auf dem Foto zu sehen sind. Am 6.6.1966 habe ich einen Brief nach Hause geschrieben, wegen des besonderen Datums. Über 30 Jahre später war ich noch einmal auf Amrum. Zu einem Tagesausflug von Föhr aus. Das Haus gab es immer noch, aber es stand leer. Ich habe eine Gänsehaut bekommen und war seitdem nie wieder auf Amrum.
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Katrin Hebestreit aus Koeln schrieb am 03.02.2022
r Lieben,
es ist erschreckend die ganzen Geschichten durchzulesen. Dadurch fühle ich mich bestärkt auch meine Geschichte anzureihen. Ich war 1975 im Alter von 5 Jahren im Heim Marianne in Obermaiselstein und hatte bisher nur zwei bruchstückhafte Erinnerungen, da ich so jung war. Das waren keine guten, es ging um Erbrechen und auf einem harten Boden sitzen und frieren….und natürlich HEIMWEH ohne Ende. Jetzt, da ich Eure Geschichten durchgelesen habe, schließen sich langsam einige Lücken. Nun kann ich mich erinnern, daß es sich bei dem Erbrochenen um Rosenkohl handelte, den ich unbedingt aufessen mußte, und aufessen mußte, und aufessen mußte.
Ich möchte mich so gerne mit jemandem austauschen, der 1975 auch in diesem Heim gewesen ist und bin auf der Suche nach Gleichgesinnten. Liebe Grüße, Katrin
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Ulrich Breitbach schrieb am 02.02.2022
Ich suche Kontakt zu Personen, die wie ich Anfang der 60er Jahre ins Heim "Knabenheilstätte St. Marienwörth“ verschickt worden sind.
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Bernd schrieb am 02.02.2022
Ich erinnere mich daran mit meiner älteren Schwester in Bad Reichenhall gewesen zu sein. Ich stamme aus einer sozial schwachen Familie und unsere Teilnahme wurde von der Stadt finanziert. Woran ich heute noch denke und deutlich vor mir habe, war eine Bestrafung, weil mir der Nachtisch gut geschmeckt hat. Ich kannte sowas gar nicht und hab gefragt, ob ich noch etwas haben dürfte. Die Aufsicht hat dann alle Portionen, die von anderen Kindern nicht aufgegessen waren, einsammeln und vor mich hinstellen lassen. Ich sollte das alles aufessen, weil ich gierig sei. Und ich wurde gezwungen in dem Essensaal zu bleiben und durfte ihn über Stunden nicht verlassen. Meine Schwester hat sich darüber beschwert und dafür einige Ohrfeigen bekommen, so wie ich, weil ich völlig aufgelöst war. Das war das letzte Mal, dass unsere Mutter uns bei solchen ferienfreizeiten angemeldet hat.
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Mabel aus Braunschweig schrieb am 02.02.2022
1954/55 ? wurde ich (Jahrgang 1946) über die Caritas in ein katholisches Kinderheim in Villingen verschickt, fußläufig war es von Bahnhof und Kirche nicht weit entfernt. Es waren katholische Schwestern dort im Einsatz. Ich erinnere mich, daß am Giebel des (modernen) Heimes ein riesiges Christopherus-Bild (evtl. Mosaik) war. 
Meine Frage/Bitte: Kann jemand etwas zu diesem Haus sagen oder evtl. ein Foto beibringen? 
Auch ich habe dort 4 Wochen lang "gelitten" und so einige Erlebnisse gehabt, die man nie vergißt. Es gab auch Gutes durch einen Jungen (evtl. Nähe Hildesheim), der sich mir gegenüber wie ein großer, lieber Bruder verhielt. 
Vielleicht kann jemand etwas dazu sagen. Dank im Voraus, bleibt schön gesund und herzliche Grüße.
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Hank aus Berlin schrieb am 30.01.2022
Ich war als 3! Jähriger, mit meiner 3 Jahre älteren Schwester, für 6 Wochen in Bad Sassendorf und kann mich an so gut wie nichts erinnern. Wenn ich jedoch lese was den vielen Kindern in dieser Zeit (1969) widerfahren ist, wird mir so manches, heutiges Problem im Leben etwas klarer!
Eine nachhaltige Erinnerung, die mich jahrelang begleitet hat und den Gesamteindruck meines Aufenthaltes als positiv verklärt haben könnte, ist die Musikkassette die wir mit unseren Eltern aufgenommen hatten, nach unsrer Rückkehr aus Bad Sassendorf. Zumindest hatten wir sämtliche Kinderlieder gelernt und konnten dies zum besten geben!
Leberwurst, Salatgurke und Tomate war mir bis zum 35. Lebensjahr ein Gräuel. Die kleinen Plastikschiffchen ind den riesigen Holzbottichen erinnere ich noch. Die Tatsache, dass ich sofort nach Ankunft im Heim von meiner Schwester getrennt und separiert wurde, ist ein begleitendes Trauma. Würde gerne weitere Bilder aus der zaghaften Erinnerung zurück rufen, um mehr zu verstehen im hier und jetzt.
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Ursula Löhe aus Overath schrieb am 29.01.2022
Ich war 1965 auch in Bad Sassendorf ! Ich habe wenig Erinnerungen - nur dass ich ständig meinen kleinen Bruder (4) beschützt habe und einmal jeden Tag mein nicht aufgegessenes Brot mit ekelhafter Blutwurst immer wieder und jeden Tag vorgesetzt bekam …. ich aß es aber nicht - bis die Wurst schimmelte ! Pakete von Zuhause wurden an alle anderen verteilt - man fühlte sich als 5jährige total verlassen und meine Eltern waren nach 6 Wochen sehr erschrocken, dass wir anstatt zuzunehmen , wesentlich dünner und kranker nach Hause kamen …. es war grausam ?
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Bianca aus Dachau schrieb am 28.01.2022
Mein Trauma Pausa - 672 Stunden ANGST

Erst durch die Medien bin ich auf Verschickungskinder aufmerksam geworden. Ich war schockiert. Es gibt einen Namen für mich.
Nachdem ich die anderen Berichte über Pausa gelesen habe sind bei mir schlagartig alle verdrängten schrecklichen Erlebnisse hochgekommen. Über 40 Jahre hatte ich keinen Zugang zu diesen Emotionen. Danke, das das jetzt geschehen ist und endlich eine Verarbeitung stattfinden kann.
Auch ich möchte hier meine Geschichte erzählen:

Es war 1981 und ich 7 Jahre alt. Ich war gesund, hab lediglich nicht so gerne gegessen. Das war der Anlass für eine 4-wöchige Kur in Pausa. Im Bus hab ich mich mit einem Mädchen, Kirsten Z. angefreundet. Ich war aufgeregt - vielleicht kommen wir in eine Gruppe.
Gleich am Anfang haben uns die Erzieherinnen alle persönlichen Dinge außer Kleidung weggenommen, die ihnen gefallen haben. Sie haben alles behalten. Wir haben nichts wiederbekommen.
Es war leider kein Platz für mich in der passenden Mädchengruppe. So haben sie mich in die kleinere Jungengruppe gesteckt. Das hieß kein altersgerechtes Spielen für mich und auch, im Jungenschlafsaal zu schlafen! Allein unter ca. 15 Jungen. Warum ich? Ich sehe mich noch im Doppelstockbett liegen. Ich fühlte mich allein und unbehaglich. Keine Freundin, keine Kirsten Z..

Nun das Schlimmste. Um uns Kinder zum Essen zu zwingen ließen sich die Erzieherinnen folgende unaussprechliche Grausamkeit einfallen:

Wir alle wurden am 1. Tag gewogen, das Gewicht notiert. Eine weitere Wiegung wurde für den Tag der Abreise angekündigt. Nun wurde uns tatsächlich erzählt, dass wir nur wieder nach Hause dürfen, wenn wir zunehmen. Wörtlich: „Wenn ihr abnehmt oder das Gewicht gleich bleibt dürft ihr nicht wieder nach Hause zurück. Ihr werdet Eure Eltern 10 Jahre nicht mehr wiedersehen bis Ihr 18 Jahre alt seid. Ihr kommt in ein Lager, wo ihr ununterbrochen essen müßt. Sowie der eine Teller leer ist kommt eine Erzieherin durch die Tür und bringt Euch einen neuen vollen Teller. Am Abreisetag stehen 2 Busse vor der Tür. Der eine bringt die Kinder, die zugenommen haben nach Hause, der andere Bus bringt die anderen Kinder in das beschriebene Heim.“ Ich habe es geglaubt. Wir alle.
Zu jeder Mahlzeit diese Aussage, egal welche Erzieherin! Es hatte System. Wir hatten die ganzen 4 Wochen keine Kontrolle, ob wir zugenommen haben. Die Ungewissheit, die Angst waren unerträglich. Einmal hab ich dünnes Mädchen mittags 9 Teller Bohnensuppe gegessen. Ich habe aus Angst immer weiter und weiter gegessen und mich dann schließlich in einem riesigen Schwall über mehrere Tische hinweg übergeben. AUS ANGST GEGESSEN BIS ZU KOTZEN. DAS WAR PAUSA. Danach hab ich noch den Vanillepudding gegessen, denn ich war verzweifelt, da mein Magen jetzt leer war und ich an diesem Tag nicht zunehmen konnte.
Die Angst vor dem Wiegen am letzten Tag kann ich nicht in Worte fassen.

Nachts durften wir nicht auf Toilette. Es war strikt verboten unter Strafe. Am Abend gab es immer nur einen kleinen Schluck Tee. Ich hatte Durst. Wir bekamen ja fast nichts zu trinken. Unsere Erzieherin Frau Gaumitz, sie war die Schlimmste, hatte aber gern ihre Tochter am Abend da. Diese bekam Tee soviel sie wollte. Sie schnitzte ihr Apfelmännchen vor unseren Augen. Ihre Tochter aß ihn genüßlich. Wir bekamen kein Obst.
Ja, Frau Gaumitz hatte Lust am Quälen und wir waren ihr und den anderen Erzieherinnen hilflos ausgeliefert.

Ein Junge, René, hat fast jede Nacht ins Bett gemacht. Morgen packten ihn dann jedesmal 2 Erzieherinnen, hielten ihn fest, und brüllten ihn an. Er schrie furchtbar, eine dritte drückte ihn mit voller Kraft und Wut das nasse Laken ins Gesicht bis er ruhig war. Wir alle mußten zusehen. Immer wieder. - Nackte Angst vor der Gewalt und dem Zorn der Erzieherinnen, insbesondere Frau Gaumitz.

Eisduschen: Im Keller gab es einen riesigen Waschraum mit meterlangen Waschbecken und mindestens 10 Duschen in einer Reihe. Hier mußten wir jeden Morgen unter allen eiskalt aufgedrehten Duschen auf und ablaufen. Manchmal nur viel mal, manchmal 10 mal. Je nach Belieben der Erzieherin. War man nachts doch mal auf Toilette (um nicht ins Bett zu machen) mußte man hier länger laufen. Es war Januar/Februar, der Waschraum ungeheizt. Normales Duschen mit warmen Wasser und Haare waschen gab es die ganzen 4 Wochen nicht. Ich hatte Angst vor diesem Waschraum.
Alle unsere Briefe wurden von den Erzieherinnen gelesen, so dass eine Schilderung der katastrophalen Zustände an die Eltern unmöglich war.

In den kommenden 6 Jahren mußte ich jeden Sommer 2 Wochen ins Ferienlager. Kein anderes Kind dort hatte solch extremes Heimweh, ständige starke Übelkeit und mußte sogar 2 Mal abgeholt werden.
Ich wundere mich seit 40 Jahren, wo meine tiefe, tiefe Angst in vielen Lebenssituationen und teilweise eigenartige Krankheiten, für die kein Arzt eine Erklärung hat, herkommen. Die Antwort heißt Pausa und die sadistischen Erzieherinnen.

Ich habe noch ein Foto von allen Kindern und den Erzieherinnen in der „Drachenhöhle“ in Syrau, einschließlich Frau Gaumitz.

Bianca
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Angela aus Pfullingen schrieb am 28.01.2022
Ich bin mit 4 Jahren nach Bad Dürrheim geschickt worden, warum, weiß ich nicht genau. Ich hatte Allergien und war klein und zart. Uns hat man in Ludwigshafen/Rhein in einen Bus gebracht, meine Mutter gab mich in Händen eines großen Jungen, der auf mich aufpassen sollte, wir kannten ihn. Als wir ankamen, wurde ich von ihm getrennt und ich weinte fürchterlich.
Wir kamen dann in einen Saal mit Wannen, mussten uns ausziehen und baden, was ich nicht verstand, da ich zu Hause schon gebadet hatte . Man untersuchte auch unsere Haare auf Läuse. Ich war 6 Wochen da, und sehr einsam. Ich dachte, falls ich jemals da raus komme, sind meine Eltern bestimmt tot.
Ich kann mich an fürchterliche Esskultur erinnern, sehr harsch und im Befehlston. Ich weiß nicht viel, aber ich sollte 1 Apfel ganz aufessen, mit allem und Stil, und ich weigerte mich. Ich kann mich noch an eine Kammer mit Nebel erinnern, in der wir sangen. Und an eine Kindergärtnerin, die mit uns draußen Gruppenspiele machte.
Am 1. Tag sollten alle ein Mittagsschlaf halten, es war ein Saal mit Stahlbetten, und ich sollte mit 4 Jahren die Aufsicht machen. Ich hatte 1 rotes Kleid an und helle Strumpfhosen. Ein Kind weinte, es mußte Pipi, also ging ich zu den Schwestern und klopfte, und niemand meldete sich, ich hörte aber jemand, nach erneutem lautem klopfen, öffnete ich die Türe, und bat um Hilfe. Ich wurde sofort barsch von Schwester Ursel? angepflaumt, sofort zu gehen und nicht zu stören. Worauf ich laut schrie: das Kind muß Pipi! Sie muß kommen, und niemand kam, sie tranken Kaffee und aßen Kuchen! Was aus dem Kind wurde, weiß ich nicht.
Ich kann mich dunkel an einen Flur erinnern, nachts, in dem ich stehen musste, ganz allein im Dunkeln, weiß aber nicht, ob das stimmt, eher eine Erinnerung.
Ich hatte dort Geburtstag, und Schwester Ursula, Ursel? las den Brief meiner Eltern vor, dass sie sehr enttäuscht sind von mir, weil ich nicht brav bin, und sie nichts mehr von mir wissen wollten. Das war während eines Essens vor allen Kindern. Ich war wütend. Wie können meine Eltern so was schreiben, wenn sie nicht wissen, wie es hier ist?
Es gab ein Paket. Meine Mutter fragte mich, als ich heim kam, nach den Geschenken. Es waren auch Schuhe drin. Und Süßes und einen lieben Brief. Ob sie reagiert hat, weiß ich nicht.
Meine Mutter holte mich vom Zug ab, und wollte mich in den Arm nehmen. Ich drehte mich weg und wollte nie wieder Körperkontakt mit ihr haben. Wir hatten bis zu ihrem Lebensende eine sehr schwierige Beziehung .
Zeitlebens bin ich ein sehr schlechter Esser, und bei Problemen wird mir übel und kann nichts essen.
Ich hospitalisiere, ich wackle mich in den Schlaf, seit Kindheit. Ich habe kein Vertrauen, nehme alles selbst in die Hand. Und zeitlebens habe ich immer mal wieder verlassenheitsängste, dass ich schreie. Nicht einfach für meine Familie, für Kinder und Mann.
Jetzt mache ich eine Traumatherapie, und bin dankbar, für die tolle Therapeutin, und den Verein für Verschickungskinder. Ich will mich begreifen und das bewältigen, und nicht mit dieser Einsamkeit leben, vertrauen lernen.
Ich wache jeden Morgen mit Tränen und selten mit Schluchzen auf.
Und ich weiß, das hat mit Bad Dürrheim zu tun. Dass die Nazizeit so lange regiert hat, erschüttert mich, so grausame Erziehungsmethoden.
Ich weine
Angela
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Ulrike Götz-Suzuki aus Mönchweiler schrieb am 28.01.2022
Ich wurde im November 1971 für 6Wochen nach
St.Peter-Ording in den goldenen Schlüssel verschickt.
Als ich eure Reportage gesehen habe, hat mich das sehr berührt, eigentlich war das alles keine Thema für mich.
Und nach und nach kommen auch die Erinnerungen wieder, es scheint ich war ein Meister des verdrängenden.
Ja das Thema Essen war auch bei mir das Problem, ich wurde zur Gewichtszunahme dahin geschickt, aber vor Heimweh konnte ich nichts Essen, und irgendwie ist da etwas gründlich schief gegangen, denn seither kann ich keine Bananen und nichts undefinierbares Essen (Suppen usw. Smothies) gut damit kann man Leben.
Ich kann mich noch an den großen Schlafsaal erinnern, ein Kleinkind im Gitterbett hat jede Nacht unendlich lange geweint, und da war ein Mädchen ungefähr 11/12 Jahre alt, sie hat sich immer gekümmert.
Auch musste ich immer in einen Gruppeninhalationsraum,
da hing eine Art Lampe an der Decke und ein kleines Tuch/Lumpen hing herunter.
Am liebsten habe ich mich in einem kleinen Wäldchen aufgehalten, der Boden war ganz sandig, da war es schön.
Zu Nikolaus gab es dann ein Packet von meiner Tante, leider wurde es konfisziert, gut später wurden die Inhalte mit allen geteilt. An eine Kontaktaufnahme mit meinen Eltern, kann ich mich nicht erinnern.
Aber für mich war immer klar, das ich so etwas niemals meinen Kindern antun werde!
Ich bin heute Familien-Gesundheits-Kinderkrankenpflegerin und gehe in belastete Familien, vermutlich hat mich dieser Aufenthalt mehr geprägt als ich dachte.
Ich begrüße diese Homepage, und hätte nie gedacht was es in mir auslöst diese Zeilen zu schreiben, ich habe wohl eine Überlebensstrategie der Verdrängung entwickelt,
Es wäre interessant ob sich jemand findet der zur gleichen Zeit im goldenen Schlüssel war, ein Austausch würde mich freuen.
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Christine Buchmann aus Bielefeld schrieb am 28.01.2022
Im Alter von 6 Jahren wurde ich wegen Neurodermitis "zur Kur" geschickt. Von Anfang an war die Vorstellung beängstigend für mich, 6 Wochen alleine von zu Hause weg zu sollen. Es wurde mir schmackhaft gemacht: Mensch, du kannst ans Meer. Dennoch wurde die Zeit am Meer schrecklicher, als ich es mir vorstellen konnte:
Es begann damit, dass die nette, zugewandte Begleiterin aus dem Zug (Heidelberg - Husum) nicht mit ins
Heim kam - hier war der Beziehungsabbruch schon komplett, die letzte Verbindung zu meinen Eltern (mein Vater
hatte mit dieser freundlichen Diakonisse ja noch selbst gesprochen, sie kannte ihn und war damit noch eine
Verbindung nach Zuhause). Ab jetzt war ich alleine, ich erinnere das als einen Schock. Meine nächste
Erinnerung ist, dass ich die ersten 2 Tage weinend im Bett verbracht habe, im gleichen Zimmer war noch
ein Mädchen, dass ebenso lange durchweinte - in dieser Zeit hat niemand versucht, echten Kontakt zu uns
aufzunehmen. Von Zeit zu Zeit kam eine Betreuerin, schaute nach, ob wir aufgehört hatten zu weinen. Ich
erinnere , dass es bei diesen "Besuchen" nur darum ging, ob wir jetzt endlich bereit waren, zu den anderen
zu kommen. Trost, Ansprache, Zuwendung gab es nicht. Das war ich nicht gewöhnt; ich empfinde im
Nachspüren heute noch meine damalige bodenlose Verwunderung, mein tiefes Entsetzen über das
distanzierte Verhalten der Betreuerinnen. So empfand ich mich von Stunde zu Stunde einsamer, verlorener,
verlassener. Ab dann habe ich nur Erinnerungen an einzelne Begebenheiten, kurze Momente: ein
Strandspaziergang in 2-er Reihen, die Kinder durften dann ins Wasser, ich habe ich unter meiner Jacke
versteckt. Ein Spiel im Garten, bei dem eines der größeren Mädchen mich einmal in den Arm nahm - ich
glaube, das war der einzige freundliche Körperkontakt während der ganzen 6 Wochen. Der erste Posttag:
Briefeschreiben gab es für alle zu bestimmten Zeiten. Meine Eltern hatten mir ein Schreibheft mit
Erstklässler-Linien mitgegeben, darauf konnte ich schon ganz gut schreiben. Abgesprochen war: ich
Seite 16 / 30
schreibe da hinein, reiße dann die Seite aus dem Heft und stecke sie in einen Umschlag. Ich schrieb: "ich
habe Heimweh...". Das musste ich vorzeigen. Und durfte es natürlich nicht so verschicken. Begründung
war: ich könne doch keine rausgerissene Seite als Brief verschicken - meine Absprache mit meinen Eltern
wurde also weggewischt. Außerdem solle ich nicht von Heimweh schreiben, die Eltern sollten sich doch
keine Sorgen machen. Also bekam ich Linien auf ein weißes Blatt und einen diktierten Brief, dass ich mich
gut einlebe und Spaß habe. Ich belog bewusst meine Eltern - das hatte ich vorher nie gemacht, ich hatte
das bei meinen Eltern nicht nötig (nach der Kur konnte ich das übrigens ganz gut, auch wenn es weiterhin
nicht nötig gewesen wäre, meine Eltern konnten für diese Zeit ziemlich gut mit ihren Kindern über alles
reden). Das schlimmste Erlebnis passierte eines Nachts: ich musste zur Toilette, hatte dringenden Bedarf,
meinen Darm zu entleeren. Ich weiß nicht mehr genau, warum das so schwierig war, ich erinnere mich an
Not, entweder ich suchte und fand die Toilette zuerst nicht, dann war ich aber dort, ich vermute, ich wurde
"erwischt" und musste sofort zurück ins Bett, vielleicht hab ich auch nur geträumt ... jedenfalls entleerte ich
mich ins Bett. Das war dann morgens natürlich verschmutzt. Es gab ein Riesentheater, ich wurde
beschimpft, mit dem Bettzeug nackt im Waschraum an ein niedriges Becken gesetzt, wo ich ohne
Hilfsmittel das Laken reinigen sollte. Ich weinte die ganze Zeit, ich fühlte mich verlassen, hatte Angst, fühlte
mich auch ungerecht behandelt. Ich wurde weiter beschimpft, weil ich ins Bett gemacht hatte, weil ich das
Laken nicht sauber bekam. Währenddessen wuschen sich zunächst die Mädchen in dem gleichen großen
Waschraum, sie wurden wiederholt durch die Betreuerin darauf hingewiesen, was passiert, wenn man das
Bett beschmutzt. Dann waren die Mädchen fertig, die Jungen kamen, mir wurde gesagt, dass ich weiter
machen muss (normalerweise war es streng untersagt, dass Mädchen und Jungen gleichzeitig im
Waschraum waren), auch den Jungen wurde erklärt, dass ich ins Bett gemacht hatte und nun meinen
angerichteten Schaden wieder gut machen musste. Die Kinder wurden angestiftet, sich lustig zu machen
und mich auszulachen, Da ich an dem niedrigen Wasserhahn auf dem Boden saß, nackt, schauten alle auf
mich herunter. Das war die am schlimmsten erniedrigende Situation in meinem ganzen Leben. Kurz
nachdem die Jungen dann den Waschraum verlassen hatten, wurde ich weggeschickt und durfte mich
anziehen. Insgesamt erinnere ich mich an diese Zeit als eine Phase, in der ich von meinen Gefühlen
letztlich sehr abgeschnitten war, vielleicht, weil sie im Außen auf keine Resonanz gestoßen sind. Wenn ich
weinte, Angst hatte oder unsicher war, bekam ich keine Aufmerksamkeit, keine Zuwendung, keinen Trost.
So zog ich mich immer mehr in mich zurück. Bei der Rückreise wurde noch eins drauf gesetzt: die
Begleiterin diesmal war nicht so freundlich. Es gab eine klare Aufforderung, auf dem Bahnsteig bei Ankunft
auf keinen Fall los zu rennen, wenn wir unsere Eltern sahen. Ich stieg aus, sah meine Eltern und meinen
Bruder, ging langsam auf sie zu, reichte ihnen die Hand und sagte: Guten Tag. Ich empfinde heute diese
Szene als ein für sich sprechendes Bild für das, was in mir passiert war. Keine spontane Freude, kein
Widerstand, keine Äußerungen von Emotionen, Verhalten wie ferngesteuert.
Meine Eltern konnten in der folgenden Zeit zum Glück ganz gut zuhören, die Bindung verheilte, wenn auch mit langwierigen Narben. Eine ganz eindeutige Veränderung an mir jedoch war, dass ich kurz nach dem Aufenthalt in St. Peter Ording wieder zur
Bettnässerin geworden war, was etwa 2 Jahre angehalten hat. Meine Neurodermitis war übrigens nach der
"Kur" schlimmer als jemals vorher - ein Naturheilkundler, zu dem ich dann mit 9 Jahren gemeinsam mit
meinen Eltern gefahren war, dessen Salbe meine Mutter mir über 2 Monate liebevoll täglich aufgetragen
hat, hat das Abklingen aller Symptome erreicht.
Es hat mich lange beschäftigt, dass ich eine Zeit erlebt habe, die für mich absolut schrecklich war - von
anderen dafür oft wenig Verständnis zu bekommen war. Ich habe als Kind und Jugendliche davon wenig
erzählt, weil es dafür keinen Rahmen gab, es war einfach nirgends Thema. Ich vermute, es hat sich ein
Muster eingeprägt, das es mir schwer gemacht hat, meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse ernst zu
nehmen, ihnen zu trauen. Im Studium stieß ich auf einen Artikel von Terre des Hommes: Das Kind im
Krankenhaus. Das war 1980. Da habe ich zum ersten Mal beginnen können, mir selbst zu glauben, WAS ich
und WIE ich es erlebt hatte.
Zusammengefasst kann ich sagen: der Heimaufenthalt hat dazu geführt, dass meine Bindungen lange von
Verlustangst geprägt waren. Und er hat dazu geführt, dass ich nur schwer Zugang zu meinen Gefühlen
bekommen habe. Und ich habe lange daran gearbeitet, für meine Gefühle und Bedürfnisse einstehen zu
können.
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Ingrid schrieb am 26.01.2022
Im Oktober 1973 wurde ich mit 5 Jahren von der Barmer für 4 Wochen nach Lenggries in das Kindererholungsheim Sankt Georgi Haus verschickt.
Die Reise nach Bayern ging vom Stuttgarter Hauptbahnhof aus mit vielen anderen Kindern, die alle einen orangefarbenen Rucksack tragen mussten, los.
Die schlimmste Erfahrung war das Heimweh. Im Kindergarten hatte ich viele Freunde, dort fühlte ich mich mutterseelenallein. Ich erinnere mich an wöchentliche Telefonate mit meiner Mutter, die von einer Betreuerin mitgehört wurden. Ich durfte nur Positives berichten, nicht wie es mir wirklich ging...
Es gab Berge von Nutellabroten zu essen, beim Essen war mir immer schlecht, weil es mir nicht schmeckte.
Als meine Erzieherin aus dem Kindergarten mir eine Tafel Schokolade schickte, wurde sie mir weggenommen.
Ich erinnere mich an Spielenachmittage im Speisesaal, wo ich immer verlor, weil ich noch so klein war, an Hänseleien der anderen Kinder und an organisierte Toilettengänge.
Irgendwie war ich danach eine andere, ich hatte meine Unbefangenheit und das Vertrauen in meine Mitmenschen ein Stück weit verloren.
Landschulheimaufenthalte und Ferienfreizeiten waren mir in meiner Schulzeit ein Greuel.
Auch ich war der Meinung ein Einzelfall zu sein und völlig überrascht von der Tatsache, dass es noch so viele andere Verschickungskinder gibt.
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Bettina Bracht aus Nentershausen-Süß schrieb am 25.01.2022
Hallo zusammen, als ich den Bericht "Kinderkur wurde zum Trauma" in der Zeitung las, wurde mir bewusst, dass es ganz viele Betroffene gibt, denen es genauso ging wie mir. So habe auch ich endlich den Mut gefunden, mich hier zu melden. Ich war klein und ziemlich dünn, worauf die damalige Kinderärztin(Frau Dr. Holzapfel aus Rotenburg a d Fukda)meinen Eltern vorschlug mich zur Kur zu schicken, dass ich etwas zunehmen sollte, weil ich 1971 eingeschult werden sollte. Meine Eltern wollten ja auch nur das Beste für mich...verständlich...also wurde der Koffer gepackt und ich von meinen Eltern nach Bebra zum Bahnhof gefahren. Dort waren ganz viele Kinder...wir wurden von Ordensschwestern mit dem Zug nach Bad Karlshafen gebracht....Es war einfach nur schrecklich... und in einem großen Saal mit ca 30 Kindern zusammen schlafen zu müssen. Ich hatte schreckliches Heimweh und war sehr verängstigt. Der Kontakt zu den Eltern war verboten. Ich war damals 6 Jahre alt. Ich weiß noch, mein Papa war damals LKW Fahrer und viel unterwegs..So kam er einmal vorbei um mich dort zu besuchen...und er hatte Glück, wir waren gerade draußen zum spazieren gehen..Ich sah Papa und lief zu Ihm hin...das war fatal für mich...ich wurde sofort von einer Ordensschwester ins Heim gebracht und bekam meine Strafe. Ich war zur Kur, weil ich zunehmen sollte, und nun wurde ic hauch noch seelisch misshandelt...habe kaum was Essen können...also habe ich Strafen bekommen, nicht mit zum Eis essen, oder zum Ausflug auf die Weser...musste alleine im Schlaafsaal bleiben usw.. Nach ca 1 Woche musste ich dann zur Mutter Oberin... und diese Worte klingen mir heute noch im Ohr..."Mein liebes Kind, wenn du jetzt nicht langsam mal anfängst zu Essen, dann kommst du nicht nach Hause." Ich bin eingeschüchtert und seelisch misshandelt worden. Deshalb habe ich aus Frust sämtliches Essen, was ich bekommen habe in mich reingeschlungen. Nur dass ich wieder nach Hause komme. Dann waren die scheiß 6 Wochen um, und wir wurden wieder mit dem Zug nach Hause gebracht....Das allerschlimmste ist, dass du das alles mit dir alleine ausmachen musst...du hast Angst kannst dich aber keinem anvertrauen, weil dir vermutlich eh nicht geglaubt wird. Ich habe mich halt durchgekämpft...ich bin Löwin...Ich kann meinen Eltern keinen Vorwurf machen. Es war damals eine andere Zeit..Meine Mama hat oft erzählt, dass ich früher sehr schwierig war....Ich habe es Ihnen erzählt, da war ich schon fast 40...solange hatte ich geschwiegen...meine Eltern sind aus allen Wolken gefallen..und ich bin froh, dass ich endlich den Mut gefunden hatte, es Ihnen zu erzählen..
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R aus Berlin schrieb am 25.01.2022
Im Sommer 1971 wurde ich auf Anraten einer Kinderärztin in die Obhut eines sogenannten Kindererholungsheims gegeben. Die Intention meiner Eltern war, mich vor der Einschulung körperlich zu stärken. Ich war gerade sechs Jahre alt geworden. Gegen Ende des Aufenthaltes, der fünf oder zehn Wochen dauerte, wurden Fotos gemacht - ein Gruppenfoto sowie von jedem Kind ein Portrait. Tatsächlich sehe ich auf dieser Aufnahme fröhlich und gut erholt aus. Dieser Eindruck war gewünscht. Aber trügerisch. Wie von anderen Ehemaligen beschrieben, waren die "Erholungswochen" für mich ein Martyrium. Kinder haben ein anderes Zeitempfinden als erwachsene Menschen. Entsprechend erinnere ich, dass dieser Aufenthalt seinerzeit nie zu enden schien.

Da meine Familie nur etwa eineinhalb Autostunden entfernt von St.Peter-Ording lebte, waren es meine Eltern, die mich dorthin chauffierten. Die Institution erinnere ich als zweigeschossiges Nachkriegsgebäude, bevölkert von einer Schar von Kindern. Nach Ankunft wurde ich unter dem Vorwand eines Aufnahmegesprächs mit meinen Eltern von selbigen getrennt. Schon diese Wartezeit erschien mir unbehaglich. Als ich schließlich nach meinen Eltern fragte, wurde mir mitgeteilt, dass sie schon abgereist seien - den Abschied von ihnen hatte man bewusst unterbunden. Für mich war dies ein Schock. Ein Jahr zuvor hatte ich mehrere Wochen im Krankenhaus verbringen müssen, die Erinnerungen an Gefühle starker Einsamkeit und Verlassenheit hatten sich mir eingeprägt. Ich musste gehofft haben, so etwas nie wieder zu erleben. Nun wiederholte es sich. Als dann zwischenzeitlich (aufgrund eines Unfalls meiner Mutter) mein Aufenthalt in St.Peter noch verlängert wurde, brach eine Welt für mich zusammen, so unglücklich war ich. Kinder, deren Gesundheit weniger stabil als erwartet gewesen sein mochte, hätten besonderer Achtsamkeit und Zuwendung bedurft. Was wir damals stattdessen erfuhren, war autoritäre Härte und Drill. Diesen Zuständen mit sechs Jahren ausgeliefert und jeder Möglichkeit beraubt, den Eltern zu berichten, war - genau genommen - grausam. Wem die Schilderungen Einzelner im Nachgang lapidar erscheinen mögen, der vergisst, wie zerbechlich Kinderseelen sind.

Die Entscheidung, mich in Obhut zu geben, war primär auf das Votum meines Vater zurückzuführen, der in seiner im Nationalsozialismus verbrachten Kindheit selbst in ein "Erholungsheim" im Schwarzwald verschickt worden war. Gemäß seiner Erfahrung war eine Verschickung sehr zu befürworten. Da die Region Schwarzwald meiner Mutter aber als zu weit entfernt erschien und das ärztliche Anraten auf "Luftkurort" lautete, wurde für das näher gelegene St.Peter entschieden.

Mein Gefühl aus der Zeit der Anbahnung dieser Entscheidung - die Tatsache, dass über mich "beratschlagt" wurde - erinnere ich als eine Form von Entmündigung, denn zu meiner eigenen Haltung betreffs einer Verschickung befragt wurde ich nicht. "Folgsam und tapfer" zeigen wollte ich mich dennoch, im guten Glauben daran, dass über mein Wohlergehen entschieden werde. Dieses Gefühl manifesterte sich in mir und hielt sich beständig: Die Eltern nicht enttäuschen zu dürfen, weil sie mir vermeintlich Gutes angedeihen lassen würden - dieser Eindruck lenkte mich. Erst Jahre später, nach wiederkehrenden nächtlichen Alpträumen und zeitweiligen Angstzuständen teilte ich meinen Eltern
Andeutuungen dessen, was ich in St. Peter tatsächlich erlebt hatte, mit. Ihre Verwunderung darüber überraschte mich nicht - mir war längst klar geworden, dass sie nicht im Entferntesten in Betracht gezogen hatten, dass mein Aufenthalt ihre Intentionen komplett verfehlte. Genau genommen verstärkte diese Tatsache in mir die Fortsetzung eines Gefühls von Vereinsamung. Hätten sie nachgefragt, sich interessiert, mein Leid mit mir geteilt, offenes Bedauern bekundet, wäre die dunkle Erinnerung weniger nachwirksam für mich gewesen. Weitere Jahre vergingen, ehe mir bewusst wurde, dass es unmittelbare Bezüge zu den Kindheitsmustern meiner Eltern geben musste - zur schwarzen Pädagogik der NS-Zeit, die beide erfahren hatten, meine Mutter unter anderem während mehrerer Jahre in der sogenannten Kinder-Landverschickung.

Manche der Schilderungen Ehemaliger ähneln dem von mir Erlebten, doch ich war erst sechs Jahr alt, daher sind meine faktischen Erinnerungen rudimentär. Zurückgeblieben aus jenem Sommer sind vor allem Eindrücke von Ohnmacht, Beklemmung und Düsternis. Übereinstimmend mit den Erinnerungen anderer Ehemaliger hatten wir die Betreuer und Betreuerinnen mit "Tante" oder "Onkel" sowie deren jeweiligen Vornamen anzureden - erwachsene Personen im Alter von Mitte zwanzig bis etwa fünfzig Jahren, die mit großer Strenge über uns wachten, jede unserer Regung reglementierten, Fehlverhalten sanktionierten.

Jungen und Mädchen waren voneinander getrennt untergebracht. Nachts schliefen wir in Sälen, die Tür zum Gang blieb weit offen stehen. Wenn ich nicht zur Ruhe kommen oder regungslos in meinem Bett verharren konnte, wie es verlangt wurde, musste ich stundenlang, nur mit Nachtwäsche bekleidet, auf kaltem Steinboden, ganz allein, barfuß und schweigend draußen auf dem Gang stehen. Keines der Pakete, die mir regelmäßig geschickt wurden, erhielt ich. Darin waren Geschenke, Süßigkeiten und etwas Geld für mich verpackt worden, waren, wie meine Mutter mir später berichtete. Briefe wurden nicht ausgehändigt, sondern im Beisein anderer Kindern verlesen. Selber schreiben konnte ich noch nicht, und so wurde wöchentlich von einer der "Tanten" ein sonniger Bericht an meine Eltern verfasst und verschickt, von mir mit meinem Vornamen, den ich immerhin schon zu Papier bringen konnte, unterschrieben. Wie andere Ehemalige erinnere ich einen viel zu langen, täglich verordneten Mittagsschlaf (ein bis zwei Stunden), meist im Schlafsaal, vereinzelt auch im Hof des Hauses, wenn die Sonne schien. Selbstverständlich durfte auch hier nicht gesprochen werden, jegliche Aktivität in dieser Zeit der totalen Ruhigstellung wurde unterbunden. Überhaupt habe ich die Wochen in St.Peter-Ording insgesamt wie eine Freiheitsberaubung erlebt: Marschieren in Zweierreihen, beim Essen den Teller leeren, ob es einem schmeckte oder nicht, Folgsamkeit als oberstes Gebot in jeder Hinsicht.

Während eines Sommerfestes, das mir als einziges Ereignis deutlich erinnerlich ist, wollte ich von einer der Speisen, die aufgetischt worden waren, probieren und wurde dafür von "Onkel Eduard", einem sehr groß gewachsenen Menschen, dessen Kopf und Gesicht ich noch andeutungsweise erinnere, mit einer Orfeige bestraft, die so heftig war, dass mir schwarz vor Augen wurde. Ich entsinne, dass ich nicht nur nach diesem Vorfall, sondern häufig während meines Aufenthalts des Nachts in mein Kissen weinte. Das Gefühle von Verlassenheit war schier grenzenlos, zumal es niemanden gab, der uns Kindern liebevoll oder spürbar fürsorglich begegnete. Erholung war hier lediglich als Pflichtprogramm deklariert, die Kinder kamen und gingen allwöchentlich - kleine Menschen ohne Emotionen oder Identität, deren einzige Aufgabe vom ersten bis zum letzten Tag darin bestand, sich in die Heim-Maschinerie einzureihen und zu fügen.

Als nach vielen Wochen meine Eltern kamen, um mich abzuholen, war etwas in mir zerbrochen. Genauer ausdeuten kann und möchte ich es an dieser Stelle nicht. Aber der Aufenthalt in jenem "Heim" war eine seelische Zäsur in meinem noch so jungen Leben. Ich erinnere, dass wir vor der Rückfahrt in die Stadt meiner Kindheit noch gemeinsam im "Wellenbad" von St.Peter-Ording schwimmen gingen. Nicht gefasst auf die tatsächliche Wucht der dort künstlich erzeugten Wellen und noch nicht imstande, allein zu schwimmen, rang ich plötzlich um Luft, verlor den Halt und sank in die Fluten. Meine ältere Schwester bemerkte es und zog mich zurück an die Wasseroberfläche. Für mich unvergesslich, weil es mich eigenartig und sehr stark berührte: Aus Lautsprechern erklang durch die Schwimmhalle Musik - ein Song von Daliah Lavi: "Wer hat mein Lied so zerstört?". Mit seinen rätselhaften Metaphern sprach dieser Song zu mir, so als wurde er - in seiner seltsamen Mischung aus Trauer und Fassungslosigkeit über unerwartetes Entborgensein - nur für mich gesungen.
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bert schrieb am 24.01.2022
Durch einen Artikel in der heimischen Tageszeitung über das Buch, das Elend der Verschickungskinder von Anja Röhl, wurde ich als selbst Betroffener auf das Thema aufmerksam.

Ich bin als sechs Jahre alter Junge im Sommer 1962 für mehrere Wochen zur Erholung nach Cuxhaven geschickt worden.

Bei der Internetsuche nach dem Heim, in dem ich war, wurde ich auf der Seite cuxpedia.de fündig.
http://cuxpedia.de/index.php?title=Druiden-Kinderheim_Duhnen
Sofort war bei mir diese riesige Verärgerung über diesen Aufenthalt wieder da.
Dort waren einige Fotos von dieser Einrichtung veröffentlicht. Eins davon zeigte die Liegehalle, einen Raum auf der Sonnenseite hinter großen Glasflächen, die viel Sonnenschein rein lassen.

An Hand des Fotos konnte ich nun endlich das Kinderheim in Cuxhaven ausfindig machen, in dem ich diese Horrorwochen verbringen musste. Die Adresse ist: Kindersanatorium Am Meer, Wehrbergsweg 63, 27476 Cuxhaven (Duhnen). Genauso steht es noch in einem Onlinetelefonverzeichnis, obwohl es nach langem Leerstand vollständig abgerissen wurde.

Das war der Raum in dem ich wegen ein paar Unartigkeiten einen ganzen Tag, allein bei voller Sonne und Hitze, eingeschlossen wurde.

Unartig war man in diesem Heim ganz schnell: reden beim Essen, reden bei der Mittagsruhe im Schlafraum, wenn man seine Suppe nicht fertig essen wollte oder konnte, wenn man außerhalb der festgelegten Zeiten auf die Toilette musste und während der Nachtruhe auf das Klo zu müssen, das war Gipfel der Unartigkeit.

Beim morgendlichen Toilettengang mussten wir schön in der Reihe stehen und uns zwei Blatt Klopapier abholen, mehr gab es grundsätzlich nicht, und abwarten bis eine Kabine frei geworden ist.
Als besonders ekelhaft empfand ich es, wenn am wöchentlichen Badetag,
Unterhosen die „Bremsspuren“ hatten, von den Tanten wie Trophäen in die Höhe gehalten wurden, um sie allen im Raum zu zeigen.

Alles was da geschah, war extrem nach dem Prinzip Bestrafen und Belohnen aufgebaut, um Kinder abzurichten wie Hunde.
Alles was von den Eltern mit auf die Reise gegeben wurde, wurde eingezogen und belohnend verteilt. Das ging so weit, dass einige nie sommergerecht eine kurze Hose oder ihre mitgebrachten Sommerschuhe anziehen durften oder etwas von ihren eigenen Mitbringsel abbekamen, sogar das Sammeln von Muscheln war nur den immer Artigen zum Ende des Aufenthalts erlaubt. Von mitgegebenen Geldmünzen haben wir Kleinen keinen Groschen bekommen. Hin und wieder gab es mal ein Eis, bezahlt von unserem eingesammelten Taschengeld, aber niemals für jeden. Ich musste während des ganzen Aufenthalts mit langer Lederhose, Socken bis zu den Knien und Seitenbindern, wie beim Herbsturlaub in den Bergen, rumlaufen.

Nie im ganzen Leben habe ich mich so ausgeliefert und gedemütigt gefühlt wie in diesem Kinderknast!

An etwas Positives, das man so am Meer und mit andern Kindern gemeinsam erleben kann, kann ich mich nicht erinnern. Mädchen und Jungen hatten keinen Kontakt und junge und ältere Kinder auch nicht.
Die Gruppen waren nach Altersgrenze streng getrennt.

Das waren schreckliche Wochen, an die ich oft in den letzten fast 60 Jahren denken musste. Zum Glück aber meine erste und letzte Kinderkur.
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Petra Hollstein aus Lohmar schrieb am 23.01.2022
Mit 5 Jahren wurde ich, völlig gesund, aber angeblich zu dünn und blass, vom Kinderarzt nach Bad Herrenalb zur "Erholung" geschickt. Dort erwartete mich eine kasernenartige Atmosphäre, in der jedes Kind zu funktionieren hatte. Pampige Breis wurden solange in die Kindermünder gestopft, bis sie wieder erbrochen wurden. Gitterbetten, an die man uns, wenn wir nicht brav darin liegen blieben, festgebunden hat. Ständige Drohungen, dass böse Kinder der "schwarze Mann oder die Nachtmuhme" holt. Nachdem ich eines morgens meinen Frühstücksbrei wieder erbrochen hatte, wurde mir der Mund kreuzweise mit Leukoplast zugeklebt, so dass ich an diesem Tag gar nichts mehr essen konnte. Einziges Spielzeug waren Säcke voller Holzröllchen, die Abfall bei der Nutzung von Rollfilmen waren. Man schrieb Karten nach Hause, die ich nicht lesen konnte, aber ungelenk mit Blockbuchstaben unterschreiben musste. Jahre später las ich darauf, wie wohl ich mich gefühlt haben sollte. Ich kam nach 6 Wochen klapperdürr und total verunsichert wieder nach Hause. Einziges Ergebnis des Horroraufenthaltes waren jahrlange Alpträume und die Weigerung ohne meine Mama irgendwo alleine hinzugehen
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Roswitha Janning-Mackenberg schrieb am 22.01.2022
Vor einigen Wochen wurde über die Aufarbeitungsbemühungen in unserem "Blättchen" geschrieben. Ich war baff, wie umfassend die Problematik war und habe seitdem mit mir gerungen, ob ich etwas schreiben soll, denn anderen scheint es noch viel schlechter gegangen zu sein als mir.

Im Sommer 1970 wurden meine 2 Jahre jüngere Schwester und ich für die letzten 3 Wochen der Sommerferien und die ersten 3 Wochen des Folgeschuljahres nach Juist in Kur geschickt. Bei einer Vorstellung im Gesundheitsamt der Stadt Münster hatte man wohl gemeint, wir seien zu dünn. Ich war damals fast 12 und mit meinen 38kg eigentlich ganz zufrieden.

Da meine Mutter uns vor der Abreise eingeschärft hatte, dass unsere Familie, sollte es zu einem Abbruch des Kuraufenthaltes kommen, die gesamten Kosten selbst zu tragen hätte, war ich entsprechend eingeschüchtert, was meine Verhaltenalternativen auf Juist grundsätzlich stark einschränkte.
Dem, was hier bereits andere über das Heim berichtet haben, kann ich mich nur anschließen. Ich weiß von keinen direkten körperlichen Misshandlungen, aber von vielen diffusen Drohungen. Allerdings halte ich 14 Stunden "Bettruhe" am Tag eigentlich für ein bewegungsfreudiges sportliches Kind auch für eine Art von Misshandlung. Zudem herrschte Leseverbot, außer für das "älteste" Mädchenzimmer, wo das Lesen in der "Mittagsruhe" dann allerdings auch verboten wurde, nachdem sich einmal auf dem Fußboden benutzte Taschentücher befunden hatten. Leider konnte ich aber ohnehin nicht in dieses Zimmer, weil ich mit meiner jüngeren Schwester zusammenbleiben sollte.
Das passive Daliegen war schwer zu ertragen. Als ich einmal zur Abwechslung meine Brille trug, um mir wenigstens die Strukturen an der Decke anschauen zu können, wurde mir diese mit Gewalt von einer aufsichtsführenden Nonne aus dem Gesicht gerissen. Das übermäßige Zubettliegen war auch eine Gelegenheit, den eigenen Körper etwas besser kennenzulernen. Glücklicherweise kam dabei keine Aufsicht.

Der Begriff Mastkur ist sehr treffend. Einmal die Woche mussten wir uns auf der langen Treppe hintereinanderstellen und wurden gewogen. Dass ich in den 6 Wochen so gut wie nicht zunahm empfand ich dabei als sehr befriedigend. Und, ja, das Essen war miserabel, insbesondere wegen des Schwerpunkts Milchreis und "Oppst". Wenn danach Singzwang herrschte, wurde die Sache noch schlimmer, geade auch in Hinsicht auf den klebrigen Milchreis im Hals. Es wurde auch aus der Nähe kontrollierr, dass wir wirklich Töne von uns gaben Auch war es ärgerlich und scheinheilig, wenn uns etwas von dem gutenesunden Essen erzählt wurde, das uns angeblich gegeben wurde, während im Híntergrund ansehnliche Gemüseplatten für die Hausherrinnen vorbeigetragen wurden. Auch bei einem Kontrollbesuch eines Mitarbeiters aus Münster schien die Merkwürdigkeit der Situation nicht aufzufallen. Wir waren lediglich angewiesen, uns noch braver als sonst zu verhalten, und, natürlich, kräftig zu singen. Kinder, die nicht zu- sondern abnehmen sollten, bekamen übrigens statt des dauernden Milchreis klare Suppe.
Auch das Kloverbot kann ich bestätigen. Das wurde bei uns so dargestellt, dass man nichts hören dürfe, wegen der angesagten Ruhezeit. Falls etwas zu hören sei, komme sofort jemand. Was dann passieren sollte blieb unklar, aber die Einschüchterung funktionierte. Wer also mutig war, ging mit beträchtlicher Angst aufs Klo
ohne abzuziehen.

Der Heimaufenthalt hatte wohl bereits früheren Teilnehmern nicht gefallen. Im Rahmen eines Bildervortrags über die Kureinrichtung wurde uns unter anderem erklärt, dass es den Fall gegeben habe, dass ein Junge versucht habe zu fliehen und dabei ertrunken sei. Es wurde eindringlich klargemacht, dass man einfach nicht abhauen konnte.
Und, ja, Briefe nach Hause wurden kontrolliert. Ich versuchte mir dadurch zu helfen, dass ich auf Englisch schrieb, was das nütze weiß ich nicht.

Allerdings war nicht alles schlecht. Die für uns zuständigen Erzieherinnen machten mit uns Spaziergänge; als in diesem Rahmen eine "Mitbewohnerin" beim Bockspringen an einem Pfahl hängenblieb und sich wehtat, wurde das hernach von einer der Nonnen aufgebauscht, dass da etwas was ganz Wichtiges kaputtgegangen sei, Also gab es gleich ein weiteres Verbot.
Ab und zu ging es ins Wellenbad oder auch an den Strand. In dem Zusammenhang konnten wir auch die Bekanntschaft einer humorvollen und freundlichen Nonne machen, die zu unserem Leidwesen aber nur im Jungenhaus tätig war. Umso erstaunter war ich, nach der Kur zu hören, dass meiner Mutter von der Mutter eines Jungen erzählt wurde, die schrecklich das war. Sie hatte das, was wir erzählten, nicht geglaubt, und wir hatten eigentlich den Eindruck, im Mädchenhaus war es schlimmer.
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Maria aus Bonn schrieb am 21.01.2022
Wir , zwei Verschickungskinder: 2 Schwestern aus dem Altkreis Schleiden Ort : Caritas Haus Nordmark Westerland/ Sylt Zeitraum : Sommer 1961 oder 62, 6 Wochen

Anfang der 1960 iger Jahre wurden meine 6 jährige Schwester und ich, 8 jährig für mehrere Wochen in das Heim Westerland auf Sylt geschickt. Aufgrund familiärer Situationen ging es uns zu dieser Zeit nicht gut, wir waren zu dünn, d.h. wir hatten zu wenig Gewicht dem Alter gemäß. Uns verging beim gemeinsamen Essen n der Familie jeweils der Appetit, so dass wir nicht zunahmen. So sollten wir also „gemästet“ werden bei einer „Erholung“ am Meer. So waren wir zum ersten Mal in unserem Leben wochenlang ohne unsere Eltern. Nach einer langen Zugfahrt kamen wir auf Sylt an. Das erste, was uns präsentiert wurde, war eine dicke, graue Graupelsuppe, die die meisten von uns nicht essen wollten. Wir mussten es aber tun. So begann eine ungute Zeit. Für meine Schwester war sie traumatisch. Uns wurde erklärt, es gäbe nur Nudeln zu essen. Kartoffeln könnten mangels Zügen nach Sylt nicht geliefert werden. So bekamen wir täglich Nudeln vorgesetzt. Das Essen schmeckte vielen von uns nicht, es war nicht ansprechend, oder lecker zubereitet. Meine Schwester mochte keine Nudeln, sie wurde gezwungen, sie zu essen, sie musste sich danach jeweils übergeben. Auch andere Kinder wurden beim Essen, was sie erbrachen, gezwungen, dies wieder zu essen. Es war also grauenhaft. Wir sollten nur über das Wetter an unsere Eltern schreiben. Wir durften nichts über das Heim schreiben. Unsere Briefe , oder Karten wurden gelesen. Wenn sie nicht den Anforderungen entsprachen, bekamen wir Kinder sie zurück, und mussten neu schreiben. So konnten wir nicht mit unseren Eltern korrespondieren. Telefonieren war unmöglich. In dieser Zeit gab es für uns beide nur eine Freude: es kam einmal ein Päckchen mit Handstofftieren und ein wenig Süßigkeiten von unseren Eltern. Diese wurden uns rationiert einmal am Tag ausgeteilt. Auch die Zeit am Meer , oder in den Kindergruppen habe ich in eher düsterer Erinnerung. Das Leid meiner Schwester lastete sehr auf mir Älteren. Aber auch meine Bitten, dass ihr anstelle von Nudeln ein Butterbrot gegeben werden könnte, wurde harsch zurückgewiesen. Natürlich nahmen wir nicht zu, sondern wir fühlten uns auch darüber hinaus so von unseren Eltern im Stich gelassen. Als wir ihnen nach unserer Rückkehr von unseren Qualen berichten wollten, hörten sie uns nicht zu, oder wollten es nicht glauben. Sie konnten sich unsere Nöte in dieser „doch finanziell geförderten Situation“ nicht vorstellen.
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Petra Fechner, 57 Jahre schrieb am 21.01.2022
Guten Tag, zur Überraschung meinerseits habe ich festgestellt, dass ich nicht die Einzige bin, die solch üble Erfahrungen während dieser 'Kinder-Kur' gemacht hat. Meine Mutter ging damals in Kur und ich wurde nach Bad Dürrheim geschickt, angeblich um zuzunehmen. Ich konnte mit 6 Jahren noch nicht richtig lesen und schreiben und aufgrunddessen wurde mir der Aufenthalt im Heim schon schwer gemacht. Kaum Unterstützung, unfreundliches Personal (eine Nachtschwester mit einem Hund, die aufgepasst hat, dass nachts Niemand aufgestanden ist, sodass ich irgendwann anfing, nachts ins Bett zu machen. Was mir zu Hause schon lange fremd war.) und unendliches Heimweh, da kein Kontakt zu den Eltern (meine Mutter hatte keien Ahnung und hat geglaubt, mir würde es gut gehen - mit all den anderen Kindern.) Das Essen war eine Zumutung. Brei aus einem großen Kessel für mehrere hundert Kinder. Einmal durften wir für eine Woche das Haus nicht verlassen, da in einem anderen Haus eine Krankheit ausgebrochen war. Ich war dort für 6 Wochen und noch etwas länger, da ich zum Schluss selber noch krank geworden bin. Zum Glück hat mich mein Vater irgendwann abgeholt. Diese Erfahrungen wünsche ich keinem Kind.
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Manfred Hinz aus I-50129 Firenze/Italien schrieb am 21.01.2022
Ich wohnte Anfang der 60er Jahre mit meiner Mutter in Hagen/Westf. und war extrem mager. Daher wurde ich im Winter 1963 (oder 64) in das Heim Luginsland im Schwarzwald (den Ort habe ich vergessen) geschickt, die Anreise erfolgte per Bahn.
Ich habe an diese Zeit nach wie vor schreckliche Erinnerungen: die Kinder wurden "zwangsernaehrt", muessten u.U. ihr eigenes Erbrochenes ausloeffeln (was mir zum Glueck nicht passiert ist) und wurden systematisch erniedrigt (was auch mir passiert ist). Bei meiner Mutter befinden sich noch einige Fotos aus dieser Zeit, die ich heraussuchen koennte.
Ich freue mich, dass dieser ganz offenbar systematische Missbrauch jetzt endlich aufgearbeitet wird und moechte diese Initiative gerne unterstuetzen.
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Lotte schrieb am 21.01.2022
Mein Name ist Lotte und ich bin im März 1939 geboren.
Es muss 1950 gewesen sein, als ich zur Kur in Bad Sachsa war.
Mit den jüngeren Kindern in meinem Haus habe ich gerne gespielt und ihnen aus Büchern vorgelesen.
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Angelika Bäumer-Schumacher aus 50735 Köln schrieb am 20.01.2022
Bettnässer-Kinder wurden öffentlich gedehmütigt
Wie ich jetzt erst von meiner jüngeren Schwester erfuhr, wurden 2 unserer jüngsten Geschwister, ein Bruder und eine Schwester, regelmäßig morgens vor ihrer ganzen Gruppe vorgeführt und gedehmütigt, weil sie Bettnässer waren. Das bepinkelte Bettzeug wurde ausgebreitet und öffentlich gezeigt. Wir waren mit 5 Geschwistern dort. Ich war 10, meine Schwester, die mir von diesen Dehmütigungen berichtete, war 8,5 Jahre alt. Die beiden gequälten Geschwister waren demnach 6,5 und 4,5 Jahre alt. Ich selbst habe davon nichts mitbekommen, ich war in einer ganz anderen Gruppe unter dem Dach untergebracht. Im Nachhinein finde ich es auffällig, dass man Geschwister so auseinandergerissen hat. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich in diesen Wochen irgendetwas mit meinen jüngeren Geschwistern zu tun hatte. Die beiden schikanierten Geschwister waren beide noch vor dem 20 Lebensjahr in Therapie, sprachen aber nie darüber. Die betroffene Schwester brach später den Kontakt zu der gesamten Familie ab. Das ist bis heute so. Mein Bruder ist auf solche Themen nicht ansprechbar, er würde wahrscheinlich mit massiven Aggressionen reagieren. Aber an Traumata soll man bekanntlich auch nicht rühren. Ich habe in Erinnerung, dass etliche der sogen. Erzieherinnen sehr jung waren, wahrscheinlich dann um die 20 Jahre alt. Wenn ich damals 10 war, dann sind diese ehemaligen sogen. Erzieherinnen jetzt Mitte bis Ende 70. Viele leben also noch. Einen sehr unfreundlichen Gruß von mir an diese Damen und: "Schämen Sie sich dafür, was Sie vielen Kindern angetan haben. Es war menschlich widerlich!"
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Annegret Schindler geb. Schade. 07.02.53 aus 58089 Hagen schrieb am 19.01.2022
Ich war im Winter 57/58 dort und es war die Hölle. Jeden Tag mussten wir das Mittagessen aufessen. Wenn wir brechen mussten, wurde es vom Teller geschippt und wieder wurde der Teller vor uns hingestellt. Nachts durften wir keinen Ton von uns geben anderenfalls wurden wir vor die Tür gesetzt. Morgens mussten wir unser Bett ganz glatt ziehen, beim Mittagsschlaf auch. Wenn wir aufgestanden sind, mussten wir unsere Schuhe anziehen. Leider konnte ich mit meinen 4 Jahren noch keine Schleife binden. Sofort wurde wieder lauthals geschimpft. Manchmal hat eine Mitbewohnerin die Schleife bei mir gebunden. Da war ich ganz glücklich. Spielzeug war nur sehr wenig vorhanden. Es interessierte ich auch nicht, weil ich nur an zu Hause dachte. Nach 4 Wochen bekam ich dann eine starke Erkältung und musste im Bett bleiben. Es befand sich auf der Krankenstation. Ich habe jeden Tag gehofft, dass die Tage bald vorüber gehen und ich wieder nach Hause komme. Dort mit dem Zug nach 6 Wochen angekommen, musste ich meiner Mutter wohl in die Arme gefallen sein. Ich war sehr abgemagert und noch sehr krank. Meine Mutter hat danach keines ihrer Kinder mehr in die Kinderlandverschickung gegeben. Und die Frau Dr. Pellengahr, die diese Verschickung befürwortet hat, musste sich von meiner Mutter einiges anhören. und wurde später vom Dienst in der Behörde enthoben. Ich würde gern die Elke, die mit in Bad Sassendorf war, sprechen.
Liebe Grüße
Annegret Schindler
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Bodo Jakob aus Burscheid schrieb am 19.01.2022
Bereits als damals 10jähriger konnte ich es nicht ertragen, dass meine Post kontrolliert und zensiert wurde. Postkarten und Briefe wurden zerissen, wenn sie nicht den Vorstellungen der Erzieherinnen entsprachen. Ich musste dann eine neue Karte schreiben, deren Text mir vorgegeben wurde.
Wir Kinder bekamen die Suppe zugeteilt, nachdem sich die Erzieherinnen das Fleisch zuvor für sich selbst raus gefischt hatten. Manche mussten so lange vor ihrem Teller sitzen, bis der leer gegessen war.
Nachdem ich mehrfach nachts eingenässt hatte, musste ich einen ganzen Tag allein im Schlafsaal verbringen, während die anderen Kinder eine Wattwanderung machten.
Positiv bleibt mir in Erinnerung, dass ich mit dem DRK-Einsatzwagen zum Zahnarzt nach Wilhelmshafen gebracht wurde, der Sonntagsdienst hatte. Der Name Schillig ist bei mir noch heute negativ besetzt.
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Sabine Müller-Ebbers aus 58332 Schwelm schrieb am 19.01.2022
Ich wurde im Vorfeld der Schule wegen meines Untergewichtes zur Kur dorthin geschickt. Der Aufenthalt ist bis heute im Gedächtnis verblieben, weil ich verschiedene Dinge erleben musste, die ich als Kind gar nicht fassen konnte, im Einzelnen:
- Übermäßiges Nahrungsangebot, das aufgegessen werden musste,
-Erbrochenes musste gegessen werden (meine Tischnachbarin)
-Briefe wurden kontrolliert und korrigiert an die Eltern verschickt.
-Persönliche Wäsche wurde an die KInder verteilt, die keine mitgebracht oder aber zu wenig hatten.
-Wenn das bett eingenässt war, mussten die Kinder es morgens selbst abziehen und säubern.
-Es gab wenig bis kein Spielzeug.
-Es herrschte eine autoritäre Atmosphäre. Ich war von Gewalt verschont , war aber auch ein fügsames und an Autorität gewöhntes Kind. Ich musste erleben, wie widerspenstige Kinder bestraft wurden, z.B. beim Essen. Einmal habe ich erlebt, dass ein Kind geschlagen wurde. Es waren große Schlafräume, in die man sich tagsüber nicht zurückziehen konnte. Insgesamt habe ich diesen Aufenthalt nicht vergessen können.Das Heimweh, das ich hatte, wurde überhaupt nicht gesehen . Ich kam zurück als extrem untergewichtiges Kind und habe den Teuteburger Wald bis heute vermieden.
Ich bin froh, dass ich das jetzt einmal aufschreiben konnte.
Sabine Müller-Ebbers
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Nadine Chotrov aus Unna schrieb am 19.01.2022
Hallo, ich heiße Nadine und bin im Alter von 6 Jahren in Bad Sassendorf zur Kur gewesen. Ich bin schon mein Leben lang sogenannte Bettnässerin. 6 Wochen waren geplant, 9 Wochen waten es dann.Ich habe leider auch viel verdrängt. Ich erinnere mich das meine Mutter am Bahnhof ganz schlimm geweint hat. Auf der Fahrt musste ich zur Toilette und habe mich nicht getraut was zu sagen. Das ist dann in die Hose gegangen. Konsequenz war dann das ich jeden Tag nach dem Mittagessen solange auf der Toilette sitzen musste bis ich was gemacht hatte. Das wurde natürlich kontrolliert. Wäsche war eingeschlossen, auch Süßigkeiten die meine Mutter mir mitgegeben hatte. Jeden Morgen bekam ich einen Aufkleber wenn ich nicht ins Bett gemacht hatte. Noch heute erinnern mich bestimmte Gerüche, z.B. von Fa Seife an die Kur. Aber die meisten Erinnerungen sind weg.
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Birgit Schneider schrieb am 19.01.2022
Meine jüngere Schwester und ich - damals 7 und 6 Jahre alt - wurden wegen Infekten der Luftwege zur Kur geschickt. Gleich bei der Ankunft bekamen wir farbige Karten ausgeteilt und dauerhaft getrennt. Sie kam in die Krankenstation, obwohl sie gesund war. Mir wurden alle persönlichen Gegenstände abgenommen und eingeschlossen. Ich durfte nur einmal in der Woche meine Kleidung, incl. Unterwäsche wechseln, was mir sehr fremd und unangehm war. Zum Mittagessen gab es oft Suppen mit Ölaugen, die ich fast nicht herunterbekam. Ich musste solange davor sitzen, bis ich sie gegessen hatte. Nach dem Mittagessen mussten wir ruhig "Mittagsschlaf" halten. Das empfand ich als eine Qual, da ich als 7-Jährige lieber aktiv etwas gemacht hätte. So kam es wie es kommen musste, ich lag nicht still im Bett, sondern war außerhalb des Bettes. Am Ende der Mittagsruhe wurde uns allen unangenehm Fieber gemessen und wer auffiel - wie auch immer sie dies feststellten - hatte mit Strafen zu rechnen.
Wir wurden dazu verpflichtet, nette Karten nach hause zu schreiben und hatten keine Chance, der Familie zu sagen, wie elend wir uns fühlten.
Abends musste ich einige Male alleine im Dunkeln im kalten Waschraum hinter der Tür als Strafe ausharren, bevor ich auch ins Bett durfte.Warum, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern.
Die Betreuerinnen brachten uns ein positives Lied über die Kur bei. Ich hatte aber immer das Gefühl, dass es falsch ist. Musste es aber trotzdem lernen.
Am Ende der Kur durften wir mit unserem Taschengeld zu einem Kiosk gehen und uns ein Erinnerungsstück kaufen. Ich kaufte mir ein Eichhörnchen. Die Erzieherinnen bekamen etwas dafür geschenkt.
Am Heimreisetag kam meine Schwester mit über 40 Grad Fieber und ich mit über 38 Grad Temperatur zuhause an. Meine Mutter empörte sich darüber, wir man uns so reisen lassen konnte. Sie informierte unseren Kinderarzt darüber. Leider glaube ich nicht, dass sie unsere Erfahrungen erfragte und entsprechend weitergab.
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Sybille Jünger aus 63667 Nidda schrieb am 18.01.2022
Ich war erst vier Jahre, als ich wegen Husten und „zu dünn „ für sechs Wochen nach Berchtesgaden kam. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich nur geweint habe. Das Essen war entsetzlich und ich habe wieder eingenässt. Die Erzieherinnen haben uns nur gedemütigt.

Ich wünsche allen Anderen alles Gute
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Klaus Heidorn aus Berlin schrieb am 18.01.2022
Betr.: Asthma-Kindersanatorium von Dr. Braun in Bad Reichenhall (1954)
Ich bin erstaunt über die vielen Zuschriften, in denen über die Klinik von Dr. Braun in Bad Reichenhall berichtet wird. Auch ich habe Erinnerungen daran, die trotz der inzwischen vergangenen 67 Jahre noch sehr präsent sind. In meiner frühen Kindheit habe ich unter starkem Asthma gelitten. Aufgrund meines Gesundheitszustands empfahl man meinen Eltern, mich zur Behandlung für sechs Wochen in ein Kindersanatorium zu schicken. Ich war damals erst 7 Jahre alt.
Anfang Juli 1954 wartete ich am späten Abend mit meinen Eltern am Bonner Bahnhof auf den Zug, der mich und andere Kinder nach Bayern bringen sollte. Ich war aufgeregt, aber auch ein wenig neugierig. Schließlich fuhr der Zug in den Bahnhof ein, vorne eine mächtige Dampflok. Ich sehe noch die riesigen Räder der Lokomotive vor mir und den weißen Dampf zwischen den großen Rädern, der mit lautem Zischen entwich. Nachdem meine Eltern mich mit einigen Ermahnungen verabschiedet und einer Betreuerin übergeben hatten, stieg ich in angstvoller Erwartung in den Zug. Ich wurde zu einem Abteil geführt und nahm dort meinen Platz ein. Mit mir saßen mehrere Kinder und eine ältere Frau im Abteil, einige Kinder weinten, manche heftig. In den anderen Abteilen war es wohl ähnlich, denn wenn ich mich richtig erinnere, handelte es sich um einen Sonderzug, sozusagen den „Zug der Tränen“. Die ganze lange Nacht über dauerte die Fahrt.
Ich erinnere auch noch schemenhaft unsere Ankunft am nächsten Morgen in der Klinik von Dr. Braun in Bad Reichenhall, vor allem das Hauptgebäude der Klinik, eine ansehnliche alte Villa, aber auch das schicke Mercedes Cabriolet davor, das wohl Dr. Braun gehörte. Selbst die in den Kotflügeln eingelassenen Scheinwerfer erinnere ich noch. Ältere Modelle hatten nämlich aufgesetzte Scheinwerfer. Es muss also ein neues Modell gewesen sein. Hinter der Villa gab es einen größeren freien Platz mit einigen Bäumen und ein längeres, relativ schmuckloses Gebäude gab, in dem wir untergebracht wurden. Vielleicht waren es auch zwei Häuser. Die Schlafräume befanden sich im Obergeschoss. Jeder Raum hatte 6 oder 8 Betten.
Ferner erinnere ich, dass es zum Frühstück oftmals eine Art Haferschleim mit Früchten gab, öfter mit matschigen Erdbeeren. Die halb verdorbenen Früchte schmeckten schrecklich, aber wir wurden gezwungen, die uns vorgesetzten Gerichte aufzuessen.
Die Vormittage verbrachten wir mit Gymnastik und einer Inhalationstherapie, die zunächst so beängstigend war, dass sie sich fest in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Der Inhalationsraum muss sich im Untergeschoss befunden haben. Zu ihm führten eine oder zwei Flügeltüren. Dahinter befand sich ein riesiger weiß gekachelter Raum ohne Fenster oder nur mit sehr kleinen Kellerfenstern. Überall an der Decke waren Duschköpfe installiert. Der erste Anblick dieses riesigen kalten Raums war unheimlich und bedrohlich. Wenn alle Kinder sich im Raum befanden, wurden die Türen geschlossen; nur zwei Betreuerinnen blieben bei uns. Kurz darauf strömte weißer Rauch aus den Duschköpfen und wenig später war der ganze Raum vernebelt. Die Prozedur wirkte auf mich bedrohlich, zumal der Rauch einen Hustenreiz bei mir auslöste.Nach einer längeren Zeit wurden die Türen wieder geöffnet und wir durften den Raum verlassen. Wenn ich mich später daran erinnerte, kamen mir immer die Gaskammern in den Vernichtungslagern im dritten Reich in den Sinn. Dieser Vergleich war natürlich unfair gegenüber den Therapeuten in der Klinik, die sicherlich alles taten, um unser Asthma zu heilen, aber man muss sich einmal vor Augen halten, wie diese Prozedur auf ein kleines Kind wirkte.
Weiter erinnere ich mich, dass wir unseren Eltern nur mit Bleistift schreiben durften, dass unsere Korrespondenz also „zensiert“ wurde. Ich besitze noch eine Karte an meine Eltern aus der Zeit, auf der in ungelenker fehlerhafter Kinderschrift zu lesen ist: „Es gefält mir hier............“. Das „nicht“ hatten die Betreuerinnen ausradiert, aber der auffällige Zwischenraum spricht Bände.
Eine weitere sehr unschöne Erinnerung hat sich mir in besonderem Maße eingeprägt. Im Verlauf meines sechswöchigen Aufenthalts in der Klinik erkrankte ich an Masern, musste also zwingend von den anderen Kindern getrennt werden. Hierfür habe ich heute volles Verständnis. Allerdings war die Art und Weise, wie dies geschah, wenig einfühlsam, um nicht grausam zu sagen. Für derartige Fälle hatte die Klinik zwei Räume vorgesehen, eine „Akut-Zelle“ und eine Zelle für Rekonvaleszenten. Eigentlich handelte es sich nur um ein Zimmer, das mit rohen Stroh-Zement-Platten, den Vorgängern der heutigen Rigips-Platten, in zwei kleine geschlossene Zellen unterteilt war. Die rechten Zelle in der zwei Pritschen für die Rekonvaleszenten standen, verfügte über ein reguläres Fenster. Mich steckte man die ersten Tage in die linke Zelle für akute Fälle. Diese hatte kein Fenster, nur ein Loch in etwa zwei Meter Höhe in der Außenwand, für mich unerreichbar. Im Raum stand nur eine alte klappbare Militärpritsche, wohl noch aus dem zweiten Weltkrieg. Daneben stand ein kleiner Kasten mit Bauklötzen aus Holz. Das war alles! Die Zelle war ständig abgeschlossen, wohl um meine Flucht zu verhindern (hahaha)!! Dreimal am Tag schloss eine Beschließerin (Betreuerin) die Zellentür auf, stellte mir mein Essen in den Raum und verschloss anschließend wieder die Tür. Einmal am Tag schaute auch ein Arzt vorbei. Was tut man also in solch' einem Fall vor lauter Einsamkeit und Langeweile? Man sucht den Kontakt zu den Zellennachbarn. So nahm ich also einen schmalen Holzklotz und bohrte mühsam ein Loch in die Trennwand zur Rekonvaleszenten-Zelle. Durch dieses Loch konnten wir uns wenigstens unterhalten. Damit wurde die“Infektionshaft“ erträglicher. Nach einigen Tagen wechselte ich in die Nachbarzelle und fand dort einen Zimmernachbarn, mit dem ich mein Schicksal teilen konnte. Nach etwa 8 – 10 Tagen durfte ich schließlich mein „Gefängnis“ wieder verlassen.
Ich muss aber zugeben, es gab auch schöne Momente in den sechs Wochen in Bad Reichenhall. Ich denke da an unsere Ausflüge, die wir gelegentlich unternahmen. So fuhren wir mit der Seilbahn auf den Predigtstuhl und besuchten eine Alm, außerdem haben wir den Königssee und den Hintersee besucht.
Allerdings hatten meine Erlebnisse in der Asthma-Klinik zur Folge, dass ich über viele Jahre eine Aversion gegen Bayern hatte. Erst ein erneuter Besuch ca. 20 Jahre später mit meiner Frau hat dies geändert.
Abschließend möchte ich fairerweise erwähnen, dass ich nach 6 Wochen geheilt aus der Asthma-Klinik entlassen wurde. Mein Zustand hatte sich dort so verbessert, dass ich später einen Beruf ergreifen konnte, für den eine gute gesundheitliche Verfassung eine Grundvoraussetzung ist. Der allgemeine Gesundheitszustand musste so gut sein, dass auch ein mehrjähriger Aufenthalt in schwierigen Ländern mit unzureichender medizinischer Versorgung problemlos möglich war. Das verdanke ich letztlich auch der erfolgreichen Asthma-Therapie in Bad Reichenhall.
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Klaus schrieb am 18.01.2022
Auch ich war im Jahr der Sturmflut auf Borkum, da war ich sechs. Ich erinnere mich nur noch, dass das Wasser über die Promenade bis ans Fenster gekommen ist. Die lange Mittagsruhe mit kratzenden grauen/braunen Decken sind mir ebenso in Erinnerung, wie das kleine Mädchen, dass bis spät nachmittags an ihrem Teller voll Hühnerfrikassee saß, sich über die gekochte Hühnchenpelle geekelt hatte und dann kam das, was nicht kommen sollte: Sie hat sich soweit geekelt, dass das Mittagessen wieder herauskam, sie musste solange sitzen bleiben, bis der Teller leergegessen war. Ich habe meine Portion mit Widerwillen aufgegessen, Seit dem mag ich kein Hühnerfrikassee mehr. Ach ja, Briefe wurden selbstverständlich geschönt, es war immer alles in bester Ordnung. Ja so waren die lieben „Schwestern“ eines städtischen Essener Kinderheimes. Gut, dass das Heim dann irgendwann geschlossen wurde.
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Renate R. aus Bielefeld schrieb am 18.01.2022
Hallo, meine 2 Jahre jüngere Schwester (ca. 6 Jahre alt) und ich wurden in den frühen 60er Jahren für mehrere Wochen ins Kinderheim Lensterhof geschickt. Meine Eltern hatten noch 2 weitere jüngere Kinder und wollten wohl mal in Ruhe Urlaub machen. Böse Absicht möchte ich nicht unterstellen. Da meine Schwester untergewichtig und eine schlechte Esserin war, war schnell ein passender Grund gefunden, den der Hausarzt auch attestierte. Da sie nicht alleine fahren sollte wurde auch für mich ein Grund gesucht. Ich war zu der Zeit völlig gesund und hatte Normalgewicht, der Arzt hat aber Übergewicht als Grund angegeben. Ich kann mich nicht an viele Situationen erinnern, aber einige sind bis heute voll gegenwärtig. Obwohl wir so völlig gegensätzliche Gründe für den Aufenthalt hatten, haben wir immer das gleiche Essen bekommen, auf unsere „Krankheiten“ wurde nie eingegangen. Meine Schwester hat sehr lange am Essen rumgekaut und wurde erst erlöst, wenn der Teller leer war. Später stellte sich raus, dass sie diese Probleme nur aufgrund einer starken Fehlstellung der Zähne hatte. Ich erinnere mich, dass wir alles mit dem Löffel essen mussten, so auch eine dickhäutige Bockwurst, die sich nicht zerteilen ließ und nicht angefasst werden durfte. In diesen Wochen sind jeden Tag viele Tränen geflossen, nicht nur wegen der Wurst. So wurde uns das Klopapier zugeteilt, für „klein“ gab es 1 Blatt, für“ groß“ 2 Blatt. Es gab feste Klozeiten . In meiner Erinnerung befanden sich die Plumpsklos in einem Gebäude gegenüber. Da wir aus einem Elternhaus kamen, in dem wir den Umgang mit Besteck und Klopapier durchaus kannten, waren wir beide sehr geschockt. Meine kleine Schwester habe ich oft trösten müssen, weil sie sehr viel weinte. Telefonate nach Hause gab es nicht und unsere Briefe wurden nur freigegeben, wenn nichts Schlechtes drin stand. Morgens mussten wir mit Salzwasser Gurgeln, was ich bis heute nicht beherrsche und mich täglich verschluckt habe. Obwohl das Haus so dicht an der Ostsee lag, beschränkten sich unsere Besuche auf wenige Spaziergänge, bei denen wir uns alle an den Händen halten mussten und manchmal durften wir auch nur so für 2—3 Minuten ins Wasser. An schwimmen oder spielen war nicht zu denken. Insgesamt waren diese Wochen für uns die schrecklichsten in unserem Leben. Es herrschte dort eine Eiseskälte, es gab keine tröstenden Worte und es wurde mit Angst regiert. Zuhause hat uns keiner geglaubt und es wurde belächelt, wenn wir davon berichteten, nach dem Motto: da seht ihr mal, wie schlecht es anderen Kindern geht und wie gut ihr es hier habt. Bisher hat nur meine Schwester meine Erfahrungen geteilt und ich kann mich nur bruchstückhaft erinnern, aber es war grauenvoll und hat uns beiden bis heute geschadet. Völliger Vertrauensverlust und Essstörungen halten bis heute an. Habe vor einigen Jahren bei einem Besuch an der Ostsee den Hof noch gefunden. Das Haus stand schon leer, beim Anblick kamen alle schlimmen Gefühle wieder hoch.
Ich hoffe, dass es so etwas nicht mehr gibt, und wünsche allen Mitleidenden viel Glück beim Verarbeiten des Erlebten
Renate
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Angelika Bäumer-Schumacher aus 50735 Köln schrieb am 18.01.2022
DER SCHNEE HAT UNS VOR DEM ERDURSTEN GERETTET
Ich war mit meinen Geschwistern im Allgäu, von denen ich getrennt untergebracht wurde. Ich war entweder 9, 10 oder 11, also muss es zwischen 1964 - 1966 gewesen sein. Wir waren im Winter dort. Wir Geschwister wurden getrennt untergebracht. Was richtig schlimm war: DURST! 24 Stunden jeden Tag! Die sogen. Erzieherinnen wollten nicht, dass wir ins Bett machten (was bei mir Empörung auslöste, denn ich war keine Bettnässerin). Aber vorsichtshalber bekamen wir alle kaum etwas zu trinken.... morgens 1 Glas Milch und abends 1 Tasse Tee. Das Wasser auf den Fluren war kein Trinkwasser (was ich sehr ernst nahm, denn am Land hatten wir auch solche Anschlüsse und einige Kinder sind krank geworden, die trotzdem aus diesen Hähnen tranken). Wir Mädchen waren ganz oben unterm Dach untergebracht und ich kletterte fast jeden Abend auf das Vordach und reichte den Schnee ins Zimmer. Wir haben Berge von Schnee gegessen vor lauter Durst. Das Dach ging schräg abwärts. Ein Wunder, dass ich nicht abgestürzt bin. Allerdings habe ich daran als Kind keinen großen Gedanken verschwendet, der Durst war ja auch drängend. Ich erinnere mich noch, dass ich die Mädchen auf dem Zimmer drängte, dass wir alle an den Wanderungen teilnahmen. Dafür wurden wir sogar gelobt. Allerdings war das alleinige Motiv, dass wir Schnee essen konnten soviel wir wollten. Keine der "Erzieherinnen" hat überhaupt richtig hingeschaut, was wir machten, niemand von denen hat das durchschaut. Auch hat niemand je aus dem Zimmerfenster geschaut, sonst hätten meine Schnee-Ernten auffallen müssen. Noch heute MUSS IMMER eine Flasche Wasser an meinem Bett stehen, denn sonst kann ich nicht einschlafen. Trinken muss ich allerdings selten nachts. Das 2. Übel von dem ich berichten kann ist die Folter mit der Milch. Ich habe schon als kleines Kind wohl keine Milch getrunken. Heute weiß ich, dass ich eine Milchunverträglichkeit habe und mir das Enzym Laktase fehlt. Auf jeden Fall wurden wir gezwungen morgens das Glas Milch zu trinken. Nach wenigen Tagen war ich richtig krank und konnte gar nichts mehr bei mir behalten. Ich habe mich ständig erbrochen. Als in der Mitte dieser Folter-"Kur" ein Arzt vorbeikam und uns untersuchte wurde festgestellt, dass ich erheblich abgenommen hatte. Ich kann mich noch daran erinnern, dass er eine Schreierei mit den sogen. Erzieherinnen anfing. Diese hatten nicht einmal bemerkt, dass ich so viel abgenommen hatte. Danach durfte ich mir morgens das Getränk aussuchen, meistens Caro-Kaffee. Allerdings war es zu spät: Ich kam rappeldünn zu Hause an und hatte statt einer Milchunverträglichkeit ein Milchtrauma! Bei mir ging das so weit, dass ich mein Kind mit Wasser großgezogen habe. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, meinem Sohn Milch zu geben. Ich bin also mit 2 handfesten Traumata wieder aus dieser sogen. "Kur" zurückgekommen. Übrigens waren ich oder meine Geschwister nie mehr im Allgäu. Manchmal sehe ich im Fernsehen, wie schön die Landschaft ist, allerdings möchte ich dort nie mehr sein....... Ich weiß nicht was passiert wäre, wenn wir den Schnee nicht gehabt hätten......
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karl Werner aus Vellmar schrieb am 18.01.2022
Der Schmerz sitzt tief..fast vergessen..nach über 60 Jahren..aber wenn man dran denkt ist er wieder da..
Diese unmenschliche Behandlung..von Menschen..Erziehern und sogenannten Kinderschwestern.
In allen drei Heimen war es fast gleich..sicherlich wusste man es nicht besser..Essen wurde reingezwungen.. wenn es wieder raus kam.mußte man es wieder essen..bis der Teller leer war und wenn es 2 Std dauerte..
Nachts mussten wir im Treppenhaus mit einer umgegangen Wolldecke und barfuß 2 Std Strafe stehen.wenn wir beim zubettgehen geredet haben..beim Mittagsschlaf ..2 Std..durften wir nicht auf die Toilette..dann haben wir in unsere Socken gepinkelt..beim Mittagsschlaf auf der Gartenwiese haben wir uns ins Gras gerollt und laufen lassen.Und dabei alles ohne einen Laut zu machen..dann wurde man richtig bestraft..Briefe wurden geschrieben.aber nicht versendet..auch bekam man keine Post..
Da waren dann die kleinen Stockschläge noch das erträglichste.
Aber am schlimmsten war dann die Heimkehr..Unsere Erzählungen bei den Eltern..keiner hat uns geglaubt..wir sollten uns nicht so anstellen..schließlich hatten wir eine schöne Zeit..
Wenn ich dies alles meinen Enkeln erzähle ist es für sie unverständlich..
Wir mußten ja harte Männer werden..
Ein Trauma bis heute
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Rosemarie aus Gescher schrieb am 18.01.2022
Oh-Gott, ich habe erst jetzt gelesen dass es dieses Forum gibt. Es ist schrecklich was ich damals im Kinderverschickungsheim(Juist) mit 9 Jahren erlebt habe. Es wurde mit einer Brutalitaet mit uns umgegangen die noch heute, nach 59 Jahren, unvergessen geblieben ist. Zudem kam 1962 noch die grosse Sturmflut die das Grauen noch vertiefte Vielleicht findet sich jemand hier, der das Schicksal mit mir teilt.....?!
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Uwe Kleinemas aus Bonn schrieb am 18.01.2022
Hallo zusammen,
auf Anraten der Gütersloher Hausärztin Frau Dr. S. wurde ich 1971 zur Abmagerungskur in das Sanatorium Ide auf Amrum verschickt. Am Tag nach der Ankunft wurde die Untersuchung durch den leitenden Arzt Dr. Ide durchgeführt. Er hatte dabei die Angewohnheit, die zu untersuchenden Kinder an der Haut unterhalb des Kinns zu greifen und zu sich heranzuziehen. Der allgemeine Umgang war militärisch streng und wir Kinder mussten zu verschiedenen Anlässen in Reihen "antreten". Als Abnehmkind wurde ich mit anderen Kindern, die "gemästet" werden sollten, an einen Tisch gesetzt. Da ich offenbar im Schlaf gesprochen hatte, wurde ich mehrfach aus dem Bett geholt und stundenlang in eine Decke gehüllt auf den Dachboden gestellt. Die verordnete "Diät" war grauenhaft - so gab es zum Frühstück sechs Wochen lang eine dünn bestrichene Vollkornbrotscheibe und ein hartgekochtes Ei, das im Inneren grün war. Ich habe diese Eier in die Tasche gesteckt und an die Möwen verfüttert. Als das herauskam, musste ich unter Aufsicht frühstücken. Meine Briefe nach Hause wurden vor Absendung gelesen, angeblich um "Lügen" vorzubeugen. Päckchen wurden gefilzt und "ungesunder" Inhalt konfisziert. Zwei Mal pro Woche mussten die Abnehmkinder im Keller antreten und aus einem Tank gefiltertes Seewasser trinken, was das Abnehmen fördern sollte. Jegliche (vermeintliche) Verstöße wurden durch die "Tanten" (Gruppenleiterinnen) der Heimleitung gemeldet, worauf wir beim Heimleiter (Bruder des Chefarztes) antreten mussten und streng zurechtgewiesen wurden. Als Abnehmkind musste ich Mittags, während die "Mastkinder" zwangsweise Mittagsschlaf hielten, alleine spazierengehen. Ich habe in dieser Zeit Grabsteininschriften auf dem Friedhof in Nebel gelesen oder auf einem großen Stein im Watt in die Ferne gestarrt. Ein Halt war mir mein Schulfreund Rupert, der mir Briefe schrieb und Päckchen mit Comic-Heften schickte. Über die Erlebnisse im Sanatorium Ide konnte ich lange nicht sprechen. Sechs Jahre später war ich mit meiner Eltern und Geschwistern auf Föhr, wo wir eine Familienfreizeit verbrachten. Gemeinsam mit meinem Ferienfreund Peer habe ich einen Ausflug nach Amrum unternommen (da war ich 16 Jahre alt) und bei der Gelegenheit auch das Sanatorium Ide aufgesucht. Wir haben das Gelände betreten und sind gleich in den großen Speisesaal vorgedrungen. Dort kam gerade eine Gruppe von Kindern an, und weil das wohl nicht so recht klappte, wurden sie von der zuständigen "Tante" im Kasernenhofton angeschriehen. Da bin ich dann ebenfalls laut geworden und gerufen "Das ist ja immer noch der reinste Kinderknast hier!". Wir wurden dann des Geländes verwiesen, aber es war mir eine echte Genugtuung, ebenso wie die Beobachtung, dass der verhasste Chefarzt inzwischen auf den mir wohlbekannten Friedhof bei der Inselkirche Nebel "verzogen" war. Bei der Rückkehr nach Föhr habe ich dann mit meiner Mutter ausführlich über meinen Kuraufenthalt und natürlich den just zurückliegenden Besuch des Sanatoriums gesprochen. Sie war entsetzt und hat beteuert, dass sie von den Zuständen nichts gewusst und "nur das Beste" für mich gewollt habe. Ich hege gegenüber meiner inzwischen verstorbenen Mutter keinen Groll, finde aber, dass ihre übersteigerte Autoritätsgläubigkeit entscheidend dazu beigetragen hat, Beschädigungen ihres Kindes durch diese Art von "Kur" schlicht zu übersehen.
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Ina schrieb am 17.01.2022
Hallo zusammen,
mit fünf Jahren, im Herbst 1975, kam ich nach Freudenstadt. Dort gab es ein „Kindererholungsheim“ von der Post. Ich sollte sechs Wochen bleiben. Ich war zusammen mit der Tochter einer Kollegin meiner Mutter mit dem Zug angekommen. Von meinen Eltern war mir versprochen worden, dass wir zu zweit die „Kur“ machen würden. Nach der Ankunft wurden wir aber ganz bewusst getrennt und der Kontakt wurde unterbunden.
In dem Zimmer in das ich kam mussten wir uns in der Nacht zu zehnt einen Nachttopf teilen. Am Morgen war er aber oft voll bis zum Rand und die Türe wurde am Abend abgeschlossen. Deshalb geriet ich eines frühen Morgens in die Verlegenheit mich daneben setzen zu müssen. Von den Tanten wurde ich geschimpft und als Schmutzfink dargestellt. Fortan wurde ich von den Kindern verspottet und wo es ging gequält. Jeden Morgen sah ich beim Erwachen, dass meiner Puppe der Kopf abgerissen worden war und musste weinen (zum Glück konnte ich ihn selbst wieder aufstecken). Das Zwillingspärchen, das im Nebenbett schlief, lachte mich dann aus. Ich wusste, dass sie es waren, und ich traute mich natürlich nicht etwas zu sagen. Ich hatte großes Heimweh aber es dauerte einige Zeit bis ich den Mut zusammen hatte dies den Tanten zu sagen und darum zu bitten nach Hause zu dürfen. Meine Bitte wurde mit einer Handbewegung weggewischt. Bei meiner Familie kamen nur gute Berichte über meinen Aufenthalt an. Das Päckchen, das mir geschickt wurde bekam ich nicht. Auch über meine Zeit auf der Krankenstation wurden meine Eltern falsch informiert. All dies las ich viele Jahre später im Tagebuch meiner Großmutter.
Auch die Essenszeiten waren schrecklich. Nicht nur, dass ich, wie alle Kinder, Dinge essen musste vor denen ich mich ekelte oder die mir gesundheitliche Beschwerden verursachten. Es war für mich fast noch schlimmer meine sprachliche Identität verleugnen zu müssen. Uns wurden Wörter verboten, die nicht dem Sprachgebrauch der Tanten entsprachen. Ich wurde zum Beispiel immer wieder verhöhnt wenn ich statt „Rapunzel“ „Feldsalat“ sagte, wie ich es von zu Hause gewöhnt war.
Es war an einem Abend in der großen Halle mit den hohen Fenstern. Nach dem Abendessen (ich glaube es war Erntedank) sang ein Chor von älteren Kindern „He-Jo spann den Wagen an“ im Kanon. Dieses Leid traf mich zutiefst, weil es meine Sehnsucht nach Freiheit und Gemeinschaft im gleichen Maße ausdrückte. Das kann ich heute so beschreiben. Damals war es nur ein diffuses sehnen nach etwas, das mir verwehrt wurde. Ich dachte, wenn ich mit den älteren Kindern singen dürfte, wäre ich frei. Als Erwachsene entdeckte ich die englische Version dieses Liedes, die mein damaliges Gefühl noch genauer auszudrücken vermag:
Heiho – nobody at home!
Meat nor drink, nor money have I none.
Yet will I be merry.
Yet will I be merry.
Als sehr beschämend habe ich auch die Rotlichtbehandlungen empfunden bei denen wir Kinder splitternackt (nur mit einer Schutzbrille bekleidet) in den Rotlichtraum gehen mussten.
Nach drei Wochen in diesem Erholungsheim wurde ich krank und kam auf die Krankenstation. Ich hatte hohes Fieber. Es kam immer wieder, wenn ich zurück in den Alltag des Heims sollte. Auf der Krankenstation war ich sehr isoliert. Aber das Fieber half ein wenig um die Schrecken dieses Ortes, das Heimweh, die Scham und die Lügen hinter einer Nebelwand verschwinden zu lassen. Ich vermute eher zum Ende meines Aufenthaltes kam ein Junge in mein Zimmer, der auch krank war. Vielleicht ging es ihm aber körperlich ein wenig besser als mir. Er war wohl etwas älter als ich, denn: er konnte lesen! Es geschah das Unglaubliche - er las mir vor! Es war für mich wie ein Wunder. Dieser fremde Junge, der nicht viel älter war als ich, schenkte mir die Nähe und Zuneigung, die mir von all den Erwachsenen verwehrt worden war. Ich werde ihm mein Leben lang dankbar sein für sein tätiges Mitgefühl, das mir damals half psychisch zu überleben. Und ich habe in all den Jahren immer wieder an ihn gedacht. Hoffend, dass er selbst so viel Hilfe erfahren möge, wie er sie mir geschenkt hat.
Ich weiß nicht, ob ich selbst jemals einem Menschen so hilfreich zur Seite gestanden habe, wie dieser unbekannte Junge es für mich getan hat. Ich würde mich sehr freuen ihn auf diesem Weg zu finden. Auch wenn das sehr unwahrscheinlich ist.
Als meine Eltern mich abholten nahm mein Vater mich auf seinen Arm. Ich spüre heute noch diesen Zwang mich von ihm wegdrehen zu müssen, obwohl ich mir all die Wochen nichts sehnlicher gewünscht hatte, als dass sie mich abholen würden. Ich verstand mich selbst nicht, es war schrecklich mich nicht zu meinem Vater flüchten zu können, sondern mich nur seltsam fremd zu fühlen.
Bis zu meinem 18. Lebensjahr hatte ich Albträume die sich um die Zeit in Freudenstadt drehten. Ich hatte es bald aufgegeben meiner Familie von meinen erlebten Schrecken zu erzählen, denn meine Mutter unterband meine Erzählungen damit, dass sie mir erklärte, das sei alles nicht wahr. Ich hätte mir das alles nur ausgedacht. Also schwieg ich.
Mit Anfang 30 machte ich mich auf die Suche nach dem Ort dieses Schreckens. Ich bat meine Mutter mir die Adresse zu geben. Aber sie verwehrte mir ihre Hilfe. Ich fand das Haus indem ich im Touristenbüro danach fragte. Es war ganz einfach. Und es war sehr heilsam diesen Ort zu besuchen. Es gab ihn wirklich. Ich erkannte das Fenster wieder, hinter dem unser Schlafraum war, den Park, die Säulen vor dem großen Speisesaal. Und dieses Haus war alt und drohte zu verfallen. Ich spürte ganz direkt: „Dieser Ort kann mir nichts mehr antun!“. Seither besuche ich das Haus jedes Mal, wenn ich durch Freudenstadt fahre. Und es ist interessant zu beobachten wie wir beide uns mit den Jahren verändern.
Mein Aufenthalt im Posterholungsheim in Freudenstadt (Landhausstr. 69) war zwischen dem 14.10. und 25.11.1975. Von der Mitarbeiterin im Touristenbüro wurde mir mitgeteilt, dass dieses Haus nur sehr kurz als Kindererholungsheim diente. Die meiste Zeit waren hier Erwachsene zur Kur. Wer sich Bilder des Hauses ansehen möchte findet unter dem Stichwort „Posterholungsheim Freudenstadt“ auf der Internetseite „oldthings“ alte Postkarten.
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Ulrike Bergmann-Seifert aus Bremen schrieb am 17.01.2022
Ich wurde mit gerade 6 Jahren ins Adolfinenheim verschickt, um für die Einschulung ins Winterkurzschuljahr "aufgepäppelt" zu werden. Ich habe diese Zeit in grausamer Erinnerung. Niemand war da, mich mit meinem entsetzlichen Heimweh zu trösten. Zuwendung bekam ich keine - ich erinnere mich daran, dass ich mich morgens zum Kämmen in die Reihe stellte und von der Erzieherin nur ein verächtliches "ach du mit deinen 5 Haaren" zu hören bekam. Ich hab's heute noch im Ohr. Für alle möglichen "Vergehen" musste ich am helllichten Tag zur Strafe ins
Bett und durfte noch nicht mal meine Puppe, das einzig vertraute, was ich hatte, mitnehmen. Ich sehe sie noch auf der Fensterbank sitzen. Die Betten waren mit durchgelegenen dünnen Matratzen ausgestattet. Viele meiner Zimmergenossinnen haben eingenässt, mir ist es nur einmal passiert, was ich irgendwie vertuschen konnte.
Das Essen war grauenhaft. Wie oft habe ich in einem düsteren Essensraum vor vollen Tellern mit süßlicher Milchsuppe, in der Nudeln schwammen, sitzen müssen, bis ich sie irgendwie heruntergewürgt habe. Noch heute wird mir beim Geruch von warmer Milch schlecht. Ich kann mich daran erinnern, dass es mal eine Kugel Vanilleeis zum Nachtisch gab, das war ein absolutes Highlight.
An Spiele mit anderen Kindern oder Basteleien habe ich keine Erinnerung. Irgendwie sehe ich mich immer nur herumstehen oder -sitzen. Ob wir oft an den Strand gegangen sind? Ich weiß es nicht...
Eine der Erzieherinnen hieß Tante Barbara. Sie betreute eine Jungengruppe und ich habe einmal gesehen, dass sie mit ihren Jungs abends gesungen hat und alle einen Becher Tee zu trinken bekamen. So etwas gab es bei uns Mädchen nicht.
Als endlich die verordneten 6 Wochen herum waren, erkrankte ich an Windpocken und musste noch 2 Wochen länger bleiben. Auf der Krankenstation war es etwas besser, ich glaube, es waren nur vier Betten in einem Zimmer. Außerdem gab es hier etwas Spielzeug und wir durften Weißbrot essen. Ich bekam während meiner Windpockenzeit einmal ein Paket von meinen Eltern, darin befanden sich nur 2 selbstgenähte Blusen "aus kühlendem Stoff". Keine Schokolade, kein Bonbon, keine Kleinigkeit zum Spielen, über das sich ein 6-jähriges Mädchen gefreut hätte... Das war eben von vornherein verboten und die Eltern hielten sich, autoritätshörig wie sie waren, daran. Das habe ich ihnen irgendwie übel genommen. Als diese ganz Zeit überstanden war, gingen wir in einen Andenkenladen und ich habe einen drehbaren Leuchtturm, eine große Muschel und einen stinkenden Seestern ausgesucht.
Ich war nie ganz sicher, ob ich auf Borkum tatsächlich im Adolfinenheim gewesen bin, bis ich vor einigen Jahren ein paar Tage im November auf der Insel verbracht habe, um mein Trauma zu verarbeiten. Im kleinen Heimatmuseum ließ man mir sehr viel Zeit, viele Ordner über dieses Heim zu durchforsten. Anhand der Fotos war mich mir dann ganz sicher, dass ich im Adolfinenheim war.
Das Haus existiert schon lange nicht mehr, das Grundstück wurde zu einem Teil mit einem Kindergarten bebaut. Da dort die Freiwillige Feuerwehr einen Bau plante, wurde neben dem Kindergarten das ganze Grundstück ausgebaggert. Schutt und Scherben des alten Adolfinenheims kamen wieder zu Vorschein und ein Stück einer gelben Waschsaal-Fliese ging als "Trophäe" mit nach Hause.... Nach Borkum werde ich sicher nie wieder zurückkehren.
Ich bin interessiert an Erinnerungen von LeidensgenossInnen, die vielleicht auch Mitte der 60er Jahre ins Adolfinenheim verschickt wurden.
Gräßlich, was man damals uns Kindern angetan hat.
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Dörte Fristedt aus Ängelholm schrieb am 17.01.2022
Hallo!
Ich kam mit meiner älteren Schwester das erste Mal auf den Seehof, der von der Heilsarmee geleitet wurde. Ich war damals 5 Jahre. Meine Mutter war 2 Jahre zuvor gestorben und ich wohnte mit 4 Geschwistern beim Opa. Klar, dass die ersten Tage schwer waren aber ich habe meine Zeit dort in guter Erinnerung. Badewiese, toller Spielplatz, der Heimleiter hat mit uns täglich gesungen und mit seinem Akkordeon begleitet, es gab Esel und Wildschweine auf dem Gelände. Klar es war streng aber trotzdem freundlich. Für mich eine humane Einrichtung. 40 Jahre später habe ich den Seehof wieder besucht. Ich wollte meiner Familie den Ort, der mir so gut getan hat, unbedingt zeigen.
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Karin S. aus Unterschleißheim schrieb am 17.01.2022
Hallo in die Runde.
Ich werde dieses Jahr 60 Jahre alt und Zeit meines Lebens habe ich Erinnerungen an diesen Kuraufenthalt und bin bis heute wütend, dass ich so behandelt wurde. Ich war sehr dünn und meiner Großmutter ( bei der ich aufgewachsen bin) wurde nahe gelegt, mich zur Kur zu schicken. 1. Erinnerung: viele Kinder am Bahnhof und eine Frau nimmt mich in Empfang mit den Worten " Du bist ja niedlich. Dich behalte ich mal". Ich hatte panische Angst nicht mehr zu meiner Oma zu kommen und habe auf der Zugfahrt viel geweint. Bis heute habe ich Schwierigkeiten mit dem Zug zu verreisen. Angekommen ( ich erinnere mich an Berge) bin ich in einem Kloster oder ähnliches. Da waren Nonnen, große Schlafsäle und ein strenges Regime. Nachts saß eine Nonne vor der Tür und passte auf dass kein Kind auf die Toilette geht und Ruhe herrscht. Essen musste aufgegessen werden. Ich war eine schlechte Esserin und habe bis dahin nie Zwang beim Essen gekannt. Ich kann mich erinnern erbrochen zu haben und wie ich dann vor dem Teller saß da man mir sagte ich müsste es auf esse. Ich kann mich nicht erinnern das ich das gemacht habe.
Aber an die Verzweiflung kann ich mich erinnern. Auf einem Spaziergang habe ich einen meiner neuen Handschuhe verloren habe( es lag Schnee). Daraufhin wurde ich ins Gesicht geschlagen. Das war schrecklich für mich, da ich über den Verlust schon so traurig war. Statt Trost Schläge. Körperpflege wurde an langen Waschtrögen durchgeführt. Ich habe mich dabei sehr unwohl gefühlt da alle geschaut haben. Dann bin schwer erkrankt ( es könnten die Windpocken gewesen sein). Mir ging es zunehmend schlechter, so das ich frühzeitig nach Hause geschickt wurde. Ich würde heute noch am liebsten jeder Nonne eine runter hauen. Leider weiß ich nicht wo dieser Aufenthalt war. Das Bild von dem Haus, die Berge, dem Schnee und den Nonnen werde ich aber nie mehr vergessen. Danke das ich hier die Möglichkeit bekommen habe, mich endlich nicht mehr so alleine damit zu fühlen und sage Danke für diese Platform.
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Barbara Balk aus Winsen/Aller schrieb am 17.01.2022
Ich habe nicht viele Erinnerungen an den Heimaufenthalt. Hingekommen bin ich, weil "aus dem Kind nichts wird". Einzige konkrete Erinnerung: Ich wurde morgens, mittags und abends mit Milchbrei und Haferschleim vollgestopft. Und ich mochte das Zeug nicht. Ich musste solange vor dem Teller sitzen, bis er leer war. Seitdem kann ich warme Milchsuppen nicht mehr sehen und riechen. Kommt mir sofort der Magen hoch. Und ich bin während des Aufenthalts 10 Jahre alt geworden. Mein Geburtstagspäckchen habe ich nie zu Gesicht bekommen. Mir wurde nur gesagt: "Du hast ein Päckchen gekriegt. Das wird auf alle aufgeteilt." Gesehen habe ich nie was. Und es herrschte ein fürchterlichen Ton. Wir auf dem Kasernrnhof.
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Thomas Müller aus Neu Isenburg schrieb am 17.01.2022
Das erstemal war ichmit 5 Jahren in Berchdesgaden im Kurheim, da kann ich mich aber nicht mehr so daran erinnern.
Das zweitemal ich war als 6 jahriger Junge, in einer Kuranstalt in Buhlbron im Schwarzwald geschickt worden, für 6 Wochen und es war die Hölle auf Erden.
Es war eine Tortur beim Essen, bei der Freizeit - gestaltung und Abends ins Bett gehen. Beim Essen mußte man so lange am Tisch sitzen bleiben bis man aufgegessen oder gekotzt hatte. Die Freizeitbeschäftigung war meistens spazieren gehen oder auf dem Gelände war ein na sagen wir mal so eine Art Spielplatz. Abends war sehr früh Bettruhe, es war ein sehr großer Schlafsaal mit ca 15-20 Betten ( Zeit kann ich nicht nennen) aber es war sehr früh, mit der Androhung wer Nachts nicht schläft bekommt Schläge (AUCH WENN MAN AUF TOILETTE MUSSTE )und so machten viele Kinder in ihr Bett, was wiederum dazu führte, daß man sein Bett selber frisch machen mußte. Mein Bettnachbar hatte Rückratverkrümmung und wurde Nachts in so eine Gipsform gelegt und fixsiert ich mußte Nächte lang mit anhörern wie jemmerlich er geweint hatte und sehr oft ins Bett gemacht hatte, da er Angst hatte jemand zu rufen. (ich muß weinen wenn ich hier schreibe). Hatte jemand ein Päckchen bekommen, so ist das einfach aufgemacht worden und was die Heimleitung für nicht gut hielt wurde einbehalten oder unter allen Kindern aufgeteilt, egal ob das Geburtstag war oder einfach so. Meine Mutter schickte mir 2x in der Woche einen Brief mit einem streifen Kaugummi drinn, den durfte ich behalten. Ich wünsche allen Betroffenen, daß sie diese Ereignise gut verkraften aber niemals vergessen sollen, denn sowas sollte keinem Kind der Welt passieren.
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Sascha schrieb am 17.01.2022
Ich habe leider nur einige Erinnerungsfetzen an die Zeit, die mich aber doch sehr nachhaltig geprägt hat.
Ich wurde zu Hause beim Kinderarzt ständig geröngt, weil ich Asthma und Allergien hatte und mir damals keiner so richtig helfen konnte.
Dieser hat dann irgendwann die Einweisung in die Spezialkinderklinik veranlasst.

Per Bus ging es 1980 vom Schweinfurt Hauptbahnhof nach Bad Reichenhall in die Spezialkinderklinik für Asthma und Bronchitis in der Kurfürstenstraße 26.

Der Bus war voll mit Kindern von ganz klein bis ca. 14 Jahren (lt. meiner Mutter).

Meinem Teddy wurde gleich in der ersten Nacht der Kopf abgerissen von älteren Jungs.
Diesen älteren Jungs waren wir Kleinen schutzlos ausgeliefert.
Die Älteren Jungs befriedigten sich ganz offen vor allen Kindern...

Zum Frühstück gab es Marmelade und Malzkaffee was ich vorher noch nie gegessen hatte zu Hause. (Beides bis heute ein absolutes NO GO)

Ich musste im Federbett schlafen (Ich war damals hochgradig allergisch darauf und es wurde extra drauf hingewiesen)
Das ging natürlich nicht gut und ich hatte viele Anfälle...

Es gab keinen Kontakt per Telefon oder Besuch.

Die Karten wurden von Erzieherin geschrieben - natürlich nur Gutes. Leider hat Sie meine Mutter nicht mehr.

Ich kann mich vage daran erinnern, das ich irgendwo in einer Druckkammer war, im Solebad, im Inhalierraum, in einem nebligen Raum, oder auch unter der Höhensonne.

Beim Schwimmen, wurde ich in ein Becken gestoßen wo ich nicht stehen konnte als Nichtschwimmer (Bis heute habe ich Angst im Wasser und schwimme nur in reichweite vom Beckenrand)

Ich bin aus Scham Tagelang/Wochenlang (Weiß nicht mehr wie lange - es war sehr lange) nicht auf Toilette, weil die Türen offen bleiben mussten, bzw keine Türen dran waren (das weiß ich nicht mehr genau) Ich hatte dann natürlich eine extrem schlimme Verstopfung...

Ich wurde lt. meiner Mutter sehr Krank (Welche Krankheit ist nicht mehr bekannt) und war 14 Tage auf einer Krankenstation (Meine Eltern wurden darüber erst nach der Kur informiert)

Meine Zähne waren wohl 6 Wochen kaum geputzt worden, meine Mutter sagte dass meine Zähne sehr schlimm/schwarz aussahen.

Das einprägsamste war die Ankunft in Schweinfurt.
Ich blicke erwartungsvoll und voller Sehnsucht aus dem Busfenster und konnte meine Eltern nicht am Bahnhof entdecken und geriet in Panik...
Als ich ausgestiegen war, sah ich mich panisch um und mir liefen die Tränen übers Gesicht. Ich glaubt in dem Moment fest daran, dass mich wirklich niemand mehr abholt. - Absolute Panik -
Plötzlich kam ein Mann und eine Frau freudestrahlend auf mich zu, es waren meine Eltern! Sie standen nur ein paar Meter entfernt von dem Bus und ich konnte Sie nach 6 Wochen nicht mehr erkennen. Ich fühlte mich völlig entwurzelt, fremd und leer...
Meine Mutter war völlig entsetzt und erschrocken über meinen Gesundheitszustand :

Ich war kränker nach den 6 Wochen wie vorher - und nicht mehr das gleiche Kind...

Bis heute plagen mich Verlustängste, Angstzustände im Dunkeln, Minderwertigkeitskomplexe, Gewichtsprobleme, Magen- Darm Probleme usw.

Es ist eine Schande für dieses Land, dass so lange diese Zustände gebilligt wurden und wir Kinder der ganzen Heimmaschinerie schutzlos ausgeliefert waren.

Ich würde meine Tochter NIEMALS alleine auf eine Kur verschicken...
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Sascha aus Schweinfurt schrieb am 15.01.2022
Ich habe leider nur einige Erinnerungsfetzen an die Zeit, die mich aber doch sehr nachhaltig geprägt hat.
Ich wurde zu Hause beim Kinderarzt ständig geröngt, weil ich Asthma und Allergien hatte und mir damals keiner so richtig helfen konnte.
Dieser hat dann irgendwann die Einweisung in die Spezialkinderklinik veranlasst.

Per Bus ging es 1980 vom Schweinfurt Hauptbahnhof nach Bad Reichenhall in die Spezialkinderklinik für Asthma und Bronchitis in der Kurfürstenstraße 26.

Der Bus war voll mit Kindern von ganz klein bis ca. 14 Jahren (lt. meiner Mutter).

Meinem Teddy wurde gleich in der ersten Nacht der Kopf abgerissen von älteren Jungs.
Diesen älteren Jungs waren wir Kleinen schutzlos ausgeliefert.
Die Älteren Jungs befriedigten sich ganz offen vor allen Kindern...

Zum Frühstück gab es Marmelade und Malzkaffee was ich vorher noch nie gegessen hatte zu Hause. (Beides bis heute ein absolutes NO GO)

Ich musste im Federbett schlafen (Ich war damals hochgradig allergisch darauf und es wurde extra drauf hingewiesen)
Das ging natürlich nicht gut und ich hatte viele Anfälle...

Es gab keinen Kontakt per Telefon oder Besuch.

Die Karten wurden von Erzieherin geschrieben - natürlich nur Gutes. Leider hat Sie meine Mutter nicht mehr.

Ich kann mich vage daran erinnern, das ich irgendwo in einer Druckkammer war, im Solebad, im Inhalierraum, in einem nebligen Raum, oder auch unter der Höhensonne.

Beim Schwimmen, wurde ich in ein Becken gestoßen wo ich nicht stehen konnte als Nichtschwimmer (Bis heute habe ich Angst im Wasser und schwimme nur in reichweite vom Beckenrand)

Ich bin aus Scham Tagelang/Wochenlang (Weiß nicht mehr wie lange - es war sehr lange) nicht auf Toilette, weil die Türen offen bleiben mussten, bzw keine Türen dran waren (das weiß ich nicht mehr genau) Ich hatte dann natürlich eine extrem schlimme Verstopfung...

Ich wurde lt. meiner Mutter sehr Krank (Welche Krankheit ist nicht mehr bekannt) und war 14 Tage auf einer Krankenstation (Meine Eltern wurden darüber erst nach der Kur informiert)

Meine Zähne waren wohl 6 Wochen kaum geputzt worden, meine Mutter sagte dass meine Zähne sehr schlimm/schwarz aussahen.

Das einprägsamste war die Ankunft in Schweinfurt.
Ich blicke erwartungsvoll und voller Sehnsucht aus dem Busfenster und konnte meine Eltern nicht am Bahnhof entdecken und geriet in Panik...
Als ich ausgestiegen war, sah ich mich panisch um und mir liefen die Tränen übers Gesicht. Ich glaubt in dem Moment fest daran, dass mich wirklich niemand mehr abholt. - Absolute Panik -
Plötzlich kam ein Mann und eine Frau freudestrahlend auf mich zu, es waren meine Eltern! Sie standen nur ein paar Meter entfernt von dem Bus und ich konnte Sie nach 6 Wochen nicht mehr erkennen. Ich fühlte mich völlig entwurzelt, fremd und leer...
Meine Mutter war völlig entsetzt und erschrocken über meinen Gesundheitszustand :

Ich war kränker nach den 6 Wochen wie vorher - und nicht mehr das gleiche Kind...

Bis heute plagen mich Verlustängste, Angstzustände im Dunkeln, Minderwertigkeitskomplexe, Gewichtsprobleme, Magen- Darm Probleme usw.

Es ist eine Schande für dieses Land, dass so lange diese Zustände gebilligt wurden und wir Kinder der ganzen Heimmaschinerie schutzlos ausgeliefert waren.

Ich würde meine Tochter NIEMALS alleine auf eine Kur verschicken...
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Martin M. aus Saarbrücken schrieb am 09.01.2022
Wer von den folgenden Personen war mit mir in dieser Einrichtung, kann sich erinnern und möchte sich mit mir austauschen?

Die möglichen Patienten, die während dem Essen mit mir an meinem Tisch saßen, waren:
Udo Meier, ca. 6 Jahre und kräftig
Stefan Wagner, ca. 5 Jahre und blond
Achim Hans ca. 7 J. und braun

Die möglichen Jungen, die mit mir in einem Zimmer untergebracht wurden, waren:
Stefen Schmitt/ Schmidt, ca. 7 Jahre
Jürgen Schreiner, ca. 9 Jahre
Andreas Hof, ca. 5 Jahre

Viele Grüße
Martin M.
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Kerstin aus Mittweida schrieb am 09.01.2022
Ich war auch in einem *Kurheim*. Leider weiß ich nicht mehr wo. Irgendwo in der Berliner oder Brandenburger Ecke. Ich war 5 Jahre alt. Angeblich war ich zu dünn und ich müsste diese sogenannte Erholungskurs antreten.
Viele Erinnerungen habe ich nicht,ich war zu klein.
Ich weiß noch das da die Windpocken waren und ich mich abgesteckt habe. Den ganzen Tag saß ich allein in meinem Bett, während die anderen draußen spielten. Um mich hat sich keiner gekümmert und ich habe viel geweint. Der Essenszwang war auch furchtbar. Jeden zweiten morgen gab es Haferflockensuppe mit Rosinen. Der Geruch von Milchreis, Grießbrei und Haferflocken löst bei mir immer noch einen Würgereiz aus.
Egal ob fettes Fleisch in der Suppe, der Teller musste leer sein.
Vielleicht weiß jemand wo das war. Meine Erinnerung sind kleine bunte Holzhütten im Garten, in denen wir gespielt haben
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Lisa schrieb am 09.01.2022
Ich wurde 1980 mit 8 Jahren nach St. Peter Ording verschickt. Es war keine angenehme Erfahrung (wenn ich mich - zum Glück- auch nicht traumatisiert fühle).
Vor mir war ein Junge aus unserer Nachbarschaft im selben (?) Kurheim verschickt. Meine Mutter hat mir erzählt, dass dessen Eltern meine Eltern im Vorfeld gewarnt hatten, mich nicht zu verschicken, weil die Zustände im Heim so katastrophal seien. Daraufhin haben sich meine Eltern nochmal bei der Krankenkasse vergewissert, die ihnen zugesichert hat, dass das Heim super wäre. Da haben viele Stellen lange Zeit die Augen verschlossen.

Mir sind einige Dinge in Erinnerung geblieben, von denen ich schon damals dachte "das geht nicht/das dürfen die nicht". Das waren einfach Dinge, die in einem vollkommenen Widerspruch zu dem standen, was ich aus meinem Umfeld, aus meiner Grundschule etc, kannte. (Ich schreibe dies, um zu verdeutlichen, dass diese Erziehungsmethoden auch damals nicht "normal" oder "akzeptiert" waren.)

-Die Standardbestrafung (auch für Nichtigkeiten) war über Nacht in den Keller eingesperrt zu werden. Mir selber ist das nie passiert. Es gab aber Kinder, denen es während meines Aufenthalts zu passieren schien. D.h. denen es angedroht wurde und die dann zur Schlafenszeit tatsächlich nicht da waren.
Bestrafungen und Demütigungen vor der Gruppe waren relativ häufig. Ich kann mich an keinen konkreten Fall erinnern, vermute aber, dass es häufig um Bettnässen ging.

- Die Toilettenzeiten waren streng reglementiert und wir durften insbesondere nachts und während des Mittagsschlafs die Toiletten nicht nutzen. Eines Nachts hatte sich eins der Kinder rausgeschlichen, die Toilette benutzt, sich aber wohl nicht getraut, die Spülung zu betätigen, um niemanden zu wecken. Die Toilette wurde dementsprechend am nächsten Morgen dreckig vorgefunden. Daraufhin mussten wir als ganze Gruppe in den Toilettenraum kommen, wurden gemaßregelt und der/die "Schuldige" wurde aufgefordert, sich zu stellen. Als dies nicht geschah, musste die ganze Gruppe stundenlang die Toiletten putzen.

- Auch wir mussten alles aufessen. Ich aß damals schon kein Fleisch und musste daher nach dem Mittagessen oft lange alleine (unter Aufsicht) im Esssaal bleiben, bis ich alles aufgegessen hatte. Ich habe mir oft Fleisch in die Hosentasche gestopft und später entsorgt, weil ich es einfach nicht runter bekam. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, mich jemals übergeben zu haben oder Erbrochenes essen zu müssen. Und ich wurde manchmal nach einer Stunde oder so "erlöst", selbst wenn ich nicht alles aufgegessen hatte. Zudem ersparte mir das Nachsitzen im Speisesaal zumindest den verhassten Mittagsschlaf.

- Die Post wurde auch bei uns überwacht. Die jüngeren Kinder durften ihre Briefe nicht selber schreiben, selbst, wenn sie schon schreiben konnten. Ich durfte selber schreiben, das Geschriebene wurde aber kontrolliert, offiziell, um Rechtschreibfehler etc. zu beseitigen. Es war aber allen klar, dass es nicht erwünscht war, Negatives zu schreiben und, dass das auch zensiert werden würde. Wir mussten die Briefe in einen Korb auf dem Flur legen, wo sie dann von den Betreuern (ich kann mich an den Ausdruck "Tanten" nicht erinnern, es ist aber gut möglich, dass auch wir diesen verwendet haben) eingesammelt und zur Post gebracht wurden. Ich schrieb neben meinen Eltern auch regelmäßig einer guten Freundin, die aber keinen einzigen Brief bekommen hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass alle Briefe, die nicht an die Eltern adressiert waren, von den "Tanten" aussortiert und weggeworfen wurden. (Der Grund war, glaube ich, dass sie sich nicht die Mühe machen wollten, diese auch zu zensieren.)

- In einer anderen Kindergruppe brachen während meiner Zeit im Heim die Windpocken aus. Zunächst wurde diese Gruppe isoliert, kam nicht mehr zu den Essenszeiten in den Speisesaal etc. Nach 1-2 Tagen gab es aber offenbar ein Umdenken und meine Gruppe musste einen Nachmittag lang mit dieser Gruppe zusammen drinnen spielen (wir hatten vorher nie etwas mit der anderen Gruppe zu tun gehabt). Prompt hatten wir natürlich fast alle die Windpocken. Das war sozusagen eine Windpocken-Party. Dass wir die Windpocken hatten, kümmerte dann aber keinen mehr und wir wurden auch mit Windpocken auf die Menschheit losgelassen.

- Während des Mittagsschlafs mussten wir die Augen geschlossen halten und durften uns nicht bewegen. Eine Betreuerin patroullierte ständig auf und ab, um das zu kontrollieren, und man wurde bestraft, wenn man sich nicht dran hielt. Wir mussten sogar ein Lied lernen, in dem das erwünschte Verhalten beim Mittagsschlaf und die Bestrafung bei Nichtbeachten besungen wurde. Einmal hatte ich mir ein Comic von einem anderen Kind ausgeliehen. Ich musste relativ lange darauf warten, weil alle es haben wollten. Ich bekam es schließlich eines Mittags. Es lag beim Mittagsschlaf auf meinem Nachttisch und weil ich so neugierig war, habe ich --ohne den Kopf zu heben-- kurz die Seiten durchgeblättert, als ich dachte, es schaut niemand. Die Aufseherin hat es mir sofort weggenommen und ich war wahnsinnig enttäuscht, habe mich aber nicht getraut, es nochmal auszuleihen.

- Ich bin ziemlich sicher, dass auch bei uns der Inhalt von Paketen der Eltern an alle Kinder verteilt wurde, kann mich aber nur noch vage erinnern.

Leider kann ich mich nicht konkret an Personen erinnern, weder an "Tanten" noch an andere Kinder. Ich glaube, das liegt daran, dass mein gesamter Fokus in der Zeit darauf lag, nicht aufzufallen und nicht anzuecken, und kein Platz für irgendwas anderes war. Ich kann mich allerdings auch erinnern, dass wir Kinder uns manchmal untereinander solidarisiert haben, aber nur im Geheimen.

Nach meiner Rückkehr wollte mir niemand glauben, wenn ich von der Zeit im Kurheim erzählt habe, was mich geärgert hat. Ich habe dann ziemlich schnell aufgehört, davon zu erzählen. Ich war meinen Eltern nicht böse, dass sie mich verschickt hatten, habe mich aber immer gefragt, wofür das Ganze gut sein sollte. Tatsächlich habe ich keine einzige positive Erinnerung und St. Peter Ording wird für mich immer negativ konnotiert sein.

Ich habe immer gedacht, ich hätte einfach ein besonders schlechtes Kurheim erwischt. All die Jahre habe ich immer damit gerechnet, dass das irgendwann auffliegt, und dass ich irgendwann in den Nachrichten lese "Skandal im Kinderkurheim Köhlbrand: Kinder im Keller eingesperrt!". Ich habe regelmäßig gegoogelt, aber nichts gefunden, und immer gedacht, "dass kann doch nicht sein, dass da nichts über diese Zustände raussickert". Ich habe schon fast an meiner Erinnerung gezweifelt. Dann habe ich den Bericht von Report Mainz gesehen und realisiert, dass meine Erfahrungen nur die Spitze des Eisbergs waren und das "mein" Heim (zumindest zu der Zeit als ich da war), vielleicht sogar eins der besseren war.

Herzlichen Dank an alle, die mithelfen dies Kapitel aufzuarbeiten!
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Alexandra aus Kaiserslautern schrieb am 07.01.2022
Vor ein paar Tagen hatte ich die spontane Idee (vielleicht Intuition) zu googlen ob ich ein Bild der Kurklinik finden kann, in welcher ich im Frühjahr 1984 für 6 Wochen untergebracht war.
Die Klinik hieß Haus Hamburg, Bad Sassendorf.

Kaum in Google eingegeben springen mir einige Einträge entgegen mit den Titeln “Kinderqualen im Kurheim”, “das Leid der Verschickungskinder” etc. entgegen.
Seit ich diese Einträge und Berichte gelesen habe, ist mir eiskalt. Seit Tagen kann ich gar nicht mehr warm kriegen. Ich bin total im Schock und habe keine Worte, die Spirale an Emotionen, die an mir zieht, zu beschreiben. Mir brennt die Seele und es tut mir so unendlich leid zu lesen, was Ihr teilweise aushalten musstet. Das ist so furchtbar.
Es gehen mir soviele Gedanken durch den Kopf, und ich habe das Bedürfnis mich zu melden und auszutauschen, auch wenn ich vielleicht eine “der Glücklichen” bin, die im Vergleich mit all den schrecklichen Berichten hier noch mit relativ harmlosen Methoden “davon gekommen” bin und zumindest bis eben noch der Meinung war, dass meine Erlebnisse in der Kur keine dauerhaften negativen Folgen für mich hatte.
Irgendwie bin ich jetzt aber nicht mehr so sicher und schaue zurück auf Momente, Fetzen der Erinnerung, bei denen ich denke: “das ist es also, was da passiert ist und was die da gemacht haben” und so weiter.

Ich habe gesehen, dass darum gebeten wird, so viele Details wie möglich zu beschreiben, da auch der Alltag in den Kliniken nachvollzogen werden möchte. Daher schreibe ich so ausführlich wie möglich und bitte die Länge zu entschuldigen 🙂

Gerne ist hier mein Zeitzeugnis:
Als Kind war ich sehr aktiv und dünn. Ich war oft krank. Ende 1983 war ich an Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt und damals wusste man noch nicht viel davon. Es ware eine “Neuerscheinung”. Heute wissen wir, wie wir damit umgehen: Quarantäne.
Ich lag also ganze sechs Wochen im Krankenhaus in Quarantäne. Damals war ich 9.

Danach fand meine Mutter es eine gute Idee mich, in Zusammenarbeit mit dem Kinderarzt, in eine Kur zu schicken, damit ich wieder auf die Beine komme. Meine Mutter war selbst eine überzeugte Kurgängerin.
Ich war gerade 6 Wochen weg und fand es eine Zumutung, dass ich nochmal solange weg musste. Ich habe mehrfach gesagt, dass ich nicht weg möchte. Aber meine Mutter hat entschieden, dass es besser für mich ist.
Bereits an der Stelle fühlte ich mich irgendwie “entmündigt”, habe als Kind nicht über mein eigenes Leben bestimmen können. Sie hat entschieden und hat mich nicht mit einbezogen in die Diskussion was ich denke, was das richtige für mich ist. Das hat in der Nachsicht etwas mein Verhältnis zu meiner Mutter getrübt. Man kann sagen, dass mein Urvertrauen sowohl in sie als auch in meine Autonomie etwas gelitten hat.

Das erste Anzeichen dafür dass ich nicht drumherum kommen würde war, dass ein Satz Stofffetzen mit meinem Namen ankamen, die meine Mutter in alle Kleidungsstücke genäht hat (für die Wäsche, damit man wusste wem was gehört).
Auch hat sie mir einen silbernen Kugelschreiber geschenkt, extra für die Briefe von der Kur nach Hause - diesen habe ich heute noch, die Briefe nicht mehr.
Ein paar Wochen später dann stand ich am Bahnhof mit meiner Mutter, mit einer Karte um den Hals. Ein Zug fährt ein, eine Frau steigt aus, stellt sich als Beauftragte der DAK vor, und ich muss mit ihr einsteigen. Ich habe mich an meiner Mutter festgekrallt und habe so geheult, ich wollte nicht weg und hatte Angst vor der Fremde und dem Unbekannten. Im Zug saß noch ein Mädchen, das auch ganz verheulte Augen hatte. Die Begleitperson habe ich eigentlich noch in ganz guter Erinnerung, die war verständnisvoll, hat mich ausheulen lassen und uns versucht mit einem Gespräch abzulenken.
Auf dem Weg zum Kinderheim haben wir an diversen Bahnhöfen noch mehr Kinder abgeholt. Alle hatten den gleichen Gesichtsausdruck. Trauer und Angst.

Bei der eigentlichen Ankunft hat uns die Begleitdame “übergeben”, es waren viele Kinder im Hof. Die Kinder vorm Haus waren noch fröhlich und sind rumgerannt. Es war laut und hektisch. Wir wurden schließlich beim Namen gerufen, in Gruppen geteilt und ins Haus geführt.

Wir waren im zweiten Stock (glaube ich), ein langer Gang, eine lange Fensterfront auf der einen Seite, lange Einbauschränke (ich glaube die waren orange) auf der anderen Seite und die Türen zu den Schlafräumen.
Mir wurde ein Schrank zugewiesen und mein Schlafraum gezeigt. Ich war positiv überrascht davon, dass der Schlafraum kein steriles Krankenhauszimmer war, sondern dass es eher wie in einer Jugendherberge aussah. Einfach Holzbetten und rote Vorhänge. Es waren 6-8 Betten in einem Zimmer. Eigentlich fand ich es ganz gemütlich.

Wir konnten unsere Koffer auspacken und uns dann im Aufenthaltsraum treffen. Ich erinnere mich noch daran, dass fast kein Kind gesprochen hat. An diesem Teil war es ganz still. Wir waren alle total verunsichert, traurig und nervös, und die Erwachsenen wirkten sehr mechanisch, beschäftigt und unnahbar.
Da saßen wir in dem Zimmer und sahen uns alle mehr oder weniger hilflos und unsicher an. Das änderte sich auch später beim ersten Essen nicht.

Nach dem Essen wurden wir in den Keller (ich glaube dass es der Keller war) geführt und waren in einer Art Badeanstalt - es roch nach Chlor - da waren Bottiche an denen wir vorbeigelaufen sind und sind an eine Art Umkleidekabine gekommen wo wir angewiesen wurden, einen Gummimantel, ich glaube es war ein Cape mit Mütze, anzuziehen. Dann sollten wir auf der Treppe warten. Ich erinnere mich, dass ein Mädchen so bitterlich geweint hat, sie war auch sehr laut dabei und hat fast geschrieen. Die Erzieherin hat nur auf sie geschaut und sie komplett ignoriert. Wir anderen Kinder haben uns um sie gekümmert und versucht sie zu beruhigen.
Einige Momente später wurden wir in einen riesigen “Duschraum” geführt und angewiesen uns auf die Bänke, die an der Wand entlang liefen, zu setzen. Das sah fast aus wie eine Gaskammer und ich bekam richtig Panik (das Thema hatten wir gerade in der Grundschule durchgenommen, daher hat meine kindliche Vorstellungskraft leider spontan diese unglückliche Assoziation hergestellt). Ich habe eine Erwachsene sehr ängstlich gefragt was wir hier machen und sie meinte nur “Wart’s ab und setz dich hin” und hat mich mit meiner Angst stehen lassen. Auch wenn mein Verstand wusste, dass die uns doch eher nicht umbringen werden, fand ich es sehr schwierig meine Panik zu beruhigen, ich hatte eine kleine Version von Todesangst in dem Raum.
Als sie die Tür zu machten war es dann dunkel (aber nicht ganz, mit Nachtlicht), einige Kinder haben sich laut erschrocken, und dann kam was aus den Düsen. Es war eine Salzlösung, die wir ab dem Tag zwei- bis dreimal die Woche einatmen sollten.

Die erste Nacht war sehr herausfordernd. Fast alle Kinder haben geweint und so haben wir alle angefangen uns zu unterhalten und gegenseitig, auch mit kleinen Späßen, zu beruhigen. Wir wurden dafür nicht beschimpft oder bestraft, einfach nur ignoriert.
An einigen Abenden saß die Erzieherin zwischen unseren Schlafräumen auf dem Boden und hat noch was vorgelesen.

Dann begann eigentlich schon der Alltag, begleitet von, so wie ich mich deutlich erinnere, dem täglichen mehrfachen “Gedudel” des Schlagers “Jenseits von Eden” von Nino de Angelo (das ist schon im nachhinein betrachtet eine grausame Ironie), aus dem Radio, das auf der Fensterbank stand und fast den ganzen Tag lief.

Alle zwei Tage war Frühsport,
zweimal die Woche Schwimmen (ich erinnere mich, dass ich das mochte. Ich habe dort auch mein Seepferdchen gemacht hat.)
Einmal die Woche Arztbesuch und Wiegen (habe keine Erinnerung mehr an Arzt oder Umstände, nur dass ich es immer kalt fand)
Zwei- bis dreimal die Woche in den Sole - Raum
täglicher Mittagsschlaf in dem berühmten Schlafraum.
tägliches Spazierengehen - immer züchtig in Zweierreihen marschiert, wir sind immer in der Umgebung vom Kurhaus geblieben oder in die Saline in der Stadt

Besonders in Erinnerung ist mir der Einsatz der bereits erwähnten Sanduhr geblieben.
Die kam vor allem zum Einsatz beim Zähneputzen (man musste solange schrubben bis die abgelaufen war) und beim Telefonieren mit zuhause.

Einmal die Woche, ich glaube bei uns war es Montags, zwischen 19-20 Uhr. Wir standen alle vor einem Büro im Warteraum. In diesem Zeitpunkt durften unsere Eltern anrufen und versuchen durchzukommen.
Alle paar Minuten kam sie raus und holte ein Mädchen dessen Vater oder Mutter es geschafft hatte ins Büro. Dann konntest du mit Mama oder Papa reden, für genau 3 Minuten, die Sanduhr stand daneben, und die Erzieherin ebenfalls. Sie hörte mit. Ich erinnere mich, dass ich mich davon total gestört gefühlt habe. Ich fand das unverschämt, dass ich nur drei Minuten mit meiner Mama reden durfte und dann auch noch unter “Bewachung”. So konnte ich gar nicht frei sein und damit auch nicht den sehr nötigen Trost oder Mut Zusprache von Mama bekommen.
Sobald die Sanduhr abgelaufen war, wurde das Telefonat beendet.
Wenn ein Elternteil es nicht geschafft hatte durchzukommen, hat das Kind Pech gehabt und musste auf die folgende Woche hoffen, denn nach uns kam bereits die nächste Gruppe.
Wenn das betreffende Kind dann geweint hat, wurde nur kühl reagiert mit einem “dann hätten sich deine Eltern halt beeilen sollen”.

Was Briefe angeht, so wurden diese ungeöffnet abgegeben, und ich erinnere mich, dass einmal eine Erzieherin kam und mich fragte ob ich denn sicher sei, dass ich das so meiner Mutter schicken wolle, da ich sie damit doch sehr traurig machen würde. Ich solle doch schönere Sachen schreiben um meine Mutter zu schonen. Ich habe das umgeschrieben, da ich natürlich meiner Mutter nie Kummer machen wollte.

Ich selbst kann mich nicht daran erinnern, dass ich “gemästet” wurde, obwohl ich zur Gewichtszunahme da war. Aber…ich erinnere mich, dass sie mir Margarine servierten und ich mochte die nicht. Ich habe einmal gefragt, ob ich Butter haben könnte, die Antwort war “es wird gegessen was auf den Tisch kommt”. Ich war ein sehr schüchternes und gehorsames Kind, daher habe ich es einfach gegessen, habe aber seit der Kur einen Ekel vor Margarine, bis heute.
Ich erinnere mich daran, dass wir des öfteren den Speisesaal verlassen haben und ich gesehen habe, dass einige Kinder nicht mitgekommen sind. Auf die Frage warum die nicht mitkommen, wurde nur geantwortet “die müssen erst den Teller leer essen”.
Ich weiß nicht was mit ihnen gemacht wurde als wir weg waren oder wie lange sie da sitzen mussten. Nur einmal betraf es ein Mädchen von unserer Gruppe und mir war aufgefallen, dass sie erst so ca. 5 Minuten vorm Schlafengehen zurückkam, mit verheulten Augen und dann ohne weitere Worte ins Bett ging und sich die Decke über die Ohren gezogen hat.

Auch ist mir aufgefallen, dass fast jeden Tag von der Gruppe der kleineren Kinder - unter 6 - (die ein Stockwerk unter uns wohnten, aber noch im gleichen Speisesaal saßen) mindest ein bis zwei verheulte Augen hatten.

In unserem Stockwerk war ein Junge, der war etwas geistig zurückgeblieben und kam auch offensichtlich aus einer ärmeren Schicht. Die Erzieherinnen waren oft sehr ungeduldig mit ihm, haben ihn mehrfach laut angeschrien und ihm gesagt wie dreckig er ist und waren physisch und psychisch sehr grob mit ihm.
Sie haben ihn oft vor uns bloß gestellt, haben die schmutzigen Kleidungsstücke hochgehoben und uns gezeigt und ihn gezwungen unter diesem Schimpfen “Stellung zu nehmen”. Der arme Junge hat immer beschämt unter sich geguckt und hat die ganze Kur über fast nicht gesprochen.

Eines Tages bin auch ich negativ aufgefallen: Ich musste mich nachts übergeben und die Nachtschwester hat mich auf dem Weg zurück abgefangen und gesagt ich solle sie in Zukunft rufen bevor ich abspüle. Am nächsten Tag durfte ich nicht mitschwimmen, aus Vorsicht. Das fand ich schlimm, weil Schwimmen das einzige war, was mir dem ganzen System wenigstens etwas Freude gemacht hat.
Zum Mittagessen saß ich zunächst alleine im Esszimmer an unserem Gruppentisch. Ich musste auf die anderen warten. Ich war ein sehr schüchternes Kind, das sich schnell geschämt hat und dass ich da alleine saß war mir total unangenehm. Meine Gruppe kam etwas später vom Schwimmen und als sie dann reinkamen ist mir deswegen auch ein leises “endlich” über die Lippen gerutscht. Die eine Erzieherin saß auf der Fensterbank, von wo aus sie immer das Essen bewachten, und fing auf einmal an, mich anzuschreien. Vor dem gesamten Speisesaal schrie sie mich an, was mir einfiele, und ich sei doch so anstrengend und nervend und mein Kleiderschrank wäre immer ein Schweinestall (ich war unordentlich, das stimmte wohl). Sie hat sich bestimmt 5 Minuten über mich “ergossen”, vor dem gesamten Saal. Ich habe mich so geschämt und auch geweint vor Scham und Angst, und ich habe überhaupt nicht verstanden, was passiert ist.
Die anderen Erzieherinnen haben nichts getan. Sie haben sie einfach wüten lassen und mich dabei amüsiert und verurteilend angesehen.

Als wir später am Nachmittag spazieren waren, hat die Frau mich angehalten, in letzter Reihe zu laufen, mit dem oben besagten Jungen. Als sie gesehen hat, dass ich das aber mehr oder weniger so hinnahm, hat sie alle mit eiskaltem Lächeln aufgefordert, dass wir “heute” alle Hand in Hand laufen müssen. Sie war erst dann zufrieden als sie meinen Widerwillen gesehen hat und ihre Macht zur Genüge demonstriert hat.
Das war demütigend, sowohl für mich als für den armen Jungen, der sehr wohl verstanden hatte, dass er als “Strafmittel” missbraucht wurde.
Nach diesem Tag wurde ich ganz still. Ich hatte so viel Angst etwas falsch zu machen, ich hatte Angst vor der Frau und ihren Launen. Ich wollte nur nach Hause. Ich bin ihr aus dem Weg wo es ging und habe mich total in mich zurückgezogen und habe darauf gewartet, dass es vorbei ist.

An Details war es das an was ich mich erinnere. Wie auch andere berichtet haben, erinnere ich mich kaum an Momente in denen wir spielten und wenn ja, was. Ich kann mich nicht erinnern ob wir einen Fernseher hatten oder ob wir längere Ausflüge gemacht haben. Nur einmal an eine Gruppentherapiestunde in der wir gespielt haben, da haben wir auch viel gelacht.
Aber von den Stunden im Aufenthaltsraum habe ich keine Erinnerung ausser an das Briefeschreiben.
Wir waren nie alleine. Es war immer irgendjemand im Raum dabei. Es haben sich nicht wirklich gute Freundschaften entwickeln können, da du ja nie mit jemandem alleine reden konntest. Du hattest keine Privatsphäre. Die haben alles mitbekommen und sie haben auch über uns geredet, gelästert und gekichert. Sie haben sich untereinander über uns lustig gemacht und nicht mal versucht das zu verstecken.

Alles in allem war es für mich keine gute Erfahrung. Ich bin nicht per se gequält worden, aber die Erzieherinnen haben durch ihre schroffe, abgeklärte und absolut uninteressierte Art keinen Zweifel daran gelassen, dass wir ein Job sind. Die Atmosphäre war abgeklärt, durchkalkuliert, kalt, raubauzig und herzlos, fast militärisch.
Und auch ich verbinde Gefühle von Eingeschüchtert Sein, Alleinsein, Angst und Ausgeliefertsein mit diesem Aufenthalt und schaue nicht gerne zurück.
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Ilona aus Seligenstadt schrieb am 07.01.2022
Ich war ca.1973 in Berchtesgaden auf dem bichlhof der hof stand ganz alleine auf einem Berg ein Swimmingpool war irgendwie mit Bäume umrandet es gab ein Pferd Ponys ein cockerspaniel und Katzen ich kann mich nur mit Freude daran erinnern.
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Claudia aus Berlin schrieb am 06.01.2022
Ich war mit meiner Schwester an der Rhön, ich meine, es war im Taunus. Es erinnere eine Tagestour zum Rhönbob und der ist in Gersfeld. Meine 2 Jahre ältere Schwester hatte ein furchtbares Heimweh und ich hatte Angst. Eines nachts flüsterten wir im großen Schlafsaal, weil sie weinte. Dann kam so eine Heimleiterin und zerrte mich aus dem Bett. Sie führte mich ohne eine Wort aus dem Saal und setze mich auf eine Holzpritsche. Sie hat mir zur Strafe den Schlaf verboten und so saß ich die ganze Nacht auf dieser Pritsche. Ich wusste, dass meine Schwester noch mehr Angst hatte. Meine Schwester versuchte sich, in wenigen Telefonaten mit meiner Mutter, geheim zu verständigen, durch Umschreibungen. Das funktionierte aber nicht wirklich. Schlimm waren wirklich die Erinnerung an den Ess-Drill. Man musste als Kind genau überlegen, wie voll der Teller sein durfte, denn man musste alles aufessen. Einmal kotzte ein Junge, weil er gezwungen wurde, den zu vollen Teller komplett zu leeren. Er musste dann das Erbrochene essen. Vorher durfte er nicht den Saal verlassen. Ich weiß noch, dass mir diese "Wärterinnen" meine Kleidung herauslegten. Meine Mutter legte uns zum Beispiel weiße Kniestrümpfe zu unseren blauen Sommerkleidern. Die Leiterin wollte, dass ich braune Kniestrümpfe zum Kleid trug. Sie mich und wohl auch meine Mutter lächerlich machen. Jedenfalls hatte Angst davor, dass ich dort nicht mehr rauskomme. Also verhielten meine Schwester und ich uns ruhig, weil wir auch Angst hatten, dass man uns trennt. Ich kann seither keine Touren oder Pilgertouren mit Freunden machen, die in diesen Pilgerhütten schlafen.
Es ist so lange her, aber diesen Scheiß vergisst man einfach nicht. Ich bin heute wütend, weil ich damals zu klein war, um mich zu wehren. Eigenartig. Naja, ich grüße alle Leidensgenossen.
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Sabrina aus Wetter schrieb am 05.01.2022
Erstmal jin ich sehr froh das es endlich alles ans Licht kommt

Ich wurde nach Samaberg mit meiner Zwillingsschwester geschickt .
Wenn es so meine erinnern wieder zeigt war es ein kinderheim laut der alten Postkarten und bilder dort drauf
Ich kann mich sehr gut erinnern das es sehr schlimm für uns war .
Ein langer Flur mit stockbetten waren dort und auf der andren Seite des langen flures waren die Toiletten
Aber wehe wir mussten auf clo kahm die nonnen und wir mußten für lange Zeit mit nackten Hintern auf der im Flur stehende Truhe sitzen.
Die Treppe hatte ein dunkles eisengelende ich vergesse die nie wegen der Angst die Nonne kommt jeden Moment wieder...
Ich wurde dort sehr krank (mums,das wurde ert zu hause behandelt den Geruch der grauen paste vergessen ich auch nicht ) aber niemand nicht mal ein artz war dort um mir zu helfen
Mein Schwester brachte mir einmal was zu essen
Es war schlimm für sie sie musste sich beilen sonst gab es Bestrafung
Sie hat oft betrafungen erfahren welche weis ich aber ich konnte sie oft nicht finden eine nonne hat sie weggeholt weil sie auf Toilette musste aber nicht durfte ,ich versuchte ihr zu helfen aber es wurde nur schlimmer
Ich erinnere mich sehr gut was ihr passiert war bis heute mache ich mir Vorwürfe selbst
Obwohl ich nichts dazu konnte
Details lasse ich aus
Ich kann mich an eine rote Brühe oder sowas erinnern und das widert mich an
Die Altersunterschied waren groß es war auch ein kleines Kind dabei vieleicht um die 3 Jahre etwa
Am Schwimmbad das direkt am Haus war mittig von dem hausausgang
Wurde mal eine Ausführung gemacht wo sich welche als Babys verkleidet hatten und sagen das,,Baby wugi Lied ,,
Meine Schwester währe fast ertrinken darin
Jedeb morgen wurden wir nackt gewogen auch von Nonnen

Warum wir dort waren ind mit wehm weiß ich nicht mehr nur Nonnen das weiß ich sehr genau
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Deutz Gerda aus Lindlar schrieb am 04.01.2022
Auch ich war 1952 oder 1953 in der Heilstätte Maria Helferin in Kaldenkirchen. Es hieß ich hätte einen Schatten auf der Lunge, später stellte sich heraus dass das garnicht stimmte. 9 Jahre war ich alt.
Wir mussten unbedingt zunehmen, wer bei der wöchentliche Gewichtskontrolle nicht zugenommen hatte durfte den einzigen Nachmittagsspaziergang nicht mitmachen und durfte nicht laufen sondern nur gehen.
Kinder neben mir im Speisesaal erbrachen in den eigenen Teller und mussten trotzdem weiteressen.
Klarer Speck ist mir bis heute ein Gräuel.
Nachmittags mussten wir 2 Stunden draußen in einem länglichen carportähnlichen Schlafsaal auf der rechten Seite ohne uns zu bewegen liegen mit einer grauen Filzdecke und das im November.
Erinnern kann ich mich auch dass einem Kind das uringetränktes Nachthemd um die Ohren geschlagen wurde weil beim Putzen die Ordensschwestern nicht gesehen hatten, dass der Nachttopf im Nachtschränkchen stand und sie diesen aufs Bett gehoben hatten.
Wer nicht brav war, musste eine Nacht auf einem eiskalten dunklen Speicher nur mit einer Filzdecke schlafen.
Ich kann bis heute niemand neben mir seinen lockeren Husten abhusten hören, ich halte mir immer noch die Ohren zu weil es mich fürchterlich ekelt. Der Grund sind diese weissen Emailletassen mit Schnappdeckel die wir wenn wir erkältet waren mitführen mussten und das abgehustete hineinspucken mussten.
Die Ordensschwestern verströmten nicht das leiseste Gefühl von Wärme sondern waren unerbittlich streng.
Meine Briefe nach Hause mit dem Flehen mich abzuholen sind nie angekommen.
Furchtbar leid taten mir die noch jüngeren Kinder die sich an mein Bein klammerten vor Angst.
Besuch durften wir haben, das ging jedoch bei mir nicht aus finanziellen Gründen.
Bis heute kann ich nicht begreifen wie man Kinder in solche Einrichtungen bringen konnte, heute wäre sowas gottseidank nicht mehr möglich.
Jetzt habe ich mir alles was mir spontan einfiel von der Seele geredet. Das hat mir nach der langen Zeit trotzdem noch gutgetan.
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Sven aus Lamstedt schrieb am 02.01.2022
Eigentlich hat mir es dort ganz gut gefallen. Ich muss aber auch sagen, dass ich damals ein sehr introvertiertes Kind war und somit wahrscheinlich sehr Pflegeleicht der nie widersprochen hat. Ich hatte nie Probleme mit Heimweh oder so.
Aber auch bei mir waren einige Vorgehensweisen meiner Meinung nach nicht OK.

Auch ich habe zum Beispiel 2 Nächte (von 8 Wochen) ohne Decke auf einem Stuhl sitzend verbringen müssen weil ich mich Nachts aufs Klo geschlichen habe und dabei "erwischt" worden bin.

Ich kann mich noch daran erinnern dass "nicht so brave!" Kinder von z.B. Ausflügen ausgeschlossen wurden.

Briefe wurden gelesen und wenn Sie es nicht positiv genug fanden, musste man es Umschreiben. (Ich war damals 11 Jahre alt, da habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht.)

Ich muss aber auch sagen, geschlagen wurde ich nie, kann mich auch nicht erinnern das andere Kinder geschlagen wurden.

Die Leiterin (?) Hiess damals Tante Marlies
ein typischer Hausdrache und es gab noch eine Tante Gugu (?) Die war wesentlich jünger aber ganz nett. An die anderen "Erzieherin" kann ich mich nicht mehr erinnern.

Soviel erinnerungen an die Zeit habe ich leider (oder zum Glück) nicht mehr. Habe es scheinbar erfolgreich verdrängt.
Ich würde aber meine Kinder niemals in so einem Heim schicken. Ich habe meinen Entlassungsbericht von dort, in dem steht wie toll ich mich doch entwickelt habe. Ich weiß das ich nach dem Aufenthalt im Erholungsheim noch introvertierter war. Was für ein Quatsch, aber was sollen die auch sonst schreiben.

Vielleicht gibt es ja jemand der auch 1982 dort war. Kannst mich gerne kontaktieren wenn du magst. Einige Namen habe ich noch im Kopf.
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Inge Stoffers aus Kiel schrieb am 01.01.2022
Ich habe den Fernsehbericht über das Leid der Verschickungskinder gesehen und war erschüttert von den Berichten. So kam bei mir auch alles wieder hoch. Jetzt habe ich mich entschieden, meine Geschichte auch aufzuschreiben, soweit ich mich noch erinnern kann.

Im 1. Schuljahr wurde bei der Schuluntersuchung festgestellt, dass ich zu dünn sei und in eine Verschickung müsse. So kam ich im Februar/März 1962 mit 7 Jahren von Wilhelmshaven aus in das Oldenburger Kinderheim in Bad Rothenfelde. Ich erinnerte mich nicht mehr an den Namen des Heims, habe es jedoch auf den Bildern im Internet anhand des düsteren Gemäldes im Speisesaal wiedererkannt, welches sich über die eine ganze Wand entlangzog.

Kurz nach der Ankunft wurden wir versammelt, und jeder bekam eine Nummer zugewiesen, unter der wir dann später aufgerufen und auf unsere Schlafsäle verteilt wurden. Ich hatte vor lauter Aufregung meine Nummer wieder vergessen und mich bei Aufruf nicht gemeldet, woraufhin ich den ersten Anschiss bekam.
Ich erinnere mich nicht mehr, ob wir die ganze Zeit nur mit der Nummer angesprochen wurden, oder ob dies nur der Zimmerzuordnung diente.
Im Schlafsaal waren wir mindestens mit 10 Kindern. Die Kleiderschränke befanden sich außerhalb der Zimmer. Wegen meines jungen Alters durfte ich nie selber an meinen Schrank, nicht mal ein Taschentuch durfte ich mir rausholen, als ich stark erkältet war.
Mein Bett stand nahe an der Tür. Abends saß eine „Tante“ solange neben meinem Bett, bis vermutlich alle eingeschlafen waren. Wir durften uns im Bett nicht bewegen, was bei mir dazu führte, dass ich mich erst recht bewegen musste, mich jedoch nicht traute, so dass ich meist erst nach ihrem Verlassen des Zimmers einschlafen konnte.
Nachmittags mussten wir für 2 Stunden ins Bett, mussten die Augen schließen und durften uns nicht bewegen. Ich glaube, ich habe nicht ein einziges Mal schlafen können.

Ich erinnere mich an lange Spaziergänge, bei denen wir in Zweierreihen marschieren und uns an die Hand fassen mussten. Wir hatten immer denselben Partner. Die Hand des anderen Kindes durfte nicht losgelassen werden, was ich sehr unangenehm fand, weil die Hände dann immer sehr schwitzig wurden. Wir durften auch weder reden noch etwas aus der Reihe treten, sofort wurden wir angeschnauzt. Ich hatte das Pech, mit einem sehr zappeligen Mädchen laufen zu müssen, was zu häufiger Ermahnung führte. Wie ich diese Spaziergänge gehasst habe!

Die Mahlzeiten waren das Schlimmste. Es mussten immer 2 Portionen gegessen werden. Alles musste aufgegessen werden. Manches kriegte man einfach nicht runter. Einmal konnte ich nicht mehr und musste mich am Tisch übergeben. Ich fand das so furchtbar, dass ich in Tränen ausbrach. Daraufhin wurde ich in eine Toilette eingeschlossen. „Hier kannst du dich auskotzen du Heulsuse“. Ich schätzte, dass ich dort ca. 1 Stunde ausharren musste. Danach wurde ich raus geholt und in die Küche gebracht, wo ich im Stehen nochmal einen Teller voll des Essens hinein gewürgt bekam.

Einmal pro Woche wurden uns die Fingernägel geschnitten. Die schnitten so weit runter, dass man hinterher vor Schmerzen kaum noch etwas anfassen konnte. Nach einer Woche war natürlich kaum etwas nachgewachsen. Es nützte nichts, die Nägel wurden wieder bis zur Schmerzgrenze runter- geschnitten.

Auf die Toilette durften wir auch nicht gehen, wenn wir mussten, sondern wir gingen alle gemeinsam zu vorgegebenen Zeiten. Solange musste man eben einhalten.

Ich weiß nicht mehr, wie oft das war, aber ich erinnere mich, dass wir in den Kureinrichtungen von Bad Rothenfelde in ein Solebad gingen. Dort mussten wir in einer Badewanne mit Salzwasser ca. 1 Stunde sitzen, uns nicht bewegen und die Arme gerade ausgestreckt halten. Ich weiß nicht, womit sie uns gedroht haben, aber ich habe mich die ganze Zeit nicht getraut, die Arme unter Wasser zu tauchen, warum auch immer.

Einmal haben meine Eltern mir ein Paket mit Süßigkeiten und Obst geschickt. Dies wurde mir nicht ausgehändigt, sondern der Inhalt wurde verteilt. Für mich blieb nur eine braune Banane. Das war sehr enttäuschend.

Ich erinnere mich auch, dass wir ein paarmal abends mit einem eiskalten Wasserschlauch abgespritzt wurden, wobei ich nicht mehr weiß, ob das in Bad Rohenfelde war oder evtl. auf Wangerooge, wo ich später auch nochmal zur Verschickung war. An den dortigen Aufenthalt habe ich nicht so viele negative Erinnerungen. Aus dem Oldenburger Kinderheim In Bad Rothenfelde kann ich jedoch keine einzige positive Begebenheit erinnern.
Meine Mutter erzählte mir später, dass ich völlig verstört wieder zuhause angekommen sei. Ich hätte nur geweint und konnte zunächst gar nicht sprechen.
Würde heutzutage so etwas passiere, würden die Eltern sicher Alarm schlagen. Zu der Zeit wurde das anscheinend alles so hingenommen.
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Frank Neumann aus Essen schrieb am 30.12.2021
Ich war im Sommer 1971 im Kinderkurheim Haus Sonnenhang in Niedersfeld bei Winterberg untergebracht. Der Aufenthalt dort dauerte sechs Wochen. Soweit ich mich erinnere waren mit mir noch viele andere Kinder (etwa. 50) im Alter von 6 bis ca. 14 Jahren dort. Ich habe sehr gemischte Erinnerungen an die Zeit dort. Die guten Erinnerungen:
Wir waren fast jefen Tag draussen. Es wurde viel gewandert und gesungn. Auch wurde oft und viel gesungen.
Das sind aber auch schon fast alle positi en Erinnrrungen.
Wir wurden in Gruppen zu ca. 10 - 12 Kindern aufgeteilt - Jungs und Mädchen voneinander getrennt. Geleitet wurden diese Gruppen xon Fraurn, die wir "Tante" nennen mussten. Das waren durchweg sehr strenge Damen mittleren Alters. Nur meine "Tante" war noch sehr jung - schätzungsweise Anfang 20 (Frl. Michael). Sie war sehr freundlich und human im Umgang mit uns - im Gegensatz zu den anderen Gruppenleiterinnen. Irgendwann wurde ihr dann eine Helferin an die Seite gestellt - wahrscheinlich war sie zu nachsichtig und zu lasch mit uns.
Die Leitung - eine sehr gestrenge Dame im Alter von etwa 50 Jahren war von allen gefürchtet. Wir sind ihr so gut es ging aus dem Weg gegangrn.
Das Essen wurde in einem riesigen Speiseraum eingenommen. Dieses Essrn bestand zum großen Teil aus Speisen, die mir völlig unbekannt waren und die mir oft nicht schmeckten.Das half mir aber bicht - es musste aufgegessen werden.
Für viele Kunder war das sehr schlimm.
In diesem Speiseraum wurde auch nach Hause geschrieben - unter Aufsicht!!!
Wir durften nichts Negatives schreiben - das wurde kontrolliert! Jedes Wort wurde mitgelesen.
Nach dem Mittagessen mussten wir uns für zwei Stunden zum Mittagschlaf ins Bett legen.Während dieser Zeit durfte niemand aufstehen - auch nicht, um auf die Toilette zu benutzen. Im Flur saß eine dieser Tanten und überwachte das. Während des gesamten Aufenthaltes durfte ich einmal ein Telrfongespräch mit meiner Mutter führen. Natürlich wurde auch das überwacht und mitgehört.
Ich bin dort nie geschlagen worden. Auch Misshandlungen hat es - was mich betrifft nicht gegeben.
Aber ich hatte ständig großevAngst vor diesen "Tanten". Es gab auch Strafen. Ich musste z.B. wegen einer Bagatelle 150 mal den Satz schreiben, dass ich das nie wieder tun werde.
Zusammenfassend muss ich sagen,, dass sich der Erholungsfaktor, der eigentlich im Vordergrund stehen sollte, leider nicht eingestellt hat. Aufgrund der Umstände war das wohl auch kaum zu erwarten.
Zu Hause habe ich nie etwas davon erzählt. Natürlich hatte man uns eingeschärft, den Mund zu halten.
Das sind meine Erinnerungen an meinen Aufenthalt dort.
Ich war damals 11 Jahre alt.

F. Neumann
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Sindt Ingrid aus Lübtheen schrieb am 29.12.2021
Hallo, ich war vor meiner Einschulung 1958 in Bad Elster wegen „ zu dünn“ und Haltungsschwächen.
Nach meiner Erinnerung war ich aus den gleichen Gründen in der 4. Klasse nochmal, bin mir aber nicht sicher und kann meine Eltern nicht mehr fragen. Ich habe an den Aufenthalt kaum Erinnerungen, ich weiß jedoch dass wir immer aufessen mussten, sehr viel Gymnastik gemacht haben, auch mit Zwang ( ich war immer unsportlich) . In Erinnerung ist mir , dass ich erst verspätet eingeschult wurde, wahrscheinlich wegen Krankheit. Ich erinnere mich auch, dass ich während eines Aufenthaltes Windpocken hatte und deshalb allein in einem Zimmer war, und das bei einem kleinen Kind. Ich erinnere mich noch, dass ich anfangs riesiges Heimweh hatte und sehr viel geweint habe. Woran sich meine 2 Jahre jüngere Schwester erinnert sind Gebete , die ich ständig nach der Rückkehr gesprochen habe. Das hat meine Mutter auch meiner 12 Jahre jüngeren Schwester erzählt , es muss sie sehr belastet haben. Sie sagte , wir mussten sie ja hinschicken, weil die so dünn war. Ich habe mit meiner Mutter über dieses Thema kaum gesprochen.
Ich bin jetzt Rentner und man versucht sich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen. Und da beginnt mein Problem. Ich habe nicht nur sehr wenige Erinnerungen an den/die Kuraufenthalte sondern an meine gesamte Vergangenheit einschließlich Ausbildung, Studium und dem Aufwachsen meiner Kinder. Wenn ich Verwandten, Freunden über diese Zeiten spreche, merke ich immer wieder, was ich alles nicht weiß. Das empfinde ich allmählich als sehr belastend. Ich frage mich, ob meine Erinnerungslücken diesem Kuraufenthalt geschuldet sind und würde gern erfahren, ob andere ähnliche Beschwerden/Erfahrungen haben.
Ich würde mich gern mit anderen austauschen.
Ingrid
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Ulrike Schmitz aus Euskirchen schrieb am 29.12.2021
Ich war damals 9 Jahre alt, kränklich, schwach und unterernährt und sensibel. Meine Eltern glaubten, mir mit dieser Kur etwas Gutes zu tun. An den Namen des Kurhauses kann ich mich nicht mehr erinnern. Das Ergebnis nach diesem Aufenthalt war, dass ich psychisch und körperlich noch schlechter dran war, als vorher; die Erlebnisse waren für eine Kinderseele entsetzlich; bin jetzt 68 Jahre alt und zur Zeit wieder in Therapie wegen PTBS mit Angst und Panikattacken. Durch meine ständigen , von Kind an beginnenden körperlichen Krankheiten und vielen Krankenhausaufenthalten und schließlich dieser Verschickungskur, bin ich dauerhaft psychisch krank geworden. War auch noch in der Kur akut krank geworden und bekam schmerzhafte Spritzen...........auf weitere Quälereien möchte ich nicht eingehen; vieles weiß ich nur noch verschwommen. Ich wünsche allen anderen hier, die in solchen Heimen Qual erlebt haben, alles alles Liebe und ein gutes Jahr 2022.
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Kalkstein aus Hildesheim schrieb am 29.12.2021
Hallo, wir Zwillinge sind 1988 geboren.Meine Schwester meint,dass wir vor der Einschulung auf ,,Kur” waren. Obwohl wie viel später geboren sind als andere hier,haben ähnliche Erfahrungen erlebt.wie kann das sein?
Damals waren wir unterernährt und blass.
Im Kurheim mussten wir uns jeden morgen mit Unterwäsche anstellen.Uns wurde jeden Morgen in den Finger gestochen und wir mussten uns auf die Waage stellen. Dort haben wir auch eine Lichttherapie bekommen und waren regelmäßig im Solebad baden. Es war wichtig die Mahlzeiten ordentlich zu essen! Wir haben in einem Schlafsaal mit Trennwänden geschlafen.Toilettengänge waren nachts verboten. Beim einnässen gab es Ärger.Für uns war es kein schöner Aufenthalt.
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Gerlinde schrieb am 29.12.2021
Ich war als 8-Jährige in Bad Münster am Stein (Kinderkurheim St. Antonius).
Zunächst hatte ich mich auf den Aufenthalt gefreut, es wurden jedoch die schlimmsten 6 Wochen meiner Kindheit.
Bei jedem Mittagessen wurde ich gezwungen alles aufzuessen, oft auch in der Form, dass eine der Betreuerinnen sich neben mich setzte und mir den gut gefüllten Löffel immer wieder in den Mund schob. Jeden Tag musste ich mich deshalb übergeben, manchmal auch das mit dem restlichen Essen vermischte Erbrochene noch einmal essen.
Abwertende Behandlung, Ausgrenzung, Heimweh und Tränen bestimmten diese Wochen.
Kontakt zu meiner Familie gab es nur in der Form, dass wir von einer Tafel vorformulierte Texte abschreiben mussten, die meine Eltern glauben ließen, dass es mir dort gefiel und ich mich wohl fühlte.
Das Verhalten der Betreuerinnen (ausnahmslos junge Frauen) war an Lieblosigkeit und Gleichgültigkeit kaum zu überbieten.
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Katrin schrieb am 28.12.2021
Ich war ca 1980 mit 3 Jahren in Bad Salzungen und 1983 in Luisenthal bei Suhl. Meine PTBS wurde so gravierend, dass ich nun diese Teile meines Lebens aufarbeiten muss. War jemand ebenfalls an diesen Orten? Würde gerne in einem Austausch gehen.
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Ingrid aus Olfen schrieb am 27.12.2021
Norderney: Ende 1968 oder Anfang 1969 Alter: 5 Jahre
Amrum (Wittdün): November/Dezember 1971 Alter: (gerade) 8 Jahre

Im Alter von 5 und 8 Jahren wurde ich jeweils für 6 Wochen wegen Bronchitis zur "Kur" an die Nordsee geschickt. Das Wort "Verschickung" ist bei uns nie gefallen. Meine Mutter hatte die Angewohnheit, alles freundlich zu umschreiben. Wenn es bei uns beispielsweise Kaninchenbraten (mein Vater züchtete Kaninchen) gab wurde uns gesagt, es sei Hähnchen. Wir Kinder sollten nicht merken, dass die niedlichen Tiere aus dem Kaninchenstall auf unseren Tellern landeten...... Ansonsten war mein Elternhaus liebevoll, der Vater verdiente den Lebensunterhalt und die Mutter kümmerte sich um Kinder, Haus und Garten. Die klassische Rollenverteilung zu dieser Zeit. An den Wochenenden haben meine Eltern viel mit uns unternommen. Wir wohnen ländlich und ich würde mein Elternhaus durchaus als liebevoll bezeichnen.
An den Aufenthalt auf Norderney kann ich mich so gut wie gar nicht erinnern. Meine Mutter ist verstorben, die kann ich nicht mehr fragen. Als ich meinen 87jährigen Vater kürzlich fragte, ob er sich erinnere, meinte er: "da hattest du doch Krieg mit den Nonnen". Heißt, es muss etwas vorgefallen sein, woran ich mich nicht erinnern kann. Genaueres hätte eventuell meine Mutter gewusst. Leider wurde in all den Jahren dieses Thema, wie bei so vielen anderen auch, nicht angesprochen. Ich selbst hatte die Erfahrungen größtenteils verdrängt, bin jedoch im Besitz eines Gruppenfotos, auf dem hinten sämtliche Namen meiner Gruppe vermerkt sind, auch die von den Gruppenfräuleins: Fräulein Anita und Fräulein Regine, die ebenfalls auf dem Foto zu sehen sind.
Durch einen Artikel im Internet auf diese Seite aufmerksam geworden beschäftige ich mich momenten sehr intensiv mit dem Thema. Tatsächlich ist mir von dem Aufenthalt auf Amrum noch einiges in Erinnerung, nach und nach kommt immer mehr dazu. Ich erinnere mich an:
die Vorabuntersuchung beim Vertrauensarzt der Krankenkasse
das Einnähen der Namensetiketten in Kleidung etc.
die Zugfahrt mit einer Begleitperson,
den Schlafsaal,
Mittagsschlaf mit absoluter Ruhe, sonst Strafe,
Erniedrigung und Bestrafung von Bettnässern,
Essenszwang,
das Aufteilen eines erhaltenen Nikolauspäckchens,
zensierte Post,
Bestrafungen durch Isolation,
die insgesamt sehr kalte Atmosphäre, aber leider an nichts Schönes.
Meine Mutter meinte einmal, andere Kinder hätten meine Kleidung getragen (vielleicht habe ich das aber auch nur behauptet, um beispielsweise stark verdreckte Unterwäsche zu erklären).
Es gab eine junge Praktikantin, die sehr nett zu uns war, wenn es die Heimleitung nicht mitbekam. Sie ging mit uns zu einem Krabbenkutter, wir haben Krabben gepuhlt und diese gegessen. In meinem ganzen Leben habe ich keine Schalentiere und Meeresfrüchte mehr gegessen, ob ein Zusammenhang besteht weiß ich nicht, könnte es mir aber durchaus vorstellen.
Die schlimmste Erfahrung war jedoch folgende: die Leiterin hatte der Praktikantin hinter dem Rücken einen Vogel (vielleicht auch Scheibenwischer) gezeigt und ich hatte das gesehen. Da ich die Praktikantin angehimmelt habe, habe ich es ihr erzählt, also sozusagen "gepetzt". Kurze Zeit später mussten wir uns alle im großen Saal im Kreis aufstellen und die Leiterin wollte wissen, wer zu der Praktikantin gesagt hätte, sie habe ihr einen Vogel (o.ä.) gezeigt. Aus Angst vor Bestrafung habe ich mich nicht gemeldet. Natürlich wusste die Leiterin, wer es gewesen war, und ließ mich vortreten. Vor allen anderen wurde ich beschimpft und gedemütigt, als Lügnerin bezeichnet. Danach wurde ich für mehrere Stunden in eine kleine dunkle Kammer gesperrt. Es war einfach nur grausam. Trotzdem habe ich mich völlig verheult in die Arme der Praktikantin geworfen, als diese mich endlich befreite. Ich habe die Zusammenhänge nicht verstanden und sie weiterhin angehimmelt, obwohl ja eigentlich sie mich verraten haben musste...... Vermutlich war das so eine Art Schutzfunktion meines Gehirns, da ich sonst völlig ohne Bezugsperson gewesen wäre.
Seitdem bin ich als Kind nur ungern von Zuhause weggefahren, einige Tage bei Verwandten war okay, Urlaube mit den Eltern ebenfalls, Klassenfahrten trat ich mit ungutem Gefühl an, Ferienlager o.ä. kam für mich gar nicht in Frage. Ich habe ein extrem ausgeprägtes Bedürfnis nach Harmonie und große Probleme, mich auf fremde Personen und Situationen einzulassen, bin oft unsicher und versuche, dieses möglichst zu überspielen. Weiterhin habe ich Zeit meines Lebens mit Übergewicht zu kämpfen, mal ab- und dann aber auch wieder zugenommen........... Für meine Eltern war ich auch nie so perfekt wie meine kleine Schwester (die nicht zur Kur musste), bin immer angeeckt und habe vieles nicht recht gemacht.
Mein verstorbener Mann war als kleiner Junge ebenfalls verschickt an die Nordsee, er konnte sich nicht erinnern, weil er zu klein war. Er litt Zeit seines Lebens an Angstzuständen, traute sich als Kind nicht alleine in den Keller und hatte als Erwachsener noch extreme Platz- und Höhenangst. Die Ursachen hierfür wurden leider nie erforscht.
Bereits als Jugendliche, bevor ich selbst Kinder hatte, habe ich immer gesagt, dass ich niemals ein Kind alleine zur "Kur" schicken würde, was ich dann auch nicht getan habe.
Froh, dass dieses Thema endlich öffentlich gemacht wurde, danke ich ganz herzlich für die Möglichkeit der Erinnerung und Aufarbeitung und wünsche allen die nötige Kraft. Wie so viele andere habe ich lange an Einzelschicksale geglaubt und hätte nicht gedacht, welches Ausmaß das alles hat.
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Joachim Siller aus Schwäbisch Gmünd schrieb am 25.12.2021
Hallo, ich wurde 1975/76 vom Bahnhof in Schwäbisch Gmünd in ein Verschickungsheim irgendwo in die Berge ,ländliche Umgebung verschickt. Vielleicht ist ja auch jemand aus Schwäbisch Gmünd, Aalen, Göppingen , Schorndorf oder Umgebung dort hin verschickt worden, oder kennt jemand der da war oder sogar einen Ort oder eine Adresse hat. Vielen Dank.
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Katrin Sperrle aus Krefeld schrieb am 25.12.2021
Ich bin von Berlin aus nach Glücksburg verschickt worden. Mit meinem Cousin. Ich glaube ich war so 5 oder 6 Jahre. Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern. Aber ich musst auch in einem Gitterbett schlafen.
Ich weiß noch , das ich mal die halbe Nacht auf der Toilette verbracht habe, weil ich seit ein paar Tagen kein „Groß „ gemacht habe.
Meinen Cousin haben sie auch nach ein paar Tagen nach Hause geschickt, weil er wohl frech war.
Ich habe lange überlegt, ob ich hier schreiben soll. Ich kann mich ja nicht mehr so viel erinnern. Aber ich hab viele Sachen gelesen und einiges kam wieder hoch.
Meine Mutter war mit drei Kindern alleinerziehend. Ich war die jüngste. Ich weiß nur noch das ich mich sehr einsam und alleine gefühlt habe. Mit meiner Mutter kann ich darüber nicht reden. Sie hat es ja nur gut gemeint. Ich mache ihr auch keine Vorwürfe.
Aber ich würde gerne wissen, wieso ich so bin wie ich bin
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Peter schrieb am 23.12.2021
Ich war im Alter von 4 Jahren in einem Kindererholungsheim auf Juist. Ich habe nur noch wage Bilder im Kopf, riesige Schlafsäle, Essenszwang, Zwang sich nackt zu Waschen. Höhensonne nackt in einem eiskalten Raum. Strenge und Psychoterror.
Meine gesamte Schulzeit hatte ich Angst vor Gewalt und Autoritäten, konnte mich nicht wehren. Ich habe das Thema nie aufarbeiten können, zu unkonkret sind meine Erinnerungen.
Selbst nach 60 Jahren kommen mir noch Bilder aus dieser Zeit hoch. Es war so schlimm, dass diese alten Wunden immer noch nicht verheilt sind.
Ich finde es gut und wichtig, dass dieses Thema endlich in die Öffentlichkeit gebracht wird.
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Silvia Janze aus Petershagen schrieb am 22.12.2021
Silvia Janze

Auch ich habe mich entschieden, nachdem ich die Sendung im NDR am 27.10.2021 mit Anja Röhl, gesehen habe und auch in der örtlichen Presse Berichte über Verschickungskinder in den 70er Jahren gelesen habe, mein Erlebnis (Geschichte) zu veröffentlichen.
Im Sommer (Sommerferien) 1970 wurden meine Schwester Martina, 7 Jahre und ich, Silvia 9 Jahre, vom Träger Preußen Elektra/Kraftwerk Heyden für 6 Wochen nach Kinderheim “Wenzelhof”, Westmarken 41, St. Peter-Ording geschickt. Meine Schwester hat nur sehr verblasste Erinnerungen an diese schreckliche Zeit.
Wir wurden am Bahnhof Minden/Westf. von Nonnen in Empfang genommen und unsere Reise begann tränenreich.
Am Kinderheim angekommen mussten sich alle Kinder bis auf die Unterhose ausziehen und die im Koffer mitgebrachte Kleidung wurde uns abgenommen und haben diese auch die ganzen 6 Wochen nicht wiedergesehen. In wirklich ekeliger Erinnerung ist mir geblieben, dass ich mir gleich am ersten Tag die Unterhose beim Spielen beschmutzt habe, diese aber in der gesamten Zeit nicht wechseln durfte. War nur eklig.
Auf der Rückfahrt nach Hause durften wir dann wieder Kleidung anziehen.
Das eigentliche Trauma, was mich bis heute begleitet ist aber Folgendes:
gleich im Anfang der Kurzzeit bekam ich die Windpocken und wurde
wegen der Ansteckungsgefahr 14 Tage von allen Kindern und Betreuern
isoliert. Ich wurde in ein kleines Zimmer (ein Bett, Waschbecken, Kleiderschrank, kleines Fenster, keine Toilette), welches ich heute noch vor mir sehe, gebracht und mir wurde strikt unter Strafe
verboten, dieses zu verlassen. Aus dem Fenster konnte ich den anderen Kindern beim Spielen zuschauen und ab und an kam eine der Betreuerinnen in mein Zimmer, um nach mir zu schauen. Irgendwann in diesen 14 Tagen, wollte ich meine immer noch verdreckte Unterhose
gegen eine neue tauschen und bin aus dem Zimmer zu den Schlafräumen im Dachgeschoss geschlichen. Prompt wurde ich von einer Betreuerin erwischt und habe ordentlich Prügel bezogen, die Unterhose durfte ich immer noch nicht wechseln. Sofort wurde ich wieder in meine Isolation gebracht und die Zimmertür hinter mir verschlossen. Übrigens, meine Eltern wussten davon und haben nichts dagegen unternommen.
Seit dieser Zeit bin ich traumatisiert was Krankenhäuser und REHA Einrichtungen betrifft.
Ich kann mich dort nur einen sehr kurzen Zeitraum aufhalten oder aber verweigerte mich diese zu betreten. Da ich aus gesundheitlichen Gründen, vermehrt stationäre Behandlungen gehabt habe und noch habe, gerate ich dort sehr schnell in Panik und versuche so schnell wie möglich diese auf eigene Verantwortung zu verlassen. REHA Einrichtungen trete ich ausschließlich nur ambulant an.-
Zum Essen im Kinderheim ist mir lediglich in Erinnerung, dass es morgens immer den gleichen Haferbrei gab, der komplett aufgegessen werden musste.
Als dann endlich die 6 Wochen vorüber waren und wir endlich nach Hause durften, natürlich hatten wir ordentlich zugenommen, was ja das Ziel dieses Aufenthaltes war, kam die zweite große Enttäuschung. Unsere Mutter beschimpfte uns, warum wir alle Kleidungsstücke ungebraucht wieder mit nach Hause brachten, wo sie doch in mühevoller Arbeit alle mit Namen versehen hatte.
Als wir ihr erzählten, dass wir die Kleidung nicht anziehen durften, glaubte sie uns nicht, was mich sehr enttäuschte. Und auch nicht, dass ich 14 Tage eingesperrt war.
Die Bindung zu meinen Eltern leidet bis heute, ich kann ihnen nicht verzeihen.
In meinen Unterlagen (Briefe) habe ich Namen herausgefunden, die mit mir zur gleichen Zeit in St. Peter Ording waren.


Namen: Heike Emrich
Elke, Sabina, Heidi, Christel, Marion, Gelinde Es wäre schön, wenn sich diese Personen erinnern können, und evtl. Kontakt entstehen könnte. Sommerferien NRW 1970).
Jetzt bin ich etwas erleichtert, meine Geschichte, die mich bis heute negativ begleitet öffentlich machen zu können. Ich kann nur hoffen, dass Kindern so etwas nie wieder angetan wird.
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M. schrieb am 21.12.2021
Hallo, das Thema treibt mich seit Jahrzehnten um, allerdings glaubte ich bis vor kurzem, nur einfach Pech gehabt zu haben.
Meine Mutter wich Fragen immer aus, bis sie im Jahr 2006 Farbkopien zweier Ansichtsbilder mit folgenden Zeilen schickte: "Dies ist die Asthma-Klinik in Scheidegg/Allgäu 1964. Knapp 4 Jahre ist M. alt, sie mußte 6 Wochen dort bleiben. Doch genutzt hat es nichts. Sie wollte weder essen noch spielen, die Nonnen ignorierten sie deswegen. Ganz apathisch holte ich sie von dort wieder ab. Ein ganzes Jahr dauerte es, bis M. überwunden hatte, was wir ahnungslos mit ihr gemacht hatten. Der nächste schlimme Anfall ..."
Eben erst fällt mir auf, welch spezielle Bedeutung die später oft wiederholte väterliche Drohung für mich hatte: „Wenn … dann stecken wir dich ins Heim!“
Meine Erinnerungsbruchstücke:
Niederdrückende Stimmung, dunkle Räume, die riesigen Flügelhauben der Nonnen, oft wird jemand geschlagen und weint ...
Fremde Kinder reißen meiner Puppe Arme, Beine und Kopf ab, werfen die Teile ins Klo; eine Nonne beschuldigt mich, das selbst gewesen zu sein, und schlägt zu ... (Ich wollte und besaß nie wieder eine Puppe.)
Die Kinder müssen in zwei Reihen vor einem Kreuz stehen und beten, eine Reihe mit gefalteten Händen, eine Reihe mit verschränkten Fingern; da ich das von zu Hause nicht kenne, stehe ich mal in jener Reihe, mal in der anderen und mache es mal so, mal so: das gibt richtig Prügel!
Sehe den Kindern aus weiter Ferne beim Spielen zu: "Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann ..."
Schleiche allein durch das gewaltige, düstere Treppenhaus ...
Ich sollte abgeholt werden, aber es kommt niemand, es folgt eine ewig lange, eiskalte Nacht in der Badewanne in einem verschlossenen Badezimmer ohne geringste Lichtzufuhr ...
Anders als auf den frühlingshaften Ansichtsbildern habe ich Dunkelheit in Erinnerung, es herrschte ein Angstregiment, es gab keinen Zusammenhalt zwischen den Kindern.
Heute bin ich 61, chronisch soziophob und chronisch depressiv.
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Petra schrieb am 20.12.2021
Tatsächlich habe ich lange überlegt, ob ich meine bruchstückhaften Erinnerungen hier teilen soll: Ich hielt diese Episode meines Lebens für mein Einzelschicksal, das ich halt, als ich es konnte, bearbeitet habe. Es hat etwas gedauert zu begreifen, dass ich diese einschneidenden und prägenden Erfahrungen aus einer Zeit von vor über 50 Jahren mit anderen, mit euch, teile. Die Vereinzelung, wir waren ja Kinder, die sich damals nicht mitteilen oder vernetzen konnten, endet durch diese Art des Öffentlichmachens, zusätzlich öffnet sich eine gesamtgesellschaftliche und politische Dimension, an die ich noch nie gedacht habe.
Beim weiteren Nachdenken kam mir auch der Gedanke, bestimmte Strukturen aus einer schrecklichen Zeit können in verschiedenen Institutionen unbemerkt weiterbestehen, oft auch, weil es noch keine neuen gibt. So wird dann einer nachkommenden Generation etwas in ihr Leben mitgegeben, was eigentlich überholt ist (sein sollte) und was ja etwas mit uns Menschen und unserem weiteren Leben macht, gemacht hat. Es ist mir wichtig, dafür ein Bewusstsein zu schaffen.
Deshalb also erzähle ich:
Ich war vier Jahre alt, als meine Mutter mir eine Kur beim hiesigen Gesundheitsamt "besorgte". Es wurden Vorbereitungen getroffen, wie kleine Etiketten mit Zahlen zu versehen und in die Kleidung und sogar in meine Brille zu kleben, damit später alles mir zugeordnet werden konnte. Als ich begriff, dass eine Kur bedeutete längere Zeit von der Familie getrennt zu sein, bat ich meine Mutter NICHT fahren zu müssen. Ich erinnere mich deutlich, wie sie mir erklärte, es wäre gut für mich, weil ich Keuchhusten hätte. (Das glaubte ich vierzig Jahre lang, bis ich auf Nachfrage von meiner Mutter zu hören bekam: "Du hattest doch keinen Keuchhusten!" Ich wurde also aus einem mir unbekannten Grund verschickt.) An die Eisenbahnfahrt mit einer der Tanten und weiteren Kindern erinnere ich mich vage, Auch die Ankunft im Heim in Bad Sooden-Allendorf ist eher undeutlich und ich kenne den Namen des Heims auch nicht. Meine Erinnerungssplitter von dort sehen so aus:
Ein Mädchen sitzt beim Essen vor einem Vanillepudding und hat Nasenbluten. Ein Tropfen fällt genau auf den Pudding und sieht aus, wie eine rote Kirsche. Es riecht nach Gulasch. Die Wände sind weiß.
Wir sind in einem Mehrbettzimmer untergebracht. Im meinem Bett liegt eine Art Leder, als Schutz für das Bett falls ich einnässen sollte, was ich tat. Ein Mädchen hat dieselbe Brille wie ich. Wenn sie ihre nicht findet, nimmt sie meine. Ich hole sie mir zurück und erkläre ihr, dass ja meine Nummer innen am Nasenbügel klebt. Sie versteht das aber nicht, weshalb ich die Brille öfter bei ihr einfordern muss, was mich sehr verzweifeln lässt. Wir gehen viel im Wald spazieren, ich habe ein "Hänsel-und-Gretel"-Gefühl. Auf einem Spielplatz gibt es ein Spielgerät, an das man sich hängen und drehen kann, es sieht aus, wie ein Fliegenpilz. Wir sitzen in riesigen Holzbottichen beim Baden, es schwimmt ein Köddel an der Oberfläche. Es riecht nach süßlicher Kinder-Zahnpasta. Ich bekomme Windpocken und muss zwei Wochen länger auf Kur bleiben. Ich werde in Quarantäne zu den Nonnen in einem Nebenhaus gesteckt und liege später mit mehreren älteren Jungen in einem Zimmer. Wir hören jeden Tag Lieder von Heintje. Es strengt mich mit Fieber alles sehr an. Mein fünfter Geburtstag fällt in diese Zeit – es muss also Sommer 1967 gewesen sein. Eine Glückwunschkarte meiner Eltern steht auf dem Nachttisch, die Süßigkeiten aus ihrem Päckchen werden geteilt. Ich finde das ungerecht. Eine Nonne wäscht mir die Haare, ich sitze in einer Wanne. Die Nonne wäscht mich, weil ich endlich nach Hause darf. Bei der Ankunft an meinem Heimatbahnhof erlebe ich eine große Ernüchterung: Ich hatte mir meine Rückkehr in meiner Sehnsucht in schillernden Farben ausgemalt, ein warmes Willkommen und das Gefühl wieder geborgen zu sein, bleiben aber aus. Wir gehen durch die Bahnhofsunterführung, wo sich eine große Pfütze gesammelt hat. Und ich denke, das sind all die Tränen, die wir nicht weinen können … Meine Mutter erzählte, ich wäre sehr verschlossen und seit der Kur ihr gegenüber ablehnend gewesen. Mein eigenes Gefühl war, nicht mehr wirklich in die Familie zurückfinden zu können, seither einen Außenblick auf sie zu haben und ein Außenleben zu führen. Diese Abseits-Stellung hat mich später wiederum vor vielen anderen Dingen in der Familie bewahrt.
Da ich vor der Kur mehrere hochtraumatische Erlebnisse mit Ärzten und bei Operationen hatte, habe ich klaustrophobische Attacken in engen Räumen, das Gefühl von Gefangenschaft, sobald ich in fremden Wohnungen schlafe, immer dorthin verortet, Anders Alpträume in denen Nonnen eine Rolle spielen …
Diese und weitere Erfahrungen haben im meinem Erwachsenenleben zu einem Interesse daran geführt, wie Traumata sich körperlich auswirken, im Körper gespeichert werden und der Körper aus diesem Grund oft nicht "ganz bewohnt" wird. Mir hat – nach langem Suchen und ausprobieren – Atemarbeit sehr geholfen wieder leiblich zu werden und ich habe mich zur Atemlehrerin ausbilden lassen.
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Michael aus Düsseldorf schrieb am 20.12.2021
Ich wurde im Alter von ca. 7 Jahren zusammen mit einer Schulfreundin zur "Kur" in ein Heim nach Berchtesgaden geschickt. An das Heim selbst kann ich mich kaum noch erinnern, nur nach an relativ vieol dunkles Holz, einen Schlafsaal und den großen Esssaal. Es gab Esszwang und wer nicht aufaß musste so lange alleine vor seinem Teller ausharren bis er das Essen heruntergewürgt hatte. Meine Mutter schreib mir täglich eine Postkarte oder einen Brief. Die Post wurde mir häufig vorenthalten. Wenn ich zurückschrieb wurde dies auch kontrolliert. Ein Päckchen mit Süssigkeiten wurde mir bis auf einen Schokoriegel vorenthalten. Als ich mich eines Nachts erbrach wurde ich in dem Erbrochenen liegengelassen und musste es selbst wegmachen. Die Schwestern waren alle sehr streng, unfreundlich und hart. Es gab eine nette Schwester die den Kindern auch mal half und liebevoll mit ihnen umging wenn die anderen Schwestern nicht dabei waren. Sie hieß Rita. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Es wäre toll, wenn sich weitere Betroffene aus dem Heim finden würden, die evtl. zur gleichen Zeit dort waren und sich eventuell auch an Schwester Rita erinnern.
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Gabi E schrieb am 20.12.2021
Ich war für 6 Wochen im Sept/Okt 1962 im Erholungsheim Dr. Ewald in Wüstensachsen/Röhn. Unsere Krankenkasse war die Barmer Ersatzkasse BEK. Eigentlich mußte ich nur dort hin, weil meine Mutter für 4 Wochen zur Kur kam und mein Vater arbeitete und nicht einen Erstklässler versorgen konnte. Daß ich zu dünn war, wurde als offizieller Grund genannt.
Das Essen war unheimlich viel: 1 Teller Suppe und 2 Teller Hauptgericht am Mittag. Das war natürlich viel zu viel und so erbrach ich Vieles, mußte aber alles aufessen und so lange am Tisch sitzen bleiben, bis der Teller leer war. Das Erbrochene mußte ich selber aus meiner Kleidung waschen, was mir mit dem kalten Wasser wohl nicht gut gelang, denn mein Koffer stank noch sehr danach, wie mir meine Mutter später erzählte. Gut schmeckte mir das Bircher Müsli und der Zwiebel-Quark, schrecklich war die Schokoladen Suppe und die Buttermilch, die es nachmittags im Garten gab. Einmal wagte ich es, die Tasse mit Buttermilch in den Bach zu kippen und kam mir ganz großartig vor, daß es keiner gemerkt hatte.
Mr. King, ein Engländer, der eigentlich für die Jungen zuständig war, kam immer wieder zu uns Mädchen und drohte, wir müßten zu den Jungen auf die Etage zum Schlafen, wenn wir nicht mucksmäuschenstill blieben. Das hat mir große Angst gemacht und ich überlegte mir, wie ich mich wehren könnte, wenn ich geholt würde. Einmal war es so weit und ich schrie aus Leibeskräften, so daß ich in meinem Zimmer bei den anderen Mädchen bleiben durfte.
Ich meine auch, daß wir im Waschraum mit einem Schlauch kalt abgespritzt wurden, was für ein dünnes Kind nicht gerade schön ist.
Zu meinem 7. Geburtstag kam ein Päckchen von meinen Eltern, aus dem mir nur Einzelnes zugeteilt wurde. Ob ich alles bekommen habe, weiß ich nicht. Einmal in der Woche wurde nach Hause geschrieben, nicht immer gefiel dem Personal was ich schrieb und so mußte ich mehrfach neu schreiben. Trotzdem kamen meine Briefe mit Anmerkungen vom Personal an, wie meine Mutter später erzählte. Es wurden viele größere Spaziergänge gemacht, die mir Freude machten, da ich eine Freundin in der Zeit gewonnen hatte mit der ich Spaß hatte.
Weitere Erinnerungen habe ich nicht an diese Zeit. Ich weiß nicht, ob mich diese Zeit geprägt hat, aber vielleicht bin ich dadurch aufmüpfig geworden und lasse mir nicht alles gefallen.
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Tanja aus München schrieb am 19.12.2021
Ich war im Jahr 1972 oder 1973 für 6 Wochen im Winter im Kinderkurheim Lorenzen. Ich war 6 oder 7 Jahre alt. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, allerdings wirklich nur positiv. Die Anreise war lang, aber auch von sehr netten Betreuerinnen begleitet (ich weiß nicht mehr, ob das auch die selben Damen waren, die dann im Kurhaus für uns da waren). Wir hatten sehr nette und lustige "Tanten" (Namen weiß ich nicht mehr), die größeren Mädchen, die auch in der Kur waren, haben uns keinere Kinder auch verwöhnt und ich habe mich sehr wohl gefühlt. Wir hatten sehr gutes Essen. Ich war eine schlechte Esserin (Kurgrund) und habe dort zum ersten mal wirklich sehr gerne und ausreichend gegessen. Man durfte immer nachnehmen, ich habe nie hungern müssen dort. Wir wurden nicht zum Essen gezwungen und ich kann mich auch nicht erinnern, dass ein anderes Kind in meiner Gegenwart, wie auch immer, misshandelt wurde. Der Umgangston war sehr freundlich und lieb. Ein paar mal hatte ich Heimweh, dann durfte ich auch daheim anrufen und wir durften auch telefonieren, wenn die Eltern/ Großeltern uns angerufen hatten. Wenn Post von daheim kam wurde sie den Kleineren vorgelesen und wenn wir nach Hause schreiben wollten, hat man uns dabei geholfen, denn es waren viele Erst- und Zweitklässler dabei. Ich habe noch meine Briefe und Karten, die allesamt sehr froh klingen. Die Zimmer waren hübsch. Das Wasser zum Waschen und duschen war zwar kalt, aber wir hatten Spaß und lachten, wenn wir uns duschten. Niemand wurde zwangsweise unter kaltes Wasser gehalten. Es sollte wohl der Abhärtung dienen, kalt zu duschen, also das wäre vielleicht das einzige, wo ich sagen könnte, es könnte in Richtung Misshandlung gehen, aber wie gesagt, eigentlich war es eine lustige Stimmung im Bad. Mein Taschengeld durfte ich ausgeben. Ich weiß zwar nicht mehr, was ich gekauft hatte, aber ich weiß sicher, dass wir alle zusammen beim "shoppen" waren, in den Läden und am Markt in St. Peter Ording. Als nach 6 Wochen die Kur zu Ende war, war ich wehmütig, weil ich mich dort so wohl gefühlt hatte. Natürlich freute ich mich auch auf zu Hause. Auch heute noch denke ich gerne an die Zeit dort zurück, an die tollen Ausflüge ans Meer, durch Wälder und den Ort. Also, zumindest zu dieser Zeit war das Haus Lorenzen spitze! Es tut mir für alle Kinder, die vor oder nach mir dort waren leid, die evtl. auch dort schlimme Erfahrungen machen mussten. Ich bin sehr froh darüber, dass es mir dort sehr gut erging, denn ich war ein sehr unsicheres und schüchternes Kind. Eine schlechte Behandlung wäre für mich bestimmt sehr schlimm gewesen.
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Jo aus Schwäbisch Gmünd schrieb am 19.12.2021
Ich wurde 1975 oder 1976 vom Bahnhof in Schwäbisch Gmünd mit einem Bus, in ein Heim verschickt .Denke das die fahrt nach Berchtesgadener Land ging. Wahrscheinlich damals über die Arbeiterwohlfahrt. In meiner Erinnerung war das Haus alleine auf einer Wiese gestanden sehr ländlich. Abends hatten wir mal um ein Feuer herum gesessen und das Lied gesungen :Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad. Vielleicht ist ja auch jemand von Schwäbisch Gmünd oder Umgebung mit dem Bus in ein Heim verschickt worden. Hoffe es findet sich jemand der mehr über den Aufenthalt oder das Haus berichten kann. Vielen Dank
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Michael Di aus Fulda schrieb am 19.12.2021
Meine Erfahrung mit Karlshafens Kuraufenthalt 1961/62. Da war ich 6 Jahre alt.

Ich sollte unbedingt zur Kur so hatte es meine Mutter gewünscht, denn ich war nach ihrer Meinung einfach zu dünn und wog nicht viel für mein Alter. Was man mir oben reinstopfte blieb einfach nicht in den Hosen drin, wie man so sagte. Da meine Mutters Eltern damals damit gute Erfahrungen gesammelt hatten an solch einer Aufpeppelkur, tat man sich’s einfach und fragte nach wo denn in der Nähe von Sontra ein solche wäre. Karlshafen wurde so für mich 4 Wochen die Hölle auf Erden. Es sollten ursprünglich 6 Wochen werden, die dann aber wegen meines Naturells sehr Fettes Fleisch auszubrechen. Dabei stromerte ich zu Hause den ganzen Tag im Wald herum. Hatte einen mächtigen Hunger aber es nutzte nix. Die Kalorien die ich oben rein stopfte blieben nicht bei mir. Also, wurde hier nachgeholfen, auch weil es der damalige Arzt so betrachtete denke ich. 4 Wochen Erbsensuppe mit Speckzulage. Fettes Essen was es an Masse scheinbar jeden Tag in Karlshafen gab. Ich konnte diese Erbsensuppe schon von weitem riechen. Selbst draußen auf dem Exerzierplatz vor dem wir immer antreten mußten vor dem weißen großen Haus. Ich ekelte mich einfach zu sehr an der Schwabbelmasse, am Speck, an dem man noch hin und wieder die Haare zählen konnte. Einfach nur ekelhaft! Zum Frühstück schon Leberwurst zum Abwinken und dann immer und immer wieder diese erbärmliche Erbsensuppe, die ich massig wieder rausbrach sobald ich nur ein wenig von aß. Irgendwann ging dann gar nix mehr. Ich kotzte mich fast zu tode. Den Flur zur Toilette war voll vom Gebrochenen das ich dann auch noch aufputzen mußte und mich garantiert nochmals erbrach. Zur Strafe gab es am nächsten Tag wenig bis nüscht. Nur zu trinken, so viel ich mich noch erinnern kann. Irgendwann knipste ich mein Bewußtsein hierfür aus. Ich wurde nach ca. 4 Wochen untherapierbar wieder nach Hause geschickt. Dort machte mein Vater meiner Mutter schwere Vorwürfe wegen meines Zustandes und wir besuchten erst mal unseren Hausarzt. Der war ebenfalls entsetzt und wollte mich in ein nahegelegendes Krankenhaus einweisen, weil man dachte ich würde sterben, so dünn muß ich damals wohl gewesen sein. Durchs Mutter’s Hausmannskost und intensives Handeln meiner Oma, die auf mich mit Argusaugen aufpasste, dass ich immer was zu futtern bekam ging’s dann mit der Zeit. Viele Einträge die ich hier lese decken sich mit denen die ich auch gemacht habe deswegen möchte ich nicht nochmals drauf eingehen. Ich verdränge diese Zeit immer noch und es ist auch gut so!!! Dunkelkammer lernte ich auch kennen! Einmal in der Woche gab es diesen Badetag. In Holzfässern ähnliches Bad in dem man geschruppt wurde. Ich fand es damals als sehr unangenehm so nackig mit zig anderen sich die Haut zu schruppen. Mehr weiß ich leider oder gottseidank nicht mehr. Die Ordensschwester waren nicht gerade zugänglich, eher eiskalt, sympathisch wie ein Stein. Das alles machte mir als 6 Jähriger doch recht viel Angst. Ich glaube auch öffters in die Hose gemacht zu haben. Dafür wurde man natürlich bestraft. Ich war froh wieder zu Hause zu sein!
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Viney aus Bad Kreuznach schrieb am 19.12.2021
Es war das Jahr 1972 als ich wegen meines Bronchialasthmas nach Bad Kreuznach verschickt wurde. Ich war 7 Jahre alt. Teils erinnere ich mich an die Hin- und Rückfahrt der Verschickung und an das Salamibrot, was als Proviant mitgegeben wurde.
Am meisten aber erinnere ich mich in bestimmten Momenten an die Grausamkeiten, die mir durch die Schwestern widerfuhren.
Als ich z.B. wegen Heimweh weinte, wurde mir mit Schlägen gedroht. Aber das war nur der Anfang am ersten Tag meiner Ankunft abends. Als ich beim Essen vor Angst erbrach, weil ich in dem Speisesaal dem Jungen, der mit seinem Rücken zu mir saß und sich fröhlich zu mir drehte und plötzlich von einer Schwester aus Wut, weil er offenbar für sie nicht still genug da saß, an den Haaren gezogen und auf seinen Kopf gehauen wurde bis er heftigst zu weinen anfing, musste ich zugleich als Strafe mein Erbrochenes aufessen, sonst drohten weitere Strafen, auch mit Schlägen. Allerdings gab es eine Schwester an der ich mich „festhielt“ und die, wenn sie Dienst hatte sich um mich schützend kümmerte. Jeder Tag an dem diese Schwester nicht anwesend war, war ein Tag voller Angst.
Diese Traumatischen Erlebnisse deckten sich in meiner Ausbildung zum Kurzzeit Therapeuten auf. Einen Teil dieser Kur konnte ich mittlerweile verarbeiten, aber es gibt immer noch Momente aus dieser Zeit, selbst nach knapp 50 Jahren, die mich mit ihrer entsprechenden Wirkung heimsuchen. Vielleicht gibt es hier noch andere, die auch in Bad Kreuznach in diesem Jahr waren. Und die auch noch mit ihren Erinnerungen zu tun haben. Über einen Austausch würde ich mich freuen.
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Jana aus Potsdam schrieb am 19.12.2021
Bisher dachte ich, meine mittlerweile über 40 Jahre zurückliegenden Kur-Erinnerungen seien eine Einzelwahrnehmung. Durch einen Artikel über „Verschickungskinder“ wurde ich darauf aufmerksam, dass meine Erfahrungen alles andere als ein Einzelschicksal sind.
Mir bzw. meinen Eltern wurde vor meiner Einschulung zweimal aufgrund einer chronischen Bronchitis von der Kinderärztin eine Kur empfohlen. Die zweite Kur war vom 25.06. bis 20.07.1979 (ich war 6 Jahre alt). Es existiert sogar noch ein Gruppenbild aus dieser Zeit - die darauf zu sehende „Betreuerin“ ruft noch heute ein großes Unbehagen in mir hervor.
Ich erinnere mich an schreckliche Nächte voller Heimweh mit vielen Kindern in einem großen Schlafsaal, in dem wir uns absolut still zu verhalten hatten. Sogar weinen war untersagt. Keine persönlichen Worte, keinerlei Zuwendung. Wir mussten unsere Bettdecken in Form einer offene Halbkugel über den Kopf ziehen, damit wir die beiden jeweils in den Betten neben uns liegenden Kinder nicht sehen und mit ihnen reden konnten. Die gesamte Nacht saß eine Aufsichtsperson im Saal, die regelmäßig Kontrollgänge zwischen den Betten durchführte.

Gegessen wurde in einem großen Speisesaal und es musste IMMER alles aufgegessen werden. Nie werde ich vergessen, dass ich gefühlt unendlich lange allein am Tisch sitzen bleiben musste, weil ich keine Tomaten aß, meine Eltern dies aber angeblich nicht vorab mitgeteilt hatten. Mir wurde wortwörtlich gesagt, dass ich erst aufstehen dürfe, wenn ich die auf dem Teller befindliche Tomate gegessen hätte.
Insgesamt erinnere ich mich an ein extrem starkes Heimweh, viel Angst und insgesamt das Gefühl, dass die Kur nicht Hilfe bei einer Erkrankung, sondern „Bestrafung“ war.
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Silvia aus Stuttgart schrieb am 18.12.2021
War jemand aus Baden-Württemberg dort.
Ich lebte damals in Rottenburg am Neckar.
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Christoph schrieb am 18.12.2021
Das Leben ist kein Ponyhof!
Viel ist mir nicht in Erinnerung geblieben von damals. Einzelne Begebenheiten sind gestochen scharf und so präsent, als wären sie gestern passiert. Vieles bleibt als vages Gefühl, sehr vieles ist verschwunden, vielleicht verdrängt?
Außer der Erinnerung bleiben vier gestellte Fotos und zwei von den „Tanten“ geschriebene Postkarten. Das, und ein lebenslanges Gefühl, dass ich irgendwie anders bin, ist das, was mir von diesen sechs Wochen im Februar und März 1972 im Kindererholungsheim Ponyhof in Schönau im Berchtesgadener Land geblieben ist. Mein einziger Kommentar zu den wenigen Fotos und Postkarten war fast 50 Jahre lang, dass es in dieser Kur ganz schrecklich war. Mehr habe ich nie erzählen wollen.
Aber der Reihe nach. Eine Ahnung ist noch da, dass ich aufgeregt und voller Vorfreude war, als meine Eltern mir die 6 Wochen auf dem Ponyhof ankündigten. Die Idee 6 Wochen ohne Eltern oder Geschwister zu sein, hat mir wahrscheinlich keine große Sorge gemacht. Pferde und Ponys waren meine erklärten Lieblingstiere. So wie andere Kinder ihren Stoffteddy mit sich herumschleppen, hatte ich ein kleines und ziemlich abgewetztes Stoffpferdchen.
Die lange Reise von NRW bis nach Berchtesgaden, die Ankunft im Kinderheim, die anderen Kinder, die „Tanten“, die Schlaf- und Essenssäle, an all das habe ich keine Erinnerung mehr. Es fehlt auch jede Erinnerung an gemeinsames Spielen mit anderen Kindern. In der ersten Nacht hatte ich mich eingenässt und wurde am Morgen dafür laut von der „Tante“ beschimpft und vor allen Kindern bloßgestellt. Das passierte leider noch öfter und ich wurde immer wieder bloßgestellt und immer weiter isoliert. 
Irgendwann bin ich wohl krank geworden, Mumps hieß es später. Tatsächlich hatte ich einige Jahre später nochmals Mumps und wäre damit eines der wenigen Kinder, die diese Krankheit zweimal bekamen. Das habe ich bis vor Kurzem auch nie angezweifelt, mir fehlt aber jede Erinnerung ans krank sein. In einer der Postkarten schrieb die „Tante“ allerdings, dass ich jetzt wieder gesund sei.
Die anderen Erinnerungen sind schnell erzählt. Ein Ausflug auf dem Königssee zum Watzmann ist mir in Erinnerung, ein Trompeter und das Echo seiner Trompete . Diese Momente habe ich genossen, still für mich und komplett alleine. Keine Erinnerung an ein anderes Kind, mit dem ich Gedanken darüber ausgetauscht hätte.
Dann erinnere ich mich an ein Paket von meinen Eltern und Geschwistern. Süßigkeiten waren darin und auch 10 DM Taschengeld. Beides wurde aber gleich von den „Tanten“ eingezogen. Ich erinnere mich an einen Spaziergang durch einen Ort, bei dem wir an einer Bäckerei vorbei kamen. Es ging auf Ostern zu und die Auslage im Schaufenster war voll mit Ostergebäck. Ein knallroter Osterhase ist mir in Erinnerung geblieben. Den hätte ich mir mit meinen 10 DM Taschengeld kaufen können und ich habe mich sehr geärgert, dass ich an dieses Geld nicht ran kam. Das Geld habe ich natürlich nie wieder gesehen, den Inhalt des Päckchens auch nicht. Auf einer der mir verbliebenen Postkarten bestätigt die „Tante“ trotzdem, dass ich das Paket und das Geld erhalten habe und mich sehr darüber gefreut habe. Kein Wort, wie diese Freude gleich zerstört wurde indem beides konfisziert wurde.
Sehr klar erinnere ich mich noch an die gestellten Fotos, die aus heutiger Sicht den Eltern zu Hause wohl vorspielen sollten, dass alles in Ordnung war. Es hieß, wir gehen zum Fotografieren, Farbfotos sogar, und jeder solle sich etwas Rotes anziehen, weil das besonders gut auf Farbfotos wirke. Zum Foto auf dem Schlitten habe ich dann meinen blauen Lieblingspullover mit rotem Muster angezogen. Beim Fotografieren wurde ich ausgeschimpft, weil es zu wenig rot sei und bekam kurzerhand die rote Pudelmütze eines anderen Kinds aufgesetzt.
Für die drei Fotos mit dem/den Pony(s) habe ich dann einen eigenen knallroten Pullover getragen, den ich eigentlich nicht mochte. Alle Fotos wurden nach dem selben Schema fotografiert, außerhalb des Sichtbereiches eine lange Schlange Kinder, auf dem Foto dann nur ein Kind, das ein Pony hält, auf ihm sitzt, oder auf einer Kutsche sitzt. Das waren in 6 Wochen die einzigen Kontakte mit einem Pony auf dem „Ponyhof“. Trotzdem erinnere ich mich an diese Momente, so nah bei meinem Lieblingstier war ich vorher noch nie und auch lange danach nicht mehr. Auf den Fotos wirke ich glücklich und war es in diesem einen kurzen Moment tatsächlich.
Rückblickend und in dem neuen Wissen, dass ich die Verschickung nicht alleine so erlebt habe, sehe ich heute, wie mich dieses Erlebnis meinen Eltern entfremdet hat und in mir dieses Gefühl verursacht hat, anders zu sein, nicht richtig zu funktionieren, selber schuld an meiner Situation zu sein.
Das Leben ist halt kein Ponyhof, aber vielleicht war der Ponyhof eine Weichenstellung fürs Leben...
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Annie aus Sylt schrieb am 18.12.2021
Ich war mit 10 Jahren auf Sylt. An sich erinnere ich sehr viele gute Sachen daran, aber es gibt Dinge die mir jetzt im nachinein aufgefallen sind, die mich als jetzt junge Erwachsene schockieren.

Wir hatten sehr strenge Betruer, in einer Gruppe die nur aus Mädchen bestand. Von zu Hause kannte ich es zar angeschriehen zu werden, aber diese strenge war ich nicht gewohnt. Wir mussten uns exact zu verhalten wie man es uns sagte, sonst wurden wir vor der Gruppe Angebrüllt.

Beim Essen durfte es keine Reste geben, wir mussten so lange sitzen bleiben bis alles gegessen war. Was auch immer wir erzählten wurde ins lächerliche gezogen. Wir mussten in Gruppen in der selben Dusche duschen, während wir dabei beobachtet wurden. Lange zeit hielt ich das für normal, wir waren ja alle weiblich. Das stößt mir erst jetzt sauer auf.

Dazu drei sachen an die ich mich erinnere als wären sie gestern passiert. Wir hatten einen Wanderweg, in den dünen, der, so hat man es uns erzählt, ob es stimmt weiß ich nicht, an einem Minenfeld vorbei ging. Um das Gelände war ein Zaun, und ich erinnere mich bis heute an diese panische angst die in mir aufstieg. Ich wollte dort nicht hingehen, also wurde ich gezwungen.

Das zweite: Ich hatte ein Zeckenschutzmittel mit welchem ich mich natürlich eingeschmiert hatte damit ich keine Zecken bekomme. Dieses wurde als "zu stark riechend" empfunden und mir dann weggenommen. Ich meide bis heute hohes Gras und Bebüsche, da ich in den Wochen wo ich mich nicht darauf verlassen konnte geschützt zu sein, konstant auf der Hut war nicht in irgendwelche Gebüsche zu gehen, mich nicht ins Gras zu setzten, etc.

Das was ich bis heute am schlimmstem empfinde, jedoch: Eines der Mädchen mit denen ich befreundet war bekam Fieber und durfte deswegen nicht an einem Ausflug teilnehmen. An stelle einen Erwachenen da zu lassen, wurde darum gebeten das eines der Kinder auf sie aufpasst. Durch das oben genannte war ich diejenige die sich meldete. Wir waren alleine im Gebäude, ohne anlaufstelle, niemanden den man hätte rufen können falls etwas passiert wäre. Wir waren 10 und 11. Die zeit haven wir damit verbracht gesellschafst spiele zu spielen, und bis heute habe ich furchtbare angst davor mit jemandem alleine zu sein der krank ist.

Und jetzt wo ich es so lese, unsere Postkarten wurden uns auch diktiert. Wir mussten sie alle vorlegen damit sie kontrolliert werden konnten. Wenn dort etwas "schlechtes" drauf stand mussten wir sie neu schreiben.
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Ernst aus Osnabrück schrieb am 18.12.2021
Ich war mit 9 Jahren in von Osnabrück aus in dem o. g. Verschickungsheim. Mit mir war damals zufällig (!) ein Mitschüler aus der Grundschulzeit (Björn W. - den Nachnamen möchte ich hier besser (noch) nicht nennen). Vielleicht meldet er sich ja bei mir, denn ich habe leider keinen Kontakt zu ihm.

Leider weiß ich auch nicht, wie das Heim hieß. Ich meine mich daran zu erinnern, dass es in einem Ortsteil (?) Mittelstadt in der Nähe oder eben in Freudenstadt lag. Wer hier weiter ließt und eine Idee hat, wo der genaue Ort gewesen ist, mag mir gerne schreiben.

Ich kann mich noch an eine schöne Zugfahrt dorthin erinnern. Auch war in dieser Zeit sicher nicht alles grauenhaft. Im Gegenteil, ich habe sehr wohl auch, vielleicht überwiegend, positive Erinnerungen. Grauenhaft war ein Erlebnis dahingehend, dass wir bei einer Mahlzeit gezwungen wurden eine Suppe zu essen, in der offensichtlich Maden (!) in großer Menge waren. Nachdem erste Kinder davon tatsächlich gegessen hatten und der erste sich queer über den Tisch hinweg übergeben hatte, wurde uns erlaubt nicht weiter zu essen.

An den Vornamen einer der "Erzieher", der dabei war, kann ich mich (ganz sicher bin ich mir nicht) erinnern, weil es ein französisch klingender Name war. Nach meinem Wissen von heute, würde man den Namen wohl "Henry", oder ähnlich schreiben. Ausgesprochen haben wir den Namen damals ungefähr wie folgt "Aunrie"! Wir haben uns nämlich einen Spaß aus dem Namen gemacht und wenn wir unter uns waren gesagt: Aunrie, Aunrie, kauf dir einen Baggie, Baggie (wie gesagt, hier so die Lautsprache!).

Grauenhaft waren auch die Bestrafungen, wenn wir nachts nicht ruhig waren. Ich kann mich daran erinnern, dass ich selbst mindestens einmal (der o. g. Björn häufiger) mit Schlägen ins Gesicht aus dem Bett geholt wurde und ich dann im Flur mit meiner Bettdecke über dem Kopf sehr lange dort stehen musste. Nach gefühlten Stunden durfte man dann irgendwann wieder zurück in sein Bett.

Auch ich würde mich gerne austauschen, mit Menschen, die sich hier angesprochen fühlen.
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E. Steiner aus Müllheim / Baden schrieb am 18.12.2021
Ich kam zusammen in einem Zug voller hustender, schniefender Jungs mit meinem um 4 Jahre älteren Bruder in das Kinderheim nach Norderney, wurde aber sofort von ihm getrennt. Nach drei Wochen kam ich in das gleiche Haus wie er, war aber in einer anderen Gruppe und sah ihn aus der Ferne dreimal am Tag beim Essen.
Zunächst weinte ich sehr und so lange, wie nie wieder seitdem und bekam so hohes Fieber, dass der Notarzt kommen musste. Ich war aber offensichtlich in einem Haus für "schwere Fälle", aus dem ich drei Wochen (oder zwei?) später in eine "normale", größere Gruppe verlegt wurde. Ich durfte nicht mit meinen Eltern telefonieren, weil ich dann ja noch größeres Heimweh bekommen würde. So sagte man mir.
In meiner Gruppe war ich der einzige Viert- unter Drittklässlern. Die Heimschule war ca. an zwei Vormittagen/Woche. Ich bearbeitete langweilige Arbeitsblätter, weil die Lehrerin sich um die anderen Jungs kümmerte. Immerhin behandelte sie mich - ich würde heute sagen - lieb und respektvoll. Ich gab ja auch Ruhe. Das war dort etwas Besonderes. Ich fehlte meistens, weil ich minimal Fieber hatte. (Über 37,2°C - in meiner Erinnerung - mussten wir den ganzen Tag im Bett bleiben, wo sich niemand um uns kümmerte. Hier lernte ich ganze Asterix-Hefte von anderen Jungs auswendig. Bücher, geschweige denn Fernsehen, gab es nicht. Die Comics kursierten unter den Jungs, wurden aber recht heimlich aufbewahrt, weil wir nicht wussten, was die Schwestern zu Blueberry usw. sagen würden. Wir hatten Sorge, dass man sie wegnehmen würde. Ich - aus "gutem Hause" - hatte natürlich keine und bekam keine geschickt. Auch keine Haribos.)
In meinem Zimmer, dem hausbekannten Lieblingszimmer der Oberschwester, deren Büro nebenan war, lagen nur 6 bis 8 Jungen. Die anderen Zimmer waren sehr viel größer.
In dem Heim waren lauter Kinder aus dem Rheinland, niemand aus Nordwestdeutschland, wie ich. Die meisten kamen wegen Krupphustens und Asthma einmal im Jahr, für etwa 6 bis 8 Wochen. Sie waren alle alt-erfahren. Ich war 13 Wochen am Stück da. Als ich nach Hause kam, sprach ich Kölsch: "Dat jibbet doch jarnich!" Meine Familie lachte mich aus. Ich traute mich tagelang nicht zu reden.
Ich erinnere mich nicht an Freunde, wohl aber zumindest an einen Jungen aus unserem Zimmer, den wir anderen mobbten (Johann Neesen, wenn ich mich richtig erinnere). Das schien niemand zu bemerken, wir anderen hatten unseren "Spaß", Johann dienerte sich uns an. Auf dem Zimmer ging es, aber in der Schule oder dem großen Saal (Essen u. "Spielen" mit kaum vorhandenem Spielzeug) fühlte ich mich einsam. Von meinem wenigen "Taschengeld" kaufte ich mir einen Liter Apfelsaft, den ich so sparsam trank, dass er zu zwei Dritteln verschimmelte. Die Flasche lag in meinem kleinen privaten Fach. Ich dachte viel nach, kam aber zu keinen Ergebnissen. In meiner Erinnerung hielt ich den ganzen Tag den Mund. Wir mussten alle zwei Wochen nach Hause schreiben. Ich wusste nie was. Ich bekam auch Briefe meiner Eltern, kann mich aber nicht an Inhalte oder Emotionen erinnern. Es war ein komisches Gefühl Briefe zu bekommen. Das war etwas für Erwachsene.
Die Schwestern waren streng und autoritär, zu uns aber lieb und lustig, weil wir ja auf dem Lieblingszimmer waren. Alle anderen hatten Furcht, wir aber lebten in der Sonne des glücklichen Schicksals und durften uns mehr erlauben (Vor dem Einschlafen bei ausgeschaltetem Licht noch etwas schwatzen und kichern, morgens als letzte geweckt werden, aber bei der Medikamentenausgabe vorne in der Schlange stehen.
Ich erinnere mich an Unmengen von Medikamenten, Inhalationen und vielen Spritzen.
Wenn es irgend ging, (Aufenthalt von Neujahr bis in den März hinein), gingen wir in Reih und Glied jeden Tag am Strand entlang und durch die Dünen zurück. Ich liebte den Strand und das wilde Meer, durfte aber oft wegen Fiebers nicht mit. Noch heute liegen in meinem Elternhaus die Austernschalen, die ich für die Familie sammelte. Manchmal spielten wir Völkerball. Auch das liebte ich, weil ich so gut war, dass ich mit den Großen mithalten konnte. Die kleinen Jungs wurden sofort abgeworfen und verbrachten das Spiel frierend und oft nass am Rand. Ich war bis zum Schluss drin und stolz darauf.
Nach 9 Wochen fuhr mein Bruder nach Hause. Ich bekam eine Verlängerung von zwei Wochen, weil ich noch nicht gesund wäre. Nun war ich ganz alleine. Nach 11 Wochen wurde beschlossen, dass ich noch zwei Wochen dableiben solle. Die Oberschwester teilte mir das in ihrem "Büro" mit. Und weil man antizipierte, dass ich weinen würde, durfte ich gleich mit meiner Mutter telefonieren. Das war eine absolute Ausnahme, wie mir beteuert wurde. Nun wurde mir hoch und heilig versprochen, dass ich dann nach Hause dürfe (gerade rechtzeitig zu meinem Geburtstag) Ich beschloss, die letzten 14 Tage auch noch zu überstehen. An meinem letzten Tag wurde ich von einem Arzt untersucht. Mein Entlassungsformular lag auf dem Schreibtisch. Niemand ahnte wohl, dass ich auch recht gut kleine Buchstaben auf dem Kopf lesen konnte. Auf dem Formular gab es fünf Kategorien zum Ankreuzen: geheilt, verbessert, gleichbleibend, verschlechtert, verstorben. Bei mir war "verschlechtert" angekreuzt. Ich dachte, dass ich ja noch Glück gehabt hätte, wenn man auch sterben könnte. Ich hatte nicht geahnt, dass ich so kurz davor gewesen bin, erinnerte mich aber an mein Fieber zu Beginn der Zeit.
Bei meiner Abreise, - von den Jungs konnte ich mich nicht verabschieden - , war ich wie benebelt. Ich fühlte nichts, vor allem keine Dankbarkeit, aber irgendwie auch keine Freude auf zu Hause. Ich konnte mir irgendwie gar nicht mehr richtig vorstellen, wie es da war und was mich erwartete und ob ich auch wieder im nächsten Jahr nach Norderney müsse. Man brachte mich auf den Zug, in dem ich alleine fuhr. Ich musste allerdings nicht umsteigen, nur richtig aussteigen.
Ich musste dann nie wieder nach Norderney, weil sich ja glücklicherweise mein Zustand dort angeblich verschlechtert hatte. Tatsächlich ließen meine Beschwerden dann nach etwa 1,5 Jahren von alleine nach. Das war die Zeit, als ich begann in Kaufhäusern Spielzeug und Schokolade zu klauen...
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Marcel schrieb am 18.12.2021
Am prägnantesten und gruseligsten ist eine Erinnerung an die Zeit dort die mir vorkommt als hätte man mit meinem Gehirn und meiner Sexualität experimentiert. Wir mussten den gesamten Zeitraum unseres Aufenthaltes dort uns täglich im Gemeinschaftsraum auf den Boden vor eine große Leinwand setzen. Dann hat man uns ein Musikvideo mit nackten Menschen gezeigt. Wenn ich heute das Lied im Radio höre durchschießt mich ein wahnsinnig schlimmes Gefühl. Es handelte sich dabei um das Lied von „The Beloved - Sweet harmony“. Täglich mussten wir und das ansehen und ich weiß bis heute nicht was das mit meinem angeblichen Asthma zu tun gehabt haben soll.
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Christina aus Niederbayern schrieb am 18.12.2021
Einarmig - das erste woran ich mich erinnere… die Erzieherin mit nur einem Arm… hier als Suchbegriff eingegeben sehe ich sofort zwei Berichte: ja Ute hieß sie, ja Lorenzen war das Kinderheim - ich erinnere mich - noch nicht an alles, aber alles was ich lese, stimmt! Ein Kind hat nachts im Schlafsaal geweint - die einarmige Erzieherin kam herein, konnte das weinende Kind nicht ausmachen - mein Bett war das nächste an der Türe… ich wurde von ihr auf den Flur gezerrt und mußte mich auf die Stufen im Treppenhaus setzen. Es war eiskalt, zugig… die ganze Nacht… ich durfte nicht aufstehen, nicht zur Toilette. Erst als am Morgen am die anderen geweckt wurden, durfte ich aufstehen. Die Duschen waren eiskalt. Ich hatte lange Haare, die nicht schnell genug trockneten - wenn ich etwas sagte, drohte man mir die Haare abzuschneiden. Dann mit nassen Haaren nach dem Frühstück spazieren gehen… In Unterwäsche im kalten Flur in der Schlange anstehen zum regelmäßigen Check, messen und wiegen - Tabletten Einnahme (wofür? Ich hatte zuhause nie regelmäßig Medikamente bekommen…?) … Meine erste Mittelohrentzündung… der Arzt war nett, gab mir Ohrentropfen und einen Wattebausch (aber es gab wohl keine Nachuntersuchung, denn ich erinnere mich noch gut dass ich panisch Angst vor Strafe hatte, als ich nach zwei Wochen den schon leicht angegrauten Watte-Pfropfen irgendwo verloren habe). Ostern - Päckchen von zuhause - was es war weiß ich nicht, denn es wurde unter den Kindern aufgeteilt. Zwangspostkarten nach Hause schreiben - man musste solange Schreiben, bis der Text positiv genug war, damit man sie verschicken durfte… Permanente Angst vor Strafen, physische Gewalt…
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Michael aus Fulda schrieb am 18.12.2021
Karlshafen meine Odyssee mit 6 Jahren

Ich sollte unbedingt zur Kur so hatte es mehr meine Mutter gewünscht, denn ich war nach ihrer Meinung rappeldürr und was man mir oben reinstopfte blieb einfach nicht in den Hosen drin, wie man so sagte. Da meine Mutters Eltern damals im Jandtjalager gute Erfahrungen gesammelt haben, damals noch unter der Reichsflagge, tat man sich’s einfach und fragte nach wo denn in der Nähe ein solche wäre. Karlshafen wurde so für mich 4 Wochen die Hölle auf Erden. Es sollten ursprünglich 6 Wochen werden, die dann aber wegen meines Naturells alles auszubrechen was einfach zu fett und zu wabbelig ausschaute man mir trotzdem versuchte einflößen zu wollen. Dabei stromerte ich den ganzen Tag im Wald herum. Hatte einen mächtigen Hunger aber es nutzte nix. Die Kalorien die ich oben rein stopfte blieben nicht in den Klamotten hängen. Also, wurde hier nachgeholfen, weil man sich vielleicht auch schämte für so ein mageres Kind. 4 Wochen Erbsensuppe mit Speckzulage. Fettes Essen was es an Masse scheinbar jeden Tag gab. Ich konnte diese Erbsenmaschine schon von weitem riechen. Selbst draußen auf dem Exerzierplatz vor dem weißen großen Haus. Ich ekelte mich einfach zu sehr an der Schwabbelmasse am Speck, an dem man noch die Haare zählen konnte die nicht richtig abgebrannt waren. Einfach nur ekelhaft! Zum Frühstück schon Leberwurst zum Abwinken und dann immer und immer wieder diese erbärmliche Erbsensuppe, die ich massig wieder rausbrach sobald ich nur ein wenig von aß. Irgendwann ging dann gar nix mehr. Dann sollte ich zur Strafe auch noch diese ausgebrochene Masse aufessen. Grausam! Ich kotzte mich fast zu tode. Den Flur zur Toilette war voll vom Gebrochenen den ich dann auch noch mühsam aufputzen mußte. Zur Strafe gab es am nächsten Tag nüscht. Nur zu trinken, so viel ich mich noch erinnern kann. Irgendwann knipste ich mein Hirn aus. Ich wurde nach ca. 4 Wochen nicht therapierbar wieder entlassen. Kehrte nach Hause zurück und dort machte mein Vater meiner Mutter schwere Vorwürfe wegen meines Zustandes. Zuerst wollte man mich in ein Klinik stecken, weil man dachte ich würde sterben, so dünn muß ich damals gewesen sein. Durchs Mutter’s Hausmannskost und intensives Handel meiner Oma die aufpasste auf, dass ich immer was zu kauen bekam ging’s dann mit der Zeit. Viele Einträge die ich hier lese decken sich mit denen die ich auch gemacht habe deswegen möchte ich nicht nochmals drauf eingehen. Ich verdränge diese Zeit immer noch und es ist auch gut so!!! Dunkelkammer lernte ich auch kennen!
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Christian aus Hattingen schrieb am 18.12.2021
Ich war als Fünfjähriger im Dezember 68 im "Kinderkurheim Gutermann" weil ich bei der Schultauglichkeitsuntersuchung im Kindergarten als zu schmächtig beurteilt wurde und "Daumenlutscher" war . 6 Wochen weg von zu Hause und nieh wieder in der Familie angekommen.
Abgewöhnen konnten sie mir das Daumenlutschen nicht, auch wenn sie es mit allen Mitteln versucht haben. Bittere Salbe, Fäustlinge bis zu mit beiden Händen am Bett fixiert im Einzelzimmer - stockdunkel. Da war ich dann auch wieder "Bettnässer".
Es gibt blitzartige Bilder und wenige davon sind schön.
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Marianne Schmidt aus Düsseldorf schrieb am 18.12.2021
Ich komme aus Mannheim und wurde im Frühjahr 1958 in das Kindersolebad Haus Hohenbaden in Bad Dürrheim verschickt. Ich habe sehr unschöne Erinnerungen an diesen Aufenthalt, der von Angst und Drill geprägt war. Es war wie ein Kindergefängnis. Wie sollte man da gesund werden. Besonders eine "Schwester" habe ich in Erinnerung wie eine KZ-Aufseherin. Natürlich wusste ich damals noch nicht, was das ist, aber heute steht sie für mich als eine solche, voller Kälte und Hass. Wir waren dem Heimpersonal völlig ausgeliefert. Die Post nach Hause durfte nicht zugeklebt werden - aus gutem Grund! Bin froh, diese Seite gefunden zu haben.
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Michael Dierl aus Fulda schrieb am 18.12.2021
Karlshafen meine Odyssee mit 6 Jahren

Ich sollte unbedingt zur Kur so hatte es mehr meine Mutter gewünscht, denn ich war nach ihrer Meinung rappeldürr und was man mir oben reinstopfte blieb einfach nicht in den Hosen drin, wie man so sagte. Da meine Mutters Eltern damals im Jandtjalager gute Erfahrungen gesammelt haben, damals noch unter der Reichsflagge, tat man sich’s einfach und fragte nach wo denn in der Nähe ein solche wäre. Karlshafen wurde so für mich 4 Wochen die Hölle auf Erden. Es sollten ursprünglich 6 Wochen werden, die dann aber wegen meinem Naturell alles auszubrechen was einfach zu fett und zu wabbelig ausschaute man mir trotzdem versuchte einflößen zu wollen und das mit Gewalt. Ich sollte ein Wonneproppen werden, so, wie das damalige Abbild eines jungen Mädchens auf einer Apfelsaftflasche mit dicken, fetten Backen, so, dass sich meine Eltern sich nicht schämen müßten wenn ich draußen zu gange war. Denn ich würde ja nie richtig was werden, weil ich so ungesund und mager ausschaute und in der kommenden Schulzeit bestimmt auch gehänselt weden. Dabei stromerte ich den ganzen Tag im Wald herum. Hatte einen mächtigen Hunger aber es nutzte nix. Die Kalorien die ich oben rein stopfte blieben nicht in den Klamotten hängen. Also, wurde hier nachgeholfen, weil man sich vielleicht auch schämte so ein abgehungertes Kind zu haben. 4 Wochen Erbsensuppe mit Speckzulage. Fettes Essen was es an Masse scheinbar jeden Tag gab. Ich konnte diese Erbsenfressmaschine schon von weitem riechen. Selbst draußen auf dem Exerzierplatz. Für Andere war das sicherlich was nur für mich eben leider nicht. Ich ekelte mich einfach zu sehr an der Schwabbelmasse am Spreck, an dem man noch die Haare zählen konnte die nicht richtig abgebrannt wurden. Einfach nur ekelhaft! Und zum Frühstück schon Leberwurst zum Abwinken und dann immer und immer wieder diese erbärmliche Erbsensuppe, die ich massig wieder rausbrach sobald ich nur ein wenig von aß. Irgendwann ging dann gar nix mehr. Dann sollte ich auch noch diese ausgebrochene zu meiner Schuld wieder aufessen. Grausam! Ich kotzte mich fast zu tode. Den Flug zur Toilette war voll von meinem Unrat den ich dann auch noch mühsam aufputzen mußte. Zur Strafe gab es am nächsten Tag nüscht. Nur zu trinken, so viel ich mich noch erinnern kann. Irgendwann knipste ich mein Gehirn aus. Ich wurde nach ca. 4 Wochen nicht therapierbar wieder entlassen. Kehrte nach Hause zurück und dort machte mein Vater meiner Mutter schwere Vorwürfe wegen meines Zustandes. Zuerst wollte man mich in ein Klinik stecken, weil man dachte ich würde sterben, so dünn bin ich gewesen. Dann aber gab’s Mutter’s Hausmann’skost und das nicht zu knapp und Oma hatte Argusaugen und passte auf, dass ich immer was zu kauen bekam. Bald schon kam ich wieder zu Kräften. Viele Einträge die ich hier lese decken sich mit denen die ich auch gemacht habe deswegen möchte ich nicht nochmals drauf eingehen. Ich verdränge diese Zeit immer noch und es ist auch gut so!!! Dunkelkammer lernte ich auch kennen!
lg Michael Di
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Michaela aus Kempten schrieb am 17.12.2021
Ich war mit 5 jahren und dann nochmal mit 7 Jahren in einem Heim auf Norderney (großes rotes Backsteingebäude). Ich mochte nie Milchreis oder Grießbrei (hatte ich in der Kur erbrochen). einmal war ich ohnmächtig geworden, lag dann bei der Oberschwester im Büro auf dem Boden, warum weiß ich nicht, denke aber dass es nicht normal ist für ein Kind ohnmächtig zu werden.Ich hatte schreckliches Heimweh. Ich war wohl zu blass und zu dünn und litt an Bronchialasthma, deshalb hat man mich dort fett gefüttert. Ich habe heute noch Ess-störungen und Gewichtsprobleme. Die Erinnerungen sind nur bruchteilhaft.Wenn ich hier Einträge lese kommen kleine Erinnerungen wieder, wie an den Schlafsaal, Speisesaal, die Ordensschwestern....
Ich würde mich gerne austauschen mit Menschen, die vielleicht (ca.) zur gleichen Zeit auf Norderney waren. Habe keinerlei Namen in Erinnerung.
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Manuela aus Forthweg 3 schrieb am 17.12.2021
Liebe Beate,
Ich bin die Heimortkoordinatorin für die Region Tegernsee. Bitte melde Dich bei mir, wenn Du Infos und Austausch zu Gmund am Tegernsee suchst. Es gibt bereits einige Berichte zum Tegernsee von anderen ehemaligen Verschickungskindern. Dir vorerst alles Gute! Manu
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Herfurth-Schällig, Anke aus 42579 Heiligenhaus schrieb am 17.12.2021
Hallo, gibt es jemanden, der auch in diesem Heim untergebracht war? Auch ich hatte schlimmes Heimweh und habe mich vor dem Essen immer sehr geekelt, aber ansonsten sind die Erinnerungen eher diffus. Ich erinnere, dass ich eine "Tante" namens Rosemarie sehr mochte.
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Michael schrieb am 17.12.2021
Ich war im oben angegebenen Zeitraum im Sommer in so einem Kinderheim auf Norderney, für 6 Wochen glaube ich. Meine Mutter war Alleinerziehende und ich hatte lange geglaubt, dass sie mich da hin geschickt hat, weil ich etwas Ungezogenes gemacht habe, denn das Ganze passierte recht plötzlich für mich, ohne Vorwarnung. Ich hatte wahnsinniges Heimweh, schon auf der langen Zugfahrt dahin. In dem Heim passierte vieles, was mir nicht gefallen hat, z.B. das Teller leer essen von Dingen die ich nicht mochte. Wir hatten aber auch viele nette Ausflüge an den Strand, zum Leuchtturm, etc. Zwei sehr schlechte Vorfälle blieben mir in Erinnerung:
1. wir mussten Mittagsschlaf machen. Ich musste groß auf das Klo, hatte aber Angst, mich zu melden. Da beschloss ich, einfach in die Unterhose zu machen und es später auszuleeren. Das hat aber die Aufsichtsperson offensichtlich gerochen - was für mich total verwunderlich war, denn wie sich mir später offenbarte habe ich keinen Geruchssinn (!) - , mich aus dem Bett gezerrt, in die Dusche gestellt und mit einem Schlauch von oben bis unten abgespritzt. Kann gut sein, dass es auch ein paar - nennen wir es mal vorsichtig - Klapse gab.
2. Es gab eine Frau als Aufsichtsperson, die hatte an einer Hand nur drei Finger. Sie hat uns erzählt, dass ihr Vater die anderen abgehackt hat, weil sie ungezogen war ... das hat mich natürlich total geschockt.
Soweit mein Bericht, diktierte Postkarten gab es übrigens auch.
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Katja schrieb am 17.12.2021
Ich war, zusammen mit meiner Zwillingsschwester in Greiz, 1991, da wir zu dünn waren für die Schule. Uns kam es beiden vor, als wären wir nur 1 Tag dort gewesen. Unsere gemeinsame Erinnerung ist nur, dass wir eingenäßt haben und dann vor Heimweh geweint haben und wieder nach Hause durften. Meine Erinnerung ist schwarzweiß, obwohl ich andere Erinnerungen aus diesem Alter alle in bunt habe, wir waren 6 Jahre alt und ich erinnere mich an viele lange Szenen sogar von Jahren davor ... also wieso denken wir, dass es nur 1 Tag war und warum ist es nur ein schwarzweiß Bild in unserer Erinnerung. Meine Mutter weiß nur, dass wir nicht -wie geplant- zugenommen, sondern abgenommen haben und mit vielen uringetränkten Strumpfhosen wieder zurück kamen. Außerdem las ich nun schon in einigen Berichten von Milchreis, den man zu Hauf essen musste und ich habe einen ganz schlimmen Ekel vor diesem Gericht und mag auch sonst nichts mit Milch, am schlimmsten warme Milchspeisen. Ich habe noch den Geruch in der Nase, manchmal erinnere ich mich an das gruselige Gefühl dort, wenn ich ihn in alten Krankenhäusern rieche zum Beispiel. Vielleicht war es in dieser Zeit nicht mehr so heftig, wie in den Jahren davor, traumatisiert hat es aber sicher. Ich bin ein Mensch mit gravierenden Angststörungen und war auch schon in Therapie deswegen. Bisher hatte ich es eher auf meine frühkindlichen Operationen mit Krankenhausaufenthalten 1990 und 1992 geschoben. Doch nach den vielen Berichten glaube ich, dass es auch mit diesem Erlebnis zusammen hängen könnte. Mit Verlustängsten habe ich auch stark zu kämpfen, als Partnerin uns Mutter. Ich erinnere mich fast immer an meine Träume und habe mindestens 1 mal die Woche Albträume mit Gewalt oder Verlust als zentrales Thema. Vielleicht findet sich jemand mit mehr Erinnerungen an diese Zeit an diesem Ort...
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Geg schrieb am 17.12.2021
Danke Frau Röhl für die Möglichkeit, dass ich mir von der Seele schreiben kann, was ich schon fast ein Leben lang mit mir rumschleppe. Ich habe einige Zeit gezögert alles aufzuschreiben.

Meine Eltern sind verstorben und ich bin allein auf meine Erinnerung angewiesen, die teils sehr klar, teils auch verschwommen ist.

Es war etwa 1963 und ich war 10 Jahre alt, ein normaler Junge mit normalem Elternhaus. Seit mehreren Jahren litt ich an einem juckenden Hautekzem, im Winter an Hals, Armbeugen und Handgelenken, im Sommer an den Kniekehlen durch Wiesengräser. Häufig kratzte ich mich blutig. Heute würde man es vielleicht als Neurodermitis diagnostizieren. Unser Hausarzt riet schließlich zur Kur in einem Reizklima, entweder in den Alpen oder an der Nordsee. Die Wahl, auch meine, fiel auf die See.

Ich kam ins Christliche Seehospiz Norderney, etwa sechs Monate, einen gesamten Winter, eine gefühlte Ewigkeit. Meine Mutter brachte mich hin. Anfangs ging es nur um zwei oder drei Monate.

Das Seehospiz lag an einer Straße, die längs über die Insel führte, östlich außerhalb der kleinen Stadt. Die Wohngebäude, links von der Straße zum Meer hin, waren zweigeschossige Backsteinbauten. Die Fenster im Erdgeschoss waren vergittert.

Als erstes bekam ich meine Fix-und-Foxi-Hefte abgenommen. Comic-Hefte waren strikt verboten. Die Betreuerinnen musste ich „Tante“ nennen, ziemlich übergriffig wenn ich an meine liebe Tante zu Hause denke. Die ranghöheren Aufseherinnen wollten Schwester genannt werden.

Der Speisesaal war im Erdgeschoss. An das Essen kann ich mich nicht erinnern. Es muss wohl weder besonders ekelhaft noch besonders lecker gewesen sein. Während der Mahlzeiten herrschte Sprechverbot. Wer beim Plappern erwischt wurde, musste zur Strafe stundenlang Kirchenlieder auswendig lernen während die anderen Abendfreizeit hatten. Während meiner Zeit habe ich keine Prügelstrafen beobachtet oder ich kann mich nicht daran erinnern.

Die Schlafsäle waren im Obergeschoss, entlang eines Mittelgangs an dessen Ende sich das Aufsichtsbüro befand. Alle Zimmer waren nachts offen. Die Aufsichtstante konnte so die Kinder kontrollieren, wenn sie verbotenerweise nachts auf die Toilette schleichen wollten. Gepinkelt wurde in Nachttöpfe. Jeder hatte seinen eigenen unter dem Bett. Ich lag anfangs in einem Sechsbettzimmer. Alle hatten Heimweh, die Älteren weinten nachts nur manchmal. Mein Bettnachbar war etwa vier Jahre jünger, weinte nachts stundenlang und pinkelte häufig ins Bett. Er sagte auch mal, dass er nicht mehr leben wolle. Er tat mir herzzerreißend leid. Ich versuchte ihn zu trösten.

Die Fenster im Schlafgeschoss ließen sich nachts nicht öffnen. Wohl damit niemand auf die Idee käme nachts auszubüxen, also sich irgendwie abzuseilen. In Stadtrichtung links gegenüber dem Jungentrakt war der Mädchentrakt. Sie waren ebenso eingeschlossen wie wir. Manchmal winkten wir uns abends zu. Auf dem Gelände wurden wir strikt getrennt gehalten.

Es gab nur eine Ausnahme. Das war die Klippschule, die in einem kleinen Haus zwischen den Quartieren und den Dünen lag. Dort wurden wir mit den Mädchen gemeinsam unterrichtet. Es gab nur eine Schulklasse für alle Altersstufen, etwa zwei Stunden lang am Vormittag. Vielleicht täglich, vielleicht zwei Mal pro Woche, ich weiß es nicht mehr. Die Lehrerin war nett, anders als die Aufseherinnen. Gelernt habe ich fast nichts. Sie beschäftigte sich hauptsächlich mit den Jüngeren und Zurückgebliebenen. Schulisch für mich reine Zeitverschwendung. Ich machte mir Sorgen um meine Versetzung nach der Rückkehr. Hat aber dennoch geklappt. Ich war halt schon vorher gut in der Schule.

Täglich wurden wir in Zweierreihen zu Fußmärschen ausgeführt, bei jedem Wetter, gemeinsam mit den Mädchen. Wenn es in die Stadt ging wurde die Route so gelegt, dass wir nicht nahe an Briefkästen vorbeikamen. Es war strengstens verboten Briefe einzuwerfen. Wer dabei erwischt wurde, musste abends Kirchenlieder auswendig lernen. Es herrschte praktisch Kontaktverbot mit der Außenwelt. Wir durften nur von der Anstaltsleitung zensierte Briefe verschicken und empfangen. Jede JVA ist heute nachrichtendurchlässiger als damals diese Kinderinternierung!

Die Einheimischen im Städtchen konnten beobachten wie Kinder beim verbotenen Posteinwurf gemaßregelt wurden. Von ihnen konnten wir keine Hilfe erwarten. Ihr Schweigen ist für mich eine Mittäterschaft. Mein Groll auf diese „braven Bürger“ begleitet mich nun schon seit Jahrzehnten.

Vor einigen Jahren lernte ich unfreiwillig eine Gruppe älterer Norderneyer näher kennen. Sie fragten mich, warum ich denn nicht mal auf ihre schöne Insel kommen wolle. Ich sagte ihnen, dass ich schon mal da war, in meiner Kindheit und erzählte ihnen von meinem schlimmen Heimweh damals und wie ich inhaftiert war. Sie taten das als belanglos ab, es sei ja schon so lange her. Vielleicht sind heute nicht alle Norderneyer so kaltherzig, jene die ich kenne aber schon.

Die (pseudo?)medizinische Versorgung fand täglich durch Eincremen statt. Wir wurden einzeln nackt auf einen Hocker gestellt und mit einer Salbe behandelt, möglicherweise Zinksalbe. Die aufgekratzten Stellen wurden verbunden. Nach etwa drei Monaten zeigte sich bei mir kaum Besserung. Mein Aufenthalt wurde um drei Monate verlängert. Meine Mutter durfte mich besuchen. Sie konnte mir aber nicht helfen. Dazu war sie zu autoritätsgläubig. Später zu Hause plagte sie offenbar ein schlechtes Gewissen. Ich wurde ziemlich verhätschelt.

In der zweiten „Halbzeit“ wurde ich auf ein Siebenbettzimmer am Ende des Aufsichtsflurs verlegt, zu den etwas älteren Jungs. Wir konnten dort nachts ungehört miteinander tuscheln und Schabernack treiben. Manchmal lagen wir zu dritt in einem Bett und rieben uns aneinander. Der Körperkontakt tat uns gut in dieser kalten Einöde.

Fairerweise berichte ich auch von zwei positiven Dingen. Im Salzwasser-Wellenbad, das wir etwa wöchentlich besuchten, bin ich das erste Mal geschwommen. Die Bewegungen konnte ich schon vorher, war aber zu Hause im Süßwasser-Schwimmbad immer untergegangen.
Mein Hautausschlag war nach einem halben Jahr geheilt. Ich durfte nach Hause. Vor meiner Zeit im Heim war ich ein fröhlicher, herumtollender Junge, danach eher ein vorsichtiger Duckmäuser, der Auseinandersetzungen aus dem Weg ging.

So früh wie möglich, nämlich mit 14 Jahren, bin ich aus der Kirche ausgetreten. Mein persönlicher Protest dagegen, dass eine grausame Kinderhaftanstalt sich „christlich“ nennen durfte. Wäre ich religiös, wäre das für mich Gotteslästerung. Manchmal stelle ich mir vor, dass ein Orkan die Teufelsinsel in zwei Teile teilt, genau an der Stelle vom Seehospiz. Ja, so kalt kann es einem im Herzen werden, wenn man sich an diese grausamen Menschen erinnert.
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Anne schrieb am 17.12.2021
Hallo, ich war in meiner Grundschulzeit mit Gewalt nach Berchtesgaden in eine graue Burg / auf einem Berg verschickt worden. Ich weiß keinen Namen. Es war so furchtbar wie die meisten hier schreiben, dass ich einfach nur schreien könnte. Wer war auch in Berchtesgaden auf einem Berg weg gesperrt? Ich erinnere mich nur, dass es auswärts war, oben, wie eine Burg. Es waren haufenweise Kinder dort gefangen, Terror, Angst, Schläge, Schreien, Wegsperren etc. Traumata den ganzen Tag und die ganze Nacht. Es war ca. 1986, ich war ca. 7 Jahre alt. Wem sagt dieses Heim etwas? Ich habe so viel Schlimmes dort gesehen als Kind.
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Aksel Brandt aus Kiel schrieb am 17.12.2021
Durch Zufall las ich im web von dieser Initiative. Bis dato dachte ich, das würde nur mich betreffen - aber es gibt mehr von uns ...
1979 fand in unserer Dorfschule eine schulärztliche Untersuchung statt. Die alte Schulärztin fertigte uns im Akkord ab, ich war ihr zu dünn ->ab nach Weilheim.

Ich war 11 Jahre alt und der Wechsel aufs Gymnasium stand bevor, als ich meiner Sommerferien und -schlimmer- meiner Menschenwürde beraubt wurde.
Die Aufseherinnen mußten wir mit "Tante" anreden. Mein skandinavischer Vorname wurde 6 Wochen lang verhohnepipelt. Die Briefe nach Hause wurden erzwungen, aber zensiert. Las die "Tante" etwas, was ihr ehrenrührig erschient, so wurde man zur Anstaltsleiterin geprügelt. Die schlug zwar nicht, hatte aber andere Methoden kleine Kinder unbarmherzig unter Druck zu setzen.
Es gab auch eine Art Nachtwächterin, die alles hasste, was nicht katholisch war. Schlechte Aussichten für einen norddeutschen Jung. Diverse (unzählige?) Nächte, die ich im Schlafanzug frierend auf einer Holzbank hockend neben ihr verbringen mußte. Schlafentzug. Fielen mir doch die Augen zu, so schlug sie ohne Vorwarnung zu.
Und für das richtig Grobe gab es noch Toni, einen jungen Jugoslawen (<- der Ausdruck war damals noch politisch korrekt) der auf dem ehemaligen Gutshof arbeitete.
Eine "Tante" mußte bloß Toni rufen und auf ein Kind zeigen und er schlug mit einer Mischung aus Karateschlag und Ohrfeige zu, daß man das Gefühl hatte, es würde einem der Kopf abgerissen. häufig war man minutenlang besinnungslos und nicht ansprechbar. Ich war von zu Hause aus die typische familiäre Gewalt der 70er Jahre gewöhnt - Weilheim toppte alles!
Wir wurden kaserniert in Schlafsälen untergebracht, mußten in 2er Reihen marschieren und dazu im Takt alberne bayrische Volkslieder singen. Freie Zeit, freie Bewegung oder gar freies Reden mit den "Mitgefangenen" war nicht vorgesehen und wurde bestraft.
Bayern ist für mich eine No-Go-Area, wenn ich bayrischen Dialekt hören muß, schrillen alle Alarmglocken, ich verlasse fluchtartig den Raum - wenn es geht ...
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Efried schrieb am 17.12.2021
Gibt es zu diesem Heim Erfahrungsberichte? Anscheind erfolgte dort eine Maserninfektion und die Trennung von den Eltern war traumatisch.
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Melanie aus Berlin schrieb am 17.12.2021
Ergänzung:
Ich habe bis heute kein Sättigungsgefühl. Vielleicht hängt es mit der Zeit als Fünfjährige im Schwarzwald zusammen.
Eine weitere Erinnerung ist, dass dort ein Mädchen war, das ebenfalls 5 war, von den anderen Kindern als Hexe bezeichnet und immer geärgert wurde, keine Ahnung, warum. Ich wüsste so gerne, wie es ihr heute geht, weil ich damals dachte, sie ist egtl. wie ich, nur dass es sie schlechter als mich getroffen hat. Dieses Mädchen geistert immer noch in meinem Kopf. Und ich weiß, dass ich sehr, sehr viel, nachdem meine Mutter mich am Zug abgegeben hatte, geweint hatte, die großen Mädchen sich aber um mich kümmerten. Namen? Alle weg!
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Anja aus Hamburg schrieb am 17.12.2021
Ich bin mit 6 Jahren nach Sylt verschickt worden, an den Namen des Heimes erinnere ich mich nicht mehr. Irgendwo gibt es, glaube ich sogar noch ein paar Fotos. An manche Dinge erinnere ich mich nur noch sehr schwach, aber ein paar Situationen sind mir sehr lebhaft in Erinnerung geblieben. Bis jetzt habe ich das unter "so-war-das-halt-damals" abgetan. Erst die aktuelle Berichterstattung macht mir klar, dass auch ich irgendwie ein Opfer bin.

Angefangen hat es eigentlich mit Kleinigkeiten. Bei der Ankunft packten die Betreuerinnen meinen Koffer aus und amüsierten sich lauthals über die Art und Weise, wie meine Mutter den Koffer gepackt hatte. Als Kind hat mich das durchaus getroffen. Immerhin wurde in meinem Beisein meine Mutter lauthals ausgelacht.

Vom Ankleideraum (den ich ähnlich einem Grossankleideraum im Schwimmbad mit Spinden in Erinnerung habe), gingen die Schlafräume ab. In jedem Schlafraum standen mehrere Betten. Sobald das Licht ausging, durften wir nicht mehr reden oder uns sonstwie bemerkbar machen. Überwacht wurden wir von einer älteren Betreuerin (ich erinnere noch immer an ihren Gipsarm). Wurden wir beim reden erwischt oder hatte wir gar aus Spaß unsere Betten getauscht und wurden erwischt, mussten wir zur Strafe im Schlafanzug alleine auf der Holzbank im Ankleideraum sitzen. Meist solange, bis jemand anderes "erwischt" wurde und die "Deliquenten" quasi gegeneinader ausgetauscht wurden. Wir saßen dort nie zu zweit, immer einer alleine.

Wir mussten mit 6 Jahren Mittagsschalf halten. In einem großem Raum waren diverse Pritschen untergebracht. Jeden Tag habe ich auf einer dieser Pritschen gelegen und versucht mich nicht zu bewegen (am liebsten nicht mal Luft holen). Die ganze Zeit habe ich auf das Geräusch geachtet, dass die Schlaghosen der Betreuerinnen machte, das durch den aneinander reibenden Stoff entstand, während sie zwischen den Pritschen ihren Kontrollgang machten. Sobald das Geräusch näher kam, habe ich krampfhaft die Augen verschlossen und so getan, als ob ich schlafen würde. Als ich neulich im Damen Gambit die Anfangsszene im Schlafsaal des Heims gesehn habe, kam bei mir sofort diese düstere Atmosphäre wieder hoch, die meine Erinnerung an diesem Schlafsaal beiwohnt. Noch heute kann ich mich in Perfektion schlafend stellen.

Das Essen wurde in einem großen Raum ausgegeben. Ich erinnere vor allem an eine Situation mit einem Jungen an meinem Tisch. An dem Tag gab es eine Fruchtkaltschale. Wir alle saßen am Tisch und zuerst wurden die Teller mit dem Essen ausgeteilt. Das Besteck war noch nicht ausgeteilt. Ein Junge an meinem Tisch wollte die Kaltschale aber schon probieren, er beugte sich vor und leckte mit seiner Zunge drüber. Ich erinnere mich nicht mehr an den genauen Wortlaut, aber die Betreuerin, die dies bemerkte meinte, wenn er schon wie ein Hund essen würde, dann müssse er das auch draussen vor der Tür machen. Ich meine mich zu erinnern, dass die Betreuerin ihm zwar noch einen Löffel gab, aber nichts destotrotz musste dieser Junge, auf dem Boden im Flur, vor der verschlossenen Tür des Speisesaals alleine essen und durfte erst wieder reinkommen, als er aufgegessen hatte. Mich hat das als Kind unglaublich schockiert.

An einem anderen Tag hatte ein Mädchen in meiner Gruppe massive Zahnschmerzen und wohl auch schon etwas Fieber. Sie traute sich nicht, das einer Betreuerin zu erzählen. Ich wollte ihr helfen, fand aber so schnell keine der Betreuerinnen. Aber ich wusste dass der Zahnarzt ein oder zwei Stockwerke über uns war. Also habe ich meine damalige "Freundin" an die Hand genommen und selber zum Zahnarzt gebracht. Weil ich keiner Betreuerin bescheid gesagt hatte, bekam ich für die Aktion richtig Ärger. Es interessierte auch keinen, dass ich keine Betreuerin gefunden hatte und dass ich die Situation als Notlage empfunden habe. Ich wurde vor allen heruntergeputzt. Zur Strafe durfte die gesamte Truppe, an diesem Tag weder Schaufeln noch Eimer zum Strandspaziergang mitnehmen. Damit war ich für alle anderen Kinder ganz klar der Ar*** der ihnen den Tag versaut hatte. Meinetwegen durften sie nicht am Strand spielen und das haben sie mich natürlich auch merken lassen. Ich wurde für eine Weile komplett von allen ausgegrenzt und zum Teil auch beschimpft. Diese Gruppenbestrafung habe ich als unfassbar ungerecht empfunden, vor allem, weil ich nur einem anderen Kind in einer Notlage helfen wollte.

Natürlich bekamen wir auch irgendwann Post von unseren Eltern. Da wir selber noch nicht lesen konnten, wurden uns die Briefe von den Betreuerinnen öffentlich vorgelesen. Mir ist nur ein einziger Brief in Erinnerung geblieben. In diesem Brief fragt meine Mutter mich, wie mir der gestiefelte Stoffkater gefallen hätte, den sie in einem Paket an mich verschickt hatte. Ich war total schockiert. Niemand hatte mir ein Päckchen ausgehändigt, das Stofftier habe ich nie erhalten und es hat sich auch keine der Betreuerinnen dafür interessiert, wo dieses Paket geblieben sein könnte, obwohl ich natürlich unbedingt wissen wollte, wo mein Paket geblieben ist. Ich hatte auch keine Chance irgendwo nachzufragen oder meine Eltern kurzfristig zu informieren. Bis heute glaube ich, dass jemand von den Betreuerinnen oder der Poststelle, dieses Stofftier mitsamt Paket gestohlen hat. In unserem Familienalbum gibt es ein Foto davon, wie meine Mutter dieses Paket packt. Wenn immer ich dieses Foto sehe, habe ich auch heute noch das diffuse Bedürfnis, nach dem Verbleib des Pakets zu forschen.
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Melanie aus Berlin schrieb am 17.12.2021
Tja, ich wurde mit fünf Jahren wegen meiner damaligen Sprachbehinderung in den Schwarzwald verschickt und war eine der Kleinsten. Weil ich am Esstisch lachen musste, sollte ich gefühlt stundenlang alleine im Schlafzimmer bleiben, ohne Nachtisch und ohne, dass ich mein Mittag fertig gegessen hatte. Bis heute esse ich am liebsten zuerst den Nachtisch, damit man ihn mir nicht wegnehmen kann... Ich habe auch in Erinnerung, dass man 1x entweder eine Nachtwanderung oder einen Vorleseabend haben durfte. Ich entschied mich für das Vorlesenbekommen. Leider war das nicht einfach ein Zuhören, sondern ein Drill des Nacherzählens. Wir wurden böse beschimpft, wie, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall ist es für mich bis heute kein Vergnügen, Leuten beim Vorlesen zuzuhören und Nacherzählungen sowie Inhaltsangaben sind mir bis heute verhasst. Ich glaube, unsere Verschickung wurde vorzeitig abgebrochen, weil Scharlach/Mumps ausgebrochen ist.
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Joachim Kick schrieb am 17.12.2021
Hallo,
ich war nicht in Engelsbrand. Allerdings ist Engelsbrand jetzt eine geschlossene gerontopsychiatrische Einrichtung. Ich habe dort meine Ausbildung gemacht von 2006-2009.
In der Verwaltung werden noch die ganzen Belegungsbücher der Patienten aufbewahrt die in Heilklinik waren. Ich hatte selbst Einblick in diese.
Ich denke, dass man dort bezüglich weiterer Infos bestimmt Einblick bekommt.
Liebe Grüße
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Joachim Kick schrieb am 17.12.2021
Ich war als Kind Asthma gefährdet und ein starker Allergiker. So wurde ich im Winter 1971 nach Lenggries zur Kur geschickt. Es war das Georgi Haus. 6 Wochen von Zuhause weg bis kurz vor Weihnachten. Dort herrschte ein sehr strenges Regiment. Nachts Toilettenverbot! Wer sich nicht daran hielt, musste in der Strafecke die ganze Nacht verbringen. Was es zu Essen gab weiß ich nicht mehr, ich kann mich lediglich an so eine Grütze erinnern, die widerlich schmeckte. Die musste ich aufessen, auf Teufel komm raus. Ansonsten gabs Strafecke. Kontakt mit zuhause war erlaubt, schriftlich und telefonisch. Die geschriebenen Briefe und Karten wurden kontrolliert und mussten auch noch mal neu geschrieben werden, wenn sie nicht den Vorschriften des Hauses entsprachen. Telefongespräche wurden nur unter Bewachung erlaubt, nach vorheriger Instruktion was zu sagen ist und was nicht. Eingehende Post wurde vorher gelesen. Ob ich alle Briefe bekam weiß ich nicht. Auf jeden Fall ging aus einem Brief hervor, dass ich zu Nikolaus ein großes Paket bekomme mit ganz vielen süßen Sachen, die ich dann mit meinen Mitinsassen teilen sollte. Ich bekam aus dem Paket, soweit ich mich erinnere, nur einen kleinen Weihnachtsmann. Der Rest wurde fürs Personal in einem abgesperrten Raum aufbewahrt. Ein Mitinsasse, er kam aus der Nähe meines Heimatortes, war auch gierig auf Süßes. So haben wir alles ausspioniert und uns unerlaubten Zugang zu diesem Raum verschafft. Dort haben wir uns die Taschen voll gemacht und sind dann auf die Toilette gegangen.
In der Nacht, soweit ich mich da noch erinnere, gab es eine Person, die nicht immer dort war. Sie war sehr nett, hat mir auch mal für meine verklebten Augen Tropfen gegeben. Sie sagte uns auch immer, dass wir nichts sagen sollen über ihr freundliches Verhalten uns gegenüber.
Da ich nicht so dünnhäutig war, ist dieser Aufenthalt doch ziemlich spurlos an mir vorbeigegangen, aber halt nur ziemlich. Immer wieder kommen die Gedanken an diesen Aufenthalt in mir hoch. Ich versuche zu rekonsturieren, mich an mehr zu erinnern. Es wäre toll hier noch mehr Leidensgenossen/innen zu finden um sich auszutauschen.. Meldet euch einfach bei mir wenn ihr auch dort wart.
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Elke schrieb am 17.12.2021
Ich war 10 Jahre alt und wurde wegen Untergewicht von meinen Eltern in Wittgenstein mit einem Schild/Zielort um den Hals ganz alleine in den Zug Richtung Niendorf/Ostsee gesetzt. Der Schaffner/Kontrolleur wurde gebeten, ein "Auge auf mich" zu haben. Es waren sonst keine anderen Verschickungskinder im Zug, jedenfalls keine, an die ich mich noch erinnere. Angekommen in Niendorf fand ich es erst spannend und toll; ich hatte ja noch nie das Meer gesehen. Die anfängliche Begeisterung wich schnell dem brennenden Heimweh, das mir täglich die Brust zuschnürte. Dieses bohrend schmerzhafte Gefühl hatte ich während der fast gesamten 6 Wochen dort, irgendwann zum Ende hörte es jedoch einfach auf...Während der Zeit wurde ich nicht geschlagen oder körperlich mißhandelt, musste jedoch auch vor dem Teller sitzen bleiben. Ich musste kein Erbrochenes und hatte mich auch nicht erbrochen. Ich saß nur den ganzen Tag vor diesem Teller; gegessen habe ich aber trotzdem nichts. Zum Wiegen hatten wir alle unsere Unterhosen an. Um es für uns Kinder etwas leichter zu machen, spielten die Betreuerinnen nachts Märchenplatten in den Fluren ab. Das hat das schreckliche Heimweh etwas abgemildert. Wir haben viele Spaziergänge am Stand unternommen und dabei Robben beobachtet. Viele Erinnerungen sind auch nicht mehr da - einfach gelöscht. Ich wurde während dieser Zeit sehr krank (es stellte sich heraus, dass es Windpocken waren) und isoliert. Ich dachte damals, noch schlimmer kann es nicht mehr kommen und dass alles irgendwie egal sei! Ich hatte hohes Fieber und habe phatasiert. Plötzlich konnte ich mich nicht mehr an das Gesicht meiner Mutter erinnern und wurde panisch. Danach habe ich sehr lange geschlafen - vermutlich habe ich ein Medikament zur Ruhigstellung bekommen. Als ich dann nach 6 Wochen vom Bahnhof zu Hause abgeholt wurde, hatte ich nichts zugenommen, aber mein Leben war dadurch geprägt worden und ich hatte mich verändert. Erstaunt bin ich, wie viel ich verdrängen konnte! So etwas hätte ich meinen eigenen Kindern niemals angetan - das steht für mich fest. Oft wird das Verhalten der Eltern mit "ach, das war eine andere Zeit" zu rechtfertigen versucht. Das kann ich nicht gelten lassen!
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Ingrid Mages schrieb am 17.12.2021
Ich war 8 Jahre alt, als ich nach St.Peter Ording verschickt wurde. Mit dem Zug ging es von meinem Heimatort unter Aufsicht einer "Tante" nach Stuttgart. Es waren mehrere Kinder, die verschickt wurden, es war halt damals die große Lösung für Neurodermitiker wie mich. Salzluft wurde verordnet. In Stuttgart wurden wir in einen anderen Zug gebracht, der nach Hamburg Altona fuhr. Ich weiß noch, dass ich mit den anderen Kindern in einem Abteil war. Allerdings weiß ich nicht mehr, wie wir von Hamburg anch St. Peter Ordning kamen. Ich war in der Gruppe der Meerkatzen; ich habe heute noch die Karte mit dem Foto der Mädchen, mit denen ich im Haus zusammen war; auf dem Rücken der Karte habe ich auch damals alle Namen geschrieben. Die 3 Betreuerinnen sind ebenso darauf und ich habe eine Postkarte, die mir von einer Betreuerin (Studentin der Hochschule) geschickt wurde, und darauf ist zu sehen, wie Köhlbrand damals aussah. Im Mai diesen Jahres war ich wieder dort und habe das Haus, in dem ich gewohnt habe, sofort wieder erkannt. Es sind einige Gebäude dazu gekommen, aber mir liefen die Tränen, denn ich habe eine gute Erinnerung an die 6 Wochen. Es kann auch sein, dass ich die bösen Einnerungen verdrängt habe, denn das, was viele hier als Erfahrungen im Heim erzählen, hatte ich zuhause mit meiner Familie. Eingesperrt im Dunkeln, stundenlanges Sitzen am Tisch mit Essen, das ich nicht mochte, verprügelt zu werden wegen kleiner Vergehen, war bei mir der Alltag und vielleicht habe ich meinen Kuraufenthalt deshalb als etwas Gutes in Erinnerung. Ich habe Rock 'n Roll gelernt mit Lieder der Flower Power "If you'r going to San Francisco" , habe meinen ersten Kuss beim "Abschiedsball" bekommen, viel Zeit mit Völkerball, Volleyball und anderen Spielen verbracht. Allerdings kann ich mich auch noch an den grünen Wackelpudding erinnern, den mochte ich nicht. Obwohl ich auch zu dünn war, wurde ich nur angehalten, mal zu probieren und nach einem Löffel, gab ich meist wieder auf. Auch ich habe meiner Mutter ein Muschelkästchen gekauft, das sie heute noch besitzt. Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich viel Post von meiner Oma bekommen habe, die in Sütterlin geschrieben hat, das ausser mir niemand lesen konnte. Ob meine Briefe gelesen und korrigiert wurden, weiß ich nicht mehr. An den Mittagsschlaf kann ich mich auch noch erinnern. Die meisten von uns konnten nicht schlafen, aber wir mussten still in den Betten liegen. An das wöchentliche Wieden im Flur, an die Namensschildchen in den Kleidern, auch an meinen Wäscheschrank draußen im Flur kann ich mich erinnern und wie der Schlafsaal ausgesehen hat. In der Mitte am Fenster stand ein Tisch mit 3 Stühlen. Ich glaube, es waren 8 Betten, vielleicht auch 9. Zum Essen sind wir immer in 2er Reihen zum Haupthaus gelaufen. An den Strand von St.Peter, an die Dünen und das Baden in der Therme kann ich auch noch erinnern. Und dass meine Eltern in St.Peter warten mussten, bis sie mich abholen durften. Mit Monika habe ich viele Jahre noch Briefe ausgetauscht, ich wüßte gerne, was ihr und den anderen Mädchen wie Nicole, Marion, Edith, Sylvia, Dagmar und Eva geworden ist. Vielleicht wird mein Beitrag erkannt und es meldet sich eine von euch.
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Silke schrieb am 17.12.2021
Meine Eltern hatten Angst ich sei zu dünn. Zudem war ich sehr gross, deshalb wurde ich auf eine Kinderkur geschickt. Die Schwestern waren streng, ich kann mich an lange Tische im Speisesaal erinnern. Hier wurde aufgegessen. Nach dem Essen mussten alle Bettruhe halten. Dazu hatte ich keine Lust, aber ich blieb im Bett liegen. Die Schwestern kontrollierten. Die schon länger da waren, hatten die Augen zu, auch wenn sie zwei Sekunden zuvor noch getuschelt hatten. Meine Augen war auf, daraufhin erhielt ich von der Schwester eine Backenschelle, die sich gewaschen hatte. Meine Lektion hatte ich gelernt, anpassen und Augen zu. Nach 14 Tagen bekam ich Scharlach. Daran erinnere ich mich besonders deutlich. Die Schwester zerrte mich hinter sich her und brachte mich ins Kinderkrankenhaus. Da ich zuerst in Quarantäne musste, lag ich allein in einer Art Abstellkammer (um mich rum nur abgedeckte Krankenbetten), sonst niemand.v Das war gruselig, alles grau. Die Ärzte kamen einmal morgens, hielten mich zu viert fest und nahmen Blut ab. Die einzige dic sich mit mir kurz unterhalten hat, war die Putzfrau. Die war nett. Meine Eltern durften mich nicht besuchen, nur aussen am Fenster hochwinken. Das sehe ich heute noch vor mir. Ich weiss noch, dass ich in meiner Verzweiflung alles anstellte, damit nur jemand kam. Einmal hat mir eine Schwester etwas vorgelesen. An die Geschichte erinnere ich mich nicht mehr, nur an das Gefühl. Dunkel, düster, angstmachend. Irgendwann durfte ich aus der Quarantäne raus und lag mit anderen im Zimmer. Alle meine Kuscheltiere die ich von zu Hause mitgenommen hatte, waren vernichtet worden, aus Angst vor Ansteckung.
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Siegfried Maier aus Stuttgart schrieb am 17.12.2021
Ich war mit meinerasthmakranken Schwester als "Beilage" 1966 im Wigwam in Kampen/Sylt.An Zwei Erlebnisse kann ich mich noch heute erinnern: Das Erbrochene wieder zu Essen war an der Tagesordnung. Wenn ein Kind unangenehm aufgefallen ist, wurde es von der Betreuerin mit den Fingernägeln so fest in den Oberarm gezwickt dass tagelang ein Bluterguss zu sehen war. Ich habe es nicht so schlimm in Erinnerung da ich zu dieser Zeit schon abgehärtet war durch einige Jahre in einem katholischen Kloster in Bayern, heute würde man Gulag zu so einer Einrichtung sagen. Als "Belohnung" durfte ich dann mit 15 eine Metzgerlehre machen, da ging es gerade so weiter. Volles Programm also, aber ich habe immer versucht, mit Optimismus durchs Leben zu gehen. Ich denke, für unsere Elterngeneration, die in der NS Zeit aufgewachsen ist, war das nichts besonderes, die kannten es ja auch nicht besser. Trotzdem Gruß an alle "Geschädigten" und immer dran denken, es gibt ja auch so viele positive Dinge im Leben und die machen es lebenswert.
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Gaby schrieb am 17.12.2021
Ich war 7 Jahre alt als ich wegen immer mit hohem Fieber auftretender "schwerer Bronchitis" vom Kinderarzt in eine sechswöchige Kur nach Borkum ins Adolphinenheim geschickt wurde. Vieles ist natürlich verblasst. Aber erinnern kann ich mich noch an unsere Betreuerin "Tante Gisela", an die alle zwei Tage stattfindenden "Salzbäder" und ich immer Angst hatte in der Badewanne zu ertrinken. Alle 2 Tage wurden die Haare nach Läusen abgesucht. Die bis heute andauernde große Abneigung gegen Milch, weil es entweder Milchsuppe mit Nudeln, Milchsuppe mit Pflaumen, Grießbrei etc. etc. gab. Und wofür es einen Eßlöffel mit Lebertran gab, weiß ich bis heute nicht.
Das ist im Vergleich zu den anderen Berichten nichts Schlimmes - dennoch hat mich diese Zeit auch "geformt".
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Thomas aus Hamburg schrieb am 17.12.2021
Ich wurde auf Grund einen chronischen Bronchitis als Kind bzw. Jugendlicher 3 x verschickt, da wir in Hamburg-Bahrenfeld direkt neben den Phönixhöfen wohnten, wo zu der damaligen Zeit noch die Schwerindustrie sass und die Schornsteine qualmten. Ich wurde Ende der 60'er-Jahre im Alter von 5 Jahren zunächst nach Bad Sooden-Allendorf verschickt - da führten Nonnen ein strenges Regiment und ich erinnere mich nur schwach - woran ich mich allerdings erinnere ist, dass es, wie damals nicht unüblich, Toiletten in den Zwischnetagen gab, die nicht abgeschlossen werden konnten, was zu allerlei unerfreuclichen Störungen bei der Verrichtung der Notdurft führte. Und dass einmal ein Junge, der sich ins Essen erbrochen hatte, tatsächlich von den Nonnen genötigt wurde, sein Erbrochenes aufzuessen. Da meine ältere Schwester auch mit von der Partie war, war dass aber alles für nicht so schlimm - allerdings war ab diesen Zeitpunkt die Kirche für mich erledigt. Ganz andere und sehr positive Erfahrungen habe ich einige Jahre später bei der Verschickung in das Jugendheim Vogelkoje auf Sylt gemacht, da war ich ungefähr 10 oder 11 Jahre alt und es hat mir wesentlich mehr Freude bereitet - den ganzen Tag im Freien, Fussball spielen und das Essen war nach meiner Erinnerung auch in Ordnung bzw. ist mir nicht negativ im Gedächtnis verhaftet geblieben - zudem hat mir die gute seeluft gut. Ich war allerdings irritiert, als irgendwann Kinderdiso angesagt war und auf einmal 3 'ältere' Mädchen mich bestürmten und ich mit ihnen tanzen sollte. Ein paar Jahre später war ich wieder an gleicher Stelle und während des zweiten Aufenthalts hatte ich irgendwann Heimweh - aber ein junges Mädchen hat mir darüber hinweg geholfen.
Ingesamt fällt somit mein Fazit positiv aus!
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Dr. Martin Rosebrock aus Friedberg schrieb am 17.12.2021
Hallo zusammen,
erschütternd, was man da liest ... aber ich habe in zwei Verschickungen gute Erfahrungen gemacht. Ok, die Erinnerung ist nicht mehr richtig da, aber so Momente, bspw. gemeinsam Blaubeerensammeln (und essen) im Schwarzwald, leckeren Blumenkohl, den ich mir nachgeholt habe, so ein paar Dinge sind noch ein bisschen präsent. Also es war nicht überall schlimm.
Grüße Martin Rosebrock
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Markus schrieb am 17.12.2021
Ich wurde dreimal wegen Asthma auf Kur geschickt.
In meiner ersten Kur als 3 oder 4-jähriger in Gaißach war es streng verboten, nachts das Zimmer zu verlassen um die Toilette aufzusuchen. Eine Nachtschwester hat den Gang wütend bewacht. Ein Kind hat sich Verzweiflung in die Ecke unseres Zimmers erleichtert.

Meine Aufenthalte in Norderney waren überwiegend positiv. Beim zweiten Aufenthalt in Norderney waren wir mit ein paar wesentlich älteren Kindern untergebracht.

Ein Jugendlicher vergriff sich mehrfach an den Genitalien anderer männlicher Kinder. Beschwerden an die Schwesternschaft blieben ohne Reaktion: Man könne nichts machen, "normalerweise" würde der Jugendliche heimgeschickt, aber da der Vater des Jugendlichen die Kurz privat bezahlt, seien ihnen gegenüber der Klinikleitung die Hände gebunden.
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Silvia schrieb am 17.12.2021
Mein Mann mag unheimlich gerne Germknödel mit Vanillesoße. Was das mit meiner Kur als Bettnässerin zu tun hat? Mir wurde regelmäßig schlecht und teilweise wurde ich völlig überraschend zornig, wenn ich den Geruch in die Nase bekam.
Und dann kam mir die Erkenntnis, dass mich dieser Geruch an die Frühstückssuppe im Kinderkurheim Reinhardshausen erinnerte.
So nach und nach kamen aus meinen Hinwindungen die Erinnerungen ans Tageslicht:
Ganz besonders der Durst, der mir in den 6 Wochen abtrainiert wurde (bis heute habe ich große Probleme mit ausreichendem Trinken),
mein Geburtstagspaket (ich wurde 7), das ich zwar öffnen durfte, aber weder vom selbstgebackenen Lieblingskuchen noch von den Süßigkeiten, die mir meine Mutter einpackte, anschließend etwas essen durfte,
wie wir Bettnässer von der Heilquelle zurückgedrängt wurden (nach einem Fußmarsch nach Bad Wildungen) und zusahen, wie die Nierenkranken ein ums andere Glas Wasser im Hochsommer trinken durften,
die Scham, wenn es abends für uns, die wir wieder das Bett eingenässt haben, nur ein halbes Glas Tee bekamen mit dem wohlmeinden Rat: Einfach drei Nächte hintereinander trocken, dann gibt es ein volles Glas.
Wenn ich das hier schreibe, spüre ich meiner damaligen Verzweiflung nach.
ABER: Ich lernte dort auch meine langjährige Brieffreundin kennen. Wir hielten zusammen und tauschten unser Wissen über Beeren und Sauerampfer aus. Sauerampfer lässt einen den Durst vergessen.
Was mir geblieben ist: Meine Abneigung zu trinken, die ich immer noch nach fast 50 Jahren bekämpfe.
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Regina aus Bochum schrieb am 17.12.2021
Ich wurde als sechsjährige allein wegen Heuschnupfen zur Kinderkur geschickt. 2 Jahre später ging es wieder weg. Trennung von den Eltern, von Zuhause....., kaltes Klima, unendliches Heimweh, das aber auf keinen Fall mitgeteilt werden durfte und beide Male schreckliche Erlebnisse, die ich noch nie aussprechen konnte (unendliche Scham).
Ich dachte immer, das seien individuelle Erfahrungen gewesen... und bin erstaunt, erschreckt, dass es vielen damals ähnlich ergangen ist. Deshalb schreibe ich ...
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Marion Nutz aus Nürnberg schrieb am 17.12.2021
Ich war damals auf Amrum, ich weiß nicht mehr wie alt ich war, doch an nichts kann ich mich mehr erinnern, nur das Essen musste ich aufessen. Ich war viel zu dünn. 6 Wochen sollten es sein. Ich weiß nur noch, dass ich so schreckliches Heimweh hatte. Und wieder kommen mir die Tränen. Heute bin ich 54 Jahre und habe gerade durch Zufall diese Seite entdeckt. Vielen Dank dafür. Ich weiß jetzt das ich nicht alleine bin.
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Markus schrieb am 17.12.2021
Ich war damals im Jahr 1984 auch in solch einer Kinderkur.Und es macht mich betroffen,daß es solche Berichte gibt.Denn ich habe ganz andere Erfahrungen gemacht.Ich war damals in Wyk auf Föhr wegen meiner Bronchitis.Wir haben dort tolle Wattwanderungen gemacht,Ausflüge zu Robbenbänken und auf Krabbenkuttern.Schnitzeljagden und Lagerfeuer mit Stockbrotessen.Wir haben Museen und Teestuben besucht und Fahrten mit der Fähre zu den umliegenden Inseln gemacht.Tagsüber haben wir viel Fußball oder Tischtennis gespielt und sind in die Nordsee schwimmen gegangen.An das Essen kann ich mich gar nicht mehr erinnern,was wahrscheinlich positiv ist,denn an schlimme Dinge erinnert man sich wahrscheinlich auch nach so vielen Jahren noch.Ich fand es insgesamt klasse!Ich kann mich sogar noch an die nette und liebevolle Betreuerin unserer Gruppe erinnern.Sie hieß Frauke und dürfte heute um die 70 sein.Ich möchte ihr an dieser Stelle für das schöne Erlebnis danken.
Ich denke,daß diese Berichte eher von Ausnahmen erzählen,aus Häusern in denen "gute katholische" Nonnen gehaust haben,die ähnlich wie in manchen Krankenhäusern noch der spanischen Inquisition nachgetrauert haben.
Meine Bronchitis hatte sich übrigens nach den 6 Wochen erledigt.Dazu dürften die Inhalationskuren erheblich beigetragen haben.Es tut mir leid für alle,die andere und schlechte Erfahrungen gemacht haben.
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Sonja schrieb am 17.12.2021
Sehe heute rein zufällig diese Seite!
Ich glaube, ich war 1958 und 1962 in der Kinderkur auf Borkum.
Meine erste Kur war in "Marienhof" auf Borkum. Das Haus war die Hölle!!!
Erinnere mich ganz genau, dass im "Marienhof" auf Borkum Kinder wahnsinnig Heimweh hatten, beim Essen erbrochen haben und das auch wieder aufessen mussten!! DAS sehe ich heute noch lupenrein vor mir! In diesem Haus gab es Nonnen, stimmt. Von denen waren einige unerbittlich!! Millitärisch, kaltes Regime!
Später war ich in "Haus Ruhreck", das der Stadt Essen gehörte. Dort war es viel, viel besser! Die "Tanten" waren zwar auch sehr verschieden.... aber doch recht erträglich. Es gab in "Marienhof" und auch in "Haus Ruhreck" freitags häufig Walfischfleisch. Außerdem täglich 1 Esslöffel echten Lebertran (Pfuiteufel!!). Jedes Kind musste seinen Kopf nach hinten beugen, die "Tante" ging hinter den Stuhlreihen her und ließ in jeden Mund 1 Löffel Lebertran laufen.
Erinnert sich jemand an "Tante Christel" von Haus Ruhreck? Die war doch ganz okay!
Stimmt auch, dass die Schlafsäle nachts abgeschlossen waren bzw. man nicht zur Toilette gehen durfte. Komme, was da wolle...
JAAA, das war echt schlimm.
Stimmt auch, dass die "Tanten" für die kleineren Kinder die Postkarten geschrieben haben. Die älteren durften selber schreiben, aber den Brief nicht zukleben..... und manchmal neu schreiben!
Aber ich habe auch schöne Erinnerungen an Borkum und an Haus Ruhreck.
Ich glaube nicht, dass ich Schaden genommen habe, aber es war schon schräg, jetzt im Nachhinein gesehen. Das Beste war, möglichst unauffällig und angepasst zu sein. Dann vergingen die 6 Wochen ganz passabel.

Ich liebe aber seitdem die Insel, war schon öfter dort und habe die positiven Erinnerungen aufgefrischt.

Heute denke ich, was Borkum angeht, die meisten Betreuerinnen haben ihren Job gerne gemacht. Es war eine andere Zeit mit einem völlig anderen Umgangsverständnis mit Kindern! Man wusste es vielleicht nicht besser und dachte, man müsse Kindern Räson beibringen??

Mal ehrlich, heute gibt es auch Lehrer, Erzieher, Erwachsene überhaupt, die ihre Macht über Kinder ausspielen, mobben, verletzen usw. OBWOHL sie heute eine entsprechende pädagogische Ausbildung haben!
Als Eltern muss man seine Kinder von klein auf stärken und schützen, Dazu gehört bedingungslose Liebe zum Kind und Mut!
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Siegmund Heimann aus Köln schrieb am 17.12.2021
Meine Erfahrungen sind durchweg positiv.
In den Zug im Nachbardorf (Südniedersachsen) gesetzt, abgeholt und das gleiche bei der Rücktour.
Das Wetter spielte keine Rolle. Man war immer draussen, hat gespielt (auch unter Anleitung).
Im Sozialkontakt musste man sich einfügen, oder hat selbst die Gruppe beeinflusst.
Zu jeden Teller Linsensuppe gab´s ein Würstchen. Einmal schaffte ich derer sieben. Im Kreis, mit freiem Oberkörper und den dicken Brillen um die "Höhensonne" laufen. Ein riesiges Aquarium trennte zwei Säale voneinander. Die Jungs hingen vor dem Glas, um die Mädels bei "Höhensonnengang" zu beobachten. Alles kindlich normal und mit klaren Direktiven durch das Personal.
Würde heute dem einen oder anderen wohlstandsverwöhnten Fridayshüpfer auch gut tun.
Hat´s mir geschadet? Eher nicht! Habe einen Handwerksberuf gelernt, mit Auszeichnung, Psychologie mit Note 1 und auch ansonsten, mit jetzt 70 Jahren, ganz "gut drauf.
Ach so! Bei der Sturmflut 1962 (Norderney) wurden wir mit den letzten Schiff (Ich glaube "Frisia 6") ans Festland gebracht. Der Keller stand schon unter Wasser. Für uns schon dramatisch aber man hat sich verantwortungsbewusst um uns gekümmert.
Bei meinem zweiten Einsatz auf Spiekeroog traf ich einige Jungs vom Vorjahr wieder. Großes Hallo und ab gings sofort zu Räuber und Gendarm in die Dünen.
Negativ: Die dicken Bandnudeln in einer Milchsoße.
Aber - man muss ja nicht alles mögen.
Bleibt normal und sozial.
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Rüdiger aus MeckPom schrieb am 16.12.2021
Weil ich angeblich zu dünn war wurde ich später eingeschult und hatte das zweifelhafte Vergnügen Büsum kennenzulernen. Wie ich viel später erfahren habe, gibt es eine Anomalie, ich habe Gallengänge die es sonst nicht gibt. Ich konnte als Kind nur unter großen Schmerzen essen und habe fette Nahrung nicht vertragen. Das Sättigungsgefühl und Ekelgefühl wurde damals abtrainiert, im Ergebnis führte das zu Adipositas und auch wahrscheinlich zu meinem Crohn. Die Entscheidung später eingeschult und in die Kinderverschickung zu gehen kam von dem Amstarzt, ein bekannter Nazi mit sehr zweifelhafter Vegangenheit, ein Stengel von Rutkowski. Meine Eltern fragten nochmal nach, als ich weinend von einem 6 Wochenaufenthalt ohne Eltern erfuhr. Man solle sich nicht aufregen, wir wären doch nicht an der Rampe. erst später habe ich die Bedeutung verstanden...
Im Büsum angekommen wurde ich als einer der Jüngsten permanent unterdrückt, ich musste täglich fette Suppe mit fettem Fleisch essen, Nachmittags wurde ich bei den Spaziergängen nach dem angeordneten Mittagschlaf am Deich spazieren gehen. Regelmäßig wurde ich von den Größeren in die Schafsch... geworfen und angemessen dafür bestraft, weil ich angeblich nicht gut laufen könnte. ich erinnere mich an vieles Essen, wie Fisch in Senfsoße, ich musste ständig Dinge essen die ich nicht mochte. einmal wöchentlich schrieb eine tante einen Brief, der nicht meinen Worten entsprach. ich bekam nur einmal ein Paket, ich glaube zum Geburtstag. Die Eltern sollten nichts schicken wegen der Gleichheit angeblich. Ich erinnere mich noch, das die wenigen Süßigkeiten zu 90% an andere verteilt wurden. Die anderen kinder erhielten oft Pakete, auch das wurde verteilt. Ich erhielt manchmal etwas davon, das wurde von den älteren einkassiert. Unterdrückt wurde ich ständig. Ich konnte nichts mehr, warf die fettigen Fleischbrocken unter den Tisch, oder sammelte sie im Mund und tat sie in mein Taschentuch. ich wurde immer erwischt, oder verpetzt. Das gab dann Strafen, so bekam ich weniger Süßigkeiten, keinen Pudding und auch nichts zu trinken wenn ich Durst hatte. Alle mussten auf mich warten und mir beim essen zusehen. Sie wurden zu Spitzeln gemacht um zu kontrollieren ob ich alles Fette esse. erst dann gab es für die anderen Süßigkeiten. Ich war sehr starkem Druck ausgesetzt. Meine Eltern glaubten mir nicht. Als ich nach Hause kam, war ich sehr krank und tramatisiert. Ob ich daher bleibende gesundheitliche Probleme davon getragen habe könnte verneinten alle Ärzte, ich bin mir da aber nicht so sicher. Es ist lange her, aber ich hätte Interesse am Austausch mit anderen. ich war der Junge mit dem roten Parka von meiner Schwester, den ich auftragen musste 😉
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Bresser, Barbara aus Bremen schrieb am 16.12.2021
Ich wurde aus meiner Erinnerung im Jahre 1959/60 in einem Heim in Wyk auf Föhr zur "Erholung" untergebracht. Dort wurden die Kinder mit Lebertran bis zum Erbrechen gefüttert, das Erbrochene wurde unter das Essen gerührt und musste aufgegessen werden! Bettnässer wurden im Schlafsaal vor allen Kindern angeprangert! Als ich mich dort im Heim erkältet hatte (weil ich in meinem vollgenässten, kalten Bett sehr lange liegen musste), wurde ich für einige Tage isoliert. Es war für mich ein traumatischer Aufenthalt, an den ich noch heute mit 67 Jahren sehr oft denken muss:-(
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Linde Gärtner aus Vaals schrieb am 16.12.2021
Hallo Jürgen, ich war 5 Jahre vor dir dort, 1958, und "nur" 3 Monate lang, was mir schon viel vorkommt für eine 3-Jährige. 8 Monate ist ja unglaublich! Leider habe ich keine wirkliche Erinnerung daran, ich weiß nur, dass meine Eltern mich 1x besuchen durften, davon gibt es Fotos mit dem Krankenhaus im Hintergrund. Hast du Erinnerungen?
Viele Grüße Linde
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Albrecht Werner aus Frankfurt schrieb am 16.12.2021
Ich wurde wegen angeblichem Untergewicht mit 5 Jahren verschickt.
Ich kann mich genau an die Stunden vor Milchsuppe mit Polenta zum Frühstück erinnern. Noch heute wird mir übel wenn ich nur an Milch denke...
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ab schrieb am 15.12.2021
Ich war während meiner Grundschulzeit Anfang der 70ger in Pelzerhaken - ich galt als "zu dünn". Andere Kinder waren"zu dick". Es gab ausgiebige Märsche an der Ostsee - zugenommen habe ich nicht. Nachts durfte man das Zimmer nicht verlassen, es wurde auf dem Flur patrolliert. Nach einem Einbruch, bei dem ein Mann sich Mädchen ( in anderen Zimmern) genähert hat, wurde uns verboten, etwas darüber an unsere Eltern zu schreiben. Karten und Briefe wurden kontrolliert. Das hat mich damals sehr empört. Aus Angst haben wir uns dann "bewaffnet" mit Steinen und Schleudern und gern auch zu zweit in einem Bett geschlafen. Darüber gesprochen wurde nicht, auch nach der Zeit war es kein Thema.
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ute bölling aus bremen schrieb am 15.12.2021
ich war 3, 4 und 5 jahre alt und wurde wegen neurodermitis und asthma bronchiale je 6 wochen im sommer in ein kinderheim auf borkum verschickt. mit 3 jahren war ich die jüngste im heim und stand in der hiearchie ganz unten. ich durfte nichts. jede nacht habe ich mich in den schlaf geweint. mein erbrochenes essen mußte ich auch im speisesaal allein zurück geblieben essen. kein kontakt zum elternhaus für mich, aber hinter meinem rücken berichte über mein angeblich renitentes verhalten im heim. zuhause wurde mir dann gesagt, sie könnten durch wände schauen und hätten es so mitbekommen. habe ich als kind jahrelang geglaubt und mich nie unbeobachtet gefühlt.
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Beate schrieb am 14.12.2021
Gmund war furchtbar. Ich war fünf Jahre alt und konnte nicht schreiben. Meine Schwester, sie war sechs, hat versucht nach Hause zu schreiben damit die Eltern uns holen kommen aber der Brief wurde zensiert. Ich erinnere ich daran wie ein Mädchen öffentlich beschämt wurde weil die in die Hose gemacht hatte. Sie wurde im Speisesaal vor allen Kindern lächerlich gemacht.
Man durfte nicht alleine duschen und wurde viel zu kalt abgebraust.
Ich erinnere mich, dass ich Hunger hatte und dass wir heimlich Tempotaschentücher aßen.
Wenn jemand ein Päckchen von zu Hause bekam, machten die Betreuerinnen es auf und nahmen die Süßigkeiten heraus. Die durfte man nicht essen.
Ich erinnere mich an das Holzkreuz über der Tür des Schlafsaales.
Gmund hat mir eine lebenslange Abscheu für Reisbrei und Religion beschert.
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Hans-Joachim Kreisel aus Reutlingen schrieb am 13.12.2021
Hallo, ich war 1963 als 7-jähriger 4 Wochen zur "Erholung" im Haus Schönsicht. Ich kam 2kg leichter (eigentlich sollte ich zunehmen) zurück. Am ersten Tag wurde ich bereits geohrfeigt, weil ich vor der Mittagsruhe zur Toilette gerannt war (man rennt nicht im Haus!), die regelmäßigen Gewaltmärsche führten zu blutigen Blasen an den Füßen und in der Nacht nach einem Fischessen hatten alle Kinder Brechdurchfall, saßen jammernd in den Gängen und erleichteretn sich, weil die wenigen Toiletten belegt waren. Zum Schluss musste man den sauberen Po den netten "Tanten" die rauchend im Aufenthaltsraum saßen zeigen. Es war der Gipfel der Würdelosigkeit! Wir durften Briefe schreiben, diese wurden gelesen und bei Missfallen (so geschehen bei mir) zur "Bereinigung" zurückgegeben. Das alles war schlimm. Schlimmer allerdings war die absolute Lieb- und Freudlosigkeit mit der wir Kinder behandelt wurden. Bis heute ein traumatisches Ereignis!
PS: beei Bedarf gerne ausführlicher
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Helmut aus Köln schrieb am 13.12.2021
Hallo Wolfgang, ich war auch im Kloster Polling. Melde dich bitte mal.
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Udo Beckmann aus Tönisvorst schrieb am 12.12.2021
Ich wurde Ende 1961 geboren und bin als Kind dreimal in Verschickungsheimen gewesen. Dort sollte mein Bronchialasthma auskuriert werden. Die ärztlichen Gutachten von damals habe ich noch. Denen zufolge gab es folgende Aufenthalte

21.02.1967 – 04.04.1967 Kindersanatorium Sommersberg, Bad Rippoldsau
24.04.1968 – 02.07.1968 Kindersanatorium Sommersberg, Bad Rippoldsau
03.03.1971 – 16.04.1971 Kinderheim Ludgeristift, Norderney

Meine Eltern hatten Wert darauf gelegt, dass ich wegen der Kuraufenthalte die Schule nicht verpasse. Daher fanden die ersten beiden Aufenthalte statt, bevor ich überhaupt in die Schule kam. Ich hatte mich sogar auf die Fahrt in den Schwarzwald gefreut, denn das hieß, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben Zug fahren durfte. Von Rheine oder Münster aus startete die aufregende Fahrt – damals noch mit einer Dampflok. Meine Eltern hatten mir am Bahnhof sogar noch ein Micky-Maus-Heft gekauft. So etwas gab es sonst nie! Man kann sich jedoch vorstellen, dass die lange Fahrt dann doch meine kindliche Geduld überstrapaziert hat.

Ich erinnere die medizinischen Behandlungen in Bad Rippoldsau. Kurz nach der Ankunft mussten alle Kinder zum Allergietest. Das ging auch damals schon mit dem Pricktest. Dazu wurden kleine Wunden in die Haut geritzt und mögliche Allergene darauf geträufelt. Bei einer allergischen Reaktion schwillt die entsprechende Stelle an. Wir Kinder mussten uns mit freiem Oberkörper in mehreren parallelen Reihen aufstellen. So konnte man genau beobachten, wie dem Kind am Anfang der Reihe zahlreiche kleinere Wunden in den Rücken geritzt wurden. Selbstverständlich flossen dabei Tränen. Und die Tränen flossen nicht nur bei den Kindern, die gerade behandelt wurden, sondern auch bei denen, die genau wussten, dass sie diese Prozedur in wenigen Minuten auch über sich selbst ergehen lassen müssen.

Regelmäßig wurde ein Gruppe von Kindern abkommandiert, um neue „Krätzerchen“ zu bekommen. Wozu diese Behandlung gut war, weiß ich bis heute nicht. Dazu wurde ein Instrument ähnlich einer Gabel benutzt. Aber anstelle der Zinken hatte dieses mehrere scharfe Zähne, ähnlich wie bei einer Säge. Damit wurde die Haut am Arm aufgeritzt, so dass man aus mehreren parallelen Streifen blutete. Anschließend wurde an gleicher Stelle quer dazu nochmals geritzt. Es entstand so ein blutendes Schachbrettmuster in einer Größe von etwa 1,5cm x 1,5cm. Darauf wurde dann eine bräunliche Flüssigkeit geträufelt, die sehr unangenehm roch. Wenn man später zum Mittagessen ging, versuchte man den Arm möglichst weit von sich weg zu halten. Allerdings beschwerte sich dann der Nachbar über den Geruch. War so ein „Krätzerchen“ halbwegs verheilt, so gab es ein neues.

Im Ludgeristift wurden keine medizinischen Behandlungen durchgeführt. Ich habe sowohl positive, wie auch negative Erinnerungen. Dort habe ich etwas über das Inselleben und über Landgewinnung gelernt. Auch hatte ein Junge aus meiner Gruppe total spannende Geschichten über ein Schloss bei ihm zu Hause in Höxter zu berichten. Angeblich gebe es dort unsichtbare Wände, die man in einer Richtung (unbemerkt) durchschreiten kann. Anschließend sei man dahinter eingesperrt und müsse elendig verhungern. Er hatte versprochen, mich nach dem Kuraufenthalt mit seinem Kettcar zu Hause abzuholen, um mir das Schloss einmal zu zeigen. Er ist natürlich nie gekommen.

Weit hinten im großen Schlafsaal lag ein Junge, der nachts ins Bett machte. Ich sehe ihn noch heute mit Tränen in den Augen an allen Kindern vorbeilaufen, um den verkoteten Schlafanzug hinauszutragen. Eine andere Szene in diesem Schlafsaal: Ich lag nachts wach. Im Bett neben mir schlief ein Junge, der seinen Arm aus dem Bett heraus hängen ließ. Ich begann den Arm anzustupsen, hatte aber die Nachtschwester nicht bemerkt, welche mir daraufhin kräftig eine scheuerte. Damals war es auch üblich, dass ein Teller leer gegessen werden musste. Ich hatte mir zum Mittagessen – trotz Vorwarnung - zu viel auf den Teller geben lassen. Der Speisesaal war längst leer und alle Stühle hochgestellt. Ich musste den Rest des Essens in mich hineinstopfen.
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Sandra aus Oberkrämer schrieb am 09.12.2021
Hallo liebe Gleichgesinnte,
ich bin am Wochenende durch Zufall auf diese Seite gestoßen und war erst einmal sehr ergriffen. Ergriffen von den Berichten der Anderen, von der Tatsache, dass es tatsächlich so viele Kinder gab, welche verschickt wurden und solches Leid ertragen mussten. Ich bin nicht allein!!

Ich war dreimal zur Kur, immer 8 Wochen, weil ich Untergewicht hatte:

1882 mit knapp 6 Jahren - in Pausa
1984 mit 8 Jahren - im Postkinderheim Blankenburg "Hanno Günther" Harz
1985 mit 9 Jahren - im Kinderkurheim Marienthal Eckartsberg

Ich mache zur Zeit (mal wieder) eine Therapie und kam dabei auf die 3 Verschickungen zu sprechen und habe gemerkt, dass diese Zeiten mich sehr geprägt haben. Ich habe schon immer gespürt, dass es etwas geben muss, etwas passiert sein muss, warum ich so bin, wie ich bin.

Ich kann mich nur wage an die Zeiten der Verschickungen erinnern.  Es kommen immer vereinzelt Situationen hoch. Jedoch kann ich nicht genau zu jeder Erinnerung sagen,  zu welcher Einrichtung sie gehört.

Ich kann mich an die großen, kalten Schlafsäle erinnern. Die Waschräume mit den meterlangen Waschbeckenreihen und den Essenssaal. Ich kann mich aber nicht mehr an Gesichter der anderen Kinder oder der Erzieherinnen erinnern. Alles weg.

Ich weiß noch genau, dass ich nachts immer im Schlafsaal die Kinder leise weinen gehört habe. Ich bin dann irgendwann unter dem Weinen eingeschlafen.  Am nächsten Morgen waren viele Betten nass gepullert.  Jede Nacht die Kinder weinen hören, hat mich ganz schön traurig gemacht. Furchtbar. Es gab keinen Trost von den Erwachsenen, im Gegenteil.

Zum Mittag gab es fast täglich Milchnudeln. Ich habe noch immer, nach fast 40 Jahren die Szene und die Stimmen vor mir, als wir mal wieder Milchnudeln essen mussten. Viele Kinder konnten nicht mehr und mussten es trotzdem aufessen. Danach sind sie zur Toilette gerannt, weil sie sich übergeben mussten.

Einem Mädchen wurden die Nudeln mit Gewalt rein gestopft. Ich sehe es deutlich vor mir. Sie saß am Nachbartisch und ihr Gesicht wurde von der Erzieherin zwischen ihren Fingern fest gehalten, sodass der Mund aufgedrückt wurde und sie ihn nicht wieder schließen konnte. Die Erzieherin hatte die Milchnudeln in ihrem Mund gestopft und alles lief ihr über das Gesicht. Das Mädchen weinte und schluchzte. Dann sagte sie unter Tränen " ich habe die Nase voll..", weil das Essen nicht nur in den Mund gestopft wurde, sondern auch in den Nasenlöchern . Die Erzieherin hörte nicht auf zu füttern, sondern antwortete in einem wütenden Ton nur" ICH AUCH!! "

Ich war so erschrocken und sehe das Bild mit dem Mädchen noch heute vor mir. Auch die Kinder, wie sie nach dem Essen zur Toilette rannten.

Wir mussten uns täglich nackt unter die kalte dusche stellen und uns anschließend gegenseitig mit einer Bürste abstriegeln. Es gab keine Privatsphäre. Wir standen in einer Reihe und schrubbten uns den Rücken ab. Nach einer Weile mussten wir uns umdrehen und das gleiche Spiel beginnt von vorn, damit auch der Letzte in der Reihe seine Abreibung erhielt.

Alle zwei, drei Tage wurden wir gewogen. Dazu mussten alle Kinder im Flur in reih und glied stehen. eine lange Schlange von Kindern. Jedes Kind wurde nacheinander gewogen und das Gewicht laut vorgelesen, dass es Jede/r hören konnte. Es wurde uns Angst gemacht, dass, wenn man nicht zugenommen hat, nicht wieder nach Hause kommt.  Schreklich. Wir hatten immer Panik vor dem Wiegen, " Komme ich wieder nach Hause??"

Waschen mussten wir uns täglich in einem großen Waschraum. Alle Kinder nebeneinander, nackt, mit einem Waschlappen und vor den prüfenden Augen der Erzieherinnen.

Die Post wurde immer kontrolliert, dürfte nichts nach draußen gehen. In Pausa war ich noch zu jung, um selbst zu schreiben. Da wurde die Post von den Erzieherinnen geschrieben.
Kontakt nach Hause zur Familie gab es nicht.

Als kleines, hilfloses Kind, 8 Wochen allein,  ohne Liebe und Bezugsperson. 

Ich weiß nun, warum ich diese Ängste und Panikatacken entwickelt habe, warum ich depressiv bin und  sehr schwer Vertrauen zu anderen Menschen habe. Ich sehne mich immer nach Harmonie und einer liebevollen Familie.

Ich bin so froh, dass es diese Seite/ diesen Verein gibt. Sich für uns "Verschickungskinder" eingesetzt wird und ich endlich meine Vergangenheit aufarbeiten  kann.

Sandra
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André schrieb am 09.12.2021
Ich habe mich bisher nie damit beschäftigt, bis meine Mutter mich darauf aufmerksam gemacht hat, bzw erzählt hat wie ich mich nach der "Verschickung" verhalten habe. Zu dem Zeitpunkt der Kur war ich 6 Jahre alt. Wo genau die Kur gewesen (wie die Kur Einrichtung hieß, ist nicht mehr bekannt)war sind wir uns leider nicht mehr bekannt. Es handelte sich um eine ehemalige DDR Kur Einrichtung und die alten "Hasen" waren noch aktiv dort. Aus der Zeit selber kann ich mich nur wage erinnern und schreibe deswegen nur kurz und knapp wie ich mich laut meiner Mutter und ihrem Freund nach der kur Verhalten habe. Man muss vorher erwähnen das ich vor der Kur ein ruhiges Kind war. Habe selten gerne Geredet. Nur damit nicht bei den nächsten Zeilen das Gefühl aufkommt das meine Mutter mehr hätte machen können oder so.

An was ich mich selbst erinnern kann ist das wir als Strafe wenn wir nicht artig waren uns nackt an die Wand stellen mussten und mit kaltem Wasser abgespritzt worden bis man angefangen hat zu frieren oder der Rücken anfing zu bluten aufgrund des Waserrstrahls. Zudem wurde jeglicher Versuch sich anders als gewünscht zu Verhalten, sofort mit körperlicher Strafe unterbunden. Ich kann mich auch daran erinnern das es sowas wie steh Strafen gab, wenn man nachts Geredet hat musste man wenn man erwischt worden war den Rest der Nacht neben seinem Bett stehen.

Meine Mutter hat mir unter Tränen, nachdem sie durch eine Dokumentation erfahren hat was den Kindern auf solchen kuren wieder fahren ist, erzählt das ich seit ich dort war keine emotionale Bindung zugelassen habe. Sachen die mir vorher Spaß gemacht haben wurden unwichtig und direkt nach dem Aufenthalt habe ich mich wohl wie ein Zinn Soldat benommen, Kleidung abends akkurat hingelegt, genau wie die Bettwäsche. Dazu kam eine panische Angst vor Wasser, Baden war laut meiner Mutter okay, aber soweit das Wasser aus der Dusche kam oder es geregnet hatte war ich sehr panisch. Dies zu überwinden hat wohl fast 3 Jahre gedauert. Meine ersten worte zu meiner Mutter waren "Sie haben mich nicht gebrochen".

Im Endeffekt haben sie es wohl doch. Ich bin wegen ads in Therapie und dabei kam die Theorie auf, nach dem ich ihr das mit der verschickung erzählt habe, das die Probleme der emotionalen Bindung, Vertrauen und auch andere emotionale Ausdrücke wie Freude, Wut usw für mich nicht möglich sind weil ich wohl aufgrund der Erfahrung dort einfach aufgehört habe emotionales zu zulassen. Mit 33, aber auch schon früher, merke ich es an meinem Umfeld das dieses irgendwie anders tickt.

Nachdem ich hier einige Berichte gelesen habe, bin ich froh das dies anscheinend endlich aufgehört hat kleine Kinder alleine auf die Kur zu schicken.

Danke für eure tollen Beiträge, den diese habe mir geholfen dies hier zu schreiben.
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Stefan aus Kassel Hessen schrieb am 08.12.2021
Ich war 1972 für 6 Wochen im Taunus-Wiesbaden Ich glaube Haus Taunusfreude. Damals 9 Jahre alt.
Durch ein Bild, dass ich neulich zufällig auf dieser Internetseite gesehen habe ( Forsthaus) und einen Bericht über Quarzsammeln glaube ich den Ort wiedererkannt zu haben.
Bisher war das Thema Verschickung eher Verdrängung oder dem nicht zu viel Gewicht geben. Tatsächlich sind in meinem Leben einige Dinge immer wieder zum Vorschein gekommen oder tief verwurzelt. Darunter der nicht endende Mittagsschlaf, das Essen von Erbrochenem, sitzen bleiben bis spät abends am Tisch wenn noch nicht aufgegessen wurde. Aufgemachte Pakete, Kalte Duschen mitten in der Nacht, wenn man ins Bett gemacht hat, Heimweh, Ängste. Quarzsuchen, wobei die Fundstücke einbehalten wurden,Äpfel essen samt Kerngehäuse und Stiel und anderes. Geblieben ist die Angst.
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Anke schrieb am 08.12.2021
Ich war im Sommer 1973 im Kinderkurheim „Frohe Zukunft“ in Kröchlendorff, weil ich vor dem Schulanfang noch etwas an Gewicht zulegen sollte. Nur soviel - ich war einfach groß und schlank. Aber eben nicht moppelig genug für meine Eltern. Meine Erinnerungen an diese Zeit sind wie ausgelöscht - außer entsetzliches Heimweh, ständig wahnsinnige Angst, besonders vor der Nachtwache (eine böse Frau in weißem Kittel - welche nachts immer im Türrahmen saß - im Flur brannte ein Licht - und uns bestrafte wenn wir nicht das taten was sie befahl- linksherum- rechtsherum - ), die Betten standen immer ein Junge, ein Mädchen nebeneinander. Neben mir lag ein böser Junge erinnere ich mich… Karten nach Hause wurden diktiert… das blanke Entsetzen die ganze Zeit… alles wie ausgelöscht…keine Namen oder Fotos… ich erinnere mich nur noch an die Ankunft am Heimatbahnhof - ich sehe mich als 6jährige, allein am Bahnsteig auf dem Koffer sitzend - zurückgelassen - meine Mutter war nicht gekommen und die haben mich da einfach sitzenlassen… ich trug ein oranges Frotteekleid und dicke Strumpfhosen - das sehe ich vor mir - irgendwann kam meine Mutter… Ich habe nie darüber geredet, meine Eltern lenken bis heute immer ab und es interessiert auch keinen. Ich leide seit dem an Asthma, Depressionen, Panikanfällen, Essstörungen, Angstzuständen, Platzangst, meine hochsensibel zu sein und würde am liebsten nicht da sein. In all den Jahren der permanenten Trauer um… ??? hatte ich das Gefühl dass da in mir etwas verborgen ist was herausgefunden werden will - ich spüre das sehr stark. Was ist dort passiert? War jemand da in der Zeit? Es war einmal ein Mann dort der mit Zigarettenrauch Seifenblasen machte - weiß das noch jemand… mein ganzes Leben ist zerstört dadurch…
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Helga Hauschild aus Bad Homburg schrieb am 07.12.2021
Ich war im Mai/Juni 1959 im Kinderkurheim Stauffenhof in Bad Reichenhall-Nonn für 6 Wochen und 1962 im DRK Kinderheim Nieblum/Insel Föhr auch wieder für 6 Wochen. Von beiden Häusern besitze ich noch die Befundberichte im Original.
Ich habe nicht viele Erinnerungen.
Erste Kur:
Ich weiß noch, dass ich von Giessen aus mit einem Sammeltransport nach Bad Reichenhall kam. Im Heim sehe ich noch den großen Schlafsaal und den Essraum mit blanken Holztischen und -Stühlen vor mir. Da ich von Haus aus durch entsprechende Erziehung ein besonders angepasstes Kind war, kann ich mich nicht an besondere Erziehungsmassnahmen erinnern, von denen andere berichten. Eine Situation bleibt aber mit Scham verbunden auf ewig in mir. Aufgrund ererbter Schwerhörigkeit konnte ich die Texte der morgendlich gesungenen Volkslieder nicht verstehen. Beim Versuch das zu vertuschen und nur Mundbewegungen zu machen, fiel ich auf. So musste ich vor den vollbesetzten Saal treten und sollte allein vorsingen. Da das nicht klappte, wurde ich heruntergeputzt und lächerlich gemacht. Das hat sich eingebrannt, denn ich konnte ja nichts dafür. Mir wurde aber auch nicht geholfen. Ich hab mich unendlich geschämt und bloßgestellt gefühlt. Noch heute bin ich ein Gerechtigkeitsfanatiker. Ansonsten erinnere ich einen Gottesdienstbesuch in einer Kath. Kirche, wo eine von uns ohnmächtig wurde wegen dem Geruch des Weihrauches. Eine gute Erinnerung habe ich an einen Ausflug nach Salzburg. Ich besitze ein kleines Album mit gesammelten Ansichtskarten aus Bad Reichenhall und Fotos von Salzburg.
Was auch schlimm war, wenn man zu den ärztlichen Untersuchungen in Reih und Glied nackt im Flur warten musste auf die Untersuchung. Die ein-und ausgehende Post wurde kontrolliert.
Wenn ich heute lese, dass viele Heime von ehemaligen Stasioffizieren geleitet wurden, wundert mich das alles nicht.
Mein zweiter Kuraufenthalt in Nieblum auf Föhr, auch da erinnere ich mich an wenig. Aber ich habe keine so drastischen Bilder vor Augen wie von Bad Reichenhall. Es gab täglich Haferflocken mit Kakao, Zucker und Milch zum Frühstück. Einmal in der Woche musste es trocken gegessen werden, also ohne Milch. Wir haben viel Turnübungen gemacht, Bürstmassagen und waren wohl auch am Strand. Da es im Herbst war, erinnere ich mich an ein schweres Gewitter am Strand, wo man das Gefühl hatte, der Himmel bzw. die Wolken fallen ins Meer. Ich liebe heute noch die Nordsee und das ostfriesische Flair.
Ansonsten verstehe ich nicht, wieso ich keine anderen Erinnerungen habe, obwohl ich doch schon 13 Jahre alt war zur Zeit des Aufenthaltes.
Ein Mädchen aus einem Ort in der Nähe war zeitgleich mit mir dort. Wir haben uns jetzt mal ausgetauscht, da ich ihren Namen und Adresse wieder fand.
Was mir immer bewusst ist, ist meine früher schlechte Bindungsfähigkeit und Vertrauen in die Menschen.
Helga Hauschild
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Antoni Knigge aus Hamburg schrieb am 06.12.2021
Ich hatte solches Heimweh, dass ich ausser Stande war mit den andern Kindern in Kontakt zu treten. Das Heimweh nahm ich als stechenden Schmerz in der Brust wahr. Ich habe viel geweint und wurde dafür beschimpft. Eines Morgens, kurz vor Ende der Zeit dort war der Schmerz wie weggeblasen, betäubt. Ich habe es als Erleichterung wahr genommen. Als mich meine Mutter abholte, habe ich sie nicht mehr erkannt. Ich habe auch nicht mehr damit gerechnet, dass ich abgeholt werde. Während der gesamten Zeit sonderte ich mich ab und beschäftigte mich mit einem kleinen Schiebespiel. Ich erinnere mich immer abgesondert auf einer Bank sitzend. Rückblickend würde ich es als hospitalisierendes Verhalten beschreiben. An tröstende Zuwendung kann ich mich nicht erinnern. Ich hatte furchtbare Angst nachts aufstehen zu müssen um aufs Klo zu gehen. Ich blieb sehr lang liegen, bis es gar nicht mehr anders ging und schlich mich dann an allen Betten entlang zum Klo in großer Angst ertappt zu werden. Ich mochte kaum atmen. Eines Nachts habe ich dann doch ins Bett gemacht. Beim Frühstück wurde dann gefragt wer heute nacht ins Bett gemacht hat. Ich musste vor allen Kindern im Speisesaal aufstehen und sagen: Ich wars! Tagsüber durften wir nur alle zur gleichen Zeit zur Toilette. es waren zwei Holzkabinen, die hellhörig waren und alle Kinder standen davor. Ich musste dringend, stand in der Schlange und wenn ich dran war, konnte ich nicht, denn es warteten so viele und hörten zu.
Der einzige Lichtblick war mein 6. Geburtstag. Ich fieberte hoffnungsvoll darauf hin. Ein anderes Kind hatte an seinem Geburtstag ein Geschenk bekommen. Als der Tag endlich kam, passierte einfach gar nichts. Keine Gratulation, kein Lied, kein Geschenk. Es war ein Tag wie alle anderen schrecklichen Tage auch. Diese, mit jedem Moment des Ausbleibens einer persönlichen Ansprache, wachsende Gewissheit, dass ich völlig bedeutungslos bin, war ein vernichtendes Gefühl und ich schämte mich sehr dafür, dass ich überhaupt etwas erwartet hatte. Es war mir unendlich peinlich. Bei einem Spaziergang blühte der Löwenzahn und dazwischen standen die Pusteblumen auf der grünen Wiese. Ich pustete eine Pusteblume in die Luft und freute mich, dass die kleinen Fallschirme durch die Luft segelten... bis eine Betreuerin auf mich zu kam und vehement schimpfte, sie müsse sich nun ihre schönen langen Haare abschneiden, weil die Samen in ihr Haar geflogen waren! Bis heute spüre ich die Schuldgefühle.
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Norbert Lutz schrieb am 05.12.2021
Ich wohnte in Langenhagen und war ca. 1967 zusammen
mit meinem Bruder in Bad Salzdetfurt.
Bei den Mahlzeiten wurde wir gezwungen auch das zu essen, was wir nicht mochten. Was übrig blieb bekam man im besten Fall später wieder vorgesetzt.
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Susanne Mvuyekure aus Stuttgart schrieb am 05.12.2021
Da ich ein schlechter Esser war, wurde ich auf Anraten unseres Hausarztes für eine mehrwöchige Kur nach St. Peter Ording verschickt, ins "Kinderheim sonnenschein". Ich erinnere das es eine verdammt lange Zeit war, bis mich meine eltern wieder abholten. Ich war erfolgreich mit Haferbrei dicker geworden. Es war nichts Schlimmeres passiert, ich weiß nur noch, eine Schwester Edeltraut u. evtl. eine Rosemarie waren grob, und eine Betreuerin Wiebke angenehmer. Größere Kinder hatten mir Stress gemacht und es gab keinen Schutz dann.
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anonym schrieb am 04.12.2021
Haus zur Sonne, oder an der Sonne. Inhaberin eine Frau Lydia Pilgram. Erinnerungen kommen wieder, nachdem ich eine Doku im Fernsehen gesehen habe. Neben dem Schrecken gab es dort auch einen Stall mit Esel und anderen Tieren. Dorthin habe ich mich manchmal weggestohlen.
Wir haben mit Spaten stundenkang im Sand nach Grundwasser graben müssen. Außerdem sollten wir alles aufessen, weul man sonst unsere Hände mit der Gabel am Tisch befestigen würde. Habe mehrfach ins Vett genäßt, und wurde wochenlang unter Hausarrest gestellt. Hatt e einmal sehr hohes Fieber. Es gab eine Betreuerin die nett zu uns war. Wir nannten sie Tante Marianne.
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Birgit Boye aus Hamburg schrieb am 03.12.2021
Ich wurde kurz nach meinem 5. Geburtstag nach einer langen Keuchhustenerkrankung für 6 Wochen nach Sylt, Westerland verschickt.

Die erste Erinnerung ist die Zugfahrt vom Hamburger Hauptbahnhof ,wo meine Eltern mich hinbrachten und an die dort anwesenden Betreuungspersonen übergaben. Es war ein Sonderzug ausschließlich für Verschickungskinder . Aus heutiger Sicht fühlt es sich wie eine Deportation an.

Mir ist in Erinnerung geblieben, das ich ein fröhliches und aufgeschlossenes kleines Mädchen war. Obwohl ich
bis dahin nie Nägel gekaut habe, wurden mir einmal in der Woche die Nägel so kurz geschnitten, dass nichts weißes mehr an den Nägeln zu sehen war. Ich habe das nicht verstanden . Es tat sehr weh und die Nägel bluteten weil sie so kurz geschnitten wurden. Ich habe gefragt warum das gemacht werden muss, aber keine Antworten erhalten.

Täglich hat man mir abends einen eklig riechenden Nagellack auf die Nägel gestrichen damit man nicht an den Nägeln kaut. Ich habe aber bis dahin nie an denn Nägel gekaut. Einmal habe ich daran gerochen und den Finger in den Mund gesteckt und wurde erwischt und musste deshalb für viele Stunden in einen Isolierraum. Man sagte mir, dass ich dort wieder hinkommen werde, wenn ich nochmal die Finger in den Mund nehme.

Nach dem Mittagessen mussten wir täglich einen langen Mittagsschlaf in einem großen Schlafraum machen. Dort waren viele Etagenbetten aufgestellt. Man durfte nur mit dem Gesicht und Körper zur Wand liegen. Im Raum anwesend war eine " Schwester " , die uns beobachtete. Es war nicht erlaubt, sich umzudrehen und die Position zu wechseln. Als ich das einmal machte, wurde ich von der "Schwester" sofort aufgefordert, mich wieder zur Wand zu drehen. Sie fasste mich an und drehte mich grob wieder zur Wand. Ein anderes Mal musste ich dringend zur Toilette während des Mittagsschlafes und konnte deshalb nicht in Ruhe einschlafen. Es war mir nicht erlaubt auf die Toilette zu gehen, so dass ich ins Bett machen musste, was mir sehr unangenehm war. Jedenfalls hatte ich fürchterliche Bauchschmerzen weil ich Wasser lassen musste und nicht durfte bis es nicht anders ging und ich ins Bett machte. Ab dem Tag habe ich zum Mittagessen nichts mehr getrunken, damit ich die drei Stunden erzwungenen Mittagsschlaf durchhalte. Ich war ja auch gerade erst 5 Jahre alt und hatte noch nicht so eine Kontrolle über meinen Körper wie vielleicht ältere Kinder.

Ich erinnere mich daran, dass wir an einem Tag Bilder für unsere Eltern malen sollen. Ich habe mein gemaltes Bild noch visuell vor mir. Ich malte gelbe Küken und verzierte das Bild mit bunten Herzen, Sonnen, Monden und Sterne. Darunter schrieb ich in großen Druckbuchstaben meinen Namen. Ich war sehr stolz auf dieses Bild und fand, dass es mir gut gelungen war und freute mich , es meinen Eltern schicken zu können. Da ich noch nicht schreiben konnte mit gerade 5 Jahren, ich war gerade einen Monat zuvor 5 geworden, schrieb ich die Buchstaben B und G meines Vornamens unbeabsichtigt spiegelverkehrt. Die " Schwester" ging umher und sah sich die Bilder an. Zu mir sagte sie, ich müsste das Bild neu malen und meinen Namen richtig schreiben. Es gab so und so nie ein Lob und nie einen liebevollen oder anerkennenden Zuspruch. Die anderen Kinder durften rausgehen zum spielen. Ich musste bleiben und wusste nicht was ich verkehrt gemacht habe. Auch das zweite gemalte Bild sah genauso aus. Die " Schwester" wurde grob und ärgerlich und steckte mich in eine Besenkammer, in der ich das Bild nochmal malen sollte. Ich war völlig verzweifelt und musste dort mehrere Stunden isoliert von den anderen Kindern im Dunkeln verbringen. All diese " Behandlungen " haben dazu geführt, dass man sich als Kind nur noch möglichst unauffällig verhält um diese lange Zeit zu überstehen.

Die für mich allerdings schlimmsten Erlebnisse , die sich tief eingebrannt haben, waren das Baden gehen. Ich war im Sommer auf Sylt. Wir waren oft baden. Ich hatte gerade mein Seepferdchen kurz zuvor gemacht. Für die Verschickungskur hat meine Mutter mir einen neuen Bikini gekauft. Er war rot/weiß kariert und ich hatte ihn noch nie zuvor getragen . Auf meinen Wunsch nähte meine Mutter kurz vor der Kur noch das Seepferdchen-Abzeichen auf die Bikinihose. Ich durfte jedoch kein einziges Mal meinen Bikini am Strand und beim Baden anziehen. Wir kleinen Kinder mussten immer nackt sein ! Obwohl wir alle unser Badezeug dabei hatten. Obwohl ich mich selten getraut habe, Fragen zu stellen, habe ich am Strand gefragt, warum ich nicht wie die größeren Kinder mein Badezeug am Strand anziehen darf. Die Antwort war : Das musst du nicht, du bist noch klein. Alleine weil es mir verboten wurde, fühlte ich mich unwohl. Es fühlte sich nicht richtig an und es kam ein unnatürliches Schamgefühl in mir hoch. Ich war immer ein unbefangenes und natürliches Mädchen gewesen. Aber in diesem Falle wusste ich, dass das nicht richtig ist. Wir wurden von den Betreuern beguckt und auch vor den größeren Kinder war es kein schönes Gefühl am Strand und in Gegenwart der Betreuer und größeren Kinder nackt sein zu müssen.

Diese Verschickungskur nahm mir den natürlichen Umgang mit Nacktheit schon im Kindesalter. Außerdem kam ich als Nägelkauerin zurück nach Hamburg und habe das erst mit Anfang Zwanzig wieder ablegen können.

Jedoch sind mir meine Eigenarten und Probleme erst jetzt klar geworden, nachdem ich im Fernsehen den schockierenden Bericht über das Leid der Verschickungskinder gesehen habe. Die Erinnerung und Bedrückung war sofort zurück!
Es ist gut, dass wir Verschickungskinder durch unsere Berichte etwas zur Aufklärung beitragen können und ich möchte hiermit meinen Beitrag leisten.
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Julia aus Hamburg schrieb am 03.12.2021
Guten Tag und herzliche Grüße,
ich hatte diese Verschickung jahrzehntelang nicht als Trauma im Blick. Lediglich mein Unfall dort (beim Fangenspielen aufs Gesicht gestürzt) der mich meine Schneidezähne gekostet hat, erinnert mich täglich daran, da ich die Kronen ständig spüre. Die Schwester (Herrmann Frieda?) hat mich vor allen Anwesenden ausgelacht, ob der fehlenden Zahnstücke...ich sehe ja nun aus, wie ihre Großmutter. Mein Körper hatte zudem viele Abschürfungen vom Sturz auf den sandbedeckten Betonboden.
Ich war 9 Jahre alt beim Aufenthalt im August und September 1977. Für 4 Wochen in 'St. Maria'. Erinnere mich an herzlose Schwestern und eine liebevolle Pflegerin, Frl. Helga. Durfte nicht mit auf eine Nachtwanderung, weil ich geweint hatte (Heimweh aufgrund eines Briefes meines großen Bruders). Ich kann mich darüber hinaus an so gut wie nichts erinnern, spüre aber, dass mich irgendetwas von damals bis heute - bin knapp 54 Jahre alt - blockiert. Ich irgendwie nicht in meine Lebenskraft komme. Ich lese die Berichte anderer Betroffener und spüre kaum, dass es auch mir ähnlich ergangen sein muss. Komplett verdrängt. Das erschreckt mich zutiefst.
Beim kürzlichen Aufräumen fand ich 2 Postkarten, die ich an meine Eltern schrieb. In recht fröhlichen Worten schildere ich, was wir so erleben. Z.B. Kinofilm geschaut (Onkel Toms Hütte). Wurden wir medikamentös ruhig gestellt?
Ich wäre sehr froh, wenn es Jemanden gibt der mit mir vll sogar zur gleichen Zeit da war und mir 'auf die Sprünge helfen' kann.
Liebe Grüße aus Hamburg.
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Julia Arendt aus Hamburg schrieb am 03.12.2021
Guten Tag und herzliche Grüße,
ich hatte diese Verschickung jahrzehntelang nicht als Trauma im Blick. Lediglich mein Unfall dort (beim Fangenspielen aufs Gesicht gestürzt) der mich meine Schneidezähne gekostet hat, erinnert mich täglich daran, da ich die Kronen ständig spüre. Die Schwester (Herrmann Frieda?) hat mich vor allen Anwesenden ausgelacht, ob der fehlenden Zahnstücke...ich sehe ja nun aus, wie ihre Großmutter. Mein Körper hatte zudem viele Abschürfungen vom Sturz auf den sandbedeckten Betonboden.
Ich war 9 Jahre alt beim Aufenthalt im August und September 1977. Für 4 Wochen in 'St. Maria'. Erinnere mich an herzlose Schwestern und eine liebevolle Pflegerin, Frl. Helga. Durfte nicht mit auf eine Nachtwanderung, weil ich geweint hatte (Heimweh aufgrund eines Briefes meines großen Bruders). Ich kann mich darüber hinaus an so gut wie nichts erinnern, spüre aber, dass mich irgendetwas von damals bis heute - bin knapp 54 Jahre alt - blockiert. Ich irgendwie nicht in meine Lebenskraft komme. Ich lese die Berichte anderer Betroffener und spüre kaum, dass es auch mir ähnlich ergangen sein muss. Komplett verdrängt. Das erschreckt mich zutiefst.
Beim kürzlichen Aufräumen fand ich 2 Postkarten, die ich an meine Eltern schrieb. In recht fröhlichen Worten schildere ich, was wir so erleben. Z.B. Kinofilm geschaut (Onkel Toms Hütte). Wurden wir medikamentös ruhig gestellt?
Ich wäre sehr froh, wenn es Jemanden gibt der mit mir vll sogar zur gleichen Zeit da war und mir 'auf die Sprünge helfen' kann.
Liebe Grüße aus Hamburg.
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Sabine aus Duisburg schrieb am 02.12.2021
Hallo mein Name ist auch Sabine.
Ich war 1973 mit 5 oder 6 Jahren auf Borkum.Ich habe fast keine Erinnerung doch meine Kindheit hatte wohl durch diese Ereignisse negative Auswirkungen.Kurzgefast ich war immer ein sehr ängstliches Kind hatte Angst vor Menschen mochte keine Kindergeburtstage weil man durch Spiele vorgeführt wurde habe mich vor Respektpersonen versteckt.....Später mit 14 begann ich dieses Problem mit Alkohol zu ertränken.Meine Mutter gab mir immer zu verstehen das ich unfähig bin mein eigenes Leben zu führen.Mit 18 bin ich ausgezogen "worden" versank ganz dem Alkohol....1986 lernte ich meinen Mann kennen gründete eine Familie aber die Ängste waren immer da vor allen Dingen Angst vor meiner Mutter.2016 der Zusammenbruch Psychosomatische Klinik Diagnose Postraumatische Belastungsstörung Ängste Panikattacken... durch Therapien fand ich dann heraus das dieser sechswöchige Kuraufenthalt auf Borkum wohl der Grund mitunter ist.Deshalb suche ich Gleichgesinnte die auch zur gleichen Zeit auf Borkum waren und noch Fotos haben auf denen ich mich vielleicht erkennen kann.Das alles ist mir sehr wichtig weil ich davon überzeugt bin das mein Leben anders verlaufen wäre.Meine Mutter weiß angeblich von nichts. LG Sabine aus Duisburg
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Beate aus Bremen schrieb am 30.11.2021
Ich war im Adolfinenheim auf Borkum. Das muss so 1969 oder 1970 gewesen sein. Bin 1961 geboren und ich konnte Briefe schon selber schreiben.
Esszwang, Toilettenverbot und an kalte Flure, wo man nackt warten musste bis man an der Reihe war zur Untersuchung, duschen oder baden. Ich weiß es nicht mehr. Aber mir kommen jedesmal Tränen, wenn ich Berichte lese. Es ist soviel Zeit vergangen. Warum hat uns damals keiner geglaubt? Meine Eltern leben nicht mehr...ich hätte noch viele Fragen ?
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Krieger Thomas aus 22145 Hamburg schrieb am 29.11.2021
Hallo, mit Erschrecken und auch Freude habe ich den Betrag im Fernsehen gesehen. Ich war auch dort und kenne die Gewaltmärsche nis zum umfallen, den ekligen Geruch von lauwarmen Tee in den Metallkannen und Haferschleim. Ich wurde täglich geschlagen und ans Bett gefesselt. In meinem Fall also wie mein bisheriges existieren zuhause.
Meine Erziehung bestand aus täglichem auspeitschen mit dem Rohrstock, einsperren ohne essen in der Gästetoilette im dunkeln (kein Fenster), einsperren bis zu drei Tagen im Keller, Kopf in die Toilette drücken und die Spülung betätigen, mental wurde ich nur als Idiot oder Missgeburt gerufen nicht beim Namen, ich bin nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln wert und lande in der Gosse. Das alles war täglich. Ca. 30 Selbstmordversuche hat niemand aufgerüttelt, auch nicht mehrfaches weglaufen. Immer wieder wurde ich zurück geführt da ich minderjährig war. Immer habe ich gedacht das ich doch irgendwas gemacht haben müsste, aber mein Fehler war nur geboren worden zu sein.
Bis heute habe ich gedacht das sie mir doch etwas gutes tun wollten als sie mich unter dem Vorwand Gesundheit nach Borkum und Bad Tölz verschickt haben. Jetzt weiß ich aber das es Heime für Schwererziehbare waren. Also vom Regen in die Traufe. Bis heute habe ich null Selbstwertgefühl oder Vertrauen, ich weiß nicht wie trauern geht oder lieben oder überhaupt Gefühle. Ich möchte einfach nur mein Leben hinter mich bringen..
LG Thomas
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Christoph schrieb am 29.11.2021
Das Leben ist kein Ponyhof!

Viel ist mir nicht in Erinnerung geblieben von damals. Einzelne Begebenheiten sind gestochen scharf und so präsent, als wären sie gestern passiert. Vieles bleibt als vages Gefühl, sehr vieles ist verschwunden, vielleicht verdrängt?

Außer der Erinnerung bleiben vier gestellte Fotos und zwei von den „Tanten“ geschriebene Postkarten. Das, und ein lebenslanges Gefühl, dass ich irgendwie anders bin, ist das, was mir von diesen sechs Wochen im Februar und März 1972 im Kindererholungsheim Ponyhof in Schönau im Berchtesgadener Land geblieben ist. Mein einziger Kommentar zu den wenigen Fotos und Postkarten war fast 50 Jahre lang, dass es in dieser Kur ganz schrecklich war. Mehr habe ich nie erzählen wollen.

Aber der Reihe nach. Eine Ahnung ist noch da, dass ich aufgeregt und voller Vorfreude war, als meine Eltern mir die 6 Wochen auf dem Ponyhof ankündigten. Die Idee 6 Wochen ohne Eltern oder Geschwister zu sein, hat mir wahrscheinlich keine Sorge gemacht. Pferde und Ponys waren meine erklärten Lieblingstiere. So wie andere Kinder ihren Stoffteddy mit sich herumschleppen, hatte ich ein kleines und ziemlich abgewetztes Stoffpferdchen.

Die lange Reise von NRW bis nach Berchtesgaden, die Ankunft im Kinderheim, die anderen Kinder, die „Tanten“, die Schlaf- und Essenssäle, an all das habe ich keine Erinnerung mehr. Es fehlt auch jede Erinnerung an gemeinsames Spielen mit anderen Kindern. In der ersten Nacht hatte ich mich eingenässt und wurde am Morgen dafür laut von der „Tante“ beschimpft und vor allen Kindern bloßgestellt. Das passierte leider noch öfter und ich wurde immer wieder bloßgestellt und immer weiter ausgegrenzt.

Irgendwann bin ich wohl krank geworden, Mumps hieß es später. Tatsächlich hatte ich einige Jahre später nochmals Mumps und wäre damit eines der wenigen Kinder, die diese Krankheit zweimal bekamen. Das habe ich bis vor Kurzem auch nie angezweifelt, mir fehlt aber jede Erinnerung ans krank sein. In einer der Postkarten schrieb die „Tante“ allerdings, dass ich jetzt wieder gesund sei.

Die anderen Erinnerungen sind schnell erzählt. Ein Ausflug auf dem Königssee zum Watzmann ist mir in Erinnerung, ein Trompeter und das Echo seiner Trompete . Diese Momente habe ich genossen, still für mich und komplett alleine. Keine Erinnerung an ein anderes Kind, mit dem ich Gedanken darüber ausgetauscht hätte.

Dann erinnere ich mich an ein Paket von meinen Eltern und Geschwistern. Süßigkeiten waren darin und auch 10 DM Taschengeld. Beides wurde aber gleich von den „Tanten“ eingezogen. Ich erinnere mich an einen Spaziergang durch einen Ort, bei dem wir an einer Bäckerei vorbei kamen. Es ging auf Ostern zu und die Auslage im Schaufenster war voll mit Ostergebäck. Ein knallroter Osterhase ist mir in Erinnerung geblieben. Den hätte ich mir mit meinen 10 DM Taschengeld kaufen können und ich habe mich sehr geärgert, dass ich an dieses Geld nicht ran kam. Das Geld habe ich natürlich nie wieder gesehen, den Inhalt des Päckchens auch nicht. Auf einer der mir verbliebenen Postkarten bestätigt die „Tante“ trotzdem, dass ich das Paket und das Geld erhalten habe und mich sehr darüber gefreut habe. Kein Wort, wie diese Freude gleich zerstört wurde indem beides konfisziert wurde.

Sehr klar erinnere ich mich noch an die gestellten Fotos, die aus heutiger Sicht den Eltern zu Hause wohl vorspielen sollten, dass alles in Ordnung war. Es hieß, wir gehen zum Fotografieren, Farbfotos sogar, und jeder solle sich etwas Rotes anziehen, weil das besonders gut auf Farbfotos wirke. Zum Foto auf dem Schlitten habe ich dann meinen blauen Lieblingspullover mit rotem Muster angezogen. Beim Fotografieren wurde ich ausgeschimpft, weil es zu wenig rot sei und bekam kurzerhand die rote Pudelmütze eines anderen Kinds aufgesetzt. Dieses Kind war sicher nicht glücklich, dass der Ausgegrenzt seine Mütze auf hatte.

Für die drei Fotos mit dem/den Pony(s) habe ich dann einen eigenen knallroten Pullover getragen, den ich eigentlich nicht mochte. Alle Fotos wurden nach dem selben Schema fotografiert, außerhalb des Sichtbereiches eine lange Schlange Kinder, auf dem Foto dann nur ein Kind, das ein Pony hält, auf ihm sitzt, oder auf einer Kutsche fährt. Das waren in 6 Wochen die einzigen Kontakte mit einem Pony auf dem „Ponyhof“. Trotzdem erinnere ich mich an diese Momente, so nah bei meinem Lieblingstier war ich vorher noch nie und auch lange danach nicht mehr. Auf den Fotos wirke ich glücklich und war es in diesem einen kurzen Moment tatsächlich.

Rückblickend und in dem neuen Wissen, dass ich die Verschickung nicht alleine so erlebt habe, sehe ich heute, wie mich dieses Erlebnis meinen Eltern entfremdet hat und in mir dieses Gefühl verursacht hat, anders zu sein, nicht richtig zu funktionieren.

Das Leben ist halt kein Ponyhof, aber vielleicht war der Ponyhof eine Weichenstellung fürs Leben...
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Doreen aus Halle (Saale) schrieb am 27.11.2021
Hallo, ich bin leider unsicher über den genauen Ort des Kurheimes. Es war Bernburg / Eisleben / Köthen. An diese 3 Ortsnamen kann ich mich erinnern. Ich habe in Freital gewohnt und war dort im Kurheim 4 Wochen lang bis knapp vor meinem 8. Lebensjahr. Die Kinderärztin riet meiner Mutter zu dieser Kur, da ich eine schlechte Esserin war und mich überwiegend von Milchgerichten ernährt hatte, aber ich habe Joghurt in der DDR verabscheut. Ich ging zur Kur nur mit meiner besten Freundin Anke, ohne sie wäre ich nicht dahin gefahren. Die ersten Nächte ging es mir schlecht, bis ich es hingekriegt hatte, meine Mutter telefonisch auf der Arbeit zu erreichen, damit sie es organisiert, dass meine Freundin zu mir in dieses 4-Bett-Zimmer verlegt wird. Ich habe damals stark unter Trennungsangst gelitten. Es ging mir nachher dort nicht schlecht. Ich wurde zu Hause in der Schule gemobbt, dort war eine andere das Mobbingopfer, wobei ich sogar manchmal ein bisschen mitgemacht habe. Nachher ging das Mobbing in meiner Schule weiter, bis zum Ende der Schulzeit trotz 2er weiterer Schulwechsel. Wir hatten 2 verschiedene Erzieherinnen im Heim, die eine war nett, die andere nicht. Diese andere wollte uns immer zum Essen zwingen, bzw. alles aufzuessen. Ich verabscheute Käse, meine Freundin auch. Sie zwang sich den hinter, ich nicht. Ich mogelte, indem ich den als letztes in den Mund steckte und dann gleich aufs WC ging und ihn ausspuckte. Es gab dort einen selbstgemachten Kirschjoghurt zu essen, ich habe von dem zu Hause geschwärmt. Ich erinnere mich leider gar nicht an die Umgebung, ob wir einen Ausflug nach Naumburg gemacht haben, vermute ich nur. Aber ich musste in der Kälte und Nässe raus in Gummistiefeln wandern, das habe ich gehasst. Die Waschprozeduren waren schon sehr soldatenmäßig: alle hintereinander anstehen waschen mit Waschlappen und Zähneputzen, das hat mir nie behagt. Ansonsten fand ich es ne gute Zeit, die zwischenmenschlichen Kontakte waren schön.
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Barbara H. aus Buchloe schrieb am 26.11.2021
03.11.2021 09:00 Uhr

Das Telefon klingelt, …. Mama ist am anderen Ende, sie weint. Frägt ob ich den Bericht gestern
im BR gesehen habe.
Es ist ein herrlicher sonniger Herbsttag. Die helle Stimmung die mich durchflutet hat, stirbt abrupt ab. Seelenfensterläden die sich blitzschnell schliessen und mit festem Riegel sichern.
Nein, ihre Tränen werden dieses Schloss nicht öffnen, keinen Weg nach innen finden. Das ist zu spät, diese angebliche Reue wäre zu billig. Ich weiß genau von was sie spricht, antworte aber nicht.
Meine Mutter (82) merkt es nicht. „Ach, vielleicht ist es gut, dass du die Sendung nicht gesehen hast. Was diese Kinder mitgemacht haben. Davon hatte ja niemand eine Ahnung. Wir dachten euch geht es da gut.“ Ja, klar. Es müssen knapp 40 Jahre vergehen. Sie sieht eine Sendung über die Verschickungskinder, um tiefes Mitleid und Tränen für diese fremden Kinder zu vergiessen.
Da war nie Mitleid und Bedauern für mich. Nie. Das war und ist der größte Schmerz, die nachhaltigste Kränkung und Verletzung. Meinen Erzählungen haben sie nie geglaubt. Im Gegenteil. Papa hat immer hellauf gelacht. „Jaja, deine Kinderkur, die hat dich kuriert, hahahahahaha.“ Urkomisch.

Es ist noch alles da. Alle Unterlagen – Papa der Beamte hat alles aufgehoben. Papa war damals Sozialbetreuer bei der Post. Er hat die Kinderverschickungen organisiert. Oft begleitet.
Der Elternbrief, die Kinderverschickungsliste mit allen Namen der Kinder aus dem Bezirk , Kofferverzeichnis, Briefe, 2 Bilder, Kassenbuch-Abrechnungsliste usw. klebt in meinem Kinderalbum.
Alle meine Geschwister waren Jahre zuvor auf Kinderkur verschickt worden. Also mußte auch ich. Kamen ja alle so selten brav wieder davon zurück – klappte auch bei mir.
Interessanterweise wollte ich überhaupt nicht weg, egal in welch bunten Farben mir die Eltern davon vorschwärmten. Schon 1981 hätte ich die Reise antreten sollen, bekam einen fürchterlichen Ausschlag, konnte die Fahrt nicht antreten.
Aber ein Jahr später am 12.08.1982-09.09.1982 mit 11 Jahren war es dann so weit Zielort St.-Peter-Ording Haus Quisisana.
Als Begleitperson war mein Papa dienstlich auf der Zugfahrt mit dabei. An die aufregende Fahrt im Sonderzug mit all den vielen Kindern erinnere ich mich gerne. Die 14 Stunden Fahrt im Sonderzug kamen mir unglaublich lang vor.
Direkt am Bahnhof St. Peter Ording wurden wir von den Zugbegleitpersonen getrennt, in Kombies zur Unterkunft gebracht. Ich hatte keine Möglichkeit mich von meinem Vater zu verabschieden, dachte er käme in einem der nächsten Fahrzeuge zum Kurheim. Er sah sich das Heim nicht einmal an. Mit den anderen Betreuern war er in einem Hotel untergebracht. Keiner der Betreuer vergewisserte sich an welchem Ort wir untergebracht wurden. So weit reichte das Interesse an uns nicht.
Ich sah meinen Vater erst bei der Abreise im September wieder.
Am Kurheim angekommen mussten wir sofort mit einer Betreuerin in einer Gruppe loslaufen. Ohne etwas zu trinken, ohne zu essen – nach dieser langen Anfahrt. Es war ein warmer Tag – gefühlt der letzte Sonnentag von meinem Aufenthalt.
In meiner Erinnerung ist die Zeit dort nur regnerisch, grau in grau. Vielleicht war es so ein kalter verregneter Sommer?
An die Anlage und Häuser kann ich mich sehr gut erinnern. Am Eingang links stand das schöne Reetdachhäuschen. Das war im Katalog als Gasthaus abgebildet gewesen. Dort lebte die Leiterin Schwester Cilli Jeve. Ihr bin ich nur einmal begegnet.
Etwas hinter dem Reetdachhaus war ein Flachbau in dem ein großer Raum und im hinteren Teil der Speisesaal/Küche lagen. Vorn rechts war ein einstöckiger Bau. Und ein weiteres Haus im Innenhof.
Meine Unterbringung war in dem vorderen Haus zur Deichseite. Im Schlaftrackt im EG waren die Buben untergebracht. Oben die Mädchen. Es gab ein hübsches 2er Zimmer gleich vorn am Ende der Treppe. Dieses Zimmer hatte Irene P.mit einem anderen Mädchen zugeteilt bekommen. Ich war ganz hinten im großen Schlafsaal mit weiteren 10 Mädchen untergebracht. Ganz hinten gegenüber dem Stockbett. Ich hatte Glück - mein Bett war das letzte und stand an der Wand.
Die anderen Betten direkt neben mir waren Patrizia Sch. und Brigitte S. Im Stockbett war Tanja G. an das andere Mädchen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ganz vorne lag Tanja T. (sie hätte gar kein Bett gebraucht, sie saß die meisten Nächte weinend draußen auf dem kalten Flurboden) . In der Fünferbettenreihe kann ich mich nur noch an Cordula J. und Anja S. erinnern. Nur dass wir uns alle in den Schlaf weinten. In den Betten und auf dem Fußboden war immer überall Sand. Ich glaube im Keller waren die Waschräume und dort fand auch das wöchentliche wiegen statt. Der letzte Raum hinter uns war nur noch eine extrem stinkende 3er Kabinen Toilette.
An die anderen Zimmer vor uns habe ich keine Erinnerung mehr.
Nur an die kleinen Zimmer gegenüber. In denen waren viele, sehr kleine Kinder untergebracht. Die Kinder waren zwischen 3-5 Jahren. Früher haben mir alle widersprochen und gesagt es könne nicht sein, dass dort so kleine Kinder untergebracht waren. Das hätte ich mir eingebildet. Heute durch die Berichte weiß ich, dass ich mir die Qualen der Kinder nicht ausgedacht habe – wie auch. Noch heute kann ich mich an ihr weinen erinnern. Nächte in denen sie ohne Zudecke weinend und frierend auf dem kalten Gang sitzen mussten. Die Türen zum Flur waren ja immer geöffnet.
Jeden morgen standen die Kinder an die Wand gelehnt auf dem Flur. Wir halfen den kleinsten Kindern beim anziehen, kämmten ihre verfilzten Haare. Die Kinder waren dreckig im Gesicht und wir eckelten uns vor ihnen, weil wir Läuse in den Haaren vermuteten. Viele sprachen nicht. Weinten nur. Diese Bilder vergisst man nicht. Wo die Kinder untertags waren, weiß ich nicht. Ich vermute in dem Raum neben dem Speisesaal. Auch woher sie kamen weiß ich nicht. Damals sagte man uns aus dem Osten od. Berlin. Wir hatten alle selbst mit unserem eigenen Heimweh zu kämpfen, dass wir uns nicht weiter um diese Kinder kümmerten.
Die beiden Mädchen die mit mir im Abteil angereist waren hatten noch mehr Pech. Sie waren im Innenhofhaus untergebracht. Die Zimmerkolleginnen piesakten die Mädchen, beide wurden vor Heimweh sehr krank. Sie hingen furchtbar an mir. Ich wollte mich aber nicht immer um sie kümmern.
Eines Tages wurde ich abends von der gefürchteten Aufsicht Fr. Büssen abgeholt. Sie erklärte mir, dass am Telefon der besorgte Vater der Zechmädchen sei und was ich am Telefon zu sagen hätte. Ich wurde in das Reetdachhaus geführt. In einem unordentlichen Wohn-Arbeitszimmer saß eine ältere unsympatische Dame (Cilli Jeve) und gab mir den schweren Hörer. Hr. Z. war am Apparat und fragte mich was da vor Ort los sei. Hinter mir Fr. Büssen – ich konnte, traute mich nicht sagen was wirklich los war. Die einzige Chance vertan. Noch heute schäme ich mich den beiden Mädchen nicht geholfen zu haben.

Tagein tagaus liefen wir in 2er Reihe den Deich auf und ab. Einzige Abwechslung - ein entfernt gelegener alter Spielplatz mit einer Sitzbank.Ich bin die ganzen Wochen dem Meer kein einziges Mal näher als ein Blick aus der Ferne gekommen. Nicht ein einziges Mal wenigstens den Zeh in´s Wasser gehalten. Ich kann mich auch nur an einen einzigen Tag erinnern, an dem wir auf dem harten Strand den Strandseglern aus dern Nähe zusehen durften und dabei den Strand betraten.Wir liefen nur den ganzen Tag auf dem Deich entlang und sangen.
Ja, singen macht fröhlich hieß das Motto. Noch heute kann ich diese Lieder auswendig. „Der Globus quwietscht und eiert….., „Nehmt Abschied Brüder….“, .. .
Wenn ich Filme aus der NS Zeit mit der Hitlerjugend sehe muss ich umschalten, es erinnert mich an den Stil und die Art, wie wir behandelt wurden.
Wir begegneten oft Gruppen von Kindern aus anderen Kurhäusern, die fröhlich lachend aufgepackt mit Badesachen vom Strand kamen. Wir waren kein einziges Mal dort.
Auf der Kassenabrechnung wurden mir 3 Besuche im Wellenbad berechnet. Ich war nur 1x dort. Es war das erste Mal, dass ich in Salzwasser schwamm. Es wurde auch ein Zaubererbesuch abgerechnet und eine Fahrt nach Büsum. Daran habe ich keine Erinnerung ob das wirklich stattfand.
Wer Mittags- oder am Abends als Gruppe als erstes zurückkam, half beim aufdecken der Tische und hatte evtl. die Chance etwas vom guten Essen od. Saft abzubekommen. z.B. Spaghetti mit Hackfleischsoße. Denn wenn die Hackfleischsoße aufgebraucht war, gab es stattdessen Apfelmus auf die Nudeln drauf. Ich bin/war nie heikel, doch das Essen war grauenhaft. Pures Pflaumenmus zum Frühstück. Für jedes Kind je nur ein Glas Saft und das aus Zinnbechern. So ein Glück, wenn man vom guten roten Saft etwas abbekam. Kein Wasser. In einem Brief an meine Eltern schreibe ich, dass mein Papa beim Abholen doch bitte etwas zu trinken mitbringt.
Wir beneideten sogar oft die Kinder am „Dicken Tisch“, die in der Mitte an einem extra Tisch saßen – und die abnehmen sollten. Sie bekamen abends meist Knäckebrot mit Streichwurst und frischen Gurken drauf. Wir beneideten sie so darum. Manchmal gaben sie uns etwas ab.
Einmal hatte ich großes Glück und blickte freudig auf den Teller mit Hackfleisch Spaghetti vor mir.
Es saß eines der kleinen 3-4 Jährigen Mädchen mit am Tisch. Es erbrach sich fürchterlich im hohen Bogen über den ganzen Tisch. Ich wurde sofort aufgefordert das Kind in sein Zimmer zu bringen und auf es aufzupassen. Damit war auch mein Essen gelaufen. Dann ging man halt ohne Abendessen ins Bett. Niemand hat sich um das kleine Mädchen gekümmert. Ich weiß noch es war tagelang krank.
In der Mittagsruhe und nach Rückkehr vom Waschsaal abends durfte man nicht mehr auf die Toilette. Einmal in der Mittagsruhe war es soweit – ich musste einfach. Ich schlich auf die Toilette. Hielt die Türe, die nach außen aufging, mit Fingerspitzen zu. Kaum drauf, riß es fest an der Türe und Fr. Büssen zog mich von der Schüssel. Ich weiß heute noch, dass ich panische Angst hatte, bekomme noch immer Herzklopfen, wenn ich zurückdenke. Sehe diese große starke blode Frau über mir und ich „Entschuldigung, Entschuldigung , Entschuldigung“ stammelnd.
Sie war gnädig an diesem Tag und zur Strafe musste ich vor allen Kindern im Speisesaal ein Lied singen. Sie wußte ja nicht, dass das für mich keine Strafe war. Ich sang gerne und hatte keine Scheu. Zudem kam es täglich mehrfach vor, dass ein Kind gestraft wurde, ein Gedicht aufsagen, in die Ecke stehen musste usw. – nach kurzer Zeit nahm eh kaum jemand mehr davon Notiz.
Vor dem einschlafen schmiedeten wir Pläne, wie wir die Bettlaken aneinander knoten und uns daran abseilen könnten. Wir überlegten ob wir den Weg zum Bahnhof finden würden. Aber ohne Geld wie eine Fahrkarte kaufen? Flucht war unser einziger Gedanke. In einem Brief an meine Eltern, schreibe ich auf der letzten Seite an meine Schwester, sie soll Geld von meinem Sparbuch abheben und mich bitte holen.
Schreibt das ein Kin, das eine glückliche Zeit erlebt?
An einem der letzten Tage, den Deich auf und ab spazierend, treffe ich plötzlich Freunde meiner Eltern, die zufällig Urlaub im Ort machen. Sie fragen ganz erstaunt was ich hier mache, wo doch meine Eltern mit meinem Bruder in Urlaub gefahren sind. Bis zu diesem Tag hatte ich nur den Wunsch irgendwie alles auszuhalten und die Zeit zu überstehen, nach Hause zu kommen.
An diesem Tag ist in mir etwas zerbrochen. Dieses bittere Gefühl, die Klarheit - meine Eltern wollten mich loswerden. Die innere Verletzung, das Abgeschoben werden, eine plötzliche kalte innere Versteinerung. Das verlorene Vertrauen in alle die mir am nächsten stehenden Menschen. Keinem Menschen zu vertrauen ist mir zum Selbstschutz seit dieser Zeit geblieben.
Ob es wirklich an dieser damals durchlebten Zeit liegt, dass ich generell äußerst Mißtrauisch bin, weinenden Menschen oft nicht das gegebene Mitgefühl entgegen bringen kann, ich weiß es nicht.
Noch heute ist ein mir entgegengebrachter Vertrauensbruch eher eine Bestätigung als eine Enttäuschung.
Auf der Kassenauflistung ist ein Kinobesuch abgerechnet. Der Besuch bestand darin, dass wir im Speisezimmer einen Film vorgespielt bekamen. „Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“.
Keinem von uns gefiel dieser eigenartige Film und doch war es eine große Abwechslung.
Da ich keinen Pfennig Taschengeld dabei hatte, verdiente ich mir etwas dazu, in dem ich aus meinen mitgebrachten Perlen Armbänder knüpfte und an die anderen Mädchen verkaufte. So hatte ich die Möglichkeit mir auch mal ein Softeis od. eine Cola zu kaufen. Ich beneidete die Kinder die etwas Taschengeld mitbekommen hatten sehr. Ich kam mit allen Kindern gut aus und war noch jahrelang mit Brigitte aus Augsburg eng befreundet. Sie hatte in der Kur einen Waschzwang entwickelt, der sie jahrelang belastete.

Ich kenne seither kein Heimweh. Die von meiner Familie immer ins lächerliche gezogene, in St.-Peter-Ording erlebte Zeit, hat mich auch von meinen Eltern seelisch entfremdet. Ich fühlte mich bei der Rückkehr auch zu Hause nicht mehr wohl. Bin mit 16 Jahren ausgezogen.
Vielleicht spielt die Erinnerung mir einen Streich, es sind ja nur Bruchstücke aus dieser im Rückblick kurzen Zeit. Ich erinnere mich nur an schlechte beklemende Momente in der Kinderkur.
Auch heute, wenn ich meinen Vater auf diese Zeit anspreche, ist keinerlei Einsicht des Fehlverhaltens von seiner Seite als Betreuer erkennbar.
Zumindest hat mein Vater kein Kind mehr nach uns nach St.-Peter-Ording „verschickt“.
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Gabriele J. aus Mannheim schrieb am 26.11.2021
Da ich ein schlechter Esser war, wurde ich auf Anraten unseres Hausarztes für eine mehrwöchige Kur von meinem Vater nach Dannenfels in Rheinland Pfalz gebracht. Dort erwartete mich Nonnen, die ein strenges Regiment führten.
Man bekam zum Frühstück appetitanregende Tropfen, die man nehmen musste. Wir waren nur Mädchen und wurden ständig zum Essen genötigt.
Nach dem Mittagessen mussten wir auf einer überdachten Terrasse stundenlang unter einer Decke mucksmäuschenstill ruhen und stillhalten. Schläge gab es auch. Ich fiel einmal auf einen Nachttisch der zerbrach. Die wütende Nonne ergriff ein Holzbein und schlug auf mich ein. Ich schützte Kopf und Körper mit meinen Händen. Ein weiteres Mädchen aus ärmlichsten Verhältnissen kam verschmutzt und zerlumpt an. Sein Koffer wurde ausgeschüttet und der Inhalt vor unseren Augen kommentiert. Es war Bettnässer und wurde bei einem Malheur zwischen den Betbänken schreiend an den Haaren auf dem Boden aus der Kapelle gezogen, während wir beten mussten.
Die Briefe, die wir nach Hause schreiben mussten, wurden zensiert und bei Nichtgefallen einfach zerrissen. Alles musste fehlerfrei und schön beschrieben werden.
Ich habe viele schlimme Erinnerungen, und bin froh, dass es diese Aufklärungsaktion gibt.
Ich, ein Einzelkind, konnte mich gut anpassen, nahm zu und hatte dadurch wohl Nachsicht. Meinen Eltern habe ich nicht viel erzählt. Meine Mutter hatte sich in meiner Abwesenheit einer Gallenoperation unterziehen müssen und mich deshalb weggeschickt.
Ich besitze noch Postkarten und Photos, die die Nonnen machten, um zu zeigen, dass alles gut ist. So verlogen. Mit Erreichen des 14. Lebensjahres bin ich sofort aus der (evangelischen) Kirche ausgetreten.
Das Haus am Donnersberg wurde anscheinend abgerissen.
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Manu schrieb am 24.11.2021
Lieber Christoph,
Danke für Deinen Eintrag zum Ponyhof. Ich war ebenfalls mit 5 Jahren in einem bayerischen Kinderkurheim, und habe dort erlebt, wie ein Junge - ähnlich wie Du - wegen Bettnässen ausgegrenzt und bestraft wurde. Damals wie heute bin ich völlig schockiert von dieser Brutalität der "Tanten" und Kinder. Meine Hochachtung an Dich, wie Du Dich durchgekämpft hast.
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Christiane schrieb am 24.11.2021
Ich wünschte, ich wüsste noch, in welchem Heim ich 1967 die 6-wöchige Kur verbracht habe. Damals war ich 5 Jahre alt und kann mich nur an ganz wenige Details erinnern. Ich erinnere mich an eine lang Zugfahrt mit einem Zettel um den Hals, ohne meine Mutter und ganz viel Angst.
Der Aufenthalt fand im Winter statt, es lag Schnee und war kalt. Das Heim hatte Fensterläden aus Holz, was ich bis dahin noch nie gesehen hatte. Ich erinnere mich an Schlafräume mit vielen Betten und andere Kinder. An Gespräche, Spiele, Lachen oder Spaß kann ich mich allerdings nicht erinnern. Ich war zu dünn, sagte meine Mutter. Also sollte ich viel essen. Aber ich hatte einfach keinen Appetit. Grießbrei "ohne alles" brachte mich zum würgen und es war eine Tortur, den Teller leer zu essen. In einer Turnhalle mit Sprossenwand wurde geturnt und irgendwas war nicht richtig mit meinem Sportzeug (falsche Farbe oder so).
Besonders schlimm fand ich es, wenn wir ins Bett musste und uns nicht mehr bewegen durften. Die Betten hatten Sprungfedern, die schlimm quietschten, wenn man sich drehte. Das hörte das Fräulein nebenan und es gab Schimpfe, wenn sie jemanden erwischte. Ich weiß noch, dass ich nicht schlafen konnte, weil ich unbequem lag und Angst hatte, mich zu bewegen.
Angst und Heimweh sind die stärksten Gefühle, die aus dieser Zeit noch vorhanden sind.
Als ich nach 6 Wochen wieder nach Hause kam, waren mir die Eltern und Geschwister so fremd, aber ich habe die Kur weggesteckt und weitergemacht.
Viele Jahre habe ich nicht mehr an diese Erfahrungen gedacht. Jetzt tut mir das Kind von damals so leid. Ich war erst 5 Jahre! Was wurde uns damals zugemutet? Es ist gut, die anderen Lebensberichte zu lesen, von Menschen, die ähnliches erlebt haben. Es ist gut, dass wir nicht alleine sind.
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Werner Braun aus CH 3063 Ittigen bei Bern schrieb am 24.11.2021
Hallo. 1951 verbrachte ich, nach schweren Scharlach- und Masernerkrankungen, fast sechs Wochen in einem grossen Heim in Bad Rothenfelde. Der Name des Heimes ist mir leider entfallen. Es tut mir sehr leid für alle, denen es als Verschickungskind sehr schlecht ergangen ist, Menschen die heute noch traumatisiert sind. Zur Ehrenrettung von Bad Rothenfelde , respektive den Heimen, kann ich sagen, dass ich nur positive Erinnerungen an die Erholungszeit habe. Wir wurden gut umsorgt und gepflegt. Mir hat es, abgesehen von Heimwehmomenten (Familie damals in Troisdorf) gut gefallen. Allen Betroffenen wünsche ich alles Gute und viel Mut bei der Geschichtsbewältigung. Herzlich grüsst Werner Braun, Ittigen. (3.1.43)
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Dirk Grundmann aus 37186 Moringen schrieb am 24.11.2021
Hallo liebe Leute, ich war als 10-Jähriger für 6 Wochen im Adolfinenheim auf Borkum. Keine schöne Zeit! Ich nenne dafür ein paar Beispiele: * Schlafen in einem 16er-Saal mit vorgeschriebener Einschlafrichtung. Die Tür zum Flur weit geöffnet, weil die Nachtschwester ihre Kontrollgänge machte. * Mein Sitznachbar am Abendessens-Tisch sagte der Aufsicht, dass er seine Milchsuppe nicht essen könne. Er musste es trotzdem. Dann übergab er sich und wurde gezwungen, das Erbrochene noch einmal zu essen. * Einmal pro Woche schrieben wir eine Postkarte nachhause. Die Betreuerinnen sagten uns, dass sie die Postkarten hinterher nochmal durchlesen würden, "um Rechtschreibfehler zu korrigieren". Deshalb fing jede meiner Karten mit dem Satz an "Liebe Mama, hier ist es sehr schön. Gestern waren wir wieder in den Dünen ..." * Ich bin Pastor und habe davon mal in einem Gottesdienst erzählt. Anschließend kamen zwei Besucher zu mir und erzählten, dass sie als verschickte Kinder ganz ähniches erlebt hatten. *** Also: Das waren mit Sicherheit keine "Ausrutscher", sondern das hatte System.
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Horst P. aus Samerberg schrieb am 23.11.2021
Hallo Verschickungskinder,

habe heute einen Artikel in der ARD über die Heime gelesen und mir ist schlagartig
klar geworden das ich eines dieser Kinder war und das was ich erlebt habe keine
Halluzination oder verworrene Erinnerung war, sondern wahr. Wir wurden gequält.

In dem frühen 80ern (82 oder 83) hatte ich Keuchhusten und zu niedriges Gewicht und wurde
deshalb für sechs Wochen in eine Kur nach Samerberg/Bayern geschickt. An den genauen
Ort oder Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, ich muss 5 oder 6 Jahre alt
gewesen sein. Erinnern kann ich mich noch daran wie meine Mutter nachts Namensschildchen
in die Klamotten eingenäht hat und das ich große Angst hatte. Am Tag der Abreise, es
ging mit dem Zug nach Bayern, habe ich viel geweint und kaum war ich in einem der Waggons packte mich eine alte Betreuerin und erklärte mir das ich böse war und deshalb in ein Heim kommen würde und meine Mutter niemals wiedersehen würde. Das werde ich niemals vergessen und ich habe meiner Mutter, die inzwischen verstorben ist, nie etwas davon erzählt. Das ich in diesen sechs Wochen im Glauben gelassen wurde nie wieder nach Hause zu kommen nehme ich der Betreuerin persönlich übel.

Von diesem Erlebnis am ersten Tag wurde es eigentlich noch schlimmer, ich war permanent verängstigt und die Betreuer haben immer wieder mit mir geschimpft, aber ich wusste nie was ich falsch gemacht hatte und bis heute Morgen, im Jahr 2021, dachte ich das ich einfach ein verhaltensauffälliges Kind war oder sowas.

An das Essen erinnere ich mich nicht, nur an die vielen "Schläfchen", wir wurden oft ins Bett gesteckt. Dann gab es die Wanderungen wo große Kanister mit Wasser aus einem Brunnen und ein Pulver zu einer violetten Flüssigkeit zusammengemischt wurden und ich sah das erste mal Berge mit Schnee
auf den Gipfeln.

Nachts bin ich manchmal aufgewacht, weil ich mit schmerzendem Gesicht auf dem Boden lag, ich bin wohl aus dem Hochbett gefallen und weil ich alleine nicht mehr ins Bett klettern konnte und so Angst vor den Betreuern hatte bin ich einfach auf dem kalten Boden liegen geblieben und habe mich nicht mehr bewegt. Irgendwann kam dann aber doch einer und hat wieder geschimpft.

An ein Ritual erinnere ich mich noch. Es wurde ein Schokoweihnachtsmann in kleine Stücke zerbröselt und jedes Kind kam nach vorne und durfte sich ein Stück nehmen. Die braven Kinder ein größeres, die bösen Kinder ein kleines.

Da waren auch noch andere Dinge aber meine Erinnerung ist zu ungenau, um es sicher zu beschreiben. Aber es war schlimm.

Ich weiß nicht inwiefern dieses Erlebnis in dem bayrischen Horrorcamp meine späteren Probleme
beeinflusst hat, aber ich weiß mit Sicherheit das man so nicht mit Kindern umgehen darf.

Außerdem habe ich beschlossen im Alter niemals so ein hasszerfressener Mensch zu werden wie die alte Betreuerin. Die Hippies hatten recht, trau keinem über 30.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Freiwilligen bedanken die für das Forum und die
Initiative Verschickungskinder arbeiten. Vielen Dank.
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Gabriela aus Mörfelden-Walldorf schrieb am 23.11.2021
1957/58 mit 5 oder 6 Jahren wurde ich wegen Unterernährung in Schwarzwald Titi See verschickt, (Name d. Einrichtung nicht bekannt) Die kirchliche Einrichtung wurde von äußerst gefühllosen Nonnen geführt. Dieser Aufenthalt war ein einziger Horror für mich und prägte mich mein ganzes Leben. Ich hatte Tag und Nacht panische Angst, wurde regelrecht gequält, da ich immer mehr an Gewicht verlor. Das Essen wurde mir oft mit Gewalt von zwei Nonnen (eine hielt im mich fest) eingetrichtert, was zur Folge hatte, daß ich ständig erbrach. Neben meinem Teller lag eine überdimensionale Spritze, mit der mir ständig gedroht wurde, falls ich weiter abnehmen sollte. Ich hatte Angst einzuschlafen, da ich mich regelmäßig nachts einässte. Das hatte zur Folge, daß ich morgens vor sämtlichen Kindern bloß gestellt wurde, in dem ich mit dem eingenässten Betttuch auf dem Bett stehend ausgelacht und geschlagen wurde. Danach wurde ich mit einem Schlauch kaltem Wasser traktiert. Da ich noch nicht richtig schreiben konnte, war es unmöglich mich meinen Eltern mitzuteilen, was ohnehin unter ständiger Beobachtung stehend nicht möglich war. Ich hatte Tag und Nacht Angst und fühlte mich ständig verfolgt. Nach 4 Wochen hoffte ich inständig nach Hause zu kommen, bekam jedoch nochmal einen Nachschlag von 2 Wochen, da ich nicht zunehmen "wollte", mir wurde Vorsatz unterstellt. Rückblickend war dieser Aufenthalt für mich ein nicht enden wollender Albtraum.
Angstzustände und chronische Schmerzen begleiteten mich mein ganzes Leben, diverse Therapien konnten nur gelegentlich Linderung bringen.
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Agnes H. schrieb am 22.11.2021
Ich habe letzte Woche die Sendung über die Verschickungskinder im NDR gesehen und bin immer noch entsetzt. Als "zu dünne Asthmatikerin" wurde ich 1971 mit 5 Jahren von meinem Arzt zur Kur in den Mittenwald geschickt. Ich konnte mich bis jetzt nur noch an die fürchterliche Zugfahrt von Nordfriesland in den Mittenwald erinnern (wir wurden wie Vieh in die Liegewagen gepfercht) und daran, dass ich Schimpfe bekommen hatte weil ich die Adresse meiner Eltern nicht kannte. Sonst nichts. Bis letzte Woche. Bei den Bildern kam plötzlich nach 50 Jahren alles wieder hoch. Ich sitze vor dem ekligen Essen und muss kotzen... und trotzdem essen. Ich darf nicht weinen, wir spielen nicht. Es ist einfach nur fürchterlich.Wahnsinn, dass nach so langer Zeit plötzlich Erinnerungen hoch kommen. Die ganze Sache ist wirklich ein Riesenskanal und ich stehe regelrecht unter Schock. Toll dass es Ihre Webseite gibt und endlich darüber gesprochen wird. Danke
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Martina aus Norderney, Marienheim 1969 schrieb am 22.11.2021
Hallo Miteinander,
nach weiterer Recherche bin ich darauf gekommen dass ich mich in meinem früheren Beitrag bzgl. der Jahresangabe geirrt habe - ich war ein Jahr später als vormals angegeben, also tatsächlich im Jahr 1969 im Marienheim auf Norderney. Dass es aber um den Februar herum war, ist korrekt.
Über Zuschriften würde ich mich sehr freuen 🙂
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Kerstin aus Altentreptow schrieb am 22.11.2021
Ich wurde zur Kur geschickt, weil ich zu dünn war und oft krank. Es war kurz vor meinem siebenten Geburtstag für sechs Wochen. Viele Jahre habe ich die Erinnerung verdrängt und erst die Berichte über ähnliche Schicksale haben die Erinnerung mit Macht wieder aufleben lassen. Es geht mir, wie vielen hier, denn es sind nur noch Erinnerungsfetzen übrig.
Die lange Busfahrt.
Ein Raum wo wir begrüßt wurden und uns alle mitgebrachte Süßigkeiten abgenommen wurden.
Der Schlafsaal der großen Mädchen, wo ca. 20 Betten standen und ich als einziges kleines Mädchen schlafen musste. Den Tag musste ich jedoch mit den Kleinen verbringen, so dass kein Mädchen wirklich etwas mit mir anfangen konnte und ich in der Zeit keinen Anschluss fand.
Nachts war das Aufstehen verboten und wenn ich weinte wurde mir mein einziger Freund, mein Teddy , von den Schwestern weggenommen.
Kalte Duschen mit harten Bürsten abgeschrubbt, bis die Haut heiß und rot war.
Reingezwungenes Essen.
Die Karten die wir schrieben wurden kontrolliert, damit sich auch ja niemand zu Hause beschwerte. Ankommende Briefe wurden laut vorgelesen und mein Geburtstagspaket verschwand. Ich durfte davon sogar einen Bonbon essen.
Ich kann mich an Winterwanderungen erinnern, aber an keine Spiele und an keinen Schneemann.
Wenn wir brav waren, durften wir ab und an Sandmännchen sehen.
Am letzten Abend wurde uns unser mitgebrachtes Taschengeld gegeben und wir mussten es für irgendwelche Souvenirs ausgeben, die die Schwestern (Nonnen?) aufgebaut hatten. Wechselgeld gab es nicht.
Ich wurde am nächsten Tag von meinen Eltern mit dem Schlitten vom Bahnhof abgeholt. Ich saß hinter meinem Koffer und hab irgendwann zu meiner Mutter gesagt : "Schau mich nicht an, sonst muss ich weinen." Ich habe lange weder ihren Blick, noch ihre Nähe ertragen können.
Ich war danach ein anderer Mensch. Immer bemüht nicht aufzufallen, immer im Hintergrund, ohne Selbstbewusstsein und ohne Vertrauen.
Jetzt weiß ich warum.
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Ulrike Giesen aus Brühl schrieb am 22.11.2021
Hallo, ich wurde 1975 als Vierjährige mit meiner sechsjärigen Schwester nach Alpirsbach verschickt. Sie hatte regelmässig Bronchitis und so hat man mich einfach auch dorthin gebracht, "damit die Anja nicht so allein ist"...
Was dann kam, war für mich ein absoluter Alptraum. Es ist immerhin nun schon 46 Jahre her, aber ich hab diese Demütigungen nie vergessen können. Ich wurde gezwungen, Rote Bete zu essen! Morgens mussten wir in einen grossen Waschraum mit Betonwaschbecken, und uns mit eiskaltem Wasser waschen. Mädchen und Jungs zusammen. Ich war damals schon ein bisschen schenant, und daher dauerte mein Waschen der Aufseherin zu lange .
...Wir mussten uns die Gesichter mit Creme einreiben, das Gesicht sollte nicht gewaschen werden, warum auch immer....Eine der Aufseherinnen nannte sich Schwester Margarete, die war besonders gemein....Ich erinnere mich, das es spätnachmittags vor den einzigen beiden Toiletten lange Warteschlangen gab. Als ich dann endlich an der Reihe war, hing kein Toilettenpapier mehr dort. Ich hatte Not, mich zu säubern und hab das an der Wand hängende Handtuch kurzerhand benutzt. Hab aber sofort Bescheid gesagt, es sei kein Klopapier mehr da.
Fräulein Margarete hat mir daraufhin kurzerhand das beschmutzte Handtuch im Beisein der anderen Kinder mehrmals um die Ohren geschlagen, das tat ganz schön weh! Ich dachte einfach nur, warum darf ich nicht nach Hause? Hatte furchtbares Heimweh. Zuhause hab ich alles erzählt, aber man hat mir nicht geglaubt. Ich hatte oft im Nachhinein Albträume und hab als Kind dann und wann auch ins Bett gemacht...und immer der Vorwurf meiner Mutter, ich sei an allem schuld...bis heute habe ich nicht das beste Verhältnis zu meiner Mutter, weil sie mir nicht geglaubt hat.
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morri schrieb am 22.11.2021
Ich hatte ausser von den Kriegsverschickungen gar nicht davon gehoert das es den Namen gibt. Als 5 jaehriges Kind war ich alleine in Cuxhaven zur Kur, mir war selber nichts wiederfahren, so 90er hoffentlich besser als 70 oder 60er. Aber das traumatistische war wohl das ich ohne meine Mutter in den Zug gesteckt wurde. und das ich frenetisch geheult hatte. Das einzige woran ich mich dort erinnere war das ich mit meinem Kopf im Spielzimmer in der Treppe zum spielgeruest haengegeblieben bin, und das wir in einem Art dampfraum war in dem man sitzen musste zum Inhalieren. Es gab rollaeden die abends manuell heruntergelassen wurden und dann wurde man mit so einem vaporub eingeschmiert.
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Wittkopp Jürgen aus Berlin schrieb am 21.11.2021
Ich wurde 1962 im Alter von 9 Jahren für 6 Wochen zur Abmagerungskur nach Bad Kreuznach geschickt und musste 6 Wochen hungern. Ich war nach 6 Wochen nur noch Haut und Knochen. Meine Mutter sowie meine Großmutter haben mich bei der Abholung am Bahnhof nach 6 Wochen nicht wiedererkannt. Der Aufenthalt war eine Tortur. Prügelstrafen für alle Kleinigkeiten waren an der Tagesordnung. Ich habe seitdem bis heute Magenprobleme.
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Ursula aus Norddeutschland schrieb am 21.11.2021
Ich bin mit 10 Jahren im Frühsommer 1965 oder 1966 mit meiner 1.5 Jahre jüngeren Schwester nach Langeoog zur Kinderkur geschickt worden.
Warten auf die Fähre: 100e Kinder standen und saßen und warteten. Irgendwann wurde man aufgerufen und musste an Bord.
Ankunft im Kurhaus. Man stand in langen Reihen und wurde nacheinander aufgerufen. Wir waren kleine Kinder und das erste Mal allein unterwegs. Wir wussten nicht, wie wir uns verhalten sollten. So nervös bin ich nie wieder in meinem Leben gewesen.
Alle Kinder wurden von einem "Fräulein" abgeholt. Nur unsere Gruppe von ca 20 Kindern stand und stand dort auf der Wiese.
Bis dann mein Name aufgerufen wurde.
Ich wusste, ich muss nun nach vorne treten...meine Schwester fing an zu weinen. Da pfeift mich so ein Fräulein an: nimm gefälligst deine kleine Schwester mit!
Zum Glück kamen wir in eine Gruppe. Zum weiteren Glück noch ein Mädchen aus unserem Dorf. Wir 3 kamen sogar zusammen in den Schlafsaal. Insgesamt waren wir sicherlich 6 oder 7 Mädchen in dem Schlafsaal.
Es wurden viele Spaziergänge gemacht. Auch einzeln durfte man spielen. Das Haus lag irgendwie am "alten Flugplatz".
Morgens musste man ein Glas Salzwasser trinken (würg) wozu auch immer. Später dann kalt mit Salzwasser abreiben. Ich meine, sogar zweimal täglich.
Zwischendurch "musste" den Eltern geschrieben werden. Wir durften in den Briefen nicht jammern...da sonst die Eltern traurig wären.
Mittagsschlaf mit absoluter Ruhe. Ich meine von 12.00 bis 15.00 Uhr.
An ein einziges Mittagessen kann ich mich erinnern....ekelig! Irgendeine lila aussehende Suppe (Heidelbeeren/Fliederbeeren) die gegessen werden musste.
Mir war so schlecht. Ich konnte das nicht essen....ich musste aber! Bis nachmittags 17.00 Uhr war ich allein im Speisesaal und musste diese Suppe aufessen
Ich bin mit 26 kg Gewicht, ( 10 Jahre alt und ganz klein) in diese Kur gefahren und sollte zunehmen
Nach 6 Wochen 400 g zugenommen.
Aber seit dieser Zeit nur schnell und viel gegessen. Jahrelang! Irgendwann dann völlig übergewichtig....aber seit über 4 Jahren endlich Normalgewicht.
Aber Essen und Kontrolle darüber ist mir immer noch wichtig
Das " Fräulein" hieß übrigens Anneliese. Eigentlich war sie nett ....aber sie musste sich an die Vorgaben ihres Arbeitgebers halten.
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Andreas J. aus Bremen schrieb am 21.11.2021
Ich war Ende der 1960er Jahre in Bad Salzuflen,
Zu meinem Geburtstag erhielt ich ein Paket von meinen Eltern das mir auch gleich morgens an Bett gebracht wurde, es war voll mit Süßigkeiten die mir aber sofort mit den Worten das willst du doch nicht alleine essen weg nahm. Bis auf 2 Schokoriegel die man mir gab, verschwand der Rest im Schwesternzimmer. Wenn ich da nach fragte wurde ich an den Ohren in die Ecke gezogen wo ich dann lange stehen bleiben musste.
Aber das schlimmste was mir angetan wurde vergesse ich bis heute nicht! Zum Mittagessen gab es Rosenkohl, den ich noch nie mochte, diesen sollte ich aufessen, und wenn ich bis zur Heimfahrt am Tisch sitze den ist du auf. Nach ca. 2 Sud. habe ich diesen vom Tisch geschoben so das dieser auf den Boden viel. Da für bekam ich Schläge. Am Abend während die anderen Kinder Brot bekamen wurde mir der Rosenkohl wieder vorgesetzt. Dieses wiederholte sich drei Tage, Morgen, Mittags und Abends.. meine Rettung war der Kinderarzt der bemerkte das ich völlig neben mir stand vor lauter Angst.

Wenn ich heute noch Rosenkohl sehe bekomme ich noch ein mulmiges Gefühl.
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suse sattler aus berlin schrieb am 21.11.2021
Hallo,
ich war als 5-jährige für 6 Wochen im Kinderkurheim Gutermann in Oberstdorf. Ich habe leider keinerlei Erinnerungen an diesen Aufenthalt. Gibt es hier andere, die zu dieser Zeit dort waren und mir erzählen können, wie es dort zuging? Ich kämpfe mit diversen psychischen und physischen Schwierigkeiten und versuche dahinter zu kommen, ob dieser Aufenthalt vielleicht dazu beitragen konnte.
Viele Grüße
Susanne Sattler
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Monika W. aus Berlin schrieb am 20.11.2021
Ich war 1956 während der Sommerferien f. 3 Wochen in der Eifel in einer Einrichtung m. Nonnen zur Verschickung. Leider weiß ich den Ort nicht, er muss aber in der Nähe zu Bergheim gewesen sein. Meine traurige Erinnerung habe ich an ein Mädchen im Nachbarbett, welches nachts einnässte, von dem Betreuungspersonal sehr böse und unfreundlich aus dem Bett geholt und in die Dusche gebracht wurde. Man hörte das Mädchen laut weinen und schreien und Wassergeräusche. Mir passierte nichts weiter, außer das ich einmal ewig allein vor meinem Teller mit Spinat saß. Ich mochte keinen Spinat und er war auch sehr sandig. Nach langer Zeit aß ich ihn um endlich vom Tisch aufstehen zu dürfen, musste aber erbrechen. Soweit ich mich erinnere, gab es darauf zum Glück keine Konsequenzen.
Wie ich beim Aufenthalt erfuhr, kam meine Tante an einem Tag aus Ahe vorbei und brachte für mich ein Päckchen. Sie durfte mich aber nicht sehen und musste das Päckchen abgeben. Der Inhalt sollte an alle aufgeteilt werden. Aber nichts von den Sachen gab es für uns Kinder.
Nach meiner Rückkehr nach Hause beschwerte ich mich über den Aufenthalt in diesem Heim bei meiner Mutter (nie wieder wolle ich verschickt werden) und bei der Vorstellung / Nachsorge beim Arzt des Gesundheitsdienstes. Mein eindrücklichstes Erlebnis dort war halt der Umgang mit dem Mädchen nachts. Es tat mir so leid und ich konnte nicht helfen, war erst 6 Jahre alt.
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TH. Louis aus Rostock schrieb am 20.11.2021
Nur einige meiner Erlebnisse als Sechsjähriger, während eins sechswöchigen Aufenthalts, /im Kurheim in Tutzing am Starnberger See 1969: Jeden Freitagabend Fingernägel schneiden, auch wenn diese in der Vorwoche bereits soweit zurück gestutzt worden waren, das es anfing zu bluten. Tagelanger Essenentzug weil ich an einem Abend den grossen Teller mit Gurkenbroten nicht leer gegessen hatte. Nächtliches Toilettenverbot, das eines Nachts zu einem “Malheur” führte, da der Pfefferminztee vom Vorabend nicht mehr zurück zu halten war.
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Oliver aus Hameln schrieb am 20.11.2021
Ich war im Frühjahr(März/April)auf Langeoog.Gerade 7 Jahre alt und habe nur schlechte/schlimme Erinnerungen daran.Schlafen mit Gesicht zur Wand,jeden Abend nach dem Waschen mussten wir nackt in einer Reihe stehen und wurden "untenrum"auf sauberkeit kontrolliert...Da ich nie der dickste war musste ich teilweise bis zum erbrechen essen.Da mein Geburtstag in die 6 Wochen "Kur"fiel,schickte meine Mutter mir ein Geschenkpacket,welches ich nie erhalten habe.Alles in allem habe ich mich dort allein gefühlt und bin seit dem nie wieder an der See gewesen....
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Stefan aus Bremen schrieb am 19.11.2021
Ich war im Alter von 8,5 mit meinem 2 Jahre älteren Bruder für 6 Wochen in dieser Anstalt. Es herrschte ein rüder Umgangston der durch Schläge untermauert wurde. Man durfte erst aufstehen, wenn man aufgegessen hatte, egal ob man es mochte oder nicht. Federführend war eine blonde Dame, stämmig mit großer Oberweite. Ich erinnere aber nicht mehr genau den Namen (vielleicht Gerland o.ä.). Sie führte ein strenges, über Ängste gesteuertes Regime.
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Dieter Bourwieg aus 26835 Hesel schrieb am 19.11.2021
Ich habe in der Zeitung die vielen schrecklichen Erlebnisse verschickter Kinder gelesen, die ich auch für glaubhaft halte. Mir ist es aber anders ergangen, zumindest kann ich mich nicht mehr an Schlechtes erinnern, wohl aber daran, dass die Kuren mir zu einem gesunden Leben verholfen haben.
Ich (JG 1940) war 4 x verschickt: Nach Bad Salzuflen, Bad Rothenfelde und 2x nach Langeoog, da ich an einer schweren, chronischen Bronchitis litt. Wir wohnten damals in Lingen/Ems, und es ging mir wirklich schlecht.
Auf Langeoog waren wir (meiner Erinnerung nach) in den Baracken des ehemaligen Flugplatzes untergebracht. Ich lernte, über den Bauch zu atmen. Da ich auf der Insel absolut beschwerdefrei war, zogen meine Eltern nach Wilhelmshaven um und der Kinderarzt meinte, wenn ich bis 18 Jahre keine Beschwerden mehr bekäme, könnte die Krankheit überwunden sein. Ich habe keine mehr bekommen, welch ein Segen.
Ich kann mich an keinerlei Zwang erinnern, nur auf den obligatorischen Mittagsschlaf hätte ich wohl verzichten können.
D. Bourwieg
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Ulrike R. schrieb am 19.11.2021
Meine Verschickung durch die AWO erfolgte im April - Mai 1973. Ich sollte in diesen 6 Wochen zunehmen.
Die Anfahrt nach Braunlage erfolgte mit dem Zug. An diese Fahrt kann ich mich nur noch schemenhaft erinnern.

Die 6 folgenden Wochen waren ein reiner Alptraum.

Die verbotenen Toilettenbesuche nach der Bettruhe, mästen mit Essen, Abduschen mit eiskaltem Wasser im Keller - man wurde währenddessen festgehalten - ,zur Strafe in der Ecke stehen wenn man etwas falsch gemacht hatte, nie ein liebes Wort.

Es waren auch größere Kinder in dem Heim, die die Kleineren und auch mich drangsalierten.

Ich glaube auch, dass ich dem Heimleiter Herrn F. immer abends einen Kuss auf die Wange geben musste, da sind meine Erinnerungen aber total verschwommen.

Die Betreuerinnen - eine davon hieß Ramona - nahmen auch mein Geld, welches ich heimlich in unserem Schlafsaal versteckt hatte an sich und haben es einfach behalten.
Die Ein- und Ausgangspost wurde vom Personal gelesen, so dass ich heimlich einen Brief bei einem Ausflug ins Dorf in den Briefkasten schmuggelte, der total zerknittert war und meine Mutter musste auch noch Nachporto bezahlen, da ich nicht mehr genug Geld für eine ausreichende Frankierung hatte.

Mein ganzes Denken drehte sich nur noch darum, wie ich es schaffen konnte abzuhauen um nach Hause zu kommen.

Als ich dann endlich wieder zu Hause war, wurde ich sehr krank. Ca. 2 Wochen lang habe ich fast alles was ich zu mir nahm, wieder erbrochen. Ich sollte schon ins Krankenhaus um künstlich ernährt zu werden. Dann konnte ich jedoch langsam wieder etwas schwarzen Tee und Haferflocken mit Wasser bei mir behalten.

Der Erfolg der Verschickung war also, dass ich viele Kilos weniger wog als vor der Kur und ein gestörtes Verhältnis zum Essen entwickelte.

Ich konnte nach dieser Verschickung auch nirgend wo anders mehr Übernachten und habe auch an keinen Klassenfahrten teilgenommen. Mein Zuhause zu verlassen, war für mich ganz schrecklich, das war auch noch Jahrzehnte später so. Länger als ein paar Tage konnte ich nie von Zuhause fort sein.

Einige Jahre später entwickelte ich eine Angststörung, die mein Leben bis heute prägt.

Meine traumatischen Erfahrungen habe ich auf meine Söhne vererbt. Beide haben in Ihrer Kindheit nicht bei Freunden oder Verwandten übernachtet, obwohl ich Ihnen nie von meinen negativen Erfahrungen erzählt habe.

Ich hoffe, dass diese Dinge heutzutage keinen Kindern mehr angetan werden. Da ich aber auch bei meinem jüngeren Sohn im Kindergarten ähnliches erlebt habe und auch Lehrer/innen in den Schulen ähnlich handeln. Deshalb können wir nur unsere Kinder nur dazu ermutigen, immer alles erzählen zu können, was Sie erlebt haben und Sie vor allem Ernst zu nehmen.
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Heinz K. aus Friedrichsdorf schrieb am 19.11.2021
Ich bin 1947 geboren und mein Bruder 1950 wir waren beide an Ostern 1954 im Erholungsheim bei den Nonnen
in Bad Soden Saalmünster.Es war dort sehr streng.
Beispiel: zum Frühstück gab es oft Haferschleim und
Heilquellwasser man durfte nicht eher aufstehen und spielen bis man alles gegessen und getrunken hat und wenn es lange gedauert hat.Das schlimmste für mich
war die Abreise.Wir mussten unsre Koffer selber packen
ich war damals 6 Jahre und mein Bruder 3 Jahre.
Ich bekam meinen Koffer nicht zu alle andern Kinder
waren schon beim Frühstück da bad ich eine Nonne mir
zu helfen die bekam ihn auch nicht zu.Ich sah dann das Kleidung rausragte und er dadurch nicht zu ging.
ich probierte sie darauf aufmerksam zu machen aber sie
reagierte überhaupt nicht sondern gab mir eine feste
Ohrfeige und lies mich alleine. Ich machte dann mein Koffer zu und ging viel verspätet zum Frühstück.
Von dieser Aktion hatte ich ein blaues Auge und wurde
1 Woche später mit einem blauen Auge eingeschult.
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Henne aus Cuxhaven-Duhnen schrieb am 19.11.2021
Ich (63) wurde ab ca ab 1966 bis 1971/72
regelmäßig, zunächst alleine, später zusammen mit meinem 6 Jahre jüngeren Bruder für mehrere Wochen im Kinder Kurheim "Sonnenhof" abgeschoben. Es lag keine medizinische Indikation vor. Meine Eltern wollten uns wahrscheinlich temporär los sein obwohl ängstliche, brave und geknechtete Kinder. Mein Vater war ein elender Choleriker, meine Mutter immer auf oberflächliche Ruhe bedacht.
So wie man eben in den 60ern erzogen wurde.
Viel schlimmer war aber der Aufenthalt in diesem Heim:
-Schlafzwang auch mittags,absolutes Redeverbot!!! Toilettengang untersagt
-das gleiche zur Nacht. Hatte man. geredet oder getuschelt , müsste man aufstehen und im Stillgestanden vor der Zimmertür stehen
- ekelhaftes Essen, einmal die "Schweine"-Graupensuppe ausgekotzt gab's zur Belohnung einen fetten Nachschlag.
Das schlimmste aber waren Aussprüche wie: Ihr seid hier, weil Eure Eltern Euch nicht lieb habt(tat damals wie heute sehr weh, entsprach aber den Tatsachen)
oder :Ihr müsst immer hier bleiben.
Dieses Ausgeliefertsein und Hoffnungslosigkeit waren entsetzlich.
Ich habe mehrfach über Jahre versucht mit meinen Eltern dieses Geschehen aufzuarbeiten leider ohne Verständnis.
Sie waren der Meinung uns etwas gutes getan zu haben.
Ich habe für dieses Verhalten, das nur ein Teil unserer "Erziehung" war nur Verachtung über. Keine Einsicht, noch nicht mal im Angesicht seines Todes.
Der"Sonnenhof" war aber noch "Deluxe":
Das Kinderheim "Am Meer" war noch fieser.
Immerhin ich wohne mit meiner Frau und früher auch unserer mittlerweile erwachsenen Kinder in Cuxhaven.
Und beide Heime sind mittlerweile abgerissen. Eine kleine Genugtuung!!!
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Stefan Ebmeyer schrieb am 18.11.2021
Warum ich eigentlich verschickt wurde weiß ich nicht mehr. Ich war 9 oder 10 Jahre alt und meine Mutter war alleinerziehend.
Ich habe auch nur noch eine einzige Erinnerung an diese Zeit. Es geht um das Essen. Es gab Sauerkraut - heute wie damals mein größter Alptraum. Ich habe nichts gegessen. Das war ein NoGo dort. Mir wurde gesagt, dass ich erst aufstehen dürfe, wenn der Teller leer ist. Mir war es nicht möglich, das Sauerkraut zu essen ohne mich zu übergeben. Das kalte Sauerkraut war noch ekliger als das warme.
Ich weiß nicht mehr genau, wie lange ich als einziges Kind in einem leeren Essensraum vor meinem Teller saß. Gefühlt war es damals für mich eine Ewigkeit. Ab und zu kam eine Erzieherin rein und animierte mich zum essen. Ich weiß nicht mehr, wie die ganze Geschichte an dem Tag endete - gegessen habe ich auf jedem Fall nichts.
Ich habe keine weiteren guten oder schlechten Erinnerungen an die Zeit meiner Verschickung. Ich gehe davon aus, dass bis auf diese Sauerkrautgeschichte - an die ich bis heute immer wieder denken muss - eine gute Zeit dort hatte.
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Bischof Sabine schrieb am 17.11.2021
Hallo Martina Uhl,
Finde Deinen Beitrag leider nicht. War von Ende September. Du suchst mich, weil ich Dich suchte. schweinfurt.2021@web.de. Bitte kontaktiere mich bald. Ich freue mich, eine von den Mädchen gefunden zu haben, die damals mit mir in Wyk waren. Hier noch mal die anderen Namen: Gabriele und Brigitte Wittmann, Elke Gründer, Ellen Höfler, Eva-Maria Neumann, Sabine Stubner, Sabine Heindl.
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Martin M. aus Saarbrücken schrieb am 14.11.2021
Ich war 6 Wochen in der Asthma-Heil in der Kurfürstenstraße 26 in Bad Reichenhall von Mai - Juni 1967. Ich suche noch weitere Zeitzeugen, die auch sexuellen Missbrauch in diesem Haus durch Angestellte dieser Klinik und klinikfremden Personen erlitten haben. Ich habe einen Antrag nach dem OEG beim Landesamt für Soziales gestellt. Dazu brauche man weitere Zeitzeugen, um das uns zugeführte Leid beweisen zu können. Durch weitere Zeitzeugen wird eine Anerkennung nach dem OEG positiv beschieden. Ich spreche von schwerem wiederholtem sexuellem Missbrauch durch eine, zwei oder drei Tätern in einer Nacht mit anschließender Sedierung durch intravenöse Spritzungen, Körperverletzungen, Schlägen, Tritten, Fesselungen, Einsperren in eine Kiste, Drohungen mit dem Tod....
Weitere Einzelheiten finden Sie in meinen früheren Beiträgen. Auch beim Stadtarchiv Bad Reichenhall Herrn Dr. Johannes Lang findet man weitere Anhaltspunkte zu der Zeit. Die Kath. Jugendfürsorge hat damals dieses Haus mit dem Chefarzt Dr. Franz Braun geführt. Ich kann mich an weiter Jungen, die mit mir das Zimmer teilten oder mit mir am Tisch im Speisesaal saßen, erinnern.
Bitte melden Sie sich, dann könnten wir uns gemeinsam über die Heimortvernetzung austauschen .

Herzlichste Grüße
Martin
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Peter Masloch aus Koeln schrieb am 11.11.2021
Ich bin 1961 in Köln geboren und habe dort 37 Jahre gelebt, bin dann in 1997 in die USA ausgewandert und lebe immer noch dort. Ich habe erst vor einigen Monaten über die Geschichte der Verschickungskinder gelernt und begonnen mich damit auseinanderzusetzen was mir ziemlich schwer fällt.
Meine Eltern haben mich Anfang 1966 oder 1967 für 6 Wochen zur Kur nach Bad Nauheim geschickt weil ich kein Fleisch essen wollte. Ich kann mich nicht mehr an sehr viel erinnern. Die Zug fahrt, das ankommen, die grossen Schlafzimmer und der grosse Raum wo wir gegessen haben. Da gab es auch eine "Kranken Station" mit "Einzel Zimmern" wo ich auch eine Nacht verbracht hatte kann mich aber nicht erinnern warum. Ich kann mich daran erinnern, dass wir jeden Abend Medikamente bekommen. Wir habe da aufgereit in einer langen Schlange gestanden und dann die Medikamente bekommen haben. Ich kann mich noch daran erinnern, dass mir meine Eltern ein Paket geschickt haben mit einem Karnevals Kostüm (Ich war über die Karnevals Zeit in Bad Nauheim).
Vor rund 15 Jahren (2005 oder 2006) hat mein Doktor hier in den USA immer "Anxiety" (grob übersetzt bedeutet es Angst) in meine Akte unter Diagnose geschrieben. Ich habe damals nie viel darüber nach gedacht bis ich dann ende 2015 einen längeren Bericht über "Anxiety" (auch die neben form "social anxiety") gelesen habe. Ich habe mich (und mein verhalten) in dem Bericht 100% wiedergefunden. Ich habe dann auf mein Leben zurück geblickt und es ist mir klar geworden, dass ich mein ganzes Leben unter "Anxiety" und "Social Anxiety gelitten habe. Ich habe jetzt damit angefangen darüber nach zudenken ob meine "Anxiety" von der Kur in Bad Nauheim stammt.
Ich wünschte, ich hätte die Möglichkeit gehabt all das vor 30 oder 40 Jahren zu lernen. War aber leider nicht so. Jetzt hoffe ich, endlich mein Leben auf zu arbeiten und antworten zu finden.
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Peter Speck aus Kiel schrieb am 10.11.2021
nach weiteren Recherchen habe ich mit einiger Mühe diverse neue Aspekte hinsichtlich der Verschickung erinnert:
Zuerst ist es wichtig, zu erwähnen, dass ich aus meiner Sicht komischerweise innerhalb Schleswig-Holsteins verschickt wurde. Ich wurde zu meinem Leidwesen an der Westküste geboren und "sozialisiert". Der Landstrich war eine der frühen Nazi-Hochburgen. Dieses ganz besonders wegen der Idealisierung des Bauernvolks als Arier reinsten Kalibers und der dazu passenden Blut und Boden-Ideologie. In der Nachkriegszeit lebten hier überdurchschnittlich viele Flüchtlinge aus den östlichen Regionen des ehemaligen Deutschen Reiches wie z.B. Pommern oder Ostpreußen. Viele dieser Menschen hatten auf der Flucht Traumatisierungen erlebt, waren so manches mal Täter und Opfer in "Personalunion" und wurden in den "asylgewährenden" Regionen alles andere als freundlich empfangen, wie es hierzulande bei Refugees ja schon Normalität ist. Traumatisierte Flüchtlinge wurden auch keineswegs damals therapeutisch oder psychiatrisch behandelt , was wohl sicherlich auch kaum möglich gewesen wäre sondern ihrem Schicksal überlassen. Die Strukturen in diesen Landstrichen (ich verweise hier auf den Begriff "Rattenlinie Nord- bitte nachschlagen) waren gegenüber der Nazizeit fast unverändert und das Gedankengut sowie die Erziehungsmethoden waren dem angemessen. Leider: denn in dieses "Ambiente" wurde ich 1955 hineingeboren. Meine Schwester war 5 Jahre älter als ich und wir erlebten in dieser Region (Nähe Heide/Holstein) eine klassische (post)faschistische Erziehung. In der Volksschule des 600-Seelendorfes wurden die Kids noch mit herkömmlichen Methoden traktiert :Stockschläge mit 6 Jahren vom Lehrer , Backpfeifen vom Zahnarzt, diffuses und nicht berechenbares Verhalten der Eltern und anderer Dorfbewohner. Mutter mit spät erkannter aber nur mit Valium (hohes Abhängigkeitspotential) medikamentierter Borderlinepersönlichkeits- sowie Zwangsstörung sowie Vater mit Kriegsverletzungen aus britischer Gefangenschaft heimgekehrt spielten Kleinfamilie, was aus meiner Sicht gründlich misslang.
Als Kind hatten wir trotz durchaus vorhandener emotionaler Zuwendungen aber auch hoher Ambivalenz sowie weiter wirkender versuchter Nazifizierung durch das Umfeld keinerlei klare Leitlinien für unsere Primärsozialisation und auch keine Skills für das Leben mitbekommen.
Wik auf Föhr war meine erste Verschickungsstation ; danach bin ich jährlich mit Jugendgruppen unterwegs gewesen, was ich ab 1967 gar nicht so schlecht fand.
Obwohl ich schon 11 Jahre alt war, fühlte ich mich eher wie 8, war ziemlich mangelernährt und unruhig. Mir fiel später auf, dass ich wohl auch früh vom Links- zum Rechtshänder "umgeschult" wurde; bedeutet, dass hier eine weitere Entwicklungsverzögerung wahrscheinlich war. Auch hier fehlt mir die klare Erinnerung, aber ich konnte feststellen, dass im Sport weiterhin z.B. beim Werfen und beim Fußball (wie auch im Leben) links orientiert war.
Diesen Prolog habe ich angeführt, um erschreckenderweise zu dokumentieren, dass mir die extrem rigide "Pädagogik" im Heim gar nicht so normabweichend vorkam;, sondern die Unberechenbarkeit in den Handlungen des Personals mir durch meine Herkunftsumgebung vertraut war.
Heute weiß ich durch meinen Beruf als Pädagoge in der sozialen Psychiatrie ja wesentlich mehr über die multiplen und transgenerationalen Traumata- ein sehr ernstes Thema. Nicht umsonst kamen traurige Momente mit diffusen Suizidgedanken . Weinen half: Aber ich entwickelte auch eigene Methoden zur Überwindung solcher Situationen.
Ich erinnere, dass ich ein Foto meiner Mutter unter dem Kopfkissen versteckt hatte und einen Stoffhund. Gedanken an meine Eltern waren trotz alledem positiv.
Dazu hatte ich ja noch John Lennon als Seelentröster (früher Fan populärer Musik, bis zum heutigen Tage) sowie die legendäre WM in England (remember Wembley). Wer spurte ,durfte abends länger aufbleiben, der Rest: ab in die Koje- Augen zu und Schlaf befohlen. Jawoll!
Ich kann mich nicht an Schläge erinnern, auch nicht an Zwangsernährung und-medikation.
Hier bleiben Fragen offen (das Fotomaterial, das ich habe , sagt da nicht viel aus): Wurden wir zwangsmedikamentiert und wenn ja, womit?
Wie war die personelle Struktur des Heimes, wer Kostenträger usw.
Nach besagten Sommerferien kam ich direkt auf das Gymnasium in Heide (heute Heisenberggymnasium- alter Parteigenosse) und ich litt stärker als je zuvor unter starken Konzentrationsstörungen und schnellem Leistungsabfall trotz verbriefter hoher kognitiver Fähigkeiten.
1974 absolvierte ich ein über 4-monatiges Vorpraktikum (später Studium an der FH Kiel sowie der evangelischen
Fachhochschule Berlin-Schöneberg) im Kinderheim Seeschloß in St-Peter-Ording. Hell on earth! wie ich heute weiß. Damals aber auch die erste Zeit außerhalb des Elternhauses (für immer) und insofern Praktikum und Partysommer zugleich.
Die Strukturen und Essensrituale waren wohl ähnlich wie in den anderen Berichten beschrieben; allerdings fiel mir die"spezielle Essenskultut" auf, die ich schon in dem Heim auf Föhr erlebt hatte: Adipositas und Anorexie in einem Raum- das war absurd und ultrafies , Die Qualität der Nahrung auch nach damaligen Standards ziemlich schlecht (ich erinnere das nicht so genau). Bei Erwähnungen der Probleme wurde auf die räumlichen Bedingungen verwiesen.


Das Heim selbst wurde von einem Mitglied der Leibstandarte Adolf Hitler und seiner Frau , einer BDM-Lehrerin geleitet (bitte Wikipedia unter Hugo und Sünne Kraas- das ist realer Horror)In der Nähe wohnte übrigens der letzte Lagerkommandant von Auschwitz; es ist abartig aber es war die Norm oder zumindest die Spitze des Eisberges.
Da ich der Zeit ultralange Haare hatte und insofern nicht besonders SS- kompatibel wirkte (heute gibts auch langhaarige Rechte)`musste ich von vorn herein draußen in einem Zelt kampieren (ich bin nicht sicher, aber es war die überwiegende Zeit (Praktikum Mai bis September).
Da ich mit Sicherheit mit dem Personal und mit Kraas über meine Einstellung sprach, wurde ich in anderen brisanten Bereichen , in denen es ja laut der Beschreibungen von vielen Verschickungskindern zu Zwang und Gewalt kam, gar nicht eingesetzt. Ich war häufig bei Außenaktivitäten, Spielen und bei Mahlzeiten anwesend. Ob ich Nachtbereitschaft machen musste, kann ich nicht erinnern.
Mit Sicherheit war ich aber wegen des Zeltaufenthaltes und eines monatlich ausgezahlten Taschengeldes eine billige Hilfe. das Praktikum endete mit der Zulassung zum Studium in Kiel im Nachrückverfahren.
Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis, wundere mich deshalb aber sehr, wie bruchstückhaft(vielleicht unbewußt selektiv meine Wahrnehmung war und ist)
und wie viele dunkle Flecken auf der ganzen Phase meiner kindlichen und schulischen Sozialisation liegen und wie mich die Beschäftigung damit in echte Ängste stürzt (auch jetzt), wenn ich zugleich die große Sturmflut, die uns in Lebensgefahr brachte und die Übertragungen meiner Eltern z.B. während der Kubakrise(ich erlebte während der Krimbesetzung einen Retraumatisierungseffekt) denke, läuft es mir den Rücken runter.
Für alle Heimkinder war der Aufenthalt bittere Kosequenz einer nie vollzogenen Entnazifizierung. Hilflos den alten Peinigern ausgeliefert. das war`s Puh!
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Susanne schrieb am 10.11.2021
Susanne aus Baden-Baden
Verschickungsheim Bad Dürrheim
Zeitraum Oktober bis Dezember 1963

Mit 3 ½ Jahren wurde ich wegen Asthma bronchiale auf ärztliches Anraten über die Caritas nach Bad Dürrheim verschickt.
Ich erinnere mich, wie wir vorher extra ein Kuscheltier für die Kur kauften, das ich aussuchen durfte. Ein kleines Kätzchen namens Schnuckiputzi , welches meine Mutter samt Kleidungsstücken mit Namensetiketten versah. Ich begriff, dass ich wegen des Asthmas irgendwo hinfahren müsste und bis das Christkind käme wieder zu Hause sein würde. Ich erinnere mich an das Einsteigen in den Zug und die freudige Aufregung- war es doch meine erste Zugreise. Ein weiterer Junge aus meinem Wohnort und eine Frau von der Caritas saßen mit mir im Abteil. Merkwürdigerweise habe ich an die restliche Fahrt und die Ankunft, das Haus, die Umgebung keinerlei Erinnerungen. Wie mir meine Mutter später sagte – sie lebt noch – hatte ich während der Kur den Mumps, ebenso mein Bruder zur selben Zeit zu Hause. Wahrscheinlich befand ich mich zumindest zeitweise auf der Isolierstation.
Folgende Momente sind mir in Erinnerung:
Ich liege am Tag ganz allein in einem abgedunkelten Schlafsaal mit vielen Gitterbetten.
Ein andere Szene: Wir wurden gebadet. In einem Baderaum standen mehrere emaillierte und eine Badewanne aus Holz, in welcher ich mit einem weiteren Kind saß. Es passierte mir, dass ich Pippi ins Wasser machte. Das war mir schrecklich peinlich und ich schrie fürchterlich. Es kamen mindestens zwei „Tanten“ und fragten was ich hätte. Ich gestand schluchzend, was mir passiert war und dass das andere Kind jetzt in meinem Pippi sitzen müsste. Ich hatte große Angst und war sehr überrascht, dass die „Tanten“ das rührend fanden und erinnere mich an keine Strafe.
Ein weiteres Erinnerungsblitzlicht war eine gemeinsame Brotmahlzeit in einem Flur. Wir saßen auf Holzbänken, die entlang der Wände standen und hatten Brot mit Ei in der Hand.
Dann erinnere ich erst wieder die letzte Phase der Heimfahrt im überhitzten Zug und draußen war es schon dunkel. Mein Vater und mein Bruder holten mich ab. Alle erinnern sich, dass ich unbeschreiblich glücklich war, wieder zu Hause zu sein, ein dickes Lippenherpes hatte, plötzlich Hochdeutsch sprach und mein erster Satz war: „das hat aber sehr lange gedauert, bis das Christkind kommt!“ Ich konnte ein lateinisches Lied singen:“ Santa, santa Maria virgo…“

Soweit die Erinnerungen, doch schon lange vermute ich, dass es psychsomatische Zusammenhänge und Folgen dieser so frühkindlichen Trennung und „Behandlungen“ gibt, die nicht unerheblich sind und sich bis jetzt auswirken. Ich bin in einem sehr behüteten Elternhaus aufgewachsen.
Z. B. ging ich als Kind viele Jahre nur 2xtägl. zum Wasserlassen auf die Toilette, hatte bis vor wenigen Jahren auf Reisen schlimme Verstopfung. Autoimmunerkrankung, Erschöpfungssyndom, Schlafstörungen, kaum belastbar, so dass ich seit 10 Jahren meinen geliebten Beruf nur noch minimal ausüben kann.

Als ich Anfang dieses Jahres (2021)durch einen Bericht in der Presse und durch Videos auf ihre Internetseite und Initiative stieß, schienen sich Puzzlesteine zu finden und Ahnungen wurden zu aufwühlenden Emotionen. Dass solche Einrichtungen besonders bei so kleinen völlig schutzlosen Kindern mit Beruhigungs-, Schlaf- und Schmerzmitteln arbeiten mussten liegt auf der Hand. Es graust mir bei diesem Gedanken und all den Berichten.

Vielen herzlichen Dank für Ihr großes Engagement dies alles ans Licht zu bringen!
Mir liegt sehr an Aufarbeitung und vor allem an Erkenntnissen zu den psychosomatischen Folgen und Spätfolgen, die man sicher im Bereich der posttraumatischen Belastung ansiedeln kann, wie Depressionen, Ängste, Fatigue, Erschöpfungszustände, hormon. Dysbalancen, Autoimmunerkrankungen, Nebennierenschwäche etc. Hier ist uns meines Erachtens der Staat schuldig, Verantwortung zu übernehmen, bei unabhängigen Studien unterstützend mitzuwirken, damit wir mit den offensichtlich weitreichenden Folgeschäden ernstgenommen werden und angemessene Hilfestellung erhalten.

Unsere Eltern, die damaligen Tanten, Ärzte und Betreuer waren ebenso wie wir Kinder und Opfer ihrer schrecklichen Zeit und Verirrungen. Auch in den Schulen, Krankenhäusern, Entbindungsstationen, Kinderheimen, waren die Auswirkungen der Ideologie des dritten Reiches z.T. noch bis in die 80er Jahre wirksam.
Hoffen wir, dass wir die Gefahren der Ideologien unserer gegenwärtigen Zeit einzuschätzen lernen und nicht wieder finanzielle, wirtschaftliche, technische und ideologische Zwänge die physische und psychische Gesundheit unserer Kinder nachhaltig gefährden. Ich beobachte u.a. den rasanten Druck, die frühkindliche Fremdbetreuung immer mehr auszubauen, mit großer Sorge.
Ich glaube die Wahrheit wird letztlich ans Licht kommen.
Ich hoffe dass aufrichtige Bekenntnisse, Vergebung und Heilung stattfinden können!
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Janine aus Altmark schrieb am 09.11.2021
Hi! Mein Name ist Janine und bin 1982 geboren. Im Alter von ca. 5 Jahren wurde ich am Bahnhof Stendal (Altmark) gebracht, um von dort an mit dem Bus nach Tarnewitz zu fahren. Dort war ich in der Kureinrichtung >>Neues Leben<< untergebracht. Das muss ca. 1987 von bis...es war warm. Ich war wohl wegen meiner Neurodermitis da. An so viel kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Heimweh hatten wohl viele. Ich kann mich noch waage an der Aussenansicht des Gebäudes erinnern. In der Nähe oder vor dem Gebäude stand ein Boot. Womöglich zum drauf rum klettern. Im Gebäude standen auf dem Flur Spinnte. Dort habe ich auch eine Tüte mit mehreren Nuckels versteckt, denn diese wahren für mich immernoch aktuell. In dem Schlafraum standen mehrere Betten. Meins stand gleich rechts vorne an der Wand. In einem Aufenthaltsraum stand ein Fernseher und es war ein Puppentheater aufgebaut. Beim Abendprogramm durften wir den Sandmann sehen. Ich kniff am Ende der Sendung immer meine Augen zusammen, da ich den Schlafsand vom Sandmann nicht in meinen Augen haben wollte. Ich wurde dabei ermahnt, die Äuglein auf zu lassen. Das schlimmste Erlebnis war bei einem Ausflug an dem Strand. Ein paar ältere Kinder wollten mir meine Nunnis wegnehmen und haben mich am Strand hin und her gehetzt, da ich davon lief, um die Nunnis zu verteidigen. Letztendlich habe ich sie wieder im Spinnt versteckt. Aus gnatz am Abend bei der Bettruhe, hatte ich an der Wand die Tapete abgerissen. Unbemerkt kam die Nachtschwester und schlug mir ins Gesicht. Am nächsten morgen war eine andere Aufseherin. Sie fragte mich, warum mein Kopfkissen voller Blut war. Ich hatte wohl Nasenbluten durch den Schlag der Nachtschwester. Ich hatte mir nicht getraut was zu sagen. An einem anderen Tag, auch bei einem Ausflug, flog mir eine Biene ins Auge. Ich kam dann zur Beobachtung auf die Krankenstation. Ein paar Kinder kamen mich besuchen und durften von aussen durch die Scheibe schauen. Und dann weiß ich nur noch, dass ich endlich wieder nach Hause ging. Wieder mit dem Bus nach Stendal. Als der Bus hielt und ich Ausstieg, kam eine ältere nette Dame auf mich zu und fragte, ob ich Janine sei. Sie nahm mich an der Hand und wir gingen in einem Laden wo ich mir eine Süssigkeit aussuchen durfte. Anschließend fuhren wir mit dem Zug in meinem Heimatort, wo ich dann von meiner Mutter abgeholt wurde. Als wir zu Hause waren, sagte ich zu ihr, dass ich meine Nunnis nicht mehr brauche. Ich hatte es zwar bereut, aber hatte es durchgezogen. Meine Mutter fragte, warum Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich wollte dort nie wieder hin.
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Martina aus Norderney, Marienheim schrieb am 07.11.2021
Erst in den letzten Tagen bin ich auf diese Seiten gestoßen...
Auch ich war einst für 6 Wochen im Marienheim, und zwar von Mitte Januar bis Ende Februar 1968. Damals war ich 9 Jahre alt.
Daheim wurden zuerst noch Namensetiketten in all meine Kleider genäht, dann wurde ich gemeinsam mit einem Mädchen aus unserem Nachbardorf (Zufall!) in den Zug gesetzt, der die 7 Stunden bis Norddeich-Mole durchfuhr. Dort ging es auf die Fähre, und auf Norderney direkt ins Marienheim. Mein Bett in dem großen Schlafsaal stand mittendrin. An den Waschraum mit den nebeneinander liegenden Waschbecken habe ich zwar Erinnerung, nicht aber an die Toiletten, Badewannen oder Duschen.
Die dicke Oberin hat mir immer sehr große Angst bereitet. Sie überwachte alle Mahlzeiten im Speisesaal und achtete darauf, dass die Teller leergegessen wurden. Wer tatsächlich einmal eine zweite Portion wollte, musste mit seinem Teller vor sie hintreten und um Nachschlag bitten. Dies ist bei mir nur ein einziges Mal vorgekommen: ich hatte aber solche Angst, dass ich die von ihr aufgefüllte Suppe prompt über ihre Ordenstracht geschüttet habe. Was dann geschah, weiß ich nicht mehr.
Richtig eklig war für mich die immer nur lauwarme Milch mit der dicken Hautschicht obendrauf. Manchmal gab es aber auch Tee, der war okay, irgendwie halt Wasser mit Geschmack.
Ansonsten war es so, wie es auch die Anderen beschreiben: mittags 2 Stunden Zwangsruhe im Bett, davon die erste Stunde schlafen (oder sich schlafend stellen), nur dann durfte man in der 2. Stunde lesen. Alles natürlich völlig mucksmäuschenstill und mit Bewachung. Wer sich in der 1. Stunde bemerkbar gemacht hatte, durfte nicht lesen und musste "weiterschlafen". Auch eine Nachtwache gab es, die saß immer auf einem Stuhl neben der Saaltür.
Wegen der eisigen Jahreszeit waren wir kaum draußen, aber der Kirchgang am Sonntag war obligatorisch, und einige wenige Besuche im Wellenbad wurden auch gemacht. Nur einmal waren wir am Strand - daran erinnere ich mich gut, weil die Landschaft aus Schnee und verwehtem Sand so aussah wie Milchreis mit Zimt und mich fasziniert hat. Die jungen "Tanten" waren zwar recht nett, aber wenig ideenreich, auch was die Beschäftigung der Mädchen anging. Meist haben wir uns deshalb selbst was ausgedacht, vor allem habe ich sehr viel gezeichnet.
Ausgehende Post wurde von der Oberin diktiert bzw. zensiert, eingehende Post und Päckchen geöffnet. Mein Heimweh war grässlich und musste von mir stets geheim gehalten werden. Aber viele liebevolle Briefe meines Vaters haben mich durch die Zeit gerettet...
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Elisabeth schrieb am 06.11.2021
Mein Name ist Elisabeth und ich bin im November 1944 geboren.
Es muss 1949 gewesen sein.
Ich war so 4 ¾ Jahre alt, als ich zur Kur in Bad Sachsa im Harz war.
Mein Vater, zweifach in Hannover's Innenstadt ausgebombt, war im Nachbarort, in Bad Lauterberg zur Kur geschickt worden.
Von den zwei Läden, die meine Eltern vor dem Kriege hatten, war jetzt nur ein Blech-Kiosk geworden, wo sie nun verkauften.
In der Zeit, wo wir beide zur Kur waren, hielt meine Mutter alles mit dem Geschäft am Laufen.
Mir war gesagt worden, ich könnte dort im Harz mit Kindern schön spielen und Papa wäre gleich nebenan, um gesund zu werden.
Ich war sehr, sehr dünn und schüchtern, als mich mein Vater am Glaseberg 3 bei Camilla Böttcher-Ramdohr ab gab.
Und nun begann das, was von so vielen beschrieben wird.
Viele schlimme Bilder habe ich, wie kurze Blitze, vor Augen.
Kaltes Wasser aus einem dicken Schlauch auf meinen Körper, falle um, Ohrfeige.
Böse knappe Ansagen.
Durst ohne Ende.
Lange in der Ecke stehen, mit dem Kopf zur Wand, schwindelig.
Nicht auf die Toilette dürfen.
Fieses klebriges Essen.
…........
Ich sehnte mich nach einem Briefkasten und dachte, ich würde so von meinem Vater geholt werden, wenn ich mein gemaltes Bild einwerfe.
Ich war Nachzügler,hatte zwei große Brüder, die 20 und 14 Jahre älter waren.
Die hatten mir etwas Schreiben beigebracht.
Einmal waren wir nun vom Heim zu einem Bäcker eingeladen, wo es eine so leckere Rosinenschnecke gab.
Und da sah ich einen Briefkasten!
Aber ich wurde entdeckt und mein zusammen geknicktes Bild musste in meiner Jackentasche bleiben.
Es wurde für mich im Heim immer schlimmer und mein Vater kam, weil er nicht durfte,überhaupt nicht zu Besuch.
Viele Kinder haben nach ihren Eltern geweint.
Irgendwann bin ich dann weggelaufen.
Den Namen Bad Lauterberg konnte ich ja lesen.
Das muss schief gegangen sein.
Ich sehe mich dann in einem Gitterbett im Büro von der „Tante“ Camilla, böse Stimmung, mein Vater ruft plötzlich an.
Sie sagen, es ginge mir sehr gut, ich wäre fröhlich und spielte schön im Garten.
Ich wollte schreien, bekam aber nichts heraus.
Fort an sehe ich mich alleine beim Essen, irgendwas ist mit meiner Hand, habe einen Verband um....
Gebrochenes muss ich nochmal essen.
Bin am Stuhl festgebunden.
Will zu meinem Papa.
Habe Angst nie wieder nach Hause zu kommen.
Habe Zuhause dann gesagt, ich will nie wieder weg.
Brauchte ich dann auch nie wieder.
Seit dem Horror habe ich, mein ganzes Leben, diese Zeit nicht vergessen können.
Bin vor allem Neuen erst mal sehr vorsichtig und ängstlich.
Habe mit 18 Jahren geheiratet und bin 1963 mit meinem Wolfgang und meinen Eltern noch einmal nach Bad Sachsa gefahren.
Mein Mann wollte denen wohl mal sagen, wie man mit Kindern umgeht.
War aber keiner mehr da....,soll 1951 ein Ende gehabt haben.
Wir sind seit 58 Jahren verheiratet, haben Kinder, aber diese nie in eine Kinderkur schicken wollen.
Warum wohl?
Eine schöne Erinnerung habe ich doch noch:
Mittagszeit, wir Kinder liegen im Garten und ein junges Mädchen liest uns vor.
Eine warme Stimme und nicht so ein Geschrei wie von den „Tanten“.


P.S.: Habe mich einmal mit einem Nachbarn unterhalten.
Er war auch ein „Verschickungskind“ und musste eine halbe Nacht über seinem Fischbrot sitzen, was er nicht herunter bekam.
Er hat es gegen Mitternacht hinter dem dort stehenden Schrank geklebt.
Ein schöner Gedanke, finde ich....
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Britta aus Köln schrieb am 05.11.2021
Ich war im Sommer 1974 für sechs Wochen im Kindersanatorium Hochwald wegen spastischer Bronchitis. Ich war 5 Jahre alt und hatte meinen sechsten Geburtstag in der Kur.
An diesen Geburtstag habe ich keine Erinnerung.

Ich erinnere mich an folgendes:
Meine Mutter brachte mich zur Kur, wir saßen bei der Chefin im Arbeitszimmer vor ihrem großen Schreibtisch. Meine Mutter erklärte, dass ich ab und zu noch ein wenig in die Hose pinkelte. (War also doch nicht so trocken: siehe mein Bericht über Bad Sachsa)

Ich hatte sechs Wochen lang das schrecklichste Heimweh.

Wenn es nachts im Schlafsaal nicht sofort still war, dann mussten die "Ruhestörer" raus.
Man saß dann allein im Schlafanzug in einem der dunklen Aufenthaltsräume. Ein Stuhl wurde vom Tisch herunter genommen. Darauf saß man im Dunkel bis im Schlafsaal alle schliefen. Eine Ewigkeit später öffnete sich die Tür und man durfte frierend in sein Bett.

Gemeinsame Toilettengänge nach den Mahlzeiten. Immer bei offener Tür. Ich habe mich geschämt. Irgendwann der genervte Ton der Aufpasserin: habt ihr endlich ausgeschissen?

Entwürdigendes gemeinsames Duschen. Alle Kinder standen in zweier Reihe, nackt nebeneinander. Es gab zwei frei stehende Duschtassen. An jeder eine der Frauen. Wenn man an der Reihe war, trat man vor in die Duschtasse und wurde von einer Frau gewaschen. Die Frauen feixten miteinander über die Köpfe der Kinder hinweg. Machten sich lustig über Körper, "wackelten" an den Kinderpopos.

Schlimme Momente im Esssaal. Brötchen mit Margarine. Ich ekel mich stark vor Margarine.
Immer sitzen und kauen. Kauen, kauen, kauen. Angst vorm Schlucken.

Regelmäßige Besuche beim Arzt. Blutentnahme. Dabei gab es wohl ein Bonbon. Erinnere mich daran, dass wir das Bonbonpapier zum Drücken auf die Einpiksstelle benutzten.

Ein Junge der Gruppe war so renitent und schrie viel, das er nach Hause geschickt wurde. Ich habe ihn so schrecklich beneidet. War selbst aber immer höchst angepasst.
Der Junge schrie unter anderem immer, dass er auf den Spielplatz wolle, den man vom unserem Flur aus sehen konnte.
An dem Tag als er fort war, gingen wir zum ersten Mal auf diesen Spielplatz.
Ich wusste damals schon und weiß es bis heute, was für eine Gemeinheit das war.

Bei einem Spaziergang verletzten ein Junge und ich uns ein wenig an einer unfallenden Sitzbank. Zum "Trost" durften wir diese Chefin in ihrem Arbeitszimmer besuchen und sie tat sehr nett mit uns.

Nach Abschluss der Kur fuhr ich mit Zettel um den Hals mit der Bahn wieder zurück nach Hause.

Ich konnte meinen Eltern meine insgesamt vier Kuren nicht wirklich verzeihen. Habe nie verstanden warum ich eigentlich weg musste. Es hieß ich sei krank gewesen, aber ich erinnere mich nicht daran. Ich glaube die Praxis dieser Verschickungen hat weit mehr damit zu tun, dass unsere Eltern in dieser Zeit, selbst durch Krieg und Nazis traumatisiert waren. Am Mythos Wiederaufbau wurde gearbeitet und die Eltern hatten genug mit sich selbst zu tun.
Dass immer so getan wurde, dass es ja an mir lag, dass ich weg musste und mich niemand beschützt hat, tut mir bis heute weh.
("...und wir hoffen, daß du ganz gesund einmal nach Hause zurück kommen kannst zu deinem lieben Vati und zu deiner lieben Mutti" Zitat aus einem Brief meines Vaters an mich als dreijährige in der Kur.) Zur Erinnerung, ich hatte Husten. Aber darf man nur ganz gesund bei Mutti und Vati sein?

Nicht ich war krank, sondern die Idee kleine Kinder von den Eltern zu trennen ist krank.
Britta
I
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Britta aus Köln schrieb am 05.11.2021
Ich wurde in den Jahren 1969 bis 1973 dreimal nach Bad Sachsa zu den Diakonissen im Borntal verschickt. Man hatte mir eine spastische Bronchitis diagnostiziert.
Ich erinnere mich selbst an keine der drei Kuren. Dafür war ich zu jung. Erst meine letzte Kur im Hunsrück (siehe anderer Bericht) ist mir in schlimmer Erinnerung.

Beim ersten Mal in Bad Sachsa war ich etwa 1 einhalb Jahre alt und trug noch eine Windel.
Wie meine Mutter immer stolz erzählte, kam ich trocken und ohne Schnuller aus der ersten Kur zurück. Nach den drei Monaten holten mich meine Eltern und mein älterer Bruder in Bad Sachsa ab. Ich erkannte meine Eltern nicht und wollte mit diesem Paar nicht mitgehen. Nur zu meinem Bruder fasste ich Vertrauen und ging schlussendlich ohne Weinen mit.
Es existieren ein paar Fotos aus diesen Aufenthalten, welche die Diakonissen meinen Eltern schickten, sowie zwei Briefe.
Ich habe meinen Eltern das unbekümmerte Erzählen über meine Angst vor ihnen beim Wiedersehen immer übel genommen. Ich kann bis heute nicht verstehen wie es allgemeiner Brauch sein konnte, sein Baby vollkommen fremden Menschen an einem Bahnhof in die Hand zu drücken.

Ich habe Bad Sachsa vor drei Jahren besucht und mich an den mittlerweile leerstehenden und teilweise abgerissenen Häusern aufgehalten. Diese deutsche 'Märchenwald-Architektur' löst immer vertrauten Kummer in mir aus.
Wie himmelschreiend traurig, dass so viele Kinder dieses deutsche Elend ertragen mussten (gab es diese Verschickungstradition eigentlich auch in anderen Ländern?).
Auch in meinem Elternhaus herrschte diese Vorstellung von Erziehung: kleine Kinder sind irgendwie noch wie Tiere. Man weiß nicht was in deren Köpfen vorgeht. Müssen erst erzogen werden um ein richtiger Mensch sein zu können.
Britta
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Joachim Ratzel aus Wissembourg schrieb am 05.11.2021
Im Dezember 2019 habe ich, bedingt durch die Reportage im "Report Mainz", begonnen mich mit meiner Situation als ehemaliges Verschickungskind tiefergehend auseinanderzusetzen. Woher kommen meine grossen Verlassenheitsängste? Warum bin ich so wenig konfliktfähig? Warum bin ich so oft traurig? Warum tue ich mich so schwer in Beziehungen und kann mich nur schwerlich öffnen und anderen vertrauen? Langsam nur mache ich in einer begonnenen Therapie Fortschritte. Das heisst, ich kann mich selbst inzwischen besser verstehen und habe Achtung vor mir. Der Schmerz sitzt aber soooo unendlich tief.... Gerne wäre ich zum Kongress nach Borkum gekommen. Ich traue mir das Ganze aber noch nicht zu. Ich habe Angst davor, dass es mich zu sehr "verspulen" würde.
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Karl-Heinz H König aus Sulzbach Rosenberg schrieb am 04.11.2021
Ich wurde im August 1966 für 4 Wochen ins Kloster Metten bei Degendorf gebracht. Am Bahnhof Sulzbach durften wir uns für 4 Wochen von unseren Eltern verabschieden. Ich bin damals 7 Jahre gewesen. Unser Pfarrer hat meinen Eltern gesagt, der Karl Heinz ist Unterernährt. Der muss auf Kur, damit er das Essen lernt. Wenn ich heute Bilder von mir, von damals anschaue, sage ich. Ich habe ein normales Gewicht gehabt. Ich kann mich nur mehr ans Essen erinnern. Große Portionen die Aufgegessen werden mussten. Sonst gab es ärger. Und das Nachts in unseren Schlafsaal ältere Jugendliche gekommen sind. Und den einen oder anderen Unsittlich berührt haben. Mich nicht. Wo die hergekommen sind weiß ich nicht. Dazu kommt noch das es nicht leicht für einen 7 jährigen gewesen ist. Von den Eltern weg zu kommen. Mehr weiß ich über diese Zeit nicht mehr. Muss aber oft negativ über diese Zeit denken. Hat es im Kloster Metten solche Fälle gegeben? Sie können gerne per Email mit mir Kontakt aufnehmen. Glück Auf KH König
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Ursel Lechtenberg aus Braunschweig schrieb am 04.11.2021
Hallo Armin,
danke für all die Informationen!
Ich würde auch gern Kontakt aufnehmen
zu "Ehemaligen", fürchte aber, dass es ist zu spät ist.
Ich war 1943/44 in Katzenelnbogen im Tbc
Kindererholungsheim und erinnere mich an
die "Braunen Schwestern".
Ein Ort des Grauens.
Vor vielen Jahren bin ich nach K. gefahren und habe
das Haus gesucht, leider nicht gefunden.
Ich habe an das Haus nur wenige Erinnerungen,
aber dafür um so mehr erinnere ich,
was da Schlimmes täglich passiert ist.
Gern bleibe ich im Kontakt mit Ihnen.
Herzliche Grüße
Ursula Lechtenberg
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Eva Fröhlich aus Sondheim Rhön schrieb am 03.11.2021
Ich bin durch Zufall auf den Artikel gestoßen. In diesem Moment dachte ich ebenfalls an meinen "Kuraufenthalt" als 7jährige zurück und musste lesen, dass die Einrichtung in Pelzerhagen "dazu gehört". Meine Erfahrungen sind glücklicherweise sehr positiv und ich denke gerne an die Zeit zurück. Ich - und alle weiteren Kinder im engen Umfeld - wurden dort jederzeit gut betreut. Vielleicht hatte ich einfach Glück oder Mitte der 80er hat bereits teilweise ein Umdenken stattgefunden. Mein Mitgefühl gilt allen Kindern der vergangenen Zeit, die heute noch traumatisiert sind , aufgrund ihrer Erfahrungen.
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Nadine schrieb am 03.11.2021
Ich war 1988 mit 7 Jahren für 6 Wochen zur Kur in Gaißach bei Bad Tölz.
Es sind nur Bruchstücke an die ich mich erinnere. Wir schliefen mit 4 Mädchen in einem Zimmer, wenn man sich nach der Nachtruhe unterhielt wurde man ausquartiert und musste mit seiner Matratze auf dem Flur schlafen.
Einmal hab ich mir Nachts in die Hose gemacht, weil ich Angst hatte bei Nachtruhe zur Toilette zu gehen. Auch danach wurde ich ausquartiert. Päckchen die von Zuhause kamen und Süßigkeiten enthielten, mussten geteilt werden. Es durfte nur Montags telefoniert werden, da konnten die Eltern für 5 Minuten anrufen. Auch wenn man Heimweh hatte, gab es keine Ausnahmen. Wenn es was zu Essen oder zu trinken gab was man nicht mochte musste man so lange sitzen bis es aufgegessen war, ansonsten dürfte man an Veranstaltungen, wie Ausflüge, nicht teilnehmen.
An körperliche Sachen erinnere ich mich nicht, nur an psychische.
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Manu schrieb am 02.11.2021
Liebe Sabine Callsen,
bitte melde Dich bei mir (Heimortkoordinatorin Tegernsee-Region) unter verschickungsheime-tegernsee@gmx.de. Es gibt noch weitere ehemalige Verschickungskinder aus diesem Heim.

Herzliche Grüße,
Manuela
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Thomas Schläger aus Magdeburg schrieb am 02.11.2021
Ich war im Frühjahr 1983 für 6 Wochen im Kinderkurheim Ettersverg bei Weimar. Es war sehr schön, vormittags Schule, Mittagsschlaf, nachmittags Ausflüge. Viele Wanderungen in die schöne Natur, auch mal zu Goethe und Schiller nach Weimar.
Natürlich auch viele Geschichten aus dem nahegelegenen KZ Buchenwald erzählt bekommen, wobei es dabei politisch motiviert natürlich immer nur um Kommunisten, Antifaschisten und Ernst Thälmann ging. Judenverfolgung wurde nie auch nur ansatzweise erwähnt.

Die Erzieherinnen waren DDR-typisch streng, aber nicht ungerecht. Ich war einer von den Flegeln, der Soohn einer Kollegin meiner Mutter war ein Jahr nach mir dort und die Erzieherinnen konnten sich noch an mich erinnern "der war ein lauter Rabauke"
Die einzige Strafe: Ich und ein paar andere Rabauken durften nicht mit zum Besuch ins KZ Buchenwald, was uns mit unserer mangelhaften Disziplin begründet wurde. Das kann ich auch heute noch sehr gut nachvollziehen. Eine KZ Gedenkstätte ist kein Ort an dem man 8-10 jährige Kinder rumtoben lassen möchte die nicht hören können.

In meiner Erinnerung war es eine schöne Zeit, wir haben dort viel Blödsinn gemacht. Alle Kinder und auch die Erzieherinnen sind fair mit uns umgegangen.
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Christine Eschbach aus Köln schrieb am 01.11.2021
Liebe Frau Röhl,
vorerst möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie die Initiative
für uns Verschickungskinder übernommen haben und ein  Forum bieten,
das Schweigen zu durchbrechen.
Auch ich war nach diesem sechswöchigen Kuraufenthalt für Jahre verstummt.
Mein ganzes Leben lang habe ich versucht möglichst den Aufenthalt im
Krankenhäusern oder Institutionen zu vermeiden.
Als mir meine Ärztin mir mit 46 Jahren einen Kuraufenthalt ans Herz
legte, veranlasste ich alles Notwendige.
Zwei Tage vor der Abreise überkam mich Panik und ich thematisierte mit
meiner Ärztin die Erfahrungen , die ich als Fünfjährige in Bad Buchau
gemacht hatte.
Sie reagierte wunderbar und sagte, dass ich nun eine erwachsene Frau
sei, die sich zu wehren wüsste, und ich konnte erleichtert die Kur
annehmen und geniessen.
Meine Eltern hatten mich 1970 in Kur geschickt, da ich sehr schmächtig
war und regelmässig ins Bett machte.
Meine Mutter war sehr fürsorglich und liebevoll, mein Vater jedoch
sehr autoritär.
Also eine ständige Anspannung in einer Familie mit fünf Kindern.
Alle Kinder wurden von der DAK in Kur geschickt.
Wir alle haben unter der Trennung von unserer Mutter sehr gelitten.

Meine Erinnerung:

In Oktober 1970 wurde ich von Köln aus für sechs Wochen in die
Kinderkur geschickt. Meine Schwester und meine Mutter brachten mich an den
Bahnhof nach Deutz. Ein langer Zug mit Kindern die winkten ist mir
in Erinnerung geblieben,mein kleiner karrierter Kulturbeutel, und der
Mittagsschlaf im Zug auf ausgezogenen Samtpolstern.
Das Kurheim befand sich in einem Schloss mit vielen Gängen.
Vorerst war ich mit grösseren Kindern in einem Schlafraum untergebracht.
Es war immer recht kalt und nachts rasselte die  Nachtschwester mit
ihrem grossen Schlüsselbund.
Zum Essen wurde ich gezwungen, die Erbsen habe ich einmal auf der
Toilette ausgekotzt(sorry).
Einmal habe ich mich in der Toilette eingesperrt und kam nicht alleine
raus. Ein älteres Mädchen kletterte über die Toilettenwand und
befreite mich.
Dann kam ich zu den kleineren Kindern im Souterain, dort waren weniger Kinder.
Die Holzstühlchen hatten eine Herzform und sahen aus wie im Märchen.
Zu Beginn der Kur waren uns die Süssigkeiten abgenommen worden, jedoch lag jeden Sonntag ein Katjeskätzchen auf dem Tellerrand. Wir haben im Park gespielt, Kastanien gesammelt und ich habe meine erste Laterne gebastelt.
Es gab einen Laternenumzug im Park.
Wir habe auch den Wackelwald besucht( Moor).
Ich bekam Tabletten und Lebertran.
Von dem Paket meiner Mutter durfte ich die Postkarte und das Papier
( Schuhreklame von Ara ) behalten.
Gymnastikstunden fanden in einem grossen Raum unter dem Dach statt.
Zum Ende hin wurden wir durch viele Gänge und Treppen zu Badezimmern
geführt. Dort badete ich das erste und einzigemal in sechs Wochen.
Meine Mutter liess mich nie alleine im Badezimmer- hier war ich
alleine!
Als ich wieder in Köln am Bahnhof ankam holten mich meine Schwester und meine Mutter wieder ab. Meine Schwester
erzählte, dass meine Mutter bei meinen Anblick sehr weinte! Ich sagte
zu ihr:" Mutti, du musst nicht weinen, der Koffer ist im Gepäckwagen...!"
Das ganze ist nun 51 Jahre her.
Die Worte meiner Ärztin haben mir geholfen diese Leere, Hilflosigkeit,
Lähmung und Angst zu überwinden.
Heute kann ich NEIN sagen!
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RPetzinger aus Bad Camberg schrieb am 01.11.2021
Hallo guten Tag,
ich wusste bis heute nicht, dass es eine Initiative Verschickungskinder gibt.
Durch Zufall habe ich den Hinweis im Programmheft gelesen und mir die
TV Sendung im NDR angeschaut.
Ich bin 1952 geboren und wurde im Oktober 1955, also mit 3 Jahren, für 6 Wochen in den Schwarzwald geschickt.
Es war für mich ein einziger Horrortrip. !
Schläge, Zwangsessen, Schlafen im Waschraum auf dem blanken Fußboden ohne Bettzeug.... war normale Tagesordnung.
Ich glaube es war ein Heim "am Tittisee". Unterlagen darüber habe ich keine. Meine Eltern haben mir darüber nie Auskunft gegeben. Erst mit ca 30 Jahren kam ich mit meinen Eltern eines Abends auf dieses Thema zu sprechen. Sie sagten mir nur: "... stell dich nicht so an, du warst ja nicht alleine in Kur"
Ich habe dort gelernt, "die Klappe zu halten und nur das zu machen was verlangt wurde" - dann war alles gut.
Die Bilder dieser "Kur" haben mich mein ganzes Leben lang verfolgt. Bis heute.
Ich hatte immer das Gefühl, ... ich bin nichts... ich kann nichts... die Großen können alles besser als ich.... ich brauch nicht selbst zu denken....
Diese Gefühle konnte ich teilweise mit Freunden besprechen und eine selbstbewusstere Haltung entwickeln.
Aber es blieb immer ein Rest übrig, den ich mir nicht erklären konnte. Es war alles sehr anstrengend und die Erinnerungen klebten wie Blei an mir.
Durch die TV Sendung, waren die "Bilder vom Schwarzwald" in meinem Kopf direkt wieder aktiv und erzeugten ein unangenehmes Kribbeln am ganzen Körper.
Viele Grüße Rudolf Petzinger
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Sabine Callsen aus Norderstedt schrieb am 31.10.2021
ich wurde im Sommer 1966 verschickt in das Kinderkurheim von Siemens, mein Vater arbeitete bei Siemens. Ich war fünf Jahre alt. Ich erinnere mich an mein schreckliches Heimweh. Meine Mutter schrieb mir Karten mit dem Mecki Igel, die wurden dann laut vorgelesen beim Essen vor allem anderen Kindern, es war mir schrecklich peinlich, die nur für mich gedachten Kosenamen und Worte meiner Mama, die ich so schlimm vermisste, vor allen anderen vorgelesen, die anderen haben gelacht...Ich war immer hungrig, andere auch, wir haben die Teller abgeleckt...als ich das dann zuhause auch gemacht habe, hieß das scherzhaft "der Tegernsee-Teller"...Es gab wenige Toiletten, vor denen alle Kinder abends Schlange standen, ich konnte da mit den schon an die Tür hämmernden KIndern nichts machen und lag dann in meinem nassen Bett. Ich war krank und hatte eine Mittelohrentzündung, ich erinnere mich an den gelben Eiter auf dem Kissen. Bei den Spaziergängen an rauschenden Bächen habe ich festgestellt, dass ich den Bach auch dem einen Ohr gar nicht hören konnte. Eine Zeit lag ich dann in einer Krankenstube, dort war auch eine anderes Mädchen und es war die beste Zeit, ich hatte meine Ruhe und ein wenig Gesellschaft. Die stärkste Erinnerung ist das heftige Heimweh und immer traurig zu sein.
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Annette H schrieb am 31.10.2021
Ich war mit 7 Jahren in der Kinderfachklinik Satteldüne auf Amrum. Ich habe keine schönen Erinnerungen an diese Zeit. Ich kann mich noch genau an diese Kälte von den Betreuern erinnern. Ich war komplett auf mich alleine gestellt und hatte auch dort keine Freunde gefunden. Ich kann mich an kein Gesicht der Betreuer erinnern, sondern nur das mit mir nicht liebevoll umgegangen wurde.

Am ersten Tag habe ich ein Blatt Papier von einer Frau in die Hand gedrückt bekommen mit der Aufforderung ich soll zum Arzt gehen. Dann verschwand sie wieder. Sie hat mir nicht gesagt wohin ich gehen soll und hat mich nicht begleitet. Ich war total verloren und hatte Angst. Ich habe dann meinen Mut zusammengefasst und eine weitere Person gefragt. Diese erklärte mir kurz den Weg. Irgendwann habe ich den Behandlungsraum gefunden, kann mich aber an die Untersuchung nicht erinnern.

Wenn ich mich versuche zurück zu erinnern, dann fällt mir der Speiseraum als negative Erinnerung ein. Ich weiß, dass ich morgens nur eine Wahl zwischen Brot mit Käse oder Brot mit Schinken hatte. Das Essen hatte mir nicht geschmeckt und getrunken habe ich auch nicht viel, da mir nur Tee in Erinnerung geblieben ist.

Meine Eltern haben mich persönlich hingefahren und mir Süßigkeiten da gelassen. Die wurden aber von den Betreuern weggenommen. Ich konnte aber ein paar Süßigkeiten in meinem Bett verstecken und habe meiner Bettnachbarin ein paar geschenkt. Das verschickte Paket von meinen Eltern mit den vielen Süßigkeiten und Geschenken hat die Betreuung auch einbehalten und mich erst gar nicht darüber informiert.

Im Waschsaal hatte ein Junge Seife auf dem Boden verteilt und mich geschubst. Ich bin ausgerutscht und mit den Kopf gegen das Waschbecken gestoßen und hatte dadurch eine Beule erlitten. Die Betreuer haben meine Eltern nicht informiert.

Ich habe fast täglich Abends ins Bett gemacht. Ich verstehe nicht, wieso ich das gemacht habe. Es muss was passiert sein, dass ich nicht auf die Toilette konnte/durfte.

Was ich am schlimmsten fand, war halbnackt im Badeanzug früh morgens in der Kälte eine Runde laufen.
Ich hatte telefonischen Kontakt zu meinen Eltern. Allerdings nur unter Aufsicht der Betreuer. Ich muss wohl am Telefon viel geweint haben und habe die negativen Geschehnisse auch erzählt. Ich musste auch ständig den Betreuern den Hörer geben, weil meine Mutter nachfragte, ob das alles tatsächlich passiert ist.
Als die Betreuerin meinte, dass meine Beule ja nicht so schlimm ist und sie deswegen meine Eltern nicht angerufen hat, ist meine Mutter ausgeflippt und hatte gesagt, dass sie mich am nächsten Tag holen kommt. Ich hatte das Glück und wurde von meinen Eltern eine Woche nach Anreise wieder abgeholt. Die Zustände waren katastrophal. Ich wurde mit meinen ganzen Sachen am Eingang abgeladen und sollte dort auf meine Eltern warten. Als sie ankamen, haben sie ein verwahrlostes Kind aufgefunden. Ich war dreckig und habe gestunken. Von dem Aufenthalt Satteldüne habe ich mit 7 Jahren eine Blasenentzündung bekommen. Meine Eltern hatten danach einen Beschwerdebrief an die AOK geschickt. Es kam ein böser und uneinsichtiger Brief zurück. Den Brief sucht meine Mutter noch.
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Birgit Lehne aus Celle schrieb am 30.10.2021
Nach dem Fernsehbericht fing meine Mutter, 87 Jahre, plötzlich an zu erzählen! Sie war vor der Einschulung mit ihrem kleinen Bruder irgendwohin verschickt. Das Haus lag auf einem Hügel, unten flossen die Aller und irgendein anderer Fluss. Die Tanten haben immer gesagt sieh mal, da ist die Aller, Du bist doch aus Celle, da fließt sie auch durch. Sie wurde von ihrem Bruder getrennt. Beide hatten dort Keuchhusten. Sie erinnert sich an ein Bett mit Gittern wie ein Zaun aus dem sie nicht heraus konnte. Sie hat die ganze Nacht gehustet und erbrochen. Irgendwann kam eine Tante, hat sie ins Bad getragen und gewaschen. Als sie da zurückkamen war das Bett frisch bezogen, darüber hat sie sich dann wohl sehr gefreut. Am nächsten Morgen wurde sie nach draußen geholt, da war ein Krankenwagen. Sie sollte sich von ihrem Bruder verabschieden der ins Krankenhaus musste. Mehr weiß sie nicht mehr und mein Onkel erinnert sich an gar nicht mehr. Das Ganze ist ca 83 Jahre her und nun durch diesen Bericht im Fernsehen ist es wieder da. Diesen Bericht hat sie sich angesehen weil ich ein Verschickungskind bin und wir schon viel darüber gesprochen hatten.
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Hain-Hermann Weede aus Hildesheim schrieb am 30.10.2021
Mein Name ist Hain-Hermann Weede, Jahrgang 1960 und ich hatte vergangenen Donnerstag bereits über meinen dreiwöchigen Aufenthalt in einem Lüneburger Kinderheim im Jahr 1962 berichtet. Bitte erlaubt mir ein paar Ergänzungen. Meine acht Jahre ältere Schwester erzählte mir folgendes: Die Eltern hatten ein quiteschvergnügtes zweijähriges Kind in die Obhut des Kleinkinderheimes gegeben. Als sie mich später wieder abholten, schlich ein total verängstigtes, eingeschüchtertes und blasses Kind wie ein Gespenst langsam die Treppe herunter. Besonders erschütternd sei mein stumm-vorwurfsvoller Blick gewesen als ob ich sagen wollte, ach euch gibt es auch noch? Offensichtlich hatte ich resigniert und mich ganz meiner Situation überlassen. Offensichtlich hatte ich schwere Verhaltensauffälligkeiten erlitten, möglicherweise durch eine Traumatisierung. Auffallend war noch dass ich nach dem Heimaufenthalt schlagartig trocken war, obwohl es eine Binsenweisheit ist, dass ein dreijähriges Kind sauberer als ein zweijähriges ist. Wurde ich etwa gewaltsam zur Sauberkeit gezwungen? Mir fehlt an diese Zeit jegliche Erinnerung und alles was ich berichte, weiß ich nur aus Erzählungen, wie z.B. die schlagartige Sauberkeit und die deutlichen Verhaltensauffälligkeiten- und veränderungen durch Schüchternheit und Überängstlichkeit. Woran an mich deutlich erinnere ist ein quälender und bedrückender Albtraum: Ich sehe mich in einem großen Raum mit weißen hohen Wänden. Gegen meinen Willen schiebt mich eine unsichtbare Kraft gegen die gegenüberliegende Wand. Verzweifelt und vergeblich stemme ich mich die unsichtbaren Hände die mich erbarmungslos vorwärtsschieben, erst langsam und dann immer schneller werdend. Die Wand wird größer und kommt bedrohlich immer näher. Verzweifelt und vergeblich versuche ich mich die Kraft zu stemmen. Die Wand kommt noch und schließlich werde ich gewaltsam an die Wand gedrückt und zerdrückt. Jahre später, erzählte mir meine inzwischen verstorbene Mutter dass der Schlafsaal ein großer hoher Raum mit weißen Wänden war. Waren die unsichtbaren Hände in meinem Rücken, die Hände einer überforderten Mutter die ein Kleinkind von sich wegschiebt? Natürlich ist meine Frage Spekulation. Allerdings zerbreche ich mir schon seit langem den Kopf darüber, was ich möglicherweise gesehen oder erlebt hatte, dass zu den gravierenden auffallend Verhaltensänderungen kam. Wurde ich möglicherweise gar traumatisiert, z.B. dadurch dass icg Gewaltanwendungen am eigenen Leib oder bei anderen Kindern gesehen habe? Ist es denkbar, dass ich im Unterbewusstsein "gelernt" dass alles im grünen Bereich ist wenn ich mich korrekt benehme und alles "richtig" mache? Fakt ist, dass ich bis heute unter einer schweren Zwangsneurose leide und nach wie vor zwanghaft bemüht bin es anderen soweit möglich recht zu machen, bloss nicht anezuecken und keinesfalls negativ aufzufallen. Fakt ist ebenfalls, dass ich im späteren Kindesalter und während meiner gesamten Teenagerzeit den Spitznamen "der Musterknabe" hatte, da ich stets ein ungewöhnliches braves, stets höfliches und zuvorkommendes Kind und Jugendlicher war, der stets bemüht war sich korrekt und richtig zu verhalten. Auch heute noch trage ich noch den Spitznamen "der Musterknabe" da ich mich stets höflich, zuvorkommend, aufmerksam und stets korrekt verhalte und weiterhin zwanghaft bemüht bin auf gar keinen Fall negativ aufzufallen. Meine Fragen sind selbstverständlich Spekulation aber meine Verhaltensauffälligkeiten müssen doch irgendwo eine Ursache haben. Ist es denkbar, dass neurotische Störungen "erlerntes" Fehlverhalten sind, die eventuell durch eine Verhaltenstherapie wieder "verlernt" werden können. Ich wäre sehr dankbar wenn ich von einem Fachmann Antworten auf meine spekulativen Fragen bekommen könnte
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Gordian aus Oftringen (CH) schrieb am 29.10.2021
Ich habe den Beitrag im NDR gesehen und meine Erinnerungen kamen langsam wieder. Schrecklich, dass ich das so verdrängt habe. Mir standen sofort die Tränen in den Augen, als ich sah dass es anderen genau so ergangen ist wie mir.

Wir waren in einem alten grossen Haus, Schloss ähnlich, mit grossem Speisesaal oberhalb oder in der Nähe der Loreley. Vielleicht war es das Jagdhaus Dr. Staeckel in Weisel, bin mir aber nicht sicher. Bilder davon kann man ja im Internet ansehen. Als Kind hat man eine andere Wahrnehmung. Es muss 1965 gewesen sein, ich war da 6 Jahre alt und sollte bald in Bad Salzuflen eingeschult werden. Ich weiss nicht mehr wie lange ich dort war, aber es müssen 4-6 Wochen im Frühjahr gewesen sein. Wir waren ca. 50-60 Kinder. Es ging vor allem darum uns das Essen hinein zu würgen oder hinein gewürgt zu bekommen. Und das Essen war schlecht und wurde auf billigen Plastiktellern serviert. Wer das Essen nicht essen wollte, morgens gab es Haferschleim, wurde vor der versammelten Mannschaft runter geputzt und als „Krank im Kopf“ bezeichnet und man musst sich wieder ins Bett legen. Man war ja „krank“ weil man nichts essen wollte, da musste man im Bett bleiben. Die anderen machten bei schönem Wetter Ausflüge und Wanderungen. Das passierte mir mehrmals. Später kamen dann drei Frauen zu mir in den Schlafsaal, zwei hielten mich rechts und links fest und die Dritte stopfte mir den Haferschleim in den Mund. Das was ich ausspuckte, weil ich gar nicht so schnell essen konnte, landete wieder auf dem Teller, den ich leer essen musste. Wenn was auf die Decke fiel, wurde der Teller noch einmal voll gemacht, weil, ich sollte ja die richtige Menge essen. Erbrach ich mich, wurde das auch wieder auf den Teller geklatscht. Den Rest des Tages musst ich wieder im Schlafsaal verbringen. Ich hatte am nächsten Tag blaue Flecken an Armen und dem Körper vom Festhalten der drei Frauen. Ich fühle mich heute noch vergewaltigt. Wie kann man einem kleinen Jungen so etwas antun? Dazu muss man wissen, dass ich gekappte, entzündete Mandeln hatte, die bei leichtester Berührung einen Brechreiz auslösten. Aber das haben weder die Ärzte damals noch die Aufsicht bemerkt und auch niemanden interessiert.
Abends dann wurde ich wieder den anderen vorgeführt. Nach dem Motto, hier kommt der Abtrünnige, er darf jetzt mit uns Abendesse, aber dann wieder ins Bett, er ist ja krank. Anderen ging es auch so, aber die wurden von mir getrennt gequält. Nachts durften wir nicht auf die Toilette. Ich konnte das aushalten, aber andere nicht. Die machten dann ins Bett. Die Bettwäsche wurde nur einmal die Woche oder so gewechselt, also lagen sie mehrere Tage im dreckigen Bett. Generell war der Ton der Frauen, Männer habe ich keine wahrgenommen, sehr brutal bis militärisch. Mittleid, Zuneigung, Herzlichkeit, Freundlichkeit all das gab es nicht. Ich hatte das Gefühl von meinem Zuhause in eine Hölle gekommen zu sein und verlor da wohl das erste mal das Vertrauen zu Erwachsenen und anderen Menschen. Ich habe heute noch und die letzten zwanzig Jahre mit psychischen Problemen zu kämpfen, die mich mein ganze Leben am Erfolg, einem erfüllten und einem freien Leben gehindert haben. Ich wünsche den Verantwortlichen von Damals alles erdenklich Schlechte! Ich hoffe ihnen sind ihre Taten auf dem Sterbebett durch den Kopf und das Herz gegangen. Meinen Eltern mache ich keinen Vorwurf, denn die wurden ja in dem Glauben gelassen, dass sie mir was Gutes getan hätten. Tiere behandeln ihre Jungen besser.
Einmal bekam ich einen Brief von meinen Eltern, da wurde mir die gesamte Tragweite erst richtig bewusst. Mein Heimweh und meine Situation wurde dadurch noch schlimmer und ich heulte den ganzen Tag. Viele andere heulten auch regelmässig, das interessiert keinen von den Aufseherinnen im Gegenteil, die wurden dann erst richtig grob. Stell Dich nicht so an, etc. Ich kam nach der Heimkehr zu meinen Eltern garnicht auf die Idee etwas darüber zu erzählen, da ich glaubte, so müsse die Welt eben sein. Erst viel später habe ich meinen Eltern von den Erlebnissen erzählt, die dann masslos erschüttert waren. Am schlimmsten war eigentlich, dass man den Erwachsenen dort hilflos ausgeliefert war. Man kam sich hilflos, klein, minderwertig und unnütz vor. Im Nachhinein habe ich meine ganze restliche Jugend in solch einem Licht betrachtet gesehen. Wir sollten gebrochen und klein gemacht werden. Mir tun alle die das mitmachen mussten schrecklich leid und freue mich auf Kontakt zu ihnen.
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Wolfdieter Wedekind aus 38518 Gifhorn schrieb am 28.10.2021
Hallo zusammen,
habe am 27.10,21 die NDR 3-TV-Sendung zum Thema Kinderverschickung mit dem Titel "Was ist damals passiert" gesehen. Dabei kamen bittere Erinnerungen an meinem Aufenthalt von Juni bis ca. Ende August 1960 im Kinderheim "Haus Hapke" in mir hoch. Ich weiss nicht, ob sie bei mir tramatische Langzeifolgen wie Entwicklungsstörungen oder soziale Defizite ausgelöst haben. Ich bekam damals aber zu spüren, welche inhumanen bis zerstörerischen Auswirkungen dieses jahrzentelang lukrative Geschäftsmodell der Gesundheitsindustrie names"Kinderverschickung" auf dessen wehrlose Opfer (geschätze 10 Millionen) hatte, die diesen Horror igendwie durchstehen mussten.
Meine Erfahrungen decken sich in velen Punkten mit denen anderer Betroffener, die sich hier dazu schon geäußert haben: In Erinnerung bleiben ekliger Haferbrei, der unter Androhung von Gewalt restlos verzehrt werden musste, der Zwang, verschmutzte Unterhosen und Bettwäsche selbst mit kaltem Wasser zu reinigen, die total repessiven Disziplinierungsmehoden, der menschenverachtende Nazi-Kasernenhofton, die systematische Unterdrückung persönlicher Bedürfnisse und Gefühlsregungen zu Gunsten des Profits.
Was ist mit Verantwortung und Wedergutmachung?
Zurück zu Hause musste meine Mutter mit mir Enlisch pauken, weil das neue Schuljahr (5. Klasse) schon längst ohne mich begonnen hatte und ich erst wieder Anschluss finden musste, was dann aber ganz gut gelang und gefühlt ohne Dauerschäden gelang.
Ich erntete damals im Familienkreis übrigens viel Beifall für meine Parodien über Frau Hapke . . .
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Hain-Hermann Weede aus Hildesheim schrieb am 28.10.2021
Mein Name ist Hain-Hermann Weede und ich bin 1960 in Hildesheim geboren. Von 1962 bis 1966 lebten meine acht Jahre ältere Schwester und ich mit unseren Eltern in Lüneburg weil mein Vater als Beamter von Hildesheim nach Lüneburg versetzt wurde. 1966 zogen wir wieder zurück in meine Geburtsstadt wo ich heute noch lebe. Im Jahre 1962 kam ich auf Anraten eines Lüneburger Kinderarztes in einer Lüneburger Kinderheim wo ich dann drei Wochen blieb, während meine Eltern in den Urlaub fuhren. An die Zeit im Heim habe ich keine Erinnerung mehr. Meine Schwester erzählte mir später, dass ich nach dem Heimaufenthalt deutliche Verhaltensauffälligkeiten zeigte. Aus einem quietschvergnügten 2-Jährigen Jungen der ins Kinderheim gekommen war wurde ein schüchterner, überängstlicher Junge, der nachts nicht mehr im dunkeln schlafen und nicht mehr allein im Kinderzimmer schlafen konnte. Auch wurde mir von nächtlichem Schaukeln und von unruhigem Schlaf mit wiederholten schweren Albträumen erzählt. Auffallend waren auch Kontaktstörungen gegenüber Gleichaltrigen. Soviel konnte ich den Erzählungen entnehmen. Angst, Depressionen, Schlafstörungen, Kontaktstörungen habe ich bis heute noch. Mir fällt es auch jetzt noch schwer, Vertrauen zu anderen aufzubauen. Ich weiß nicht ob meine Geschichte von Interesse sein wird. In diesem Fall bitte ich um Löschung. Mich würde allerdings interessieren, was möglicherweise in der Zeit passiert sein könnte, denn die Verhaltensauffälligkeiten die nach dem Heimaufenthalt auftraten haben mich mein ganzes Leben lang begleitet und auch heute noch sind Ängste, Depressionen, Schlafstörungen und Albträume aktuell. An die drei Wochen selbst habe ich keinerlei Erinnerung mehr. Könnte es sich eventuell bei mir um eine Traumatasierung handeln?
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Ralf Kunstein aus Kiel schrieb am 28.10.2021
Ich wurde mit ca 9 Jahren wegen Übergewicht nach Sylt verschickt. Obwohl ich bereits Jahre vorher in Skt.Peter Ording gelitten hatte. Aber meine Eltern meinten es gut. Ich bekam kaum zu essen, musste aber mit den Kindern zusammen essen, die zunehmen sollten. Beratung oder gar Unterstützung gab es nicht. Nur zotige Sprüche von den Heimdamen. Als es Abends mal laut im Zimmer wurde, kam die Heimtante rein, schnappte mich und sperrte mich im dunklen , feuchten Waschraum ein. Ich durfte kein Licht machen und wusste nicht wann und ob ich wieder raus durfte. Ich traue heute noch fast niemandem und habe Ängste eingesperrt oder fremdbestimmt zu werden. Ich war doch sowieso unglücklich dort. Die großen Kinder klüngelten mit den Wärterinnen. Wir Kleinen Sensiblen hatten keine Rechte.
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Annika aus Steinhude schrieb am 28.10.2021
Auch ich gehören zu der Generation der Verschickungskinder und leide noch heute unter den traumatischen Erlebnisse auf diesen "Kuren"....ich verstehe nicht wieso die Bundesregierung dies bis hin in die 90ziger geduldet hat....echt unglaublich...
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Ingrid aus Berlin schrieb am 27.10.2021
Im Foyer gab es einen Käfig mit Affen. Meine beiden älteren Schwestern waren mit mir zusammen verschickt. Die Älteste kam in eine andere Gruppe. Ohne meine drei Jahre ältere Schwester hätte ich das nicht überlebt, so ist mein Gefühl. Ich bekam Panik, als sie von einem stärkeren Kind mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen wurde. Ich war fünf Jahre alt. Ein Mädchen aus unserer Gruppe wurde besonders gequält, weil sie sich öfter „weigerte“. Sie wurde an einen Stuhl gefesselt und musste das Essen und ihr Erbrochenes aufessen. Das erschütterte mich sehr. Die Briefe meiner Schwester an unsere Mutter wurden zensiert. Mein Heulen half nichts, ich musste ein stinkendes Ei essen, welches ich (zum Glück!) ins Klo erbrochen habe. Ich brauchte fast 15 Jahre, um wieder Eier essen zu können. Ich habe sehr oft nachts ins Bett gemacht. Ich sah bei den anderen Kindern, was mir blühen wird und deshalb drehte ich die Matratze einfach auf die andere Seite und ließ die verpinkelten Unterhosen an. Ich hatte danach eine ganze Weile schlimme Essstörungen und das Verhältnis zur Mutter war gestört und sehr schwierig. Auch machte ich einen großen Bogen um Nonnen!
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Gabriele Franke schrieb am 27.10.2021
Durch einen TV-Bereicht im NDR wurde ich darauf aufmerksam, dass nicht nur ich gelitten habe, sondern viele Kinder neben mir auch, teilweise noch sehr viel schlimmer als ich selbst. Viel habe ich vergessen oder sollte ich schreiben verdrängt, aber einiges ist mir immer in Erinnerung geblieben, aus diesem Kuraufenthalt, der dazu gedacht war, dass meine Schwester und ich etwas zunehmen sollten. Aus unserem Blickwinkel kamen wir in die Hölle und die Hölle sollte 6 Wochen dauern. Die Verzweiflung kann man nicht in Worten ausdrücken, die ein Kind empfindet, wenn es weiß, dass es dieser Schikane und Willkür sechs Wochen ohne Schutz ausgesetzt sein wird. Ich bin mir nicht sicher, wie das Heim hieß. Sollte sich hier jemand auch in dem Kinderheim in Hirschegg aufgehalten haben und er den genauen Namen, wäre ich daran sehr interessiert. Vielleicht weiß der oder diejenige sogar noch den Namen der Heimleiterin und von der netten Praktikantin oder Mitarbeiterin. Ich glaube, dass ich mich erinnern könnte, wenn ich die Namen hören würde. Nun zu meinem Bericht, der sicher sehr lückenhaft ist, denn tief in meinem Innern habe ich das Gefühl, nicht alles gesagt zu haben, aber es will nicht an die Oberfläche. Da meine Mutter inzwischen an Alzheimer erkrankt und mein Vater tot ist, kann ich nur schätzen, wann meine Schwester ich in Hirschegg waren, ich vermute dass es ca. 1970 war und ich ungefähr 8 Jahre alt: Direkt nach unserer Ankunft bekamen wir von der Heimleitung (eine für uns damals älteren Frau, ich schätze vielleicht um die 50 Jahre) alle Süßigkeiten, die uns unsere Eltern mitgegeben hatten, abgenommen. Das war für uns Kinder gleich zu Beginn der erste Schock. Am ersten Morgen nach unserer Ankunft gab es zum Frühstück, wie - ich meine es so zu erinnern - jeden anderen Morgen auch - Haferflocken, eine saure Milch (Buttermilch oder etwas Ähnliches) und Honig. Für mich - wie für fast alle Kinder - war dies ein furchtbares Frühstück, die saure Milch war kaum herunterzubekommen, aber man musste es aufessen, man bekam auch nichts anderes. Ich erinnere mich daran, dass Kinder, die nicht gerade am Tisch saßen, unter jeden Arm eine zusammengerollte Zeitung geschoben bekamen, die sie mit Druck der Arme dann während des Frühstückens festhalten mussten. Meine Schwester und ich hatten sofort großes Heimweh, ich erinnere, dass ich während einer Malstunde eine Art Kalender malte, von dem ich jeden Abend ein Kästchen, für einen vergangenen Tag, durchstrich.
Wir schliefen mit mehreren Mädchen (ca. 5, genau weiß ich es nicht mehr) in einem Zimmer. Da wir im Winter verschickt wurden, war es immer sehr kalt in diesem Zimmer. An folgende einschneidende Dinge erinnere ich mich bis heute:
An einem Nachmittag hatten wir in einem Zimmer mit Bauklötzen spielen dürfen, dann ging es ans Aufräumen und ich hatte versehentlich Bauklötze, die in bestimmte Kästen verteilt werden sollten, falsch sortiert. Die Heimleiterin kam auf mich zu und schlug mir ins Gesicht.
In einer Nacht litt ich unter furchtbarem Durst, nach langem Ringen, weil ich große Angst hatte, erwischt zu werden, stieg ich doch aus meinem Bett, ich schlief oben in einem Hochbett und ging zum Waschbecken in unserem Zimmer und trank einen Schluck Wasser. Ich lag gerade wieder im Bett als die Tür aufschlug und die Heimleiterin im Zimmer stand. Sie bestand darauf, sofort zu erfahren, wer hier eben am Wasserhahn war. Da sich keiner, ich auch nicht, freiwillig meldete, zog sie meine Schwester, die unter mir schlief und am nächsten zum Wasserhahn lag aus dem Bett , schrie auf sie ein und wollte sie mitnehmen. Ich meldete mich dann und gab zu, dass ich es gewesen sei. Sie ließ von meiner Schwester ab, riss mich aus dem Bett und nahm mich mit. Sie schloss mich für Stunden in eine Besenkammer unter einer Treppe ein, besonders schlimm war diese Bestrafung, da in dieser Nacht ein Gewitter in den Bergen niederging und von überall her warfen die Berge den Schall des Donners zurück. Ich hatte schreckliche Angst. ich glaube, dass mich dort Stunden später eine Mitarbeiterin oder Praktikantin herausholte und ins Zimmer zurückbrachte. Diese junge Frau war unser einziger Lichtblick, sie war immer freundlich zu uns und versuchte uns vor der Heimleiterin zu beschützen. Da sie aber selbst in großer Angst vor ihrer Vorgesetzen lebte, funktionierte dieses Beschützen nur in geringem Maße.
Wenn wir Kinder Pakete von unseren Eltern bekamen, wurden diese geöffnet und alle Süßigkeiten herausgenommen. Es wäre ungerecht, dass einige Pakete bekämen und andere nicht, das war die Erklärung. Ich erinnere mich an ein Mädchen in unserem Zimmer, dass fürchterlich weinte, als man ihr ihr Paket wegnahm. Ich schenkte ihr dann etwas von den Süßigkeiten, die ich an dem Tag gewonnen hatte. Die Post unserer Eltern an uns war geöffnet und gelesen worden.
Wir wurden von der Heimleiterin aufs Schärfste darüber informiert, dass wir nichts Negatives in ausgehende Post schreiben dürfen, alles soll sich positiv anhören, damit sich unsere Eltern nicht beunruhigen. Ansonsten drohten Strafen, aber ich weiß nicht mehr, mit was sie uns drohte, auf jeden FAll wirkte es, denn niemand traute sich, die Wahrheit nach Hause zu schreiben. Es wäre ja auch vergeblich gewesen. Die Post musste geöffnet bei ihr abgegeben werden. Ich weiß noch, dass ich über einen Plan nachsann, wie es mir gelingen könnte, einen Brief an ihr vorbeizuschmuggeln und ihn dann evtl. Einwohnern von Hirschegg während eines Spazierganges zuzustecken mit der Bitte, diesen Brief auf den Weg zu bringen, aber das gelang leider nie. Ich war überzeugt, dass uns mein Vater sofort nach Hause geholt hätte., aber ich war einfach zu klein und hilflos.
Weiter erinnere ich einen Ausflug mit der Heimleiterin an einem sonnigen Tag im Schnee. Wir Kinder hatten keine Sonnenbrillen und so stellte sich nach einiger Zeit eine Schneeblindheit (damals wussten wir nicht, was los war) ein, wir hatten starke Schmerzen in den Augen, unsere Augen tränten und wir konnten sie gar nicht mehr öffnen. Die Heimleiterin befahl uns dann, uns alle gegenseitig an die Hand zu nehmen und sie, die eine Sonnenbrille trug, führte die Gruppe dann unter Geschimpfe zurück ins Heim. Einen Arzt haben wir nicht gesehen.
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Rüdiger Grewer aus Hamburg schrieb am 27.10.2021
Durch der NDR-Sendung 'Meine Kinderverschickung' am 27.10.2021 um 21 Uhr bin ich auf diese Seite aufmerksam geworden.
Ich bin mit etwa 6 Jahren für einige Wochen in ein Heim auf Norderney verschickt worden, weil ich untergewichtig war und aufgepäppelt werden sollte.
Das Einzige, woran ich mich erinnere, sind die täglichen Quarkbrote, die ich essen sollte, aber nicht mochte (Brechreiz), so dass ich so lange am Tisch sitzen bleiben musste, bis ich sie aufgegessen hatte. Ich bin dann schnell auf die Idee gekommen, eine dicke Schicht Zucker auf den Quark zu streuen, um ihn herunter zu bekommen.
Seit dem mag ich überhaupt keine Milchprodukte, insbesondere, wenn sie weiß sind!
Ansonsten kann ich mich nur schwach daran erinnern, dass ich immer sehr auf Post von zu Hause gewartet habe (die auch kam).
Ich vermute mal, dass meine lebenslange 'Fähigkeit', Unangenehmes in den Hintergrund zu schieben, damals seinen Ursprung hatte...
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Anne Völker aus Braunschweig schrieb am 27.10.2021
Im Sommer 1965 wurde ich, damals fünf Jahre alt, von Braunschweig aus für sechs Wochen nach Borkum verschickt. Ich hatte eine schwere chronische Bronchitis, die durch das Reizklima geheilt werden sollte.
Für mich war das Schlimmste daran, dass ich dachte, ich hätte etwas verkehrt gemacht und wäre von meiner Familie weggegeben, also verstoßen worden.
Ich hatte die ganze Zeit schreckliches Heimweh und Schuldgefühle und panische Angst, dass meinen Eltern etwas Schlimmes passiert, wenn ich nicht bei ihnen bin.
An Borkum habe ich nur sehr verschwommene Erinnerungen. Die schlimmste Zeit war, als ich nachts aufwachte; ich hatte mich erbrochen, und das Erbrochene war in meinen Haaren. Darum hat sich wohl mehrere Tage lang niemand gekümmert. Ich war ab dieser Nacht lange krank, durfte nicht hinaus und lag allein in einem Bett. Da mir die Zeit endlos schien, kann ich schlecht einschätzen, ob ich eine oder zwei Wochen oder sogar noch länger allein in dem Zimmer liegen musste.
Daraus schloss ich, dass ich auch hier nicht gut genug, sondern wiederum ausgestoßen war.
Das Elendsgefühl dieser Tage ist unbeschreiblich intensiv und immer noch in mir abrufbar.
Von der sonstigen Zeit im Heim sind nur einige vage Bilder und Eindrücke geblieben, vom Muschelsammeln am Strand, dem Schreiben einer Karte an die Eltern und einem Wechselbad von einigen schönen Augenblicken beim gemeinsamen Singen zu vielen schrecklichen Momenten, die jedoch nicht mit konkreten Erinnerungen verknüpft sind.
Als ich von Eltern und Großeltern am Bahnhof abgeholt wurde, konnte ich es nicht fassen, wieder daheim sein zu dürfen. Zwei Fotos zeigen meine ungläubige Freude in diesen Augenblicken.
Ich habe es meine ganze Kindheit hindurch nicht verstanden, wofür ich eigentlich so hart bestraft worden war und was genau dazu geführt hatte, dass mir meine "Strafe" erlassen wurde. Ab da und bis ins Teenageralter habe ich immer versucht, alles richtig zu machen, was schwierig ist, wenn man den Fehler nicht herausgefunden hat.
Ich war nachhaltig eingeschüchtert und lebte immer in der Angst, neuerlich verstoßen zu werden.
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Martina Wegener aus Rostock damals Siebenbäumen schrieb am 27.10.2021
War noch jemand in Klappholttal? Ich glaube Sommer 1970. Über einen Austausch würde ich mich freuen.
Ich habe mich mein Leben lang gefragt, warum ich auf der Grundschule eine aufgeweckte, aktive Schülerin war und auf der Realschule plötzlich bockig und in mich gekehrt. Ich wäre nie darauf gekommen, dass die Verschickung und der Essenszwang die Ursache waren. Erst als ich einen Artikel gelesen habe, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich erinnere mich, dass ich wie gelähmt im Speisesaal 3 Stunden am Tisch saß und erst aufstehen durfte, als ich die gebratene Leber aufgegessen hatte, auch das Stück, was ich ausgespuckt hatte. Andere Kinder fegten um mich herum, alle anderen waren in der Mittagsruhe, nur ich saß alleine vor meinem Teller, fühlte mich hilflos und ausgeliefert. Als keiner im Raum war, habe ich mir die Leberstücke in den Mund gestopft, bin ganz schnell auf Toilette gerannt und habe es ausgespuckt. Dann habe ich mich wieder auf meinen Platz gesetzt. Bis heute ertrage ich den Geruch von Leber nicht. Um 15 Uhr kam die Tante und sagte: geht doch.
Ansonsten erinnere ich, dass wir nie gelacht haben, eher geflüstert und im Hof gab es einen hohen Bretterzaun, da konnte man nicht drübergucken. Ich erinnere nur ein einziges Mal wo wir kurz in die Dünen durften, ein wenig spazieren, unter Aufsicht. Ein Stück weiter war das Jungenheim, da war einer aus meinem Dorf, aber ich durfte ihn nicht sehen. Vielleicht habe ich Ereignisse ausgeblendet, da ich mich nicht erinnere, dass wir Spiele gespielt, gesungen oder im Meer gebadet haben.
Meine Mutter war geschockt, als ihr vor Kurzem von dem Artikel und den Dokus erzählte. Sie hat mir jetzt erst erzählt, dass sie sich damals gewundert hat, weil ich so still zurückgekommen bin und gar nicht auf ihre Fragen geantwortet habe, wie es mir gefallen hat und wie das Essen war. Sie meint, damals kam eine Frau in unser Haus und meinte vorwurfsvoll, ich wäre in der Schule untersucht worden und wäre ja völlig unterernährt, ob sie mir nicht genug zu essen geben würde. Ich war normalgewichtig. Weil meine Eltern dachten, es wäre wie Urlaub, willigten sie ein. Ich weiß jetzt, dass diese Demütigung mich mein ganzes Leben verfolgt hat, bis heute.
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Rita Schüttler aus Kiel schrieb am 26.10.2021
Ich war 2x verschickt, mit 6 Jahren an der Ostsee in Schönhagen und mit 7 Jahren in der Satteldüne auf Amrum. An beide Verschickungen habe ich diverse Erinnerungen.
In Schönhagen wurden Kinder gequält, indem sie Erbrochenes wieder aufessen mussten und Bettnässer wurden vorgeführt und angeprangert.
Die Toiletten hatten keine Türen, diese Albträume verfolgen mich bis heute noch nach fast 60 Jahren.
Wir wurden fast nackt in Reihe untersucht, was endlos lange dauerte. Morgens und abends mussten wir in der Reihe stehen um Zahnpasta auf die Zahnbürsten zu bekommen.
Es gab keinerlei Zuneigung und Mitgefühl für Kinder, die unglücklich waren.
Auf Amrum wurden 2x täglich Versuche mit Sonnencreme durchgeführt. Später habe ich entdeckt, dass es ein Produkt der Firma Nivea war, da ich den Geruch wieder erkannt hatte.
Weinen wurde nicht geduldet und Freundschaften durften auch nicht aufgebaut werden.
Wir wurden gezwungen, nachts mit dem Kopf zur Wand zu schlafen und weinen wurde bestraft.
Ich kann noch 1000 Erinnerungen wiedergeben. Die Zeit hat mich für mein Leben geprägt durch Verlustängste und anderem.
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Ebeling schrieb am 26.10.2021
Hallo,
ich habe gestern im TV von dieser Seite erfahren. Ich selbst war - vermutlich Mitte - Ende der 1960er in der Verschickung - auf Langeoog. Ich würde gerne wissen, welche der Erinnerungen wohl war sind, und vielleicht auch einige Dinge, welche ich wohl verdränge.
Da gibt es zum Beispiel noch eine Erinnerung daran, dass wir unsere Oberkörper mit dem kalten Meerwasser einreiben mußten. Man zum Essen gezwungen wurde, Briefe diktiert wurden.
Über einen Austausch würde ich mich freuen.
Schöne Grüße
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Thorsten aus Emden schrieb am 25.10.2021
Mein Name ist Thorsten, ich war Anfang der 70er Jahre wahrscheinlich 1972 in Verschickung. Es muss das Haus Warteberg in Bad Sachsa gewesen sein ( war schon da, habe mir alles genau angesehen, - passt !!! ). Leider habe ich nur sehr wenige Erinnerungen. Ich erinnere mich an Waldspaziergänge, das einzige Highlight. An Milchsuppe die ich heute noch absolut ekelig finde, ebenso Kirschkaltschale. Seitdem esse ich - bis heute - keine Kirschen mehr.
Unsere Postkarten wurden gegengelesen, wir durften nur schreiben wie toll und schön alles ist. Aus lauter Angst und Heimweh habe ich Nachts eingenässt. Konnte es aber irgendwie die ganze Zeit über geheimhalten. Jeden Tag geweint und immer diese Ungewissheit nie wieder nach Hause zu kommen.
Es war unerträglich !
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Alexandra Mozelewski aus Freising schrieb am 25.10.2021
Ich wurde damals als 2- oder 3-jähriges Kind (Jahrgang 1966) aus West-Berlin verschickt, weil ich ständig starken Husten hatte. Mein älterer Bruder wurde mit mir verschickt, damit ich nicht so alleine wäre. Tatsächlich hat man uns aber sofort getrennt (ich glaube schon im Zug) und in unterschiedlichen Häusern untergebracht. In den 6 Wochen habe ich ihn einmal zufällig bei einem Spaziergang durch die Dünen von Weitem gesehen, weil auch er mit seiner Gruppe unterwegs war. Ich wollte zu ihm, habe fürchterlich geweint, aber ich durfte nicht hin und wurde sehr geschimpft. Wir Kinder mussten uns an einem Seil mit Knoten in Reih und Glied festhalten und ich hielt mit meinem Weinen den Ablauf auf. Ich kann mich nicht mehr an Vieles erinnern, aber das Winken meines Bruders an dem Tag habe ich noch heute vor Augen.
Auch weiß ich noch, wie der Speisesaal aussah und dass die meisten Kinder laut weinend an den Tischen saßen, so wie ich. Wir bekamen Suppen und Brei und mussten immer alles aufessen. Die Tanten stopften uns die Löffel in den Mund und hielten diesen dann zu, wenn wir nicht mehr konnten. Noch heute habe ich eine Abneigung gegen Suppen und Honig (wir bekamen auch täglich einen Löffel Honig in den Mund gestopft).
Was ich auch noch vor Augen habe, ist der Schlafraum mit Gitterbetten und dass es dort immer nach verpieselter Wäsche roch und sehr kalt war. Ich glaube, wir haben uns viel in dem Schlafraum aufgehalten und geweint und gespielt.
Der Waschraum mit seinem typischen Geruch, den ich auch noch förmlich in der Nase spüre und vor dem wir uns in Unterwäsche anstellen mussten, ist mir auch in Erinnerung. Jedes Mal wurde in die Unterhosen geschaut und es gab großen Ärger, wenn sich dort auch nur eine "Bremsspur" befand.
Da ich noch so klein war, habe ich sonst nicht mehr viel in Erinnerung, aber ich weiß, dass ich wochenlang einfach nur Heimweh hatte, ganz viel geweint habe, ausgeschimpft wurde, in der Ecke mit dem Gesicht zur Wand stehen musste und panische Angst vor den Tanten und dem Arzt hatte, der uns oft untersucht hat.
Durch das Buch "Das Elend der Verschickungskinder" bin ich auf diese Seite aufmerksam geworden und je mehr ich darüber lese, desto mehr kommen in mir ganz schreckliche Erinnerungen hoch.
Ich arbeite heute als Sonderpädagogin mit Kindern und der Wunsch nach einem solchen Beruf entstand bei mir bereits im Kindesalter, etwa mit 12 oder 13 Jahren. Vielleicht hat das ja mit meinen Kindheitserlebnissen zu tun...
Meine Eltern gehören leider zu der Kategorie "das war eben damals so, es kann also nicht schlimm gewesen sein". Ich bekomme von Ihnen leider nicht sehr viele Informationen, weshalb ich den Namen des Heimes nicht sicher weiß und auch der Zeitraum nicht ganz sicher ist. Es muss aber um meinen 3. Geburtstag am 15. November 1969 gewesen sein.

Kurz darauf hatte ich nochmal ein ähnlich traumatisches Erlebnis: Mir wurden kurz nach dem Heimaufenthalt die Mandeln operativ entfernt, ich war dafür für 3 Wochen in einem Berliner Krankenhaus, natürlich ohne Eltern. Sie durften mich auch nicht in direktem Kontakt besuchen, sondern mich nur durch eine Glastür sehen. Auf beiden Seiten waren je ein Telefonhörer, über die wir sprechen konnten. Da ich die ganze Zeit nur geweint habe, sollten meine Eltern lieber gar nicht mehr kommen, was sie dann auch so gemacht haben. Ich fühlte mich einfach nur verlassen und verzweifelt, so wie auch schon kurz zuvor bei der Verschickung.
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Monika Theby schrieb am 24.10.2021
Nachdem ich ein Hörbuch beendet habe mit dem Titel....die Schweigende...ein Geschwisterpaar in einem Erziehungsheim, kamen die Erinnerungen vom Aufenthalt im Erholungsheim in Bühl am Alpsee Nähe Immenstadt, wieder hoch.
3x war ich dort. Der erste Aufenthalt war der Schlimmste. 4 Jahre alt war ich wohl. Nach dem Zu Bett gehen, durfte kein Kind mehr aufstehen. Ich musste aber dringend zur Toilette.
Aber ich sagte nichts und versuchte meinen Stuhlgang einzuhalten. Das misslang. Der Geruch hat mich natürlich verraten und ich wurde beschimpft, aus dem Bett gezerrt. Meinen Schlüpfer unter Tränen ausgeleert und per Hand ausgewaschen. Danach viele Stunden im Flur stehend verharren müssen.
Bis heute habe ich mit Verstopfung zu tun. Auf Reisen ist es immer ein Thema....wann ich,vor allem ungestört, zur Toilette gehen kann.
Auch das Päckchen zum Geburtstag wurde verteilt.
Der 2. Aufenthalt nicht mehr in Erinnerung. Beim 3. Aufenthalt war ich 12. Mein Bruder war auch mit. Meine Mutter war damals schon krank und viel im Krankenhaus. Da mussten die Kinder verteilt werden.
Mein Bruder, 8 Jahre alt, hatte dermaßen viel Heimweh, dass die "Weiber " dort ein Erbarmen hatten und ihn tagsüber zu mir in die Gruppe gebracht haben.
Ich kann mit dieser Gegend und dem Ort überhaupt nichts mehr anfangen. Nie eine Reise oder ein Urlaub dort.
Doch noch eine Erinnerung....beim zweiten Aufenthalt war meine Schwester mit. Sie wurde krank mit irgendwas Ansteckendem. Kam ins Krankenhaus nach Immenstadt. Ich durfte sie nicht besuchen! 🙁
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Silke Ottersbach aus 53842 Troisdorf schrieb am 22.10.2021
Auch ich sah, wie viele von Euch, am Dienstag, den 10 September 2019 die Sendung Report Mainz mit dem Thema Verschickung. Das war kurz vor meinem 50. Geburtstag.
Danach hat sich sehr viel in meinem Leben verändert. Ich bekam Flashbacks, Schlafstörungen, litt oft an Lethargie und depressiven Episoden. Ich beantragte gemeinsam mit meinem Hausarzt eine psychosomatische Reha, die innerhalb weniger Tage bewilligt wurde. Daran anschließend besuchte ich die Rehanachsorgegruppe Psyrena und befinde mich zur Zeit in einer Traumatherapiebehandlung, um mit den Erlebnissen von meiner Verschickung zurecht zukommen.
Kurz vor meinem 10. Geburtstag, in den NRW Sommerferien 21.06.-29.08.1079 wurde ich gemeinsam mit meiner Schwester Heike, damals 12 Jahre alt, nach Borkum verschickt.
Unsere Reise begann in Deutz. Durch den Austausch in der Kölner Selbsthilfegruppe Verschickungskids, weiß ich heute, dass die Verschickungen von Deutz-Tief stattgefunden haben. Dort erhielten meine Schwester und ich die rosafarbenen Umhängekarten. Den Abschied von meinen Eltern habe ich als nicht so traurig in Erinnerung. Ich war neugierig und aufgeregt und fühlte mich an der Seite meiner Schwester sicher.
An die weitere Fahrt habe ich wenig Erinnerung, ich erinnere mich an einen alten Zug und Holzbänke, meine Schwester erinnert sich an furchtbare Übelkeit während der Fährfahrt.
Bei unserer Ankunft auf Borkum am Adolfinenheim, wurden meine Schwester und ich getrennt. Ich musste mit anderen Kindern und zwei Nonnen (Schwester Lina oder Schwester Ilse, trug eine weiß-graue Diakonissentracht, hatte eine Gehbehinderung und benutzte einen Stock, Schwester Johanna trug eine braune Tracht und war in ihrer ganzen Art und im Wesen viel „milder“) in einen Altbautrakt, meine Schwester ging mit einer jungen Gruppenleiterin und anderen Kindern in eine andere Richtung zu einem Neubau. Wir haben uns in der ganzen Zeit nur einmal sehen dürfen, als Belohnung für „artiges Aufessen“. Immer wurde ich hingehalten, habe viel geweint und bin vertröstet worden meine Schwester treffen zu können.
Die gesamte Essenssituation im Speiseraum erlebte ich als sehr angsteinflößend. Die Nonne mit dem Stock schlug auf Hände, wenn ich Brot nahm, bevor ich die Schokoladensuppe gegessen hatte, sie schlug auf den Rücken, wenn ich auf der Holzbank nicht gerade gesessen hatte. So erging es vielen Kindern.
Die Sammelduschen, in meiner Erinnerung im Keller, waren riesig mit Brauseköpfen an den Decken. Wir mussten uns vor mehreren Erwachsenen ausziehen und gesammelt unter den Brauseköpfen stehen, aus denen dann irgendwann eiskaltes Wasser kam. Es wurde laut kommandiert und wir wurden immer zur Eile angetrieben.
Ich erinnere mich an einen Inhalationsraum. Dort drin war es sehr nebelig. Wenn ich drin war, wurde die Tür zugeschlagen und ich musste mich vor die Wand setzen, wo aus einem Rohr Dampf austrat. Ich hatte immer Angst zu ersticken und nicht mehr rauszukommen.
Mittags mussten wir ins Bett zum Mittagsschlaf. Immer mussten wir mit dem Gesicht zur Wand schlafen. Die Betten waren aus Metall und die dünne Matratze lag auf Metallfedern. Durch Recherche weiß ich heute, dass das Adolfinenheim früher Achilleion hieß und eine Kaserne war. Es war taghell, ich erinnere mich nicht an Gardinen. Als beruhigend habe ich den Lichtkegel des nahen Leuchtturmes in der Nacht empfunden. Der hat mich abgelenkt, wenn ich zur Toilette musste, das war nicht erlaubt.
Abends, nachdem wir schon unsere Schlafsachen angezogen haben, standen wir in einer Reihe vor dem „Schwesternzimmer“. Dort hielten wir entweder die Hand auf oder sollten den Mund öffnen. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was genau wir dort einnehmen mussten.

Zusätzlich zu den Nonnen gab es eine Gruppenleiterin, die hieß Frl. Wollmann. Sie schrieb meinen Eltern einen Brief, dass ich an einer Gastritis erkrankt sei. Ich hatte immer Bauchschmerzen, ich musste mich häufig übergeben.
Wenn wir Spaziergänge gemacht haben, sind wir wie Zwerge losmarschiert. Auf der rechten Schulter lag eine Metallschaufel mit Holzgriff. Erst sind wir durch den Ort, dann zum Strand.
Wir waren auch im Wellenbad. Ich glaube das war ganz schön.
Als befreiend habe ich die Lieder empfunden die wir gesungen haben. „Wir lagen vor Madagaskar….“ „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“…sind mir noch in Erinnerung. Singen hat mir manchmal gegen Weinen geholfen.

42 Jahre später bin ich dankbar mit Verschickungskindern im Austausch sein zu können. Es ist sehr hilfreich zu wissen, dass ich mit dem Geschehenen nicht alleine bin.

Viele werde ich im nächsten Monat auf Borkum zum Kongress das erste Mal „live“ treffen. Ich bin aufgeregt und neugierig. Immer mehr Zusammenhänge werden klar, zwischen den Erlebnissen während der Kinderkur und meinem späteren Leben, bis heute…….
Silke
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Sabine Ollech-Zietelmann aus Bremerhaven schrieb am 19.10.2021
Ich war in den Sommerferien im Kinderkurheim Langeoog. Es war 1973 oder 1974 und ich sollte mal wieder abnehmen. Jede Individualität wurde unterdrückt, man sollte gehorchen, Briefe wurden zensiert oder nicht abgeschickt. Der „Mittagsschlaf“ musste gehalten werden; Lesen oder auch nur Flüstern war verboten. Mir machte entsetzliches Heimweh zu schaffen, aber ich habe die meisten Geschehnisse vergessen x und/oder verdrängt. Ich meine, unsere Gruppenleiterin hieß Fräulein(!) Gollasch und die Heimleiterin Maria?!
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Waltraud Schürmeyer aus Hamburg schrieb am 11.10.2021
Leider habe ich eben gerade das Jahr nicht genannt. Es war im Sommer 1966.
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Waltraud Schürmeyer aus Hamburg schrieb am 11.10.2021
Bevor die „Verschickung“ losging, hatte ich einen Wackelzahn. Ich wollte ihn unbedingt ziehen und zuhause lassen, was mir aber nicht gelang. Er war einfach noch nicht so weit. Meine Mutter gab mir eine mit Watte ausgekleidete Streichholzschachtel mit. Sie sagte mir, dass ich den Zahn hineinlegen, in meinen Nachtschrank oder Koffer aufbewahren und mit nach Hause bringen sollte. Das tat ich dann auch. Es muss relativ zu Beginn der Kur gewesen sein, denn mein Vertrauen in die Menschen war noch nicht gebrochen, als der Zahn fiel, den ich dann stolz präsentierte. Sogar der Koch musste ihn begutachten. Er nahm ihn, wollte ihn allen anderen in der Küche zeigen, sagte er. Ich wartete vor der Küche, keine Ahnung, wie lange, sehr lange jedenfalls. Als er dann herauskam sah er mich stutzend an und antwortete auf meine Frage nach dem Zahn, den habe er doch längst in den Abfalleimer geworfen, wer wolle schon so einen alten Zahn behalten? Hahaha... Vielleicht war das die erste traumatische Erfahrung für mich.
Schreiben konnte ich noch nicht. Gelegentlich wurde uns die Post, die für uns angekommen war, vorgelesen. Ich war immer so aufgeregt, etwas von zuhause zu hören. Leider konnte ich kaum etwas verstehen, da der Raum sehr voll und die Kinder laut am Reden waren. Diese Briefe wurden mir nicht ausgehändigt, ich habe sie nie gesehen.
Mittags mussten wir alle in unseren großen Schlafsälen (ich teilte mir mit sieben-acht Mädchen den Saal) "ruhen", also schlafen, mindestens liegen, auf keinen Fall durften wir reden. Wir durften nicht auf die Toilette gehen. Natürlich mussten wir alle dringend und hielten es kaum aus, bis es schmerzte. Einige nässten sich ein und wurden dafür bestraft, also gedemütigt vor den anderen Kindern. Das trieb uns alle an, es auszuhalten. Gut, wenn es geklappt hatte.
Nachts stand ein Nachttopf in der Mitte des Schlafsaals, den wir gemeinsam nutzen mussten. Morgens war der immer randvoll. Einmal haben wir ihn überlaufen lassen, das war eine heimliche Freude für uns alle. Keine hat gepetzt, sodass wir tatsächlich nicht bestraft wurden, jedenfalls erinnere ich mich nicht daran. Und ich weiß noch sehr gut, dass die verschworene Gemeinschaft viel bewegt hat. Am nächsten Abend bekamen wir zwei Nachttöpfe - immerhin.
Zu gefühlt jeder Mahlzeit gab es "Grieß mit Apfelmus". Ungesüßte Nachspeise, selbst unter leckerem Vanillepudding verbarg sich diese fiese zähe Pampe. Mit der Zeit war ich so verunsichert, dass ich nichts mehr essen wollte und mich über gar nichts gefreut habe, was irgendwie lecker aussah. Diese Pampe grinste mich ebenso an, wie die "Tanten", die uns mit Argusaugen beobachteten. Wir mussten alles aufessen. Ich erinnere mich, dass ich keine Mahlzeit mit Freude gegessen habe, dabei war ich eigentlich das, was eine "gute Esserin" genannt wurde. Von Zuhause nicht verwöhnt, aß ich erst einmal alles. Es gab wenig, wogegen ich wirklich nicht ankam und es zuhause nicht aufessen musste. - Dort in St. Peter aber musste ich essen und habe einige Male gewürgt und erbrochen. Andere Kinder mussten selbst das Erbrochene aufessen. Warum ich das nicht musste, weiß ich nicht mehr. Die Hauptsache war, ich war davongekommen.
Überhaupt ist mir irgendwann aufgefallen, dass ich besser davonkam, wenn ich mich unauffällig verhielt. Also war ich ruhig, passte mich bestmöglich an. Das fiel mir sehr schwer, denn schon immer war ich ein impulsives Kind, habe mich gern mitgeteilt. Gerechtigkeit war mir wichtig und ich habe meinen Mund aufgemacht. Offensichtlich ist es mir gut gelungen, mich "in Deckung" zu halten, denn ich kann mich an keine körperliche Strafe erinnern. Ein- oder zweimal bekam ich Arrest, musste im Bett bleiben. Das kam bei anderen Kindern viel häufiger vor. Die Jungen wurden auch geschlagen.
An keines der anderen Kinder kann ich mich erinnern, an keinen Namen, keine Geschichte, alle waren irgendwie gleich. Es gab zwei größere Mädchen, etwa 15 Jahre alt, die mir wichtig waren. Sie hatten einen Blick auf uns Kleinen, aber wirklich beschützen konnten sie uns nicht. Aber ihr Mitgefühl tat gut. Ich erinnere mich, dass ich mir überlegt hatte, sie anzusprechen und die Telefonnummer von Nachbarn, am Anfang unserer Straße für mich zu wählen. Es gab in der Nähe eine Telefonzelle. Aber ich hatte weder Geld noch eine Idee, wie ich die Telefonnummer herausbekommen sollte, also gab ich diesen Gedanken wieder auf.
Einmal bekam ich eine Karte von meinem Freund Josef. Er war damals 16 Jahre alt, und natürlich wollte ich ihn später heiraten! Er hatte mir eine Karte geschrieben und ich habe sie auch ausgehändigt bekommen! Die älteren Mädchen wurden nicht müde, sie mir immer wieder vorzulesen, bis ich den Text auswendig konnte. Die Karte hatte ich immer bei mir. Auf einem Spaziergang wurde ich von der "Tante" darauf angesprochen. Stolz erzählte ich ihr, wer Josef war. Sie nahm die Karte, las sie und sagte sehr verächtlich: "Ein Freund? Das ist aber noch nichts für ein Mädchen wie dich!" Ihren selbstgefälligen, zynischen und verächtlichen Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen, als sie die Karte in kleine Fetzen riss und diese in den Wind warf. Noch heute kann ich Menschen, die so gucken, nicht ausstehen. Hilflos und wütend fühle ich mich heute nicht mehr.
Der Strand, die Nordsee sowie Ebbe und Flut haben mich sehr fasziniert, Ausflüge dorthin haben mir Trost gegeben. Im Sand zu buddeln bis das Wasser kam, hat mich angetrieben. Eines Tages durften wir baden. Ich konnte noch nicht schwimmen, wollte lieber im seichten Wasser bleiben. Zwei "Tanten", sie waren noch jung, kamen zu mir, nahmen mich in ihre Mitte und wollten mir das Schwimmen beibringen. Mein Magen rebellierte, aber ich hatte keine Wahl, ich musste mitgehen, ahnend, dass mich etwas Schreckliches erwartete. Sie gingen weiter mit mir ins tiefe Wasser. Die Wellen erreichten meinen Mund, wir gingen weiter. Ich konnte nicht mehr stehen, musste im Takt der Wellen hüpfen, sie ließen mich los. Die Nordsee, die mich so fasziniert hatte, war plötzlich lebensfeindlich geworden. Ich schluckte Wasser, bekam Panik, schluckte weiter Wasser, hatte keinen Einfluss mehr auf meine Bewegungen und verlor die Orientierung. Die Tanten waren zurückgeblieben, lachten laut, das hörte ich. Ich konnte nicht glauben, dass sie mich einfach so der Nordsee überlassen wollten, dachte an meine Mutter, die ich nicht mehr wiedersehen würde. Gefühlt kurz vorm Tod nahmen die Frauen mich hoch und trugen mich zurück an den Strand. Noch heute wundere ich mich, dass mir die Nordsee und das Meer allgemein nach wie vor so tröstlich erscheinen und ich das Meer so sehr liebe.
Ein anderes Mädchen hatte keinen Mantel von Zuhause mitbekommen. Also musste jedes Mädchen, das etwa ihre Größe hatte, einmal ihren Mantel ausleihen. Im Grunde eine gute Sache, fand ich schon damals. An einem meiner letzten Tage dort musste ich ihr meinen borgen. Nun hatte ich bis dahin im Auftrag meines Bruders fleißig Muscheln gesammelt und diese in jede Tasche des Mantels aufbewahrt. Zugegeben, heute weiß ich, dass Muscheln besser nicht in Manteltaschen in einem Kleiderschrank aufbewahrt werden sollten. Damals wusste ich das nicht. Nachdem meine Kleingruppe vom Spaziergang zurückgekommen war, war die Straße vor dem Heim mit weißen Splittern übersäht. Wir wunderten uns, ich sah das Mädchen in meinem Mantel, wie es weiter die Muscheln verteilte und zertrat. Mein Mantel würde stinken, rief sie. Sie hatte viel Spaß dabei, die Kinder in ihrer Nähe auch. Ich dachte an meinen Bruder, der nun keine Muscheln von mir bekommen sollte. Nicht einmal das habe ich hinbekommen, warf ich mir vor.
Es gab einen Jungen aus unserem Dorf, der gleichzeitig mit mir dort war. Er war gegen Ende unserer Zeit krank geworden, musste in Quarantäne und noch eine Woche länger bleiben. Er hat mir so leidgetan! Später sind wir gemeinsam eingeschult worden, waren in einer Klasse. Wir haben nie über unsere Erfahrungen gesprochen. Aber er hatte immer einen Bonus bei mir, obwohl er eigentlich nicht besonders nett war.
Auch ich bin am Ende meines Aufenthaltes krank geworden, hatte hohes Fieber, lag allein in meinem Bett und dachte -wie immer- an zuhause. Eine „Tante“ kam und maß Fieber. Sie sagte, dass ich meine Heimreise wohl vergessen könne, bei dem hohen Fieber müsse ich wohl noch eine Woche bleiben. Ihr ging es damit sehr gut und sie verließ den Saal. Meine Zeit dort war also wirklich begrenzt, das hatte ich gehört. Aber wie lange dauerte nochmal eine Woche? Ich schwor mir, dass ich wie vorgesehen nach Hause fahren würde und entwickelte eine irrsinnige Energie gegen das Fieber. Es musste unbedingt sinken - und das tat es auch. Am Morgen darauf kam die „Tante“ wieder zum Fiebermessen. Es war verschwunden, was bei Kindern ja auch normal sein kann. Das wusste ich bis dahin aber noch nicht. Sie glaubte mir nicht, ließ die Temperatur erneut messen und blieb bei mir stehen, damit ich nicht schummeln konnte. Das hätte ich mich sowieso nie getraut. Meine Hände musste ich auf die Bettdecke legen und ich durfte mich nicht bewegen. Nach dem Messen verließ sie den Saal, ließ mich im Ungewissen. Erst am Abend vor der Heimreise -ich weiß nicht, ob es derselbe oder der nächste oder irgendein anderer Abend war- erfuhr ich, dass es für mich „morgen“ nach Hause gehen sollte. Ich konnte es nicht erwarten, glaubte es erst, als ich im Zug saß, und auch dann befielen mich immer wieder Zweifel.
Meine Eltern waren überrascht, mich von einer Krankheit gezeichnet zu sehen. Ich war kraftlos, und meine Lippen waren aufgesprungen. Trotzdem, alle freuten sich, es gab eine kleine Wiedersehens-feier für mich. Das alles habe ich nur durch eine Nebelwolke wahrgenommen, den Kuchen nicht genießen können. Ich fühlte mich vollkommen erschöpft, aber heilfroh, wieder zuhause sein zu dürfen.
Erzählt habe ich zunächst kaum etwas, eigentlich gar nichts, obwohl ich immer wieder gefragt wurde. „Da will ich niemals wieder hin“, war das einzige, was ich antwortete.
Später hat mein Opa mich zu sich genommen und mir den Mund und das Herz für das Thema geöffnet. Dann habe ich ihm erzählt, und erzählt und erzählt. Seine Reaktion auf meine Erzählungen war es, die mir Sicherheit gegeben hat, dass mir Unrecht widerfahren war. Er nahm mich einfach, drückte mich an sich und sagte nichts. Das passte nicht zu Opa, er hatte sonst immer einen lustigen Spruch auf den Lippen und wollte damit trösten. In dieser Situation, in der er ernst und nachdenklich schaute, fühlte ich mich verstanden, das allein hat mir schon geholfen. Danach habe ich wohl auch mit meinen Eltern gesprochen. Oder Opa hat es ihnen erzählt. Auf jeden Fall hat es gut getan zu reden und mich verstanden zu fühlen.
Noch heute denke ich daran sowie darüber nach, wie gut ich trotz allem davongekommen war. Immerhin hatte ich ein intaktes Zuhause, war dort behütet und meine Seele konnte heilen. Viele Kinder hatten das nicht.
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Britta aus Hamburg schrieb am 10.10.2021
Ich lese gerade die Einträge aus Bad Salzuflen. Im Gegensatz zu allen anderen, habe ich kaum eine Erinnerung, ausser an diesen beängstigenden Schlafsaal und es muss einen Keller gegeben haben, da muss mir was Schlimmes passiert sein, aber ich weiß leider nicht was? Ich bin in einer Traumatherapie, weil ich oft umkippe d.h.ich kann nicht sprechen und mich nicht bewegen, so wie Tod. Es nennt sich dissoziativer Stupor. Wie gesagt, ich weiß nur es war 1977 weil Elvis gestorben ist. Ich muss sehr alleine gewesen sein und große Angst gehabt haben.Vielleicht war ja jemand zu diesem Zeitpunkt auch da. Ich habe große Angst, was immer auch passiert ist. Aber es muss sehr schlimm gewesen sein. Ich bin heute 55 Jahre alt und Eure ganzen Beiträge zerreißen mir das Herz
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Tinchen aus Hessen schrieb am 08.10.2021
Hallo ihr Lieben, ich bin jetzt mit 44 Jahren bei der Aufarbeitung meiner Verschickung. Ich leide unter einer Angststörung seit der Kindheit und mit war bis heute nicht klar das die Ursache so tief liegt. Ich habe jetzt einen Versuch bei einer Therapeutin gestartet und möchte versuchen mehr über dieses Erlebnis statt fand. Meine Mutter sagte mir das ich gesagt habe, das die Betreuerin sagte: Wenn du deine Schuhe nicht binden kannst , kommst du nie nach Hause! Sicherlich ist dort mehr vorgefallen. Und ich hoffe das ich da auch einfach weiter komme. Lg Tina
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Conni Kuhlmann aus Hamburg schrieb am 07.10.2021
Ich war 1972 oder 1973 (im Alter von 5 oder 6 Jahren) für 6 Wochen über die Caritas auf Sylt (Westerland). Leider habe ich das Heim noch nicht wiedergefunden.
Es waren schreckliche Erlebnisse. Wir wurden durchweg unfreundlich und lieblos behandelt. Erbrochenes essen, nicht auf die Toilette gehen dürfen, beim Einnässen dann öffentliche Demütigung, ständiges Androhen von Strafen, es gab eigentlich nur Angst.
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Ulrich aus Nolden schrieb am 07.10.2021
Hallo Thomas Eßer,
das Kindererholungsheim Stetten am kalten Mark war meines Wissens nach von der evangelischen Diakonie betrieben. Ich war 56/57 dort. Im Netz gibt es noch ein paar alte Fotos vom Haus aus der Zeit. Ich habe einen Bericht geschrieben, den man unter meinem Namen lesen kann oder ich schicke ihn Dir gerne zu.
Wir sind offenbar zu einer ähnlichen Zeit dort gewesen.
Freundliche Grüße aus dem Rheinland
Ulrich Nolden
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"Kur" mit der DAK aus NRW schrieb am 06.10.2021
Dauerhaft also 6 Wochen unter (zur Vorsorge mitgebrachte) Notfallmedikamente gesetzt worden. Dadurch Dauermedikation mit Cortison (Rectodelt) und Antihistaminikum (Atosil).

Dann zu den Älteren verlegt worden. Dort legten sich dann 15 jährige neben die 8 Jährigen und befummelten sie.

Wer abends nicht ruhig im Bett lag, bekam einen kleinen Eimer Wasser von den Betreuerinnen ins Gesicht / Bett und lag den Rest der Nacht im Feuchten. Wie als hätte man ins Bett gemacht.
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Gerd Müller aus Breisach schrieb am 05.10.2021
Nach einer schweren, gerade noch überstandenen Grippe haben mich meine Eltern zur Erholung in das Kinderkurhaus Schwoerer in Saig geschickt. Es muss wohl für ca. 4 Wochen gewesen sein im Winter 1951 oder 1952. Genauer weiß ich es nicht.

Meine Erinnerungen nach gut 70 Jahren sind verblasst und nicht mehr so detailliert wie die anderen, die zu diesem Heim geschildert werden. Haften geblieben sind die Spaziergänge oder kurze Wanderungen Hand in Hand und zu zweit in der Gruppe - wir waren ja alle unter 10 Jahre alt - sowie die Mittagsruhe, eingewickelt in Decken auf der offenen Veranda. Beides war ich von zu Hause gewohnt und somit für mich nichts besonderes.

Interessant ist die Beschreibung der Anfangszeit des Heimes (ca. 1936) und seiner Gründerin Erika Schwoerer, die sich in dem Buch "Meine Schwester starb in Auschwitz" von Richard Zahlten findet. Die Schwester war Dr. Johann Geissmar, eine jüdische Ärztin, die nach dem Berufsverbot durch die Nazis für wenige Jahre in Saig Zuflucht suchte und bei Erika Schwoerer menschlichen Trost fand. Richard Zahlten schreibt über Erika Schwoerer: "Erika Schwoerer war eine resolute Frau. Mit fester Hand führte sie die Kinder bei Spaziergängen über die Feldwege, wobei die Mädchen aus dem Dorf verwundert auf die bunten Kleider der Stadtkinder schauten ..."

Eines aber werde ich bis zu meiner letzten Stunde nicht vergessen. Es spielt in vielen, vielen schlimmen Erlebnissen in Kindererholungsheimen, die man hier lesen kann, eine zentrale Rolle: Der unerbittliche Zwang beim Essen und die nachfolgende Züchtigung, wenn man nicht den Erwartungen entsprechen konnte. Bei mir war es der unausweichliche Ekel und Brechreiz, wenn ich Fleisch mit dem damals immer vorhandenen, schwabbelnden Speckrand essen sollte. Ich konnte es einfach nicht.

Ich saß also allein als letzter am Tisch, für wie lange weiß ich nicht, denn aufstehen durfte man erst, wenn der Teller leer war. Beim ersten Mal gelang es mir, in einem unbemerkten Augenblick das Fleisch mit dem Speck in meiner Hosentasche verschwinden zu lassen. Auf der Toilette habe ich es anschließend hinunter gespült. Beim zweiten Mal wurde ich ertappt. Vielleicht hatten die Betreuerinnen auch schon Verdacht geschöpft und mich die ganze Zeit intensiv beobachtet. Ich wurde zur Heimleitung gebracht. Die Frau hörte sich alles an, erhob sich von ihrem Schreibtischstuhl und befahl mir, die Hose und Unterhose auszuziehen. Dann schlug sie mich mit einem Stock auf den nackten Hintern. Wie oft, weiß ich nicht.

Zu Hause wurde ich nie geschlagen. Das damals im Heim zu erfahren war in meiner Erinnerung aber noch nicht einmal das Schlimme. Es war vielmehr die von mir so empfundene unermessliche Demütigung, vor dieser Frau und all den anderen, die Hose herunterlassen zu müssen.

Ich habe meinen Eltern erst mehr als zwei Jahrzehnte danach davon erzählen können. Mein Vater war empört aber ohnmächtig, nach so langer Zeit das Heim noch belangen zu können.

Das Kinderkurheim Schwoerer bestand bis 1981. An seiner Stelle steht heute der "Schindelhof", der an den Stil Schwarzwälder Höfe erinnert und mehrere einzelne Wohnungen beherbergt.
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Bischof Sabine schrieb am 05.10.2021
Habe einen EIntrag weiter unten, vergaß leider die mail-adresse: Schweinfurt.2021@web.de. Wer war dort, suche Kontakte. Danke. Kann mich an ganz wenig erinnern, das macht mich stutzig.
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Prautzsch aus Recklinghausen schrieb am 03.10.2021
Hallo leute ich kämpfe mein ganzes leben schon damit niemand glaubt mir oder Ärtzte saden sows gibt es nicht .nun zu meiner geschichte die sich fast identisch mit den erlebnissen von detlef lichtrauter decken ich habe es immer verdrängt die sachen die mir noch eingefallen sind wie spritzen erbrochenes essen und abgestellte wasserhähne und ins bett machen .aber nun weiss ich warum ich so bin 1 mutter hat immer gesagt waumm ich nicht alles esse Bzw einen ekel vor manchen gerichten hab bis heute bekomme ich brechreiz wenn ich sie nur rieche 2angst einzuschlafen aus angst ins bett zumahen ,was sied über35 jahren nicht mehr passiert ist nachts werd ich wach und fühl erst ob mein bett trocken ist,3entwickelte ich mich zum schläger weil ich auch tagsüber unkontrollierten harndrang hatte und ich gehänselt wurde 4 ich habe angst gegen über vergesetzten (tanten aus der kurzeit) weil ich mir hilflos vorkomme wie in der .kur .ich hoffe jemand liest das und schreibt mir. mir geht es im moment nicht gut ,da nicht weiss ob ich die kraft habe diesen weg zugehen und nicht sicher bin ob ich den rest lieber dort lassen sollte wo er ist nämlich in der vergangenheit ,scheisse ich brauche hilfe
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Rudi aus Erfurt schrieb am 01.10.2021
Die Kur war in den Sommerferien, deshalb waren auch Aushilfskräfte als Erzieherinnen tätig.
Manche Erzieherinnen waren freundlich, andere sehr streng. Man wußte nie, woran man war.

Allgemeine Drohungen waren z.B. „Wenn … dann wirst du nach Hause geschickt, und deine Eltern müssen die ganze Kur bezahlen.“ Oder „Wenn ... , dann bleibst du noch den nächsten Durchgang hier.“ Letzteres bekam ich beim (Nicht-richtig-)Essen oder Wiegen öfter zu hören. Zum Wiegen habe ich mir immer Sachen in die Schlafanzugtasche gesteckt, um schwerer zu sein. Das Essen war meistens gut. Aber es gab 2 mal Frühstück, dabei einmal immer einen Brei oder Puddingsuppe. Manche Erzieherinnen achteten darauf, wirklich alles aufzuessen, auch die Milchhaut (die ekelt mich). Vor-dem Teller-sitzen-bleiben, bis alles aufgegessen, oder aber alle am Tisch mußten den gesamten Tischdienst übernehmen.

Alle Kinder, ich war 11 und manche deutlich älter, mußten Mittagsschlaf machen. Bei Nichtschlafen drohte die Verlegung in den Schlafraum der kleinen Kinder, welcher an der Flurseite ein durchgehendes Fenster hatte und gegenüber dem Erzieherzimmer lag. Wir mittleren und die größeren hatten normale 4- oder 6-Bettzimmer. Ob man in der Schlafenszeit auf die Toilette durfte hing auch von den Erzieherinnen ab. "Du bist groß genug und kannst vorher gehen oder dich jetzt zusammenreißen. Wenn nicht, dann kannst du jetzt gehen, bekommst dann aber eine Gummihose." Da ich bei Bettenmachen bemerkt hatte, daß auf der Matratze ein großes rotes Gummituch lag (ich schämte mich deswegen, aber das war sicher in allen Betten so; und ich fand es eklig) nahm ich die Drohung ernst. Ein anderer Junge hat sogar mal aus dem Fenster gepinkelt.

Insgesamt habe ich die Kur trotzdem nicht "schrecklich" in Erinnerung.“

Auf dem Fragebogen hatte meine Mutter „schlechter Esser“ angekreuzt und so etwas wie „unruhiges“ oder „zappeliges Kind“. Beides war sicher richtig, und vielleicht nahm ich deshalb an, dass „es so sein soll“ bei einer Kur.
Das Sanatorium hatte einen Teil für Erwachsene, der Seitenflügel war für Kinder. In dem Durchgang waren Kinder im Alter von etwa 6 bis 16, nur Jungen.
War deshalb das Essen besser, als ich es hier in anderen Berichten lese? Und vielleicht konnte man mit größeren Kindern auch nicht ganz so umspringen wie mit (nur) kleinen Kindern?
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Peter Speck aus Kiel schrieb am 30.09.2021
Habe im Sommer 1966 als 11- jähriger eine "Verschickung" nach Wyk auf Föhr erlebt. Natürlich unangenehm- autoritäre Strukturen; Medikation?
1974 im Kinderheim Seeschloß Vorpraktikum (Studium Sozialwesen) absolviert. Leiter war Mitglied der Waffen SS (Leibstandarte A.H.), seine Frau ehemalige BDM- Lehrerin. Gruselig.
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Yvonne aus Berlin schrieb am 30.09.2021
Ich war Mitte der 80er im Kinderkurheim "Morgenröthe Rautenkranz". War noch jemand dort und kann mit mir in den Austausch gehen? Ich habe schlechte, aber auch gute Erinnerungen. Ich war dort, weil ich zunehmen sollte, bin aber oft abends mit Hunger ins Bett. Große Schlafsäle mit Gitterbetten, morgens Gymnastik und harte Bürstenmassagen, kaltes Duschen, Wassertreten, Wanderungen etc.. Komischerweise kann ich mich an keine der Erzieherinnen erinnern. Ich habe noch ein Gruppenfoto. Die Zeit war mit viel Heimweh verbunden. Ich finde es immer noch schrecklich, dass meine Eltern mich allein losgeschickt haben, nur weil es irgendein Dorfarzt angeordnet hat. Das würde ich meinen Kindern nie antun.
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Beatrix Hötger-Schiffers aus Geilenkirchen schrieb am 30.09.2021
Aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung bin ich nach einem sechsmonatigen Klinikaufenthalt in der Kinderklinik Viersen mit ca. 1 Jahr Anfang 1964 in die Klinik Aprath gekommen. Pfingsten 1965 wurde ich entlassen. Ich möchte Menschen finden, die ebenfalls in Viersen und/ oder Aprath waren.
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Silvia Kröplien aus Hamburg schrieb am 30.09.2021
An Siglinde / Kinderheim Duhnen
Ich war 1957 in Duhnen
Gebe auf google auf Druidenkinderheim ein.
Das Heim ist durch mehrere Hände gegangen
und steht jetzt nicht mehr.
Aber die Seite hat auch Fotos.
Ich selbst habe nur bruchstückhafte Erinnerungen an das Heim selbst - siehe meinen Bericht vom 29.07.2021. - Ich war mit fünf Jahren zu klein oder ich habe notwendigerweise alles
verdrängen müssen.
Ich hoffe, dass Dir damit fürs erste geholfen
ist....
Ich wünsche Dir alles Gute
Liebe Grüße von Silvia
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Norbert schrieb am 29.09.2021
War als 10 jähriger für 6 Wochen auf Amrum. Erinnerlich ist mir die „Froscheiersuppe“, die man immer wieder auslöffeln musste. Ich besitze noch zwei Fotos (Gruppe mit Betreuerin) und (Gruppe mit Betreuerin und DRK-Schwester im Ornat).
Die geschilderten Zustände in anderen Berichten kann ich bestätigen.
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Jutta Nermerich aus 56112 Lahnstein schrieb am 29.09.2021
Ich war 1971 vor meiner Einschulung in einem Heim in Winterberg im Sauerland, den Namen weiß ich leider nicht mehr. Vielleicht finde ich hier auf diesem Weg Leidensgenossen, die mir helfen können meine Gedächtnislücken zu füllen
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Ruth Bodenmiller aus Köln schrieb am 29.09.2021
Hallo, ich suche Leidensgenossen, die 1954 oder 1955 nach Neckarsteinach verschickt wurden. Bisher habe ich niemanden gefunden.
Gruß, Ruth Bodenmiller
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Monique Klein aus Dresden schrieb am 29.09.2021
Ich suche Menschen die in der Zeit zwischen 1980 und 1986 in der "Markower Mühle" in Parchim bei Schwerin waren. Ich habe keine schönen Erinnerungen an diese Zeit. Denn irgendwie hat man mich jedes Jahr dorthin geschickt.angeblich war ich zu dünn. Einmal waren meine Schwester und mein Bruder mit. Ich war insgesamt 4 mal dort. Warum bekommen Verschickungsklnder keine Entschädigungen für diese ganzen Qualen? Kinder die in Heimen waren oder um Jugendwerkhof bekommen ein Leben lang Abfindungen. Und was ist mir uns? Hat uns jemand gefragt ob wir das wollten? Wir wurden einfach in Züge und Busse gesetzt und mussten alles hinnehmen und konnten uns nicht wehren. Ich habe so geweint jedes Jahr aufs Neue. Viele Jahre habe ich ins Bett gemacht. Bin heute psychisch krank. Habe enorme Verlustängste..... so viel gibt es zu sagen, aber vieles auch verdrängt, vergessen damit man nicht noch mehr weg bricht
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Petra aus Leo schrieb am 28.09.2021
Ich war im Sommer 1972 oder 1973 zur Verschickung im St. Ursula-Haus bei Nonnen in Winterberg. Damals muss ich etwa 6 Jahre alt gewesen sein, ich war jedenfalls noch nicht in der Schule.
Es war meine zweite Verschickung, nachdem ich im Jahr zuvor auf Borkum war. An die Zeit auf Borkum kann ich mich allerdings gar nicht mehr erinnern, außer daran, dass das Haus auf Borkum von außen sehr dunkel aussah. Die Erinnerung daran ist wohl sehr tief in meinem Kopf vergraben.

Nach Winterberg kam ich im Jahr darauf mit dem Zug, zusammen mit vielen anderen Kindern. Ich weiß noch, dass viel geweint wurde unter den anwesenden Kindern, was mich unglaublich verunsichert hatte, weil ich nicht wusste, was da jetzt gerade passiert und was uns bevorsteht. An den Abschied auf dem Bahnsteig in Krefeld erinnere ich mich auch nur noch dunkel.
Im Heim selber kam ich dann in die Gruppe von „Schwester Vita“. Sie war, nach meiner Erinnerung, recht ruppig, aber insgesamt noch die Zugänglichste von allen.
Da ich als Kind im Kindergarten immer die Kleinste und Schmächtigste von allen war, wurde ich über meine Kinderärztin und die Familienfürsorge Krefeld, bei der meine Oma damals arbeitete, in die Verschickung gelotst.

Und ab hier melden sich meine Erinnerungen sehr deutlich. An Dinge, die ich essen musste, ob ich wollte oder nicht. Auch, wenn sie schon kalt geworden waren. Und bis zum Erbrechen und dann nochmal. Es gab damals einen „Dornröschenpudding“. Irgendein warmes, rosafarbenes, extrem süsses Zeug. Der wurde mir immer und immer wieder reingezwungen. Dazu Erbsen- und Linsensuppen, die ich sowieso auch vorher schon nie runterbekommen hatte. Solche Suppen kann ich auch heute noch nicht riechen, ohne dass mich sofort eine heftige Übelkeit an diese „Zwangsernährung“ erinnert. Auch das total fette Fleisch dort mit Schwarte war und ist für mich eine absolute Horrorerinnerung.

Hatte ich nachts Heimweh und deswegen im Bett gelegen und geweint, wurde ich barfuß in das große, dunkle Gemeinschaftsbad eingeschlossen, das nachts sowieso immer abgeschlossen war, denn außer der Reihe auf die Toilette gehen war uns untersagt. Ich erinnere mich, dass ich einmal nachts, als ich dort eingeschlossen war, durch das vergitterte Fenster des Badezimmers ein Feuerwerk gesehen habe. Das hat meine Angst im Dunkeln aber auch nicht wirklich abgeschwächt. In dem kalten Badezimmer roch es nachts abgestanden und nach Zahnpasta und die teils nur halb geschlossenen Türen der einzelnen Toilettenzellen haben mich total geängstigt. Noch heute wird mir übel, wenn ich in ein kaltes Bad komme, in dem es deutlich nach Zahncreme riecht.

In unserer gemischten Gruppe gab es einen Jungen, der nachts ins Bett gemacht hat. Ich erinnere mich daran, dass es mehrere Nächte gab, in dem die Betreuerinnen bei vollem Licht den Jungen aus dem Bett holten und kontrollierten, ob er wieder eingenässt hatte. Wenn ja, war das Geschrei groß und wir anderen hatten unglaubliche Angst. Es hat uns ja auch keiner getröstet.

An den Wochenenden fand meist eine Art „Party“ statt. Da gab es zur Abwechslung dann Kuchen und Limonade für alle, außerdem lief ein Kassettenrekorder oder ein Radio mit Musik, zu der wir durch den Raum hüpfen und springen durften. Hatte der oben genannte Junge aber unter der Woche ins Bett gemacht, wurde unserer ganzen Gruppe verboten, an diesem Partynachmittag teilzunehmen und wir mussten in unserem Schlafsaal bleiben. Für den betreffenden Jungen muss das furchtbar gewesen sein. Die Scham, ins Bett gemacht zu haben und wahrscheinlich auch die Schuldgefühle, dass die ganze Gruppe wegen ihm im Kollektiv dafür bestraft wurde. Ein schlimmer Gedanke, was dem Jungen widerfahren war, dass er überhaupt ins Bett gemacht hat. Psychologisch hatte das damals ja leider keiner hinterfragt, sondern den Druck auf den Jungen nur noch viel mehr aufgebaut.

An den Wochenenden durften wir Karten nachhause schicken. Da ich noch nicht schreiben und lesen konnte, musste ich notgedrungen der Betreuerin diktieren, was ich meinen Eltern mitteilen wollte. Ich weiß noch sehr genau, dass ich in den Karten darum gebettelt habe, dass man mich heimholt, dass ich Heimweh hätte, dass es in dem Heim ganz furchtbar sei, dass meine Mama mich bitte-bitte besuchen kommen sollte. Viele Jahre später habe ich mit meiner Mutter mal über den Aufenthalt in Winterberg gesprochen. Sie erinnerte sich, dass sie die alten Postkarten tatsächlich noch hätte. Wir haben sie dann gemeinsam gelesen und gemeinsam geweint, denn auf den Karten stand drauf, „dass das Wetter schön, die Betreuer sehr nett und der Ausflug auf den Kahlen Asten mit seinen vielen leckeren Blaubeeren ganz toll gewesen war!“ Seitdem fühlt sich meine Mutter bodenlos schuldig, dass sie sich von meiner Oma, die ja bei der Familienfürsorge an der Quelle für meine Verschickung saß, hat bequatschen lassen, weil „mir so eine Kur sicher nicht schaden würde“ und sich meine Mutter „mal nicht so anstellen sollte, weil sie mal ein paar Wochen auf mich verzichten müsse“. Meine Oma gehört noch der Generation an, die sich keine Gedanken darüber gemacht hat, ob es einem Kleinkind vielleicht schaden könnte, wenn es wochenlang allein und ohne seine Eltern von seinem Zuhause weg ist, drangsaliert wird und vor Heimweh und Angst eine komplette Wesensänderung durchmacht.

Meine Mutter hatte mir in dieser Zeit, die ich dort war, mal ein Paket geschickt, mit Süßigkeiten drin. Ich weiß noch, dass mein Mund wohl ein großes O geformt hat, als der Inhalt an alle Anwesenden verteilt wurde, noch bevor ich das Paket selber aufmachen durfte. In meiner Erinnerung „schwebt“ das Paket einfach von mir weg und die Kinder um mich herum waren selig, weil es außer der Reihe Schokolade für alle gab.

Ganz fies in Erinnerung sind mir auch die Spielenachmittage geblieben. Diese waren – rückblickend – einfach nur traumatisch und entwürdigend. Wohlgemerkt: ich war rund 6 Jahre alt! Das erste Spiel hieß oder war etwas in der Art von „Stühle schnüffeln“. Alle Kinder saßen draußen auf dem Gang oder standen herum. Man (ich) wurde nacheinander in einen Raum gerufen, die Tür wurde geschlossen und man (ich) musste sich auf einen von mehreren, nebeneinanderstehenden Stühlen setzen, den man sich aussuchen durfte. Dann wurde man aufgefordert, wieder aufzustehen und sich zu den Betreuerinnen zu stellen. Danach wurde eine weitere Betreuerin von draußen reingerufen („Kannst reinkommen“), die sich vor den ersten Stuhl kniete, daran tief und intensiv schnüffelte und nach und nach jeden weiteren Stuhl mit der Nase absuchte. Am Ende stand sie auf und zeigte zielstrebig auf den Stuhl Nummer 2, auf dem ich kurz vorher gesessen war. „Hier hat sie gesessen!“ – Ich war völlig beschämt, weil ich in dem Moment wirklich panisch dachte, ich würde stinken! Wie konnte diese Frau erschnüffeln, wo ich gesessen hatte??? Erst Jahre später habe ich das System dieses Spieles durchschaut, aber ich erinnere mich immer noch mit Grausen an meine Angst, dass ich „müffeln“ könnte. Das hat bis heute Spuren hinterlassen.

Ein weiteres, für mich sehr schlimmes Spiel war das mit den Schaumküssen. Auch hier standen und saßen wir alle wieder in einem Gang vor einer verschlossenen Tür und wurden nacheinander reingerufen. Keines von uns Kindern wusste, was uns hinter der geschlossenen Tür erwartete. Jedes Mal, wenn ein Kind in den Raum gerufen und dann die Tür geschlossen wurde, erscholl umgehend ein furchtbarer Schrei. Die meisten von uns haben sich wahrscheinlich in dem Moment in die Hose gemacht, vermute ich. Als ich an der Reihe war, kam ich in einen komplett dunklen Raum und die Tür schloss sich sofort hinter mir. Im selben Moment drückte mir jemand ziemlich feste einen Schaumkuss mitten ins Gesicht und raunte mir ins Ohr: „Los, jetzt schrei mal ganz laut!“ – Natürlich habe ich das gemacht, und sicher nicht nur, um der Aufforderung nachzukommen. Ich war ja völlig überrascht und hatte immer noch die Panik von der Warterei vor der Tür in den Knochen. Der einzige positive Effekt aus diesem Spiel ist, dass ich mir das Sterben heutzutage ähnlich wünsche. Keine Ahnung zu haben, was einen erwartet, aber dann hinterher – wenn es ein „Hinterher“ gibt – denken zu können: „Wie, das war alles?“. Denn wie Sterben fühlte sich die Angst in dem Moment garantiert an. Warum tat man kleinen Kindern sowas an?

Der schlimmste Albtraum für mich persönlich war der Kinderspielplatz, links hinter dem Haus, ein bisschen abseits gelegen am Hang. Dort gab es eine Holztrommel, so ein Laufrad, in dem die Kinder wie die Hamster rennen konnten. Während meiner Zeit dort hatten sich zwei größere Kinder – ich weiß nicht mehr, ob Junge oder Mädchen – einige Finger gebrochen, weil sie mit den Fingern zwischen die einzelnen Holz-Spalten geraten waren und dann in der Rolle einen Überschlag gemacht hatten.
Ich selber hatte in der 3. oder 4. Woche meines Aufenthalts dann final auch einen sehr schweren Unfall. Es gab dort auf dem Spielplatz einen Kletterbogen aus Metall, auf dem ich eines nachmittags saß, während es geregnet hatte. Ich war ganz allein dort! Von Betreuerinnen keine Spur. Das weiß ich, weil es nach dem Unfall längere Zeit gedauert hatte, bis ich gefunden wurde und man eine Betreuerin herangeholt hatte. Als ich jedenfalls oben auf einer der höchsten Stangen saß, die Füße auf der nächsten, rutschte ich durch die Nässe ab, schlug in der Luft wohl einen Purzelbaum und landete mit dem Gesicht auf den Steinplatten darunter. Damals war man leider noch nicht so schlau, Gras unter ein Klettergerüst zu pflanzen. Jedenfalls habe ich mir mit den Schneidezähnen an 2 Stellen die Unterlippe komplett durchbissen und dabei die Schneide- und einige weitere Zähne unwiederbringlich eingebüßt. Damit war für mich zumindest diese Kur dort abrupt vorbei. Durch die komplett vernähte und verpflasterte Schnute konnte ich monatelang keine feste Nahrung mehr zu mir nehmen und hatte durch den Unfall später einen so extremen Zahn- und Kieferschiefstand, dass ich bereits zu meinen frühesten Schulzeiten ein fast komplett neues Gebiss bekommen musste, welches über die Jahre dann natürlich auch mehrfach erneuert werden musste. Für meine Mutter war es eine Tortur, mich immer wieder zum Fädenziehen und Nachoperieren zum Kinderarzt zu begleiten und mehr als einmal ist sie dabei umgefallen.

Nach dem Aufenthalt in Winterberg fingen dann die Verhaltensauffälligkeiten an. Ich stand nachts zuhause in meinem Bett und zog bahnenweise die Tapeten von der Wand. Ich konnte an keiner Vereinsfahrt vom Kinderturnen teilnehmen, ohne als heulendes Elend zu enden, weil ich so Heimweh hatte. Ich schämte mich jahrelang für meine große Narbe an der Lippe und meine teils schiefen Zähne. Vor Jahren hat mir meine Mutter erzählt, dass sie mich aus psychologischen Gründen kurz nach der Kur in einem Malkurs angemeldet hatte, um von Fachleuten einschätzen zu lassen, warum ich so „komisch düstere“ Bilder malte. Egal, wo meine Eltern mich „nach der Zeit in Winterberg“ allein lassen wollten: ich war sofort durch den Wind und wollte nicht ohne zumindest einen Elternteil sein. Auch heute ist Alleinsein für mich die schlimmste Strafe, so dass ich zwischen früheren Partnerschaften so gut wie nie einen Tag mal allein sein konnte. Und das Alleinsein auch bis heute nie genießen kann.

Da ich in meiner Jugend mit meinen Eltern nach Bayern und mit Mitte 30 wieder zurück nach NRW gezogen bin, habe ich etwa vor 15 bis 20 Jahren Winterberg wieder mal besucht, weil ich die Gelegenheit nutzen wollte, wenn schon in der Nähe zu wohnen, dann auch gleich mit der Vergangenheit abschließen, denn ich hatte bis dato immer wieder schlimme flashbacks. Also fuhr ich nach Winterberg.
Zuerst habe ich das Gebäude gar nicht gefunden. Als Kind hatte ich eine lange Zufahrt in Erinnerung. Als ich jetzt wieder dort war, war die Siedlungsbebauung schon recht nah an das Gelände der Kurklinik rangekommen. Die Klinik lag gefühlt einfach mittendrin. An den Eingangsbereich erinnerte ich mich aber sofort. Inzwischen war aus dem Kinderkurheim ein Mutter-Kind-Kurheim geworden. Ich wusste auch noch, dass sich der Eingang zur Kapelle im Eingangsbereich befand. Also bin ich ins Gebäude gegangen, auf der Suche nach jemandem, dem ich erzählen konnte, dass ich Anfang der 70er dort zur Kinderkur war und einfach mal schauen wollte, wie das alles inzwischen aussah.
In der Eingangshalle traf ich auf eine uralte Nonne, der ich von Schwester Vita erzählte. Sie sagte, ja, Schwester Vita gäbe es tatsächlich noch, aber sie läge leider aktuell im Sterben, es könne sich leider nur noch um wenige Tage handeln, deswegen wäre es leider auch nicht möglich, dass ich sie besuche. Ich war total erstaunt, dass sie immer noch lebte. Damals Anfang der 70er kam sie mir schon steinalt vor.

Als ich von dem Spielplatz erzählte, auf dem ich diesen schrecklichen Unfall hatte, hat mich die Schwester gefragt: „Wollen Sie ihn sehen?“ Und ich: „ES GIBT IHN NOCH????“ – Da meinte sie: „Ja, den gibt es noch. Sie haben Glück, er soll in der nächsten Woche komplett abgebaut werden. Wir haben ja jetzt einen schönen neuen Spielplatz hier.“ Der Moment war und ist bis heute Gänsehaut pur.
Ich war total fassungslos! Wir gingen hinten aus dem Gebäude raus in den hinteren Teil und dann leicht bergab links Richtung ehemaligem Spielplatz. Weiter unten konnte man viele Kinder mit ihren Müttern ausgelassen lachen hören und spielen sehen. Was für ein Unterschied gegenüber damals!

Als wir zu dem alten Spielplatz kamen, konnte ich sehen, dass die einstmaligen Geräte fast im hohen Gras verschwunden waren. Als Erwachsene kamen mir die Geräte so winzig vor. Auch das Klettergerüst war noch da und ich wusste nicht, ob ich Lachen oder Brechen sollte. Die alte Nonne, die mich netterweise dorthin geführt hatte, hatte dann wohl gemerkt, dass mir die Erinnerungen unglaublich zu Schaffen machen und hat mich mit meinen Emotionen allein gelassen, was ich sehr nett fand. Ich habe mir ein paar Minuten Zeit gelassen, um mich endgültig von diesem Ort zu verabschieden, der jetzt, als ein Heim, wo Kinder mit ihren Müttern ausgelassen toben können, so völlig seinen Schrecken verloren hatte. Ich dachte wirklich, das war´s jetzt, jetzt kann ich endlich mit dem Thema abschließen und loslassen.

Pustekuchen!

Vor 2 Jahren bin ich schwer krank geworden. Erst körperlich, dann psychisch. Mit der Depression kamen plötzlich, wie kleine, fiese Unkrautpflanzen, viele Erinnerungen sehr deutlich wieder in mein Gedächtnis zurück gewuchert. Meine Unsicherheit von früher vor fremden Menschen und Orten meldet sich auf einmal wieder sehr deutlich. Meine Anhänglichkeit an meinen Partner wird immer schlimmer und panischer. Für 2022 steht bei mir die erste psychosomatische Reha in meinem Leben an. Leicht vorstellbar, was es jetzt schon für ein Stress für mich ist, daran zu denken, dass ich dann 5 Wochen allein bin. Wieder in einer Einrichtung, unter völlig fremden und sicher teils auch kranken und verunsicherten Menschen, wie ich oft einer bin. Ich werde mit zunehmendem Alter empfindlicher, was Gerüche angeht, denn bestimmte Gerüche lösen sofort unglaublich beklemmende Erinnerungen an Alleinsein, Zwang, Angst und psychische Gewalt aus. Ich habe nie daran gezweifelt, ob mich meine Erinnerungen vielleicht trügen, ob ich mir vieles vielleicht eingebildet habe, das möchte ich unbedingt dazu erwähnen. Auch wenn ich vieles vergessen habe – was sicher auch gut ist – so bin ich doch davon überzeugt, dass alles so passiert ist, wie ich oben beschrieben habe. Umso wichtiger finde ich es, dass alle Betroffenen die Möglichkeit haben, ihre Erinnerungen mit anderen Betroffenen zu teilen, zu vergleichen, zu verarbeiten. Mir, in meinem Fall, tut es gut, das alles mal aufzuschreiben, denn es schmerzt wesentlich weniger, als wenn es im Kopf bleibt und vielleicht macht es bei dem einen oder anderen "klick" und längst verschüttet geglaubte Erinnerungen kommen wieder zutage, die dann hoffentlich gut zu verarbeiten sind und nicht alte Wunden wieder aufreißen.

Und danke an alle, die bei der Aufarbeitung helfen und die, die sich trauen, ihre Geschichten zu erzählen. Es ist für mich auch beruhigend zu wissen, dass es heute gang und gäbe ist, Kinder MIT ihren Müttern zusammen in Kur zu schicken, um zu vermeiden, dass die zarten Seelen dieser kleinen Kinder durch Fremde gebrochen werden! Danke für eure Geduld beim Lesen meiner Erinnerungen!
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Siglinde schrieb am 18.09.2021
Suche nach weiteren Leidensgenoss*innen aus Verschickung zwischen 1957 und 1959 nach Cuxhaven-Duhnen.
Weiß leider nur noch den Ort, finde aber bisher keinerlei Infos zu einem Kinderverschickungsheim.
War dort vor meiner Einschulung ca. zw. 1957 und 1958 als 5-6jährige zusammen mit meiner 4jährigen Schwester. Wurden mit einem Sammelzug in Hamburg eingesammelt und ohne Bezugspersonen verschickt. Meine Schwester und ich haben die ganze Zeit geweint.
Im Kinderheim angekommen wurden wir sofort getrennt. Ich habe meine Schwester nur manchmal von weitem in einem großen Saal beim Mittagessen gesehen.
An die Verpflegung kann ich mich nicht erinnern. Alle Kinder mussten immer so lange sitzen bleiben, bis der Teller leer war. Bei mir waren das manchmal gefühlte Stunden. Ich saß oft noch zusammen mit einer Betreuerin allein im Speisesaal. Selbst Erbrochenes musste ich wieder essen.

Mit meiner Schwester durfte ich nicht zusammen sein. Einmal habe ich sie nach Suchen allein im hohen Gitterbett gefunden. Ich konnte sie da nicht rausholen.

Alle meine Erinnerungen sind bruchstückhaft. Meine Schwester und meine Eltern sind inzwischen verstorben, so dass ich auch niemanden mehr fragen kann.
Deshalb meine Bitte an alle, die ähnliche Erfahrungen in Cuxhaven in dieser Zeit gemacht haben, mir ein paar Zeilen zu antworten. Danke im Voraus!
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Jan Weiler schrieb am 14.09.2021
Ich war 1976 im Alter von 10 Jahren fuer 6 Wochen im Haus Hamburg in Sassendorf (ueber die DAK): Diagnose Untergewicht und Hang zu Atemwegserkrankungen. Erst einige Jahre spaeter stellte sich heraus, dass ich an Hausstaub und Pollenallergien litt. Die 6 Wochen in Sassendorf waren schlimm fuer mich, vor allem wegen des permanenten Heimwehs. Meine Mutter schrieb mir fast jeden Tag einen Brief. Meine eigenen Briefe durfte ich nur ungeoeffnet abgeben, und sie wurden zensiert. Einmal wurde ich von Schwester Helga (?) gefragt, ob ich mir das auch "gut ueberlegt haette" diesen Brief (in dem ich mich ueber starkes Heimweh beklagte) wirklich so abzuschicken, und ob ich nicht einige Passagen abaendern wollte. Ich habe nie erfahren, welche meiner Briefe und Karten an meine Eltern abgeschickt wurden und welche nicht. Was fuer mich fuerchterlich war, war dass uebergewichtige und Kinder mit Untergewicht zusammen in einem grossen Ess-Saal Ihre Mahlzeiten einnahmen. Die Uebergewichtigen, die u.a. eine Grapefruit zum Fruehstueck bekamen und die duennen Kinder wie ich, die viele Marmeladenbrote, suessen Griesbrei und Erdbeermilch erhielten. Seit dieser Zeit habe ich nie wieder Milch trinken koennen. Eines Abends bekam ich mit wie eines der uebergewichtigen Kinder von den Schwestern vor uns anderen Kindern ausgeschimpft und laecherlich gemacht wurde, weil er ins Bett gemacht hatte. Ich hatte grosse Angst, und habe jeden Abend gebetet, dass mir das nicht auch passieren wuerde. Meinen Teddy, den ich beim Beten umklammert hielt, habe ich heute noch. Die Inhalationskammern und das Solebergwerk waren gruselig. Zugenommen hatte ich am Ende der „Kur“ nur 1 Pfund. Als mich meine Mutter nach 6 Wochen abholte, konnte ich nur noch "Mama" sagen, ich glaube, ich habe dabei geweint. Ich erinnere mich noch an die Namen einiger meiner Mitschueler: Reinhard Muech, mein bester Freund in dieser Zeit, Ulrich Gabel, Stefan Wendel (aus Stuttgart?), Dirk Merkisch (?). Gegen Ende des Aufenthaltes wurde ich zumnehmend aggressiver und schlug bei einer Gelegenheit Dirk ohne Grund die Nase blutig. Es tat mir spaeter sehr leid. In Verena Stolzenhain aus Hamburg Rahlstedt war ich sehr verliebt und hatte nach Sassendorf noch einige Male Briefkontakt mit ihr. Vielleicht kennt zufaellig jemand aus diesem Forum diese und weiss ob es Ihnen gut geht.
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Doris Bechstein aus Bath schrieb am 14.09.2021
Meine Eltwrn wollten mich unbedingt einschulen, obwohl ich noch nicht ganz 6 Jahre war - und zu klein und zu dünn! Ich war im Haus Bielefield auf der Insel Wangerooge in der Nordsee, weil wir in Hannover wohnten. Das Essen war furchtbar, die Disziplin streng, und ich habe meine Eltern vermisst. Es war kalt, und wir waren fast den ganzen Tag draussen - als Grossstadtkind war ich das nicht gewohnt. Am 16. Februar wurde dann die Hälfte der Insel durch die grosse Sturmflut 1962 weggerissen - wir Kinder mussten die ganze Nacht mit Schwimmwesten aufbleiben, und eine der Schwestern spielte die ganze Nacht Klavier für uns. Am nächsten Morgen gab es eine Inseltour - fast die Hälfte der Insel war im Meer verschwunden!
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Klaus Böcher aus Siegen schrieb am 12.09.2021
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist mir ein Anliegen und offensichtlich auch nötig, gute Seiten der Kindererholung zu schildern. Über den Sozialdienst des Arbeitgebers meines Vaters (SIEMAG Feinmech. Werke GmbH) konnte ich im Alter von 12 Jahren ein weiteres Mal an der "Verschickung" teilnehmen. Es war ebenfalls ein beglückender Aufenthalt: Fürsorgliche begleitete Bahnreisen, im Haus gut versorgt und behütet, "aufgepäppelt", mit Empathie von den Betreuerinnen behandelt, mit Chorgesang und Gitarrenbegleitung der "Tanten" zum Zubettgehen bedacht. Ich denke sehr gerne daran zurück! Gruppenbilder kann ich gerne beisteuern!
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Böcher
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Thomas Eßer aus Binzen schrieb am 11.09.2021
Ich kann mich an keine nennenswerten Details erinnern, aber das Heim war in Stetten am kalten Markt. Ob sich dort ein Kinderheim (evtl. der ev. Kirche) befand, würde ich gerne wissen.
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Kerstin schrieb am 10.09.2021
Ich war mit 6 in St. Hedwig in Kladow, als meine Mama im Krankenhaus war. Es war die Hölle. Es gab einen "Klopferkeller", die "Besenkammer" wo wir nachts eingesperrt wurden, wenn wir nach dem Zubett gehen gesprochen hatten. Ich durfte dort nicht mit links schreiben oder malen. Gab einen Schlag auf die Hand "Nimm das schöne Händchen". Wurde zwangsumgewöhnt auf rechts. Zum Glück erbrach ich nie auf meinen Teller, aber anderen ist das passiert und sie mussten ihr Erbrochenes essen. Ich werde das nie vergessen. Ich wurde grob zwangsgewaschen, was sehr unangenehm war. 2 Betreuer versuchten mich in einen Kartoffelsack zu stecken. Das ist bei weitem nicht alles. Und das Anfang der 90er. Es ist zivilrechtlich noch nicht verjährt, aber ich weis nicht was ich da machen kann. Und ob das in Deutschland überhaupt etwas bringt... Geglaubt wurde mir nicht. Die Nonnen würden soetwas doch nie machen.
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Torsten B schrieb am 10.09.2021
Im Sommer 1984 wurde ich, gerade 10 Jahre alt geworden, für 4 Wochen ins Kinderkurheim "Seeschloss" nach St.Peter Ording verschickt.

Angeblich um mein Asthma zu kurieren - dort angekommen stellte sich aber schnell heraus, dass ich von dem dortigen Arzt (?) für übergewichtig erklärt wurde. Dies bedeutete 4 Wochen spezielle Diät-Kost.
Davon hatte man mir und meinen Eltern vorher nichts erzählt.

Wenn ich an die Zeit dort zurück denke, habe ich überwiegend schlechte und schlimme Erinnerungen.
Die "ErzieherInnen" zensierten unsere Briefe nach Hause - wenn da etwas "falsches" drin stand, musste man den Brief nochmal schreiben. Die ganze Atmosphäre dort war von Zwang, Unterdrückung und Bevormundung geprägt.
Keine lachenden und spielenden Kinder, sondern eher "Zucht und Ordnung" der "alten Schule".
Gehorsam und Pflichterfüllung waren hier wichtiger als Individualität und Freiheit.

Ich erinnere mich an einen Vorfall beim täglichen Essensritual im Essraum: Da schon beim Frühstück das Brot dermaßen rationiert war, leckte ein Kind alle Weißbrotscheiben ab und steckte sie danach wieder in den Brotkorb (man durfte sich nur immer jeweils 1 Scheibe auf den Teller legen).
Die verantwortlichen "ErzieherInnen" ließen sie gewähren.

3 von den 4 Wochen dort goss es in Strömen und wir waren überwiegend im Haus, da wir wegen des Wetters nicht rauskonnten. Ich erinnere mich an unsympathische und unempathische "ErzieherInnen" .

Ich habe nicht mehr viele Erinnerungen an diese Zeit - was mich wundert, da ich mich an andere Ereignisse in diesem Lebensjahr noch sehr gut erinnere.

Ich befürchte, dass ich dort traumatisiert wurde und mich meine Seele durch das "Vergessen lassen" geschützt hat.
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Barbara Westfahl aus Bad Segeberg schrieb am 09.09.2021
Bin durch einen Podcast des Deutschlandfunk Nova auf diese Seite aufmerksam geworden. Ich war 1965 oder 1966 im Alter von 6 oder 7 Jahren nach mehreren Erkrankungen Blase/Nieren und Krankenhausaufenthalten in Bad Wildungen zur Kur. Meinen Eltern wurde damals dieser Aufenthalt vom Hausarzt dringend empfohlen und sie wollten mir etwas Gutes tun. Ich habe nur noch ein paar verschwommene Erinnerungen, Bäder in großen Badewannen, Frühstück mit Müsli oder Haferflocken die ich essen musste, obwohl es mich ekelte, Einsamkeit und großes Heimweh. Das Warten auf Nachrichten/Post von zu Hause. Und die unbändige Freude, als mein Großvater mich abgeholt hat. Alles andere ist weg. Vielleicht auch besser so.
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Hans-Jürgen Neumeister aus Nordrhein-Westfalen - Beckum schrieb am 07.09.2021
Auch, oder gerade weil ich nicht schlimmes während meiner beiden Verschickungen erlebte, sondern eher schöne Dinge, möchte ich mich bei den Machern dieser Website und denjenigen bedanken, die sie füllten. Denn ich war froh, mich mit dem Thema nach den langen Jahren befassen zu können. Schließlich hatte die Zeit alles mehr oder weniger unter sich begraben. Daher ein Namaste an alle, die sich hier beteiligen.

Hallo, Ihr alle,
als ich in das Buch „Die Akte Verschickungskinder“ entdeckte, bestellte ich es, wie unter Zwang. Denn mir fiel wieder ein, dass auch ich zweimal verschickt wurde. Einmal 1950 (ich bin Baujahr 1943) nach Reinhardshausen bei Wildungen, und 1959 mit 16 in den Schwarzwald, nach Todtmoos ins Haus Waldfrieden. Dass ich jedoch meine dazugehörenden Erinnerungen niederschreiben würde, hätte ich nie gedacht. Und da ich inzwischen 78 bin, gehöre ich
hier wohl zu den Oldies, denn ich habe nur wenige gefunden, die um 1950 herum verschickt wurden.
Hier das Beweisfoto:
Der zweite von rechts unterhalb der „Tante“, das bin ich.

HIER SOLLTE SICH JETZT EIGENTLICH EIN FOTO DES HEIMS UND DAS DES BUCHES BEFINDEN, ABER BEIDES WURDE NICHT ÜBERNOMMEN.

Bisher dachte ich immer, dass ich nur schöne und keine negativen Erfahrungen gemacht hätte. Ins Grübeln kam ich jedoch, als ich folgenden Satz in o.gen. Buch auf Seite 246 las. »Kinder machen Dinge immer lieber selbst mit sich allein aus. Sie ziehen andere Menschen nicht gern ins Vertrauen.« Hat doch auch mich diese Einstellung fast mein ganzes Leben begleitet. Erst Ende der 1990er begann ich, mich in diversen Selbsterfahrungsseminaren in mühsamer Kleinarbeit davon zu befreien. Zuvor vermochte ich nicht zu sagen, was mit mir los war oder wie es mir wirklich ging. Und in diesem Moment, in dem ich das schreibe, läuft es mir kalt den Rücken runter, und die Augen werden feucht.

War da doch mehr in meiner ersten Verschickung, als ich mir je eingestehen wollte oder konnte? Nur was?

Allerdings schien mir bisher alles zu meinen Verschickungen mehr oder weniger stimmig, sodass ich nie daran zweifelte. Zumal meine Mutter erzählte, dass ich, sobald ich laufen konnte, auf das Stichwort „Teita“, selbst an der Hand eines Fremden mitging, um die Welt zu erkunden. Und dazu passt auch, dass ich mit 9 oder 10 immer wieder mutterseelenallein stundenlang durch Wiesen und Wälder streifte, ohne dass ich jemandem davon erzählte.
Hinzu kommt, dass ich weder als Kind, Jugendlicher oder Erwachsener Heimweh kannte, und nie wusste, was das ist – egal wohin ich fuhr und wie lange die Reise dauerte. Und so war es kein Wunder, dass ich, als ich als 64jähriger zu meiner zweijährigen Reise per Bahn, Bus & Schiff nach Australien aufbrach, nie Heimweh verspürte. Aber da hatte ich mich ja quasi selber verschickt.  Heimweh habe ich damals nur bei anderen Travellern erlebt, besonders zu Weihnachten, weiß also zumindest, wie es aussieht.

Meine Eltern haben mich insgesamt zweimal verschickt. Wobei ich beim ersten Mal 7 Jahre alt gewesen sein dürfte, denn ich ging schon eine Weile in die Volksschule, und Herrmann, ein Mitschüler, wurde ebenfalls verschickt. Seltsamerweise befindet er sich nicht auf dem Beweisfoto meines Aufenthalts.
Doch wenn ich an damals denke, habe ich sofort das Bild vor Augen, wie er und ich mit unseren Koffern, mit meinen und seinen Eltern und weiteren Familienmitgliedern neben unserer Schule und der Kirche trafen, da sie von dort aus zum nahegelegenen Bahnhof und zum Zug bringen wollten. Und ich weiß auch noch, dass ich aufgeregt zwischen den Erwachsenen herumlief, voller Vorfreude auf das Abenteuer einer Zugfahrt in die Ferien. Und so war ich weder traurig, noch hatte ich Angst. Was allerdings nicht auf Herrmann zutraf, denn er weinte und wollte nicht weg.
Wer und ob uns jemand im Zug begleitete, weiß ich nicht mehr – auch nicht, ob weitere Kinder im Laufe der Fahrt dazu kamen – nur dass Landschaften und Orte an mir vorbeizogen und stets ein neues Bild boten, schließlich hatte ich einen Fensterplatz.
Dass wir nach Reinhardshausen fahren würden, hatte ich zwar immer wieder gehört, auch dass es bei Bad Wildungen liegen sollte, doch tangierte mich das erst einmal noch nicht. Erst als man uns an der Endstation abholte, realisierte ich, dass wir jetzt zum Kinderheim Reinhardsquelle fuhren. Noch heute findet man eine Klinik Reinhardsquelle im Internet, mit dem Zusatz: »Die Klinik für Körper und Seele.«

In einer meiner ersten Erinnerungen sehe ich einen Speisesaal mit dem gleichen Bild, wie auf dem Cover des Buches, und glaubte mich selber vor Kopf des Tisches zu sehen. Aber auch der Schlafsaal fiel mir sofort wieder ein. Er erschien mir damals riesig und es standen unzählige weiße Betten aus Metall darin. Und da der Raum weiß gestrichen war, machte es eher den Eindruck eines Krankenhauses, in dem ich ein Bett zugewiesen bekam, und zwar mittendrin. Wo Herrmanns Bett war, weiß ich nicht mehr, auch nicht, ob und wie oft wir uns im Haus oder draußen gesehen oder getroffen haben. Womöglich wurden wir getrennt, wie es in den Berichten oft heißt, auch wenn wir nicht befreundet waren.
In jenem Saal hatte man immer zwei Betten der Länge nach mit dem Kopf- oder Fußende aneinander gestellt. Und dazwischen gab es schmale Kreuz- und Quergänge, in denen Laufen und Rennen verboten war, auch laut sein durften wir hier nicht.
Vom Bett aus schaute ich auf eine lange, hohe Wand und sah links hinten in der Ecke der seitlichen Wand den Durchgang zum Wasch- / Duschraum und Toiletten.
In der rechten Wand befanden sich die Fenster, so hoch angeordnet, dass ich nur den Himmel und Baumwipfel sehen konnte. Und wenn abends Licht brannte, war es trotzdem nicht hell, eher dämmerig, und nachts brannten nur einige Lampen, sodass immer eine gewisse Grundhelligkeit herrschte. Da ich als Kriegskind schon ganz andere Schlafplätze kennen gelernt hatte, fand ich es hier durchaus als angenehm, denn alles machte einen sauberen, ordentlichen Eindruck.
Ich wurde auf Anraten unseres Hausarztes Dr. Urbisch verschickt, wegen Bettnässen und weil ich ihm zu mager war. Ich erinnere mich jedoch nicht daran, jemals im Kinderheim ins Bett gemacht zu haben, gar dafür bestraft worden zu sein. Dabei war ich ein Kind, das – solange wir in unseren zwei Nachkriegszimmern hausten – jede Nacht ins Bett machte.
Dass es aber noch einen dritten Grund gab, erfuhr ich erst jetzt von meiner Schwester, die sich an ein Gespräch zwischen Dr. Urbisch und unseren Eltern erinnerte. Darin sagte er u.a., dass es gut für ihre Beziehung sei, wenn eins der Kinder – die Wahl fiel auf mich – mal eine Weile nicht da sei, damit unsere Mutter etwas mehr Ruhe bekäme, und unsere Eltern mehr für sich sein könnten. Schließlich war unser Vater 1950 noch nicht lange aus der Gefangenschaft zurück und unser Bruder, das Nesthäkchen, war erst seit kurzem auf der Welt.
Was das Essen betrifft, das oft als ungenießbar beschrieben wird, gab es für mich als besagtes Kriegskind nichts zu beklagen, schließlich hatte ich gelernt, alles zu essen. Hauptsache es füllte den Magen. Es gab nur ein Gericht, dass ich nicht mochte und kaum durch den Hals bekam: Die Graupensuppe der Nachkriegszeit. Aber die hat man uns im Kinderheim nie serviert, also dachte ich nicht einmal daran.
Aber als ich mir jetzt das o.a. Beweisfoto mal wieder anschaute, stellte ich fest, dass bis auf die Tante nur Jungens abgebildet waren, und dass wir alle einen fröhlichen Eindruck machen. Auf Befehl unter Androhung von Strafen? Und wo waren die Mädchen? Hat man von ihnen ein eigenes Gruppenfoto gemacht?
Schade, denn zu gern hätte ich mir das Mädchen mit den lockigen schwarzen Haaren angeschaut, in das ich mich damals verguckte. Ob sie mich auch mochte, weiß ich allerdings nicht, denn es gab ja kaum Gelegenheit, miteinander in Kontakt zu kommen. Wir schauten uns nur an, wenn wir uns begegneten.
Doch einmal, bei einer Veranstaltung oder Versammlung in einem Saal, saß ich direkt hinter ihr und schenkte ihr ein Stück Stoff in Postkartengröße, auf das ich – da ich damals schon gut zeichnen konnte – ein Bild mit Motiven gemalt hatte, die mich zu der Zeit begeisterten: einen Indianerkopf mit Federschmuck und ein Indianerkanu. Ob sie sich darüber freute, es womöglich als Andenken behielt, weiß ich jedoch nicht, zumal sie es eher erschrocken entgegennahm.
Auch daran, dass wir zum Blaubeersammeln in den Wald gingen, der direkt am Heim an einem Hang begann, erinnere ich mich gern. Dazu bekam jeder ein Gefäß, das voll werden sollte, wie es hieß. Man erlaubte uns aber auch, die Beeren zu essen, sodass niemand ein volles Gefäß ablieferte und die Tante scherzhaft mit uns schimpfte. Jedenfalls habe ich immer gerne Beeren gesammelt, da wir sie später auf einem Kuchen oder in einer Quarkspeise zurückbekamen.
Aber auch zwischendurch kraxelte ich immer mal wieder ein Stück weit den Hang hinauf in den Wald mit seinen Büschen und Lichtungen und dachte dabei an Hänsel und Gretel. Dabei bemühte ich mich, dass mich keine der Tanten sah, sonst hätten sie es sicher verboten.
Woran ich mich ebenfalls lebhaft erinnere, ist ein Spaziergang durch den Zauberwald mit umgestürzten Bäumen, undurchdringbaren, ineinander verwachsenen Büschen und dazwischen liegenden Felsen. Es sah wie der Urwald aus, den ich von Bildern kannte.
Von den verfaulenden Bäumen durften wir ein Stückchen mitnehmen, denn man hatte uns gesagt, dass es nachts im Dunkeln leuchtet. Doch ob es das auch wirklich tat, weiß ich nicht mehr.
Ich habe also nur schöne Erinnerungen an meinen Kurlaub, denn daran, dass wir ausgeschimpft, gar geschlagen wurden, erinnere ich mich nicht. Nur an Tanten, die freundlich mit uns umgingen, wie zuvor die im Kindergarten. Also völlig anders, als in den Berichten über Reinhardshausen in den 1980er Jahren.
Wie kann ein derartiger Absturz erfolgen? Wahrscheinlich durch Heimleiter- und Personalwechsel und übergeordnete Instanzen, wie Jugendamt, Kirche und die jeweilige Stadt, oder?

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Es gab aber noch eine weitere Ausquartierung zwischen den Verschickungen, und zwar, als meine Mutter eine Kur genehmigt bekam. Ich kam zu meiner Tante und meinem Onkel und ihren beiden Kindern, und meine Schwester zu einer anderen Tante und ihrer Familie. Diese ausgedehnten Wochen der Kur hätten für mich fast ein Sitzenbleiben in der Schule zur Folge gehabt, da ich stets behaupte, meine Schulaufgaben gemacht zu haben, was niemand kontrollierte, und ich derweil die Zeit nutzte, um durch Wiesen und Wälder zu stromern. Nur gezielter und intensiver Nachhilfeunterricht in Englisch und Mathe verschonten mich vor dem Paptus. Ob ich meinen Vater und meine Schwester in der Zeit sah, weiß ich nicht mehr. Auch nicht, ob ich mich freute, als unsere Mutter wieder da war, es schien mir eher, als wäre es mir egal.

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Meine zweite Verschickung erfolgte mit 16 in den Schwarzwald nach Todtmoos ins Kinderheim Haus Waldfrieden, das mitten in der Pampa lag.

HIER SOLLTE SICH EINE SKIZZE VON DEM HAUS WALDFRIEDEN BEFINDEN, ABER AUCH SIE WURDE NICHT ÜBERNOMMEN:

Später schrieb ich in mein Fotoalbum: „Meine Schwarzwaldfahrt 1959“. Daher habe ich das wohl mehr als Urlaub empfunden. Ich, dessen Eltern, und damit auch ich, noch nie Urlaub gemacht hatten. Aber wieso sie mich in dem Alter ein zweites Mal verschickten, entzieht sich meiner Kenntnis, schließlich pieselte ich schon lange nicht mehr ins Bett, und zu mager war auch nicht mehr. Womöglich brauchten sie einfach mal ’ne Auszeit von ihrem pubertierenden Sohn.
An die lange Zugfahrt, und wie sie ablief, die Ankunft in Todtmoos, und ob es eine Begleitperson gab, erinnere ich mich auch nicht mehr. Nur daran, dass die ganze Landschaft um das Heim aus grasbewachsenen Hügeln bestand, und dass es in der Ferne dunkel bewaldete Hügel gab. War das der Schwarzwald?
Jedenfalls musste ich, wenn ich in die Stadt wollte, gefühlte zwei Stunden hügelrauf und hügelrunter laufen, bis ich endlich im Ort war. Diese Strapazen sorgten wohl dafür, dass ich bergige Landschaften später mied und die See, das Meer bevorzugte.
Trotzdem nahm ich diesen Marsch, auch wenn ich es anstrengend fand, gerne und oft inkauf, da Todtmoos so anders aussah, als alle Städte die ich kannte. Bis man es mir verbot. Was ich ausgefressen hatte, weiß ich nicht mehr, zumal ich längst ein Autoritätsproblem hatte, das sich allerding hier eher selten zeigte. Ich war eher als Guerilla-Kämper unterwegs, der gelernt hatte, Verbote geschickt zu umgehen, statt zu provozieren. Was aber nicht bedeutete, zum Einzelgänger geworden zu sein, denn ich wollte die Mitbewohner des Kinderheims durchaus kennenlernen. Es gab kleine Kinder, nur wenige Jahre alt, bis hin zu 18jährigen. Ich lag mit meine 16 Lenzen dazwischen und gehörte weder zu den Kleinen, noch zu den Großen, die mich einfach ignorierten. Ich erinnere mich aber an den gleichaltrigen Schorsch, mit dem ich immer wieder etwas unternahm, heute würde man sagen, abhing.
Ich vergesse aber auch nicht, dass die 18jährigen im Treppenhaus einmal einen Tumult verursachten, bei dem sie eine der Helferinnen – die auch nicht älter als 18 gewesen sein dürfte – in eine Ecke drängten und unter Gegröhle betatschten, wie ich aus der Retrospektive annahm. Drumherum wimmelte es von uns Jüngeren, die ebenfalls schrien, ohne zu wissen, was da ablief.
Ob sich das Mädchen wehrte, konnte ich nicht sehen und ob sie schrie, hörte ich bei dem Radau nicht. Auf jeden Fall aber ging der Leiter der Gruppe schreiend dazwischen, und ich kriegte Schiss und sah zu, dass ich wegkam.
Einmal fuhren wir nach Freiburg, und ein andermal in die Schweiz nach Luzern, an den Vierwaldtstättersee. In Freiburg beeindruckten mich die künstlichen Bachläufe. Schmale Kanäle, die überall durch die Stadt liefen, und stellte Jahrzehnte später, bei einem erneuten Besuch der Stadt fest, dass es sie immer noch gab.
Auf der Fahrt zum Vierwaldtstättersee staunte ich über die in den Felsen gehauenen Straßen, und über die Postkarten-Idylle des Sees mit den Bergen und Luzern. Dort klauten wir in einem Devotinalienladen überlange Zigaretten, die einzeln in verschiedenen Farben in einem Korb lagen. Für uns quasi der erste Selbstbedienungsladen. Ob und wo wir sie geraucht haben, oder an die Großen verschenkten, weiß ich nicht mehr, weiß aber noch, dass mir das Herz bei unserer Diebestat so laut klopfte, dass ich annahm, jeder könne es hören.

Etwa in der Mitte meines Aufenthalts bekam ich Besuch von den Pfadfindern aus meiner Heimatstadt, zu denen auch ich damals gehörte. Sie wollten durch den Schwarzwald wandern und hatten versprochen, dass sie vorbeikämen. Und normalerweise, wenn man mich nicht verschickt hätte, wäre ich mit ihnen gefahren. Daher fand ich es schön, dass sie mich besuchten.
Und dann gingen die sechs Wochen auch schon dem Ende zu, und der Leiter unserer Gruppe lud alle, die alt genug waren, zu einem Abschlussgespräch in sein Büro ein. In diesem Gespräch sagte er, dass er von jedem einzelnen wüsste, was mit ihm los ist und dass er ihn einschätzen könne. Doch bei mir hätte er keine Ahnung, wer ich sei und wüsste es auch nach den sechs Wochen nicht. Daher bat er mich, ihm zum Schluss ein wenig von mir zu erzählen. Ich wusste jedoch nicht was und stotterte irgendwas vor mich hin, Dabei wäre ich vor Stolz fast geplatzt, weil ich es geschafft hatte, selbst einem Fachmann ein X für ein U vorgemacht zu haben. Zu gründlich hatte ich gelernt, mich keinem Erwachsenen mehr anzuvertrauen.
Erst Jahrzehnte später begriff ich in meinen Selbsterfahrungsseminaren, welche Chance ich da vertan hatte.
An den Rückweg, die Ankunft zu Hause, ob man mich am Bahnhof abholte oder ob ich allein nach Haus marschierte, und ob und was ich erzählte, erinnere ich mich nicht. Auch nicht, ob die Verschickung irgendwelche Nachwirkungen hatte – wie schon zuvor bei der ersten. Der Alltag hatte mich wieder.
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Martina Uhl aus Nürnber/Meppen schrieb am 07.09.2021
Hallo, ich war zweimal zur „ Kindererholung“ Auf Burg Hoheneck hatte ich furchtbar Heimweh, die Postkatern nach Hause wurden diktiert, die Süssigkeiten konfisziert und unter allen aufgeteilt. In Unterwäsche im Rittersaal anstehen zur Untersuchung. Furchtbar.
In Wyk auf Föhr hab ich die anderen Kinder getröstet, da war ich schon 12. Nach dem Essen in der Liegehalle mit Pferdedecken und Staubwolken eine std schlafen. Strandspaziergänge. Aber es war auszuhalten. Sabine Bischoff hat mich in ihrem Tweed erwähnt, würde mich gerne austauschen. Bin über FB mit diesem Namen zu finden. ( Pferdefrau). Hab auch noch ein Gruppenbild von damals.
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René Schröer aus Bautzen schrieb am 04.09.2021
Guten Tag, über eine Facebook Gruppe bin ich auf Ihren Verein gestoßen und möchte so lange wie ich noch kann einen kurzen Tatsachenbericht über meinen Heimaufenthalt abgeben. Mit 10 Jahren wurde ich in das Spezial Kinderheim Geschwister Scholl in Karl-Marx-Stadt Zwangseingewiesen. An diesen Tag als mich meine Eltern dort hinbrachten und letztendlich auch da ließen kann ich mich als ob es gestern war noch sehr lebhaft erinnern. Tagelanges fast ununterbrochenes Weinen ließ meinen damaligen Erzieher Herr Kruppa wohl ziemlich sauer auf mich werden und dies spürte ich sodann zwei unendlich erscheinende Jahre fast täglich im Wechsel mit noch einem anderen Erzieher im Wechsel. Wenn man als 10 jähriger kleiner, dünner Junge Mittags schon Angst und Zittern bekommt vor dem Dienstantritt des Erzieher das soll schon etwas heißen.Täglich erlebte Gewalt sei es an mir oder anderen Kindern gehörten zum völlig normalen Alltag. Einmal bin ich so derart angegriffen worden von dem Erzieher das ich aus Mund und Nase blutete und mir auch noch in die Hosen machte wofür ich gleich noch extra Schläge dafür bekam. Was hat dieses sehr prägende Martyrium aus mir gemacht? Ich bin im Erwachsenen Alter selbst straffällig geworden, mit einer Gewaltstraft wofür ich sehr lange im Gefängnis gesessen habe. Mit zwei abgeschlossen Ausbildungen und mehreren Weiterbildungen bin ich nicht mehr auf die Beine gekommen. Ich bin völlig verarmt und einsam und möchte eigentlich nicht mehr auf dieser Welt sein. Mehrere Menschen haben mir unabhängig voneinander gesagt das wohl alles irgendwie auch mit meinen so vielen gemachten negativen Erlebnissen in diesem Heim in Zusammenhang steht, was mir natürlich auch nicht weiterhelfen tut.
Dieser Erzieher Herr Kruppa hat auch andere, größere Jungs sexuell missbraucht was mir später von einem Jungen der selbst betroffen ist erzählt wurde.
Nach mehr als 40 Jahren ist diese Geschichte für mich nach wie vor aktuell und werde so auch mit ins Grab nehmen.
Vielen Dank für die Gelegenheit mal etwas darüber zu schreiben.
Liebe Grüße
René Schröer
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Gabi Woiwode aus München schrieb am 03.09.2021
Über dieses Heim habe ich hier bisher nichts gefunden. Und leider erinnere ich mich an so gut wie nichts mehr, allerdings war ich auch noch sehr (!) klein.
Wie in meine anderen Heime auch, wurde ich nach einem KH-Aufenthalt wegen Masern und Scharlach dort "zur Erholung" hingeschickt.
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Christin Hermenau aus Jena schrieb am 02.09.2021
Ich wohnte im betreffeden Zeitraum mit meinen Eltern in Leipzig - damals eine Stadt mit durchgehend bedrohlich schlechter Luft. Wie die meisten Kinder litt ich unter schweren Atemwegsbeschwerden, wogegen mir vor dem Beginn meiner Schulzeit eine 6wöchige Kur verordnet wurde. Soweit ich mich erinnern kann, wurde ich mit einer Vielzahl weiterer Kinder Ende Oktober in einem großen Ikarus-Bus vom Leipziger Hauptbahnhof aus nach Bad Frankenhausen gekarrt. Das Kurhaus liegt auf einer Anhöhe abseits der Stadt, auf mich wirkte es kalt und bedrohlich - letztlich wie das Völkerschlachtdenkmal - und hatte außer der Begrünung nichts einladendes. Zögerlich und desorientiert stand ich allein im Gelände, ein älterer Junger (der in der Abreise begriffen war) half mir ins Gebäude. Weder kann ich mich an nette Erzieherinnen oder andere Fürsorgekräfte erinnern, genausowenig wie an die vielen anderen Kinder - alle sind gesichtslos. Die Atmosphäre war beständig rau und pragmatisch. Ich fand Freude an den Kuranwendungen: Solebäder - jeder kleine Patient in einer eigenen Wanne mit ganz warmer Sole, Spazieren in der Sole-Verdampfer Halle Spaziergänge draußen. Im Gebäude selbst fand ich es sehr kalt, speziell im Bad bzw. Waschraum. Ein riesiger Essenssaal, ein rumpelnder Küchenaufzug, das Essen war halt das was es war. Kein freundliches Wort, Einsamkeit, Verlorenheit - ohne konkret schlechte Behandlung. Im November hatte ich Geburtstag und ich bekam ein Päckchen - mit einem schönen neuen Kleid, Wollstrümpfen, einem Baumkuchen und einer Kuscheltier-Schildkröte und einer Karte. Das Kleid durfte ich an diesem Tag tragen. Stolz und etwas getröstet saß ich am Frühstückstisch, bis man feststellte, dass man mir meine Geschenke wohl zwei Tage zu früh überreicht hatte. Ich musste vor aller Augen alles wieder abgeben und das Kleid musste ich auch wieder ausziehen. Wir Kinder schliefen zudem in der Dachkammer in einem Schlafsaal. Wir machten uns einen Jux daraus uns gegenseitig an den Händen zu fassen und zu versuchen, uns aus dem Bett zu ziehen. Ich plumpste regelmäßig aus meinem Bett, weil ich an der Wand lag und keinen Gegenpart auf der anderen sete hatte. Den Erzieherinnen war das zu bunt. Ich wurde aus dem Raum geschickt, mit meinem Bettzeug und in eine abgelegene Dachkammer beordert, in der ich dann allein lag. Ich sah aus dem Fenster, es war dunkel draußen, es regnete. Eine Frau lief auf der Straße in Richtung Stadt - ich war so verwirrt, dass ich dachte, es sei meine Mutter und sie geht für immer weg. Dann wurde ich krankt und musste ins örtliche Krankenhaus unten in der Stadt. Ein Schlafsaal mit 4/ 5 Kinder-Betten - alle belegt. Ich wurde in ein Gitterbett gesteckt, das Gitter hochgezogen - wenn ich mich nicht täusche sogar ein Gitter über dem Kopf (ich bin aber nicht sicher) - kurzum: ein Käfig. Ich kann nicht sagen, wie lange ich dort bleiben musste. Ich hatte dann noch etliche Zeit im Kurheim und ich weiß noch den letzten Spaziergang im dortigen Gelände - vor der Heimreise und wie unendlich erleichtert ich war. Daheim - so erzählen meine Eltern noch heute - sei ich mutistisch gewesen, habe ich mehrere Wochen kein Wort gesprochen, höchstens ein leises "ja" oder "nein". Es sei nichts aus mir heraus zu kriegen gewesen.
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Silke Kröger-Fröhlich aus Möhnesee schrieb am 02.09.2021
1973 bin ich als achtjährige zusammen mit meinem Bruder (7 Jahre) nach Baiersbronn, Röt im Schwarzwald geschickt worden, weil wir "unterernährt" waren. Das Haus hieß "Haus am Berg".
Bei einer kürzlich stattgefundenen Familienfeier kam das Thema "Verschickungskinder" auf und ich wurde wieder schmerzlich an diesen Heimaufenthalt erinnert. Der Aufenthalt dort war die Hölle. Meinen Bruder hab ich in der ganzen Zeit nur auf den gemeinsamen Spielplatz- Aufenthalten gesehen, der Spielplatz befand sich hinterm Haus. Ansonsten war jeder auf sich allein gestellt.
Vergammeltes Essen, Schläge, unbegründete Bestrafungen, Postzensur, Herabwürdigungen und Demütigungen begleiteten uns quasi täglich. Ich glaube, dass ich hier nicht näher auf Details eingehen muss, weil sich die ausführlichen Zustände mit allen anderen Heimen offensichtlich decken.
Wir würden gezwungen, in unseren Briefen nach Hause alles schön zu reden, ansonsten sind die Briefe nicht rausgegangen.
Mein Bruder und ich haben das Thema ziemlich verdrängt, wir waren nur froh und glücklich wieder zu Hause zu sein. Wie sehr auch mein Bruder gelitten hat, habe ich erst Jahre später erfahren. Wir glaubten allerdings beide, dass es sich um Einzelschicksale gehandelt hat.
Nach unserer Familienfeier haben wir dann beide mal gegoogelt und waren erschrocken, wie viele Heime so "gearbeitet" haben und vieviele Schicksale da dran hängen. Unsere Eltern haben in gutem Glauben und Vertrauen gehandelt. Das Thema wurde sicherlich viele Jahre tot geschwiegen.
Ich bitte um Infos und Links, die dazu beitragen, diese Missstände öffentlichen zu machen.
Vielen Dank, mfG, Silke
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Reinhold Nichau aus Minden schrieb am 31.08.2021
Bis zur aktuellen Aufarbeitung dieses Themas dachte auch ich an Einzelschicksale. Bei der Einschulungsuntersuchung wurde "Untergewicht" festgestellt und eine 6 wöchige Kur angeordnet. Zum Glück habe ich nur wenige Erinnerungen, die vornehmlich aus Heimwehgefühlen, Weinkrämpfen und Ekel vor rotem Früchtetee bestehen. Gewichtsmäßig hat es glücklicherweise nichts gebracht und ich bin mit mehr oder weniger Normalfigur aufgewachsen. Durch zufälliges Treffen mit einem anderen Betroffenen weiß ich von Rückkehr mit Übergewicht.
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Johannes aus Bad Nauheim schrieb am 28.08.2021
Auch ich bin darüber erschrocken wie vielen anderen Kindern in ganz Deutschland es ähnlich ging wie mir. Als Kind hatte ich (angeblich - es gibt keine physiologische Spuren) eine Herzkrankheit und wurde nach Bad Nauheim in Kur geschickt. An genaue Details kann ich mich leider nicht erinnern aber daran, das ich den Erbsenbrei auch nach dem Erbrechen aufessen musste, das ich oft an den Ohren und an den Haaren gezogen wurde, das ich in einem Gitterbett schlafen musste und dort immer von Flucht träumte. Und von täglichen Märschen (in Reih und Glied) zu den Soleanlagen. Ich habe einige Verletzungsspuren am Körper an deren Ursache ich mich nicht erinnern kann, ich muss diese Erlebnisse verdrängt haben. Damals haben wohl viele NS Rotkreuzschwestern in diesen Heimen Arbeit gefunden und dort ihren Hass an allen nicht perfekt arischen Kindern ungestraft ausleben können. Die Gesellschaft wollte damals nicht so genau hinschauen, aber es ist erstaunlich das diese Geschichten bis heute nicht aufgearbeitet wurden.
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Bischof Sabine aus Schweinfurt schrieb am 27.08.2021
Hallo, ich war im Nov./Dez. 6 Wochen dort und kann mich eigentlich an nichts Schlimmes erinnern. Mein Vater gab mir den Zeitungsartikel im Frühjahr 2021. Beim Lesen kamen mir aber einige Dinge dann doch bekannt vor,z. B. dass die Briefe korrigiert wurden und man schreiben musste, dass es einem gut ging. Was mich nachdenklich macht, sind die psychischen Probleme, die im Zeitungsartikel und hier im Forum genannt werden. Gerade las ich etwas über das Gefühl von eingesperrt sein. Ich habe mein ganzes Leben lang Probleme in Räumen, wo z. B. die Zimmertür geschlossen ist, oder auch im Sommer die Rolläden wegen der Sonne. Auch nachts kann ich den Rolladen nicht komplett zu haben, brauche immer ein "Luftloch". Ob es mit der Kur zu tun hat, kann ich nur spekulieren. Auch andere Sachen wie Depressionen und Angststörungen sind mir wohlbekannt. Auf jeden Fall hat meine Mutte noch die ganze Post, meine an sie und umgekehrt, auch von der Omi. Ich suche jetzt ein paar Frauen, die damals auch dabei waren, ich hoffe, ich verstoße nicht gegen den Datenschutz, falls doch, bitte ich um Entschuldigung: Monika Mücke, Brigitte und Gabriele Wittmann, Elke Gründer, Martina Uhl, Ellen Höfler, Eva-Maria Neumann, Sabine Stubner, Sabine Heindl, Rosemarie, (ohne Nachnamen). Leider kann ich keine Wohnorte nennen. Ich hieß damals Sabine Bischof (jetzt anders wg. Heirat), dunkle lange Haare mit Pony. Ich komme aus einem Dorf bei Schweinfurt. Bin für jeden Kontakt dankbar.
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saya aus Köln schrieb am 26.08.2021
ich wurde 1961 als 5-jährige von meinen Eltern in einen Zug gesetzt und sah sie dann plötzlich winkend am Bahnsteig während der Zug losfuhr. Ich erinnere mich die ganze Fahrt über geweint zu haben.Nachts hielt der Zug stundenlang am Brenner an und es waren Schüsse zu hören. Möglicherweise handelt es sich um die sogenannte "Feuernacht" am 11.6.1961 Bei Tageslicht erreichten wir unser Ziel und ich habe noch sehr deutlich vor Augen eine lange, lange Kinderkolonne mit ihren zu großen Koffern, die zu Fuß die Strasse entlang geht, an Weiden vorbei, begleitet von Nonnen. Ich war dort 6 Wochen und es war eine schlimme Zeit. Ich erinnere nicht so viel, aber zum Beispiel dass ich von 2 Nonnen festgehalten wurde und eine dritte schob mir riesige Löffel mit Quark in denMund.Danach musste ich immer brechen. Als ich zurück nach Köln kam war ich wohlziemlich untergewichtig und bin es bis zur Menopause geblieben. Ich kann seit diesem Erlebnis niemandem mehr vertrauen und habe Bindungsprobleme, Schlafstörungen und immer wieder Depressionen,vorrübergehend auch eine generalisierte Angststörung die ich durch vielTherapie einigermaßen im Griff habe. Ich habe bis jetzt nicht herausfinden können um welches Heim es sich handelt. Falls jemand aus Köln zur gleichen Zeit in Südtirol war könnte es sich um das gleiche Heim handeln. Bitte melden
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Petra F. schrieb am 26.08.2021
Hallo zusammen,
ich bin heute zufällig auf das Thema "Verschickungskinder" gestoßen. Da überkam mich ein komisches Gefühl. Es berührt mich irgendwie. Denn ich war auch als Kind, ich weiß nicht, ob ich schon in der Schule war, auf der Insel Amrum. Kann mich aber leider an nichts erinnern. Nur dass eine Bahnfahrt und ein kurzer 1/2 stündiger Flug mich dort hin brachte.
Ich war oft erkältet und meine Eltern dachten, sie tun mir damit etwas Gutes. Nur, wie schon geschrieben, habe ich keine weiteren Erinnerungen daran...noch nicht. Vielleicht eröffnet sich nun die eine oder andere kleine Erinnerung. Ich gehe oft in Hypnose, vielleicht führt sie mich da hin. Bin gespannt.
Evtl. folgt ein Bericht.
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Dirk M. schrieb am 24.08.2021
Hallo Nicole.
Bin just hier Mitglied geworden, deshalb suche ich noch die "PN"-Taste.
Ich war damals auch da und mir geht es genauso. Nur sehr fragmentarische Errinnerungen. Da ich derzeit das haus meier eltern räume, sind mir einige alte Sachen schon in die Hände gefallen.
Über persönliche Kontaktaufnahme würde ich mich freuen. Auch von anderen Betroffenen.
Gruß an alle
Dirk
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Sabine aus Bergisch Gladbach schrieb am 24.08.2021
Vor meiner Einschulung wurde ich im Kindergarten von einem Arzt untersucht. Er fragte mich, ob ich mit meiner Schwester und meiner Mutter einen Urlaub am Meer machen wolle. Natürlich wollte ich ich, Wasser und Meer sind meine Leidenschaft. Ich habe von der Zeit nur bruchstückhafte Erinnerungen.
Im Zug fragte ich die Begleitung, wo denn meine Schwester und Mutter wären. Sie sagte mir, die würden nachkommen.
Nach einer stürmischen Überfahrt, bei der ich große Angst hatte, kamen wir auf Borkum im Kinderheim an. Uns wurden Nummern zugeteilt, mit denen wir auch angeredet worden sind und die sich nach der Lage im Schlafsaal richtete. Ich war Nummer 1, weil ich als erste in einem Saal mit 40 Kindern (Jungen und Mädchen) lag. Ich erinnere mich, dass Nummer 2 neben mir Claudia hieß. Wir beide haben ständig Fluchtpläne geschmiedet, konnten diese aber nicht umsetzen.
Ich muss zur Karnevalszeit dagewesene sein, da man mir auf mein wiederholtes Nachfragen erzählte, dass meine Mutter und meine Schwester zur Karnevalsfeier kämen, was natürlich nicht passierte.
Wir mussten beim Tischdecken und Tischabdecken helfen. Da ich noch nicht schreiben konnte, waren meine Briefe, geschrieben von einer Betreuerin, natürlich zensiert.
Wir durften Nachts nicht auf Toilette und Bettnässer wurden gedehmütigt.
Ich bekam Mumps und durfte in einem Einzelzimmer schlafen, das war trotz Krankheit eine Wohltat, da keiner meine Sachen stahl. Meine Lieblingspuppe wurde von anderen Kindern beschädigt.
Wir haben viele Spaziergänge am Meer gemacht und konnten Muscheln sammeln, das fand ich immer schön. Getränke wurden auf diesen Spaziergängen nicht mitgenommen und die Betreuerinnen tranken vor unsren Augen, während uns die Zunge zum Hals heraushing.
Ab und zu gingen wir in ein Hallenbad mit Wellen und Salzwasser, daran erinnere ich mich gerne.
Kurz vor Ende der „Kur“ bekam ich Röteln und kam auf die Krankenstation. Die Krankenschwester dort war eine Wohltat, sie war sehr fürsorglich. Sie hat mich trotz Fieber nach Hause geschickt, obwohl sie das nicht durfte.
Ich kam in einem erbärmlichen Zustand nach Hause und meinen Mutter wollte mir nicht recht glauben, wie es auf Borkum war. Sie war damit beschäftigt meinen Vater zu verlassen. Kurz nach meiner Rückkehr sind wir ausgezogen.
Später sagte sie mir, sie wäre froh gewesen, dass ich in der Zeit, wo sie die Trennung vorbereitet hatte, nicht da war.
Mein Vater erzählte mir später, dass ich wegen Problemen mit den Bronchien nach Borkum kam, meine Mutter konnte sich nicht mehr erinnern.
Diese Zeit kann ich nicht vergessen und sie kommt immer wieder hoch und ich muss darüber erzählen.
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su.sie aus Kassel schrieb am 24.08.2021
Ich bin 1981 in Mühlhausen/ Thüringen geboren. Als Kind war ich oft erkältet mit starkem Husten, weshalb mir auf anraten eines Arztes eine Kur verordnet wurde. Ich sollte für 6 Wochen nach Binz in das Kindersanatorium Frohe Jugend geschickt werden. Mein Aufenthalt war vom 11.08.1986 -19.09.1986. Leider kann ich mich an sehr wenig erinnern.
Ich erinnere mich, dass mich mein Opa an den Busbahnhof in Mühlhausen gebracht hat. Meine Mutter musste arbeiten. Ich habe im Bus (gefühlt) die ganze Fahrt geweint. Die Erzieherin die mitgefahren ist, war nett und tröstend zu mir. Ich habe ihr gesagt, dass ich Kopfschmerzen habe und sie hat mir erklärt, dass dies vom vielen weinen käme. Ich habe sie dann gefragt, ob sie dann auch da ist wo wir jetzt hinfahren. Sie hat es verneint und ich konnte mich kaum noch beruhigen.
Meine nächste Erinnerung ist, dass ich nachts wach werde, weil ich ins Bett gemacht habe. Ich erinnere mich an einen langen, großen, hohen Flur - ich nehme an, weil ich so klein war. Ich hatte Angst und Schamgefühle. Ich weiß, dass es nicht gut war, dass mir das passiert ist aber ich habe leider keine Bilder mehr was genau danach geschehen ist.
Eine weitere Erinnerung ist eine Art Klassenraum in dem wir, glaube ich, die Karten bemalen sollten, die die Erzieherinnen geschrieben haben. Diese Karten gab es auch noch lange Zeit bei meiner Mutter. allerdings kann sie außer der beiden Fotos keine weiteren Unterlagen mehr finden.
Ich hatte/habe in meinem Leben mit erheblichen psychischen Beeinträchtigungen zu kämpfen, wie z.B Ängste, Unsicherheiten und Depressionen. Da aber auch noch andere Faktoren in meinem Leben nicht so optimal waren, gehe ich davon aus, dass nicht alle Schwierigkeiten in meinem Leben im Zusammenhang mit der Kur stehen. Wenn ich jedoch die Berichte hier lese, denke ich, dass auch dies vermutlich keine guter Ort für mich war. Leider kann ich mich kaum erinnern. Etwas Hoffnung, dass es vielleicht nicht ganz so schlimm gewesen sein könnte, habe ich, weil ich zum einen verhältnismäßig spät (1986) dort war und ich zum anderen bisher noch keine Berichte über diese Einrichtung hier gefunden habe.
Vielleicht erkennt sich hier jemand auf dem Gruppenbild, welches ich hochgeladen habe. Ich hoffe das ist datenschutzrechtlich in Ordnung, falls nicht würde ich es natürlich sofort entfernen.

Vielen Dank und viele Grüße
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Frank Gühts aus Berlin schrieb am 23.08.2021
Hi ich Frank Gühts war auch auf Wyk auf Föhr aber keiner kann sich an mich erinnern ,ich war auf Gruppe 10 es gab auch eine Gruppe 11,wehr kann sich an mich noch erinnern?lg Frank Gühts
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Jürgen aus Schwabmünchen schrieb am 23.08.2021
23.08.2021


Ich bin Jürgen, 46 Jahre alt und ein ehemaliges, sogenanntes „Verschickungskind“. Ich schreibe diesen Bericht, um die Erlebnisse meines Kuraufenthaltes im Jahr 1985 für mich besser aufarbeiten zu können. Gerne teile ich mit Ihnen diesen Bericht in der Hoffnung, die Schicksale der damaligen Verschickungskinder ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken, auch um zum Nachdenken anzuregen, über Recht und Unrecht – insbesondere auch im Umgang mit Kindern. Niemand wird als Täter geboren – man hat immer die Wahl. Dieser Beitrag soll wachrütteln und helfen, Kinder künftiger Generationen in einer Heimunterbringung ein traumatisierendes Schicksal zu ersparen.

Mein Kuraufenthalt im Jugendkurheim St. Michael in Bühl bei Immenstadt begann am 08. Mai 1985. Im Vorfeld konnte ich zwischen zwei verschiedenen Kurheimen wählen. Mir gefiel das Kurheim in Bühl bei Immenstadt, weil das Hauptgebäude so eine anheimelnde Ausstrahlung hatte und eine beruhigende Gemütlichkeit ausstrahlte. Außerdem mochte ich die Berge immer schon gerne.

Als meine Eltern mit mir dann also nach Bühl fuhren, wurde meine Aufregung mit jedem Kilometer, den wir uns dem Ziel näherten, größer. Ein besonders mulmiges Gefühl hatte ich bei dem Gedanken, meine Eltern wochenlang vermutlich nur ab und an sehen zu können.

Im Kurheim angekommen erfolgte als Erstes die Aufnahme im Sekretariat. Im Anschluss schickte man uns in ein anderes Gebäude, in dem die Kindergruppen untergebracht waren. Wir wurden dort sehr herzlich von einer Kindererzieherin empfangen, die uns durch die Räume führte und einiges erklärte. Von meinen Eltern auf die Besuchszeiten angesprochen meinte sie, ein persönlicher Kontakt der Eltern zum Kind sei für das Kind eher als traumatisch zu bewerten und würde Heimweh auslösen. Ebenso würde es sich bei einem Telefonkontakt verhalten. Im Beisein meiner Eltern fühlte ich mich zwar noch sicher, aber nach dem gesagten, deutlich unbehaglicher. Am liebsten wäre ich mit meinen Eltern direkt wieder gegangen.

Kurze Zeit später meinte dann die freundliche Erzieherin, dass nun der Zeitpunkt des Abschieds gekommen wäre. Meine Eltern verabschiedeten sich von mir und gingen die Treppe in Richtung Ausgang nach unten und ich ging hinter meinen Eltern her, um sie nochmals zu umarmen. Funktioniert hat das leider nicht, weil mich die Erzieherin am Handgelenk festhielt und die Treppe nach oben zog. Mir kam das schon deutlich unfreundlicher vor und ich fühlte mich elend und verlassen.

Oben angekommen bin ich dann endgültig in Tränen ausgebrochen, würde ich doch sechs lange Wochen meine Eltern weder sehen noch sprechen können, wie mir die Erzieherin deutete und wurde dann in mein zugewiesenes Zimmer gesteckt, in dem sich schon mein ebenfalls weinender Zimmernachbar Marco befand.

Marco und ich haben bestimmt zwei Stunden lang aus Heimweh und Verlustangst einfach nur geweint. Niemand kam. Wir haben dann unsere Kleidung in die Schränke geräumt. Unser Taschengeld und andere persönliche Dinge wurden uns später von einer Erzieherin abgenommen.

Nach diesen zwei Stunden habe ich mir geschworen, keine einzige Träne mehr zu vergießen.

Beim Abendessen dann durfte man nicht aufstehen, bevor alles aufgegessen war. Egal ob man das Essen mochte oder nicht, man musste aufessen. Anschließend durften wir noch etwas spielen und mussten uns dann bettfertig machen, d. h. Unterwäsche ausziehen, Pyjama anziehen, Gesicht und Arme feucht abwischen und die Zähne putzen. Zuletzt noch auf die Toilette, denn das verlassen des Zimmers zur Schlafenszeit war bei Strafe verboten und dann ab ins Bett. Anschließend musste sofort das Licht gelöscht werden.

Die Erzieherin hat uns dabei schon vor dem Gang ins Bad verabschiedet und uns zur Ruhe ermahnt.

Am folgenden Morgen die gleiche Prozedur nur umgekehrt.

Vor dem täglichen Frühstück wurde dann von der Betreuerin festgestellt, ob jemand nachts ins Bett gemacht hat. War das so, wurde die Problematik in der gesamten Gruppe besprochen, was für den „Bettnässer“ sehr peinlich war, weil die anderen Kinder oft lachten und sich lustig machten.

Am Frühstückstisch stand dann für jeweils vier Kinder eine große, sehr heiße Metallkanne mit Deckel, in der sich ein roter, ungesüßter Früchtetee befand. Zu essen gab es je eine Scheibe Vollkornbrot und das absolute Highlight für Kinder: eine Grapefruit. Weshalb ich mich so genau daran erinnere? Weil es sechs Wochen lang jeden Tag genau das gleiche Frühstück gab: Jeden Tag der gleiche rote Früchtetee, jeden Tag das gleiche schwarze, trockene Vollkornbrot und jeden Tag die saure Grapefruit! Und jeden Tag dachte ich beim aufstehen mit schaudern an das baldige Frühstück, das man aufessen musste um vom Stuhl aufstehen zu dürfen. Das Brot wurde beim kauen immer mehr, konnte aber mit dem faden, ungesüßten Tee hinuntergespült werden. Deutlich schwerer viel mir das täglich mit der Grapefruit, deren sauer-bitterer Geschmack in mir großen Ekel hervorrief.

Bei den anderen Mahlzeiten der gleiche Ablauf. Meist war etwas dabei, was zumindest nicht schmeckte oder gar Ekel hervorrief. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir da ein sauer eingelegter kalter Hering in einer warmen Tomatensauce, den ich noch nicht einmal „riechen“ konnte. Aber alles jammern half nichts: Wollte ich aufstehen, musste ich den Fisch essen, was ca. 1 ½ Stunden gedauert hat, denn ich wollte mich keinesfalls übergeben.

Sämtliche Mahlzeiten mussten von uns Kindern in der Küche im Hauptgebäude abgeholt werden. Man ging dazu im Gruppenhaus zwei Etagen in den Keller, ein dunkler, schon fast unheimlicher Vorraum mit Gruselcharakter, von dem ein hell erleuchteter Tunnel abzweigte, der ins Hauptgebäude führte. Dort befand sich die Küche im Kellergeschoss. Bei der Küche angekommen, wurde das Essen vom Küchenpersonal auf einen Metallwagen gestellt, den man dann durch den muffigen Vorraum der Küche in den Keller des Gruppenhauses zurück schieben musste, um die Speisen dann in einen Speiseaufzug zu laden.

Ungefähr in der Mitte des Tunnels führte links eine Türe in einen Bäderbereich. Dort waren Badewannen untergebracht und ebenso ein Ruheraum.

Zwei bis dreimal die Woche mussten wir baden. Beim einlaufen lassen des Badewassers wurde dabei immer nur das heiße Wasser aufgedreht. Man musste sich vor der Erzieherin nackt ausziehen und in das heiße Badewasser steigen. Mir schmerzten immer sofort die Beine bei Berührung des Badewassers. Auf meine Bitte, kaltes Wasser nachlaufen lassen zu dürfen, weil das Badewasser zu heiß sei, hieß es lapidar, das gehört so und ich solle mich nicht so anstellen und ins Wasser setzen, was ich dann für jeweils ca. 20 Minuten tun musste. Zum abschrubben musste man dann aufstehen, das Wasser wurde abgelassen und man wurde minutenlang mit dem Schlauch mit eiskaltem Wasser abgeduscht.

Anschließend ging man in den angrenzenden Ruheraum in dem Redeverbot herrschte.

Die Tage verbrachten wir vormittags mit Schulunterricht, den ich als sehr interessant und aufgrund einer freundlichen Lehrerin als angenehm empfand, nachmittags mit spielen im Spielzimmer, mit Schwimmen im hauseigenen Pool oder mit Wanderungen. War die gesamte Gruppe besonders brav, durften wir sogar zwei- bis dreimal unter Aufsicht in einen Fernsehraum im Kellergeschoss, ausgestattet mit einer Wohnwand, Tisch, Ohrensessel und Fernseher um uns eine Sendung wie zum Beispiel „Verstehen Sie Spaß“ mit Kurt Felix anzusehen. Das war ein absolutes Highlight.
Im Spielzimmer gab es eine Spielecke mit Holzklötzchen. Ich fand, um mit Holzklötzchen zu spielen, wäre ich eigentlich schon zu groß. In Ermangelung anderer Dinge baute ich dennoch einen Turm aus den Klötzchen und ließ ihn anschließend umstürzen. Sofort kam eine der Tanten und ermahnte mich energisch, indem sie lautstark durch den ganzen Raum rief, ich solle die Holzklötzchen nicht umwerfen, damit sie nicht kaputt gingen.

Ich habe dann nicht mehr mit den Klötzchen gespielt.

Im selben Raum gab es eine Leseecke mit allerlei Büchern. Ich griff nach einem Buch mit schwarzem Einband. Es handelte von einem Mord (oder ähnlichem) in einem Schlachthof. Die Handlung war in schwarzen Schattenbildern schemenhaft illustriert. Ich las gebannt und schockiert vielleicht 1 Kapitel. Das genügte. Von dieser Lektüre in der Kinderbücherecke bekam ich ca. 1 Woche Albträume, in denen ich die Handlung des Buches immer wieder im Traum durchlebte.

Ich hatte fürchterliches Heimweh und zählte jeden einzelnen Tag, bis mich meine Eltern endlich wieder abholen würden.

Einziger Trost war der wöchentliche Brief an meine Eltern, den ich auf dem Zimmer schreiben durfte, aber im unverschlossenen Umschlag der Betreuerin übergeben musste. Was nicht passte, wurde von ihr passend gemacht. So hieß es zum Beispiel auch, man solle nicht schreiben, wenn man Heimweh hat, oder es einem schlecht ging, weil sich die Eltern dann schlecht fühlen würden. War man nicht artig weil man für irgendein Vergehen bestraft wurde, weil man z.B. nach dem zu Bett gehen noch mit seinem Zimmernachbar gesprochen hat, wurden einem von den Betreuerinnen häufig Schuldgefühle eingeredet. Sie sagten beispielsweise, an der nun folgenden Strafe bist du selbst schuld. Würden die Eltern davon erfahren, müssten sie sich schämen.

Ich jedenfalls hab dann lieber nichts von Strafen in meinen Briefen erwähnt.

Manchmal waren der Antwort unserer Eltern auf unsere Schreiben auch Süßigkeiten beigepackt, die aber von den Betreuerinnen nicht an die adressierten Kinder weitergegeben wurden, sondern unter allen Kindern aufgeteilt wurden.

Ich erinnere mich an ein seltsames Gespräch mit Marco, denn mir war aufgefallen, dass er nachts immer mal wieder aus unserem Zimmer verschwunden war und erst am frühen Morgen wiederkehrte. Auf meine Frage, wo er denn immer sei, antwortete er lapidar, wenn er „zu laut“ war, durfte er im Erd- oder Kellergeschoss in einem Zimmer mit einem großen Bett schlafen. Dieses Zimmer habe ich nie gesehen. Ich weiß nicht, ob Marco tatsächlich in dem besagten Zimmer war, oder ob er eine Geschichte erfand, um mir nicht sagen zu müssen, dass er des Nachts bestraft wurde, zumal Marco nie „zu laut“ war. Der Gedanke an eine Existenz dieses Schlafzimmers treibt mir allerdings noch heute das Schaudern über den Rücken.

Ähnliches, was Marco erlebte, sollte allerdings auch mir widerfahren.

Einmal bis zweimal jede Woche lief die gesamte Gruppe mit zwei Betreuerinnen von Bühl nach Immenstadt. Die ca. 2 Kilometer lange Strecke verlief entlang einer Eisenbahntrasse. War man die Woche über brav (und auch nur dann), bekam man einmal in der Woche das von den Eltern zur Verfügung gestellte Taschengeld (entweder 2 DM oder 5 DM) ausbezahlt und konnte sich im Beisein der Tanten etwas kaufen.

Der Weg führte uns am Ortsausgang von Bühl an einer Telefonzelle vorbei. Nach etwa drei Wochen Aufenthalt in Bühl kam ich auf die Idee, die Gelegenheit zu ergreifen um meine Eltern zuhause anzurufen, was ja verboten war. Ich bekam also mein Taschengeld ausgehändigt, die Gruppe lief los in Richtung Immenstadt und ich lies mich immer weiter zurückfallen und schlich mich in einem unbeobachteten Moment in die Telefonzelle und rief meine Eltern an. Das Telefonat hat allerdings nur etwa 2 Minuten gedauert, denn es fiel auf, dass ich verschwunden war. Ich wurde beim telefonieren entdeckt und aufgefordert, das Gespräch sofort zu beenden.

In der darauffolgenden Nacht stürmte eine Nachtschwester ins Zimmer, Marco und ich lagen bereits in den Betten. Sie kam auf mein Bett zu, griff fest mein linkes Handgelenk, zerrte mich aus dem Bett und hinter sich her aus dem Zimmer hinaus. Mein erster Gedanke war: Die Tante ist echt gemein, ich hab doch nichts getan. Ich war total erschrocken und hatte fürchterliche Angst. Sie zog mich über den Flur die Treppe hinunter und ich versuchte barfuß mit ihren Schritten mithalten zu können. Ich weiß noch wie ich dachte, vielleicht müsse ich nun auch in diesem Schlafzimmer mit dem großen Bett übernachten, von dem Marco berichtete. Ich war zuerst verblüfft, als der Weg uns nicht in ein Schlafzimmer sondern nur in das Foyer im Erdgeschoss führte. Heute bin ich froh, nicht in dieses Zimmer gebracht worden zu sein, sollte es tatsächlich existiert haben. Mir wurde dadurch eventuell viel erspart. Im Foyer angekommen stellte sie mich in eine Nische an der Treppe und sagte zu mir, ich sei an allem schuld und dürfe mich deshalb nicht bewegen, müsse an genau der Stelle stehen bleiben und dürfe nicht einschlafen bis sie wieder käme, sonst würde alles noch viel schlimmer werden. Auf meine Frage, was ich denn getan hätte, sagte sie harsch, ich solle meinen Mund halten und keinen Mucks von mir geben. Da stand ich nun also, barfuß und im Pyjama auf dem eiskalten Pflaster im zugigen Foyer, fror fürchterlich und fühlte mich sehr gedemütigt und alleingelassen. Schon allein im Pyjama im Foyer zu stehen, war mir sehr peinlich. Ich hoffte, in wenigen Minuten wieder abgeholt und ins Bett gebracht zu werden, denn ich hatte meine Lektion gelernt – wenn ich auch nicht wusste, weshalb mir diese „Sonderzuneigung“ zuteil wurde.
Ich stand dann also bewegungslos auf meinem Platz, zitterte und harrte der Dinge die kommen sollten. Und sie kamen: Es gingen immer wieder Leute die ich niemals vorher gesehen hatte durch den Raum und musterten mich von Kopf bis Fuß. Sie sprachen mich nicht an, oder halfen mir gar -nein, sie ergötzten sich buchstäblich an diesem 10 jährigen Jungen, der barfuß im Schlafanzug dastand und genossen ihre „Macht“ über dieses Kind. Zum Weinen brachten sie mich allerdings nicht!

Das böse Spiel ging die ganze Nacht so weiter, bis zum Morgengrauen. Ich stand also mindestens sieben Stunden in der Nische!

Danach wurde ich geholt und konnte mich nochmals kurz ins Bett legen bevor wir dann geweckt wurden.

Doch damit war diese schreckliche Erfahrung leider noch nicht beendet: Zwei bis drei Tage nach diesem Vorfall wurde ich morgens wach mit hohem Fieber und starkem Schwindel. Ich stand auf, alles drehte sich um mich und ich sah den Fußoden wie „schräg aufgestellt“ und bekam schlecht Luft. Ich taumelte ins Bad, machte meine Morgenhygiene und ging anschließend zum Frühstück. In meiner Erinnerung höre ich noch heute einen Jungen am Frühstückstisch zu mir sagen „Jürgen, Du wirst uns doch nicht krank werden“. Kaum hatte er dies gesprochen, landete ich mit dem Gesicht ohnmächtig im Teller. Wieder zu mir gekommen „durfte“ ich aufstehen und wurde ins Bett gebracht und von den anderen Kindern isoliert.

Mir ging es schlecht, ich hatte hohes Fieber, konnte kaum schlucken, und schwitzte so sehr, dass mein Schlafanzug mehrmals am Tag komplett durchnässt war. Selten kam jemand, um nach mir zu sehen; einmal am Tag kam eine der Tanten, um den Pyjama zu wechseln. Die Bettwäsche wurde allerdings nicht gewechselt.
Zu Essen bekam ich in dieser Zeit einen sauren Apfel täglich. Nachts hatte ich Alpträume, wurde wach und halluzinierte.

Ein Arzt hat mich während dieser Zeit nicht untersucht. Die Untersuchung erfolgte durch die Tanten, die der Meinung waren, ich sei sowieso an allem selbst schuld und ich hätte sicherlich nur eine Angina. Wenn ich mich nicht ruhig verhalten würde, brächten sie mich in die Krankenstation, auf der es noch wesentlich schlimmer sei. Ich war den ganzen Tag auf meinem Zimmer alleine, nur kurz konnten mir die anderen Kinder von ihren Ausflügen berichten.

Ich bettelte, meine Eltern anrufen zu dürfen, was aber sofort abgewiegelt wurde. Im folgenden Brief an meine Eltern schrieb ich dann mit Unterstützung der Tante folgende Krankengeschichte: „Liebe Mutter, lieber Vater, mir geht es leider zur Zeit nicht so ganz gut, wie sonst. Aber macht Euch keine Sorgen. Am Sonntag, 9.6.1985 hat man mir Fieber gemessen. Aber ich habe nur eine leicht erhöhte Temperatur gehabt. Wie geht es Euch?“

Nach etwa eineinhalb Wochen ging es mir dann endlich wieder besser und ich war froh, dieses Martyrium nun bald überstanden zu haben.

Davor jedoch war da noch die Sache mit dem „Mohrenkopf“ (für alle die meinen, ich würden den Begriff rassistisch verwenden – nein, so ist es nicht gemeint, man nannte das nur damals so). Eines Abends vor dem zu Bett gehen versammelte eine Betreuerin uns, zeigte auf den Kühlschrank in der Teeküche, die jede Wohnetage hatte und sagte: In diesen Kühlschrank hätte sie einen „Mohrenkopf“ getan. Sollte dieser „Mohrenkopf“ am folgenden Tag fehlen, so würde sie die gesamte Gruppe bestrafen. Nun ja, am folgenden Tag fehlte ach Wunder der Schaumkuss und wir bekamen zur Strafe alle Fernsehverbot und mussten früher ins Bett.

Ich fand das ziemlich ungerecht, hatte ich diesen Schaumkuss noch nicht einmal gesehen. Heute bin ich mir nicht einmal sicher, ob es ihn je gab, denn das Vorhandensein derartiger Freuden war dort nicht üblich.

Kurz vor dem Ende meiner Kur machte ich Bekanntschaft mit einer der niederträchtigsten Kriegslisten, die bereits von alten Zeiten her bekannt ist: Die Burg ist belagert, die Einwohner der Burg sind ausgehungert und die Belagerer schicken leckere Essensdüfte, um die belagerten zu demoralisieren.

Im speziellen Fall „durfte“ ich, der sechs Wochen lang überwiegend nur trockenes Vollkornbrot mit Grapefruit zu essen bekommen hat, einen Botengang erledigen.

Man drückte mir einen frischgebackenen, noch warmen Nusskuchen mit Schokoladenglasur in die Hand, mit der Anweisung diesen nach unten in das schon erwähnte Kellergeschoss zu tragen und von dort durch den Tunnel ins Hauptgebäude zu gehen. Ich sollte den Kuchen dann in der 4. Etage abgeben.

Ich ging also wie mir befohlen, der Weg wurde lang und länger, duftete der Kuchen doch so verführerisch. Am liebsten hätte ich mir direkt eine Ecke abgebrochen und gegessen, wusste aber um die Strafe, die folgen würde, wenn ich es tat.

Ich brachte also den Kuchen unversehrt in die 4. Etage und klopfte an die verschlossene Tür. Es wurde geöffnet , der Kuchen wurde mir abgenommen und ich weggeschickt.

Ich hatte in meinem ganzen Leben nie mehr einen so köstlichen Kuchen in Händen.

Am Tag darauf wurden wir frühmorgens alle zur Abholung in einen Raum im Hauptgebäude gebracht, wo wir dann ohne eine Betreuerin auf uns selbst gestellt auf unsere Eltern warteten. Was ich erst viele Jahre später erfuhr: Da unsere Eltern erst auf 11 Uhr bestellt wurden, mussten wir 3 Stunden warten, bis unsere Eltern da waren.

Ich kann mich noch gut an meine Gedanken damals erinnern: Je länger ich in dem Raum saß und meine Eltern nicht kamen, je größer wurde mein Zweifel, überhaupt abgeholt zu werden. Als meine Eltern dann endlich eintrafen, war ich fix und fertig.

Meine Eltern holten mich ab und fuhren mit mir nach Hause. Bis zum Tod meiner Eltern habe ich mit ihnen nie näher über den Aufenthalt im Kurheim St. Michael gesprochen. Auch habe ich mich nie wieder in eine Kinderkur „verschicken“ lassen.

Fazit:

Für manche Erwachsene scheint es ein echtes Hochgefühl zu sein, kleine Kinder zu drangsalieren, zu demütigen und körperliche Schäden zuzufügen. Denn nur dann fühlen sie sich groß und stark.

Ja, ich habe diese 6 Wochen Martyrium und Hoffnungslosigkeit überstanden und ja, es hat mich verändert. Ich habe seither keinerlei Vertrauen mehr zu Institutionen aller Art in ihrem Umgang mit Menschen. Ich glaube erst, wenn ich sehe. Dank der Nacht im Foyer verschlimmerte sich meine Bronchitis und wurde chronisch. Der Zustand hat sich erst in den letzten Jahren gebessert. Dank der Demütigungen hat es viele Jahre gedauert, überhaupt wieder Vertrauen zu Menschen fassen zu können. Und es hat volle 30 Jahre gedauert, bis ich es mir wieder erlauben konnte, zu weinen.

Es war jedoch auch nicht alles schlecht in dieser Zeit. Ich wurde durch diese Erfahrung sehr selbstbewusst. Es waren die kleinen Dinge, die mir Hoffnung gaben, in einer vermeintlich ausweglosen Situation: Es waren die schönen Gespräche mit den anderen Kindern – wenn auch immer nur kurz,
Es war der Spielzeugwarenhändler in Immenstadt, der mir mangels Geld das begehrte Kartenspiel geschenkt hat.
Es waren die Momente, in denen ich fernsehen durfte und mich so für den Moment aus dem Heim träumte.


An eine ärztliche Untersuchung zu Beginn und Ende der Kur kann ich mich bis heute nicht erinnern. Auch zu einem notwendigen Arztzimmer fehlt jede Erinnerung.



Abschließend möchte ich mich noch an die Betreuerin wenden -sollte sie noch in der Lage sein, es zu lesen- , die mich damals aus dem Bett zerrte und mich auf das kalte Pflaster stellte:

Ich hege keinerlei Groll gegen Sie, habe aber dennoch folgende Fragen:

WARUM haben Sie mir das damals angetan?

WARUM haben Sie einen Beruf ergriffen, der Ihnen offensichtlich nicht lag und Sie überforderte?

WARUM fehlte es Ihnen grundsätzlich an Menschlichkeit?

Im Gegensatz zu mir damals haben Sie von mir nichts zu befürchten: Ihre Antwort können Sie anonym im Portal hochladen.

Es würde mir viel bedeuten.



Meinen Eltern gebe ich an den Geschehnissen keinerlei Schuld oder Mitschuld. Sie wussten schlicht nicht, was im Kinderkurheim St. Michael in Bühl bei Immenstadt vor sich ging. Kinder für mehrere Wochen vom Elternhaus getrennt in ein Heim zu „verschicken“, war bis in die 80er Jahre vollkommen normal.

Auch bin ich mir sicher, dass es Kinder gab, die solche Erfahrungen glücklicherweise nicht machen mussten und eine schöne Kurzeit hatten. Und wie heißt es so schön, Ausnahmen bestätigen die Regel.

Ich frage mich nur, waren die Übergriffe auf Kinder nun die Ausnahme oder die Regel? Die Berichte anderer Verschickungskinder lassen hier tief blicken.


Jürgen S.
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Franki schrieb am 23.08.2021
Die Schilderung von Bettina Jansen-Schulz an anderer Stelle deckt sich in vielen Punkten mit meinen Erinnerungen an den Verschickungsaufenthalt.
Auch ich war damals zu dünn und im ersten Schuljahr häufiger krank. So wurde auch ich für 6 Wochen „verschickt“ nach Wyk auf Föhr ins Haus Sonnenschein. Als damalige Leiterin ist mir immer noch der Name "Frau Ermes" osä. in Erinnerung. Es würde mich sehr interessieren, ob sich außer mir noch jemand an den Namen erinnert.

An die Haferschleimsuppe und die allsonntägliche, dünne Schokoladensuppe kann mich gut erinnern.
Auch wir mussten bei Wind und Wetter an den Strand - dort konnte ich im Spiel mit den anderen Kindern manchmal die schweren Seiten des Verschickungsaufenthaltes (z. B. das Einsamkeitsgefühl) vergessen.
Die Post wurde kontrolliert - man sollte schreiben, dass es einem gut ging und das Essen gut schmeckt. Manchmal bekam man Post von zu Hause - ich kann mich auch an Süßigkeiten erinnern - eine Aufmunterung zum Durchhalten der "unendlich" langen 6 Wochen, die man aushalten musste. Wenn andere Kinder abgeholt wurden, war das freudig (für die Abgeholten) und traurig (für die Zurückbleibenden) zugleich.
Ein trauriges und beschämendes Kapitel war das Schlafen in den großen Sälen.
Es gab immer eine Aufsicht (Erzieherin), die vor der geöffneten Schlafsaal-Tür draußen auf dem Flur saß.
Ich war häufig nicht müde, wenn die Schlafenszeit begann. Da ich dann lange Zeit nicht einschlafen konnte, habe ich mich mit schnellstmöglichem Zählen in Trance und letztendlich müde-gezählt.
Ich lag in einer Ecke des Schlafsaals im Erdgeschoss, der Spritzputz an den Wänden hatte. Zum Ende des Aufenthaltes hin hatte ich dann deutliche Anzeichen von Hospitalismus entwickelt und meinen linken Arm durch Reiben an der Wand wundgescheuert, bis er blutete. Dann wurde ich zusätzlich krank und bekam eine Steptokokken-Infektion mit über 40°C Fieber. Nachdem meine Mutter mich mit hohem Fieber zum Ende der Zeit abgeholt hatte, hat sie als Ärztin sich bei der Heimleitung sehr beschwert. Ob dies irgendeine Folge hatte, habe ich niemals erfahren.
Zu meinen Erinnerungen an den erzwungenen Schlaf im Schlafsaal gehört auch, dass es verboten war auf Klo zu gehen. Wenn überhaupt, traute man sich maximal ein Mal - falls man ein weiteres Mal musste, wurde man ausgeschimpft. Als Folge habe ich mich sowohl eingenässt, als auch einmal in die Hose gemacht. Da ich Angst hatte, damit erwischt zu werden, habe ich den Kot leise und vorsichtig von meinem Bett weggeschoben. Die Erinnerung, mich zu so entwürdigendem Verhalten genötigt gefühlt zu haben, beschämt mich bis heute.
Im Verlaufe meines 63-jährigen Lebens habe ich in langjähriger Psychotherapie gelernt, mit klaustophobischen Panikattacken (eingesperrt-sein im Schlafsaal), sich Getrennt-fühlen von den eigenen Freunden und der Familie (abgegeben für 6 lange Wochen im Kinderheim praktisch ohne Kontakt zu Welt daheim) umzugehen, leide jedoch immer noch unter starken Verlustängsten und einer immer wieder auftretenden Mutlosigkeit und Resignation, deren Grundgefühl ich aus der damaligen Zeit kenne. Leider sind mir viele dieser Zusammenhänge auch erst in den letzten Jahren richtig klar geworden.
Ich empfinde es als entlastend und erschreckend zugleich, dass es offensichtlich so vielen Kindern damals ähnlich erging wie mir - welch überflüssige Belastung von kleinen Seelen und deren weiterem Leben, die meist nicht verstehen konnten, was mit Ihnen passierte und dieser schwarzen Pädagogik hilflos ausgeliefert waren. In diesem Zusammenhang vielen Dank an Anja Röhl für die unermüdliche Arbeit zur Aufdeckung dieser belastenden Historie und Zusammenführung der Betroffenen, die heilend wirken kann.
Mir ist bewusst, dass auch die damaligen TäterInnen nur Produkt ihrer Zeit (der NS- und Nachkriegszeit) waren. Auch deshalb halte ich es für außerordentlich wichtig, diese Dinge auch nach langer Zeit noch aufzuarbeiten - damit zukünftige Generationen sich dieser Zusammenhänge bewusst werden und bleiben und so etwas möglichst nie wieder passieren wird.
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Karl-Heinz aus Essen schrieb am 23.08.2021
Es tut mir leid, dass mein Eintrag 3x veröffentlich wurde. Ich habe den Vorschaubutton gedrückt um eine Fehlerkorrektur vorzunehmen. Also nochmal sorry.
Herzliche Grüße
Karl-Heinz
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Karl-Heinz aus Essen schrieb am 23.08.2021
Ich kann mich leider nicht mehr an alles erinnern, vor allem nicht an Personen und die Namen der
Kurkliniken. Nach Buchau wurde ich geschickt, weil ich, wie man damals sagte etwas "schmächtig" war.
Aus der "Kur" kam ich zurück mit 400g weniger Gewicht und erlitt in den Armen meiner Mutter einen
Nervenzusammenbruch. In Buchau mussten wir alles essen, was uns vorgesetzt wurde. Wenn ich das nicht
tat, weil es mir nicht schmeckte oder ich mich davor ekelte, wurde ich von einer "Tante" festgehalten
wärend eine andere mir dass Essen mit Gewalt in den Mund stopfte. Wenn ich das Essen erbrach, wurde
es mir wieder eingeflößt. Das passierte in den 6 Wochen des Öfteren. Die meisten von uns gingen jeden
Tag mit Angst zum Essen. Genau wie ich saßen viele Kinder weinend vor den übervollen Tellern mit
teilweise undefiniertem Essen, dass meistens nicht schmeckte. Nach dem Essen mussten wir ins Bett (ein
Schlafsaal mit vielen Betten). In dieser Zeit durften wir nicht zur Toilette. Wer trotzdem ins Bett machte, weil
er nicht mehr einhalten konnte, wurde aus dem Bett gezerrt und mit nassen Hosen mitten in den Raum
gestellt sodass ihn alle sehen konnten. Bei kleinsten Regelverstößen wurden wir in eine dunkle
Besenkammer gesperrt. Seit dieser Zeit leide ich unter Klaustrophobie. Noch heute kann ich bestimmte
Speisen nicht essen oder ein gewisser Geruch verdirbt mir dass Essen.
In Bad Wildungen war es nicht so ganz schlimm. Dort wurde ich hingeschickt wegen einer angeblichen Blasenschwäche. Aber auch da durften wir wärend des Mittagsschlafes nicht auf die Toilette. Ich bin einmal auf meinen Nachttisch geklettert und habe aus lauter Not aus dem Dachfenster uriniert. Dafür wurde ich auch wieder in eine dunkle Kammer gesperrt. Bei Tisch bekam ich einen Weinkrampf, wenn mir etwas vorgesetzt wurde, was ich nicht mochte. In diesem Heim wurde man aber nicht zum Essen gezwungen, sondern es gab dann eben nichts anderes, und man musste dann eben bis zum Abendessen warten.
Ich hatte immer ein schwieriges Verhältnis zu meinen Eltern, aber als sie mich nach Buchau nochmal zu
einer Kur schickten, verlor ich noch mehr Vertrauen, ja ich fühlte mich verraten. Das beinhaltete, dass ich
mein Leben so selbständig wie möglich organisierte.
Als ich 18 Jahre alt war, holte mich das alles wieder ein. Ich litt unter Angstzuständen wurde depresiv und landete für 6 Monate in der Psychiatrie. Das hat mir allerdings geholfen, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Ich habe eine kaufmännische Ausbildung gemacht und später Sozialarbeit studiert. Aber eine Kur oder eine Reha habe ich nie gemacht auch wenn mir Ärzte oder Familie das hin und wieder empfolen haben.
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Ralf aus Remscheid schrieb am 23.08.2021
Aufgrund einer TBC Erkrankung im Alter von 4 Jahren musste ich 2 Tage nach meinem Krankenhausaufenthalt 4 Wochen zur Kur.
Ich bin dort nicht schlecht behandelt worden, allerdings hat mich der Aufenthalt für mein Leben geprägt.
Sobald ich von zu Hause fort war, Jugengherberge etc. wollte ich spätestens 2 Tage später wieder nach Hause.
Ab meinem ca. 40 Lebensfahr bekam ich sobald ich von zu Hause weg war Magenprobleme, die sich mit zunehmenden Alter verschlimmerten, was ich mir nicht erklären konnte. Erst später erkannte ich, das es im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Kindheit zusammen hängen muss.
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Susan Valinski aus Wien schrieb am 22.08.2021
Hallo, schön euch gefunden zu haben. ich habe lange nicht gewusst wo dieses Kindersanatorium gewesen sein soll in dem ich war. hatte nur ein Bild und eben im Internet erkannt...auf einer FB Seite dazu.
ich weis nicht wann genau ich da war. Ich bin die 5te von links unterste Stufe. ggf bin ich so 7 oder 8 Jahre alt (ich bin Baujahr 79 ? also muss es so 1986/87 gewesen sein. oder vielleicht doch älter oder jünger?? Die 4te von links hieß, glaube ich Angela und Angelika. Ich kann ich noch an ihren Pony erinnern der ihr bis in die Augen hing.
Ansonsten erinnere mich nur wenig an die Zeit dort. Auch ob es 4 oder 8Wochen waren weis ich nicht. Ich weis nur das, ich in meinen Heimatort von meiner Mutter am Bahnhof einer fremden Frau übergeben wurde und diese schweigsame Zeit im Zug für mich ewig gedauert hatte. Und ich mich nicht auskannte, wohin es mit mir ging.
Von der Zeit dort kann ich mich erinnern, dass wir einmal ein Spiel im Wald machten. Eine Schnipseljagd, wo wir Kleineren von den Großen gefunden werden mussten. Die Erzieherinnen die bei uns waren, hörten etwas und wiesen uns an, uns in den Schnee zu legen um uns zu verstecken. Wir lagen ewig dort im Schnee mitten im Wald rum, gefühlte Stunden, bis wir alle durchgefroren waren. Irgendwann gaben wir oder besser gesagt die Erzieherinnen auf, da wir alle vor Kälte jammerten. als wir zurück kamen und durch den Hintereingang vom Wald reinkamen, stellten wir fest, dass die Großen bereits seit Längeren zurück sein mussten. sie saßen schon beim Essen und Tee.
Eine weitere Szene an die ich mich erinnere, ist aus dem Speisesaal. Wir sagen das Lied "wir haben Hunger, Hunger, Hunger...essen Fliegen Fliegen Fliegen usw." und ich glaube, wir mussten immer alles aufessen. Ich wurde ja dort hingeschickt weil ich so dünn war.
Eine letzte Erinnerung war von einer Nacht, wo die Großen unruhig im Flur herumliefen und ich glaube, irgendwie ein bissl rebellierten. Ich lag in meinem Bett und hatte aufgrund dieses Lärmes Angst. Ein Mädchen wollte das ich mit raus auf den Flur komme. Kurz bin ich mit raus, aber verkroch mich dann doch wieder ängstlich in das Bett.
Allerdings habe ich keine Erinnerung wie dieses Zimmer aussah oder was ich sonst noch dort erlebt habe. Nur das es Winter war und diese wenigen Szenen.
Ich weis nicht, ob ich was verdränge oder ob ich die ganze Zeit dort in eine Art Schockzustand war Schockzustand deswegen, weil ich bereits aus meiner Wochengrippenzeit ( mit 6Monaten bis zur Schule, von Mo-Fr. über Nacht in dieser Wochengrippe/Kindergarten) Verlustängste hatte. Aber wie ich aus anderen Geschichten rauslese, hat kaum jemand richtige Erinnerungen an diese Kurheime. Was glaubt ihr warum das so ist? Ich kann mich an Ferienlager und andere frühe Erlebnisse sehr gut erinnern. Nur nicht an diese Zeit. Aber an diese Wochengrippenzeit auch nicht wirklich. Nur das ich es gehasst habe und immer schrecklich weinte, wenn mich meine Mutter teils Sonntag abend dort wieder für die ganze Woche abgab.
Ich habe noch ein Bild von uns Kindern auf einer Treppe vor den Haus (Haus der Freundschaft, Lychen) Würde mich sehr freuen, wenn ihr von eurer Zeit dort etwas berichten könnt. Ggf kommen dann Erinnerungen hoch. Alles Liebe derweil und schön euch gefunden zu haben.
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Christoph aus Brasilien schrieb am 20.08.2021
20.08.2021
Sehr geehrte Frau Röhl,
aus der FAZ habe ich kürzlich von Ihrer Initiative erfahren und möchte Sie dazu beglückwünschen. Es ist ungemein wichtig, diesen schrecklichen Geschehnissen Worte zu geben, Geschehnisse, die in der grausamen Tradition tyrannischer Erziehungsmethoden und damit verbundener Exzesse in manchen Einrichtungen wie Kirchen, Internaten, Heimen, aber auch Familien stehen. Die in den Kinderverschickungsheimen erzwungene Zensur, das Schweigen, darf sich nicht bis in unsere Tage fortsetzen. Schonungslose Analyse und offene Sprache sind die richtigen Wege, um diesen Teufelskreis der von Generation zu Generation weitergegebenen Entwürdigung und Gewalt zu durchbrechen und eine friedvollere Zukunft zu gestalten.

Nun meine Geschichte im DRK Kinderkurheim in Wittdün/Amrum im August 1972.
Dieser Aufenthalt wurde mir vom Hausarzt verordnet, damit ich "kräftiger" würde. Eigentümlich, war ich doch weder kränklich noch mager. Wahrscheinlich dachten meine Eltern, mir damit etwas Gutes zu tun und es war wohl auch eine Mode der Zeit. Ich war durchaus reiseerprobt und gewohnt, ohne meine Eltern zurechtzukommen. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits gute 14 Jahre alt und hatte das 8. Schuljahr beendet. Dennoch habe ich keine Erinnerung an die Fahrt wahrscheinlich mit dem Zug zur Insel Amrum - vom damaligen südhessischen Wohnort immerhin mehr als 700 km entfernt - an Wittdün, das Haus oder an andere Kinder. Auch Namen erinnere ich nicht. Ich erinnere die mutmassliche Heimleiterin, eine relativ grosse Frau mittleren Alters im Habit der Rotkreuzschwester. Und ich erinnere eine Frau und zwei Männer um die 20, die dort ein Praktikum oder einen Ferienjob als Betreuer/-in machten. Andere Aufsichtspersonen erinnere ich nicht.
Ich erinnere mich an starkes Heimweh, Angst wegen der autoritären Umgangformen, an wenig schmackhaftes Essen und den Zwang, viel davon essen zu müssen und an angedrohte Zensur beim Briefeschreiben. Ich erinnere Einschüchterungen, aber keine Demütigungen oder Gewaltszenen.
Ich erzähle meine Geschichte, weil es mir möglich war, meinen Eltern nach etwa einer Woche Aufenthalt einen unzensierten Brief zu schicken, mit dem ich das Mitgefühl meiner Mutter wecken konnte und meine Eltern mich alsbald wieder zurückholten. Dieser Brief, möglicherweise eines der wenigen authentischen Sprachzeugnisse eines Kindes in solch einer Situation, hat interessanterweise die Zeiten überlebt, sogar (wenn auch nur) als Fotokopie. Ich möchte ihn an dieser Stelle vollständig als Abschrift einfügen:
"Wittdün 8.8.72
Meine Lieben!
Es ist furchtbar hier. Ich bin vollkommen verzweifelt. Wir werden mit Essen gemästet wie eine Schlachtsau. Alles ist so lieblos. Unsere Betreuerin ist unmöglich. Ich stinke vor Dreck. Ich kann mich nicht richtig waschen. Ich weine am laufenden Band vor Heimweh. Ihr müsst mich irgendwie hier herausholen. Nach dem Essen ist mir immer übel und ich habe überhaupt keinen Appetit. Ich habe einen Plan, wie ihr (unterstrichen) mich herausholen könnt. Einer aus der engen Familie muss schwer erkranken. Ihr müsst einen Brief an die Heimleitung schreiben. Er muss wahr (unterstrichen) klingen. Bitte, ihr müsst (unterstrichen) schreiben, ihr müsst (unterstrichen)!!! Ich kann kein Latein lernen oder Vokabeln abschreiben. Es hat auch überhaupt keinen Sinn wenn ihr Euch beschwert. Die Wut wird nur an mir abgelassen. Ihr müsst (unterstrichen) schreiben! Bitte! Ich halte es nicht mehr lange hier aus. Ich habe schon so oft zum Lieben Gott gebetet und er hat mir auch schon oft geholfen. Aber diesen Herzenswunsch hat er mir noch nicht erfüllt. Wenn ihr diesen Brief gelesen habt, schreibt bitte sofort. Ich bin am Ende. Wir schlafen und fressen mehr als etwas anderes. Holt mich hier irgendwie raus, vielleicht nach meinem Plan. Ich hoffe, dass das mein erster und letzter Brief ist. Bitte helft mir!! Ich komme krank heim sonst.
Gruss und Kuss
Christoph
P.S.: Bitte, bitte, schreibt den Brief!! Ihr müsst! Schreibt sofort! Ich bin verzweifelt!"
Bis hierher der Brief.

Als ein paar Tage später meine Eltern unerwartet vor der Tür standen, konnte ich weder Überraschung noch Begrüssung oder Freude äussern, nur ein trockenes "Holt mich hier raus". Als Baby noch im Sinne von Johanna Haarers populärer, aber grausamer Erziehungsphilosophie "erzogen", siegte zu meinem Glück diesmal der Mutterinstinkt. Die Heimleiterin versuchte zwar noch, mich mit Aussichten auf diverse Ausflüge und dem Versprechen, mich nicht mehr zu zwingen viel zu essen, umzustimmen, aber ich traute wohl dem Frieden nicht. Viel später erfuhr ich, dass mein Vater keinesfalls gewillt war, meine "Kur" vorzeitig abzubrechen, weil er Nachforderungen der Krankenkasse (HEK) befürchtete. Ob sich das bewahrheitete, weiss ich nicht. Jedenfalls setzte meine Mutter sich durch.
Den anderen entscheidenden Unterschied machten die drei jungen Menschen, die unter anderem das Briefeschreiben beaufsichtigten ohne unrechtmässig einzugreifen. Sie waren einfühlsam, respektvoll und erfüllten ihre Aufgabe ohne uns Kinder zu entwürdigen. Tausend Dank den Dreien! Aber auch deren positive Präsenz reichte zum Bleiben nicht aus.
Welche Spuren hat das bei mir hinterlassen? Ich hatte Glück, die Sache lief für mich glimpflich ab und es blieb nicht mehr als eine unangenehme Erinnerung verbunden sogar mit einem schönen Moment der Empathie meiner Mutter.
Gänzlich unverständlich ist mir, wie meine Eltern, vermutlich nur ein Jahr später, vor dem Hintergrund der mit mir gemachten negativen Erfahrung, einem solchen Aufenthalt nochmal zustimmen konnten, diesmal für einen damals 12-jährigen Bruder. Er wurde in ein (kirchlich verwaltetes?) Heim nach Bad Salzuflen verschickt. Er war zu diesem Zeitpunkt bei guter Gesundheit aber von diversen früheren langen Krankenhausaufenthalten traumatisiert und zumindest ehemals Bettnässer. Nach sechs langen Wochen kam er völlig verwahrlost, verstört und erneut schwer traumatisiert wieder nach Hause. Da hat der Mutterinstinkt versagt und wahrscheinlich die Arzthörigkeit obsiegt. Er hat heute die mutmasslichen Grauen tabuisiert, mir tun sie in der Seele weh.

Bei der grossen Zahl der verschickten Kinder mögen diese Aufenthalte für manche hoffentlich auch positiv oder wenigstens nicht traumatisierend gewesen sein. Es war aber wohl in erster Linie ein erfolgreiches Geschäftsmodell unter dem impliziten Vorwand, dem Wohl des Kindes und der Familie zu dienen, denn es darf bezweifelt werden, ob so viele Kinder wirklich eines Kuraufenthaltes bedurften. Das Geschäftsinteresse vermischte sich zuweilen dann qualvoll mit der in dieser Zeit vorherrschenden giftigen Pädagogik und deren kriminellen Auswüchsen nach der verächtlichen Devise 'mit Kindern kann man es ja machen'.
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Bernhard schrieb am 20.08.2021
Vor meiner Einschulung war ich März / April 1962 als 6 - jähriger in Bad Rippoldsau, wahrscheinlich Villa Sommerberg. Meine Erinnerungen sind leider bruchstückhaft.
Als wir dort nach langer Zugfahrt und den Rest wohl mit einem Bus dort ankamen, stellte sich heraus, dass mein Koffer verschwunden war. Der Stress, der damit verbunden war, kam  zu dem Heimweh hinzu und war für mich damals unbeschreiblich. Ich hatte keine Sachen zum Wechseln, und heulte das einzige Taschentuch welches ich ohne Koffer hatte tagsüber voll, nachdem es in der Nacht von nass auf feucht trocknete. Man schaute mit mir auf mein Drängeln hin vergebens auf dem Dachboden nach, wo alle leeren Koffer der anderen Kinder aufbewahrt wurden.
Demnach schlief ich auch ohne Schlafanzug.
Nach ca. 1 Woche tauchte mein Koffer auf und die Freude war übergroß. Man sagte mir, dass er auf der Bahn verlorengegangen sei.
Unmittelbar nach der Ankunft wurden alle übriggebliebenen Butterbrote von der Reise eingesammelt und wahllos als Abendbrot etwas später "serviert".
Man wurde dort öfter untersucht, gemessen und gewogen und auch Blutproben wurden entnommen. Es herrschte dort ein strenges, wohl aber nicht grausames Tantenregiment vor, das schon etwas gewöhnungsbedürftig war. In wie weit dort Essenszwang vorherrschte bekam ich nicht mit, da ich von klein an
zu Hause oder in der Verwandtschaft den Teller leer essen musste, was ich rückblickend als richtig empfand.


Wanderungen, Absingen von Liedern usw. bestimmten den Tagesablauf. Dieses Absingen von Liedern z. B. Drei Chinesen mit dem Kontrabas... mit allen Vokalmöglichkeiten und dann zum wiederholten Male, fand ich sehr eintönig. Z.B. wenn die Kindergruppe  vor dem Mittagessen zu früh kam, mussten wir uns vor dem Esssaal aufstellen und diese Lieder absingen, bis dass es Mittagessen gab.
Bei schlechtem Wetter wurde drinnen gespielt, aber was die an wenigen Spielsachen hatten, gehörte alles auf den Sperrmüll, volumenmäßig ein Karton.. Kaputt, uralt und unvollständig und man konnte es mit wenigen Fingern abzählen.
Wahrscheinlich war dort auch eine Ausbildungsstelle für Erzieherinnen angeschlossen. So kam es vor, dass uns gelegentlich junge Mädchen oder Praktikanntinnen beaufsichtigten. Da kam es mitunter vor, dass sie uns veräppelten und sich köstlich über unsere Dummheit amüsierten. Eine von denen riss mich kräftig an den Haaren. Einige versuchten mit uns die Herrinnen zu spielen.
Eine Kindertante vielleicht so um die 40, die wohl nur für drinnen zuständig war fehlte die Nasenspitze. Der Nasenstumpf war zerfranst und sie machte einen traurigen, ernsten Eindruck. Konnte man diese arme Person nicht woanders einsetzen, da sie ja auch kleine  Kinder ab ca. 4 Jahren mit betreute?
Für uns Kinder war das recht gruselig anzuschauen, die Verletzung der Nase und die Verletzung ihrer Seele.
Mitunter wurden wir nachts geweckt und wurden auf die Toilette geschickt, da der Anteil der Bettnässer recht hoch war.
Bei diesem nächtlichen Gang im Halbdunklen oder dunklen verirrte ich mich und landete dann in einem anderen Zimmer in einem Bett, was aber schon belegt war. Irgendwie kam ich dann aber in mein Bett.
Nach Ende der Kur und dem Wiegen und Messen kam ich mit 14 Tagen Verspätung zur Einschulung. Kürzlich fiel mir ein Foto von dieser Ein -Kind Einschulung in die Hand und sah alles andere als ein eingeschüchtertes oder traumatisiertes Kind, trotz dieser " Kur".
Diese Art der Kur war vielleicht eher geeignet Zöglinge heranzuziehen. Wahrscheinlich waren sich die Betreiber, denen ich noch nicht einmal eine schlechte Absicht unterstellen möchte, diese Entwicklung gar nicht bewusst?
1965 kam ich wieder in eine 6 - wöchige Kinderkur, diesmal  nach Bonndorf, Haus Waldfriede und erlebte eine schöne Zeit.
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Ursula Schinkel aus Bergisch Gladbach schrieb am 20.08.2021
Ich war wegen Asthma und Untergewicht 1954 damals 9 Jahre im Kinderheim St.Johann in Niendorf. Ich kann mich nur an eine gute Zeit erinnern wir kamen viel raus es gab gutes Essen und im riesigen SchlafsaalErinnerung) hat uns eine Nonne immer eine gute Nachtgeschichte vorgelesen. Sie sagte statt Mäuerchen immer Mäuerken.Wir waren gut versorgt und in keiner Weise Missbraucht. . das muss später gewesen sein. Mir war es ein Anliegen das zu sagen.
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Klaus-Jürgen Nowak aus Mainz schrieb am 19.08.2021
1974 bin ich nach Scheidegg im Allgäu verschickt worden. Es muss im Juni gewesen sein, denn ich kann mich noch an das WM Endspiel während meines Aufenthalts erinnern. Von dem Tag meiner Anreise weiß ich nur noch, daß ich mich am Bahnhof ganz schnell von meinen Eltern verabschieden musste. Als ich in Scheidegg ankam war es schon fast dunkel. Mein Gepäck samt Süßigkeiten verschwanden. Das einzige was ich auf Station mit nahm waren ein paar Bücher.
Da ich mit 8 Jahren zu den älteren gehörte war ich in einem 4 Bett Zimmer untergebracht. Ganz schnell wurde ich eingewiesen. Schlafen mit dem Gesicht zur Wand, jeden Abend und am Morgen Fieber messen, Betten musste man selbst machen. Dies wurde kontrolliert während man neben dem Bett zu stehen hatte. Wer sein Bett verschmutzte, z.b durch Nasenbluten wurde bestraft und durfte bis zum nächsten Garnitur Wechsel in selbigen schlafen. Nach dem Frühstück ging man zur Liegekur. Diese dauerte Stunden. Wir lagen in einer Art Wintergarten. Die Fenster wurden geöffnet damit frische Luft herein kam.
Die Liegekur musste schweigend verbracht werden. Essen musste man alles was man vorgesetzt bekam. Auch bis zum erbrechen. Wer nicht mehr wollte oder konnte wurde bestraft. Reden war während dem Essen nicht erlaubt. Nach dem Mittagsschlaf ging es nach einer Tasse Kakao für 2 Stunden spazieren. In Reih und Glied...versteht sich. Sonntags gab es keinen Spaziergang. Da waren wir gut angezogen. Dafür gab es ein Kaffee trinken mit ein paar Süßigkeiten. Wenn es regnete mussten wir im Essensraum spielen. Die Möglichkeiten waren eher dürftig. Nach dem Abendessen durften wir nochmal zur Toilette. Die Tür war immer geöffnet. Privatsphäre ab es nicht. Nach 19.30Uhr durfte man nicht mehr auf Toilette. Wer doch ging und erwischt wurde bekam Schläge. Diese gab es auch für Kinder die nicht schlafen wollten oder konnten. Nach den Gründen wurde nicht gefragt. Ein Gürtel war das beliebteste Schlagwerkzeug. Kontakt zu den Eltern gab es nicht. Briefe wurden kontrolliert und kommentiert. Einmal bekam ein Junge Prügel weil er in der Post nach Hause von den zuständen im Heim berichtete. Mir fehlen jegliche Erinnerungen an regelmäßige Hygiene. Auch an Arztbesuche kann ich mich nicht erinnern. Während meiner Kur erkrankte ich ( Angina ). Diese wurde wohl nicht zu Ende behandelt. Kurz nach meiner Rückkehr musste ich für weitere 9 Wochen ins Krankenhaus. Der Grund war eine sehr schwere Blutvergiftung. Es dauerte sehr lange bis man heraus gefunden hatte wo diese herkam. Zum Glück kam mein damaliger Arzt irgendwann auf die Idee mich zu fragen ob ich während der Kur krank gewesen wäre. Die nötigen Unterlagen wurden dann von der Uni Klinik Mainz angefordert. Diese ganzen Erinnerungen sind erst vor kurzem in mir hoch gekommen. Grund dafür sind die Bücher: die Akte Verschickungskinder und das Elend der Verschickungskinder. Beide sind sehr zu empfehlen. Ich werde noch dieses Jahr nach Scheidegg fahren um mir das Heim anzusehen. Ich hoffe, daß dies mir helfen wird einen weiteren Schritt zu schaffen.
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Dorothee Weiss aus Langerwehe schrieb am 16.08.2021
Das Schlimmste war, das die wenigen Dinge, die einem als Kind geholfen hätten, eingesammelt wurden. Ich habe 6 Wochen lang meinen Teddy gesucht. Ich habe ihn nicht gefunden. Er blieb verschwunden, ich bin ohne ihn nach Hause gefahren.
Meine Oma hat mir Süßigkeiten mitgegeben. Die wurden auch weggenommen. Nachts sind die älteren Kinder auf die Suche nach den Süßigkeiten gegangen. Die fanden sie dann auch: riesenmengen in irgendwelchen Abstellkammern. Aber wir Kinder haben nichts bekommen. Die älteren Kinder haben uns kleinen Kinder dann etwas mitgebracht.
Ich habe 6 Wochen die gleichen Sachen getragen, da ich nicht wußte, wo meine Sachen sind. Sie wurden mir auch weggenommen.
Ich habe gesagt, ich möchte nach Hause, aber meine Eltern kamen nicht mich holen. Ich durfte nicht telefonieren, schreiben konnte ich noch nicht.
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Anja Parsons aus Bayern - Ruhstorf an der Rott schrieb am 16.08.2021
Hallo, ich war mit 9 Jahren, 1986 im Haus Kohlwald bei Knibis im Schwarzwald. Obwohl ich damals bereits 9Jahre alt war, kann ich mich an rein gar nichts erinnern. Vor einigen Tagen habe ich mit meinem Vater darüber gesprochen und er hat mir 3 Karten gegeben, die ich damals aus dieser "Erholung" nach Hause geschickt habe. Auch 4 Fotos sind noch vorhanden. Ich erhoffe mir Kontakt zu Menschen die 1986 auch im Haus Kohlwald waren.
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Waltraud aus Schorndorf schrieb am 16.08.2021
Meine Erinnerungen an das Kindererholungsheim Herrlingen
fangen damit an, dass meine Mutter immer schon besorgt war, ich wuerde eines Tages an der „Schwindsucht“ sterben, so duenn wie ich war. Sie wuenschte sich ein rundliches Kind, mit sichtbaren Reserven, genug um etwaige Krankheiten zu ueberdauern. Da ich zuhause aber nicht zunahm, weil ich nicht „richtig as“ schickte mich meine Familie zur Erholung in das Kinderheim der Arbeiterwohlfahrt Herrlingen. Ich bin gerne dorthin gefahren, da meine Eltern sagten dort waeren ganz viele andere Kinder und ich mich darauf freute mit ihnen zu spielen. Meine Umhaengekarte habe ich beim Ausraeumen des elterlichen Hauses vor 3 Jahren gefunden und als Photos diesem Bericht beigelegt. Ich war 6 Jahre alt und es war der Fruehling bevor ich eingeschult wurde.
Ich erinnere mich an ein grosses, stattlich aussehendes Haus, in dem wir unten assen und oben im Schlafsaal mit vielen Kindern zusammen schliefen. Wir hatten Metallbetten, die in langen Reihen nebeneinander aufgestellt waren. Man konnte von einem Bett auf das andere springen, die ganze Reihe entlang! Musste nur aufpassen, dass wir nicht erwischt wurden, weil erlaubt war das nicht. Genausowenig wie jede andere Form aktiven Spielens. Das ist in meiner Erinnerung das, was mich am meisten quaelte: Wir waren ganz oft draussen im Garten und im Wald, was ich liebte, durften aber nie rennen! Wir mussten immer zu zweit aufgereit, Haende haltend langsam gehen. Gesungen haben wir meine ich auch („lustig ist das Zigeunerleben, fahria,fahria ho?!“), was ich auch mochte.
Nach dem Mittagessen wurden wir zu einem grossen, an allen Seiten offenen Unterstand im Garten gebracht. Unter dem Dach standen Feldbetten in 2 oder 3 langen Reihen. Auf diesen Betten mussten wir Mittagsruhe/-schlaf halten. Wir lagen in Schlafsaecken/Decken und mussten ganz still liegen und uns nicht bewegen und nicht sprechen. Eine Schwester ging die Reihen entlang mit Rohrstock und passte auf.
Manchmal kamen Eltern zu Besuch, nur meine kamen nie. Ich glaube wir wartetet alle bis das Tor vom Garten aufging und einige Kinder hatten - glaube ich - Besuch. Bin mir aber nicht sicher. Vielleicht hatte ich mir auch nur gewuenscht, das Tor ginge auf und meine Eltern kaemen zu mir?
Dann erinnere ich mich noch an eine Szene, in der eine meiner Freundinnen Lakriz hatte. Ich glaube ihre Eltern hatten es ihr geschickt. Wir hatten uns zu dritt oder viert im Klo versteckt und das Maedchen gab uns allen ein Stueck von ihrem Lakriz zu essen. Fuer mich war es das erste Mal, dass ich Lakriz ass und leider mochte ich es ueberhaupt nicht. So wenig, dass ich es ins Klo spuckte, weil mir davon schlecht wurde. Mir tat meine Freundin leid, weil ich ihr Lakriz nicht mochte. Erwischt wurden wir dabei nicht.
Des letzte Abendessen war fuer mich ein Highlight! Es gab Fisch, Lachsersatz, diese intensiv orangeroten Schnipsel aus dem Glas. In unserer Familie gab es nie Fisch und ich hatte auch Lachsersatz noch nie gegessen. Wir hatten frisches Brot mit Butter und Lachsersatz zum Abendessen und ich as und as und as. Mir schmeckte es so gut, dass ich fragte, ob ich noch mehr Brote haben duerfte und hoehrte erst auf zu essen, nachdem ich 11 Scheiben Lachsbrot gegessen hatte. Darauf war ich ganz stolz: 11 Scheiben!!!
Die naechste Erinnerung ist bei meiner Familie zuhause am Mittagsstisch. Normalerweise war das Mittagessen fuer mich immer eine Qual, da ich einen Teller Suppe und einen Teller Mittagessen essen musste. Ich durfte mir nicht selber nehmen, sondern bekam meinen Teller gefuellt und musste alles aufessen, vorher durfte ich nicht vom Tisch aufstehen. Dies fuehrte oft zu Traenen und langem alleine am Tisch sitzen vor dem kalten Essem. Ich hatte im Erholungsheim ordentlich an Gewicht zugelegt. Den ersten Tag als ich vom Erholungsheim zurueck war und zuhause Mittag ass, ass ich 2 Teller Suppe und 2 Teller Mittagessen! Ich wollte allen zeigen, wie gut ich essen gelernt hatte. Meine Mutter war gluecklich. Leider fing ich noch am selben Tag an mich zu erbrechen. Zunaechst dachten meine Eltern es waere, weil ich zuviel zu Mittag gegessen haette. Das Erbrechen hoerte aber auch am naechsten Tag nicht auf und Durchfall hatte ich auch. Nach einigen Tagen, an denen ich nichts in mir behalten konnte, war ich so schwach, dass ich ohnmaechtig wurde und erst im Krankenwagen wieder zu Bewusstsein kam. Die naechsten Wochen verbrachte ich im Krankenhaus mit einer Salmonellenvergiftung. Als ich entlassen wurde, wog ich weniger als vor meiner Zeit im Kindererholungsheim. Ich fuehlte Genugtuung: „Das hatten sie nun davon, mich zum Aufmaesten wegzuschicken!“ Ein weniger gesundes und duenneres Kind, das die lange Zeit der Trennung seinen Eltern lange uebel nahm.
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Jutta, 61 Jahre aus Krefeld schrieb am 13.08.2021
Hallo,
auch ich war 1965 auf Initiative des Jugendamtes
als 6-Jährige in Melle, Sauerland in Kur.
Ich war durch den Aufenthalt im Kinderheim
1962 - 1964 so ausgemergelt, daß man mich
dort hingeschickt hat.
Der 6-wöchige Aufenthalt in der Kur
war auch nicht besser als im Kinderheim,
wurden geprügelt, bekamen Läuse, durften
nachts nicht auf die Toiletten.
Zu essen bekamen wir aber genug.
Sie waren aber lieblos und gleichgültig.
Die Kur hätte ich mir sparen können.
Aus dem Heimkinderfonds wurde ich
2014 entschädigt, weil man mich schon
als Kleinkind nervlich zerstört hat.
Bis heute leide ich darunter.
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Manfred Oheimer aus Darmstadt schrieb am 11.08.2021
Im Alter von 6 Jahren (geboren im April), wurde ich im Mai-Juni 1967 für 6 Wochen zu einer Kinder-Kur ins Haus „Schmiedhof“ in Kreuth a. Tegernsee geschickt.

Anlass war, dass ich seit einiger Zeit immer trotziger wurde und schließlich über längere Zeit zu Essen verweigerte. Der Hausarzt empfahl meinen Eltern, mich auf Kur zu schicken.

Ich kann mich tatsächlich an die Kur kaum erinnern. Ich weiß nicht genau, wie ich dort hin gekommen bin - ja, mit dem Zug. Aber ob meine Eltern mich begleiteten oder ob ich am Bahnhof „übergeben“ wurde, kann ich nicht sagen.

Ich erinnere mich an ein Haus im Bayern-/Alpen-Stil (Es gibt ein Bilder davon - es sieht in meiner Erinnerung auch so aus). Hinter der Haustür lag ein Vorraum. Viel Holz. Nach links ging es in das Esszimmer der „kleinen Kinder“ und nach rechts in das Esszimmer der „großen Kinder“. Von diesem Vorraum aus konnte man auch auf eine kleine Toilette gehen (weiß aber nicht mehr genau, wo sie lag).
Gegenüber der Haustür führte eine breite Holztreppe nach Oben. Im 1. OG waren, glaube ich, die Zimmer der großen Kinder (und der Betreuer?).
Ich erinnere ich mich an den „Dachboden“. Es war ein großer „Saal“ mit Dachschrägen, wo wir Kleinen alle zusammen schliefen. Ich meine, es wären Matratzen-Lager gewesen, bin aber nicht sicher.
Jedenfalls …

… ich liege auf meiner Matratze, trotze und weine … ich bin alleine, die anderen Kinder sind unten.
Ich weiß nicht, ob ich nicht mit nach unten wollte, oder ob ich zur Strafe alleine oben bleiben musste.
Ich höre die anderen Kinder unten lärmen - es war Essenszeit.
Ob ich Hunger hatte, weiß ich nicht mehr.
Irgendwann gehe ich dann doch runter, im Schlafanzug. Ob ich „aufgegeben“ habe oder ob ich herunter befohlen werde, weiß ich nicht mehr.
Ich erinnere mich große Scham.
Ich gehe in das Esszimmer der Kleinen. Die anderen Kinder sitzen um die Tische und essen und schauen mich an. Sie lachen mich aus, hänseln und verspotten mich.
Ich will an meine Platz, aber da ist nicht (mehr) gedeckt.
Ich bekomme die Ansage/Strafe, mir mein Geschirr und Besteck zur Strafe selbst holen zu müssen. Allerdings ist der Schrank mit Geschirr und Besteck im Esszimmer der „großen Kinder“. Ich weigere mich im Schlafanzug dorthin zu gehen.
Ich muss in der Ecke stehen - Blick zur Wand.
Irgendwann gehe ich dann doch zu den Großen.
Ich werde von den Betreuern gehänselt und den Großen angekündigt. „Da kommt ja der Bettnässer/die Heulsuse“ - ich weiß nicht mehr genau, mit welchen Worten.
Die Tatsache, dass ich im Schlafanzug und barfuß erscheinen muss, sorgt für Gejohle, Hohn und Spott von allen.
Unter Tränen und dem Hänseln/Spotten der Großen suche ich zitternd mein Geschirr/Besteck zusammen. Da ich nicht genau weiß, wo die Sachen sind (ich war vorher noch nie im Esszimmer der Großen), ernte ich weitere Häme und Spott von den Großen und den Betreuern.
Ich bestehe nur aus Scham, Tränen und Wut.
Zurück im Esszimmer der Kleinen setze ich mich zitternd und schniefend an meinen Platz …
Die Scham erstickt mich fast.
Ich fühle mich verlassen, ausgestoßen.
Ich will mich am liebsten in Luft auflösen, weg von hier. Aber wohin. Es gibt keinen Ort an dem ich mich sicher/geborgen fühlen könnte.

Darüber hinaus erinnere ich mich an fast nichts. Nur daran, dass ich auf einem Spaziergang über Wiesen und Felder versuchte zu lernen, wie ich mit einem Grashalm zwischen den Fingern quäkende Geräusche machen kann (das kann ich noch heute).

Viele der Schilderungen im Forum kommen mir mehr oder weniger vage bekannt vor
- nicht alleine auf die Toilette dürfen/Tür immer offen
- gezwungen so lange - notfalls auch alleine - am Tisch sitzen müssen, bis alles aufgegessen ist. Oder - noch schlimmer - alle müssen warten, bis der letzte (ich) aufgegessen hat (Gruppenzwang)
- kein Kontakt zur Aussenwelt/Eltern (ich konnte ja noch nicht schreiben, und Telefon hatten meine Eltern damals noch nicht, Besuche waren verboten)
- heftiges Heimweh mit Tränen und Trotz
- Beschimpfungen, Beschämungen und Demütigungen durch das Personal und auch unter Einbeziehung der anderen Kinder (Bloßstellen Ausgrenzen, Gruppenzwang)
- Sehr rigide und strenge Methoden
Es fühlt sich so an, als hätte ich das auch erlebt, aber da ich (noch) keine weiteren, konkreten Erinnerungen daran habe, kann und will ich nicht mehr sagen, als „kommt mir sehr bekannt vor“

Meine Eltern (mittlerweile beide gestorben, kann also auch nicht mehr nachfragen) haben mir gelegentlich von dieser Kur erzählt. Sie sagten, dass ich danach sehr verändert gewesen sei. Ein „braver Bub“, der folgsam war und immer seinen Teller leer gegessen habe. Ich soll danach sogar eher zuviel gegessen haben und deutlich zugenommen haben.
Ziel also „erreicht“
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Katrin Mistele aus Marbach schrieb am 05.08.2021
Ich hatte als Kind immer im Herbst und Winter eine chronische Bronchitis, Der Arzt empfahl meinen Eltern eine Höhenluftkur für mich. Mit 4 Jahren kam ich daraufhin das erste Mal gleich für 3 Monate von Januar bis März nach Bad Dürrheim. Meine Mutter fuhr mit mir mit dem Zug dorthin. Ich kann mich noch an den großen Torbogen am Eingangsgebäude erinnern. Alles war fremd und ich glaube, meine Mutter musste mich am Eingang abgeben. Ich kann mich an keinen Abschied erinnern. Vieles ist aus meinem Gedächtnis verschwunden. Einige Bilder und Ereignisse sind noch da: beim Essen musste man ganz aufrecht sitzen, sonst bekam man von der Schwester einen Stoß von hinten in den Rücken. Wenn Päckchen von zuhause kamen, wurde alles verteilt, man bekam selbst nur einen Bruchteil davon. Was ich sehr unangenehm und peinlich fand, war der Aufenthalt im fensterlosen, dunklen holzvertäfelten Raum mit der Höhensonne: man war nackt (vielleicht noch in Unterhose), hatte eine rote Brille auf und musste im Kreis um die Höhensonne laufen. Der Geruch des Holzes durch die Höhensonne war charakteristisch.
Auch Schwimmen wurde für mich angstbesetzt, als mir die Schwimmflügel weggenommen wurden, weil ich nun ohne Flügel schwimmen sollte. Ich hatte Angst vor Strafe und tat so als ob ich schwimmen würde, lief aber auf den Zehenspitzen und hoffte, dass es keiner bemerkte. Vor dem Temperaturmessen hatte ich auch Angst, weil erhöhte Temperatur bedeutete, dass man allein im Bett bleiben musste. Ich kann mich erinnern, dass ich immer versucht hab, meine Hände an den kühlen Gitterbettstäben abzukühlen, weil ich hoffte, so keine Fieber zu haben. Meine Eltern durften mich nicht besuchen und auch nicht anrufen, weil ich danach immer so viel geweint habe. Nur Briefe mit vielen selbstgemalten Bildern haben sie geschrieben, jede Woche einen, so dass ich mitzählen konnte, wenn 11 Briefe da waren, dann würden sie mich bald darauf abholen. Ich weiß nicht, was oder womit wir gespielt haben. An den Winter mit Schlittenfahren kann ich mich noch erinnern, das war schön. Und einmal sind wir zum Faschingsumzug in den Ort gelaufen. Im nächsten Jahr wurde meine 1 1/2 Jahre jüngere Schwester mit ins Kinderheim geschickt, obwohl sie nicht krank war. Sie hofften wohl, dass es mir dann leichter fallen würde. Wieder waren es 3 Monate. Ich weiß nicht, ob ich mit meiner Schwester zusammen sein durfte. Eigentlich hätten meine Eltern die zweite Kur nicht mehr machen müssen, weil sie schon wegen meiner Gesundheit einen Umzug in den Schwarzwald im Sommer des Jahres 1969 geplant hatten. Aber wir waren nun schon mal angemeldet und als arzthörige Eltern, machte man was der Arzt sagte. Das ist es auch, was ich meinen Eltern vorwerfe, sie haben das zweimal mitgemacht, obwohl ich schreckliches Heimweh hatte und sie wohl auch. Angeblich hat mir der Aufenthalt gegen die Bronchitis geholfen. Aber gleichzeitig hat mich das lange Getrenntsein von meinen Eltern doch sehr verstört: ich wollte danach mehr als 10 Jahre nicht mehr von meinen Eltern weg, keine Übernachtung bei Tante, Oma Freundin usw. Es hat meine Persönlichkeit geprägt: Ich habe gelernt, mich zusammenzureißen, Gefühle zu unterdrücken weil es sowieso nichts geändert hätte, ich wollte möglichst unsichtbar und unauffällig zu sein. Ich kann mir meine emotionale Distanz zu meinen Eltern vor allem jetzt, wo sie alt sind und meine empathische Fürsorge bräuchten nur mit der Zeit im Kinderheim erklären. Laut Psychologen stört so eine lange Trennung die Bindung zu den Eltern.
An wirklich schlechte, gewaltsame Erfahrungen kann ich mich zwar nicht erinnern, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto unverständlicher ist mir, dass man damals so eine lange Trennung von Kindern und Eltern für gut oder tolerabel gehalten hat.
Dieses Jahr bin ich in Bad Dürrheim auf dem Rückweg vom Bodensee vorbei gefahren. Es hat mir Genugtuung bereitet zu sehen, wie das DRK Kinderheim seit 17 Jahren leer steht und zunehmend verfällt! Dass der 35 jährige Bürgermeister von Bad Dürrheim Jonathan Berggötz heute um Entschuldigung bittet, für das was Kinder in diesem Ort erleiden mussten, hat mich sehr berührt.
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Sylke Möller aus Stralsund schrieb am 03.08.2021
Ich war ein sehr zierliches Mädchen in einer Familie mit 3 Brüdern. 6 Familienmitglieder in einer 2-Raumwohnung...also musste Erholung her. So hat man es sich gedacht...und schickte mich als 12 jährige auf Kur für 4 Wochen. An die lange Anreise kann ich mich nicht erinnern, nur das es ein Bus war. Das Heim war riesig und erschien mir wie ein Schloss. Großer Saal und 2 Etagen mit vielen Zimmern. Ich erinnere mich, dass der regelmäßigen Stuhlgang über die Bitte nach Toilettenpapier kontrolliert wurde. Viele Kinder hatten Heimweh und weinten in ihren Bettchen. Mir ging es auch nicht gut, habe aber mit albernen Späßen die kleineren Kinder zum lachen gebracht. Eine Erinnerung, auf die ich gern verzichtet hätte, hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich hatte während der Kur Geburtstag. Ich hoffte, so wie andere Geburtstagskinder auch, ein Päckchen zu erhalten. Ich erhielt nicht mal eine Karte. Auch nach der Ankunft wieder zu Hause, war es kein Thema. Ich konnte es verzeihen, aber nie vergessen. Ich habe dafür im Gegenzug und zu meiner eigenen Zufriedenheit und meinem Gemüt ganz viel Liebe ausgeteilt, bis zu den Enkeln, ob sie wollen oder nicht. 🙂 Die Kur selber war kein Trauma.
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Wolfgang Halmich schrieb am 02.08.2021
Ich wurde im Alter von 5-6 Jahren von Karlsruhe nach Polling in das Kloster Heilig Kreuz verschickt. Auf Grund einer Fehldiagnose meines Hausarztes kam ich zur Erholung in dieses Heim für 3 Wochen. Nach diesen 3 Wochen stellte es sich heraus, dass ich eine Blinddarmreizung hatte.
Durch diesen Aufenthalt kam ich traumatisiert zu meinen Eltern zurück. Seit dieser Zeit bin ich Psychotiker und hatte mehrere Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis.
Das meiste, was in dieser Zeit geschehen ist, habe ich verdrängt. Ich kann mich noch erinnern, dass ich nichts zu essen bekam, weil ich mich geweigert habe zu beten. Ich habe mich nachts eingenässt, vermutlich, weil mir sexuelle Gewalt angetan wurde. Daraufhin wurde ich zu den Babys verfrachtet. Die "Tanten" haben dann behauptet, ich wäre noch nicht sauber und haben sich vor allen anderen Kindern über mich lustig gemacht.
Ich werde diese Erinnerungen einfach nicht los, trotz Psychotherapie und Gesprächen.
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Christel Plata aus 51674 Wiehl schrieb am 28.07.2021
Hallo,
bin zufällig auf diese Seite gestossen.
Ich weiß bis heute nicht was sich meine Eltern dabei gedacht hatten,dass ich als Einzelkind, 4mal zur Kur musste.
Ich bin Jahrgang 1951 und war 1957 das erstemal zur Kur nach Bad Münstereifel.Leider ist mir nur noch in Erinnerung der entsetzliche Mittagsschlaf.Ich kannte dieses von zu Hause nicht und konnte auch nicht schlafen.
An meine zweite Kur erinnere ich mich nur das alle Kinder Durchfall hatten und zwar zu Ende hin.Die beschmutzten Unterhosen wurden einfach in den Koffer gesteckt und meine Mutter höre ich heute noch schimpfen.Es war eine grosse Sauerrei und es roch fürchterlich.
Und wieder der grässliche Mittagsschlaf.Ich stand öfters im Flur mit Decke über den Kopf und die Kinder aus meiner Gruppe lachten mich aus.Das war für mich der Anfang des Mobbings.

Dann fuhr ich am 5.1.1961 nach Allerheiligen mitten in der Schulzeit.Warum weiss ich bis heute nicht.
An diese Kur kann ich mich gut erinnern.
Es war Januar,überall hoher Schnee und wir gingen wenigstens einmal am Tag sparzieren es war herrlich.
Das Essen war schrecklich aber ich habe es gegessen,denn ich wollte nicht den ausgekotzten Brei nochmal einmal essen.Dann ging es wieder zum Mittagsschlaf.Für mich waren die 2 Stunden schrecklich.Ich drehte mich von eine auf die andere Seite und man merkte das ich nicht schlief. Ich entwickelte eine Schlaf-Phobi und dann kam die Angst um entdeckt zu werden.Wenn man nicht schlief bekam an dem Tag keine Post ausgehändigt.
Wenn der Schlaf dann vorbei war,dachte ich schon an den nächsten Tag.
Des Sonntags mussten die katholischen Kinder zur Messe.Es war eine kleine Kapelle die in dieser Zeit sehr kalt war. An den Wänden liefen Heizungsrohre entlang in einer Höhe von 0,80cm.
Ich war die erste die in den vorgesehenden Bänken
Platz nahm.Nach einer Weile wurde es mir komisch und als ich wieder bei Bewusstsein war hatte ich eine 0,10cm grosse Blase auf dem linken Handrücken.Während meine Ohnmacht hatte keiner gesehen das meine Hand am Heizungsrohr lag.
Ich hatte höllische Schnerzen.Im Kurheim angekommen wurde mir ein Verband angelegt mit den Worten"morgen ist Montag dann kann die Ärztin draufschauen".
Ich bekam in der Nacht zu Montag fürchterliche Schmerzen und es hatte sich eine grosse Blase gebildet.Wir wurden jeden Montagmorgen gewogen und die Ärztin war da und schaute auch auf meine Hand.Sie sagte nur"wir müssen warten bis die Blase aufgeht und schauen nächsten Montag wieder".
Ich schlug mich mehr schlecht als recht in dieser Woche.Ich durfte auch nicht nach Hause schreiben was passiert war.Es wurde auch nicht reagiert als es wieder schmerzte.Es wurde gesagt "wir schauen am Montag"
Der Montag kam und in meiner Blase war alles entzündet und es eiterte.Die Ärztin meinte ich müsste täglich die Hand in irgendeiner Flüssigkeit baden das es eilt.
Als ich nach Hause fuhr war es noch nicht verheilt.Meine Mutter bekam einen Schreck denn sie wusste immer noch nichts.Das hielt sie aber nicht ab,mich noch ein weiteres Mal in Kur zu schicken.Es war ja alles zu meiner Gesundheit.
Dann fuhr ich 1963 nach Garatshausen an den Starnbergersee.
Es war Sommer, ich war 12Jahre alt und meine Erinnerung ist als war es gestern.
Wir fuhren mit dem Zug ab Düsseldorf mit einigen Kindern dort hin.Alle hatten wir unsere Pappkarten um damit wir nicht verloren gingen.Nach ca. 8Std. waren wir an Ort und Stelle.Wir sollten unsere Taschen leeren und alles essbare wurde eigesammelt für den nächsten Tag.Furchtbar!!
Das Kindersanatorium lag auf einem Seegrundstückes war herrlich.Durch meine vorherigen Kuren wusste ich ja wie alles ablief.Wir wurden auf die Zimmer verteilt und ich bekam ein Einzelzimmer mit Fenstervergitterung.Also konnte mir nicht passieren mit anderen Kindern zu quatschen.
Das Essen schmeckte wieder nicht aber ich scheffelte
es in mich rein denn ich wollte es ja nicht auskotzen.
Ich weiss nicht mehr wie meine Gruppe hiess aber unsere Aufpasserin war Schwester Hanni.Sie war keine Schwester aber wir mussten sie so nennen.An sie kann ich mich gut erinneren.Sie war sehr lustig und drückte auch schon mal ein Auge zu.
Dann wieder dieser Mittagsschlaf der mich quälte.Da wir schon 12Jahre waren,waren wir die Grossen und durften sonntags in der Mittagsruhe lesen.Das hat mir sehr gefallen und meine Lektüre war "der Trotzkopf".
Dieses passte sehr gut in die Zeit und auch Tränen flossen wie in jeder Kur.Dieses Heimweh!!!
Da wir Mädchen uns mit Schwester Hanni gut verstanden durften wir mit ihr morgens das Frühstück
herrichten. Es wurden Graubrot mit Magarine und Marmelade geschmiert.So konnte sie länger schlafen denn wir Mädchen waren wach und halfen ihr.
Ich habe an meine letzte Kur auch schöne Erinnerungen
und machten auch eine schöne Fahrt mit dem Bus nach Kloster Ettal,Wieskiche und Oberammergau.

Diese Sehenswürdigkeiten habe ich als Erwachsener noch mal besucht und bin auch in Garatshausen gewesen aber leider steht dieses Heim nicht mehr.
Heute stehen dort Wohnhäuser.Desweiteren habe ich mich bei der Stadt Tutzing gemeldet aber dort war nichts zu erfahren.
Auch hier im Netz ist nichts zu erfahren.Man darf mich gerne anschreiben zum Austausch.

Dieses hat mich sehr geprägt und stelle mir immer die gleiche Frage: warum musste ich als Einzelkind so oft zur Kur???
Da meine Eltern nicht mehr leben werde ich es nie erfahren.
Ich habe dies lange als Strafe gedacht für mich,man wollte mich einfach los werden.
Nach meiner letzten Kur trennten sich meine Eltern und ich blieb beim Vater.
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Daniel schrieb am 27.07.2021
Hallo.
Ich war damals, Anfang 1990, mit 5 Jahren in der „Pullerburg“ Neu Hirschstein / Sachsen.
Ich verstehe nicht warum ich nicht mehr von diesem Ort lese?! War es doch keine schöne Zeit, für mich und viele andere dort.
Aber zum Anfang. Zur Wende 89 Starb mein Opa, für mich kleinen Jungen so ein Schock das ich wieder begann zu Bettnässen.
Nachdem meine Eltern mit mir offensichtlich den ein oder anderen „Facharzt“ besuchten schickte einer dieser Herren mich für 6 Wochen in diese Einrichtung.
Meine Erinnerungen waren wenige, ich habe immer versucht zu verdrängen was geschah. Jetzt wo allerdings mehr und mehr hochkommt und viele daraus resultierende psychische Probleme meinen Alltag bestimmen begab ich mich in Behandlung. Im Alltag und in der Therapie kam immer mehr hoch, so das sich das Puzzle allmählich füllt.
Schlimme Sequenzen von Gewalt, sexuellen Übergriffen, Zwangsernährung, Schlafentzug, Katastrophalen Therapieansätzen und mehr als harten Bestrafungen bestimmen mittlerweile meine Erinnerungen an diesen Ort.
Meine Eltern, streng erzogen vom System, hinterfragten auch nicht warum ihr 5 Jähriger Sohn, bei ihrem einzigen erlaubten Besuch, auf dem Fenster steht und droht herunterzuspringen wenn sie ihn nicht mit nach Hause nehmen würden. Bis heute ist es für sie nicht nachvollziehbar was damals geschah.
Ich werde wohl noch viele Jahre therapieren müssen ehe ich mit den Gedanken und den Erinnerungen umgehen kann.

Vielleicht treffe ich hier Menschen die auch da waren? Bis in die 80ger soll es wohl verhältnismäßig Human zugegangen sein?!
Also vielleicht jemanden der zur Wendezeit dort war?

Ansonsten ist es schön auf dieses Forum gestoßen zu sein. Zu wissen das man nicht allein ist mit diesem Thema, es hilft ungemein. Danke ??

Lg Daniel
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Nicole Kirchmer schrieb am 27.07.2021
Ich war mit 3,5 Jahren für 6 Wochen 1969 in Dausenau wg. chronischem Asthma (BKK BASF). Lt. Aussagen meiner Eltern wurde der Aufenthalt als alternativlos vom Lungenfacharzt Ertlenbruch in Ludwigshafen/Rhein angeordnet ..
Ich wurde mit einem großen Pappschild um den Hals in Ludwigshafen von meinem Vater in den Zug gesetzt und mir wurde versichert, dass mich meine Eltern dort wieder abholen würden, was ich zunächst relativ gelassen als unabdingbar so hinnahm ..
Ich lag in einem schmalen kleinen Zimmer mit 2 Betten und einen wesentlich älteren Mädchen. Ich kenne keinen Namen und auch kein Alter (etwa 8-12 ?), da wir kaum oder nichts miteinander gesprochen haben und auch sonst kein Kontakt bestand. Wir hatten aber auch keine Probleme, es war für mich einfach die bestehende Vorgabe, dass wir beide diesem Zimmer zugeteilt wurden ..
Ich hatte Probleme mit dem Essen, vor allem mit der Haferschleimsuppe, die es täglich vor der Hauptmahlzeit gab. Ich ekelte mich so sehr davor, dass ich sie von Anfang an unter den Tisch mit langer weißer Tischdecke kippte, in der Annahme, dass die Sache damit für mich erledigt sei 🙂 dem war aber leider nicht so. Nach ein paar Tagen wurde ich darauf angesprochen und ich streng daraufhin gewiesen, dass ich ohne diese Suppe, als "Medizin" bezeichnet, keine Hauptspeise bekommen würde. Ich weiß nicht mehr wie lange, einige Tage auf jeden Fall, vtl. auch länger, habe ich dennoch keine Suppe gegessen und daher auch kein Essen mehr zu dieser Mahlzeit bekommen. Abends im Bett habe ich im Dunkeln vor Hunger meine Blendi Erdbeerzahnpasta gegessen. Irgendwann musste ich nur noch einen Löffel Suppe essen, um die Hauptmahlzeit zu bekommen. Was für mich dann auch ok war ..
Schlimm war es auch für mich, dass ich mir selbst mit kaltem Wasser die Haare waschen musste. Das hatte ich zu Hause nicht gelernt. Die normale Körperpflege hat mich vor keine großen Herausforderungen gestellt.
Nach einiger Zeit mit Heimweh und Verwirrung, was der Aufenthalt denn jetzt für mich bedeutete, wurde ich zunehmend entschlossener, mich irgendwie dort durchzubringen, damit ich dann eben ohne Eltern mein weiteres Leben leben konnte. Für mich stand irgendwann fest, dass meine Eltern mich nicht mehr abholen würden, warum auch immer ..
Nachdem sie mich wieder Erwarten dann doch abgeholt hatten, war ich wie versteinert. Meine Überlebensstrategie wurde über den Haufen geworfen und ich konnte oder wollte es nicht glauben, wahrscheinlich aus Angst wieder weggeschickt zu werden. Ich hatte für eine gewisse Zeit Sprechstörungen, so eine Art Kiefersperre und musste ständig weinen.
Nachts hatte ich sehr lange Zeit, etwa einige Jahre, Alpträume und nässte fortan auch nachts ein, was mich sehr unglücklich machte.
Aber am schlimmsten quälten mich bestimmt 5 Jahre ärzlich attestierte Frostbeulen an beiden Füßen, die ich mir in dieser Zeit, ein kalter Winter mit Schnee, zugezog, da ich nur mit Gummistiefeln als Winterschuhe ausgerüstet war und mir diese auch noch ohne Strümpfe selbst angezogen hatte. Diese juckenden Schmerzen (Frühling/Herbst) kann ich heute noch spüren und mich daran erinnern, dass ich mir nur Erleichterung verschaffen konnte, indem ich auf meinen Füßen herumbiss.
Was dieser Aufenthalt mit mir als Person und meiner Entwicklung gemacht hat, kann ich nur erahnen. Mein Verhältnis zu meinen Eltern ist dadurch sicherlich erheblich belastet und mein Lebensweg gezeichnet .. ich hatte allerdings nie Schulprobleme, im Gegenteil erschien mir hinterher keine Schwierigkeit oder Problem zu groß, als dass ich es nicht hätte selbst lösen können.
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Andreas Homolla aus Hamburg schrieb am 27.07.2021
Ich wurde durch einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf die Initiative Verschickungskinder aufmerksam und hatte bis dahin fast keinerlei Erinnerung an diese Zeit. Ich wurde 1964 im Alter von 6 Jahren vom Schwarzwald aus nach Flensburg/Glückstadt für 6 Wochen verschickt. Das Einzige, an das ich mich erinnere war die Zugfahrt von Villingen im Schwarzwald nach Flensburg. Wir waren den ganzen Tag und Nachts unterwegs und ich erinnere mich an die Nacht als wir durch Hamburg fuhren. Ich konnte nicht schlafen und habe dreimal die Ansage vom Bahnhof Hamburg gehört. Das war für mich als Kind eine Sensation in einer Stadt „drei“ Bahnhöfe zu haben. Gleichzeitig war das aber auch meine letzte Erinnerung an diese Zeit. Danach weiß ich gar nichts mehr und ich weiß auch nicht wie ich zurück gekommen bin.
Als ich dann den Artikel in der FAZ und einige der Geschichten im Forum gelesen hatte, kamen bei mir „unangenehme“ Ahnungen hoch. Ich glaube oder ahne, dass ich auch viele der Quälereien ertragen musste, kann mich aber an nichts mehr erinnern. Ich konnte lediglich einige der geschilderten Symptome nachvollziehen und stelle an mir fest, dass ich nach wie vor ein Problem mit dem Gefühl habe für längere Zeit eingesperrt zu sein und deshalb öfters das Bedürfnis habe den Ort zu wechseln – was sich jetzt während des Corona-Lockdowns noch verstärkt hat. Oder auch beim Umgang mit „unfreundlichen“ Autoritäten und ein Gefühl „Immer alles richtig und anderen Recht machen zu müssen“.
Alles das ist zwar nur eine Vermutung aber sicher ist, dass ich die Zeit im Verschickungsheim komplett verdrängt hatte und durch das Lesen der Erfahrungsberichte ein eher unangenehmes Gefühl der Ahnung entstanden ist, dass es mir während der Zeit ähnlich schlimm ergangen ist wie vielen Anderen und dass traumatische Spätfolgen übrig geblieben sind.
An dieser Stelle schon mal vielen Dank an Alle, die Ihre Geschichten erzählt haben und an alle die das Forum ins Leben gerufen haben.
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Ute Störmer aus Grevenbroich schrieb am 27.07.2021
Mein Name ist Ute Störmer,
geboren wurde ich 11/ 1956 und wurde als kleines Kind im Alter von 4 und 5 Jahren mit meinem 2 Jahre älteren Bruder in ein Heim nach Norderney geschickt. Ich empfand es als Abschiebung. Wir waren lästig.
Wir wurden in die Bahn mit vielen anderen Kindern gesetzt und fuhren auf die Insel. Ich erinnere mich an Begleitpersonal.
Ich erinnere mich an riesige Schlafsäle, ich schlief auf einer tief gelegenen Pritsche. Ein Bett war es nicht.
Ob mein Bruder mit in dem Schlafsaal war, daran kann ich mich nicht mehr erinnern.
Morgens wurde das Licht von weiblichen Personen angeschmissen!! Ein lautes Rufen ertönte. Die Frauen hatten weiße Schürzen an.
Mein Nachbarkind wurde nicht wach. Es kam eine weibliche Person mit einem Zahnbecher und goss den Inhalt, Wasser, in das Gesicht des Kindes. Das habe ich mehrfach beobachtet.
Beim Essen saßen mehrere Kinder an einem runden Tisch.
Ich erinnere mich, dass es bei der Mahlzeit "Erbsensuppe" ein Kind in den Teller erbrochen hatte. Eine weibliche Person stand hinter ihr und zwang das Kind, das Erbrochene zu essen.
Ich erinnere mich insgesamt an einen sehr strengen Tonfall der Frauen, die uns "betreuten".
Wenn wir an den Strand, bzw. auf der Promenade spazieren gingen, mussten wir zu zweit in "Reih und Glied" gehen.
Bis heute habe ich nicht verstanden, warum mein Bruder und ich in dieses Heim fahren mussten.
Es wurde aus der Erinnerung heraus einfach entschieden, wir wurden in den Zug gesetzt.
Es ist sehr erleichternd für mich, das nieder schreiben zu können und damit einen Beitrag zur Aufarbeitung dieser Ereignisse zu leisten. Ich empfinde Dankbarkeit, dass wir Kinder von damals gesehen werden, die Ereignisse als Gewalt an der Kinderseele eingestuft werden.
Danke!
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Frank Gnegel aus Frankfurt schrieb am 26.07.2021
Ich war insgesamt drei Mal in den Jahren 1970 bis 1972 im "Kinderheim Kratz" in Bad Rothenfelde. Die Aufenthalte waren keine Kuren, sondern Ferienaufenthalte, die vom Arbeitgeber meines Vaters, der Fima Uhde in Dortmund (einen großen internationalen Ingenieurbüro) organisiert wurden. Man verstand es wohl als soziale Tat oder wollte den Eltern einen Urlaub ohne Kinder ermöglichen. Bad Rothenfelde galt als Kinderkurort, ob aber das sogenannte "Kinderheim Kratz" wirklich ein solches war, kann ich heute nicht sagen. Viele Jahre später bin ich an dem Gebäude vorbeigekommen, da nannte es sich "Pension Kratz", war aber geschlossen.
Ich habe die Heimleitung als drakonisch und streng erlebt; die Aufenthalte waren wenig freudvoll und von Verboten, Regeln und willkürlichen Bevorzugungen geprägt. Kindgerechte Aktivitäten sind mir nicht in Erinnerung geblieben. Stattdessen mussten wir Gartenarbeiten verrichten, etwa stundenlang Obst ernten, insbesondere Stachelbeeren. Die jüngeren Betreuerinnen - heute würde ich sie für Studentinnen halten - waren im Prinzip freundlich, tonangebend war aber die Heimleitung und sie mussten sich fügen und etwa Bestrafungen umsetzen, selbst wenn sie sie für überzogen oder unangebracht hielten.
Das Essen war grauenhaft und bestand oft aus dem, was im Garten geerntet wurde - Pflaumensuppe mit Backerbsen oder eingekochte Birnen aus dem Vorjahr. Es musste aufgegessen werden. Ich mochte etwa bestimmte Dinge - etwa Birnen - nicht und musste dann stundenlang alleine im Speiseraum sitzen und durfte nicht aufstehen, bevor ich nicht aufgegessen hätte. Meiner Schwester, die mich im letzten Jahr begleitete, erging es genauso. Wir aber waren willensstärker, aßen nicht und saßen stundenlang allein vor unseren Tellern. Wir wurden dann irgendwann von einer mitfühlenden Betreuerin erlöst; mussten dann aber Gartenarbeit leisten. Die älteren Kinder (Jungen) genossen Privilegien, ich würde sagen, es ging darum, die Kinder in möglichst kleine Gruppen zu spalten. Freunde habe ich dort nicht gefunden.
Man musste sehr früh zu Bett - gegen 18.00 Uhr - durfte dann nicht mehr aufstehen. Selbst ein Toilettengang war dann mit Angst verbunden. Karten nach Hause wurden kontrolliert bzw. es wurde vorgeschrieben, worüber man schreiben sollte. Ich habe keine positiven Erinnerungen an diese Zeit.
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Dieter T. aus Wilhelmshaven schrieb am 26.07.2021
Durch einen Bericht im ZDF-Magazin „Volle Kanne“ wurde ich (Jahrgang 1954) auf das Problem der sog. „Verschickungskinder“ aufmerksam. Auch ich gehöre in diese Kategorie gehöre, auch wenn ich nur 1x verschickt wurde und auch nur für 4 Wochen. Ich habe deshalb in den letzten Tagen viel in meinem Gedächtnis gekramt und möchte hier einige Zeilen schreiben. Insgesamt muss ich aber sagen – nachdem ich viele Berichte hier gelesen habe- dass ich mit „meinem“ Heim noch Glück gehabt habe und mich nicht nur negativ und keinesweg traumatisch erinnere.

Ich versuche einmal, meine wichtigsten Erinnerungen zusammenzufassen. Zu der Zeit gehörten diese Verschickungen – man nannte es „zur Erholung fahren“ - für uns zur Kindheit ganz normal dazu. Ich wollte auch fahren, auf jeden Fall mussten meine Eltern keinen Druck machen, um mich dort hinzuschicken.
Das Heim, in das ich fuhr, gehörte der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Weser-Ems. Es lag in Holterberg in der Nähe von Osnabrück, ziemlich „am Ende der Welt“. Da meine Mutter Mitglied der AWO war, stand dies wohl von vorneherein fest. Dass die Erholung einen medizinischen Hintergrund hatte, wusste ich nicht, außer, dass ich zunehmen sollte. Ein Freund und eine Klassenkameradin fuhren auch mit, die hatten – wenn überhaupt – sicher nicht die gleichen Gesundheitsprobleme wie ich.
Wenn ich an diese vier Wochen im März/April 1964 zurückdenke, kommen mir zuerst das Essen, das mir selten schmeckte, dann eine große Langeweile in den Sinn. Dass es ziemlich streng zuging, war ich so auch nicht gewöhnt, ich schaffte es aber, mich schnell anzupassen. Am ersten Tag bekam ich eine Ohrfeige, weil ich den Betreuer mit einer oder mehreren dummen Bemerkungen genervt hatte, und dann wusste ich, wo es langging. Außer Ohrfeigen, die damals gesellschaftlich noch akzeptiert waren, wurde aber nach meiner Erinnerung nicht geschlagen, auch an andere Strafmaßnahmen, wie sie in vielen Berichten dargestellt wurden, kann ich mich nicht erinnern. Der Betreuer unserer Gruppe – ca. 17 Jungen von 7 – 14 Jahren – war Student und machte diese Arbeit als Praktikum. Die „Tanten“, die die Mädchen und die kleinen Kinder betreuten, waren nach meiner Erinnerung unangenehmer.
Furchtbar waren die Milchsuppen, die es jeden Morgen gab – selten gut schmeckend, manchmal fast ungenießbar – und die als erstes zu essen waren. Was es danach gab, weiß ich nicht mehr. Mittags gab es oft Kartoffeln, die in irgendeiner Weise verdorben waren, jedenfalls waren sie hart und glasig. Ich war froh, wenn es Suppe gab, die keine oder wenig Kartoffeln enthielt. Es gab wohl das, was man damals „Hausmannskost“ nannte, Details werden aber bei mir durch die Erinnerung an die verdorbenen Kartoffeln überlagert. Dass „gegessen wird, was auf den Tisch kommt“ und die Teller leer zu essen waren, war damals allgemein üblich und in unseren Köpfen ziemlich verankert, dazu brauchte es keine Strafen. Was mit Kindern passierte, die ihr Essen absolut nicht schafften, weiß ich nicht mehr. Das Aufessen von Erbrochenem oder Zwangsfütterungen gab es jedenfalls nicht, auch nicht, dass Kinder stundenlang vor ihrem Teller sitzen mussten, es kann aber sein, dass solche Maßnahmen angedroht wurden. Es gab dann nach dem „Mittagsschlaf“ und abends noch je eine Mahlzeit, aber davon habe ich nichts zu berichten.
Den „Mittagsschlaf“ fanden wir wohl alle schrecklich. Wie es durchgesetzt wurde, dass wir in dieser Zeit tatsächlich ruhig waren, weiß ich nicht mehr, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es ohne Strafen ging.
Womit wir die übrigen Zeiten des Tages verbrachten weiß ich nur noch bruchstückhaft. Einige Male durften wir Jungen an einer großen Windmühle weiterarbeiten, die irgendwann draußen aufgestellt werden sollte. Das machte mir großen Spaß, war aber nur selten. Auch im Wald waren wir oft und Spiele haben wir auch gemacht. Einmal haben wir mit den Mädchen unter Anleitung der „Tanten“ gebastelt. Ich meine, wir hätten auch Holz für ein Osterfeuer gesammelt, aber an ein Feuer kann ich mich nicht erinnern. Auf jeden Fall war zwischendurch immer viel Zeit, in der ich mich gelangweilt habe.
Die Postzensur machte mir keine Probleme, deshalb habe ich sie nicht wahrgenommen. Auch ohne Zensur hätte ich meinen Eltern nicht geschrieben, dass mir das Essen oft nicht schmeckt und schon gar nicht, dass ich auch mal eine Ohrfeige bekommen habe. Und Heimweh hatte ich ja – trotz einiger Negativerlebnisse – tatsächlich nicht und abgeholt werden wollte ich auch nicht. (Meine Eltern hätten ein solches Ansinnen, jedenfalls wegen solcher Kinkerlitzchen, auch abgelehnt.)
Der Erfolg einer solchen Erholungsmaßnahme wurde auch bei uns ausschließlich an der Gewichtszunahme gemessen. Bei mir kam eine Gewichtszunahme von 1kg (bei rund 30kg Körpergewicht) heraus. Ob damit die „Erholung“ als erfolgreich galt, weiß ich nicht mehr.
Alles in Allem war diese „Erholung“ für mich eine Enttäuschung, hat mich aber in keiner Weise traumatisiert. Es stand allerdings für mich fest, nicht noch einmal in eine solche Einrichtung fahren zu wollen.
Das ich das ganze hier poste hat seinen Grund darin, dass ich in diesen Seiten das Problem sehe, dass diese Maßnahmen hier zu sehr in einem negativen Licht gesehen werden und der Eindruck erweckt wird, der größte Teil der Kinder, die an solchen Maßnahmen teilgenommen haben, seien dadurch traumatisiert worden. Ich denke, vielen Kindern wird es ähnlich gegangen sein wie mir, d.h. ich habe mich nicht besonders wohl gefühlt, aber es war auch nicht die schrecklichste Zeit der Kindheit. Auch die Betreuer*innen waren wohl oft gutwillig, hatten den Umgang mit den Kindern aber nicht anders gelernt. Und die Leiter dieser Einrichtungen waren ja alle durch die Nazi-Zeit gegangen.
Ein Problem war wohl auch darin begründet, dass viele Kinder viel zu jung verschickt wurden, nicht vorbereitet waren und sich abgeschoben fühlten. Ich war ja immerhin schon fast 10, wusste, dass (fast) jedes Kind einmal zu Erholung fährt und wollte das auch. Ich wusste auch (und konnte die Zeit abschätzen) dass ich nach vier Wochen wieder nach Hause fahren würde und dass dann wieder alles beim alten wäre. So war es dann auch, und besondere negative Spuren hat dieser Aufenthalt bei mir nicht hinterlassen, allerdings auch keine positiven.
Ich habe jetzt viel mehr geschrieben als ich eigentlich wollte (weil mich das Thema eben doch bewegt) und dies ist schon die kurze Fassung. Eine noch etwas umfangreiche Fassung stelle ich wahrscheinlich in den nächsten Tagen in meinen persönlichen Blog, der unter diti-whv.de/wordpress im Internet zu finden ist.
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Cornelia Krück aus Hofgeismar schrieb am 23.07.2021
Im Jahr 1969 war ich wegen chronischer Bronchitis im Eisenbahn- Waisenhort Lindenberg/ Allgäu. Neben Kurkindern lebten dort, wie der Name schon sagt, auch Waisen oder Kinder, die vom Jugendamt aus der Familie genommen wurden. Zudem gab es eine geschlossene Abteilung für Kinder, die dort nach überstandener Tbc kurten. Das Heim selbst erlebte ich als sehr gross mit vielen Kindern, die in einem grossen Saal gemeinsam das Essen einnahmen. Es musste alles aufgegessen werden, auch wenn es nicht schmeckte. Ich erinnere mich an widerlich schmeckenden Brathering und dünnen Hagebuttentee. Geschlafen wurde in relativ grossen Mehrbettzimmern. Es gab regelmässige Untersuchungen, dazu Inhalationen. Spaziergänge mit der Gruppe waren obligatorisch. Als eher schüchternes und ängstliches Kind fühlte ich mich dort recht verloren, weinte viel und zog mich zurück. Schutz vor Schlägen durch ältere Kinder gab es nicht. An körperliche Misshandlungen durch das Personal kann ich mich nicht erinnern. Eher wirkten die Erzieherinnen unpersönlich und wenig empathisch. Auf die Ängste der Kinder, ihr Heimweh und andere Besorgnisse wurde überhaupt nicht eingegangen. Eher musste man damit rechnen, ausgelacht oder vor den anderen Kindern verspottet zu werden.Ausnahme war eine sehr einfühlsame Krankenschwester auf der Krankenstation, wo ich mich wegen einer Rötelnerkrankung die letzten Kurtage aufhalten musste. Bis heute habe ich eine Abneigung gegen Heimeinrichtungen jeder Art oder Krankenhäuser. Ich arbeite heute als Sozialpädagogin und versuche, den mir anvertrauten Kindern und Jugendlichen ein Höchstmass an Verständnis und Einfühlsamkeit entgegen zu bringen. Bisher ist mir das ganz gut gelungen, glaube ich.
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Georg Söder aus Nürnberg schrieb am 23.07.2021
Hallo,
ich war ein völlig normal gebauter, sich ständig in Bewegung befindlicher schmaler Junge, den sie in diesem Heim dicker machen sollten. Wer auch immer das veranlasst hat, ob Hausarzt oder Gesundheitsamt in Bad Neustadt an der Saale, hat jedenfalls das Falsche getan. Ich war 2 Wochen vor den Osterferien, während der zweiwöchigen Osterferien und zwei Wochen nach den Osterferien in Hafenpreppach „auf Kur“. Es war eine der schlimmsten Perioden meines Lebens. Geleitet wurde das Heim von einem katholischen Schwesternregimes der übelsten Sorte. Mir sind noch zwei der übelsten namentlich in Erinnerung. Es waren Geschwister und sie hießen mit Nachnamen Leuthäuser. Wir waren zu zehnt oder zu zwölft auf einem Zimmer mit Stockbetten. Bettnässen war an der Tagesordnung und Pech hatten die, die unten schlafen mussten. Ich hatte Pech. Das Essen war eine Katastrophe. Aufessen war unumgänglich. Als ich mich weigerte, die reinen Fettbrocken in der Kartoffelsuppe aufzuessen, wurde ich alleine im Speisesaal zurück gelassen mit der Maßgabe da so lange bleiben zu müssen, bis der Teller leer war. Nach einiger Zeit und mit panischem Ekel raffte ich mich auf und warf die Fettbrocken aus dem Fenster an der Wand hinunter, die glücklicherweise mit Wein berankt war, so dass der Aufprall der Fettbrocken abgemildert wurde. Nachdem ich mit dem Essen „fertig“ war, begab ich mich so bald es mir möglich war nach draußen, um die Fettbrocken in einen Kanaldeckel zu werfen. Züchtigungen jeglicher Art waren an der Tagesordnung im Unterricht wie auch im sonstigen Tagesverlauf. An Ostern hatten wir Besuch von unseren Eltern und mussten auf der Treppe stehend ein zuvor eingebläutes Lied „Das Wandern ist des Müllers Lust“ schmettern. So ziemlich alle Jungs heulten wie die Schlosshunde, die Holztreppenstufen wurden nass und dunkel. Das Zusammentreffen mit den Eltern war ein Drama. Zur Belohnung, dass ich da bleibe ins mich noch 3 Wochen „zusammenreiße“, wurden mir ein Paar Rollschuhe in Aussicht gestellt, die ich dann auch bekommen habe. Ich habe mir damals geschworen, dass ich das meinen Kindern, falls ich jemals welche haben sollte, nie antun werde. Ich habe zwei erwachsene Söhne und weder ein Heim- oder Internatsaufenthalt kamen infrage. Es ist eigentlich unglaublich, welch Leid Kindern sogar unter staatlicher Aufsicht in solchen Heimen, die ihren Namen nicht verdienen, angetan wurde. Ich war mittlerweile zweimal dort in Hafenpreppach, aber leider kommt man nicht mehr hinein, da es nun in Privatbesitz ist. Da sind jetzt 51 Jahre vergangen und das lässt mich nicht mehr los und ich weiß gar nicht, ob es mich psychisch geschädigt hat und wenn, wie oder nicht. Schön war es keinesfalls dort und für viele traumatisierend. ??
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Reuschling aus Ditzingen schrieb am 19.07.2021
Ich wurde im Alter von sechs Jahren für
Sechs Wochen, in ein solches Erholungsheim von meinen Eltern gebracht. Warum weiß ich nicht mehr, ich glaube wegen Keuchhusten und zu mager. Briefe, die ich natürlich nur bedingt schreiben konnte, wurden zensiert und nicht verschickt. Ich musste essen, was ich nicht mochte, damals Erbsen und Karotten Gemüse, und so lange am Tisch alleine sitzen bleiben, bis ich aufgegessen hatte. Und zur Not wurde nachgelegt. Danach ins Bett. Dort habe ich das erbrochen. Das Bett wurde nie frisch bezogen.
Man musste Mittagsschlaf machen, und liegen bleiben, bis eine Schwester kam. In diesem Alter natürlich nicht mehr notwendig. Auf die Toilette durfte man nachts nicht und auch nicht während dem Mittagsschlaf.
Ich wurde zur Strafe immer an meinen Zöpfen gezogen, und zwar nach oben, WAs besonders schmerzhaft ist. Es waren katholische Schwestern. Nach drei Wochen kamen meine Eltern zu Besuch. Da durfte ich fast nichts sagen. Ich hatte gebettelt mich nach Hause zu nehmen. Entweder ging das nicht, oder meine Eltern wollten es nicht.
Ich werde das alles nie vergessen! Ich bin jetzt 61!
Nach Hause kam ich dann mit Kopfläusen.
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Alfons Siepert aus 86825 Bad Wörishofen schrieb am 18.07.2021
Mit 5 und mit 8 Jahren war ich wegen asthmatischer Beschwerden im selben Kinderheim der Caritas.
Die Post wurde zensiert, sowohl eingehende, als auch ausgehende. Es wurde erheblicher Zwang zur Essensaufnahme ausgeübt. Erfolgskriterium war die Gewichtszunahme der Kinder in der Zeit der Verschickung.
Mochte jemand sein Essen nicht, wurde er gezwungen, den Teller leer zu machen.
Ich konnte und kann keine rohen Zwiebeln essen. Der aufgetischte Salat war gespickt damit.
Ich musste diesen Salat essen und musste ihn immer wieder auswürgen. Man gab mir immer wieder neuen Salat und ich musste das Erbrochene auch wieder aufessen. Manchmal hielten mich zwei „Schwestern“ fest, eine dritte hielt mir die Nase zu und die vierte stopfte mir den Salat in den Mund.
Es war eine oft praktizierte Prozedur, ich habe in meiner Gruppe innerhalb von 6 Wochen pro Verschickung mindestens 8-10 mal so eine Behandlung gesehen.
Insgesamt war Autorität, Gehorsam und Unterordnung kennzeichnend. Der Umgang mit den Kindern war rau, herablassend und konfrontativ.
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Ulrich Rodon schrieb am 18.07.2021
Ich war damals 6 Jahre alt und schon immer ein kränkliches Kind gewesen. Auf Anraten des Hausarztes kam ich in die Landverschickung nach Sylt. Es ging abends mit dem Zug aus Süddeutschland (BW) zusammen mit anderen Kindern los, obwohl ich noch an einer Zeckeninfektion kurierte. Eine karierte Decke zum Schlafen im Zug hatte ich mitbekommen. Da ich in dieser Zeit meinen Geburtstag haben würde, hatte ich auch schon mein Geburtstagsgeschenk, einen Steiff-Pinguin, dabei. Ich erinnere mich noch daran, dass das Erste, was in Klappholttal passierte, die Wegnahme der Kuscheltiere war, die im Gemeinschaftsraum sozialisiert wurden (was das Schlimmste ist, das ich der Einrichtung vorwerfen kann). Mein Kuscheltier bekam ich aber offensichtlich für nach Hause wieder zurück. Für mich als Kind war es furchtbar, dass man Joghurt (in Plastikbechern) essen musste, das ich nicht kannte. Immerhin durfte ich haufenweise Zucker reinpacken, um es überhaupt runterzubekommen. An Sanktionen oder Strafen kann ich mich nicht erinnern. Aber daran, dass ich jede Nacht bettnässte, Heimweh?, oder andere Gründe? (mein goldgesteifter Schlafanzug hing folglich jeden Tag auf der Leine). Ganz schlimm war, dass im Vorfeld meines Geburtstags andere Kinder schon Geschenke (ich erinnere mich an Süßigkeiten) von zuhause zugeschickt bekommen hatten (diese dann unter den Kindern verteilen konnten) und ich dies nun auch für meinen Geburtstag erwartet hatte. Es kamen zwei Postkarten: eine von meinen Eltern und eine von meinen Geschwistern. Da kommen mir noch heute die Tränen, mit 61 Jahren.

Was ich der Institution also ernsthaft vorwerfen kann: Das Wegsozialisieren meines Kuscheltiers.

Was waren generelle Probleme für mein Alter:
Mit aggressiven Jungs-Gruppen hatte ich schon damals wenig am Hut und natürlich das Heimweh.

Was habe ich Positives zu erzählen:
Ich habe dort sehr viel über die Sylter Umwelt und biologische und meeresbiologische Zusammenhänge gelernt. Ich studierte später dann auch Biologie. Weiterhin habe ich von meinen Mitschützlingen gelernt, wie man Knoten macht und wie man mit Gürteln schnalzt.
Die innere Sicherheit, dass man überall hin reisen kann, das bleibt mir bis heute.
Nachwirkungen:
Ich kam total fertig zurück nach Hause. Das Willkommensfoto von mir vor dem Haus meiner Großeltern spricht Bände.
Und: In der Folge machte meine Familie einen Urlaub in Italien. Wie meine Mutter erzählt, gab es dort auch solche Kindergruppen am Strand. Und ich wich diesen immer aus, was meine Eltern total irritierte.
In den 70ern wollten meine Eltern meine Nachzügler-Schwester auch in die Landverschickung geben. Da muss ich damals massiv protestiert haben.

Zum Thema: das wird erst jetzt aufgearbeitet.
Es muss schon in den 70ern, 80ern Presseartikel - ich vermute im Stern - zum Thema Klappholttal gegeben haben, da meine Mutter immer wieder davon erzählt, dass sie erschrocken sei, als sie von den Zuständen dort erfahren habe und was sie mir zugemutet hätte.
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Irmgard Manntz aus Berlin schrieb am 16.07.2021
Ich bin 1956 als Fünfjährige zu einer sechswöchigen Kur vom Kinderarzt nach Wyk auf Föhr wegen Unterernährung verschickt worden. Dort sollte ich aufgepäppelt und aufgebaut werden. Leider stellte sich vom ersten Tage an heraus, dass es hier nicht um Wohlfühlen, Erholung und Aufbau ging, sondern ein extrem autoritäres Regime von Tanten uns Kinder in jeglicher Hinsicht gängelte. Bei mir ging es täglich darum, dass ich alle Mahlzeiten komplett aufzuessen hatte, was ich aber nicht einhalten konnte, wenn es mir nicht geschmeckt hatte. Dann kam umgehend eine Strafmaßnahme: Einsperren im Badesaal. Wenn ich mich gegen andere "Regeln" auflehnte, weil ich sie nicht verstehen konnte, kam ich für viele Stunden in eine dunkle, fensterlose Kammer. Wenn wir im Schlafsaal noch gesprochen oder gesungen haben, wurde das ebenfalls mit Strafmaßnahmen belegt: man musste einzeln im Gang liegen, damit alle sehen konnten, dass man etwas "verbrochen" hatte... ich kann mich gar nicht mehr an alles erinnern (über die Jahre erfolgreich verdrängt), aber insgesamt war diese Kur eine Tortour mit Gefängnischarakter. Eine Erinnerung an Ausflüge oder Stranderlebnisse an der frischen Seeluft habe ich überhaupt nicht. Das hatte zur Folge, dass ich später mit meiner Familie zwar sehr gern an die Nordsee gereist bin, aber ausdrücklich niemals nach Föhr !!!
Ich habe diese Erlebnisse vor ein paar Jahren erstmalig meinem Mann erzählt, er war fassungslos und konnte verstehen, warum ich um Föhr einen großen Bogen geschlagen habe.
Ich habe erst heute durch den Tagesspiegel-Newsletter von dem Schicksal der "Verschickungskinder" gelesen und da ist alles wieder hochgekocht. Ich hoffe sehr, dass es heutzutage nicht mehr möglich ist, Kinder in einer Kur dermaßen zu drangsalieren!!!
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Michael schrieb am 16.07.2021
Ich war zu einer Kinderkur in den 70-er Jahre in Bad Dürrheim. Briefe der Eltern wurden allen Kindern öffentlich vorgelesen. Ich wurde gezwungen, einen Apfel und eine Tomate zu essen. Seither habe ich nie mehr einen Apfel und eine Tomate gegessen.
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Norbert schrieb am 10.07.2021
Ich war bei mit 12 Jahren bei den ältesten Teilnehmern, war schon ausgewachsen und wegen der Rückenprobleme als Kind eines Postbeamten über die Postbeamtenkrankenkasse auf Kindererholung in St. Peter Ording. Wir waren dort in Mehrbettzimmern untergebracht. Es gab durchaus in St. Peter Ording auch schöne Erlebnisse, aber das Meiste, dass ich dort erlebt habe, ist weg. Schön waren Strandgänge, das Fußballschauen und ähnliches. Ich kann mich auch an eine Sturmflut und gesammelte Muscheln erinnern.

Schon lange bewusste und bekannte Belastungssituationen: Obwohl mir Fisch und bestimmte Gemüsesorten nie geschmeckt haben musste ich täglich mindestens einmal Fisch und Gemüse essen, wer nicht gegessen hat wurde vor versammelter Mannschaft öffentlich gedemütigt, beschimpft und bestraft. Auch wir Jungs mussten täglich nackt unter Aufsicht von Frauen duschen.

Und dann der Sexueller Missbrauch: Weil ich wegen meiner im Alter von 6-7 Jahren Operation keine Vorhaut mehr hatte und somit von Klassenkameraden gehänselt wurde habe ich alle Situationen vermieden, in denen ich nackt war bzw. mein Glied sichtbar war. In Sankt Peter Ording habe ich also erst versucht in Badehose zu duschen, nachdem dies mir verboten wurde habe ich erst mit dem Rücken zu den Betreuerinnen geduscht, später wurde ich gezwungen mich mit dem Gesicht zu den Betreuerinnen hin zu duschen und alle Stellen des Körpers wahrnehmbar vor den Augen der Betreuerin zu waschen. Scheinbar war das nicht „ordentlich“ genug, weil ich dann in den besonderen Fokus geraten bin und im Bett regelmäßig „Sand-Kontrollen“ gemacht wurden. Da im Bett „Sand gefunden“ wurde bei mir regelmäßig kontrolliert. Der konkrete Mißbrauch erfolgte so: Eine Betreuerin hat mich im Bett „kontrolliert“ und solange an meinem Glied rumgemacht bis ich einen Orgasmus hatte, danach hat sie gesagt „So jetzt bist Du ein Mann“. Das Ganze hat in einem vollbelegten Mehrbettzimmer bei Verdunkelung stattgefunden. Ich musste stillhalten und schweigen. Dabei fühlte ich mich hilflos und ohnmächtig und lag mit der „Sauerei“ im Bett. Ich konnte mit Niemanden über dieses Ereignis sprechen, weder dort noch später mit meinen Eltern und habe es tief in mir vergraben, verdrängt und vergessen bis es 2020 wieder da war. Trotzdem hatte ich jahrelang Albträume, ekele mich seitdem vor Fisch und dem Geruch von Samen und habe über die Jahre PBTS und andere psychische Probleme entwickelt.
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Günther Beirle aus Fürstenfeldbruck schrieb am 09.07.2021
Ich war im Sommer oder Herbst 1975 im Alter von 6 Jahren für 6 Wochen in Neustift/Passau zur „Kur“. Das Haus wurde von Orden der Benedikterinnen der fortwährenden Anbetung (damaliger Name) geleitet, und war bis 1965 eine TBC-Kinderheilstätte. Das Haus wurde 1988 abgerissen.
Vorangegangen war eine Schulvoruntersuchung, bei der meine Reife für die Einschulung begutachtet wurde, weil ich erst kurz vor Schuleintritt 6 Jahre alt wurde. Ein Mann mit mir unbekannter Profession legte dazu meinen Arm über den Kopf, da meine Hand das Ohr nicht erreichte, empfahl er eine Rückstellung und eine 6wöchige Erholungskur. Meine Mutter brachte auch mein nächtliches Verlangen, ins elterliche Bett zu krabbeln, ins Gespräch. „Das gibt sich dann“ sagte der Mann.
Vorangegangene Traumatisierungen kamen leider nicht zur Sprache, wie beispielsweise der Unfall meines Vaters 2 Monate vor meiner Geburt, die ihn durch schwere Gehirnblutungen schwer geistig behindert zurückließen. Oder die Umzüge von Ulm nach Koblenz, und von dort nach München, bei denen ich jeweils Umfeld, Freunde und Umgebung aufgeben musste.
Die Wochen vor der Verschickung bekam ich zunehmend immer mehr Angst, und weinte und bettelte darum, daheim bleiben zu können. Meine Mutter war jedoch in Ihrer eigenen (Nachkriegs-)Kindheit selbst auf Erholung gewesen, irgendwo am Meer, und hatte nur positive Erinnerungen daran. (Das muss man vielleicht auch im Kontrast zu Ihren Erlebnissen im Elternhaus und später in diversen Heimunterbringungen sehen, die gleichermaßen geprägt von Gewalterlebnissen waren)
Ich kann mich noch gut an den Reisebus erinnern, in dem ich dann zusammen mit anderen Kindern saß. Der fuhr irgendwo in München ab. Draußen vor dem Fenster stand meine Mutter und winkte, ich hörte irgendwann zu weinen auf.
Obwohl ich über ein gutes und detailliertes Erinnerungsvermögen verfüge, habe ich an die folgenden 6 Wochen ab diesem Punkt so gut wie keine Erinnerung, nur ganz wenige Bilder und Szenen sind für mich greifbar.
Ich wurde krank vor Heimweh, hatte Bauchschmerzen und Durchfall. Im Speisesaal sitze ich an einem runden Tisch mit etwa 6 anderen Kindern. Eine Nonne tritt hinter mich und sagt: „Hier stinkst. Hast Du wieder in die Hose geschissen?“. Ich nicke, und sie führt mich aus dem Raum in ein kleines Bad. Das Bad liegt direkt an dem Korridor, der aus dem Speisesaal zurückführt. Bei offener Tür werde ich abgeduscht, die anderen Kinder sehen beim zurückgehen vom Speisesaal zu mir herein.
Zur Mittagsruhe lagen wir auf unbequemen Decken auf dem Boden eines großen Raumes, die wie eine Tabelle ordentlich ausgelegt waren. In der Mitte stand ein Schreibtisch, an dem eine Nonne saß und uns überwachte. Wir mussten lange Zeit dort liegen, ohne Sprechen, und mit geschlossenen Augen. Ich erinnere mich, die Angst entwickelt zu haben, irgendwo hinzublicken, wo auch die Nonne hinsah, weil sie meinen Blick dann bemerken könnte.
Ich erinnere mich an einen Spaziergang im Wald.
Baden und Haarewaschen fand in einem seltsamen Bad statt, ein großer Raum mit mehreren Badewannen hintereinander, alles weiß gekachelt. Ich erinnere mich an eine grobe Nonne, die mir den Kopf nach hinten hielt und sagte, ich solle mich nicht so anstellen, da ich wegen des Wassers in den Augen weinte.
Ich erinnere mich an einen Versuch, nachts auf Klo zu gehen, und die Angst dabei. Ich wurde von einer Nonne im Gang erwischt, weiß aber nicht, was daraufhin geschah.
Es gab wohl ein Telefonat zwischen dem Heim und meiner Mutter und Stiefvater, die eigentlich wegen der Nähe (München/Passau) einen Besuch versprochen hatten. Das Heim empfahl, darauf zu verzichten, sonst würde es schlimmer werden mit dem Heimweh.
Ich erinnere mich an ein Hallenbad, da war dann auch mal ein Mann dabei statt den Nonnen. Ich wollte nicht ins Wasser springen und wurde hineingeworfen.
Da ich nicht untertags in der Schule war wie die meisten anderen, war ich immer bei ein paar Nonnen in der Stube. Ich musste basteln, Holzkreisel verzieren und Bastbienen flechten. Das durfte ich aber nicht behalten, das wurde als Andenken verkauft.
Im Schlafsaal waren etwa 10 Betten, ich erinnere mich an nächtliches Weinen, und dass mir die älteren immer meine Sachen weggenommen haben. Das ließ mich endgültig verzweifeln, meine Mutter legte doch sehr Wert darauf, daß man ordentlich mit seinen Dingen umgeht. Es ging um ein Nagelpflegeetui und einen Gürtel, die ich nicht zurückbekam. Tatsächlich schrieb meine Mutter das Heim später noch an, und ließ nach dem Gürtel nachforschen.
Ich habe noch ein Bild von Beten und Singen in einer kleinen Kirche oder Kapelle, das war wohl ein Raum im Haus.

An Spielen oder interagieren mit anderen Kindern kann ich mich nicht erinnern, an kein Lachen, kein Frühstück, kein Anziehen oder Ausziehen, kein Aufstehen, kein Trösten. Was habe ich den ganzen Tag gemacht? Ich weiß es nicht. Ich kann mich auch nicht erinnern, wie ich nach Hause kam.
Ich glaubte irgendwann nicht mehr, daß ich wieder nach Hause komme. Ich war schon nach wenigen so verloren und verzweifelt, daß ich mich selbst völlig aufgab. Ich hatte mein Zuhause irgendwie vergessen. Wie es dort weiterging, ob ich meiner Mutter je erzählt habe, wie es dort war, ob sie hat ahnen können, was mit mir passiert ist? Ich weiß es nicht. Meine Erinnerung fängt erst Monate nach der Rückkehr wieder an. Die Beziehung zu meiner Mutter war nie wieder wie vorher.
Im späteren Leben fiel Vieles schwer: Schwimmen lernen, meinen Eltern vertrauen, Wegfahren, vor Menschen sprechen, Menschen vertrauen, mich selbst mögen, Glauben geliebt zu werden, Gott nicht zu fürchten, Essen in größerer Gesellschaft, Trennungsangst ertragen, Freunde finden, Autorität ertragen, Menschen hinter Schreibtischen ertragen. Um nur einiges zu nennen.
Mit 25 Jahren begannen Panikattacken und anhaltende Angstzustände, wenn ich verreiste. Bis heute ist das immer schlimmer geworden, Urlaub ohne Angst ist nur mit Medikamenten übrig. Angst, Selbstzweifel, Konzentrationsstörungen, Schwindel, Beklemmung, Durchfall, Panikattacken, Zwänge und Depression begleiten mein Leben ebenso wie therapeutische Behandlungen. Aber erst jetzt, durch meine später Vaterschaft und einem Sohn, der bald in das Alter kommt, in dem ich damals war, wurde mir unangenehm heftig bewusst, welches Trauma mir bislang mein Leben vehunzt hat. Erst kurz danach entdeckte ich, dass es nicht nur ein „böses“ Heim gab.

Und jetzt steh ich hier, im Bewusstsein, das ganze Generationen habgieriger Akteure, Mitarbeiter und Betreiber, Träger und Ämter im Wohlfahrtswesen - gleich einer Industrie - ganze Generationen Schutzbefohlener aus finanziellem Interesse, vielleicht gelegentlich gespickt mit Lust am Sadismus, vermarktet und ausgebeutet haben. Und dabei die Kindheit und Zukunft von Millionen deformierten oder zerstörten.
Alles was bleibt, ist, lückenlos, bedingungslos und ausnahmslos die Zusammenhänge aufzuklären, damit alle beteiligten Institutionen ihren heute tadellosen Leumund und ich prächtiges (und gewinnträchtiges) Erscheinungsbild nur behalten können, wenn sie sich zu Ihrer Verantwortung bekennen.
Wer auch in Passau war und Interesse am Austausch hat: es gibt eine Passauer Gruppe im Forum.
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Helmut Althaus aus Simmern/Hunsrück schrieb am 08.07.2021
Ich wurde von meiner Mutter zum nächsten Bahnhof gebracht. Dort war bereits eine andere Mutter aus unserem Dorf mit ihrer ca. achtjährigen Tochter, die ebenfalls verschickt werden sollte. Ich habe dieses Mädchen später in Bad Rappenau niemals gesehen. Mädchen waren wohl in einem anderen Bereich des Heimes untergebracht. Jedenfalls ging es mit dem Zug von Tanten begleitet weiter. Bis Bad Rappenau war die Zahl der Kinder, die unterwegs zustiegen, zu einer stattlichen Gruppe angewachsen. Vom Bahnhof ging es per Fußmarsch ins Kinderheim.

Wenn ich nun, natürlich ohne Belastungseifer und um Objektivität bemüht, meine Eindrücke schildere, so muss die Zeit berücksichtigt werden. Als Kind war man einiges gewohnt und abgehärtet. In der Schule wurde noch geprügelt. Selbst der Ortsgeistliche, der auch als evangelischer Religionslehrer fungierte, hatte mich Monate vorher mit einer Drachenlatte (vom Werkuntericht übriggeblieben, weil zu schwer) geprügelt. Dass ich sechs Wochen vorher am Blinddarm operiert worden bin, spielte da keine Rolle. Der Grund für die Strafe war das Vergehen, am vergangenen Sonntag seinen Kindergottesdienst „geschwänzt“ zu haben. Perfide war auch das installierte Spitzelsystem des Seelsorgers. Ein Schüler seines Vertrauens, ein eifriger Kirchgänger, musste zu Beginn der Unterrichtsstunde vor der Klasse die Namen laut verlesen, damit Pfarrer Dr. Rieger (Jahrgang 1913) wusste, wen er über die Bank zu legen hatte. Eben Methoden der Denunziation, wie sie in der NS-Zeit üblich waren. Man hatte es in den ersten drei Jahrzehnten nach dem Krieg mit Erwachsenen zu tun, die selbst im Nationalsozialismus erzogen worden waren und diesen Zeitgeist noch lange mehr oder weniger verinnerlicht hatten.

Ich war ein guter Esser und hatte hier  keine Probleme. Die Küche war natürlich. Im Grunde war das Essen so schlecht nicht. Ich kann mich noch gut an den Joghurt im Glas erinnern, Naturjoghurt und nicht der heute oft gereichte Fruchtjoghurt mit allerlei Chemiezusatz. Gerne gesehen wurde es, wenn er mit einem oder zwei Löffeln Zucker kalorienreicher gemacht wurde. Das konnte man aber selbst entscheiden. Geschlafen wurde im kargen Jungen-Schlafsaal. Die etwas betagten Eisenbetten, vielleicht noch aus Wehrmachtsbeständen, hatten keinen Lattenrost, sondern lediglich eine Drahtbespannung. Nachmittags war in einer offenen, überdachten Halle aus Holz im Grünen die gut überwachte Mittagsruhe zu halten. Das bedeutete stundenlang still zu liegen. Vorher wurde noch die Post verteilt. Das Heimweh war auch für einen Zehnjährigen ein gewaltiges Problem. Kam mal mehrere Tage keine Post, war das für die kindliche Psyche eine Katastrophe. Ein- und besonders ausgehende Post wurde selbstverständlich kontrolliert, wahrscheinlich auch mal zurückgehalten. Als Kind war man von zu Hause abgeschnitten. Ein Telefon gab es in normalen Haushalten damals nicht. Anrufe von zu Hause wären sicher unterdrückt worden. Der Sommer 1957 war sehr heiß. Das Fußballspielen auf der Wiese untersagte man uns. Wir sollten ja an Gewicht zunehmen. Wir wurden oft gewogen und das Ergebnis in eine Kladde eingetragen. Erinnern kann ich mich an begleitete Spaziergänge, auch in den Wald. Wir bauten dann mit Steinen kleine Dämme in den Bach. Nach dem Abendessen wurden meist Volkslieder gesungen. Es wurde auch ein kleines Theaterstück einstudiert. Ich hatte eine unbedeutende Nebenrolle. Andere waren wohl talentierter, was von den Tanten durchaus wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Einmal wurde ich zur Oberin gerufen. Mein Vater stand im Eingangsbereich, daneben mit strengem Blick und Regiment die Oberin des Diakonissenhauses. Der Abstand war ca. 5 Meter. Es wurde kaum etwas gesprochen, Nach gefühlt einer oder zwei Minuten wurde ich wieder zurückgeführt. Mein Vater konnte seine Gefühle nicht gut ausdrücken. Traumatisiert aus dem Kriege heimgekehrt, gab es damals keine Hilfen in Form von therapeutischer Betreuung. Jeder, und es gab sehr viele, musste mit seiner posttraumatischen Belastungsstörung allein zurechtkommen. Viele sind dem Alkohol und/oder anderen Süchten verfallen. Hintergrund war wohl, dass meine Mutter gedrängt hatte, den Jungen (sehr wahrscheinlich unangemeldet) spontan zu besuchen, auch wenn es eigentlich verboten war. So musste mein Vater mit dem Moped (ein Auto hatten wir damals noch nicht) im 40 Km/h Tempo vom Landkreis Mannheim, wo wir wohnten, über rund 48 Km Landstraßen nach Bad Rappenau zuckeln.

Vielleicht gibt es Personen, die als Kind auch in Bad Rappenau waren und zu einem Gedankenaustausch bereit wären. Ich würde mich freuen. Mein Bettnachbar Harry ist mir unter anderen noch gut in Erinnerung. Ebenso ein Dieter Rettig.
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Gabi aus München schrieb am 06.07.2021
Ich war öfter in verschiedenen Heimen, zur "Erholung" nach Kinderkrankheiten und weil ich lt. Hausärztin "zu dünn" war. Mein letzter Heimaufenthalt war mit 13 in Neustift /Passau. Das wurde damals von Nonnen geführt.
Auch ich wurde zum Essen gezwungen - jeden Morgen, weil ich generell eigentlich nie etwas zum Frühstück aß. Ich zwang mir selbst eine halbe Semmel mit Marmelade runter, wurde aber regelmäßig gezwungen die zweite Hälfte auch zu essen. Was regelmäßig dazu führte, dass ich dann ALLES wieder erbrechen musste (heimlich natürlich, sonst hätte ich ja wieder alles neu essen müssen).
Wenn man etwas nicht aß, musste man so lange sitzen bleiben, bis man es eben doch gegessen hatte. Als ich spät abends immer noch alleine im Dunkeln im Speisesaal saß, löste ich das Problem, in dem ich den verhassten Brathering auf den Boden warf. Eine der Nonnen (eine einzige!) war sehr lieb und brachte mir dann mitten in der Nacht heimlich noch ein Brot mit Teewurst.
Post wurde kontrolliert, Pakete von zuhause konfisziert und der Inhalt - angeblich - an alle Kinder verteilt.
Es wurde viel gebastelt, aber nur mit den Kindern, deren Eltern ausreichend Geld mitgegeben hatte (bei mir ging es leider nach einer Weile zur Neige); der Rest musste zugucken.
An konkrete körperliche Strafen kann ich mich nicht erinnern, aber angedroht wurden wirklich pervese Strafen (mit Brennesseln unter den Po schlagen), zB für das Tragen von in den Augen der Nonnen "nicht angemessener" Kleidung.
Gefallen haben mir aber die häufigen Wanderungen, bei denen auch immer gesungen wurde. Da war man auch freier und nicht so massiv "beaufsichtigt".
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Christina Sonnenschein aus Leer schrieb am 06.07.2021
Ich schreibe hier für meine Mutter Ursula Anneliese Hojenski. Sie ist 1948 geboren und verstarb leider 2015. Meine Mutter hat mir immer wieder von ihrem schlimmen Kuraufenthalt auf Norderney erzählt.
Als besonders schlimm waren mir die Essensituationen in Erinnerung geblieben, von denen sie erzählte. Kinder mussten ihr Essen essen, egal ob sie das Essen nicht mochten oder satt waren, man blieb so lange sitzen, bis man auf gegessen hatte.
Manche wurden bestraft. Manche erbrachen sich. Meine Mutter konnte kein Wirsing- oder Porreegemüse mit weißer Soße essen, weil sie sich im Heim so davor geekelt hat und das trotzdem mehrfach essen musste, bis zum würgen, bis zum erbrechen.
Es gab noch andere Erzählungen, jedoch ist mir diese besonders in Erinnerung geblieben, als Kind.
Ich weiß, das es noch Fotos von dem Aufenthalt gibt und werde diese raus suchen.

Viele Grüße
Christina
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Frank Heine aus 58332 Schwelm schrieb am 05.07.2021
Ich war 1965 im Alter von 7 Jahren für 6 Wochen auf Borkum, und keine Erinnerung mehr an das Heim, ich weiß nur noch das ich sehr viel Heimweh hatte und sehr viel geweint habe, eine schlimme Zeit.....
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Regine u. Birgit Tummascheit aus Seligenstadt schrieb am 05.07.2021
Meine Schwester und ich sind in den 70er Jahren von den Eltern nach St.Peter Ording geschickt worden.Ich glaube das Heim hies Haus Lorenzen. Es war eine traumatisierende Zeit. Es wurde geschlagen, wir durften auch nicht auf die Toilette, nur in bestimmten Zeitabschnitten, Nachts saßen die Aufsehrinnen in den Gängen und wehe man schlief nicht, man wurde geschlagen. Morgens musste jeder sein Bett stramm Ziehen und Fachgerecht legen und wehe man tat es nicht. Gab es wieder schläge. Das Essen war oft nicht so doll. Es gab schlimme Szenen am Tisch, ein junge Erbrach sein essen und musste auch dies aufessen, was uns alle erschrak, alle hatten Angst. Die Post wurde überprüft, die Päckchen die unsere Mutter sand wurden uns weggenommen und unter allen verteilt. Mittags mussten wir am Essenstisch im sitzen Schlafen, danach Wandern, was für mich das schönste war. Morgens mussten wir uns mit eiskaltem Wasser abduschen, es war eine schreckliche Zeit. Die sechs Wochen waren ein Alptraum. Ich war froh das meine Schwaster bei mir war. Ich vergesse bis heute nicht, das unsere Mutter fragte was wir uns zu essen wünschen wenn wir Heim kommen. Wir wünschten uns Pommes und Curry Wurst, ich war erst 9 Jahre jung und bekam vor meinem Teller einen Nervenzusammenbruch und heulte Rotz und Wasser, konnte vor lauter weinen nicht essen. So schlimm waren die 6 Wochen. Das vergesse ich nie.
Auch meine Brüder und meine kl. Schwester waren Verschickungskinder und haben schreckliches erlebt. Eine schlimme Zeit war es. Schade das die sogenannten Erzieherinnen nie zur rechenschaft gezogen wurden. Ich hoffe sie bekommen wo immer sie auch sind ihre Strafe.
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Ellen aus Berlin schrieb am 05.07.2021
Nach einem 6 monatigen Krankenhausaufenthalt wegen einer Hilusdrüsen TBC wurde ich im Dezember 1952 ins Allgäu verschickt. Die erneute Trennung von meiner Familie ist mir damals sehr schwer gefallen. An das Haus und die Furcht einflößenden Nonnen mit ihren großen Hauben kann ich mich heute noch gut erinnen. Gerade 7 Jahre alt geworden hatte ich schreckliches Heimweh, das durch die extreme Strenge und eine Athmosphäre ohne jegliche Empathie noch verstärkt wurde. Einmal gab es zum Mittag Sülze. Ich biß auf ein Stück Knorpel und mußte würgen. Unter Strafandrohung wollte man mich zwingen alles aufzuessen, aber ich habe mich konstant geweigert. Nach einer Tracht Prügel musste ich dann "Stramme liegen": Auf einer Pritsche auf dem Rücken, Hände seitlich an den Körper und Augen zu. Ich kann micht nicht erinnern wie lange, aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor, zumal bei der geringsten Bewegung oder dem Öffnen der Augen eine strenge Ermahnung erfolgte. Meine Rettung damals war eine junge Praktikantin, die mich in ihr Herz geschlossen hatte. Sie half mir, nach Hause zu schreiben - ich war gerade 4 Wochen in der Schule, als die TBC ausbrach - und las mir die Post und kleine Büchlein vor, die ich von Eltern und Geschwistern geschickt bekam. Ich kam dennoch gut erholt aber vor allem überglücklich nach der Kur wieder nach Hause. Es ist lange her, aber bis heute habe ich extreme Trennungsängste und eine Aversion gegen alles, was auch nur nach Knorpel oder Fett aussieht.
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Friedrich aus Hessen schrieb am 05.07.2021
Ich war mit ca 5/6 Jahren in Bad Sachsa mehrere Wochen in einem Heim (vielleicht im Borntal?) und im glaube im nächsten Jahr auf Norderney für 6 Wochen.
Ich habe nur vage Erinnerungen an die Heime und suche andere, die dort waren als Insassen oder Praktikanten.
Soweit ich mich erinnern kann, waren es in Bad Sachsa aussen dunkle Gebäude, vielleicht Holz Fassade. Danach war ich nochmal für 6 Wochen in einem Kinderheim in Norderney.
An Bad Sachsa kann ich mich nur ganz vage erinnern, an Norderney etwas mehr. Dort gab es nicht viel zu trinken, ich hatte immer Durst. Einige Zeit war ich auch krank mit Mittelohrentzündung. Wenn man Nachts laut war, wurde man in den Waschraum gesperrt und musste auf einer Liege schlafen. Das nutze ich aus, um heimlich Wasser aus dem Hahn zu trinken. Nach dem zweiten Heim hab ich meinen Eltern mit Selbstmord gedroht, wenn sie mich nochmal weg bringen.
Noch heute lösen einige Eindrücke, wie zb das Lied "kein schöner Land" intensive Gefühle von Trauer und Schmerz aus und ich habe mich immer gefragt warum, ich glaube es wurde in Bad Sachsa oft gespielt. Nach diesen Heimen war das Verhältnis zu meinen Eltern nicht mehr wie vorher.
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Bodo Behrens aus Berlin schrieb am 05.07.2021
Ich war im Januar/Februar 1959 im Alter von 10 Jahren für 6 Wochen zur Erholung im Kinderheim Dr. Ewald in Wüstensachsen/Rhön.
Einige Dinge sind mir in lebendiger Erinnerung geblieben. Erst einmal das absolut strenge Regiment. Es gab überhaupt keine Empathie seitens der Erzieherinnen, was bei dem fürchterlichen Heimweh, das einen bewegte, unbedingt nötig gewesen wäre. Es gab ausschließlich das Prinzip von Befehl und Gehorsam. Das entsprach wohl dem Erziehungsstil vieler in den 50er Jahren. Die Post nach Hause wurde strengstens zensiert. Es war absolut verboten, heimlich eine Postkarte nach Hause zu schicken. Davor wurde ständig gewarnt.
Jeder Tag war bestimmt durch ausgedehnte Wanderungen durch die Rhön. Das Essen war ein besonderes Thema. Ständig gab es Quark mit Kartoffeln und ein Fruchtmüsli. Man wurde regelrecht gemästet. Natürlich musste man seinen Teller leer essen. Konnte man nicht mehr essen, musste man trotzdem weiter essen. Im Extremfall erbrachen sich Kinder und mussten dann das Erbrochene essen. Der Grad der Erholung wurde an der Gewichtszunahme gemessen. „Du hast dich ja gar nicht erholt“, sagte Dr. Ewald bei der Abschlussuntersuchung zu mir. „Du hast ja gar nicht zugenommen.“
Es ist zwar nicht so, dass ich bleibende Schäden durch die Verschickung entwickelte, aber die Zeit ist mir in äußerst negativer Erinnerung geblieben, obwohl man mich eigentlich überwiegend in Ruhe gelassen hatte. Aber ich erinnere mich mit Grausen daran, wie andere Kinder behandelt wurden.
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Gabi Talavera aus Lüdenscheid schrieb am 05.07.2021
Ich war damals 5 oder 6 Jahre alt und musste wegen einer chronischen Bronchitis für 6 Wochen zur "Kur". In Wahrheit war es dir Katastrophe. Wir schliefen zu vielen in einem Saal und durften nicht auf die Toilette. Wer es nicht schaffte bis zum nächsten Morgen anzuhalten, wurde bestraft. Nicht nur, dass das Heimweh in dem Alter furchtbar ist, es kam noch eine permanente Angst dazu. Ich kam völlig traumatisiert nach Hause zurück.
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Andrea Oeden aus Amorbach schrieb am 05.07.2021
Auch ich war für 6 Wochen in Kur wegen Untergewicht. Dies wurde über die Schuluntersuchung des Gesundheitsamtes festgestellt. Ich hatte dort schreckliche 6 Wochen, unendliches Heimweh kam dazu. Ich war damals 10 Jahre alt und wurde so erzogen die Erwachsene haben immer recht und was diese sagen muss gemacht werden. Die Betreuerin waren junge unqualifizierte Mädels die nachts feierten und Spass daran hatten uns Nachts Angst ein zu jagen indem sie stets behaupteten in dem Schloss würde im Keller ein Geist wohnen. Dies war das schlimmste für mich konnte kaum schlafen vor Angst. Außerdem wurden alle Briefe, einmal wöchentlich, zentriert. Päckchen von den Eltern wurde einbehalten und an die Gemeinschaft aufgeteilt. Zu
Trinken war uns nur zu den Essenszeiten erlaubt, es gab stets Tee, trank man heimlich Wasser aus dem Wasserhahn auf der Toilette und wurde erwischt gab es Ärger und Sanktionen. Zum Frühstück gab es Müsli und Dies musste immer aufgegessen werden obwohl ich keine Milch mag. Hat jemand erbrechen musste er dies mit dem Rest des Müsli aufessen.
Ich sollte vom Gesundheitsamt das darauf folgende Jahr wieder für 6 Wochen nach Hafenpreppach. Ich drohte daraufhin meiner Mutter mich umzubringen welche daraufhin Abstand nahm.
Meine Mutter erzählte der Dame des Gesundheitsamt meine Ängste und Erlebnisse und diese meinte sie hätte noch keine Beschwerde und Aussagen wie ich sie machte, gehört. Geglaubt wurde mir zwar nicht aber ich musste nicht mehr hinfahren.
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Jürgen aus Kernen schrieb am 05.07.2021
Hallo, ich war Anfang der 70er Jahre 2x in St. Peter Ording wegen Bronchitis und kann, wenn mich meine Erinnerungen nicht täuschen, nichts nachteiliges sagen. Wir hatten viel Sport, waren oft im Wellenbad und strandspatziergaenge.
Was nachteiliges habe ich nicht im Gedächtnis.
Wie das Essen war und die Unterbringung ist mir nicht mehr im Sinn. Ich habe eigentlich nur gute Erinnerungen, vielleicht auch die schlechten verdrängt
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Monika Beer aus Köln schrieb am 05.07.2021
Ich habe den Beitrag gerade in "VOLLE KANNE" gesehen. Leider habe ich nur sehr schwache Erinnerungen. Bin ca 1964/65 im Schwarzwald zur "KUR" geschickt worden um zuzunehmen. An Kellereisperrungen kann ich mich erinnern. An "TELLER LEERESSEN" (incl. Erbrochenes) kann ich mich erinnern. Leider weiß ich nicht mehr.
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Rüdiger aus Bruchmühlbach schrieb am 04.07.2021
Mein Name ist Rüdiger.
Ich bin das erste mal mit 6 Jahren wegen meines Asthmas "Verschickt"worden. In Oberstdorf, im Algäu lagen wir in großen Zimmern mit uralten Eisenbetten. Ein anderes Kind, etwa in mienem Alter hatte hohes Fieber und schrie unaufhörlich nach seiner Mutter. Er wurde dann von den Betreuerinen auf eine nicht nette Art "Zurechtgewiesen". Meine Eltern hatten sich damals gewundert, dass ich die ersten 14 Tage nach dem Aufenthalt fast nicht geredet habe. Wenn ich davon erzählen wollte was da los war, sagten sie mir in meinen Briefen hätte ich doch immer Geschrieben wie schön es dort ist und wie gut das Essen war. Diese Zeilen musste ich in jeder Verschickungskur unter Androhnung von Strafe schreiben!! Das letzte mal, das ich "Verschickt "wurde war 1977 nach Langeoog,Diese sogenannte Kur hätte ich um ein Haar nicht überlebt. Nach dem ich fast 6 Wochen am Stück Leber zum Essen bekam, auch unter Zwang ,war ich froh endlich wieder zu Hause zu sein,Ich kam direckt nach der Kur als Notfallpatient ins Krankenhaus mit einer Doppelseitigen Lungenentzündung, über 40 Grad Fieber und meine Mutter sagte mir, ich hätte 4 Tage lang Blut gebrochen. Meine Lungenentzündung war ein Resultat der Schlechten Betreuung von uns Kindern. beispielsweise, wenn wir im Watt waren und sich keiner dafür interressiert hat, dass unsere Gummistiefel randvoll mit eiskaltem Wasser waren. Ich dachte, dass ich mit meinen Erfahrungen alleine bin, bis ich diese Seite erst vor kurzem entdedckt habe. Daduch ist vieles wieder hoch Gekommen, aber man muss immer nach vorne schauen. Ich bin froh, dass ich die Geschichte Überlebt habe!
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Birgit aus Köln schrieb am 04.07.2021
Ich wurde im Mai 1971 nach Langweiler im Hunsrück, nahe Idar-Oberstein verschickt. Wurde wohl als Vorbereitung zur vorzeitigen Einschulung und weil ich dünn war dorthin geschickt. Ich war sehr schüchtern und habe mich relativ vegetarisch ernährt ("sogut wie kein Fleisch, was zu den Zeiten ungewöhnlich war"). Kann mich leider an sogut wie nichts erinnern ("Ich liege im Schlafsaal ? und die Tür ist einen Spalt geöffnet, wo Licht rein kommt"). Habe noch 1-2 Bilder von dem Aufenthalt , allerdings fehlen mir Unterlagen zur Einweisung o.ä. Wer war in dieser Zeit auch in Langweiler ??? Ich mag z.B. keinen Sellerie, allein der Geruch und die gekochte Konsistenz ist für mich ekelig
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Britta aus Ulm schrieb am 04.07.2021
Ich wurde wahrscheinlich 1969, oder früher verschickt. Ich hatte Untergewicht und somit ging es alleine mit dem Zug nach wyk auf Föhr. Ich habe mich noch nie zuvor so verlassen und einsam gefühlt. Ich konnte meine Gefühle nicht einordnen und eine Welt brach zusammen. Auf der Fähre dachte ich hier endet die Welt und was hab ich getan , das ich hier alleine sein muss. Ich kann mich noch an folgendes erinnern :
Nur in eine Richtung schlafen
Augen mussten geschlossen sein.
Erbrochenes mehrfach essen müssen
Nicht aufs Klo dürfen
Zur Strafe im Flur auf einer Bank schlafen , ohne Decke oder Kissen
Bei nasser Hose kein Wechsel der Kleidung, sondern vorführen bei den anderen Kindern
Kalt baden
Paket nicht behalten dürfen
Schläge
Bei weinen Strafe
Es war eine schreckliche Zeit und viele Dinge begleiten mich noch heute in meinem Alltag
Was mir aus dieser Zeit geblieben ist , ist ein Seepferdchen und eine Karte aus donaueschingen, dort war ich wohl auch mal verschickt. Konnte zu diesem Zeitpunkt schon schreiben, mich aber überhaupt nicht erinnern
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Nicole aus Frankfurt schrieb am 04.07.2021
Auf alten Fotos ist auf der Rückseite das Datum 18.04.77 und auf anderen der 15.05.77 aufgedruckt, sowie der Ort, somit muss ich mindestens in dem Zeitraum in der Bergklause Maria Frieden in 7861 Mambach gewesen sein. Nur fehlen mir jegliche Erinnerungen an diese Zeit, einfach nichts. Womöglich ist das mit 4,5 Jahren normal. Vor ein paar Wochen fing ich an zu googeln und bin recht schnell bei dem Thema Verschickungskinder gelandet und war entsetzt. Also fragte ich meine Mutter, warum sie mich in dem Alter weggegeben hatte und sie sagte das hätte sie nicht. Aber es gibt doch Fotos ich muss da gewesen sein. Eine Mutter kann das doch nicht vergessen. Ich war doch noch so klein, da schickt man sein Kind doch nicht einfach weg und erinnert sich nicht mehr daran. Dann erzählte ich ihr was ich über die Verschickungskinder gelesen hatte. Nach vielen Stunden reden und noch viel mehr Tränen von uns beiden hatte ich Antworten, die dennoch nur für Vermutungen über das wieso, weshalb und warum reichen. Aber noch immer wusste ich nichts über meine Zeit dort. Sie erzählte wie sie mich am Bahnhof abholte und ich als letzte im Zug saß und nicht aussteigen wollte. Mein Verhalten und mein Wesen hatte sich verändert zu sehr ruhig, verschlossen und verängstigt. Wobei sich das nach einer gewissen Zeit wieder normalisiert haben soll. "Normal" bin ich bis heute nicht wirklich. Ich habe keine Erinnerungen an die Zeit und vielleicht ist das etwas zu einfach gedacht, kann es folglich auch kein Trauma bei mir verursacht haben, versuchte ich sie und mich zu beruhigen. Sich nicht erinnern zu können, muss ja nicht automatisch etwas schlechtes sein.
Ich habe die Hoffnung, dass ich hier vielleicht Antworten oder Erfahrungsberichte finde, wie es zu dieser Zeit in dieser Einrichtung war.
Gerne kann ich hier die Bilder einstellen, vielleicht erkennt sich ja jemand.
Gruss. Nicole
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Anne Woywod aus Hamburg schrieb am 03.07.2021
Habe gerade erst vor ein paar Tagen eine Rückführung erlebt, die mir die traumatisierende Erfahrung meiner Verschickung nach Sylt 1976 klar gemacht hat. Bis heute kann ich nicht nach Sylt fahren und unterdrücke Emotionen, habe Kontrollzwang, da ich mit fünf Jahren hilflos wochenlang vollkommen unangemessener Gewalt und emotionaler Erpressung ausgesetzt gewesen bin.
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Sabine aus Kassel schrieb am 01.07.2021
Kein Ereignis meiner Kindheit hat mein Leben so beeinflusst wie der 6-wöchige Aufenthalt im Kloster Wessobrunn. Ich war 6 Jahre alt, stand vor meiner Einschulung und da ich ein "Pummelchen" war, sollte ich "fit" für die Schule gemacht werden - so die Ärztin bei der Einschulungsuntersuchung. Der Aufenthalt in Wessobrunn war ein Trauma. Permanente Angst, Züchtigung, Demütigung, Drohungen, Flüssigkeits- und Nahrungsentzug sowie Schlafen auf dem kalten Klostergang waren Abscheulichkeiten, mit denen dort gearbeitet wurde. An vieles kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich erinnere mich an die vielen herumhängenden Kreuze. Ich erinnere mich an die Nonnen, die mir durch Ihre schwarze Kleidung und ihrer Strenge Angst machten und ich erinnere mich an die weltliche Betreuerin "Tante Ingrid", die mir sagte, dass ich mich nicht so anstellen und mein Heulkonzert beenden soll. Ich bin vor Heimweh fast gestorben und habe deshalb viel geweint. Ein total lieb- und herzloses, feindliches Umfeld, kein Kontakt zur Familie, kein Trost, Angst, Zwang, Züchtigung - wie ich diese 6 Wochen überstanden haben, weiß ich nicht. Irgendwann ließ man mich wieder nach Hause und ich bin dann auch lange Jahre nicht mehr von zu Hause fort. Selbst ein Wochenendbesuch bei meiner lieben Oma, die gerade mal 15 km von meinem Wohnort entfernt wohnte, war nicht mehr möglich. An Klassenfahrten konnte ich teilweise nicht teilnehmen. Erst als ich um die 20 Jahre alt war und selbst entscheiden konnte wohin und mit wem ich reisen möchte, wurde es besser. Mein Verhältnis zum Kreuz und zur Kirche (lange Jahre auch zu Gott) hat mir mein Aufenthalt in Wessobrunn zeitlebens vermasselt. Arztbesuche und vor allem Krankenhausaufenthalte erzeugen bei mir teilweise heute noch Angst und Panik.
Jahrzehnte ging ich davon aus, dass ich einfach Pech hatte und Wessobrunn ein Einzelfall ist. Das es aber so viele Betroffene gibt und hinter der jahrzehntelangen Kinderverschickung ein System und eine "Industrie" steckte, dass habe ich erst vor relativ kurzer Zeit mit größtem Entsetzen erfahren. Umso mehr sollte es für uns alle Auftrag und Verpflichtung sein, dafür zu sorgen, dass solches Kinderleid heute nicht mehr passiert.
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Katrin aus Delitzsch schrieb am 30.06.2021
Ich war Anfang 1976 im Kinderkurheim in Haindorf-Schmalkalden. Ich erinnere mich daran, dass wir mit dem Bus von Leipzig nach Schmalkalden gefahren sind. Unterwegs wurde eine Pause eingelegt. Alle mußten raus um auszutreten,ob man musste oder nicht. Es war draußen, nicht auf Toiletten. Die Erzieherinnen brüllten uns an, dass jeder auszutreten hat. Dann ging es zurück in den Bus. Meiner Erinnerung nach lag dieses Kurheim auf einem Berg,welchen wir hinauflaufen mussten. Dort angekommen,wurde uns der Schlafraum zugewiesen. Ein Schlafsaal. Die Koffer wurden ausgepackt, aber nicht von uns. Wir durften nie an die Schränke. Kleidung für den nächsten Tag rausgelegt, oben auf den Schrank. Dabei wurden Sachen anderer Kinder einfach für Kinder zurechtgelegt, obwohl diese Ihnen nicht gehörten. Im Heim war es immer sehr dunkel. Wenn es rausging mussten wir in den Keller. Dort standen Regale mit Gummistiefeln und Stiefelsocken. Die Stiefelsocken waren sehr eklig und schmutzig. Wer sich weigerte,diese anzuziehen musste in die Ecke.
Jeden Tag gab es Puddingsuppe und Kakao mit einer ekligen Hautschicht. Einmal hatte die Küchenhilfe die Suppe anbrennen lassen. Wir haben gehört wie Sie angebrüllt würde. Auch hörten wir es klatschen und daraufhin weinte Sie ganz laut. Die abgebrannte Puddingsuppe mussten wir essen. Seit dem ekle ich mich vor Pudding und Kakao.
Wenn Posttag war,mussten wir in den Speiseraum und uns wurden die Karten vorgelesen. Danach bekamen wir die Karten. Ich erinnere mich, dass bei mir immer Puppen drauf waren. Mittagschlaf war Pflicht unter Aufsicht. Wer nicht schlief wurde bestraft,in dem er von der Gruppe ausgeschlossen wurde,in der Ecke stand und keiner durfte mit demjenigen reden.
Es war täglich eine Abfolge von Handlungen, welche sich immer wiederholt haben. Viele von uns hatten Heimweh. Wenn man geweint hat und wurde erwischt,wurde man vor den anderen Kindern runter gemacht. Also weinte man Nachts leise in seinem Bett.
Die 6 Wochen schienen endlos zu sein.
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Thomas aus Hamburg schrieb am 29.06.2021
Ich erinnere mich an eine Verschickung ganz blass. Es kann durchaus in St. Peter Ording gewesen sein. Ich kann mich an eine Szene erinnern, in der ich in einen kleinen Kleiderschrank eingeschlossen worden bin - dann hat man Zigarettenrauch durch das Schlüsselloch gepustet - es war fruchtbar! Des Weiteren kann ich mich erinnern, dass ich ohne Matratze geschlafen habe nur auf den komischen Metallfedern. Schuhe wurden entwendet und mit vielen anderen fast "unlösbar" (aus meiner Sicht) zusammengebunden. Ich kann mich aber nicht mehr daran erinnern "wer" die "Täter" waren... ich vermute eher andere (ältere) Kinder/Jugendliche. Es war aber insgesamt wirklich eine sehr einschüchternde Atmosphäre ohne Raum für (unerwünschte) Gefühle wie Heimweh oder Ähnliches. Gut, dass hier noch mal Aufarbeitungs- /Aufklärungsarbeit geleistet wird.
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Joachim aus Obernkirchen schrieb am 28.06.2021
Hallo zusammen, mit 7 Jahren wurde ich aufgrund meiner schwachen körperlichen Verfassung (Asthma, Herzschwäche) zur 6 wöchigen Kur nach Borkum geschickt. Die Betreuung dort war, berücksichtigt man die Zeit, sehr liebevoll und fürsorglich. Körperliche Züchtigung ist mir nicht bekannt oder bewusst, war aber 1965 noch völlig
normal. Für mich persönlich hat sich diese Zeit dennoch sehr eingeprägt. Ich fahre seit
dem sehr ungern alleine irgendwo hin. Meine Kinder habe ich nie alleine gelassen. Bei einer Geschäftsreise nach Wien bin ich Abends nach Hannover zurückgeflogen, weil ich meine damals 7 und 4 Jahre alten Kinder unbedingt ins Bett bringen wollte, da sie es nicht anders kannten. Insoweit war es im Nachhinein doch positiv, da auch meine Söhne ihre Kinder so erziehen.
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Mareike aus Berlin schrieb am 27.06.2021
Ich bin erst gestern auf diese Seite gestoßen, als mir im Zusammenhang mit den hunderten toter indigener Kinder der Residential Schools in Kanada bewusst wurde, dass ich ja auch eine Zeitlang unter einem solchen System gelitten habe, und mir Gedanken mache, welche Folgen dies für mich gehabt haben könnte, wenngleich es sicherlich mit den kanadischen Verhältnissen nicht vergleichbar ist und ich selbst im Vergleich mit anderen damaligen Verschickungskindern auf dieser Seite wohl etwas besseres berichten kann. Der Grad der Traumatisierung reichte jedoch aus, dass von meinen T-Shirts kein einziges mehr heil war. Ich hatte als damals Sechsjähriger in St. Peter-Ording angefangen, an den Schultern beidseitig wie ein Baby herumzusuckeln, wodurch alle T-Shirts nach den sechs Wochen beidseitig an den Schultern durchgebissen waren und große Löcher hatten. Zuvor und später ist das bei mir nie wieder vorgekommen.
Aber der Reihe nach: Die Gelegenheit zu diesem "Kuraufenthalt" ergab sich aufgrund großzügiger Förderung der damaligen Bundespost, da mein Vater damals Postbeamter war - "Postkinder" waren übrigens neben "Bahnkindern" die größte Gruppe, vielleicht findet sich über diese Info ein Anhaltspunkt, um welches Heim es sich gehandelt haben könnte. Ich wurde am Bahnhof in Süddeutschland an einen sehr netten Mann übergeben, später kam noch ein anderes Kind dazu und so fuhren wir mit dem Zug durch ganz Deutschland bis nach St. Peter-Ording. Dunkel erinnere ich mich, dass der Mann wohl nicht bis St. Peter-Ording bei mir war, sondern ich anderswo (Stuttgart, Hamburg?) evtl. an eine andere Gruppe übergeben wurde. Ich war damals ein schmächtiger Junge und jedes Jahr häufig krank gewesen; Grippe, einige Male Bronchitis usw., so dass mir eine Kur an der frischen Luft in Aussicht gestellt wurde. Im Heim kamen wir in einem großen Schlafraum unter, ich glaube mit über 10 anderen Kindern drin, von denen einige zwar nicht viel älter, aber doch wesentlich stärker waren als ich. Insbesondere einer von denen hatte so eine Art Capo-Funktion, die er auch körperlich gegenüber uns anderen ausübte. Ich ließ mir jedoch nichts gefallen, und so kam es, dass ich mich an diverse in Prügeleien ausartende Schikanen erinnere.
Vielleicht weil ich von zu Hause aus gewohnt war, dass "gegessen wird, was auf den Tisch kommt", ist das Essensthema für mich nicht so einschneidend gewesen und Horrorgeschichten, Erbrochenes wieder aufessen zu müssen, kamen meines Wissens nicht vor. Ich kann mich nur daran erinnern, dass es nicht besonders gut gewesen sein kann. Kulinarischer Höhepunkt des Tages war nämlich der tägliche Nachmittagskaffee, wir Kinder bekamen natürlich keinen Kaffee, aber entweder Mohrenköpfe bzw. Schaumküsse oder eine längliche Waffel mit Erdbeer- oder Vanille-Schaumfüllung. Davor fanden stundenlange Deichwanderungen statt, bei denen die Erzieherinnen sich permanent unterwegs etwas zu trinken kauften, während wir Kinder durstig blieben und ich meine in bestimmter Formation zu laufen hatten (Zweierreihen?). Der Sommer 74' war schön und seeehr heiß. Es regnete die sechs Wochen vielleicht ein oder zwei Tage, ansonsten hatten wir herrlichstes Wetter mit den zugehörigen hohen Temperaturen, so dass wir selbst an der See in St. Peter-Ording mindestens so ähnlich schwitzten wie die damaligen Fußball-Weltmeister. Direkte Mißhandlungen der Erzieherinnen sind mir nicht erinnerlich, aber die völlige Empathielosigkeit gegenüber uns alle an Heimweh schwer leidenden Kindern. Der Kontakt mit den Eltern beschränkte sich auf Briefe und Postkarten, die wir einmal pro Woche ausgehändigt bekamen. Dieses sich dadurch einstellende Gefühl des Ausgeliefertseins, der Verlassenheit und völligen Hilflosigkeit in einem zwar durch wenige aber tonangebende Capo-Kinder als drangsalierend empfundenen Umfeld, werde ich nie vergessen. Die sich aufdrängende Schlussfolgerung, im Zweifel auf sich selbst gestellt zu sein, hat, wenn ich die Kommentare hier lese, nicht nur mich wohl nachhaltig geprägt, mit allen hier in den Erfahrungsberichten gezeichneten Vorteilen (innere Stärke) und Nachteilen (Introvertiertheit, Verschlossenheit selbst den Eltern gegenüber, Rückzug in Traumwelt - oft der Bücher, fehlendes Grundvertrauen in andere Menschen, Verlustängste bis hin zum Festhalten an toxischen Beziehungen). Die Briefe, die wir erhielten, waren zwar verschlossen, die Päckchen jedoch wurden geöffnet und wir selbst durften meiner Erinnerung nach nur 1-2x in dieser Zeit Postkarten schreiben (man selbst hatte ja kein Geld, keine Postkarten, keine Briefmarken, keine Stifte), inwieweit diese zensiert wurden, weiß ich nicht, aber es war jedem in diesem Kasernenhofklima klar, dass man besser nichts "Schlechtes" über die Einrichtung schreiben sollte. Als ich einmal eine Postkarte meiner Eltern bekommen habe, der Capo aber keine, riß er mir mit einem schnellen Griff die Postkarte aus der Hand und zerriss sie, ehe ich reagieren konnte. In der darauffolgenden Prügelei unterlag ich zwar am Ende und lag unter ihm, aber ich habe es immerhin geschafft, dass er mir gegenüber danach nie wieder übergriffig wurde und sich für seine Schikanen andere aussuchen musste. Bestraft wurde er für seine Tat jedenfalls nicht, ich dafür heulte den ganzen Abend lang bis in den Schlaf und hatte später permanent Angst, dass er sich wieder an meinen Sachen vergreift. Ich wundere mich, wieso so viele auf dieser Seite berichten, ausgerechnet in diesen 6 Wochen die Windpocken bekommen zu haben. Ob das auch seelisch bedingte Ursachen hat? Immerhin kam ich so von dem Gemeinschaftsschlafraum und dem Capo-Jungen weg und hatte meine Ruhe. Während der Betreuung der Windpocken erfuhr ich dann sogar so etwas wie menschliche Wärme durch das Personal. Diese zwei Wochen waren mit die schönste Zeit in St. Peter-Ording und nach Rückkehr in einen Gemeinschaftsschlafraum war der Capo-Junge weg und es wurde erträglich.
Am letzten Tag wurde die Abreise drillmäßig vorbereitet und durchgeführt. Im letzten Augenblick, wir standen schon in Reih' und Glied vor der Einrichtung, fiel mir ein, dass ich mein Stofftier, einen Hund namens Bimbas, vergessen hatte, rannte nochmal rein und holte es mir. Dafür bekam ich statt einer aufmunternden Bemerkung nur den bissigen Kommentar, "das hätte mir auch eher einfallen können".
Seit ich die vielen Berichte hier gelesen habe, denke ich, es kommt nicht von ungefähr, dass ich meine Eltern über Schulisches nie eingeweiht, Ihnen über mich nur wenig erzählt, mich in hunderte Bücher verkrochen und die von mir gesuchte Geborgenheit vorrangig bei meinen Großeltern gefunden habe. Im Zuge der Aufarbeitung meiner 24-jährigen ehelichen Beziehung mit einer von mir als solche leider nicht erkannten notorischen Narzißtin, meines transsexuellen Outings und diverser begleitender Umstände bin ich froh und dankbar, mit dieser Seite ein weiteres Kapitel meines Lebens aufarbeiten zu können. Insgesamt sind wir meist sechswöchigen Verschickungskinder in Deutschland im Vergleich zu den indianischen Umerziehungskindern in Kanada (wie auch vielen ähnlichen "Modellen" weltweit) wohl noch einigermaßen davongekommen. Nicht auszudenken, wenn sich die sechs Wochen solcher Zustände auf Monate und dann viele Jahre ausdehnen und in ihrer Intensität dann bis dahin gehen, dass vom Tod der Opfer seitens der Behörden nicht einmal Notiz genommen geschweige dies strafrechtlich verfolgt wird. Das sind dann keine schools oder Verschickungsheime mehr, sondern "Lager" mit allen Konsequenzen, die wir aus der deutschen Geschichte hinreichend kennen.
Wer also auch als Postkind in St.Peter-Ording war, Erinnerungen an die Nachmittags-Waffeln hat und/oder weiß, in welchem Heim das war, darf mich gerne kontaktieren!
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Horst Dieter Lothar Kapphahn aus Havelsee OT Pritzerbe schrieb am 25.06.2021
Auf die Seite der Verschickungskinder bin ich zufällig gestoßen.Es ist jetzt zehn Tage her das ich angefangen habe diese e-Mail zu schreiben, und hoffe ich kann durchschreiben ohne ständig in Tränen auszubrechen.Das meiste Negative was schon beschrieben wurde kann ich bestätigen. Mit 7 Jahren wurde ich 1960 in die Lungenheilstätte nach Wattenscheid-Höntrop verschickt. Ich wohnte damals in Dortmund Wickede. Es waren drei Monate die mich trotz einiger Therapien bis heute verfolgen. Immer in Angst etwas falsch zu machen und dafür zur Rede gestellt werden und Schelte zu beziehen. Erbrochenes beim Essen musste unter Androhung wieder gegessen werden. Raus in die Sonne durfte man gar nicht, und wenn man erwischt wurde musste man sich für eine Stunde in die Ecke stellen. Gebadet wurde man mit sechs Kindern in einer Wanne und dabei sehr grob behandelt. Pakete hatte ich auch mehrere bekommen die mir aber nicht ausgehändigt  wurden. Es wurde alles an "bevorzugte " Kinder verteilt. Ich selber hatte nie etwas abbekommen. Meine Eltern hatten mich in der Zeit einmal besucht und waren mit mir spazieren gegangen. Als die wieder weg waren wurde ich ganz böse angeranzt, weil ich ja auch verbotenerweise in der Sonne war. Mittagsschlaf war obligatorisch. Eine der Schwestern hatte aufgepasst das auch alle die Augen geschlossen hatten, sonst war man wieder irgendwelchen Repressalien ausgesetzt.Vieles habe ich aber auch vergessen/verdrängt. Aber das was ich noch weiß reicht um mich immer wieder in Tränen ausbrechen zu lassen wenn dieses Thema an mich ran kommt. Schlimm ist es auch noch heute wenn ich mal davon berichte...es wird nicht für voll genommen, oder auch, ich habe mir das alles zusammen gesponnen. Vielleicht gibt es ja noch ehemalige aus der Zeit in Wattenscheid Höntrop die sich trauen sich zu melden. Ich lebe heute in Brandenburg/HavelDiese Mail darf gerne veröffentlicht werden.
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Christina schrieb am 24.06.2021
Hallo, ich bin Christina und mittlerweile 55 Jahre als. 1973, vor meiner Einschulung, ich war 6 Jahre alt, wurde ich wegen meines Asthmas zu einer 6 wöchigen Kur nach Bad Soodeny Allendorf geschickt. Damit ich nicht so alleine war , wurde meine kleine Schwester, 5 Jahre alt gleich mitgeschickt. Ich kann mich an nicht viel erinnern, aber an einiges schon: Wir haben bei der Ankunft schreckliche Angst gehabt, geweint und nach unseren Eltern gerufen. Dafür wurden wir angeschrieen und danach ignoriert. Wir schliefen in einem großen Saal, welcher einen Vorraum hatte in dem jeden Abend ein Stuhlkreis gebildet wurde. Hier wurden jeden Abend Kinder, die z.B. ins Bett gemacht hatten,vor allen anderen bloßgestellt, so auch einmal meine kleine Schwester. Sie musste alleine das Bett sauber machen, ich durfte ihr nicht helfen und dann wurde sie an den Ohren hochgehoben, bis Blut geflossen ist. Ich mochte keinen Schokoladenpudding, das hatte meine Mutter wohl vorher der Leitung mitgeteilt. Ich musste ihn trotzdem essen, habe erbrochen und musste solange im Speisesaal sitzen bis ich mein Erbrochenes wieder aufgegessen habe. Diese Erlebnisse waren so schlimm, dass ich sie nicht vergessen kann, denn normalerweise bleibt von dem Alter glaube ich nicht so viel haften. Ich habe keine Gesichter mehr vor Augen, im Nachhinein Gott sei Dank, nur die Grausamkeiten bleiben da und poppen immer wieder auf. Meine Schwester hat keinerlei Erinnerungen mehr, hat aber bis heute Angst vor Bloßstellung und alleine gelassen zu werden. Das Schlimmste für mich war, dass ich nicht verstehen konnte, warum ich meine Eltern nicht sehen durfte und wir mit einer solchen Härte und Brutalität behandelt und bestraft wurden. Mich hat das Ausfüllen des Fragebogens und nun das Mitteilen meiner Erlebnisse sehr aufgewühlt und ich merke, dass ich noch einiges aufarbeiten muss . Ich bin dankbar für diese Initiative hier, denn sie gibt mir die Möglichkeit das Gefühl zu haben was loszuwerden, was mich lange unbewusst belastet hat. DANKE
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Kerstin aus Mittelangeln schrieb am 24.06.2021
Hallo! Ich heiße Kerstin und habe erst heute von Euch erfahren. Es war für mich sehr befreiend, hier Erfahrungsberichte über das "Lenzheim" in Amrum zu lesen!
6 Wochen Hölle. Von der ersten Sekunde an.
Ich war 8 Jahre alt.
Trauma pur. Gebrochenes Kind.

Das Schlimmste war, dass sie den Kontakt zu den Eltern so erfolgreich unterbrechen konnten. Ich erinnere mich an einen Brief, den ich meinen Eltern schrieb..."Wenn ihr mich liebhabt, holt mich hier raus!" Diesen Brief haben meine Eltern nie erhalten.
Sadismus war in dieser Einrichtung normal.
Ich musste zur Strafe immer wieder nachts auf einem Stuhl sitzen. Von dort konnte ich auf den Hafen und das Meer blicken durch die Scheiben des Speiseraumes. Hatte viele Fluchtfantasien. Sonntags mussten Sonntagsschuhe getragen werden. Auch wenn die nicht eingelaufen waren und schmerzlichste Blasen verursachten. Bequeme Kinder-Gummistiefel waren verpönt bei den heiligen Tanten .
Essen wurde absichtlich so gestaltet, dass es ungenießbar war ( in meinem Fall haben sie mir kalte Butterflocken auf die Suppe gelegt, obgleich meine Mutter bei der Anmeldung extra darauf hingewiesen hatte, dass das Kind keine Butter isst), ich wurde dort geschlagen von der Heimleiterin höchstpersönlich, man hat uns gedemütigt, unsere Pakete konfisziert, den Rest an Trost (Kuscheltiere) weggenommen, man hat Schamgrenzen durchbrochen ( erinnere mich an diese Heiß-Kalt-Duschgänge im Keller. Mit den Füßen im Wasser. Wir Mädchen mussten da nackt durch und die Jungs in unserem Alter durften zugucken.
Es war wie eine einzige riesige Strafe.
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Nicole Macht aus Barsbüttel schrieb am 24.06.2021
Hallo, ich heiße Nicole und ich wurde 1972 mit 6 Jahren nach Sylt verschickt! Ich habe keine guten Erinnerungen an diese Zeit. Einmal habe ich mir rote Beete auf den Teller getan. Ich kannte es nicht und ich mochte es absolut nicht. Ich musste sitzen bleiben und aufessen. Ganz alleine saß ich im riesigen Speisesaal.Am Ende musste ich mich übergeben. Zur Strafe musste ich sofort ins Bett und durfte nicht mehr zu den anderen Kindern. Wir hatten ein 4 oder 5 Bett Zimmer. Wir durften nicht mehr sprechen wenn Bettruhe war. Ein Mädchen hielt sich nicht daran und kicherte. Sofort ging die Tür auf und ich musste die restliche Nacht im Abstellraum schlafen. Es Interessierte niemanden, das ich es nicht war. Im Abstellraum lagen alte Lattenroste und Matratzen. Einmal wurde ein kleiner Junge in einen Schrank gesperrt. 1978 musste ich für 6 Wochen nach Föhr. Dort war es nicht ganz so schlimm aber auch nicht wirklich schön. Die inselumwanderung ist keine schöne Erinnerung und auch die Mahlzeiten waren ein Horror für mich. Ich war dort zum Abnehmen und musste mit allen Kindern zusammen im Saal essen. Es gab eine Kartoffel zb.und etwas Gemüse und ein kleines Stück Fleisch. Es waren wirklich sehr kleine Portionen. Eigentlich hatte ich nur Hunger. Auf der Inselumwanderung gab es 4 kleine Scheiben Brot und zwei kleine Äpfel. Es waren 42 Kilometer zu bewältigten. Ich bin mit einem anderen Mädchen vorgelaufen und wir waren am Ende ganz alleine. Päckchen von zu Hause wurden erstmal gescheckt und Süßigkeiten entfernt. Wir mussten in die Sauna oder im Meer bis zur Boje schwimmen obwohl es wirklich kalt war. Ich habe mir geschworen meine Kinder niemals zu verschicken.War jemand von euch auch 1978 in Wyk am Sandwall?
Liebe Grüße
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Engelbert aus Neuss schrieb am 23.06.2021
Ich war im Herbst/Winter 1965 siebenjährig im Kinderkurheim Dr. Selter. Obwohl ich sechs Wochen dort gewesen sein soll, habe ich nur wenige Erinnerungen. Nach meiner gefühlsmäßigen Erinnerung war das eine sehr schwierige Zeit. So habe ich das Gefühl, in den sechs Wochen mit niemand gesprochen zu haben.

Erinnern kann ich mich an den Speisesaal bzw. die Situation des gemeinsamen Essens mit vielen Kindern. Ich denke, ich hatte einen festen Platz. Das Essen fand ich nicht lecker. Morgens gab es Haferschleim. Falls es mittags Fleisch gab, so war das durch den Fleischwolf gedreht und in die Soße gemengt. Ich meine mich einmal auch am Tisch erbrochen zu haben. Ein großes Mädchen, vielleicht 14 oder 15 Jahre alt, lief häufig zwischen den Tischen herum und forderte die anderen, kleineren Kinder zum Essen auf mit dem Wort „Ess!“. In meiner Not fühlte ich mich damals dem Mädchen überlegen, weil es offenbar nicht wusste, dass es „Iss!“ heißt. Schon damals kam mir das Mädchen wie ferngesteuert vor. Aber sie fühlte sich offenbar gut dabei.

Gelegentlich sah ich auch eine Frau mit grauen Haaren und einem Knoten im Haar. Sie schien mir damals etwa 60 Jahre alt, wirkte auf mich streng, unnahbar und freudlos. Wahrscheinlich war sie jünger, schätze ich aus heutiger Perspektive. Sie ist die einzige Person, deren Erscheinung und deren Gesicht mir genau in Erinnerung ist. Ich vermutete damals schon, dass diese Frau dort das Sagen hatte.

Womit wir die Tage verbracht haben, weiß ich beim besten Willen nicht mehr. Das einzige „Erlebnis“ war eine Wanderung, die ich ziemlich normal fand, außer dass sie nach Einbruch der Dunkelheit zu Ende ging. Zwei Begleiterinnen, in meiner Erinnerung nette und freundliche junge Frauen, hatten sich, so kriegte ich das nach der Rückkehr mit, mit uns im Wald verlaufen. Die beiden bekamen richtig Ärger mit der Heimleitung und ich sah später, dass die Beiden geweint hatten.

Geschlafen wurde in einem Schlafsaal, von dessen Größe ich keine Vorstellung mehr habe. Wahrscheinlich mehr als zehn Kinder in einem Saal. Obwohl ich eigentlich schon lange darüber hinweg war, habe ich nachts mehrfach in die Hose gepinkelt. Ob ich es verbergen konnte oder wie das Personal regiert hat, weiß ich nicht mehr.

Sehr konkret ist mir allerdings die Situation, als ich dann auch noch einmal nachts den Darm gründlich in die Hose entleert hatte. In meiner Not schlich ich nachts mit meinem Paket in der Hose durch die Flure und stieß irgendwann auf die Frau mit dem Knoten. Sie bugsierte mich in einen Waschraum und hat mir tatsächlich vor der Reinigung den Hintern verhauen. Schon damals kam mir das, um es mit heute überholten Begriffen zu sagen, abartig und pervers vor.

Alles was anderen Kindern in diesem Heim angetan worden ist, ist heute verjährt, die Menschen, die das gemacht haben, mutmaßlich tot. In meiner Erinnerung gibt es auch nichts, was justiziabel gewesen wäre. Aber es war trotz der wagen Erinnerung eine richtig, richtig beschissene Zeit.
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Burkhard aus Olfen schrieb am 23.06.2021
Ich war im Winter 1964 im Haus Westfalia in Sankt Blasien, Es herrschte ein strenges Regiment und wir wurden für jede Kleinigkeit bestraft, bzw. in ein dunkles Kämmerchen eingesperrt. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich ehemalige aus diesem Jahrgang zwecks Austausch und Aufarbeitung melden würden.
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Edith Mattissen schrieb am 23.06.2021
Ich kam, im Alter von ca. 3 Jahren, 1959 wegen Tuberkulose, für über 1,5 Jahre in die Kinderheilstätte Aprath. Meine Eltern durften nur alle 2 Monate zu Besuch kommen. Mir wurden danach alle Geschenke weggenommen, weil ich weinte wurde ich geschlagen und sie drohten , dass ich nie mehr nachhause komme, weil meine Eltern mich nicht mehr mögen, weil ich böse sei, da ich dort wieder eingenässt habe und nicht viel essen wollte bez. konnte ect. Als ich entlassen wurde erkannte ich meine Eltern nicht mehr. Ich war sehr ängstlich und habe kaum gesprochen. Hatte Panikanfälle bei Arztbesuchen und wenn meine Mutter für kurze Zeit nicht da war. Ich glaubte, dass sie dann nie wieder kommt, weil sie sterben würde...Es wurde nie darüber gesprochen und meine 14 Jahre ältere Halbschwester glaubte mir nicht, wenn ich einige Erlebnisse schilderte. Sie sagt auch jetzt noch, dass sie dass alles nicht glaubt und dass sie kein Interesse hat, sich zu informieren. Sie will darüber nichts hören, es sei Spinnerei ect. Das war wie ein Messerstich ins Herz für mich. Ich bin sehr dankbar für diese Initiative. Mir hilft die Gewissheit, dass ich nicht allein bin mit diesen Erfahrungen und kann mit Hilfe meiner Therapeutin lernen, besser damit zu leben..
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Günther Ahner aus Ludwigsburg schrieb am 22.06.2021
Da ich als Kind ziemlich klein und dünn war, wurde ich mehrfach verschickt. Der Horror war allerdings das Kindersolbad Bethesda in Bad Friedrichshall Jagstfeld.
Gleich nach der Ankunft mussten wir uns vor allen ausziehen und wurden von einer Schwester gebadet. Die dünnen Kinder mussten immer doppelte Portionen essen und mussten so lange am Tisch sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war. Ich kann mich noch an ein anderes Kind erinnern, das alles wieder ausgekotzt hat und das Erbrochene wieder aufessen musste. Am Abend durfte ein Junge der Bettnässer war nichts mehr trinken. Und ich weiß noch wie er heimlich an einen Wasserhahn ging und jede Menge trank. Bei dem Abendgesang im Freien stand er neben mir und kotzte dann einen kräftigen Wasserstrahl in die Botanik. Da bekam er natürlich richtig Ärger. Beim Mittagsschlaf musste es immer mucksmäuschenstill sein und die Schwestern haben auch immer wieder nachgeschaut und kontrolliert. Ich wurde auch einmal erwischt und konnte zwischen zwei Bestrafungen wählen, entweder eine Ohrfeige mit Anlauf oder 50 x an- und ausziehen. Ich entschied mich für die zweite Variante und musste es dann unter Aufsicht machen. Allerdings gab es auch eine pikante Situation, denn wir Jungs waren natürlich neugierig und interessierten uns schon ein wenig für das andere Geschlecht. In unserem Zimmer gab es 4 (?) Jungs und als einmal eine Schwester Anfang 20 zu uns kam, haben wir sie ausgefragt wie das mit dem küssen so ist und was ein Zungenkuss ist und wie das funktioniert. Sie war da völlig unkompliziert und hat es jedem von uns, der es wollte, in der Praxis beigebracht.
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Birte aus Hamburg schrieb am 21.06.2021
Ich war auf Norderney im Seehospiz,
Ein Schlüsselerlebnis war für mich das Wegsperren in eine Besenkammer am Ende des Ganges.
Wer hat Ähnliches erlebt dort.
Ich würde mich gerne über die Vorfälle austauschen.
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L.Wegener aus Hamburg schrieb am 21.06.2021
Ich bin im Sommer 1972 mit 8 Jahren für 6 Wochen dort gewesen, ohne ersichtlichen Grund. Im März d.J. bin ich auf die Seite „verschickungsheime“ gestoßen. Erst seitdem weiß ich, dass ich mir alles nicht nur eingebildet habe: Schläge, zensierte Briefe (ich weiß noch, dass ich unendlich irritiert war, dass es mir dort „so gut ging“, obwohl ich eigentlich nur eines wollte – weg, und zwar sofort. Aber „Mutti sollte ja nicht traurig sein“. Meine Süßigkeiten wurden bei der Ankunft einkassiert, jemand mußte Erbrochenes essen …..........
Es war und ist eigentlich immer noch ein Schock für mich, welche Dimensionen das alles hatte.
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Gudrun Stratmann aus Wuppertal schrieb am 21.06.2021
3- monatigem Aufenthalt 1957 oder 1958 in der Lungenheilstätte Aprath.

Angeblich hatte ich eine Lungenreaktion , die sich bei der Einschulungsuntersuchung zeigte, ausserdem war ich viel zu dünn. Meinen Eltern wurde deshalb ein Aufenthalt an der See vorgeschlagen, sie entschieden sich aber für einen Aufenthalt in der Nähe, wo man mich wenigstens 1 x pro Monat für zwei Stunden besuchen durfte. Die Wahl fiel auf die Lungenheilstätte in Aprath Düssel.

Der Aufenthalt war eine Katastrophe :

Post wurde geöffnet, Pakete ebenfalls , Inhalt wurde eingezogen, Süssigkeiten an alle verteilt, jeden Tag ein Bonbon, Spielsachen wurden bis auf ein Teil, ebenfalls für alle eingesammelt.
Bin mir nicht mehr sicher, ob Jungen und Mädchen getrennt waren, ich glaube aber es war so.
Kleinere Kinder bis ca 6 Jahren ,lagen in einem Schlafsaal mit ca 30 Betten.
Einmal im Bett, durfte man nicht mehr raus, ab 20 Uhr war Nachtruhe, man durfte auch nicht mehr reden. Wurde man erwischt , mussten sich alle vor die Betten stellen und man bekam mit einem langen Holzlineal was auf den nackten Po. Alle hatten auch nur das gleiche lange ,weisse Nachthemd an.
Tagesablauf : Aufstehen, Waschen, Anziehen-teils mit Hilfe Älterer, in Zweierreihen im Gang aufstellen-dann bekam man Tabletten oder Medikamentensaft ( zum Ruhigstellen ? ) anschließend ein Bonbon, Frühstücken, Liegehalle 4 Stunden im Freien, still auf dem Rücken liegen-Mittagessn, Mittagsschlaf auf dem Zimmer oder bei schönem Wetter auf dem Balkon,danach wieder 3 Stunden auf den Liegestühlen, Abendbrot,danach Spielzeit, dann ab ins Bett.
Gemeinschaftstoiletten 12 Schüsseln ohne Trennwände oder Türen
Gemeinschaftsbad – Kinder in der Schlange hintereinander, immer mehrere hintereinander in einen Zuber , 1 x pro Woche, dann gab's frische Sachen zum Anziehen. Die Spinde mit den Sachen standen vor den Zimmern, hatte man sich in der Woche schmutzig gemacht , oder eingenässt, musste man warten, bis es am Wochenende frische Sachen gab.
Zum Essen und zu den Liegezeiten gings in Zweierreihen. Es musste alles gegessen werden , vertrug man was nicht oder musste brechen, musste das Erbrochene wieder aufgegessen werden, bzw. man musste so lange am Tisch sitzen bleiben, bis der Teller leer war und wenn es Stunden dauerte.
Brach man auf den Boden, musste man den Boden selber sauber machen
Die größeren Kinder mussten bei den Kleineren helfen, waschen, anziehen Haare kämmen. Da ich Zöpfe trug, war das für die größeren Kinder zu schwierig sie zu flechten, deshalb wurden sie mir , ohne Rücksprache mit meinen Eltern kurzerhand abgeschnitten.
Ich denke 1 x pro Woche wurde man medizinisch untersucht,gewogen, öfters bekam man Spritzen in den Po oder Tabletten, worum es sich dabei handelte , weiss ich nicht ,wurde wahrscheinlich auch den Eltern nicht mitgeteilt. (Conterganversuche ? ) Ein Dr. Simon hatte die ärtztliche Leitung .
Die Eltern durften 1 x im Monat , sonntags für zwei Stunden zu Besuch kommen, das war jedesmal mit Heimweh verbunden.
Am Abholtag hat meine Mutter den Bus verpasst, der nur alle paar Stunden fuhr und ich sass von 9 Unh bis 12 Uhr auf gepacktem Koffer, mit der Angst nicht abgeholt zu werden. Vor allem auch deshalb, da meine Eltern in der Zeit meines Heimaufenthalts zum 1 x mit meinem Bruder nach Hilchenbach in Urlaub gefahren sind, ich bekam eine Postkarte mit sw Ansichten als Leparello in einem Rucksach von einem kleinen Jungen auf Wanderschaft , was mich sehr traurig machte.
Als fröhliches , an allem interessiertes Kind wurde ich verschickt und als trauriges und agressives Kind kam ich wieder nach Hause. Von da an hatte ich kein Vetrauen mehr zu den Erwachsenen. Ich hatte immer das Gefühl nirgendwo dazuzugehören, das ging soweit , dass ich dachte , ich wäre adoptiert.
Ob meine chronischen Erkrankungen - Morbus Chron u.a. auf die erhaltenen Medikamente zurückzuführen sind kann ich nicht sagen, aber möglich wäre es. Meine Psychischen Probleme hängen garantiert damit zusammen.
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Monika Pienkoss aus Leichlingen schrieb am 20.06.2021
Mein Name ist Monika Pienkoss und ich bin 1951 in Schwelm geboren. Von dort wurde ich im Winter 1961 für sechs Wochen nach Wangerooge ins Haus Sonnenschein zur Kur„ verschickt“. Der Grund für meine „Verschickung" ist mir bis heute unklar. Krank oder unterernährt war ich nicht. Hier nun meine Erlebnisse, kurz geschildert:

Meine Mutter brachte mich mit dem Zug nach Hagen. Sie fragte dort eine andere Mutter, die mit ihrer etwa zwei Jahre älteren Tochter auch dort wartete, ob sie vielleicht ein wenig auf mich aufpassen könne, während der Zugfahrt und dem Aufenthalt in Wangerooge. Leider hat sich dieses Mädchen nicht für mich interessiert und die ganzen sechs Wochen kein Wort mit mir gesprochen. So war schon die Zugfahrt von Angst und Verunsicherung geprägt. Auf der Fähre wurde es mir schlecht und ich musste mich übergeben. Hilfe gab es nicht. Im „Haus Sonnenschein“ teilte ich mir ein sehr kleines Zimmer mit zwei anderen Mädchen, die sich kannten, da sie aus einem Kinderheim kamen. Ich hatte fürchterliches Heimweh und musste die ganze Zeit heulen. Einmal in der Woche war Schreibtag und ich schrieb eine Karte an meine Eltern, dass es hier schrecklich sei. Die Karte wurde von den Aufpassern zerrissen und ich musste eine neue schreiben, aus der hervorging, wie schön doch alles hier sei. Ein Mädchen aus einem Berliner Waisenhaus, namens Elke, meinte, sie wüsste, wo der Briefkasten sei und ich sollte eine neue Karte schreiben. Leider wurde sie erwischt und was genau folgte weiß ich nicht mehr. Im Hallenbad mussten wir uns vor allen nackt ausziehen und wurden in Holzbottiche gesteckt. Danach Gesicht zur Wand und wir wurden von einem Mann mit einem Schlauch kalt abgespritzt. An Nikolaus bekam ich ein Päckchen mit einer großen Puppe aus Schokolade. Die Puppe wurde mir abgenommen und alle brachen sich ein Teil ab. Mir wurde nichts gegeben. An weitere Details kann ich mich nicht mehr erinnern. Als ich wieder zu Hause war habe ich nur geweint und geklagt. Meine Mutter ging aber nicht darauf ein. Als ich wieder in die Schule ging, las der Lehrer eine Karte von mir vor, die ich Wangerooge an meine Klasse schreiben musste. Ich schrieb“ morgens um 7 gehe ich ins Bett und abends um 7 stehe ich auf“. Von der ganzen Klasse wurde ich wegen dieser Verwechselung ausgelacht. Obwohl es viel schlimmere Erlebnisse gibt, so kann ich doch sagen, dass diese Erlebnisse meiner persönlichen Entwicklung sehr geschadet haben. Sollte jemand in dieser Zeit ebenfalls in Wangerooge gewesen sein, würde ich mich über eine Kontaktaufnahme freuen.
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Ariane Blumenau aus Meddewade schrieb am 19.06.2021
Ich hatte Haare bis Mitte Oberschenkel, meine Mutter sagte, dass ich sie in der Zeit dort nicht waschen müsste, da es sehr aufwendig war. Tante Irma wusch sie mir, kämmte sie danach und riss mir dabei gut die Hälfte meiner Haare aus. Bis heute darf niemand meine Haare anfassen.
Ich sollte in der Kur zunehmen, das Essen war so schlecht, dass ich angenommen habe.
In meinem Zimmer war eine Bettnässerin, die Räume ließen sich nicht richtig lüften, daher stank es erbärmlich.
Für das Frühstück nahm ich immer 2 Scheiben Billigwurst mit aufs stinkende, viel zu warme Zimmer, damit ich am Morgen nicht Pflaumenmus essen musste ( ich kann das bis heute nicht essen).
Im Mittagessen waren oft undefinierbare Dinge evtl. Erbrochenes.
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Helga aus Rheinbreitbach schrieb am 18.06.2021
Hallo ich war mit meiner Schwester dort. Ich war 6 und sie 10. Da meine Schwester zu den größeren gehörte haben wir uns immer nur im Speisesaal oder im Schlafsaal gesehen. Ich musste mein Essen immer aufessen und wenn ich Erbrochen hatte musste ich es aufwischen und bekam an diesem Tag nichts mehr zu essen. Einmal hat man mich im Schlafsaal dabei erwischt wie ich unter der Decke leise gesungen habe was ich aus Heimweh tat ,ich musste zur Strafe die ganze Nacht im dunklen Waschraum auf den kalten Fliesen schlafen. Hatte Jahre danach noch Probleme ohne Licht zu schlafen und Essstörungen. Durch die Strenge Art der Nonnen die dort in dem Hause waren habe ich mich auch ganz lange im Leben immer still untergeordnet, Arbeit, Beziehungen. ?
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Rosi aus Köln schrieb am 18.06.2021
Ich war von mitte November bis 20 Dezember 1966, in Bad Kreuznach,weil ich zu dünn war. Villeicht war noch jemand zu dem Zeitpunkt in Bad Kreuznach.Aufgrund der schlechten erinnerungen , habe ich Bad Kreuznach nie wieder besucht.Ich hasse diesen Ort.
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Petra aus Wuppertal schrieb am 17.06.2021
Der Aufenthalt war mit Höhen und Tiefen verbunden. Das erste Mal allein von den Eltern getrennt. Es herrschte ein rüder Ton - vor allem bei den Mahlzeiten wurden wir gezwungen, den Teller leer zu essen jeweils eine Tortur , wenn du als untergewichtig eingestuft wurdest. Nachts wurden wir von der Nachtschwester reglementiert, wenn wir nicht schlafen konnten, mußten wir uns zur Wand drehen und stillsein selbst wenn wir vor Heimweh und Kummer weinten. In der Tagesbetreuung konnten wir etwas Luft holen, aber insgesamt war das eine traumatische Erfahrung. Unmittelbar nach Rückkehr bin ich 6 Wochen mit schweren Atemwegsbeschwerden, die der eigentliche Kuranlass waren , wieder erkrankt.
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Astrid aus Münster schrieb am 17.06.2021
Mit 9 Jahren war ich 6 Wochen zur Kur auf Juist. Vieles von dem, was ich hier lesen konnte, habe ich ebenfalls in Erinnerung: Am ersten Tag wurden Postkarten ausgeteilt und der zugehörige Text diktiert, u.a. sollten wir schreiben, dass es uns gut gefällt. Das schien mir nicht zutreffend, weil ich ja gerade erst angekommen war und das noch nicht wusste. Ob ich das laut ausgesprochen habe oder eines der anderen Kinder, weiß ich nicht mehr. Die Antwort darauf war jedenfalls so, dass schlagartig alle Kinder im Raum wussten, es ist nicht die Zeit und der Ort für Fragen oder gar Widerworte :-), und alle haben wir die Karten dem Diktat entsprechend verfasst. Mittagsschlaf, genau, jeden Tag 2 Stunden, in denen das Zimmer auch nicht zum Toilettengang verlassen werden durfte. Am Strand waren wir in den 6 Wochen nur ein einziges Mal, dafür stand täglich ein Marsch über die Insel auf dem Programm: Wir mussten im Chor die Schritte bis 10 zählen, dann kam irgendwas mit Stock und Regenschirm, dabei musste man seitlich gehen, und dann ging es mit 1 wieder los... Aber am meisten in Erinnerung geblieben ist mir das Duschen am ersten Tag. Das ging zimmerweise vor sich, also 6 oder 8 (?) Mädchen, und wir haben mit Wasser gespritzt und Spaß gehabt. In der Ecke stand die Nonne, sagte nichts, lachte nicht, ließ uns aber erstaunlicherweise gewähren. Wir hörten dann im Nebenraum ein Kind aufschreien und anschließend bitterlich weinen, und wurden ein bisschen unsicher, haben aber erst einmal, gedämpfter, weiter gespielt. Dann zeigte die Nonne auf einen von uns und machte eine Geste zur Tür. Wir hatten vorher nicht mitbekommen, dass eine raus musste, und haben bei der nächsten dann vorsichtig abgewartet, was passiert - das Gleiche: Schrei, Weinen. Da war klar, dass hinter der Tür nichts Gutes wartet, und entsprechend haben wir auch schon mal alle geweint, aus Angst. Die Nonne zeigte wieder einen, es ging dem Alter nach, die Jüngsten zum Schluß. Ich war die Vorletzte, und das Schlimmste war eigentlich die Ungewissheit, was denn eigentlich passieren wird. Letztlich saß hinter der Tür die Mutter Oberin auf einem Stuhl, zog einen beim Rauskommen blitzschnell zu sich und klemmte einen zwischen die Beine. Weil man nicht wusste, was los war, hat man gezappelt und mit dem Kopf nach hinten geschaut - und bekam dann Spiritus in die Augen, mit dem die Haare (als Schutz vor Läusen?) gewaschen wurden. Das brannte und stank, und war sehr unangenehm, aber ich weiß noch, dass ich froh war, weil - zumindest wußte ich jetzt, was passiert... Nach der Rückkehr muß ich oft geweint haben. Ich kann mich nur an einmal erinnern, da gab es abends ein Nachtlied und die Gute-Nacht-Geschichte, und meine kleine Schwester lag im Etagenbett über mir, und ich war in dem Moment so froh und erleichtert, dass einfach die Tränen liefen. Meine Oma hat mich dann etwas später ermahnt, nicht immer zu heulen, weil es meine Eltern traurig machen würde, und außerdem wäre die Kur sehr teuer gewesen, sie haben 800 Mark zuzahlen müssen (das war für meine Eltern damals mit Sicherheit sehr viel Geld). Danach habe ich dann aufgepaßt, nicht mehr zu weinen, und habe auch glaube ich nie groß davon erzählt. Aber ich kann mich nach all den Jahren noch so gut an einzelne Szenen erinnern. Für mich war das Kinderknast.
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Regina aus Eschwege schrieb am 15.06.2021
Ich glaube ich war 8 Jahre alt, als ich „verschickt“ wurde. Damit ich nicht so allein bin, wurde mein Bruder, knapp 2 Jahre älter als ich, mitgeschickt! Meinen Bruder habe ich während dieser 6 Wochen nur einmal kurz von Weitem gesehen. Der Kasernendrill wurde auch bei Freigängen konsequent betrieben. Wenn die Jungs „auf Ausgang“ waren, mussten wir Mädchen uns umdrehen mit dem Gesicht zur Wand oder Hecke je nachdem, was gerade da war. Das Heim bestand aus mehreren Häusern, nach Geschlecht und Alter sortiert, mit einer „Tante“ als Aufseher. Meine hieß Brigitte und sie war grausam! Nachts lief sie Patrouillen durch den Flur, denn es war strengstens verboten auf die Toilette zu gehen, da oft morgens Urinproben abgegeben werden mussten und man da keine Geduld hatte ggf. warten zu müssen… Einmal hatte ein Mädchen im Schlafsaal „rumgealbert“ und gruselige Sachen erzählt, eines der Mädchen hatte entweder wirklich Angst oder war einfach nur albern und sich der Konsequenzen nicht bewusst. Jedenfalls ist sie aus ihrem Bett gehüpft und in meins rein! Tante Brigitte stand sofort im Schlafraum und leuchtete mit ihrer Taschenlampe in mein Gesicht, das andere Mädchen war komplett unter meiner Decke! Noch kam Gekicher unter der Decke hervor. Wir mussten beide aufstehen und uns vor unser Bett stellen und unser Hinterteil frei machen, dann uns mit dem Oberkörper auf das Bett legen und das nackte Hinterteil hochhalten. Tante Brigitte hatte ein feines Stöckchen dabei, wie viele Schläge es waren, weiß ich nicht mehr, auch an den Schmerz erinnere ich mich nicht mehr, aber an das Gefühl ausgeliefert zu sein und die Erniedrigung vor aller Augen… Eines der Mädchen hatte eine ältere Schwester in einem anderen Haus, die sie auch treffen durfte, weil ja Geschlechtsgenossin und kein Bruder, der sie von diesem Vorfall erzählte. Es gab eine Zusammenkunft im Speisesaal mit mehreren Tanten und alle Kinder des Hauses mussten sich aufstellen, die ältere Schwester war auch anwesend… Tante Brigitte ist die Reihe der Mädchen entlang geschritten und hat gefragt „wer ist hier angeblich geschlagen worden? Keine Angst, einfach vortreten, dann können wir das klären!“ und hin und her ist sie die Reihe „abgeschritten“! „Na? Wer war denn das? Hat hier keiner was zu erzählen?“ Ich dachte mein letztes Stündchen hätte geschlagen! Ich habe nichts gesagt! Und die Versammlung wurde aufgelöst mit dem Hinweis, dass irgendein „dummes Ding Blödsinn erzählt hat um sich wichtig zu machen“! Ich hatte schreckliche Angst, dass das Konsequenzen hätte, aber nein, es wurde nie mehr darüber geredet. Nach 3 Wochen wollten meine Eltern zu Besuch kommen, da mein Onkel in Freiburg wohnte und Geburtstag hatte, das wollten sie mit einem Besuch verbinden. Ich hoffte, dann könnte ich erzählen, was da passiert war und sie würden mich mitnehmen. Denn Briefe wurden diktiert, man durfte nicht schreiben, was man wollte und so war man einfach ausgeliefert! Meine Mutter hat einmal angerufen und da stand Tante Brigitte neben mir und hat mitgehört, also auch keine Chance. Nach dem nächtlichen Vorfall war ich so eingeschüchtert, dass es reichte, mir zu sagen, dass ich brav sein müsste, sonst würde ich mich wundern, was für Möglichkeiten sie hätte. Was sie meinte, wurde mir klar, als meine Mutter mir mitteilte, dass sie nicht kommen würden, wie geplant, weil Tante Brigitte gesagt hatte, dass ich mich gut eingewöhnt hätte und ein Besuch nur das Heimweh wieder bringen würde. In meinem Interesse sollten sie doch darauf verzichten. Das war der Moment an dem ich dachte, da nie mehr raus zu kommen. Bei vielen wurde der Aufenthalt verlängert und da hatte ich totale Panik! Ich habe selbst nach meiner Rückkehr nach Hause erst viel später davon erzählt. Ich habe nur gesagt, dass ich es nicht schön fand…mein Bruder fand es super! Er wollte da gern wieder hin! Ich wäre eher gestorben! Ich habe viele Jahre noch unter diesen traumatischen Erlebnissen zu leiden gehabt. Ich konnte nicht mit auf Klassenfahrt fahren und bin lieber in eine andere Klasse während dieser Zeit gegangen. Erst viel später konnte ich das überwinden. Einige haben mich bestimmt für einen Sonderling gehalten, aber es war nicht möglich, auch bei Freundinnen zu übernachten war unmöglich, ich hatte echte Panik davor. Mit 15 oder 16 Jahren habe ich mich selbst davon befreit, heute weiß ich, dass ich psychologische Hilfe gebraucht hätte, aber damals hat da niemand dran gedacht. Ich habe ein gestörtes Verhältnis zu meiner Mutter, dieses und vieles andere kann ich ihr nicht verzeihen. Das ist sehr traurig, aber ich habe damals verinnerlicht, dass ich offenbar nicht viel wert bin und das hat mich mein Leben lang verfolgt. Heute bin ich 55 und wenn ich mich schlecht behandelt fühle, sage ich das sofort, also dass mich das stört und bitte darum, das zu unterlassen, freundlich aber bestimmt! Denn ich bin es mir wert und lasse mich von niemandem klein machen! Obwohl ich nur 1,60 m groß bin, trete ich immer auch für andere ein, mein Gerechtigkeitssinn ist besonders ausgeprägt und heute denke ich, dass gerade diese Erlebnisse mich stark gemacht haben! Heutzutage gibt es sowas ja Gott sei Dank nicht mehr, aber ich hätte meine Kinder auch niemals „verschickt“! Heute gibt es Mutter-Kind-Kuren, das ist auch sicher besser so!
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Jo aus Landkreis Ludwigsburg schrieb am 15.06.2021
Im Alter von 10 und 12 Jahren kam ich in Erholung. Ich meine, dass der Schularzt erstmals in der 4. Klasse die Erholung, weil ich zu dünn war, empfohlen hat und ich dann im Gesundheitsamt Ludwigsburg untersucht und die Erholung in die Wege geleitet wurde.
Aufenthalte: 1970 in Wiesensteig, Kinderkurheim Bläsiberg und 1972 in Brissago, Lago Maggiore, Kinderkurheim Miralago
Ich vermute, das war beide Male in den Sommerferien.
Meine Mama hat vor der Erholung Namensschilder in meine Kleidung genäht.
Die meisten Erinnerungen an die Heime habe ich wohl tief vergraben oder verdrängt.

Zu Wiesensteig:
Ich war das erste Mal alleine von zuhause weg. Ich hatte Heimweh, Kontakt nach Hause durfte ich nicht haben. In einer Postkarte habe ich meinen Eltern geschrieben „Ich bringe viele Briefmarken mit nach Hause. Evi und Micki in meinem Zimmer sind sehr frech zu mir. Uns geht es gut“. Wer Post von zuhause bekommen hat wurde im Speisesaal aufgerufen. Ich habe auch einmal ein Päckchen mit Süßigkeiten von Zuhause bekommen, ob das aufgeteilt wurde kann ich mich nicht erinnern.
Zum Frühstück gab es manchmal Schokopuddingsuppe und als Getränk Hagebuttentee.
Beim Essen musste ich solange vor meinem Teller sitzen bleiben bis er leer gegessen war, egal ob ich es nicht mochte oder satt war. Dies hat sich bei mir eingebrannt und ich habe mir geschworen niemals ein Kind zum Essen zu zwingen.
Wir mussten jeden Tag Mittagschlaf machen. Ich kann mich noch gut an die Liegen mit den Decken an der Turnhalle erinnern.
Im Garten war eine Schaukel und ein Drehkarussel. Vom Drehkarussel wurde ich runterkatapultiert und habe mir das Handgelenk verstaucht. Eine „Tante“ ist mit mir zum Arzt gefahren, dort habe ich eine Gipsschiene bekommen. Meine Eltern wurden nicht informiert. Als die Heimreise anstand wurde mir die Schiene abgenommen, damit ich „heil“ daheim ankomme. Es folgten 15 Jahre erhebliche Schmerzen im Gelenk, erst mit Homöopathie konnte ich das ausheilen.
Schön war jedenfalls, dass ein Nachbar uns Kinder mit seinem Traktor und Heuwagen mal mitgenommen hat.

Zu Brissago:
Die Anreise war mit dem Zug ab Stuttgart bis Locarno. Vermutlich von dort aus mit dem Bus bis Brissago.
In Brissago hatten wir junge, heute würde man sagen „coole“ Erzieherinnen. Wir sind oft in der Gruppe an das Ufer am Lago Maggiore gelaufen. Ich hatte dort einen Freund, Frank S. aus Sindelfingen. Wir haben uns noch eine Zeitlang geschrieben als wir wieder daheim waren. An die Namen der anderen Kinder kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich kann mich noch an ein Mädchen erinnern das eine Perücke trug, warum das so war weiß ich nicht mehr (sie ist auch auf meinem Gruppenbild).

Mittagschlaf machten wir auch hier, im Matratzenlager vom Pavillon.
In einer Karte an zuhause habe ich geschrieben „Jeden Montag ist Schreibtag, wir sind zu acht im Zimmer und müssen jede Woche duschen“. In den Waschsaal gingen wir in Unterhose und mit einem kleinen Handtuch, das zeigen meine Bilder.
Bei der Ankunft musste ich ein Lieblingskleidungsstück zur Seite hängen für die Heimreise. Ich habe mich für meinen nagelneuen Hosenanzug entschieden. Leider habe ich in den 6 Wochen mehr als 4 Kilo zugenommen und der Hosenanzug war zu eng.
Mein Bruder wollte mich damals besuchen (er hatte schon den Führerschein). Er hatte ein Paket mit Kleidung gebracht, das wurde mir auch gleich übergeben. Er wurde aber nicht vorgelassen zu mir. Dass ich meinen Bruder nicht sehen durfte, obwohl ich erfuhr, dass er vor der Tür stand, tat mir sehr, sehr weh. Das Argument war Heimweh.
Das Highlight war einmal abends, da wurde ein halber Raclette Käselaib im offenen Kamin vom Speisesaal erwärmt, das war sehr lecker und ich denke gerne daran.

Seit vielen Jahren leide ich unter Ängsten. Die meisten Probleme machen mir Trennungsängste, Verlustängste, Druck, Bevormundung, hilflos, ausgeliefert, alleine zu sein.
Mir wurde immer wieder empfohlen doch eine Reha zu machen, aber ich wollte nie von zuhause weg.
Durch einen emotionalen Ausnahmezustand mit einigen somatischen Beschwerden wurde ich hellhörig als im Fernseher ein Bericht über „Verschickungskinder“ kam. Vielleicht habe ich nun noch Erklärungen gefunden für Teile meiner Verhaltensweisen. Dass auch die „Erholungen“ dazu beigetragen haben.
Zum Beispiel warum ich immer für meine Kinder da sein wollte und bin! Warum ich keinen Druck, Bevormundung und Ungerechtigkeiten ertrage! Warum es mir sehr schwer fällt alleine aus meinem gesicherten Umfeld zu gehen, warum allein sein oft mit Angst verbunden ist, warum ich immer Harmonie suche.
Vielleicht findet sich jemand, der auch zu der Zeit in den beiden Heimen war, vielleicht kann ich mit deren Berichten mein Gedächtnis wecken.
Die Initiatoren dieser Seite möchte ich meinen Dank aussprechen und hoffe, dass wir Verschickungskinder gesehen werden.
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Ursula Kocke aus Wuppertal schrieb am 15.06.2021
Als 7jährige wurde ich ,für 6 Wochen ,in obiges Heim verschickt.Es war die Hölle die ich dort ertragen mußte.Weil ich den ,täglichen,Haferschleim nicht aufgegessen habe ,mußte ich allein ,in dem riesigen Speisesaal sitzen bleiben während die anderen Kinder raus durften.Weil mein Teller,auch am Abend,nicht leer war,bekam ich den am nächsten Tag wieder vorgesetzt,so oft bis er endlich leer war.Ich hatte großes Heimweh und habe jeden Abend geweint,was zur Folge hatte,dass ich in eine Kammer gesperrt wurde weil ich die anderen Kinder gestört habe.Die Kammer war kalt und dunkel.Als ich nach 4 Wochen krank wurde ,versprach man mir ,mich früher nach Hause zu schicken,darauf habe ich gewartet aber als der Zeitpunkt da war ,wurde mir gesagt ,dass das nicht geht weil meine Mutter mich nicht mehr haben wollte.Danach habe ich mehrmals ins Bett gemacht,wurde als Schwein beschimpft und bekam keine Bettwäsche mehr sondern mußte auf einer Plastikplane ohne Bettzeug schlafen ohne Schlafanzughose weil die ja auch nass wurde.Ich kann mich an einen Jürgen aus Köln -Phingst erinnern dem es genauso erging.Am schlimmsten war eine Tante Wilma,ich sehe sie ,noch heute,vor mir ,riesen groß mit schwarzen Haaren.Sie war ein Teufel.Heute ,mit 78 Jahren,erzähle ich das erste Mal über diese Zeit,sie hat mich geprägt und trotzdem habe etwas daraus mitgenommen,ich habe meine Kinder nie zum Essen gezwungen ,ich habe sie nie ausgeschimpft wenn sie mal ins Bett gemacht hatten ,ich habe sie nie,zur Strafe eingesperrt,ich habe sie einfach nur geliebt.
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EineRose schrieb am 15.06.2021
Ich war im Herbst 1975 als 8-jähriger für 6 Wochen im Verschickungsheim Brilon gewesen. Unter den 8-12-jährigen dort war ich einer der jüngsten. Meine Eltern sagten mir, danach wäre ich ein ganz anderer Mensch gewesen als davor: viel blasser, stiller und weniger lebhaft.
An ein paar Dinge erinnere ich mich: Einmal war ich "widerspenstig" und wurde unten im Waschraum von Frau Selter geschlagen. Das war nach einer Wanderung, nach der ich einfach nicht mehr konnte. Die ging bestimmt über 20 km oder mehr.
Abends nach den Schlägen habe ich ins Bett gemacht, was ich schon lange nicht mehr getan hatte. Ich habe mich nicht getraut, etwas zu sagen und in der Pfütze weitergeschlafen, bis es irgendwann wieder trocken war.
Auch an das Gurgeln von Salzwasser erinnere ich mich. Schrecklich! Und irgendwann im Laufe des Tages gab es diesen furchtaren Brottrunk, der schmeckte wie Essigwasser. Mag ja vielleicht gesund gewesen sein für Erwachsene, aber für uns Kinder war er eine Folter. Wir haben uns alle davor geekelt. Briefe wurden kontrolliert und alle schrieben natürlich, wie toll es dort doch angeblich war. Wehe, man hätte etwas anderes geschrieben.
Frau Selter war wirklich ein furchtbarer Drachen, schon von ihrem matronenhaften Äußeren her. Ich erinnere mich noch daran, dass sie sogar einen Kinnbart hatte. Das machte sie für uns Kinder nicht sympathischer.
Während der Zeit wurde ich krank und bekam wohl Scharlach, wie man später zuhause an den Symptomen erkannte. In Brilon selbst wurde nichts dagegen getan. Ich musste weitermachen wie die anderen. Ich war erschöpft und froh, als es vorbei war. Auch meinen Eltern fiel auf, dass ich in viel schlimmerem Zustand nach Hause kam als ich abgereist war.
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Steffi aus Brilon schrieb am 15.06.2021
Nach dem Lesen des o.g. Buches konnte ich eine Veränderung bei mir feststellen: Ich fühle mich
in diesem Punkt zum ersten Mal ernst genommen und ich habe nie gelogen in Bezug auf meine
Erinnerungen.
Und ich war nicht die Einzige.
Aber es hat mich auch erschüttert, aufgewühlt. Das Begreifen, „ich war dabei, es ist alles wahr“,
hat mich auch erst einmal sprachlos gemacht und still werden lassen. Nachdenklich, meine Gedanken
und Gefühle erst einmal ankommen lassen und überhaupt zuzulassen.
Und ich hatte plötzlich keinen Hunger mehr, nur Durst.
Die Erkenntnis, das heim- und zeitunabhängig über ganz Deutschland diese grauenhaften Taten
belegt worden sind (und hoffentlich noch weiter belegt werden), beweist: Das hatte System! Und
war nur möglich, weil alle weggeschaut habe: Familien, Ärzte, Krankenkassen, Gesundheits- und
Jugendämter, Träger, Kirchen, Lehrer, Staat… Und es bis heute weiterhin tun.
Ich war ca. ½ Jahr alt, als ich an Asthma und Neurodermitis erkrankte und mein Kinderarzt, Dr.
Götting (Paderborn), den ich als mit-leidenden, freundlichen Mann erinnere, alles versucht hat,
um mir zu helfen. Vermutlich hat er meinen Eltern zu dieser „Kur“ geraten, was damals ja offenbar
durchaus üblich war.
Aufgewachsen bin ich mit zwei Schwestern (*1966 und *1967) in einem liebevollen, fürsorglichen
Elternhaus, das katholisch geprägt war und in dem die christlichen Werte gelebt wurden. Die
Familie habe ich immer als Schutzraum empfunden gegen „Feinde“ von außen. Auch meine
Schwestern waren immer meine Verteidiger, wenn andere Kinder aufgrund meiner „kaputten“
Haut gegen mich waren. Echte Freunde / Freundinnen hatte ich aber nicht. Wir wohnten damals
außerhalb von Stadt und Dorf und Mobilität gab es nicht. Meine Mutter war zuhause und für sie
war das Mutter-Sein eine echte Berufung, die sie selbst für sich frei gewählt hatte und bis heute
lebt. Mein Vater war zwar der klassische Versorger, aber immer für uns da, liebevoll, fürsorglich
und weitblickend, fantasievoll und humorvoll. Meine Mutter war, so vermute ich heute, mit drei
Kindern, davon einem sehr kranken, trotz all ihrer Mühe oft am Ende ihrer Kräfte. Mein Vater hat
sie unterstützt, wo er konnte und immer darauf geachtet, dass sie selbst nicht zu kurz kommt.
Vor diesem Hintergrund ist wahrscheinlich auch die Entscheidung, mich in eine „Kur“ zu schicken,
damit es mir besser geht, gefällt worden.

Interessanterweise bringe ich meinen Vater überhaupt nicht mit den Erlebnissen um das Thema
Borkum in Verbindung, vermutlich, weil er bei Abfahrt und Rückkehr nicht dabei war. Was ich
erinnere, ist seine Umarmung, als ich wieder zu Hause war und das Gefühl: „Ich bin in Sicherheit!“
Meine Mutter vermutet, die „Kur“ könnte über die Barmer Ersatzkasse oder auch über die Caritas
gelaufen sein, an den Namen des Heims und ob es ein kirchlicher Träger war, erinnert sie sich
nicht.
Ich war gerade 6 Jahre alt geworden, als ich von Paderborn aus in ein Heim auf Borkum verschickt
wurde. Meine Mutter erzählt, dass sie einige Zeit vor der Abfahrt noch ein Foto hat machen lassen,
auf dem sie vermerkt hat, dass ich 6 Jahre alt war. Damit müsste es Oktober / November
1970 gewesen sein. Dazu passen auch meine Erinnerungen an Borkum: draußen kalt und grau,
es gab keine Sonne, Blumen oder grüne Bäume; drinnen immer nur spärlich beleuchtet und viele
graue Farbtöne.
Auch die Rückfahrt nach der „Kur“ passt zur diesem Zeitfenster: Meine Mutter, meine Oma und
ich sind mit dem Bahnbus gefahren, da war es schon dunkel. Meine Mutter weiß noch, dass der
letzte Bus von Paderborn in unseren Ort entweder um 16:30 oder 17:30 fuhr, damit kann es nicht
im Sommer gewesen sein. Ich erinnere mich an das Licht im Bus und die Sitze: sie waren aus
einem dunkleren roten Plastik und durchzogen mit bräunlichen Äderungen und sahen aus wie
Blut.
Zur Abfahrt hatten mich meine Mutter und meine Oma gebracht. Ich erinnere mich noch an die
Karte um den Hals und dass die Bänke im Zug aus Holz waren und der Po vom langen Sitzen
wehtat. Der Rest ist weg, ebenso die Fährfahrt und die Ankunft. Auch an das Haus habe ich keine
Erinnerung. Trotz Sichten alter Bilder und einem Besuch auf der Insel vor ein paar Jahren kam da
nichts wieder.
Die Erinnerung an den Aufenthalt auf Borkum kann ich in keine Zeitachse packen; ich kann nur
einzelne Situationen erinnern, aber nicht, was zuerst oder was zuletzt war.
Ich habe auch keine Erinnerung, dass ich je in einem riesigen Schlafsaal war, auch nicht an andere
Mädchen (außer einer) und schon gar nicht an Jungen. Daher kann ich nur die einzelnen Bruchstücke
aufschreiben, die mir aber noch absolut präsent sind:
Bruchstück 1:
Ich war allein in einem Zimmer und saß in einem Gitterbett. Gegenüber auf einem hohen Schrank
saß hoch oben mein Teddybär, den mir Pater Sonntag von der Mission Mariental in Süd-West-
Afrika (heute Namibia) extra für diese „Kur“ geschickt hatte. Der Teddy war unerreichbar für mich
und ich habe ihn danach auch nie wieder gesehen oder gar zurückbekommen. Das Bettlaken war
nass und voller Blutflecken und -streifen, weil ich mich offenbar gekratzt hatte. Jemand in weißer
Kleidung saß neben mir und zeigte mir eine Postkarte mit Teddybären darauf und hatte ein Päckchen
von meinen Eltern dabei. Was darin war, durfte ich nicht sehen und habe den Inhalt auch
nie bekommen. Nur die Karte durfte ich kurz anschauen, aber nicht anfassen oder gar behalten.
Auch sie war danach weg. Vorgelesen wurde sie nicht. Weil das Bett so schmutzig war, musste
ich es abziehen und mit der Schwester (ich vermute, es war eine wegen der weißen Kleidung) im
Waschraum waschen. Die braunen Flecken vom Blut hab ich nicht wegbekommen, deshalb
musste ich solange waschen, bis sie ganz blass waren. Der Boden war eiskalt und ich durfte keine
Schuhe tragen. Und es brannte nur ganz wenig Licht. Irgendwann waren dann viele hohe Stimmen
da, die mich ausgelacht haben, es gibt aber keine Körper oder Gesichter dazu.
Diese Prozedur musste ich immer wieder machen, weil ich oft ins Bett gemacht habe und mich
blutig gekratzt habe. Vielleicht war ich auch immer nur in diesem Einzelzimmer. An Medizin oder
Salben kann ich mich nicht erinnern, auch nicht an einen Arzt.
Bruchstück 2:
Ich erinnere mich an den Waschraum mit ganz vielen Waschbecken in einer langen Reihe mit
Spiegeln darüber, aber die waren zu hoch, ich kannte mich nie sehen. Der Raum war ganz kalt
und dunkelgrau gestrichen. Es gab kein helles Licht, nur eine einzige Leuchte unter der Decke.
Auf den Waschbecken lagen Zahnbürsten und Zahnpasta. Ganz viele Kinder hatten diese rosafarbene
Blendi-Kinderzahnpasta, die es auch heute noch unverändert gibt. Ich bin immer wieder in
diesen Waschraum geschlichen und habe diese Zahnpasta gegessen, die war lecker und
schmeckte nach Himbeeren. Ich erinnere außer mir kein einziges Kind in diesem Raum, auch kein
gemeinsames Waschen oder Zähneputzen. Auch dass ich dort hinschleichen konnte, legt die Vermutung
nahe, dass ich in einem Einzelzimmer untergebracht war, vielleicht, weil ich keinen anstecken
sollte.
Den Geruch und den Geschmack dieser Zahnpasta finde ich heute noch angenehm.
Bruchstück 3:
Ich erinnere mich an einen endlos langen, kalten und dunklen Flur, der wie alles nur spärlich
beleuchtet war. Auf beiden Seiten waren viele Türen, aber alle geschlossen. Und es war ganz still.
Am Ende des Flurs gab es kein Fenster, dafür aber eine dunkle Ecke. Die Wände waren dunkelgrau
und ganz glatt und kalt, so wie der Fußboden. In dieser Ecke musste ich immer wieder stehen,
wieso, kann ich nicht sagen. Vielleicht wegen dem verschmutzen Bett, weil es nie besser wurde
mit dem Ins-Bett-Machen und sich-blutig-kratzen. Ich war immer barfuß und hatte ein
Nachthemd an, aber keine Unterhose und keine Decke. Ich musste immer auf die Wand schauen
und durfte mich nicht umdrehen. Wie lange das jeweils gedauert hat, weiß ich nicht, es fühlte ich
an wie eine Ewigkeit. Manchmal war auch dort das Gelächter der hohen Stimmen, auch an die
Worte „kaputte Haut“ erinnere ich mich. An Schläge erinnere ich mich dagegen nicht. Aber daran,
dass ich mir in dieser Ecke immer das kleine Mädchen aus dem Märchen „Das kleine Mädchen
mit den Schwefelhölzchen“ vorgestellt habe. Es ist bis heute mein Lieblingsmärchen und wenn
ich es vorlese, wird meine Stimme immer ganz brüchig, manchmal kommen auch Tränen.
Bruchstück 4:
Ich erinnere mich, dass es eine Nachtschwester gab. Aber sie sah nicht aus wie eine Schwester
oder Nonne, sie hatte keine Haube. Sie hatte dunkelgraue Haare, ein graues Kleid an und der
Stoff war etwas rau. Sie saß auf einem Stuhl bei den Toiletten. Sie sah aus wie meine Kindergärtnerin
Tante Lisbeth. Bei ihr war ich einmal (vielleicht auch öfter) in der Nacht. Dazu musste ich
eine Treppe hoch. Mit ihr verbinde ich die Worte gütig und tröstend. Erlaubt war das nicht, wir
durften nachts nicht zur Toilette gehen. Wieso ich trotzdem da war, kann ich nicht sagen, vielleicht
auch das ein Hinweis auf das Einzelzimmer. Diese Nachtschwester war jedenfalls die einzige
Person, die so etwas wie ein Gesicht hatte.
Bruchstück 5:
Von meiner Betreuerin erinnere ich nur die Rückenansicht. Sie hieß Fräulein Niederegger (ich
denke, es wird so geschrieben), den Begriff „Tante“ erinnere ich nicht.
Sie hatte lange schwarze glatte Haare bis zur Mitte des Rückens, sie waren strähnig und fettig.
Sie hatte einen extrem breiten Hintern und dicke Oberschenkel. Sie trug immer schwarz und
hatte eine schwarze Feincord-Hose mit dem braunen Wrangler-Etikett. Wenn sie lief, gab es immer
das typische Geräusch, das Cordhosen machen, wenn die Beine aneinander reiben. Dieses
Geräusch erzeugt bei mir bis heute ein ungutes Gefühl. Ich habe nie diese Cordhosen und schon
gar nicht die Marke Wrangler getragen oder tragen wollen.
Bruchstück 6:
Der Speisesaal war ein riesiger Raum in einem vergilbten beige, aber genau wie alle Räume immer
kalt. Der Tisch war ziemlich hoch, so dass ich fast mit dem Kinn an die Platte kam. Es gab
keine Blumen oder Tischdecken. Auch kein Besteck, nur einen Löffel. Der Teller immer so voll,
dass er fast überlief. Auch hier erinnere ich keine anderen Kinder oder Stimmen. Gefühlt war es
total still.
Ich erinnere mich nicht, dass das Essen farbig war, nur an graue oder grau-beige Farben. Es gab
auch keinen Geschmack. Alles war irgendwie gleich, eher pampig und sehr fettig. Ekelig war das
Fleisch: meist zäh, mit dicken Fettbrocken, sehnig und mit viel Knorpel. „Schneiden“ musste ich
das mit dem Löffel, was nie gelang. Das Brot schmeckte immer staubig, offenbar war es alt und /
oder schimmelig. Noch heute kann ich Schimmel sofort riechen und esse nur absolut mageres
Fleisch.
Ich musste immer alles aufessen und mir war immer schlecht danach, weil es einfach zu viel war.
An einmal kann ich mich erinnern, dass ich alles wieder ausgebrochen habe. Dann hat mich jemand
ohne Gesicht in den Nacken gepackt und mir alles wieder eingelöffelt, bis endlich alles leer
war. Ich hab mich mehrmals übergeben, weil das einfach so ekelig war und so hat das ziemlich
lange gedauert, bis ich fertig war.
Bis heute kann ich es nicht haben, wenn mich jemand im Nacken packt oder durch die Haare
wuselt. Und bis heute muss ich würgen, wenn im Fleisch mal eine Sehne auftaucht, die ich übersehen
habe. Auch sobald ich sehe oder höre, dass sich jemand übergibt, löst das Würgereiz bis
hin zum tatsächlichen Erbrechen aus, selbst bei geruchs- und geräuschlosen Szenen in Filmen
muss ich rausgehen oder die Augen und Ohren schließen. Ich bin ausgebildeter Ersthelfer und
habe schon viele schlimme Verletzungen gesehen, aber wenn sich da jemand übergeben hat,
kann ich nichts mehr tun.
Einmal gab es Grießbrei mit Kirschen (da war dann doch Farbe). Der Brei war wie Beton und völlig
ohne Geschmack, aber die Kirschen waren lecker. Die Kirschkerne hab ich geschluckt, vor lauter
Angst, sie auf den Teller zu legen. Und ich hatte Angst, dass sie im Bauch werden wie die Wackersteine
und ich daran sterbe. Aber das ist zum Glück nicht passiert.
Kirschen liebe ich heute noch, Grießbrei würde ich freiwillig nie wählen, ob wohl ich auch schon
leckeren gegessen habe und nicht würgen musste.
Außerdem erinnere ich mich, dass ich ständig Durst hatte. Es gab ganz wenig zu Trinken und dann
nur roten Tee mit einem üblen Nachgeschmack, der noch mehr Durst machte. Manchmal hab ich
heute noch echte Durstattacken, in denen ich dann sofort trinken muss. Das ist wie eine Art
Zwang. Roten Tee verabscheue ich heute noch.
Bruchstück 7:
An Borkum als Insel oder an das Meer habe ich so gut wie keine Erinnerungen. Ich glaube, wir
waren so gut wie nie draußen. Aber ich erinnere mich auch drinnen an keinen Raum, wo wir
gespielt hätten oder gebastelt. Auch nicht an Gruppen mit anderen Kindern. Da ist einfach nichts.
Einmal waren wir in einem Wellenbad. Die Halle war riesig und es roch eigenartig, vielleicht nach
Salz, weil auch das Wasser salzig war. Wenn ich Wasser geschluckt hatte, musste ich würgen. Die
Wellen waren riesig und ich hatte Angst, unterzugehen. Es waren noch andere Menschen im Bad,
aber die waren immer weit weg und sahen ganz winzig aus. Meine Haut hat höllisch gebrannt,
weil das Salz in die aufgekratzten Wunden kam. Zum Abtrocknen gab es Handtücher, die ganz
steif und hart waren und nicht richtig getrocknet haben. Hinterher war meine Haut ganz trocken
und ist immer wieder aufgeplatzt. Und dann war das Bett wieder blutig und die Waschprozedur
kam. Noch heute meide ich Schwimmbäder und Meerwasser.
Bruchstück 8:
Ähnliches erinnere ich auch von den Duschräumern. Duschen kannte ich nicht, wir hatten zu
Hause nur eine Badewanne. Hier erinnere ich auch andere Kinder, vermutlich Mädchen, aber alle
ohne Gesichter. Wir mussten uns zum Duschen alle nebeneinander nackt aufstellen. Das Wasser
kam aber nicht von oben, sondern aus einem Gartenschlauch. Es war ein ganz harter Strahl und
eiskalt. Es brannte auf meiner Haut und der harte Strahl tat weh. Seife gab es nicht. Einmal hab
die Arme um mich gelegt als Schutz: Da musste ich nach vorne kommen und wurde noch mal
„abgeduscht“. Und wieder mussten alle anderen mich auslachen. Wieder diese hohen Stimmen
und die Worte „kaputte Haut“.
Bruchstück 9:
Einmal waren wir in den Dünen. Ich bin mit einem Mädchen (an weitere Kinder erinnere ich mich
nicht) zusammen eine Düne hochgelaufen. Das Mädchen hatte einen roten Hut auf, ähnlich einem
Fes, nur die Quaste war eher ein schwarzer, dickerer Faden. Kurz bevor wir oben waren,
stand oben am Rand der Düne ein Mann, der sich gegen den grauen Himmel abhob und aussah
wie Zorro: mit dem Hut und einem schwarzem wehenden Umhang, der sich aufgebläht hatte.
Alles an dem Mann war schwarz, auch er hatte kein Gesicht. Er kam auf uns zu und wir sind
umgedreht und gefühlt um unser Leben gerannt. Diese Angst kann ich sogar jetzt wieder fühlen,
während ich dies schreibe.
Nach dem „Kuraufenthalt“ bin ich in die 5. Klasse auf’s Gymnasium gekommen. Ich war die einzige
aus der Grundschule, die auf das Mädchengymnasium kam, kannte dort also niemanden. Die
erste, die mir auffiel, war Anke W.. Ich bis heute zu 100 % sicher, dass sie das Mädchen mit dem
roten Hut war. Ich fragte sie, aber sie hatte es verneint. Später, ich war 17. oder 18 Jahre alt,
habe ich sie noch einmal darauf angesprochen: auch da hat sie behauptet, nie auf Borkum gewesen
zu sein. Diesmal allerdings mit einer ziemlichen Aggressivität und Wut in ihrer Stimme. Ich
habe sie danach nie wieder gefragt. Und bis heute begegne ich ihr mit einem gewissen Argwohn,
ich traue ihr irgendwie nicht.
Interessanterweise hatte ich in der Zeit in Pädagogik das Thema „vernachlässigte Kinder“. Mein
damaliger Lehrer sagte mir später einmal: „ich war sicher, Du würdest Pädagogik oder irgendetwas
Soziales studieren.“
Bruchstück 10:
Vermutlich eher zum Ende des Aufenthaltes müssen wir in der Stadt gewesen sein. Ich hatte ein
Leporello mit Bildern von Borkum mit nach Hause gebracht. Darauf war auch ein Foto vom berühmten
Wal-Knochenzaun in der Kirchenallee zu sehen. Den Zaun habe ich beim Besuch auf der
Insel wiedererkannt. Das Leporello hatte ich lange, irgendwann ist es verschwunden. Geblieben
ist nur das Bild vom Wal-Knochenzaun, alle anderen sind verschwunden oder basieren auf den
Bildern vom Besuch auf der Insel.
Besonders mögen tue ich Borkum nicht.
Als ich wieder zu Hause war, sagte meine Mutter: „Das ist nicht mehr das Kind, das wir losgeschickt
hatten! Nie wieder gebe ich ein Kind weg !“ Ich glaube, sie leidet bis heute unter dieser
Entscheidung, obwohl sie wirklich nur das Beste wollte.
Ich war trotz meiner Erkrankung den Erzählungen nach ein fröhliches, aufgewecktes und positives
Kind. Als ich zurückkam, war ich nur noch still und unauffällig, fast unterwürfig. Vieles davon
ist geblieben: ich mag auch heute noch keine Feiern oder Ereignisse, in denen ich der Mittelpunkt
bin. Immer noch habe ich diese Angst, ich könnte nicht gut genug sein, es geht etwas schief, weil
ich nicht alles bedacht habe, oder es kommen keine Leute, weil man mich doch nicht mag.
Ganz früh nach dieser „Kur“ wusste ich sicher und klar, dass ich niemals Kinder haben will.
Obwohl meine Mutter und meine ganze Familie alles getan haben, um mich wieder aufzubauen,
hat das Verhältnis zu meiner Mutter einen Knacks bekommen, der erst seit 2016 (Herzinfarkt
meines Vaters), also nach 50 Jahren, so langsam zu heilen beginnt. Was für eine Zeitspanne!
Mein Selbstvertrauen und Selbstsicherheit waren verschwunden. Statt dessen war das Gefühl,
nicht den Anforderungen zu genügen, ein permanenter Begleiter. Selbst wenn es belegbar war,
z.B. durch gute Zeugnisnoten, habe ich es nicht geglaubt.
Auch bedingt durch meine „kaputte“ Haut hatte ich jahrelang keine echten Freunde oder Freundinnen.
Ich habe lange versucht, durch lauter Unfug Freunde zu kaufen. Das konnte natürlich
nicht gelingen. Ich war der Klassenclown, aber nicht wirklich lustig. Lustig gemacht haben sich die
anderen über mich - Geschichte wiederholt sich halt. Irgendwann war ich dann nur noch still und
angepasst. Die Erfahrung zeigt: das läuft gut, ich war nicht mehr angreifbar. Die ersten Freunde
waren eine Gruppe von Jungen, da war ich fast 17 Jahre alt. Wenn etwas nicht so lief, haben sie
es mir direkt ins Gesicht gesagt und dann war es gut. Sie haben nie nachgetreten oder nachgetragen.
Bei den Mädels war das anders, denen konnte ich nie wirklich vertrauen. Das ist bis heute
so geblieben. Frauen gegenüber bin ich sehr vorsichtig und zurückhaltend. Wenn überhaupt, erfahren
sie erst nach langer Zeit etwas über mich.
Dafür begann ich, mich zu Hause anders zu verhalten: ich habe mit meinen “Heldentaten“ draußen
geprahlt, die es aber tatsächlich nie gab. Ich behauptete, die Größte zu sein, in Wahrheit war
ich ganz klein und unsichtbar. Ich wollte einfach nur Anerkennung dafür, dass es mich gab. Hatte
ich das Gefühl, sie nicht zu bekommen, wurde ich sauer, es folgen die Türen, zu argumentieren
hatte ich nie gelernt. Dieses Verhalten habe ich nur meiner Mutter gegenüber an den Tag gelegt.
Als ich einmal beim Ladendiebstahl einer Packung Kaugummi erwischt worden wird, brach für
meine Mutter eine Welt zusammen. Die Frage nach dem Warum oder nach Hintergründen
konnte sie nicht stellen und hat mir dieses Vergehen jahrelang immer wieder vorgehalten: sie
konnte mir nicht mehr vertrauen, ich hatte wieder einmal enttäuscht. Anders mein Vater: er hat
mit mir darüber gesprochen und mir das nie wieder vorgehalten. Von ihm habe ich das Verzeihen
gelernt.

Eine wichtige Folge der Borkum-Erfahrung war, dass ich ein sehr feines Gespür für Ungerechtigkeit,
benachteiligte und ausgegrenzte Kinder und Erwachsene entwickelt habe. Auch dafür bin
und werde ich bis heute oft belächelt und ausgegrenzt: dass ich immer den Schwachen in der
Klasse geholfen habe. Bei Lehrern, die keiner mochte, habe ich Kurse belegt. Und von all diesen
Menschen bin ich belohnt wurden: mit echtem Lächeln und Dankbarkeit. Das ist wahrscheinlich
das positivste, das bei dieser „Kur“ herausgekommen ist.
Heute erkenne ich sehr schnell, wohin die modernen Forderungen aus Politik und Gesellschaft
führen werden, nämlich hin zum Missachten der Rechte der Schwachen, egal ob Kinder, Behinderte
oder alte Menschen.
Um es modern auszudrücken:
Das wird ein Borkum 2.0, all diese Forderungen zum Kinderschutz im Grundgesetz inkl. Entziehung
der Erziehungshoheit der Eltern, nach dem Abstillen in die Horte und Kitas, bloß keine enge
Bindung an die Eltern, Abschaffung der Familie als Basis der Gesellschaft und als Schutzzone,
Leihmutterschaft, Abtreibungsfreigabe inkl. der Freigabe für die Forschung an Embryonen, assistierter
Suizid. Da ist der Schritt zur Euthanasie nicht weit.
All das hatten wir in den Auswirkungen in diesem System, dem wir Verschickungskinder hilflos
ausgeliefert waren.
Auch heute bekomme ich massiven Gegenwind, wenn ich das versuche klarzumachen. Dann
werde ich in die rechte braune Ecke verortet. Und dann falle ich oft in das alte Schema zurück
und werde still. Obwohl ich weiß, dass es falsch ist, bin ich dann wie gelähmt und kann nicht
dagegen angehen.
Aber trotz allem: ich komme gut zurecht in meinem Leben, habe einen wunderbaren Ehemann
und eine tolle Familie, die zusammensteht, wenn es eng wird.
Und auch einige echte Freunde mittlerweile.
Alles in allem ist es gut gelaufen, man hat es nicht geschafft, mich komplett zu brechen. Eine
kleine Genugtuung, immerhin.
Manchmal würde ich mich gerne an mehr erinnern. Vor allem interessiert mich, wieso ich mich
an keine anderen Kinder und an keine Gesichter erinnern kann. War ich vielleicht in einer Art
Einzelhaft, überwiegend isoliert und konnte ich deshalb die nächtlichen „Ausflüge“ machen?
Aber ich habe kein Vertrauen in Psychologen und Psychiater, um es aufzuklären und eigentlich
reicht der Dreck an Erinnerungen auch so.
Ich will auch kein Entschädigungsgeld, das gibt mir nichts. Wichtig ist mir, dass das Thema öffentlich
an Fahrt gewinnt und dass niemand jemals Menschen, insbesondere Kindern so etwas wieder
antun kann!
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Ariane aus Remscheid schrieb am 14.06.2021
Hallo, ich war im März 1969 über mein 6 Geburtstag verschickt worden.
Ich habe lange gesucht um endlich diese Seite zu finden. Wie das Heim hieß weiß ich nich , es stellte sich mit einem Lied vor. Kinder wollt ihr den ponyhof sehen Faria faria ho, müsst ihr zur Barmer Ersatz Kasse gehen.., und so weiter. Bei der Barmer hatte ich mal angefragt, aber keine Auskunft bekommen. Das Heim...
Es war der Alptraum..
Ich weiß das mein Vater mich in Wuppertal zum Bahnhof brachte. Ich war sehr klein und dünn, hatte vorher lange wegen eines komplizierten Armbruchs im Krankenhaus gelegen. Ich wurde in den Zug gesetzt und als wir ankamen war mein Koffer nicht da. Man sagte mir meine Eltern wären schuld. Er kam etwas später und endlicher etwas von zuhause!
Ich wurde beschimpft, da ich keine Schuhbürste mit hatte, die aber auf der Liste stand! Jetzt sollte ich zusehen wie ich meine Schuhe jeden Tag! putzen soll! Ich wurde Abends aus dem Bett geholt, weil die Aufpasser dachten ich hätte gesprochen, hatte ich nicht, hatte schon geschlafen, ich soll doch nicht so tuen wurde mir gesagt, musst dann im Flur auf einem Stuhl sitzen und durfte nicht zur Toilette. Als ich an zu weinen fing wurde ich in den Duschraum gesperrt! Ich musste aber mal, man sagte ich könnte ja in die Badewanne machen, das habe ich dann getan. Sooo schlimm.
Wir wurde morgens nackt hintereinander aufgestellt, mit unseren Handtüchern und mussten zum Waschen und Zähneputzen, ohne Ton!!! Zu Essen gab es fast jeden Tag Quarksuppe..,ich kann bis heute keinen Quark essen! Manche mussten sich übergeben und wurden bestraft! Wir haben immer geflüstert...Komm iss es , sie werden sonst böse.. in die Ecke stellen war an der Tagesordnung! Da ich dort Geburtstag hatte, bekam ich ein Päckchen, das ich aber nicht selber auspacken durfte. Alles wurde reglementiert. Die Süßigkeiten meiner Eltern musste ich teilen und nur wenige behalten, es war auch ein Brief dabei, er wurde vorgelesen, ich habe ihn nie bekommen. Allerdings durfte ich an diesem Tag telefonieren. Ich hatte vor alles zu erzählen, aber eine Frau stand die ganze Zeit neben mir und sagte. Du willst doch nicht das deine Mama traurig ist... ich habe gesagt das alles gut ist. Einige Tage vor der Abfahrt nach Hause bekam ein Kind die Röteln. Wir durften nur nach Hause wenn wir fieberfrei waren. Also habe ich das Thermometer immer nur ein bisschen in den Mund genommen, weil es mir schon schlecht ging ich aber keinem Tag länger dableiben wollt! Es hat funktioniert! Auf dem Nachhauseweg im Zug in der Nacht, bekam ich die Röteln. Aber ich war aus dem Heim!
Fotos waren gestellt für die Eltern und wir wurdrn unter die Höhensonne gebracht.. in einen Kreis gestellt und mit Brille auf!
Ich kann mich an einem Zauberer erinnern, ein schöner Moment.
Ich hatte nicht zugenommen, hatte die Röteln und fünf entzündete Fingernägel!
Habe meine Familie nicht erkannt und kam mir verlassen vor!
Ich muss immer noch daran denken.
Ariane
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Renate48 aus Nähe Braunschweig schrieb am 14.06.2021
Guten Tag alle zusammen. Ich wurde zum ersten Mal 1957 oder 1958 für 6 Wochen in das Kinderschwalbenheim nach Bad Sooden-Allendorf verschickt. Mein Vater war im damaligen Walzwerk in Peine beschäftigt und bei der Knappschaft versichert. Wir sind mit dem Bus dort hingebracht worden. Ich war angeblich zu dünn und sollte zunehmen. In vielen eurer Berichte auch über die Zwangsernährung, finde ich mich wieder. Ich wurde dort zum Bettnässer und Nägelkauer. War wieder ein Urinfleck im Bettlaken, musste ich am Morgen im Flur in der Ecke stehen. Die anderen Kinder wurden dazugeholt und mussten mich auslachen. Das sollte wohl der Abschreckung dienen. Einmal bin ich auf dem gebohnerten Flur ausgerutscht und habe mir den Finger gebrochen. Ich hatte Schmerzen, wurde aber nur ausgeschimpft, ich solle mich nicht so anstellen. Der Finger ist unbehandelt krumm angewachsen und erinnert mich heute noch an diese schreckliche Zeit. Zurückgekehrt bin ich mit Narben auf der Seele, blutig abgekauten Fingernägeln ,einem juckendem roten Ausschlag am ganzen Körper und schmutziger Kleidung. Der Geruch von Milchsuppen erzeugt noch heute Übelkeit. 2 Jahre später kam ich nach Wyk auf Föhr, wieder für 6 Wochen. Daran habe ich komischerweise gar keine Erinnerung mehr.
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Karin Büttner-Heil aus Fulda schrieb am 14.06.2021
Ich war im Sommer 1964, kurz vor meiner Einschulung, in Hallwangen im Schwarzwald. Ich erinnere mich genau daran, dass wir unheimlich viel essen und mittags lang schlafen mussten. Mir schmeckte das Essen meistens nicht und ich spuckte oft in ein Taschentuch, das ich heimlich auf der Toilette verschwinden ließ. Jeden Freitag kam ein Arzt und meckerte herum, wenn man nicht zugenommen hatte. Wir wurden nachts geweckt um auf die Toilette zu gehen, damit kein Malheur geschieht. Als ich einem kranken Kind, das neben mir im Schlafsaal lag, meinen Teddy ausborgte, wurde ich ausgeschimpft, wahrscheinlich wegen der Ansteckungsgefahr. Als wir bei der Mittagsruhe leise flüsterten, musste sich jedes Kind im Bett auf den Bauch legen und die Schlafanzughose runterziehen. Dann kam eine Erzieherin und drosch jedem Kind auf den Po, dass es brannte. Wenn die Briefe nach Hause verfasst wurden, sagte ich immer, dass es mir nicht gefällt und ich weg will. Leider konnte ich noch nicht lesen. Meine Eltern waren ahnungslos, denn in den Briefen standen lauter Unwahrheiten. Von einem Päckchen meiner Oma habe ich nie etwas gesehen. Es wurde sofort einkassiert.
Als ich zu Hause meinen Eltern von den Zuständen erzählte, beschwerte sich mein Vater bei dem Träger. Ihm wurde gesagt, ich sei verlogen und egozentrisch und damit sind niemals Konsequenzen gezogen worden.
Als ich letztes Jahr eine Reha machen musste, kamen plötzlich Erinnerungen an diese Kur und noch einen Krankenhausaufenthalt mit zwei Jahren in mir hoch. Ich hatte rasendes Herzklopfen, Schwindel und sehr hohen Blutdruck an den ersten zwei Tagen. Ich bin mir inzwischen sicher , nach einem Gespräch mit der Psychologin, dass das mit diesen traumatischen Erfahrungen damals zu tun hat.
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Daniel aus 07318 Saalfeld schrieb am 14.06.2021
Guten Tag,

mein Bruder und ich wurden 1986, im Alter von 5 Jahren, ins Kinderkurheim Pausa geschickt. Wir waren zu dieser Zeit keine guten Esser und
unsere Mama war in dem Glauben, dass es uns in den 4 Wochen Kur gut gehen würde.
Mit einem Ikarusbus wurden wir in Gera abgeholt und in das Kinderkurheim gefahren.
Alle Kinder mussten in 2 Gruppen in den 2 Schlafräumen warten, während die Namen geprüft wurden.
Dann wurde jedes Kind aufgerufen, musste zuerst mitgebrachte Getränke in ein Waschbecken schütten und dann durfte es sich max. ein Kuscheltier aussuchen,
während das restliche mitgebrachte Spielzeug im Koffer bleiben musste.
Die „Erzieherinnen“ waren sehr unfreundlich. Danach wurde die Gruppe rumgeführt, in den Waschraum, Hof, Essensraum und Spielzimmer.
Als Abendbrot gab es trockenes Brot, mit winzigen Mengen an Butter, fetter Wurst und einem Eierbecher! voll Gurkensalat.
Dann durften wir noch spielen, wobei das vorhandene Spielzeug schon defekt war. Zum Waschen ging es in den Waschraum, wobei wir uns
vor dem Waschen am Waschbecken mit einer Bürste kräftig „striegeln“ mussten, zur Durchblutung.
Schlafen erfolgte unter Aufsicht, wobei die Kinder, die Keine Ruhe halten wollten angebrüllt wurden, eng mit Bettzeug eingewickelt, oder zur Strafe in der
Tür stehen mussten. Tagsüber gab es kurze Wanderungen, Spielen und Beschäftigungstherapie. Kinder, die Heimweh hatten, wurden nicht getröstet.
Eines Tage wurde ein Schaf vor den Augen der Kinder geschlachtet – dies gab es zum Mittag. Meinem Bruder und mir wurde es schlecht, aber die
Erzieherinnen haben uns das Fleisch mit der Gabel reingezwungen. Heimlich haben wir es ausgespuckt und in den Taschen der Schürze versteckt.
Nachts hat sich ein Junge eingekackt – dieser musste so dann lange zur Strafe in der Tür stehen.
Nach der Halbzeit wurde ein Brief von zuhause vorgelesen und für jedes Kind ein „vom Personal“ verfasser Brief an die Eltern geschickt.
Alles in allem war es eine schlimme Zeit in der Kur, die mir deutlich bis heute in Erinnerung geblieben ist.
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Thomas Meyer aus Hamburg schrieb am 13.06.2021
Bei Durchsicht alter Briefe bin ich auf Postkarten an mich gestossen, die mir Familie und Verwandte nach Sylt geschickt haben. Das war also nicht 1967, wie in meinem Beitrag geschrieben, sondern September Oktober 1969. Ich war da also schon fast 7 und ging schon in der 2. Klasse zur Schule.
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Anja aus Dresden schrieb am 11.06.2021
Ich bin Anja.
Ich bin in der DDR aufgewachsen und wurde 1986 im Alter von 9Jahren in das Kinderkurheim Dahmshöhe, im Ort Altthymen geschickt. In meinem SV Ausweis ist ein Vermerk darüber. Meine Mutter hat die Postkarte aufgehoben die ich von dort geschrieben habe.
Der Hauptsatz lautete,, ich bin die Bett Nummer 18,,
Das sagt schon was aus.
Leider habe ich große Erinnerungslücken...
Wenn ich die ganzen anderen Berichte lese, dann bin ich schockiert und mir wird übel. Ich fürchte ich habe schlimmes erlebt und stark verdrängt...
Es gibt so viele Probleme in meinem Leben und so viel was ich mir nicht erklären kann, wahrscheinlich hängt es mit dieser Kur zusammen.
Meine Mutter sagte mir ich war zum zunehmen dort und als ich zurück gekommen bin habe ich sie abgewiesen, nicht mehr gesprochen und war wesensverändert.
Wer von euch war auch in Dahmshöhe und kann mir weiterhelfen was da vll. Passiert sein könnte?
Wie jeder von uns befinde ich mich in einem Bereich der Aufarbeitung und Heilung....
Vll. Hilft es ja wieder einfach glücklich werden..

Danke
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Claudia aus Münster schrieb am 11.06.2021
Für meine Eltern in Hamm (Ruhrgebiet) war dies die einzige Möglichkeit, uns einen "Urlaub" in gesunder Luft zu ermöglichen, und somit wurden mein jüngerer Bruder und ich alle 2 Jahre verschickt. Mein Vater hatte sehr schweres Asthma, wir litten häufig unter Erkältungen, dies war offensichtlich Grund genug.
Bonndorf im Schwarzwald: Dort war ich im Winter zu Beginn oder vor meiner Einschulung. Die Tanten waren Schwestern, welche ein strenges Regiment führten: Toilettengänge in Mittagspausen waren nicht gestattet, so daß die jüngeren Kinder (wozu ich auch gehörte) oft einnässten und Sanktionen folgten. Alle Bilder sind in meiner Erinnerung fetzenhaft und durchweg schwarzweiß. Ich habe nur eine einzige positive Erinnerung an den Aufenthalt (auch dieses Erinnerungsbild ist schwarzweiß): Es hatte geschneit und wir durften im Wald spazierengehen, natürlich in 2er-Reihen geordnet. Meine Eltern haben uns nach 6 Wochen in Tränen aufgelöst am Bahnhof in Empfang genommen und mussten uns versprechen, daß wir dort niemals wieder hinmüssen.
St.Peter-Ording: auch im Winter, das weiß ich nur, weil ich Geburtstag (im Januar) hatte und mein Süßigkeiten-Paket nicht behalten durfte. Ich erinnere mich sonst nur, daß wir Unterricht und viel Langeweile in Nebelkammern hatten, aufgrund des Winterwetters nicht viel draußen waren, und wenn, dann oft auf dem Ponderosa-Spielplatz (paradiesischer Ort).
Bayrisch Gmain: im Sommer, trotz all der langweiligen Anwendungen war es schön, (wir haben Skat in der Nebelkammer gespielt), wir waren sehr viel draußen, es wurde gebastelt, gespielt, getanzt, gesungen, alle waren nett.
Winterberg: im Sommer, ich war schon 14 und die Älteste. Die betreuenden Schwestern waren suuuperlieb und hatten trotzdem alles im Griff - oder gerade deswegen?. Ich sollte zunehmen, weil ich spindeldürr war. Bei den Mahlzeiten stand immer eine Schwester neben mir und hat mir noch einen Schlag Müsli oder Kartoffeln aufgetan, was ich Aufessen sollte - zwar ohne Zwang, aber solange, bis der Arzt zufrieden war. Die Freizeitaktivitäten waren eher für Jüngere - inclusive Biene Maja gucken. Wir waren sehr oft Wandern im Wald - herrlich.
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Louise Serong aus Essen schrieb am 11.06.2021
Meine Eltern glaubten, mir etwas Gutes zu tun: 6 Wochen Borkum während der Schulzeit, was ein letztes Mal möglich sein könnte, denn im Schuljahr darauf wäre ich auf dem Gymnasium und da könnte man ja nicht einfach zwischendurch mal eben 6 Wochen fehlen; Sonne also, Strand, andere Kinder, das Meer- ich war begeistert von dieser Idee, die sich auch daraus ergab, dass ich so dünn war, also zunehmen sollte. Was folgte war ein Martyrium. Ich erbrach das ungenießbare Essen und musste vom Teller mit dem Erbrochenen weiter essen. Ich erbrach auf der Treppe und musste sie säubern, während die Betreuungsperson daneben stand und mich beschimpfte. Ich konnte nicht aufessen und musste ganze Nachmittage im Speisesaal vor meinem Teller sitzen bleiben. Nachts wurden wir geweckt, um in langer Schlange auf dem zugigen Gang an der Toilette anzustehen. Dies sollte das Bettnässen verhindern. Das Mädchen in unserem Schlafsaal, das tatsächlich Bettnässerin war, machte natürlich dennoch ins Bett, wofür sie öffentlich gedemütigt wurde. Unsere Briefe nach Hause wurden gelesen, zensiert, zerrissen. Wir durften nur schreiben, dass es uns gut geht und das Essen uns schmeckte. Als ich Geburtstag hatte, ich wurde dort 10 Jahre alt, bekam ich ein Päckchen von zuhause. Die darin enthaltenen Süßigkeiten wurden entnommen und verteilt, die Bücher wurden zurück gehalten, ich erhielt lediglich eines zum dort lesen, was für mich als "Leseratte" natürlich nicht ausreichte. Das Meer sahen wir nur von Weitem, man ging mit uns nicht dorthin. Ich war kraftlos, traurig, fühlte mich einsam und hatte zwischendurch das Gefühl, meine Eltern und Freundinnen, mein Zuhause niemals wieder zu sehen; 6 Wochen können endlos sein. Als ich später davon erzählte sah ich zum ersten Mal meinen Vater weinen. Meine Eltern bereuten, mich dorthin geschickt zu haben. Dennoch war diese Art des Umgehens mit Kindern in der Zeit nicht unüblich. In der Schule wurde ja sogar noch geschlagen. Dies zu wissen, es also in einen zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext zu setzen macht es dennoch nicht schöner. Es war ein traumatisches Erlebnis mit Langzeitfolgen.
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Kontakt Wunsch: Keine Angaben
Ralf schrieb am 09.06.2021
Ich wurde Mitte der 60er Jahre mit ca. 4 Jahren zum Aufpäppeln für 6 Wochen mit der Arbeiterwohlfahrt "zur Erholung" geschickt. Zuerst war die Rede von Norderney ("du kommst an die See"), dann ging es aber nach Meinerzhagen, ins Kinderkur- und Genesungsheim Schürfelde.
Nur ein paar einzelne Ereignisse sind mir tatsächlich bis heute in Erinnerung geblieben:
Ein rot-weißer VW Scheiben-Bulli brachte mich vom Bahnhof zum Kinderheim. Es herrschte ein strenges Regiment der "Tanten". Ich hatte mindestens einmal wegen irgendwas "Stubenarrest", musste also stundenlang ganz allein im abgedunkelten Schlafraum im oder auf dem Bett bleiben während die anderen Kinder draußen in der Sonne waren. Ich habe dabei wohl auch geweint.
Als ich dort wieder das Einnässen anfing musste ich einmal einen halben Tag im nassen Bett liegen bleiben. Es wurde auch so getan, als wäre ich der einzige und so wurde ich vor den anderen Kindern bloßgestellt. Dann gab es eine Gummiunterlage.
Mittags gab‘s oft Milchreis mit Zimt und Zucker, das mochte ich gar nicht, wegen dem Zimt, aber es musste immer alles aufgegessen werden. (Wahrscheinlich kommt es daher, dass ich Zimt-Geruch und Geschmack nicht ertrage.)
Einmal hat ein etwas älteres Kind an unserem Tisch (ich glaube er hieß Ansgar) den Brei wieder auf seinen Teller erbrochen. Als er sofort ängstlich das Zeug zu löffeln begann haben wir eine Tante gerufen und die hat ihm den Teller weggenommen.
Ab und zu wurde Post von Zuhause verteilt. Meine Eltern hatten mir einmal eine große Tüte Bonbons geschickt. Es wurde dann am Abend von der Tante mit großer Geste an jedes Kind in unserem Schlafraum aus der Tüte heraus genau 1 Bonbon verteilt. Und zwei Tage später sahen wir den Sohn der Chefin mit der fast leeren Tüte draußen vor dem Haus herumsitzen.
Wenn wir zum Spielen draußen waren (auf einer Wiese am Haus oder im angrenzenden Wald) bestimmten die Größeren immer über die Kleinen wie mich und wir kamen auch nie an den Ball.
Ich war wohl froh, als nach 6 langen Wochen endlich der rot-weiße VW-Bulli wieder kam und ich einsteigen konnte. Der Rentner, der mich im Zug begleitete übergab meinen Eltern dann am heimischen Hbf aus seiner braunen Leder-Aktentasche eine Tüte mit meiner letzten eingepissten Unterhose.
Ein paar Jahre später hat mir meine Mutter mal erzählt dass sie sich erschrocken hatte, als sie mich damals wieder in Empfang nahm: Die Haare waren gewachsen, ich hatte Schatten unter den Augen und war noch dünner als vorher.
Übrigens: Im Internet lassen sich bei Alt-Ansichtskartenhändlern heute noch original Nachhause-Karten der Kinder aus dem Heim finden.
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Kontakt Wunsch: Kontakt nur über den Verein
Arro aus Hamburg schrieb am 09.06.2021
ca. 4-5 mal verschickt aus Hamburg nach
  • Detmold-Berlebeck (ca. 1964, 6 Jahre alt)
  • Cuxhaven-Dunen (ca. 1965, 7 Jahre alt)
  • Vogelkoje Sylt (1969, 11 Jahre alt)
  • Wenningstedt Sylt (1970, 12 Jahre alt)
Am schlimmsten waren auf der ersten Verschickung das Graubrot mit Marmelade und die Sagosuppe. Meine Kotze musste ich selber aufwischen, aber, glaube ich, nicht essen. Trotzdem empfand ich es als entwürdigend und habe darauf bestanden, sofort nach Hause zu fahren. Der traumatische Augenblick kam, als mir meine Mutter am Telefon erklärte, dass das nicht möglich sei und ich artig sein solle. Spätestens da wusste ich, dass ich ganz alleine auf der Welt bin und ich vom Leben nichts Gutes mehr zu erwarten haben würde, was auch stimmte.
Ansonsten erinnere ich mich an die quälend langen Mittagsschlafzeiten. Ich sehe noch eine dünne grüne Raupe vor mir, die im Hof in Dunen am Feldbett vorbeiraupte. Einmal habe aus Wut ich fast ein Kind mit mit einem Eisenhocker getötet, woraufhin man erwog, mich vorzeitig nach Hause zu schicken. Ich fand mich im Recht, denn der andere war frech geworden. Verhaltensauffälligkeiten wurden bloß als Disziplinlosigkeit wahrgenommen, nicht als Problem. 1969 durften wir nicht die Mondlandung gucken. Das hatte uns empört. Ebenfalls 1969 brannte bei der Rückkehr des Sonderzuges aus Sylt mit 1000 V-Kindern der Altonaer Bahnhof. Die Autoritäten haben trotzdem die Einfahrt des Zuges in den brennenden Bahnhof erlaubt, weil sie nicht wussten, wie sie die Sache hätten sonst abwickeln sollen, denn immerhin warteten ja vor Ort ebenso viele Eltern auf ihre Kinder, die sie seit Wochen nicht gesehen hatten. Ich erinnere mich, dass meine Mutter halb in Panik war. 1970 war dann schon voll die antiautoritäre (=darwinistische) Erziehung durchgeschlagen und auf Sylt interessierten wir uns nur noch die Nackten, die wir von unseren Verstecken in den Dünen aus beobachten konnten. Heißen Dünensand finde ich nach wie vor erregend und Sylt ist immer noch einer meiner Lieblingsorte. Alleine schon der Geruch der Dünen und die Seeluft. Herrlich.
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Arno aus Mühltal schrieb am 08.06.2021
Mit 11 Jahren bin ich im Sommer für sechs Wochen nach Büsumer Deichhausen verschickt worden. Ich war zu dünn und sollte an der Nordsee zunehmen. Aber wie kann man zunehmen, wenn man die ganze Zeit nur Heimweh hat?
Man musste Briefe an die Eltern schreiben einmal in der Woche. Wenn da etwas drinstand, das den Betreuerinnen, die die Briefe kontrollierten, nicht gefallen hat, musste man den Brief vollständig neu schreiben. Alles, was man erlebt hatte, musste im Brief beschönigt beschrieben werden. Keinesfalls durfte man schreiben, dass man Heimweh hatte.
Im Nachhinein beurteile ich die jungen Betreuerinnen als pädagogisch unausgebildet und mit der Menge der Kinder überfordert. Manche gaben sich Mühe mit den Kindern etwas zu unternehmen, anderen waren die zu betreuenden Kinder eher lästig. An meine Gruppenleiterin habe ich keine negativen Erinnerungen. Erfahrungen sexuellen Übergriffes habe ich nicht gemacht. Eher wurde ich psychisch unter Druck gesetzt, z.B. den Teller leer essen auch wenn ich keinen Hunger hatte. Den Zustand der Unterbringung im Seeschlösschen war meiner Erinnerung nach primitiv, sehr spartanisch, provisorisch, für Jugendliche und Kinder ungeeignet. Das ganze Haus machte auf mich einen eher baufälligen Charakter.

Als ich nach langer Bahnfahrt zurück kam, war ich froh, dass ich nach sechs Wochen wieder im Kreise meiner Familie sein konnte. Andererseits habe ich im Nachgang den Eindruck, meine Eltern hatten sich nicht so wirklich interessiert wie es mir im Heim ergangen ist. Ich weiß, dass meine Eltern mir in den Ferien mal etwas "bieten" wollten. Sie selbst hatten nicht die finanziellen Möglichkeiten mit der ganzen Familie in Urlaub zu fahren. Sie waren mit der großen Familie und beruflich stark gefordert.
Ich brauchte eine Zeit, um mich zuhause wieder in die üblichen Abläufe einzugewöhnen und den Anschluss in der Schule zu finden, die schon mehrere Wochen vor meiner Rückkehr begonnen hatte. Ich war dankbar, dass meine Mutter mir mehrmals ein Päckchen ins Heim geschickt hatte mit Essenssachen und Erinnerungsstücken ans Zuhause und ein paar Zeilen auf einer Postkarte. Telefon hatten wir damals noch nicht.Das belegen auch zwei Fotos, die ich noch besitze.

Der Heimaufenthalt im Sommer 1968 hatte eigentlich keinen weiteren Einfluss auf mein Leben. Die Gemeinschaft mit den Jungs in meiner Gruppe im Heim fand ich sehr gut. Wir hatten viel Spaß miteinander. Das hat mir gefallen. Auch hatte und habe ich gute Gefühle, wenn ich an den Ferienort zurückkomme, in dem das Ferienheim war. Aber ich wollte nie wieder in ein Heim dieser Art. Die Unfreiheit und Bevormundung, die ich dort erlebte war ich weder von Zuhause gewohnt noch von meiner weitverzweigten Familie, bei der ich als Kind und Jugendlicher meine sonstigen Ferienaufenthalte erlebte. Dies und das immense Heimweh wollte in nicht noch einmal erleben.
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Ingrid Fleck aus Radevormwald schrieb am 08.06.2021
Ich bin 1956 geboren und war einmal in meinem Leben in einem Kindererziehungsheim in Norderney. Alle Daten habe ich völlig verdrängt,vor allem, da man mir nach zu Hause meine Erzählungen nicht geglaubt hat. Bei Urlaubsplanungen sind alle erstaunt, wenn ich bei dem Vorschlag "Norderney" vehement blockiere, ich habe auch niemandem davon erzählt, weil ich auch glaubte, das habe ich mir alles nur eingebildet. Ich habe heute den Zeitungsartikel "Verschickungskinder fordern Anerkennung" gelesen und bin auf eure Seite und den Blog "Zeugnis ablegen" gestoßen. Ich muss jetzt mit dem Lesen aufhören, da ich Herzrasen und Magenschmerzen bekommen habe und nicht mehr aufhören kann zu heulen; viele, viele Erlebnisse habe ich auch gemacht, seelische Grausamkeiten, Essstörungen, die ich heute noch habe und vor allem die absolute Hilflosigkeit und Einsamkeit - alles kommt wieder hoch.
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Sabine Müller-Reinecke aus 28857 Syke schrieb am 08.06.2021
Ich wurde über Continental Hannover nach Boffzen verschickt. Ebenfalls schickte die Vulkan Werft aus Bremen Kinder.
Ich kann mich an viele entwürdigende Situationen erinnern.
Eingehende und ausgehende Briefe wurden zensiert. Telefonate waren nicht möglich bzw kann ich mich nicht erinnern. Kinder, die nicht zugenommen haben, mussten aufessen. Ich erinnere mich an ein dünnes rothaariges Mädchen, neben der eine Erzieherin saß, als alle schon fertig waren mit Essen. Sie erbrach und musste trotzdem aufessen.
Nachmittags gab es in der Hitze fertigen Tee aus großen Gebinden, in dem manchmal Ameisen schwammen. Anderes gab es dann nicht.
Die Kinder von der Vulkan Werft kamen etwas später als die Conti Kinder an. Es wurde uns erzählt, es käme auch ein Bettnässer. Das Kind war natürlich von Anfang an stigmatisiert. Es war erst 6 Jahre alt!
Die Schlafsäle mit bei mir 11 Betten führten alle auf einen zentralen Flur, in dem die Aufseherin saß. Wer sich muckte, musste sich mit bloßen Füßen auf den Flur in die Ecke stellen mit dem Gesicht zur Wand.
Mittags mussten wir ins Bett. Es durfte nicht gelesen werden. Ich war 10 Jahre alt!
Ich habe aus Kummer abgenommen und bin krank geworden. Die entwüdigendste Situation für mich war, dass ich zum Fieber messen zur Leiterin in ihr Zimmer musste. Ich musste mich bäuchlings auf eine Liege mitten im Zimmer legen und mir wurde im Po Fieber gemessrn. Ständig gingen Leute rein und raus.
Wenn ich gekonnt hätte,wäre ich zum Bahnhof gegangen und nach Hause gefahren. Aber das Geld war uns abgenommen worden.
Ich war traumatisiert und habe mich jahrelang nicht gemuckt zuhause. Ich wollte nie wieder weggeschickt werden! Letztlich habe ich diese Erlebnisse mit 50 Jahren in einer Therapie aufgearbeitet.
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Mechthild schrieb am 08.06.2021
Im Frühjahr, Winter, des Jahres 1967 mit gerade 8 Jahren war ich in Friedenweiler. Ich konnte mich kaum noch erinnern. Die Geschichten hier rufen ganz ähnliche schreckliche Erinnerungen wach und machen mich sehr betroffen. Es war eine schlimme Zeit für mich, die sicherlich auch nachhaltig negative Folgen für mein Leben hatte. Die Kunst des Verdrängens ist/war ein wichtiger Wegbegleiter.
Wie konnten diese "Kuren" nur den Familien empfohlen werden und warum ließen die Eltern sich darauf ein??? Ich kann sie leider nicht mehr fragen.
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Jürgen schrieb am 08.06.2021
Es fühlt sich wie ein dunkler Fleck auf meinen sonst schönen Erinnerungen an meine Kindheit an. Um meinen 5. Geburtstag wurde ich nach Mittelberg im Allgäu verschickt. Die Erinnerungen sind nur ganz schwach - aber sehr negativ. Ich weiß noch dass das ein von der katholischen Kirche geführtes Heim war, wo man von Nonnen erzogen wurde. Ich kann mich noch an einen kalten Schlafsaal mit vielen Betten erinnern - und das mit mir geschimpft wurde. Soweit ich mich erinnere, wollte ich die unsaubere Toilette oder das Töpfchen im Schlafsaal (so genau weiß ich das nicht mehr) nicht nutzen. Ich kann mich noch erinnern, an "Bestechungsversuche" mit Schokolade. Mein Heimweh von damals spüre ich noch heute. Da keine Kommunikation nach Hause möglich war, war nach der Kur meine Mutter überrascht, das ich nicht wie andere Kinder euphorisch von der Kur erzählt habe und stattdessen verängstigt war. Zur Dokumentation habe ich nur ein Gruppenfoto im Schnee. Auf diese Seite bin ich durch einen Bericht in einer Zeitung in NRW aufmerksam geworden.
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Günther Stephan aus 4153 Reinach/ BL Schweiz schrieb am 07.06.2021
Ich habe immer gesagt, es war ein Zuchthaus für kleine Kinder. Hat mir in der Familie natürlich niemand geglaubt. Bin deshalb für diesen Beitrag sehr dankbar.
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Karin schrieb am 07.06.2021
Ich bin 1952 in Berlin geboren und bin als gerade noch 3jährige nach überstandener TBC Erkrankung zum "Aufpeppeln" nach Bad Salzuflen verschickt worden. Den Namen der Einrichtung kenne ich nicht, erinnere aber, dass dort Nonnen waren. Eine Szene ist mir im Gedächtnis geblieben. Wir Kinder saßen am Tisch. In der Mitte lagen Kleinteile für ein Steckspiel. Der mir gegenüber sitzende Junge nahm mir Teile weg und legte sie auf seine Seite. Ich holte sie mir zurück. Das sah eine Betreuerin und meinte zu mir: "Wenn du das noch einmal machst , werfe ich dich aus dem Fenster."
Ich wurde dort 4 Jahre alt und bekam von meiner Mutter ein Päckchen mit Süßigkeiten. Dieses wurde mir weggenommen und die Schokolinsen und Schokotaler unter allen Kindern verteilt bis sie alle waren. Ich bekam genauso viel wie alle anderen. Die Begründung war, es solle gerecht sein, kein Kind solle mehr haben. Ich empfand es als ungerecht, denn ich hatte Geburtstag
und wollte lange etwas davon haben was meine Mutter geschickt hatte. Dabei hätte ich durchaus von mir aus etwas abgegeben.
Meine Mutter erzählte später, als ich erwachsen war, ich sei von der Verschickung völlig verstört zurückgekommen.
Lieben Gruß
Karin
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Jörg R. aus Kirn schrieb am 07.06.2021
Ich wurde 1975 mit 5 Jahren in das Seeschloss über das Bundesbahn Sozialwerk verschickt, aufgrund eines starken Hustens. Dauer: April-Mai 1975 (5 Wochen)

Es ging mir im besagten Heim, welches unter der Leitung eines ehemaligen SS-Offiziers stand, sehr schlecht. Ich habe das Essen nicht vertragen, so dass ich mich regelmäßig im Bett nachts übergeben musste. Andere Kinder misshandelten mich und keiner der anwesenden Erzieher schritt dagegen ein. Ich wurde im Heim geschlagen und gedemütigt. Es gab auch Übergriffe auf mich. Viele Dinge, welche passiert sind, sind in meinem Unterbewusstsein tief eingebrannt worden. Es fehlen mitunter Erinnerungen, die mein kindliches Gehirn weg blendete zum Schutz, Dafür sind diese starken Gefühle immer in mir, dass etwas schlimmes passiert war.

Meine Eltern bekamen immer positive Briefe gesendet, so dass ich keine Chance hatte, mit ihnen in Kontakt zu treten oder Hilfe zu holen. Ihnen wurde untersagt mich zu besuchen (Heinweh etc.). Statt die Kinderkur sofort abzubrechen lies man mich die vollen 5 Wochen dort "absitzen". Ich hatte oft das Gefühl dies nicht zu überleben, bzw. meine Eltern jemals wieder zu sehen. Ich rannte auf die Dünen und schrie um Hilfe. Mein Stofftier wurde daraufhin zerfetzt,

Laut Aussagen meiner Eltern bekamen diese nach 5 Wochen ein zutiefst traumatisiertes Kind zurück, abgemagert und kränklich und unendlich traurig. Lediglich der "Husten" schien gebessert, was man als Erfolg sah.

Ich habe mein Leben lang unter den Folgen der "Kinderkur" zu leiden gehabt. Ich war stets ängstlich, hatte depressive Neigungen, Angst vor dem Alleingelassen werden, Angst vor Menschen, die mich spontan anfassten.

Nach 46 Jahren habe ich endlich eine Therapie begonnen. Ein Besuch des Kinderheimes Seeschloss im Juni 2021 mit anderen Verschickungskindern war unglaublich schmerzhaft, bis hin zu einem richtigen Zusanmenbruch.

Es wird natürlich vieles von den Verantwortlichen bzw. den Nachfahren der Heimleitung dementiert. Ich hoffe, dass sich hier noch mehr Kinder melden aus dem Seeschloss, damit ich nicht mehr alleine dastehe,

Ich bin Mitglied der Ortsgruppe Verschickungskinder St. Peter-Ording.
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U. Klappert aus Siegen schrieb am 07.06.2021
Es war 1969, als ich für sechs Wochen in Niendorf im St. Johann zur Kur war. Die Erinnerungen sind nur bruchstückhaft vorhanden.

Wir bekamen ein braunes Kärtchen mit Namen, Wohnort und Ziel um den Hals gehangen, dann ging es mit dem Zug gen Norden.

Ich erinnere mich an einen großen Jungen-Schlafsaal. Neben der Tür wurde abends ein Plattenspieler gestellt und ein Hörspiel abgespielt. Danach war Ruhe im Saal.
Briefe wurden bei den Schwestern abgegeben.
Ankommende Päckchen wurden zensiert und Schokolade kam in die Kiste für die Allgemeinheit.
Wir sind mal auf einen Baum geklettert. Zur Strafe mussten wir in der Küche Kartoffeln schälen.
Morgens ging es immer erst in die Kapelle.
Am Strand war ein Holzsteg. Da haben wir Gänge drunter her gegraben.
Wir sind viel gewandert und durften nicht vom Weg abweichen.
An das kleine, mit Ostseewasser gefüllte, kalte Schwimmbad kann ich mich erinnern. Zu dieser konnte ich noch nicht schwimmen. Ich erinnere mich auch, dort viel Salzwasser geschluckt zu haben.
Und irgendwas war mit dem Essen...
Es gab Kakao und Milch aus großen Kannen.

Es war ein langer Zeitraum und unter strenger Führung. Ich durfte anschließend in meiner 4. Schulklasse berichten. Wenn man die Räumlichkeiten betreten könnte, kämen sicherlich einige Erinnerungen wieder. Wie bereits bemerkt, aktuell sind sie sehr lückenhaft.

Mit besten Grüßen
U. Klappert
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Andreas Koch aus 58762 Altena schrieb am 06.06.2021
Ich bin als Zehnjähriger wegen meines geringen Gewichtes für 6 Wochen über den Veranstalter „Caritas“ in das Verschickungsheim Bad Sassendorf gekommen. Ich wurde von zu Hause von Frau Rade ( ich weiß den Namen heute noch !!! ) abgeholt. Dann sind wir zu Fuß zum Bahnhof. Das läuft heute immer noch wie ein Film bei mir ab.Ich habe noch nie in meinem Leben soviel geweint. Vom ersten Tag an hatte ich unendliches Heimweh. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, aber ich habe den großen Schlafsaal vor Augen. Ich könnte heute noch zeigen wo mein Bett gestanden hat. Wir waren mindestens 30 Kinder.
Endgültige Ruhe gab es nie. Einfach schrecklich. Das schlimmste seinerzeit war das man ja auch 6 Wochen nicht in die Schule gegangen ist. Musste daher das 5 Schuljahr 2 mal durchlaufen. Ich hatte in den 6 Wochen keinerlei Kontakt zu meinen Eltern. Wir hatten allerdings weder ein Auto geschweige den ein Telefon.Ich würde mich gerne mal mit Personen unterhalten die auch zu der Zeit im gleichem Heim waren.

Liebe Grüße

Andreas
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Stephan schrieb am 03.06.2021
Hallo Petra,
ich bin auch Bj 1964 und war über Ostern 1968 in Bad Reichenhall und bin auf der Suche nach weiteren Informationen. Meine Eltern sind vor 30 Jahren gestorben und ich habe nur eine verschwommene Erinnerung an die Zeit. Ich habe gelesen, daß Du ein Gruppenbild von damals besitzt. Ich möchte Dich darum bitten, es einmal sehen zu dürfen, ob ich darauf abgebildet bin.
Liebe Grüße

Stephan
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Ursula Werner aus Swisttal schrieb am 03.06.2021
Ich wurde mit 5 Jahren für 6 Wochen nach St. Peter-Ording zur Erholung geschickt, weil ich blass und dünn war und Bekannte meinen Eltern das "Erholungsheim" empfohlen hatten. Leider weiß ich nicht mehr, welches es war. Ich habe Wochen vorher meine Eltern immer wieder angebettelt, mich nicht wegzuschicken. Ich fuhr dann mit dem Zug dorthin, keine Ahnung wer das beaufsichtigt hat. Wir waren in Zwei-Bett Zimmern untergebracht. Bis auf eine jüngere Erzieherin waren die anderen Erzieherinnen sehr grob und kalt. Da es wohl eine Kneipp-Kur war, wurde ich in einem speziellen Raum an eine gekachelte Wand gestellt und dann mit ziemlich kaltem Wasser abgesprüht. Da ich nicht freiwillig in das Schwimmbecken springen wollte, schubste man mich (mit Schwimmflügeln) hinein.
Wenn die Eltern anriefen, stand immer eine Erzieherin mit am Telefon, die darauf achtete, dass man nur positive Dinge sagte und nicht etwa, dass man gerne nachhause möchte.
Ich hatte jahrelang Alpträume nach dem Aufenthalt dort. Im Traum saß ich mit anderen Kindern in einem kleinen Dachzimmer. Alle Kinder wurden abgeholt, nur für mich kam Niemand. Glücklicherweise hörten diese Träume irgendwann auf, da war ich aber schon Teenager. Ich habe allerdings auch vielen Freunden und Bekannten von den Erlebnissen im Kinderheim erzählt, das half mir wahrscheinlich, diese Erlebnisse zu verarbeiten.
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Claudia Kieferdorf aus Gießen schrieb am 26.05.2021
Ich war über Ostern 1975 für 6Wochen als 7jährige wegen Bettnässen in der Kinderkurklinik Reinhardshausen. Ich habe an diese Zeit nur schlechte Erinnerungen. Wir lagen zu zehnt in einem Schlafsaal. Vor Heimweh weinende Kinder wurden vor den anderen ausgeschimpft und bloßgestellt.
Um das Bettnässen zu "bekämpfen" bekamen wir fast nichts zu trinken, nur morgens und abends eine Tasse Pfefferminztee (den kann ich bis heute nicht riechen oder trinken). Vor lauter Durst habe ich mal mit einem anderen Mädchen morgens im Waschraum aus dem Wasserhahn getrunken. Wir wurden erwischt, vor versammelte Mannschaft im Speisesaal gedemütigt und bekamen zur Strafe an diesem Tag nichts zu trinken. Noch Jahrzehnte später habe ich aus dem Nichts heraus und völlig grundlos einen trockenen Mund bekommen und ein unerträgliches Durstgefühl.
Der große Dusch Raum war im Keller. Einmal in der Woche wurde geduscht, dazu mussten wir uns mit dem Gesicht zur Wand stellen, während hinter uns kochend heißes Wasser aufgedreht wurde, bis der ganze Raum so mit Wasserdampf gefüllt war, dass wir keine Luft mehr bekamen. Viele Kinder haben geweint und Panik bekommen. Erst dann wurde die Wassertemperatur reguliert und wir konnten duschen. Ich habe panische Angst vor dem Dusch-Tag gehabt.
Die Erzieherinnen habe ich als sehr streng und gefühlskalt in Erinnerung.
Besuche von den Eltern waren nicht erlaubt. Briefe an Zuhause wurden kontrolliert.
Wir mussten abends um 19 Uhr ins Bett. Zwei Stunden später wurden wir wieder geweckt und auf Toilette geschickt. Hatte ein Kind dann trotzdem bis zum nächsten Morgen eingenässt, wurde das im Speisesaal allen erzählt und man bekam dann zum Frühstück nur eine halbe Tasse Tee.
Am Tag vor meiner Heimfahrt war mein Bett bei dem "Weck-Termin" nass. Es wurde nicht frisch bezogen, weil ich ja am nächsten Tag abreiste. Ich musste in dem nassen Bett schlafen.
Als meine Eltern mich am Bahnhof abholten, waren sie erschrocken, wie blass und verhärmt ich ausgesehen habe.
Das ist das erste Mal, dass ich diese Geschichte erzähle. Und obwohl es nun schon 46 Jahre her ist und es "nur" 6 Wochen waren, kommen mir beim aufschreiben die Tränen.
Ich würde mich freuen, wenn ich hier Kontakt zu Leidensgenossen-innen bekäme, die zur selben Zeit dort waren.
C. Kieferdorf.
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Inge Adone aus Gwynfryn Rectory Road Streatley Berks. England schrieb am 22.05.2021
Im Mai 1966 wurden ich und meine 2 Jahre aeltere Schwester 6 Wochen zur Kur nach Seeg im Allgau verschickt. Ich war damals 8 Jahre alt. Es war das erste mal das wir von unseren Eltern getrennt waren. Unseren Eltern wurde damals gesagt das die Kur uns gut tun wuerde weil ich sehr duenn war und das wir dort spass haben wuerden. Als wir abends nach der langen Zugfahrt im Seeg ankamen war ich ueberrascht ueber die Atmosphere im Heim. Die Heimleitung und “Tanten” waren kalt und herzlos.wir . Wir wurden sofort in den Waschraum gebracht und dort mit Schleuchen abgeduscht was ich sehr peinlich fand.
In den 6 Wochen mussten wir taeglich Mittagsschlaf halten, am 2 Tag nach der Ankunft das werde ich nie vergessen wie ich im Bett lag und aufeinmal die Tante mich aus dem Bett riss und wie wahnsinnig auf mich einschlug obwohl ich gar nichts gemacht hatte. Meine Schwester die im gleichen Raum schlief mit den anderen Kindern sagt heute noch wie schrecklich es war wie die Tante damals auf mich einschlug und sie war so hilflos das sie mir nicht helfen konnte. Ich kann mich gut erinnern , ich war damals so geschockt habe im Bett gelegen und gezittert die Wochen danach lag ich im Bett war wie versteinert konnte nicht schlafen aus Angst das jeden moment die Tante wieder rein kommt und mich schlägt. Die anderen Kinder hatte mitleid und fragten mich immer ob es sehr weh getan hatte.
Beim essen hatte die Tante auch immer ein Auge auf mich. Ein Tag mochte ich die schleimige Graupensuppe nicht und war am würgen, meine Schwester ging dann zur Tante und meinte das ich den Teller nicht leer essen kann daraufhin kam sie dann und schrie mich an ich muss die Suppe essen sonst.....Also versuchte ich es aus Angst , brachte es wieder hoch und da hat sich mich gezwungen mein erbrochenes zu essen. Ich habe immer noch ein Foto von der Tante und werde nie vergessen wie grausam sie mich behandelt hat. Es war schrecklich fuer uns Kinder wir durften nicht zusammen sprechen. Ich hatte damals meinen 9ten Geburtstag im Heim und meine Eltern haben mir damals ein Geschenk geschickt , das Paket war offen und drinnen war nur ein Waschbeutel und ich war enttäuscht das kein Spielzeug drin war, meine Mutter sagte dann als wir wieder zu Hause waren das sie mir Spielzeug und Schokolade mitgeschickt hatte.
Was ich bis heute nicht verstehen kann das wir damals Vitamine schlucken mussten wo wir doch so jung waren. Am vorletzten Tag hatten wir eine kleine Abschiedsfeier und die Tante sagte dann zu mir das es ihr leid tut wie schlecht sie zu mir war und sie es nicht mehr wieder tun würde. Ich glaube sie hatte Angst bekommen das ich es meinen Eltern erzähle. Auf jedenfalls kann ich sagen die Fotos und Erinnerungen die ich habe sind sehr traurig und grausam so was hätte nie passieren dürfen.
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Andreas Bolte aus Wetter (Ruhr) schrieb am 21.05.2021
4 Wochen allein per Bahn in die "Kur" ins Möwennest, weil ich so "dünn" war und vor der Schulzeit aufgepeppelt werden sollte. Dank AWO dachten meine Eltern sie würden mir etwas Gutes tun. Urlaub konnten sie sich nicht leisten. Meine Erinnerungen decken sich mit so vielen hier. Erzwungenes Essen mit Zwangsmaßnahmen inkl. "Fütterung". Endlos erscheinender Mittagsschlaf, während das Radio im Flur lautstark Fernando von ABBA spielte. Konfiszierte Pakete der Eltern, deren Inhalt bei den Schwestern oder in der Gruppe verteilt wurden. Meine "entliehenen" Comics an die Gruppenleiterin habe ich nie wieder gesehen. Nächtliches Strafsitzen im kalten Flur. Meinen Bettnachbarn Norbert sperrten sie fast jede Nacht im Waschraum ein, weil er auch auf dem Flur keine Ruhe mehr geben wollte. Ich glaube den kleinen Kerl haben sie dort wirklich seelisch gebrochen. Krank war ich mit hohem Fieber. Meine Postkarten wurden allerdings in schönster Urlaubsidylle formuliert, dabei haben wir kaum den Strand gesehen, waren fast nur im Gruppenraum. Ich erinnere mich auch an "Anwendungstage", an denen man mich sinnlos in eine lauwarme Badewanne mit klarem Wasser steckte, alleine ließ und irgendwann wieder abholte. Meine Eltern glauben bis heute, ich hätte dort eine tolle Zeit erlebt. Damals hielten sie meine Geschichten für übertrieben, für die Ausschmückung eines 6-Jährigen. Ich denke, sie konnten sich gar nicht vorstellen, dass unter der Verantwortung von AWO und Krankenkasse ein solch massenhafter Missbrauch stattfinden konnte. Der perfekte Deckmantel wie sich heute zeigt.
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Dr Tatjana Kytmannow aus Lackagh Drumfin Co Sligo schrieb am 16.05.2021
Ich bin 1958 geboren und als vierjährige mit meinem sechsjährigen Bruder im Sommer 1964 oder 65 nach Karlhafen an der Weser geschickt worden, in ein riesiges Kinderheim. Mein Bruder wurde sofort von mir getrennt und ich habe so sehr geweint daß sie mich ihn für eine Minute sehen ließen. Ich habe ihn dann in den 6 Wochen nur noch einmal gesehen als er in der Gruppe beim Wandern hinter mir war. Ich durfte aber nicht stehen bleiben oder mit ihm reden. Die Tanten waren streng und ziemlich widerlich und ich hatte grosse Angst vor ihnen. Wir schliefen in einem riesigen Schlafsaal in Gitterbetten die wie Käfige waren. Das Essen war eklig, immer mit uralten Kartoffeln die voller schwarzer Stellen innen drin waren die wir mitessen mussten. Kinder wurden ausgeschimpft wenn sie nicht aufassen oder sich erbrochen haben. Ich habe mich mal in mein Bett erbrochen und habe versucht die Kotze mit meinem Teddy aufzuwischen mit ich nicht bestraft wurde. Ich konnte vor Angst nicht schlafen musste aber ganz ruhig sein. Nach 6 Wochen sollte die Tortur vorbei sein aber ich bekam ganz zum Schluss Windpocken und musste weitere 6 Wochen bleiben, ganz alleine, in einem Zimmer in so einem Gitterbett. Ich bin buchstäblich fast verrückt geworden und habe mit mir selbst geredet und mir ausgedacht das meine Mutter Zwillinge bekommen hat und ähnliches. Meine Eltern haben sich natürlich Sorgen gemacht konnten aber nichts tun. Meine Eltern waren sehr lieb und haben uns nie bestraft und schon gar nicht geschlagen. Als ich endlich wieder Zuhause war und mit meinem Bruder darüber reden konnte was da alles so scheusslich war lichtete sich der Kummer und das Elend. Meinen Eltern tat es furchtbar leid und wir sind nie wieder 'verschickt' worden. Stattdessen haben wir auf billig Urlaub in Dänemark gemacht
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Monika Thesen aus München schrieb am 13.05.2021
Hallo Ich war ende der 60 er Jahre in Oy-Mittelberg (Ich glaube es war 1967 bevor ich in die Schule kam). das Heim wurde von Nonnen geleitet. Ich war zu dünn und habe nicht ordentlich gegessen. Ich kann mich an das meiste nicht mehr erinnern. Was mir im Gedächtnis geblieben ist ist die Tatsache das wir immer zum aufessen gezwungen wurden. Ich kann mich darn erinnern das ich einmal den ganzen Tag vor einem Teller total matschiger Nudeln gesessen habe die total widerlich geschmeckt haben. Ich habe Sie nicht gesessen und dementsprechend nichts erbrochen. Ich wurde aber bestraft indem ich eine ganzen Tag im Bett liegen bleiben musste und auch zu einem Ausflug nicht mitgenommen wurde. Ich kann mich auch an die diktierten Postkarten erinnern deren Text stand an einer Tafel und ich haben mich innerlich so sehr aufgeregt da ich gelernt hatte doch immer die Wahrheit zu sagen. Ich kann mich daran erinnern das ein Paket mit Süßigkeiten und anderen Dingen für mich konfisziert wurde und der Inhalt an alle verteilt wurde. Ich kann mich auch an den endlos langen Mittagsschlaf erinnern bei dem man in einen großen Saal auf einer Pritsche lag und sich nicht rühren durfte. Auch kann ich mich darn erinnern das ich mal in eine Gipsschale geschnallt wurde. Ob von den Nonnen oder jemand anderen kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Zurückgeblieben ist bis heute in dem Moment in dem ich das niederschreibe ein Gefühl des Grauens und des Entsetzens. Ich habe zudem eine tiefe Abneigung gegen Nonnen entwickelt die so weit ging das ich meine Kinder niemals in einen ordensgeführten Kindergarten anmelden wollte obwohl sie dadurch länger auf einen Platz warten mussten. Zudem habe ich mich geweigert jemals eines meiner Kinder zum Aufessen zu zwingen egal wie gering der übrig gebliebene Rest auch war. ( Bis sie alt genug waren abzuschätzen was Sie aufessen können vorausgesetzt es hat Ihnen geschmeckt hat.)Ich habe dies meinen Eltern erzählt und es wurde mir nicht geglaubt. Erst Jahrzehnte später habe ich mit meiner Mutter einmal darüber sprechen können. Insgesamt glaube ich das ich noch vielmehr erzählen könnte das ich aber das meiste davon verdrängt habe.
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Jens Engelhardt aus Bremen schrieb am 13.05.2021
1973 war ich für 6 Wochen in Berchtesgaden. Es war die Hölle. Ich wurde von allen anderen Kindern gehänselt und schikaniert, u.a. wegen meinem äußeren. (rote Haare/Sommersprossen). Das Essen, was wir in dem Sanatorium bekamen, schmeckte mir nicht. Ich erinnere mich an einem Tag als es Kohlrouladen gab. Ich muss heute noch würgen wenn ich nur an den Geruch denke. Ich wurde zum Essen gezwungen und musste am Tisch sitzen bleiben bis ich aufgegessen hatte. Was ich aber nicht tat. Das hatte dann immer eine Strafe zur Folge. Am nächsten Tag gab es dann Gulasch. Ich war total ausgehungert und freute mich auf das Essen. Man gab mir aber nur trockene gekochte Kartoffeln, kein Gulasch. "Weil ich gestern nicht gegessen habe, gäbe es heute für mich auch kein Gulasch." Ich lag oft stundenlang im Bett und weinte. Meinen Eltern schrieb ich einen Brief. "Es ist so schrecklich hier, ich will nach Hause". Den Brief warf ich frankiert in den dafür vorgesehenen Briefkasten im Haus. Einen Tag später musste ich zur Rektorin. Man hatte meinen Brief aus dem Briefkasten genommen, geöffnet und mich nun zur Rede gestellt. Was ich meinen Eltern für ein Leid antäte wenn sie diese Zeilen von mir erhielten, wurde mir vorgehalten. Erneut wurde ich bestraft. Auf den Ausflügen wurde ich ständig von den anderen Kindern, die mich als Opfer ausmachten, mit Schneebällen beworfen oder eingeseift. Ich erinnere mich auch noch an einen Pullover den ich damals trug. Es war ein großes Peace Zeichen drauf. Das war damals "Mode". Ich wusste als 9 jähriger nicht im geringsten was für eine Bedeutung das hat. Ob meine Eltern Kommunisten wären, wurde ich oft gefragt und sogar von Erwachsenen deswegen beschimpft.
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Renate aus Bad Belzig schrieb am 13.05.2021
geboren bin ich 1955 in hamburg - von dort aus wurde ich, als 6 jährige, im frühjahr (feb. / märz) nach glücksburg / flensburg verschickt, bevor ich im märz dann eingeschult werden sollte - weil ich so dünn und blass war...
die bleibendste erinnerung ist die angst, dass ich meine eltern nie wieder sehen würde - sie erzählten uns von der großen flut, dem deichbruch in hamburg. wir erfuhren davon - und es machte die unsicherheit der ganzen situation nur noch größer. was sollte aus mir werden,, wenn es meine familie nicht mehr gab???
allein unter lauter fremden - krank und schwach, hilflos ausgeliefert.
der wildfang in mir zerbrach dort ziemlich, war absolut unerwünscht.
ich war dort krank - und hinterher, endlich wieder zuhause war ich auch wieder krank - die zeit meiner masern- und windpockenerkrankung.
es wird mich sicherlich noch weiter beschäftigen - gerade fühlt es sich an, als wären die erinnerungen hinter einer wand verborgen.
alles gute uns allen - möge so etwas nicht wieder passieren.
renate
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Anna schrieb am 12.05.2021
Guten Tag,
ich habe über die Medien die aktuellen Berichte über die Kinder Verschickungen verfolgt. Durch Erzählungen meiner Mutter die auch mindestens zwei Mal Ende der 50er Jahre bzw. Anfang der 60er Jahre verschickt wurde hatte ich auch persönlich einen Hintergrund hierzu.
Jedoch fühle ich mich auch selber persönlich betroffen obwohl ich aus einer anderen Generation komme.
Meine Eltern, streng katholisch, schickten mich mit 10 Jahren auf ein Mädchen Internat in der Nähe von Bonn welches bis heute von der in der Kritik stehenden Piusbruderschaft von Nonnen geleitet wird. Ich musste dort ohne jeden Besuch meiner Eltern ein halbes Jahr dort bleiben bis ich zum Glück aufgrund meiner dann schlechter werdenden schulischen Leistungen wieder zurück nach Hause ziehen durfte. Das Gefühl als kleines Kind diesem Ort ganz alleine total ausgeliefert gewesen zu sein ist für mich bis heute immer noch schmerzhaft.
Viele Berichte von Betroffenen aus den damaligen Kinder Verschickungen erinnern mich sehr an das halbe Jahr was ich damals in diesem Internat verbringen musste.
Es gab dort eine sehr strenge Führung die schon fast an eine Kaserne oder ein strenges Klosterleben erinnert. Der Tagesablauf war geprägt durch häufiges angeleitetes Beten und vorgeschriebenen Gottesdienstbesuche. Briefe nach Hause wurden nur unter Aufsicht geschrieben. Die Freizeit war auf eine Stunde pro Tag beschränkt. Wenn man in den Augen der Erzieherinnen ungehorsam war oder nicht die gewünschten Schulischen Leistungen brachte wurde man auf ihre Weise bestraft. Einmal wurde ich von einer Erzieherin in ihr privates Schlafzimmer eingesperrt und nicht mehr heraus gelassen. Wie es dann weiterging habe ich verdrängt... Das erschreckende an der Geschichte ist, dass dieses private Internat bis auf den heutigen Tag staatlich zugelassen ist und weiter arbeiten darf.
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Manuela Schneider schrieb am 12.05.2021
Ich war vom 25.09.1974 bis 05.11.1974 im Alter von 4 Jahren im Rahmen der Postkinderfürsorge im Kinderkurheim "St. Antonius" in Bad Münster am Stein mit dem Krankheitsbild Anämie und ich war eine allgemein schlechte Esserin. Im Kinderkurheim wurden mir Höhensonne und Solebäder verordnet. Für mich war der Aufenthalt eine der schlimmsten Erlebnisse, sowohl psychisch als auch physisch. Der persönliche Kontakt während des Aufenthaltes zu Eltern und Großeltern war untersagt. Einmal wöchentlich wurde seitens der Nonnen eine Postkarte an die Eltern versandt, die ausnahmslos positiv verfasst wurde. Die Realität war eine Andere. Ich wurde gezwungen zu essen bzw. aufzuessen, was dazu führte das ich erbrach und das erbrochene essen musste, tat ich dies nicht blieb ich so lange am Tisch sitzen, bis ich es tat. Nach Solebädern kam es vor, dass ich umkippte, was aber nicht wahrgenommen wurde, da sich niemand kümmerte. Wenn ich vor Angst ins Bett gemacht habe, musste ich das Bett abziehen, bzw. meine Fäkalien mit den Händen von der Bettdecke wegnehmen. Im Anschluss musste ich mich nackt ausziehen und wurde mit einem Schlauch mit kaltem Wasser abgeduscht. Heimweh wurde nicht akzeptiert, wurde eine Träne vergossen musst ich in der Ecke stehen oder ohne Essen ins Bett. Vor vielen Jahren habe ich mal angefangen zu recherchieren, da ich gerne Unterlagen seitens des Arztes und der Nonnen eingesehen hätte. Eine Spur brachte mich zum Kloster Nonnenwerth in Bonn. Auf Nachfrage teilte man mir mit, dass es keine Unterlagen mehr gibt und somit verlor sich jede Spur. Das einzige was ich noch besitze sind die Postkarten die die Nonnen meinen Eltern schickten und die Verordnung zu Höhensonne und Solebäder des behandelnden Arztes in Bad Münster am Stein. Bis heute begleiten mich die Erlebnisse, sowohl physisch als auch psychisch. Meine Mutter sagte einmal zu mir, dass ich als ein anderer Mensch aus der Kur zurückkam.
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Gabriele Schmidt-Hoppe aus Wiesbaden schrieb am 11.05.2021
Im Alter von 5 Jahren wurde ich zur in das Kindererholungsheim Voigtslust in den Harz verschickt. Ich war ein kränkliches und dünnes Kind, deshalb hatten es meine Eltern gut gemeint und schickten mich dorthin. Ich hatte schon Wochen vor der Abreise Bauchschmerzen und Angst davor und wollte nicht da hin. Leider war alles Bitten umsonst. Also wurde ich im August 1960 mit anderen Kindern in den Zug nach Clausthal-Zellerfeld gesetzt. Da bekam ich das erste Mal in meinem Leben eine Panikattacke, die sich dann später als Erwachsene bei traumatischen Erlebnissen wiederholten, ohne dass mir der Zusammenhang mit der Kur bewusst war. Im Heim angekommen hatte ich großes Heimweh und weinte mich jede Nacht in den Schlaf. Zum Frühstück gab es immer einen großen Teller Haferschleimsuppe und 2 Scheiben Marmeladenbrot. Das ist sehr viel für ein kleines Kind von 5 Jahren. Aber wir mussten den Teller leer essen, da kannten die Rotkreuzschwestern kein Pardon. Einmal in der Woche durften wir eine Ansichtskarte nach Hause schreiben bzw. wir Kinder, die noch nicht schreiben konnten, diktierten den Text an ältere Kinder. Die Post wurde zensiert und die Karte, in der ich mich beklagte dass es mir dort schlecht ging, wurde vor meinen Augen zerrissen und mit einem erlogenen Test versehen. Ich fühlte mich in dieser Zeit ohnmächtig den Erwachsenen ausgeliefert und fiel in eine Depression. Außerdem wurde ich in der Kur schwer krank. Scharlach mit Nierenentzündung und musste nach den 6 Wochen Kur nochmal 6 Wochen auf die Isolierstation eines Krankenhauses. Danach war ich nicht mehr das fröhliche Kind, was ich davor war ... Dieses Trauma hat mich mein ganzes Leben verfolgt und ich finde es gut, dass es endlich eine Organisation gibt, die das Leid der Verschickungskinder aufdeckt und Wiedergutmachung fordert.
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Monika Müller geb Nicklas aus Rüsselsheim schrieb am 11.05.2021
Würde gerne die "Mädchen" kontaktieren, die gemeinsam in diesem Sommer mit mir quasi eingesperrt waren. Mittagsschlaf in diesem Alter(11). Durften während dieser Zeit noch nicht mal auf Toilette. Ein Teil von uns brachte nach "Kurende" Läuse mit nach Hause
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Ulrich aus Fellbach schrieb am 07.05.2021
Ich war zweimal in Scheidegg, einmal mit vermutlich vier und einmal mit fünf Jahren, jeweils sechs Wochen lang. Später, mit 6 Jahren, wurde ich nochmals, doch diesmal an die Nordsee nach St. Peter Ording, verschickt. Zum Glück habe ich noch einen Bescheid der DRV, ohne den ich an meinen Erinnerungen zweifeln würde, da ich nie jemandem von meinen Erlebnissen erzählt und somit keine Zeugen habe.
Im Infobrief der Einrichtung, der mir auch noch vorliegt, steht ausdrücklich, dass Besuch durch die Eltern während des gesamten Aufenthaltes unerwünscht sei. Unter solchen Bedingungen wurde Übergriffigkeit fast schon gefördert.
Erinnern kann ich mich hauptsächlich an die traumatischen Teile der Aufenthalte in Scheidegg: ich wurde gezwungen Erbrochenes zu essen, das Fieberthermometer wurde mir gewaltsam in den Körper gerammt, die tägliche Blutzuckerkontrolle war eine Qual, da beim "Stechen" sehr grob vorgegangen wurde. Außerdem wurden wir bei jeder Gelegenheit von den Schwestern erniedrigt, gequält und eingeschüchtert. Ich weiß noch, dass ich oft schlaflos im Bett lag und mir völlig verloren vorgekommen bin. Auch, das Kruzifix im Schlafsaal sehe ich noch vor mir, dass in manchen Nächten mein Trostspender war. Vieles liegt aber im Dunklen, vermutlich weil es für eine Kinderseele einfach zu viel war.
Sehr groß war meine Angst vorab, als ich zum zweiten und zum dritten Mal verschickt wurde, und ich glaube, dass ich irgendwann abgeschaltet und mich dissoziiert habe.
Über St. Peter Ording kann ich nichts Schlechtes berichten, außer dass es aufgrund der Vorerfahrungen die Traumatisierung wohl verfestigt hat.
Mit den Auswirkungen dieser "Kur"-Aufenthalte habe ich heute noch zu kämpfen: chronische Schlaflosigkeit, rezidivierende schwere Depressionen, eine PTBS, die zwar diagnostiziert ist, zu der ich aber bisher keinen Zugang finde. Dazu kommen alte Bekannte wie Einsamkeits- und Verlassenheitsgefühle.
Als ich die Reportage in SWR 2 gehört habe, sind mir die Tränen gekommen, denn vieles was dort geschildert wurde kam mir so bekannt vor. Dass so viele Menschen
davon betroffen sind, war mir nicht bewusst, ich hatte mich immer für einen Einzelfall gehalten.
Vorher, so sagte man mir, war ich ein fröhliches Kind, hinterher galt ich als schwierig, aufsässig und aggressiv. Es wundert mich heute immer noch, dass damals niemand einen Zusammenhang sehen wollte.
Wenn ich daran denke, dass es für Seniorenpflegeheime die Heimaufsicht als Kontrollinstanz gibt, frage ich mich, warum uns Kinder damals niemand geschützt hat oder schützen wollte.
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Armin Kleinschmidt aus Köln schrieb am 06.05.2021
Erinnerungen an die Kinderverschickung in den Schwarzwald 1959
1959 wurde ich für als Neunjähriger von April bis Mai 6 Wochen zur Erholung in den Schwarzwald verschickt (Haus Rosenlund in Dobel bei Bad Herrenalb).
Warum? Ich war spindeldürr, zappelig, von ständigen, teils heftigen Bauchschmerzen geplagt, überängstlich und wollte einfach nicht zunehmen. Also beschlossen der Kinderarzt und meine Eltern, mich auf Kosten der Krankenkasse zum Zunehmen zu verschicken.

Ich hatte als Jüngster von 3 Brüdern ein behütetes Zuhause und war niemals alleine.

Die Verschickung alleine mit dem Zug von der Ostsee in den Schwarzwald war schon eine echte „Herausforderung“.

Jedoch fand ich mich schnell in der Gruppe zurecht und hatte wohl, wenn ich heute die Briefe lese, die ich nach Hause schickte, durchaus Spaß im Kinderheim.

Allerdings war es sicher nicht so wunderbar, wie in meinen Briefen und dem Statusbericht der Betreuerin beschrieben.

Als meine Eltern mich nach der Ankunft in der Heimat fragten, ob ich mich gut erholt habe, obwohl ich noch immer klapperdürr war, sagte ich nur: „Mutti, ich bin gar nicht mehr innervös“. Großes Gelächter! Sie fragte mich dann auch, was denn die kahle Stelle auf meinem Kopf zu bedeuten habe. Eine plausible Antwort gab ich ihr nicht, aber damit war das Thema „Erholung“ in der Familie erledigt.

Tatsächlich habe ich dermaßen unter der strengen Herrschaft der Betreuerinnen gelitten, dass ich anfing, mir die Haare auszudrehen und auszureißen. Schmerz empfand ich wohl nicht.

Und dann erinnere ich mich, dass ich bei der zweistündigen Mittagsruhe nicht auf Befehl schlafen wollte und konnte, zu laut war und deshalb auf der harten Holzbank in der Küche ohne Decke und Kissen stundenlang mucksmäuschenstill unter Aufsicht „schlafen“ musste.

Am schlimmsten aber war, dass irgendeine Kleinigkeit vermisst wurde, ich weiß nicht mehr, was es war, und dass ich in Verdacht geriet. Es wurde schlimmster Druck ausgeübt, dass ich doch zugeben solle, gestohlen zu haben. Das konnte ich natürlich nicht und wurde daraufhin vor den anderen Kindern immer wieder als Dieb hingestellt. Da habe ich gelitten.
Sogar auf der Fahrt zum Bahnhof hieß es noch „Nun gib doch endlich zu, dass du es gestohlen hast!“ Reiner Psychoterror!

War ich froh, als ich wieder zu Hause war, überhaupt nicht „erholt“, sondern traumatisiert.
Aber ich hatte ja meine Zwillingsfreunde Hanni und Christian wieder zum Fußballspielen und bald war die Welt wieder heil für den schmächtigen Armin.

Doch die Erinnerung bleibt.

Aufgezeichnet von Armin Kleinschmidt, geb. 16.3.1950
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Udo Rosin aus Köln schrieb am 05.05.2021
Als Flüchtlingskind aus der DDR mit gerade 6 Jahren in Köln angekommen, konnte ich laut Gesundheitsamt wegen Untergewicht nicht eingeschult werden!
Ich wurde für 6 Wochen ins Heim nach Brilon geschickt. Die schlimmste Erinnerung beim ersten Aufenthalt war, dass ich und andere Protestanten morgens in der katholischen Kirche permanent knien mussten!
Beim 2. Aufenthalt erinnere ich mich daran, dass ein kleines Kind mehrfach gezwungen wurde das erbrochene Essen wieder aufzuessen!
Als 10jähriger war ich 6 Wochen auf Borkum. Nach wenigen Tagen erkrankte ich an einer Infektion und war mehr als 3 Wochen im Krankenzimmer im Bett!
Mit 12 kam ich ins Heim nach Rottach-Egern, geleitet von einer älteren Nonne. Zwischen 13 und 15 Uhr war Mittagsruhe. Wir mussten still im abgedunkelten Raum in unseren Betten liegen. Wenn das Bett beim umdrehen knarrte, musste der Täter für die restliche Mittagsruhe in der Ecke stehen oder knien! Oft waren Bekannte der Mitarbeiterinnen am Mittag da und aßen auch. So reichte immer wieder das Essen nicht, um alle Kinder satt zu bekommen!
Dies alles berichtete ich meinen Eltern!
Mit 14 sollte ich dann nochmals nach Rottach-Egern. Zuvor wurde ich zu einem vertraulichen Gespräch zum Chef meines Vaters gebeten! Er bat mich Augen und Ohren offen zu halten und ihm nach meiner Rückkehr zu berichten. Dies alles vertraulich und ich sollte im Heim kein Wort dazu sagen! Irgendetwas musste durchgesickert sein, denn im Heim waren sie netter zu mir als 2 Jahre zuvor! Trotzdem gab es wieder viele negative Erlebnisse in den 6 Wochen. Im Prinzip hatte sich für die anderen Kinder nichts positiv verändert!
Nach meiner Rückkehr wurde ich im Beisein meines Vaters und in Anwesenheit zweier anderer Personen über meine Erlebnisse befragt. Wie ich erfuhr, gab es das gleiche Prozedere mit dem Sohn eines Kollegen meines Vaters, der vor mir in der Verschickung war.
Fazit: Das Heim in Rottach-Egern wurde im Hebst 1963 vom Landschaftsverband Rheinland, als zuständiger Träger, geschlossen!
In den späteren Jahren, als viele der Erlebnisse, auch beruflich bedingt, mir wieder in den Sinn kamen, war dies für mich eine besondere Genugtuung!
Als junger Mann war ich mit meiner Frau nochmals in der Region des Tegernsees. Aus dem Kinderheim war ein Hotel geworden!?
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Herb Newen aus Köln schrieb am 05.05.2021
Mein Name ist Herb(ert) Newen, Jahrgang 1957.

Anfang der 60er Jahre wurde ich auf dringendes Anraten meines Kinderarztes zweimal zu sog. Kinderkuren verschickt, da mein Vater starker Asthmatiker war und mir dieses Schicksal unbedingt erspart bleiben sollte. Gut gedacht, aber leider nicht auch gut gemacht! Denn anders als bei heutigen Eltern-Kindkuren, bin ich damals als 3,5 und nochmals als 5-Jähriger, im wahrsten Sinne des Wortes, mutterseelen-alleine ver- bzw. weggeschickt worden. Dabei dürfte ich, als Kind diesen Alters, die jeweiligen sechs Wochen sicherlich als unübersehbaren Zeitraum, eher als endgültige und finale Trennung von meiner Familie und sämtlichem Liebgewonnen empfunden haben.
Seit jeher war ich ein durchaus quirlliges und lebensfrohes Kind und habe mir dies glücklicherweise auch während dieser Leidenszeit nicht ´nehmen lassen´! Dies allerdings mit fatalen Folgen, die meinen Lebensweg bis zum heutigen Tage grundlegend - oder sollte ich zutreffender formulieren - ´grund-nehmend´ beeinflusst und belastet haben!
So erwartete uns damals, nach der radikalen Trennung von unseren Familien vermeindlich allein gelassen, in den Kinderheimen ein rigoroses, ja gnadenloses Regime der sog. `lieben Fräuleins´. Überwiegend Damen mittleren Alters mit fragwürdigstem Hang zu unverantwortlichen, ja menschenverachtenden `Erziehungs´-Methoden.
Da ich mir meine Lebendigkeit trotz allem nicht `aberziehen` lassen wollte, kam es, wie es kommen musste: So war in dem Heim u.a. nach dem Zubettgehen absolute Bettruhe angeordnet! Als in unserem Schlafsaal dennoch einmal leises Getuschel festgestellt wurde, bin prompt ich als `Rädelsführer`ausgemacht worden, was für mich fatale Konsequenzen nach sich ziehen sollte: So wurde ich in der Nacht rigoros aus meinem Bettchen gerissen, durfte fluchtartig nur mein Kopfkissen mitnehmen und musste der `lieben Tante´ barfüßig auf einen kalten, stockdunklen Dachspeicher folgen, innerhalb dessen ich, in einen beengten Holzverschlag gesperrt, auf einer kargen Pritsche mucksmäuschenstill die Nacht verbringen musste.
Mein einziger Halt in dieser ´finsteren Hölle` war mein kleiner Löwe, den ich - streng verbotener Weise - dennoch in meinem Kopfkissen mitgeschmuggelt und an den ich mich in meiner Verzweiflung geklammert habe, so winzig klein dieser auch war. Nur wenige Zentimeter groß, war Leon für mich dennoch der Größte, mein einziger Begleiter durch diese grausame und nicht enden wollende Nacht in meinem hölzernen Verlies.
Nach Rückkehr aus der zweiten Verschickungskur habe ich jahrelang wieder eingenässt und schleichend einen Sprechfehler entwickelt, der mich - mal mehr, mal weniger - bis zum heutigen Tage durch mein gesamtes Leben begleitet.
Glücklicherweise haben meine Eltern schon damals therapeutischen Rat bei einer Familienberatung gesucht, so dass ich die Aufarbeitung meiner traumatischen Erlebnisse dieser `Erholungskuren´aufnehmen konnte. Negativste Prägungen, wie z.B. eine grds. Skepsis hinsichtlich meines Vertrauens in die `Verlässigkeit und eines Gehörtwerdens` von handelnden Personen, kann ich dennoch bis zum heutigen Tage bei mir in Tendenzen immer wieder feststellen.

Aufgrund der erfolgten Aufarbeitung meines Kindheitstraumas liegt mein primäres Augenmerk heute, anders als bei vielen anderen der Verschickungskinder-Initiative ( `www.verschickungsheime.de´ ), nicht mehr auf Selbstreflektion und Aufklärung von Verantwortlichkeiten und der menschenverachtenden Strukturen, sondern vielmehr darauf, Kindern und anderen Schutzbedürftigen eine Stimme zu geben! Darauf, mehr Achtsamkeit auf deren ganz individuellen Erlebniswelten zu lenken, da meines Erachtens nach wie vor Schutzbefohlenen, die ihren Bedürfnissen nicht den entsprechend Aus- bzw. Nachdruck verleihen können, auch heute noch viel zu wenig ´Einfühlung´-svermögen und Achtsamkeit entgegen gebracht wird. Sei es am Anfang des Lebenszylus als Kinder, oder auch an dessen Ende, als hochbetagte Senioren.

Sicherlich geprägt durch meine eigenen Erlebnisse und bestätigt auch während meiner späteren Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie, habe ich mich schon immer vehement für die Bedürfnisse von Kindern eingesetzt, am stärksten natürlich in Bezug auf meine eigene Tochter. Dies übrigens meist belächelt und sogar gegen den Widerstand ihrer eigenen Mutter, denn ´...Kinder kriegen doch noch gar nicht so viel mit`. M.E. eine fatale Fehleinschätzung, und das noch Anfang der 90er.

Obwohl sich mittlerweile Vieles bereits zum Positiven hin ´ent-wickelt´ hat, werden allerdings weiterhin - teils zwar in subtilerer Form - Bedürfnisse von Kindern oft eher nachrangig behandelt, sondern primär das Empfinden, die Einschätzung und die eigene Zielsetzung der Erwachsenen in den Vordergrund gestellt.
Beispielhaft sei hier etwa die lapidar erscheinende Aufforderung angeführt, `...als Kind lieb zu sein und der Oma ein Küsschen zu geben´. Oder auch `....stell Dich nicht so an, andere Kinder üben auch jeden Tag Klavierspielen, gehen zum Tennisclub, lernen Einradfahren`.
Oder, wie gesagt, am anderen Ende des Lebenszyklus, `...na komm, der Opa versteht das sowieso nicht mehr`. Oft vordergründig gar gut gemeint; aber auch gut ge- bzw. bedacht?
Das für mein Empfinden einzig Richtige z.B. an der `Opa`-Aussage ist das `Verstehen`. Denn ´verstehen´ können ganz junge, oder auch hochbetagte Menschen vieles kognitiv wohl tatsächlich noch nicht, bzw. nicht mehr; erleben, empfinden und sehr wohl wahrnehmen allerdings sicherlich Vieles mehr, als uns in unserer oftmals unbedachten, vllt. sogar anmaßenden Sichtweise bewusst sein dürfte.

Zum Wohle v.a. der Kinder wäre es äußerst wünschenswert, wenn sich das Handeln von uns Erwachsenen primär an deren ganz individuellen Bedürfnissen und Erlebniswelten ausrichten würde, und nicht an unseren eigenen Sichtweisen, Einschätzungen und Interessen. Sei es bei der Begleitung während der Findung eines Hobbies, bis hin z.B. auch im Zusammenhang mit Scheidungen, wobei gerade auch in diesen, für Kinder äußerst belastenden Zeiten, viel zu oft Kinder teilweise auch als Werkzeuge der eigenen Empfindlichkeiten der Erwachsenen `missbraucht´, und viel zu wenig deren berechtigte, kindgerechten Bedürfnisse als maßgeblich berücksichtigt werden. Denn nicht nur damals bei den `lieben Tanten´, sondern oftmals auch noch in den heutigen, fraglos aufgeklärteren Zeiten, scheinen Überlegenheit, Manipulation und Macht - ob bewusst, oder unbewusst - weiterhin nicht unwesentliche Triebfedern menschlichen Handelns zu sein. Dies nach wie vor mit teils fatalen Prägungen und Auswirkungen auf so manchem Lebensweg.

Wie heißt es in einem Lied von H.Grönemeyer: ´Kinder an die Macht´. Soweit braucht man/frau ja nicht unbedingt zu gehen, aber ein Mehr an Achtsamkeit, an Verständnis und Einbeziehung, im kindgerechten und bestgemeinten Sinne, wäre meines Erachtens ´Not-wendig´, auch - und immer noch - in unserer fraglos positiv weiterentwickelten Zeit!

Ganz im Sinne der durchaus tiefgründigen Botschaft des Hollywood-Blockbuster Avatar: `Ich sehe Dich! Ich sehe Deine wahre Natur, wer Du wirklich bist`.
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Beck, geb. Elfriede Lindner aus München schrieb am 03.05.2021
Ich war ca. 9 Jahre alt. Wegen Untergewicht wurde ich von der BEK dorthin verschickt. Schönes Bauernhaus mit Blick zum Schloss Ringberg. Aber leider war es kein erfreulicher Aufenthalt dort. Meine Gewichtszunahme war tatsächlich in 6 Wochen 4 Kilogramm. Denn es gab bereits morgens zum Frühstück ausschließlich dick bestrichene Schmalzbrote. Ich hatte furchtbaren Ekel von diesem schmierigen Belag und immer wieder Brechreiz. Es gab keine Gnade, es musste gegessen werden. Einmal, daran erinnere ich mich besonders, hat eine Mädchen (eine kleine Chinesin) ihr Mittagessen in den Teller gebrochen. Alle Kinder wurden gerufen um zuzuschauen wie sie den Teller mit Gebrochenem unter Weinen essen musste. Am Ende der Erholung wurden wir einzeln von einem Fotografen fotografiert. Volles Gesicht mit lauter kleinen Pickeln. Seit dieser Zeit konnte ich kein Fett mehr ansehen und heute noch kommt bei mir keine Butter aufs Brot.
Jetzt bin ich bald 74 Jahre und habe das alles nicht vergessen. Schöne Grüße Elfriede
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Michael Spiegel aus Erkrath schrieb am 02.05.2021
Hallo,
ich war etwa im Frühjahr 1970 auf der Insel Amrum im Sanatorium Dr.Ide auf Amrum. Da war ich 8 Jahre. Ich erinnere mich, das ich während der Zeit Geburtstag hatte. Es war entsetzlich. Das Heimweh, Post von den Eltern war nicht erlaubt. Eines Nachts wurde ich aus dem Bett geholt. Nachdem ich im Dunkeln Ohrfeigen bekam wurde ich mit Bettzeug in den Flur in eine Ecke gestellt und habe dort die Nacht verbringen müssen. Beim Essen musste aufgegessen werden, wenn nicht wurden wir mit dem Gesicht in den Teller gedrückt..! Auf diesem Weg möchte ich Schluss mit der Heimlichkeit machen und mir die Scham nehmen, die ich noch immer habe...! Viele Grüße, Michael
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Uwe Fleischmann aus 96215 Lichtenfels / Schney schrieb am 01.05.2021
Uwe Fleischmann
Hallo alle zusammen.
Ich war im Spätherbst 1965 auf der Insel Anrum, Heimleiterin Frau Zillas, Gruppenleiterin Frau
Handschuh, um 7 Uhr 45 war wecken, die Türen der
Schlafsääle wurden geöffnet, und es erklang Musik
eines Mädchenchores, Live oder Band das weiß ic nicht.
Nach dem Wecken mußte ich immer dringend aufs Klo
Pippi machen. Ich durfte immer nur um 8 Uhr, wenn das Gedudel zu Ende war, Dies hielt ich nicht aus und machte öfter ins Bett. Ich bekam Windel an und wurde im Speisesaal vorgeführt und mußte mich in die Ecke stellen. Da ich mich für schlau hielt, krabbelte ich am nächsten Tag unters Bett und verrichtete da meine Notdurft. Mein einziger Halt war in dieser Zeit, es war ein Nachbarsjunge von meiner Heimaf dabei, der 3 -4 Jahre alter war. Ich bin am 03.01.1961 geboren und konnte nach der Kur perfekt Hochdeutsch sprechen.
Es war eine schlimme Zeit als Kleinkind und ich wünsche Niemanden ein solches Erlebnis.
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Susanne schrieb am 01.05.2021
Ich habe festgestellt, dass in der Suche auf dieser Seite nur die Heime erscheinen die im Text genannt sind. Ich war in Bad Kissingen im St. Josefsheim mit sechs Jahren zur Kur. Da ich zum Ende der Kur Mumps bekam musste ich insgesamt wohl 8 Wochen bleiben. Dieser Aufenthalt war wohl vom Hausarzt ausgegangen. Ich hatte nach einer Mandel-OP zweimal Lungen- und Rippenfellentzündung. Bei der Mandel-OP ist mir schon Schlimmes auf der HNO Station passiert. Ich wurde auf Anweisung eines Arztes mit meinem erbrochenem Grießbrei eingesperrt mit der Maßgabe aufzuessen, sonst komme ich nicht mehr aus dem Zimmer. Irgendwann wurde ich von einem anderen Arzt befreit. Ich dachte sowas ist nur mir passiert und ich habe jetzt in vielen Berichten gelesen, dass ich kein Einzelfall bin. An die Kur habe ich fast keine Erinnerung. Es ist fast wie ein schwarzes Loch. Ich muss wohl so unter Heimweh gelitten haben, dass meine Eltern mich besuchen durften. Einmal kann ich mich erinnern, dass ich mich in den Mittagsschlaf geweint habe. Als ich auf der Krankenstation war hatte ich Angst, dass der Fieberthermometer in meinem Körper vergessen wurde. Dann noch, dass mich eine Frau nach Hause gebracht hat. Ich bin seit Jahrzehnten in therapeutischer Behandlung. Ich leide unter Verlassenheits- und Verlustängsten, Panikattacken und Schwindel in allen Formen. Das hier oft beschriebene Gefühl ich bin ausgeliefert und ich kann nichts machen kenne ich auch gut. Ich habe trotz den Symptomen mein ganzes bisheriges Leben unter enormer Anspannung *funktioniert*. Vor drei Jahren jedoch wurden die Symptome so überwältigend, dass ich etwas früher berentet wurde. In einer Reha kamen die Gefühle in einer Gruppensitzung beim Erzählen was mir passiert ist nach oben und mir wurde bewusst wie dramatisch diese Erlebnisse, erst auf der HNO-Station und dann später in der Kinderkur wohl für mich gewesen sein müssen. Zum ersten Mal konnte ich mir viele der diffusen Gefühle halbwegs erklären. Immer noch fehlen mir aber Erinnerungen. Ich bin noch aktuell am Ende einer Psychoanalyse und in einer EMDR Behandlung. Als Folge dieser Kinderkur kam ich im ersten Schuljahr nicht gut mit. Ich wurde ja kurz nach der Einschulung verschickt. Ich sollte das Schuljahr wiederholen. Das hat meine Mutter abgelehnt und so habe ich bei den Hausaufgaben immer wieder Schläge bekommen. Darauf angesprochen vor ein paar Jahren hat meine Mutter gemeint irgendwann wurde ich ja besser. Bei ihr hatte es als Kind auch geholfen. Immerhin hat sie sich entschuldigt dafür. Jedoch all das Erlebte hat sich tief in meine Seele gebrannt. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier meine Geschichte teilen darf und ich hoffe, dass ich etwas über die Verhältnisse zu der damaligen Zeit in dem Kurheim noch erfahren kann. Danke an Alle. Ich wünsche Euch allen alles Liebe und Gute auf Eurem Genesungsweg. Mit lichtvollen Grüßen Susanne
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Sabine Stabel schrieb am 30.04.2021
Hallo zusammen.

Ich bin auf der Suche nach einem Teil meiner Vergangenheit. 1971 hat man mich, mit 4 Jahren, für 6 Wochen zur Kur geschickt. Ich war in Pelzerhaken. Ich kann mich erinnern, dass mich mein Bruder zum Bahnhof brachte. Dort wurde ich von einer Nonne empfangen, die mich später im Zug anschrie und schüttelte, weil ich weinte....dann erlischt meine Erinnerung komplett.

Meine zahlreichen Psycho Therapien führen mich immer wieder zu der Kur zurück. Vielleicht ist es Zufall und dort war gar nichts. Vielleicht aber auch nicht.

War zufällig jemand auch dort und hat Erinnerungen wie man dort mit Kindern umgegangen ist?

Ich danke euch
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Brigitte Schlegel aus Köln schrieb am 27.04.2021
Ich war in Bad Kreuznach für 6 Wochen .Als es mir einmal Nachts Schlecht wurde u ich im Bett Erbrechen müsste weil wir ja abends nicht aufstehen dürften ,musste ich weiter auf dem Erbrochenem Kissen Schlafen.Einmal beim Turnen müsste ich ganz dringend ich durfte nicht zur Toilette als ich mich einkotet müsste ich in den Duschraum mich komplett ausziehen alle mussten zusehen man spritzte mich mit einem Schlauch mit Eiskalten Wasser ab.
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Claudia aus Hückelhoven schrieb am 26.04.2021
Ich war als 9-jährige für 6 Wochen in Kreuth am Tegernsee. Am meisten erinnere ich mich an die 2stündige Mittagsruhe. Da ich mit meiner Freundin im Bett gequatscht hatte, musste ich die ganze Zeit auf dem Flur mit der Bettdecke auf dem Kopf ( sie ging bis auf den Boden) im Stehen verbringen. Als ich Magen-Darm Beschwerden hatte, wurde ich gezwungen den Fisch mittags bis zum Erbrechen aufzuessen. Jahrelang konnte ich keinen Fisch mehr essen! Aber es gab auch schöne Sachen: ich habe mich zum ersten Mal schwer in einen Jungen namens Michael verliebt ?
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Dagmar aus Remlingen — Früher Würzburg schrieb am 26.04.2021
Hallo,
auch ich bin ein „gebranntes „ Kind! Mit damals 10 Jahre alt ist mir leider auch nur schreckliches in Erinnerung
6 Wochen Horror in sg. Kurklinik!
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Ute Kahlstadt aus Ochsenfurt schrieb am 26.04.2021
Ich war als sechsjährige auf Westerland Sylt in so einem Heim weil ich zunehmen sollte. Es waren die schlimmsten sechs Wochen meines Lebens. Wir bekamen zum Frühstück ein Brötchen jeden Morgen die eine Hälfte mit Honig die andere Hälfte mit Schokostreusel. Jeden Mittag und jeden Abend bekamen wir Brei zum Essen. Am Sonntag, war der einzige Tag, wo wir eine halbe Scheibe Leberkäse bekamen mit einer Kartoffel. Wenn wir einen Brief schreiben wollten, wurde der immer durchgelesen und alles gestrichen was nicht rein durfte, es bestand auch nicht die Möglichkeit heimlich einen Brief zu schreiben, wurden auf Schritt und Tritt beobachtet. In der Mittagspause musste ich auf Klo, und habe mich aus Versehen in der Tür vertan und kam in den Speiseraum der Nonnen, ihr könnt euch nicht vorstellen was da alles auf dem Tisch stand, das was wir eigentlich auch bekommen sollten. Duschen durften wir nur in Unterwäsche,. Wenn wir ein Paket von unseren Eltern bekamen mussten wir es mit allen Kindern teilen. Könnte ohne Ende erzählen ich weiß nur dass ich wieder froh war wenn ich wieder nach Hause durfte. In der letzten Woche, weiß ich noch dass ich die Rödeln bekam, da wollten die mich noch eine Woche länger behalten, fragten mich ob es noch juckt was ich natürlich verneint habe, wollte nur nach Hause
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Karina aus Würzburg schrieb am 25.04.2021
Bin Jahrgang 1968 und war 1974, noch mit fünf Jahren für sechs Wochen in Scheidegg. Es war und ist fürchterlich dort gewesen zu sein. Bin als Frau mit meinem Mann nach Scheidegg gefahren und hab mir die Klinik nochmal angesehen und meinem Mann gezeigt, wo wir Kinder dieses Leid erfahren haben. Meine Eltern sagen bis heute, so schlimm war es bestimmt nicht.....war doch schön in Scheidegg!
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Helga Lang aus Würzburg schrieb am 25.04.2021
Hallo ich war mit einer Schulfreundin im Winter Anfang 1965 für 7 Wochen im Kinderheim Dr. Braun in Bad Reichenhall.
Ich habe die teils schlimmen Erlebnisse bis heute nicht
vergessen.
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Gunter Weckemann aus 35418 Buseck schrieb am 25.04.2021
Sommer 1960: sechs Wochen zur Kur in Bad Orb
Die Lektüre von Anja Röhls Buch „Das Elend der Verschickungskinder“ hat mich sehr schockiert. Dies lag nicht so sehr in der Kenntnisnahme dessen, was sich in den diversen Heimen abgespielt hat. Das kannte ich großenteils bereits aus eigenem Erleben, denn ich war selbst ein Verschickungskind. Und mir war immer auch sehr präsent, wie die Zustände damals waren. Allerdings war ich bis jetzt der Meinung, ich hätte sozusagen die Arschkarte gezogen und sei unglücklicherweise mit den anderen Kindern in unserem Heim besonders rigiden „Tanten“ in die Hände gefallen, während alle anderen verschickten Kinder fröhlich am Meer geplanscht hätten. Aber nein, diesem mehrwöchigen Martyrium waren unzählige Kinder republikweit und über Jahrzehnte ausgesetzt. Diese Erkenntnis hat den eigentlichen Schock ausgelöst.
Wie sehr sich die Geschichten gleichen, möchte ich gerne auch an meiner verdeutlichen. Ich war im August und September 1960 im Alter von neun Jahren zu einem sechswöchigen Kuraufenthalt in Bad Orb. „Ich war noch niemals in Bad Orb“ kann ich also nicht singen, aber mir ging es wie vielen anderen Verschickungskindern: Sie haben die Schlangengrube fortan gemieden. Es blieb auch bei mir bei dem einen Mal.
Auch bei uns in Bad Orb: Anfahrt mit dem Zug aus ganz Deutschland, nach der Ankunft im Heim Einteilung in Gruppen. In dem Haus, in welchem ich untergebracht war, gab es einen Flur mit etlichen Gruppenräumen für Jungen. In meiner Gruppe waren fünfzehn Jungen im Alter von 7 bis 13 Jahren. Ich erinnere mich noch an einige Namen, allerdings wurden wir von den „Tanten“ in Schwesterntracht mit der Nummer unseres Bettes angesprochen. Ich war die Nummer 9. Die Betten standen u-förmig mit dem Kopfende zur Wand, und in der Mitte stand ein großer Tisch, an dem man in der Freizeit spielen, lesen oder schreiben konnte.
Mehrere Begleitumstände der „Kur“ sind mir noch in unangenehmer Erinnerung, aber zwei Dinge waren besonders schlimm.
1. Unsere Intimsphäre wurde gröblichst verletzt, und zwar ständig.
2. Wir wurden häufig geschlagen bzw. verdroschen.
Und die „Tanten“ wussten auch beides geschickt zu kombinieren: Schläge gab es meist mit dem Hausschuh auf den nackten Hintern. Abends wurden wir – 15 Jungs, wie gesagt – gezwungen, uns nackt vor den Waschbecken stehend zu waschen. Und es war auch immer eine „Tante“ zugegen, die das überwacht hat. Unser Ältester, Christian aus Berlin, kam mit einem Tag Verspätung und hat einen Versuch gemacht, die Hosenbeine seiner Schlafanzugshose nur nach oben zu schlagen, er wurde aber gezwungen, diese auszuziehen. Ich habe mich selbst sehr geschämt, fand aber die Zumutung für ihn noch einmal größer. Er hatte bereits Schamhaare, und die hauptsächlich für uns zuständige „Tante“ Beate war gerade mal 19 Jahre alt, wenn ich mich recht erinnere.
Überhaupt: Entblößen war Programm, nicht nur beim abendlichen Waschen. Dreimal wöchentlich war Badekur, das hieß, wir wurden für 20 Minuten in eine lauwarme, unangenehm riechende, pissgelbe Brühe gesetzt. Wir wurden auch mehrfach (unbekleidet) in der Woche gewogen. Und schließlich wurde zweimal (oder dreimal?) täglich bei völlig gesunden Kindern Fieber gemessen. Dies geschah rektal. Ein Novum für mich. Zu Hause haben wir Fieber immer unter dem Arm gemessen.
Wann wurden wir geschlagen? Bei Regelverletzungen aller Art, und die Regeln waren strikt. Von 13 bis 15 Uhr war Mittagsruhe, ab 20 Uhr Nachtruhe. Beides wurde streng kontrolliert. Die Türen der Gruppenräume blieben geöffnet und eine „Tante“ patroullierte auf und ab, um sicherzustellen, dass absolute Ruhe herrschte. Wurde jemand beim Reden erwischt oder war erkennbar, dass er nicht schlief, konnte dies bedeuten, dass man in der beschriebenen Weise bestraft wurde. Also, auf den Bauch drehen, Hose runter…
Mir ist das tatsächlich mehrfach passiert, denn Ich war ein unruhiger Geist, aber definitiv nicht boshaft. Einmal wurde ich auch nachts allein auf den Flur gesetzt als Strafe. Wie lange ich dort saß, weiß ich nicht mehr. Irgendwann sah mich eine für die Nachtstunden zuständige „Tante“ in der Dunkelheit sitzen, erschrak und schickte mich wieder ins Bett. Ich war allerdings nicht nur unruhig, sondern wohl auch ein bisschen verträumt, denn mein Spitzname unter den Jungs meines Zimmers war „Schlafhaub“‘, und einmal fing ich eine kräftige Ohrfeige von Tante Beate, weil sie mir offenbar angesehen hatte, dass ich ihren Ausführungen nicht mit der gebotenen Aufmerksamkeit gefolgt war. Auch an diesen Schlag erinnere ich mich noch lebhaft.
Die schlimmste Erfahrung im Zusammenhang mit Prügelstrafen war aber die folgende: Ein Junge in unserem Zimmer, offenbar ein noch unruhigerer Geist als ich, war „Tante“ Beate wohl besonders unangenehm aufgefallen. Sie entschied daher, dass der betreffende Junge „Gruppendresche“ erhalten würde. Jeder durfte mal zuschlagen, natürlich auf den nackten Hintern. Sehr bildhaft steht mir vor Augen, dass mein Stubenkamerad Frieder der Aufforderung, da mitzutun, nicht Folge leistete, sondern nur den Kopf schüttelte. Ich selbst habe mich dem Gruppenzwang unterworfen und dem armen Kerl auch mit dem Hausschuh eine verpasst. Ich hätte es besser wissen können. Im Kindergottesdienst wurde durchaus vermittelt, dass man seinen Nächsten lieben und ihn nicht piesacken soll. Aber obwohl ich das Empfinden hatte, dass Frieder mit seinem Verhalten eigentlich richtig lag und ich auch selbst nur zu gut wusste, wie sich Schläge mit dem Hausschuh auf den nackten Hintern anfühlen, bin ich dennoch mit dem Strom geschwommen. Das war der unangenehmste Moment der sechswöchigen „Kur“.
Er ist mir im Lauf meines Lebens immer wieder sehr plastisch vor Augen getreten. Einmal war das während meines Studiums, als ich zum ersten Mal den Film über das Milgram-Experiment („Abraham“) sah, in welchem sich in einer Versuchsreihe ein Proband weigert, mit der Bestrafung fortzufahren, die übrigen sich aber daran kein Beispiel nehmen. Äußerst unangenehm war das für mich, hier mein eigenes Verhalten von damals gespiegelt zu bekommen.
Vor etwa zehn Jahren hatte ich die Idee, nach Frieder zu suchen, zumal er neben seinem eher ungewöhnlichen Vornamen auch einen ungewöhnlichen Nachnamen hatte. Nach wenigen Momenten legte mir meine Frau eine Telefonnummer hin, und nach einer weiteren kurzen Frist meldete sich eine Frauenstimme am anderen Ende. Ich sagte, ich wisse nicht, ob ich richtig sei, aber die von mir gesuchte Person müsse etwa 58 Jahre alt sein. „Ja, da sind Sie richtig. Ich gebe Ihnen mal meinen Mann“, antwortete die Dame am anderen Ende der Leitung. Es entwickelte sich dann ein sehr nettes Gespräch mit Frieder. Ihm waren die sechs Wochen in Bad Orb auch noch präsent, er hatte sie aber nicht so negativ in Erinnerung wie ich. Auch an die besagte Episode erinnerte er sich nicht. „Tante“ Beate habe ihm sogar mal, vermutlich wegen eines Sonnenbrands, die Schultern eingecremt. Wir haben dann vereinbart, wir sollten versuchen, auch andere Jungs aus unserer Gruppe ausfindig zu machen. Leider ist es dann dabei geblieben. Vielleicht mache ich jetzt einen Versuch.
Der malträtierte Junge hat übrigens einige Tage später noch einen „Nachschlag“ bekommen. Als wir Briefe an die Eltern schrieben, hat er berichtet, er sei verhauen worden und sein Hintern sei jetzt grün und blau. Das ging natürlich nicht durch „Tante“ Beates Zensur, wie andernorts war es bei uns streng verboten, etwas Negatives nach Hause schreiben. Sie hat den Brief vor seinen Augen zerrissen, und er durfte von vorne anfangen. Auch diesmal brach er in Tränen aus, denn er war mit seinen sieben Jahren erneut für eine Weile schreibend an den Tisch gefesselt.
Gab es auch Positives? Der Tagesablauf war ganz stark reglementiert. Mittagsschlaf, Bettruhe, Fieber messen, Wannenbäder, Gewichtskontrolle, Andachten, Spaziergänge in Zweierreihen und der Zwang, bei den Mahlzeiten den Teller leer zu essen, waren schon sehr unangenehm. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass sich ein Kind bei Tisch übergeben hätte und dann gezwungen worden wäre, das Erbrochene aufzuessen, wie es in zahlreichen Berichten zu lesen ist. Grießbrei, Zucker und Zimt waren definitiv keine Gegner für mich. Dennoch: Es ist mir bisweilen schwergefallen, den Teller zu leeren, obwohl es auch zu Hause üblich war, zu essen, was der Herr Jesus bescheret hatte. Unangenehm in Erinnerung ist mir das Sauerkraut, damals eigentlich mein Lieblingsgemüse, was aber mit Kümmel kontaminiert war und damit für mich ungenießbar. Auch Nudeln mit Kompott fand ich sehr gewöhnungsbedürftig. Mein Wunsch, beides getrennt essen zu dürfen, wurde rundweg abgelehnt. Die beiden genannten Mahlzeiten bei mir zu behalten, stellte dann nach meiner Erinnerung schon eine Herausforderung dar. Überhaupt fällt mir jetzt nach der Lektüre der „Verschickungskinder“ auf, dass der Herr Jesus auch in Bad Orb vermehrt zucker- und weißmehlhaltige Speisen bescheret hat, damit dort ebenfalls die Rendite stimmte.
Daran, dass Toilettengänge stark reglementiert gewesen seien, kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß noch, dass bei einigen Jungs meiner Gruppe Gummimatten auf die Matratze gelegt worden sind, aber das geschah relativ diskret und ohne die Betreffenden bloßzustellen. Nur einmal war es für mich sehr unangenehm. Nach dem Mittagsschlaf musste ich dringend auf die Toilette. Das wurde mir nicht gestattet. Denn erst musste ja – wie immer völlig sinnfrei - Fieber gemessen werden. Das Thermometer war dann sichtbar verschmutzt mit Kot, wofür ich mich sehr geschämt habe.
Welche Freizeitaktivitäten gab es? Wir sind zweimal täglich spazieren gegangen. Das konnte eine langweilige Runde im Kurpark sein, aber manchmal gab es auch längere Ausflüge. Bisweilen haben wir Rindenstücke gesammelt, aus denen wir Schiffchen gebastelt haben. Und mindestens zweimal haben wir Pilze gesucht, die dann von der Küche verarbeitet wurden. Was ich in diesem Zusammenhang über Röhrenpilze gelernt habe, hilft mir heute noch bei der Pilzsuche. Immerhin.
Noch ein Wort zur Gesangskultur, begleitet von einer „Tante“ auf dem Akkordeon. Wir Jungs haben gerne einen damals aktuellen Schlager gesungen: „Charlie Brown, der ist ein Clown!“ Er gehörte allerdings nicht zum offiziellen Repertoire. Stattdessen gab es den üblichen Singsang, oft recht martialischen Inhalts („Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord“, „Die einen wünschten ihn zu braten, die andern ihn, ihn, ihn als Frikassee, ohe ohe!“, „Das linke Auge fehlte, das rechte war poliert, aber dennoch hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert!“).
Tante Beate hat mir einmal für einen Brief an meinen Vater zu seinem Geburtstag etwas basteln helfen, allerdings nicht ohne mich dann den Satz schreiben zu lassen: Das hat Tante Beate gebastelt! Das gute Stück existiert noch in einem Briefkonvolut unserer Familie. Tante Beate hat uns auch mal ein Foto ihres Freundes gezeigt. Es war dies ein gutaussehender junger Mann mit Namen Freddy. Eines Abends hat sie uns informiert, dass sie Freddy heimlich zu treffen wünsche und wir, wenn wir gefragt würden, sagen sollten, wir wüssten nicht, wo sie sei. Ich erinnere mich noch, wie sie ihr an unseren Gruppenraum angrenzendes Zimmer verließ, „lieblich schleichend“, wie Thomas Mann formuliert hätte. Ihren Hintern hatte sie in eine hautenge Jeans verpackt. Später dachte ich in Erinnerung dieser Szene, dass „Tante“ Beate für den feuchtfröhlichen Abend mit Freddy vielleicht mit den nackten Buben vorher ein wenig vorgeglüht hat. Aber das ist Spekulation.
Die Obertante, eine dicke Mamsell mit lautem Organ und großem Vorbau, ist „Tante“ Beate aber dann, wie wir mitbekommen haben, auf die „Schliche“ gekommen, weshalb sie am folgenden Tag ein wenig sediert gewirkt hat.
Der Kuraufenthalt fand seinen Abschluss in einer Theateraufführung für alle Anwesenden durch ältere Jungen. Es wurde der „Doktor Allwissend“ gegeben nach den Brüdern Grimm. Das war definitiv nicht schlecht gemacht, auch die Botschaft des Märchens ist ja in Ordnung. Die Jungs hatten zudem viel Text gelernt. Allerdings waren die allermeisten Jungs dem Märchenalter bereits entwachsen, so dass wir das damals doch als ein etwas kindisches Spektakel empfanden. Zur Lektüre in unserer Gruppe gehörten Fußballgeschichten und Astrid Lindgren, wie ich mich noch erinnere, Märchen waren passé. Wahrscheinlich endete unser Kuraufenthalt auch deshalb so, damit wir am nächsten Tag zu Hause was Nettes zu erzählen hatten.
Nach meiner Rückkehr habe ich aber wenig erzählt. Aus heutiger Sicht erscheint das unbegreiflich. Man muss sich aber klarmachen, dass in dieser Zeit in vielen Elternhäusern und den meisten Erziehungseinrichtungen noch geschlagen wurde und ein strenges Regiment herrschte. Sowohl in der Grundschule als auch in den ersten Jahren auf der weiterführenden Schule gab es körperliche Züchtigungen. Ich habe das so weit als normal empfunden. Aber an das Gefühl der wiedergewonnenen Freiheit nach sechs Wochen „Kur“ erinnere ich mich noch ganz deutlich.
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Susanne schrieb am 24.04.2021
Hallo, ich war als Sechsjährige 8 Wochen zur Kur und habe fast keine Erinnerungen. Leider musste ich auch noch länger bleiben da ich Mumps hatte. Ich muss wohl so unter Heimweh gelitten habe, dass meine Eltern mich besuchen durften. Ich leide seit dieser Zeit massiv unter Ängsten mit der Symptomatik Schwindel. Seit Jahrzehnten bin ich in Therapie. Aktuell in einer Traumatherapie. Kann mir jemand etwas über die Verhältnisse in diesem Heim berichten? Danke ?
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Jutta schrieb am 24.04.2021
Ich habe soeben den Bericht über Verschickungskinder in meiner Tageszeitung gelesen und da sind Erinnerungen hochgekommen...
Nachdem mein Opa an Tbc verstorben war wurde bei mir, im Rahmen einer Reihenuntersuchung, ein Schatten auf der Lunge festgestellt. Ich wurde also zu einem 6-wöchigen Aufenthalt nach Berchtesgaden geschickt (was den Namen der Einrichtung betrifft bin ich mir nicht ganz sicher wie der korrekte Name war). Aus den vorgehsehenen 6 Wochen wurden am Ende 10 Monate!! Meine Eltern bekamen in regelmäßigen Abständen kurze Notizen mit dem Wortlaut "Ihrer Tochter geht es gut aber aus gesundheitlichen Gründen ist eine Verlängerung des Aufenthaltes erforderlich.." manchmal hieß es auch "Ihrem Sohn..."
Kann mich auch dran erinnern dass, falls man das Essen mal nicht drinnen behalten hatte (mehr Fett- als Fleischbrocken im Bohneneintopf), der Tisch abgewischt wurde und man musste das Essen fortsetzen. Honig (gab es fast jeden Morgen, so verklumpt und zuckrig) kann ich bis heute nach all den Jahren weder essen noch riechen.
Was viel schlimmer war, ist, dass ich 10 Monate lang weder Mutter noch Vater (und meinen kleineren Bruder) zu Gesicht bekommen habe. Meine Mutter hat mir regelmäßig Päckchen geschickt, aber alles was an Lebensmitteln geschickt wurde, wurde unter den anderen Kindern mit aufgeteilt. Ich durfte das Paket auspacken und dann wurde es mir weggenommen und mir wurde die Hand geführt beim Schreiben der Dankeskarte. Als ich nach 10 Monaten nach Hause entlassen wurde, habe ich bei der Abholung meine Mutter nicht mehr erkannt (man hatte mir erzählt eine Tante würde mich abholen), im Zug habe ich ununterbrochen die eingetrichterten Lieder gesungen und zuhause habe ich meinem Vater ins Ohr geflüstert "Darf ich bitte mal aufs Klo gehen"..
Ich bin extrem harmoniesüchtig und versuche es jedem Recht zu machen und auf keinen Fall irgendwo anzuecken und weiß dass diese 10 Monate mich fürs Leben geprägt haben!
Administrator-Antwort von: Redaktion
Nachtrag per Email:
"Hab ganz vergessen anzugeben das ich Jahrgang 1954 bin...ich war 5 Jahre alt."
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Gabi Hess aus Üchtelhausen schrieb am 24.04.2021
Ich war im Jahr 1968 für sechs Wochen im Kinderheim Hafenpreppach bei Ebern. Ich war damals ein schmächtiges und sehr sensibles sechsjähriges Mädchen. Der Grund meines Aufenthaltes dort war wohl, dass ich immer viel zu dünn war und unbedingt zunehmen sollte. Das habe ich dann dort auch zu spüren bekommen ! Man wurde gezwungen seinen Teller leer zu essen und wenn es Stunden dauerte. Manche Kinder mussten sich darüber erbrechen und mussten/sollten trotzdem noch aufessen. Es wurde nicht akzeptiert, wenn jemand sagte " ich mag das nicht". Einmal musste ein Kind sein Erbrochenes selbst wieder aufwischen. Schlafen mussten wir in großen Sälen und nebenan war das Dienstzimmer der Erzieher. Oft ging dort eine Party ab, während viele von uns heulend im Bett lagen. Ja, wir litten sehr unter Heimweh. Ich weinte mich damals fast jede Nacht in den Schlaf. Ich wollte einfach nur nach Hause zu meiner Familie ! Einmal die Woche durften wir einen Brief an unsere Familie schreiben. Mein Problem war nur, dass ich noch nicht schreiben konnte. So bat ich immer ein etwas älteres Kind das für mich zu tun. Es war immer der selbe Text " Mama und Papa, ich will wieder heim zu euch". Die Briefe kamen niemals bei meinen Eltern an, laut meiner Mutter. Dieses "Alleinegelassenwerden" von damals hat mich für mein ganzes Leben nachhaltig geprägt. Auch was meine Essgewohnheiten betrifft. ? Ich esse meinen Teller immer leer und hatte seitdem nie mehr Untergewicht - im Gegenteil ! Erfahrungen, die keiner braucht. Ich bin auch nachhaltig auf meine Eltern sauer, dass sie sich zu so einer" Kur" für ihr Kind haben überreden lassen. Sie hätten doch wissen müssen, wie ich ticke und leiden würde. Gabi ?
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Inge Kretschmer aus 97199Ochsenfurt schrieb am 24.04.2021
Ich war in der fränkischen Schweiz als 6jährige mit meiner 10jährigen Schwester....ganz schreckliche Zeit
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Nati aus Kiel schrieb am 23.04.2021
Ich bin 1977 mit 8 Jahren für 6 Wochen ins Kinderheim Dr. Selter nach Brilon verschickt worden. Vor einiger Zeit bin ich auf die Initiative von Anja Röhl gestoßen und dadurch dann auf diese Webseite. Meine Erfahrungen decken zum großen Teil mit den hier geschilderten Erlebnissen. Der Aufenthalt hat mich schon tendenziell traumatisiert, das erkennt man auch daran, dass einen die Erinnerungen einfach nicht loslassen und immer wieder hochkommen. In meiner Familie war das auch oft ein Thema, was aber nicht wirklich ernst genommen wurde. Daher sind Erfahrungsberichte wie diese so wichtig! Nicht nur, weil man selbst plötzlich nicht allein mit den Erlebnissen ist, sondern auch, um anderen „zu beweisen“, dass dies tatsächlich auch von vielen so empfunden wurde.
Meine Mutter wollte mir etwas Gutes tun und wandte sich an die Barmer Ersatzkrankenkasse, weil ich zu dünn war. Sie war selbst im Krieg mit ihrer Schwester für ein Jahr von Schleswig-Holstein nach Bayern verschickt worden und hatte daher keine Bedenken, mich für die 6 Wochen ins Sauerland zu schicken. Im Ergebnis kam ich zwar mit Pausbäckchen wieder nach Hause (heutzutage überhaupt nicht mehr erstrebenswert), der Weg dahin bestand jedoch aus Zwang und Psychoterror. Alles aufessen zu müssen, selbst wann man, wie ich, keine Milch mochte – Milchsuppen, Kakao mit dicker Haut, ekligen Quark. Vorher durfte man nicht vom Tisch aufstehen! Das war für mich wirklich schlimm. Es gab auch Kinder, die abnehmen sollten, diese durften nur hungrig zuschauen, wenn es doch mal Bratkartoffeln gab. Sehr pädagogisch. Dazu die merkwürdigen „Kuren“: Apfelessigkur, Honig aus einem Riesentopf (ich dachte wenigstens, es sei echter Honig, in den Berichten hier wurde auch schon Kunsthonig erwähnt), dazu die Algenkur mit den widerlichen Tabletten, die ich aber nicht einnahm, sondern sammelte und beim morgendlichen Zwangsdauerlauf heimlich im Wald verteilte. Überhaupt der Dauerlauf vor dem Frühstück: wenn die Luft im Frühjahr oder im Herbst feucht-kalt ist und nach Waldboden riecht, fühle ich mich immer noch sofort zurückversetzt; Proust lässt grüßen … die Erinnerung ist aber alles andere als angenehm. Hatte man im Schlafsaal geredet, so wurde man aus dem Bett geholt und musste erst mal im Nachthemd im kalten Speisesaal sitzen, bevor man irgendwann wieder nach oben durfte. Gut erinnern kann ich mich an die Heimleiterin mit dem grauen Dutt, wie sie uns zum Wassersparen auf dem Klo anhielt: “ein Tropfen Pippi, neun Liter Wasser“, wir sollten nicht ziehen. Mit dem Ergebnis, dass die Toiletten verstopften. Das alles führte dazu, dass ich einen Brief nach Hause schrieb und erzählte, wie unglücklich ich dort war. Meine Mutter hat diesen Brief übrigens lange Jahre aufbewahrt und hat ihn, glaube ich, immer noch. Im Brief hatte ich noch explizit darauf hingewiesen, dass meine Mutter sich bloß nicht an die Heimleitung wenden sollte, ich befürchtete Repressalien. Und so kam es dann leider auch, ich wurde vor allen anderen, nach meiner Erinnerung im Schlafsaal, vorgeführt. Die Heimleiterin kam wütend mit dem Brief wedelnd in den Raum und las meinen O-Ton daraus vor (meine Mutter hatte wohl eine Kopie beigefügt) und machte mich dabei total lächerlich. Keine meiner Mitleidenden hat sich natürlich für mich eingesetzt, bei diesem Drachen hätte das womöglich Konsequenzen gehabt und das verstand ich schon damals. Ich glaube wirklich, das war der schlimmste Moment in meinem Leben, bis zu dem Zeitpunkt auf jeden Fall. Irgendwann dann hatte die Heimleiterin andere Kinder im Visier und ich konnte mich erleichtert in die Anonymität zurückziehen. Das einzige schöne Erlebnis möchte ich der Vollständigkeit halber nicht unterschlagen: wir haben die Karl-May-Festspiele in Elspe besucht und ich habe Pierre Brice als Winnetou erleben dürfen. Ansonsten mussten wir unser Geld wie hier schon geschildert bei einem Basar ausgeben, wo wir unter Druck gesetzt wurden, angebliche Arbeiten aus Entwicklungsländern zu kaufen. Die Cord-Stofftiere – einen Fuchs und einen Hund, meine ich – habe ich noch jahrelang aufbewahrt.
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Gabriele Diebel aus Vorm. Berlin schrieb am 23.04.2021
Hallo und guten Tag!
Eigentlich dachte ich, darüber hinweg zu sein, aber nachdem ich vorhin einen Beitrag im Deutschlandfunk über eine dies betreffende Initiative und geschilderte Schicksale hörte, konnte ich erstmal eine ganze Weile nicht aufhören zu weinen.
Im Alter von neun oder zehn Jahren wurde ich wg. Atemwegserkrankungen in das "Krankenhaus Schöneberg", in Wyk auf Föhr, verschickt; das war ca. 1963/64 und hatte nachhaltigen Einfluß auf meine seelische Gesundheit. Erst eine achtjährige Psychoanalyse, vor 20 Jahren beendet, brachte einiges ans Licht und konnte mir meine Albträume von leeren, gefliesten, dunklen, kalten Räumen nehmen - allerdings bekomme ich noch heute grausende Beklemmungen, wenn ich kalte Waschräume mit aneinandergereihten Becken und Wasserhähnen sehe.
Das Ausgeliefertsein war eigentlich das Schlimmste. Die eigenen Eltern, die eigentlich dazu da sind, uns als ihre Kinder zu beschützen, konnten dies nicht tun, denn Briefe an sie wurden zensiert; ich weiß noch nicht mal, ob sie die überhaupt bekamen. Mir wurde tatsächlich mitgeteilt, daß zensiert wird und Negatives nicht hinausgelangt. Päckchen von daheim wurden nur in geöffnetem Zustand übergeben und jede Mittags- oder Nachtruhe hatte in absoluter Stille zu geschehen.
Mein erstes Aufbegehren äußerte sich darin, daß ich - keine Katholikin! - im Bett kniend vorgab zu beten (ich wollte einfach nur irgendwas machen), in der Annahme, das religiöses Verhalten respektiert würde - was ein Trugschluß war und ich angewiesen wurde, daß man auch im Liegen Beten könne.
Meine zweite Auflehnung bestand in einem Streich: jeweils Samstagabends wurden die, sich vor den Betten befindlichen, Hocker mit neuer Unterwäsche bestückt. In meinem Zimmer schliefen, glaube ich, sechs oder sieben Mädchen unterschiedlichsten Alters. Sehr früh morgens wachte ich auf und vertauschte heimlich die Wäschestapel, wurde aber von einer kleinen Kröte dabei beobachtet und - als nach dem Aufwachen das Chaos perfekt war und keine mehr sein Leibchen gefunden hatte - von ebendieser Kröte verpetzt. Schwester Luitgard hieß die knochentrockene, autoritäre und gefühllose Person, die mit ihrer Bestrafungsentscheidung für dieses schwere Vergehen, für Jahrzehnte von Albträumen verantwortlich ist: dunkle, kalte, geflieste Räume, unendlich in ihrer Ausdehnung - furchteinflößende Leere! Ich wurde verdonnert in einem Waschraum ohne Licht, auf einer Holzbank zu nächtigen; ob ich eine Decke bekam, weiß ich nicht mehr.
Weniger bedrohlich, aber ebenso erinnerungsnachhaltig, war das Frühstück dort: es gab jeden Tag Marmeladenstulle und Sonntags Stulle mit Pflaumenmus. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß ich bis heute keine Marmeladenbrote esse.

Nach Ende des Martyriums holte mich mein Vater vom Busbahnhof ab; eigentlich habe ich kaum vollständige Erinnerung an diesen Abend, aber ich weiß, daß ich sofort im Auto heftig anfing zu weinen. Auch vom Nachhausekommen habe ich keine verläßliche Erinnerung - alles nur diffus und von Betroffenheit geprägt, so glaube ich wenigstens.

Nach dem Aufkommen des inzwischen allgemeingebräuchlichen Internets Ende der 1990er Jahre, machte ich mich auf die Suche nach Schwester Luitgard - und - ganz ehrlich - ich weiß nicht, was ich unternommen hätte, wäre ich fündig geworden - ist vermutlich auch besser so.

Ich wünsche allen von Ihnen, die ähnliches erlebten: weinen Sie es sich von der Seele. Auch wenn wir wissen, daß es etliche gibt, die diese Pein erlebten - jeder Schmerz ist neu und einzig, und es ist gut diesen mit anderen teilen zu können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Herzlicher Gruß

Gabriele Diebel
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Gnotke aus Mönchengladbach schrieb am 19.04.2021
Mein Bruder hat mich auf den Fernsehbeitrag aufmerksam gemacht. Das ist nun schon einige Wochen her. Ich musste diese Form der Bestätigung erst verdauen. ich bin erst mal 2 Tage unter Schock gestanden. habe viele Gespräche mit meinen Geschwistern geführt.
Ich war als noch fünfjährige, 6 Wochen im Barmer Haus auf Wyk auf Föhr in Asthma Kur.
Die Anreise habe ich in Erinnerung, das dort Versprochen wurde, ich dürfe sofort zurück, wenn es mir nicht gefällt.es war eine lange Anreise. Zum Abend kamen wir im Haus an. Es gefiel mir nicht. ich wollte sofort wieder nach Hause. Das hat natürlich nicht geklappt, stattdessen gab es Abendessen und in Reih und Glied ein Stück Würfelzucker mit bitteren Tropfen, für jeden. Bisher bin ich von Hustenstiller (Codein) ausgegangen. Nach dem Fernsehbericht bin ich da nicht mehr so sicher. Die eventuelle Tatsache, an Medikamentenexperimenten teilgenommen zu haben, hat mich tief schockiert.
Ich bin seit 25 Jahren Schmerzpatient, ohne wirkliche Hilfe. gibt es da einen Zusammenhang?
Ich erinnere nicht die komplette Zeit. Es war über Karneval. Daran habe ich nicht teilgenommen, da ich die Windpocken von zu Hause mit ins Kurheim gebracht hatte. Ich schätze 3 Wochen war ich ziemlich alleine auf der Krankenstation isoliert. Die Zeit war auch ganz in Ordnung. Danach aber zurück, ließ man mich spüren, was sie davon gehalten haben, das ich so Viele angesteckt hatte. Meine Station und mein Zimmer war relativ leer. Ich war nicht mit am Strand, kein Karneval. Nachts durften wir nicht auf die Toilette.
Es gab eine große Treppe mit massiven, blickdichten Treppengeländer. Die bin ich Nachts zur Toilette heruntergeschlichen. Reden im Zimmer war nicht erlaubt. Eine Nacht haben die zwei Anderen gequatscht und gekichert. Ich war nicht beteiligt. Als die Aufsicht reinstürmte, wurde es mir in die Schuhe geschoben. Ich wurde äußerst unsanft aus dem Bett gezerrt. Wurde über den Flur gestoßen. Immer wenn ich versuchte wieder aufzustehen, bin ich mit Fußtritten zurück auf den Boden geschickt worden. In dieser Manier ging es bis zu einem abgelegenen Einzelzimmer weiter. Dort musste ich die Nacht alleine, körperlich misshandelt, in einem Bett voller kleiner, spitzer Legosteine verbringen.
Ich durfte die Steine nicht raus legen und auch nicht daneben liegen. Man machte mir brüllend und drohend klar, das ich zur Strafe auf den Steinen zu schlafen habe.
Eine weitere Erinnerung ist in dem Wellenbad von Wyk.
Ich konnte mit 5 Jahren schon einigermaßen gut schwimmen. Ich erinnere mich, ganz alleine und ohne Aufsicht oder Begleitung zu sein. Was sicher nur meine Wahrnehmung war. Der Hupton für die nahenden Wellen erklang, und ich schaffte es nicht schnell genug in seichteres Wasser. Ich drohte zu ertrinken, hatte Panik und schon aufgegeben, als ein nettes älteres Ehepaar mich griff und zum Beckenrand brachte. die Beiden waren sehr um mich bemüht, und mir war bewußt, das ich ohne sie ertrunken wäre. keine Ahnung wo jemand von der Kur war.
Wie ich nach Hause gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Warum mir zu Hause keiner glaubte, weiß ich auch nicht. Danach hatte ich ein nächtliches Problem mit häufigen auf Toilette müssen. So stark, das mein Vater mir Nachts auch den "Toiletten-Gang " verbot.
Nach der Kur bin ich durch exzessives Lügen aufgefallen. Alles was Strafen hätte nach sich ziehen können, wurde mit lügen versucht, abzubiegen.
Bis zur Kur war ich ein selbstbewusstes Mädchen, kurz nach der Kur, hatte ich meine ersten Missbrauchserfahrungen, die mich seit dem mein Lebenlang begleiten. Das ist ein Puzzelteil meines Lebens, das plötzlich passt und Sinn ergibt. Ich bin überzeugt, das die Erfahrung in dieser Kur ursächlich ist, für meine Missbräuche. Wenn meine chronischen Schmerzen psychosomatischen Ursprungs sind, ist es eine weitere Erklärung ,die plötzlich passt. Oder sind meine Ärzte ratlos, weil Spätfolgen der Medikamentenexperimente keiner berücksichtigt?
Ich bin auf jeden Fall froh, durch diesen Fernsehbericht ein wenig mehr zu verstehen, warum einige Dinge in meinem Leben sind, wie sie sind.
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R. Josef schrieb am 19.04.2021
Mit 6 Jahren wollte ich nichts Dringenderes als endlich in die Schule kommen. Stattdessen musste ich ein Viertel Jahr zur "Erholung", weil bei den Voruntersuchungen ein Schatten auf der Lunge (TBC) festgestellt wurde. Unsere Familie hatte einen kleinen Gastronomiebetrieb, aufgrund der Ansteckungsgefahr durfte ich nicht zuhause bleiben.
Nun, es war eine harte und qualvolle Zeit, nichts Schlimmeres dabei, als all die anderen hier berichten.
Zweimal konnten meine Eltern zu Besuch kommen. Der muntere und aufgeweckte Knabe, den sie dort abgegeben hatten, hatte sich in ein menschliches Häufchen Elend verwandelt. Sie waren so schockiert, dass sie alle Hebel in Bewegung setzten, mich vorzeitig aus den Fängen der Heimleiterin und ihrere Truppe zu befreien.
Glücklicherweise konnte ich dann bereits nach zehn Wochen wieder zurück nach hause.
Dennoch - gezeichnet für das ganze weitere Leben.
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Linda Schrey aus Aachen schrieb am 19.04.2021
Auch in meiner Familie war es üblich die Kinder zur "Kur" zu schicken. Meine drei älteren Brüder und ich sind in den "Genuss" dieser fragwürdigen Kur gekommen, auch weil mein Vater als Eisenbahner die Möglichkeit dazu hatte, seine Kinder für 6 Wochen in "Eisenbahnerholungsheime" zu schicken. Meines Wissens hatte Woehr in Peterszell auch einen entsprechenden Vertrag.

Hier war es üblich, Kinder zu schlagen, die gegen die Hausordnung verstießen. Dazu zählte auch das Einnässen ins Bett. Ich erinnere mich daran, dass ein Zwillingspaar jeden Tag "dran" war. Wir Kinder hingen dann an der Heizung, die war so gebaut, dass man Geräusche aus anderen Zimmern deutlich hören konnte. Mittlerweile bin ich sicher, dass das Zuhören gewollt war, weil es die Angst vor dem "Herbergsvater" (der nannte sich tatsächlich so) verstärkte und wir demzufolge besser "parierten". Ich habe vor lauter Angst mal eingekotet und hatte das Glück, dass meine Betreuerin so viel Verständnis aufbrachte, dass sie mir half, alles zu reinigen und vor allem, machte sie keine Meldung. Von da an war ich weniger verängstigt.
Ich war mit einem meiner Brüder da, der Kontakt zu ihm wurde in den ersten Wochen konsequent unterbunden, "damit das Heimweh schneller weggeht". Wir durften uns nicht treffen, das fand ich richtig schrecklich.
Jeden Nachmittag wanderte der Lebertranlöffel von Mund und Mund. In der 2. Woche begann ich schon in Erwartung dieser ekligen Masse zu würgen und habe dann die Marmeladenbrote mit meiner lebertrangetränkten Spucke überzogen, da war richtig was los, ich wurde vor den Teller gesetzt und sollte alle Brote aufessen und bekam zur Strafe kein Abendessen.

Über unsere Erlebnisse haben wir unseren Eltern nach der "Kur" berichtet, auf diese Weise bliebt unserem jüngeren Bruder ein Aufenthalt erspart.
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Schneider Andrea aus Bergheim schrieb am 18.04.2021
Nachtrag: das Kinderkurheim hieß wohl früher Hsus Schönsicht, es wurde wohl mal in Marta Hübner Haus umbenannt. Habe hier einige Berichte gelesen, es war wie ein Deja-Vu.
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Schneider Andrea aus Bergheim schrieb am 18.04.2021
Hallo... ich habe Euren Bericht mit Interesse gesehen und es sind gleich Tränen geflossen.

Ich war mit 9 Jahren 6 Wochen in Berchtesgaden im Marta Hübner Haus. Wir hatten für 6 Wochen nur eine Unterhose, wurden in gute und böse Kinder unterteilt, wurden nachts im Wald in einen dunklen Holzschuppen eingesperrt, Essen wurde über den Kopf geschüttet und Post wurde kontrolliert und und und. Am Ende der „Kinderkur“ war ich voller Ekszeme und krank. Körperlich und seelisch. Es war die Ruhr ausgebrochen und einige Kinder sind glaube ich sogar verstorben. Noch heute leide ich, auch nach der Psychotherapie unter diesen traumatischen Erlebnissen.
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Anja Beckmann aus Oldenburg schrieb am 18.04.2021
Im Alter von 5 Jahren wurde ich mit meiner 2 Jahre älteren Schwester für 5 Wochen ins Erholungsheim für Kinder nach Bad Rothenfelde geschickt. Dort angekommen wurden wir gleich in versch. Gruppen eingeteilt. Wenn ich nachts weinte, musste ich stundenlang im Flur in der Ecke stehen. Als ich beim Abendessen das verschimmelte Brot nicht essen wollte, wurde ich gezwungen es aufzuessen. Als ich davon etwas auf den Boden warf, musste ich es vom Boden essen. Als unsere Eltern uns ein Päckchen geschickt hatten, durfte wir us öffnen, dann wurde es uns weggenommen. Weil ich „ falsch gesungen „ hatte, musste ich im Speisesaal auf den Stuhl steigen und „ vorsingen“. Es waren die furchtbarsten Wochen meiner Kindheit!
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Anja Beckmann aus Oldenburg schrieb am 18.04.2021
Im Sommer 1965 im KindererholungsheimBad Rothenfelde.
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Heike aus Staßfurt schrieb am 18.04.2021
Wieder und wieder, all die Jahre seid ich es weiß, versuche ich mich zu erinnern, und stelle mir die Frage, WARUM?
Da gibt es Gruppenfoto's, traurige Kinderblicke, und noch andere Foto's die ich jetzt erst zuordnen kann.
Ich sah nicht so aus als hätte ich zu wenig Gewicht, war auch nicht oft krank.
Vielleicht gab es auch andere Gründe, weshalb wir zur Kur geschickt wurden.
Ich hatte im Sommer 1973 einen schweren Verkehrsunfall, das ich deswegen zur "Erholung" in die Kur geschickt worden bin.
Jedenfalls war ich zusammen mit meinem Bruder da. Er war gerade 3Jahre, und ich 4Jahre alt.
Einige Bilder/Erinnerungen habe ich noch im Kopf. Wie die Hirschstatue im Park, der Kamin, die dunkle Holztreppe, und das knarksen der Dielen.
Vor der Nachtruhe mussten wir Kinder uns in Unterwäsche, alle in einer Reihe stellen, unsere Schlüpfer runter ziehen, die auf Sauberkeit kontrolliert wurden. War der Schlüpfer nicht sauber wurden wir bestraft... WIR WAREN DOCH KINDER...
Ich wollte nicht das mein Bruder bestraft wird?. Irgendwie schaffte ich es, sein Schlüpfer vorher zu wechseln, und die schmutzigen versteckte ich, hinter Schränke, unter Matratzen. Ob ich dabei vielleicht mal erwischt wurde, oder ob sie die während unseren Aufenthalt doch noch gefunden haben, das weiß ich nicht mehr.

Ich sah in den Medien wie über Kurkinder berichtet wurde, recherchierte im Internet-Monate lang.
Auf der Suche nach jemanden der/die auch in Krumke gewesen sein könnte.
Nun freue ich mich, gleich 4 Frauen gefunden zu haben?.

Vielen Dank, das es die Möglichkeit gibt sich mitzuteilen?.
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Peter Gölz aus Aachen schrieb am 17.04.2021
Ich habe vor einiger Zeit schon einmal geschrieben und möchte meinen Bericht ergänzen. Ich war im Sommer 1965
für 6 Wochen im Kinderheim St.Elisabeth in Berchtesgaden-Schönau. Ich sollte zunehmen, obwohl ich durchaus normalgewichtig war. Dementsprechend hatte das Essen eine große Bedeutung. Es musste IMMER ALLES aufgegessen werden, egal, wie groß die Abneigung, der Widerwille oder der EKEL auch war. Wenn ich mich dann übergeben hatte, musste das Erbrochene eben mitgegessen werden. Schreckliche Szenen haben sich dort abgespielt, sowohl bei mir als auch bei anderen. Letztlich habe ich in den 6 Wochen abgenommen. An die Postzensur erinnere ich mich noch gut. Alles, was man schrieb, wurde kontrolliert und ggf auch zensiert, selbst leichte Kritik wurde nicht geduldet. Die "Schwestern" kannten kein Pardon. Auf diesem Weg konnte man die Verhältnisse also nicht nach draußen tragen. An eine Beschränkung der Toilettengänge kann ich mich nicht erinnern, aber ich konnte schon damals sehr gut "einhalten", weshalb ich vielleicht keine Probleme damit hatte. Die schlimmste Erinnerung betrifft einen 14-jährigen Jungen, der mich während der gesamten Zeit drangsaliert und gequält hat, auch körperlich. Er war erheblich größer und stärker als ich und ich fühlte mich ihm völlig ausgeliefert. Von den Betreuerinnen habe ich keinerlei Hilfe erhalten. Das war eine tief negative Erfahrung. Die letzte Zeit dort verbrachte ich auf der Krankenstation, weil ich mich mit Röteln infiziert hatte und isoliert werden musste. Zum Glück blieb dies meine einzige "Verschickung". Ob und wie ich meinen Eltern von meinen Erlebnissen erzählt habe, weiß ich leider nicht mehr.
Ich bin sehr froh, dass es diese Initiative gibt und die schlimmen Erfahrungen endlich öffentlich gemacht werden. Auch wenn manches schon lange zurück liegt und es keine wirkliche Wiedergutmachung geben kann, darf nichts unversucht bleiben, um diese unrühmliche Vergangenheit aufzuarbeiten und die Verantwortlichen - sofern noch möglich - zur Rechenschaft zu ziehen.
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Heike Fi-Na aus Hamburg schrieb am 16.04.2021
Traumatische Erlebnisse, sexualisierte Gewalt
Erholungsheim und Indikationen
Ich war 4 Jahre alt und wurde im Nov/Dez 1971 für 6 Wochen von Herford (NRW) aus in ein Kindererholungsheim der Inneren Mission nach Rehe/Rennerod in den Westerwald (Rheinland-Pfalz) verschickt. Laut der Heimliste von Sepp Folberth (1964) wurden in diesem Kindererholungsheim 40 Kinder im Alter von 5-14 Jahren aufgenommen sowie 105 Jugendliche ab 14 Jahren. Die Jugendlichen wurden in einem nahegelegenen Haus auf demselben Gelände untergebracht.
Ich entsprach mit meinen 4 Jahren also altersmäßig nicht der Aufnahmeanforderung. Ich kann mich nicht daran erinnern, ein anderes Kind in meinem Alter während meines Aufenthaltes dort gesehen zu haben. Von meinem persönlichen Empfinden ausgehend, hatte ich den Eindruck, dass ich mit Abstand das jüngste und körperlich gesehen, auch das schwächste Kind war. Ich sollte zunehmen, war aber nicht bedrohlich untergewichtig. Ich hatte noch kein Zeitgefühl, konnte mich nicht verorten und auch nicht den riesigen und weit abgelegenen Heimgebäudekomplex überblicken. Ich fühlte mich von Anfang an verloren, einsam und heimatlos - von meiner Familie abrupt abgeschnitten, was für mich als Vierjährige nicht nachvollziehbarer war und einen völlig unvorhersehbaren Bindungsabbruch bedeutete.
Ich wurde zusammen mit meinem Nachbarsjungen, der damals „schon“ 5 Jahre alt war, verschickt. Ich sah ihn aber nur einmal in den ganzen 6 Wochen wieder, da wir schon im Zug getrennt wurden und er in der abgetrennten Jungenabteilung, in einen anderen Haus untergebracht wurde.
Reise:
An die weitere Hinfahrt im Zug kann ich mich nicht mehr erinnern. Wer uns begleitet hat oder ob es etwas zu Essen gab. An die Rückfahrt schon eher, weil mir diese endlos lang vorkam. Ich trug eine karierte Stoffwollhose, die sehr kratzig war und auch nicht sauber. Ich hatte mir Tage zuvor in die Hose uriniert. Gefühlt war es die einzige Hose, die ich dabei hatte. Sie scheuerte furchtbar zwischen den Beinen, es fühlte sich wund, heiß und beschämend „schmutzig“ an. Während der Rückfahrt hatte ich diffuse Gefühle von Angst , Scham und Schuld. Angst, weil ich nicht wusste, ob es wirklich nach Hause ging und Scham, weil ich meine Unbedarfheit und irgendwie auch meine Unschuld als Kind verloren hatte. Und Schuld, weil ich das Gefühl hatte, „falsch“ zu sein und deshalb Strafe erwartete. Ich erinnere mich auch daran, dass mein Koffer im Abteil stand und dass das wohl ein Zeichen dafür war, dass ich den Ort wechselte. Eine Vorstellung von nach Hause fahren, stellte sich definitiv nicht ein – ich war total entfremdet.

Ich habe einige traumatische Erlebnisse während meiner Verschickung im Erholungsheim erlitten: zahlreiche Demütigungen durch die „Tanten“, die überwiegend Diakonissinnen waren, wie Wegsperren, Ausgrenzen, Sachen/Kleidung/Pakete wegnehmen, Essenszwang, körperliche Übergriffe und Grobheiten beim Waschen und bei den Toilettengängen.
Auch die älteren Mädchen, mit denen ich in einem Schlafraum untergebracht war, haben mich ständig geärgert, mir mein einziges Kuscheltier weggenommen und dieses zerstört, mich verhöhnt und mir ständig angedroht, dass ich nie wieder nach Hause komme! Das führte in der gesamten Zeit zu massiven Schlafstörungen, sprich, ich hielt mich nachts wach, weil ich Angst vor Übergriffen meiner Zimmergenossinnen hatte. Ich erinnere mich daran, dass ich die Wand anstarrte und aus den kleinen Löchern darin den Kalk pulte und ihn aß. Das wurde eine Art stimulierendes Ritual, um mich selbst zu spüren und mich irgendwie zu verorten. Eine Art Überlebensstrategie. Heute würde ich sagen, dass ich hospitalisiert habe.
Mein schlimmstes Trauma war jedoch eine „Zuführung“! Auf diesen Begriff bin beim Hören eines Radioberichts gestoßen, in dem davon berichtet wurde, dass eine [b]„Zuführung“
eine häufig eingesetzte, institutionelle Sanktionierung in den (Verschickungs-)Heimen war. So auch in meinem Fall:
Ich hatte mir auf einer langen und kalten Schneewanderung in die Hose uriniert. Ich vermute, dass das der Grund war, um bestraft zu werden, womöglich bringe ich aber auch einzelne Szenen in der Erinnerung durcheinander! Eine Diakonisse und 2 ältere Mädchen aus meinem Schlafraum brachten mich in einen Schlafraum des Jungentrakts im Haus der Jugendlichen. Dort wurde ich mit mehreren älteren Jungen (ca. 14- 16 Jahre alt) zurück gelassen. Auch mein Nachbarsjunge befand sich in diesem Schlafraum. In meiner Erinnerung wirkte er verängstigt und wir konnten auch nicht miteinander sprechen. Er saß mit überkreuzten Armen, die seinen Intimbereich schützen, auf einem Bett. Ob er auch dort schlief oder so wie ich den älteren Jungs „zugeführt“ wurde, weiß ich nicht genau.
Ich wurde Opfer eines gewalttätigen und sexualisierten Übergriffs in diesem Raum. Es war kein Erwachsener anwesend oder irgendwer, der mir hätte helfen können. 3, 4 geschlechtsreife Jugendliche sind scheinbar zuvor veranlasst worden uns Kleinen mächtig Angst einzujagen. Ob jemand etwas davon etwas mitgekriegt hat, was sich abgespielte, weiß ich auch nicht. Aber ich vermute, dass es nicht der einzige Vorfall in der Art war.
So haben mich mehrere Jungs festgehalten, mir ein Kissen auf den Kopf gedrückt und mich sexuell missbraucht. Ich kann mich nur noch an einzelne Details erinnern, wie das Kissen, was mir fest auf den Kopf gedrückt wurde und die Beine und Arme der Jungen die meinen Bauch sowie meine Beine niederdrückten und auch auf meinen Intimbereich Druck ausübten und sich an meinem Körper zu schaffen machten. Da war kein Entkommen möglich. Ich hatte Todesangst, irgendwann blieb mir durch das Kissen, was meine Atemwege fest verschloss und durch den heftigen Druck auf meinem Körper sowie das Gezerre an mir die Luft weg. Ich dachte, ich müsse jetzt sterben und bin dann ohnmächtig geworden!
Ich habe ein schweres Erstickungstrauma erlitten, aber eben auch einen Übergriff von sexualisierter, sadistischer Gewalt von Mitverschickungskindern im Jugendalter. In meinem Gedächtnis blieb mir auch der „Spaß“, den die Jungen hatten, als sie mich quälten. Der Übergriff „artete wohl aus“ und mir wurde im Alter von vier Jahren die „Würde“ genommen. Ich war schutzlos, ausgeliefert, hatte Schmerzen und fühlte mich schmutzig. Als kleines Kind konnte ich das natürlich noch gar nicht verbalisieren, verstehen oder gar verarbeiten, was da gerade mit mir passierte, aber in meinem Körpergedächtnis hat sich diese tiefe Verletzung nachhaltig „gespeichert“. Seelisch habe ich das Erlebt viele Jahre abgespalten, ich konnte es einfach nicht zusammenbringen das körperlich Erlebte und das seelisch Erinnerte.
An den Rest dieses Übergriffes habe ich keine Erinnerung mehr, also wie ich
wieder in meinen Schlafraum zurückgekommen bin, ob mir jemand geholfen hat, ob ich gewaschen wurde oder ärztlich versorgt wurde.

[Arztkonsultation- erste Dissoziation

Die nächste übergriffige Erinnerung, die ich habe, war eine mit Angst und Scham besetzte Arztkonsultation. Ich musste allein, gefühlt stundelang in der Ecke eines sehr großen und dunklen Raumes mit heruntergelassener Hose und nacktem Po, dem Arzt und der mitanwesenden Diakonisse den Rücken zugewandt, stehen. Es war am Nikolaustag 1971 daran erinnere ich mich deshalb, weil die anderen Kinder nebenan Weihnachtslieder sangen und der Weihnachtsbaum aufgebaut war!
Wenn ich daran denke, überkommt mich auch heute noch ein Gefühl von Scham, Schande, ausgeliefert und gebrochen zu sein!
Ich wurde zum Objekt, wie ein Gegenstand der begutachtet, der „ausgepackt“, „beglotzt“ und „begrabscht“ werden konnte, wann immer wer anderes es wollte. Ich hatte keine „Hülle“, keinen Schutz aber auch keinen Willen mehr mich zu wehren oder gar aus dem Raum zu laufen. Ich habe mich in eine Art „Blase“, in einen „Zwischenraum“ zurückgezogen: um mich herum begehrten die Täter und Dämonen darauf, in diesen Raum vorzudringen. Das war wohl meine erste Dissoziation!
Seit meiner Verschickung löst alles was hinter meinem Rücken körperlich, wie auch emotional-atmosphärisch passiert, ein großes Unbehagen sowie Kontrollverlust bei mir aus.
Kindheit:
Ambivalente Erziehungmuster - gewaltätige Übergriffe, Scham u. Schuld
Die Traumata meiner Verschickung haben mich in meiner persönlichen und gesundheitlichen Entwicklung zeitlebens geprägt und auch in einigen Phasen sehr stark beeinträchtigt. Daneben war meine Kindheit geprägt von einem groben und ambivalenten Erziehungsverhalten meiner Eltern. Vor allem meine Mutter erzog mich mit ähnlichen Mustern, wie ich sie im Kindererholungsheim erleben musste. Mein Kindheitserleben und unsere Beziehung war geprägt durch ihre unberechenbaren Gefühlsausbrüche, verbale und körperliche Demütigung, zwanghafter Reinlichkeitserziehung, sadistische Wut- u. Gewaltausbrüche sowie von ihr erzwungene (Liebes-) Zuwendung. Sie wollte nur das „Beste“ für mich. Der Bindungsabbruch, den ich als Vierjährige erlebt habe durch die Verschickung, wurde durch die ambivalente und gewalttätige Erziehung nochmal mehr verstärkt. Was die Verschickungszeit angeht, so habe ich sehr lange an meiner eigenen Glaubwürdigkeit und dem Ausmaß der Erlebnisse gezweifelt, auch aufgrund des fehlenden Vertrauens vor allem zu meiner Mutter. Auf spätere Gesprächsversuche hin reagierte sie verschlossen, schambesetzt als wollte sie etwas verbergen. Ich denke, ihr war es sehr wohl bewusst, dass dort etwas Schlimmes mit mir passiert sein musste. Sie hat dann immer gesagt, dass mein Vater so erschrocken gewesen sei über meinen Zustand, als ich nach Hause kam. Sie selbst neigte zur Verharmlosung und Vertuschung: „naja, so schlimm kann es ja nicht gewesen sein, du hast es ja überlebt“, auch um aufkommende Schuldgefühle von sich zu weisen. „Wir wollten doch nur das Beste“ – Ende des Gespräches! Das hat sich sehr lange in mir verankert und mich auch „mit“ krank gemacht.
Therapie und Aufarbeitung
Ich bin seit vielen Jahren in therapeutischer Behandlung, habe 2 Klinikaufenthalte hinter mir und versuche über das Mit-Teilhaben der Aufarbeitungsbemühungen der „Initiative Verschickungskinder“ und durch meine persönliche Recherche sowie einer langjährigen Traumatherapie, eine erneute Konfrontation mit meinen „Verschickungstraumata“.
Ich möchte verstehen, welche Auswirkungen die schwerwiegenden und traumatischen Erlebnisse im Verschickungsheim, vor allem auch die sexualisierten Gewalterlebnisse auf mein Leben Einfluss hatten.
Meine beiden aktuellen therapeutischen Begleiter bestätigten mir schon lange, dass sie keinen Zweifel an meinen Schilderungen, dem Erinnerten und an meiner Glaubwürdigkeit haben. Sie haben mich auch ermutigt, das Erlebte hier zu berichten. Ich erhoffe mir auch durch das Niederlegen „meiner Geschichte“ den verlorenen Anteil an Glaubwürdigkeit und Würde wieder zurück zu erlangen. Einen Zugang zu dem Kind, was ich vor der Verschickung war, wiederzufinden.
Heute bin ich zuversichtlich, weil immer mehr Licht ins Dunkel kommt! So langsam setzt sich ein immer vollständiger werdendes Lebens-Puzzle zusammen, auch deshalb, weil es die „Initiative Verschickungskinder“ gibt. Das Gefühl, mich in dem vielen Berichteten wieder zu finden, bestätigt mich als Opfer eines schlimmen Verbrechens, aber auch als individuellen Mensch, der sich verbinden möchte.

In Verbundenheit Heike Fi-Na
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Sylvia schrieb am 16.04.2021
Ich war Ende 1984 mit 5 Jahren für 5 Wochen im Kinderkurheim Krumke, in Osterburg.
Auch ich möchte Zeugnis ablegen, nachdem ich sehr dankbar bin, diesen Verein gefunden zu haben.
Ich erinnere mich daran, dass ich ekliges Fleisch mit viel Fett zu essen bekam, dass ich wieder herausgebrochen habe, weil es mich so geekelt hat. Ich sollte dass dann wieder essen, ich habe keine Erinnerung daran wie es ausgegangen ist.
Wir durften nicht auf Toilette, so passierte es dass sich Kinder eingemacht haben. Ich musste in meinen Exkrementen liegen bleiben. Frühs wurden alle Übeltäter vor versammelter Mannschaft kalt abgeduscht und massiv und sehr demütigend beschimpft...
Morgens und abends wurde sehr unsanft Fieber gemessen, dabei wurde uns die Geschichte erzählt, dass einem Jungen das Fieberthermometer im Hintern abgebrochen ist. Dadurch hatte ich panische Angst dass das bei mir auch passiert. Wahrscheinlich eine Methode, die Verhindern sollte das wir das Poloch zukneifen.... keine Ahnung.
Außerdem habe ich das Gefühl dass ich dort mal eingesperrt war, vielleicht auch öfter. Zum Geburtstag schickten mir meine Eltern eine Päckchen mit Naschen, einer Puppe und einem Plüschtier - ist nie bei mir angekommen und war auch nicht in meinen Sachen zu finden. Meine Mutter versuchte auch anzurufen, wurde aber abgewimmelt, mir ginge es gut und hier könnten nicht ständig Eltern anrufen.
Zu meinem Geburtstag wurde ich auf einen Stuhl gesetzt und von großen Kindern und Erziehern mit dem Stuhl weit hoch gehoben und dreimal hoch gesungen - ich hatte totale Angst herunterzufallen, da ich mich kaum halten konnte.
Nach dieser Kur war ich wohl mehrere Wochen total apathisch und war bis zur Einschulung nur noch 4 Stunden im Kiga.
Lange Zeit habe ich das weggedrückt, doch jetzt kamen Erinnerungen wieder und nach einigen Tagen entschied ich mich zu googeln, ob es Berichte gibt. So entdeckte ich diesen Verein. Ein großes Dankeschön für alle die sich hier zeigen und damit auch anderen helfen, das ganze aufzuarbeiten und vor allem zu wissen, dass es keine Einbildung war, sondern wirklich geschehen ist.
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N.R. aus Köln schrieb am 16.04.2021
Ich war Anfang der 80er Jahre zur Kur in Wyk auf Föhr (über die Barmer EK) wegen starken Untergewichts und chronischer Bronchitis.
Die Anfahrt erfolgte ohne meine Eltern. Ich war mit mehreren Kindern auf dem Zimmer. Beim Essen kam immer der Spruch "Bitte nachnehmen". Ich musste immer zwei Portionen essen, da ich zunehmen musste, auch wenn ich nicht mehr konnte und mir schlecht war.
Ich kann mich an eine große Angst erinnern, vor allem abends. Es war still, man hörte nur leises Wimmern.
Meine Mutter erzählte mir, dass sie eine Postkarte von dort bekam (nicht von mir geschrieben) und sonst keinen Kontakt aufnehmen durfte. Ausserdem war meine Kleidung bei der Ankunft zu Hause nass und völlig durchnässt von Urin.
Ich habe leider fast keine Erinnerung, nur schlimme Körpergefühle, wenn ich an diese Zeit denke. Bei mir hat sich eine PTBS entwickelt.
Ich würde gerne wissen, ob andere auch zu dieser Zeit dort waren.
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Waltraud Meyer-Mierzwa aus Oldenburg schrieb am 15.04.2021
Auch ich wurde durch einen Bericht im WDR auf die Missstände in den damaligen,sogenannten Erholungsheimen aufmerksam.Es ist allerdings immer nur von Verschickungen in der Zeit von 1960 bis 1980 die Rede. Ich kam, um mich zu erholen, ca. 1950/51 in das Erholungsheim Etzhorn in Oldenburg. zu dem Zeitpunkt war ich 8 Jahre alt. Was ich dort sehen musste war für mich ganz schlimm. Uns wurde täglich gesagt, dass wir bestraft werden wenn wir unser Essen nicht aufessen. Und um das den Kindern zu verdeutlichen, mussten wir unsere Stühle wie in einer Vorstellung hintereinander aufstellen in Richtung Fensterbank. Dann wurde ein ca. einjähriges Kind auf die Fensterbank gelegt, dem die Schwestern dann einen Trichter in den Mund hielten um dem Kind so einen Grießbrei einzuflößen. Uns wurde danach gesagt, dass wir das auch zu erwarten hätten wenn wir unser Essen nicht aufessen. Vielleicht wurde am Gewicht der Kinder der Erfolg der Heime gemessen, denn in fast allen Berichten geht es irgendwie immer um das Essen. Es gab noch viele andere Gemeinheiten in diesem Heim. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an dem meine Mutter mich abgeholt hat. Ich war noch nie so glücklich wie an diesem Tag. Aber auch ich habe nicht über die schlimmen Dinge in dem Heim gesprochen. Das hört man immer wieder. Erst als ich erwachsen war, habe ich mein Erlebtes meiner Mutter erzählt. Meine Mutter hat mir natürlich geglaubt, hatte nur kein Verständnis dafür, dass ich das alles die ganzen Jahre für mich behalten habe. Allerdings hört man das immer wieder , dass Kinder über schlimme Dinge nicht sprechen. Das hat sich vor 71 Jahren zugetragen. Es wäre zu schön, wenn sich noch Jemand der auch in diesem Heim war, an diese Zeit in Oldenburg, in Etzhorn erinnern könnte.
W. Meyer-Mierzwa
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Kirstin Amberger aus Köln schrieb am 14.04.2021
Nachdem ich heute erst durch einen Fernsehbericht auf das Thema der Kinderverschickung aufmerksam wurde, ist mir erst bewusst geworden, dass meine Schwester und ich kein Einzelfall waren, sondern es viele Kinder gibt, die mehr oder weniger traumatische Erlebnisse gemacht haben.
Ich war von September bis Oktober für 6 Wochen in Berchtesgaden - den Namen des Heimes weiß ich nicht mehr. Meine Schwester (zu diesem Zeitpunkt 4jährig) und ich (6 Jahre) wurden in Köln in einen Zug verfrachtet. Begleitet wurden wir nicht - zumindest nicht von der Familie. Wir haben beide geschrien und geweint weil wir nicht weg wollten.
In Berchtesgaden angekommen wurde meine Schwester von mir getrennt. Sie wurde anderswo untergebracht. Nach ein paar Tagen ist sie jedoch zu mir gekommen, weil sie nur geweint hat und zu mir wollte.
Ich erinnere mich nicht an viele Dinge, aber es sind sowohl negative als auch ein paar positive Erinnerungen dabei. Wir haben schöne Ausflüge gemacht und viel gesungen. Das hat mir immer viel Spaß gemacht. Negativ habe ich die Zensur der Briefe in Erinnerung, wir durften nichts negatives schreiben und mussten alles beschönigen. Briefe und Karten von daheim wurden laut vorgelesen. Der Inhalt von Päckchen oder Paketen wurde unter allen Kindern geteilt.
Bei Nachtruhe war absolute Stille zu halten, ansonsten stand man stundenlang auf dem kalten Flur nur im Nachthemd und barfuß in einer Ecke.
Ganz furchtbar habe ich in Erinnerung, dass sich (gegen Ende der Kur) viele Kinder mit Brechdurchfall infiziert hatten. Die Toiletten waren entweder besetzt oder verdreckt dadurch dass es Kinder nicht mehr rechtzeitig geschafft haben. Betten wurden dadurch beschmutzt, weil man einfach nicht mehr wusste wohin.
Als wir wieder zuhause waren, wurden Stuhlproben meiner Schwester und mir entnommen und es stellte sich heraus, dass wir die Erkrankung Ruhr hatten.
Ich habe meine Mutter mehrfach gefragt warum sie uns weg geschickt hat. Die Antwort war immer nur, dass das ein Angebot von der Krankenkasse (DAK) war.

Vielleicht findet sich ja jemand, der sich an Dinge die ich geschildert habe, ebenfalls erinnert. Es ist schön zu wissen, dass man nicht alleine damit ist.
LG Kirstin
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Elke aus Köln schrieb am 14.04.2021
Das Seehospiz war die Hölle. Barfuß mit Decke über dem Kopf auf dem Flur stehen, weil man als 6 Jährige vor Heimweh nachts geweint hatte.Wer eingenässt hatte, stand mit der nassen , kratzigen Decke überm Kopf auf dem Flur. Pferdedecken mit Meandermuster...ich hasse dieses Muster . Zu der Zeit wurde die Mauer gebaut...es wurde drüber gemunkelt..ich dachte, ich käme nie wieder nach Hause, weil sie zwischen der Insel und dem Festland gebaut würde. Der Schornstein der Wäscherei ? war in meiner Phantasie ein Verbrennungsofen..man hörte ja auch als Kind von den Nazi Verbrechen. Mein Asthma verstärkte ich . 3 Jahre später war ich im Schifflein Sausewind . Dort war es für mich wunderschön, mit liebevollen Erziehern. Den negativen Eintrag über dieses Heim kann ich nicht bestätigen ( vielleicht eine Verwechslung mit dem Seehospiz) dort wurden auch nur 3 Wochen angeboten. Der Aufenthalt dort hat mich bis heute mit der Insel versöhnt, obwohl ich bei meiner Wiederkehr als 40 Jährige beim Anblick des Seehospizes in Tränen ausgebrochen bin. Wut kam hoch, Erinnerungen kamen...Schläuche, die man schlucken musste..warum weiß ich bis heute nicht. Es war ein Previleg, wenn man die gewaschenen Binden der Neurodermitiker aufrollen durfte. Da wurde man gelobt. Immer wieder sehe ich das Bild der Diakonissin mit der Haube und der großen Schleife unterm Kinn in Albträumen vor mir. Der strenge Blick durch die Nickelbrille ... grausam. Wir waren Kinder , verletzliche Seelen. Ich bin Erzieherin geworden...bestimmt auch, damit ich etwas an Kindern wiedergut machen konnte. Das hab ich mir zumindest immer gesagt : So gehts du nie mit Kindern um.
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Edith schrieb am 12.04.2021
Als Schulkind wurde ich in den Sommerferien mit dem Auto in das Kinderheim in Frankenberg gebracht; mein älterer Bruder kam in ein Heim in Kniebis im Schwarzwald. Unsere Eltern machten anschließend „unbeschwert“ Urlaub in Italien. Meine häusliche Erziehung vollzog sich nach den Maßgaben der Schwarzen Pädagogik der NS-Zeit, also absoluter Gehorsam und Unterwerfung; eigentlich gute Voraussetzungen für den Heimaufenthalt. Ab etwa dem 5. Lebensjahr entwickelte ich autistische Verhaltensweisen. Die Gesellschaft mit anderen Kindern sollte mir mein Einzelgängerwesen austreiben. Stattdessen wurden es die schlimmsten Wochen meines jungen Lebens. In Erinnerung ist mir vor allem die kaltherzige und ungerechte Heimleiterin Schminke geblieben. Das Essen war ekelhaft. In meinen Ausscheidungen wimmelte es von kleinen weißen Würmern. Nach dem Frühstück wurde gesungen. Wenn ich heute das Lied "Jeden Morgen geht die Sonne auf" höre, dann spüre ich sofort wieder das furchtbare Verlassenheitsgefühl der damaligen Zeit. Eine geplante dritte Verschickung sollte an die Nordsee erfolgen. Ich hatte große Angst davor und mir vorgenommen von zu Hause wegzulaufen, wenn ich dort hin musste. Zum Glück ist es nicht dazu gekommen. Seit jener schrecklichen Zeit verfolgen mich Albträume über ausweglose Begebenheiten. Ich leide an Angststörungen speziell bei Sozialkontakten. Seit ich in Rente bin, geht es mir besser, da ich belastenden Situationen leichter aus dem Weg gehen kann. Eine Einzelgängerin bin ich bis heute geblieben.
Irgendwann später wurde mir erzählt, das Kinderheim sei wegen Kindesmissbrauch geschlossen worden. Wer weiß etwas darüber?
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Kerstin schrieb am 09.04.2021
Ich war 1966 im Alter von knapp 6 Jahren für 6 Wochen im Schwarzwald, wenn ich mich recht entsinne, in Dobel. Bei allen Versuchen, das Erlebte zu verdrängen, sind einzelne Erinnerungen unauslöschbar eingeprägt.
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Mirko schrieb am 07.04.2021
Ich war von September bis Oktober 1974 in diesem Kinderkurheim. Ich habe im Forum einen neues Thema zu diesem Heim eröffnet, vielleicht findet sich jemand, der auch dort gewesen ist und schreibt im Forum darüber.
Ich bin durch die Fernsehsendung auf diese Initiative und diese Internetseite aufmerksam geworden. Vielen Dank für Euer Engagement und den Mut, diese Zeit immer wieder, bewusst oder unbewusst, zu durchleben.
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Manfred schrieb am 07.04.2021
Ich wurde mit 9 Jahren für 6Wochen Verschickt um dicker zu werden was schon seltsam ist ich war ja nicht unterernährt nur sehr lebhaft.Ich mußte immer meinen Teller völlig leeren was ich aber auf Grund meines Heimwehs nicht konnte.Durch die Angst des Esszwangs konnte ich immer weniger Essen und mußte mich täglich beim Essen übergeben.Ich wurde gezwungen das Erbrochene zu Essen was auch nicht klappte da es immer wieder hoch kam.Auch wurde ich des Öfteren dafür mit Schläge auf den nackten Hintern bestraft.Hätte ich ohne Zwang und Angst essen dürfen hätte ich bestimmt genug Nahrung zu mir genommen aber die Angst vor dem Esszwang machte es mir unmöglich vernünftig eine Mahlzeit einzunehmen.Mir wurde Widerspenstigkeit unterstellt dabei war es nur Angst und Heimweh.
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Susan Fritzsch aus Stollberg schrieb am 07.04.2021
Ich war noch nicht ganz 3 Jahre, als meine Mutter meinem Kinderarzt nach vielen Versuchen nicht mehr klar machen konnte, dass sie mich nicht alleine zur Kur schicken möchte. Ich war sehr oft krank und auch der Arzt konnte wohl nicht mehr rechtfertigen, warum ich noch nicht bei einer Kur war. Soweit ich weiß, war das bei kränklichen Kindern einfach Gang und Gebe in der DDR. Ich kam 1983 kurz vor Weihnachten zurück nach einem 6-wöchigen Kuraufenthalt.
Ich habe, trotz meines jungen Alters damals, ein paar gruselige Erinnerungen. Tägliches Fiebermessen, bei dem wir minutenlang mit dem Quecksilber- Thermometer im Po allein liegengelassen wurden. Eines Tages sagte eine "Wächterin" ,dass bei einem Jungen, der inzwischen nicht mehr in der Gruppe war, das Thermometer im Po kaputt gegangen ist. Wir lagen während des Messens in Gitterbetten in einem großen Schlafraum. Nach meiner Erinnerung waren es viele Betten. Das Schlafen fiel mir, aus Sehnsucht nach Mama, sehr schwer. Ich weinte oft nachts. Eines nachts kam die "Nachtwächterin" und nahm mir , weil ich mich nicht beruhigte, meine Plüschgiraffe weg , legte sie so auf den großen Schrank am Kopfteil meines Bettes, dass der Kopf noch runter hing, ich sie sehen konnte. Das machte mich noch trauriger. Dann kam die Frau wieder und sperrte mich in einen Raum, von dem eine Treppe hinunter führte. Wenn ich nicht aufhören würde, zu weinen, würde der Weihnachtsmann hoch kommen und mich mitnehmen. Ich war nicht mal 3 Jahre. Ich erinnere mich auch noch an einen weiteren Saal, in dem wir ab und zu spielen durften. Ein Kaufmannsladen war dabei. Von den Erzählungen meiner Mutter erfuhr ich, dass meine Haare nach der Kur komplett verfilzt waren und in meinem Rucksack die Brotdose noch mit dem Brot von vor 6 Wochen gefüllt war, welches sie mir mitgegeben hatte.
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Christiane aus Wieck / Rügen schrieb am 06.04.2021
Ich wurde mit 5 Jahren für 4 Wochen auf die Insel Rügen geschickt. Meine damalige Kinderärztin sagte meinen Eltern, dass sie allen Eltern empfehle ihr Kind vor der Schule auf Kur zu schicken, ein Grund würde sich bei jedem Kind finden.
Bei mir wurde meine Neurodermitis und häufige Atemwegserkrankungen als Grund für die Kur genannt.
An an den Aufenthalt selbst kann ich mich kaum erinnern.

Vielen Dank für diese Seite und vor allem die separate Betrachtung West- und Ostdeutscher Kuraufenthalte.
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Klaus aus Hamburg schrieb am 05.04.2021
Ich wurde im Spätherbst nach Northeim in das Haus am Sultmer Berg verschickt. Zu dem Zeitpunkt war ich vier oder fünf Jahre alt. Es gab zwei Frolleins die sich redlich Mühe gaben uns Zwergen gerecht zu werden. Ich kann mich nur an einen Ausflug in die Stadt Northeim erinnern. Das Heim lag abseits am Waldrand am Berg. Die Gruppen waren um
die 30 Kinder gross. Ich kann mich an wenig erinnern, körperlich misshandelt wurden wir nicht. Das Essen war schlecht, es gab den Zwang zum Mittagsschlaf, geschlafen wurde generell in einem grossen Schlafsaal. Das Heimweh war das Schlimmste, sechs Wochen als 4/5- jähriger war mehr als eine Ewigkeit. Retrospektivisch war das alles keine positive Erfahrung.
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Sommer Heike aus Lorsch schrieb am 04.04.2021
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Ich wurde als Begleitung für meine 5 jähr. Schwester mitgeschickt und weil wir angebl. zu dünn waren. Wurden aber gleich nach Ankunft in verschiedene Altersgruppen getrennt. Essen war meist furchtbar. Wer den Teller nicht leer essen wollte, mußte sich im Flur auf die Treppe setzen und eine Stunde schweigen. Das war Glück!!! Oft gab es auch Schläge z. Bsp. reden beim essen, oder man mußte nachts aufs Klo. Nachtruhe war ab 19:00 Uhr und vor dem Schlafsaal saßen immer Bewacher. Meist konnte ich mich unbemerkt zur Toilette schleichen, aber wehe man wurde erwischt: Hatte nur einmal Pech und mußte die halbe Nacht barfuß im Besenschrank stehen, nicht ohne die obligatorische Trachtprügel vorher. Dabei kam mir zugute, daß die meisten "Schwestern" echt alt waren und nicht wirklich fest zuschlagen konnten. Ich denke die meisten Kinder damals kannten durchaus solche Erziehungsmethoden...Ich erinnere mich an den erzwungenen Mittagsschlaf bei tollem Wetter, wer sich auf den Rasen raus schlich zum spielen bekam auch wieder Schläge. Postkarten nach Hause wurden diktiert, oh ja es war toll! Auch dass die Päckchen einkassiert wurden, weiß ich noch, wobei ich nicht mal schlimm fand die Süßigkeiten mit anderen zu teilen. Das war o,k. Gemein war, daß einige "Tanten" sich ungeniert daraus bedienten und uns als verzogene Blagen beschimpften.
Wochenlang trugen wir die schmutzige Kleidung und einiges, was vorher neu gekauft wurde verschwand.
Gebadet wurde nur nackt und wer Angst vorm Wasser hatte war übel dran. Da ich schon etwas schwimmen konnte war ich auf der Sonnenseite und mich traf dort keine Gehässigkeit. Die haben sich immer die ängstlichsten Kinder rausgesucht! Immerhin gab es auch zwei sehr nette (junge) Betreuerinnen und so kamen wir immerhin halbwegs ungeschädigt durch die langen 6 Wochen. Jedenfalls wurde mein Widerstandsgeist geweckt und ein gewisses Mißtrauen gegen Erwachsene blieb. Widerworte traute ich mich kaum zu geben, denn dann hats geschallert. Und wir mußten vor Abreise schwören zuhause nur das beste zu erzählen, sonst würden wir geholt und dürften dann nie mehr nach Hause. Zuhause hatte ich 2 Wochen Schule verpasst und mußte nachsitzen, aber die Lehrerin glaubte meinen Erzählungen. Meine Mutter zuerst nicht, erst als mein Vater und die Großeltern mir glaubten, tat sie es auch, aber es dauerte Jahre bis meine Eltern mit anderen recherchierten und andere Kinder den Mund aufmachten. Vom Amt kam keine Unterstützung, da war man der Meinung wir seien halt freche, vorlaute Kinder.
Irgendwan hat mein Vater erfahren, daß das Heim geschlossen wurde. Positiv an der Sache war, daß mir letztendlich doch geglaubt wurde und ich schneller lernte mir selbst zu vertrauen und selbstständiger wurde.? Zwei Mädchen erinnere ich noch gut Eine hieß Evi, kam aus Wien und hatte ein Glasauge. Sie war super nett und die kleine 4 jähr. Bettina aus Berlin. Die bekam oft Schläge, weil sie die halbe Nacht wimmerte und weinte und weil sie rötliche Haare hatte. Die tat mir immer sehr leid und niemand half ihr und ich traute mich auch nicht, echt schlimm.
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Gaska, Doris aus Rüsselsheim schrieb am 01.04.2021
Hallo ich war 1964 6 Wochen auf der Insel Sylt. Ich muss sagen ein Trauma hab ich nicht davon. Zwar herrschte zu dieser Zeit in den Heimen ein anderer Ton als man das vielleicht von zu Hause gewohnt war und es gab auch die schon viel erwähnte Milchsuppe in Form von Vanille und Schokoladensuppe. Ich kannte das gar nicht von zu Hause und konnte - übrigens bis heute nicht, keine Milch in irgendeiner Form zu mir nehmen. Ich wurde aber auch keineswegs dazu gezwungen diese zu essen. Und vergoren war die auch nicht. Wir hatten damals eine sehr liebe Betreuerin Namens Ute. Die sehe ich heute noch vor mir. Mir hat es damals sehr gut gefallen auf Sylt und als die 6 Wochen um waren und es nach Hause gehen sollte, war ich richtig traurig. Zu einigen "Kindern" von damals habe ich heute noch Kontakt. Also... es ging auch anders damals in den Heimen. Ich erinnere mich sehr gerne daran.
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Astrid aus Dresden schrieb am 31.03.2021
Hallo, ich bin mit 4 Jahren nach Graal Müritz zur Kur gewesen. Ich dachte immer, es ist bei mir einfach eine persönliche Erinnerung, die ich durch das ganze weitere Leben mitgenommen habe und auch das das nur in der DDR so üblich war, dass Kinder allein zur Kur geschickt wurden. Dann las ich in einer Fachzeitschrift über das Thema und war oder bin geschockt, das dies in ganz Deutschland Standard war. Ich habe nur eine kleine Erinnerung, welche sich aber offensichtlich sehr eingebrannt hat. Ich habe dort nachts eingekotet und durfte dann am nächsten Tag als Strafe einen Ausflug nicht mitmachen. Meine Eltern haben mich damals aber gemeinsam mit dem Zug dorthin gebracht und von meiner Mutter weiß ich auch, dass ich bei der Abholung nach 6 Wochen auf der Heimfahrt kein Wort mehr gesprochen habe. Und das über mehrere Stunden. Dann hatte ich im Verlauf große Verlustängste und wollte immer in der Nähe meiner Mutter sein. Außerdem erzählte sie mir, dass kein Kontakt möglich war und Eltern keine Auskunft bekamen. Einmal schickten die Schwestern eine weiße normale Postkarte auf der mit Kugelschreiber eine Sonne gemalt war und nur der Satz" Salzige Grüße von der Ostsee" Mehr nicht. Ich suche nun Menschen die vielleicht auch dort waren und vielleicht auch schon älter waren und mehr Erinnerungen vorhanden sind. Ich habe seit der Jugend immer psychische Probleme gehabt und mich würde interessieren, ob an diesem Ort auch noch andere Sachen passiert sind. Ich muss aber dazu sagen, dass ich hinterher im Kindergarten und Schule ein unauffälliges liebes Kind war und anscheinend keine Probleme hatte.
Falls sich jemand findet, der auch in den 1975-1980 in Graal Müritz war, kann sich gern melden.
Vielen Dank an Alle, die diese Seite ins Leben gerufen haben!
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Regina Gräbner aus Denzlingen schrieb am 29.03.2021
Hallo, ich heiße Regina Gräbner
und bin sehr berührt, was sich mir hier auftut. Schon einmal hatte ich kurz in der Presse etwas gelesen, ich war erschrocken und gleichzeitig wie eine innere Befreiung, dass es zum Thema gemacht wird. Es hatte meine Wunde rasch aufgerissen und ich habe es nochmal zur Seite geschoben, da so viel anderes anstand...ich war noch nicht bereit, habe mich geschützt.
Gestern schickte mir eine Freundin einen Link von einem Coach ( Roland Kopp-Wichmann ) und jetzt ist klar gewesen,...
jetzt bin ich da und schreibe und erzähle und will mit dabei sein, in dem Verein, in der Verbindung mit all den Betroffenen. Es ist wie eine neue Familie die ich finde.
Ich bin 1964 in Waldkirch geboren.
Ich wurde April/ Mai 1970 wegen Asthma nach Bad Sassendorf verschickt und
Sept./Okt 1971 nach Oberstdorf.
Da sah ich gestern auch ein Foto von dem Heim. Es hat mich total geflasht und so sehr aufgewühlt. Wie das Meer...bei uns vor der Haustüre.
Ich habe unendlich gelitten, ich hatte so unglaubliches Heimweh, habe mich verlassen gefühlt, einsam, nicht verstanden ( das Asthma, war rein psychisch...ein psychosomatischer Ausdruck, was Zuhause bei uns lief ...)
Ich habe unendlich gelitten, es war eine Ewigkeit. Und es ist für mich erschütternd, dass ich nach 1,5 Jahren !!! obwohl ich vollkommen verstört nach Hause kam und lange gebraucht habe, bis ich wieder aufgetaut war...noch einmal verschickt wurde.
Ich war total scheu, eingeschüchtert, fremd in der eigenen Familie.
Sie ist mir fremd geblieben. Ich habe nie wieder wirklich einen Zugang zu meiner Herkunftsfamilie bekommen und ich blieb die sensible, eigenartige, Regina...
Bis heute arbeite ich daran. Habe viele Therapien gemacht und immer wieder so gute Wegbegleiter gefunden. Dafür bin ich sehr dankbar.
Diese Not alleine im Bett, weinend, diese Ungeduld der Schwestern, Tanten, das Unverständnis mit einer Kinderssele umzugehen. Der Schlafraum, die Anwendungen. Das schlimme Essen. Kotze auf dem Boden wurde länger nicht weggewischt, ein paar Kinder sind darin ausgerutscht...vieles habe ich verdrängt, kann ich nur so in Puzzletielen sehen. Die Post die weggenommen wurde. Die Briefe die beeinflußt wurden oder korrigiert. Die Falschaussagen die den Eltern gemacht wurden. Eine unglaubliche Lüge. Ein Mißbrauch an Macht. Und diese unglaubliche Ohnmacht als Kind. Freundschaft wurde schnell getrennt, damit andere nicht traurig sind. Päckchen von Zuhause wurden geöffnet und an die anderen Kinder verteilt, es wurde alles weggenommen. Es gab nur den Rückzugsort in mir selbst. Und heute weiß ich, oder ahne ich, mein Engel war immer an meiner Seite. Ja, in dem Film sagt eine Frau , auch 57 Jahre,, wir sind Überlebende.
Ja, so sehe ich es auch. Ich habe es überlebt, vieles überlebt, auch Zuhause ging es heftig weiter...und heute kann ich auch so stolz auf mich sein, dass ich es überlebt habe, wie stark doch mein Wesenskern ist, und dass ich heute die bin, so wie ich bin. Nach wie vor spüre ich starke Ängste in Liebesbezeihungen, die Angst Verlassen zu werden, die Angst vor Verlust, Angst vor tiefer Nähe. Angst verletzt zu werden. Eine tiefe Bindungsstörung die ich in mir trage. Ich versuche immer liebevoller mit mir zu sein. und ich habe trotz einiger Trennungen, zwei wundervolle Söhne geboren, wo ich bedingungslose Liebe gelernt habe und seit 13 Jahren ist ein liebevoller Mann an meiner Seite. Ich spüre wie ich mich häute, die Zwiebelschälen sich lösen.
Es ist gut so wie es ist.
Und doch bleibt diese Erinnerung ein Horror für mich, ein tiefes Leid, absolut grausam und eine Wunde die gerade jetzt wieder wund ist und weh tut.
Doch ich bin stark und gehe meinen Weg Schritt für Schritt. Und ich will gerne dabei sein, in dieser Gemeinschaft. Weil es heilt und es berührt so sehr, verstanden zu werden, endlich einmal verstanden zu werden. Mitgefühl zu spüren, zu lesen, zu erfahren von all den unendlich vielen Verschickungskindern...von soviel Leid und Trauer.
Was so schrecklich war und auch heute immer noch ist, wenn es Menschen gibt die dies wegreden, oder schön reden usw, so wie mit Mißbrauch häufig noch umgegangen wird. " Ach du warst halt schon immer so sensibel , das bildest du dir ein , so schlimm war es doch nicht...." das empfinde ich bis heute immer noch als ein Messerstich ins Herz.
Das heißt, es gibt noch viel zu heilen.
Nicht Betroffene können es sich einfach nicht vorstellen, was das anrichten kann. In der Persönlichkeitsentwicklung, in Verhaltensmustern , Tricks und Vermeidungsstrukturen.
Ich würde mich unendlich freuen, wenn es zu liebevollen, achtsamen Begegnungen kommmt.
Das wäre eine großes Geschenk.
Von ganzem Herzen,
Regina Gräbner
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Christina Brekau aus Dortmund schrieb am 28.03.2021
Ich bin so bestürzt, aber auch dankbar, das es jetzt eine Plattform gibt, wo ich berichten kann.... ich kann Christophs Abreiseerinnerungen bestätigen, und fühle noch das Band mit dem Zettel um meinen Hals. Dort habe ich gelernt, mich selber zu hassen, mich selber, meinen Körper, und von da an in der Gewissheit zu leben, ganz allein zu sein. Die psychische Misshandlung war unfassbar, die Beschimpfungen, Entwürdigungen, die Isolation, die drakonischen Strafen. Das Heimweh... und die Frage, wie meine Mutter zulassen konnte, das ich dort hinkomme. Vor einigen Jahren habe ich ein Bild unserer Gruppe gefunden... alles Mädchen, die damals als zu fett behandelt worden sind... oh Gott, Bildhübsche kluge Kinder, die sich versucht haben, sich untereinander zu helfen und sich zu beschützen. Es gab starke Kinder, die für die schwächeren versucht haben einzustehen. ... mit schlimmsten Folgen während des Aufenthaltes. Ich erinnere einen Namen: Leonie aus Heidelberg.... All das Grauen kommt nach wie vor hoch, und es gelingt mir nicht, in eine Barockkirche zu gehen, ohne hinfortgespült zu werden von den Erinnerungen. Also, mir fehlen Barockkirchen nicht, aber mir fehlte immer die Gewissheit, dass das was da geschehen ist, nicht recht ist! Ich habe es mir immer selber angelastet. Immer habe ich gedacht, es verdient zu haben, dort bestraft zu werden. 1,5 Jahre zuvor war mein Vater neben mir verstorben... das habe ich als Kind alles in einen Topf geworfen. Und dachte, das wäre meine Strafe. Es folgten viele krumme Wege, das Scheitern einer Ehe, ein Selbstmordversuch mit Anfang 30 und lange Jahre Therapie, und Ende 40 dann noch einmal ein vollständiger Zusammenbruch. Mir geht es jetzt endlich gut, aber was bleibt ist die Wut, der Zorn über das was mir und den anderen zugestoßen ist. Ich wünsche mir, das derlei öffentlich wird, ich wünsche mir eine Entschuldigung und ich wünsche allen auch eine Entschädigung für das, was dort passiert ist und was es aus uns gemacht hat. Alle die das Lesen: es war nicht Eure Schuld!!! Es war nicht recht, es war schlimmstes Unrecht. Eure Christina
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Brigitte schrieb am 28.03.2021
Als ich gerade zwei Jahre alt war (September 1958) brachten mich meine Eltern nach Königsfeld im Schwarzwald ins Kinderheim. Mein Vater war Arzt und kannte dort eine Ärztin, die ihm dieses Heim empfahl. Eigentlich war ich zu jung für dieses Heim, aber da ich schon „sauber“ war und eben oben genannte Verbindungen bestanden, durften mich meine Eltern für sechs Wochen dorthin abgeben. Ich war körperlich nach mehreren Kinderkrankheiten (Mumps im Mai, Röteln im Juni) geschwächt und meine Eltern wollten durch die Luftveränderung mein Immunsystem stärken. Außerdem denke ich, wollte mein Vater meiner körperbehinderten Mutter eine Pause mit wenigstens einem Kind weniger gönnen.
Als wir im Kinderheim ankamen waren die meisten Kinder auf einem Ausflug. Man hatte gerade zwei oder drei Kinder hiergelassen, damit ich mich „eingewöhnen“ kann. Vertrauensvoll ging ich sofort in den Sandkasten um mit diesen Kindern zu spielen. Da wurde meinen Eltern nahe gelegt ohne Verabschiedung zu fahren damit es kein Theater gibt. Als ich irgendwann meine Eltern vermisste und lauthals schrie, sagte eine Erzieherin zu mir: „Wenn du brav bist, kommt die Mama wieder!“ (diesen Satz habe ich in der Therapie noch einmal gehört) Wenn man den Briefen des Kinderheims glauben darf, gab ich mein Bestes. „Brigitte singt und lacht den ganzen Tag“ wurde dort verlautet.
Als meine Eltern ich abholen kamen, erkannte ich sie nicht wieder und ich nannte meine Mutter Tante, wie eben alle Frauen dort.
Ich habe dieses Bindungsabbruchtrauma inzwischen mit Therapien bearbeitet. Es hat mich mein ganzes Leben lang begleitet, dieses Gefühl „ich gehöre nicht wirklich dazu“. Meine Schwestern verstärkten dieses Gefühl noch indem sie, wenn sie mich ärgern wollten behauptet hatten, mich hätte man vor die Türe gelegt und ich sei gar nicht ihre richtige Schwester.
Als mein Mann mich verließ als gerade unser drittes Kind geboren war rutschte ich in die erste Depression gerade dreißig Jahre alt. Ca. zwanzig Jahre später 2007 dann der „burn out“ mit allem was dazu gehört (Psychopharmaka, Klinikaufenthalt mit Unterscheiben eines Lebensvertrags, Verlängerung und anschließender Frühberentung nach einer Retraumatisierung durch den Amtsarzt).

Ich habe Therapie gemacht, kenne meine Frühwarnzeichen und bin meinen ganz eigenen spirituellen, sehr selbstverantwortlichen Weg gegangen. Ich weiß heute, dass meine Eltern es damals einfach nicht besser gewusst haben und die Erzieherinnen auch noch nicht das Wissen von heute hatten. Diese Gedanken helfen mir ihnen zu verzeihen und Frieden mit der Situation zu machen. Was mich allerdings immer noch beschäftigt, ist wie ich dieses Trauma an meine Söhne weitergegeben habe. Was macht es mit einem Kind, das unter Tränen gestillt wird? Was macht es mit Kindern, wenn sie eine Mutter haben, die zwei Stunden lang weint um sich dann eine Stunde lang bemüht ihre Bedürfnisse zu befriedigen, wo sich gerade der Vater aus der Familie verabschiedet hat. Ich konnte auch nur so eine gute Mutter sein wie ich es geschafft habe. Das habe ich mir immer noch nicht ganz verziehen und nicht wegen der Angst, wenn ich nicht gut genug bin nicht dazu zu gehören, sondern weil ich meinen Kindern eine entspannte, gesunde Mutter gewünscht hätte, denn sie sind mein ganzer Reichtum in diesem Leben.
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Petra aus Waiblingen schrieb am 28.03.2021
Ich bin auf diese Seite gekommen durch das Buch von Hilke Lorenz "Die Akte Verschickungskinder". Aufmerksam auf das Thema selbst bin ich durch meine Mutter geworden, die den Beitrag auf SWR gesehen hat. Da wurde wohl auch "meine" Klinik erwähnt. Diese Klinik gibt es heute auch noch und ich wenn ich die Homepage sehe mit dem Bild der Klink weiß ich noch genau, wo "mein" Zimmer war. Ich finde die vielen Berichte schrecklich. Ich war 6 Wochen in Schönsicht Berchtesgaden, kam kurz vor Weihnachten wieder nach Hause. Hingeschickt wurde ich, weil ich viele Lungenentzündungen und Bronchitis hatte. Vieles ist mir nur noch brückstückhaft in Erinnerung, Fetzen. Allerdings wiegen sich bei mir gute und schlechte Erinnerungen gefühlt die Waage. Habe ich die schlimmen Dinge verdrängt? Gab es sie oder nicht? Ich weiß es nicht mehr mit Sicherheit. Ich kann mich an tolle Ausflüge erinnern, viele schöne Wanderungen, Gespräche mit den dortigen Erzieherinnen beim Zusammensitzen (Gruppenraum?). Wir waren zu fünft oder sechst in einem Zimmer, es war eine Mädchengruppe, alle so um die 10 Jahre alt. Ein Waschraum für alle. Ich meine, die Duschen waren offen, es gab keine Tür oder Duschvorhang. Es muss viel Spinat zum Essen gegeben haben, denn nach dem Aufenthalt und viele viele Jahre danach hat mich Spinat bis zum Erbrechen angeekelt. Ich habe während den 6 Wochen Gewicht verloren, das weiß ich von meiner Mutter, die erzählt hat, wie erschrocken sie war, als sie mich wieder sah. Nach und von Berchtesgaden bin ich in einem Kindersammeltransport gekommen, Ab- und Anfahrt war der Stuttgarter Hauptbahnhof. lt. meiner Mutter habe ich während den 6 Wochen komplett meinen heimischen Dialekt verlernt und habe reinstes Hochdeutsch gesprochen, was für meine Familie damals wohl sehr befremdlich war. Daran erinnern kann ich mich nicht. Allerdings bin ich heute sehr sehr stolz auf meinen Dialekt und liebe Mundart in jeglicher Form. Folge von damals? Weiß ich nicht. Ich erinnere mich, dass ich von den anderen Mädchen drangsaliert wurde, heute sagt man wohl gemobbt. Mir wurden meine Kleider und Schuhe versteckt, musste sie mühevoll suchen. Ich musste immer alles auf meinem Teller essen, viele Speisen (Beispiel Spinat) mochte ich viele Jahrzehnte nicht mehr. Ich meine, Grießbrei sei darunter gewesen und Haferbrei (Porridge). Beides esse ich wieder heute. An die Nikolausfeier habe ich positive Erinnerungen, das war für mich beeindruckend, aber nicht beängstigend. Ich kann mich an viel Schnee erinnern, lange Eiszapfen vor den Fenstern. Was ich aber sehr stark hatte, war Heimweh. Ich litt sehr darunter. Wir durften auch keine Besuche bekommen, auch nicht telefonieren. Eines Nachts habe ich den Plan ausgeheckt, mich in die große Halle zu schleichen, dort war ein Telefon, und meine Eltern anzurufen, weil ich sie so sehr vermisst hatte. Der Trick dabei war, ich musste unerkannt am Zimmer der Erzieherinnen vorbei, die Nachtdienst hatten. Leider habe ich das nicht geschafft. Warum ich Mitten in der Nacht auf sei? wurde ich gefragt. Ich könne nicht schlafen, habe ich gesagt. An eine Strafe kann ich mich nicht erinnern, sondern nur daran, dass mich eine der Erzieherinnen wieder ins Zimmer begleitet und mich zu Bett brachte. Wir durften Trinken nur während den Mahlzeiten. Oh, wie hatte ich Durst! Nach dem Mittagessen gab es eine Mittagsruhe, wo wir uns ins Bett legen mussten. Ich meine, geschlafen werden musste nicht, wir mussten nur ruhig sein. Durften also lesen, Briefe schreiben. Das empfand ich als furchtbar langweilig. Aber ich habe es nicht als "Strafe" in Erinnerung. Ich kann mich an die Maßnahmen erinnern, wie das Inhalieren, Kneipp-Kuren, Sport- und Schwimmprogramme. An sich muss es - bis auf das Heimweh - nicht so furchtbar gewesen sein, denn zwei Jahre später gingen wir als Familie in Berchtesgaden in den Urlaub und wir besuchten all die Orte, die ich während der Kur auch sah (Watzmann-Wanderungen, Königssee, Ramsau, etc). Ich habe vor, mit meiner Mutter darüber zu sprechen, wie es für sie war, mich wegzuschicken, ob ich Briefe erhalten habe und schreiben durfte oder ob es nur Postkarten waren. Das weiß ich nicht mehr. Allerdings hat die Kur mich nicht komplett geheilt. Ich war und bin weiterhin anfällig für Bronchitis und Lungenentzündung, habe Asthma bronchiale und Heuschnupfen. Danke für diese Seite!
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Thomas Meyer aus Hamburg schrieb am 27.03.2021
Ich muß dort als 5 Jähriger 1967 gewesen. Bin sehr froh, daß das nun ans Tageslicht kommt.

Dauernde Bestrafungen per in der Ecke stehen, Essen sehr schlecht, aber Kotze essen kann ich nicht erinnern, mundvoll machen und in der Toilette ausspucken war meine Taktik, Übelkeit wegen des Essens erinnere ich.

Einziges Licht war die Bibliothek, da gab es Krimis von Enid Blyton. Allerdings nach 3 Wochen war ich morgens früher aufgewacht und hatte mir das spannende Buch unter die Decke geholt: Erwischt und Leseverbot für die verbleibenden 3 Wochen. Das war für mich damals unglaublich schlimm.

Meine ältere Schwester war mit mir zusammen dort, hatte aber keinerlei Kontakt zu mir, kaum, daß ich sie überhaupt mal zu Gesicht bekam.

Träger war die DAK. Gute Erinnerungen habe ich keine.

Ich vermute, daß meine Vergeßlichkeit und meine Gefühlosigkeit gegenüber meiner Mutter in dieser Verschickung wurzeln. Ich kann nichts aus meiner Kindheit von vor dieser Verschickung erinnern. Auch an die Verschickung erinnere ich mich nur ganz schemenhaft. Eigentlich bin ich ein sehr empathischer Mensch, nur bei meiner inzwischen schon länger verstorbenen Mutter war das anders. Wäre durchaus plausibel, daß diese Horrortour der Grund dafür ist.

Brechen konnten sie mich nicht, obwohl ich wohl schon damals dies als Ziel der Maßnahme erkannte. Daher wohl auch mein unendlicher Haß auf Faschisten.

Wüßte zu gern die Namen der Heimleitung, daß man weiterkommt in der Erforschung. Meines Erachtens müßte die Erforschung von der DAK finanziert werden.
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Solveig aus DDR schrieb am 25.03.2021
Zufällig bin ich auf eine Doku zum Thema Verschickungskinder gestossen.
Ich habe nicht mehr so viele Erinnerungen, und ich weiss auch nicht mehr wo ich genau in Kur war.
Ich bin 1977er Jahrgang in Cottbus geboren und hatte 1986 eine sehr schwere Bauch- OP. Es war ein Darmverschluss der notoperiert wurde und bei dem ich fast gestorben wäre. Ich war sehr lange im Krankenhaus. Besuch von den Eltern hab ich kaum bekommen. Ich erinnere mich wie ich oft mit einem Stuhl vor meinem Zimmer sass und wartete das mich jemand besuchte.
Als ich wieder gesund war, aus dem Krankenhaus entlassen wurde, wurde ich zur Genesungskur geschickt für 4 Wochen.
Ich kann mich nicht mehr erinnern wohin.
Ich weiss nur das es schrecklich war.
Wir müssten bei bitterer Kälte morgens halbnackt im Garten ( oder Hof) stehen und uns gegenseitig abbürsten- uns wurde erklärt das dies gut für uns sei, uns abhärtete. Diese Bürstenmassagen fanden wie in einem Morgenkreis statt - erst bürstete sich jeder selbst ab, anschliessend drehte sich jeder so, das er ein Kind vor sich stehen hatte, dessen rücken es selbst abbürstete. Meine Narbe am Bauch war noch Recht frisch, und sie tat jedes Mal weh, wenn ich sie abbürsten sollte. So oder so hätte man nach dem bürsten ständig Striemen am ganzen Körper- es waren bürsten ähnlich solcher womit man einen Boden schrubbt. Nach diesem Bürsten ging man in den Waschraum, wir müssten uns in die Dusche stellen, wo die Erzieherin uns mit einem Duschschlauch eiskalt abduschte. Ich hab es gehasst, aber mir blieb nichts übrig als mitzumachen, denn sonst wurde man bestraft. Man durfte sonst nicht an einer Freizeit teilnehmen, oder den Eltern keinen Brief schreiben.
Wir Kinder waren in unterschiedliche Altersklassen eingeteilt. Eigentlich geh9rte ich zu den kleineren, wir würden aber genauso behandelt wie die grossen.
Einmal wöchentlich traf man sich im Gemeinschaftssaal, dort konnte man sich eine Ansichtskarte aussuchen, die man auch bezahlen musste. Wir sollten unseren Eltern eine Postkarte schicken. Aber den Text konnten wir nicht frei wählen, er war vorgegeben und stand auf einer grossen Tafel zum abschreiben für uns. Die Erzieherin ging herum und schaute ob auch alles so richtig sei.
Unsere Eltern könnten uns einmal pro Woche zurückschreiben.
Für uns war um 19 Uhr Nachtruhe, daran habe ich keine Erinnerung mehr. Ich weiss nicht wie ich zu Bett kam.
Ich erinnere lediglich die morgendlichen, halbnackten körperbürstungen. Denn ich hatte Probleme damit mich vor anderen frei zu machen, weshalb ich oft getadelt würde vor den anderen Kindern.
Ich war froh wieder zu Hause zu sein.
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Andreas aus Köln schrieb am 21.03.2021
Ich war durch das DRK nach Südtirol/Luttach verschickt worden. Heute wird dasselbe „Heim“ als Gruppenpension betrieben. Ich war 2019 vor Ort weil ich Gewissheit haben wollte ob, ich mir dass alles eingebildet habe. Im Auftrag meiner Erziehungsberechtigten/Eltern wurde ich 1972 im Alter von 10 Jahren, ein paar Tage nach meinem Geburtstag versendet. In einer großen Gruppe sind wir gefühlt zwei Tage im Zug (Typ: Silberlinge) unterwegs gewesen. Das Essen während des Aufenthaltes bestand oft aus Nudeln und gebratener Fleischwurst, also deftige Bergmannskost. Geschlafen haben wir in Zimmern mit Hochbetten 4 bis 6 Kinder je Raum. Wer Nachts nicht schlafen konnte/wollte musste im Flur solange Kniebeugen machen oder stehen bleiben bis er müde war. Das Personal war nett, einmal durften wir Post bekommen, mit frischen Taschengeld. Nach drei/vier Wochen bekam ich beim Spielen durch einen Steinwurf eine Schädelimpressionsfraktur mit linksseitiger Lähmung, Kopfschmerzen hatte ich dann auch öfters, latente Krampfanfälle hatte ich damals nicht so bewertet. Ich erinnere mich auch, aus dem Hochbett gefallen zu sein und habe dann im Bodenliegend teilweise Uriniert. Der „Kurarzt“ und die Leiter und anderen Beschäftigten hatten das alles nicht ernstgenommen, sodaß ich erst nach meiner Rückreise (zwei Wochen später) in einer Uniklinik operiert werden musste. Nach diesem Kuraufenthalt hatte ich weniger Gewicht als vorher. Meine Postkarten (nur diese durften wir schreiben) wurde inhaltlich auf Anweisung eines Gruppenleiters entschärft und von einem anderen Kind neugeschreiben (wegen der erforderlichen Kinderhandschrift), die Eltern sollten nichts Wissen, damit Sie nicht vorbeikommen. Im Kurabschlussbereicht stand dann nur, ich sei ein Sturkopf. Die Rückreise war auch wieder sehr lange, der Proviant Wasser, Semmel reichten nicht. Das ungewollte Versenden in ein fremdes Land, die „Kontaktsperre“, das Gefühl dieser Systemmacht ausgeliefert zu sein, ohne jegliche Hilfe, das ausgeliefert zu sein in einem fremden Land (auch wenn deutsch gesprochen wird), hat mich geprägt, wie ich 40 Jahre später verstanden habe. Ich habe überlebt.
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Martina Fischer schrieb am 21.03.2021
Ich bin über die SWR Doku auf diese Webseite gestoßen und sehr dankbar dafür.
Ich war 1969 mit 6 Jahren für 6 Wochen im "Schifflein Sausewind" auf Norderney. Da ich oft krank war, wurde dies meinen Eltern empfohlen.
Die 6 Wochen in diesem Heim waren schrecklich. Ich habe erlebt, was viele hier schon beschrieben haben: Ich habe mit 6 Jahren nachts wieder ins Bett gemacht und musste in einem dunklen Raum nackt ohne Decke auf einer Holzbank schlafen. Vorher wurde ich in einem Zuber mit kaltem Wasser übergossen und mit einer Wurzelbürste abgeschrubbt. Morgens im Essenssaal wurde ich vor allen Kindern bloßgestellt: "Seht wer wieder ins Bett gemacht hat!"
Wir mussten alles aufessen, auch wenn es uns anekelte, wie mich z.B. die Rosinen. Ich habe sie heimlich in der Hand gesammelt und beim Händewaschen in den Abfluss gestopft. Kam natürlich raus und wurde mit Schlägen bestraft.
Als ich an Windpocken erkrankte, lag ich mit einem Jungen in einem Isolierzimmer. Wir durften nicht auf die Toilette, sondern mussten im Zimmer auf den Topf. Ich habe mich so geschämt, dass ich das nur unter der Bettdecke gemacht habe.
Es war die schrecklichste Zeit meines Lebens, voller Angst, sie hat mich für mein Leben geprägt.
Ich war beim Schauen der Doku echt erschrocken, wie viele Menschen unter diesen Verschickungen leiden mussten!
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Wolfgang Veit aus Eßlingen schrieb am 21.03.2021
Ich wurde wegen meines Heuschnupfens an die Nordsee geschickt. Abgesehen von gelegentlichem Heimweh habe ich nur eine negative Erinnerung: ich mußte gezuckerten Salat essen. Die Tanten (Studentinnen der PH) waren sehr nett und wir haben in den Dünen und am Strand toll gespielt. Dort habe ich die Mundorgel (Liederbuch) kennengelernt, die benütze ich noch heute.
Ich bin sehr betroffen, daß so viele Menschen in den Verschickungsheimen so schlimme Erfahrungen gemacht haben und schätze mich glücklich, daß es bei mir völlig ok war.
(gegen den Heuschnupfen hat das natürlich nur geholfen, so lange ich dort war)
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Christine Koster aus WINLAW BC Canada schrieb am 21.03.2021
Christine Koster 1970 Bad Reichenhall - Ich erinnere mich daran, dass ein Mann von der Arbeiterwohlfahrt kam. Er hat mich zum Zug gefuehrt und meinen Koffer getragen. Ich wurde zur Erholung nach Bad Reichenhall geschickt. Ich habe angeblich vorher viel geweint, deswegen sollte ich in ein Heim. Die katholischen Schwestern im Heim waren gemein und herzlos. Als erstes haben sie mr alle Suessigkeiten und besondere Sachen von meinen Eltern weggenommen. Ich war erst 5 Jahre alt. Ich hatte Angst vor den Nonnen und furchtbares Heimweh. Sie haben mich eingeschuechtert, man durfte nicht reden und musste am Tisch sitzen mit Spielzeug spielen. Manchmal musste ich meine Haende hochhalten und siehaben dann mit einem Stock drauf eingeschlagen. Das Essen hat mir nicht geschmeckt. ich habe mich oft erbrochen und hatte Durchfall. Am Schlimmsten war es nachts. Wir mussten alle in einem grossen Saal schlafen. Wenn es Zeit fuer ins Bett war, durfte man nicht reden oder weinen. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass ich viele Naechte aus dem Bett gezogen wurde und musste dann mit nackigen Fuessen auf der eiskalten Treppe stehen. Das traumatischste Ereignis war fuer mich, dass ich eines Abends im Bett lag und auf die Toilette musste. Ich hatte ein schlimmes Bauchweh und durfte nicht gehen. Ich habe in meine Schlafanzug gemacht und musste die ganze Nacht in meinen Fäkalien liegen. Ich weiss noch genau, wie ekelhaft das war und wie sich Krusten geformt haben ueber die langen Stunden in der Nacht, in der ich schlaflos und weinend gelitten habe. Am Morgen hat es alles sehr weh getan. Dann kam die Schwester und hat mich ins Bad geholt. Da hatte sie die Badewanne voll Wasser. Andere Kinder waren anwesend und vor diesen Kindern habe ich mich sehr geschaemt, weil die Schwester allen gezeigt hat, dass ich ins Bett gemacht hatte. Dann musste ich mit einem anderen Kind in die gleiche Badewanne. Das andere Kind hat sich vor mir geekelt. Das war und ist bis heute fuer mich fuerchterlich. Die anderen Erinnerungen sind nur kleine Fragmente z.B. dass wir in Paaerchen im Park gelaufen sind. Die aelteren Kinder haben mir versucht ein Lied beizubringen, in dem die Nonnen aus dem Fenster geschmissen wurden. Nachdem ich wieder daheim war, habe ich einen Monat lang geheult.
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Helga Köhler aus Berlin schrieb am 20.03.2021
Einigermaßen verstört hat mich ein Radiobericht über Kinder-Verschickung in der Bundesrepublik. Deshalb will ich auch von meiner Mutter berichten.
Eine zu diesem Bericht in etwa gleichlautende Erzählung hat mir immer wieder meine Mutter aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts gegeben.
Meine Mutter Helga Köhler, geb. Kleige wurde am 24.3.1929 und ist im März 2004 verstorben. Sie ist in Berlin-Friedrichshagen aufgewachsen und wurde in den dreißiger Jahren nach Borkum verschickt.
In ihrem Schulzeugnis aus Friedrichshagen fand ich den Vermerk, dass sie vom 10.6. bis 29.7.1937 verschickt war. Ein Foto dieses Dokumentes lege ich bei (gelingt mir leider nicht, ich schicke es an den Verein).
Sie hat beschrieben Erbrochenes selber wegwischen, kein Wechsel der Bettwäsche, Nicht-an den Strand dürfen bis alles gegessen wurde, alleine essen. Erbrochenes aufzuessen ist ihr nicht selbst passiert, aber sie hat es bei anderen Kindern gesehen und beschrieben, dass es für sie wichtig war auf den Boden zu brechen, damit ihr nicht das gleiche passiert.
Wir haben das in unserer Familie immer als schlimme Zustände in der NS-Zeit angesehen. Die Fortführung noch Jahrzehnte hindurch weiter ist unfassbar. Vielleicht hilft ihnen diese Erinnerungs-Aussage einer Tochter in ihren Forschungen zu belegen, dass die Zustände in den Verschickungsheimen der Bundesrepublik ihre Wurzeln im Dritten Reich hatten. Es hat anscheinend nach dem Krieg niemand gefragt, was damals passiert ist und so konnten diese Ungeheuerlichkeiten fortgeführt werden.

Gabriele Köhler
Söbrigener Str.7
01326 Dresden
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Elfi Caba aus Düsseldorf schrieb am 20.03.2021
Langeoog 1969:
Als 8-jährige war ich eine von beiden Jüngsten in einer Gruppe von Mädchen bis 12 Jahre!
Ich hatte 4 Astma-Anfälle hinter mir, bei denen ich ohnmächtig wurde und in Aurich unters Sauerstoffzelt musste. Der letzte war 1 1/2 Jahre her. Ausserdem war ich chronisch erkältet. Das "Reizklima" und das Autoverbot auf Langeoog sollten meine Atemwege heilen!

Ich war in Langeoog kreuzunglücklich, dachte aber bis zur Ausstrahlung der Lokalzeit Düsseldorf Ende Oktober '20, dass das meine Schuld wäre!
Ich kam mit der strengen Taktung des Tagesablaufs nicht klar, und auch nicht mit dem ganztägigen Verbleib in Gruppen, war eine verträumte Einzelgängerin, die nicht ständig mit anderen Kindern spielen und auf sie eingehen konnte. Von Anfang an hatte ich Heimweh und Schwierigkeiten mit den Kindern und Erzieherinnen!
Der Tag begann um 7 Uhr morgens mit dem Wecken! Meiner Erinnerung nach waren wir 6 Mädchen auf dem Zimmer und meine Gruppe von etwa 26 Mädchen teilte sich Toilette und Waschraum. Zu Hause lagen meine Kleider morgens für mich bereit und ich hatte ausreichend Zeit mich anzuziehen! Hier sollte man für Waschen und Anziehen nur 30 Min. brauchen und um 7.30 Uhr im Frühstücksraum sein.Das schaffte ich nie ! Ich konnte meine Kleider nicht schnell genug zusammenstellen und anziehen, suchte immer ein Kleidungsstück zuviel oder zuwenig raus und "kombinierte" Sommersachen zu Gummistiefeln und nichts passend zum Wetter! Fast immer vergass ich irgendein Teil der Unterkleidung anzuziehen, Strümpfe, Unterhose oder Unterhemd! Wenn um ca. 7.25 Uhr die Erzieherin kontrollieren kam, war ich noch nicht ansatzweise mit dem Anziehen fertig. Sie schimpfte dann, dass ich endlich lernen müsste, mich zu beeilen, und dass später alle auf mich warten müssten! Nach ein paar Tagen rief sie alle Kinder, die pünktlich fertig waren (fast alle), vor unser Zimmer, stellte mich halb bekleidet in den Gang und sagte "Guckt mal, wer hier fast nichts anhat!"
Die anderen Kinder grölten vor Lachen, tagelang jeden Morgen!
Nach sehr langer Zeit hatte eines der älteren Kinder, mit kleinen Geschwistern zu Hause, mit mir Erbarmen und verriet mir das Geheimnis: "Wir kriegen abends gesagt, wie morgen das Wetter etwa wird. Du stellst dich abends vor deinen Kleiderschrank, denkst nach welche Sachen am besten dazu passen würden, und faltest sie umgekehrt auf deinen Stuhl neben dir, zuerst die Jacke, zuletzt Unterwäsche und Strümpfe. Dann ziehst du morgens alles so schnell wie möglich nacheinander an!" -
Danach war ich nur noch leicht verspätet, weil etwas zu langsam beim Anziehen!

Von 7.30 Uhr bis 8.00 Uhr war Frühstück. Unser Essen wurde uns zugeteilt, wir kriegten fertige Rationen auf den Teller, mussten essen was da drauf war, kriegten aber auch nichts nach wenn wir mehr wollten! Einige Kinder waren wegen Untergewicht da .Sie wurden gezwungen, alles aufzuessen, und kriegten zu jeder Mahlzeit eine Extra-Ration. Die Erzieherinnen stellten sich ab 7.50 Uhr vor sie hin und drängten sie barsch, im Eiltempo die letzten Nahrungsmittel in sich rein zu schlingen! Die "Mageren" wollten nie essen und heulten und würgten! Wir anderen waren neidisch und hätten liebend gern ihre Extra-Ration verschlungen, denn unsere Portionen waren knapp bemessen.
Wir hatten zwar nach Tisch nie Hunger, waren aber auch nie richtig satt! Ich hatte ein zusätzliches Problem, weil mir um Punkt 8 der Teller unter der Nase weggezogen wurde und ich, wegen meiner Verspätung nach dem Antiehen, noch nicht fertig war!

Der Tag teilte sich in zwei Hälften, vor und nach dem Mittag. Morgens 8 bis kurz vor 12 Uhr und nachmittags bis 17.30 Uhr Programm. Jeden Tag gab es eine grössere Wanderung! Am Meer entlang, in die Dünen, zum grünen Gürtel der Insel, und zweimal sogar durch den Stadtkern! Ich hatte schlechte Füsse (Plattfüsse u.a) und am Ziel taten mir die Füsse weh. Dort wurde meistens irgendein Gruppenspiel gespielt (kriegen, goldener Wagen, bockspringen). Ich wurde von den Erzieherinnen zum Mitmachen ermahnt, setzte mich aber immer an den Rand, um meine Füsse auszuruhen. Ich sagte auch " Mir tun die Füsse weh". Die Erzieherinnen duldeten das aber nicht lange, sie wandten sich an die Gruppe: "Schaut mal, das Fräulein ist sich zu fein um mit uns zu spielen!" , oder " Die Dame braucht mal wieder eine Extra-Wurst! Findet ihr das gut Kinder?" "Nein!" riefen die Kinder, lachten mich aus und mieden mich auf dem Rückweg!
Auf dem Rückweg wollte ich mich immer an den Rand setzen und ausruhen, weil mir die Füsse weh taten! Es gab aber für die ganze Gruppe , etwa Klassenstärke, nur zwei Erzieherinnen. Eine lief vor der Gruppe und passte auf, dass niemand sie überholte, also zu schnell lief. Eine ging kurz vor Schluss und achtete auf alle Kinder Gruppe. Zwei ältere, zügig laufende Kinder mussten ganz hinten laufen und aufpassen, dass niemand hinter ihnen zurück blieb. Falls dich riefen sie die Erzieherin! Mit letzteren beiden geriet ich häufig aneinander, weil ich den Rückweg nicht schnell genug schaffte! Sie schupsten mich nach vorne, zogen mich an beiden Armen oder Ohren hinter sich her - oder riefen eben die Erzieherin! Die schimpfte lautstark auf mich ein: " Du kannst nicht allein nach Hause laufen, würdest nicht mal den Rückweg finden, das weisst du selbst! Willst du jetzt also, dass die ganze Gruppe stehen bleiben muss, nur weil du ein paar Wehwehchen an den Füssen hast?"
Mich zu schlagen hatte sie nicht nötig- die Schlusswachen-Kinder stiessen mich heim!

Beim Mittagessen dasselbe wie beim Frühstück : zugeteilte Portionen, alle das gleiche Essen, nicht zu wenig aber auch nicht reichlich! Ich konnte zwar irgendwie mit Messer und Gabel ans Essen kommen, hatte aber noch keine richtigen "Tischmanieren"!
Niemand wollte neben mir sitzen, meine Gruppe hatte mich ja sowieso nicht allzu gern!
Darum musste ich allein an einem Einzeltisch sitzen! Später, als rauskam, dass ich abreisen wollte, wurde die Gruppe noch weiter gehen mich aufgewiegelt und mein Tisch in die Mitte des Gruppenraums gestellt! Hier konnte mich jeder jederzeit beoachten und mit höhnischen Kommentaren belegen! Beim Anblick vom Zusatznachtisch für die mageren Kinder fragte ich mich schon damals, ob man von einem Pudding oder einer Banane mehr wirklich mehrere Kilo pro Mobat zunehmen könnte! Für die Mageren war es trotzdem Horror auf Tellern! Ein Mädchen in meiner Gruppe war zu dick und in meinen Augen noch schlimmer dran! Sie bekam nur wenige Bissen pro Mahlzeit auf ihren Teller und weinte den ganzen Tag, dass sie solchen Hunger hätte!
Sie wurde auch oft von den anderen Kindern wegen ihrer Figur verlacht und verspottet! Nur am Anfang mussten hier die Erzieherinnen nachhelfen: "Kinder, ist es richtig dass man sich sooo dick frisst?" "Nein!!!" - danach lief das Mobbing von allein und sie brauchten es micht mehr weiter an zu stossen!

In der zweiten Tageshälfte spielten wir auf dem Spielplatz, gingen Muschelsuchen am nahen Strand oder spielten im Gruppenraum. Wir bastelten oder malten oder spielten Spiele wie "ich sehe was, was du nicht siehst" oder "Teekesselchen" oder "Kofferpacken" oder Brettspiele wie "Mensch ärger dich nicht!"
Es spielte immer die ganze Gruppe dasselbe. Ob und was uns gefiel wirden wir nicht gefragt!
Ich selbst mochte die meisten drinnen stattfindenden Aktivitäten gern. Hier lernte ich Mobilees basteln und-von einer Tischnachbarin- Mainzelmännchen malen!
Für diese Fähigkeit wurde ich noch mehrere Schuljahr von meinen Klasdenkameraden beneidet! Dass das Mädchen sich mit mir beschäftigt hat, wundert mich heute, denn auch beim Gruppenspiel zeigte sich meist dass keiner mit mir spielen wollte! Trotzdem mochte ich alle Innen-Aktivitäten gern- sie schonten meine Füsse!

Um 17.30 Uhr war das Abendessen, um 18 Uhr gingen wir hoch auf die Zimmer, ausziehen, waschen, eine Stunde zur freien Verfügung, ab 19 Uhr musste man im Bett liegen und ruhen, nicht mehr reden, nichts mehr tun, obwohl es noch nicht dunkel war! Leider durfte man auch nicht mehr lesen, und ich liebte lesen! Ich hatte "Trotzkopf 1-3" mitgenommen, einen Riesenwälzer, der erst endete, als Trotzkopf Grossmutter war! "Du Angeberin, du kannst das mit 8 doch noch gar nicht lesen!" höhnten meine Zimmergenossinnen. Tasächlich hatten sie selbst nur Gross-Schrift-Bücher für ihte eigene Altersstufe dabei, aber ich komnte und wollte möglichst viel lesen! Unsere Taschenlampen waren im Voraus konfisziert worden, und frühabends bewachten uns die Erzieherinnen wie die Schiesshunde! Das führte dazu, dass ich abends so früh wie möglich an mein Buch wollte, und kaum mit den anderen Mädchen auf meinem Zimmer redete! Die hielten mich deshalb für eine "eingebildete Pute", haben auch einmal mein Buch versteckt, aber mich Gott sei Dank nie körperluch angegriffen! Die Jungen im Heim werden sicher Schlimmeres mitgemacht haben!
Auch wir durften nachts "nicht aufstehen", aber mir kam gar nicht die Idee dass das auch für Toilettengänge gelten könne!
2-3 mal während des Aufenthaltes war ich in tiefer Nacht auf der Toilette, ohne dass eine Aufsicht vor Ort gewesen wäre!
Meine Zimmergenossinen fanden den Aufenthalt toll! Aufgeregt erzählten sie von den Erlebnissen des Tages und malten sich aus, was sie morgen alles Schönes erleben würden. Ich hatte Sorgen vor jedem neuen Tag!

Einmal in der Woche hatten wir Briefschreibstunde, in der wir unseren Eltern schrieben! Schon beim ersten Mal versuchte ich meinen Eltern zu schreiben, dass ich mich schrecklich fühlte und sie mich sofort nach Hause holen sollten. Die Erzieherinnen lasen meinen Brief, beschimpften mich (wieder mal) lauthals vor der ganzen Gruppe, als ungezogen und undankbar! Von dort aus wurde ich zur Direktorin gerufen, und die tobte noch lauter, dass ihr noch nie rin Kind wie ich untergekommen wäre! Was ich wohl glaube ,dass meine Eltern mit mir machen, wenn
s i e i h n en erzählte, dass ich mich hier ständig absondern und ein Gesicht wie 3 Tage Regenwetter zu Schau tragen würde?-
Es half nichts, ich musste diesen Brief noch einmal schreiben, Tenor "Oh wie schön ist Langeoog"! Ich wusste auch damals schon, dass man die Briefe anderer Leute nicht lesen durfte, aber die Erzieherinnen sagten zuerst, dass sie auf Rechtschreibfehler kontrollierten.
Später lasen sie sofort im Gruppenraum:" Nur zu deinem Besten!"
Nach der Rückkehr fiel ich noch am Hafen meiner Mutter weinend um den Hals und erzählte ihr, wie schlimm es dort war!
Die meinte erschrocken:"Warum hast du denn nichts geschrieben?- Wir hätten dich doch sofort nach Hause geholt!"
Meine Eltern haben danach auch mit der Heimleitung telefoniert, aber die gaben mir allein die Schuld an meinem Unglück! -
Ich glaube, so dachten sie auch wirklich!Die schönen Fotos von Feiern und Ausflügenwaren in ihren Augen nicht gestellt, denn die Feiern und Ausflüge gab es ja wirklich! Dass man jedes 3.Kind unter lauten Ermahnungen zum Lächeln zwingen musste, war auf das Ungeschick der Kinder vor der Kamera zurückzuführen!
Man war überzeugt, uns zu unserem Wohl Ordnung und Disziplin beizubringen, und dass man letztlich uns alle glücklich gemacht habe!
Es gab auch hier schöne Momente! Besonderes das gemeinsame Singen, dass im Heim Freitag abends stattfand, liebe ich bis heute! Ich bin im einem Chor und einer Nachbarschafts-Singruppe! Viele Wandereime und Lieder habe ich auf Langeoog gelernt und werde sie bald an meinen neugeborenen Enkel weitergeben!
Von Missbrauch und Misshandlung habe ich nichts bemerkt!- Wie gesagt:
Bis vor einem halben Jahr dachte ich, ich sei Schuld! ?
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Mona Laasch aus Berlin schrieb am 20.03.2021
Mein ganzes Leben verfolgen mich die Erinnerungen an die 6 Wochen in der Kurklinik am Kölpinsee. Ich muss 6 Jahre gewesen sein und es war die Zeit um Ostern. Viele Tage dieser Zeit sind aus meinem Kopf verschwunden, da ich keine Ahnung wie lange in eines der Krankenhäuser auf dem Gelände verbracht habe. Ich erkranke wie fast alle Kinder in dieser Zeit an Imbichiko. Ein übler Hautausschlag mit Fieber und Erbrechen. Irgendwann wachte ich in diesem Krankenhaus auf. Ich wusste gar nicht wie ich dort hin gekommen bin und wie lange ich schon dort war. Eine Krankenschwester kam herein und brachte mir Tabletten. Meine Mutter hat sowas früher zermörsert aber die sollte ich nun so schlucken. Es ging nicht. Die Tablette war so groß dass ich sie nicht schlucken konnte. Da steckte mir die Schwester die Tablette in den Hals und kippte soviel Wasser rein dass ich dachte ich müsste gleich ersticken. Danach sind wieder die Tage in meinem Kopf ausgelöscht. Am ersten Tag wurden wir eine enge Treppe in den Keller geschickt zum waschen. Ein Junge trat mich die Treppe runter. Niemand interessierte sich dafür. Dann mussten wir uns nackt nebeneinander aufstellen und duschen anschließend wurden wir von Kopf bis Fuß eingecremt. Am meisten hatte ich immer Angst vor dem Fußnägel schneiden das war immer mit Schmerzen verbunden. Wir hatten dort auch Schule. Es wurde an die Tafel geschrieben was wir unseren Eltern schreiben sollten. Ich schrieb aber das sie mich sofort abholen müssen und wie schrecklich es dort zugeht. Der Brief wurde geöffnet und vor meinen Augen zerrissen. Entweder schreibe ich was an der Tafel steht oder ich darf meinen Eltern gar nicht mehr schreiben. Von meinen Eltern bekam ich nie etwas. Zu Ostern bekamen die Kinder Päckchen von zu Hause nur ich bekam keins. Zurück gebracht wurde ich schwer krank mit dem Bus. Man setzte mich mitten in Berlin ab. Alle Kinder wurden abgeholt nur ich nicht. Man hatte meinen Eltern einen anderen Treffpunkt mitgeteilt. Ich war erst 6 und mutterseelen allein gelassen worden. Die Zeit dort hat mich bis heute geprägt. Ich finde aber keine Aufzeichnungen über diese Klinik. Vor 3 Jahren habe ich dort eine Mutter Kind Kur gemacht. Es sollte für mich auch eine Aufarbeitung werden. Ich bin der Meinung die Kurklinik neben meiner war die in der ich damals war. Ich erinnere mich an den großen runden Raum vom Hauptgebäude dort befand sich der Speiseraum. Ein solches Gebäude steht dort noch. Aber es sieht natürlich alles anders aus als damals. Ich habe oft versucht im Internet Informationen zu finden. Vielleicht auch Menschen die genau wie ich dort hin mussten. Vor Ort mochte niemand mit mir über die Klinik sprechen.
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Carl Lücker schrieb am 20.03.2021
Hallo,
auch ich finde diese Webseite sehr gut
Ich war 1968 für mehrere Wochen im Kinderheim Gutermann. Der Grund war, dass meine Hände damals fast immer zitterten, wenn ich sie ruhig halten sollte.
Im Heim habe ich damals eigentlich keine wirklich schlimmen Erfahrungen gemacht, obwohl es dort recht streng zuging. Alles war genau getimt. Auch die Toilettenzeiten. Dort musste man in Reih und Glied warten, bis man dran ist, bekam für den Stuhlgang abgezählte Blätter Klopapier. Es wurde auch kontrolliert, ob man sauber abgewischt hat. Das Essen war ok. Es gab allerdings mehrfach Schwarzwurzeln, die ich ekelig fand. Essen musste ich sie trotzdem. Das fand ich doof, aber erträglich.
Ansonsten war der Umgangston ok, die Mitarbeiter des Hauses freundlich. Es gab abwechslungsreiche Aktivitäten im Haus und Spaziergänge in der Natur. Ausgiebige Mittagsschlafzeiten.
Tatsächlich hatten mir die Wochen gutgetan. Auch wenn das Zittern der Hände zwei Wochen nachdem ich zurückgekommen war, wieder da war. Die Zeit dort hat mir eine Wiederholung der Schulklasse eingebracht, was mir in der Schule, bei der sozialen Einbindung erstmal nicht geholfen hat.
Für mich also keine schlechte oder gar traumatische Erfahrung. Immerhin gab es auch solche.
Ihre Arbeit unterstütze ich jedenfalls!
MfG
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Peter Günther aus Berlin schrieb am 19.03.2021
Weil ich als Kind sehr dünn war, hielten meine Eltern es für gut, dass sie mich in Alter von 7 Jahren nach Bad Salzdetfurth verschickten. Sie gaben mir 20,- DM damals mit, in der Hoffnung, dass ich mir dafür etwas kaufen könnte. Die Summe war in den 60er Jahren nicht unbedeutend. Früh morgens, nach der ersten Nacht in den genannten Heim, man hatte kaum die Augen auf, da kahm eine Frau mit weißen Kittel in den Zimmer, wo man übernachten musste und durchsuchte den neben das Bett stehenden Schrank nach Geld und nahm meine 20,- DM an sich, mit der Begründung, dass es mir eingeteilt wird für Eis etc.und auch falls andere Kinder das sehen würden eventuell Neid entstehen könnte, weil andere weniger an Geld bei hätten.
Natürlich sah ich in der 14 tägigen Zeit rein nichts mehr von den Geld.
Das war das erste negative Ereignis unter noch sehr vielen in dieser Zeit.
Wir mussten als Kinder auch ein Mittagsschlaf halten.
Draußen vor die Zimmertüren lauschte der sogenannte Hausmeister, ob auch alle mucksmäuschen still waren.
Beim kleinsten flüstern kam dieser Unmensch hereingeplatzt, zog die Bettdecken den Kindern weg und hielt die Kinder mit einer Hand an ein Bein hoch und mit der anderen Hand schlug er ohne Rücksicht zu, so das einige dabei vor Todesangst den Urin verloren.
Auch platzte diese Herr damals einfach so hinein in die Zimmer und riss uns im Schlaf die Decke weg, zog uns die Unterhosen runter, schaute dabei angeblich nach, ob jemand eventuell sich eigemacht hatte.
Beim kleinsten Rallystreifen Schlug er wieder genauso erstmal zu und musste dann das nur weibliche Pflegepersonal verständigt haben.
Jungs und Mädchen wurden dann von ein Zimmer zum nächsten ohne Unterhosen durch die teils kalten Gänge geschickt und mussten - angeblich zur Strafe - zusammen in mit Salzwasser gefüllte kleine Zinkwannen baden, bis das Wasser kalt wurde.
Das weibliche Personal saß davor und beobachtete jede Bewegung.
Ausflüge fanden auch statt. man hatte Durst, man hatte auch mal Appetit auf ein Eis, oder Ähnliches. Dieses wurde uns ständig verweigert mit der Begründung, dass man in Heim etwas bekommen würde.
An einige Sachen kann ich mich leider nun nicht mehr so erinnern, aber das was ich hier geschildert habe, blieb mein ganzes Leben in Erinnerung.
Als ich nach der Rückkehr dieses meine Eltern erzählte, da hatten diese mir nicht Glauben geschenkt.
Und andere mitreisende Kinder schilderten unmittelbar nach Ankunft am Berliner Rathaus Reinickendorf auch ihren Eltern ihr Leid. Verständnislos fand niemand von uns Kinder bei den jeweiligen Eltern Gehör.
Wäre dieses geschehen, so hätten eventuell die verstorbenen Kinder von 1969 jetzt noch leben können.
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Yousee aus Hessen schrieb am 19.03.2021
Reichenhaller Bummler
Auch ich erlebte als 6 jähriges Mädchen eine 6 Wochen andauernde Hölle in Bad Reichenhall. Kann mich Gott sei Dank an nicht mehr all so viel erinnern, allerdings an manches noch sehr deutlich. So wurden mir bei meiner Ankunft meine Süßigkeiten weggenommen, die meine Eltern für mich abgegeben hatten. Sie wurden in einen Wandschrank weggesperrt, habe nur ein mal eine Kleinigkeit davon bekommen, den Rest habe ich nie wieder gesehen. An das Solebad kann ich mich auch erinnern, ich wurde einfach ins Wasser geschmissen, habe geschrien wie am Spieß vor Angst, denn ich konnte sehen, dass das Wasser ziemlich tief war und ich da nicht stehen konnte. Dass es sich um Salzwasser handelte und man nicht untergehen konnte, wusste ich in dem Alter ja noch nicht. Ich hielt mich krampfhaft am Rand fest, bis mich wieder jemand rauszog. Essensmäßig kann ich mich an Haschee mit Kartoffelbrei erinnern, das roch und schmeckte süßlich-bitter, den Geruch habe ich noch heute in der Nase. Könnte mir vorstellen, dass es sich dabei um ein Schlafmittel handelte, denn ich wurde oft sehr müde. Hatte fürchterliches Heimweh, und habe wohl deshalb nachts oft ins Bett gepinkelt. Zur Strafe haben die BetreuerInnen mir büschelweise die Haare ausgerissen. Dann sperrten sie mich in einen kalten, stockdunklen Raum, wo ich mich mucksmäuschenstill auf ein Metallbett legen musste. Was dann geschah, weiß ich nicht. Jedenfalls fühlte es sich wund an und brannte. Im Waschraum wurden mehrere Kinder mit einem einzigen Waschlappen gewaschen. Singen mussten wir auch jeden Morgen, den Text und die Melodie kenne ich heute noch: "Und morgens früh um Sieben, da werden wir geweckt, dann kommt das liebe Fräulein und schmeißt uns aus dem Bett. Heidi Heida, Heidi Heida, wir Reichenhaller Bummler wir sind da....."
Ich war dort wegen Asthma und Neurodermitis, meine Eltern haben es gut gemeint und auf Hilfe gehofft. Was ich dort jedoch erlebt habe, war die Hölle. Sechs entsetzliche Wochen lang. Damals dachte ich, meine Eltern holen mich nie mehr heim. Dass mir die Haare ausgerissen wurden, wurde erst später von meinen Eltern entdeckt, da ich ein Käppi aufgesetzt bekam. Ich schämte mich außerdem fürchterlich. Ich habe mich damals nicht getraut, irgendwem zu erzählen, was dort passiert ist. Ich war sehr eingeschüchtert.
Ich hoffe, dass alle Betroffenen den Kontakt hierher finden. Vielen Dank denjenigen, die diese Seite ins Leben gerufen haben und uns damit die Möglichkeit geben, sich mitzuteilen und der Sache nachzugehen. Bin durch Zufall auf diese Seite gestoßen, dem Internet sei Dank!
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Lutz Kuemmel aus Gross Umstadt schrieb am 19.03.2021
ich wurde mit 10 Jahren zur "Erholung" nach Wyk auf Föhr geschickt weil ich so dünn war und zuhause nicht gut gegessen habe.
Also setzten sie mich in Darmstadt mit anderen Kindern in die DB 2. Klasse einfachster Art und fuhren uns über mehrere Sammelstationen ich erinnere mich noch an Wiesbaden Biebrich Richtung Dagebüll / Wyk auf Föhr .
Die Fahrt war schon schlimm genug, an Schlaf war bei dem Krach und der schreienden Kinder nicht zu denken.
Als ich dann doch etwas schlief und erwachte hatte ich den Fuß der Begleitoma im Gesicht die gegenüber auf der Bank sitzend schlief. Somit begann der ganze Ekel.
Mit der Fähre nach Wyk war für mich damals aber ein Highlight. Die alte Fähre schaukelte bei starker Brise und alle Kinder kotzten, nur mir hat Seefahrt nie etwas ausgemacht, ich glücklich.
Angekommen im Haus Tannenberg dem Erholungsheim der Bundesbahn wurden wir sortiert, kleine Kinder und große Kinder. Ich mit 10 Jahren war großes Kind.
Ein großer Schlafsaal ca. 20 - 25 Betten. Die Betreuerinnen auch Tanten genannt hatten da nicht viel Mitgefühl. Gegessen wurde zum Frühstück 2 Brote fertig belegt Minimum jeder. Ob man das mochte oder nicht egal, wer nicht wollte wurde beschimpft, beleidigt vor den anderen und musste solange sitzen bis gegessen war. Das gleiche Mittags und abends. Eines Tages musste ich mich dann übergeben da nichts mehr rein ging und ich zur Toilette rannte. Kein Mitgefühl nur schimpfen und Anschuldigungen was man doch für ein böser Junge war. Eines Nacht macht ich ins Bett und wurde vor dem gesamten Schlafsaal bloßgestellt.
Morgens duschen, alle Nackt, es waren Jungs mit 14 Jahren dabei und selbst bei mir regte sich schon das Schamgefühl. Eine Junge "Tante" überwachte uns ob wir uns auch richtig wuschen, anschließend wurden wir von ihr mit einem Schlauch kaltem Wasser abgespritzt.
Das alles hat sich bei mir festgesetzt und ich könnte hier noch einiges mehr schreiben, aber es soll ja kein Buch werden. Jedenfalls habe ich den Tag der Abreise herbei gesehnt und das alles wegen 2 Kilo die ich zugenommen hatte und 6 Wochen Schule verloren dazu.

gez. Lutz Kuemmel 19.3.2021
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Katja E. aus Glossen schrieb am 19.03.2021
bevor ich 1989 eingeschult wurde, bin ich zur Faschingszeit nach Glossen zur Kinderkur gekommen.
Kann mich daran noch erinnern, da wir dort Fasching gefeiert hatten, ich war ein kleines Teufelchen.
Wir hatten Sport im Trainingsanzug.
Im Nachhinein denke ich, ich war dort um zuzunehmen, da mir Nusstorte vorgesetzt wurde, die ich auch aufessen musste, wobei ich überhaupt keine Nüsse möchte. Die Nuss-Sahne Torte bekam mir auch nicht. Abendprogramm: Sandmännchen, alle Kinder auf dem Boden in einem großen Raum. Als wir nach dem Sandmännchen ins Bett mussten (alle hatten ein Gitterbett in dem Alter) versuchte ich mich raus auf die Toilette zu schleichen, um dann die Torte wieder auszubrechen. Ein anderes Kind übergab sich einmal im Bett, kein Erzieher mit Mitleid, das Kind bekam Ärger. Ich habe mich, soweit ich weiß 2x übergeben müssen...
Ich habe in meinem Elternhaus glaube auch noch ein paar Briefe bzw. Bilder o.ä. aus der Kur.
Draußen bauten wir ein Tippi aus Ästen, daran kann ich mich auch noch wohl erinnern. Die Decken der Räume waren hoch. Beim abendlichen duschen, gingen wir Kinder im Kreis unter den Duschen, damit alle Wasser abbekamen und keiner warten musste. Wir hatten Spaß, und die Erzieher waren meist streng und korrekt.
An mehr habe ich leider keine Erinnerungen.
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Frank Fitt aus Wesseling schrieb am 18.03.2021
Als 5 jähriges Kind war ich eher dünn und habe oft unter Erkältungen gelitten. Mein Kinderarzt riet meinen Eltern zu einer Kur. Somit wurde ich von meiner Mutter am Kölner HBF in den Zug gesetzt. Im Eifelort Nettersheim fanden sich dann ca 10 - 12 Jungen zusammen und wir wurden zu einem, von Nonnen geführten, Haus geführt. Es war November und sehr kalt. Unsere Kleidung fanden wir dann in einem grossen Schlafsaal. Dieser lag am Kopfende eines langen dunklen Flur. Von diesem Flur ging dann auch der Speisesaal ab.
Bereits am ersten Tag erklärte ich, dass ich Heimweh habe und wieder nach Hause will. Dafür gab es dann am Abend Milchsuppe. Diese mochte ich nicht, wurde jedoch gezwungen den Teller zu leeren. Zur Strafe bekam ich aus dem grossen Kessel eine Kelle extra. In der Folgezeit erbrach ich diese Suppe, welche es jeden Abend gab. Mal erbach ich meine Suppe bereits im Speisesaal, worauf ich einen neuen Teller vorgesetzt bekam.
Oft erbrach ich mich Nachts. Nachdem ich dann gewaschen und umgezogen war, musste ich mich barfuß im dunklen Flur auf eine Fußmatte vor der Küche stellen. Mir war kalt und ich hatte Angst.....nach der Küche folgte am anderen Flurende eine grosse Tür zur Kapelle. Hier sangen die Nonnen.....
Wenn ich Glück hatte, bekam ich von Küchenpersonal ein Stück Schokolade.
Wach wurde ich immer in meinem Bett.
Obwohl es zwischenzeitlich geschneit hatte, gingen wir nie nach draussen.
Nach 6 langen Wochen hieß es plötzlich, dass wir zum Bahnhof gehen. Als wir in Köln aus dem Zug stiegen mussten wir in 2er Reihe die Treppe zur Halle gehen. Erst nach Erlaubnis durften wir zu unseren Eltern. Meine Mutter war alleine gekommen, da mein Vater gearbeitet hat. Ich muss wohl meine Mutter festgehalten haben als sie meinen Koffer gesucht hat und später in der Straßenbahn.
Wenn ich vorher unter Heimweh litt, wurde dieses auf Jahre verstärkt.
Und warme Milch trinke ich bis heute nicht.
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Josie aus Hamburg schrieb am 18.03.2021
ich war im Januar/ Februar 1979 im Verschickungsheim der LVA auf Sylt. Ich war 4 Jahre alt und zusammen mit meinem drei Jahre älteren Bruder dort. Wir wurden dort getrennt und durften uns die gesamten 6 Wochen nicht sehen. Ich habe leider kaum Erinnerungen mehr an diese Zeit nur an eine Situation in der ich meine Gruppe verlassen habe um zu meinem Bruder zu gehen, dies wurde dann unterbunden. Allgemein habe ich ein diffuses Gefühl von Unbehagen, Angst und Einsamkeit wenn ich an diese Zeit zurück denke.
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Dagmar aus Berlin schrieb am 17.03.2021
Auch ich bin über den Film auf diese Seite gekommen. Vielen Dank für diesen Bericht, bis jetzt habe ich nie über diese Kinderheime gehört, mit meinen traumatischen Erlebnissen habe ich mich sehr allein gefühlt.
Kurz nach der Geburt unseres kleinen Bruders wurden meine Schwester, 4, und ich, 2 1/2 Jahre alt, nach Lenggries verschickt, damit meine Mutter Zeit für das Baby hatte. An dieses Heim und die Zeit dort habe ich keine Erinnerung. Aus den Erzählungen meiner Eltern und Verwandten weiß ich nur, daß ich vorher Schnee sehr gerne mochte, seitdem gehe ich bei Schnee ungern aus dem Haus.
Die 2. Verschickung nach St.Peter Ording war schon mit unserem kleinen Bruder zusammen, da unsere Mutter völlig überfordert war. Da ich zu der Zeit erst 5 Jahre alt war, habe ich auch daran wenig Erinnerungen. Mädchen und Jungen wurden streng getrennt. Auf einem Spaziergang bin ich aus der Reihe gelaufen, da ich auf dem Nebenweg meinen kleinen Bruder gesehen habe, der mir auch gleich entgegen rannte. Dafür wurden wir beide beschimpft und geschlagen. Schwierigkeiten gab es auch beim Essen, da wir nicht immer die Teller leer essen konnten. Und irgendwann hat eine der Tanten entdeckt, daß ich die Vitaminpillen einer Zimmerpflanze in die Erde gesteckt habe. Daraufhin mußte ich so lange am Tisch unter Aufsicht sitzen bleiben, bis ich die Pillen geschluckt hatte. Da ich sie während des Schluckens immer wieder erbrochen hatte, dauerte dies natürlich sehr lange. Die von den Eltern vorfrankierten Karten wurden mit an der Tafel geschriebenen Texten versehen (entweder von den Kindern selbst oder von den "Tanten") und abgeschickt. Also hatten unsere Eltern ständig 3 Karten gleichen Inhalts in der Post.
Schlimm waren die Nächte in den Schlafräumen. Mehrmals wurde ich von den größeren Mädchen angegriffen, bis ich heulend im Bett lag - inklusive mindestens einer rektalen "Vergewaltigung" mittels eines Bürstenstiels - danach wurde ich als Störenfried aus dem Zimmer geholt und mußte den Rest der Nacht auf einer Truhe im Flur verbringen, nur im Nachthemd, ohne Decke. Besonders schlimm war, das meine Eltern der Meinung waren, eine Strafe hätten wir uns immer selbst verdient. Zu Hause wurde über die Zeit im Kinderheim nicht gesprochen.
Wie ich aus den anderen Berichten gesehen habe, bin ich nicht die Einzige, die bis heute unter den Folgen der Verschickung leidet. Allerdings haben natürlich auch andere traumatische Kindheitserlebnisse (Eltern, Krankenhausaufenthalte, ...) Spuren hinterlassen, die ich nicht alle trennen kann.
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Birgit Weiler aus Remscheid schrieb am 17.03.2021
Ich bin Jahrgang 1959 und wurde wegen Bettnässen verschickt.Wir wurden Nachts geweckt und wer ins Bett gemacht hatte wurde morgens aufgerufen und bekam eine Spritze.Wir mussten Stundenlang vor dem Essen sitzen bis es gegessen wurde.Mein Essverhalten ist bis heute nicht einfach.Ich esse nix was komisch aussieht, wenn ich einen Geruch in der Nase habe kriege ich es auch nicht runter.Wir mussten Hering mit warmer Tomatensauce Essen.Warme Tomatensauce kann ich gar nicht riechen.Irgendwas muss auch mit Senf gewesen sein,es darf kein offener Senf bei mir auf dem Tisch stehen.Wenn mir nach dem essen einer sagt da war Senf drin könnte ich heulen.Kurz vor der Heimreise hatte das Heim Läuse.Wir bekamen eine Flüssigkeit auf den Kopf die ganz schlimm gebrannt hat.Darüber eine strammen Badekappe die 2 Tage getragen wurde.Wir dachten wenn die runter kommt sind alle Haare weg.Die Läuse wurden danach rausgekämmt. Ich habe keine einzige schöne Erinnerung wenn ich daran denke,nicht von einem Tag.Ich bin wegen Frau TV aufmerksam geworden.Ich habe dort nicht einmal ins Bett gemacht und danach auch nie wieder.Mein essverhalten wurde zu der Zeit geprägt das weiß ich heute.Es tut mir sehr leid dass andere viel schlimmeres erleben mussten und ganz andere Trauma haben als ich.Birgit Weiler
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Birgitta aus Dortmund schrieb am 17.03.2021
Da ich klein und dünn war wurde ich über die Barmer zur Kur geschickt.Ich habe von dieser Zeit nur wenig Erinnerungen, ich habe alles verdrängt. Der Druck der auf uns Kinder Tag täglich ausgeübt wurde ist mir jedoch in Erinnerung. Da ich schon 10 Jahre war nahm ich mir vor auf keinen Fall aufzufallen, ich wurde unsichtbar! Und fragte mich doch jeden Tag "was hast du verbrochen das du hier sein musst. Obwohl ich so ziemlich "gut" durch diese Zeit kam stellte ich beim lesen ,verschiedener Berichte fest, wie diese Zeit mich für mein Leben geprägt hat. Und ich weine um das was ich verloren habe. Noch heute bin ich unsichtbar, habe einen starken Freiheitsdrang und lasse niemanden zu nah an mich heran, das Vertauen an meine Mutter hatte ich danach verloren. Ich lebe ein einsames aber gutes Leben
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Susanne G. schrieb am 17.03.2021
Ich bin kurz vor meiner Einschulung in diese fürchterliche Kinderkur geschickt worden. Warum weiß ich nicht, ich war ein gesundes Kind.
Das Heim ist in meiner Erinnerung von Nonnen geleitet worden. Ich war im tiefsten Winter da und habe ständig gefroren. Die viele Kleidung die ich dabei hatte, wurde weg gesperrt. Bei der Ankunft wurde ich gefragt welche der beiden Winterjacken ich behalten möchte. Als Kind habe ich mich natürlich für die schönere und nicht für die wärmere entschieden. Das hieß 6 Wochen frieren. Ich habe mich damals nicht getraut das zu artikulieren. Ich kann mich an sehr lange Spaziergänge im Schnee erinnern, bei denen ich vor lauter Kälte regelmäßig in die Hose machte. Das interessierte keinen. Frische Wäsche bekam ich nicht. In meiner Erinnerung stand bei den Toilettengängen immer eine Nonne daneben.
Badetag war einmal in den ganzen 6 Wochen.
An das Essen habe ich nicht viel Erinnerung, ich glaube man musste immer aufessen. Tat man das nicht, musste man sofort ins Bett. Die Nächte waren fürchterlich, ich hatte immer Angst.
Meine Mutter war schockiert als ich nach Hause kam, weil ich so dreckig war.
Diese Kinderkur hat mich mein ganzes Leben verfolgt. Ich war sehr introvertiert als Kind und Jugendliche. Alles in allem war es die schrecklichste Erfahrung die ich in meinem Leben hatte und das als Kind.
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Marina Proske aus Leverkusen schrieb am 17.03.2021
Unsere Tochter, war mit 10 oder 11 Jahren, 1992 oder 1993 in Tambach Dietharz zur Kur. Dies geschah aus anraten der Kinderärztin, unsere Tochter war ein schlechter "Esser".
Da sie jetzt gerade ihr Trauma aufarbeitet und sich überhaupt nicht mehr an diese Kur erinnern kann. Wer hat Erinnerungen und kann zu dieser Einrichtung etwas sagen? Uns wäre damit sehr geholfen. Marina Proske
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Katrin aus Hameln schrieb am 17.03.2021
Ich bin durch den Bericht im SWR auf diese Internetseite aufmerksam geworden.
1972 war ich im Alter von 9 Jahren in den Sommerferien 6 Wochen zur Kinderkur in Bad Sooden Allendorf. Ich war nicht kränklich, aber meine Eltern hatten wenig Geld und wollten mir "etwas Gutes tun". Durch die Sendung im SWR habe ich (mal wieder) über diesen Aufenthalt nachgedacht.

Es gab in dem Kurheim mehrere Gruppen, nach Geschlecht und Alter getrennt. Ich war trotz meiner 9 Jahr in der älteren Gruppe, 10-17 Jahre untergebracht (vielleicht war die jüngere Gruppe schon voll...).
An schlimme Dinge oder Übergriffe durch die Betreuer kann ich mich nicht erinnern, oder ich habe davon nichts mitbekommen - ich möchte behaupten, so etwas gab es dort nicht.

Auf jeden Fall empfand ich es alles sehr streng und fühlte mich eingesperrt. Briefe, die ich schrieb und bekam wurden geöffnet und daher vermutlich auch gelesen. Wenn man bedenkt, dass dies damals der einzige Kontakt zu meiner Familien war.... eine sehr lange Zeit, mit viel Heimweh - heutzutage fast undenkbar. Pakete von zu Hause wurden geöffnet, die Süßigkeiten einbehalten (und an alle verteilt??).
Seltsamerweise kann ich mich kein bisschen mehr daran erinnern, wie wir Kinder den Tag verbracht haben. Ob gespielt oder gebastelt wurde o.ä. - dazu fällt mir gar nichts mehr ein, auch keinerlei Namen der Betreuer oder anderer Kinder.
Wenige Dinge sind mir in Erinnerung geblieben:
- morgens gab es immer einen Haferbrei
- ich hatte einige Anwendungen in Form von Solebädern, Inhalationen und Gruppengymnastik
- im Ort gab/gibt es ein Gradierwerk mit salziger Luft, das müssen wir wohl besucht haben
- eine von den anderen Mädchen hat mir ständig erzählt, dass sie nach dem Trinken von kalter Milch einen Herzinfarkt erlitten hatte
- alle Kinder, auch die Ältesten mussten Mittagsschlaf halten, was ich damals blöd fand.
- und ich weiß noch, dass ich froh war, trotz meiner erst 9 Jahre in der älteren Gruppe untergebracht war, denn die jüngere Gruppe hat noch weniger Freiheiten und ich habe die Kleineren bedauert. Ich weiß nicht mehr, warum ich das so empfand. Aber es muss ja einen Grund für meine Gedanken gegeben haben.....
Mehr fällt mir zu dieser Kur nicht ein, wie eine Gedächtnislücke. Zum Glück sind meine Erinnerungen, im Vergleich zum Bericht im SWR relativ undramatisch.

Da ich erst nicht mehr wusste, wie das Kurheim hieß, habe ich die Begriffe "Bad Sooden-Allendorf und Kinderkurheim" im Internet eingegeben. Bei den dabei angezeigten Bildern sieht man alte Postkarten und ich habe die Klinik sofort wiedererkannt. Auf der einen Postkarte ist ein Aufenthaltsraum mit einer Kommode, bei dem Foto bin ich ein wenig zusammengezuckt - warum auch immer.

Schon damals habe ich gespürt, dass mir das Ganze nicht gut tut, weil ich mich dort überhaupt nicht wohl - sondern eher inhaftiert gefühlt habe. Konkrete Gründe kann ich nach 50 Jahren nicht mehr nennen. Selbst wenn die Erinnerungen verblasst sind, weiß ich folgendes ganz genau:
Meine Persönlichkeit hat sich nach diesem Kuraufenthalt dauerhaft verändert. Unmittelbar danach haben sich meine durchschnittlichen Zensuren in der Schule von einer 2 auf eine 4 verschlechtert, was sich bis zum Ende meiner Schulzeit nicht mehr gebessert hat. Ich bin von einer aufgeweckten Schülerin, zu einer introvertierten Schülerin geworden, die zu einer mündliche Beteiligung am Unterricht nicht mehr in der Lage war. Entsprechende Hinweise sind in jedem meiner Schulzeugnisse dokumentiert.

Auch konnte ich aus Angstgründen an keiner Klassenfahrt, Konfirmandenfreizeit usw. mehr teilnehmen. Selbst eine Gruppenreise während meiner Berufsausbildung sagte ich ab. Bis heute fühle ich mich auf Gruppenreisen auch mit Arbeitskollegen, sei es zu Seminaren oder Betriebsausflügen unwohl bzw. ich fahre unter einem Vorwand gar nicht mit. Eigenartigerweise ist das bei Privatreisen nicht so, auch reise ich problemlos alleine.

Im Dezember 2019 habe ich wegen starker Erschöpfungssymptome eine Reha beantragt, die auch genehmigt wurde. Als der Termin feststand und näher rückte, wurde mir immer unwohler und ich empfand regelrechte Ängste, so dass ich unter einem Vorwand eine Verschiebung beantragt habe. Ich habe mich erst so auf die Reha gefreut, aber irgendwie mag ich nicht fahren.

Es erschreckt mich fast, dass ich so empfinde. Ich habe Angst, fremdbestimmt und eingesperrt zu sein.
Was mir auch noch gerade einfällt, aber irgendwie in den Zusammenhang passt: ich hasse und vermeide Arztbesuche, weil ich das Gefühl habe, dem Arzt "ausgeliefert" zu sein.
Ich kann nicht sagen, ob während dieser Kinderkur 1972 etwas vorgefallen ist oder ob mich die Trennung und das Heimweh so nachhaltig beeinflusst haben.

Ich finde es sehr wichtig, dass mit dieser Initiative und den vielen Erlebnisberichten auf der unglaubliche Schicksal der Verschickungskinder hingewiesen wird.
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Rosa vera Lesnioski aus Kollweiler schrieb am 16.03.2021
Ich war 1967 für 6 schreckliche Wochen in muggendorf.
Am Bahnhof in kaiserslautern haben mich meine Eltern einer Tante übergeben,die dann mit mir zusammen mit dem Zug nach muggendorf fuhr...kann sein dass noch andere kinder zustimmen aber das weiss ich nicht mehr.
Am Bahnhof muggendorf stiegen wir aus und liefen zum heim. Eine Tante zeigte mir von weitem das Haus...und ich fragte wo das Schwimmbad ist,welches sich auf dem Dach des Hauses befinden sollte...... Ich war schon mit 5 Jahren eine gute schwimmerin und meine Mutter hat mir den Aufenthalt dort wohl so schmackhaft machen wollen d mir sogar einen neuen Badeanzug gekauft.
Die Tante sagte mir dass sie kein Schwimmbad haben und ganz und gar ich eins auf dem dach!
ICH HABE MICH SO BELOGEN UND BETROGEN GEFÜHLT!
MEINE MUTTER HAT MICH BELOGEN
Ich habe dieses Gefühl nie vergessen und weiss dass 5 jährige Kinder schon genau wissen,was recht und Unrecht ist!
Es waren schlimme Wochen und ich habe mich verstoßen gefühlt von meinen eltern! Das Gefühl ist auch nie wieder weggegangen,bis heute.
Mittagsschlaf,ohne sich rühren zu dürfen!, kann mich erinnern wie ich mal in meiner Qual mit voller blase unter der liege durchgekommen bin,auf der eine Tante lag und schlief. Sie blockierte die Tür zum Schlafraum damit keiner rauskam. Wie in Zeitlupe bin ich unter ihr durchgekommen und mein Herz hat so laut geklopft....aber ich habe es bis zum Klo geschafft und wieder zurück in mein Bett ohne dass sie was gemerkt hat!
Vor dem Essen mussten wir einen Teelöffel puren Meerrettich essen....das sei appetitsteigerung.
Mir wird heute noch von dem Geruch schlecht!
Und die lügen,die per Postkarte zuhause ankamen!
DINGE,DIE ICH NIE DIKTIERT HABE. Ich konnte ja noch nicht schreiben.
Muggendorf ist jetzt ein Altersheim
An meinem 55 steh Geburtstag wollte ich da nochmal hin,irgendwie abschließen. 50 Jahre später
Im eingangsbereich des altersheimes haben Sie Bilder aufgehängt aus der Zeit als Kinderheim.
Eine altenpflegerin wollte mich durchs Haus führen,aber ich habe das nicht geschafft,habe überall angefangen zu zittern und Tränen sind geflossen.

Es war dann doch noch ein sehr schöner Urlaub in muggendorf....es liegt so schön im Tal an der wiesent.
Als Kind hatte ich da keine Augen für.
Meinen teddy und meinen affi wollten sie mir wegnehmen,wenn ich nicht aufhöre zu ? weinen.
Lauter solche Methoden....wie bei den nazis
Vieles,was mir im Leben passiert ist,geht irgendwie auf diese Zeit zurück! Die haben viel kaputt gemacht!
Und das schlimmste ist,
Keiner hat mir geglaubt!
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Willi Fergen schrieb am 16.03.2021
Lange habe ich gezögert und mir die Frage gestellt, ob ich in diesem Forum etwas veröffentlichen soll. Dennoch habe ich mich entschlossen, hier meine Geschichte und meine Einschätzung zu den veröffentlichen Beiträgen zu posten. Mein Erleben ist so ganz anders als das der meisten, die auf diesen Seiten ihre Eindrücke preisgegeben haben.
Drei Mal war ich zu unterschiedlichen Zeiten (Sommer, Herbst, Ostern) in verschiedenen Heimen an jeweils anderen Orten. Liest man die Berichte in diesem Forum, so scheint klar, Freude, Kindsein, Ungezwungenheit, ja vielleicht sogar Freiheit konnte es in den Kurheimen nicht geben. Alle Heime waren grau, hatten keine Farben, dort herrschte nur Zwang, nur Strenge, nur Gehorsam, nur Qual, nur Tyrannei … Schon diese Aufzählung zeigt, dass den meisten Einträgen eine Schwarz-Weiß-Malerei zugrunde liegt. Auf der einen Seite die Kinder und deren Eltern, die alle nur gut waren und nur das Beste wollten, zwischen denen keine Konflikte bestanden und auf der anderen Seite die grausamen Heime mit ihren repressiven Methoden und sadistischen Menschen. So einfach ist und war es aber nicht!
Während meiner Aufenthalte – 1955 war ich 5 Jahre, 1961 11 Jahre und 1964 14 Jahre alt – habe ich nicht ein einziges Mal das erfahren, wovon die meisten hier berichten. Mir ist auch nicht aufgefallen, dass anderen Kindern, die mit mir untergebracht waren, Leid zugefügt wurde. Weder musste jemand sein Erbrochenes aufessen, noch wurde jemand angeschrien oder geschlagen. Im Gegenteil – ich habe während der Aufenthalte sehr viel gelernt, viele Anregungen erhalten, Neues entdeckt, mich oft sportlich betätigt, sehr viel gespielt, viele neue, unbekannte Brett- und Kartenspiele erlernt, viele Lieder gesungen, deren Texte ich noch heute wiedergeben kann. Ich erinnere mich an meine erste Seilbahnfahrt zum Nebelhorn, an den Bau von kleinen aus Ästen zusammengebauten Häuschen mit Moosdächern, an ausgedehnte Spaziergänge auf sonnigen Wiesen, an die „grüne Spinne“ in ihrem grünen Trainingsanzug, eine Gymnastiklehrerin in die wir Jungs „alle“ verliebt waren, an Schlittenfahrten, an erste Liebschaften, …
Das, was ich erlebt habe, kann aber, wenn ich die Einträge auf diesen Seiten lese, eigentlich gar nicht passiert sein. Das System war doch so sehr auf das Quälen von Kindern ausgelegt. Ich muss mich also irren oder habe ich alles nur besser verdrängt als andere? Was mich wundert, ist, dass meine verstorbene Frau, die zu starken Depressionen neigte, ihren Kinderkurheim-Aufenthalt an der See ebenfalls immer in den buntesten Farben in Erinnerung hatte und oft und gerne mit mir darüber sprach. Ganz so eindimensional, wie sich die Kurheimverschickung auf diesen Seiten darstellt, scheint sie in der Realität also doch nicht gewesen zu sein. Ich möchte allen folgendes zu denken geben:

1. Das Leben ist nicht nur Schwarz oder Weiß, nicht nur Gut oder Böse. Das hätten zwar viele gerne, weil dann manches leichter einzuordnen wäre. Aber so ist es nicht! Deshalb gibt es auch nicht nur den einen Grund, der uns zeigt, warum das Leben nicht so verläuft, wie wir es uns ausmalen.
In vielen Berichten erkennt man eine verengende Perspektive, eine monokausale Sichtweise. Es gibt aber nicht DIE URSACHE, nicht DAS TRAUMA, auf das sich alles reduzieren lässt, welches alleine für das Misslingen eines Lebensentwurfs verantwortlich zu machen ist, das als Erklärung für alle psychischen Schmerzen herangezogen werden kann. Es gibt viele Dinge, viele Gründe, viele Stränge, die ineinander verwoben sind, die miteinander in Beziehung stehen und die unsere Psyche beeinflussen. Ich behaupte, dass der, der glaubt, DIE URSACHE seiner Leiden gefunden zu haben, auf dem falschen Weg ist. So einfach ist das Leben nicht zu erklären, denn das ist – um es mit Fontane zu sagen – ein „zu weites Feld“.

2. Die Kinderverschickungen fanden nicht im luftleeren Raum statt, sie waren an gesellschaftliche Realitäten gebunden. In den 1950er bis 1970er Jahren befanden sich noch auf allen Ebenen des Staates Personen, die auch im Dritten Reich gewichtige Posten innehatten, nicht nur in den Kinderheimen und den Krankenhäusern, man fand sie auch in der Verwaltung, den Gerichten, bei der Polizei, im Justizvollzug, in den Kanzleien, den Ministerien, ja sogar an der Spitze des Staates und der Länder (Bundespräsident Heinrich Lübke, Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger, Ministerpräsident Hans Filbinger, …). Der Bezug zum untergegangenen Macht- und Organisationsgefüge war allgegenwärtig, nicht nur in den Kinderheimen. Ebenso verhält es sich mit den Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen: Wenn Daheim gegessen wurde, durfte man nicht reden, man musste seinen Teller leer essen, man durfte mit Erwachsenen nur reden, wenn man gefragt wurde. Für „Vergehen“ wurde man bestraft, man wurde beschimpft, man wurde geschlagen, man hatte Hausarrest. In den Schulen gab es bis 1973 (BRD) die Prügelstrafe, Erst 1998 wurde das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung im Gesetz verankert.
Vieles, was über die Kinderheime berichtet wird, gab es also auch auf anderen gesellschaftlichen Ebenen. Ich selbst wurde kurz nach meinem ersten Kuraufenthalt, also mit 5 Jahren, während eines längeren Krankenhausaufenthaltes öfter allein in eine dunkle Kammer gesperrt. Im Krankenhaus war ich nicht in einem Zwei- oder Dreibettzimmer, sondern mit sieben weiteren Kindern in einem größeren Saal in Metallbetten untergebracht. Auch war ich nicht ganz unschuldig an der Strafe, die ich erhielt. Selbstverständlich würde man das heute anders regeln, die gesellschaftliche Wirklichkeit 1955 war aber eine andere! Um mein rechtes Auge zu retten, das durch einen heftigen Schlag mit einem Stock fast zerstört war, wurde ich täglich für ca. eine Stunde in Quecksilberwickel eingepackt. Zu welchem Zweck dies geschah, wusste ich nicht. Da Quecksilber hoch giftig ist, musste ich also eine geschlagene Stunde regungslos im Bett liegen. Daran habe ich mich selbstredend nicht gehalten, sondern bin mit den anderen durchs Zimmer getobt. Die Strafe war jedes Mal ein längerer Aufenthalt in der Dunkelkammer, selbstverständlich ohne die Wickel. Ich erzähle das alles nur, um deutlich zu machen, dass Vieles, was in den Kinderkurheimen geschah, auch in anderen Zusammenhängen vorkam, in den Krankenhäusern, in den Familien, in der Schule, in den kirchlichen Institutionen, in den Lehrwerkstätten (Ohrfeigen, Genickschläge mit der Handkante, bewusst verursachte blutige Verletzungen und psychische Erniedrigungen aller Art durch Vorgesetzte gehörten bei Siemens bis in die 1970er Jahre hinein zum Ausbildungsalltag.), … Selbstverständlich sollen die schlimmen Ereignisse in bestimmten Heimen dadurch nicht verharmlost oder gar gerechtfertigt werden. Ich möchte nur der Tatsache Geltung verschaffen, dass diese unentschuldbaren Praktiken auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen Realität waren. Viele Methoden, die in den Heimen angewandt wurden, waren keine Besonderheiten, die nur und ausschließlich in den Heimen Anwendung fanden, sie waren gängige Praxis.

3. Ein letzter Punkt, der in Vielem, was ich bisher über die Verschickungsheime gelesen, gehört und gesehen habe, nur unterschwellig, oft in vagen Formulierungen auftaucht, betrifft die Anzahl der Betroffenen. Wenn man annimmt, dass 8 Millionen Kinder verschickt wurden und wenn man weiter annimmt, dass nicht 1.000, nicht 10.000, nicht 100.000, sondern 1.000.000 der verschickten Kinder traumatisierende Erlebnisse hatten, dann sind das ca. 13% aller Verschickungskinder! Wie gesagt, jedes Kind, das verletzt, beleidigt, gequält oder missbraucht wurde, ist ein Kind zu viel. Aber dass es 1 Million sein sollen, das glaube ich nicht. Selbst wenn – es wären „erst“ 13 %. Man sollte sich also hüten, zu schnell, zu leichtfertig, ohne Belege und Beweise vorzubringen, davon zu sprechen, dass es alle, die meisten oder viele Kinder waren, die in den Heimen gequält wurden. Außerdem sollte man Bedenken, was man denen antut, die in den Heimen ihren Dienst taten und die nicht an der Disziplinierung der Kinder beteiligt waren. Aber das scheint ja egal zu sein, diese Personen können sich nicht mehr wehren. Sie scheinen – so kommt es mir manchmal vor – kein Recht auf eine faire Behandlung zu haben.

Vielleicht hat die Redaktion ja den Mut, diese vom Mainstream abweichende Stellungnahme zu veröffentlichen.
Willi Fergen
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Susanne aus Regensburg, Stadt schrieb am 16.03.2021
Da ich mit 7 Jahren zu klein und zu dünn war und zudem Neurodermitis und Asthma hatte, wurde ich im November/Dezember 1969 für sechs Wochen nach Amrum ins Kindererholungsheim in Nebel verschickt.
Empfohlen hatte meiner Mutter dies offenbar ein Schularzt.
Da das große Heim renoviert wurde, wurden wir in den ersten Wochen in der "Liegehalle" in Satteldüne untergebracht. Das war ein einstöckiger, flacher Bau, der zum Meer hin über seine ganze Länge aus Fenstern bestand. Angrenzend an unseren Schlafsaal gab es noch einen kleinen Nebenraum, der als Garderobe genutzt wurde.
Nachts habe ich mir oft erträumt, meine Eltern warten in diesem Raum auf mich, um mich abzuholen...
Ich erinnere mich an einen schweren Asthmaanfall, wegen dem ich auch tagsüber im Bett war, als einziges Kind im Schlafsaal.

Ein Mädchen aus unserer Gruppe hat regelmäßig ins Bett gepieselt und wurde dann am Morgen von den Tanten in ihrem nassen Nachthemd in den Schnee nach draußen geschubst. Nach einer Weile durfte sie wieder rein und wurde dann unter die kalte Dusche gestellt. Alle Kinder sollten zuschauen, zur Abschreckung.

Als ich beim Essen vor lauter Heimweh weinend mein Essen nicht essen konnte, musste ich so lange allein am Tisch sitzen bleiben, bis ich mein kaltes, mit Rotz und Tränen vermengtes Essen nach Ewigkeiten endlich würgend hinuntergebracht habe.

Als die Tanten meinten, ich hätte bei einer Kindertheater Vorführung zu viel geschwatzt, wurde ich nach Ende der Vorführung an meinen langen Haaren die Treppe runtergezogen und zusammengeschrien.

Es gab regelmäßige Gruppenuntersuchungen, bei denen der Arzt zum Abschluss unsere Unterhosen am Rand nach vorne zog und hineinsah. Wir wurden "entlaust", mussten unsere Köpfe über ein weißes Blatt Papier beugen und wurden dann mit einem Nissenkamm drangsaliert.
Ich habe mich während dieser Untersuchungen sehr geschämt.

Als ich nach 6 Wochen endlich wieder im Lübecker Hauptbahnhof ankam, waren meine Eltern über den Zustand meiner Haut entsetzt. So schlimm war meine Neurodermitis vorher noch nie gewesen.

Im selben Jahr, allerdings schon im Sommer, war mein Bruder, 6 Jahre alt, in Bad Sachsa zur Verschickung. Es war traumatische für ihn. Unter anderem musste er sein erbrochenes Essen aufessen.
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Andreas D.61 aus Hameln/Weser schrieb am 16.03.2021


Essen "Oliver Twist":
" Stil in Charles Dickens " , unter dem Saal war eine Töpferei
und ein Brandofen mein zimmer war glaube ich Unter dem Dach habe zur Nittagspause aus dem Fenster runter nach unten zum Tor geschaut und wurde erwischt von den sndern gehänselt dann kamm eine Frau (Erzieherin) dazu und mit Hand und Gürtel geschagen hat sogar Gelacht-
Zur Töpferei .... Da Musten wir Wasen
und anderes klein kram herstellen
das wurde warscheinlig verkauft
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Meike aus Düsseldorf schrieb am 15.03.2021
Wir (5 Geschwister) waren im Kurheim Sonnhalde, wir sind nach ca einer Woche aus dem heim abgehaun nd durch den Wald gelaufen , in der Morgenddämmerung von Waldarbeitern aufgegriffen und zur nächsten ortspolizei gebracht, meine Eltern haben uns dann abgeholt und es wurde ein Heiminterner Prozess angestrebt, die Täterinnen haben sich geweigert zuzugeben das wir die Wahrheit sagten, meine Eltern haben uns nach Hause geholt es war ein langer harter Prozess, wir wurden in Flurschränke gesperrt mt Eikaltem Wasser abgespritzt via Schlauch des Nachts und mussten in den Duschen (im Keller) aus eikaltem Betnboden Barfuss stehen. Die Post wurde abgefangen und vor allen ohren vorgetragen, die Kritik die wir an unsere Eltern über diese Heim"Pädagogen" senden wollten wurden in den Müll geworfen, wir sahen wie die Kleinsten an ihren Bettchen gefesselt wurden und ins Bett machten, auch sie wurden in die kalten Flurschränke gesperrt, die Schlösser haben wir dann aufgebrochen , weil man das jewimmer nicht mehr ertragen konnte . Meine ältere Schwester war schon 12 , ich war 8 meine Brüder 7 u. 11 und meine ander Schwester war 9.
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Christoph schrieb am 15.03.2021
Wessobrunn Sommer 1973

Ich bin Christoph, Jahrgang 1965

Im Sommer 1973, es muss Ende Juli, in den August /September hinein gewesen sein, wurde auch ich im Alter von 8 Jahren von NRW aus in die „Kur“ nach Wessobrunn geschickt. Es war entweder gegen Ende oder kurz nach den Sommerferien.
Am Abfahrtstag kann ich mich nur erinnern, dass meine Eltern mich zum Bahnhof gebracht haben. Das Besondere war, dass mein Vater, der zu diesem Zeitpunkt berufsbedingt unter der Woche nicht zu Hause sein konnte, extra über Nacht gekommen war um mich am Bahnhof mit zu verabschieden. Der Abschied von meiner Schwester war wohl zu Hause, da sie in die Schule musste.
An die Fahrt und die Ankunft im Kloster habe ich keine Erinnerung, nur an die große Halle in der wir unseren Koffer abgestellt haben. Dort haben wir alles abgeben müssen, den Koffer, den Umschlag mit den Papieren und auch das Taschengeld. „damit nichts wegkommt“.
An den Schlafssal erinnere ich mich nur ungenau. Leider weiß ich nicht mehr, wieviele Jungs wir waren. Doch die Demütigungen der Jungs, die Nachts in Bett gemacht hatten, die sind mir nebulös in Erinnerung. Insbesondere dass zumimdest in einem Fall die Bettwäsche einfach nur am offenen Fenster getrocknet wurde.
Was wir tagsüber gemacht haben, keine Ahnung. Außer diesem Bettzwang für den Mittagsschlaf. Das waren wohl zwei Stunden still im Bett liegen, die Augen geschlossen halten, sonst gab es zumindest verbalen Ärger. Erinnerungen an Strafen dafür, Fehlanzeige. Doch es muss etwas gegeben haben. Sonst wäre mir nicht die Ausnahme im Gedächtnis. Einmal die Woche hat eine Ordensschwester die Sitzwache im Raum übernommen. Ansonsten war es wohl die für die Gruppe verantwortliche „Tante“, meines Erachtens keine Ordensfrau. Diese eine Ordensschwester war sehr gütig und hat uns erlaubt, dass wir uns leise von Bett zu Bett unterhalten konnten. Eben mit dem Hinweis, dass wir leise sein sollten, damit auf dem Flur niemand etwas bemerkt. Was war das jeden Tag für eine Qual für mich als achtjährigen, der sich bei strahlendem Sonnschein bewegen, toben, die Gegend erkunden wollte.
Der Hinweis der mir in Erinnerung zu dem Zwangsmittagsschlaf geblieben ist, wer dreimal beim Stören erwischt wird, wird nach Hause geschickt und die Eltern müssen die Fahrt für einen selbst und für die Begleittante bezahlen. Das reichte für mich als Einschüchterung.
Von den Mahlzeiten ist mir bewusst nur ein Teil der Mittagessen im Gedächtnis. Ich wurde neben einen Jungen gesetzt, der abnehmen sollte. Ich war wegen meiner sehr schmächtigen Statur verschickt worden, sollte im Gegensatz zu ihm zunehmen. Er bekam eine Traube Weintrauben und ich einen Teller voll mit ?, den ich nie hätte leer essen können. Er musste mir beim Essen zusehen und ich bekam das Essen nicht runter. Als ich ihm etwas abgeben wollte wurden wir sofort zurechtgewiesen. „Noch einmal…“
Manchmal ist es uns im Laufe der 6 Wochen gelungen, dass er heimlich etwas mitessen konnte. Seit damals kann ich keinen Milchreis sehen oder riechen. Ebensowenig diesen fürchterlichen roten Tee. An die vielberichteten Essenszwänge anderer kann ich mich nicht erinnern.
Ich war körperlich sehr klein für mein Alter und wie gesagt sehr schmächtig. Das ideale Opfer für die anderen Jungs, wenn es ans auslachen oder an andere Demütigungen ging. Dank meines Tischnachbarn ist, glaube ich, das Schlimmste an mir vorbei gegangen. Er war groß und kräftig. Als Dank fürs Essen teilen, so interpretiere ich es heute, hat er wohl auf mich aufgepasst. Seinen Namen weiß ich leider nicht mehr. Kein Name ist in meiner Erinnerung geblieben. Auch nicht einer von den „Tanten“.
Dafür kann ich mich an das tägliche gewaschen werden erinnern. Mein Widerspruch, dass ich mich zu Hause auch selber wasche wurde im Keim unterdrückt. Ebenso bei der wöchentlichen Badeprozedur. Hier ist es jedesmal zu sexualisierter Gewalt durch eine „Tante“ gekommen, die ich nie vergessen werden, ebensowenig wie ihren Gesichtsausdruck. Mein Schreien vor Schmerz und mein Weinen wurde mit einem „ich gebe dir gleich einen Grund zum Weinen“ niedergeschrien.
An einen einzigen Ausflug habe ich eine Erinnerung. Wir waren wandern und haben Station auf dem elterlichen Hof einer Auszubildenden des Kurheimes gemacht. An dem Tag war alles schön und friedlich. An diesem Tag war die einzige Gelegenheit etwas von meinem Taschengeld auszugeben. Ich habe für meine Eltern ein kleines Schnapsglas mit dem Bild vom Kloster Wessobrunn gekauft. Mehr Geld durfte ich nicht ausgeben.
Eigenartiger Weise war mein Taschengeld am Ende der Kur vollständig aufgebraucht. Damals waren 40 DM, auf die ich lange gespart hatte für einen 8 jährigen Jungen sehr viel Geld. Porto für Postkarten die ich schreiben musste damit die Mama nicht traurig wird, wurde vom Taschengeldkonto abgezogen. Gefühlt habe ich pro Woche zwei Karten geschrieben. Angekommen ist in 6 Wochen zu Hause eine einzige. Wohl die Erste. Die Briefe, die für mich ankamen, wurden vor allen Kindern beim Mittagessen vorgelesen. Mein Widerspruch, dass noch nicht einmal meine Eltern meine Post lesen, dass ich sie ungeöffnet bekomme, hat niemanden interessiert.
Ein paar Mal konnten wir das zum Kurheim gehörende Schwimmbad benutzen. Streng nach Schwimmern und Nichtschwimmern getrennt. Wehe ein Nichtschwimmer trat über die im Beckenboden eingelassene vermutlich geflieste Linie.
Es gab allerdings einen Ort, an dem man mich in Ruhe gelassen hat. Manchmal bin ich entwischt und habe mich in die Klosterkapelle geflüchtet. Dort war ich vor allem sicher. Meist war eine der Ordensschwestern anwesend.
Was mir am meisten auffällt, sind die Erinnerungslücken. Was habe ich wohl alles von diesen 6 Wochen verdrängt, die für mich die schlimmsten sechs Wochen meines Lebens waren. Sie haben mich nachhaltig geprägt, beeinflussen mein Verhalten bis heute.
An Rückfahrt und Ankunft habe ich keine Erinnerung.
Von meinen Eltern habe ich erfahren, dass ich wohl etwas erzählt habe, insbesondere das mit dem Taschengeld. Eine Beschwerde bei der Krankenkasse, auch mit dem Hinweis auf den Nichterfolg des Zieles, Gewichtszunahme, verlief vollständig ins Leere.
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Claudia aus Walheim schrieb am 14.03.2021
Nun möchte ich mich hier mal anschließen mit den wenigen Erinnerungen die ich noch habe...
Denn ich bin schon seit einiger Zeit auf der Suche irgendetwas über diese Zeit am Lago Maggiore in Erfahrung zu bringen.
Ich habe auch schon auf dem Gesundheitsamt LB nachgefragt ob es irgendwelche Informationen noch gibt. Aber da gibt es wohl nichts mehr weil es schon zu lange her ist. Ich konnte auch nichts im Internet finden. Man kann von vielen Orten und Heimen etwas lesen. Aber nicht über Brissago...
Einen Eintrag habe ich hier gefunden!!!
(von Stefan aus Niedersachsen)

Ich bin 1966 Jahrgang und 1972 mit gerade mal 6 Jahren in die Schule gekommen.
Es gab kurz nach der Einschulung die Reihenuntersuchungen.
Wenn ich mich noch richtig erinnern kann sagte die Tante vom Gesundheitsamt ich sei noch nicht Schulreif und müsste unbedingt zunehmen.
Somit wurde die Kindererholung angeordnet.
6 Wochen an den Lago Maggiore....

Wir wurden auf den Bahnhof nach Stuttgart gebracht, dort wurden wir abgegeben...
Von der Minute an als ich in diesen Zug gestiegen bin, bis zu meiner Rückkehr habe ich geweint. Ich habe 6 Wochen vor Heimweh geweint.
Meine Erinnerungen sind einige Puzzelteile...
Ich kann mich daran erinnern das es ein 4 oder 5 Bettzimmer war.
Und wenn man aus dem Fenster geschaut hatte am morgen den Anblick der Berge.

Ich kann mich an den Essraum /Aufenthaltsraum erinnern.
Ich kann mich an die Schalen aus denen morgens getrunken wurde,
an die Haferflocken mit Kakao und Zucker, an den Schokoaufstrich und das Marmeladebrot morgens erinnern.
Aber an warme Mahlzeiten kann ich mich nicht wirklich erinnern...
Vielleicht waren sie so grauenhaft, ich weiß es nicht.
An den eckelhaften Hagebuttentee aus Plastikbecher, den ich übrigens heute auch nicht wirklich mag.
Es war für mich einfach nur eine grausame Zeit.
Die größte Freude war das Päckchen von zuhause.
Ich war bereit es zu teilen mit den andern die mit mir im Zimmer waren. Doch leider haben sie es verraten, somit wurde es mir weggenommen!!! Mit der Erklärung es wird unter allen aufgeteilt.
Ich kann mich nicht erinnern das es aufgeteilt wurde.
Wenn ich mich noch richtig erinnern kann waren 2 Mädchen in meinem Zimmer Geschwister, aber wie gesagt wirklich kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Und ich meine es war 1 Mädchen mit im Zimmer da war was zuhause passiert und das hat man ihr gesagt sie hat bitterlich geweint. So ist es in meiner Erinnerung, aber ob das so stimmt kann ich auch nicht mehr 100% sagen.
Jungs waren übrigens auch da! Wir waren geteilt. Ein Gebäude die Mädchen, ein Gebäude die Jungs.

Ich schreibe das deshalb mit den Jungs weil mein Mann auch 1966 Jahrgang zum gleichen Zeitpunkt auch in Bressago in Erholung war.
Damals war mein Mann aus Ottmarsheim und ich aus Ludwigsburg.
(Mein Mann und ich haben uns 2002 kennengelern und bei Erzählungen kam raus das wir zum gleichen Zeitpunkt dort waren)
Mein Mann kann sich auch kaum an irgendetwas erinnern.
Mein Mann war auch noch in Pelzerhagen in Erholung entweder 1 oder 2 Jahre später da hat er auch keine Erinnerungen mehr....

Es müsste doch jemand geben zwischen Heilbronn und Stuttgart oder aus Baden - Württemberg oder sonst wo in Deutschland der zum gleichen Zeitpunkt in der Kindererholung am Lago Maggiore in Brissago war.
Wir bekommen mit unseren Puzzelteile kein Bild zusammen!!!
Es ist schon merkwürdig!!!

Wir würden uns freuen wenn sich jemand meldet.
Bleibt alle gesund
herzlichst
Claudia und Jörg...
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Jürgen G. schrieb am 14.03.2021
Aufmerksam geworden auf diese Seite bin ich durch die Sendung im SWR am 17.2.2021. Allerdings spüre bzw. weiß ich schon lange, dass auch ich Betroffener bin.

Ich war 1967 (wahrscheinlich während der ersten drei bis vier Monate des Jahres) als knapp 6-jähriger in "Kinderkur" in Bad Sooden-Allendorf, in welchem der Heime dort weiß meine Mutter nicht mehr und ich erst recht nicht. Sie weiß nur, dass die "Erholung" aufgrund meiner "schwächlichen Konstitution" von der Kinderärztin Frau Dr. R. veranlasst und von der Stadt Frankfurt / Main bezahlt wurde und sechs Wochen dauerte. Meine Mutter geht noch heute davon aus, dass dort Bäder, Spiele und Krankengymnastik stattfanden.

Ich habe an den gesamten Aufenthalt keinerlei Erinnerung mit einer Ausnahme: Einmal (zum Abschluss?) habe / musste ich ein Lied vorsingen, ich weiß sogar noch welches: "Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Coca Cola Schnaps enthält ..." – ich war schüchtern, zaghaft und habe sicher nicht aus eigenem Antrieb oder gar mit Freude gesungen.

Ansonsten habe ich nur unangenehme Körperempfindungen, Ahnungen sowie sonstige Hinweise, aufgrund derer ich schon lange vermute, dass dieser Aufenthalt emotional traumatisch für mich war und ich die Erinnerung daran verdrängt oder genauer gesagt abgespalten habe.

Auch die Schilderungen meiner Mutter lassen nichts Gutes erahnen, z.B. , dass ich nach der Kur kaum etwas erzählt habe und sehr verschlossen gewesen sei. Oder das Besuchs- und sogar Annäherungs-Verbot an das Heim für Eltern während der Kur. Eine der „Tanten“ hätte meiner Mutter schließlich verraten, dass wir zu einer bestimmten Zeit spazieren gingen; meine Eltern haben mich daraufhin wenigstens kurz aus der Ferne beobachten können, in Zweierreihen laufend, was meine 88-jährige Mutter noch heute genau vor Augen hat. Wenn die Trennung schon so schwer für meine Eltern war, dass sie über 400km fuhren, nur um mich kurz zu sehen – wie furchtbar muss sie dann erst für die Seele des Kindes gewesen sein?!

Deshalb war ich nicht überrascht über den Fernsehbericht und die Zeugnisse auf dieser und anderen Seiten, die ich seither gelesen habe (und bisher nur aus Erziehungsheimen kannte).

Ende meiner 40-er Lebensjahre habe ich, nach einer Krise, unbewusst die Aufarbeitung meiner Traumata zu meinem Beruf gemacht und bin ärztlicher Psychotherapeut geworden. Von daher nehme ich für das Folgende eine gewisse fachliche Untermauerung in Anspruch.

Ich weiß inzwischen, dass ich in meiner Kindheit traumatisiert wurde, was mein Leben, vor allem die zwischenmenschlichen Aspekte, negativ beeinflusst hat; auch wenn ich es äußerlich gut auf die Reihe gekriegt habe – das Anpassen habe ich schließlich gelernt; und ich wollte schon als Kind „auf die andere Seite der Spritze“ gelangen und habe dies geschafft. Die psychischen Folgen des Erlebten für mich waren dennoch massiv. Allerdings dürfte die Hauptursache meiner Traumatisierung in noch früherer Zeit als meiner Kinderkur mit knapp 6 Jahren liegen: Mehrere mehrmonatige Krankenhausaufenthalte von meinem 16. Lebensmonat bis zum 4. Lebensjahr. Das war bezüglich der Trennung von den Eltern noch schlimmer, als das oben geschilderte: Einmal pro Woche durfte ich meine Eltern durch eine Glasscheibe sehen – das war’s. Soviel zu den Themen Bindung, Geborgenheit und Sicherheit. Doch die Traumatisierung in den Krankenhäusern der damaligen Zeit ist ein anderes Kapitel, das hoffentlich eines Tages auch aufgearbeitet wird. Die Erfahrungen von Verlassensein, Ausgeliefertsein und Ohnmacht dürften jedenfalls ähnlich und genauso gravierend gewesen sein wie in der Kinderverschickung.

Dass dann zwei Jahre später gerade dieser Junge nochmals für sechs Wochen durch die Kinderärztin von zuhause weggerissen, alleine, im Stich gelassen und dadurch retraumatisiert wurde, ist für mich bis heute absolut unverständlich. Ich habe lange gebraucht, die mit diesem wehrlos Ausgeliefertsein verbundene ohnmächtige Wut zuzulassen und zu bearbeiten.

Die frühen Klinik-Erfahrungen liegen in meiner Vorerinnerungs-Zeit; deshalb habe ich akzeptiert, hiervon nur aus den Erzählungen meiner Eltern etwas zu wissen. Das Spüren und Erahnen der schlimmen Zeit in Bad Sooden-Allendorf beschäftigt mich jedoch seit langem und bis heute. Trotz aller Selbsterfahrung und Traumatherapie wünschte ich, mehr über diese Zeit zu erfahren, um das Abgespaltene wieder integrieren zu können oder zumindest ein Narrativ zu haben. Bis heute weiß ich beispielsweise nicht, ob meine (inzwischen erfreulicherweise deutlich gelockerten) Zwänge – z.B. kein „unnötiges“ warmes Wasser zu „verschwenden“ oder beim Essen das, was ich am wenigsten mag, zuerst zu essen damit es weg ist und das Leckerste bis zuletzt aufzuheben – aus dieser Zeit stammen. Deshalb die Frage: Gibt es Menschen, die in etwa zur selben Zeit in Bad Sooden-Allendorf waren und sich mit mir austauschen möchten?

Jedenfalls freue ich mich, dass dieses dunkle Kapitel für zigtausende damaliger Kinder nun aufgedeckt und hoffentlich aufgearbeitet wird. Es belastet uns bis heute. Ich weiß, wie ich selbst die Auswirkungen über vier Jahrzehnte nicht wahrgenommen habe und weiß als Therapeut, dass dies bei vielen Traumatisierten so ist, bis sie hoffentlich schlussendlich in Behandlung kommen.

Doch heute bin ich kein wehrloses Opfer mehr. Und deshalb klage ich an:
- Das, was Menschen anderen Menschen, vor allem Kindern, in Institutionen angetan haben (auch wenn ich es heute so sehe, dass dies überwiegend nicht aus bösem Willen geschah).
- Das (damalige) Gesundheitssystem und die sog. Pädagogik mit all ihren den Menschen / das Kind verachtenden Überzeugungen, Meinungen und Ideologien.
- Vor allem aber klage ich an, dass die Auswirkungen des Geschehenen auf Menschen weiterhin verharmlost und bagatellisiert werden. Dass den Betroffenen kein Gehör und kein Glauben geschenkt wird. Ein „ja, es war so“, „ja, die Auswirkungen waren für die Betroffenen schrecklich“ aus den für das damalige Leid verantwortlichen und großteils heute noch existierenden Institutionen würde vielen von uns helfen – und ihnen sowie insbesondere den ihnen heute noch „Anvertrauten“ vermutlich auch.

Dabei geht es mir nicht um Wiedergutmachung; was vergangen ist, lässt sich nicht ungeschehen machen und nur sehr begrenzt wiedergutmachen. Es geht darum, aus den damaligen Geschehnissen und deren Folgen für zigtausend Menschen zu lernen. Damit es sich nicht wieder und wieder wiederholt und weitergeht. Doch leider ist es bis dahin auch in unserem heutigen Gesundheits- und Erziehungs-System, unserer heutigen Gesellschaft noch ein weiter Weg, der noch viel Mut und Stärke erfordert.

Ein herzlicher Gruß an euch alle
Jürgen
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I. P. schrieb am 12.03.2021
Ich kann mich nicht mehr an alle Ereignisse in Bad Sassendorf so genau erinnern, allerdings verbinde ich keinerlei positive Erinnerungen mit dieser Zeit. Ich war 7 oder 8 und kann mich an das Mästen erinnern, es musste immer aufgegessen werden, oftmals hatte man einen Nachschlag erhalten, obwohl man schon nicht mehr in sich hinein stopfen konnte. An dem Tisch saß immer eine Aufsichtsperson und achtete darauf, dass alles gegessen wurde. Wichtig war, dass man zunahm. Ich gehörte auch zu den Kindern, die aus dem Bett geholt wurden und nachts über Stunden auf dem kalten Flur stehen mussten. Innerhalb der ersten Woche habe ich angefangen ins Bett zu nässen. Meine Eltern wurden in meinem Beisein angerufen und ihnen mitgeteilt, dass ich ein Bettnässer wäre, obwohl ich mit 2 1/2 Jahren schon trocken war. Wir durften auch nur zu bestimmten Zeiten auf die Toiletten und nachts gar nicht. Am meisten Angst hatte ich vor den Holzfässern mit heißer Sole, das Wasser wurde bis zum Kinn eingelassen und man sollte sich nicht bewegen. Nach dem Bad mussten man sich in dem Raum an einer Wand aufstellen und wurde mit einem eiskalten Wasserstrahl von einer recht dicklichen Frau abgeduscht. Sie hat gelacht und gesagt, man solle sich mal zusammenreißen. Sonntags ist man in Reihe durch das Dorf zur Kirche gewandert, es war etwas weiter weg. In der dritten Woche, in der Nacht von Samstag auf Sonntag, hatte ich starke Bauchschmerzen bekommen. Ich hatte die Betreuerin informiert, jedoch wurde mir gesagt ich würde simulieren und soll mich nicht so wichtig tun. Auf dem Weg zur Kirche am Sonntag konnte ich kaum noch aufrecht laufen. Nach dem Gottesdienst, habe ich es fast nicht zurück geschafft und bin mehrmals gefallen, musste aber trotzdem den ganzen Weg zurücklaufen. Dann hat man mich ins Bett gelegt. Erst als ich nur noch vor Schmerzen geschrien habe, hat man mich ins Auto gesetzt und ist mit mir zum Arzt im Dorf gefahren, dieser hat den Notarzt informiert und ich kam hochfiebernd mit einem Blinddarmdurchbruch nach Soest ins Krankenhaus. Für die OP Einwilligung, so erzählte mir meine Mutter, hätte man nur von einer kleinen Blinddarmreizung gesprochen. Erst nach der OP hatte sie von einem Arzt aus dem Krankenhaus erfahren, dass mein Zustand sehr kritisch war und sie froh sein konnte, dass ich überlebt habe. Die weiteren Wochen war ich ausschließlich im Krankenhaus in Soest. Nach Bad Sassendorf, bin ich mit meinem Vater nur noch einmal, um die Unterlagen abzuholen. Mir war insbesondere das Bettnässen so peinlich, dass ich meinen Eltern wenig über den negativen Umgang der Betreuerinnen mit uns Kindern erzählt habe. Vieles hat man in den Jahren verdrängt, aber durch die Berichte wird einem klar, was man dort alles an Unangenehme erleben musste. Die Erlebnisse der einzelnen Kinder gleichen sich ja. Schlimm, dass man so ausgeliefert war, aber gut, dass es endlich ausgesprochen wird und man eine Stimme erhält.
Auch ich habe Interesse daran mich mit anderen auszutauschen, so kann man eher verarbeiten und damit abschließen.
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Karl schrieb am 12.03.2021
Hallo,
im Jahr 1966 war ich in einem "Erholungs-Heim", dessen genaue Adresse ich leider nicht mehr kenne. Die Einrichtung muss aber in oder der Nähe von Donaueschingen gewesen sein. Da mein Vater bei der der Bundesbahn tätig war, könnte der bzw. ein Heimträger auch die damalige Bahnkasse gewesen sein.
Nach meinen Recherchen war es wohl das Kindersolebad Donaueschingen.
Ich war damals 8 Jahre alt und habe eher unangenehme Erinnerungen an diesem Aufenthalt, wobei mir aber extrem schlimmste Behandlungen jetzt nicht mehr bewusst sind. Unter den "Tanten" gab es mW. sehr strenge aber auch an eine nette Frau - glaube ich mich erinnern zu können. Aber ich weiß auch noch von "Mobbing-Attacken" anderer Verschickungskinder, besonders eines älteren Jungen. Da ich damals auch schon etwas größer und kräftiger war, kam ich da wohl noch glimpflich davon. Ein anderer, etwas kleinerer Junge, mit dem ich per Bahn angereist war, hatte da mW. weniger Glück.
Ich hatte den Eindruck, dass die "Tanten" da nicht immer einschritten, obwohl sie davon wussten. Ansonsten die wohl weit verbreitete Praxis in dieser Zeit: Androhung (und Vollzug) von Strafen, bei "Fehlverhalten" der Kinder. Besonders das (wohl nicht grundlose) Einnässen hatte - neben einer Riesenschelte - eine (zumindest gefühlte) öffentliche Demütigung zur Folge.
Mit ist auch noch in Erinnerung, wie wir zum Abschluss des 6- wöchigem Aufenthaltes, eine Glasbläser-Werkstatt besuchten. Das war eigentlich sehr schön.
Richtig vor Augen habe ich noch den Sammel-Schlafsaal mit unzähligen Metallbetten. Vor dem Zimmer "wachte" eine "Schwester" an einem Bürotisch, auf der eine Schreibtischlampe platziert war, wie sie in den Krimi-Serien der 60er Jahre zur Ausstattung gehörte.
Vor dem Haus war viel Grün und Rasen. Wenn man aus einiger Entfernung auf das Gebäude zurücksah, wirkte dies wie ein karges Schloss, wo man nur ungern wieder zurückging.
Nach allem, was ich zu dieser Thematik jetzt schon gelesen habe, war ich in der betr. Einrichtung aber vermutlich - insgesamt gesehen - noch "gut bedient". Oder - was auch sein kann - ich habe diese Epoche gut verdrängt.
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Jean Müller aus Güstrow schrieb am 12.03.2021
Als „Zappelphilipp“ und zu dünn kam ich mit vier Jahren 1977 nach Bad Salzungen. Ich habe visuell nur noch den Schlafsaal in Erinnerung und dass es Strafen für vieles gab. Und dass ich nach dieser „Kur“ ein noch größeres Nervenbündel war, welches viel weinte und keinen Mittagsschlaf mehr machen wollte. Vielleicht gibt es jemanden, der zu dieser Zeit mehr Erinnerungen hat.
Danke, dass diese Seite, Möglichkeiten zur Bewältigung und Vernetzung bietet! Es ist absolut tröstlich, nicht allein mit dieser prägenden Kindheitserinnerung zu sein.
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Wolfgang Müller-Davidi aus Heusenstamm schrieb am 12.03.2021
Wie bei allen hier, wurde ich mit 8 Jahren wegen Unterernährung zur Kinderlandverschickung nach Muggendorf in der fränkischen Schweiz vom Schularzt ausgewählt. 4 Wochen über Ostern waren angesagt. Nach Anweisung durften meine Eltern zu Ostern kein Paket senden. Ich war der einzige der keins bekam. Die Tagesordnung bestimmte, dass alles aufgegessen werden musste, sonst wurde man nach dem Mittagessen ins Bett geschickt und man konnte sich nur hilflos in die Kissen weinen. Die Zimmer mit mehreren Betten waren nach den umliegenden Bergen benannt. Mein Zimmer hieß Wichsenstein.
Das Essen war sicher für Kinder nicht schmackhaft. Eine bleibende Erinnerung ist das wunderschöne Gericht Germknödel mit warmen Apfelmus und süßsauren rote Beete. Ein Junge übergab sich beim Essen auf den Teller des Gegenübersitzenden und löste so eine Kettenreaktion aus. Seit dem kann ich keine rote Beete mehr essen. Alle mussten danach ins Bett.
Da wir kein Telefon zu Hause hatten, blieb die einzige Verbindung nach zu Haus über Postkarten. Diese wurden vor dem Abschicken zensiert, sodass nichts aus dem Heim nach draußen gelangen konnte. Briefmarken konnte man sich nicht alleine beschaffen, denn das Haus durfte man nicht verlassen.
Eine Begebenheit ist mir erst nach Jahren hochgekommen. Ich fuhr mit dem Wohnmobil durch die Gegend und kam zufällig durch Muggendorf. Ich fand das Heim, dass heute ein Altersheim ist. Erinnerungen wurden wach. Eine davon war: einmal in der Woche wurde geduscht in einer großen Gemeinschaftsdusche. Wir Jungen waren nackt und sollten unter der Dusche im Kreis laufen und dabei den Hintermann an den Schniedel fassen. Die Schwestern schauten zu und amüsierten sich. Ich habe davon keinen Schaden erlitten aber das würde wohl heute unter sexuellen Missbrauch fallen.
Der Heimaufenthalt wurde nach endlosen 4 Wochen ohne Gewichtszunahme beendet und hinterließ keine guten Erinnerungen. An den Namen der einen Schwester Lieselotte, die auf dem Bild ist, erinnere ich mich noch. Des weiteren an einen Besuch in der nahe gelegen Tropfsteinhöhle.
Ich hoffe, dass mein Bericht durch die geschilderten Einzelheiten authentisch ist.
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Gaschnitz, Cornelia aus Unstruttal schrieb am 12.03.2021
Ich war 1979 zur Kur in Königswusterhausen. Zur Mastkur. Für mich war es furchtbar. Da ich kein Fisch esse wurde ich gezwungen. Ich erbrach es und musste als Strafe in der Mittagsruhe in der Mitte des Schlafsaals stehen. Zwei größere Kinder tauschten später mit mir das Essen gegen Dinge, die sie nicht mochten. Im Sport machte ich wohl die Übungen nicht richtig und fing eine kräftige Ohrfeige. Nach Hause schreiben durften wir nur vorgefertigte Texte. Ich weiß noch genau wie die " Erzieherin meine Karte zerrissen hat weil ich was eigenes geschrieben habe. Ich erinnere mich nur an das viele weinen, an Bleche mit Zuckerbrot, fetter ekliger Milch. Für mich Horror wovon ich bis heute noch träume.
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Esther Neitzert aus Lautert schrieb am 12.03.2021
Mit 4 Jahren wurde ich vom Kinderarzt in Mainz aufgrund von chronische Bronchitis zur „Kur“ geschickt.
... einsperren im Kleiderspind war die tägliche Bestrafung. Ich hatte immer Angst keine Luft mehr zu bekommen. Die größeren Kinder hatten Freude die kleinen zu verbotenem zu animieren: Ich sollte ein Lied während der Mittagspause singen, nichtsahnend dass dies mit „Spind“ bestraft wurde. Essen von glibberigem Haferbrei, welcher solange vorgesetzt wurde bis er alle war...Ich habe versucht auf der Toilette auszuspucken welches entdeckt und bestraft (Spind) wurde. Ich wurde obwohl seid 2 jährig stubenrein wieder zum Bettnässer- man zog mir wollstrumpfhosen über meine Neurodermitis... ich fühlte mich völlig wehrlos.Der Kinderarzt des Hauses empfahl Abbruch wegen Gewichtsverlust.... ich musste bleiben ... Meine Mutter dürfte mich mich nicht sehen.Wir hatten viel Angst, weil wir die Regeln nicht verstanden .Meine Freundin und ich aßen Waschpulver um uns zu vergiften ... sie war dann weg und ich blieb ganz alleine zurück ...
Wieder zuhause war ich laut meiner Mutter sehr verändert, sprach eine Weile nicht , hatte einen wasch und aufräumzwang...Lange habe ich geglaubt wenn ich nicht lieb bin, muss ich zurück ins Heim...
Eine Essstörung und Ekel sowie Ängste und Alpträume waren lange Begleiter.
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Helga Schmickt aus Ruppichteroth schrieb am 11.03.2021
Es muss im Jahr 1951, war 5 Jahre alt, kam ich zur Erholung nach Solbad Sassendorf. Hatte mit den Bronchien zu tun und war wohl auch etwas unterernährt. Es war die Hölle für mich. Das Essen wurde täglich mit einem Bollerwagen aus dem Dorf geholt. Es handelte sich fast ausschließlich um Milchsuppen aus Ziegenmilch. Morgens gab es zum Brot ein dickes Stück Ziegenbutter. Ich habe mich nur geekelt und immer alles erbrochen. Dafür musste ich in der Ecke stehen und wurde von den Kindern verhöhnt. Ich habe es noch in den Ohren. Dann hatten wir einen Schlafsaal für ca. 20 Kinder. Jedes Kind hatte ein Bett und einen Stuhl. Abends wurden wir eingeschlossen und durften nicht zur Toilette. Es stand lediglich 1 Topf im Zimmer. Der lief nach kurzer Zeit immer über und man versuchte einzuhalten. Es war auch immer Stockdunkel. Schrecklich. Ich sehe alles noch vor mir. Mehrmals in der Woche wurden wir im Dorf in einen Bottich gesteckt und auch schon mal untergetaucht. Meine Mutter sagte mir später, ich hätte mich total verändert und wäre überängstlich geworden. Bis heute trinke ich keine Milch. Das Ganze ist jetzt knapp 70 Jahre her und immer noch gegenwärtig.
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Eva schrieb am 11.03.2021
ich war in den 70er Jahren (wahrscheinlich 1971) in Oy/Mittelberg. Ich war nicht im großen Klinikgebäude, sondern in einem kleineren (Bauern-)Haus (Haus "Schwalbennest"?) in der Dorfbrunnenstr. 18 in Mittelberg. Ich muss ca. 7 bis 8 Jahre alt gewesen sein. Am 17.02.2021 habe ich im SWR die Doku „Das Leid der Verschickungskinder- Was geschah in den Kurheimen?“ gesehen und war tief berührt. Und ich versuchte mich an meine Kur zu erinnern. War ich auch 6 Wochen weg? Ich musste zur Kur wegen Unterernährung. Ich habe diese Kur nicht als negativ abgespeichert (oder ist das nur Verdrängung?). Es gibt nur wenige Bruchstücke an die ich mich erinnere. Morgens wurde immer ein Lied gesungen, um uns aufzuwecken. Ich kann mich undeutlich an folgenden Text erinnern: “Raus aus den Federn, raus aus dem Haus, wir wollen in die Natur …”. Wir waren auch beim Schlittenfahren und ich hatte Schulunterricht. Wir müssen auch Fasching gefeiert haben, denn davon klebt ein Foto in meinem Album. Beim Essen saß mir ein Teenagermädchen gegenüber, das abnehmen musste. Das war blöd, denn ich hatte keinen Hunger auf z.B. belegte Brote und sie schielte ganz gierig darauf. Wie gerne hätte ich ihr eins von mir gegeben. Aber das war natürlich verboten. Eine Erinnerung habe ich noch an einen Einlauf, denn so etwas kannte ich bis dahin noch nicht. Ich bin gespannt, ob durch meine Recherche noch weitere Erinnerungen kommen.
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Erika G. aus Redefin schrieb am 11.03.2021
Nachtrag z. A. v. 04.03.2021. Durch das Lesen mehrerer Artikel ist mir klar geworden, dass die Geschehnisse auf Kur Ursache für mein späteres alptraumhaftes Leben sind. Bin1957 in RL/PF geboren. 1960 starb mein Vater. Habe von 1960 bis 1963 kaum Erinnerungen. Als ich von einem fremden Mann nach Kurende zu Hause abgeliefert wurde, bekam ich panische Angst. Wenn Jemand in meiner Gegenwart laut lachte, fühlte sich mein Körper an, als würde er implodieren. Habe auch mein ganzes Leben lang einen Reizmagen. Während meiner Schulzeit war es für mich kaum zu ertragen, wenn mehrere Kinder um mich rum waren. War auch kaum in der Lage mit anderen zu reden oder mich Jemanden an zu vertrauen. Konnte keine Gefühle zeigen .Ich war total verstockt. Mein Vater war der Einzige bei dem ich mich beschützt fühlte. Zeit meines Lebens habe ich dieses Gefühl vermisst. Bis ich vor 3 Jahren an einen Arzt ( Chirurg) geraten bin und mich von Anfang an gut aufgehoben gefühlt habe. Während der Nachbehandlung änderte sich meine Gefühlslage so dramatisch, dass in einen seelischen Ausnahmezustand geriet. Die Erklärung dafür habe ich in einigen Artikeln lesen können. Auf Kur gehörten ärztliche Untersuchungen dazu, genau so wie der Essenszwang und sonstige Drangsalierungen. In meinem Gedächtnis ist nur ein schwarzes Vakuum. Meine Mutter hätte mir Antwort geben können, aber sie schaffte es später nicht mehr meine 4 Geschwister und mich zu versorgen. Sie wurde asozial und wir wurden 1971 getrennt. Ich bin froh endlich den Grund für mein Seelenleid bekommen zu haben, auch wenn ich noch nicht so glücklich bin, wie ich es gern sein möchte.
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Karl-Heinz Krämer aus 51381 Leverkusen schrieb am 11.03.2021
Bin dankbar für die Aufarbeitung der „Verschickungskinder“Problematik.Ich war nach 6 wöchigem Aufenthalt dort, stark traumatisiert.Erbrochenes aufessen,Bettnässen mit anschließender Strafe.Überheiße Solbäder mit anschließender totaler Ruhe unter strenger Aufsicht. Das alles un noch viel mehr habe ich dort erlebt
Karl-Heinz Krämer
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Walburga Kalis aus Ratingen-Lintorf schrieb am 09.03.2021
Aufgrund des SWR Beitrags, wurde ich wieder mit meiner eigenen Verschickung 1964 nach Berlebeck konfrontiert.
Ich muss zugeben, der Beitrag hat mich sehr aufgewühlt. Im Moment grüble ich sehr viel, bin sehr verstört, sehr emotional und verwirrt.
Meine Erinnerungen sind leider nur sehr gering. Laut Aussage meiner Mutter wurde ich damals verschickt, weil sie mir etwas Gutes tun wollten. Aufgewachsen bin ich als 4 Kind und als sogenanntes Schattenkind, denn ich hatte einen 2 Jahre älteren Bruder mit Trisomie 21, um den ich mich, trotz meines jungen Alters, sehr kümmerte. 1964 wurde unsere Mutter zum 5. mal schwanger und ich denke, dass war der Grund warum ich verschickt wurde.
Ich fuhr zur Kur in das DRK Kinderheim Johannaberg in Berlebeck.
Genaue Erinnerungen habe ich nicht mehr an die Zeit, habe alles scheinbar verdrängt, da der Aufenthalt dort für mich die Hölle war.
Ich erinnere mich an:
- viel Angst,
- viel Heimweh,
- viel Tränen,
- viele böse Betreuerinnen,
- Kneippgüsse in einem eisigkalten Waschsaal oder
Keller,
- einen großen Schlafsaal,
- ein rotes Licht welches uns den Gang zur Toilette
verbot,
- ein Bettlaken welches ich selbst waschen musste, weil
ich mich eingenässt hatte,
- an ein stilles oder schwarzes Zimmer,
- zwei Brüder die flüchten wollten und von einem
Taxifahrer wieder zurück gebracht wurden,
- ein älteres Mädchen, dass mich hin und wieder tröstete
- Milch die ich noch nie vertragen habe und
- schrecklich viel Butter, dass es mir heute noch übel
wird, wenn ich Butter nur rieche
Als fröhliches Kind wurde ich verschickt und als trauriges, verängstigtes Kind kam ich wieder nach Hause.
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Herbert schrieb am 09.03.2021
Ich war im Herbst 1967 als Begleitung für meinen 2Jahre jüngeren Bruder in Bad Reichenhall Kurfürstenstr.,dadurch war man natürlich nicht so allein u.unsicher in einer fremden Gemeinschaft,wie wie andere Kinder.Wir waren in der "Mittelgruppe" im alten Bau gegenüber dem Neubau.Das erste Negative war das bei der Anreise dann die Süßigkeiten aus dem Koffer konfisziert wurden,später sah ich dann wie andere Kinder davon aßen,u.wir kriegten auch fremdes Zucker-Zeug zu essen.Unangenehm war beim wöchentlichen Duschen immer wie Fräuleins immer mit dem Wattestab in den Ohren rumgestochert haben.Die Rosi war die strengste,es gab aber auch nette u.milde wie die Anschi u.die Ursula. Im Solebad sind wir dann immer nackt rumgeschwommen,angeblich weil das Salzwasser die Badehose zerfressen hätte,dann gabs Atemgymnastik in der Turnhalle,Salzinhalationenin so einer "Gaskammer",u.wir sind sogar auch mal in eine Druckkammer reingesteckt worden wo man Höhen von ein paar tausend Metern simulieren konnte,ich erinnere mich noch an meine Bettnachbarn,den Gerhard Schmid (Segelohr) aus Köln u. Frank May aus Siegen,alles nette Typen,Mitternacht haben wir uns dann manchmal heimlich auf der Toilette getroffen, weil pinkeln mußte man ja doch irgendwann mal,man mußte da immer vorsichtig auf den knarrenden Dielen schleichen,das die Nachtwache nichts merkte.
Haben auch schöne Ausflüge in der schönen Berglandschaft gemacht,,Padinger Alm,mit der Seilbahn auf den Predigtstuhl,Busreisen nach Salzburg (Hohe Festung), Berchtesgaden Salzbergwerk u.Königsee,also schon ganzschön rumgekommen mit ca.9 Jahren,u.das auf Kosten der Allgemeinheit.
An viel Negatives kann ich mich nicht erinnern,wenns mal ein paar hinter die Ohren gegeben hat,das waren wir Jungen damals ja von zuhause aus gewöhnt,nur einmal haben sie meinem Bruder die übriggebliebenen Fettreste vom Fleisch der ganzen Gruppe dann noch in den Mund gestopft,aber der hat das dann gleich wieder auf dem Klo ausgespuckt wie er mir dann stolz erzählte.Alles in allem habe ich es als schöne Zeit in Erinnerung,mußte man doch in jungen Jahren sich zum ersten Mal in eine fremde Gemeinschaft einfügen,was ja nicht unbedingt schlecht ist. Habe da auch die Liebe zu den Bergen gewonnen,war 1987 noch mal dort,aber da war unser alter Bau schon abgerissen,das neue Gebäude stand aber noch,ist aber inzwischen auch weg u.jetzt befindet sich da nur noch ein öder Parkplatz wo wir uns früher mal getummelt haben
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Nöthlich aus Berlin schrieb am 09.03.2021
Es begann damit, daß mein jüngerer Bruder und ich mit einem Schild um den Hals "Bad Dürrheim" allein auf die Bahn gesetzt wurden. Beim Umsteigen in Frankfurt/M (?) wurde ich von einer Erzieherin mit voller Wucht mit dem Kopf an einen Laternenmast geschleudert, sicher unbeabsichtigt, aber auch sehr unvorsichtig, Ich muß eine Verletzung am Kopf davongetragen haben, denn ich wurde im Heim in einem Einzelzimmer untergebracht. Vor Angst und Übelkeit habe ich ins Bett genäßt. Die Heimarbeiterinnen reagierten verständnislos und roh, ich war damals ca 5 Jahre alt, das einzig Tröstende waren die gelben Schlüsselblumen, die im Garten vor meinem Zimmer blühten. Meine Eltern haben eingesehen, daß es ein Fehler war, uns Kinder zu verschicken
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Stefan Lahr aus Zürich schrieb am 09.03.2021
Bin durch SWR Sendung darauf aufmerksam geworden, geschockt, dass es so viele Betroffene gibt und über deren Berichte! Ich selbst habe leider nur Bruchstücke in Erinnerung: wurde im Alter von 5 Jahren durch Kinderarzt in Mainz wegen Asthma in ein Heim der Caritas (?) im Schwarzwald verschickt, weiss aber weder Ort noch Namen des Heimes. War für 6 Wochen dort, das wurde dann aber von Ferne und ohne weitere Diagnose auf weitere 6 Wochen verlängert. Dieser Tag war der schlimmste: alle anderen reisten ab, ich musste bleiben. Die Nachricht der Verlängerung meines Aufenthaltes wurde von meinem Onkel, der damals oder später Caritasdirektor in Worms war, überbracht. Ich versteckte mich in seinem Auto, wurde aber entdeckt. Da ich schon etwas schreiben konnte, hatte ich mehrmals einen Brief mit Hilferuf an meine Eltern geschrieben, diese Briefe wurden aber abgefangen, ebenso wie die Briefe und Päckchen meiner Eltern. Ich war völlig allein und wusste auch nicht wo ich bin. Leider sind Eltern und Verwandte aus dieser Generation alle verstorben, ich kann niemanden mehr fragen. Ich habe wenig Erinnerung an einzelne Vorgänge im Heim: ich wurde aber mindestens einmal mit dem Gesicht in meinen Teller mit Milchreis getaucht, weil ich nicht aufgegessen hatte. Man durfte nachts nicht aufs WC, auf dem Treppenabsatz sass/lag eine "Tante" und warf einmal mit einer leeren Flasche nach mir, als ich aufs WC wollte. Man hatte immer Angst. Viel mehr weiss ich nicht, ausser dass ich nach meiner Rückkehr nachhause längere Zeit nicht mehr gesprochen habe. Klagen wurden dadurch obsolet, dass mein Asthma durch die Kur "geheilt" war und auch nie mehr wieder kam. Jahre später wurde dieses Heim geschlossen, es gab Strafverfahren und Urteile in diesem Zusammenhang. Wenn ich den Namen des Heimes erfahren könnte, würde ich vielleicht weitere Informationen finden.
Vielleicht hat jemand einen Tipp?
Danke für ihre Arbeit und Initiative!

S. Lahr, Zürich, 9.3.2021
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Mike schrieb am 08.03.2021
@ Michaela aus Kassel:
Kommt das Kinderheim / Kinderkurheim Inntal in Nußdorf in Frage?
Registriere Dich bitte im Forum, um dort nach weiteren Betroffenen suchen zu können.
LG Mike
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Wolf aus Edenkoben schrieb am 08.03.2021
Aus der Perspektive eines „Betreuers“ einer Ferienfreizeit auf dem Land für Stadtkinder, 1980 oder 1981.

Vielleicht aufgrund des späten Zeitpunkts auch von Interesse. Obwohl ich nicht so traumatische Sachverhalte bestätigen kann, wie am 04.03.2021 in SWR2 geschildert.

Selbst bin ich 1962 geboren und war somit 17 oder 18 Jahre alt als ich die im folgenden beschriebenen Erfahrungen machte. Das ist nun fast 40 Jahre her und ich hoffe, dass ich alles korrekt wiedergebe. Denn seit ich meine Erlebnisse das erste Mal festhielt, drängen immer wieder andere Details ins Bewußtsein, die ich jahrelang verdrängt hatte, von denen ich teils gar nicht mehr wußte, dass dies geschehen war und die eine oder ander Kleinigkeiten mußte ich auch schon korrigieren.

Ich kann aber versichern, dass das Folgende nach bestem Wissen und Gewissen notiert ist:

In der Oberstufe dachte ich daran Sozialpädagogik zu studieren und habe deshalb, wohl aufgrund einer Zeitungsannonce der CARITAS, welche Betreuer für Ferienerhohlung für Stadtkinder suchte, gedacht, dass es sinnvoll wäre, ein entsprechendes Praktikum in diesem Bereich zu machen.

So geriet ich an die Caritas und das von Nonnen geführte Heim in Rickenbach.

Obwohl ich als Referenzen meinen Sozialkundelehrer und einen Sozialarbeiter angegeben hatte, der mich kannte, da er mit meinem Vater Fußball spielte und ich seit Jahren nicht mehr in der Pfarrei aktiv war, also wohl schon 6 Jahre kein Messdiener mehr war, hat man, wie ich im Nachhinein erfuhr, nur in der Pfarrei Referenzen eingeholt. Meine beiden Gewährspersonen wurden nicht kontaktiert.

Die Vorbereitung fand an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in einem Tagungsheim in St. Martin bei Edenkoben statt. Ich kann mich nach fast 40 Jahren nur noch an basteln und spielen erinnern, aber bin mir sicher, dass es keine ernsthafte pädagogische Ausbildung war; wie denn auch an 2 Tagen.

Rückblickend stellt sich mir dieses Vorbereitungstreffen, auch wenn es 2 Tage dauerte, vollkommen unangemessen dar. Denn in den paar Stunden war nichts wirklich handfestes zu vermitteln.

Vor allem wurde ich ohne fundierte Ausbildung oder entsprechende Aufsicht auf die Kinder losgelassen, hatte sozusagen meine eigene Gruppe, statt nur Hilfsdienste zu leisten, wie es vielleicht dem stattgefunden „Vorbereitungstreffen“ angemessen wäre.

Die Unterbringung fand in einem von Nonnen geführten Heim für angeblich schwererziehbare Kinder statt, die über die Sommerferien Urlaub bei ihren Familien machten. Augenscheinlich wollten die Nonnen über die Sommerferien Zusatzeinnahmen generieren.

*** („Angeblich schwererziehbare“ schreibe ich deswegen, da noch 4 Jugendliche im Heim waren, da wohl keinerlei Familie. Erst war ich befangen und ich war deswegen befangen, weil man uns vor den Heimkindern gewarnt hatte und ausdrücklich gesagt hatte, dass wir auf Abstand zu den Ferienkindern achten sollten.

Es gab da sowieso kaum Kontakt, da die Ferienbetreuungs-Kinder unter 10 und die Heimkinder geschätzte 13 – 15 Jahr alt waren, also fast in meinem Alter.

Nachdem ich mit einem der Heimkinder mehrmals in Kontakt kam und mir der Junge einen normalen und vernünftigen Eindruck machte, traute ich mich, ihn nach Wochen zu fragen, was an ihm schwer erziehbar wäre. Er sagte mir, dass er und die anderen Kinder nicht schwer erziehbar wären, aber die Nonnen durch die entsprechende Titulierung mehr Geld erhielten.

Erst die letzten Jahre wurde mir bewußt, wie man damit den Kindern das Leben verbaute, weil eben in allen ihren Papieren steht, dass als Kind im Heim für Schwererziehbare, also tendenziell problematisch.

Ganz zu schweigen von dem zutiefst unchristlichen Getue, vor diesen Heimkindern auch noch zu warnen, weil „schwererziehbar“.)

Die Kinder der Caritas-Kinderlandverschickung waren im Stockwerk über den Stallungen untergebracht. Diese befanden sich auf gegenüber dem Haupthaus, in dem die Heimkinder unterbracht waren und in dem sich der Speiseraum befand und der Fußballplatz.

Sehr problematisch war, dass beide Gebäude durch eine öffentliche Landstraße getrennt waren und wir Betreuer damit permanent aufpassen mußten, dass kein Kind aus Versehen auf die Straße oder gar unter ein Auto geriet  Denn, es war nicht viel Verkehr aber wer dort vorbeifuhr tat dies schnell.

Wenn man Ferienfreizeit für Stadtkinder im Schwarzwald hört, stellt man sich vor dem geistigen Auge vor, dass die Unterkünfte im Grünen liegen, so dass die Kinder autonom etwas das Gelände erkunden könnten, einen großen Spielplatz, grüne Wiesen direkt an der Unterkunft. Dem war leider nicht so.

Alleine schon wegen der Gefahr für Leib und Leben und der Verantwortung, die damit konstant auf den Betreuern lastete, erschien uns Betreuern die Unterbringung als vollkommen unakzetabel.

Nun bin ich kein böser Mensch und habe kein Kind geschlagen oder sonstwie gequält; hoffentlich nicht; aber rückblickend war das untragbar, vor allem auch die Überlastung mit einem 14 – 16 Stundentag; nur unterbrochen von den Essenspausen, s.u.

Da die Kinder abends viel zu lange wachblieben, wie denn auch nicht in einem 6 oder 8-Bettzimmer ging ich mit meiner Gruppe viel und lange spazieren und anschließend spielten wir Fußball. Die anderen Gruppenleiter und die Aufsicht lachten erst, aber nachdem sie mit ihren Gruppen nicht zurechtkamen, haben sie mir ihre Gruppen auch anvertraut; zumindest die Kinder, die man wohl als überaktiv bezeichnen würde.

Denn auch wenn man Sozialpädagogik studiert hat sind 16-STundentage, d.h. bis spät in die Nacht hinein, ohne Wochenende nicht lange durchzuhalten.

Zu den Essenspausen: Auch die Betreuer bekamen ausschließlich Mehlspeisen, wobei besonders unappetitlich war, dass hierzu regelmäßig selbst eingemachtes Obst serviert wurde und die Würmer nicht abgeschöpft wurden.

Wobei, ich noch nicht einmal weiß, was die Kinder zu essen bekamen und zu welchen Szenen es dort kam, da wir davon ferngehalten wurden. Auch dies ein Sachverhalt, der mir erst jetzt, Jahrzehnte später, rückblickend beim Schreiben aufstößt. Zumindest haben sich die Kinder alle vor dem Essen geekelt, eben nur Mehlspeisen mit eingemachten Obst und hier vor allem vor den Würmern und sich permanent beklagt.

Zu was für Szenen es beim Essen gekommen sein mag, konnte ich allerdings nicht sehen; aber, wie geschrieben; mir fiel erst Jahre später auf, dass die Betreuer beim Essen von den Kindern getrennt wurden.

Und auch erst Jahre später verstand ich wirklich, wie einfach es auch den Nonnen gewesen wäre die Würmer abzuschöpfen. Und wer die Würmer nicht vom eingemachten Obst abschöpft, wie ist der geistig disponiert und was macht der noch?

Auch rückblickend konstatiere ich diese Art von toxischem Katholizismus wie bspw bei Theresa von Kalkutta, welche Todkranke alle mitdemselben dreckigen Lappen abwusch, obwohl genug saubere Lappen und auch eine Waschmaschine vorhanden war.

Ich gestehe, wenn es denn überhaupt ein Fehler war, dass ich Kindern, die sich beschwerten und zwar in Menge, d.h. nicht nur eins oder das andere, sagte, dass sie das ihren Eltern schreiben sollen; denn Telefon war dort irgendwie nicht und der Münzfernsprecher – ja, das gab es – erst nach einigen km, die zu laufen waren, im nächsten Dorf.

Da viele Kinder dies ihren Eltern schrieben, wurde eine Visite durch Leitungspersonal der CARITAS angesetzt. An dem Tag, also rund 3 Wochen nach Beginn, gab es das einzige Mal ein Schnitzelchen und selbstgemachte Pommes Frites. Damit war alles gut. Kinder sind so.

Zumindest dachte ich das wohl lange so.
Rückblickend?

Die CARITAS-Visite hatte auch nur mit der Gruppenleiterin der Betreuer gesprochen, nicht mit den anderen Betreuern.

Zumindest bei den Betreuern ging es mit dem Essen wohl weiter wie davor, wobei ich natürlich nicht weiß, ob das Essen der Betreuer nicht vielleicht besser war, aber von den Kindern wurde sich nur noch sehr, sehr vereinzelt beschwert. Rückblickend ist natürlich auch auffällig ist und ich frage mich, wie ich so blind sein konnte.

Das ich mir die ganzen Zustände mit den 16-STundentagen und ohne Wochenende und der mangelhaften Verpflegung nicht erfunden oder falsch verstanden habe, ergibt sich alleine schon daraus, dass es zwischen den anderen Betreuern, die alle Sozialpädagogik studierten und für welche der Aufenthalt ein verpflichtendes Praktikum zu Reibereien kam. Diese nahm ich nur am Rande war. Aber eine der Kolleginnen ergriff aufgrund der untragbaren Zu- und Umstände die Flucht, d.h. brach ihr verpflichtendes Praktikum ab und hierbei ist es wichtig zu verstehen, dass sie im Gegensatz zu mir das Praktikum als Studienleistung zu erbringen hatte.

Aber sie nahm lieber in Kauf einige Wochen zu verlieren und sonstwo ein Praktikum nachzuweisen, als das begonnen zu Ende zu führen.

Dunkel kann ich mich noch daran erinnern, dass ich daraufhin in der vierten Woche der „Freizeit“ erklärte, dass ich nun einige Tage meiner Wochenenden nachholte. Dies tat ich dann auch und in diesen Tagen besuchte mich meine damalige Freundin. Ich hatte ein Schuljahr hinter mir und das nächste vor mir, die „Freizeit“ dauerte 5 von 6 Ferienwochen und ich war erschöpft, schlichtweg am Ende.

Aus irgendeinem, mir heute unverständlichen Grund, wohl falsch verstandendes Pflichtbewußtsein, habe ich die Angelegenheit nicht komplett abgebrochen, wie es sich rückblickend gehört hätte.

Der damit ausgelöste Aufstand war dergestalt, dass ich kein Zeugnis bekam und ich glaube mich erinnern zu können, dass mir noch Geld abgezogen wurde. Selbst, noch beim Aussteigen aus dem Bus in meinem Heimatort hatte ich von einem CARITAS-Mitarbeiter eine persönliche Ansprache zu vergegenwärtigten; die mir aber angesichts der Sklavenhaltermethoden mit durchgearbeiteten Wochenenden und 16-Stundentagen allerdings bereits herzlich egal war; auch wenn ich die Problematik noch lange nicht ganz durchdrungen hatte.

Bei der Abschlussuntersuchung beim lokalen Allgemeinmediziner in Rickenbach hatten fast alle Kinder, obwohl nicht übergewichtig. 2 – 3 kgs abgenommen, was für 10-jährige wohl heftig ist. Trotzdem wurden, bis auf eine Ausnahme, überall dieselben Gewichte eingetragen wie bei der Eingangsuntersuchung. Auch diese Brisanz und welche Dimensionen diese hat, nämlich ärtzliche Unterlagen freihändig zu gestalten, ging mir erst beim Schreiben auf.

Denn nur ein Junge, der wirklich übergewichtig war und ½ kg abgenommen hatte, also eigentlich im Rahmen der Messungenauigkeit wurden 3 kgs Gewichtsabnahme aufgeschrieben. Da wir als Betreuer hierbei in der Arztpraxis behilflich waren, kann ich dies bezeugen. Es war auch Gesprächsthema zwischen den Betreuern.

Mir liegt es, angesichts des Leids der Kinder, auch in anderen, gar traumatischen, Zusammenhängen fern, hier aufzurechnen, aber es ist nun mal nicht so, dass nicht auch die Betreuer Opfer des billigen, gottlosem Profitstrebens der Nonnen und der Caritas wurden; auch wenn deren Leid sich in Grenzen hält.

Es tut mir trotzdem leid hierbei mitgewirkt zu haben, d.h. Jahrzehnte zurückblickend und nachdem ich selbst Kinder aufgezogen habe, würde ich mir diese Art von Sommeraufenthalt für kein Kind gewünscht haben.

Irgendwie wurde ich da auch missbraucht und sei es nur als billige Hilfskraft.

Wenn ich nun den Radiobeitrag in SWR2 vom 04.03.2021 höre, dann ist das Verhalten der kranken Menschen, welche Kinder so gequält haben, immer noch unentschuldbar aber ob das wirklich alle und ausnahmslos böse Menschen, gar Nazis, waren oder wegen Profitstrebens an ihr Limit und darüber hinausgeführt wurden?

Meine Erfahrungen waren dergestalt, dass ich davon Abstand nahm Sozialpädagogik zu studieren. Denn mir war klar, dass die 5 Wochen ohne Wochenende mit 14- 16-STundentagen mich an mein Limit geführt hatten und wohl so im Berufsalltag nicht vorkämen; oder vielleicht doch, wenn auch dort vielleicht erst nach 15 Jahren?

Ich habe dann auch davon Abstand genommen den Kriegsdienst zu verweigern, da ich bei den Ersatzdienstleisteden denselben Mechanismus am Wirken sah, d.h. ausgenutzt und überfordert mit den Alten und Kranken als Opfer. Bei der Abwägung schießen zu lernen für einen nur hypothetischen Ernstfall oder Kranke und Schwache darunter leiden zu lassen, dass ich ohne entsprechende Qualifikation und überfordert aus Gewinnstreben von „Trägern“, von unseren Gutmenschenorganisationen auf diese losgelassen werde, entschied ich mich für das erste.
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Ilona Seedorf aus Berlin schrieb am 08.03.2021
Ich war im Sommer 1966 als 8jährige ca. 4 Wochen in diesem Heim nahe am Strand. Anfangs hatte ich etwas Heimweh, ich war das erste Mal getrennt von meinen Eltern, aber ich wurde sehr liebevoll getröstet und überwand es schnell. Auch als ich einige Tage krank war, hat man sich sehr intensiv gekümmert, auch abends und nachts schaute immer wieder jemand nach mir. Da ich schon als Kind eine ausgeprägte soziale Ader für andere hatte, würde ich mich auch sicher erinnern, wenn Andere schlecht behandelt worden wären. Zumindest dieses Kindererholungsheim ist seinem Namen gerecht geworden.
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Tim aus Düsseldorf schrieb am 08.03.2021
Ich war 6 Jahre alt, als es im Sommer 1999 für 6 Wochen ins Kloster Wessobrunn in Kur ging.
In der Kaserne eh Ich meine im Kloster angekommen ging der Psychoterror gleich los.
Als erster Termin stand eine Impfung für alle Kinder an.
Aufgrund der vielen Kinder war dies mit enormen Wartezeiten verbunden. In dieser Wartezeit ließ man es sich nicht nehmen, die Kinder zu unterrichten, welch brutalen Schmerzen bei der Impfung bevorstehen!

Vor jedem Frühstück waren Wir Kinder gezwungen mehrere Runden auf einem Hof am Kloster zu laufen. Als Belohnung winkte die Aussicht vom Glockenturm nach dem Laufen. Vor dem Besteigen des Turmes hatte Ich jedoch große Angst vor den lauten Glocken welche regelmäßig leuteten. Einmal war Ich mit zwei weiteren ängstigen Kindern gezwungen mit einer Schwester eine längere Zeit auf dem Turm zu verharren!
Die Nahrungsaufnahme dort gleichte eher einer Kaserne als einem Kloster voller Kinder.
So war es verboten beim Essen zu sprechen und verpflichtend das vorgesetzte komplett zu verspeisen.
An einem Abend erwischte eine Schwester Mich beim Zähneputzen wie Ich etwas von der roten zuckersüßen Zahnpasta mit Erdbeergeschmack gegessen hatte.
Die Strafe folgte umgehend mit einer schallenden Ohrfeige. Des weiteren holte sie eine andere Zahnpasta und zwang Mich unter Androhung weiterer körperlicher Gewalt etwas davon zu essen. Sie war feuerscharf und schmeckte so in etwa nach Minze oder Mentol.
Rein vorsorglich durften Wir Kinder etwa 1-2 Stunden vor dem Schlafengehen nichts mehr trinken um dem Einnässen vorzubeugen!
Auch sollten Wir Uns besser nicht erwischen lassen beim Zähneputzen heimlich etwas Wasser vom Wasserhahn zu Trinken. Sonst drohte harte Brügel!
Toilettengänge waren nach dem Zubettgehen verboten. Im Notfall stand ein Eimer im Zimmer bereit. Natürlich wollte diesen Eimer kein Junge benutzen, wenn einem die Mädchen beim Pinkeln zuschauten. Umgekehrt wollten die Mädchen natürlich auch nicht von den Jungen beim Pinkeln beobachtet werden.

"Du willst doch nicht, dass die Schwester böse wird oder Junge?!"
Dieser Satz brannte sich fest bei Uns ein und galt als letzte Warnung vor Körperlicher Gewalt.
Diese Drohung wurde besonders häufig und für die kleinste Kleinigkeit ausgesprochen. Der nächste Schritt war dann die schallende Ohrfeige!

Auch erinnere Ich Mich an eine Situation die Mich in große Angst versetzte.
Ich musste ganz alleine als kleiner Junge auf einer durch Bauklötze oder Bausteine abgesteckte Fläche stehen und dort Stunden verharren. Geprägt von der beängstigenden Aussage dass Ich Wort wörtlich sofort "sterben werde, wenn Ich die Fläche verlasse oder Mich hinsetze" stand Ich Stunden lang stramm dort. Ich war so weggetreten, dass Ich nicht einmal merkte, dass Ich vor Angst eingenässt hatte! Die eingenässte Kleidung wusch Ich nach der Aufforderung der Schwester natürlich per Hand und das freiwillig. Ich wollte ja nicht, dass die Schwester böse wird ....!

Aufgeschreckt und erinnert an die traumatischen Erlebnisse in diesem Kloster wurde Ich durch einen Alptraum der sich in der Nacht vom 06.03.2021 auf den 07.03.2021 ereignete!
Über 20 Jahre habe Ich diese Horror-Erlebnisse verdrängt. Bis dato!

Wer auch solche Erfahrungen im Kloster Wessobrunn gemacht hat und eventuell sogar in den 90er Jahren dort war ist ausdrücklich gebeten sich bei Mir zwecks Kontakt/Gedankenaustausch via E-Mail an tim.steffen.kontakt@gmail.com zu melden.
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Michaela aus Kassel schrieb am 07.03.2021
Hallo. Ich wurde in den 80er Jahren zur Kur geschickt. Ich weiß noch das es für sechs Wochen war und ich mit dem Zug dorthin bin. Ich erinnere mich an das Schild am Bahnhof Rosenheim und einen Ort Namens Nußdorf. Das Thema lässt mich keinen Frieden finden, da ich dort furchtbares erlebt habe, ich wurde dort missbraucht.Leider habe ich niemanden gefunden der auch dort war und mir hilft mich an weitere Einzelheiten zu erinnern. Ich habe bereits einer Dame geschrieben aber keine Antwort mehr erhalten. Ich würde unter anderem gerne wissen wie dieses Heim hieß und es muss doch jemand anderen geben, der mit mir dort war.
Ich freue mich über jede Anwort.
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Britta B. aus Köln schrieb am 07.03.2021
Ich verbrachte im Sommer 1962 als 3-Jährige sechs Wochen im Kinderheim Sancta Maria auf Borkum.
Wohl auch aufgrund meines jungen Alters habe ich nur sehr wenige Erinnerungen an diesen Aufenthalt, fühle aber noch heute, dass es ein ganz düsteres Kapitel in meinem Leben war.
Die stärkste Erinnerung ist die an einen großen kahlen Schlafsaal mit vielen weißen Metallbetten, einer Nonne als Nachtwache auf einem Stuhl sitzend, einem Nachttopf unterm Bett, der Geruch von Pfefferminztee auf dem Nachttisch und Heimweh, gepaart mit einem Gefühl der Verlassenheit ohne Ende.
Zumindest einmal musste ich mich beim Essen in die Ecke stellen, mit dem Gesicht zur Wand.
Meine Eltern schickten mir einmal ein Paket, dessen Inhalt irgendwie verteilt wurde.
Meine heiß geliebte Babypuppe erhielt ich wohl nur zu bestimmten Spielzeiten, aber nicht beim Schlafen gehen, wo sie mir bestimmt ein kleiner Trost in der großen Einsamkeit gewesen wäre. Ich erinnere mich daran, dass ich meine Puppe beim Spielen auch an andere Kinder abgeben sollte, was ich aber überhaupt nicht wollte. Das ist alles was ich noch sicher weiß. Keine Erinnerung an Tagesabläufe, andere Kinder, Betreuungspersonen, Mahlzeiten.
Laut Verzeichnis von Folberth, Sepp - Kinderheime - Kinderheilstätten, 2. Auflage 1964, S. 160 hatte „Sancta Maria“ 280 Betten für Kinder von 6!! - 13 Jahren. Ich habe noch vier Fotos von meiner Mädchengruppe, auf denen ich wohl als die Jüngste zu sehen bin.
Pfefferminztee konnte ich noch jahrzehntelang danach nicht trinken.
Es kostete mich sehr viel Überwindung und gutes Zureden, meine Kinder in einem Kindergarten anzumelden, der mir vom Konzept her sehr zusagte, aber von einer katholischen Nonne geleitet wurde. (Die Erzieherinnen waren aber „weltliche“ Fachkräfte.)
Nachdem ich die vielen erschütternden Erfahrungsberichte in diesem Blog gelesen habe, vermute ich, dass auch ich noch ganz andere Dinge erlebt habe, die in meinem Gedächtnis ausgelöscht sind. Das würde mir so manche Probleme, mit denen ich heute noch kämpfe, erklären.
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Jutta Weißer geb.Peter aus Villingen-Schwenningen schrieb am 06.03.2021
Ich wurde mit 5 Jahren auf Anraten unseres Hausarztes zur „Erholung“ nach Lenzkirch geschickt. Mein Bruder wurde gleichzeitig nach Bamberg verschickt. Angeblich weil wir zu schmächtig waren. Ich hatte solches Heimweh, mir fehlten meine Geschwister, die Eltern und die gewohnte Umgebung. Ich war bis dahin noch nie von zuhause weg. In dem Heim gab es große Schlafräume mit ca. 8-10 Betten und wir wurden immer zum Mittagschlaf ins Bett gesteckt. Eine Schwester in grauem Gewand überwachte uns, damit ja keiner Faxen macht. Ich hab oft geweint, dann war mein Kopfkissen klatschnass und dafür wurde ich ausgeschimpft. Auch mussten wir unseren Teller immer leeressen. Einmal gab es Spinat, den ich partout nicht mochte, ich musste ihn essen. Danach mussten wir uns alle in der Reihe vor der Toilette anstellen und noch aufs Klo gehen, bevor es dann zum Mittagschlaf ging. Beim Anstehen kam mir der Spinat wieder hoch und ich erbrach in im hohen Bogen gegen die Toilettentür. Daraufhin bekam ich von der „Tante“ gewaltig den Hintern vermöbelt und wurde für den Rest des Tages ins Bett gesteckt. Dieses Erlebnis und dass mich ein paar Mädchen gemoppt haben ist mir in Erinnerung geblieben, und dass ich an Masern erkrankte und deswegen noch eine Woche länger bleiben musste. Sonst weiß ich nichts mehr. Keine Namen, keine Gesichter, nur graue Kutten und weiße Hauben. Warum ich in „Erholung“ musste, weiß ich bis heute nicht. Ich war nach der Mastkur dünner denn je.
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Claudia K. aus Bamberg schrieb am 06.03.2021
Ich möchte den Eintrag meiner Schwester Susanne K. vom 01.03.2021 ergänzen.
Wir müssen 6 und 8 Jahre alt gewesen sein als wir in das "Kindererholungsheim" geschickt wurden. Unserer alleinerziehenden Mutter wurde eine Kur verschrieben und wir mussten irgendwo unterkommen während der Sommerferien.
Die in psychisch und physischer Hinsicht sadistische Behandlung, die wir als Kinder in Neustift erfuhren, ist auch im Rückblick nur schlecht erträglich.
Während unseres 4-wöchigen Aufenthaltes in diesem von "schwarzen" Nonnen geleiteten Heimes lag meine Schwester ca. eine Woche mit einer Mandelentzündung im Bett. Ich durfte sie während des ganzen Aufenthaltes nur einmal während ihrer Krankheit durch eine Glasscheibe sehen. Sprechen durften wir vier lange Wochen nicht miteinander. Alle Schlafräume waren mit Glasscheiben ausgestattet, durch die die Schwestern z.B. den Mittagsschlaf der Kinder beobachteten. Jedes Kind, das sich während der Ruhezeit auch nur bewegte, wurde bestraft. Jeder noch so kleiner fröhliche Ausbruch wurde sofort mit Androhung von Strafen unterdrückt. Ekel gegenüber Essen wurde mit Zwang, eine weitere Portion essen zu müssen bestraft. Als Kind einer alleinerziehenden, geschiedenen Mutter war ich für die Nonnen unterstes Niveau und bekam die Verachtung täglich zu spüren. So wurde ich z.B. gleich zu Beginn vor allen anderen damit gedemütigt, dass ich nicht die richtige Wäsche und auch nicht genug Wäsche dabei hatte. Freunde habe ich so nicht gefunden. Durch das Verhalten der Nonnen waren aber auch die Kinder ohne Empathie füreinander. Jeder kämpfte für sich und Trost gab es keinen. Einmal am Wochenende durften wir im Fernsehen die Hitparade schauen. Nach der Rückkehr in den Schlafsaal versuchte ich ein dort aus Strafe zurückgebliebenes Mädchen aufzuheitern, indem ich eine Sängerin (Maggie Mae - Lollypop;) nachmachte. Meine Strafe folgte auf den Fuß und so musste auch ich in den nächsten Tagen früher ins Bett. Nachts bekam man mit, wie Kinder, die sich einnässten aus den Betten geholt wurden. Was mit einem geschah, wenn einem dieses Malheur passierte, konnte ich am eigenen Leib erfahren. Aus dem Bett gerissen, beschimpft, nackt in eine Badewanne gestellt, mit kaltem Wasser abgeduscht und brutal abgeschrubbt. Ich stellte mir wochenlang meine Flucht aus dem Heim vor und flehte jede Nacht innerlich um Hilfe. Die Briefe, die wir unseren Eltern schreiben mussten, wurden gelesen und zensiert. Man wusste, dass man nicht die Wahrheit schreiben durfte. Als wir mit dem Zug wieder in Bamberg ankamen und unsere Mutter uns empfing, ist meiner Erinnerung nach sofort alles aus uns herausgebrochen. Ich habe nur noch geheult. Unsere Mutter hat Beschwerde beim katholischen Träger des Heimes eingereicht und sie war wohl nicht die Einzige. Angeblich ist das Heim zunächst geschlossen worden. Sicherlich hätten wir damals psychologische Hilfe gebraucht, aber angeboten wurde dies nicht.
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Karin aus Baden Württemberg schrieb am 05.03.2021
Vor kurzem wurde ich durch eine Videoaufzeichnung auf das Thema Verschickungskinder aufmerksam. Ich war tief erschüttert und hatte direkt körperliche Schmerzen. Das war für mich der Anlass, weiter zu recharchieren, da ich im Winter 1962 im Kindersanatorium WUNSCHA (ehemalige DDR) war . Ich habe an diese Zeit des Aufenthalts (4 Wochen) keine Erinnerung. Ich war bereits 7 Jahre alt, in der zweiten Klasse und kann mich an die Zeit davor gut erinnern.(Schuleinfuhrung/erstes Schuljahr). Da ich mein ganzes Leben lang nach Gründen suche, warum ich weder Nähe zulassen kann und mir immer selbst im Wege stehe, vermute ich nun, dass es Ursachen dafür gibt, die eventuell mit dieser Zeit zu tun haben.Es gibt leider niemanden mehr, den ich in der Familie fragen kann und es wurde auch nier darüber geredet. Leider gibt es das Kurheim nicht mehr und auch den Ort Wunscha nicht, da er in den achtziger Jahren dem Bergbau zum Opfer gefallen ist. Weitere Recherchen haben mich bisher nicht weiter gebracht. Vielleicht soll es so sein, dass sich hier jemand findet, der im selben Kurheim war. Im Moment lese ich das Buch "Die Akte Verschickungskinder", welches aber eher die Kinder der BRD betrifft.
Ich hoffe sehr, dass mit Hilfe dieser Homepages, vielen Menschen geholfen werden kann und immer mehr Licht ins Dunkel kommt. Vielen Dank für diese Möglichkeit.
Liebe Grüsse Karin
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Harald Reimann aus Kassel schrieb am 05.03.2021
Sehr geehrte Frau Röhl,
vielen Dank für Ihr Engagement, ohne das ich auf dieses in der Öffentlichkeit verdrängte Problem nicht aufmerksam geworden wäre. Hier folgt meine Geschichte aus der Erinnerung:
Meine Zwillingsschwester und ich wurden mit 4 Jahren, einige Monate vor unserem 5. Geburtstag, zur "Kindererholung" auf die Insel Amrum verschickt, nach Wittdün/Nebel. Wie ich später erfuhr, gehörte das Kindererholungsheim "Lenzheim" in den 60iger-Jahren der evangelischen Kirche, die einen "Lenzheim-Heimstätten-Verein" in Kurhessen-Waldeck (Sitz Kassel) gegründete hatte, der Bestandteil der Inneren Mission war (vermutlich war das Heim auch schon 1959 im Besitz der Kirche, aber das werden Sie stimmt schon recherchiert haben. Vielleicht können Sie mich mal darüber informieren. Vielen Dank.).
Das Heimweh von uns kleinen Kindern war grenzenlos und besonders meine Schwester litt besonders darunter. Sie weinte ständig und hatte Angstträume, so dass die "Tanten" sie öfter nachts zu mir ins Jungenzimmer brachten, damit sie sich mit mir zusammen im Bett schlafend beruhigen konnte. Die Schlafräume waren vollgestellt und ich hatte selbst auch Einschlafprobleme, da ich so viele Menschen auf engstem Raum nicht gewohnt war.
Dass man beim Essen so lange sitzen bleiben musste, bis alles aufgegessen war, erinnere ich auch noch und auch daran, dass eines Tages der Abfalleimer, in den die Apfelreste gegeben wurden, nochmal an uns Kinder zurück gereicht wurde, mit der Begründung, wir hätten die Äpfel nicht genug abgegessen. So mussten alle Kinder sich einen Apfelrest aus dem Eimer nehmen (der natürlich nicht ihr eigener war) und ihn abknabbern.
Die schlimmste Erinnerung für mich war das Duschen abends, wenn wir vom Spiel am Strand zurück kamen. Duschbrausen, die unter der Decke hingen, kannte ich von zuhause nicht und wurde ohne Vorwarnung darunter gestellt. Dann schoss das Wasser mit großem Druck herab, und ich hatte das Gefühl, zu ertrinken oder zu ersticken. Jedesmal, wenn ich zur Seite sprang, wurde ich mit Gewalt zurück gedrängt, festgehalten und es gab auch Schläge aufs Gesäß. Ein-oder zwei anderen Jungen erging es ähnlich und wir mussten "als Strafe" zum Schluss länger als die anderen Jungen weiter duschen. Dazu wurde wechselweise das Wasser erst heiß und dann kalt aufgedreht und sollte unserer "Abhärtung" dienen. Ich hatte jeden Tag Angst vor dem Duschen und konnte das Spiel am Strand nie richtig genießen, weil ich bereits an den Abend unter der Dusche denken musste.
Auch das Waschen morgens in den kalten Räumen, nackt, und das Zähneputzen mit Salzwasser sind noch heute in meiner Erinnerung.
Ich kam als verängstigtes Kind zurück und blieb es über viele Jahre. Dazu gesellte sich ein übergebührlicher Respekt vor "Autoritäten", denn der eigene Wille war teilweise gebrochen worden, zusammen mit einem Verlust des Vertrauens in andere Menschen. Bis heute habe ich Schwierigkeiten mit Menschenansammlungen und suche in Theater, Kino usw. zuerst den "Notausgang" als Fluchtmöglichkeit. Ich bevorzuge dort immer einen Sitzplatz an einer Seite und kann nur mit größtem Unbehagen irgendwo in der Mitte sitzen.
Soweit meine erinnerte Geschichte. Ich bin noch im Besitz von 2 persönlichen Fotografien aus der damaligen Zeit und meine Schwester besitzt ein kleines Foto-Andenken-Mäppchen zum Aufklappen vom "Lenzheim", welches uns als Souvenir zum Abschied mit gegeben wurde. Es ist ein böses Andenken.
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Wolfram schrieb am 05.03.2021
Meine Verdrängungsmechanismen haben sehr gut funktioniert bis ich bei einem Spaziergang mit meinen Töchtern aufgerüttelt wurde. Sie hatten von unglaublichen Zuständen in Erholungsheimen in der Nachkriegszeit gelesen. Durch das Gespräch kamen die Erinnerungen an meine "Mastkur", so hatte ich meinen Aufenthalt immer tituliert, wieder hoch. Wenn ich mich recht erinnere, hatte das Gebäude einen großen Speisesaal, in dem Neben der Nahrungsaufnahme bei schlechtem Wetter auch Spiele stattfanden. An den Tischen saßen wir zu sechs oder acht Kindern im Alter von ca. neun bis vierzehn Jahren. Ich war spindeldürr und kerngesund. Mein Highlight beim Essen war vieler anderer Elend. Es gab täglich Haferflocken mit Zucker, Kakao und Milch, meine Lieblingsnahrung. Ich konnte nicht verstehen, warum andere das nicht mochten und sich sogar davon übergeben mussten. Ausnahmslos jeder musste seinen Teller auffüllen und leer essen. Mir gegenüber saß ein Junge, der, nachdem er in seinen Teller erbrochen hatte, gezwungen wurde, das Erbrochene wieder zu essen. Anderen erging es nicht anders. Ich bekam große Angst, das es mir genauso ergehen würde und aß alles, auch wenn es mich ekelte. Nach dem Mittagessen mussten alle in ihre Betten und schlafen. Danach ging es bei trockenem Wetter raus. Abends, wenn alle in den mit acht bis zehn Betten bestückten Schlafräumen lagen, kamen die großen Jungs zu uns kleinen, zogen wahllos irgend einem die Decke weck und die Hose runter und hatten riesig Spaß beim Schinkenklopfen, bis die Pobacken feuerrot waren und der Gepeinigte Rotz und Wasser heulte. Die Betreuungsriege zeigte daran keinerlei Interesse. Während des sechswöchigen Aufenthalts wurde unter Aufsicht nach Hause geschrieben. Jeder musste schreiben, dass alles ganz toll und schön ist, und dass es einem gut ginge. Dann brach zu allem Übel noch Mumps aus. Die Erkrankten wurden von den anderen getrennt, und niemand wusste, was mit denen geschah. Manchmal sah man den ein oder anderen am Fenster, wenn wir draußen spielen durften. Dann erwischte es auch mich. Da ich auf keinen Fall in diesem Haus gefangen sein wollte, verschwieg ich meine Erkrankung und vertuschte die Schwellung mit einem Rollkragenpulli. Später, wieder zu Hause, erkrankte ich an einer Hirnhautentzündung. Für mich waren diese Wochen ein reines Grauen mit viel Heimweh. Ich wagte mich nicht, mich jemandem anzuvertrauen, da ich Sanktionen fürchtete. Als ich endlich wieder nach Hause kam, heulte ich vor Erleichterung. Meinen Eltern habe ich nie etwas davon erzählt. In meinem "Entlassungsgutachten" wurde bescheinigt, sechs Kilogramm zugenommen zu haben. Ziel erreicht. Geprüft hat es niemand.
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Silke Balsser schrieb am 05.03.2021
Ergänzung zu meinen Schreiben: War am 04.September 1968 bis zum 11.Februar 1969 in Dehrn wurde vom meinen Hauptwohnsitz abgemeldet u dort angemeldet.

Wurde vom Facharzt (Marburg Hessen ) verschickt.....meine Eltern sollten sich an den Kosten beteiligen 24 DM am Tag (eine Information für die Verwaltung der Kinderklinik Schoss Dehrn) bin nicht sicher von wem das Schreiben kommt die Krankenkasse AOK oder Stadt/Kreissozialamt oder Landeswohlfahrtsverband für meine Eltern unmöglich zu bezahlen mein Vater als Hauptvediener war meine Mutter nur stundenweise arbeiten ging ...Ich habe die Patientenakte angefordert die Behandlungsmethoden waren nicht dabei aber eine Bescheinigung das ich polizeilich gemeldet war (war 6Jahre alt ).
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Gabriele Schmidt aus Hannover schrieb am 04.03.2021
Ich war 10 Jahre alt als durch die AWO im Kinderkurheim Herrlingen bei Ulm war. Ich hatte schlimmes Heimweh, es war Hochsommer. Wir mußten draußen unter schweren Jutedecken unsere sogenannte "Mittagsruhe" halten. Direkt neben den Pritschen war ein Tisch an dem ein Junge saß und - ich glaube "Tante Ingrid" - die ihn mit strenger Mine zwang zu essen. Und auch hier sah ich entsetzt, wie der Junge erbrach und das Erbrochene weiter essen mußte. So etwas ist also kein Einzelfall. Briefe nach Hause wurde vorab von "Tanten" gelesen und zensiert. Stand etwas negatives drin, mußte der Brief noch einmal geschrieben werden. Telefonate nach Hause gab es damals noch nicht. Das ist auch die Erklärung, dass die Eltern nie erfuhren, wie es einem ging. Einmal hat ein Mädchen aus Berlin den Mut gehabt, unsere heimlich geschriebenen Briefe zu einem Briefkasten am Ende der Straße zu bringen, indem sie durch ein Loch im Maschendrahtzaun schlüpfte und schnell die Straße hinunter lief. Als mein Brief zu Hause ankam, rief mein Vater mich an. Ich wurde ans Telefon geholt, aber "Tante Jutta" stand beobachtend daneben und ließ mich nicht aus den Augen. Das Ganze hatte ein wenig von einem Gefängnisaufenthalt. Ich war nicht zum Zunehmen, sondern zum Abnehmen dort, da ich schon immer etwas pummelig war. Morgens mußten die "Abnehmer" eine Tablette schlucken, Appetitzügler Tenuate. Dann war man ganz aufgedreht und hatte weniger Hunger. Heute wäre so etwas undenkbar. Nach alle den anderen hier beschriebenen Berichten ging es uns noch relativ gut, ausser dem schrecklichen Heimweh und den vereinzelten unschönen Vorkommnissen war es gerade noch auszuhalten. Heute bin ich 63 Jahre als. Vor kurzem waren wir mal in Herrlingen und haben das ehemalige Kinderkurheim angeschaut. Es hat sich kaum verändert, ist jetzt aber von einer Privatperson bewohnt. Alles in allem war die Zeit dort eher unschön und ich habe noch Monate später voller Freude festgestellt, endlich wieder zu Hause zu sein. Die Kinderkuraufenthalte in der damaligen Zeit waren wohl im allgemeinen nicht sehr angenehm.
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Inge N. schrieb am 04.03.2021
Ich verbrachte 6 Wochen in Dausenau, angeblich wegen Bronchitis. Ich war erst 5 Jahre und sehr schüchtern, so das ich fürchterlich unter der Trennung meiner Eltern gelitten habe. Ich kann mich nicht an so viel erinnern, nur an die Essensszenen und die große Angst es nicht runter zu bekommen. Ich kann mich wenig an Details erinnern. Vielleicht verdrängt. Auf jeden Fall wurde ich nach dem Aufenthalt dort "nicht mehr krank" und war noch schweigsamer als vorher. Meine Mutter erzählte, das Ehepaar Lichius, das Haus war in Privatbesitz, hat mich und einige andere Kinder am 9.9.59 mit zwei PKWs in Saarbrücken abgeholt. Ich war aus Orscholz. Vielleicht kann sich noch jemand daran erinnern. Ich habe noch ein Gruppenfoto und eine Karte und werde dies noch in die Galerie tun. Alles Liebe Inge
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Thorsten Krause aus Hamburg schrieb am 04.03.2021
Ich war im Sommer 1977 für sechs Wochen in einem Heim auf der Insel Föhr in der Nordsee, nachdem ein Arzt oder sonstiger Herr in weißem Kittel meiner Mutter nach einer sehr oberflächlichen Untersuchung weisgemacht hatte, ich müsse zunehmen. Ich erinnere mich noch gut an den Tag der Abreise, an dem ich in einen Bus gesteckt wurde, während meine Eltern draußen standen und mir hinterwunken, als führe ich für immer davon. Ich war mit neun Jahren nie zuvor von ihnen getrennt gewesen, und jetzt sollten es gleich sechs Wochen sein. Man hatte mich in keinster Weise auf den Aufenthalt vorbereitet, ich kannte keines der anderen Kinder und auch keinen der Erwachsenen. Während der mehrstündigen Fahrt zur Insel kümmerte sich niemand um mich, wurde ich nicht getröstet, machten wir keine Pause. Ich vermute, dass wir an Bord der Fähre die Busse hätten verlassen können, aber das geschah meiner Erinnerung nach nicht, weil es gewiss aus personellen Gründen unmöglich war. Ob ich etwas zu Essen oder zu Trinken dabei hatte, weiß ich auch nicht mehr. Ich kann es mir aber nicht vorstellen, weil mein kindlicher Organismus eine so lange Reise ohne die Benutzung einer Toilette kaum ausgehalten hätte. Die Betreuerinnen und Betreuer im Heim waren streng. Strenge war das Mittel der Wahl, nicht Liebe. Einen so großen Haufen Kinder zusammenzuhalten, gelang offenbar nur so, zumal, wie schon erwähnt, die Personalstärke schwach gewesen zu sein scheint. Ich weiß, dass wir während des gesamten Aufenthalts nicht ein einziges Mal im Meer gebadet haben. Auch das lässt für mich nur den einen Schluss zu, dass es an geschultem Personal mangelte. Was wir Jungs stattdessen machten, waren Gruben, die wir im Sand des Strandes schaufelten, Tag für Tag. Solche Schanzarbeiten, wie sie unter anderen zeitlichen Bedingungen wohl auch für die Vorbereitung auf den Fronteinsatz hätten praktiziert werden können, scheinen das einzige gewesen zu sein, was den Betreuern einfiel. Eines Nachts wachte ich auf und tappte im Halbdunkel zur Toilette, fand aber beim Zurückkehren mein Bett nicht wieder. So legte ich mich schüchtern und zu ängstlich, um den Aufseher in seinem schwach beleuchteten Zimmer um Hilfe zu bitten, auf das mit einem Plastiklaken überzogene Bett in einem anderen Zimmer. Irgendwann war mir so kalt, dass ich erneut aufstand und mich auf die Suche nach meinem Bett machte und es auch glücklich fand. Am Ende meines Aufenthaltes lernte ich ein Mädchen kennen und fragte sie in kindlicher Manier, ob sie mich zu ihrem Freund wolle. Sie schien mich für würdig genug gehalten zu haben, dass sie einwilligte, und ich erlebte einige Stunden großen Glücks. Doch schon am folgenden Tag war sie nicht mehr da. Ihre Eltern hatten sie zwei Tage vor unserer aller Abreise nach Hause geholt. Ich sah sie nie wieder. Ob die Heimleitung hinter dieser unvermittelten Trennung steckte, weiß ich nicht, aber es würde mich auch nicht überraschen. Als besonders absurd für dieses ganze Konstrukt Heimverschickung erscheint mir heute ein „Ausflug“, den wir eines Tages machten und der in einer Umrundung der Insel bestand. Wir marschierten morgens mit vier Scheiben Butterbrot los. Nach einer Weile ließ man uns, die wir den Schluß des Bandwurms bildeten allein, um Getränke zu besorgen. Doch während der insgesamt 42 Kilometer sahen wir keinen einzigen Tropfen davon. Wir waren bald ein Grüppchen von fünf Jungs, vollkommen auf sich allein gestellt, die irgendwann aus purer Verzweiflung beschlossen, das Wasser aus den Pfützen zu trinken, die sich am Fuß des Deichs gebildet hatten. Eine Evaluation meines Aufenthaltes nach sechs Wochen fand nicht statt, niemand fragte mich oder meine Eltern jemals danach, was das alles gebracht hatte. Eine Farce, die zum Glück folgenlos für mich blieb, und nur ein gebrochenes Herz hinterließ, das ich mich schleunigst zu flicken bemühte. Eines hatte ich zumindest gelernt: Verlasse Dich niemals mehr auf Erwachsene, weder Deine Eltern noch andere.
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Erika G. aus Redefin schrieb am 04.03.2021
Da ich in RL/PF geboren bin und nach dem 2, Kuraufenthalt in MV gelandet bin, kann ich nicht sagen, ob ich in Ost-oder Westdeutschland zur Kur war. Ich erinnere mich daran, wie wir 4-5 Jährigen nackt in einem stark vernebelten Raum im Kreis laufen mussten. Eine Pflegerin zwang mich zum essen. was schnell wieder retour kam. Daraufhin schleifte sie mich eine breite Treppe hinauf. Hatte eine gefühlte Ewigkeit vorher allein an der großen Tafel sitzen müssen.
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Hofrichter Katharina schrieb am 04.03.2021
1965 schickten unsere Eltern meinen siebenjährigen Bruder auf Anraten der Kinderärztin über die BASF nach Bad Dürrheim ins DRK Kinderheim. Damit es für meinen Bruder nicht so schwer sei, so lange in Kur zu sein, schickten sie mich mit. Ihnen wurde nicht vorher erklärt, dass Vorschulkinder und Schulkinder getrennt untergebracht werden. So wurde ich schon auf der Fahrt von meinem Bruder getrennt und war sechs Wochen lang allein. Einmal traf ich meinen Bruder zufällig im Treppenhaus und wir freuten uns beide - sofort wurde uns verboten, miteinander zu sprechen, sonst gäbe es kein Mittagessen.
Nachts wurde uns vorgeschrieben, wie wir im Bett zu liegen hatten und auf welche Wand wir schauen mussten. Es gab Jungs, die aufstanden und mit dem Nachttopf als Mutprobe Fußball spielten, bis die Nachtschwester kam. Die habe ich bewundert, selbst war ich so eingeschüchtert, dass ich nicht einmal aufstand, als ich dringend aufs Klo musste.
Es gab DRK - Schwestern, die habe ich als Drachen in Erinnerung. Aber es gab auch Frauen aus dem Ort, die waren richtig lieb. Zum Glück hatte eine von den lieben Frauen Dienst in der Nacht, als ich ins Bett machte!
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich zum essen gezwungen wurde oder dass das Essen nicht schmeckte.
Furchtbar fand ich, dass ich vor dem Essen nicht die Hände waschen durfte und kein Taschentuch bekam, als ich starken Schnupfen hatte. Mein Bruder meint, Zahnpasta, Seife und Tempos hätten die Schwestern eingesteckt.
Ich habe noch den Arztbericht von damals. Darin steht, dass ich sehr ruhig war und nur langsam Kontakt zu zwei anderen Kindern fand. Da hat doch jemand genauer hingeschaut!
Und dass ich etwas zugenommen habe- das war ja bei untergewichtigen Kindern immer ein Sieg!
Ich erinnere mich an Spaziergänge im Wald, an die Inhalationen und an ein Schwimmbad im Keller und an ein Spielzimmer mit Spielsachen, in dem ich mit anderen Kindern gebaut habe. Daran habe ich gute Erinnerungen.
Aber alles ist überlagert von der großen Einsamkeit und dem Gefühl des Ausgeliefertseins.
Meine Eltern haben extra ganz in der Nähe Urlaub gemacht und wollten uns besuchen. Sie wurden abgewimmelt nach einem kurzen Gespräch mit dem Arzt. Noch heute sagt meine Mutter, sie hätten uns sofort mitgenommen, wenn sie um die Zustände gewusst hätten.
Ich war 5 Jahre alt und war nicht im Kindergarten- ich war mit der Situation völlig überfordert.
Meine Eltern waren sehr erschrocken, als ich eingeschüchtert nach Hause kam.
Jahrzehnte später war ich zur Reha auf Föhr. Die Atmosphäre hat mich so an das Kinderheim 1965 erinnert- was ich denke und fühle, ist unwichtig. Der Arzt bestimmt, was läuft. Der Kasernenton hängt wohl bis heute in den Mauern.
Inzwischen fahre ich gerne nach Bad Dürrheim in Urlaub- jedes Mal gehe ich am DRK Kurheim vorbei, das immer mehr verfällt. Als Mutter- Kind Heim hatte es noch eine gute Zeit, aber das war lange nach 1965.
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Susanne Schauer aus Bietigheim-Bissingen schrieb am 03.03.2021
Ich schreibe hier für meine Mutter, die leider schon verstorben ist. Sie hat mir aber viel über ihre Kinderlandverschickung berichtet, und es hat sie ihr ganzes Leben beschäftigt.
Da sie zu klein und zu dünn war musste sie vor der Einschulung in "Erholung". Ihr einziges Glück war, dass ihr Bruder auch mit musste und so hat sie sich nicht ganz so verloren gefühlt. Sie hat mir von Zwangsessen (Sitzen bis zum Nachmittag) und von Zwangsmittagsschlaf (egal wie alt) berichtet. Ihr Heimweh war unerträglich, da sie noch nie von ihrer Familie und ihrem Bauernhof getrennt war.
Es hat sie so sehr erschüttert, dass ich als Kind nie aufessen musste und auch nie wo übernachten musste wo ich nicht wollte. Zu Hause hat sie erzählt wie schlimm der Aufenthalt für sie war. Ihre Eltern haben sie nicht mehr weggeschickt!
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Franziska schrieb am 03.03.2021
Da meine Mutter mit meiner Erziehung (Ich war Einzelkind, mein Vater hatte einen guten Arbeitsplatz, die noch fitten Großeltern wohnten noch im Haus) überfordert war und /oder ich Probleme mit den Bronchien hatte, wurde ich mit vier Jahren und vier Monaten ins Kinderheim Mittelberg-Oy verschickt.
Meine Mutter war vor ihrer Heirat und meiner Geburt 1955 beim Gesundheitsamt beschäftigt und dort wurde durch einen ihr vermutlich bekannten Arzt mein Asthma und Untergewicht (auf meinen damaligen Kinderfotos nicht zu erkennen) attestiert. Ohne Vorbereitung wurde ich von meiner Mutter ohne Abschiedsworte am Bahnhof an einen Sanitäter übergeben.
An meine ersten Tage im Heim kann ich mich kaum erinnern, aber die Berichte auf der Web-Seite zu Mittelberg kann ich alle bestätigen. Man zwang uns Kindern zum Essen mit der Drohung: „Wenn du nichts isst, kommt der Schlauch“ Der lag immer am Tisch.
Falls ein Kind weinte, wurden die anderen dazu aufgefordert, das Kind zu verlachen und mit den Fingern darauf zu zeigen. So stand man am „Pranger“ und wurde als „Lätschenbene“ (= Heulsuse) verspottet.
Mittags gab es die Liegekur, wenn man sich bewegte, wurde man fixiert. Beim wöchentlichen Arzttermin bekam man von einer Ärztin eine Spritze in den Hintern verabreicht. Nachts wurden wir im Dunklen mit Kochlöffel oder Ähnlichem geschlagen, vermutlich wenn man tagsüber nicht so folgsam war.
Am schlimmsten empfand ich jedoch die morgendliche Toilettenverrichtung. Wenn man kein „Häufchen“ gemacht hatte, wurde man auf den vollen Eimer in den Flur gesetzt. Alle anderen Kinder gingen vorbei, mussten lachen und mit dem Finger auf einen zeigen.
Kurz gesagt: Für mich war es eine Zeit der Hölle mit Drohungen: Wenn du nicht folgst, kommt der schwarze Mann und nimmt dich mit in den Kohlekeller.
Nach meiner Rückkehr erkannte ich meinen Vater nicht mehr, ich verweigerte den Kindergartenbesuch. Meine Eltern ließen mich nichts über den Aufenthalt erzählen, ich wurde als „Phantasiehansl“ bezeichnet. Es wurde mir nicht geglaubt, bis ich es verdrängte und es mir selbst nicht mehr richtig vorstellen konnte. Ich war traumatisiert, mein Urvertrauen war zerstört, ich immer unsicher und ängstlich.
Trotzdem habe ich mein Leben gut bewältig und dank meines Mannes (Wir heirateten schon mit 20 Jahren) und meiner Berufe geschafft, ein einigermaßen glücklicher und erfolgreicher Mensch zu werden. Nur Kinder wollte/konnte ich nicht bekommen.
Kurz vor dem Tod meiner Mutter übergab sie mir die Unterlagen über den Aufenthalt, die ich leider vernichtete. Ein Gruppenfoto (ca. 20 Mädchen im Alter von 2 bis 12 Jahren und einer ganz in weiß gekleideter Klosterschwester) habe ich aufbewahrt.
Ich weiß aber von den Postkarten des Heimes, die von den Eltern voradressiert und mit kurzen Berichten des Heimes versehen verschickt wurden. Beispielsweise: Ich habe noch ein wenig Heimweh. Wenn ich heimkomme, bin ich ein kleines Dickerchen.
Ein ärztliches Attest war nach Entlassung vorhanden: Kerngesund und ein Pfund zugenommen.
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Sabine Stengel-Maidel aus 87769 Oberrieden schrieb am 03.03.2021
Gleich am Anfang wurde ich (7 Jahre) von meiner 9-jährigen Schwester getrennt. Ich kam in die Gruppe der Jüngsten, Buben und Mädchen waren zusammen. Einmal musste ich im kalten großen Speisesaal den ganzen Nachmittag in Unterwäsche sitzen, "zur Strafe" (wofür?) . Jeder, der hereinkam, konnte mich dort sitzen sehen. Ich wurde ausgelacht und verspottet, besonders von den älteren Buben. Ich war sehr dünn und kränklich, der evangelische Pfarrer in meinem Heimatort hatte meinen Eltern das Heim besonders für Kinder, die vorher an Keuchhusten erkrankt waren, ans Herz geleg. Er betonte vor allem die gute Führung und den guten Ruf des Heimes. Meine Eltern waren überzeugt, uns etwas Gutes zu tun. Das Essen war grauenhaft, einmal brach Brechdurchfall aus. Viele Kinder in meinem Schlafsaal erbrachen sich oder machten ins Bett. Da es Nacht war, trauten wir uns nicht, die "Tanten" zu wecken. Die sahen dann am Morgen die Bescherung, die ich ihnen heute noch gönne...Ich durfte meine ältere Schwester nur einmal, an einem Sonntag, als wir in die Kirche mussten, sehen. Sich mit anderen Kindern anzufreunden, wurde unterbunden. Ich fühlte mich immer sehr allen und hatte Heimweh. Getröstet hat einen niemand. Ich war ein stolzes Kind und zeigte meine Gefühle nicht. Ich hatte 4 Wochen ständig einen Kloß im Hals, aber rein instinktiv zeigte ich mein Weh den Tanten nicht, da es dann noch schlimmer werden würde für mich. Spielsachen gab es gar keine, nicht einmal einen Ball. Ab und zu wurde ein Ausflug an den Strand gemacht. Wir mussten in dem eiskalten Nordseewasser badenund saßen den restlichen Tag in unseren nassen Badanzügen schlotternd am Strand. Getobt werden zum Aufwärmen war strikt verboten. Was mich sehr erstaunt hat war, dass die beiden Tanten (eine davon hieß Ursula) ständig an den kleinen Buben in meiner Gruppe herumfummelten. Meine Eltern bekamen per Postkarten mitgeteilt, wie gut sich ihre Kinder erholten und wie fröhlich wir waren. Meine Eltern schickten mir mindestens zwei Mal Päckchen mit Süßigkeiten, von denen ich nichts bekommen habe. Die Tanten haben die Sachen wohl selbst gegessen. Zum Waschen im Waschraum (es gab dort eine Dusche, höchstens drei Waschbecken und Toiletten) mussten wir nackt mit Handtuch und Seife anstehen, bis wir an der Reihe waren. Es war dort immer kalt, ich habe ständig gefroren, weil ich so dünn war. Im Nachhinein bin ich erstaunt, dass ich mir dort nicht noch eine Lungenentzündung zum Keuchhusten geholt habe. Ich hatte wohl eine stabile Konstitution... Meinen Eltern habe ich zu Hause von alldem erzählt, und mein Vater hat die Geschichten dem evang. Pfarrer, der ihm zu der Kur geraten hatte, berichtet. Er wollte das wohl nicht glauben, aber meine Eltern sagten, sie hätten keine Zweifel an unseren Berichten. Ob es daraufhin Kosequenzen in dem Heim gab, weiss ich nicht, ich glaube aber nicht. Das Heim ist heute ein Jugenderholungsheim und heisst anders. Die "Erziehung" zu dieser Zeit war drakonisch, Kinder mussten funktionieren und gehorchen. Ich musste nie wieder in eine solche Einrichtung, meine Eltern waren tief betroffen von den Vorkommnissen und machten sich Vorwürfe, uns das angetan zu haben.
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Hubert S. aus St. Peter Ording schrieb am 03.03.2021
Zu dem Bericht von Andi aus München vom 26.02.2021 über seine Erfahrungen im "Haus Schwarzwald" in Ühlingen-Birkendorf möchte ich doch anmerken, dass m.E. sehr wohl das betr. Heimpersonal eine gehörige Schuld an der allmählichen Verrohung der Kinder während des dortigen mehrwöchigen Heimaufenthaltes trifft:

Durch das dort offensichtliche tatenlose laissez faire hat man alles laufen lassen bis hin zu Bandenbildung der Kindergruppen - das ist angewandter Sozialdarwinismus.

Ursachen sind altersmäßig zu heterogene Gruppen (von z. B. 6-13 Jahren) sowie das Nichteinschreiten und Wegschauen des Aufsichtspersonals, welches gerade auch die Aufgabe hätte, jüngere und schwächere Kinder gegen die starken und frechen zu schützen, wie es z.B.normalerweise zu Hause verantwortungsvolle Eltern tun.

In diesem Zusammenhang möchte ich zu meinem Bericht v. 03.10.2020 noch folgendes ergänzen:

Auch in "meinem" Kinderheim habe ich wiederholt körperliche Brutalitäten seitens bestimmter älterer und kräftigerer Jungs meiner Gruppe miterlebt.

Ich selbst mit knapp 9 Jahren stand zwar unter dem Schutz eines kräftigen durchsetzungsstarken Jungen (Peter) aus meiner Nachbarstadt, der mich offenbar mochte, weil wir der gleichen christlichen (kath.) Minderheiten-Konfession angehörten.

Aber mein gleichaltriger Klassenkamerad Alwin F. wurde im Schuhkeller, wo wir unsere Haus- gegen Straßenschuhe und umgekehrt wechseln mussten, öfters von einem etwas älteren Jungen (Manfred Pr.) und dessen Komplizen verdroschen, ohne dass ich oder andere dagegen einschritten. Für meine diesbezügliche auf Feigheit und Ängstlichkeit begründete Tatenlosigkeit schäme ich mich bis heute.

Möglich waren diese Misshandlungen. a. Deshalb, weil im Schuhkellerraum während des Schuhewechselns niemals eine erwachsene Aufsichtsperson dabei war.

Eine schon von anderen gelegentlich geschilderte unangenehme  Erinnerung bzgl. des Fiebermessens bei Krankheit im Krankenzimmer habe übrigens auch ich gemacht:

Auch in meinem Heim erfolgte das rektal - eine für mich durchaus ungewohnte und von mir als sehr peinlich empfundene Methode.

Abschließend möchte ich noch von einem mehrfach wiederholten Streich berichten, den mein Klassenkamerad Alwin und ich den Aufseherinnen wiederholt spielten, ohne dass diese uns als Verursacher  herausbekommen haben.

Wir Jungs schliefen in einem großen Schlafsaal zu insgesamt geschätzt 50 - 60 Betten, der in der Mitte durch einen ca. 2m breiten Mittelgang geteilt war. Auf der einen Seite dieses Mittelgangs lagen die jüngeren Jungs unter 6 Jahren, auf der anderen Seite wir größeren Jungs. Vorne war ein ebenfalls breiter freier Quergang, und der Mittelgang endete an einer doppelflügeligen mittigen Tür, durch die der Schlafsaal betreten wurde. Der Fußboden bestand nach meiner Erinnerung aus Holzbrettern oder vielleicht auch Parkett, und die Längsseite des Saales zumindest auf unserer Seite war vom Fußboden aus bis in eine Höhe von geschätzt 1 - 1,5 m  mit Holzbrettern verkleidet. Alwin und ich hatten unsere Betten ganz weit vorne mit Blick auf die Flügeltür und dem Flur dahinter, Alwins Bett stand direkt am breiten Mittelgang des Saales, meines links daneben. Wir hatten natürlich bemerkt, dass es wegen des Holzfußbodens relativ laut war, wenn man sich darauf bewegte.

Nachts war es im Saal zudem total dunkel, allenfalls durch den davor liegenden Flur und die offenstehende Flügeltür fiel ein wenig Dämmerlicht von einer entfernten Notbeleuchtung. Die Aufsichtspersonen mussten also mit Taschenlampen leuchten, wenn sie etwas sehen wollten.

Wir waren somit nachts vollkommen unbeobachtet, solange es stockdunkel war - selbst seitens unserer Saalgenossen.

So kamen wir beide in den letzten beiden Wochen unseres Kuraufenthalts auf eine Idee, wie wir bestimmte uns besonders verhasste Aufsicht führende "Tanten" ärgern konnten:

Wir strecken ein Bein aus dem Bett und klopften mit der Ferse mehrfach kräftig auf den Holzfußbodens, danach zogen wir es schnell wieder unter die Bettdecke. Die dadurch verursachten dumpfen Klopfgeräusche waren weithin zu hören, und alsbald erschien die Aufsicht mit der Taschenlampe, um nach der Herkunft und Ursache zu forschen. Sie hat es nie herausgefunden, denn wir waren es ja schon von der Mittagsstunde her gewöhnt, uns nicht zu verraten und schlafend zu stellen. Sie war natürlich darüber wütend und frustriert, den Täter nicht zu ermitteln, vermutete schließlich u. a. zu Unrecht, die neben der Holzverkleidung an der Wand liegenden Jungs seien es gewesen und verhörte diese, die ja ahnungslos waren. Unter lauten Drohungen zog die betr. "Tante" schließlich wieder unverrichteter Dinge aus dem Schlafsaal ab.

Wir haben unser Geheimnis beide strikt für uns behalten auch vor der übrigen Gruppe, und so ist es bis zu unserer Abreise nie heraus gekommen, obwohl wir das nächtliche Klopfen in unregelmäßigen Abständen noch ein paar Male wiederholten. Für uns beide underdogs eine große Befriedigung, hier mal dem ungeliebten Regime des Heimes aber auch den frechen und brutalen Rädelsführern der Gruppe ein Schnippchen schlagen und auch mal eine eigene bescheidene Machtprobe zeigen zu können.
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Kathi aus Dormagen schrieb am 02.03.2021
Ich lese seit geraumer Zeit alle Einträge und bin immer wieder schockiert, was die meisten Kinder ertragen mussten.
Gewalt habe ich bei meinen Aufenthalten nicht erlebt, wohl aber eine sehr unpersönliche Behandlung. Die Betreuerinnen interessierten sich nicht für uns. Hauptsache war, dass wir reibungslos funktionierten.
Ich erinnere mich nicht wie fast alle anderen an Gefühle wie Heimweh oder Angst, obwohl sechs Wochen Abwesenheit von zuhause im Alter von acht Jahren ( 1. Aufenthalt) bestimmt nicht leicht waren. Ich habe auch kein Kuscheltier dabei gehabt und auch keine Päckchen bekommen.
Damals habe ich gelernt, mich anzupassen und meine Gefühle zu überlaufen. So mache ich es mein Leben lang, obwohl ich schon fast 70 bin.
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Rogers Freund aus München schrieb am 02.03.2021
Hallo,
am 08.02.2021 berichtete ich hier etwas ausführlicher über meine bleibenden "Erlebnisse" in dieser Kinder-Kur ...!

Unter anderem, bekam ich ja in regelmäßigen Abständen alle 2 oder 3 Tage auf dieser "Kur" Spritzen, die man "Aufbauspritzen" nannte wenn ich fragte.

Als 5 Jähriger zum ersten mal getrennt und weit weg von den Eltern hatte ich vor diesen Tagen wenn man zum Spritzen geführt wurde natürlich große Angst.
Da gab es keine Mutter die neben einem stand und für einen eintrat wenn man zu etwas gezwungen wurde.

Aber gerade eben sehe ich einen Filmbericht, der dem ganzen eine ganz neue Tragweite gibt.

Ich leide nämlich seit ca 20 Jahren an Muskelschund (FSHD) der seinen Ursprung schon in der Kindheit hatte.

Verursacht wird mein Muskelschwund durch einen Gen-Defekt am Chromosomenstrang 4 (und wir haben und hatten keinen einzigen Verwandten in der Familie der jemals ein Muskelproblem hatte) und in dem Bericht wird nun von Medikamtententest an den Verschickungskindern berichtet.
z.B. unter anderem sogar mit dem Schlafmittel Contagan. Und Schlaf- u. Beruhigungsmittel bekanem wir zumindest in den ersten durchweinten Nächten nach der Trennung von den Eltern auch.

Ich hoffe ich darf hier den Link zu dem Filmbericht über Verschickungskinder anhängen.

https://www.youtube.com/watch?v=oW24BaiLz8A&list=RDCMUCK6jlnWA8t-XgUxwZJJHkQA

Bleibt gesund!
R.
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Regina M. aus Dortmund schrieb am 02.03.2021
1963 schickte man mich unmittelbar vor der Einschulung 6 Wochen zur Mastkur nach Bad Rothenfelde. Ich war ein lebhaftes fantasievolles Kind. Da ich bereits Lesen und Schreiben konnte und man mich aus dem Kindergarten raushaben wollte, weil da alle von mir genervt waren, sollte ich mit 5 Jahren eingeschult werden. Körperlich war ich aber noch nicht „schulreif“, nämlich klein und dünn. Kein Wunder, mein Vater misst stolze 170, meine Mutter 152 cm. Ich bin heute 158 cm klein und wie der Rest meiner Familie übergewichtig. Wir waren eine Gruppe von ca. 30 Kindern in einem großen Schlafsaal und durften die Betten nur zum Essen und für Kuranwendungen verlassen. Dazwischen war die Tür abgeschlossen. Jeden Morgen wurde vom Personal (keine Nonnen) Fieber gemessen und festgestellt, dass ALLE Kinder „Fieber hatten“, also den ganzen Tag im Bett verbringen mussten. Komisch, ich habe mich gar nicht krank gefühlt… Ich erinnere mich an den furchtbaren mehrstündigen Mittagsschlaf, bei dem ich stundenlang liegend die Wand angestarrt habe, aber die Zeit schien still zu stehen. Außer Essen, Schlafen und täglichem Wiegen und Messen bestand der Tagesablauf aus einem kurzen morgendlichen Spaziergang mit der Gruppe rund um das Gradierwerk und nach dem Abendessen mussten wir eine Stunde lang in einem zugigen weiß gefliesten Raum in Bottichen mit ungereinigtem Solewasser sitzen. Zu trinken gab es gelbe Limonade mit Salzgeschmack. Bäh. Eine Kur mit allem Drum und Dran, aber mit 5 Jahren? Ich hatte es noch ganz gut getroffen, denn körperliche Gewalt gab es keine, nur Kasernierung und gähnende Langeweile. Zum Essen kann ich nichts sagen, es muss wohl halbwegs in Ordnung gewesen sein. Ich komme aber aus einer nicht so begüterten Familie und war es gewohnt, zum Frühstück Hafersuppe oder Graubrot mit Margarine und Zucker essen zu müssen.
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Kerstin aus Ludwigshafen am Rhein schrieb am 01.03.2021
Habe heute durch Facebook von Verschickungsheime. de erfahren.
Insgesamt war ich 4 mal für jeweils 6 Wochen weg.

Das erste Mal mit 4 Jahren und 6 Jahren in Bad Dürrheim.
Kann mich nur an grausame Erlebnisse erinnern, wobei ich wohl vieles verdrängt habe . Konnte ja nicht lesen und schreiben, daher wurde das dort übernommen was die Post betraf. Päckchen bekam ich nur eins, das wohl vorher geplündert wurde.
Kann mich noch erinnern dass mein Koffer auf einen Dachboden kam und das meiste im Koffer blieb( hatte schrecklich geweint deswegen. Meine Puppe durfte ich nicht behalten. Kann mich auch noch erinnern dass ich mich mit noch einem Kind, eventuell auch zwei, hichschleichen wollte um an den Koffer zu kommen. Es gab dann schläge?
Weiß auch noch das man alles Essen musste, selbst wenn man Erbrochenen hatten mussten man so lange im Speisesaal bleiben bis leer war.. ? Ich war sehr eingeschüchtert und wurde wohl wegen seelischer Grausamkeit beide male Krank.
Bei der Heimfahrt mit 4 Jahren waren meine langen Haare so kaputt(wurde nie gekämmt) dass sie komplett abgeschnitten wurden.
Meine Reisekleidung war ein Schlafoberteil und Hausschuh und ich hatte eine eidrige Nase und wohl Fieber. ( meine Mutter hatte das oft erzählt) Leider war meine Mutter keine starke Frau die sich gewehrt hatte... Sie war mit meinen zwei älteren Brüder und mir alleine und hatte nicht viel Geld und war wohl froh dass sie nichts zahlen musste oder hatte Angst vor dem Jugendamt. Da ich ja zu dünn war..
Leider ist sie schon verstorben und sonst auch niemand mehr lebt den ich fragen könnte.

Dann war ich glaub 1973 in Schloß Friedenweiler im Schwarzwald und
1975 in Stetten am kalten Markt.
Bei beiden hatte ich natürlich Anfangs Heimweh, jedoch keine schlechten Erfahrungen bzw Erinnerungen.
Als Kind bzw Jugendliche war ich sehr aufmüpfig und aggressiv gegenüber manchen Kinder und auch Erwachsenen.. Vielleicht hat das ja mit diesen grausamen Erinnerungen zu tun...
Jedenfalls bin ich froh dass es solche Zeiten nicht mehr gibt und hoffentlich nicht mehr geben wird!
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Beate Kauer aus Minheim schrieb am 01.03.2021
Zufällig sah ich den Bericht auf YouTube und musste feststellen, dass auch ich ein Verschickungskind war. Ich konnte nie verstehen, wie meine Eltern mir das antun konnten und mich für 6 Wochen dahin schickten. Vielleicht war ich ein so schlechtes Kind, ging es mir oft durch den Kopf.
Dort wurden die Kinder, die nachts sprachen oder lachten, reihum geschlagen. Im Dunklen ging dann leise die Tür vom großen Schlafsaal auf und die Nonnen prügelten die Kinder, die wach waren. Zum Glück lag ich ganz vorne nahe der Tür und stellte mich schlafend. Von da an wurde ich zur Bettnässerin und kaute an den Fingernägeln. Meinen Teller musste ich lange am Tisch sitzend bis zum Erbrechen leeren. Mein Heimweh wurde immer größer, ich verlor jegliches Zeitgefühl und dachte, ich dürfte nie mehr nach Hause zurück. Als meine Eltern und Geschwister mich mit dem Auto abholen kamen, konnte ich nicht mehr sprechen vor Glück. Ich hatte ein Sprachblokade. Sie konnten nicht verstehen, was mit mir los war und ich habe nie darüber gesprochen. Vor einigen Jahren fuhr ich mit meinem Mann dort hin und erzählte ihm meine Erlebnisse. Aus dem Gebäude wurde ein schickes Hotel, aber den Eingangs- und Essbereich konnte ich noch erkennen.
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Susanne K. aus Nürnberg schrieb am 01.03.2021
Das Heim wurde von katholischen Nonnen geleitet. Ich wurde sofort von meiner zwei Jahre älteren Schwester getrennt, ich sah sie nur einmal gegen Ende der vier Wochen durch einen Zaun. Ich konnte noch nicht lesen und erhielt nie die Briefe von meiner Mutter von zu Hause. Das heißt, ich habe vier Wochen nichts von daheim gehört. Wir durften nicht nachts aufstehen, wenn ein Mädchen ins Bett gemacht hat, musste sie bis morgens vor ihrem Bett stehen, nachdem laut geschimpft wurde und das Licht angemacht wurde, damit wir alles mitbekommen. Das Toilettenpapier mussten wir aus Zeitungspapier auf zwei bestimmte Größen zurechtschneiden. Manchmal zeigten die Schwestern dreckige Unterhosen und stellten das Kind bloß, dem die Unterhose gehörte. Auch wurde "gelobt", wer drei Tage lang die gleiche Unterhose tragen konnte. Mir wurden die Fingernägel regelmäßig extrem schmerzhaft kurzgeschnitten, dabei sparte die Schwester nicht damit, mir immer wieder zu erzählen, dass meine Mutter, da sie geschieden war, eine Sünderin sei und ich schwer daran zu tragen hätte. Auch die Läuseschau war schmerzhaft, ich kannte das von zu Hause nicht, ich hatte auch keine, es wurde trotzdem immer wieder gedroht, die Haare abzuschneiden. Als Hohn empfand ich auch, dass wir das Lied " Lustig ist das Z-Leben" umgedichtet singen mussten, nämlich: Lustig ist das Neustifter Leben...
Ich kann mich an niemanden namentlich erinnern, ich habe auch keine Freundin gefunden, ich hatte Angst, Angst und Angst. Ich habe nur gewartet, dass es vorbei sein wird. Ich erinnere mich auch, dass es am Tag der Abreise ein erstes freundliches Wort gab, wohl um einen guten Eindruck zu hinterlassen oder für die Begleitperson, die uns wieder im Zug heimbegleitete. Ich erinnere mich, dass ich mich im Zug nicht rührte, aus Angst, ich würde wieder fortgeschickt.
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AndreasD schrieb am 01.03.2021
Ich war vor der Einschulung 4 Wochen in einem Verschickungsheim in Rengsdorf in NRW. Dort bekam unsere ganze Gruppe nach 2 Wochen die Windpocken. Alle mussten im Bett bleiben und durften nicht aufstehen. Meine Eltern schickten mir einen Schuhkarton voll mit Süßigkeiten. Der Karton kam nie bei mir an, sondern wurden sofort konfisziert. Das Essen war das allerletzte. Zum Glück wurde ich nicht gezwungen, den Fraß zu essen. Ich bin froh, daß ich das zum ersten Mal erzählen darf.
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Helga K. aus Fürth schrieb am 01.03.2021
Am 17.2.21 sah ich im SWR in der Sendung „betrifft“ den Film „Das Leid der Verschickungskinder“
Ich wurde insgesamt fünfmal mit der Inneren Mission zur Erholung geschickt. Bis ich den Film sah, war mir nicht klar gewesen, dass das, was ich - wenigstens nur in einem der Heime - im Labenbachhof bei Rupolding erlebt hatte, kein Einzelfall war. Ich war damals sechs Jahre alt.
Es war mit Ausnahme von Wyk auf Föhr (sechs Wochen) stets für eine Dauer von vier Wochen. Mit Ausnahme von Mühlhausen besitze ich auch je eine Postkarte dieser Heime.
Meine Aufenthalte:
• Juni 1952, Alter 5 Jahre, Ort: Mühlhausen, Oberfranken; an den Namen dieses Heims kann ich mich nicht mehr erinnern.
• Juli 1953, Alter: 6 Jahre, Ort: Ruhpolding, Labenbachhof
• Juli 1954, Alter: 7 Jahre, Ort: Wyk auf Föhr, Marienhof
• September 1956 und August 1957, Alter 9 und 10 Jahre, Hausham bei Miesbach, Berghof
Da ich mich dort sehr wohl gefühlt hatte, wollte ich ein zweitesmal dorthin.

• Das habe ich im Labenbachhof erlebt:
Einmal gab es zum Mittagessen Wirsing. Ich habe mich erbrochen und sollte das wieder essen. Ich habe mich immer wieder erbrochen. So wurde ich im 1. Stockwerk, wo die Schlafsäle waren, an einen kleinen Tisch gesetzt und sollte dort aufessen. Ich erbrach mich immer wieder. Letztendlich prügelte mich eine „Tante“ – vor allem auf den Kopf – sodass ich Nasenbluten bekam. Ich fiel auf den Boden, und so schleifte sie mich bis zu dem Zimmer, in dem wir Mittagsschlaf halten mussten. Sie packte mich und warf mich ins Bett.
An einem der nächsten Tage versuchte ich, meinen Eltern eine Karte zu schreiben mit der Bitte, mich abzuholen. Nach nur einem Jahr in der Schule war ich im Schreiben noch nicht so sicher. Mir gelang es zwar, diese Karte bei einem Spaziergang – ohne Briefmarke – in einen Briefkasten zu werfen, ich wurde dabei aber von einer der „Tanten“ beobachtet. Daraufhin hat man mithilfe eines Postbeamten den Kasten geöffnet und meine Karte wieder herausgeholt. Ich bekam wieder heftige Schläge.
Nachdem ich – nach vier Wochen Aufenthalt – wieder zuhause war, berichtete ich meinen Eltern davon. Mein Vater ging zur Inneren Mission und beschwerte sich. Das war eine Reaktion, die ich nicht erwartet hatte, da meine Eltern normalerweise bei Rügen, die ich in der Schule bekommen hatte, immer zu den Lehrkräften hielten. Da ich ein sehr lebhaftes Kind war, gingen meine Eltern üblicherweise davon aus, dass ich zu Recht gerügt worden war oder eine Watsche bekommen hatte. Auch wird/wurde einem Kind wohl eher vermittelt, dass es an Strafen selbst schuld sei und die auch verdient habe.
Ob die Beschwerde meines Vaters eine Konsequenz hatte, weiß ich nicht.
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Silke (Rinn)Balsser aus Pohlheim schrieb am 01.03.2021
Ergänzung zu meinen Bericht:Meine mitgebrachte Spielsachen wurde mir entzogen wie ich nach Hause gekommen bin habe auch nicht wieder bekommen.Mein Märchenbuch was ich so geliebt habe. Sonntags immer wieder in die katholische Kirche ob wohl ich evangelisch bin warum weiß ich heute noch nicht warum und es öfters nach Eukalyptus stank das man keine Luft bekam.Meine Mutter nähte noch meine Namensschilder in meine Klamotten die waren in Schreibschrift mit Rot .Ich habe telefonisch raus gefunden das meine Patientenakte noch im Archiv vorhanden ist nach über 52 Jahren naja ?? Die Kinderklinik/heim war von 1965 bis 1982 mit 84 Betten belegt dann wurde sie geschlossen. Seit 1999 in privaten Besitz und steht dem leer muss saniert werden
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Detlef Dunker aus Bremen schrieb am 01.03.2021
Ich heiße Detlef Dunker und bin heute 72 Jahre alt. Meine Kindheit verlebte ich mit meinen Eltern in einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein in der Nähe Hamburgs.
In der zweiten Hälfte der Fünfziger des vergangenen Jahrhunderts (Genaueres weiß ich nicht mehr)wurde ich auf Rat unseres Hausarztes wohl vor allem zur Gewichtszunahme nach Föhr verschickt. Ich war sechs Wochen im Marienhof. Anders als viele andere Frauen und Männer hier kann ich über den Aufenthalt in diesem Heim nichts wirklich Negatives sagen - sehe ich von der Sago-Suppe zum Frühstück ab. Einige andere Kinder weinten häufiger vor Heimweh, wie sie selbst sagten, ich fühlte mich eher wohl. Nach über fünfzig Jahren habe ich nur noch bruchstückhafte Erinnerungen an den Aufenthalt in dem Heim. Eine von ihnen ist eine Vorleserunde in einem rückwärts gelegenen hellen Anbau des Hauses (vielleicht ein Wintergarten?), in dem uns in einer kleineren Gruppe vorgelesen wurde.
Eine andere ist die Verteilung von Kleiderspenden aus Schweden an uns Kinder. Ich bekam einen grauen Nicki, ein Kleidungsstück, das ich wunderschön fand und liebte.
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Miriam Bettag-Landherr aus Limburgerhof schrieb am 01.03.2021
Auch ich wurde als 6jährige in eine Kinderkur bezüglich meiner Bronchien geschickt. Welches es genau war weis ich nicht mehr, aber es war in Bad Lippspringe. 6 lange Wochen ohne meine Eltern und ich war ein absolutes Mamakind. An viel kann oder will ich mich nicht erinnern, aber dass was ich noch weis war grausam. Meine Eltern durften mich 1-mal kurz besuchen nach 3 Wochen. Es war schrecklich beim ersten (Bringung) und beim zweiten Mal (Besuch) als sie gingen, ich weinte nur. Ich weiß noch dass ich sehr große Angst hatte beim Blutnehmen, die Nadeln kamen mir riesig vor, man hielt mich mit mehreren Personen fest. Beim Essen war es so schlimm dass man gezwungen wurde den Teller leer zu machen, auch wenn man es nicht möchte oder in meinem Fall ich esse keinen Käse und keinen Fisch. Sie versuchten mich zu zwingen, ich weis noch wage dass ich den Teller auf den Boden schmiss. Was als Bestrafung passierte kann ich mich nicht mehr erinnern. Da schon bei meiner Einlieferung bekannt war dass ich Bettnässer war, sollte man eigentlich davon ausgehen, dass dort professionell damit umgegangen wird. Aber nein. Ich musste mehrmals, naja eigentlich fast jede Nacht als 6jährige in verpieselten Schlafsachen mein Bett selbst neu beziehen. Ich mache bis zum heutigen Tag fast 40 Jahre später noch immer keine Betten bei mir zu Hause. Es ist eine Sache die ich abgrundtief hasse. Meine Eltern schickten ein Paket mit Spielsachen und Süßigkeiten. Davon sah ich aber nix, das wurde an alle verteilt. Diese Zeit ist für mich noch immer schemenhaft aber ich kann mich auch an wenige schöne Dinge erinnern, zum Beispiel haben wir Steine angemalt mit Gesichtern und so. Meinen Eltern haben die Missstände dort erst in den kommenden Monaten nach dem Aufenthalt erfahren immer bruchstückweise. Für mich ist es noch heute ein absolutes Trauma darüber zu reden oder auch hier zu schreiben, ich habe echt Tränen in den Augen. Und fest steht dass keines meiner Kinder jemals alleine in eine Kur müssten. Mein Vertrauen ist in dieser Hinsicht komplett zerstört worden. Das einzig gute war dass ich ab dem Zeitpunkt als ich wieder zuhause war keine Probleme mehr mit meinen Lungen hatte. Physisch oder Psychisch beding keine Ahnung.
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Heide H. aus Garmisch-Partenkirchen schrieb am 01.03.2021
Ich war 1952 in Schmalensee in Mittenwald. Ich war 3 Jahre alt. Meine Schwester (+3,5) war auch dort. Wir wurden getrennt. Ich durfte nicht zu ihr, sie nicht zu mir. Es war eine Zeit der Qual und tiefster Angst.
Ich bekam einen Platz am langen Esstisch. Wir mussten essen. Ich konnte es nicht. Ich erbrach. Ich musste aufessen. Einmal bekam ich noch einen Schöpfer obendrauf zur Strafe für das Erbrechen.
Immer wieder wurde ich in ein Zimmer gezerrt, in dem ich verprügelt wurde. Ich hatte erbärmliche Angst.
Wir saßen in Reihen auf den Töpfchen vor den Klotüren und mussten auf Kommando 'unser Geschäft' erledigen. Es ging nicht.
Morgens wurden wir in einen kalten feuchten Kellerraum gescheucht, mussten uns ausziehen und wurden eiskalt mit einem Schlauch mit scharfem Strahl erbarmungslos abgespritzt.
Abends wurde das Licht ausgemacht. Es war ein Raum mit mehreren Betten. Vermutlich alle Kinder meines Alters. Am Schrank hing ein Kleid einer Wärterin. Ich sah es als dunklen Schatten und hatte furchtbare Angst, dass da jemand ist, der mir was Böses tun will.
Ich erkannte meine Eltern nicht mehr als sie uns abholen kamen. Sie saßen in dem Zimmer, in dem ich immer verprügelt wurde. Anstelle meiner Mutter sah ich den Teufel mit Pferdefuß und langem Schwanz im Sessel sitzen.
Ich erinnere auch einen sexuellen Missbrauch.
Es war eine furchtbare Zeit.
Ich habe noch ein Foto von der Gruppe mit den beiden Wärterinnen. Wenn es hilfreich ist, ......
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Dr. Matthias Lung aus 85368 Moosburg an der Isar schrieb am 28.02.2021
Grüß Gott miteinander,
1964 waren mein Bruder und ich auf "Erholung" in Schönwald. Mein Bruder das zweite Mal, ich das erste und letzte Mal. Zuvor war mein Bruder in Königsfeld, ebenfalls Schwarzwald. Seine "Tanten" hatten ihn damals auf Hochdeutsch getrimmt, so dass er nach Rückkehr für mich nicht mehr zu verstehen war, denn ich bin mit Stuttgarter Dialekt aufgewachsen.
Wir waren dann aber zu zweit in Schönwald im Scharzwald, 1000m Höhe, damals herrlich ursprüngliches Schwarzwalddorf. Wir waren getrennt. Ich war auf einem Zimmer mit nochmal 3 oder 4 Kameraden. Wir wurden gut behandelt damals. Wir haben jedoch viel geweint, aber dafür wurden wir nicht bestraft. Einmal hat mich ein anderer 5-jähriger anläßlich eines Heimwehanfalls getröstet und sagte "Mei Schneckle" zu mir. Das hat mir gut getan. Meinem damals verhassten Bruder bin ich dann und wann begegnet. Er war im Hinterhaus des Kurhauses Viktoria. Er hat mir vor zwei Jahren gesagt, dass wir uns ganz fest umarmt, uns aneinander geklammert haben, als wir uns begegneten und gar nicht mehr voneinander lassen konnten.
Alles in allem habe ich keine traumatischen Erinnerungen an Schönwald im Schwarzwald, doch ich sehe mich heute noch, alles als 5-Jähriger nicht verstehend mit meiner Karte an Schnur um den Hals im Zug und auf dem Bahnhof Stuttgart stehen. Auf der Karte stand "Triberg im Schw.". Meine Mutter hat sie noch Jahrzehnte aufgehoben.
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Bianca schrieb am 28.02.2021
Hallo ,
Ich war 1985 oder 86 in Salzwedel in einem Heim. Angeblich war ich zu dünn und zu klein. Ich kann mich leider an nichts erinnern, da ich eine postthraumatische Belastungsstörung habe. Ich weiß nur noch, dass wir mit dem Bus abgeholt wurden. Neben mir saß ein Mädchen, das hieß mit Nachnamen glaube ich Erfurt. Ich finde dazu leider nicht viel, außer das es ein Heim gab in Brewitz. Ich habe ab und zu Flashbacks und sehe Bilder an den Wänden und dunkle Räume.
Vielleicht kennt es jemand oder hat die gleichen Erfahrungen gemacht und kann mir etwas weiterhelfen.
Liebe Grüße
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Christine H.-W. aus Hörzhausen schrieb am 28.02.2021
Mit 6 Jahren wurde ich nach Spiekeroog verschickt weil ich ganz schlimm Psoriasis bekommen hatte. Ich hatte von Anfang an Todesangst dass ich nie wieder nach Hause zurück kommen würde. Mein Koffer war bei Ankunft im Heim zwei Tage lang verschollen, ich habe andauernd ins Bett gemacht. Nach 13 Wochen wurde ich nach Hause gebracht, kurz danach war die Psoriasis wieder genauso schlimm wie vorher.
Das Essen war grauenhaft: süsse Milchsuppe mit Nudeln drin, ich musste fast brechen. Abends Schwarzbrotscheiben mit Schmalz, verdünnter Tee der nach nichts schmeckte. Mir war immer kalt, ich musste nackig im Hof stehen und wurde dann mit eiskaltem Salzwasser aus einem Holzkübel übergossen, das war die Therapie bei Psoriasis! Als ich nach Hause kam, war ich total verschüchtert, habe kaum geredet, hatte Angst vor meinem Vater. Heute noch habe ich Alpträume von nächtlichen Bahnhöfen. Habe schon mehrere Therapien wegen Depressionen und unkontrollierten Aggressionsschüben hinter mir.
Ich könnte ein ganzes Buch über diese zwei Jahre schreiben! Ein Jahr nach diesem ersten langen Aufenthalt wurde ich nochmal dorthin verschickt, diesmal mit allen meinen Geschwistern, mein jüngster Bruder war noch sehr klein, ungefähr drei, meine älteste Schwester war 10. Wir wurden getrennt nach Jungen und Mädchen. Es war wieder genauso schrecklich! Zum Glück nur 4 oder 6 Wochen das weiss ich nicht mehr.
Wenn ein Päckchen von Zuhause kam, musste ich es aufmachen und alle Süssigkeiten abgeben, es hiess dass das später verteilt wird damit alle was bekommen. Ich war total enttäuscht und hab das nicht verstanden, weil es nie was Süßes gab! Von der Insel hab ich nur schreckliche Erinnerungen, es ar immer kalt und sehr windig, es gab nur trockenes braunes Gras und Heidekraut, immer war die Luft feucht und klebrig vom Salz, wir mussten immer in zweier Reihen gehen und singen. Ich glaube ich war nur ganz wenige Male am Strand oder im Meer zu baden, jedenfalls kann ich mich daran überhaupt nicht erinnern. Die Tanten haben immer Angst gemacht vor der Flut, oder vor dem Wind oder das einer verloren geht. Ich kann mich nicht daran erinnern, mal richtig gelacht oder laut gewesen zu sein.
Die Aufpasserinnen haben diktiert was nach Hause geschrieben werden sollte!
Noch ein Jahr danach, also 1965 wurden wir noch einmal alle zusammen verschickt, in ein kleines privates Kinderheim im Westerwald, bei einer älteren Dame, Frau Würth. Dort war es etwas schöner, dennes gab ein kleines Schwimmbecken zum Plantschen und einen großen Garten wo wir mit Decken immer draussen spielen und im Schatten liegen durften. Das Essen war aber auch komisch: trockene Haferflocken mit Kakaopulver gemischt am Nachmittag damit wir immer schön satt waren!!
Alle Kinderheimaufenthalte haben mich schon im Kindesalter depressiv gemacht und nachhaltig verstört. Am schlimmsten war das Krankenhaus in Köln und dann direkt im Anschluss die Verschickung nach Spiekeroog. Ich hasse diesen Namen!
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sybille hempel-abromeit schrieb am 28.02.2021
mich würde interessieren, ob noch andere sich an dieses kinderheim in list erinnern, wohin eine gruppe aus süddeutschland (ich damals aus tübingen) verschickt wurde, weil sie oft krank waren, zu dünn etc. habe unter schlimmem heimweh 6 wochen dort verbracht
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angela stark aus celle schrieb am 28.02.2021
hallo ich war zusammen mit meienr zwillingsschwetser 3x zur kur,1976,78 und 80 mit 7 ,9 und 11 jahren,mit 7 in bad pyrmont da haben wir in ein großen saall mit mehr als 50 kinder essen müssen,und der schlafsaal war mit mindestens 7 kindern.mir wurde mein teddykissenw as ich sehr liebte weggenommen,und wir mußten einmal auf dem flur sehn wegen zu lauten redenn.gutes war das wir jeden abend die kleine hexe vorgelsen bekamen ich mochte da ssehr,es gan wnaderungen,an eins ee ,nur ein kind durfte mit dem auto dahinfahrenn er hatte asma ein junge wir anderen mußten laufen und in bad pymont direkt in der stadt waren mal elefanten gelaufen von ein zirkus,und ich mußte in so ein olles solebad was braun war ich wollte da nicht rein,und da war vor mir ein junge drin und ich solte mich vor dem ausziehn slebst mit 7 jahrenn wollte ich das nichtt. und wir mußten durch andere schlafsääle um in ein badezimmer zu kommen,wo ich zusammen mit meienr schwester ein bad nehmen mußte,am letzen abend vor der abreise machte ich ins bett ich war so aufgeregt wieder heim zu dürfen.2 jahre später waren wir dann in bad karlshafen ich war 9 ,meine schwetser auch,wir haben da ganz gut erinnerungen nur einmal bekamm ich ärger weil ich mich mut eine jungen küßte.und ich hattee beim wandern problme weil ich damals ein problem mit dem knie hatte wachkelknie heiß das und ich konnte bei eienr wanderung kein stück mehr laufen,da hat mich die erzierhin huckepack den ganzen weg genommen.zum abschied gab es aufblasbare wasserbälle ,also da wars ganz o,k 1980 dann mit 11 wied er in die kur bad sachsa haus kern.ein großes haus mit tollen garten voll mit pielgeräten ,und wurde einiges geboten und gequält wurden wir da nicht,einmal gabs ne bombendrohnung und die polizei kam da swar spannent,und ann einmal hat ein großes mädchen 14 mein freun eine ohrfeige ggeeebn er hatte eine dicke wange nd ihre hand als abdruck,die bekam voll ärger von den kerns und michael wurde dann verhätschelt er bekamm sogar ein spilezeugauto,ich mußte zum zu nhemen da hin wog nur 25 kilo.und wir mußten hoch zu den kerns uns wiegen lassen das war das einizige unagenehme an der kur.wir bekammen morgens pudding und viel hagebuttentee noch heute erinner der geruch an hagebutten tee mich an die kur.im saal haben wir spile gemacht armer schwarzer kater uns owass,das war recht witzig alles,einmal hatte eine mädchen in ihren brötchen eine wespe oder biene,wir waren auch in dem märchenwald in bad sachsa und sind auch gewandert auf so ein hohen berg,ich mußte damals da zum zahnarzt wegen zahnweh.das heim war an ein berg.es gab da ein rootahriges mädel in mein zimmer die hat uns meiner schweter und mir vorhergesagt das ich mit 30 in ein auto vor ein zug fahre und tod bin und meine schwester i alter von 60 im schaukelstuhl von ein einbrecher die khele durchgschniten bekommt,wir werden dieses jahr beide 52 und ich lebe noch und das mit meiner schwester lachh das wird sicher auch nicht passieren,aber damals waren solche vorhersagen üblich.pendeln und das ganze zeug total intresannt.zum abschluss möchte ich erwähnen das ich die kuren nicht als toll emfund ich wollte da nicht hin ,dennoch wars neimals so das wir geqüält wurden oder sowas nein das gabs nicht nein,nur mein teddy wurde mir weggenommen.wer bilder hat vom haus kern oder berichte über das heim in bad pyrmont oder bad karlshafen kann sich bei mir melden gelchen@gmx.devon allen 3 heimen war mir das in bad sachsa haus kern aber am liebstenn.
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Angelika aus Hamburg schrieb am 28.02.2021
Im Jahr 1966 war ich mit knapp 5 Jahren acht Wochen im Heim in Lüneburg. Das Müttergenesungswerk und der Kinderarzt hatten meiner Mutter empfohlen mich zu ihrer Erleichterung (sie hatte gerade das 4. Kind bekommen) zu verschicken. Sie wollte es eigentlich nicht, sie hatte ja nicht gearbeitet, hat sich dann aber der "Autorität" gebeugt.
Es war eine vollkommen angstbesetzte Zeit, ich wusste nicht warum ich weggeschickt wurde, wo ich überhaupt war und auch nicht, ob ich meine Familie je wiedersehen werde.
Im Einzelnen erinnere ich mich, dass wir jeden Abend so lange auf der Toilette sitzen mussten bis wir Stuhlgang hatten, ich hatte vor lauter Angst keinen, hab dort immer am längsten gesessen, gefühlt die halbe Nacht... daraus hat sich für mich eine manifeste Reiseobstipation entwickelt. Dieser Zusammenhang ist mir erst vor einigen Jahren klar geworden.
Dann entwickelten sich bei mir Pickel mit starkem Juckreiz auf der Kopfhaut, diese habe ich wohl nachts unbewusst aufgekratzt, morgens waren kleine blutige Flecken auf dem Kopfkissen, daraufhin bekam ich nachts Fäustlinge angezogen, damit konnte ich wohl immer noch kratzen, denn dann wurden mir die Hände nachts an das Bett gebunden...
Und ich erinnere mich sehr deutlich an Zwangsessen, Dinge vor denen ich mich sehr geekelt habe (wie Zungenwurst), mussten gegessen werden...
Ich komme erst jetzt mit fast 60 J. an die Gefühle wieder heran die damit verbunden waren, endlich kann ich das betrauern, hatte immer das Gefühl mir ist meine Persönlichkeit aberzogen worden, jetzt macht es Sinn.
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Gabriele aus Bad Nauheim schrieb am 28.02.2021
Ich war öfter in einer so genannten Kur „leider“! Ich habe den Beitrag leider nicht gesehen aber irgendwie diese Seite gefunden. Ich kann es nicht glauben dass mir endlich jemand glaubt. Bevor ich von meiner Mutter weggeschickt wurde sagte sie, schreibe mir das geheime Wort das wir ausmachten und ich komme und hole dich sofort, ich schrieb dieses Wort in meiner kindlichen Schrift immer und immer wieder.... doch meine Mutter kam nicht um mich zu holen. Ich wurde in die dunkle Schuhkammer eingesperrt nachdem man mir mit einem Schlappen den nackten Hintern verhauen hat, ich kann mich daran erinnern dass ich zweimal versucht habe abzuhauen , aber als kleines Kind habe ich mich immer hinter dem gleichen Baum versteckt wo die rothaarige Schwester mich an den Haaren wieder in die Schuhkammer zerrte.
Ich bekam jeden Tag irgendwelche Kapseln zu schlucken, die ich nicht runter bekam und sie dann unter meine Bank im Speisesaal warf, als man die Kapseln nach zwei Wochen fand oje wieder Prügel. Es war eine schlimme Zeit.
Jetzt wo ich mit 60 Jahren das hier schreibe bin ich am weinen.
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Heidrun aus Murrhardt schrieb am 27.02.2021
Nachtrag zum Anfang meines Berichte:
Mir kamen die Tränen als ich diese Reportage sah und ich fühlte eine totale Beklemmung
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Martin K. aus Köln schrieb am 27.02.2021
Ich war wohl im Grundschulalter 6 Wochen im Heim Luginsland/Schwarzwald, eine endlose Zeit, geprägt von Heimweh und Verlorenheit. Ich erinnere mich an große Schlafsäle, eine sonnige Terrasse, auf der Mittagsruhe gehalten wurde, an leicht angebrannten Kakao, an Wanderungen, bei denen wunderbare Heidelbeeren gesammelt wurden ( es war Sommer). Ab und zu kam ein Paket von Zu Hause, ein großes Erlebnis. Dankbar nahm ich die Zuwendung einer jüngeren Betreuerin an. Genau erinnere ich mich an die grenzenlose Bewunderung und unser aller Neid, als ein Junge für mehrere Tage von seinen Eltern besucht wurde, die nah am Haus zelten durften. Endlose Erleichterung als ich von Onkel und Tante, die Urlaub im Schwarzwald machten nach 6 Wochen dort abgeholt wurde.Später bekam ich bei Gruppenreisen oft heftige Heimwehanfälle, die aber vorüber gingen. An direkte Gewalt oä. kann ich mich nicht erinnern-viellecht verdrängt. Was für eine Zeit der pädagogischen Abgründe - und wohl auch ein Geschäftsmodell, diese Kinderverschickung..
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Max Huber schrieb am 27.02.2021
Ich war als 6-Jähriger in Bad Reichenhall, Asthma Kinderheilstätte. Die Erinnerungen, soweit vorhanden, sind furchtbar. Mich würde die Biographie dieses Chefarztes Dr. F. Braun interessieren. Dieser hat mich nach dem Aufenthalt zu einem Kiefernorthopäden mit dem Namen Dr. Dr. Derichsweiler nach München geschickt. Weiss hier jemand mehr bezüglich dieser Ärzte? Die beiden Gruppenfotos mit den Kindern finde ich leider nicht mehr. Die Arztberichte liegen mir aber noch vor.
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Stefan aus Niedersachsen schrieb am 27.02.2021
Was ich noch vergessen habe: Wir wurden mit einer Karte um den Hals (die habe ich noch, meine Nummer war 623351) auf den Bahnhof gebracht und von einer Betreuerin in Empfang genommen. Bei jedem Halt kamen auf der Reise von Ulm bis nach Sylt immer ein paar Kinder hinzu. Laut Notizen meiner Mutter hieß die Leiterin Frau Neubauer und 28 Kinder waren in dem Heim untergebracht. Die zweite Verschickung in die Schweiz lief genauso mit Laufkarte ab.
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Stefan aus Niedersachsen schrieb am 27.02.2021
Ich fand es teilweise sehr erschütternd, was für Geschichten ich hier so lesen mußte. Im Vergleich dazu habe ich wohl ziemlich Glück gehabt. Allerdings war mein erster Heimaufenthalt (39 Tage!) alles andere als schön:

Ich war damals 6 Jahre und wurde sofort nach der Ankunft von meinem 10 Jahre alten Bruder getrennt, den ich nur noch ganz selten sah. Wir durften nachts nicht auf's Klo, eine "Tante" saß auf der Treppe und hielt Wache. An drastische Strafen erinnere ich mich aber nicht. Naja, ich saß fast jeden Tag zum Essen auf der Treppe, weil ich so zappelig am Tisch war. Aber das gab mir auch die Gelegenheit mit den Küchenfrauen zu plaudern, die recht nett zu mir waren. Die Gruppe von meinem Bruder mußte einen kompletten Tag im Bett bleiben, da beim Mittagsschlaf ein Bett gequietscht hatte, was verboten war. Die Freßpakete von den Eltern wurden durch das Personal beschlagnahmt und angeblich unter den Kindern "gerecht" aufgeteilt. Wir haben relativ wenig (in 6 Wochen so ca. 3 mal 2 Bonbons) davon erhalten. Mein Bruder sagte, einen Großteil hätte das Personal selbst gegessen. Manchmal wurde ich von älteren Jungs gehänselt oder drangsaliert. Wo war da eigentlich das Personal? Und dann hatten wir am Ende des Aufenthalts noch alle Mumps!

Aufgrund dieser Erfahrung hatte ich eigentlich keine Lust mehr, das Jahr drauf schon wieder verschickt zu werden. Aber meine Eltern überredeten mich dazu und es ging nach Brisago an den Lago Maggiore (ital. Schweiz). Dort war es super! Wir hatten nette Erzieher, sogar einen Sportlehrer und machten viele Ausflüge und fröhliche Wanderungen. Einmal gingen wir auch Souvenirs schoppen. Damit war ich als 7-jähriger ohne regelmäßiges Taschengeld etwas überfordert. Es gab auch Bastelnachmittage. Zum Mittagsschlaf ging es auf ein Matrazenlager im Bambushain. Dort sollten wir ruhen, durften uns aber paarweise leise unterhalten, etwas lesen oder ruhig spielen. Auch schlafen war erlaubt bzw. erwünscht. Strafen habe ich nicht erlebt, allenfalls Ermahnungen. Auf's Klo durften wir immer. Trotzdem gab es Regeln, die eingehalten werden sollten, also kein Laissez-Faires-Stil. Diese Erfahrungen haben mich wieder mit der Welt versöhnt und ich habe gelernt, daß Kinderbetreuung auch so geht. Inzwischen bin ich selbst Erzieher und versuche es besser zu machen, als die "Tanten" von damals.
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Ellen Henze aus Kassel schrieb am 26.02.2021
Ich wurde Anfang 1969 über die Barmer Ersatzkasse für fünf Wochen nach Wyk auf Föhr in das Kurheim "Schloss am Meer" geschickt.
Auf dem Kasseler Hauptbahnhof wurden die Kinder gesammelt, alle erkennbar an dem Barmer-Rucksack.
Ich musste zur Kur, weil ich öfter unter Bronchitis litt und für den Geschmack der sechziger Jahre angeblich zu schlank war.
Für mich waren die Zeit auf Föhr schrecklich! Ich litt die ganze Zeit unter schrecklichem Heimweh!
Ich wurde zum Essen gezwungen, saß gefühlt endlos vor meinem Teller. Auch wenn die anderen Kinder aufstehen durften. Ich musste aufessen! Auch wenn ich das Essen nicht runterschlucken konnte und auf den Teller spucken musste, wurde ich zum Weiteressen gezwungen.
Zur Kontrolle wurden wir regelmäßig gewogen.
Jeder Tag war straff durchorganisiert: Spaziergänge Hand in Hand in Zweierreihen: Große Mädchen fassen kleine Jungen an, große Jungen kleine Mädchen.
Und dann der tägliche Mittagsschlaf im großen Schlafraum für alle Kinder, egal wie alt. Unter Strafandrohung hielt man absolute Stille! Nur nicht bewegen und schon gar nicht reden. Man durfte nicht auffallen!
Die "Tanten" konnten sich an uns austoben. Wir waren ihnen ausgeliefert. Ich kann man mich nur an eine junge Frau erinnern, Z. P. , die anders war, mitfühlend und freundlich.
Als ich nach zwei Wochen Aufenthalt krank wurde und nachts auf die Toilette musste, bekam ich von der "Aufsichtstante" eine Ohrfeige. Man durfte nicht nachts auf die Toilette. Als sie feststellte, dass ich wirklich krank war, sagte sie: " Dann hast Du das nächste Mal eine Ohrfeige gut!"
Ich bekam Masern und das war mein Glück! Nun musste ich nicht mehr alles essen! Ich wurde in dem Krankenzimmer in Ruhe gelassen.
Die wöchentlichen Karten oder Briefe nach Hause wurden gelesen und "zensiert": "So was möchte die Mutti nicht lesen. Dann ist sie ja ganz traurig. Schreib was Schönes!" Für mich gab es nichts Schönes, nur Lieblosigkeit und Kälte.
Als ich endlich wieder zu Hause war und meiner Mutter davon erzählte, gab es als Antwort:" jetzt ist es vorbei. Da musst Du nicht mehr hin."
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Julia Prabhu aus Berlin schrieb am 26.02.2021
Ich wurde zusammen mit einer Freundin im Alter von vielleicht 9 Jahren nach St. Blasien verschickt. Ich weiss noch, daß wir viel zu wenig zu trinken bekommen haben (vielleicht, damit wir mehr essen?). Ständig hatten wir Durst. Ich habe bei jeder Gelegenheit aus dem Wasserhahn getrunken (war verboten) und sogar aus Bächen im Wald. Das durften wir natürlich auch nicht, man sagte uns, davon könnten wir Tollwut bekommen. Ich wurde gezwungen Milch zu trinken, obwohl ich gesagt habe, daß mir davon schlecht wird. Trotzdem. Die Milch habe ich gleich darauf wieder ins Klo erbrochen. Die 2 Stunden Mittagsruhe fanden in der brütenden Sonne statt (damit wir schön braun werden und gesund aussehen?), so daß meine Freundin einen Sonnenstich bekam. Post wurde zensiert. Ich war so froh, als ich wieder zuhause war.
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Heidrun Herre-Kizzie aus Murrhardt schrieb am 26.02.2021
Im April 1962 wurde ich gerade 8 Jahre und kam mit meinen beiden älteren Schwestern in das Hamburger Kinderheim Niendorf.
Gleich bei der Ankunft wurde ich als so kleines Kind von meinen Schwestern getrennt und kam mutterseelenallein in eine andere Gruppe als meine Schwestern. Ich fühlte mich furchtbar verloren und alleingelassen.
Besonders schlimm war dass ich einmal nachts gefühlt stundenlang mit nackten Füssen im Nachthemd vor der Schlafzimmertür stehen musste, ohne mich bewegen zu dürfen. Der Grund war, daß ich , während der Bettruhe ansprach, sie solle doch bitte nicht den Nasenpobel an die Wand schmieren. Das Mädchen wurde deswegen nicht bestraft, aber ich, weil ich sie kurz angesprochen hatte.
Ein weiteres Erlebnis:
Bei einer Strandwanderung stürzte ich und verletzte mich sehr an dem Eck einer Steinmauer. Wie dies passieren konnte ist mir bis heute rätselhaft.
Ich habe seither am Kinn eine Narbe. Die Verletzung war so vehement, daß ich Nahrung nur mit einem Strohhalm aufnehmen konnte. Der Lippenbereich war total aufgesprungen. Ich bekam keinen Trost.

Ein Päckchen von meinem Zuhause wurde mir gezeigt, aber ich bekam es nicht. Der Inhalt wurde unter allen Kindern verteilt.

Der Kontakt nach zu Hause war nur durch Briefe möglich. Diese wurden jedoch kontrolliert: zum Beispiel wurde der Satz: "es ist nicht schön hier" mit anderer Handschrift ergänzt..."das Wetter"
Diese 6 Wochen waren die Schlimmsten Wochen der Einsamkeit, des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit in meinem Leben.
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Claudia aus Wuppertal schrieb am 26.02.2021
Ich wurde im Alter von fünf Jahren und 3 Monaten in das Kinderkurheim St. Ansgar in Glücksburg verschickt. Meine psychische Lage war zu dieser Zeit sicher nicht die stabilste, war doch im Sommer 1970 mein Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ich wollte unbedingt im Sommer 1971 zusammen mit meinem Cousin, der schon im Juni sechs Jahre alt wurde, zur Schule gehen. Die Schuluntersuchung ergab, dass ich die geistige Reife zu diesem Vorhaben hatte, aber zu dünn war. Die ärztliche Empfehlung war ein Kuraufenthalt und so schickte man mich zusammen mit meiner Freundin Silvia für sechs lange Wochen in die Ferne. Für meine alleinerziehende Mutter in diesen schwierigen Zeiten mit zwei Kindern (meine große Schwester war schon 14) sicherlich eine Erleichterung, zumindest für einige Wochen. Ich war noch zu klein, um detaillierte Erinnerungen zu haben, aber einige wenige Dinge werde ich NIE vergessen: Bei den Mahlzeiten saß an meinem Tisch mir direkt gegenüber ein Junge, der NAHEZU TÄGLICH sein Essen wieder in den Teller erbrochen hat. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er gezwungen wurde, das Erbrochene aufzuessen, aber sehr wohl an meine Panik, dass es jeden Moment wieder soweit sein würde... Mein Essverhalten wurde dadurch nachhaltig beeinträchtigt, auf keine Mahlzeit habe ich mich gefreut, sondern hatte Angst und Ekel davor. Das Ziel, mit ein paar Pfunden mehr nach Hause zu kommen, wurde definitiv nicht erreicht. Ein weiteres Bild im Kopf habe ich von der Massendusche, viele Duschköpfe über einem tiefergelegten Becken, alle Mädchen mussten gleichzeitig und mit derselben Duschtemperatur duschen. Ich erinnere mich daran, dass ich als bibbernder dünner Hering diese Prozedur ausgehalten habe. Meine Freundin Silvia, mein einziger emotionaler Halt in diesen gräßlichen Wochen, hatte so starkes Heimweg, dass sie vorzeitig von ihren Eltern abgeholt wurde. Auch das Gefühl der totalen Einsamkeit und Verlassenheit ist noch abrufbar. Postkarten von meiner Mutter, meiner Schwester, meiner Oma und meinem Cousin, die ich bis heute wie einen Schatz hüte, besagen, dass ich während des Aufenthalts auch mehrere Tage krank war und auf der Krankenstation lag, aber ich weiß nicht mehr, welchen Infekt ich mir eingefangen habe. "Fräulein Gaul berichtet, dass es Dir schon wieder besser geht", so schrieb mir meine Mutter. Weingummi hat sie mir geschickt, nicht, dass ich diese Post etwa erhalten hätte. "Fräulein Gaul hat die Gummitiere an alle Kinder verteilt". Aus heutiger Sicht vermutlich pädagogisch richtig, aber dennoch eine Entmündigung. Ob ich nachhaltige Schäden aus diesem Aufenthalt davongetragen habe, kann ich nicht sagen. Aber ich fühle nur Unwohlsein und Zorn in mir, wenn ich an diese längst vergangenen Tage denke. Als meine Tochter fünf Jahre alt war, habe ich mich fassungslos gefragt, wie meine Mutter es fertig gebracht hat, mich für so lange Zeit fortzuschicken. Ich konnte sie leider nie danach fragen, sie ist schon lange tot.
Claudia
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Speichermann Michael aus Egglham schrieb am 26.02.2021
Ich wurde von meinen Eltern über die BASF nach Bad Dürrheim geschickt, es waren immer 6 Wochen in den ich in Gitterbetten schlafen musste, die teilweise so klein waren das die Füße raus hingen! Ich kann mich noch dran erinnern das ich an das Bett gefesselt wurden bin, auch an die Inhalation den Gestank! Jedenfalls war das immer für mich eine schreckliche Zeit, 6 Wochen alleine mit Heimweh, Ich bin gerade dabei diese Erlebnisse mit Psychotherapeuten aufzuarbeiten... es war eine schreckliche Zeit.. und ganz ehrlich habe ich Angst davor was ich alles verdrängt habe..
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Andi aus München schrieb am 26.02.2021
Ich wurde 1977 als 10-jähriger in das Haus "Schwarzwald" der Barmer -Ersatzkasse in Ühlingen-Birkendorf geschickt und habe daran Erinnerungen, die sich sehr von den meisten Beiträgen hier im Forum unterscheiden. Allerdings konnte ich von diesem Kindererhohlungsheim auch keinen Bericht finden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Heimen scheint es eher entspannt zugegangen sein und an außergewöhnliche Drangsalierungen durch Betreuungspersonal kann ich mich auch nicht erinnern. Ich habe auch viele positive Erinnerungen an diese Zeit, wie etwa ein Ausflug zu den Rheinfällen in Schaffhausen, einen Diskoabend oder regelmäßige Spielzeiten in einem nahen Waldstück, wo wir ohne weitere "Einmischung" von Erzieherinnen Hütten bauen konnten. Was mich bis heute beschäftigt, war das sich fast schon frei entwickelnde "Kräftespiel" unter Kindern und Jugendlichen (die jüngsten dürften gemäß einem Gruppenfoto etwa 5 oder 6 , die ältesten 13 gewesen sein), das nach 6 Wochen doch zu einer gehörigen Rohheit untereinander geführt hat. Nach sechs Wochen hatten sich Banden gebildet, es gab "Revierkämpfe" zwischen der Gruppe von "Gorilla" und "Ritschi" und auch an einen sexuellen Übergriff kann ich mich erinnern, bei dem ein Mädchen von mehreren großen Jungs gehalten wurde und ich (ich war der kleinste in der Gruppe "Große Jungs") aufgefordert wurde, dem Mädchen die Hose auszuziehen. Das hätte ich zweifellos auch getan, ohne genau zu wissen weshalb. Zum Glück ist eine Erzieherin dazwischen gegangen. Der Vorfall beschäftigt mich noch heute und ich bin immer noch schockiert darüber, wie schnell ich zum Täter geworden bin, um mein "Standing" zu verbessern. An Konsequenzen oder Strafe hierfür kann ich mich nicht erinnern. Ich kann mich auch daran erinnern, wie ein kleinerer Junge mich darum gebeten hat, sein Freund zu sein, was mich zunächst sehr stolz gemacht hat. Später aber bin ich für diesen Jungen, als Mitläufer im Rudel, zum "Mobber" geworden. Insofern trag ich neben einigen positiven Erinnerungen bis heute auch Bilder in mir die mich belasten. Wie gesagt, dem Erziehungspersonal ist sicher kein Vorwurf zu machen aber für mich, der ich in der Frühpupertät mit unfestem Charakter nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden konnte , war der Heimaufenthalt moralisch gefährlich! Diese sechs Wochen waren wahrscheinlich zu lang für mich.
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M. S. schrieb am 25.02.2021
Im Augenblick kommt wirklich alles wieder hoch, daher noch ein kleiner Nachtrag: Auf dem Rückweg von meinem heutigen Arbeitsplatz gibt es ein Trafohäuschen, so eines, das Erdleitungen mit Überlandleitungen verbindet. Mehr als 46 Jahre später werde ich davon noch immer an einen schneebedeckten Hügel erinnert, einen Bach der dort verlief und der flüssiges Wasser führte, weil es knapp über 0°C war. Es war alles sehr nass, auch der Schnee.

Das Trafohäuschen war damals nicht allzu weit weg vom Kinderheim und war meist der Ausgangspunkt für die Folter durch die älteren, stärkeren und größeren Kinder, die immer mindestens zu Dritt waren. Der nasse Schnee blieb mir besonders in Erinnerung, weil mir an einem Tag bei solch einem Wetter der Mund mit Schnee so voll gestopft worden war und ich zusätzlich mit dem Gesicht in den Schnee gedrückt wurde und sich die Kinder auf mich setzten, so dass ich keine Luft mehr bekam und echte Todesangst hatte.

Ob ich mich befreien konnte oder evtl. nur bewußtlos geworden war weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich kurz danach um Hilfe flehend die Betreuerinnen ansprach und Ärger bekam und aufgefordert wurde, mich halt zu wehren. Ich könne die anderen doch auch einseifen oder mit der Faust zuschlagen... Zur Erinnerung: Es waren stets mindestens drei Jungen, alle 2 bis 3 Jahre älter und einen Kopf größer als ich. Ich war zur Kur, weil ich zu klein und zu schwächlich war.

Ich hatte an dem Tag noch mehrere Stunden Probleme mit vorher mir unbekannten Kopfschmerzen und Schwindel. Ich gehe davon aus, tatsächlich aus Mangel an Sauerstoff ohnmächtig gewesen zu sein. Deshalb sehe ich bis heute hinter jedem Trafohäuschen einen mit nassem Schnee bedeckten Hügel.

Alle an diesen übergriffen beteiligten Jungen wurden auf der Weinachtsfeier vom Weihnachtsmann gelobt und bekamen Süssigkeiten und Geschenke, während ich als eines der ganz wenigen Kinder die Rute bekam (von über 100 waren es maximal 5). Ich war ja so ungezogen, einen Jungen mit Heimweh zu trösten, außerdem kam ich von den Jungenwanderungen über Wochen stets durchnässt und verdreckt zurück...
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Hans Knauser aus Stuttgart schrieb am 25.02.2021
Ich war in Bad Imnau... an die erste Nacht erinnere ich mich noch: Zimmernachbarn haben gewimmert vor Heimweh, kahle Wände, Metallstockbetten und vergrämte Nonnen. Die Grundstimmung war furchteinflößend.... ein Kinderknast! Das Essen war lieblos und der Zwang, aufessen zu müssen ging soweit,
daß ich weiteressen mußte, obwohl ich mich erbrochen habe. Von den sechs Wochen dort sind mir nur diese zwei Situationen in Erinnerung geblieben- die restliche Zeit scheint nicht mehr zu existieren. Nach dem Aufenthalt dort, hat sich bei mir ein ausgeprägtes Hospitalismussyndrom gezeigt, wobei dieses nie benannt, geschweige denn behandelt wurde.
Im Rückblick muß ich sagen:
Menschenverachtende Zustände, direkt ableitbar aus einer nicht aufgearbeiteten Geschichte!
Und wieder einmal ist die Kirche der Täter....
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M. S. schrieb am 25.02.2021
Dietmar Pyko aus München erinnert sich an eine systematisch geförderte Denunziation. Ich selber habe das genaue Gegenteil erlebt, ich wurde bestraft, wenn ich "petzte". Es ging dabei um die Übergriffe einer Gruppe älterer Kinder zu meinem Nachteil, siehe mein ausführlicher Bericht. Dabei hatte ich nur auf Hilfe gehofft, diese bleib aber komplett aus. Ich wurde vom Opfer zum Täter gemacht, es soll meine Schuld gewesen sein, dass ich gequält wurde.

Und noch ein Nachtrag zu meinem Bericht: An das Essen selbst habe ich wenig Erinnerung, aber an mehrere Dinge, die mit dem Essen zu tun hatten:

Es gab in dem Heim Kinder, die abnehmen sollten, andere sollten wie ich zunehmen und ein Junge hatte vermutlich Diabetes. Er bekam eine Sonderkost - immer die gleiche! Sechs Wochen lang! Der tat uns allen leid. Wir saßen bunt gemischt, aber immer am selben Platz. Der Diabetiker saß links von mir, an meinem Tisch saßen mehrere dicke Kinder, die tatsächlich regelmäßig Hunger hatten, weil sie für mich unvorstellbar kleine Portionen bekamen. Die wie ich dünnen Kinder hatten das Privileg, beliebig viel Nachschlag holen zu können. Das habe ich teilweise sogar für mich gemacht. Ich weiß nicht mehr, was es dort so alles gab, aber das Essen wird ganz normal gewesen sein, nur der Kamillentee war für mich untrinkbar.

Da ich wie ich bereits schrieb deshalb den Tag über sehr viel Durst hatte, tauschte ich fast jeden Morgen: Ich holte Nachschlag, also Brote o. ä., die ich gegen die Kindertassen mit geschätzt maximal 100 ml Kakao eintauschte.

Der starke Durst hat dabei vermutlich bis heute Folgen: Seit meiner Kindheit trinke ich sehr viel, es gab Zeiten, da trank ich täglich teilweise bis zu 5 oder 6 Liter. Inzwischen sind es meist nur noch zwischen 3 und 4 Liter, teilweise auch mehr und ich werde seit Jahrzehnten regelmäßig von meinen Ärzten gescholten, weil das ungesund ist. Aber ich habe halt immer Durst. Es kommt häufig vor, dass ich eine 1,5 Liter Flasche Cola Zero in wenigen Minuten austrinke. Meist sind das pro Tag 2 Flaschen, dazu kommt dann noch locker ein Liter Milch oder Saft. Wenn ich viel Stress habe, trinke ich mehr! Ich denke, das ist eine der Spätfolgen der Kur, die über 46 Jahren her ist.

Meinen Speiseplan konnte ich dagegen sehr gut an meine Wünsche anpassen. Gab es etwas, das ich widerlich fand oder nicht mochte, wie z. B. Leber, dann gab ich diese an die dicken Kinder am Tisch und holte mir vom Kartoffelbrei und der Beilage Nachschlag. Als Kohlliebhaber (Grünkohl, Rosenkohl und alle anderen Arten) gab es oft etwas, das mir sehr schmeckte, was aber - zugegeben - von vielen anderen Kindern als widerlich angesehen wurde. Für mich muss ich sagen: Das Essen war gut, ich habe keine negative Erinnerung daran.

Natürlich durften wir uns nicht erwischen lassen, es gab massive Strafen, wenn wir nicht ausschließlich von unseren Tellern aßen. Die gängigen Strafen waren langes In-der-Ecke-Stehen, Ausschluß von Gemeinschaftsaktivitäten u. ä. m..
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Monika aus Hannover schrieb am 24.02.2021
Als 9-jährige wurde ich in ein Heim zu Nonnen geschickt. Das Haus sehe ich noch vor mir, kann mich aber an den Ort nicht erinnern. Sehr gut erinnern kann ich mich allerdings an das Martyrium beim Essen. Da mußte immer alles aufgegessen werden. Vorallem abends saß ich oft als letztes Kind im Speisesaal und durfte nicht eher aufstehen, bis der Teller leer war. Mit vollgestopften Backen bin ich dann ins Schlafhaus hinüber und hab dort alles wieder rausgebracht. Das durfte natürlich nicht bemerkt werden, sonst mußte man auf dem kalten Flur stehen. In dieser Zeit bin ich zur Bettnässerin geworden.
Post nach Hause wurde kontrolliert und von Heimweh durfte man nichts schreiben. Es gab dann eine Karte, die schon vorgeschrieben war, da durfte ich meinen Namen drunterschreiben.
Ich war in dieser Zeit eh schon sehr verstört, da mein Bruder kurz zuvor druch eine Unfall ums Leben gekommen war. Dieses völlige Alleingelassensein in erniedrigenden Situationen hat mir einen seelischen Schaden zugefügt, den ich nicht ermessen kann.
Vor der Einschulung war ich schon einmal für 6 Wochen auf Spickeroog und später nochmal auf Föhr doch diese Aufenthalte haben keine so negativen Eindrücke hinterlassen.
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Gertrud (damals) Kramer aus Freiburg schrieb am 24.02.2021
Vor einer Weile schon bin ich zufällig durch einen „könnte Sie auch interessieren“-Link in irgendeiner Online-Zeitung auf diese Seite aufmerksam geworden, und seitdem habe ich mit mir gerungen, ob ich mich hier auch zu Wort melden soll/möchte oder nicht. Was ich zu erzählen habe, haben vor mir schon viele andere erzählt. Trotzdem habe ich mich nun dafür entschieden, es zu tun und habe gemeinsam mit meinen beiden noch lebenden Brüdern die Erinnerungen an unsere „Kur“ zusammengetragen, denn ich denke, jede Geschichte zählt.

Zuerstmal möchte ich aber gerne noch loswerden, wie erschreckend und gleichzeitig irgendwie auch erleichternd/befreiend (ich finde keine besseren Worte) es ist, daß so viele Kinder ähnliches erlebt haben wie meine Brüder und ich. Ich dachte damals, wir hätten einfach Pech gehabt, im „Haus Sonnenschein“ wäre es bestimmt besser gewesen... Niemals hätte ich gedacht, daß das ganze eine groß angelegte, systematische Kindesmisshandlungsindustrie sein könnte, von u.a. Krankenkassen und KIRCHEN unterstützt und finanziert.

Nun aber zu meinem Bericht.
Vermutlich 1980 wurden meine drei jüngeren Brüder und ich zur Kinderkur nach Langeoog geschickt, ins Flinthörnhaus. Wir kannten Langeoog, haben auch einige Verwandte dort, und da meine Mutter uns von ihren schönen Erlebnissen in ihrer eigenen Kur erzählt hatte, habe ich mich trotz der Aussicht, so lange von zu Hause weg zu sein, auch ein bißchen auf die Zeit auf der schönen Insel gefreut. Ich war damals 12 Jahre alt, meine Brüder waren 11, 9 und 7 Jahre alt. Wir hatte eine eher problematische Situation zu Hause und waren alle vier von der psychosozialen Entwicklung her nicht unserem Alter entsprechend, also gefühlt jünger. Mein jüngster Bruder war auch noch nicht in der Schule.
Unser Aufenthalt muss im Herbst gewesen sein; ich erinnere mich an eher wärmere Jacken und daran, daß ich Sanddornbeeren gegessen habe.
Ich weiß nicht mehr, wie wir zum Kurheim gekommen sind, aber ich bin mir sicher, daß wir ohne unsere Eltern mit der Fähre nach Langeoog übergesetzt sind und am Anleger von irgendjemandem „eingesammelt“ wurden.
Eingesammelt wurden dann, im Kurhaus angekommen, auch unsere mitgebrachten Süßigkeiten und persönlichen Dinge sowie unser mitgebrachtes Taschengeld. Ein Kuscheltier durfte man behalten. Die Süßigkeiten haben wir nie wieder gesehen. Ich hatte es irgendwie geschafft, meinem Teddy den Rücken aufzumachen und heimlich eine Hand voll Gummibärchen hineinzustecken, so konnte ich in der ersten Zeit ab und zu mal ein Gummibärchen mit dranklebenden Schaumstoff-Flöckchen essen, natürlich nicht ohne Angst, erwischt zu werden...

Mein Bruder erinnert sich an Angst vor der ärztlichen Eingangsuntersuchung, bei der alle Kinder erstmal nackt bis auf den Schlüpfer auf dem Flur warten mussten, bis sie von einer älteren Ordensschwester einzeln ins Zimmer gerufen wurden. Besagte Schwester Elfriede war zum Glück sehr nett. Zu ihr durfte ich dann aufgrund meiner Neurodermitis auch jeden Morgen gehen und mich am ganzen Körper eincremen lassen. Das hätte ich zwar mit meinen 12 Jahren durchaus auch schon selbst gekonnt, war aber ganz dankbar für diese kleinen friedvollen Momente des Umsorgtwerdens. Es waren so ziemlich die einzigen dort.

Es wurde, wie bei so vielen anderen, vor allem mit Angst, Drohungen, Strafen, Psychoterror und auch körperlicher Gewalt gearbeitet.
Ich erinnere mich an zwei Aufsichtspersonen?Erzieherinnen?, Schwester Annegret und Schwester Jutta. Vor allem Schwester Jutta war schrecklich. Von der Beschreibung her könnte sie die gleiche Person sein wie in einem Bericht ein Stückchen weiter unten vom Dünenhaus in 1968.

Meine Brüder und ich wurden bald nach der Ankunft voneinander getrennt, wir hatten kaum Kontakt, durften auch bei den Mahlzeiten nicht zusammen sitzen, nur wenn ich beim Rausgehen den Kleineren beim Jacke anziehen geholfen habe, war manchmal auch mein jüngster Bruder dabei. Bei einer solchen Gelegenheit stand plötzlich Schwester Jutta hinter mir, verpasste meinem kleinen Bruder eine deftige Ohrfeige und schnauzte in an, er solle gefälligst den Mund zumachen.
Mein kleiner Bruder hatte Polypen und konnte durch die Nase keine Luft bekommen. Als ich Schwester Jutta darauf hinwies, fing auch ich mir eine Backpfeife ein.
Wenn wir nach draußen gingen, war es immer eine Wanderung oder eher ein Marsch in Zweierreihen durch die Dünen. Am Strand waren wir in den ganzen vier Wochen nicht ein einziges mal. Ganz selten sind wir auch durch den Ort marschiert, bei solchen Gelegenheiten habe ich mir immer gewünscht, daß eine von unseren Verwandten uns doch bitte sehen möge.
An irgendwelche anderen Aktivitäten, Spiele oder ähnliches erinnere ich mich nicht.
Auch nicht, was es zu essen gab, aber ich erinnere mich an die Angst bei den Mahlzeiten an den langen Tischen. Mein damals 11jähriger Bruder erinnert sich an Hagebuttentee am Morgen und Pfefferminztee am Abend und schrieb mir: „Ich hatte noch lange nach Langeoog große Probleme mit Quarkspeise und Angst, daß die Spaghetti nach Kotze schmecken“

Ja, auch bei uns musste Erbrochenes aufgegessen werden. Ich erinnere mich an den kleinen Jens, der mit seinen zwei Jahren der Kleinste dort war und einmal seine Suppe oder Haferschleim nicht vertragen konnte, sich auf den Teller übergeben hat und gezwungen wurde, das ganze aufzulöffeln. Was er natürlich nicht konnte, er hat furchtbar geweint, und wurde dann festgehalten, bekam den Mund aufgedrückt und bekam die ganze eklige Portion dann zwangsweise eingeflößt.
Aber natürlich vor den Mahlzeiten alle schön die Hände falten, und wer spricht heute das Tischgebet?

Der gleiche kleine Jens musste, nachdem er einmal eingekotet hatte, im Gruppenwaschraum alleine mit der Hand seine Wäsche waschen. Mein 9jähriger Bruder hat im dann geholfen, da der Kleine weinend vor ihm stand und damit völlig überfordert war.

Dann war da der fünfjährige Markus, der nachts eingenäßt hat und jeden Tag im Waschraum sein Laken auswaschen musste. Außerdem mußte er fast täglich die Toilette schrubben, da ihm öfter mal Stuhlgang daneben ging.

Ich bin mir nicht sicher, aber meine, mich zu erinnern, daß ich eine Nacht auf dem Fußboden neben dem Bett schlafen musste, weil auch meiner Blase die Nacht zu lang war und ich im Schlaf ins Bett gemacht hatte.

Es gab zwei große Schlafsäle, einen für die Mädchen, einen für die Jungs. Nach dem Licht ausmachen durfte man nicht mehr auf die Toilette (Schwester Annegret hat einen manchmal gelassen, wenn keine Gefahr bestand, daß es jemand mitbekommt), reden ja sowieso nicht.
Die Nachtwache saß im Flur zwischen den Schlafsälen und hat aufgepaßt, ab und zu ging sie rum und leuchtete uns mit der Taschenlampe ins Gesicht um zu kontrollieren, ob wir auch wirklich schlafen.
Ich habe damals noch am Daumen gelutscht und hatte eine Heidenangst, erwischt zu werden, oder daß ich mit dem Daumen im Mund einschlafen könnte und es dann die Nachtwache sieht.
Mein damals 9jähriger Bruder ist nachts davon aufgewacht, daß Schwester Jutta ihn an den Haaren gerade gezogen hatte, weil er wohl „zu schräg im Bett lag“.
Kinder, die während der Mittagsruhe im Bett heimlich lasen, wurden ebenfalls von der lieben Jutta an den Haaren aus dem Bett gezogen.

Gebadet, geduscht oder auch nur die Haare gewaschen haben wir uns in den vier Wochen nicht, es gab nur die großen, weiß gekachelten Gruppenwaschräume mit Waschbeckenreihen, wo wir uns mit kaltem Wasser waschen durften.

Es waren auch drei vierzehnjährige Kinder da, obwohl laut meiner Mutter die „Kur“ nur für Kinder bis zwölf sein sollte. Ein Mädchen, Carmen, und ein Zwillingspaar, Christian und seine Schwester, ich glaube, sie hieß Petra oder so. Christian kam manchmal zu uns in den Mädchenschlafsaal und hat sich auf mich gelegt. Ich habe das damals gar nicht verstanden. Heute frage ich mich, wie er es überhaupt geschafft hat, in unseren Schlafsaal zu kommen, ohne daß die Schwestern es gemerkt haben.

Einmal durften wir Briefe nach Hause schreiben, die aber natürlich auch vor dem Zukleben kontrolliert wurden, damit auch ja nichts schlechtes drin stand.
Und wer, wie auch wir einmal, ein Päckchen von zu Hause bekam, hat davon auch nicht viel gesehen. Die beiliegenden Briefe/Karten wurden vorgelesen, der Inhalt wurde einkassiert. Und auch nicht an alle verteilt, sondern von den Schwestern behalten.

Wir hatten Glück und waren nur vier Wochen in dieser Kinderhölle, aber die waren auch lang genug, um uns kräftig zu traumatisieren.

Als wir nach Hause kamen, habe ich unseren Eltern erzählt, was uns dort passiert ist.
Meine Mutter hat mir nicht so richtig geglaubt und es abgetan „so schlimm kann‘s doch nicht gewesen sein“. Heute sagt sie „ich dachte, wir tun euch was gutes“.
Mein Vater, der als Kind während des Krieges übrigens in Kinderlandverschickung war, hingegen hat sich furchtbar aufgeregt und ich glaube, er hat auch einen Beschwerdebrief geschrieben, auf den aber nie eine Antwort kam.
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Ingrid Hellwig aus 23909 Ratzeburg schrieb am 24.02.2021
Mit Entsetzen habe ich die Berichte über die Verschickungskinder gelesen, die soviel Leid erfahren mussten.
Meine beiden Schulfreundinnen und ich gehören definitiv nicht dazu. Wir hatten die schönsten 6 Wochen in dem Kinderheim "Marienhof", Wyk a. Föhr. Wir waren viel an der frischen Luft am Südstrand und haben die Zeit genossen. Es ist zu keinerlei Strafen o.Ä. gekommen. Mittagsschlaf fand zwar statt, empfanden wir aber nicht als schlimm. Ich habe geweint, als es wieder nach Hause ging.....
Ich besuche die Insel 1x im Jahr und mein erster Weg führt immer in das Kinderheim, heute "Friesenhof".
Im Okt. 1962 war ich zusammen mit 3 Schulfreundinnen in Clausthal-Zellerfeld im Kinderheim "Voigtslust". Auch hier haben wir 6 herrliche Wochen verbracht. Viel an der frisch Luft, Pilze sammeln o.ä. Es wurden kleine Theaterstücke aufgeführt. Es ging uns rundum gut.
Dass wir nachts nicht auf die Toilette durften, sondern auf einen Topf gehen mussten, fanden wir amüsant aber nicht schlimm. Wir hatten alle unseren Spaß.
Wir hatten dann wohl großes Glück .....
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M. S. schrieb am 24.02.2021
Seit Jahrzehnten belasten mich Erinnerungen, die ich mit den Jahren immer mehr in Frage gestellt habe, mir erschien es einfach irgendwann unmöglich, dass mit Schutzbefohlenen so umgegangen worden sein könnte. Natürlich ist mir heute längst klar, dass das wirklich so passiert ist und ich nicht ohne Grund auch 46 Jahre später teilweise noch davon träume.

Es war Ende 1974, als ich für 6 Wochen von November bis Dezember zur Kur sollte. Meiner Eltern und ich erwarteten einen Urlaub im (wenn ich mich recht entsinne) Schwarzwald. Ich war noch keine 9 Jahre alt, war aber ein selbstbewußt erzogenes Kind. Ich war nicht ängstlich. Darum hatten sich meine Eltern immer bemüht. Für mich war die Kur tatsächlich ein Urlaub. Da ich einer der kleinsten und schwächsten Jungen in der Klasse war, lautete die Begründung für die Kur: Schwächlich, also Aufpeppeln.

Die erste Zeit begann ganz nett, auch wenn ich einiges sehr traurig fand und nicht verstand: Es wurde im Kurheim jeder Kontakt zu den Mädchen unterbunden. Für mich waren Jungen und Mädchen aber immer gleichwertige Spielkameraden, ich kannte da keinen Unterschied, mein bester Freund zuhause war auch ein Mädchen. Kontakt zum anderen Geschlecht gab es nur auf den mehrstündigen Märschen (Wandern würde ich das Marschieren in Zweierreihen nicht nennen).

Vorne liefen die Jungen, dahinter die Mädchen. Weil ich keinen der als Partner geeigneten Jungen fand, war ich zufällig der letzte der Jungen und traf dort ein Mädchen gleichen Alters, mit dem ich mich wunderbar unterhalten konnte. Sie war zufällig bei den Mädchen ganz vorn. Wir beide waren dort wohl die einzigen Kinder, die Spaß an den Gewalltmärschen hatten, weil wir mit viel Phantasie Geschichten erfanden, miteinander lachten und die Zeit so wie im Fluge verging. Obwohl die Kontakte zwischen Jungen und Mädchen nicht gern gesehen waren, ließ man uns gewähren. Wir gingen jeden gemeinsamen Marsch von Jungen und Mädchen gemeinsam.

Das Mädchen brach sich relativ früh einen Unterarm beim Sport. Sie bekam einen dicken Gips, der später noch wichtig werden sollte.

In der Jungengruppe hatten wir Zimmer mit 6 oder 8 Betten, das weiß ich nicht mehr genau. Ich hatte vom Flur ins Zimmer kommend links das erste Bett und auf der linken Seite am Fenster hatte ein Junge mit viel Heimweh sein Bett. Die ersten Tage ging es noch, aber sein Heimweh wuchs. Zu allen Schlafenszeiten beruhigte ich ihn, redete auf ihn ein, so dass er nicht nächtelang weinend im Bett liegen musste und er (und alle anderen im Zimmer) etwas Schlaf bekam(en). Ich hatte mit der Zeit tatsächlich Erfolg, es ging dem Jungen merklich besser. Ich flog allerdings regelmäßig raus. Nach dem Zubettgehen war unabhängig von der Uhrzeit jegliches Gespräch verboten. Kam eine Aufsicht den Flur herunter, war ich immer am besten zu hören, die weiter am Fenster liegenden Jungen meist nicht, da sie weiter von der Tür weg waren.

Die Standardstrafe war, dass man im Schlafanzug barfuß und ohne Bettzeug oder etwas in der Art in den ungeheizten Waschraum musste. Zuerst meist 1/4 Stunde, im Wiederholungsfall 1/2 Stunde. Ich musste dort stehen, hinsetzen oder hinlegen war verboten. Das habe ich trotzdem oft gemacht, die Aufsicht kam ja nur mit längeren Pausen. Wurde ich erwischt, wurde die Strafe halt verlängert. Kurz und gut: Ich musste sehr viel frieren, ich war über längere Zeit meist mehrmals täglich kaum bekleidet im Waschraum.

Weil ich so mickrig war und mich stets so schön wehrte, hatten mich mehrere ältere Jungen als Lieblingsopfer auserkoren. Es handelte sich um einen harten Kern von drei Jungen, mehr als einen Kopf größer und alle zwei bis drei Jahre älter als ich. Einige andere Jungen kamen im Wechsel hinzu. Da wir November/Dezember hatten, lag häufiger Schnee, meist war es aber eher nass, weil die Temperaturen über längere Zeit um den Gefrierpunkt lagen. Die Jungen quälten mich nach Kräften, dazu gehörte, dass mir die Stiefel weggenommen wurden (Moonboots), ich diese auf Socken aus dem Bach fischen musste oder die Jungen die Stiefel irgendwo in größerer Entfernung in den Schnee warfen, vorher mit Schnee füllten o. ä.. Zusätzlich wurde ich regelmäßig "eingeseift", dabei wurde mir Schnee den ganzen Rücken herunter in die Jacke und die Hose gestopft, aber mir wurde auch häufiger der Mund mit Schnee vollgestopft, so dass ich keine Luft mehr bekam und wurde dann gerne bäuchlings mit dem Gesicht voran in den Schnee geworfen, während die Kinder sich auf mich setzten um zu verhindern, dass ich aufstehen konnte.

Diese Übergriffe waren häufig, fanden regelmäßig auf den reinen Jungenspaziergängen oft im direkten Sichtfeld der Betreuerinnen statt, die mich nicht schützen wollten. Ich wurde stattdessen mit Strafen bedroht, bekam teilweise auch Strafen wegen meiner nassen Sachen und wurde ansonsten nur aufgefordert, mich gefälligst zu wehren. Wie sich das Problem nach einiger Zeit gelöst hat? Meine Freundin mit dem Gips hat dem harten Kern der Folterknechte einige Male mit dem Gips ein paar solide Nackenschläge verpasst - die schissigen großen Jungs hatten sehr schnell eine Heidenangst vor dem kleinen Mädchen! Die Schläge mit dem Gips hatten übrigens nachhaltige Wirkung, die Jungen ließen mich auch auf den reinen Jungenspaziergängen in Ruhe.

Nach einiger Zeit hielt ich mich recht gerne im Waschraum auf: Es war für mich eine Nottoilette (wir durften zu den Schlafenszeiten natürlich nicht auf Toilette) und ein unerschöpflicher Brunnen! Ich habe schon seit ich denken kann eine Art Phobie vor Kamillentee. Wahrscheinlich habe ich mich daran mal als Kleinkind schwer verschluckt o. ä.. Kamillentee verursachte mir als Kind Brechreiz und Krämpfe, ich konnte das Zeug einfach nicht schlucken. Leider war das das häufigste Getränk. Am Tag und Abend gab es nur Kamillentee. Es war aber verboten, etwas anderes zu trinken und es gab abgesehen vom morgendlichen Kakao in so kleinen Tassen mit 100 ml Inhalt auch nichts. Der Kakao war rationiert, eine Tasse pro Kopf und Tag, mehr gab es nicht. Um nicht zu verdursten fing ich sehr früh an, mich in meinen zahlreichen Strafzeiten kräftig aus der Wasserleitung zu bedienen.

Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich inzwischen fast dauererkältet war oder man erkannte, dass ich mich längst mit meinen täglichen Strafen arrangiert hatte, aber ich wurde in ein Einzelzimmer strafverlegt. Auf die Krankenstation. Die älteren Jungen waren nicht mehr so ein Problem, ich fing an, mich in dem Laden fast schon wohl zu fühlen.

Meine alten Zimmergenossen beklagten sich allerdings bei mir, weil mit meinem Auszug das Heimweh des einen Jungen wieder ausbrach. Er weinte wieder ganze Nächte durch, was die anderen um ihren Schlaf brachte. Mein Einzelzimmer auf der Krankenstation besaß ein kleines Waschbecken, so dass ich stets genug zu trinken hatte, ich brauchte auch niemandem mehr zureden, damit er sein Heimweh aushielt, ich kam auch nicht mehr mit verdreckter und nasser Kleidung von den Spaziergängen zurück, ich war ein braves Kind wie aus dem Buche geworden.

Nach zwei, drei oder auch vier Wochen, wo ich brav ohne Ende war, endete die ganze Kur, es waren sechs Wochen rum. Da es inzwischen Dezember war, gab es als Abschluss eine Weihnachtsfeier. Es kamen ein Weihnachtsmann und Knecht Ruprecht. Alle Kinder in dem Kurheim wurden einzeln aufgerufen und durften sich nach viel Lob wie brav sie doch seien aus dem Sack des Weihnachtsmanns ein Geschenk nehmen. Darin waren durchweg kleine Spielzeuge und natürlich Süssigkeiten. Auch meine früheren Folterknechte bekamen Spielzeuge und Süssigkeiten. Ich nicht. Ich gehörte zu den ganz wenigen Kindern, die kein Geschenk erhielten (nach meiner Erinnerung gab es vier Gruppen zu je 25 bis 30 Kinder, also insgesamt über 100, von denen drei oder vier oder fünf kein Geschenk bekamen). Wir wurden gerügt und bekamen vor allen Kindern die Rute. Das hat mich so verletzt, dass ich gar nicht sagen kann, ob das körperlich sehr schmerzhaft war, es hat mich gedemütigt und ich habe dieses Unrecht einfach nicht begreifen können. Mir wurde ernsthaft vorgeworfen, dass ich mich trotz aller Verbote und Strafen um den Jungen mit Heimweh gekümmert hatte und viel zu oft nass und verschmutzt von den Spaziergängen wieder gekommen war!

Ich ertrage es bis heute nicht, wenn irgendetwas unfair ist. Das ist ein Trauma, das ich nie überwunden habe.
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Gabriele Lindstaedt schrieb am 24.02.2021
In diesem Heim habe ich ein paar Wochen zur Kur verbracht. Als älteste von 5 Kindern wollte mir meine Mutter die Witwe geworden war wohl etwas besonderes gönnen.
Bereits bei der Ankunft mussten wir uns in Reih und Glied aufstellen und wurden auf die Betreuerinnen verteilt. Hier habe ich schon mitbekommen wie die fuer meine Gruppe zuständige Betreuerin zu einer Kollegin sagte die habe ich schon gefressen. Gemeint war ein etwas übergewichtiges Mädchen, das dann auch nicht allzu viel Freude hatte. Bei einer Gruppenwanderung im Schnee der uns Kindern immerhin bis zu den Knien ging ist die Betreuerin einfach losmarschiert und hat die kleine Dicke hinter sich gelassen. Ich bin dann mit dem Mädchen wesentlich spaeter nachgekommen. Zum Glueck hatten wir den Weg gefunden. Aufgrund dieser Exkursion hatte ich mich erkältet und prompt ins Bett gemacht. Das wurde dann im Fruehstuecksraum thematisiert mit zur Schaustellung des Lakens und ohne Frühstück in die Ecke stellen. An Ostern haben wir Kinder von unseren Eltern Paeckchen bekommen... Davon bekam ich lediglich eine Tuete Bonbons weil man den Rest an Kinder verteilen wollte die nichts bekamen. Abends konnte man die Betreuerin beobachten wie sie sich selbst bedient hat.
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Britta M. aus Köln schrieb am 24.02.2021
Hirschegg,Marienhöhe,Kleinwalsertal
Als der Alptraum begann,war ich 7 Jahre alt.
Meine Eltern erzählten mir vom Skifahren,Bergen und Schnee,-wie schön es wäre,wenn ich dort in einem Sanatorium etwas zunehmen und mich in der guten Luft erholen könnte.
Es gab eine sehr lange Liste mit Dingen, die ich mitbringen musste,auch u.a.Schuhputzzeug und Skihose.
Ich wurde alleine in einen Zug gesetzt, wahrscheinlich mit Pappschild ,und sollte in Oberstorf umsteigen.
Irgendwie bin ich in diesem riesigen Haus gelandet, in dem es keine netten Worte gab,nur Vorwürfe und Anweisungen im Befehlston gab.Mir wurde sofort klar,wie schwer es wird,diese 6 Wochen durchzustehen.
In dem Schlafraum ,zu sechst,wurde mir wurde ein Bett hinter der Tür zugewiesen.Es wirkte,wie ein düsteres ,altes Krankenhaus.
Dunkle lange Flure,kahle Wände .
Am nächsten Morgen gab es eine lange Schlange,wir mussten zum wiegen ,vielleicht gab es auch Tabletten .Ich wog angeblich viel zu wenig.
Ich war einfach nur ein dünnes Kind.ZumFrühstück gab es riesige Marmeladenbrote und Hagebuttentee.
Ich hasste beides.Alleine von den Gerüchen drehte sich mein Magen um.Beides kann ich bis heute nicht essen.
Ich versuchte mein Brot an meine Tischnachbarn abzugeben.Das hat öfter geklappt.Zum Glück konnte ich auch mittags heimlich mein Essen am Tisch verteilen,da ich auch Grießbrei auf keinen Fall essen konnte.Leider gab es den sehr viel,und so musste ich oft bis nachmittags vor meinem Teller sitzen bleiben,bis ich das ungenießbare Essen runtergewürgt habe.Begleitend dazu hämische ,boshafte Kommentare von den Schwestern.
Der Mittagsschlaf fand auf einer großen Holzterasse statt.
Natürlich ohne Worte und mit Schlafzwang.Die Augen wurden überprüft,sonst gab es drastische Strafen .
Die schlimmste Erinnerung aber,hat nach dem Zubettgehen stattgefunden,als eine Schwester plötzlich die Zimmertür aufreißt und mich in den großen unheimlichen Waschraum beförderte.
Ich wurde dort auf eine gerippte Holzbank gefesselt, und musste dort die ganze Nacht auf der harten Bank ,alleine verbringen.
Es war kalt und düster ,ich hatte Todesangst und wusste nicht,was ich verbrochen haben sollte.
Vielleicht noch etwas geflüstert.
Dieses Bild von mir,ausgeliefert und einsam an diesem unglaublich herzlosen und grausamen Ort ,begleitet mich mein ganzes Leben.
Dazu der unbarmherzige Esszwang von ,für mich ungenießbarem Essen ,machte die 6 Wochen für mich zu einer endlosen Tortur.
Es gab jeden Morgen eine lange Schlange zum wiegen,in Unterhose auf dem Flur .Es war März oder April,es war kalt .
Ich wog immer weniger und musste mir deswegen auch Vorwürfe anhören.
Nach ca.3 Wochen habe ich nur noch das Essen ausgebrochen,ich konnte es nichts mehr bei mir behalten,und kam in eine Krankenstation.
Dort habe ich ca.10 oder 14 Tage verbracht ,-meine Rettung .Dort war es einigermaßen erträglich,und es gab einen freundlichen Arzt ,der merkte,dass ich total unglücklich war,und diese Grausamkeiten nicht mehr ertragen konnte.Trotzdem konnte ich auch dort kaum etwas essen.
Als ich wieder zurück in das normale Zimmer kam,gab es dort noch den Zwischenfall,das ca.13 jährige Jungen aus einem benachbarten Kinderheim in unser Zimmer stürmten.Kein Aufpasser auf dem Flur hatte ewas bemerkt ,und so durchsuchten die Jungs unsere Sachen und legten sich zu uns ins Bett .
Wir waren 6 Mädchen im Alter von ca.6-8jahren in diesem Zimmer .
Ich glaube ,mir blieb fast das Herz stehen,als ein 13 jähriger Junge plötzlich in meinem Bett lag .Ich konnte keinen Ton von mir geben vor Angst .
Nach ca.5 min. kam endlich ein Aufpasser und zerrte die Jungs aus dem Zimmer .
Da ich über Ostern dort war,bekam ich von meinen Eltern und Oma 4 Päckchen geschickt ,die mir kurz gezeigt wurden,dann wurde der Inhalt verteilt .
Briefe,die für mich ankamen ,waren bereits geöffnet.
In meinem Koffer ,den ich wieder mit nach Hause nahm,waren nur kaputte und verwaschene Kleidungsstücke ,die mir nicht gehörten.
Als ich zu meinen Eltern zurückkam,war ich nicht mehr das Kind wie vorher.Ich bin verstummt und ängstlich geworden .
Es kam nicht nicht nur vom Heimweh ,und ganz alleine so weit weg von zu Hause ,zu sein,sondern vom erleben grausamer ,böser Menschen ,und der willkürlichen Gewalttätigkeit ,der man dort täglich ausgeliefert war.
Meinen Eltern habe ich damals davon erzählt,aber sie wollten mir nicht glauben.oder konnten sich nicht vorstellen,dass diese Ereignisse wirklich passiert sind .
Für mich blieb diese Zeit als düsterstes Kapitel meiner Kindheit ,immer abrufbar und traumatisch.
Ich bin froh,dass diese Thema jetzt von unglaublich vielen Betroffenen aufgearbeitet wird,und endlich ans Licht kommt.Vielen dank dafür.
Nur die ,damals ausführenden Schwestern ,Tanten ,Betreuer kann man wohl leider nicht mehr zur Verantwortung ziehen.
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Hilde G. aus Ludwigsburg /Baden-Württemberg schrieb am 24.02.2021
Liebe Marion K.
Mein abgrundtiefer Ekel gegen dieses Lebensmittel Butter hat bei mir keinen Leberschaden hinterlassen. Das habe ich untersuchen lassen. Ich glaube, dass die Schläge und das stundenlange Erbrechen (ich war 2 J. alt), das Weinen meiner Mutter (sie hat ihren letzten Schmuck verhamstert) dazu geführt haben, dass ich das nie mehr essen konnte. Schon beim Riechen wird mir schlecht.
Danke für Deine Nachfrage
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Gisela Ries aus Bonn schrieb am 24.02.2021
Guten Tag,
Da der Arzt mich als zu dünn befand, als ich zehn Jahre alt war, wurde ich von meiner Mutter ins Heim "Goldene Schlüssel" geschickt. Vieles von dem, was ich in den Einträgen gelesen habe, habe ich auch erlebt. Damals war ich nach wenigen Tagen fest entschlossen, mir ein Fahrrad zu stehlen und nach Hause zu radeln. Natürlich hab ich das nicht umgesetzt. Schlimm war für mich, dass die Briefe zensiert worden und man unter Aufsicht einen neuen schreiben musste. Auch mochte ich es nicht, dass die Päckchen geteilt werden mussten. Es herrschte Drill.
Die "Tanten" kontrollierten, ob im Schlafraum (6 Kinder) gesprochen wurde. Einmal wurde ich deswegen auf eine Liege außerhalb des Hauses geschickt in eine Art Glasveranda. Als ich die Frage "willst du das noch einmal tun?" aus Versehen und Angst mit "ja" beantwortete, musste ich in der Verbannung bleiben. Mich hat sehr gestört, dass die pubertierenden Mädchen, die ja schon Brüste hatten, gegen ihren Willen gezwungen worden, durch die Dünen mit nacktem Oberkörper zu laufen. Ich beobachtete Männer, die eifrig zuschauten. Das Essen kann ich mich nicht erinnern. Damals schon hatte ich das Gefühl, dass die so genannten Tanten ehemalige Nazihelferinnen waren, nach meiner Heimkehr habe ich jahrelang Nacht für Nacht fantasiert, dass ich mit einem Tross von Polizisten dorthin fahre und den Laden auffliegen lasse. Bis jetzt staune ich noch, dass ich damals solche Fantasien hatte. Ich glaube, sie haben mir geholfen das traumatische Erlebnis dort zu verarbeiten. Denn es war traumatisch aufgrund der Atmosphäre obwohl ich keine Mißhandlung im engeren Sinne erlebt habe
Ich habe noch ein Foto von dem Haus.
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Susanne Köppl aus Bonn schrieb am 24.02.2021
Die Erlebnisse in dem Heim im Schwarzwald mit Nonnen, dessen genauen Namen ich leider nicht weiss, haben mich mein Leben lang geprägt. Das weiss ich. Aber niemanden sonst hat es interessiert, weder meine Mutter und meinen Vater und auch diverse Psychologen nicht, an die ich mich im Laufe meines Lebens gewandt habe. Meine Geschichte: Ich wurde im Alter von 6 Jahren zusammen mit meinem Bruder, 5 Jahre, in eines dieser Heime verschickt. Ich habe sehr gelitten und habe angefangen ins Bett und in die Hose zu machen. Man hat mir Brei mit Salz, statt mit Zucker, zu Essen gegeben. Ich musste ohne Matratze auf dem blanken Bettgitter schlafen. Die anderen machten einen Ausflug, ich wurde zur Strafe im Zimmer eingesperrt. Ohne Toilette. Ich habe in meiner Verzweiflung in den Zahnputzbecher gemacht. Ich weiss noch, wie ich am Fenster stand, weinte und völlig einsam und verzweifelt war. Dieses Bild begleitet mich bis heute. Einmal gab es Kartoffelpuffer. Ich musste brechen. Man brachte mir einen Eimer und ich musste alles selbst aufwischen und dann weiter essen. Bis heute kann ich Kartoffelpuffer noch nicht einmal riechen. Es gab auch mal eine Rosinenschnecke und dazu einen Apfel. Das war wohl ein schöner Moment, denn bis heute erzeugt diese Kombination in mir ein gutes Gefühl. Mein Bruder ist Schlafgewandelt und in mein Zimmer gekommen. Das wurde unterbunden, indem man beide Zimmer abschloss. Ich glaube, dass ich noch viel mehr verdrängt habe, denn wir durften diesen Ort vorzeitig verlassen. Anscheindend kamen die Nonnen mit uns gar nicht zurecht. Und ich weiss noch, wie ich ins Büro gerufen wurde und meine Mutter am Telefon war, ob sie uns holen sollten. Ich konnte gar nicht sprechen, sondern habe nur geweint. Leider kann ich mich mit meinem Bruder nicht darüber austauschen, da er seit mehr als 20 Jahren den Kontakt zu uns abgebrochen hat.
Nach meiner Rückkehr herrschte leider Zuhause die Ansicht "Stell dich nicht so an.". Ich habe noch lange ins Bett und in die Hose gemacht. Meine Mutter weckte mich dann regelmässig Nachts um dies zu verhindern. Bis heute muss ich sofort auf die Toilette, wenn ich alleine gelassen werde. Geht also mein Partner aus dem Haus, oder bin ich die letzte im Büro, muss ich in dem Moment auf die Toilette, wo die Tür zufällt.
Das Finden dieser Seite hier hat mir Mut gemacht, die Sache noch einmal anzugehen. Mein Größter Wunsch ist es, einmal im Leben jemandem zu glauben, dass er mich liebt. Ich möchte dieses Gefühl los werden, dass sowieso alle wieder gehen, keiner wirklich um meinetwegen bleibt. Danke für diese Seite.
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Karin Bay, geb. Braun schrieb am 23.02.2021
Ich möchte meinem Bericht noch etwas anfügen.
Wenn ihn jemand liest, der auch im Bergheim Rechtis war, auch zu einer anderen Zeit als Juni 1971, darf er oder sie mir gerne schreiben! Gemeinsam müssen wir versuchen, das Erlebte von damals zu verarbeiten! ?
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Karin Bay, geb. Braun aus Albstadt schrieb am 23.02.2021
Ich habe am 18.2.21 im Fernsehen den Bericht über die Verschickungskinder gesehen.
als ich den Bericht sah, stiegen in mir mit jeder Minute mehr eigene Erinnerungen hoch. Am Schluß saß ich wie betäubt da und wußte nicht mehr, wo ich anfangen soll, zu denken.
Meine zwei Brüder und ich wurden im Juni 1971 ins "Bergheim Rechtis" in Rechtis / Allgäu verschickt.
Ganz so extrem wie in dm Bericht, mit Medikamentenversuchen und sexuellen
Mißhandlungen, erging es uns zwar nicht, aber das Erlebte hat trotzdem für ein lebenslanges Trauma ausgereicht.
Was mir ganz extrem negativ in Erinnerung ist, war daß wir tagsüber nichts zu trinken bekamen. Es war ein sehr heißer Juni und daseinzige, was wir bekamen, war 1 Apfel. Das wurde anscheinend als genug Flüssigkeit angesehen. Wir wussten manchmal nicht mehr, was wir tun sollten vor Durst, denn Wasser aus dem Wasserhahn zu trinken war verboten. Natürlich haben wir es trotzdem getan. Wer erwischt wurde,
bekam eine Abreibung oder sonst eine Strafe.
Dann hieß es auf einmal, (als Warnung), wer Wasser aus dem Hahn
trinken würde, werde krank. Und wirklich - einer nach dem anderen hat sich irgendwann mal in der Zeit, wo wir da waren, erbrochen. Jeden Tag waren einige der Kinder am Erbrechen, und immer wenn sie Wasser vom
Wasserhahn getrunken hatten. Auch mir ging es so. Am Ende der „Kur“ war wirklich kein Kind, das nicht irgendwann erbrochen hätte.
Der Grund für diese Flüssigkeitseinschränkung war vermutlich, damit wir nicht zu Zeiten, wo es verboten war, auf die Toilette gingen. (Beim Mittagsschlaf und nachts). Wie gesagt, beim Mittagsschlaf war es ausdrücklich verboten, auf die Toilette zu gehen. Wer erwischt wurde, durfte den Rest des Tages nicht
mehr aus dem Bett, wurde vom Nachmittagstee, (nach dem Mittagsschlaf) und auch von Spielen und Spaziergängen ausgeschlossen. Das Zimmer
wurde abgedunkelt durch die Fensterläden. (Die Fenster nach hinten waren übrigens vergittert, das sieht man auf keiner Karte).
Mein jüngster Bruder litt so sehr darunter, daß er als 8-jähriger wieder anfing, ins Bett zu nässen. Daß in seinem kleinen Körper überhaupt noch Flüssigkeit war, ist ein Wunder.
Ich glaube, er hat am meisten gelitten. Einmal machte er in die Hose und wurde aufgefordert, die schmutzige Hose der "Tante" zu bringen. Diese Tante befand sich gerade im Speisesaal. Also ging mein Bruder stracks dorthin. Da brüllte ihn die "Tante" an, warum er die
schmutzige Hose nicht gleich auf die Butter lege. Er machte es, aber nicht aus Bosheit, sondern aus Naivität, denn er wollte verzweifelt alles richtig machen.

Mein Bruder berichtete mir im Zuge der Recherche, er habe erlebt, daß ein Junge voll in die Hose gemacht hatte. Die „Tante“ nahm die schmutzige Hose und schlug sie dem Jungen einige male um die Ohren und
ins Gesicht.
Einmal gab es zu irgendeinem Anlaß Quark. Einer der Jungs (keiner meiner Brüder) sagte nur: "Iiiiih Quark". Eine der "Tanten" hörte es, packte ihn im Genick und tunkte ihn mit dem Gesicht in die Quarkschüssel.
Jeden Morgen gab es zum Frühstück ein Schöpflöffel warmen Pudding, sonst nichts.
Was wir zu trinken bekamen, weiß ich nicht mehr. Kann sein, daß wir
gar nichts bekamen. Aber wie gesagt, das weiß ich nicht mehr. Aber ist das ein Frühstück?
Die sog. „Tanten“ saßen an einem Extratisch und ließen sich Brötchen, Butter, Marmelade schmecken – kurz alles, wovon wir nicht einmal zu träumen wagten.
Ein Mal pro Woche wurden alle Kinder gewogen. Und wehe, man hatte nicht zugenommen! Leider hatte ich sogar noch abgenommen, wurde dafür angebrüllt und verdächtigt, nicht immer leergegessen zu haben. Dabei
hatte ich immer Hunger und war froh um jeden Löffel Essen. Das aber glaubte man mir nicht und es hieß, ich solle es ja nicht wagen, gegenüber irgendjemand zu behaupten, daß ich hungere.
Als ich heim kam stürzte ich mich erstmal in einen Freßrausch und nahm innerhalb kurzer Zeit 10 kg zu, ein Gewicht, das ich jahrelang mit mir rumtrug.
Natürlich durften die Kinder auch nach Hause schreiben. Aber alle Briefe und Karten mußten abgegeben werden und wurden kontrolliert und
zensiert. Ich habe es ein paarmal erlebt, daß jüngere Kinder angebrüllt wurden oder eine Ohrfeige bekamen, ob der angeblichen „Lügen“, die sie geschrieben hatten.
So kommt es, daß im Internet unter „Bergheim Rechtis“ nur brave Karten in krakeliger Kinderschrift abgebildet sind, die von den „netten Tanten“, den Spielen, der Wiese und dem Wäldchen hinter dem Haus, oder sogar von einer Waldhütte erzählen. Ich habe nie eine
gesehen.
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Andrea Schweikert aus Neckargemünd schrieb am 23.02.2021
Ich war 6 Jahre alt, als ich im Sommer 1967 in das Kinderkurheim in Herrlingen kam. Der Träger dieser Einrichtung (Lindenhof ?) war die AWO.
Dieses Haus, die ehemalige Villa von Erwin Rommel, lag idyllisch im Wald. Man hatte nicht lange vorher ein Schwimbecken im Freien gebaut. Damit wurde auch geworben. Bei meinem Aufenthalt im Hochsommer, war kein Wasser im Becken und es lag noch der Laub vom letzten Herbst darin. Ich war sehr enttäuscht.Dafür durften wir, direkt in Sichtweite des Schwimmbeckens, im Freien aber überdacht, unsere alltägliche Mittagsruhe, stumm, mit geschlossene Augen und unter schweren Decken, verbringen. Diese Erinnerung ist ja noch harmlos. Ich wurde auch sehr unangenehm krank. Dies war leider auch Anlaß für Demütigungen von Seite der sog. "Tanten".
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Peter Michaelis aus Bremen schrieb am 23.02.2021
Ich war als 10 Jähriger vor 55 Jhr.auf Wangerooge in einen Verschickungsheim für 5 Wochen. Ich mußte fast täglich ein Glas Salzwasser trinken-angeblich für die Haut-.Ich mußte in einer kalten Badewanne baden für 10 Minuten.Ich mußte den Teller mit Leber aufessen bis zum erbrechen.Kann bis heute keine Leber essen/zubereiten. Hölle!
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Marion K. schrieb am 23.02.2021
Hallo liebe Hildegard Glave geb. Blum aus Ludwigsburg /Baden-Württemberg

dein Erlebnis mit der Butter hat mich an meine Kindheit erinnert, weil ich 1950 als 2-jährige auch mit einer Packung Butter unter den Tisch gekrabbelt bin und diese nicht mehr hergeben wollte, doch meine Mutter konnte sie mir zum Glück noch entreißen, bevor ich zu viel davon abbekam!
Bei so einer Menge Fett, die du zu dir genommen hast, hat deine Leber mit Sicherheit revoltiert ohne dass du davon wusstest und deswegen dein Ekel vor Butter! Hast du nie eine Blutanalyse gemacht? Die Leber regeneriert sich jedoch. Ich weiß von Leuten, die nach einer Fisch-oder Meeresfrüchtenvergiftung nie mehr derartiges essen können.

Ich finde hier leider keine Berichte über "Felicitas" und "Schönhäusl" in Berchtesgaden ! Vielleicht ist es ein gutes Zeichen und ich sorge mich umsonst, was meine Vergangenheit betrifft, an die ich mich nur bruchstückhaft erinnere.
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Claudia Jacob aus Bremen schrieb am 23.02.2021
Im Alter von 5 Jahren wurde ich von meinen Eltern mit dem Auto nach Bad Lippspringe gebracht. Meine Erinnerung an diese Zeit war lange Zeit vergraben, ich denke erst durch eine Psychoanalyse vor einigen Jahren konnte ich die traumatischen Erlebnisse sichtbar machen. Die Erinnerung ist mittlerweile sehr klar, ich kann mich auch gut an das alte Gebäude erinnern was aus meiner damaligen Perspektive wie eine Burg gewirkt hat. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob es das Cäcilienstift war oder eine andere "Klinik". Die Bilder auf den Postkarten ähneln sich und ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Der Aufenthalt wurde mir durch meine Kinderärztin verordnet, meine Mutter war sehr Obrigkeitshörig and dachte wohl es wäre gut für mich, ich hatte als Kleinkind öfters Hustenanfälle und ein 6-wöchiger Aufenthalt in Bad Lippspringe wurde mir somit "verordnet". Als wir damals dort ankamen war ich hauptsächlich verwirrt. Meinen Eltern und mir wurde ein Zimmer mit 2 Betten und bunten Vorhängen gezeigt. Dies wurde uns als mein Kinderzimmer, welches ich mit einem anderen Mädchen teilen würde, vorgestellt. Ich fand das irgendwie sogar aufregend, das Zimmer war auch freundlich und meine Eltern schienen erleichtert zu sein. Der Abschied war merkwürdig, auch da ich keine Ahnung hatte, was 6 Wochen bedeuten. Als meine Eltern vom Hof fuhren kam eine der Tanten (weiße gestärkte Klinikkleidung & Haube) und griff mich und meine Sachen. Ich wurde mit ca. 8 anderen Kindern in einem Schlafsaal mit Gitterbetten untergebracht. Das Zimmer was meinen Eltern gezeigt wurde, war als nur der "Showroom". Es war sehr krass in einem Bett zu schlafen aus dem wir nicht rauskramen, die Gitter waren sehr hoch und wurden jeden Abend hochgezogen. Viele Kinder haben leise geweint (lautes weinen war verboten). Im Speisesaal wurden wir in Gruppen aufgeteilt, in die kleinen Kinder und die großen Kinder. Die Älteren (Jugendliche) bekamen Aufgaben, sie sollten uns kleinen z.b.Lätzchen umbinden. D.h. die Älteren wurden als Assistent*innen benutzt. Es war fürchterlich da auch einige echt fies waren und die Lätzchen zu fest zugeknotet haben, ich bekam teilweise kaum Luft und konnte nicht richtig schlucken. Beschwerde war jedoch tabu. Ich hatte vor den Älteren jedenfalls richtig Angst. Meine Mutter hat auch mal ein Paket geschickt, das wurde mir von einer der Tanten erzählt. Sehen durfte ich das Paket nicht, mir wurde gesagt der Inhalt sei für alle da und würde verteilt werden. Ich glaube, ich bekam einen Bonbon. Mit meinen Eltern durfte ich nicht telefonieren, schreiben konnte ich noch nicht. Briefe habe ich auch nicht erhalten. Die Frauen die dort gearbeitet haben, waren alle durchweg schroff, ich erinnere mich an eine Mitarbeiterin in der Küche, die nett war. Abends kam manchmal eine Frau mit einen Renault 4 (meine Eltern hatten auch einen, daher kannte ich das Motorengeräusch), sie trug Cordhosen und Pullover (keine Klinikkleidung) und sie kam zu uns ans Bett und hat etwas vorgelesen (Ich nehme an, dass sie Studentin war). Richtig schlimm wurde es als wir Kinder alle an Windpocken erkrankt sind. Ab dem Zeitpunkt standen wir unter Quarantäne, ich erinnere mich auch, dass ich trotz Pusteln am Körper in der Badewanne "geschrubbt" wurde. Ich hatte Schmerzen musste aber da durch, ich konnte mich nicht wehren. Irgendwann waren die 6 Wochen wohl vorbei und meine Eltern haben mich wieder abgeholt. Ich war sehr froh, aber ich muss sagen, meine Eltern trifft auch eine Mitschuld, warum haben sie mich 6 Wochen als Kind einfach weggegeben? Als ich wieder zu Hause war haben sie niemals mit mir darüber gesprochen, was mir passiert ist. Ich hatte keine andere Chance als die traumatischen Erlebnisse zu verdrängen....
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Evelin Carius aus München schrieb am 22.02.2021
Ich war ungefähr im Jahr 1970 etwa im Alter von 4 oder 5 Jahren vier Wochen lang in einem Kindererholungsheim in Neustift/Passau. Ich war deswegen dort, weil meine Mutter ins Krankenhaus und auf Reha musste. Meine Eltern hatten wohl mit dem Arzt besprochen, dass ich während dieser Zeit mangels anderer Kinderbetreuungsalternative dort "zur Erholung" hingeschickt werden sollte. Dort gab es katholische Nonnen. Ich habe dort erlebt, dass ich den ganzen Nachmittag vor dem Essen sitzen musste, das mir nicht geschmeckt hat (Nudelsuppe mit Kümmel drin, Rote Beete, etc.), bis ich es aufgegessen hatte. Mich hat es z.B. beim Kümmel regelrecht gewürgt, was den Schwestern allerdings egal war. Die Kleidung durfte nur einmal wöchentlich gewechselt werden, unabhängig davon, wieviel Kleidung ein Kind dabei hatte. Diese Regel wurde auch dann nicht gebrochen, wenn z.B. der Gummi an der Strumpfhose gerissen ist. Einem Kind rutschte die Stumpfhose beim Spazierengehen ständig bis an die Knöchel runter. Dennoch durfte sie erst am Sonntag, dem Umziehtag, eine neue Strumpfhose anziehen. Ich gehörte zu den kleineren Kindern dort. Das bedeutete, dass ich nicht jeden Sonntag in die Kriche gehen durfte. Dort betete ich als nicht katholisches Kind intensiv mit der Bitte, dass meine Mutter mich abholen möge. Unsere Fingernägel wurden so kurz geschnitten, dass die Fingerkuppen stark schmerzten. Wir wurden Nachts aufgeweckt und mussten aufstehen, um uns in einer Schlange anzustellen. Wir bekamen dann alle nacheinander ein Zäpfchen (ohne erkrankt zu sein). Ich habe diese Zeit niemals vergessen.
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Bianca schrieb am 22.02.2021
Hallo ,
Ich war 1985 oder 86 in Salzwedel in einem Heim. Angeblich war ich zu dünn und zu klein. Ich kann mich leider an nichts erinnern, da ich eibe postthraumatische Belastungsstörung habe. Ich weiß nur noch, dass wir mit dem Bus abgeholt wurden. Neben mir saß ein Mädchen, das hieß mit Nachnamen glaube ich Erfurt. Sie war auch eingeschüchtert, so wie ich. Ich finde dazu leider nicht viel, außer das es ein Heim gab in Drewitz.
Vielleicht kennt es jemand?!
Liebe Grüße
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Gabriele Abbott aus Bielefeld schrieb am 22.02.2021
Herzliches Hallo an Alle ,
Ich habe schon den Fragebogen ausgefüllt und sehr viele Berichte gelesen. Ich möchte nicht mehr wiederholen, denn eure Geschichten decken sich mit meiner.
Mein ganzes Leben, jetzt 61, habe ich mich anders gefühlt. All die schlimmen Vorkommnisse in dem Heim aber auch die Misshandlungen meiner Eltern, habe ich als Normalität empfunden. Ich kannte nichts anderes. Meine ganze Kindheit war verloren. Einfach ausgelöscht durch Erwachsene. Als Jugendliche habe ich mir meine Freiheit erkämpft und war recht schnell unabhängig. Ich war in einer Mädchenschule, niemals hätte ich mit jemandem reden können. Geglaubt hätte mir eh keiner.
Autoritäten, überhaupt Erwachsenen die meinten mir sagen zu müssen was ich zu tun und zu lassen hätte
habe ich kein bisschen über den Weg getraut. Mir hat damals niemand geholfen, danach brauchte ich auch niemand mehr. Mit den Jahren hatte ich öfter lange Lebensphasen in denen ich mich orientierungslos und verloren fühlte. Der Ursprung und die Quelle allen Übels nahm seinen Anfang in Bad Reichenhall, zog sich fort in meinem Elternhaus und prägte mich nachhaltig.
Doch aus all der Tragik habe ich auch etwas mitgenommen.
Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn,
Wachsamkeit,
tiefste Verachtung jeglicher Gewalt,
Einfühlungsvermögen.
Es tut gut zu wissen, dass ich nicht allein war. Ihr wart auch alle da. Auch wenn ich nie jemand kennengelernt habe, der Ähnliches ertragen musste. Wie ist das bloß möglich, wenn es doch Tausende waren.
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Doris Lenz aus Blockwinkel 47 schrieb am 22.02.2021
Viele haben hier eigentlich schon alles erzählt, was die damaligen Pädagogen an verbrannte Erde hinterlassen haben. Auch ich hatte ein paar Erlebnisse, die ich noch dazu legen möchte. Einige dieser Erlebnisse begleiten mich noch heute.
Auch ich bin damals in ein Verschickungsheim nach Norderney gekommen. Ich wurde ständig von meinen Eltern belogen und betrogen. Also verschickt wurde ich mit dem Namen Schnaars obwohl mein Name „Kopens“ was. Für mich war der Vater mein Papa (Alkoholiker), leider nicht der leibliche Vater, was ich auf keinen Fall erfahren sollte. Man lernt früh sich zu schützen auch geistig und Verzicht auf schöne Sachen, war für mich nichts Neues. Meine Geschwister bekamen von den Verwandten, die uns besuchten was Süßes, ich leider nichts. Ich war unehelich geboren und unterlag der Willkür des Jugendamtes. Von denen wurde angeordnet, da ich so klein und dünn war, zum Aufpäppeln zur Kur muss. Leider habe ich nicht so viele Erinnerungen daran. Ich weiß nur, dass es nicht angenehm war. Wie dieses Heim hieß, weiß ich leider nicht mehr. Ich weiß nur, dass es im Oktober 1965 oder 1966 gewesen sein musste. Es war immer sehr kalt und ungemütlich in den Räumen. Am liebsten habe ich mich untern aufgehalten, da gab es warme Räume. Eines Nachts ging es mir nicht gut und ich musste dringen auf die Toilette. Diese befanden sich im 1. Stock. Auf dem Weg nach untern wurde ich abgefangen und mit Drohungen wieder ins Bett geschickt. Wir durften das große Geschäft nicht auf dem Topf erledigen aber mir blieb nichts Anderes übrig und erledigte es dann eben auf dem Topf. Auch dafür wurde man bestraft (wieder keine Schokolade). Natürlich hatten die Tanten auch ihre Lieblinge. Ich mochte als Kind immer gerne die Babyseife und da wir noch ein Baby (meine Schwester) Zuhause hatten, gab mir meine Mutter diese Seife mit. Aber die durfte ich gleich an eines der Lieblinge abgeben und ich bekam so eine abartige rissige Seife. Das machte mich sehr traurig. Da ich zu Hause immer Stress gab, wurde ich zum Nagelbeißer (ich denke, dass es daher rührt). Ich bekam in den 6 Wochen keine Schokolade, da ich das Nagelbeißen nicht abstellen konnte und groß in das Töpfchen gemacht hatte. Es gab irgendwann Spinat zu essen, was ich noch nie mochte und hatte nur Kartoffelmus gegessen. Ich musste bis abends vor diesem Teller sitzen und durfte erst aufstehen, wenn ich den Spinat aufgegessen habe. Also blieb ich bis zum Abendbrot vor dem Teller sitzen. Danach nahm man ihn weg und dann gab es schimmeliges, gebogenes, altes Brot zu essen. Auch nicht schlimm, ich tauchte es in den Tee, dann schmeckte man das nicht so. Mehr weiß ich leider nicht von der Zeit. Freundschaften sind leider nicht entstanden, wie den auch, man musste immer auf der Hut sein. Ich habe noch mitbekommen, dass ich sehr viel abgenommen hatte und die Stellungnahme vom Jugendamt war, „das Mädchen hätte in die Berge gemusst, da das Klima am Meer ein Reizklima sei und das dazu geführt hätte, dass ich noch dünner wurde. Ein Schwachsinn! Und so weiter, und so weiter. Gerne würde ich noch ein paar Mädchen aus der Zeit kennenlernen, um mich auszutauschen um noch eine andere Sicht der Dinge zu hören. Leider weiß ich nicht genau wann ich in Kur war.
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Hartmut Merten aus 85465 Langenpreising schrieb am 22.02.2021
nachstehend Info über meine Kinderverschickungszeit in Bad-Buchau zur Info.
ich werde wahrscheinlich wenn es Corona dieses Jahr noch zulässt meine
genehmigte REHA Kur in 78073 Bad-Dürrheim beginnen. Bad-Buchau liegt
auf meiner Anreisestrecke. Ich plane einen Ortsbesuch des ehemaligen
Kindergenesungsheim Caritasstift Bad-Buchau bis 1980, heute dort eine Klinik. Es wäre auch gut wenn bei meiner Ortsbesichtigung die Presse oder Fernsehen dabei wäre!
Ich werde auch intensiv nachforschen ob noch Unterlagen in Archiven über
mich oder die sogenannten Kindererholungsheime (Kinderzuchtanstalten) vorhanden sind. Den zuständigen Caritasverband gibt es ja heute noch. Dieser ist auch rechtlicher Ansprechpartner und nach geldenten Gesetzen Nachfolger in Sachen Strafrecht? Die noch relevanten Heimträger arbeiten auf Zeit und sind nach meinen mehrtägigen intensiven Nachforschungen nicht sonderlich interessiert an einer Aufarbeitung der Kindes Misshandlungen. Ich bin überzeugt das noch Unterlagen in Archiven vorhanden sind! Wurde schon geprüft ob diese Strafhandlungen an Kindern noch nicht nach dem Gesetz verjährt sind? (Ehemalige Heimkinder werden ja schon teilweise entschädigt) Vielleicht sollten alle ehemaligen bekannten misshandelten Verschickungskinder wenn möglich eine Sammelklage über die zuständigen Gerichte erwirken? z.B. Jugendamt, Caritas usw.
Ich würde mich freuen über weitere Kontakte zu ehemaligen Verschickungskindern
die in Bad-Buchau verschickt waren!
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Merten
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Hartmut Merten aus 85465 Langenpreising schrieb am 22.02.2021
ich habe Ihren Namen mit E-Mailadresse aus der Internetadresse www.verschickungsheime.de
Dort sind Sie als Heimatverantwortliche angegeben. Ich wollte mich auf der Plattform
Verschickungsheime registrieren, aber irgendwie funktionierte es heute nicht?
Ich habe diese Woche eine Doku Fernsehsendung über Verschickungskinder (Verschickungsheime)
gesehen und war sehr schockiert! Ich habe geglaubt bei handelt es sich um Einzelfälle wie bei mir?
Ich möchte aktiv an der Aufarbeitung und Aufklärung dieser Misshandlungen an mir und weiteren Kindern
mitwirken. Habe die Video Konferenz mit Frau Anja Röhl in YouTube auch heute aufmerksam angesehen!
Ich bin 1959 geboren und war auch als Kind in 88422 Bad-Buchau zu einer sogenannten
6-wöchigen Erholungskur.
Es muss wohl so in der Zeit zwischen 1966 und 1969 gewesen sein. Es war schrecklich! Meine Eltern
leben noch sind 87 Jahre alt. Möchte meine Eltern heute aber nicht mehr über diese Verschickungszeit
fragen! Habe ich in der Vergangenheit schon versucht mit meinen Eltern darüber zu reden! Zwecklos
auch aus dem Grund: Wie können Eltern Ihre Kinder in einem Zeitraum von ca. 30 Jahren fremden
Personen anvertrauen, ohne sich vorher zu erkundigen über die Gegebenheiten vor Ort! Oder andere
Eltern vorher befragen die Ihre Kinder schon zu solchen Quall Erholungen geschickt hatten? Ich kam
abgemagert und krank aus der Kinderverschickung zurück! An den Spätfolgen leite ich heute noch!
Dies hat unser Staat, Ärzte, Kirchen und die Heimträger zu verantworten!
Wohl damals ein lukratives Geschäftsmodell womit man viel Geld mit Verschickungskindern verdient hat!
Meine Eltern waren angeblich nach Rückkehr über meinen Zustand schockiert, unternahmen
für eine Aufklärung aber nichts! Über folgende Erlebnisse kann ich mich noch zur Zeit erinnern:

Ich wohnte damals noch in 56841 Traben-Trarbach(Mosel) und wurde mit einem Deutsche-Bahn
Sammeltransport über Koblenz nach Bad-Buchau transportiert. Über die Sammeltransport
Begleitpersonen (Frauen) kann ich sagen, dass diese schon unfreundlich und beängstigend für mich waren!
Der Transport kam wahrscheinlich aus dem Ruhrgebiet, auch ältere Kinder (Jugendliche) waren dabei.
Diese belästigten mich schon während der Bahnfahrt zum Kurort. Die Betreuerinnen unternahmen nichts
sondern machten sich noch über mich lustig! Während meines Kuraufenthaltes wurde ich überwiegend
von Nonnen der katholischen Kirche betreut, von denen ich auch Gewalt an mir erfuhr und Schläge erhielt.
Mir wurden auch Privatsachen gestohlen! Vielleicht durch andere Kinder oder die schrecklichen Nonnen!
Ich erhielt ein Paket von meinen Eltern mit Inhalt von Süßigkeiten usw.: Die Nonnen haben in meinem Beisein
die Geschenke meiner Eltern unter sich aufgeteilt und aufgegessen!
Ich habe nichts davon bekommen, und habe dabei zugesehen. Ich war auch während des vorgenannten
schrecklichen Erlebnis krank, und mit anderen Kindern auf einer Krankenstadion isoliert. Vielleicht habe ich
auch Medikamente zu Versuchszwecken erhalten? Es herrschte in dem sogenannten Kindergenesungsheim
eine unmenschliche Behandlungsweise für uns Kinder den ganzen Tag! Es gab aus meiner Erinnerung in einem
Nebenbau des Heimes einzelne Badezimmer mit jeweils einer Badewanne. Dort musste ich im Beisein einer
Nonne baden was mir sehr unangenehm war! Sexuelle Übergriffe kann ich nach heutiger Sicht nicht
ausschließen? Ich wurde während des Aufenthaltes immer schwächer! Vielleicht durch Strafen der Heimleitung?
Wir mussten täglich sparzieren gehen was mich auch Zusehens mehr anstrengte. Die Heimanlage war wie
ein Gefängnis ohne die Möglichkeit zu entkommen. (Bewachtes Rund Tor) Es kann auch sein dass der Kuraufenthalt
bei mir vorzeitig abgebrochen wurde. Für mich ist wichtig mich mit ebenfalls geschädigten Verschickungskindern
die ebenfalls in Bad-Buchau waren aus zu tauschen, und wenn möglich noch lebendes ehemaliges Personal/Verantwortliche
aus diesem Kindergenesungsheim noch haftbar zu machen. Weiterhin gibt es noch Unterlagen von meiner Person
von der Kinderkur in Archiven? Wo kann ich nachforschen? Über eine Nachricht würde ich mich freuen!
Weitere Betroffene von Bad-Buchau können sich gerne bei mir melden.
E-Mail: hartmut.merten@t-online.de
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Ursula Laschewski aus Minden/Hille schrieb am 22.02.2021
Hallo hier schreibt Ursula.
Mit 10 Jahren, Oktober-November 1963, wurde ich für 6 Wochen nach Bad Sooden-Allendorf in das Kinderkurheim Werraland in Hessen verschickt. Für mich war es grauenhaft. Gerne hätte ich Kontakt zu jemanden, der dort zeitgleich in der Kinderverschickung war.
Mein Mädchenname: Ursula Pokrant geb. 22.04.1953 in Hartum, Kreis Minden-Lübbecke, NRW.
An die Zugfahrt habe ich keine bewusste Erinnerung, nur ein schlechtes Gefühl. Bis heute fahre ich nur sehr ungern weg und bin lieber zu Hause. Schlaflose Nächte und Albträume sind lange geblieben. erinnern kann ich mich, dass ich den Film "Der Schatz im Silbersee" irgendwo dort gesehen habe. Wenn der Film im Fernsehen gezeigt wird oder ich etwas über ihn in der Zeitung lese, bekomme ich heute noch ganz unangenehme Gefühle.
Ganz stark habe ich gestottert und ich war sehr schüchtern. Meine Mutter zu Hause war schwer krank, ohne Aussicht auf Besserung, daher hatte ich so viel Angst. Ich musste jeden Morgen auf die Waage: zu wenig Gewicht. Weil ich nicht zunahm, musste ich morgens 2 Teller Haferschleim essen.
Es gab einen großen Schlafsaal, nur schlafen konnte ich dort nicht. Diese Geräusche aus der Zeit lassen mich auch heute nicht los. Daher kann ich nicht gut mit vielen Menschen zusammen sein und Nähe sowie manche Geräusche und Gerüche nicht ertragen. Auch heute habe ich immer noch ein Problem, wenn ich zur Toilette muss und andere Menschen in der Nähe sind, daher meide ich öffentliche Toiletten.
Die Post an meine Eltern wurde kontrolliert und nur abgeschickt, wenn ich geschrieben habe, dass es mir in dem Heim gut geht. Päckchen von zu Hause kamen offen bei mir an und die Post wurde gelesen. Der Umgang der sogenannten „Tanten“ mit uns Kindern war unfreundlich, erniedrigend und strafend. Die Räume und das Wasser waren dauerhaft sehr kalt. Mein Heimweh war unendlich groß. Das setzte sich in den weiteren Schuljahren fort, Schulausflüge mit Übernachtung waren ein Albtraum und ich habe immer nur geweint.
Durch den Tod von John F. Kennedy am 22.11.1963 weiß ich, dass ich zu der Zeit in dem Heim war. Dieser Mordanschlag wurde uns Kindern ganz entsetzlich und angstbesetzt mitgeteilt. Ich hatte große Angst, nicht mehr nach Hause zu kommen, diese Panik ist bis heute in vielen Situationen geblieben.
Ich erinnere mich heute noch an einen Jungen aus Braunschweig: Gerd Schmidt. Er hat mir oft geholfen, wenn es mir so schlecht ging, den Namen habe ich nicht vergessen, viele Jahre hatte ich zu ihm keinen Kontakt. 2020 habe ich Gerd Schmidt wiedergefunden, ein positiver Aspekt.
Ursula Laschewski
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Sascha Dienst aus Dortmund schrieb am 22.02.2021
 Ich wurde 1985, als 5 jähriger, vor der Einschulung, für 6 Wochen nach Borkum geschickt. Leider fehlen mir viele Erinnerungen an diese Zeit, und ich habe Angst, sie verdrängt zu haben. Aber ich werde versuchen, mir mit Hilfe, diese wieder ins Gedächtnis zu rufen.
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Bärbel Wetzel-Irmert aus Leipzig schrieb am 21.02.2021
Ich wurde im Alter von 10 Jahren nach Schöneck im Voigtland zur Kur geschickt. Folgend auf eine Epilepsieerkrankung und Aufenthalt in der Uni Kinderklinik Leipzig. Es ist bis heute ein Trauma für mich aber Erinnerungen daran kamen erst 2005-8 wieder.
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Sabine Philippi aus Ensdorf schrieb am 21.02.2021
Ich wurde im Alter von 10 Jahren für 6 Wochen nach Langweiler verschickt. Ich war ein ruhiges und schüchternes Kind, nach Diagnose des Gesundheitsamtes, welches in die Schule zur Untersuchung kam, zu klein und zu schmächtig. Ich kann mich an lange Spaziergänge und Edelsteine suchen erinnern.
Aber ich konnte mich an nichts erfreuen und hatte ständiges Heimweh und ich fühlte mich einsam und verlassen.Ich weinte sehr viel und wollte nach Hause. In diesem Haus gab es Nonnen aber ich habe
gar keine Erinnerungen mehr, wie sie mit uns umgingen. Ich sehe mich aber immer in diesem Speisesaal an einem Tisch sitzend, es gab Honigbrote mit Butter, es gab Spinat und Kohlrouladen (das alles kann ich bis zum heutigen Tag noch nicht essen) andere Gerichte sind in meiner Erinnerung nicht hängen geblieben...! Es kamen viele Briefe von meiner Mutter (sie hat mich wahnsinnig vermisst) und zu Ostern sogar ein Päckchen aber was mit diesem Paket passierte weiss ich auch nicht mehr. Aber was mir dieser Tage einfiel, ich saß auf einem Bett mit dem Päcken und hatte ein Gespräch mit der Mutter Oberin. Meine Schwester und ihr Freund kamen mich sogar besuchen aber sie durften nicht ins Haus und ich konnte nur kurz mir ihnen reden!!! Danach war das Heimweh noch schlimmer. Ich habe keinerlei Bilder vom Schlafsaal oder den Duschen oder Toiletten, das ist alles wie ausgelöscht. Seit ich diese Woche den Bericht im Fernsehen gesehen habe, rattert es in meinem Kopf. Es ist unfassbar, ich dachte immer ich war zur Erholung und jetzt bin ich ein Verschickungskind. Ich war mein Leben lang ein anhängliches Mutterkind und hatte immer mit Verlustängsten, die meine Mutter betreffen, zu tun. Meine Eltern waren immer für uns da, ich habe noch zwei Schwestern und einen Bruder aber warum hatte nur ich diese schrecklichen Ängste. Es kann mit diesem Aufenthalt zusammen hängen. Als ich diesen Bericht sah, musste ich so weinen...aber wo waren diese Gefühle diese ganzen Jahre vergraben? Was ist in diesem Haus mit mir geschehen. Keinerlei Erinnerungen an Ärzte oder Medikamente. Ich weiß auch nicht mehr wie ich nach Hause kam...nichts alles weg.
Im Internet findet man auch nicht mehr viel über dieses Haus, welches heute ein Wellness Hotel ist. Wo könnte ich mehr erfahren, auch hier im Forum gibt es nur einen Erfahrungsbericht.
Herzliche Grüsse an alle Verschickungskinder
Sabine
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Katharina aus Karlsruhe schrieb am 21.02.2021
Verschickungsheim: Schuppenhörnle Feldberg
Zeitraum (Jahr): 1981
Welche Arten von Misshandlungen/Missbrauch gab es?: psychische Gewalt
Hallo Zusammen,
seit gestern weiß ich, dass ich ein Verschickungskind bin. Ich muss vorweg sagen, dass ich 1981 mit sechs Jahren am Feldberg im Haus Schuppenhörnle war, zwar keinerlei positive Erinnerungen daran habe, aber an den Erinnerungen auch nicht leide.
Ich kam im Januar für sechs Wochen dorthin, da ich im November eine Mandelentfernung hatte und meinen Eltern eingeredet wurde, ich müsse mich dort erholen. Auch ich wurde in Karlsruhe am Bahnhof von meinen Eltern abgegeben. Dort lernte ich ein ein anderes Mädchen kennen: Astrid.
Mit dem Zug wurden wir an den Feldberg gebracht. Noch nie in meinem Leben, hatte ich mich so verlassen gefühlt!
Meine schlimmsten Erinnerungen sind das Duschen: wir mussten uns alle nackt ausziehen (Jungen wie Mädchen) und mussten in eine Großraumdusche - ich habe mich geschämt, es gehasst, mich erniedrigt gefühlt. Als ich später in der Schule etwas über Vergasung und KZ gelernt habe, habe ich mir immer diese Dusche vorgestellt.
Ich glaube das damalige Erziehungskonzept war: "kein Eigentum!", das heisst eine Zahnpasta wurde erstmal für alle Kinder aufgebraucht und dann die nächste. Ich hatte einen tollen Nicki Schlafanzug, den ein anderes Mädchen so kuschelig fand, also durfte sie ihn eine Nacht hat anziehen. Pakete von den Eltern wurden an alle Kinder aufgeteilt. Meine Mutter hatte mir ein selbst genähtes Kissen geschickt. Weil ein Junge dies toll fand, bekam er es in der ersten Nacht. Meine Schneehose, auf die ich extra aufpasste, weil ich es so eklig fand am nächsten Tag in eine noch nasse Hose zu steigen, bekam Astrid, da Astrids nass war! Mittags haben wir immer gebastel. Das Gebastelte durften wir aber nicht behalten, sondern mussten es immer einem anderen Kind schenken. Irgendwann gab ich mir keine Mühe mehr.
Beim Essen war ich schwierig. Ich wollte keinen Honig, das trockene Brötchen hätte mir gereicht. Aber ich wurde gezwungen den Honig zu essen. Nachdem ich regelmäßig würgte und mich auch leicht erbrach, haben sie es nach zwei Wochen sein lassen mich zum, Essen zu zwingen. Ungewollt kam ich mit 18 kg nach Hause und war mit 23 kg dorthin verschickt worden. Mittags gab es Studentenfutter. Da ich keine Rosinen mag, habe ich sie immer in Pflanzenkübeln in der Erde versteckt, denn einfach nur zu sagen "ich will die nicht essen" wäre inakzeptabel gewesen.
Mittags mussten auch wir schlafen. Jedes Kind, das nicht schlief hat Minusstriche in einem Schlafpass bekommen. Mein Pass war voller Minusstriche und so bekam ich am Ende der Woche keine Süßigkeit. Telefonate waren ab der dritten Woche einmal wöchentlich am Sonntag für drei Minuten erlaubt. Ich habe nur geweint und konnte garnicht sprechen. Meine Mutter wollte mich abholen, aber die DAK sagte ihr, sie müsse dann die kompletten Kurkosten bezahlen. Genau, bis gestern habe ich jedem erzählt, dass ich mit sechs auf Kur war und es schrecklich war - jetzt weiss ich, ich wurde verschickt. Die Erzieherinnen waren alle kalt und das Motto war Kinder zu brechen bis sie ruhig und still sind. Körperliche Gewalt gab es keine und ich trage auch kein Trauma davon, jedoch hasse ich noch heute autoritäre Personen und Ungerechtigkeit! Niemals würde ich meine Kinder (mein Sohn ist jetzt 9 und meine Tochter 6 Jahre) sechs Wochen in eine Heim verschicken! Was hat unsere Eltern da nur getrieben so etwas zu tun? Ich bin froh, dass es wohl ab der 80iger Jahre etwas humaner in den Heimen zuging und ich nicht zu viel grausames erlebt habe. Aber ich kann mich an kein schönes Erlebnis, kein Lachen erinnern.
War noch jemand im Schuüppenhörnle und wie sind eure Erinnerungen daran?
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Thomas aus Oranienburg schrieb am 21.02.2021
1980 und 1985 war ich im Kurheim in Ruhla. Wir mussten vorgegebene Mengen an Essen zu uns nehmen. einmal musste ich den ganzen Nachmittag am Mittagstisch sitzen, um ein Essen aufzuessen, vor dem ich mich sehr ekelte. Ich übergab mich im Anschluss. selbstverständlich musste ich das selbst säubern. ich war 8Jahre alt. Wer nicht in der Spur lief, wurde sanktioniert. Ich durfte nicht einen Ausflug mitmachen. Im Schlafsaal zum Mittagsschlaf liefen die Erzieherinnen Patroullie. Wehe wenn jemand die Augen auf hatte.
Briefe und Karten wurden zensiert und teilweise Texte vorgegeben. Es gab ein Punktesystem für positives und negatives Verhalten.
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Hildegard Glave geb. Blum aus Ludwigsburg /Baden-Württemberg schrieb am 21.02.2021
Ich habe zwar bereits den Fragebogen ausgesfüllt, aber nach dem Lesen der vielen Zuschriften und dadurch wieder hochgekommenen Erinnerungen ist es mir ein Bedürfnis, auch hier noch etwas zu schreiben. Ich habe stundenlang geweint, es haben sich Schleusen geöffnet, die mich erschreckt haben, ich habe sicher das meiste verdrängt, weil ich nun so heftig reagiere. Heute bin ich 77 Jahre alt und habe mein Leben lang gedacht, dass etwas mit mir nicht stimmt. Im Alter von 4 und 5 Jahren wurde ich nach Stuttgart-Plieningen geschickt, da ich unterernährt und schwierig war. Das lag vor allem an meinem "Butterproblem". Ich habe im Alter von 2 Jahren nach einer Hamsterfahrt meiner Mutter fast ein halbes Pfund der mitgebrachten wertvollen Butter aufgegessen und anschließend nicht nur Schläge bekommen, sondern auch stundenlang gebrochen. Das hat mir meine Mutter sehr viele Jahre später erzählt, als ich sie danach gefragt habe.
Im Heim sollte ich zunehmen und wurde gezwungen, morgens und abends ein Butterbrot zu essen, ich habe aber jedesmal alles gebrochen. Das Erbrochene musste dann aber gegessen werden, wieder ein Butterbrot essen, wieder gebrochen, wieder essen .... so ging das die ganze Zeit. Ich war ein "böses und undankbares Kind, eine Schande für meine Eltern, bockig und nicht liebenswert". Aber ich habe dort nicht ein einziges Mal ei Butterbrot gegessen und mich wahrscheinlich nur von "Gekotztem" ernährt.
Eimal stand ich am Fenster und habe am Zaun meine Eltern gesehen, die sich möglicherweise Sorgen gemacht haben, aber sie wurden sofort weggeschickt. Ich weiß noch, dass ich fürchterlich geschrien habe.
Aber trotzdem wurde wurde noch einmal dorthin "verschickt" und das war genauso wie beim ersten Mal. Meinen Eltern wurde dann gesagt, dass sie nur mit Strenge und Härte dieses Problem lösen könnten - was dann auch lange so gehandhabt wurde aber ohne positivem Ergebnis. Nach meiner Rückkehr war ich bis zu meinem 12 oder 13. Lebensjahr Bettnässer und habe -auch in der Schule- immer wenn ich Angst hatte, in die Hose gemacht. Bei den damaligen Lehrern kam das nicht gut an, ich wurde vor der ganzen Klasse ausgelacht und habe sehr gelitten.
Mit 12 oder 13 Jahren kam ich in die Diakonissenanstalt (Solbad) nach Schwäb. Hall.
Das "Butterproblem" war noch nicht gelöst (und ist es bis heute nicht) und beides, natürlich auch das Bettnässen, wurde mit harten Strafen geahndet. Die Diakonissen waren alt und streng, und keinem auch nicht dem Arzt ist der Gedanke gekommen, woran es liegen könnte.
Ich habe mein ganzes Leben lang Schwierigkeiten mit Autoritäten, Ungerechtigkeiten und Unverständnis, bis heute, Ich dachte immer, es liegt an mir, dass ich so bin wie ich bin, dass ich häufig aggressiv reagiere, mich vehement gegen unsinnige Vorschriften wehre usw.
Auch der Vertrauensverlust und die Angst vor Verlassenwerden schlagen sich in meiner Lebensgeschichte nieder. Auch dachte ich, es sei nur mir so ergangen und lese nun, dass ich nicht das einzige Kind war, das so gelitten hat.
Irgendwie hat es mich getröstet.
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Elisabeth Germroth aus 63571 Gelnhausen schrieb am 21.02.2021
Ich kenne den Namen des Heimes nicht mehr. Es war in der Nähe von Wiesbaden. Ich war ja erst 7 Jahre.
An dieses Heim habe ich nicht eine einzige schöne Erinnerung. Schon beim Eintreffen wurde uns alles, außer Kleidung weggenommen. Nicht einmal meine Haarspangen durfte ich behalten. Wurde auf alle Kinder verteilt. Das Essen war der größte Horror. Es schmeckte nicht und wir mussten gefühlt stundenlang vor dem Teller sitzen und würgten. Manche erbrachten auch. Abends standen unendlich viele Kinder vor der Toilette Schlange, wer schnell musste, hatte Pech. Wer nicht musste auch, denn danach war es verboten zur Toilette zu gehen. Die Folge war, einige machten ins Bett. Diese Kinder wurden beschimpft, geschlagen und vor allen gedehmütigt. Aus lauter Angst trank ich nachmittags kaum noch etwas. Wir lebten nur in Angst, wurden gedrillt, durften weder reden noch lachen. Wir bekamen Medikamente und spritzen, angeblich alles Vitamine. Man schickte uns in einen großen Raum mit Höhensonne. Alle mussten sich nackt ausziehen, nicht einmal die Unterhose durften wir anbehalten. Die wurde uns einfach runtergerissen. Wir mussten Postkarten nach Hause schreiben, aber nur mit Bleistift und man gab uns den Text vor. Ich schrieb trotzdem "bitte holt mich ab" später sah ich zu Hause, dass sie das ausradiert hatten. Meine Eltern hatten das nie gelesen. Manche von uns bekamen Pakete von zu Hause, unter anderem waren Süßigkeiten darin. Das packten die Betreuerinnen im Schlafsaal vor unseren Augen aus und sagten uns hämisch, dass sie das selbst essen werden und nahmen es mit. Abends saß der Nachtdienst direkt vor unserem Schlafsaal und wir konnten sehen, wie sie unsere Süßigkeiten aß, manche kommentierten aus welchem Paket sie diese genommen hatten. Einfach nur sadistisch. Wenn wir weinten, selbst lautlos, wurden wir beschimpft und bestraft. Selbst das ging nur heimlich im Bett. Damit es niemand sah. Wir hatten eine einzige nette Betreuerin. Diese gab mir sogar heimlich ein Stück von meiner Schokolade, bat mich aber eindringlich es niemand zu sagen, da sie selbst vor den Kolleginnen Angst hatte. Nie gab es ein freundliches Wort, wir wurden herumgeschubst, bekamen Befehle, wurden zu allem gezwungen. Das schlimmste war allerdings nicht auf die Toilette zu dürfen. Manchmal trauten wir uns nicht zu schlafen, weil die Blase voll war und wir Angst hatten ins Bett zu machen.
Ich kam völlig traumatisiert zurück, stotterte von da an bis ins Erwachsenenalter und hatte trotz des Essenzwang abgenommen. Meine Mutter merkte zwar,dass ich schlechter aussah als vorher, glaubte aber das läge am Heimweh. Niemand wollte mir glauben,was dort wirklich passierte, was für mich nochmal eine schlimme Erfahrung war. Ich glaubte lange Zeit, wir seien die einzigen Kinder, denen das passierte. Wenn das in solchen Massen geschah, warum ist es niemandem aufgefallen? Warum hat niemand etwas dagegen unternommen? Hab gerade eine Doku mit Zeitzeugen gesehen. Mir ist jetzt übel, ich spüre noch die Angst, mein Puls ist erhöht. Es fühlt sich an, als wäre es erst gestern gewesen.
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Helga Dierichs MA aus 80802 München schrieb am 21.02.2021
Auch ich erinnere mich mit Entsetzen an das Essen an riesenlangen Tischen, das streng überwacht wurde, und wenn ein Kind sich übergab, es das Erbrochene aufessen und wir alle solange zuschauen mussten. Ich habe nicht die geringste Erinnerung an fröhliche Stunden, nur an die bedrohlichen Haubenflügel der entsetzlich strengen Nonnen und das Grau von Zucht und Ordnung. Aber auch zuhause wurden wir wahnsinnig streng gehalten. Schwarze Pädagogik, das weiss ich heute. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich nicht auf Wunsch meiner Eltern von der Schulärztin mit einer Diagnos bedacht und deswegen verschickt wurde: ich soll irgendetwas an der Hilusdrüse gehabt haben. Das wurde dort nicht behoben so dass ich im Jahr darauf wieder verschickt wurde. Nach Bayern. Daran erinnere ich mich in hellen Farben.
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Carmen Duelli aus Konstanz schrieb am 20.02.2021
Über die Deutsche Bundespost wurde ich im Sommer 1979 mit dem Zug von einer Betreuerin 4 Wochen ins "Kinderheim" Haus Detmold, Norderney gebracht. Ich erinnere mich nur an Bruchstücke. Vermutlich gab es keine so grausamen Erziehungsmethoden dort. Trotzdem litt ich unter unerträglichem Heimweh und die 4 Wochen waren endlos für mich. Gleich zu Beginn wurden persönliche Sachen abgenommen, Schampoos und Cremes wurden nach und nach aufgebraucht und an alle verteilt. Ich erinnere mich an entsprechendes Schlangestehen für die Portion Schampoo beim Duschen und an unangenehme Waschräume mit Steintrögen. Das Essen schmeckte oft nicht, ich gab oft von meinem Essen an zwei Mädchen heimlich ab, die eigentlich abnehmen sollten. Dadurch verlor ich in der Zeit etwas an Gewicht. Leider waren wir fast nie am Strand, darüber war ich enttäuscht. Regelmässig dafür im Inhalierraum, in welchem wir immer singen mussten. Die meisten Erzieherinnen waren sehr jung, soweit ich mich erinnere zwischen 16 und 21 Jahren. Wir mussten zwei Stunden Mittagschlaf halten. Da dabei keiner schlafen konnte, haben wir manchmal eine Erzieherin vom Fenster aus beobachtet wie sie unten im Hof Jungs traf und küsste. Wir waren zu siebt im Zimmer, ein Mädchen wurde gemobbt und manchmal genötigt sich auszuziehen. Soweit ich mich erinnere haben sich die Erziehrinnen nicht besonders viel um uns gekümmert. Ich erinnere mich aber vage an einen Nachtspaziergang und einen Spaziergang im Watt sowie einen Ausflug mit dem Krabbenkutter. Als ich wieder nachhause kam war ich jedenfalls nicht mehr dieselbe. Es kann aber auch einfach daran liegen, dass ich die für mich vielen fremdartige Eindrücke und Abläufe einfach nicht allein verarbeiten konnte und mit der langen Trennung von zuhause nicht klar kam. Unsere Gruppe hiess "Meernixen" und ich erinnere mich an drei Mädchen "Andrea, Anette und Ulrike". Würde mich über entsprechende Kontakte freuen.
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Martina schrieb am 20.02.2021
Ich war am 17,02.1974 auf Wyk auf Föhr, Haupthaus, Gruppe 2. Wie das Haus genau hieß, weiß ich leider nicht.

Ich war 9 Jahre alt, meine Schwester 7 Jahre. Hamburg Damtor ging es los. Kuscheltiere und Süßigkeiten wurden eingesammelt. Meine Schwester wurde in einer anderen Gruppe untergebracht und wir durften uns nicht sehen, was sehr schlimm für uns war. Ich erinnere mich an kaltes Duschen und brutales Bauchnabel säubern und Nägelschneiden und an die Turnhalle, die Taue, an Höhensonne und den Mittagsschlaf. Mit dem Essen verbinde ich keine negativen Erinnerungen. Es gab viel Milchsuppen, mit Sago; die sogenannte Froschaugensuppe. Nachmittags gab es Rosinenbrötchen und Kakao. Ich erinnere mich, dass in meiner Gruppe zwei Geschwister waren, die stark sehbehindert waren. (Sabine? und Renate/Beate?) Die beiden Mädchen hätten oft Hilfe gebraucht, wurden aber von den Schwestern oft drangsaliert. In einem Fall wurde das Mädchen sogar mehrfach mit Füßen getreten, weil sie ihre Schuhe nicht finden konnte und nicht schnell genug angezogen war. Ich wollte ihr beim Schuhe zubinden helfen, durfte es aber nicht. Die Wanderungen waren für die Mädchen eine Tortur und sie haben oft geweint. Das habe ich bis heute nicht vergessen. Ich selber war wohl anpassungsfähig genug, ich kann mich nicht erinnern bestraft wurden zu sein ...
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Regina aus Essen schrieb am 20.02.2021
Mit sechs Jahren wurde ich wegen chronischer Bronchitis in den "Viktoriastift" nach Bad Kreuznach geschickt. Die Erlebnisse in dieser sechswöchigen "Kur" decken sich mit vielen der hier geschilderten. Ich glaubte lange, dass meine Erfahrungen eine Ausnahme gewesen seien und es ist irgendwie tröstlich, aber auch entsetzlich, zu lesen, wie viele Menschen die gleichen traumatisierenden Misshandlungen über sich ergehen lassen mussten. Da ist vor allem die "Zwangsernährung", auch ich musste mein eigenes Erbrochenes wieder vom Teller löffeln. Da gab es handfeste Schläge von den "Tanten" wegen geringster Vergehen - ich wurde von einer Tante derart geschlagen, dass ich mit dem Gesicht an einen Bettpfosten schlug und am nächsten Tag ein blaues Auge hatte. Gut erinnern kann ich mich auch noch daran, dass ich nicht trinken durfte, wenn ich durstig war. Da ich weder den dort angebotenen Muckefuck noch Kakao mochte - es gab auch immer nur warme Getränke, nie was zum Durstlöschen - ging ich an ein Waschbecken, um vom Wasserhahn zu trinken. Eine der Tanten folgte mir und hinderte mich daran. Auch im Ausüben seelischer Grausamkeiten war das Personal geübt: Gleich zu Beginn wurden einem alle persönlichen Gegenstände abgenommen, auch Kuscheltiere, die Trostspender hätten sein können. Wenn man während der erzwungenen Mittagsruhe nicht schlafen konnte und mit offenen Augen erwischt wurde, folgte eine Bestrafung, in meinem Fall der Ausschluss von Ausflügen oder dem Fernsehabend. Ständig wurde betont, wie "böse" man sei (wobei die böse Tat darin bestand, nicht schlafen zu können). Es gab unangenehme therapeutische Behandlungen z.B. ein medizinisches Bad in Bottichen mit viel zu heißem Wasser oder sehr ruppige Spritzen und Blutabnahmen, und danach gern die Drohung "wenn du nicht ruhig ruhig bist, gehen wir wieder zur Blutabnahme". Ich habe noch zwei Postkarten gefunden, die ich damals an meine Eltern schreiben durfte, der Text war vorgegeben, ich musste ihn abschreiben: "Liebe Eltern, wie geht es euch, mir geht es gut usw... ". Es gab während der sechs Wochen keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme, kein Telefonat und natürlich keine Möglichkeit zu sagen, wie es einem wirklich ging. Nach den sechs Wochen war ich jahrelang nicht in der Lage, meinen Eltern von den Geschehnissen zu berichten, ich fürchtete, dass sie mir nicht glauben würden. Die Erfahrungen in Bad Kreuznach haben mich nachhaltig geprägt und einen bleibenden, folgenreichen Einfluss gehabt.
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Christian Würsig aus Limburg an der lahn schrieb am 20.02.2021
Ich möchte noch etwas nachtragen zu meinem ersten Eintrag vom 18.02.
Meine Schwester und Ich waren 1975 in Wallgau und ich hatte sie nochmal per Email kontaktiert und gefragt, ob sie noch Erinnerung an diese Zeit hat und ob es evtl. negative Ereignisse gab.
Sie hat mir geantwortet und meinte, das sie entgegen meiner Vermutung von Anfang an ins Jungenhaus mußte, weil wir beide ja Zwillinge sind und man uns nicht trennen wollte.
Für sie war das wie man sich vorstellen kann nicht so angenehm und sie konnte sich noch erinnern, das sie ihren Haferbrei aufessen mußte und es sie geekelt hat und sie mußte solange am Tisch sitzen bleiben bis der Teller leer war.
Das hat bei ihr eine Aversion ausgelößt und sie mag bis Heute keine Haferflocken / Haferbrei !
Lieben gruß an alle !
Christian
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Ralf aus Berlin schrieb am 20.02.2021
Diese 6 Wochen haben bei mir (nunmehr 63 Jahre alt) Narben hinterlassen. Die Auswüchse an Demütigungen und Misshandlungen waren (und sind bis heute teilweise) nur möglich , weil nach 1945 die NS-Strukturen nicht vollständig zerschlagen wurden, da bin ich mir sicher. Es fing schon bei der Anreise an, als wir direkt vom Bahnsteig ohne Abendverpflegung direkt in die in einem langen Trakt seitlich vom Hauptgebäude belegenen Schlafsäle verbracht wurde. Die Mägen knurrten, doch dafür gab es laute Drohungen der Oberin, die die langen Gänge auf und ab ging. Die vielen Parallelen zu anderen Erfahrungsberichten kann ich nur bestätigen: Absolute Ruhe in den Betten, Toilettengang nur bei Erlaubnis, Zwangsernährung (das Essen war wirklich grottenschlecht). Ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass zwei "Schwestern" einen kleinen Jungen festhielten, damit die dritte ihm eine ekelerregende Pampe einflößen konnte. Wer nur einen Haarspalt von der Norm abwich, wurde entweder in die Ecke gestellt und wurde von den Mahlzeiten ausgeschlossen. Ansonsten hagelte es Ohrfeigen, ich war auch mehrfach dran. Gerade die älteren Jungen wurde vom Personal quasi animiert, die jüngeren und schwächeren Jungen zu drangsalieren, das war deutlich zu merken. Pakete und Post von zu Hause wurde von den "Schwestern" konfisziert oder selber verbraucht, während wir in den Wald geschickt wurden, um Beeren und dergleichen für das Personal aufzutreiben. Statt in das Freibad zu gehen wurden wir willkürlich mit dem Gummischlauch abgespritzt, das musste reichen. Weil ich lt. meiner Mutter angeblich zu schmächtig war, sollte ich unbedingt zunehmen und deshalb zu Kur fahren, was sie auch offensiv vertrat. Jahrzehntelang konnte ich meiner Mutter nicht verzeihen, aber heute denke ich, dass sie diese Entscheidung in guter Absicht getroffen hat und die Konsequenzen nicht absehen konnte. Ich hingegen habe bis heute noch immer das Bedürfnis, den Verantwortlichen von damals , sofern sie noch leben, gegenüberzutreten und ihnen die kürzeste aller Fragen zu stellen: Warum?
P.S. Ich würde mich über andere Erfahrungsberichte aus dieser (fürchterlichen) Einrichtung aus dieser Zeit freuen. Vielen Dank!
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Rita aus Rot schrieb am 20.02.2021
Seid ich die Sendung letzte Woche gesehen habe bin ich nur noch am grübeln und es beschäftigen mich viele Dinge. Ich war einmal im Schwarzwald in Schwenningen ich muss 5 oder 6 Jahre alt gewesen sein. Ich kann mich nicht mehr an vieles erinnern nur mit dem Essen das man essen musste was auf den Tisch. Ich mochte Tomatensoße sehr gerne hab sie aber als Kind nicht vertragen musste diese trotzdem essen und das Erbrochene selbst wieder aufputzen. Habe dann nochmal erbrochen was dann passiert ist weiß ich nicht mehr. Ich habe gestern in meinem Fotoalbum ein Bild davon gefunden wir sehen alle glücklich und zufrieden aus, so wie es unsere Eltern sehen sollten. es war sehr streng dort und ich mochte die Mittagsruhe überhaupt nicht. Vielleicht ist es gut dass ich nicht mehr soviel Dinge weiß aber in meinem inneren spüre ich dass da mehr war.
An List auf Sylt habe ich nur eine einzige Erinnerung, dass der Zug damals durch das Meer gefahren ist. Ich weiß auch nicht wie alt ich war damals. Ich war ein zartes Kind und wurde deshalb auf kindererholung geschickt.
Viel schlimmer was mir vielleicht passiert ist, ist die Tatsache dass mein Sohn damals ca. 5 Jahre alt nach einem schweren Autounfall auch verschickt wurde auf Anraten der Ärzte. Er hatte schwere Kopfverletzungen damals erlitten musste auch noch nach dem Krankenhausaufenthalt nach Tübingen zu Untersuchungen mindestens 1 Woche wo ich ihn auch nicht besuchen durfte. Anschließend kam die Erholung an die Nordsee. Ich zermarterte mir den Kopf aber ich weiß es nicht mehr wohin er kam.
Als die Scheidung mit seinem Vater war wollte das Jugendamt ihn und seine Schwester zur Erholung schicken. Ich hatte mich erfolgreich dagegen gewehrt (war auch inzwischen einige Jahre älter)
Vor ca. 18 Jahren hatten mein Sohn und ich auch starke Probleme er machte mich für alles verantwortlich, auch das die Ehe zwischen seinem Vater und mir geschieden wurde usw. Heute fiel mir ein dass er sagte er hätte verschiedene Bilder vor seinen Augen dass er in einem Zimmer eingeschlossen war, die Fenster seien vergittert gewesen und er hätte geweint.
Es war eine schlimme Zeit für ihn und auch für mich. Nachdem ich nun den Bericht im Fernsehen gesehen habe finde ich keine Ruhe ob meinem Sohn damals in dem Kindererholungsheim etwas schlimmes passiert ist. Ich finde im Moment keine Ruhe. Leider spricht mein Sohn schon seid fast 3 Jahren nicht mit mir. Ich bin verzweifelt.
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Miriam aus München schrieb am 20.02.2021
Ich wurde im Jahr vor meiner Einschulung nach einer längeren Keuchhustenerkrankung zur Erholung auf die Insel Langeoog in das DRK Dünenheim geschickt. Lt. meiner Mutter war ich dort in der Seepferdchen-Gruppe. Leider habe ich konkrete Erlebnisse größtenteils verdrängt. Doch bis heute ist die Erinnerung an diesen (6wöchigen?) Aufenthalt traumatisch. Ich hatte furchtbares Heimweh und große Angst vor einer Erzieherin. Sie hieß in meiner Erinnerung so ähnlich wie "Schorlemmer", war kräftig, hatte kurze, blonde Haare und trug Hosen. Sie trat wie ein „Dragoner“ auf, schrie, schimpfte und zwang mich zum Essen. Ich mußte in dem großen Speisesaal so lange sitzen bleiben, bis ich eine vorgegebene Portion aufgegessen hatte. Das war mir fast nie möglich (ich war sehr dünn und konnte keine größeren Portionen auf einmal essen). Das führte dazu, dass ich Spreisereste in meinen Backentaschen und teilweise auch in meiner Handinnenfläche versteckte und beim anschließenden Toilettengang entsorgte. Dann erinnere ich mich noch einen Strandspaziergang, der sehr anstrengend war, da ich bei dem Tempo kaum mithalten konnte. Ich mußte dringend auf Toilette, hatte aber keinen Mut zu fragen und machte daraufhin in die Hose. Ich erinnere mich noch mit Grausen an den eiskalten Wind und dass ich noch lange mit meiner nassen Hose marschieren musste. Ob ich später für dieses Malheur bestraft wurde, weiss ich nicht mehr. Da ich noch nicht Schreiben konnte, schrieb "Fräulein Schorlemmer" eine Karte an meine Eltern. Den Inhalt bestimmte sie. Mit meiner Mutter hatte ich vereinbart, dass ich ihr ein Bild vom Strand schicke mit einer Sonne darauf. Wenn die Sonne einen lachenden Mund hätte, dann ginge es mir gut, bei einem geraden Mund mittelgut und bei einer weinenden Sonne schlecht. Da Frau Schorlemmer beim Malen hinter mir stand, hatte ich solche Angst, dass ich der Sonne einen graden Strich als Mund malte, obwohl ich eigentlich den weinenden Mund zeichnen wollte. Dieses Bild hat meine Mutter bis heute aufgehoben.
Eine weitere Erinnerung ist das Singen in einem großen kahlen Saal. Dort sollten wir „lustige“ Lieder singen. Ich habe immer gerne gesungen, schon als kleines Kind, dort aber brachte ich keinen Ton heraus, da ich jedes Mal weinen musste.
Es hat höchstwahrscheinlich noch viele weitere, für mich schlimme Erlebnisse gegeben, die mein bis heute vorhandenes extremes Unbehagen, wenn ich an die Zeit in Langenoog denke, rechtfertigen. Ich kam mit ein paar Pfunden mehr auf den Rippen nach Hause und hatte wohl auch länger keinen Husten mehr, was meine Eltern als Kurerfolg deuteten, meine Seele aber war verletzt. Ab dem Zeitpunkt der Kur kannte ich auch meinen Sättigungsgrad beim Essen nicht mehr richtig und die Freude daran habe ich erst im Erwachsenenalter entwickeln können.
Gibt es vielleicht jemanden, der ähnliche Erfahrungen in diesem Heim gemacht hat und der sich an die besagte Erzieherin erinnern kann? Für einen Austausch wäre ich sehr dankbar, um nach so vielen Jahren das Erlebte zu verarbeiten.
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Viola Ehlers aus Ammersbek schrieb am 20.02.2021
Habe gerade mit meinem Mann die Doku im Fernsehen gesehen. Die Erinnerungen kommen alle hoch, vor allem bei meinem Mann, welcher vier mal verschickt war, in anderen Heimen. In Bad Wörishofen war ich sechs Wochen, die schlimmste Zeit in meinem Leben. Eingesperrt, zum Essen gezwungen, eine Nonne schnitt uns immer die Fingernägel bis in die Haut weg, eine weitere prügelte regelmäßig, die Masseurin schlug mich auf die Wirbelsäule. Briefe wurden kontrolliert und konfisziert, einzig positiv empfand ich den Lehrer. Jahrzehnte Alpträume und das Wort “Kur“ als Trigger, Ängste und Panikattacken waren zu bewältigen. Ich bin vor allem entsetzt, dass es meinem Mann noch viel schlechter erging.
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Daniela schrieb am 20.02.2021
Vor ein paar Tagen habe ich hier einen Kommentar gegeben.
Ich muss revidieren - ich war Zeugin und bin mittlerweile nicht sicher ob es mich auch selbst betrifft.
Es drängen sich mir Bilder aus dem Unterbewusstsein auf.
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Anja Schüßler aus 55743 Idar-Oberstein schrieb am 19.02.2021
Da ich angeblich "nicht genug" gegessen habe, hat mich meine Mutter im Alter von 4 Jahren für 6 Wochen in ein "Kindergenesungsheim" geschickt. Ich kann mich erinnern, dass ich die ersten Tage vor Heimweh nur geweint habe. Eine der Erzieherinnen hat mich im Esssaal dann vor allen Kindern blosgestellt, indem sie mein Weinen nachgeäfft hat. Danach hat sie ihren Schuh (mit dickem Holzabsatz) ausgezogen und gesagt, wenn ich jetzt nicht endlich mit dem Weinen aufhöre, schlägt sie mir den Schuh auf den Kopf. Zum Essen bekam ich als 4-jährige immer 2 Teller vollgeknallt, die ich leer essen mußte. Wenn ich nicht mehr konnte, hat man mich mit meinem Essen in ein Zimmer eingesperrt, bis der Teller leer war. Ich habe mich nach dem Essen oft übergeben und mußte dann meine eigene Kotze aufwischen. Ich kann mich auch noch daran erinnern dass mein Bett nachts immer nass war und ich daher immer sehr gefroren habe. An die letzten Wochen meines Aufenthaltes kann ich mich so gut wie überhaupt nicht mehr erinnern. Meine Erinnerung setzte erst wieder ein, als ich plötzlich wieder zu Hause am Bahnhof stand, wo meine Eltern mich abholten. Eines weiß ich aber ganz sicher, nämlich, dass ich in den ganzen 6 Wochen nicht ein einziges mal in den Arm genommen wurde! Daran hätte ich mich hundertprozentig erinnert, weil ich dies schon in den ersten Tage sehr vermisst habe... Nach meinem Aufenthalt dort konnte ich nachts nicht mehr alleine schlafen. Mein halbes Leben litt ich unter Todesängsten, Essstörungen, Depressionen und Beziehungsunfähigkeit. Seit 7 Jahren (ich bin heute 54) nehme ich Antidepressiva und führe endlich ein Leben mit Partner und ohne Angst. Ich würde mich freuen, wenn ich jemanden über dieses Forum kennenlernen würde, der vielleicht mehr Erinnerungen an dieses Heim hat als ich. Ich war vor ca. 25 Jahren mal wieder dort gewesen, aber es war in dieser Zeit ein Jugend- und Kulturzentrum, und die Begegnung mit dem Leiter dort, war mehr als merkwürdig. Ich konnte keine näheren Informationen über das Heim erhalten.
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Angelika Hawlitzky aus Althütte schrieb am 19.02.2021
Ich war 5 Jahre alt, kurz vor der Einschulung und laut Kinderarzt angeblich zu dünn. Die Bilder in meinen Kopf beschränken sich auf den Essensaal und den Schlafsaal. Im Essensaal wurde ich gezwungen eine zweite Portion zu essen obwohl ich schon gewürgt habe. Im Schlafsaal wurde ich eines Nachts aus dem Schlaf gerissen und mit einem Holzschlappen geschlagen, weil irgendjemand im Saal anscheinend laut war. Ich sehe immer noch das Licht in der offenen Tür und die dunkle Gestalt, die die Bettdecke hochhebt. Ansonsten bin ich die ganzen 4 Wochen vor lauter Angst mit gesenktem Blick herumgeschlichen. Meine Eltern erhielten Briefe, in denen stand, wie gut ich mich entwickeln würde. Als ich zurückkam war ich allerdings krank und dünner als vorher. Das alles hatte ich verdrängt, bis ich selber Mutter wurde. Bis heute habe ich Probleme mit Autoritäten und Ungerechtigkeit.
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Marlene Clauss aus Murr schrieb am 19.02.2021
Ich war ca 1966 in einem Heim in Herrlingen, den genauen Heimnamen kenne ich nicht.
Ich kann mich noch errinnern, das mir jeden Morgen Tabletten verabreicht wurden.Das es Jedes mal wenn ein Kind Geburtstag hatte einander mich ekelhaft riechenden Brei gab,den ich dann auch erbrochen habe,zur Strafe musste ich noch einen Teller davon essen.Von den Ganzen wurden Briefe und Postkarten an meine Verwandten geschickt mit der Bemerkung, dass alles gut ist.Es müssen auch Kinder aus Berlin dagewesen sein. Weil einmal hieß es es kommen Kinder von der Insel Berlin.Diese Kinder sind dann Nachts im Schein der Taschenlampen in den Schlafsaal gebracht worden.
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Silke Balsser aus Pohlheim schrieb am 19.02.2021
Was ich vergessen habe war damals erst 5 Jahre alt und sehr schüchtern gewesen
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Silke Balsser aus Pohlheim schrieb am 19.02.2021
Runkel-Dehrn im Jahre 1968 Es müsste im Frühjahr dort hin gekommen sein weil ich einen Sprachfehler hatte angeblich sollte es eine Kur sein .War mindestens ein halbes Jahr wo ich da war und ich habe kaum noch Erinnerungen .Die Erinnerung die ich noch habe waren schrecklich. Nach dem Mittagessen musste ich schlafen. Das essen musste man alles aufessen ob man es wollte oder auch nicht .Meine Eltern dürften mich nicht Besuchen. Spazieren gehen mussten wir auch. Ich habe Sie öfters von weitem gesehen, konnte leider nichts tun.Hatte Heimweh u habe darunter sehr gelitten. Tabletten habe ich immer bekommen und dann begann die Therapie. Wer war auch dort um die Zeit und kann mir mehr da zu sagen??
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Katrin schrieb am 19.02.2021
Ich kann mich an die Schnurkarte um den Hals erinnern, mit unserem Namen und Sendeort, mit dem ich auf dem Bahnhof stand und weg geschickt wurden. Es war mir gar nicht bewusst was jetzt passiert, oder fuer wie lange. Ich kann mich erinnern dass jeder den eigenen,schweren Koffer alleine von der Bimmelbahn zu dem Gebaeude ziehen, bugsieren mussten, denn tragen konnte ich ihn nicht mit 5 und dann wieder mit 7. Ich hatte schon lange nicht mehr an die "Kur" gedacht. Die Nachfolgen sind jedoch mein ganzes Leben mit mir. Ich erinnere mich an idiotisch lange Wanderungen durch tiefen Sand, auf Duenen , am Strand, zur Vogelkoje , Oft mehrere male am Tag. Meine Mutter hatte ein Bild, wo ich am Wasser am Strand mit einem kleinen Eimer spielte. Ich fand das Bild Jahre spaeter und erklaerte ihr, dass dies das einzige mal war wo ich tatsaechlich am Wasser war. Mit 20 Kindern und 2 Erwachsenen, war es bestimmt zu gefaehrlich uns an das Meer zu lassen. Die Speisehalle war so gross, wie eine Bahnhofshalle. Ich kann mich nicht an das Essen erinnern, aber daran das Kinder oft gebrochen haben. Im Speisesaal, im Bad in den Schlafzimmern. Vielleicht mussten wir deshalb nach dem Mittags essen so still liegen, damit es nicht alles wieder hoch kam? Ich erinnere mich auch an die Kinder in unserem Gebaeude, die viel und oft bitterlich geweint haben. Ein kleines Maedchen in unserem Gruppenzimmer und ein Maedchen mit schlimmem Exzem. Sie wurdere mehrmals am Tag mit Meerwasser ueberschuttet von den Tanten. Eiskalt. Am Ende war die Haut sehr entzuendet. Egal , ob warmer oder kalter Tag, da stand sie wieder in Unterwaesche und es kam der grosse Eimer mit kaltem Meerwasser. Ich kann sie heute noch weinen, betteln und schreien hoeren. Im nach hinein kann ich mich eigentlich auch nicht an Spielzeug erinnern. Es wurde manchmal gebastelt. Auch an "Karten schreiben" kann ich mich erinnern. In Klappholtthal gab es eine grosse Sporthalle. Dort uebten wir bei kaltem und regnerischen Tagen Polonaise. Ein wunderbarer Tanz der 40 Kinder einfach beschaeftigen kann. Manche "Tanten" waren nett andere ueberfordert oder gemein. Ich kann mich nicht daran erinnern dass wir jemals Kleidung gewaschen haben. Fuer 6-8 Wochen. Geduscht wurde nur wenige Male dort. Ich glaube was diese "Reise" bei mir ausloeste, 3 mal fuer mehrere Monate in eine Anstalt, reglementiert, wo meine Person, meine Identitaet abgestellt werden musste um "ein liebes Maedchen" zu sein, da ist bei mir etwas abgebrochen. Als teenager und spaeter als junge Erwachsene, verkriecht sich die kleine Luise immer noch, fuehlt nichts, schliesst sich ab und kommt erst Monate spaeter wieder heraus. Seit dem bin ich wie ein Schlafwandler in meinem eigenen Leben wenn der Stress kommt. Ich bin mit 20 aus Europa ausgewandert und habe mich mit den Folgen erst 5 Jahre spaeter beschaeftigt, der Krankheit und demTod meines Vaters, der Mutter, meines Partners. Es ist als ob ich ein Zombie bin und total in Waende verschwinde, genau wie damals. Tue was erwartet wird und schalte mich total ab. Wieso brauchte es 55 Jahre bevor sich jemand damit beschaeftigt, dass man Kinder einfach so in einen kommerzielle Profit Kindertourismus under der Deckung von "Heilung und wellness" abschiebt ohne jegliche Ueberwachung fuer 6-8 Wochen. Unglaublich. Danke fuer diese Gruppe.
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Andrea aus Stuttgart schrieb am 18.02.2021
Wegen Bronchitis musste ich zur Kur. Ich hatte sehr starkes Heimweh. Ich mochte kein Milchreis, hatte die Wahl auf Essen zu verzichten, oder ihn reinzuwürgen. Ich hatte Angst zu verhungern. (Tut man sicher nicht, wegen einer Mahlzeit. Aber das wusste ich mit 5 noch nicht).
Eines Tages bekam ich Schuhputzzeug. Da hieß es, meine Eltern wären da gewesen und hätten es gebracht. Ich wollte sofort los, und sie suchen. Sie wären schon wieder weg, mussten weiter... Vor einigen Jahren erfuhr ich von meiner Mutter, dass sie gesagt bekommen hätten, dass mir das Treffen schaden würde. Ich war völlig fertig, denn meine Eltern wollten mich nicht sehen... liebten mich nicht mehr. Dieses Gefühl blieb.
Wir sollten Karten für unsere Eltern basteln. Meine Mutter ist heute noch stolz auf die Karte. Ich hatte mit einer Kerze Wachstropfen auf die Karte gelassen. Und intensiv gehofft, dass meine Eltern kommen und mich holen. Dann lasen sie mir den Text vor: mir gefällt es hier sehr gut. Ich war völlig ohnmächtig und verzweifelt. Es stimmte nicht.
Ich wurde krank, bekam Windpocken und danach Masern, und verbrachte die meiste Zeit der Kur allein im Bett. Es gab einen jungen Mann, der Gitarre spielte. Der war zu Beginn meine emotionale Rettung. Leider war er nur kurz da. Ich denke oft an das, was er mir gegeben hat.
was sonst noch war, weiß ich nicht mehr. Ich hatte bis als Erwachsene Angst zu verhungern. Zudem habe ich Körpersypmtome, deren Ursache mir unklar sind.
Deshalb bin ich froh, hier Berichte zu lesen. Da kommen dann verborgene Erinnerungen hoch.
Ich glaub dass ich auch ne Zahl war.
Danke für die Arbeit hier
Andrea Sam
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Jutta-Katharina Bechlem aus damals Kreis Ziegenhain, Hessen schrieb am 18.02.2021
Zu klein, zu schwach, zu zierlich. Unser Hausarzt und meine Eltern meinten es sehr gut mit mir. Meine Eltern haben mir neue Kleidung gekauft, darunter ein wunderschönes Kleid in blau-weiß. Der Start der langen Reise mit der Bahn begann aufregend. Um meine Angst vor der Fahrt ins Ungewisse zu versüßen, hat mein Papa mir ein Obst gekauft, das ich noch nicht kannte. Es war wie ein Apfel mit Fell drum herum, er nannte es Pfirsich. Ich habe ihn die ganze Fahrt über ehrvoll in der Hand gehalten, manchmal daran geleckt, manchmal mein Gesicht damit gestreichelt. Erst kurz vor Ankunft habe ich ihn aufgegessen, und das war so lecker. Danach war sechs Wochen lang nichts mehr lecker. Ich war sechs Jahre alt.
Durch eine Seitentür im Keller gingen alle Kinder in das Haus hinein. Dort wurden die Schuhe ausgezogen und jedem gezeigt, wie genau und wo die Schuhe zu stehen hatten. Zimmeraufteilung, Schrank- und Bettzuweisung. Großes Zimmer, viele Bette. Ich erinnere mich nicht an die genaue Anzahl. Eigentlich könnte ich jetzt einen Roman schreiben, aber ich halte mich mal (hoffentlich kurz) an die für mich schlimmsten Ereignisse. Das begann schon am ersten Abend vor dem Zubettgehen. Alle hintereinander, also in einer Schlange stehen, vor den Waschbecken. Du wäscht dich und putzt die Zähne, alle anderen schauen zu. Ging ja noch, war unangenehm, aber erträglich. Dann auf Klo. Die Tür stand immer offen, durfte nicht geschlossen werden. Du sitzt auf dem Klo und schaust in die Gesichter, die davor stehen und warten und dir zuschauen. Das hat in mir einen Schaden für immer verursacht. Muss ich nicht genauer erklären, oder? Ich kann stundenlang und unter enormen Schmerzen "einhalten", wenn ich das Gefühl habe, "dabei" nicht ganz alleine zu sein. Macht es schwer, Freunde oder Veranstaltungen zu besuchen. Wurde mit Sicherheit noch gesteigert durch die nächtliche Schikane, die wir über uns ergehen lassen mussten. Ich schreibe "wir", aber damals habe ich nicht gewusst, dass die anderen Kinder auch leiden. Ich dachte ja, nur ich sei so doof und nicht anpassungsfähig. Nachts wurden wir geweckt. In der Mitte des Raumes stand ein Topf. Nacheinander mussten wir darauf Platz nehmen und pinkeln. Und wehe, es war nichts zu hören. Wir durften nicht vom Topf aufstehen, bevor wir "Erfolg" hatten. Wenn der Topf voll war, musste das letzte Kind ihn in der Toilette ausleeren. Ich wollte auf keinen Fall das letzte Kind sein, denn das bedeutete auch, dass du die "Pisse" der anderen an deinem Hintern gespürt hast. Und mit dieser Pisse am Hintern musstest du das Nachthemd wieder runterziehen und den vollen Topf ohne zu kleckern im WC entleeren, dann wieder mit nassem Po und Nachthemd ins Bett. Frisches Nachthemd gab es, glaube ich, nur einmal während der sechs Wochen. So wurden auch die anderen Klamotten nie gewechselt. Meine Eltern hatten mir so liebevoll den Koffer gepackt, mit Lieblingskleidung und neuen Stücken extra für diese Reise. Aber wir trugen tagein tagaus die gleichen Klamotten. Mein Wunsch, einmal das neue blau-weiße Kleid tragen zu dürfen, wurde verhöhnt und verlacht. Dazu später noch mal mehr.
Frühstück. Gries. Das Geschirr in diesem Heim kennt sicher jeder, es ist auch heute noch bei einigen beliebt. Es ist so ein gelbes Geschirr mit einem schwarzen Huhn darauf. Das ist mir seither so verhasst. Geht sogar so weit, dass ich Räume verlasse, in denen das Geschirr steht. Liegt sicher auch daran, dass wir alles aufessen mussten. ALLES! Mein Tischnachbar hat ins Essen gekotzt und leider auch meinen Teller erwischt. Wir mussten beide aufessen. Iss mal die Kotze von einem Anderen! Aber nicht nur das Essen zu den normalen Mahlzeiten war eine Qual. Wir bekamen jeder einen Apfel in die Hand gedrückt und ich musste an den Apfel mit Fell von der Bahnfahrt denken, den mein Papa mir gekauft hatte. So weich, so lecker. Dies war ein normaler Apfel, wie ich ihn kannte. Also biss ich fröhlich hinein, aß ihn gern und wollte dann das kernige Innenleben mit Stiel entsorgen. Ich wurde sofort angeschrien: ALLES essen! Also auch die Kerne, den Grützen und den Stiel. Äpfel esse ich heute nur noch geschält, in Stücke geschnitten und ohne Kerngehäuse, ganz penibel. Ich konnte nie wieder in einen Apfel beißen.
Ich hatte Geburtstag, wurde sieben Jahre alt. Noch immer zu klein, noch immer zu schmächtig und noch immer in diesem schrecklichen Heim. Mir "zu Ehren" wurde ein nasser Blumenkranz auf den Kopf gesetzt, das Wasser rann mir am Kopf herunter. Ich durfte nicht mit den anderen essen, sondern wurde auf ein Sofa gesetzt, das so hoch war, dass ich nicht allein rauf und runter kam. Wurde also darauf gesetzt, mit dem nassen Kranz auf dem Kopf, und alle Kinder gingen an mir vorbei in den Essensraum und gratulierten mir gefühlslos (ich glaube, zu dieser Zeit hatte einfach jeder Angst vor irgendwelchen Gefühlen, alle waren gefühlslos) zum Geburtstag. Mein einziges Highlight an diesem Tag war die Köchin des Heims. Sie war die einzige liebe Person dort, ähnlich wie ich sehr klein, wenn auch bestimmt einen Meter größer als ich. Aber sie kam und brachte mir auf das riesige Sofa ein Glas warme Milch mit den Worten "Beeile dich, das muss niemand sehen". Meine Eltern hatten ein Geburtstagspäckchen geschickt. Ich durfte es öffnen und war in dem Moment sehr glücklich. Lieblingsnaschis. Ich weiß noch, dass diese Knabberperlenketten darin lagen, die man auf der Kirmes kaufen konnte. Also du hast sie am Arm oder um den Hals und kannst immer mal ein Bonbon abknabbern. Und es war ein wunderschöner Ball am Gummiband darin, in meinen Lieblingszauberfarben. Noch andere Dinge, an die ich mich nicht erinnere. Ich bekam sowieso nichts davon. Alles wurde unter den anderen Kindern geteilt, weil ich lernen sollte, nicht so egoistisch zu sein. War ich noch nie und bin ich bis heute nicht. Aber das war so schmerzhaft, daran habe ich lange geknustert. Besonders schmerzhaft war für mich der Gedanke, dass meine Eltern dies liebevoll für mich gepackt hatten und sie nicht wussten, dass andere Kinder die Geschenke bekamen. Ich habe übrigens, zumindest gefühlt, meinen gesamten 7.ten Geburtstag auf diesem großen Sofa sitzend verbracht. Der Kranz um meinen Kopf wurde des Öfteren in kaltes Wasser gelegt, damit er lange hält. Es war ein "nasser" Tag. Nun war ich also sieben Jahre alt und ich wusste, das alles musste bald vorbei sein, denn Mama hatte ja gesagt, wenn ich sieben Jahre alt bin, komme ich wieder nach Hause. Aber es war noch lange nicht vorbei! Ich habe viele Briefe geschrieben an Mama und Papa. Ich habe jeden Tag darauf gewartet, dass sie kommen und mich abholen. Ich habe ihnen doch geschrieben, wie schrecklich alles ist. Sie mussten mich doch holen. Aber sie kamen nicht. Ich habe erst später erfahren, dass keiner meiner Briefe je zu Hause angekommen ist. Aber mit jedem "Briefeschreibertag" wurden die Schwestern böser zu mir. Dabei hatte ich ihnen doch gar nichts getan. Ich versuchte, mich leise und still zu verhalten. Aber sie schikanierten mich bei jeder Kleinigkeit. Angeblich standen meine Schuhe nicht richtig. Oder ich hatte die Regenjacke nicht rechtzeitig ausgezogen und nur wegen mir war der ganze Fußboden nass, weswegen jetzt ALLE leiden mussten. "Beschwert euch bei Jutta, Jutta hat Schuld." Spieletag auf der Wiese, aber niemand wollte mit Jutta spielen, weil sie war ja SCHULD!
Viele, nicht alle, Kinder bekamen abends Medizin, entweder Saft oder eine Tablette. Sollte uns gesund machen, weil wir ja alle wegen der Gesundheit da waren. Was willst du machen als Kind? Du schluckst das einfach. So wie das Apfelinnere, die Kerne, das Gehäuse, alles. Wenn ich jetzt hier so einige Berichte lese, erklärt sich mir einiges. Bis dato war der folgende Vorfall für mich unerklärlich.
Schon beim Zubettgehen dachte ich, ich kann nicht richtig denken. Alles ist wie in Watte. Ich bin so gern und so erleichtert ins Bett gegangen. Und wohl auch gleich eingeschlafen. Am Tag vorher war darüber gesprochen worden, dass wir eine Schifffahrt machen würden. Ich freute mich darauf. Also ab ins Bett, morgen Schifffahrt. Es durften zwar nur die lieben Kinder mit, wie uns gesagt wurde, aber ich war wirklich lieb und leise. Unauffällig. Nachts wurde ich wach, weil Kinder gesungen haben. Nein, sie haben "gegrölt". Ich wurde also wach und wusste nicht, wie mir geschah, denn sie standen um mein Bett herum. Ich solle mittanzen und singen. Und diese Watte in meinem Kopf. Alles so unwirklich. Nein, nur nicht aufstehen, nur nicht tanzen und singen. Morgen ist die Schifffahrt, ich bin ein liebes Mädchen, ich fahre mit dem Schiff. Ich solle mein Lieblingskleid anziehen, das schöne in blau-weiß. Los, zieh es an. Nachthemd aus, Kleid an, aber ohne Unterhose. Mach schon, los. Ist ein Traum, ist ein böser Traum. Niemals ohne Unterhose!
Am nächsten Morgen wurde ich wach, konnte mich an nichts erinnern, nur an diesen verrückten Traum. Aber die Schwester schrie mich an: "Du bist ein böses Mädchen! Du bist so böse, dass du heute nicht mit zur Schifffahrt darfst! Du bist so böse, so böse, das böseste Mädchen hier überhaupt!"
Sie fuhren alle los, nur ich nicht. Es war der einsamste Tag in meinem Leben und ich weiß bis heute nicht, warum.
Gelernt habe ich bis heute, dass vor dem Duschen die Unterhose als letztes ausgezogen wird und danach als erstes wieder an. Ein so penibler Tick! Wenn ich aus Versehen das U-Hemd zuerst ausziehe, ziehe ich es schnell wieder an.
Meine Mama und ich haben bis heute ein so inniges Verhältnis, dass wir genau spüren, wenn es dem anderen nicht gut geht, auch damals schon. Obwohl meine Briefe nicht ankamen. Es fühlt sich an wie Gedankenübertragung. Meine Mama hat in dieser schrecklichen Zeit, von der sie eigentlich nichts wissen konnte, vor lauter Kummer um mich meinen ungeborenen Bruder verloren. Es fühlte sich mein Leben lang so an, als sei es meine Schuld. Auch heute, mit fast sechzig, fühle ich mich nicht frei von dieser Schuld.
Meine Eltern und unser damaliger Hausarzt haben mir jedes Wort geglaubt und versucht, alles aufzuklären. Das war nicht möglich!
Ich dachte, ich hätte das alles vergessen, bis ich den Bericht am 5. Februar diesen Jahres gelesen habe. So viele Jahre sind vergangen, aber vergessen und verkraftet wird das nie! Heute bin ich 59 Jahre alt, sitze hier und heule und heule und heule und verstehe so vieles, was für mich immer unverständlich war. Danke fürs Lesen!
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Esther Sandersfeld aus Luebeck schrieb am 18.02.2021
Ich bin als 2 - Jährige für acht Wochen ins Seehospiz Norderney verschickt worden- damals im guten Glauben meiner Eltern, dort Heilung für meine aufgekratzte Neurodermitis- Haut zu finden...
Für heutige Eltern undenkbar - nämlich ein Kleinkind für zwei Monate in die Obhut eines Kurheimes abzugeben - und auch unterschreiben zu müssen, keinen Kontakt in der Zeit mit dem Kind aufzunehmen !

Ich habe von dieser traurigen "Episode" meines frühen Lebens erst sehr spät erfahren, meine Mutter erzählte es mir, als wir einmal abends nach dem Abendbrot zusammensaßen. Vllt war ich 12 Jahre alt, ich weiss nicht mehr genau.

Sie berichtete, dass unser Kinderarzt gemeint hätte, die frische Seeluft würde meinen roten, juckenden Stellen am Körper guttun, und es wäre wichtig, dass Eltern sich während der Kuraufenthalts zurückhielten, was den Kontakt
anginge...keine Post, keine Anrufe.
Sie als Mutter hätte das schwer ausgehalten, ich wäre ja noch so klein gewesen...

An den eigentlichen Aufenthalt habe ich selbst kaum Erinnerungen, habe nur ein einziges Foto aus dieser Zeit, eines, in dem ich mit Kopftuch Händchen haltend in einer Gruppe von ähnlich alten Kindern in der ersten Reihe stehe, und verkniffen in die Gegend schaue.

Immer wieder habe ich dieses Foto angesehen, denn es ist das einzige, was ich habe.
Die einzige "echte" Erinnerung ist die, dass ich nach der Ankunft mit dem Zug in Oldenburg, meiner Heimatstadt, von meinen Eltern am Bahnsteig empfangen wurde... und kein einziges Wort gesprochen habe.
Mein einziges Kuscheltier, ein Hase mit langen Ohren und langen Schlenkerbeinen hatte ich fest an mich gedrückt - ein Junge hatte ihm vor der Abfahrt in Norderney ein Bein ausgerissen.

Meine Mutter erzählte, es sei schlimm für sie als Eltern gewesen, dass ich tagelang nicht gesprochen hätte. Hätte mit dem Schlenkerhasen in meinem Zimmer still auf einem Stuhl gesessen- sie hätten mich so nicht gekannt. Hatten Angst, irgendwas sei "nicht in Ordnung".

Meine Haut war bei der Ankunft in OL ganz "glatt" gewesen, keine Ausschläge- aber man sah noch die frische Einstichstelle einer Spritze (im Nachinein denke ich, es war entweder eine Cortison- Spritze oder eine Beruhigungsspritze- keins von beiden würde mich wundern).

Als ich 2012 eine Mütterkur machte, stellte ich einer Psychologin die Frage, welche Auswirkungen diese frühen Erlebnisse auf mein späteres und erwachsenes Leben gehabt hätten (und noch haben könnten).
Sie sagte, dass es nicht unweigerlich zu Bindungsängsten und Vertrauensverlusten u.ä kommen müsste, wenn ich als so kleines Kind vielleicht das "Glück" gehabt hätte, eine der etwas zugewandteren Diakonissen als Bezugsperson gehabt zu haben. Eine, die sich mal gekümmert hat, wenn ich geweint oder unter Heimweh gelitten hätte.
Aber wer weiss, ob das so war.
Ich habe keine Erinnerung.

Dann sagte sie noch- was ich persönlich für wahrscheinlicher halte- dass ich womöglich nicht gesprochen hätte, nach der Rückkehr in OL, weil es in dem Heim eben kaum einzelne, individuelle Ansprache gegeben hätte, weil am Tisch strenge Regeln galten und die Kinder still und brav ihre Mahlzeiten einnehmen mussten.
Da wurde kein Quatsch gemacht oder laut gelacht- nein, da wurde man sofort streng gemaßregelt. D.h. es wurde uns beigebracht, hübsch still zu sein.

Aber wie gesagt, ich weiss es nicht.
Es fühlt sich nur so an.
In dem jungen Alter MUSS ich meine Eltern für tot oder auf ewig verschollen gehalten haben, denn Zeitgefühl hat ein 2- jähriges Kind noch nicht. Vielleicht war das Schweigen dann meine Art der Kompensation. Ich war still und durfte meine Trauer nicht "rauslassen".
Von daher kann ich nicht beurteilen, ob mein junges Alter mit dem fehlenden Erinnerungsvermögen nun ein Fluch oder Segen ist...

Ich habe sehr interessiert und berührt eure vorherigen Erlebnis- Berichte gelesen, und sah heute morgen den Film über die "Verschickungskinder" im Fernsehen.
Nun möchte ich zwar unbedingt diese dunklen Kapitel im Deutschland der 60er Jahre beleuchten, aber auch nach vorne gerichtet schauen, und leben.

Meinen Eltern habe ich übrigens nie Vorwürfe gemacht, auch wenn ich damals mit 12 Jahren fassungslos über das Erzählte war.
Ich spürte, dass zumindest meine Mutter sehr unter der Situation gelitten hatte, mein Vater sprach nicht viel darüber.

Ich lebe heute - nach vielen Phasen des Allein- Lebens im Wechsel mit unterschiedlich lang-andauernden Beziehungen- als Single und glückliche Mutter von zwei Töchtern, bin auffallend harmoniebedürftig, besitze einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.
Kann schlecht "loslassen", schlecht entspannen, habe Sorge vorm Verlassen- Werden. Mache mir ständig um- irgendwas Sorgen, aber ... ich bin auf einem guten Weg, habe Therapieerfahrung, und zum Glück eine gute Portion Resilienz (gelernt), und ein stabiles soziales Netz um mich herum.

Ich würde zu gern genau wissen, was damals auf Norderney passierte, aber vielleicht ist es meine Aufgabe im Leben, mit einer Ungewissheit klar zu kommen, und sie anzunehmen zu lernen.
Und nach vorne zu schauen, um nicht an alten Erfahrungen zu verbittern.

Das Leben ist zu kurz, zu schade, es nicht fröhlich, laut und quicklebendig zu feiern!

Alles alles Gute für euch anderen "Betroffenen", und ..bleibt gesund!
(Nicht nur an Corona...;)

Esther
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Birgit aus Frankfurt schrieb am 18.02.2021
Ich bin durch einen Fernsehbeitrag auf die Verschickungskinder aufmerksam geworden. Endlich hat das Grauen einen Namen! Mit 5 Jahren kam ich für 6 Wochen zur Kur nach Spiekeroog. Leider kann ich mich an den Heimnamen nicht erinnern. Schon die Überfahrt mit der Fähre war schrecklich. Ich fühlte mich alleine gelassen und mir war speiübel. Meine ganzen Erinnerungen an die Zeit im Heim sind sehr neblig. Heute habe ich gelesen, dass in den Heimen auch häufig mit Beruhigungsmitteln gearbeitet wurde.... Ich sollte unbedingt vor der Einschulung zunehmen. Aufessen war Pflicht. Ich erinnere mich an 2 Mahlzeiten an denen ich mich erbrechen musste. Es herrschte große Disziplin, die mit harten Strafen und Bloßstellen vor der Gruppe erreicht wurde. Einmal musste ich nachts einige Stunden draußen auf dem kalten Flur alleine sitzen bleiben, weil ich im Bett geredet hatte. Vor lauter Einsamkeit und Heimweh habe ich mir in der Zeit dort einen Finger wund "gesaugt". Die Eiterblase musste von einem Arzt aufgeschnitten und versorgt werden. Wenn ich jemanden von dieser Zeit erzählt habe, wurde immer mit Unglauben reagiert. Ich denke, dass mich diese Zeit sehr geprägt hat. Man kann keinem Kind erklären, warum es solche seelischen Misshandlungen ertragen muss. Meine Eltern wussten es anscheinend nicht besser. Die Kur wurde von der Hausärztin verordnet. Ich habe in den 6 Wochen auf Spiekeroog 5kg zugenommen..... DANKE, dass Sie diese Missstände aufdecken.
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Christian Würsig aus Limburg an der lahn schrieb am 18.02.2021
Ich habe zum ersten mal vor kurzem von den sogenannten
Verschickungskindern gehört und im Fernsehen einen Bericht darüber gesehen und ich fand das absolut schlimm, was dort zu sehen und zu hören war!
Dann wurde mir erst bewußt, das meine Schwester und Ich ( Beide Jhg. 1968 / Zwillinge ) selbst mal zu diesen Verschickungskindern gehörten und kurz vor unserer Einschulung im Sommer 1975 schickten uns unsere Eltern nach Wallgau in Österreich.
Es war damals aus gesundheitlichen Gründen, aber das war uns nicht so ganz bewußt und es sollte eine Art Kururlaub/Aufenthalt werden und so setzte man uns gemeinsam in den Zug, zusammen mit anderen Kindern.
Der Abschied war nicht einfach und ich kann mich erinnern, das wir geheult haben und gar nicht weg wollten, aber unsere Eltern haben uns am Bahnsteig getröstet und es sollte ja nicht für immer sein.
An den Aufenthalt im Heim hab ich leider nicht mehr so viele Erinnerungen und weiß nur, das wir öffter Ausflüge in die natur unternommen haben und das dort eben viele Kinder waren in unserem Alter.
Es gab sicherlich eine gewisse strenge Ordnung, aber an Übergriffe von Seiten der Betreuer hab ich keine Erinnerung, oder das wir geschlagen wurden etc.
Ich hatte eines Nachts einen Pseudokrupp-Anfall und dachte ich müsse ersticken und das war ganz schlimm
und es kam mir fast wie eine Ewigkeit vor, bis dann jemand zu Hilfe kam.
Wenn ich so die anderen Erfahrungsberichte lese, dann denke ich das wir evtl Glück gehabt haben und es uns besser gegangen ist als so vielen anderen, die so leidvolle Erfahrung gemacht haben.
Lieben Gruß an alle !
Christian ( ein Verschickungskind )
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Silke schrieb am 18.02.2021
Im Alter von 8 Jahren wurde ich für 1 Monat auf Spiekeroog verschickt, weil ich zu dünn war.
Zum Essen wurde man gezwungen, es gab etwas, das wurde einem als "Quallensalat" verkauft, was für den Appetit nicht gerade förderlich war.
Für jedes kleine Vergehen wurde man bestraft, mit Prügel oder man wurde mit kaltem Wasser aus einem Schlauch geduscht.
Auf den Spaziergängen mussten wir brav in Zweierreihen gehen, und es durfte nicht gelacht und nicht laut gesprochen werden.
Zur Mittagsruhe und nachts durften wir nicht auf die Toilette gehen, die meisten haben dann ins Bett gemacht.
Die Postkarten nach Hause wurden kontrolliert, es wurde uns vorgegeben, was wir zu schreiben hatten. Päckchen von zu Hause wurden geöffnet, damit die Süßigkeiten angeblich an alle verteilt würden.
Im Nachlass meiner Mutter habe ich noch alte Unterlagen gefunden, aus denen hervorging, dass meine Eltern 600,-DM für diese "Kur" selbst bezahlen mussten, das war damals schon sehr viel Geld.
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Elke aus Syke schrieb am 17.02.2021
Die Barmer Ersatzkasse hat mich im Alter von 9 Jahren im März 1967 sechs Wochen in das Kinder Erholungsheim Brilon Möhneburg zu Frau Dr. Selter geschickt.
Ich hasse noch heute diese Frau von Herzen.
Ihre Methoden waren mehr als fragwürdig. Aufrecht hielt uns nur der ständige Gedanke an Flucht.
Selbst unsere Briefe nach Hause wurden gelesen und korrigiert.
Demütigungen waren an der Tagesordnung.
Kinder wurden trotz Würgereiz zum Essen gezwungen. Ein Junge, der in die Hose gepinkelt hatte, musste vor aller Augen seine Unterhosen waschen.
Denunzieren wurde belohnt und Päckchen von Zuhause weggeschlossen.
Wir waren 50 Kinder und es war so gut wie kein Spielzeug vorhanden.
Ich habe 6 Wochen jeden Abend vor Heimweh geweint.
Besonders befremdlich war, als uns einmal die noble Wohnung von Frau Dr. gezeigt wurde. Die gediegene Ausstattung stand im krassen Gegensatz zu unseren kargen und spartanischen Aufenthaltsräumen.
Ein Trost waren die Mitgefangenen und der kleine Spielplatz hinter dem Haus.
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Daniela schrieb am 17.02.2021
Ich habe nur gute Erinnerungen!
Verstehe dieses ganze Tamtam nicht - überall gibt es schwarze Schafe!
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Marion aus Bad Oeynhausen schrieb am 17.02.2021
Ich wurde im Februar 1949 in Bad Oeynhausen geboren. Ich war immer zu dünn, obwohl wir genug zu essen hatten. Irgendwann hörte meine Mutter von einer Verschickungskur durch die Mission und so wurde ich angemeldet. Ich muss wohl 6 Jahre alt gewesen sein. Natürlich hat meine Mutter im festen Glauben gehandelt, mir etwas Gutes zu tun, denn Geld für eine andere Reise hatten wir nicht. Meine Mutter hat mich im Zug von Bad Oeynhausen bis Minden begleitet. Dort habe ich bei der Bahnhofsmission geschlafen und am nächsten Morgen ging es mit einem Sammelzug nach Freudenstadt ins Oberlinhaus. Trotz der 67 Jahre, die seither vergangen sind, habe ich den Namen des Hauses, der Tante Inge und diese schrecklichen 6 Wochen nie vergessen.
Im Beitrag war die Rede davon, dass Gewichtszunahme an 1. Stelle stand. So war es auch bei Tante Inge. Unter allen Umständen musste das Essen aufgegessen werden, danach gab es Lebertran. In meiner Gruppe war ein Geschwisterpaar (Mädchen von 5 und 3 Jahren). Ich war Zeuge, als die 3-jährige das Erbrochene wieder aufessen musste. Da das zu lange gedauert hat, wurden wir anderen weggeschickt. Nach 6 Wochen hatte ich 1/2 kg zugenommen. Ich weiß noch, dass meine Mutter das als wenig empfand.
Nachts durften wir nicht zur Toilette gehen. 1 x ging es nicht anders, ich bin aufgestanden und über den halbdunklen Flur gelaufen. Schon stand eine der Tanten neben mir und hat mich nach einem Donnerwetter ins Zimmer zurück geschickt. An den weiteren Verlauf kann ich mich nicht mehr erinnern, aber das Bild des Flures und meine Angst habe ich immer noch deutlich vor Augen. Ich weiß, dass andere Kinder verprügelt wurden, wenn sie ins Bett gemacht hatten.
Das Geschwisterpaar wurde noch vor meinem Aussteigebahnhof Minden auf einem anderen Bahnhof von ihren Eltern abgeholt und liebevoll in den Arm genommen. Ich erinnere mich noch an die blonden Locken der Mutter und wie ich sie durch die Zugscheibe beobachtet habe. Und wie ich gedacht habe, ob sie wohl von den Gemeinheiten von Tante Inge erfahren würden.
Ich habe zu Hause davon erzählt, meine Mutter hat sich fürchterlich aufgeregt und meine jüngeren Geschwister wurden nicht verschickt. Ich glaube nicht, dass ich bleibende Schäden davon getragen habe, aber die negativen Erinnerungen und die Bilder dazu habe ich noch deutlich vor Augen. Das schrecklichste Haus in meinem ganzen Leben war das Oberlinhaus in Freudenstadt.
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Marlies aus Hamburg schrieb am 17.02.2021
Da ich laut Kinderarzt unterernährt und für mein Alter zu klein war und ich unbedingt zunehmen sollte, hieß es, dass Kind muss zur Verschickung!

Es war nach meiner Erinnerung eine sehr strenges Regiment, denn ich wurde gezwungen Haferschleim Suppe zu essen, und das ich erst aufzustehen darf, wenn ich alles aufgegessen hätte, ich habe immer wieder gewürgt und gewürgt, dann kam die Aufseherin, und drohte mir, Du sitzt hier so lange bis Du das alles aufgegessen hast!!
Ich versuchte den Haferschleim runter zu schlucken, und zum Schluss kam der Brei wieder hoch und habe auf den Tisch erbrochen.
Was dann passierte, da habe ich eine Erinnerung Lücke!!
Ich weiß nicht mehr ob ich das Erbrochene wieder essen musste, das ist bei mir alles ausgeblendet!!
Ich habe seitdem ein Ekel davor
und konnte jedenfalls nie wieder Haferschleim Suppe essen!!

Ich hatte dort häufig Alpträume und habe ins Bett gemacht, dadurch aufgewacht es war stockdunkel und bin dann Nachts eine Treppe zu den Toiletten runter gelaufen und die Hinterlassenschaft bemerkte ich überhaupt nicht!

Am nächsten Morgen wurden alle irgendwie zum Appell aufgerufen, wer das war, und ich hatte große Angst, und deshalb nichts gesagt!!

Dann wurde jedes Bett durchsucht!!
Und ich wurde genötigt, als kleines Mädchen den Gang und die ganze Treppe bis unten zu reinigen, das war damals ziemlich erniedrigend.
Und das demütigende war, es wurde vor den anderen Kindern irgendwie zur Schau gestellt!

Zuhause habe ich nichts erzählt warum weiß ich bis heute nicht.
Nur wenn es hieß Du wirst bald wieder verschickt habe ich einen Aufstand gemacht!

Ich wollte nie wieder zu einer Verschickung das war für mich ein absolutes traumatisches und bleibendes Erlebnis.
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Anne Essmann aus Herrfurthstraße 20a, 12049 Berlin schrieb am 17.02.2021
Ich war im Alter von 5 Jahren zusammen mit meinem 4-jährigen Bruder in einem Kinderkurheim in Bad Dürkheim, weil ich sehr blass und untergewichtig war. Wir Kinder wurden in einen Zug gesetzt und los gings. Ich weiß noch, dass ich auf der Fahrt versuchte, mir Mut zu machen, indem ich sang. Im "Kurheim" wurden wir auf große Schlafsääle verteilt. Mein Bruder und ich wurden getrennt. Ich hatte damals lange Haare, die fast bis zum Po reichten. Nachts verknoteten sie sich und waren dann am Morgen kaum mehr zu entwirren. Keiner der Betreuer kümmerte sich darum. Ein nur wenig älteres Mädchen aus meinem Schlafsaal erbarmte sich fast jeden Morgen und versuchte, die langen Haarsträhnen und -knoten zu entwirren. Ich weiß noch, dass ich ihr dafür wahnsinnig dankbar war, denn es schuf wenigstens ein bisschen das Gefühl von Geborgenheit. Da war jemand, der sich um mich kümmerte!
War morgens diese erste Hürde genommen, ging es in den großen Speisesaal. Und da begann das Grauen. Es gab jeden Morgen Griessbrei oder Haferschleim. Beides fand ich ganz furchtbar. Ich mochte es nicht! Aber ich sollte ja zunehmen. Also rückten fast jeden Morgen zwei Betreuerinnen mit einem Teller Pampe an. Ich sagte mehrmals, dass ich es nicht mag, aber das interessierte sie nicht. Die Eine hielt meinen Kopf umklammert und drückte mir mit Gewalt den Mund auf und die Andere zwang mir wieder und wieder einen Löffel Pampe in den Mund. Ich werde nie vergessen, was sie dazu sagte: "Guck mal, Kind, wir nehmen schon nur einen Eierlöffel. Dann hast du nicht soviel davon im Mund." Wenn ich zu würgen begann, drückte man mir schnell den Mund zu. Ich kann bis heute nichts essen, das eine breiige Konsistenz hat: Keine Cremes, keinen Pudding, keine Sahne, keinen Quark, keinen Joghurt, keine Torten, keinen Kartoffelbrei.
Einmal in der Woche gab es Post von unseren Eltern. Viele schickten kleine Kuscheltiere, Püppchen oder sonstiges Spielzeug. Wir durften unsere Sendungen vor dem Essen in Empfang nehmen. Danach wurden uns alle Geschenke der Eltern wieder weggenommen und auf ein Regal verfrachtet, das so hoch war, dass wir Kinder nicht heran kamen. Lies sich eines der Kinder auch nur irgendetwas "zuschulden kommen", wurde das Geschenk vor den Augen aller Kinder von den Betreuern in einen großen Mülleimer befördert. Klappe zu, Affe tot, buchstäblich.
Mein kleiner Bruder war damals ein ziemlich aufmüpfiger, kleiner Bengel, schlau, gewitzt und trotz seiner erst vier Lebensjährchen nicht auf den Mund gefallen. Wie oft er wegen lächerlicher "Vergehen" und weil er sich nichts gefallen ließ, stundenlang mit dem Gesicht in der Ecke stehen musste, während die anderen Kinder etwas zu Essen bekamen, habe ich leider nicht gezählt.
Einmal sollte er etwas essen, was er nicht mochte. In einem winzigen, unbeobachteten Moment schleuderte er den gefüllten Teller wie eine Frisbeescheibe quer durch den Speisesaal. Daraufhin bekam er eine Tracht Prügel und für den Rest des Tages nichts mehr zu essen.
Irgendwann während meines Aufenthaltes wurde eine neue Betreuerin eingestellt, eine warmherzige, engagierte und sehr nette junge Frau, der wirklich an uns Kindern gelegen war. Sie war die erste Betreuerin, die sich um meine langen Haare kümmerte und sie tagsüber zu einem langen Zopf flechtete. Wenn sie kam, ging jedesmal die Sonne auf und wir Kinder scharten uns um sie herum. Aber die anderen Betreuer sahen es nicht gern, wenn sie sich um uns Kinder kümmerte.
Einmal haben wir einen Spaziergang durch den Wald gemacht. Links vom Wegrand ging es steil und tief hinunter. Die Betreuer schärften uns ein, ja nicht vom Weg anzukommen. Natürlich passierte es trotzdem. Eines der Kinder trat daneben und rutschte den ganzen Abhang hinunter durch den Wald, bis ein Baum die gefährliche Rutschpartie unsanft beendete. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob das "abtrünnige" Kind bestraft wurde. Aber ich glaube, der Schrecken bei den Betreuern war zu groß.
An unserem letzten Tag vor der Rückreise lagen wir zum Mittagsschlaf in unseren Betten. Plötzlich kam eines der Kinder schreiend in den Schlafsaal gerannt. "Die haben Spritzen", brüllte es laut. "Die geben uns Spritzen!" Das total verschreckte, panische Kind kroch in sein Bett unter die Decke und hielt diese krampfhaft rundherum fest. Dann kamen sie auch schon. Ohne irgendeine Vorankündigung oder gar Erklärung wurde ein Kind nach dem anderen mit Gewalt unter der Bettdecke hervorgezerrt. Zwei Betreuer hielten es fest, der dritte jagte dem schreienden und weinenden Kind die Spritze in den Hintern. Ich hatte vor Spritzen glücklicherweise keine Angst, weil mir schon unzählige Male von der Kinderärztin zu Hause Blut abgenommen worden war. Aber die meisten Kinder waren - zum krönenden Abschluss ihres Kuraufenthaltes - in Todesangst. Als alle Kinder durch gespritzt waren, ließen die Betreuer sie völlig verstört in ihren Betten zurück.
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Silke Balsser schrieb am 17.02.2021
1968 war ich in Runkel-Dehrn (Hessen) mit 5 Jahren dorthin geschickt worden.Ich hatte Heimweh und meine Eltern und Verwandte dürften mich nicht Besuchen.in weiter Ferne habe ich sie gesehen und konnte nichts unternehmen. Nach dem Mittagessen mussten wir uns schlafen legen danach später noch spazieren gehen viele Erinnerungen habe nicht mehr es war nicht schön dort wer war auch dort??
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Nadja aus Kirchheim schrieb am 17.02.2021
Hallo,
seit Kurzem sind mir die Erlebnisse die ich während zweier Kuraufenthalte in der DDR hatte, wieder ins Bewusstsein gekommen. Vieles habe ich verdrängt, besonders von meinem ersten Kuraufenthalt mit 5 Jahren in Osterburg, woran ich nur wenig Erinnerungen habe. Aber ich weiß noch, dass dort in sehr großen Schlafsälen in Gitterbetten geschlafen wurde und ich mich nachts gefürchtet habe und nicht schlafen konnte. Auch kann ich mich noch erinnern, das man nackt unter der Höhensonne tanzen musste, gezwungen wurde aufzuessen und das es Strafen gab. Welche , kann ich mich nicht mehr erinnern. Würde es aber gern, um es besser zu verarbeiten.
An den zweiten Kuraufenthalt in Bad Muskau Nähe der polnischen Grenze kann ich mich dafür sehr gut erinnern. Zu beiden Kuren wurde ich geschickt, weil ich zierlich und zu dünn war. Gemein fand ich, dass bei der Kur gleichzeitig Kinder zum Zunehmen und zum Abnehmen waren. Auch die Essenszeiten waren gleich. Während die Kinder die Abnehmen mussten Ihr Essen in winzigen Portionen eingeteilt auf ihren Tellern hatten, mussten sie gleichzeitig mit zusehen, wie die anderen (zu denen ich auch zählte) regelrecht mit Essen vollgestopft wurden. Es gab für uns 6 Mahlzeiten am Tag. Regelmäßig mussten wir uns in Unterwäsche im Gang aufreihen zum Wiegen. Wir haben uns manchmal kleine Sachen in die Socken gestopft, um ein paar Gramm mehr zu wiegen. Aber die größte Folter war für mich folgendes: Jeden morgen musste ich um 5 Uhr aufstehen und in den Keller. Dort gab es Stachelbrause oder Wechseldusche. Die Stachelbrause bestand aus einem Aufsatz aus dem mehrere harte Wasstrahle herauskamen und damit wurde man erst kalt dann heiß abgespritzt. Dafür musste man sich nackt in eine Ecke stellen.
Wechseldusche war dasselbe, nur nicht mit so hartem Wasser. Für mich war es eine Folter. Die nächste Folter war, dass man in die Sauna eingesperrt wurde. Ich hielt es nicht so lange aus und wollte eher raus und habe darum gebettelt. Aber ich musste solange drinn bleiben, bis die Zeit um war. Danach musste sich jedes Kind in eine Badewanne mit eiskaltem Wasser legen, bis zum Kinn und nur danach durfte man gehen. Das hat definitiv ein Trauma bei mir hinterlassen. Ich ertrage keine Hitze über 30 Grad und habe das Gefühl von Panik und ersticken zu müssen und ich meide kaltes Wasser wie die Pest, gehe seit dem fast nie ins Schwimmbad oder in einen See. Nur in warmes Wasser.
Ich würde gerne meine Erinnerungen auch an die erste Kur wieder hervorholen. Da ich hoffe, wenn ich es erinnern kann, es auch besser zu bewältigen und damit umgehen zu können.
Ich bin noch neu hier und froh diese Seite gefunden zu haben. Wenn jemand einen Rat hat, wo ich mehr Hilfe bekommen kann, bin ich dankbar. Das Gefühl, damit nicht allein zu sein, tut jedenfalls gut.
LG Nadja
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Michaela Semerak aus Köln schrieb am 15.02.2021
Ich war mit gut sechs Jahren, zusammen mit meinem 1 1/2 Jahre älteren Stiefbruder, für 6 Wochen irgendwo im Schwarzwald. An eine Kontaktaufnahme zu anderen Kindern, gemeinsame Spiele/Unternehmungen kann ich mich - mit einer Ausnahme - nicht erinnern. Da ich wegen endogener Exzeme, insbesondere an den Händen, dort war, bekam ich über die gesamte Aufenthaltsdauer morgens nur eine Scheibe Brot mit Butter und Tee, nachmittags gab es das gleiche nochmal für alle Kinder. Als ich nach ca. 3 Wochen ausflippte und verlangte, ich wolle zum Frühstück wenigstens ein einziges Mal das Gleiche haben wie alle anderen (Haferflocken mit Kakaopulver und Milch). An die Form der Bestrafung kann ich mich nicht erinnern, habe nur das undeutliche Gefühl, dass ich oft und lange alleine in einem Raum war. Am nächsten Morgen bekam ich Haferflocken mit Kakaopulver OHNE Milch, aber essen musste ich das natürlich trotzdem. Irgendwie.
Meine Hände wurden mehrmals täglich mit Nivea-Crème "behandelt", wodurch sich nach und nach lange blutige Risse bildeten die sich entzündeten, was widerum zur Folge hatte, dass mir noch öfter die Hände mit der gleichen Salbe eingecremt wurden und der Zustand sich weiter verschlechterte. Als ich pünktlich zum Schuljahresbeginn (2. Klasse) wieder zuhause war, konnte ich die erste Woche gar nicht, und in der zweiten Woche nur mit immer noch komplett bandagierten Händen am Unterricht teilnehmen.
Meinen Bruder habe ich während der gesamten Zeit nur zweimal bewusst wahrgenommen. Er war dort um zuzunehmen und lag an dem Tag, an den ich mich erinnere, nach dem Zwangsmittagsschlaf zugedeckt auf einer Liege neben der Wiese, auf der die anderen Kinder nach der Mittagsruhe spielen durften. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mitgespielt habe. Vielleicht durfte oder konnte ich auch nix anfassen.
Die zweite Erinnerung habe ich an einen Ausflug. Ich weiß noch, dass ich mich für die Schieferplättchen, die überall rumlagen, begeisterte. Als wir wieder im Heim ankamen, sprach mich mein Bruder, der in Gesellschaft von zwei der älteren Jungen (ca. 15-16 Jahre) war, an, und überredete mich mitzukommen, weil sie mir etwas zeigen wollten. Ich folgte den fremden Jungs dann in einen Hühnerstall (?). Mein Bruder war glaube ich draußen geblieben. Mehr weiß ich nicht mehr, nur, dass mich diese Szene bis heute nicht loslässt.
Erübrigt sich wohl zu erwähnen, dass die Post nachhause zensiert wurde.
Die Heimleiterin hieß Frau Netz und war wohl durch den BDM geschult worden. Anders kann ich mir heute jedenfalls nicht erklären, wie es einem Menschen möglich ist, Kinder in einer permanenten Atmosphäre der Einschüchterung, Vernachlässigung und Angst, nachhaltig zu traumatisieren. Ich will nicht behaupten, dass diese "Kur" der alleinige Grund dafür ist, dass ich seit Jahrzehnten immer mal wieder wegen Depressionen in Behandlung bin, da es auch noch andere Brüche in meinem Leben gab, aber einen maßgeblichen Anteil an meinen seelischen Verwerfungen wird sie mit Sicherheit haben.
Mein Bruder und ich haben niemals miteinander über diese unendlich langen 6 Wochen gesprochen.
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Angela aus Berlin schrieb am 15.02.2021
Hallo an alle, die in den 60'ern in Bad Sachsa waren, ich war im Konsul-Albert-Heim,Träger war das Diakonische Werk/ Innere Mission. Es führten Steintreppen von der Straße hinauf, dann ein kurzer Plattenweg, dann extrem starker Schuhcremegeruch im Vorraum der großen, hoch liegenden Villa. Sie liegt nahe des Märchengrunds und dem Schmelzteich/Kurpark in der Gartenstr.. Ich erinnere mich an keine Kinder oder Betreuer, nur an Fräulein Stege, eine Praktikantin, sozusagen farbig herausleuchtend aus dem grauen, schweigenden Angsttunnel, in dem ich mich dort wochenlang befand. Sie führte eines Tages eine Schnitzeljagd (Schatzsuche) mit uns durch, aus kleinen Zweigen gebildete Pfeile lagen auf dem Waldboden Richtung Ziel, wir durften sogar rennen, wer die/der Erste war, der Schatz war ein Tuschkasten (oder zwei?), Wasser und Pinsel; das war spannend. Gerne ließen wir uns grüne und rote Striche ins Gesicht malen, denn nun waren wir Indianer. Ein krasses Leuchtturmerlebnis.-Diese fünf Wochen waren unbeschreiblich schrecklich: ständiges Heimweh, täglich Über-Anpassung an den Willen anderer. Das hat Vertrauen zerstört und mich lange im Leben nur funktionieren lassen. Alles Gute und Erfolge euch allen beim Aufarbeiten!
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Katrin aus Jena schrieb am 15.02.2021
Hallo,
ich musste gleich zweimal in die Kur fahren, denn ich war zu klein und zu dünn um eingeschult zu werden. Genau kann ich nicht mehr sagen, wann ich wo gewesen bin und was ich wo genau erlebt habe. Ich war erst 5 und dann 6 Jahre alt. Bestimmt habe ich viel verdrängt oder vergessen und das ist wahrscheinlich auch besser so. Wie in der DDR so üblich, ging es sehr militärisch zu. Antreten zum Apell und in Zweierreihe, still stehen. Aber das war ja in der DDR auch an den Schulen so. Obwohl so viele Kinder da waren, habe ich mich sehr einsam gefühlt. Ich kann mich nicht daran erinnern Freundschaften geschlossen zu haben. Wahrscheinlich hatte jeder mit sich selber zu tun.
Wir durften nachts nicht auf Toilette und meine Bettnachbarin hat häufig ins Bett gemacht und nicht nur Urin, sondern Stuhlgang. Sie musste die ganze Nacht in ihrem Haufen liegen und im Schlafsaal hat es furchtbar gestunken. Morgens wurde sie dann ganz schrecklich angeschrien. Sie hat entsetzlich gelitten.
Mein Vater hat mir Süßigkeiten geschickt, die ich nie bekommen habe. Das haben hier ja viele beschrieben. Ich habe es schrecklich empfunden nackt in einer Reihe anzustehen und morgens eiskalt mit abends viel zu heiß mit einem Wasserschlach abgespritzt zu werden. Auch der Gang nackt um die Höhensonne war gruselig. Wir haben uns gefürchtet und ein Mädchen ist umgefallen.
Beim Essen musste aufgegessen werden oder man saß stundenlang vor dem Teller. Im meiner Suppe war ein Knorpel. Den konnte man gar nicht runter bekommen. Ich habe ihn mir in den Mund gestopft ihn im Klo wieder ausgespuckt und mich dabei so geekelt, dass ich mich erbrochen habe. Wenn man die viele Butter nicht aufs Brot geschmiert bekam, musste man sie im Nachgang so essen.
In meiner Erinnerung waren die Erzieher sehr unterkühlt.
Meine Eltern glaubten mir das nicht. Ich habe dann auch einfach nicht mehr darüber nachgedacht und verdrängt, bis mir ein Freund ähnliche Sachen erzählt hat. Niemals würde ich meine Kinder alleine in eine Kur schicken.
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Barbara Z. aus Stuttgart schrieb am 15.02.2021
Gestern bin ich in Königsfeld gewesen und habe sogar das Gebäder wieder gefunden in welchem ich mit meinem Bruder furchtbare Zeiten erlebt habe.
Die jetzige Miteigentümerin der Villa Didié, wie das Hau früher auch genannt wurde, hat noch gestern Recherchen zu meinen Fragen angestellt und mich angerufen.
Ich dachte immer die "Heimleiterin" sei eine Generalstochter gewesen.
So schlecht bin ich nicht gelegen.
Es war Maria Hetzel-Dedié, eine adoptiertes Dienstmädchen des kinderlosen Oberleutnants Ferdinand Dedié und seiner Gattin.
Nun bin ich mal gespannt ob es über das Landesarchiv respektive Gemeindearchiv Königsfeld noch Unterlagen dazu gibt.
meine Narbe an der rechten Handobfläch erinnert mich schon mein ganzes Leben an die Panik, Verzweiflung und Angst, mit der ich die Glasverandatür als 5-Jähriges Mädchen eingeschlagen habe, um aus dem Raum rauszukommen. Irgendwas hat der "Tanta" nicht gepasst und ich wurde in der Veranda eingesperrt.
Ebenso erinnere ich mich an Kasernenhof-Drill und erbrochenem Heidelbeerquark/Joghurt, in welchem ich liegen bleiben musste.
Nach unserer Rückkehr nach Stuttgart, so meine Mutter, hatte sie Bedenken, ob wir überhaupt ihre Kinder seine, da uns der schwäbische Dialekt wohl ausgetrieben wurde.
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Renate schrieb am 15.02.2021
Hallo,
ich berichte mal, wie es mir 1967 im Alter von 9 Jahren in Hochried erging.
Ich war übrigens nicht krank sondern galt eher als robustes Kind. Ich freute mich im Vorfeld auf die Berge, den Schnee...Ferien während der Schulzeit...

Schon auf der Fahrt von Hannover Hauptbahnhof aus im gräßlichen Transportzug habe ich mich verletzt - ich habe mir den Finger am Klappsitz auf dem Gang blutig gequetscht. Da wurde ich grob behandelt und geschimpft.
In Hochried wurde uns der persönliche Besitz abgenommen, Geld, Süßigkeiten, mein Fotoapparat. Weil ich klein gewachsen war kam ich in den Schlafsaal zu den jüngeren Kindern . Das fand ich sehr ungerecht. Ich wurde geschimpft, wenn die Kleinen Nachts unruhig waren, da ich die älteste im Schlafsaal war. Ich war so froh, dass meine kleine Schwester 2 Tage vor Abfahrt nicht mehr mit wollte und meine Eltern sie nicht dazu zwangen. Ich hätte sie bestimmt nicht trösten können/ dürfen.
Ich war autoritäre und grobe Behandlung nicht gewöhnt. Man durfte nichts selbst entscheiden. Es gab kein freies Spiel. Ich erinnere keine Freizeitangebote. Es war wie im Gefängnis.
Es gab jeden Tag Ärger wegen des Essens. Im „ Eulenzimmer“ mussten die Kinder, die nicht alles aßen stundenlang vor ihren Tellern sitzen. Ich war immer bis nachmittags dort. Immerhin kam ich so um die verhaßte Mittagsruhe rum.
Es gab nur eine freundliche „ Tante“: die bewachte die Mittagsruhe und sang mit uns. Abends ist sie mit einer kleinen Gruppe Kinder ins Dorf zum Bäcker oder Senioren gegangen, um Adventslieder vorzusingen. Ein Junge und ich haben zweistimmig gesungen oder Solo. Wir bekamen Limonade, Gebäck und manchmal ein paar Groschen. Alles heimlich. Das war mein Lichtblick während der Kur. Bestimmt war das Image- Pflege der Einrichtung.

Morgens mussten wir uns versammeln und Kirchenlieder singen. Viele Kinder mochten das nicht. Für mich war es ein Lichtblick, wenngleich ich lieber weltliche Lieder gesungen hätte.

Eines der Lieder wurde meine Hymne:

Die Nacht ist vorgedrungen
Der Tag ist nicht mehr fern
So sei nun Lob gesungen
Dem hellen Morgenstern
Auch wer zur Nacht geweinet
Der stimme froh mit ein:
Der Morgenstern bescheinet (bescheinigt sang ich)
Auch deine Angst und Pein!

Es gab 1 Adventskalender für alle Kinder zusammen und das bravste Kind des Tages bekam etwas davon. Ich bekam nie was.

Es gab so eine Art Reihenuntersuchung bei einem groben Doktor. Ich fand, das war wie auf dem Sklavenmarkt. Wir wurden wie Vieh behandelt, gewogen, rumkommandiert ... und alles in Unterwäsche. Das war sehr beschämend. Ich sollte zunehmen, obwohl ich gar nicht zu dünn war.
Die „ Tanten“ kuschten vor ihm.

5 Wochen lang wurde ich damit erpresst, dass ich an meinem Geburtstag während der Kur nicht das in Aussicht gestellte Wunschessen bekommen würde, wenn ich nicht brav sei.
Ich durfte keine Geschenke zum Geburtstag geschickt bekommen, auch keine Süßigkeiten. Meine Eltern schickten manchmal was, das durfte ich nicht behalten.

Einmal habe ich, als ich mich unbeobachtet fühlte, alle Kinderschuhe, die sorgfältig in einer Reihe standen, durcheinander gekickt. Ich wurde dabei von einer „Tante“ erwischt, die mich übers Knie legte und schlug. Ich war zuvor noch nie geschlagen worden. Ich glaube, ich musste dann auch zur Leiterin.
Ständig wurden die Wäschefächer kontrolliert. Wenn es nicht ordentlich genug darin war, wurde alles von der„ Tante“ herausgezerrt. Ich musste oft alles neu zusammen legen, wie beim Militär. Wehe, es war etwas nicht korrekt gefaltet.

Weil ich mich in einem Brief an meine Eltern über das schlechte Essen beschwerte, durfte ich den Brief nicht abschicken. Ich war darüber sehr empört und wollte dann gar nicht mehr schreiben. Da hat man mich sehr unter Druck gesetzt. Ich sei gemein zu meiner Familie.
Ich habe mich eine Weile geweigert... leider konnte ich keine Briefmarken beschaffen, dann hätte ich heimlich geschrieben. Irgendwann habe ich dann doch geschrieben, aber nur nach der Familie gefragt, nichts über das Heim berichtet. Ich wollte nicht lügen und kam mir doch so vor als hätte ich das getan.
Ich wollte doch so gerne in die Berge ( also hatte ich mir das selber eingebrockt? ) da meine Oma dort aufgewachsen war. Sie lebte schon lange in Norddeutschland und schwärmte von der Landschaft. Ich wollte das erleben - die Berge, den Bergsee und den Schnee. Und habe nichts davon erleben dürfen. Statt dessen in Zweierreihen wandern ohne reden, ohne Schneeballschlacht... Ich finde es gruselig, dass ich mich noch nicht einmal an die anderen Kinder erinnern kann. Ich war ein kontaktfreudiges Mädchen- wie kann das sein? Ein Foto vom Kuraufenthalt habe ich nicht.

Ich kann mich überhaupt nur wenig an Details erinnern. Aber ich weiß noch genau, dass ich dort mehrmals Robinson Crusoe gelesen habe. Immer wieder von vorn. Ich habe eher innere Bilder.

1968 wechselte ich als gute Schülerin auf die weiterführende Schule, eine Mädchenschule. Auch dort waren die Strukturen autoritär bis grausam.
1969 bekam ich ein unerklärliches Fieber, über lange Zeit. Meine Leistungen verschlechterten sich.
1970 bekam ich meinen ersten Krampfanfall. Bis heute habe ich keine Epilepsie- typischen Abweichungen im EEG, ich gehe davon aus, dass es dissoziative Anfälle waren.
Ab 1971 hielt ich es immer weniger in der Schule aus. Ich konnte mich nicht mehr ducken und bin nicht mehr hin gegangen. Ich habe komplett dicht gemacht.
Erst 1974 nahmen meine Eltern mich von der Schule ... ich hatte dann einen Neustart an einer anderen.
Dort fand ich Verständnis und konnte nach einem weiteren Wechsel bis zum Abitur die Schule besuchen.

Die Kur liegt wie ein Schatten über meinen Kindheitserinnerungen. Fast alles, was vor der Kur war, ist nebulös. Vom Aufenthalt selbst weiß ich kaum Details. Die katholischen „ Tanten“ waren ohne Empathie. Kommando-Ton und Bibelsprüche ( Gott als Angstmacher) von morgens bis abends. Immer unter strenger Aufsicht. Es herrschte eine Atmosphäre der Angst. Ich spüre sie heute noch, wenn ich daran denke.

Es war die einsamste Zeit meines Lebens. Ich fühlte mich ganz auf mich allein gestellt in einer komplett anderen Welt als ich sie kannte.
Ich fuhr als neugieriges und fröhliches Kind hin und kam als ernste kleine „Erwachsene“ nach Hause. Von da an habe ich mir immer selber geholfen, vertraute mich niemandem mehr wirklich an.
Ich habe meinen Eltern nicht erzählen können, wie schlimm das alles war. Sie hatten sich im Vorfeld für mich gefreut. Wir konnten nicht in Urlaub fahren. Ich wollte Sie nicht enttäuschen oder belasten.
Ich weiß, sie hätten mich sofort abgeholt, wenn sie die Zustände dort gekannt hätten.

Die Kur hat mich traumatisiert.
Sie hat mich geprägt.
Ich bin früh ein sozial engagierter Mensch geworden, der aber leider selbst Schwierigkeiten mit Nähe hat.
Zum Glück hat die Kur bei mir nicht nur zerstört, sondern auch Ressourcen geweckt.

Ich recherchiere seit 2010.
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Hannelore Speer schrieb am 14.02.2021
Auch ich war 3mal Verschickungskind in den 1960er Jahren. Es war eine schmerzliche, angsterregende und qualvolle Tortur. Diese Kuren waren immer 6 Wochen und ich kam traumatisiert, eingeschüchtert, verstummt und ängstlich zurück. - Bad Sachsa -Harz- "Bergfrieden" 1961
- Langeoog -Nordsee- 1964/65
- Niendorf -Ostsee, Timmendorf- 1966

Ich habe schmerzliche Erinnerungen an diese Zeit, ein Kuraufenthalt mit vielen Zwängen, Bestrafungen und Verboten. Ich war mit 8 Jahren in Bad Sachsa und habe dort eine grauseme Tortur durchlebt. Festgebunden am Stuhl wurde ich gezwungen mein Mittagessen (Spinat) ganz aufzuessen. Danach erbrach ich alles und ich mußte dann mein Erbrochenes wieder und wieder essen bis der Teller leer war, das zog sich bis in den Nachmittag. Die Milch wurde mir eingeflöst. Ich bekomme heute noch Würgereiz bei Spinat und Milch.

Einmal bin ich nachts unerlaubt auf die Toilette und konnte im Dunkel mein Zimmer nicht finden, zur Strafe mußte ich im dunklen kalten Treppenhaus die Nacht auf der Treppe sitzend Barfuß und ohne Decke verbringen, es war Winter.

Ein anderes mal wurde ich für mehrere Stunden in eine dunkle Kammer ohne Fenster eingeschlossen. Das löst bei mir heute noch Panik in geschlosseen Räumen aus. Eine Strafe war auch, ich mußte stundenlang knieend in der Ecke im Speisesaal verbringen. Stubenarrest für zwei Tage im Bett liegend gab es auch.

Post an die Eltern wurde kontrolliert geschrieben.

Diese Geschehnisse sind ein Alptraum, quälend und traumatisch, sie belasten mich heute noch.

Hannelore
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Sonja aus Schöffengrund schrieb am 12.02.2021
Je mehr ich mich mit dem Thema befasse,desto mehr Erinnerungen kommen.Ich war damals 10 J. und wurde mit meinem 3 Jahre älterem Bruder in Kur geschickt.Wir wurden bei unserer Krankenkasse abgegeben,von dort aus fuhren wir mit dem Zug.
Dort angekommen,wurde mir mein Kuscheltier abgenommen,mein Bruder komplett von mir getrennt.
Die älteren Kinder waren in der unteren Etage untergebracht.Ich habe meinen Bruder die ganzen 4 Wochen nicht gesehen.
Ich sollte Gewicht zunehmen,also wurde ich gemästet.Es durfte nichts auf dem Teller zurückbleiben.
Ich habe viel geweint,aber nur heimlich - da es sonst Strafen gab.
Öfters musste ich in einem fast leeren Raum auf einem Holzstuhl sitzen - Arme hinter der Lehne verkreuzt.Ich durfte nicht aufstehen,da in unregelmäsigen Abständen kontolliert wurde.Dieses Wegsperren dauerte manchmal mehrere Stunden,auch Nachts - entweder weil ich beim weinen erwischt wurde,oder nicht schlafen konnte und mit meiner Bettnachbarin geflüstert hatte.
Wenn Duschtag war,mussten wir uns in unseren Zimmern nackt ausziehen und ohne ein Handtuch umzubinden,nach unten in die Sammeldusche gehen.Genau die Etage,wo die älteren Kinder untergebracht waren.Es war sehr demütigend.
In meinem Zimmer war ein etwas jüngeres Mädel,deren Mutter wohl kurz vorher gestorben war.Sie war fast nur am weinen.Selten,dass sie am streng geregelten Tagesablauf richtig teilnehmen konnte.Oftmals war sie für mehrere Stunden verschwunden.Sie hat nie erzählt,wo sie in dieser Zeit war.
Wir hatten uns später zu Hause noch Briefe geschickt,aber nie wieder von unseren dortigen Erlebnissen gesprochen.
Auch mein Bruder hat nie irgendetwas erzählt.
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Marie (damals Marita) Friese aus Leipzig (damals Hamburg) schrieb am 12.02.2021
Ich wurde Anfang 1972 als 8-jährige für 6 Wochen aus Hamburg in das Kinderheim "Linden-Au" nach Lüneburg verschickt. Dort erlebte ich die schlimmste Zeit meines Lebens. Eine sadistische Erzieherin, Fr. Sch., beschimpfte mich täglich. Im Speisesaal saß ich mit einem sehr aggressiven Mädchen an einem Tisch, das mich ebenfalls bei jeder Mahlzeit beschimpfte und beleidigte. Auch die meisten anderen Kinder in der Gruppe beschimpften und beleidigten mich täglich. Die ErzieherInnen hielten sich stets heraus. Das absolut schlimmste Erlebnis war ein Waldspaziergang mit den Kindern der Gruppe und Frau Sch. und mindestens einer weiteren Erzieherin. Als ich etwas abseits der Gruppe gedankenverloren spazieren ging, fielen die Kinder von hinten über mich her und schlugen mich zusammen. Außerdem rissen sie mir büschelweise Haare aus. Ich flehte die Erzieherinnen an, mir zu helfen, aber sie standen nur herum und grinsten. Mit Ausnahme eines Mädchens prügelten alle Kinder auf mich ein, hielten mir die ausgerissenen Haarbüschel unter meine Augen und lachten über meine Schmerzen und Tränen. Zurück im Heim kauerte ich stundenlang völlig verstört auf dem Boden des Schlafsaals. Das Mädchen, das sich als Einzige nicht an der Prügelorgie beteiligt hatte, kam zu mir und versuchte, mich zu trösten. Aber später beim Abendessen sagte meine aggressive Tischnachbarin zu mir: "Dir haben wir es heute mal so richtig gezeigt, du eingebildete Ziege." Wenige Tage später bekam ich ein Paket mit Süßigkeiten von meiner Mutter. Frau Sch. nahm mir alles bis auf den Traubenzucker weg und verteilte die ganzen Süßigkeiten an die Kinder, die mich zusammengeschlagen hatten. Diese Wochen in dem Heim waren die schlimmsten meines Lebens und traumatisierten mich nachhaltig. Noch heute habe ich häufig Albträume, in denen ich in einer Einrichtung den Anderen schutzlos ausgeliefert bin. Seit meiner Jugend leide ich unter Depressionen und schweren Ängsten. Mit 29 Jahren wurde ich erwerbsunfähig. Ein Leben, wie es für andere Menschen selbstverständlich ist, konnte ich nie führen. Mein Leben lässt sich so beschreiben: Keine Karriere, keine eigene Familie, keine echten Freundschaften, wenig Geld.
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Dr. O. schrieb am 12.02.2021
Ich war mit ungefähr 6 Jahren für 6 Wochen in einem Kinderheim auf Borkum, weil ein Kinderarzt mich für untergewichtig und blass befunden hatte. Aus dem Bergischen Land brachten mich meine Mutter und eine Nachbarin zusammen mit deren Tochter dort hin. Am besten erinnere ich mich an die Situation im Schlafraum. Ich meine, er war unter dem Dach, und wir lagen alle dort in Feldbetten nebeneinander, außerdem ein noch kleineres Mädchen, ca. 3 Jahre alt (?) namens Eva in einem Kinderbettchen. Sie rief fast jedesmal etliche Male: "Muuß Pipi!", bis sie nur noch leise wimmerte und man sich denken konnte, was passiert war. Wir waren so eingeschüchtert, daß sich niemand traute, aufzustehen und irgendwo bescheid zu sagen. Man kannte sich im Haus auch nicht weiter aus und hätte gar nicht gewußt, wo sich die Heimbetreiber befinden. Wir hatten Sprechverbot und es mußte absolute Ruhe herrschen, es war stockfinster. Neben dem Schlafraum hatte der fast erwachsene Sohn des Hauses ein Zimmer. Wenn er Geräusche hörte, riß er die Tür auf, schrie uns an und stieß allgemeine Bedrohungen aus. Ich habe oft geweint oder es unterdrückt, jedenfalls tat ich immer, als ob ich schlief. Ein wenig Trost und Halt hatte ich nur durch ein Stoffäffchen mit Spieluhr, das die anderthalb Jahre jüngere Nachbarstochter dabei hatte. Sie ließ es manchmal heimlich unter der Decke laufen. An die Melodie erinnere ich mich bis heute. Wir waren auch mal am Strand, was ich aber nie erfreulich fand, denn wir bekamen bei Sommerhitze die Gesichter dick mit Niveacreme eingerieben, was recht grob vonstatten ging. Ob noch mehr eingecremt wurde, weiß ich nicht. Ich erinnere mich nur daran, daß ich es kaum aushielt, daß überall Sand festklebte, den ich nicht mehr los bekam. Wenn man mit irgendetwas mit schnell genug war, z.B. Sandalen anziehen, mußte man eben so mit, wie man gerade war, barfuß oder mit einer Sandale. Auch durfte einem nicht mehr einfallen, daß man vorher noch zur Toilette mußte oder andere Bedürfnisse hatte, die den hastigen Aufbruch verzögerten. An das Meer oder Spiele am Strand erinnere ich mich nicht, nur an den Gang dort hin in Zweierreihen und dieses Mithaltenmüssen. Ansonsten waren wir ohne Bewegungsfreiheit und mußten genau dot bleiben, wo man uns hin schickte. Am Haus war ein Garten mit Sandkasten, da haben wir wohl viel Zeit verbracht. Veranstaltet wurde sonst nichts weiter für uns, es waren endlose Stunden, die man irgendwie herumbrachte.
Die Mahlzeiten habe ich auch in schlechter Erinnerung: es waren riesige Portionen an Beilagen (Kartoffeln, Spinat) und dazu zum Beispiel ein Ei. Es mußte aufgegessen werden, und wer dies nicht schaffte, bekam massiven Druck. Ein Junge, der etwas älter war als ich, erbrach sich einmal in seinen Teller. Er mußte vor uns allen sein Erbrochenes wieder aufessen. Ich konnte nicht hinsehen, weil mir allein von der Vorstellung schon selber übel wurde. Ich war solche Portionen nicht gewöhnt und konnte das nicht. Darum bekam ich am Ende mehrfach die Strafe, die schon vor Beginn der Mahlzeit immer wieder erklärt wurde: wer nicht aufißt, bekommt keinen Nachtisch. Nicht der Verzicht auf den süßen, wohlschmeckenden Joghurt war daran das Schlimmste, sondern die soziale Ausgrenzung. Man wurde von der Heimmutter dann auch gesondert spöttisch vorgeführt: "Schaut her, die S. bekommt heute keinen Nachtisch, weil sie nicht aufgegessen hat!". Dies alles fand immer vor aller Augen statt. Da ich unbedingt zunehmen sollte, fühlte ich mich dann als Versagerin und war beschämt.
Merkwürdigerweise meine ich mich auch zu erinnern, daß wir einmal alle gemeinsam aufgefordert wurden, einen Brief nach Hause zu schreiben, der aber kurz und sehr allgemein ausfiel, weil er ja von der Heimfrau mitgelesen und abgeschickt wurde. Falls dies so war, muß ich doch ein Jahr älter, also 7, gewesen sein, ich bin mir einfach über mein Alter nicht ganz sicher.
Es wurde wohl irgendwie Buch geführt über unser Gewicht, jedenfalls stellte sich nachher heraus, daß ich etwas zugenommen hatte, auch wenn ich das selber nicht so empfand. Es kann auch nicht viel gewesen sein.
An körperliche Züchtigung kann ich mich nicht erinnern, mir bleibt vor allem ein Gefühl von Herzlosigkeit, fehlendem Ansprechpartner, Einsamkeitsgefühl, Übergriffigkeit und Langeweile, die ich vorher noch nie empfunden hatte. Die Zeit des Durchhaltens schien schier endlos, und ich fragte mich immer wieder, warum ich wohl in Wahrheit dort war.
Zum Glück blieb es mein einziger Aufenthalt dieser Art.
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Marion K. schrieb am 11.02.2021
Ich war zwei mal sechs lange Monate wegen TBC in Berchtesgaden im Schönhäusl, sowie im Felicitas. Das erste Mal war ich drei, das zweite mal fünf Jahre alt. Meine Erinnerung bezieht sich wahrscheinlich auf das zweite Mal, außer der erste Abschied mit drei Jahren von meinem Vater, der mir das Herz zerriss: plötzlich weg - ich war allein bei Fremden und dementsprechend meine Angst, die ich lauthals brüllend raus schrie, aber nur kurz, denn mein Kopf wurde in ein Waschbecken gedrückt und eiskaltes Wasser so lange laufen gelassen, bis ich nach Luft schnappend aufhörte und nur noch wimmerte. Ich erinnere mich an einen Mittag, an einen Teller mit Karotten und Erbsen, der immer wieder mit heißem Nachschub aufgefüllt wurde - weil immer wieder kalt geworden - und so natürlich nie leer wurde, so sehr ich mich auch bemühte, das ungeliebte Essen runter zu würgen bis ich mich schlussendlich übergab und daraufhin gezwungen wurde, das Erbrochene zu essen. Auch Lebertran, bestimmt gut gemeint, gehört zur unangenehmen Erinnerung. Bis heute erinnere ich mich an den Geschmack von Magensaft. Ein anderes Mal bekam ich die Fußnägel geschnitten, so kurz, dass sie bluteten und ich vor Schmerzen aufschrie und weinte. Es hieß nur, ich solle mich nicht so anstellen. Klar, dass bei derartigen Vorkommnissen Besuch unerwünscht war, den ich aber sehr schmerzlich vermisste. Einmal kam ein Zauberer, den ich mit Inbrunst und voller Hoffnung am Ende seiner Vorstellung bat, mich heim zu zaubern. Eine ältere Schwester namens Friedel gab es da, ein beängstigendes Gewitter erlebte ich mal: "der Himmel-Papa schimpft mit euch, den bösen Kindern" und an einen Waldspaziergang, der zu einem schönen Souvenir zählt. Ansonsten viele Tränen und endlos Heimweh, mehr weiß ich trotz der langen Zeit, die ich dort verbrachte, nicht mehr. Wahrscheinlich viel verdrängt...
Heute habe ich Fotos sortiert und da waren sie: ich als Fünfjährige, zaghaft und bange lächelnd vorm Schönhäusl, am Königsee mit meinem Bruder (der wieder mit unserer Mutter heimfahren durfte), mit Schwester Friedel usw. Wollte sehen, ob das Erholungsheim noch existiert und so stieß ich auch auf diese Seite. Dass es so vielen wie mir ergangen ist, war mir nicht bekannt, traurig. Die Berichte der anderen sind erschütternd!
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M. E. aus Niederkassel schrieb am 11.02.2021
Ich kam als neunjähriger Junge (damals noch in Baden-Württemberg wohnend) - so im November 1974 - für vier (?) Wochen in das DRK Heim in Bad Dürrheim. Ich erinnere mich noch genau, wie ich mit einem weiteren Jungen aus einem anderen Dorf und in Begleitung einer Amtsperson mit dem Zug nach Bad Dürrheim reiste. Ein kleiner Rucksack auf dem Rücken, den Stoffbären fest eingepackt. Der erste Zwischenstopp war der Hauptbahnhof in Stuttgart. Die Amtsperson kaufte an einem Kiosk Süßigkeiten und wir Jungs bekamen jeweils ein Bonbon geschenkt. Bei Ankunft in Bad Dürrheim mussten wir zunächst in einen großen Raum, voll mit Badewannen, und mussten baden. Ich selbst war als sog. "dickes Kind" vom Mittagsschlaf und auch gutem Essen "befreit". Wir "Dicken" behalfen uns damit, dass wir freiwillig das Essen vom Speiseaufzug in die Abteilung brachten - nicht ohne etwas Essen aus den Töpfen zu fischen.
Eines gab es aber reichlich: Jede Menge Sport stand auf dem Programm - mehr Drill als Therapie. All dies war dennoch relativ leicht zu verkraften - leichter als Heimweh und die Angst vor Übergriffen größerer Kinder, die schreckliche Nachtschwester, ...Angst war da ein häufiger Begleiter. Nach all den Jahren ist mir zum Glück nicht mehr jedes Detail in Erinnerung. Geblieben sind aber einige besonders einprägsame Erlebnisse:

Nachtschwester:
Die Nachtschwester patrouillierte bewaffnet mit einer Taschenlampe alle Schlafunterkünfte. Ich war in einem großen Schlafsaal untergebracht, der durch zwei Glaswände mit offenem Durchgang eine gewisse Aufteilung bot. In meinem Bereich waren wir ca. 6 Kinder, in den anderen beiden Bereichen etwa ebenso viele. Wenn die Nachtschwester kam, musste man sich schlafend stellen - keinen Laut von sich geben. Wer wach war oder gar noch sprach musste sein Bettzeug nehmen und wurde in der Kapelle oder im Heizungskeller eingeschlossen. Sie können sich sicherlich vorstellen, wie verängstigt die Kinder waren. In einer Nacht hatte ich mal Fieber und sehr starke Kopfschmerzen - aber noch mehr Angst, die Nachtschwester anzusprechen. Ich weiß noch, dass ein Junge aus meinem Schlafbereich "todesmutig" zweimal in den Waschraum gegangen ist und mir einen mit kaltem Wasser getränkten Waschlappen zu bringen. In einer anderen Nacht bekam ein Kind aus einem anderen Schlafbereich einen schweren Asthmaanfall und drohte zu ersticken. Wir hatten schreckliche Angst - Angst, dass der Junge stirbt aber auch Angst vor der Nachtschwester. Letztlich siegte die Angst, dass der Junge sterben könnte und wir riefen die Nachtschwester. In dieser Nacht musste dann auch noch ein Arzt kommen.

Päckchen von zu Hause:
Einmal bekam ich ein kleines Päckchen von zu Hause - ein paar Kaugummis und - soweit ich mich erinnere - Salzstangen (eben das, was man einem "dicken Kind" so senden darf). Die Sachen wurden mir abgenommen - angeblich sollte es rationiert werden - ich habe davon nichts mehr gesehen.

Karten nach Hause:
Meine Mutter war damals zeitgleich selbst in einer Kur. Sie schrieb mir fast täglich und beklagte sich einmal bei mir, dass ich so gar nicht schreiben würde. Der Grund hierfür war ziemlich einfach: Die Texte an die Eltern waren bereits auf einer Tafel vorgeschrieben - weil doch die Kinder nie wüssten, was sie so schreiben sollten. Ich hatte dazu dann keine Lust mehr. Einmal schrieb ich wohl einen Brief an meine Mutter, in dem ich mich etwas über die Situation beklagte. Die Aufsicht hat diesen Brief "aus Korrekturgründen" gelesen und meinte, dass das aber kein schöner Brief sei und ich doch lieber wieder das schreiben sollte, was auf der Tafel steht.

"Wandern um die Höhensonne":
Alle Jungs mussten nur mit einem Augenschutz ausgestattet und völlig nackt um so eine Höhensonne herumlaufen um etwas gesunde Farbe zu bekommen. Ich fand das eher peinlich.

Meine Erlebnisse sind bestimmt nicht sensationell - aber vielleicht ein Baustein in Ihrer Sammlung. Inspiriert durch Ihre Artikel habe ich mich nach 47 Jahren nochmals mit der Vergangenheit auseinandergesetzt und weiß einmal mehr: Meine Kinder durften nie in so eine Anstalt - und zwar aus gutem Grund.
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Lothar Kleine aus Brühl schrieb am 10.02.2021
Damals bin ich von Minden (Geburtsort) aus 6 Wochen zur Kur wegen Untergewicht geschickt worden. Ich bin dort regelmäßig durch Nonnen körperlich und seelisch misshandelt worden.
Es gab einige traumatische Erlebnisse, die bis heute gegenwärtig sind. Nach dieser Kur kam ich, nach den Erzählungen meiner Eltern, verändert, vor allem äußerlich verwahrlost zurück.
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Helga Götzloff aus Berlin schrieb am 09.02.2021
Erst jetzt bin ich durch das Interview von Frau Röhl im Tagesspiegel auf dieses Projekt aufmerksam geworden. Mir ging es wie ganz vielen hier, die plötzlich mit Erfahrungen Anderer konfrontiert sind, die sie bisher allein für ihre ganz persönlichen hielten.
Ich bin in den Jahren 1955/56/57 in der TBC-Kinderheilstätte Schöneberg in Wyk auf Föhr gewesen, die hier auch schon erwähnt wurde. Die negativen Erlebnisse kann ich durchaus bestätigen, wenngleich der Aufenthalt in dieser Klinik entscheidend für mein ganzes späteres Leben war. Dazu muss ich leider kurz meine Krankheitsgeschichte erwähnen.
Die Stadt Berlin bewilligte für mich eine Erholungskur in der landeseigenen Klinik in Wyk/Föhr. Ich hatte eine TBC-Erkrankung hinter mir, in deren Folge mein linkes Hüftgelenk stark geschädigt war. 18 Monate Krankenhaus-Aufenthalt mit Gipsbett-Lagerung hatten keine Besserung bewirkt. Man hatte mich mit einer kompletten Beinschiene (steif) entlassen und meinen Eltern mitgeteilt, dass ich wohl nie ohne technische Hilfsmittel würde laufen können. Da war ich fünf und sah aus wie drei. Ein wirklich kümmerliches Würmchen! Sechs Wochen verordnete man mir, um an der frischen Luft zu regenerieren und zu Kräften zu kommen.
Am Ende waren es fast zwei Jahre. Erst 1957 kehrte ich heim, zwar auf unsicheren Beinen, aber mit der Schiene im Gepäck. Es blieb ein Handicap, dass mein Leben in mancherlei Hinsicht prägte, aber es wurde ein normales und selbstbestimmtes Leben. Und: Ärzte dieser Klinik haben mit viel Geduld und Engagement geschafft, was Fachärzte des renommierten Oskar-Helene-Heims in Berlin nicht für möglich gehalten hatten.
Was genau dort mit mir gemacht wurde, erinnere ich nicht. Offenbar gab es keinerlei Absprachen darüber mit meinen Eltern. Kommuniziert wurde nur zwischen Klinik und Kostenträger. Schriftwechsel gab es nicht. Nach sechs Wochen hieß es, ich sollte besser noch bleiben, dann sagte man, es bestünde begründete Aussicht auf Erfolg, und schließlich wollte man mich erst dann entlassen, wenn ich meine Gehfähigkeit wieder erlangt hätte. Die Ärzte waren überzeugt davon. Aber wie kommt ein Kind damit klar?
In dieser Zeit wurde ich dort auch „eingeschult“. Unterricht gab es zweimal die Woche, auch Zeugnisse. Nach Hause zurückgekehrt, kam ich in die zweite Klasse, konnte mit zusätzlicher Unterstützung den Anschluss finden und habe kein Schuljahr verloren. Folglich muss ich auch was gelernt haben. Darüber hinaus hatte ich mich in dieser Zeit körperlich auffallend gut entwickelt, ein fast normales Mädchen.
Soweit der eine Teil, was leider nicht bedeutet Ende gut, alles gut. Ich habe viel, fast alles aus dieser Zeit komplett verdrängt. Erst jetzt, wo ich die Berichte lese, lasse ich Erinnerung wieder zu. Die Sache mit dem Lebertran habe ich auch erlebt. Es hing davon ab, auf welcher Station man war. Es gab Bereiche, wo die Schwestern nett und fürsorglich waren. Da bekamen wir auch Sanostol, wenn wir den Lebertran nicht mochten. Dann wurde ich in einen anderen Bereich verlegt, wo ich den Lebertran ausgespuckt habe und danach die Suppe sprichwörtlich auslöffeln musste. Die Lebertranschwester beanstandete auch, dass ich offenbar nicht gelernt hatte, „bitte“ und „danke“ zu sagen. Als das nicht klappte wie sie wollte, packte sie mich einmal ganz dick ein und schob mein Bett zur Strafe in den Keller in einen weit abgelegenen Raum. Es könnte auch ein OP-Saal gewesen sein. Es wirkte bedrohlich und darin war es viel zu warm. Da ich mich nicht aus dem Schwitzkasten befreien konnte, war ich vielleicht sogar fixiert. Jedenfalls habe ich mir so die Seele aus dem Leib gebrüllt, dass mich gefühlte Stunden später ein Arzt dort fand und befreite. Für die Schwester gab das Ärger. Ansonsten habe ich nur einzelne Bruchstücke vor Augen, die sich noch zu keinem Bild formen wollen.
Das alles – was sich nicht ausschließlich nur auf diese Heimzeit beschränkt - habe ich seit Jahren nicht mehr reflektiert. Was mir dagegen geblieben ist, ist dieses unglückliche Kind, das sich immer dann meldet, wenn mehrere ganz bestimmte Umstände zusammentreffen; Dieses Kind ist mir vertraut, aber ich schäme mich dafür, weil es einfach nur heult und rationalen Argumenten nicht zugänglich ist. Ich halte es verborgen, nur ganz wenige Menschen in meinem Umfeld kennen es oder wissen davon. Wenn mir eine heikle Situation bevorsteht, habe ich es auch schon sediert; aber wenn es ganz unvermittelt ausbricht, ist es mir einfach nur peinlich. So eine Situation ist nicht mehr zu retten.
Gerade jetzt geht es dem Kind besser. Es bekommt viel Aufmerksamkeit und wird einmal ernst genommen. Nach drei Tagen intensiver Beschäftigung mit unserer gemeinsamen Vergangenheit hat es sich tatsächlich beruhigt, und mir ist klar geworden: Unterdrücken hilft nicht. Wer soll eigentlich dieses Kind in den Arm nehmen, wenn ich es nicht tue?
Meine Geschichte ereignete sich in den 50er Jahren, als „Schwarze Pädagogik“ auch an Schulen und in vielen Elternhäusern noch allgegenwärtig war. Aber dass derlei Dinge noch bis in die 80er systematisch praktiziert wurden, macht mich fassungslos.
Ihnen, Frau Röhl, bin ich sehr dankbar dafür, dass sie dieses Thema öffentlich machen und die Betroffenen aus ihrer Anonymität herausholen. Mir waren diese Erkenntnis und die Auseinandersetzung damit schon jetzt hilfreich.
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Eva Maria Limmer aus Königshorst schrieb am 09.02.2021
Mit meinem jüngeren Bruder wurde ich 4 mal in die grausamen Hände der "lieben Tante Löffler" verschickt für jeweils 6 Wochen.Es war grauenhaft.
Es würde mich sehr interessieren, ob es noch weitere Zeitzeugen dieses "Geschäftsmodells" gibt und werde unabhängig davon, die Erlebnisse aufschreiben, die übrigens fast identisch sind, mit den von vielen "Verschickten" beschriebenen. Bis gestern wußte ich gar nichts von diesem flächendeckenden Phänomen der Kleinkindermißhandlung.
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Diana Trost aus Fürstenwalde schrieb am 09.02.2021
Ich war vier Wochen auf Rügen im Alter von 6 Jahren und mit 14 in Grünheide/Vogtland.
Am schlimmsten war es in Wiek:
Ich hatte viele Jahre ein Trauma, da man uns fast täglich erklärt hat, dass der "böse Westen" Atombomben werfen würde und wir alle sofort tot wären. Danach hatte ich jedesmal panische Angst vor Flugzeugen am Himmel und habe lange geweint und geschrien, weil ich dachte, jetzt kommen sie und werfen die Bomben ab. Wir mussten auch jeden Morgen kalt duschen und wer nicht wollte, wurde nackt vor die Haustür gestellt (es war Herbst!), bis man "freiwillig" duschte. Jeden Tag musste man auch ein rohes Ei trinken, dies sollte zur Abhärtung des Immunsystems sein. Wenn man nicht wollte, musste man so lange vor dem Ei sitzen, bis man es getrunken hatte. Wir haben oft und lange geweint und uns total geekelt. Kinder, die der Meinung der Erzieher nach, zu zappelig waren, mussten jeden Tag eine Stunde "stillliegen". Die Nachtwache ging abends immer durch und hat jedem mit einer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet. Ich wurde mal erwischt, als ich noch wach war und wurde darauf hin für den Rest der Nacht in die Besenkammer gesperrt. Lange bis ins Erwachsenenalter, konnte ich nur mit einer Lichtquelle einschlafen!
Viele von uns haben geweint und wollten nur nach Hause, aber uns wurde bei Ankunft alles abgenommen was wir hatten....Taschengeld, Briefmarken etc. Ausserdem konnten wir ja noch nicht richtig schreiben mit 6 Jahren.
Das hier sind nur die Hightlights, ich könnte noch viel mehr schreiben. Aber es gibt auch eine positive Erinnerung: Ich habe damals dort die Mathe-Olympiade gewonnen!
Heute ist das damalige Kinderkurheim ein Mutter-Kind-Kurheim oder so ähnlich.

In Grünheide war es soweit ok, dass Einzige was echt widerlich war, war dass die männlichen alten Säcke von Erziehern uns Teenie-Mädels jeden Morgen beim Duschen zugeschaut haben! Es gab nur offene Gemeinschaftsduschen...
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Ute Beining aus 32425 Minden schrieb am 08.02.2021
Bin gerade auf diese Seite gestoßen.Und schon nur beim Lesen bekomme ich Beklemmungen und ein ganz schlimmes Gefühl, Enge im Hals und bin total traurig und einsam.
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Angela Uhlig aus 32545 Bad Oeynhausen schrieb am 08.02.2021
Ich bin so froh, diese Seite gefunden zu haben! Und auch andere Berichte aus St. Goarshausen gelesen zu haben! Da kommen eine Menge Erinnerungen hoch...
Durch die Barmer Ersatzkasse kam ich dort 6 Wochen zur Kur, da ich so ein schlechter Esser war. Dass das einen seelischen Ursprung hatte (meine Mutter starb als ich 3 war und mit 6 bekam ich eine hartherzige Stiefmutter); das hat damals keiner gesehen.
Also ich war 11 Jahre und gehörte damit schon zu den "Großen". Leider sind meine Erinnerungen nur bruchstückhaft, aber
die morgendliche Haferschleimsuppe, die an Fäden hing - muss jetzt noch würgen. Mir gegenüber saß ein kleines Mädchen, unter 6 Jahren, die immer nur geweint hat und die gezwungen wurde, die erbrochene Suppe zu essen.
Mittagsschlaf: Es wurde einem mit der Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet, ob man auch schlief... wehe, man blinzelte (ich hab keine Ahnung mehr wie, aber dann wurde man bestraft. Die Mitarbeiterin, die für diese Kontrollen verantwortlich war, sehe ich noch vor mir: dunkler Pagenschnitt, schiefe Zähne und ein rollendes "R" und ein muffiger Geruch.
Schlimm war die Heimleitung (Korpulente, dunkelhaarige, wirklich bösartige Frau) bei jeder Gelegenheit wurden Kinder gedemütigt und sollten von uns dann gemeinschaftlich ausgelacht werden. Dabei habe ich nie mitgemacht. Auch hatte ich "die Kleine" unter meinem Schutz und habe heimlich geholfen, ihr Essen zu vernichten. Ich habe sie oft auf dem Schoß gehabt und ihr etwas vorgelesen. Das hatte immer beißenden Spott der Heimleiterin zur Folge, bin trotzdem dabei geblieben. Ich war schon sehr traurig, aber dieses kleine Mädchen, die war regelrecht gebrochen! Beim Spazierengehen hatte ich sie immer an meiner Hand. Ich hoffe, das hat ihr wenigstens ein bisschen geholfen. Ich wünschte, ich könnte ihr sagen, wie sehr ich mit ihr gefühlt habe!!
Briefe an die Eltern wurden öffentlich vorgelesen und der Lächerlichkeit preisgegeben. "Mama hol mich hier weg, hier ist es ganz schlimm" hat danach nie wieder jemand geschrieben.
Im Heim brachen die Windpocken aus. Ich bekam sie auch. Ich hatte hohes Fieber. Ich kann mich an keine liebevolle Pflegegeste erinnern. Ich bekam an einem Mittwoch die Windpocken. Der Arzt kam aber immer nur Dienstags. Also lag ich 1 Woche ohne jegliche juckreiz-stillende Salbe oder einem Fieberzäpfchen da, völlig mir selbst überlassen. Ich erinnere mich an schrecklichen Durst und dass mir niemand etwas zu trinken brachte. Darüber könnte ich jetzt noch weinen.
Als ich zurück nach Hause kam, wunderten sich meine Eltern, dass ich so verwahrlost (ich kann mich an keinmal Duschen erinnern, nur Waschen im kalten Waschraum) und magerer denn je zurück kam. Als ich alles erzählt hatte, hat meine Mutter sich vehement und schriftlich bei der BEK beschwert. Hatte das Konsequenzen? Ich glaube, es gab einen ganz laschen Entschuldigungsbrief seitens der Krankenkasse...
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Sabine Scheer aus Wuppertal schrieb am 08.02.2021
Ich war 5 Jahre alt und kann mich an so gut wie nichts mehr erinnern. Nicht an Personen, nicht an das Haus und nicht an die Umgebung, nur an sehr großes Heimweh und daran, dass ich, weil ich wohl nachts keine Ruhe gab, aus dem Gemeinschaftsschlafraum ganz allein für mehrere Nächte in eine Dachkammer eingeschlossen wurde. Alles dort war aus Holz und es gab nur ein kleines Fenster, ein Bett und die betenden Hände von Dürer an der Wand. Als meine Eltern mich nach der Heimreise am Bahnhof abholten, muss ich wohl erbärmlich ausgesehen haben. Ich weinte, war braun gebrannt und dünn. Trotz sommerlicher Temperaturen trug ich meinen Wintermantel und an den Füßen zwei unterschiedliche Schuhe, die nicht mir gehörten. Danach war ich wochenlang sehr krank, der Kinderarzt sagte, das sei seelisch bedingt. Meine Eltern waren entsetzt und „verschickten“ mich nie wieder.
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Holger Holzschuher schrieb am 08.02.2021
Als Berliner Kind war ich zweimal verschickt.

Zum ersten Mal innerhalb der Stadt in das Jagdschloss Glienicke. Das war mit 4 oder 5 Jahren, jedenfalls noch vor der Schulzeit. Meine Erinnerungen: Klopapier wurde knapp zugeteilt, eine Wand zwischen den Toiletten gab es nicht oder kaum. Einem Jungen, der im Bett erzählte, er würde gerne Kartoffelsalat essen, wurde der Hintern
versohlt mit den Worten „Da haste deinen Kartoffelsalat!“. Als es an die Heimfahrt ging und alle anderen Kinder schon im Bus und teilweise schon abgefahren waren, waren nur ich und noch ein Junge übrig und sie wussten nicht, wohin mit uns. Das Gefühl der Verlorenheit, dort bleiben zu müssen …

Das zweite Mal war viel schlimmer. Es wird mit 7 gewesen sein. Verschickung nach Bad Waldliesborn bei Lippstadt in ein katholisches Heim: Mir fremdes Beten vor dem Essen war da noch das Wenigste. Taschengeld und „Sonntagssachen“ waren und blieben weggeschlossen, Briefe nach Hause, wie gut doch alles sei, wurden diktiert.
Aber diese beiden Ereignisse waren die krassesten: Wir wurden für ein Kabarett-Stück missbraucht. Mit Boxhandschuhen musste ich einen Kampf mimen und dabei für mich natürlich völlig unverständlichen Text von mir geben, in dem Adenauer vorkam. Nach dem Stück konnten wir sehen, wie wir wieder aus den Boxhandschuhen kamen, niemand half. Das zweite war, dass wir in eine „Gaskammer“ (vielleicht im Kurhaus) kamen, in der ein Inhalationsgemisch aus Düsen an der Decke kam. Niemand wusste, was das ist und wofür das sein sollte.
Auch die Mitkinder taten das Ihre: Auf einer sumpfigen Wiese des Geländes schmissen sie Frösche durch die Gegend.

Und diese traumatisierenden Horrortrips bedeuteten ja schon ohne all diese Vorkommnisse eine ungewohnte, lange, völlige und teilweise weit entfernte Trennung von der Mutter und den Großeltern, lediglich durch erhaltene Post abgemildert. Bis ins Alter schleppt man diesen prägenden Mist mit sich rum,
weit davon entfernt, die Verantwortlichen und Verursacher zur Rede stellen oder anzeigen zu können, die ja längst nicht mehr leben.
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Rogers Freund aus München schrieb am 08.02.2021
Hallo,
nach einem Gespräch über meine Kindheit gab ich jetzt "Achatswies Kinderkur" bei Google ein und staune nun über 18 Seiten mit meist üblen Berichten von Verschickungskindern in verschiedenste .... "Einrichtungen".

"Zeugnis ablegen" wie in einem Biebelkreis wollte ich eigentlich noch nie. Ich bilde mir auch ein, ich bin mit meinen Erlebnissen aus der Kindheit zu guter Letzt gut fertig geworden, was mich zu einem Realisten machte, was auf dieser Welt nicht schaden kann.
Daher wollte ich im Grunde nicht mal lesen, was hier alles berichtet wird, ........ aber dann war die Neugierde und Verlockung doch zu groß und ich begann zu lesen und und zu lesen und zu lesen....

Ich hätte nicht erwartet, dass ich dabei immer wieder identische Erlebnisse vorfinde, die man mir bisher vielleicht nie so ganz abgeommen hatte wenn ich diese ab und zu jemandem schilderte.

Wie kam es nur dazu, dass ich mit 5 Jahren allein, weg von den Eltern, für 6 Wochen in eine sogenannte Kinderkur geschickt wurde?

Bei mir war es der Schularzt der mich wegen Untergewicht (Schwächlichkeit) bei der Einschulung 1965 "ausgemustert" hatte.
Zudem hatte ich chronische Nebenhöhlenentzündung ..... erzählte mir meine Mutter.

Meine Eltern hatten es natürlich nur gut gemeint und auf den Arzt gehört, so dass es ihr heute natürlich weh tut wenn ich aus den 6 Wochen erzähle.

Wie die Reaktionskette von der missglückten Einschulung bis zur Einweisung in Achatswies verlief kann ich nicht mehr nachvollziehen.
Auf jeden Fall war ich irgendwann im Sommer 1965 als 5 Jähriger weit weg von Zuhause und den Eltern alleine bei fremden (angeblich Barmherzige) Klosterschwestern und ein paar .... gedungene ... Erzieherinnen und wohl auch einem Arzt ab den ich mich aber nicht erinnern kann.

Natürlich waren die ersten Nächte ein tränenreiches, schlafloses Erlebnis voll Angst und Heimweh.
Seit meinem 1 monatigen Krankenhausaufenthalt durch einen Blinddarmdurchbruch mit 3 Jahren war ich schließlich noch nie von meinen Eltern getrennt.

Einen großen Schlafsaal für die Nacht, wie viele hier berichten, gab es bei uns in Achatswies übrigens nicht, aber einen prfisorischen für die Mittagsruhe. Eben so wenig gab es einen Essenssaal. Zumindest habe ich den als schlechter Esser nie zu Gesicht bekommen, falls es einen gab.

Ich bilde mir sogar ein, dass die Neuankömmlinge wie ich, die erste(n) Nächte, (bis das große Heulen überstanden war), in Einzelzimmer lagen, aber beschwören könnte ich das heute nicht mehr, dass ich in dem Zimmer der Einzige war.

Damit das Heimweh nicht von vorne begann war meinen Eltern ausdrücklich verboten worden mich in den ersten 2 Wochen zu besuchen.
Da die Erziehung damals ganz anders als heute war, habe ich meinen Eltern am WE nach der dritten Woche auch nichts erzählt, denn wenn man eine Strafe von Erwachsenen bekam dann hatte man was angestellt und das sollte mein Vater lieber nicht wissen.

Nur mal als Beispiel:
In meinem Kindergarten gabs für das Kind das als letztens mit dem Mittagessen fertig wurde, von der Schwester Edelhild (eine Nonne die wir trotzdem sehr mochten) Tazen auf die Finger und wenn es nicht gerade Spaghetti gab was das meistens ich. Auch bekam es in meiner Schulklasse mit 44 Kindern, von meinem Lehrer, aber auch vom Hausmeister dort immer wieder mal kräftige Ohrfeigen, weil ich ein aufgewecktes Kind war ;-). Ich war vor Achatswies also auch schon ein bisschen was gewohnt.

Es gab in Achatswies für Mittags nach meiner Erinnerung einen 7 Gerichte Essensplan der sich jede Woche wiederholte. Morgens und Abends gab es Brot.
Gegessen wurde auf dem Zimmer.
Und nach dem Mittagsessen wie bei den meisten hier, war Mittagsschlaf "befohlen".
Ob 1 oder 2h .. keine Ahnung, aber man musste die Augen immer geschlossen halten, wenn man keinen Ärger wollte.

Nach der ersten oder zweiten Nacht kam ich nach meiner Erinnerung dann in ein Dreibettzimmer mit einem etwas größeren Jungen der im Vergleich zu mir ein besserer Esser war.
So kam es, dass Der in meiner erste Woche an einem Tag mein Mittagessen (braune dickflüssige extrem übelriechende Ochsenschwanzsuppe) verdrückte weil es mich bei dem Geruch sofort richtig würgte.

Leider wollte er in der Zweiten Woche meine Suppe nicht mehr essen und es kam zu einen Gerangel bei dem ich mit dem Kopf an die Heizung schlug und eine Platzwunde hatte die genäht werden musste.

Das hatte zur Folge dass es aufflog dass ich mindestens meine Ochsenschwanzsuppe nicht essen wollte (konnte).
So landete ich wieder in einem Einzelzimmer mit täglicher Essens-Aufsicht durch eine weltliche Schwester mit einer zylinderförmig hochgesteckter Frisur. Da musste man wie bei meiner Mutter natürlich essen was auf den Tisch kam, was ja noch ok war, nur dass manches wirklich übel schmeckte und roch.
Und als die sogenannte Ochsenschwanzsuppe wieder an die Reihe kam würgte es mich immer wieder bis ich mich in meinem Teller und auf den Tisch übergeben habe.
Danach mussste ich den Inhalt des Tellers mit dem Erbrochenen nochmal essen und zwar so lange bis es drinnen blieb !!
Dieser Frau würde ich noch heute gerne mal begegnen .... und solche Frisuren in alten Filmen stoßen mich noch heute stark ab.

Das zweite Horrorelebnis waren die sogenannten "Aufbauspritzen". Die es nach meiner Erinnerung mindestens jeden zweiten oder dritten Tag gab. Klar hatte ich mit 5 vor Spritzen noch ziemlich Angst und musste mich dort daran gewöhnen und ich frage mich noch heute was die uns für einen Dre.. gespritzt haben.

Einmal sollten die Mädchen Sonnenschirme aufstellen die zusammengeklappt in ein Eck auf der Terrasse gelehnt standen und es viel ein kleine Federmaus zu Boden die daran wohl hängend übernachtet hatte.
Die Mädchen kreischten und eine Klosterschwester die wie ich daneben stand hatte sie gleich zertreten und ich dünner Knirps versuchte sie in dem Moment noch schnell weg zu schupsen um die Fledermaus zu retten. Ich glaub das gab auch eine Ohrfeige aber vor allem durfte ich paar Tage nicht mehr zu den anderen Kindern. Als ich das beim nächsten mal meiner Mutter dann doch erzählte, haben sie behauptet ich hätte das erfunden und würde tote Insekten unter meiner Matratze sammeln. Was natürlich völliger Quatsch war, aber mein Mut war schon wieder verflogen und hatte schon Angst wenn meine Eltern wieder weg waren.

Es gab natürlich noch Vorfälle oder üble Regelmäßigkeiten bei denen ich mir aber nicht mehr ganz sicher bin, ob es ganz genau so wie in meiner Erinnerung war, dass ich das nicht alles nicht schilden möchte.

Jedenfalls war es für mich schlimm genug, dass ich mehrmals Nachts davonlaufen wollte, wozu mir mit 5 aber dann doch jedes mal der Mut fehlte und irgendwann waren die 6 Wochen dann doch überstanden und als mich meine Eltern abholten waren sie mir sehr fremd und ich fühlte mich auch nicht mehr zu ihnen hingezogen.
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Irmtrd Bastian geborene Heithoff aus Düsseldorf schrieb am 07.02.2021
Sehr geehrte Damen und Herren,
im WDR 5 hörte ich gerade, 7.2.2021, 8:00, dass sich Frau Anja Röhl um die sehr schleckte Behandlung der Verschickungskinder kümmert.
Ich war als Kind, ca 9-jährig, in Obersdorf in dem dortigen Kinderheim für ca. 6 Wochen, damit ich zunehmen sollte.
Neben mir musste ein kleines Mädchen ihren erbrochenen Griesbrei unter Zwang essen.
Außerdem mussten alle kleinen Kinder an einem blaugeschlagenem Jungenpo, dem der Schlafanzug runtergezogen war, vorbeigehen, damit wir sehen, was uns passieren kann.
Uns wurden Skier angeboten, damit wir ohne je etwas gelernt zu haben, einen kleinen Berg runterfahren konnten. Ich kam zwar gut runter, finde es aber unverantwortlich. Aßerdem habe ich eher abgenommen als zugenommen bei dem angebotenen Essen. Als wir ankamen, wurde alle Butterbote eingesammelt mit Wurst, Marmelade usw., noch heute sehe ich die Wurstscheiben in der Suppe schwimmen, die wir alle essen mussten, einfach wiederlich. Dann schrieb ich nach Hause meiner Oma und wurde daraufhin ins Büro geholt, damit ich meinen Brief mit den Erlebnissenabändere und wusste gar nicht warum, denn ich habe meiner Oma ja nur geschrieben wie es mir dort geht.
Ich freue mich sehr, dass ich im WDR 5 hörte, dass sich um die damaligen Zustände gekümmert wird, ja es freut mich sehr das endlich aussprechen zu können und vorallen Dingen höre ich jetzt, dass es das tatsächlich gab, und ich mich richtig erinnere.

Ich danke Ihnen sehr für Ihr Engagement diesbezüglich. So wird klar, dass es mehreren Kindern so ging.
Mit freundlichen Grüßen
Irmtrud
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Reinhard Kobald schrieb am 06.02.2021
Es muss wohl so um 1960/61 gewesen sein. Ich war damals ca. 9 Jahre alt und im Sommer stand ein Aufenthalt in St. Peter-Ording im Haus Köhlbrand an. Der Abschied von zu Hause war ein Drama. Ich saß auf dem Schoß meiner Mutter und wir weinten uns die Augen aus bei der Vorstellung, dass wir nun 6 Wochen getrennt sein sollten. Aber alles Geheule half nicht. Es musste sein, denn ich war ein Hänfling und sollte während meiner Erholung etwas Gewicht zulegen. Ansonsten war ich gesund. Im Nachhinein denke ich, dass der Hauptgrund war für meine Verschickung war, dass sich meine Mutter etwas erholen konnte, die neben 2 Kindern (meine Schwester war 7 Jahre alt) noch ihren schwerbehinderten Ehemann (Kinderlähmung) versorgen musste.

Am Bahnhof angekommen erhielten wir einen Ausweis an einer Schnur umgehängt. Einmal im Zug kam ich gleich mit einem etwas älteren Jungen aus der Nachbarstadt ins Gespräch und wir freundeten uns an, was den Trennungsschmerz von meiner Mutter sehr linderte und uns gegenseitig etwas mehr Sicherheit gab bei unserer ersten größeren Reise ohne elterlicher Begleitung.

Im Haus Köhlbrand angekommen trennten sich aber unsere Wege. Mein neu gewonnener Kumpel wurde in einem anderen Haus einquartiert, weil der älter war. Wir haben uns anschließend nie mehr gesehen. Ich wurde in das Zimmer zugeteilt, wo die "Dünenzwerge" schliefen. Es gab u.a. noch die "Wildhasen" und die "Strandkrabben". Das fand ich sehr lustig und ich war stolz zu den Dünenzwergen zu gehören. Warum weiß ich nicht mehr. Bei mir im Zimmer waren noch ein paar Jungs, deren Eltern bei Osram in Berlin arbeiteten und für die die Firma den Erholungsurlaub organisierte. Die Jungs aus Berlin waren richtige Rabauken. Das gefiel mir. Wir waren für jeden Blödsinn zu haben und hatten viel Spaß miteinander, wenn wir das Zimmer verwüsteten. Leider wurde die Meute aus Berlin "aus organsatorischen Gründen" ins Wildhasenzimmer umgesiedelt, sodass wir uns nur noch im Speisesaal trafen. Schade. An die Qualität des Essens kann ich mich nicht erinnern. Es kann aber nicht soo schlecht gewesen sein, denn ich hatte nach den 6 Wochen tatsächlich 2 Kilo zugenommen. Ich habe mich besonders gefreut auf die Götterspeise, die bei uns Wackelpudding heißt. Wenn ich dann auch noch ein Schälchen mit Waldmeistergeschmack erwischte, war mein Glück perfekt. Tagüber standen je nach Wetter Spaziergänge in den Dünen oder am Strand an, was für mich immer spannend war, weil ich zum ersten Mal an der See war. Und es gab reichlich Zeit zum Spielen draußen oder drinnen oder zum Basteln unter Anleitung. Die Betreuung war einwandfrei. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, dass ich oder ein anderes Kind in irgendeiner Weise schikaniert wurde. Ich erinnere mich immer noch gerne an diese Zeit zurück, die mit vielen Tränen begann, aber letztlich tatsächlich eine Erholung für mich und meine Mutter war. Als Souvenir habe ich meiner Mutter eine Halskette aus vielen kleinen Müschelchen mitgebracht. Im Laufe der Zeit wurde die Kette zwar immer kürzer, weil die Muscheln zerbrachen. Meine Mutter hatte diese Kette ihr Leben lang wie einen Schatz gehütet....
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Werner Hor aus Esslingen schrieb am 06.02.2021
Sehr viel weiß ich nicht mehr.
Ich erinnere mich an unfreundliche Schwestern währen der Fahrt und im Heim.
Auf der Fahrt wurden wir Kinder in die Gepäcknetze des Wagens gelegt in furchtbar kratzige Wolldecken.
Ich erinnere an einen großen Schlafsaal. Und ich weiß, dass ein anderer Junge meinen geliebten Kuschelbären kaputt gemacht hat.
Ich wurde verschickt weil ich zu dünn war. Nach der Kur habe ich aus Frust so viel gegessen, dass ich bis in die Pupertät massives Übergewicht hatte. Mit der Insel Sylt habe ich erst 40 Jahre später meinen Frieden geschlossen. Wolldecken und Wollwäsche kann ich bis heute nicht tragen bzw. mich einwickeln.
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Gudrun Baumann aus Sersheim schrieb am 06.02.2021
Hallo, durch Zufall bin ich auf Eure Seite gekommen und Erinnerungen wurden wach.
Ich war eines von 5 Kindern, mein Vater arbeitete bei Siemens. Vermutlich über die Betriebskrankenkasse wurde ich "verschickt". Als einziges von uns 5. Vermutlich habe ich ins Chema gepasst. Klein, zierlich und ein Kind aus kinderreicher Familie. Obwohl es uns sehr gut ging und wir in intaktem Umfeld und eigentlich behütet lebten. Ich kann mich vage an die Zugfahrt, den Namen der Frau, ( Frau Hase ) die uns zur Kur begleitet hat und einige für mich als Kind Horrorerlebnisse erinnern. Ich musste mit der Schürze allein am Tisch sitzen und meine trockenen geraspelten Karotten hinunterwürgen, mit Blick auf den Garten und die anderen spielenden Kinder. Meine Puppe musste ich abgeben an ein Kind einer Heimbetreuerin, die mit im Haus wohnte. Allein in der Fremde und dann wird einem noch die Puppe genommen. Ich möchte nicht behaupten, dass ich heute traumatisiert bin, doch diese Erinnerungen sind noch heute mit 57 Jahren sehr präsent.
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Luitgard Leykauf aus Weinstadt schrieb am 06.02.2021
Ich kann mich an nicht mehr viel erinnern. Eine der Erzieherinnen, eine Frau bestimmt über vierzig, sie hieß Tante Barbara, war angsteinflößend. Einmal kam sie von hinten ich sah sie nicht und hat mir volle Kanne eine ins Gesicht geklatscht. Ich war am Strand etwas nah am Wasser. Ihre Erklärung hierzu, meine Schuhe würden kaputt gehen. Ich kann mich auch noch erinnern, dass ich zum Essen gezwungen wurde. Vom Arzt wurde ich wegen Nebenhöhlen-Entzündungen dorthin geschickt. Meinen 8. Geburtstag hatte ich im Februar dort verbracht. Ich kann mich auch noch an fürchterliches Heimweh erinnern.
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Stephan Rothe aus Düsseldorf schrieb am 05.02.2021
Seit ich vor kurzem über Verschickungskinder und Verschickungsheime in den Medien gehört und gelesen habe, beschäftigt mich die Recherche über meinen „Kuraufenthalt“ fast täglich. Ich war immer der Meinung dass meine Erlebnisse in zwei Kurheimen Einzelfälle gewesen seien und ich nur Pech hatte. Es handelte sich ja aber anscheinend um eine ganze Verschickungsindustrie, die Jahrzehntelang mit dem Drangsalieren von Kindern Geld verdient hat.

Ich war 1968 vier Jahre alt und für sechs Wochen in der „Kinderheilanstalt Viktoriastift“ in Bad Kreuznach. Ich vermute es war während der Sommerferien. Warum meine Eltern mich dorthin geschickt haben weiß ich bis heute nicht, es hieß irgendwie wegen Heuschnupfen, sie sind mittlerweile tot.

Ich weiß noch dass ich mich von Tag zu Tag schlechter gefühlt habe, je näher der Abreisetag kam. Als es dann soweit war weckte meine Mutter mich morgens fröhlich mit den Worten die mir bis heute im Gedächtnis geblieben sind „Heute ist der große Tag, es geht los“, ich wollte nicht weg von zuhause und hatte nur Angst!
Das nächste Bild dass ich noch im Kopf habe ist, wie ich mit anderen Kindern in einem Zugabteil sitze und ich aus dem Fenster schaue, es ist schlechtes Wetter und es regnet.

Untergebracht war ich nicht in dem großen Haupthaus, dass wohl zu der Zeit umgebaut wurde, sondern in dem kleineren Nebengebäude das "Haus Rheinstahl" hieß wie ich auf der Internetseite herausgefunden habe. Es lag etwas tiefer und war über eine Art Brücke zu erreichen, es steht heute glaube ich nicht mehr. Es ist auf neueren Bildern nicht mehr zu erkennen.

Ich habe von der „Kur“ nur wenige Bilder, einige Vorfälle und ein ganz schreckliches, düsteres Gefühl in Erinnerung, ich hatte fürchterliches Heimweh.
Für mich war der Aufenthalt damals als vier jähriger und auch wenn ich heute mit den wenigen Erinnerungen zurückschaue, ein nicht enden wollender Horrortrip, der mein gesamtes Leben in gewisser Weise bis heute massiv negativ beeinflusst/geprägt hat.
Als ich zurück war und wieder in den Kindergarten ging war ich auf jeden Fall ein anderes Kind als vorher. Meine Fröhlichkeit, Freude, Zuversicht, Neugier schon morgens beim Aufstehen waren verschwunden, das war mir damals natürlich noch nicht klar, da habe ich mich nur schlecht gefühlt und massive Verlust und andere Ängste entwickelt und mich gewundert was mit mir los ist. Ich weiß noch sehr gut, dass ich von diesem Zeitpunkt an panische Angst hatte, von meiner Mutter mittags nicht aus dem Kindergarten abgeholt zu werden.
Später habe ich dann viel darüber nachgedacht was 1968 im Viktoriastift und bei einem weiteren „Kuraufenthalt“ 1974 mit 10 Jahren auf Borkum (der auch nicht besser gewesen sein muss und den ich anscheinend fast komplett aus meinem Gedächtnis verdrängt habe, bis auf die Erinnerung, dass ich ständig Hunger hatte weil es nicht genug zu essen gab) mit mir passiert ist.
Man hat in den Heimen mein Urvertrauen, Unvoreingenommenheit, Lebensfreude und meine Kindheit zerstört!

Ich erinnere mich wie das "Haus Rheinstahl", der Schlafsaal usw. aussahen, wie ich im Speiseraum saß und beim Essen immer durch ein großes Fenster auf die Brücke zum Haus schaute und dachte, irgendwann gehe ich über diese Brücke wieder in die Freiheit.

Das Personal bestand aus heutiger Sicht aus bösartigen, sadistischen Nonnen/Schwestern, die nur im Befehlston mit den Kindern sprachen oder brüllten. Ich habe nur eine Nonne in Erinnerung, ich glaube sie wurde „Schwester Ursula“ genannt, die freundlicher und emphatischer war und zu der ich, wenn sie kam ein gutes Gefühl hatte. Leider habe ich sie in den sechs Wochen nur zwei oder dreimal gesehen.
Ich erinnere mich an einen ernsten, steifen Mann mit Regenschirm, der glaube ich oft eine braune Jacke trug (bis vor ein paar Jahren wusste ich den Namen auch noch) der immer kam um mit uns in Zweierreihen, eine gefühlte Ewigkeit um das Gradierwerk zu laufen damit man die salzige Luft einatmet. An Holzbottiche in die man gesteckt wurde und ich glaube an einen gekachelten Raum indem man nachher mit einem Wasserschlauch kalt abgespritzt wurde.

Mir wurde einmal beim Essen von einer dieser Schwestern ein 1 KG Paket Zucker oder Mehl an den Kopf geschmissen, weil ich nicht still gesessen habe. Ich erinnere mich auch an einen Vorfall am Anfang der „Kur“, als ein älterer Junge beim Essen von diesen Schwestern und dem ernsten Mann regelrecht abgeführt (ich weiß nicht warum) und kurze Zeit später, weinend und mit zerrissener Kleidung zurück gebracht wurde und an Kinder, die ihr erbrochenes aufessen mussten. Das Ganze war ein absoluter Schock für mich! Ob mir ähnliches passiert ist weiß ich nicht mehr. Ich habe auch keinerlei Erinnerung an die anderen Kinder, an Namen oder wer meine Bettnachbarn waren. Ich glaube jeder war irgendwann nur noch mit sich selber und seinen Ängsten beschäftigt und damit, möglichst nicht aufzufallen.

Soweit ich noch weiß schliefen wir in einem kahlen düsteren Schlafsaal mit insgesamt 30 oder vierzig Kindern, ich kann mich bei der Zahl aber auch vertun. Angst hatte ich auch immer vor dem Fiebermessen! Jeden Morgen mussten wir uns alle nach dem Wecken auf Befehl in den Metallbetten die Hosen runterziehen, auf den Bauch legen und dann gingen die Schwestern rum und rammten jedem ohne jegliches Gefühl, Vorsicht oder Rücksichtnahme ein Glasthermometer in den Hintern. Das war jedes Mal so schmerzhaft, dass ich immer stocksteif mit zusammengekniffenen Arschbacken im Bett gelegen habe wenn die Tortur losging.

Ich werde Zeitnah nach Bad Kreuznach fahren und sehen wie ich mich fühle wenn ich das Gelände dieser Kinderheilanstalt betrete, vielleicht kommen mehr Erinnerungen zurück. Vielleicht gibt es dort mehr Informationen über diese Zeit als auf der Internetseite unter dem Punkt Historie.
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Band, Winfried aus Berlin schrieb am 05.02.2021
Auf Anraten des Schularztes sollte ich, nach einer überstandenen Phimose-Erkrankung, eine Erholungskur in Rottach Egern, Kinderheim Felicitas antreten. Die winterliche Kur dauerte drei Monate. An traumatisierenden Erlebnissen erinnere ich noch einige: Tabletten erbrechen auf den Mittagessenteller, das Erbrochene aufessen. Fixieren im Bett während einer wohl fieberhaften Erkrankung. 10 Meter lange Schlangen an den Toiletten bei dringendem Stuhldrang. Anschnauzen wegen Einnässen und Einkoten. Inhalte des Geburtstagspaketes von den Eltern nicht ausgehändigt, nur kurz angesehen (eine heiß ersehnte rote Feuerwehr). Die von der Heimleitung an meine Eltern geschriebenen Postkarten erwähnen nur, es gehe mir gut und ich würde besser essen und rote Bäckchen bekommen. Das stimmte tatsächlich, von meiner schweren Erkrankung wussten sie aber nichts. Wir waren oft draußen im Schnee, das war gut. Nach drei Monaten war ich Ostern 1961 braungebrannt wieder in Berlin bei meiner Familie. Was eine so lange Trennung von den Eltern für einen knapp Sechsjährigen bedeutete, darüber hat sich damals niemand Gedanken gemacht, auch meine Eltern nicht.
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Maria Molavi aus Berlin schrieb am 05.02.2021
Mit 7und 9 Jahren wurde ich über den Sozialdienst des Konzerns RWE als mageres Nachkriegskind zur großen Freude meiner Eltern 2 x für 6 Wochen zur Mästung ins Kinderheim Dr. Bönner verschickt. Ich weiß nicht genau warum ich mich daran noch erinnere, weil mir Wichtigeres habe ich vergessen. Es herrschte ein strenges Regiment mit Strafen wie Arrest und Schlägen. Auch wenn ich nicht selber davon betroffen war: gegessen wurde was auf den Tisch kam und wer es erbrach, musste sitzen bleiben bis der Teller leer war! Ich fand das grausam und sehe das noch heute vor mir. Wöchentlich wurden wir gewogen und wer nicht zugenommen hatte, bekam noch mehr auf den Teller, mit dem Ergebnis wie genannt. Insgesamt war ich zufrieden, auch weil ich die Freude meiner Eltern sah, die sich für uns 4 Kinder das nie hätten leisten können. Später habe ich gehört, dass das Heim aufgrund der Kindererfahrungen geschlossen wurde.
Mit 11 Jahren, 1962, war ich nochmals zur Verschickung in Niendorfer an der Ostsee. Das war sehr schön und ich habe keine Details dazu mehr parat. Wir waren am Strand recht unaufbesichtigt und ich habe mir den schwersten großflächigen Rücken-Sonnenbrand meines Lebens zugezogen und die Verbrennungen wurden lange behandelt.
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Achim aus Berlin schrieb am 05.02.2021
Im Alter von 6 Jahren wurde ich für ca. 4 Wochen nach Clausthal-Zellerfeld in ein Kinderheim verschickt, das von einer Institution der Evangelischen Kirche betrieben wurde. Mit mir waren meine beiden Brüder (3 und 9 Jahre) dort, die ich aber in dieser Zeit so gut wie nie und wenn, dann nur von ferne, zu Gesicht bekam.
Mein älterer Bruder erzählte später, er habe meinen jüngeren Bruder dort einmal mit vertauschten Schuhen gesehen, also linker Schuh auf rechtem Fuß und rechter auf dem linken.
Ich habe diese Zeit als sehr traumatisch in Erinnerung. Das fing schon mit dem Essen an. Abends gab es immer Mehlsuppe, was zu dieser Zeit kurz nach der Währungsreform sicher eine gesunde Kost gewesen sein muss. Nun hatte der Koch das aber etwas lieblos gemacht, sodass noch nicht aufgelöste Mehlklumpen in etwa Taubeneigröße darin herumschwammen. Das führte dazu, dass die Suppe von vielen Kindern erbrochen wurde, so auch von mir. Klar, sowas wirkt natürlich auch ansteckend. Ich hatte beim ersten Mal den Fehler gemacht, in den Teller zu brechen, sodass ich das das alles wieder essen musste. Da gab es kein Pardon. Nun, das passierte mir danach nicht mehr, da landete die Bescherung auf dem Boden, was mir sicher nicht zum Wohlwollen gereichte.
Leider achteten die "Tanten" abends nicht darauf, dass die Kinder vor dem Schlafengehen noch auf der Toilette waren. Es gab ja in den Schlafräumen einen Nachttopf! Bei mir war es aber so, dass ich im Dunkeln schreckliche Angst hatte und - wie eben Kinder so sind - es häufiger vorkam, dass Kinder, die nachts auf den Topf gingen, von anderen erschreckt wurden. So kam es also, dass ich einnässte, was mir zu Hause eigentlich nie passiert war.
Und irgendwann kam es dadurch später dann auch, wie es kommen musste: Ich wurde krank mit Fieber und kam aus der Gruppe heraus auf die Krankenstation. Zwar musste ich im Bett liegen, aber es war wie eine Erlösung für mich. Diese Zeit war für mich die schönste. Ich fuhr dann auch nicht mit den anderen zurück, sondern später nach der Genesung mit einem Extratransport.
Klar, dass ich meinen Eltern sagte, dass ich dort nie wieder hin wollte. Irgendwann später erzählte mir meine Mutter, dass man sich seitens des Heimes beschwerte, dass man "einen Bettnässer geschickt habe".
Sicher gab es wohl auch schöne Momente, es wurde viel gewandert und als Gruppe gesungen, aber das Negative blieb stärker haften. Auch war das Personal noch jung und sicher sehr von der Nazizeit geprägt (sinngemäß: "nur der Starke überlebt!"), das legt man wohl nicht so schnell ab.
Ich habe meine Eltern auch gefragt, warum wir dort hinkommen sollten. Der Arzt hatte von "Luftveränderung" gesprochen. Vielleicht wollte er aber auch, als er zu der Kur riet, meiner Mutter, die damals viel krank war und auch eine Fehlgeburt hatte, etwas Entlastung verschaffen.
Jedenfalls war ich froh, dass mir weitere Verschickungen erspart blieben.
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Almuth Andres aus Berlin schrieb am 05.02.2021
Guten Tag ich war einmal mit meiner Schwester und einmal auch mit meinen beiden Brüdern im „ Kinderhof“ zur Kur. Es war traumatisch. Die Pädagogik geprägt von der Leiterin Frau Lekieß ( ob ich es richtig schreibe?) und ihren sadistischen Praktiken. Zwangsernährung ( Zunehmen war das einzig wichtige!), Prügel, eiskalte Duschen, ominöse Wurmkuren, verbale Beschimpfungen waren an der Tagesordnung. Selbstverständlich wurde ein- und ausgehende Post kontrolliert und ggfls. vorenthalten. Ich habe fast nur grauenvolle Erinnerungen .....
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Britta1963 schrieb am 04.02.2021
Hallo
ich habe vor ein paar Tagen hier schon einmal geschrieben und mittlerweile duzende Berichte von euch gelesen, insbesondere natürlich über die "Verschickungen" nach Föhr.
In einem Bericht hat jemand erwähnt, dass er/sie ebenfalls über die BEK im Schloss am Meer war, sich jedoch an ein Backsteinhaus erinnern kann.
Da ist mir irgendwie die Kinnlade runtergefallen.
Ich war vor 1,5 Jahren das erste Mal seit 1969 mit meinem Mann 1 Woche auf Föhr. Hatte eigentlich auch gar kein schlechtes Gefühl dorthin zu fahren, weil ich kaum eine Erinnerung an die Zeit habe und meine Mutter mir auch nie irgendwas Negatives erzählt hat.
Das erste beklemmende Gefühl bekam ich in Dagebüll an der Fähre.
Wir hatten eine Ferienwohnung scheinbar ziemlich in der Nähe des Schlosses am Meer, wobei ich vor 1,5 Jahren noch gar keine Ahnung hatte, dass ich dort war.
Wir sind jeden Tag an der Strandpromenade entlang gelaufen Richtung Örtchen. Da musste man an einem großen roten Backsteinhaus vorbei, was ebenfalls direkt an der Promenade war. Jedesmal, wenn ich dort vorbei bin, mochte ich gar nicht hinsehen und ich verspürte leichte Panik.
Warum? Keine Ahnung.
Ich konnte es noch nicht mal meinem Mann sagen, nur dass ich den Eindruck habe, hier schon einmal gewesen zu sein.
Ich habe vor einigen Tagen hier geschrieben, dass mich mein Vater nach 4 Wochen auf Föhr abgeholt hat, da in dem Heim Mumps ausbrach. Ich kann mich exakt ab diesem Zeitpunkt genau an alles erinnern, dass wir bei der Heimleiterin zusammen in einem großen dunklem Zimmer gesessen haben und ich dann mit meinem Vater nach Hause gefahren bin. Sogar an die Autofahrt von Dagebüll nach Düsseldorf kann ich mich erinnern. Die 4 Wochen davor sind wie ausgelöscht aus meinem Hirn.
Ich finde es merkwürdig, dass noch jemand hier sich nicht an das Schloss am Meer, jedoch an ein rotes Backsteinhaus erinnern kann. Das BEK Haus sah ja eigentlich gar nicht so furchteinflössend und dunkel aus auf den alten Bildern.
Ich habe die letzten Tage meine Mutter öfter auf diese Kur angesprochen, weil ich irgend etwas erfahren wollte. Warum man ein 6jähriges Kind so weit 6 Wochen wegschickt mit einem Zettel um den Hals usw. Ihre Antwort: das war damals so und wir haben uns gefreut, dass wir diese Kur für dich bekommen haben. Du warst doch so ein schlechter Esser.
Ich habe selber eine mittlerweile 30-jährige Tochter, aber sowas wäre mir im Traum nicht eingefallen. Kind am Bahnhof abgeben und 6 Wochen später wieder abholen. Geht gar nicht!!!

Im übrigen bin ich völlig geschockt, wie vielen Kindern damals so übel mitgespielt wurde und wie sich die Berichte 40/50/60 Jahre danach alle gleichen.
Liebe Grüße
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Hedda Peters aus Dortmund schrieb am 03.02.2021
Ich bin als Verschickungskind auch Opfer der "schwarzen Pädagogik" geworden.

September/Oktober 1955 war ich gerade 8 Jahre alt geworden und musste allein für sechs Wochen in das Oldenburger Kinderheim Nordseebad Wangerooge reisen. Postkarten und ein Gruppenbild mit Frl. Lorenscheid befinden sich in meinem Fotoalbum.
Da ich zu dünn war, sollte ich zunehmen und musste immer viel essen. Oft saß ich lange am Tisch, bis ich alles aufgegessen hatte. Wenn ich erbrechen musste, musste ich auch das wieder essen. Zusätzlich hatte ich Probleme, weil ich nur zu bestimmten Zeiten aufs Klo durfte, in der Mittagspause und nachts überhaupt nicht. Ich hatte ständig Angst und Druck, und wenn ich in die Hose gemacht hatte, musste ich zur Strafe allein im Schlafsaal bleiben und eine lange gestrickte Wollunterhose tragen. Das habe ich als große Demütigung und Blossstellung erlebt.

Anfang Juni 1960 war ich noch einmal 4 Wochen zu einer Kur im selben Kinderheim. Auch als 13jährige erlebte ich hier strenge Regeln. Eine Postkarte mit dem Satz "Wir dürfen jeden Mittwoch schreiben." und dem Stempel auf der Karte "Besuche im Kinderheim nicht gestattet" und gestellte Gruppenfotos sind ebenfalls in meinem Fotoalbum. Der Vater einer Bekannten, die mit mir in dieser Kur war, hat sich anschließend über die Zustände im Heim beschwert. Es soll kurze Zeit danach geschlossen worden sein.

Es ist gut, dass die Problematik Verschickungskinder endlich aufgearbeitet wird.
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Ulrike Trae aus Kehl schrieb am 03.02.2021
Im Januar 1968 musste ich im Alter von 7 Jahren eine sechswöchige "Kur" in Scheidegg antreten. Ich litt unter chronischer Bronchitis und Untergewicht. Meine Mutter brachte mich mit dem Zug vom damaligen Wohnort Heidenheim nach Scheidegg. Ihr wurde erlaubt, sich noch eine halbe Stunde von mir zu verabschieden, bevor ich dann auf mein 4-Bett-Zimmer gebracht wurde. Der erste Anblick, an den ich mich erinnern kann, war, dass ein Mädchen mit einer Schwester über den Gang lief, und dieses hatte einen riesigen Tintenfleck auf der Strumpfhose. Ich war damals schon etwas empfindlich, was Flecken auf Kleidung oder was Kleidungswechsel anbelangte. Meine Eltern hatten vor Antritt der Kur eine Menge Kleidung kaufen müssen, es gab eine abzuarbeitende Liste hierzu, u.a. Skihosen, Trainingsanzug, jede Menge Unterwäsche. Ich weiß noch, dass ich mich fragte, wieso das Kind keine saubere Strumpfhose tragen würde, die Antwort bekam ich dann schnell.
Von all meinen Kleidern sah ich nicht allzu viel - 6 Wochen dieselbe Trainingshose, nach drei Wochen frisches Unterhemd und Schlafanzug, 6 Wochen derselbe Trägerrock (unter diesen wurde beim "Freigang" die Trainingshose angezogen), 1x wöchentlich ein Unterhosenwechsel, Strumpfhose 6 Wochen - für mich nicht nur ungewohnt, sondern unangenehm und ekelhaft. Fragen nach frischer Kleidung stellte man in der Regel nur einmal ....Das Essen war das Grauen schlechthin, ich sollte ja nun zunehmen, also gab es täglich irgendwelche fetten gräulichen Suppen, und wehe, man aß sie nicht. Bis zum Ende der Mahlzeit in der Mitte des Speisesaals stehen, danach ab an den Tisch, eine Schwester links, eine rechts und keine Gnade, bis der Teller leer war. Mehrmals musste ich hinterher erbrechen. Da man nachts das Zimmer nicht allein verlassen durfte, es aber auch besser unterließ, nach einer Schwester zu rufen, erbrach ich mich einmal auch nachts im Zimmer, ich versuchte, die Bescherung mit Taschentüchern zu beseitigen, aber es gelang mir nicht vollständig. Zur Strafe musste ich, nach gewaltigem Donnerwetter vor allen natürlich, meinen Schlafanzug mit Spuren von Erbrochenem fast 3 Wochen weiter tragen.
Ich bekam viele Päckchen auch mit Süßigkeiten, diese wurden alle einbehalten. Sonntags mussten wir in einer Reihe an einem Schrank, in dem sich die Geschenke aller befanden, vorbeilaufen und jeder bekam ein Bonbon oder ein Stück Schokolade oder so etwas. Begründung war, dass man teilen müsse.
Post wurde zunächst einbehalten und teilweise auch geöffnet, Briefe nach Hause hatten offen in einen Postkasten geworfen zu werden - eine Zimmerkollegin von mir hatte geschrieben, man solle sie heimholen, sie wurde darauf bei unserer Schwester Wolfharda (den Namen dieser unerträglichen Person werde ich nie vergessen) einbestellt und kam mit knallrotem Gesicht und geschwollenen Wangen zurück. Sie konnte erst Tage später erzählen, was sie geschrieben hatte, und was in dem Zimmer vorgefallen war, hat sie nie erzählt. Die Briefe, die man empfing, waren im Zimmer laut vor der Schwester vorzulesen. In einem Akt der Rebellion (eines 7-jährigen Kindes....) habe ich, als ich einen tatsächlich von mir selbst geöffneten Brief vorlesen musste, den Satz "viele Grüße auch an Schwester Wolfharda" nicht mit vorgelesen, ich hatte tagelang Angst, dass der mir natürlich wieder abgenommene Brief noch einmal gelesen werden würde und ich dann auch Ohrfeigen bekommen würde. Ich war übrigens trotz meines jungen Alters aufgrund damaliger Kurzschuljahre schon in der dritten Klasse und konnte -und musste- daher vorlesen.
Zur "Erholung" wurden wir nachmittags in einen Schlafsaal verfrachtet (sofern man nicht vor seiner Suppe sitzen musste), dort hatte man schweigend auf einem Bett unter einer grauen Decke (sahen aus wie Armeedecken) zu liegen, jeden Tag natürlich unter einer anderen, die Decken wirkten nicht, als seien sie häufig gewaschen worden. Es war kein Wort erlaubt.
Von manchen Schwestern wurden alle Kinder, auch die ganz kleinen, nur mit Nachnamen angesprochen. Heimweh oder Kummer (mein kleiner Bruder war erst wenige Wochen zuvor geboren worden, ich hatte schreckliches Heimweh) waren nicht erlaubt.
Es gab im Wesentlichen nur 2 Lichtblicke: Wir durften ganz selten einmal Schlitten fahren (2-3 mal in den sechs Wochen), wobei ich einmal meine Trainingshose, die etwas feucht geworden war, in die Truhe gegeben hatte, wo ALLE Trainingshosen verwahrt wurden, und nun war diese am nächsten Tag immer noch feucht. Das gab natürlich die üblichen Schimpftiraden, aber so sah ich doch einen Tag eine meiner Skihosen wieder, aber nur einen Tag. Der zweite Lichtblick war, dass im Hause ein pensionierter Missionar wohnte, und den durften hier und da ein paar Kinder besuchen. Er erzählte uns Geschichten aus China, er hatte von dort kleine Silberkettchen mitgebracht, die er zuweilen dann verschenkte, und er hatte Stempel mit chinesischen Schriftzeichen, und da durften wir uns manchmal einen Stempelabdruck abholen. Er war immer lieb und freundlich zu uns.
Ich kam genauso dünn und krank aus der Kur wie ich angetreten war, aber zum Glück gab es keine Verlängerung. Das war die schlimmste Vorstellung! Meine Mutter holte mich ab, der Koffer war schon gepackt, ich wollte meine Sachen mitnehmen -also Briefe und Geschenke- , auf Frage meiner Mutter hieß es, alles wäre im Koffer, und es war nichts davon drin.
Die wenigen Versuche, meinen Eltern von der Kur zu berichten, wurden damit abgetan, dass es im Krieg schlimmer gewesen wäre (Vater) und dass die Verschickung meiner Mutter in ein Kinderheim noch schlimmer gewesen wäre (die Geschichte dieses Heimaufenthaltes kenne ich von hinten bis vorn). Ich habe also die Erinnerung jahrzehntelang vergraben oder als persönliches Mißgeschick angesehen, bis ich vor Jahren mal zufällig etwas von Leidensgenossen in einem Forum, das dann aber nach einiger Zeit nicht mehr im Netz zu finden war, gelesen habe. Erst dann begann ich mich mal intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und ich bin jetzt überwältigt davon, wie vielen Kindern es gleich erging und wie viele heute noch darunter leiden! Ich selbst kann bis heute überhaupt keine Suppe essen, schon der Geruch verursacht mir Übelkeit - meine Eltern sahen das als Spinnerei an. Meinen Eltern erzählte ich frühzeitig (bereits als Kind) überhaupt nichts mehr, fragte sie auch nie um Rat. Meine Mutter wirft mir das heute noch vor, ebenso, dass ich ihre Nähe nicht wollte. Ich vertrage keinerlei Ungerechtigkeit und reagiere auf nicht sofort nachvollziehbare Anweisungen und Vorschriften, die mir jemand machen will, bestenfalls gar nicht, meist aber mit Zorn. Meinen ersten Beruf im öffentlichen Dienst habe ich nach wenigen Jahren aufgegeben, weil mir Hierarchien nicht liegen, stattdessen habe ich mich nach einem Studium selbständig gemacht. Bis vor wenigen Jahren sah ich keinen Zusammenhang mit den schlimmsten 6 Wochen meines Lebens, aber so allmählich denke ich, dass -natürlich neben weiteren Umständen- diese Zeit eine sehr prägende war. Und ich bin froh, dass sich jemand dieses Themas annimmt und dass ich nun sicher bin, dass ich mir nicht alles eingebildet habe, sondern dass es wirklich wirklich schlimm war.
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David aus Bonn schrieb am 03.02.2021
Gerne möchte ich ein paar Eindrücke loswerden, die ich 1968 oder 1969 in einem Heim im Schwarzwald "gewinnen" durfte. Der Grund für meine Kur war chronischer Husten. Leider ist es mir nicht gelungen, "mein" Verschickungsheim zu lokalisieren. Meine Eltern können wir nicht weiterhelfen. Ich habe den Ort "Forbach" vage in Erinnerung, aber ich habe dort in der Nähe kein Heim recherchieren können. Ein Moderator hatte anhand meiner vagen Schilderung (direkt am oder im Wald, großes altes Gebäude) in einem früheren Gästebucheintrag das Kinderkurheim Schwoerer nahegelegt, aber beim Anblick des alten Postkartenfotos hat es bei mir nicht Klick gemacht. Auch in den beiden sehr interessanten Büchern von Röhl und Lorenz bin ich nicht auf mein Heim gestoßen.
Ich habe eigentlich nur Erinnerungsfragmente an meinen Aufenthalt im Heim selbst. Viel besser kann ich mich aber an die Alpträume erinnern, die ich im Anschluss an den Aufenthalt regelmäßig hatte (dazu später mehr).
Meine Haupterinnerung bestand darin, dass das Essen für mich die reinste Quälerei war, weil mir einfach nichts schmecken wollte, ich aber deutliches Missfallen erntete, wenn ich nicht aufaß. An die Sanktionen selbst kann ich mich nicht erinnern, wahrscheinlich habe ich es wie vieles andere erfolgreich verdrängt. Im Zusammenhang mit dem Essen habe ich aber eine Anekdote in Erinnerung: Es wurde einmal angekündigt, dass es, wenn mein Teller leer war, zum Nachtisch Ananas geben würde. Ich kannte die Frucht nicht, aber ich hatte beim Klang des Wortes "Ananas" sofort einen großen Widerwillen und war sicher, dass dies etwas ganz widerlicheres und furchtbares sein musste. Es kam also nicht dazu, dass ich die Ananas geschmacklich kennenlernen konnte. Ich vermute im Nachhinein, dass ich bei Ananas irgendwas mit "nass" assoziierte, was Ekel in mir hervorrief. Vielleicht hat es etwas mit Bettnässen zu tun, aber daran erinnere ich mich nicht. Überhaupt habe ich keinerlei Erinnerung weder an die Bedingungen des Schlafens, noch des Badens oder einer ärztlichen Untersuchung. Ich kann kein Bild von einem Bad, einer Dusche, einem Bett oder einem Schlafsaal hervorrufen.
Ein anderes Erinnerungsfragment war, das ich von meinen Eltern ein Paket (wahrscheinlich zum Geburtstag im Juni) zugeschickt bekam, das aber hoch oben auf einen Schrank gelegt wurde, wobei mir wiederholt gesagt wurde, das Paket dürfe ich noch nicht haben. Das Paket auf dem Schrank war eine Art Sehnsuchtsort für mich, aber ich weiß nicht mehr, ob ich es jemals öffnen durfte oder was drin gewesen wäre.
Ein anderes Erinnerungsfragment besteht aus einer langen Wanderung durch den Wald. Ich musste mal für kleine Jungs, aber ich dufte lange Zeit nicht. Die Erlösung kam, als eine andere Schwester neben mir herwanderte und mich im Wald austreten ließ. Diese nette Schwester war die einzige, an die ich mich persönlich erinnere, alle anderen waren rückblickend nur wie nebulöse und böse Schatten. Die nette Schwester sagte zu mir, und das sind die einzigen Worte des Aufenthalts, an die ich mich erinnere, in etwa folgendes: "Die anderen Schwestern mögen dich nicht. Aber ich mag dich." Ich hatte ihre Worte zumindest auf mich bezogen, vielleicht hatte sie auch allgemein gesagt "die anderen Schwestern mögen keine Kinder". Ich weiß nur noch, dass diese Worte bestätigten, was mir eigentlich schon klar war, nämlich dass mich vier- oder fünfjähriges Kind dort keiner mochte. Über die Gründe kann ich nur spekulieren: Entweder lag allgemein ein fehlendes Gefühl für Kinder vor, oder vielleicht war ich selbst ein Außenseiter, weil ich das Essen nicht mochte, irgendwas "nass" gemacht hatte oder weil irgendein äußerliches Merkmal den Schwestern nicht gefiel. Aber wie gesagt, an mehr kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.
An die Hinfahrt erinnere ich mich auch nicht, ich weiß nur noch, wie ich bei der Rückfahrt am Bahnhof in Dortmund ankam, und meine Eltern nach den ersten Worten sagten "du sprichst ja Schwarzwäldisch". Offenbar hatte ich in den sechs Wochen zumindest so viele Wörter seitens der Schwestern aufgesogen, dass mein Akzent sich verfärbt hatte.
Vielleicht war ja alles auch nicht so schlimm, wie man anhand der Erinnerungsfragmente vermuten könnte. Was mich aber rückblickend stutzig macht, sind die wiederkehrenden Alpträume, die im Alter von 5 Jahren einsetzten, also kurz nach meinem Kuraufenthalt. Das häufigste Traummuster war, dass ich nachts von einem garstigen Wesen entführte wurde, das durch ein Loch in der Wand neben meinem Bett kam, mich in sein Schattenreich holte und mich dort einer Art Kitzelfolter unterzog. Diesem Wesen, das eine menschenähnliche Gestalt, aber lange dunkle Borstenhaare am ganzen Körper hatte, gab ich in meinen Träumen den Namen "Der böse Papp". Ein weiterer bis heute anhaltender Alptraum ist, irgendwo in einer engen Höhle innerhalb einer Wand in einem großen Haus festzustecken und weder vor noch zurück zu können. Diese Träume können, müssen aber nicht auf meinen Kuraufenthalt zurückzuführen sein. Sonstige Alptraum-Inspirationen gab es bei mir jedoch nicht, weder familiär, noch vom Fernsehen. Ob mich der Aufenthalt irgendwie nachhaltig in meinem Wesen geprägt hat, vermag ich nicht zu sagen. Ich kann mir aber vorstellen, dass meine Fähigkeit, mich mit Schicksalsschlägen und Verlusten sehr schnell zu arrangieren, auf einen Lernprozess dahingehend zurückzuführen ist, dass ich unangenehme Erfahrungen damals erfolgreich in die Tiefen des Unterbewusstseins verdrängen konnte, so dass sie allenfalls ab und zu in Träumen Gestalt annehmen.
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JE schrieb am 02.02.2021
Ich war als Kind zwei Male zur Kur und meine Erfahrungen können sich nicht mit denen älterer Generationen messen. Ich habe weder Schläge noch Übergriffe erlebt, sondern nettes Personal, das bestrebt war, uns eine so schöne Zeit wie möglich zu ermöglichen. Lediglich die religiöse Indoktrinierung beiderorts war geschmacklos. In Oberjoch, einer alten SS-Polizeischule, waren im Speisesaal außerdem noch überall die Hakenkreuze an den Marmorsäulen vorhanden - laut Anstaltsleiter aus Denkmalschutzgründen...
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Milli aus Berlin schrieb am 02.02.2021
Hallo.

Ich war Mitte/Ende der 80er Jahre in Morgenröthe Rautenkranz im Vogtland. Habe kaum Erinnerungen, aber ein seltsames Gefühl. Gab es bereits Berichte bzw. hat jemand etwas zu berichten? Danke
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Jenny Janke schrieb am 02.02.2021
Ich bin durch Zufall auf eine Sendung zu diesem Thema gestoßen. Ich schaute sie mir an und ich kann es nicht fassen. Ich habe diese Erlebnisse mein Leben lang verdrängt, als nicht so schlimm eingestuft. Ich war halt damals ein "Sensibelchen", dachte ich immer. Ich glaube ich wurde 3 Mal zur Kur geschickt, 2x irgendwo im Gebirge und einmal an der Ostsee. Wo genau, weiß ich nicht mehr. Ich kann mich daran erinnern, dass es dort keine Freundlichkeit gab, man hatte sich unterzuordnen. Der Tagesablauf war streng durchplant. Was auf den Tisch kam, musste gegessen werden. Egal ob es einem schmeckte oder nicht. Danach Mittagsruhe und da hatte man zu schlafen, sonst gab es Ärger. Briefe durften wir schreiben aber nur was uns diktiert wurde. Also haben natürlich alle das Gleiche geschrieben. Ich kann mich nicht an viel erinnern aber dass ich mich dort überhaupt nicht gut gefühlt habe, weiß ich noch sehr genau. Aber als Kind konnte ich es nicht benennen. Habe mich nie getraut es zu Hause zu erzählen. Ich gehe auch davon aus dass man mir nicht geglaubt hätte. Und ich weiß noch, dass ich zur Kur geschickt wurde weil ich angeblich zu wenig gewogen habe. Das kranke daran ist, dass ich jedesmal mit weniger Gewicht zurück kam. Ich nehme an vor lauter Kummer. Leider hat das damals aber niemand hinterfragt.
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Ulrich Nolden aus Langerwehe schrieb am 02.02.2021
1957 waren wir fast alle dünn und das galt per se als ungesund.
Ich vermute daher, dass mein Verschickungsgrund ein allgemeiner Mangelernährungszustand war.
Ich meine mich erinnern zu können, dass die Einrichtung in Stetten am kalten Markt in der Nähe von Sigmaringen in evangelischer Trägerschaft war. Empfangen wurden wir von einer Phalanx furchteinflößender Frauen in Schwesterntracht mit riesengroßen Hauben, die fast katholisch wirkten.
Das Empfangsritual endete mit einem Massenduschen der Neuankömmlinge.
Ich war fast zehn Jahre alt und vermutlich schon vorpubertierend, weil mir die große Anzahl der jüngeren weltlichen Mitarbeiterinnen der Diakonissen ungewöhnlich vorkam, die uns dabei hilfreich zur Hand gingen.
Ich habe mich vermutlich geschämt.
Es gab auch einige positive Erinnerungen. Ich habe nie wieder in meinem bisher 73jährigen Leben so köstliche „Dampfnudeln mit Vanillesoße“ serviert bekommen. Auch habe ich zum ersten Mal in meinem Leben leibhaftige Erfahrungen mit Solidarität gemacht:
Ich fand Suppen bis dahin für eine völlig überflüssige Ernährungsvariante. In Stetten jedoch war sie absoluter Zwangsbestandteil der Mittagsmahlzeit, Meckern wurde oft mit einem Nachschlag geahndet. Das führte, nicht nur bei mir, zu einem fundamentale Problem.
Unmittelbar nach dem Mittagessen war für zwei Stunden absolute Bettruhe im Schlafsaal mit 25 Betten angesagt, die streng von einer vor der Tür sitzenden Diakonisse überwacht wurde.
Austreten war ohne Ausnahme erst nach dem Mittagsschlaf erlaubt.
Ich habe nicht ein einziges Mal schlafen können, weil ich immer dringend pinkeln musste.
Anfangs habe ich mir damit geholfen, kleine Mengen in mein zusammengeknülltes Taschentuch zu urinieren, damit der größte Druck aufhörte. Einer der älteren Jungs, die weniger Angst vor den Haubenträgerinnen hatte, löste manchmal das Problem für die, die nicht schlafen konnten.
Er ging mit lautem Gepolter vor die Türe, wo ihn die Diakonisse mit in ihr Dienstzimmer nahm um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. In der Zwischenzeit rannten wir schnell zur Toilette.
Meist konnten wir aber nicht mehr zurück, da die Mittagsschlafwache schon wieder Stellung bezogen hatte. Dann blieben wir im Klo, was nicht so schlimm war, denn von dort konnte man die startenden oder landenden Starfighter auf dem benachbarten Militärflugplatz beobachten.
Die Post nachhause wurde kontrolliert und von den Schwestern gesammelt. Unter uns Kindern kursierten die waghalsigsten Pläne, bei Ausflügen heimlich unzensierte Post nach Hause in Briefkästen zu schmuggeln. Geklappt hat es nie. Über mein Heimweh halfen mir zwei Tüten Backpflaumen, die mir meine Mutter mit der Post schickte.
Ich habe meine „Kinderholung“ als etwas erlebt, was man durchstehen muss, so wie eine unvermeidliche gottgegebene Prüfung. Es war ja schließlich eine kirchliche Einrichtung. Es bleibt zu vermuten, dass damals die Diakonissen die martialischen Erziehungsvorstellungen der Nationalsozialisten munter weiter tradierten, die sie vorher, zumindest teilweise, kooperativ teilten.
Aber das kannte ich schon aus der heimischen evangelischen Volksschule. Geprügelt wurde dort jeden Tag und der Turnunterricht begann immer mit einer halben Stunde Marschieren im Gleichschritt und Kasernenhofübungen.

Dermaßen geübt hat das Ganze bei mir zu einer psychischen Traumatisierung vermutlich nicht gereicht. Aber mein Körper reagierte. Nach den endlosen sechs Wochen am kalten Markt kam ich mit Fieber zuhause an, was dazu führte, dass ich nochmals vier Wochen nicht zur Schule gehen durfte.
Danach war ich genauso dünn wie vorher.
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Christiane Reiners aus Düsseldorf schrieb am 01.02.2021
Mir wurde um 20 Uhr mit der Taschenlampe im Schlafsaal in die Augen geleuchtet, um festzustellen, ob wir (6 Mädchen auf Schlafpritschen auf Kindergartenniveau der 60-ger) schon schlafen. Wer das nicht tat, konnte am nächsten Tag "seine Strafe" wählen: kein Nachtisch-oder keine Teilnahme am Abschlußfest- oder kein Ausflug, raten Sie was ein Kind dann wählt.
Meine vor Heimweh-strotzenden Briefe an die Eltern wurden abgefangen, angekommen (obwohl geschrieben) sind auch keine.
Sadismus und pädagogische Inkompetenz pur. Gabs das nicht schon einmal???

An mehr kann ich mich leider nicht erinnern, da Jg 1962.
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Sabine Langohr aus Aachen schrieb am 01.02.2021
Ich bin letzten Montag durch einen Beitrag im Radio (WDR2) auf das Thema aufmerksam geworden und war wie elektrisiert! Seitdem recherchiere und beschäftige ich mich damit. Mir war nicht klar, dass so unglaublich viele Kinder betroffen waren. Es hilft mir dabei, herauszufinden, wer ich bin und vor allem, warum ich so bin wie ich bin.
Ich war acht Jahre alt. Meine Erinnerungen und Erfahrungen decken sich im wesentlichen mit dem, war ich hier in den letzten Tagen gelesen habe. Angefangen vom Transport im Zug über die Essenproblematik, der erzwungenen Mittagspause, Untersuchungen, Bestrafungen, dem Gefühl unendlicher Verlassenheit. Auch ich lag mit einer Mittelohrentzündung und Fieber tagelang völlig allein im Schlafsaal.
In einem Beitrag hatte ich von jemandem gelesen, der/die 1963 oder 64 im gleichen Heim untergebracht war und berichtete, es sei während des Aufenthalts ein fröhliches Foto auf einem Pony gemacht worden. Ein genau solches Foto besitze ich auch noch. Mein Aufenthalt war 11 Jahre später!
Ich war ein sehr schüchternes und ängstliches Kind, das Produkt einer strengen Erziehung. Eine eigene Meinung oder gar Diskussionen gab es nicht, schlechtes Benehmen wie Lügen oder Widerworte wurde mir und meinen älteren Schwestern mit Schlägen "ausgetrieben". Die sogenannte "Kur" war also nur ein Puzzleteil einer auf Angst basierenden Erziehung.
Was mich sehr nachdenklich macht, ist dass meine Erinnerung an den Aufenthalt so vage und lückenhaft ist. Es gibt nur Bruchstücke und aufflackernde Bilder, die tief vergraben zu sein scheinen. Zunächst hatte ich mir das damit erklärt, dass ich die Zeit in einer Art Schockzustand verbracht haben muss. Nach den Berichten hier wäre aber auch vorstellbar, dass uns tatsächlich Medikamtente verabreicht wurden, Beruhigungsmittel, die genau das bewirkt haben könnten.
Ich habe eine Postkarte gefunden, die ich damals an eine Verwandte geschickt hatte. Der Wortlaut ist identisch mit dem hier hundertfach geschilderten. Darüber hinaus berichte ich aber von drei Freundinnen, die ich dort gefunden hatte, Birgit, Natalie und Patrizia. Es existiert ein Foto, das zeigt mich mit einem dunkelhaarigen Mädchen auf einem großen Stein sitzend, daneben ein weiteres Mädchen, kurzhaarig in Wanderkluft, stehend. Die Aufnahme stammt von einem Ausflug auf den Jenner. Sollte sich jemand wiedererkennnen, bitte nimm Kontakt zu mir auf. Ich meine mich erinnnern zu können, dass das stehende Mädchen Patrizia war und sich bereits während der Zugfahrt um mich gekümmert hatte. Sie war 12 Jahre alt. Birgit stammte möglicherweise aus Warendorf, sie war ebenfalls älter als ich. Vielleicht kann man durch einen Austausch diffuse Erinnerungen zusammenfügen.
Ich weiß nicht, wie lange Krankenkassen Unterlagen aufbewahren. Vieles wurde in den 80er und 90er Jahren auf Mikrofilm übertragen. Ich versuche, das herauszufinden.
Was mich aber in den letzten Tagen am tiefsten getroffen hat, war das Gespräch mit meiner Mutter. Ich wollte wissen, wer diesen Aufenthalt damals initiiert hatte, welche Organisation und welche Kostenträger beteiligt waren. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass sie sich an nichts erinnern konnte. Sie sprach sofort von ihrer eigenen Kinderlandverschickung im Krieg, von ihren Kuraufenthalten, weil sie ja immer so krank gewesen sei. An meine Verschickung konnte sie sich nicht erinnern. Meine Erklärungen, die Schilderung meiner Erinnerungen und der Berichte, die ich mittlerweile gelesen hatte, tat sie schließlich mit dem Worten ab, sie habe den Eindruck, ich würde mir da etwas einreden. Ich hätte doch nach der Kur etwas erzählt, und sie würde sich doch erinnern können, wenn es mir dort und auch danach so schlecht gegangen sei.
Ich war und bin fassungslos. Meine Eltern waren immer mehr mit ihren eigenen Dingen und Problemen beschäftigt als mit unseren. Mir wird klar, dass sie uns eigentlich gar nicht wahrgenommen haben. Wir hatten zu gehorchen, nicht aufzufallen und gute Noten nach Hause zu bringen. Alles andere wurde auf die eine oder andere Weise bestraft.
Meine Mutter ist im Krieg, getrennt von ihrem Zwillingsbruder, aufs Land geschickt worden. Kurz vor Kriegsende wurden sie zurückgeholt und verbrachten die letzten Monate des Krieges und die Zeit danach in Angst, Kälte und Entbehrung. Eine Generation, die davon und durch eine strenge, religiöse und autoritäre Erziehung geprägt und traumatisiert war. Wie um alles in der Welt kann man das an die eigenen Kinder weitergeben? Ich unterstelle gar keine böse Absicht. Aber ich unterstelle Gedankenlosigkeit und Egoismus, ohne das eigene Tun je in Frage zu stellen. Ich bin verschickt worden, meine ältere Schwester auch, aber zeitversetzt und getrennt. Wie kann man so etwas tun, wenn man selbst als Kind verschickt worden ist? Wie kann man Kinder schlagen, wenn man es selbst als furchtbar und schrecklich empfunden hat und in ständiger Angst davor gelebt hat?
Ich erwarte auf diese Frage keine Antwort mehr. Ein Anerkenntnis und eine Entschuldigung hätten mir geholfen, aber ich glaube, auch darauf werde ich vergebens warten.
Ich bin deshalb unendlich froh, hier Verständnis und so viele Leidensgefährten zu finden. Danke an Frau Röhl und alle hier, dass dieses Thema an die Öffentlichkeit geholt und so offen darüber berichtet wird!
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Mechthild Eickel aus Arnsberg schrieb am 01.02.2021
Ich bin mit 6 Jahren im Februar ehe ich in die Schule kam für 6 Wochen nach Obersdorf in ein Kinderheim geschickt worden. Ich wog 32 Pfund. Ich musste 36 Pfund wiegen um in die Schule zu kommen. Meine Eltern wurden dazu überredet. Ich hatte ein gutes Elternhaus. Sie glaubten, dass es mir gut tun würde. Ich hatte sehr oft Heimweh. Es lag in Obersdorf sehr viel Schnee. Aber wir gingen sehr viel spazieren. Mein Problem war, dass ich keinen Speck mochte, dann musste ich brechen. So habe ich versucht den Speck immer auf dem Teller zu lassen. Wenn es bemerkt wurde, musste ich an einem Schrank stehen und dort zu Ende essen, was ich dann trotzdem nicht konnte, durfte dann nicht mit spazieren gehen. Es war aber eine nette Erzieherin da, die mir nach dem Mittagessen wenn wir im Bett waren, wir mussten immer einen Mittagsschlaf machen, eine Tüte Plätzchen unter die Bettdecke geschoben hat. So habe ich die 4 Kilo zugenommen die ich brauchte um in die Schule zu kommen. Ich kann nicht sagen, dass mir diese Kur geschadet hat. Es gibt gute und schlechte Erinnerungen. Meine Mutter freute sich über das Hockerpäckchen, dass ich Abends mit meinen Kleidungsstücken immer baute. Ich hatte auch was gelernt. So nehme ich das Gute aus dieser Zeit mit in meine Erinnerungen. Meine Tochter habe ich nie in eine Kur geschickt, obwohl sie auch sehr dünn war wo sie in die Schule kam. Ich wünsche allen die so schlimme Gewalttaten erlebt haben, dass sie sie eines Tages verarbeitet haben. Danke für die Berichte in der Tina. Herzlichst Mechthild Eickel
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Ingeborg Venecek aus Ebenfurth, Österreich schrieb am 31.01.2021
Ich wurde nach Bad Sachsa verschickt, weil ich untergewichtig war. Ich habe bereits im Alter von 2 1/2 Jahren Gewalterfahrungen gemacht. Im Kindergarten durch den Leiter, es waren sexuelle Übergriffe. Seitdem war ich zu dünn. Das verstärkte sich in Bad Sachsa noch.
1. Ständiger Durst, um nicht auf die Toilette zu müssen.
2. Ständige Panik, weil eine der Erzieherinnen uns ständig beobachtete.
3. Ständige Unfreiheit, kein Eigentum mehr besitzen dürfen, keine eigenen Bedürfnisse mehr haben dürfen.
4. Ständige Kälte, kaltes Wasser, kalte Böden, auf denen man barfuß in der Ecke stehen musste.
5. Keine Wärme oder Menschichkeit, abwiegen und ärztiche Untersuchung waren entwürdigend.
6. Ständige Stigmatisierung und Zwang, wenn man ab nahm oder den Fraß nicht essen konnte.
7. Die Heimleiterin hatte 2 Schäferhunde, die im Speisesaal ihr knurrend folgten. Sie schlich sich an, stand plötzlich, von den Hunden flankiert, hinter uns.
Ich kam abgemagert und völlig von Panik gezeichnet nach Hause. Dort war alle Aufmerksamkeit auf den neugeborenen Bruder gerichtet, ichwurde als schwierig und Lügnerin abgestempelt. Ich habe später meine Familie verlassen und habe nach Österreich geheiratet. Eine innere Verbundenheit habe ich nur zu meinem Bruder, den das gleich Schicksal mit ca. 6 Jahren ereilte. Ich konnte ihn nicht mit 9 Jahren davor bewahren , das machte unbewusst Schuldgefühle. Meine Eltern wollten mit dem kleinen 3 jährigen Bruder 3 Wochen verreisen.
Auch der 6 jährige kam apathisch aus Bad Sachsa zurück, er hat die 6 Wochen nur gekotzt. Auch hier gab es keine Reaktion der Eltern. Ich weiß aber von Anderen, dass die Eltern sich beschwert haben und auch was erreicht haben. Mein langjähriger Lebensgefährte war 6 Wochen in Bayern in einem Heim mit 3 Jahren. Sie bekamen sowenig zum Essen, dass er den Kalk von den Wänden kratzte. Für mich sind diese Heime eine Weiterführung von Lagern, in denen NS Erzieher das Sagen hatten. Aber wir haben es überlebt und auf meinen inzwischen erwachsenen Sohn sowie auf meine Enkelkinder achte ich sehr. Danke, dass Ihr mir mit Euren Berichten die Erinnerung wiedergeben habt!
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Venecek aus Ebenfurth schrieb am 31.01.2021
Liebe Elisabeth! Tausend Dank für Ihre Schilderung. Ich war 1960 zur " Kur" und ich kann mich genau an die Schäferhunde erinnern und meine panische Angst. Noch heute werde ich hysterisch, wenn ein großer Hund ohne Leine in meine Nähe oder die Nähe meiner kleinen Enkel kommt. Danke, Sie haben mir und auch meinem Bruder eine Türe zu unserem geöffnet.
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Axel aus Angelbachtal schrieb am 31.01.2021
Ich wurde wegen angeblicher rezidivierender Bronchitiden ca. 1955/56 über die Innere Mission in das Kinderheim Schlichter verschickt. Herr Schlichter, ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier (lt. eigener Angabe) führte das Heim mit harter Hand (Züchtigungen) und harten Spielregeln. Man mußte essen, was auf den Tisch kam uund dies bis der Teller leer war. Süßigkeiten und Kuchen, den die Eltern schickten gab es nur, wenn man nach Hause schrieb und sich an die Spielregeln hielt. Die Erzieherinnen, Tanten, waren noch von der nationalsozialistischen Zeit und Disziplin geprägt. So verhielten sie sich uns Kindern gegenüber. Ich hatte unheimliches Heimweh. Damals waren viele Kinder aus Berlin Neuköln dort, die aus bescheidenen Verhältnissen stammten und gerade die Mädchen unsittlich berührten. Einzig durch Skifahren, das Herrn Schlichters Hobby war, fand ich Freiräume. Ich empfand die Zeit dort, die mit militärem Zwang verbunden war, unerträglich. Das die Innere Mission dort Kinder einbrachte, ist mir heute unverständlich. Erholung war die keine!!
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Hild Günter aus Remscheid schrieb am 31.01.2021
Ich will hier neu schreiben und einiges richtigstellen entgegen dem am 17. August 20 gegebenen Bericht

Hild Günter schrieb am 17.08.2020 um 5:22:
Ich war mit fast 10 oder 11 Jahren auf Norderney es muss 1965/6 gewesen sein und wir wurden einer genauen Tagesordnung ...........

also ich war fast 12 im Jahr 67 und ich kenne nun das Heim weil ich eine Postkarte fand die das Heim zeigt und bezeichnet.
wie die eigentliche Bahnfahrt vonstatten ging weiß ich nicht mehr nur das wir in Norddeich auf die Fähre Frisia 5 geführt wurden ( Schiffchen interessierten mich schon damals sehr -- bin dann als Wehrpflichtiger zur Bundesmarine als Heizer / Maschinist ) . in geringerer Form kenne ich die hier typisch vorgebrachten Behandlungen auch. Ich muss aber anbringen das ich wohl noch gut weggekommen bin. Das Highlight der 6 Wochen war eine Seefahrt mir der "Flipper" zu einer der Nachbarinseln von Norderney und eventuell mehrere Besuche des Seewasserwellenbades in Norderney. Das Haus existiert so nicht mehr -- an seiner stelle steht der Adresse gemäß das
Hus up Dün
Viktoriastraße 1 26548 Norderney
aber noch immer von AWO westl.-Westfalen mit Zentrale in Dortmund
es ist wohl nun ein Mutter und Kind Erholungsheim. eine Bilderstrecke ist in der Fotogalerie inzw. auf der 2. Seite - Frontbild ist die Jungengruppe - man kann mich von unten in 2. Reihe rechts entdecken / mein Kennbild ist da entnommen.
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Jo Jo schrieb am 30.01.2021
Meine Kindheit war durch Missbrauch und Gewalt geprägt. Mein Vater war (bzw. ist) Alkoholiker, die Familie deckt(e) ihn. Die DDR war ein geschlossenes System, in der die Familie einen besonderen Stellenwert hatte: Sie war heilig. Ein geschlossenes System in einem geschlossenen System. Kriminalität hatte es nicht zu geben. Als Opfer war man in der DDR zum Schweigen verdonnert. Nichts durfte nach außen dringen. Ein geschlossenes System in einem geschlossenen System. Man hatte keine Chance, Gehör (geschweige denn Verständnis) zu finden. Die DDR war geprägt durch Anpassung, Disziplin und Leistung. Bis heute habe ich das Gefühl, dass ich nicht reden darf. Während ich schreibe, klopft mein Herz wie wild. Ich traue mich nicht, meinen richtigen Namen zu nennen, weil ich sonst fürchte, bedroht zu werden. Meine jüngste Tochter hat mir Mut gemacht, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Nachdem mein stark alkoholisierter Opa sich an mir vergangen hatte als ich ca. 6 Jahre alt war, habe ich versucht, mich meiner Mutter anzuvertrauen. Sie beschimpfte mich als Lügnerin. Bis heute möchte sie nichts davon hören, unterstützt mich nicht bei der Aufarbeitung und verdrängt ihre eigene Geschichte. Nach diesem schlimmen Ereignis wurde ich verhaltensauffällig und aggressiv. Zur Besserung schickte man mich in ein „Erholungsheim“ für schwer erziehbare Kinder nach Oybin. Für mich war es eine Bestrafung für eine Sache, für die ich nichts konnte.

Wie ich in das Heim gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Mein Zeitgefühl verschwamm. Über die Länge des Aufenthaltes hatte ich keine Transparenz. Die Erzieherinnen gaben mir das Gefühl, dass ich für immer dableiben müsse. Ich habe innerlich abgeschaltet. Jeden Morgen mussten wir im Dunkeln aufstehen und dann bis 6 Uhr drillmäßig um das Haus joggen. Wer erschöpft war, musste weiter joggen. Ich erinnere mich daran, dass viele Dinge im Heim nackt gemacht werden mussten. Wir mussten unseren Körper massieren und bürsten und wurden dabei von Erwachsenen überwacht. Während wir nackt vor der Höhensonne umherliefen, standen hinter der Lampe Erwachsene, die uns dabei beobachteten. Immer wieder Untersuchungen, nackt. Tagsüber mussten wir kilometerlang bis zur Erschöpfung wandern. Beim Essen mussten wir so lange sitzenbleiben, bis aufgegessen war. Es gab keinen Spaß, kein Lachen. Ruhe. Als ich auf eine Postkarte an meine Eltern schreiben wollte, dass ich wieder nach Hause kommen will, musste ich meine Karte neu und schön schreiben. Nach dem Motto: „Mir geht es gut. Das Wetter ist schön. Alles ist supi.“ Erst dann wurde die Karte abgeschickt. Dieses hilflose Gefühl, alleingelassen zu sein und vielleicht nie mehr nach Hause zu kommen, werde ich nicht mehr vergessen. Mein Opa hatte mir vor der Kur versprochen, mir im Anschluss ein neues Fahrrad zu kaufen.

Über Facebook habe ich einen Mann angeschrieben, der als Kind mit mir zusammen in dem Heim war. Seit ich ihn darauf ansprach, was er in Oybin erlebt hat, erhalte ich keine Antwort mehr.

Im Laufe meines Lebens wurde ich mehrfach Opfer sexueller Gewalt, ich entwickelte eine Art Opferidentität. Dass ich in der DDR nicht alleine mit meiner Geschichte war, weiß ich. Meine Freundin wurde von ihrem Stiefvater ermordet, nachdem er sie jahrelang vergewaltigt hatte, sie schwanger von ihm wurde und sie sich letztlich dagegen wehren wollte. Als ich vor zwei Jahren ein Klassentreffen organisierte, kamen viele nicht, weil sie traumatisiert waren und keine Erinnerungen mehr an damals wollten. Ich habe hart dafür gearbeitet, dass das Treffen für alle zu einer neuen, positiven Erinnerung wurde (bevor meine eigenen Erinnerungen wiederkamen).

Auch mein Körper hat die Geschehnisse über viele Jahre verdrängt mit den Mitteln, die ich am besten konnte: Disziplin, Anpassung und Leistung. Erst letztes Jahr, als ich in einem Krankenhaus war und vorher eine Gehirnerschütterung hatte, kamen meine Erinnerungen wieder. Mein Leben änderte sich schlagartig. Ich wurde aus dem Krankenhaus mit der Diagnose „Posttraumatische Belastungsstörung und Amnesie“ entlassen. Seitdem fehlt mir jegliche Identität. Meine (Angst-)Gefühle sind oft heftig, die Erinnerungen nur bruchstückhaft. Seit dem Krankenhausaufenthalt versuche ich, die Puzzleteile meiner Vergangenheit zu sortieren. Den Kontakt zu meiner Herkunftsfamilie habe ich abgebrochen, um mich zu schützen.

Das Schlimmste, was ich auf dem Weg merke, ist, dass es immer noch sehr schwer ist, Menschen zu finden, die Verständnis haben und einen auf dem Weg begleiten wollen. Dass den Tätern daran gelegen ist, dass die Dinge nicht an die Oberfläche kommen, ist klar. Das Gleiche gilt für die Opfer, die sich oft schämen. Auch der Gesellschaft ist immer noch größtenteils daran gelegen, dass am besten alle Parteien schweigen. Das ist für mich schwer zu verdauen.

Die Corona-Zeit kam mir sehr gelegen, da so niemand merkte, dass ich ungern unter fremde Menschen gehe. Vor mir liegt noch ein langer Weg. Nichtsdestotrotz kann ich sagen, dass ich froh bin, dass ich mein inneres Kind wiedergefunden habe. Im letzten Jahr habe ich sehr viel geschafft. Diesmal weniger durch Disziplin, dafür mehr durch Wahrnehmung und Achtsamkeit.

Bislang habe ich noch nicht die Kraft gefunden, intensiv nach dem Heim in Oybin zu recherchieren, weil ich Angst habe, dass ich die Gefühle nicht verkrafte. Ich habe Bilder des Heimes, von dem es vermutlich keine Unterlagen mehr gibt, im Internet gesehen.

Ich wünsche euch allen, dass ihr euren individuellen Weg findet und eure Geschichten verarbeiten könnt. Wenn man einmal merkt, dass diese schlimmen Gefühle zur Vergangenheit gehören und man Einfluss auf das Hier und Jetzt nehmen kann, dann kann man nur gestärkt da rausgehen.
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Dieter Grahnert aus 85586 Poing schrieb am 30.01.2021
Ich war 1960 mit acht Jahren sechs Wochen in Weisel, Jagdhaus Dr. Stäckel, nahe St. Goarshausen.
Morgens und abends gab es Haferflocken, entweder als Suppe oder trocken mit Kakaopulver und Zucker. Als ich krank wurde und einige Tage im Bett bleiben musste, stand die ganze Zeit meine nicht gegessene Haferschleimsuppe neben meinem Bett, kalt und mit einer dicken Haut. Mehrmals täglich wurde ich angebrüllt, ich solle sie endlich essen.
An einem Bettpfosten, hieß es, sei ein Nasenpopel gefunden worden. Alle Jungs mussten daraufhin so lange vor ihren Betten knien, bis der Schuldige sich melden würde. Das dauerte ca. zwei Stunden, vielleicht auch viel länger. Die meisten Kinder haben geweint. Ein Schuldiger hat sich nicht gemeldet, zu groß war die Angst vor einer schlimmen Strafe.
Jeden Tag mussten wir nach dem Essen zwei Stunden Mittagsschlaf halten. Es wurde kontrolliert, dass wir die Augen geschlossen hielten. Wer nicht an Gewicht zugenommen hatte, musste von 11 bis 12 Uhr in die „Liegekur“. In dieser Stunde durften wir nicht miteinander sprechen, aber lesen.
Highlight der sechs Wochen war eine Fahrt auf dem Rhein. Schön war auch der Bau einer Hütte im umgebenden Wald.
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Heidi aus Dorsten schrieb am 30.01.2021
Der Bericht über die Verschickungskinder, der Artikel in unserer Tageszeitung trägt die Überschrift „Kinder-Kur in der Hölle“, hat die damaligen Erlebnisse bei mir wieder präsent werden lassen. Ich hatte die Erfahrungen gut verschlossen aufbewahrt, und verschlossen sollten sie auch bleiben. Als meine Eltern mir vor einigen Tagen den Bericht aus der Zeitung überreichten mit dem Kommentar: „Das ist doch ´was für dich“, habe ich den Artikel zusammengefaltet mit dem Hinweis „Lese ich mir zu Hause in Ruhe durch“ in die Tasche gesteckt. Trotzdem war ich froh, dass meine Eltern mir den Artikel gaben, da ich den Artikel am Tag der Veröffentlichung aus Zeitgründen nicht gelesen habe. Obwohl ich dachte, die Erlebnisse liegen doch schon so lange zurück, setzte bei mir sofort Herzrasen ein und ich haben 2 oder 3 Tage gebraucht, bis ich mir den Artikel durchgelesen habe. War ich bis dahin der Meinung, meine Erlebnisse waren schlimm, hat der Inhalt des Artikels mir Gänsehaut gemacht. Viele Grausamkeiten, die dort beschrieben wurden, musste ich nicht ertragen und/oder habe sie auch nicht wahrgenommen. Meine Erinnerungen sind auch nicht mehr sehr detailliert, vieles ist mit den Jahren verblasst.
In den Sommerferien zwischen dem 3. und 4. Grundschuljahr ( 1972 ) durfte ich in den Schwarzwald nach Hirsau zur Kur fahren. 6 Wochen lagen vor mir, auf die ich neugierig war. Da ich Jahrgang 1963 bin, war ich zu dem Zeitpunkt 9 Jahre alt. Die Zugfahrt war spannend, wir waren als Gruppe unterwegs. Mein Vater hat damals in Hervest - Dorsten ( heute Dorsten PLZ 46284 ) auf der Zeche Fürst-Leopold gearbeitet. Da das Geld bei meinen Eltern knapp war, haben sich meine Eltern gefreut, dass die Kinder der Bergleute die Möglichkeit bekamen, zur Kur zu fahren. Da auch ich angeblich zu dünn war, passte alles.
Bei unserer Ankunft wurde uns Schwester Waltraud vorgestellt, die für uns die nächsten 6 Wochen zuständig wäre. An das weitere Personal habe ich keine Erinnerung mehr. Ab in den Schlafsaal mit unserem Gepäck und auf zum Beziehen der Betten. Wie die Betten anschließend aussehen sollten, hat sie uns genau beschrieben. Das hätte auch bei der Bundeswehr jedem Apell standgehalten. Mein Bett war schnell bezogen. Dann fielen mir einige kleinere, jüngere Mädchen auf, geschätzt Kindergartenalter, die nicht zurechtkamen. Na dann ´mal schnell geholfen, einige weinten schon wegen der strengen Zurechtweisungen und wollte nach Hause. Mein Hilfsangebot brachte mir direkt den ersten Rüffel ein, da jeder für sein Bett selbst verantwortlich war. Aber manche Arme waren noch so kurz. Also haben einige ältere Mädchen und ich gewartet, bis die Aufsicht den Schlafsaal verlassen hatte und haben schnell geholfen, immer die Angst im Nacken, erwischt zu werden. Welche Strafe uns dann erwartet hätte, wussten wir nicht. Geschafft.
Obwohl ich ja schon 9 Jahre alt war, und damit zu den Älteren gehörte, war jeden Mittag für alle Kinder eine Pause von ca. 1 ½ Stunde angesagt. Zu Hause brauchte ich keine Pause machen und haben das auch erklärt. Geholfen hat es mir nicht, also habe ich mich jeden Mittag 1 ½ Stunde gelangweilt. Schlafen konnte ich in dem Schlafsaal auf Feldbetten mit allen anderen nicht. An die genauen Abläufe der folgenden 6 Wochen erinnere ich mich nicht mehr so genau. Am schönsten waren die Ausflüge.
Einige Punkte kann ich allerdings nicht vergessen und frage mich heute noch oft, wie die Frauen von damals mit ihrem Verhalten leben können/konnten.
Am wöchentlichen Wiegetag durften wir morgens erst nach dem Wiegen zur Toilette gehen, aber ich musste immer direkt nach dem Wecken. Wenn die Schlange vor mir, es wurden ja alle gewogen, sehr lang war, hatte ich manchmal schon Angst, mir in die Hose zu machen. Mädchen, denen das passierte bekamen Ärger und mussten beim Aufwischen helfen, egal wie alt oder besser wie jung sie waren.
Die Ausgabe des Essens war auch ein Punkt, an den ich mich gewöhnen musste. Aber das Prinzip habe ich schnell durchschaut. Wenn es etwas gab, das ich besonders gerne mochte, habe ich anfangs um Nachschlag gebeten. Dieser wurde mir dann verweigert oder die Portion fiel kleiner aus als bei den Anderen. Wenn es allerdings etwas gab, was ich nicht mochte, z. Bsp. rote Beete, und ich bat darum, dieses nicht essen zu müssen, bekam ich eine extra große Portion. Nachdem ich mich einige Male durch das Essen gekämpft habe, habe ich mir das System zu Nutze gemacht. Mochte ich etwas sehr gerne, haben ich darum gebeten nur eine kleine Portion zu bekommen, mochte ich etwas nicht so gerne, habe ich um eine größere Portion gebeten. Das hat meistens geklappt und machte die Mahlzeiten für mich erträglich. Spaß hat es auch gemacht, wenn es denn geklappt hat. Am Nachbartisch saß allerdings ein Mädchen, was sehr „schlecht“ aß und auch großes Heimweh hatte. Ich schätze, dass das Mädchen im Kindergartenalter war. Sie hat sich regelmäßig erbrochen, wenn sie etwas essen musste, was ihr nicht schmeckte, und musste, am Tisch mit den anderen Kindern, das Erbrochene essen. Als es ganz schlimm wurde, musste sie mit dem Teller aufs Klo und dort „aufessen“. Wenn es eben ging, „musste“ ich dann zur Toilette, was eigentlich während des Essens nicht erlaubt war, und konnte, wenn keine Aufsicht zu sehen war, das Essen in der Toilette entsorgen und dem Mädchen so helfen. Dabei hatte ich jedes Mal Angst, erwischt zu werden. Die darauf folgende Strafe habe ich zum Glück nicht kennengelernt. Oftmals musste die arme Kleine aber auch aufessen.
Wenn eine von uns etwas Schlimmes getan hatte, was das war kann ich nicht mehr sagen, konnte schon mal als Strafe ein ganzer Tag im Bett verordnet werden. Ob es dann etwas zu Essen und Trinken gab, kann ich nicht mehr sagen. Als ich einen Tag im Bett verbringen musste, warum auch immer, habe ich die Zeit genutzt um mir „Pipi Langstrumpf “ aus der Bücherecke im Flur zu entleihen. Das war selbstverständlich nicht erlaubt oder vorgesehen. Wir sollten doch den ganzen Tag über unsere Missetat nachdenken. Wenn die Aufsicht kam, um zu kontrollieren, ob bei mir noch alles in Ordnung war, habe ich das Buch schnell unter dem Kopfkissen versteckt und gehofft, dass ich nicht auffalle. Glück gehabt, aber ich habe während des Tages immer wieder überlegt, wie ich den Tag ohne Lesestoff überstanden hätte. Diese Strafe gab es auch für die Kleinen.
Einmal pro Woche durften wir einen Brief an die Familie schreiben. In meinem ersten Brief habe ich alles geschildert, was ich in der ersten Woche erlebt und gesehen habe. Nachdem ich den Brief vorgezeigt habe, die Briefe wurden kontrolliert, wurde dieser zerrissen und ich musste unter Aufsicht einen neuen „positiven“ Brief schreiben, der dann in die Post kam. Nach der zweiten Woche und dem zweiten Brief, bekam ich die Gelegenheit, die Briefe zum Briefkasten bringen zu dürfen. Wieso entzieht sich meiner Erinnerung. Die Kontrolle beim Schreiben wurde bei mir gelockert, weil die Schwestern den Kleinen helfen mussten und nicht überall sein konnten. Diese Lockerung habe ich dazu genutzt, zwei Briefe zu schreiben, einen für die Kontrolle und einen für den Briefkasten. Immer mit der Angst, dass der „richtige“ Brief für meine Eltern entdeckt wird, habe ich die Post zum Briefkasten gebracht und meine Briefe dann ausgetauscht. Der kontrollierte Brief landete dann zerrissen im Abfalleimer auf der Straße der richtige im Postkasten. Jedes Mal habe ich aufgeatmet, dass das Täuschungsmanöver nicht aufgefallen ist. Außerdem war ich froh, dass meine Mutter mir ausreichend Porto mitgegeben hat. Obwohl ich sicher war, dass das Verschwendung von wertvollem Porto war, wusste ich, dass meine Eltern mir diese Verschwendung nachsehen würden.
Als die 6 Wochen um waren, war das Team froh einen Erfolg verbuchen zu können, ich hatte tatsächlich etwas zugenommen.
Meine Eltern waren entsetzt, als ich endlich wieder zu Hause ankam. Sie hatten es gut gemeint und konnten nicht glauben, wie sie sich getäuscht hatten. Schlimmer war für meine Eltern noch die Tatsache, dass meine jüngere Schwester, geb. 1966, in jenem Jahr zum 2. Mal zur Kur war. Sie war im Jahr davor in 6 Wochen Hirsau und zeitgleich mit meinem Kuraufenthalt 4 Wochen auf Borkum. Da sie noch im Kindergartenalter war, hatte sie meinen Eltern von ihrem Aufenthalt und den Erlebnissen in Hirsau (1971) einige Vorkommnisse erzählt aber unsere Eltern haben ihr nicht geglaubt und alles Schilderungen auf ihre lebhafte Fantasie geschoben. Deshalb durfte sie noch ein zweites Mal zur Kur.
Den Rohentwurf für meine Schilderung ins Reine zu schreiben hat einige weitere Tage gedauert. Immer mal wieder sind die alten Erinnerungen bei mir aufgetaucht, aber auch wieder abgetaucht.
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Britta schrieb am 30.01.2021
Ich wurde heute auf den Bericht über "Kinderverschickung" auf Facebook aufmerksam. Mir war immer schon bewusst, dass ich mit knapp 6 Jahren 1969 auf Wyk auf Föhr war, da meiner Mutter durch den Hausarzt gesagt wurde, dass ich zu dünn war (heute würde man das sicher anders sehen) und er meiner Mutter für mich diese "Kur" verschrieb. Ich kann mich heute nicht daran erinnern, wie ich dorthin kam und was dort passiert ist. Irgendwie ist da ein dunkles Loch in meiner Erinnerung. Durch Erzählungen meiner Mutter weiss ich, dass in dem Kinderheim, nachdem ich 3 Wochen dort, war Mums ausbrach. Scheinbar wurden die Eltern darüber informiert, denn mein Vater hat sich bei schlechtestem Wetter von Düsseldorf aus nach Föhr aufgemacht, um mich dort abzuholen. Und komischerweise kann ich mich ab dem Zeitpunkt auch wieder daran erinnern, dass ich zusammen mit meinem Vater in einem ganz dunklem großem Zimmer bei der Heimleitung gesessen habe (keine Ahnung, ob es wirklich so groß und dunkel war) und von der Heimleiterin einen klitzekleinen Seehund mit Echtfell geschenkt bekommen habe, den ich wie einen Schatz jahrelang gehütet habe. Ich kann mich auch ganz genau daran erinnern, dass ich mit meinem Vater bei übelstem Wellengang nach Dagebüll übergesetzt bin und dort mit ihm in einem kleinen Hotel übernachtet habe und am nächsten Tag weiter nach Düsseldorf nach Hause gefahren bin. Dort angekommen bin ich mit meinem 6 Jahren meiner Mutter wochenlang wie ein Hündchen hinterher gelaufen, das weiss ich auch noch und habe um ihr zu gefallen Dinge gegessen, die ich vor der "Kur" nie gegessen hätte.
Es kann nur so sein, dass dort furchtbare Dinge passiert sind, ansonsten kann ich mir nicht erklären, dass mir so gar keine Erinnerung an diesen Aufenthalt geblieben sind.
Meine Mutter, der ich heute einige Artikel über die sogenannten Verschickungsheime geschickt habe, schien völlig ahnungslos und meinte nur: du sahst damals aber gut erholt aus.
Ich frage mich heute natürlich, hat sie damals schon die Augen davor verschlossen und tut es heute noch? So richtig reden über diese Zeit wollte sie heute auch nicht wirklich mit mir und meinte nur, als ich sagte, ich habe gar keine Erinnerung daran, dass man sich ja eh nicht daran erinnern kann, was man mit 6 Jahren erlebt hat. Das wage ich stark zu bezweifeln, da ich mich ja ab dem Zeitpunkt an alles erinnern kann, als mein Vater mich dort abholte.
Vielleicht habe ich aber auch Glück, dass mich scheinbar ein Schutzmechanismus die letzten 50 Jahre vor den Erinnerungen geschützt haben.
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Klaus aus Pforzheim (heute HH) schrieb am 30.01.2021
Mich hat es 1964/65 mit 2-3 Jahren "erwischt", da durfte ich zur "Kur" nach Friedenweiler. Dort war ich, soweit ich weiß, fast 3 Monate.
Ich kann mich natürlich nur sehr brüchstückhaft erinnern:
Nachts ins Bett gemacht, dafür Ohrfeigen von diesen "Schwestern" und eine (ich glaube kalte) Dusche. Dazu Beschimpfungen, dass man aufhören solle zu heulen...
Essen war scheußlich, wurde aber aufgegessen, egal, wie lange es dauerte.
Nicht "brav" gewesen oder (zum Mittagsschlaf) nicht im Bett geblieben: Mit Geschirr im Bett fixiert. Ganz übel !
Nikolauspaket von den Eltern wurde unterschlagen. Stattdessen gabs einen alten, runzligen Apfel incl. maximaler Enttäuschung.
Sich mit 3 Jahren völlig von den Eltern verlassen und ausgeliefert zu fühlen war die eigentliche Katastrophe.

Eine große Erleichterung, dass das Thema hier nun einen Namen und ein Forum findet !
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Matthias aus Köln schrieb am 29.01.2021
Hallo,

ich war im November/Dezember 1965 im Alter von 9 Jahren in diesem Kinderheim Bergsonne in Garmisch-Partenkirchen. Ich erinnere mich noch gut an das fürchterliche Essen. Ich habe heute noch den Geruch von totgekochten und angebrannten Kartoffeln in der Nase und sehe immer noch meinen Suppenteller vor mir, der bis an den Rand mit mehligen, kalten ekelhaft riechenden Erbsen und der dazugehörigen Soße gefüllt war. Als Nachtisch gab es fast ausschließlich Vanille-Pudding mit einer ekelhaft, dicken Haut. Wir mussten selbstverständlich immer alles aufessen. Manche Kinder erbrachen das Essen, und mußten entweder ihr Erbrochenes mit einem ekelhaften Putzlappen und kaltem Wasser wegwischen, oder wenn sie in den Teller erbrachen, mussten sie ihr erbrochenes essen. Weigerten sie sich, mussten sie mehrere Stunden am Platz sitzen bleiben. Eine gütige und freundliche Küchenkraft nahm irgendwann den Teller weg und sagte: „Wir verraten nichts, Du hast alles aufgegessen......geh jetzt“. Jeden Morgen wurden wir auf die Waage gestellt und der unfreundliche Arzt horchte unsere Lungen ab. Wir mussten immer tief ein- und ausatmen. Das oberste Ziel dieser Kur war, dass wir alle zunehmen mussten, nur dicke Kinder sind gesunde Kinder.......Ich verliebte mich bei diesen Untersuchungen in eines der Mädchen und kasperte ein wenig herum, indem ich sie anlächelte und das Einatmen nachahmte. Sie lächelte zurück, dass war ein wunderschöner Moment in dieser Hölle. Eine „Tante“ sah mich beim Kaspern, ergriff meinen Arm, drückte fest zu und zog mich in ein anderes Zimmer. Ich weiss nicht mehr, was sie sagte, ich weiss nur noch, dass ich bitter enttäuscht und verzweifelt war, weil ich mich völlig unschuldig wähnte.

Wir schliefen getrennt von den Mädchen, dafür mit Jungs, die sicherlich 14 oder 15 oder noch älter waren. Wenn die „Tanten“ das Licht löschten und in ihre Zimmer gingen (sie tranken dort meist Sekt, ich hatte sie einmal beobachtet...) begann das Martyrium im Schlafsaal. Die großen Jungs zogen den Kleinen die Bettdecken über den Kopf, zogen ihnen die Pyjama-Hosen herunter und egötzten sich daran. Manche befriedigten sich dabei. Ich sah die Jungs auf mein Bett zukommen und rutsche in Windeseile unter mein Bett in den Staub. Sie verschonten mich.....hatten am anderen Abend andere verrückte Ideen. Wir Kinder konnten immer erst spät einschlafen, weil die Großen immer irgend etwas anstellten.

Am 6. Dezember hatte sich dann der Nikolaus angekündigt, er kam mit Knecht Ruprecht (oder wie wir in Köln sagen...Hans Muff), schimpfte laut und versetzte uns in Angst und Schrecken. Viele Kinder weinten und hatten Angst. Der Knecht Ruprecht wollte dann auch noch ein Mädchen in den Sack stecken, sie schrie so, dass er davon abließ. Also der Nikolaustag war auch eher eine Horrorshow, zumindest habe ich das so in Erinnerung.

Dann erkrankte ich (mal wieder eine Angina - Das war der Grund, warum ich hier war...) wurde ins Bett gesteckt und in dem relativ großen Schlafsaal alleine gelassen. Alle verließen das Haus zum täglichen Spaziergang durch die Winterwelt, ich lag mutterwindallein in diesem Haus und weinte laut. Ich weiss noch, dass ich immer wieder rief „Ich will nach Hause....Mutti hol mich ab“. Eine Tante hatte mir ein Buch ans Bett gelegt und gesagt, ich könne ja ein bischen lesen. Das tat ich, und tauchte im wahrsten Sinne des Wortes mit Hans Hass in die Ozeane der Welt. Hans Heinrich Julius Hass war ein österreichischer Zoologe und Meeresforscher, der vor allem durch seine Dokumentarfilme über Haie und seinen Einsatz für den Umweltschutz bekannt wurde. Ich verschlang die Geschichten über Haie und das Tauchen und vergaß für eine Weile mein Heimweh. (Anmerkung...Oh......ich hoffe, ich langweile Euch nicht, es sprudelt gerade einfach aus mir heraus). Komischerweise kann ich mich überhaupt nicht daran erinnern, wie und was wir spielten, wo wir uns den ganzen Tag aufhielten, wie wir unsere Zeit verbrachten. Es kann ja nichts spektakuläres gewesen sein. Ach ja, wir fuhren ein Mal ins Schwimmbad, durften ein wenig plantschen und durften uns nur am Beckenrand aufhalten. Die Tanten standen am Beckenrand und unterhielten sich angeregt. Wäre ein Kind ertrunken, sie hätten es nicht gemerkt.

Eigentlich weinte ich jede Nacht, ich tat es leise, damit mich niemand auslachte und die Tanten es nicht mitbekamen. Ich hatte Angst, dass sie schimpfen.

Wir mussten jede Woche eine Postkarte nach Hause schicken. Beim ersten Mal schrieb ich: Bitte holt mich ab, ich will nicht hier sein, ich will nach Hause, bitte (oder so ähnlich). Die Tanten schauten uns beim Schreiben über die Schulter, und diktierten uns den Text. Meine Postkarte wurde zerrissen, ich musst dann schreiben: Es geht mir gut, hier ist es schön...etc..

Diese vier Wochen haben Spuren hinterlassen. Trennungsängste, Albträume und Schreckhaftigkeit. Ich komme damit sehr gut zurecht und fühle mich nicht sonderlich eingeschränkt, trotzdem ist da etwas in mir kaputt gegangen. Vor 2 Jahren erlitt ich eine mittelschwere Depression und Panikattacken. Habe das Gott sei dank gut im Griff, auch dank meiner ganz hervorragenden Psychotherapeutin. Wir sind noch nicht so richtig dazu gekommen, diese meine Erlebnisse aufzuarbeiten, aber das wird ein wichtiger Punkt meiner Therapie sein.

Ich wünsche allen, die noch viel schlimmere, teils traumatische Erlebnisse hatten viel Kraft und Zuversicht.
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Andrea Th. aus Leipzig schrieb am 29.01.2021
Ich wurde aufgrund meiner Haltungsschwäche und wegen Untergewicht nach Bad Elster geschickt - 8 Wochen sollte ich bleiben. Es war eine Katastrophe. Es waren Diakonissinnen, die uns betreuten. Es gab Esszwang, es gab Psychoterror, ich habe oft nicht gegessen, musste dafür zur Strafe auf der hölzernen Bank in der Küche schlafen, man nahm einem das Spielzeug weg, Schlafsaal mit 20 Kindern war auch furchtbar, die Größeren quälten die Kleinen, das habe ich niemals vergessen können und wohl auch nie wirklich verarbeitet. Es war einfach die Hölle für mich. Nach 6 Wochen holte mich meine Mutter ab, ich lag mal wieder auf der Küchenbank. Sie war sehr erschrocken über meinen Gesamtzustand, ich hatte abgenommen und war psychisch total durch den Wind. Als der Arzt dann sagte, dass ich noch einmal zur Kur müsste, hat meine Mutter das zum Glück verhindert.
Ich bin froh, dass es eine Stelle gibt, an der ich das mal loswerden kann, sowas sollte niemand erleben müssen. Schon gar nicht ein Kind.
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Dieter Hermanns aus Aachen schrieb am 29.01.2021
Ich bin durch Spiegel Online auf Sie aufmerksam geworden und möchte kurz von meinen eigenen Erfahrungen berichten:
Nach der Scheidung meiner Eltern 1963, als ich mit 5 Jahren von meinem Vater und meinem älteren Bruder getrennt worden war, ergab die damals übliche Vorschuluntersuchung, dass ich 6 Pfund Untergewicht hatte. Deswegen wurde eine 6-wöchigeVerschickung (ich sage zum Mästen) in den Schwarzwald veranlasst. Ich hatte Angst davor und habe meine Mutter immer wieder gefragt, wie viele Möhren ich noch essen muss, damit ich nicht weg muss.
Ein Erlebnis dort war das Osteressen. Nach dem ohnehin opulenten Mahl sollten wir Kinder noch einen Schokoladen-Osterhasen XL in uns hineinstopfen. Als ein Kind sich übergeben musste, wurde es gezwungen, das Erbrochene vom Teller wieder aufzuessen.
Nach jedem Mittagessen mussten wir ins Bett, müde oder nicht. Aus Angst vor Bestrafung habe ich mich immer schlafend gestellt, wenn die Aufpasserin in der Nähe war. Weil mir die Fingernägel nicht geschnitten wurden, begann ich dort, die Fingernägel abzuknabbern, was ich bis in meine Zwanziger nicht aufgeben konnte und dessen ich mich immer geschämt habe.
Am schlimmsten fand ich im nachhinein, dass mir keiner der Erwachsenen, auch meine Mutter nicht,
die Geschichte mit dem Erbrochenen geglaubt hat.
Erst viel später, als ich schon über 50 war, habe ich in einem Arbeitskollegen und einem weiteren Freund, beide 2 Jahre jünger als ich,
2 Leidensgenossen gefunden, die unabhängig voneinander über ähnliche Erfahrungen berichteten, beide im Schwarzwald. Ich war seitdem nie wieder dort, auch wenn ich bei einem Ausflug auf den Feldberg den damals höchsten Schnee meines Lebens gesehen habe.
Ach ja, in den 6 Wochen habe ich 3 Pfund zugenommen, das hat dann für die Einschulung gereicht.
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Elmar Ritzenhoff aus Wuppertal schrieb am 29.01.2021
Die ARD-Reportage hat mich derart aufgewühlt, so dass ich mir doch jetzt einmal meine Erfahrungen mit dem Kinderkurheim Quisisana in St.-Peter-Ording von der Seele schreiben muss.

Als achtjähriges Kind hatte ich oft fiebrige Infekte mit Temperaturen von 39 Grad. Daraufhin wurde auf Anraten des Arztes eine Kinderkur empfohlen. Die Kur sollte vom November 1971 für fünf Wochen im Heim Qusisana in St.-Peter-Ording erfolgen.

Da mein Vater privat versichert war, wurde ich nicht in einem Kindertransport, sondern von meiner Mutter dort hin gebracht. Am späten Nachmittag kamen wir in St.-Peter-Ording an und ich wurde im Heim "abgegeben". Meine Mutter übernachtete in einem Hotel nebenan und wollte mich am nächsten Morgen noch einmal sehen. Aber das wurde sofort von der Betreuerin "Tante Herta" abgeblockt.

Die Erinnerungen an diese Zeit verfolgen mich bis heute. Es gab einen Schlafsaal mit ca. 30 Betten für die Jungen. Gespräche untereinander, Weinen aus Heimweh, Toilettengänge etc. waren streng verboten. Es hatte nachts absolute Ruhe zu herrschen. Die Mädchen hatten ihren eigenen Schlafsaal und über die ganzen Wochen gab es keinen Kontakt der Gruppen. Allenfalls sah man sich beim Gang in die unterschiedlichen Speisesäle. Ansonsten herrschte absolutes Kontaktverbot.

Einmal in der Woche wurde geduscht und zwar in einem Raum, in dem 10 Duschen an der Decke des Raumes angebracht, unter denen sich mindestens 15 unbekleidete Jungen zusammendrängten. Und alles unter Aufsicht von "Tante Herta". Ich empfand das als sehr entwürdigend.

Das Essen war mehr oder weniger immer dasselbe. Ich erinnere mich besonders an eine Obstsuppe (mehr oder weniger sirupmäßig), die es nahezu jeden Abend gab. Frisches Obst gab es über die ganzen Wochen nicht.

In diese Zeit fiel auch mein 9. Geburtstag. Meine Eltern hatten mir ein Paket mit Geburtstagsgeschenken geschickt, das ich geöffnet erhielt. Mit den Worten "Selber essen macht fett!" (ich hasse seitdem diesen Satz...) wurden sofort sämtliche Süßigkeiten konfisziert. Ich habe nie etwas davon wiedergesehen. Es blieben mir somit nur zwei Kartenquartette und ein Buch übrig.

Korrespondenz mit zu Hause wurde strengstens kontrolliert. Es hatte alles wunderschön zu sein. Kritische Anmerkungen hatten die Folge, dass der Brief zerrissen und neu geschrieben werden musste. Wenn meine Eltern im Heim angerufen haben, um mit mir ein paar kurze Sätze zu sprechen, wurden sie mit dem Hinweis abgewiesen, es ginge mir sehr gut. Und das war's dann auch.

Zu Beginn des Dezembers wurde ein Adventskalender im Speisesaal aufgehangen. Eine runde Pappplatte, an der pro Tag ein einziges Bonbon befestigt war. Das "liebste" Kind (natürlich ausgewählt von "Tante Herta") durfte sich das dann nehmen. Bedeutete also, dass jeden Abend regelmäßig ca. 29 Kinder enttäuscht waren.

Nach fünf langen Wochen war dieses Martyrium dann endlich zu Ende und meine Mutter holte mich wieder ab. Es war ein solcher Glücksmoment, dass ich bis zum heutigen Tag noch genau weiß, dass es morgens um 07.30 Uhr war und welche Kleidung sie getragen hat. Zu Hause haben mich meine Eltern nicht mehr wiederkannt. Vor der Kur war ich ein fröhlicher Junge, der gern gespielt und vor allem erzählt hat. Jetzt war ich total ruhig, schüchtern und verängstigt. Anfangs habe ich meine Eltern wegen allem um Erlaubnis gefragt, zum Beispiel, ob ich zur Toilette dürfe etc. Es hat lange gedauert, bis ich wieder "normal" wurde.

Es waren die schlimmsten fünf Wochen meines Lebens und sie wirken bis heute noch nach. Ich habe St.-Peter-Ording nie wieder gesehen und will es auch nicht, obwohl es dieses Kinderheim schon lange nicht mehr gibt. Es ist schon traurig, wenn man sich ein neunjähriges Kind schon selbst schwört, seine eigenen Kinder nie in eine Kur zu schicken (ich habe es aufgrund meiner eigenen Erfahrungen auch nie in Erwägung gezogen). Aber das war nur die Folge der schlimmen Zeit, in der viele Kinderseelen für ihr ganzes Leben geschädigt wurden.
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Tomas Kurth aus Stuttgart schrieb am 28.01.2021
Hallo zusammen!
Ich will es kurz machen:
Nachdem mein Vater unter tragischen Umständen zu Tode kam wurde ich in die Grundschule geschickt. Mein Klassenlehrer war entnazifiziert, aber uns schlagen durfte er damals noch.
Dann kam meine alleinerziehende Mutter auf die glorreiche Idee mich sechs Wochen an die See zu schicken.
Das war dann das nächste Trauma!
Die meiste Zeit dämmerte ich auf der Krankenstation, denn ich bekam alle Kinderkrankheiten auf einmal. Die restliche Zeit waren ebenfalls die Hölle.
Ich durfte nicht auf die Toilette, wenn ich abends musste, für´s Bettnässen wurde ich bestraft.
Bis heute kann ich verschiedene Dinge nicht esesn, weil ich zum essen gezwungen wurde. Es waren alles in allem sechs Wochen die blanke Hölle für mich.
Vor ein paar Jahren lief ich auf SYLT an einem ehemaligen NSDAP Heim vorbei, da kam das Grauen wieder in mir hoch!
Was für ein Scheiss!

freundliche Grüße und danke für diese Initiative!
Tomas Kurth
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dietmar pyko aus münchen schrieb am 28.01.2021
Spiegel.de 27.01.2021, »Ich hatte Todesangst. Dann verlor ich das Bewusstsein«

Was wir wohl alle mehrheitlich erlebt haben: Empathielosigkeit gepaart mit menschlicher Kälte, Demütigungen, punktuellem Sadismus ... Briefzensur. Ein Klima der Angst und des Verlorenseins. Und nach der Rückkehr: Ungläubigkeit der Eltern gegenüber den Schilderungen des Erlebten.

Mit 6 Jahren wurde ich alleine in Frankfurt am Main in den Zug auf meine Reise zur 6 –wöchigen „Erholung“ nach Borkum gesetzt. Ich erinnere überdeutlich die vielen Ermahnungen zum richtigen Verhalten und Benehmen, die mir meine Elternschaft noch haben angedeihen lassen. Darunter auch so schöne Sachen wie: Man spricht nicht von „zur Toilette gehen zu müssen“ oder gar nur „ich muss mal pinkeln“ Nein! Es heißt „austreten“. Solchermaßen kernig ausgestattet; die Klamotten natürlich komplett mit Namenschriftzügen versehen, einer mit einer Sicherheitsnadel an der Jacke befestigten filzenen, orangefarbenen Kokarde ging´s also los. Der Rest ist Geschichte. Doch nicht ganz.

Beim Durchlesen der vielen Schilderungen der Erlebnisse in diesem Forum ist mir aufgefallen, dass nur verschwindend wenige von Denunziation oder gar von ritualisierter Denunziation seitens des Heimpersonals berichten.

Ich erinnere ein bereits etabliertes Denunziationsystem, das wie folgt ablief:

1. Alle waren aufgefordert Regelverstöße zu melden
2. Für das Melden von Verstößen gab es eine Belohnung
3. Die Meldungen hatten (ausschließlich) im Speiseraum direkt vor dem Beginn des gemeinsamen Abendbrots zu erfolgen
4. Hatte ein Kind etwas zu „melden“ so musste dieses Kind vom Stuhl aufstehen und die Meldung mit dem Worten beginnen: „Ich habe etwas zu melden“
5. Das Kind durfte sich dann als „Belohnung“ direkt danach aus einer dafür bereitstehenden Schale ein Bonbon nehmen.

Ich halte diesen Teil der Unterdrückung für besonders wichtig, macht er doch die Kinder zu einem Teil des Systems der Unterdrückung. Neben allen sonstigen Erniedrigungen und Misshandlungen usw. ist dies für mich das Übelste, da sich hier nicht nur ein Individuum gegen ein anders „stellt“, sondern ein System gegen ein Individuum „stellt“.

Ich glaube, dies stark zu erinnern, aber eben auch: ich-bin-mir-nicht-wirklich-sicher, ob ich dbezgl. meinen Erinnerungen wirklich trauen kann.

Also wenn Ihr gleiche oder ähnliche Erinnerungen/ Erfahrungen habt – natürlich auch aus anderen Einrichtungen - wäre ich sehr interessiert daran, davon zu lesen.

Beste Grüße aus München

Ich glaube, dies stark zu erinnern, aber eben auch: ich-bin-mir-nicht-wirklich-sicher, ob ich dbezgl. meinen Erinnerungen wirklich trauen kann.

Also wenn Ihr gleiche oder ähnliche Erinnerungen habt – natürlich auch aus anderen Einrichtungen - wäre ich sehr interessiert daran, davon zu lesen.

Beste Grüße aus München
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Schütze, geb. Bott aus Berlin schrieb am 28.01.2021
In guter Absicht meiner Eltern, bin ich als 5 Jährige nach Storzeln in ein Kinderverschickungsheim verschickt worden. Meine Erinnerungen sind zum Glück sehr begrenzt, haben mich aber ein Leben lang sehr nachhaltig begleitet. Ich sehe mich beim Abschied von meiner Mutter weinend im Reisebus sitzend, ich konnte es gar nicht fassen, weshalb ich weg sollte. Im Heim erinnere ich mich an einen riesigen Schlafsaal, mein Bett stand ganz hinten an der Heizung und vor Heimweh habe ich mehrmals eingenäßt. Das Bett musste ich selbst neu beziehen. Die schlimmste Erinnerung habe ich an Milchnudeln. Ich musste mich erbrechen, einmal direkt in den Teller und einmal in der Toilette. Diese musste ich komplett, mit Wänden säubern, den Teller sollte ich weiter aufessen. Ich glaube ich konnte mich dem Widersetzen, aber ich trinke bis heute keine Milch und habe mit 11 Jahren zum ersten Mal Käse probiert. Die schöne Erinnerung ist eine hinter dem Haus gelegene Wiese, die mit gelben Schlüsselblumen übersäat war. Meine Mutter machte sich Jahre lang Vorwürfe, dass sie mir dies angetan hatte. Aber wenigstens glaubte sie mir und ich denke das hat meiner Seele gut getan. Bis heute trinke ich keine Milch und hasse Abschiede.
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Helga Wiesmann aus Saarbrücken schrieb am 28.01.2021
Ich war als Kind sehr dünn und hatte chronischen Husten in der Nacht und sollte in eine Kur um Gewicht zu gewinnen. So kam ich nach Spiekerog in ein Heim, es müssen 4 oder 6 Wochen gewesen sein. Eine Zeit, in der ich mich verlassen fühlte, einsam und alleine. Ich hatte so gut wie keinen Kontakt zu den anderen Kindern. Zumindest erinnere ich das nicht. Ich musste essen, vor allem Schmalz. Ich ekelte mich davor. Wir mussten nach dem Essen das Geschirr über den Hof in die Küche tragen und ich erinnere mich daran, auf dem Hof in das Geschirr erbrochen zu haben. Ich glaube, ich musste noch mehr essen. Meine Mutter schrieb mir mal eine Karte und auch einen Brief und schickte ein Päckchen, das mir nicht ausgehändigt wurde. Ich bekam von dem Päckchen eine Tafel Schokolade, das war's. Ich wurde auch nicht gefragt, mit wem ich das Päckchen gerne teilen würde, es wurde einfach verteilt. Ich war unendlich traurig. Mit dem Brief im Bett weinte ich weil ich fürchterliches Heimweh hatte. Ob ich zurückschreiben durfte, das weiss ich nicht mehr. Wir schliefen in einem großen Saal, wir mussten still sein und wurden bewacht. Wenn jemand weinte, dann wurde sie ausgeschimpft.
Ich hatte Angst, Heimweh und fand mich nicht zurecht. Dass ich essen musste - und vor allem Dinge, vor denen ich mich ekelte - hat dazu geführt, dass ich bei der Heimkehr dünner als vorher war.

Das Heim in Freudenstadt ist mir weniger in Erinnerung. Es war wohl nicht so schlimm wie auf Spiekerog. Oder noch schlimmer, sodass ich keinen Zugriff darauf habe.
Auf jeden Fall erinnere ich mich daran, dass ich einen Traum hatte, der sich wiederholte - ich mag so 8 oder 9 Jahre alt gewesen sein. Da brannte das Kinderheim. Ich war froh darüber. Dafür hatte ich ein schlechtes Gewissen.
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Elisabeth Sch. aus Marl schrieb am 28.01.2021
Da ich nach einer Tuberkuloseerkrankung viel zu dünn war, empfahl das Gesundheitsamt eine 6-wöchige Kur in Bad Sachsa. Es wurden die schrecklichsten 6 Wochen meiner Kindheit. Militärischer Ton bei der Ankunft, alle Sachen wurden abgenommen, auch die mitgebrachten Süßigkeiten. Ich kam in ein Zimmer mit sechs oder acht Mädchen, das hinten links am Ende eines langen Flures lag. Gegenüber auf der rechten Seite schliefen etwa gleichaltrige Jungen. Die Türen zum Flur blieben auch nachts auf, und zwischen ihnen saß unter einem Fenster eine Aufsicht, die aufpasste, dass wir nicht redeten oder gar aufstanden. Dabei aß sie unsere mitgebrachten Süßigkeiten auf. Gewaschen mit kaltem Wasser haben wir uns an einem Waschbecken im Zimmer.
Samstags, einmal wöchentlich, ging es zum Duschen in den Keller. Da herrschte militärischer Drill. Ich erinnere mich, dass im kalten Duschraum acht oder zehn Duschen nebeneinander ohne Abtrennung oder Vorhang angebracht waren. Zu ihm führe ein ungeheizter Vorraum mit zwei Türen. Hier musste immer eine abgezählte Gruppe sich ausziehen und warten, bis links die bereits Geduschten herauskamen. Mit der Seife und dem Waschlappen (man durfte sich nicht selbst zwischen den Beinen berühren) in der Hand ging es rechts in den Duschraum. Dann hieß es "Wasser an", man machte sich nass, "Wasser ausdrehen und einseifen", anschließend "abspülen, aber zackzack" und "Wasser aus". Dann verließen wir den Duschraum im Gänsemarsch. Wenn man nicht schnell genug war und heißes Wasser "verschwendete", wurde man zur Strafe noch mit kaltem Wasser aus einem Schlauch abgespritzt.
Unsere Kleidung, die zu Hause mit dem jeweiligen Namen versehen war, befand sich in einem riesigen großen Schrank im Flur und wurde uns zugeteilt. Als ich am zweiten Tag darauf aufmerksam machte, dass ein anderes Mädchen mein Sonntagskleid trug, wurde ich angeschrien, dass ich den Mund halten sollte. Damit war ich sofort als Störenfried gebrandmarkt.
Besonders schlimm war für mich Sechsjährige der zweistündige Mittagsschlaf. Man wurde vorher zur Toilette geschickt, die sich auf dem Flur befand, und dann musste man still im Bett liegen und sollte schlafen. Konnte ich aber nicht. Man durfte nicht sprechen oder sich anderweitig bemerkbar machen. Als ich leise die Aufsicht im Flur fragte, ob ich zur Toilette gehen könne, hieß es "du warst ja vorhin". Sie verbot es mit drastischen Worten und beschimpfte mich, dass ich die anderen Kinder im Schlaf störe, und als Folge machte ich ins Bett. Da ging es dann erst richtige los: ich wurde wieder - diesmal lautstark, so dass auch die Jungen gegenüber alles hören konnten - beschimpft. Dann wurde die Heimleiterin dazu geholt. Das war eine Frau in einem schwarzen Kleid, die nie lächelte, sondern uns mit kalten Augen musterte und mich ebenfalls anbrüllte. Dann befahl sie mir, mein Bett abzuziehen. Anschließend stand sie neben mir am Abgang zum Treppenhaus, und ich musste mein nasses Bettlaken vor mich halten. Nach dem Mittagsschlaf mussten alle Kinder an mir vorbei und wurden informiert, dass sowas nur böse Kinder wie ich machen. Ich hab misch schrecklich geschämt und geweint.
Die Folge dieser Prozedur war, dass ich vor allem abends weniger als die anderen zu trinken bekam und auch selbst wenig trank und fast immer Durst hatte. Das half oft trotzdem nichts: sobald ich im Bett lag, hatte ich Harndrang, durfte nicht zur Toilette und machte ins Bett. Ich hatte wohl einen Knacks weg und fürchtete mich vor dem Beschimpftwerden und Am-Pranger-Stehen am Trappenabgang, vor dem nächsten Tag, vor dem nächsten Essen, eigentlich vor allem. Ich weinte sehr oft (leise, damit die Aufsicht nichts merkte und wieder schimpfte) und hatte fürchterliches Heimweh. Wenn ich ganz verzweifelt war, gab mir eine Mitbewohnerin manchmal etwas Zahnpasta ab. Ihr Vater war Zahnarzt, und die Zahnpasta war rosa und schmeckte himmlisch nach Erdbeeren.

Wir aßen alle zusammen in einem großen Speisesaal und durften beim Essen nicht reden. Das wurde vor allem von der Heimleiterin kontrolliert, die unverhofft auf leisen Sohlen irgendwo im Haus auftauchte und immer - von zwei aus einer damaligen Sicht riesengroßen - Schäferhunden begleitet wurde, vor denen nicht nur ich große Angst hatte.
Ob es mein Kummer war oder ob es wirklich schlechtes Essen gab, weiß ich nicht. Aber schon den grauen Haferschleim, den man in langen Fäden wie heute Schmelzkäse auf der Pizza langziehen konnte, und den wir zum Frühstück bekamen, mochte ich nicht. Vor lauter Angst habe ich ihn immer runtergewürgt. Das Mittagessen war besonders schlimm. Es gab sehr oft Kohl, der schon immer so merkwürdig roch. Aber am Schlimmsten war Rote Beete, die es gefühlt jeden zweiten Tag gab. Die konnte ich einfach nicht essen. Aber es half nichts. Alle Kinder verließen den Speisesaal, und ich musste siteznbleiben und "den Teller leeressen", wie es hieß. Zwischendurch wurde kontrolliert, ich wurde angeschrien und beschimpft und musste weiter vor dem Teller mit dem inzwischen kalten Essen sitzen. Nach einiger Zeit kam die Heimleiterin persönlich vorbei, und ihr war natürlich schon klar, dass dieses widerspenstige Kind nur die Bettnässerin sein konnte. Das sagte sie auch und meinte, dass ich eigentlich eine Tracht Prügel brauchte. Damit ich gefügig wurde, ließ sie einen der großen Hunde zur Bewachung zurück, der mich starr ansah und knurrte, wenn ich mich nur ein bißchen bewegte. Ich hatte schreckliche Angst und verschlang das schreckliche Zeug. Aber das war ein Fehler, denn jetzt wusste man, wie man mich zum Essen brachte und wiederholte dieses Verfahren. Dass ich mich anschließend auf der Toilette übergab, merkte man zunächst nicht.
Und dann kam der schlimmste Tag. Wieder Rote Beete, die ich einfach nicht runterbekam und mich auf dem Teller erbrach. Diese Ungeheuerlichkeit brachte dann mehrere Bechäftigte auf die Beine. Unter Aufsicht der Heimleiterin - mit den Hunden - drückten zwei Frauen rechts und links unterhalb der Ohren auf meinen Kiefer, der Mund ging gegen meinen Willen auf und eine weitere Beschäftigte schaufelte das kalte Essen mit meinem Erbrochenen in meinen Mund, ich erbrach wieder, wieder kam es in meinen Mund, wieder und wieder, bis der Teller leer war. Es half kein Weinen und Flehen, und ich hatte Angst zu ersticken. Zur Strafe musste ich anschließend gleich ins Bett, während die anderen Kinder draußen spielten. Ich war sehr sehr unglücklich und wollte einfach nur nach Hause.
Aber am nächsten Tag gab es den nächsten Schrecken: wir wurden gewogen, und ich hatte nicht nur nicht zugenommen sondern sogar abgenommen. Schon wieder ich! Das Elend nahm kein Ende, und natürlich musste ich auch wieder bestraft werden. Während wir im Keller unsere Schuhe putzten, wurde immer die Post verteilt. Mir wurde als Strafe gesagt, dass ich einen Brief von meinen Eltern bekommen habe, den man mir aber nicht geben und vorlesen würde, da bösartige Kinder wie ich eben keine Post bekommen. Was hab ich da geweint! Als eine ganz junge Betreuerin, die neu in dem Haus war, mich mit Worten zu trösten versuchte, bekam dies die Heimleiterin mit und stellte sie sofort zur Rede. Ungezogene und verstockte Kinder wie ich müssten mit Härte behandelt werden. Danach gab es für mich von den Erwachsenen in diesem Haus kein gutes Wort mehr.
Ich fühlte mich ungerecht behandelt, hilflos, verlassen, und der Willkür ausgeliefert. Dieses Gefühl kann ich nicht genauer beschreiben aber heute noch fühlen. Genauso wie das Glückgefühl, als ich endlich abgemagert wieder zu Hause war und meinen Eltern alles erzählen konnte. Sie waren zwar entsetzt, haben aber nichts unternommen - sie hatten ja keine Beweise und nur meinen Bericht - aber sie versprachen mir, dass ich nie wieder von ihnen weg müsste. Dies Versprechen haben sie auch gehalten. Ins Bett habe ich nie mehr gemacht - aber auch heute noch suche ich an allen Orten, an denen ich bin, erstmal ob und wo es Toiletten gibt.
Vor vielleicht fünfzehn Jahren sah ich spät abends im Fernsehen einen Bericht über SS-Kinderheime. Da erkannte ich das Haus in Bad Sachsa wieder und bin mir ziemlich sicher, dass die damalige Heimleiterin schon währen der NS-Zeit dies Heim geleitet und die Nazi-Regeln der "richtigen" Kindererziehung auch bei mir angewandt hat.
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Dirk Cremer aus Neustadt in Holstein schrieb am 28.01.2021
Dies ist das erste mal, dass ich öffentlich über meine Verschickung etwas aufschreibe. Ich bin gespannt, wie sich das anfühlt, wenn ich damit fertig bin.

Ich war gerade 8 Jahre alt, als ich über die BEK im Sommer 1965 in ein Kinderheim in der Nähe von St. Goarshausen verschickt wurde. Als abenteuerlustiger kleiner Mann freute ich mich auf die Bahnreise und die Erwartung auf 6 schöne Ferienwochen zusammen mit vielen anderen Kindern, die hoffentlich meine Freunde werden würden.

Doch es sollte ganz anderes kommen. Gerade angekommen in dem Anwesen mitten im Wald, wurden wir alle sofort enteignet: Geld, Uhren und sonstige Gegenstände wurden konfisziert. Dennoch schafften es einige von uns, ein wenig Privatbesitz vor den "Tanten" zu verstecken. Man hatte sehr schnell das Gefühl in einem Gefangenenlager gelandet zu sein, es herrschte ein sehr strenges Regime. Auch kleinere Verfehlungen wurden bestraft, sei es mit Schimpfen, Schlägen oder Einzelhaft.

In meiner Stube war ich der älteste, die anderen Kinder, die sich sehr fürchteten, waren zwischen 5 und 7 Jahre. Also versuchte ich, als Ältester sie so weit wie möglich zu trösten und auch zu beschützen, was allerdings nur sehr eingeschränkt gelang. Aber immerhin hielten wir Kinder zusammen, was uns allen ein wenig halt gab. Der Jüngste weinte vor Heimweh sehr viel und machte regelmäßig ins Bett, da es verboten war, in der Nacht aufzustehen, um zur Toilette zu gehen. Wer es dennoch tat, wurde bestraft. Der Kleine musste zur Strafe in seinem vollgepinkelten Bett liegen bleiben und versuchte auf einer trockenen Stelle weiterzuschlafen.

Wenn Pakete von den Eltern kamen, wurden die sofort beschlagnahmt. Einmal in der Woche wurden die enthaltenen Leckereien an alle Kinder verteilt. Dann bekamen wir auch ein wenig von unserem Geld zurück, um uns im Haus noch etwas kaufen zu können.

Aufessen war oberste Pflicht, egal wie scheußlich es schmeckte. Wir sollten ja zunehmen. Wer seinen Teller nicht leer aß, durfte nicht vom Tisch aufstehen. Auch wenn jemand sich übergab, musste er weiteressen.

Wir mussten auch nach Hause schreiben. Darin musste stehen, das alles ganz toll sei. Negatives wurde zensiert und unleserlich gemacht.

Die ganze Situation dort kam mir wie ein Albtraum vor, etwas Ähnliches hatte ich noch nie erlebt. Es war für mich nicht vorstellbar, dass es real war, denn ich hatte doch so ein schönes, liebevolles Zuhause.

Da es für uns immer unerträglicher wurde, schmiedete ich mit meinen Freunden einen Fluchtplan. Wir wollten ausbrechen und Hilfe holen. In der Nähe war eine Fabrik oder sowas ähnliches, die wir auf unseren Waldspaziergängen gesehen hatten und dort wollten wir hin, um unsere Eltern anzurufen.

Als die anderen dann doch der Mut verließ - sie waren einfach noch zu jung - beschlossen wir, dass ich alleine bessere Chancen hätte durchzukommen und sie gaben mir ihre paar Mark, die sie als eiserne Reserve behalten hatten, damit ich telefonieren könnte. Während der Spielzeit nachmittags im Garten waren wir für 2 Std. weitestgehend unbeobachtet, hatte ich herausgefunden. Und dieses Zeitfenster wollte ich nutzen. In einem toten Winkel des Gartens kletterte ich über den Zaun und kam tatsächlich bei der Firma an. Dort bat ich zu telefonieren. Man war sehr freundlich zu mir aber vertröstete mich - das Telefon sei grade besetzt - und gaben mir zu trinken. Wenige Minuten später fuhr ein VW Bus vor und ich wurde von den Aufseherinnen abgeholt. Sie taten zuerst sehr freundlich, doch bereits im Wagen wurde ich verprügelt. Im Heim angekommen beteiligten sich alle anderen "Tanten" - von der Putzfrau bis zur Köchin - jeder durfte mal. Nie werde ich den Fleischklopfer vergessen, den die Köchin sehr bedrohlich und schmerzhaft einsetzte. Nur der einzige Mann im Haus, der Hausmeister, hielt sich heraus.

Ab dem Tag wurde ich wie ein Verbrecher behandelt, der alle anderen verraten hatte. Ich durfte so lange nicht mehr mit den anderen Kindern spielen, bis ich mich entschuldigte. Ich musste dann z.B. auf der Terrasse sitzen und konnte den anderen Kindern beim Spielen zusehen. Auch sonst bekam ich immer "Sonderbehandlung". Einige Tage hielt ich diese Einzelhaft aus, doch nach ca. einer Woche spielte ich den Reumütigen und ich entschuldigte mich für mein "Vergehen". Aber in Wirklichkeit war mein innerlicher Widerstand ungebrochen. Ich wusste, dass ich es wieder nach Hause schaffen würde und dann wäre wieder alles gut und das machte mich innerlich stark genug, um die restliche Zeit abzusitzen.

Irgendwann - nach einer gefühlt unendlichen Zeit - war auch diese schlimmste Zeit meines Lebens vorbei. Bevor es nach Hause ging, wurde mir mehrfach und sehr intensiv eingebläut, dass ich meinen Eltern nichts erzählen dürfe, da diese ansonsten die ganze "Kur" selbst zahlen müssten - und das sei sehr, sehr teuer.

So erzählte ich auch viele Jahre nichts davon. Nicht, weil ich meinen Eltern nicht traute, sondern um sie vor den finanziellen Folgen zu schützen.
Dass dies nur ein Bluff war, darauf kam ich erst sehr viel später. Als ich es meinen Eltern dann doch etwa 10 Jahre später erzählte, waren sie sehr entsetzt und wollten die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Dafür war es aber wohl zu spät, alles verlief irgendwie im Sande.

Eines habe ich auf dieser Reise gelernt: Es ist so wichtig Freunde zu haben, die zusammenhalten. Und das die Starken die Schwachen beschützen sollen.
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DaGa aus Köln damals Lintorf b. Ratingen schrieb am 28.01.2021
Ich habe das hier gestern erst entdeckt .... ich bin total geschockt und viele Erinnerungen haben mich wieder angefallen. Im Moment bin ich so tieftraurig das ich kaum etwas zu der schrecklichen Zeit auf Norderney schreiben kann.
Meine Kinder -fast schon erwachsen- haben ihren Vater in diesem Zustand offensichtlich noch nicht gesehen....... Aber erst einmal Danke für Eure Arbeit und einen lieben Gruß an alle, die DAS auch erleben ”durften”.....
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Claudia schrieb am 28.01.2021
Meine Schwester (6) und ich (7) wurden aus Köln in den Schwarzwald verschick. Den Ort weiß ich leider nicht mehr. Die Klinik bestand aus einem großen Hauptgebäude und mehreren barackenartigen Nebengebäuden in denen wir untergebracht waren. Nach der Ankunft mussten wir in einen großen Saal in dem jede Menge Badewannen standen. Jeder musste in eine Wanne. Beim Versuch meine langen Zöpfe hochzuhalten,damit sie nicht nass würden, wurde ich von einer der Schwestern schmerzhaft mit dem Kopf auf den Wannenrand gestoßen. Das war beispielhaft für die Behandlung die wir dort erfahren sollten.
In den Unterkünften gab es mehrere Schlafsäle. Meine Schwester und ich wurden getrennt untergebracht. Ziel der Kur war Gewichtszunahme. Wir wurden jede Woche gewogen. Wer zugenommen hatte durfte in das kleine Schwimmbad im Haupthaus, wer nicht, musste in den Saal mit den Badewannen. Wer das, was uns vorgesetzt wurde, nicht aß, bekam statt dessen Haferschleim. Der ekelte mich dermaßen, dass ich immer alles aufaß. Ich hatte auch große Angst davor, wieder in die Badewanne zu müssen. Dass Kinder Erbrochenes wieder aufessen mussten habe ich mehrfach erlebt. Ich habe noch vor Augen wie ein Mädchen vor der Oberschwester auf den Knien lag und unter Tränen bettelte: "Bitte liebe Schwester Sophie, lass mich das doch bitte, bitte nicht essen." Von meiner Schwester habe ich kaum etwas mitbekommen. Jahre später haben wir uns darüber unterhalten. Sie hatte großes Heimweh und konnte deswegen nicht essen. Sie hat dort noch viel mehr gelitten als ich.
Allgemein herrschte ein Klima von Angst und Ausgrenzung. Unsere Eltern hatten nicht viel Geld und unsere Anziehsachen waren billig, abgetragen und unmodern. Dies wurde bei der öffentlichen Durchsicht der Kofferinhalte, ausgiebig und zu allgemeinen Erheiterung, erörtert. Es gab auch eine Art Lichttherapie. Da mussten alle, natürlich nakt, mit einer Schutzbrille versehen, in einem Raum um eine Art Leuchte herum marschieren.
Rücksicht auf Schamgefühl war nicht vorgesehen. So mussten sich beim Fiebermessen alle mit blankem Po auf Ihr Bett legen und bekamen dann der Reihe nach Fieber gemessen. Ich erinnere mich, dass eine Schwester einem offenbar niedlichen, jüngeren Kind dabei mit Kugelschreiber ein Herz auf den Po gemalt hat. Je länger ich schreibe, desto mehr Bruchstücke der Erinnerung werden nach oben gespült. Z.B. der Besuch des Fastnachtsumzugs der für mich tatsächlich traumatisch war. Hatte ich als Kölnerin doch eine Vorstellung von Karneval. Der Schrecken den mir die gruseligen allemannischen Fastnachtsgestalten einjagten werde ich nicht vergessen. Die Schwestern fanden dies höchst lustig und keine kam auf die Idee mich zu trösten oder mir was zu erklären. Das beste was ich von dieser Kur zu berichten weiß, ist, dass ich gelernt habe eine Schleife zu binden. Als wir wieder nach Hause kamen, hatten wir Läuse.
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Birgit Weber-Heinrich aus Celle schrieb am 28.01.2021
Ich war als 8jährige von Mai bis Juli 1967 für ca. 8 Wochen als Verschickungskind in Niendorf an der Ostsee. Es war ein Heim der Caritas. Nach den Aussagen meiner Mutter habe ich eine Verlängerung bekommen. Ich kann mich nur an wenige Dinge erinnern, z.B. dass ich ins Bett gemacht habe, was mir sehr peinlich war, dass ich mit vielen anderen Mädchen in einem größeren Raum schlafen musste, dass ich nicht in der Ostsee baden wollte. Ich hatte Angst und fühlte mich sehr unwohl. Ich sollte an Gewicht zunehmen; das hat nicht geklappt. Nach meiner Rückkehr habe ich meiner Mutter nach deren Aussage berichtet, dass ich viel geweint hätte und dass ich noch zu klein für eine solche Kur gewesen sei. Seit der "Kur" litt ich an Blasenentzündungen. Bei mir wurde nach meinem 50. Lebensjahr ein Traumacluster diagnostiziert. Ich bringe meine PTBS schon länger mit meiner Kinderkur in Verbindung, dachte aber, dass meine negativen Erlebnisse ein Einzelfall seien. Die Berichte der anderen zu lesen, ist für mich sehr hilfreich. Ich bin dankbar für dieses "kollektive Gedächtnis". Ich komme aus einer Kleinbauernfamilie. Als ich verschickt wurde, hatte meine Mutter gerade ihr 6. Kind geboren. Eine Bekannte meiner Mutter, die für die Caritas tätig war, hatte ihr den Tipp gegeben, mich (die Älteste) zur Kur zu schicken. Ich habe in dem Verschickungsheim eine sehr große Angst entwickelt, bin meinen Mitmenschen gegenüber sehr misstrauisch. Ich lebe sehr zurückgezogen. In mir ist eine tiefe Traurigkeit. Arztbesuche verursachen bei mir Panikattacken; ich versuche diese zu vermeiden. Ich leide unter einem sehr hohen Anspannungsniveau und Schlafstörungen. Ich bin seit meinem 40. Lebensjahr chronisch erschöpft und leide unter einer Trigeminusneuralgie. Ich bin froh, dass diese grauenhaften Geschehnisse endlich ans Tageslicht kommen.
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Thomas Hölzer aus Köln / jetzt Santa Fe, Neu Mexiko USA schrieb am 27.01.2021
War ein Jahr jünger als andere (5 Jahre). Brutal v. den Nonnen? behandelt, Kuscheltiere wurden speziell vor der Nachtruhe weggenommen. Mit verschissener Lederhose stundenlang an den Pranger gestellt. Das Anwesen hatte einen Pool; konnte nicht schwimmen, wurde aber ins Wasser gestossen und kann mich erinnern, auf dem Grund gelegen zu sein. An die Rettung kann ich mich nicht erinnern. Interessanter Weise hat mein Vater mich später dann beim Versuch schwimmen zu lernen, auch ins Wasser im Müngersdorfer Stadion, Köln, geworfen. Ich bin dann total ausgerastet, Eltern keine Ahnung warum!!! Nach der Rückkehr aus dem Heim, trotzdem die Eltern mein Lieblings Konfekt zum Bahnhof mitbrachten, sprach ich wochenlang nicht mit ihnen. Ich hatte dann mit ca. 14 Jahren die Postkarten aus der `Kur` wiedergefunden und war entsetzt zu sehen, dass was ich den Schwestern diktiert hatte, Essen Scheisse, Schlafen Scheisse etc und holt mich bitte, bitte ab von hier, NICHT sondern meinen Eltern nur Nettigkeiten mitgeteilt worden waren. Was eine Schmach und Vertrauensbruch!!!
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Hans Müller schrieb am 27.01.2021
Es wäre so wichtig, daß wir die Verantwortlichen finden. An vielen Stellen leben die noch, zT über 80 Jahre alt. Es leben sogar noch Betreiber oder deren Familien. Ich möchte wissen: WARUM haben die die Kinder so gequält? Warum durfte man nur 1x am Tag aufs Klo, warum diese brutalen Schlaf- und vor allem Eßregeln?

Und wichtig wäre, daß abgerechnet wird, daß Rache geübt wird, daß diejenigen, die damals die Kinder so gequält haben, heute als alte Leute im Pflegeheim das, was sie den Kindern angetan haben, selber 100-fach durchmachen müssen, gequält werden, so daß sie von ihren brutale Taten noch in diesem Leben am eigenen Leibe eingeholt werden.

Wer spricht von Anklagen, was ist mit Entschädigungen? Wieso hört man nichts davon? Was ist mit den Pharmafirmen, die brutale Medikamentenversuche an Kindern ohne Wissen und Einverständnis der Eltern oder Kinder durchgeführt haben? Was ist mit den Krankenkassen, der Caritas? Es muß eine große Abrechnung beginnen mit den Profiteuren und Verantwortlichen!
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Noa Assmann aus Windeck schrieb am 27.01.2021
ich hatte eine einzige Bekannte, die Tochter eines Kollegen meines Vaters, die mit mir fuhr von Hagen nach Pelzerhaken an der Ostsee. Im Heim dort angekommen wurden wir sofort auseinandergerissen, auch Zwillinge nahm man sofort in verschiedene Haeuser. Wir wurden beim Duschen von aussen beobachtet und verlacht und verhöhnt. Wenn ich geweint habe, weil Post von meinen Eltern kam, nahm man mir die Post weg und sagte "wenn du weinst kriegst du das nicht". wir mussten während des Mittagsschlafes uns in eine bestimmte Richtung drehen, so dass wir uns nicht anschauen konnten. wir hörten die Ohrfeigen auf der Station gegenüber, Kinder wurden geschlagen, wenn sie etwas getan hatten, was nicht den Regeln entsprach. ich schrieb mehrfach heimlich unter der Bettdecke an meine Eltern, sie sollen mich holen, brachte die Post heimlich zum Strand zur Post. nach meiner dritten Hilferuf-post in der ich drohte, falls man mich nciht holte, würde ich alleine kommen, kam dann mein Vater nach Pelzerhaken und holte mich. Am Tag seiner Ankunft wollte er die Verantwortlichen sprechen, und es war wie zufällig niemand da, den er hätte sprechen können. ich weiss nicht, was mir passiert wäre, wenn ich dort wirklich 6 Wochen geblieben wäre, wie geplant. ich war nur eine Woche da.
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David aus Bonn schrieb am 27.01.2021
Leider kann ich meine Eltern nicht mehr fragen, wie das Verschickungsheim im Schwarzwald hieß, wo ich im Alter von 4 Jahren für eine Dauer von wahrscheinlich 6 Wochen verweilen musste. Ich bin jetzt erst über's Internet wieder daran erinnert worden. Bevor ich meine Erinnerungen schildere, würde ich aber gerne das Heim lokalisieren, und vielleicht kann mir jemand hier dabei helfen. Ich weiß nur noch: Schwarzwald, ein altehrwürdiges, mir damals sehr groß erscheinendes Gebäude am Rande des Waldes oder auch mitten im Wald. Wenn ich ein Foto sehe, würde ich es sicher identifizieren, aber im Internet bin nicht noch nicht fündig geworden.
Administrator-Antwort von: Redaktion
Hallo David,

du bist auf der Suche nach "Deinem" Verschickungsheim. Die Beschreibung
könnte passten auf das Kinderkurheim Schwoerer in Saig im Hochschwarzwald. Dazu findet sich nicht mehr wirklich was im Netz, hier
allerdings wohl ein Foto:

https://picclick.de/40807298-Saig-Schwarzwald-Saig-Kinderkurheim-Schwoerer-Saig-Schwarzwald-303547185124.html#&gid=1&pid=1

Ich hab im Nachlass meiner Eltern einen Prospekt gefunden, aber da sind eher Kinder abgebildet.

Ich selbst habe keine traumatischen Erinnerungen, auch wenn ich's nicht wirklich toll fand die 6 Wochen. Aber es gab mal auf der Seite
Verschickungsheime.de zwei Beiträge mit ziemlich üblen Erinnerungen.

Viele Grüße,
Christian Schönfelder

Links vom Admin: Zum Thema Saig
https://verschickungsheime.de/zeugnis-ablegen/?entry_id=21
https://verschickungsheime.de/zeugnis-ablegen/?entry_id=587
https://verschickungsheime.de/zeugnis-ablegen/?entry_id=1214
https://verschickungsheime.de/zeugnis-ablegen/?entry_id=1586
Im Forum (mit Login):
https://forum.verschickungsheime.org/community/topic/kinderheim-dr-schwoerer-saig-schwarzwald-1971-1972/
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Thomas Nitsche aus Berlin schrieb am 27.01.2021
Es war furchtbar. Meine Schwester (4-5 Jahre) und ich (6 Jahre) wurden gezwungen alles mögliche, was wir nicht wollten, zu essen ... 6 Wochen lang. Uns wurde dann gedroht, das Erbrochen essen zu müssen. Wir durften nur 1x pro Tag auf die Toilette, was fast unmöglich für uns Kinder war. Es war eine einzige Tortur, die mich bis heute verfolgt.
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Brigitte Horndasch aus Weyhe schrieb am 27.01.2021
Etwa 1958 oder 59 wurde ich zur "Erholung" und weil ich sehr dünn war 8- oder 9jährig nach St. Goarshausen verschickt. Ich glaube sogar für 6 Wochen.
Meine Erinnerung ist bruchstückhaft. Sehr schlimm war, dass es morgens immer Haferschleim oder Milchsuppe gab und alles aufgegessen werden musste. Ich hatte solch einen Ekel, dass ich mich immer wieder übergeben musste.
Es ging mir richtig schlecht und ich schrieb meinen Eltern einen Brief mit der Bitte, dass sie mich abholen.
Dieser Brief wurde im Heim geöffnet und ich musste zur Leiterin kommen. Sie vernichtete den Brief und zwang mich, den Eltern eine Karte zu schicken. Hier musste ich erklären, dass es mir gut gehe und dass es im Heim schön sei.
Nach den 6 Wochen kam ich abgemagert und verstört nach Hause zurück.
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Be aus Basel schrieb am 27.01.2021
Angeblich wegen einer milden Lungentuberkulose verbrachte ich mehrere Monate dort. Bettnässer mussten sich im Gang zum Speisesaal aufstellen, mit ihrem nassen Laken in den Händen: Pranger. Es wurden Grapefruits serviert, "wegen den heilsamen Vitaminen". Wer diese bitteren Früchte nicht essen konnte, wer, wie ich sie auf den Teller erbrach, wurde von einer daneben sitzenden Betreuerin so lange bewacht, bis die letzten Reste des Erbrochenen und der Grapefruit gegessen waren. Immer wieder medizinische Reihenuntersuchungen, die aus einem Fingerpick bestanden, ein Kind nach dem anderen. Körperpflege: viele Kinder in einem Kellerraum, eine Person mit einer grossen Gummischürze - wie sie die Metzger damals trugen - spritze uns mit einem Schlauch ab.
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Jens Wottke aus Hamburg schrieb am 27.01.2021
Mein Vater ist kürzlich verstorben und im Nachlass habe ich ein Fotoalbum gefunden mit Fotos, die ich nich nie zuvor gesehen hatte. Zwei Fotos zeigen mich auf dem Bahnsteig, auf der Anreise zur Verschickung. Auf dem Foto zudem eine strenge Schwester mit einer (nazi-liken) Uniform. Ich habe an die Zeit keine Erinnerungen, nur seeeeeehr abstrakt an einen Waschsaal. Fakt ist aber, dass ich einen unbändigen Widerstand gegen Käse habe und mich an meine “Ess-Strategie” bzgl Käse erinnern kann: das ging nur so, abzubeissen, ohne kauen schlucken und direkt roten Tee hinterher. Aber das passt schon sehr zu den vielen Schilderungen zum Thema “essen”. Außerdem kriege ich immer Panikanfälle wenn ich Spritzen bekommen soll - auch da vermute ich den Zusammenhang mit möglicherweise traumatischen Erlebnissen im Verschickungsheim. Ich hatte meine Mutter darauf angesprochen, die fing direkt an zu weinen und konnte nur noch stammeln, dass es der größte Fehler ihres Lebens gewesen sei, mich dorthin geschickt zu haben.
Ich glaube, ich möchte gar nicht wissen, was dort alles passiert ist. Bin froh, dass mein Hirn so effektiv verdrängen kann und diese Erinnerungen irgendwo (unerreichbar) abgelegt sind.
Mich tröstet aber schon zu wissen, dass ich nicht alleine bin damit.
Es ist schlimm, was uns Kindern angetan wurde.
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Johanna B. schrieb am 26.01.2021
Hallo,
ich habe heute einen Kurzfilm über Verschickungskinder gesehen und erinnerte mich daran, dass meine Oma mir erzählt hatte, dass sie auch einst auf Kur gewesen sei, weil sie zu dünn gewesen wäre. Sie war von März bis Mai 1954 in Glowe auf Rügen in der ehemaligen DDR als sie zehn Jahre alt war. Die Kinder waren dort in Baracken untergebracht und teilten sich ein Zimmer mit 3-8 weiteren Kindern. Postkarten durfte sie nur nach Kontrolle der Schwestern abschicken an ihre Eltern. Es gab meistens Eintopf mit fettigem Fleisch und alles musste aufgegessen werden. Wenn sie es nicht schaffte, erbrach sie und aß weiter. Die Schwestern waren "Drachen", wie meine Oma sagte, vom alten Schlag in Uniform und der Umgang glich militärischen Maßstäben. Viel mehr wollte sie nicht darüber erzählen, weil sie sich nicht gern daran erinnert.
Ich wünsche Ihnen viel Stärke, die traumatischen Erlebnisse aufzuarbeiten!
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Jungels aus Köln schrieb am 26.01.2021
Hallo,
ich will gar nicht so viel erzählen, ich suche vielmehr andere, die ebenfalls in der Kinderheilstätte für tuberkulosekranke Kinder waren zwecks Erfahrungsaustausch. Sollten sich noch ehemalige Betreuerinnen an ihre Arbeit dort erinnern, wäre ich ebenfalls froh, ein Zeichen zu bekommen.
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Matthias Kumpmann aus Wetter schrieb am 26.01.2021
Was ich im folgenden berichte , war über 50 Jahre in meinem Unterbewusstsein verschwunden. Durch die mediale Aufarbeitung bin ich sehr getriggert worden ( ich leide seit 10Jahren unter Depression) Im Alter von 5/6 Jahren wurde ich auf Anraten unserer Hausärztin für sechs Wochen nach Reinhardshausen verschickt. Mein damaliges Bettnässen sollte sich bessern, was leider aufgrund meiner traumatischen Erlebnisse ins Gegenteil schlug. Als meine Mutter mich mit einem Schild um den Hals in den Zug setzte, kam in mir Panik auf, sie nie wieder zu sehen. Dort angekommen war es für mich sehr schwierig mit so vielen fremden Kindern in einem Raum zu schlafen. Weil ich verbotenerweise nachts weinte, hat mir eine Erzieherin meinen Teddy weggenommen. Durch die Ereignisse habe ich natürlich jede Nacht eingenässt, da half auch kein abendlicher Trinkentzug. Zur Strafe wurde ich in den Keller (dort befand sich der Duschraum ) gebracht, kalt abgeduscht und nackt stehen gelassen. Mir wurde unter Androhung verboten das Licht an zumachen. Normalerweise war ich ein guter Esser, war auch eher übergewichtig. Trotzdem wurde ich, wie viele andere auch, zum aufessen gezwungen. Einmal saß ich bis zum Abendessen vor einem vollen Teller Blumenkohl. An dem Tag musste ich hungrig in's Bett gehen. Von anderen Kindern weiß ich, dass sie auch ihr Erbrochenes essen mussten.
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Anke Dickopf aus Leichlingen schrieb am 26.01.2021
Meine Erfahrungen:
Ich war damals als Neunjährige zu dünn.Ich wurde auf Anraten des Gesundheitsamtes zu Kinderkur verschickt.Nach langer Reise kamen wir dort an.
Wir hatten Zweibettzimmer. An was ich mich im Negativen erinnere:wir durften nur einmal in der Woche die Leibwäsche wechseln,es gab Spritzen mit roter Flüssigkeit,und ich musste undefinierbaren Quark mit Obst essen.Seitdem esse ich keinen Früchtequark mehr.
Ich bekam im Kinderheim die Röteln und musste auf die Krankenstation. Dort war es besser. Wir bekamen Eis,und wurden sehr lieb betreut.
Das beste war aber die Physiotherapie.
Ich hatte furchtbares Heimweh. Die Briefe meiner Mutter habe ich heute noch.
I
Fazit:Ich bin noch dünner gewesen als vorher. Gott sei Dank habe ich ein gutes Selbstbewusstsein ,so daß ich keine Schäden davon getragen habe.
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norbert schücke aus wetter/ruhr schrieb am 25.01.2021
Ich bin auf diese Seite gestoßen und weiß jetzt das ich Mitte der 60ziger in dem Heim Freudenstadt im Schwarzwald war. Ich habe nur denNamen gelesen und alles war wieder da. Ich werde nochmal schreiben, es gab Klöse, Klöse, Klöse!
Ich habe mein leben lang keinen mehr gegessen!
Als ich mit dem Zug zurück nach hause kam hatte ich eine vereiterte Mittelohrentzündung in beiden Ohren!
Es mussten als Folge mehrfach die Trommelfelle geöffnet werden damit der Eiter abfloss!
Seitdem kann ich nicht tiefer als vier/fünf Meter tauchen! Wir haben Butterbrote unter der Tischplatte versteckt, wurden es bemerkt, gab es noch eins zusätzlich.
Essen aufs Klo und leise brechen, wurde es bemerkt musste man wieder essen!
Manchmal meine ich einen dunklen Dachboden zu
sehen an dessen hinteren Ende sich eine Tür befindet bei der ich mich nicht traue sie zu öffnen!
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Krück aus Eberswalde schrieb am 24.01.2021
Heute bei FB über so genannte Verschickungsheime gelesen.. dieses wort kannte ich noch gar nicht!
Lange dachte ich "nur Ich denke,dass das alles nicht richtig lief,in dieser Kur" und habe es lange verdrängt.
Ich weiß leider nicht, wo genau ich da war. Ich weiss nur,das ich dort meine erste Strassenbahn gesehen hatte. Damals, ich war 4 jahre alt,hatte mich meine Mama zum Bahnhof nach eberswalde gebracht,wo schon ein Bus stand um die Kinder einzusammeln. Mir war gar nicht bewusst,das Sie nicht mitkommen würde...bis sie mir weinend nur nach winkte! Ich verstand die Welt nicht mehr. In diesem kalten, grosses Haus angekommen,wurden uns die Betten zugeteilt. Kalte Metalbetten.. es dürften nur Mädchen, junge,mädchen,junge liegen.. niemals zwei Mädels nebeneinander. Beim essen,musste still und leise gegessen werden. Wer nicht aufgegessen hatte,wurde bestraft. Ich mochte keine Tomaten und wenn ich sie nicht gegesseb hatte, musste ich mich in die mitte stellen,vor allen Kindern, bis ich sie aufgegessen hatte. Auch wenn ich mich übergeben musste,musste ich weiter essen!
Abends mussten wir nackt zum Duschen, hintereinander gehend,mit den Händen auf den Schultern des vordermanns. Mit einer Handbürste mussten wir uns gegenseitig den Rücken schrubben, diente der durchblutung. Nachdem duschen,wurden wir alle mit einem schlauch eiskalt abgeduscht. Auch dies sollte dem aufbau des Immunsystems dienen! Briefe von den Eltern wurden uns natürlich vorgelesen, ging ja auch nicht anders. Allerdings wurden uns diese Briefe nie ausgehändigt. Besuche gab es auch nicht! Wenn man traurig war,wurde man angeschrien. Also gab es so etwas wie traurigkeit nicht bei uns. Manchmal hörte ich nachts Kinder weinen.. aber ich versuchte immer ruhig zu sein! Lange habe ich das alles verdrängt!
Es gab eine Betreuungkraft,die heimlich nett zu mir war. Sie brachte mir Äpfel mit.aber das dürfte ich nie verraten. Sie schenkte mur ein kleines glas Reh, ganz klein,weil sie in den urlaub ging und sagte... mädchen sei stark,bald bist du wieder zuhause. Das vergesse ich nie!!!
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Anke Breuer aus Düsseldorf schrieb am 24.01.2021
Guten Abend.
Noch bevor ich eingeschult wurde, wurde ich wegen einer Lungenentzündung in Kur geschickt. Mit 5 Jahren alleine für 6 Wochen weg. Ich glaube, dass ich aus dieser Zeit und durch die Erlebnisse dort traumatisiert bin. Das zeigt auch eine Therapie, die ist kürzlich begonnen habe. Ich habe leider kaum Erinnerungen an die Kur, mir fehlen generell sehr viele Erinnerungen aus meiner Kindheit.
An zwei Dinge erinnere ich mich, die sich während der Kur zugetragen haben:
- Einmal musste ich nachts auf Toilette und weil ich erwischt wurde, musste ich den Rest der Nacht im Besenschrank stehen.
- Vor den Mahlzeiten ging eine Betreuerin mit einem großen Glas festem Honig durch die Reihen. Jeder bekam einen großen Esslöffel Honig in den Mund geschoben. Ich fand das ekelhaft.
Ich leide sehr darunter, dass ich kaum Erinnerungen an meine Kindheit habe. Leider sind auch meine Eltern nicht bereit mit mir darüber zu sprechen. Nur einmal sagte meine Mutter mir auf Nachfrage, dass ich sehr verängstigt war, als ich wieder zuhause war. Ich bin jetzt 54 Jahre alt und wie es scheint, bin ich seit meiner frühen Kindheit schwer traumatisiert. Die "Kur" spielt da eine ausschlaggebende Rolle. Ich frage mich oft, was dort wohl noch alles passiert ist, was in meinem Unterbewusstsein vergraben ist.
Ich wünsche allen Betroffenen alles Beste ❤️ Anke
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Margit Holzer aus Hochdorf schrieb am 24.01.2021
Schönen guten Abend,
vor ca. 3 Jahren wurde ich durch das Auffinden eines Poesie-Albums wieder auf meinen Aufenthalt als Kind in St.Peter Ording an der Nordsee aufmerksam.
Es gibt 22 Einträge von Mädchen, die mit mir im April 1966 in diesem Kinderheim waren. Erst letztes Jahr versuchte ich am Ende unserer Dänemark-Reise in St Peter nachzuforschen, wo ich denn wohl dort untergebracht war, es blieb erfolglos.
Heute nun durchforschte ich die Vernetzungsseite und siehe da, es tauchte der Name "Tante Gebchen" auf, eines der wenigen Erinnerungen....
Das Heim heißt "Goldene Schlüssel" und ist heute eine DRK-Rehaklinik, alles auf der Website nachzulesen. Die Kinderkur-Einrichtung wurde geschlossen.
Auch ich wurde in Stuttgart am Hauptbahnhof "abgegeben" - ich glaube auch mit einem Schild des Zielortes. Die Zugfahrt dauerte 16 Stunden. Ich kann mich an keine Mißhandlungen erinnern, vielmehr meine ich, manchmal aus Mitgefühl abends im Schlafsaal mitgeweint zu haben. Den täglichen Streuselkuchen mußte ich durch einen Apfel ersetzen, war wohl zu dick....
Ich war bereits 11,5 Jahre alt - also älter als der Durchschnitt, vlt. ersparte mir dies manches? Ich weiß es einfach nicht mehr...
Die Strandläufe nackig fand ich zwar komisch und auch die Sauna, es hat mich jedoch nicht sehr negativ belastet. Vielmehr habe ich die Liebe zur Nordsee erkannt und auch das Bernsteinsuchen. Ich war eigentlich ganz stolz, als ich wieder zuhause war und meine Eltern, Geschwister, Nachbarn usw. mich lobten, so alleine so weit gereist zu sein...
Trotzdem bin ich sehr stark interessiert, meine "Mitverschickten" erneut kennenzulernen. Wenn also jemand in der selben Zeit verschickt war und nach seinem Heim sucht oder sich vernetzen möchte, in meinem Album gibt es 22 Namen, die mit mir dort im Goldenen Schlüssel waren und einen Namen einer Betreuerin, den ich allerdings nicht lesen kann.
Und by the way, ich möchte absolut nichts herunterspielen, was ich hier gelesen habe, bin vielmehr in tiefem Mitgefühl mit allen Geschädigten...
Beste Grüße
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Heinz-Wilhelm Grote aus Marsberg schrieb am 24.01.2021
Ich war 1959 als Zwölfjähriger für 6 Wochen an der Nordsee. Soviel Negatives wie ich aus anderen Berichten gelesen habe, hatte ich nicht. Ich kann aber bestätigen, dass die Post nach hause kontrolliert und zensiert wurde. Kinder mit Rechtschreibschwächen wurden öffentlich bloßgestellt. Man wurde gezwungen, tatsächlich alles zu essen, auch wenn es nicht schmeckte. Ich habe es jedoch geschafft, aus dem Speisesaal zu laufen und den Spinat in die Büsche zu kotzen. Man durfte nur zu bestimmten Zeiten die Toilette aufsuchen. Gesundheitlich hat mir der Aufenthalt an der See viel gebracht, ich habe aber wie viele andere unter dem strengen Regiment einiger "Tanten" gelitten.
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Heinz-Günter Würpel aus Hagen-Hohenlimburg schrieb am 22.01.2021
Ich war im Frühjahr 1954 im Alter von 6 Jahren in einem Verschickungsheim in Bad Sassendorf. Meine Eltern hatten mich über die Hoesch-Krankenkasse dorthin gesandt. Das Haus lag direkt an den Salzsalinen und wurde von Schwestern mit Hauben, also denk ich mal Kirchlicher Institution, geleitet. Als ich ein Stück fettes Fleisch essen sollte bekam ich einen Brechreiz und erbrach mich in meinen Suppenteller. Als die Aufsicht die ständig zwischen den Tischen kontrollierten dies sah, bekam ich noch einen Nachschlag in mein Erbrochenes und wurde dann gezwungen diesen leer zu essen. Dies hat mich so traumatisiert dass ich bis heute immer noch einen Brechreiz bekomme wenn ich ein Stück fettes Fleisch in den Mund nehme.
Als es zum Abschied kam und wir nach Hause geschickt werden sollten mußte jeder zur Schwester Oberin und sich verabschieden. Als ich zu ihr ging sah sie mich an und sagte dann ohne Erklärung ich sollte mich setzen und warten. Als es mir zu lang wurde und ich aus dem Fenster sah, sah ich wie meine Kameraden in den Bus stiegen und dieser losfuhr, ohne mich. Nach einer Weile kam die Oberin dann wieder und sagte mir ich käme jetzt ins Lazarett. Ich hatte Mumps. Ich lag allein in einem 6 Bett Zimmer und hatte dort Fieberträume und versteckte mich unter der Bettdecke. Keiner kam mal trösten. Den ganzen Tag lag ich allein da. Meinen Eltern die mich abholen wollten wurde am Bus gesagt sie bekämen Bescheid wenn sie mich abholen könnten. Sie wußten nicht wo ich die ganze Zeit war. Viele Jahre habe ich unter Albträumen gelitten in denen mich ein riesiger Stein immer überrollen wollte. Es war die Hölle.
Danke dass ich hier mal meine geschichte erzählen darf.
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bandit 1200s aus Limburgerhof schrieb am 19.01.2021
ich war etwa 5 jahre und im haus meerstern auf speikerog bekam jeden abend von einer betreuerin den nackten hintern versohlt wenn ich im bett war
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Hoppe, Achim aus Rinteln schrieb am 19.01.2021
Ich war im Jahr 1964 in der Einrichtung Waldhaus für 6 Wochen ,,interniert‘‘. Das Essen war grauenhaft, der Tag streng geplant. Feste Essen- und Schlafenzeiten. Keine Besuche durch Angehörige. Strenge Strafen bei kleinsten Vergehen. Einzig das alle 14 Tage eintreffende ,,Care-Paket‘‘ meiner Oma (Inhalt Süßigkeiten und ein MickyMaus-Heft) halfen mir über diese 6 Wochen.
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Tina schrieb am 19.01.2021
Vor kurzem kam im Kollegenkreis das Gespräch auf Erfahrungen mit Kinderkurheimen in unserer Kindheit. Ich war geschockt über die Berichte, vor allem dass deren Brüder erzählten, sie mussten Erbrochenes wieder essen, bekamen Prügel etc., meist wurden den Jungs zuhause nicht geglaubt oder es hieß "dann hattest du es auch verdient."

Ich habe vor allem an meine erste Kur noch sehr lebendige Erinnerungen und kann berichten, dass eine mehrwöchige Kinderkur auch ohne körperliche Misshandlung Narben auf der Seele eines kleinen Kindes hinterlassen kann.
Ich kam das erste mal vor der Einschulung von einem kleinen Dorf in Unterfranken für sechs Wochen nach Oberbayern. Damals war ich extrem dünn, scheu und unselbstständig, von den Eltern auf Gehorsam getrimmt. Zur Hinfahrt wurde ich spät abends aus dem Schlaf gerissen, mit vielen Ermahnungen und der Aufgabe, mächtig an Gewicht zuzulegen, zum Bahnhof gefahren und mein Vater setzte mich in einen Zug. Dort nahm sich eine sehr nette ältere Frau meiner an und ich sollte mit den anderen Kindern im Abteil schlafen. In München angekommen setzte diese uns in einen anderen Zug und las Geschichten vor. Ich war sehr gespannt, das erste mal alleine von Zuhause weg, die erste Zugfahrt, nette große Mädchen, die mich betüttelten und mit Schokolade fütterten... Als wir im Kurheim ankamen, kam sofort eine aufgeregte Person angerannt, die nach zwei Geschwistern suchte, um diese sofort mitzunehmen. Dann sprachen verschiedene Leute mit uns in einer mir fremden Sprach, Wovon ich kein Wort verstand, da ich nur bedingt Hochdeutsch verstehen und nur unseren Dorf-Dialekt sprechen konnte, welchen die Erzieherinnen wiederum nicht verstanden. So haben die großen Mädchen mir alles erklärt und auch erzählt, dass die zwei Kinder nach Hause mussten, weil wohl deren Mama gestorben ist und sie nun in ein Kinderheim müssen. Weil ich eine der Jüngsten war, kam ich mit drei anderen in ein extra Zimmer mit kleinen Betten. Dort wurden wir bis auf die Unterwäsche ausgezogen, die Haare wohl nach Läusen durchsucht, auf ein Töpfchen gesetzt und sollten wieder schlafen. So lag ich nun mutterseelenalleine ohne Dolmetscher, in der Vorstellung, dass meine Mama sicher auch bald stirbt und ich nie wieder nach Hause komme und traute mich nicht zu weinen, da ich Angst vor den anderen Kindern hatte. Darauf folgten noch einige schlimme Erinnerungen an böse Jungs, die mich bei jeder Begegnung an die Wand drückten, eklige Haut auf dem Kakao, schämen, weil ich die Toilette nicht rechtzeitig gefunden oder beim Essen gekleckert habe, langes alleine sein mit Fieber... Auch wartete ich jeden Tag darauf, dass meine Mama stirbt und mich jemand wegholt um mich auch in ein Kinderheim zu bringen. Sicherlich haben wir auch schöne Ausflüge gemacht, wobei die großen Mädchen sich um die Kleineren kümmern mussten und die Nachtschwester hat uns Vorgelesen und nach dem Zähneputzen (wir durften sie nicht verraten) mit einem Löffel Honig verwöhnt. Insgesamt waren die Betreuer aber eher kühl und abweisend.
Ich habe schön brav alles mitgemacht und aufgegessen (aus Angst, sonst nicht genug zuzunehmen) aber ich fühlte mich unendlich einsam hatte fast kein Vertrauen zu den anderen. Ich war die ganze Zeit im Glauben, meine Familie nie wieder zu sehen, selbst die Briefe meiner Mutter hielt ich für eine Lüge, da ich dieses Briefpapier vorher zuhause noch nie gesehen hatte.
Von den hier auf der Seite berichteten körperlichen Misshandlungen habe ich zum Glück nichts mitbekommen, allerdigs würde ich heute, als Mutter von zwei erwachsenen Kindern, behaupten dass es seelische Misshandlung ist, ein so junges Kind von den Eltern getrennt ohne intensive pädagogische Betreuung auf Kur zu schicken.
Den nächsten Kuraufenthalt mit 10 Jahren fühlte ich mich wohler. Die Erzieherinnen waren meist nett und haben uns viel beigebracht. Zugegeben, die frecheren Kinder fingen sich auch mal eine Backpfeife ein und wer beim Essen aufgefallen ist, musste ein Lied vorsingen oder ein Glas Salzwasser trinken und es gab auch mal Zimmerarrest. Dies war im Rahmen der damaligen Pädagogik wohl üblich, aus heutiger Sicht allerdings unverantwortlich.
Als 14-Jährige erlebte ich dann noch eine wunderschöne Kur mit super Betreuern und vielen Freiheiten.
Ich wünsche allen, die hier auf dieser Seite mitlesen und schreiben, dass sie ihre negativen Erfahrungen des Kuraufenthaltes verarbeiten und wohlwollend in ihr Leben integrieren können.
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Andreas K. aus Berlin schrieb am 19.01.2021
Ich war dreimal im Rahmen des deutschen 'Kinderkurheim'-Projekts verschickt, das erste mal 1979 im Vorschulalter, die gesundheitliche Indikation in meinem Falle lautete fuer alle Aufenthalte wohl simplerweise 'Untergewicht'. Bei jeder dieser Verschickungen war ein Geschwisterteil von mir anwesend, was von meinen Eltern wohl bewusst so intendiert war, um uns die Angst vor diesem Aufenthalten zu nehmen, bei den ersten beiden Heimaufenthalten war ich einerseits in staendiger Naehe zu meinem um ein Jahr aelteren Bruder (wir schliefen in einem Zimmer), andererseits muss man leider sagen, dass ich mich nie in meinem Leben so fern und entfremdet von meinem Bruder gefuehlt habe.

Es war ungefaehr so wie viele andere hier schrieben und auch die deutsche Presse inzwischen antizipierte: je juenger desto machtloser das Kind und desto duesterer der Aufenthalt. Im Kinderkurheim 'Drenckhahn' in St. Peter Ording 1979 herrschte eine autoritaere und duestere Grundstimmung, es gab erniedrigende Disziplinarstrafen fuer das kleinste Vergehen, etwa fuer zu lautes Reden beim Essen oder angebliches mit Essen werfen, ich wurde mindestens einmal fuer ein Vergehen, das ich nicht beging aber fuer das ich kurzerhand von aelteren Kindern denunziert wurde, vom Essen ausgeschlossen und musste halbstundenlang draussen im Gang stehen, hungrig und weinend.

Haus Drenckhahn wurde geleitet durch, wie andere hier schrieben, das Arzt/'Paedagogen'-Ehepaar Buchwald, Peter Buchwald der 'Paedagoge' wird heute im Netz fuer sein angebliches Engagement im Kontext von Halligen und Watt gefeiert, fuer uns war er nur ein Gewalttaeter und Schlaeger. Buchwald darf sich ruehmen, der einzige brutale Gewalttaeter meiner gesamten Kindheit zu sein und seine Schlaege, ungebremst, teilweise mit Faeusten auf meinen 5 Jahre alten Kinderkoerper, abends im Bett weil ich angeblich nach Beginn der Ruhezeit gepfiffen hatte, habe ich nie vergessen. Er hatte mich foermlich aus dem Bett geschleudert, meinen Koerper wie eine Art Punchingball vor sich haltend, am Ende des Gewaltexzesses warf er mich ins Bett zurueck und ich hoerte nur noch das entsetzte Wimmern meines Bruders im Nebenbett. Buchwald hat nie dafuer zahlen muessen, meine Eltern wurden zwar von uns Kindern nach der Kur, während des Aufenthaltes hat die Heimleitung fuer uns die Briefe geschrieben, wie wir dachten im Detail informiert, es war aber wohl zu abstrakt oder zu vage und am Ende war koerperliche Gewalt gegen Schutzbefohlene im Deutschland dieser Zeit legal.

Sonst sind mir von St. Peter Ording nur Wattwanderungen im stroemenden Regen, Betreuerinnen die kotverschmierte Kinder im Waschraum anbruellten und Darda-Autos tauschende Kinder bekannt, wo es meist so war, dass der staerkere i.e. Aeltere die Schwaecheren/Juengeren zwang, ihre schicken Darda-Autos gegen seine haesslichen zu tauschen. Diese Hierarchie des Schreckens unter Kindern war ein elementares Element aller dieser Kuraufenthalte, was die Gewalt von oben nicht schaffte in den Kindern zu zerstoeren, erledigten die anderen Kinder. Buchwald war sich wohl irgendwie bewusst dass seine Gewalt falsch war, jedenfalls tauchte er Wochen nach dem Gewaltexzess, ich lag krank im Bett und hatte wohl groteskerweise auch Geburtstag, an meinem Bett auf, strich mir zu meinem Schaudern ueber den Kopf und ueberreichte mir mit feierlicher Geste irgendein kleines Geschenk, vielleicht das Darda-Auto das ich zwei Tage spaeter zwangsweise eintauschen musste. Er hielt die Sache damit offenbar fuer ausgestanden, ich habe diese erzwungene Naehe als schauderhaft empfunden und meine Kinderseele war mit 6 Jahren unfaehig zu verstehen, wie jemand nach einem sinnlosen Gewaltexzess von mir noch Zuneigung erwarten konnte.

Die beiden spaeteren Aufenthalte in Berchtesgaden und im Schwarzwald waren weitgehend frei von koerperlicher Gewalt gegen mich oder meine Geschwister, in Berchtesgaden gab es jedoch regelmaessig Schlaegereien zwischen aelteren (i.e. kraeftigeren) Heimkindern und weiblichen Betreuerinen, was in staendiger Wiederholung auftretend fuer einen achtjaehrigen auch Traumatisierungspotential hat. In Berchtesgaden gab es eine Windpockenepidemie unter den Kindern die den Aerzten und Betreuerinnen weitreichend Gelegenheit gab, an jungen nackten Kinderkoerpern herumzufummeln um angeblich notwendige braeunliche Behandlungspaste auf die WIndpocken aufzutragen, der einzige Lichtblick war das abendliche Tom&Jerry Porgramm das gross auf Leinwand projiziert wurde. Ich entwickelte in dieser Zeit das erste mal eine ausgepraegte Zwangssymptomatik, die ich mein Leben lang nicht verlieren sollte, so stand ich nachts bis zu 20 mal auf um auf die Toilette zu gehen weil ich glaubte meine Blase sei voll und schiss mir zudem regelmaessig in die Hosen, was weder davor noch danach in meinem Leben jemals aufgetreten war.

Mit etwa 10 oder 11 Jahren war ich etwa 1984, im Winter, ein drittes mal, diesmal mit meiner Schwester, in einem Kurheim im Schwarzwald (der Name des Heimes ist mir im Moment entfallen), und obwohl es dieselbe Methodik aus Einschuechterungen und Demuetigungen durch die Betreuer gab, war dieser Aufenhalt der einzige, der auch positives zu meinem Leben beigetragen hatte, es gab unter den Betreuerinnen eine zu der ich eine persoenliche Beziehung aufgebaut hatte, sie war jung, dunkelhaarig und hatte ungefaehr meinen Musikgeschmack, der sonst von niemandem geteilt wirklich wurde (Prince, Duran Duran etc.). Trotzdem lebte man in staendiger Angst vor Uebergriffen und Schikanen durch die Betreuer oder andere Kinder, die man aber nicht wahrhaben wollte, die Angst schlug sich bei mir in einem brutalen Krieg mit meiner Schwester nieder, die im Heim nicht meine Verbuendete sondern mein aergster Feind wurde. Ueberfluessig zu erwaehnen, dass sich diese Dinge nie wieder wirklich eingerenkt haben in den folgenden Jahren. Auch mit 10 oder 11 Jahren mussten wir uns zu jeder Waschung, also taeglich vor den Betreuerinnen entbloessen, diese erzwungene Entbloessung war eine Konstante ALLER Kurheime und sollte wohl den Insassen bedeuten, dass sie nichts wert seien, dass ihre Individualitaet oder Scham nicht zaehlte und dass sie auf der Stufe von Vieh formierten, bemkerkenswert vor allem, dass ich direkt zuvor und auch direkt danach mit der Schulklasse bzw. der Kirche während Klassenfahrten bzw. zur 'Erstkommunionfahrt' niemals Erfahrungen gemacht hatte, die auch nur annaehernd vergleichbar waren. Nur Kinderkurheime haben mich entwuerdigt, gedemuetigt, ein Regime der Angst etabliert, die Kinder gegeneinander aufgehetzt, koerperliche und psychische Strafen etabliert und alles was zwischendurch evtl. noch als positiv haette durchgehen koennen ('Unternehmungen an der frischen Luft') war angesichts dieses autoritaeren, gewalttaetigen Systems am Ende diskreditiert.

Ich habe mich in den Jahren danach ganz unabhaengig von dieser Seite hier oft gefragt, welche dieser Uebergriffe eigentlich justitiabel gewesen waeren, vielleicht Buchwalds Gewaltexzess, vielleicht Wattwanderungen im stroemenden Regen oder Essensentzug als Strafe, aber ingesamt muss man sagen, dass das System der Unterdrueckung, Traumatisierung und Einschuechterung in diesen Kinderheimen viel zu ausgereift war in den 70ern und 80ern um fuer irgendeines der Opfer wirklich angreifbar zu sein. Meine Eltern haben leider nie wirklich wahrhaben wollen was vor sich ging und meine spaeteren und auch damaligen Klagen offenbar als die überzogenen Geschichten eines Sensibelchens abgetan. Deshab ist diese Seite hier umso wichtiger, nur Solidaritaet und Wahrheit kann diese Gewalt, die sicherlich auch noch HEUTE existiert, stoppen.
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Sven Weiher aus Baunatal schrieb am 18.01.2021
Hallo !!!
Martina P. aus Dortmund ,war auch damals in diesem Heim untergebracht in Freudenstadt (Schwarzwald
falls du das liest melde dich mal bei mir,das war die Hölle für mich dort.
meine E-mail bambi@unity-mail.de
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Martina P. aus Dortmund schrieb am 17.01.2021
Ich schreibe diesen Beitrag aufgrund des Zeitungsartikels vom 15.Januar 2021,“Kinder Kur in der Hölle“. Ich weiß nicht mehr, wann ich verschickt wurde, noch wohin. Ich war 2 x weg, wobei ich mich an das erste mal garnicht erinnern kann, an das zweite mal habe ich nur wenig Erinnerungen. Ich habe generell kaum Kindheitserinnerungen. Beides Mal muss es vor meinem 10. oder auch 12. Lebensjahr gewesen sein. Meine Eltern, bzw. unsere Eltern haben nicht mit uns darüber gesprochen. Ich bin nun 58 Jahre alt und habe einen 2 Jahre jüngeren Bruder, der auch verschickt wurde, aber immer an einen anderen Ort als ich. Er spricht ebenfalls nicht darüber. Unser Vater hat damals in Dortmund bei Hoesch gearbeitet, von dort wurde die Verschickung wohl organisiert. Woran ich mich all die Jahre Erinnern kann ist die Zugfahrt, auf der ich schon extremes Heimweh hatte, welches sich dann den ganzen Aufenthalt über hielt. Ich glaube, dass ich im Schwarzwald war, weiß es aber nicht genau. Dann kann ich mich noch an ein oder zwei Bestrafungen erinnern,bei denen ich einmal den Tag im Zimmer bleiben musste, ohne Mahlzeiten und ich durfte nicht zu einer Veranstaltung eines Glasbläsers. Dann musste ich min. einmal abends oder nachts im Waschraum im Dunkeln in der Ecke stehen, bis ich wieder ins Bett durfte, aber da man dachte, ich würde einer Bettnachbarin etwas zuflüstern, musste ich wieder in den Waschraum. Dann mussten wir regelmäßig in die Sauna, ich auf die obere Stufe, und dort bleiben, obwohl meine Knie brannten. Anschließend wurden wir mit eiskaltem Wasser übergossen, was vielleicht üblich ist, aber für mich war es schrecklich. Bei unseren Wanderungen haben wir oft“ Im Frühtau zu Berge...“ gesungen und andere deutsche Volkslieder. Als meine Mutter vor 10 Jahren gestorben ist, habe ich eine Karte von mir gefunden, auf der ich mit Kinderschrift und einigen Fehlern geschrieben hatte, wie toll alles ist, aber das war wohl diktiert, denn so hätte ich in dem Alter nicht geschrieben. Was mir bei diesem 2. Aufenthalt wohl etwas geholfen hat, war eine Freundin aus Bremen oder Bremerhafen, wir haben uns später noch ein paar Mal geschrieben, aber diese Briefe sind ebenfalls nicht mehr zu finden, sowie auch keine Unterlagen über die Aufenthalte. Im Kindergarten und in den weiterführenden Schule hatte ich später immer starkes Heimweh und habe viel geweint, weil ich dachte, ich komme nicht mehr zurück. Heute kann ich schlecht jemanden an mich heranlassen und mag nur wenig körperliche Nähe. Ich hätte nie gedacht, das es so viele Betroffene gibt, wobei es den meisten wesentlich schlechter ging oder noch geht als mir. Gut, wenn nun darüber gesprochen wird!
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Gabriele Zenk, geb. Rauch aus Kiel schrieb am 17.01.2021
Im letzten J. habe ich die Doku im TV gesehen und es kam vieles hoch. Und doch ist noch vieles im Verschlossenen. Dann habe ich auf der Seite nach Wessobrunner Verschickungskinder gesucht.

Nun ist es Zeit Zeugnis abzulegen.
Vom 10.11.-18.11.1969 war ich im Alter von 9 Jahren für 6 Wochen in Wessobrunn. Angeregt durch die Schule, da ich immer krank war. Verschickt über die Caritas.
Oberin v. Wessobrunn könnte Schwester Clementia/Clementina/Clementine gewesen sein.

Es war eine traumatische Zeit. Ich fuhr mit 6 weiteren Kindern über Nacht (von Kiel), betreut durch eine Erzieherin (die aber sehr nett war u. sehr jung), mit dem Zug nach Wessobrunn. Ich weiß, dass ich mich sehr elend gefühlt habe und viel geweint habe. Die Erzieherin hatte sich meiner angenommen und sich mehr um mich gekümmert.
Die Erzieherin blieb die ganzen 6 Wochen für uns zuständig, an sie habe ich nur positive Erinnerungen.

Wie wir vom Bahnhof Weilheim nach Wessobrunn gekommen sind kann ich mich nicht mehr erinnern. Könnte ein kleiner Bus gewesen sein. Nur das es für mich ein imposantes, riesiges Gebäude war. Die große breite Treppe und die langen Gänge zu den Schlafsälen und weiteren Räumen.

Eine prägnante Szene, die ich noch heute vor Augen habe, ist, dass ein kleiner Junge keinen Linseneintopf? mochte und er ab Mittag vor dem Schlafsaal an einem kleinen Tisch saß und ihn dort aufessen sollte. Abends saß er immer noch da. Soweit ich mich noch erinnern kann saß er am Morgen immer noch da. Dieses Bild hat sich so bei mir eingeprägt. Es machte mich so traurig.

Das andere war zum Abendbrot. Ein Kind meldete sich und sagte, dass es keinen Quark möge. Es gab an diesem Abend Kirschquark. Dann meldete sich ein 2. und 3. Kind. Dann hatte die Oberin gefragt, alle die es nicht mögen, sollten aufstehen. Es standen einige Kinder auf, mich eingeschlossen, da ich Quark noch nie mochte.
Dann kam die Strafe, wir alle erhielten die doppelte Portion auf den Teller geklatscht. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich es geschafft habe das Zeug runter zu bekommen ohne zu erbrechen. Ich esse bis heute kein Quark, Joghurt o.ä.. Ebenso diese eklige Gelbwurst. Die es zum Abendbrot gab.

An einem Abend gab es warmen Apfelsaft. Davon bekam ich dann in der Nacht Durchfall. Ich kann mich erinnern, dass ich meine Unterhose so versteckt unter meine andere Wäsche getan habe, dass man sie ja nicht findet. Ich hatte höllische Angst davor erwischt zu werden. Ich nehme an, dass es uns irgendwie vermittelt wurde und ich mich mit Sicherheit auch geschämt hatte. Da wir unsere Wäschebeutel immer selber in die Waschküche bringen mussten, hoffte ich, dass mich keiner erwischt.

Ich kann mich nur vage daran erinnern, dass entweder die Schwestern in der Küche oder Waschküche nett waren. Eine hatte immer ein nettes Wort oder Umarmung für uns übrig.

Dann musste ich auf die Krankenstation, da ich einen Ausschlag hatte. Ich dachte immer es wären die Röteln gewesen, aber meiner Mutter meinte, dass ich diese zu Hause hatte.

Da ich in der Vorweihnachtszeit dort war, mussten wir eine Aufführung Maria und Josef einstudieren. Meine Eltern erzählten mir, dass ich wohl geschrieben habe, dass ich den Josef spielen musste und sie es ahnten, dass es mir nicht gefallen hatte. Zur Aufführung waren der Pfarrer und Gäste eingeladen.
Auch die Gottesdienste machten mir Angst. Ich mochte die Räume nicht.

In einem Paket mit Winterstiefeln hatten mir meine Eltern auch Süßigkeiten mit geschickt. Die mir weggenommen wurden und auf alle aufgeteilt wurden. (Meine Mutter sagte jetzt in einem Gespräch, dass es sogar in dem damaligen Infobrief stand, dass es verteilt wird), trotzdem haben sie es gemacht.
Ich kann mich auch daran erinnern, dass wir unsere Post und Pakete gemeinsam öffnen mussten. Jedwede Süßigkeiten wurden abgenommen und auf alle aufgeteilt. Da es von den Schwestern (Autoritätsperson) so gewollt, habe ich es hingenommen.

Viele Spaziergänge mit mind. 2 Gruppen und deren Erzieherinnen. Wir sind dann auch mal über den Bach gegangen und über ein großes Feld o.ä… Da durften wir eigentlich gar nicht hin, aber die Erzieherinnen wollten wohl aus meiner Ansicht mal raus aus der Beobachtung der Schwestern. Das war dann unser Geheimnis mit den Erzieherinnen. versprechen nichts zu sagen. Es ist auch nie raus gekommen, da wir keine Strafen bekamen.

Ich kann mich an die Bastelstunden erinnern. Wir hatten Enten, Katzen u.ä. aus blauem u. weißen Wachstuch mit Watte befüllt und zugenäht.

Sammelstunden von Eicheln und Kastanien gab es auch. Es waren immer mehr als wir verbasteln konnten. Lt. meiner Mutter nicht ausgeschlossen, dass auch wir für den Luxus der Schwestern sammeln mussten und sie diese verkauft haben.

Wenn wir vom Rodeln kamen mussten wir unsere nassen Stiefel in den Heizungskeller bringen. Da habe ich die Haare einer Schwester gesehen, da ihre Haube verrutscht war. Es war für mich, als hätte ich etwas Verbotenes gesehen und gemacht. Warum hatte ich das Angstgefühl? Wurde uns gesagt, dass die Hauben die Haare verdecken um sie nicht sichtbar zu machen und es dann etwas Schlechtes ist.

Die 2-stündige Mittagsruhe war für mich eine Strafe.

Der lange Gang zu den Schlafsälen hat mir auch immer Angst gemacht. Ich weiß auch noch, dass es dann hinten links zu den Räumlichkeiten der Ordensschwestern ging. Auch hier weiß ich, dass wir da nicht hin durften. Vor diesem Gang hatte ich auch Angst.

Keine Ordensschwester durfte es zeigen, dass sie evtl. einen Liebling hatte. Ich kann mich an Schwester Virginia erinnern, in deren Turngruppe (Erinnerung fehlt leider) ich war. Sie muss mir manchmal meine langen Haare gekämmt und getrocknet haben. Da war ich mit ihr allein. Dann hat sie mit mir gesungen.

Ich kann mich auch nicht erinnern, dass ich dort irgendeine Freundschaft geschlossen habe.
Auch ich habe so manche Nacht still geweint und hatte so starkes Heimweh.

Nach Rückkehr war ich noch stiller. Meine Mutter machte sich sorgen und mein Vater sagte zu ihr, dass ich Zeit brauche.

Aber ich habe nie über diesen Aufenthalt gesprochen, bis ich letztes Jahr die Doku gesehen habe. Und es fehlen noch sehr viele Erinnerungen.

Es sind so viele Narben geblieben.
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Rainer aus Dorsten schrieb am 17.01.2021
Als knapp 6-jähriger hatte ich im Sommer 1967 meinen ersten Aufenthalt im Kinderkurheim in Bad Rothenfelde. Bis auf ganz wenige Fragmente habe ich daran allerdings keine Erinnerungen mehr. Im April/Mai 1969 war ich für 6 Wochen im Herz-Jesu-Heim in Heimenkirch (Allgäu) und im Frühling 1971 im Kinderkurheim Sonnhalde in Kappel/Lenzkirch (Schwarzwald). Die in etlichen Berichten geschilderten Dinge kann ich bestätigen, obwohl ich selber noch einigermaßen glimpflich davon gekommen bin.

In den Kinderkurheimen wurde darauf geachtet, dass die Kinder ein "normales" Gewicht hatten. Man wurde öfters gewogen und wer zu wenig wog, bekam z.B. eine zusätzliche Banane. Es musste gegessen werden, was auf dem Tisch kam. So wurde ich genötigt, gegen meinen Willen mittags Milchreis zu essen. Mit dem Ergebnis, dass ich mich erbrach. Zu allem Überfluss gab es an demselben Abend erneut Milchreis, diesmal in angebratener Form. Bis heute habe ich nie wieder Milchreis gegessen und mir wird schon vom Geruch übel.

Wer bei der Mittagsruhe nicht ganz still im Bett lag, musste im Flur bis zum Ende der Ruhezeit in der Ecke stehen. Ich erinnere mich, dass regelmäßig Fieber in erniedrigender und unangenehmer Form im Po gemessen wurde. Der Leiter des Herz-Jesu-Heim in Heimenkirch war zu der Zeit ein "Herr Doktor", vor dem alle Kinder Angst hatten, weil er Kinder regelmäßig antreten ließ und schlug. Dieser Kelch ging zum Glück an mir vorbei, aber beim Hören des Begriffs "Herr Doktor" fürchtete mich noch Jahre später.

Die Erinnerungen an die Zeit in den Kinderkurheimen hatte ich viele Jahre ziemlich verdrängt. Erst in letzter Zeit und angeregt durch die zahlreichen Berichte zu diesem Thema kommen sie wieder hoch.
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Heinrich Schomers aus Dortmund schrieb am 17.01.2021
Ich wurde 1947 in Prüm geboren, war mit meinen sechs Jahren ein sehr kleines und dünnes Kind, das immer noch zuweilen ins Bett machte und zu dem fraglichen Zeitpunkt außerdem einen starken eitirgen Ausschlag um den Mund herum hatte. Die Nachbarkinder riefen mich darum „Fritzschen mit den Eiterklumpen“.
Meine Mutter und unser Hausarzt beschlossen, mich in Kur zu schicken. Kurz nachdem ich eingeschult worden war, bracht mein Opa mich nach Bad Dürkheim in ein Heim, das von Nonnen geleitet wurde, dessen Name mir leider nicht bekannt ist.
Ich habe an diesen Aufenthalt mehr schlechte als gute Erinnerungen.
Zu den guten Erinnerungen gehörte folgendes. Uns wurde in regelmäßigen Abständen Blut entnommen, wozu ist mir nicht bekannt. Wir Kinder mussten uns in einer Reihe aufstellen, dann kam die Ärztin mit der Spritze. Da ich der Kleinste war, stand ich ganz vorn, hielt tapfer meinen Arm hin, man musste ja da durch. Die Ärtzin selbst erinnere ich als freundlich und zugewandt. Sie nahm mich gern als ersten dran, denn wenn ich die Prozedur ohne Weinen über mich ergehen ließ, konnten die größeren sich ja keine Blöße geben und jammern.
An das Essen habe ich keine Erinnerungen, nur dass wir Kinder es gemeinsam in einem großen Saal zu uns nahmen.
Am ersten Sonntag im Heim wurde ich wegen des Kirchenbesucht gefragt, ob ich katholich oder evangelisch sei. Das wußte ich nicht. Ich ging mit meiner Mutter zwar jeden Sonntag in die Kirche, dass es verschiedene Glaubensrichtungen gab war mir nicht bewußt. Da auf einer Antwort bestanden wurde habe ich schließlich geraten und „evangelisch" gesagt. Beim Kirchbesuch dann habe ich sofort gemerkt, das läuft ganz anders als ich es gewohnt war – meine Äußerung, dass ich wohl doch katholisch sei wurde abgetan. So nahm ich für den Rest des Aufenthalts am evangelichen Gottesdienst teil, in meiner Erinnerung wurde dort viel über die Hölle und den Teufel gepredigt. So richtig gut getan hat mir das aber auch nicht.
Dann jedoch kam der Tag, der alles veänderte:
In dieser Nacht hatte ich ins Bett gemacht, der Versuch, das zu verheimlichen mißlang gründlich. Ich saß mit den andere beim Frühstück, als eine Nonne den Saal betrat, mein Bettlaken in der Hand und mich vor allen Kindern bloßstellt, beschimpfte und verbal erniedrigte. Einerseits habe ich mich total geschämt, andererseits war ich über diese Bloßstellung aufgebracht und habe das auch der Nonne gegenüber deutlich zum Ausdruck gebracht. Damit war ich natürlich aufmüpfig, frech, was weiß ich... Die Nonne nahm mich beim Arm, zerrte mich aus dem Saal un schleppte mich in den Keller, Dort sperrte sie mich in eine Verschlag ein, in dem es völlig dunkel war und verschloss die Tür.
Da stand ich, völlig verängstigt, was hatte die Nonne mit mir vor? Wann würde sie mich wieder harauslassen wenn überhaupt? Wie lange ich dort still gestanden habe weiß ich nicht zu sagen. Irgendwann machte ich einen Schritt nach vor und bekam einen schmerzhaften Schlag gegen den Kopf. Heute erkläre ich mir das so, dass ich mich in einem Verschlag mit Gatengeräten befand und versehentlich auf eine fasch abgestellte Hache oder einen Rechen getreten war und entsprechend den Stiel gegen den Kopf bekam. jedenfalls geriet ich daraufhin in Panik und begann zu brüllen. Wie lange ich geschriehen habe weiß ich nicht, mir war das Zeitgefühl abhanden gekommen. Dann, nach einer mir endlos erscheinenden Zeit ging die Tür auf und die Ärztin befreite mich aus meinem Gefängnis, sie hatte mein Schreien gehört.
Was dann passierte weiß ich nicht, ich erinnere mich noch, dass ich an einem Tag sah, dass die Nonne, die mich eingesperrt hatt, Wäsche bügelte, das Fenster darüber war geöffnet. Ich habe mir irgendwoher Dreck (Lehm oder ähnliches) besorgt, ihr auf die Wäsche geworfen und mich dann schnell erfolgreich versteckt.
Wieder zu Hause habe ich davon nichts erzählt. Zu dieser Zeit hätte mir das keiner geglaubt, zudem hätte man mir sowieso die Schuld zugesprochen, schließlich war ich ja derjehnige, der ins Bett gemacht hatte. Ich sehe hierin auch den Grund, warum die Betroffenen sich damals nicht sofort gemeldet haben.
Das ist meine Erinnerung an diesen Kuraufenthalt bei Nonnen in Bad Dürkheit. Was hat das mit mir gemacht?
Es hat mir Albträume bereitet, 10 Jahre lang! Es gab davon 3 verschieden.
Ich träumte, ich ginge ins Bett. Dazu musste ich eine Treppe hoch steigen. Oben auf dem Podest wartete der Feufel auf mich, um mich mitzunehmen. Hier konnte ich das Schlimme abwenden, indem ich einfach nicht hinaufging.
Auch im zweiten Albtraum ging es um den Teufel. Hierzu muss man wissen, dass ich bereits als kleines Kind dafür verantwortlich war, das die Öfen brannten, also Brennmaterial im Keller einlagern und aus dem Keller bedarfsgerecht zu den Öfen schaffen. Daszu musste ich natürlich in den dunklen Keller hinunter. Im Traum öffnete sich am Fuß der Kellertreppe der Boden. Es erschien der Feufel um mich zu ergreifen. Dazu enstand ein starker Sog nach unten. Um dem zu widerstehen klammerte ich mich an dem an der Wand befestigten handlauf fest, rutsche langsam nach unten. Dann begann ich zu schreien, wurde von meiner Mutter geweckt: „Sch, sch, du hast nur schlecht geträumt."
Der Dritte Albtraum war der hefftigste und wirkte auch in den nächsten Tag hinein.
Ich sitze in der Küche am Tisch, dann erklingt eine seltsame Melodie, (wie das Intro des Schlager ‚Mit Apfelsinen im Haar und an den Hüften Bananen’, wenn ich dieses Intro höre dreht sich mir bis heute der Magen um) dann kommen schwere Schritte die Kellertreppe hinauf, die Küchentür öffnet sich, ein Mann mit roter Kaputze und einer Axt mit zwei Schneiden betritt den Raum, kommt auf mich zu, legte meinen Kopf auf den Tisch, holt mit der Axt aus ... Kurz bevor der Schlag mich trifft, sitze ich wieder allein am Küchentisch, die Musik beginnt etc.
Nach diesem dritten Taum bin ich am nächsten Tag meist ziemlich neben der Spur, es fällt mir schwer, normal zu funktionieren.
Diese Albträume begleiteten mich, bis ich etwa 16 Jahre alt war, danach tauchten sie nie mehr auf, seitdem weiß ich immer genau, ob ich träume oder wach bin.
Seitdem hatte ich aber immer wieder Phasen starker depressiver Verstimmtheit, Schwierigkeiten, mich den Herausforderungen des ganz normalen Lebens zu stellen. Es gab Phasen, während derer ich morgens erst aufstehen konnte, wenn die Herzschmerzen, die sich einstellten weil ich nicht aufstand größer wurden als die Angst, mich dem Leben zu stellen. Es fehlte mir an Selbstvertruen und vor allem an Selbstwertgefühl. Sehr häufig hatte ich auch das Gefühl, es sei besser, wenn ich nicht mehr da sei.
Das ich überlebt habe und am Ende mein Leben auch erfolgreich bestanden habe verdanke ich der Frau, der ich mit 24 Jahren begegnete, die mir zeigte, dass ich ein durchaus wertvoller Mensch bin. Mit dieser Frau lebe ich seitdem zusammen, habe mit ihr zwei Kinder, mittlerweile 5 Enkelkinder. Nur selten noch verdunkelt sich mein Denken. Nur frage ich mich manchmal, wie mein Leben wohl verlaufen wäre ohne diesen Mist. Vergleiche ich das Leben mit einem Matatonlauf, so habe ich das Gefühl, ich musste diesen Lauf mit einem Rucksach mit 20 kg Gewicht absolvieren. Das hat aus mir einen sehr langsamen Menschen gemacht, was die Bewältigungen der Herausforderungen, die sich uns stellen, nicht immer einfach gemacht hat.
Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich diese ganzen Ergeignisse etwa mit 25 Jahren vollständig verdrängt hatte. Ich hatte es einfach vergessen, warum ich manchmal Phasen tiefer Trauer erlebte und auch Zeiten, in denen ich darüber nachdachte, ob es nicht besser sei, tot zu sein. In solchen Phasen habe ich dann Dinge getan, um mich im Leben zu verankern, mit 50 Jahren z.B. habe ich ein Haus gebaut, dafür einen Haufen Schulden gemacht weil ich eines wußte: Ich würde meine Familie nie mit Schulden allein lassen.
Als diese ganzen Berichte über Missbrauch von Kindern in Heimen oder durch Lehrer btw. Priester durch die Presse gingen, hat mich das nicht sonderlich berührt. In mir tauchte kein Echo auf. Dann sah ich eines Abends spät einen Film, der das Leben zweier Menschen beschrieb, die in der Kindheit in Heimen misshandelt worden waren. Während ich diesen Film sah, ging in meinem Kopf plötzlich eine Tür auf und alles, was mir selbst passiert war, war wieder da. Seither muss ich mich ab und an zur Raison rufen, wenn die Gedanken überhand nehmen wolle, was aus mir hätte werden können ohne diesen Ballast. Denn mir geht es heute gut, nur manchmal.....
Heinrich Schomers
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Walburga Uppenkamp aus Ahaus schrieb am 17.01.2021
Es muss vor meiner Einschulung gewesen sein, als meinen Eltern angeraten wurde, mich zur Kur zu schicken, damit ich an Gewicht zulege. Ich war fünf oder sechs Jahre alt und meine Erinnerungen sind sehr vage.

Ich sehe mich noch zu Hause hinter der Tür versteckt stehen und dem Gespräch meiner Mutter mit dem "Fräulein" vom Gesundheitsamt lauschen. Es ging um mich und ich sollte weggeschickt werden. Ich war überzeugt, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Zur Kontrolle meines Gewichtes wurde ich vor meiner Abreise auf die Waage einer Getreidemühle bei und im Dorf gestellt. An der Hand meines Vaters ging ich dorthin und fühlte mich von aller Welt verraten und verlassen. Genauso bei der Abbreise am Bahnhof in Ahaus. Ich wusste nicht, wie mir geschah, als ich mit dem Zug zusammen mit vielen anderen Kindern und einem "Fräulein" in den Schwarzwald verbracht wurde. Alle Kinder trugen ein Schild um den Hals.

Vieles habe ich vergessen. Ich erinnere mich an die Essenszeiten und daran, dass wir Kinder zum Essen gezwungen wurden. Da mir das Essen meistens nicht schmeckte, ich aber hungrig war, probierte ich abends beim Zähneputzen von meiner Blendi Kinderzahncreme, die nach Himbeeren schmeckte. Ein Päckchen mit Süßigkeiten, das ich von zu Hause geschickt bekam, wurde mir weggenommen.

Ich erinnere mich an den Schlafsaal und an eine schlimme Situation, als ich vor ein paar Jungen flüchtete, die mir meine Puppe wegnehmen wollten. Ich versteckte mich auf einer Toilette. Hier wurde ich von einer Betreuerin gefunden und mit Schlägen bestraft, weil ich nicht im Bett war.

Positiv erinnere ich die Spaziergänge zu den Allerheiligen-Wasserfällen und den Duft der Fichtenwälder.

Weil ich während der Kur meinen Zahnputzbecher verloren hatte, war ich während der gesamten Heimfahrt mit dem Zug in großer Angst, meine Eltern würden mich gleich wieder wegschicken, wenn sie das erführen. Unglaublich froh und erleichtert war ich dann, als sie mich nach meinem "Geständnis" in die Arme schlossen und offenbar froh waren, dass ich zurück war.

Mein Gewicht wurde auf der Getreidewaage kontrolliert. Der geringfügige Erfolg war jedoch, soweit ich mich erinnere, nach ein paar Wochen wieder dahin.

Ein Jahr später wurde mein kleiner Bruder für sechs Wochen in ein Kinderkurheim nach Norderney verschickt. Ich hatte großes Mitleid mit ihm, konnte aber wieder nichts dagegen tun.
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Thomas H. aus Dortmund schrieb am 16.01.2021
Kinderheilanstalt oder Kinderkurheim in (16) Bad Soden- Salmünster, Postkarten habe ich noch! Daraus geht der Zeitraum hervor muss vom 7.2.1962 bis 21.03.1962 / 6 Wochen gewesen sein. Als ich 6 Jahre und 5 Monate alt war wurde ich zur Kur geschickt. Wegen Appetitlosigkeit und weil ich zu klein und untergewichtig war. Leberkrank soll ich auch noch gewesen sein. Von den größeren Kindern, welche die Treppen herunterrannten, wurde ich mal gestoßen und habe mir beim Fallen die Stirn aufgeschlagen mit starker Blutung, die Narbe, als Andenken, habe ich heute noch. Das Essen hat mir nicht geschmeckt, ich war gefühlt immer der letzte am Tisch und musste regelrecht bitten den Tisch zu verlassen ohne aufgegessen zu haben. Einmal musste ich mich übergeben. Daraufhin wurde ich gezwungen das Erbrochene aufzuessen, dies war für mich das schlimmste Erlebnis. Als ich das zu Hause erzählte hat man es mir nicht geglaubt. Die sogenannte Betreuung wurde von Nonnen vollzogen. Mal schlimm mal weniger schlimm. Diese kirchlichen Angestellten standen, bei meiner Mutter, für das Gute! So musste ich mit den Geschehnissen allein fertig werden (Psychische Folgen kann ich nicht beurteilen). Den Kurerfolg habe ich nie erkannt, im Gedächtnis habe ich nur das Schlechte behalten. Und mein katholischer Glaube hat sich hat sich dahingehend geändert das ich mich von der Kirche als Gottes und Jesu Vertretung abgewendet habe. Im Namen dieser Institution ist zu viel Unheil über die Menschheit hereingebrochen z.B. Kreuzzüge, Hexenverbrennung, Zwangs- Christianisierung der Naturvölker. Das was ich in diesem Forum und den Berichten gelesen habe, ist unfassbar. Da bin ich ja nochmal gut davon gekommen. Es ist wirklich gut das dieses Unrecht publik gemacht wird und somit im nach hinein Verantwortliche erkannt werden!
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Petra Elisabeth Muhlberg geb. Wilkniß aus Lünen schrieb am 16.01.2021
Ich habe den Zeitungsbericht" Kinder-Kur in der Hölle" gelesen und möchte meine diesbezüglichen Erfahrungen mitteilen.
Im Sommer1967 wurde ich als 5 jährige für 6 Wochen nach Norderney zur " Erholung" geschickt. Ich hatte häufig Bronchitis und war zu dünn und sollte vor meinem Schulbeginn an der Nordsee aufgepäppelt werden.
Ich weiß nicht wie das Haus hieß aber es war sehr düster und ungemütlich .Die Aufsichtspersonen waren Nonnen .
Obwohl es Sommer war, war es im Haus immer kalt und wir durften auch nur immer für eine halbe Stunde draußen spielen, wobei ein Kind eine Schüppe bekam und ein anderes einen Eimer.
Beim Essen wurde ich immer gezwungen den Teller leer zu machen und wenn ich das Essen nicht mochte bekam ich extra noch einmal den Teller voll gemacht. Ich mußte dann solange sitzen bleiben bis alles aufgegessen war. Während dessen wurde mir gedroht, dass ich nicht nach Hause kommen würde wenn ich nicht essen würde.
Ich erkrankte dann an Windpocken, hatte Fieber und wurde isoliert in einem großen Schlafsaal - ganz alleine. Den ganzen Tag hat sich niemand um mich gekümmert, nur das Essen wurde mir gebracht. Ich habe nur geweint und wusste nicht warum meine Mama mich dahin gegeben hat und warum meine Eltern mich nicht mehr wollten.
Meine Eltern haben wohl öfter im Heim angerufen aber man hat ihnen immer gesagt,daß es mir gut geht.
Wenn der Arzt zur Untersuchung kam mussten wir immer in Unterwäsche, Barfuß auf den kalten Fliesen im Keller in Reih und Glied stehen. Manchmal sehr lange. Andere Kinder wurden auch geschlagen ,ich nicht .
Ich weiß noch,daß wir nicht einmal an den Strand gegangen sind, obwohl es ein schöner Sommer war.
Als ich nach 6 Wochen wieder in Dortmund ankam war ich statt gut erholt und aufgepäppelt abgemagert,blass und gebrochen, so das meine Mutter mich nicht wiedererkannt hat.
Noch heute träume ich davon.
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Birgit Thiesbrummel aus Gütersloh schrieb am 16.01.2021
Das Mädchen aus dem Bus auf der Hinfahrt neben mir weinte direkt bei unserer Ankunft durch den komissmäßigen Befehlston in ein- oder zwei Wortsätzen. Ich tröstete sie und meinte, daß sei bestimmt nur am Anfang so. Am nächsten Tag war ich das Kind mit dem größten Heimweh...
In unsere Gruppe/Zimmer hatten wir eine sehr nette und liebevolle "Tante" Heidi. Bei ihr fühlten wir uns geschützt. Sie hat mit uns schöne Spiele drinnen und draußen gespielt und hat mir die Karten meiner Großmutter vorgelesen, die in sytterlin geschrieben waren. Dennoch herrschte außerhalb ihrer Dienstzeit ein strenges Regiment. Wir würden gezwungen aufzuessen, auch wenn es später erbrochen wurde. Wir mussten lange Strophen Lieder auswendig lernen. Wer sie nicht konnte wurde verhauen auf dem Boden liegend. Kinder, die ins Bett machten bekamen abends nichts mehr zu trinken. Der Ton außer unserer Heidi war komissmäßig. Mich persönlich traf es nicht, aber ich litt mit den anderen. Wir haben in unserem Zimmer mit ca. 5 Kindern zwische 7 und 13 Jahren (ich war 9) den Plan geschmiedet auszureißen. Wir bekamen 1 x pro Woche unseren Koffer vom
Dachboden zur Entnahme frischer Wäsche. Wir haben dann ein paar mehr warme Sachen rausgeholt um am Folgeabend nach dem letzten Kontrolldurchgang durch das Fenster im Erdgeschoss nach draußen zu klettern und uns auf den Weg zu Fuß nach Wittdün zum Fähranleger zu machen. Dort wollten wir mit der nächsten Fähre nach Dagebüll als blinde Passagiere ? übersetzen um dort der Polizei zu schildern wie man mit und umgeht und sie bitten uns nach Hause zu bringen. Unsere Diskussion über die Polizei Amrum hatten wir schnell beendet, da wir vermuteten, dass sie uns wieder zurückbrächten und wir dann vielleicht totgeschlagen werden. Am Tag vor der Durchführung unseres Plans kam eine Karte von meinen Eltern, die von meinem Heimweh wussten, dass sie auf Amrum nun ein Zimmer hätten, sie mich zwar nicht besuchen dürften, aber ich sie in meiner Nähe wüsste. Dadurch konnte ich nicht mehr mit weglaufen - war ja keiner zu Hause - und die anderen wollten ohne mich nicht - es wäre eine Katastrophe geworden.
Zu welchen Entscheidungen Kinder getrieben wurden ist aus heutiger Sicht unglaublich.
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Thomas aus Dortmund schrieb am 16.01.2021
Ich war 1959 und 1960 zweimal im Schwarzwald,Ort Mambach,Name des kinderheimes unbekannt.
Ich habe keine Erinnerungen an das Heim.
Kennt jemand den Ort und das Heim?
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Martina aus Dorsten schrieb am 16.01.2021
Hallo, ich schreibe für meinen verstorbenen Mann. Er hat kaum darüber geredet. Nur: Er kam wegen Untergewicht in den Norden und mit 4KG weniger Gewicht zurück. ABER: Er hat in jeder Nacht laut vor Angst geschrien. Ich habe ihn jede Nacht geweckt und beruhigt. Es hat weit über 10 Jahre gedauert bis es spürbar nachließ.
Es ist grausam was kleinen Kindern angetan wird und wurde. Wir wussten nichts von Traumata und konnten nichts anderes machen als Vertrauen aufzubauen. Vielleicht hätte ein Psychologe besser helfen können als ich.
Kurz vor seinem Tod jetzt im Alter kam alles wieder hoch.
Ich konnte ihm nicht genug helfen.
Ich hoffe, dass es ihm jetzt gut geht.
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Diehlmann Heinrich aus 48683 Ahaus schrieb am 15.01.2021
Kur in Allerheiligen
Am Ende meiner Grundschulzeit meinten meine Eltern und auch der Hausarzt, dass ich doch relativ klein und schmächtig sei und vor Beginn der Gymnasialzeit noch mal etwas für meine Gesundheit machen sollte. Damals war es üblich, gewichtsauffällige Kinder in eine Kinder-Kur zu verschicken. Da wir noch kein Auto hatten, wurde ich im Januar 1961 in den Zug gesetzt, zusammen mit etlichen anderen Kindern, und nach Allerheiligen im Schwarzwald verfrachtet. Dort wurde ich für 6 Wochen im Kinder-Kurheim untergebracht mit dem Ziel, an Kraft und Gewicht zuzulegen.
Es war eine schlimme Zeit. Ich wurde mit gleichaltrigen Jungen in einem Schlafsaal mit etwa 12 Betten untergebracht. Für alles gab es feste Zeiten, abweichendes Verhalten wurde bestraft. Am schlimmsten waren die Essenszeiten im Speisesaal. Es musste gegessen werden, was auf den Tisch kam, ob es schmeckte oder nicht. Ich erinnere mich an Teller voller Haferschleim, die ich aufessen sollte. Nach meiner Weigerung musste ich so lange vor dem Teller sitzen bleiben, bis er leer war. Auch Tränen halfen nicht. Als die Hälfte der Kinder schon gegangen war und ich immer noch vorm halbleeren Teller saß, machte ich in einem unbeaufsichtigten Moment den Mund ganz voll und rannte zum Klo, wo ich alles ausspuckte.
Wöchentlich mussten wir eine Ansichtskarte nach Hause schreiben. Die wurde vor dem Absenden vom Personal korrigiert. Auch inhaltlich. Dass ich essen musste, was ich nicht wollte, und dass mir das meiste nicht schmeckte, durfte ich nicht schreiben. Nur Positives. Wir hielten uns viel im Freien auf, dick vermummt, im hohen Schnee. Ich wurde von Stärkeren oft mit dem Gesicht in den Schnee getunkt oder mit Schneebällen abgeworfen. Schlimme Erfahrungen.
Nach dem Abendessen mussten wir schlafen gehen. Dann war Ruhepflicht, sprechen war verboten. Ein Betreuer hielt auf dem Flur vor den ganzen Schlafsälen Wache bis Mitternacht und ahndete jedes Flüstern und Reden. Ich habe da viel geweint. Ich erinnere mich, dass ich mal nach dem Silentium zum Klo musste. Die anderen schliefen teilweise schon. Der Betreuer war schlecht gelaunt und daher durfte ich nicht. Ich hielt es nicht mehr aus. Da schlich ich mich in die neben meinem Bett befindliche Klappe zur Koffer-Kammer und verrichtete da heimlich meine Notdurft. Zum Glück wurde das nicht bemerkt; dieses Not-Klo nutzte ich noch einige Male.
Samstags war Bade-Tag. Es gab einen Dusch-Raum mit 11 Duschen mit Vorhängen und einer Badewanne. Alle wurden wir nacheinander vom Betreuer eingeseift. Der Kleinste musste in die Badewanne und wurde dort „behandelt“. Die Jungen in den Duschen schauten zu und kommentierten höhnisch das Gewaschen-werden des Kleinsten und sein kleines Schwänzchen. Ich hatte immer Angst, in der Bade-Gruppe der Kleinste zu sein, was ich aber einige male war! Seit diesen traumatischen Erfahrungen habe ich Probleme, im Beisein von anderen z.B. auf einer Männer-Toilette einer Autobahn-Raststätte in ein Urinal zu pinkeln.
Zum Glück war die schlimme Zeit in Allerheiligen nach 6 Wochen endlich vorbei und ich durfte wieder nach Hause. Erst 60 Jahre später besann man sich in Deutschland auf die Zustände in hunderten von deutschen Kurheimen und fing an, über die „Kinder-Kuren in der Hölle“ zu forschen.
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Martina schrieb am 15.01.2021
Aufgrund von häufig wiederkehrender Bronchitis wurde ich als 5 Jährige für sechs Wochen allein zur Bäder Kur nach Bad Salzuflen geschickt. Ein Alptraum, der bis heute mein schlimmstes Erlebnis in meinem Leben war/ist.

Meine Puppe wurde mir weggenommen, die saß oben auf dem Schrank. Ich hatte schreckliches Heimweh, nachts im Bett durfte man nicht weinen, dann musste man in eine Art Extrazelle.
Davor hatte ich panische Angst. Ich lag in einem gemischten Schlafsaal, nachts wurde patrouilliert und eine Aufseherin setzte sich an die Bettkante, ich traute mich nicht zu atmen vor Angst, die Tränen flossen mir irgendwie geräuschlos nach innen.
Ein Nachttopf, den man aber nicht so einfach nutzen durfte stand am Ende des Schlafsaales.

Einmal wurde ich von einer Aufseherin im Badebecken so lange untergetaucht, dass ich dachte, ich muss sterben.
Erst nachdem ich kräftig zappelte, ließ sie mich endlich los.

Die gleiche Aufseherin drohte auch, mich in einen großen Kochtopf zu stecken (sie zeigte ihn mir), wenn ich nicht bald "artig" sei.

Ich hatte sechs Wochen nur Angst und Heimweh.

Viele Male musste ich mit dem Gesicht zur Wand in der Ecke stehen.

Das Essen war schrecklich: Milch gekocht mit einer dicken Hautschicht drauf, oder dicke zähe Milchhautklumpen im Milchreis.
Ich erinnere mich, dass ich die Haut mit dem Finger entfernt habe und diese unter der Tischkante abstrich. Das sah eine der Aufseherinnen und zwang mich die Haut zu essen.

Meine Großmutter war erschüttert als ich bleich und stotternd zurückkam, sie hat sofort gesehen, dass etwas Schreckliches passiert ist. Ich habe danach fast ein Jahr gestottert.

Mit neun Jahren sollte ich eine zweite Kur machen, da habe ich in der Kinderarztpraxis so laut geschrien, dass dieser Plan gleich wieder verworfen wurde.
Ich hatte jahrelang und bis heute eine riesige Wut auf diese Einrichtung, von der ich heute den Namen leider nicht mehr weiß.

Gut, dass es dieses Forum gibt, wo man Zeugnis ablegen kann!
Jahrelang habe ich gedacht, ich bin eine von wenigen, die so behandelt wurde.
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Ursula Maria Wahle aus Witten schrieb am 15.01.2021
Ich weiß nicht, wie das Heim hieß, es war aber definitiv in Pivitsheide und es wurde von Nonnen betrieben. Ich wurde als 6 jährige, vor der Einschulung dahin geschickt. Ich kann mich nicht wirklich an viele Einzelheiten erinnern, aber ein Vorfall ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Ich hatte beim Mittagessen erbrochen ( den Grund weiß ich nicht mehr), und eine Nonne wollte mich zwingen, das Erbrochene aufzuessen. Dabei schrie sie mich an, dass von dem Teller später auch noch die Waisenkinder essen müssten. Weil ich mich weigerte, wurde ich stundenlang in einen Raum eingesperrt, in dem große Solefässer standen. Ich habe meinen Eltern nie von diesem Vorfall erzählt. Als 1977 mein Sohn auch vor der Einschulung zu einer Kinderkur geschickt werden sollte, habe ich mich geweigert.
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Ute Rühl aus Breuberg schrieb am 15.01.2021
Ich kann mich nur an sehr wenig an diese Zeit erinnern. Ich weiß noch das es Jogurt gab ,den ich nicht kannte!! Und an Ausflüge in die Dünen.Aber das es schlimmere Vorfälle gab .Daran kann ich mich nicht Erinnern. Wir waren dieses Jahr auf Sylt und haben mal in Westerland nach dem Heim geschaut. Aber das kam mir nicht bekannt vor.
LG Ute Rühl
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Simone Strunck aus Sinzheim schrieb am 13.01.2021
Liebe Leser,
es berührt mich sehr, dass es solch eine Website gibt, die Erinnerungen und Erfahrungen von damals: Erholungsheimen, heute: Verschickungsheimen sammelt. Nach Ausmisten vom Keller (Dank Corona!) habe ich Postkarten von meiner Mutter gefunden, die sie mir an das Kinderheim "Gutermann in Oberstdorf/Bayr. Allgäu geschickt hat und da sind mir Erinnerungen gekommen, die ich doch sehr gerne teilen möchte.
Ich erinnere mich an die Abfahrt, ich glaube Bahnhof Karlsruhe mit meinem Köfferchen, und wurde im Allgäu ohne Eltern etc. mit 6 Jahren für 6 Wochen in ein Erholungsheim geschickt (Krupp-Husten, Bronchitis etc.). Ich weiß nicht mehr wie ich ankam, doch ich weiß, dass wir Kinder in einem Baderaum breitbeinig uns bücken mussten... Zähneputzen war damals schon mit Himbeergeschmack angenehm, ich habe viel Himbeerzahnpasta gegessen. Ich war im "Schneewitschen-Zimmer, 4 Schlafstätte und ein Topf in der Mitte des Zimmers zum Pippi-Machen. Ich kann mich erinnern, Fieberthermometer in meinen Popo bekommen zu haben, das sehr schmerzhaft war, und auch wurden meine Ohren gereinigt so stark, dass ich Schluckauf bekam und jeder Schluckauf hat sehr weh getan. Natürlich wurden wir zu Nachmittagsschlafen hingelegt, dabei habe ich mir die Milchzähne ausgerissen. Woran ich mich auch noch erinnern kann ist, dass wir Grießbrei und Milchbrei bis zum Erbrechen erhalten haben, auch saß ich oft an einem besonderen Tisch und was ich schon damals komisch fand war der Spaziergang auf einen der Balkone/Terrassen stundenlang im Kreis, stundenlang!
Auch weiß ich noch, dass ich meine Geschlechtsteile zeigen musste auf Wunsch meiner Zimmergesellen, vielleicht ganz normal als "Doktorspiele?". Sie wollten das einfach sehen...
Auf den Karten meiner Mutter an mich nach Oberstdorf, die bereits seit 30 Jahren verstorben ist, nennt sie eine "Tante Künzel". Doch ich kann mich auch daran erinnern, dass jemand an meinem Bett sehr liebevoll die Karten meiner Eltern vorgelesen hat.
Ich weiß nicht ob ich weiterhelfen kann, doch ich habe meine Erfahrungen weitergegeben, und das ist gut so.
Die Eltern damals standen enorm unter Druck, wir dürfen sie nicht verurteilen. Unsere Kinder heute müssen dem Klimawandel entgegenstehen, unsere Eltern/Großeltern mussten Ehemänner/Kinder dem Krieg opfern, was bedeutet "breitbeinig/bücken/u. s. w." dazu?. Dennoch unterstütze ich Ihre Aufklärungskampagne,
Liebe Grüße
Simone Strunck
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Elke Pannen aus 41065 Mönchengladbach schrieb am 11.01.2021
Hallo Zusammen ,
Ich wurde als knapp 4-jähriges Mädchen nach Norderney geschickt.
Hier sind noch Erinnerungen und Gefühle aus dieser Zeit:
Ein zugiger Bahnhof, kalt, laut, viele Kinder, fremde Menschen, Geschrei, Weinen, Abschied.
Entsetzen. Angst. Panik. Schmerzen. Starre.

Ich denke, in dieser Starre habe ich die
6-monatige Trennung von meiner Familie überlebt.

Aus dieser Zeit sind mir noch Gerüche präsent.
Holzdielen im Essbereich ekeln mich.
Essen, bis der Teller leer ist. Solange sitzen bleiben.
Die schamhafteste Erinnerung ist das abendliche Fiebermessen. Alle Kinder mussten, nebeneinander in ihren Betten auf dem Bauch liegend, mit heruntergezogenen Schlafanzughosen diese Prozedur, die auch sehr schmerzhaft war, ertragen.

Mich interessieren die Auswirkungen dieses
6-monatigen Aufenthaltes als 4-jährige auf mein Leben.

Vielleicht gibt es ja noch Einige, die im Seehospiz auf Norderney in dieser Zeit
(5-11/1961) auch dort waren. Ich habe noch einige Fotos und einen Brief an meine Eltern, von Schwester Anni geschrieben.

Ich würde mich freuen, von Euch zu hören.
Liebe Grüße
Elke
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Karsten Friedrichs schrieb am 11.01.2021
Hallo zusammen!

Ich wurde im Frühjahr 1964 als Zehnjähriger nach Bonndorf im Schwarzwald verschickt.
Es war mein zweiter Verschickungsaufenthalt, der erste war kurz vor meiner Einschulung als Sechsjähriger. An diesen Aufenthalt auf Amrum habe ich - im Gegensatz zu anderen Erinnerungen aus der Zeit, z.B. meiner Einschulung - trotz Anstrengungen keinerlei Erinnerungen.
Hier mein Text, den ich vor einiger Zeit aufgeschrieben habe:

Als ich es begriff, war es zu spät. Es war Nacht und mein Vater stand da draußen, im fahlen Licht der Neonlampen eines Bahnsteigs des Bremer Hauptbahnhofs, mit ausgebreiteten Armen, die er langsam über dem Kopf zusammenführte und wieder öffnete. Ich schaute aus dem Zugfenster, während er immer kleiner und kleiner wurde, bevor er ganz verschwunden war.

Ich wurde nach hinten gezogen in das warme, feuchte Abteil, das Fenster wurde hochgeschoben und ich befand mich in einem Nachtzug mitten zwischen einigen Kindern und Jugendlichen und einer „netten Tante“, die mir nahelegte, mich jetzt auszuruhen und zu versuchen zu schlafen.

Schon wochenlang vorher hatten die Vorbereitungen begonnen, es wurden nach einer Liste mit Anordnungen Kleidungsstücke zusammengestellt, auf die meine Mutter kurze Stücke einer eigens dafür angefertigten Endlosrolle mit meinem Namen festnähte, es wurde mit (den ersten wasserfesten) Filzstiften Koffer, Taschen, Kleiderbügel und Schuhputzbürsten beschriftet („Blankputzbürste“, „Dreckbürste“, „Braun“, „Schwarz“), immer begleitet von Mutters Kommentaren wie „Hast du es gut, mal alleine richtig in Urlaub fahren, wir können uns das nicht leisten!“, selbst die Nachbarn sprachen mich darauf an.

Ich war gerade zehn Jahre alt geworden und stand vor dem Wechsel von der Grundschule in das Gymnasium, als eine ärztliche Untersuchung feststellte, dass ich leichtes Untergewicht hatte. So stand für meine Mutter bald fest, dass ich in ein Kinderkurheim „verschickt“ werden sollte, wo man mich richtig wieder aufpäppeln sollte.

Bis auf die bedauernswerte Tatsache, dass ich dadurch vorzeitig aus meiner Grundschule entlassen wurde, wußte ich nicht so recht, was ich von alledem halte sollte, vielleicht machten mich die vielen Anpreisungen und Ausdrücke empfundenen Neids auch mißtrauisch.

Ich war fünf Jahre zuvor schon einmal zu einem Kinderkuraufenthalt auf der Insel Amrum gewesen, daran hatte ich aber keinerlei Erinnerungen mehr, was bis heute so geblieben ist; dieser Zeitraum - es mögen vier oder sechs Wochen gewesen sein - ist in dem zugänglichen Teil meines Gedächtnisses nicht abrufbar, mir ist es nie gelungen, irgendein Bruchstück zu aktualisieren, und da ich noch nicht zur Schule ging, es geschah kurz vor meiner Einschulung, gibt es auch keine schriftlichen Nachrichten außer einer von irgend einer Erzieherin geschriebenen Ansichtskarte, die ich mit krakeliger Schrift mit meinem Namen unterzeichnet hatte sowie einem kleinen Andenken-Teller mit eingeritztem Fisch und dem Schriftzzug „Insel Amrum“.

Als ich merkte, was los war, gab es kein Zurück mehr. Ich weiß nicht mehr, ob ich in der Nacht geschlafen habe, ich war wie gelähmt. Irgendwann am nächsten Tag kamen wir nach 750 km in einem Kinderheim in Bonndorf im tiefsten Südwesten Deutschlands in der Nähe der Grenze zur Schweiz an. Jetzt war mir klar, dass meine Eltern mich allein gelassen hatten. Und ich wußte auch, dass sie es wissentlich getan hatten. Und dass ich nichts dagegen tun konnte. Aber ich hatte keine Wut auf sie. Das Gefühl allein zu sein; die Angst davor, dass es sehr lange dauern würde; die Gewißheit, dass ich sehr weit von zu Hause weg war, alles das war so stark, daß ich nicht wütend sein konnte auf sie. Ich wollte nur eins, so schnell wie möglich zurück. Das weiteste, das ich bis dahin von meinem Heimatort entfernt gewesen war, waren Aufenthalte auf den Nordseeinseln, d.h. drei Stunden Fahrt. Ich war zwölf Stunden unterwegs gewesen.

Alles war neu hier, ungewohnt, roch fremd, ich hatte niemanden hier schon jemals gesehen, und alles war voller Schnee, es war der 19.Februar 1964, ich war 10 Jahre alt.
Ich war davon überzeugt, dass meine Eltern nicht wußten, wie es mir hier ging. Sie wußten wohl, daß ich allein war, weg von zu Hause, aber nicht, wie es wirklich war, wie weh das Heimweh tat. Und das bildete mein Hauptproblem: Wie sollte ich Kontakt zu Ihnen bekommen, ich konnte ihnen nichts mitteilen. Wir hatten zu Hause kein Telefon und man hatte uns gleich gesagt, daß Telefonieren sowieso verboten war, vorbehalten für Notfälle. Neidisch bekam ich einmal mit, wie ein Mädchen angerufen wurde, weil es Geburtstag hatte. Ich hatte im Oktober Geburtstag gehabt.

An diesem ersten Tag noch sollten wir nach Hause schreiben, unsere Ankunft bestätigen. Und da entstand mein zweites Problem: Es gab eine Zensur. Briefe und Karten wurden von der Betreuerin durchgelesen. Würde sie kritische Bemerkungen finden, sagte sie, würde sie einem die Post zurückgeben und man hätte sie zu ändern, erst dann sollte sie losgeschickt werden, außerdem war es mir unangenehm, solch persönliche Gefühle von irgend jemand Fremdem gelesen zu wissen. Ich kam mir wie eingesperrt vor, wußte um die isolierte Situation, die endlose, für mich unüberschaubare sechs Wochen dauern würde, und daß ich meinen Eltern nicht das schreiben könnte, was ich fühlte.

Somit beobachtete ich genau, was mit der ausgehenden Post geschah, nachdem sie zensiert worden war. Mir war klar geworden, daß ich vor dieser Kontrolle nichts ausrichten konnte, um meinen Eltern davon zu berichten, wie ich mich hier fühlte, so daß sie wenigstens wüßten, was hier los war und vielleicht in ihrer Post Trost spenden konnten oder sonst was. Es musste der Zeitraum zwischen Kontrolle und Abschicken sein. Ich sah, wohin der Stapel absendefertiger Post gelegt wurde, bevor er zum Briefkasten gebracht wurde, es war eine Anrichte neben der Tür des Aufenthaltsraums. Ich hatte eine Ansichtskarte mit der Abbildung des Heims bekommen und sie mit allerlei üblichen Nebensächlichkeiten beschrieben. Vor dem Abendessen schlich ich mit einem Bleistift in den besagten Raum und erblickte den Stapel. Auf meine Idee war anscheinend sonst niemand gekommen. Endlich fand ich meine Karte und schrieb schnell mit Bleistift an den Rand „Heimweh!“, etwas Besseres fiel mir nicht ein, legte sie schnell zurück und verließ ungesehen das Zimmer. Ich fühlte mich erleichtert, es war mir gelungen, einen Plan zu entwickeln, die Wachen zu umgehen und eine Nachricht nach draußen zu bringen. Bald würden meine Eltern über alles informiert sein und reagieren.
Tagsüber ging es noch, aber am Abend musste ich heulen, nicht nur am ersten Tag. Ich versuchte krampfhaft, mich zurecht zu finden, aber vieles war schwierig, man war fast nie allein. Als Zehnjähriger wurde ich der Gruppe der großen Jungen zugeteilt. Sie ging von 10-13, ich war einer der jüngsten. Sie versuchten, mich zu ärgern, lachten über mich beim Duschen, aber ich hatte sie einigermaßen im Griff.

Morgens saß ich ab da mit sieben oder acht dieser Jungen in einem Erker auf einer Eckbank und es gab Graupensuppe, dazu Butterbrote. Alles war darauf ausgerichtet, daß die Kinder viel zunahmen, also auf mess- und sichtbare Erfolge. Mittags mußte man 1½ Stunden im verdunkelten Zimmer in seinem Bett liegen und sollte eigentlich schlafen. Es herrschte absolute Ruhe und man konnte nicht anders als nachzudenken und traurig zu werden. Abends war es ähnlich. Manchmal kam eine Betreuerin, ich glaube sie hieß Doris, wir mußten sie Tante Doris nennen, und tröstete mich. Ich war über ihre Zärtlichkeit erstaunt.

Endlich kam der erste Brief meiner Eltern: Er war eine große Enttäuschung. Weder Vater noch Mutter hatten verstanden, was ich hatte sagen wollen, sie hatten mein Notsignal nicht empfangen. Ich las etwas von „es ist ja nicht so lange“ in einem Nebensatz, woran ich erkennen konnte, daß sie das Wort gesehen hatten. Aber dass es mit Bleistift geschrieben war, der Rest mit Kuli, dass es isoliert am Rand stand, nicht im Zusammenhang und dass es ein Notruf mit Ausrufezeichen war im Gegensatz zum sonstigen Geplänkel, all das hatten sie nicht verstanden oder verstehen wollen. Ein sehr bitteres Gefühl kroch in mir hoch: Ich konnte nicht auf Hilfe hoffen. Meine weiteren Briefe enthielten harmlose Berichte der Tagesabläufe und ihre Antwortschreiben eben solche Aufzählungen der Banalitäten, die zu Hause passierten, verbunden mit neidvollen Äußerungen, wie gut es mir doch gehen müsse.

So streckten sich die Tage dahin: Aufstehen, Frühstücken, Spazierengehen, Mittagessen, Mittagschlaf, Spazierengehen, Abendbrot, Schlafen. Einmal wurde mir klar, daß es noch schlimmer hätte kommen können. Klaus aus Stade, einer meiner Zimmermitbewohner, bekam eine Blinddarmentzündung. Mitten in der Nacht holte man ihn stöhnend aus unserem Zimmer und brachte ihn ins Krankenhaus, wo er sofort operiert wurde. Einige Male gingen wir auf unseren Spaziergängen am Krankenhaus vorbei. Es war ein großes, graues Gebäude. An einem der oberen Fenster erschien ein kleiner Kopf, ein Gesicht lächelte müde. Es war Klaus. Zwei Wochen später war er wieder da, er durfte von da an nicht mehr Schlittenfahren.

Das Wetter wurde ganz langsam besser, manchmal kam jetzt die Sonne durch und der Schnee begann zu schmelzen, es begann nach einer Vorahnung von Frühling zu riechen, auch war es jetzt endlich länger hell.

Immer öfter bemerkte ich, daß andere Kinder Andenken für Ihre Angehörigen kauften, wenn wir im nahegelegenen Ort an einschlägigen Geschäften vorbeikamen. Ich dachte mir, das mußt du auch tun und erwarb von meinem Taschengeld eine Rehfamilie in Gold: Bock, Ricke und Kitz, die man an die Wand hängen konnte. Darunter stand :“Grüße aus Bonndorf/Schwarzwald“.

Meine Rückkehr schien näher zu kommen. Ich befand mich in einer Art Starre, in der man am besten unangenehme Zustände aushält und lenkte mich mit Träumereien von zu Hause ab. Wenn wir auf einem Spaziergang waren, ging ich kurzzeitig etwas abseits, die Sonne schien mir ins Gesicht, es roch nach Kuhmist, mit dem die Landwirte begonnen hatten, die Felder zu düngen, überall lagen noch angeschmolzene und in der noch tief stehenden Sonne funkelnde Schneeinseln und dann redete ich laut mit meinen Eltern. Es war fast so, als wären sie da, nur daß sie nicht da waren.

Am meisten freute ich mich auf die Ankunft in Oldenburg. Immer wieder stellte ich mir vor, wie mein Zug in den Hauptbahnhof einlaufen würde, eine riesige Menschenmenge, ein Meer aus Menschen stand da, ich etwas erhöht im Zug an der Tür, schaute umher, versuchte meine Eltern in der Menge zu entdecken. Irgendwann beim wiederholten Durchspielen dieser Szene in meiner Phantasie war ich an dieser Stelle auf die Idee gekommen, daß es toll wirken würde, wenn ich mich bemerkbar machen könnte, denn auch meine Eltern würden ja nicht wissen, aus welcher Tür ich aus dem Zug steigen würde.
So brachte ich mir die letzten Wochen bei, auf den Fingern zu pfeifen. Ich wollte die Waggontür öffnen und meinen mit den Augen den Zug absuchenden Eltern laut zupfeifen, so dass sie mich entdecken mussten. Dann würde ich ihnen zuwinken, mich durch die Menge auf sie zu bewegen und sie umarmen und alles wäre wieder in Ordnung.

Nach etwa einer Woche kam der erste Ton, nach zwei Wochen konnte ich auf den beiden kleinen Fingern pfeifen, nach drei Wochen auf allen Fingern. Die Betreuerinnen waren schon genervt, weil andauernd Kinder zu mir kamen, um etwas vorgepfiffen zu bekommen.

Dann war die Ewigkeit vorbei. Wir mussten alle unsere Sachen wieder in die Koffer legen, die Kleidungsstücke säuberlich zusammenlegen, das Schuhputzzeug wieder in den blaukarierten Beutel, den man oben zuziehen konnte usw.
Die Zugfahrt war endlos, allerdings fuhren wir diesmal nicht über Nacht. Es ging frühmorgens los und wir würden spät abends in Oldenburg sein. Schon im Laufe des Vormittags stiegen die ersten Kinder aus, die in Süddeutschland wohnten, auch Carmen Fensterer aus Ludwigshafen, die ich zuletzt richtig toll gefunden hatte. So ging es den ganzen Tag über weiter, auch mein Abteil leerte sich mehr und mehr. Spätabends waren nur noch eine Betreuerin und ich da, das vorletzte Kind war in Bremen ausgestiegen. Endlich kamen wir in Oldenburg an, aber die Wirklichkeit unterschied sich von meinen Träumen. Niemand war mehr im Zug und auch niemand stand auf dem Bahnsteig, außer meinem Vater, der etwas müde wirkte, sich aber freute, mich wiederzusehen. Meine lange geplante Ankunftsaktion vergaß ich. Als wir zu Fuß vom Bahnhof nach Hause gingen, trug er meinen Koffer.
Immerhin habe ich gelernt, auf Fingern zu pfeifen.
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Dr. Jürgen Baumgart aus Münster schrieb am 10.01.2021
Wegen Unterernährung war ich ich 3 Mal für jeweils 6 Wochen auf der „ Milchsuppeninsel“.
Meine ekelhafteste Erinnerung ist die an die
„Tanten“,
Vor allem Tante Gesche, die mich gezwungen hat, erbrochenen Kochfisch erneut zu essen.
Ein Pfleger hat mich dabei festgehalten.
Die Mittagsruhe war die reinste Schikane.
Der Schlafsaal mit 10 Kindern hatte einen Nachttopf. Den musste ich, der Jüngste randvoll
gepinkelt ausleeren.
Da ging jedes Mal was daneben. Ich musste danach den Flur mit einer Zahnbürste schrubben.
Die endlosen Wanderungen ohne Trinken waren eine Plage.
Da half auch die Prämierung der „ Mastopfer“
Am Ende der Kur nicht. MancheKinder haben 10 Teller Milchsuppe am Abend essen müssen, um das Mastziel zu erreichen.
Ich habe nach 1962 diese Insel bewusst nicht mehr aufgesucht, obwohl ich als Hobbysegler
Eine Affinität zu Wasser habe.
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Birgit aus Oering schrieb am 09.01.2021
Mit meinen etwa vier Jahren war ich dem Arzt mit 21 kg zu dünn. Also riet er meinen Eltern zu einer 6wöchigen Verschickungkur zum Zunehmen.
Wie ich ins Heim nach Muggendorf kam weiss ich nicht mehr. Nur das ich mich verloren und verlassen fühlte. Jede Nacht denselben Albtraum ... Meine Mutti ließ mich unter einer dunklen Brücke stehen, ging um die Ecke und kam nie wieder.
Die Schwester meinte nur, meine Mutti täte mich bald besuchen und ich solle doch wieder schlafen.
Einmal machte ich sogar ins Bett vor Angst. Da wir nachts nicht auf die Toilette durften und ich grosse Angst hatte, sagte ich nichts und schlief im nassen Bett. Ärger gab es natürlich, ich hatte Stubenarrest. Echt "schlimm" für einen Stubenhocker.
Viel Kontakt hatte ich nicht. Ich erinnere mich durch ein Foto an ein Mädchen, das mit ihrem Zwillingsbruder dort war. Auch zum Zunehmen.
Gewogen wurden wir jede Woche und ich schämte mich, weil ich nie zunahm. Ich würde auch immer gescholten.
Wie woanders geschrieben saßen die dünnen und dicken Kinder getrennt. Aufgegessen werden musste. Alle durften erst aufstehen, wenn das letzte Kind den Teller geleert hatte, was jeden Tag ich war.
Morgens diesen ekligen Haferschleim mit Butter, mittags und abends erinnere ich mich nicht. Nur einmal gab es Grünkohl mit Zucker so widerlich. Für mich gab es überhaupt viel mit Zucker, nur gebracht hat es nichts.
Meine Mutti besuchte mich natürlich nicht! Von Hamburg nach Muggendorf ist es doch ziemlich weit.
Zuhause erzählte ich Mutti von meinem Albtraum, aber sie meinte nur, gegen Heimweh müsse man ankämpfen.
Dieser Albtraum hielt sich übrigens bis zum 22. Lebensjahr, zu dem Zeitpunkt zog ich von Zuhause aus.
Bis heute, Jahrgang 1958, bin ich ein sehr ängstlicher Mensch. Ich habe überhaupt diverse Angststörungen, mit denen ich leben muss.
Meine Eltern denken bis heute mir hätte dieser Aufenthalt gut gefallen und gut getan. Keine Ahnung wie sie darauf kommen ...
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Maria aus Erftstadt schrieb am 09.01.2021
Ich war mit sieben Jahren in Haus Ruhreck auf Borkum.
Zum ersten Mal war ich alleine von zuhause weg! Verschickt von der Stadt Essen - um an Gewicht zuzunehmen, wie viele von euch. Es wurden die schrecklichsten sechs Wochen meines Lebens, auch das verbindet viele von uns. Kaum hatten wir das Haus betreten, wurden uns alle persönlichen Dinge abgenommen. Ich hatte Heimweh, ich war unsicher, ich war unendlich traurig. Meine Familie lebte von wenig Geld, lange hatte meine Mutter gespart, um mir ein paar Süßigkeiten mitgeben zu können. Das war sehr besonders. Es waren mehr als nur Süßigkeiten, es war ein warmes Gefühl in dieser Fremde. Die eine Tafel Schokolade, Gummibärchen, auch meine Puppe....alles wurde abgenommen, verschwand auf Nimmerwiedersehen, später sah man manchmal die ein- oder andere "Tante", die es sich mit der Schokolade gut gehen ließ, während wir die Milchsuppe in uns reinwürgten. Aber das war später....Am ersten Abend war das der Auftakt in die sechs Wochen und die Botschaft "So läuft das hier".
Viele von uns wurden nie mit ihrem Vornamen angesprochen, sondern nach Auffälligkeiten benannt. Bei mir war es meine Frisur. Ich wurde gleich am ersten Abend im Speisesaal nach vorne zitiert: "Zopfliesel, komm' nach vorne". Ich begriff nicht sofort, dass sie mich meinten. "Geht's auch schneller!" Ich stolperte vorwärts, die anderen Kinder lachten.
Mein Brustbeutel wurde mir rüde vom Hals über den Kopf gezerrt, ich hatte ihn unter meinem Pullover versteckt. Wie konnten sie ihn gesehen haben? Ein Foto meiner Mutter war darin aufbewahrt, sonst nichts, mein Anker nach Hause. Ich fühlte mich so einsam, so gedemütigt.
Die Mahlzeiten waren geprägt von Ekel, Angst, Spannung...Erbrochenes essen zu müssen, war normal. Gerne auch noch einmal tief eingetunkt in Bratkartoffel und Essiggurken, mit dem restlichen Essen verrührt. Ich erinnere stundenlange Schweige-"Strafgänge", so wurden sie offiziell genannt. Manchmal war ich dafür "verantwortlich", weil ich bei den "Tanten" Hilfe vor den Misshandlungen durch andere Kinder gesucht hatte: Quälereien mit Sicherheitsnadeln während des stundenlangen Mittagschlafs oder nachts..... Der Schlaf war reglementiert, Sprechverbot, die Hände über der Decke, nicht bewegen. Eine kalte, gefühllose Atmosphäre. Boshafte, erniedrigende "medizinische" Untersuchungen, wenn jemandem übel war. Thermometer in den Po, eine/r nach der/m anderen standen wir ohne Unterwäsche Schlange. Alles Simulanten, das war doch klar. Unsere kindlichen Bedürfnisse und die Sehnsucht nach Aufgehoben-Sein und Verständnis interessierten nicht, wir störten - das war die Botschaft an uns, von der ersten Minute an. Wir hatten uns unterzuordnen, uns zu fügen, waren keine Individuen, wir waren eine Masse, die es zu disziplinieren galt, ohne Recht auf Persönlichkeit. An dem ein- oder anderen Abend sangen wir zusammen im Speisesaal...."Der mächtigste König im Luftrevier" - im Ersten Weltkrieg eine Art inoffizielle Hymne der deutschen U-Bootfahrer (Wikipedia) und in der NS-Zeit gerne in textlicher Abwandlung gesungen. Oder "Wildgänse rauschen durch die Nacht", Symbol für die "Wandervogel-Soldaten", gerne in der Hitlerjugend, Wehrmacht oder Waffen-SS gesungen und bis in die 70er Jahre auch im Schulunterricht, bei der Fremdenlegion und Bundeswehr...... Aber beim Singen hatte ich wenigstens das Gefühl, nicht allein zu sein. Denn das waren wir sonst: allein in unserer Not auf dieser Insel, verlassen von der Welt, einsam.
Die sechs Wochen schienen nie enden zu wollen, ich weinte heimlich jeden Abend. Heimlich, weil ich verlacht, gedemütigt worden wäre, wenn es die "Tanten" entdeckt hätten. Mein wichtigstes Ziel wurde, nicht aufzufallen, unsichtbar zu sein, durchzuhalten. Ich erinnere mich nicht an freundschaftliche Kontakte unter den Kindern. Sie waren nicht erwünscht. Auch jeglicher Kontakt nach außen wurde unterbunden. Kontrolle und Erniedrigung, emotionale Kälte und Strafen, das war unser Alltag. Ein Leben in Angst, etwas falsch zu machen und dafür büßen zu müssen. Das werde ich nie vergessen. Es hat mich nachhaltig geprägt. Ich kann mir nicht vorstellen, diese Insel jemals wieder zu betreten und war sehr froh, dass der diesjährige Kongress unserer Verschickungsheim-Initiative virtuell stattfand und nicht auf Borkum.
Was ich durch den Aufenthalt gelernt habe: Autoritäten abzulehnen, ihnen zu misstrauen, nicht aufzufallen, niemandem zu vertrauen, auch meinen Eltern nicht, die mich ja nicht geschützt hatten... Meine Gefühle behielt ich seitdem lieber für mich...Aber ich lernte auch: "NIEMALS AUFGEBEN!" Nicht die Täter:innen siegen lassen. Niemals!
Heute bin ich ein fröhlicher und glücklicher Mensch. Der Weg dorthin war anstrengend.
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Josef schrieb am 08.01.2021
Ich bin 1962 im Alter von drei Jahren zusammen mit meinen beiden Schwestern (6 und 8 Jahre) nach Roggenzell im Allgäu in ein Kinderheim zur Erholung verschickt worden. Es geschah auf Anraten unseres Hausarztes, obwohl ich ein fröhliches und gesundes Kind war, wie man auf einigen Fotos von damals sehen kann. Angeblich sollte damit meine Mutter entlastet werden. Ich kann meine Eltern bis heute nicht verstehen, dass sie mich in diesem schutzbedürftigen Alter für die Dauer von 6 Wochen in eine fremde Welt geschickt haben. Was dann in den Wochen in Roggenzell passierte, hatte allerdings noch einmal eine ganz andere Qualität.

Ich war das jüngste aller Kinder im Heim, alle anderen waren mindestens schon Schulkinder. Der Horror für mich begann am ersten Abend, als wir zum Schlafen in unsere Bettchen mußten. Ich wurde zu wildfremden Jungen im Schlafsaal gelegt, ich durfte nicht bei meiner 8 jährigen Schwester bleiben, die in der kalten Ferne für mich der Mutter-Ersatz war. Ich wurde mit Gewalt von ihr getrennt und in mein Bett zu den Jungen gelegt. So einsam wie in diesem Moment habe ich mich mein Leben lang nicht gefühlt. Meine Schwester sagt, dass ich unglaublich geschrien habe und es nicht gelang mich zu beruhigen.

Die Betreuerinnen in dem Heim waren katholische Schwestern, die für mich zuständige war die Schwester Ingrid. Sie hat mein Schreien mit einem Kissen erstickt, und das Abend für Abend. Bei den Mahlzeiten wurde ich unter Tränen gezwungen den Teller zu leeren. Meine Schwester sagt, die Schwester Ingrid hätte mich gehasst. Das ging etwa 3 Wochen lang so, danach wurde Schwester Ingrid durch eine andere ersetzt. Von da an ging es mir etwas besser, denn ich durfte im Bettchen meiner Schwester schlafen.

Ich hatte nach der Rückkehr von den “Erholungswochen” einiges an Gewicht verloren und hatte mehrere Jahre keinen Appetit, vor allem konnte ich kein Fleisch essen. Durch den Gewichtsverlust und die mangelhafte Ernährung bekam ich Rachitis, eine Krankheit, die normalerweise in Hungergebieten z.B. in Afrika auftritt. Ich hatte regelmäßig Krampfanfälle und schreckliche Fieberträume, an die ich mich heute noch mit Schrecken erinnere und die meine Eltern damals total überforderten. Ich fühlte immer eine tiefe Schuld in diesen schrecklichen Träumen.

Auch später, als Jugendlicher habe ich sporadisch immer wieder mal einen dieser Krampanfälle gehabt, die oft in einer Ohnmacht endeten. Die Ärzte konnte nicht feststellen, was die Ursache der Anfälle war.

Für eine Phase als junger Erwachsener habe ich die Erlebnisse verdrängen können, ich konnte mich auch nicht mehr daran erinnern. Nach ein paar Jahren kamen die Symptome aber zurück, schlimmer als zuvor. Panikattacken, die oft mit einem Kreislaufkollaps endeten. Ich wurde sehr klaustrophobisch, konnte in keinem Fahrstuhl fahren, in keinem Bus oder mit der Bahn. Ich hatte riesige Probleme, vor Menschen zu sprechen. Ich habe mein Studium abgebrochen, als ich es nicht mehr vermeiden konnte, ein Referat zu halten. Ich konnte niemandem in die Augen schauen. Alles das führte dazu, dass ich mich sehr zurück zog.

Ich war schon über 50 Jahre alt, da kam es durch Zufall zu einem Gespräch mit meiner Schwester zu dem Thema Erholung in Roggenzell. Sie erzählte mir, was damals alles passiert war und wie es mir ergangen war. Sie war ja damals schon 8 Jahre und konnte sich noch sehr gut an alle Details erinnern. Mit einem Schlag waren all diese Erinnerungen wieder da und mir wurde klar, woher meine Problem kommen.

Interessant ist, was meine (heute noch lebende Mutter) dazu sagt: in Telefonaten mit der besagten Schwester Ingrid, wurde ihr versichert, dass es uns allen sehr gut ging. Briefe meiner Schwester nach Hause wurden kontrolliert und ihr wurde verboten, von den Vorfällen zu berichten. Mein Eltern erfuhren davon erst nach unserer Rückkehr.

Heute ist mir klar, dass ich damals mein Grundvertrauen in die Welt verloren habe. Ich habe es bis heute nicht mehr vollständig zurück erlangt, was u.a. auch zur Folge hat, dass alle meine Beziehungen zu Frauen schief gegangen sind. Ich konnte kein Vertrauen aufbringen und habe damit meine Partnerinnen immer wieder überfordert. Langjährige Therapien haben es mir ermöglicht, halbwegs mit meinen Problem klar zu kommen. Ich bin mir sicher, wenn ich die Erfahrungen in Roggenzell nicht gemacht hätte, wäre mein Leben anders verlaufen.

Ich habe schon daran gedacht, die Schwester Ingrid einmal ausfindig zu machen und sie damit zu konfrontieren, was sie bei mir angerichtet hat. Es könnte sein, dass sie noch lebt, denn nach Auskunft meiner Schwester war sie damals eine junge Frau. Irgendetwas hält mich davon ab, vielleicht sehe ich einfach keinen Sinn darin. Es würde im Grunde nichts von alldem wieder gut machen können.
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Brigitta Meeßen aus 48147 Münster schrieb am 08.01.2021
1953-ich war ins 2.Schuljahr gekommen, 7 Jahre alt, immerzu hatte ich Erkältungskrankheiten, Polypen usw. Dann bekam ich eine Mundfäule, wurde rappelmager und geschwächt. In dem Zustand fuhr ich für7 Wochen über die Barmer Ersatzkasse mit einem Kindertransport nach Preetz, Kinderheim Freudenholm. Ich bekam sofort in den ersten Tagen Heimweh und schrieb meinen Eltern davon. Aber die Post wurde kontrolliert und nicht abgeschickt. Statt dessen schrieb eine Tante für mich, dass ich gut angekommen sei, und es mir gut gehe. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals Briefe bekam, Wahrscheinlich wurden sie auch zurückgehalten. Jedenfalls war ich mir sicher, dass ich nie wieder nach Hause kommen würde. Es herrschte ein gnadenloser Essenszwang: morgens als erstes gab es Haferschleim mit einem Stich Butter. da hörte ich schon einige Kinder würgen. Mittags musste alles aufgegessen werden, sonst blieben die Kinder solange sitzen, bis der Teller leer war. Es waren immer dieselben Kinder. Ich hatte nicht so große Probleme, kann mich aber an folgende Begebenheit erinnern: Es gab glitschiges Porreegemüse mit großen Stücken, sie gingen mir nicht durch den Hals. Auch das zarte Mädchen Elisabeth mir gegenüber konnte nicht essen, wurde aber gezwungen. Da würgte sie mehrmals , erbrach im hohen Bogen ihren Mageninhalt auf ihren Pullover , ihren Teller, meinen Teller und meinen neuen Pullover. Eine Tante schimpfte heftig über diese Sauerei, nahm uns die Teller weg, wischte mit einem feuchten Lappen durch unsere Gesichter, über unsere Pullover, dann fahrig über den Tisch und siehe da,- schon standen 2 neue Teller Porreegemüse vor uns: "Weiteressen!" Dann fing ich an zu würgen. dazu der säuerliche Gestank von unseren Pullovern und von den Tischresten, Ich stand auf, weil schon die anderen Kinder zum Ruhen gegangen waren. Aber ich musste sitzenbleiben und essen. ...Nach dem Essen hieß es: "Antreten zum Toilettengang!" Man hatte Pech, wenn man nicht zu den ersten gehörte, danach waren die Toiletten total beschmutzt. Ich hatte unglaublichen Ekel, mich dort niederzulassen. Mittags und abends weinten sich viele Kleinere in den Schlaf. So war es anfangs auch bei mir. An einem Abend schlüpfte ein größeres Mädchen in mein Bett, " um mich zu trösten". Sie verschwand unter meiner Bettdecke, streichelte mich erst und fuhr mir dann mit ihrer Hand zwischen meine Beine und rieb mich. Sie wurde aber bald entdeckt und zur Rechenschaft gezogen. Sehr erniedrigend fand ich auch das Antreten im Waschsaal. Da ich groß gewachsen war, kam ich in die Gruppe der älteren Mädchen. Ich durfte mich also alleine waschen. Wir hatten nackt vor das lange Waschbecken zu treten. Wie sehr schämten sich die großen Mädchen wegen ihrer heranwachsenden Brüste. Danach wurden wir kontrolliert, ob wir auch sauber waren. Regelmäßig riss mir eine Tante die Pobacken zur Seite, um zu prüfen, ob sie Kotspuren fand. Nach einiger Zeit fing ich an, Nägel zu kauen und die Haut an den Nägeln abzureißen, bis es blutete. Am Ende hatte ich 3kg zugenommen, fühlte mich zu Hause entfremdet, erzählte zunächst kaum etwas und wurde eine schlechte Schülerin, die aber einen guten Schulstart gehabt hatte. Meine Mutter musste zur Schule kommen und erfuhr von der Lehrerin, dass sie mich nicht wiedererkenne, dass ich ein total apathisches und verängstigtes Kind geworden sei. Natürlich war ich weiterhin krank, Deshalb wurde ich in den folgenden Jahren in Kinderheime nach Juist, Wangerooge, zum Ammersee und nach Bayern geschickt. Erst später erzählte ich meiner Mutter, wie sehr ich gelitten hatte. Mein ausgeprägtes Asthma führe ich auf diese Aufenthalte zurück.
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Robert aus Lörrach (zur Zeit der Kur: Hoyerswerda) schrieb am 08.01.2021
Nun möchte ich auch kurz von mir erzählen. Ich war 1989 im Januar/Februar als 8-jähriger in Bad Frankenhausen im J-Ibrahim-Kindersanatorium.

Den Aussagen meiner Mutter zufolge wurde ich dorthin geschickt, auf Anweisung von irgendeiner Stelle.
Zahlreiche inzwischen gelesene Berichte erinnern mich doch an meine Kur.

Direkte Misshandlungen habe ich zwar keine in Erinnerung, wohl aber dass man nachts nicht aufs Klo durfte (ich hab da mal einen Mega-Anschiss kassiert, weil die beiden Erzieherinnen wohl lieber in Ruhe miteinander quatschen wollten).

Auch der Zwang, aufzuessen und “eklige Sachen“ zu essen kommt mir bekannt vor. Zudem gab es beim Essen immer einen Löffel mit ekligem klebrigem Saft, das war wohl Lebertran? Und es gab immer Malzkaffee zu trinken - widerlich!

Therapeutig fragwürdig ist auch, dass man ständig Salzwasser durch die Nase hoch ziehen musste, auch wenn es höllisch gebrannt hat und die Nase knallrot (fast wund) war.

Das Einschneidenste war jedoch, dass ich Mandelstollen essen musste, obwohl ich auf Mandeln allergisch bin und das auch mitteilte. Die Folge war eine Nacht auf der Krankenstation. Dort war ich kurze Zeit später mit einer Virusgrippe nochmal für zwei Wochen. Die Krankenstation war aber gut, dort waren alle immer nett und man durfte nachts sogar aufs Klo.

Ansonsten habe ich die Kur mit Ausnahme des Lehrers, der einen Hauch von Unterricht gab, als kalt und herzlos in Erinnerung. Man war einsam und allein, die Eltern durften einen nicht besuchen (meine waren wohl tatsächlich vor Ort und durften nicht zu mir), man war bis auf wenige Spaziergänge im Heim regelrecht "eingesperrt". Nur der Zusammenhalt unter uns Kindern hat einen irgendwie gerettet.

Nunja, zumindest wurde mein Asthma danach wirklich besser. Aber schön war's ganz sicher nicht...
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Claudia aus Marburg schrieb am 07.01.2021
Ich wurde zweimal verschickt.

Ich war ein sehr zartes Baby und Kleinkind und entsprach nicht der Norm des Wirtschaftswunderwonneproppens.
Nach Meinung meines primären und sekundären sozialen Umfelds war ich zu dünn und aß nicht genug. Also wurde ich auf Anraten unseres Haus- und Kinderarztes mit 3 ½ Jahren für acht (!) Wochen zur „Kur“ ins Kinderheim Kniebis im Schwarzwald geschickt, Februar/März 1959, über die Faschingszeit hinweg.

Es ist erstaunlich, dass ich mich immer noch an Einzelheiten erinnern kann, obwohl ich noch so klein war. Wir wurden zum Essen gezwungen und mussten immer alles aufessen. Auch musste das jeweils in einer für mich recht kurzen Zeitspanne erfolgen. Mochten wir etwas nicht, z.B. Blumenkohl, wurden wir in die Ecke gestellt und mussten uns schämen. Ich erinnere mich auch daran, dass wir Erbrochenes wieder aufessen mussten.

Ich muss große Angst, starkes Heimweh und ein Verlassenheitsgefühl entwickelt haben, denn ich habe wieder eingenässt. Die „Tante Lore“, eine der Erzieherinnen allerdings muss lieb zu uns gewesen sein, denn die mochten alle Kinder gern. Die anderen nicht. Nach den acht Wochen Kuraufenthalt habe ich meine Eltern nicht mehr erkannt und gefremdelt. Die haben sich nur gewundert.

Sechs Jahre später war es wieder so weit. Ich war sehr schnell gewachsen und sehr groß für mein Alter. Und viel zu dünn. Und ich aß immer noch zu wenig. Ich war aber keineswegs schwächlich was meine Kondition betraf. Das erwies sich beim Sportunterricht (Leichtathletik) und beim Toben im Freien. Aber mein soziales Umfeld meinte, eine Kur sei nötig. Diesmal wurde ich auf Anraten einer älteren Dame vom Gesundheitsamt oder Schulärztin („Fräulein“ Dr. L.) mit knapp zehn Jahren zu einer sechswöchigen „Kur“ geschickt, 23.02. bis 06.04.1965. Es ging nach Murnau am Staffelsee ins Kinderheim Hochried (heute Kinder- und Jugendpsychiatrie). Dort war man sehr fromm und sehr katholisch. Ich selbst bin evangelisch, wie die meisten Mädchen unserer Gruppe. Wir waren knapp 20 Kinder, die aus der ganzen damaligen Bundesrepublik zusammenkamen. Mitgebrachte Süßigkeiten bekamen wir gleich nach der Ankunft abgenommen.

Jeden Morgen im Frühstücksraum mussten wir vor dem Frühstück lange an unserem Platz stehen bleiben, uns bekreuzigen, katholisch die Hände falten und zum Jesuskreuz schauen, das im Raum hing. Die „Schwester“ sagte: „Wir schauen zum Kreuz!“ Und dann fing sie an zu beten. Und das dauerte! Und dauerte! Einmal bin ich umgekippt. Gebetet wurde vor allen Mahlzeiten. Es gab vier am Tag, nachmittags nochmal eine extra Portion Butterbrote bei einer anderen Betreuerin, die keinerlei Zugang zu uns Kindern hatte und sich auch nicht darum bemühte. Sie passte nur auf, dass wir aßen und unseren Tee tranken. Während der Zeit hatte die Schwester frei. Geschmeckt hat das Essen wohl nicht besonders. Ich hatte jedenfalls noch weniger Appetit als gewöhnlich, sicherlich auch bedingt durch das Heimweh und die Trauer darüber, im Stich gelassen und ausgeliefert zu sein. Einige Mädchen fingen bereits beim Abendessen vor Heimweh an zu weinen. Das war ansteckend. Dass wir zum Essen gezwungen wurden wie im Schwarzwald – daran kann ich mich nicht erinnern.

Die Tage verbrachten wir bei meist wunderschönem sonnigen Winterwetter überwiegend drinnen, machten Spiele, sangen, übten die „Vogelhochzeit“ ein (ich war die Lerche) und führten sie wohl auch auf. Das war alles ganz schön. Ich hätte aber viel lieber draußen im Schnee herumgetollt.

Natürlich schrieben wir auch Tagebuch, welches exakt diktiert wurde. „Im Kinderheim Hochried dürfen wir schöne Tage verbringen…“ Oder wir schrieben Briefe nach Hause. Die mussten wir vorschreiben, dann „korrigierte“ sie die Schwester und wir mussten sie nochmal sauber abschreiben. Wie es uns WIRKLICH ergangen ist und wie wir uns gefühlt haben, durften wir nicht schreiben. Das erfuhren unsere Eltern erst nach unserer Rückkehr („Hätten wir das gewusst, wir haben es doch nur gut gemeint…“).

Wir hatten auch orthopädisches Bodenturnen, was nicht angenehm war. Manchmal gingen wir auch spazieren. Während der langen sechs Winterwochen sind wir nur ein einziges Mal Schlitten gefahren. Das habe ich sehr bedauert.

An den zahlreichen Sonntagen wurden alle evangelischen Kinder des Heims in einem großen Raum zusammengepfercht und bekamen fromme Geschichten vorgelesen. Die Katholen mussten zum Gottesdienst. Auch an Werktagen hatten wir öfter Bibelstunden oder Andachten, die katholischen UND die evangelischen Kinder. Es war Passionszeit und wir hörten immer wieder vom Leiden Jesu und mussten beten.

Kurz vor dem Ende unserer Kur ging die Schwester für jede von uns Mitbringsel einkaufen. Derweil parkte sie uns in einer Kirche. Wir mussten die ganze Zeit in den Bänken knien (!), katholisch die Hände falten, den Blick starr nach vorn Richtung Altar gewandt und sollten beten. Wir durften uns nicht rühren bis die Schwester zurückkam. Das war für uns eine gefühlte Ewigkeit. Dass ich in meinem späteren Leben nicht mehr viel gebetet habe, versteht sich wohl von selbst.

Geschlagen wurden wir nur abends. Wenn wir in den Betten lagen und schlafen sollten, kam die Schwester immer noch einmal unverhofft in den Schlafsaal zur Kontrolle. Leise. Wer es nicht mitbekam und beim Reden erwischt wurde, wurde durchgehauen. „Dreh dich auf den Bauch!“ Dann ging es los. Es prasselten Schläge auf den Po, allerdings „nur“ mit den Händen, je nach Kind unterschiedlich fest – die Schwester hatte ihre Lieblinge.

Wie man sich denken kann, habe ich den Tag unserer Abreise herbeigesehnt und die Tage bis zum 6. April 1965 gezählt. Nach der Kur wog ich ein Kilo weniger als vorher. Ich habe mich in den nächsten Jahren zu einem ängstlichen, schüchternen, introvertierten, kontaktscheuen und unselbständigen jungen Mädchen entwickelt, das immer den Schutz der Eltern suchte. Essstörungen hatte ich bis weit ins Erwachsenenalter hinein.
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Eva aus Ludwigsburg schrieb am 05.01.2021
Ich wurde damals im Alter von 3 oder 4 Jahren wegen Untergewicht ins Allgäu geschickt. An viel kann ich mich nicht erinnern, nur fragmentarisch daran, dass Essen aufgegessen werden musste, ich deshalb das meiner Nachbarin öfter mal heimlich mitaß, an Fragmente von kalten Duschräumen und vor allem an entsetzliche Verlassenheitsgefühle und Angst.

Ich war jahrelang in Therapie wegen dissoziativer Symptome und bin befragt worden wegen möglicher Missbraucherfahrungen, die dafür die Ursache sein könnten (mir war allerdings nichts bekannt). Beim Lesen der anderen Beiträge frage ich mich, in welchem Umfang die Probleme, die mich jetzt begleiten, ihre Ursache in dieser Zeit hatten.
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Gertrud schrieb am 03.01.2021
morgen jährt sich der Beginn meines "Erholungsaufenthaltes" zum 60. Mal. Meine Eltern wurden im Jahre 1960 mehr oder weniger genötigt, eins ihrer Kinder zur Kur zu schicken. Weil unser Vater schwer kriegsbeschädigt war, konnten sie dies kostenlos tun. Meine Eltern wollten aber nicht. Die Leute, ich weiß nicht, von welcher Organisation, waren jedoch sehr hartnäckig, sie schalten meinen Vater einen Dummkopf, weil er doch ein so tolles Geschenk nicht annehmen wollte. Sie knickten ein, und die Wahl fiel auf mich, weil ich nicht so pummelig war, wie meine Geschwister. Für heutige Verhältnisse war ich gesund und normalgewichtig. Kurz vor dieser Maßnahme bat meine Mutter mich, zu unserem Hausarzt zu gehen, ich bekäme eine Spritze. Als 10jähre habe ich nicht weiter nachgefragt und gehorsam wie ich war, ging ich zum Arzt. Ich erinnere mich noch gut, an dem Abend konnte ich meinen Arm nicht heben und mich auch nicht allein ausziehen. Anfang Januar, noch während der Weihnachtsferien ging es los An den Aufenthalt selbst erinnere ich mich nicht mehr so gut. Allgemein war es ziemlich lieblos, aber das kannte ich vom Elternhaus auch. Etwa zur Halbzeit war ich kurz krank, nichts ernstes. Ich erinnere mich noch an eine Gudrun Schimanski aus Kamen. Ich würde gern Kontakt mit ihr aufnehmen. Unser Aufenthalt ging bis Mitte Februar, für mich ging es danach erst richtig los. Nachdem ich eine Woche wieder zur Schule gegangen war, wurde ich schwer krank, eine Hirnhautentzündung und ich habe dadurch mein Gehör verloren. Meine Vermutung ist, dass die vorangegangene Impfung die Erkrankung ausgelöst hat. Meine Mutter meinte immer, ich sei dort mit nassen Strümpfen rum gelaufen. Egal, es ist wie es ist. Jedenfalls ist der Zusammenhang nicht zu leugnen.
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Miriam schrieb am 01.01.2021
1978 war ich in St. Peter Ording, im „Kindererholungsheim Richardsen“. Ich war damals zehn Jahre alt und wurde – streng genommen – auch nicht verschickt. Meine Eltern hatten in diesen Sommerferien einfach keine Zeit für einen Familienurlaub und wollten mir etwas Gutes tun. Also buchten sie für mich einen dreiwöchigen Aufenthalt an der Nordsee mit anderen Kindern. Nachdem ich mich auf dieser Website ein bisschen umgetan habe, wird mir klar, dass mein Aufenthalt dort nichts gegen die erschütternden Zeugnisse war, die hier auch niedergeschrieben stehen. Dennoch war es schrecklich, nicht zuletzt, weil meine Eltern sehr liebevoll waren und mich gewaltfrei und generell liberal erzogen, und ich in diesem Heim auf ein durch und durch autoritäres Umfeld traf. Auch war ich eher sensibel und intellektuell meinem Alter vielleicht voraus.
Dies ist mir in Erinnerung geblieben: Im Speisesaal vor dem Abendessen wurden die Namen des „bravsten“ und des „bösesten“ Kindes verkündet. Nach dem Essen, das schlecht aber kalorienreich war und in jedem Falle gegessen werden musste, las eine der Betreuerinnen Erbauungsgeschichten vor, die ich schon als Zehnjährige verdummend fand – Stichwort: „Kurzes Fädchen, faules Mädchen“ – Ich dachte: „ist doch gut, wenn sich eine Näherin die Arbeit erleichtert und so effizienter arbeitet“. Einmal aber ging es mir zu weit. In der Erzählung, die auf dem Programm stand, werden ein Edelmann und ein Bauer ein Jahr in den Kerker gesperrt. Jeder darf sich aussuchen, was er essen möchte, dies aber jeden Tag. Der Edelmann wählt Rotwein und Braten, der Bauer Wasser und Schwarzbrot. Nach einem Jahr ist der Edelmann wegen des ungesunden Essens gestorben, der Bauer aber verlässt fröhlich sein Gefängnis. „Und was ist die Moral der Geschichte?“ – Leider konnte ich mich nicht mehr an mich halten und sagte in genau diesen Worten: „Die Geschichte ist total unrealistisch. Der Bauer hätte Skorbut bekommen“. Totenstille. Ich wäre vorlaut, altklug und hätte die Geschichte wohl nicht verstanden… - Am nächsten Tag wurde ich zum „bösesten Kind“ erklärt.
Samstag nachmittags sollte man Briefe an die Eltern schreiben. Ich schrieb, wahrheitsgemäß, dass ich manchmal Heimweh hätte. Eine Betreuerin, Annemarie(?), rief mich zu ihrem Tisch. Das könne ich doch nicht schreiben, da würde ich meine Eltern aber traurig machen, ich solle etwas anderes schreiben, sonst werde mein Brief nicht abgeschickt. Ich war absolut entgeistert: Zensur? Sowas gab es wirklich? In einer Demokratie? – Glücklicherweise hatte ich mit meinen Eltern ein Codewort vereinbart, das ich benutzen sollte, wenn etwas nicht ganz koscher wäre. Das schmuggelte ich dann in den begeistert klingenden Brief, der die Zensur passierte.
Dennoch ließ mir die Sache keine Ruhe. Ich unterschlug einige Bögen Papier und schrieb einen echten Brief an meine Eltern. Er begann so: „Wie schlimm findet Ihr es, wenn man nicht die Wahrheit sagt? Schlimm genug. Aber wie findet Ihr es, wenn man nicht die Wahrheit sagen darf?“ – Dann erzählte ich alles. Nun musste ich den Brief nur noch absenden. Das war nicht leicht. Wir selbst hatten keine Briefmarken und mussten stets in Zweierreihen marschieren, flankiert von den Betreuerinnen. Wie hätte man da zu einem Briefkasten kommen können? Es war Zufall, dass uns – als wir an einem Briefkasten vorbeigingen – eine Passantin entgegenkam. Ich gab ihr meinen Brief und bat sie ihn einzuwerfen, was sie tat. Das Mädchen, das in der Reihe vor mir marschierte, drehte sich um und schaute mich grinsend an. Irgendwie war mir klar, dass sie mich verpetzen würde. Das wurde, soweit ich mich erinnern kann, belohnt.
Abends, nach dem Essen verließen alle den Speisesaal, nur ich musste zurückbleiben. Drei oder vier der Betreuerinnen stellten sich im Halbkreis um mich herum und begannen mich zu verhören. „Warum hast du einen Brief heimlich abgeschickt?“ - „Was stand in dem Brief?“ – „Hast du Lügen über uns erzählt?“ usw. Die Fragen kamen so schnell, dass ich gar keine Zeit hatte, auf jede einzelne zu antworten. Zum Schluss meinte ich nur: „Ich habe meinen Eltern geschrieben, was ich in meinem vorherigen Brief vergessen hatte“. Folgen hatte das Ganze für mich seltsamerweise nicht, man ließ mich nur spüren, dass ich ein schlechtes Mädchen wäre. Einige Tage später riefen meine Eltern an und fragten, ob sie „mich da morgen rausholen sollten“. Ob das jetzt ein Fall von Stockholm-Syndrom war, oder mir die Freundinnen, die noch vier weitere Wochen bleiben mussten, leidtaten, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls antwortete ich, dass ich die Zeit bis zum Ende der drei Wochen dort bleiben würde.
Für mich war es vielleicht auch nicht so schlimm wie für die von der Krankenkasse verschickten Kinder – viele davon aus Bayer Familien (Leverkusen, Monheim). Die wurden wesentlich schlechter behandelt. Wenn in den 6-8 Bett Zimmern abends keine Ruhe herrschte, kam „Schwester Rosemarie“, eine alte Frau, die ich als übel in Erinnerung habe. Mir tat sie nichts, aber ich meine mich zu erinnern, dass sie einige geschlagen hat. Musste man auf die Toilette, so stellte sie sich vor einen, um zu sehen, ob man wirklich „musste“. Sie ließ einige Kinder auch nachts zur Strafe auf dem Gang stehen.
Die Gruppe der Betreuerinnen war gemischt, die meisten zwischen 30-40 Jahre alt, nur Schwester Rosemarie war deutlich älter. Es gab eine, an deren Namen ich mich nicht erinnere, die sehr unterkühlt war, Annemarie?, eine andere eher sarkastisch. Eine war offensichtlich eine Praktikantin (Lotte?), die spielte Gitarre, was mich so bezauberte und tröstete, dass ich nach meiner Rückkehr das Gitarrespielen anfing. Lotte litt, das sah man. Ich glaube auch, dass einige andere der Betreuerinnen insgeheim angewidert waren von der Erziehungsphilosophie in diesem Heim, dass sie sie aber mittragen mussten. Betreuer sah ich selten, obwohl es welche gab. Die waren im Jungentrakt eingesetzt – die Geschlechter waren meistens getrennt. Nur draußen am Strand konnte man zusammen spielen. Das Wetter war aber größtenteils schlecht.
Was mich damals schon befremdete, war die Art des Heims, mit dem Taschengeld der Kinder umzugehen. Jedes Kind sollte so 30? 50? DM mitnehmen, vielleicht 10 DM pro Woche?. Das Geld wurde einem bei der Ankunft abgenommen, und man sah es nicht wieder – bis zum Tag vor der Abreise. Dann wurde im Speisesaal ein Basar mit völlig überteuerten Souvenirs aufgebaut und allen bald abreisenden Kindern das gesamte Taschengeld auf einmal in die Hand gedrückt. Die holten nach, was sie wochenlang versäumt hatten und gaben viel, manchmal alles für den angebotenen Tinnef aus.
Als mein Vater mich abholen kam und nur die Kurzversion meiner Erzählungen gehört hatte, das dauerte ca. 30 km, kehrte er um, fuhr die Strecke zurück, stürmte ins Büro der alten Frau Richardsen und brüllte sie zusammen. Ich selbst versuchte noch, ihn zu beschwichtigen, weil mir seine Wut so peinlich war und die alte Dame (die wir kaum zu Gesicht bekommen hatten) so zierlich aussah.
Ob ich traumatisiert wurde durch diesen Aufenthalt, weiß ich nicht, aber von Zeit zu Zeit beschäftigt mich die Episode, und ich bin froh, dass es eine Plattform gibt, auf der man seine Geschichte erzählen kann.
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Simone E. aus Bonn schrieb am 29.12.2020
Im Mai u. Juni 1979 wurde ich vor der Einschulung mit 6 Jahren in das Jugendkurheim St.Michael in Immenstadt / Allgäu „Bühl am Alpsee“ verschickt. Meine Gruppe hieß „Sterne“. Angeordnet wurde dies vom Gesundheitsamt Köln, da ich etwas untergewichtig war. Ich war von zierlicher Statur.

Ich habe Briefe meiner Mutter an mich gefunden, die an das Heim adressiert sind, darum kann ich genaue Angaben machen. Auch werden in den Briefen die Namen zweier Betreuerinnen/Nonnen genannt: Frau Wericke und Frau Hagemüller.
Das Heim wurde von Nonnen, sadistischen Nonnen, in Trachten geführt.

Es fällt mir sehr schwer das alles aufzuschreiben. Die Erlebnisse haben mich schwer traumatisiert und ich leide an einer schweren Posttraumatischen Belastungsstörung und Angststörung. Jahrzehnte war ich wie in einem Dämmerzustand, weil ich nicht wusste, ob es anderen auch genau so erging wie mir, OBWOHL ich genau erinnere, dass auch andere Kinder in dem Heim litten. Aber bei uns gab es keinen Zusammenhalt unter den Kindern, jeder versuchte zu überleben. Ein -Zwei Male bekam ich ein Lächeln von einem älteren Mädchen, das war zusammen mit dem Arzt, das einzige, das ich an menschlicher Wärme dort erfuhr.

Die Nonnen waren erbarmungslos, von absoluter Herzenskälte, Härte und Boshaftigkeit. Sie waren gewalttätig, sadistisch, ohne jegliche Empathie oder Menschlichkeit. Sie waren genauso, wie KZ-Aufseherinnen in Nazi-Filmen mit dem einzigen Unterschied, dass sie nicht schrien, sondern ihre seelische und körperliche Gewalt wortlos oder mit wenigen Silben ausführten. Sie schauten nicht auf uns, wie auf Kinder, sondern eher wie eine Art „Vieh“, dass es zu züchtigen galt, dass aber in ihren Augen keine menschlichen Lebewesen waren, denn mit Menschen müsste man eigentlich mitfühlen.


Ich bin Halbinderin und wurde von den Katholischen Nonnen besonders hart drangsaliert, sie nannten mich nie beim Namen, sondern immer nur „Mischlingsbrut“, „Negerkind“, „Schande“, „Teufelsbrut“, „Gesindel“ usw. Sie sagten, ich sei schmutzig und redeten untereinander, dass ich eine Schande sei.
Die 6 oder 8 Wochen, die ich dort versuchte zu überleben waren ein tägliches Horrorerleben der körperlichen und psychischen Misshandlungen, Erniedrigungen, seelischer und körperlicher Gewalt. Ich durfte keinen Kontakt zu meiner Familie haben, ich hatte nicht nur eine unendliche Traurigkeit in mir und Heimweh, sondern auch eine immense innere Verzweiflung und Todesangst.
Was mir und anderen angetan wurde:

-In der Nacht wurde ich mit harter Hand aus dem Schlaf gerissen oder an den Haaren aus dem Schlafsaal gerissen mit dem Vorwand „Du warst laut“ (Ich habe nie gesprochen, mit Niemandem, außer dem Arzt bei der Visite). Dann brachte mich die Nonne durch dunkle Flure in einen kleinen abgedunkelten Fernsehzimmerraum. Dort stand ein Ohrensessel, eine sehr kleine Couch eine Fernsehtruhe/Schrankwand mit TV und eine Stehlampe. Sie stellte mich mit den Kniekehlen vor den Sessel und sagte mit angsteinflößender, hasserfüllter Stimme „Wenn Du Dich auch nur einmal hinsetzt und ich komme rein und sehe, dass Du sitzt oder schläfst, dann Gnade Dir Gott“.
Damit waren Prügel gemeint.
In gewissen Zeitabständen kam sie oder eine andere Nonne zur Kontrolle. Ich schaffte es nie stehenzubleiben, ich war so müde, sackte immer in den Sessel. Dann preschte eine rein zog mich brutal hoch und schlug mir mit einem Stock oder Holzlöffel mehrmals in die Kniekehlen. Das wiederholte sich nachts mehrere Male. Ich litt unter ständigem Schlafmangel und Entkräftung, entweder schlief ich nicht, weil sie mich quälten oder weil ich vor Angst nicht einschlafen konnte. Im Schlaf entrissen zu werden gab mir ein noch stärkeres Gefühl von Ohnmacht.
Ich hatte auch Angst vor dem Einschlafen, weil ich dort anfing im Schlaf ins Bett zu machen.
Das wollte ich durch wachbleiben umgehen. Zuvor zu Hause habe ich nicht ins Bett gemacht.
Ich leide seitdem schon mein ganzes Leben an Schlafstörungen und vor allem an Einschlafstörungen. Ich zögere das Einschlafen noch heute heraus, bis ich vor Erschöpfung einschlafe. Seit geraumer Zeit nehme ich deshalb Schlaftabletten.
Diese Folter wurde auch tagsüber an mir vollzogen, aber dann in einem Toilettenabteil in den unteren Räumen, da musste ich mit den Kniekehlen vor einer Toilette stehen und durfte nicht auf Klo, obwohl ich musste, oder mich setzen. Wenn ich dann in die Hose machte, wurde ich als dreckiges Kind erniedrigt und beschimpft, auch vor anderen Kindern gezeigt, dass ich in die Hose gemacht hatte. Ich habe noch heute ein ausgeprägtes Schamgefühl, sei es wegen meines Körpers oder einfach wegen mir als Mensch.

-Schlafentzug, nicht auf Klo dürfen, nicht sprechen dürfen, nicht weinen dürfen, viel zu wenig zutrinken bekommen, ohne Grund bestraft werden, unter Zwang aufessen, Drohungen, stundenlanges stehen, aus der Gruppe ausgeschlossen werden (nicht mitspielen, nicht mit nach draußen dürfen), erniedrigt werden vor allen, einzelne Kinder wurden von den Nonnen schlecht gemacht und die anderen Kinder sollten diese meiden, ächten, ausstoßen usw., das alles gehörte zum täglichen Erleben.

-Bei den Mahlzeiten musste alles aufgegessen werden, egal wie sehr man weinte. Wenn ich (oder andere Kinder) mich übergab musste ich mein Erbrochenes essen, auch wenn ich alleine bis zum Abendessen im Speisesaal sitzen musste bis ich fertig war. Ich bekam meist Haferschleim und auch eine sehr fettige, sehr dicke Scheibe Speck die ich essen sollte. Dabei musste ich immer würgen und kaute so lange darauf, sie wurde einfach nicht klein. Wir durften beim Essen, aber auch sonst nirgends sprechen. Alle mussten stumm sein, nur antworten, wenn man etwas gefragt wurde. Aber eigentlich wurde nichts gefragt.
Die Nonnen sprachen nur in kurzem Befehlston „Iss auf!“, „Mundhalten!“, „Keiner geht auf die Toilette“, „Von niemandem ein Ton“ usw.

Es gab einen Jungen, der sich wehrte zu essen. Er war älter und gab anfangs Wiederworte. Vor unser aller Augen wurden der Junge von zwei Nonnen am Stuhl mit den Armen nach hinten festgehalten und die eine weitere stopfte ihm das Essen in den Mund, hielt ihm den Mund zu. Der Junge weinte, strampelte und würgte. Wir waren wie versteinert, es sah aus als ob er keine Luft bekam, ersticken könnte. Es war die pure Gewalt.

-Besonders schlimm empfand ich die wahllosen Bestrafungen, ohne dass es einen Grund gab. Man riss mich einfach aus dem heraus was gerade war und brachte mich in den Keller. Dort waren die Wände mit Kacheln versehen, Waschräume oder Kloräume, etwas in der Art. Dort wurde ich ausgezogen und auf eine Bare oder Brett gelegt, das sich bewegen ließ und festgemacht. Bei diesen Erinnerungen im Keller habe ich immer wieder große Lücken und Szenen brechen ab. Ich wurde mit so viel „Wut“ abgerieben, dass ich rote Schürfwunden am Körper hatte. Immer wieder war die Rede von „Dreck“, „verdreckt sein“, „Dreckiger Mischlingsbrut“. Ich habe damals nicht verstanden, was genau damit gemeint war, woran ich mich schuldig getan hatte. Aber ich verstand, dass es mit meinem anderen Aussehen zu tun hatte, meiner Herkunft und dass ich deshalb an etwas Schuld war.
Ich wurde mit einem Schlauch lange und eiskalt abgespritzt. Sie hielten einfach auf nur eine Stelle. Es waren Höllenschmerzen, ich durfte nicht weinen und schon gar nicht Schluchzen. Ich erinnere, dass ich bei diesen Misshandlungen im Keller immer wieder ohnmächtig wurde.
Ich habe auch Erinnerungen, dass ich dort lag auf dieser Art Bare und meine Füße festgebunden waren und da etwas gemacht wurde, aber diese Szenen brechen bei mir immer wieder an der Stelle ab.
Nach diesen Misshandlungen, aber auch jene in den Nächten im Fernsehzimmer, sagten sie mir immer „Wenn Du das erzählst, bringen wir Dich um“

-Ich empfand das von einer Nonne schweigend durch lange trostlose Gänge mit Jesuskreuzen und Christlichen dunklen Bildern geführt werden, als enorm beängstigend und erstickend. Nie wusste ich „wohin werde ich gebracht“, diese schlimme Ungewissheit. Unbedarft hatte ich anfangs noch gefragt, aber eine Nonne drückte mir den Hals zu und sagte „Du schweigst und sprichst nur wenn Du gefragt wirst“. In meinem Erwachsenenleben habe ich Panikattacken bekommen, wenn ich beruflich abgeholt wurde und einen wichtigen Termin vor mir hatte. Nicht zu Wissen „wo das hinführt“, konnte ich nicht mehr aushalten. Es waren zeitlebens Trigger die mich fühlen ließen, als ob ich zu einer Schlachtbank geführt werde. Ich konnte meinen ersten Beruf deswegen nicht mehr ausüben.


-Oft wurde ich auch an den Ohren gezogen aus einem Zimmer heraus, oder sitzend vom Klo weg, oder einfach so. Es brannte. Am Anfang habe ich so viel geweint. lautlos in mein Bett. Später war ich nur noch regungslos, das Gefühl von weinen war nur noch in mir drin.
Wir durften keinen Mux machen und so wurde aus unterdrückter Traurigkeit innere Isolation und eine schier alles ausfüllende Verzweiflung. Nach einer Misshandlungsattacke habe ich gedacht, dass sie mich zu Tode bringen. Ich hatte so viel Todesangst in diesen Wochen. Noch heute habe ich körperliche Todesangstflutungen, die mit dem älter werden immer mehr wurden, so dass ich dagegen heute ein Medikament einnehme.
Ein Therapieauftrag in meinen 20er Jahren war, dass ich lernen sollte „laut“ zu weinen, also nicht mehr geräuschlos. Bis heute fällt es mir schwer zu zeigen, wenn ich traurig bin, oft habe ich den Vorwurf gehört, dass ich unbeteiligt wirke, dabei war ich innerlich tief Traurig und konnte es nicht rausbringen.

-Ich gehörte zu den Kleinsten, die mit auf Wanderungen mussten. Wir liefen unglaubliche Strecken, Tageswanderungen in Zweierreihen und teilweise an den Händen. Trinkmangel war immer Thema. Wir haben kaum etwas zu trinken bekommen, oft war mir schwindelig in der Sonne. Ich sammelte Spucke im Mund, bis der Mund voll war und ich einen Schluck nehmen konnte. Manchmal biss ich mir in die Backen, damit sich dadurch im Mund Flüssigkeit sammelte.
Ich war körperlich völlig überfordert, entkräftet, weit über meiner Grenze, mir schmerzte der ganze Körper. Ich konzentrierte mich nur auf meine Füße und den Weg unter mir, ich blickte nicht auf, so konnte ich Energie sparen. Seit diesen Tagen habe ich Wandern und lange Spaziergänge zutiefst verabscheut. Auch Sport habe ich immer gehasst, dieses Gefühl den Schmerz des Körpers zu spüren beim Überschreiten von körperlichen Grenzen. Das löst noch heute bei mir ein Gefühl der Verzweiflung, Abwehr und Ohnmacht aus. 20 Jahre später gehörte es zu meinem Therapieauftrag zu üben beim Gehen nicht mehr auf den Boden zu schauen, sondern den Kopf zu heben und die Umgebung wahrzunehmen.

-Ich hatte auch vor den anderen Kindern Angst, denn die Gewalterfahrungen und Unterdrückung wurde nach „unten“ weitergetreten. Jüngere od. Schwächere waren Älteren oder gröberen Kindern ausgeliefert. In meinem großen Schlafsaal waren auch Babykinderbetten mit Stäben. Die Kleinkinder standen in ihren Betten und schrien so entsetzlich, sie taten mir so unendlich leid. Ich musste immer mitweinen. Niemand nahm sie auf den Arm um sie zu beruhigen, ich fühlte schon damals, dass das falsch ist und weh tut. Dann kam eine Nonne gab ihnen was in den Mund oder eine Spritze und dann waren sie still.

-Etwas Positives, an das ich mich klammerte war die Arztvisite. Es gab einen jungen Arzt (zumindest wirkte eher viel jünger als die Nonnen, vielleicht auch nur durch seine Güte),
der sehr freundlich, mild und liebevoll zugewandt war. Ich glaube, wir suchten ihn 1 Mal pro Woche im Arztzimmer auf, er kam dafür ins Heim. Er war wie ein rettender Anker, Niemand sonst sprach so lieb mit einem oder fragte „Na, wie geht es Dir denn?“
Er sprach mich sogar mit meinem Namen an, den ich sonst nicht mehr hörte.
Ich malte mir im Bett und auf dem Gang zu ihm aus, wie alles aus mir herausplatzt und ich ihm alles erzähle und mich an ihn klammere, dass er mich retten soll, mitnehmen zu meiner Mutter.
Doch auf dem Weg der langen Gänge sagte die Nonne so eindringlich böse: „Wehe Dir Du sagst was, wage es Dich...!“
Sie stand bei der Visite immer schräg hinter dem Arzt und blickte streng auf mich.
Auf die Frage des Arztes brachte ich nur ein „gut“ heraus, dann verstummte ich wieder.
Und ich verabscheute mich selbst dafür, dass ich mich nicht getraut hatte, um Rettung zu flehen.
Ich bekam bei der Visite immer mehrere Becher mit Flüssigkeiten, die ich trinken musste. Eine davon war dickflüssiger und rosa. Noch heute verspüre ich Widerwillen gegen ähnlich anmutendes.
Meine Mutter schrieb in einem ihrer Briefe an mich „Ist die Impfstelle an Deinem Arm angesehen worden?“.
Ich weiß nicht, was da geimpft wurde.
Das Highlight war, dass jedes Kind sich nach der Visite aus einem Glas so viel Bonbons mit einer Hand nehmen durfte, wie es greifen konnte. In meine Hand passten 3 und er gab mir noch eins dazu. Sie waren länglich und darauf waren die Früchte abgebildet, die die Geschmacksrichtung zeigten.
Da dort sehr Vieles von den Kindern geklaut wurde, habe ich die Bonbons, die für mich eine liebevolle Umarmung symbolisierten nicht gegessen, sondern wie Gold gehütet aufbewahrt und unter meinem Bett versteckt. Am nächsten Morgen waren sie weg, geklaut. Das hat mir sehr weh getan. Für mich war es Trost und Hoffnung, die man mir stahl.

Ich habe wochenlang nicht gesprochen, bin regelrecht verstummt.
Als ich wieder zu Hause war, bin ich ein verstummtes Kind gewesen über Jahre. Still, stumm, scheu, schüchtern, mit dem Gefühl, dass ich nicht richtig bin und schuldig, dreckig, weil ich anders bin. Zuvor hatte ich nie Rassismus erfahren. Nie, im Gegenteil, ich war exotisch und gern gesehen.
Durch die Geißelung der Nonnen nicht reden zu dürfen, habe ich darüber zu Hause nicht gesprochen.
Habe niemandem davon erzählt. Wollte meinen Eltern keinen Kummer machen.
So bin ich indoktriniert worden das perfekte Opfer zu sein, das schweigt, sich schuldig fühlt. Dieses Opferverhalten hat mich im weiteren Verlauf zu einem gefundenen Fressen für Täter gemacht.

-Eines Tages kamen meine geliebte Oma u. Opa auf der Durchreise in den Urlaub, um mich zu besuchen. Man sagte ihnen, dass ich auf einem Ausflug war, ob das stimmte, weiß ich nicht. Sie trafen mich nicht an und hinterließen mir einen riesigen Karton mit Süßigkeiten. Der Inhalt wurde mir gezeigt, aber mir nie gegeben, sondern es wurden daraus für jedes Kind EIN Weingummi verteilt, auch für mich, der Rest wurde einbehalten.
Diese Verzweiflung in mir, dass ich meine Fluchtmöglichkeit versäumt hatte, zerriss mich förmlich. Ich brannte innerlich vor Verzweiflung, stellte mir tage -und nächtelang vor, wie ich mich schreiend und weinend an meine Oma klammerte und schrie „nimm mich mit!!!“, oder wie ich auf der Straße hinter ihrem Auto her renne, um sie noch einzuholen. Zwecklos.
Das habe ich jahrzehntelang danach auch nachts immer wieder geträumt...zwecklos hinter dem Auto her rennen.
Von da an war meine Depression im Verschickungsheim noch tiefer. Mein weites Gefühl von Alleinsein auf der Welt. Verlassen, Vergessen, Verloren, Ausgeliefert.
Erst im Erwachsenenalter, als bei mir Depressionen diagnostiziert wurden, verstand ich, dass ich im Verschickungsheim meine erste Depression hatte. Nichts anderes war das.
Bei den Singspielen im Kreis auf der Wiese vor dem Heim habe ich starr gestanden, wie weggetreten und auch nicht mitgesungen. Auch erst Jahrzehnte später habe ich durch Therapie verstanden, dass ich mich dort als Traumatisierte in einem dissoziativen Zustand befand. Überfordert, „weggetreten“.
Ich erinnere die anderen Kinder bei den Singspielen ausgelassener und fröhlicher als ich es war, aber das kann auch an meinen inneren Isolationsgefühlen gelegen haben.

Erst mit 15 Jahren, als ich eine Essstörung mit Erbrechen bekam, Depressionen, Suizidgedanken und Wutanfälle, erzählte ich meiner Mutter von den Heimerfahrungen, die ich mit der Essstörung regelrecht „auskotzte“.
Ich litt in der Kindheit u. Jugendzeit und auch heute noch unter Alpträumen von den Ordensschwestern, vor allem von den besonders bösen mit diesen „Schwalbenflügeln“ auf dem Kopf. Meine Mutter war davon sehr betroffen und bereute mich dorthin geschickt zu haben, sie tat es im Glauben mir etwas Gutes zu tun. In Ihren Briefen an das Heim schrieb sie den Nonnen, dass sie Sehnsucht nach mir hätte, aber dass es wahrscheinlich besser sei, dass ich das nicht weiß.
Es gab ja vom Heim Kontaktverbot, „damit wir Kinder nicht leiden“.
Mutter schreibt in einem Brief die Frage an mich:
„Hast Du die letzten Briefe selber geschrieben?“
Was natürlich töricht war, da ich vor der Einschulung nicht schreiben konnte. Es zeigt aber, dass die Inhalte der Briefe nicht zu mir passten und das dies bei ihr Fragen aufwarf.
Natürlich wurde alles in den Briefen blendend beschrieben, z.B. auch, dass ich angeblich „so viele Freunde gefunden hätte“.

Bis heute mit fast 50 Jahren habe ich massive Probleme zu vertrauen. Die innere Isolation, das „innere Alleinsein-Gefühl“ zu anderen habe ich leider nie wirklich auflösen können, trotz Therapie. Mein Leben war durch die Misshandlungen immer eingeschränkt. Ich bin voller Trigger.
Ich kann nicht ohne Angst in Keller oder Gänge gehen. Ich habe eine Abscheu, Ekel, einen regelrechten Hass gegen alles was mit Kirche zu tun hat. Devotionalien, Nonnen, Pfarrer, Kirchen, Jesuskreuze usw.
Ich kann nicht nach Bayern fahren, weil mich ein ablehnendes und bedrohliches Gefühl in dieser Landschaft überkommt.
Wenn ich Gewalt an Kindern sehe oder Filme aus dem Nationalsozialismus, friere ich ein, werde steif und verstumme, wie gelähmt.

Erst 3 Jahrzehnte später, als ich eine Dokumentation über Foltermethoden im dritten Reich gesehen hatte, habe ich verstanden, dass auch ich in Teilen nach diesen Methoden drangsaliert und gefoltert wurde.
Alles was mit „Bett und Schlafengehen“ zu tun hat, ist für mich leider täglich schwierig.
Kaltes Wasser ist für mich unerträglich. Seit dieser Zeit erstarre ich, wenn kaltes Wasser an meinen Körper kommt oder ich werde aggressiv.
Kinderspiele wie „Nassspritzen“ kann ich bis heute nicht aushalten. Mein Kind hat nie verstanden, warum ich so extrem darauf reagierte, vieles, besonders unvorhersehbares, konnte ich mit ihm nicht unbeschwert machen.
Mein Kind durfte nie bei anderen schlafen oder mit auf Ferienfahrten, erst ab einem Alter von 12 Jahren ließ ich es bei Vertrauten unter eigener großer Anspannung übernachten.

Die seelischen Misshandlungen durch Nonnen im Jugendkurheim St.Michael in Immenstadt/Allgäu in Bühl am Alpsee, hat nicht nur mein Leben geprägt, sondern es hat mein ganzes Leben bis heute mitbestimmt und eingeschränkt. Es hat die Unbefangenheit meiner Kindheit, meines Lebens und einen großen Teil meiner Kinderseele zerstört.

Kinder wie wir, hätten im Anschluss in jungen Jahren therapiert werden MÜSSEN, damit wir eine Chance gehabt hätten, die Gräueltaten zumindest zeitnah und dadurch in Teilen zu verarbeiten.

Wer hatte und wer hat das Leid so vieler Kinder zu verantworten?
Ich will das wissen!
Wer hat mit dem Leid so vieler Kinder Geld verdient?
Wer hat sich der unterlassenen Hilfeleistung und fehlenden Kontrollen schuldig gemacht?
Wer hat diese Nazi-Nonnen sich an unschuldigen Kindern vergehen lassen?
Ich will Antworten!
Wer steht in der Verantwortung einen Teil dieser Kinderverbrechen „wieder gut zu machen“?

Wenn nicht akribisch aufgearbeitet wird, wenn so viel genommen und angetan wurde und nichts zurückfließt, dann kann nichts wirklich heilen und damit verwehrt man mir, meine Würde wiederherzustellen, die man mir genommen hat.

Ich fordere Aufklärung!! – Denn bei Trauma heilt Zeit keine Wunden!!!
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Marie-Luise Klein aus Berlin schrieb am 28.12.2020
Im Herbst 1969 wurden mein Bruder und ich im Alter von neun Jahren für 6 Wochen von der Caritas „verschrieben“ zur Kur in das oberbayrische Benediktinerinnenkloster Wessobrunn verschickt. Der damaligen Meinung nach galten wir als untergewichtig.
Meine Vorstellungen von einer guten Zeit dort wurden unmittelbar mit Ankunft in dem prächtig anmutenden Gebäude zerstört. Unsere Reisegruppe wurde in dem schallenden Treppenhaus sofort mit harschem Befehlston zum Schweigen gebracht.
Geschlafen wurde in einem Saal mit rd. 30 Betten, es gab keinen Platz für persönliche Dinge. Nachts hörte ich andere wimmern und weinen. Bekam das die Aufsicht mit, wurde im Kommandoton sofort zur Ruhe gerufen. Tröstende Worte gab es nicht. Im Flur vor der Tür saß abends die wachhabende Schwester, die unsere Briefe las, man hörte das Rascheln des Papiers. Es war aussichtslos, Wünsche darin zu äußern. Anmerkungen der Schwestern informierten dahinein, dass Päckchen /Geschenke nicht an uns ausgehändigt würden. Ich versuchte es dennoch mit einer dringenden Bitte nach einer eigenen Schürze. Ich bekam keine.
Auf den Spaziergängen suchte ich vergeblich nach einem Briefkasten, um von den Schwestern unbemerkt und eine von ihnen ungelesene Nachricht nach Hause schicken zu können. Mangels Briefmarken oder Taschengeld blieb es bei der Phantasie.
Der Tagesablauf war fast immer derselbe; er begann mit Gebeten, oft in der eiskalten Kirche, wo man eigentlich nur damit beschäftigt war, gegen den Frost anzuzittern. Es kam vor, dass ein Kind dort bewusstlos wurde. Später wurde entweder spazieren gegangen und Handarbeit verrichtet, braune oder blaue Plastiksteile zu kleinen Tieren zusammenzunähen, ungeeignet sie zu mögen. Stillarbeit. Ständig unter Beobachtung. Meinen Bruder habe ich in den 6 langen Wochen 1mal hinter einer Gittertür kurz gesehen.
Wir wurden regelmäßig gewogen, bei mir ohne Veränderung. Drei -oder viermal wurden wir ärztlich untersucht. Angeblich hatte ich auffällige Herzgeräusche, was sich, wieder zu Hause, als unzutreffend herausstellen sollte.
Es waren mit die dunkelsten Wochen meiner Kindheit in einer Verwahranstalt und schwarzer Pädagogik. Nächstenliebe, Zuwendung und Vertrauen gab es in diesen Mauern für uns Kinder nicht. Stattdessen Drill, Kälte und verletzte Kinderseelen.
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Yasemin Hoppe aus Dortmund schrieb am 27.12.2020
Hallo
ich wurde mit meinem Bruder der 3 Jahre jünger ist als ich, damals in so ein Verschickungsheim geschickt. Ich kann mich nur noch an fetzten erinnern was sehr komisch ist, dafür kann sich mein kleiner Bruder an viel mehr erinnern an viele negativen Situationen. Vll verdränge ich es auch. Ich bitte die Leute die dieses lesen und auch zu diesem Zeitpunkt dort waren dazu mit Informationen zu geben Bilder, Erinnerungen egal was. Bitte schreibt mich an.
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Bonnie Tristenheim aus Dortmund schrieb am 26.12.2020
Mit vier Jahren war ich wegen meines Bronchialasthmas knapp elf Wochen im Seehospiz auf Norderney. In dieser Zeit bin ich fünf geworden.
Erinnern kann ich mich daran, dass ich mich dort die ganze Zeit verängstigt und einsam gefühlt habe. Ich wurde von anderen Kindern im Schlafraum geärgert und meine zwei Stofftiere eines Nachts hin- und hergeworfen und dabei kaputtgemacht. Ich erwachte am nächsten Morgen allein in einem anderen Zimmer. Wie ich dorthin gekommen bin, weiß ich nicht. Meine Stofftiere hatten die Tanten in meinen Koffer auf dem Schrank getan, sodass ich nicht mehr drankam.
Ich erinnere mich außerdem daran, dass ein Junge sich von hinten an mich anschlich, als ich im Sand hockte, und mir eine Vogelbeere mit den Worten „Stirb!“ in den Mund drückte.
An Strafen von Seiten der Tanten erinnere ich mich nicht. Aber auch an nichts Herzliches, kein Kümmern, kein Gesicht ist mir in Erinnerung geblieben.
Woran ich mich noch erinnere, ist, dass die Post im Beisein aller Kinder vorgelesen wurde, die Pakete wurden ebenfalls vor allen geöffnet und Süßigkeiten verteilt. Man durfte nicht ungestört mit seinen Eltern telefonieren, immer stand eine Tante hinter einem und hörte zu.
Zu trinken gab es einen ekeligen Kakao mit Haut drauf.
Meine Eltern haben mir erzählt, dass sie mich, als sie mich vom Bahnhof Hamm abgeholt haben, kaum wiedererkannt hätten. Ich hätte zugenommen und seitdem viel „vernünftiger“ geredet, vorm Essen gebetet und meine Kleidung gefaltet. Daran kann ich selbst mich nicht mehr erinnern.
Auch, wenn vieles aus diesen elf Wochen im Dunkeln liegt, kann ich nur sagen, dass sie mich negativ geprägt haben. Seitdem habe ich oft Einschlafprobleme, starke Ängste und eine Zwangssymptomatik entwickelt.
Letztes Jahr waren mein Partner und ich in Norddeich und alleine das Wissen, dass Norderney an der gegenüberliegenden Küste lag, führte bei mir zu Übelkeit und Unruhe. Wir haben den Kurzurlaub dann vorzeitig beendet und sind nach Hause gefahren.
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Patricia Behmüller aus Frankfurt am Main schrieb am 25.12.2020
Meine Eltern haben meinen kleinen Bruder und mich zur Kur (Untergewicht) nach Norderney geschickt. Vor Ort wurden wir dann getrennt und wir haben uns nur manchmal beim Spaziergang gesehen. Nach 6 Wochen haben meine Eltern gesagt bekommen,dass ich noch 6 Wochen Verlängerung bekomme, da ich Neurodermitis habe.
Das Kurheim (Norderney) wurde von Nonnen geleitet, den Namen weiß ich nicht mehr.
Auf jeden Fall sind die Erinnerungen daran traumatisch.
Beim Essen wurden alle gezwungen aufzuessen. Wenn ein Kind sich übergeben hatte, wurde das Erbrochene zur Seite gewischt und es musste weiteressen. In der Nacht im großen Schlafsaal saß in der Tür eine Nachtwache, die die Kinder bestraft hat wenn sie nicht geschlafen haben. Ich erinnere mich daran,dass ich eine Nacht hinter der Tür stehen musste, weil ich aufgestanden war um ein Stofftier aufzuheben, das einem kleineren Kind aus dem Gitterbettchen gefallen war.
Als meine Mutter mich nach 12 Wochen am Bahnhof abgeholt hat, habe ich meine Eltern nicht mehr erkannt. Aus Erzählungen weiß ich dass mein Großvater den Zugang dann zu mir gefunden hat.
Der Mensch ist gut in der Lage schlimme Erfahrungen tief zu vergraben. Aber einiges kommt doch wieder hoch.
Auf jeden Fall habe ich meine eigenen Kinder nicht alleine zur Kur geschickt, sondern die Variante Mutter/Kind Kur vorgezogen.
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Link, Olaf aus Solingen schrieb am 24.12.2020
War in einem Verschickungsheim in Furtwangen im Schwarzwald, dessen Leitung ein aus Bayern stammender Arzt und dessen Gattin inne hatten. Ich erinnere mich daran, dass man während des Aufenthalts mehrfach gemessen und gewogen wurde. Zu diesem Zwecke hatte man sich nackt hintereinander aufzustellen; ob nach Geschlechtern getrennt vermag ich nicht mehr zu sagen. Zum Frühstück gab es zumeist eine Milchsuppe, mittags häufig Leberknödelsuppe, die ich nicht mochte, die zu essen ich allerdings gezwungen wurde, zum Teil unter Anwendung physischer Gewalt, indem mit der gefüllte Löffel in den Mund gedrückt wurde. Später habe ich mir damit zu helfen gewusst, dass ich die Knödel heimlich in die Hosentasche steckte und draußen heimlich im schnell vergrub. Die an die eltern gerichteten Schreiben wurden diktiert. Man durfte nicht schreiben, wie es einem wirklich zumute war. Von 13.00 bis 15.00 Uhr war Mittagsschlaf zu halten. Es gab zwei oder drei Mädchen, die hiervon befreit waren. Insgesamt 6 Wochen war ich in diesem Heim...für ein Kind eine endlos scheinende Zeit.
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Evelyne Klein aus Wiesbaden schrieb am 18.12.2020
Ich bin ein Opfer der Heimerziehung. War in Waiblingen im ev.Säuglings.und und Kinderheim (Devizestr.)untergebracht. Mit ca.3 Monaten kam ich in diese Diakonissen Anstalt. Dort lernte mich eine Frau kennen, die damals eine Ausbildung zur Säuglings.und Kinderkrankenschwester absolvierte. Diese Schwester wurde ,als ich mit 10 Jahren getauft wurde,meine Patentante. In unregelmäßigen Abständen nahm mich diese Schwester zu sich nach hause in ihre Famillie. Dort erfuhr ich , das diese Schwester auch Einsätze hatte auf Norderney, möglicherweise auch Borkum oder so? Viel persönliches hatte diese Schwester von sich nie berichtet,als ich um die Schicksale der Verschickungskinder hörte, fiel mir dieser Umstand von dieser Schwester wieder ein. Bereits vor 30 Jahren hatte ich mich von dieser Frau abgewendet, da sie mir mein ganzes Leben ,neben den schrecklichen Erfahrungen während meiner Heimerziehung , zusätzlich zur Hölle machte. Da ich noch mitten in meiner Aufarbeitung meiner Heimerziehung stecke, gehört besagter Umstand um diese Schwester und ihre Einsätze in Erholungsheime im Norden dazu. Geschilderte Erfahrungen und Erlebnisse im Umgang von und mit Verschickungskindern durch Verschickungskinder decken sich mit den Erfahrungen im Umgang mit meiner Person durch diese Schwester ,bei der ich in unregelmäßigen Abständen in Fremdunterbringung war. Vielleicht kann man sich an die Schwester Gertrud Häffner erinnern, sie war ein Tyrann , unausstehlich, stammte aus Baden Württemberg, wohnte als ich noch Säugling war in Gerabronn (Hohenlohe) Kreis Schwäbisch Hall,hatte bis zu ihrer Pensionierung im Kinderhospital Olgäle in Stuttgart gearbeitet, eine Einrichtung der Diakonie. Bedanken möchte ich mich bei den Verschickungskindern und ihrem Mut, an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. Das Nachkriegsdeutschland wurde für viele Kinder und Jugendliche, zum Alptraum.Das muss beim Namen genannt werden, und es muss verhindert werden, das dies nie in Vergessenheit gerät. In diesem Sinne. Evelyne Klein
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Jürgen Tappert aus Wuppertal schrieb am 18.12.2020
Wer auch immer das hier ließt, soll wissen wie schwer es mir fällt, mich an die schlimmen Erlebnisse meines Heimaufenthaltes zu erinnern und während ich hier schreibe laufen mir Tränen übers Gesicht. Es ist nicht nur die "Kur" die mich belastet, sondern auch, was danach geschah. Die Beziehung zu meinen Eltern wurde durch Vertrauensverlust meinerseits nachhaltig gestört.
So grausam es klingen mag: ich bin fast erleichtert, die
teilweise erschütternden Berichte meiner Leidensgenoss*innen hier zu lesen, denn nun weiß ich, daß
ich mit meinen Erlebnissen nicht mehr alleine bin. Damals (1961) hat mir aus meinem Umfeld niemand gelaubt, und meine Eltern haben wütend auf meine Berichte reagiert- nach der bewährten Prämisse es Kann nicht sein, was nicht sein darf.

Erschreckend finde ich, daß die hier geschilderten Ungeheuerlichkeiten so lange vorborgen blieben, obwohl es doch viele Übereinstimmungen gibt, die darauf hinweisen, daß es sich nicht um vereinzelte Lügen oder Übertreibungen handeln kann.
Auch ich mußte Erbrochenes wieder essen und schon der Anblick von Griesbrei löst bei mir Ekel aus. Auch ich habe die Bestrafung durch Demütigung und Erniedriung erfahren, die für mich schlimmer war, als die körperliche Züchtigung- dafür gab es extra eine Rute, die gut sichtbar mahnend an der Wand hing.
Sehr schlimm, weil es so nachhaltige Spuren in den emfindsamen Kinderseelen hinterläßt, fand ich die Unterteilung der Kinder in Gute und Böse. Während die Guten belohnt wurden, z.B. mit extra Nachtisch wurden die Bösen, zu denen ich gehörte, permanent bestraft, mit Spielverbot, stundenlangem Stillsitzen ohne Anlehnen, auf einer Bank, die im Flur stand wo es zu dieser Jahreszeit eisig kalt war. Wir Bösen mußten abends besonders lang vor einem großen Kruzifix, das in einer Ecke hing, im Schlafanzug mit nackten Füßen stehen und beten. Ich erinnere mich, daß bei dieser Prozedur einmal ein Junge ohnmächtig zusammen brach, was von den "Schwestern" mit der Strafe Gottes begründet wurde. Damals habe ich meinen Glauben an den "lieben Gott" verloren.
In gruseliger Erinnerung sind mir auch noch die so genannten Krampusse, die zu dieser Zeit (Advent) durchs Berchdesgardener Land marodierten, um mit ihren Angst einflößenden Hörnermasken abends in die Fenster zu glotzen um die Kinder zu erschrecken.
Abschließen möchte ich meinen reduzierten Bericht mit der Mahnung- nicht nur an Eltern: nicht der Mensch ist
schlecht, böse, kriminell, sondern die Lebensumstände, die ihn dazu machen- niemand wird als Verbrecher oder Psychopath geboren. Nicht der ganze Konsumramsch, nicht die Karriere, sondern Kinder sind das wertvollste und schützenswerte was die Menschheit hervor bringt.
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Karl-Heinz Krieger aus Karlsruhe schrieb am 18.12.2020
Hallo,

ich war 2 x 6 Wochen im karlsruher Kindersolbad Donaueschingen (Träger: Stadt Karlsruhe) zum ‚Auffüttern‘, da ich deutliches Untergewicht hatte, mit ca. 8 Jahre und 13 Jahre.

Mir ging es da im Grunde gut, hatte kein Heimweh, aber auch keine Schule (seltsam, wäre eigentlich sehr sinnvoll gewesen, den der Tag war lang.)
Ich erinnere mich daran, dass es immer um Gewichtszunahme ging, das wurde sehr beachtet und es gab da einen kleinen Wettbewerb, wer die meisten Kilo zunahm.
In diesem Zusammenhang habe ich eine schlechte Erinnerung, verbunden mit Zwang:
Es gab häufiger sogenannte ‚Arme Ritter‘: Brot geröstet in Fett, was wir nicht gerne aßen. Einige Jungen kamen auf die Idee, diese im WC zu entsorgen, was heraus kam.
Unter Druck und Aufsicht mussten die ‚Täter‘ dann eine neue Portion essen. War ekelig und sehr unangenehm, aber auch, bei einer Tat erwischt worden zu sein.


In Erinnerung habe ich auch, dass es Mädchengruppen gab.


Ich wurde später Sonderschullehrer, über diese Brille war außer diesem Vorfall die Aufenthalte für die meisten von uns Kriegs- und Nachkriegskinder (viele wie ich aus beengten und prekären Verhältnissen) ein Segen. Klare Struktur, viele Aufenthalte im Freien: Ausflüge, Wanderungen, Sport auf dem Gelände, gute medizinische Kontrolle und Versorgung. Geleitet von ‚Schwester Oberin‘, die uns jeden Abend zum Abendlied in ruhiger Atmosphäre ins Bett verabschiedete. (‚Keiner schöner Land in dieser Zeit...‘)
Geleitet wurden die Gruppen von Erzieherinnen aus der Stadt Karlsruhe. Eigentlich alles normal.
2 x pro Woche mussten wir in Holzwannen mit ‚Sole’ steigen, machten da geleitet Wortspiele. Danach 2 (!) Stunden ruhen im Bett. Sollte wohl der Gewichtszunahme dienen.

Als Ältere mussten wir den Kleineren morgens die Betten machen. Darüber bekam ich mit, dass es nicht für alle so gut verlief: Es gab Bettnässer. Wie mit diesen Kindern umgegangen wurde, kann ich nicht sagen.
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Moni aus Paderborn schrieb am 17.12.2020
Eigentlich habe ich gedacht, ich habe mit diesem Thema abgeschlossen und in eine ganz weit entfernte Schublade gepackt und verschlossen, aber nachdem ich hier die Berichte gelesen habe, die teilweise ja noch viel schlimmer waren, als meine Erfahrungen, wurde alles wieder aufgewühlt.
Auch ich gehöre zu diesen Verschickungskindern. 1970 eher 1971 wurde ich im Alter von 8 Jahren ins Kloster Wessobrunn nach Bayern über Ostern für 6 Wochen zur „Erholung“ geschickt. Ich hatte es immer wieder mit den Bronchien.
Geführt und regiert wurde es von Nonnen.

Als 8jährige kam ich in einen großen Schlafsaal mit 20 bis 30 Kindern. Während der Mittagszeit (ruhen im Bett) und in der Nacht durften wir nicht zur Toilette. Ein Töpfchen für den Notfall stand im Raum. Aber wer setzt sich schon auf einen Topf, wo 20 bis 30 andere zugucken.

Ich durfte mir mein Brot nicht selber schmieren, weil ich kein Messer haben durfte. Ich wäre zu klein.
Beim Essen durfte nicht geredet werden.
Es musste alles gegessen werden, was auf den Tisch/Teller kam, ob man es mochte oder nicht.

Einmal, nach dem Sport bei warmem Wetter, hatten wir Durst und tranken aus dem Wasserhahn. Danach mussten die, die sie erwischt hatten, ihren Kuchen (und der war sehr trocken) und das Abendbrot ohne Getränk zu sich nehmen. Und man war erst fertig, wenn der Teller leer war.

Ein Osterpaket von meiner Patentante wurde geöffnet, der Brief vorgelesen und der Inhalt an alle Kinder verteilt. Ich glaube, ich habe nichts davon bekommen und kam mir wie ein Schwerverbrecher vor, weil ich ein Paket zu Ostern bekommen habe. Überhaupt war Post nicht erwünscht weder in die eine noch in die andere Richtung. Als Grund wurde vorgeschoben, dass wir sonst Heimweh kriegen würden. Alles was geschrieben wurde, wurde zensiert und auch die Post von zu Hause wurde vorher gelesen. Ein älteres Mädchen (15 oder 16 Jahre) hatte es geschafft, einen Brief rauszuschmuggeln. Ihre Eltern kamen zur Kontrolle und gingen wieder und danach wurde dieses Mädchen zu uns kleinen in den Schlafsaal verlegt mit der Begründung, sie hätte ihr Bett nass gemacht und dann gehört sie eben zu den kleinen.

Als es dann ans Kofferpacken ging für die Nachhausefahrt, haben mir die Nonnen den größeren meiner beiden Koffer so voll gepackt, dass der kleinere zur Hälfte leer blieb. Diese musste ich dann über 3 Etagen über die Treppen bis in den Keller zum passenden Buchstaben für den Wohnort bringen. Hier hat mir ein älteres Mädchen geholfen, aber nur bis zum letzten Absatz, damit die Nonnen nicht gesehen haben, dass sie mir geholfen hat. So musste ich nur die letzten Stufen und etwas mehr als das halbe Alphabet bis zum „P“ hinter mich bringen. Das Problem war dann nur, dass die Nonnen mir nicht glauben wollten, dass ich aus Paderborn bin und sie wollten mich nach Österreich schicken.

Jeden Tag Psychoterror, bloß nicht Auffallen war die Devise weder negativ noch positiv. 6 Wochen waren unendlich. Woran ich mich erinnere, ist, dass unter den Kindern ein guter Zusammenhalt war und das war auch das, was mich durchhalten ließ. Und ein Lichtblick war eine junge Betreuerin, die öfter mit uns spazieren ging. Die war immer sehr freundlich.
Fazit: Meine Kinder, obwohl erst nach diesen Jahren geboren, gingen nicht alleine ins Krankenhaus, sondern nur in meiner Begleitung und Kur ging nur über ambulante Vorsorgekur. Was anderes kam für mich nicht in Frage. Und auch für mich wäre eine Reha der Albtraum, ich hoffe, ich werde nie eine brauchen.
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Conni aus Köln schrieb am 17.12.2020
"Warum fahren wir zum Bahnhof, Vati"?fragte ich meinen Vater.
Ich war 6,bekamm einen Rucksack ,warme Jacke und man brachte mich nach Duisburg zum Hauptbahnhof.
Ich merkte das irgendwas nicht stimmt.
Ich weinte ,mein Bater wurde sauer.
"Ruhe jetzt,hör auf zu flennen"
Am Bahnhof angekommen klammerte ich mich am Vater fest.Mit Gewalt riss er mich los und schubste mich in den Zug.
Ein Abteil voller Kinder eine fremde Frau die mich entgegen nahm,ein Vater der ohne Abschied schnurstraks aus dem Zug ging und mich alleine ließ.
Einfach so.
Ich habe geschrien und bitterlich geweint.Ich wriss es noch so genau.
Der Zug fuhr los,und ich hatte fürchterliche Angst.
Ich setzte mich zu einem Jungen den ich aus meiner Stadt kannte, ich glaube es halfen mir ein bisschen ihn um mich zu haben.
Er war vertraut.
Im Kurgebäude angekommen,trennten sich unsere Wege,junge und Mädchen wurden getrennt
In meinem Zimmer waren wir zu dritt
Eine Maike war mit im Zimmer,sie ärgerte mich ständig,zog mir Nachts in den Haaren.
Den gesamten Aufenthalt war ich nur traurig,
Mir fehlten meine Eltern.
Ich kann mich an Dinge erinnern die schlimm waren,wie zb das man erbrochenes essen musste
An einsperren
An bloss Stellen
An Gefühlskälte
An Untersuchungen im Arzt Zimmer die komisch waren
Aber ich habe auch einige wenige schöne Erinnerungen, wie zb die schöne Landschaft,die schönen Lieder die gesungen wurden
Die Bastelarbeiten und die Geschichten die erzählt wurden
Zuhause angekommen hatte ich das Bertrauen zu meinen Eltern verloren.
Es blieb für immer.
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GABI aus Paderborn schrieb am 16.12.2020
Ich war damals 5 Jahre alt habe aber die Erlebnisse dort nie vergessen !!! Erbrochenes Essen musste ich auch einige male .Ich bin brutal geschlagen und körperlich misshandelt worden ausserdem haben die Schwestern mich in die Ostsee geworfen weil sie meinten ich müsste jetzt schwimmen lernen habe haufenweise Wasser geschluckt und in Todesangst geschriehen sie haben mich erst rausgeholt als ich schon fast unter ging weil ich keine Kraft mehr hatte !!! Ich bin heute55 Jahre alt und die Erlebnisse von damals verfolgen mich immer noch !!! Wäre schön wenn sich andere ehemalige Verschickungskinder bei mir melden würden bin auch auf Facebook unter Gabi Willenberg
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Willi aus Heidelberg schrieb am 16.12.2020
Ich kann mich leider nur sehr ungenau an diese Erlebnisse dort erinnern war erst 5 oder 6 Jahre alt
Meine Psyche hat sich den erlebten gegenüber gesperrt
Kenne nur noch zwei Namen von den "Tanten" Eine hieß Marian war sehr berüchtigt und Maria war sehr nett für diese Verhältnisse dort. Was sich gut in mein Gedächtnis einprägte war die berüchtigte Haferflockensuppe zum Frühstück und furchtbares Heimweh in der Anfangszeit
Mein leiden wegen dem ich dort war hat sich leider nicht verbessert.
Das ist erst mit 7 Jahren besser geworden
Stattdessen hatte ich, als ich wieder daheim war, Minderwertigkeitsgefühle, Aufmerksamkeitssyndrom, einen leichten Sprachfehler, suchte immer Bestätigung, angst im Dunkeln und Verlust Ängste
Wurde quasi zum Einzelgänger vertraue fast niemanden
Dies hat sich zum Glück alles wieder ohne fremde Hilfe soweit gelegt das ich gut mit umgehen kann. Heute weiß ich das es Traumatische Erlebnissen von dem Heim sind. Den Namen Kinderparadies hat es bestimmt nicht verdient
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Heinz-Peter Müllejans aus Kaarst schrieb am 16.12.2020
Als halb verhungertes Kriegskind wurde ich dreimal zum Aufpäppeln in Heime verschickt. Hier meine Erlebnisse:
Erstes Heim Schloß Heltorf bei Angemund. In Düsseldorf am Graf-Adolf-Platz wurden wir in die D-Bahn gesetzt, mit einem großen Koffer mit Zeug für zwei Monate. Die Bahn hielt in Angermund und wir Kinder durften unsere schweren Koffer über mehrere Kilometer zum Schloß schleppen. Beim Eintreffen im Schloß wurden wir von Nonnen empfangen und ich wurde mit schweren Bauchschmerzen in ein separates Zimmer gelegt, wo ich drei Wochen alleine das Bett hüten durfte. Nach drei Wochen durfte ich zu den anderen Kindern und wir wurden jeden Tag durch die frische Luft über die Felder getrieben. Dabei trugen wir schwere Wanderschuhe. Da die Schestern immer kontollierten, ob die Socken von den Aufseherinnen auch frisch gewaschen waren, wurden uns die Socken nach der Kontrolle direkt abgenommen und wir mussten mit nackten Füßen in den Schuhen wandern. Das Ergebnis: schwere Veriterungen an den Füßen, die am linken Fuß zu einem Überbein gewachsen sind, Mußte später operativ entfernt werden. Zu meinem Bauch hat ein Arzt später festgestellt, duch die Überlastung auf dem langen Trageweg, hatt ich einen Nabel- und Leistenbruch, der unversorgt verwachsen war. Nicht zugenommen, Gewicht verloren, genau so wie meine Gesundheit.
Zweites Heim: Bad Salzuffeln. Statt gutem Essen , jeden zweiten Tag in die Salzbäder. Ergebnis : nach vier Wochen zehn Kilo verloren.Soweit das Aufpäppelm.
Drittes Heim: In der Nähe von Hilden. Essen ganz ordentlich aber kaum Zuwendung und daher großes Heimweh. Jeden Tag nur der Gedanke, wie komme ich von hier weg. Briefe und Telefon alles verboten.
Meine Mutter war Kriegerwitwe und mußte arbeiten, daher kaum Zeit vür uns Kinder, da waren die Angebote der Stadt für sie hilfreich, für uns eine einzige Qual. Bis heute noch Folgeprobleme.
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Sylvia aus H. schrieb am 15.12.2020
Wir, d.h., meine beiden älteren Schwestern und ich wurden ca. 1964/1965; also, ich war so. ca. 5 Jahre alt, nach diesem "Erholungsheim" verschickt, da wir Schatten auf den Lungen hatten und das damals zuständige Gesundheitsamt der Meinung war, dort könnten wir uns erholen. So für ca. 2/3 Monate.

An was ich mich erinnere, war die Grausamkeiten und die "Zucht", die es dort gab.
Jedes, also wirklich Jedes, Essen musste man essen und zwar, den Teller leer essen.
Wer nicht konnte oder wollte oder die Mahlzeit nicht mochte, musste am Tisch sitzen bleiben, bis er/sie alles aufgegessen hatte. Egal, wie lange es dauerte.
Wer sich übergeben musste und sich ins Essen erbrach, "durfte" das Ganze aufessen. Wenn es sein musste, mit etwas "Hilfe". Die (ich schreibe mal) Schwestern haben unter Zuhilfenahme von Gewalt den Mund geöffnet und mit Gewalt den Löffel oder die Gabel mit der Speise eingegeben.
Wer "unartig" war, und Kinder sind nun mal nicht immer lieb und artig, wurde geschlagen oder in die Schuhkammer eingesperrt oder musste nachts alleine im riesigen Schlafsaal nächtigen.
Toilettengang war zum letzten Mal so ca. 19:00 h/20:00 h und wehe, man musste vl. später noch einmal zur Toilette.
Das wurde bestraft. Vor lauter Angst, meldete man sich nicht und nässte ein und DAS wurde dann auch bestraft.
Egal, was man machte, Strafen gab es täglich, stündlich, immer !
Ich habe oft die "Schwestern" vor meinem Auge. So adrett und in einem weissen, stark gestärktem Schürzchen und der weissen Haube.
So lieb und nett anzusehen. Aber sie waren der Teufel in persona.
Schläge mit allem, was man zu fassen bekam. Tennisschläger, Schuhe, Hände, Stöcker,.....
Einsperren in dunklen Räumen.

Die Gegend dort war wirklich schön und wenn man sich hätte so bewegen können, wie man wollte, wäre das eine schöne Zeit gewesen.
Spaziergänge in Viererreihe; vorne die kleinsten und hinten die grössten Kinder. Um diese Kinder ein Seil, welches am Ende von jeweils einer Schwester festgehalten wurde.
Vorwärts im Gleichschritt und ein gar "lustiges" Lied auf den Lippen. Also, Marschlieder; wie bei der Bundeswehr oder der Wehrmacht ?!

Wir bekamen auch Penicillin-Spritzen, während des Aufenthaltes. Täglich.
Wie das vor sich ging ?
Es wurde am Ende des Speisesaals ein Hocker aufgestellt. Man war in Reih' und Glied. Am Hocker, Hose, Strumpfhose oder dergl. herunter, über den Hocker beugen und WUMMS, wurde die Spritze gegeben. Das tat höllisch weh !
Hier war auch egal, ob Junge oder Mädchen. Es gab KEINE Trennung der Geschlechter.
NIE !

Dort hatte ich auch meine Mandel-OP.
Wenn man jetzt denkt oder meint, ach, das ist doch nicht so schlimm. DOCH, war es.
Ich wusste nicht, was da auf mich zukam.
Ein anderer Trakt; Krankenstation. Dort ein Gitterbett. Im gleichen Zimmer, also wo ich war, ein Junge, der auch operiert werden sollte.
Morgens gab es eine Tablette. Die beruhigte. Dann ging man in den OP. Dort war ein Stuhl. Man wurde angeschnallt an Füssen, Beinen Armen und Kopf. Der Mund wurde mit einer Art "Maulsperre" geöffnet und fixiert.
Dann bekam ich eine Spritze, die mir wohl die Schmerzen nehmen sollte und ich konnte mich nicht mehr wehren und schreien.
NIX VOLLNARKOSE !
ALLES IM VOLLEN BEWUSSTSEIN !
Ich habe immer noch das "Gerät", mit welchem die Mandeln entfernt wurden, genau vor meinen Augen.
Ich habe noch nie in meinem Leben so viel geweint, da ich ja nicht Schreien konnte !
Und dann dieses knirschende Geräusch, als die Mandel "abgeschnitten" (?) wurden.
Meine Albträume gingen jahrelang auch in diese Richtung.
Man hat mich angeschrien, ich solle nicht rumplärren und hat mich nach der OP recht unsanft in mein Bett verfrachtet; eher geschmissen.
EIN positives gab es dort auf dieser Station: 1. das Eis und 2. die einzig nette Schwester (sehr jung noch), die dem Jungen und mir Märchen vorlas.
Als ich dann von dort wieder auf die "normale" Station musste, habe ich Zeter und Mordio geschrien.
Es hat nichts genutzt......

Zu meinem 6. Geburtstag, den ich dort erleben durfte, haben meine Eltern mir ein Paket geschickt.
Man hat es mir gezeigt, auch was dort enthalten war. Lauter leckere Süssigkeiten und ein Brief.
Gezeigt, wohlmerklich !
Danach habe ich nichts mehr davon gesehen; geschweige denn, man hat mir den Brief vorgelesen.

Als uns unsere Eltern einmal besucht haben, erzählten wir drei ihnen, was da vor sich geht. Also, natürlich in kindlich naiver Sprache.
Sie haben uns NICHT geglaubt.
DAS war der grösste Verrat !

Ab da habe ich mich verändert und mein Leben war, ja, wie im Erholungsheim..........

Jetzt bin seit Jahren in Therapie, Frührentnerin, da mir nicht nur das Heim im Nacken hängt, sondern auch die folgenden Erlebnisse in meinem Leben; denn mein Leben ist so wie im Heim verlaufen.
Ich habe schwere PTBS mit schweren Depressiven Störungen, Angststörungen, chron. Schmerzsyndrome mit Somatischen und Psychischen Faktoren, usw usw
Ergo, ich bin fertig, kaputt.

Danke Unna-Königsborn !
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Michael aus Sulzbach schrieb am 15.12.2020
Es war im Jahr 1973, als mein damaliger Kinderarzt befand, ich sei unterernährt bzw. für mein Alter untergewichtig. Nach heutigen Kriterien würde man wohl eher sagen, dass ich das Idealgewicht für einen Zehnjährigen hatte. Es war jedoch eine Zeit, als man Reste von Babyspeck bei Kindern im Grundschulalter noch als normal empfand. Eine Zeit, in der sogar Nutella und Kuhmilch noch als bekömmliche Nahrung für Kinder galten und überhaupt fast alles, was hochkalorisch war, als gut bewertet wurde.

Meine erste Kinderkur hatte ich wegen meines geringen Körpergewichtes bereits drei Jahre zuvor, im Jahr 1970 in Muggendorf in der fränkischen Schweiz. Hieran habe ich eigentlich nur positive bzw. überwiegend positive Erinnerungen, außer natürlich das für dieses Kindesalter typische Heimweh. Wahrscheinlich empfand ich es deswegen seinerzeit auch nicht als so schlimm, als ich im Jahr 1973 erneut in die Kur geschickt wurde. Diesmal ging es nach Bad Sassendorf in ein Kinderkurheim, dass nach meiner Erinnerung von katholischen Nonnen geleitet wurde. Hätte ich vorher gewußt, was mich hier erwarten würde, hätte ich mich wahrscheinlich mit Händen und Füßen gesträubt, um diesem Martyrium entgehen zu können!

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass wir in Bad Sassendorf genauso viele Jungs wie Mädchen waren. Das Altersspektrum reichte glaube ich von acht bis zwölf Jahren. Im gemeinsamen Speisesaal saßen wir an 6er-Tischen, wobei bei den Jungs und Mädchen je ein Tisch mit sechs übergewichtigen Kindern, der Rest der Tische (ich schätze, dass es jeweils fünf weitere Tische waren) mit untergewichtigen Kindern besetzt war. Heute dürfte das Verhältnis wohl eher umgekehrt sein. Den Jungs war es unter Androung strengster Strafe untersagt, die Hälfte des Speisesaals zu betreten, in dem sich die Mädchen befanden.

Damals habe ich die dicken Kinder beneidet, denn sie durften nach dem Frühstück draußen auf der Wiese Fußball spielen und sich austoben, während alle anderen Kinder sich im Haus mit Malen, Lesen oder Basteln die Zeit vertreiben mußten. Hauptsache, wir haben von unserem extrem hochkalorischen und fettig-süßen Frühstück nicht zu viele Kalorien verbraucht, denn wir sollten ja schließlich gemästet werden, um der Idealvorstellung der Zeit gerecht zu werden. Regelmäßig mußten wir uns auf die Waage stellen und uns böse Kommentare der Nonnen anhören, wenn sich unser Körpergewicht nicht wunschgemäß nach oben entwickelte.

Nach dem Mittagessen mußten wir leichtgewichtigen Kinder ganz strenge Mittagsruhe halten. Dies sah so aus, dass wir in einer Turnhalle auf Gymnastikmatten auf dem Rücken liegen mußten, mit nach unten liegenden Handflächen. Während eine Nonne aus der Bibel vorlas, liefen ein oder zwei andere Nonnen die Reihen ab und maßregelten jedes Kind, das auch nur die kleinste Bewegung wagte. Spätestens am dritten Tag waren dann alle Kinder auf strikte Bewegungslosigkeit konditioniert und keiner von uns wagte, sich auch nur an der Nase zu kratzen.

Das Mittagessen bestand sehr oft aus sehr süßen Sachen wie Dampfnudeln, Germknödeln, Kaiserschmarrn, Griesbrei mit Zucker und Zimt oder Ähnlichem, oft mit Vanillesoße oder Schokosoße drüber. Für Kinder ist dies natürlich toll aber nicht mehr, wenn es andauernd auf den Tisch kommt.

Freitags gab es - und hiermit fing für mich das Grauen an - Fisch. Heute weiß ich, dass ich kein Fischeiweis vertrage. Als Kind hat mir einfach mein Unterbewußtsein gesagt, dass ich Fisch nicht essen soll, was irgendwann auch meine Eltern akzeptierten.

Die Nonnen in Sassendorf akzeptierten dies jedoch nicht! Zu meinem großen Unglück wurde ich von einer Nonne erwischt, als ich meinem Tischnachbarn meinen Hering auf seinen Teller legte. Die Nonne packte mich am Ohrläppchen und zerrte mich in die Ecke des Speisesaales, wo ich so lange mit dem Rücken zu den anderen Kindern stehen bleiben musste, bis diese den Saal verlassen hatten. Als ich schließlich allein im Speisesaal zurück blieb, wurde die Heimleiterin gerufen. Anschließend hat mich dann eine Nonne festgehalten, während die Heimleiterin auf mich eingedroschen hat, wozu sie sich u.a. auch diverser Küchenutensilien bediente. Ich hatte das Gefühl, dass die Frau in ihrer Tobsucht bewusst mein Gesicht verschonte, da dies ja für andere Kinder sichtbare Zeichen der Misshandlung hinterlassen hätte und beim sonntäglichen Pflicht-Kirchgang aufgefallen wäre. Alle anderen Körperstellen wurden jedoch sorgsam mit Schlägen bedacht, so dass ich am Ende der Prügelorgie Schmerzen am ganzen Körper hatte. Immer wieder schrie mich die Heimleiterin an, während sie auf mich einschlug, dass in Afrika Kinder verhungern würden, während ich hier die "guten Gaben Gottes" verschmähen würde.

Nachdem die Heimleiterin eine gefühlte Ewigkeit auf mich eingeschlagen hat, wurde ich anschließend gezwungen, die doppelte Fischration zu essen. Natürlich habe ich diese sofort wieder erbrochen aber den Nonnen schien es zu genügen, dass sie mir ihren Willen aufgezwungen hatten. Für die übrigen fünf Wochen der Kur wurde ich immer, wenn es Fisch gab, an einen separaten Tisch gesetzt, wo ich eine extragroße Portion Fisch vorgesetzt bekam. Ab der zweiten oder dritten Woche saßen dann auch noch andere Kinder mit mir gemeinsam am Tisch, die genauso wie ich von der Heimleiterin zusammengeschlagen wurden, weil sie ihren Fisch nicht essen wollten.

Noch heute mache ich mir Vorwürfe, dass ich mit keinem dieser Kinder Adressen ausgetauscht habe, denn meine Eltern wollten mir diese Geschichte partout nicht glauben, als ich sie ihnen erzählte. Es ging schlicht und einfach über die Vorstellungskraft meiner Eltern hinaus, dass eine vermeintlich friedfertige Nonne ein Kind misshandeln könnte. Noch heute leide ich mehr am Mistrauen meiner Eltern, als an den Mishandlungen der Nonnen.

Erinnern kann ich mich auch noch daran, dass einer der Jungen mehrere Ausbruchversuche unternommen hatte. Nach seinem letzten Fluchtversuch wurden seine Eltern angerufen, die ihn dann abgeholt haben. Was haben wir Anderen diesen Jungen beneidet! Allein weil er zwischen den Fluchtversuchen von den Nonnen vor allen Kindern bloßgestellt und gedemütigt, sicher aber auch ohne Zeugen schwer mishandelt wurde, hat sich kein weiteres Kind zu einem Fluchtversuch hinreißen lassen.

Bis heute habe ich als Folge dieser Erlebnisse ein gestörtes Verhältnis zur katholischen Kirche und insbesondere zu Nonnen, denen ich niemals eines meiner eigenen Kinder anvertrauen würde.
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Maike aus Stuttgart schrieb am 14.12.2020
Hallo !
Gibt es hier Jemanden mit Erfahrungen aus dem sogenannten Kinderkurheim Polling in Oberbayern ?
Ich war dort als Sechsjährige und kann viele der beschriebenen " Methoden" der Einschüchterung/ Kälte/ Missbrauch bestätigen.
Freue mich über eine Antwort !
Lg von Maike
Administrator-Antwort von: Redaktion
Liebe Maike

Es gibt viele, die dort waren, schau mal unter VERNETZUNG auf unserer Webseite, da findest du Heimortverantwortliche für dieses Heim und auch die Landeskoordination Bayern, die diese Betroffenen schon sammeln. Wende dich gern an die. Dazu kannst du bei uns in ein FORUM gehen, dort kannst du dich auch an andere Betroffene wenden, die dir dann auch direkt antworten werden. Diese Kommentarfunktion hier dient nur der Belegsammlung, also hier schreiben die Betroffenen, die es möchten, ihre Erlebnisse und stellen sie öffentlich, damit uns geglaubt wird. Viel Erfolg, wenn du nicht weiter kommst, melde dich gern bei: info@verschickungsheime.de
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Carmen aus Duisburg schrieb am 13.12.2020
Ich wurde im Alter von 5 Jahren im November 1968 für 6 Wochen in das Kinderkurheim Dr. K. Heck ins Solebad Melle geschickt. Ich kann mich an verschiedene Arztbesuche vor der Kur erinnern. Ich sollte frühzeitig eingeschult werden und da ich ein zartes Kind war, wurde vom Amtsarzt eine Kur verordnet. Meine Eltern sind dann sogar vor der Kur mit mir nach Melle gefahren, um sich das Kurheim von außen anzusehen. Das herrschaftliche Gutsgebäude (Gutshaus Buche) machte von außen wohl einen guten Eindruck.
Ich wusste schon, dass ich in meiner Kindheit in Kur war. Meine Mutter hatte sich jedoch nach Kur kaum geäußert. Ich kann mich nur erinnern, dass meine Mutter sagte, dass ich nach der Kur mit vielen Knoten im Haar zurückkam und dünn war. Außerdem fehlten im Gepäck gute Anziehsachen und der Rest sei verwaschen gewesen. Dann wurde hierüber nicht mehr gesprochen.
Auffälliger war jedoch mein Verhalten. Ich war nach der Kur nicht mehr das lebhafte Kind. In der Schule war ich sehr still und habe mich mündlich nicht am Unterricht beteiligt. Da zog sich durch meine ganze Schulzeit und universitäre Zeit. Im Mittelpunkt zu stehen oder Vorträge zu halten – das sind Situationen, die mich sehr stressen. Ich habe kein Vertrauen in Ärzte und hinterfrage jede Behandlung. Arztbesuche sind der Horror für mich. Verlustängste und Angst begleiten mich noch heute täglich.
Mein ganzes Leben lang haben mich Flashbacks aus der Kur verfolgt. Ich konnte diese jedoch nicht einordnen. Im Nachlass meiner Mutter habe ich dann eine Karte aus der Kinderkur n meine Eltern gefunden.
Als ich im August 2020 einen Artikel über Verschickungskinder gelesen hatte, kamen plötzlich viele Erinnerungen wieder hoch.
• Beschimpfungen und Demütigungen, weil ich als Kind eingenässt hatte. Ich erinnere mich daran, dass ich morgens das Bett abziehen musste und dann im kaltem Waschraum vor allen anderen Kindern das Laken und meine Unterwäsche im Handwaschbecken saubermachen musste. Ich stand im kalten Waschraum nur mit Unterhemd bekleidet und wurde ausgelacht.
• D a ich in den 6 Wochen wohl mehrfach eingenässt hatte, kam dies also öfter vor. Nachts durfte man nicht das Bett verlassen. Ich bekam von den Erzieherinnen wollene Unterhosen, die so kratzen, dass ich ganz wund war.
• Ich erinnere mich an die vielen Solebäder in Holzbottichen im Keller. Hinterher wurden wir kalt abgeduscht zur Abhärtung.
• Tägliches Anstehen in Unterwäsche zur Arztkontrolle. Ob es auch Medikamente gab, weiß ich nicht. Aber ich glaube meine Angst vor Ärzten kommt aus dieser Zeit.
• Es gab im Eingangsbereich, der sehr imposant war mit der großen Treppe in das Obergeschoss, einen Weihnachtsbaum
• Zu Nikolaus waren wir Kinder im Essensraum. Alle saßen im Kreis. Dann kam der Nkolaus mit seinem Gehilfen. Jedes Kind wurde nach vorne gerufen. Der Nikolaus wusste von jedem, was er gemacht hatte. Ich wurde ausgeschimpft wegen des Bettnässens. Andere Kinder wurden ebenfalls öffentlich bestraft.
• Ich erinnere mich an die große Angst und Einsamkeit. Besonders in der Nacht. Viele Kinder weinten.
Es tut gut zu wissen, dass ich mit meinen Erlebnissen aus dieser Zeit nicht alleine bin.
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Andreas aus Mülheim schrieb am 12.12.2020
Ich war mit meiner ein Jahr jüngeren Schwester im Heim Sonnenhalde in Emmem-Emmenbrücke Knaton Luzern in der Schweiz.
Wir wurden damals (zwischen 1972 und 1975) von der katholischen Kirche dort hin verschickt. Wir waren erst 7 und 8 Jahre alt. Sehr schüchtern und zurückgezogen. Ich bin meiner Schwester zuliebe mitgefahren, die unbedingt ihre beste DFreundin begleiten wollte. Die Kirchengemeinde hat das Angebot gemacht. Kinder, deren Eltern eine "Auszeit" brauchten, in die Schweiz zu verschicken.
Es war die Hölle. Von der kompletten Wegnahme persönlicher Gegenstände bis hin zu Mißbrauch war alles dabei.
Zunächst führen wir mit dem Bus in zwei Gruppen in die Schweiz. Bei der Ankunft mußten wir alle Koffer öffnen und den Inhalt auf dem bett auslegen. Die Betreuer gingen rum und sammelten alle persönlcihen Gegenstände ein. ALLLE. Stofftiere, Taschentücher, Süßigkeiten, BRIEFE der Eltern, Fotos, Bücher. Wirklich ALLES. Danach wurde ein Teil der persönlichen Dinge öffentlich zurückgegeben. Jedes Teil wurde kommentiert. "Wem gehört denn der häßliche Teddy? Wer grinst denn so blöd auf dem Foto? Wessen Mutter sieht denn so häßlich aus?" Dann gab es jeden Tag ein paar wenige der mitgebrachten Süßigkeiten, wobei alle Kinder das gleiche bekamen. Es wurde also alle (gerechterweise) geteilt. Uns kam es aber so vor, als wenn wir nur einen ganz geringen Teil der Süßigkeiten zurück bekamen. Persönliche Briefe wurden geöffnet und vor allen kindern vorgelesen und sich darüber amüsiert. Briefe, die die Kinder an Ihre Eltern schrieben, wurden zensiert. Schrieb man etwas über die Zustände dort, wurde der Brief zerrissen und man mußte ihn unter Aufsicht neu schreiben. Telefonieren durfte man EINMAL. Es stand jemand daneben mit dem Finger auf der Telefongabel. Sagte man etwas "falsches", wurde sofort aufgelegt. Es gab Schläge und danach wurde neu gewählt und der Betreuer entschuldigt sich für die schlechte Teklefonleitung, die wohl gerade zusammengebrochen war.
Wir Kinder mußten um 9 Uhr ins Bett und durften dieses bis 7 Uhr morgens nicht verlassen. Auch nicht für den Toilettengang. Wer ins Bett machte, mußte seine Matratze mit zum Frühstück nehmen, sich bei den anderen Kindern für seinen "Fehler" entschuldigen und stand ohne Frühstück die ganze Zeit mit der Matratze in der Ecke.
Mädchen und auch Jungs (ungefähr zwischen 6 und 12 Jahren) wurden von männlichen Betreuern am ganzen (!) Körper eingecremt, bevor sie das Nachthemd anziehen durften.
Ich persönlich wurde beim Cowboy und Indianer Spiel im Wald an einen Baum angebunden. Als alle Kinder weg waren, kam ein Betreuer, entblößte sich und mich, befriedigte sich und fasste mich dabei an.
Ich habe das alles verdrängt und meinen Eltern nichts davon erzählt. Sie merkten, dass etwas nicht stimmt (Bettnäßen beider Kinder und Zurückgezogenheit), aber sie haben nichts unternommen.
Heute erst, seit 10 Jahren, mit 45/50 Jahren verfolgen mich die Bilder. Gerne würde ich die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Leier sind die meisten wohl tot oder die Taten sind verjährt.
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Hedi aus Hilden schrieb am 10.12.2020
Ich habe lange überlegt ob ich meine Erfahrungen hier aufschreiben soll.
Das erste mal war ich 1965 , ich war 5 Jahre alt, mit meinem 4 Jahre alten Bruder für 6 Wochen in Melle zur Kur. Meiner Erinnerung nach müsste es im Herbst gewesen sein, da wir Blaubeeren gesammelt haben. Wie das Haus hieß, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich an den Geruch von Schwefel. In einem Raum waren ganz viele Holzbottiche. Von den Essensraum aus sah man in einem Park. Vielleicht weiß jemand wie das Haus hieß oder war zur selben Zeit dort. Meinen kleinen Bruder durfte ich nicht sehen, ausser als ich krank war. Ich habe weiß aber nicht mehr was ich hatte. Nachts durfte man den Schlafsaal nicht verlassen, auch nicht um zur Toilette zu gehen. Ich weiß, daß ich mindestens einmal erwischt wurde, die Bestraffung musste für mich schlimm gewesen sein, weil ich danach nachts immer Angst hatte. Aber am allerschlimmsten ist für mich bis heute, daß ich wenn ich nicht aufessen konnte, vor meinem Teller sitzen bleiben musste, gleichgültig ob ich in den Teller gebrochen habe oder nicht, bis der Teller leer war. Wenn dann noch wiegen war, bekam ich auch noch die doppelte Menge, man musste ja zunehmen. Ich hasse bis heute volle Teller.

Das zweite mal war ich über Ostern 1969 mit meiner 2 Jahre jüngeren Schwester in Westerland. Auch hier weiß ich nicht wie das Haus hieß, das einzige was ich noch weiß, das Haus hatte einen Dachboden und war am Deich. Ich meine es waren gefühlt 100 Stufen bis zum Strand. Meine Schwester und ich sollten uns dort von einem traumatischen Erlebnis erholen. Im nachhinein sind wir schlimmer gestört wieder nach Hause gekommen. Wir durften nicht zusammen sein. Bei manchen Mahlzeiten sahen wir unsure, durften aber nicht zusammen sein. Ich erinnere mich an unsere grosse traurigkeit. 1mal in den Woche musste man zum Arzt und jeder wurde gewogen. An diesem Tag musste ich wieder die doppelte Menge essen und musste solange sitzen bleiben bis der Teller leer war. Notfalls halt noch nach dem wiegen. Ich habe das Essen gehasst. Alles aus Blechtöpfe und der Tee aus Blechkannen. Die Briefs nach Hause wurden diktiert und mussten in Schönschrift geschrieben werden. Ansonsten wurde man bestraft. Nachts durfte man den Schlafsaal nicht verlassen und es durfte auch nicht gesprochen werden. Die Bestrafung war, man musste egal warum, die Nacht auf dem Dachboden schlafen. Ich habe auf dem Dachboden sehr viele Nächte verbracht. Seit dieser Zeit war ich niemals mehr auf einem Dachboden und ich habe Probleme im dunkeln. Eine Tante von uns kam uns dort besuchen, dass war die einzige Gelegenheit die ich mit meiner Schwester verbringen durfte. Da wir die ganze Zeit unter Beobachtung waren, konnten wir nicht offen sprechen. Unsere Tante und auch unsere Eltern haben uns Süssigkeiten geschickt bzw. gegeben. Diese wurden von den Erziehern einkasssiert.

Das dritte mal ging es mit meinem 5 Jahre jüngeren Bruder 1971 oder 1972 über St. Martin nach Allerheiligen.
Wir wurden sofort nach Ankunft getrennt. Ich durfte meinen Bruder nach der Trennung nicht trösten, da ich das ja schon alles kannte. Es war immer so. Die Elebnisse waren sich alle so ähnlich nur die Umgebung war anders. Die Erzieherinnen hatten alle die gleiche Ausbidung, denke ich. Alles wurde kontrolliert und ich kam mir ausgeliefert vor. Gehörte man zu den beliebten Kindern hatte man vorteile. Mobbing untereinader war normal. Das Essen war schlecht bis eklig. Die Briefe nach Hause wurden kontrolliert, keiner durfte die Wahrheit schreiben.

Vielleicht kennt irgendjemand ja ein Heim oder war zur selben Zeit dort, dann wäre es schön etwas über die Erfahrung zu hören.
Was ich noch weiß, in Westerland waren viele aus dem dem Raum Düsseldorf und in Allerheiligen war ich über die Stadt Düsseldorf
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Sarah schrieb am 08.12.2020
Hallo,
Ich habe mich bereits vor einem Jahr hier eingetragen, nun sind Erinnerungen dazugekommen und ich möchte meinen alten Eintrag gerne ergänzen, wenn das möglich ist.

Mit 5 Jahren,1985 kam ich für 6 Wochen in das Sanatorium Schönsicht in Oberkälberstein,ich habe noch zwei Briefe, von meiner Mutter und meiner Oma. In den Briefen werde ich ermahnt gut zu essen und zuzunehmen und nicht so ein Trotzkopf zu den Tanten zu sein. Meine Mutter wundert sich darüber, dass ich am Telefon so wenig gesagt hätte.
Zwei der Tanten werden namentlich erwähnt, es gab ein Fräulein Lehmann und eine Frau Raschke, die von meiner Mutter extra Geld erhielten für Ausflüge, die wir niemals machten.
Die Zugfahrt erinnere ich noch gut, ich wurde in ein Abteil mit anderen Kindern gesetzt, viele weinten bitterlich, auch ich. Eine Frau, sie sagte, wir sollen sie Tante nennen, sang Schlaf Kindlein Schlaf. Daraufhin bekam ich furchtbare Angst, dass meiner Mutter etwas in Pommerland zugestoßen war, und ich deshalb alleine sein mußte. Als ich die Tante fragte, wo Pommerland sei, bekam ich zur Antwort, dass ich dumm sei.
Meine Erinnerungen an das Heim sind spärlich. Es muß furchtbar gewesen sein und ich muss dort, zur Strafe, in einen dunklen Raum alleine eingesperrt gewesen sein. Bis heute habe ich schreckliche Platzangst, und meide dunkle Räume ohne Fenster.
Ich glaube auf den Postkarten die Besenkammer wiederentdeckt zu haben. Sie war an der Treppe, und immer wenn ein Kind dort eingesperrt wurde, wegen kleiner "Vergehen", klopften die anderen Kinder im vorbeigehen kurz von außen an die Türe, um dem Kind in der Besenkammer zu zeigen, dass sie an es dachten. Das gab natürlich Ärger. Erinnert sich irgendwer an die Besenkammer?
Ich erinnere mich ins Bett gemacht zu haben, und dafür schlimm bestraft und ausgeschimpft worden zu sein, dass es im Vertrag stehen, Bettnässser würden nicht aufgenommen werden. Ich wurde an den Haaren gezogen.
Ich wurde zum Essen gezwungen, ich musste so lange sitzenbleiben bis der Teller leer war. Ich weiß noch wie verzweifelt ich war. Ein größeres Mädchen half mir manchmal, und aß meinen Teller auf, sie bekam dafür meinen Nachttisch. Ich möchte mich bei diesem Mädchen bedanken, dafür, dass es mich gerettet hat, falls es hier mitliest.
Ich erinnere mich daran, dass ich oft mit Hut stundenlang Ecke stehen musste, abends im Gemeinschaftsraum, während die anderen spielten oder einen Film ansahen. Warum weiß ich nicht mehr.
Ich war nicht katholisch getauft, und ich erinnere mich, dass ich deshalb besonders ekelhaft behandelt wurde.
Ich konnte noch nicht schreiben, deshalb weiß ich nicht, wie das in diesem Kurheim mit der Post ablief, aber eine tiefe Wut über Ungerechtigkeiten bleibt als Erinnerung darüber zurück.
Ich kann mich nur an einen einzigen Ausflug erinnern. Wir mussten im Salzbergwerk eine riesige Rutsche runterrutschen und ich hatte wahnsinnige Angst davor und weigerte mich, dafür wurde ich angebrüllt, und die Rutsche runtergeschubst. Danach sollten wir Andenken für zu Hause kaufen. Ich kaufte einen kleinen Teelöffel mit dem Wappen von Berchtesgaden. Die Tante erklärte mir danach, dass nun mein Geld aufgebraucht wäre, und ich weiß noch, dass ich es ihr nicht glaubte, aber nichts tun konnte.
Als ich nach Hause kam, hatte sich meine Mutter gewundert, dass ich zugenommen hatte und dass ich sie nicht mehr aus den Augen ließ. Sie erzählte mir, dass ich sie nichteinmal alleine zur Toilette gehen ließ.

1986 kam ich für 4 Wochen in das Seehospiz.
ich besitze noch eine Postkarte meiner Oma, deshalb kann ich genau sagen wann und wo. Danach 1990 war ich nocheinmal auf Norderney, doch da habe ich keine Dokumente mehr darüber.
Im September 1986 war ich 4 Wochen im Seehospiz , Station 8 in 2982 Norderney.
Es war schrecklich dort, ich versuche meine Erinnerungen aufzuschreiben, und es werden später mehr dazu kommen.
Meine Familie besuchte mich dort, und meine Mutter holte mich dann für kleine Ausflüge manchmal ab. Sie erzählte mir, dass sie Schwierigkeiten hatte mich dort abzuholen, und dass sie runtergemacht wurde, wenn sie etwas zu spät war, beim zurückbringen.

Ich erinnere mich, dass wir zu den Schlafenszeiten nicht zur Toilette gehen durften, und nicht miteinander sprechen. Eine Tante ging den Flur auf und ab und rief dann immer : "Zimmer 12 , Ruhe!" Wenn sie etwas hörte. Ich hatte ein älteres Mädchen auf dem Zimmer, was sich irgendwie um mich kümmerte. Ich erinnere mich daran, dass ich froh war, weil sie nett war zu mir. Sie brachte mir Schuhebinden bei, und gab mir Tipps, wie ich es ertragen konnte, bei der Mittagsschlafzeit den Blasendruck auszuhalten. Sie sagte: " Wenn du ganz dolle die Beine zusammenpresst und dich nicht bewegst, und den ersten Ansturm von dem Druck der Blase überstehst, auch wenn es weh tut, dann hört es danach wieder auf, der Druck verschwindet für eine Weile, und du kannst es bis nach der Schlafenszeit durchhalten. Wenn der Druck aber ein zweites Mal wiederkommt, dann mußt du zur Toilette gehen, und hoffen, dass die Aufsichtstante dich nicht erwischt, weil du sonst keine Chance mehr hast es aufzuhalten und ins Bett machen wirst." Was eine noch viel schlimmere Strafe nach sich ziehen würde, als in der Mittagsschlafzeit beim heimlichen Gang aufs Klo erwischt zu werden.

Noch heute habe ich dieses "Training" verinnerlicht und kann lange ohne Toilette durchhalten. Ich muß mich dann immer bewußt dran erinnern, dass ich ja zur Toilette darf, wann ich möchte.

Wir bekamen zu wenig zu trinken, und hatten immer Durst. Es gab nur zum Essen diesen roten Tee, eine Tasse. Eine Tasse pro Mahlzeit. Er schmeckte schrecklich und wurde in orangen Plastikbechern serviert, die schon von den vielen Kurheimkindern ganz rauh und abgekaut waren. Wir tranken Wasser aus den Hähnen im Waschraum, wann immer wir konnten, aber die Strafen waren hart, wenn wir erwischt wurden. Außerdem war das Problem, dass ich dann zur Schlafenszeit Druck auf der Blase bekam.

Wir mussten mit dem Gesicht zur Wand schlafen. Selbst wenn ich mich im Schlaf Mal umgedreht hatte, wurde ich mit barschem Ton geweckt: "Umdrehen! " Oder "Gesicht zur Wand! "geweckt und ich musste mich wieder mit dem Gesicht zur Wand drehen.

Die Kinder, die einnässten oder sich übergeben mussten, wurden bloßgestellt, und mussten es mit ihren eigenen Sachen saubermachen.

Ich erinnere mich an lange Märsche mit Sprechverbot in 2 er Reihen ohne etwas zu trinken durch die Dünenlandschaft. Der Wind trieb uns den Regen und den Sand quer ins Gesicht, es schmerzte.

Ich erinnere mich, dass die Post nach Hause zensiert wurde. Es gab ein Schreibzimmer, in das man nur dürfte, wenn man schon schreiben konnte, sonst mußte man den Tanten einen Brief diktieren. Ich weiß noch, wie neidisch ich auf die Kinder war, die ins Schreibzimmer durften. Die Briefe von zu Hause wurden laut vor allen vorgelesen und kommentiert. Wenn wir ein Päckchen bekamen wurde der Inhalt enteignet und an alle Kinder nach dem Essen als Nachttisch verteilt. So bekam nach dem Essen dann jedes Kind ein Gummibärchen.

Da wir das ungerecht fanden, behielten wir irgendwie heimlich die Gummibärchen aus einem Päckchen, welches ich bekommen hatte, von zu Hause. Wie wir das anstellten, weiß ich nicht mehr. In der Mittagsschlafzeit schlichen wir uns in das Zimmer der Jungs, und aßen die Gummibärchen auf. Durch den plötzlichen Zuckerkick wurden wir aber übermütig und begannen auf den Betten rumzuhüpfen. Natürlich wurden wir erwischt, es gab Ohrfeigen und ich wurde in der Krankenstation isoliert, während die Anderen alle beim Essen meine restlichen Süßigkeiten bekamen.

Ich war irgendwie öfter auf dieser Krankenstation. Dort musste ich den ganzen Tag auf einer orangenen Arztliege liegen, unter einer grauen kratzigen Rot Kreuzdecke. Einmal war ein Mädchen dabei, sonst war ich dort alleine.

Ich musste zunehmen, also hatte ich immer riesen Portionen Grießbrei mit abgebrannter Milch vor mir stehen, die ich aufessen müsste. Ich saß Stunden vor diesem Teller und hatte Angst, das Essen würde mir mit Gewalt reingeschoben werden.
Das Fiebermessen war eine Qual, wir mussten auf dem Bauch liegen und die Thermometer wurden brutal und schmerzhaft in den Hintern gesteckt.

Ich erinnere mich noch frierend in langen Schlangen in Unterwäsche anzustehen, vor dem Arztzimmer, zum wiegen oder was auch immer dort gemacht wurde. Ich hatte und habe heute noch immer wahnsinnige Angst vor Ärzten.
Meine Erinnerungen an die Nordseekurheime verschwimmen miteinander. Ich war1988 oder 1989 auf Amrum im Lenzheim, da erinnere ich nicht mehr viel, nur: es gab wieder zu wenig zu trinken und lange Märsche um die ganze Insel.Die Zeit dort muss schlimm gewesen sein, ich habe noch eine sehr düstere Kinderzeichnung von mir über das Lenzheim und kaum Erinnerung.
Die nächste Erinnerung kann ich nicht klar zuordnen, ich denke, es war im Seehospiz, aber es könnte auch das Lenzheim gewesen sein. Sicher bin ich mir, dass es in einem der beiden Heime stattfand, sobald konkretere Erinnerung zurückkehrt, werde ich es zuordnen können, daran arbeite ich noch. Ein Besuch vor Ort könnte helfen.


**********"Triggerwarnung**********

Ich erinnere mich an sexuelle Gewalt von Seiten der Ärzte. Es waren mindestens 2 Täter. Sie baten mich in das Arztzimmer, sie trugen weiße Kittel. Sie sprachen über mich, einer sagte dem anderen, ich sei ja schon ganz gut "trainiert". Er sperrt die Türe ab. Danach wurde ich von ihm sexuell missbraucht.
****************************************

In St. Peter Ording, Haus Köhlbrand und wieder auf Norderney im Seehospiz war ich in den 90 ern zur Mutter Kind Kur. Die Zustände für mich hatten sich etwas gebessert.
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Baum, Sigrid schrieb am 08.12.2020
Heute Morgen hörte ich einen Beitrag über die Kinderheimverschickungen. Jemand war wohl auf Sylt, hat aber den Namen des Kinderheims, in dem er damals war nicht mehr gewußt.
Ich war auch auf Sylt im Kinderheim über die DAK 1957 oder 1956, das Haus hieß "Haus Quickborn".
Auch ich habe an meine Kinderheimverschickungen nicht sehr gute Erinnerungen, ich war in drei verschiedenen Kinderheimen und zwar in Bad Kreuznach, Bad Reichenhall und Sylt.
An das Heim in Bad Reichenhall (leider weiß ich hier nicht mehr den Namen des Hauses) habe ich die schlimmsten Erinnerungen. Ich wurde gezwungen den Teller leer zu essen, obwohl ich mich ekelte die gebratete Leber zu essen. Nachdem ich das Fleisch heruntergewürgt hatte (die Tante saß daneben und kontrollierte es) habe ich alles erbrochen. Hierfür wurde ich bestraft, indem ich den ganzen Nachmittag auf einer Pritsche liegen mußte, ohne mich zu bewegen.
Eine andere Strafe in dem Kinderheim war unter anderem, dass man im Schlafanzug nur mit einer rauen Decke umhüllt, stundenlang nachts im kalten Hausflur in einer Ecke stehen mußte. Ich war bei diesem Aufenthalt übrigens erst 5 Jahre alt. Die Geschenke, die ich zu Ostern von meinen Eltern geschickt bekommen hatte, wurde mir sofort fortgenommen. Eine schreckliche Zeit, die nachdem ich den heutigen Radiobeitrag gehört habe, wieder hoch kamen.
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Silke schrieb am 08.12.2020
Einen schönen guten Tag,
wurde gerade durch einen Bericht im WDR 5 darauf aufmerksam, dass es wohl mehr wie mich gibt.
Ich wurde aufgrund von Bronchitis nach Norderney verschickt. Heimname - leider keine Ahnung.
Wie einige andere wurde ich Mutterseelenallein zu fremden Menschen in den Zug gesetzt.
Außer wenigen Flashbacks habe ich leider (oder Gott sei Dank?) keine Erinnerungen - aber seit 50 Jahren ein beklemmendes Gefühl.
Wenig Erinnerunge:
- ich war in der Sonnenschein-Gruppe.
- da war ein großen Schlafraum mit Metallbetten
- es gab Schläge, wenn die Mittags-/Nachtruhe nicht lautlos eingehalten wurde. Es brauchte nicht lange bis alle lautlos waren.
- es waren irgend wie auch Ordensschwestern (zumindest beim Essen) anwesend.
- da war eine Art großer Erker/Wintergarten und nur da gab es Spielzeug, Malzeug, etc. Mußte man sich aber verdienen.
- leider kein Erinnerung an draußen.
Konnte leider noch nicht schreiben, was dann die Betreuerinnen für mich taten.
Bis heute lässt mich das Gefühl der übergroßen Einsamkeit und Angst nicht los. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass das Lesen der anderen Berichte sofort wieder diese Gefühle hochholt.
Danke, dass es so eine Website gibt!
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beate Schubert aus Köln schrieb am 07.12.2020
Nachtrag/Ergänzungen zum Zeugnis vom 7.12.2020

Ich habe den Text ohne erneute Fehlerkorrektur abgesandt, da er mir schon einmal zerschossen wurde.

Deshalb möchte ich hier anfügen:
Es ist gut, dass " Erinnerungskultur " seit spätestens 1990 ein wichtiges Menschenrecht ist. Allzu oft erlebt man, dass einem gesagt wird, ach was sollen die alten Geschichten noch bewirken?
Sie sind nicht nur ein Mittel der persönlichen Lebensreflektion und -biografie, sondern auch ein gesellschaftlich stark prägender Umstand besonders in den Jahren 1950-1970 gewesen. Denn sie geschahen in einem Klima des allseitig verordneten Schweigens über die brutalen Folgen des Krieges und seiner Verwüstungen an den Seelen der Menschen, nicht nur des Materiellen. Aus diesen Zeiten gingen Menschen in maßgeblichen Positionen in der frühen BRD hervor, ob in der Politik Adenauers, der Obersten Gerichte, des Bundestages, der -Regierung, der Schulen etc. Sie schwiegen zwar - denn mit diesen Menschen sollte der Neuaufbau BRD gelingen und Schuld keine behindernde Rolle spielen - aber mit ihren Prägungen und Indoktrinierungen begegneten sie in ihrer Arbeit den Menschen, vor allem den unschuldigen Kindern.
Schwarze Pädagogik war an der Tagesordnung, Drill und Gehorsam und Ordnung.
Ich empfehle den Lesern dieses Forums die verinnerlichte und reflektierte Bearbeitung der Vergangenheit und die Wachsamkeit in der Gegenwart ohne sich darauf zu beschränken sich viktimisiert zu fühlen oder lassen.
Gute Literatur für eine kreative und wirkungsvolle Erinnerungskultur in jedweder gesellschaftlichen Beziehung finden Sie bei Aleida Assmann in " Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur ". Erschienen bei CH Beck.
Nicht das Rückbeziehen auf eine Opferrolle hilft uns und der Gesellschaft weiter, sondern das Identifizieren mit allen kulturellen Verwerfungen und Verhaltensmustern.
Gruß B. Schubert
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beate Schubert aus Köln schrieb am 07.12.2020
Einfügen:
Meine erste Begegnung mit der Nordsee 1965

Im Sommer 1965 wurden meine 3,5 Jahre jüngere Schwester und ich in das Kinderheim auf Borkum, Sancta Maria verschickt. Ja, verschickt, wie es mit Paketen und Transportern sprachlich/tatsächlich ebenfalls geschieht.
Dem war eine sehr traurige Zeit vorausgegangen. Meine Mutter war mit der " Verschickung " und einer ernsten längeren Trennung von den Kindern nicht einverstanden. Sie konnte sich gegenüber dem dominanten Vater und Familienvorstand aber nicht durchsetzen, denn damals gab es noch keine Gleichberechtigung. Mutter schwieg traurig und mich belastete es sehr. Ich kann mich erinnern, dass wir viele Tage zusammensaßen und gemeinsam Namensschilder in die Kleidung, die Wäsche und die Handtücher einnähen mussten.
Die Abreise stand ebenfalls unter großer Traurigkeit unserer Mutter, als wir am Hauptbahnhof Düsseldorf in den Zug gesetzt wurden. Die Eltern blieben beide dort zurück, wer uns die Fahrt über begleitete, weiß ich nicht.
Ich kann mich nur noch an die Überfahrt mit der Fähre erinnern, denn es war der erste Kontakt zum Meer und einem Schiff. Auf Borkum kamen gleichzeitig unheimlich viele Kinder an. Sie kamen aus allen Himmelsrichtungen und wurden dort von den Nonnen des/der Heime entgegengenommen und strikt nach Gruppen eingeteilt. Bereits hier wurde ich abrupt von meiner kleinen Schwester getrennt und sah sie die gesamten 6 Wochen bis auf eine kleine Begegnung nicht mehr wieder.
Mit den in schwarzen Kutten/Tuniken gewandeten Nonnen fuhren wir mit dem Inselbähnchen zum Heim Sancta Maria. Ob wir das letzte Stück liefen, weiß ich nicht mehr.
Es war ein großer dunkelgrauer Bau , der von Nonnen geleitet wurde, mit langen dunklen Fluren und damals zeitgemäßem schlichten Mobiliar. Wir hatten als Gruppe einen Gemeinschaftssaal, in dem wir aßen. Ebenso einen riesigen großen Schlafsaal voller Eisenbetten mit karger Ausstattung: Laken und graue Sanitätsdecken.

Uns wurde vermittelt, dass wir alles offenzulegen hatten. Nichts blieb unkontrolliert. Das fing mit einem gründlichen Ausfragen nach der Familie, den sozialen Belangen, dem Beruf von Vater und Mutter an und endete bei der Kleidung und dem Gepäck. Alles wurde vor der versammelten Gruppe verlautbart.

Sebalda, die für uns zuständige Nonne, war um die 60 Jahre alt, wobei das schwer zu schätzen war, da sie total in Schwarz gehüllt war, außer der weißen Stirnblende und ein sehr runzliges, strenges Gesicht zeigte. Ihre Haut wirkte gelblich fade und sie war streng , unnahbar und ständig ernst und mit Parolen zum Verhalten unterwegs. Ihrem Alter nach war sie eine aktive Schwester in der NS-Zeit in solchen bzw. diesem Heim gewesen, denn ihre Indoktrinierung und ihr Verhalten offenbarten das. Das Heim war im Krieg zuletzt ein Lazarett für Soldaten gewesen und Heime sprossen in der Nazizeit zur Landverschickung von Kindern und deren Infiltrierung.
Schwester Sebalda war für uns Kinder ein gefährlicher Drache; man musste dauernd Angst vor ihr haben und mit Strafen rechnen. Das fing bei persönlichen Schmähungen im Speisesaal an, wenn sie mit dem >Stock durch die Reihen ging. Sie kontrollierte, ob man gerade saß, alles aufaß und wie gekleidet war. Vor allem musste man bei jeder Gelegenheit gemeinsam beten und die katholischen Riten befolgen, obwohl ich evangelisch war und viele Inhalte gar nicht kannte.
Schwester Sebalda zeigte schon zu Beginn unseres Aufenthaltes, wo der Hammer hing. Wer nicht sein Essen aufaß, wurde von ihr dazu gezwungen und zwar so lange am Tisch zu sitzen, bis der Teller leer war. Ich kann mich erinnern, dass sich ein dickliches Mädchen mit krausen schwarzen Haaren erbrechen musste und schwer beschimpft wurde. Eine Roswitha wurde vom Tisch zitiert, weil Sebalda Locher in ihrem Strickpullover gesehen und das zum öffentlichen Blamage-Thema gemacht hatte. Roswitha weinte bitterlich, als sie als unsauber und mit Mottenlöchern in ihren Kleidern beschimpft wurde.
Im Schlafsaal waren mindestens 40 Personen untergebracht und zwar so, dass man sich nicht mit dem Gesicht zueinander hinlegen durfte. Die eine Reihe schaute zur Wand, die andere zu den abgewandten Rücken und die Grundregel lautete: Schweigen, kein Mucks. Zur Toilette durfte man nicht und wurde angehalten, sein Geschäft vor dem Zubettgehen zu verrichten. Auch wurde die Nachwäsche jeden Abend gründlich inspiziert und wehe, wenn Nachzeug oder Unterwäsche schmutzig waren. So war ein Mädchen Entdeckungsopfer einer verschmutzten Unterhose. Diese wurde unter lautstarken Abwertungen über die Köpfe im Schlafsaal hochgehalten und das Mädchen als schmutzig und unsauber beschimpft. Zur Strafe durfte es nicht in sein Bett sondern musste nun lange neben dem Bett stramm stehen und schweigen. Bis, ja bis ..... das weinende Mädchen in Ohnmacht fiel und mit seinem Kopf gegen das eiserne Bettgestell fiel. Die Schwester bugsierte es schimpfend in das Bett; wir alle schwiegen vor lauter Angst unter unseren Decken.
Ins Bett durften wir sowieso nur nach gemeinsamen Passieren eines langen Waschraums für viele Mädchen gleichzeitig. Dort wurde genauestens kontrolliert ob wir uns Hals und Ohren wuschen, wie es damals hieß und ob die Zähne gründlich geputzt wurden. Anschließend musste jede die Armarturen und ihr Waschbecken peinlich genau reinigen. Gab es noch Wasserspritzer oder einzelne Haare im Becken bekam man Schimpftiraden zu hören.
Duschen oder Baden geschah nie individuell, sondern immer einmal wöchentlich in einem separatem Waschhaus. Das war eine barackenähnliche düstere Einrichtung außerhalb des Haupthauses, die ich wie einen alten Schuppen in Erinnerung habe. Darin fand sich ein großes, betonartig eingefasstes großes Steinbassin mit den Ausmaßen 10 x 10 Meter wo viele Mädchen, auch aus anderen Gruppen gleichzeitig baden mussten. Und zwar immer in Anwesenheit von mehreren Nonnen, die um das Bassin herumsaßen. Den Mädchen die Köpfe heftig einseiften und alles genau beobachteten. Man schämte sich sehr, war man doch schon in der pubertären Entwicklung seines eigenen Körpers.

Spielen, Singen, Basteln etc. - eine Leerstelle. Es kam nicht im Haupthaus, auch nicht in den Nebengebäuden vor, sondern stets draußen an frischer Luft. Jeden Tag wurden nämlich gruppenweise lange und ausgedehnte Wanderungn zum Strand unternommen und auch im Meer gebadet wenn möglich. Das war ein herrliches Gefühl und völlig neu und vor allem es geschah mit einer freundlichen und jungen Nonne, die nichts von der Verbissenheit der Sebalda hatte. Das war ein richtiges Highlight und hat viel Freude verursacht.

Schlimm fand ich als evangelisches Kind, dass man mehrmals in der Woche die Kapelle aufsuchen und sich bekreuzigen musste wie im Katholischen Glauben mit Weihwasser Usus. Mir war das total fremd und ich fand es als Verrat an meinem eigenen evang. Glauben. Es wurde aber darauf bestanden. Vor allem zu knien und sich dauernd zu bekreuzigen. An Beichtzwang kann ich mich aber nicht erinnern.

Briefe nach Hause ohne Kontrolle durch Schwester Sebalda waren völlig undenkbar. Telefon stand schon gar nicht zur Verfügung. Sowohl die Eingangs- wie die Ausgangspost mussten durch die Zensur von Sebalda und wurden ausnahmslos vor dem gesamten Auditorium der eigenen Gruppe vorgelesen. Es gab keine Privatheit.
Ein einziges Mal in den 6 Wochen konnte ich meine kleine Schwester durch einen Türspalt zu unserem Schlafsaal sehen. Sie war klein und schüchtern mit einem Stofftier auf dem Arm der für sie zuständigen jüngeren Schwester. Sie sprach nicht, erschien mir unheimlich klein ( obwohl bald 9 Jahre) und sagte keinen Mucks. Die Schwester begleitete diese Szene mit den Worten, schau, da ist Beate. Es ist alles in Ordnung.

Dieser Heimaufenthalt hätte mich für immer verstört, hätte es nicht die ausgleichenden Gruppenwanderungen in den Dünen und am Meer gegeben. Die Gischt, der Salzgehalt der Luft, die Sonne und der Wind waren so neu und faszinierend, dass dies über die Qualen der Tagesabläufe im übrigen hinweghalf.

Später, nach 20 Jahren bin ich noch einmal nach Borkum, voller Wut und Zorn, um Leute im Heim zur Rede zu stellen. Natürlich waren alle Gespenster der Vergangenheit völlig verschwunden. Keine einzige Nonne, keine Betgrotten auf dem Außengelände, keine Baracken zum Schlafen oder Waschen mehr. Sondern frisch angestrichen ein schweigendes Haupthaus ohne jegliche christliche Insignien und hermetisch abgeriegelt.

1999 ist das gesamte Anwesen gründlich modernisiert worden und wurde zum Mutter-Kind-Kurheim. Es heißt dort vollmundig heute, es handele sich um ein traditionsreiches Haus. Ja, die Gespenster der Vergangenheit sind verschwunden und die Gemäuer schweigen.
Beate Schubert
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Johannes M. aus Bocholt schrieb am 07.12.2020
Ich war 9Jahre alt (1972)als ich verschickt wurde ,und ich war Inkontinent. Ich erinnere mich an hohe Schlafsähle mit Eisenbetten links und rechts an der Wand. Es herrschte ein herrischer Befelston dort. Ich war 9 Wochen dort und bekam nur Reis, klebrigen-stachelingen-trockenen Reis ohne alles. Wenn man ihn nicht mehr Essen konnte wurde er einem eingeflößt und wenn man ihn erbrochen hatte mußte man ihn noch mal Essen. Das Weinen von uns Kindern höre ich heute noch. Das Essen mussten wir selber holen mit einer Bollerkarre aus einer Großküche. Nach dem Essen wurde gespült dann war Mittagsruhe. Wer ins Bett gemacht hatte muste mit dem Gesicht zur Wand schlafen. Nachmittags ging es zum Moorbaden. In Zweierreihen aufstellen links und rechts Schwestern und los gings. Ich hatte in der Kur Geburstag, hatte auch ein Paket bekommen das mir aber wieder weggenommen wurde stattdessen bekam ich 2 trockene Zwieback. Ich habe gedacht meine Eltern wollen mich nicht mehr wegen der Inkontinens. Ich kam nach 9 Wochen dann doch wieder nach Hause. Total verstört, fühlte mich der Familie nicht mehr zugehörig und geholfen hatte es auch nicht. Die Angst die man damals hatte spühre ich heute noch. Jetzt im Alter von 56 Jahren habe ich immer noch Probleme mit dieser Zeit und bin auch in Behandlung . Es tut aber gut zu wissen das man nicht allein mit dem erlebten ist.
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Kurt aus Korb schrieb am 06.12.2020
Hallo,
Mein Name ist Kurt und ich bin auch in der sogenannten Kinderverschickung gewesen.
Ich war damals 7 oder 8 Jahre alt und man konnte mir "das Vater Unser durch die Backen blasen" wie man damals so scherzhaft sagte, wenn man extrem dünn war.
Ich würde seinerzeit nicht mit 6 Jahren eingeschult, sondern mit 7, weil ich einfach zu schmächtig gewesen war. (Das habe ich mittlerweile extrem gut aufgeholt.)
Ich wuchs mit vier Geschwistern auf, war der zweitälteste und durfte schon früh,wie damals wohl üblich, Verantwortung meinen kleineren Geschwistern gegenüber übernehmen.
Mein Vater hatte, aufgewachsen auf der Krim und mit 15 Jahren als Flak-Kanonierhelfer in die deutsche Wehrmacht eingezogen, sehr eigene Ansichten zu elterlicher Gewalt und Kindererziehung. Prügel waren mir sehr gut bekannt.
Meine Mutter schlug nicht häufig zu. Sie fand Liebesentzug ein probates Mittel der Erziehung.
Mit diesen Voraussetzungen wurde ich in den Sommerferien in die Kinderverschickung gesandt.
Meine Mutter brachte mich mit dem Koffer zum Bahnhof. Dort haben eine ältere und eine jüngere Frau uns in Empfang genommen und mit den anderen dreien aus meiner Heimatstadt in den Zug nach Siegen gesetzt.
Unterwegs sind noch andere Kinder und weitere Betreuerinnen eingestiegen.
In Siegen wurden wir dann verteilt auf die anderen Züge in die verschiedenen Richtungen.
Ich fuhr mit mir bis dahin unbekannten Kindern nach Laasphe, heute Bad Laasphe an der Lahn.
Dort angekommen wurden wir an die Betreuung durch das Heim übergeben. Unser Gepäck wurde in einen VW-Bully geladen, den ein junger Mann fuhr und wir mussten dann mit der "Tante" -ich weiß nicht mehr, wie sie hieß, zum Kurheim laufen. Gefühlt war das eine Ewigkeit.
Wir kamen dann irgendwann am frühen Abend dort an.
Wir bekamen noch kein Essen, da es noch nicht Essenszeit war, die Eingangsuntersuchung noch stattzufinden hatte und auch der Bezug der Zimmer noch anstand.
Ich hatte bis dahin lediglich meine beiden Stullen gegessen, denn morgens war es ja viel zu früh für ein ordentliches Frühstück und ich würde ja bald in dem Kurheim mein Mittagessen erhalten, so dachte jedenfalls meine Mutter.
Wir haben dann die Zimmer bezogen. Unsere Koffer mussten wir selbst vom Hof auf unsere Zimmer schleppen. Das war für viele eine fast unlösbare Aufgabe, aber warum hatten die auch so viel Zeugs dabei, wie wir von den uns antreibenden Betreuerinnen hörten.
Nachdem wir unsere Koffer nun endlich auf den Zimmern hatten, mussten wir uns bis auf die Unterhose ausziehen und in Reih und Glied auf dem Flur aufstellen.
Dann wurden unsere Namen und unsere Geburtstage verlesen. Dadurch wurde die Reihenfolge für diese und alle weiteren Untersuchungen festgelegt. Wir mussten uns diese Reihenfolge merken. Hatten wir unseren Platz in der Reihe vergessen, kamen wir ganz zum Schluss dran, nicht ohne den Spott aller über uns ergehen zu lassen. Es gab nicht wenige, die weinend auf dem Flur standen, weil sie sich dafür schämten. Viele machten sich auch aus Angst vor dieser Demütigung in die Hose, was zu noch viel mehr Spott und natürlich auch Strafen führte. Es gab dann an diesem Tag kein weiteres Essen und Trinken mehr, weil man ja seine Verdauung nicht unter Kontrolle hatte.
Den gesamten Flur dann nass aufzuwischen verstand sich ja von selbst, da man diesen ja auch verunreinigt hatte. Das Alter spielte für diese Maßnahme keine Rolle.
Der Tagesablauf war eigentlich immer ähnlich.
Morgens, kurz nach der Dämmerung hallten Rufe durch die Flure. Jetzt hieß es schnell aus dem Bett, denn wenn ein Betreuer in dein Zimmer kam und du lagst noch im Bett oder du steigst gerade erst aus deinem Bett - in unserem Zimmer waren drei Betten übereinander- dann hattest du schlechte Karten und würdest beim Frühsport einer besonderen Behandlung unterzogen, damit du demnächst schneller wach würdest.
Nach dem Frühsport ging es zum Waschen, anschließend zum Frühstück, es sei denn, an dem Morgen war wieder Untersuchung. Die gab es dreimal die Woche.
Nach dem Frühstück hatte man dann Küchen- oder Hausdienst und reinigte das Geschirr oder das Revier.
Danach wurden dann Brett- oder Kartenspiele als Gruppentherapie gespielt.
Mittagessen gab es dann um 11:30 Uhr, anschließend für zwei Stunden Bettruhe.
Ich kann mich daran erinnern, dass eine der "Tanten" immer zu einem älteren Jungen ins Bett ging, weil der nicht alleine schlafen konnte.
Manchmal kam die "Tante" auch nachts.
Ich fragte mal den Jungen, warum die "Tante" immer zu ihm kommen müsste. Da hatte er mir klargemacht, dass ich darüber bloß nicht reden sollte, sonst gäbe es Ärger.
Nachmittags sind wir dann bei Wind und Wetter spazieren gegangen, denn es gäbe ja kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.
Dazu mussten wir uns im Hof in Dreierreihen der Größe nach aufstellen. Die Kleinen vorne.
Und dann ging es im Gleichschritt, den wir sehr schnell von dem Mann, der sich der Oberst nannte, gelernt hatten, weil wir ja nicht dieses Spiel "Nach hinten weggetreten- Marsch, Marsch" spielen wollten.
Dann ging es mit einen schönen Lied - Oh du schöner Wehehesterwald - durch sie Landschaft rund um Laasphe.
Zurück im Heim, wurde sich erst einmal gründlich gereinigt, was vom Oberst von Fall zu Fall kontrolliert wurde und dann ging es in den Speisesaal.
Es gab Abendbrot.
Ich hatte eigentlich immer Hunger, aber abends gab es nur zwei Scheiben Brot mit Margarine und einer Scheibe Wurst.
Die Verpflegung war auch nicht immer gut.
Ich erinnere mich noch an ein Frühstück, an dem es zwei halbe Scheiben Brot gab, die sehr trocken waren und die Butter darauf roch ranzig.
Zu einem anderen Frühstück gab es Bircher Müsli, dass komisch aussah und nach Schimmel roch.
In beiden Fällen hieß es, das zu essen, oder man bekam an diesem Tag zu jeder Mahlzeit das verweigerte Essen vorgesetzt.
An einem Tag kam die Heimleiterin in unseren Aufenthaltsraum, um einen älteren Jungen zu maßregeln.
Er hatte versucht, einen Brief nach Hause zu schicken, ohne dass dieser Brief vorher "Korrektur gelesen" worden war.
Unsere Gruppe hatte deswegen für zwei Wochen Ausgangsverbot. Das hieß für uns, dass wir uns im Aufenthaltsraum still aufzuhalten hatten. Es wurden keine Spiele gespielt, man durfte nicht aufstehen sondern saß nur da und wartete, bis es das nächste Essen gab. Oder man durfte gerade noch einen Brief nach Diktat schreiben.
Kein Kind wagte es danach, einen Brief unkontrolliert zu verschicken.
Bei unseren Wanderungen bleibt mir noch ein Ereignis in Erinnerung.
Der "Oberst" ist mit uns auf einen der Berge marschiert und forderte uns auf, uns zu setzen und zu warten, bis er zurück sei.
Danach ist er mit seiner Freundin, die er dort getroffen hatte, im Wald verschwunden.
Ein kleinerer Junge hatte sich an einer Scherbe, auf die er sich gesetzt hatte, verletzt.
Die Versuche, unserem Betreuer das zu sagen, wurden aber in harschen Ton von diesem abgebrochen.
Erst, als seine Freundin gegangen war, erkannte er die Situation und bekam Panik.
Wir sind im Eilschritt zurück zum Heim.
Der "Oberst" war aber am nächsten Tag nicht mehr zu sehen.
Die Untersuchungen wurden von einem alten Arzt durchgeführt. Wir wurden gewogen und abgetastet und bekamen Kneippgüsse verordnet.
Als ich meiner Mutter unter Tränen das alles geschildert hatte, wurde sie beim zuständigen Gesundheitsamt vorstellig und hatte sich beschwert. Aber ich weiß aus einer Unterhaltung mit ihrer Schwester, die ich mitbekommen hatte, dass das alle als meine Hirngespinste abgetan wurde. Denn den einzigen Brief, den ich aus der Kur verschickt hatte, schilderte dich den ganzen Aufenthalt als sehr angenehm. Und da ich keinen weiteren Brief geschickt hatte, musste ich ja wohl keine Zeit gefunden haben, was auch für die Qualität dieser Maßnahme sprach.
Ob ich aus dem allen irgendwelche Schäden erhalten hatte, kann ich nicht beurteilen. Aber durch den Bericht bei Y-Kollektiv kam das alles wieder hoch. Vielleicht gibt es ja den einen oder anderen, der zur gleichen Zeit dort war und sich auch daran erinnert.
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Martina aus Soltau schrieb am 03.12.2020
Ich wurde 1977 zusammen mit meiner Schwester Heike für sechs Wochen in das Kinderkurheim Asental in Bad Salzuflen verschickt. Ich war damals sieben und meine Schwester zwölf Jahre alt. Es waren meine ersten Sommerferien und gleichzeitig die schlimmsten. Überhaupt eine der schlimmsten Erfahrungen in meinem ganzen Leben. Noch heute spüre ich den unvermittelten Schlag der damaligen Heimleitung auf meiner Wange, fühle noch immer, wie mich Ungläubigkeit und Überraschung gleichermaßen erfüllen …
Gleich zum Ferienbeginn ging es mit dem Zug von Soltau nach Bad Salzuflen. Ich habe keinerlei Erinnerung mehr an die Fahrt dorthin. Nur noch das Bild unserer Mutter, die uns vom Bahnsteig aus winkte und noch ein paar Worte durch die geöffnete Scheibe mit uns sprach. Es waren weitere Kinder im Zug. Ich kann nicht mehr sagen, ob es eine Begleitung gab, glaube es aber nicht. Lange vor dieser Reise war ich gespannt und habe mich darauf gefreut. Wir hatten neue Koffer bekommen, die einen eigenartigen Chemiegeruch ausdünsteten. Der Geruch dieser Koffer hat mich noch viele Jahre verfolgt, genauso wie der Geruch von Haferschleimsuppe und vieles mehr.
Ich erinnere mich an einen Kies- oder Schotterweg, der zu einem Anwesen führte, in dem wir für die kommenden sechs Wochen unter Ausschluss der Öffentlichkeit erniedrigt und kleingemacht werden sollten.
Gleich bei der Ankunft wurden uns sämtliche Süßigkeiten, Geld, Briefmarken Papier und Stifte abgenommen. Meine Schwester und ich wurden getrennt. Ich kam in einen Schlafsaal mit sechs, acht oder mehr(?) fremden Mädchen. Abends mussten wir sehr früh ins Bett gehen (gefühlt 20 oder 21 Uhr, es war noch lange hell draußen). Nachts durften wir nicht auf die Toilette, sondern mussten stattdessen einen Nachttopf nutzen, der mitten im Raum stand. Einmal bin ich auf meiner Schlafwandlertour direkt hineingetreten. Sobald sich nachts jemand im Zimmer bewegte, war augenblicklich eine der beiden Aufpasserinnen da und es gab Ärger. Nach dem Mittagessen mussten wir einen Mittagsschlaf halten. Es war nicht erlaubt, in dieser Zeit das Bett zu verlassen oder wenigstens zu lesen geschweige denn sich zu unterhalten. In dieser Zeit musste ebenfalls der Nachttopf benutzt werden, auch für größere Geschäfte.
Jeden Nachmittag kam eine externe Frau, die mit der gesamten Gruppe (ich schätze mindestens 50 Kinder) Wanderungen unternommen hat. Mit meinen 7 Jahren habe ich diese Wanderungen als endlose Gewaltmärsche in Erinnerung. Körperlich anstrengend und langweilig. Zu trinken oder essen gab es unterwegs nichts. Auf einer dieser Touren bin ich mit voller Wucht gegen eine Laterne gelaufen. Das trug einerseits zur Belustigung bei, zeigt aber andererseits auch, dass ich auf diesen Märschen wohl in eine Art Trance-Modus geschaltet habe, um es aushalten zu können.
Sonntags war im großen Speisesaal Briefstunde. Alle Briefe, die wir unseren Eltern geschrieben hatten, wurden von der Heimleitung, Frau Schelper, geprüft. Meine Briefe hat sie grundsätzlich zerrissen und mir dann diktiert, was ich unter Tränen zu schreiben hatte.
Zu essen gab es morgens eine schleimige Milchsuppe mit Haferflocken, die ich überhaupt nicht mochte und von der ich regelmäßig einen Würgereiz bekam. Alternativen gab es nicht. Zwischen einem miserablen Mittagessen und dem Abendbrot gab es als Zwischenmahlzeit einen Schokokuss für jedes Kind und dazu lauwarmen bis kalten Tee. Anfangs konnte man Tee nachgeschenkt bekommen. Doch nach einiger Zeit wurde auf einen halben Becher Tee pro Kind rationiert. Auf diese Weise wollte man das Problem mit den Bettnässern lösen. Insgesamt wurde sämtliches Essen streng rationiert, wenn man bedenkt, dass die meisten Kinder zum „Aufpäppeln“ dort waren. Ich erinnere mich, dass wir irgendwann aus Verzweiflung Zahnpasta gegessen haben, um einmal etwas anderes zu schmecken. Außerdem gab es mehrere Vorfälle, bei denen Essen aus der abgeschlossenen Speisekammer im Keller gestohlen wurde. Die Diebe wurden erwischt und hart bestraft.
Bei einem Läuseausbruch wurde uns im großen Waschraum im Keller eine furchtbar aggressiv riechende Substanz ins Haar gekämmt. Einem Mädchen wurden die langen blonden Haare komplett kurz geschnitten. Ich erkrankte so sehr, dass ich tagelang in meinem Bett bleiben musste. Ich hatte Fieber und fühlte mich sehr schwach. Niemand hat mich versorgt oder nach mir gesehen. Tagelang lag ich alleingelassen in diesem Bett und es ging mir sehr schlecht. Ich erinnere mich nur, dass meine Schwester hin und wieder mit einem Teller Essen zu mir kam – Haferschleimsuppe.
Die schlimmste Begebenheit habe ich eingangs schon angedeutet: Eines morgens bin ich die Treppe zum Waschraum hinuntergegangen, um mich wie üblich in die Warteschlange zu stellen. Frau Schelper hat mich angesehen und mir unvermittelt mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen. Sie sagte, ich solle mir umgehend etwas Vernünftiges anziehen. Ich weiß bis heute nicht, was genau ihr an meiner kurzärmeligen Bluse nicht gefallen hat. Sie war außer sich vor Wut und hat mir noch Beleidigungen hinterhergebrüllt während ich weinend und seltsamerweise schuldbewusst die Treppe hochlief.
Dank absoluter Kontaktsperre zu den Eltern waren all diese Erniedrigungen Tag für Tag möglich. Ohne meine Schwester Heike wäre ich vielleicht noch kränker geworden.
Die Erlebnisse in Bad Salzuflen beschäftigen mich bis heute. In all den Jahren war es mir ein großes Anliegen, dieses Kapitel aufzuarbeiten. Wahrscheinlich der Bagatellisierung meines Umfeldes geschuldet, bin ich das Thema jedoch nie ernsthaft angegangen. Die wenigsten Menschen haben meinen Schilderungen über die systematische Demoralisierung in dieser Anstalt wirklich Gewicht beigemessen. Uns wurde bei jeder Gelegenheit sehr klar gemacht, dass wir nichts wert waren, keine Lobby hatten und froh sein durften, dass sich überhaupt jemand mit uns befasste. Sich dieser Herabwürdigung als Kind zu entziehen ist unmöglich. Selbst unter Beachtung der Tatsache, dass damals andere Zeiten waren, wurde uns dort großes Unrecht angetan.
Ich freue mich, dass das Thema Verschickungskinder nun gründlich aufgearbeitet wird und so angemessene Bedeutung erhält.
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Angela Kahlberg aus Isernhagen schrieb am 01.12.2020
Mit knapp 6 Jahren ( den 6. Geburtstag feierte ich im Kinderheim Bad Sassendorf) erklärte meine Mutter mir, dass ich ins Kurheim geschickt werde, weil der Arzt fand, dass ich zu dünn sei (wenn ich Fotos von mir aus dieser Zeit sehe, bin ich darauf normal schlank, bestimmt nicht mager). Auf jeden Fall wurde ich mit einer kleinen Gruppe von Kindern zum Bahnhof in Nürnberg gebracht ( wo wir damals wohnten). Von dort ging es ohne Eltern (mit Erzieherinnen??), nach Bad Sassendorf . Ich kann mich nicht mehr an vieles erinnern. Es gab einen großen Schlafsaal, das weiß ich noch, ich durfte einen Teddy als Kuscheltier mit ins Bett nehmen. Da ich ja selbst nich t lesen und schreiben konnte, schrieb die Erzieherinnen für uns Briefe an die Eltern und lasen uns Briefe der Eltern vor. Leider liegen mir davon gar keine Briefe mehr vor. Das ist merkwürdig, weil meine Mutter eigentlich ALLEs gesammelt hat, wir fanden so viel Schriftverkehr, als wir ihren Haushalt auflösten. Nur absolut gar nichts , was mit meinen Kuraufenthalten zu tun hatte. Schade.Öfters gingen wir , mit einer Art Regenmänteln begleitet in einen Kellerraum, dort saßen wir alle auf Bänken und atmeten Soleluft ein.
Ein Angsterlebnis kann ich besonders gut erinnern: in großen ovalen Holzfässern/Badewannen sollten wir sitzen und darin baden. Die Erzieherin sagte: Steh ja nicht auf! Unbedingt sitzen bleiben! Sie drehte den Wasserhahn auf, das Wasser lief und lief, ich sass sehr aufrecht, das Wasser stieg mir bis ans Kinn, ich bekam Angst, dass es mir übers Gesicht, über die Nase steigen würde, aber es hieß ja, man darf nicht aufstehen. Ich bekam Panik. Gott sei Dank kam grade noch rechtzeitig jemand um das Wasser abzudrehen. Weitere Erinnerungen habe ich leider nicht.
Ich war aber später noch in zwei weiteren Heimen, im Alter von 7 und im Alter von 9 Jahren. Dort bekam ich ab und zu mit, dass Kinder erbrachen und das Erbrochene wieder essen mussten. Oder überhaupt musste man am Tisch sitzen, bis man aufgegessen hatte.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ich auf diesem Weg jemand finde, der dort zur gleichen Zeit war wie ich und sich an mehr erinnert. Ich habe noch einige wenige Fotos davon.
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Beate Durchholz aus Gladbeck schrieb am 29.11.2020
Meine Erinnerungen waren jahrelang immer wieder da:
Das große graue Gebäude
Der große Speisesaal mit der Holzbank und Tische an der Fensterseite, dazu Einzeltische = immer 4 Kinder
Das Frühstück: immer 2 Graubrotscheiben mit Honig
Der Junge, der durch ein Teil von außen im Hals atmete
Ich war dort weil ich angeblich zu wenig wog
Aber 2 Scheiben Graubrot schaffte ich und andere nicht.
Also warfen wir sie hinter die Holzbank. Da wir den Raum säubern mussten, war dies kein Problem.
Bis ich erwischt wurde. Ich wurde umgesetzt. Dort gab es ein Mädchen das jeden Morgen meine 2 Scheibe aß.
Ich würde diesem Mädchen heute soooo gerne DANKE sagen. Zum anderen gab es zum Nachttisch einmal Jogurt, den ich nicht mochte. Ich erbrach ihn und musste ihn (ausgekotzt) dann nochmal essen.
Bis heute kann ich den Geruch und Geschmack von Honig und Joghurt nicht ertragen. Ich esse fast keine Milchprodukte.
Wo 4 Jahren bin ich mit meinem Mann zu dem Heim gefahren. Ich war erstaunt dass es so idyllisch im Allgäu liegt. Ich konnte mich nicht an den Blick vom Haus aus erinnern. Zum anderen war es jetzt weiß gestrichen und hat einen bunten Spielplatz vorm Haus.
Ich habe mich im Sekretariat zu erkennen gegeben. Die nette Dame dort sagte mir das ich nicht die 1. Ehemalige wäre. Ich habe in den 8 Wochen so meine Mutter und Omma vermisst. Seit dem Besuch ist Geschichte meines Heimaufenthalts für mich abgeschlossenen!
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Michael Haupt aus Eitorf schrieb am 27.11.2020
Nach Angaben meiner Eltern litt ich an Untergewicht, zudem sollte mir dort mein ständiges Bettnässen ausgetrieben werden.
Was folgte, waren sechs Wochen körperliche und seelische Folter, schwarze Pädagogik und sadistische Praktiken. All das verweist auf personelle und ideologische Kontinuität, die aus der Nazi- Zeit weit in die BRD hineinragt.
Ich war neun Jahre alt, durchgehende Erinnerung ist aus meinem Gedächtnis getilgt, was bleibt, sind einzeln aufscheinende Erlebnisse von brutaler Misshandlung, Demütigung, sinnloser Grausamkeit und sexueller Gewalt. Ich war diesen gnadenlosen Ordensschwestern und ihren männlichen Gehilfen zur Befriedigung ihrer sadistischen Bedürfnisse ohne jede Möglichkeit zur Gegenwehr ausgeliefert.
Einige der Erlebnisse, die mich bis in meine Träume verfolgen waren:
- die nach Inhalt und Zubereitung ekelerregenden Mahlzeiten musste ich zusammen mit einigen anderen Delinquenten auf einem Podest einnehmen, das in der Mitte des mit Kindern vollgestopften Speisesaals aufgebaut war. In der Mitte unseres Tisches stand ein beidseitig gut lesbar beschriftetes Schild mit der Aufschrift " Bettpisser". Dort habe ich acht Wochen, dreimal täglich, gesessen ( ich wurde zu zwei Wochen Nachkur verurteilt, weil ich nicht zugenommen hatte und immer noch einnässte). Ich wurde immer wieder schwer Misshandelt, Hämatome, Platzwunden, eingerissene Ohrläppchen, medizinische Hilfe, auch bei Fieber, Entzündungen, Durchfallerkrankungen gab es nicht, für verschmutzte Unterwäsche gab wieder Prügel. Erbrochenes wurde wieder auf einen Teller gescharrt und musste aufgegessen werden. Um für Regelverstöße im Schlafsaal verdroschen zu werden, musste man die Regeln weder kennen noch sie verstehen, verängstigt und schlaflos im Bett zu liegen ,wartend auf die nächsten Schläge, ohne zu wissen wofür, war die Regel.
mindestens einmal in der Woche wurden wir in verdreckte Holzbottiche gezwungen die mit einer unglaublich stinkenden schwefligen Brühe gefüllt waren, alle hatten Angst in dem Gestank zu ersticken.
Ich schrieb einen Brief an meine Eltern, in dem ich sie anflehte mich aus dieser Hölle zu befreien. Einen Tag später wurde ich in ein winziges Zimmer, in dem nur eine Pritsche stand, einige Stunden eingesperrt. Einer der männlichen Schergen trat ein und las mir laut und mit niederträchtigen Kommentaren meinen Hilferuf an meine Eltern vor. Dann nötigte er mich zu sexuellen Handlungen (das wiederholte sich von da an einige Male). Im Anschluss diktierte er mir einen Brief an meine Eltern, in dem ich schildern musste wie gut es mir gehe und schön der Aufenthalt in dem Heim sei.
Die Demütigung war vollkommen, von da an war ich gebrochen, jeder Widerstandswille war gebrochen.
Ich erinnere mich noch an Geländespiele im Wald, bei denen wir aufgefordert wurden mit Luftgewehren auf Vögel zu schießen. Gruppen von Jungen wurden gebildet, eine sollte einen Hügel gegen eine Andere verteidigen. Die Kinder wurden angewiesen sich ohne Nachsicht zu Prügeln. Jetzt, wo ich es aufschreibe, fällt mir auf, dass immer mehr Erinnerungen hochkommen und mich immer noch belasten. Ich will es dabei belassen
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Rolf Ott aus 47506 Neukirchen-Vluyn schrieb am 26.11.2020
Hallo,
ich bin mittlerweile 62 Jahr alt und habe einen Beitrag zum Unerhörtem Leid in der NRZ vom 24.11.2020 gelesen.
Seit dem Tag geistern mir viele Erinnerungen durch den Kopf, vieles habe ich vermutlich vergessen oder verdrängt, allerdings kann ich micht auch an diverse schlimme Dinge erinnern.
Ich war dort mit meinem kleinem Bruder für 6 Wochen. Das Haus wurde damals von Nonnen geführt, die eine ziemlich rigorose und harte Führung an den Tag legten. Zu dem üblichen Heimweh mit ca. 8 Jahren war der Tagesablauf und der große Schlafsaal mit 10 - 12 Betten sehr unangenehm. Mein für mich schlimmstes Erlebnis verfolgt mich heute noch.....
Eines Mittags gab es Reis mit Hühnerfrikasse und Pilzen in einer sehr dicken Soße. Ich mochte dies überhaupt nicht, wurde aber gezwungen weiter zu essen. Nachdem ich mich mehrmals übergeben habe, musste ich bis spätabends vor meinem Teller sitzen bleiben und diesen leer essen. Ich kanne bis heute keine Pilze mehr essen........
Auch kann ich berichten, dass man mein Päckchen aus dem Elternhaus konfeziert hat und dies auf alle anderen Kinder verteilt hat. Dies ist m. M. nach eigentlich in Ordnung, allerdings für einen achtjährigen sehr schwer zu verstehen.
Auch habe ich heute noch das weinen der Kinder in Nacht in meinen Ohren....

Liebe Grüße
Rolf
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Thilo Eckoldt aus Hamburg schrieb am 26.11.2020
Ich war für ein Jahr im Kinderheim Bergwald in Lenzerheide/Graubünden. Grund. Asthma. Die miese Behandlung (Schläge, Briefzensur, nachts Toilettenverbot, Essenszwang etc.) beschränkt sich nicht auf deutsche Heime. ich hab es so oder ähnlich erlebt, wie viele andere Betroffene es schildern. Ich habe dringendes Interesse daran, andere ehem. Kurkinder zu kontaktieren, die ebenfalls im "Bergwald" waren.
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Vera aus Laake schrieb am 25.11.2020
Hallo,
Ich habe den Bericht über die Verschickungskinder gestern in Exclusiv gesehen...
Ich war sehr überrascht darüber,weil es immer runter gemacht wurde und als anstellerei abgetan wurde.
Ich war auch so ein Verschickungskind.
So 1962 oder 63...ich war in Bad Salzufflen bei den grausamen Nonnen dort.
Ich mochte mein Nachtisch nicht , war so sauer, es gab Rababermatsch...eklig! Ich musste bis am Abend am Tisch sitzen bleiben.
Andere Kinder mussten ihr Erbrochenes Essen.
Beim Haarewaschen wurde mit kaltem Wasser gewaschen. Als ich mit dem Kopf zuckte wurde er mir aufs Waschbecken geschlagen.
An eine Sache erinnere ich mich noch ganz genau. Ich musste zwischendurch mal aufs Klo, als ich über den Flur lief trat die Oberin mir heftig ins Gesäß.
Ich konnte lange nicht richtig sitzen.
Ein anderes Kind konnte ich mit ansehen wie die Oberin es an den Haaren aus dem Bett zog um schneller zur Toielett zukommenden....
Es war ein richtiges Trauma...
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Barbara aus Aachen schrieb am 25.11.2020
auf WDR 5 habe ich gerade einen Bericht über den Verein verschickungsheime.org gehört. Und klar kommen da die Erinnerungen wieder hoch.

1968 war ich 5 Jahre alt, meine Schwester war damals 6 und wog zuwenig. Deshalb sollt sie aufgepeppelt werden und damit sie nicht allein ist, wurde ich
mitgeschickt. Entgegen der üblichen Praxis waren wir beiden jedoch nur 3 Wochen dort, alle anderen Kinder 6 Wochen.

Das Essen war zwar oft ekelig, aber in meiner Erinnerung nicht verdorben o.ä.
Milchsuppe hab ich gehasst, musste sie aber jeden morgen essen. Wer nicht aufißt, darf nicht aufstehen vom Tisch. Und wer kotzt (das kam ziehmlich oft vor),
bekommt mittags keinen Nachtisch. Dieser Nachtisch war suuuuuper: Wackelpudding mit einem Schokokringel darauf. Der war bei allen sehr gegehrt. Und sonntags gab's Eis zum Nachtisch... hmmmm! Also, möglichst nicht kotzen!

Die "Fräuleins" (Betreuerinnen) und die Nonne waren sehr streng. Als liebevoll habe ich sie überhaupt nicht in Erinnerung, eher kalt und hart, manchmal auch gemein.

Vor ca. 20 Jahren bin ich nochmal dahin gefahren. Hab das Haus von Weitem erkannt, obwohl ich weder Namen noch Adresse hatte. Hab unseren Gruppenraum direkt gefunden, wußte noch, wo wir immer gesessen haben. War alles noch sehr ähnlich wie damals, aber der Raum schien mir viel heller. Die
dunkle Holzvertäfelung war, glaube ich, nicht mehr da.

Als ich auf dem Hof unten eine Betreuerin fragte, wo die Gaskammer ist, wußte sie sofort, was ich meine: Den Duschraum vor dem Schwimmbad.
Einmal in der Woche war schwimmen, baden, planschen darin angesagt und das haben wir geliebt. Um ins Schwimmbad zu kommen, mussten wir uns umziehen. Dann wurden alle Kinder in einen kleinen schmalen Raum gesperrt dicht an dicht, Tür hinter uns geschlossen. Niemand konnte raus.
Der Raum hatte Oberlichter und war mit weißen Kacheln raumhoch gefliest. Unter der Decke waren in regelmäßigen Abständen Duschköpfe montiert.
Von außen wurde dann das Wasser aufgedreht und es war eiskalt! Alle schrien und drängelten möglichst weit weg von den Duschköpfen. Es war ohrenbetäubend, alle schubsten und drängelten, eiskaltes Wasser von
oben, Geschrei und Gekreische, keine Luft kriegen...
ich hatte Todesangst.
Ich war die Jüngste in unserer Gruppe, alle anderen waren 6 und 7 Jahre alt, ich war erst 5 und damit die Kleinste und Schwächste. Panik, blanke Panik! Ich dachte, ich ertrinke. Es war die Hölle.
Jahre später habe ich Fotos von Gaskammern in KZs gesehen und sie haben erschreckende Ähnlichkeit mit diesem Raum...
"Unsere Gaskammer" gibt's nicht mehr. Als ich damals in Niendorf war, war das Schwimmbad komplett gesperrt und es wurde gerade saniert.

Meine Schwester bekam Windpocken im Heim, einige Tage später ich auch und so folgten alle Kinder nach und nach. Man musste für 2-3 Tage ganz allein im großen Schlafsaal bleiben, durfte nicht aufstehen, nichts zum Spielen o.ä. und ich hatte unendliches Heimweh. Es war grauenhaft.

Ich hab damals oft in die Hose gemacht, besonders wenn ich Angst hatte. Am 2. Tag hatte ich schon zwei Schlüpfer gewechselt und brauchte gegen Mittag
schon den dritten. Die Erzieherin sagte nein. "Wenn du in die Hose machst, musst du das halt aushalten.
Die Unterwäsche wird nur einmal in der Woche gewechselt!" Und so lief ich total wund eine ganze Woche mit der selben nassen dreckigen Unterhose herum und hab wahrscheinlich unglaublich gestunken. Als die Nonne das am Ende der Woche gesehen hat, gab's richtig Ärger. Ab da durfte ich jeden Tag zumindest einmal die Wäsche wechseln (mehr
aber auch nicht!!!) und wenn die Nonne weg war, musste ich manchmal auch mit nasser Hose rumlaufen.

Wenn abends das Licht ausgemacht wurde, kam 10 Minuten später die Nonne rein und hat jedem Kind mit der Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet, um zu kontrollieren, ob wir auch schliefen. Wenn man die Augen ganz fest zusammengekniff, merkte sie nicht, dass man noch wach war (wie schön naiv!) Weinen war verboten, das weiß ich
noch und auch, dass auf dem Flur jemand Wache gehalten hat, damit niemand aufsteht.

Meine Mutter war selber als Kind in diesem Heim gewesen 1938. Warum sie uns dahin geschickt hat, verstehe ich bis heute nicht. Sie hat nach eigener Aussage damals pausenlos geweint und hatte Heimweh...
Und meine jünste Schwester (6 Jahre jünger als ich) war auch dort 1978, aber da war sie schon 10 Jahre alt und hat ganz wunderbare Erinnerungen daran. Dort war sie die Älteste und durft sich mit um die Kleinen kümmern. Endlich mal nicht die Kleine sein wie zuhause, sonder zu den Großen zählen, das hat sie sehr genossen...

So kommen viele Erinenrungen wieder hoch.
Ich fand es dort ganz schrecklich.
Mich hat gerettet, dass meine große Schwester dabei war. Somit waren wir wenigstens nicht alleine...

Erinnert sich jemand an die Gruppe im Eckraum 1.OG Sommer 1968 als wir alle nach und nach Windpocken bekamen???
Mit Christiane waren wir dort befreundet. Die war nett!
Hat jemand noch den Seestern, den wir am Ende geschenkt bekamen zum Abschied? Meiner könnte noch auf dem Dachboden bei meinen Eltern vergraben sein...

Viele Grüße,
Barbara
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Elmar Kukul aus Köln schrieb am 25.11.2020
Im November/Dezember 1967 war ich für 6 Wochen in Bonndorf (Schwarzwald) im Haus „Waldfriede“ des Caritasverbandes Bonn. Ich war 4 Jahre alt und wurde während dieser Zeit 5 Jahre.

Leider kann ich mich nur an sehr wenige konkrete Bilder und Ereignisse erinnern, aber dafür umso besser an viele schreckliche Gefühle, die ich dort hatte.
Aus Erzählungen meiner älteren Schwester weiß ich, das ich nach Bonndorf wieder Bettnässer war, obwohl ich vorher „trocken“ war.

Seit 40 Jahren bin ich überzeugt, das mir dieser „Aufenthalt“ dort schweren Schaden zugefügt hat. Bisher glaubte ich aber damit allein zu sein. Und habe immer wieder sehr bedauert, dass ich ohne konkrete Erinnerungen nicht herausfinden könne, was dort mit mir gemacht wurde.
Dank Anja Röhl und verschickungsheime.org hat sich das endlich geändert.

Daher wäre ich wirklich sehr, sehr dankbar, wenn jemand, der vielleicht älter war, Erinnerungen an die „Behandlung“ der Kinder zu dieser Zeit 1967 hat und diese teilen kann.
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Monika Schell aus Kamen schrieb am 25.11.2020
Eigentlich weiß man gar nicht so recht wo man anfangen soll. Da ich zu dünn war wurde ich zur Erholung geschickt.
Als wir mit vielen Kindern dort ankamen, wurden die älteren von den jüngeren getrennt. Das war das letzte Mal in den 6 Wochen das ich die kleineren gesehen habe, wir durften kein Kontakt zu anderen Gruppen haben.
Auch ich kann mich an grosse Schlafsäle erinnern. Mein Bett stand M Fensterhinten rechts.
Zum Essen gingen wir geschlossen in Reihe, vorher mussten wir alle die Toilette aufsuchen. Denn zwischendurch war es verboten. Auch Nachts nicht, man wurde zurück ins Bett geschickt, wo ich mich dann einmachte und so die Nacht darin verbringen musste.
Der Waschraum war auch gross, mit vielen kleinen Waschbecken.
Beim Essen durften wir nicht reden, mussten alles aufessen, egal wie.
Wer erbrechen hatte musste vorne an einem Tisch im stehen sein erbrochenes Essen. Ich erinne mich an ein Mädchen mit langen Zöpfen, sie stand sehr oft vorne, dieses Bild kann ich nicht vergessen, wie sie dort im weinen alles essen musste.
Es waren schlimme 6 Wochen, und es fällt schwer hier alles nieder zu schreiben.
Die Briefe die wir bekamen wurden aufgemacht, und Taschengeld was wir geschickt bekamen, wurde "in unsere" Kasse gelegt.
Geschenke zum Geburtstag wurden nicht ausgehändigt.
Was wir nach Hause zu schreiben hatten, wurde vorgegeben.
Es ist noch soviel, was es zu berichten gibt, und was hier beim Schreiben, wieder hochkommt.
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Kai Ulrich schrieb am 24.11.2020
Ich bin im Winter 1968 mit meinem älteren Bruder von Köln aus nach Niendorf ins Kinderkurheim St. Johann verschickt worden. Dies wurde auf Anraten unseres Kinderarztes über die Arbeiterwohlfahrt abgewickelt.
Ich erinnere mich noch an die endlose Zugfahrt. Und an die vielen Kinder die dort im Heim waren. Und an die grossen Schlafsäle. Von meinem Bruder wurde ich bei Ankunft getrennt. Ich hatte furchtbares Heimweh und verstand nicht das meine Eltern mich dort nicht abholen wollten obwohl ich dort soviel Angst hatte. Sie hatten doch immer wieder versprochen auf mich aufzupassen.
Ich war zu diesem Zeitpunkt 4 Jahre und 8 Monate alt.
Ich erinnere mich an einen Kinderarzt,bei dem ich wohl öfter zur Untersuchung musste. Ich erinnere mich daran nicht aufs Klo zu dürfen,und das ich es deshalb nicht schnell genug auf die Toilette geschafft hatte und meinen Darm auf dem Flur entleeren musste.
Das war schlimm.
Als ich nach 6 Wochen das erste Mal meine Eltern wiedersah habe ich sie gesiezt....Ich war traumatisiert.
Es gibt 2 Fotos aus dieser Zeit in St. Johann,die ich gerne bereit bin zu veröffentlichen.
Ich würde mich freuen mich auf diesem Wege mit Kurkindern aus St. Johann auszutauschen um diese furchtbare Zeit dort aufzuarbeiten,die mir und meinen Eltern bis heute soviel Leid zugefügt hat.
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Michael Hesse schrieb am 24.11.2020
Meine Mutter war nach der Geburt des 5. Geschwisterkindes in keiner guten seelischen und körperlichen Verfassung,
so dass man Ihr eine Kur in einem Müttergenesungswerk nahelegte.
Für 3 Jungs im Alter zwischen knapp 3 und 6 Jahren musste jedoch eine Lösung her. Ich war damals ca. 4,5 Jahre alt und kam mit meinem älteren Bruder nach Bad Sassendorf, mein kleiner Bruder wurde völlig alleine in einer anderen Einrichtung untergebracht, deren Name ich nicht kenne. Grausamer geht es nicht.
Ihn hat es am schlimmsten getroffen. Als er zurückkam konnte er nicht mehr sprechen, hatte massiv zugelegt und war völlig traumatisiert, er hatte immer Angst zu ersticken. Ich hatte mehr
Glück und war nicht alleine, hatte ich doch in dieser dunklen Zeit meinen "grossen Bruder" gehabt der mir, ohne dass er es selbst wusste, geholfen hat die schlimmste Zeit meines Lebens irgendwie zu überstehen.
Es war der blanke Horror, wir wurden wie Insassen
einer Erziehungsanstalt behandelt. Toilettengänge nur zu bestimmten Uhrzeiten, wer z.B. vor Heimweh geweint hat, wurde in einem dunklen Raum weggesperrt.
2 Stunden Mittagsschlaf, Sprechverbot während der Mahlzeiten, wer sich nicht an die Regeln hielt wurde angeschrien und vor allen gedemütigt und drangsaliert. An direkte körperliche Züchtigung kann ich mich nicht erinnern.
Ich musste einmal im Schlafraum notgedrungen mein Geschäft verrichten, weil man mich nicht auf die Toilette lassen wollte. Danach brach die Hölle los. Es war ein System der totalen Kontrolle, der Wiilkür und Unterdrückung. Ich kann mich an kein Spielzeug erinnern und nur an wenige Aufenthalte im Freien. Am schlimmsten waren die Badetage, wir standen der Reihe nach nackt an der Wand und wurden nacheinander aufgerufen wenn wir an der Reihe waren. Im Internet gibt es eine Postkarte von damals die zeigt, wie diese Foltereinrichtung aussah. Das Wasser war viel zu heiß und es reichte einem bis an die Unterlippe, ich hatte Angst zu ertrinken. Wer jedoch seine Angst zeigte wurde angeschrien. Die Grausamkeit und Kälte des Personals war unbeschreiblich. Es gab keine angstfreien Momente in den 6 Wochen. Ich frage mich heute, wieviele Kinder ähnliche Erfahrungen in dieser Einrichtung gemacht haben und wie ich, erst heute den Mut gefunden haben darüber zu berichten. Meine Eltern mochten über diese dunkle Zeit nicht sprechen und haben es verdrängt, mein kleinster Bruder kann sich vermutlich an die schlimmste Zeit seines Lebens nicht erinnern und kann ebenso wie mein älterer Bruder nicht darüber sprechen.
Ich bin heute noch dankbar, dass ich mit dem Horror nicht alleine war und habe mich im fortgeschrittenen Erwachsenenalter bei Ihm einmal bedankt.
Dass hat er nur mit einem Schweigen beantwortet. Vielleicht gibt es auch keine
Worte für dass, was unsere kleinen Seelen alles ertragen mussten.
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Ulrich Friedrich aus Rinteln schrieb am 24.11.2020
Leider kann ich mich nicht mehr wirklich an die Zeit der Verschickung erinnern. Zudem sind meine Eltern mittlerweile auch verstorben. Meiner Erinnerung nach wurde auch nie in der Familie meine Verschickung thematisiert.
Als ich heute auf WDR 5 Frau Röhl im Interview hörte, durchfuhr es mich wie ein Blitz. Schlagartig kamen böse Erinnerungen an einen Verschickungsaufenthalt im Schwarzwald an die Oberfläche. Das Schlimme ist wohl, dass die Verdrängung ganze Arbeit geleistet hat. Erinnern kann ich mich an den Namen Freudenstadt. Auch muss es wohl in sehr früher Jugend passiert sein. Meine Schulzeit, meine ich, war nicht berührt.
Erinnern kann ich Nächte voller Tränen, voller Heimweh, voller Schläge mit einem Kehrbesen, weil ich im Schlafsaal nicht leise genug war. Erinnern kann ich Händevoll ausgerissener Haare, weil ich nicht schlafen konnte. Ich kann mich auch nicht an die Dauer der Verschickung erinnern, es war nur viel zu lang.
Ein zweites Mal wurde ich nicht verschickt. Offensichtlich waren meine Eltern doch wohl sehr geschockt über meine Berichte, als ich wieder zu Hause war. Auch müssen sie wohl sehr gut mit mir umgegangen sein, so dass ich die Erlebnisse doch wohl recht gut verarbeiten konnte.
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Kirsten Babiel aus Duisburg schrieb am 24.11.2020
In der heutigen NRZ (24.11.2020) fand ich einen Artikel über Kinder, die "verschickt" wurden. Durch diesen Artikel stellte ich fest, dass ich nicht alleine solche Leiden durchleben musste.

Es muss so Mai/Juni 1966 gewesen sein, als ich von der Stadt Mülheim an der Ruhr ins Kinderheim Neu Astenberg bei Winterberg für 6 Wochen verschickt wurde.

Das waren meine schlimmsten 6 Wochen. Aufgrund des dort erlebten wollte ich später auch nicht mit den Schulklassen in Schullandheime fahren.

Ich war 5 Jahre alt und in diesem Alter kann man noch nicht alles perfekt alleine. Es fing schon morgens beim Frühstücken an, dass ich mir mein Brot nicht selber schmieren konnte. Zu meiner Linken vor Kopf am Tisch saß eine jüngere Frau, die mich ständig drangsalierte. ich wurde von ihr u. a. immer wieder in den Oberschenkel gekniffen, so dass mein linker Oberschenkel total blau war, als ich wieder zu Hause war.

Ich mochte noch nie Käse oder Tomaten. Ich wurde gezwungen das zu essen. Solange der Teller nicht leer gegessen war, durfte ich nicht aus dem Speisesaal. Egal, bei welchen Mahlzeiten.
Bis heute esse ich keinen Käse bzw. keine Tomaten.

Wenn wir abends ins Bett mussten, duften wir nachts nicht mehr zur Toilette. Und wehe man wurde erwischt! Dann wurde mir das Schmusetier weggenommen. So kam es, dass man auch nachts ins Bett machte. Am nächsten Tag musste man wieder ins nasse Bett.

Briefe wurden von den Erzieherinnen geschrieben, nach den Vorgaben von den Kindern. Ob das aber der Wahrheit entsprach, man weiß es nicht. Als 5jährige hat man ja noch nicht so den Überblick.

Als ich nach 6 Wochen wieder bei meinen Eltern war, war ich sowas von froh. Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie den kompletten Inhalt meines Koffers weggeworfen hat, da die gesamte Bekleidung gestunken hätte und total dreckig gewesen wäre.

Dieses Kinderheim existiert heute nicht mehr. An dieser Stelle befindet sich heute ein Skihotel. Auch im Internet findet man nur noch eine einzelne Postkarte.

Meine Tochter habe ich nicht "verschickt". Gut, sie wurde 1990 geboren, aber so etwas wollte ich ihr beim besten Willen nicht zumuten.
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Esther aus Bochum schrieb am 24.11.2020
In der Lokalzeit im WDR habe ich ein Bericht von „Verschickungsheime.org“ gesehen gesehen.
Ich habe stark überlegt, ob ich hier überhaupt etwas beitragen soll, weil ich, Gott sei Dank, so etwas Grausames nicht im Kindererholungsheim erleben brauchte. Aber vielleicht kann ich dennoch anderen helfen, um fehlende Informationen zuzufügen.

Da ich stets dünn und blaß war, wurde ich 1964 im Alter von 6 Jahren nach Borkum, Friesenhof und 1972 im Alter von 14 Jahren nach Heimenkirch, Herz-Jesu-Heim, in ein Kindererholungsheim geschickt .

Zu der damaligen Zeit war es wohl üblich, Kinder in ein Erholungsheim zu schicken, besonders in den Arbeiterklassen. Die Eltern wollten sicherlich nur das Beste für ihre Kinder. Die Schandtaten kamen schließlich nicht an die Öffentlichkeit. Ämter, Institutionen schwiegen dazu. Kindern glaubte man eh wenig, sie hatten nur zu folgen ohne zu nörgeln.

Borkum: Ich fuhr ganz sicher nicht gerne und freiwillig alleine weg, aber wie gesagt, man hatte nix zu melden. Da ich erst 6 Jahre alt war, habe ich nicht so viele Erinnerungen an den Aufenthalt. Morgens gab es warme Milch mit Haut drauf oder Milchsuppe, wovon ich mich auch einige Male übergeben musste, allerdings konnte,durfte, ich noch zur Toilette rennen. Im großen Speisesaal stand eine große Plüschgiraffe.
Zwischendurch bekam ich die Windpocken und musste einige Tage in einem Krankenzimmer bleiben während die anderen am Strand Muscheln sammeln gingen, jedenfalls an einem Tag.
Mittagsschlaf war Pflicht. Mehr weiß ich nicht aus der Zeit. Natürlich hatte ich Heimweh.
Ein Gefühle von Liebe habe ich dort aber nicht gespürt.
Wir waren nach wenigen Jahren noch mal mit der Familie auf Borkum im Urlaub.


Heimenkirch: Als ich im Sommer 1973 in Heimenkirch im Herz-Jesu-Heim zur Kindererholung war, war ich schon 14 Jahre, also Teenager;). Da hat man einen besseren Überblick über die Situation und lässt sich nicht mehr veräppeln. Ich war mit zwei Mädchen, Bettina?11 und Angelika 12 Jahre in einem Zimmer. Die kleineren Kinder schliefen in größeren Schlafsälen. Die gesamte Gruppe mit Kindern, Jungen und Mädchen, von 4-14 J.kam aus Bochum. Kleidereinbauschränke waren auf dem Flur, wo wir Älteren uns unsere Sachen aussuchen konnten. Leider musste man auch die schmutzige Wäsche in Tüten dort unterbringen, die dann durch Feuchtigkeit darin Stockflecken bekamen.
Es gab einen großen Speisesaal, über die Qualität des Essens kann ich nichts mehr sagen. Wird wohl essbar gewesen sein, denn ich war immer pingelig mit Essen. Wir Großen saßen außen am Tisch, um den Kleineren die Teller weiterzureichen. Beim Abräumen der Teller warfen wir auch mal einen Blick in die Küche.
Ausflüge wurden auch unternommen, meistens in näherer Umgebung zur „drei-Groschen-Wiese“. Einmal ging es zum Pfänder/Bregenz 25 km mit allen Kindern und den drei Betreuern. Ein kleines Stück fuhren wir mit einer Kleinbahn. Es war heiß, kann nicht mehr sagen, ob wir ein Lunchpaket mitbekommen haben, jedenfalls keine Wasserflaschen. Vor großem Durst habe ich Stadtmensch aus eine Kuhtränke Wasser getrunken;). Hoch zum Pfänder ging`s mit dem Sessellift, wo ich und andere Ältere die Kleinen beaufsichtigen mussten, wobei ich selbst auf dem Lift und beim Absteigen ein weinig ängstlich war.
Ob es Mittagsschlaf für uns Älteren gab, weiß ich nicht mehr. Öfters durften wir auf einer angrenzenden Wiese, Spielplatz den Nachmittag verbringen. Wir drei Mädchen 11,12,14 J., nutzten schon mal die Gelegenheit, uns wegzuschleichen und runter zum einzigen Laden zu laufen, um uns von unseren weinigen Groschen Bonbons zu kaufen.
Wir Älteren hatten auch das Privileg, ab und zu abends im Gemeinschaftsraum Spiele zu machen.
Päckchen und Briefe von zu Hause haben wir erhalten und Briefe oder Postkartenhaben wir auch nach Hause geschickt (habe noch welche). Wie gesagt mit 14 hat man die Möglichkeit seine Post selbst in den Briefkasten zu werfen.
Zu meiner Zeit gab es dort zwei nette Betreuerinnen, Christa 20J., Elke 36J. Heimleiter war Georg Danzer ca 46J. auch nett. Dann war ein netter junger Student aus Hamburg? als Praktikant zugegen.
Oberhaupt des Heimes war ein alter gewisser Dr.D. mit militärischem Ton und Auftreten, allzuoft sahen wir ihn nicht. Er bewohnte das anliegende Haus. Wir Großen nahmen ihn nicht ernst, nannten ihn DDD (den doofen Doktor). Wenn der das Kommando in den vielen Jahren davor hatte, möchte nicht wissen, was sich da ereignete.?





Vor ca.8 Jahren habe ich mich beim Gemeindebüro in Heimenkirch erkundigt, war aus dem Heim geworden sei. Die Antwort war, dass es vor einigen Jahren abgerissen wurde und eine Eigenheimsiedlung entstanden sei.

Hier ein link von einem Artikel vom 17.04.2010 in der WAZ:

https://www.waz.de/staedte/bochum/gewalt-im-ferienheim-in-den-50er-jahren-id3476974.html#community-anchor

https://www.waz.de/staedte/bochum/ferienkinder-fahrten-mit-langer-tradition-id3477009.html#community-anchor


Ich war entsetzt, ergriffen, schockiert über die Berichte in diesem Forum und habe ein tiefes Mitgefühl für die Menschen die sowas Grausamens in ihrer Kindheit erleben mussten. Unvorstellbar, unglaublich, widerlich, grausam, menschenunwürdig...ich finde keine Worte.
Mögen Sie alle von diesem Erlebten geheilt, befreit werden mit Gottes Hilfe. Und verzeihen können, denn im Verzeihen liegt die Heilung.

Ein Herz, das nicht verzeihen kann, wird keinen Frieden finden.
Albert Schweitzer

Der, der Böses tut, ist in seiner Seele unglücklicher,
als der, der Böses erleidet.
Leo Tolstoi

Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammet nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebet, so wird euch vergeben.
Lukas 6,37


Allen viel Kraft und Heilung
Esther R.
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ErwinFriedel aus 51491 Overath-Brombach schrieb am 24.11.2020
Ich habe als Kind ( 5 Jahre) nur gute Erfahrungen auf Borkum gemacht. Der Schlafraum war groß, ca 15 Betten. Als ich an Mittelohrentzündung erkrankte, wurde ich auf ein 3er Zimmer verlegt und trotz Heimweh sehr gut betreut. Das Essen war gewöhnungsbedürftig aber ich hatte, wie meine Eltern sagten, mich gut erholt. Die damalige Erziehung kann man mit heutigen Maßstäben nicht vergleichen.
Mein Aufenthalt ein Jahr später in Bad Orb war ähnlich positiv. Bis auf einen Zwischenfall, als mein Tischnachbar sein in den Teller erbrochenes weiter essen mußte.
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Michael Schaefer aus Merdingen schrieb am 22.11.2020
Neunkirchen war das zweite Mal, dass ich "in Erholung kam". Ich war acht, mir waren die Mandeln herausgenommen worden (Erinnerungsbild: örtliche Betäubung durch Spritze in den Rachen, dann schnapp schnapp, und etwas Blutiges kullerte in die blinkende Nierenschale…). Erst wochenlang in einem großen Krankensaal, Heimweh, kaum Besuch. Dann in die „Erholung“, diesmal nach Neunkirchen an der Saar, in das Orthopädie-Sanatorium „Haus Furpach“, betrieben von der Arbeiterwohlfahrt. Auch hier kann ich nicht von Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen berichten; ich habe ziemlich viele präzise Erinnerungen, und es gab, soweit ich weiß, keine krassen Vorfälle. Aber ich hatte eben unglaubliches Heimweh und wusste überhaupt nicht, warum ich da überhaupt hinmusste. Meine Briefe sprechen Bände: "Hier ist es schön. Jetzt dauert es nur noch eine Woche, dann komme ich wieder heim." Der Grund für die Kur war wohl ein medizinischer: dass ich eine Rückgratverkrümmung hatte und man die Heilgymnastik in so einer Kur angebracht fand. Auch dieses Heimweh hat sich mir unauslöschlich eingeprägt. Standard-Aufenthaltsdauer dort war sechs Wochen.
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Michael Schaefer aus Merdingen schrieb am 22.11.2020
Ich war zwei Mal in „Erholung“, wie das in unserer Familie genannt wurde. Einmal im Alter von dreieinhalb Jahren und einmal im Alter von acht Jahren. Das erste Mal war in der „Kinderheilstätte Schloss Friedenweiler“ im Schwarzwald, in der strenges Besuchsverbot galt. Ich hatte zuvor wegen einer schweren Lungenentzündung ein Vierteljahr im Krankenhaus verbringen müssen, wo ebenfalls für die Eltern eine Art Besuchsverbot galt (sie durften mich nur von hinter einer Trennwand sehen). Ich erinnere mich noch gut an die Zugfahrt durch den verschneiten Schwarzwald; meine Mutter begleitete mich, erklärte mir aber nicht, was geschehen würde. Dieser erste Aufenthalt dauerte fast acht Wochen, weil ich kurz vor der Entlassung noch Windpocken bekam. Laut brieflicher Aussage meiner „Tante“ war ich sehr brav – das ist mir vollkommen klar, weil ich überhaupt nicht wusste, wie mir geschieht. Die Trauer darüber ist heute, wo ich selber verheiratet bin und wir drei Kinder großgezogen haben, größer als je zuvor. So, wie es damals dann hieß (als ich wieder zuhause war), ich hätte „nahe ans Wasser gebaut“, so ist es heute wieder: Die Demütigung durch das Verlassen-, das Verratenwerden ist stärker als je. An Gewalterlebnisse erinnere ich mich nicht, aber diese ungeheure Traurigkeit hat mich ein Leben lang heimgesucht: dass man einfach von der Mutter im Stich gelassen wird, verlassen wird, weggegeben, ohne ein Wort der Erklärung, des Mitgefühls… erst als unser drittes Kind aufwuchs und ich mich in ihm spiegelte, konnte ich die Ungeheuerlichkeit solch eines Handelns plötzlich ermessen.
Erst im Zuge einer Psychotherapie entdeckte ich, dass mein Hang zu Traurigkeit, Depression und Melancholie in diesen Erlebnissen begründet lag. Wie man (sicher auch im Gefolge von Nazi-Ideologien wie „ein deutscher Junge weint nicht“ usw.) Kindern massenweise solche seelische Grausamkeit antun konnte, macht mich immer noch fassungslos.
Bemerkenswert ist dabei, dass ich das alles nur deshalb so genau weiß, weil meine Mutter viele Dokumente dazu (Bahnfahrkarten, Briefe, Postkarten, Wäschezettel, Abrechnungen, Infoblätter usw.) aufbewahrt hat. Wenn ich das heute anschaue, schaudert es mich. Ich habe zum Beispiel noch das Original-Infoblatt, das auf das strenge Besuchsverbot hinweist und es „medizinisch begründet“.
Ich finde es großartig, dass Eure Initiative sich dieses Themas annimmt und dass Menschen, die solches erlebt haben, Gehör finden. Danke.
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Rosanna Russo aus Winterthur schrieb am 22.11.2020
Verschickungsheim Lenzerheide Schweiz.
ich war im Kindergarten alter 5-6 Jahre alt als ich ins Kurheim 1970-71 kam. Ich war kränklich und bleich und kleiner und dünner als andere. Bin immer noch dünn und klein. Der Arzt hat meine Eltern empfohlen mich für 3 Monate in die Bergluft zu schicken. Zur Stärkung und für gute Luft. Meine Eltern haben sich überreden lassen und so wurde ich angemeldet. ich kann mich noch an dieses schreckliche Bild auf der Broschüre erinnern. Mit den Frauen die eine Krankenschwestentracht hatten. Ich fragte mich wieso da ich ja nicht krank war ich in ein Krankenhaus muss. Meine Eltern brachten mich mit dem Auto und dann fing der Alptraum an. 3 Monate blieb ich in diesem Martyrium. Es gab 2 Leiterinnen Tante Rosa und Tante Lilli eine war hager und dünn die andere bummeliger. Die hagere war gemein und böse machte die Kinder fertig wo sie nur konnte. Die bummelige etwas lieber aber nur wenig den Sie verteilte auch gerne Ohrfeigen. Nur die jungen Betreuerinnen waren nett. Es war verboten zu weinen vor allem wegen Heimweh das war total VERBOTEN. Man wurde ausgelacht und gedemütigt wenn man deswegen tränen hatte. Ich hatte 3 Monate einen klotz im hals. Wurde eingenässt wurde man im Flur zum Esssaal auf einem Podest gestellt damit man ausgelacht wird. Für jede Kleinigkeit wurde man angeschrien und geohrfeigt. Fertiggemacht Ausgelacht Gedemütigt, Zwangsessen Zwangsschlaf. Ich könnte 100 Dinge erzählen. Gespielt wurde wenig Bestraft viel. Es war schrecklich und ich hatte angst für immer dort zu bleiben. Nie sagten Sie uns wenn wir nachhause gehen. Es musste uns gefallen und fertig. Das essen war echt scheusslich. Wer war auch im Kurheim Lenzerheide und kann Berichten.
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Elke Hoffmann schrieb am 21.11.2020
Vor der Einschulung im April 1958 wurde ich mit 5 Jahren für 6 Wochen nach Bad Karlshafen an der Weser, aus Berlin kommend, verschickt. Aus dieser Zeit habe ich bis auf einen Umstand keine in Erinerung, Ich sehe mich für eine unendlich lange Zeit, einsam und verlassen in einem Bettchen in einem grossen Raum. Nur meinen Teddy hatte man mir gelassen. Hoch fiebernd verbrachte ich eine unbekannte, endlos erscheinende Zeit isoliert, denn ich hatte Scharlach und Windpocken zusammen bekommen. Mein gesundheitlicher Zustand muss derart schwerwiegend gewesen sein, dass Bedenken bestanden, mich am Ende der "Erholung" wieder nach Hause zut ransportieren.
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Ute Seelbach aus Lüdenscheid schrieb am 21.11.2020
Hallo
Ich bin als 5 Jähriges Mädchen mit meiner Schwester für 6 Wochen nach Niendorf an die Ostsee verschickt worden.
Meine Erinnerungn daran, ich konnte aus lauter Heimweh keinen Bissen runter bringen und da wir zum zunehmen verschickt wurden,MUSSTE ich alles Essen, als das im hohen Bogen wieder auf dem Teller landete wurde ich gezwungen es noch mal zu essen. Ich kann mich NICHT erinnern mit meiner Schwester zusammen gewesen zu sein,ausser 1 mal als wir eine Karte für unsere Eltern schreiben wollten, (sie konnte schon schreiben) sie sollte schreiben das sie uns holen sollen,dass wir ganz schrecklich Heimweh hätten,aber diese Karte kam nie an zuhause.
Scheinbar wurden wir dann getrennt.
Das einzige was ich noch weiß ist, mir wurde damals gesagt das meine Schwester krank sei und sie wäre auf der Isoliersstation.
Sie hätte wohl Windpocken gehabt,kann sich aber nicht erinnern ob es der Wahrheit entsprach. Sie kann sich nur erinnern das sie tagelang allein in einem Raum lag,ohne Kontakt zu anderen Kinder. Keine Spielsachen,keine Bücher,nix.
Woran ich mich auch noch erinnern kann,ich sahs am Strand im Sand. Die Kinder bekamen jeder eine Rosinenschnecke und als ich an der Reihe war,sagte man mir" du bekommst nix,wer Mittags sein Essen ausspuckt,der hat auch keinen Hunger.
Ich war froh das ich nicht essen MUSSTE.
Ich seh mich auch noch in einem Raum sitzen mit sehr vielen Schuhen. Es roch nach Wachs und Leder. Ich hab Schuhe geputzt,kann aber nicht mehr sagen ob es meine waren oder alle anderen auch. Es ist ziemlich viel verschwommen in meiner Erinnerung.
Ich leide seit meiner Kindheit an Angstzuständen, Schlafstörungen und seit 2007 an Depressionen und eine Posttraumatische Belastungstörung. Bin seit 3 Jahren in therapeutischer Behandlung und weiß heute das es aus dem Trauma der damaligen Kur liegt. Die damals vom hiesingen Gesundheitsamt angeortnet wurde.
Das sind ein paar Bruchstücke aus meiner Vergangenheit,vielleicht findet sich ja hier noch jemand der 1966 ( muss im Sommer gewesen sein) auch in Niendorf St. Johann an der Ostsee war.
Es grüßt freundlich
Ute Seelbach geb. Kattwinkel
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Martina Vogt aus Rheinfelden schrieb am 20.11.2020
Ich bin 1958 geboren und wurde als 5 jährige von Offenburg aus über die Post , bei der mein Vater arbeitete zusammen mit meinem Bruder, der ein Jahr älter war, nach Füssen ins Berghaus Schangau verschickt. Es war im Winter.
Gleich zu Beginn haben sie uns getrennt, ich erinnere mich an keinerlei Kontakt zu meinem Bruder während des gesamten Aufenthaltes. Eigentlich war uns zugesagt worden, dass wir zusammen bleiben. Meine Eltern wussten nichts von dieser Trennung. Ebenso nahm man mir mein Kuscheltier ab. Ich konnte meinen "Kater Mikesch" immer wieder mal oben auf dem Schrank sitzen sehen. Ich fühlte mich sehr alleine, einsam und verloren.
Wenn es "Schnippelbohnen" zum Mittagessen gab, konnte ich diese nicht essen. Ich wurde aber dazu gezwungen, ich erbrach die für mich so ekligen Bohnen in den Teller zurück und musste das Erbrochene zusammen mit dem Rest im Teller aufessen. Das war noch ekliger und ich erbrach es erneut. Ich wurde gezwungen auch dies zu essen. So saß ich oft bis es dunkel wurde vor meinem Teller, in den ich mich immer wieder erbrach. Es gab sehr oft "Schnippelbohnen", so dass ich die Prozedur von Erbrechen und wieder aufessen mehrmals durchleben musste. Da ich mich auch auf den Boden und über den Tisch erbrach, musste ich auch Tisch und Boden wischen.

Nachts schlief ich sehr unruhig und meine langen Haaren lösten sich aus dem Zopf. Aus diesem Grund wurde ich häufiger auch an den Haaren aus dem Schlafsaal geholt. Die Schwester stellte im kalten Flur 2 Stühle gegeneinander, an denen sie jeweils ein Stuhlbein entfernte, so dass jeder Stuhl nur 3 Beine hatte und sehr kippelig stand. Auf der Liegefläche, die diese beiden Stühle dann bildeten, musste ich jeweils die ganze Nacht ausharren. sobald ich mich rührte, drohte meine "Bett" zu zerbrechen und ich würde abstürzen. Ich hatte immer große Angst.

Ich erinnere mich nur an einen Aufenthalt im Freien bei dem wir in Reihen durch den Schnee und Matsch marschierten. Wir mussten sehr aufpassen, dass unsere Schuhe und Stiefel nicht schmutzig wurden. Ansonsten erinnere ich mich an keinerlei Aktivitäten oder Spiele im Freien.

Einmal mussten alle Kinder in Unterwäsche nacheinander eine gewisse Zeit vor eine Höhesonne stehen und sich bescheinen lassen. Das muss kurz vor unserer Heimreise gewesen sein.
Ich erinnere mich, wie eine Schwester uns Kindern der Reihe nach die Fingernägel schnitt. Ihr Daumen war von dem Einschnitt der engen Nagelschere ganz dunkel angelaufen. Sie muss dabei ziemliche Schmerzen gehabt haben.

Als unsere Eltern uns wieder in Empfang nahmen waren wir sehr blass und mager. Wir sahen sehr krank und mitgenommen aus.
Mein Vater hat sich daraufhin bei der Stelle beschwert, über die die Verschickung organisiert wurde und er meinte, dass das Heim daraufhin geschlossen wurde - die Konzession entzogen bekam oder keine weiteren Verschickungskinder mehr aufnehmen durfte. Leider leben meine Eltern nicht mehr und ich kann sie nicht befragen. Mit meinem Bruder kann ich über diese Zeit im Heim nicht reden. Er will davon nichts mehr wissen und will nicht daran erinnert werden. Auch für ihn war es die schlimmste Zeit seines Lebens.
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Pele001 aus Hagen schrieb am 20.11.2020
Nur zum Abschluss, ich habe spät noch kinderpflegerin gelernt ,konnte den Beruf aber nicht ausüben, da ich nicht mitansehen konnte wie manche Erzieherinnen gearbeitet haben. Ich habe trotzdem mit enormer Kraftanstrengung mein Leben geführt und drei Söhne groß gezogen . Ich bin verheiratet und mein Mann kommt mit mir klar. Leider kam die Depression wieder und diesmal nehme ich Tabletten und versuche wieder in die Bahn zu kommen. Danke das ich all das mal aufschreiben konnte. L. G. Petra
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Pele001 aus Hagen schrieb am 20.11.2020
Ich hab vergessen zu erwähnen, das ich als Jugendliche mehrmals Selbstmordversuche unternommen habe, wenn ich nicht klarkam. Das ich als eigenwilliges und schwer zu beherrschendes kind galtDas ich bei herbstlichen waldgeruch Depressionen bekomme, das ich nie in meinem Leben wieder in eine Kur fahren konnte und selbst im Urlaub Krank werde . Am schlimmsten waren die nicht eingelöstn Versprechen meiner Mutter, sie würde kommen und mich holen. Ich könnte nie wieder in eines dieser Heimen zu einem Treffen, ich kann bis heute nicht darüber sprechen und die Vorstellung dahin zu fahren, löst bei mir panikattacken aus.
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Pele001 aus Hagen schrieb am 20.11.2020
Ich bin schon als Baby das erste Mal wegen spastischer Bronchitis nach Norderney zur Kur gekommen. Meist zweimal im Jahr für 6 aber meistens für 8 Wochen. Das was da passiert ist hat mein Leben stark beeinträchtigt. Ich habe früh gelernt wie man sich da kleinmacht und anpasst ,damit mir die strafen erspart bleiben . Ich war früh trocken, denn das weinen der Kinder die in die Hose gemacht haben hörte man in den nächten. Sie wurden ins gitterbett gelegt und bekamen ab dem Mittag essen nichts mehr zu trinken. Auch ich musste einmal während des Mittagessen auf Toilette groß machen, ich meldete mich aber ich durfte nicht gehen. Ich hielt so stark ein das ich einen wahnsinnig schmerzhaften darmkrampf bekam. Mein ganzer Körper konnte sich nicht mehr bewegen und ich war Schweiß nass. Andere Kinder bemerkten das und darauf hin wurde ich von der Erzieherin immer wieder zur Toilette gebracht. Ich lag bis in der Nacht mit wahnsinnigen Schmerzen im Bett bis der Krampf sich endlich löste. Das Gesicht der Frau die mir das angetan hat, werde ich nie vergessen. Da lernte ich zu hassen. Zu Menschen habe ich nie wirklich freundschaftliche Beziehungen aufbauen können, ein Leben lang fühlte ich mich einsam, obwohl ich in zweiter Ehe verheiratet bin und drei Söhne habe. Vertrauen war und ist mir nicht möglich, anfassen und streicheln kann ich schlecht ertragen. Als Kind hatte ich schon Depressionen, als Jugendliche esstörungen, Magersucht. Um zu sein wie die anderen habe ich,als ich jung war, es eine Zeit mit Drogen versucht ( Kokain zum feiern und Gras um abzuschalten) . Ich habe aber selbst gemerkt das das alles noch schlimmer macht. Ich musste so damit fertig werden. Ich fühle mich nur wie seelisch verkrüppelt und so wird es wohl auch immer bleiben. Schön das man uns endlich anhört. Nie hat man mir geglaubt, bis auf einmal, da habe ich eine ehemalige Erzieherin aus dieser Zeit getroffen, sie sagte sie konnte nicht länger da arbeiten, es war zu grausam.
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Monika Götzinger aus Essen schrieb am 20.11.2020
Ich wurde 1947 geboren. Von 1956 bis 1958 war ich in verschiedenen Heimen. 1956 in Tilburg ( Niederlande), 1957 in Olching bei München und 1958 in Prien am Chiemsee. In Tilburg wurde ich um 18 Uhr ins Bett geschickt, wenn es mir nicht gelang mittags zu schlafen. Als ich dabei entdeckt wurde, dass ich Reisbrei an eine Nachbarin weiter gab, wurde ich in einen Raum eingesperrt und musste ihn dort mit Würgen aufessen. In Olching habe ich auf dem Speicher Stunden lang geweint, weil die Kinder meine Wäsche auf Pfähle gehängt und Wasser in mein Bett geschüttet hatten. Das haben sie wohl getan, weil ich aufgrund einer unglücklichen Kindheit menschenscheu war. Man machte dort auch einen Ausflug zu einem eiskalten reißenden Fluss, der mich bald abgetrieben hätte. Durch die Kälte hatte ich noch danach körperliche Beschwerden. In Prien am Chiemsee wurde ich von der erwachsenen Tochter des Hauses vor allen Kindern als "doofe Nuss" bezeichnet. Nun muss ich noch zu meinem persönlichen Schicksal anmerken, dass meine Mutter mich mehrere Jahre zu ihrer bösen Mutter - in einer anderen Stadt - geschickt hatte, weil sie arbeiten gehen musste. Statt sich mir in den Ferien zu widmen, kam ich in die genannten Heime. Ich fühlte mich also damit auch von ihr abgeschoben.
Ich hoffe einen kleinen Beitrag zu dem Thema "Verschickungskinder " geleistet zu haben und bin auf das Ergebnis der Aktion gespannt.
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Claudia Reichert aus Dresden schrieb am 19.11.2020
Ich war zweieinhalb Jahre alt und wurde in wegen schwerem Asthma für 8 Wochen in die Lungenheilanstalt Harzgerode geschickt. An diesen Kuraufenthalt habe ich meine frühesten Kindheitserinnerungen. Tatsächlich konnte ich vor wenigen Wochen das Kurheim besuchen. Es war lange ein lost place, heute bauen sich junge Leute dort eine Öko-Kommune auf. Ich reagierte auf einen Flurm, auf die Sauna, auf Bilder an den Wänden und die Hausarchitektur. Es war weniger ein bildliches erinnern, mehr ein Gefühl.

Ich erinnere mich bildhaft an Situationen, Menschen, Gefühle.

- Ich stehe gefühlt stundenlang vor dem Indianer-Schrank und schaue mir die kleinen Figuren hinter der Glasscheibe an. Ein anderes Kind packt mich und stößt mich zu Boden, drückt mich in eine Ecke. Ob dies regelmäßig passiert ist oder nur einmal, weiß ich nicht. Ich war kleiner als die meisten Kinder und hatte Angst.

- Ich erinnere mich an hohe Fenster und hohe Türen und an das weiße Gitter vor meinem Bett, an die Schwester mit orangenen Haaren, die mir eine dicke orangene Strumpfhose brachte, wenn ich in die Hosen gemacht habe.

- Ich sehe mich noch in der Sauna stehen und von innen an die Tür klopfen. "Es ist heiß, ich will hier raus". Ich hatte Angst, große Angst. Als ich in diesem Jahr wieder in dieser Sauna stand (bei einer Hausführung) erinnerte ich mich an die Antwort von den Betreuerinnen vor Ort: "Zehn Minuten!" Es war schrecklich und ich wusste nichts mit dieser Sauna anzufangen. Dampfbäder kannte ich, auch die wurden gemacht. Als meine Eltern mit nach vier Wochen einmal besuchen durften, waren meine Hände und Unterarme wegen einer versehentlichen Verbrühung verbunden. Erst mit Ende Zwanzig habe ich mich nocheinmal in eine Sauna getraut, nach langer Überredung meiner Freundinnen.

Sollte noch jemand in Harzgerode gewesen sein, würde ich mich sehr über ein Kommentar oder die Kontaktaufnahme freuen.
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Carmen Panizzi aus Green Valley, Arizona schrieb am 16.11.2020
Ich war im Fruehjahr 1971 als 10-jaehrige im Haus Sonnenhang in Oberstdorf, Allgaeu, zur "Kur." Es war eine absolute traumatische Erfahrung und fuer viele Jahre habe ich sie als "normal" angesehen und mich gefragt, ob ich diese traumatische Erfahrung zu ueberspielt hatte. Aber innerlich habe ich schon immer gespuert, dass es keine "normale" Erfahrung war und hoffte, dass sie vielen Kindern erspart geblieben war. Wie ich nun anhand dieser Website sehe, ist dies leider nicht so gewesen und meine Erfahrungen war auch kein Einzelfall.
Ich kann mich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern, aber was ich nie habe vergessen koennen war die Angast "nicht genug an Gewicht zuzunehmen, um nach Hause zurueckkehren zu koennen." Diese Furcht wurde uns tagtaeglich bewusst gemacht. Ich habe oftmals vor Furcht soviel gegessen, dass ich mich nachts uebergeben musste und dann versucht habe das Bettzeug zu reinigen und Angst hatte, dass man dies entdeckt. Auch hatten ich so oft Durst und es gab nur Milch, was mich schon immer angekelte. Obwohl ich Geld hatte, um ein anderes Getraenk zu kaufen, wurden uns das nicht gestattet.
Andere Kinder wurden geschlagen oder beschaemt.
Mein einziger Lichtblick war eine junge Amerikanerin, die damals als Praktikantin arbeitete. Sie war unheimlich lieb und hat sich mir angenommen. Das habe ich nie vergessen.
Ueber Jahre hinaus habe ich mit niemandem darueber gesprochen, mich aber so oft gefragt, wie es in einem Land wie Deutschland moeglich war solche Heime ueberhaupt anzubieten.
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Matthias aus Leipzig schrieb am 15.11.2020
1.
Ein so jungen Kind sollte einfach nicht 6 Wochen von den Eltern getrennt sein und dann noch zu Leuten kommen, die sich nicht ernsthaft für Kinder interessieren und sich das leben mit deren militärischen Drill so einfach wie möglich machen wollen.
Ein prägendes Erlebnis:
Ich war da, weil ich Asthma hatte und die salzige Meerluft helfen sollte. Eine Nachts hatte ich einen Astmaanfall, da kam die genervte Nachtaufsichtnach ca. einer halben Stunde und nahm mich wortlos in den "Schwitzkasten" und schleifte mich , nur die Zehenspitzen hatten Fußbodenkontakt,
über den Flur in ein Zimmer dort bekam ich ein Asthmaspray wortlos in den Mund gestopft. Ich hatte panische Angst, da ich weder wusste wer das war, noch was passierte. ich hatte vorher noch nie ein Asthmaspray bekommen und hatte panische Angst, dass ich ersticke. Danach wurde ich auf gleiche Weise zurück geschleift und mit den Worten "So und jetzt ist aber Ruhe" aufs Bett geworfen und wieder allein gelassen.
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Claudia Genings aus Köln schrieb am 15.11.2020
Es war die Hölle - habe nur geweint und sehr starkes Heimweh gehabt. Die Erzieherin hat mich auf 6 Wochen lang auf Flüssigkeitsentzug gesetzt, obwohl ich eigentlich wegen einer Nierenbeckenentzündung nicht eingeschult worden bin und ich ganz viel hätte trinken müssen. Die Gruppenleiterin hat alle Kinder auf mich angesetzt aufzupassen, daß ich nichts trinken soll - habe mich nachts auf die Toilette geschlichen und das Trinken nachgeholt - oft haben mich die Mädchen beim Zähneputzen / Gurgeln verpetzt, nur um bei der Gruppenleiterin zu "punkten" und diese gab mir dann grundlos vor allen anderen Kindern (die dann mich auslachten) eine schallende Ohrfeige. Dann hat die Gruppenleiterin mich fast jede Nacht mit samt meiner Bettdecke auf den langen kalten Korridor gestellt und ich mußt die ganze Nacht dort stehen und habe geweint. Meine Mutter hat mir ein Paket mit Süßigkeiten geschickt und man hat es mir direkt abgenommmen. Ich weis nicht mehr wie dieses Kurheim hieß - habe es nur noch als großes weißes Haus in Errinnerung und ein weißer langer Zaun - weiß vielleicht jemand wie das hieß?
Liebe Grüße
Claudia
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Uschi aus Schwalmtal schrieb am 15.11.2020
Im Januar 1962 wurde ich als 3. Kind geboren. 

Im Mai 1965 verstarb mein Vater nach einem Autounfall. Um meine Mutter zu entlasten wurde ich damals "verschickt".

Es waren schlimme Wochen, aus denen ich einzelne Bilder und Gerüche bis heute im Kopf habe.

Ich musste in einem Gitterbett schlafen, was mir zuhause fremd war und es gab abends regelmäßig Prügel mit den Worten "Kinder die heulen schlafen schneller ein".

Griff diese Maßnahme nicht musste ich entweder alleine im großen Manschaftsbad auf der kalten Holzbank liegen, ohne Decke und Kissen, oder die ganze Nacht schweigend mit anderen Kindern ganz leise rechts die Treppen rauf- und links die Treppen hinuntergehen. Schlafen durfte man nach dieser Prozedur erst wieder in der nächsten Nacht.

Im Speisesaal durfte nicht gesprochen werden. Es musste alles aufgegessen werden, notfalls unter Zwang. Man durfte nicht aufstehen bevor der Teller leer war.
Eingesperrt in einen kleinen Raum wurde ich wenn ich nicht brav war, bis heute bekomme ich Panik wenn z.B. eine Türe in einer öff. Toilette klemmt.
Obwohl ich erst 3 1/2 Jahre alt war, habe ich die Bilder und Gerüche noch im Kopf.

Als ich nach, ich glaube 6 Wochen, wieder zuhause ankam und meine Mutter mich abholte, war sie völlig entsetzt. Ich war total verwahrlost, meine schönen hüftlangen Haare waren so verfilzt das sie abgeschnitten werden mussten und ich war sehr dick geworden.
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Gerlinde aus Verl schrieb am 15.11.2020
Ich war Nummer 55
Angst war das stets vorherrschende Grundgefühl
Ich wurde als 8-Jährige im Oktober 1967 für 6 Wochen in die "Kur" geschickt, auf Empfehlung des Arztes, da ich ständig unter Nebenhöhlenentzündungen litt. Auch hatte ich kurz vorher eine durch Mumps ausgelöste Gehirnhautentzündung hinter mir. Ich vermute, der Arzt wollte meine Mutter entlasten, ich war das 2. von 4 Kindern wir waren alle im Abstand von nicht einmal 2 Jahren zur Welt gekommen. Wie ich aus alten Fotoalben nun entnehmen kann, war mein Vater zur gleichen Zeit wie ich zur Kur und da dachten meine Eltern wohl, es wäre ganz gut, wenn wenigstens ein Kind weniger zuhause zu versorgen ist. Meine jüngste Schwester war damals 4 Jahre alt.
Ich freute mich auf das Meer, denn die Kur sollte auf Amrum sein und ich war schon häufiger mit den Eltern im Urlaub an der See gewesen. Auch waren wir Kinder zu viel Selbständigkeit erzogen worden und kannten Übernachtungen ohne Eltern bei Freunden oder in der Verwandtschaft. Heimweh hatte ich dabei nie. Übernachtungen woanders empfand ich immer als spannendes Abenteuer. Dieses versprach auch ein Abenteuer zu werden. Zur Vorbereitung auf die Reise half ich meiner Mutter beim Kennzeichnen meiner Kleidung und der persönlichen Gegenstände. Heute besitze ich tatsächlich noch Kleiderbügel und das Schuhputzzeug aus der Zeit. Ich war Nummer 55.
Leider weiß ich nicht mehr den Namen des Heims. Ich dachte immer, es hieße „Haus Nebel" aber ich finde bei Internetrecherchen kein solches Haus. Ich habe noch zwei Fotos, einmal im Speisesaal und ein Gruppenfoto draußen. Es könnte die "Kindererholungsstätte Lenzheim" in Wittduen sein.
Schon der erste Tag war ein Schock, dem viele gefühlte unendliche Tage mit fürchterlichem Heimweh folgten.
Ich wurde in einem Zimmer mit 3 weiteren Mädchen untergebracht, die Jüngste war 4 Jahre alt. Wir sollten unsere Betten beziehen. Damals gab es noch keine Spannbettlaken, also kämpften wir mit, für uns, riesigen Bettlaken und dem Bettzeug. Als ich sah, dass die Kleinen das Bett nicht beziehen konnten, half ich ihnen. Alle Betten waren bezogen, so gut, wie es eben kleine Kinder vermochten, als die „Tante" reinkommt. Sie kontrolliert, sieht ein paar Falten auf den Laken und - ich kann es bis heute nicht fassen - reißt alle Laken von den Betten und auch das ganze Bettzeug wieder runter. Es sei nicht ordentlich und wir hätten alles wieder neu zu machen. Schon an diesem ersten Abend weinte ich mich mit Heimweh in den Schlaf. Ich verstand nicht, wie ein Erwachsener so etwas machen konnte.
Weitere Drangsalierungen folgten:
- Zum Frühstück gab es ein Stück Schwarzbrot, Pfefferminztee und unsäglich ekelhafte Milchsuppe mit entweder dicken salzigen Mehlklumpen oder Sago, das so glibberig wie Froscheier in der Suppe schwamm. Schon lange mochte ich keine warme Milch mehr. Also aß ich nur das Stück Schwarzbrot, zeigte auf und bat höflich um ein zweites Brot. Oh nein, wie konnte ich nur. Ich solle die „gute“ Milchsuppe essen. Doch mir kam jedes Mal, wenn ich nur den Löffel zum Mund führte, der Würgereiz. Nach einiger Zeit, alle Kinder waren schon aufgestanden und fertig mit dem Frühstück, saß ich alleine im Speisesaal vor meiner inzwischen erkalteten Milchsuppe. Da kommt die „Tante", setzt sich neben mich, fasst mir in den Nacken, hält meinen Kopf fest und stopft mir in Sekundenschnelle das unsägliche Essen in den Mund, so dass mir nichts anderes übrig bleibt, als zu schlucken. Nachdem der Teller leer war, überkam mich so ein Ekel, dass ich mich umdrehte und mich übergab. Ich bekam einen Lappen musste das Erbrochene aufwischen. Als ich vom Boden wieder hochkam und auf den Tisch blickte, stand erneut ein Teller mit der ekelhaften Pampe vor mir. Das ging so lange, bis ich das Essen bei mir behalten habe. Ab da entwickelte ich für morgens folgende Strategie: Luft anhalten, die Pampe so schnell es geht in mich hineinzwingen und danach ganz lange an dem Schwarzbrot kauen, damit der Geschmack neutralisiert wurde. Noch heute bekomme ich einen Würgereiz, wenn ich an warme Milch denke.
- Vor Heimweh krank, schrieb ich meiner Mutter, sie möge mir meine Babypuppe, die ich innig liebte und immer meine Trösterin war, zu schicken. Die „Tante“ kommt in das Zimmer, sagt: „Hier ist ein Päckchen für dich“, dann reißt sie es auf. Erblickt die Puppe, lacht höhnisch, reißt die Puppe an einem Bein aus dem Päckchen und schmeißt sie mit voller Kraft und verachtendem Blick auf mein Bett. Meine geliebte Puppe… Ich war doch noch ein kleines Mädchen! Ich verstand die Welt nicht mehr. Die mitgeschickten Süßigkeiten wurden von der „Tante“ konfisziert.
- Nach dem Mittagessen gab es immer eine 2-stündige Mittagsruhe, in der wir regungslos in unseren Betten liegen mussten, denn jede Bewegung wurde von den „Tanten“, die draußen im Treppenhaus auf einem Stuhl saßen und Wache hielten, registriert und sanktioniert. Jetzt war es aber so, dass ich meistens nach dem Mittagessen auf die Toilette musste. Selbständig wie ich war und auch selbstverständlich, wie ich fand, stand ich auf und ging zur Toilette. Die wachhabende „Tante“ war gerade in einem anderen Zimmer zur Kontrolle. Auf dem Rückweg von der Toilette in mein Zimmer, fing sie mich jedoch ab und fragte, was ich außerhalb des Bettes gemacht habe. Wahrheitsgemäß antwortete ich ihr. Daraufhin schlug sie mich und verbot mir, jemals wieder in der Mittagspause auf die Toilette zu gehen. Die Folgen waren Dauerverstopfung und ständige Bauchschmerzen während der 6 Wochen.

Überhaupt, nach Hause schreiben ging zwar, allerdings wurden unsere Briefe und Postkarten zensiert. Während der ganzen 6 Wochen überlegte ich krampfhaft, wie ich meiner Mutter mitteilen könnte, dass sie mich abholen soll, überlegte Organisationspläne, wer in der Zeit auf meine Geschwister aufpassen kann und welcher Bus wohl bis an die Küste fährt und mit welchem Schiff meine Mutter mich abholen kommt. Aber ich wusste, eine Nachricht per Brief konnte ich ihr nicht schicken. Denn folgendes Grausame ereignete sich:
Eines Tages kam der Heimleiter, vor dem alle am meisten Angst hatten, in den Speisesaal. Er ging zu einem Mädchen, das ein Jahr älter als ich war und befahl ihr, aufzustehen. Nun stand sie vor ihm, er hatte einen Brief in der Hand und las vor allen im Saal laut vor: „Liebe Eltern, hier ist es ganz schlimm, bitte holt mich ab… Mir geht es schlecht..." Nachdem er den Brief zu Ende gelesen hatte, fragte er sie ob sie das geschrieben habe. Sie bejahte, daraufhin nahm er den Brief und schlug ihr damit mehrmals rechts und links ins Gesicht, dabei schrie er sie schrecklich an, wie sie nur solche Lügen verbreiten könne. Sie musste sich dann hinsetzen und vor allen Kindern einen von ihm diktierten Brief an ihre Eltern schreiben. Natürlich hat kein Kind mehr wahrheitsgemäß an seine Eltern geschrieben.

Mehr Erinnerungen:
- stundenlange Gewaltmärsche durch Heidelandschaften
- die älteren Mädchen mussten den "Tanten" abends die Haare auf Lockenwickler drehen
- Morgengymnastik vor dem Frühstück, wobei die weniger sportlichen Kinder von der „Tante“ gehänselt und ausgelacht wurden
- Die Jungen wurden mehr geschlagen als die Mädchen
- Schuhe putzen und dabei auch die von den „Tanten“ und die schrecklichen schwarzen Reitstiefel von dem Heimleiter, der übrigens immer so rumlief, mit aufgeplusterter Reiterhose und diesen schwarzen Stiefeln
- Verzweifeltes Heimweh
- Fluchtpläne entwickeln, z.B. wie kann ich auf einem der Spaziergänge eine unzensierte Postkarte nach Hause auf den Weg bringen, damit man mich aus dieser Hölle abholt. Entweder einem Spaziergänger, der uns entgegenkommt, unbemerkt zustecken oder - wie bekomme ich sie unbemerkt in einen Briefkasten
- Möglichst nicht auffallen, dann haben mich die „Tanten“ nicht im Blick, ständig wachsam sein, keine Fehler machen, permanentes Angstgefühl

Und die ganze Zeit dieses schreckliche Heimweh und ein Gefühl des Ausgeliefertseins

Meine Eltern erzählten, als die Kinder mit dem Bus zuhause wieder ankamen, seien alle Kinder ihren Eltern weinend in die Arme gefallen. Mein erster Satz zu meiner Mutter war: „Schick bloß Uschi (meine kleine Schwester) niemals dorthin.“ Meine Mutter erzählt auch, dass ich immer wieder gesagt habe, dass ich weglaufen wollte, mich aber das große Wasser (Meer) gehindert habe zu entkommen.
Nach dem Aufenthalt verschlechterten sich meine Schulleistungen. Ich hatte immer schwere Alpträume, bis heute träume ich von Flucht und Angstzuständen.
Lange hatte ich in meiner kindlichen Fantasie die Rache-Vorstellung, als Erwachsene dorthin zu reisen und die „Tanten“ und den Heimleiter zu erschießen. (krass, dass man mit 8 Jahren so etwas denken kann)

Mein Vater hat einmal erzählt, er hätte sich mit anderen Eltern zusammengetan und sie seien gegen das Heim und die Leitung rechtlich vorgegangen. Deshalb hätte das Haus schließen müssen. Da er leider verstorben ist, weiß ich nicht, ob er die Geschichte nur für mich als Trost erzählt hat oder ob es wirklich geschehen ist. Meine Mutter kann sich daran nicht erinnern. Sie weiß nur, dass sie und mein Vater es absolut bereut haben, eines ihrer Kinder dorthin geschickt zu haben.

Jetzt, mit 61 Jahren, im Rahmen einer Psychotherapie und einer langen psychischen Erkrankung, muss ich mich den Erinnerungen und damit verbundenen schmerzlichen Gefühlen stellen. Mir wurde erst im Rahmen der Therapie bewußt, dass ich traumatisiert wurde. Mir wird nun klarer warum ich auf bestimmte Verhaltensweisen von Menschen in manchen Situationen so und nicht anders reagiere, zum Beispiel wenn ich vor Angst erstarre, unsicher werde und sofort in Tränen ausbreche oder nur noch die Flucht ergreifen will.
Es ist gut, dass das Thema der sogenannten "Kindererholungskuren" mehr Aufmerksamtkeit und Aufarbeitung bekommt.
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Oliver aus Düsseldorf schrieb am 15.11.2020
Wir, d.h. ich, fünf Jahre alt mit anderen Kindern, die ich nicht kannte, waren im Winter ca. 1968 zur "Kinderkur" im Klein Walsertal. Ich habe ebenfalls erlebt wie Bettnässer zur Strafe in der nächsten Nacht getrennt von den anderen auf einer harten Holzpritsche schlafen mussten. Dies kam immer wieder vor. Die Betreuerinnen waren äußerst kalt und ruppig zu uns. Kinder wurden z.B. mit kaltem Wasser geduscht, so dass bei vielen Kindern der Kreislauf wegsackte und diese wie auch ich umkippten. Wer beim Essen kleckerte, wurde bestraft, selbst wenn jemand das Essen nicht vertragen hatte, was auch öfters vorkam. Bei mir war es auch so. Als ich also beim Essen wie viele andere Kinder brechen musste, habe ich daher in den Suppenteller erbrochen. Das hat mich aber nicht geschützt. Die Betreuerinnen haben diesen Teller mit Erbrochenem tatsächlich aufgehoben und mir am nächsten Tag im Saal wieder vorgesetzt. Ich musste das essen, etwas anderes gab nicht. Um nicht noch hungrig den Tag verbringen zu müssen, habe ich ein paar Löffel von dem um das Erbrochene herum gegessen. Den Teller mit dem Rest habe ich dann in einem unbeobachteten Moment direkt in die Küche gebracht, ihn gezeigt und dort gesagt, dass ich das nicht mehr essen könne. Etwas anderes habe ich dann aber auch dort nicht mehr bekommen.
Mein Vater hat mich nach der Rückreise vom Bahnhof abgeholt und meine nach seiner Hand greifende Hand zurückgeweisen.
Zu Hause angekommen habe ich aus Angst vor weiterer Bestrafung durch meinen schlagenden Vater nichs davon erzählt.
Erst sehr viel später habe ich mich einmal meiner Mutter anvertraut, die entsetzt war, und damit endlich zuordnen konnte, warum ich und die vielen anderen Kinder in der "Kur" abgenommen hatten anstatt - wie erwartet - zugenommen hatten.
Das Erlebnis in der Kur und das damals vielfach verbreitete Eltern-Kind-Verhältnis ging bei mir mit einem großen Vertrauensverlust in die Umwelt einher. Ich habe mich als Kind lange mit der Frage beschäftigt, warum meine Eltern mich weggeschickt hatten, ohne eine Antwort darauf erhalten zu können.
Ich bin sehr froh und dankbar, das diese dunklen Zeiten der sehr jungen Gesellschaftsgeschichte in Deutschland endlich ans Tageslicht und zur Aufarbeitung kommen.
Danke an die Initiatoren!
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Susanne Brinkmann aus Hiddenhausen schrieb am 14.11.2020
Leider bin auch ich eines dieser Verschickungskinder, die noch heute schlimme Erinnerungen mit sich herumtragen. Erinnerungen, die selbst nach 50 Jahren immer noch präsent sind und die ich hier schildern möchte.
Unsere familiäre Situation war damals folgende: 1969 ließen sich meine Eltern scheiden, meine damals gerade 23-jährige Mutter zog mit mir und meinen beiden Brüdern (wir waren 2, 3 und 5 Jahre alt) in das Haus ihrer Eltern, also meiner Großeltern. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt, was ich jedoch nach allen Äußerungen über ihn nie als besonderen Verlust empfunden habe. Er hatte meine Mutter misshandelt und betrogen. Umso unbegreiflicher war es, dass sie von ebendiesem Mann im Jahre 1971 noch ein weiteres Kind bekam. Trotz der Unterstützung meiner Großeltern war meine Mutter in so mancherlei Hinsicht mit uns vier Kindern überfordert, und so war es wohl für sie eine willkommene Möglichkeit, uns jeweils in den Sommerferien in verschiedenen Erholungsheimen unterzubringen. Alljährlich schleppte sie uns zum Bielefelder Gesundheitsamt, wo nach entsprechender Untersuchung unsere angebliche Unterernährung festgestellt wurde. Hiervon konnte in Wahrheit gar keine Rede sein: Essen gab es bei uns immer regelmäßig, meine Oma kochte täglich gut und mehr als reichlich, und selbst Süßkram gab es in Hülle und Fülle. Wir Kinder waren eben von Haus aus sehr schlank, ebenso wie unsere Mutter und unser Erzeuger, und dies hat sich bis heute nicht geändert.


Nun trat ich also 1971 im Alter von vier (!) Jahren zusammen mit meinem damals fünfjährigen Bruder meine erste Reise an: Wir wurden mit einer Begleiterin und weiteren gleichaltrigen Kindern in den Zug gesetzt – das Ziel war ein Kinderkurheim in Bad Sassendorf. Ich erinnere mich, dass ein Großteil der Kinder, ich eingeschlossen, sehr weinten und überhaupt nicht begriffen, was mit uns geschah. Vermutlich aus der situativen Hilflosigkeit heraus versprachen uns unsere Mutter und unsere Großeltern, wenn uns das Heim nicht gefallen sollte, könnten wir sofort wieder nach Hause fahren. An diesen Gedanken klammerten wir uns fest.

In dem Kinderkurheim angekommen, mussten wir uns in einem dunklen Flur jeweils zu zweit in einer Reihe aufstellen. Mit meinem weinenden Bruder an der Hand nutzte ich gleich die Gelegenheit, die anwesende „Tante“ mit dem Versprechen unserer Mutter zu konfrontieren, also jetzt wieder nach Hause fahren zu wollen. Die Frau antwortete in einem sehr rüden Ton, dies sei erst wieder in einigen Wochen möglich, da habe unsere Mutter wohl nicht die Wahrheit gesagt. Für uns beide brach komplett die Welt zusammen, wir hatten ja keine Ahnung, wie lange „einige Wochen“ dauern würden. Auch die Lüge unserer Mutter und unserer Großeltern mussten wir erst mal verarbeiten.
Merkwürdigerweise, aber in Anbetracht der Ereignisse wohl verständlich, habe ich in Bezug auf die folgenden sechs Wochen in diesem Heim ausschließlich negative Erinnerungen. Ein paar dieser Ereignisse haben sich derartig in mein Gehirn eingebrannt, als wären sie erst wenige Jahre her:


Nach jeder kleinen „Unartigkeit“ musste man sich in die nächstbeste Ecke stellen, immer mit dem Gesicht zur Wand. Da es jede Menge zum Teil unsinnige Regeln gab und sich die Schmerzgrenze der Erzieherinnen auf einem sehr niedrigen Niveau befand, habe auch ich häufig gefühlte Stunden in irgendwelchen Ecken verbracht, wo ich über meine Unartigkeit nachdenken sollte. Nach einer gewissen Zeit und einer Entschuldigung für das begangene Vergehen durfte man wieder aus der Ecke herauskommen. Weil ich aber oft nicht wusste, wofür ich mich entschuldigen sollte, konnte solch ein Ecken-Aufenthalt sehr lang werden.


Meine linke Tischnachbarin im Speisesaal erbrach sich oft. Ich erinnere mich nicht an den Grund, vermutlich war sie einfach eine schlechte Esserin. An die Qualität des Essens habe ich kaum Erinnerungen, ich weiß nur, dass es oft pampige Breie gab. Das Mädchen musste aber, wie wir alle, immer die gesamte Portion auf ihrem Teller aufessen. Sie erbrach sich also, entweder direkt auf ihrem Teller oder unter dem Tisch, denn aufstehen durften wir nicht. Nun gab es für sie zwei Möglichkeiten: War das Erbrochene auf dem Teller gelandet, musste sie dieses aufessen. Immer wieder, auch bei mehrfachem Erbrechen, bis der Teller leer war. Hatte sie sich für die Variante unter dem Tisch entschieden, wurden ihr Eimer und Lappen hingeknallt, womit sie das Erbrochene zu entfernen hatte. Das Ganze immer unter lautem Gezeter und Geschimpfe, das ich wohl nie vergessen werde. Da die Tischordnung während der gesamten 6 Wochen nicht geändert wurde, bekam ich dieses schreckliche Schauspiel fast täglich vorgesetzt.


Nun zu einer vollkommen sinnfreien, folgenschweren und für mich am wenigsten nachvollziehbaren Regel: Nach dem Abendessen durften wir nur noch in dem kurzen Zeitraum bis zum Schlafengehen die Toiletten aufsuchen. Sobald wir in den Betten lagen, waren diese für uns Kinder Tabu. Die Flure wurden gut bewacht, und wenn wir in unserer Not trotzdem losschlichen, wurden wir fast immer erwischt. Obligatorische Strafe: In einer Flur-Ecke stehen, mit dem Gesicht zur Wand, barfuß und im Schlafanzug oder Nachthemd. Es war kalt, Urin und andere Extremente liefen uns die Beine herunter. Alle vier Ecken waren immer „belegt“. Bevor wir gefühlte Stunden später wieder ins Bett durften, mussten wir unseren „Dreck wegmachen“. Um dieses unwürdige Prozedere zu umgehen, kamen besonders findige Kinder bald auf die Idee, unter den Betten von jeweils anderen Kindern, die gerade in den Flur-Ecken standen oder bereits schliefen, ihre Geschäfte zu verrichten. Morgens nach dem Wecken musste dann jeder von uns auf allen vieren unter seinem eigenen Bett die Hinterlassenschaften eines anderen Kindes beseitigen. Der Gestank in unserem Schlafsaal war unerträglich. Ich selbst gehörte zu den „Eckenstehern“, und diese häufigen nächtlichen Episoden sorgten bei mir für eine dicke fiebrige Erkältung. Ich musste in der Krankenstation behandelt werden und hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen meinem Bruder gegenüber, den ich nun allein lassen musste. Wie lange, weiß ich nicht mehr. Nach diesem „gelungenen“ Kuraufenthalt kam ich als regelmäße Bettnässerin wieder nach Hause. Meine Mutter zeterte und verstand die Welt nicht mehr, und ich schämte mich in Grund und Boden.


Dies sind so ziemlich meine frühesten Kindheits-Erinnerungen, was mich noch heute sehr traurig macht. Meinem Bruder geht es ähnlich, wir haben oft darüber geredet und tun es manchmal noch heute. Ich glaube, für ihn war das alles noch viel schlimmer. Er war sehr schüchtern und introvertiert, ich eigentlich das Gegenteil – aufgeschlossen und verspielt. Obwohl er der Ältere war, habe ich damals auf ihn „aufgepasst“. Nach unserer Heimreise erzählten uns unsere Mutter und die Großeltern, sie hätten sich bei ihrem einzigen Besuch nicht zu erkennen geben dürfen, sich also am Heimgelände hinter Büschen versteckt und uns beobachtet. Ich hätte mit anderen Kindern gespielt, wäre aber zwischendurch immer wieder zu einer Bank gelaufen, auf der mein Bruder traurig und untätig herumgesessen habe. Ich hätte mich dann neben ihn gesetzt, ihn umarmt und sei dann wieder kurze Zeit spielen gegangen, um dann wieder nach meinem traurigen Bruder zu schauen.


Dies alles ist ja jetzt viele Jahr her, heute einigermaßen gedanklich sortiert und verarbeitet, aber eben nicht vergessen. Damals waren wir jedoch traumatisiert, was meine Mutter aber nicht davon abhalten konnte, uns weiterhin alljährlich in weitere Kurheime oder später in Ferienlager zu verschicken. Glücklicherweise ist es mir in den Folgejahren nie wieder so ergangen wie in Bad Sassendorf. Im Gegenteil: In allen darauffolgenden Heimen und Lagern habe ich mich sehr wohl gefühlt. Aus diesen Erfahrungen heraus nehme ich an, dass in den 70er Jahren nicht mehr in allen Kinderkurheimen das autoritäre Zepter geschwungen wurde. Umso schlimmer für diejenigen Kinder, die das Pech hatten, in einem dieser entsetzlichen Häuser gelandet zu sein, um dort ihre Ferien zu verbringen, auf die sich doch eigentlich jedes Kind sehr freut.


Dass dieses Thema endlich hier und in den Medien zur Sprache kommt und Betroffenen die Möglichkeit zur Aufarbeitung sowie zum Erfahrungsaustausch gegeben wird, ist sicher eine gute Sache. Mir selbst hat es jedenfalls gutgetan, meine Erlebnisse hier einmal zu schildern.
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Dana aus Märkisch Oderland schrieb am 14.11.2020
Ich war 6 Jahre alt und sollte kurz vor der Schule noch zur Kur, weil ich so klein und dünn war.
Ich musste stundenlang sitzen, wenn ich die Graupensuppe nicht gegessen habe. Die Graupen piekten immer in meinem Hals. Kann mich an zweimal erinnern... Esse bis heute keine Graupensuppe!!!
Desweiteren wurden auch hier Kinder beim Schlafen angebrüllt und geschlagen. Einmal habe ich Geräusche gemacht und das Kind neben mir wurde dafür bestraft. Das tut mir noch heute sehr leid!
Es war ein riesiger Schlafsaal unter dem Dach einer alten Villa.
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Stefanie aus Bad Fallingbostel schrieb am 13.11.2020
Im Rahmen der Caritas wurden meine Schwester und ich im Jahr 1970 nach Dannenberg in ein Erholungsheim geschickt.
Meine Eltern taten dies mit guter Intention, sie wussten nicht, dass wir dort schlimmes erleben würden - Telefonieren oder Briefe schreiben wurde uns ja dort untersagt.
Von Strafen, die einer Isolationshaft glichen, nachts nicht zur Toilette dürfen, Essen bis zum Erbrechen war alles dabei. Ich kann hier gar nicht alles aufzählen.
Als unsere Eltern uns abholten, sagte meine Schwester, sie war vier Jahre alt, kein einziges Wort. Erst als wir außer Sichtweite des Donnersbergs waren, platzte alles aus mir heraus - Mein Vater war außer sich. Er wollte sofort umdrehen, um die Verantwortlichen zur Rede zu stellen. Ich bat ihn weiterzufahren, da wir auf keinen Fall mehr dorthin zurückkehren wollten.
Meiner Schwester ging es nach diesem Aufenthalt nicht gut, sie kaute an ihren Fingernägeln und versteckte sich, sobald unsere Mutter ein lautes Wort einlegte.

Es war ein unvergessliches Erlebnis - im negativen Sinne.
Es würde mich freuen, wenn sich noch andere Betroffene melden würden, die auch an diesem Ort waren. Und sie gibt es mit Sicherheit, wir waren nicht allein....
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Kristine schrieb am 12.11.2020
Ich bin insgesamt drei mal verschickt worden. Das erste Mal mit etwa ein bis anderthalb Jahren. Ich konnte schon laufen und sprechen. Das Heim war irgend wo im Schwarzwald. Meine Mutter erzaehlte mir im Erwachsenenalter, dass ich mit schweren psychischen Schaeden zurueck kam. Unter anderem hatte ich mich geweigert, zu sprechen. Meine Mutter hatte mich erst in einem Heim abgegeben, aus dem ich abgehauen bin. Nachdem mich ein Suchtrupp fand, suchte sie ein anderes Heim fuer mich. Dieses Heim war wohl privat und nahm nur ein paar Kinder zur gleichen Zeit. Der Schaden lag warscheinlich in der Trennung vom Eltenhaus ueber einen langen Zeitraum. Mir ist ueberliefert worden, dass ich nach Ende des Aufenthalts zurueck zu "Tante Hilde" wollte, die ich fuer meine Mutter hielt.
Das zweite Mal war ich mit etwa 3 oder 4 Jahren in Obersdorf im Allgau (sorry, meine Tastatur hat keine Umlaute). Ich kann mich nur daran erinnern, dass jeden Mittag auf einer Terrasse geschlafen wurde und wir die meiste Zeit mit Wandern verbrachten.
An das dritte Mal kann ich mich besser erinnern. Ich muss etwa 6 Jahre alt gewesen sein. Diesmal kam meine juengere Schwester mit. Wir waren im Kinderheim Johnen in Bonndorf im Schwarzwald. Das Heim wurde von einem Ehepaar geleitet, dass einen Dackel namens Moritz hatte. Die Betreuerinnen waren junge Frauen. Bei der Ankunft wurden meine Schwester und ich getrennt.
Alle Kinder wurden zum Essen gezwungen. Es gab oft Milchsuppe oder Brotsuppe als Vorspeise. Abends gab es belegte Brote und Fruechtetee. Ein mal pro Woche kam ein Arzt, der alle Kinder wog. Wer nicht zugenommen hatte, bekam eine Medizin verschrieben, die taeglich zu einer Mahlzeit eingenommen werden musste. Zum Essen wurde man gezwungen. Ein Maedchen musste sich uebergeben und wurde zur Strafe mindestens 1 Tag lang eingesperrt.
Mittagsschlaf wurde exzessiv gehalten. Ich glaube, es waren 2 Stunden, es koennte aber auch 1 Std. gewesen sein. Eine Betreuerin, die von den Kindern Leuchtturm genannt wurde, passte auf, dass niemand den Schlafsaal verliess, auch nicht, um aufs Klo zu gehen. Ein kleines Kind hat regelmaessig eingenaesst und eingekotet.
Die meiste Zeit haben wir mit Wandern verbracht. Ich erinnere mich, dass die Jungen im Wald eine Huette aus Tannenzweigen bauten. Diese Huette war eines Tages beschaedigt und man munkelte, dass die Kinder vom benachbarten Kinderheim Luginsland dahinter steckten.
Wenn es regnete, wurden wir drin beschaeftigt. Uns wurden bei der Gelegenheit Briefe nach Hause diktiert oder Geschriebenes zensiert.
Eine Freundin, die in der Nachbarschaft lebte, war zu einer anderen Zeit auch im Kinderheim Johnen. Wir koennen uns beide an ein Kind namens Martina Schleifer erinnen. Sie war wohl oefters dort und hatte einen besseren Stand bei den Betreuerinnen.
Pakete von zuhause wurden geoeffnet und der Inhalt an alle Kinder verteilt.
Ich kann mich auch erinnern, dass wir und oefters in Reih und Glied aufstellen mussten, wenn es nach draussen ging. Das koennte aber auch der Sicherheit gedient haben, und um einen besseren Ueberblick ueber die Gruppe zu haben. Ich kann mich an zwei eher nette Betraueerinnen erinnern, die sich ab und zu mit mir unterhielten. Die eine fragte mich, ob ich einen Fuss mit 4 oder 5 Zehen interessanter finde. Als ich darauf keine Antwort wusste, teilte sie mir mit, dass der anderen ein Zeh fehlte.
Soweit ich weiss, wurden die Heimaufenthalte von der DAK finanziert oder bezuschusst.
Ein Freund aus der Nachbarschaft, der an Neurodermitis litt, wurde mindestens ein mal an die Nordsee verschickt. An seinen Erfahrungsbericht, oder ob wir ueberhaupt darueber gesprochen haben, kann ich mich nicht erinnern.
Eine andere Freundin aus dem Ruhrgebiet wurde an die Nordsee verschickt. Sie war zu der Zeit wahrscheinlich aelter und hat wohl eher gute Erfahrungen gemacht.
Ich kann mich nicht erinnern, koerperlich mishandelt worden zu sein, bis auf das erzwungene Essen und die Medizin zum dick werden. Die Misshandlung war wohl eher psychischer Natur und in der langen (6 woechigen ?) Trennung vom Elternhaus begruendet.
Ich habe bis heute ein gestoertes Verhaeltnis zum Essen in dem Sinn, dass ich mich nur schlecht beherrschen kann. Ich habe es aber immer geschafft, durch staendige Diaeten ein halbwegs normales Gewicht zu halten.
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Dagmar Dechant aus Nürnberg schrieb am 12.11.2020
Habe gerade den Bericht von Y-Kollektiv darüber gesehen. Ich war wohl auch irgendwo von Fürth aus in so einem Heim. An Jungs kann ich mich gar nicht erinnern, waren wahrscheinlich nur Mädchen. Das Heim war ländlich gelegen mit ner Wiese herum. Erst war ich in einem 4er Zimmer. Dort hat es mir gefallen, ich war glaube ich die Jüngste. Denke ich war so 7 oder 8. Dann musste ich in ein 2er Zimmer ziehen weil da ein Mädchen Heimweh oder was auch immer hatte. Die war einiges älter als ich . Wahrscheinlich wurde ich ausgesucht weil ich ruhig und schüchtern war. Ab der Zeit hat es mir nicht mehr so gut gefallen. Ich kann mich nur noch an so einen ekeligen Hagebuttentee erinnern. Seit der Zeit kann ich so was nicht mehr trinken. Mehr weiß ich nicht und meine Eltern sind schon verstorben. Ich bin 1965 geboren
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Cordula Tägder aus Pritzwalk schrieb am 12.11.2020
Hallo
Ich bin heute durch Zufall auf den Begriff " Verschickungskinder " gestoßen und meine verborgenen Erinnerungen sind aufeinmal da.
Ich kann es garnicht glauben das es sooo vielen Menschen ebenso erging.
Ich wurde zur Kur geschickt weil wir fünf Kinder waren und kaum die Möglichkeit hatten gemeinsam Urlaub zu machen
Vor etwa 10 Jahren war ich noch einmal da um es mir mal anzuschauen und hatte dort ein ganz komisches Gefühl und wollte einfach nur weg aber mir fiel sofort der Name von der " Bösen" Erzieherin ein
Frau Schwaabe
Und heute kommen auch die Schandtaten von dieser Frau zum vorscheinen
Eiskalt duschen
Aufessen bis zum erbrechen
Anschreien bei Heimweh
Bloßstellen vor allen Kindern
Beim Mittagsschlaf sich nicht bewegen
Usw
Zum Glück hatte ich mir nach der zweiten Woche den Fuß aufgeschnitten und musste ( durtfe) für die nächsten zwei Wochen ins Krankenhaus welches sich meiner Erinnerung auch auf dem Gelände befand
Dort war es sehr schön die Krankenschwestern waren so lieb
Naja den Rest habe ich dann irgendwie überstanden
Ich habe noch ein Gruppenbild von dieser Zeit und da ist ein Mädchen mit drauf das so mutig war und sich von allen vier Mädels den Käse den keiner mochte aufs Brot legte und zur Toilette gelaufen war
Nur die " Böse" ist hinterher und das arme Mädchen musste dann das Brot vor uns allen essen
Einfach nur schlimm
Vielleicht meldet sich ja jemand der auch zu dieser Zeit da war
Mit lieben Grüßen Cordula
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Bea aus Berlin schrieb am 11.11.2020
Per Zufall bin ich auf diese Seite gestoßen. Eigentlich habe ich überhaupt keine Erinnerungen mehr an das Kindererholungsheim, außer dass ich „gedrillt“ nach Hause kam. Meine Mutter sagte immer, sobald sie nur sagte es ginge nach draußen, stand ich innerhalb von Sekunden fix und fertig angezogen in der Tür. Ich vermute ich habe all die schrecklichen Erfahrungen schlichtweg verdrängt. Ich war immer ein sehr sensibles Kind und habe mir schon immer einen Selbstschutz aufgebaut.
Jetzt nach etlichen Jahren und vielen anderen Herausforderungen ( u.a. über 15 Jahre Versorgung/Pflege beider Elternteile) habe ich gesundheitliche Einschränkungen, hatte einen Burnout, krampfe nachts etc. . Viele Leute in meinem Umfeld sagen mir immer , ich sollte doch zur Kur fahren. Doch sobald ich mit diesen Äußerungen konfrontiert werde, sträuben sich mir - auch schon früher - die Nackenhaare. Ich vermute stark, dass sich tief im Unterbewusstsein diese Aversion aufgebaut hat ( genauso habe ich Ängste vor Krankenhäusern - ich habe mit 5 Jahren meinen Blinddarm entfernt bekommen und kann mich auch hier nur noch vage erinnern, dass meine Eltern nur durch einen Scheibe an der Tür gucken durften und ich mächtig Heimweh hatte).
Auf jeden Fall versuche ich nun schon seit geraumer Zeit eine Art von Vergangenheitsbewältigung und suche nach Antworten, was mich bewogen hat zu „vergessen“.
Vielleicht finde ich hier noch mehr Infos zum Kurheim Quisisana, um einen Teil meiner Kindheit und meiner Ängste zu verstehen.

Euch/Ihnen allen wünsche ich alles Liebe
Gruß Bea
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Cathérine Glimm aus Neu Darchau schrieb am 10.11.2020
Nur der Vollständigkeit halber melde ich mich zu Wort. Denn ich habe nichts anderes erlebt als ihr alle. Ich war zur Verschickung auf Amrum. In Wittdün Haus Sonnenschein (so meine starke Vermutung). Ich habe ein genaues Bild von Haus und Umgebung vor mir. Ich kann mich sogar genau erinnern, welchen von meiner Mutter selbstgestrickten Pullover, welche Hose und welchen neuen Anorak ich anhatte. Aber mein Alter weiß ich nicht mehr genau. Zwischen 8 und 10 in jedem Fall. 1962/ 64. Jahre später habe ich Freunden von der Behandlung dort erzählt, glauben konnte es keiner so recht. Auch ich war zu dünn und sollte gemästet werden. Durch 2 Teller Milchsuppe mit Graupen morgens, Nachschlag beim Mittagessen und durch eine merkwürdige Maßnahme am Vormittag. Wir dünnen Kinder wurden bäuchlings ins warme Wannenbad gelegt und mussten dort eine Zeit verbringen (ich habe die Prozedur als stundenlang im Gefühl, war aber bestimmt nicht so lange). Und ich kann mich an einen kleiner schmächtigen Jungen erinnern, der alles schreckliche abbekommen hat. Das Erbrochene essen, im Speisesaal sitzen bleiben bis der Teller leer ist und sich Drohungen anhören musste. Obwohl ich im Unglück noch ein wenig Glück hatte, so hat sich mir dieser Junge ins Gedächtnis gebrannt. Heute würde man "Opfer" sagen. Auch ich habe ein Päckchen von zu hause bekommen. Zuckerschlangen mit Fingerringen
draufgesteckt. Das Kind der Erzieherin (oder vllt. war es auch die Heimleiterin, in jedem Fall beste "BDM Manier") aber hatte die Finger voller Ringe. Wir bekamen keine. Immerhin wurde die Süßigkeit an uns verteilt. An lange Schlangen vor dem Klo egal wie nötig man musste und an Kinder in Unterhosen vor der Arzt Tür kann ich mich erinnern und an Kinder in Unterhosen die um die Höhensonne liefen. Und an eine Woche, in der es nur rote Beete gab. Alle mochten die nicht, alle haben gespuckt. Ich habe erst wieder im Erwachsenenalter rote Beete essen  können, so lange war das nicht möglich. Ich kann mich an das Gefühl erinnern, dass einem ewig schlecht war und man immer zu viel im Bauch hatte. Kein Wunder, musste man doch diese Mengen essen. Hat übrigens nichts gebracht. Die paar Pfunde waren schnell wieder weg. Ich bin nicht so sehr gequält worden, musste nicht immer 2 Teller verhasste Milchsuppe essen und wurde auch mal gelobt, wenn ich mehr als sonst gesessen habe. Und ich kann mich an diese wunderschöne Landschaft erinnern, wir waren ja viel draußen. Aber letztendlich war das eine unvorstellbare Zeit. Und Amrum wird bis zu meinem Lebensende mit den 6 Wochen Verschickung zusammengehören. Keiner, der das nicht selbst erlebt hat kann es sich vorstellen.
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Beate schrieb am 09.11.2020
6 Wochen war ich hier. Für mich waren es zu viele Kinder, ich war 8. Aber es gab kleine Gruppen und unsere Tante war nett und jung. Das Schlimmste war, das ich mich nicht von meinen Eltern verabschieden durfte. Sie wurden einfach weg geschickt, während ich nur meine Tasche weg bringen sollte. Schlimm war auch, mit an zu sehen, wie der 2 jährige Peer mittags beim Windelwechseln verhauen wurde, weil er nicht trocken wurde. Seine Mutter wollte ihn angeblich nicht, weil er Asthma hatte -so wie ich. Im Speisesaal musste ein Mädchen ihr Erbrochenes aufessen.
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Manuela Lächele aus Wegberg schrieb am 08.11.2020
Ich war dort 6 Wochen. Ich habe das Kinderheim nicht ein einziges Mal verlassen dürfen, an den Tagen, an denen die Kinder meiner Altersgruppe raus durften, musste ich in die Schule. Pakete und Briefe meiner Eltern bekam ich nicht ausgehändigt, mir wurde immer wieder erzählt, dass meine Eltern mich belogen hätten und ich nun eben im Kinderheim gelandet sei. Ich wurde regelrecht bis zum Erbrechen gemästet und sass so manche Nacht mit meiner bekotzten Bettwäsche nackt in einer Badewanne mit eiskaltem Wasser (und es war Winter). Als 6 jährige konnte ich meine langen, lockigen Haare nicht selber kämmen, so wurden sie mir "gekämmt", ganze Büschel habe ich dabei verloren und mich fortan nicht mehr in der "ich kann mir selbst die Haare nicht kämmen"-Schlange angestellt. (Später zu Hause mussten meine Haare ganz kurz geschnitten werden, um die eitrigen Wunden der Kopfhaut versorgen zu können).
Ich weiß nicht, ob die Betreuer dort wussten, dass meine Eltern mir die Geburt meines Bruders Mitte Dezember 1965 bewusst verschwiegen hatten, weil bei den 3 vorangegangenen Fehlgeburten hatte ich mich immer so sehr auf ein Geschwisterkind gefreut und war jedesmal Wochenlang tottraurig, wenn meine Mutter ohne ein Baby nach Hause kam. 1965 entschieden sich meine Eltern, mir die Schwangerschaft quasi zu verheimlichen, damit ich nicht wieder so traurig wäre. Dieses Mal überlebte mein Bruder, kaum war er eingezogen, musste ich auf diese Insel. Alle Versprechen wurden vermeintlich gebrochen. Ich habe bei meiner Rückkehr lange nicht gesprochen und ich hasste meinen Bruder. Vielleicht war es nur ein Zufall, lange konnte ich nicht glauben, dass die Betreuer das wussten und es bewusst einsetzten. Aber nach den Erzählungen hier, bin ich nicht mehr sicher. "Natürlich" wurden fast täglich Ohrfeigen verteilt, mit nassen Tüchern geschlagen, man wurde angebrüllt, musste stundenlang ruhig auf einem Holzstuhl beinahe nackt sitzen ... oh Mann ... ich hab so viel davon verdrängt ...
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Cristina Ahnert aus 21272 Sahrendorf schrieb am 07.11.2020
Als ich 5 Jahre alt war, wurde ich von Schleswig-Holstein in den Taunus verschickt um dicker zu werden. Ich verbrachte dort 6 Wochen und meinen sechsten Geburtstag, der eher so etwas wie ein Todestag war. Als ich heimkehrte, hatte sich mein Leben grundlegend verändert. Nach 49 Jahren kann ich endlich "NEIN" sagen. Mein Buch ist am 02.11.2020 erschienen. Ich lasse das Leben, das ich mir nicht aussuchen konnte los und möchte damit allen Hoffnung machen, die den Glauben daran, dass das wirklich geht, verloren haben. Diesen Schritt gehen zu können, war ein langer Prozess. Ich möchte all denjenigen danken, die hier ihr Zeugnis abgelegt haben. Sie haben mir geholfen, dorthin zu schauen, wo es wirklich weh tat. Licht ins Dunkel, das Dunkle ans Licht.
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Frank Dittrich aus Neumünster schrieb am 07.11.2020
Hallo ?an alle die das lesen oder vielleicht auch so etwas erfahren haben wie ich. Meine Kur fand im Kinderkurheim Mühle Weiden statt. Ich war zu dünn und sollte an Gewicht zunehmen. Leider habe ich keine guten Erinnerungen an diesen Aufenthalt. Es war wie ein Gefängnis wo es kein entkommen gab.Weit weg von zu Hause ohne Mama und Papa. Die Betreuer waren meist aus meinen Kinder Augen betrachtet teils Monster.Das Essen war das schlimmste. Man sollte ja zunehmen.Logisch.Man aß an Tafeln wie ein großes Viereck aufgebaut. Das Essen wurde hingeschmissen und man wurde aufgefordert zu essen. Es wird alles gegessen sagte die Betreuerin !! Wieso ist das nicht alles aufgegessen!!Du sollst essen sagte ich!Noch heute wenn ich das hier schreibe kommen mit dir Tränen. Es gab kein Entkommen.Die Tage vergingen nicht .Ich hatte nicht aufgegessen. Ich hatte" Einzelhaft" .Ein Zimmer mit Bettchen. .Nachts stellte ich mich auf mein Bettchen und schaute aus dem Fenster den Lichtern der Autos hinterher.Jeden Abend.Alle anderen Kinder schliefen zusammen in einen Saal. Wir hatten da auch Fashing .Davon gibt es Bilder wo mein gezwungenes Lächeln festgebrannt ist. Ich bin nicht dicker geworden ,hatte Flöhe in den Haaren und war froh als ich nach Hause kam. Bis heute habe ich nicht darüber gesprochen nur hier und jetzt schreibe ich es einfach auf. Es war das schlimmste was ich je erleben musste. Die Hölle und ich würde niemals dahin zurück gehen ,nicht mal jetzt .Danke fürs Lesen.

LG Frank Dittrich
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Friederike schrieb am 06.11.2020
Nun habe ich alle Seiten durchgescrollt und nur zwei sehr indifferente Beiträge über "mein" Kurheim gefunden.
Nach allem, was ich gelesen habe und was mich erschüttert hat, komme ich zu der Erkenntnis, dass ich es wohl "gut" getroffen hatte...

Mit sechs Jahren war ich dort, in Ühlingen in einem wohl eher kleinen privaten "Kindersanatorium", "feierte" meinen siebten Geburtstag im Schwarzwald ( - selbstverständlich wurden die Katzenzungen aus dem Päckchen an alle Kinder verteilt) und kam durchängstigt wieder nach Haus.

In erster Linie hatte ich Angst vor den vielen anderen Kindern, die sich oftmals deutlich besser durchsetzen konnten als ich. Die mich teilweise schlugen ohne ersichtlichen Grund. Zum Beispiel, wenn ich abends bereits im Bett lag - von hinten auf den Hinterkopf.

Angst vor allem Fremden: Fremden Feier-Sitten (Fasching mit dem senfgefüllten Berliner), fremde Speisen (Milchnudeln), die für mich als Norddeutsche so fremde Sprache im Schwarzwald.
Angst, etwas falsch zu machen, die Regeln aus Unkenntnis nicht zu befolgen.

Eingeengt durch feste Abläufe (Liegekuren, Haltungsturnen, Fußgymnastik, ärztliche Untersuchungen, Mittagsruhen, reglementierte Ausflüge) und ohne den mütterlichen oder väterlichen Schutz.

Ganz ohne Zeitgefühl. Für immer?!
Die Hoffnung verloren.

Wie gern wäre ich bei den "Großen" mit in der Schulklasse gewesen, das hätte Abwechslung und Struktur gegeben...keine Ahnung, warum man mich nicht beschulte, obwohl ich doch schon eine stolze und leistungsfreudige Erstklässlerin war.

Mir hat das Trauma des sechs Wochen lang "Allein-gelassen-Werdens" ausgereicht. Wie ginge es mir heute, wenn ich auch all die anderen Sachen erlebt hätte?
Ihr alle habt mein größtes Mitgefühl!

Meine Mutter habe ich nach sechs Wochen - sie holte mich ab - nicht mehr erkannt. Ich war sieben.

Zitat Werbeschrift:
"Aufnahme finden Kinder vom Säuglingsalter (!) bis zu 14 Jahren, Knaben nicht über 13 Jahre"


Täglicher Pensionssatz: 17,00 DM plus 10% Bedienung
Ärztliche Überwachung: 49,00 DM / Woche pauschal
Aufnahme- und Schlussuntersuchung: je 20,00 DM
Wäsche: 10,50 DM / Woche (Kleinkinder evtl. mehr)
Heizungszuschlag: 0,50 - 1,00 DM / Tag
Versicherungen: 1,50 DM einmalig
Beschulung: 45,00 DM / Monat

Kurz nach dem "Kuraufenthalt" bekam ich ein schwere Bronchitis.
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Bettina Brendel-Sonnenrein aus Bad Sachsa schrieb am 05.11.2020
Ich war 1976 zum Abnehmen für 6 Wochen zur Kur in Bad Sachsa (Harz). Im Sommer wurde ich 15 Jahre alt, meine 10-jährige Cousine war zeitgleich dort. Weil ich die Älteste war, traute man sich nicht mehr, mich zu drangsalieren, habe aber viel miterlebt. Es handelte sich um das "Kinderkrankenhaus im Borntal" in Bad Sachsa. Es bestand aus mehreren Holzhäusern in einer bergigen Wald- und Wiesenlandschaft. Wir waren zunächst in 10-Bett Schlafsälen untergebracht. Ich bekam später das Privileg eines Zweierzimmers. Kinder waren zum Abnehmen, Zunehmen und zur Erholung zusammengewürfelt. Jeder musste täglich seinen Stuhlgang den Diakonissen vorzeigen. Es wurde Strichliste geführt. Konnte ein Kind mal nicht, bekam es ein widerliches, schwarzes Granulat (ich glaube Faulbaumrinde o.ä.) verabreicht. Nicht wenige Kinder übergaben sich am Tisch danach und wurden von den alten Diakonissen gezwungen, ihr Erbrochenes aufzuessen. Allen Anderen wurde beim Zusehen auch ganz schlecht. Für die Kinder, die abnehmen sollten, gab es 600-700 Kalorien am Tag, bestehend aus 1 Apfel, 1 trockenen Scheibe Schwarzbrot und 1 kleinen Becher Magerjoghurt. Jeden Tag das Gleiche zum Frühstück und Abendbrot. Wir hatten ständig Hunger. Nach jeder Mahlzeit mussten wir uns das karge Mahl gleich wieder abtrainierenund eine halbe Stunde joggen im Gelände. Tagsüber hockten wir auf einem Rasenplatz mit Bänken , von Erzieherinnen beaufsichtigt und langweilten uns. Nur selten gingen wir spazieren und kamen aus dem Gelände heraus. Eines Tages kam ein neues Kind. Die Diakonissen erzählten uns, sie sei aus Berlin und unehelich. Diese Mädchen hatte stressbedingten, kreisrunden Haarausfall. Ich erlebte, dass die Diakonissen sie besonders gerne quälten. Sie musste stundenlang auf der Toilette ausharren, weil sie keinen Stuhlgang hatte. Sie sollte solange dort sitzenbleiben, bis es klappte. Das Kind weinte fürchterlich. Wenn wir nicht parierten, drohte man uns damit, es unseren Eltern zu sagen. Dann müssten diese die angeblich anfallenden Kosten von 200-250 DM selbst bezahlen, hieß es. Als ich noch im großen Schlafsaaluntergebracht war, hatten wir eines Abends einen organisierten Apfel reihum von Bett zu Bett geworfen, jede biss einmal ab. Plötzlich fiel der Apfel zu Boden. Die Tür ging auf, der Lichtstrahl vom Flur fiel direkt auf den Apfel und die Nachtschwester (70 Jahre, Diakonisse) tobte. Sie brüllte:"Wer war das?" Keiner antwortete. Meine Cousine hatte schlecht geworfen und vor lauter Stress musste sie dringend auf die Toilette. Die Diakoniise folgte ihr, baute sich vor der offenen Klotür auf und schrie sie die ganze Zeit an. Das war ein grausames Verhör. Meine Cousine weinte fürchterlich, sagte aber nichts. Solche Erlebnisse bleiben im Gedächtnis. Ich litt damals außerdem an Waschzwang. Da ich den dort gar nicht ausleben konnte, weil wir uns abends alle an einem Dutzend Waschbecken komplett einseifen mussten,in eine Reihe stellen und dann nacheinander in einer Wanne von zwei Diakonissen abgebraust wurden, erkämpfte ich mir das Recht, mich nach allen anderen allein zu duschen, um diesem entwürdigendem Ritual zu entkommen. Äußerst unangenehm waren die gemeinsamen Mahlzeiten, es waren auch geistig behinderte Kinder dabei. Volle Unterhosen, Schlüpfer ohne Gummiband, die ständig um die Füße fielen. Andere Kinder saßen mit ihren Süßigkeiten aus Fresspaketen abends neben uns vor dem Fernseher. Die waren zum Zunehmen dort und uns anderen knurrte der Magen bei Wasser und Brot! Das ganze war eine große Gelddruck-Maschine auf Kosten der Kinder, in der Diakonissen in Fortführung ihres Nazizeit-Gebahrens aus Kinderheimen (wie sie erzählten) ihre sadistische Ader und ihre antiquierten Moralvorstellungen an schutzlosen Kindern auslebten. Natürlich gab es auch ein Ärztehaus, dort wurden viele medizinische Untersuchungen gemacht, aufwendige Tests und psychologische Begutachtungen. Das Ganze unter der Leitung eines Chefarztes, der uns aber nie in der Unterbringung in den Holzhäusern aufsuchte. Ganz besonders schlimm war das ständige, nächtliche Wecken gegen 3 Uhr. Nacheinander mussten wir unseren Urin auf 3 Nachttöpfe verteilen, damit der Mittelstrahl-Urin ständig untersucht werden konnte. Nachtschwester Gertrud sei dank..., die ja schon ein ganzes Kinderheim vor den Russen evakuiert hatte und angeblich ihre Brust gegen das Maschinengewehr eines Soldaten gelehnt hatte, um ihre Furchtlosigkeit zu demonstrieren....Ich weiß, dass diese Klinik Kinder aus ganz Deutschland aufnahm und später noch öfter als vorbildlich in Sachen "Adipositas-Kuren" in den Medien auftrat.
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Birgit Heller-Meyer aus Schweiz schrieb am 05.11.2020
Es war Mai 1979. Ich war 10.5 Jahre alt. das Kurhaus hiess "Dr. Selter" in Brilon. Ich war dort 6 quälende Wochen lang. Ich fühlte mich weggesperrt, allein gelassen, hilflos, machtlos und hatte nur einen Wunsch: nach Hause.
Meine Mutter sagte mir, dass ich zur Kur dürfte, weil ich so zart und dünn bin. Also zur Erholung. Ich hatte damals gar keine Ahnung, warum ich Erholung brauchte und dafür auch noch von zuhause wegmusste. Es ging mir nirgends besser als bei meiner Mami.
Wer den Aufenthalt empfohlen oder organisiert hatte, weiss ich nicht. Aber ich weiss, dass unser Krankenversicherer die Barmer Ersatzkasse war.
Wir mussten ein Glas Essig Wasser vor dem Mittagessen trinken. Das sollte den Appetit fördern. Das Mittagessen wurde erst aufgetischt, wenn alle Kinder ihr Glas leergetrunken hatten.
Alle Kinder standen in der Reihe und mussten vor dem Schlafengehen einen Esslöffel Honig essen. Die Betreuerin hat den Löffel in den Mund eingeführt.
Sonntagabend kam die "grosse Tante Selter" und las den Kindern in einem grossen Raum Märchen vor. Ich erinnere mich, dass es einerseits schön war, aber auch mit Angst verbunden … Ich komme aber nicht drauf, was das Beängstigende war.
Alle Kinder wurden in einem grossen, kalten Duschraum gebracht. Der ganze nackte Körper wurde mit einer harten Bürste abgeschrubbt und danach kalt abgeduscht. Es war grausam. Es tat so weh. Und alles war so erniedrigend. Man war hilflos und wehrlos ausgeliefert.
Es wurden lange Spaziergänge durch den Wald gemacht. Ich fand das ganz toll. Aber die Spaziergänge waren für mich einfach zu lang, sodass ich dachte, ich würde bald zusammenbrechen. Aber jammern durfte man gar nicht.
Ich war krank, musste tagelang von morgens bis abends allein im Zimmer sein. Es wurde mir nur zu essen und zu trinken hingestellt. Es gab Märchen Kassetten zum Hören. Ich erinnere mich an "Aristocats". Ich hatte Halsschmerzen und Fieber und weinte den ganzen Tag vor lauter Heimweh. Fragte ich abends nach, ob ich am nächsten Tag wieder runter zu den anderen dürfte, sagte die Betreuerin, dass ich wieder runter darf, wenn das Fieber am Abend weniger ist. (Was natürlich Quatsch war, da Fieber am Abend immer steigt)
Als ich wieder gesund war, lag noch eine Woche vor mir. Das war die Hölle, da ich jeden Tag bitterlich wegen Heimweh weinte. Niemand spendete Trost.
Mir fehlten meine Eltern grausam. Ich war ein sehr, sehr zartes Kind, das ganz viel Liebe und Zuwendung brauchte, was ich auch zuhause bekam. In dem Kurhaus war ich plötzlich von 100 auf 0 gesetzt worden.
Ein Junge und ich wurden dabei erwischt, wie wir uns ein Küsschen gaben. Das hatte schlimme Konsequenzen. Aber ich weiss nicht mehr, was genau geschah. Es ist einfach nur die Erinnerung da, dass es Konsequenzen hatte und ich mich schlimm geschämt hatte. Daraufhin trauten der Junge und ich uns nicht einmal mehr miteinander zu reden.
Es herrschte immer ein sachlicher und strenger Tonfall. Keine Empathie wurde uns entgegengebracht. Kein liebes, beruhigendes Wort.
Wir durften Karten schreiben. Ich wollte unbedingt schreiben, wie doll Heimweh ich hatte, wie traurig ich war, wie krank ich war, dass das Essen schlecht war und ich Essig-Wasser trinken musste. Die Betreuerinnen liessen das aber nicht zu und zerrissen die Karten, bis ich eine Karte schrieb, wo nur Positives draufstand. Ich fühlte mich gefangen, ohne Chance darauf, dass irgendwer mein Leid erkennen würde und mich dort wegholen würde. Einmal schaffte ich es, auf einer Karte das zu schreiben, was ich wirklich fühlte. Und diese wurde nicht zerrissen. Ich hatte Hoffnung und wartete ewig darauf, dass meine Eltern mich retten würden. Aber die Karte kam zuhause nie an.
Meine Mutter hatte mir ein Taschengeld mitgegeben. Darauf war ich unglaublich stolz. Das Taschengeld wurde allen Kindern am ersten Tag weggenommen und wir sahen es erst kurz vor der Abreise wieder. Das Taschengeld durften wir für den Kauf von irgendwelchen Strohkörbchen oder anderen Krimskrams ausgeben, die wir den Eltern als Souvenir mitbringen sollten. Die Gegenstände wurden im Kurhaus bei einem "Basar" verkauft. Das wurde als grosses Event dargestellt. Die Sachen waren sehr teuer. Also haben sie daran gut verdient.
Einmal standen meine Eltern abends, es war schon dunkel, vor der Türe. Das ganz geschah ganz heimlich, wie sie mir sagten. Ich durfte sie einmal kurz drücken und flehte sie an, mich mitzunehmen. aber sie sagten, ich müsse ein grosses Mädchen sein und es dauere ja nicht mehr lang.
Ich weiss ganz, ganz vieles nicht mehr von den 6 Wochen. Ich weiss keinen einzigen Namen einer Betreuerin, sehe vor dem Inneren Auge keine Gesichter. Die einzigen Räume, an den ich mich vage erinnern kann, ist der Schlafraum unter dem Dach, der Duschraum, ein Teil des Raumes, wo wir vorgelesen bekamen. Das finde ich komisch. denn ich weiss sooo viel aus all den Jahren vorher.
Ich kann mich an drei Kinder erinnern. Ein blonder Junge und ein braunhaariges Mädchen in etwa meinem Alter, namens Frank und Iris. Ein kleiner Junge, vielleicht 4 Jahre, namens Nils.
Ich habe erst gestern Abend entdeckt, dass die Erinnerungen an meinen Kuraufenthalt in Brilon im Zusammenhang mit Verschickungskindern stehen. Ich wusste bis gestern Abend nichts davon. Seit Stunden befasse ich mich nun mit diesem Thema. Es kommt sehr viel in mir hoch.
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Petra H. aus Menden schrieb am 04.11.2020
Vor meiner Einschulung kam ich, knapp 6 Jahrealt, nach Bad Sassendorf. In meiner Heimatstadt wurde mir eine Frau vorgestellt, die mich begleiten und für mich verantwortlich sein sollte - nach Ankunft in Bad Sassendorf habe ich sie nie wieder gesehen!
Ich erinnere mich an ekliges Essen, an viele Kinder, die erbrochen haben und dann gezwungen wurden, das wieder zu essen. Zu trinken bekamen wir wenig, Kuscheltiere und später auch das Foto meiner Familie wurde mir weg genommen, es machte mir angeblich Heimweh.
Wenn man nachts im Bett weinte, kam die Nachtwache und kniff schmerzhaft ins Gesicht oder den Oberarm.
Nachts durften wir nicht zur Toilette, einmal konnte ich es nicht mehr aushalten und schlich mich hin, als ich die Schritte der "Aufsicht" hörte, bekam ich eine unglaubliche Angst, zog die Füße hoch und hoffte, dass sie mich nicht entdeckt, glaubte, dass sie mein Herzklopfen hören könnte - es ist zum Glück gut gegangen!
Dann wurden wir in so Holzbadewannen gesteckt, das war gruselig, wir waren alleine in diesem Raum (6-8 Kinder) und durften weder reden noch lachen....
Ostern bekam ich ein Paket, der Inhalt wurde unter allen Kindern aufgeteilt, das fand ich aber ok.
Eine junge Betreuerin las uns abends vom Flur aus Bücher vor, das habe ich geliebt und mir sooo gewünscht, sie nähme mich einfach mit nach Hause, ich hatte das Gefühl, von meiner Familie verlassen worden zu sein und war sehr, sehr einsam.
Ein Junge, Markus, war schon 7 Jahre alt, ging in die 1. Klasse und ich konnte einfach nicht glauben, dass er mir nicht helfen konnte, einen Brief an meine Mutter zu schreiben: damals traf ich die Entscheidung, sofort lesen und schreiben lernen zu wollen, um mich unabhängig zu machen und wurde irgendwie "hart", hatte das Gefühl, mich nur auf mich selbst verlassen zu können...
Ich wurde kurz vor Abreise krank, meinen Eltern sagte man nichts davon, sie haben regelmäßig angerufen und immer die Auskunft bekommen, es ginge mir gut - ich hatte sehr hohes Fieber....
Eine der Betreuerinnen hatte ein Feuermal im Gesicht-die ganze Kindheit über habe ich Angst vor Frauen mit einem ähnlichen Mal im Gesicht gehabt.
Wieder zu Hause hat sich meine Mutter beschwert, meinen Aussagen wurde nicht geglaubt!
Ich habe noch heute Albträume von dieser furchtbaren Zeit!
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Alfred Walter aus Erkrath schrieb am 04.11.2020
Hallo,
ich bin als Kind zwei mal zu einer "Kur" wegen Asthma verschickt worden. Das erste mal war ich in Bad Reichenhall, im Alter von ca. 4 Jahren, daran habe ich noch einige Erinnerungen.
Mit 7 Jahren wurde ich dann ein zweites Mal in Kur geschickt. Bis zum heutigen Tag wusste ich nur, das ich in Kur war, habe überhaupt keine Erinnerung an die Verschickung, rein gar nichts.
Heute hat meine Mutter mir eine alte Postkarte gezeigt, die am mich adressiert war, daher ist mir nun Ort und Zeitpunkt bekannt, Erinnerungen kommen jedoch nicht wieder!
Da ich überhaupt keine Erinnerung an diese Klinik und den Ereignissen Vorort habe, frage ich mich schon seit einiger Zeit, was da wohl vorgefallen ist.

Würde mich freuen, wenn sich jemand meldet der ungefähr zur gleichen Zeit Vorort war, eventuell kommen im Gespräch Erinnerungen wieder hoch.
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Marita aus Berlin schrieb am 04.11.2020
Ich war zweimal "verschickt" und hatte großes Glück, weil ich Brotränder mochte und mir das Essen, Spielen, Wandern und Schlafen mit vielen Kindern gefallen hat. Allerdings erinnere ich mich an Kinder mit Heimweh oder Bettnässer, denen erging es sehr schlecht. Eine Vorliebe, Graubrot mit Pflaumenmus, habe ich bis heute.

Mein Bruder hatte nicht so viel Glück, ihm wurde von anderen Kindern übel mitgespielt und die Erzieher haben ihm einen Zahn ausgeschlagen, als er sich hinter einer Tür vor den anderen Kindern versteckt hat. Danach sind wir nicht mehr verschickt worden.
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Dagmar aus Hopsten schrieb am 03.11.2020
Hallo,
Da ich als Kind untergewichtig war wurde meinen Eltern vom Arzt angeraten mich zur Kur zu schicken. Ein weiteres Kind (Jörg) aus meinem Kindergarten sollte ebenfalls nach Bad Karlshafen kommen. Wir wurden zusammen in den Zug gesetzt und von einer Betreuerin begleitet. Ich dachte es würde für mich ein riesiges Abenteuer werden. Jörg und ich wurden nach der Ankunft natürlich sofort getrennt da Jungen und Mädchen natürlich nicht zusammen bleiben durften.
Dann begann der blanke Horror. Ich kann mich leider nur noch bruchstückmässig erinnern aber ich weiß noch das wir gezwungen wurden immer alles komplett auf zu essen.
Viele Kinder hatten damit richtig Probleme und mussten dann sogar teilweise ihr Erbrochenes essen. Andere mussten stundenlang mit dem Gesicht zur Wand stehen.
Ich habe einmal Nachts vor Heimweh etwas lauter geweint und wurde dann zur Strafe die Nacht über in den Waschraum gesperrt der aber leider kein WC hatte. Ich machte mir in die Hose und wurde am nächsten Morgen vor den Augen aller Kinder sauber gemacht. Diese Demütigung habe ich niemals vergessen.
Es gab eine nette Nachtschwester..... Wenn die Dienst hatte konnte ich entspannt schlafen. Das Mädel im Nachbarbett hat sich nachts immer die Lippen blutig gebissen. Die nette Schwester versprach ihr eine Puppe wenn sie es sein ließe. Ich weiß noch das ich so eifersüchtig auf das Mädel war das ich selbst versuchte mir die Lippen blutig zu beißen (hat aber zum Glück nicht funktioniert)
Weiterhin kann ich mich an die Wanderungen erinnern. In Formation wie beim Militär..........
Die Schwestern schrieben für mich Postkarten..... in denen natürlich nicht das stand was ich meinen Eltern sagen wollte!
Als ich am Zug von meinen Eltern abgeholt wurde hatte ich das Sprechen
eingestellt. Ich weiß noch wie ich meinen Vater dafür gehasst habe das er darüber
gelacht hat und das niedlich fand das ich
scheinbar vor Heimweh das Sprechen
eingestellt hatte.
Danach habe ich das alles jahrzehntelang verdrängt bis ich zufällig im Internet auf dieses Thema gestoßen bin.
Im Moment bin ich eigentlich nur froh das das was ich erlebt habe endlich mal geglaubt wird!
Ich wurde immer als Kind mit einer blühenden Phantasie abgetan und habe später selber schon gedacht ich hätte das alles nur geträumt.
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Eike Claudia schrieb am 02.11.2020
Im Alter von 8 Jahren wurde ich im Sommer 1972 für 6 Wochen nach Braunlage ins Kinderkurheim Haus Liselotte verschickt. Ich war sehr dünn und sollte wohl "aufgepäppelt"werden.
Ich erinnere mich noch daran,dass meine Eltern mich zum Zug nach Rendsburg gebracht haben, dort bekam ich eine Karte um den Hals wo alle Daten von mir bzw mein Reiseziel draufstanden.Eine Zugbegleiterin hat während der Fahrt nach mir geschaut.
Im Heim wurde ich dann in ein Jungen-Zimmer gesteckt, da mein Vorname Eike sowohl männlich als auch weiblich verwendet wird.Zudem hatte ich einen Kurzhaarschnitt.Da ich sehr schüchtern war,traute ich mich nicht,dass Mißverständnis aufzuklären.Wie sich die Sache aufgeklärt hat, weiß ich nicht mehr.
Ich erinnere mich noch an einen Vanillepudding mit Zwieback,den wir Abend essen mussten. Nachts habe ich dann die Toilette vollgespuckt.
Wir durften die Fußball-WM 1972 sogar im Fernsehen verfolgen. Gewandert wurde ebenfalls und nach "Katzengold"gesucht.
Leider wurde ich während meines Aufenthalts von einem älteren Jungen mißbraucht. Es wurde nicht bemerkt und ich hatte es verdrängt. Wir durften nicht telefonieren, damit das Heimweh nicht noch größer wird. Eine der "Tanten" kam nach einiger Zeit zu mir,da meine Mutter angerufen und gefragt hatte, warum ich noch keine Karte geschrieben hätte. Danach musste ich regelmäßig Karten/Briefe schreiben.
Ich kam nach den Sommerferien mit 2-wöchiger Verspätung in die 3.Klasse. Das war schlimm,neue Mitschüler und Lehrer.Ich habe übrigens nicht zugenommen in den 6 Wochen.
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E Gerwin aus Kiel schrieb am 02.11.2020
Meine Mutter berichtet dass Sie als 9 o. 10 jährige verschickt wurde mit dem zug von Kiel aus allein in den Schwarzwald in ein Zeltlager namens Stöckl oder Stöckellager. Vom Zug wurde sie von einem "Pfadfinderjungen" abgeholt. Im Lager angekommen wurde sie mit einer Art Soldatengeschirr ausgestattet. Danach hat sie erst wieder Erinnerungen vom letzten Tag . Keine Freundschaften keine Erlebnisse keine Betreuer sie erinnert sich an nichts was man in dem Alter eigentlich wissen müsste.Sie erinnert sich aber dass sie kaum laufen konnte und geschleppt werden musste . Und im Zug "geübt" hat wieder zu laufen. Abgeholt vom zug wurde sie direkt vom Jugendamt also müsste man ja eigentlich irgendwas darüber festgehalten haben. Sie ist bis geute vorsichtig Medikamenten gegenüber und ist der Meinung dass dies zusammenhängen könnte.
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Doris Wieler schrieb am 02.11.2020
Vom 06.Juni bis 04.Juli 1966 verbrachte ich - noch nicht einmal vierjährig - meine "Ferien" in Norddorf auf Amrum. Meine Eltern machten parallel auch auf Amrum Urlaub. Ohne mich. Das war damals nicht unüblich. Heute ist das nicht mehr vorstellbar. Sie dachten, daß sie mir damit etwas Gutes tun, daß ich dann unter Kindern bin, mit denen ich spielen kann. Ich erinnere mich an schlimmstes Heimweh, daran, daß ich Angst hatte, daß meine Eltern mich nicht mehr abholen.
Eine Begebenheit hat sich bei mir eingebrannt:
ich lag in einem Gitterbett. An einem Morgen hatte ich ins Bett gesch... Da kam die "Erzieherin" mit allen Kindern. Alle stellten sich um mein Bett und die Erzieherin zeigte auf mich: "schaut, die macht immer noch ins Bett!". Es war grausam. Ich schämte mich fürchterlich.
Ansonsten erinnere ich mich nur noch an Milchsuppe mit Rosinen, die ich gar nicht schlecht fand. Und an ein großes Mädchen, was mit mir das Zimmer teilte und sich ein bißchen meiner annahm.
Auf den wenigen Fotos, die in meinem Album kleben, sehe ich unglücklich aus.
Interessant zu lesen ist der Hausprospekt, den ich auch noch habe. Der klingt nicht unsympathisch. In derzeitigen Pandemiezeiten sehr spannend die Bemerkung, daß man die Kleinkinder mindestens 14 Tage vor der Anreise aus dem Kindergarten nehmen soll, wegen möglicher Infektionsgefahr.
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Uwe aus Eschwege schrieb am 01.11.2020
Als 5-Jähriger aß ich schlecht. Ich hatte immer das Gefühl, ich würde ersticken, wenn ich etwas Festes schlucken sollte. Meine Mutter verzweifelte fast; sie schlug mich einerseits manchmal, wenn ich so ein „Theater“ machte, andererseits versuchte sie sogar, mir mit einem Mixer das Essen zu zerkleinern. Selbst weiße Bohnensuppe kriegte ich unzerkleinert nicht herunter. Natürlich verlor ich auch an Gewicht. Außerdem war ich einmal im Monat krank mit Fieber und Mandelentzündung.

Auf Anraten des Hausarztes wurde eine Kur in einem Kinderheim in Bad Karlshafen beantragt, die ich im Sommer 1965 antrat. Mein Cousin, der ein Jahr älter war als ich und eigentlich keinerlei Beschwerden hatte, wurde mir mitgegeben, damit ich dort nicht so allein war. Ich nahm auch einen Stoffhund und zwei meiner Lieblings-Cowboyfiguren mit.
Unsere Eltern durften uns nicht direkt dort hinbringen. Es war auch verboten, uns während der 6 Wochen zu besuchen.
Ich und mein Cousin wurden am Heimat-Bahnhof an eine Betreuerin übergeben, welche mit uns im Zug nach Karlshafen fuhr und uns dort im Foyer an irgendwelche Frauen übergab.
Die Begrüßung war unpersönlich und kalt, als wären wir eine Ware.
Man stellte dann sofort fest, dass wir zwei verschiedene Jahrgänge waren, was zur Folge hatte, dass eine der Frauen mit meinem Cousin sofort eine Etage höher ging, wo er in seine Jahrgangsgruppe kam.
Ich wurde in meine Jahrgangsgruppe gebracht, nachdem man mir mein Spielzeug abgenommen und gesagt hatte, dass dies weggeschlossen würde und ich es erst am Abreisetag wiederbekäme.

Meinen Cousin sah ich während der ganzen Zeit von 6 Wochen nur ein einziges Mal wieder, als mir nämlich seine Gruppe im Gänsemarsch meiner Gruppe in gleicher Formation auf dem Heimgelände entgegenkam. Er sah mich kaum an oder bemerkte mich nicht; als ich ihn rief und er herübersah, bekam ich von der „Gruppenführerin“ einen „Anschiß“, dass ich Ruhe zu halten hätte.
Erst am Entlassungstag sah ich ihn wieder.
Diese Formation war im übrigen die Regel beim Fortbewegen im Gruppenrahmen.

Das Personal – ich erinnere mich bis auf einen Mann nur an weibliches – war mit Schwester und Vornamen anzusprechen.
Die Chefin war eine ältere, grauhaarige Frau, „Schwester Marianne“. Die war ein Teufel, immer unfreundlich und laut. Sie hatte ihre Freude daran, uns zu schikanieren.

Es gab kaum etwas zu trinken; wir hatten sieben Tage die Woche von morgens bis abends Durst. Wer zum Frühstück seine Milch, seinen Kakao oder Tee nicht trinken wollte, wurde beschimpft und musste bis zum Abendbrot auf die nächste Gelegenheit zum Trinken warten. Deshalb an Wasserhähne zu gehen, war verboten und wurde bestraft. War das Personal – insbesondere die Marianne - der Meinung, man hätte sich während des Tages oder bei den Mahlzeiten nicht benommen, erhielt man weder Essen noch Trinken, sondern wurde für die Dauer der Mittagspause mit dem Gesicht zur Wand in eine Ecke des Speisesaals gestellt.
Ich musste des Öfteren durstig den Tag beginnen, weil ich die Haut, die sich auf der Milch oder dem Kakao bildete, eklig fand und ich es nicht fertigbrachte, das zu trinken.
Obwohl schon anfangs mehrfach deutlich erkennbar war, dass ich einen Ekel davor hatte, wurde mir immer wieder Kakao oder Milch mit Haut hingestellt.

Ein-, manchmal auch zweimal mal die Woche erschienen zur Schlafenszeit auf den Stuben, auf denen wir zu mehreren (ca. 6-8?) lagen, zwei jüngere Schwestern mit einem 10-liter-Eimer voller Tee. Wir konnten dann „antreten“ und man füllte uns dann daraus unsere Zahnputzbecher und wir konnten so lange trinken, bis er leer war. Das war das Paradies. Dann war Bettruhe angeordnet. Bis zum Wecken hatte niemand das Bett zu verlassen. Auf den Fluren schoben Schwestern Wache. Wurde jemand erwischt, der auf die Toilette wollte oder gar im Waschraum Wasser trinken, setzte es an Ort und Stelle Prügel. Das Geschrei hörte man bis auf die Stube. Besonders „schön“ war es dann, wenn es jemand von er eigenen Stube erwischt hatte. Der „Verbrecher“ wurde dann heulend und mit entsprechenden Ermahnungen, Ruhe zu geben und aufzuhören mit Heulen, ins Zimmer gebracht, wo er sich sofort wieder hinlegen musste. Natürlich hörte der nicht auf zu heulen, sondern unterhielt alle anderen noch eine Weile mit seinem Geschluchze. Ich hatte dermaßen Angst vor dieser Behandlung, dass ich 5 Wochen lang den nächtlichen Durst aushielt und mir jeden Toilettengang nach der befohlenen Nachtruhe verkniff. Gott sei Dank machte ich auch dabei nicht in die Hose, denn dann wären wieder Prügel fällig gewesen, was bei anderen auch vorkam. Aber mancher hatte auch Glück und wurde nicht beim heimlichen Wassertrinken erwischt.

Eine Woche lang hatte ich überhaupt nichts auszustehen, im Gegenteil. Ich wurde – wie so oft damals – krank und bekam Fieber und eine Mandelentzündung. Daraufhin wurde ich in die Krankenabteilung des Kinderheims eingewiesen. Dort kümmerte sich eine ältere Schwester sehr liebevoll um mich. Ich hatte das Gefühl, sie sei nur für mich da, so oft war sie bei mir und so oft ich Durst oder Hunger hatte, bekam ich es sofort.

Bei der Einnahme des Mittagessens saßen wir mit einer ganzen Gruppe rings um einen eckigen Tisch im Speisesaal, genau wie andere Gruppen dort auch. Einmal gab es Suppe mit Stücken einer großen Kochwurst darin, wo noch Schale dran war. Diese brachte ich wieder nicht herunter. Die Schwestern setzten mir vergeblich zu, diese Wurststücke zu essen. Ich versuchte zu erklären, dass ich die mit der Schale nicht essen kann, weil ich dann wieder das Erstickungsgefühl bekomme, aber das hat insbesondere die Marianne überhaupt nicht interessiert. Nachdem alles Drohen und Schimpfen nichts brachte, durfte ich mich in die Ecke stellen wie schon beschrieben. Ein anderes Mal wollte ein Leidens- und Tischgenosse von mir –ich weiß heute noch seinen Namen: Max – seine Tomatensuppe nicht essen. Diesem wurde dann der Kopf bzw. mit dem Gesicht in die Tomatensuppe getaucht. Für mich war das ein schrecklicher Anblick, wie ihm die blutähnliche Flüssigkeit über das ganze Gesicht lief und er heulte wie ein Schlosshund.

Auf Wünsche wurde keine Rücksicht genommen. So gingen wir z. B. mit vielen Kindern in die Stadt zu einem Kiosk, wo es eine Menge an Souvenirs zu kaufen gab und wo wir auch etwas kaufen durften oder sogar kaufen sollten. Meine Eltern hatten mir ein kleines hellblaues Portemonnaie mitgegeben, das sie aber schon der Begleiterin am Bahnhof aushändigten. Ich selbst wusste gar nicht, wie viel Geld darin war. Ich kann mich auch nicht erinnern, es danach – bis auf diesen Kioskbesuch – noch einmal gesehen zu haben. Eine Schwester hatte es bei diesem Ausflug in Verwahrung. Nachdem wir uns die Souvenirs angesehen hatten, entschied ich mich für zwei kleine Ziegenbockfiguren, einer schwarz, einer weiß, welche – wenn man sie nahe genug aneinanderkommen ließ - (mittels Magneten) mit den Köpfen zusammenstießen. Das faszinierte mich und ich fand es lustig. Als ich das der Schwester, welche mein Geld aufbewahrte, sagte, kaufte sie mir – ein kleines Hexenhäuschen aus Kunststoff, wo man durch ein Sichtfenster Bilder von Bad Karlshafen betrachten konnte und mittels Druck auf den Schornstein immer ein neues Bild aufrufen konnte. Das Ding interessierte mich nun überhaupt nicht und ich war enttäuscht, aber meine Bitte auf Umtausch wurde ignoriert.

Weiter erinnere ich mich noch an einen Ausflug, bei dem wir mit ca 20 – 25 Kindern durch Wald und Flur marschierten. Dabei stolperte der schon erwähnte kleine Max auf einem geschotterten Feldweg und schlug sich beide Knie auf, so dass es blutete und er erbärmlich anfing zu weinen. Sofort war eine Schwester da und forderte ihn auf, aufzustehen und weiterzumarschieren. Er blieb hocken, brüllte vor sich hin und jammerte, dass er so nicht weitergehen könne. Ohne sich überhaupt um die Verletzung groß zu kümmern, wurde ihm gesagt, dass alle anderen jetzt weitergehen und er es sich aussuchen könne, ob er mitkommt oder liegenbleibt. Das wurde dann auch so durchgeführt und die Kolonne setzte sich wieder in Bewegung. Ich verstand die Angst vom Max recht gut, denn wir wussten ja überhaupt nicht, wo wir waren und wie wir zurückfinden sollten, wenn man den Anschluss verliert. Trotzdem blieb ich reichlich hilflos bei ihm stehen, während die anderen sich langsam entfernten. Ich war hin und hergerissen zwischen meinem Freund, den ich nicht im Stich lassen wollte und der sein Geheul noch steigerte, als er sah, dass die anderen tatsächlich weitergehen und meiner Angst, auch den Anschluss zu verlieren und nicht mehr zurückzufinden. Als die Gruppe schon recht weit weg war, ließ ich Max Max sein und rannte hinterher. Ich drehte mich aber noch ein paarmal um. Dann sah ich plötzlich, dass auch er angerannt kam, heulend, humpelnd und mit blutigen Knien. Er hielt dann durch, bis wir wieder in der Anstalt waren.
Nach 6 Wochen sollte es dann (endlich) wieder nach Hause gehen. Als ich kurz vor der Abreise eine Schwester an mein Spielzeug erinnerte, das ich wiederhaben wollte, wurde mir gesagt, davon wisse man nichts. Man machte sich noch nicht mal die Mühe, nachzusehen.
Wir wurden wieder in Begleitung mit dem Zug nach Hause gefahren, wo wir am Bahnhof von unseren Eltern in Empfang genommen wurden. Ich erinnere mich da an keine Einzelheiten mehr; nur an das, was mir meine Eltern mehrfach in den folgenden Jahren, wenn mal das Thema darauf kam, erzählten:
Ich sei abgemagert gewesen und hätte noch mehr an Gewicht verloren, obwohl ich schon vor Beginn untergewichtig war. Zudem hätte ich die Krätze gehabt. Meine Mutter soll bei meinem Anblick geheult haben. Mein Vater fühlte sich an ausgemergelte Kriegsheimkehrer erinnert.

Mein Cousin (bereits 1994 durch Suizid nach psychischer Krankheit verstorben) erzählte nach der Kur seinen Eltern, er habe auch sein Erbrochenes essen müssen.
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Bernhard aus Nürnberg schrieb am 01.11.2020
Hallo,
Ich wurde in der 2. Klasse Grundschule für 6 Wochen auf "Erhohlung" geschickt. Der Schularzt hatte gemeint, Ich wäre untergewichtig.
Meine Mutter war geschieden und musste arbeiten. Sie hatte einen neuen Partner und war vermutlich froh, mich loszuwerden. Wir schliefen in 8 Bett Zimmern und ich war der Jüngste mit knapp 8 Jahren. Es war wie im Gefängnis. Man durfte nachts nicht das Zimmer verlassen. Besuch war verboten. Man musste vorfrankierte Kuverts mit Heimatadresse mitbringen. 1xwöchentlich musste man einen vorgeschriebenen Text von der Tafel abschreiben, der dann nach Hause verschickt wurde. Post von daheim wurde geöffnet und zensiert. Täglich wurde einer von jeder Stube zum Putzdienst verdonnert, meine Mitbewohner zwangen mich, das zu machen weil ich der Jüngste war und schlugen mich täglich. Man glaubte mir nicht und es wurde immer schlimmer. Sie zwangen mich, den ekelhaften Frass, den man uns dort vorsetzte, zu essen. Wer sich weigerte, wurde von 2 Pflegern festgehalten und mit zugehaltener Nase zwangs gefüttert. Als ich mich danach übergab, kam ich in Einzelhaft. Wurde eingesperrt in ein Zimmer mit vergitterten Fenstern und ich durfte nur zum Essen raus. Meinen 8. Geburtstag musste ich dort allein "feiern".
Es war eine einzige Qual und nachdem es mir schlecht ging, wurde eine Ausnahme gemacht und meine Mutter durfte mich 1x besuchen. Sie kam mit ihrem neuen Partner und die beiden erzählten mir, wie schön es doch hier wäre. Ich wäre ja schon ein großer Junge und soll durchhalten.
Nach für mich ewigen 6 Wochen kam ich heim und hatte 1 Kilo abgenommen. Bis heute denke ich mit Schrecken zurück.
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Karina Schmidt aus Konstanz schrieb am 31.10.2020
Hallo alle zusammen ,
Ich war 1975 oder 1976 ,also 5 oder 6 Jahre alt ,in Königsfeld im Kindersanatorium Luisenruhe , auch bekannt als Kinderheim Luisental .
Ich wurde wegen einer Lungenentzündung und Untergewicht dort hingeschickt .
Ich kann mich an die Umstände dort noch gut erinnern .
Es war Menschenunwürdig !!!
Ich musste Erbrochenes essen , barfüssig nachts hinter der Tür stehen, auf dem kalten Boden . Man durfte sich im Bett nicht drehen u.s.w.
Ich komme aus einem sehr schwierigen Elternhaus .
Also von einer Hölle in die andere .
Ich habe noch Bilder von Ausflügen , also wo auch die Kinder drauf sind , die in der Zeit mit mir dort wahren .
Auch eine Postkarte die mir meine Geschwister geschickt haben.

Ich versuche schon seit 2008 etwas mehr über die Zeit dort heraus zu finden .
Ich weis das es heute ein Hotel ist und von außen noch so aussieht wie früher .

Vielen vielen Dank
Dank an alle
Vor allem an Frau Röhl
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Sabine aus Mittelberg/Oy schrieb am 30.10.2020
Ich war 6 Wochen lang in Mittelberg/Oy im Kindererholungsheim. Wir durften kein Besuch bekommen und wurden immer zum Aufessen gezwungen. Wir mussten so lange am Tisch sitzen bleiben, bis wir aufgegessen hatten. Ich konnte jahrelang keinen Kaiserschmarrn essen oder nur riechen, weil es mich daran erinnert hat. Nachts saßen die Nonnen auf dem Flur vor unseren Zimmern und haben uns nicht auf die Toilette gelassen. Meine liebe Mitbewohnerin und ich haben ins Waschbecken gemacht, weil Bettnässen streng bestraft wurde. Wir hatten großes Heimweh und haben viel geweint. Als ich zuhause war, habe ich es verdrängt und gedacht, es war nur ein Traum. Aber es gibt Fotos. Meine Zimmergenossin hatte eine Narbe in Spinnenform auf der Stirn.
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Volker P Andelfinger aus Annweiler am Trifels schrieb am 30.10.2020
Ich war zwei Mal in einem Verschickungsheim, weil ich chronische Bronchitis hatte. Meine Eltern wollten mir etwas Gutes tun, der Kirche hat man damals ohne viel Nachdenken vertraut. An den Aufenthalt im Kloster Gethsemani am Donnersberg habe ich kaum Erinnerungen, es gibt nur ein Foto. Wochenlang die Eltern nicht zu sehen war schlimm, ansonsten wusste ich nur von einem Turm auf dem Berg. Neulich bin ich mit dem Motorrad zum Donnersberg raufgefahren, habe nach dem Heim gesucht. Erst als ich die Straße wieder runtergefahren bin hatte ich so ein Bauchgefühl, das Kloster könnt es sein. Ich traf dort eine alte Nonne, die mir freundlich erklärte, dass das hier das Heim gewesen sei, aber die alten Gebäude seien größtenteils ersetzt oder abgerissen.
Schlimm war es in St. Peter Ording. Mit dem Zug ohne Eltern so weit weg, alles unbekannt, keiner verstand mein Pfälzisch, Hochdeutsch war nicht meine Sprache, der seltsame Tee am Bahnhof in Hamburg. Im Heim war ich schließlich die meiste Zeit krank, schlimmer als zu Hause. Das Essen war gruselig. Wenn ich Hunger hatte, nahm ich schon mal einen Happen von der Himbeer-Zahncreme. Und man brachte mich zum Arzt wegen der Bronchitis. Da bekam ich eine Spritze und anschließend konnte ich nicht mehr laufen, wurde von den anderen Kindern separiert, musste Wochen länger bleiben. Meine Eltern waren schockiert, als sie mich dann zu Hause am Bahnhof in Landau abholten, mein Zustand war elend. Es hieß hinterher, ich hätte versehentlich eine Spritze für Erwachsene bekommen. Vor ein paar Jahren bin ich im Urlaub mit der Familie nach St. Peter Ording gefahren. Das Heim habe ich ohne lange Suche sofort gefunden, so sehr hatte sich das dem kleinen Kind eingebrannt. Was war das für eine Spritze, was haben die da gemacht? Ich weiß noch nicht, wie ich weiter damit umgehen soll.
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Sabine schrieb am 30.10.2020
Ich war 1982 im Sommer 6 Wochen in Glücksburg. Ich wurde zum Bahnhof gebracht und musste wahnsinnig lange im Zug fahren mit fremden Kindern und einer Betreuerin vom DRK. Im Kinderheim gab es viele Strafen, u. a. Essenszwang, Kirchenzwang, Stehen, Schlafentzug, Schläge. Als sich ein Mädchen gewehrt hat und der Erzieherin das Gesicht zerkratzte, wurde es schlagartig entfernt und wir anderen haben es nicht mehr gesehen.

Ich war gerade 7 Jahre alt geworden, hatte ganz schrecklich Heimweh und wurde regelmäßig geschlagen. Sie haben versucht, mir zu viert Blumenkohlsuppe einzuflößen. 3 hielten mich fest, eine stopfte mehrere Löffel voll in meinen Mund. Ich habe alle vollgekotzt. Dann haben sie mich wenigstens mit dem Essen in Ruhe gelassen.

Ich musste in einem Gitterbett schlafen. Mit 7 Jahren! Das war so hoch, dass man nur mit Anstrengungen raus klettern konnte. Die Erzieherinnen kamen aber immer kontrollieren, ob alle drin sind.

Es gab einen Ausflug zum Strand. Dort waren Quallen im Wasser. Ich ekelte mich. Die anderen Kinder bewarfen mich mit Quallen und die Erzieherinnen machten nichts dagegen.

Es gab Post von den Eltern und man konnte zurück schreiben, wenn man genug Taschengeld für die Briefmarken hatte.

Ich habe keine einzige GUTE Erinnerung daran.

Das Heim befand sich in Sandwig, einem Stadtteil von Glücksburg. Es wurde noch in den 80er Jahren abgerissen, wie mir die Stadtverwaltung Glücksburg mitgeteilt hat.

Ich bin heute noch extrem, was Essen betrifft und ich kann nicht alleine sein.
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Angelika Wirtz aus Oberhausen schrieb am 29.10.2020
Im Sommer 1964 war ich für 6 Wochen im Haus Wunderland, Nähe Freudenstadt im Schwarzwald. Ich erinnere mich nicht mehr daran, ob ich Angst hatte alleine dort hin zu fahren.
Bis auf negative Erfahrungen bzgl. des Essens (Ich möchte zu dem Zeitpunkt vieles nicht) musste es dann aber doch essen, habe ich selbst keine Gewalt erfahren. Aber andere Kinder, z.B. diejenigen, die aus Angst angefangen hatten, wieder ins Bett zumachen, müssten ihr Frühstück auf der sogenannten,,Pisserbank" einnehmen. Mussten sich hinstellen und wurden ausgelacht. Das fand ich sehr schlimm. Nachts durften wir nicht zur Toilette und ich war jeden Morgen froh, dass es mir nicht passiert ist. Da ich aber immer sehr lange gebraucht habe, bis ich mit dem Essen fertig war, auch was nicht schmeckte, musste aufgegessen werden, bekamen alle Mädchen aus meinem Zimmer oft kein Betthupferl. Ich war öfter die letzte im Speisesaal und wenn ich dann ins Zimmer kam, bekam ich öfter von meinen Zimmergenossinnen eine Backpfeife. Dann habe ich geweint. Auch in diesem Heim gab es freundliche und strenge ,,Tanten". Ich habe meinen 8.Geburtstag dort gefeiert, eine ,,Tante"hatte am gleichen Tag Geburtstag. Sie war immer lieb zu mir. Ich würde dem Heim die Note 3 geben.
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Ingrid aus Tübingen schrieb am 29.10.2020
Ich wurde von meiner Mutter in den Zug gesetzt. Sie war der Meinung, dass ich zu dünn war. Die Ärztin empfahl aufgrund meiner Allergien Kinderheim Friedrichs an der Nordsee.
Wir bekamen oft seltsame Milchsuppe zu essen. Das Essen ist mir als fürchterlich in Erinnerung. Ich wurde gezwungen versalzenen Kartoffelbrei zu essen. Mir war danach schlecht, so dass ich mich erbrach. Wir wurden gezwungen zu essen, der Teller musste leer sein. Zu trinken gab es kaum etwas, wahrscheinlich, weil viele Kinder in die Stahlbetten nässten. Die meisten weinten vor lauter Heimweh abends in die Kissen. Ich erinnere mich an den ständigen Durst den ich hatte.
Auch wurde ich bestohlen: Taschengeld, dass ich von zu Hause mitbekam, Kleider, Gummistiefel. Es wurde einer nach dem anderen krank: Fieber. Auch ich würde lieblos ins Bett gesteckt und den ganzen Tag kümmerte sich niemand um mich. Auch wurden wir regelmäßig gewogen und es wurde geschimpft, wenn man nicht zugenommen hatte. Sechs lange, ewig lange Wochen war ich dort. Es war schrecklich. Eine Kinderaufseherin hieß Frauke.
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Felicitas Winter aus Köln schrieb am 29.10.2020
Ich wurde mit 5 Jahren zusammen mit meinem 1 Jahr jüngeren Bruder ins C,aritas-Waisenhaus am Kaltenberg in Wesel gebracht, wo wir ca. 6 Wochen verbringen mussten. Das Haus wurde von Ordensschwestern geführt. Wir durften uns nicht von unserer Mutter verabschieden und niemand hat ein persönliches Gespräch mit uns geführt. Man teilte uns nur den Tagesablauf und die Regeln mit, dann hielten wir etwa 6 Wochen fast die Luft an vor Angst, ob unsere Mutter jemals wiederkommen würde. Erst einen Tag vorher sagte man uns, dass unsere Mutter morgen kommen würde.
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Renate aus Warstein schrieb am 29.10.2020
Ich bin als Siebenjährige 6 Wochen ganz allein in einem sogenannten Erholungsheim auf Amrum gewesen.
Mit Erstaunen stelle ich fest, dass ich damit nicht allein bin, offenbar wurden viele in den 1960er und 1970er Jahren verschickt.
Ich wurde Zeuge von Kindesmisshandlungen durch die sogenannten Erzieherinnen, wir haben sie Hexen getauft.
Immer gab es die verhasste Milchsuppe vor dem Mittagessen, die wollten aus uns Stopfgänse machen. Wer sein Mittagessen nicht geschafft hat, wurde so lange am Tisch gelassen, bis man alles, irgendwie musste es ja gehen, aufgegessen hatte. Unterdessen waren alle anderen schon draußen. Einmal habe ich gesehen, wie ein Kind die Blaubeeren-Suppe nicht essen wollte. Da hat eine Erzieherin den kleinen Jungen auf den Schoß gesetzt und ihn gefüttert. Der Junge erbrach sich, das wurde trotzdem reingeschaufelt! Es war schlimm, das mit anzusehen. Wir waren durch solche Methoden gezwungen, auf jeden Fall alles aufzuessen, was serviert wurde.
Es gab nur eine Erzieherin, die freundlich war, an dieser hingen die Kleinen wie die Trauben. Unfassbar, dass sogar Vierjährige dort waren! Ich habe ihnen in der Mittagspause, weil ich nicht schlafen musste, Kinderbücher vorgelesen, das war der Saal der Vierjährigen, die Masern hatten. Überhaupt brachen dort verschiedene Krankheiten aus, zum Beispiel bin ich mit Windpocken nach Hause gekommen. Auch mit Alpträumen und Problemen beim Einschlafen. Diese Probleme habe ich bis heute.
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Jürgen R. schrieb am 29.10.2020
Ich habe vor ein paar Monaten in unsere Tageszeitung einen Bericht über Verschickungskinder gelesen und war wie vorm Kopf geschlagen, habe keine Luft mehr bekommen und musste den Frühstücksraum verlassen. Ich war ca. 9 Jahre alt, als ich für 6 Wochen nach Langeoog musste. Ich leide heute noch unter den Folgen der Bestrafungen für Kleinigkeiten (Papierflugzeuge aus dem Fenster fliegen lassen), was ich nie verstanden habe. Ich musste die ganze Nacht im Speiseraum in einer Ecke stehen, konnte nicht zur Toilette gehen, da der Aufgang zum ersten Stock mit einem Holzgitter verschlossen war. Ich habe versucht es so lange zu unterdrücken, bis ich vor Schmerzen es nicht mehr ausgehalten habe und es laufen ließ, auch dafür wurde ich am anderen Morgen wieder bestraft indem ich nicht mit zum Strand durfte und unten in der Küche helfen musste. Das Essen musste aufgegessen werden, selbst wenn man schon am Würgen war. Lange Spaziermärsche, selbst wenn man wegen Blasen an den Füßen nicht mehr laufen konnte. Dann wurden die Häutchen an den Fingernägeln immer unter starken Schmerzen hochgeschoben (der Halbmond musste immer zu sehen sein) keine Ahnung warum. Ich leide heute noch unter den Erlebnisse, konnte es damals auch niemanden erzählen, selbst meine Eltern nicht. Wache heute noch nachts auf, voller Panik, dass ich in der Dunkelheit die Toilette nicht finde und es dann nicht rechtzeitig schaffe. Ich bin froh dass ich nicht alleine mit dem Erlebnis bin und konnte jetzt mit meiner Frau darüber sprechen, warum ich öfter mich merkwürdig in gewisser Situationen verhalte. Wir waren im Sommer für einen Tag auf Langeoog, habe sehr mit mir gerungen es zu machen, habe das Heim sogar wieder gefunden es wurde zu einem Mutter/Kind Haus umgebaut. Ich stand davor und konnte die Tränen nicht zurückhalten und habe es heraus geschrien, es kamen noch viel mehr an Erinnerung hoch. Ich war froh, dass meine Frau dabei war, mich getröstet hat und mich darin bestärkt hat, dorthin zu fahren um mit der Vergangenheit abzuschließen. Ich versuche es zumindest.
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Sonja Meis aus Brühl schrieb am 29.10.2020
Ich bin mit 8 Jahren in den Schwarzwald verschickt worden, den Namen der Einrichtung weiß ich nicht, es war nahe am Feldberg. Ich war noch nie von meiner Familie weg und dann direkt 6 Wochen, ich war angeblich zu schmächtig. Mit dem Bummelzug dauerte die Fahrt 12 Stunden, die Tante, die uns begleitete war die einzige nette Person, die mir in den 6 Wochen begegnet ist. Bei Ankunft im Heim gab es nur ne Tasse ekligen Tee und nichts zu essen (ich hatte soo einen Hunger weil ich ja den ganzen Tag nichts vernünftiges gegessen hatte). Der Schlafsaal war riesig, sicher auf jeder Seite 5 oder 6 Betten, ich hatte das 2. auf der linken Seite. In der Nacht suchte ich ein Tempo und bin direkt angemeckert worden, das doch zu lassen. Gott sei Dank war es die erste Nacht, in den anderen Nächten musste der , der nicht schlief eine Stunde mit nackten Füßen auf dem Flur stehen. Die Schritte der Nachtwache habe ich heute noch im Kopf, die ging die ganze Nacht auf und ab. Das Mittagessen war furchtbar für mich, ich kannte und mochte auch viele Sachen nicht, die es da gab, wir mussten aber immer alles essen was auf dem Teller war. Tagsüber sind wir eigentlich nur gelaufen, ich erinnere mich an stundenlange Wanderungen, teilweise durch Schnee. 1x in der Woche gab es eine Mark Taschengeld, die wir dann direkt in Süßigkeiten umgesetzt haben. Wenn man nicht alles direkt aufgegessen hat, lief man immer Gefahr dass jemand anderes sich einfach aus dem Schrank, wo die Sachen "eingeschlossen" waren was nahm. Pakete von Zuhause wurden aufgeteilt. Briefe wurden kontrolliert, man durfte nichts negatives oder irgendwas von Heimweh schreiben. Ich habe sehr viele Briefe und Karten geschrieben, aber dass ich mal einen Brief von Zuhause bekommen hätte, daran erinnere ich mich nicht. Ich hatte immer sehr Angst vor den Untersuchungen, weil uns niemand im Vorfeld sagte, was da passiert. Ein Mädchen verschwand irgendwann auf die Krankenstation, wir haben nie wieder was von ihr gehört. Das war die schrecklichste Zeit meines Lebens, und ich hab mir damals schon geschworen, wenn ich mal Kinder habe tue ich ihnen so etwas nicht an. Vor einigen Wochen unterhielt ich mich mit einer Freundin und wir kamen zu dem Schluss, dass wir wohl in der selben Einrichtung gewesen sein mussten. Das einzig gute an der ganzen Sache war, dass die Sommerferien begannen, 2 Tage nachdem ich wieder zu hause war.
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Weber schrieb am 28.10.2020
Wurde mit 3 Jahren dorthin geschickt.
Bei Ankunft musste alles Essen was als Proviant mitgegeben wurde abgegeben werden.
Es gab einheitliche Kleidung für alle Kinder dort.
Einmal während der Nacht eingenässt und Bescheid gegeben deswegen-Folge war, dass ich ohne Unterhose auf dem kalten Flur stehen musste in meiner Erinnerung ziemlich lange. Irgendwann wurde mir eine Bettdecke hingeschmissen dort und ich durfte mich setzen. Musste trotzdem die ganze Nacht auf dem kalten Flur verbringen.
Spaziergänge fanden ausschließlich in der für mich sehr bergigen Umgebung statt. Vll. daher meine Höhenangst heute.
Irgendein Fest gab es auch im Garten.
Kaltes Abduschen gehörte zur Kur.
Postkarten wurden von den Erzieherinnen geschrieben.
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Emma G. schrieb am 28.10.2020
Zum ersten Mal erfahre ich heute, das ich damit gar nicht alleine bin. Und tatsächlich kostet es meinen Fingern gerade Überwindung, etwas zu tippen.
Meine Erinnerungen geben mir aber nichts klares her. Nur die Gefühle toben. Das macht es zusätzlich schwer, das jemand einem glaubt.
Das Einzige was ich klar weiß:
Ich wurde mit ca 9 Jahren in ein Kinderheim auf Westerland Sylt verschickt. Für eine Ewigkeit von sechs Wochen. Begründung: ich war zu klein und dünn. Die Kindergruppen hatten Namen von Farben. Ich war in der braunen Gruppe. Die Ältesten Gold, Silber und Bronze.
Am Abend von der Abfahrt (ich hatte große Angst) ging es mir so schlecht, dass sogar ein Notarzt kam. Weder Arzt, noch meine Eltern ließen von der Entscheidung ab und so musste ich fahren.
Ich weiß, es ging /erging mir dort nicht gut, habe nur Fragmente der Erinnerung und die Sicherheit meiner panischen Gefühle an diese Zeit. Bin ich ein Opfer? Gehöre ich zu euch? Ich weiß es nicht.
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Ralf Grunenberg aus Esslingen schrieb am 28.10.2020
Verschickungsjahr 1977
Ort: Amrum
Name der Einrichtung: keine Erinnerung
Dauer: 6 Wochen

Hallo, ich habe diese Seite und die Aktion dahinter erst kürzlich entdeckt und möchte dies mit meinem kleinen Beitrag unterstützen.

Ich war im Jahr 1977 auf Amrum, keine 7 Jahre alt. An die Zeit habe ich nur bruchstückhafte Erinnerungen - überwiegend negativer Art. Ohne dies jetzt romanartig runterzuschreiben, hier folgende Erinnerungen...

Es gab Essenszwang: wer nicht aufgegessen hat, musste sitzen bleiben, bis der Teller leer war. In Reih und Glied ging es wieder aufs Zimmer und wer nicht ordentlich in der Reihe stand, dem wurde der Kopf gegen die Wand geschlagen - dies durfte ich erfahren. Es gab eine "Betreuerin", die da besonders "intensiv" unterwegs war.
Zum Duschen wurden Mädchen und Jungs gemeinsam in den Waschraum gesteckt, mussten sich dort freimachen und duschen/waschen. Alles ziemlich ruppig und lieblos. Keine Ausnahmen.
Ich erinnere mich aber auch an eine sehr nette Heimleiterin, bei der ich mir alle paar Tage eine Glasampulle mit Vitaminen (so hieß es zumindest) abgeholt habe, die ich direkt bei ihr trinken musste.

Eine andere eher positive Erinnerung war das "Comiczimmer", in dem man sich mit Comics eindecken konnte. Bücher gab es dort wohl auch.

Weitere Erinnerungen habe ich nicht, würde mich aber über andere Leute freuen, die in der Zeit auch dort waren und sich austauschen möchten.

Liebe Grüße
Ralf
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Loki schrieb am 28.10.2020
Ich war wahrscheinlich im Haus Felicitas in Bad Wiessee am Tegernsee, in den Jahren 1963 oder 1964. Ich war damals erst 2 oder 3 Jahre alt, daher habe ich wenige Erinnerungen. Haus Felicitas war damals angeblich das einzige Kindererholungsheim in Bad Wiessee, dass so junge Kinder genommen hat. Ich habe nur so Blitzlichter im Kopf, was meine Erlebnisse betrifft. Einmal haben wir an kleinen Tischen und kleinen Stühlen Mandarinenstücke gegessen, die auf Tellern zu Kreisen gelegt waren.
Ich erinnere mich auch, mit kleinen Holzfiguren gespielt zu haben, kleine Holztierchen, Bauernhoftiere. Zum Mittagsschlaf mussten wir auf Holzklappliegen auf den typischen Balkonen/Galerien liegen, die die Häuser dort heute immer noch haben. Soweit ich mich richtig erinnere, war das Bettzeug blaukariert. Den Rest habe ich vergessen oder verdrängt. Meine Mutter sagt heute, ich wäre dort etwa vier Wochen gewesen. Sie hätte mich vorzeitig abgeholt. Ich hätte an dem Tag in die Hose gemacht, es hätte aber niemanden dort interessiert, ich wäre mit nassen Klamotten herumgelaufen. Der damalige Besitzer des Hauses war laut Gemeinde ein Professor, der in der Nazi-Zeit bei der SA war. Ob er sich tatsächlich selbst um das Heim gekümmert hat, weiß ich nicht.
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Erich schrieb am 27.10.2020
Ich war mit 5 Jahren für 6 Wochen auf Borkum. Habe nicht mehr oft daran gedacht, bis mein eigener Sohn 5 Jahre alt war und ich erkannt habe, wie zerbrechlich Kinder in dem Alter sind. Seit dem beschäftigt mich mein Aufenthalt dort und was er wohl aus mir gemacht hat. Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern. Das Heim hatte einen langen weisen Flachbau mit Schlafräumen zu einer Seite hin und Duschen über den Flur zur anderen. Der Essraum war größer und vermutlich in einem separaten Gebäude. Wenn ich mir Fotos im Internet anschaue kommen da mehrere Häuser in Frage, ohne dass ich es mit Bestimmtheit sagen kann. Ich würde am ehesten auf Haus Concordia tippen. Friesenhof wäre auch möglich. Oder Haus Tüskendör. Ich kann mich an Spaziergänge am Strand und an Bunkern vorbei erinnern. "What shall we do with the drunken Sailor..." wurde uns beigebracht, wobei ich Jahre später das Lied nur an der Melodie erkannt hatte, englisch konnte ich ja damals noch nicht. Beim Spaziergang kamen wir an ein altes großes Haus, in dessen Ecke ein Kiosk war, wo wir Lakritze gekauft (bekommen?) haben. Das muss am Ende der Spaziergänge gewesen sein, denn ich erinnere mich, mich darauf gefreut zu haben. Liederabende, bei denen "Ein Loch ist im Eimer, oh Henry, oh Henry..." gesungen wurde, gab es. Höhensonnen-Behandlungen, bei der ich diese schwarze Schwimmbrille aufgesetzt bekam. Zu Essen und Trinken weiss ich nichts mehr. Aber die Nächte... Ich kann mich erinnern aus dem Bett gezerrt und kalt geduscht worden zu sein. An unendliche Verzweiflung und Traurigkeit. Nach dem Aufenthalt hatte ich alle meine Spielsachen kaputt gemacht und mein Stofftier misshandelt. Das hat mich selbst an mir gestört, das weiss ich noch. Vor allem messe ich genau daran, wie sehr mich die 6 Wochen belastet und geprägt haben. Ich war schwierig danach. Ein vertrauensvolles Verhältnis zu meinen Eltern konnte ich nie mehr aufbauen.
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Martin aus Köln schrieb am 27.10.2020
Ich war im August 1961 im Alter von 7 - 8 Jahren in Braunlage, weil ich wohl als zu mager befunden wurde. Das war bei mir eher Veranlagung, denn ich war kein schlechter Esser. Ich hatte also kein Problem damit, das Essen, das uns vorgesetzt wurde (Hausmannskost), zu essen, und deshalb habe ich nicht groß zu klagen.
Aber ich habe erlebt, dass andere schon mal Nackenschläge bekamen, damit sie weiter essen und es kam auch vor, dass Kinder gezwungen wurden, in den Teller Erbrochenes mit aufzuessen.
Soweit mein Bericht. Ich wünsche euch viel Erfolg bei der Aufarbeitung.
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Daniela aus Duisburg schrieb am 26.10.2020
Ein Thema, das mich nicht los lässt - selbst mit fast 50 Jahren habe ich immer wieder ein komisches Gefühl in der Magengrube, wenn ich bestimmte Gerüche in der Nase habe (die ich nicht genau definieren kann).
Mit 6/7 (Herbst 1978) Jahren war ich auf Borkum im Adolfinenheim. Es war so traumatisch. Fahren sollte ich, weil ich schon immer zu dick war und schlimme Allergien hatte. Leider ist die meiste Zeit in einem schwarzen Loch, aber einzelne Dinge haben sich in meinen Kopf gebrannt.
Als wir ankamen, haben die Erzieherinnen die Kleidung sortiert und haben meinen neuen Lieblingspullover, den meine Mutter extra für die Kur gekauft hatte einfach wegsortiert, für die Rückfahrt in 6 Wochen. Dann haben sie sich über meine Kuscheldecke lustig gemacht und diese auch wegsortiert, so dass ich sie nicht hatte.
Wir mussten bei der Ankunft alle Süßigkeiten abgeben, die wir mitbekommen hatten. An den Gemeinschaftsabenden wurden die Süßigkeiten verteilt, da ich aber am Biomaristisch saß (Tisch der Fetten) - bekam ich ein Kaugummi. Dazu gab es oft Hering in Gelee (etwas, das ich heute noch nicht essen kann) und so komische Dinge wie Cornflakes mit Orangensaft. Wir mussten vor der Hauptmahlzeit in irgendeinem Büro immer einen Becher mit Glaubersalz trinken. Wir sind immer hingerannt und haben gerangelt, wer den Becher bekommt, in dem auch nur ein Milliliter weniger drin ist.
Die Toiletten haben furchtbar gerochen. Dazu immer der Durchfall von dem Glaubersalz.
Wir haben auch Ausflüge zum Strand gemacht - nachdem einer aus unserer Gruppe in die Hose gepieselt hatte (was bei Kindern ja durchaus mal vorkommen kann), bekamen wir aber ab nachmittags auf den Ausflügen nichts mehr zu trinken, sondern nur noch einen Apfel.
Wir hatten in der Gruppe einen dreijährigen Jungen, der sollte sich immer alleine anziehen, scheiterte aber an diesen schrecklichen Strumpfhosen, die wir in den 70ern alle hatten - und er durfte so lange nicht zum Frühstück, bis er sich angezogen hatte. Wir kamen vom Frühstück zurück und er saß immer noch heulend auf dem Bett.
In der Dusche habe ich die Bebe-Creme genutzt, die meine Eltern mir mitgegeben hatten. Die hat man mir aus der Hand geschlagen, weil ich nicht gefragt habe, ob ich sie nutzen darf.
Während des Aufenthalts sollten wir einen Mittagsschlaf machen. Das kannte ich von Zuhause nicht, daher habe ich nur ruhig im Bett gelegen und den Schlaf vorgetäuscht. Irgendwann kam eine Erzieherin ins Zimmer, hat festgestellt, dass ich nicht schlafe und hat mir eine Ohrfeige gegeben. Ich bin Zuhause nie geschlagen worden und war echt verstört.
Die Karten nach Hause wurden von den Erzieherinnen geschrieben, ich habe noch welche gefunden - ausschließlich positiv, ich kann mich an nichts davon erinnern.
Krank bin ich dort auch geworden und habe übel viel gebrochen, kann mich daran aber auch nicht erinnern, nur, dass mich mal eine Erzieherin ausgeschimpft hat, weil ich wohl im Halbschlaf ins Bett gebrochen habe und das einfach umgedreht habe (das vollgebrochene Ende ans Fußende gedreht.
Es war eine schreckliche Zeit.
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Eva Christine Heinloth aus 80634 schrieb am 25.10.2020
Obwohl ich schon 11 Jahre alt war, als ich ins "Erholungsheim" verschickt wurde, habe ich die 4 Wochen dort in sehr schlechter Erinnerung.

Die Leiterin unsrerer Gruppe ( ich weiß übrigens den Nachnamen noch ) war unnahbar - sie kümmerte sich lieber um ihr eigenes Kleinkind - und achtete streng darauf, dass alle abstrusen Regeln eingehalten wurden, beispielsweise dass die Post an Zuhause vorgelegt werden musste, dass alles Essen aufgegessen werden musste etc.

Am schlimmsten empfand ich die emotionale Kälte seitens der Erwachsenen.

Auch die unüberschaubare Menge an Kindern machte mir zu schaffen. Es wurden oft Wettspiele gespielt statt Spiele, die Gemeinschaft stifteten.

Zu meinem Glück konnte ich mich mit einem jüngeren Mädchen ( aus dem Bayerischen Wald ) anfreunden, ihre Herzenswärme hat mich davor bewahrt, vor Heimweh krank zu werden.
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S. Ibeneme schrieb am 25.10.2020
Ich war selbst ein Verschickungskind und habe psychische Gewalt der aufsichtführenden Personen an der eigenen Kinderseele erlebt. Der Umgang mit den Kindern allgemein war grob und lieblos. Verständnis für die Bedürfnisse der Kinder wurde nicht aufgebracht. Bezreuerinnen, die sich mehr um das Wohl der Kinder bemühten, wurden von der Heimleiterin zurück gepfiffen. Ich selbst stamme aus dem damals sehr ungesunden Ruhrgebiet, aber meine Verschickung wurde vom Schularzt wegen angeblichem Übergewicht initiiert. Im Heim aßen alle
Kinder gemeinsam diesselbe Kost. Wer etwas nicht mochte oder wem nicht wohl war, wurde zum essen gezwungen. Ich selbst habe bei Tisch erlebt, das ein Kind die Quarkspeise nicht mochte, weil es sich krank fühlte. Es wurde schimpfend gezwungen zu essen. Es übergab sich und musste das Erbrochene essen. Daraufhin übergaben sich noch mehr Kinder an unserem Tisch. Wir mussten sitzen bleiben und abwarten, bis der Befehl zum allgemeinen Aufstehen vom Platz gegeben wurde. Ich selbst mochte keine Kellogs und wurde ebenfalls immer wieder schimpfend stundenlang aufgefordert, die immer unappetitlichere Masse auf meinem Teller zu essen. Ich durfte nicht von meinem Platz aufstehen und musste dort mehrere Stunden allein im Saal sitzen bleiben. Nur eine wechselnde Aufsicht war ausser mir selbst anwesend. Ich weigerte mich dennoch hartnäckig trotz vielfältiger Drohungen der Aufsichtspersonen. Schließlich wurde ich ins Büro der Heimleiterin gebracht. Dort stellte diese mich vor einen Bodenspiegel. Nach einem langen, mich verunsichernden Schweigen, fragte sie mich mit drohendem Tonfall, ob ich, mich im Spiegel betrachtend, meiner Ansicht nach, so aussähe, als ob mir so dermaßen übel sei, sodass ich Kellogs nicht esse könne. Die Art der Fragestellung verunsicherte und verängstigte mich zutiefst. Ich hatte Angst, das sie mich schlagen würde. Ich stammelte, das mir wirklich schlecht sei. Daraufhin ließ sie mich gehen, nachdem sie feststellte, das ich für mein bockiges Verhalten kein gutes Essen verdiene. Ich würde, ab jenem Zeitpunkt an jedem Tag an dem es Kellogs gäbe, nur Pfefferminztee und zwei trockene Zwiebacke erhalten. Mir war das recht, aber das wagte ich nicht laut zu sagen. Ich wagte es ausserdem nicht mehr irgendeine Mahlzeit zu verweigern, sodass ich statt wie verordnet abzunehmen, direkt nach der Kur gewogen, mehrere Kilos zugenommen hatte. Meine Eltern sollten eine Zuzahlung zur Kur leisten, was sie rigoros ablehnten, da ich massiv zugenommen hatte aufgrund von erzwungenem Essen. Dies erfuhren sie nach meiner Heimkehr aus meinem Munde. Viele Kinder litten unter großem Heimweh und manche dachten, das sie nie mehr nach Hause dürften. Wir mussten altersunabhängig allesamt Mittagsschlaf halten. Der Schlafsaal war erfüllt von unterdrücktem Weinen und Schluchzen. Wer zu laut weinte, wurde ausgeschimpft oder bestraft. Auch ich hatte Heimweh, aber mir war damals schon klar, das ich nicht so heftig daran litt wie manch anderer. Kinder wurden nicht beruhigt oder getröstet und wir durften uns auch nicht gegenseitig trösten. Sich entwickelnde Freundschaften unter den Kindern wurden unterbunden. Gemeinsame Spielzeiten wurde nicht angeboten. Ausflüge und lange Fußmärsche waren an der Tagesordnung. Still sein und im Gänsemarsch laufen wurde gefordert. Ich erinnere einen allgemein gebräuchlichen Befehlston des Personals. Einmal in der Woche wurde im Saal vorgelesen. Manch einer wurde wegen angeblichem Fehlverhalten zur Strafe davon ausgeschlossen. Es war ein einsamer und eintöniger Aufenthalt geprägt von täglichen Repressalien. Man versuchte, nicht aufzufallen und sehnte den Tag der Heimreise herbei. Einmal wöchentlich mussten wir je eine Briefseite für die Eltern schreiben. Es wurde uns gesagt, wieviel wir zu schreiben hätten und das wir nur Gutes zuschreiben hätten, damit sich die Eltern keine Sorgen machen müssten. Ausserdem sollten wir vorrangig schreiben, ob die Eltern noch benötigte Kleidung zu schicken hätten und wie das Wetter auf Sylt sei. Die Briefe durften nicht heschlossen werden, sodass ich heute denke, das das Geschriebene gelesen und zensiert wurde. Die Vorkommnisse in diesem Heim sind mir bis heute äusserst unangenehme und präsente Erinnerungen.
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Norbert aus Mönchengladbach schrieb am 23.10.2020
Ich bin eines dieser Verschickungskinder

Ich erinnere mich - so gut es nach fast 70 Jahren geht - an meinen Aufenthalt in einem Kinderheim zur Erholung.
Der Anlass dazu ist, dass ich in diesen Tagen lese, dass die früher übliche Kindererholung industriemäßig gesteuert wurde und vielfach extremes Leid für die Kinder gebracht hat, während die Veranstalter üppige Einnahmen verbuchen konnten. Dieser Überbau der damaligen Kindererholung, der auf Vorläufe bis in die 20er Jahre zurück geht und bis in die 80er Jahre andauerte, war mir bisher unbekannt, passt aber doch sehr gut zu meinen Erlebnissen. Deshalb berichte ich nun darüber, damit die Dokumente aus der Zeit mit Vielfalt gefüllt werden können und Erkenntnisse ermöglichen. Mir ist diese Zeit noch sehr gut in Erinnerung, aber nur episodenhaft. Offenbar ist vieles nicht erinnerungswürdig. Die skizzierten Episoden sind es aber schon.
* Der Kontext
Ich war noch nicht in der Schule. Die Kindererholung müsste also 1953 am Beginn oder Ende des Jahres gewesen sein. Sie dauerte mehrere Wochen in einer sehr kalten Jahreszeit. Ich war ein folgsames und braves Kind und habe mir immer ziemlich viel geduldig gefallen lassen. Das passte damals so in den Zeitgeist. Dass meine Eltern mich zu so einer Erholung schicken wollten, habe ich dann auch so einfach mitgemacht. Ich war - das wusste ich ja - ziemlich anfällig für Erkältungen. Wenn der Hals oder sonst etwas weh tat, musste ich meist ins Bett. Auf der Bettdecke habe ich ausrangierte Wecker zum Leben erweckt und nannte das reparieren oder ich habe einen kleinen Panzer aus Blech aufgezogen und über die Hügel der Bettdecke fahren lassen. Aus der Kanone kamen kleine Funken. Und ab und zu brachte mir meine Oma alte Wecker und Traubenzucker zum Lutschen vorbei. Ich schmücke das hier nur etwas aus, um auf den Zeitgeist einzustimmen. An besondere Emotionen kann ich mich zumindest nicht erinnern, als meine Eltern die Kindererholung ankündigten. Ich konnte es aber nachvollziehen. Meine Eltern hatten vorab ein ausführliches Merkblatt bekommen, das detailliert vorgab, was von den Eltern erwartet wurde, damit sich die Kinder erholen. Ob zu der Entscheidung ein Arzt oder eine Krankenkasse beigetragen haben, das weiß ich nicht.
Ich nehme an, dass ich mit den anderen Kindern mit dem Zug von Essen ins Sauerland gefahren bin. Es war das Sauerland, weil meine Mutter in Garbeck im Sauerland eine Freundin hatte und das Kinderheim soll dort in der Nähe gewesen sein. Ich erinnere mich nicht an den durchlaufenden Alltag im Kinderheim, ich habe eben nur solche Episoden in Erinnerung, die mich bis heute beeindrucken.
Episode 1 • Als die Päckchen kamen
Ein Punkt des Merkblattes zur Kindererholung war: Dem Kind keine Päckchen schicken. Das mit den Päckchen weiß ich deshalb so genau, weil nach meinem Eindruck alle Kinder ein Päckchen bekamen, nur ich nicht. Meine Eltern hielten sich an Vorgaben sehr genau. Solche Päckchen wurden dann im einzigen großen Raum in der Parterre, der auch Speisesaal war, offen hingestellt. Das Kind, dass das Päckchen bekommen hatte, durfte sich daraus mit Beratung des Personals etwas für sich selbst aussuchen. Alles andere wurde nach und nach gleichmäßig an alle Kinder verteilt. Ab und zu gab es also mal ein Stück Schokolade oder einen Keks.
Episode 2 • Die erste Mahlzeit
Als wir ankamen wurden wir in Gruppen aufgeteilt. Alle Kinder lieferten die Reste ihrer von zu Hause mitgebrachten Wegzehrung im Speisesaal ab. Daraus wurde das erste Abendessen zusammengestellt. Ich habe weder vorher noch nachher Butterbrote von anderen Kindern angerührt. Aber unter solchen unerwarteten Situationen bei einer Mahlzeit habe ich nie gelitten. Ich konnte zwar eine Menge essen, war aber trotzdem so genügsam, dass mir eine ausgefallene Mahlzeit überhaupt nichts ausmachte.
Episode 3 • Der Spaziergang
Einmal ging es in die gesunde Luft und damit tatsächlich ins Sauerland, denn im Kinderheimalltag gab es sonst nichts, was mit dem Sauerland zu tun hatte. Draußen ging es aber nicht zum Kinderspiel, sondern in einer disziplinierten Wanderung in aufgestellten Reihen über Hügel auf angelegten Wegen am Waldesrand. Es war bitterkalt. Kälte hat mir nie etwas ausgemacht. Sie gehört zum Winter und ich mag sie bis heute. Als es ein Stück über die Landstraße ging, sah ich plötzlich das Auto meiner Eltern. Es kam uns entgegen. Freudig berührt rief ich dann: "Da kommt mein Vater!" Aber das Auto fuhr weiter. Ich drehte den Kopf dem Auto hinterher und war bitter enttäuscht. Ich kannte das Auto und konnte mich nicht geirrt haben. Es war ein kleiner schwarzer Renault. Kurze Zeit später kam das Auto aber zurück und hielt an unserer Wandertruppe. Ich war glücklich, wenn auch die Begegnung in meiner Erinnerung nur ein paar Minuten dauerte. In den nächsten Jahren erzählte meine Mutter gern davon. Das erklärte dann auch mir das Szenario: Meine Eltern hatten den Besuch einer Freundin meiner Mutter damit verbunden, einmal zu gucken, wie das Kinderheim von außen aussieht. Laut dem Merkblatt waren Besuche der Kinder ausgeschlossen. Daran dachten meine Eltern wohl, als sie zufällig der Spaziergruppe begegneten. Meine Mutter hatte mich wohl an meiner Mütze sofort erkannt und dann gesehen, wie ich dem Auto hinterher geguckt habe. Man habe sich dann entschlossen, zu wenden.
Episode 4 • Das Bergfest
Zur Halbzeit des Aufenthalts gab es ein Fest in dem großen Zentralraum des Hauses. Alle Kinder wurden verkleidet. Wie das organisiert war, weiß ich nicht. Jedenfalls war schnell klar, dass ich den Moritzpart von Max und Moritz übernehmen würde. Ich war dünn und hatte Haare, die sich zu so einem aufrechten Pferdeschwanz in der Mitte des Kopfes gestalten ließen. Das waren die besten Voraussetzungen für die Rolle. Ich saß dann neben einem Max und habe den Tag in angenehmer Erinnerung. Was ich mit der Rolle anfangen sollte, wusste ich nicht so recht.
Episode 5 • Die Höhensonne
Eines Tages wurde die damals gern benutzte Höhensonne aufgebaut. Das war ebenfalls in diesem großen Raum, in dem alles stattfand. So ein Gerät erzeugt ultraviolettes Licht, wie es im Hochgebirge anzutreffen ist. Diese Geräte wurden damals vorbeugend gegen Rachitis eingesetzt und unterstütze die Bildung von Vitamin D. Wir saßen mit Schutzbrillen und nacktem Oberkörper davor, bis die Uhr abgelaufen war. Es roch nach Ozon und ich dachte für einen Moment, dass es so im Hochgebirge riechen muss. Das Prozedere sollte der Gesundheit dienen. Das sagte man damals so. Nicht ohne Grund gab es diese Lampen bald schon nicht mehr. Das Sonnenbaden wurde später ja anders kultiviert und kommerzialisiert, ohne dass es unbedingt gesunder wurde.
Episode 6 • Die Milchsuppe
Ich weiß nicht mehr, wie die Suppe hieß, es war so eine dickliche braune Milchsuppe mit Schokoladengeschmack. Diese Suppe gab es ziemlich oft. Wir waren aufgefordert, so viel wie möglich davon zu essen. Es war so eine Suppe, die sich beim regelmäßigen Wiegen gewichtssteigernd bemerkbar macht. Eines Tages sagte eine der Frauen vom Personal, wir sollten doch alle mal schnell die Teller leer essen, denn gleich käme die andere Mitarbeiterin, die wahrscheinlich nichtsahnend fragen würde, wer denn noch Suppe haben will. Dann sollten wir doch alle aufzeigen und ihr dadurch mächtig viel Arbeit machen. Das haben wir dann auch mit Freude getan. Jedenfalls saßen wir plötzlich alle vor einem Teller Suppe, den wir eigentlich nicht haben wollten, aber auch nicht mehr ablehnen konnten. Ich wusste also, dass man auch der Freundlichkeit des Personals nicht trauen konnte.
Episode 7 • Die Schuppen
Eines Tages wurden wir auf der Jagd nach Läusen und Schuppen ausführlich gekämmt. Es gab also am Ende drei Gruppen. Ich war fest davon überzeugt, dass man bei mir nichts findet, was nicht auf den Kopf gehört. Aber ich gehörte dann in die bemakelte Gruppe derer, die Schuppen haben. Ich wusste allerdings gar nicht, was Schuppen sind, nahm die niederschmetternde Diagnose aber mit Haltung an.
Episode 8 • Das Schlafprozedere
Wir waren in Gruppen eingeteilt, die jeweils bestimmte Schlafräume belegten. Wohl mangels ausreichender Waschräume wurde ich mit meiner Gruppe bevorzugt, wobei ich diese Bevorzugung auch im Nachhinein nicht ausmachen kann. Wir durften mit Abstand als erste in den Waschraum und dann ins Bett. Dort wurde uns bereits etwas vorgelesen, als die andern Gruppen noch in den Waschraum mussten. Die Nachtruhe begann für alle Gruppen gleich.
Episode 9 • Der Kriminalfall
Im Schlafraum stand ein Spezialeimer für den Notfall. Er war ausdrücklich nur für das kleine Geschäft ausgewiesen. Ich war - auch wenn es manchmal etwas qualvoll war - darauf eingestellt, auf keinen Fall in der Nacht aufzustehen. Eines Morgens fand das Personal in dem Eimer einen dicken Haufen. Das hatte zur Folge, dass die Heimleiterin ihren Auftritt hatte. Alle Kinder meiner Gruppe wurden in kriminalistischer Manier einzeln befragt und mit höchsten ethischen Anforderungen konfrontiert. Als Mitglied der Delinquentengruppe fühlte ich mich gleich wie ein Outlaw. Ich fand das äußerst unangenehm. Die Details habe ich verdrängt. Verdächtig waren alle und das ganze Kinderheim nahm das Thema mit Entrüstung auf.
• Kleine Zusammenfassung und Ausblick
Wahrscheinlich habe ich bis zum Ende des Aufenthalts ein halbes Pfund zugenommen. Meine Eltern bekamen Belege darüber. Das war eine schmale Ausbeute. Ansonsten war das Kinderheim irgendwie auszuhalten. Aber es gab ja keinen Grund dafür, es auszuhalten. Ansonsten war ich ja auch nur als Objekt dort geparkt. Wer ich war, das spielte keine Rolle. Bleibende Schäden hat das alles bei mir wohl nicht hinterlassen, aber meinen Blick als Kind im Wirkungsfeld von Erwachsenen geschärft. Ein intendiertes Wohlbefinden mit messbarer Erholungswirkung gab es sicherlich nicht.
Dass das, wie ich heute über solche Verschickungsheime lese, ein gutes Geschäft war, mag ich glauben. Vorstellen könnte ich mir auch, dass man zum Nachweis der Wirksamkeit solcher Kuren auch nur die Gewichtszunahme der Kinder als Kriterium genommen hat. Gerade in einer Zeit des noch nicht so weit entwickelten Wohlstandes im Eindruck der gerade überwundenen Kriegszeit, war das wahrscheinlich das Maß aller Dinge und läutete über die Mast von Kindern die Fresswelle ein.
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I. Streich aus Straelen schrieb am 23.10.2020
Wegen Untergewicht wurde ich 1969 ins Kinderheim Marianne in Obermaiselstein, Allgäu verschickt. Es waren die schlimmsten 6 Wochen meines Lebens. Natürlich hatte ich Heimweh, das kam hinzu, aber hier einige Auszüge meiner Erinnerungen:
1. es gab nur 1x täglich eine Tasse Tee am nachmittag (damit die Kinder nicht ins Bett machen)
2. morgens gab es Brot, das sparsamst nur einseitig mit Margarine und Marmelade versehen wurde, also trocken ohne Ende. Dazu eine Kelle Milchsuppe (Haferflockenschleim). Sagte man, ich möchte nur wenig, gab es doppelt so viel. Es MUSSTE aufgegessen werden, solange mussten sie anderen Kinder warten. Ein Mädchen erbrach sich in ihrem Teller, auch das musste aufgegessen werden. Ein Junge schaffte die Brote nicht - dann musste er sich in die Mitte stellen und alle mussten zuschauen und warten, bis er das Brot heruntergewürgt hatte.
3. Taschengeld wurde eingestrichen - am Ende durften wir nur vom Kinderheim Marianne bereit gestellte Souvenirs kaufen, um es zuhause zu verschenken. Mein Rest-Taschengeld habe ich nie wiedergesehen.
4. Einmal die Woche durften wir einen Brief schreiben, der zensiert wurde.
5. Mein zugeschicktes Geburtstagsgeschenk (Süßigkeiten) sollte ich an alle Kinder verteilen, fand ich in Ordnung - es war noch ganz viel übrig. Der Karton war am nächsten Tag weg.
6. Ich habe dort derart abgenommen in den 6 Wochen (da ich ständig Magenkrämpfe hatte) ich glaube von 42 auf 36 Kilo....man schickte mich fast die gesamten 6 Wochen nach dem Frühstück ins Bett. Da lag ich dann alleine und unbeschäftigt....eine grauenvolle Zeit.
7. Als ich nach 6 Wochen nachhause kam, hatten sich meine Eltern auf ein gut erholtes Kind, dass ein paar Kilos mehr auf den Rippen mitbrachte, gefreut und waren entsetzt. Zur damaligen Zeit war es leider noch nicht üblich, sich bei den Krankenkassen/Institutionen zu beschweren.
8. Ich habe mich vor 2 Jahren in 2018 (habe erst in 2020 von diesem Thema im TV gehört) mit dem Kinderheim Marianne, das mittlerweile von der Enkelin geführt wird, in Verbindung gesetzt. Ich wollte diese Geschichte loswerden, wenn gleich die verantwortlichen Personen nicht mehr leben.....sie räumte ein, von den "Geschehnissen" gehört zu haben und bot mir eine Entschädigung in Form eines Wiedergutmachungs-Urlaubs an. Dieses habe ich nicht angenommen, da sie ja nicht persönlich für diesen Alptraum verantwortlich ist/war. (Heute ist das komplett modernisierte Haus eine Mutter/Kind-Erholungs-Einrichtung).
Nach dem TV-Bericht in 10/2020 im WDR war ich schockiert und aufgewühlt, wieviel armen Kinderseelen dieser HORROR angetan wurde.
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Anette Hartmann aus Fulda schrieb am 22.10.2020
Kinderheim Dr. Ewald, Wüstensachsen. Die älteren Mädchen (10-13 Jahre) wurden im Keller mit kaltem Wasser abgespritzt. Man wurde geohrfeigt, wenn man aus dem Mittagsschlaf aufschreckte, ein Mädchen wurde kollektiv von uns anderen bestraft, indem jeder von uns ihr eine Ohrfeige geben musste. Aufessen war Pflicht, ob man wollte oder nicht.
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Lilly aus Köln schrieb am 21.10.2020
Ich war 6 Jahre alt, wog 20 Kg und hatte chronische Bronchitis. In den Sommerferien 1957 wurde ich deshalb vom Gesundheitsamt der Stadt zur "Kindererholung" geschickt. Ich sollte dort wohl "gemästet" werden. Ich bekam 4 Mahlzeiten am Tag und wehe ich habe nicht alles aufgegessen. Es lief immer ein "Fräulein" mit kurzem Rohrstock in der Hand durch den Speisesaal. Eines Abends gab es Milchreis, den ich überhaupt nicht mochte. Als alle anderen Kinder schon aufgegessen hatten und der Saal leer war, saß ich immer noch vor dem vollen Teller Milchreis. Dann setzte sich das Fräulein mit dem Rohrstock neben mich und zwang mich aufzuessen. Mit dem letzten Löffel habe ich dann alles wieder ausgebrochen und der Teller war wieder voll. Dann sollte ich alles wieder aufessen. Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt und wurde dann ins Bett geprügelt.
Noch heute meine ich, immer alles aufessen zu müssen und werde mein Übergewicht wohl nicht mehr los.
Gegen Ende des Aufenthaltes bekam ich Mumps. Dann ließ man mich in Ruhe, weil man Angst vor Ansteckung hatte.
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Lisa schrieb am 21.10.2020
mit 2 Jahren wurde ich das erste mal nach St Peter geschickt, für vermutlich 6 Wochen in den Ferien. Es war ein privates Heim, die Besitzerin war eine Bekannte meiner Großmutter, diese wollte sie nach dem Krieg in ihrer Selbständigkeit unterstützen und hat meinen Eltern die Kosten des Aufenthalt geschenkt. Ich muß großes Heimweh gehabt haben, erinnere eine Szene weinend im Kinderbettchen gestanden zu haben und mit den Fingernägeln die Tapete abgekratzt zu haben.
Verzeifelt weil niemand kam um mich zu trösten.
Weil ich ja so braungebrannt und wohlgenährt zurück nach Hause kam, wurde ich jedes Jahr in den Ferien wieder dorthin geschickt bis zu meinem 7. Lebensjahr. Dann für ein ganzes Jahr.
Das war besonders schlimm, da ich dann mit "Tante Lisa" alleine war. Nur in den Ferien waren auch andere Kinder da.
Ich erinnere, das ich bei Regen nackt über die Brücke in St Peter laufen mußte zur Abhärtung, das ich jeden Abend mit ihr Gesellschaftsspiele spielen mußte (seitdem spiele ich nicht mehr). Ich wurde mit dem Kochlöffel durch das Haus geprügelt wenn ich mich nicht angemessen verhielt und so weiter.
Es ist alles in anderen Beiträgen schon beschrieben.
Bevor es wieder nach Hause ging wurden meine Haare auf Papierlockenwickler gedreht damit ich/wir hübsch aussahen und in gestärkte weiße Kleidchen gesteckt (nein ich trage seitdem NIE mehr weiße Kleider) und am Tag vorher gabs reichlich und besonders leckeres essen, damit wir gute Erinnerungen für zuhause abrufbar hatten...
Nachdem ich nach der 4. Klasse die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium nicht geschafft hatte wurde ich wieder für ein Jahr zu Tante Lisa geschickt, die würde es schon richten. Es war grauenhaft, aber das glaubten meine Eltern ja nicht, weil ich immer so `gesund`nach Hause kam...
Weil ich dann tatsächlich aufs Gymnasium wechseln konnte, kam ich dann für einige Jahre in St Peter ins Internat. Mein Vater war auf Spiekeroog im Internat gewesen und hatte daran beste Erinnerungen - er wurde von da kurz vor der Abi Prüfung in den Krieg geschickt, kam in russiche Gefangenschaft. Verständlich das er nur gute Erinnerungen hatte.
Ich weiß, meine Eltern meinten es nur gut, aber das nütze mir natürlich nichts.
Viele Jahre bin ich danach nicht mehr an die Nordsee und nach St Peter gefahren.
Heute noch gibt es Ängste, Schlafstörungen, etc trotz intensiver Therapiejahre.
Wie gut das es diese Seite gibt und ich sehe, das es nicht nur meine Erfahrung ist.
Danke dafür!
PS: War noch jemand bei `Tante Lisa`in St Peter??
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Giesela M. aus Minden schrieb am 21.10.2020
Es sollte ein Forum über Krankenhausaufenthalte für Kinder in früheren Jahren geben.
Es war und ist ein Trauma. Auch wenn es hier nicht passt.
Ein Kind wegsperren in ein winziges Zimmer, allein, war 3-4 J. Jung, Bett mit Glaskuppel, konnte nicht weg,, war sicher ein Sauerstoffzelt, aber damals ........
Dann eine Punktion Rückenmark, ohne Eltern, es war schrecklich und noch mehr, viele hielten mich fest, blanker Horror!!! Später irgendwann Zimmer mit vielen Betten in Reih und Glied (Krankensaal). In der Tür ein kleines Fenster, zu Besuchszeiten durften ein Mal am Tag die Besucher durch dieses Fenster sehen. Es war einfach schrecklich, sah meine Ma, drehte mich um und weinte. Auch jetzt sind meine Augen feucht, wenn das kein Trauma war und ist.
Sorry , vielleicht hört es hier nicht hin, aber es gibt sicher auch viele andere die im Krankenhaus einiges erlebt haben. Wie schön das es das hoffentlich nicht mehr gibt.
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Giesela M. aus Minden schrieb am 21.10.2020
Wenn der Teller nicht leer war, wurde man bestraft und bekam später nichts mehr zu essen. Wollte ein jüngeres Kind nachts trösten (Heimweh), war am weinen , musste ich mich nachts in den Waschraum stellen , weiß nicht wie lange.
Aber was ich hier so gelesen habe, da hatte ich es wohl noch ganz gut.
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Biggi schrieb am 20.10.2020
Auch ich habe nur schreckliche Erinnerungen an diese Zeit. Ich wurde vor meiner Einschulung im Jahre 1966 in “Erholung” nach Wilhelmshaven geschickt. Das Heim hieß St.Ursula. Im Vorgarten stand ein Klettergerüst, das weiß ich noch. Ich hatte vom ersten Tag an Heimweh, anscheinend ging mein Koffer verloren, sodass er erst 1 Woche später eintraf. Erinnern kann ich mich auch noch an diesen Haferschleim, den es täglich gab. Manchmal gab es einen Butterkeks dazu. Wir hatten dauernd Durchfall. Ich weiß noch wie ich mich mit beiden Händen auf die Stuhlsitzfläche gepresst habe, damit nichts rauskam. Klappte nicht immer. Einmal gab es Weißwurst, die ich auf meinen Teller erbrechen musste. Die Nonne sperrte mich in ein kleines Zimmer und sagte, ich dürfe erst wieder raus, wenn ich meinen Teller leerhätte. Ich habe das Zeug zwischen die Seiten irgendwelcher Bücher geschmiert und dann versucht, aus dem Fenster zu springen. In dem Moment kam die Nonne rein… Nur einmal waren wir am Strand und haben Muscheln gesucht. Ansonsten habe ich nur schlechte Gefühle, wenn ich Wilhelmshaven höre. Weißwürste kann ich bis heute nicht essen. Ich bin auf der Suche nach Leidensgenossen, die auch in Wilhelmshaven waren. Die meisten waren wohl in Wyk auf För.
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Heidi Lichtenstein schrieb am 20.10.2020
Ich war von Wuppertal aus mit knapp 6 Jahren Anfang 1964 in einem Kinderheim Hapke auf Langeoog. Mein knapp 4jähriger Bruder war in einer anderen Gruppe ebenfalls für 6 Wochen von Januar bis März 1964 dort. Ich habe ihn praktisch die ganzen Wochen nur im Vorbeigehen gesehen. Als ich einmal das Jungenzimmer aufsuchte, um nach meinem Bruder zu sehen, wurde ich ausgeschimpft.

Ich erinnere mich, dass wir mit ca. 12 Mädchen gleichzeitig ein Mal pro Woche in den kalten dunklen Keller geführt wurden, wo wir unter 3 Duschen alle gleichzeitig duschen mussten. Da ich hüftlange Zöpfe trug und mir niemand beim Haarewaschen half, wurden meine Haare vermutlich 6 Wochen lang nicht richtig gewaschen. Während der Kur erkrankte ich an Mumps. Deswegen blieb ich mehrere Tage ausschließlich in meinem Bett im Schlafraum, bekam nur schwarzen Tee und Zwieback, den ich wegen der Halsschmerzen nicht essen konnte. Ich blieb mehrere Tage mir selbst überlassen, während die anderen Kinder ihr Tagesprogramm durchführten. Eine Absonderung, damit die anderen Kinder nicht angesteckt wurden, fand nicht statt.

Eigentlich sollten meinBruder und ich in der Kur Gewicht zunehmen, weil wir zuvor zuhause an Scharlach erkrankt waren. Tatsächlich haben wir Beide an Gewicht in der Kur verloren
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Andrea S. aus Paderborn schrieb am 19.10.2020
Weil wir zu wenig Gewicht hatten, wurde meinen Eltern vom Hausarzt empfohlen, uns - meinen 9-jährigen Bruder und mich, 8 Jahre - in eine sechswöchige Kur zu schicken.

Unsere Eltern setzten uns in einen Zug nach Melle, mit dem eine ganze Gruppe von Kindern fuhr.
Als wir im Kurheim ankamen, wurden mein Bruder und ich sofort getrennt. Auf unsere entsetzte Frage nach dem Grund ernteten wir von den anderen Kindern Spott und mein Bruder Häme (weil "mit einem Mädchen" zusammenbleiben wollte). Die Tante, deren Gruppe ich zugewiesen worden war, keifte mich an, dass ich meinen Bruder schon wiedersehen würde. Aber bis auf wenige zufällige Begegnungen wurde daraus nichts.

Ich erinnere mich, dass ich vom ersten bis zum letzten Augenblick in diesem Heim nur Angst hatte und irgendwie "zu überleben" versuchte. Es herrschte ein gnadenloses Regiment und ich machte die Erfahrung, dass man sich besser fügte, wenn man nicht angeschrien, vor der ganzen Gruppe verhöhnt und am Arm irgendwohin gezerrt werden wollte. Weinen half nicht. Sogar ganz kleine Kinder, die sauber werden sollten, wurden am Arm geschüttelt, beschimpft und schreiend weggezerrt. Alles war so gefährlich. Ich beschloss schon früh, mich unsichtbar zu machen.

Ich begriff, wie wichtig das Essen war, denn jede Woche kam ein Arzt und in einem großen Saal wurden wir versammelt und der Reihe nach gewogen. Ich hatte immer Angst, nicht zugenommen zu haben, es drehte sich alles darum und es war eine Niederlage, wenn man kein Gewicht zugelegt hatte. Ich stopfte immer alles irgendwie in mich hinein, so ekelhaft es auch war, z. B. die Milchsuppe mit Bananen, bei der ich immer würgen musste. Ich bemühte mich, dass ich mich nicht erbrach, denn ich hatte gesehen, dass Kinder, die erbrachen, nach dem Essen im Saal zurückbleiben und die ganze Portion noch einmal essen mussten.

Alles geschah immer in Reih und Glied und unter Kommandos wie beim Militär. Das Kämmen, das Baden, das Nägelschneiden, die Spaziergänge, die Solbäder, die Toilettengänge. Von einer Tante wurden mir immer die langen Haare ins Gesicht gekämmt, so dass ich überhaupt nichts mehr sehen konnte. Es war mir verboten, mir das Haar aus dem Gesicht zu streichen, solange ich in ihrer Nähe war. Ich war erschrocken, weil es doch überhaupt keinen Grund dafür gab, ich wusste nicht, warum sie so etwas machte.

Die Solbäder waren immer viel zu heiß. Wir mussten in diesem Waschraum hintereinander stehen, uns vor allen ausziehen (beim Zögern wurde ich angeschrien: "Runter mit den Klamotten!") und dann in hölzerne Wannen steigen. Schmerzäußerungen, weil das Wasser zu heiß war, wurden ignoriert: "Runter!" Mir wurde in der Wanne immer schlecht und ich hatte Herzrasen wegen des heißen Wassers. Eine Tante las aus Pippi Langstrumpf vor, während wir im Wasser lagen. Ich war so erleichtert, wenn es vorbei war.

Beim wöchentlichen Nägelschneiden wurden die Kinder gelobt, die nicht an den Nägeln kauten. Ich kaute unentwegt an den Nägeln und wurde von der "Tante" vor den anderen bloßgestellt. Um es auch einmal zu schaffen, dass von meinen Nägeln etwas abgeschnitten werden konnte, versuchte ich eine ganze Woche lang, mit den Zähnen die Nägel an den oberen Rändern ein bisschen freizulegen. Und dann klappte es endlich.

Nachts durften wir nicht auf die Toilette. Für mich war das ein Problem, weil ich tagsüber oft nicht konnte, denn die ganze Kindergruppe wurde vor dem Klo aufgestellt, die Tür war offen und alle sahen zu. Man hatte nur eine abgemessene Zeit und durfte am Ende auch nur 1 Blatt Toilettenpapier benutzen. Ich lag nachts oft wach, weil ich musste, aber auf dem Flur saß eine Tante bei einem Nachtlicht und passte auf, dass kein Kind rausging. Auch hatten die größeren Mädchen die Erlaubnis, nachts im Schlafsaal Patrouille zu gehen und die Kinder, die nicht schliefen, mit einem Schuh zu schlagen. Um zu sehen, ob man schlief, leuchteten sie einem in die Augen. Ich drehte mich vor dem Schlafen immer zur Wand, weil ich Angst hatte, dass meine Augen zittern, wenn ich angeleuchtet werde. In der letzten Nacht, als ich es wirklich nicht mehr aushalten konnte, machte ich unter der Decke einen Haufen in mein Taschentuch, verknotete es und warf es ganz weit unters Bett, in der großen Hoffnung, dass es vor der Abfahrt am nächsten Tag nicht entdeckt würde. Ich hatte Glück.

Irgendwann wurde ich krank und kam auf die Krankenstation, wo ich allein war. Dort wurde ich meist mir selbst überlassen, nur die Körperfunktionen wurden gemessen und das Essen gebracht. Trost fand ich beim Beobachten der Stubenfliegen, die um die Milchglasscheibe der Lampe an der Decke kreisten. Und dann gab es da noch eine ältere Frau, die zum Personal gehörte - und die so ganz anders war. Manchmal kam sie und redete mit mir. Sie mochte mich, weil ich so ein liebes Kind war, wie sie sagte, und so schöne Goldlöckchen hätte. Sie brachte mir sogar Süßigkeiten. Sie hieß Frau Büscher - ihr Name hat sich mir auf ewig eingeprägt. Sie erschien mir wie ein Engel.

Und einmal lugte das Gesicht meines Bruders um die Ecke - er besuchte mich heimlich! Die paar Minuten, die er sich das traute, werde ich nie vergessen. Er erzählte mir, wie viele Tage es noch seien und dass wir es bald geschafft hätten.

Manchmal durften wir Briefe schreiben. Aber nur Gutes, denn die Briefe wurden kontrolliert und laut vorgelesen. Als mein Bruder und ich uns einmal zufällig draußen mit unseren Gruppen auf einem Wandertag begegneten, nutzten wir einen unbeobachteten Moment, um miteinander zu reden. Wir sahen einen Briefkasten und überlegten, ob wir es schaffen würden, einen "echten" Brief da einzuwerfen. Aber woher die Marken nehmen? Wir verwarfen das.

Am letzten Tag gab es eine Abschiedsfeier, bei der die "Tanten" plötzlich so merkwürdig aufgekratzt und fröhlich waren. Es gab auch zum ersten Mal ein "richtiges" Essen, ich erinnere mich an Kartoffeln und Erbsen und ein Stück Fleisch - mal endlich keine Pampe. Mein Bruder sagte auf der Rückfahrt: "Das haben sie gemacht, damit wir was Schönes erzählen."

Die ganze Rückfahrt über lag ich im Zugabteil auf dem Schoß meines Bruders und weinte und er tröstete mich. Als meine Eltern mich am Bahnhof in Empfang nahmen,
weinte ich immer noch. Ich weiß noch, dass sie gekränkt waren, und dass ich mir undankbar vorkam. Sie hatten ja gedacht, uns etwas Gutes zu tun, und unsere Briefe waren doch so positiv gewesen ...

Ich glaube, es war diese Reaktion unserer Eltern, die es meinem Bruder und mir unmöglich machte, über das Erlittene zu sprechen. Als wir es nach vielen Jahren nachholten, sagten unsere Eltern, wenn sie das gewusst hätten, hätten sie uns sofort da weggeholt.

Unser Hausarzt sagte übrigens, als er uns wiedersah: "Hm, das sieht nicht nach 'gesund' aus, sondern nach Wasser." Ich hatte 6 Pfund zugenommen, die ich aber schnell wieder verlor.

Viele Jahre später, schon als Erwachsene, bin ich mit meinem Freund nach Melle gefahren und habe diesen Ort noch einmal aufgesucht. Außer diffusen Angstgefühlen habe ich nichts mehr wiedererkannt. Das Gebäude wird heute anderweitig genutzt.
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Laxofalk aus Oberhausen Sterkrade schrieb am 17.10.2020
Amrum Haus Sonnenschein. Ich war ca. 8-9 Jahre alt und sollte dort an Gewicht zunehmen.

Täglich Milchsuppe mit Mittagsschlaf war angesagt.
Die Fenstersitzseite war zum Zunehmen und die gegenüberliegende Seite zum Abnehmen dort.
Abgenommen wurde mit Obst und Weintrauben. Ich schielte immer zur anderen Reihe rüber. Wie gerne hätte ich getauscht.

Ansonsten auch schöne Erinnerungen von dort. Ich hatte meine erste Freundin beim spielen dort kennengelernt. Der Strand war schön und die Spaziergänge über die Insel auch.

Zuhause hatte ich die Pfunde schnell wieder abgehungert.

Ich habe keine schlechten Erinnerungen an Amrum.
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Laxofalk aus Oberhausen Sterkrade schrieb am 17.10.2020
Über meinen Kinderarzt aus Oberhausen Sterkrade bin ich als 6 Jähriger nach Bad Kreuznach versendet worden. Das Kinderheim wurde von katholischen "Nonnen" geführt. Ich erinnere mich noch ganz genau wie am Esstisch mein Nebenkind in seinem Teller erbrach. Ich meinte dort auch Blut im erbrochene gesehen zu haben. Er musste alles wieder aufessen. Wir Kinder lagen in einem großen Schlafsaal und hatten alle ein Fieberthermometer im Po. Ich kam zurück mit einem Schriftstück in dem stand: "Norbert kommt mit einer leichten Ruhr (Typhus B) zurück".
Fakt ist aber das ich zuhause meine kleine Schwester mit meinem Durchfall angesteckt habe. Diese wurde in der Kinder-Klinik Düsseldorf gerettet.

Mein Kinderarzt wurde von meiner Mutter wegen den Zuständen unterrichtet. Selbst andere Eltern bestätigten Ihm diese Aussagen das erbrochenes wieder aufgegessen werden musste.

Trotzdem verschickte er weiter Kinder in diesem Heim.
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Anita Neumann aus 33689 Bielefeld schrieb am 17.10.2020
Ich war 9 Jahre alt, als ich nach Bad Laasphe in ein Kinderheim mußte. Ich habe mich gewehrt, aber bin letztendlich damit nicht durchgekommen. Ich war ein schlechter Esser und sehr dünn, daher hatte ich öfter Kreislaufprobleme. Ich wurde regelrecht gemästet, durfte erst aufstehen, wenn ich meine übergroßen Portionen aufgegessen hatte. Das hatte zur folge, daß ich oft stundenlang alleine vor meiner kalten Suppe im Speisesaal saß. Ich litt im Heim unter Überkeit und Verstopfung. Aber ich hatte so sehr zugenommen, daß ich bis heute Probleme mit meinem Übergewicht habe. Die haben damals ganze Arbeit geleistet. Zudem mußte ich eine Kneipkurbehandlung mit - z. Bsp. eiskalten Güssen ohne Vorwarnung - über mich ergehen lassen , wegen des Kreislaufes. Ich hatte furchtbar Heimweh. Ich wurde nicht geschlagen, nicht sexuell mißhandelt. Ich war einfach "nur" das Kind, das sich durch Essensverweigerung (übergr0ße Portionen) nicht einfügte und wurde dementsprechend verbal behandelt. Ich fand auch das gemeinsame Duschen in einem großen Duschbadezimmer ohne Trennwände schlimm. Mit 9 Jahren hat man schon Schamgefühle. Eigentlich hat niemand so richtig mit uns gesprochen. Es wurde nur angeordnet. In Zweierreihen auf zum Spaziergang usw. Ich denke oft an diese Zeit und weiß, daß sie mir nicht gut getan hat. Meine Mutter hatte mir einmal ein Päckchen geschickt. Die Süßigkeiten daraus mußte ich abgeben. Unser Taschengeld von zu Hause mußten wir abgeben. Als ich diese Seite gefunden habe, habe ich das erste Mal wieder geweint. Zugenommen habe ich in vier Wochen 4 Kilo und Eltern und weitere Verwandte haben sich gefreut. Wie es mir ging, hat eigentlich auch zu Hause niemanden interessiert.
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Marlene aus Düsseldorf schrieb am 16.10.2020
Zusammen mit meiner älteren Schwester für 6 Wochen per Sonderzug in die "Kur" und zum ersten Mal alleine ohne Eltern und Geschwister.Der Zug füllte sich ab Köln wo uns die Eltern verabschiedeten.Wohin und was komnt? Ich ziemlich mager, immer hungrig und ein lebhaftes Kind mit viel Fantasie und jetzt schon Heimweh.In Mannheim standen Frauen vom DRK am Zug und verpflegten uns von aussen mit Tee und dünn belegten Broten.Weiter gings bis Bonndorf.Dieersten Kinder weinten und wollten nach Hause.In Bonndorf abends spät angekommen gingen wir zu Zweit Hand in Hand den "Tanten"folgend zumHeim.Ichkippte vor Hunger und Müdigkeit bei der Begrüßung durch die Heimleiterin fast um.Zum Glück kamen meine Schwester und ich in 1 Zimmer mit 6 Betten.Am nächsten Morgen war ärztliche Untersuchung.Ich war ängstlich weil mein Gewicht niedrig war und ich nur in der Unterwäsche vor 1 fremden Mann(Arzt) hin und her gehen musste.DieseOflichtuntersuchung fand noch 5x statt.Das Essen schmeckte aber immer zu wenig und immer dasselbe.Einmal habe ich im großen Speisesaal Faxen gemacht um die vielen Kinder zum lachen zu bringen.Da kam ein Erzieher an gelaufen( er sass immer draussen vor der Tür und schob Wache) und beschimpfte mich und riss mir den Teller weg und beförderte mich nach draußen ..zu essen gabs erst wieder am nächsten Morgen.Ich hab ihn bei meiner "Tante" "angezeigt und ihn nie wieder gesehen.Ich hatte trotzdem all die Wochen Angst er stünde nachts vor mir um mich zu bestrafen für das petzen.Schlinm waren die Sonntage...ohne Frühstück morgens zu Fuss in die Kirche..ein weiter Weg.In der Kirche kippte ich fast immer um...keiner kümmerte sich darum.Post von Zuhause sahen wir 2x obwohl Mutter jede Woche schrieb.Die Zeit verging so langsam...wenig Programm fast immer wandern und 1x ins Freibad.Ich übte mit einem anderen an Heimweh erkrankten Mädchen Klavier- ein kleiner Freiraum.Es gab einen Minigolfplatz aber der war immer belegt.Ein Spielzeug von Zuhause nahm man mir schon in der 1.Woche weg..ich sag es nie wieder."Tante" Werle war nett und die Leiterin des Hauses Was wari ich froh als ich wieder Zuhause war .Zugenommen:2 kg.
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Brigitte Prokop aus Meerbusch schrieb am 16.10.2020
Im Dezember 1952 wurde ich über das Gesundheitsamt Köln für fünf Wochen nach Norderney verschickt. Wir bekamen u. A. warme Wannenbäder im Kurmittel- oder Badehaus. Danach hatte ich immer sehr viel Durst, bekam aber nur eine Tasse 'Tee zu trinken. An das Essen habe ich nur eine Erinnerung: eine Eintopfsuppe mit ausgelassenem Speck erzeugte bei mir Brechreiz, so daß ich alles ausbrach aber ich mußte diese Suppe nochmals essen. Ob jetzt mit dem Erbrochenen oder nicht, kann ich nicht mehr sagen. Es gab am Abend nur eine Tasse Tee zu trinken, weil wir nachts nicht auf die Toilette gehen durften. Oft weinte ich in meinem Bett, wenn ich mir aber eins von meinen Tempotüchern aus der damals noch knisternden Packung nehmen wollte, wurde ich ausgeschimpft. Briefe schreiben mussten wir nach Diktat. Im
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Gudrun Frank aus Lonsee schrieb am 16.10.2020
als Tochter eines Eisenbahners aus Ulm wurde auch ich angeblich aus gesundheitlichen Gründen mit 6 einhalb Jahren vor Schulbeginn im Januar 1965 für 6 Wochen zum Aufpäppeln in die Kur nach Schulenberg geschickt. Ich hatte bis dahin fast alle Kinderkrankheiten durchgemacht und war ein sehr schlankes Kind. Vielleicht war das Ganze ja von den Eltern gutgemeint vor der Einschulung im Frühjahr. (Kurzschuljahr)
Meine Erinnerungen:
Zunächst fuhren mein Vater und ich mit dem Zug nach Bad Cannstadt zu meiner Tante zum Übernachten, da der Zug zum Kurort sehr früh von Stuttgart fuhr.
Dann erinnere ich mich noch an eine sehr sehr lange Zugfahrt mit anschliessender kurviger Busfahrt bei der es mir übel wurde, da ich das Autofahren nicht vertrug.
In der Dunkelheit kamen wir an und es gab Abendessen. Ein riesiger Speisesaal und es gab Griesbrei mit Kirschen, was mir überhaupt nicht schmeckte. Entweder hat mich das Essen angewidert oder ich musste mich von der Busfahrt erbrechen. Das landete im Teller und ich wurde gezwungen es zu essen. Andere Kinder, die mit ihren Beinen schauckelten wurden an den Stuhl angebunden.
Nachts waren wir in einem Schlafsaal und wenn jemand weinte oder nicht schlief, dann gab es Schläge oder er musste auf einer harten Bank im Waschsaal schlafen.
Ich hatte grosses Heimweh. Ich weinte jeden Abend im Bett und legte meine gebrauchten Taschentücher in meine Tasche. Eines Tages wurden sie gefunden und ich wurde dafür geschlagen.
Es wurden Briefe nach Hause geschickt, die gar nicht der Wahrheit entsprachen. Man fragte mich, was ich mitteilen möchte, aber ich machte keine Angaben, weil ich dachte, das schreiben sie sowieso nicht, vor allem , dass ich Heimweh hab.
Dann ging Scharlach um und wir wurden getestet. Alle die den Virus trugen mussten in Isolation.
Auch ich. Ich erinnere mich nur, dass ich tagelang allein im Zimmer im Bett lag und dass nachmittags jemand kam und ein paar Spielsachen brachte. Nachdem wir wieder gesund waren hat man uns in einen Duschraum gebracht und ich habe mich geschämt, weil ein Mann Aufsicht hatte.
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Klaus Einig schrieb am 16.10.2020
Ich bin nun 72 Jahre alt (1948 in Köln geboren) und habe zufällig vom TV Bericht über die damalige Kinder-Verschickungspraxis erfahren und sehr ungute Erinnerungen kamen bei mir dadurch hoch.
Ich war von 1954 bis 1959 insgesamt fünf mal für meistens drei bis vier Wochen verschickt worden. An die Namen der Heime erinnere ich mich nicht, doch die Orte waren Wyk auf Föhr, Husum oder St.Peter Ording, Tegernsee und im Siebengebirge. Von vier Aufenthalten existieren noch jeweils Fotos, zwei Gruppenfotos und zwei gestellte Einzelfotos, weil man den Eltern einen Nachweis vom "ach so schönen Erholungsurlaub" vorweisen wollte. Ich litt bei allen Aufenthalten unter schwerstem Heimweh. Die Reiseorganisatorin in Köln hieß Frau Schubmehl und war wohl noch aus der Nazizeit übriggeblieben. Den Namen werde ich nie vergessen. Wir fuhren vom Kölner Hauptbahnhof mit dem Dampflockzug zu den jeweiligen Orten. Immer ging die Fahrt am Abend los und dann über Nacht. Die kleineren Kinder konnten sich im Gepäcknetz hinlegen. In Hamburg war meistens ein Aufenthalt in der Bahnhofsmission bis es weiterging. An die Heime habe ich nur negative Erinnerungen mit Zwangsmaßnahmen und Drangsalierungen.
Einmal hatte ich 50 Pfennige von meiner Mutter mitbekommen, die wurden mir gleich abgenommen. In einem Heim (Husum oder St. Peter Ording) musste ich meine in den Teller erbrochene Blumenkohlsuppe weiter aufessen. Mein restliches Leben lang habe ich keinen Blumenkohl mehr gemocht. In einem Heim am Tegernsee nahm man mir ein Stofftier, meine einzige emotionelle Verbindung nach Hause, für den ganzen Aufenthalt ab. In einem anderen Heim, eine Art Bauernhof, lief in den Schlafräumen Wasser an der Wand herunter. Eltern haben ihr Kind dort wegen der Verhältnisse vorzeitig abgeholt, da gab es auch nach der Ankunft im Kölner Hauptbahnhof auf dem Bahnsteig noch lautstarke Vorwürfe seitens einiger Eltern. Wenn Frau Schubmehl einmal die Woche zur Inspektion kam wurden die Kinder zwangsweise einzeln in eine Badewanne mit kaltem Wasser gesteckt und mussten anschließend im Freien mit nackten Füßen im Gras herumlaufen, bzw. sich dann feucht ins Bett legen. Denn die Frau war eine Anhängerin des Pfarrers Kneipp. Die älteren Betreuerinnen waren meist sehr streng mit den Kindern, manchmal waren auch zeitweise junge Studentinnen dabei, die mit im Schlafraum untergebracht waren, zu diesen hatte man einen angenehmeren Kontakt.
Die älteren Jungen drangsalierten natürlich auch die kleinen Jungen, was zu vermehrtem Heimweh und auch Bettnässen führte. Dafür gab es dann kein Verständnis, sondern es wurde als Schwäche angesehen und man wurde wegen der Mehrarbeit beschimpft. Einmal bin ich sogar vom Heim weggelaufen und man musste mich suchen. In dieser Zeit glaubten die Eltern den Klagen ihrer Kinder nicht, der hat eben immer Heimweh hieß es dann. Meine Eltern meinten mir etwas Gutes zu tun, dass ich aus der Trümmerstadt Köln mal herauskam. Erst nach dem Eklat auf dem Bahnsteig 1959 gingen ihnen die Augen auf und sie waren danach sehr betroffen. Leider habe ich keinerlei positive Erinnerung an diese Aufenthalte, von fünf Wochen Sommerferien musste ich drei Wochen dort sein. Der Stress führte auch zu einem anschließenden schulischen Absacken, das sich dann bis zum nächsten Sommer wieder erholte.
Mit besten Grüßen aus der Eifel K.E.
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Claudia P. aus Iserlohn schrieb am 15.10.2020
Hallo, habe gerade bei Frau TV (WDR) den Beitrag über Verschickungskinder gesehen. Jahrzehnte war ich im Glauben, dass es eine normale Kur war. Ich bin das siebte von acht Kindern und war unterernährt. Im Alter von fünf Jahren brachte mein Vater mich zum Bahnhof und setzte mich ganz alleine in den Zug. Für mich muss der Aufenthalt dort so schlimm gewesen sein, habe nur eine einzige Erinnerung. Ich sollte ein Zäpfchen bekommen. Habe mich geweigert. Mir wurde angedroht Schwester (den Namen habe ich vergessen), zu holen. Ich muss vor dieser Frau große Angst gehabt haben, denn ich habe das dann über mich ergehen lassen. Ansonsten weiss ich gar nichts mehr von dem sechswöchigen Aufenthalt. Als ich wieder zuhause bei meinen Eltern war, habe ich tagelang furchtbar geheult. Ich habe mich immer gefragt, was denn mit mir los ist , ,warum ich mich an nichts aus der Zeit erinnere. Nachdem ich nun den Hintergrund dieser Kuren kenne, vermute ich, dass es Selbstschutz aus einem Trauma heraus ist. Im Nachhinein wird mir nun auch einiges klar. Die Startschwierigkeiten in der Grundschule....habe am Anfang immer bockig unter dem Tisch gesessen, niemand konnte mich hervor locken. Bin erschüttert....
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Vera Egert aus Münster schrieb am 15.10.2020
Ich hatte im Alter von 3 Jahren Scharlach und danach Nierenbluten.
Im Dezember 1965 bin ich zu einer Klinik in Bad Wildungen von meinen Eltern gebracht worden. Ich habe so geschrien als meine Eltern mich verlassen haben und ich habe gedacht, dass sie mich weggegeben hätten.

Die Zeit war schrecklich. Ich hatte niemanden zum spielen, weil die anderen Kinder alle älter waren. Fühlte mich alleine gelassen.
Mit 4 Jahren musste ich meine Schuhe selber putzen. Ich hatte Fellschuhe und das flüssige Mittel kippte mir um, die Erzieherin schrie mich fürchterlich an.

Wir mussten in ein Badehaus, dort musste ich mich lange Zeit (gefühlt) in eine vollgefüllte Badewanne ohne Aufsicht setzen. Gar nicht vorzustellen, wenn ich ausgerutscht wäre...

Wir mussten immer das Lied "Macht hoch die Tür" singen.
Ich kann es bis heute nicht mehr hören.

Nach der Kur habe ich nur noch gestottert und konnte keine zwei Wörter sprechen. Was sich aber Gott sei Dank gelegt hat.

Ich habe mir geschworen, diesen Ort nie wieder zu besuchen, weil es für mich ein Trauma war.
Den Namen der Klinik weiß ich nicht.

Ich habe gerade bei Frau TV den Bericht über die Verschickungskinder gesehen und mich gewundert, dass es so etwas gibt und ich nicht alleine dastehe, so eine Erfahrung gemacht zu haben.

Viele Grüße
Vera
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Zauche aus Monheim schrieb am 15.10.2020
Ich hebe den heutigen Bericht im Fernsehen gesehen und frage mich, was da los gewesen sein soll. Ich selber war 3 mal auf spickeroge un Langerooge.
Ich habe keine und wirklich keine schlechten Erinnerungen, im Gegenteil fand ich es Klasse.
Ich habe viel von der Natur gelernt und über dire Natur
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Anne Köller aus Bad Sassendorf schrieb am 12.10.2020
Hallo, ich bin mit 8 Tagen in ein Kinderheim gekommen und bis zu meinem 18. Lebensjahr dort geblieben. Mit 11 Jahren meinte man, das ich in ein Kindererholungsheim müßte weil ich zu dünn war. Dort bin ich vom Regen in die Traufe gekommen. Ich wurde gedemütigt geschlagen und gemoppt. Die Nonnen und Erzieher waren mindestens genauso hart wie im Kinderheim. Wie wollen sie alle das Entschädigen. Seit Jahren kämpfe ich um eine Kinderheimentschädigung. Gutachten wurden erstellt die unter aller Sau sind. Vom Opferschutz braucht man nichts erwarten. Das Jugendamt geht mit einem um als wenn man noch ein Heimkind ist und die Akten wurden vernichtet und alle waschen sich die Hände in Unschuld. Es ist ja schön das sie Aufarbeitung machen wollen. Nur jahrelanges Aufarbeiten macht müde und resignierend und wird wahrscheinlich wieder im Sande verlaufen. Es wird auf Zeit gespielt in der Hoffnung das viele versterben werden. Gerechtigkeit wird es nicht geben.
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Brigitte aus Köln schrieb am 12.10.2020
Damals in Aachen lebend wurde auch ich - aus vermutlich wohlmeinenden Motiven - im Alter von 12;6 Jahren im Juli / August 1963 für sechs Wochen "verschickt" [welch' eine Begrifflichkeit!] und kam bleich und abgemagert aus dem sonnigen Schwarzwald zurück ...
In der Einrichtung gab es nach meiner Erinnerung mehrere Gruppen, jeweils zu einer "Tante" gehörig und nach Geschlecht und Alter getrennt. Jene ausschließlich weiblichen Angestellten, also die sogenannten Tanten, waren unterschiedlichen Alters und Gemütes. Es gab eine herrische Befehlshaberin, eine schwermütige deutlich Ältere und eine Jüngere mit nicht heimkonformen Vorstellungen.
Eine Atmosphäre des Schreckens verbreiten und Gewalt ausüben und den immer noch gängigen - keineswegs kindergemäßen Erziehungsstil - kannte ich von zuhause und aus der Volksschule, insofern war ich "gut vorbereitet". Erlebnisse wie scheußliches Essen aufessen müssen, Uhren und Süßigkeiten als Entrée abgenommen zu bekommen, in dunkle Kämmerchen gesperrt zu werden, in furchteinflößenden Kellerräumlichkeiten zu dritt mit dem Wasserschlauch kalt (!) abegespritzt zu werden, mitz erleben, wie heimwehkranke Kinder vor der Gesamtgruppe lächerlich gemacht wurden u.v.m. waren auch hier an der Tagesordnung - die Zensur des wöchentlich angeordeten Karte-nach-Hause-Schreibens ebenfalls.
Ich habe nach einer Weile mit häufigem Brechen reagiert, magerte ab und bekam vom regelmäßig erscheinenden Arzt eine morgendliche Banane-Apfel-Haferflockenspeise verordnet - ein Lichtblick. Half aber nicht, ich brach weiterhin das Mittagessen aus.
Obgleich nächtens stets eine Patrouille unterwegs war - jeweils eine der Tanten - sind zwei ältere Mädchen getürmt. Bei der Einrichtung handelte es sich um ein altes Holzhaus mit knarrenden Treppen, sodaß wir in unserem Vierbettzimmer frühzeitig gewarnt waren, unsere gewisperte Unterhaltung im Dunklen einstellen und uns schlafend stellen konnten ... Der herrischen Befehlshaberin paßte selbst meine Schlafstellung nicht => "Dreh' Dich zur Wand !!" ist mir bis heute mühelos erinnerlich. Anders die schwermütige Ältere: Sie versah schweren Schrittes ihren Abend-Wachdienst, ließ sich stets aufseufzend auf das Fußende meines Bettes sinken und berichtete mir im leisen Tonfall von ihrem Kummer hinsichtlich ihres gefallenen Sohnes. DAS waren meine angstvollsten Minuten.
_____________
P.S.
Falls für Recherche der Initiative nützlich: Ich habe noch eine Ansichtskarte [NICHT von der Einrichung], auf deren Rückseite die Vor- und Zunamen der Mädchen meiner Gruppe und die Namen von drei "Tanten" zu lesen sind.
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louisa schrieb am 10.10.2020
Im Mai 1967 kam ich für einen 6wöchigen Aufenthalt im "Seeschlösschen" in Büsum an. Koffer und Rucksack wurden nachgesehen auf Süßigkeiten und in einen großen Korb auf dem Flur im Eingangsbereich abgegeben und sie wurden nicht mehr gesehen. Unser Schlafsaal hatte 2 Reihen Metallbetten und nach dem Mittagessen warteten wir auf die Post, die wir eventuell bekamen und dann hier vorgelesen bekamen(ich war damals 6 und sollte ein paar Monate später eingeschult werden. Jeden Tag gab es 1 Rosinenbrötchen zur Kaffeezeit, die ganzen Wochen lang. Zu den Mahlzeiten saßen wir im Speisesaal. Auf festgelegten Plätzen, meiner war neben der Tante. Am Wochenende mußte ich mich, da eine Vertretungstante da war und sie meine Zöpfe nicht mochte,auf dem hintersten Stuhl sitzen. Milchsuppe mochte und vertrug ich nicht und das sagte ich der Tante auch. Es mußte immer und alles aufgegessen werden und ich erbrach mich einmal über den Tisch. Die Anderen mußten weiteressen und ich mich waschen gehen mit zornigen Kommentaren der Tante, danach hinlegen zur Strafe, Ruhig sein, für den Rest des Tages. Die drei langsamsten Esser kamen an den Betteltisch, die anderen Tische wurden schon abgeräumt und wer letzter Esser war, mußte von den anderen Kindern, die um die letzten herumstanden, ausgelacht werden und sie mußten mit dem Finger auf ihn zeigen. Natürlich wollte ich nach Hause schreiben und die Post wurde zensiert. Meine Mutter hat mir jeden Tag geschrieben, das war mein Rettungsanker und einen meiner Briefe hat sie aufgehoben. Die Tante hatte wieder einen Text verfasst, wie wohl ich mich fühle und wie gut es mir geht, dazu habe ich ein Bild gemalt: ein Strichmännchen mit langen Haaren steht vor einem Tisch. Die Buchstaben des Namens habe ich so gut ich konnte darunter geschrieben,bunt und krakelig aber den habe ich nie vergessen. Die Tante dachte, ich habe eine Freundin gefunden. Das war aber nicht der Grund, denn dieses Mädchen nässte sich Nachts manchmal ein (jeder reagiert anders auf solche Behandlung, denke ich) und sie mußte jedes Mal in diesem langen Waschsaal am Waschbecken stehen, nackt, und sich waschen während die anderen drunherumstehen mußten.
Das hat mich lange lange verfolgt. Glücklicherweise für mich, brach Scharlach aus und wir mußten nach 5 Wochen nach Hause . Meiner Mutter fiel auf, wie ruhig ich war und ich habe Dinge gegessen, die ich vorher gar nicht mochte, überwiegend eingekochtes Gemüse. Das war 5 Wochen minimale Einheitsernährung. Positiv in Erinnerung habe ich eine Tante, die noch jung war, sie war fürsorglich und verständnissvoll, hatte aber leider nicht viel zu sagen.
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Heike schrieb am 09.10.2020
Ich war 6 Jahre alt, als ich in Bad Dürrheim im DRK-Kinderkurheim war. Heute möchte ich drei Geschichten aus dieser schrecklichsten aller Zeiten erzählen:
1. Meine Mutter sagte, dort gäbe es sicherlich schönes Spielzeug. Es gab aber gar kein Spielzeug und meinen Teddy, in den ich am ersten Abend geweint habe, hat man mir weggenommen. Offenbar fragte ich mehrfach nach Spielsachen, da nahm mich eine Schwester an der Hand und führte mich in einen sehr großen Raum mit sehr großen Schränken an einer Wand. (In Fotos habe ich diesen Raum wieder erkannt, er wird wohl als Schul- oder Unterrichtsraum bezeichnet.) Sie stellte eine Kiste auf den Boden, verließ den Raum und schloss hinter sich ab. Ich – alleine – mit einer Kiste Holzbausteinen – und (so dachte ich damals) nicht einmal farbig! Keine anderen Kinder waren da und ich hatte Angst, weil ich eingeschlossen war. Offenbar wurde ich wütend, ich erinnere mich, wie ich die Bausteine gegen die Schrankwand geworfen habe. Da öffnete sich die Tür – Hoffnung! Jedoch kam die Schwester mit dem Arzt und der gefürchteten Spritze in der Hand. Ich glaube, ich schrie, ich lief weg. Die Schwester bewarf mich mit den Bauklötzen was mich erstarren ließ. --- Erinnerungslücke --- Ich wachte in meinem Bett auf, alleine in dem riesigen Schlafsaal. Und wunderte mich, mitten am Tag geschlafen zu haben. – Dass mich eine Schwester mit Bauklötzen beworfen haben soll, kann ich selbst eigentlich nicht glauben, aber diese Erinnerung kam in der letzten Zeit hoch. Ob das der Grund eines Alptraums ist, den ich bis ins Erwachsenenalter immer wieder hatte? Dort fallen von oben Steine auf mich herab, ich kann nicht weg. Ich denke, ich sterbe. Wundere mich aber, dass ich am Leben bleibe. Dann wache ich mit Angstschweiß auf.

2. Es gab die Drohung, dass wir, wenn wir nicht lieb seien, in den Keller zu den Hühnern kämen. Als Tierfreundin hatte ich Sehnsucht und wollte unbedingt die Hühner besuchen. (Es war mir vertraut, bestimmte Pferde, Schweine, Hühner etc. auf den Höfen unseres Dorfes zu besuchen.) Ich überredete zwei Mädchen, mich zu begleiten. Wir schlichen nachts in den Keller. Dort gab es einen langen, dunklen Gang mit vielen Türen – doch leider alle verschlossen. Eine Tür ließ sich öffenen – und dort saßen in einem hellen Raum Erwachsene um einen Tisch. Sie verstummten, als sie uns sahen. Freundlich sprach uns ein Herr an und wir erzählten mutig, dass wir die Hühner suchen. (Und schwärzten somit die Schwester an, die uns das androhte.) In meiner Erinnerung war insbesondere der Herr sehr erschrocken, er war – oh wunder! – freundlich. Und brachte uns ins Bett zurück. Und deckte mich sogar zu! Ich wunderte mich, dass es außer den bösen Schwestern hier auch nette Menschen gab.

3. Von den 6 Kurwochen verbrachte ich 3 Wochen im Krankenhaus (in Isolation?) wg. Masern. Von diesen 3 Wochen erinnere ich mich an sehr wenige Momente: Allein in einem Krankenzimmer – die Rollläden waren geschlossen. Warum dufte ich nicht an die frische Luft? Würde ich jemals hier wieder rauskommen? – Vielleicht hatte ich Fieber, vielleicht wurde ich sediert. Vielleicht sind mir durch die Krankheit, so denke ich in den letzten Wochen, weitere schlimme Kurerlebnisse erspart geblieben. Meine jungen Eltern waren besorgt und wollten mich besuchen, anrufen, mir ein Päckchen schicken. Alles wurde ihnen verboten! Sie schrieben sehr viele Postkarten, das war ihnen offenbar erlaubt, die jedoch nie bei mir ankamen. Ich war 6 Jahre alt und konnte schon lesen.

Ich glaube übrigens, dass nicht nur ich, sondern auch meine Mutter und meine damals knapp dreijährige Schwester durch meinen damaligen Kuraufenthalt traumatisiert wurden!
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Lothar Scherber aus Remscheid schrieb am 08.10.2020
Ich wurde zwecks meiner Bronchitis an die Nordsee geschickt in ein Kurheim auf Wyk auf Föhr.
Alles fing gut an, nette Betreuer, eine schöne Zugfahrt und dann noch eine Überfahrt mit der Fähre- als wir dann auf die verschiedene Heime verteilt wurden, war auch noch alles in Ordnung. Am nächsten Tag wurden wir unseren Gruppen zugeteilt. Ich bekam eine Schwester, die mit eiserner Hand ihre Gruppe führte. Manches Essen schmeckte mir einfach nicht, aber ich musste es essen und wenn ich mich dann erbrach, musste ich weiter essen bis dass der Teller leer war. Natürlich bekam man Heimweh, aber das war in ihren Augen nur ein Zeichen der Schwäche und wurde nicht toleriert.
Bei den Untersuchungen war es auch nicht besser. Man stand nur mit den Unterhosen bekleidet auf dem kalten Flur. Die Ärzte waren auch nicht einfühlsam, sie hatten einen Befehlston. Bei der Blutabnahme wurde mir aus beiden Armen Blut abgenommen, was ja auch sein musste. Doch ich hatte damals schon Problemvenen, findet man auch heute noch sehr schlecht. Man hat dann einfach drauf losgestochen bis man was gefunden hatte. Die Schmerzen hatte ich noch jahrelang in den Armbeugen, weil sie bei dieser Prozedur bis auf die Knochen stießen. Vermutlich hat sich bei mir eine Phobie entwickelt, denn ich scheue es bis heute zur Blutabnahme zu gehen, allein der Gedanke daran bewirkt bei mir Schweißausbrüche und nervöse Unruhe.
Meine Verzweiflung damals als 9-jähriger Junge war sehr groß.
Ich erinnere mich auch an eine junge Schwester, die mich irgendwann dann in ihre Gruppe nahm und mit uns wunderbare Ausflüge machte. Darüber vergaß man ein wenig das Heimweh.
Zuhause erzählte ich meinen Eltern davon. Mein Vater beschwerte sich daraufhin bei den dafür zuständigen Stellen, doch in dieser Zeit wurde den Kindern ja nicht zugehört, geschweige denn geglaubt, dass diese Vorgänge tatsächlich stattgefunden haben.
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Sven aus Dresden schrieb am 05.10.2020
Ca. 1971 war ich im Kinderkurheim Sonnenblick in Sohland, nach einer schweren Bauchoperation, also etw 6 Jahre alt. (Ich habe es in den 2008 wiederbesucht, da war es ein Schullandheim - aber die Erinnerungen kamen nur langsam).
Viel später habe ich in Halbtrance deutliche Bilder bekommen: Die kalten Umschläge als Therapie, als Kneippsche Anwendung bestimmt sehr förderlich, für mich eine Quälerei.
Die Bürstenmassagen, bei denen ich das Gefühl hatte, dass gleich Blut aus den Kratzern kommen würde. Die Höhensonne-Behandlung mit den Brillen war für mich nichts Besonderes, aber für manche Kinder beängstigend. Gymnastik habe ich in Erinnerung, Spiele im Freien, Wanderungen.
Als Folge der Bauch-OP hatte ich eine kleine, gelegentliche Blasenschwäche. Dafür wurde ich von mindestens einer Schwester sehr erniedrigend gescholten. Sie droht mir immer wieder mit "Gummihosen" und hat - in einem extra Zimmer - mich in ein rotbraunes Gummilaken gewickelt, dann irgendwie an mir herumgespielt, zwischen Auslachen und Schimpfen mich in einen inneren Ausnahmezustand versetzt.
Dort zieht mein Gedächtnis den Vorhang zu...
Das Essen war nicht so mein Problem, obwohl ich seitdem Milchreis nicht mehr mag. Ich kann mich jedoch erinnern, dass Kinder drangsaliert (erzieherisch behandelt) wurden, die nicht ("genügend") essen wollten oder mäklig waren.
Von speziellen Maßnahmen um die betnässenden Kinder habe ich nur am Rande einiges mitbekommen.
Eine Schwester namens Ruth - sehr groß, ernst und in ihrer steifen "Uniform" furchteinflößend, hat in mir ein Trauma hinterlassen, welches ich nicht genau beschreiben kann, das ist alles unscharf, verschwommen. Es greift aber so tief hinein, wie eben die Verletzung von Grundannahmen, Vertrauen und Intimität wirkt, dass ich es körperlich spüre.

Ich denke, neben der individuell negativen Wahrnehmung eines Kindes sind dort tatsächlich Dingen geschehen, die die Grenzen zwischen Recht und Unrecht deutlich überschreiten.
Ich arbeite gerade an diesen frühen Traumata und die Bauchnarbe meldet sich mit enormen Schmerzen.

Allerdings ist der Gesamteindruck eher positiv, fröhliche Spiele, Singen und Lachen waren an der Tagesordnung.
Ein dort gelerntes Lied singe ich noch heute.
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Tom schrieb am 04.10.2020
Ich heiße Tom, bin 1962 geboren, leider nicht mehr ganz sicher, in welchem Jahr genau meine Verschickung war, doch haben sich die erinnerten Bruchstücke dieser schlimmsten Erlebnisse meiner Kindheit förmlich ins Gedächtnis gebrannt. Meine Erinnerungen sind eher Momentaufnahmen anstatt zusammenhängender Schilderungen.
Wenn ich an diese Ereignisse zurückdenke, kommt es mir bis heute vor, als hätte ich all das nur geträumt.
Wir wohnten damals in einem Einfamilien-Reihenhaus im Norden Duisburgs, ich bin der mittlere von drei Söhnen, mein Vater arbeitete als kaufmännischer Angestellter bei der August Thyssen Hütte (ATH). Der Kohlenpott machte seinem Namen noch alle Ehre, die Luft war zum Schneiden, die Fische trieben mehrmals bauchoben auf dem Rhein, ich war schlank, aber nicht dürr, spielte viel draußen, hatte einen gesegneten Appetit und eigentlich gab es außer der willkommenen Frischluftverordnung keine dringenden medizinischen Gründe, mich zur Kur zu schicken. Mit meinen mittlerweile verstorbenen Eltern habe ich erst viel später über die Ereignisse gesprochen. Sie wollten mir etwas Gutes tun und anstelle des Familienurlaubs, den wir uns damals nicht leisten konnten, wenigstens einen ihrer Söhne in die Sommerfrische schicken. Ich meine zu erinnern, dass mein Vater durch ein Programm der Betriebskrankenkasse auf die Idee kam, mir eine Erholung an der Nordsee zu ermöglichen.
Von der ganzen Bahnreise, die am Duisburger Hauptbahnhof im Rudel startete und die ich voll froher Erwartungen begann, blieb mir außer meiner guten Stimmung vor allem die Seltsamkeit in Erinnerung, dass wir trotz der sommerlichen Temperaturen als Erkennungszeichen mit hellblauen Pudelmützen ausstaffiert wurden.
Das Heim selbst ist mir lediglich als Ort ausgewählter Freudlosigkeit in Erinnerung, es gab ausschließlich weibliche Aufseherinnen und das Regiment führte eine sehr strenge, bittere und verhärtete ältere Dame.
Alles, was wir im Gepäck hatten, wurde in große Wandschränke verbracht und eingeschlossen. Nur die Aufseherinnen bestimmten bei der täglichen Kleiderausgabe, was wir anziehen durften. Meine Eltern hatten mir zur Reise meine erste, lange Jeanshose gekauft. Ich freute mich, wie ein Schneekönig, sie endlich tragen zu können und bat jeden Tag aufs Neue, sie anziehen zu dürfen. Es wurde mir nie erlaubt! Und das genau war beispielhaft für den in dieser Einrichtung herrschenden Geist, nämlich, grundsätzlich alles zu verbieten, was uns Kindern offensichtlich zur Freude gereichte, uns stattdessen zu erniedrigen, zu verängstigen, zum Denunziantentum zu verleiten und uns klein zu halten. Meine neue Jeans brachte ich nach den sechs Wochen ungetragen wieder nach Hause zurück. Das war aber nur der harmloseste Teil meiner Kuranwendungen.
Das Essen, insbesondere als warme Zubereitung, war ohne jede Umschweife der miserabelste und billigste Kantinenfraß, den ich je in meinem Leben zu mir nehmen musste. Ich danke Gott aufrichtig dafür, dass ich ein Zuhause ohne Essensdramen erleben durfte und es mir prinzipiell vor nichts ekelt, was als Lebensmittel taugt. Für nicht wenige meiner Leidensgenossen dagegen waren die Mahlzeiten eine höllische Tortur. Sie würgten unter Tränen am Spinat, oder an den allseits gefürchteten Nudeln mit Tomatensoße, welche immer bis kurz vor den Zerfallspunkt matschig gekocht und in einer Tunke gereicht wurden, die genauso schmeckte, als hätte jemand das (immerhin gesalzene) Nudelwasser mit einer homöopathischen Dosis Tomatenmark eingefärbt. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich beim Mittagessen heimlich die Teller mit meinen heulenden Tischnachbarn tauschte und zusätzlich ihre Restportion aß, damit sie nicht zum Aufessen gezwungen wurden. Mir selbst machte das Essen nichts aus; mein Appetit war immer größer, als die Abneigung gegen das lieblos zusammen gepanschte Futter. Das Schlimmste war, die anderen leiden zu sehen und nichts gegen diese Umstände unternehmen zu können.
Es herrschte bald eine allgegenwärtige Trostlosigkeit, ich war immer froh, wenn wir wenigstens draußen sein konnten und der wirklich einzige Lichtblick in diesem ganzen, jämmerlichen Trauerspiel war ein Ausflug, auf dem ich zum ersten Mal frische Nordseekrabben probieren durfte. Diesen Geschmack liebe ich noch heute!
Was uns im Kinderheim selbst wiederfuhr, war weniger erfreulich. Es gab immer eine strikte Nachtruhe. Wir lagen uns in den Schlafsälen gegenüber und tauschten uns flüsternd aus. Ich lag mit dem Rücken zur Tür. Mein Satz war noch nicht zu Ende, als mein Bettnachbar plötzlich die Augen schloss und keine Regung mehr zeigte. Als ich mich gerade verwundert aufrichten und zu ihm beugen wollte, wurde ich auch schon am Ohr aus dem Bett gezogen, auf den Flur verbracht, um dort barfuß, mit dem Gesicht zur Wand hinter die Tür gestellt zu werden. Nach einer gefühlten Ewigkeit tönten die harten Absätze der Oberaufseherin über den Flur, ich hörte, wie eine Schlafsaaltür nach der anderen geschlossen wurde, bis unsere an der Reihe war. Wortlos wurde ich von der Wand weggedreht und bekam zur Strafe keine „Ohrfeige“, sondern derart heftig eine gescheuert, dass ich beinahe mein Gleichgewicht verlor. Danach deutete sie auf mein Bett und schloss hinter mir die Tür. Meine Eltern haben mich niemals so hart angefasst, wie diese Frau.
Von dieser Nacht an wollte ich nur noch heim und zählte nur noch die verbleibenden Tage. Doch das Schlimmste stand mir noch bevor, nämlich die Gesundheitsuntersuchung, genauer gesagt ein kollektiver Vorführtermin im Büro der Oberaufseherin. Wir mussten dazu splitternackt in einer Reihe auf dem Flur antreten und durften uns nicht mucksen oder rühren, bis wir im Büro ankamen. Wieder barfuß auf dem kalten Flurboden merkte ich bald, dass ich pinkeln musste. Wir durften die reihe aber nicht verlassen. Ich biss also die Zähne zusammen und versuchte krampfhaft, meine Blase unter Kontrolle zu halten. Als ich endlich im Büro angekommen war und nur noch zwei weitere Jungen vor mir waren, verlor ich für einen Augenblick die Kontrolle und zu meinem Entsetzen zwei Tropfen Urin auf den Teppich. Wieder bekam ich eine geschossen, diesmal von einer Aufseherin und wurde anschließend zur Toilette geführt.
Das war mit Abstand der erniedrigendste Augenblick meines Lebens.
Mein Taschengeld wurde verwaltet, wir wurden genötigt immer die teuersten Ansichtskarten zu kaufen, wir wurden genau instruiert, was wir schreiben durften, Briefe mussten offenbleiben, damit keine Wahrheiten nach außen drangen und zum guten Schluss wurde mir als Mitbringsel für meine Mutter der Kauf eines Bernsteinanhängers aufgezwungen. Ich gehorchte, wie alle anderen auch.
Wieder zu Hause, sagte ich zu niemandem etwas. Diese ganze Reise erschien mir, wie ein böser Traum. Ich war einfach nur quietschfroh wieder zurück zu sein, mit meinen Freunden um die Häuser stromern zu können, Buden zu bauen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen.
Lese ich heute Berichte, wie jenen in den Husumer Nachrichten [1], in dem von der Schließung des Kinderkurheims Tannenblick im Dezember 2008 im Stile einer harmlosen Sonntagsteeneuigkeit geschrieben wird, oder wenn ich feststellen muss, dass in der gesamten Chronik St. Peter-Ording [2] kein einziges Wort erscheint, aus dem man auch nur ansatzweise den hier von vielen erlebten Horror erahnen würde, dann könnte ich wirklich kotzen vor Wut! Umso dankbarer bin ich dafür, diese Seite hier gefunden zu haben.
Hat mich all das traumatisiert? Ich weiß es nicht. Schwer zu sagen, welchen Einfluss das auf mich hatte. Ich bin Lehrer, habe viel und nah mit Menschen zu tun und ich glaube, das ist deshalb, weil mir eine intrinsische Neigung zur Sorge für meine Mitmenschen, insbesondere für deren Entwicklung, in die Wiege gelegt wurde. Dennoch würde ich einem streunenden Pitbull vermutlich eher vertrauen, als einem wildfremden Menschen. Vielleicht bin ich vorsichtig geworden, seit ich das Kinderheim Tannenblick besuchen durfte. Vielleicht hat es in mir ein grundsätzliches Misstrauen in Bezug auf die Verlässlichkeit menschlicher Beziehungen hervorgerufen. Ich lebe jedenfalls heute allein und verlasse mich lieber auf mich selbst.
Was die Menschen anbetrifft, die das damals an uns verbrochen haben, muss ich mir eingestehen, dass es mir bei der Verarbeitung nicht weiterhilft, sie als seelenlose Kinderschänder anzusehen, denn das wäre keinen Deut besser, als die Gewalt, die mir angetan wurde. Mehr Trost spendet mir hier Erich Fromm, der mir nahelegt, nichts für unmenschlich zu halten, was nicht menschenmöglich ist.
Ich kann einfach nicht glauben, dass diese geschundenen Seelen von ihren Taten unbefleckt anschließend einfach ein glückliches Leben gelebt haben sollen. Es hilft mir bedeutend mehr, ihnen zu vergeben und so viel Mitgefühl zukommen zu lassen, wie ich nur aufbringen kann. Denn ich bin zutiefst überzeugt, dass sie das wirklich bitter nötig haben.

Links:
[1]
https://www.shz.de/lokales/husumer-nachrichten/eine-lange-aera-ist-zu-ende-gegangen-id907806.html
[2]
https://www.chronik-spo.de/bildergalerie/kinderheime/
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Petra Wellmann aus Dinslaken schrieb am 04.10.2020
Hallo, ich wurde im August 1959 geboren. Da ich als Kind an Asthma gelitten habe, bin ich auch verschickt worden. 1963 ging es nach Norderney und 1964 nach Bad Reichenhall. Jeweils für 6 Wochen. Obwohl ich noch sehr klein war, habe ich noch einige Erinnerungen. Sie haben mich auch allein mit einem Schild um den Hals in einen Zug gesetzt. Im Heim durfte ich nicht aufstehen, bis der Teller leer war. Wenn ich dann erbrochen habe, müsste ich trotzdem weiteressen. Ich weiss, dass ich ganz lang allein an dem Tisch gesessen habe. Das war in Norderney. In Bad Reichenhall wurde ich nachts an den Haaren aus dem Bett gezogen und musste die ganze Nacht auf dem Flur im Treppenhaus stehen. Ich habe gefroren und durfte mich nicht hinsetzen. Die Dunkelheit machte mir Angst. Ich weiss noch, das man vom Schlafsaal aus einige Treppen runtergehen müsste um zum Strafplatz zu kommen. Es war ein grosser Schlafsaal mit vielen Eisenbetten. Dort müssten wir auch den Mittagschlaf machen. Es durfte nicht geredet werden. Es hat sich fast niemand gemuckt und es war immer still. Die Zeit kam mir immer sehr lang vor. Mein Bett stand hinten. Ich habe nicht eine einzige positive Erinnerung. Als ich nach Hause kam war ich wund, habe meine Haare rausgerissen und meine Fingernägel waren bis aufs Fleisch abgekaut. Ich habe von Norderney einige Bilder und eine Postkarte, von Bad Reichenhall noch eine Postkarte.
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Hubert S. schrieb am 03.10.2020
Ich bin Jahrgang 1953 und mit knapp 9 Jahren von Anfang Januar bis Mitte Februar 1962 in das Pinneberger Kreiskinderheim "Heimattreue" in St. Peter Ording/Ortsteil Garding verschickt worden. Heute heißt das nach Verkauf und Umbau  "Hotel Strandhaus" .

Auch dort gab es noch Anwendung "schwarzer Pädagogik", aber zum einen nicht so extrem ausgeprägt, wie es hier im Forum wiederholt drastisch von anderen berüchtigten Heimen beschrieben wird.

Zum anderen war ich als Drittklässler doch schon etwas älter und allein schon durch die Fähigkeit des Lesens und Schreibens etwas unabhängiger als die ganz jungen Verschickungskinder. Schließlich kam für mich noch günstig hinzu, dass ich zusammen mit meinem gleichaltrigen Klassenkameraden Alwin F. verschickt wurde und wir auch während der ganzen Zeit unseres Heimaufenthaltes in der gleichen Gruppe "größerer Jungs" zusammen und z. B. im Schlafsaal Bettnachbarn waren.

Strenge Erziehung und sog. schwarze Pädagogik mit auch sogar körperlicher Züchtigung waren zumindest in der Erziehung von Jungs in den 50er und auch noch in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hier in Schleswig Holstein weit verbreitet und auch gesellschaftlich akzeptiert - sogar bis zu einem gewissen Grad von relativ brav-angepassten Kindern wie mir; es durfte nur nicht grob ungerecht und gar brutal dabei zugehen.

Ich denke, dass dieser ungemein harte, lieblose und auf Drill sowie unbedingten Gehorsam ausgerichtete Erziehungsstil nicht nur und ausschließlich auf die Nazizeit zurück geht, sondern noch weiter ins deutsch-wilhelminische Kaiserreich und zu den Preußen zurück reicht, wo ja bekanntlich ausgediente ehemalige Unteroffiziere, Feldwebel etc. in den Schuldienst übernommen und auf die Kinder losgelassen wurden.

Das alles hat die uns Kinder erziehende Generation ihrerseits wohl ebenfalls durchlaufen und mehr oder weniger am eigenen Leibe erfahren müssen, und das erklärt zumindest für mich manches, womit ich es aber keineswegs etwa entschuldigen will.

Schließlich muss und sollte man als denkender Erwachsener nicht alle Fehler, die an einem selbst begangen wurden, etwa an anderen einem anvertrauten schwachen und schutzbefohlenen Kindern selber wiederholen.

Besonders unverständlich und unentschuldbar erscheint mir als selbst bekennendem kath. Christen ein solch liebloses Vorgehen seitens christlicher Ordensleute, die es doch eigentlich innerhalb des Christentums ganz anders gelernt und erfahren haben sollten.

Zu mir und meiner Familie:

Meine Eltern sind Heimatvertriebene aus Niederschlesien, mein Vater war als ehemaliger Soldat bis 1945 in russ. Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg lebten die Eltern rd. 10 Jahre im Osten der DDR und sind mit uns beiden dort geborenen Kindern wg. der dortigen Perspektivlosigkeit für sie und uns Ende 1956 in den Westen "rübergemacht", wo mein Vater wieder wie vor dem Krieg in Schleswig Holstein eine Stellung im Staatsdienst fand. Wir lebten seit 1958 im Kreis Pinneberg nordwestlich von Hamburg.

Ich wurde 1959 mit 6 Jahren eingeschult und war außer in Sport und Musik ein guter bis sehr guter Schüler.

Wegen meiner schwächlichen körperlichen Konstitution und Untergewicht wurde ich dann Anfang Januar 1962 in besagtes Kinderkurheim des Kreises Pinneberg verschickt. Wir blieben dort ca. 6 Wochen bis nach der großen Sturmflut am 16./17. Februar 1962.

Wie schon erwähnt, habe ich dieses Heim zwar auch nicht in guter Erinnering; verglichen mit den Berichten aus anderen Einrichtungen hier im Forum dürfte es jedoch noch eines der weniger schlimmen Kinderverschickungsheime gewesen sein - zumindest zu der Zeit Anfang der 1960er Jahre. Allerdings waren sowohl ich selbst als gottlob auch meine Eltern nach meiner "Kur" dort ein für allemal vor einer etwaigen Wiederholung gründlichst "kuriert".

Wir wurden mit Omnibussen von unseren Wohnortes dorthin gefahren. Ich kann mich erinnern, dass ich bereits am Ankunftstag (eine Karte?) an meine Eltern schrieb, in der ich über Heimweh klagte und dass es mir dort nicht gefalle - dafür wurde ich zur Rede gestellt, denn sämtliche ausgehende Post wurde überprüft und zensiert, wenngleich ich mich nicht entsinne, dass etwas zerrissen wurde und neu geschrieben werden musste. Eher glaube ich, dass die Erzieherinnen, auch hier "Tanten" genannt, ggf. eigene relativierende bzw. beschwichtigende Kommentare zu ihres Erachtens "allzu krassen" Briefen einzelner Kinder verfassten. Ich kann mich gut erinnern, dass ein etwas älterer Junge (geschätzt ca. 14 Jahre) aus unserer Gruppe richtig massiv Ärger bekam, als er während eines unserer gemeinsamen Gruppen-Spaziergänge einmal einen von ihm verfassten Brief oder eine Karte, die von den "Tanten"  nicht prüfend gelesen worden war, selbstständig in einen öffentlichen Briefkasten am Wege steckte. Nach meiner Erinnerung gab's einen riesigen Bohei deswegen unter Hinzuziehung der Heimleitung und einen strengen öffentlichen Verweis - wahrscheinlich, um uns übrige einzuschüchtern, damit das Beispiel keine Schule machte.

Ich hab jedenfalls trotzdem von meinem Heimweh geschrieben - allerdings etwas vorsichtiger und allgemeiner, und vielleicht gab es dadurch zumindest für mich kleine Verbesserungen, wie z. B. dass ich Kinder- bzw. Jugendbücher lesen durfte, wenn ich mal dort krank war.

Ich kann mich an sich nur an weibliche Erzieherinnen in besagtem Heim erinnern, auch die Heimleiterin war eine Frau - geschätzt ca. 40 Jahre und übrigens von mir als nett und einfühlsam empfunden.

Unsere unserer Gruppe zugeteilte Tante hieß Ruth Noack oder Nowak, war ca. 60 Jahre alt und nicht mies oder gar gewalttätig aber m. E. recht bequem und zumindest bzgl. der täglichen Gruppenspaziergänge absolut ideenlos:

Wir gingen täglich vormittags nach dem Frühstück mit ihr den immer wieder ewig gleichen langweiligen Weg bis zum Ortskern von St. Peter Ording und da bis zu einem dortigen Andenkengeschäft, das sie dann allein betrat, um sich darin mit der mit ihr offenbar befreundeten Inhaberin bzw. Verkäuferin eine gefühlte kleine Ewigkeit lang ausgiebig zu unterhalten und aufzuwärmen, während wir draußen in der Januarkälte frierend herumstanden und warten mussten, bis es dann auf dem gleichen Weg wieder zurück ins Heim ging.

Spielen o. ä.: Fehlanzeige. So ging das die gesamten 6 Wochen lang tagein und tagaus. Ich erinnere  mich lediglich an 2 Strandbesuche während der gesamten Zeit von 6 Wochen - zumindest einem davon mit der o. gen. Heimleiterin und einem weiteren  wohl nach der Sturmflut vom 16/17. Februar - das war beide Male spannend und abwechslungsreich für uns Jungs und hat Spaß gemacht, war aber die absolute Ausnahme, obwohl das Heim und heutige Hotel nur ca. 200m vom Strand entfernt hinter einer Dünenkette liegt. Ansonsten sind wir nur höchstens eine Handvoll Male mit Vertretungen unserer "Tante" mal andere Wege spaziert, einmal fand dabei wohl auch so eine Art Geländespiel in einem lichten Kiefernwäldchen statt - sonst stets nur die immer gleichen unglaublich öden geschilderten Spaziergänge mit "Tante" Ruth.

Bei Regenwetter fielen die vormittäglichen Spaziergänge allerdings aus, dann konnten wir Gesellschaftsbrettspiele im Essensraum machen. Ich habe dort Monopoly kennen gelernt, das sehr viel Spaß machte.

Die übrigen Erzieherinnen dürften zwischen Anfang 20 und bis ca. Mitte 50 gewesen sein. Sie sind mir nicht als besonders freundlich in Erinnerung - eher verschlossen und unnahbar.

Von einer der jüngeren, die gelegentlich während der Mittagsruhestunde auch mal bei uns Aufsicht führten, fing ich mal eine Ohrfeige ein, weil sie mich mit offenen Augen im Bett liegend erwischte. Den Rest der betr. Mittagsstunde schlief ich darauf dann allerdings richtig tief.

Die täglich verordneten Mittagsschlafpausen waren für Kinder wie mich, die an so etwas nicht gewöhnt waren, im übrigen eine große Zumutung und Tortur.

Als unangenehm empfand ich, dass wir alle bis auf die 3 schon älteren Jungs unserer Gruppe uns zu bestimmten Gelegenheiten voreinander und den Erzieherinnen völlig nackt ausziehen mussten und so gemeinsam anzutreten hatten.

Das  haben - zumindest anfänglich - auch viele andere Jungs so empfunden, denn das waren wir weder von Zuhause noch etwa von der Schule (Sport) her gewohnt.

Die Anlässe, zu denen wir uns gemeinsam voreinander und vor den Erzieherinnen nackt ausziehen mussten, waren zum einen das wöchentliche Ganzbad bzw. gemeinsame Duschen Freitag nachmittags zum anderen das mehrfache Antreten zur Bestrahlung, die in Dreiergruppen in einem großen saalähnlichen Raum stattfand und schließlich bei der mindestens 2maligen Arztvisite. Dabei sehe ich das Nacktsein zum Baden/Duschen noch in gewisser Weise ein, obwohl die älteren nachpubertären Jungs ja schließlich auch davon ausgenommen waren, während zu den beiden übrigen Anlässen eine völlige Nacktheit mir keinesfalls zwingend notwendig erscheint. Da ich ein schwächliches und mageres Kind war und mich äußerlich nicht besonders attraktiv empfand, kam mir die hier verordnete Nacktheit wie eine öffentliche Bloßstellung vor.

In sehr unangenehmer Erinnerung habe ich zudem noch die Sonntagabende, wo im großen Eßsaal gemeinsame Gesellschaftsgruppenspiele unter Beteiligung aller Kindergruppen stattfanden. Da ist mir ein "Spiel" in besonders schlechter Erinnerung, bei dem es darum ging, dass ein hochkant stehender Teller von einem Kind in Drehbewegung gesetzt wurde und dieses Kind nun ein anderes Kind bezeichnen durfte, welches den sich drehenden Teller greifen musste, bevor er zu drehen aufhörte und somit zu Boden ging. Schaffte das aufgerufene Kind dies, so war es nun selbst an der Reihe, den Teller neu zum Drehen zu starten und ein weiteres Kind zu benennen, welches ihn ergreifen sollte. Schaffte das Kind es aber nicht, den Teller rechtzeitig zu ergreifen, bevor er zu drehen aufhörte, so musste es sich quasi "freikaufen", indem es vor allen Kindern im Saal ein Lied singen musste. Davor hatte ich immer eine Riesenangst zum einen wegen meiner Schüchternheit, so vor allen zur Schau gestellt zu werden und mich produzieren zu müssen und zum anderen, weil ich seit Kindesbeinen ziemlich unmusikslisch bin und ausgesprochen schlecht und falsch singe. Meist habe ich mich quasi irgendwie bei diesem mir verhassten "Spiel" drücken können oder den Teller noch rechtzeitig erwischt, einmal gelang es mir aber offenbar nicht, da ich relativ spät benannt wurde, als der Teller schon ins Trudeln kam. Ich sollte also singen, was für mich aber einer öffentlichen Blamage gleichgekommen wäre, und so blieb ich trotz wiederholter Aufforderung stumm. Darauf wurde ich dann auf Kommando der Erzieherinnen öffentlich von allen durch Auslachen verspottet. Eine tief sich ins Bewusstsein einprägende Erinnerung, die gewiss nicht zuträglich war für die eigene Weiterentwicklung und u.a. zur Ausprägung eines gesunden Selbstbewusstseins.

Neben diesen mir in besonders unangenehmer Erinnerung gebliebenen Ereignissen in diesem Heim sind mir noch das ungewohnt lieblose Frühstück mit Früchtetee aus Blechbechern und Fruchtaufstrich auf ungewohntem  dunklem Graubrot sowie der zwangsweise verordnete gemeinsame Mittagsschlaf in schlechter Erinnerung.

Ebenso das untersagte nächtliche Aufsuchen der Toilette. Als einziges Zugeständnis an unsere menschlichen Bedürfnisse waren des Nachts in unserem großen Schlafsaal vorne in Türnähe zwei 10Liter-Zinkeimer aufgestellt, in die man bei Bedarf urinieren durfte.

Auch ich habe dort in diesem Heim meinen 9. Geburtstag erlebt. Von den Eltern per Post zugeschickte Süßigkeiten sollte auch ich abgeben, damit sie "gerecht" verteilt würden.

Zum Schluss meines Heimaufenthaltes ereignete sich Mitte Februar 1962 noch die schwere Sturmflut, was u. a. zur Folge hatte, dass meine Eltern zu Hause in der Nähe Hamburgs wg. zeitweisen Stromausfalls und unterbrochener Telefonverbindungen bei noch keinem eigenen privaten Telefonanschluss tagelang nichts Sicheres über mein Schicksal in Erfahrung bringen konnten. Durch diesen Schrecken und die damit einhergehende Ungewissheit waren auch sie von einer etwaigen Wiederholung einer Verschickung ihres Kindes gründlichst kuriert.

Gewichtsmäßog hatte ich nach der Kur mit lediglich 1-2 Pfund nur wenig zugenommen.

Alles in allem war dieses Verschickungsheim, so wie ich es erlebt habe, jedoch noch deutlich weniger schrecklich als zahlreiche andere hier geschilderte Einrichtungen.

Mir hat's trotzdem gereicht - ich hätte da nicht noch einmal hingewollt.

Bemerkenswert finde ich übrigens beim Lesen der Berichte anderer ehemaliger Verschickungskinder, dass hier immer wieder gehäuft von Verschickung in der kalten Jahreszeit die Rede ist.

Wurden besagte Heime etwa in den warmen Monaten anders genutzt, oder ist das etwa nur ein zufälliger subjektiver Eindruck meinerseits, dass so viele Verschickung im Herbst und Winter erfolgten?
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Annette aus Düsseldorf schrieb am 03.10.2020
Ich war in Gemund am Tegernsee und Im Praktikum zur Erzieherin. Ich kann mich daran erinnern, das Kinder, die Nachts nicht schlafen konnten in den Waschraum gelegt wurden, damit sie die anderen nicht stören. Manche bekamen auch Melleretten-Saft zum einschlafen
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Taheri aus Bocholt schrieb am 02.10.2020
Ich wurde zur Kur geschickt, weil ich zu dünn war.
Mittags saßen etwa 8 Kinder an einem Tisch. Die Erzieherin gab uns das Essen auf unsere Teller. Mein Teller war so voll, dass ich Panik verspürte, das alles aufessen zu müssen. So hatte ich keinen Appetit mehr und das Essen wurde eine Qual.
Einmal bekamen wir Leberkäse. Diese mochte ich überhaupt nicht. Das Gefühl im Mund fand ich schrecklich. So kaute ich kaum und schluckte die Stücke schnell herunter bis mir alles wieder heraus kam auf dem Teller.
Kurze Zeit war keine Erzieherin im Raum. So wickelte ich das Erbrochene in ein Papier und warf es in den Papierkorb. Dann kam die Erzieherin Zeta zurück und fragte was los sei. Die anderen Kinder riefen: "Die hat Essen weggeworfen!" Sofort bekam ich eine Ohrfeige. Sie holte das Papier wieder heraus und sagte ich solle es aufessen. Meinem Einwand, das habe ich doch gebrochen, glaubte sie nicht. Sie sagte, das seien ja noch große Stücke. Weinend musste ich das essen bis eine Ordensschwester doch Mitleid bekam und ich es beenden konnte.
In den 6 Wochen habe ich 500 g zugenommen. Das erste, was ich meinen Eltern, die mich zu Hause am Bahnhof abholten sagte war: "Ich gehe nie mehr in Kur!"
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Jens Königsfeld schrieb am 01.10.2020
Ort: Königsfeld im Schwarzwald
Verschickungsheim: Frieda-Klimsch-Stiftung, Nebengebäude Haus Vogelsang
Termin: 1959 oder 1960
Ich wurde in die Frieda-Klimsch-Stiftung verschickt, weil ich an den Folgen einer Erkrankung litt und „zu dünn“ war.
Gibt es weitere Kinder, die in diesem Heim waren?

Im Haus Vogelsang herrschte ein strenges Regiment, nach meiner Erinnerung hauptsächlich verkörpert von Schwester Gerda. Für mich war unangenehm:
Man musste alles aufessen. Wenn man etwas nicht mochte, kam Schwester Gerda mit einem Kochlöffel herum und verpasste einem Schläge auf die Knöchelchen des Handrückens.
Man musste nach dem Mittagessen eine Ruhepause auf den Liegen an der frischen Luft einhalten. Es war streng verboten, in der Zeit aufzustehen. Ich habe deshalb zweimal lieber in die Hose gemacht, als beim Aufstehen erwischt zu werden. Bei einem dritten Mal habe ich mit einem anderen Jungen zusammen allen Mut zusammengenommen und mich über einen Balkon ins Haus geschlichen, um auf die Toilette zu gehen. Wir hatten aber entsetzliche Angst, dass wir erwischt und bestraft werden.
Einem Jungen in meinem Zimmer wurden eines abends die Fingernägel geschnitten und er kam mit einigen blutenden Fingern zurück.
Ich hatte sehr viel Angst vor dem regelmäßigen Wiegen, denn wenn man nicht genug zugenommen hatte, drohte die Verlängerung der Kur, und das war der größte Schrecken.
Überhaupt hatte man ständig Angst.
Einmal musste/durfte ich allein vom Nebenhaus zum Haupthaus gehen, um irgendetwas zu erledigen. Es waren nur ca. 100 m durch ein kleines Wäldchen, aber ich fühlte mich plötzlich frei und habe es genossen wie Weihnachten. Ich weiß noch, dass ich ein Eichhörnchen sah und es am liebsten umarmt hätte.
Es waren nicht alle Schwestern grausam. Wir hatten auch eine jüngere Schwester, die uns gut behandelt hat. Ich könnte mir eigentlich denken, dass auch diese Schwestern sich melden könnten, um zu berichten, dass sie damals zu einem Verhalten gezwungen wurden, dass sie eigentlich nicht richtig fanden.
Es wurden nicht alle gleich behandelt. Ein Junge hatte große Privilegien, allerdings weiß ich nicht warum. Jedenfalls durfte er an einem Sonntag im Fernsehen Fußball gucken. Ich glaube es war das Endspiel um die deutsche Meisterschaft 1959. Er durfte einen Freund mitnehmen, das war ich. Ich habe es genossen, 2 Stunden frei zu sein, obwohl mich der Fußball überhaupt nicht interessiert hat.
Wenn wir die Situation gerecht beurteilen wollen, müssen wir wohl versuchen, uns in die Lage des Jahres 1959 zu versetzen. Damals waren andere Verhaltensweisen verbreitet als heute. Es herrschte viel mehr als heute ein autoritärer Erziehungsstil. Es gab auch Schulen, an denen noch Schläge verabreicht wurden. Auch in den Familien wurde vielfach noch geschlagen. Das liest man ja auch in einigen Berichten. Für mich war das allerdings neu. In meiner Familie wurde nicht geschlagen und in meiner Grundschule auch nicht. Es war also durchaus nicht die Norm, dass geschlagen wurde. Meine Mutter hat danach mehrmals gesagt „Ich hätte Dich da nicht hinschicken dürfen“. Von Zu Haus hatte ich also Rücken-deckung und Verständnis. Überhaupt bin ich wohl trotz meiner Jugend mit einem einigermaßen stabilen Selbstwertgefühl dorthin gefahren. Ich bin an dieser Kur auch nicht zerbrochen, sie war nur eine der unangenehmsten Erfahrungen meines Lebens und die Erinnerung daran verursacht immer noch ein mit Angst verbundenes Gefühl.
Ungefähr 20 Jahre später war ich mit meiner Ehefrau in der Gegend und wir haben spontan beschlossen, zu dem Heim zu fahren. Am Empfang saß eine Schwester, die ich fragte, ob Schwester Gerda noch da sei. Ich wollte ihr berichten, wie sehr wir damals gelitten hatten. Ich bekam zur Antwort, dass Schwester Gerda leider nicht mehr da sei. Aber: „Sie war ja sooo beliebt!“ Das hat mich noch mal richtig entsetzt. Und das ärgert mich im Nachhinein genauso wie die schlechte Behandlung damals: Die Schwestern, die uns schlecht behandelt haben, waren im Ort wahrscheinlich die großen Helden. Ich finde, dass sollte man richtigstellen. Auch im Ort Königsfeld.
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Marion Gisbertz aus Wegberg schrieb am 01.10.2020
Ich wurde mehr oder weniger als Begleitperson für meine 3 Jahre jüngere Schwester mitgeschickt. Wir hatten uns eigentlich auf die Kur gefreut, wurden aber gleich am Abend der Anreise getrennt.Dies beruhte auf den einzelnen Altersgruppen. Meine Schwester kam nach den Sommerferien in die Schule, somit war ich für den Schriftverkehr zuständig. Wir wurden in den Speisesaal geführt, sollten unser Handgepäck? auf den Tisch legen und öffnen. Dann kamen zwei "Schwestern" mit einem Wäschekorb und leerten alles darin aus. Das empfand ich schon als grausam, da unsere Mutter uns extra, um uns die Zeit zu versüßen je eine Tüte "Nimm 2" und eine Tafel "Noveisa Goldnuss" mitgegeben hatte. Begründung hierfür: das werden wir nachmittags verteilen, damit alle etwas haben. Wir haben ein einziges Mal ein saures Bonbon bekommen. Für uns beide war das etwas so besonderes, mehr noch wie Weihnachtsleckereien und die hat man uns abgenommen.
Briefe nach Hause schreiben durfte ich erst nach 2 Wochen. Dieser wurde kontrolliert, fast alles durchgestrichen. Die Wahrheit durfte ich nicht schreiben, man diktierte mir dann die Briefe.
Es sollte ein Ausflug zur Zugspitze stattfinden, aber nur für brave Kinder. Ich durfte nicht mit, weil ich tags zuvor die Linsensuppe nicht aufgegessen hatte. Das war so eine Sache: im Speisesaal war es sehr laut, wenn weiter geschwätzt wird, der bekommt noch eine Kelle Suppe auf den Teller. Da ich schon 2 Teller hatte, wollte ich nicht antworten, als das Mädchen neben mir was sagte. Habe lediglich meinen Zeigefinger auf die Lippen gelegt und schon kam die nächste Kelle Linsensuppe, der Teller lief über, ich kriegte eins auf den Kopf und habe mich dann über die Ungerechtigkeit beschwert und dann ging es los. Die Oberschwester kam, eine Schwester hielt meine Arme auf den Rücken, eine meine Nase zu und die Oberschwester stopfte den Löffel mit der Linsensuppe imer und immer wieder in meinen Mund. So schnell konnte ich nicht schlucken, sammelte also alles in den Wangenund die Oberschwester schlug daruf. So bekam sie alles ins Gesicht, zerrte mich wütend auf die Toilette, steckte mir mehrfach die Finger in den Hals, damit ich erbrach und dann ging es weiter. Da ich aber nicht mehr essen konnte, wurde ein riesiger Pokal voll Suppe geholt, ich auf einer Bank festgebunden und sollte den während der Mittagsruhe leeren. Auch das ging nicht, sodass ich in ein Krankenzimmer eingesperrt wurde mit vergittertem Fenster und NACHTTOPF!!!!!!!!!!!!! Da musste ich 1 Woche drinbleiben, wurde ausgeschimpft, wenn ich den Nachttopf benutzen musste, als Schwein und Ferkel bezeichnet.
Ich kann bis heute noch nicht einmal Linsensuppe riechen, geschweige essen da wird mir schon übel. Man muss sich das mal vorstellen, sovieel <linsen im Bauch, wie das gebläht hat.

Morgens gab es immer 3 sehr große Schnitten Brot mit Rübenkraut. Während des Frühstücks mussten wir dann zur "Höhensonne" 15 Minuten stehen.1 Mädchen ist umgefallen und hat sich das Kinn aufgeschlagen, was genäht werden musste. Danach durften wir sitzen. Zurück im Frühstücksraum war der Telle wieder mit neuen Broten aufgefüllt. Viel zu viel für uns kleine Mädchen.
Ohrfeigen bekam ich, weil ich meine Brille nicht dabei hatte, obwohl ich gar keine besaß.
Beim Kofferpacken für die Rückreise, fehlten alle unsere neuen Kleidungsstücke und Sonnenbrillen. Wieder gab es Ohrfeigen und einen Tag ins Krankenzimmer. Dort wurde ich regelmäßig von Bremsen zerstochen.
Das schlimmste aber war, dass ich meine kleine Schwester nachts weinen hörte, nachschauen wollte, sie auf der Treppe in eine Decke gewickelt, m Hals zugebunden und ich durfte nicht hin.
Abends musste immer eine von uns in der Zimmertüre warten bis wir ins Bad gerufen wurden. die restlichen 9 Mädels drückten dann die Türe zu und meine beiden kleinen und Ringfinger steckten in der verschlossenen Tür. Für mein Geschrei gab es natürlich wieder Ohrfeigen, ich solle mich nicht so anstellen, solange die Finger nicht bleu sind ist auch nichts kaputt. Sie waren sofort lila und nach Monaten noch stark geschwollen. Ein Jahr später habe ich mir den linken Unterarm gebrochen, wobei die Brüche der beiden linken Finger zum Vorschein kamen Auf einer späteren Röntgenaufnahme sah man daann auch rechts die unversorgten Brüche. Meine Finger werden immer steifer, der rechte Ringfinger ist im mittleren Glied versteift und macht Probleme.
Alles in allem muss ich heute immmer wieder feststellen, dass mich diese Kur stark geprägt hat. Vor allem wurden wir immer wieder als Lügner bezeichnet, was mich bis heute verfolgt.
Über meine kaputten Finger habe ich zwischenzeitlich ein Gutachten.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich mich freuen würde, wenn sich eine meiner Mit-KurKinder hier melden würde.
Lg Marion
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Janine Beutler-Deckers aus Nettetal schrieb am 30.09.2020
Ich war 1968 für 6 Wochen in einem Heim in List auf Sylt. Zu essen gab es jeden Tag Haferbrei und Schmalzbrote und zu trinken immer nur Tee. Wer wie ich den Brei verweigerte, hatte nur Schmalzbrot zur Auswahl, und das sechs Wochen lang. Kinder, die nicht kerzengerade bei Tisch saßen, bekamen eine Holzlatte hinten in den Hosen- oder Rockbund gesteckt zum Geradesitzen, beide Hände mussten immer flach neben dem Teller liegen. Nach dem Mittagessen mussten wir in den Schlafräumen ins Bett und schlafen, abends war im Hellen Schlafenszeit (April). Telefonieren gegen das Heimweh war nicht erlaubt, Briefe meiner Mutter wurden vorgelesen, ich selbst konnte noch nicht schreiben und daher keine Post zurücksenden. Wanderungen wurden in Kniestrümpfen erledigt zur Abhärtung (April an der Nordsee), ich hatte immer blaugefrorene Beine. So sehr ich auch nachdenke, kann ich mich an keine Spiele oder sinnvolle Freizeitbeschäftigung erinnern, eher an Bewachung durch das Personal. Bei meiner Rückkehr war meine Mutter entsetzt: ich sah nicht wie erwartet gesund aus, sondern moppelig.
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C. M. Schwab aus Ludwigshafen schrieb am 27.09.2020
Die Behandlung dort kann man getrost als grundlegend lieblos und quälerisch beurteilen. Abgesehen von der Tatsache, dass ich nicht verstand, warum Eltern ihren Kindern so etwas antun können, erlebte ich in Saig die folgenden Erlebnisse: Stundenlanges Sitzenbleiben am Tisch, wenn man den Haferschleim, den man nicht essen konnte, weil er Brechreize auslöste, samt dem Erbrochenen wieder aufessen musste. Man fragte sich, warum man nicht einfach wie die 'Größeren' ein Marmeladenbrot essen durfte, wenn der Haferschleim Übelkeit auslöste. Tägliches Schafen in zu kurzen Betten unter dünnen Decken in kalten Mehrbettzimmern, verbunden mit dem Verbot, nachts auf die Toilette zu gehen. Wenn man trotzdem 'musste' musste man sich auf leisteten Sohlen am Schwesternzimmer auf dem knarrenden Parkett am Schwesternzimmer vorbeischleichen Richtung Toilette, dort dann sein GEschäft erledigen, möglichst ohne zu 'Spülen', denn das hätte Geräusche verursacht, die die Schwester auf den Plan gerufen hätten.
Die von den Eltern zugeschickten Pakete mit Süßigkeiten von daheim wurden kontrolliert und nicht herausgegeben. Von einem prall für meine Schwester und mich gefüllten Paket - bekamen wir jeden nur eine 'Katzenzunge'. Der Rest verschwand bei den Schwestern. Die Pakete und Briefe der Eltern waren stets bereits geöffnet, wurden vor Abgabe an uns bereits gelesen. Nach dem Mittagessen mussten wir stundenlang eine Liegekur auf einer überdachten Verwanda aushalten - bei Tageslicht mit geschlossen Augen - so tuend als würden wir schlafen - das Ganze unter den von den Eltern mitgegebenen Wolldecken. Am Nachmittag lange Wanderungen. Am Wochenende - meist Samstags mussten wir baden - und zwar alle im selbem Wasser einer Badewanne - ich war meist zuletzt dran, weil ich schon größer war und ekelte mich vor dem schmutzigen Wasser. Einmal pro Woche ein Termin mit dem Arzt, der Spritzen gab - wofür weiss ich bis heute nicht. Gegen das massive Heimweh das mich ob der Umstände befiel und die Trauer über die lieblosen Umstände, die mit häufigem versteckten nächtlichen Weinen unter der Bettdecke einherging, wurde nichts unternommen. Eine sehr unschöne Erinnerung die sich in meiner Kindheit zweimal wiederholte. Beim 2. Aufenthalt waren wir einem neuen Gebäude untergebracht. Derselbe Ablauf, wie beim ersten Aufenthalt, aber immerhin eine etwas nettere Heimleiterin / Erzieherin (?), die sich einmal meines Heimwehs am Abend freundlich annahm.
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Joachim Best aus Seevetal schrieb am 27.09.2020
Ich musste eine ganze Nacht auf dem kalten Flur stehen weil Ich von meinem Geburtstagsteller mit Süssigkeiten nichts abgegeben habe. Es wurde auch ständig kontrolliert ob Ich den auch noch stehe. Ansonsten auch die Erlebnisse wie Trennung von Geschwistern und sitzen bleiben bis man aufgegessen hat.
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Insa Harjes aus Lemgo schrieb am 26.09.2020
Meine Schwester erzählte mir, sie habe einen Bericht über die "Initiative Verschickungskinder" gelesen, bei dem sie sofort an meine Erinnerungen von meiner Kur auf Sylt denken musste.
Ich war tatsächlich überrascht und entsetzt, als ich nun einige Berichte gelesen habe, dachte ich doch immer, dass meine wenigen Erinnerungen doch nur einfach schlechte Erinnerungen waren, die eventuell einfach von Heimweh geprägt waren.
Ich war als 6-Jährige im Frühjahr 1977 für 6 Wochen in einem Heim in Hörnum auf Sylt. Wie das Heim hieß, weiß ich leider nicht mehr.
Ich habe nur wenige Erinnerungen an die 6 Wochen. Aber es sind intensive Erinnerungen.
Wir bekamen eine eklige braune Suppe zu essen, die wir aufessen mussten. Wie es den anderen Kindern damit ergangen ist, weiß ich nicht mehr, aber ich habe mich gebeugt und tapfer gegessen.
Zu trinken gab es nur während der Mahlzeiten. Ich hatte ständig Durst. Im Hof des Heimes waren Getränkekisten mit Leergut gestapelt. Einmal habe ich dort verzweifelt nach noch einer vollen Flasche gesucht. Warum ich kein Wasser aus dem Wasserhahn getrunken habe oder ob ich es vielleicht doch getan habe, weiß ich nicht mehr.
Die Postkarte an meine Eltern habe ich zusammen mit einer Erzieherin "geschrieben". Wir saßen dazu alleine im Speisesaal. Ich meine mich zu erinnern, dass ich einen Text "abschreiben" sollte, obwohl ich noch nicht schreiben konnte.
Das zumindest würde erklären, warum ich später in der Schule so gravierende Probleme beim Abschreiben von Texten hatte gebunden mit der Angst, Fehler zu machen.
Am Ende meiner "Kur" suchte eine Erzieherin für mich Sachen raus, die ich bei meiner Heimreise anziehen sollte. Es war eiskalt draußen und ich musste eine kurze Hose mit roten Kniestrümpfen anziehen. Meine Mutter war damals in Bremen am Bahnhof entsetzt beim Anblick meiner blaugefrorenen Beine. Selbst meine 5 Jahre ältere Schwester kann sich bis heute an diesen Anblick nur zu gut erinnern.
Wenn ich all die Berichte hier lese, dann denke ich mir, dass ich es anscheinend noch richtig gut gehabt habe.
Es ist entsetzlich, dass so mit Kindern umgegangen wurde und das für so lange Zeit. Da kann man nur hoffen, dass es heute anders ist. LG Insa
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Kirsten Ungerathen aus Bad Grönenbach schrieb am 26.09.2020
Im Herbst 1970 kurz nach meiner Einschulung wurde ich zusammen mit meinen 2 Schwestern mit dem Zug von Bonn nach St. Peter Ording verschickt. Wir sind im Bonner HBF in den Zug gestiegen, zusammen mit 4-5 anderen Kindern, darunter ein ca. elfjähriges Mädchen das Elfie hieß, sie hat dann die meiste Zeit im Bett neben mir geschlafen. Die Kur war traumatisch für uns, meine große Schwester war auch erst 8 meine kleine Schwester erst 4. Vorher hatten wir uns sehr darauf gefreut, das Meer zu sehen unser Vater hatte uns sehr lebhaft davon erzählt und wir hatten ein paar Tage vorher am Rhein "Ebbe und Flut" gespielt, das war das Schönste an der Kur. Im Zug hat uns eine Frau Heinrich betreut, vielleicht von der Caritas, wir kannten sie schon, weil sie nach der Geburt meines jüngsten Bruders bei uns im Haushalt geholfen hatte. Als wir im Heim ankamen, war es schon spät, es war dunkel und wir heulten vor Müdigkeit und Angst. Wir standen im Speisesaal und die eine Betreuerin hatte einen Brief (wahrscheinlich von meinem Vater) in der Hand, runzelte die Stirn und sagte, dass sie das normalerweise nicht machen. Mein Vater hatte darum gebeten, dass sie uns in eine Gruppe tun, damit wir einander haben. Zum Glück haben sie uns dann wirklich nicht getrennt und wir haben auch die ganze Zeit im selben Zimmer geschlafen. Die erste Zeit die Kinder aus Bonn zusammen (Jungen und Mädchen) vorne in einem Zimmer, nahe am Speisesaal, später, nach einem großen Wechsel, es war eine große Gruppe aus Hamburg da, oder vielleicht auch aus Hannover, ich habe 107 als Zahl im Kopf, das kommt mir jetzt aber sehr viel vor. Unser Zimmer war nicht sehr groß alles Einzelbetten, Nachttischchen und Schränke? Neben meinem Bett war ein Waschbecken, wo wir Zähne geputzt haben. Beim Schlafen war für mich sehr schlimm, dass die Seite, auf der man liegen durfte, vorgegeben war, es war in beiden Zimmern nicht meine normale Schlafseite. Die haben das auch nachts kontrolliert und man wurde angemeckert, wenn man sich nicht daran gehalten hatte.
Ziel davon war, keinen Kontakt zu den anderen Kindern aufnehmen zu können. Beim Frühstück am nächsten Tag gab es erst ein leckeres Butterbrot (es war ein Sonntag) aber ich und meine kleine Schwester sollten ein Lätzchen tragen, das fanden wir sehr demütigend, zu Hause hatten wir schließlich noch zwei kleinere Geschwister und konnten schon sauber essen, ich war empört, ich war schließlich schon ein Schulkind. Eine Erzieherin hat mich dann getröstet und ich musste das Lätzchen auch nicht mehr tragen. Mutig hatte ich gesagt, dass ich gerne noch ein Brot essen wollte, es kam aber kein Butterbrot sondern ein Brot mit einer übelriechenden, wiederlichen Masse drauf, soetwas hatte ich noch nie gesehen oder gegessen, nach dem ersten Probieren schüttelte es mich total, ich konnte das nicht essen. Meinen Schwester ging es genauso, schließlich saßen nur wir noch vor unserem Brot, alle anderen Kinder waren schon rausgegangen und die Betreuerinnen machten unmissverständlich klar, dass wir erst wieder aufstehen durften, wenn wir aufgegessen hatten. Auch wenn wir 6 Wochen vor den Broten sitzen, sie haben Zeit. Stunden später hatten wir es schließlich runtergewürgt. Das meiste Essen dort war für mich ok zu essen, es gab viel Schokoladensuppe, Milchsuppe mit Zimt und Öhrchennudeln, nachmittags gab es immer abwechselnd einen Schokokuss oder eine Cremwaffel, ich erinnere mich an Wurstbrote, die nicht zusammengeklappt war, das konnte ich erst nicht essen, da war die Betreuerin auch nett und hat für mich einfach 2 Hälften aufeinander gelegt, dann schmeckte es für mich mehr wie zu Hause.
Es gab etwas, dass hieß Müsli, war aber eine ganz zähe, unverdauliche Pampe ohne Obst. Obst bekam man nur, wenn man krank war, einen kleinen Teller mit Bananenstückchen, Apfelschnitzen und Weintrauben. Mittagessen war auch oft schlimm, besonders erinnere ich mich da an Fischstäbchen mit Kartoffeln, die ja eigentlich kein Problem waren, aber dann haben sie immer eine wiederlich völlig verbrannt schmeckende Soße darüber geschüttet, dann war alles verseucht und ich habe sehr lange gebraucht, um es zu essen.
Wir waren nur zweimal am Meer, gesammelte Muscheln wurden meiner kleinen Schwester wieder abgenommen, meine ältere Schwester und ich hatten sie wohl besser versteckt. Abends wurde öfter gesungen, das mochte ich sehr. Einmal gab es einen Gesangswettbewerb, ein kleiner Junge (höchstens 6) aus Hamburg hat gewonnen, er hatte das Lied " In einem kleinen Apfel, da sieht es lustig aus" gesungen, als Preis bekam er Süßigkeiten aus einem Paket von irgendwelchen Eltern. Leider kann ich nicht gut singen und hatte damit auch keine Chancen auf einen Preis und Süßigkeiten. Aber dieser kleine Junge hat wirklich sehr schön gesungen. Gespielt haben wir nicht , wir sind die meiste Zeit durch eine unendliche, langweilige Marschlandschaft mit Stacheldraht, Wassergräben Kühen und Wind gelaufen, immer in Dreierreihen, rechts und links ein Schulkind, in der Mitte ein Kindergartenkind, ich war das zweitjüngste Schulkind und musste deshalb mit dem zweitältesten Schulkind ein Team bilden, das gehörte wohl zu Isolation dazu, so konnten sich kaum Freundschaften bilden. An unser Kindergartenkind kann ich mich nicht erinnern, es war aber nicht meine Schwester. Das war unglaublich öde und langweilig. Einmal hat mir eine Betreuerin eine Ohrfeige gegeben, weil mein Schuh aufgegangen war. Meine Schuhe waren sowieso komplett ungeeignet, so kleine Halbschüchen, die gingen immer auf. Wir haben nichts besichtigt, nur einmal auf einem Sandplatz gespielt, nie Fernsehen geschaut, obwohl es uns versprochen worden war, es gab nicht viel, was uns von unserem unglaublichen Heimweh ablenken konnte. Einmal wurden dreckige Unterhosen zur Schau gestellt, ich war in Panik, dass ich gleich namentlich genannt werde, weil die Sachen ja alle mit Namenschild gekennzeichnet waren und ich überzeugt war, dass meine Unterhose auch nicht immer richtig sauber war. Später mit Anfang 20 hat mich mal eine Freundin ausgelacht, weil sie fand, dass ich mit meinen Unterhosen so komisch verschämt umgehe, das lag bestimmt noch an dieser Erfahrung. Im Flur standen wir oft dicht gedrängt und haben gewartet, bis wir runtergehen, Schuhe anziehen vielleicht dort oder im Keller? Da hat mit ein Junge einmal die Nase sehr schlimm umgedreht, die Betreuerinnen hat das nicht so interessiert. Einmal habe ich da gemerkt, dass ich eine Schwellung am Hals habe und mich elend fühlte, da habe ich mich zur Betreuerin durchgekämpft und es ihr gesagt, da hat sie mir eine kräftige Ohrfeige gegeben mit dem Satz : Warum hast du das nicht früher gesagt. Aber ich durfte mich dann wieder ins Bett legen und bekam Obst. Das Fiebermessen war schlimm, ich musste mich auf den Bauch legen, sie haben mir die Hose runtergezogen und mir das Fieberthermometer schmerzhaft in das Poloch gerammt. Das haben sie beim Fiebermessen immer so gemacht. Meine kleine Schwester wurde dann auch noch krank, so konnten wir zusammen im Zimmer liegen, das war ganz ok. Am letzten Tag durften wir in einen Laden gehen, dort gab es Andenken und Spielzeug. Wir hatten jeder 50 Mark, das Taschengeld von den Eltern, ich wollte mir dafür ein Konstruktionsspiel kaufen, das hatte mich schon lange interessiert, da hat die Betreuerin dann auf mich eingeredet, dass meine Eltern das bestimmt nicht ok finden, wenn ich das ganze Geld ausgebe, ich habe sie nur angeblinzelt und konnte das garnicht verstehen, für mich wäre das eine ganz kleine Wiedergutmachung für diese fürchterliche Zeit und das schreckliche Heimweh gewesen, eigentlich hätte ich mindestens so einen großen Sack mit Geschenken bekommen müssen wie die Männer in dem Märchen "Sechse kommen um die Welt" am Ende wegschleppen. Schließlich kaufte ich nur einen Seehundschlüsselanhänger für mich, meine kleine Schwester auch, meine große Schwester hat sich ein Muschelkästchen gekauft und für meine Mutter haben wir eine süße Seehundbrosche ausgesucht. Es gab also doch ein Ende und wir sind wieder mit dem Zug nach Hause gefahren, am Bahnhof haben wir uns alle drei an meinen Vater geklammert, ich hatte ein Bein fürchterlich geweint und geschworen ihn nie mehr loszulassen. Da ist ihm das erst bewusst geworden. Er hatte die Kur veranlasst, damit wir mal das Meer sehen und was schönes erleben, mit 4, 6 und 8!!!
Geblieben davon ist mir ein massives Panikgefühl, wenn ich etwas falsch gemacht habe, ich habe dann Todesangst und bin nicht mehr zu beruhigen.
Ein älterer Junge hat mal 8 Teller Schokoladensuppe gegessen, er wollte immer noch einen haben, wahrscheinlich hat es ihn nicht wirklich satt gemacht, diese dünne Pampe. Dann musste er sich übergeben, meine Schwester meint, er musste das Erbrochene aufessen, ich weiß nur, dass er fürchterlich geschrien und geweint hat. Einmal haben wir gedscht mit Haarewaschen, für mich und meine Schwestern zum Glück kein Problem aber ein Mädchen mit richtig langen Haaren mussten sie sehr dazu zwingen und sie hat sehr geschrien, das hat uns auch Angst gemacht. Einmal hat meine kleine Schwester es nicht mehr auf die Toilette geschafft, meine große Schwester sollte es dann wegmachen. Die Betreuerinnen haben sich das Leben schon sehr leicht gemacht, sie mussten so sehr wenig auf uns eingehen und haben uns so gut wie nichts angeboten, nur Gewaltmärsche, damit wir müde sind. Die Post wurde zensiert, als meine ältere Schwester geschrieben hat, dass wir krank sind, wurde das geschwärzt. Ich konnte noch nicht schreiben. Ich hatte unglaubliches Heimweh, es schien mir unmöglich, mich davon noch einmal zu erholen. Die Erinnerungen, die ich habe sind messerscharf, eingebrannnt. Leider erinnere ich mich nicht an den Namen des Heims, meine Geschwister können sich daran auch nicht mehr erinnern, mein Vater auch nicht, das Einwohnermeldeamt da sagt, dass es keine Unterlagen dazu hat. Vielleicht kennt jemand das Heim, in dem man in Dreierreihen laufen musste, es 2 Etagen gab, Zimmer mit Dachschrägen, Einzelbetten, Waschbecken im Zimmer, Obst, wenn man krank war, das Gebäude war verwinkelt, auf der anderen Seite des Speisesaals gab es einen gebogenen Gang, dort wohnte "die Familie" und auch 2 ältere Mädchen hatten dort ein Zweibettzimmer. Der Speisesaal hatte auf der einen Seite so etwas wie eine Bühne, auf der einen Toilette gab es eine langen Schacht nach oben. Ich meine, das Haus war mit Reet gedeckt, das kann aber auch falsch sein, lag eher allein in der Nähe war eine Bahnschiene. Wir sind durch das Grasland oder auch über die Deiche gelaufen, stundenlang.
ES belastet mich, dass ich den Namen nicht weiß, so als würde dann jemand kommen können und sagen können, dass das ja gar nicht wirklich passiert ist. Es gab auch eine Untersuchung in einem dunklen Arbeitszimmer, eine gepflegte Damen mit dunklen Haaren (Locken) hinter einem Schreibtisch, ich in weißer Unterhose davor. Fand ich aber ganz normal. Vielleicht war ja jemand da, der sich an den Namen erinnern kann. Ich habe wenig Hoffnung 8 Millionen Verschickungen, hier nur 1600 Einträge ca. 30 Kinderheime in St.Peter Ording, das sieht aus wie die Nadel im Heuhaufen. Vom rechten Ende des Speisesaals aus konnte man unten die Küche sehen, da war das Haus wohl etwas über Eck gebaut. Einmal haben wir Tomatenbrote gesehen, und uns schon gefreut, aber dann gab es doch wieder nur Schmalzbrote, die Tomatenbrote waren wohl für die Gruppe unten, Wir hatten den Verdacht, dass die das gute Essen bekommen und nur wir das schlechte, aber das stimmt wahrscheinlich nicht.
Har jemand noch eine Rechercheidee für mich? Im Forum hat mir keiner geantwortet und ich habe auch nirgendwo einen Bericht gelesen, wo ich das Heim wiedererkannt hätte. Liebe Grüße Kirsten
Ich finde die Seite ganz toll, es gibt mir ein warmes Gefühl mit diesen Erinnerungen nicht allein zu sein.
Meine Schwester hat noch eine alte Postkarte gefunden, es war Haus Blinkfüer in St. Peter Ording. Danke
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Manuela aus Weeze schrieb am 26.09.2020
Hallo!
Ich wurde auch verschickt,zum Kindererholungsheim Schliersee Fischhausen-Neuhausen im Jahr 1976
Ich war 6 Jahre alt
Für 6 Wochen
Ich habe Gewalt,Demütigung und Erniedrigung in meiner Kur erleben müssen. Ich war damals die einzige unter all den anderen Kinder mit einer Hauterkrankung am Schliersee. Früher nannte man diese Hauterkrankung (Fischhaut). Erst im laufe der Jahre benannte man es als NEURODERMITIS.
Als ich am Kurort angekommen war,mussten wir alle unsere Koffer und Taschen öffnen,und alles das was uns von zuhause aus mitgegeben wurde hatte man uns entzogen. Umschläge mit Geld,Süßigkeiten,Briefmarken,Schampo,Zahnpasta etc. Von meinen Sachen habe ich in meiner ganzen Kuraufenthalt nicht's mehr gesehen.
Wir wurden dann unseren Zimmer zugeordnet in Gruppen eingeteilt,dem alter entsprechend mit Jungen und Mädchen zusammen bewohnten wir das ein Zimmer. Es standen 10 bis 12 Betten,sich jeweils gegenüber. Die Betten hatten weiße Bettbezüge,wir trugen weiße Nachthemden auch die Jungens. Für Nachts wurden weiße Emalie-Töpfe mit Hänkel im Schlafraum gestellt,da wir nicht zur Toilette durften. Wir mussten uns auf diese Emalie Töpfe entleeren. Das Essen war miserabel einseitig es gab Graubrot Schmalz Wurst Suppe Haferbrei. In den ganzen 6 Wochen wurde nur gegessen Geschlafen,gegessen und Geschlafen wir durften nicht Spielen Singen oder toben. Meine Persönlich schlimmsten Erlebnisse in dieser langen Zeit waren.
Wir hatten einen Tagesausflug zum Spielplatz ein paar Km entfernt vom Kurhaus in einem Waldstück un Fotos zu machen. Es gab nur einen Tagesausflug in den ganzen 6 Wochen. Ich rannte eine langgezogene Steintreppe herunter,rutschte aus und zog mir eine Verletzung am rechten Daumenballen zu. Nach ein paar Tagen Entzündete sich die Wunde,und eine Schwester bemerkte das. Sie nahm mich an meinem Arm und zog mich hinter sich her, in das Büro der Oberschwester. Die an einem großen braunen Schreibtisch saß. Man zeigte ihr die Wunde und sie zog mich an meinem Arm über den kompletten Schreibtisch zu sich hin. Die andere Schwester sollte mich fest halten ,Ich schrie vor Angst weil sie mir sagte so jetzt schneide ich dir deinen Daumen ab , du Daumen lutscher,Sie nahm eine Pinzette und puhlte mir einen kleinen Stein aus meiner Wunde. Sie puhlte und puhlte ich hatte höllische Schmerzen und hatte mich eingenässt dafür bekam ich Schläge und tritte.
An manchen Tagen wurde Gebadet und somit bekam ich mein langersehntes Ölbad. Es waren fünf viereckige Badewannen. Es wurde immer zu zweit gebadet Junge und Mädchen zusammen,das war den Schwestern egal. Auf die richtige Dosierung meines Ölbades wurde auch nicht geachtet,und verursachte somit oftmals Rutschgefahr. Wir sollten die Wanne verlassen,und mit mir saß ein etwas korpulenter Junge mit in der Wanne . Wir beide hatte Probleme die Wanne zu verlassen,wir rutschten ständig aus. Die Schwestern schauten zu und lachten laut,wir wurden dann mit kalten Wasser abgespritzt. Ich fing an zu weihnen und hatte Schmerzen durch meine Neurodermitis. Ich bekam Ohrfeigen und tritte wurde verspottet von den Schwestern. Ich durfte sie nicht anschauen,Ich musste zum Boden schauen. Sie sagten "Guck weg du bist hässlich ", Ich hatte am ganzen Körper schmerzen,meine Haut spannte sich niemand Cremte meine Haut nach dem Baden ein. Zur schlafenszeit ob mittags oder Nachts,suchte ich Trost zu meinem Teddy. Ich erzählte ihm immer alles,Ich hatte ja sonst niemanden der mir zuhörte. Bemerkte dieses eine Schwester musste ich zur Strafe im Flur des Hauses schlafen, auf einer alten dunkelen Telefonbank. Oder im Waschraum auf eine Holzbank. Irgendwann fing ich an mich zu kratzen,weil die Hautpflege mir fehlte,Ich hatte viele offene blutige Stellen die mit Schmerzen verbunden waren. Meine Bettwäsche und Nachtwäsche waren oftmals versaut. Und somit wurde ich nochmehr von den Schwestern gehänselt,verspottet und geschlagen. Meine Hände wurden dan in Verbänden eingewickelt jede Nacht,und Mittags wurden meine Arme ans Bett befestigt. So das ich mich nicht mehr kratzen konnte. Und ich auch so nicht mehr an meinem Daumen kam. Dieses kontrollierten die Schwestern streng. Als ich dan mal wieder mit meinem Teddy redete,unter meiner Decke,und mein Kopfkissen immer nasser wurde von meinen heimlichen stillen Tränen mein Herz weinte,Ich wollte nach Hause. Mein ganzer Körper war wie gelähmt vor Schmerzen,und voller Heimweh nach meinen Eltern. Ich fühlte mich vom ersten Tag an sehr einsam und allein gelassen. Ich sagte zu meinem Teddy , die Mama soll mich holen ,ich schüttelte meinen Teddy "Hörst du," ich schüttelte und schüttelte meinen Teddy und wurde immer lauter meine Tränen wurden immer mehr "sag die Mama Bescheid sie soll mich endlich abholen kommen ". Dies bekam die Nachtschwester mit,Sie riss mich an meinen Haaren aus meinem Bett. Meine Füße berührten erst im langen Koridor außerhalb des Zimmers fen Boden. So verbrachte ich auch diese Nacht allein gelassen frierend ohne Decke und ohne Teddy keine tröstende Worte im Flur des Hauses. Ich hörte nur den Pendel einer großen schweren Standuhr und schlief irgendwann ein.
Nach unendlich langen Tagen und Wochen voller Heimweh nach zu Hause,kam die Anreise. Jeder musste sein Gepäck eigenständig tragen,auch die kleinsten. Draußen stand auch schon unser Abreisebus ,und wie ich so durch die große Türe nach draußen ging ,riss eine Schwester mir meinen Teddy aus meinem Arm, grinste und sagte ,und der bleibt hier . Durch das ganze gedrengel der anderen verlor ich sie aus dem Augen. Auch im Bus hilte ich Ausschau nach ihr, sie war nicht mehr zu sehen. Ich hatte sehr lange in meiner Kindheit um meinen Teddy getrauert das er nicht mehr bei mir war. Bis heute leide ich unter Verlustangst ich mag es nicht allein zu sein . Ich bin froh das ich mal meine Erinnerungen und Erlebnisse loslassen durfte in meinem Text. LG Manuela
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Annabell aus Hallungen schrieb am 26.09.2020
Nur vier Wochen...und doch ein ganzes Leben.
Ich bin 37 Jahre alt, Ergotherapeutin in einer Einrichtung für psychisch Kranke, ich versuche so gut es geht mit meiner Angsterkrankung und den Panikattacken durchs Leben zu kommen..... Ich lebe noch Zuhause bei meinem Onkel und meiner Mama....warum...weil ich dem kleinen Mädchen 1988 im Kinderkurheim Pausa versprochen habe, wenn wir hier lebend raus kommen verlassen wir unsere Familie und unser Zuhause niemals wieder!!!!

Ich war 5 Jahre alt als ich nach Pausa kam. Ein kleines, blasses, dünnes Mädchen. Zum ersten Mal weit weg von Mutti, Oma, Opa und dem Onkel. Die Reise war noch ein großes Abenteuer, viele Kinder mit Namenszetteln um den Hals die mit einer netten Dame Zug fahren durften. Als wir ankamen begann die Tortur. Ich wurde geschlagen, musste stundenlang vor meinem Teller sitzen bis ich alles aufgegessen hatte. Wenn ich es nicht schaffte steckte ich mir die Brotrinden in die Hosentasche. Als ich dabei erwischt wurde musste ich mich an den Tisch der Erzieherin setzen und ein Brot mit verschimmeltem Käse essen. Am nächsten Morgen übergab ich mich im Bett, zur Strafe wurde ich an den Ohren gezogen bis sie bluteten. Sonntags saßen wir den ganzen Nachmittag in einem dunklen Raum und schauten uns auf einer Leinwand, Paraden mit Erich Honecker an. Für jeden Fehler wurde ich an den Ohren gezogen. Nachts durften wir nicht zur Toilette gehen, ich hab mehrmals ins Bett gepullert, zur Strafe wurde ich geschlagen und mein Bettlaken tagelang nicht gewechselt. Ich erinnere mich auch an Massagen mit harten Bürsten, wir Kinder standen nackt im Kreis und massierten uns bis die Haut ganz rot und wund war. Jede Nacht weinte ich in mein Kuscheltier, ich wollte am liebsten Sterben, aber ich wusste nicht wie das geht.

"Du darfst nie wieder nach Hause wenn du den Teller nicht leer isst", ich hab es geglaubt aber ich konnte das Brot nicht mehr essen. Da hab ich es mir geschworen...sollte ich je wieder hier rauskommen... Zurück zu Mutti..dann geh ich nie mehr von ihr weg.

Seit dieser Kur habe ich eine generalisierte Angsterkrankung, Panikattacken und Depressionen entwickelt.
Manchmal träume ich das ich wieder im Doppelstockbett liege, es ist nicht mehr so schmerzhaft wie vor einigen Jahren. Meine Erlebnisse gehören zu mir, vielleicht haben sie mich auch zu dem gemacht was ich heute bin.

Ich bin froh mit all diesen furchtbaren Geschehnissen nicht mehr allein auf der Welt zu sein.
Administrator-Antwort von: Redaktion
Liebe Annabell,

Dein Beitrag ist sehr erschütternd und wichtig für uns, du gehörst zu den DDR-Kurkindern, diese waren bisher nur sehr selten mit Berichten auf unserer Seite, da gabs auch andere Bedingungen, die noch vergleichsweise wenig erkundet sind, ich würde gern in Kontakt mit Dir kommen für ein Vertiefungsgespräch, hättest du Lust mich mal anzurufen? Schreib mir unter :info@verschickungsheime.de und schreib dazu, dass Maria deinen Brief gleich an mich, Anja, weiterleiten soll, Danke!
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Andrea Nick aus Radevormwald schrieb am 25.09.2020
Ich wurde 1970 als sechsjährige durch die Krankenkasse der Bayer Werke Leverkusen dorthin verschickt. Leider haben mir meine Eltern nie erzählt , warum ich für sechs Wochen dorthin musste. Ich kann mich noch an die Untersuchungen im Vorhinein erinnern und dass mir versprochen wurde, ein mir bekanntes Mädchen aus der Nachbarschaft würde mich dorthin begleiten. Dies war aber leider nicht so, wie ich am Bus zur Abfahrt feststellte.
In der Zeit des Aufenthaltes habe ich viel geweint und hatte starkes Heimweh. Wir schliefen mit ca 6 - 8 Kindern in einem Raum. Zur Mittagsruhe durfte niemand auf die Toilette und ich weiß noch, wie ich mit starken Drang im Bett lag . da ich aber erlebt hatte, wie andere Kinder für Bettnässen und Melden, dass sie zur Toilette möchten, beschimpft wurden, habe ich mich nicht getraut , mich zu melden. Auch ich kann mich an vel Zeit im Bett oder auf Liegen im Garten erinnern.
Zum Frühstück gab es Haferschleim und erst wenn man diesen aufgegessen hatte, durfte man ein Marmeladenbrot bekommen.Das war furchtbar und sehr ungewohnt.
Päckchen von zu Hause wurden auf alle Kinder aufgeteilt und wenn man Glück hatte, bekam man etwas von seinen Lieblingsteilen von zu Hause. Schlimm war es auch am Nachmittag, wenn die Post von zu Hause verteilt wurde. Alle Kinder saßen im Gemeinschaftsraum und wenn man Post erhalten hatte, wurde man aufgerufen und sollte sich neben die Tante stellen. Sie las dann die Nachrichten von zu Hause laut vor und es war so schwer , nicht in Weinen auszubrechen. denn das kam nicht gut an.
Regelmäßig wurde auch Post an die Eltern verschickt. Da ich noch nicht zur Schule ging , schrieb ein älteres Kind für mich die Post und ich konnte nur unterschreiben. Der Inhalt der Karten war jedoch zensiert und vorgegeben. ( Eine Postkarte habe ich noch in meinem Fundus).
An den Waschraum kann ich mich noch gut erinnern: lange Waschbecken rings um den Raum im Keller , rinnenähnlich. Es war kalt und ungemütlich dort , mit vielen Insekten.
Kleidung suchten die Tanten aus den Schränken im Flur aus.
Spaziergänge gab es einige, in Reih und Glied. Einige Kinder bekamen Bäder. . An Spielen im Garten kann ich mich nicht erinnern. Aber wir saßen viel im Gruppenraum.
Ich kann bis heute nicht verstehen, was man uns kleinen Kindern angetan hat .
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Sisi aus Winterberg schrieb am 25.09.2020
Am 21.09.2020 las ich in unserem lokalem Zeitungsblatt den Artikel von Maximilian Plück „Bitte holt mich, sonst muss ich weinen“ . Der Artikel löste in mir dunkle Erinnerungen aus.
Auch ich war, wie „Carmen Müller“ in dem Artikel beschrieb im Winter 1969 vor meiner Einschulung auf Empfehlung der Schulärztin zu einer „Kinder-Kur“ nach Winterberg verschickt worden, weil ich so dünn war und ich vor meiner Einschulung zunehmen sollte.
In dem von Nonnen geführten Kinderheim war die Atmosphäre in meiner Erinnerung dunkel und unfreundlich. Die Oberin war streng und barsch. Ich habe vieles davon verdrängt. Erinnern kann ich mich aber ganz genau, dass man immer alles aufessen musste, egal ob es einem schmeckte oder nicht. Erst wenn man alles gegessen hatte konnte man den Saal verlassen. Ich musste öfter alleine lange sitzen bleiben und mir das Essen hineinzwingen. Einmal erbrach ich das soeben Gegessene im Essenssaal. Ich musste, trotzdem ich weinte einen Eimer mit Wasser und ein Tuch holen und das Erbrochene selbst vor allen Anwesenden Kindern wegwischen und wurde von der Aufseherin dabei beschimpft.
Ich hatte großes Heimweh und wurde auch krank. Ob ich eine Grippe oder einen Magen und Darminfekt katte weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich wie „Carmen“ auch die Zeit allein im Zimmer verbracht habe.
Ich war froh, als ich endlich wieder zuhause war. Meine Mutter hat mir später immer gesagt, wenn sie das alles vorher gewusst hätte, hätte sie mich nie dorthin gegeben, aber man hatte es ihr ja für mich empfohlen und sie wollte ja eigentlich nur mein Bestes.
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Mannek schrieb am 25.09.2020
Mit 10 Jahren war ich ein sehr dünnes, hoch aufgewachsenes Kind. Über die Mütterberatung wurde ich nach Bad Wildbad im Schwarzwald für 6 Wochen zum Aufpäppeln geschickt. Mein Kinderheim hieß „Tannenhof“. Gudrun Steinhöfer, sehr hart und streng, war die Leiterin und ihre Schwester, der gutmütige Ausgleich, für die Küche zuständig.
Die Anfahrt dauerte mit dem Zug Stunden. In Duisburg fuhren wir Kinder morgens alleine los und waren am späten Nachmittag da. Unsere Eltern hat uns mit belegten Broten versehen. Am Bahnhof hat man uns abgeholt und auf die Zimmer verteilt. Ich war in einem Extrahaus auf dem Hof untergebracht. Man zeigte uns die in jedem Zimmer oben in der Ecke angebrachten Abhörgeräte. Ihr werdet immer überwacht, hieß es. Dann wurden wir direkt zum Abendessen geleitet. Ein riesiger Topf mit Milchsuppe stand auf dem Tisch und die von unserem Reiseproviant übrig gebliebenen Schnitten. Jeder bekam einen Teller voll. Da die Suppe sauer roch, habe ich gesagt: Die esse ich nicht, die ist ja schlecht. Was ich nicht wissen konnte, es war eine Buttermilchsuppe. Es hieß aber: Hier wird alles gegessen. Der Gipfel war, die angebissenen beschmierten Schnitten sämtlicher Kinder wurden in die Suppe geschmissen.
Mir wurde dann die Suppe mit Gewalt eingeflößt. Ich konnte sie nicht bei mir behalten. Darauf wurde aber keine Rücksicht genommen und noch ein Versuch gestartet. Es brachte aber auch nichts. Ich war total verzweifelt und habe geschrien und gerufen:“ Hier bleibe ich nicht, ich will wieder nach Hause“.
Daraufhin wurde ich alleine in ein Zimmer gesperrt. Die Blenden geschlossen. Bei Wasser und Brot haben sie mich 2 Tage in Dunkelhaft gehalten. Danach war ich gebrochen und versuchte mich anzupassen.
Jeden Morgen mussten wir in Reih und Glied antreten. Die Zunge musste herausgestreckt werden und die Leiterin ging mit einer Tube Vitamincreme entlang um jedem Kind einen Spritzer davon auf dieselbe zu verabreichen. Danach ging es ans Frühstücken. Es gab immer Müsli (zähe Pampe). Für mich waren alle Milchspeisen Horror. Ich habe aber gelernt zu schlucken und langsam zu essen, damit mir nicht eine 2. Portion verabreicht wurde. Wir sollten ja schließlich dicker werden. Jeden Mittag wurden 2 Stunden Mittagschlaf gehalten. Konnte ich auch nicht. Ich konnte es aber aushalten zu ruhen. Bei Sonnenschein mussten wir draußen auf Sonnenliegen in der prallen Sonne schlafen. Ich weiß nicht mehr wieviel Tage ich es ausgehalten habe, bevor mir davon dermaßen übel wurde, dass ich erbrechen musste und ich Kopfschmerzen bekam. Mit einem kalten Waschlappen wurde ich dann wieder alleine auf einem Zimmer eingesperrt. Sonnenstich.
Ich habe gesehen, wie Kleinkinder beim Kämmen ihrer langen Haare durch das damals spiegelblank gebohnerte Zimmer geschleudert wurden, weil sie weinten und nicht still halten wollten. Wir bekamen manchmal Pakete von zu Hause. Sie wurden geöffnet, kontrolliert und auf alle aufgeteilt oder auch nicht aufgeteilt. Briefe mussten wir nach Hause schreiben. Sie wurden aber kontrolliert. Meine Mutter hatte mir gesagt, falls du es nicht aushalten kannst, unterstreichst du ein Wort im Brief. Davon bin ich aber abgekommen, weil ich dachte: deine Eltern haben nicht so viel Geld um dich hier mit dem Zug abholen zu kommen. Nachts, zumindest hatten wir schon geschlafen, schrie unsere Leiterin von unten aus dem Treppenhaus und befahl uns alle runter. Dann hat sie unsere Schuhe alle aus dem Schrank geschmissen und sie uns um die Ohren gehauen. Wir mussten dann anständig putzen. Die verloren gegangenen Socken etc. bekamen wir auch regelmäßig um die Ohren geschmissen. Mir war mal ein Knopf vom Rock abgegangen. Ich weiß, das ich wahnsinnige Angst hatte das ich Schläge bekäme. Ich konnte damals noch keinen Knopf annähen. Eine Leidensgenossin half mir.
2 mal die Woche gingen wir zum Schwimmen ins Hallenbad. Ich habe damals schwimmen gelernt. Das war ja gut, aber auch unter Zwang. Wir mussten immer reinspringen und schräg rüber zum Rand schwimmen. Ausflüge haben wir zu einem Hotel im Ort des öfteren gemacht. Dort wohnte damals die Königsfamilie von Saudi Arabien. Der kleine Prinz war zum Kuren dort. Manchmal kam Besuch von betuchten Familien, welche ihre kleineren Kinder dort auch für längere Zeit unterbringen wollten. Dann wurden wir vorher instruiert uns zurück zu halten, nicht dazwischen zu reden.
Ich hab bis zum Schluss durch gehalten. Meine Eltern waren erfreut, dass ich etwas zugenommen hatte. Sie staunten auch, wie ordentlich und aufmerksam ich geworden war. Meinen Eltern habe ich von meinen Erlebnissen nach und nach erzählt. Sie sind aber soviel ich weiß, nicht zur Mütterberatung gegangen um dort zu informieren.

2008 haben mein Mann und ich im Schwarzwald Urlaub gemacht und haben das Kinderheim aufgesucht. Es ist kein Heim mehr. Ein Nachbar erzählte auf mein Nachfragen, dass die Leiterin Frau Steinhöfer im Altenheim noch leben würde.
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Ilse-Marie aus Neuss schrieb am 24.09.2020
Ich bin erst kürzlich durch einen Zeitungsartikel auf das Schicksal der Verschickungskinder gestoßen und sofort waren alle Bilder und Gefühle wieder präsent.
1959 im Januar/Februar, ich war sechs Jahre alt (im ersten Schuljahr) ging es von Köln aus nach Wyk auf Föhr. Meine Eltern waren BEK-versichert, ich erinnere aber nicht das BEK-Haus "Schloss am Meer", sondern einen Backsteinbau. Ich war wegen häufiger Atemwegsinfekte für die "Kur" vorgesehen.
Schon die Reise war von einem unfreundlichen Befehlston geprägt und als wir ankamen, wurde mir zuallererst mein geliebtes Kuscheltier weggenommen und erst nach sechs Wochen wieder ausgehändigt. Ich fühlte mich total allein und ausgeliefert, war ich doch noch nie von Mama und Papa getrennt gewesen.
Das Essen war eine Katastrophe. Jeden, aber wirklich jeden Morgen gab es angebranntenHaferschleim, sechs Wochen lang !Diesen Geruch habe ich noch heute in der Nase. Abends, und zwar jeden Abend, gab es Grießbrei, auch der oft angebrannt. An ein schmackhaftes Mittagessen kann ich mich nicht erinnern. Jedenfalls habe ich eines Abends in meiner Verzweiflung den Grießbrei in den Teller erbrochen. Es wurde eine neue Kelle Brei dazugeklatscht und ich musste alles unter Heulen und Würgen aufessen, saß noch da, während die anderen Kinder längst zu Bett geschickt worden waren.
Schläge waren das Erziehungsmittel schlechthin: Sprach man während der Mittagsruhe - Schläge, benutzte man nachts die Toilette - Schläge (wegen der lauten Wasserspülung), machte man sein Pippi in den Nachttopf, der kurioserweise unter jedem Bett stand, - Schläge. Es hieß immer nur "umdrehen" und dann gab es auf den Po.
Postkarten wurden diktiert. Ich konnte ja noch nicht viel schreiben, aber "Hilfe" hätte ich wohl hingekriegt. Leider war das nicht möglich. Päckchen wurden zunächst konfisziert. Bonbons und Schokolade kamen in eine Schüssel und wurden an alle Kinder verteilt, so dass ich von einer Tüte vielleicht einen einzigen Bonbon bekommen habe. Die wirklich guten Stücke aber, wie z. B. Orangen, damals noch recht teuer, behielten die Tanten für sich und verzehrten sie auf unseren Märschen durch die nasskalte Witterung.
Die Spaziergänge waren nur Drill, marschieren in Zweierreihen, bis die Schuhe durchweicht waren. Hatte man das Pech und fiel mit seinem damals üblichen Trainingsanzug aus dicker Baumwolle (innen angeraut) in den Schneematsch, musste man mit den nassen, vollgesogenen Klamotten weiter mitlaufen. Dies hatte zur Folge, dass einige Kinder so krank wurden, dass acht von ihnen nicht auf den Rücktransport konnten. Auch ich kam mit Lungenentzündung zurück. Meine Mutter (Krankenschwester) war entsetzt und beschwerte sich bei der BEK, wo das Ganze aber im Sande verlaufen ist.
Ich besitze drei Postkarten, die uns für die Eltern mitgegeben wurden. Auf einer sind die vier "Erzieherinnen" gut gelaunt im Karnevalskostüm, auf einer bin ich mit anderen Kindern verkleidet (wir mussten immer lächeln oder lachen für den Fotografen), auf einer bin ich am Strand im Wintermäntelchen allein, ebenfalls zum Lächeln gezwungen. Und ich erinnere mich an eine "Erzieherin" namens Muschketat oder so ähnlich, die durch besondere Verstellungskunst und Falschheit auffiel, aber eine der Gemeinsten war und gerne schlug.
Ich habe mich nie mehr wieder in meinem späteren Leben so verlassen, hilflos und ausgeliefert gefühlt wie in diesem Heim.
Nachdem meine Lungenentzündung kuriert war, bin ich mit meiner Mutter nach Sylt gefahren, wo sich Lunge und Bronchien schnell und dauerhaft erholten.
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Dagmar schrieb am 24.09.2020
Ich war als 6-Jährige in 1970 auf Amrum, sehr wahrscheinlich im DRK Heim in Wittdün. Ich erinnere die Abreise ab VW Baunatal im Kleinbus nach Wolfsburg und den Moment, als meine mitreisende ältere Schwester und ich realisierten, dass wir in getrennte Zimmer und getrennte Gebäudeteile mussten. Ich glaube, dass ich in einem 6-Bett-Zimmer war. Dort mussten wir nach dem Mittagessen still und ohne Bewegung liegen, schweigen und durften nicht zur Toilette. Einmal war ich doch dort, meine Erinnerung reicht nur zu dem Schreckmoment, als jemand wutentbrannt die Toilettentür aufreist. Uns Kindern wurde gedroht, dass wir auf den Dachboden müssten, wenn wir sprechen und an irgendeinem Tag musste ich genau dorthin. Das wovor ich mich soo gefürchtet hatte, war letztlich ein guter Ort. Hier waren ein paar Kinder, die auf Liegen lagen und ohne Aufsicht miteinander sprechen konnten. Die Tanten kriegen es hier nicht mit, weil sie unten für Angst sorgten. Ich erinnere auch, dass wir am Strand waren und ins Wasser konnten und dass wir das nackt tun mussten. Das wollte ich damals um keinen Preis, ich wurde krank. Mehrfach in den Wochen konnte ich wegen Krankheit nicht mit den anderen baden. Die Post von und nach Hause wurde zensiert. Für mich war es ein Klima voller Angst und stets auf der Hut sein. Irgendwann landete ich auf der Krankenstation, das Gefühl dazu ist freundlicher. In mir entstand in dieser Zeit das Gefühl, das Krankheit Rettung sein kann. Ich erinnere mich an einen Speiseraum in den man wenige Stufen nach unten gehen musste. Dort mussten wir so lange sitzen, bis der Teller abgegessen war. Einmal saß ich dort so lange, das kein anderes Kind mehr im Raum war. Ich weiß, dass ich andauernd mit Brechreiz kämpfte und würgen musste. Irgendwann war alles runtergewürgt. Und die Tante sagte etwas wie, " Pech, jetzt hast du so lange gebraucht, dass du keinen Nachtisch mehr bekommst."

Ich war überzeugt, dass ich aus irgendeinem Grund bestraft würde mit diesen 6 Wochen. Ich erinnere mich nicht, ob ich in den Wochen nochmal meine Schwester gesehen hab oder wie ich überhaupt nach Haus gekommen bin und es mir direkt danach ging.
Ich weiß allerdings sehr sicher, dass diese Wochen für mich dramatisch waren, ich voller Heimweh war und es war so, als hätte ich dort meine Freude verloren.
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richard sellmaier aus 40764 langenfeld schrieb am 24.09.2020
Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund Ihres Artikels in der Rheinischen Post „Die Leiden der Verschickungskinder“ möchte ich Ihnen meine
Erlebnisse mitteilen. Mein Name: Heinz-Richard Sellmaier
geb. 1949
Im Jahre 1958 war ich zur Kur im heutigen „Viktoriastift Kinderkurklinik“ in Bad Kreuznach.
Es war für mich die reinste Horrorkur. Die Briefe wurden alle zensiert. Schrieb jemand etwas Negatives wurde er bestraft, indem er die Hose ausziehen mußte und alle Zimmergenossen „mußten“ ihm auf den nackten Po schlagen.
Das gleiche galt wenn man in der Mittagspause, wo man im Bett lag, auch nur ein Wort von sich gab.
Es wurde jeglicher Kontakt nach außen unterbunden.
Meine Mutter schickte eine Freundin aus Bad Dürkheim vorbei, um nach dem Rechten zu sehen.
Sie wurde abgewiesen, das Mitbringsel an alle verteilt.
Überhaupt wurden alle Pakete verteilt. Beim Mittagessen war ich Zeuge wie mein Nachbar das Essen auf seinem Teller erbrach. Er mußte das Erbrochene
aufessen. In der heutigen Zeit würde man für diese Züchtigungen m Gefängnis landen.
Es ist schon viele Jahre her, wahrscheinlich habe ich auch schon einiges vergessen was man mit uns gemacht hat. Ich bitte Sie die Angelegenheit zur Kenntnis zu nehmen und mich vielmals bedanken, daß Sie die das Thema
aufgenommen haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Heinz-Richard Sellmaier
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Andreas aus Wertheim schrieb am 24.09.2020
Hallo, in den Sommerferien, nach Abschluss der 4. Grundschulklasse, wurde ich für ,(glaube ich), für sechs Wochen zur Erholungskur nach Stetten am kalten Markt geschickt. Mein Vater starb ein Jahr davor und ich war eher ein magerer, schlechter Esser. Mit der Bahn ging es los, die Fahrt von Wertheim/M aus kam mir als Kind recht lange vor. Untergebracht waren wir in einem älteren Gebäude, der Zustand war gut. Die Unterbringung erfolgte in Mehrbettzimmern von ca. 6-8 Personen. Ich erinnere mich noch an die Stockbetten. Dass ich "oben" schlafen konnte war ein kleines Abenteuer für mich. Gegessen wurde im großen Speisesaal. An das Essen erinnere ich mich nicht mehr, schlechtes Essen ist mir nicht erinnerlich. Es gab Tee zu trinken, bei Außenaktivitäten eine Art Fruchtpunsch/Saft, der mir fremd war aber schmeckte. Das "Bad" war ein größerer Raum, wo man gemeinschaftlich duschte. Die Waschbecken waren sehr lang, ähnlich wie in einer Turnhalle. Ich erinnere mich an sehr viele Wanderungen durch die Schwäbische Alb, Wälder, Felsen und Höhlen. Ich habe im Grunde nur schöne Erinnerungen daran. Für die Abschlussfeier vor der Abreise sammelten wir Walderdbeeren, aus denen dann eine Fruchtbohle gemacht wurde. Ich glaube mich auch an eine Art Abschiedsparty zu erinnern. Die Betreuer waren nett, das mitgebrachte Taschengeld wurde verwaltet. Bei den täglichen Spaziergängen kamen wir immer an einer Bäckerei vorbei, an dessen Backstubenduft ich mich noch heute gut erinnern kann. Ebenso an Zimtschnecken, die es an und zu am Nachmittag gab. (Dazu Tee oder eine Art Saft). Der Leiter des Heims war nicht streng oder böse, er rief bei Lärm immer "Ihr Lorbasse, seid ein wenig leiser". Ich kann mich daran erinnern, dass ein Stubenkamerad mal nach ein paar Tagen Heimweh hatte und weinte, das ging vorbei. Ich hatte nie Heimweh, da ich diese Kinderkur als etwas Aufregendes empfand. Habe nur gute Erinnerungen daran. Es verwundert mich, dass so viele Kinder so schlechte Erfahrungen gemacht haben.
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Oliver Richmann aus Friolzheim schrieb am 22.09.2020
Hallo Zusammen,
mich hat der Bericht über die Verschickungsheime ermutigt auch mein Erlebtes zu schildern. Scheine nicht alleine gewesen zu sein. Ich wurde im Alter von 4 1/4 Jahren für 6 Wochen nach Bad Dürrheim geschickt. Dennoch weis ich noch recht viel. Meine Mutter brachte mich noch nach Karlsruhe auf den Bahnhof, die große Halle war damals beeindruckend. Ich bekam ein Schild um den Hals und dann bezog ich mit anderen Kindern ein Zugabteil, bei denen die Sitze zum Schlafen umgelegt waren. Ich fühlte mich schrecklich einsam und es war irgendwie dunkel. Ich hatte damals schon Bronchial Asthma und war recht dürr. Mir sind einige Sequenzen im Kopf geblieben.Vielleicht bin auch deshalb so überaus ängstlich. Im Speisesaal, saßen wir Kleinen direkt links neben der Tür auf einer Bank mit Holztisch. Dort sind immer kleine rote Spinnchen bzw. rote Insekten über den Tisch gekrabbelt. Der Schlafsaal war in einem oberen (1.?) Stock. Als ich Stuhlgang in die Hose machte wurde ich ausgeschimpft und wurde bestraft. Ich bin heulend eine breite Treppe runtergelaufen. Meine Teddy wurde mir weggenommen und auf einen Schrank im Schlafzimmer auf die Ecke gesetzt. Einmal wurde ich mit meinen Hosenträgern an die Heizung, die unterhalb vom Fenster war, festgebunden. Oft musste ich weinen. Als Anwendung mussten wir öfter in einen fensterlosen Raum, nur mit Unterhose bekleidet und mit einem Augenschutz. Dort war ein seltsamer Geruch, den ich heute nicht mehr zuordnen kann. Einmal hat es geschneit und wir haben abends aus dem Fenster Autos zugeschaut, die eine Straße runter fuhren. Meine Mutter erkannte mich kaum wieder, als sie mich abholte. Ich soll aufgequollen ausgesehen haben. Wäre toll, wenn ich lockerer werden könnte, da ich es mir von der Seele geschrieben habe.
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Sabine U.L. aus Mönchengladbach schrieb am 21.09.2020
Auch ich wurde 1977 als Elfjährige in Kur geschickt – nach St. Peter-Ording, zum Aufpäppeln, weil ich wohl ein kränkliches, recht dünnes Mädchen war. Ich kann mich erinnern, dass ich mich im Vorfeld auch durchaus darauf freute.

Aber schon als ich mich am Bahnhof in Kaiserslautern von meinen Eltern verabschiedete und einer Betreuerin übergeben wurde, bekam ich es mit der Angst zu tun. Eine Zugfahrt in den fernen Norden, 4 Wochen ohne Kontakt zu meiner Familie war das, was mich erwartete. In dem Alter hat man ja vorher keine Vorstellung davon, was so etwas mit einem macht.

Ich erinnere mich an eine Situation bei der Eingangsuntersuchung: Ich stand, nur mit der Unterhose begleitet, vor einem Arzt, der mich untersuchte. Eine Helferin dokumentierte. Er musterte mich von oben bis unten und ich hörte, wie er sagte: „Marmorierte Beine“. Da ich nicht wusste, was das bedeutete und ob es etwas Schlimmes war, verursachte diese Aussage ein so starkes Gefühl von und Angst und Scham, dass ich die beklemmende Situation heute noch spüren kann. Schlimm war für mich der Tagesablauf, der vor allem durch sehr viel Bettruhe bestimmt wurde: Bettzeit war zwischen 19 und 7 Uhr, sowie von 12 Uhr bis 15 Uhr. Wir mussten also insgesamt 15 Stunden täglich in unserem Schlafsaal im Bett liegen und Bettruhe halten, durften also nicht sprechen oder aufstehen. Da man als 11-jähriges Kind aber nicht 15 Stunden schlafen kann, lag ich viele Stunden im Bett und grübelte. Das Gefühl der Einsamkeit und das Heimweh waren unerträglich und ich weinte viel. Heute denke ich, dass das für die Erzieherinnen vor Ort die einfachste Möglichkeit war, sich die Arbeit mit uns Kindern so einfach und bequem wie möglich zu machen.

An viele Einzelheiten kann man sich nach so vielen Jahren natürlich nicht mehr erinnern, aber einige Dinge gehen mir bis heute nach:
1. Bei unseren Spaziergängen am Rand des Wattenmeers hörte ich regelmäßig die Feldlerche singen. Noch heute denke ich immer sofort an diesen für mich schrecklichen Kuraufenthalt in St. Peter-Ording, sobald ich eine Feldlerche höre.
2. Ich hatte in diesem Alter erste Dinge übers 3. Reich erfahren, z.B. dass die Juden vergast wurden. Als wir mit einer Gruppe zu einem Raum geführt wurden, der mit einem Schild „Inhalation“ gekennzeichnet war, stellte ich mir tatsächlich voller Angst vor, dass ich jetzt in eine Gaskammer geführt würde.
3. Einige Mädchen hatten damals bereits ihre Periode, was bei mir erst einige Jahre später kam. Aber in der Kur mit den gemeinsamen Schlaf- und Waschräumen bekam ich – damals noch völlig unbedarft – natürlich einiges mit, was mich verunsicherte und mir Angst machte.

Dafür, dass ich in der Kur damals so unglücklich und einsam war, gab ich mir selbst die Schuld. Ich empfand mein Heimweh und meine Tränen als Schwäche und dachte, mit mir sei etwas nicht in Ordnung, weil eine Kur doch etwas Gutes ist. Ich hatte damals das Gefühl, dass ich das einzige Kind war, für das die Kur eine Qual war. Ich habe ja nicht direkt etwas Schlimmes erlebt, doch meine empfindliche Kinderseele hat damals sehr gelitten. Und es war niemand da, der dies sah oder sich darum kümmerte. Die „Schwestern“ in der Anstalt empfand ich als kalt, lieblos und bequem.
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Tom Zielke aus Güstrow schrieb am 20.09.2020
Ich kann mich nur an wenige Details erinnern.
Weil ich Heimweh hatte wurde ich mit Schnallen ans Bett gefesselt und mir wurde der Mund zugeklebt.
Obwohl ich an vieles in meiner Kindheit Erinnerungen habe, kann ich mich kaum an mehr Details erinnern. Nur an das Gefühl, welches mir die Freude an Ostseebäder verdirbt. Bis heute ...
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Iris Junior aus Düsseldorf schrieb am 20.09.2020
Hallo ich war mit meiner Schwester 1969 auf Borkum im Adolfinenheim ...wir wurden direkt bei Ankunft getrennt und ich habe meine Schwester erst Wochen später wieder gesehen. Das Essen war entsetzlich immer Griesbrei Milchsuppe und ähnliches..habe mich erbrochen musste weiter essen...wurde dann auf eine Krankenstation gebracht und lag alleine und weinend im Bett..wie lange weiss ich nicht mehr.Alle Kinder waren immer am weinen. Vergessen hab ich und meine Schwester es nicht..lg
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Karin meyer aus Keitum schrieb am 20.09.2020
Hallo, ich war in der Zeit vom 19.5.60 bis 21.6.60 auf Langeoog. Es waren Horrorwochen die ich mein Leben lang nicht vergessen werde. So etwas Bösartiges habe ich nie wieder erlebt!!!!!
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Thomas M. aus Essen schrieb am 20.09.2020
Hallo,

ich war sehr wahrscheinlich in der 1970er Jahren unbegleitet zu einer Kur auf Borkum. Ich muss wohl zw. 6 u. 10 Jahre alt gewesen sein, dass Ziel der Kur war eine Gewichtszunahme.

Ich habe keine negativen Erinnerungen an die Kur, genau genommen gar keine Erinnerungen. Mir geht es lediglich um die Frage, ob es Menschen gibt, die in einem ähnlichen Alter u. mit gleichem Ziel auf Borkum waren und wie die Einrichtung heißt bzw. hieß.

Danke bereits jetzt für Ihre Rückmeldungen.

Grüße,
Thomas M.
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Mario schrieb am 19.09.2020
Hallo, ich war 1966 auf Borkum im Adolfinenheim zur Kinderverschickung welches von strengen Nonnen geleitet wurde. Kinder wurden regelrecht gemästet sodass ich bis heute bestimmte Sachen nicht essen kann. Bestrafung war an der Tagesordnung z. B. mit nackten Füssen Stunden auf den kalten Boden in der Ecke stehen oder im extra Raum einsperren bis alles aufgegessen war.Nach sechs Wochen hatte ich auch dann ein paar kilos drauf, Ziel erreicht egal wie.
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Heidrun E. schrieb am 19.09.2020
Kindersanatorium Luisenruhe in Königsfeld im Schwarzwald, genannt "Kinderheim Luisental", irgendwann zwischen 1964 und 1966, in den Sommerferien


- Bereits in der ersten Stunde meines Aufenthalts mit 7 oder 8 Jahren bekam ich von einer älteren Erzieherin mit kurzen grauen Haaren eine extrem heftige Ohrfeige, weil ich mir von einem Jungen, der mir zuvor seine Hilfe angeboten hatte, dabei helfen ließ, meinen Stuhl ordentlich wegzustellen. Ich habe nicht geweint, Prügel als normales Erziehungsmittel waren mir schon vorher bekannt. Allerdings war ich schockiert über den Anlass.

Der Junge entschuldigte sich danach bei mir und schien mir seltsam verstört zu sein. Hatte man ihn wohlmöglich zu diesem Zweck zu mir geschickt? Mir tat zwei Tage lang das linke Ohr weh und es waren Geräusche darin.

- Ein kleineres Mädchen sollte mittags vor meinen Augen ihr Erbrochenes aufessen, und nachmittags sah ich sie immer noch weinend davor sitzen.

- Täglich gab es morgens den gemeinsamen Stuhlgang im Bad - auf Kommando. Dazu mussten wir, fast alle Schulkinder, im Kreis auf Kleinkinder-Töpfchen sitzen. Ich habe mich so geschämt, dass ich bald an heftiger Verstopfung litt.

- Zwei volle Tage bekam ich kein Essen außer spelzige Äpfel, wegen meiner Verstopfung. Ich hatte vor Hunger bald Angst, fortan gar kein Essen mehr zu bekommen. Die vielen Apfelspelzen trug ich jeweils den ganzen Tag in den Wangentaschen versteckt, auch beim Zähneputzen, sie auszuspucken wurde mir streng verboten. Abends riet mir ein anderes Kind, dass ich die gesammelten Spelzen unter der Matratze im Bett entsorgen könne. Die gefordete Menge an Stuhlgang beschaffte ich mir in meiner Verzweiflung schließlich nachts aus den stinkenden "gesammelten Werken" der anderen Töpfchen in einem ausrangierten Toilettenverhau im Flur durch Umschütten des Inhalts in meinen eigenen Topf. Es war absolut ekelhaft, aber ich musste erreichen, wieder zu Essen zu bekommen.. Danach durfte ich auch wieder an den normalen Mahlzeiten teilnehmen.

- Regelmäßig wurde bei mehreren Kindern die Nägel an den Fingern bis ins Nagelbett blutig geschnitten, das konnte ich sehen, danach weinten einige. Als ich an die Reihe kam, drohte ich der jungen Erzieherin leise mit einem Anwalt, einem Freund meines Vaters, falls ich auch blutig geschnitten würde. Meine Nägel wurden dann auch ordentlich geschnitten, meine Drohung blieb folgenlos.

- Zensur der Post: Die Briefe an die Eltern wurden uns wörtlich diktiert.

- Häufig musste ich zur Strafe den ganzen Nachmittag im Bett liegen, auch gab es zur Strafe für mich keinen einzigen der bereits bezahlten Ausflüge. Warum im Einzelnen, erinnere ich mich nicht, es erschien mir irgendwann ganz normal. Es stimmte ja auch, ich wollte mich an diese sadistischen Erwachsenen gar nicht anpassen.

- Wegen meiner heftigen Abneigung gegen Pfannkuchen mit Backpflaumen und meiner höfluchen Bitte, sie nicht essen zu müssen, musste ich zur Strafe gleich zwei davon unter Aufsicht verspeisen. Dem kam ich schweigend nach, indem ich beide ganz schnell in großen Stücken mit viel Wasser herunterwürgte und dabei die Heimleitung anstarrte. Kurz danach erbrach ich mich in hohem Bogen auf einen Perserteppich, dem zur Reihen-Untersuchung anwesenden Arzt direkt vor die Füße, was mir zu meiner großen Freude das Aufessen des Erbrochenen ersparte. Ich habe deshalb vor Begeisterung laut gelacht und wurde sofort ohne (!) Untersuchung wieder aus dem Raum gezerrt. Gerne hätte ich über die Praxis des Kotze-Essen-Müssen Bericht erstattet, bekam den Arzt jedoch nie wieder zu sehen.

- Die Jungen durften über mehrere Tage eine Hütte im Wald bauen, wir Mädchen durften mit in den schönen Wald, allerdings nur, um dort stundenlang im Gras zu sitzen und beim Hüttenbau zuschauen. Dabei mussten wir lernen, Zöpfe aus Grashalmen zu flechten. Mehrmals schleifte man mich mit roher Gewalt am Kragen und Armen und Beinen vom Hüttenbau zurück zum Zopfflechten. In mir wuchs der Hass.

- An einer Geburtstagsfeier im Haus durfte ich nicht teilnehmen, da ich nachmittags stets zur Strafe stundenlang im Bett liegen musste. Eine Erzieherin gab mir deshalb abends vor den anderen Kindern den Spitznamen "die Schlafmütze". Von da an wurde ich von den Kindern gemieden.

- Keiner wusste, dass ich im Wandschrank der großen Schlafveranda im Obergeschoss das schönste Technikspielzeug entdeckt hatte, das holte ich mir immer, für Notfälle ohne Hügelbildung säuberlich neben mir unter der Decke platziert. Kam eine Tante zur Kontrolle, knarrten die Stufen, und so lag ich da gut zugedeckt und guckte todtraurig, oder ich "schlief" mit offenem Mund, das Gebastelte zwischen den Knien. Ich war lieber allein, das erschien mir damals sicherer als die Gegenwart dieser herzlosen Erwachsenen.

Schön fand ich, dass mehrere Kinder an meinem Tisch keinen Joghurt mochten, so dass ich häufig drei sehr leckere Portionen davon mit frischen Blaubeeren lautlos unter dem Tisch angereicht bekam und leere Teller auf dem gleichen Weg zurück senden konnte.

- Mein Trost war, dass mir stets bewusst war, dass mein Aufenthalt in absehvarer Zeit vorbei sein würde, und die gnadenlose Härte und Kälte einer preußischen Erziehung kannte ich von meinem Zuhause. Traurig war für mich, dass ich gehofft hatte, dort sei es so freundlich, wie mein älterer Bruder es einige Jahre zuvor erlebt gatte. Er durfte damals stets bei der Erzieherin im Bett (!?) schlafen, weil er so niedlich war, erzählte meine Mutter immer wieder gern.

Am Tag der Abreise bekam ich an der ersten Kreuzung an der Hand meiner Mutter einen Schreikrampf. Ich habe immer nur nach Luft geschnappt und dann wieder geschrien. Der Druck, die Wut, die Angst ubd Enttäuschung haben sich so entladen. Ich dachte, ich müsse ersticken. Nach einer gewaltigen Ohrfeige durch meine Mutter funktionierte ich dann wieder. Hier schloss sich für mich der Kreis.

Zu Hause habe ich nur berichtet, dass es mir nicht gut gefallen hat. Dass man mich dort häufig bestrafte, hätte meine Eltern wohl eher erfreut, fürchtete ich. Für ein Mädchen erschien ich ihnen stets zu wild und unangepasst.

- Wenn ich an diese Zeit zurück denke, merke ich erst, wie wütend ich immer noch bin.
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Hajo O. schrieb am 19.09.2020
Hallo miteinander,
ich (Hajo O.) war im Februar/März 1968 fünfjährig in einer Einrichtung auf Amrum, bin dort 6 Jahre alt geworden. Leider bin ich nicht mehr sicher, in welchem Haus dort ich war, aber Wittdün kommt mir bekannt vor. Ich erinnere mich vor allem daran, dass ich sehr viele Stunden geweint habe, vor Heimweh und Kummer, im Bett. Und an eine "Mittagspause", in der wir still im Bett liegen mussten, und in der ich es gewagt hatte, leise zu einem anderen Kind in einem benachbarten Bett etwas herüberzuflüstern, was aber auffiel, und dass ich dann die ganze restliche Pause mit dem Gesicht zur Wand in einer Ecke des Schlafsaals stehen musste (als 5-Jähriger!). Und an das Sammeln von Bernsteinen meine ich mich auch zu erinnern, in solchen Klapp-Zigarettenschachteln, die uns die "Tanten" des Heims gegeben hatten; von den Bernsteinen habe ich aber keine mit nach Hause gebracht. Als ich Geburtstag hatte, durfte ich ausnahmsweise ein Päckchen meiner Eltern bekommen, aber der Inhalt wurde von den "Tanten" "gerecht" an alle verteilt...
Leider erinnere ich sonst bisher nicht mehr viel, würde mich aber gern mit anderen Betroffenen austauschen und weitere Erinnerungen wiederfinden bzw. andere dabei unterstützen, ihre wiederzufinden. Auch Bilder oder Dokumente würden mir sehr helfen, habe selbst eben bei meiner damaligen Krankenkasse angefragt, in der Hoffnung, dass die noch Infos dazu haben und herausgeben (hier geht es mir besonders um den Namen der Einrichtung, um da sicher zu sein).
Ich habe seit Langem das Gefühl, dass ein tiefer Kummer und Schmerz, den ich schon das ganze Leben lang mit mir trage, auch etwas mit dieser "Erholungskur" auf Amrum zu tun haben könnte... Und ich freue mich sehr über die Initiative anderer Betroffener, damit jetzt an die Öffentlichkeit zu gehen- herzlichen Dank dafür!
Viele Grüße
Hajo
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Dorothee schrieb am 19.09.2020
Hallo, ich war 1966 im Ev. Kindererholungsheim in Glatten/Schwarzwald. Ich muss sagen, dass ich sehr froh sein kann, die vielen schrecklichen Dinge, die hier geschildert werden, nicht selbst erlebt zu haben. Ich kam wegen angeblicher Unterernährung nach Glatten und ja: auch wir mussten morgens Puddingsuppe essen, bekamen irgendwelche Tropfen, die den Appetit anregen sollten und wurden wöchentlich gewogen, aber niemand musste Erbrochenes aufessen, wurde geschlagen oder sonst irgendwie drangsaliert. Im Gegenteil: die "Tanten" dort waren überwiegend nett und haben auch schöne Dinge mit uns unternommen. Auf der Hinfahrt im Zug hatte ich mich schon mit einigen anderen Mädchen angefreundet. Im Heim angekommen, wurden diese dann aber in eine Gruppe zu den großen Kindern eingeteilt, während ich zu den Kleinen musste. Ich habe dann in der Nacht so doll geweint, dass ich am nächsten Morgen doch zu den Großen durfte. Das war wirklich nett und von da an war ich ganz zufrieden. Unsere Briefe nach Hause wurden vorher von den "Tanten" gelesen, da wir wohl nichts Negatives schreiben sollten, das hat man uns aber auf lustige Art und Weise erklärt und ich fand es damals nicht schlimm. Bei einer Fahrt im VW-Bus wurde mir furchtbar schlecht und ich musste mich übergeben - niemand hat geschimpft!
Es gab also auch solche Heime. Natürlich war ich trotzdem froh, als ich nach 4 Wochen wieder nach Hause durfte.
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Jörg L. schrieb am 19.09.2020
Zu

"Dr. Heck" in Melle bei Osnabrück (1966)

Solbad Melle
Haus Bruch
Brucher- Allee
Fernruf 878 – Kreissparkasse Melle 1214
Postscheckkonto Hannover 34686

Ehepaar Dr. Heck (Hildegard + Dr. med. K. Heck)


heute eine „Wasserschloss“ (Besichtigungen möglich?)

Über das Haus oder das Heim Im Bruche gibt es angeblich ein Buch


In den sechziger Jahren ein „Kinder-Kurhaus“ für Solebäder und ,,Zunehmkuren“
In den siebziger Jahren eine Kinderheim.


Aus dem Forum Heimkinder-Regenbogenstadt:

Große Eingangshalle mit schwerer Holztür.

Großer Schlafsaal. Absolutes Verbot, aufzustehen. Bin einmal aufgestanden und habe einen weinenden Jungen getröstet. Dafür habe ich gleich in der Nacht noch Schläge kassiert. Die Betreuerinnen, wenn ich die Frauen so mal nenne, waren mit uns Kinder oft draußen am Waldrand spazieren. Erinnere mich noch an die Spaziergänge, viele Kinder auf einmal und wir haben die Schuhe immer in einer Art Waschküche ausgezogen.

Körperliche und Psychische Gewalt waren keine Seltenheit.
Die Ärztliche Kompetenz von Dr. med Heck, waren eher auf Basis von 08/15 (Der Film)

Wurde von einen dicken Arzt angeflaumt warum ich abnehme. Aus unserem Saal konnte man einen Bachverlauf sehen. (Graben des Wasserschlosses). Gebadet wurden wir in einer Art Waschküche in Holztrögen in denen viel Salz war. Die Holzwannen im Keller wurden mit Sohle haltigen Wasser zum Baden gefüllt.

Das eklige Essen, dass wir Kinder bei Dr.Heck bekamen, war Lebertran mit Fischbrei.

Mein Beitrag: Ich verstehe wirklich nicht, warum hier nur Andeutungen gemacht werden! 
Ich war zusammen mit meiner Schwester als sechsjähriger dort zu einer "Kräftigungskur" vor der Einschulung im Juli 1966.

Direkt nach der Ankunft wurden uns alle Süßigkeiten und Butterbrote abgenommen, die wir von zu Hause aus mitbekommen haben. Gruppenzimmer zugewiesen, natürlich nach Jungen und Mädchen getrennt und erster Appell zum Essen. Ich kann mich an den "Arzt" kaum erinnern, dafür aber umso mehr an die BDM-Matrone Hildegard Heck, die da das Kommando hatte. Meine Schwester hatte Glück, da sie ein junge relativ hübsche schwarzhaarige Betreuerin zugewiesen bekam, die zu den Mädchen nett war. Ich bekam BDM-Obergruppenführerin Heck!

Das Essen bestand aus einem zähen Haferschleim, der nicht nur kaum essbar war, sondern auch übel roch. Nach ein paar Löffeln fingen die ersten an das Essen in die Teller zu erbrechen. Die Reaktion von BDM-Hildegard war das betreffende Kind am Kopf zu packen und mit dem Gesicht in die Kotze zu drücken. Wenn ein anderes Kind darauf irgendwie mit einem Laut reagierte, mußte es sofort aufstehen und sich für den Rest der Speisung in die Ecke stellen, was angesichts dieses Fraßes fast eine Wohltat war, aber dazu führte, dass alle abnahmen. Ich meine auch, dass es öffentlich vor allen anderen Schläge auf Hände und Po gegeben hat.

Die "Kräftigung" wurde durch Wanderungen erreicht, die stundenlang dauerten und durch Felder und Wälder gingen. Anschließend mit Kontrolle kollektives Schuhe putzen auf der Außentreppe. Keine Briefe, Telefonate oder Besuche von Eltern waren gestattet. H. Heck schrieb eigenhändig in Sütterlin Postkarten an meine Eltern, dass es meiner Schwester und mir angeblich gut ginge und die Kur voll anschlagen würde. Der Leidensdruck war so groß, dass wir bei den Wanderungen überall Hilfe-Zeichen aus Ästen legten in der kindlichen Hoffnung, Bauern würden das deuten können und unsere Eltern oder die Polizei über das Straflager informieren würden. Gegen Ende mußte ich noch länger bleiben, da Kinder Windpocken eingeschleppt hatten und sowohl meine Schwester, als auch ich deswegen in Quarantäne mußten. Meine Schwester blieb dann noch eine weitere Woche alleine dort, da sie sich später angesteckt hatte.

Meine Mutter berichtete mir später, dass ich dünner geworden war und sehr blass und länger nicht über die Vorfälle dort gesprochen hatte. Erst als meine Schwester wieder zurück war, hätten wir beide erzählt. Meine Mutter berichtete unserem praktischen Arzt davon, der uns in diese Kinderkurklinik überwiesen hatte. Unternommen wurde aber anscheinend nichts.

Kommentar dazu: NS Methoden, das kann ich nur bestätigen, die Leiterin der Küche und eine andere Ältere , die wohl die Oberaufsicht hatte und ein Zimmer neben der Spülmaschine hatte, waren sicher aus NS Zeiten übrig geblieben. Auch ein Schlachtschiff, mit dem Namen, Marianne G. war der sadistischen Seite sehr zugetan. Der alten Heck, sah man ihr Herrenrassen-Denken und handeln auch schon an. Interessant war immer die Geschichte, das sie Gott geschworen hat, wenn sie von einer Krankheit geheilt wird, sich um arme Kinder zu kümmern. Die Krankheit war wohl eher die Strafverfolgung von Nazis.
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Heike Pelchen schrieb am 18.09.2020
liebe Regine, ich bin immer wieder verblüfft, wie sehr sich die Erlebnisse ähneln, als ob an verschiedenen Orten nach dem gleichen "Drehbuch" gehandelt wurde. Auch ich wurde gleich von meiner Freundin getrennt, kam in die "kleinere" Gruppe, die meinem Entwicklungsstand überhaupt nicht entsprach, ich war Schulkind, die anderen Kindergartenkinder. Diese Trennung hat mich von Anfang an ganz verzeifelt gemacht. Ich wünsche Dir Trost und Helles, Freundliches. Heike
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Kathi schrieb am 18.09.2020
Hallo Heike,
auch ich war als Kind zweimal in sog. Erholungsheimen: mit 8 und mit 12 Jahren.
Da ich klein und schmächtig war, bin ich altersmäßig immer unterschätzt worden. So steckte man mich mit 12 Jahren in die Turngruppe der 8- bis 11jährigen. Auch ich hatte ein viel zu kleines Bett.
Beides hat mich sehr gekränkt.
Ebenso wie das jeden Sonntagnachmittag stattfindende Tanzen von Volkstänzen. Dabei ging zu wie in der Tanzschule. Die Jungen mussten die Mädchen auffordern. Zu mir kam nie jemand. Alle Gefühle habe ich unterdrückt und nie gezeigt.
Das ist alles sicher nicht so schlimm wie das, was viele andere erlebt haben.
Aber die übertriebene Strenge und Unpersönlichkeit haben mich geprägt und mein ohnehin geringes Selbstbewusstsein weiter untergraben.
ich habe mir noch nicht einmal Heimweh erlaubt.
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Sylvia Rehlich schrieb am 18.09.2020
Hallo, ich war mit 6 Jahren im Jahr 1959 in Haffkrug verschickt und ja, es war einfach nur schrecklich. Um so schlimmer, dass ich heute als Seniorin in diesem Haus Urlaub machen könnte. Ich habe gleich zu Beginn dieser Initiative Zeugnis abgelegt zu meinen beiden Heimaufenthalten in Haffkrug und Westerland. Es gibt für beide Orte Heimortverantwortliche in der Initiative.
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Heike schrieb am 17.09.2020
PS: es gab ein Mädchen in der Gruppe der Ältesten in St Marien-Kindererholungsheim, Segeten, vielleicht 11 oder 13? Die hieß Sabine. Die hat meine Not bemerkt und mich nach jedem Abendgebet im dunklen Flur umarmt und mir einen Gute-Nacht-Kuss gegeben. Das hat mich so getröstet für kurze Zeit. Dieser Sabine bin ich sehr dankbar. Was für ein tolles Kind.
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Heike schrieb am 17.09.2020
Hallo ihr Alle, ich hatte bisher nur den Fragebogen ausgefüllt und schreib nun auch noch hier, damit Leute evtentuell etwas zu ihren Erfahrungen im gleichen Haus schreiben können. Ich war im St. Marien-Kindererholungsheim in Segeten, im Schwarzwald. Verglichen mit dem was ich von anderen Menschen gelesen habe, sind meine Erfahrungen im Ganzen nicht so extrem, vieles ganz Schlimmes ist mir erspart geblieben, aber auch ich war danach "ein anderes Kind" und zusätzlich zu schon davor bestehenden Belastungsfaktoren hat es mein Leben in seinem Verlauf verändert. Es ist schwer zu sagen, wie ich mein Leben hätte leben können, wenn nicht diese Erfahrung von Verlassen-sein dazu gekommen wäre.
Dinge, die ich erlebt habe: Direkt bei Ankunft Wegnahme meines Taschengeldes (da meine Mutter angeblich zu wenig Geld mitgegeben habe, das bar mitgegeben werden sollte und die Differenz dann von meinem Taschengeld beglichen werden "musste" (meine Mutter habe wohl noch ein altes Anforderungsschreiben gehabt, wurde gesagt, dabei abwertendes Sprechen über meine Mutter/Eltern), dadurch hatte ich von Anfang an keinen Pfennig Geld, konnte mich also auch nicht von einem Münzsprecher telefonisch an meine Eltern wenden um Hilfe.
Sofortiges Getrenntwerden von meiner mitgereisten Freundin in 2 verschiedene Gruppen nach Körpergröße, Einteilen in die Kindergartengruppe, obwohl ich schon Schulkind war und Lesen und Schreiben konnte. Schlafen müssen in einem Kindergitterbett, dass zu kurz für mich war, in dem ich mich nicht Ausstrecken konnte.
Androhen von Schlägen, wenn nachts keine Ruhe war (ich habe im Großen und Ganzen zu Hause kein Schläge bekommen, war gewöhnt, dass man mir erklärte, mich "ernst nahm").
Nicht-Benutzen dürfen meiner mitgebrachten Spiele (die man laut Anforderungspapier mitbringen sollte! dabei Verspotten meiner Mutter, die diese mir ja eingepackt hatte), Wegpacken der Spiele im Koffer für die ganze Zeit.
Zunächst wurden meine Karten nach Hause für mich geschrieben, bis ich die Information "durchsetzen" konnte, dass ich ja selbst schreiben könne, das wurde mir zunächst nicht "geglaubt".
Kontrolle des Briefverkehrs nach Hause ("Deine Mutti ist doch dann traurig, wenn Du ihr das so schreibst"), führte dazu, dass ich "fröhliche Karten" nach Hause schrieb, worauf ich von meiner Mutter fröhlich-liebevolle Briefe zurückbekam, wie sehr sie sich freut, dass es mir so gut gefällt....dieses Abreissen des Kontaktes, dieses Merken, dass sie nicht merken kann wie schlecht es mir geht, wie verzweifelt allein ich mich fühle, war fast das Schlimmste. Es hat mein (auf Grund anderer Dinge zuvor schon belastetes) kindliches Grund-Vertrauen zerstört; wenn ihre Briefe kamen, habe ich untröstbar geweint, später haben meine Mutter und ich vereinbart, dass wir uns für spätere Situationen Geheimzeichen überlegen, so dass ich heimlich sie hätte über meine Hilflosigkeit informieren können (das war eine sehr liebevolle Reaktion meiner Mutter, leider hat das alles dann nicht mehr gereicht, habe jahrelang in Angst gelebt, bin teilweise dissoziiert, konnte nicht mehr von ihr getrennt übernachten, das hat sie überfordert und uns getrennt)
Ärztliche Untersuchung: Auskunft: ich habe keine Mandeln, wann mir diese denn entfernt worden seien, auf meine ernsthafte Auskunft, die seien mir nicht entfernt worden (denn daran hätte ich mich erinnern können), wurde die Ernsthaftigkeit dieser Aussage lächerlich gemacht und mir nicht geglaubt, sie seien nicht da, also seien sie mir entfernt worden (aus heutiger Sicht: sie sind mir wirklich nie entfernt worden und jeder Idiot weiß, dass es kleine, "verkümmert" angelegte Mandeln gibt). Alleingelassenwerden über einen ganzen Tag, als ich krank wurde und bettlägerig war.
Singen von trostlosen, schwarzen Kirchenliedern (...über Nacht die Panzer rollen, Mütter sterben, Kinder sind allein, Du warst nicht vorbereitet.....Jesus kam vor dieser Zeit, Du gingst nicht mit, Du wolltest nicht, als Jesus kam fand er Dich nicht bereit...so der Text, kann ihn und die Melodie noch auswendig)
Irgendwann hat mein Vater angerufen, wurde stutzig, weil ich weinte etc, hat dann per "Androhung" er würde mich sofort holen kommen, durchgesetzt, dass ich doch noch in die Gruppe meiner Freundin kam, diese hatte aber unterdessen dort schon "Freundinnen" gefunden und wollte von mir -schon ganz angeknackst und heimwehkrank- nicht mehr viel wissen (mein Vater hat leider den Ernst der Lage nicht erkannt und mich nicht geholt).
Ich bin nicht geschlagen worden oder zum Essen gezwungen, aber ich hatte permanentes Heimweh, ein verzweifeltes Verlassenheitsgefühl für 3 lange Wochen, Hilflosigkeit, auch Angst. Plan/Gespräch mit meiner Freundin im Garten am hohen Zaun stehend, dass wir fliehen könnten, wie wir das machen würden, haben uns dann nicht getraut (ich war 7, ohne Geld, Angst vor den Folgen).
Wieder zu Hause bin ich meiner Mutter (wie so viele) weinend in die Arme gefallen, erst nach und nach hat sie verstanden, was los war. Sie hat sich dann auch beim damaligen Träger beschwert (wir wissen nicht mehr, wer das war, irgendwas Katholisches), ist damit aber aufgelaufen und konnte nichts erreichen. Komischerweise sagt sie, ich sei nicht "verschickt worden", es sei eine "ganz normal gebuchte" Reise gewesen, eben bei einem katholischen Träger, aber es ähnelt sich so, vielleicht gab es "Verschickte" und "Selbstbucher" in den Heimen?

Ich wünsche allen Trost. Und Menschen in ihrer Umgebung die freundlich und warm sind.
Heike
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Michael Mehren schrieb am 17.09.2020
Ich wurde in der Zeit zwischen August und September 1959 als Siebenjähriger zur Erholung nach Friedenweiler in den Schwarzwald geschickt. Alleine die Trennung zu meinen Eltern war hart, was mich aber in Friedenweiler erwartete, war an Eindrücken für ein siebenjähriges Kind mehr als erdrückend.

Bei der Ankunft wurden wir von Nonnen empfangen und uns wurden zunächst alle Sachen abgenommen. Wir wurden in Säle und/oder Gruppen aufgeteilt. Friedenweiler hat in mir alles zerrissen, was ich bisher als Kind von der Schönheit eines Kinderlebens erlebt hatte; es hat mir den Glauben, die Hoffnung, den Schutz gegenüber Erwachsenen und auch gegen die Kirche genommen. Heute möchte ich mir nicht mehr vorstellen, wie diese Nonnen ca. 14 Jahre früher gegenüber Kindern aufgetreten sind.

In Friedenweiler musste ich erleben, wie wir jeden Morgen Spalier stehen mussten, so dass die Bettnässer unter Gegröle und unter Ansage der Nonnen mit ihrer nassen Bettwäsche nackt an uns vorbeigehen mussten, auf dem Weg in den Waschkeller;

Friedenweiler stellte sich den Kindern vor, in dem es nachts Kindern den Toilettengang verweigerte, die Kinder mit Ohrfeigen und Stockschlägen zum Aufessen des Tellerinhaltes zwang, auch wenn sie sich auf dem Teller übergeben hatten, des weiteren galten neben Schläge auch stundenlanges in der Ecke stehen bei Zuwiderhandlungen wie z.B. Flüstern während der Ruhezeiten, Rennen auf den Fluren u.ä.

In Friedenweiler wurden wir einmal pro Woche nach Geschlechtern getrennt aufgefordert, in Gruppen von je ca. 10 Personen unter Aufsicht der Nonnen sich nackt auszuziehen und zu duschen. Wir haben uns so sehr geschämt. Danach erhielten wir nach einer Woche frische Unter- und Oberwäsche. Briefe oder Grusskarten an Eltern oder Verwandte wurden kontrolliert und zensiert;

das Taschengeld, dass uns Eltern für diesen Aufenthalt mitgaben, haben die Nonnen gekonnt dazu genutzt, uns in der letzten Woche nutzlose Souvenirs zu verkaufen, wie z.B. kleine Schwarzwaldpuppen, Schneekugeln, kleine Fotobetrachter und ähnliche Dinge. Vom Taschengeld habe ich nichts mehr zurückgebracht, stattdessen aber nach Aussage meiner Mutter ca. 70% an sauberer Wäsche, die ich gar nicht in Friedenweiler zu Gesicht bekam. Ich bin als dünner Hänfling nach Friedenweiler gekommen, um etwas an Gewicht zuzunehmen. Zurück kam ich noch magerer und dünner als vor der Kinderverschickung, dafür verängstigt und am Rockzipfel meiner Mutter hängend.
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Johannes Möllers schrieb am 17.09.2020
Die schlimmste Zeit meines Lebens in Bad Sassendorf
Ich war 9 Jahre alt (1972-73)als ich verschickt wurde und ich war Inkontinent und Dürr.Die Schlafsäle wahren hoch und links und rechts standen Eisenbetten.Ich muste immer mit dem Gesicht zur Wand schlafen weil ich ins Bett gemacht habe.Es herrschte ein herrischer Befehlston dort.Ich war 9 Wochen dort und bekam in dieser Zeit nur klebrigen stacheligen trockenen Reis ohne alles zu essen.Wenn man ihn nicht mehr essen konnte bekam man ihn eingeflößt. Man hat das essen oft zwei oder dreimal gegessen.Das Weinen von uns Kindern höre ich heute noch. Ich hatte in der Kur Geburtstag und ich hatte ein Paket mit süßem Geschick bekommen das mir aber weggenommen wurde. Statt dessen bekam ich 2 trockene Zwieback.Ich habe dort immer gedacht ich bin selbst an allem Schuld und muß immer dort bleiben. Als ich dann doch nach (Hause)kam war ich total verstört und fühlte mich der Familie nicht mehr zugehörig.Ich habe mein ganzes Leben Probleme mit dieser Zeit und bin auch in Behandlung. Ich hoffe das noch viel mehr ans Tageslicht kommt. So geht man mit Kindern nicht um.
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Wolfgang Buckow schrieb am 17.09.2020
Liebe Freunde,


seit meinem 6. Lebensjahr habe ich von 1953 (Wyk auf Föhr) bis 1964
(Langeoog) an diversen Heim-Verschickungen teilgenommen (7 x +2
Ferienfamilien in der BRD und 7 x Ferienlager der DDR bis 1961), verfüge
also über einen reichen Erfahrungschatz.
Während ich von meiner
Frau oder andern Bekannten eher ablehnende Berichte hörte, kann ich die
negativen Erfahrungen persönlich nicht bestätigen. Ich habe die
Möglichkeiten immer gern genutzt und da in Berlin (West) die
Verschickung über das Rathaus (Jugendamt) nur alle 2 Jahre möglich war,
bin ich in der Zwischenzeit auch als “friedliebendes westberliner
Arbeiterkind" in die DDR eingeladen worden. Vielleicht lag es an meinem sonnigen Gemüt, dass ich nur gute Erinnerungen zurückbehalten habe und oft beschriebener Horror bei mir nicht vorkam. Als kleinem Jungen im Kinderheim auf Föhr wendete sich das Heimweh oder die fiebrige Erkältung von Bettnachbarn noch zum Guten, denn ich durfte wegen deren Bettruhe ihre Gummistiefel für Wanderungen durch Schee und Matsch anziehen. (Nur eine Art Müsli aus geriebenen Mohrrüben mit Haferflocken (?) ist mit unangenehm in Erinnerung). Selbst DDR-Veranstaltungen mit morgendlichem Fahnenappell nahm ich mit Humor, mich interessierten vielmehr die hübchen Mädchen bei ersten sexullen Annäherungsversuchen und das überall reichliche Essen.
Familienreisen gab es zu dieser Zeit bei uns nicht.
Ich grüße alle recht herzlich und bin für Nachfragen gern auskunftsbereit.
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Renate Leppin geb. Otten schrieb am 17.09.2020
Hallo, ich habe mehrfach über Verschickungskinder gelesen, auch darüber, dass sich immer mehr ehemalige Verschickungskinder mit ihren Erlebnissen melden. Auch ich möchte mich beteiligen, da auch ich, zusammen mit meiner Schwester Brigitte, zweimal in Bad Dürrheim im DRK-Kinderkurheim war. Wann es das erste Mal war, das weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass wir mit dem Zug von Bremen nach Bad Dürrheim gefahren sind und während der Fahrt jemand aus dem Zug gefallen ist. Nie wieder habe ich davon gehört. Während meines ersten Aufenthaltes wurde ich heimwehkrank und beim zweiten Aufenthalt meine Schwester. Der zweite Aufenthalt war in 1964, habe noch Fotos davon. Ich habe inzwischen recherchiert, dass es das Heim mit der Rauminhalation mit den Ponchos etc. war. Meine Schwester hatte es mit den Bronchien, ich war nur zum Zunehmen mit. Ich war schon ein wenig älter und meine Oma hatte mir eine Armbanduhr geschenkt. Ich wurde einmal während des Mittagsschlafs nach der Uhrzeit gefragt und ich habe sie genannt. Danach wurde mir die Uhr abgenommen. In unserem Schlafraum waren oben an der Decke so Entlüftungsrohre, die wohl verkleidet waren, sahen jedenfalls so aus. Durch diese Dinger haben sie uns abgehört, dadurch wurde ich meine Uhr los.
Seit den Verschickungen kann ich es nicht mehr ab, wenn das Fiebermessen kommt, sei es in einem Krankenhaus oder in einer Reha. Wir wurden so unter Druck gesetzt, kein Fieber zu bekommen, da wir sonst wegen "Reisefiebers" nicht nach Hause gedurft hätten.

Ich habe meinen Eltern niemals verziehen, dass sie uns dort hingeschickt haben.
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Claudia Preissler schrieb am 17.09.2020
Ein Hallo in die Runde,

ich habe bereits Zeugnis abgelegt, aber hier und da taucht eine weitere Erinnerung auf. Bei den wöchentlichen Untersuchungen mit Temperatur messen, Gewicht checken ect., bekam ich eine Flüssigkeit zum Trinken. Kleiner Becher, rosa Flüssigkeit. Die Farbe sehe ich deutlich vor Augen. Mich schüttelt es regelrecht durch, wenn ich dran denke. An den Geschmack erinner ich mich nicht, aber ich verabscheue schon immer übersüße Medizin. Ob das ein Beruhigungsmittel oder Schlafmittel war, weiß ich nicht. Die Untersuchungen fanden, glaube ich, vormittags statt. Vielleicht auch eines von den Experimenten an Kindern, die in diversen Heimen üblich waren.

LG
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Petra Strecker schrieb am 16.09.2020
Hallo, durch Zufall habe ich gestern von dieser Seite erfahren. Ich war mit 1980 Mit 9 Jahren im Schwarzwald Lenzkirch/Saig im Schwoerer Haus. Bis heute 40 Jahre später hab ich mit dem zu kämpfen.
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ursula schrieb am 16.09.2020
ich war dort,mit ungefähr 11!irgendwo gibt es noch ein bild!ich bin aufgewacht in der nacht,und da war es,die erinnerung!ich bin zeuge der nötigung,das kinder erbrachen und es aufessen mussten!ich konnt emittags im grossen saal nicht shclafen,war ein sogenanntes zappelkind,hatte meinen toilettenbeutel mit zahnpasta unter der bettdecke aufgeräumt und wurde erwischt!ich stand dann in der ecke,stundenlang und halbnackt!die nonnen waren grausam!wir mussten immer blaubeeren pflücken,stundenlang!für einen vollen becher gabs ein gummibärchen!uns wurde alles abgenommen am anfang,briefe kontrolliert!es kam nichts wahres raus an die eltern!zum doktor mussten wir uns aufstellen,halbnackt,ich habe mich geschämt!mehr wies ich nicht mehr,es war schrecklich!
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Gundula Schmidt-Graute schrieb am 15.09.2020
Hallo, ich habe vor ein paar Jahren den Fragebogen ausgefüllt und wusste damals aber nicht, wo das Heim war. Inzwischen bin ich mir relativ sicher, dass es sich um Wüstensachsen/Rhön, nahe der Wasserkuppe handelt. Es war der Sommer 1970, ich wurde im Heim sechs Jahre alt, Diagnose "Haltungsschäden". Ich habe keine Erinnerungen an körperliche Misshandlungen oder Zwangsfütterung mit ekligem Essen, aber an eine unendliche Einsamkeit und ständiges Nichtverstehen. Der Großteil meiner Sachen wurde weggeräumt - ich lebte sechs Wochen in der Angst, sie verloren zu haben. Mein Geburtstagspaket habe ich bekommen. Die Heimleiterin hatte ihr Kleinkind immer bei, das sie regelmäßig vor aller Augen verprügelte, weil es mit dem Töpfchen nicht so geklappt hat. Es waren auch Westberliner Kinder da, sie waren in eigenen Gruppen und bei uns schwirrten die Gerüchte "Berliner stinken, Berliner klauen". Ich, die ich nicht einmal wusste, was ein Berliner überhaupt ist, habe das nachgeplappert. Die Großen haben mich verpetzt und ich wurde vor versammelter Mannschaft angebrüllt. Und als ich mich erbrochen habe (o.k., ich war trotz Warnung mit vollem Bauch ins Wasser gegangen), musste ich bis zum nächsten Wäschewechsel im dreckigen Bettzeug schlafen. Als die Frau, die mich im Zug begleitet hatte, wieder auftauchte, habe ich mich ihr heulend in die Arme geworfen. Und als ich im Winter für eine Woche ins Krankenhaus kam habe ich allen Leuten erzählt "Krankenhaus ist viel besser als Kinderheim". Ich bin vergleichsweise glimpflich davon gekommen, trotzdem hätte all das nicht passieren dürfen.
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Ute I. schrieb am 15.09.2020
Auch ich habe teils sehr unangenehme Erinnerungen an meine zwei Kinderkuraufenthalte auf Wangerooge, einen im Kinderkurheim Sandkrug. Da ich aus Oldenburg komme, war ich vermutlich im Oldenburger Kinderkurheim auf Wangerooge.Weil ich Untergewicht gehabt haben soll, so sagte meine Mutter mir damals auf NAchfrage... ich bin Jahrgang 1955. Das letzte mal war ich zu Beginn meiner Pubertät dort und hatte einige Schwierigkeiten mit meiner Veränderung. Die ärztliche Untersuchung, in der wir uns alle in Reihe einfinden mussten war seltsam. Der Arzt sagte, ich dürfe nicht mehr soviel Milch bekommen. Was mich bis heute verfolgt, ist der ekelige Geruch von warmer Milchsuppe in Plastikbehältern. Dabei weiß ich nicht mehr wirklioch , ob es bei allen drei Kuren so war oder nur zB in Sandkrug. Ich denke es war auch auf Wangerooge mit das abstoßendste , was mir in Erinnerung geblieben ist und mich bis heute noch immer wieder ersucht. Dazu wundere ich mich mein Leben lang zunehmend darüber, dass man uns so derbe Lieder singen ließ.Natürlich waren es Seemannslieder auf Wangerooge. Ichg kenne sie noch immer und denke, dass ich sie mir so gut gemerkt habe, weil ich immer gerne sang und auch besonders in Gemeinschaft. Dennoch, diese rauen Lieder waren meiner Meinung nach nichts für kleine Kinder.
Etwas schönes habe ich in Erinnerung... wir probten für eine Abschiedsfeier und ich durfte an einem Sketch mitwirken. Sehr lustig. Eine Person auf einer Bank, welche sich sogleich zu kratzen begann, wenn sich jemand neben ihr niederließ... (die spielte ich) ...und wenn sich die Person wegen der Kratzerei wieder verunsichert entfernte, sagte ich gewitzt:"Läuse hab ick keene, aber ne Bank für mick alleene" ... auch das war ein Erlebnis, was ich bislang nicht vergessen habe und welches mich damals mit Stolz erfüllte 🙂 Schlechte Erfahrung waren die Salzbäder, die ich in diesem ungewöhnlich kalt und hart anmutendem Wannenbad nehmen musste. Wie oft, ob es täglich oder seltener war, weiß ich nicht mehr und auch wozu das gut sein sollte, hat man mir nicht gesagt. Während andere spielten, lag ich in der Salzwasserwanne und fühlte mich unwohl. Würde man mir Sinn und Zweck vermittelt haben, wüsste ich das heute sicher noch. Im Kurheim Sandkrug zwang man mich einmal Soinntegs Sachen anzuziehen, die meinem Sinn von Mode absolut widerstrebten:-) Mein bestes Kleid, Samz mit roten Punkten, genäht von meiner Oma zur Einschulung, sollte ich mit einer derben , blauen Trainingshose zusammen tragen... das gab Tränen und Wut! Überhaupt hatte es mir widerstrebt, mir von fremden Menschen meine Kleidung vorgeschrieben zu bekommen. Das war wohl in allen Kuraufenthalten so.
Auf Wangerooge war bei meiner zweiten Kur auch meine zwei Jahre jüngere Schwester mit. Ich habe keine Erinnerungen daran, wie es ihr erging. Ich denke, wir wurden in verschiedenen Gruppen betreut. Bei diesem zweiten Mal kam dann noch eine Karte meiner Mutter an, auf der sie von Alpträumen schrieb, von schlechtem Gewissen und davon, dass sie uns im Traum mit Hungerbäuchen gesehen hätte, Offenbar hatte unsere Mutter im Unterbewusstsein eine Ahnung davon, dass so einiges nicht stimmt...so sind Mütter nun mal... Zum Abschluss, ich habe mich bei den ersten Kuren jedes Mal abgeschoben gefühlt, ausgesetzt und ausgeliefert, hatte Heimweh. Das letzte Mal, als ich schon zwölf war oder wurde, war es eher schon ein Abenteuer. Ich habe einen Jungen dort sehr gemocht und alles daran gesetzt, von einem anderen Mädchen die Adresse zu bekommen :-)) später habe ich ihn dann in Oldenburg besucht. Seine Mutter kannte ich schon zuvor, sie schwärmte immer , was sie für einne guten und fleißigen Sohn hätte.
Achja..als ein Überbleibsel der ersten Heimaufenthalte verblieben mir Albträume über den Mangel an Privatsphäre in den sanitären Anlagen.
Damit hatte ich in jungen Jahren immer wieder zu tun. Ich denke, es war eine Folge dieser zwanghaften Zusammenbringung in Gruppen mit wildfremndem Menschen, der man unterworfen wurde.
An vieles kann ich mich nur sehr blass erinnern, an einen besonders leckeren Pudding z B bis heute. Dafür waren die Milchsuppen das nackte Grauien:-)) Dadurch, dass ich auch zu Hause alles essen musste, was auf den Tisch kam, auch wenn es mich würgte, kann ich nicht sagen, dass ich mich im Kurheim diesbezüglich schlecht behandelt gefühlt habe. Wenn, dann ging es mit dem einher, was ich ohnehin gewohnt war.
Das Spielen am Wasser war jedenfalls immer wunderschön und ich erinnere mich an die Ermahnungen, nicht in den Prilen zu baden;-)
So, bevor es endlos wird, lasse ich es so nun mal gut sein:-)
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Kristin A. schrieb am 14.09.2020
Hi Kristin A. hier,
ich kenne meine Vergangenheit. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meiner Mutter.
Sie sagte, es ging dir doch gut dort. Sie zeigte mir Postkarten, die ich nach Hause geschrieben hatte:
Mama, es ist schön hier. Mama, es geht mir gut. Wir machen einen Ausflug. Etc pp.
Ich sagte, Mama, ich war Vier, ich konnte noch nicht schreiben. Ihr fiel alles aus dem Gesicht. Ich bin im Frieden mit ihr.
Das alles noch mal Thema wird, haut mich gerade um. LG Kristin
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Ulrike Chini schrieb am 14.09.2020
Ich war im Frühjahr 1957 in einem Kinderheim an der Nordsee, in Schillig. Schrecklich waren folgende Erlebnisse:
- Es gab jeden Tag Milchsuppe, die ich nicht mochte, aber aufessen musste. Ich saß manchmal Stunden allein in der Küche vor dem Teller Milchsuppe, den ich leeren musste. Ich habe mich ständig vor Ekel erbrochen, oft auch nachts.
- Der Urineimer/-topf wurde nachts nicht geleert, so dass die Kinder sich auf einen vollen/überlaufenden Topf setzen mussten.
- Postkarten nach Hause wurden von den Betreuerinnen geschrieben, nicht der Realität entsprechend.
Kaum zu Hause bekam ich eine schwere Gelbsucht, die auf die Zustände im Heim zurückgeführt wurde. Die Gelbsucht führte (wahrscheinlch) zu einer starken Sehbehinderung.
Die psychischen Folgen für ein sechsjähriges Kind von 4 Wochen Schrecken im Heim und anschließend sechs Wochen im Krankenhaus (in Quarantäne) sind nicht genau zu definieren.
Später litt ich an Essstörungen, Depressionen.
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Heike Czepa schrieb am 13.09.2020
Ich muss noch etwas nachtragen: Eine weitere Erinnerung, die sich gerade in meinem Kopf Bahn bricht, betrifft den Toilettengang: ich erinnere eine mit Kot verschmierte Toilette, die ich säubern musste, weil ich angeblich die Verschmutzung selbst verursacht hatte, was aber definitiv nicht gestimmt hat.
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Heike Czepa schrieb am 13.09.2020
Hallo, ich habe gerade im Radio von dieser Seite gehört und damit zum ersten Mal eine Bestätigung dafür bekommen, dass meine Erinnerung an meinen Kinderheimaufenthalt nicht falsch sein kann. Ich bin heute 62 Jahre als und es muss ungefährt 1962/1963 gewesen sein, dass ich wegen Keuchhusten ins Kinderheim Nickersberg im Schwarzwald kam. Das Heim wurde von Nonnen geleitet. Ich erinnere mich nur noch an die besondere Grausamkeit, dass ich erbrochenen Griesbrei wieder essen musste, so lange bis der Teller leer war. Bis heute fange ich an zu würgen, wenn ich nur den Geruch von Griesbrei in die Nase bekomme. Es gibt ein Foto von mir, auf dem ich mit Teddy im Arm vor dem Heim stehe, das wurde bei der Ankunft gemacht. Ich kann mich an die Zeit danach nicht erinnern, das hängt mit meiner insgesamt sehr schwierigen Kindheit zusammen. Alles was ich erinnerte wurde bis in mein Erwachsenenalter hinein von meiner Mutter als falsch abgetan, aber das ist ein anderes Thema ...
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Jörg Goldbach schrieb am 12.09.2020
Ich bin erschüttert über all die Kommentare welche ich hier lese! Wie so viele andere kleine Kinder waren auch meine Schwester und ich in Bad Rothenfelde. Wir reden manchmal über das Erlebte, was um uns herum geschah. Es ist so lange her, trotzdem gibt es wie in den vielen Kommentaren dieselben schrecklichen Erlebnisse, noch immer den Geruch der Haferschleimsuppe oder anderer Gerüche welche uns zum selben Zeitpunkt beim einatmen an das "Kinderheim" erinnern. Wir waren dort 1965, meine Schwester 5, ich vier Jahre alt. Unser "Glück" war es, dass ich am Blinddarm operiert werden musste und meine Schwester "nur" ca. 3 - 4Wochen dort bleiben musste. Ich selber war ja 14 Tage im Krankenhaus, mit 4!Jahren und bekam keinen Besuch weil meinen Eltern erzählt wurde das die Station unter Quarantäne stehe. Wir haben uns heute Abend entschlossen noch dieses Jahr dorthin zu fahren, einfach um das Haus zu sehen...
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Irene Petry schrieb am 12.09.2020
Liebe Petra,
auch ich war Ende 1962 in St. Peter Ording weil ich angeblich so dünn war. Wenn ich jedoch heute Bilder von mir aus der vorherigen Zeit sehe, muss ich nur lachen. Ich war etwas dünner als meine Schwester, die drei Jahre jünger war. Meine Mutter war wohl nicht mit meiner Gestalt zufrieden, sie war selbst dick - Kleidergröße 52 bis 54. Sie hat z.B. auch die berühmten Kessler-Zwillinge immer "Derre Gaße" (dünne Ziegen) genannt. Mein Gemüt hat die Zeit in Kinderheim relativ gut überstanden, ich kann mich an fast alles erinnern. Ich hatte mich gleich zu Anfang zum Küchendienst gemeldet (ich war auch schon 11). Dadurch ist mir der größte Teil des Mittagsschlafes erspart geblieben. Das Essen habe ich irgendwie runtergewürgt, auch wenn es meistens zum kotzen war. Insgesamt hat mich der Aufenthalt wohl stärker gemacht. Vor wenigen Jahren konnte ich das in Worte fassen: Wer seine Energie zum jammern verschwendet, hat keine Energie zum kämpfen. Ich bedaure aber die armen kleineren Kinder als vollem Herzen, die diese Erlebnisse nie verkraftet haben.
Liebe Grüße von Irene
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Anja Röhl schrieb am 11.09.2020
Liebe Petra, ich möchte mich einmal kurz einschalten: Wir dürfen nicht die Erinnerungen anderer Betroffener in Zweifel ziehen, sonst machen wir das Spiel mit, unter dem viele von uns gelitten haben, dass ihnen nicht geglaubt wurde. Nur weil etwas bei uns selbst anders oder „milder“ war, muss das nicht für andere auch so gewesen sein. Ich habe hier jetzt annähernd 1800 Berichte und 1500 mails gelesen, verdorbenes Essen ist dabei mehrfach genannt worden, dazu habe ich dieselbe Beschwerde von Jugendamtsmitarbeitern in einer Akte zu einem Kinderkurheim In Wyk auf Föhr gelesen. Das ist durchaus glaubhaft. Und Sabine Ludwig, die Autorin, gehört unserer Initiative an, du kannst sie gern fragen, was in ihrem Buch Fiktion, was Wahrheit ist. Sie hat uns auf dem letzten Kongress erzählt, Fiktion im Buch sei nur das Gute, die Rebellion, der Zusammenhalt unter den Kindern. Den hat es in Wirklichkeit nur im Ansatz gegeben, da enthält das Buch Wünsche und Sehnsüchte. Alle schlimmen Dinge, alle Verschickungsheimbedingungen, die sie beschreibt, sind absolut von ihr genauso erlebt worden. Wir sammeln mit unseren Betroffenenberichten „subjektive“ Wahrheiten, viele Tausende von subjektiven Wahrheiten ergeben eine objektive Wahrheit. Auch deine Wahrheit ist nur eine subjektive, genau wie meine, man muss ihr zuhören, man muss sie gelten lassen! Grüße, Anja
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Petra Schmidtke schrieb am 11.09.2020
Letztes Wochenende war ich in St. Peter-Ording was einerseits sehr schön (wir verreisen seit mehreren Jahren mit zwei anderen Paaren das erste Wochenende im September zusammen zu unterschiedlichen Zielen. Dieses Jahr stand SPO auf der Agenda),aber andererseits weniger schön war. Ich kämpfe seitdem mit immer wiederkehrenden Intrusionen.
Als Klein- und Schulkind war ich sehr dünn und häufig krank. Die Kinderärztin beschied, das Kind muss zur Kur um zuzunehmen und Abwehrstoffe zu entwickeln. Also kam ich mit knapp 7 Jahren (ich hatte dort Geburtstag) in „Kinderlandverschickung“. Mit Schild um den Hals wurde ich per Sammeltransport nach SPO verfrachtet. Meine Zeit dort habe ich sehr traumatisch in Erinnerung. Es quälte mich das Heimweh (obwohl mein Elternhaus nicht frei von Gewalt und restriktiven Maßnahmen war). Da ich zunehmen sollte, wurde ich zum Essen gezwungen. Morgens gab es Milchsuppe und man musste einen Teller voll plus Nachschlag davon essen. Eines Morgens nahm die „Aufseherin“ - nachdem ich das Essen verweigert habe - meine Hand und führte den Löffel zu meinem Mund. Das hatte zur Folge, dass ich mich am Tisch übergeben habe und dafür noch bestraft wurde. Wenn man mittags nicht aufgegessen hatte, gab es keinen Nachtisch. Macht sehr viel Sinn, wenn Kinder zunehmen sollen. Als ich im Abendessen rumstocherte, es gab irgendeinen Salat, den ich nicht mochte, wurde ich mitsamt Salat in ein Zimmer gesperrt und durfte nicht eher hinaus, bis der Teller leer war. Ich erinnere mich daran, dass ich davon etwas unter dem Schrank versteckt habe. Offensichtlich wurde das nicht gleich bemerkt, sonst wäre ich hart bestraft wurden. Die „Wärterinnen“ schreckten auch vor Ohrfeigen nicht zurück. Ich musste das schmerzlich erfahren. Während des Mittagsschlafs und nachts durfte man nicht aufstehen, was zur Folge hatte, dass ich mich eines nachts eingekotet hatte und dafür morgens ganz böse beschimpft wurde. Ich musste im Waschraum meinen Schlafanzug selber auswaschen und die anderen Kinder standen um mich herum und wurden von der Sadistin von Aufseherin angefeuert mich auszulachen. Ich fühlte mich sehr beschämt und gedemütigt. Diese Szene habe ich beim letzten Klinikaufenthalt in der Konfrontation bearbeitet. Dennoch ist es momentan wieder präsent. Ich kann die Intrusionen nicht unterdrücken. Vorhin stand ich mit geschlossenen Augen minutenlang unter der Dusche und konnte das nur mit Mühe den Wasserhahn abschalten, fast wäre ich in einen Flashback gerutscht. In der letzten Woche habe ich ein bisschen recherchiert und festgestellt, dass ich kein Einzelfall bin und dass es Foren gibt, die sich mit der Aufarbeitung beschäftigen. Ich habe das Buch „Die schwarzen Häuser“ gelesen und fand es einerseits beklemmend, konnte aber andererseits nicht aufhören zu lesen. Allerdings glaube ich nicht, dass es dort wie im Buch beschrieben, verdorbenes Essen gab. Tatsächlich mochte ich einige Sachen und habe sie gerne gegessen.
Es steht ein weiterer Aufenthalt in der Hochsauerlandklinik an und ich werde mich dort mit der Thematik beschäftigen und aufarbeiten. Übrigens habe ich in der sechswöchigen Kur sage und schreibe 500 g zugenommen!
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Karin Zerfass-Springer schrieb am 10.09.2020
Hallo Wolfgang ich bin auf der Suche nach meinem Heim auf Sylt. Hast du noch Fotos?
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Monika schrieb am 10.09.2020
Hallo Volker,
vielen Dank, daß du geantwortet hast.Ich kann garnicht sagen, wonach ich suche. Es ist so ein Drang dieses Erinnerungspuzzle zusammen setzen zu wollen. Historisches Material wäre toll.Ich habe nur einen Bericht von 2005 gefunden. In dem stand, dass das Gebäude abgerissen werden sollte. Im Forum habe ich unter NRW auch ein Thema aufgemacht.Gemeldet hat sich dort keiner. Vielleicht war es ja toll dort und ich bin die einzige die bei der Erinnerung daran so ein befremdliches Gefühl hat.

Liebe Grüße
Monika
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Seelenflausch schrieb am 10.09.2020
Liebe Anja, die einarmige Frau hieß Ute Baade und war 1983 im Kinderkurheim Lorenzen und einem weiteren eingesetzt. Vor ein paar Jahren hatte ich recherchiert und offenbar lebte sie zuletzt in einer Senioreneinrichtung in St Peter Ording.

Liebe Grüße
Seelenflausch
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Thomas schrieb am 09.09.2020
Thomas-- Ich habe durch die TV-sendung vor ca.einem Monat von dieser Seite erfahren und habe für mich selbst recherchiert und meine ältere Schwester hat das auch gemacht. Wir reden seit Wochen immer wieder darüber. Ich habe diese Zeit,dieses Erlebnis offensichtlich 50 Jahre verdrängt. Ich weiß jetzt zumindest, dass ich April 1970 für 6 Wochen im "Schloß am Meer" auf Wyk/Föhr war, dass ich großes Heimweh hatte, dass ich - laut meiner Schwester - danach wochenlang nicht oder kaum gesprochen habe. Ich habe ein altes Gruppenfoto gefunden und würde mich freuen zu erfahren, ob einer dieser Jungen von damals das hier liest und evtl. Kontakt sucht.
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Nicolet Dittmann schrieb am 08.09.2020
Ich war 1971 im Alter von 7 Jahren für vier Wochen im Kinderkurheim in Boffzen.
Mir wurden bei Ankunft alle persönlichen Dinge, wie Kuscheltier, Foto meiner Familie und Süßigkeiten, aber auch das Taschengeld, sowie Seife, Zahnpasta, Creme, Briefpapier, Kartenspiele, bis auf meine Zahnbürste und meine Kleidung, alles weggenommen. Kontakt zu meinen Eltern wurde mir verboten. Ebenso das Weinen nach ihnen.
Geschriebene Briefe von mir, wurden während des Mittagessens von der Leitung im Essenssaal kontrolliert und durch den Aufruf, vorzutreten, vor allen anderen abgemahnt und zerrissen. Ich musste den Brief nochmal "Richtig", das heißt positiv, schreiben.
Ich musste immer alles aufessen was mir auf den Teller gefüllt wurde, auch wenn ich es nicht mochte. Jeden Abend gab es abwechselnd Milchsuppe oder Schokopuddingsuppe. Ungesüßt! Ein Kind neben mir musste seine erbrochene Suppe nochmal essen und Kinder die nachts im Bett erbrochen hatten, mussten neben dem Bett auf dem Fußboden weiterschlafen.
Kinder die ins Bett machten wurden bestraft. Ich musste mit 7 Jahren in einem viel zu kleinen Gitterbett schlafen. Während des Mittagsschlafes wurden wir kontrolliert und als ich mal leise mit meiner Bettnachbarin sprach, wurde ich auf den Hintern geschlagen.
Toilettengänge während des Mittagsschlafes und in der Nacht waren verboten. Nach dem Abendessen wurde uns verboten noch etwas zu trinken, auch nicht beim Zähne putzen. Gewaschen haben wir uns mit einem Stück Seife, welches wir rumreichen mussten. Durch Zufall konnte ich mal in einer kleinen Kammer neben dem Bad, Seife, Cremedosen und Zahnpastatuben, bis unter die Raumdecke in Regalen stapelweise liegen sehen. Es gab auch einen Süßigkeitenschrank aus dem wir hin und wieder etwas bekamen. Aber nur wer artig war. Bestimmt wurde es willkürlich.
Die älteren Mädchen erzählten uns jüngeren Kindern Gruselgeschichten über das Kurheim. Kinder die krank werden kommen in das Turmzimmer und sind dort Tag und Nacht alleine. Nachts kommen dann Fledermäuse, die uns das kranke Blut aussaugen. Im Keller steht ein verschlossener Holzverschlag, indem wird man eingesperrt, wenn man zu dünn ist und nicht an Gewicht zulegt. Der ist ganz klein und eng, sodass man sich nicht mehr bewegen kann und es kommt nur dreimal am Tag jemand um was zu essen zu bringen. Wer zu dick ist wird dort eingesperrt und muss dort drei Tage hungern. Da es ein altes Jagdschlösschen war, hingen in einer fensterlosen dunkel beleuchteten Eingangshalle, ausgestopfte Wildtierköpfe (Wildschweine, Hirsche und Rehe). Uns wurde erzählt, dass die nachts durch das Haus fliegen und in unseren Schlafsaal kommen, um uns zu beißen.
Einmal in der Woche mussten wir im Schlafanzug vor dem Frühstück zur Leitung ins Büro, zum wiegen. Davor hatten alle Kinder Angst. Einige ältere Mädchen sagten, wir sollten uns Wesersteine, die wir beim spazieren gehen sammelten, in die Pyjamataschen stecken, um mehr zu wiegen. Denn wenn wir nicht genug zugenommen haben, kommen wir nicht nach Hause.
Wer nicht pünktlich im Speisesaal erschien, musste alle Schuhe der Kinder putzen. Irgendwer war ja immer der Letzte und hatte somit Pech.
 
Mein Heimweh und die Angst nicht wieder nach Hause zu kommen war so groß, dass ich ganz viel aß und von allen Kindern in dieser Kur am meisten zunahm. Meine Eltern haben mich kaum wieder erkannt nach vier Wochen dort. Als ich meiner Mutter erzählte, wie es in der Kur war, hat sie nur gesagt, ich solle dankbar sein wie gut es mir doch zu Hause geht. Ich muss dazu sagen, dass meine Mutter mich regelmäßig verprügelt hat. Mein Vater hat nichts gesagt, aber ich glaube erhat still und leise mit mir gelitten.
 
Ich habe noch lange Jahre danach, (bis zum 12. Lebensjahr) Angst gehabt Abends einzuschlafen, weil ich dachte, dass ich zu Hause bin ist nur ein schöner Traum und wenn ich aufwache, bin ich wieder dort. Ich leide heute unter starkem Übergewicht, aufgrund einer Essstörung. Ich habe immer noch Einschlafprobleme und bis zu meiner Therapie 1996 litt ich unter starken Alpträumen.
Letztes Jahr 2019 kam ich auf der Urlaubsheimreise an Boffzen vorbei. Ich bin dorthin abgebogen und zu dem Jagdschlösschen gefahren, welches heute ein Seniorenheim ist. Während ich mich auf dem Gelände aufhielt, sprach mich die jetzige Pflegeleitung an und ich erzählte ihr den Grund meines Besuches. Sie stellte mir viele Fragen und hörte mir zu. Dann erzählte sie mir von anderen Besuchern, die gekommen waren, weil sie als Kind mal eine Kinderkur dort gemacht haben. Alle berichteten dasselbe Schreckliche. Sie bot mir, mit ihr als Begleitung und Unterstützung, eine Hausbesichtigung an. Ich habe zugestimmt und bin mit ihr durch das Haus gegangen. Ich habe dabei vieles wieder erkannt. Dafür war ich ihr sehr dankbar.
Auf der anschließenden Weiterfahrt nach Schleswig Holstein habe ich die ganze Zeit nur geweint und konnte es nicht fassen, wir sehr mich das immer noch belastet.
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Andreas Weber schrieb am 07.09.2020
Hallo Petra, ich bin mir auch unschlüssig, ob ich mehr wissen will, aber wir müsen das wissen für andere Kinder in der Zukunft....
Ich war 1975 dort. Es war entsetzlich...

Lieben Gruß Andy aus Frankfurt
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Ute Mathews-Werk schrieb am 07.09.2020
Hallo, ich war kein Verschickungskind, möchte aber an der Aufarbeitung mitwirken. Ich war lange nach dieser Zeit "Heimleitung" im Henry-Everling-Haus in Haffkrug, in dem sich wohl ähnliche, schreckliche Vorfälle ereignet haben.
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Anja Röhl schrieb am 07.09.2020
Liebe Claudia
Bisher hatten wir nur Kommentare und Berichte aus der Zeit, die wir bisher angegeben haben, du bist die erste, die aus den 2000er Jahren berichtet. Bitte fülle auch unseren anonymisierten Fragebogen aus, wo wir unsere eigene Forschung betreiben, es ist sehr wichtig, was du schreibst! Und natürlich muss die gesamte institutionelle Kinderkurheim-Behandlung kritisch durchleuchtet werden. Im ehemaligen Westgebiet ist ab den 90er Jahren meist auf Mutter-Kindheim umgestellt worden, dann gab es sozusagen ein regulativ, das ist im ehemaligen Ostgebiet nicht zeitgleich passiert, dami kann es zu tun haben, die Forschung steht noch ganz am Anfang, sie beginnt erst mit unserem Fragebogen. Danke für deinen So wichtigen Bericht! Grüße, Anja
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Volker Dick schrieb am 05.09.2020
Hallo Monika, das Heim war in Waldbröl, Oberbergischer Kreis. Es war nur für Berlin-Kinder gedacht. Möchtest du dazu was Bestimmtes wissen? Ich wohne in der Nähe und könnte historisches Material erkunden.

Viele Grüße

Volker
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guste68 schrieb am 05.09.2020
Ich wurde 1974 wahrscheinlich im Spätherbst mit 6 Jahren für 6Wochen nach Kölpinsee (Usedom) zur Kur geschickt.
An besondere Schikanen kann ich mich nicht erinnern.
Das Heimweh und das Gefühl (kürzlich leider bestätigt), dass meine Familie mich für eine Weile los sein wollte, waren schlimm.
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Uwe Maser schrieb am 03.09.2020
Hallo ich war 2 mal in der verschickung einmal nussdorf am Inn muss ca 1977 gewesen sein und einmal in Bayern ca 1972/73 musste dort schweinshaxe 5 Std lang essen im Gang als manmahl für andere die das Fett von haxen nicht essen wollten da ich es nicht gegessen habe dürfte ich 3 Tage nicht spielen und bekam 3 Tage haxe vorgesetzt bis ich es irgendwann reingewürgt habe hat noch jemand so was erfahren?
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Silvia Boes schrieb am 03.09.2020
Ich wurde als Berliner Kind verschickt weil ich zu dünn war ca. 6 Jahre alt hatte in diesem Heim in Bad-Dürrheim oder Dürkheim
Maern mit Rückschlag und hatte großes Heimweh nach meiner Oma und Opa und der Familie ich weiß nicht mehr wie lange ich dort war ich mußte im Bett liegen, während die anderen KINDER zum
Sielen gingen, weil ich nicht zunehmen wollte, da das Essen schrecklich und nicht Kindgerecht war. Habe bis heute Probleme.
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Christiane Lampert schrieb am 03.09.2020
Mit 3 oder 4 Jahren wurde ich in eine Kinderkur nach Bad Rothenfelde verschickt. Es war Ende der 60ger. Meine Erinnerung war niemals wirklich gut, ich war ja noch sehr klein, aber immer begleitet von schlechtem Geschmack, Tränen, Heimweh und Verlustangst. In meinem Leben habe ich den Geruch von warmem Hagebuttentee und Pampe-Essen aus Plastik (Tupper-) oder Metallgeschirr gehasst. Diese Gerüche lassen meinen Würgereflex flott reagieren. Auch weiß ich, dass man mir meine Halt: meine beiden Kasperle-Schmusepuppen weggenommen hat. Das tat meiner Kinderseele sehr weh.
Ich war in einem Schlafsaal mit anderen Kindern im 1. Stock. Im höheren Stockwerk, ich denke, direkt unter dem Dach, waren ältere Kinder. Ich glaube, es wurde dort viel geweint.
Einmal waren wir im verschneiten Garten und ich saugte am Schnee (ich glaube, ich war durstig). Dafür wurde ich bestraft.
Auch ging es in die Solebäder. Die habe ich als sehr unangenehm in Erinnerung.
Das genaue Heim ist mir leider nicht mehr bekannt - anhand alter Bilder meine ich, es war das Heim Meyer-Korb.
Vielen Dank fürs lesen.
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C.L schrieb am 03.09.2020
Hallo zusammen.
Eigentlich habe ich das Gefühl hier nicht hinzupassen, denn mein Vorfall ist aus dem Jahr 2000/1/2, ich weiß es nicht mehr ganz genau, noch weiß ich den Ort, außer das die Kinderkur im alten DDR Bereich lag und der Ort auch nach euren Erzählungen genauso agiert hat. Deshalb schreibe ich das alles mal zu. Egal wohin ich sehe und schaue, sind immer nur Vorfälle aus 70/80/90er Jahre. Sind keine neueren Fälle bekannt? Wir, mein Bruder und ich, kamen aus einer schweren Familiengeschichte und hatten von kleinauf mit dem Jugendamt zutun. Meine Mutter alleinerziehend und überfordert durch die Kinder sollte eine Entlastung haben und wir wurden für 6 Wochen in eine besagte Kinderkur gesteckt. Ich war so zwischen 6-8 Jahre, durch meine PTBS ist es schwer die W-Fragen abzurufen.
 
Dort wurden wir geschlagen. Ich erinnere mich, dass mein Bruder sehr verhaltensauffällig war und einst eine Erzieherin biss, diese hat ihn zurückgebissen vor meinen Augen. Mehr solcher Vorfälle. Ich mussten auch ekeliges Essen aufessen, ich würde sogar auf Diät gestellt. Es gab Gruppenduschen, die Zimmer waren kalt und leer mit Eisengestelle aus Betten jeweils 4-6 oder mehr Kinder in einem Raum. Wir wurden medizinisch vernachlässigt, denn ich hatte einen Ausschlag am Hals, der komplett aufgekratzt war und sehr sehr weh tat. Eine Karte, die wir meiner Mutter schreiben sollten, wurde überprüft, anrufen durften wir nicht. Unser Taschengeld durfte ich zwar ausgeben, aber die Sachen habe ich fast nie nehmen dürfen [Knabbersachen] oder wurden eingezogen und habe ich nie wieder gesehen. Das Schlimmste jedoch war der sexuelle Missbrauch/Übergriff. Ich erinnere mich, dass ich aus dem Zimmer gerufen wurde, nachdem ich angeblich etwas falsch gemacht habe. Dann wurde ich durch dunkle Gänge geführt und gegen meinen Willen in einem Raum berührt. Soweit meiner Erinnerungen, weiter will ich darauf auch nicht eingehen. Der Täter war glaube ich ein alter Mann - zumindest hatte er weiße Haare und sah alt aus für mich [ich war ja eine Grundschülerin]. Er war dort Erzieher, meine ich. Selbstverständlich bin ich nicht zu 100-% sicher, was alles passiert ist, da ich so jung war und es so unglaublich grausam war.
 
Ich versuche mehr Fakten herauszufinden. Meine Mutter sagte mal, die Caritas wäre damals zuständig gewesen. Und das Jugendamt. Mama hat uns angesehen, dass es uns dort extrem schlecht ging, damals hat sie sich beschwert und man sagte zu ihr, dass wir die letzten Kinder dort sind und es eh zumacht. Wie gesagt, ich versuche den Ort rauszufinden, zumal ich schaue, ob ich noch Anzeige und Opferentschädigung bekommen kann.
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Petra aus Mannheim schrieb am 02.09.2020
Ich war ca. 1965 nach Friedenweiler verschickt worden. Ich habe nur noch sehr vage Erinnerungen, da war ich wohl vier oder fünf. Es muss um Ostern herum gewesen sein. Eine "Tante Elisabeth" ist im Gedächtnis haften geblieben. Die eigene Puppe wurde abgenommen. Toilettengang war währen des Mittagsschlafs und nachts verboten und wurde mit Schlägen bestraft. Das zwansgläufige Einnässen ebenso. Beschimpfungen, die verschmutzten Sachen um die Ohren geschlagen bekommen. Aufessen müssen, die ganze, viel zu volle Schüssel, allein auf der Bank im Saal, alle anderen waren schon weg. Kein Besuch. Oft weinen. Viel Beten.
Nach der Heimkehr fehlten einige "gute" Kleidungsstücke.
Von der Mutter nicht geglaubt bekommen "das hast du dir ausgedacht".
Bis alles ins Unterbewusste verdrängt war, gelegentliche Erinnerungsfetzen habe ich nicht an die Oberfläche gelassen. Darüber wurde einfach nicht mehr geredet. Als ob es dadurch ungeschehen ist.
Ich weiß, dass da irgend etwas war, aber es ist nicht greifbar und
ich bin noch immer unschlüssig, ob ich wirklich mehr wissen will.
 
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Thomas Pietzka schrieb am 02.09.2020
Ich bin neu hier und eigentlich wollte ich nicht mehr darüber nachdenken. Dieser Zeit keinen Platz in meinen Gedanken geben aber das damals Erlebte ist bis heute geblieben.
 
Ich bin heute 60 Jahre. Damals war ich 9 Jahre. 1969 habe ich in mein Tagebuch geschrieben.
 
Ich war noch nie im Urlaub und schon gar nicht auf einer Insel. Jetzt mache ich Urlaub auf Borkum. Meine ständigen Asthma Anfälle hatten meine Mutter und den Doktor dazu gebracht eine Kinderheilkur beim Jugendamt zu beantragen.
Die Kinder-Verschickung wurde auch genehmigt und so habe ich sechs Wochen auf der Insel Borkum, im Kinderhaus Concordia verbracht. Das Haus war ein Gefängnis für Kinder die alle blauweißen Mützen tragen mussten, die nicht spielen, nicht reden und nicht fröhlich sein durften. Ich war 6 Wochen im Kindergefängnis, einmal bei Regen am Strand und unheimlich lange sechs Wochen traurig. Asthma ist doch kein Verbrechen.
 
 
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Carla Weber schrieb am 01.09.2020
Ich war im Mai/Juni 1965 als Zehnjährige für 6 Wochen auf Juist im Haus Eckart zur "Erholung" zusammen mit vielen Mädchen aus dem Landkreis Osterode/Harz.Das dort Erlebte hat mich all die Jahrzehnte verunsichert, belastet usw. Wenn ich jemanden darüber berichtet habe (auch bei meinen Eltern), gab es nur Unverständnis, als ob die dort herrschenden Methoden normal gewesen wären. Zum Essen zwingen, Ecke stehen und vieles mehr. Möchten Sie mir darüber erfahren, schreibe ich auch gern ausführlich. Es ist entlastend zu wissen, dass sich jemand dieser Horrorgeschichten annimmt. Ich bin Ihnen sehr, sehr dankbar.
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Inga Jenkel schrieb am 01.09.2020
Hallo ich war 1972 in Nebel auf Amrum im Kinderkurheim Satteldüne.In Lübeck war damals die Sammelstelle von wo aus wir mit dem Bus weitergefahren sind.Ich bin dort auf Grund meiner Stärken Neurodermitis gewesen.Gleich in den ersten Tagen kam als ich gerade eingecremt wurde eine Ärztin ins Behandlungszimmer,die als sie mich gesehen hat gefragt hst"Welches Schwein von Mutter hat dich denn auf Die Welt gebracht"Ich werde diesen Satz nie vergessen.Als nächstes hat sie Angeordnet das sie sich jetzt um mich kümmert und damit ging es los.Ich musste aus meinem Zimmer raus in ein 2Bett Zimmer meine ganze Kleidung wurde mir weggenommen.Ich musste alte Männershorts und Männerhemden tragen.Ich durfte nicht mit meiner Gruppe mit und war die meiste Zeit alleine.Oft musste ich raus und saß hinter dem Haus Stundenlang alleine auf einer Bank.Ich bekam von ihr jeden Tag Spritzen und wenn sie die Vene nicht gleich getroffen hat gabs Ohrfeigen.Einmal habe ich ohne Duschhaube geduscht als sie das gesehen hat gabs wieder Ohrfeigen.Briefe wurden kontrolliert und umgeschrieben.ich kann gar nicht alles aufschreiben.Nach 4Wochen war sie auf einmal verschwunden und ich habe sie nicht mehr gesehen.Es hieß damals ein älteres Mädchen hat es geschafft einen Brief nach Hause zu schicken.Es kam ein Arzt und ich bekam meine Sachen wieder und durfte auch mit den anderen Kindern mit zum Strand und Ausflüge mitmachen.Ich hatte alles tief in mir vergraben..bis ich von der Sendung gehört habe und jetzt ist alles wieder da.
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Renate Metje schrieb am 31.08.2020
Renate
es muss 1967 gewesen sein im Sommer ich war 6 und sollte bevor ich eingeschult werde zur Kur. Ich hatte Neurodermitis und Asthma. Ich war 6 Wochen im Kinderheim Köhlbrand, Strandweg 32, St. Peter Ording.
ich habe Briefe die an meine Eltern geschrieben wurden da ich selbst noch nicht schreiben konnte.
Darin wird nur gutes über meinen Aufenthalt geschildert.
Dies entspricht überhaupt nicht meinen Erinnerungen.
ich erinnere mich an einen Schlafsaal wo Bett an Bett stand wenn wir nachts zur Toilette mussten stand mitten im Raum eine leere Wachpulvertrommel so eine in der eine Menge Waschmittel war. Die war nur für den Notfall zu benutzen.
nach unserer Ankunft wurden alle Sachen weggenommen ich habe eine ganz kleine Puppe verstecken können und sie nachts unter meinem Kopfkissen hervorgeholt und geweint .
Einmal muss ich krank geworden sein ich erinnere mich an eine leere Dachkammer mit einem Bett an der verputzten Wand . Dort pröckelte Putz ab und man behauptete ich würde das extra machen und drohte mir mich in den Keller zu sperren. In dieser Zeit bekam ich nur Zwieback und Tee.
Im Meer war ich nie da sie meinen Badeanzug nicht gefunden haben der aber in meinem Koffer ganz unten lag (hat mir meine Mutter erzählt)
ich habe ein Foto mit anderen Kindern wo ich lächle ich kann das gar nicht fassen weil dies nicht zu meiner eigentlichen Erinnerung passt.
Vor einigen Jahren erst habe ich meiner Mutter erzählt wie groß mein Heimweh war aber keine Details. Sie hätte sich große Vorwürfe gemacht .
jetzt sind meine Eltern verstorben und ich weiß nicht warum aber ich muss immer wieder an diese Kur denken und werde vielleicht sehr bald dort hinfahren.
ich habe so oft das Gefühl ich habe manche tiefsitzenden Probleme durch diese Erlebnisse. Jedoch leider sehr vieles vergessen.
 
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Inga Jenkel schrieb am 31.08.2020
Hallo Zusammen mein Name ist Inga Jenkel und ich war 1972 im Kinderkurheim Satteldüne auf Amrum.Es war ganz schrecklich .Es war im Juli 1972.Vielleicht ist hier jemand der zum selben Zeitpunkt dort war?
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Lena schrieb am 31.08.2020
Ich war im 1. Schuljahr, als ich nach Rengsdorf kam, in ein Kinderheim der Stadt Essen. Das war 1952. Ich war noch nie von zu Hause weg gewesen und habe großes Heimweh gehabt. Das war wohl die Ursache dafür, dass ich 2x ins Bett genässt habe. Zur Strafe musste ich das ganze Bettzeug in einer Badewanne auswaschen, dabei war ich so klein, dass ich kaum über den Rand greifen konnte. Vor den anderen Kindern wurde ich bloßgestellt.
Desweiteren erinnere ich mich gut, das es für jedes Kind nur ein Stück Toilettenpapier gab pro Tag. Wer 2x Verdauung hatte, musste sich irgendwie sonst behelfen. Die Toiletten waren nicht verschließbar. Ständig rissen die "Tanten" die Tür auf und herrschten einen an, wieso man noch nicht fertig sei.
Wir mussten essen, was auf dem Teller war. Wenn jemand erbrach, mussten alle weiteressen, es wurde auch nicht gereinigt zwischendurch. Wir mussten so lange am Tisch sitzen, bis der Teller leer war.
4 Jahre später wurde ich noch einmal verschickt, diesmal in ein Heim der Privaten Krankenkassen nach Bad Tölz (mein Vater war Beamter). Dort war es wunderschön, ich habe mich sehr wohlgefühlt und den Aufenthalt genossen.
Aus meinen Erfahrungen in Rengsdorf habe ich gelernt: für meinen späteren Umgang mit Kindern in der Jugendarbeit und dann als Lehrerin.
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Sabine schrieb am 30.08.2020
Mein Zeugnis habe ich bereits abgelegt, jedoch lässt mich seit ein paar Tagen ein ganz neuer Gedanke zu den Verschickungen nicht los: Ich lese immer wieder, dass man oft das einzige Kind in seinem heimatlichen Umfeld war, das - manchmal gemeinsam mit Geschwisterkindern - verschickt wurde, jedoch eben nicht, dass es im jeweiligen Dorf oder Stadtteil "normal" oder bekannt war. Lässt sich daraus etwas ableiten? Es ist die Rede davon, dass einige Heime von ehemaligen hochrangigen NS-Funktionären geleitet wurden - könnte es Verbindungen zu den konkreten Familien der Kinder geben, die verschickt wurden? Bei uns zuhause wurde nie darüber geredet, doch erfuhr ich vor kurzem, dass wohl mein Opa "der Nazi" war, über den am Dorf gesprochen wurde. Er selbst wurde nach meiner Mutter noch Vater eines geistig behinderten Jungen, der jedoch erst kurz nach dem Krieg zur Welt kam - und ich, seine Enkelin, war vor dieser Kur ein richtig robustes und aufmüpfiges kleines Kind. Meine Mutter erzählte mir einmal, dass Opa mich nicht mochte - und ich fragte mich lange, warum sie mir so etwas überhaupt erzählte - was das damals mit mir gemacht hat und was das vielleicht sogar mit meiner Verschickung zu tun hatte.
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susanne schrieb am 30.08.2020
Ich heisse Susanne und war 1968 als 6-jährige zur "Erholung"
Weil ich zu klein und zu dünn war, wurde ich mit 6 Jahren nicht eingeschult. Also kam eine Frau vom Gesundhetsamt zu meinen Eltern nach Hause und meinten , dass diese Kur für mich das beste sei.
Meine Eltern und 5 Geschwister brachten mich zum Bahnhof (HN). Dort waren viele andere Kinder die alle in denselben Zug mit gleichem Ziel stiegen.(Eine meiner Schwestern sagte, ich wollte da nicht hin). Dann habe ich mich erinnert, wie meine Mutter zu mir sagte, ich dürfe doch verreisen.Ich habe meine Schwestern nachdem ich die Sendung gesehen hatte gefragt, ob sie noch wüssten wo ich war. Meine Mutter wusste es nicht mehr.
Eine meinte , es wäre St. Goarshausen gewesen.
Die Betreuerin im Zug gab mir ständig etwas zu trinken. Sie hatte mir wohl angesehen, dass ich gleich anfangen würde zu weinen.
Dann hieß es wir seien in Stuttgart. Das war für mich schon ziemlich weit. Dann habe ich nichts mehr mitbekommen. Vermutlich vor Erschöpfung und Weinen eingeschlafen.
Ich war dann im Eingangsbereich eines großen Hauses mitten in einem Wald. Dort musste ich meine Schuhe ausziehen; weil ich sie ja so schmutzig gemacht habe.
Zum Frühstück gab es eine eklige Milchsuppe, die ich essen musste.Ständig gab es was zu Essen.
An Spiele kann ich mich nicht erinnern. Ich musste ja ständig länger schlafen, weil ich "Nachessen" musste.Bin einfach nicht fertiggeworden.
Saß auch regelmäßig am "Katzentisch". Da kamen die Kinder hin, die zu langsam gegessen haben. Das war für mich die einzige Abwechslung, war doch dieser Tisch direkt neben dem Jungentisch. Die haben mich immer aufgemunter und ermutigt, das Essen runterzuschlucken und nicht zu Erbrechen. Einmal habe ich dann doch in den Teller gespuckt. Es kam eine Erzieherin, die dann sagte, ich solle es essen. Dann hat sie gelacht und den Teller mitgenommen.
Wenn ich "nachschlafen " musste, waren die anderen Kinder ja schon beim nächsten Essen. Die "Nachschläfer" mussten sich in die Mitte des Saals stellen und die anderen Kinder mussten uns Kräftig auslachen.
Kurz vor Weihnachten durfte ich nach Hause, der erste Morgen an dem mein Kopfkissen nicht nassgeweint war.
Ich dachte ich müsste da für immer bleiben.
Und ich wusste die ganze Zeit nicht, dass ich Eltern geschweige den Geschwister habe.
Als ich die ganzen Berichte der anderen gelesen und die Fernsehbeiträge gesehen habe, wusste ich ich bin nicht alleine.
 
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Ulrich schrieb am 29.08.2020
Hallo Elisabeth,
ich war so um das Jahr 1975 in dem gleichen Heim Sancta Maria, Borkum. Auch bei mir hies es, das ich zu "schmächtig" bin, aussderm hatte ich Heuschnupfen. In dem Heim waren viele Kinder mit Asthma-Beschwerden, die jeden morgen und Nachmittag inhalieren mussten.
Während dieser Inhalationszeit hat sich niemand um mich gekümmert, ich musste entweder im Haus oder direkt vor dem Haus die Zeit absitzen.
Was Du über den Tagesablauf, das schlechte Essen, die Pflicht alles aufzuessen, dass dauernde Eingesperrtsein, die kurze Ausflüge, die Pflicht im Bett zu bleiben, besonders zur Mittagsruhe, der grosse Schlafsaal, das Zurückbehalten der Post, schreibst, kann ich alles bestätigen.
Nach dem Aufenthalt (ca. 6 Wochen) war ich von einem frechen, aufgeweckten, unbeschwerten zu einem schüchternen, in sich zurückgezogen Jungen mutiert.
Heute leide ich unter Depresssionen und Angstzuständen ....
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Petra schrieb am 28.08.2020
Hallo Ariane,
habe mit Betroffenheit deinen Bericht gelesen.
Ich war schon 1957 im Alter von 5 Jahren für 6 Wochen in St. Peter Ording wegen eines Keuchhustens im Haus Quisiana untergebracht worden. Ich schreibe dir, weil mir ebenfalls eine sehr ungerecht wirkende Betreuerin mit amputiertem Arm aufgefallen ist. Am Ende meiner "Kur" hat sie mir aufgetragen,Niemandem meine Erlebnisse zu erzählen.
Zwischen 1957 und 1981 liegen ja so viel Jahre, irgendwie unglaublich,
dass die Betreffende noch am gleichen Ort gearbeitet hat.
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Annemarie Erdmann schrieb am 28.08.2020
Ich heiße Annemarie und bin 1949 geboren .
Nach der 3. Lungenentzündung kam ich im Winter 1954 ins Kinderheim Hagen-Selbecke .
Den Aufenthalt habe ich als traumatisierend erlebt. Ich hab eine ziemlich umfangreiche Erinnerung an meine Kindheit bis vor meinem 3.Geburtstag. Das weiß ich genau , weil wir danach erst nach Hagen gezogen sind.
 Ich war in diesem Heim zum Glück nur tagsüber untergebracht. Morgens um 6 musste ich mit der Mutter schon los zur Straßenbahn Linie 7 und am Bahnhof umsteigen - Wir Kinder hatten Erkennungskarten um den Hals hängen .
Ich kann mich kaum an Spiele erinnern aber wir mussten viel durch den Wald laufen und wenn die ganz Kleinen nicht schnell genug waren oder weinten , wurden sie zur Seite genommen und bekamen einen " Klaps". Das hatte ich beobachtet und hütete mich aufzufallen. Damals lag hoher Schnee und es war entsprechend eisig. Klar , dass wir schnell erschöpft waren. Die Tränen flossen leise! Wir haben auch heimlich Schnee gegessen , weil wir großen Durst hatten.
Überhaupt habe ich die Tage dort sehr still in Erinnerung und wir Kinder sprachen auch nicht groß miteinander, weil keine Gemeinsamkeit gefördert wurde . Die "Pflegerinnen" redeten aber viel auf uns ein und beschworen uns ständig still und geduldig zu sein!
Die Gemeinsamkeiten bestanden darin, in großer Gruppe auf die Kinderklos zu gehen und dort auf Befehl das kleine und große Geschäft zu verrichten. Machte ein Kind ein großes Geschäft , dann wurde über den Geruch gelästert . Ich fand das furchtbar mich vor anderen Kindern entblößen zu müssen und kannte das auch nicht aus dem Kindergarten. Viele Kinder schämten sich und wurden dann ausgeschimpft :"Dumme Zimperliese " war das Mildeste .
Dann ging es zum Mittagessen und da gab es wieder Störungen der verordneten Ruhe , wenn Kinder etwas nicht essen wollten. Eine "Tante X" stand drohend mit dem Rohrstock neben dem Kind bis es aufgegessen hatte. Ich sah , wie ein Junge sein Erbrochenes wieder essen musste und bald danach musste auch ich den ausgewürgten Grünkohl wieder in mich rein löffeln. Weil der nicht drinblieb, musste ich das mehrfach wiederholen und dann zur Strafe allein im Essraum sitzen während die andern zum Mittagsschlaf gebracht wurden. Wer dabei flüsterte  bekam Ärger . einen Schlag auf die Hand oder man musste in die Ecke!
Ich bin nicht sicher ob vor oder nach dem Essen der Löffel Saft verabreicht wurde. Ich glaube danach so als Belohnung, denn das zähflüssige rosa Zeug schmeckte sehr süß! Meine Mutter hat nie nachgefragt , was wir da immer bekamen. Wir hatten ja dankbar zu sein ! Aber ich glaube es war die Ursache dafür dass wir Kinder so ruhig und hinnehmend waren.
Nach der Kur bekam ich die 4.Lungenentzündung und meine Seele war verwundet. Ich hatte vorher nie grobe und so lieblose Menschen erlebt.
Vielleicht rundet mein Bericht ihre Eindrücke ab?
mit freundlichen Grüßen
Annemarie
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van Kampen schrieb am 28.08.2020
1973/1974 muss es gewesen sein, als ich aus gesundheitlichen Gründen, wegen eines Schattens auf der Lunge zur Kur In Wyk auf Föhr musste. Ich war 4 Jahre alt. Meine Erinnerungen sind ziemlich mau. Leider weiß ich weder in welchem Haus ich war, geschweige denn wie es hieß? Meine Mutter bekam damals Ein Telegramm, angeblich hatte ich so starkes Heimweh, dass ich in ein Krankenhaus eingewiesen werden musste. Meine Mutter wollte mich nach Hause holen, aber davon wurde ihr abgeraten, weil ich auf dem Heimweg hätte versterben können. Sie sah also davon ab.

Meine Erinnerung ist, dass ich ein Einzelzimmer hatte. Ich kann mich an einen Spielmannszug, wie es zum Laternenumzug üblich ist erinnern, der auf einem Hof? Am Krankenhaus vorbeizog? Eventuell haben wir eine Kutschfahrt durch ein Waldstück unternommen (mit Nonnen). Gab es sowas? Es könnte möglich sein, dass das eine Erinnerung aus einer Verschickung war?!

Seit Wochen versuche ich Mich zu erinnern, aber alles ist weg! Was mich sehr umtreibt, ist, dass ich körperlich erkrankt bin und dies mit meinem 4ten Lebensjahr begann, außerdem bin ich stark depressiv. Es war meiner Mutter nie möglich mich in den Kindergarten zu bringen, ich währte mich mit Händen und Füßen, haute über den Zaun ab und ging nach Hause, wir wohnten gleich nebenan. Ich glaube 1 Woche, dann meldete sie mich wieder ab.

Schule war für mich der absolute Horror, ich fühlte mich eingesperrt! Ein sehr bedrückendes Gefühl, musste die erste Klasse wiederholen. Aber auch, weil die Lehrerin ein Mistvieh war!

Ich weiß nicht, was mir in dem Kurheim passiert ist!

Ich habe 2 Fotos, die würde ich gerne hier hochladen, vielleicht erkennt sich da jemand wieder, oder vielleicht an die Räumlichkeit? Ich weiß nicht, ob ich das aus Datenschutzrechtlichen Gründen darf und wenn ja, wo mache ich das?

Kann mir jemand Tipps geben?

Übrigens war ich ein Hamburger Kind, vermutlich über die Ballin Stiftung, bin mit meinen Recherchen aber bis jetzt gescheiter.

Sabrina
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Manuela schrieb am 27.08.2020
Nun habe ich anhand meines Kinderarztbuchs festgestellt dass ich im darauffolgenden Jahr 1984 noch einmal für 6 Woche da war. Beide Male musste ich meinen Geburtstag dort verbringen. Beide Male 6Wochen. Vom 1984 gibt es keine Fotos. Nach Aussage meiner Mutter war ich nur einmal dort, nachdem ich traumatisiert wieder zurück kam 1983!
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Judith schrieb am 27.08.2020
Zu dünn...das war wohl die Standard Diagnose... schlimm
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Judith schrieb am 27.08.2020
Das schlimmste ist, dass keiner aus der Familie darüber sprechen will.

Ich habe immer wieder Flashbacks.
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Hedwig schrieb am 27.08.2020
1968 war ich 12 Wochen lang in Bad Dürkheim ("Pfälzische Kinderheilstätte"). Ich kam Anfang Januar als Siebenjährige dorthin, nicht weil ich krank oder untergewichtig gewesen wäre, sondern aufgrund von orthopädischen Problemen. Ich erinnere mich an das Gefühl des Verlassenseins und an schreckliches Heimweh im großen Schlafsaal, auch an für mich anstrengende Spaziergänge in Zweierreihen. Zuwendung? Anregung? Spiel und Spaß? - Fehlanzeige! Glücklicherweise erlebte ich keine körperliche Gewalt (die seelische Grausamkeit war schlimm genug). Sicher war ich ein sehr angepasstes Kind (ich habe wohl immer aufgegessen, denn am Ende der "Kur" wog ich 10 Pfund mehr!), vielleicht machten aber auch die vielen Briefe und gelegentlichen Päckchen Eindruck, die ich von der Familie, den Verwandten, von Schulkameradinnen und sogar von unserem Pastor erhielt (und die ich bezeichnenderweise heute noch besitze). Ein einziges Mal in diesen drei Monaten, an einem Sonntagnachmittag, durften mich meine Eltern in Bad Dürkheim besuchen. Grund für diese Ausnahme war die "Verlängerung" nach 6 Wochen. Ich musste dann noch einmal die genauso lange Zeit allein zurückzubleiben... "Bad Dürkheim" wurde zu einem der Schreckensorte meiner Kindheit
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Ralph schrieb am 26.08.2020
Liebe Cornelia,
 
es freut mich, dass offenbar doch noch jemand "mein" Heim kennt.Ich habe soeben ein zweites Mal diese Heimadresse an verschickungsheime-bayern@gmx.de gesendet, doch seit dem 13.08. keine Antowrt erhalten. Vielleicht kommt noch was, es ist ja auch Urlaubszeit.
 
So wie du das schriebst mit den vom Krieg traumatisierten (vielleicht auch abgestumpften) Eltern habe ich das ja auch erwähnt und v.a. dass sich in den über 50 Jahren viel in der generellen Kindererziehung gewandelt hat. Auch ohne Heimverschickung hatten wir so unsere Probleme. Warum gab es denn früher z.B. keine Linkshänder (obwohl es ja etliche gab)? Weil man jedes Mal eine gehörige Ohrfeige verpasst bekam, wenn man instiktiv die linke Hand benutzte! Damit war das Problem scheinbar gelöst.
 
Meine Eltern waren leider nicht gerade feinfühlig und ihr Hintergedanke - da bin ich mir sehr sicher - war doch dieser: "Das schadet ihm gar nichts, wenn er mal vier Wochen im Haifischbecken schwimmen muss, dann sieht er wenigstens hinterhier, wie schön er es doch zuhause hat". Dass die vier Wochen Haifischbecken oft lebenslang diese Kinder zerstört hat, soweit dachte kaum einer.
 
Da ich nun im Forum die Schicksale vieler anderer mitlesen kann, weiß ich, wie ich mich da in etwa einordnen kann: Es war zwar eine furchtbare Zeit für mich, aber wenn ich das mit anderen Schicksalen vergleiche (z.B. Marion Kösling mit drei Jahren für drei Monate verschickt), da lag ich eher so im Mittelfeld der "Härteskala". Mich hat deren Beitrag so geschockt, wie können um Himmels Willen Eltern so sein und das Kind später noch zweimal verschicken? Ich nahm meine Fotoalben her und sah meine beiden Kinder an, wie sie damals drei Jahre alt waren und dachte mir: Wie wären die jetzt ruiniert, wenn ich sie in diesem Alter damals einfach drei Monate fort geschickt hätte?
 
LG, Ralph
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Andreas Weber schrieb am 26.08.2020
Liebe Anja
ich habe die Doku im Tv gesehen und bin schwer berührt.
Ich danke Dir von ganzem Herzen dafür, was Du tust.

Alles kam wieder hoch insbesondere die Essensgeschichten.

Und die Bloßstellungen vor anderen.

Danke.

Lieben Gruß
Andy Weber, Frankfurt
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Anja Röhl schrieb am 26.08.2020
Liebe Cornelia
Ich muss mich mal, auch öffentlich, zu Wort melden, ich lese hier alle Kommentare. Ich bin die Initiatorin der Bewegung der „Verschickungskinder“. Was du da denkst, dass 6 Wochen vielleicht nichts sind, gegen Krieg und Nachkriegszeit, was deine Eltern, oder unsere Eltern uns oft suggerieren, das habe ich auch lange geglaubt, aber das stimmt nicht. Schon drei Tage Gefängnishaft als Erwachsener hat Hans Fallada, den Schriftsteller, der darüber sein Gefängnistagebuch schrieb, fast in den Irrsinn getrieben, ein einziger Tag ist für ein Kind von 2-6 Jahren, gefühlt so lang wie für einen Erwachsenen ein halbes Jahr. Was sind unter den Umständen sechs Wochen??? Und die kleineren Kinder wurden oft auf 18 Wochen verlängert, und die Kranken mussten Monate bleiben. Das alles allein, oft ohne ein freundliches Wort. Das ist nicht wenig gegen das Schwere, das die Eltern erleben mussten. Das ist etwas anderes. Und durch keinen Krieg der Welt zu rechtfertigen! Abgesehen davon, dass die Erwachsenen den Krieg angezettelt hatten, nicht die Kinder. Die Kinder wussten aber, im Gegensatz zu erwachsenen Gefängnisinsassen, in diesen sechs endlos langen Wochen, in diesen vorgeblichen „Heilstätten“ nicht, wofür sie bestraft wurden, sie hatten keinen Richter, keinen Urteilsspruch, keinen Verteidiger, nicht einmal eine verlässliche Zeitangabe, da vielen immer wieder mit der Verlängerung gedroht wurde. Man hatte ihnen gesagt, sie kämen zu einer Erholung, sie landeten in Kindergefängnissen. Sie fanden, als sie zurück kamen, in den meisten Fällen keine Worte, darüber zu sprechen. Da man sie gezwungen hatte, in den ihnen diktierten oder aufoktroyierten Briefen und Karten zu lügen, konnten sie nun nicht das Gegenteil behaupten, ohne sich selbst zu beschämen und nachträglich der Lüge zu bezichtigen. Sie konnten selbst nicht fassen, was ihnen geschehen war. Sie wollten es so schnell wie möglich vergessen. Aber sie konnten es nicht. Es verfolgt die meisten von uns bis heute in unseren Alpträumen. Es hat wohl in gewisser Weise etwas mit dem Krieg zu tun, nämlich dem Krieg, der in den Herzen, den Köpfen und den Seelen zurückgeblieben war, wie ein ätzendes Gift des Hasses. Konfrontiert eure Eltern mit dem, was ihr jetzt erfahren habt, dass es Millionen widerfuhr, lasst euch kein Kleinreden gefallen. Das was euch und uns allen geschehen ist, ist himmelschreiendes Unrecht!!! Ist Gewalt, ist Grausamkeit! Dafür muss es eine Wiedergutmachung geben, von den Heimbetreibern, die sich seit Jahrzehnten als Wohltäter feiern lassen, von den Entsendestellen, letztendlich vom Staat. Diese Wiedergutmachung muss als allererstes ermöglichen, dass wir alle eine lückenlose Aufklärung erhalten, dass wir unsere Schicksale aufarbeiten, den Ursachen nachgehen, die Verwaltungs-Heimakten einsehen, dass wir darüber forschen können, was uns geschehen ist und in dieser Forschung tatkräftig unterstützt werden. Kein Kleinreden dürfen wir uns gefallen lassen oder gar mitmachen. Es ist einer der größten Skandale der Nachkriegszeit, dem wir auf der Spur sind. Wir haben das Recht, auch diese vergleichsweise „kurze“ Zeit, die für ein Kind aber eine Ewigkeit ist, schlimm zu finden. Und wir haben die Pflicht, den Hintergründen dieses Skandals auf den Grund zu gehen. Auf den tiefsten Grund. Das sind wir unseren kleinen Kindern, die wir seinerzeit allein in diesen „Folterheimen“ zurückgelassen haben, wo sie über Jahrzehnte angstschlotternd verbracht haben, weil wir sie vergessen und verdrängt hatten und uns niemand glauben wollte, das sind wir ihnen schuldig: Gerechtigkeit! Aufarbeitung! Das soll keinem Kind mehr geschehen dürfen. Keinem Kind der Welt!
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Ulli Kubetzek schrieb am 26.08.2020
Es muss wohl 1964 gewesen sein, ich und mein Zwillingsbruder, damals 7,5 Jahre alt, wurden verschickt nach Donaueschingen. Unsere Eltern brachten uns zum Zug und wir fuhren los. Jeder hatte einen Koffer, die Fahrkarte und für 6 Wochen, 5 DM Taschengeld! Wir fanden uns steinreich.
Die Fahrt machten wir, wie zu dieser Zeit üblich, natürlich in einer Dampflok. Die Fahrt dauert vielen Stunden, Loks mussten gewechselt, mit Wasser und Kohlen aufgefüllt und für Steigungen im Schwarzwald zusammengekoppelt werden.
In Donaueschingen wurden wir abgeholt und zusammen mit anderen Kindern in einem Bus in das Heim gefahren.
Dieses war wohl in Kriegszeiten ein Lazarett gewesen, ich erinnere mich noch an das rote Kreuz auf beiden Dachgiebelseiten, welches wir bei Wanderungen von höher gelegenen Hügeln, gut sehen konnten.
Untergebracht waren wir in großen Schlafsälen. Damit man sich nicht miteinander unterhielt, mussten alle den Kopf in die gleiche Richtung drehen. Dumm für mich, denn ich war die andere Seite gewöhnt. Natürlich redeten wir heimlich miteinander. Was zur Folge hatte, dass man, wurde man von einer der "Kindertanten" (so hießen die für uns) erwischt, mal eben zumindest eine Ohrfeige bekam. Oder aber, man musste draußen im Gang, neben den Spinden, in denen unsere Sachen untergebracht wurde, mit dem Gesicht zur Wand stehen, bis man wieder ins Bett durfte.
Einmal hatte ich das "Vergnügen". Dabei musste ich so dringend auf die Toilette, traute mich aber nicht dort hin zu gehen, denn es war mir verboten wurden. Da kam dann in der Not der kleine Anarchist durch und ich pinkelte einfach hinter die Spinde. Zum Glück wurde das nicht bemerkt und ich hatte meine "kleine Rache".
Mittags musste 2 - 3 Stunden Mittagsschlaf gehalten werden. Ob man nun müde war oder nicht. Ich war das von zuhause nicht gewöhnt und tat mich extrem schwer damit.
Morgens gab es zu Frühstück immer eine Art von Schokoladensuppe, die aber irgendwie komisch schmeckte. Auf jeden Fall nicht nach Schokolade. Pflicht war es, 2 Teller zu essen. Erst wenn man sich die zweite Portion holte, bekam man ein Brötchen. Die kamen mir schon in meinen kleinen Kinderhänden winzig vor, wahrscheinlich so groß wie eine Tomate. Trotzdem waren sie begehrt und wir aßen unsere Suppe. Und zwar möglichst schnell, damit sich darauf keine Haut bildete, die ich ekelig fand. War aber egal, es musste aufgegessen werden.
Mittags gab es meist Suppen, mit Fleisch, das einen ordentlichen Fettrand hatte. Was ich verabscheute, wonach jedoch nicht gefragt wurde. Deshalb hatte ich mich mindestens ein oder zweimal in meinen Teller übergeben. Da war kein Verständnis oder Rücksichtnahme, sondern ich durfte mein Erbrochenes aufessen.
Mehrfach sollten wir auch nach Hause schreiben. Da ich damals, weil zu schmächtig, ein Jahr zurückgestellt worden war und das Schuljahr damals zu Ostern begann, hatte ich gerade einige Monate in der ersten Klasse hinter mir. Konnte weder lesen, geschweige denn schreiben. Als sollte ich ein Bild malen und die "Kindertanten" übernahmen das Schreiben für uns. Was in dem Brief stand, keine Ahnung.
Ich kann mich daneben auch an die vielen Wanderungen erinnern, an das winzige Badebassin, wo unsere Gruppe genau 10 Minuten rein durfte, aber zum Toben reichte es aus und anschließen haben wir uns klappernd in unserem Essensraum (für jede Gruppe gab es einen eigenen) umgezogend. Abends gab es Brote mit Aufschnitt und natürlich, wen wundert es, Hagebuttentee.
Einmal machten wir einen Ausflug zur Donauquelle und zu einer Glasbläserei. Davor durften wir uns ein Eis kaufen und vom Rest erwarben wir Glasbläserkunst. Mein Bruder erwarb ein schwarze Katzenmutter und ein Katzenkind, was ich kaufte, ist mir entfallen.
Bei den Wanderungen durften wir an zwei, in den Boden gerammten, geschälten Fichtenstämmen nach oben klettern. Bei dem dünnen war es einfach, beim dicken rutschte ich immer ab. Also Schuhe aus und dann gings. Wer bis oben kam, die Stämme waren wohl 3m - 4m hoch, war stolz und wurde von den anderen Kindern ordentlich bewundert.
An andere Kinder und Begegnungen kann ich mich nicht erinnern. Da ich mit meinem Zwilligsbruder ja immer zusammen war und wir somit unsere gewohnte Bezugsperson hatten.
Im Nachhinein kann man sich kaum vorstellen, wie Kinderbetreuung so überhaupt möglich war. Glücklicherweise hatte und habe ich nicht das Gefühl, traumatisiert worden zu sein. Glück gehabt.
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Marion Kösling schrieb am 26.08.2020
Hallo Sylvia,
Ja ich war in Haffkrug auch von der Pro Genossenschaft verschickt worden. Meine Eltern waren dort sowas wie Mitglied. Heute ist diese Einrichtung ein Erholungsheim für Senioren. Ich hab mir
Alle 3 Heime später angesehen. Das hat mir geholfen , das ganze nochmal zu verarbeiten. Die andere Heimunterkunft ist nun eine Antisuchtklinik (Hansenbarg) in Hanstedt und die andere wurde abgerissen.
Hab mich gefreut, von Dir n Kommentar zu lesen.
L G Marion
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Gine schrieb am 26.08.2020
Hallo, auch ich war in "Kinderkur" einmal in Bad Nauheim (da war ich wohl 3 oder 4 Jahre alt?), die einzige Erinnerung die ich daran habe ist das wir immer "Heilwasser" aus einer Quelle trinken mussten. Später war ich dann in Mittelbergc(Oberallgäu) Sonnleiten. Es müsste 1975 oder 76 gewesen sein, ich war 7 Jahre alt. Dort war für mich keine gute Zeit, mit "Mobbing" der Tanten welches dann auch Mobbig der anderen Kinder folgte. GLG
 
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Cornelia Greszer schrieb am 26.08.2020
Liebe Amrei,
auch dieses Kinderheim kenne ich.
Lies mal, was ich als Kommentar bei Ralph schrieb. Für Bonndorf gilt das gleiche.
Ich habe vor circa 17 Jahren eine Reise geschenkt bekommen in ein sehr gutes Bonndorfer Hotel. Ich musste noch am Anreisetag wieder abreisen, weil es mir dort förmlich die Kehle zuschnürte.
So wirkt das noch Jahrzehnte nach, was man dort erlebt hat.
Liebe Grüße
Conny
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Cornelia Greszer schrieb am 26.08.2020
Hallo Ralph,
der link auf die Postkarte hat bei mir die Erinnerung ausgelöst, dass ich da auch schon war. Ich war seit meinem 3. Lebensjahr als uneheliches Kind jedes Jahr für 6 Wochen in verschiedene Heime verschickt, weil meine Mutter ja auch mal ihre Ruhe brauchte.
Auch das mit dem Bloßstellen der Bettnässer war da genau so, wie von Dir geschildert. Ich meine, dass es in einem anderen Heim war, in dem wurde als Strafe ein Kind zu dem Bettnässer ins Bett gesteckt, kann aber auch da gewesen sein. Laut einem alten Foto von meiner Abreise in die "Berge" muss es bei mir (Jahrgang 1956) circa 1960 gewesen sein.
Auch die Klumpensuppe und andere Leckereien sind mir aus nahezu allen Heimen bekannt. Ebenso die Strafen für Nichtaufessen. Bei mir war es Gries-,Reis- oder Haferbrei mit Zucker, den ich wiederholt erbrochen habe und wieder essen musste. Ich kann noch heute weder warme Süßspeisen essen noch riechen, gleiches gilt für süße, warme Getränke (jeder Weihnachtsmarkt mit Glühweinduft wird von mir gemieden).
Auch ich kam immer total verstört zurück, habe wochenlang überhaupt nichts geredet. Dennoch wurde ich im Jahr darauf wieder verschickt. Ich hatte schon mal geschrieben, dass ich meine Mutter darauf ansprach. Ihr einziger Kommentar war: Hab Dich nicht so, das waren ja nur sechs Wochen im Jahr!
Viele meiner Verhaltensweisen sehe ich in diesen Aufenthalten begründet, wie z.B. der Hang zur Überanpassung, bloß nicht auffallen, immer lieb und ruhig sein und dass ich mir oft die Schuld gebe für Dinge, die ich überhaupt nicht zu verantworten habe, dass ich in Beziehungen in einer Art Nibelungentreue festhing, weil man sonst ja ganz alleine auf der Welt ist.
Ich will nicht sagen, dass die Verschickung mein Leben zerstört hätte, dafür haben liebe Großeltern (die sich gegen meine Mutter nicht durchzusetzen wagten), eine tolle Tochter und ein verständnisvoller Therapeut gesorgt, aber ich kann auch sagen, dass ich schon sehr lange gelitten habe.
Ich konnte auch lange meiner Mutter nicht verzeihen, das kann ich mittlerweile, vergessen kann ich es jedoch nicht.
Ich glaube, dass die Generation unserer Eltern einfach traumatisiert war durch den Krieg und deshalb das Leid bei einem Kind gar nicht so sehen konnte oder wollte. Insofern hatte meine Mutter in ihrer Gedankenwelt Recht, was sind schon sechs Wochen gegen den Krieg und die Nachkriegszeit.
Lieben Gruß
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Isolde Cleven-Scholz schrieb am 26.08.2020
guten Tag... ich habe heute von Ihren Recherchen erfahren und mich auf Ihrer Webseite ein wenig umgeschaut.
Ich bin Baujahr 1955 und war mit 6 Jahren im Winter vor der Einschulung in einem Heim an der Loreley... es waren 6 lange Wochen.... Ich habe leider keine Namen in Erinnerung und auch nichts gefunden. Es war eine schlossähnliche Einrichtung mit einem riesigen Saal und grossen Freitreppen. Ich erinnere mich an endlose Tischreihen in einer riesigen Halle, wo die Mahlzeiten stattfanden und an grosse Schlafsäle und grosse Bade/Waschräume mit langen Reihen von Becken.
Dazu ein grosser Innenhof mit Kopfsteinpflaster, wo wir manchmal draussen spielten.
Beim Lesen ist mir aufgefallen, wie viel von den "Vorkommnissen" ich verdrängt habe. Essen unter Zwang, Zwang zum Mittagsschlaf. Wer nachts auf die Toilette musste wurde abgefangen und bestraft. Ich musste mehrmals die Nächte auf einer Holzpritsche im Waschraum verbringen, weil ich aufstand und zur Toilette wollte. Ich erinnere mich auch daran gezwungen worden zu sein, irgendwelche Pillen zu schlucken. Nach dem Abendbrot gab es nichts mehr zu trinken bis zum Frühstück. Wer in der Nacht ins Bett gemacht hatte, der wurde vor versammelter Mannschaft, wie bei einem Tribunal aufgerufen und niedergemacht.
Wir wurden gepiekt und gekniffen... an Haaren und Ohren gezogen, aber nie so misshandelt, dass etwas zu sehen war.
Wenn wir uns schmutzig gemacht hatten, gab es Donnerwetter.
Wir mussten immer anstehen, wie auf einem Kasernenhof... eigener Wille musste zu Hause gelassen werden.
Ich habe mehrmals der "Briefetante" gesagt, sie solle schreiben, dass es mir nicht gutgeht und ich nach Hause möchte... das ist nie angekommen.
Meine Eltern haben mir nichts geglaubt... ich war 6 Jahre alt. Es hiess, ich habe eine "blühende Phantasie".
Da ist sicher noch mehr in meinem Kopf, aber die Erinnerungen kommen nur langsam wieder.
Vielleicht findet sich jemand, der sich an den Namen des "Heimes" erinnert.
Liebe Grüsse an alle, Isi
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Mittendorfer Ferdinand schrieb am 26.08.2020
ich war 1956 für ca.1 Jahr wegen einer Tuberkuloseerkrankung im Kinderheim Elisabethenberg bei Waldhausen/Lorch (PLZ 73547).
Das dort Erlebte (medizinische Behandlung sowie erzieherische Maßnahmen) beschäftigt mich bis heute. Mittlerweile habe ich diesen
Ort der heute in ein Behindertenheim umfunktioniert wurde 2 mal besucht.
Dabei war es mir möglich einmal die Räumlichkeiten zu besichtigen
(was mir sehr wichtig war). Ich lebe nun seit vielen Jahren in Asien
und es war mir seit meiner Jugend ein großes Anliegen dieses
Land zu verlassen. Die nunmehr geführte Diskussion finde ich wichtig,
denke aber dass die Aufarbeitung im Sande verlaufen wird.
 
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Sylvia Rehlich schrieb am 25.08.2020
Liebe Marion Koesling,
ich war auch 1959 im Alter von 6 Jahren von Hamburg aus in Haffkrug verschickt im Kinderheim der PRO. Und es war schrecklich. Ich habe sogar noch Fotos. 3 Jahre später war ich nochmals verschickt, diesmal nach Westerland auf Sylt. Meine Eltern leben seit 3 Jahren nicht mehr, sodass ich dieses Trauma im Zusammenhang mit der Aufarbeitung in dieser Initiative nicht mehr mit ihnen besprechen kann. Aber ich bin froh über die vielen Schilderungen hier und das Wissen, dass es Massen von ähnlichen Schicksalen gibt, sodass ich mich nicht allein damit fühle. Es war eine Jahrzehnte lange Katastrophe, die sich niemals wiederholen darf. Warst Du auch im Heim der PRO? Liebe Grüße Sylvia Rehlich (Ich habe schon kurz nach Start der Initiative Zeugnis abgelegt)
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Marion Kösling schrieb am 25.08.2020
Sehr geehrte Frau Röhl,

Von Ihren Recherchen zu Verschickungskindern habe ich erst letzte Woche erfahren und möchte Ihnen mein Trauma was ich mit 3 Jahren erlebt habe,
Kurz schildern.
Meine Eltern haben mich 1957 - da war ich 3 Jahre alt - nach 21271 Hanstedt Haus Uhlenbusch, welches inzwischen abgerissen
ist , für 3 Monate verschickt. Meine Mutter
War zu diesem Zeitpunkt mit meiner Schwester Karin Schwanger und wollte wohl für die letzten Schwangerschaftsmonate ihre Ruhe haben. Meine Eltern und ich lebten zu diesem Zeitpunkt in einer 1 Zimmer Wohnung im ausgebombten Hamburg.
Wie ich nach Hanstedt gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Was ich aber weiß, dass ich fürchterliches Heimweh bekam und mein
Opa mich da deswegen abholen wollte,
welches nicht gestattet wurde. Mein Heimweh war so groß, dass ich später
meine Eltern nicht mehr wieder erkannt hatte. Dieses Trauma hat mich bis zu meinem 31. Lebensjahr mit diversen Psychosomatischen körperlichen Störungen begleitet, zumal ich bis dahin auch nicht wusste, ob ich wirklich körperlich krank bin.
Das Beste was ich dann in meinem Leben gemacht habe , war 1986 eine Stationäre und später ambulante Psychotherapie .
Danach ging es mir in Allem wesentlich besser. Mein Trauma mit den Eltern habe ich endlich aufarbeiten können. Ich hatte bis dahin Verlustängste sondergleichen. Bin noch bis zu meinem 13. Lebensjahr nachts zu den Eltern ins Bett gekrochen um meine Ängste irgendwie nachts in Griff zu kriegen.
Auch hatte ich massive Schulprobleme und später dann Beziehungsschwierigkeiten.
Nach 1957 würde ich dann noch 2 weitere
Male verschickt. Einmal nach Haffkrug und dann mit ca 12 oder 13 wieder nach Hanstedt aber diesmal Haus Hansenbarg.
Beides war gruselig. Es gab nichts zu trinken oder bei irgendwelchen Nichtigkeiten würde man (ich) weggesperrt. Ganz gruselig war dann das alltägliche Ritual, Lebertran in den Rachen zu gießen.
Während ich diese Erlebnisse aufschreibe,
Kommen mir wiederholt die Tränen, und das obwohl ich damals vor mehr als 30 Jahrend die Therapie gemacht habe.
Heute geht's mir psychisch gut, hab aber ein distanziertes Verhältnis zu den Eltern, die übrigens beide noch mit 88 Jahren leben.Es besteht nur so eine Art Verantwortung weil sie alt sind und es früher nicht besser wussten, was sie bei mir damit angerichtet haben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Ich werde weiterhin Ihre wichtige Arbeit verfolgen
MFG
Marion
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Garfield schrieb am 25.08.2020
Habe noch nachgeforscht, es war das Heim "Sonnenschein" und es war tatsächlich das Jahr 1976.
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Gudrun schrieb am 25.08.2020
Liebe Elisabeth,
ich war 1967 auf Borkum zur Kur. Ich wusste den Namen des Hauses auch nicht mehr. Dank alter Postkarten und meiner Erinnerungen habe ich es gefunden. Es existiert heute noch als Teil einer anderen Einrichtungen. Die Bilder des Speisesaals haben bei mir sofort Erinnerungen ausgelöst. Gib die Suche nicht auf. Vielleicht war es das Adolfinenheim oder das Haus Santa Maria auf Borkum. Suche alte Fotos dazu. Es ist schlimm, was Dir passiert ist. Ich weiss heute nach den vielen Berichten, ich hatte noch viel Glück. Auch bei uns war es nicht schön, aber nicht so schlimm. Was ich aber tröstend finde, ich war nicht die Einzige der es so ging. Das gibt Kraft. Ich habe auch die gesamte Kinderheimzeit verdrängt. Ich habe weder Gutes noch Schlechtes damit in Verbindung gebracht. Es war wie weg. Langsam lüftet sich der Nebel. Auch die schönen Sachen kommen hoch. Meine Liebe zum Meer, das mir in schwierigen Situationen Kraft gibt und meine Fähigkeit mit Liedtexte zu merken bzw. mich mit Liedern zu trösten. Vor allem die Lieder aus dem Kinderheim kann ich immer noch. Sie haben mir wohl wie Dir auch geholfen. Die Einsamkeit, der Vertrauensverlust vieles hat mich geprägt. Ich wusste nie woher es kam. Je mehr ich mich damit auseinandersetze, je mehr verstehe ich mich jetzt.
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Isabel schrieb am 24.08.2020
#comment 2438
 
Liebe Annemone Brodbeck,
 
ja, an den Turm kann ich mich auch erinnern. Ich konnte auch noch nicht schreiben und so habe ich viel gemalt, immer wieder das Schloss. In der Mitte der Turm mit seinen Turmzinken und dem runden Fenster auf halber Höhe und dann die zwei Haushälften, die rechts und links davon abgingen. Ich kann diese Zeichnung heute noch. Unten im Turm eine bogenförmige Tür. Ich war auch insgesamt 6 Wochen dort. Ja, manche Erinnerungen schlummern irgendwo und werden durch einen kleinen Anstoß wieder lebendig. Mir tat es auch gut zu lesen, dass du dich an die Schaukel erinnerst. Mit 5 Jahren ist man echt noch verdammt jung und manchmal tut es gut, wenn Wahrnehmungen und Erinnerungen bestätigt werden. Alles Gute dir auch. Isabel
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Claudia Preissler schrieb am 24.08.2020
Hallo Jana, ist es möglicherweise das Kinderkurheim Pestalozzi in Sornßig/Bautzen? Im Netz findet man einige Fotos des Hauses. Ich war 1984/85 dort und als ich die Bilder sah, wurde mir regelrecht schlecht. Du findest hier unter all den Kommentaren auch meinen. Vielleicht erinnerst du dich dann an das Haus.
LG Claudia
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Rai schrieb am 24.08.2020
Gibt es jemanden, der auch im Hochwaldsanatorium Birkenfeld im Hunsrück ( Elisabeth-Stiftung) für tuberkulose-kranke Kinder etwa Mitte der 50er Jahre war?
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HorstKonrad schrieb am 24.08.2020
Als ich in die dritte Klasse kam, 1972/73 war das wohl, war klar, dass ich zur Erholung nach Bad Dürrheim gehen würde. Mein Bruder war zwei Jahre vorher schon dagewesen. Ich sollte auf die Aufforderung des Kinderarztes auch hin für sechs Wochen. Ich war ja so dünn. Je näher der Zeitpunkt kam, desto mehr Angst bekam ich. Abgegeben wurde ich 8n Ludwigshafen, von dort fuhr der Sammeltransport in den Schwarzwald. Ich hatte meinen Kinderrucksack dabei, Kuscheltier war nicht erlaubt. Die Zugfahrt gefiel mir, die drei „Tanten“ waren nett. Ankunft in VillingenSchwenningen und dann per Bus zum Heim. 42 Tage Hölle begannen. Zuweisung in Stationen, ich wurde zur Nummer 3, es ging in den großen Saal zum Abendessen. Die geschmierten Brote wurden ausgeteilt, ich hatte Hunger und biss hinein und sofort wurde ich angeblafft und separat gesetzt, denn man hatte zu warten, bis jeder was hatte. Wurde bloß nicht gesagt. Von da an war mir klar, hüte dich, mach keine Fehler. Ohne Schlafanzug und Zähneputzen ab ins Bett, denn die Koffer wurden erst am zweiten Tag ausgepackt. Es folgte ein Tag der Langeweile, denn 33 Koffer auspacken, naja. Mittags dann der Zwang, zwei Teller zu essen. Die meisten sollten ja zunehmen. Nur zwei oder drei durften nur einen Teller, die sollten abnehmen. Wer’s nicht schaffte, musste zur Strafe dort sitzen bleiben. Dann Klogang und Mittagsschlaf. abends Zählappell, wie oft man auf dem Klo war. Ich erinnere mich an Spaziergänge, jüngere Erzieherinnen machten auch mal was Verbotenes, was ein bisschen fröhlicher war. Geländespiele, Wanderungen, Baden im Thermalbad oder in der Thermalwanne in einem Riesensaal. Abends Gesellschaftsspiele oder Lesen. Nur ein Buch dabei, keiner lieh sein Buch aus, der letzte Rest von etwas Persönlichem. Und zu Spielen hatte eh kaum jemand Lust. Ich weiß von keinem mehr den Namen, Freundschaften gab es kaum, jeder versuchte nicht aufzufallen und irgendwie ohne Strafen durchzuhalten. Freitags Kochfisch, den kriegte ich nicht durch den Hals und saß dann endlos bis ich mir den Mund vollstopft und den Fraß in den Backentaschen flachquetschte und im Klo ausspuckte. Nachtische waren Obst oder Kochpudding mit Haut welcher mich ekelte. Samstags wurden alle gewogen. Wehe, wenn der Übergewichtige nicht abgenommen und wir andern nicht zugenommen hatten. Briefeschreiber am Sonntag mit Zensur. Es wurde verboten, von Heimweh zu schreiben, weil sonst vielleicht die Eltern einen besucht hätten und das war strikt verboten. Also habe ich gelogen. Ich habe mich bei einem Jungen, der neben mir saß, mit einer Hautkrankheit angesteckt. Wir wurden beide aus dem selben Salbentopf behandelt. Es juckte schrecklich und weil wir kratzten mussten wir beide Hände in Baumwollhandschuhen ohne Daumen reinfinden lassen, bis es vorbei war. Auch nachts. Ich habe es überlebt.
Vor 12 Jahren hatte ich eine Dienstreise per Zug nach Villingen Schwenningen und wurde bei der Bahnfahrt krank, bis ich merkte, was los ist. am Bahnhof der Wegweiser nach Bad Dürrheim klärte mich auf. Ich fand im Hotel mental mein inneres Gleichgewicht wieder. Ich habe da gemerkt, wie tief diese 42 Tage in meiner Seele und im Körper sitzen.
Tief erschüttert haben mich Anzahl der Heime und viele Beiträge, die jetzt publik werden.
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Marcel schrieb am 24.08.2020
Ich war im März/April 1971 im Alter von 11 Jahren in der DRK Kurklinik Bad Dürrheim/Schwarzwald. Die Diagnose chronische Bronchitis wurde nicht bestätigt, die Kur wurde aber trotzdem durchgezogen. Beim Beginn der Kur wurden mir persönliche Gegenstände abgenommen. Pakete und Briefe von zu Hause wurden nicht an mich ausgehändigt. Briefe oder Telefonate nach Hause wurden zensiert und mitgehört oder nicht abgeschickt. Beim täglichen 2-maligen rektalen Fiebermessen ist ein Thermometer bei mir im Halbschlaf abgebrochen. Das darin enthaltene Quecksilber verteilte sich im Bett und im Zimmer. Anschließend 4 wöchiges Einsperren auf der Isolierstation wegen einer Mandelentzündung. Auch dann kein weiterer Kontakt nach Hause möglich. Ansonsten Nötigung das Essen auf dem Tisch einzunehmen und Gewaltmärsche im Wald bis zur Erschöpfung. Nach der Kur als Konsequenz Entfremdung zum Elternhaus und Schwierigkeiten in der Schule.
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Doris Menke schrieb am 24.08.2020
Hallo,
mein Name ist Doris Menke, ich muss ca. 1970 auf Amrum gewesen sein, in einem Verschickungsheim.
Es war schlimm, auch weil niemand meine Erfahrungen glauben wollte.
Es berührt mich sehr, nun von anderen zu hören, die solche Dinge schildern, die auch ich erlebt habe.
Ich habe noch ein Gruppenbild von meinem Aufenthalt dort.
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Regine schrieb am 24.08.2020
Ich war von November bis Dezember 1970 für 5 Wochen in Nußdorf, ich war damals 5 Jahre alt, wäre im Januar 6 Jahre alt geworden. Über die wenigen Erinnerungen, die ich habe, kann nicht viel Gutes berichten. Ich hatte drei Monate zuvor meinen jüngeren Bruder nach langer Krankheit verloren, ich kam also schon traumatisiert dort hin. Es hat dort aber wohl niemanden interessiert. Als meine Eltern mich nach 5 Wochen abholten, war ich laut deren Erzählungen völlig verstört.

Ich war zusammen mit einer Kindergartenfreundin dorthin gefahren, bei der Ankunft wurden wir allerdings sofort getrennt, da sie 1964 und ich 1965 geboren war. Sie kam in die "Schneewittchengruppe", ich zu den "Zwergen". Wir haben uns dann quasi kaum noch gesehen. Für mich war diese Trennung furchtbar, ich war völlig allein, habe mich schrecklich einsam gefühlt. Ich war im Untergeschoss untergebracht, sie im oberen Geschoss. Ich war in der Zwergengruppe die Älteste (unfassbar, dass man damals sogar 3 und 4 Jährige schon verschickte) und hatte dementsprechend keinen vernünftigen Anschluss, ich hätte von meiner Entwicklung auf jeden Fall in die "Schneewittchengruppe" gehört.

An folgende Dinge kann ich mich erinnern:

Ich musste jeden Tag Mittagsschlaf mit den Kleinen halten, obwohl ich altersmäßig nicht mehr dazu bereit war und dementsprechend wach da lag und gewartet habe, bis die Zeit vorbei war
Wir durften nachts nicht zur Toilette gehen
Ich habe mich gefühlt jede Nacht vor Heimweh in den Schlaf geweint
Als ich einen Brei aus Hefeklösschen mit Zwetschgen nicht essen wollte, wurde ich zwangsgefüttert
Ich musste mich einmal nach einem ekligen Leberwurstbrot übergeben, danach konnte ich jahrelang keine Leberwurst mehr essen
Es gab eine Nikolausfeier, die mich völlig verängstigt hat. Der Nikolaus kam mit dem Krampus, einer mir völlig fremden Figur, die es wohl nur in Bayern gibt. Dieser hatte eine furchterregende Maske auf und warf eine Kette über den Boden hin- und her. Der Nikolaus las aus einem goldenen und einem schwarzen Buch vor. Im schwarzen Buch standen die "bösen" Kinder. Ein etwas älteres, lebhaftes Mädchen wurde vorgelesen und musste nach vorne kommen. Ihr wurde irgendetwas "Böses" vorgeworfen, danach schlug der Nikolaus ihr mit einem Stock oder Rute auf das Gesäss, sie schlug die Hände vor das Gesicht und fing bitterlich an zu weinen. Ich hatte wahnsinnige Angst, auch in dem schwarzen Buch zu stehen und auch Schläge zu bekommen, zum Glück war es nicht so.

Wenn ich an diese Zeit denke, kommt mir immer ein Lied von Daliah Lavi "Oh, wann kommst Du" in den Sinn. Eine junge, sehr nette "Tante" wohnte bei uns im Untergeschoss, sie hörte immer dieses Lied. Eines Abends hörte ich sie aufschreien und weinen. Andere "Tanten" kamen dazu und fragten, was passiert sei. Ich hörte nur, wie sie sagte "er hat mich geschlagen".
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Michael Peck schrieb am 23.08.2020
Guten tag,
ich heiße Michael peck, Jhg. 1958 und bin durch den kürzlich in der ARD
gesendeten Beitrag zur Kinderverschickung ins Erinnern gekommen.
Vermutlich 1963 oder 1964 war ich zur Kur in Niendorf im Kinderkurheim St. Johann.
Meine Erinnerungen sind bruchstückhaft; meine Ahnung sagt mir : da ist Ungutes geschehen mit mir.
Während meines Aufenthaltes bekam ich einen Brief meines Onkels, in welchem er mir vom Tod meiner Oma erzählte; dieser brief wurde mir vorgelesen. Was dann war, erinnere ich nicht.
Eine andere Erinnerung : lauthals bin ich einmal in den Aufenthaltsraum hineingegangen, und wurde daraufhin isoliert. Auch hierzu keine konkreten Erinnerungen.
Dann war da noch ein Praktikant mit einem roten Fiat 500. Diesen liess er einmal allein im Kreis fahren, nachdem er das Lenkrad festgebunden und einen Stein auf das Gaspedal gelegt, und er selbst über das Faltschiebedach ausgestiegen war.
Diffuse Erinnerungen von Einsamkeit und Verlassenheit.
Kann Jemand etwas mit dem Praktikanten anfangen ?
Soweit für heute Michael
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Bernd Sch. schrieb am 23.08.2020
Ich war 1971 als 5-jähriger in Bad Dürkheim - gefühlt viele Wochen - in einem "Erholungsheim". Irgendetwas haben die mit mir gemacht, denn allein der Gedanke an diese Zeit treibt mir immernoch die Tränen in die Augen. Mein Vater berichtet mir, dass ich bei der Abholung und Wochen später noch völlig apathisch und lustlos gewesen sei und es Monate der Liebe meiner Eltern bedurfte, bis das wieder in Ordnung kam. Ich erinnere, dass mein Bett ein Stockbett in einem großen Saal mit vielen Kindern war. Ich hatte das Bett oben. Es gab keine Veräumungsmöglichkeiten persönlicher Sachen. Es gab keine Privatsphäre. Kontakt zu meiner Familie war verboten. Wir mussten täglich Hand in Hand Zweierreihe in Schlange an der Saline spazieren. Die "Betreuerin" (Nonnen?) vorne weg. Zu Essen gab es hauptsächlich Schwarzbrot mit Pflaumenmuß. An das, was diese Ungeheuer genau mit mir veranstalteten, kann ich mich nicht erinnern. Jedenfalls habe ich heute noch starke Angst vor Dunkelheit und Enge.Ich würde das gerne etwas aufarbeiten. Gibt es Leidensgenossinnen oder Genossen, die etwas über das Heim in Bad Dürkheim wissen?
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Ariane schrieb am 23.08.2020
Ich war im Herbst 1981 für sechs Wochen in St. Peter Ording. Ich vermute, dass ich im Haus Ehlers war. Ich erlebte dort meinen fünften Geburtstag. Meine Erinnerungen sind nur bruckstückhaft, aber keine davon ist gut. Sie reichen von Schlägen, allein gelassen werden über nacht in einem kalten dunklen Raum, Essenszwang, schlimmen Demütigungen und Beschimpfungen bis hin zu Fehlinformationen an meine Eltern, die ich um Hilfe bitten wollte. Ein Telefonat zum Geburtstag wurde durch das Beisein einer Betreuerin kontrolliert, Karten gefälscht und und und. Die prägnanteste Erinnerung habe ich an eine Frau namens Ute, die nur einen Arm hatte und die mich regelmäßig bestrafte, z.B. für nächtliches Husten oder Erbrechen. Vielleicht war jemand auch zu der Zeit in St. Peter Ording? Ich bin mit dem Haus nicht ganz sicher, aber die einarmige Frau ist so prägnant, dass wahrscheinlich jeder/jede, die dort war, sich an diese Person erinnern kann.

Mir war nicht klar, wie viele Kinder und heute Erwachsene neben mir von diesem systematischen Missbrauch betroffen waren - die Bezüge zur NS-Zeit und die Zahlen hinter denen so viele menschlichen Schicksale stehen machen mich sprachlos. Ich bin dankbar, dass es diesen Zusammenschluss hier gibt - mit so vielen engagierten Menschen. Danke dafür.
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Sandra schrieb am 23.08.2020
Hallo
ich möchte erstmal sagen das ich schockiert bin wie vielen das gleiche Schicksal ergangen ist.
Ich war ca.4 Jahre in Bad Orb Spessart verschickt worden .Weil ich Abends mit den anderen Kindern im Zimmer redete wurde ich am Kragen aus dem Zimmer auf eine Art Dachboden geschliffen und mußte dort die ganze Nacht auf einen Stuhl sitzen und durfte mich nicht bewegen.
Ich wurde später Tagelang in einen Zimmer mit zwei Krankenbetten sonst nichts eingesperrt ich durfte nicht auf Toilette und mußte einpullern dafür wurde ich auch bestraft .Nachts war an der Zimmerdecke leicht blaues Licht an. Weil ich viel weinte wurden mir Medikamente zwangseingeflößt danach saß ich unter dem Bett habe mich nichts mehr getraut ich wollte nur endlich nach Hause.
Ich hatte alles verdrängt aber jetzt kann ich mich an so viel erinnern .
 
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Jana schrieb am 23.08.2020
Als ich als 5-jaehrige zurueck kam sagte ich meiner Mutter dass ich nie wieder zur Kur fahre. Ich habe alles so weit es geht verdraengt und weiss deshalb auch nicht mehr wie das Heim heisst, nur dass es in Bautzen war und ich 1970 oder 71 da gewesen sein muss. Allerdings erinnere ich mich noch wie ich nachts neben dem Bett stehen musste aus Strafe weil ich geweint habe oder das stundenlange sitzen vor dem Abendbrotteller weil ich die Blutwurst mit den dicken Fettaugen nicht runterbekommen habe. Vor lauter Verzweifelung habe ich die dann unter meinem Kopfkissen "versteckt", wo sie die Reiningungskraft am naechsten Morgen gefunden hat. Darauf wurde mir gesagt dass ich nicht nach Hause darf und nochmal 3 Wochen im Kurhaus bleiben muss. Ich erinnere mich auch noch an den Aerger den es gab weil ein Kind in unserem Schlafsaal in's Bett gemacht hat.
 
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Rainer schrieb am 22.08.2020
Hallo Zusammen,
 
habe gerade ein längeres Brainstorming mit einer bekannten Suchmaschine und vielen Fotos hinter mich gebracht und glaube jetzt, zumindest einen Namen für den anderen Ort zu haben, an dem ich abgesehen vom Stoffer/Stauffer Hof (?) war.
 
Es war ein Bichlhof, aber der Name macht Probleme, weil es erst mal nur einen Bichlhof in Marktschellenberg (gegründet 1948/49) zu finden gibt, der in den 1970-gern von einem Kindererholungsheim zu einem heilpädagogisch orientierten Kinderheim umstrukturiert wurde.
 
Die erste Betreiberin ist 2017 gestorben und es gibt nur rührende Kondolenzbezeugungen in der Süddeutschen von ehemaligen "Postkindern" die da anscheinend hin verschickt wurden und damit wahnsinnig glücklich waren...
 
Es gibt eine Homepage mit alten Fotos vom Gebäude und ich war mir erst ganz sicher, die von außen wieder zu erkennen, aber die Dankbarkeitsbezeugungen haben mich dann zweifeln lassen, weil ich es da nicht so wirklich schön fand....
 
Die alten Fotos der Zimmer sagen mir auch gar nichts, aber die sind ja vielleicht erst nach dem Umbau entstanden...
 
Ich habe Erinnerungen an schlanke Stockbetten aus Stahl in dunkelgrün oder dunkelgrau, die auf der Unterseite einen quietschenden Boden aus Eisengeflecht hatten und im Zimmer nur schmale Gänge frei ließen, um zu seinem Bett zu kommen.
 
Was mich so beschäftigt ist der kleine runde klare Bergsee mit den Krebsen, weil ich den definitiv erinnere.
Da finde ich einfach nichts in Marschweite zum Bichlhof in Marktschellenberg...
 
 
 
 
Es gab aber in Unterwössen in der Nazi-Zeit ein Kindererholungsheim des NSV, das dann 1946 von der KJF übernommen wurde (das schreiben die selbst auf ihrer HP in ihrer Chronik für das Jahr 1946).
 
In der Chronik taucht das Heim danach aber einfach nicht mehr auf.
Wenn eine Einrichtung aufgegeben wurde, war das in der Chronik auch erwähnt.
 
Das Kindererholungsheim Unterwössen der KJF müsste also noch bestehen, aber es gibt keine Adresse, kein Garnichts, was sich recherchieren ließe...
 
Aber es gab in Unterwössen auch einen Bichelhof (ein Ortsteil von Unterwössen heißt Bichl), der nach meiner Recherche aber von den Barmherzigen Schwestern zur Erholung eben jener Schwestern betrieben wurde.
 
Die Straße "Am Bichlhof" in Unterwössen führt zu einem kleinen runden Bergsee, der vom Kaltenbach gespeist wird und mir in der Draufsicht ziemlich bekannt vorkommt...
 
Wenn jemand hier etwas Erhellendes erinnert, wäre es mir eine Freude/Hilfe, davon lesen zu dürfen!
 
Ich werde mich wohl nie mehr ganz von den Wohltaten der Kinderlandverschickung erholen können, aber es erleichtert mich doch sehr, damit nicht mehr so alleine zu sein, wie bisher.
 
Meine Güte, es wird wohl dauern, bis ich das alles in meinem Kopf sortiert bekomme.
Als hätte man eine Tür geöffnet, von der man nicht wusste, dass sie die ganze Zeit da war...
 
Aber egal, was ich noch heraus finde, es wird mir trotzdem immer ein Rätsel bleiben, wie Erwachsene sich so unmenschlich gegenüber Kindern versündigen konnten.
 
Ich glaube Kinder wurden damals pädagogisch einfach nicht als Menschen eingestuft.
Sie wurden imO als Humanknete angesehen, die man beliebig formen kann/darf.
 
Meine Töchter sind mittlerweile 17 und 20 Jahre alt und beide hatten schon praktisch alles vom Start weg dabei, was ihre Charaktere ausmachte, als sie auf die Welt kamen.
 
Das habe ich sehr deutlich gespürt.
 
Nur nicht, was sie damit machen und dabei durften wir Eltern dann noch ein wenig assistieren. 😉
 
Viele Grüße
Rainer
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Ralph schrieb am 22.08.2020
Auch ich wurde 1962 kurz nach meinem 7. Geburtstag per Sammeltransport im Zug in das über 350 km weit entfernte „Kinderkurheim Sonnenwinkel“, Bad Reichenhall, Weißstr. 5 für vier unendlich lange Wochen verschickt. Die Bahnfahrt dauert heute ca. 6 – 7,5 Stunden, damals waren das bestimmt mindestens 9 – 10 Stunden – so lange also still sitzen auf einem Platz. Allein die Entfernung ist für ein Kind so, wie wenn man als Erwachsener nach Australien deportiert werden würde: Eine Rückkehr auf eigene Faust völlig unmöglich, die Verbindung nach zuhause total abgerissen. Von wegen telefonieren, es gab ja nicht mal Festnetztelefon zuhause). Einmal pro Woche durfte man eine Ansichtskarte, die man in dem Heim inklusive Briefmarke kaufen musste, was natürlich den Eltern separat in Rechnung gestellt wurde. So eine Karte durfte nur unter Aufsicht geschrieben werden, die „Heimtante“ war Seite an Seite gesessen bis das letzte Wort geschrieben war und diktierte mehr oder weniger, was man zu schreiben hatte. Eine meiner vier Karten tauchte noch nach den mittlerweile 57 Jahren bei mit zuhause auf - mit Poststempel „823 Bad Reichenhall 2, 8.10.62“. Das deckt sich auch mit meinen Erinnerungen: Gerade begann das neue Schuljahr, dann kam irgend so ein Amtsarzt in die Schule und sortierte angeblich kranke Kinder aus (ich hätte wohl Asthma gehabt, was nicht unbedingt zutraf) und die wurden dann gleich zu Beginn des Schuljahres verschickt. Allein das Datum 8. Okt. verrät, dass wir zusätzlich zu dem Verschickungshorror noch vier Wochen Schulunterricht versäumten – doch wen interessierte das damals?
Ohne die Schandtaten in vielen solcher Heime herunterzuspielen wollen, möchte ich doch voraus schicken, dass damals mit Kindern in der Regel anders, d.h. viel grober, umgegangen wurde. Es gab einfach (zu) viele von uns, wirklich funktionierende Verhütung gab es nicht, viele der Kinder (so auch ich) waren einfach „Unfälle“ und infolgedessen nicht unbedingt so sehr erwünscht. Noch heute höre ich meine Mutter später sagen (da war ich schon erwachsen): „Ach die Nachbarin hatte es schön, die bekam keine Kinder“. Sie können sich vorstellen, wie toll man sich da - selbst als Erwachsener - fühlt. Körperliche Züchtigung war nicht nur in den Elternhäusern sondern auch in den Schulen Gang und Gäbe (egal wie die Gesetzeslage war), in den dunklen Keller einsperren praktizierten viele Eltern, z.B. auch meine und die vieler meiner Freunde von damals. Auf spitzen Holzscheiten knien müssen, einen Tag kein Essen und Trinken usw. – das kennen sicher viele noch der jetzt ins Rentenalter eintretenden Leute. Und wenn das schon zuhause so war, wieso sollte man da bei einem Heim noch was hinterfragen? „Die sollen euch mal Manieren beibringen!“ – so in etwa lautete oftmals die elterliche Devise. Das erklärt auch zum Teil, warum diese millionenfach begangenen Grausamkeiten einfach so lange im Dunkeln blieben. Seelische Schäden bei Kindern? Was ist denn das? Der Beruf „Psychologe“ war so gut wie unbekannt, da aus Sicht der Erwachsenen nicht nötig. Vielleicht litt diese Elterngeneration ja selbst noch unter den Spätfolgen des Kriegs. Sicher gab es auch damals verständnisvolle, einfühlsame Eltern, nur leider hatte ich und viele andere das Glück nicht: Ich bekam die vollen vier Wochen kein Lebenszeichen meiner Eltern, keine Karte, keinen Brief.
Der Horror begann schon bei der Abreise im Zug. Da waren überall Verschickungskinder drin verteilt aber auch normale Reisende. Und es gab eine „Tante“, die im Zug auf und ab durch die Waggons lief, um wie ein Schäferhund nach der Herde zu sehen. Neben mir wildfremde Personen (normal Reisende), die je nach Station auch wechselten. Einzige Bezugsperson war diese „Tante“, die ab und zu mal auftauchte aber im Prinzip genauso wildfremd war. Ich hatte ständig Angst verloren zu gehen. Doch offenbar hat man uns in der Endstation Bad Reichenhall alle aus dem Zug gebracht.
Vieles aus dem Heim habe ich vergessen und verdrängt. Doch die eine Postkarte, die ich bei mir zuhause leider nicht mehr finde aber die im Internet zu finden ist http://www.ansichtskarten-center.de/bad-reichenhall/8230-bad-reichenhall-kinderheim-sonnenwinkel-weissstrasse-5-charlotte-heynek-preissenkung zeigt mir u.a. den Waschraum. Der war immer düster, vermutlich wurde Strom gespart. Und dann wurden wir Kinder wie das Vieh in die Duschabteilung getrieben (hinten im Eck auf der Karte rechts unten). Wir waren sozusagen nackter Körper an nacktem Körper gepfercht und dann wurden die Wasserhähne aufgedreht. Es kam entweder eiskaltes oder sauheißes Wasser raus, wir schrien, doch wer über die Duschbrüstung aussteigen wollte wurde sofort wieder in das Becken getrieben. Zum Glück war das nur etwa einmal die Woche.
Bei dem Essen im Speisesaal wurde uns immer eine Nachspeise versprochen, wenn wir alle schön den Teller aufgegessen haben. Leider gab es nie eine. Außer einmal. „Es gibt Buttermilch“ hieß es, ich wusste ja noch gar nicht was das ist, aber freute mich darauf. Doch die war offenbar so stocksauer und klumpig, dass sie in einem Suppenteller mit Esslöffel serviert wurde. Die vergorene Milch löste bei mir den Würgereflex aus, ich erbrach das meiste zurück in den Teller. Doch es hieß „Der Teller wird leergegessen!“. Da wurde mir klar, dass das eine Endlosschleife werden wird, denn das eigene Erbrochene wieder essen müssen wird wieder den Würgereflex auslösen. So hatte ich unter Aufsicht ein paar kleine Löffel irgendwie unter Tränen hinunter gebracht. Zum Glück war die Aufseherin irgendwann mal kurz weg. Das war meine Chance: ich schaufelte alles schnell in meine Hamsterbacken, kotzte das ins Klo, spülte alles schnell runter um Beweise zu vernichten und begab mich schnellst möglich zurück auf meinen Platz. Gottlob, keiner hatte was gemerkt. Doch andere Kinder hatten Pech: Sie erbrachen immer und immer wieder. Diese wurden dann in einen separaten Raum gesperrt. „Bis der Teller leer ist!“ ließ man uns restlichen Kindern wissen. Mir taten die so leid, ich weiß bis heute nicht, wie die Geschichte für diese Kinder ausgegangen ist. Später wurden auch die Kinder dort eingesperrt, die aus irgendwelchen Gründen etwas nicht essen konnten/wollten.
Der Schlafsaal wie auf der Karte rechts oben zu sehen, war keineswegs so schön geordnet. Irgendwie standen die Betten viel enger und meines mitten im Gang. Vermutlich waren viel mehr Kinder untergebracht als normal vorgesehen. Ich wusste, dass es bei mir manchmal nachts „ins Bett geht“, v.a. bei psychischem Stress und prompt wurde wieder Bettnässen ausgelöst. Wenn ich wieder einmal früh aufwachte und merkte, dass mein Bett nass war, wusste ich, wie das Szenario abläuft. Die „Tante“ hat mir eine für jedes Kind vernehmbare gehörige Standpauke verpasst. Dann musste ich mich nackt ausziehen und neben dem Bett warten. Die Tante zeigte dann reihum den anderen Kindern den gelben Fleck in meinem Bettlaken. Wie es genau weiter ging, weiß ich nicht mehr, nur dass ich mich verzweifelt am Bettgestell fest hielt und weinte während mich alle anderen Kinder lauthals auslachten. Mein Bett war ja auch genau mitten im Schlafsaal – das war für so eine Aktion der optimale Standort.
Gerne hätte ich die Wanderausflüge z.B. in den Zauberwald genossen, die Hochgebirgslandschaft war ja völlig neu und total interessant für mich als Kind. Doch ich litt damals sehr unter Seitenstechen, das muss wohl irgendwie durch falsche Atmung o.ä. ausgelöst werden. Ich hatte solche Schmerzen und konnte fast nicht mehr laufen. Doch die „Führerin“ reagierte nicht auf mich sondern setzte ungebremst mit den anderen Kindern das Tempo fort. Ich hatte solche panische Angst, den Anschluss an die Gruppe zu verlieren. Oft hinkte ich verzweifelt hinterher und holte die Gruppe erst wieder bei ihrem nächsten Zwischenhalt ein. Der Gedanke, als Kind völlig allein in so einer fremden Umgebung zu sein, war für mich furchtbar. Man konnte ja nicht damit rechnen, wenn man so als heulendes Elend irgendwo gestrandet wäre, dass sich ein Erwachsener um einen angenommen hätte.
So wurde ich mit der Zeit krank und bekam Fieber – vielleicht von der eiskalten Dusche, vielleicht von dem langen Warten nackt neben dem Bett im kaum beheizten Schlafsaal (es war ja schon Oktober). Ich wusste, dass man als krankes Kind nicht heim darf sondern zwei Wochen länger bleiben muss. So wollte ich unbedingt vermeiden, dass das jemand bemerkte. Und siehe da: Es gelang mir! Selbst der Amtsarzt, der vor der Abreise abschließend die Kinder untersuchte merkte nicht, dass ich Fieber hatte. Allein daran sieht man, wie „gewissenhaft“ man uns untersuchte. Offenbar ging es nur um irgendeinen Stempel o.ä. auf irgendeinem Formular, wo man wieder was abrechnen konnte, der Rest hat nicht interessiert.
Die letzte Erinnerung war noch, wie ich dann in meinem Heimatbahnhof von meinen Eltern abgeholt wurde. Sie merkten wohl, dass ich (sogar relativ hohes) Fieber hatte, aber dass man da mal was hinterfragt und sich beschwert hätte? Das Fieber war nach wenigen Tagen verschwunden, der Stress war ja auch vorbei. Doch über die ganzen Demütigungen hatte ich jahrelang nichts berichtet, weil ich mich so sehr geschämt und immer noch Angst hatte. Es wäre ohnehin äußerst fraglich gewesen, ob meine Eltern da irgendwie jemanden zur Rechenschaft gezogen hätten. Da war ja schließlich der „Arzt“ im Spiel und sich gegen einen Arzt aufzulehnen traute sich damals keiner, genauso wenig, wie den Dorfpfarrer in die Schranken zu weisen.
Man fragt sich doch wirklich: Wie konnte in den hunderten von Heimen millionenfache Kindesmisshandlung geschehen, ohne dass über die Jahrzehnte der längst fällige Skandal an die Öffentlichkeit kam? Die Versager waren nicht wir Kinder, wir waren die Opfer. Die Versager waren neben den eigentlichen Tätern auch eindeutig die Millionen von Eltern, die keinen Mut hatten, die „Obrigkeit“ zur Rede zu stellen. Offenbar leisteten viel zu viele noch den von der Hitlerzeit erlernten blinden Gehorsam. Vielleicht hat sich gerade deshalb diese Tragödie auch nur im Nachkriegsdeutschland abspielen können? Freilich ist es jetzt zu spät, die Verantwortlichen von damals konkret zur Rechenschaft stellen, die meisten werden längst verstorben sein. Aber diese Aktion von Frau Anja Röhl (der ich sehr dankbar dafür bin) sollte wenigstens noch eines bewirken: Dass sich so etwas in unserem Land nie, nie, nie wiederholt!!
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Monika schrieb am 22.08.2020
Waldbrö(h)l Dezember 1968 - da habe ich meinen 6. Geburtstag verbracht. Ich sollte für die Schule aufgebaut werden, weil ich zu klein war. Ich glaube es ging über das Bezirksamt Berlin Steglitz.Meine Eltern brachten mich zum Reisebus und ein Onkel kam mit einer Tafel Schokolade zum Verabschieden. Ich denke meine Familie glaubte wirklich, dass ich viel Spaß mit den anderen Kindern haben würde.Ich selbst war teils freudig,teils ängstlich gespannt und neugierig auf das Abenteuer. Und vorallem ahnungslos. Die Reisevorbereitungen hatte ich mit meiner Mutter in freudiger Erwartung gemacht. Von dem Moment an als der Bus los fuhr bis zu dem Moment (sechs Wochen später) als ich aus dem Bus ausstieg und schockiert war wie fremd mir meine Mutter vorkam und was für eine komische Stimme sie hatte, erinnere ich mich an fast nichts. Es gibt ein paar Situationen, die eindrucksvoll hängen geblieben sind: Ich fange an zu frieren, so mutterseelenallein im dunklen Flur, stramm mit dem Rücken an der Wand stehend. Bis die Aufseherin wiederkommt, mir mit ihrer Taschenlampe ins Gesicht leuchtet und Anweisung gibt wieder ins Bett gehen zu dürfen. Eines morgens macht mir eine Aufseherin klar, dass ich es nie wieder wagen sollte, die Unterwäsche unter dem Schlafanzug anzubehalten.Ich habe nicht verstanden, was daran so schlimm war. Nach einem Mittagschlaf wurde uns während des Aufziehens der Gardinen( Zeichen auf zu stehen)gesagt, dass das fehlende Mädchen in der Mittagspause von ihren Eltern abgholt wurde, weil sie krank geworden ist.Der Klang duldete keine weiteren Nachfragen. An meinem Geburtstag habe ich ein Päcken von zu Hause bekommen. Ich erinnere mich ganz genau daran, wie ich mich gefreut habe und dass ich es aufgemacht habe. Aber ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, was darin war und was damit passiert ist.
Ich frage mich seit dem, ob ich zu jung und einfach überfordert war mich zu erinnern, oder ob es sich(taktisch klug) um reinen Selbstschutz handelt. Ich würde zu gerne etwas über das Heim erfahren. Oder mich mit jemanden austauschen, der auch dort war.
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Amrei Dettmar schrieb am 22.08.2020
Hallo. Mein Name ist Amrei Dettmar, geb. Michels. Ich habe erst jetzt von dieser Initiative "Kinderheimverschickung" erfahren und bin darüber sehr froh, denn beim Lesen der allgemeinen Informationen und der persönlichen Kommentare ist mir klar geworden, dass meine Kinderlandverschickung 1963 mit verantwortlich war für ein Trauma, das mich in jahrelange Therapie geschickt hat..
Ich wurde im Alter von 9 Jahren für 6 Wochen ins Kinderheim Luginsland Bonndorf im Schwarzwald verschickt, weil ich angeblich zu dünn war. Es war das erste Mal ohne Eltern - allein - ohne Freunde. ..Von dort kam ich eingeschüchtert, depressiv und traumatisiert zurück, obwohl ich erst jetzt einen Begriff dafür habe. Aus einem zuvor fröhlichen spielfreudigen Kind wurde ein stilles, in sich gekehrtes ängstliches...
Meine Erinnerungen an die damalige Zeit haben mir gestern Abend wieder die Tränen in die Augen getrieben und sie würden viele Seiten füllen - nur kurz - das, was so vielen anderen widerfahren ist, ist auch mein Erleben seinerzeit gewesen und ich bin sehr dankbar, dass ich mir das heute nach so langer Zeit von der Seele schreiben darf.. .
Heute kann ich das Kind Amrei in die Arme nehmen und trösten. Damals gab es nur Drangsal, Erniedrigung, Angst und Einsamkeit.
Ich bin zur Zeit das erste Mal seit über 50 Jahren wieder im Schwarzwald. Ich bin dabei abzuschließen mit diesem Kapitel und es in meinen Lebenslauf zu integrieren.
Liebe Anja Röhl vielen Dank.
Liebe Mitleidende seinerzeit - viel Verzeihen und positive Verarbeitung des Erlebten...
Ganz lG Amrei
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Rainer schrieb am 21.08.2020
Guten Abend,
 
bis gestern wusste ich nicht mehr, dass ich auch mindestens zweimal vielleicht auch dreimal "verschickt" wurde.
Ganz sicher aber mehr als einmal.
 
Meine Frau erzählte von einer TV-Doku über Kinderlandverschickung und da fiel es mir plötzlich wieder ein.
Ich bin Mitte 50 und hatte wirklich alles vergessen...
 
Gestern bin ich erst um 3:30 Uhr ins Bett gekommen, weil mich das alles so aufgewühlt hat. 🙁
 
Es muss so zwischen 1971 und 1974 gewesen sein und ich war zwischen 5 und 8 Jahre alt.
 
Was mir fast als erstes wieder einfiel war mein völliges Unverständnis.
Meine Eltern ließen mich (am Sammelpunkt) aus dem Auto aussteigen und fuhren dann einfach ohne ein Abschiedswort weg.
 
In erster Linie kann ich mich an das schreckliche Heimweh erinnern und an meine Verwirrung, weil meine Eltern mich einfach allein gelassen hatten.
 
Das Essen war grauenvoll aber man musste (!) aufessen und nachdem ich den grüne Bohnen Eintopf (weiß ich komischerweise noch) ohne zu kauen einfach herunter geschluckt hatte (weil ich Bohnen hasste), habe ich schon die erste Nacht damit verbracht, mich zu übergeben.
 
Was ich auch noch weiß ist, dass wir wie in einem Ritual immer wieder ein Lied über Spatzen singen mussten und darüber, dass wir so fröhlich sind wie sie... 😉
 
Wir waren in Vielbettzimmern untergebracht und ich meine, es waren drei bis vier Stockbetten, also zwischen sechs bis acht Leute pro Raum.
Was das Heimpersonal angeht, waren die in meiner Erinnerung zwar sehr streng und irgendwie eiskalt, aber auch keine ausgewiesenen Sadisten.
 
Schwierig waren die Nächte und dass in einem Zimmer 6 Jährige mit deutlich älteren Kindern zusammen "schliefen"............
 
Meine Eltern kann ich leider nicht mehr fragen, aber es war ein großes Haus fast im Gebirge.
"Stafferhof", Stofferhof"... irgend so etwas.
 
Ach ja, es gab einen sehr klaren kalten See, der einen längeren Fußmarsch entfernt lag und in dem ich Krebse gesehen habe.
 
Da wurden dann Spiele veranstaltet, bei denen zB. eine Kette gebildet wurde, jedes Kind die Arme des Nebenmanns im Kriegergriff (Unterarm in Unterarm) greifen musste und diese Kette musste dann durchbrochen/durchsprungen werden.
Dabei hat sich dann einer den Arm gebrochen und schrecklich geschrien.
 
Einmal wurde ich auch an einen anderen Ort verschickt, das war vorher, aber das ist einfach nur ein großer dunkler Nebel in meinem Kopf. Da war ich wohl einfach noch zu klein.
 
Beste Grüße und viele stärkende Gedanken an alle Mitbetroffene
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Elisabeth Kallenbach schrieb am 21.08.2020
Ich wurde zusammen mit meiner Cousine 1970 mit 4 Jahren für 6 Wochen nach Borkum zur Kur geschickt. Ärztlicher Rat, weil wir angeblich zu dünn wären. An den Namen des Hauses kann ich mich leider nicht mehr erinnern, es war eine kirchliche Einrichtung, das Heim lag direkt am Meer, ein Leuchtturm in der Nähe, Großes weißes Haus ist in meiner Erinnerung.
Meine Mutter hatte mir versprochen, dass es ganz wunderschön wäre dort, und sie mir ganz viele Briefe schreiben würde und auch ich ihr doch schreiben sollte.
Tatsächlich war der Ort schön, direkt am Meer, Leuchtturm, viele Kinder. Aber dann zeigte sich sehr schnell, dass wir in einem Heim/ Gefängnis waren und unsere Wärterinnen Sadistinnen.
Ich erinnere mich vor allem an die Angst und die Wut über die Ungerechtigkeiten. Zuerst wurden ich und meine gleichaltrige Cousine getrennt, ich habe sie 6 Wochen nicht einmal sehen oder sprechen können, dann wurden wir im großen Massen- Schlafsaal einem Bett zugewiesen. Meines stand so, dass ich vor der "Wickelkommode" stand. Jeden morgen mussten dort, die Kinder, die eingenässt hatten ihr Bettzeug abgeben, wurden beschimpft, gedemütigt und bestraft. Ich hatte Angst, dass es mir auch passieren könnte, so schlief ich in der Nacht nur schlecht. Jede Nacht wurde das Neonlicht 2 x eingeschaltet und alle Kinder, die einen Strumpf an ihr Bett gebunden hatten (das war das Zeichen) wurden geweckt und mussten auf die Toilette gehen. Die Wärterinnen standen vor der offenen Toilette und beobachteten die Kinder, ob sie auch wirklich Pipi machen.
Es gab immer mal wieder Spitzen in den Po, es gab sehr schlechtes fettes breiartiges Essen, man musste aufessen, sonst musste man sitzen bleiben. Ich habe mich manchmal übergeben, dann musste ich dennoch weiter essen. Da ich nicht gut aß, durfte ich auch nicht spielen. Der Spielzeugschrank war einmal am Tag für die "lieben" Kinder zugänglich. Die anderen mussten ins Bett. Wir konnten den Schrank und die spielenden Kinder sehen. Ich habe nicht einmal spielen dürfen. Ich schrieb meiner Mutter jeden Tag einen Brief (ich konnte bereits schreiben und lesen), dass sie mich bitte abhole. Jeden Tag kam Post, aber es gab für mich keine Briefe, meine Mutter hat auch keinen meiner Briefe erhalten. Ich habe gedacht, dass sie mich vergessen hat und nie wieder abholt. Dabei wurden unsere Briefe einfach nicht weitergegeben, Sie hatte immer geschrieben. Mein Vertrauen zu ihr war zerstört.
Einmal am Tag durften wir spazieren gehen, an einem Seil, auf dem Steg, im Sand sah ich Muscheln, sah das Meer und durfte nichts aufheben oder mal die Füße ins Wasser stecken. Nur in Reih und Glied marschieren auf einem Holzsteg. Danach wieder schlafen. Das schönste war die Singstunde. Ich erinnere mich an die Lieder, die wir lernten bis heute, die gaben mir Halt und Mut.
Zum Abschied bekamen wir einen Plastikleuchtturm und buntbemalte Muscheln in einem Säckchen. Ich habe das Geschenk sofort weggeschmissen. Als ich wieder zuhause war, war ich fett, aufgedunsen, Still und traurig, aß aber nun gar nicht mehr und die kindliche Lebensfreude war weg.
Die Angst, die Einsamkeit, die Demütigung aber bleiben für immer und tauchen auch heute nach 50 Jahren immer wieder in den Gedanken auf. Essen ist mir nie wieder richtig lieb geworden. Meine Cousine hat es nicht verkraftet, sie starb in der Psychiatrie mit 40 Jahren,
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Estella schrieb am 21.08.2020
Hallo,
ich war als 7-jährige 1962 für 6 Wochen in einem Kinder"erholungs"heim in Tutzing am Starnberger See. An den Namen des Heims kann ich mich nicht erinnern, es wurde von Nonnen geführt, die man nur als hart und streng, teilweise sogar als sadistisch bezeichnen kann. Essenszwang bis zum Erbrechen und Zensur der Post an die Eltern, Wegnehmen des Taschengelds sowie ewiger Durst (es gab nur Früchtetee zum Frühstück und Abendessen, mittags nichts zu trinken und es war sehr heiß draußen) sind die schlimmsten Erinnerungen. Dazu kam ein Gefühl des Gefangenseins in kinderfeindlicher Lieblosigkeit, von schutzlosem Alleinsein und der Depression. Viele Kinder wurden regelrecht krank vor Heimweh - ich hab es irgendwie durchgestanden, aber meine Mutter meinte, ich sei völlig verändert und verängstigt wieder nach Hause gekommen. Kennt jemand den Namen des Heims?
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Markus Bensch schrieb am 21.08.2020
Haus Sonnenschein SPO , Strandweg 8 , Sommer 1978, ich war 11 Jahre alt.
 
Ich erinnere mich daran , dass alle Kinder einmal in einem Gemeinschaftsraum zusammengerufen wurden, weil ein Kotgeruch in der Luft lag und nicht herauszubekommen war woher dieser stammte. Alle Kinder mussten sich in einer Reihe aufstellen und sich Eines nach dem Anderen auf einen Stuhl steigen. Die Erzieher rochen dann in Gegenwart des Heimleiters und Hobbypiloten Herrn Lorenzen am auf dem Stuhl stehenden Kind. Dies ging einige Dutzend Male so. Kurz bevor ich an der Reihe war war der Verursacher dran. Ein in meiner Erinnerung etwa 8 jähriger Junge. Ihm wurde von den Erziehern vor versammelter Mannschaft die Hose heruntergezogen , sodass alle Kinder sehen konnten , dass er es war , der sich eingekotet hatte. Schon damals wusste ich , dass solch eine Erziehungsmassnahme und Erniedrung nicht richtig sein kann. Das Kind tut mir heute noch leid.
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Sandra schrieb am 21.08.2020
Moin moin, vor ein paar Tagen hörte ich zum ersten Mal von der Initiative von Anja Röhl in den Nachrichten im Deutschlandfunk. Plötzlich war alles präsent, 45 Jahre verdrängt. 1975 kam ich mit 5 Jahren nach Wyk auf Föhr, verschickt von der Hamburger Schulbehörde wegen häufiger Erkältungen. An die Untersuchung in der Behörde über dem EKZ Hamburger Straße erinnere ich mich noch gut. Es klang zunächst nach Abenteuer, soweit man mit 5 Jahren sich ein Verschickung vorstellen kann. Zum ersten Mal ging es weg von den Eltern, ein Bus brachte uns, mit Karten um den Hals, Richtung Dagebühl. Teddies und andere Dinge, die uns an zu Hause erinnern sollten, wurden konfisziert. Wir mussten stundenlang stramm marschieren am Strand, von Spielen keine Spurt. Zum Abendessen gab es jeweils ein Wurst- und ein Käsebrot. Ich aß schon damals eigentlich alles, nur Käse löste erbrechen aus. Also tauschte ein lieber Sitznachbar mit mir sein Wurst- gegen mein Käsebrot. Als die Aufseherin dies sah gab es eine Ohrfeige und das Käsebrot wurde mir wie bei einer Stopfgans in den Hals gedrückt. Die Methode hatte Erfolg, klar dass ich von nun an brav mein Käsebrot aß und mich später erbrach.
Schlief man um 19:30 Uhr nicht, wurde man mal im Nachthemd, mal nackt mit einer Wolldecke aber immer Barfuß in den kalten, dunklen Flur an die Wand gestellt, wo man kerzengerade bis Mitternacht ausharren musste. Bettnässerei wurde laut verkündet und Hausarrest bestraft. Ich bekam hohes Fieber und musste auf die Krankenstation. Dort war es toll, eine einzige barmherzige Kinderschwester kümmerte sich rührend um uns. Nach ein paar Tagen wurde es besser und ich musste zurück auf die Station, wo man mich lächerlich machte, für meine "Krank-Simulation". Ich bekam wieder Fieber, musste aber stundenlang im strammen Nordseewind marschieren. Schliesslich 40 Fieber, wieder Krankenstation. An einen Arzt oder eine Ärztin kann ich mich nicht erinnern. Meine Eltern wussten davon nichts. Schliesslich wurde meine "Kur" um 6 Wochen verlängert, da ich mich einfach nicht erholen wollte. Ich bekam Päckchen von zuhause mit Süßigkeiten, die wurden natürlich konfizissiert, ein Brief an die Eltern, den ich einmal diktieren durfte, wurden "angepasst". Ich kam nach wie ich meine 10 Wochen glühend mit hohem Fieber und Geschlechtskrankeiten (sogenannten Trichomonaden) zurück nach Hamburg. Mein Vater musste eine Zuzahlung von ich meine 3000 DM leisten. Wenn es ein Wort gibt, dass die Handlungen bestmöglich beschreibt, ist es die Erniedrigung.
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Stefan schrieb am 21.08.2020
Hallo! Ich war Mitte der 80ziger im Alter von vielleicht 10-11 Jahren in Tambach-Dietharz zur Kur weil ich ein schlechter Esser und zu dünn war. Ich kann mich an nichts schlechtes erinnern. Wir mussten immer Mittagsschlaf machen wo wir schlafen mussten,aufstehen verboten aber soweit ok. Vor dem Zimmer wo ich war sahs die Erzieherin und passte auf. Die Tür war dabei auf. Eines Tages musste ich dringend austreten. Ich weis noch genau das ich mich lange nicht getraut hatte zu fragen, weil sie immer so streng war. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und hab gefragt. Sie sagte gut geh und ich ging den Gang vor zur Toilette. Ich habe mich vor das Becken gestellt und wollte urinieren ,da habe ich nach links geschaut und sah das die Erzieherin im Türrahmen lehnte und mir zuschaute. Da ging bei mir nichts mehr. Ich bekam einen Roten Kopf. Dann kam sie noch näher und stellte sich direkt neben mich und guckte direkt auf meinen ... den ich in der Hand hielt. Ich bekam vor Scham kein Wort raus und sie guckte und guckte es kam mir ewig vor. Irgendwann sagte sie streng in etwa "was mir einfallen würde pinkel zu wollen wenn ich doch gar nicht müsste? und ich das ja nicht nochmal machen sollte!" Dann kam das erniedrigenste überhaupt: "Zur Strafe reibst du mit zwei Fingern Deinen Pullermann...!" Ich dachte ich versinke im Boden... Das urinieren war mir gründlich vergangen. Ich habe das vor Scham nie jemanden erzählt und auch Jahre verdrängt. Erst später als ich mir bewußt wurde das meine Sexuallität unnormal ist, kam mir das wieder ins Bewußtsein. Das hat meine ganze sexuelle Entwicklung beeinflusst und verändert.
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Heike Ross schrieb am 20.08.2020
hallo, ich war von Oster bis Pfingsten 1974 auf Amrum im Haus Wittdün. Da war ich 7 Jahre alt. Ich dachte immer, ich fand das nur ganz schrecklich und habe oft in lustiger Runde von meinen Bestrafungen erzählt.
Das das im Inneren ganz anders aussah, brauche ich an dieser Stelle wohl nicht zu erwähnen... Meine Tochter erzählte mir von dem Fernsehbericht und legte mir nahe, diesen nicht alleine zu schauen. mit meinem Partner zusammen starrte ich auf diesen Fernseher und konnte kaum glauben was ich da sah. Als wenn mir einer die Kehle zudrückte...( Mein Freund hat übrigens das gleiche Schicksal erleben müssen, nur in Soest)
Danach habe ich mit meiner Mutter gesprochen, sie gab mir die Briefe, die ich geschrieben hatte. Es waren nicht meine Worte und teilweise unfertig. Meine Mutter sagte, das ich glücklich zurückgekommen bin und erst paar Jahre später erzählt habe, das ich als Strafe in der prallen Sonne 1kg Krabben puhlen musste ( neben mir saß eine Aufpasserin die mich ständig maßregelte) Im Jugendalter konnte ich erzählen, das ich eingenässt habe und Angst vor Strafe hatte ( Die Strafe ist komplett ausgeblendet. weiß nur das ich aus dem Bett gezogen wurde) Bei einem Ausflug musste ich mal hinter einen Busch, Papier gab´s keins... Im Heim musste ich meine Unterhose waschen. Ich sehe wie ich vor der Kloschlüssel stehe und hinter mir eine Aufpasserin. Was dann passierte, keine Ahnung. Wenn wir keinen Mittagsschlaf gemacht haben, bzw. die Augen nicht zu hatten, wurden wir aus dem Bett geholt und mussten im Nebenzimmer auf einem Stuhl "schlafen". Daneben eine Aufpasserin mit einem Kleiderbügel.
An das Thema Essen kann ich mich überhaupt nicht erinnern!
Es gibt immer wieder kleine Erinnerungsfetzen, wenn ich eure Berichte lese, sind dann aber sofort wieder raus. War es wirklich so schlimm, das der Kopf das bis heute nicht nach vorne holt? Habe ich deshalb bis heute auf der Überholspur gelebt? Immer die taffe Frau gegeben und doch eigentlich nur um Anerkennung gekämpft? in späteren Jahren sind ja auch noch andere Erfahrungen dazu gekommen die einen geprägt haben.
Beruflich bin ich unter anderem gewerkschaftlich unterwegs. Das ist mir auch seit Berufsbeginn sehr wichtig gewesen. Etwas für andere zu tun.
Und was ist mit mir? Möchte ich eigentlich wissen, was damals passiert ist? Es bleibt ein mulmiges Gefühl. Was, wenn auf einmal alles hoch kommt und meine "heile" Welt zerstört?
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Monika von Ramin schrieb am 20.08.2020
Das erste Mal war ich mit 4 Jahren im Haus Lahr oder Laer?. Die älteren Kinder haben uns Kleine gefangen und in die Brennnesseln geschubst. Ich hatte so eine Angst, dass ich nachts eingemacht habe. Dann musste ich aufstehen und meine Unterhosen und das Bettlaken im Waschbecken am Ende des Ganges waschen und alle Kinder durften mich auslachen. Später dann, ich war 9 Jahre alt, wurde ich nach Kirchberg in der Nähe von Kempten zu den Franziskanerinnen geschickt. Ich musste in der Kapelle nachts Leichenwache halten und Zigeunerkindern (so hießen die damals) den Katechismus beibringen. Was sie mir beibrachten waren Schimpfworte. Wir wurden zum Essen gezwungen. Einmal habe ich mein Essen nicht runterbekommen und bin aufs Klo gelaufen, habe es in ein Taschentuch gespuckt und aus dem Fenster geworfen. Dafür wurde ich mit einer Woche Dunkelhaft in einem fensterlosen Raum bestraft. Wer nachts redete, musste aufstehen und am offenen Fenster die Nacht verbringen, draußen lag hoher Schnee. Wenn man nicht zugenommen hatte, musste man das Bett hüten. Wir wurden jede Woche gewogen. Ich habe irgendwann die Schwester Oberin "Ausgeflickte Hure" genannt, keine Ahnung, was das hieß, hörte sich böse an, gelernt von dem Zigeunermädchen. Daraufhin bekam ich wieder Dunkelhaft. Ich habe meinen Eltern geschrieben, sie sollen mich holen. Die Post wurde kontrolliert, ich wurde mit einer Flasche Eierlikör (!) bestochen, damit ich einen anderen Brief schreibe. Und so schrieb ich an meine Eltern: Liebe Eltern, es ist sehr schön hier. Jeden Morgen nach dem Morgengebet gehen wir uns waschen. Danach Anziehen, Beten, Frühstück, in die Schule gehen, vor dem Unterricht Beten, nach dem Unterricht beten, danach in die Kirche gehen .... Meine Eltern haben mich sofort abgeholt.
 
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Elke schrieb am 20.08.2020
1963/1964 Insel Borkum (ich war 5 J.) in unserem Schlafsaal konnte man nachts die Lichter des sich drehenden Leuchtturmes sehen. Grauenhafte Erinnerungen, Spritzen in den Po - Vitamine - du musst dicker werden, dabei war ich ganz normal, Bestrafungen stundenlang im dunklen, kalten Treppenhaus stehen, Essenszwang, Gemeinschaftsduschen Zwang - Panik und schreckliche Ängste, Demütigungen, schlafen, schlafen, schlafen. Geschenke die zum Geburtstag gesandt wurden - wurden verschenkt an andere weil man dies oder das - Taschengeld Null - Eselreiten versprochen - aber am nächsten Tag abgesagt - wegen ... du warst nicht artig Tomate nicht gegessen. Es war ein Alptraum - bis Heute - die Duschen auf dem Boden schmale Holzleisten und Eisendüsen oben an der Decke - vorher Panik und Angstmache - da in der Familie Menschen das KZ überlebt und nicht überlebt hatten - assozierte ich diese riesige Dusche mit dem Tod. Ich hatte Todesangst. Tagsüber allein im Riesenschlafsaal - nicht raus - ich sollte schlafen - Stubenarrest wegen der Tomate die nicht gegessen wurde - nachts lag ich wach - ich lag vorn rechts an der Tür und sah auf ein großes Fenster - Licht Leuchtturm - 1 x in den Dünen in 6 Wochen - NRW
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Claudia Preissler schrieb am 20.08.2020
Verdammt traurig. Ich habe Tränen in den Augen. Wenigsten hast du mit den Eltern darüber sprechen können und sie haben dir geglaubt.
LG Claudia
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Claudia Preissler schrieb am 20.08.2020
Liebe Gudrun,
ich war zwar in einem anderen Heim und zu einem viel späteren Zeitpunkt, aber seit ich hier im Forum unterwegs bin und mich intensiv mit der Aufarbeitung beschäftige, tauchen Erinnerungen auf, die tief verborgen waren. Manches dauert länger, manches blitzt urplötzlich auf. Ich versuche nun alles einzuordnen.
Das diese Zeit, die wir alle hier erlebt haben, uns geprägt hat und zu dem gemacht hat, was und wie wir heute sind, steht außer Frage. Auch ich suche nach "Kindern" von damals und hoffe.
LG Claudia
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Range, Peter schrieb am 20.08.2020
Hallo, ich war als Kind in Wyk auf Föhr. Es muss etwa 1959 gewesen sein. Die Erinnerung ist etwas verblasst. Es war ein Kinderkurheim und ich war ca. 3 Monate über Weihnachten dort. Habe noch Bilder von der Weihnachtsfeier und vom Strand. Nach meiner Kenntnis hatte ich ein Lungenproblem, ( Hilusdrüsen ). Jeden Montag wurde Blut entnommen, hatte jedesmal Angst.
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Soffia Weber schrieb am 19.08.2020
Guten Abend, war jemand von Ihnen/von Euch 1970 um Ostern in einem Kinderkurheim in Wyk auf Föhr?

Und weiß jemand, ob das Haus Tanneck (Wyk auf Föhr) ein Kinderkurheim für Kinder von Angestellten/Arbeitern der Bundesbahn war? War dort jemand 1970 um Ostern?

Herzliche Grüße!
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Hildegard Roos schrieb am 19.08.2020
Hallo, ich bin Hildegard und habe erst heute morgen das 1. Mal hiervon gehört. Ich war 2 x auf Sylt , vermutlich 1963/1962/1961. Ich kann es nicht mehr recherchieren und meine Eltern sind schon verstorben.Ich habe keinerlei erinnerungen an diese Zeit, obwohl das unmöglich ist. Denn eigentlich müsste man sich an die Zeit noch erinnern können. Ich fühle nur, dass es ganz es ganz schrecklich war und will dieses Thema jetzt dringend aufarbeiten.
Vielleicht war ja noch jemand um diese zeit zufällig da.
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Martina Schröder schrieb am 19.08.2020
Liebe Birgit,
 
 
in unserer Heimübersicht ist zwar das Heim aufgeführt, aber leider ohne Adresse. Vielleicht kann man die Adresse in der Stadtverwaltung erhalten, dort gibt es bestimmt Daten dazu im Archiv.
 
Viele Grüße Martina
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Gudrun schrieb am 19.08.2020
Moin, ich war mit 7 Jahren von Mitte August bis Mitte September 1967 auf Borkum im Haus Oberhausen. Diese Zeit war für mich völlig aus dem Gedächtnis verschwunden. Nach dem Bericht im Fernsehen und dem Lesen der Berichte hier im Forum kommen die Erinnerungen wieder. Ich bin damals nach 6 Wochen schwerem Keuchhusten über die BEK zur Kur gekommen. Ich war zu dünn. Später hatte ich ein Leben lang mit Übergewicht zu kämpfen. Das Lebensmotto meiner Mutter war immer "nur nicht auffallen." Vielleicht hat mich das in der Zeit gerettet. Ich habe keine wirklich schlimmen Erinnerungen an diese Zeit. Prügeleien unter uns Kindern gab es glaub ich nicht. Alles, was nicht schön war, die großen Schlafsäle, das pappige Essen, dass aufgegessen werden musste, die Wegnahme der eignenen Sachen, vorgeschriebene Postkarten, das alles sind Dinge, die alle erlebt haben. Ich habe sie damals auch klaglos hingenommen. Nicht auffallen und durchhalten.Irgendwann war ich zwischendurch krank in Borkum, aber was , weiss ich nicht mehr. Ich hab auch nach der Rückkehr nichts erzählt. Wozu? Es war vorbei. Jetzt fange ich langsam an zu begreifen, wie sehr mich das dennoch geprägt hat und welche Spuren es inmeinem Leben hinterlassen hat. Genau dieses damals eingeübte Verhalten hat mich immer begleitet. Ich habe eine hohe Leidensfähigkeit entwickelt. Vielleicht ist dies auch das Trauma der Kindheit, was zu meiner schweren Fibromyalgie geführt hat, wie mir Ärzte immer sagen. Ich habe es bisher abgestritten, denn da war ja nichts. Aber vielleicht kann ich mit den langsam zurückkommenden Erinnerungen jetzt arbeiten. Ich würde mich freuen, wenn es hier noch mehr gäbe, die Erinnerungen an dieses Haus auf Borkum haben. Ich habe noch zwei Namen im Kopf (ohne Anspruch auf Genauigkeit), die mit mir dort waren: eine Helga Kobbe aus Celle ud eine Almuth Engel aus Gifhorn.
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Martina Saal schrieb am 18.08.2020
Hallo Manuela.
Ich hab gelesen, dass Du im Ferienlager in Lauscha warst. Bist Du dir sicher, dass es ein Ferienlager war? In Ernstthal ( gehört ja zu Lauscha) gab es ein Kinderkurheim. Dort war ich. Trauma meines Lebens. Ich bin dringend auf der Suche nach Kurkindern, die dort auch waren. Das Haus war nicht besonders groß und direkt am Waldesrand. Aber eher höher gelegen. Die Zimmer waren 3 Bettzimmer. Wir hatten kein Doppelstockbett, aber die Jungs im Nebenzimmer. Der Keller hatte smaragdgrüne Fliesen, es gab ein kleines Nebengebäude- dort machten wir glaube Sport. Wir hatten ewige Spaziergänge durch den Wald gemacht. Im Erdgeschoss war ein großer Speisesaal- 6 Kinder an einem Tisch. Bitte melde Dich doch bei mir gerne per E-Mail. Bin HOV von Ernstthal und im Menü zu finden. Danke, LG
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Lina-Marie schrieb am 18.08.2020
Liebe Ina,
ich bin entsetzt über das, was dir angetan wurde und was Du aushalten musstest. Danke, für deinen Mut darüber zu schreiben.
Dass Du nicht frei leben kannst, glaube ich dir sofort. Mir geht es ähnlich und täglich sehne ich mich nach dem Gefühl frei und leicht zu sein.
Wenn mir Wildtiere nahe kommen, z. B. eine Schar Entenküken um mich herum schwimmt, wenn ich in meinem Lieblingssee schwimme, bekomme ich eine Ahnung davon.

Liebe Grüße, Lina-Marie
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Birgit schrieb am 18.08.2020
Hallo, ich war vom 16.06.1964 - 21.07.1964 im "Haus zur grünen Wiese" in Dettlingen, heute Horb am Neckar, Ortsteil Dettlingen, untergebracht. Geleitet wurde das Haus von 2 alleinstehenden Frauen (Mutter und Tochter). Gezahlt wurde der Aufenthalt von der LVA, der AOK und meinen Eltern. Ich kann mich noch an Folgendes erinnern:
1.) Mit knapp 6 Jahren wurde ich ohne Familie in Nürtingen in den Zug gesetzt und fuhr in den Schwarzwald.
2.) Im Garten gab es mittags eine Vorlesestunde. Danach musste von einem Kind die Geschichte nacherzählt werden. Wer dazu nicht in der Lage war, bekam Schläge mit den Pantoffeln der jüngeren Betreuerin. Ich selbst war davon nicht betroffen, doch das Leiden der anderen Kinder tat mir weh.
3.) Nach dem Abendessen gab es ein Trinkverbot. Da es Sommer war und wir auch noch anschließend durstig waren, haben wir bei der Abendtoilette unsere Waschlappen nass aufgehängt, damit wir nachts daran saugen konnten.
4.) Ich kann mich noch an 2 Namen der anderen Kinder erinnern: eine Monika und Hans. Hans war wohl nach Ansicht der Betreuerinnen etwas vorlaut und wurde dann in den Kohlekeller gesperrt, dessen Zugang vom Garten aus mit einer Falltür möglich war. Bzw. wurde er im Haus in einen Raum ohne Fenster gesperrt, in dem nur das Bett Platz hatte. Die Dunkelheit des Raums hat mich damals schon zutiefst erschüttert. Wenn ich es noch richtig weiß, hatte Hans zuvor erbrochen.
Ich würde mich freuen, die Adresse des Heims zu erfahren, sowie von den übrigen Heimkindern, insbesondere von Hans und Monika. Auch die Namen der Betreuerinnen würden mich interessieren. Diese Erlebnisse habe ich bis zur TV-Sendung über Verschickungskinder als Einzelfall betrachtet. Über eine Rückmeldung würde ich mich freuen. Einzelne Fotos von damals sind noch vorhanden.
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Martina Schröder schrieb am 18.08.2020
Hallo Dorothee,
 
trage dich bitte mit deinem Heim und dem Verschickungsjahr im Forum ein. Hier gibt es mehr Chancen jemand zu finden.
Es gibt auch einen Heimortkoordinator für die Insel, melde dich auch bei ihm, er kann dir vielleicht auch weiterhelfen.
 
Liebe Grüße Martina
 
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Heidi schrieb am 18.08.2020
1965 in den Sommerferien war ich 12 Jahre alt. Meine Eltern fragten mich, ob ich zur Erholung ans Meer fahren wolle. Als "Wasserratte" sagte ich voller Freude ja zu Borkum. Ein Nachbarsjunge fuhr ebenfalls mit. Ich glaube, das Heim hieß Concordia.
Als wir ankamen, wurden wir in feste Jungen- und Mädchengruppen eingeteilt und erhielten eine Nummer, ich war 6 Wochen lang die 22.
Unsere Uhren wurden uns abgenommen - es gab im ganzen Kinderheim keine Uhren - sodass wir nie wussten, wie spät es war. Die eigene Kleidung wurde durch Heimkleidung ersetzt.
Wir gingen von da an überall hin in 2er-Reihen, immer mit der entsprechenden "Nummer" an seiner Seite. Auch auf die Toilette, ca. 5x am Tag; dazwischen durfte man nicht. Während die Schlange vor der Tür wartete, musste man zusehen, dass man einmal am Tag "groß" machte, was man abends in der Runde berichten musste, bzw. was von den "Fräuleins" vor dem Spülen kontrolliert wurde. Wer 3x nicht "groß" gemacht hatte, musste ein Glas Seewasser trinken.
Die Abendrunden waren sehr unangenehm. Die Tageskleidung kam in einen Beutel, die Unterhosen mussten wir umgedreht vor allen in die Mitte legen. Wer sie "schmutzig gemacht " hatte, wurde getadelt. Besonders schockiert war ich, als ein Mädchen dort zum ersten Mal ihre Regel bekam und man das natürlich auch sah. Auch sie wurde von unserm Fräulein als schmutzig beschimpft.
Mein Nachbarsjunge, ca. 8 Jahre alt, bekam eine Kinderkrankheit (Windpocken oder Masern...). Ihm wurden wiederholt Vorwürfe gemacht, die Krankheit eingeschleppt zu haben.
Gegessen wurde immer in den festen Gruppen. Es gab sehr oft Milchreis. Man musste alles aufessen, ggf. stundenlang vor dem Teller sitzen bleiben, sonst wurde man mit Bettzeit bestraft. Einmal bekam ich mit, wie ein Kind sein Erbrochenes aufessen musste.
Schlafen mussten wir in Schlafsälen, immer mit dem Gesicht zur Wand. Reden war streng verboten. Die Schlafzeiten erschienen mir endlos, auch nachmittags. Dabei war ich mittags gar nicht müde. Manchmal hatte ich den Eindruck, sie lassen uns zum Abendessen gar nicht mehr aufstehen. Aber wir konnten ja nirgends auf die Uhr sehen.
Unseren Eltern durften wir ca. 2-3 mal schreiben. Die Inhalte wurden zensiert, d.h. bei negativen Aussagen mussten wir die Karte neu schreiben mit "Textvorschlägen" der Fräuleins. Wer nicht gehorchte, dem drohte man, ihn/sie auf Kosten der Eltern nach Hause zu schicken.
Die Eltern schickten Päckchen mit Süßigkeiten. Wir durften sie lange nicht aufmachen; aber 2-3 mal durften wir das. Dann mussten wir uns alles, was wir mochten, auf einen Teller laden und auf einmal aufessen. Uns war kotzübel!
Meine Sehnsucht nach Baden im Meer konnte ich mir abschminken. Wir waren 2, höchstens 3 mal am Strand. Wir gingen in der Gruppe ins Wasser und mussten im Kreis angefasst bleiben. Eigene Schwimmbewegungen waren nicht erlaubt.
Als wir nach Hause kamen, glaubten uns die Eltern, da wir unabhängig voneinander das Gleiche berichteten. Sie bedauerten uns wegen der enttäuschenden Ferien. Leider hatten sie nicht den Mut, sich zu beschweren oder zumindest die AOK, die den Aufenthalt bezahlt hat, zu informieren.
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Andrea Telle Wiryawan schrieb am 18.08.2020
Hallo an Alle ?
Kennt jemand vielleicht auch das Kinderkurheim „Hilde Coppi“ in Schleusingen ehem. DDR und das Heim in Kartzow Stadtteil Potzdam bei Berlin?
LG Andi
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Gerald Thomsen schrieb am 18.08.2020
Moin Gerd,
ich war 1964 im Marienhof in Wyk auf Föhr. An einem Eingangstor waren dort Walknochen aufgestellt. Vielleicht hast du die in Erinnerung. Im Forum habe ich unter "Kinderheim in Wyk auf Föhr" meine Erlebnisse niedergeschrieben:

https://verschickungsheime.org/forum/topic/kinderheim-wyk-auf-foehr/
Gruß
Gerald Thomsen
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Dorothee schrieb am 18.08.2020
Hallo, gibt es jemanden, der ins Haus Dünenrose auf Norderney verschickt wurde. Ich war dort mit knapp drei Jahren 1965 auf "Kur".
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Christian schrieb am 18.08.2020
Hallo Satha,
Deine Erfahrungen decken sich 100% mit meinen. Die "Tante mit grauem Dutt" war Elfriede Selter, die Leiterin bzw. Eigentümerin der Einrichtung. Im Forum unter "NRW" gibt es bereits einen lebhaften Austausch zu Brilon
Grüße
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Gerd schrieb am 18.08.2020
Liebe Frau Röhl,
vielen Dank für Ihre Arbeit und die Möglichkeit, sich hier neben vielen anderen mitteilen zu können.
Ich lebe in SH und wurde im Sommer 1967 im Alter von 7 Jahren nach Wyk auf Föhr "verschickt".
Als ich jetzt den Frnsehbericht sah, kam das große Deja Vu: Bestrafungen durch andere Kinder, im Bett fixiert, starkes Heimweh, dass durch rauhe Handlungen der Betreuerinnen unterdrückt wurde. Der Geruch von dünnem Hagebutten-Tee liegt mir noch heute in der Nase.
Ich habe mit immer wieder gefragt, woher meine Depressionen und meine Ängste vor dem Leben stammen. Ich denke, mir wird es immer klarer.
Den Namen der Unterkunft weiß ich nicht mehr, erinnere mich aber an tägliche Spaziergänge, bei denen wir immer an dem Museum mit den Wal-Kieferknochen vorbeikamen. Vielleicht war es das Haus der Barmer...meine Eltern waren damals schon dort Mitglied.
Vielleicht findet sich hier jemand, der auch zu dem Zeitpunkt dort war.
Grüße von Gerd
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Rolf Schuh schrieb am 18.08.2020
Hatte ja bereits erwähnt das ich 1969 auf Norderney war. Nun las ich gerade, das es insgesamt 25 dieser Heime auf Norderney gab. Ich selbst war im Marienheim untergebracht. Wie auch von anderen geschildert klar durchgetackterer Tagesablauf, mit wenig Bewegung und viel Schlaf. Der Horror für mich als gerade 10 jähriger. Die Zeit geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Die Gerüche des fast immer gleichen Tees und des schrecklichen Mukefucks, den wir in Resten auch noch nachmittags nach dem Mittagsschlaf bekamen. Jeder bekam eine Portion auf den Teller und alles musste aufgegessen werden, sonst mußte man vor seinem Teller sitzen bleiben bis er leer war. War der kleinste im Schlafsaal der Großen, weil schon zu groß für die kleinen. Eine harte Schule für mich mit teilweise skurilen Erinnerungen. Einer hatte mich nachts geärgert bis ich mich mit ihm richtig angelegt habe. da kam die Aufsicht und ich musste nur mit Schlafanzug bekleidet auf einer Bank sitzend 2 Stunden ausharren, bis ich wieder ins Bett durfte. Was ich nie vergessen werde ich der grauenvolle Gestank auf der Toilette nach abgestandenen Urin. Dort habe ich mich oft heimlich zurückgezogen, wenn ich nachts nicht schlafen konnte und habe mir Gedanken gemacht, wie ich von dort weg komme. Schreiben wie es mir ging und das ich Heimweh hatte ging nicht. Unsere Post unterlag einer Zensur. Das kannst du nicht schreiben! Willst du das sich deine Eltern Sorgen machen und traurig sind weil es dir hier nicht gefällt?
Einziger Lichtblick der 6 Wochen waren die 2 Besuche des damals neuen Wellenbades. Ansonsten Tristes hinter Glas und kaum Ausgang. Gewichtszunahme war ja auch das Ziel der Kur. Darum war ich ja auch dort, weil von dem damaligen Hausarzt als zu leicht befunden.
Lese manchmal noch die Briefe die ich aus dieser Zeit geschrieben habe die noch vorhanden sind und es läuft mir kalt den Rücken runter.
Was für eine Zeit - Viel ist verschüttet und nicht mehr da - Einiges noch recht gut in meiner Erinnerung.
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Jürgen schrieb am 18.08.2020
Kinderklinik Mittelberg/Oy 1955:
Eine Erinnerung: Als Fünfjährige Schläge mit der Eisennagel-Bürste auf den nackten Hintern, da nachts der bereits übergelaufene Nachthafen mit Kot und Urin für Ca.6 Kurkinder auf der Stube umgestoßen wurde.
Wer weiß von dieser Kinderklinik als Kurkind aus dieser Zeit zu berichten?
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Ute Wagner schrieb am 18.08.2020
Liebe Frau Röhl, als ich die Reportage über Kinderverschickungen von Report Mainz gesehen habe, sind mir viele unschöne Erlebnisse in Erinnerung gekommen, die mir und meiner Schwester in Schönwald widerfahren sind.
Herr Brennecke hat mich mit seinen Schilderungen an das schlimmste Erlebnis erinnert, in dem ein Junge vor unseren Augen sein Erbrochenes aufessen musste! Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte dachte ich, dass ich etwas Falsches in meinem Kopf gespeichert habe, weil diese Situation damals so ungeheuerlich für mich war, dass man es nicht glauben wollte.
Wir sind verschickt worden, weil ich zu- und meine Schwester abnehmen sollte. Ich nahm aber nicht zu, weil das Essen für mich ekelig war, und dachte, dass ich dort nie wieder wegkomme. Ich bekam offene Stellen an meiner Wirbelsäule, die mit heißen Kamillenteebeuteln „therapiert“ wurden. Die Schmerzen waren kaum auszuhalten. Nachts mussten wir mit dem Kopf zur Wand einschlafen. Wir durften weder sprechen noch auf Toilette gehen. In vielen Nächten habe ich mich eingekotet. Ich versuchte es zu verheimlichen. aber das gelang nicht immer. Ich erinnere mich an Duschen in Form von eiskaltes druckvolles Abspritzen am ganzen Körper, weiß aber nicht mehr, warum mir das angetan wurde.
Meine Schwester und ich haben viel geweint und wollten nur nach Hause. Aber wir hatten keine Chance, Kontakt mit den Eltern aufzunehmen. Aber irgendwie ist es uns gelungen, bei einer Wanderung fremden Menschen heimlich einen Zettel zu geben mit einen Hilferuf an Zuhause, der dort auch angekommen ist. Unsere Mutter hat uns dann Gottseidank abgeholt.
Es war uns gar nicht bewusst, dass so viele Kinder in den 50-60er Jahren verschickt wurden und viel Leid ertragen mussten. Deshalb danken wir Ihnen für Ihre unermüdliche Arbeit und die Veröffentlichungen unserer Schicksale. Für mich persönlich war das eine große Hilfe, da ich meine schlimmen Erlebnisse als wirkliche Ereignisse in meinem Kopf ablegen kann und nicht mehr die Zweifel habe, ob ich das überhaupt erlebt habe.
Vielen, vielen Dank!
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Ina schrieb am 17.08.2020
Heuberg Heimname unbekannt. Vermutlich war ich der Heilstätte in Stetten. Das war das einzige was ich im www zu Heuberg finden konnte. Ich war dort ca 1960 zur Erholung wegen Lungenproblemen.
Mit dem Fernsehbericht hat mich etwas Dunkles eingeholt.
Ich muss so 5Jahre alt gewesen sein, da wurde ich einfach zu anderen Kindern in den Zug gesetzt und hatte keine Ahnung wo es hingeht und warum. Irgendwann wurden wir in einem Auto auf unsere Koffer gesetzt und weiter transportiert. Und dann war ich eben irgendwo, mit einigen anderen Kindern. Auch in diesem Heim musste Erbrochenes wieder abgeschluckt werden. Ich erinnere mich an eiskaltes Abduschen. Die Vereinsamung war schrecklich und schwer zu ertragen. Ich erinnere mich nachts isoliert worden zu sein. Mit Bonbons am Kopfende in meinem Kinderbettchen wurde ich in ein Erwachsenenzimmer gebracht. Es war dunkel und fremd. Die Bonbons konnte ich nicht anrühren, vor Angst. Ich soll an Windpocken erkrankt gewesen sein, erklärte mir später meine Mutter. Eigentlich hatte ich die vor der Kur bereits schon hinter mir, wunderte sich meine Mutter. Nach der Erholungszeit, ich weiß nicht wie lange ich dort war, brachte sie mich in eine Klinik. Dort wurde ich untersucht und in der Augenklinik von allen Seiten fotografiert. Dann wurden mir die Filzläuse mit samt meinen Wimpern von den Augen geschnitten. Ich empfand Ekel vor mir selbst. Man hatte mich im Heim sexuell missbraucht. Mein Kopf erinnert sich noch nicht richtig, nur mein Körper. Er kann nicht vergessen. Bis heute kann ich nicht frei leben. Zu viel hat man mir genommen. Aber ich tat mein Bestes meinem weiteren Leben, trotz allem, auch Gutes abgewinnen zu können.
Danke für die Reportage und Danke für diesen Raum.
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Michael und Eva Lingner schrieb am 17.08.2020
Sehr geehrte Frau Röhl,
ihre Doku „Kinderverschickungsheime“ habe ich mit Erschütterung und Zorn angeschaut. Auch ich war Ende der 50ziger Jahre von einer derartigen „schwarzen Pädagogik“ betroffen.
 Im Rahmen einer von der Barmer Ersatzkasse organisierten Verschickung Berliner Kinder in den Allgäu, Immenstadt Kleiner Alpsee, landete ich, als 10jähriger Junge in einem Kinderheim, direkt am See gelegen und von einer gestrengen Frau in Schwesterntracht geführt. Ihr völlig unterqualifiziertes Personal begrüßte uns schon am Bahnhof mit folgenden Worten. Man kenne ja schon Berliner Kinder und wisse wie man mit ihnen umzugehen habe. Dieser rüde Ton herrschte 6Wochen lang vor und schlug bisweilen in tätliche Übergriffe um.
Der allmorgendliche meist angebrannte Haferbrei musste heruntergewürgt werden egal, ob einem schlecht wurde oder nicht. Jede Verweigerung bzw. jeder Kommentar, der sich auf die angebrannte und ungenießbare Milch bezog, wurde mit Ohrfeigen beantwortet. Das Resultat dieser 6 wöchigen sogenannten „Erholung“ war, dass robustere Kinder den erlebten Druck an schwächeren und ängstlicheren Kindern ausließen.
Meine Frau, die Ende der 60ziger Jahre nach Sylt verschickt wurde, wollte ihre 5 jährige Schwester nachts auf die Toilette begleiten, wurde von dem Heimleiter, Herrn Schaumlöffel, entdeckt, als erstes kommentarlos geohrfeigt und anschließend zur Strafe für lange Zeit mit verschränkten Armen hinter dem Kopf in die Ecke gestellt. Ältere Mädchen machten sich einen Spaß daraus Aufseherin zu spielen, indem sie meine Frau und ihre kleine Schwester obendrein verhöhnten.   
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Kerstin Palatz schrieb am 17.08.2020
Ich habe kürzlich den Bericht im Fernsehen gesehen und mein Vater gab mir einen Bericht aus dem Hamburger Abendblatt vom 8./9.August 2020, der sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigt hat "Das Leid der Kinder in den Kurheimen".
Ich war als 5 1/2-Jährige in Berlebeck bei Detmold, m. E. im heutigen Schullandheim Haus Berlebeck im Jahr 1965 (?) für gefühlt 6 Wochen (lt. meiner Eltern waren es aber lediglich 3...) zur Kur, da ich unter Bronchitis litt.
Ich habe nur noch rudimentäre Erinnerungen, aber die Bilder, die auf der Internetseite des heutigen Schullandheimes zu sehen sind, kommen wir sehr vertraut vor.
Es gab:
zum Frühstück Graubrot mit ?? gelber Marmelade ??, dünnen Hagebutten-Tee (auch abends??)einen Ausflug zum Hermannsdenkmal und zur Adlerwarte Berlebecknachts Patrouillengänge der Schwestern; sie leuchteten einem mit Taschenlampen ins Gesicht, ob man schläft. Wenn nicht, musste man am nächsten Tag in den Keller auf einer Pritsche liegen (eine Glühbirne an der Decke) und dort bleiben, während die anderen Kinder die Freizeitstunde(n) haben durften...morgens oder abends kalte Güsse aus dem Wasserschlauch (zur Abhärtung gegen Bronchitis???)Kontrolle der Pakete, die die Eltern zugeschickt hatten (keine Ahnung, was tatsächlich bei mir ankam und was konfisziert wurde)eine begonnene Nachtwanderung, auf der ich beim Laufen zu Fall kam und mich vielleicht verletzt hatte (ich weiß es nicht mehr); die Nachtwanderung wurde dann mit der Begründung "Ihr könnte euch bei Kerstin bedanken, dass die Nachwanderung nun ausfällt" abgesagt.Es gab nicht:
das Gefühl, dass ich dort nochmals "Kur" machen wollteWeitere Dinge sind mir nicht in Erinnerung, oder mein Gehirn hat sie erfolgreich verdrängt. Ob mein Leben anders verlaufen wäre, wenn ich nicht dorthin verschickt worden wäre, weiß ich nicht.
Viele Jahr litt ich unter enormer Verlustangst...ein Folgeschaden???
Ich weiß es nicht und will auch nicht tiefer in die Erinnerungen meines Hirns eindringen...
Eines noch sagte mir mein Vater kürzlich "du kamst verändert zurück"...angeblich habe meine Mutter auch wissen wollen, was dort im Heim abgelaufen sei, aber ich vermute, dass ihre Recherche im Sande verlaufen ist...
Mit mir hat damals m.E. keiner gesprochen und ich habe meinen Eltern erst Jahre später von den vorbeschriebenen Ereignissen berichtet..."...warum hast du uns das nicht früher erzählt...?"
...ja, warum nicht...
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Claudia Preissler schrieb am 17.08.2020
Verdammt traurig. Ich habe überall eine Gänsehaut. Wir konnten diese Menschen kleinen Kindern nur so etwas sagen? Konnten deine Eltern dir erklären, dass dem nicht so war? Dass sie dich ganz doll lieb haben?
Ich musste in meinem Kinderkurheim Wassertreten. Dabei stakste ich durch ein Becken mit eiskaltem Wasser, jeden Morgen. Nur in Unterhose, obenherum blieben die Sachen an. Weil ich recht klein war mit 9 Jahren, ging mir das Wasser bis zu den Schenkeln und ich bekam eine nasse Unterhose. Die durfte ich danach nicht wechseln und so musste ich Hose oder Rock drüber ziehen und sie anbehalten. Grausam!
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Lucy schrieb am 17.08.2020
Ich bin im Sommer 1974 auf Norderney im Haus Detmold, Lippestraße 12 - 15, 6 Wochen zur Kur gewesen. Träger des Hauses war damals der Kreis Detmold, jetzt der Kreis Lippe. Heute ist es ein Jugend- u. Gästehaus. In der Chronik der Insel ist nachzulesen, dass es 1977 insgesamt 25 (!) Kinderkurheime auf der Insel Norderney gab. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wieviele Kinder in diese 25 Heime verschickt worden sind.
 
Ich war mit meinen 6 Jahren (am Ende des Sommers wurde ich 7) das jüngste, kleinste Kind in der Gruppe. Alle anderen Kinder waren älter, gingen schon zur Schule und konnten schon Lesen und Schreiben. Sie erhielten viel Post von Ihren Eltern , Großeltern, Tanten etc. Ich bekam natürlich nie Post, denn ich konnte ja sowieso noch nicht Lesen, warum sollte man mir auch schreiben. Ich habe mich unendlich allein, abgeschoben und überfordert gefühlt. Schließlich war ich erst 6 Jahre alt. Irgendwann habe ich die Erzieherin gefragt, ob sie für mich einen Brief an meine Eltern schreiben könnte. Ich habe flehentlich in dem Brief gebeten, dass man mir doch bitte auch schreiben kann, denn alle anderen Kinder würden Post von zuhause bekommen, nur ich nicht. Tatsächlich hat meine Mutter mir dann geschrieben. Ich kann mich noch genau an diesen Moment erinnern. Wie glücklich ich gewesen bin, einen Brief von zuhause in Händen zu halten. Ich weiß nicht mehr, was sie geschrieben hat. Den Brief hat mir die Betreuerin auch nur ein Mal vorgelesen. Da war ich aber bestimmt auch schon gut 2 Wochen in Kur, und alle anderen Kinder hatten zu diesem Zeitpunkt schon mindestens 3 oder 4 oder mehrBriefe von zuhause bekommen. Die anderen Kinder erhielten auch Pakete von zuhause. Von dem Inhalt der Pakete, meistens Süßigkeiten, durften sie sich 3 Teile aussuchen und behalten, den Rest mussten sie abgeben. Die größeren Kinder schrieben diese Regelung dann nach Hause und erhielten dann Pakete nur mit drei ganz "großen" Sachen. Ich bekam kein einziges Paket, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, denn meine Eltern waren der Meinung, die verschickten Kinder sollten möglichst durch nichts an zuhause erinnert werden, das wäre besser, dann würden sie kein Heimweh bekommen. Überhaupt wurde mir im Vorfeld von meinen Eltern eingetrichtert, dass ich auf keinen Fall Heimweh haben dürfte, es müsste alles gut gehen mit diesem Aufenthalt, ich wäre ja schließlich schon groß, und alles würde nur zu meinem Besten sein. Außerdem ginge es auch nicht anders, denn ich würde mich ja immer kratzen (ich hatte Neurodermitis), wäre also schließlich selber Schuld an dieser Maßnahme. Der Hauptgrund war, dass meine Eltern mich loswerden wollten, denn sie hatten selber die letzten 3 Wochen meines Kuraufenthaltes ihren Sommerurlaub auf Norderney gebucht. Man muss sich das mal vorstellen: sie erholten sich auf der gleichen Insel zur gleichen Zeit, während man mich alleine verschickt hatte! Welche Mutter, welcher Vater bringt das übers Herz?? Gut, dass ich verschickt werden konnte, denn so konnte man sich die 3 Wochen Familienurlaub leisten. Wieder und wieder musste ich mir das in den Wochen vor der Kur mitanhören, wenn meine Mutter es stolz in der Nachbarschaft oder Verwandtschaft oder beim Einkaufen anderen erzählte und ich dabei war. Hätte ich auch nur irgendwie aufgemuckt, hätte das bedeutet, dass ich meinen Eltern den Sommerurlaub nicht hätte ermöglicht, denn so mussten meine Eltern nur den Urlaub für sich und meine noch sehr kleine Schwester bezahlen. Es wurde von mir erwartet, dass ich das so mache, man gab sich auch überhaupt keine Mühe, mir den Aufenthalt im Vorfeld irgendwie als schön zu beschreiben. Ganz im Gegenteil, auch das war wohl nur zu meinem Besten.
Für diesen Sachverhalt konnte die Verschickung an sich und das Heim auf Norderney nichts. Vielleicht ist in diesem Heim wirklich alles richtig und gut gewesen - ich kann mich ja leider nicht daran erinnern - und ich bin nur durch diesen Hintergrund schon vollends traumatisiert in diesem Aufenthalt angekommen. Die Tatsache, dass ich mich überhaupt nicht erinnern kann, sagt aber auch schon vieles. Ich war einfach viel zu klein um schon auf mich alleine aufpassen zu können. Ich erinnere mich noch, dass die ganze große Gruppe von Kindern nach unserer Ankunft in dem Heim sich in einem großen Raum versammeln musste. Dann wurden die Namen aufgerufen und die Kinder mussten vortreten. Da mein Nachname am Anfang des ABC s stand, wurde ich als erste aufgerufen. Ich konnte überhaupt nicht realisieren, was jetzt von mir erwartet werden würde.Irgendjemand hat mich dann nach vorne geschubst und mir gesagt, dass ich jetzt dorthin gehen müsste. Alle anderen Kinder haben leise gelacht als ich dann nach vorne ging. Die ganzen 6 Wochen habe ich wie im Trance über mich ergehen lassen. In Erinnerung geblieben sind mir ständige, lange Spaziergänge, auf denen ich immer Angst hatte, zu müde zu werden und es nicht mehr mit der Gruppe zurück zu schaffen. Sehr genau weiß ich auch noch, dass mittags von 13.00 bis 15.00 Uhr immer Mittagsruhe war. Auf den Zimmern hatte es komplett ruhig zu sein, wer störte, bekam eine Strafe, musste in der Ecke stehen. In dieser Zeit durfte auch niemand auf Toilette, denn dann hätte er ja über den Flur gemusst. Wer wirklich auf Toilette musste, - die absolute Ausnahme - musste vorher ganz leise zum Zimmer der Betreuer gehen und fragen, ob er ausnahmsweise zur Toilette gehen durfte. Wir haben mit 5 oder 6 Mädchen auf einem Zimmer gelegen. Als wir schon ein paar Wochen hinter uns hatten, kam in der Mittagszeit immer die kleine Tochter von einer Mitarbeiterin (Putzfrau oder Köchin??) mit auf unser Zimmer und musste reihum bei einer von uns im Bett mit liegend ihren Mittagsschlaf machen, denn in der Einrichtung konnte wohl sonst niemand auf dieses Kind in der Zeit aufpassen und es musste irgendwie abgestellt werden. Das Kind war natürlich bei uns allen total verhasst, denn wir mussten unser Bett damit teilen und konnten das Kind auch nicht weiter kennenlernen, denn Reden war ja in der Mittagszeit verboten.
Ich hoffe, dass ich mich über dieses Forum nach und nach wieder an mehr erinnern kann, was in dieser Zeit passiert ist. Denn diese 6 Wochen haben tiefe Wunden bei mir hinterlassen, dass weiß ich schon sehr genau. Es tut unheimlich gut, hier alles niederschreiben zu können, nicht alleine damit zu sein. In der Chronik des Hauses Detmold ist übrigens auch der Name des Heimleiters zu dieser Zeit damals genannt zusammen mit einem Foto. Die Kinderkuren wurden Anfang 1989 in diesem Haus eingestellt.
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Hild Günter schrieb am 17.08.2020
Ich war mit fast 10 oder 11 Jahren auf Norderney es muss 1965/6 gewesen sein und wir wurden einer genauen Tagesordnung unterstellt, Bewegungsfreiheit war wenig. Einmal gab es so eine Glibbersuppe und ich setzte das mit den Quallen gleich und hab sie wieder ausgewürgt.
Die Tante wollte das ich die Suppe aß wogegen meine Tischgenossen aber protestierten. Daraufhin wurde auf Vollzug verzichtet. Wegen schlechter Körperhaltung musste ich auch zur Gymnastik und so war wieder eine Zeitspanne unter allgemeiner Kontrolle. Zwei Tanten, ich glaube eine war die Gymnastiktante diskutierten auch ob ich abartig sei.
In die See kamen wir nur in Begleitung, Händchenhalten der Tanten – aber im Wellenbad ging es freier zu. Wie gesagt Tagesablauf genau vorbestimmt mit Anstehen zum Toilettengang ( 1 funktionierende für 25 Jungs ) und zum Beispiel Mittagsschlaf reichlich lange. Zum Duschen mit circa 10 Jungs in einem Zug durchgeführt von einer der Tanten. Von direkten Misshandlungen wüsste ich nicht.
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Manuela schrieb am 16.08.2020
1983

Ich habe meine Vater noch nicht oft mit Tränen in den Augen gesehen. Als er mir vor Kurzem das erste Mal etwas zu Garz erzählte, und zwar nur diesen einen Satz: “Die Manuela war ein anderes Kind als sie zurück kam” hatte er Tränen in den Augen. Da begann mein “In mich Hinein hören” und nachbohren.
Blass, abgemagert, eingeschüchtert.
So haben mich meine Eltern nach 6 Wochen Kinderkur wegen Bronchitis in der DDR, genauer gesagt in Garz, am Busbahnhof Zwickau in Empfang genommen.
Das Abendbrot an diesem Tag zog ich ewig hin. Ich habe gegessen und gegessen und gegessen. Das einzige was ich erzählte, oder woran sich meine Eltern erinnern ist, dass “böse Kinder in den Keller zu den Mäusen” mussten. Und dass wir unter die kalte Dusche gestellt wurden. 6 Wochen ohne Kontakt zu meiner Familie. Besuch war nicht erlaubt. Hinbringen und abholen auch nicht. Mit 4 Jahren. Im Gepäck hatte ich 6 Fotos vom Strand. Postkartenidylle. In unseren Gesichtern kein Lächeln. Im selben Jahr war ich im Sommerurlaub in Markgrafenheide an der Ostsee mit meinen Eltern und meiner Schwester. Auf jedem Bild lache ich.
Fragmente der Erinnerung an Garz:
- Englischer Garten mit mehreren Gebäuden, langer Weg, wir sind in einer Gruppe Kinder unterwegs
- Medizinischer Saal mit Ihnalationsgeräten, da war ich mehrmals
- dunkles Zimmer mit Doppelstockbetten. Horbynek & Speybel Bild an der Tür. Eventuall gehört das zu meiner Erinnerung an das Ferienlager Lauscha.
Ich habe sonst keine Erinnerung. Es bleibt nur ein verstörendes Gefühl. Mulmig. Ich sei nach kurzer Zeit wieder wie vorher gewesen. Zur Kur musste ich nie wieder.
Garz war meine zweite traumatische Kindheitserfahrung.
Mit 1,5-2Jahren war ich vermutlich mit Scharlach im HBK Zwickau. Für 2-3Wochen. Meine Eltern durften mich 1 Mal besuchen. Ich krallte mich am ein meiner Mutti fest. Ich kam abgemagert wieder. Und in der Entwicklung zurück geschritten, da ich vor dem Krankenhausaufenthalt bereits trocken war und danach wieder Windeln brauchte.
Im Ferienlager Lauscha war ich schon 9-10 Jahre alt und habe natürlich mehr Erinnerungen an diese Zeit und berwiegend Positive. Eine Szene ist mir ganz klar vor Augen. Wir spazieren bergab zu einer Mülldeponie. Jeder sucht sich Schätze. Die er mit heim nehmen darf. Ich habe eine Porzellantasse mit schönen Verzierungen ausgesucht. Ein anderes Kind sagt etwas weil die Tasse einen Sprung hat. Mir ist es egal. Ich freue mich darauf zuhause stolz meinen Eltern diesen Fund zu zeigen. Dann müssen wir alle anstehen und einer Betreuerin unsere Mitbringsel zeigen. Sie macht mich fertig, weil ich keine Glasaugen gesammelt habe. Das kam völlig unerwartet. Heute ist mir klar, dass wir Ferienlagerkinder dazu missbraucht wurden, die Schutthalde nach Verwertbarem zu durchsuchen. Zuhause glaubt mir das niemand.
Dieselbe Kinderärztin, die mch in die Kur verschickt hat, verhinderte dass ich ein Opfer des DDR Dopings wurde. Trotz Bronchitis, die mit den Jahren verschwand, waren meine sportlichen Leistungen so gut, dass ich in die Sportschule gedurft hätte. Damals war ich sehr enttäuscht über die verwehrte Chance. Heute bin ich froh, dass das System mir dort nicht noch mehr schaden konnte und ich eine normale Kindheit in einer 08/15 Dorfschule erleben konnte.

Wer war auch zur Asthma-Kur in Garz?
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Angelika schrieb am 16.08.2020
hallo,ich heiße angelika und war anfang november 1956-1957
im kinderverschickungsheim dr.gies in ödsbach b. oberkirch im schwarzwald.
ich war von der barmer ersatzkasse dort für 6 wochen hin geschickt worden.
ich war 6 jahre alt.
es war eine ganz schlimme zeit,die ich nie vergessen werde.
man sagte mir,ich sei da,weil meine eltern mich nicht mehr haben wollten.
ich wurde zum essen gezwungen. mußte ich mich erbrechen,mußte ich trotzdem meinen teller leer essen( mit dem erbrochenen)
nachts weinten alle kinder im bett und nästen ein.die schwestern machten ständig kontrolle und wehe sie erwischten kinder die geweint haben.
war das bett naß,blieb' man trotzdem im nassen liegen.wir durften nicht zur toilette.schwestern zeigten mehreren kindern in der nacht auf dem dachboden,ganz viele fledermäuse,die dort von den balken runter hingen.sie gingen raus und schlossen hinter sich die tür zu.unendlich lange ließen sie uns,im dunkelen dort oben..ich hatte panische angst.
als der nikolaus kam mußte ich im großen saal nach vorne und er sagte,er hätte erfahren,daß ich nicht genug essen würde.er käme nach ein paar tagen noch mal corbei und ich könnte was erleben, wenn ich nicht mehr essen würde.
ich kann mich noch an viele sachen erinnern.
fast alle kinder hatten heimweh..
die ganzen 6 wochen war ich furchtbar traurig,weil man mir doch sagte,ich wäre dort,weil ich da wäre,weil meine eltern mich nichht mehr wollen....
es war eine ganz schlimme zeit...
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Garfield schrieb am 16.08.2020
Hallo,
ich habe von meinem Bruder, der mit mir im Oktober/November 1976 auf Langeoog in Kur war, von dem Beitrag gehört und ihn angeschaut.
Bis kurz vor Ende des Berichts dachte ich, dass ich es gar nicht so schlecht in Erinnerung hatte. Aber als dann das mit den systematischen Bestrafungen kam, konnte ich nicht mehr. Da kam dann vereinzelt wieder die ein oder andere Begebenheit hoch.
Ich schreibe einfach runter, an was mich erinnere.
Wir kommen aus Süddeutschland und unser Vater war bei der Post und hat uns darüber nach Langeoog geschickt, da wir etwas kränlich waren. Meinen Eltern mache ich keine Vorwürfe, denn sie wollten das Beste für uns und wussten es nicht besser. Ich will es einfach für mich aufarbeiten, denn es wühlt mich doch mehr auf, als gedacht.
 
Wie viele hier schon geschrieben haben, wurden wir nachts zu einem Bahnhof (ich meine sogar, dass es Rottweil war) gebracht. Wir bekamen einen Brustbeutel mit Namen und Zielort umgehängt und wurden einer Betreuerin/Betreuer übergeben. Das war mein erste lange Bahnfahrt und ich erinnere mich daran, dass die roten Sitze zu einer Liegeflächge umgelegt wurden und wir die ganze Nacht durchfuhren.
Wir waren in einem Heim, das von Schwestern / Diakonissen betrieben wurde. An den Namen erinnere ich mich nicht mehr.
 
Ich war 5 Jahre mein Bruder 6 Jahre alt und während des Aufenthalts hatte ich Geburtstag. Es gab Geschenke und auch Post.
 
Schlimm war der Mittagsschlaft. Wir waren das nicht gewohnt und hatten damit unsere Probleme. Ich erinnere mich, dass ich (warum weiss ich nicht mehr) bestraft wurde. Und zwar von den älteren, starken Kindern aus dem Schlafsaal. Ich wurde gefesselt, verhöhnt. Ob ich geschlagen wurde, weiss ich nicht mehr. Wenn ich auf meine weitere Menschwerdung zurückblicke, dann ist das ein Puzzelteil zu dem was danach noch kam. Ich konnte, kann und will mich körperlich nicht zur Wehr setzen. Es durchzieht mein Leben so etwas wie ein Faden, dass ich unterwürfig, reizbar, jähzornig bin und zu Misantropie neige.
An die Aktivitäten erinnere ich mich, dass es ein Wellenbad gab und wir öfters am Strand waren.
Von unserem Taschengeld durften wir uns kleine Andenken kaufen. Ich habe davon noch einen Seestern.
Es gab dünne, süße Milchsuppe mit Eiweißschnee drin. Die mochte ich eigentlich ganz gerne.
 
 
Was mich zum Nachdenken bringt, ist folgendes: Wie denken die Kinder, die andere auf Befehl drangsaliert bzw. bestrafen mussten über ihre Zeit? Was ist aus diesen geworden? Rühmen sie sich ihre Taten?
 
Mit meinem Bruder werde ich versuchen, das Thema aufzuarbeiten, denn ich glaube, er hat es schlimmer in Erinnerung.
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Christiane Beckmann schrieb am 16.08.2020
Ich wurde mit chronischer Bronchitis geboren...hatte von Geburt an oft Husten.
Mit ca. 6 Jahren (ca. 1971) wurde auch ich zur Kur "geschickt", es sollten sechs Wochen werden, ohne meine Eltern, völlig alleine.
M i t S E C H S Jahren ! Alleine !
Ich kann mich leider an sehr wenig aus meiner Kindheit erinnern, aber die Bruchstücke die ich habe, sind deutlich.
Meine Eltern haben es mir damals versucht auf alle mögliche Weisen erträglich zu machen, diesen Moment des Abschiedes. Sie haben mit mir geredet, dass es gut für mich ist, ich dann gesund bin, ich kann dann am Wasser spielen, da sind viele Kinder.
An den Tag, an dem sie mich nach Bad Lippspringe (wir nannten es immer Bad Spuck-Lunge) fuhren, kann ich mich nur an eine Situation erinnern, aber an die um so deutlicher und es ist, als ob ich auf mich selbst hinabschaue:
ich stehe hinter einer großen Glasscheibe, presse meine Hände und mein Gesicht an die Scheibe, meine Eltern gehen, meine Mutter weint, mein Vater und sie winken und winken und ich stehe oben und weine und weine.
Wenn ich das schreibe, bekomme ich Gänsehaut und ein wenig das Gefühl, wie es damals wohl war und ich kann nichts dagegen tun, dass sich mir der Hals zuschnürt und mir Tränen in die Augen steigen.
Nie wieder in meinem ganzen Leben habe ich mich so verlassen gefühlt. Ich weiß, dass ich unglaubliche Schmerzen des Verlustes hatte, dass ich stundenlang geweint hatte.
Die dort arbeitenden Schwestern - ich weiß gar nicht mehr, ob es Krankenschwestern (so nannte man sie damals) oder Nonnen waren, sie sahen alle irgendwie so gleich und kalt aus - sagten mir immer wieder, ich solle mich zusammenreißen.
Man steckte mich in die Gruppe der Kleinen, irgendwie, so erinnere ich mich vage, sei ich wohl so ein Zwischenalter. Zu jung für die ältere Gruppe und zu alt für die Jüngeren.
Irgendjemand sagte mir, ich glaube, eine Schwester, dort muss eine nette gewesen sein, dass sie versuchen, mich zu den Älteren zuzuordnen, da wäre es besser.
Ich merkte wieso, sehr schnell. Ich lerne, was Drill ist, als Sechsjährige.
Der Umgang war wie einstudiert, kalt, das Schlimmste war das Essen.
Ich weiß, dass ich Angst vor dem Mittagessen hatte. Aber eigentlich nicht vor dem Essen sondern dem Getränk.
Es wurde damals in einem großen hellen Raum gemeinsam gegessen, runde Tische. Ich meine mich zu erinnern, dass immer ungefähr 5-6 Kinder an einem Tisch saßen. Alle Tische hatten zuständige "Aufseherinnen", anders kann ich sie nicht nennen.
Zum Essen gab es immer Saft. Ich weiß nicht, wieso manche Kinder Tomaten- oder Karottensäfte trinken mussten, ich fand das ekelhaft. Aus irgendeinem Grunde hatte ich Obstsaft.
Jeden Tag hatte ich Angst, ich würde auch Gemüsesaft bekommen.
An meinem Tisch war ein Mädchen, was ihren Saft nicht trinken wollte und ich verstand sie gut, denn der Karottensaft roch schon ekelhaft.
Aber die Aufseherin brüllte sie an und drang sie, zu trinken. Sie konnte nicht, man merkte, dass sie würgen musste.
Also nahm diese verdammte bis heute von mir gehasste Frau, das Glas, setze es an dem Mund des Mädchens, hielt mit der anderen Hand den Hinterkopf und zwang es, den Saft zu trinken.
Sie erbrach sich in ihren Teller vor sich und weinte.
Woraufhin diese Hexe das Mädchen anbrüllte und ihr sagte, sie bleibt sitzen und sie würde genau aufpassen, der Teller wird leer gegessen.
Wir anderen durften aufstehen und das war - aus heutiger Sicht - bestimmt so mit das Schlimmste für das Mädchen - sie war alleine. Für mich war es besser, ich konnte diese Situation kaum ertragen.
Alles war so voller Aggressionen, das sich auch auf die Kinder übertrug.
In einer Nacht, als ich in meinem Zimmer lag und schlafen wollte, ging ich auf den Flur weil das Licht angeschaltet war. Ich konnte nicht schlafen, es war zu hell.
Ob wir Glas in den Türen hatten oder die Zimmertüren offen stehen mussten, ich erinnere mich nicht mehr.
Aber ich weiß, dass ich den Flur langging zum Lichtschalter, das Licht ausschaltete und zurückgehen wollte, als ich irgendwelche Jungs hörte, die mich packten und mich einer würgte, bis ich zu Boden fiel.
Als ich zu mir kam, war ich alleine, ich ging in mein Bett und sprach mit niemandem darüber.
Ein paar Tage später kam ich in die Gruppe der Großen und dort war alles besser. Man durfte spielen, zur Schule, lachen.
Vielleicht habe ich dort mehr erlebt, ich weiß es nicht, aber das, an das ich mich erinnere, wurde erst wieder in mir wach, als ich so Anfang Zwanzig war.
Und wie ich nun sehe, ich war nicht der berühmte Einzelfall.
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Martin, Jakobi schrieb am 16.08.2020
Endlich habe ich mal eine Seite gefunden, die sich damit beschäftigt. Und schon habe ich das Haus in Kaldenkirchen gefunden, wo ich mich 2 mal in den 60ern war. Meine Erinnerungen decken sich mit den Erlebnissen der Kommentatoren hier. Bei mir waren es aber Monate, und nicht mehr 3 Wochen. Die damalige Leiterin lebt wohl Heute 3noch. Die einzige positive Erinnerung war, daß wir beim Spaziergang den weißen Schimmel an der Grenze bewundern konnten. Auf dem Spazierweg standen noch viele zerbombte Ruinen vom Krieg. Müsste so 1967 oder 68 gewesen sein.
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Satha schrieb am 16.08.2020
Ich war 1978 (oder vielleicht 1979) mit 5 (oder 6) Jahren ein Verschickungskind. Nach Berichten von anderen und ein paar Fotos, die ich nun gesehen habe, war ich wohl in Brilon, verschickt über die Barmer Ersatzkasse. Mit dem Zug wurde ich mit weiteren Kindern in Ravensburg, Süddeutschland in den Zug gesetzt. Nach und nach sind immer neue Kinder dazu gekommen.

Ich kann mich erinnern, dass bei unserer Ankunft im Heim bereits viele Kinder vor Heimweh geweint haben. Ich allerdings hatte mich auf den Aufenthalt gefreut (ich bin freiwillig und soweit ich weiß ohne gesundheitliche Probleme zur "Kinderkur" gegangen) und habe die anderen getröstet und ihnen Mut zugesprochen, dass wir doch hier eine tolle Zeit haben werden. Dass das nicht der Fall sein würde, habe ich sehr schnell gemerkt.

Ein Mädchen war zusammen mit ihrem Bruder in Kur. Die beiden haben gebettelt, dass sie zusammen bleiben dürfen, aber das half natürlich nichts. Schlimmer noch: Das Mädchen war Bettnässerin. Sie wurde jede Nacht trotz panischem Geschrei in ein separates Zimmer eingeschlossen. Jeden Morgen wurde im Esssaal ihr verpinkeltes Bettlaken aufgehängt, vor dem sie sitzen musste, während die anderen gefrühstückt haben.

Tatsächlich konnte ich mich an eigene Quälereien bis gerade nicht erinnern.
Aber gerade ist mir eingefallen, dass ich mich nachts mal erbrochen habe. Auch dieses Bettzeug würde im Esssaal aufgehängt. Ob ich auch davor sitzen musste, weiß ich nicht mehr. Aber ich durfte meine vom Erbrochenen verklebten Haare nicht waschen und man hat versucht, sie mir zu kämmen.

Ich erinnere mich an Wasser mit Apfelessig, das wir trinken mussten. Und es gab Pudding mit Haut. Ein Junge, der neben mir am Tisch saß, hat der Aufseherin gesagt, dass er das nicht esse könne, da er davon brechen muss. Ich erinnere mich noch genau an ihren Satz" Das heißt nicht brechen, sondern kotzen! Und jetzt aufessen!" Er hat sich dann tatsächlich über den Tisch erbrochen. Wir mussten trotzdem weiter essen. Auch der Junge.

Abends gab's immer einen Löffel Honig vor dem Zubettgehen.

Zum duschen mussten wir uns nackt ausziehen, in einer Reihe aufstellen und wir wurden mit einem Schlauch mit schmerzhaften Wasserstrahl und kaltem Wasser abgespritzt.

Regelmäßig wurden wir grob auf Läuse untersucht.

Nachts durften wir nicht auf Toilette. Ich erinnere mich an eine Tante mit grauem Dutt, die zwischen den Stockwerken patrouilliert ist. Ich musste dringend, also habe ich gewartet, bis sie endlich nicht mehr zu hören war und habe mich auf die Toilette geschlichen. Als ich fertig war, habe ich sie schon wieder kommen hören und mich hinter der Klotüre versteckt. Ich hatte panische Angst, dass die Aufseherin mich entdecken könnte oder sie meinen rasenden Herzschlag oder meinen Atem hören kann. Ich blieb aber unentdeckt.

Anziehsachen durften wir nicht selbst raussuchen. Als ich der Tante meine Lieblingskleidung gezeigt habe, durfte ich sie während der ganzen 6 Wochen nicht anziehen. Laut meiner Mutter wurde die meiste Kleidung sauber wieder nach Hause gebracht, der Rest ist gestanden vor Dreck. Unterhosen wurden wohl nur einmal pro Woche gewechselt. Kleidung und sämtliche perönliche Dinge wurden weggesperrt.

Ich kann mich an einen "Postkartentag" erinnern. Da ich nicht schreiben könnte, wurde das von jemand anders für mich gemacht. Ich weiß, dass überwacht wurde, was geschrieben wird, aber ich wollte meine Eltern zu Hause nicht beunruhigen, somit hätte ich eh nichts falsches geschrieben.

Der zum Haus gehörige Hund, der uns auf Ausflüge begleitet hat, wurde während meinem Aufenthalt überfahren. Das hat mir zumindest eine der Tanten erzählt.

An die Ausflüge kann ich mich nicht mehr erinnern, bis auf irgendein Fest - ich glaube mit Festzelt - bei dem es jede Menge Süßigkeiten gab, weswegen ich nachts erbrochen habe.

Das Süßigkeitenpaket meiner Eltern wurde verwahrt bis zum Abreisetag, an dem dann alle Süßigkeiten auf alle Kinder aufgeteilt wurden für die Heimreise.

Ich glaube bis heute, dass ich Glück gehabt habe in dem Heim, Ich glaube mich zu erinnern, dass ich mich etwas mit der Tochter von einer der Angestellten angefreundet habe, die auch oft dort war. Kann aber auch Einbildung sein. Vielleicht wurde ich deshalb von vielen Dingen verschont.

Als ich aus dem Zug zu Hause ausgestiegen bin, wollte ich eigentlich nicht heulen, Ich wollte meinen Eltern auch nicht erzählen, was ich dort alles erlebt habe. Aber als meine Eltern mich gleich bei der Begrüßung gefragt haben, wie es war, habe ich losgeheult und einiges erzählt. Konsequenzen hatte dies aber keine. Meine Mutter sagt heute, sie könnten sich nicht vorstellen, dass so was tatsächlich passiert ist. Heute siegt sie das etwas anders.

Gottseidank hatte dieser Aufenthalt keine Auswirkungen auf mein weiteres Leben. Glaube ich zumindest. Außer vielleicht, dass ich mich in meiner Kindheit und in der Jugend immer für die Leute eingesetzt habe, die von Mitschülern oder Lehrern ungerecht behandelt oder gemobbt wurden.

Ok, heute leide ich unter Depressionen, was erst kürzlich diagnostiziert wurde, aber ich sehe da keinen direkten Zusammenhang.
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Trogemann Trogemann schrieb am 16.08.2020
Hallo ja danke. Sehr lieb von dir.
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Trogemann Trogemann schrieb am 16.08.2020
Hallo Jürgen ganz lieben Dank für die netten Worte. Habe mich total gefreut. Ja und was dir passiert ist tut mir ebenfalls sehr leid. Fühle dich gedrückt auch von mir. Ich werde mir helfen lassen. Ich kann auch seit 6 Monaten nicht mehr arbeiten. Bringt so auch nix. Ich muss erstmal hier weg und mir helfen lassen. Lieben Dank und ich hoffe wir schreiben vielleicht nochmal. Tina
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Celiju2000 schrieb am 16.08.2020
Ich bin ein Verschickungskind aus den 80ern. Bis vor kurzen war mir nicht mal bekannt das ich ein Verschickungskind war. Hätte ich nicht zufällig von dem Betrag auf ARD in Google darüber gelesen. Nun ja, ich war erschrocken und neugierig zugleich. Den Bericht auf ARD habe ich mir angesehen und war überrascht das man dieses Thema in der heutigen Zeit findet. Nun zu mir:
Bei meiner ersten Kur war ich gerade mal 4 Jahre alt wurde für 6 Wochen verschickt.1981.Ich wurde ganz alleine in einen Zug gesetzt der mich über Stunden bis zur Ostsee nach Pelzerhagen quer durch Deutschland fuhr. An diese Kur habe ich nur noch wenige Erinnerungen, so wurde mir zum Beispiel im Schlaf meine Haare abgeschnitten. Ich wurde morgens wach und sah aus als wäre ich angefressen worden. Mir wurde gesagt das es meine Zimmernachbarin gewesen sein sollte. Diese stritt es aber ab. Zur zweiten Kur 1984 für 6 Wochen zum Haus am Schmalensee im Mittenwald wurde ich mit 6 Jahren auch alleine mit dem Zug verschickt. Diese war der Horror, es gibt Erinnerungen wie:
Ich musste alles aufessen, sei es noch so Wiederlich. Ich musste sitzen bleiben bin der Teller leer war, anschließend hieß es Speisesaal putzen. Dann wurde ich von den Betreuerinnen dort heftig geohrfeigt und geschlagen. Mit einem anderen Mädchen musste ich mich vor allen kindern nackt ausziehen dann mussten wir durch den Flur vor allen nackt in den Duschraum. Dort wurden wie sehr lange mit eiskaltem Wasser und einem sehr festen Strahl abgeduscht. Wir durften uns nicht weg drehen, so spritzen man uns in die Genitalien ins Gesicht und auf den ganzen Körper. Es fühlte sich an als würde man in dem Eiswasser erfrieren. Dann mussten wir stehen bleiben und alle Kinder mussten auf mich und das andere Mädchen auf Kommando der Betreuerinnen so fest sie nur ko nten auf uns einschlagen. Diese Schmerzen sind heute noch spürbar. Nackt, gedemütigt, erniedrigt und geschändet mussten wir zurück aufs Zimmer. Briefe mit dem verzweifelten Hilferuf an meine Eltern mich ab zu holen kamen nie an . Stattdessen musste ich einen vorgegebenen Text auf eine Postkarte schreiben. Untersuchungen beim Arzt gab es auch vermehrt. Medikamente ( Säfte ) gab es öfter. Demnach habe ich auch gewisse Ausfälle an die Erinnerungen von damals. Mit der Zeit und der Intensivität kommen die Erinnerungen wieder. Nun ja, des weiteren wurde ich in ein Raum eingesperrt, Bei einer „Party“ lief immer und immer wieder das gleich Lied.... das habe ich lange Zeit gehasst und konnte es nicht hören. Schlafenszeiten war streng vorgegeben. Die Kontrollen brutal. Wurde festgestellt das ich wieder eingenässt habe, fing die Prozedur von vorne an. Die Eingenässte Kleidung musste ich mit der Hand auswaschen. Vom Tag der Heimreise weiß ich noch, das ich als ich im Zug war bitterlich geweint habe. Ebenso bei der Ankunft zu hause. Ich fiel meiner Mutter im die Arme Brach auf dem Bahnsteig zusammen. Dennoch habe ich bis vor wenigen Jahren darüber geschwiegen. Denn selbst jetzt, wo ich erwachsen bin spüre ich das man mich nicht ernst nimmt. Es fühlt sich an als würde ich erzählen auf dem Markt nur rote anstatt grüne Äpfel bekommen zu haben. Gleichgültig? Glaubt man mir nicht? Wahrscheinlich, wer glaubt eine solche Storry wenn er sie nicht selbst erlebt hat?
Die Zeit dort hat mein Leben bis heute beeinflusst, egal ob schulisch oder Privat, ich war ein anderes Kind. Neben meinen Krankheiten ein zurückgezogenes gebrochenes Kind. Vielen fällt mir heute schwer , richtig zu lieben... mich zu entschuldigen... uvm.

Ich würde mich sehr freuen wenn ich das Mädchen von damals wieder finden könnte. Wir wurden über das Jugendamt Darmstadt dorthin verschickt. Ich weiß noch das das Mädchen damals einen Schlüsselbeinbruch hatte und den Stützverband damals beim Jugendamt trug
Ich freu mich hier in dieser Gruppe zu sein.
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Jürgen Schmied schrieb am 15.08.2020
Hallo, ich suche Betroffene, die in der Zeit zwischen 1963/64 in der Kinderklinik in Engelsbrand
( Schwarzwald) waren. Die Klinik war hauptsächlich für TBC kranke Kinder. Ich selbst verbrachte dort ca 8 Monate.
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Andrea Telle Wiryawan schrieb am 15.08.2020
Hallo an alle
Gibt es denn zufällig auch jemanden der im Hilde Coppi Heim in Schleusingen und im KinderKurheim in Kartzow Stadtteil Potzdam bei Berlin gewesen ist.
Ich war dort jeweils Anfang der 70er Jahre
Herzliche Grüße
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Jürgen schrieb am 15.08.2020
Hallo liebe Tina,
Du hast einen sehr schlimmen Lebens- und Leidensweg dieser Dir entgegengebrachten Menschenverachtung zu ,,verdanken‘.
Ich habe einen hohen Respekt davor, wie du trotzdem nicht aufgegeben hast und gib bitte niemals auf!
Ich habe es Gottseidank schaffen dürfen, weil meine Familie sich aus dem Sumpf hat herausziehen können und mir Liebe und eine Ausbildung hat schenken können.
Was mir aber auch bis heute blieb, ist meine Konfliktscheue, diffuse Angstattacken, vor großen Gebäuden, selbst vor Frauen. Ich bin zweimal geschieden. Vielleicht habe ich das der Heimleiterin zu verdanken, ich weiss es nicht. Aber Frauen machen mir tatsächlich Angst ( eine Heimleiterin hat mich u.a. vor den Augen meiner Mutter geschlagen). Auch die Angst Entscheidungen zu treffen, weil man dann seinen Willen ja äußern finden und muss, ist mir in abgeschwächter Form, geblieben. Auch das habe ich wahrscheinlich dieser Feau zu verdanken, die der Meinung war, Kindern haben nichts Zu wollen.
Wie gesagt, ich habe Glück, dass mein Umfeld stark war und mich hat immer stärker werden lassen bis heute.
Daher meine dringliche Bitte an dich: such dir Hilfe nur bei guten Menschen, es gibt sie, und lass all diejenigen Menschen aus deinem kostbaren einzigen Leben heraus, die Dir Schäden, ob sie das bewusst tun oder auch, weil ihnen mal böses angetan wurde.
Such dir psychologische Hilfe, die Dir den Weg zu deinem wollenden Ich freischaufelt. Ich kann das nur sehr empfehlen!

Fühle dich umarmt von mir!
GLG Jürgen
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Gabriele schrieb am 15.08.2020
Wenn du weiter scrollst findest du noch mehrere Beiträge vom Schloss Fridenweiler im Schwarzwald, wirklich keine schöne Zeit
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Petra Scheid schrieb am 15.08.2020
Ich war 1972, mit 4 Jahren in Langweiler Hunsrück im Kloster Marienhöh.
Meine traumatische Erinnerung:
Mir wurde die Suppe reingelöffelt, als ich auf das Kleid der Nonne erbrochen habe, wurde mir der nackte Hintern versohlt. Ich habe mein Leben lang die Auswirkungen dieses Traumas gespürt, ich entwickelte eine Angststörung, Angst vor dem Erbrechen, atypische Anorexie. Seit meinem 20sten Lebensjahr bin ich immer wieder in therapeutischer Behandlung gewesen. Nach einer ganz schweren Krise, habe ich es geschafft das Trauma zu verarbeiten, mit vielen Befreiungsschlägen, die meine Leben wieder glücklich und zufrieden machen. Es war harte Arbeit, aber es hat sich gelohnt.
Ich freu mich, dass es nun dieses Forum gibt und ich mit meiner Geschichte anderen helfen kann und auch für mich, ist es heute noch befreiend zu erfahren, dass ich nicht die Einzige war. Diese Ungerechtigkeit, die uns wohl allen das Leben schwer gemacht hat, darf in die Öffentlichkeit gelangen, dank Anja Röhl und allen Beteiligten.
Petra
 
 
 
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FrankLin schrieb am 15.08.2020
Hallo zusammen, ich bin Jg. 1967 und war im Oktober+November 1972 für sechs (lange) Wochen im Haus Meeresstern (Wangerooge), auf Verschreibung meines Kinderarztes, organisiert und bezahlt vermutlich von der Krankenkasse. Meine heutigen Erinnerungen daran sind insgesamt spärlich (und ich weiß nicht, ob ich das nun gut oder schlecht finden soll). Eine Spaßveranstaltung war es definitiv nicht. Aber nach der gestrigen Ausstrahlung/Wiederholung des beklemmenden ARD-Beitrages zu Kinder-Erholungsheimen bin ich definitiv auf der Suche nach mehr Informationen aus der Zeit.
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Dr. Wolfgang David schrieb am 15.08.2020
In den vergangenen Tagen sind noch weitere Erinnerungen, aber auch ein Feedback meiner 95jährigen Mutter und meiner älteren Schwester hinzugekommen.
Beide sagten am Mittwoch übereinstimmend singemäß:
"Du warst traumatisiert. Aber erzählt hast Du fast nichts: Nur, dass die Post gelesen und kontrolliert wurde und dass die Päckchen an die Kinder von den Frauen "leergefressen" wurden."
 
In den verganenen drei Tagen neu bewußt gewordene Erinnenrungen:
Vor Abreise hatte es einen Info-Abend der Barmer Ersatzkasse gegeben. Von diesem kehrte meine Mutter mit dem bereits erwähnten und noch vorhandenen BEK-Reiserucksack nach Hause zurück. Ich erinner mich noch genau daran, wie Sie mit diesem Stück durch die Wohnungstür kommt.
 
In den Tagen vor meiner Abreise nähte meine Mutter kleine maschinengestickte Namensschilder in meine Kleidungsstücke, da diese in Wyk gewaschen wurden.
Einige dieser Kleidungsstücke bzw. der später in anderen Kleidungsstücken wiederverwendeten Stoffetiketten sind auch noch erhalten.
 
Vor der Abreise am 5.1.1970 gab es einen Bericht in den Fernsehnachrichten, dass wohl bundesweit überall Sonderzüge in den Tagen nach dem Jahreswechsel mit den Kindern zu den Heimen aufbrachen.
 
Der Sonderzug fuhr abends los. Einfache Abteile mit ausziehbaren Sitzen. Spätabends die Lichter Hamburgs. Am frühen Morgen dann die Fähre von Dagebüll nach Föhr.
Das erste Abendessen noch in sehr guter Erinnerung. Auch eine nette Erzieherin im Team, die aber nach einigen Tagen abgelöst wurde.
 
Ein regelrechter Schock für mich war dann am ersten Abend die erstamlige Benutzung der Waschräume, wo jedes Kind einen Haken und ein kleines offenes Fach hatte, wenn ich mich recht erinnere.
 
In den Zimmern gab es 4 oder 5 Betten, an deren Anordgnung im Raum ich mich noch exakt erinnern kann -- und auch wo mein Bett stand.
 
Einige Kinder hatten Geburtstag während der sechs Wochen und erhielten von zuhause Pakete. Dass diese an die jeweiligen Kinder und die Gruppe immer verteilt wurden, daran kann ich mich nicht erinnern. Höchstens ein Teil kam an. Ich erinnere mich nämlich daran, dass die Pakete im Speisesaal geöffnet wurden, und der Inhalt dann zunächst von den Damen beschlagnahmt wurden. Und ich erinnere mich auch an offene Pakete, aus denen sich die Damen im Friesenzimmer bedienten. -- Aber auch daran, dass auch der Geburtstag gefeiert wurde und die Kinder der gleichen Gruppe oder die Zimmergemeinschaft etwas abbekamen.
 
In den Räumen an den Fensterfronten des Anbaus, die den zentralen Speisesaal umgaben, spielten wir in Gruppen Brettspiele. Dabei waren Halma sowie Deutschlandreise, Weltreise und Malefiz, die ich dort kennelernte.
 
Durch den Hinweis von Kirsten Beste (ihr Kommentar) erinnere mich ich an die Strafen während des Zwangsmittagsschlafes: Stehen in den Ecken. Und das bis zu zwei Stunden lang!
Das war nicht wie in der Schule, wo ja der Unterricht weiterlief und deshalb die Zeit schneller verging. Denn es sollte in der Halle ja alles muckmäuschenstill und regungslos sein.
Da werden zwei Stunden zur endlosen Qual schon allein wegen der Langeweile. Und Kinder empfinden als ungleich länger als dies Erwachsene tun.
 
Am Ende des Aufenthaltes gab es einen Abschlußabend oder -nachmittag mit Aufführungen.
Ich war an zwei Dingen beteiligte, erinnere mich dunkel aber nur noch an "Wer hat die Tabakspfeife meines Bruders/Vaters(?) gesehen.
 
Rückreise im Dunkeln am ganz frühen Morgen, so daß der Zug nachmittags Kassel erreichte.
 
Was ich heute sehr bedauere: 2011 wurde alle Anbauten, auch der Anbau mit dem Speisesaal, abgerissen und das "Schloss am Meer" bis auf die Außenmauern der Fassade entkernt.
Würde es noch stehen, wäre ich nun hingefahren, um noch einmal im Speisesaal zu stehen und mich zu vergewissern.
Das geht nun nicht mehr. Aber interessieren würden mich alte Innenfotos oder Grundriss- und Raumpläne.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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Dieter Kaufmann schrieb am 15.08.2020
1968 Röth im Murgtal im Schwarzwald, von der DAK wurde ich dorthin für 6 Wochen geschickt. Name des Kinderheims weiß ich nicht mehr. Die schlimmsten 6 Wochen meiner Kindheit. Durch den Bericht im Fernsehen wurde ich wieder an verdrängte Erlebnisse erinnert. Gu, dass es jetzt nach so langer Zeit aufgearbeitet wird.
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Petra Scheid schrieb am 15.08.2020
Ich war 1972, mit 4 Jahren in Langweiler Hunsrück im Kloster Marienhöh.
Meine traumatische Erinnerung:
Mir wurde die Suppe reingelöffelt,als ich auf des Kleid der Nonne erbrochen habe, wurde mir der nackte Hintern versohlt. Ich habe mein Leben lang die Auswirkungen dieses Traumas gespürt, ich entwickelte eine Angststörung, Angst vor dem Erbrechen, atypische Anorexie. Seit meinem 20sten Lebensjahr bin ich immer wieder in therapeutischer Behandlung gewesen. Nach einer ganz schweren Krise, habe ich es geschafft das Trauma zu verarbeiten, mit vielen Befreiungsschlägen, die meine Leben wieder glücklich und zufrieden machen. Es war harte Arbeit, aber es hat sich gelohnt.
Ich freu mich, dass es nun dieses Forum gibt und ich mit meiner Geschichte anderen helfen kann und auch für mich, ist es heute noch befreiend zu erfahren, dass ich nicht die einizige war.
So stelle ich die Fotos ein und vielleicht erkennt sich ja jemand wieder.
Viele Grüße an alle, die so viel Ungerechtigkeit erfahren haben und es dadurch im Leben so schwer haben.
Petra
 
 
 
 
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Petra Klotz schrieb am 15.08.2020
Ja, alles ein dicker Hund! - passt ins Bild.
Trotzdem mach ich meinen Eltern den Vorwurf, nicht hingehört zu haben. Bis in die achtziger Jahre hinein "schwarze Pädagogik", am System ist was nicht in Ordnung
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Petra Klotz schrieb am 15.08.2020
Hallo Andrea,
Was damals gelaufen ist, dass viele Nationalsozialisten auf Posten gesetzt wurden, um die junge Republik ans Laufen zu bringen war mir bekannt.
Aber Kurhäuser für Kinder zu leiten ist wohl nicht "Systemrelevant" gewesen. Alte Seilschaften gepaart mit Gelddruckmaschine und das mit dem Wissen der Kirchen und Gewerkschaften, ist kriminell und gehört aufgearbeitet.
Danke, dass du mir geantwortet hast
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Brigitte Görg schrieb am 15.08.2020
Musste zweimal diese Zwangsverschickungen über mich ergehen lassen. Bin Jahrgang 1955.Das erste Mal ging es nach Melle, das war vor meiner Einschulung. Dann,als ich im dritten Schuljahr war, musste ich in den Viktoriastift nach Bad-Kreuznach. Ich erinnere mich daran, dass ich mich peinlichst an alle Regeln gehalten habe, nur um nicht negativ aufzufallen und irgendwelchen Sanktionen ausgeliefert zu sein. Es gab für mich in Bad Kreuznach einen Schlafsaal mit 10 Betten. Das kannte ich so nicht. Unser Schlafsaal bekam nie die Möglichkeit, Spiele in der Mittagszeit auszuprobieren. Die anderen Kinder, die in den kleineren Zimmern untergebracht worden waren, hatten diese Möglichkeit.(Wir hatten sehr schnell verstanden, dass wir in dem großen Saal sozusagen der Abschaum der ganzen Gruppe waren - warum auch immer???) Auch Bücher gab es nicht für uns - was für mich als Vielleserin damals eine Horrorvorstellung war. Dort habe ich Verspannung und Anspannung gelernt. Als ich am Tag der Heimreise endlich wieder am Heimatbahnhof auf meine Eltern traf, brach endlich der Damm. Ich weiß noch, das ich sehr viel geheult habe und unendlich über diese sogenannten Tanten und alles geschimpft habe. Der angesammelte Druck musste ´raus. Genützt hat es mir nicht.
Ich musste sehen, wie ich mit diesen Erfahrungen klar kam. Meine Eltern waren einfach obrigkeitshörig oder hatten es ja selbst nicht anders gelernt. Auf jeden Fall widerstrebt es mir bis heute, wenn ich etwas machen soll, mit dem ich nicht einverstanden bin, also gezwungen werde, etwas zu tun.
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Hertha Genahl schrieb am 15.08.2020
Hallo, mein Name ist Hertha.
Ich war 1955 aus gesundheitlichen Gründen 3 Monate in Agra, im Frühjahr über Ostern.
Ich war damals 5 jahre alt.
War jemand damals zur gleichen Zeit dort? Ich habe viel vergessen.
Eins wußte ich damals schon und schwor es mir: nie wieder kur, und das habe ich mein Leben lang eingehalten.
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Trogemann Trogemann schrieb am 15.08.2020
Hallo mein Name ist Tina Trogemann bin 46 Jahre alt und lebe in olfen in Nordrhein-Westfalen. Ich war 1979 ein verschickungskind zusammen mit meinen 2 Cousinen und wir kamen nach feldberg. Wir fuhren mit vielen Kindern zusammen im Zug ohne Eltern abgeholt. Ich weiß noch wie wir damals dort ankamen. Vor dem Heim standen Nonnen viele Nonnen die böse waren. Wir haben uns in den Arm genommen ich und meine Cousinen und nur noch geheult. Dann fing es an. Meine große Cousine wurde direkt getrennt von uns. Ich schlief mit der anderen cousine die auch 5 wie ich war in einem schlafsal mit 10 anderen Kindern. Betten wie aus de krieg. Wir mussten jeden Morgen beten und die Nonnen waren dabei. Mittags mussten wir ruhen und konnten wir das nicht gab es schlaege am Kopf. Nachts musste ich manchmal auf dem kalten Flur sitzen ohne Decke auf einem holzstuhl. Weil meine Cousine und ich uns zum Lachen gebracht hatten. Wir wollten uns damit helfen etwas Freude zu empfinden. Wir schnitten uns gegenseitig Grimassen und dann ging die Tür auf und eine Nonne zerrte mich aus dem Bett in den Flur. Dann wwurde meine große Cousine angeblich krank man brachte sie Inden Keller auf eine Krankenstation und wir haben 2 Wochen nichts von ihr gehört. Wir kleinen mussten den Alltag weiter leben. Eine Bestrafung nach der anderen. Meine Cousine ich vergess es nie musste damals ohne essen auf den Boden knieend den Boden mit bohnerwaschs schrubben. Wir mussten zwangsweise alles aufessen mussten auch was wieder hoch kam essen. Unsere Eltern durften wir garnicht kontaktieren. Die Briefe bekamen wir nicht. Und ich weiß noch bis auf ein Paket denn ich hatte dort meinen 6.geburtsatag. Die Nonne kam mit meinem Paket zum von meinen Eltern hat es aufgemacht und alles an die andern Kinder verteilt. Es war er so erniedrigen.d.Dann kam der Tag an dem meine kleine Cousine auch in den je3kam zur Krankenstation. Ich war jetzt ganz alleine und all die Qualen und Ängste musste ich allein durchmachen. Die anderen Kinder waren ja auch selbst verängstigt. Irgendwann kamen beide zurück und ich weiß noch sie waren total verstört. Nach fast 7 Wochen war der Tag der Abreise. Wir haben keine Freude empfangen kein Schmerz nur völlige leere. Ich hatte damals 10 Kilo abgenommen. Unsere Eltern waren auch erschrocken. Aber irgendwie wurde dieses Thema ausgelöscht und es wurde einfach nicht mehr erwähnt. Obwohl meine Mutter ja sagte die hätten soviel Briefe geschrieben und sie kamen nicht an. Als ich älter wurde habe ich oft versucht über dieses Thema zu reden. Meine Eltern sagten immer jetzt übertreib es mal nicht. Man muss nicht alles tot reden. Und es ihnen ja schließlich auch nicht so toll ergangen damals. Ich habe selbst so eine Mutter gehabt du mich durch Schläge vor allem in Bezug auf Schule schikaniert hat. Mein Leben ist bist heute den Bach runter gegangen. War25 Jahre süchtig nach speed weil ich in dem Rausch selbstbewußt war natürlich war es später das Gegenteil und ich wurde psychisch immer kranker war oder bin unfähig dinge zu entscheiden habe kinder bekommen denen ich nichts gutes übermittelt habe habe nie Konsequenzen setzen können weil ich denen nichts vorschreiben wollte. Ich habe das Gegenteil bei meinen Kindern gemacht alles erlaubt weil ich so unterdrückt wurde. Auch von meiner Oma und Opa von Mamas Seite aus. Mein Opa war ein überzeugter nazi meine Oma unterdrückt zu uns sehr streng und konservativ. Also ab da wo ich richtig zurück denken kann fing der horror mit der Kur an und ging bis jetzt und meine Kinder ja da kam das Jugendamt und sie wurden zu retalin gezwungen. Der älteste Sohn von mir leidet jetzt an epelpsie und persönlichkeitsstoerung trinkt auch noch der kleine wurde kriminell und sitzt bis Februar in Herford jva wegen etlichen kleindrlikten macht aber ne Ausbildung und es geht ihm immer besser. Das wünsche ich ihm auch. Ja und ich hab alles verloren meine Wohnung habe einen Partner der narzistische Züge hat mich schlagt unterdrückt auch sexuell und er das macht weil er weiß ich finde keine wohnung. Unser Ruf ist natürlich schlecht und so lebe ich dahin. Meine Eltern sagen zu mir ich hätte keine Eltern mehr. Ich habe 8jahre im Lager askari gearbeitet.. Komissioniererin jeden Tag 40vkm Akkord gelaufen dann diese dunkle psyche die ich hatte schulden usw. Immer geschauspielert und irgebwann kommen andere dahinter Mobbing auf der Arbeit. Bis im Januar dieses Jahr totaler zusammenbruch und ich eines morgens nicht mehr aufgestanden bin. Tsgegelang apathisch bis zum richtigen heul krampf und bin jetzt seitdem auf schwere deprissive Episoden krank geschrieben. Durch Zufall habe ich euch entdeckt. Und ich bitte euch bitte helft mir. Für mich es wie eine Erlösung seit ich weiß dass es soviel e andere Menschen gibt. Ich habe 2 mal über 100 Tabletten geschluckt und beim 2.mal fast gestorben. Ich trink auch oft mal Alkohol und das dann wodka weil ich immer Angst habe. Angst vorm Einkaufen Angst vor meinem Angst vor dem Leben. Danke für die Aufmerksamkeit. LG Tina ?
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Anne schrieb am 15.08.2020
Auf Empfehlung des Kinderarztes (zu dünn?!) verbrachten mein Bruder, 7 J. und ich 6 J. 6 Wochen um Ostern 1971 im Schwarzwald in Bad Säckingen. Ich freute mich über den tollen Spielplatz neben dem Haus. Die Freude war schnell verflogen, denn wir durften nie nach draußen. Ich erinnere lediglich einen Spaziergang in Zweierreihen und eine halbe Stunde vor der Abfahrt durften wir auf den Spielplatz. Meinem Bruder bin ich nur einmal nach 2 Wochen auf der Treppe begegnet. Schlafen im Gitterbett, Schläge auf den nackten Hintern wegen Daumen lutschen, auf dem kalten extra so gebauten Flur in der Ecke stehen, wegen Nichts.Mein Bruder erkrankte an Windpocken und hatte mich wohl bei dieser einen Begegnung angesteckt. An die Zeit in Quarantäne erinnere ich nur schemenhaft. Totale Isolation. Nach Hause kamen mein Bruder und ich in miserablem Zustand. Geschwächt und voller Windpockennarben. Sie hatten meine Eltern nicht informiert. Meine Seele wurde für immer zutiefst verletzt, und in der Reflexion den Glauben an Gott und die Menschen einschließlich meiner selbst zerstört.
Das Erholungsheim lag abgelegen am Wald. Nonnen sind für mich seither böse Hexen.
Therapien bislang erfolglos.
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Rolf Schuh schrieb am 15.08.2020
Vielleicht gibt es ja über diesen Weg eine Kontaktaufnahme zu damaligen, die auch im Marienheim in Norderney waren. Bin in 1969 dort im November gewesen. Erinnerungen sind zensierte Briefe nach Hause, kaum Ausgang und Bewegung, schreckliche Verpflegung sowie strenge Erzieherinnen, die auch mit körperlicher Züchtigung nicht zurückhaltend waren. Essen unter Zwang bis der Teller leer war usw. Viel habe ich vergessen, aber unterbewußt sind die Dinge noch da. Die Schwestern waren im Hintergrund und nur bei den Mahlzeiten zu sehen. Viel habe ich von damals einfach nur vergessen. Aber die Erinnerung an diese Zeit war nie eine Gute. An Ärzte oder Untersuchungen kann ich mich nicht erinnern, nur an den grausigen Uringestank des Toilettentraktes im Schlafraum der "Großen Jungs" ist mir noch in guter Erinnerung.
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Uwe schrieb am 14.08.2020
Hallo, ich habe auch den Bericht im Fernsehen gesehen.Seit vielen Jahren der Depression suche ich nach den möglichen Ursachen. Ich war irgendwann in den Sommerferien 1964-1970 auf Amrum im Heim Satteldüne und auf Sylt im Kurt-Pohle-Heim.Sylt kann ich nur noch die Hagebuttenwege zum Strand zuordnen, Saltos in den Sand, Nachtwanderung und irgendwie so ein Versteckspiel in den Dünen und Haferschleim, der gegessen werden musste, schrecklich schmeckte und eingetrichterter Fischtran, der noch furchtbarer war. Meine Kindheit ist zu vielen Teilen ein schwarzes Loch- da es auch zu Hause körperliche Strafen gab hab ich sowas vielleicht vergessen oder es gab sowas nicht. Vom Kurt Pohle Heim weiß ich nur noch, das es dort wohl ein Eisen-Klettergerüst als Elefant gab. Der Rüssel war die Rutsche auf der ich mir einen Schneidezahn abbrach.Der Leuchtturm leuchtete nachts ins Zimmer und bei Wind kam der Linoleumboden hoch. Ich habe versucht durch zwei Besuche an mehr Erinnerungen zu kommen.
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Raffaela Adrian schrieb am 14.08.2020
Die Sendung von Report Mainz hat mir nun den letzten Anstoß gegeben, meine Erinnerungsfetzen öffentlich zu machen.
 
Bad Sooden-Allendorf, Januar/Februar 1964
 
Der erste Abend in Bad Sooden.
Ich komme aus der Toilette.
Das riesige Treppenhaus ist menschenleer und gespenstisch still.
Ich weiß nicht mehr, wo mein Schlafsaal ist.
Muss ich die Nacht hier verbringen? Verzweiflung.
Plötzlich taucht eine Tante auf. Ich bin so froh!
"Findest du deinen Schlafsaal nicht mehr?"
Ich nicke. Sie nimmt mich an der Hand. "Schauen wir mal, ob wir ihn zusammen finden."
Sie öffnet die erste Tür. Ein Schlafsaal mit sehr angenehmem Licht und fröhlichen Kindern. Wie schade, es ist nicht meiner.
Die nette Tante öffnet die nächste Tür. Das ist mein Schlafsaal.
 
Nachts wache ich auf. Es ist etwas schlimmes passiert.
Ich habe in die Hose gemacht.
Ich knülle die nasse Stelle fest in beide Hände. Bestimmt wird so nach einer Weile alles trocken.
Auf dem Balkon steht der Schrank mit unseren Kleidern. Vorsichtig schleiche ich hinaus. Kein Kind darf aufwachen.
Es ist eiskalt da draußen. Ich hole mir frische Wäsche und ziehe sie an.
Niemand ist wach geworden. Tante Edelgard hat nichts bemerkt.
 
Es ist ein Brief von daheim gekommen. Tante Edelgard liest ihn vor. Wenn Mama unseren zweieinhalbjährigen Bruder fragt wo seine Geschwister sind, antwortet er "schlafen noch".
 
Das Mädchen mit den blonden Zöpfen sitzt nicht weit von meinem Bett entfernt auf der Bettkante. Tante Edelgard schreit sie an und schlägt sie. Das Mädchen bewegt sich nicht und starrt vor sich hin.
 
Wir wollen wandern gehen.
Im Keller ziehen wir unsere Schuhe an.
Ich kann noch keine Schuhe binden.
Die Tante meines vierjährigen Bruders bindet ihm und allen ihren Kindern die Schuhe.
Weil ich schon sechs Jahre alt bin, traue mich nicht, Tante Edelgard zu fragen, ob sie mir die Schuhe bindet.
Ich stecke die Schnürsenkel in die Schuhe.
 
Wir sind zu einem Haus gelaufen, in dem es einen Nebelraum gibt.
Darin sind wir eine Weile im Kreis gelaufen und haben dabei fest geatmet.
 
Das Mädchen mit den langen braunen Haaren hat Windpocken.
Tante Edelgard steht mit ihm in der Tür zum Badezimmer.
In einer Hand hält sie die Haare des Mädchens.
In der anderen Hand hat sie eine Bürste und fährt dem Mädchen damit fest über den Kopf.
Das Mädchen weint furchtbar. Es tut ihm so weh.
Aber Tante Edelgard hört nicht auf.
 
Es ist Fasching. Der riesige Speisesaal ist mit Luftschlangen geschmückt.
Die älteste Tante kommt mit einer roten Nase im Gesicht fröhlich herein gehüpft.
Sie hat auch Luftschlangen um den Hals hängen und macht viele lustige Faxen.
Alle Kinder lachen.
 
Das Mädchen sitzt mir im Speisesaal gegenüber.
Seine Augen sind ganz groß hinter den Brillengläsern.
Aus einem Auge läuft ständig eine gelbgrüne Flüssigkeit.
Es mag das Essen nicht. 
Tante Edelgard setzt sich neben das Mädchen und packt es mit einer Hand im Genick.
Sie häuft das Essen auf den Löffel.
Sie schreit das Mädchen an, es soll den Mund aufmachen.
Das Mädchen weint.
Das Mädchen würgt.
Das Mädchen übergibt sich in den Teller.
Tante Edelgard schaufelt ihm das Erbrochene in den Mund.
Das Mädchen übergibt sich wieder.
Tante Edelgard schaufelt es ihm in den Mund.
Das Mädchen weint noch mehr.
 
Ich kann das nicht verarbeiten.
 
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Brigitte schrieb am 14.08.2020
Schulenberg Oberharz (Bundesbahn-Sozialwerk) vermutlich Herbst 1971 - ich suche Kinder die auch dort waren....
Es gab oft verdorbenes Essen, ich lernte mich auf Komando zu übergeben. Dann musste ich wenigstens nichts essen. Bekam aber immer eine Flüssigkeit in den Mund gesprüht. Damit blieb mir die Schikane beim Essen erspart. Dort war ein Mädchen, die das Essen nicht schaffte oder wollte. Zur Strafe wurde sie an den Gang des Essensraums gesetzt (ich glaube sogar fixiert) und bekam immer wieder Essen nach geschöpft. Wir mussten alle an ihr vorbei gehen - und durften kein Mitleid zeigen. Ich hatte einmal eine Karte an meine Eltern geschrieben mit der Bitte mich abzuholen, den musste ich selbst zerreissen. Ich erinnere mich an Angst und das wir sehr viel heimlich machen mussten. Nach der Kur wollte ich noch nicht einmal mehr mit auf Klassenausflüge.
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Sylke schrieb am 14.08.2020
Hallo Ihr Alle,
ich bin so froh, dass so viele hier sind, und wir uns so angeregt austauschen. Ich bin froh und dankbar, dass es diese Initiative gibt und so viele Geschichten und Meinungen zusammenkommen. Viele machen mich traurig, einige nachdenklich und an manchen reibe ich mich - so soll das sein!
 
Sicher gab es für alle Eltern von uns Gründe, uns kleine Wurtschels zu "verschicken": zu dick, zu dünn, mediz. Diagnosen, und die Gründe, die nichts mit dem Kind zu tun hatten. Punkt um.
Das alles lässt sich nicht rückgängig machen. Das Unverständnis, warum man von der Familie getrennt wird (sechs Wochen sind für ein Kind eine gefühlte Ewigkeit). Das Heimweh, der Schmerz, nicht bei Mama und Papa sein zu dürfen, weil...???? Ja eben, weil???? Warum??? Und warum wird dann auch noch misshandelt ? Anstatt kuriert, gesund gemacht zu werden ? Und wenn man mit fünf Jahren schon Pläne schmiedet, abzuhauen: 5!!!
 
Ist das wirklich nur alles Zeitgeist? Und wenn ja, entschuldigt das irgendetwas? Ich sage nein!
wir reden hier von einer Zeitspanne von 1950 bis in die späten 1980er Jahre.
 
Rechtfertigt die Vergangenheit der Tanten ihr Verhalten? Rechtfertig die Ideologie des Nationalsozialismus das Handeln der Tanten in all den Jahren? Klares NEIN! Spätestens hier hört bei mir jedes Verständnis auf. Soll ich jetzt noch Mitleid mit diesen Drachen haben? Ohhh, sie konnten ja nicht anders? Wie? Kein Mitgefühl? Keine Sorge? FUCK!
Auch zwischen 1933 bis 1945 gab es liebevolle Mütter und Väter, Tanten und Onkels. Die "Tanten und Onkels" und den Heimen, waren die auch nur bloße "Empfehlsempfänger" ohne jeden eigenen Verstand und Mitgefühl??? Sofern es da nachweislich Belege über die Führungsrichtlinien dieser "Kinderheime " und "Kureinrichtungen " gibt, sollte man die für die Öffentlichkeit transparent machen.
 
 
Meine Eltern glaubte sich sicher, das Beste für Ihre Lungenkranke fünfjährige Tochter zu tun und setzte sie 1970 in einen Zug. Ich fahre zu Erholung mit vielen Kindern, und ich werde Spaß haben... so sagte man mir. Fuhr weg. Nach sechs Wochen kam ein anderes Kind zurück.
 
Ja genau. Den "Spaß" habe ich heute noch!
 
Bitte entschuldigt, aber ich habe ein nur fast unsichtbar kleines Akzeptanzlevel, wenn ich lesen muss.... "das waren aber die Zeiten etc...". Egal in welchen Zeiten wir leben:
Kinder sind das Wichtigste und wie alle Menschen:
 
UNANTASTBAR IN IHRER WÜRDE!
 
(GG seit 1949!)
 
Lasst es euch alle gut gehen!
Bleibt gesund und sorgt für euch selbst!
 
sylke
 
 
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Fini Lomme schrieb am 14.08.2020
Ich war vom 02.10.59 bis zum. 13.11.1959 im Kindersanatorium "Haus Bernward" in Oberkassel bei Bonn. Diese Einrichtung wird in der ARD-Dokumentation auch gezeigt. Mein Geburtsjahrgang ist 1955.
Ein Kind aus Aldekerk war mit mir dort, ich wäre an einer Kontaktaufnahme interessiert.
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ﹰAﹰgi schrieb am 14.08.2020
Hallo, bin uber die ﹰMedien erst jetzt wiedersehen drauf aufmerksam geworden. Meine ﹰﹰKﹰur I'm Fﹰrühjahr 1968( mit 6 Jahren, von der Bundespost verschickt) I'm HAUS SONNENSCHEINﹰ auf Langeoog war öfters Tﹰhema in meiner ﹰﹰFamilie da ich in dieser ﹰﹰZeit sehr heftig an Masern erkrankt bin, und mich an dunkles isoliertes Zimmer erinnere, an sehr hohes Fﹰieber und wahnhafte ﹰVﹰorstellungen und sehr viel allein sein I'm Dunkeln. Habe immer noch ﹰPanikattaken meist abends wenn es dunkel ist
Tﹰﹰhema Milchsuppe gab es wohl vielfach.. Mein Bruder, damals 4 Jahre, wusste noch, dass ich Milchsuppe unter den Tisch geschüttet habe, Ecke stehen musste und zumindest mittags nix mehr zu essen bekommen habe. Großer Speisesaal weiss ich auch noch und Aufpassertante dass wir uns benehmen. Zweierreihen auf dem recht kurzen Weg zum Strand ist mir auch in Erinnerung, aber viel rumtoben - davon weiß ich nichts mehr. Habe sehr viel verdrängt, geblieben ist die Isolation und die 2 Wochen über normalen Aufenthalt über Ostern. Gut dass die Verschickungen aufgerollt werden und ich allmählich eine Ahnung habe woher manche "Macken" herrühren.
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Kalohowa schrieb am 14.08.2020
Weiß jemand etwas über den Mord an der Heimleiterin des Kinderkurheims in Bad Karlshafen? Das muss etwa 1969 gewesen sein. Erschossen wurde sie wohl von einem ihrer ehemaligen Verschickungskinder. Wahrscheinlich hieß sie Frau Dr. Faust. Ich finde leider nichts mehr dazu im Netz. Vielleicht kann sich jemand an sie erinnern?
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Sabine schrieb am 14.08.2020
Lieber Jorgos, ich schließe mich der Bitte von Ingrid von den Pollingkindern vollumfänglich an. Übernimm die Heimortkoordination! Es ist ganz großartig, was du schreibst - und auch, wie du es schreibst. Und man sieht ja, was für einen intensiven Austausch du innerhalb kürzester Zeit hier losgetreten hast. (Auch wenn Anja wahrscheinlich schon wieder das Herz blutet, weil unter der Rubrik "Erlebnisberichte" ja eigentlich nur Erlebnisberichte eingestellt werden sollten....) Aber es ist, wie es ist, und es ist ja auch sehr wichtig, dass alle direkt auf das reagieren können, was sie berührt....
LG Sabine schoenaukinder@gmx.de
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Kirsten Beste schrieb am 14.08.2020
Lieber Wolfgang,
vielleicht ist ja dann ein Austausch per Mail möglich.
Meine Adresse ist KiBeste@aol.com
Liebe Grüße Kirsten
 
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Carmen D. schrieb am 14.08.2020
Hallo Alexander,
ich weiß nicht, wie ich das Gefühl beschreiben soll, was ich beim Lesen Deiner Worte habe. Schmerz, Erleichterung? Wir waren vielleicht zur selben Zeit im Haus Hamburg. Ich bin Jahrgang 1975 und war Januar/Februar 1982 dort. Wie Du habe ich fast keine Erinnerungen daran und ich würde so gerne mehr wissen. Ich habe mir die Postkarten, die man im Netz findet, angeschaut und ganz kleine Erinnerungssplitter waren plötzlich da. Aber sie sind wie kleine Blitze, die ich nicht greifen kann. Vielleicht können wir uns ja im Forum mal schreiben. Die Tage werde ich dort was schreiben (Kinderheime > Nordrhein-Westfalen). Ich würde mich freuen, wenn wir dort weiterschreiben könnten. Und vielleicht gibt es ja noch andere und wir können gemeinsam unsere Erinnerungslücken etwas auffüllen.
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Carmen D. schrieb am 14.08.2020
Hi Sylke, die Traumatherapie hat Dir geholfen! Das macht mir große Hoffnung. Ich bin momentan zwar noch sehr geschockt und schlafe schlecht, aber die Therapeutin ist guter Dinge, weil wir jetzt den Ausgangspunkt für meine Ängste haben.
Ich wünsche Dir auch alles Gute!
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Carmen D. schrieb am 14.08.2020
Lieber Walter,
ich danke Dir von ganzem Herzen, dass Du als Vater hier geschrieben hast. Deine Worte berühren mich sehr und helfen mir.
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Andrea schrieb am 14.08.2020
Hallo Ingrid, ich habe ein Thema fuer das Haus am Schmalensee ins Forum gestellt. Das link ist: https://verschickungsheime.org/forum/topic/privatkinderheim-haus-am-schmalensee-in-mittenwald/
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Erkan schrieb am 14.08.2020
Ich nehme an es ist das Haus Sonnenschein im Nebel. Und eine Straße weiter die unheimliche Kirche, die aussah wie Draculas Schloß. Ich war 1979 dort
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Erkan schrieb am 14.08.2020
Liebe Ramona, ich bin 48 und war mit 6 Jahren auch auf Amrum im Haus Sonnenschein im Nebel. Ich wünscht ich könnte die Erinnerungen abschalten. Mobbing, Bestrafungen waren an der Tagesordnung. Meinen Eltern fiel auch auf daß ich vielmehr verstört al genesen ankam. Diesen Schlangen als Erzieherinnen wünsche ich die Pest und ewige Hölle. Ich kann mich einfach an alles erinnern, leider Gottes an alles. Wie ich in die Dunkle Kirche gezerrt wurde um der Messe beizuwohnen, was mich in Angst versetzte. Das Kind von türkischen Eltern. Bei der Wattwanderung ließen sie mich einfach unbeaufsichtigt zurück. Am Ufer sah ich mehrere Spaziergänger wie sie heftig zu mir winkten. Als ich mich umdrehte zum Meer sah ich eine Wasserwand auf mich zukommen. Eine Springflut. Ich habe wie wahnsinnig geschrien. Auf der Flucht fiel ich mehrmals in den Schlick. Das ging solange weiter bis eine Jugendliche Mut fasste und mich rausholte. An den Namen dieser Schlangen als Erzieherinnen kann ich mich noch gut erinnern. Margeret, Silvia und Katerina.
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Andreas Weber schrieb am 14.08.2020
Ich hatte auch in Archiven von Hessen und Baden Würtemberg mal recherchiert. Es gibt weder Geschwisterakten noch Einzelakten über meine Verschickung.
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Jutta schrieb am 13.08.2020
So lange wurde das noch betrieben? Ich war dort 1972
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Gabriele schrieb am 13.08.2020
Ich kann mich nur noch an Bruchteile erinnern, dass ist vielleicht auch gut so.
Ich weiß auch noch, dass ich ein Päckchen mit Süßigkeiten von meinen Eltern bekam, es wurde von den Nonnen verteilt, obwohl es für mich war......
Man musste sich an die Regeln halten, ansonsten hatte man schlechte Karten bei den ehrenhaften Nonnen....
Es war gefühlt eine Lehranstalt für Disziplin und Gehorsam.... Bloß nicht ein eigenständiges Denken entwickeln, das störte die Regeln in dieser Erholungskur...
Man wurde auch untersucht und es wurde, glaube ich zumindest mich noch daran zu erinnern 2mal ein Blutbild gemacht.....
Wir standen alle vor der Türe, nur mit Unterhose gekleidet und bloß nicht rumalbern oder lachen.... Keine netten oder spaßigen Worte von den christlichen Damen..... Hauptsache diszipliniert und jedes Kind musste funktionieren nach Plan.....
Ich bekam anschließend noch Lebertran als Saft verabreicht und eben Teller wurde geschöpft und musste leer gegessen werden......
Auf jeden Fall ein dunkles Kapitel, und es tut gut sich austauschen zu können
Grüße
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BRIGITTE schrieb am 13.08.2020
Hallo, ich war 1969 oder 1970 mit 5 oder 6 Jahren in Bad Dürrheim, in der Kinderheilstätte und meine Erinnerungen daran sind nicht positiv. Ich dachte auch, dass es nur mich getroffen hätte, aber wie ich durch zufall gelesen habe, gab es da unzählige Betroffene
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Ute Theil schrieb am 13.08.2020
Hallo ich suche Leute die um 1967 in Waldshut Stieg Unteralpfen waren, ich würde mich sehr freuen jemand auf diesem weg zu finden lieben gruß Ute
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dietrich schrieb am 13.08.2020
ich war 1970 im juni in ruhpolding im labenbachhof. da gab es ein fräulein(!!) fritz, ungefähr 50, die täglich geschlagen hat, wer nicht nachmittagssschlaf halten konnte oder bettnässer war. die stand täglich im gang und hat auf "kundschaft" gewartet. es waren viele, wir waren insgesamt um die 40 jungens, viele davon (10- 16) aus duisburg da. briefe wurden grundsätzlich zensiert, zwei junge kerle aus der region karlsruhe hat es am schlimmsten erwischt.
ärgerlich: die meisten durften keine fußball-wm schauen, da ohrfeigen gleich strafpunkte.
blöder nebeneffekt: circa die hälfte kam mit masern aus der "kur" nach hause und durfte sich ins bett zuhause legen.
die mädels hatten ein eigenes haus, was mich aber nicht interessiert hatte - ich war erst elf.
1967 war ich in der nähe von bad reichenhall, da. haben mich meine eltern hingeschickt. ort krieg ich aber leider nicht mehr gebacken. meine mutter wusste aber definitiv nicht, was mich da in beiden heimen erwartet hat, sie hat geheult, als ich ihr das jahrelang später alles detailliert erzählt habe. wir wurden 1967 nachts eingesperrt, wenn es gebrannt hätte, wären wir jämmerlich verbrannt, da die betreuerinnen außerhalb wohnten und das zimmer abgeschlossen war.
wir mussten unser erbrochenes essen, das ekelt mich bis heute. seitdem mag ich z. B. keine pfirsiche oder reisbrei
für meine beide besuche gibt es übrigens gründe (schicksalsschläge meiner eltern, sprich jeweils tod meiner großeltern).
die erlebnisse in diesen "lagern" haben mich motiviert, mit 17 aus der kirche auszutreten.
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sabine schrieb am 13.08.2020
1977 oder 76 war ich in Bad Salzungen zur Kur, 6 Wochen, ich war 6 und lese hier viele Dinge, an die ich mich langsam erinnere. Ich erinnere mich an ein Mädchen, Miriam. Sie schlief neben mir. Das Vernetzen ist ein Anfang zur Aufarbeitung.
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Sabine schrieb am 13.08.2020
Lieber Gerhard, wenn du magst, melde dich bei mir. Ich denke, ich kann dir in einigen Fragen weiterhelfen. - Ich bin Heimortkoordinatorin für Schönau, Berchtesgaden und Umgebung und auch bei Recherchen im übrigen Bayern (auch Reichenhall) ganz gut eingearbeitet...
Sabine, schoenaukinder@gmx.de
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Beate Siek schrieb am 13.08.2020
Hallo Ute,
ich habe meinen Eltern alles erzählt und sie haben mir auch geglaubt. Meine Mutter hat gegenüber unserer Hausärztin ihre Empörung zum Ausdruck gebracht.
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Dr. Wolfgang David schrieb am 13.08.2020
Liebe Kirsten,
dank Deiner Zeilen erinnere ich mich jetzt daran, dass auch während meines Aufenthaltes die Kinder, die beim Zwangsmittagsschlaf nicht ganz ruhig waren, zur Strafe in der Ecke stehen mußten.
An Milchreis erinnere ich mich nur dunkel. Für mich war der Nussgrießbrei der Horror. Der beherrscht meine Erinnerung. Und die rote Beete schmeckte ebenfalls nicht.
Viele Grüße
Wolfgang
An weiterem Austausch wäre ich durchaus interessiert, da ich damals nach meiner Rückkehr viele Erlebnisse verdrängt habe, die jetzt aus den Tiefen des Gedächtnisses auf einmal wieder lebendig werden. Aber bislang bin ich nicht bei Facebook, weil mir des alles andere als sympatisch ist, was der Umgang mit den Daten der Nutzer angeht..
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Petra Pohl-Ziegler schrieb am 13.08.2020
Hallo, ich war 1963 oder 1964 im St.Marien Haus, in Bad Soden Salmünster vor der Einschulung. Das Haus ist heute eine Rehaklinik. Meine negativen Erfahrungen sind: Zwang zum Essen, ich hatte einen Hautausschlag und wurde von den Nonnen isoliert und eingesperrt. Durfte immer nur ein Kleid tragen, dieses war nach Ende der "Kur" total verblasst. Ich habe nach dem Aufenthalt nicht mehr gesprochen, dies fiel meiner Mutter gleich auf. Erinnern kann ich mich nur an den Drill, keine normale Kommunikation, sondern nur Kommandokommunikation. Es waren jedoch nicht nur Nonnen dort, sondern auch andere Frauen als Betreuerinnen. Diese Betreuerinnen fand ich besonders schlimm. Wer kennt dieses Haus und war Anfang der 60iger Jahre dort ?
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Sabina P. schrieb am 13.08.2020
Hallo Zusammen,
Ich war im Jahre 1972 in Scheidegg im Allgäu auf sogenannter Erholung. Ich habe keinerlei Erinnerung mehr an das Heimgebäude von außen. Da ein Junge geflohen ist und wir uns gewundert haben wie er das geschafft hat, glaube ich, dass das Gebäude außerhalb einer Ortschaft gelegen war. Ich meine auch, dass es nicht groß war, die Räume, die Flure und das Treppenhaus erinnerten eher an ein größeres Wohnhaus, oder an eine Frühstückspension. Es war kein Bauernhof, es gab keine Tiere. Es war alles relativ eng, der Essens- und Aufenthaltsraum war in zwei Teile eingeteilt und hat nach meinem Gefühl höchstens 50 Kindern Platz geboten. Direkt daneben war eine Art kleine Teeküche oder Aufenthaltsraum für die Betreuerinnen, Es gab, glaube ich, in einem tiefer gelegenen Geschoss eine Art Sportraum mit einer Außenwiese, die geböscht war, ähnlich einem Souterainaußenbereich. Wenn schönes Wetter war haben wir dort Gymnastik o.ä. gemacht. Die Schlafräume waren nicht sehr groß, vielleicht mit 5 Betten ausgestattet. Die WCˋs, an die ich mich erinnere, befanden sich im 1. Stock direkt am Treppenaufgang. Die Waschräume waren eher im Keller. Es gab einen längeren Gang mit Holzrosten am Boden. Ansonsten erinnere ich mich daran, dass wir viel gesungen haben, im Aufenthaltsraum und bei den vielen Wanderungen. Außerdem gab es in Kleingruppen in sehr kleinen Räumen abgehaltene Stunden, in denen, glaube ich, vorgelesen wurde. Medizinische Behandlungen irgendwelcher Art habe ich nicht beobachtet.
Kennt jamand das Heim?
Liebe Grüße
Sabina
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Elke schrieb am 13.08.2020
Ich war zu jung (5) um über alles zu sprechen, ich habe auch nur ein gutes Erlebnis abgespeichert: dass es dort eine Freundin gab, mit der für ein paar Minuten vor dem Einschlafen sowas wie Normalität eines Kindes stattfand (mit Kissen bewerfen, lachen). Ansonsten habe ich sehr sehr viel verdrängt, aber habe ganz klar den Jungen vor Augen, der einen ganzen Tag lang vor dem Erbrochenen saß und es aufessen musste, das war anscheinend gängige Praxis. Es gab überhaupt keinen körperlichenTrost, kein nettes Wort. Die "Erzieherinnen" nannten wir Aufseherinnen. Sie überwachten abends, ob wir ja schlafen. Ich glaube die Meisten stellten sich schlafend. Mir schlug das Herz bis zum Hals, wenn die Tür zum Schlafsaal aufging. Davon habe ich heute noch Albträume. Ich verreise ungern und habe Probleme mich zu entspannen. Das führe ich ganz klar auf die "Kur" zurück. Habe heute selbst eine Tochter, die 5 Jahre ist. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie man Kinder in dem Alter "weggeben" konnte. Gut, dass Du das für deinen Bruder verhindern konntest. Meine Schwester hatte das damals auch versucht, ohne selbst je in einer Kur gewesen zu sein, sie war nur völlig panisch, dass ich allein sein soll. Vermutlich gab es kaum Einrichtungen, in denen Pädagogik als Grundlage galt. Das waren Missbrauchsstätten und im Rückblick einige "Damen", die da ordentlich Frust abluden. Zum Punkt mit den Arbeiterfamilien: das kann gut möglich sein. Man hat ja nichts dafür bezahlt. Und so wird man auch heute noch gestraft, wenn man kein Geld mitbringt.
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Andrea schrieb am 13.08.2020
Hallo Jorgos, danke, danke, danke fuer Deinen Eintrag! Ich war 1971 im Sommer in dem Haus am Schmalensee fuer 6 Wochen, also ein Jahr bevor Deine Mutter dort gearbeitet hat. Es war eine schlimme Zeit fuer mich. Und die Frau Hauessler war nicht so ohne, daran kann ich mich noch gut erinnern. Es fing schon an als wir ankamen im Haus. Ich wurde gefragt ob ich Suessigkeiten haette. Ich bejate und meine Kekse und anderes wurde mir abgenommen und nicht mehr wieder gegeben. Ich war in einem der Haueser am Hang. Wir sind nachts manchmal durch die Schiebetuer raus und sind zu einem der anderen Haueser das weiter unten war und einen Balkon hatte. Dort war ein Maedchen dass mit mir im Zug gesessen hatte. Die "Tante" unseres Hauses war eine Jugoslawin. Sie haette so roetliche, gefaerbte Haare und hat sich immer viel geschminkt. Irgendwie hatte sie es auf mich abgesehen. Meine Eltern hatten mir eine Puppe, ein Spielset, und 20 DM geschickt. Ich bekam nur die Puppe. Das Spielset wurde an die anderen Kinder verteilt und ich musste zusehen. Die 20 DM wurden von der "Tante" kassiert. Es kam raus als meine Eltern mich dort anriefen und ich sagte dass ich kein Geld bekommen habe. Nachts kam die "Tante" in unser Zimmer, setzte sich bei mir aufs Bett und drohte mir etwas anzutun wenn ich nicht den Mund halte. "Du bist dummes Kind, weisst nich was ist Geld!" zischte sie mich an. Einmal bin ich und ein paar andere Kinder eiskalt geduscht worden. Ich bekam Keuchhusten, wurde aber nicht isoliert und bekam auch keine aertztliche Behandlung. Ich hustete nachts so schlimm das sich die anderen Kinder beschwerten weil sie nicht schlafen konnten. Aber ich konnte einfach nicht aufhoeren zu husten. Das war kurz vor der Heimkehr. Ich kam naemlich mit dem Keuchhusten nach Hause. Meinen Eltern habe ich nach und nach alles erzaehlt und sie glaubten mir. Mein Vater rief auch im Heim an und legte sich mit der Frau Haeussler an, aber da kam natuerlich nichts weiter raus. Ich kann mich leider nicht mehr an den Namen der jugoslawischen Tante erinnern. Es war irgendwas mit Z oder Y oder so aehnlich. Ich kann mich noch gut daran erinnern dass wir jeden Tag wandern mussten, meistens hinter dem Heim den Berg hoch. Morgens mussten wir immer draussen Gymnastik machen, Kniebeugen, Jumping Jacks (sorry, das deutsche Wort entfaellt mir). Von dem Essen weiss ich nicht mehr so viel. Es war nicht besonders gut. Es gab oft Pellkartoffeln und "Matte" was ich eklig fand. An den Speisesaal erinnere ich mich noch gut. Da waren grosse Holztische und Holzbanken.
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Alexander schrieb am 13.08.2020
Hallo Carmen,
ich, Jahrgang 1976, war 1981 oder 1982, auf jeden Fall vor der Einschulung, in Bad Sassendorf, Haus Hamburg, zur Kinderkur. Organisiert wohl von der DAK.
Ich habe kaum Erinnerungen, einzig die Kälte der Betreuer, das Zensieren von Briefen, das Telefonieren in einem Kleinen Raum(Büro) am Ende einer Treppe unter Aufsicht sind mir in schlechter Erinnerung.
Auch der Essenszwang. Ich war etwas zu klein/leicht für mein Alter, ich gehörte zu denjenigen, die im EG im Speisesaal alleine sitzen mussten und den Teller aufessen. Ich esse bis heute einiges nicht, habe einen unüberwindbaren Ekel davor.
Dann im Keller diesen 'Inhalationsraum', was auch immer das war. Und irgendwelche Bade-Anwendungen in Bottichen.
Ich habe Essen auch unter dem Kopfkissen versteckt, weil ich es nicht mochte/konnte.
Es gab einzig eine Betreuerin, (Christina/Christine), die freundlich war. Ich erinnere mich, dass sie recht jung war, möglicherweise ein Praktikum. Sie trug in meiner Erinnerung recht weite Woll-Pullover.
Das sind alles Erinnerungsfetzen, ich habe diese Zeit lange verdrängt und bin gerade durch Zufall auf dieses Forum gestoßen. Bin an weiterem Austausch sehr interessiert.
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Ute schrieb am 13.08.2020
Wie sich sie schrecklichen Bilder doch gleichen… Ich frage mich, wenn ich das lese, ob es eine Art „pädagogisches“ Handbuch gab damals, das vielleicht nicht nur für uns Verschickungskinder, sondern auch für andere Heimkinder galt. Denn warum berichtet fast jeder, dass ihm persönliche Geschenke weggenommen wurden und viele Kinder ihr Erbrochenes aufessen mussten? Das kann doch kein Zufall sein. Wurde damals bewusst die sogenannte schwarze Pädagogik verfolgt, die mit Erniedrigung, Gewalt und Einschüchterung arbeitete? Was mich auch erstaunt, ist, dass sowohl kirchliche als auch andere Heime die gleichen Methoden anwendeten. Hat es vielleicht auch mit der Zielgruppe zu tun, denn viele von uns Kindern kamen doch aus Arbeiterfamilien. Ich glaube kaum, dass sich Kinder wohlhabender Familien in den Heimen befanden – oder doch?
 
Ich habe mich gefragt, warum dieses Thema erst jetzt an die Öffentlichkeit kommt. Klar, wir waren nur sechs Wochen dort und die armen Kinder, die jahrelang in Heimen ausharren mussten, hatten es viel schwerer und haben zum Teil noch viel traumatisierende Erfahrungen gemacht, daher trauten sich viele von uns womöglich gar nicht, mit ihren Erfahrungen rauszurücken. Bei mir war es aber noch etwas anderes: Ich habe damals selbst meinen Eltern nicht die Wahrheit gesagt (ich glaube, auch später nie die ganze Wahrheit). Warum? Ich glaube, einerseits wollte ich sie nicht belasten, denn sie hatten es doch nur gemeint. Andererseits fühlte ich mich auch schuldig. Schuldig daran, was mir angetan wurde, denn es hatte doch nicht ohne Grund geschehen können, dass man mich so gequält hat. Das einzige, was ich erzählte, war, dass ich große Kartoffeln und zwei Eier mit Spinat essen musste. Das verpackte ich offenbar so, dass meine Eltern sich darüber amüsierten und es als lustige Anekdote empfanden. Alles andere behielt ich für mich. Mein Vater erzählte noch später davon. Nach dem Heimaufenthalt kaute ich an den Fingernägeln und riss mir die Nagelhaut bis zum Bluten ab. Noch heute habe ich manchmal unbewusste Anwandlungen, mir Haut abzureißen, wie in Trance, ohne erklären zu können, warum ich das tue. Zum Glück ist es selten geworden. Drei, vier Jahre nach dem Heimaufenthalt spielten meine Eltern mit dem Gedanken, auch meinen kleinen Bruder nach Bad Salzuflen zur Kur zu schicken. Da tat ich alles, um dies zu verhindern, was nicht einfach war, da ich mich ja nicht traute, von meinen schlimmen Erfahrungen zu erzählen. Aber irgendwie schaffte ich es und war sehr erleichtert, dass ihm diese Erfahrung erspart blieb. Wie war es bei euch? Habt ihr freimütig alles berichten können? Und wie haben eure Eltern reagiert?
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Carmen D. aus Hamburg schrieb am 12.08.2020
Ich war 1982 mit 6 Jahren für 6 Wochen in Bad Sassendorf im Haus Hamburg über die DAK. Auch ich war zu dünn und sollte für die Einschulung aufgepäppelt werden.

Leider habe ich nur sehr wenige bildhafte Erinnerungen an den Aufenthalt dort. Ich weiß noch, wie ich in einem kleinen Zimmer stand, den Telefonhörer in der Hand und gebenüber eine Frau und eine Sanduhr.

Mit einem Gefühl von tiefer Verzweiflung wusste ich nicht wie ich unter den gestrengen Augen der Frau meiner Mutter klar machen könnte, dass sie mich unbedingt abholen müsste.

Eine andere Erinnerung: Es ist Nacht. Ich kämpfe mit mir. Muss Pipi. Stehe dann in der Türe und blicke den langen Flur entlang. Schwaches Licht. Ich traue mich nicht.

Dann erinnere ich mich an Wackelpudding. Bis heute kann ich keinen Wackelpudding essen. Sehe ich ihn im Supermarkt stehen, habe ich immer sofort ein mulmiges Gefühl. Es sind bei mir mehr Gefühle, wie Heimweh, Angst, Enge, Ausgeliefertsein, Hilflosigkeit und Verzweiflung, an die ich mich erinnere.

Alles andere, wie andere Kinder, die Tanten, Aktivitäten und Räumlichkeiten sind wie gelöscht. Merkwürdig ist, dass ich aber viele bunte Erinnerungen aus der Zeit davor im Kindergarten habe. Woran ich mich aber genau erinnern kann, ist wie ich nach den 6 Wochen aus dem Zug/Bus stieg und meine Mutter mit meinen beiden Brüdern da stehen sah. Ich konnte mich nicht freuen. Es war so als wenn ich in einer Blase wäre. Zur Welt drumherum gehörte ich nicht mehr. Ich fühlte mich innerlich gebrochen, eingeschüchtert und taub.

Meine Mutter erzählt heute, dass ich nicht über den Aufenthalt in Bad Sassendorf reden wollte, sondern ich sei „einfach froh gewesen wieder bei meiner Familie zu sein“. Heute unvorstellbar für mich, dass ich als Mutter da nicht nachhaken würde. Aber leider war es so. Ich kann damit nicht erzählen, was mir in Bad Sassendorf genau widerfahren ist, ich kann eigentlich nur davon erzählen, was das wahrscheinlich mit mir gemacht hat.

In der Grundschule hatte ich Ängste, Konzentrationsschwierigkeiten und war verhaltensauffällig. Ich rutschte häufig auf dem Stuhl hin und her und konnte damit bis zur 2. Klasse nicht aufhören. Auch hatte ich fürchterliche Angst vor dem Schwimmunterricht und vermied diesen so oft es mir möglich war. Ich habe teilweise gestottert, hatte Angst irgendetwas falsch zu machen und konnte nicht bei Freundinnen oder woanders übernachten. Ich hatte schlimme Verlust- und Trennungsängste. In meinem weiteren Leben wechselten sich Angstphasen und gute Phasen immer wieder ab. Irgendwann bestimmten Ängste stark mein Leben. Ich habe deshalb bereits eine Verhaltenstherapie gemacht. Leider kamen die Ängste dennoch immer wieder zurück. Meine Hausärztin überwies mich dann vor kurzem an eine Trauma-Psychotherapeutin. Ich bin so froh. Wichtig war auch der Bericht im Ersten. Jetzt habe ich einen starken Ansatzpunkt, woher meine tiefen Verletzungen kommen könnten.
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Kathi schrieb am 12.08.2020
Hallo Carmen,
ich war 1964 mit meiner Schwester für sechs Wochen im Haus Hamburg in Bad Sassendorf.
Es ging schon streng zu, so wie andere das hier beschrieben
haben: Mittagsschlaf und Nachtruhe, ohne reden zu dürfen; Briefzensur, Essenszwang, wenig Getränke. Allerdings habe ich keine drastischen Strafen erlebt oder gesehen. Wohl aber geringe pädagogische Einfühlung von Seiten der „Tanten“. Sie interessierten sich kaum für uns als Individuen. Nur einige Kinder wurden bevorzugt und standen im Mittelpunkt. Mich störte am meisten, dass man keinerlei Privatsphäre hatte.
Aber kann ja schon froh sein, wenn einem nichts Schlimmeres passiert ist. Ich war heilfroh, als die Zeit rum war.
LG Kathi
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Anna schrieb am 12.08.2020
Ich war als Grundschülerin 1978 im Heim St. Georgi. in Lengries. Bis gestern habe ich gedacht, meine Erfahrungen seien ein Einzelfall. Es war schrecklich. Die Briefe wurden gelesen und wer Positives geschrieben hatte, bekam ein Nutellabrot. Ich wurde zur Heimleitung zitiert und kein Brief wurde abgeschickt. Stattdessen bekam ich Zuckerstückchen mit ekliger Tinktur, die ich runterwürgen musste.
Meine Großmutter, die in der Nähe urlaubte, wollte mich einmal besuchen. Ich habe mich so gefreut, als ich sie aus dem Fenster meines Zimmers, aus dem ich nicht raus durfte, gesehen habe. Kurze Zeit später wurde sie mit Schimpftiraden vom Grundstück geschickt.
Glücklicherweise gab es eine Praktikantin, die frankierte Briefe auf dem Heimweg in den Briefkasten warf. Ich übergab die Briefe unter größter Geheimhaltung und konnte so meine Eltern über die wahren Umstände aufklären. Dadurch wurde ich frühzeitig abgeholt.
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Kosel schrieb am 12.08.2020
2 x war ich in Bad Dürrheim. Das erste Mal 1967 im Haus Sonnenberg, das zweite Mal in der Villa Hilda, das war 1970. Bisher dachte ich ich hätte meine Erlebnisse gut verdaut, aber der gestrige Bericht hat mich wieder zweifeln lassen. Ich erinnere mich an den ersten Aufenthalt nur schlecht, aber die häufigen Märsche zu einem Solebad in dem man in einer Badewanne sitzen musste, sich nicht rühren durfte. Die Strecke zurück ins Heim, im Gänsemarsch. Die Mittagsruhe im Freien in Betten, auch hier ohne die Erlaubnis sich zu bewegen.
Nach 6 Wochen kam ich kränker zurück als ich weg ging, erzählten meine Eltern.
Das zweite Mal war ich in der Villa Hilda, noch ne Version schlimmer, zumindest in meiner Erinnerung. Das Essen musste komplett gegessen werden. Ich weiß noch, dass ich auf einer Eckbank saß und entdeckte, dass man den Deckel öffnen konnte.
Voller Furcht kippte ich häufig den Rest in die Truhe und hatte riesige Angst dass ich erwischt werden würde. Einmal kamen meine Eltern zu Besuch. Aber da Mittagsruhe war, wurden sie wieder heim geschickt, eine Strecke von 4 Stunden ohne mich gesehen zu haben. Das Paket, das sie abgegeben hatten für mich wurde unter allen aufgeteilt, wobei ich das wenigste abbekam.
Es gab in der Villa Hilda noch ein zweites Haus, da waren die „ Augenkinder untergebracht. Was sich dahinter genau verbarg weiss ich nicht. Ich dachte allerdings, dass die es besser hatten.
Ich glaubte nicht mehr daran, dass ich jemals wieder nach Hause komme und sprach Hochdeutsch als mein Vater mich abholte.
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Tina Götz schrieb am 12.08.2020
Jetzt bin ich mir sicher, dass meine Erinnerungen an das Essen von Erbrochenem als kleines Kind in Bad Dürrheim wirklich stimmen....
Ich hatte immer gedacht, dass eigentlich nicht stimmen kann.
Das ist aber das Einzige an was ich mich erinnern kann. Vielleicht habe ich alles andere ja verdrängt.
Ich weiß nur, dass ich ein Riesen Problem mit Nonnen habe.
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Regine Pfurr schrieb am 12.08.2020
Ich bin 1961 geboren. War mit 5 Jahren vom November- Dezember für 6 Wochen im Kindererholungsheim Grossherrischwand im südlichen Schwarzwald von der Post. Aus dieser Zeit habe ich ein Heft mit Bildern
Auch ich war zu dünn und sollte aufgepäppelt werden. Heimweh, Dehmütigungen und Schläge haben mich geprägt. Sie haben mich so eingeschüchtert, dass ich mich im Wesen verändert ruhiger und mich zurückgezogen habe. Eine weitere Erholung wurde von mir abgelehnt. So dokumentierte es mein Vater nach dem Aufenthalt. Bettnässer bekamen Schläge, Erbrochenes mußte aufgegessen werden, um ein Päckchen vom Adventkalender zu bekommen. Eine Nudelsuppe kann ich heute noch nicht riechen und essen. Wenn ich diese Ereignisse damals zu Hause erzählt hätte, hätten meine Eltern mir nicht geglaubt.
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Alexandra Rabe schrieb am 12.08.2020
Nachtrag zu meinen früheren Eintrag hier: ich war nicht auf Norderney, sondern wohl auf Langeoog. Ich bin gleicher Jahrgang und war im gleichen Jahr dort, eben mit 5 Jahren. Allerdings konnte ich da noch nicht Lesen und Schreiben und kann mich nicht mehr an viel erinnern, außer dass es ganz schrecklich war. Meine Mutter hatte dort ein einziges Mal mit mir telefonieren können, wie sie mir später erzählte, hat sie wohl damit gedroht, mich persönlich abzuholen, wenn sie nicht mit mir sprechen könnte. Ich wünschte, sie hätte mich abgeholt...
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Regine Leubner, geb. Leifert schrieb am 12.08.2020
Montag habe ich die Dokumentation über die Verschickungsheime gesehen und war wie vom Donner gerührt. Ich wurde 1957als Fünfjährige und mit acht Jahren noch einmal ins Kinderheim der Rudolf Ballin Stiftung in Wyk auf Föhr verschickt. Ich erinnere mich kaum an diese Zeiten.Nur mein Heimweh ist mir noch präsent und dass ich viel geweint hatte, obwohl wir das nicht durften. Ich musste mehr essen als ich wollte und saß so lange, bis der Teller leer war. Schlimm waren die Schokoladensuppe mit Haut oder die süßen Nudeln. Als ich mich einmal erbrach, musste ich alles noch einmal essen. Ich erinnere mich an einen großen Schlafsaal und an die Mittagsstunden, in denen wir alle zur Wand gedreht liegen mussten. Ich glaube, beim zweiten Mal war es nicht so schlimm auf Föhr.
 
Als ich vorgestern sah, wie Sie und Ihre beiden Mitstreiter über die eigenen Erfahrungen erzählten und ich dabei Ihr Leid erkannte, wurde mir bewusst, dass ich auch sehr viel Schreckliches dort erlebte. Ich habe das vollkommen verdrängt, so gut sogar, dass ich viele Jahre später in diesem Heim als Lehrerin arbeiten konnte, ohne mich groß an meine Kinderzeit dort zu erinnern. Ich dachte ohne jegliche Emotionen: ich wurde verschickt, ich hatte Heimweh, ich war eine Heulsuse und ich nahm brav zu.
Nein, es war schlimm und die Folgen trage ich wohl bis heute noch, ohne mir dessen bewusst gewesen zu sein. Mit diesem Film habe ich neue Impulse zur Aufarbeitung meiner Kindheit und Jugend bekommen, denn bisher waren die Verschickungen kein Thema. Ich spaltete damals wohl einen Großteil meiner Gefühle ab, um die schreckliche Zeit durchzustehen, so dass mir das Vergessen später leicht fiel.
Niemals habe ich daran gedacht, dass es so vielen anderen Menschen ähnlich erging. Ich dachte immer, ich hätte hätte mit meinem schlechten Benehmen mein Leid selbst verschuldet. Dabei war ich nur ein kleines, wehrloses, lebendiges Mädchen!
 
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Heidi schrieb am 12.08.2020
Liebe Sabine, ich war zur selben Zeit in St. Peter Ording. “Tante Gebchen” ist mir ein Begriff, also muss ich auch im “Goldene Schlüssel” gewesen sein.
Wir haben alle extrem gelitten unter den diversen Quälereien und Demütigungen. Natürlich wurde die Post zensiert und wir wurden gleich zu Beginn der Kur aufgefordert nur “Gutes” nach Hause zu schreiben. Es gelang uns mit Hilfe etwas älterer Mädchen, ich war damals acht Jahre, doch heimliche Post bei einem Spaziergang in einen Briefkasten zu werfen. Als darauf eine von uns von ihren Eltern abgeholt wurde, gab es eine riesen Zirkus. Uns wurde gedroht damit, dass nun die Krankenkasse nie mehr für die Eltern und dieses Mädchen etwas bezahlen würde. Ich habe zwei Fotos. Hast Du Interesse?
Ich war davor und danach noch in anderen Kinderkuren und kann alles was hier geschrieben wird aus eigener oder beobachteter Erfahrung bestätigen. Ich hatte mit dieser ganzen Sch…… abgeschlossen, da sich aber nun doch so viele melden und berichten, möchte ich dies auch tun.
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Martina O. schrieb am 12.08.2020
Hallo, ich war im Winter 1979 mit 7 Jahren auch für sechs Wochen im Haus Marianne. Ich habe wenige, aber sehr düstere Erinnerungen daran. An das Aufessen-Müssen kann ich mich erinnern, ebenso an die Kontrolle der Briefe. Ich habe als besonders unangenehm die zweistündige Mittagsruhe im Bett empfunden. Man musste still liegen und schlafen. Da ich schon nachts schlecht schlafen konnte, war das für mich ein Alptraum.
Zwei Jahre später war ich noch einmal für sechs Wochen in einem Kinderkurheim in Marktschellenberg (Bichlhof?). Daran habe ich überwiegend positive Erinnerungen, um hier auch mal was Gutes zu erwähnen. Es gab ein „modernes Konzept“ und relativ lockere Regeln. Jede Woche wurde ein besonderer Ausflug unternommen. Ich habe noch einige Zeit danach mit einer der Erzieherinnen Briefkontakt gehabt. Vermutlich haben diese positiven Eindrücke die Erlebnisse aus dem Haus Marianne überlagert, sodass ich mich zum Glück nicht traumatisiert fühle. Ich verfolge aber sehr interessiert die ganzen Beiträge hier. Irgendetwas löst das Ganze wohl doch in mir aus ...
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Heidi schrieb am 12.08.2020
Liebe Sabine, ich war zur selben Zeit in St. Peter Ording. "Tante Gebchen" ist mir ein Begriff, also muss ich auch im "Goldene Schlüssel" gewesen sein.
Wir haben alle extrem gelitten unter den diversen Quälereien und Demütigungen. Natürlich wurde die Post zensiert und wir wurden gleich zu Beginn der Kur aufgefordert nur "Gutes" nach Hause zu schreiben. Es gelang uns mit Hilfe etwas älterer Mädchen, ich war damals acht Jahre, doch heimliche Post bei einem Spatziergang in einen Briefkasten zu werfen. Als darauf eine von uns von ihren Eltern abgeholt wurde, gab es eine riesen Zirkus. Uns wurde gedroht damit, dass nun die Krankenkasse nie mehr für die Eltern und dieses Mädchen etwas bezahlen würde. Ich habe zwei Fotos. Hast Du Interesse?
Ich war davor und danach noch in anderen Kinderkuren und kann alles was hier
geschrieben wird aus eigener oder beobachteter Erfahrung bestätigen. Ich hatte mit dieser ganzen Sch...... abgeschlossen, da sich aber nun doch so viele
melden und berichten, möchte ich dies auch tun.
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Sabine Schleichert schrieb am 12.08.2020
Langeoog, ca. 1972, mit einiger Sicherheit "Mövennest" (Adresse Um Süd - den Straßennamen habe ich noch klar in Erinnerung)
 
Ich - Jahrgang 1967 - war als kleineres Kind sehr oft erkältet, und es gab auch eine Episode mit Pseudokrupp und Krankenhaus. Inzwischen glaube ich, dass auch die häufigen Erkältungen eine Traumafolge sind, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls wurde ich mit etwa fünf Jahren für sechs Wochen von Hannover aus nach Langeoog geschickt, weil das "Reizklima" so gesund sei. Ich war noch nicht in der Schule, konnte aber mit Druckbuchstaben schreiben.
 
Vielleicht sind meine Erfahrungen nicht so krass wie manche anderen. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass vorher schon andere Sachen passiert sein müssen, vor deren Hintergrund die Erfahrungen auf Langeoog dann nicht mehr so einschneidend gewesen wären. Vielleicht ist ein Teil der Erinnerungen einfach noch in der Dissoziation verschwunden. Ganz sicher bin ich nicht auf die Idee gekommen, mich zur Wehr zu setzen, weil ich schon vorher die Ohnmacht kennengelernt habe.
 
Woran ich mich erinnere:
Ein großer Essenssaal. Ich wurde gezwungen, jeweils zweite Portionen zu essen. Irgendwie wurde man dort nicht herausgelassen, bevor man nicht zwei Portionen gegessen hatte.
 
Mittagsschlaf. Ich schlief schon lange nicht mehr mittags und war das nicht gewöhnt. Außerdem war ich eine Leseratte. Also habe ich mittags heimlich unter der Bettdecke gelesen - bis ich erwischt wurde und es Schläge gab. Ich erinnere mich daran, dass ich über diese Schläge schockiert war. Das ist etwas merkwürdig, weil in einer ziemlich krassen Traumatherapie in den letzten vier Jahren herausgekommen ist, dass es auch in meiner Familie - auch physische - Gewalt gegeben haben muss. Es ist aber auch herausgekommen, dass diese familiären Erfahrungen ganz offensichtlich der Amnesie zum Opfer gefallen sind; und wenn das so ist, dann mögen diese Schläge auf Langeoog dann trotzdem ein Schock gewesen sein - einfach weil ich die früheren vergessen hatte.
 
Spaziergänge o.ä.: Ordentlich in Zweierreihen.
 
Meerwasser-Wellenbad. Die Kinder waren oft im Wellenbad. Ich hatte Angst vor dem Wasser - Salzwasser kannte ich vorher wohl nicht - und vor allem den Wellen. Es muss eines von diesen Becken mit zunehmender Tiefe gewesen sein. Wir mussten in dem Wasser sitzen, die Wellen kamen dann periodisch. Ich habe immer wieder versucht, ins flachere Wasser zu kommen, bin unauffällig ins Flachere gerobbt, wurde aber immer wieder zurückgeschickt ins tiefere Wasser. In späteren Jahren war ich zeitweilig gerne schwimmen, aber wenn irgend möglich nicht im Salzwasser. Vielleicht deshalb?
 
Postkarten. Es gab kollektive Nach-Hause-Schreib-Aktionen. Ich erinnere mich, dass ich - weil ich ja schon mit Druckbuchstaben schreiben konnte - mindestens eine Karte selbst geschrieben habe. Ich habe sehr bewusst gelogen, weil die Postkarten natürlich offen waren und mir irgendwie klar war, dass die vom Personal gelesen werden. Bisher dachte ich immer, ich hätte das getan, weil ich meine Eltern schützen wollte, damit die sich keine Sorgen machen. Erst jetzt, als ich dies schreibe, wird mir aber klar: ich wollte auch die Aufmerksamkeit meiner Eltern nicht auf mich ziehen, weil ich in der Familie gelernt hatte, dass Aufmerksamkeit potentiell gefährlich ist.
 
Waschraum. Ein großer Waschraum, wohl mit Steinrinnen. Hier bin ich nicht sicher, ob die Erinnerung nach Langeoog gehört oder in einen anderen Kontext. Und relevant ist es letztlich auch nicht. Jedenfalls erinnere ich mich an Handtücher und Waschlappen, die auf ganz eigenartige Weise gestunken haben - vielleicht wegen des Salzwassers in diesem Wellenbad? Vielleicht, weil sie nicht oft genug ausgetauscht wurden?
 
Hatte der Aufenthalt Folgen für mich? Schwer zu sagen. Ich weiß, dass ich ein Jahr später, als ich wieder zur Kur sollte, gesagt habe, nach Langeoog möchte ich nicht mehr. Als Begründung habe ich mit Sicherheit eine entschärfte Version geliefert. Jedenfalls ging es dann nach Baltrum, nur für vier Wochen und in ein sehr viel angenehmeres Haus - ich erinnere mich, dass man bei den Spaziergängen nicht in Zweierreihen gehen musste und auch nicht zum Essen gezwungen wurde.
 
Gab es weitere Folgen? Das weiß ich nicht. Aus der oben erwähnten Traumatherapie weiß ich inzwischen, dass schon im Wickelkindalter und auch vor der Geburt entsetzliche Sachen passiert sind und ich nicht mehr leben wollte. Langeoog mag vor diesem Hintergrund dann keine so große Rolle mehr gespielt haben. Jedenfalls habe ich bisher nichts gefunden, was sich eindeutig auf den Aufenthalt dort zurückführen ließe.
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Neli Korn schrieb am 12.08.2020
Diese Art, wie mit Kindern umgegangen wurde, war doch nicht nur in den sogenannten Verschickungsheimen üblich. Ich kenne diesen Umgang auch von Kindertagesstätten. Das Elend dieser Kinder war dann nicht auf ein paar Monate, sondern auf Jahre ausgedeht. Ich erinnere mich an Schläge für einen Jungen, der mit Puppen spielen wollte, Nasenklammern für ein Kind, das nicht essen wollte. Als es dann durch den Mund Luft holen musste, hat man ihm einen Löffel mit Nahrung zwangseingeflößt. Und wehe, es begann zu würgen. Als dasselbe Kind während der einstündigen Mittagsruhe nicht schlafen konnte, wurde es in die Besenkammer gesperrt. Das war Mitte der Siebziger Jahre, ich war Praktikantin und man hat das mir als Erziehungsmaßnahme vorexerziert. Daran kann man sehen, dass dieser Erziehungsstil als absolut normal empfunden wurde. Mich hat das damals schockiert, obwohl ich durch meine elterliche Erziehung auch so manche Foltermethoden kannte. Ich selber bin Jahrgang 62.
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Kay Andraschko schrieb am 12.08.2020
Lieber Arndt, ja, siehe meine Beitrag weiter unten. Ich war 69 oder 70 in Friedenweiler. Gruß Kay
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Sylke schrieb am 12.08.2020
Hej Carmen.
Dein Gefühl, sich wie in einer Blase zu fühlen, das kenne ich nur zu gut! Das Leben hatten die anderen... eine Traumatherapie- eigtl.. aus einem anderen Grund, wie ich zunächst dachte - vor drei Jahren hat auch mir sehr geholfen "aus der Blase" wieder ins Leben zu steigen. Letztendlich ist aber diese Initiative ein wahrer Segen für alle Betroffene. Alles Gute für dich!
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Sylke schrieb am 12.08.2020
Hej, Monika.
Weißt du in welcher Einrichtung in Stankt-Peter Ording warst?
Ich hatte 1970 das "Vergnügen" im Haus Kohlbrand, Strandweg32.
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Theo Meyer schrieb am 12.08.2020
Hallo Arnd
Mit diesem Kurheim nicht,aber Waldrennach ist auch Blackforrest.Bei Mir waren es auch keine Notten äh Nonnen sondern Tunten oder Tanten,jedenfalls trifft auch hier wieder zu,wie die Bilder sich gleichen also,alles mit System oder CORONA.(Ich meine selbstverständlich das Mexikanische Bier ? dieses Namens).
Gruß Theo
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Theo Meyer schrieb am 12.08.2020
Hallo Frau Hansen
Ich habe vor einiger Zeit,da mein Vater während der Everkuierung in Baden-Württemberg zur Welt kam und ich dessen Geburtsort Gegoogelt habe auch mal einen Google Abstecher nach Waldrennach,meinem Kinderkurort gemacht und mich nach dem Erholungsheim über Google erkundigt.
Das hat es demnach nie gegeben.Ich habe jedenfalls keine Spur mehr davor gefunden.
Somit kann ich auch nicht sagen,wie das Haus hieß und wo die genaue Lage war.
Ich glaube es war etwas weiter vom Hauptort entfernt an einem Wald.
Gruß Theo
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Theo Meyer schrieb am 12.08.2020
Wie die Bilder sich gleichen,nur die Entfernungen Nord nach Süd Ost nach West waren anders.
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Theo Meyer schrieb am 12.08.2020
Hallo liebe Leute
Ich bin aus dem Saarland und war in den 60iger Jahren in Waldrennach bei Pforzheim in einer Kinderkur.
Die Betreuerinnen wurden mit Tante angesprochen und vermutlich vorher alle in einem Frauen KZ beschäftigt.
( meine Persönliche Meinung)Von der Obersturmbann-Führein habe ich noch ein Bild,das ich gerne Senden kann.
Gruß Theo
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Walter K. schrieb am 12.08.2020
Meiner Tochter, damals 7 Jahre alt, wurde nach einem Pseudokrupp-Anfall von unserer Kinderärztin ein Kuraufenthalt an der See empfohlen. Wir drängten darauf, dass sie gemeinsam mit ihrem Bruder, unsererem Sohn, damals 9 Jahre alt reisen sollte. Die BARMER genehmigte das und so waren beide vom 13.5. - 21.06.1977 im (pompös klingenden) "Schloß am Meer" in Wyk (das Bestätigungsschreiben, ebenso wie ein wunderbarer Prospekt, der das Paradies auf Erden versprach) liegt mir noch vor) - das derart zum Alptraum wurde, dass keiner von beiden jemals wieder dieser Insel betreten, noch jemals wieder Rote Grütze essen möchte, die dort geradezu zwangseingetrichtert worden ist. Schon auf der Hinfahrt wurden die beiden Kinder getrennt, meine Tochter suchte ihren Bruder, fand ihn nicht, und hatte panische Angst, er könnte verloren gegangen sein. Auch im "Schloss" konnten sich beide so gut wie nicht sehen. Die Strafmaßnahmen brauche ich hier nicht zu schildern, das ist ja schon mehrfach geschehen. Die Rückkehr schilderten sie jedenfalls wie die Befreiung aus dem Zuchthaus. Zumindest meine Tochter glaubt nach den jüngsten Berichten über die Zustände in diesen Heimen, dass ihre z. T. bis heute andauernden psychischen Störungen DORT ihren Anfang nahmen. Sie will das aber nicht persönlich schildern. Ich werde allerdings bei der BARMER mal nachfragen, was sie heute dazu zu sagen haben: WIR, die Eltern, haben damals geglaubt, dass die #Berichte überzogen waren, unsere Kindern haben die Erlebnisse verdrängt - aber durch diese Berichte sind sie wieder lebendig geworden - und sie erzeugen bei uns jetzt Schuldgefühle, obwohl wir damals glaubten, unseren Kindern das Beste angedeihen zu lassen.
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Katja Maino schrieb am 12.08.2020
Hallo, ich bin heute durch Zufall auf das ganze Thema gestoßen und habe das Gefühl „das erklärt einiges“.... ich war als 6 Jährige (1988) ich meine 6 Wochen in Altefähr (gegenüber von Stralsund) in Kur damit ich etwas auf die „Knochen kriege“ und zunehme. Habe öfters Bilder im
Kopf von schlafend stellen, strenge Frauen... was ich nicht richtig zuordnen kann.... vielleicht bin ich ja hier dann richtig
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Beate schrieb am 12.08.2020
Gestern habe ich einen Bericht über die Verschickungsheime gesehen und bin so froh, dass endlich öffentlich darüber gesprochen wird. Ich hatte nie im Blick, dass natürlich noch unzählige Kinder außer mir damals traumatisiert worden sind.
Ich war 1969 im Alter von 6 Jahren für 6 Wochen in einem Heim auf Borkum. Ich war sowieso ein schüchternes Kind, der Aufenthalt da war so schlimm und furchtbar für mich. Die Trennung von meinen Eltern am Bahnhof werde ich nie vergessen. Ich wusste nicht, was man man mit mir vorhatte, dachte 6 Wochen lang, dass ich nie wieder nach Hause käme. Ich hatte nur Heimweh und Angst, weinte mich jeden Abend in den Schlaf. Auf einem Marsch machte ich in die Hose, weil ich mich nicht getraut hatte, zu sagen, dass ich zur Toilette musste. Als das entdeckt wurde, war es furchtbar. Ich musste auf dem Dachboden schlafen, habe nur noch geweint und geweint.
Den Geruch des Essens werde ich nicht vergessen, noch heute bekomme ich Beklemmungen, wenn ich Haferbrei und Pfefferminztee rieche.
Auch der Begriff "Borkum" löst immer noch Angsterinnerungen aus.
Als meine Eltern mich am Bahnhof wieder in Empfang nahmen, sagte eine Begleiterin zu meiner Mutter, so ein Kind wie mich könne man einfach nicht liebhaben. Mein Koffer war voll mit sauberer, nicht benutzter Wäsche.
Nach dieser "Kur" war ich ein angepasstes, harmoniesüchtiges Kind, immer darauf bedacht, bloß nie wieder weggeschickt zu werden. Das bereitet mir bis heute Probleme, auch beim Loslassen meiner eigenen erwachsenen Kinder, die indirekt auch an meinen traumatischen Erfahrungen leiden.
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Annette schrieb am 12.08.2020
Hallo alle miteinander! Auch ich wurde erst vorgestern durch Radio und Fernsehen auf die Initiative Verschickungskinder aufmerksam.
Ich war 1973 auf Borkum und habe ähnliche Erfahrungen gemacht wie alle anderen hier.
Den vielfach beschriebenen Essenszwang habe ich auch erlebt. Mir wurde ein Teller Eintopf mit Speckwürfeln mehrfach vorgesetzt, weil ich den Speck vor Ekel nicht gegessen hatte.
Zwischen den Mahlzeiten durften wir spielen. Spielen lief so ab, dass Noppenbausteine auf dem Tisch ausgeschüttet wurden und man durfte sich daran bedienen und etwas bauen, im Sitzen, am Tisch, einsam, schweigend und unter strenger Aufsicht der Betreuerinnen. Reden, lachen und weinen war verboten.
In diese Zeit fiel Ostern. Die von den Eltern geschickten Süßigkeiten wurden reihum verteilt. Anderen etwas abgeben fand und finde ich eigentlich gut. Allerdings waren meine Süßigkeiten verteilt, ehe ich an die Reihe kam, was das immerwährende Heimweh sehr verstärkte, ich habe geweint und mir wurden - wie bei jeder vermeintlichen Regelmissachtung - Strafen und Aufenthaltsverlängerungen angedroht.
Unentwegt wurde uns gesagt, wir seien "ungezogene, böse" Kinder. Von den Betreuerinnen wurden nur Drohungen und Entwertungen ausgesprochen. Ich kann mich nicht erinnern, dass eine sich auf freundliche oder tröstende Weise einem Kind zugewandt hätte.
Wir mussten Kleidung des Heims tragen, so dass wir nicht einmal mehr die eigene Kleidung als etwas Vertrautes hatten.
Dass jetzt eine Auseinandersetzung mit diesem Thema erfolgt, finde ich sehr gut!
Annette
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Ingrid Utmann schrieb am 12.08.2020
Hallo,
im November 1964 war ich im Kinderheim "Sancta Maria" auf Borkum. 2 Tage habe ich gebraucht, um mich hier zu melden. Damals war ich 8 Jahre alt und die Erinnerungen erzeugen immer noch ein dumpf-trauriges Gefühl in mir.
Erst nach 46 Jahren konnte ich die Insel besuchen und stellte fest, dass das Haus noch existiert und nun für Mutter-Kind-Kuren genutzt wird.

Selbst habe ich keine körperliche Gewalt erfahren, aber der restriktiv-kaltherzige Umgang mit uns Kindern und die eingesetzten Methoden zur psychischen Unterdrückung erzeugten ein Klima der Angst. Sechs Wochen Heimweh, einmal in der Woche eine zensierte Postkarte schreiben, vorgegebene Toilettenzeiten und eingeteiltes "Klopapier", lautlose Mittagsruhe im Bett, der Zwang zum Essen, riesige Schlafsäle ......
Einige Kinder bekamen Päckchen, die sie nicht oder nur teilweise behalten durften. Das, was sie bekamen, wurde am Tisch aufgeteilt.

Ich habe nun einiges über die "Verschickungen" gelesen. Die angewandte "Pädagogik" scheint den Prinzipien der Adenauerzeit zu entsprechen....

Viele Grüße
Ingrid
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Heike Greco schrieb am 12.08.2020
Juli 1968, vor meiner Einschulung, wurde ich gemeinsam mit meinem neunjährigen Bruder von der Inneren Mission Elberfeld ab Wuppertal in den Schwarzwald verschickt. Leider habe ich den Ort und das Heim noch nicht herausfinden können. Mein einziger Anhaltspunkt ist ein Wasserbecken mit knietiefem Wasser im Garten. Das habe ich auf einem alten Foto wieder erkannt. Es wird Bad Dürrheim und dem Chrischona-Orden zugeordnet. Kennt das jemand?
Unser alter Hausarzt hatte eine Kur empfohlen, weil ich häufig an schwerer Bronchitis litt. Bei der Ankunft wurden mein Bruder und ich getrennt und durften keinen Kontakt mehr miteinander haben. Meine Eltern hatten meinen Bruder nur mit geschickt, damit ich nicht alleine war, berichtet mir meine Mutter heute.
 
Ich musste mittags Karottensalat essen und bekam ihn nicht herunter geschluckt, wurde aber immer weiter damit gefüttert. Ich dachte ich ersticke daran und musste mich übergeben. Dann musste ich solange vor dem Teller sitzen, bis ich das Erbrochene aufgegessen hatte. Ich weiß nur, dass ich bis zum Abendessen in diesem dunklen und großen Speisesaal ganz alleine vor meinem Teller gesessen habe und Angst hatte. Karottenrohkost konnte ich Jahrzehnte lang nicht essen.
Obwohl ich für jeden Tag der Kur frische Unterwäsche und Strümpfe dabei hatte, bekamen wir nur einmal in der Woche frische Kleidung und Unterwäsche. Ich war das nicht gewohnt, habe mich sehr geekelt und unwohl gefühlt. Zumal die Strümpfe gleich am ersten Tag vom Blaubeeren sammeln verschmutzt waren. Wir mussten regelmäßig, bei großer Hitze, im Wald Blaubeeren pflücken.
Es fanden auch Ausflüge in die Umgebung statt. Ich erinnere mich an sehr viel Hitze und viel Durst, wenn wir unterwegs waren. Die Tanten kauften sich dann gerne mal ein Eis und ließen uns zuschauen. Manche Kinder haben sich die großen Blätter vom Bärenklau als Sonnenschutz auf den Kopf gesetzt.
 
Zum Waschen und Duschen mussten wir uns nackt ausziehen und aufstellen. Jedes Kind bekam einen Waschlappen und wir wurden der Reihe nach vor den Augen aller geduscht. Es waren Jungen und Mädchen gemischt. Manche Kinder haben dabei Angst vor dem Wasser gehabt oder Seife in die Augen bekommen und geweint, sie bekamen extra kaltes Wasser. Es war so beschämend.
Es gab noch ein jüngeres blondes kurzhaariges Mädchen, was sehr, sehr viel geweint hat. Es hat mir sehr leid getan.
Eigentlich war ich mit meinem älteren Bruder gemeinsam in die Kur geschickt worden, doch leider haben wir uns nur einmal heimlich auf einer Wanderung gesehen und gesprochen. Ich wollte mit ihm gemeinsam weglaufen und nach Stuttgart, weil dort Freunde meiner Eltern wohnten. Mein Bruder hat sich nicht getraut.
Im Garten gab es ein Wasserbecken. Ein ängstlicher kleiner Junge wurde an den Armen und Beinen genommen und dort hinein geworfen. Das passierte allen, die sich nicht ins kalte Wasser trauten.
Ich fand die Erwachsenen sehr gemein und ungerecht, fühlte mich ausgeliefert und habe die ganze Zeit überlegt, wie ich mit meinen Eltern in Kontakt komme, um abgeholt zu werden. Ich träumte jede Nacht davon, dass mein Hund zu Hause mich dort finden und nach Hause bringen würde.
Ich bin als fröhliches aufgewecktes Mädchen dort hin gefahren und habe meinen Eltern vertraut, dass eine schöne Zeit für mich sein würde. Leider wurde ich sehr enttäuscht und musste eine solch schreckliche Pädagogig kennen lernen.
Bei der Rückkehr bin ich meiner Mutter weinend in die Arme gefallen. Meine Erzählungen erschreckten sie, da das Heim ihr doch von der Inneren Mission in Elberfeld (heute Diakonie Wuppertal)als bestes Kurheim empfohlen wurde. Sie fuhr dann mit mir in das Büro der Inneren Mission um die Rechnung für dir Verschickung zu bezahlen. Dort fragte mich dann das Fräulein Rottenhäuser, wie es mir denn gefallen hätte. Meine Mutter ermunterte mich von meinen schrecklichen Erlebnissen zu erzählen. Das Fräulein, sagte, dass das überhaupt nicht sein könne, da dieses Haus das beste Erholungsheim sei. Ich dachte später, dass ich vielleicht besonders empfindlich war. Mein Bruder bestätigte, dass es mir sehr schlecht gegangen sei. Meine erzählt mir heute, dass sie sich sich ihr Leben lang Vorwürfe gemacht hat und fragt sich, warum sie nicht selbst mit uns Kindern einen Urlaub an der See oder in den Bergen gemacht hat um die Luftveränderung herbei zu führen. Irgendwie tröstet es mich. Ich dachte, dass ich mit meinen Erfahrungen allein sei, doch die vielen Berichte klingen alle ähnlich. Danke an alle und an Anja!
 
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Heike schrieb am 12.08.2020
Ich war als 6-Jährige 1971 in einem Kinderkurheim in Bad Dürrheim, welches von Nonnen geleitet wurde. Vermutlich war es ein evangelisches Haus. Es war schrecklich und ich erinnere mich an zahlreiche Repressalien: Schläge, wenn man abends noch zur Toilette ging; man durfte keine Post von den Eltern erhalten; Äpfel mussten mit "Gripsch" aufgegessen werden; ich wurde in einen leeren Raum eingesperrt, weil ich "frech" war (ich habe nach Spielsachen gefragt); abends wurde uns das Fieberthermometer in den Po gerammt; wg. Husten durfte ich nicht mit nach draußen (war ein Dorfkind und wegen des Hustens eigentlich in der guten Schwarzwaldluft); war 3 Wochen lang mit Masern im Krankenhaus und durfte keinen Besuch haben und nicht mit den Eltern telefonieren. Meine Eltern sagten, dass ich nach der Rückkehr noch wochenlang eingeschüchtert war, meine Mutter weinte oft deswegen.
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Enrico Just schrieb am 12.08.2020
Ich war im Jahr 1965 oder 1966 im Alter von 6 bzw. 7 Jahren in einem Kinderkurheim in Bad Sassendorf. Bereits bei der Anreise wurden die Kinder von den mitreisenden Betreuungsdamen auf das Kommende "vorbereitet". Es herrschte in dem Heim strengster Drill mit Bestrafungen aller Art bei kleinsten Vergehen. Schläge mit der Hand auf die Ohren, wenn man im Bett ein Geräusch von sich gegeben hat. Einsperren in einen Lattenkäfig im Dachgeschoss über mehrere Tage bei Wasser und Brot. Aufessen von Erbrochenem, zum Teil ungenießbare Speisen wie Suppe aus verdorbenem Brot etc. Weiterhin wurden Kinder im Keller in Wasserbottiche eingesperrt, die dann abwechselnd mit heißem und kaltem Wasser geflutet wurden. Nach 6 Wochen war ich, genauso wie andere Kinder, ein Nervenbündel. Wir hatten Angst, nicht mehr nach Hause zu dürfen. Leider kann ich meine Eltern nicht mehr fragen und meine Geschwister sind jünger. Hat jemand ähnliche Erfahrungen in diesem Heim gemacht?
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Kirsten Beste schrieb am 12.08.2020
Hallo Wolfgang,
 
ich war ungefähr ein Jahr später dort, so im Frühjahr / Frühsommer 1971 im Alter von 6 Jahren. Ich habe sehr wenig konkrete Erinnerungen an den Aufenthalt dort. Und bei manchen Bildern die ich im Kopf habe weiß ich nicht ob sie wahr sind oder sie mangels konkreter Erinnerungen der kindlichen Phantasie entsprungen sind.
An den Zwangsmittagsschlaf auf den Feldbetten mit kratzigen Wolldecken in dem Anbau vom Heim
kann ich mich noch gut erinnern. Gefühlt habe ich in den 6 Wochen meines Aufenthaltes eine ganze Wolldecke zerrupft und kleine Kugel aus den Flusen gedreht. Wer nicht ruhig war oder sich bewegt hat musste den Rest der Zeit in der Ecke stehen.
Besonders schlechte Erinnerungen habe ich an das Essen, hier besonders Milchreis, den ich bis heute nicht mal riechen kann ohne das mir schlecht wird.
Vielleicht hast du ja Interesse an einem Austausch!? ES gibt auch eine Facebook Gruppe für Verschickungskinder Wyk auf Föhr.
Liebe Grüße Kirsten
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petra osier schrieb am 12.08.2020
Ich war im Jahr 1968 in Villingen Schwenningen ich glaube von der AOK verschickt.
Ich war dann 1969 nochmal in Bad Bocklet das war wohl von Caritas oder Diakonie.
Nochjemand der dort war ?
Die Erinnerungen und Alpträume begleiten mich noch, ich war damals 5 bzw 6 Jahre alt und wurde verschickt da wir 1967 einem schweren Autounfall hatten, mein Vater starb sehr dramatisch und ich hatte und habe hier viele Erinnerungen an alles.was mit dem Unfall zusammenhängt. Leider kamen nach den obigen Verschickungen noch viele Trauma hinzu.
Ich habe durch die TV Reportagen zum ersten Mal festgestellt das ich nicht alleine bin.
Über 50 Jahre habe ich es als gegeben hingenommen und fand es in Ordnung das ich selbst schuld war an der schlechten Behandlung.
Ich kann mich hier noch nicht äussern, ich leide u.a. an PTSD und finde hier noch nicht die Kraft es nieder zuschreiben.
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Monika Nülle schrieb am 12.08.2020
Ich war 1965 in St.Peter Ording, es war über Ostern, im Frühjahr, wo weiss ich nicht. Ich habe Erinnerungen an Bestrafungen in Form von: auf dem Jungenflur sitzen weil ich den Mittagsschlaf nicht eingehalten hatte und im Bett geturnt hatte, musste mich dort hänseln und im Nachthemd veräppeln lassen, Nase zu halten, damit der Mund aufgemacht wurde um eklige rosa Puddingsuppe essen, ekelhafte Schmalzbrote, eine Ohrfeige der Heimleitung, weil ich meiner Mutter geschrieben hatte, das es schrecklich dort sei, unsere Briefe wurden also gelesen, brutale Behandlungen mit Läusekämmen, weil man davor wohl angst hatte, es gab LIebkindchen der Betreuerinnen, die alles durften und andere die gemobbt wurden....
Monika
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Birgit schrieb am 12.08.2020
Ich war 1965 in Wittdün und habe auch schlechte Erinnerungen an den Aufenthalt. Damals war ich gerade 5 Jahre alt. Ein Foto habe ich heute noch.
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Andreas Weber schrieb am 12.08.2020
Hallo zusammen,
 
ich bin außerordentlich glücklich, dass Ihr das hier auf die Beine gestellt habt.
 
Ich leide seit über 40 Jahren unter dieser damals gängigen Praxis.
 
Muss oft weinen, insbesondere abends , wenn ich eigentlich schlafen soll, das hat meine Ehe ruiniert, etc.
 
Ich kann mich sehr genau an diese Zeit erinnern und träume mindestens einmal im Monat davon.
 
Als ich 4, 5 Jahre alt war hat das Jugendamt mich verschickt, was ich erst 35 Jahre später erst erfuhr.
 
Ein kleiner Junge wird in den Zug gesetzt mit einem Brustbeutel, wo man lesen konnte woher und wohin die Ware gehen soll.
 
Ich wusste nichts davon , obwohl ich schon lesen konnte mit 4
 
Ich habe überhaupt nicht kapiert , warum ich mit dem Zug fahren soll.
 
Die Reise endete in Neustadt im Schwarzwald.
Als ich als dem Zug aussteige, ist niemand da.
 
Ich weiss gar nicht , wo ich hingehen soll.
 
laufe und laufe, zum Busbahnhof.
 
stehe da und niemand kommt. 1974/75
 
Für etwa eine Stunde- ich konnte schon die Uhr lesen- (heute bin ich Diplom-Mathematiker)
 
für etwa eine Stunde stehe ich da rum und niemand kommt.
 
Geweint habe ich nicht, weil meine Mutter mir ja gesagt hat, dass ich in Kur müsse, weil ich Anämie habe.
 
Was nie der Fall war in der Nachbetrachtung.
 
Nach einer Stunde kommt ein Bus.Die Tür geht auf und der Fahrer fragt, wo ich den hin wolle.
 
Keine Ahnung...
 
Er liest den Brustbeutel und sagt achso das Kloster... ja dann sei das hier richtig.
 
nach etwa 10 min Fahrt sehe ich ein Kloster, von dem ich heute noch nachts schwer träume.
 
Nonnen die mich sehr nachdrücklich zwangen mein Erbrochenes wegzuwischen, mich beleidigten " Ungezogene Göre".
 
Zwangen mich aber Rosenkohl zu essen, weil, was auf den Tisch kommt muss gegessen werden.
 
 
Nachts mit Taschenlampen angestrahlt werden in Gitterbetten, schrecklich.
Pure Angst!
 
Hatte große Angst, niemand da für mich, den ich kannte und dem ich vertraute.
 
Ich sollte sogar nachts die Hände auf die Bettdecke legen, damit ich nicht onaniere.
 
Mein Gott ich war 5...
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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Dr. Wolfgang David schrieb am 12.08.2020
Mir schlug das Herz gestern Abend bis zum Hals, als auf einmal in der TV-Dokumention Wyk und das BEK-Heim Schloß am Meer zum Thema wurde.
Vom 5. Januar bis 10. Februar 1970 war ich im BEK-Heim Schloß am Meer in Wyk auf Föhr.
 
Nach einem Besuch der Schulärztin in der Königstorschule in Kassel wurde ich als Drittklässler (8 Jahre alt) zur Erholung nach Wyk geschickt.
Die Daten habe ich nie vergessen. Mit dem Nachtzug auf ausgezogenen Sitzen schlafend (keine Liege- oder gar Schlafwagen) von Kassel über Niebüll, Dagobüll nach Wyk. Auf dem Rücken der blaue BEK-Rucksack mit weißer Aufschrift aus Plastik. Der Rucksack existiert noch. Meine Postkarten und Briefe nach Hause schrieb ich heimlich auf der Toilette und die aus dem Schloß am Meer geschmuggelten Karten/Briefe warf ich beim Spaziergang ebenso heimlich in Briefkästen, die wir passierten.
Die offiziell ausgehende Post wurde zensiert. Die eingehenden Päckchen kontrolliert und zum Teil vom Personal (ausschließlich Frauen, darunter auch junge "moderne" Post-1968er Mädchen von 1970 in Minikleidern) geplündert. Die Damen speisten im Friesenzimmer, die Kinder aßen oft bis zum Erbrechen Nussgrießbrei, der so dick war, dass sogar die schweren Schöpfkellen darin stehen blieben. .....
 
Ich war damals acht Jahre alt, gehörte zu den jüngsten der "großen Jungen".
 Natürlich harte Rangkämpfe voller Gewalt, dennoch überwiegte die Solidarität der Kinder untereinander gegenüber den Frauen, unter denen es durchaus auch nette gab. Ich habe noch das Gruppenfoto in einem Fotoalbum, eingeklebt zusammen mit Ansichtskarte des BEK-Heimes Schloß am Meer.
Vertrauen hatten wir aber nur zu dem einzigen Mann, dem Hausmeister. Ein älterer Mann, der mit uns Korbball spielte und uns beim Schneeschippen als Persönlichkeiten ernst nahm.
 
Zwangsmittagsschlaf (wir waren nur nach der nächtlichen Anreise müde genug) auf Feldbetten in einer Turnhalle. Zwischen den Betten "Covid-Abstand" Sprechen und Flüstern verboten. Aus den Wolldecken zogen wir Fäden und machten Knoten, damit die zwei Stunden verstrichen.
Nachts eine Wache vor den Schlafzimmern. Bei Flüstern wurde man in den Waschraum geschickt und mußte zur Strafe die Nacht separiert auf Holzbänken im Waschraum verbringen.
 
Glücklicherweise traf es mich nur eine einziges Mal, auf der Holzbank vor dem Waschraum übernachten zu müssen. - Wir mussten es hinnehmen und haben es ertragen.
 
Das Taschengeld wurde einbehalten. Das Gruppenfoto wurde davon bezahlt und der Keramiker, der mit Vasen und Seepferdchen aus Ton ins Schloß kam. Dort durften wir die Mitbringsel für unsere Familien kaufen. Die Seepferdchen für jeweils 1,50 DM, die Vase für 3 DM. Gutes Geschäft! Und die Preise kenne ich noch nach 50 Jahren. Seepferdchen und Vase sind noch vorhanden. So verdienten auch der lokale Töpfer und der Fotograf an den Kindern.
Viel lieber hätten wir Kinder etwas im Andenkenladen gekauft. Das traf eher unseren Kindergeschmack.
 
Ich fragte mich oft, ob diese 6 Wochen jemals zu Ende gehen. Die Rückreise eine Erlösung - Dagobüll und Niebüll geradezu Sehnsuchtsorte. Ich kann mich auch noch gut erinnern, wie "Leidensgenossen" in Celle aus dem Zug stiegen.
 
Und wohl niemals in meinem Leben bin ich so auf meine lieben Eltern und meine Schwester sowie meinen Schulfreund Olaf zugestürmt wie am Nachmittag des 10. Februar 1970 auf dem Bahnsteig im HBF Kassel.
 
Wie habe ich die sechs Wochen überstanden?
Ich hatte das Glück, jeden Tag bei der Austeilung der Post etwas zu erhalten.
Meine Mutter, die morgen am 12.8.2020 95 Jahre alt wird, schrieb mir jeden Tag eine Postkarte des Jugendherbergswerks (es gab damals jedes Jahr eine Kartenbox mit Tiermotiven). Und auch Großeltern, Onkel und Tanten, Vater und Schwester schrieben mir. Das gab Rückhalt. Die meisten der anderen Kinder entbehrten dieser Zuwendung. Manche erhielten niemals Post, die täglich im Speisesaal ausgeteilt wurde. Ich wurde täglich aufgerufen und konnte vom Tisch nach vorne gehen, manchmal sogar mehrmals. -- Manche Kinder erhielten niemals Post.
Was ist wohl aus den anderen geworden? Uns verband eine Solidarität. Manche Namen und Anschriften notierte ich.
 
Aber es gab durchaus auch gute Momente mit den Erzieherinnen. Auch die am meisten Gefürchtete hatte durchaus warmherzige Momente, wenn Sie Geschichten vorlas.
 
Die Verbindung mit Erziehungsmethoden der NS-Zeit bzw. eine Verbindung zur SS-Karriere mancher Verantwortlicher (TV-Sendung vom 10.8.2020) greift meiner Meinung nach zu kurz. Die alles besitzt ältere Wurzeln. Man denke an Oliver Twist. Und besonders eindrücklich hat dies Michael Hanecke in seinem Spielfilm "Das weiße Band" dargestellt.
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Freyja-W. Hansen schrieb am 12.08.2020
Hallo,
ich war 1969 in einem Kinderheim in Kreuth am Tegernsee, verschickt über die Barmer Ersatzkasse wie wohl viele von uns hier.
Ich erinnere mich an die Strenge, an langes Heimweh - und Haferschleim. Eine schöne Blumenwiese, auf der wir spielten und lange Wanderungen. Namen erinnere ich keine, viele Erinnerungen sind es nicht.
Ich bin vor ca. 10 Jahren nochmal nach Kreuth gefahren und habe tatsächlich das Haus gefunden. Es ist heute ein Privathaus, sie haben allerdings die Aufschrift erhalten und berichteten von Menschen, die vorbeikommen und sich an ihre Zeit im Heim erinnern.
Wer mit seinen inneren Kindern arbeitet: es war eine kleine Freyja noch dort, die ich gern "eingeladen und mitgenommen" habe - danach ist mehr Ruhe in mir eingekehrt.
Der Bericht im Fernsehen ist mir sehr unter die Haut gegangen. Die Schlafsäle, und vor allem die Täschchen mit den Unterlagen, die die Kinder am Bahnhof um den Hals hatten - daran erinnere ich mich.

Gut, dass alles ans Tageslicht kommt.
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Dagmar schrieb am 12.08.2020
Zum Nachdenken schöne Erinnerungen.
Ich war vier mal in der "Kinderverschickung". Das erste mal mit 5 Jahren 1965 in Rottach am Tegernsee. Ja, das war schlimm für mich, da ich noch so klein war und schreckliches Heimweh hatte. Dazu kam, dass die Masern umgingen und wir einige(?) von den sechs Wochen Kur in Quarantäne im Haus verbringen mussten. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Erzieherinnen uns misshandelt hätten oder so.
1968 war ich sechs Wochen in St. Peter Ording im Kinderkurhaus Dr. Drenckhahn. Da hat es mir richtig gut gefallen. Wir waren viel draußen im Watt und in den Dünen. Die großen Jungen haben uns jüngere über die Priele getragen. Einmal in der Woche sind wir in das Wellenbad gegangen. Abends haben wir zur Gitarre gesungen. Ich fand die Erzieherin sehr nett.
Zu der Zeit waren die Erwachsenen strenger, überall. Einige Lehrer in der Schule haben noch mit dem Zeigestock geschlagen, einen in der Ecke stehen lassen und so was, und zu Hause bekam ich oft Schläge. Im Kinderheim nie. Ich habe nie mitbekommen, dass ein Kind in der Kur geschlagen wurde. Dass wir den Teller leer essen mussten, habe ich im Kindergarten zu Hause erlebt. Im Kinderheim war es auch streng, aber ich fand, nicht strenger als sonst. Wer beim Essen rumgealbert hat, der hat den Teller weggenommen bekommen. Wir waren auch viele Kinder (20-30?) mit einer Erzieherin oder höchstens zwei Erwachsenen. Strafen gab es, ja. Ich kann mich an eine Geschichte erinnern. Das war 1970 auf einem Bauernhof am Schliersee. Ein paar Jungen hatten einen "Geheimgang" entdeckt und sind nachts aus dem Bett und über eine Leiter auf den Heuboden geklettert. Das gab einen Riesenärger! Ab dem Abend musste jeder, der statt im Bett zu liegen im Haus rumgetanzt ist, im Flur im Schlafanzug auf einem Stuhl sitzen, vielleicht eine Stunde? Zwei Stunden? Das war sehr ungemütlich und kalt.
Und ja, Süßigkeiten, die uns die Eltern geschickt haben, wurden konfisziert und nach dem Essen an alle Kinder verteilt. Das hat mich auch zuerst richtig geärgert, weil die Mama mir die Sachen zu meinem Geburtstag geschickt hatte. Aber später, und nach mehreren Kuraufenthalten, fand ich es in Ordnung, denn manche Kinder haben nie Post von den Eltern bekommen und andere bekamen viel und hätten gleich alles in sich reingestopft und niemandem etwas abgegeben.
In zwei Heimen war das Duschen auch nicht angenehm. Wir zogen uns aus und standen in der Schlange bis wir dran waren kurz abgespritzt zu werden. Dann ging´s weiter zur nächsten Station, wo wir uns einseiften und dann mussten wir uns wieder in der Duschschlange anstellen. Aber man muss bedenken: Wir hatten bis 1967 zu Hause gar keine Dusche! Da ging´s am Samstag, dem Badetag, der Reihe nach in der Küche in die kleine Zinkbadewanne. Das Badewasser wurde auf dem Kohleherd erhitzt.
An einen weiteren Kuraufenthalt erinnere ich mich gerne. Das war in Bad Reichenhall / Nonn. Der Herbergsvater war ein Pfarrer. Er war sehr nett und menschlich. Ich fühlte mich von ihm "gesehen", was damals bei wenigen Erwachsenen vorkam. Er verbrachte nur wenig Zeit mit uns, da er ja seinen Beruf hatte, aber als besonderes Highlight hat er mit uns Kindern einen Ausflug mit der Seilbahn auf den Predigtstuhl unternommen. Er hat uns erzählt, echte Bergsteiger gehen am Seil, und so sind wir alle stolz am Seil hinter ihm her auf dem Berg durch den Schnee gestapft. Was für ein Erlebnis für uns Berliner Stadtkinder!
Ich finde es richtig, dass Missstände aufgedeckt werden und ans Licht kommen! Zu der Zeit als wir Kinder waren, sind ständig viele Kinderseelen verletzt worden, und natürlich auch die kleinen Körper. So war es auch in der Kinderverschickung. Viele von euch haben sehr darunter gelitten. Aber ich möchte euch bitten zu versuchen die Vorfälle im Gesamtzusammenhang zu betrachten. Durch die Fernsehsendung könnte man denken, es seien Millionen Kinder in den Kurheimen systematisch misshandelt worden. Dem kann ich nicht folgen. Die autoritären Erziehungsmethoden und die Auffassung, dass Kinder an sich erst mal "recht erzogen werden müssen" und keine eigenen Bedürfnisse zu haben haben, war in der ganzen deutschen Gesellschaft bis in die 70er Jahre noch weit verbreitet. Wir müssten ehrlich die Frage beantworten: War es denn in den Kurheimen schlimmer als in anderen gesellschaftlichen Bereichen, wo die Rechte der Kinder nichts zählten? Waren es alle Heime? Oder einige? Waren es in den Heimen bestimmte Erzieher oder die Leitung? Ging es vom Träger aus oder war es geduldet?
Und wenn wir die Missstände aufdecken, ist für mich die wichtigste Frage: Was machen wir daraus?! Welche Pädagogik möchten wir denn heute?
Begegnen wir denn heute unseren Kindern und Jugendlichen mit Wertschätzung? Wie können wir ihnen mitgeben, was wir aus der Vergangenheit, deren Methoden wir nicht mehr anwenden wollen, gelernt haben?
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Claudia Michael schrieb am 12.08.2020
Hallo, auch ich bin gestern, durch den ARD Bericht auf das Thema aufmerksam geworden und beim schauen, begleitete mich ein unbehagliches Gefühl. Ich erinnerte mich daran das ich als Kind auf Langeoog war, wegen Untergewicht und ständig krank sein. Ich habe heute raus gefunden das ich ich in Haus Sonnenschein war. Ich habe ein Gebäude erkannt. Ich vermute das ich ca 1975/76 oder 77 dort war. Ich habe kaum Erinnerungen ausser, ständig essen zu müssen, Isoliert in einem Raum zu schlafen (es gab dort Metallbetten) und dieses beschämende Gefühl beim Wiegen. Ich erinnere mich an ständige Angst,auch Verlustangst und schreckliches Heimweh. Ich habe keinerlei Erinnerungen an Personen oder wie ich dorthin gekommen bin oder nach Hause gekommen bin. Ich bin 52 Jahre alt und habe mit 50 Jahren die Diagnose chronische Depression und 4fache Persöhnlichkeitsstörung bekommen...nicht mehr heilbar. Ich habe eine Aufmerksam-und Anpassungsstörung mit ausgeprägte Sozialphobie. Das beschäftigt mich seit gestern, weil ich mich nur an Bruchstücke erinnere. Vieleicht war ja jemand in diesen Jahren auch dort...
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Gabriele schrieb am 11.08.2020
War vor der Einschulung auch für 6 Wochen in Fridenweiler im Schwarzwald, es war gruselig und die Einrichtung wurde von sehr bösartigen Nonnen geführt.
Ich war scheinbar zu mager und mir wurde tagtäglich aufgezwungen meinen Teller leer zu essen, ansonsten half mir ne Nonne beim Essen.... usw... Es war ein absoluter Alptraum in meiner Kindheit
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Arndt Schrick schrieb am 11.08.2020
Hallo zusammen! Ich war vor 42 Jahren ( also mit acht Jahren ) ein Verschickungskind zusammen mit meiner Schwester . Verschlagen hat es in das sog. Kindererholungsheim Friedenweiler im Schwarzwald. Meine Eltern ,die mittlerweile Mitte 80 sind, dachten das sie uns Gutes damit tun...Obwohl das schon lange her ist, kann ich mich bis heute an fast jedes Detail erinnern.Los gings vom Hbf Bielefeld direkt in die Hölle. Ein riesiger Schlafsaal mit vorwiegend 12 jährigen die mich verprügelt haben, Doktorspiele an mir begangen haben, ect. Ich habe dann wieder angefangen ins Bett zu nässen. Die Nonnen, die das Heim geleitet haben waren auch sehr hart ( bei "Vergehen" in der Ecke stehen, Essensentzug ect). Nach Abfahrt mit dem Zug hab ich Friedenweiler aus der Ferne gesehen, bin auf die Knie gefallen und hab den lieben Gott gedankt, das dieses vorbei ist!Meine Schwester fand das nicht so schlimm. Sie war natürlich auch 5 Jahre älter als ich. Hat jemand hier noch Erfahrungen mit Friedenweiler gemacht? LG Arndt
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Sandra Kevorkyan schrieb am 11.08.2020
Hallo
ich war 1976 im Alter von 8 Jahren in Königsfeld
Im Schwarzwald, es war genauso wie alle hier
berichten und ich habe mich immer wieder gefragt
ob es nur mir so gegangen ist. Die Tante an die ich mich erinnern kann hieß Margot und war schrecklich.
Das schlimme ist, dass man alles erfolgreich verdrängt hat und plötzlich ist alles wieder da. Kennt jemand diesen Ort?
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Claudia Sohns schrieb am 11.08.2020
Hallo Robert,ich habe die gleichen Erfahrungen gemach wie du.
Ich war 1978 mit meiner Schwester im gleichen Kurheim auf Borkum.
Ich war 6 u.meine Schwester 4.
Die blau-weißen Strickmützen kenne ich nur zu gut,ich war die Nummer 3.
Singend(wenn die bunten Fahnen wehen)mußten wir durch den Ort laufen.
Auch die Blecheimer vor der Türe sind mir gut in Erinnerung.
Eines nachts bekam ich Durchfall,habe es aber nicht mehr rechtzeitig auf den Eimer geschafft.Als Strafe mußte ich eine Jungenunterhose tragen.
Auch das Essen ist mir in Erinnerung.
Es gab öffter Milchreis.Wer sich nicht erbrochen hat mußte ihn aufessen.
Seid dieser Zeit kann ich weder Milchreis richen noch essen.
Ich könnte hier noch mehr erzählen aber das ganze wühlt mich sehr auf seid ich diese Seite u.den Bericht im Fernsehen gesehen habe.
Aber endlich weiß ich das ich mit diesen Erinnerungen nicht alleine bin.
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Petra Klotz schrieb am 11.08.2020
Hallo, mein Name ist Petra. Ich war 1972 und 1974 im Bergheim Bühl bei Immenstadt im Allgäu. Meine Erfahrungen decken sich mit vielen eurer Berichte. Zwang zum Essen, Ausschluss von Spielen und zur Strafe ins Bett am hellen Tag.
Die Post wurde zensiert, Texte wurden diktiert.
Und täglich mussten die Schuhe geputzt werden, unter Kontrolle und Zwang. Schon länger dachte ich, es wäre sicherlich ein BDM Heim gewesen.
Geführt von Herrn und Frau Kissel mit Tochter Michaela.
Ich dachte, ich wäre ein böses Kind gewesen, darum hätten meine Eltern mich weggeschickt.
Nach dem Podcast in SWR2 war ich geschockt. Es waren Nazis am Werk, 1970 und unsere Eltern und die Regierung haben uns nicht beschützt!
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Rudi schrieb am 11.08.2020
ich weiß den Namen von dem Heim nicht mehr. Ich muss sehr klein gewesen sein, sonst würde ich mich an mehr erinnern. Ich war ein sehr lebhaftes Kind und die Mittagsruhe war die Hölle für mich. Die Erzieherinnen haben immer ein Gummibärchen auf den Bettpfosten gestellt. Wenn das Ding nach der Mittagsruhe umgefallen war, gab es eine Strafe. An die Milchsuppe morgens kann ich mich auch erinnern und das Verbot nachts aufs Klo zu gehen. Ziemlich wenig Info, ich weiß, ich war einfach noch zu k
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Gabi Baeck schrieb am 11.08.2020
Ich wurde im Jahre 1956 als ich acht war in „Kur“ in ein Katholisches Heim in Altglasshütten im Schwarzwald geschickt. Leider war ich Evangelisch und deswegen an allem was dort schief ging Schuld. Wenn jemand im 2ten Stock einen Unfall im Bett hatte war das meine Schuld obwohl ich im ersten Stock schlief. Aber an was ich mich immer noch erinnern kann war dass es Ananas zum Nachtisch gab und ich das nicht mag. Ich musste am Tisch sitzen die Ananas im Mund bis ich um 3 Uhr zur Toilette musste und es endlich ausgespuckt habe. Leider wurde das sofort entdeckt und ich musste nochmals mit einem Mundvoll sitzen bis ich es geschluckt hatte so um 9 Uhr Abends. Dann habe ich mich natürlich erbrochen ind musste das dann sauber machen! Kann weder Ananas noch Nonnen oder Religion bis heute nicht ausstehen!
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Kerstin Haß schrieb am 11.08.2020
Ich war 1974 als 5jährige in Obermaiselstein. Ich habe nicht mehr viele Erinnerungen an diese Zeit, weiß aber, dass ich aufgrund von Masern für 2 Wochen isoliert wurde. Dort war ich zunächst alleine im Zimmer und später kann ein anderes Mädchen dazu. An den Zwang aufessen zu müssen kann ich mich auch erinnern und dass es verboten war nachts auf die Toilette zu gehen. Morgens musste sich die Kinder vor der ganzen Gruppe melden, die nachts eingenässt haben. Ich habe mir vor Jahren einmal die Einrichtung von außen angesehen.
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Martina Gülker schrieb am 11.08.2020
Hallo zusammen,
der ARD-report hat auch mich hierher geführt. Gut so! Ich war im Sommer 1972 für 6 Wochen im Kinderheim der Stadt Münster auf Juist. Zum Aufpäppeln und wegen eines chronischen Ekzems. Damals war ich 7 Jahre alt. Am Anreisetag wurden mein Kuscheltier und meine Barbie ganz oben im Schrank versteckt. Unerreichbar für mich. Meine Süßigkeiten wurden an alle verteilt, der beigelegte Brief meiner Eltern einkassiert. Ich erinnere mich an keine Namen von "Tanten". Aber an Zwangsfütterung mit Grießbrei: Die "Tante" drückte seitlich auf meine Kiefer, bis ich den Mund öffnete. Dann wurde gestopft, bis der Teller leer war. Das Heimweh war das Schlimmste. Post von der Familie wurde unterschlagen, sonst würde das Heimweh nur schlimmer. Ich habe eingenässt. Zur Strafe musste ich dann 3 Stunden barfuß in der Ecke stehen. Meine Eltern bestätigen, dass ich völlig verstört nach Hause kam. Die Kur wirkt bis heute nach, in vielen Bereichen meines Lebens.
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Ingrid van Veen schrieb am 11.08.2020
Hallo Sabine, dein Bericht hat mich sehr berührt, zumal ich selbst mit 6 Jahren (1969) im Spätherbst in Schweinfurt in den Zug gesetzt und nach Bad Reichenhall gebracht wurde. Gerade habe ich zwei Briefe gefunden, die die "Fräuleins" in meinem Namen an meine Eltern verfasst hatten, natürlich sehr positive und unpersönliche Darstellungen). Ich kann mich auch noch an die Salinen und an das harte und lieblose Regiment auch im großen Schlafsaal erinnern. Danke für deine Offenheit!
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Ute schrieb am 11.08.2020
Pardon, ich habe meinen Text an falscher Stelle veröffentlicht, daher hier noch einmal:
 
Ich bin froh, dass endlich auch die Zustände in den Verschickungsheimen aufgedeckt werden. Schon als Kind hatte ich mir vorgenommen, das selbst einmal zu tun, doch ich hatte später nicht die Kraft dazu.
Selbst war ich um Ostern 1961 für sechs Wochen in einem Heim in Bad Salzuflen. Ich wurde verschickt, weil ich mit knapp sechs Jahren angeblich zu zart für mein Alter war, deshalb nicht eingeschult wurde und zunehmen sollte. Ich habe viele Fotos gesichtet und denke, es war das Kinderheim Bethesda, das schon vor einziger Zeit umgebaut wurde und nun ein Altenheim ist. Es ist quasi unmöglich, im Internet über das Heim Informationen zu finden, aber ich könnte ein Foto beifügen, ein Gruppenbild mit den Schwestern, die uns gequält haben, vielleicht erkennt sie jemand. Leider habe ich über Bad Salzuflen hier noch nichts gelesen, aber vielleicht gibt es ja doch Mitleidende.
Was soll ich berichten, nachdem schon soviele Ehemalige hier geschrieben haben? Vieles war offenbar überall gleich, aber trotzdem muss es immer wieder gesagt werden.
Ich war damals sowieso schon ein schüchternes Kind und das wurde durch den Heimaufenthalt noch verstärkt. Alles beruhte auf Strenge und fixen Zeiten. Ich lag in der mittleren Reihe eines großen Schlafsaals. Vorn war – so kommt es mir heute vor – so eine Art Bühne, in deren Mitte ein Eimer stand für diejenigen, die nachts auf die Toilette mussten, aber nur „klein“. Direkt dahinter lagen die Räume der Schwestern oder jedenfalls einiger, so dass man keinen Lärm machen durfte, denn die Toilettengänge waren ja sowieso festgelegt auf bestimmte Uhrzeiten. In Schlangen standen wir Kinder vor den Toiletten und in ein, zwei Minuten mussten wir fertig sein, wurden regelrecht getriezt. Wer es in dieser Zeit nicht schaffte, hatte Pech, denn außerhalb der Zeiten durften wir nicht dorthin. Ich weiß nicht mehr, ob es wahr ist oder nicht, aber ich meine in Erinnerung zu haben, dass ich einmal nachts mein über Stunden aufgeschobenes großes Geschäft dringend erledigen musste, aber nicht auf den Eimer durfte, denn der war dafür nicht vorgesehen. Ich fürchte und glaube, dass ich in die Hose gemacht und das Ergebnis dem Jungen in dem Bett vor mir untergeschoben habe. Danach habe ich mir aus schlechtem Gewissen eingeredet, dass es umgekehrt gewesen sein muss, weil ich das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren konnte. Bis heute weiß ich nicht, was war.
Wenn morgens Haarewaschen auf dem Programm stand, gab es furchtbar heißes und anschließend eiskaltes Wasser auf den Kopf. Danach fuhr die Schwester mit einem spitzzinkigen Kamm extra direkt auf der Kopfhaut durch die Haare, so dass einem die Tränen in die Augen schossen.
Die Mahlzeiten waren eine Tortur. Fast täglich saß die Schwester in ihrer Tracht (war es vielleicht eine Schwester oder Äbtissin namens Gertrud?) neben mir und zwang mir das Essen mit Gewalt in den Mund. Ich erinnere mich, dass sie zwei Eier, mehrere gro0e Kartoffeln und einen Berg Spinat in mich reinwürgte. Zum Glück blieb alles drin. Abends durften wir wählen ob wir Wurst oder Käse auf dem Brot haben wollten. An einem anderen Tisch saß ein Mädchen, das sich vor Käse ekelte und sich davon jedesmal übergeben musste. Also verlangte sie jedesmal Wurst. Und bekam Käse. Sie übergab sich in ihren Teller und wurde gezwungen, das Erbrochene aufzuessen. Wieder und wieder. Jeden Tag. Da hatte ich noch Glück.
Zu Ostern gab es Päckchen von den Eltern, auch ich bekam eines. Gerade als ich die Süßigkeiten auspackte, kam eine Schwester und entriss mir alles mit den Worten, andere Kinder hätten nichts bekommen und das würde verteilt. Ich durfte nichts behalten.
Manchmal strich mir eine Schwester eine Art Salbe in die Nase. Sie sollte anhand von Spuren an den Fingern beweisen, dass ich in der Nase gebohrt hatte.
Ich weiß nicht, wie oft, aber regelmäßig gingen wir im Kurpark spazieren. Das war für mich jedoch kein Vergnügen, weil die die Gradierwerke, die wie hohe dunkle Torfwände aussahen, als bedrohlich und einengend empfand. Wir bekamen dort in einem Gebäude auch Bäder, auch das war für mich ein Alptraum. Ich saß in einer riesigen Wanne, das Salzwasser stand mir bis zum Hals und ich fürchtete jedesmal abzurutschen und zu ertrinken. Wenn das Wasser abgelassen wurde, fürchtete ich, in den Abfluss, der mir sehr groß erschien, gespült zu werden.
Obwohl ich ein gutes Gedächtnis habe, fehlen mir Erinnerungen über eine Kommunikation mit den anderen Kindern. Es kommt mir so vor, als hätte ich im Speisesaal allein an einem Tisch in der Mitte des Raumes gesessen zu haben, präsent am Tisch ist mir nur die Schwester, die mich zum Essen zwang. Ich kann mich allenfalls an Steckspiele aus Holz erinnern, aber nicht daran, mit anderen gespielt zu haben. Ein Mädchen, ich glaube, es hieß Sonja, schien allerdings eine Sonderstellung einzunehmen. Sie hatte blondes Haar, trug eine karierte Latzhose und war immer fröhlich. Sie durfte den Schwestern zu Hand gehen und war offenbar privilegiert.
Eines Tages nach dem Mittagsschlaf erblickte ich mehrere Menschen um mein Bett herum, davon jemanden im weißen Kittel. Ich meine mich zu erinnern, dass jemand sagte, ich hätte Fieber, und kam dann in den Krankentrakt. Das muss nach vier Wochen Heimaufenthalt gewesen sein, jedenfalls bekamen meine Eltern eine Postkarte, auf der stand, dass ich in dieser Zeit krank war, es war von einer Erkältung/Grippe die Rede. Selbst weiß ich nichts davon, gehustet oder geschnupft zu haben, hatte meines Wissens keinerlei solche Symptome. Dass ich Fieber hatte, möchte ich nicht ausschließen, doch vermutlich war ich einfach heimwehkrank, weil der ganze Aufenthalt eine einzige Tortur war. Ich kam in ein kleines Krankenzimmer mit drei Betten, kurze Zeit war ein anderes Bett noch von einem Jungen belegt, ansonsten war ich die ganze Zeit allein. Wie ich die Zeit verbracht habe, weiß ich nicht. Nur, dass ich immer im Bett lag. Und ich kann mich daran erinnern, dass es dort auch mal Kakao und ein Brötchen gab, was es außerhalb des Krankentrakt nie gegeben hat. Ansonsten ist der gesamte Zeitraum für mich ein Rätsel. Ein einziges Erlebnis bleibt für immer in meinem Kopf: Einmal musste ich ganz dringend zur Toilette und merkte, dass ich es nicht aufhalten konnte. Also lief ich schnell in den Waschraum, der direkt vom Zimmer abging. Als ich auf dem WC saß, kam die Krankenschwester herein, eine große dünne Dame mit strengem grauen Knoten, brüllte mich an und schlug mir mit voller Kraft ins Gesicht, so dass mir das Blut herunterlief. Ich hätte niemals auf die Toilette gehen dürfen, ohne sie vorher zu rufen.
Als meine Mutter mich am Bahnhof abholte, war sie erschrocken, denn statt zuzunehmen hatte ich abgenommen, mehrere Kilos.
Nachdem ich gestern den Bericht in der ARD gesehen habe, frage ich mich, ob ich nicht auch sediert worden bin in der Zeit meines Aufenthalts im Krankentrakt. Überhaupt sind noch viele Fragen offen.
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A Wegner schrieb am 11.08.2020
Ich habe heute bereits über meine Kurerfahrung im Allgäu in Obermaiselstein berichtet. Noch ein Nachtrag...ich vermute, ich habe, um bei der ewig langen sonntäglichen kath. Messe ruhig zu sein, Beruhigungsmittel bekommen. Ich bin nämlich, völlig untypisch, da ich ein sehr aktives Kind war, bei der Messe eingeschlafen und wurde in einen Nebenraum auf eine Liege gelegt, wo ich erstmal weitergeschlafen habe. Als ich wach wurde, stand ein Eimer neben der Liege, falls ich mich erbrechen müsste. Mir war aber garnicht schlecht und ich habe das alles nicht verstanden. Ich habe natürlich keine Beweise, aber zuzutrauen wäre es diesen Menschen.
Ich hoffe, es melden sich noch einige, die auch in Obermaiselstein waren. Kinderheim Marianne, Schwester M. Schleich. Eine kleine Einrichtung, daher vielleicht auch nicht so stark frequentiert. Auf der Internetseite Kinder-Heim.de gibt es einige Schilderungen von Leidensgenossen und auch Fotos vom damaligen Kinderkurheim -das waren aufklappbare Pappbildchen als Andenken-. Also, meldet euch...es waren auch Wiesbadener Mädchen dabei...ich kam aus Koblenz. Ich wünsche uns Erfolg bei dieser Aufkärungswelle, die jetzt anläuft!
 
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Sylke schrieb am 11.08.2020
Hallo da draussen!
 
Wow... die Resonanz auf die jüngsten Veröffentlichungen sind ja immens.. zahlreich, wie erschütternd! Meine "Geschichte" habe ich schon vor etlichen Monaten hier geschildert, deshalb kurz: Haus Köhlbrand, St. Peter-Ording, 1970. Kinder wurden von den Tanten geschlagen, gedemütigt und misshandelt. Ich musste eine Nacht auf einem Stuhl gefesselt auf dem Dachboden verbringen, Schäge, Essenentzug, Züchtigungen ohne Kleidung, die Schilderungen gleichen sich wieder und wieder.... Ich habe mich jetzt fast 50 jahre gefragt, was ich denn angestellt haben könnte, warum ich so ein böses Kind bin/war, dass mich meine Eltern wieder und wieder verschicken? 50 Jahre habe ich mich wie Abschaum, den lezten Dreck gefühlt, der es nicht besser verdient habe, bestraft werden müsse, denn wenn schon die Eltern das Kind weggeben...???
Heute stellt sich mir diese Frage nicht mehr. ich habe diese Inititiative kennengelernt und weiß: wir sind viele! Es ist NICHT NUR MIR passiert!
Mein Trauma hat das besänftigt, ja wirklich!
 
Da ich 1970 noch nicht zur Schule ging, konnte ich meine Brief nach hause nicht selbst schreiben und war zutiefst entsetzt über die Rückmeldungen meiner Eltern! Der Postverkehr von damals legt mir vor - nichts von dem, was ich schrieb kam daheim an: die Tanten wären so freundlich und ich hätte schon so viele Freundinnen. Es gehe mir gut!
Ich könnte heute noch kotzen, wenn ich das durchlese.
 
Meine Eltern glauben mir meine Schilderungen übrigens bis heute nicht. Damals hatte ich "zu viel Fantasie", "das Kind will ja nur Aufmerksamkeit erzwingen"... sie haben ein gebrochenen, schwerst traumatisiertes Kind zurückbekommen und haben nichts getan!!!! NICHTS!!! Im Gegenteil: in den darauffolgenden 10 jahren "durfte" ich jeden Sommer zur Kur!
 
Die Krankenkasse haben das alles immer ohne zu Zögern bewillt und bezahlt. Für die Therapien, die notwendig waren, um einen halbwegs wieder "graden" Menschen aus mir zu machen, haben genau dieselben, all meine Anträge abgelehnt. Ixch habe sie selbst bezahlt. Was für eine bodenlose Frechheit.
Ja, die Verantwortlichen aus den 50er-70er-Jahren werden alle tot sein, aber lasst uns das Thema aufarbeiten und die Institutionen dazu zu bringen, dieses Kapitel aufzudecken und- verarbeiten.
 
Meinen Eltern werde ich das nie verzeihen. Ich habe so viele viele Jahre gebraucht mir etwas zu verzeihen, für das ich nichts konnte, was aus mir gemacht wurde!
 
I
 
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Anke Kittelmann schrieb am 11.08.2020
Hallo alle zusammen. Da werden Erinnerungen wach. Sofern ich mich erinnere war ich als Kind in Trautenstein im Harz. An die ärztlichen Untersuchungen kann ich mich erinnern, da ich wegen Fingernägel knabbern dahin musste. Mir wurde angedroht, dass man jeden Nagel einzeln aus dem Finger zieht. Schon ganz zeitig früh mussten wir Kinder wie in einer Armee halb nackt an den Türen stehen und mit Pferdebürsten unseren Körper systematisch abbürsten. Danach gings unter die kalte Dusche, wo wir auch anstehen mussten für zwei Durchgänge. Ich finde es toll, dass das Thema bearbeitet wird, denn irgendwie hinterlässt es doch intensive Spuren im Leben.
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Jens Kähsner schrieb am 11.08.2020
Hallo nochmal
Habe die Doku gestern im Ersten gesehen und möchte mich bei allen Beteiligten bedanken das sie ermöglichten dieses Thema öffentlich zu machen. Das Ausmaß und die sich über ganz Deutschland wiederholenden Grausamkeiten gegenüber den Kindern hat mich geschockt. Aber endlich kann ich meinem Privaten Umfeld beweisen das es sich bei meinen Erlebnissen nicht um kindliche Phantasien und Übertreibungen handelt.
Danke
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Robert Boecker schrieb am 11.08.2020
Jahrzehntelang hatte ich nur einen sehnlichen Wunsch: Ich wollte wie John Rambo sein: die dicke Wumme in der Hand, Zwei Gürtel mit Handgranaten umgeschnallt und ein riesiges Messer zwischen den Zähnen. So wollte ich in Borkum von der Fähre steigen und das elende Haus Concordia in die Luft jagen.
Im Sommer 1970 war ich sechs Wochen in dieser Einrichtung, die von Cläre Meibert geleitet wurde. Ich hatte mich sogar gefreut an die See zu kommen. Doch was dann folgte war der Horror. Ich war der zweitgrößte in unserer Gruppe und hatte die Nr. 24 in dem weißblau-gestreiften Strickkäppchen, das wir tragen mussten sobald wir die "Anstalt" verließen. Wir schliefen mit 25 jungen in einem großen Raum unter dem Dach. Sprechen war natürlich verboten. Unsere Aufseherin schlief in einem Vorraum. Durch diesen mussten wir, wenn wir nachts auf einen der beiden Eimer mussten, die uns als Toliletten dienten. Die Aufseherin war dan immer sauer, wenn sie im Schlaf gestört wurde. Also hat man sich zehnmal überlegt, ob man auf den Eimer ging.
Wegen chronischer Bronchitis war ich über das Gesundheitsamt nach Borkum geschickt worden., Die meiste Zeit haben wir in einer Art Kellerverschlag die Zeit verbracht. Es gab dort Spielzeug nach Art von Lego. Wenn wir uns als Gruppe benommen hatten, rückte die Aufseherin Räder heraus, damit wir aus den Klötzchen Fahrzeuge bauen konnten.
Schlimm fand ich die gemeinsamen Gänge der 25köpfigen Gruppe zur Toilette. Abspülen durften wir nicht. Die Aufseherin kontrollierte die "Qualität" unseres "großen Geschäftes". Es gab drei Kategorien: Je nach Größe wurde in einer Liste ein Kreuz, ein Strich oder ein Punkt eingetragen. Je nachdem gab es anschließend Salzwasser zur Verdauungsförderung zu trinken. Von Zensur in den Briefen ist schon oft berichtet worden. ICh fühle noch wie heute meine Verzweiflung, dass ich unter den Blicken der Aufseherin schreiben musste "Wir dürfen nicht an den STrand weil wir nicht lieb waren". Wie gerne hätte ich meinen ELtern die Wahrheit geschrieben.
Es war erlaubt, zwei Pakete in den sechs WOchen geschickt zu bekommen. Irgendwann mussten wir aber schreiben, dass wir nur ein Paket bekommen durften. Warum? Niemand weiß es.
Die Sache mit den Paketen war auch ein Besondere. Die ankommenden Pakete wurden von der Aufseherin einkassiert. Je nach Lust und Laune entschied sich die Aufseherin ein "Zuckerfest" zu veranstalten. Dann wurden die Pakete geöffnet und er Inhalt an alle verteilt. Das war der wahre Kommunismus...
Ich könnte noch viel über diese Zeit erzählen, die sich in meinem Gehirn eingebrannt hat als wäre es gestern gewesen. Nur eines noch: Von Borkum bis Köln war es auch 1970 eine lange Zugfahrt. Ich muss den Leserinnen und Lesern dieses Forum nicht erklären, was ein Sunkist-Tütchen ist: Davon bekamen wir im HOchsommer genau ein einziges für die lange Zugfahrt.
Vielleicht kann der/die ein oder andere jetzt verstehen, warum ich gerne einmal John Rambo gewesen wäre.
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Claudia Preissler schrieb am 11.08.2020
Allen einen schönen guten Tag,
 
schon vor Jahren war ich auf der Suche nach einem Forum, um mich mit anderen ehemaligen Kurkindern auszutauschen. Und jetzt hab ich es gefunden.
Ich wurde im Jahr 84/85 ins Kinderkurheim Pestalozzi nach Sornßig geschickt, weil ich "zu dünn" war und ständig unter Hartleibigkeit litt. Ich muss gestehen, dass ich mit zittrigen Fingern tippe. Meine Erinnerungen, welche bruchstückhaft, aber sehr deutlich sind, lassen mein Herz heftig schlagen. War keine schöne Zeit!
Mit 9 Jahren wurde ich morgens in einen Bus gesetzt, allein und verängstigt. Der brachte mich nach Leipzig zum Hauptbahnhof, wo mich eine Erzieherin abholte. Dann ging es weiter im Zug. Ich glaube, dass noch andere Mädchen dabei waren, bin mir aber nicht sicher.
 
Ja, und dann begann eine schlimme Zeit. Das morgendliche Wassertreten vergess ich wohl nie. Egal bei welchem Wetter. Wir mussten Hosen bzw. Röcke ablegen und in Unterhosen durch ein Wasserbecken staksen. Ich war klein und so stand mir das einkalte Wasser bis zu den Schenkeln. Nicht selten wurde meine Unterhose nass, die durfte ich danach nicht tauschen.
Diese Erinnerung ist eine der lebhaftesten.
Zudem gab es den täglichen Ausflug in den Wald. Dort wurden Spiele gespielt, ob man wollte oder nicht. Länderklau und Räuber und Gendarm (oder ähnlich). Briefe nach Hause wurden akriebisch kontrolliert. Wenn etwas drin stand, was die Eltern nicht wissen durften, wurde er zerrissen und man musste einen neuen schreiben. Ich erinnere mich an Tränenflecken auf dem Papier.
Die Mahlzeiten wurden in einem längliche Raum eingenommen. Auf Fotos, die ich im Netz gefunden habe, ist sogar der Tisch zu sehen, an dem ich gesessen hatte. Damals wurde mir beim Anblick schlecht. Jeder von uns bekam zum Abendbrot einen Teller mit der Menge an Brot hingestellt, das man essen musste. Ich bekam immer 3 große Scheiben. Butter, Wurst, Käse, ... stand mittig für alle auf dem Tisch. Ich habe viele Tränen geweint, wenn ich gezwungen wurde, alles zu essen. Aber jemand hat mir geholfen. Zumindest eine Zeitlang. Ein Mädchen, sie war älter als ich, kam auf die tolle Idee, wenigstens ein Brot fett mit Butter zu beschmieren und das unter die Tischplatte zu kleben. Gott, ging mir das Herz. Wir wurden ja strengstens beobachtet. Aber es klappte. Auch eine sehr klare Erinnerung.
Leider weiß ich ihren Namen nicht mehr, aber sie war mir eine Weile die allerbeste Freundin. Bis zu der einen Nacht.
Ich hatte wohl den schlimmsten Albtraum, den ein kleines Mädchen haben kann und bin mitten in der Nacht schreiend aufgewacht. Meine Freundin schlief neben mir, kam in mein Bett und tröstete mich. Leider hat mein schreien nicht nur den ganzen Schlafsaal geweckt, auch die Erzieher/innen. Ich glaube, es war ein Mann, der meine Freundin wegzog und sie aus dem Saal "entfernte". Ab da musste sie in einem Einzelzimmer schlafen, welches nachts verschlossen wurde. Einmal war ich drin, aber ich weiß nicht wie und warum. Ich kann auch nicht sagen, ob meine Freundin noch lange da war. Sie ist wie ausgelöscht.

Ich weiß auch noch von diversen Untersuchungen in einem Ambulanzzimmer. Wir Kinder standen in Reih und Glied vor der Tür und wurden nacheinander gewogen, vermessen und die Temperatur kontrolliert. Das Wiegen war schlimm für mich, weil ich dann zu hören bekam, dass ich eine sehr schlechte Esserin bin. Sie haben uns schikaniert, wo es nur ging.
Von den Erzieherinnen und Erziehern habe ich nur verschwommene Bilder im Kopf. Die meisten waren harsch, bösartig und unfreundlich. Eine aber, ich erinner mich an dunkle Locken und ein nettes Lächeln, war wirklich lieb. Wenn sie auf den Ausflügen dabei war, wurde kein Kind zu irgendetwas gezwungen. Leider war diese Erzieherin nicht lange bei uns. Auf Nachfragen bekamen wir keine Antworten. Wurde wahrscheinlich auch "entfernt", weil zu lieb.
Die große Treppe im Haus werde ich auch nie vergessen. Es war verboten zu rennen, geschweige denn laut zu reden oder gar Spaß zu haben.
 
Das war im Großen und Ganzen meine tolle Kur. Hab ich zugenommen? Ich denke nicht. Hat es mir was gebracht? Ängste, Zweifel und Misstrauen.
 
LG Claudia
 
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Gisela schrieb am 11.08.2020
Auch ich war als 9 jährige 1967 im Kindererholungsheim in Berchtesgaden. Ich litt schrecklich an Heimweh. Die Erzieherinnen waren kaltherzig. Ich wurde damals über die Barmer Ersatzkasse zur 6 wöchigen Kur dort hin geschickt
Ein Paket, welches meine Mutter mir schickte -ich habe das Paket auch gesehen und mich im Vorhinein sehr gefreut- wurde mir nie ausgehändigt. Ich kann mich an Foroaufnahmen mit Ponys erinnern. Diese Bilder wurden wohl an die Eltern versendet. Auch gab es dort Kollektivstrafen. Ich habe nur vage Erinnerungen an diese für mich schreckliche Zeit.
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Sabine Elender schrieb am 11.08.2020
Ich war vom 6. August bis zum 17. September 1965 in der Nordsee-Kuranstalt des deutschen roten Kreuzes GOLDENE SCHLÜSSEL.
Die Heimleiterin war Liesi Gebhardt, genannt "Gebchen". Meine "Tanten" waren Tante Helga und Tante Annelene (Glashoff).
Am Ankunfstabend wurde ich im Essensraum einer öffentlichen Befragung unterzogen.
Ich konnte nicht antworten vor Angst und wurde dann von den Betreuerinnen und den anderen Kindern als "stummes Eselchen" verhöhnt. So ging das tagelang.
Mir wurden meine "Tröstetiere" weggenommen.
Ein Päckchen für mich wurde geöffnet und auf den Inhalt geprüft. Die Süßigkeiten wurden entnommen und an die anderen Kinder verteilt. Das sollte als Exempel dienen, dass man keine Süßigkeiten geschickt bekommen darf.
Einige Karten, die ich mit Bleistift an meine Eltern geschrieben hatte, wurden ausradiert und von den Obrigkeiten neu und "hübscher" geschrieben, ich habe sie noch alle.
Für Wanderungen hatte ich ein weißes Hütchen gegen die Sonne mitbekommen, das von den Schwestern sofort einkassiert wurde, außerdem meine ganze Wäsche.
Ich wurde von den anderen Kindern verhöhnt, beklaut und geschlagen, auch nachts. Und die Aufseherinnen schlugen, höhnten und straften ebenfalls.
Es gab niemanden, dem ich das erzählen konnte, denn es wurde mir nicht geglaubt.
Worüber ich niemals hinweggekommen bin, ist die Tatsache, dass auch meine Eltern mir das nicht geglaubt haben, als ich ihnen das bei ihrem einzigen Besuch erzählte.
Ich lag zu der Zeit auf der Krankenstation, wo ich von den anderen Patientinnen gequält wurde, meine Mutter saß auf meinem Bett und ermunterte mich, ihr alles zu erzählen. Das tat ich im Glauben, sie würden mich dann mitnehmen, aber sie ließen mich einfach dort. Mein Vater hat mich, heulend am Fenster stehend, auf Super 8 gefilmt.
Danach kam von Seiten der anderen Kindern erst recht die Hölle an Verprügelungen, weil ich sie verraten hatte.
Ich entwickelte Stottern und fing an, meine Finger zwanghaft zu verknoten (heute habe ich dort Arthrose), und mir den Kopf blutig zu kratzen. Erst heute, mit 63 Jahren, konnte ich diesen Sucht/Zwang lösen.
Meine Eltern hatten mich im Stich gelassen, als ich sie am meisten gebraucht hatte.
Ich habe nie mehr wirklich Vertrauen fassen können oder eine Beziehung aufbauen zu anderen Menschen, leide an Ängsten und Depressionen.
Seit 1990 bin ich in Therapie, aber Freude am Leben habe ich nicht finden können, das Leben an sich ist für mich einfach beschwerlich (geblieben).
Ich habe nahezu alles aufgearbeitet, aber eine Art von Schuld kann ich bei meinen Eltern trotzdem nicht erkennen, denn auch sie konnten mir nur das geben, was sie von ihren Eltern bekommen hatten, nicht mehr. Beide waren vom Krieg traumatisiert, jeder auf seine Art.
Nach meiner Rückkehr war ich verschlossen und in mich gekehrt geworden - meine Eltern nannten es verstockt - und habe kein Vertrauen mehr ernsthaft aufbauen können. Meine Eltern haben das nicht gemerkt oder merken wollen. Ich wäre sonst fortgegeben worden. Auch mein Ankommen auf dem Kieler Bahnhof hat mein Vater auf Super 8 gefilmt.
Ich sitze da wie betäubt oder weggetreten statt mich zu freuen wieder zuhause zu sein. Ich habe mich, als ich den Film nach Jahrzehnten angeschaut habe, fast nicht erkannt. Zuhause im Wohnzimmer habe ich ins Nichts gestarrt und wurde ermahnt, meinen Eltern nicht "so ein böses Gesicht" zu zeigen.
Das Stottern ging weg, aber das Fingerkneten und die Selbstverletzungen sind geblieben.
Ich hatte danach eine grauenhafte Angst vor fremden Menschen entwickelt, die ich in abgeschwächter Form noch heute erlebe, wenn es darum geht, dass fremde Menschen meine Wohnung betreten (müssen).
In der Zeit danach habe ich eine Kunstfigur (Conny) erfunden, die die schöne und starke Seite des Lebens erleben durfte. Zu ihr konnte ich mich jederzeit hinbeamen (Dissoziation) und keiner hat etwas gemerkt. Ich hatte mich aufgespalten.
Mich begleiteten damals Konzentrationsprobleme in der Schule und ich bekam keinen Kontakt mehr zu anderen Schülerinnen. Ängste begleiten mich seit damals.
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Lina-Maria schrieb am 11.08.2020
Hallo Barbara,
mit meinen Erfahrungen kann ich Isolde N in „Wer glaubt schon Kindern und Zucht und Ordnung“ betätigen.
Da ich in den Augen meiner Familie ein ungehorsames und widerspenstiges Kind war, geschahen mir Prügel zu Recht. Die gab es in meiner Familie fast täglich und ausgiebig. Und wer glaubt schon einem ungehorsamen Kind, dass sich sowieso zu viel einbildet. Hätte ich meinen Eltern etwas erzählt, hätte ich Prügel für meine Lügen bekommen plus eine Extratracht für das schlechte Reden über andere.
Meine Mutter wunderte sich nur über die vielen unbenutzten Kleidungsstücke. Gefragt hat sie mich nie. Bei „Uns“ wurde eben nicht gesprochen, bei „Uns“ wurden handfeste Befehle erteilt und Tatsachen geschaffen.

Liebe Grüße, Lina-Marie
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Cordula Jürgs schrieb am 11.08.2020
Habe gerade die Reportage über die Kurkinder gesehen. Auch ich, geb 1958, war 1964 für sechs Wochen von Münster aus nach Wangerooge zur Kur geschickt worden, weil ich öfter krank und zu dünn war. Die Versicherung war die KKH Münster. Ich habe sogar zwei Fotos von der Kindergruppe, aber leider keines vom Kurhaus. Mir wurde angedroht, als ich ins Bett gemacht hatte, dass man mir beim nächsten Mal mein Laken solange um die Ohren haut, bis es trocken sei. Meine Hosen habe ich auch am Waschbecken ausgewaschen. Mittags hatte ich panische Angst bei der "Mittagsstunde", weil ich heimlich mit meiner Bettnachbarin gesprochen habe, dass ich erwischt werde. Ja, und es sollte immer der Teller leergegessen werden. Das war eklig, wenn es Hering gab. Besonders Schlaue hatten diese unter dem Tisch in eine Tüte o.ä. verschwinden lassen. Es wurde mir auch gesagt, man habe meinen Eltern geschrieben, dass ich so ungezogen sei. Dies stimmte garnicht, meine Eltern haben mir gesagt, ihnen wurde berichtet, dass ich etwas lebhafter geworden sei im Gegensatz zum Anfang der Kur, wo ich sehr still gewesen sei. Es würde mich schon interessieren, wer mit mir damals dort war.
Es gab aber auch schöne Erinnerungen, und das war das Singen, z.B. Wenn die bunten Fahnen wehen...und andere Lieder aus der Mundorgel. Aber ich hatte sehr viel Heimweh. Bin dann dort auch noch krank geworden und durfte mit meinen Eltern telefonieren. Da war das Heimweh anschließend noch größer.
Leider muss ich sagen, dass ich auch von zuhause sehr schlechte Erziehungsmethoden kannte, sowie auch aus der sehr katholischen Grundschule. Mir ist schon lange klar, dass das Überbleibsel aus der Hitlerzeit und der Zeit davor waren, die aus Schlägen und sonstigen Methoden aus einer sehr schwarzen Pädagogik stammen. Ja, was ist aus diesen Kindern wohl geworden? Das wäre mal Stoff für eine wissenschaftliche Arbeit. Mir hat es viele Jahre Therapie zukommen lassen, wofür ich unendlich dankbar bin, dass ich diese Möglichkeit hatte, und nicht zerbrochen bin.
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Gabriele Zimmer schrieb am 11.08.2020
Hallo Manu.... das Du erleichtert bist das es noch andere gibt, glaube ich Dir aufs Wort. Geht mir nämlich genauso. Ich dachte immer es sei alles legitim und normal gewesen und ich alleine hätte ein ganzes Leben lang diese Antipathie gegenüber Kuren
LG Gabi
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Susanne Zachert schrieb am 11.08.2020
Ich bin 1953 geboren. War im Winter 59/60 zur Verschickung nach Westerland. Kann mich nur noch an den Speisesaal und den riesigen Schlafsaal erinnern. Ansonsten erinnere ich mich bis heute, daß ich an irgendeinen Nachmittag meine warme Milch nicht trinken wollte (es war Haut drauf) und ich deswegen allein in diesem Saal sitzen bleiben sollte, bis ich die Milch getrunken habe, vorher durfte ich nicht zum spielen nach draußen. Ich habe mich so geekelt vor dieser Haut, daß ich die Milch nicht runterbekam. Irgendwann ergab sich, daß die Aufsicht kurz weg ging. Da bin ich schnell in die Küche gelaufen und hab die Milch weggegossen. Danach durfte ich dann endlich nach draußen. Aber mit Spielen war nichts mehr, alle anderen Kinder waren schon anderweitig beschäftigt. Auch im Schlafsaal war immer eine Aufsicht, um uns zu kontrollieren. Wir lagen stumm in unseren Betten. Milch kann ich bis heute nicht trinken, geschweige den riechen. Mit wird dann übel. Heute habe ich (mit Hilfe der Recherchetipps) endlich rausbekommen, daß ich im Kurt-Pohle-Heim in Westerland war.
Mehr Erinnerungen habe ich nicht an diese Zeit, nur daß ich mit der Bahn dorthin gebracht wurde.
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Gabriele Zimmer schrieb am 11.08.2020
Ich war auch in Bad Kreuznach. Ich denke 1966 muss es gewesen sein. Erinnerst Du Dich an die Betreuerin die immer das Wort Fratzen benutzte und die Holzbottiche die immer so schlimm stanken ?
LG Gabi
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Hans Klotz schrieb am 11.08.2020
Hallo Barbara, ich kenne das, unser Kaplan hat uns mit einem Rohstock auf die Innenseite der Hände geschlagen wenn was nicht so war wie er es wollte. Meine Beziehung zur Kirsch ist alles andere als normal. Es wird alles unter dem Deckmantel der Fürsorge gemacht.
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Stefan Schäfer schrieb am 11.08.2020
Auch ich habe die Reportage in der ARD gesehen. In meiner Kindheit in den 70ern war ich zweimal in Kindererholungsheimen. Das erste war der Bichlhof in Marktschellenberg bei Berchtesgaden. Daran habe ich, das anfängliche Heimweh mal außen vor gelassen, nur gute Erinnerungen. Beim zweiten Mal ging es ins Heim "Quisisana" nach St. Peter Ording.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass meine guten Erfahrungen in Marktschellenberg, helfen sollten meinen damals eher ängstlichen Bruder davon zu überzeugen, dass so etwas ein schöner Urlaub sein kann.
 
Was dann folgte war allerdings eher die Hölle. Das ganze glich einem Kindermastbetrieb mit Zwangsessen. ...und das Essen war schrecklich. Es wurde uns aus Waschwannen mit Schöpfkellen auf die Teller geklatscht. Einmal hab ich es danach großzügig auf der Toilette verteilt. Zum Zielen war keine Zeit mehr. Aufputzen musste ich natürlich selbst.
Die damalige Leiterin (?) des Hauses habe ich als bösartige (aus Sicht eines 9 Jährigen) "alte" Frau in Erinnerung. Sie trug immer eine Kette mit einem stilisierten Fischskelett als Anhänger um den Hals. Das hatte für uns etwas hexenhaftes.
 
Unser Taschengeld wurde direkt bei Anreise eingezogen. Nur einmal durften wir davon, an einem im Heim aufgebauten Souvenirstand, etwas ausgeben. Ich denke da wurde in die eigene Tasche gewirtschaftet.
 
Wir mussten Karten nach Hause schreiben, deren Inhalt vorgegeben wurde. Etwas über die Zustände dort konnten wir also auf diesem Weg nicht mitteilen.
 
Während ich zwei Jahre vorher meinen achten Geburtstag in Marktschellenberg in schöner Erinnerung habe, hatte mein Bruder im Quisisana seinen achten Geburtstag. Ich war an diesem Tag mit Fieber im Bett und er kam mit einem Berg Krümel auf einem Teller, die einen Geburtstagskuchen darstellen sollten, heulend ins Zimmer. Dürfte einer der übelsten Tage seines Lebens gewesen sein.
 
Beim kleinsten Bisschen ... und vor allem als die Windpocken im Heim umgingen, wurde uns natürlich damit gedroht, dass wir nicht nach Hause dürfen. Das erzeugte bei uns permanente Angst.
 
Für eine kleine Rache haben wir damals aber kurz vor der Abreise unseren Mut zusammen genommen. Wir haben mit Koffern das Treppenhaus zu unserer Etage verbarrikadiert, dann gemeinschaftlich einige Verwüstungen auf der Etage angerichtet und uns brav in Bett gelegt bevor die "Tanten" die Barrikade überwunden hatten. Außer wüster Beschimpfungen hatte das, von unserer Befriedigung abgesehen, keine Folgen.
 
Ich denke, dass ich das ohne Trauma hinter mich gebracht habe, gleiches gilt für meinen Bruder. Beim Anschauen der ARD-Doku überkam mich allerdings doch der eine oder andere Schauer.
 
St. Peter-Ording ist für mich allerdings bis heute ein Tabu.
 
Hat noch jemand "Quisisana" Erfahrungen gemacht?
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Gabriele Zimmer schrieb am 11.08.2020
Auch ich war ein Verschickungskind. Nach ein wenig Recherche und Erinnerungen die der Verdrängung nicht stand hielten weiß ich das ich vor der Einschulung ( 1966) nach Bad Kreuznach verschickt wurde. Ich sehe mich noch im Zug. Die nächste Erinnerung ist der große helle Saal wo wir gegessen haben ( oder stundenlang vor unserem Teller saßen weil wir nichts essen konnten ) und der Saal mit den vielen Betten. Nachts sah man das Licht auf dem Flur. Der Toilettengang war untersagt. Ich hatte schreckliches Heimweh und mit 5 Jahren auch noch viel zu klein um dort zu sein. Eine "Tante" war ziemlich böse und nannte uns immer "Ihr Fratzen" . Sie war auch nicht grade zimperlich mit uns. Wir wurden regelmäßig in Holzbottiche gesteckt, das Wasser stank furchtbar und war eher lauwarm. Ich hatte ganz große Angst vor ihr. Auch wenn Sie mit Ihrer Nagelschere kam, das tat immer weh. Ich habe immer noch kein komisches Gefühl an diese Zeit. Deshalb war ich auch nie bereit in eine Reha zu gehen oder dergleichen. Weil es mir immer wieder hoch kam. Ich war mit 9 Jahren ( 1970 ) nochmal in "Kur" allerdings muss es mir da etwas besser ergangen sein. Dorthin ist die Erinnerung nicht so dunkel. Es gab dort viel Moor war und es gab eine Schloßkapelle, die sehr schön war. Ich denke das mein späteres Leben von der Kur sehr beeinflusst wurde. Auch gesundheitlich.
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Betti schrieb am 11.08.2020
Hallo,
ich war 2x in so einem Kinderheim, in Niedersachsen (?) und Wyk auf Föhr, jeweils ca. 5 Wochen, immer wenn ich ein Geschwisterchen bekam zur Schonung meiner Mutter, also 1963 und 1965 von Hamburg aus, ich bin Jahrgang 1959. Die grässlichen Geschichten kann ich bestätigen, schreckliche Pampsuppen, die man aufessen musste, sonst musste man noch Stunden davor sitzen. Rundgänge durch den Schlafsaal mit Taschenlampe, wer nicht schlief und blinzelte, musste unter einer schweren miefigen kratzigen Wolldecke auf dem Flur stehen. Und wehe, jemand hatte ins Bett gemacht. Postkarten wurden zensiert und man musste sie neu schreiben unter Aufsicht. Man durfte nur an bestimmten Zeiten 3x am Tag auf Toilette gehen (auf Föhr), die Büsche um das Haus herum stanken und wehe jemand wurde erwischt. Eine dunkle Zeit in meiner Kindheit. Gut, dass das aufgearbeitet wird, danke für das Engagement!
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Monika Fürst schrieb am 11.08.2020
Auch ich habe gestern die Report Sendung gesehen und war wieder erschüttert.Ich war im Alter von 9 Jahren 6 Wochen lang im Kindererholungsheim in Hafenpreppach. Ängste, zwanghaftes Essen fünfmal am Tag. Zensierte Briefe.Man durfte nicht weinen und nur zu geregelten Zeiten auf´s Klo.Ich kann mich nicht mehr so gut erinnern, bekomme aber totale Beklemmungen, wenn ich nur dran denke
Kennt noch jemand das Kindererholungsheim Schloß Hafenpreppach?
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Hans Klotz schrieb am 11.08.2020
Hallo zusammen beim lesen der berichte sind mir wieder Erinnerungen gekommen. Bei uns gab es auch Haferschleim, man durfe erst aufstehen wenn der Teller geleert war.
ich bin mal gespannt ob es hier Menschen gibt die das Kinderheim in Bad Nauheim kennen.
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tinaberlina schrieb am 11.08.2020
Ich kann mich auch noch sehr gut und positiv an Hindelang erinnern. Muss so ca. mit 4 Jahren (Baujahr 1962) dort gewesen sein. Wir haben zum Abschied ein kleines Fotobuch mit unseren Zeichnungen erhalten.
Liebe Grüße aus Berlin von Christina Kasten
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Timarti schrieb am 11.08.2020
Hallo Carmen, ich denke ich bin fündig geworden.
Kann es das Kurheim Sonnhalde in Lenzkirch gewesen sein?
Ich habe es unter Gruppenunterkünfte gefunden und der Speisesaal mit angrenzender Küche war mir sofort bekannt. Auch ein Bild/Postkarte mit Großaufnahme und der Umgebung kam mir sehr bekannt vor.
Schau mal bei google Haus-Sonnhalde.de
Ich war wohl im Winter 65/66 irgendwann wg. Dauererkältung 6 Wochen da.
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Brigitte Fellner schrieb am 11.08.2020
Ich war 1957 auf Norderney. Seehospiz Kaiserin Friedrich.
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Brigitte Fellner schrieb am 11.08.2020
Hallo an alle,
der gestrige Bericht über Verschickungskinder hat mich angerührt. Bin selbst Betroffene. Ich war 1957 als 6-jährige für 16 (!!) Wochen im Seehospiz Kaiserin Friedrich auf Norderney. Geleitet wurde das Haus von einer Diakonisse namens Schwester Gertrud. Der Aufenthalt dort war die Hölle!! Es ging schlimmer zu als in einer Kaserne. Nach einer harmlosen Kissenschlacht im Schlafsaal wurde ich erwischt und für den Rest der Nacht in einem eiskalten Waschraum mit offenem Oberlicht (konnte ich nicht schließen, da zu klein!) eingesperrt. Und das mit meiner diagnostizierten chronischen Bronchitis! Ich bekam eine Mitttelohrentzündung und musste auf die Krankenstation. Dort entfernte man mir meine echt goldenen Ohrringe, die ich niemals zurückbekam. Meinen Eltern schrieb man, ich sei auf einem Ausflug zum Leuchtturm dabei gewesen! Alles Lüge! Auch mussten wir ständig die Kleidung von anderen Kindern tragen. Ich habe lange gebraucht, um diese Erfahrung zu verarbeiten.
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Lina-Marie schrieb am 11.08.2020
Hallo Michael,
es gab mehrere Heime in Bad Sachsa. Im Heimatmuseum oder im Stadtarchiv ist vielleicht mehr zu erfahren...
Ich versuche gleich mal jemanden im Stadtarchiv zu erreichen, da ich auch in Bad Sachsa war, Ostern 1972.

Liebe Grüße, Lina-Marie
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Eleonore Soballa schrieb am 11.08.2020
Hallo Alexandra,mir erging genauso wie Dir und um die gleiche Zeit.Bin immer noch auf der Suche nach dem Heim.Bei Dir hört sich das so identisch an.Ich habe vieles verdrängt oder war noch zu klein.Es war aber die Hölle.Ich meine,bei mir waren es Nonnen.Ich musste nachts auf einer Bank schlafen,weil ich geweint habe. Eine andere Nacht im Rollstuhl.Musste abends ins Bett,weil ich mein Lätzchen nicht abnehmen konnte.Sie sperren mich ins dunkle Zimmer.Dann eines Morgens musste ich 2 Betten fertigmachen,da ich in ein anderes Bett geschlafen habe.Mehr weiss ich leider nicht Mein Bruder wurde von mir getrennt,da er 4 Jahre älter war.
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H.Müller schrieb am 11.08.2020
Guten Tag Ihr Leidensgefährten/innen!
Ich sah gestern,10.August, im FS-Programm der ARD die Sendung über die Verschickungskinder.Ich war erschüttert, berührt und WÜTEND! Endlich wird dieses Thema einer breiten Öffentlichkeit nahe gebracht!
Warum war ich wütend?
Ich wurde als Vorschulkind (würde man heute sagen) im Alter von 6 Jahren in das Kindererholungsheim "Stranddistel" auf Spiekeroog (?) verschickt und erinnere mich bis heute an die Busfahrt an die Küste. Der Bus war vollbesetzt,es war eng,stickig und es gab nichts zu trinken.Als eines der jüngsten Kinder wurde man bereits im Bus von älteren Kindern nicht gerade sanft behandelt.Ich hatte Angst und fühlte mich allein unter Fremden und isoliert. Die einzige Fahrtunterbrechnung gab es in Syke (wie ich später recherchiert habe) und ich erinnere mich bis heute an die frische Luft nach dem Mief im Bus.Die weitere Fahrt habe ich nicht in Erinnerung nur noch den Marsch vom Anleger/Bahnhof zum Kinderheim, mit Marschgepäck!
Weiter erinnere ich mich an den "Kommandoton" in dieser Anstalt.Nicht nur der Kommißton,auch der gesamte Tagesablauf war "soldatisch" organisiert.
Für feste Essenszeiten mag man ja noch Verständnis haben,aber Zeitvorgaben für´s Essen selbst waren dabei auch üblich und der Teller musste blank sein! Und danach der verordnete Mittagsschlaf,bei dem kein Auge geöffnet sein durfte!
Fehlverhalten,gleich welcher Art auch immer wurden hart geahndet. Wer das Essen nicht mochte und trotz wiederholter Aufforderung immer noch etwas auf dem Teller übrig war musste aufstehen und wurde vor der Kinderversammlung bloßgestellt. Weil ich es wagte,einmal das Essen zu verweigern und den Teller umkippte, wurde ich sofort auf´s Zimmer geschickt und musste dort mein Schlafzeug aufnehmen und mit dem gesamten Zeug im Essenssaal an allen Kindern vorbei in das "Turmzimmer" umziehen.Im Turmzimmer waren die unartigen bösen Jungens untergebracht und ich war nun einer von Ihnen,klein,verängstigt unter den Großen.Doch die "Leidensgemeinschaft" mit diesen bösen Jungens entpuppte sich für mich eher als Wohltat.Wir hatten zwar Stubenarrest (vielleicht 3 Tage und Nächte von diesen 3 oder 4 Wochen Aufenthalt) aber wir waren eher eine verschworene Gemeinschaft und hatten unsere Ruhe. Für Ruhe sollten auch die abendlichen Tabletten sorgen, die jedoch von einem der "Großen" eingesammelt und unterm Bett gehortet wurden.....
Das Erzählte gibt nur einige Augenblicke wieder, die mir nach inzwischen 66 Jahren in Erinnerung geblieben sind,doch die eingangs erwähnte Wut kehrt oft wieder.Wütend war und bin ich bis heute,weil man so ausgeliefert und keine Gegenwehr möglich war und weil, endlich wieder zu hause, die Eltern den Erzählungen der "erholten" Kinder oftmals keinen Glauben schenkten!
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Lina-Marie schrieb am 11.08.2020
Hallo Rüdiger,
ich war 1972 über die Ostertage in Bad Sachsa, vermutlich auch im Haus Wartenberg. An das Essen kann ich mich nur in Bruchteilen erinnern, z.B. an die großen Scheiben Zuckerbrot, die auf Tellern getürmt auf den Tischen standen. Vielleicht an den SonntagEn? Wenn der Pädagoginnen Brötchen mit Marmelade, Honig oder Käse bekamen. An Haferschleim erinnere ich mich nicht... kann gut sein, dass es ihn gab, ich die Erinnerung verdrängt habe.
Ich erinnere mich auch an den Mittagsschlaf und Spaziergänge mit Gesang durch den Wald. Der Duschraum war in einem dunklen Keller.
Zugesandte Päckchen wurden konfisziert.
Der Speisesaal war hell mit vielen Fenstern.

Das Ärzteehepaar hieß wohl Köbrich, weiß ich durch Recherchen.
Ich wurde über die BKK VW dort hingeschickt.
An Namen habe ich keine Erinnerung. Mir fehlen sehr viele Erinnerungen aus dieser Zeit.
Vielleicht lässt sich einiges gemeinsam zusammen tragen...

Liebe Grüße, Lina-Marie
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jutta k. schrieb am 11.08.2020
liebe carmen, auch ich war im alter von 10 0der 11 jahren, also 1962/63? im schwarzwald, weil ich sehr dünn war, das heim hiess glaube ich lindenhof und war in schluchsee. eine klassenkameradin wurde zeitgleich mit mir von der barmer ersatzkasse dorthin verschickt.
erinnern kann ich mich an mein grosses heimweh, wir schliefen in einem grossen saal, wurden nachts gegen 22 uhr geweckt, um zum klo zu gehen, ob wir wollten oder nicht, zu anderen zeiten durften wir nicht, meine freundin doris setzte sich einmal voller verzweiflung vors bett um zu pischern, sie wurde erniedrigt, musste es selbst aufwischen und ich durfte mit ihr keinen kontakt mehr haben.
ebenso in erinnerung ist mir der kleiderbügel ( ähnlich den im schwimmhallen), über den wir ordentlich unsere kleidung legen mussten und ebenso wie fürs bettenmachen punkte bekamen.
das frühstück ist mir in grauenvoller erinnerung, es gab milchsuppe, die oft dunkelbraun war und in der altes brot schwamm, wir mussten unsere löffel über den teller halten und die "tante" kippte ekelhaften fischlebertran darauf, ich sass angewidert davor und mir kam alles wieder hoch, erbrach man sich aber, musste man das erbrochene aufessen, ein kleines mädchen erinne ich, die noch mittags vor diesem napf sass, mittlerweile mit dem kopf auf dem tisch eingeschlafen war.
unsere seife und haarshampoo wurde uns sofort weggenommen, wir mussten uns mit glaube ich kernseife waschen und wurden dann kalt abgeduscht. die haare wurden uns nur ein einziges mal in den 6 wochen einen tag vor der abreise gewaschen.
sonntags wurde im grossen saal gesungen, dort sass die oberin, eine mürrische frau mit knoten im nacken und wir mussten bewegungslos mit gefalteten händen dort sitzen.
die post wurde geöffnet, mein vater schrieb mir tolle lustige briefe, die laut vorgelesen wurden, damit hatte ich einen punkt extra, meine karten wurden aber ebenfalls zensiert, ich schrieb einmal: "jetzt brauche ich nur noch 3 wochen hier zu sein", dass wurde nicht abgeschickt und ich war sofort wieder im ansehen gesunken. ein osterpaket meiner eltern wurde sofort eingezogen, ich sah nie ein einziges ei davon. in der zeit brachen die windpocken aus und die kinder, die blasen hatten, durften nicht nach hause, ich betete, keine zu bekommen, erst im zug zurück, fühlte ich die ersten blasen hinterm ohr. warum meine eltern nie etwas unternommen haben im

nachhinein weiss ich nicht, sie waren wohl selbst zu schwach. das heim war der horror. ich habe das nie vergessen.
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Beate Noack schrieb am 11.08.2020
Habe die gestrige Reportage über Verschickungskinder in der ARD gesehen und möchte als „ Beteiligte“ dazu einen Kommentar hinzufügen!!! Ich war von 1967-bis 1968 im Kinderheim Bergfrieden in Bad Sachsa, Steinaer Str. geführt von Frau Lieselotte Wilhelm, Ehefrau des Kinderarztes Wilhem, Borntalkinderkrankenhaus , als Praktikantin(17Jahre) beschäftigt! Dieses knappe Jahr war eines meiner schlimmsten Erlebnisse meiner Ausbildung zur Kinderkrankenschwester!! Diese Bilder sind mir als Personal so schlimm in Erinnerung!! Das „Fachpersonal der 2Häuser( 1Mädchen-und Kleinkinderhaus und ein Jungenhaus) war inkompetent, höchst agressiv den Kindern gegenüber, es gab von der“ Tante„ im Jungenhaus abends vor dem Fernseher in ihrem Zimmer sexuelle Übergriffe! Sie suchte sich im Laufe des Tages Ihren „Lover“ für den Abend aus-unter dem Deckmantel des Fernsehschauens! So hatte sie reichlich Gelegenheit sich zu amüsieren, denn ihre Strafen bei Widerspruch waren hart, keine Nahrung, abstrafen für Nichtigkeiten in der Gruppe, Prügel vor den anderen Jungen!! Im Mädchenhaus residierten 2andere „Tanten“ ,eine davon bekannte Alkoholikerin! Sie trank sogar vor den Kinder!! Die Kinder wurden mit Kleiderbügeln geschlagen, wenn sie nicht essen mochten! Erbrochenes wurde erneut gefüttert, und wehe es klappte nicht!! Die Kinder schliefen 6 Wochen im eingenässten Bett, es gab keinen Wäschewechsel!! Eingekotet Unterwäsche kam in einen Beutel und wurde später im Koffer des Kindes mit nachhause geschickt!! Ich verstand die Eltern nicht, keine Anzeigen, Proteste oder Aussprachen wurden daraufhin wahrgenommen!! Alles so akzeptiert!! Die Kinder wurden regelrecht misshandelt, ohne Konsequenzen!! 4Praktikantinnen sind bei Frau Wilhem vorstellug geworden, wir haben die Verhältnisse geschildert, sie wurden belächelt mit dem Satz: Mädels, ihr spinnt, werdet erstmal erwachsen und kompetent wie unsere Fachkräfte!! Wir sind weitergegangen zum Jugendamt in Bad Sachsa!! Auch hier kein Gehör! Die angekündigten Besuche des Amtes zeigten ein gut organisiertes und kinderfreundliches Heim!!! Ich habe nach dieserMisere mein Praktikum beendet, meine Vorstellung von Kur, Verschickung und Menschenliebe wurden dort nicht geteilt, selbst eine Institution wie das Jugendamt duckte sich weg!! Ich habe meine Ausbildung in Braunschweig fortgesetzt in einem Kinderheim und später im Stadtischen Kinderkrankenhaus. Meine Maxime für meinen weiteren Berufsweg blieb immer sehr human, Eltern-und Kindern zugewandt und ich habe nach 40 Jahre in diesem Beruf immer noch Abscheu vor diesem Kinderheim Bergfrieden und seinen Angestellten!! So etwas müsste geahndet werden und richtig aufgearbeitet und entschädigt werden! Beate, 69 Jahre!!
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Sabine Meier schrieb am 11.08.2020
Die Sendung gestern hat mir klar gemacht das ich mir das alles nicht ein bilde da es noch viele genauso erlebt haben wie ich. Das ist sehr beruhigend denn ich kann mich sehr gut an die traumatischen Umstände in einem Erholungsheim an der Nordsee erinnern.
Da gab es immer diese Breie die man essen musste und ich habe es erbrochen. Musste sitzen und mein Erbrochenes noch einmal essen bis der Teller leer war durfte ich nicht aufstehen.
Mein Bruder war zu dick und ich zu mager so wurden wir getrennt in zwei Stockwerken. Wir durften nicht im Hof miteinander sprechen.
Meine eigenen Anziehsachen hatten alle an nur nicht ich.
Briefe und Karten schreiben wurde kontrolliert und Pakete der Eltern an uns kamen nie bei uns an.
Es waren Nonnen dort die echt alle sehr böse zu uns kindern waren.
WC durften wir nur zu geregelten Zeiten und mussten in eine lange Schlange stehen. Hat man in die Hose gemacht weil man noch nicht dran war wurde man bestraft und mit dem Gürtel geschlagen.
Ich kann mich erinnern das ich nicht aufgegessen habe immer wieder und so wurde mir der Badetag gestrichen und ich musste ins Gitterbett. Ich habe geweint und dann bekam ich eine Spritze weil ich so geweint habe und Heimweh hatte.
Alle Kinder weinten vor allem Nachts. Das war aber ein grosses Verbrechen und wurde bestraft. Wir sassen die ganze Nacht auf dem kalten Boden im Gang wenn wir geflüstert haben.
Beim Essen war eine Angststimmung die mir noch heute im Gedächtnis ist. Dieses grüne Dessert mit der weissen Sauce..Horror immer noch heute.
Jeden Tag gabs Brei, Griess, Milchbrei, Hafer und weis der Teufel.
Ich kann mich an sehr vieles von dort erinnern. Alles schlimm.
Zu Hause wars auch Horror..aber gewohnter Horror und so war ich froh als die Wochen endlich zu Ende waren. Das war keine Erholung. Hab 6 Kilo abgenommen und war noch viel magerer wie vorher.Ich wurde dort noch mehr gequält als daheim vom Vater.
Mit ihm habe ich heute keinen Kontakt mehr und mit der Mutter happerts dauernd weil sie sagt immer zu mir. Ach Sabine du bildest dir so Zeug ein.
Das muss ungefähr so im 1973/74/75 gewesen sein. Ich bin im 1968 geboren und mein Bruder 1967.
Es ist schrecklich das so was dort geduldet und als gute Kur angepriesen wurde. Ich glaube viel der Eltern wussten gar nicht was sie ihren Kindern an tun mit dieser Kur und ich kann mich erinnern meinen Eltern haben uns kein Wort geglaubt.
Ich glaube meine Mutter sagte wir waren in Bad Reichenhall.
Grüsse an Euch Alle
Sabine
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Sabine Rothhaupt schrieb am 11.08.2020
Du kannst direkt unter dem jeweiligen Text beantworten.Gehe auf Antworten, dann kannst du direkt losschreiben.
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Stephanie schrieb am 11.08.2020
Hallo Zusammen,
ich bin mit 6 Jahren nach Borkum geschickt worden, weil ich sehr dünn war. Das lief über die Barmer Ersatzkasse. Leider wissen auch meine Eltern nicht mehr, welches Haus es war. Ich erinnere mich an ein längliches Gebäude, nicht weit vom Strand entfernt. Meine Eltern sagten, ich ging als fröhliches Kind hin und kam völig verstört zurück. Leider erinnere ich mich nur noch an Kleinigkeiten. Das bisschen Taschengeld und Bonbons wurden mir genommen. Die kalten Hände sollten wir mit eiskaltem Wasser waschen. Irgendetwas war auch mit Gummistiefeln. Vor dem Aufenthalt trank ich gerne Milch, danach wurde mir schlecht, wenn ich sie nur roch. Ich weiß, dass irgendetwas beim Essen passiert ist. Ich weiß, dass nachts auch irgendetwas passiert ist, ich erinnere mich nur nicht mehr genau an was. Ich möchte das gerne ausarbeiten. Erinnert sich jemand an die Zeit Borkum 1975?
3 Jahre später wurde ich wieder verschickt, diesmal mit meinem kleinen Bruder (5 Jahre alt). Ich weiß, ich schrie, ich will dort nicht wieder hin. Ich schrie noch am Bahnhof. Meine Eltern sagten, im Glauben, dass es sich nur um Heimweh handelt, dass es doch diesmal nicht schlimm sei, diesmal sei ja mein Bruder dabei. Im Heim wurde ich von vielem isoliert, weil ich die einzig 9-jährige war. Wie komme ich an weitere Informationen, um die Lücken mehr aufzufüllen?
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Hans Peter Sauber schrieb am 11.08.2020
Ich war 1969 als 9-jähriger in einer Kinderkureinrichtung in Bad Münster am Stein/Ebernburg (6 Wochen). Der Grund: zu dünn. Extremes Heimweh, zensierte Hilferufe (Briefe) an meine Eltern. Nur gute Nachrichten durften raus. Sendungen meiner Eltern mit Geschenken wurden an alle verteilt. Stundenlang/tagelang geweint. Essen zwangsweise (gefüttert mit Gewalt) täglich erbrochen. Kann heute bestimmte Speisen noch nicht riechen. Nach heißem Solebad in Ohnmacht gefallen und "vergessen" worden. Alleine aufgewacht..... Hat jemand Berichte aus Bad Münster am Stein?
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Isolde N schrieb am 11.08.2020
Also nach meiner persönlichen Erfahrung hatte das niemanden interessiert bzw. war es eben so, "ein bisschen Zucht und Ordnung" hat doch noch nie jemandem geschadet? (Ironie !)
Ich wurde noch bis 1972 von Lehrern in der Grundschule körperlich gezüchtigt, obwohl es -glaube ich- damals eigentlich bereits verboten war, aber auf nem Dorf hatte das niemanden interessiert, am wenigsten die Eltern...
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Hans Klotz schrieb am 11.08.2020
Hallo zusammen ich bin 1953 geboren ,mit einem angeborenen Herzfehler(Fentricel Septum defekt). 1960 wurde ich eingeschult . im gleichen Jahr bekam ich eine Hüftgelenk Nervenentzündung, man hat erst angenommen das es Kinderlähmung sei….zum Glück nicht. Dann bin ich für 6 Wochen in Kindererholung vom Hausarzt Dr. Hatzmann aus Koblenz nach Bad Nauheim geschickt worden. An den Namen des Heims weiß ich nicht mehr. Ich kann mich nur noch daran erinnern ,wir haben mit sehr viel Kinder in einem riesen Saal geschlafen . Alles wurde genaustens kontrolliert, morgen das Zähneputzen …alles wage Erinnerungen. Einzelheit habe ich vergessen oder verdrängt. Was ich noch genau weiß , als ich wieder Zuhause war war meine Mutter total erschrocken über meine schlechten allgemeinzustand. Meine Eltern sind beide schon lange verstorben . Ich hoffe das man mir weiter helfen kann . Eventuell gibt es ja noch andere Menschen die auch in Bad Nauheim waren.
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Renate schrieb am 11.08.2020
Hallo Ute,
ich war 1962 oder 1963 in Bad Kreuznach. Dieser Aufenthalt war prägend. Die Prügel war Tag und Nacht zu spüren. Die Mahlzeiten erfolgten unter Zwang, und wie im Beitrag erwähnt,dass Erbrochene mußte vom Teller........entsetzlich. Ich kann bis heute noch nicht Erbrochenes beseitigen. EKEL,EKEL. Das Schlimmste, ich bekam die Windpocken wurde Nachts aus dem Schlafsaal gezerrt und in einen anderen kleinen Raum geworfen und eingesperrt. Die med. Versorgung war garnicht vorhanden. Die Narben tragen ich mein Leben lang als Erinnerung an Bad Kreuznach. Kein Mensch hatte meinen Schilderungen glauben geschenkt, somit war man auch noch als Lügnerin oder sehr fantasievolles Kind verschrieen. Durch einen Zufall (vor ca. 30 Jahren) bekam ich bei meinen Schwager eine Anschtskarte von Bad Kreuznach in die Hände. Ich schilderte ihm meine Verachtung über diese Stadt........und siehe da, er war auch ein geschundenes Kind..............Ich fühlte mich erstmal geborgen .......und wir tauschten uns über diese schreckliche Zeit aus.

Wenn du Lust kannst du mich anrufen. 02205- 910 100

Liebe Grüße
Renate
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Lucy schrieb am 11.08.2020
Ich bin 1974 zu einer 6-wöchigen Kur nach Norderney geschickt worden. Ich war damals kanpp 7 Jahre alt und bin noch nicht zur Schule gegangen, konnte also auch noch nicht Lesen und Schreiben. Ich weiß den Namen von dem Heim nicht mehr, nur noch, dass es ein rotes, großes recht rechteckiges Gebäude gewesen ist, drum herum gab es keine anderen Häuser. Kann mir jemand helfen?? Hingefahren bin ich mit einem Bus, der alle Kinder aus der Region an verschiedenen Bushaltestellen einsammelte und zur Insel brachte. Der Bericht gestern hat mich vollends verstört, es wird brauchen, bis ich das für mich verarbeitet habe, denn bisher dachte ich wirklich immer, dass das was mir passiert ist, halt normal gewesen ist. Ich freue mich, wenn sich über diese Plattform andere melden, die auch auf Norderney waren. Ich komme aus dem Kreis Lippe.
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heide simm schrieb am 11.08.2020
Ich war im Jahr 1955 in einem Heim in Niendorf an der Ostsee und habe keine guten Erinnerungen an die diensttuenden Nonnen,6 Wochen durchlebte ich dort eine beängstigende Zeit ohne Mitgefühl und herzliche Zuwendung.
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Alexandra Rauchhaus schrieb am 11.08.2020
Hallo Biene,wir waren auch in dem Haus Staeckel, 1971 muss es gewesen sein und es war im Sommer.Ich weiß nur das wir im Sommer die warem kratzigen Strickhosen anziehen mussten die unsere Mutter mit eingepackt hatte und auch das was Du geschrieben hat und noch mehr, kommt mir sehr bekannt vor 🙁
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Margret Gröll schrieb am 11.08.2020
Hallo zusammen,
ich war 1965 als 8jährige 6 Wochen über Ostern im Haus Waldfriede in Bonndorf (Schwarzwald). Ich war ein blasses und dünnes Kind, so dass man meinen Eltern empfahl, mich in "Kur" zu schicken.
An vieles kann ich mich nicht mehr erinnern. An das, woran ich mich erinnern kann, ist nicht positiv.
Gleich nach meiner Ankunft wurde mir mein Kuscheltier weggenommen, was für mich schmerzlich war.
Das Essen war äußert unappetitlich und wurde den Kindern regelrecht reingezwängt. Ich erinnere mich noch an ein kleines Mädchen, das in den Teller erbrach. Der Teller wurde nur teilweise gesäubert, neu gefüllt, und es wurde gezwungen, solange sitzenzubleiben, bis es aufgegessen hatte.
Zu Ostern hatte mir meine Mutter ein Päckchen mit Süssigkeiten geschickt, welches ich nur aus der Ferne gesehen hatte, es wurde unter den Kindern aufgeteilt.
Während meines Aufenthaltes erkrankte ich an einer doppelseitigen Mittelohrentzündung und kam somit auf die Krankenstation. Ich hatte keinen Appetit, und auch hier unterließ man es nicht, mich zwangszufüttern. Ich weiß noch, dass ich meine Frühstücksbrote versteckte und anschließend die Toilette herunterspülte. Zum Glück hat man es nicht bemerkt.
Die gemeinschaftliche Gewichtskontrolle blieb ebenso in meinem Gedächtnis. Das Ergebnis wurde jedesmal in die Gruppe hinausposaunt. Nach 5 Wochen hatte ich insgesamt 1 Pfund (!!!) zugenommen, und man war sichtlich enttäuscht.
Als mein Vater mich nach 6 Wochen am Köln-Deutzer Bahnhof in Empfang nahm, war er sichtlich erschrocken. Nach wie vor dünn, blass und die Haare ungepflegt.
Ich konnte mit 8 Jahren begreifen, dass man so mit Kindern nicht umgeht.
Ich habe meinen Eltern gesagt, dass ich nie wieder in eine derartige "Kur" geschickt werden möchte, was sie auch nicht mehr taten. Meinen Eltern habe ich jedoch später nie einen Vorwurf gemacht; sie waren ahnungslos über diese Zustände. Glücklichweise haben sich die Zeiten geändert.
Ich habe mir geschworen, meinen eigenen Kindern so etwas zu ersparen. 1993 habe ich zusammen mit meinem 5jährigen Sohn 4 Wochen eine Mutter-und-Kind-Kur auf Borkum verbracht. Diese Kur war insgesamt erfolgreich. Während dieser Zeit mußte ich oft an meine eigene Kur denken.
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Tanja E. schrieb am 11.08.2020
Durch HR Info gestern im Radio und abends die Sendung habe ich mit meiner Zwillingsschwester darüber geredet.
Wir waren über Ostern 1978 (oder 1979?) in einem Verschickungsheim in Dießen am Ammersee, das Haus war streng katholisch geführt. Wir beide wurden nicht auseinander genommen, und deshalb war es für uns nicht ganz so schlimm. Und daheim bei einer überforderten alleinerziehenden psychisch kranken Mutter war es auch nicht immer besser. Immerhin gab es im Heim klare Strukturen.
Was aber mir an Eindruck blieb:
Im Speiseraum herrschte eine ängstliche Atmosphäre. Man musste alles aufessen. Die Kinder, die abnehmen mussten, sassen weiter hinten. Wir vorne und wir wurden öffentlich gewogen mit netten Kommentaren. Auch das Thema "Erbrochenes" essen, haben wir mitbekommen. Dieses Mädchen tat uns leid, aber Mitgefühl zeigen konnte und durfte man nicht. Postkarten, die wir schreiben durften, wurden begutachtet...also man konnte nicht alles schreiben. Umgekehrt, wurden die Inhalte der Pakete an uns konfisziert. Ebenso die Zahnpaste und die Seife, die jeder mitbringen sollte. Da wir in einer katholischen Einrichtung waren, durften wir täglich zum Gottesdienst gehen. Und sollten uns brav benehmen. Meiner Schwester wurde vom Weihrauch regelmäßig schlecht, aber das war kein Grund vom Fernbleiben.
Nachmittags wurde gebastelt, allerdings musste alles bezahlt werden.
Mein Fazit: Der Aufenthalt zählt nicht zu meinen schönen Erinnerungen. ich habe es ertragen und erfolgreich verdrängt.
 
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Alexandra Rauchhaus schrieb am 11.08.2020
Hallo,auch meine Zwilligsschwester und wir sind Verschickungskinder. Wir wurden mit 6 Jahren 1971 in ein Erholungsheim in St.Goarshausen an den Rhein geschickt. Auch für uns war es die Hölle ,leider haben es unsere Eltern überhaupt nicht verstanden wie schlecht es uns dort ging. Auch wir durften erst aufstehen, wenn wir die Teller leer gegessen waren und wenn wir ins Bett geschickt wurden mussten wir ruhig liegen und die Augen geschlossen halten,unterhalten durfte man sich auch nicht, sonst wurden wir mit der Taschenlampe angeleuchtet und bestraft.Auch nachts auf Toilette gehen war auch nicht erlaubt.Vielleicht melden sich ja noch andere Betroffene die auch dort waren.
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Isolde Nies schrieb am 11.08.2020
Das habe ich gerade gefunden; leider weiss ich nicht mehr, welches dieser Heime anno 1967 mein Haus des Schreckens war, ich vermute das „Mövennest“
 
https://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Uebersicht/Zum-Aufpaeppeln-auf-die-Insel
hier: Insel LANGEOOG
 
Zitat
„Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Freien Wohlfahrtsverbände
.
.
.
Das Hilfswerk, das vom Land und einer Funklotterie unterstützt wurde, hatte einen eigenen Kutscher, der das Gepäck der Kinder vom Hafen zu den Häusern fuhr:
 
dem evangelischen „Flinthörnhaus“,
dem „Mövennest“ der Arbeiterwohlfahrt,
dem „Haus Sonnenschein“ der Caritas und
dem „Dünenheim“ des DRK.“
Zitat-Ende
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Uta W. schrieb am 11.08.2020
Guten Tag. Durch die gestrige Reportage über Verschickungskinder in der ARD bin ich auch wieder daran erinnert worden, dass da was war in meiner frühen Kindheit. Ich bin Jahrgang 1955 und wurde ca. Ende der Fünfziger nach Bad Rothenfelde verschickt. Ich kann mich allerdings kaum noch daran erinnern. Aber die Bilder die ich habe sind sehr düster. Das Gefühl von Angst taucht auf. An viel mehr kann ich mich nicht erinnern.
Aber einige Jahre später, ich war 7 Jahre alt, musste ich für ca. 10 Monate in eine orthopädische Klinik nach Sendenhorst (Epiphysenlösung). Die Station auf der ich lag (in großen Schlafsälen mit Beschulung) wurde von Schwester Maria beherrscht. Ich schreibe ganz bewußt "beherrscht", denn sie war eine herrschsüchtige und sadistische Person. Sie hat uns Kinder wirklich gequält, ausser ihre Lieblinge. Ein Beispiel: jeden Tag gab es Mittagsruhe, d.h. wir mussten stramm im Bett liegen und durften uns nicht bewegen. Es musste absolute Stille herrschen. Schwester Maria saß in einer Ecke des Saals und beobachtete uns mit Argusaugen. Da die Nachttische sehr an an unseren Betten standen, mit dem ausziehbaren Tablett zum Bett gerichtet, kam es vor, dass man versehentlich dagegen stieß. Das hatte einen lauten Klapperton zur Folge, was eine sofortige Bestrafung nach sich zog. Die Bestrafungen unter Schwester Maria waren vor allem die Isolation und die Erniedrigung vor allen anderen. Die in meiner Erinnerung schlimmste und am häufigsten angewandte Strafe war "unters Tuch" zu müssen. Dazu mußten wir uns die Stoffserviette, die immer unter unserem Kopfkissen lag, über das Gesicht legen. So mussten wir über einen, in meiner Erinnerung, längeren Zeitraum verharren. Auch Zwangsessen gab es. Ich erinnere mich sehr gut, dass ich mal ein faules Ei essen musste. Auf meinen Hinweis, dass es schrecklich schmecken wüde, wurde nicht eingegangen. Also musste ich es auf essen. Später konnte ich jahrelang keine Eier mehr essen.
Es war die schlimmste Zeit meines Lebens, an die ich mich erinnern kann. Bei meiner Entlassung war ich ein anderes Kind. Aus einem quirligen und lebensfrohen Kind wurde ein eingeschüchtertes und ängstliches Kind. Mein Selbstbewußtsein war kaum noch vorhanden. Sicher haben meine Eltern diese Veränderungen bemerkt, aber solange ich unter der Fuchtel von Schwester Maria stand, habe ich mich nicht getraut mich meinen Eltern anzuvertrauen. Es hätte unweigerlich Strafen nach sich gezogen. Erst sehr viele Jahre später habe ich meiner Mutter davon erzählt. Sie war schockiert, aber gemacht wurde von meinen Eltern nichts.
10 Jahre später habe in derselben Klinik ein Praktikum als Kinderpflegerin gemacht. Wieder habe ich schlechte Erfahrungen dort gemacht. Ich war zwar auf einer anderen Station (Kleinkinder), aber auch dort gab es noch Strafen und Zwangsessen. Hier wurde die Isolationsstrafe angewandt, indem das betroffene Kind samt Bett auf den Flur geschoben wurde und dort isoliert von den anderen eine zeitlang verbleiben musste. Ganz furchtbar war für mich, dass ich doch tatsächlich besagter Schwester Maria auf einem Flur der Klinik begegnete. Sie hatte sich in den 10 Jahren überhaupt nicht geändert. Diese Begegnung holte alle schrecklichen Erlebnisse wieder hoch.
Mittlerweile habe ich mit dieser schlimmen Zeit meinen Frieden gefunden. Aber es war mir wichtig, hier mal darüber zu berichten.
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stefan schrieb am 11.08.2020
.... ich war wohl 1959 genau auch mit der Barmer in diesem Kinderheim - und meine Erinnerungen sind tatsächlich positiv. Ich habe die Wanderungen zum alten Schiefer-Bergwerk gemocht und auch wenn wir auf der Terrasse eingewickelt bei jedem Wetter lagen. Was ich allerdings auch heute komisch finde ist die Tatsache, dass ich kein Trennungsschmerz bei der Abfahrt hatte. Ich wurde da auch in den Zug gesetzt und weil ich brav war habe ich das mit mir einfach machen lassen.
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Thomas Mölders schrieb am 11.08.2020
Hallo, ich heiße Thomas Mölders, ich wurde damals 66/67 zu diesem Kinderheim am Titisee im Schwarzwald Sonnental über Mannesmann, wo mein Vater gearbeit hat für 6 Woche geschickt. Was ich da erlebt habe war fürchterlich, es sollte z.b. immer bei Mittag alles gegessen und aufgegessen werden, einmal war das Essen so ekelig das ich am Tisch erbrochen habe und meine Tischnachbarn ihre Teller zu mir schoben mit der Bitte auch darauf zu erbrechen. Ich war in der Zeit auch Krank mit 41 Fieber und der Arzt meinte ich würde da wohl sterben, habe aber überlebt, durfte das aber nicht meinen Eltern schreiben. Von dem Taschengeld was ich mithatte musste ich in dem Heim unten links war so ein Andenkenladen , dort was kaufen. Wasser und Brot bekam ich auch mal weil ich mit dem Essen gehadert hatte. Die Schwestern und ich denke es war ein katholisch geführtes Haus waren strenk und aus meiner heutigen Sicht einfach nur zum kotzen. Strafen hatten die immer parat. Gelacht habe ich da glaube ich nie. Als ich wieder zurück kam mit dem Zug nach Duisburg und meinen Eltern das erzählte sorgte mein Vater dafür das sowas über Mannesmann nicht noch mal zu diesem Heim passierte. Ich könnte noch weiter schreiben aber im Umgang hiermit ist die katholische Kirche genauso wie mit den Missbrauchfällen, ändern lässt sich das geschehene leider nicht, aber das da mal jemand die Verantwortung übernimmt ist lange überfällig. MFG Thomas Mölders
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A Wegner schrieb am 11.08.2020
Ich war 1977 als 10Jährige in den Sommerferien im "Kinderheim Marianne" in Obermaiselstein bei Oberstdorf im Allgäu. Im Forum habe ich ausführlicher berichtet. Psychische und körperliche Gewalt war an der Tagesordnung. Toilettengang nur nach dem Essen erlaubt, Zwang, aufzuessen (zum Teil mit erheblicher körperlicher Gewalt), Wanderungen im Hochsommer im Alpinen Gebirge ohne Sonnencreme, Entzug des kompletten Gepäcks, 1xwöchentlicher Wäschewechsel (auch Unterwäsche!) Trotz Organisation durch die Barmer in diesem "nicht kirchlichen Haus" sonntagliche ellenlange Kirchenbesuche. Sprechen beim Wandern oder Spazieren verboten, Briefe, die nur Montags geschrieben werden durften, wurden von der Heimleiterin Marianne Schleich gelesen. Ich habe diese Briefe noch! Falls etwas Negatives darinstand, musste er neu geschreiben werden...Ich wollte nie wieder ins Allgäu fahren! Letzten Sommer habe ich mir die Einrichtung mal von aussen angesehen. Es ist jetzt ein Mutter-Kind-Kurheim.
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Margit Hoppe schrieb am 11.08.2020
Ich war mit meiner Schwester Februar /März 1974 für 6 Wochen in Bad Salzuflen. Es war die Hölle. Obwohl wir daheim von den Horrowochen erzählten, passierte nichts. Nahm man uns nicht ernst? Ich war damals 10 Jahre alt, meine Schwester 5.
Bis Gestern dachte ich, dass Bad Salzuflen bei uns ein Einzelfall war, aber als ich gestern die Sendung sah, liefen mir die Tränen, alles kam hoch - Millionen von Kinderseelen wurden zerstört.
In den sechs Wochen sah ich meine kleine Schwester nicht.
Wir durften nachts nicht auf die Toilette, würde man erwischt, gab es Schläge. Aus lauter Angst machte man dann ins Bett, dann gab es vor allen Kindern im Schlafsaal Schläge auf den nackten Po.
Wir bekamen Medikamente, die den Appetit anregen sollte. Man musste immer seinen Teller leer essen, schaffte man es nicht und musste brechen, dann saß man alleine vor seinem Erbrochenen auf dem Teller im Speisesaal. Man musste es wieder runterschlucken.
Zwei Geschwisterkinder hatten damals Läuse und die beiden Mädchen bekamen den Kopf kurz rasiert.
Ich konnte heute Nacht nicht schlafen, soviel Bruchstücke kommen nun nacheinander hoch. Man hatte sie Jahrzehnte lang verdrängt.
Warum hat man jahrelang nicht auf die Kinder gehört, die völlig verstört nach Hause kamen?
Ich war bis fast 13 Jahre Bettnässerin
Wie das Kurheim in Bad Salzuflen hieß, weiß ich nicht mehr. Die Mädchen in einem Altbau untergebracht mit hohen Decken. Der Speisesaal hatte dunkle Holzwände.
Die Jungs waren in einem moderneren Gebäude nebenan untergebracht.
Ich hoffe so, dass jetzt alles aufgearbeitet wird und wir nicht noch einmal verraten werden.
Diese Horrorzeit kann man nicht rückgängig machen, aber die Schuldigen sollten zu ihren Taten stehen

Grüße Margit Hoppe ( früher Bögler)
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Isolde Nies schrieb am 11.08.2020
Ich habe mich registriert und würde gerne das ein oder andere Zeugnis direkt kommentieren, aber wie geht das? Betrifft zB metoo, da wie ich auf Langeoog misshandelt wurde...?
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Sabine Rothhaupt schrieb am 11.08.2020
Mit 5 Jahren war ich im Staufferhof in Bad Reichenhall. Vom Einstieg in den Zug in Schweinfurt und entgegennahme durch eine Begleitperson für den Zug habe ich keine Erinnerung.Ob ich sediert wurde? Dann erinnere ich das die Klinik mitten in Bad Reichenhall lag. Die Behandlungen waren u.a.folgende .Wir mußten uns nackt in einen vollkommen nebligen Raum begeben um salzige Luft zu inhalieren. Es war sehr beängstigend da man auch die anderen Kinder fast nicht sehen konnte.Es mußte zu den Essenszeiten immer alles aufgegessen werden, wenn nicht mußte man solange sitzenbleiben , bis man fertig war.Manchmal gab es Süßigkeiten. Ich hatte sehr großes Heimweh und schleppte den Kummer über die Trennung von meinen Eltern die ganze Zeit mit mir herum. Es war zu dieser Zeit Fasching und wir waren verkleidet und ich saß an einem Tisch und es gab Krapfen und es wurde ein Lied gespielt. " Oh mein Papa , er war ein wunderbarer Clown...Oh mein Papa....Der Raum hatte dunkelbraune Wände .Anrufe gab es nicht. Es war schrecklich. Als Getränk gab es immer HagebuttenTee, den ich bis heute verabscheue. Sehr selten Kakao. Manchmal sind wir zu einer Saline gelaufen . Der Schlafsaal war groß und wir mußten still sein , es wurde kontrolliert. Trotzdem erzählten größere Kinder unheimliche Geschichten so das wir kleineren sehr viel Angst bekamen.Als Folge dieses Aufenthaltes kam ich sehr verstört und innerlich erschüttert zurück nach Hause. Meine Widerstandsfähigkeit gegen Stress oder herausfordernden emotionalen Situation ist seither massiv herabgesetzt.Bei Überforderung durch Probleme, Stress im Leben ,kann ich beobachten das ich innerlich verstumme. Es tritt eine ungreifbare Leere auf in der erstmal keine Gefühle mehr existieren.Als Resümee kann ich für mich sagen, das massive Traumatisierungen stattgefunden haben und der Start in ein emotional gesundes Leben massiv beschnitten wurde . Dies sind nun meine ersten Erinnerungen ohne größere Recherchen.Ich bin sehr an einem Austausch mit anderen Betroffenen aus dem Staufferhof interessiert.
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Andreas Rau schrieb am 11.08.2020
Bitte entschuldigen SIe meine grausame Rechtschreibung hier. Ich habe an meinem Smartphone echte Probleme, was ich schreibe, selbst zu lesen. 🙂 Vielleicht brauchen meine Augen eine Kur *lach*
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Andreas Rau schrieb am 11.08.2020
Erst mal liebe Grüße von Andreas Rau. Ich freue mich über Ihre Initiative, denn ich merke, dass die Demütigungen und auch körperliche Gewalt keine Einzelfälle waren.
Ich war insgesamt 11 mal zur Kinderkur. In den Jahren 1970-1981.
Es gibt zum Teil schöne Erinnerungen an zwei Kinderheime. EInes auf Norderney, dass von der Awo betrieben wurde und mit deren Erzieherinnen mich heute noch freundschaftliche Kontakte verbinden. Das andere war in Hindelang/Oberjoch und hieß Santa Maria. Ich habe von Dingen gelesen, die ich dort so nicht erlebt habe. Die "Fräuleins" , an die ich mich erinnere, hatten wirklich was drauf und wir konnten neben sehr guten Kuranwendungen eine breite Pallette an freizeitpädagogischen Angeboten wahrnehmen. Das einzige, was überall wirklich gleich war, war die frühe Zeit, zu Bet zu gehen und ab dann nicht mehr sprechen zu dürfen. Das gleiche galt immer auch nach dem Mittagessen von 13- 15 Uhr.
 
Am meisten ist mir der Begriff "Wache" in Erinnerung, denn so nannte man tatsächlich die Erzieherinnen, die in diesen Zeiten Dienst hatte, während die anderen Pause machten - oder, wie ich irgendwann erfuhr - für Putzdienste abkommandiert wurden.
Meine Kurerfahrung begann im Herbst/Winter 1970 in Scheidegg. Es war eine "Lungenheilanstalt" mit Ordenschwestern aber auch "weltlichen" Schwestern. Die Ordensfrauen habe ich in guter Erinnerung. Geschlagen, weil ich ins Bett machte, wurden wir von einer Nachtschwester und in der Ecke stehen war für viele Kinder eine typische Strafe. Mit drei (!) Jahren.
Es gab dort kein Obst zu essen. Ein Gummibärchen bekamen wir zue Belohnung, wenn wir nicht ins Bett gemacht hatten. Wer es doch tat, bekam einen "Klaps" auf den nackten Po und musste sein schweres Bettzeug selbst wegtragen. Einmal nahm ich einen Apfel vom Teewagen, der aber nicht für uns Kinderwar, sondern Schwester Maria (eine Kinderkranenschwester) gehörte. Ich biss hinein und legte ihn wieder weg. DIe ganze Gruppe wurde dafür bestraft und bekam kein Abendessen.
 
Am Feldberg, in einem Kinderheim der Caritas mussten wir zur Strafe fürs Quatschen in den "Wachen" meistens auf dem Flur stehen. In Unterwäsche oder nackt, und die Hände dabei ausstrecken. Wir durften nur mit dem Gesicht zur Wand schlafen und durften eigentlich so gut wie nie sprechen. Dafür war das Essen dort klasse, Aber, wenn man es mal nicht mochte, konnte es passieren, dass zwei Erzieherinnen einen festhielten und die Nase zuhielten, während eine einem das Esen, wie bei einer Gans in den Hals stopfte. Wer erbrechen musste, schluckte es lieber gleich runter, damit man es nicht nachher vom Teller aufessen musste. Toilettengänge wurden in fast allen Heimen strengstens reglementiert. Meistens mussten wir als Gruppe gemeinsam gehen. Zeit, um den Popo abzuputzen, sofern man das überhaupt konnte, gab es nie ausreichend. So hatten wir alle immer schmutzige Unterwäsche, die nur einmal in der WOche gewchselt werden durfte - meistens, wenn man zum Arzt zur Untersuchung vorgeführt wurde.
Am Feldberg wurde uns immer angedroht, wenn wir nicht "horchen wollten", dass wir Verlängerung bekamen. In meinem Fall, wurde das - aus anderen Gründen - zwei mal wahr gemacht. 12 lange WOchen ohne meine Familiie und meine Freunde. Ich kam vom Bauernhof und war diese Art der "Gfangenschaft" nicht gewöhnt.
Ein JUnge, der recht "hyperaktiv" war, wurde regelmäßig mit Tropfen zum einschlafen gebracht.
Die größte Abwechslung war ein sonntäglicher Besuch zum Frühschoppen, wo der Freund einer der Erzieherinnen arbeitete. Während sie schmuste, durften wir Cola trinken oder Spezi. Hauptsache war halt, dass wir ruhih waren.
Ausgelacht wurden wir eigentlich ast immer. Nicht etwa von den anderen Kindern, klar, das gab es auch, nein von den Erziherinnen. Beim Duschen wurde nwir beschämt, beim Zu Bett gehen, wenn wir schmutzig waren... .eigentlich immer. Damit ich nicht am Daumen lutschte, wurde mir Senf auf den Daumen geschmiert und ein dickes Pflaster um jeden Daumen gebunden. Damit ich nicht quatschte, bekam ich ein dickes Leukoplat um den Mund.
Bei einer Kurverlängerung kam ich in eine andere Gruppe und stellte erstaunt fest, dass es auch wirklich freundliche Erzieherinnen gab, an die ich mich gerne erinnere und die niemals so grausam waren. Selbst die nicht, die als streng galten.
Auf Norderney musste ich 6 Wochen das Kinderkurheim des märkischen Kreises, " Haus Ierlohn" ertragen, dass von einer Frau Müller geleitet wurde, die dort mit ihrer Lebensgefährtin lebte und arbeitete. Zwei Biester ohne jede Empathie für Kinder. . Unsere Gruppenerzieherin war soweit ok, wie sie eben konnte, aber auch hier gab es herrische und streitsüchtige Erzieherinnen, die ihre Wut oft an uns Kindern ausließen. Und auch hier standen viele Kinder oft stundenlang in der Ecke oder mussten die Nacht iauf dem Fußboden des Ankleidezimmers verbrignen, weil sie gequatscht hatten.
Die letzten beiden Kuren fanden auf Norderney im AWO-Kinderkurheim statt. Und in Santa Maria in Oberjoch. Hier war alles lockerer, wahrscheinlich, weil wir auch älter waren und die Erzieherinnen einer anderen Generation anghörten. Das war die Zeit vor dem Wechsel in die 80ger Jahre.
1987 war ich dann in der Erzieherausbildung und arbeitete selbst während unserer Schulferien in einem Kinderkurheim der Stadt WUppertal. Auch hier: von den demütigenden Methoden oder Gewalt keine Spur..
 
Meine Erfahrungen mit Kinderkuren waren so unsäglich, dass ich die Ankündigung meines Hausarztes, ich solle zur Kur fahren, immer als Drohung empfand und große Angst davor hatte. Das letzte Mal sollte ich mit 15 Jahren noch einmal nach Oberjoch fahren. Dieses mal setzte ich mich aber durch, indem ich mich weigerte.
 
Ich habe mich oft gefragt, warum ich das nie meinen Eltern erzählt habe, die mich ja shcließlich jahrelang dort hin schickten. Nun, ich habe immer nur das Gute erzählt, weil ich immer noch den Klang von Fräulein Ingrid im Ohr hatte, die uns immer eintrichterte, dass meine Eltern sich etwas antun würden oder schlimm traurig würden, wenn sie ihnen erzählen würde, wie böse und verschlagen wir Kinder doch waren. Es bräche ihnen das Herz.
Ja. Und sowas glaubt man als Kind und verinnerlicht das.
Irgendwie gelang mir, meine Traumata zu überwinden, aber ich erkenne noch heute an mir einige Macken, die ich aus dieser Zeit zurückbehalten hatte. Heute kann ich meistens drüber schmunzeln. Über die Macken, nicht über die Demütigungen und Schmerzen.
Danke Ihnen für Ihren Einsatz, Frau Röhl, und wenn Sie Unterstützung brauchen, bitte melden Sie sich gerne bei mir.
 
Andreas Rau
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Andreas Rüdiger schrieb am 11.08.2020
Ich war Ostern 1964 (6 Jahre alt) mit meiner kleinen Schwester (4 Jahre) ein paar Wochen im Schloss Ditterswind in Unterfranken, etwas nordöstlich von Würzburg. Ich sollte nach den Osterferien eingeschult werden, war aber wohl zu schmächtig dafür.
Im Heim wurden wir ausnahmslos von Schwestern in Ordenstracht betreut. An einen Arzt oder männliche Mitarbeiter kann ich mich nicht erinnern.
Es gab einige Erlebnisse, die mich heute noch beschäftigen, aber ich habe durchaus auch positive Erinnerungen.
Schlimm war dieser Essenszwang, egal was es gab. Ich erinnere mich hauptsächlich an Camembert abends, den ich nicht essen wollte, aber musste. Jahrzehntelang konnte ich keinen mehr essen. Außerdem durfte kein Wort geredet werden beim Essen, sonst musste man zur Strafe in einem Nebenraum alleine am Tisch sitzen und trotzdem fertig essen. Das ist mir kleinem Steppke auch passiert.
Körperlich "ertüchtigt" wurden wir Jungs, indem wir uns im Kreis Rücken zum Hintermann aufstellten, dann bekam jeder eine Schrubberbürste in die Hand und musste den Rücken des Vordermanns kräftig abbürsten. Wenn man da einen großen, kräftigen Jungen hinter sich hatte, dann war man danach ordentlich durchblutet (es hat nicht geblutet!). Und zum Schluss kaltes Wasser drauf. Diese Therapie habe ich nie mehr angewendet, obwohl ich meine Schrubberbürste mit nach Hause nehmen durfte.
Aber ich habe auch gute Erinnerungen. Als Stadtkind, das in einer kalten, dunklen Mietswohnung wohnte, bleibt mir der herrliche Park, in dem wir durchaus spielen durften, gut in Erinnerung. Ich bekam Päckchen von meinem Opa mit Schokolade, die ich essen durfte und mit lustigen Briefen, die mir eine Schwester vorlas. Und abends durfte meine kleine Schwester, die sehr unter Heimweh litt, zu mir in den Schlafsaal und saß auf dem Schoß einer Schwester, die uns eine Gute-Nacht-Geschichte vorlas.
Auch die Fahrt dorthin mit einem Zug (das kannte ich nicht so) fand ich spannend und ich amüsierte mich köstlich über die Namen Pforzheim und Schweinfurt. Die Schwestern hatten uns in Karlsruhe abgeholt und dorthin gebracht.
Heimweh hatte ich bestimmt ab und zu.
War jemand auch in Ditterswind und kann sich noch erinnern? Daran wäre ich sehr interessiert.
Das Schloss war danach noch lange in der Hand dieser Rummelsbacher Schwestern, wurde aber nur noch glaube ich bis 1965 als Kinderheim genutzt. Danach wohl für (geistig) behinderte Menschen, bis vor wenigen Jahren, als sich die Rummelsbacher m.W. von dem Schloss trennten.
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Gabi schrieb am 11.08.2020
Hallo,
durch Zufall habe ich gestern den Beitrag im ARD über die Verschickungsheime gesehen. Dieser Begriff war mir bislang nicht bekannt. Und ich wusste auch nichts von dem Ausmaß, vor allem wie viele Kinder davon betroffen waren.
Ich war wegen Neurodermitis vom 22.02.73-04.04.73 (ich wurde in der Kur 6 Jahre alt) in St. Peter Ording in der Kuranstalt Goldener Schlüssel. Die Heilbehandlung wurde gemäß § 1305 der Reichsversicherungsordnung bewilligt. Ich habe noch Unterlagen, deswegen weiß ich das noch so genau. Allerdings haben mich meine Eltern nicht "verschickt". Obwohl sie nicht viel Geld hatten, haben sie mich hingebracht und auch wieder abgeholt. Zunächst hatte ich meinen Eltern nichts von meinem Erlebten erzählt, erst viel später. Sie haben mir geglaubt und sich sehr darüber aufgeregt, vor allem meine Mutter, da sie zum Dank der Frau dort noch Kaffee mitgebracht hatte. Das hatte ich gesehen.
Ich erzähle immer schon meinen Bekannten und Freunden, dass es dort jeden Tag Milchspeisen gab und ich heute noch diesen süßlichen Milchgeruch mit etwas Unangenehmen verbinde. Ich erinnere mich daran, dass ich an einem Tag den Schokoladenpudding nicht essen wollte (ich hatte ja auch eine Milchallergie), ich wurde gezwungen ihn zu essen. Ich hatte mich so geekelt davor. Eigentlich wundert mich das fast, da Kinder ja gerne Pudding essen. Jedenfalls habe ich in der Nacht das ganze Bett vollgekotzt. Es wundert mich im Nachhinein, dass ich mich an ein großes Bett mit dunkelblauem/grünen Bezug erinnere. Als die Nachtschwester kam, schimpfte sie mit mir, was ich da gemacht habe und zur Strafe kam ich in den Aufenthaltsraum im EG wo ein kleines Kinderbett mit Stäben aus Holz stand. Ich durfte meine Puppe mitnehmen, das war auch gut so, denn ich hatte Angst, der Mond schien in den großen Raum, es waren große Glasscheiben dort und ich konnte draußen Kaninchen sehen, das hat mich auch etwas getröstet. Ich weinte und hatte Angst, ich kann mich daran noch genau erinnern, ich sehe es vor meinem geistigen Auge. Das Päckchen von meinen Eltern zu meinem Geburtstag wurde geöffnet und an alle Kinder verteilt, ich bekam eine Orange. Und an meine Eltern wurde eine Postkarte geschickt, wo drin stand, dass alles in Ordnung war. Ich kann mich aber an nichts Schönes erinnern. Jedenfalls bekam ich dort Asthma.
Später vom 31.10.79-19.12.1979, da war ich 12 Jahre alt, war ich in der Hochgebirgsklinik Davos-Wolfgang. Auch dort wurde ich persönlich von meinem Vater hingebracht. Da ist mir etwas in Erinnerung, das mir heute noch ein Rätsel aufgibt. Ich wüsste gerne was das für eine Behandlung war, vielleicht war es ja auch nichts schlimmes. Also es gab einen Raum, man ging die Treppe runter. Der Raum war karg, es waren nur ganz oben Fenster, es waren nur an der Wand Sitzgelegenheiten. Dann wurde oben eine kleine Schüssel mit einem Lappen hingestellt. Wir wurden dann alleine gelassen und es fing dann sehr stark an nach Essig zu riechen. Wir waren nicht sehr lange in dem Raum, es war auch unangehm. Ich wüsste eigentlich nur gerne, für was diese Behandlung war. Keine Ahnung, ich musste auch nur einmal in den Raum. Ansonsten erinnere ich mich an nichts.
Ich finde es gut, dass meine Erlebnisse hier bestätigt werden. Ich habe noch nie davon gehört und dachte immer, es wäre nur mir so gegangen.
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Michael Häckel schrieb am 11.08.2020
Hallo,
ich war in den bayerischen Sommerferien 1972 sechs Wochen zur sog. Kur auf Amrum im Lenzheim. Damals war ich acht Jahre alt. Wir wurden von Nürnberg aus in einer großen Gruppe
dorthin gebracht. Schon die Verabschiedung in Nürnberg und die Fahrt nach Amrum habe ich als traumatisch in Erinnerung. Vom Lenzheim sind bei mir nur einzelne Bilderfetzen vorhanden. Ich schlief in einem Zimmer im ersten Stockwerk. Nachts durften wir nicht zur Toilette, eine Betreuerin passte im Treppenhaus auf, dass niemand sein Zimmer verließ. So passierte es, dass ich nachts oft in meinem Kot lag. Zu jener Zeit dort fing ich an mir nachts im Bett die Haare büschelweise rauszureißen, bis ich eine kahle Stelle von 3-4 cm Durchmesser am Hinterkopf hatte. Ich litt enorm darunter und schämte mich, dass ich das tat. Dieser Drang des Haarereißens verfolgte mich mein halbes Leben.
Am Strand vor dem Haus beobachtete ich beim Spielen immer die Fähren, die in Wittdün anlegten oder wegfuhren. Ich hatte dabei schreckliches Heimweh.
Es gibt aber auch gute Erinnerungen: Uns wurde auf der Terrasse "Mio, mein Mio" von Astrid Lindgren vorgelesen, dazu gab es Milchbrötchen mit
Carokaffee. Wir besuchten Gottesdienste in der Kirche in Nebel. Mehr weiß ich nicht.
Hier jemanden zu finden, der oder die auch zu der Zeit im Lenzheim war und sich erinnert, wäre wunderbar.

Viele Grüße Michael
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Carmen A. schrieb am 11.08.2020
Hallo, ich habe gerade auch meinen Schicksalsbericht als Erholungskind geschrieben unter dem Namen Carmen. Ich war im Schwarzwald am Tittisee im Jahre 1959 mit meiner Zwillingsschwester zur Erholung im einem Kurheim. Vielleicht waren wir im gleichen Heim. Ich war damals 6 Jahre alt.
 
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Carmen A. schrieb am 11.08.2020
Hallo! Meine Zwillingsschwester und ich sind auch Opfer als Verschickungskinder. Wir sind 67 Jahre alt und waren zur Erholung in einem Erholungsheim am Tittisee im Schwarzwald als wir 6 Jahre alt waren. Die Erholung (im Jahre1959) sollte unsere Erkältungsneigung verbessern, damit wir in die Schule gehen könnten. Wir waren gelegentlich auch noch Bettnässer. Das sollte sich durch die Kur verbessern. Es war die Hölle im Heim unter der Aufsicht von Ordensschwestern. Kinder wurden bestraft, wenn sie nicht zugenommen haben. Ich machte nachts ins Bett und musste auf dem Boden schlafen und man wurde stundenlang in die Ecke gestellt oder musste im Bett bleiben. Andere Kinder müssten Erbrochenes essen. Meine Schwester und ich waren ständig in Angst, einer Strafe ausgesetzt zu werden. Toiletten waren zeitweise verstopft und man durfte die Toiletten nicht benutzen. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie andere Kinder Erbrochenes essen mussten. Die Heimleitung hat nette Briefe an die Eltern verschickt, wie gut es uns ginge. Als wir nach 6 Wochen wieder nach Hause durften, erzählten wir alles unserer Mutter. Sie war bestürzt und sagte, sie hätte das nicht gewusst. Die Kinderärztin hatte die Kur empfohlen.
Die Sendung von Report Mainz gestern 10.August 2020 über die Schikanen, die Erholungskinder erdulden mussten, zeigte genau das was auch ich erlebt habe. Der Bericht an die Kinderärztin besagte, dass ich während der gesamten Kur leichtes Fieber hatte.
Es war Heimweh und Stress , was das Fieber auslöste. Unser Erholungsheim war am Tittisee im Schwarzwald. Ich weiß nicht wie das Heim genau hieß.
Gruß Carmen
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Isolde N schrieb am 11.08.2020
Als ich gestern einen Trailer für die Sendung „Exklusiv im Ersten“ sah, fiel ich fast vom Hocker....Denn zuletzt habe ich mir selbst schon eingeredet, daß meine Erinnerung einfach nicht wahr sein könne, es ist immerhin schon mehr als 50 Jahre her...
In den 60ern, ich schätze so 1967 herum, ich war noch nicht eingeschult und höchstens 5 Jahre alt, wurde ich mit meinem kleinen Bruder (max. 4 Jahre) nach LANGEOOG verschickt; habe bis heute nicht herausfinden können, wie das Heim hiess, halte als Träger aber die AWO für Wahrscheinlich, da meine (alleinerziehende) Mutter Kontakte zu dieser hattte...
Den mir eeeeendlos lang erscheinende Aufenthalt dort habe ich als einzien Horrortrip in Erinnerung; die „Highlights“:
- Erbrochenes essen müssen, wenn man seinen ekligen Teller morgendlichen Haferschleims nicht runterbekam bzw. erbrach
- Massen-Abduschen mit dem Schlauch mit kaltem Wasser in einem weiss-gekachelten Raum voller nackter Kinder, wie beim Schlachter fühlte ich mich
- Schläge mit einem Holzschuh (Klepper nannte man die früher), wenn man nicht kerzengerade auf dem Rücken im Bett lag
-Päckchen von daheim wurden nicht ausgegeben, sondern eingesackt
-Toiletten ohne Türen
uswusf.
Ich weine, während ich schreibe.
Mein Bruder wurde erst in Langeoog wieder zum Bettnässer; ich weiss nicht mehr, ob wir je versuchten, der Mutter davon zu erzählen, hätte aber auch keinen Unterschied gemacht, weil es ihr eh egal gewesen wäre...
Kann und will meine 80-Mutter hierzu heute auch nicht mehr befragen, habe seit sehr vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu meiner „Familie“...
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Michael Marsani schrieb am 11.08.2020
Hallo Rüdiger,
dort muss ich ebenfalls gewesen sein.Ich mochte ein Essen nicht, worauf ich es tagelang vorgestellt bekam, bis ich es vor Hunger dann doch aufass.
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Michael Marsani schrieb am 11.08.2020
Hallo, ich muss Mitte bis Ende der 60er in einem Heim in Bad Sachsa oder Bad Lauterberg im Harz gewesen sein.Es war Winter und wir mussten mit nackten Füßen durch den Schnee laufen und wir wurden nackt mit eiskaltem Wasser abgespritzt. Leider sind meine Erinnerungen daran nur sehr schwach und durchweg negativ. Das meiste habe ich wohl verdrängt.
Hat jemand Infos von solch einem Heim?
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werner schrieb am 11.08.2020
Hallo Olly, ich teile größtenteils deine positiven Eindrücke. Ich war im alter von fünf Jahren mit meinem Bruder für 6 Wochen in Berchtesgaden zur Kinderkur. In dem Alter war das nicht schön und ich hatte anfangs furchtbares Heimweh. Zum Glück war mein fünf Jahre ällterer Bruder ein Fixpunkt. Unterm Strich gefiel es mir dort alles in allem dann doch ganz gut.
Mit Acht war ich dann noch einmal für sechs Wochen in Bad Karlshafen. Das war insgesamt recht unspektakulär. Weder besonders positiv noch negativ. Muss wohl recht langweilig gewesen sein. Das einzige an das ich mich sehr gut erinnern kann, war eine Zahncreme mit Erdbeergeschmack.
Als ich Zwölf war, kam ich 1970 für sechs Wochen nach Bairawies bei Bad Tölz. Das war richtig klasse. Wir waren 12 Jungen in unserer Gruppe, lebten uns schnell ein und fühlten uns so wohl, dass wir alle Rotz und Wasser heulten, als wir von dort wieder heimfuhren. Da hat einfach alles gestimmt, vom Essen, über eine moderne und noch sehr junge Betreuerin bis hin zu spannenden Ausflügen wie eine Nachtwanderung mit Fackeln und eigentlich immer jeder Menge Spaß. Es gab ein Punktesystem. Für Ordnung konnte bekam man Punkte. Fehlverhalten bedeutete Abzug. Die Punkte konnte man gegen eine halbe Stunde Fernsehen im Vorabendprogramm eintauschen. Ich habe es nur einmal geschafft und meine Punkte für eine Folge der Serie: "Der Mann mit dem Koffer" verschleudert. Mag sein, dass wir mit unseren Kuren einfach nur Glück hatten.
 
LG Werner
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Andreas Schneider schrieb am 11.08.2020
Hallo! Ich war mit 6 Jahren 6 Wochen über Ostern 1969 im Staufenhof in Bad Reichenhall wegen einer Bronchitis zur Kur. Außerdem soll ich "zu dünn" gewesen sein und vor der Einschulung "aufgepäppelt" werden. Schon bei Abfahrt des Zuges im Hauptbahnhof Frankfurt bekam ich fürchterliches Heimweh und bekam von einer Betreuerin etwas eingeflößt, so dass ich die ganze Zugfahrt über schlief. Ich wurde erst wieder in Bad Reichenhall auf dem Bahnhof wach, weil ich geweckt wurde. Ich fühlte mich aber benommen und mir war übel. Dann gab es Kartoffelsuppe und ich musste mich erbrechen. Daraufhin wurde ich geohrfeigt, rüde beschimpft und bedroht und gezwungen die Kartoffelsuppe und das Erbrochene vollständig aufzuessen. Nachts wollte ich auf Toilette, weil ich dringend Wasserlassen musste. Da wurde ich wieder geohrfeigt und beschimpft. Am nächsten Morgen musste ich neben der Oberin am Tischende sitzen. Ich wurde vor allen als Kotzbude betitelt und durfte während des ganzen Frühstücks nicht reden. Jeden Morgen gab es einen großen Teller heißen Vanillepudding im Wechsel mit heißem Schokoladenpudding. Dazu gab es mehrere Scheiben Brot jeweils dick mit Butter geschmiert. Es musste alles aufgegessen werden, sonst gab es Beschimpfungen und Ohrfeigen. Einmal habe ich nachts ins Bett gemacht, weil ich ja nicht zur Toilette durfte. Da haben mich die "Tanten" mitsamt meinem eingenässten Bett hinaus ins Treppenhaus gestellt. Morgens haben sie mich dann nicht geweckt und ich wurde erst wach, als alle Kinder an mir vorbeiliefen und an mir herumgezupft haben und sich über mich lustig gemacht haben. Morgens (ich weiß nicht mehr wie oft... 1 x /Woche) mussten wir in Unterwäsche für den Arzt Schlange stehen. Das war immer sehr schlimm, weil der Arzt ein gewalttätiger Choleriker war. Einmal hat er einen Jungen mit Fußtritten, Schlägen und Beschimpfungen an der Schlange entlang vor sich hergetrieben, weil er sich in die Hose gemacht hatte. An Ostern bekam ich als einziger keine Post und kein Päckchen von meinen Eltern, weil man ihnen gesagt hatte, das würde mein Heimweh nur verstärken. Ich wusste damals nichts davon und dachte, meine Eltern hätten mich abgeschrieben, denn sie haben sich die ganze Zeit über nicht gemeldet. Ich habe damals nicht eine nette Geste oder ein liebes Wort erfahren. Nach dem Mittagessen mussten wir immer auf der Terrasse in Liegestühlen in der prallen Sonne "schlafen". Ich war aber nicht müde und es war für mich unerträglich, mich nicht bewegen und nicht herumschauen zu dürfen, denn die Augen mussten geschlossen bleiben. Wenn nicht, gab es es wieder "Schimpfe" und Ohrfeigen. Die "Aufsicht" hat ganz genau aufgepasst, ob man die Augen auch wirklich geschlossen oder geblinzelt hat. Es war alles nur furchtbar. Ich kann mich an überhaupt nichts Schönes erinnern.
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caro schrieb am 11.08.2020
hallo zusammen, auch ich wurde mit ca. 8 jahren in ein solches heim verschickt. es müsste etwa 1975 gewesen sein und war in st. peter ording. dort sollte ich aufgepäppelt werden, da ich sehr klein und zierlich war. im grunde kann ich mich hier nur anschließen: zwang zum essen (widerliche morgendliche haferschleimpampe), die ich auch regelmäßig erbrach und dann durfte ich nicht aufstehen .. auch ans briefeschreiben erinnere ich mich, unsere briefe wurden ebenfalls zensiert und man musste neu schreiben, wenn man etwas negatives geschrieben hatte. ich war dort 6 wochen und wollte die ganze zeit nur nach hause. jeder tag war der gleich: in 2er-reihe (mit an den händen anfassen) durch die stadt rennen und sonst nichts. keinerlei schöne aktivitäten für kinder wurden unternommen. wir haben ein einziges mal (in st. peter ording!) das meer sehen dürfen. und wir durften nur ein einziges mal in der badewanne baden - das war am tag vor der abreise!! und ein einziges mal fernsehen (auch vor der abreise). anonsten war dort drill an der tagesordnung - so stellte ich mir eigentlich einen gefängnisaufenthalt vor. einziger lichtblick waren ein paar nette bekanntschaften, die ich auf meinem zimmer gemacht hatte und wir haben uns zusammen immer während des erzwungenen mittagsschlafes schlafend gestellt, damit die aufseherin nicht ausflippte. danach haben wir immer heimlich gekichert .. meist donnerte sie dann mit fürchtlerlichem getöse den gang entlang und drohte allen. falls jemand zur gleichen zeit ebenfalls in st. peter ording war und weiss wo das war würde ich mich über einen kontakt sehr freuen. ich glaube die anstalt hieß "dittmarsen" oder so, konnte aber bisher nichts finden. viele grüße caro .. ps ich erinnere mich an den namen einer leidensgenossin, den ich aber hier nicht veröffentlichen möchte. vielleicht gibt es hier einen anderen weg personen zu finden, die man von dort kannte?
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Nicole Christine schrieb am 11.08.2020
Pfeifferhütte in Schwarzenbruck, Mittelfranken 1976
Ich kam im Sommer 1976 als Sechsjährige für ca. 4 Wochen gegen meinen Willen in das Schullandheim, das auch als Erholungsheim für Kinder firmierte. Es war ein Ort der Gewalt. Das Haus, das ehemalige Jagdhaus von Nazi H. Göring, hatte 30 Betten. Seit 2012 steht es leer.
Ein Foto findet sich hier:
https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Nazi-Jagdhaus-koennte-Unterkunft-fuer-Fluechtlingskinder-werden-id31877532.html
Viele Gruesse und gute Gedanken für alle, NK
 
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Ute Mogl schrieb am 10.08.2020
Hallo, mein Name ist Ute. Ich bin in den 60igerJahren in Bad Kreuznach im Viktoriastift gewesen. Was soll ich schreiben, es war wie in einem Horrorfilm, wo ich ungewollt, die Hauptrolle gespielt habe. So hat sich mein Leben verändert, meine Kindheit, wurde mir dort hinaus geprügelt........ Wer war ca. 63 mit 6Jahren dort und hat dieses Matyrium miterlebt!?!?
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Rüdiger schrieb am 10.08.2020
Hallo!
Ich war mit meinem Bruder in Bad Sachsa im HAUS WARTEBERG(.?) Mitte Anfang 70er.
Unsere Finger wurden mit Gewalt auseinander gedrückt, um zu zeigen, dass wir noch so und so viele Brote essen wollen. Am Schlimmsten war der Haferschleim. Wer nicht auf aß bekam von köberich(?) mit einem Teelöffel auf den Kopf geschlagen.
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Stephan Franke schrieb am 10.08.2020
Ich war 1969 als 10 jähriger Junge 6 Wochen von der Barmer Ersatzkasse in einem Heim in Berchtesgaden am Fusse des Jenner. Es kann auch sein das es bei Berchtesgadener evtl Ramsau war, da wir oft am und um den Königssee unterwegs lange Spaziergang machten. Zu derzeit war ich starker Bettnaesser und hatte eine hartnäckige Neurodermitis. Ich kann mich gut an ständigen Hunger, schlagende, erniedriegende Erzieherinnen und sehr uebele Vorführungen am Morgen, wo dem gesamten Schlafsaal meine durchnaessten Bettlaken gezeigt wurden. Damit hätten ich natürlich auch den Spott aller Kinder an mir. Pakete meiner Eltern wurden einfach geöffnet und der Inhalt unter allen Kindern verteilt und meine Heimweh Briefe wurden zensiert bzw nicht abgeschickt. Das war eine schlimme sehr unglückliche Zeit mit vielen Tränen, die mein weiteres Leben stark beeinträchtigt hat mit fehlenden Selbstbewusstsein, Angsterkrankungen, Asthma, Neurodermitis und spaeter sogar Multipler Sklerose.
Meine Seele hat sich dort einen bleibenden Schaden abgeholt. Danke Barmer Ersatzkasse........
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Ursula schrieb am 10.08.2020
Das Heim auf Borkum war sicher das Adolfinenheim. Auch da konnte man ein Traumata erwerben. Strafen, weil man nicht zur vorgeschriebenen Zeit zum WC gegangen war, weil man ein Essen nicht aufgegessen hatte musste man stundenlang vor dem Teller sitzen. Weil man beim Schlafen nicht in die vorgeschriebene Richtung geschaut hatte, wurde man ohne Bettzeug auf einem Brett im Waschraum "deponiert" und so weiter ...... Schlimme Zeit.
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Biene schrieb am 10.08.2020
Guten Abend an alle Betroffenen, ich war im Alter von 7 Jahren für 6 Wochen in der Vorweihnachtszeit im Jagdhaus Dr. Staeckel in Weisel. Die Kinderärztin verordnete mir die Kur, da ich sehr häufig grippale Infekte hatte. Die Barmer Ersatzkasse suchte dann scheinbar für mich dieses Kurheim in der Nähe der Loreley aus. Auch für mich war das Erlebte traumatisch. Einfach in Düsseldorf von der Mutter in den Zug gesetzt und trotz flehen und weinen musste ich einsteigen und mich auf den Weg in das Kinderkurheim begeben. Vieles habe ich verdrängt oder vergessen, aber die Zeit war Horror. Ich habe dort begonnen wieder einzunässen und wurde dafür morgens vor den Kindern in meinem Schlafsaal beschimpft und man machte sich lustig über mich. Ich wurde damit bestraft, dass ich erstmal kein neues Bettzeug bekam. Der Umgang mit uns Kindern war hart und unfreundlich. Ich hatte so großes Heimweh, das ich jede Nacht geweint habe. Die Postkarten an meine Oma (existiert noch) und an meine Eltern, in denen ich mein Herz ausschütten wollte, wurde zerrissen und ich musste neue Karten schreiben und behaupten, dass es mir gut geht. 2 Pakete die ich bekam wurden unter den Kindern verteilt. Vielleicht kann ich hier die schlimme Zeit aufarbeiten und die Erinnerungen zurückholen. Ich würde gerne Kontakt zu anderen Betroffenen aufnehmen, die auch in diesem Kinderkurheim gewesen sind.
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Karin schrieb am 10.08.2020
ich war 1966 im Kindererholungsheim der deutschen Bundesbahn Marienstift in Marwang. Der Aufenthalt war der blanke Horror. Ich habe mehrere Tage immer das nicht aufgegessene Essen wieder auf den Tisch bekommen und es wurde auch immer von den Schwestern mit entsprechenden Kommentaren auf meinen Platz gestellt. Es durfte kein Kind mit mir sprechen, da ich böse war, weil ich das Essen nicht aufessen wollte. Ich wurde auch beim Spielen isoliert und mußte mich dann auch alleine waschen. nachts bekam ich die Arme in Röhren gesteckt, damit ich meine Fingernägel nicht abbeissen konnte. Wenn ich geweint habe, hat mich die Klosterschwester in den Schlafsaal gesteckt ich mußte dann in Unterwäsche dort bleiben bis sie mich wieder rausgelassen hat. Nachts haben die Schwestern kontrolliert, ob man schläft, wenn sie der Meinung waren, dass man nicht richtig im Bett liegt gab es eine Ohrfeige und man mußte dann zum Frühgottesdienst und für die Vergebung der Sünden bitten. Es gab für alles Strafen. Ich habe während der 6 Woche Kur 4 Kilo abgenommen. Meinen Eltern hat man erzählt, dass es an mir gelegen hat und ich ständig das Essen verweigert hätte. Wer mag schon altes Essen essen, dass tagelang vorgesetzt wurde. Es hat mir keiner geglaubt, wie grausam diese Klosterschwestern mit uns Kindern umgegangen sind.
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Winke, Klaus-Helmut schrieb am 10.08.2020
Wurde im Jahr 1960 und 1963 verschickt nach Wyk auf För im Marienhof gruselig was ich alles ertragen musste
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Hartmut Schatzer schrieb am 10.08.2020
Heute habe ich das erste mal von diesem Thema in der Öffentlichkeit (Radio) gehört und ich habe dabei Feuchte Augen bekommen.
Ich war glaube ich 1975 im Alter von 9 Jahren 6 Wochen im Weserbergland, wurde jeden Tag in der Mittagsruhe in einem ganz alten Badezimmer/Raum 2 Stunden eingesperrt und Verbal zu tiefst erniedrigt nur weil ich nicht schlafen wollte.
Ich fange gerade an mir Erinnerungen nach dieser sehr langen Zeit ins Gedächtnis zu rufen.
Ich habe das bis heute verdrängt, konnte auch in jungen Jahren nie mit jemanden darüber Reden. ( habe immer noch sehr feuchte Augen in diesem Moment )
Wenn ich die Berichte hier Lese war alles wie andere hier Berichten Parallel auch bei mir, Gott sei Dank aber keine Sexuellen Übergriffe.
LG Hartmut
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Sven Gögel schrieb am 10.08.2020
Hallo, ich war Zu DDR Zeiten mehrfach an der Ostsee ich leide heute immer noch an den Folgen bin jetzt 42 mehr kann ich nicht sagen weil ich sonst wieder agressiv werde .
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Alexandra schrieb am 10.08.2020
Hallo Zusammen,
durch Zufall habe ich heute die Dokumentation "Gequält, erniedrigt, drangsaliert" gesehen und mich dabei (leider) an meinen eigenen Kuraufenthalt erinnert. Ich war 5 Jahre alt und bin 1972 alleine nach Norderney für mindestens 4 Wochen verschickt worden, wohl weil ich so blass war. Zum Glück kann ich mich nur an Bruchstücke der Kur erinnern, doch die sind allesamt negativ. So wurde ich beispielsweise von älteren Kindern extrem drangsaliert. Vom Frühstück (es gab nur Suppen-artiges Frühstück, wie Haferschleim mit Brocken oder manchmal, an guten Tagen, auch Cornflakes) wurde ich rasch ausgeschlossen, da ich den Löffel zu voll nahm und somit plörrte. Als Strafe musste ich dann abseits mit einem anderen Mädchen Brot essen. Das wäre eigentlich gut gewesen, wenn da nicht dieses "Du kannst nicht essen, deshalb bestrafen wir Dich jetzt und stellen Dich für alle gut sichtbar an den Pranger" gewesen wäre. Die Eltern durften nicht anrufen, da die Kinder sonst Heimweh bekommen hätten. Irgendwie hat es meine Mutter dann doch geschafft, mich an meinem Geburtstag dort anzurufen. Das Gespräch war natürlich sehr kurz und fand unter Aufsicht statt. Der ganze Aufenthalt war einfach nur furchtbar und ich habe lange Zeit danach auch als Erwachsener ab und zu einen wiederkehrenden Albtraum gehabt, nämlich, dass ich in einem Reisebus mit vielen anderen Kindern zur Kur fahre und dass ich verzweifelt versuche, den Busfahrer zu stoppen, weil ich umkehren und nach Hause will. Tatsächlich vermischt sich hier Erinnerung und Vorstellung und ich bin mir nicht sicher, ob ich damals nicht genau das versucht habe zu tun.
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Sofia Jeltsch schrieb am 10.08.2020
Hallo zusammen,
Meine Schwester und ich,waren in den 80ern in einer sogenannten Kur auf Borkum. Wir waren kurz zuvor mit unseren Eltern aus der DDR vertrieben worden, ich litt lange an einer Boruliose. Dort sollten wir uns erholen. Wir beide leiden heute noch unter den traumatischen Erlebnissen dort. Es ist unfassbar, wie Erwachsene Menschen, kranke und belastete Kinder absichtlich erniedrigt, verängstigt und alleine gelassen haben. Ich muss heute mit fast 40 immer noch weinen, wenn ich daran denke. Ich wünsche euch allen, alles liebe,
SOFIA
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Kerstin Kolb schrieb am 10.08.2020
Leider weiss ich nicht mehr in welchem Heim ich war. Ich weiss nur, dass es auch im Schwarzwald war und auch viele Nonnen um uns herum waren. Die restliche Beschreibung kommt mir auch sehr bekannt/vertraut vor. Ich kam 1966 wegen Chronischer Bronchitis in so ein Verschickungsheim. Ich war 4 oder 5 (auf jeden Fall noch unter 6) deswegen fehlen mir die klaren Erinnerungen - nur dass ich nie nie wieder in ein solches Heim wollte und meine Eltern mir auch nicht geglaubt haben - und ich bis heute auch mit Angst- und Panikattacken, Depressionen usw zu leiden habe..
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Kerstin Kolb schrieb am 10.08.2020
ich war einmal in einem Verschickungsheim im Schwarzwald (ich war ca. 5-6 Jahre alt). Ich erinnere mich nicht mehr an viel. Aber an die Kälte, Lieblosigkeit und die weinenden Kinder im Schlafsaal und dass wir gezwungen wurden, Sachen zu essen, die wir nicht mochten. Auch wenn wir uns dann übergeben hatten. Und ich fing wieder an einzunässen und habe seitdem starke Konzentrationsprobleme, Depressionen uvm.. Vielleicht helfen mir die Beiträge und Reportagen, mich an noch mehr zu erinnern und in meiner Therapie aufzuarbeiten und somit - hoffentlich! - heilen zu können oder zumindest gut damit leben zu können...
PS: Leider kann ich mich auch weder an Ort noch den Namen des Heimes erinnern - aber vielleicht, wenn ich Bilder sehe oder über Recherche..
Woran ich mich aber noch genau erinnere: es gab regelmässig einen schwarzen Brei, der nach "Kacke" schmeckte - und so nannten die Kinder den Brei auch. Wir wurden gezwungen ihn zu essen was regelmässig zu Tränen usw führte, weil er uns reingezwungen wurde. Vielleicht errinnert sich ja noch Jemand daran...
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Sabine schrieb am 10.08.2020
War hier jemand auch im Kindersanatorium Schönblick in Berchtesgaden? Ich wurde 1977 mit fast 6 Jahren wegen Keuchhusten dort hingeschickt. Die Behandlungen (Inhalieren etc) blieben in angenehmer Erinnerung. In schlechter Erinnerung blieb die Zwangsfütterung mit von mir verhasstem Salat und nächtliches ans Bett gerufen werden, warum, weiß ich nicht mehr. Wir wurden erwischt und mussten zur Strafe im Flur stehen.
Auch an das anfängliche Heimweh kann ich mich erinnern. Nach über 40 Jahren erfahre ich, dass dieses Verschicken ohne Eltern damals wohl normal war.
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Petra schrieb am 10.08.2020
Hallo, ich war 1977 als 8 jährige im AWO-Kinderheim Albstadt-Onstmettingen. Auch hier gab es Essenszwang, Toilettenverbot und Bestrafungen, z.B. stundenlanges Sitzen in dunklem kalten Flur. An Namen von "Erziehern" kann ich mich nicht mehr erinnern. Es waren schlimme 6 Wochen.
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Ute Langenbein schrieb am 10.08.2020
Hallo, ihr Lieben, ich war im Jahr 1959, mit 9 Jahren, 6 Wochen im Kinderheim "Hans im Glück" auf Sylt. An diese Zeit habe ich nur schlechte Erinnerungen. Der Zwang zum Essen, damit die Kur "erfolgreich" ist, dabei handelte es sich meist um pampigen Brei. Die "Tanten" saßen auf erhobenen Plätzen und erhielten andere Speisen. Dann das Verbot, in der Nacht auf Toilette zu gehen. Auch ich habe mehr als einmal ins Bett gemacht und wurde dafür ausgeschimpft. Um dies zu vermeiden, habe ich versucht den abendlichen Tee nicht zu trinken, was natürlich nicht erlaubt war. Meine Mutter schickte mir ein Paket. Das wurde sofort konfisziert mit der Begründung, ich solle meiner Mutter schreiben, dies sei nicht erlaubt. Sie solle erst ihre Rechnungen bezahlen. Briefe nach Hause wurden zensiert. Bei schönem Wetter durften wir nur bis an die Knöchel ins Wasser, da das Salzwasser zehrt. Nur eine übergewichtige Heiminsassin durfte baden. Sie wurde von uns natürlich beneidet. Als Kind dachte, ich dass ich nie wieder nach Hause dürfte. Das Heimweh spüre ich heute noch.
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Sonja schrieb am 10.08.2020
Ich habe schon ein paar mal die Berichte von betroffenen "Kurkindern" gelesen und war mir nicht sicher, ob ich mich da einreihen kann. Leider habe auch ich nur sehr schwache Erinnerungen an meine "Kur" in Reinhardshausen bei Bad Wildungen, wo ich als ca. 6Jährige wegen Bettnässens hingeschickt wurde. Nur bruchstückhaft ist hängengeblieben:
- der große Schlafsaal, in dem sehr unbequeme Betten standen,
- jeden Tag MUSSTEN alle Kinder (!) Mittagsschlaf machen
- zum Frühstück gab es immer so eine komische Graupensuppe, die gegessen werden musste, ob man wollte oder nicht
- und im Nachhinein betrachtet kam man sich vor wie in einer Kaserne.
Am schlimmsten empfinde ich jedoch immer noch, dass ich über sechs Wochen keinen Kontakt zu meinen Eltern hatte und wir Kinder auch keinen Besuch von den Eltern empfangen durften.
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Manu schrieb am 10.08.2020
Hallo an alle
ich war auch mit meinem Bruder in einem Heim.Wir wurden getrennt,leider sah ich ihn nur selten.Ich kann mich noch an Haus erinnern..hatte einen Hof es hatte runde Ercker,Einen langen Gang der Essenssaal war mit langen Holzbänken und Tischen,links am Eingang zum Essenraum waren Regale mit Holzkisten.Ich weis noch das ich manchmal zu einer sehr lieben Frau im zweiten Stock gehen durfte mit ihr basteln.Die Schwestern waren sehr streng.Wachten Nachts ..mann musste schnell aufToilette und in Schlafsaal.Eins ist mi in Erinnerung ..hatte mal gelesen ...Schwester hats zufällig gesehen ..wurde dann verprügelt..zum Schluss gabs dann noch eine Backpfeiffe.Bin erleichtert,das es auch andere gibt. Ein weis auch noch..ich durfte morgens auch mal mit in die kahtolische Kirche.Ichglaube das ich auch im Allgäu war
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Ute Eckermann-Bobisch schrieb am 10.08.2020
Ich bin auch betroffen, allerdings war ich nicht in einem der Heime in Deutschland. 1959 wurde ich als 5jährige mit meiner Schwester, 7 Jahre alt, für 3 Monate in einen privaten Haushalt eines kinderlosen Ehepaars nach Schweden verschickt. Wir wurden in einen Bus voll Kinder in Hamburg ZOB verfrachtet, fuhren nach Kiel und weiter ging es mit dem Schiff nach Malmö und von da aus nach Göteborg. Hier wurden wir von dem Ehepaar abgeholt und fuhren in ein kleines Dorf in der Nähe der Stadt. Von der Fahrt bekam ich kaum etwas mit, habe während der ganzen Zeit geweint.
Wir hatten grosse Angst vor den Leuten, wollten weglaufen, wurden aber eingesperrt. Wir nannten die beiden Tant Ingeborg und Farbror Artur. Unsere Betten standen im Schlafzimmer der Gasteltern, ausserdem gab es ein Spielzimmer, was uns sehr verwunderte, sie hatten keine eigenen Kinder.
Sie hatten aber Jahre vor uns schon immer Verschickungskinder aus Deutschland aufgenommen.Zum Heimweh kamen Verständigungsschwierigkeiten, seltsame Rituale und Erziehungsmethoden und sexuelle Übergriffe, bis hin zum Missbrauch.
Wir durften nichts erzählen, sonst hätten sie uns nicht mehr nach Deutschland gelassen, so sagten sie uns.
Ich habe diese Zeit der Verschickung bis zu meinem 35zigsten Lebensjahr verdrängt, dann kamen die Erinnerungen und eine lange Zeit Psychotherapien. Ich litt an Depressionen, Angst- und Panikattacken. Schon in jungen Jahren musste ich Beruhigungsmittel nehmen und konnte nur mit Licht an schlafen.
Ich habe in den letzten Jahren immer wieder versucht mehr über diese Schwedenverschickungen zu erfahren, es ist mir bis jetzt nicht gelungen. Ich weiss nur von meiner Mutter, dass das Jugendamt auf meine Eltern eingeredet hat. Meine Schwester litt an häufigen Kopfschmerzen und der Aufenthalt in Schweden wäre sehr heilsam....von wegen!  
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THORSTEN KRUPPKA schrieb am 10.08.2020
Hallo, ich war zweimal in "Klappholttal" auf Sylt, 1975 und 1976. Demütigungen, Schläge gab es leider. Gerade die Gruppe von uns Übergewichtigen hat es hart getroffen. Ich empfand den Brand im Jahr 2010 im ehemaligen Speisesaal als Quittung für die Demütigungen und Gewalt an uns. Ja, ich habe mich sogar gefreut. Ich habe nie wieder einen Fuß auf die Insel gesetzt.
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Christiane schrieb am 10.08.2020
Hallo,
heute habe ich einen Bericht über Verschickungskinder ( Focus online) gelesen.Alle Erinnerungen an die Kur in St. Peter Ording kamen hoch und die Tränen liefen. ( Ich wusste nicht, dass es mich nach 50 Jahren, noch so berührt) Mein Bruder und ich wurde dort hin geschickt. Schon im Zug ...wir waren mit anderen Kindern in einen Abteil ...fing alles an. Da haben wir uns vorgestellt und gelacht bis der Betreuer die Tür öffnete, seinen Gürtel von der Hose löste und einige Male mit den Gürtel mitten rein schlug und meinte, wenn wir nicht leise sind und still sitzen bleiben , dann wird der Gürtel uns das nächste Mal härter treffen. In der Kur selbst, ging es weiter. Wer das Essen nicht vertrug , musste trotz erbrechen den Teller mit dem Erbrochenen aufessen. Wer sich weigerte, dem wurde das Gesicht in den Teller gedrückt. Ein molliges Mädchen wurde im Garten untenrum nackt über ein Faß gelegt und wurde gehauen.... sie hatte ein kleines Stück Brot gegessen, was ihr nicht Zustand. Wir mussten zuschauen. Meinen Bruder durfte ich nicht in seinem Zimmer besuchen, als er krank war. Ich habe mich zu ihm geschlichen und er lag in dem Bett, völlig verängstigt. Briefe an die Familie wurden zensiert . Kinder, die am Strand zu laut waren, bekamen Sand in den Mund.Das Heim wurde wohl kurz danach geschlossen, dafür hatten unsere Eltern wohl gesorgt.
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Olly schrieb am 10.08.2020
Guten Tag,
ich hab heute Nachmittag im TV zum erstemal von Verschickungskindern gehört.
Jetzt weiß ich das ich mich auch so "betiteln" darf/kann/muß.
Für mich war ich einfach nur zur Kur, um selbständiger mit 9 Jahren zu werden.
Es war 1981 in Berchdesgaden irgendwo, mit Ausflügen zum Königsee inkl. Bootsfahrt, Salzburg und Salzbergwerk.
Ich weiß nur das ich die ersten Tage gelitten habe vor Heimweh. Geheult..... rund um die Uhr..
Ich denke aber das dies mit neun Jahren normal ist unter Fremden.

So habe ich nur positive Erinnerungen an den Aufenthalt, Essen, Zimmer, "betreungspersonal" etc.
Wir durfen im Herbst Äpfelpflücken und im Unimog mitfahren.
Wir waren viel draußen hinterm Heim am Spielen etc.
Ich hatte 2 Jungs als Freunde und ein Mädchen was mich mochte.
Ich bekam Post und Süßigkeiten von meinen Eltern.
Wir durften Fernsehen abends.

Meine Frage hier lautet wie folgt:
Ist möglich das ich mich nur an das Positive ( außer Heimweh) erinner will, und das Negative verdrängt habe?
Oder gab es auch Verschickungen die schlicht nix Schlechtes hatten?

Gibt es viele Kinder die positive Erinnerungen
haben?

LG Olly
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Henriette Steffan schrieb am 10.08.2020
Hallo zusammen! Ich war im Jahr 1971 oder 1972 in einer Einrichtung in Hofgeismar ( grob Richtung Kassel ), zusammen mit meiner Zwillingsschwester. Wir waren damals ca. 5 Jahre alt. Nachdem wir 6 Wochen vor Ort waren, konnte ich nicht mit den anderen Kindern im Bus nach Hause fahren, weil ich an Mumps erkrankt war. Meine Schwester ist dann ohne mich heim gefahren. Mich hat man in einen Krankenwagen verfrachtet und in eine Klinik nach Kassel gebracht. Weitere 14 Tage, erst in einer Isolierstation ohne Kontakt nach außen, dann mit anderen Kindern in einem Zimmer. Meine Eltern haben keinen Kontakt zu mir gehabt ( angeblich, weil die Ärzte damals davon abgeraten haben - wegen Heimweh und so weiter ). Als sie mich dann endlich irgendwann abgeholt haben, habe ich sie nicht erkannt. Sie kamen mir auf dem Flur des Krankenhauses entgegen und nur, weil meine Schwester dabei war, wusste ich, dass das meine Eltern sind. Ich habe aber viele Dinge, wie z. B. die Ankunft im Krankenhaus, die Untersuchungen usw. vergessen ( wahrscheinlich verdrängt )... Leider kann ich heute nicht mehr sagen, wie die Einrichtung dort hieß, aber vielleicht ist hier jemand, der auch dort war. Über das Einwohnermeldeamt in Hofgeismar bin ich auch nicht weitergekommen. Vielleicht geht ja hier etwas...
Seit damals kann ich sehr schlecht weg sein von zuhause ( habe das Gefühl, "du kommst nicht mehr heim" und weitere Beeinträchtigungen ).
LG Henriette
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Monika schrieb am 10.08.2020
Auch ich bin ein Kind der DDR, geboren 1950, und stamme aus einer Kleinstadt ca. 10 km südöstlich von Dessau. 1961 wurde ich in ein Kinderkurheim verschickt. Es ging vom Haupbahnhof Halle/Saale aus nach Wiek auf Rügen in das Kinderkurheim "Frohe Zukunft". Vieles ist bis heute in Vergessenheit geraten, aber eine Sache hat mich mein ganzes Leben lang begleitet.
Einmal wöchentlich wurden wir 11- jährigen Mädchen in einen Waschraum geführt, wo wir uns entkleiden mussten. Anschließend wurden wir mittels Schlauch mit kaltem Wasser abgespritzt. Ich hatte Angst davor und verzog mich in die hinteren Reihen. Als die Erzieherin das bemerkte, holte sie mich vor und ich erhielt eine Gratisdusche, sodass ich keine Luft mehr bekam und der harte Wasserstrahl meiner Haut weh tat. Das wiederholte sich in den folgenden Wochen. Bis heute ist es schlimm für mich, wenn mir beim Duschen versehentlich Wasser über das Gesicht läuft und Tauchen im Schwimmbad ist ganz unmöglich, da bekomme ich Panik.
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Micha schrieb am 10.08.2020
Ich war auf Fehmarn mit 6 Jahren 1969 eingeliefert worden.
Es war die Hölle.Wie im 3reichs Millitär.Die Leiterin war ca. 60.
Schlechtes Essen,6uhr Aufstehen,Mittagsschlaf zwang,alles Pünktlich!
kein Ausgang.Mamma und papa hatten mich velassen.
Habe erst nur geheult,dafür Schläge bekommen.
Habe jetzt Angststörung/Depession.Wer auch in dieser Kinderfolter
Außenstelle um die 1969 war bitte bei mir melden.Weil nach mir
wohl neue Leiterin an der ich evl.beteiligt war.
Gruß Michel
 
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B. Mühlen schrieb am 10.08.2020
Hallo Anne, ich war 1980 im gleichen Heim,stimmt mir der Post wieder war verdrängt
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B. Mühlen schrieb am 10.08.2020
Hallo, mir war bis vor ein paar Tagen gar nicht bewusst das wir so genannt wurden. Ich war 2 mal weg, 1x Langeoog, Datum usw keine Erinnerung.
2x Borkum, Sancta Maria Kinderkurheim vom 3.6.-1.7.1980. Da war ich gerade 9 Jahre geworden.
Die Kindertransport- Karte liegt vor mir.
Auf Langeoog war ich mit meiner Schwester zusammen, auf Borkum auch mit meiner Schwester aber getrennte Gruppen.
Mein Bruder war auch 1x weg, kam verängstigt zurück und hat sich immer unter dem Tisch versteckt, nach Erzählungen meiner Mutter.
Ganz ehrlich, ich kann mich an nicht viel erinnern.
Ich weiss auch nicht ob ich die Kuren vermische.
Kaltes abduschen nackt mit Wasserschlauch, Nagelhaut schneiden, Läusekämmen, essen bis zum erbrechen. Wenn man nicht war wie gewollt wurde dies unverzüglich gezeigt und vorgeführt.
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Katja Mutschelknaus schrieb am 10.08.2020
hallo - habe eben den Bericht im ARD Mittagsmagazin gesehen. Auch ich bin ein traumatisiertes Kinderverschickungskind mit schrecklichen Erfahrungen in Passau 1968. War zufällig jemand auch in diesem von grausamen Nonnen geleiteten Heim? Dann bitte bei mir melden - ich weiß den Namen des Heims nicht und möchte gerne weiter recherchieren. Lieben Dank und an alle sehr herzliche, solidarische Grüße, Katja
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Laslo schrieb am 10.08.2020
Hallo,
-
das Heim kenne ich, weil ich in den 90er Jahren dort als Erzieher gearbeitet habe:keine Nonnen mehr, doch irgendwo noch nicht ganz am Puls der Zeit, mittlerweile aber aufgelöst.
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Laslo schrieb am 10.08.2020
Hallo an Alle. Ich war mehrmals in einem Erholungsheim, darunter zweimal in Glücksburg (bei Flensburg). Es hieß St. Ansgar. Vielleicht kennt jemand dieses Haus. Ein schlechtes Beispiel war das Heim in Hirsau (bei Calw im Schwarzwald). Es wurde von Nonnen geleitet und ich wurde als sogenannter Ami-Bankert (mein Vater ist Amerikaner) diskriminiert.
In meiner Autobiographie habe ich darüber geschrieben. Jetzt möchte ich gerne Geschichten sammeln und vielleicht in einem Buch herausbringen.
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Anne schrieb am 10.08.2020
Ich war 1982 auf Borkum im "Sancta Maria". Das Essen war regelmäßig sehr knapp bemessen und ich bin regelmäßig abends hungrig zu Bett gegangen und das, obwohl ein Ziel der Maßnahme eine Gewichtszunahme war. Zur Toilette durften wir nur nach den Mahlzeiten gehen, also 3x am Tag. Selbstverständlich wurde die Post zensiert und uns wurde gedroht für den Fall, das wir etwa Negatives über die Kur in unsere Briefe schreiben. Es waren sechs Wochen ohne Spaß und mit viel Zwang und Drohungen.
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Angela Schiller schrieb am 10.08.2020
Hallo an Alle,
ich war als Achtjährige Mitte der 60er Jahre sechs Wochen in einem Kinderheim in Hogschür im Schwarzwald, ich glaube, es hieß Sonnental. Ich komme aus Schleswig-Holstein, schon die lange Anreise per Zug war kein Spaß. Im Heim durfte man nicht vor 8 Uhr (glaube ich) aufstehen und auch nicht auf die Toilette gehen. Wenn man dann ins Bett machte, gab es massiv Ärger. Mittagsschlaf war Pflicht und zwar total still, ich habe nie Mittagsschlaf gemacht, für mich war das furchtbar. Es gab komische Sachen zu essen, die bis auf den letzten Bissen verzehrt werden mussten, sonst saß man in der Küche, bis alles alle war, auch wenn das Stunden dauerte. Die Kunst war, nicht zu schnell zu sein, sonst gab es auch noch Nachschlag. Zum Beispiel trockenen Milchreis mit minimal Sauce, den ich bis heute nicht leiden kann. Briefe wurden zensiert, alle Post geöffnet. Alles, was von zu Hause an Goodies mitgekommen war bzw. weiter kam, wurde konfisziert und zugeteilt. Kontakt zu den Eltern gab es nicht. Man musste sich auch vor allen ausziehen und wurde gewaschen, das fand ich schrecklich, weil ich das nicht kannte. An kaltes Wasser erinnere ich mich auch und an einen alten Arzt, den ich total unsympatisch fand, der eine Art Eingangscheck machte. Einen Nachmittag mussten wir auf der Terrasse in der Sonne Mittagsschlaf machen und durften uns nicht rühren - wir waren alle total verbrannt hinterher. Die "Schwestern" verbreiteten ein reines Klima der Angst, ich glaube viele hatten ihre "Ausbildung" noch in der Nazizeit erhalten. Die Leiterin war am schrecklichsten, ein richtiger Drachen. Ich weiß noch, dass mir die Kleineren besonders leid getan haben, weil die sich gar nicht wehren konnten und besonders drangsaliert wurden. Meine Eltern haben mir natürlich kein Wort geglaubt, als ich davon erzählt habe. Ich dachte, die wollen mich loswerden und habe dann lange nicht mit Ihnen geredet. Ich bin Asthmatikerin und war damals sehr dünn, sollte zum Aufpäppeln dahin. Ein gruseliges Erlebnis, das lange Folgen hat. Unter anderen ein lebenslanger Widerstand gegen Institutionalsiertes und jede Art von Zwang. War zufällig jemand auch in diesem Heim?
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Klaus Dieter schrieb am 10.08.2020
Habe eben diese Seite entdeckt.
Ich war in den frühen 80er Jahren zur Kur in einem Heim auf Norderney. Ausrichter war die AOK.
Schläge bei vermeintlichen Fehlverhalten waren hier an der Tagesordnung. Wer nachts keine Ruhe hielt, musste teilweise eine Stunde auf den Flur in einer Ecke stehen.
Für mich das Schlimmste (da ich keine Milch mochte): warmen Kakao zum Frühstück, der getrunken werden musste - incl Haut! Es durfte nichts in den Tassen zurückbleiben.
Postkarten nach Hause wurden kontrolliert und wenn negative Dinge aufgeführt waren, wurden sie zerrissen und mussten neu geschrieben werden.
Telefonkontakt nach Hause während der sechs Wochen war nicht erlaubt. Zum Abschluss mussten alle gemeinschaftlich vom Taschengeld in einem Souvenier-Shop Andenken kaufen.
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Mara schrieb am 10.08.2020
Hallo Stephanie, ich war auch im Mai da, also sind wir uns vermutlich begegnet. Ich bin aber ein paar Jahre älter als Du und war mit Gleichaltrigen untergebracht. An die anderen kann ich mich auch nicht mehr erinnern.
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Mike schrieb am 10.08.2020
Hallo. Auch ich war als Kind (wegen Bronchitis) zweimal in solchen Einrichtungen. Das erste mal etwa 1966 in St. Peter Ording. Und dann noch mal 1970 in einem Haus irgendwo in Nordhessen. Beide male erinnere ich mich , dass das essen äußerst mies war. Vor allem bei der zweiten Einrichtung wurde man von den Betreuern dort auf brutale Weise gewzungen einen ekligen Brei auf zu essen. Das ging sogar soweit, dass ich das ganze erbrach und durfte dennoch nicht denm Speisesaal verlassen. Ich hatte stest Angst vor dem Gang in den Speisesaal und hoffte, dass es da Dinge gab, die ich essen mochte. Ich weiß noch dass ich dünner nach hAUSE kam. Meine Eltern wollten mir gar nicht glauben, als ich ihnen schilderte, wie es dort zuging. Ich hatte stest heimweh. Mein Schilderungen müsen jedoch so bleibenden Eindruck hinterlassen haben, dass ich in den Sommerfreien nie wieder verschickt wurde.
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A. Wegner schrieb am 10.08.2020
Ich war 1977 im Kinderkurheim Marianne in Obermaiselstein im Allgäu (bei Oberstdorf). Aufenthalt 6 Wochen. Organisiert durch die Barmer Ersatzkasse.
Essenszwang, Toilettenverbot, Demütigungen, Verschliessen aller persönlicher Gegenstände usw. hat den Aufenthalt zu alles anderem als Erholung gemacht. Endlich gibt es ein Forum, dieses Thema anzusprechen und aktiv zu werden.
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Stephanie schrieb am 10.08.2020
Hallo, ich war im Mai / Juni 1977 in Bad Sassendorf, mit 5 Jahren bei den "Schulkindern". Das mit dem Essen ist mir mit grünen Salat passiert. Ich durfte, wenn ich nicht aufgegessen hatte, kein "Lassie" gucken. Vielleicht sind wir uns begegnet? Ich habe jedoch keine Erinnerungen hinsichtlich Namen und Gesichter.
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Harald Heidrich schrieb am 09.08.2020
Harald.
 
Hallo liebe Mitbetroffene. Ich war als Kleinkind mit 5 Jahren nach Kinderkurheim Bad Soden Allendorf veschickt worden.Das war 1968.
Dort wurde ich mit dem Gesicht in das Erbrochene reingedrückt von der
Nachtwache.Habe auch noch einen Zeugen. Und den Namen der Täterin habe ich auch noch, weiß aber nicht ob sie noch lebt.
Mein Wunsch ist, daß wir eine Sammelklage starten nach amerikanischer Art und eine ordentliche Entschädigung rausholen.
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Mara schrieb am 09.08.2020
Ich war im Frühjahr 1977 zur Kur in der Kinderheilanstalt in Bad Sassendorf. Ich war damals 11 Jahre alt. Ich habe nur bruchstückhafte Erinnerungen an die Zeit, aber die sind nicht schön. Ich war untergewichtig und musste zunehmen. An jedem Tisch saß eine sehr strenge Erzieherin, die aufpasste, dass jeder seine Portion ungesunden, kalorienreichen Essens aufaß. Die Kinder, die abnehmen mussten, saßen an den Nebentischen vor ihren Salattellern und blickten hungrig zu uns herüber. Wenn man nicht aufaß, gab es Ärger. Einmal gab es Lebergulasch. Ich habe mich total geekelt und gefragt, ob ich das wirklich essen muss. Zur Strafe wurde ich in die Küche gebracht, wo mir das ganze übriggebliebene Essen aufgetan wurde und ich gezwungen wurde, alles aufzuessen. Im Schlafraum musste abends und während des Mittagsschlafes absolute Ruhe herrschen. Wer redete, durfte die ganze Nacht auf einem Stuhl sitzend im Waschraum verbringen. Briefe an die Eltern wurden zensiert bzw. diktiert. Bei den Mädchen wurden die Unterhosen kontrolliert. Die Erzieherinnen verstanden überhaupt keinen Spaß und machten zum Teil den Eindruck, als hätten sie sadistische Neigungen.
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Kirsten Sölter schrieb am 09.08.2020
Ich war ab Anfang Dezember 1968 mit 6 Jahren wegen meines Astmas und zum Zunehmen für 12 Wochen im Seehospiz Norderney. Die Leiterin hieß Schwester Hedwig.

An folgende traumatische Erlebnisse erinnere ich mich noch:
Die Briefe wurden geöffnet und zensiert. Pakete wurden auch geöffnet und die enthaltenen Süßigkeiten entnommen.
Man musste das Brot mit links essen, sonst bekam man - meist von hinten ohne Vorwarnung -eine Ohrfeige (Grund? wurde nicht genannt).
Die kalte Suppe und die Leberknödelsuppe waren ekelerregend.
Wir hatten eine Zeichensprache, weil wir uns in den Schlafräumen nicht unterhalten durften. Die Zeichensprache kann ich bis heute.
Ich wurde wegen meiner Kleidung von den Nonnen verhöhnt. Die Schuhe waren schwer zu schnüren, das dauerte lange und deshalb haben sich mich "Oma" genannt.
Fast täglich haben wir bei Sturm und Eis mehrstündige Wanderungen machen müssen - teilweise auf der Strandpromenade bei Sturmflut. Ich war oft total entkräftet und bekam in der Kur eine schwere Lungenentzündung.
Wir mussten alle in einer Wanne die Füße mit Seifenstücken waschen. Ich bekam davon schrecklich juckenden Fußpilz. Um das zu verbergen, wollten die Nonnen meine "KUR" verlängern. Habe mich nachts zum Telefon geschlichen und meine Eltern angerufen, dass sie mich rausholen. Dabei wurde ich erwischt und bekam den schweren Hörer an den Kopf geknallt. Meine Eltern kamen.
Oft mussten wir bäuchlings quer auf einem Bett liegen und fast bis zum Erbrechen Sputum aushusten, Dabei wurde uns minutenlang auf den Rücken geschlagen. Es tat sehr weh und hat nichts geholfen.

Die Spätfolgen dieser "Kur" waren verheerend. Ich hatte kein Selbstbewusstsein im Hinblick auf mein Äußeres mehr, ich war total abgemagert, ich hasse die Nordsee, die Kirche und Wandern. Ich kann mich nur noch schwer unterordnen, kann nicht mehr mit mehreren Leuten in einem Raum schlafen und ich meide Gruppenaktivitäten.

Nach meiner Rückkehr haben mir meine Eltern nicht geglaubt. Erst jetzt mit 58 (mein Vater ist 82) tut zumindest mein Vater es. Leider ist meine Mutter schon tot. Es ist sehr wichtig, dass darüber gesprochen wird. Vielen Dank Frau Röhl!!!!
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Veronika M. schrieb am 09.08.2020
Ich wurde im Sommer 1955 nach Pelzerhaken an der Ostsee verschickt und wurde dort 6 Jahre alt. von meinen Eltern bekam ich zum Geburtstag ein Päckchen mit Süssigkeiten und einem Brief. Der Brief wurde öffentlich im Seisesaal vorgelesen und die Süssigkeiten an alle verteilt. Damals habe ich geweint, jetzt weiss ich, dass es sozial ist. Meine Erinnerungen an den Aufenthalt in dem Verschickungsheim sind, dass alles sterng reglementiert war und Mittagsschlaf Pflicht. Die Mahlzeiten bestanden Morgens, Mittags, Abends jeweils aus einem Milchbrei und großen mit Zungenwurst belegten Broten. (Wir waren ja zum Aufpäppeln da). Milchbrei und Speisen waren für mich kein Problem, ass ich gerne, aber die Brote waren der Horror. Viele Kinder haben sich zu den Mahlzeiten erbrochen, manchmal schon, wenn sie in den Speisesaal kamen. Wer sich in seinen Teller erbrochen hatte, wurde gezwungen das aufzuessen. Es war grausam. Im Speisesaal gab es einen Schrank mit Spielzeug. Das durfte aber nie benutzt werden. Als wir Kinder mal alleine waren haben einige den Schrank geöffnet und Spielsachen herausgeholt. Das gab ein Donnerwetter. Wir wurden alle ins Bett geschickt. Ich kann mich an keine schöne Begebenheit während dieser Zeit erinnern nur Verbote, Gebote und Strafen. Es war alles schrecklich. Als ich erwachsen war haben meine Eltern gesagt, dass ich total verstört nach Haus kam und sie meine jüngeren Geschwister danach nie wieder verschickt haben.
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Bea schrieb am 08.08.2020
Man durfte seinen eigenen Kinder nicht besuchen ... das bedeutet, wir Kinder sind seinerzeit regelrecht als "Kurklinik-Eigentum" angesehen worden... Es ist erschütternd. Ich vermute stark, dies würden Eltern heute nicht mitmachen - aber zum Glück haben sich die Zeiten auch geändert. Als meine Tochter mit 3 Jahren mal ins Krankenhaus musste, wurde ich gebeten, doch bei ihr zu bleiben und habe ein Gästebett direkt neben ihrem Bett bekommen. Ich hatte es sowieso vor, die netten Ärzte sind mir aber zuvorgekommen. Man hat extra alles zu essen besorgt, was die Kinder jeweils gerne mögen. Und das war auch ein Kassen-Krankenhaus. Auch ältere Kindern hatten teilweise ihre Eltern neben sich, umso schneller wurden sie auch gesund.
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Franzisca Mackowiak schrieb am 08.08.2020
Hallo Ihr Lieben, und ich dachte immer, ich hätte mich nur so angestellt. Ich war mit 4 Jahren, also 1970, 6 Wochen auf Sylt wegen einer überstandenen Lungenentzündung. Es war schrecklich und ich war komplett verstört, als ich wieder kam. Hat jemand einen Tip, wie das Haus geheißen haben könnte? Ich erinnere mich an eine große Freitreppe, auf der wir in Unterwäsche die ganze Nacht stehen mussten, wenn wir nach dem offiziellen zu Bett gehen nicht gleich geschlafen haben oder nochmal auf die Toilette musste. Klingt komisch, aber bis heute muss ich immer auf die Toilette, wenn ich das Licht ausmache.
LG
Franzi
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Christiane Hofer schrieb am 08.08.2020
Hallo,
Vielleicht kann mir hier jemand helfen? Ich wurde ca 1973 im Alter von 5 Jahren nach Wyk auf Föhr verschickt und kann mich nicht mehr an sehr viel erinnern, auch nicht, welches Haus es war. Nur „Haus Möve“ kann ich noch erinnern und dass es von Nonnen geleitet wurde. Ich war die meiste Zeit todunglücklich und auf der Krankenstation untergebracht. Jahrelang hat mich ein bestimmter Geruch verfolgt, der mich immer in diese Zeit zurück versetzt hat. Das ist heute zum Glück weg. Kann mir jemand hier sagen, um welches Heim es sich gehandelt haben muss?
Viele Grüße Christiane
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Jürgen Wegener schrieb am 08.08.2020
Guten Tag. Ich war 1965, nach dem Tod meiner Mutter, im Bundesbahn Waisenhort in Lindenberg im Allgäu. Geführt von Nonnen, zu denen wir nur Fräulein sagen durften. Sie hatten eine sadistisch, bestialische Art um unsere kleinen Kinderherzen zu brechen. Bettnässer wurden verunglimpft, Kinder, die den Teller nicht leeraßen mußten mit Gewalt ihr Essen und das Erbrochene verzehren. Bei einem Rodelunfall hat sich ein Junge das Ohr am Stacheldraht abgerissen. wir haben wir wieder was von dem gehört... Zum Mittagsschlaf im riesigen Schlafsaal standen weit über 100 Feldbetten. Wir durften nur auf der rechten Seite liegen, damit wir uns nicht unterhalten konnten. Es gab Ohrfeigen und Beschimpfungen. Erst als erwachsener Mann bin ich dort mal wieder hingefahren und habe auf der Auffahrt zu diesem herrschaftlichen Anwesen schon stark gezittert. Eine Erfahrung, die man mir und anderen Kindern hätte ersparen sollen
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Kerstin T. schrieb am 06.08.2020
Kinder-“Kurverschickung“
 
Meine Schwester, Jg, 1961, war mit 5 Jahren für 4 Wochen nach Borkum verschickt worden.Wegen andauernder Mandelentzündungen. Es war wohl ein Haus der Caritas, so erinnert sich meine Mutter. Sie war ein ruhiges Kind, hat nie etwas davon erzählt zu Hause. In dem Jahr darauf musste sie 2x längere Zeit alleine im Krankenhaus sein – hier hat meine Mutter mitbekommen, wie sehr sie gelitten hat unter der Trennung. Meine Eltern durften sie nicht besuchen.
Als ich, Jg. 1963, dann mit vermutlich 4 oder 5 Jahren eine heftige Masern-Erkrankung hatte, riet die Kinderärztin meinen Eltern zu einer erneuten Kinder-Kur-Verschickung. Diesmal von uns beiden.
Leider habe ich fast gar keine Erinnerungen daran, meine Kindheit ist ziemlich ausgeblendet bei mir. Auch wohin wir verschickt wurden weiß ich nicht und meine Mutter kann sich nicht erinnern. Vermutlich, so meinte sie, irgendwo nach Bayern. Vier Wochen.
Meine fast einzige Erinnerung daran ist, dass sie meine Schwester und mich getrennt und in unterschiedliche Gruppen gesteckt hatten. Obwohl meine Eltern bei der Beantragung darauf bestanden hatten, dass wir zusammen bleiben sollen. Als ich sie auf einem Spaziergang dann mal gesehen habe, wollte ich unbedingt zu ihr, aber ich durfte nicht. Komische Bilder habe ich im Kopf, von einem großen Schlafsaal, in dem ich immer Angst hatte. Ausser „Peter“ hatte die Aufsicht. Keine Ahnung ob es den gab oder wer das war. Immer gesehen und fest vor Augen habe ich bei diesem Thema einen großen Tisch mit Einteilungen, wo die Wäsche sortiert gelagert wurde. Musste man wechseln, wurde das oberste der jeweiligen Kleidungsart vom Stapel genommen, d.h. man bekam nie seine eigene Kleidung, sondern irgendeine. Und das ich im Bett bleiben musste, wenn ich „böse“ war, während die anderen Kinder raus durften zum spielen. Mehr eigene Erinnerungen habe ich an diese Zeit nicht. Beschäftigt hat mich diese „Kur-Zeit“ jedoch schon sehr lange, denn meine Mutter erzählte irgendwann mal beiläufig, dass ich mich danach sehr verändert hatte.
Vor der Kur war ich wohl ein fröhliches und lebhaftes Kind, ein Mama-Kind zudem. Nach der Kur war ich total verängstigt und eingeschüchtert, so erzählt sie, habe mich nicht getraut, mir irgendetwas selbstständig zu nehmen (vom Tisch, oder ein Obst oder eine Süßigkeit etc.), habe immer verängstigt gefragt. Besonders betroffen war sie davon, dass ich sie nicht mehr mit Mama angeredet habe und beide Eltern mit „Sie“. Von Mama-Kind konnte keine Rede mehr sein.
Und woran sie schließlich endgültig gemerkt habe, dass in der Kur einiges „komisch“ gewesen sein muss war, dass ich noch lange Zeit danach meine Puppen ganz schrecklich verdroschen hätte. Dabei hätte ich die Puppen angeschrieen: „Wenn du jetzt nicht artig bist und weiter schreist, dann...“
 
Meine arme Schwester bekam nach den 4 Wochen Mumps und musste, so entschied die Einrichtung mit der Kinderärztin, noch eine Woche länger bleiben als ich. Um mich nicht anstecken zu können. Mutterseelenallein blieb sie in der Krankenstation, bis meine Eltern sie dann abholen durften.
Die Mumps habe ich dann trotzdem bekommen. Und meine Schwester hat nie etwas von der Zeit erzählt.
 
Die Beschwerde meiner Eltern bei der Kinderärztin…. Wer weiß schon, ob dies irgendeine Folge hatte.
 
Aufgearbeitet oder „geheilt“ haben unsere Eltern dies mit uns nicht. Sie waren selber noch so jung. Mit Schlägen strafen gehörte auch zu ihrem eigenen Erziehungsprogramm – da wird man schon was gemacht haben um das zu bekommen… .Verschickt haben sie uns danach jedoch nie wieder.
 
Geblieben sind mir davon heftige Verlassensängste bzw. Ängste, Jemanden verlieren zu können. Streitbar bin ich geblieben und bei Ungerechtigkeiten fahre ich aus der Haut. Aber lieben….mich selbst oder Andere? Ein schwieriges Thema. Und welchen Anteil dieser „kleine“ Abschnitt an meiner Depressionserkrankung hat...ich weiß es nicht.
 
Alles Liebe für euch, die ihr auch betroffen seid.
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Clara schrieb am 05.08.2020
Ihr Lieben,
ich war auch verschickt - 6 Wochen in Wittdün auf Amrum im Haus Kinderglück 1971. Wenn ich all die schlimmen Erlebnisse hier lese, hatte ich wohl wirklich Glück, außer an schlimmes Heimweh, ein an alle verteiltes Geburtstagspäckchen und eklige Blutwurstbrote erinnere ich nicht viel Negatives. Ich hab von damals ein Foto des Heims. Wenn jemand das zwecks Erinnern sehen möchte, schick ich es gern per Mail.
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Ilona Iwanowitsch schrieb am 04.08.2020
Ich war 1977 mit 6 Jahren für 6 Wochen in Bad Dürrheim. Welches der Heime dort, ob Luisenklinik oder das andere, weiß ich nicht mehr.
Ich habe (vielleicht zum Glück) keine sehr detaillierte Erinnerung daran (generell ist meine Kindheit irgendwie ein einziges schwarzes Loch mit nur wenigen Erinnerungsfragmenten).
Ich wurde dort hingeschickt, weil ich eine schlechte Esserin war und Bettnässerin.
Ich kann mich noch erinnern daran, dass man beim Essen sitzen bleiben musste, bis alles aufgegessen war. Dass man Mittagsschlaf halten musste und dabei mucksmäuschenstill sein musste. Die Betten für den Mittagsschlaf waren nicht die im Schlafsaal sondern ich erinnere mich vage an eine lange Reihe von Betten woanders. An die vielen Spaziergänge erinnere ich mich auch noch. Und dass es im Keller einen großen gefliesten Raum gab mit vielen Becken zum Baden. Wenn ich daran denke, kommt nur noch ein unangenehmes, ungutes Gefühl hoch.
Ich weiß nicht mehr, wie sie mich bestraft haben, wenn ich ins Bett machte.
Nur an eine Strafe erinnere ich mich noch ganz genau: Ich musste nur im Pyjama ohne Zudecke oder sonstiges in einer Art Umkleideraum auf einer harten Bank ganz alleine übernachten.
Ich weiß noch, dass ich großes Heimweh hatte, aber einem das abgesprochen wurde und keinen Trost oder Zuspruch in dieser Hinsicht bekam.
Inzwischen denke ich, dass dieser Aufenthalt mit dran schuld ist, dass ich auch heute noch psychische Probleme habe, wenig Selbstwertgefühl etc. Und vielleicht auch mit daran, dass ich während der ganzen Schulzeit Mobbingopfer war.
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Dagmar Schmidt schrieb am 04.08.2020
Hallo, bin hier heute "zufällig" gelandet. Ich bin als 6-jährige 1966 in Bad Rothenfelde zur "Kur" gewesen. Ich weiß bis heute nicht warum. Bin auch wohl alleine mit dem Zug an- und abgereist. Habe jetzt keine brutalen Erinnerungen, bin allerdings beim Lesen dieser vielen Kommentare und der Recherche nach Bildern von Bad Rothenfelde tief Traurig geworden und musste weinen. Den Namen des Heims kann ich nicht erinnern... auch wohl viele andere Dinge nicht. Evtl. war es ein evangelisches Haus. Erinnere mich daran, dass ich mit einem anderen, etwas älterem, Mädchen Sonntags immer in die katholische Kirche gehen durfte. Ein kleines Stück Freiheit. Es gab ein Badehaus mit großen braunen Badewannen und warmen, salzigem Wasser. Es gab auf jeden Fall eine liebe Schwester, die Gott sei Dank für mich? meine Gruppe? meinen Schlafbereich zuständig war. Als Kind konnte ich das alles nicht richtig einordnen... also musste mit mir etwas nicht stimmen, war ich nicht richtig, so wie ich war. Fühlte sich wie eine Strafe an, so lange und alleine von meiner Familie entfernt zu sein, 6 Wochen. Dieses Gefühl, nicht richtig zu sein, ist mir sehr, sehr lange erhalten geblieben und hat meinen weiteren Werdegang definitiv beeinflusst. Im Alter von ca. 45 Jahren habe ich eine therapeutische Aufarbeitung begonnen und heute geht es mir gut.
Unfassbar, so viele und sooo junge Kinder, sooo lange von den Eltern zu trennen. Da ist mit Sicherheit keines gesünder geworden, ganz im Gegenteil, diese Erfahrung hat uns allen eine psychische Wunde geschlagen.
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Cornelia Wimmer schrieb am 04.08.2020
Hallo,
ich bin ganz elektrisiert von der Nennung dieses Ortes, -
auch ich war in Friedenweiler, mit vier Jahren und ca. 11 Wochen lang. Als mein Vater mich brachte, kamen wir in einen Essraum mit brüllenden Kindern, ein Kind brüllte so, dass es sich erbrach, ihm wurde gesagt, es müsse aufessen oder sich zumindest neues Essen holen. - Auch ich wollte offenbar nicht essen; man hat mich mit Essen eingesperrt, bis ich aufgegessen hätte. Man hat mir gesagt es sei verständlich, dass mich meine Eltern nicht mehr haben wollten, so schrecklich wie ich sei. - Ich kann mich erinnern, dass ich abends immer bis zur Bettgehzeit am Fenster stand und wartete und die Scheinwerfer der kommenden Autos beobachtete und hoffte, man würde mich abholen. - Als man mir nach den 10 oder 11 Wochen eines Tages sagte, heute würden meine Eltern kommen und mich abholen, habe ich mit dieser Mitteilung zunächst nichts anfangen können.
Ich erinnere mich an eine einzige freundlich-sanfte Betreuerin. Sie lud mich immer wieder ein, mit an den Spieltisch zu kommen. - ich blieb aber am Fenster stehen.
Familiär ist überliefert, dass ich nach diesem Aufenthalt nicht mehr sprach, sondern nur noch flüsterte.
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Maik Weidlich schrieb am 04.08.2020
Hallo mein Name ist Maik. Ich wurde als ich fünf Jahre alt war und die DDR ihre letzten Züge ausgehaucht hatte, noch in ein "Kurheim" namens Heinrichshorst in Ragötz in Sachsen-Anhalt geschickt ( höchstwahrscheinlich ).
Dort geschah mit mir genau das gleiche, was ich jetzt schon hundertfach gelesen habe.
Ich hatte schreckliches Heimweh und machte ins Bett. Darauf hin wurde ich von den Betreuerinnen dort verhauen.
Diese Zeit hat mich traumatisiert. Unter den Folgen leide ich bis heute.
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Vera schrieb am 04.08.2020
Ich bin grade durch Zufall über einen Bericht über ehemalige Verschickungskinder gestolpert. Ich bin Jahrgang 1962 und war als Vierjährige zur Kinderkur in Bad Reichenhall und als 6-jährige nochmals in St.-Peter-Ording. Bei mir mischen sich Erinnerungen, ich kann diese nicht einem bestimmten Aufenthalt zuordnen. Ich weiß noch, das wir zum Mittagsschlaf gezwungen wurden und es wohl Ärger gab wenn man nicht still lag. An Essen, das aufgegessen werden musste, erinnere ich mich auch. Meine Mutter erzählte, das ich wohl aus einer Kur völlig verdreckt zurückkam, obwohl im Koffer noch saubere Wäsche war. Bei der anderen kam ich wohl krank zurück, ob das Masern oder Windpocken waren weiss ich nicht mehr genau. Ich kann mich an "Eselsbänkchen" zur Bestrafung erinnern, dort mussten die Kinder essen, die etwas "verbrochen" hatten. Seit der ersten Verschickung kann ich keinen Kümmel mehr essen. Schon der Geruch oder auch nur geringste Mengen in irgendeinem Essen reizen mich zum würgen. Warum weiss ich aber nicht mehr klar... wenn jemand fragt sage ich immer (was ich auch so erinnere) das dort alles Essen nach Kümmel geschmeckt hat, sogar der Vanillepudding. Wenn wir mal einen Apfel bekamen, mussten wir den mitsamt dem Gehäuse aufessen, es durfte nix übrig bleiben. Da ich das nicht mochte, habe ich oft (wohl von anderen Kindern abgeguckt) den Rest des Apfels unter den Tisch geworfen aus Angst vor Strafe. Meine Mitbringsel aus den Kuren waren jahrelanges Fingernägelkauen (bis ich ca. 40 Jahre alt war) und ein unterschwelliges Misstrauen anderen Menschen gegenüber.
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Marlene schrieb am 04.08.2020
Hallo an Alle,
ich bin durch einen Artikel hier gelandet und bin gerade recht erschüttert.
Meine "Verschickungen" habe ich unter Schicksal verbucht und das meiste verdrängt. Ungefähr zwischen 1968 und 1970 war ich in einer Kur wegen Bronchitis, bzw. Pseudokrupp. Mit mir waren dort viele Kinder mit dem gleichen Krankheitsbild, viele mussten nachts an den Sauerstoff.
Die Erzieherinnen trugen eine Nonnen- oder Schwesterntracht.
Das schönste Erlebnis war ein Ausflug ins Salzbergwerk.
Aber ich weiß beim besten Willen nicht genau ob ich in Bad Reichenhall oder in Berchtesgaden war. Vielleicht kann mir jemand helfen das einzuordnen?
So weit ich mich erinnere wurde das Heim geschlossen, weil die Mißhandlungen bekannt wurden. Aber ich weiß nicht, ob das lediglich eine Erzählung meiner Eltern war.
Die Mißhandlungen waren extrem und vielfältig. Deshalb wurden Briefe bzw. Postkarten zensiert oder diktiert. Kinder mussten mit Atemnot nachts hinter Vorhängen stehen, wurden nackt geschlagen, zum Essen bis zum Erbrechen gezwungen uvm...
Persönliche Dinge, wie Handtücher, Teddy usw. wurden uns gleich zu Anfang abgenommen. Ich weiß noch wie sehr mich das mitgenommen hat und wie groß dadurch mein Heimweh wurde. Heute ist mir klar, dass das eine Möglichkeit war die Kinder noch mehr einzuschüchtern. Ähnliches habe ich später im Klappholttal erlebt.
Liebe Grüße an Euch.
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Isa schrieb am 04.08.2020
Hallo, ich war auch bei den Nonnen auf Borkum und erinnere mich an ein sehr strenges Regime. Ich war noch nicht in der Schule also muss da im Sommer 1968 gewesen sein. Mädchen und Jungen waren auf unterschiedlichen Etagen und unter Strafe getrennt, sprechen im Schlafraum war verboten und ich musste sehr lange vor der Tür im Gang stehen. An Strandspaziergänge in Reih und Glied von Nonnen begleitet erinnere ich mich auch. Insgesamt keine gute Erinnerung mit viel Heimweh.
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Chris schrieb am 04.08.2020
Hallo an alle. Ich war (vermutlich über Ostern 1969) als 3jährige (!) in Melle.
Der Grund war, dass meine Mutter sich zu der Zeit einer schweren Operation unterzog, ich war also - anders als viele hier - kerngesund und man musste mich nicht etwa "aufpäppeln".
Da meine Mutter wohl niemandem aus der Familie zumuten wollte, eine 3jährige über Wochen zu versorgen, kam das Angebot des Arztes/des Jugendamts für die "Kur" in Melle wohl sehr gelegen. Vielleicht mussten auch Betten belegt werden und daher war man auch an gesunden Kindern interessiert. Ich habe von Kindheit an bis heute Erinnerungen daran. Ich wurde, weil ich sehr lang für mein Alter war, als 3jährige zu den 6-12jährigen gesteckt, wir schliefen zu vielen (ca. 12-15) in einem Zimmer. Der Ton war rauh. Ich fand zu den viel älteren Kindern keinen Zugang, hatte oft Angst, wurde gehänselt. Bei den stundenlangen Spaziergängen war ich immer hintenan und natürlich allein. Zur Toilette durfte man nachts nicht. Es stand ein Eimer im Schlafraum, der für mich aber viel zu groß und nicht nutzbar war. Als mir nachts ein Missgeschick passierte, wurde ich vor allen blossgestellt und musste meine Frotteeunterwäsche alleine in einem Eimer auf dem Flur (nachts) waschen. Weinen wurde mit Drohungen geahndet. Zu Essen gab es in einem riesigen Saal an sehr langen Tischen. Darauf standen morgens und abends Teller mit schon belegten oder geschmierten Broten. Meist mit grober Leberwurst oder etwas, dass ich nicht kannte und nicht mochte. Mittags gab es oft Fischsuppe, eine dunkelbraune Flüssigkeit. Es gab Kinder, die sich erbrachen und dennoch weiter essen mussten. Ich aß wenig, hatte ständig Hunger. Oft wurde mir gedroht, damit ich aß. Ich erinnere mich, dass ich im Schlafzimmer unter den Betten der älteren Mädchen herumkroch und nach heruntergefallenen Krümeln (etwa Popcorn oder Keksen) suchte. Da war es sehr staubig. Ich fühle noch die Staubfäden im Mund, als ich ein Stück Keks fand. (Meine von den Eltern mitgegebenen Süßigkeiten wurden mir gleich zu Anfang weggenommen, wie auch mein Schlaftier und ein paar andere persönliche Dinge.) Die Schwestern dort waren sehr ablehnend und kalt. Keine hat jemals mit den Kindern gescherzt. Alles verlief schweigend. Selbst die Spaziergänge. Ich fühlte mich total alleine und weiß noch, dass ich befürchtete, meine Eltern hätten mich für immer hierhin weggegeben und ich würde sie nie wieder sehen. Ich weinte oft und wurde dann auch krank (Masern oder Windpocken waren es). Ich kam auf die Krankenstation für viele Tage und lag über Stunden allein auf einer Pritsche, die ich nicht verlassen durfte. Eine junge Nonne kümmerte sich zwischendurch um mich, gab mir zu Essen und einmal auch 3 kleine Zuckereier (es war um Ostern). Ich erinnere mich, dass ich vor Glück geweint habe über die freundliche Geste. Als ich nach Wochen mit dem Zug zurück in den Bahnhof kam, waren meine Eltern nicht da (weil ihnen ein falsches Datum genannt wurde). Ich war außer mir, als sie mich endlich abholten. Ich weiß noch, dass ich, wenn ich meine Eltern durch irgendetwas verärgert hatte, immer weinend rief "bitte nicht mehr nach Melle", weil ich befürchtete, dass das die Strafe für "böse Kinder" war.
Ich glaube, dass so eine Erfahrung eine große Unsicherheit in Kindern auslösen kann, den eigenen "Wert" und die Liebe und Bindung zu den Eltern betreffend.
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Bea schrieb am 04.08.2020
Im Klappholttal bin ich auch gewesen, und zwar 1970 vor meiner Einschulung. Ich war ein zu dünnes Kind und sollte "zu Kräften" kommen. Eben habe ich mir im Internet die Bilder angesehen und bin völlig baff, dass es diese Baracken tatsächlich immer noch gibt! Den Namen hatte ich total vergessen, bis ich ihn heute gelesen habe - und da war er nach 50 Jahren wieder präsent und alle Bilder sind noch im Kopf vorhanden, als wäre es gestern gewesen.
Nein, es war keine schöne Zeit, ich werde bestimmt nicht vergessen, dass wir im Waschraum jeden Tag jeweils einzeln per Wasserschlauch mit eiskalten Wasser abgebraust wurden und die "Tanten" ihren Heidenspaß daran hatten, wenn wir das nicht wollten oder vor Kälte mit den Zähnen klapperten... Der Text für die Karten, die wir an unsere Eltern schreiben durften, mussten von der Tafel abgeschrieben werden. Wer noch nicht schreiben konnte, dem schrieb die "Tante" die Karte. Auch bei uns war es so, dass Kinder vor versammelter Mannschaft lächerlich gemacht wurden, heute nennt man das Mobbing. Wer Durchfall bekam und aus dem Grund die Unterwäsche etwas verschmutzte, dessen Wäsche wurde allen Kindern gezeigt und anschließend musste der arme Tropf die Wäsche vor versammelter Mannschaft mit seiner eigenen Seife auswaschen! Und zwar die Seife in das Malheur eintauchen - währenddessen wurde er/sie von der "Tante" als "Dreckschwein" beschimpft. Die anderen Kinder durften johlend und mit den Fingern zeigend zusehen. So ein Szenario kam jeden Tag vor und war für die betroffenen und weinenden Kinder ein Spießrutenlaufen! Auch Bettnässer wurden durch die "Tanten" bloßgestellt, sie mussten ihr Bettzeug komplett abziehen und es vor den Augen der anderen mit der Hand und mit ihrer persönlichen Seife waschen. Manche Kinder hatten bald keine Seife mehr...
Meine Oma schickte mir damals ein Päckchen mit Avon-Sachen, Körperlotion, Marienkäfer aus Schokolade, Lackbilder – Dinge, worüber man sich als Kind damals halt gefreut hat. Ich durfte es noch auspacken (geöffnet war es schon), dann wurde mir alles weggenommen und vor meinen Augen verteilt, verwendet - und aufgebraucht - von anderen. Die Schokolade musste ich komplett abgeben.
Ich erinnere mich an grausiges Essen, "Schleimsuppe" - mit dem heutigen Porridge nicht zu vergleichen. Mittags gab es grundsätzlich nichts zu trinken, manche Kinder hatten so einen Durst, dass sie im Waschraum heimlich Leitungswasser in sich hinein tranken, aber richtig viel!
Wir haben irgendwelche täglich seltsamen Medikamente bekommen in einem kleinen Becherchen. Das einzige, was ich wirklich mochte, war der tägliche Schluck Lebertran, den wir jedoch alle vom gleichen Löffel bekamen. Ständig war jemand krank, aber richtig! Bei uns ging damals Scharlach um (kein Wunder bei der "Löffelhygiene"), die Kranken wurden mit ihrem Bett auf einem staubigen Dachboden abgestellt und mussten dort bleiben. Ich erinnere mich noch an ein Mädchen mit Namen Astrid, wenn ich mich entsinne, ist sie beinahe die 6 kompletten Wochen oben auf dem Dachboden geblieben.
Ich weiß gar nicht mehr, was wir die ganze Zeit über gemacht haben, Mittagsschlaf war Zwang. Ich glaube, ich habe die meiste Zeit vor mich hingestarrt und mich in Fantasiewelten geflüchtet. Ich kann mich an keine Spiele erinnern, nur Spaziergänge über Stunden bei Wind und Wetter. Gewaltmarsch, Essen, Schlafen. Gewaltmarsch, Essen, Schlafen. Morgens eiskalt abgebraust werden. Viele Kinder hatten Heimweh, statt Trost gab es Schelte seitens der "Tanten" - oder Verächtlich-machen! Das alles war eine Erfahrung, die ich als Kind gerne NICHT gemacht hätte. Von den verantwortlichen "Tanten" wird wohl heute keine mehr auf Erden wandeln. Was mir als Kind schon aufgefallen ist: Die Jungen wurden weitaus schlechter behandelt als die Mädchen. Weitaus! Ich habe diese Verschickung als Demütigung in der Erinnerungen. Dennoch musste ich noch weitere 2 mal "zur Kur".
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Claudia schrieb am 03.08.2020
Hallo,
ich war im Oktober 1963 auf Borkum als 5jähriges Mädchen und hatte sehr starkes Heimweh gehabt und nächtelang nur geweint - ich wurde mit meiner Bettdecke auf den Gang geschickt und musste dort die ganze Nacht stehen. Ich weiß leider nicht mehr wie dieses Kinderheim auf Borkum hieß - es war sehr grausam und ich wurde jeden Tag dort gequält und über mein Heimweh machte sich die Gruppenleiterin nur lustig. Wenn ich heute den Geruch von Maggi Suppe rieche, werde ich immer sehr traurig und fühle mich sehr einsam und verlassen. In meiner Gruppe war eine Susanne 10 J., eine Ilka, eine Ilona - mehr weiß ich nicht mehr.
Liebe Grüße Claudia
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Michelle Jagusch schrieb am 03.08.2020
Hallo.... ich bin heute durch einen "Zufall" auf diese Seite gestoßen. Ich unterhalte mich mit einer Freundin wieder einmal über meine Kindheit, keine Erinnerungen etc., da wird ihr später auf dem Laptop der Bericht über "Kinderverschickungen" angezeigt. Wir also in der Recherche...und ich nun hier gelandet....
 
Ich bin jetzt 56 Jahre alt, und war im Alter von 4 oder 5 Jahren (1968/69) für 6 Wochen entweder auf Sylt oder Borkum, Amrum..... Ich habe eine Erinnerung. Das Haus war direkt am Meer, bei Ankunft hatte ich in die Hose gemacht und bekam ein rote Strumpfhose irgendwie "geliehen"......
 
Es gibt ein Foto, wo ich in einem Kleid mit einer Nonne im "Spielzimmer" wohl stehe. Und ein Foto, wo wir alle auf den Steinen am Strand (Landzunge) sitzen . Es ist wohl kalt. wir tragen Mützen.
 
Evtl. haben mich die Nonnen auch Michaela genannt und ich habe geweint... Weil dies steht in meinen Papieren, jedoch wurde ich schon immer Michelle genannt.... Aber bei den Geschichten, die hier so beschrieben werden, und ich habe leider keinerlei Erinnerungen außer meiner "nassen Ankunft"...., ist ja alles möglich und vieles wurde wohl hart bestraft.
 
Vielleicht erinnert sich jemand.
Ich werde die nächsten Tage die Fotos suchen und einstellen. Bin leider gerade in Urlaub .
 
Fühlt Euch alle gedrückt.... Ich weiß gerade nicht was "schöner" ist. Keine Erinnerung, oder Erinnerung. Es ist unfassbar.
 
Michelle
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Tina schrieb am 03.08.2020
Hallo Kerstin,
ich bin Heimverantwortliche für das Kindererholungsheim Möwengrund in List/Sylt.
Magst Du mich mal persönlich anschreiben zum Austausch?
vG Tina
tinamuerle@gmx.de
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Thorsten Schütte schrieb am 03.08.2020
August - September 1965 war ich wegen Bronchitis 6 Wochen auf Langeoog veschickt und wurde während des Aufenhaltes 8 Jahre. Operation gelungen (keine Bronschitis mehr) - Patient fast tot, jedenfalls schwer traumatisiert. War strenges Regime, z B überwachte Mittagsruhe unter totaler Stille (sonst Schlag mit dem Stöckchen), zu wenig zu trinken (schlich nachts aufs Klo zum Trinken), eigentümliches Essen und sicher viel Verdrängtes. Psychische Folgen wie Angst, Heimweh, Misstrauen u s w, sicher noch viel Verdrängtes 🙁
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Sigrun Thiel schrieb am 02.08.2020
Hallo,
Vor ein paar Tagen habe ich heraus gefunden, dass ich such im Kinderheim Hubertus war. Das war im August und September 1974. Da bin ich gerade 4 geworden. Ich kann mich leider an nichts erinnern, ausser, dass wir sehr viel essen mussten. Gibt es hier noch mehr Betroffene, die im Herbst 1974 Im Kinderheim Hubertus waren? Lg
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Matthias schrieb am 02.08.2020
Hallo zusammen,
im Frühjahr 1971 wurde ich als 7-jähriger für sechs Wochen nach Klappholttal auf Sylt verschickt, zusammen mit meinem 5-jährigen Bruder.
Die niedrigen Baracken gibt es offenbar immer noch, und wenn ich mir im Netz Luftbilder/Satellitenbilder anschaue, dann erkenne ich manches wieder, aber nicht alles.
An vieles kann ich mich nicht mehr erinnern, aber diese Zeit, das Lager, die Frauen, die dort um uns herum waren, das war für uns ein "Kindergefängnis". Nie zuvor hatten wir (die wir vorher praktisch nicht aus unserem winzigen Dorf in der Heimat herausgekommen waren, ohne Eltern schonmal gar nicht) Erwachsene erlebt, die kleine Kinder so anschrien und beleidigten - einige der Worte kannten wir gar nicht. Erwachsene, die ständig um uns herum waren, aber irgendwie überhaupt keine Interesse an Kindern zu haben schienen, so als wären wir alle schuld, dass sie in diesen eher erbärmlichen Baracken sein mussten.
Gegessen wurde in einem recht großen Raum, an langen Tischen für vielleicht 8 oder 12 Kinder. Die Kinder selbst mussten die Töpfe von der Küche zu den Tischen schleppen. Manchmal war das Essen schrecklich, manchmal schmeckte es aber auch. Es war allerdings oft nicht genug für alle da, und sehr genau erinnere ich mich an mein Staunen, als ein anderes Kind sich fast die Hälfte des gesamten Topfes aufschaufelte während sieben andere sich den Rest teilen sollten. Wir hätten alle Geschwister und wären teilen gewöhnt, er aber sei Einzelkind und bekäme immer alles - so wäre es also für alle ganz normal, dass er auch hier viel mehr bekäme als wir. Die "Wärterinnen" unternahmen nichts, aber am zweiten Tag gab es dann doch Krawall am Tisch und entsprechend Bestrafungsaktionen für alle.
Genauso genau erinnere ich mich an nächtliche Szenen in der Kammer, in der vier, vielleicht auch mehr, Kinder zusammen lagen. Da Toilettengang nicht möglich war, setzten sich verzweifelte Kinder auf die Fensterbank und schissen durchs geöffnete Fenster nach draußen - das fiel den "Wärterinnen" tags drauf tatsächlich auch nur selten auf, glaube ich. In meiner Erinnerung, und wenn ich über die Jahrzehnte davon erzählte, waren die Zimmer nachts verschlossen. Beim Stöbern hier las ich manchmal von verschlossenen Toiletten - vielleicht war das in Klappholttal genauso und die Zimmer waren gar nicht verschlossen, da könnte ich mich irren.
Dunkel erinnere ich mich daran, dass Medizin ausgegeben wurde, auch mir, der ich meines Wissens überhaupt nicht krank war. Was das war, weiss ich nicht. Ich vermute auch, dass dem Mittagsschlaf nachgeholfen wurde mit bestimmten Getränken - denn zuvor hatte ich jahrelang schon keinen mehr gemacht oder gebraucht und war eh oft schon vor Sonnenaufgang auf, um zu lesen oder spielen, was hier nun allerdings unterbunden wurde. Dass es überhaupt irgendetwas zu lesen gab, daran kann ich mich nicht erinnern.
Wir Kinder wurden gezwungen, manche der Arbeiten der "Wärterinnen" zu übernehmen. Am deutlichsten erinnere ich mich daran, dass ich eines Tages einen Schrubber und einen Eimer hingeworfen bekam und die Böden im Haus zu schrubben hatte. Das hatte ich natürlich noch nie gemacht, ich wurde angeschrien, wie doof und dumm ich sei, und ob ich eine dumme Mutter hätte, dass sie mir das nie erklärt hätte usw. Ich war wie versteinert. Die Schreierei zog sich durch den ganzen Tag, erst recht, wenn der schwere Eimer kaum noch zu heben war und das Schrubben nur noch kraftlos vor sich ging. Noch dazu wusste ich nicht, wohin mit dem schmutzigen Wasser und wurde dafür weiter angeschrien - immerhin erklärte man mir dann, wo es ausgeschüttet werden müsse und ich glaube auch nicht, dass ich geschlagen wurde für meine offensichtliche Dummheit und Nutzlosigkeit. Überhaupt kann ich mich nicht an körperliche Strafen erinnern. Wenigstens das.
In der Anlage gab es ein Punktesystem, bei dem die "Aufseherinnen" den Kindern Punkte zuteilten oder abzogen für ihr Verhalten oder für Arbeiten, die sich mehr oder weniger gut verrichteten. So mussten die Kinder - egal wie alt - morgens und nach dem Mittagsschlaf ihre Betten stets selbst machen und bekamen je nach Qualität Punkte dafür.
Die Punkte waren dann ausschlaggebend für irgendwelche "schönen Dinge" - ich kann mich dabei nur an einen Ausflug erinnern, nach Dänemark glaube ich, an dem durften nur die Kinder mit den meisten Punkten teilnehmen, mehr als die Hälfte der Kinder blieb zurück. Darunter auch mein kleiner Bruder, der allein schon wegen seiner Krankheitsschübe (Asthma) immer mal im Bett bleiben musste und dann gar keine Punkte bekommen konnte. Mir wurden Punkte abgezogen als ich das als Ungerechtigkeit bezeichnete, aber ich durfte mit nach Dänemark - für diesen Ausflug bekam man etwas Taschengeld, das war meiner Erinnerung nach das einzige Mal, das man von dem Geld, das die Eltern per Post mitschickten (wie man in beigelegten Briefen ja lesen konnte), überhaupt irgendetwas ausgehändigt bekam. "Mein" Betrag reichte, um auf dem Ausflug in einem Geschäft eine Tüte mit vielen winzigen Spielfiguren zu kaufen, die ich dann nach der Rückkehr mit meinem Bruder teilen konnte.
Mein Bruder hatte schlimmeres Heimweh als ich, auch mehr Angst, besonders nachdem man uns nach einigen Tagen trennte und in unterschiedliche Zimmer (vielleicht sogar unterschiedliche Baracken) verlegte. Ich muss davon per Post an meine Eltern geschrieben haben, auch von Schwierigkeiten, die wir erlebten, denn ich habe eine Antwortpostkarte meiner Mutter, in der sie schreibt, wir sollten brav sein und unsere "Tanten" nicht ärgern, dann würde es uns bestimmt wieder gefallen - so als habe sie automatisch angenommen, an der Trennung und meinem Ärger könnten nur wir Kinder schuld sein. Auch nach Ende dieser Gefängniszeit haben die Eltern unseren Erzählungen keinen Glauben geschenkt, Jahrzehntelang nicht. Mein kleiner Bruder begann in diesen sechs Wochen wieder sich einzunässen, etwas, das schon lange nicht mehr passiert war und sich später noch viele Monate fortsetzte. Und anders als ich wurde er seiner Krankheit wegen später auch noch zwei weitere Male "verschickt", nach Bad Reichenhall, einmal für 4 Monate. Anders als auf Sylt durfte er dort aber besucht werden, war aber sehr verschlossen.
Im Lager Klappholttal, das ja auf einer schmalen Landzunge liegt und in wenigen hundert Meter Entfernung auf beiden Seiten das Meer hat, kann ich mich nicht erinnern, jemals die Nordsee gesehen oder gar berührt zu haben (schwimmen in der Nordsee im März wäre wohl auch etwas erstaunlich).
Morgens gab es Appell auf einem (wie ich ihn erinnere) Aufmarschplatz mit Fahnenmast, wie die Soldaten standen wir da und mussten singen. Tatsächlich war das für mich bald ein "durften singen", denn da konnte/durfte man mal laut sein, sogar fröhlich, je nach Lied. Eigentlich unfassbar, aber ich erinnere mich nach nunmehr 50 Jahren noch genau an den Moment, als ich das erste mal - und vielleicht einzige mal - eine der "Tanten" meinetwegen lächeln sah, weil ich die "stürmischen Winde" mit ihrem "Heio,Heio"-Refrain so laut mitschrie wie ich nur konnte. Ich glaube, es gab auch manchmal seltsam militärische Lieder zu singen, aber da bin ich nicht sicher. Ebenso bin ich mir nicht sicher, ob dann täglich "marschiert" wurde ("Wanderung" sollte das sein), aber solche Reih- und Glied, "links-rechts-links-rechts"-Drills gab es mit Sicherheit.
Einmal waren wir in den Dünen - es gab ja eh nichts anderes rund um Klappholttal herum - und ich glaube, es wurde wirklich so etwas wie "suchen" gespielt.
Was wir sonst so den ganzen Tag über trieben, wenn wir nicht aßen, schlafen oder die Arbeit der "Wärterinnen" zu übernehmen hatten, weiss ich nicht mehr. Ich kann mich an keine Spiele, kein Malen, kein Lesen, erinnern.
Manchmal kam Post. Sie war schon geöffnet worden. Und Nahrungsmittel (insbesondere Schokolade), die dann darin noch zu finden waren, konnte man sich in seiner Kammer in ein Schränken legen, wo es dann spätestens nach ein, zwei Tagen verschwunden war. Ich glaubte damals und glaube auch heute noch, dass diese Diebstähle von hungrigen Kindern ausgingen, und deshalb gab das auch nie Ärger, man nahm es einfach hin. Nur als die kleinen Spielfiguren, die ich meinem Bruder mitgebracht hatte, mal verschwanden, gab es mal richtig Ärger, mit Strafen für den Übeltäter und für mich.
An und für sich habe ich als Kind diese Zeit bald verdrängt und erst später, mit zunehmendem Alter, kam sie auf Familientreffen mal anekdotisch zur Sprache, Dinge über die man lachte, auch wenn mein kleiner Bruder eher seltener darüber lachen mochte. Meine Mutter begann erst viele Jahrzehnte später, die Erzählungen etwas ernster zu nehmen, und ich glaube, erst heute, nachdem sie von solchen Dingen in der Zeitung las und dabei zu ihrem Entsetzen sogar Abbildungen von Postkarten sah, die sie selbst einst von ihren Kindern aus diesen Lagern erhielt, nimmt sie das richtig mit. Das finde ich inzwischen auch deutlich trauriger als das, was uns damals wiederfuhr. Dass der Schaden nicht nur für ein paar Wochen wirkt, und nicht nur bei denen, die es direkt betraf, sondern dass es ewig nachhallt und die ganze Familie trifft.
Für mich persönlich war das damals schon ein Einschnitt, ein deutlicherer als es mir bislang bewusst war, glaube ich. Vorher waren Erwachsene verlässliche Menschen, die es prinzipiell gut mit einem meinten, oder eben Fremde, die einem einfach freundlich begegneten und nichts weiter mit einem zu tun hatten. Fortan aber mussten Erwachsene, die sich einem näherten, erstmal beweisen, dass sie Vertrauen überhaupt verdienen. Und das brauchte Zeit und gelang nicht jedem.
 
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doris schrieb am 02.08.2020
Hallo Kay,
es wäre gut, wenn Du Dich bei mir meldest. Ich bin Heimortkoordinatorin für Friedenweiler. verschickung-schlossfriedenweiler@web.de
LG Doris
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doris schrieb am 02.08.2020
Hallo Berti,
ich würde mich freuen, wenn Du Dich zwecks Austausch bei mir meldest. Ich bin Heimortkoordinatorin für Friedenweiler. Ich war dort und habe mehrere unangenehme Erinnerungen. verschickung-schlossfriedenweiler@web.de
LG Doris
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Berti schrieb am 01.08.2020
Hallo Kay,
auch ich hatte das "Vergnügen" und durfte 6 lange Wochen in Friedenweiler verbringen. Ich denke das war so 1975 vor der Einschulung.
Dass Bettnässer bloßgestellt und gedemütigt wurden hab ich auch mitbekommen.
Strenge Mittagsruhe und gelbe Vitamintabletten, daran kann ich mich noch erinnern.
Der Aufenthalt dort war demütigend und einfach nur übel.
An Personen kann ich mich nicht mehr erinnern.
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Ulrike Arnold schrieb am 31.07.2020
Ich wurde 1956 mit gerade mal vier Jahren nach Berchtesgaden ins Schönhäusl gebracht und musste vier Monate dort verbringen. Diese zeit hat mich bis heute geprägt, da das Grundvertrauen zerstört wurde.
Ich wusste zwar von meinen Eltern, dass ich in eine "Kur" kommen sollte, da der Kinderarzt festgestellt hätte, dass ich eine Hilusdrüsen-TB bekommen könnte bzw schon hätte. So ganz wurde das nie erklärt. Aus Sorge über meine Gesundheit haben meine Eltern zugestimmt, ich hatte aber von Anfang an das Gefühl, dass das nicht wirklich eintreten würde, dass sie mich niemals allein lassen würden. Ich war gerade vier Jahre alt geworden und ein unglaublich anhängliches Kind. Meine Eltern waren beide immer zu Hause, da mein Vater freischaffender Künstler war und sein Atelier im kleinen Häuschen hatte. Dort konnte ich nach Herzenslust zuschauen und selbst tätig werden, was meine Phantasie sehr angeregt hatte. Malen, mit Ton, Holzresten und Gips arbeiten. Hinzu kam, dass wir eine sehr kommunikative Familie waren, in der sehr viel geredet wurde und wir von früh auf mit vielen Büchern und Wissen konfrontiert waren. Mein älterer Bruder machte es sich zur Aufgabe, mich mit Denksportaufgaben und Spielen zu konfrontieren und mich herauszufordern. Dies sind nur ein paar Beispiele, in denen ich meine Situation zu Hause beschreibe.
Aus all dem wurde ich plötzlich herausgerissen. Meine Mutter fuhr mit mir mit dem Zug auf einer ewig langen Fahrt nach Berchtesgaden. Da ahnte ich noch nicht, was mir bevorstand, denn ich war ja gewohnt, dass wir Ausflüge machten, allerdings normalerweise mit der ganzen Familie zu einer Burg oder zu Waldspaziergängen oder kulturhistorisch interessanten Plätzen.  
 An diesem Tag Anfang August 1956 kamen wir also in das hübsche Haus am Berg und noch dachte ich an eine Art Aufenthalt mit meiner Mutter hier. Dass das eine Kurstätte war, das sah man. Viele Kinder, Liegen auf der Terrasse, wo man „Mittagsruhe“ machte und weiße Kittel und Schwestern in Tracht. Dann war auf einmal meine Mutter weg. Ich rannte in dem Gebäude rum, schrie und weinte und bekam keine Antwort auf meine Fragen. Ich hatte sofort den einzigen Gedanken, dass etwas mit meiner Mutter geschehen war, dass sie mich auf keinen Fall freiwillig verlassen hatte, dass man versuchte, mir das Geschehene, den Unfall, den Tod zu verheimlichen. Ich war vier Jahre alt und mein Verstand versuchte fieberhaft, mit der Situation fertig zu werden. Wann würde mein Vater davon erfahren? Was hat man mit mir vor? Will man mich hierbehalten, weil ich nun ein Waisenkind war? Wie muss ich mich verhalten, damit ich noch eine Chance habe, meinen Vater und meinen Bruder wiederzusehen?
 
Dass das die Art war, mit der Trennung umzugehen, damit wurde meine Mutter konfrontiert. Besser für das Kind, weil sonst die Trennung Dramen verursacht und es damit für alle Beteiligten viel schwerer wird. Wie lange weiß man schon, was für eine Katastrophe eine unverständliche Trennung verursacht? Seit wann ist es selbstverständlich, dass man ein kleines Kind nicht einfach allein lässt? Nicht einmal eine Nacht im Krankenhaus?
 
Am nächsten Tag stand ich allein in dem Garten am Zaun. Da kam außen ein älteres Paar auf mich zu, die Frau fragte mich, ob ich Ulrike sei. Ich war verunsichert, was die das angeht, aber antwortete brav auf alle Fragen. Der Mann fotografierte die Szene und schickte das Bild an meine Eltern, die darauf ein verschüchtertes Kind sehen, das an seinem Rockzipfel dreht und nach unten schaut. 
Die Leute hatten in der Pension meine Mutter kennengelernt, wo sie übernachten musste. Dort hatte sie weinend von der Trennung erzählt und die Leute beschlossen, mich aufzusuchen und womöglich ein Foto von mir zu machen, denn meine Mutter durfte ich ja auf keinen Fall sehen. Was die mit mir geredet haben, das weiß ich nur noch bruchstückhaft. Jedenfalls nichts, was mir Hoffnung gemacht hätte. Auf dem Foto erkennt man jedenfalls gut meine psychische Verfassung, und das war der erste Tag von vier Monaten.
 
Eine Sache war jahrzehntelang immer wieder mal nur bruchstückhaft in meinen Gedanken aufgetaucht. Erst die Schilderungen mancher anderer Heimkinder hier in diesem Forum machten mich wieder konkret darauf aufmerksam. Von Zeit zu Zeit mussten wir Kinder in einer Gruppe (wahrscheinlich aus pädagogischen Gründen, damit wir nicht so verängstigt sind) nackt auf den kleinen Stühlchen im Arztzimmer sitzen. Dann gab es für jeden eine Spritze in den Rücken. Davor hatte ich schreckliche Angst und nach dem ersten Mal wusste ich ja auch, wenn es wieder so weit war. Bis heute konnte mir kein Arzt erklären, was das wohl gewesen sein könnte und ich habe großes Interesse, das zu recherchieren. Meine Eltern wussten jedenfalls nichts davon und eigentlich frage ich mich seit damals immer wieder, ob das mit rechten Dingen zugegangen ist. Ich hoffe, dass ich es schaffe, Zugang zum Archiv dieses Hauses zu bekommen und eine Information über diese Spritzen zu bekommen. Beruhigung hatte ich jedenfalls nicht nötig, brav wie ich war, was auch Schwester Margarete an meine Eltern schrieb.
 
 Ich beschloss also, mich so zu verhalten, dass ich nicht unangenehm auffalle, dass ich alles mache, was man von mir verlangt. Eine Art Stockholm-Syndrom war das, denke ich heute. Mich mit den „Entführern“ auf eine Weise verbünden, dass man mich nicht vernichtet.
Nach einiger Zeit kam Post von meinen Eltern, die mir vorgelesen wurde und deren Inhalt (Äpfel, Strümpfe, Wäsche) mir gezeigt wurde. Meine Gedanken waren dabei immer: Das ist eine Fälschung. Niemals ist diese Post wirklich von meinen Eltern. Man will mich täuschen. Lies du nur diese Briefe vor, das erfindest du ja alles nur, um mich in dem Gefühl zu halten, die Post könnte von den Eltern und vom Bruder sein. Wenn die wüssten, dass ich hier bin, dann würden sie mich ja sofort holen… usw.
 
Meine Mutter hat die Post, die sie zurückerhalten hat aufbewahrt und ich habe sie hier. Es sind in vier Monaten ganze vier Postkarten und ein kurzer Brief. Darin beschreibst sie ständig, wie brav das Töchterchen ist, wie sie schon zugenommen hat und was für kluge Sachen sie sagt.
Meine eigene Erinnerung beschränkt sich auf das Zimmer mit den vielen Gitterbettchen, an die große Wiese, die Liegeterrasse für den ständigen Mittagsschlaf und an die weißen emaillierten Blechteller und -tassen mit blauem Rand. Das Essen ist mir nicht in Erinnerung. Nur viele Jahre später begegnete mir ein Geruch, den ich aus Berchtesgaden kannte. Es waren Pfifferlinge. Die waren zu Hause einfach nicht zu haben und viel zu teuer. Offensichtlich wachsen die dort um das Haus herum. Es wurde Winter, wir durften draußen im Schnee spielen. Trotz all meiner hier beschriebenen neutralen Erinnerungen hatte sich eine tiefe Resignation und Traurigkeit in mir eingegraben.
Eines Tages Mitte November, nach vier Monaten, stand plötzlich meine Mutter vor mir. Von diesem Moment an habe ich sie nicht mehr losgelassen, erzählte sie. Sie hätte noch Formalitäten erledigen wollen im Büro, aber es gab keine Chance für sie, das allein zu erledigen.
Wir sind dann wieder mit dem Zug nach Hause gefahren und endlich war ich sicher, dass meine Eltern es niemals zugelassen hätten, dass man mich ihnen weiter vorenthält. Sie haben mir von da an immer wieder versichert, für wie falsch sie die Entscheidung des Kinderarztes gehalten haben und was sie sich für große Vorwürfe machten, dass sie einer solch fragwürdigen Autorität ihr Kind anvertraut haben.
 
Bis heute bin ich leicht aus der Bahn zu werden, wenn es ums Abschiednehmen geht. Ich kann nicht mit Ablehnung umgehen und erst recht nicht mit Verlassenwerden. Ich habe einfach keine Strategie dafür entwickelt, außer der, zu resignieren und mich irgendwie anzupassen. Wenn ich das Gefühl habe, jemand, der mir wichtig ist, mag mich nicht, braucht nicht so viel Kontakt wie ich, dann wirft mich das völlig aus der Bahn und ich laufe der Ablehnung richtiggehend nach. Ich lasse mir viel gefallen und schaffe es nicht, Freundschaften oder familiäre Bindungen abzubrechen, wenn ich spüre, dass sie mir nicht gut tun. Ich finde leicht Erklärungen dafür, dass jemand auf mir herumtrampelt und mich ignoriert. Meistens suche ich dann die Gründe in meinem Verhalten. Das brachte mir schließlich auch einen ordentlichen Burnout und eine Depression ein, so dass ich ein Jahr vor der eigentlichen Zeit vom Amtsarzt in den Ruhestand verabschiedet wurde. Mit dem Ergebnis, dass ich mich schuldig gefühlt habe, meine Schulklasse böswillig verlassen zu haben. Ich hätte mich doch nur ein bisschen zusammenreißen müssen.
 
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katarina ganslandt schrieb am 30.07.2020
Ich finde es interessant, dass du sagst, die Erinnerungen würden sich anfühlen wie durch eine Kamera beobachtet. Mir geht es auch so, dass ich mich nur an einzelne wenige Bruchstücke erinnere, und zwar weiß, wie wirklich entsetzlich das alles war, es aber nicht fühlen kann*. Wenn ich mir die Erinnerungen der anderen durchlese, habe ich den Eindruck, dass das bei vielen so ist. Wahrscheinlich haben wir das, was uns passiert ist, sehr tief weggepackt. 

*(Jedenfalls, was meine eigenen Erlebnisse angeht. Als ich anfing, hier im Forum die Aufzeichnungen zu lesen, musste ich sehr oft unkontrolliert weinen, weil der Schmerz auf einmal wieder da war.)
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doris Heinrich-Böker schrieb am 30.07.2020
Hallo Brigitte,
vielleicht warst Du in Friedenweiler, ein Schloss nahe Freudenstadt. In den Kellergewölben waren Waschräume. Es war auch alles sehr verwinkelt mit engen Gängen, die zu einer Kirche führten und vielen Treppen.
Ich bin Heimortverantwortliche und Du kannst Dich gerne bei mir melden
LG Doris
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Ute Theil schrieb am 30.07.2020
Hallo Ich war von 1969-1971 in der Kinderheilstätte Stieg Unteralpfen, was dort so abging war trostlos und erniedrigend, ich würde noch gerne Personen suchen die in dieser zeit auch dort waren ich hoffe es meldet sich jemand viele grüße Ute Theil zu finden auch bei facebook
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doris Heinrich-Böker schrieb am 30.07.2020
Hallo Erik,
ich würde mich gerne mit Dir austauschen. Ich war 1954/56 in Friedenweiler und bin Heimortverantwortliche. Habe schon Einiges recherchiert und bin noch dabei.
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doris Heinrich-Böker schrieb am 30.07.2020
Hallo Kay,
ich bin Heimortverantwortliche für Friedenweiler. Ich würde mich freuen, wenn Du mit mir über verschickung-schlossfriedenweiler@web.de Kontakt aufnimmst, damit wir uns austauschen können.
LG Doris
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Lina-Marie schrieb am 30.07.2020
Ich war 1972 in Bad Sachsa. Vermutlich Haus Wartenberg.
Auch dort wurde die Wäsche nur einmal die Woche gewechselt nach dem sie bei der Ankunft beschlagnahmt und eingesperrt worden war. So kam es, dass ich trotz Durchfall bei dem ich es nicht schnell zur Toilette geschafft hatte, meine verschmutzte Unterwäsche noch mehrere Tage tragen musste. Dabei hatte ich für meinen gesamten Aufenthalt genügend Wäsche dabei.

Unglaublich!
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Erik Larsen schrieb am 30.07.2020
Hallo Kay, kann das bestätigen. War Anfang der 70- er auch da in diesem Heim in Friedenweiler. 6 Wochen Demütigung, klösterliche Zucht und Deprivation. Nach einer Kissenschlacht wurden wir mit einem starken Sedativum ruhiggestellt. Briefe wurden zensiert, nur 1x wöchentlich Wäschewechsel, Sonntag frühmorgens auf die Knie und beten, aber nach deren Fasson. Habe später als Jugendlicher Gewaltphantasien gehabt, hinzufahren und mit einer Machete alle Verantwortlichen abzuschlachten. Für Rache ist es jetzt zu spät, mögen diese Verantwortlichen von damals in der Hölle schmoren. Gut dass das Thema mal aufgegriffen wird, hatte es schon ungesund verdrängt.
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Haaf, Hannelore schrieb am 29.07.2020
Guten Tag Herr Gobbetto,
ich bin eine Mutter eines Verschickungskind. Mein Sohn geb. 1972 war zweimal in Norderney 1976/1978 im Kinderheim um seine Bronchitis auszukurieren. Das mein Sohn dort einiges erlebt haben muß, bemerkte ich schon immer, da ich aber als Kind auch mehrmals in Kindererholungsheim war, machte ich mir keine großen Gedanken. Diese wurden in den letzten Jahren immer größer und ein Bericht im Fernseh gab mir Recht, mich darüber zu informieren. Mein Sohn wohnt in NRW und ich in Baden Württemberg. Kann ich ihm eine Mailadresse oder Anlaufstelle mitteilen um sich vielleicht auszutauschen. Ich habe ihn schon ein paarmal darauf angesprochen, aber er winkt ab. Er hat uns aber mal in einer feuchtfröhlichen Runde erzählt, daß er auch schon mal in einer Badewanne mit kaltem Wasser geschlafen habe. Ich winkte entsetzt ab und er meinte nicht zu Hause sondern in Norderney. Diese Aussage lässt mich nicht mehr los.
Ich hoffe Sie können mir weiterhelfen. Meine Mailadress lautet: hahaaf@gmx.de
Vielen Dank und ihnen alles Gute
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Uta Zimmer schrieb am 29.07.2020
Ich war vom 04.04.70 bis 13.05.70, 5 1/2- jährig in BAD FRANKENHAUSEN (DDR) und ein reichliches Jahr später in BINZ (Ostsee) jeweils 6 Wochen zur "Kur". Vieles von dem, was sich hier lesen lässt, habe ich auch erlebt und sehe mich auch heute immer mal wieder damit konfrontiert. In Form von Ängsten, Unsicherheiten, Stimmungseinbrüchen. Eine Erinnerung aus Bad Frankenhausen 70 schmerzt mich ganz besonders und vielleicht finde ich auf diesem Weg das beteiligte Mädchen. Während des Mittagsschlafes, bei dem ich keinen Schlaf fand, ebenso, wie meine Bettnachbarin, legten wir stumm unsere Fußsohlen aneinander. So entstand eine Brücke zwischen unseren Betten (und unserem (meinem) Gefühl des Alleinseins. Die Erzieherin entdeckte uns und zur Strafe nahm sie uns unsere Kuscheltiere - mit der Drohung diese zu verbrennen - weg. Nun trug ich die Schuld für das, was diesem für mich lebendigem Wesen, meinen Begleiter widerfuhr. Bis zur Heimkunft, wo sich der Teddy am Koffer fand. Die Erinnerung macht mich sehr wütend.
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Norbert Werth schrieb am 29.07.2020
Ich war etwa 7 Jahre alt als ich nach Bad Salzdetfurth kam.
Ich hatte einen mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt, auf einer Isolierstation, hinter mich gebracht. Schon die Vorstellung wieder von meiner Familie getrennt zu sein bereitete mir mehr als Unbehagen.
Dort angekommen ging es scheinbar nur noch darum uns zu disziplinieren und ggf. zu brechen. Das was kleine Menschen ausmachte, Spiel, Spaß,Freude und Unbekümmertheit, war das letzte was man hier wollte. Sprechverbote, sitzen bis alle alles aufgegessen haben, die Entwendung von elterlichen Geschenken zu Geburtstagen, die Zensur, der an die Familie gerichteten Briefe, wir wurden unserer Liebe und unseres Urvertrauens beraubt.
Immer wenn ich auf unseren endlosen "Spaziergängen" ein Postauto sah, erkannte ich das -BP- auf dem Kennzeichen, für mich aus Berlin kommend war das Auto aus Berlin und da wollte ich unbedingt wieder hin. Ich weinte oft wenn ich ein Postauto sah.
Alles hier bereits geschilderte kann ich nur bestätigen.
Schläge, Isolierung und Demütigung war das Mittel der Wahl.
Ich erinnere mich, dass es eine Schwester gab (ich glaube sie hieß Cordula), die war anders als die Anderen, doch leider wurde sie kurz nach unserer Ankunft krank und es wurde uns wieder etwas genommen.
Diese Aufenthalte haben andere kleine Menschen aus uns gemacht.
 
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Christiane schrieb am 29.07.2020
Ich war Anfang 1979 im Alter von 6 Jahren aufgrund chronischer Bronchitis 5 Wochen zum Heilverfahren auf Langeoog. Ich habe zwei Bilder von dem Aufenthalt, aber keine Erinnerungen bzw. bin derzeit nicht bereit da genauer hinzusehen aus Befürchtung in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen, da ich eh schon psychisch sehr instabil bin. Ich schließe nicht aus, dass die Wochen der Kinderverschickung ein Puzzleteil meine Erwerbsminderung sind.
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Werner Dütting schrieb am 28.07.2020
Ich bin mit 6 Jahren, 1961, in Bad Soden im Taunus für 6 Wochen in einem Kindererholungsheim gewesen, da ich oft krank und auch zu dünn war. Das was ich noch weiß ist folgendes. Wir sind sehr streng behandelt worden. Zu zweit mussten wir uns immer anfassen. Wenn es zu Bett ging in dem großen Schlafsaal habe ich viel geweint und oft ins Bett gemacht. Ich weiß, dass ich viel ausgeschimpft wurde. Sonstige Strafen weiß ich nicht mehr. Das Schlimmste war das Schneiden der Fußnägel alle 14 Tage. Es war immer eine blutige Angelegenheit. Als ich nach Hause kam, waren meine Eltern erschrocken. Ich sah kranker und blasser aus als vorher. Meine Eltern habe ich wochenlang mit Sie angesprochen. Das sagt dann wohl alles.
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Eva schrieb am 28.07.2020
Ich war um 1960 sechs Wochen zur Kur im Berghof bei Polling. Die Hoffnung meiner Eltern, dass ich dank der Kur zunehmen würde, hat sich nicht bewahrheitet. Ich hatte Heimweh, und ich habe mich, wie einige andere Kinder auch, mit einem Hautausschlag angesteckt. Von den Aufsichtspersonen bin ich aber jederzeit korrekt behandelt worden, und ich habe durchaus auch angenehme Erinnerungen an meinen Aufenthalt. Ich erinnere mich allerdings auch an einen kleinen Jungen im Vorschulalter, der seinen Kopf nicht halten konnte und gelegentlich Anfälle von Atemnot hatte; den hätte man aus heutiger Sicht sicher gezielter unterstützen und integrieren können.
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Silvia Wisbar schrieb am 28.07.2020
Mein Name ist Silvia und ich bin über die heutige Sendung von Report Mainz hier her gelangt.
Im Jahr 1966 kamen meine jüngere Schwester (4 J.) und ich (6 J.) als Verschickungskinder zur Kur ins DRK Kinderheim Bad Dürrheim im Schwarzwald. Unsere Betten standen in einem großen Schlafsaal, meines am Ende unter dem hohen Fenster. Von Beginn an wurde ich, besonders von einer Kinderschwester, misshandelt und gedemütigt.
Jeden Morgen musste ich die Nachttöpfe des gesamten Schlafsaals ausleeren. Als ich mich dabei übergeben musste, wurde ich dazu gezwungen, das Erbrochene aufzubessern und runter zu schlucken.
Einmal vergaß ich meinen Waschlappen in der Bäderabteilung. Da die Waschlappen an Haken überm Bett hingen, hatte ich große Angst, dass der fehlende Waschlappen beim Betten machen bemerkt würde. So blieb ich bis zum Schluss im Vorraum des Bads, wo die Waschbecken waren, und putzte wie verrückt meine Zähne.
Die besagte Kjnderschwester kam wütend an und verprügelte mich. Vor Angst liess ich unter mich gehen. Als ich auf dem Boden lag, schleifte sie mich in den Nebenraum mit der Badewanne. Dort liess sie kaltes Wasser in die Wanne, setzte mich samt Schlafanzug. dann hinein und drückte immer wieder meinen Kopf unter Wasser, so dass ich kaum noch Luft bekam. Morgens früh nahm sie mir regelmäßig die Häfte meines Brötchens weg und gab es meiner kleinen Schwester. War sie nachts da, holte sie mich aus dem Schlaf und ich musste mich barfuß im Schlafanzug gefühlte Stunden auf den dunklen Flur stellen, durfte mich dabei aber nicht an die Wand anlehnen.
Einmal waren wir Kinder draußen auf der Veranda und meine kleine Schwester zog sich durch Herumrutschen auf dem Boden einen Splitter in den Po und weinte. Hierfür wurde ich zur Rechenschaft gezogen und wieder vor den anderen Kindern verprügelt.
Unsere "Rettung" war, dass alle Kinder des Schlafsaals an Windpocken erkrankten und wir alle auf die Isolierstation kamen. Dort war man freundlich zu uns. Meine Mutter durfte uns nach einer Weile in Bad Dürrheim abholen. Ich habe kaum gesprochenund war sehr verängstigt. Auf der Rückfahrt im Zug sah sie dann auf der Toilette, dass ich überall am Körper grün und blau geschlagen war.
In Köln, wo wir wohnten, gingen meine Eltern mit mir zum Gesundheitsamt, wo ich examiniert wurde. Das war sehr schlimm für mich.
Später kam der Direktor des Kinderheims nach Köln und überreichte meinen Eltern für meine Schwester und mich je eine Schwarzwaldpuppe. Meine hatte eine grüne Schürze.
Es wurde niemals, auch nicht von Seiten meiner Eltern, ein Psychologe hinzu gezogen. Bis heute bekomme ich Panik, sobald mein Kopf unter Wasser gerät. Noch heute stehen all diese Bilder vor meinem inneren Auge und ich kann mich an all das erinnern. Es wird mich mein Leben lang begleiten, auch wenn ich jetzt schon 60 Jahre alt bin. Vieles hat sich durch diese Erlebnisse in mir festgesetzt - Angst vor dem Allein sein in der Dunkelheit, Minderwertigkeitsfefühle und vieles andere.
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Martina Grebe schrieb am 28.07.2020
Hallo. Ich bin Jahrgang 1957 und wurde noch vor der Einschulung aus dem Schwarzwald nach Sylt verschickt. Die Erinnerungen sind spärlich. Geblieben ist mir dass ich keinen Käse essen kann und keinen Salat. Ich erinnere mich an schreckliches Heimweh. Habe der Betreuerin einen Brief diktiert "ich will nachhause". Angekommen ist per Postkarte "es geht mir gut ". Aufessen und Mittagsschlaf waren Pflicht.
Ich bin jetzt erst durch einen Fernsehbeitrag darauf gekommen zu recherchieren. Da ich weder den genauen Zeitraum weiß noch den Namen des Heimes kenne, überlege ich bei der Krankenkasse meiner Eltern zu recherchieren. Macht das Sinn?
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Manfred Krüger schrieb am 28.07.2020
Mit 6 Jahren nach St.Peter Ording ins Weberhaus . Bei Wind und Sturm kurze Hosen und TShirt. Nach dem Baden in der Nordsee gab's keine Dusche sondern so ins Bett. Nachts Schreie anderer Kinder,Schläge und vieles mehr. Hatte man Durst bekam man nichts ich erinnere mich das ich aus der Toilettenschüssel getrunken habe und ich war nicht der einzige. Hatte Brot und Brõtchen gesammelt und wollte Abhauen. Ich war froh als dieses alles vorbei war. Zu Hause öffnete meine Mutter den Koffer und fand das gesammelte. Dann habe ich ihr alles Erzählt. Sie und mein Vater sind dann zum Gesundheitsamt unseres Kreises. Was damit erreicht wurde ,keine Ahnung.
Durch diese Kur hab ich wieder ins Bett gemacht dies hat mich lange begleitet.
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Kay Andraschko schrieb am 28.07.2020
Hallo, ich bin Jahrgang 1964 und wurde 1969 oder 1970 für 6 Wochen zur Kur nach Friedenweiler im Schwarzwald verschickt. Ich habe nicht vergessen, wie Bettnaesser vor allen anderen blossgestellt wurden, Briefe geöffnet bzw. zensiert wurden, Blickkontakte beim gemeinsamen Beten verboten waren, die Nonnen sehr streng und wenig menschlich waren, die endlose Tortur des Aufessens und vieles mehr. Mit einem anderen Jungen haben wir uns damals geschworen, an jenen Ort zurückzukommen und sie alle zu verhauen.
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Petra schrieb am 28.07.2020
War 1983 mit 16 Jahren in Wessobrunn zum Abnehmen. Es war (ist) ein Kloster und hatte gute Ergebnisse (über 10 Kg in 6 Wochen). Es war schlimm. Wir (16 und älter) waren zwar in einem extra Gebäude (Mayerhof) untergebracht (nur 3-4 Bett Zimmer) aber das war es auch schon. Sie hatten die, die abnehmen sollten mit denen die zunehmen sollten zusammengelegt. Sah so aus. Wir bekamen am Tag 500 Kalorien (viel zu wenig für jemanden in der Pubertät) also 1 Scheibe Knäckebrot mit 1 Scheibe Wurst oder Käse. Kein Fett. Mittags auch nur wenig. Die andern hatten den Tisch voll und es roch so gut. Wir hatten Sport morgens. Nach dem Essen Schwimmen. Wir mussten 70 Bahnen im 25 Meter Becken schwimmen. Die anderen durften spielen. Habe es einmal gemacht. Danach wurde ich krank. Wir hatten alle Probleme mit unserer Regel. Wer nicht genug abgenommen hat, durfte nicht ins Dorf. Wenn man unter 10Kg blieb (wie ich) bekam man kleine braune Pillen, mit denen man sogar etwas abnahm selbst wenn man gesündigt hatte (selber ausprobiert). Am schlimmsten war Schwester Amaranth. Man musste zum kath. Gottesdienst. Wollte man nicht mit, wurde man im Haus eingeschlossen. Ich habe zwar letztlich fast 13 Kg abgenommen aber es war echt schlimm. Wir hatten uns noch um ein jüngeres Mädchen gekümmert, das mit uns am Heimatbahnhof eingestiegen ist, weil es ganz schreckliches Heimweh hatte. Die jüngeren haben in riesigen Schlafsälen geschlafen.
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Petra schrieb am 28.07.2020
Als Kind war ich mit meinem Bruder (1,5 Jahre älter als ich) in Oberstdorf. Ich muss so zwischen 4-5 Jahre alt gewesen sein. Mein Bruder sollte zur Kur (er hatte als Baby Rachitis) ich sollte nur zur Begleitung mit. Ca 1971 im Herbst. Erinnere mich, dass wir getrennt werden sollten (Mädchen und Jungen getrennt). Ich habe so geschrien und geweint, dass ich bei ihm bleiben durfte. Ich hatte schreckliches Heimweh. Wir hatten beide Nachts Angst vor den Schatten am Fenster und waren deshalb nachts laut (wir haben uns leise unterhalten). Wer laut war, bekam am nächsten Tag keinen Nachtisch. Ich glaube wir hatten in der ganzen Zeit nur 1 mal Nachtisch. Wenn es Gewitter gab, war das für mich schlimm, weil es durch die Berge so laut war. Hat lange gedauert, bis ich nicht mehr soviel Angst vor Gewitter hatte. Am schlimmsten war, das es Windpocken gab und ich mich angesteckt hatte. Sie waren so schlimm, dass ich ins Krankenhaus gebracht wurde. Meinen Eltern erzählten sie, sie würden mich jeden Tag besuchen. Stimmte nicht. Sie kamen nicht und ich hatte Panik, dass mein Bruder ohne mich nach Hause fährt. Das Krankenhaus hat dann meine Eltern angerufen und ein anderes Elternpaar gebeten sich um mich zu kümmern. Außerdem kann ich mich an Filme mit Rieseameisen etc. erinnern. Mein Bruder kam erholt zurück, ich schlechter als vorher. Durfte dann nochmal in Kur mit 16 (1983) war ich zum Abnehmen in Wessobrunn. Das war auch schlimm.
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Brigitte schrieb am 28.07.2020
Ich war Anfang der 70er Jahre in einem Erholungsheim der Deutschen Bundespost auf Borkum. Ich habe nur schemenhafte Erinnerungen an diese 6 Wochen, zwei Erinnerungen sind mir prägend geblieben: ich musste im Essensraum/Saal Milchreis mit Zimt essen, auch wenn ich ihn nicht runterbekam. Dieses Gericht gab es 6 Wochen lang abends. Desweiteren sind mir die anderen Kinder sehr agressiv begegnet, wenn keine Aufseherin anwesend war. Im Waschraum ist mir ein Zahn ausgeschlagen worden, nach meiner Erinnerung von anderen Kindern.
Es erschien mir alles wie ein Gefängnis, ein Erziehungsheim/Waisenhaus im schlechtesten Sinne. Zuhause angekommen, war meine Mutter schockiert und hat sich bei dem Sozialdienst der Post beschwert, was erfolglos blieb.
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Claudia schrieb am 28.07.2020
Hallo,
auch ich war auf Langeoog, ca 1969.Das Heim wurde von Nonnen geführt, soweit ich mich erinnere. Man durfte nur zu bestimmten Zeiten auf die Toilette (ich war damals 5 Jahre alt) und wenn man nachts im großen Schlafsaal auf die zur Verfügung gestellten Pipitöpfchen ging und man „groß“ machte, wurde man bestraft. Die Post, die man diktierte, da ich noch nicht schreiben konnte, wurde anders nieder geschrieben. Das Essen war einfach nur widerlich und musste immer aufgegessen werden. Als ich vor Heimweh krank wurde, hat man mich isoliert und auf ein Einzelzimmer verfrachtet. Nach 6 Wochen „Kur“ kam ich wieder nach Hause und habe meine Mutter eine lange Zeit nur noch Tante genannt.
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katarina ganslandt schrieb am 27.07.2020
Ich bin Jahrgang '66, wohnte damals in Konstanz und wurde zwischen '72 - '74 irgendwann als 6- bzw 7-jährige von meiner Kinderärztin für sechs Wochen zur Kur nach Saig im Schwarzwald geschickt, weil ich angeblich zu dünn gewesen bin.
 
Ich war tatsächlich eine "schwierige" Esserin und ernährte mich – wie viele Kinder – hauptsächlich von Brot, Reis, Kartoffelbrei, Nudeln und Bananen. Als meine Eltern mich ins Heim brachten, gab es gerade so etwas wie einen Nachmittagssnack. Wir nahmen ihn in einem Extrazimmer neben dem Speisesaal ein. Weil mir von warmer Milch (mit Haut) schlecht wurde, fragten meine Eltern, ob man mir vielleicht immer ein bisschen Kakao in die Milch tun könnte. Die Tanten versprachen lächelnd, dass das natürlich möglich wäre. Am nächsten Tag war natürlich kein Kakao in der Milch und ich wurde ausgelacht, weil ich mir einbildete, ich könnte Extrawünsche anmelden. 
 
In meinem Schlafsaal war ein Mädchen mit Asthma untergebracht, das nachts oft keine Luft bekam, was uns große Angst machte, weil wir nicht wussten, wie wir helfen konnten. 
 
Morgens wurden wir geweckt, mussten uns im Schlafanzug im Flur vor dem Essenwagen aufstellen und bekamen einen großen Teller voll schleimiger Haferflockensuppe (sonntags mit Kakao), der ganz aufgegessen werden musste, sonst gab es Ärger.
Weil ich es mittags oft nicht schaffte, das Essen – in der Regel Kohl und zähes, fettes Fleisch – aufzuessen, musste ich zur Strafe stundenlang, teilweise gefühlt bis zum Abend, alleine im Speisesaal vor meinem Teller sitzen bleiben, bis ich mir das Essen doch irgendwie reingezwungen hatte oder es so spät war, dass ich befreit werden musste. 
 
Sämtliche Päckchen von Zuhause wurden konfisziert und der Inhalt in einer großen Schublade unten im Schrank in einer Art Schulzimmer (?) aufbewahrt. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass wir die Süßigkeiten jemals bekommen haben. Das Argument war natürlich, dass es sonst den anderen gegenüber ungerecht wäre, die nichts oder weniger bekamen.
 
Nach dem Mittagessen Liegekur an der frischen Luft draußen auf der Terrasse. Fest in eine Wolldecke eingewickelt, mussten wir mucksmäuschenstill sein und warten, bis die Zeit um war.
 
Die täglichen Spaziergänge zur Ertüchtigung waren okay, weil ich da das Gefühl hatte, halbwegs frei sein zu können, obwohl wir natürlich immer in der Gruppe bleiben und singend lange Strecken zurücklegen mussten. Als wir einmal durch den Wald hinter dem Haus zurückkamen, hatte ich mir wie ein chinesischer Kuli einen Stock über die Schultern gelegt und ließ die Hände darüber hängen. Ich bin gestolpert, hingefallen und auf eine Wurzel geknallt, weil ich mich nicht abfangen konnte. Die Kopfwunde blutete stark, aber ich kam nicht ins Krankenhaus oder zum Arzt und meine Eltern wurden auch nicht benachrichtigt. Ich nehme aber an, dass die Verletzung schon relativ schwer war, weil ich an der Stelle an der Stirn bis heute eine knochige Verhärtung habe.
 
Abends mussten wir uns in Unterhose in langer Reihe vor dem Untersuchungszimmer aufstellen, wo wir irgendwelche Tabletten bekamen und gewogen wurden. Ich erinnere mich an einen Jungen, der schluchzend auf der Liege saß und ein großes Glas Rahm austrinken musste. Keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte.
 
Ich war so kreuzunglücklich, dass die Heimleitung mich eines Tages ins Büro holte und sagte, man hätte meine Eltern angerufen, sie würden mich heute abholen. Ich sehe noch vor mir, wie ich vor dem Haus auf der Schaukel saß und auf sie wartete. Sie kamen nicht. Am Abend sagte man mir, sie hätten mich wohl vergessen. Danach blieb ich noch mehrere Wochen im Heim.
 
Einige Zeit war ich mit Röteln in einem kleinen Einzelzimmer unter dem Dach in Quarantäne untergebracht. Die Krankenschwester hatte eine Behinderung, die dazu führte, dass ihr Kopf stark zur Seite geneigt war und sie ihn nicht gerade halten konnte. Ich kann mir vorstellen, dass sie deswegen vielleicht gehänselt worden ist, jedenfalls hasste sie Kinder noch mehr als die anderen. Während ich oben auf der Krankenstation war, gab es einmal Sauerkraut, von dem ich mich übergeben musste. Diese Schwester zwang mich, das Hochgewürgte und den Rest auf dem Teller aufzuessen. Ansonsten war ich, glaube ich, froh, dort oben allein zu sein und meine Ruhe zu haben.
 
Was die Zeit im Kinderheim für mich zusätzlich traumatisch machte, war die Tatsache, dass meine Eltern mir, als ich endlich wieder zu Hause war, nicht glaubten, was passiert war, sondern mir unterstellten, ich würde mich wichtig machen wollen. Ich hatte den Drang, immer wieder davon zu erzählen, was für die Familie sicher auf Dauer nervig war. Die Reaktion war dann jedesmal Lachen und: »Ooooh nein, Kata und ihre Kinderheimgeschichten wieder!« 
Umso erleichternder ist es für mich, diese Seite gefunden zu haben und bestätigt zu bekommen, dass ich mir das alles nicht ausgedacht oder künstlich aufgebauscht habe, sondern dass es Tausende von Kindern gab, die alle dasselbe erleben mussten …
 
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Emma schrieb am 27.07.2020
Esszwang, auch für ekelhaftes Essen wie Leber, riesen Schlafsaal, bei dem das liebste Kind unter einem Wandbild von Sterntaler schlafen durfte, keine Schlafbegleitung, keine medizinische Hilfe bei Zeckenbissen, die sollte ich selbst entfernen mit 7 oder 8 Jahren, sehr kalter Schlafraum, Wassertreten in einem dunklen Kellerraum, gruselige Geschichten von Morden, die von den Erziehern erzählt wurden, keiner Kontakt zu den Eltern außer 2 Briefen, kleinere und größere Kinder waren getrennt, an eine Manja aus der großen Gruppe kann ich mich erinnern, die hat mir manchmal geholfen, wenn es mir sehr schlecht ging vor Heimweh. Ich sollte zum Zunehmen hin und habe viele Kilo statt dessen abgenommen, leide unter starken Verlustängsten, die sich erst jetzt langsam geben mit 40. Das ganze war 1987 oder 1988.
Kann sich jemand an das Sterntaler Bild erinnern oder den genauen Namen. Es war eine Burg (ich meine Rabenstein oder so ähnlich) und es wurde die Geschichte erzählt vom Burgherrn, der mit Fingerhut vergiftet wurde. Es hing ein Bild von ihm an der Wand, das einen angestarrt hat, egal, wo man sich im Raum befand. An viel mehr kann ich mich nicht erinnern
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Klaus-Dieter schrieb am 26.07.2020
Hallo, ich war auch auf Langeoog. Auch in einem Haus von der Inneren Mission über Ostern irgendwie zwischen 1966-1968. Auch ich "durfe" auf einer schmalen Bank im Flur zwischen den Schränken "schlafen". Es war grausam. Die Post wurde zensiert und uns wurden alle persönlichen Süssigkeiten abgenommen und dann an Ostern für ALLE Kinder versteckt. Ich fand dann ein Bonbon....!! Dann mussten wir "salzwasser" trinken. Angeblich war das gesund....ich musste würgen. Vor vielen Jahren habe ich mal auf der Indel das Haus versucht wiederzufinden....ist mir aber nicht gelungen.
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Anja schrieb am 25.07.2020
Hallo
Ich war Anfang der 70iger Jahre, weil ich zu dünn und blass war, irgendwo im Taunus? Ich bin mir da nicht so sicher. Jedenfalls hatte ich schon sehr früh mitbekommen, dass man sich "artig" zu verhalten hatte. In einem für mich vertrauensvollen Moment, als eine junge Frau mir nach dem Toilettengang die Hose zugeknöpft hat, weil ich dazu noch zu klein war, habe ich geweint und ihr erzählt, dass ich großes Heimweh habe. Sie ist sofort zur Direktorin gelaufen und hatte es ihr erzählt. Daraufhin wurde mir mein Koffer gepackt, die Tür weit aufgerissen, meine Jacke usw. angezogen (es war tiefster Winter) und mir gesagt, dann sollte ich doch gehen. Ich habe bitterlich geweint und habe darum gebeten, dass ich bleiben darf und ich wieder artig sein wollte. Es waren schlimme Zeiten. Vergessen habe ich auch nicht das weiße Dachzimmer mit den Stahlbetten. Unsere Süßigkeiten haben wir immer dahinter versteckt.
Kein Besuch der Eltern und das über Weihnachten!!!!!
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Andrea schrieb am 19.07.2020
Ich war in Mittenwald im Sommer 1970, Juni bis August, 6 Wochen. Das Haus hiess glaube ich Haus am Schmalsee oder Schmalensee. Sorry, ist schon so lange her. Ich war in einem Haus hoeher am Hang. Unsere Leiterin in diesem Haus war furchtbar. Sie war eine Jugoslawin mit gefaerbten rooten Haaren und viel Schminke. Auf mich hatte sie es besonders abgesehen. Sie kam nachts in unser Zimmer und drohte mir weil ich mich beschwert hatte dass sie mir Geld gestohlen hatte dass meine Eltern mir geschickt hatten. Diese Frau (oder Monster) hat uns Kinder unter die Dusche gestellt und wir mussten unter eiskaltem Wasser duschen. Wir haben geweint und geschrien. Ich bekam Keuchusten und wurde nicht aerztlich versorgt, habe die ganze Nacht gehustet. Ich dachte mir brechen die Rippen so schlimm habe ich gehustet. Es gab nicht viel zu essen, deshalb habe ich mir oft ein Broetchen mitgenommen aus dem grossen Speisesaal. Wir mussten viel wandern, morgens Gymnastik, wurden oft gewogen von einem Arzt.
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Beate schrieb am 15.07.2020
Hallo, ich habe sehr ähnliche Erfahrungen gemacht als 7-jährige während 6 Wochen im Mai-Juni 1970 in Bad Dürrheim, Schwarzwald. Welches Heim und welcher Heimträger das war, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass wir heiße moorbäder nehmen mussten und dass es zum Inhalieren in den Ort runterging. Es wurde immer von 2 häusern gesprochen : Wir waren im 'Wiesenhaus' und es wurde uns gedroht, wenn wir nicht gehorchen, kämen wir ins 'Waldhaus', wo die bösen Kinder untergebracht seien. Ich würde sehr gerne wissen, welches Heim das war.
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metoo schrieb am 12.07.2020
Hier noch eine- Ü60- die in so einem Heim grauselige Erfahrungen gemacht und erst nach zig Berichten zu demThema realisiert hat,WAS da eigentlich lief....
Erbrochenes essen, Schläge,ohne Decke auf der Bank schlafen, Demütigungen vor den anderen, Kontaktverbot zum Bruder, verschimmeltes Brot, Konfiszierung von Geld/Briefen/geschickten Dingen, nicht weinen dürfen usw...
 
War irgendjemand Mitte der 60er auf Langeoog? Aufenthalt wurde damals über die BEK finanziert.
Ich finde/weiß den Namen des Heims nicht, wurde von der Inneren Mission geführt.
Entweder Haus Sonnenschein, oder Bethanien....
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Cornelia Sauer schrieb am 09.07.2020
Hallo, ich bin Cornelia und wurde 1962 für sechs Wochen mit einer Kindergartenfreundin ins Kinderheim nach Duhnen/Cuxhaven geschickt. Ich war 6 Jahre alt, Gabriele 5 Jahre – und deshalb wurden wir in verschiedene Gruppen gesteckt: Gabi in die Kleinkindergruppe, ich in die Gruppe der Mädchen bis 14 Jahre. Das Essen war ziemlich grauenvoll, wir mussten zum Beispiel fettes Fleisch runterwürgen. Ich habe mich oft geweigert, und mir wurde gesagt, dass man meine Eltern informieren würde. Man hat mich täglich gewogen und dann, weil ich abgenommen habe, beschimpft. Mittags sollten wir schlafen. Ich kannte das nicht und war hellwach. Sobald ich ein Auge aufmachte, schrie mich eine der "Tanten" an und drohte mit irgendetwas. Ich fühlte mich sehr allein gelassen, und die anderen Mädchen waren auch nicht nett zu mir als kleinstem Kind. Nach fünf Wochen hieß es dann, mein Vater sei da. Ich dachte, dass sie das nur sagen, um mich nun einzusperren, weil ich alles verkehrt mache. Aber er war wirklich da. Draußen in der Welt nahm die Kubakrise ihren Lauf, und er hatte Angst vor einem neuen Krieg. Die Gefühle, die ich damals hatte, werde ich nie vergessen. Und immer, wenn ich später etwas über die Nazis erfahren habe, dachte ich: "Das kenne ich schon irgendwo her".
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Kerstin Birk schrieb am 09.07.2020
Hallo, ich bin Kerstin(49) und war 1981( 10 ) als Verschickungskind nach Sylt. Ich bin der Meinung in List gewesen zu sein. Kann aber nichts mehr über dieses Kinderheim finden. Ich leide heute noch an Verlustängste. Mir wird jetzt erst klar, dass es von damals herrührt. Ich würde es gerne aufarbeiten.
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Sebastian Roth schrieb am 08.07.2020
Hallo,

auch ich habe an einen Aufenthalt im Schloss am Meer schreckliche Erinnerungen, Zeitraum ca. 1986 oder 1987.
Strenge herrschte auch zu der Zeit noch sehr, wenngleich auch wohl nicht mehr ganz so extrem wie wohl noch Ende der Siebziger. Dennoch habe ich keine schönen Erinnerungen an diese längsten 6 Wochen meines Lebens.
Leider ist vieles schon verblasst, aber da ist zum Einen VIEL Geschimpfe, das Beschlagnahmen von zugeschickten Süßigkeiten (abends wurde entweder jedem Kind oder nur jedem artigen Kind eine kleine Süßigkeit auf die schmale Holzleiste der Vertäfelung über den Betten gelegt) und dann noch das Strafpunktesystem mit einem "X" für schlechtes Benehmen und einem ○ für gutes Benehmen (z.B. leise sein während der Mittagsruhe). Ich meine auch, mich zu erinnern, dass man für drei ○ eine halbe Stunde fernsehen durfte. Was bei drei "X" passierte weiß ich nicht mehr. Auch an scheußliches Essen erinnere ich mich, besonders an einen ekelhaften Karottenkuchen (kann ich bis heute nicht essen), den ich gezwungen war ,aufzuessen. Die Zuteilung von etwa 2 DM Taschengeld für den Aufenthalt in der Fußgängerzone hab ich auch noch im Kopf. Und einen Sandburgenwettbewerb bei dem mein "Team" disqualifiziert wurde, weil ich ein kleines Stückchen Lehm aus dem Meer zur Zierde an die Seite der Burg gedrückt hatte. Eine gruselige Erinnerung ist noch, dass damals direkt neben dem Heim wohl eine Anstalt, respektive psychiatrische Klinik, lag (so sagt es jedenfalls mein Gedächtnis), ich war irgendwie beim Spielen im Garten an den Grundstückszaun gelaufen und auf einmal stand da ein Mann (Kindergedächtnis: ein Irrer ?) und starrte mich an. Brrrrr ! Ob die wöchentlichen Briefe und Karten damals noch zensiert wurden weiß ich leider nicht. Aber ich war heilfroh, diesen Ort endlich wieder zu verlassen.
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SaBiRa schrieb am 08.07.2020
Bad Oeyenhausen
1972 schickten mich meine Eltern (auf dringendes Anraten der Krankenkasse: „das ist das beste für ihr Kind!“) 6 Wochen lang (über meinen 6. Geburtstag) in einem „Kindererholungsheim“ nach Bad Oeyenhausen. Bei der Anreise wurde ich am Bahnhof an fremde Personen übergeben, alle Kinder bekamen ein gleiches Halstuch und ab ging die Post.
Im „Kinderkurheim“ hatte ich großes Heimweh, was durch diverse Zwänge und meistens sehr strengen, unfreundlichen Umgang der „Tanten“ noch verschlimmert wurde. Mit dem Essen sollten wir „aufgepäppelt“ werden, mussten dazu aber immer „aufessen“ und viele Dinge essen, gegen die ich bis heute noch Abscheu habe, z.B. Haferschleim. Waschen und Duschen fand in großen Gemeinschaftsbädern statt, die großen Kinder haben die kleinen oft geärgert, wogegen die Betreuerinnen nichts unternommen haben. Tägliches Wandern in Zweierreihen und immer wieder singen, vor allem „Ein Jäger aus Kurpfalz“ (das Lied finde ich bis heute schrecklich!)
Zwei Erlebnisse haben sich aber ganz besonders in meinen Erinnerungen eingebrannt: Vor lauter Heimweh hatte ich eines nachts eingenässt, auf mein (weinendes) Bitten hin wurde das Bett nicht frisch gemacht, ich musste die ganze Nacht frierend darin verbringen, damit das bloß nicht nochmal passiert.
Zu meinem 6. Geburtstag wollte mein Vater mich besuchen, er hatte meinen neuen, roten Schulranzen dabei, mit Süßigkeiten. Die Süßigkeiten wurden herausgenommen, zur Verteilung an alle Kinder, aber mein Vater wurde mit samt dem Ranzen wieder weggeschickt und wir durften uns nicht sehen. Wahrscheinlich hätte ich mich so stark an ihm festgeklammert, dass er mich hätte „befreien“ und mitnehmen müssen!
Meine Eltern haben mich danach nie mehr zur „Kindererholung“ geschickt.
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Kerstin schrieb am 06.07.2020
Hallo Gabriele,
 
es müsste ein Zufall sein, wenn Du die drei- bis vierjährige Gabriele aus meinem Schwarzwaldaufenthalt im Frühjahr 1966 sein solltest...ein blondes Mädchen mit einem auffallenden Haarwirbel vorne rechts. Ich habe einige Erinnerungen an die Zeit und auch ein Foto. Wenns passt...
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Tanja Nowak schrieb am 01.07.2020
Hallo Anne,
 
ich kenne das Kinderkurheim, ich war im Herbst 1980 dort und habe, wie Deine Schwester auch, meinen 6. Geburtstag dort gefeiert. Ich erinnere mich kaum noch, nur an einzelne Segmente. Meine Mutter kann mir nicht dazu sagen, alte Postkarten gibt es noch von "Tante Christel", die meiner Mutter eine Karte geschrieben hat und zwei Karten meiner Mutter an mich. Magst Du mir mehr darüber erzählen? Ich kämpfe seit meiner Kindheit mit Geistern aus der Vergangenheit, kenne aber den Grund nicht.
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Ernst schrieb am 01.07.2020
Hallo,
bin auf der Suche nach Leuten die auch 1958 oder 1959 im Kinderheim am Königssee (in unmittelbarer Nähe der Jenner-Bergbahn) waren. Ging damals von der BEK aus. (fcnforever@tutanota.com)
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Brigitte schrieb am 24.06.2020
Ich bin als fröhliches, lebhaftes Kind,1962, gerade sieben Jahre alt geworden, in den Schwarzwald gefahren und als verängstigstes, stilles Kind zurückgekommen. Leider kann ich mich nicht mehr an den Heimnamen oder an Namen überhaupt erinnern, aber ich habe einiges in euren Schilderungen wiedererkannt. Vieles deutet daraufhin, das ein System dahintersteckte. ( sie konnten wohl so kurz nach Hitlerdeutschland nicht anders ) Ich habe sehr viel geweint und mich alleine gefühlt. In der ersten Nacht hat mir eine "Tante" gesagt, das ich morgen wieder nach Hause dürfte. Problematisch war für mich das ich das einzige Mädchen aus Wuppertal war. Von den Jungen, die ich auf der Fahrt kennengelernt hatte, wurde ich direkt getrennt. Ich durfte kein Kuscheltier haben. Problematisch war auch, das ich schmutzige Kleidung nicht wechseln durfte und das man mir gesagt hat, das sich meine Mutter für meine schmutzigen Unterhosen schämen würde. Sehr schwierig war auch, das ich zwei Stunden Mittagsruhe halten sollte ohne mich zu bewegen oder reden zu dürfen. Traumatisch waren die Mahlzeiten. Vorher wurden im Speisesaal Nachrichten verkündet, z.B. wer wieder etwas angestellt hatte und was derjenige für eine Strafe zu erwarten hätte. (Öffentliche Demütigungen und Erniedrigungen) Eine Strafe war das Schuheputzen für eine ganze Gruppe. Dann wurden uns die Teller gefüllt (ich sollte doch zunehmen ) und wir mussten so lange sitzen bleiben bis die Teller leer waren. Ich mochte keine warme Milch mit Haut und habe mich mehrmals erbrochen. Das half nicht. Zum Schluss wurde ich für drei Tage ins Bett gesteckt und bekam Te und Zwieback. Das war die beste Zeit, die ich dort hatte. Ich habe mich lange damit beschäftigt, wie ich Post rausschmuggeln könnte, denn die Postkarten, die wir schreiben durften wurden uns diktiert und kontrolliert. Eine Junge aus Wuppertal hatte sich ein Bein gebrochen und wurde von seinen Eltern abgeholt. Ich habe mir so sehr gewünscht mitfahren zu dürfen. Als besonders schlimm habe ich auch das Gruppenduschen in einem dunklen kalten Kellergewölbe empfunden. Ein Erlebnis kann ich auch nicht vergessen. Als wir durch das Dorf spazierten, mussten wir, ob wir wollten oder nicht, das Schlachten von Tieren ansehen. In meinem ersten Schulzeugnis stand damals, das ich ruhiger werden müsste und als ich dann aus der Kur zurückkam, habe ich in der Schule nichts mehr gesagt. Aus dem lebhaften, fröhlichen Mädchen ( auf allen Fotos aus der Zeit gut zu sehen ) ist ein ruhiges, ängstliches Kind geworden. Ich habe mein Grundvertrauen in mich und in meine Eltern verloren. Mein Vater ist in der Zeit schwer erkrankt und meine Eltern waren zu sehr mit sich beschäftigt. Ich sollte " geschohnt " werden. Also wurde über nichts geredet, weder über die Krankheit noch über die Kur. Ich hatte viele psychische Probleme, Depressionen, Selbstzerstörung, andre Trauma haben sich darüber gelegt und erst seit einer psychosomatischen Kur 1995 geht es mir schrittweise besser. Nachdem ich vor einiger Zeit einen Bericht in den Nachrichten über uns "Verschickungskinder" gesehen hatte, war alles ( nach jahrzentelanger Verdrängung ), wieder da. Ich habe geweint, geweint und viele Nächte nicht geschlafen. Vielleicht kann mir jemand helfen das Heim herauszufinden : in der Nähe von Freudenstadt, auf dem Land. Ein altes, großes, verwinkeltes Haus an einer kleinen Strasse.
Euch allen viel Kraft. Wir sind nicht alleine!
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Stefan schrieb am 24.06.2020
Ich war im gleichen Jahr wie Sie in diesem Heim, habe die gleichen Erfahrungen gemacht. Ich konnte das recht unbeschadet hinter mir lassen, bin halt so. An die eine Wärterin, die etwas andere Erziehungsmethoden vertrat, mich mal tröstete, als ich weinend auf einer Treppe saß, kann ich mich noch gut erinnern. Insgesamt der reinste Horror war das, mit Stockschlägen auf den Hintern, wenn man nicht schlief, Putzlappen um die Ohren, Briefzensur, genau so wie sie das beschreiben. Mich würde mal interessierern, was das für Frauen waren, woher kamen die, sind die vielleicht zu Hause beste Ehefrauen gewesen, was wurde aus denen ? Das bleibt leider im Dunklen.
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inca schrieb am 22.06.2020
Liebe Heimkinder, Schwestern, Brüder,
wie schrecklich ist unsere Geschichte wirklich. Langsam und schnell zugleich erinnere ich mich auch, bin über 60 und weiß noch nicht genau, wo ich in der Verschickung war.
Danke für Eure offenen Worte. Ich bin schockiert über meine Erinnerungen und über diese Erfahrungen, das gehört sicher dazu.
Mindestens 74 000 betroffene Menschen gehören zu denjenigen, die das überlebt haben, manche waren sehr jung.
Viele schreiben dazu, wir sind nicht allein.
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Christian schrieb am 18.06.2020
Warst Du damals bei der Barmer EK versichert? Dann könnte es das Kinderheim Dr. Selter in Brilon, Möhneburg 3 gewesen sein. Das Haus lag ziemlich einsam am Hang, nicht groß - Platz für gut 30 Kinder. "Tante" Selter war eine verbitterte alte Hexe mit Haarknoten, ihr Mann war Arzt. In Betrieb war das Haus bereits vor 1958 bis mindestens 1980. Fotos findest Du mit der Adresse im Netz.
 
Alles Gute und liebe Grüße
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Daniel schrieb am 16.06.2020
Hallo,
ich war 1982 in Westerland in einem Verschickungsheim, für 4 Wochen, Grund Keuchhusten. Ich war damals 4 Jahre alt.
Meine Erinnerungen an diese Zeit sind auch sehr schlecht. Die Strenge, der tägliche Mittagsschlaf, Kontaktverbot zu den Eltern. Ich musste ständig weinen. Um mich ruhig zu stellen, wurde mir gesagt, daß meine Eltern mich abholen. So habe ich tagelang auf sie, alleine im Treppenhaus, gewartet. Ständig wurde gesagt sie kommen heute, ich soll halt warten.
An die Strandspaziergänge in zweier Reihe singend kann ich mich auch noch erinnern.
Mein ganzes Leben wurde durch diesen Aufenthalt geprägt. Ich war nach der Rückkehr ein anderes Kind. Seitdem habe ich bis heute Ängste und körperliche Beschwerden ohne klare Ursache und bin in Psychotherapie.
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Andrea schrieb am 15.06.2020
Hallo, ich - Jahrgang 1962 - war mit ca. 9 Jahren in Pelzerhaken zur Kinderkur. Es war eine Anlage mit mehreren Häusern - ganz nah am Strand mit einem Abenteuerspielplatz. Es gab auch einen sogenannten "Rundbau" - wo man sich zum Singen... etc. traf. Kann mich noch gut erinnern, dass von den damaligen Erzieherinnen die "Freunde" abends ins Haus heimlich reingelassen wurden. Auch Ausflüge fanden statt mit den Erzieherinnen (und ihren Freunden!!) - man wurde in überladene Autos gepfercht - ich kann mich erinnern, dass einige im Kofferraum verstaut wurden. Die Kur wurde abgebrochen - da eines Nachts eingebrochen wurde - Männer gaben sich als Ärzte aus - belästigten die Mädchen (auch mich) in ihren Zimmern!!! Die Eltern wurden informiert und man wurde abgeholt! Man wurde auch verhört! Kann mich an viele tobende Eltern erinnern. Das hätte doch auch in den Zeitungen stehen müssen. Habe schon geforscht - aber nie was gefunden. Mich interessiert sehr, ob es irgendwo Archiv-Berichte oder ähnliches gibt oder auch Personen, die das miterlebt haben. Zwei Erzieherinnen sehe ich noch vor mir und weiß sogar noch die Namen!
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M. Bergmann schrieb am 15.06.2020
Das frage ich mich auch.
Wenn man sich jedoch den Film "Elternschule" anschaut, sieht man auch heute noch Ausläufer schwarzer Pädagogik in der gezeigten Klinik in Gelsenkirchen. Und offensichtlich fehlt einem Teil der Bevölkerung hier immer noch das Problembewusstsein.
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Gerd schrieb am 15.06.2020
Hi Ulla,
 
das war wohl in SCHWARZERDEN, teilweise noch Holzbarracken
in Betrieb, Beheizung mit Holz und Briketts.
Ich war dort auch vor der Einschulung ca. Sommer 1966.
Es soll Kinderheime gegeben haben, wo man einfach die alten Formulare
weiter verwendet hat: Lagerkommandant durchgestrichen und Heimleitung
drunter geschrieben....
Meine Erziehung(siehe mein Kommentar oben) der martialisch geführte,
katholische Kindergarten, das Prügeln des Vaters hin zum GOTTESDIENST, usw.
Aber sie haben es Alle nicht geschafft, mich ganz zu zerbrechen,bin
heute von jeglichem Glauben befreit, auch von dem an die Menschheit !
und damit kann ich als Nicht- Herdentier ganz gut leben.
Grüße
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Gerd schrieb am 14.06.2020
Hallo,
ca. 1967 war ich (7) im Kinderheim Haus Goltermann in Nieblum auf Föhr,
es fuhr dorthin eine 01- Dampflok mit Ölfeuerung, mein damaliges Hobby.
Erinnerungen sind nur noch schemenhaft, morgens nackt mit Gartenschlauch eiskaltes Wasser, dadurch keine Luft mehr bekommen, straffe Führung, lange Märsche in der Sommerhitze, Heimweh, Ohrfeigen. O.K. manchmal war ich auch frech. Briefe an die Eltern durften nicht zugeklebt werden, meine sind aber komplett angekommen. Hab mich dort gelegentlich in einem Schuppen versteckt, gab Streß, und bei Abreise hab ich ein altes Buch von Louis Trenker mitgehen lassen, quasi als selbst gewählte Entschädigung...
Wenn man schon zu Hause streng erzogen wird, z.B. zur Strafe Knien vor dem heißen Heizkörper bei abgeschlossenem Zimmer mit Zwischzenkontrollen, ob man noch kniet !!! und Angst vor dem Vater hat, ist der Unterschied zur Qualität eines Kinderheims, für einen kleinen Jungen nicht so leicht zu beurteilen. Etwaig ist es eine Art Ergänzung zur Erziehung oder deren Fortsetzung gewesen.
Ca. 1974 wurde ich ins Kinderheim Köhlbrand (St.Peter-Ording) verschickt. Von einer gewissen "Zucht und Ordnung" o.k. kleiner Scherz,
abgesehen, war das dort sehr schön, sogar für die Fußballweltmeisterschaft wurde extra ein Fernseher beschafft.
Die haben sich dort wirklich viel Mühe gegeben, das muß auch erwähnt werden.
Ob ich im Goltermann bleibende Schäden erhalten habe kann ich nicht
beurteilen, das Leben entwickelt ein Gesamtbild aus dem einzelne Bausteine nur schwer zur Beurteilung herauslösbar sind.
Wünsche Allen, die viel Schlimmeres erlebt haben wirklich Alles Gute
und viel Gesundheit.
 
 
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Folko Müller schrieb am 14.06.2020
Ich suche Leute die 1974 in Neuenkirchen an der Ostsee in Kur waren ich kann mich noch sehr gut daran erinnern das es an einem Tag Grießschnitten zu essen gab auch ich mußte mich erbrechen weil der Geschmack ekelig war aber es mußte alles gegessen werden.Wir schliefen in Schlafsälen und wenn einer auf Toilette mußte durfte er nicht gehen eine Schwester saß im Flur und beaufsichtigte uns.
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iris schrieb am 14.06.2020
Ich war im selben Jahr dort und auch 5, weiß aber nicht, wie dieses Heim heißt und würde das gern erfahren. Ich habe mich auch beim Essen übergeben und wurde mit dieser Art Prügel bedroht. Ich hatte noch Glück und wurde nur ins Zimmer gesperrt und musste im Bett liegen. Ich habe danach alles Essen, was ich nicht vertragen habe, unter Todesangst unter dem Tisch an meine Freundin gegeben. Fetter Fisch und pure Butter wurden in uns hineingestopft.Seit dieser entsetzlichen Esskur bin ich übergewichtig. Freunden ging es noch erheblich schlechter dort. Sie haben diese Prügel auf den nackten Po häufig bekommen.Ich erinnere mich noch an morgendliche Waschprozeduren. Alle nackt in einer Reihe anstehen und wir wurden mit kaltem Wasser abgespritzt.
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Ulla schrieb am 13.06.2020
Der taz-Artikel vom 8.6.2020 ging mir sehr nah. 1960 (da war ich 5,5 und kurz vor der Einschulung) ging ich auf eine Reise ohne Ziel und Dauer. Ich wurde ohne Angabe von Gründen in den Zug gesetzt. Als ich keine Lust mehr hatte, im Zug zu sitzen und nach Hause wollte, wurde ich abgelenkt mit einem kleinen Kugelspiel.Die Reise ging ins Rhöngebirge, das "Erholungsheim" lag Nähe Wasserkuppe. An den Ort kann ich mich nicht erinnern. Dort sein zu müssen, hat ein tiefes Misstrauen in mir hinterlassen - bis heute.

Beispiele: Ich fand eine Freundin am Esstisch und setzte mich zu ihr. An den Haaren ziehend, wurde ich zurück an meinen Platz gesetzt. Die Bekanntschaft mit der Sauna war grausam, weil wir uns in eine lange Schlange stellen mussten zum Abduschen, es war so kalt! Jeden Abend hab ich mich vor Heimweh in den Schlaf geweint. Gingen wir wandern, mussten wir alle singen. "Im Frühtau zu Berge" - der Negativ-Anker bis heute schlechthin. Das Essen musste aufgegessen werden, Erbrochenes selbst aufgewischt werden, mindestens. Ich flehte Kinder an, die schreiben konnten, dass sie meinen Eltern eine Postkarte schreiben, Um mich da sofort rauszuholen. Das hat leider nicht funktioniert. Der Zeitgeist war auch leider so, dass Kinder nicht viel wert waren.

Dieses Gemisch hat mich sehr sensibel werden lassen, doch hab ich einen ebenso ausgeprägten Kampfgeist entwickelt und bin meinen Weg gegangen als selbstständige Frau und Gewerkschafterin. Ich begrüße es sehr, dass diese menschenfeindlichen Praktiken ans Tageslicht geholt werden! Danke.
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Caro schrieb am 13.06.2020
Ich wurde im Jahre 1964 imAlter von fünf Jahren zur "Erholung" nach Eckernförde verschickt, dort wurde ich zum Essen gezwungen, musste meine Erbrochenes essen. Jeden morgen wurde ich vonm Heimleiter persönlich auf den nackten Po geschlagen, weil ich vor Angst ins Bett gemacht hatte, ich wurde im Zimmer eingesperrt, von den " Tanten " verhöhnt und zum Beten gezwungen. Ich durfte keien Kontakt zu meinen Eltern aufnehmen. Das Heim war kirchlich und wurde von der inneren Mission betrieben. Nach dieser "Erholungsreise" litt ich Jahrzehnte lang unter Alpträumen, Angstattacken und Siuzidgedanken.
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Petra D. schrieb am 12.06.2020
Kinderkur 6 Wochen Norderney 1965. Ich war 4 einhalb Jahre alt. Auf meiner Bettdecke war ein Fleck von einem Karamellbonbon. Hatte ich nicht gemacht, ich hatte gar kein Bonbon bekommen. Aber die Strafe dafür bekam ich. Abends musste ich alleine sitzend auf einem Stuhl auf dem Dachboden verbringen die ganze Nacht hindurch. Und es war ein schweres Gewitter. Das werde ich nie vergessen. Ich kann bis heute nicht alleine auf Dachböden gehen. Ein ganz mulmiges Gefühl.
Das Gruppenbild am Anfang dieser Website mit den 2 Frauen und den Kindern, die Dame mit den schwarzen Haaren habe ich sofort wieder erkannt. Die muss 1965 noch da gewesen sein. Wir waren im Hallenbad und ich konnte nicht schwimmen. Bin wohl etwas ins tiefe Wasser geraten und dabei fast ertrunken. Sie hat es Gott sei Dank bemerkt und mich raus gefischt und mir quasi das Leben gerettet. Damals gab es keine Schwimmflügel. Weiß zufällig jemand, der auch in diesem Kinderkur heim auf Norderney war, wie diese Dame hieß? Ich wurde von Lünen/NRW aus verschickt. In Dortmund am Hauptbahnhof bekamen wir alle blaue Halstücher um.
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Astrid schrieb am 11.06.2020
Ich wurde als Kind in unterschiedlichen Kinderkurheimen gedemütigt, unangemessen bestraft und allein gelassen.
 
Genaue Angaben über Zeitraum und Heimort kann ich nur bedingt machen, weil ich mehrfach verschickt wurde Ende der 50ger/Anfang der 60ger Jahre. Eigene Recherchen brachten mich noch nicht wirklich weiter. Ich war mehrfach auf Föhr und im Raum Lübeck. Das „Schloss am Meer“ habe ich auf Fotos anderer Verschickungskinder wieder erkannt, auf einem bin ich mit abgebildet.
Es gab Blumenkohl, da waren schwarze Käferchen drin. „Stell dich nicht so an! Iss gefälligst!“
Ich habe es versucht, dann musste ich spucken. Eine sogenannte „Tante“ setzte sich neben mich und passte auf, dass ich das Erbrochene wieder aß.
Ich rutschte auf dem Po die Dünen runter. Die Kleidung wurde schmutzig.
Danach wurde ich zum Spaziergang nicht mehr mitgenommen, lag ganz allein in einem großen Zimmer mit Gitterbetten. Ich habe eingenässt – wurde geschimpft. Man hat mir die Hände am Gitter festgebunden, weil ich die Nägel abgekaut habe und mich weinend zurückgelassen.
Bei einem Heimaufenthalt wurde ich krank und über lange Zeit ganz allein in einem großen Raum gelassen. Wie lange das dauerte, weiß ich nicht. Meine Hände wurden „verbunden“, damit ich nicht Nägel kaue.
Es war ein anderes Heim, ich glaube, ich war älter. Als Kleinste in der Gruppe wollte ich den Mädchen dazu gehören: Trau dich doch!
Ich sehe den Schlafraum genau vor mir: Dort waren Holzbalken und  links neben meinem Bett war ein Loch im Boden neben dem Holzbalken. Ich konnte sehen, wie die „Betreuer/innen“ unten Karten spielten, irgendwas tranken und lachten. Ich habe einen  Papierknödel durchs Loch geschubst, mehr nicht.
Barfuß und nur im Nachthemd wurde ich in der Nacht in den Waschraum gestellt auf diese Holzgitter vor den Steinbecken. Ob der Waschraum im Keller war oder ebenerdig, weiß ich nicht mehr. Es fühlte sich an wie nasser, kalter Keller.
Mir wurde ein Kopfkissen über den Kopf gezogen. „Wag es nicht, dich zu rühren!“ Ich hatte furchtbare Angst, es war kalt und feucht, ich fühlte mich verlassen, es dauerte „eine Ewigkeit“.
Mit Sicherheit haben diese Erlebnisse Spuren hinterlassen.
Ein Danke an alle, die sich an der Aufarbeitung beteiligen.
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Andreas Schabert schrieb am 08.06.2020
Meine Kindheit (Jahrgang 60) war geprägt und traumatisiert von 6 Aufenthalten in sogenannten Erholungsheimen.
 
Im Alter von 2 Jahren wurde bei mir Asthma diagnostiziert, daraufhin wurde ich für 3 Monate nach Scheidegg im Allgäu gebracht, ein Jahr später noch einmal, genausolang genau dorthin. Heimweh zu haben war dort verboten: weinen war verboten, das Wort „Mama“ war verboten. Meine Eltern durften mich einmal, nach 6 Wochen, besuchen: meine Mutter sprach ich dann mit Tante an, ebenso nachdem ich wieder daheim war.
Bis Abschluss der Grundschule kam ich noch 4 weitere Male in (andere) Heime, jeweils für 6 Wochen.
Heimweh im doppelten Sinn, war die ganze Kindheit und Jugend sehr stark ausgeprägt, Essenszwang und der ganze damals übliche Scheiss.
Ich war durch diese Erlebnisse ein ängstliches, schüchternes Kind ohne Selbstvertrauen, als Jugendlicher und junger Erwachsener dann extrem rebellisch. Die Erinnerungen waren natürlich verschüttet, verdrängt, und kamen erst im Erwachsenenalter in einer Therapie wieder an die Oberfläche.
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Gerd Rudolf Scholz schrieb am 07.06.2020
Ich wurde 1951 wegen latenten Untergewichts von der Bundesbahn-Kasse für 4 Wochen an das kath. "Erholungsheim" Santa-Maria auf Borkum geschickt. Der Aufenthalt war eine reine Katastrophe. Nur Versager: Die Nonnen, die Mitarbeiterinnen (etwa 15 Jahre alt), der Arzt und jegliches Personal.
Nach 4 Wochen wurde ich von den Nonnen in Emden-Außenhafen meinen
entsetzten Eltern übergeben. Ich hatte 41 Grad Fiber und brach etwa alle 15 Minuten zusammen. Die Nonnen hatten mich auf der Überfahrt durch viele Ohrfeigen wieder zum Bewusstsein erweckt.
Ich kam dann in Brake für 10 Wochen ins Krankenhaus wegen einer akuten Lungen-und Rippenfell-Entzündung. Bis zu meinem 21 Lebensjahr
musste ich jährlich zu einem Lungenfacharzt gehen, um mich röntgen zu lassen.
Als ich 1970 in den Schuldienst eintreten wollte, wurde ich wegen der Schatten auf der Lunge zunächst nicht zugelassen.
Mehr morgen.
Vg G. S.
 
 
 
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Gabriele Lachmuth schrieb am 06.06.2020
Ich war erst drei Jahre alt als ich von dem Arzt meiner Eltern verschickt worden bin. Der Grund war, dass ich für mein Alter zu klein und zu dünn war. Ich muss auch noch kurz vor der Einschlung mal irgendwohin versickt worden sein. Mir fehlen diesbezüglich die Erinnerungen. Ich wurde in den Schwarzwald verfrachtet und ich kann mich so gerade erinnern, dass ich immer viel Essen musste und wohl viel geweint habe, da ich großes Heimweh hatte. Ich war 6 Wochen von zu Hause weg und das war für so einen Knirps eine lange Zeit.
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Claudia Schipper schrieb am 05.06.2020
Moin,

immer wieder stolpere ich in die damalige grausige Zeit als gerade mal 4 Jährige 🙁 .

Mein Bruder(5) und ich alleine im Zug von Oldenburg nach Wangerooge...ein Gefühl,als schicke man uns ins Nirgendwo und Nimmerwiedersehen!

6 Wochen lang sah ich unter den hunderten Kindern meinen Bruder nicht wieder...Horror.

Folter,Härte,Lügen,Missbrauch und Demütigung ... und irgendwie die Kraft es zu durchstehen.

Nie wieder und nichts war(s) hinterher wie davor 🙁 .

Zum Glück hatte ich trotzdem soviel Sonne in meinem Herzen,dass mein Leben durch diese grässlichen 6 Wochen nicht dunkel wurde.

Claudia Schipper

*Danke Anja Röhl*
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Dagmar Greener schrieb am 05.06.2020
Ich wurde auch als Kind nach einer längeren Erkrankung(Mandeln) für 6 Wochen zur Kur an die Ostsee geschickt. Das Heimweh war unerträglich. Post nachhause wurde auch kontrolliert.Ich habe erst wieder heute in unserer Lokalzeitung von *Verschickungskindern*gehört. Leider ein Plus +"Artikel.
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Rainer Wrenger schrieb am 04.06.2020
Hallo Zusammen,
 
gut das es diese Seite gibt, liebe Frau Röhl ganz herzlichen Dank dafür.
 
War 1974 im Alter von 10 Jahren im Schwarzwald im Haus Sonnenberg in Bad Ripolsdsau. Habe gerade einen Artikel gelesen wo die Historie dieses Hauses gewürdigt wurde, mir ist fast schlecht geworden. War zwar kerngesund aber zu dünn. Wie bei allen anderen auch, lange Zugfahrt mit fremder Person. Als man ankam musste man sich in einem kalten Raum nackt ausziehen und vor den Augen einer Nonnen in einer eiskalten Badewanne waschen. 6 Wochen lang ellenlange Spaziergänge durch den Schwarzwald mit verodneter Mittagsruhe und Ohrfeigen wenn man während der Mittagsruhe gesprochen hat. Der Teller musste immer unter Androhung von körperlicher Gewalt leer gegessen werden. Am gleich Tisch saßen auch die zu dicken die nach stundenlangen Spaziergängen im Schwarzwald nur eine halbe Scheibe Brot zu essen bekamen. Teilweise haben wir uns ausgeholfen wenn niemand geschaut hat, es war aber immer mit einem Risiko verbunden. Bekomme heute teilweise bei Rübensirup noch Würgreize das Zeug gab es leider zum Frühstück. Der Essensraum war im Obergeschoss des Hauses. Habe mich damals sehr vor Leber geekelt, dachte mir immer wenn es Leber zum Essen gibt ist der einzige Ausweg das ich mich aus dem Fenster stürze, heute ist mir dieser Gedanke abwägig habe aber jeden Abend beim Abendessen überlegt wie ich am schnellsten zum Fenster komme. Es gab nie Leber, aber es hat mich jeden Abend beschäftigt da ich keinen anderen Ausweg sah. Teilweise habe ich die Nahrung mit Luftanhalten einfach runtergeschluckt wenn ich das Essen nicht mochte. Habe mich damals als Kind schon sehr vor Butter geekelt, einmal musste ich eine halbe Scheibe Brot essen die ca. 1cm, dick nur mit Butter bestrichen war. Habe selbst gesehen wie ein Kind das einen Apfel den es nach ein paar mal Abbeissen in einen verdeckten Mülleimer geworfen hatte, wieder herausnehmen musste und völlig verdreckt so aufessen musste. Das schlimmste war das Heimweh und die Nachrichtensperre, alle Briefe wurden zensiert, nur positive Nachrichten durften geschrieben werden. Einmal haben meine Eltern mich angerufen habe nur geweint und kein Wort rausgebracht. Meine Schilderungen nach der sogenannten Kur wurden nicht gehört. Als damals die Berichte von Misshandlungen in Einrichtungen der Katholischen Kirche hochkamen hatte ich schon überlegt noch rechtliche Schritte im Nachhinein gegen die Einrichtung zu unternehmen, habe es aber aus Zeitgründen verworfen.
 
Liebe Grüße an alle und gut das man das ganze mal loswerden konnte !
Rainer
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Marianne Moshage schrieb am 04.06.2020
Heute lese ich in der Lippischen Landeszeitung, dass das Kinderkurheim, Haus Detmold des Kreises Lippe auf Norderney nicht in Verruf geraten sei. Das kann ich mir nicht vorstellen, da ich im Jahr 1958 nach einer MandelOP mit 9 Jahren dort für 6 Wochen zur Kur weilte. Ich habe die selben schlimmen Erfahrungen gemacht wie all die anderen, die hier berichten. Meine Tischnachbarin hatte jede Mahlzeit ausgebrochen und musste dieses "Essen" wieder "aufessen"! Manchmal flog von diesem Erbrochenen etwas auf meinen Teller. Meiner Tischnachbarin wurden dann irgendwelche Medikamente verabreicht.
Mittags mussten wir für 2 Stunden zum Mittagsschlaf . In dieser Zeit durften wir nicht zur Toilette. Wenn sich jemand einnässte, wurde er draußen im Gang, wo auch die Garderobenhaken waren, hingestellt und wir alle sind nach dem Mittagsschlaf an ihm vorbeigegangen um den "Bettnässer" zu sehen! Da flossen ganz oft Tränen. Des weiteren durften wir nur Briefe an die Eltern mit Bleistift schreiben, damit hinterher korrigiert werden konnte. Und das Schlimme an der Sache ist, dass die Eltern, denen man nach der Kur davon berichtete, alles nicht glauben wollten. Ich habe eine 6 Jahre jüngere Schwester, die auch im Alter von 9 Jahren in diesem Haus zur Kur war. Sie hat mir auch 6 Jahre danach von genau denselben Grausamkeiten berichtet. Ich kann diese Zeit nicht vergessen.
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Klaus Bornewasser schrieb am 02.06.2020
Nach einer längeren Erkrankung in der zweiten Jahreshälfte 1959 oder 1960 wurde ich von der Barmer Ersatzkasse, der Krankenkasse meiner Eltern, im November 1959 oder 1960 für sechs Wochen in ein Kindererholungsheim nach Wyk auf Föhr geschickt. Vor Weihnachten 1959 (1960) wurde ich nach Hause entlassen. Ich meine, ich sei damals 9 Jahre alt gewesen, dann war es 1959.

Ich erinnere mich an einen langen Weg in Zweierreihen vom Hafen zu unserem Haus, ob es zwischendurch eine Busverbindung gab, weiß ich nicht mehr. In dem Haus wohnten wir in Mehrbettzimmern, Nacht- und Mittagsruhe mussten strikt eingehalten werden. Wer dies nicht befolgte, bekam eine Ohrfeige oder musste eine Zeit lang neben dem Bett stehen.

Es gab täglich einen geführten Ausgang in Zweierreihen – mal zum Meer, mal in den Ort, mal rund ums Haus – wer „aus der Reihe tanzte“ wurde recht unsanft zurückgestoßen und/oder angeschrien. Mir erging es auch einmal so, verbunden mit einem Sturz beim Zurückstoßen in die Reihe. Es geschah, als ich gedankenverloren und voller Staunen den zum Eingangstor umgewandelten Kiefer eines Wals vor einem Reetdachhaus irgendwo in Wyk betrachtete. Ich wurde sehr grob in die Reihe zurückgerissen, fiel dabei sehr schmerzhaft und wurde angeherrscht, ich solle mich nicht anstellen. Danach bin ich nie mehr aus der Reihe getanzt und hatte auch keinen Spaß mehr an den Ausgängen.

Besonders das tägliche Mittagessen war eine Tortur! Es gab Speisen zu essen, die ich in ihrer Art oder auch so schlecht gekocht von zu Hause her nicht kannte. Ich erinnere mich besonders an Labskaus, eine irgendwie klebrige, übel riechende Masse mit viel Roter Bete, anderen klein geschnitten Zutaten und klein geschnittenem Fisch (vielleicht auch Fischresten), die ich kaum essen konnte, weil sie schon fast wie Erbrochenes aussah, andere nicht gut riechende Fischgerichte und Möhreneintopf, der meistens schrecklich salzig war. So kam es mehrfach vor, dass ich mich beim Essen übergeben musste. Man bestand darauf, dass ich meinen Teller leer aß, auch mit Erbrochenem und oft weit über die Essenzeit hinaus. Man durfte erst aufstehen, wenn der Teller leer war. Das passierte täglich mehreren Kindern, auch mir immer wieder. Ich kann mich daran erinnern, dass ich mindestens zwei oder dreimal so lange im Essraum sitzen bleiben musste, bis es draußen dunkel wurde.

Wenn wir Karten nach Hause schrieben, wurde dies in unserem Beisein kontrolliert. Wer etwas von schlechtem Essen o. Ä. schrieb, bekam eine neue Karte (die beschriebene Karte wurde zerrissen) mit dem lauten Hinweis, man solle nur Schönes schreiben, damit sich unsere armen Eltern keine Sorgen machen müssten. Außerdem dürften wir ja nicht lügen, es sei schließlich alles in Ordnung!

Der Name meiner damaligen Betreuerin war m. E. nach Ute S. (der vollständige Name ist der Initiative bekannt).

Bis heute kann ich weder Rote Bete oder damit Zubereitetes, Labskaus noch Möhreneintopf essen, obwohl Letzterer vorher eines meiner Lieblingsessen war. Auch Fisch, normalerweise sehr gesund, ist bis heute für mich nur mit Überwindung zu essen, wenn es gar nicht anders geht.

Ich sollte ein paar Jahre später (1963) noch einmal eine Kinderkur machen, habe mich damals aber mit Händen und Füßen dagegen gewehrt – letztendlich erfolgreich. Meine Mutter hat damals dann mit mir zusammen über die BEK eine Kneippkur gemacht.

(Klaus Bornewasser, Jahrg. 1950)
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Dine schrieb am 02.06.2020
Hallo zusammen.

Ich bin 1976 im Alter von 5 Jahren in ein Heim im Sauerland geschickt worden. Ich weiß nicht mehr viel darüber, werde mich aber ans Einwohnermeldeamt in Essen wenden, um mehr darüber zu erfahren, wo es genau war.

Meine Mutter konnte mir dazu nicht viel sagen. Nur dass sie den Tanten gesagt hat, sie sollen sie benachrichtigen, wenn es mir nicht gut geht und sie würde mich dann abholen. Ihr wurde versichert, dass man sich nach meiner Ankunft bei ihr melden würde, was nie gemacht wurde. Auch wenn sie anrief, durfte sie nie mit mir sprechen, es ginge mir gut, das wars an Info.

Ich weiß, dass ich oben in einem Bett geschlafen habe und furchtbares Heimweh hatte. Auch dass ich dort angefangen habe, einzunässen. Dass ich dann unter Aufsicht duschen und mich mit einem Stück Seife so lange einseifen musste, bis ich "weiß wie ein Schneemann" war. Dann wurde ich mit kaltem Wasser abgebraust.

Ans Essen kann ich mich nicht erinnern, auch nicht an andere Kinder. Im Bett habe ich mich in meinem Bettbezug versteckt, jede Nacht, und die Knöpfe abgetreten, wofür es Ärger gab. Wie genau der Ärger aussah, weiß ich nicht mehr. Ich habe viel vergessen, oder verdrängt?

An kurz nach dem Aufenthalt, wieder Zuhause, habe ich eine deutliche Erinnerung, dass ich ein Baby im Kinderwagen vor unserer Haustür auf den Po gehauen habe, weil es gewimmert hat. An die Wut in meinem Bauch in dem Moment habe ich auch noch lebhafte Erinnerungen. Meine Eltern haben mich nie geschlagen, bzw extrem selten, vllt einmal ein Klapps auf den Po...

Bis heute habe ich Angst im Dunkeln, leide an, zum Glück mittlerweile kurzen dissoziativen Zuständen und werde immer noch wütend, wenn Kinder weinen. Gott sei Dank für meine Kinder, habe ich diese Wut im Griff, aber oft fällt mir angemessen trösten schwer. Es ist dann so, als ob ich in diesen Momenten nicht ich bin, so verrückt sich das anhört. Besonders schwer fällt mir das bei kleinen Mädchen, ich habe eine kleine Pflegetochter, wegen der ich jetzt auch in therapeutischer Behandlung, weil sie wohl einiges triggert, und 3 eigene Jungs.

Mir fehlen viele Puzzleteile in meiner Erinnerung, das beschäftigt mich sehr und ich glaube, dass viel von dem Aufenthalt im Heim damals herrührt...
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Rudolf Borcherding schrieb am 29.05.2020
Ich bin 1963 mit 9 Jahren für 30 Tage auf die Insel Langeoog verschickt worden. Die Verschickung wurde vom Gesundheitsamt Minden/Westf. durchgeführt. Ich wurde verschickt
weil ich permanente Probleme mit den Mandeln hatte.
Leider weiß ich nicht mehr welchen Namen das Heim hatte.
Wo ich mich noch dran erinnern kann, ist dass wir jeden Mittag schlafen mussten, was ich von zu Hause nicht gewöhnt war. Wer nicht geschlafen hat, musste sich in eine Ecke stellen. Die Fenster in unseren Zimmern wurden mittags mit Decken zugehängt.
Wenn wir aus dem Haus gingen, mussten wir zu zweit Hand in Hand gehen.
Das Essen war nicht das beste, es gab viel Haferschleim. Bei einem Spaziergang mit der Gruppe, Hand in Hand, habe ich eine Kornähre ausgezupft, eine Dame hat das gesehen und ich bekam abends keine Essen.
Die Damen die für uns zuständig waren sehr streng.
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Michaela Linsner schrieb am 29.05.2020
Ich kann Jochen Pfeifer nur beipflichten: War auf Norderney, Haus Nordstrand, Dezember 1968 bis Januar 1969, sechs lange Wochen, ich war acht Jahre alt. Schon die Bahnfahrt dahin war ein Marthyrium. Eine Aufsichtsperson, eine ältere Frau, verteilte als Proviant Honigkuchen, den mochte ich nicht, und schon gab es die erste Schelle, und nachfolgend für den Rest der Reise nichts zu essen. Die Überfahrt mit der Fähre von Wilhelmshafen - glaube ich jedenfalls zu erinnern - war eine Katastrophe: Beinahe alle Kinder waren seekrank, und keinen hat es interessiert... Angekommen auf Norderney ging es ins "Erholungsheim" Haus Nordstrand. Ich war ein sportliches, mageres Kins, angeblich hatte ich Haltungsschäden und war zu leicht. Meinen Eltern kam es recht, denn mein Papa arbeitete bei der Stadt, und die zahlte den Aufenthalt soweit ich weis. Meinen Eltern kann man keinen Vorwurf machen, die dachten ja, es wäre zu meinem Besten. Wir wurden in die Zimmer aufgeteilt, dabei handelte es sich um Schlafräume für jeweils 5 bis 6 Kinder, es gab aber auch noch größere Räume. In meinem Schlafraum war ein Mädchen mit Übergewicht eingeteilt, sie hatte schlimmes Heimweh schon vom ersten Tag an, vermisste ihre Oma sehr, denn die war wohl ihre einzige Bezugsperson. Wenn sie nachts weinte kam eine der sogenannten "Tanten" rein und schrie sie an, und befahl ihr, wenn sie schon rumheulen müsste, solle sie sich das Kissen auf den Kopf legen, damit sie nicht das ganze Haus zusammen plärrt. In den ersten Nächten konnte ich überhaupt nicht schlafen vor lauter Angst. Das Essen war widerlich, und wenn man es nicht aufaß, bekam man es zum Abendessen, zum Frühstück, zum Mittag... immer wieder vorgesetzt, bis es aufgegessen war. Besonders gemein war, dass die Kinder, die abnehmen sollten, mit denjenigen, die zunehmen sollten an einem Tisch saßen. Kamen "Care-Pakete" von zuhause wurden die konfisziert, und man bekam das nie zu gesicht. Angeblich wurde das in einem Schrank aufbewahrt, um es dann an alle Kinder gleichmäßig zu verteilen. Nach meiner Rückkehr fragten mich meine Eltern nach einem Päckchen, das sie mir zu Weihnachten geschickt hatten, das war bei mir nie angekommen. Wenn wir Postkarten oder Briefe schrieben, wurde die gelesen, und manchmal musste man eine neue Karte schreiben, wenn man den Eltern mitteilen wollte, dass man nach Hause wollte etc. Danach gab es Repressalien. Draußen am Strand waren wir in den sechs Wochen vielleicht drei oder vier Mal. Ganz schlimm war es auch, als eine Sturmflut war, und wir alle auf dem Dachboden eingepfercht wurden - zu unserer Sicherheit - wir alle hatte solche Angst. Die "Tanten" waren streng bis bösartig, bestraften scheinbar gerne, irgendwann ergriff auch mich das Heimweh, und ich musste weinen, und schwupps das Kissen auf den Kopf, natürlich nach einer gehörigen Standpauke. Abends mussten wir singen, wer nicht mitmachte wurde bestraft. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich gar nicht, dass ich überhaupt singen kann, da kann man sehen, dass man in der Angst über sich selbst hinaus wächst, mit dem Erfolg, dass ich dann die Solostimme singen musste, das war so fürchterlich, diesem Zwang untergeordnet zu sein, dass ich seit dem gar nicht mehr singe.Eine einzige "Tante" war lieb, das war die Tante Kling. Sie war eine junge Frau mit langen dunklen Haaren, und sie hat uns immer getröstet, wenn wir Angst hatten, Heimweh oder traurig waren. Tante Kling war dann plötzlich nicht mehr da. Ich habe mich Zeit meines Lebens bemüht, die Erlebnisse zu begraben, die Demütigungen, die Angst, der Ekel... Ich habe aus Angst damals meinen Eltern nichts erzählt, ich wusste ja nicht, dass sie mit den Geschehnissen auf Norderney nichts zu tun hatten, ja nicht einmal ahnten, was da passierte. Sie haben ja immer nur Postkarten bekommen: "Liebe Mama, lieber Papa, liebe Sabine, hier ist es schön und mir geht es gut."
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Jochen Pfeifer schrieb am 28.05.2020
Kinderkurheim der Stadt Wuppertal auf Norderney 1965: meine Eltern haben mich in den Zug gesetzt mit Tasche Koffer und Reiseproviant. Die Notwendigkeit der Verschickung wurde mir erklärt mit meiner schwächlichen Gesundheit. Ich sollte mich erholen, Gewicht zunehmen; Zeit am Meer verbringen. Ich war 6 Jahre alt und ohnehin schon sehr ängstlich und scheu. Den Bahnhof und die Abfahrt des Zuges kann ich noch klar erinnern. Danach gibt es über die gesamte Zeit von 6 Wochen nur einige wenige Erinnerungsfetzen. Aus den vielen Berichten hier auf dieser Seite kriecht mich nur die Atmosphäre blanken Entsetzens an, die ich ein Leben lang empfunden habe beim Gedanken an Norderney.
Einige der Berichte lösen vage Bilder aus: Postzensur; konfiszierte Pakete; regulierte Toilettengänge mit Schlange stehen vor den Toilettenkabinen ohne Türen. Schlafräume ohne Privatspäre. Viel erschreckender als die wenigen Momente die ich erinnern kann, ist die Tatsache dass ich mich an fast nichts erinnern kann aus 6 Wochen Aufenthalt am Meer. Am Meer bin ich mit Sicherheit nicht einmal gewesen. An einige Spaziergänge im Park an einem Teich erinnere mich sonst waren wir immer nur im Haus. Für einen Kuraufenthalt in einem Klima-Kurort etwas dürftig. Gruseliges Essen in Form von Brei oder Suppe (wahrscheinlich hauptsächlich billig).
6 lange Wochen Isolationsfolter mit permanenter Demütigung und ständiger Strafandrohung. Das ist der emotionale Inhalt der mir aus diesem Erlebnis verblieben ist. Die Inhalte hab ich fast vollständig aus meinem Gedächtnis getilgt. Das ist die eigentliche Last die ich bis heute ertrage wenn ich nur den Namen Norderney höre: ein kleines schwarzes Loch in meinem Kopf. Wie frühkindliche Demenz - da war war mal etwas aber ich weiß es nicht mehr. Die Gefühle die daraus entstanden sind pures Entsetzen; Einsamkeit, Wut und Empörung.
Kleine Kinder werden wie Gepäckstücke in Züge gestaut und durch das Land verschickt. Empathie-freie Elternteile machen kritiklos was der Arzt oder der Pastor sagt. ( Froh die Bälger mal los zu sein; oder: hat uns ja auch nicht geschadet; oder auch in echter Sorge um kränkliche untergewichtige KInder, aber ohne weiter nachzudenken wo das Kind eigentlich hin geschickt wird und wie das Kind damit fertig wird.
Für die Heime und Einrichtungen ein prima sicheres Geschäft (das erklärt die von fast allen Betroffenen berichtete Postzensur / die Einnahmequelle darf nicht durch Kindergejammer gefährdet werden) Die "Erzieher" können straffrei ihre in Nazi-Zeit erworben eigenen Traumata an hilflosen neuen Opfern abarbeiten. Die theoretischen Grundlagen der schwarzen Pädagogik wurden noch in den 90er Jahren an Hochschulen unterrichtet und wurden als Fachbücher herausgegeben.
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Ulrike Bahri schrieb am 28.05.2020
Mein Mädchenname war Ulrike Brülls aus Aachen. Von November bis Weihnachten 1963 verbrachte ich 6 Wochen im Schloss am Meer in Wyk auf Föhr. Die Barmer Ersatzkasse bezahlte den Aufenthalt, unser Hausarzt schickte mich dorthin, weil ich zu dünn war.

Alle eure Erinnerungen teile ich, die Zensur der Postkarten, den Grießbrei, in den man sich erbrach und dann wieder essen mußte, den Milchreis etc. Ich will nicht alles wiederholen. Mein Glück war wohl, dass ich schon 9 Jahre alt war und in der Gruppe der älteren Mädchen. Aber auch wir mussten in der Veranda Mittagsschlaf halten. Ich erinnere mich, dass wir oft im Wald Völkerball spielten und auf dem Rückweg singen mussten: Hejo holt den Wagen ein... und wenn die bunten Fahnen wehen... Lieder, die ich dort lernte und vorher nicht kannte. Eines Tages, wir bastelten, sagte uns Tante Gudrun, dass Kennedy erschossen wurde und es wohl Krieg geben würde. Mir war durch Unterhaltungen meiner Eltern der Begriff „Kubakrise“ bekannt. Ich hatte große Angst. Das vergesse ich nie.

Ich habe noch einige Fotos von damals auf denen auch Personen aus meiner Gruppe sind. Ich stelle sie gerne zur Verfügung, vielleicht erkennt sich jemand.
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Roland schrieb am 28.05.2020
Ich bin 1958 geboren und mit 5 Jahren, kurz vor der Einschulung, für 6 Wochen nach Berchtesgaden geschickt worden, weil ich angeblich zu dünn war. Diese 6 Wochen haben mich so sehr traumatisiert, dass ich mein halbes Leben damit verbracht habe, alles aufzuarbeiten und zu verarbeiten. Dies hat mich so viel Energie und Zeit und Geld und Lebeńsfreude gekostet, dass ich jetzt, wo das Thema sogar in der Tagesschau war, eine Rente fordere. (Die Details habe ich auf unzähligen Seiten niedergeschrieben in den Zeiten meiner Aufarbeitung als Erwachsener). Genau wie andere Folteropfer, die z.B. in DDR Gefängnissen misshandelt wurden, sie auch bekommen. Diese Zustände müssen, egal wo, gestoppt und beendet werden. Und für alle Geschädigten muss eine Wiedergutmachung gezahlt werden vom Staat, der diese Heime ja schließlich erlaubt und gefördert hat. Dabei helfe ich gerne, mit den bescheidenen Mitteln die mir zur Verfügung stehen, mit.
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Gänseblümchen schrieb am 28.05.2020
Meine Schwester und ich waren 1951/52 (im Alter von 6 und 7 Jahren) im Helenen Kinderheim in Bad Pyrmont. Geschlafen wurde in einem 10 Bettenzimmer, mit 2 Waschbecken.
Der Frühstücksraum war sehr groß - wir saßen an langen Bänken. Die Butterbrote waren geschmiert und lagen für jeden auf einem Teller.
Ich war ein schlechter Esser - ich mochte sehr wenige Sachen.
So passierte es immer wieder, dass es grobe Leberwurst (mit dicken Fettstücken) gab.
Bevor ich die gegessen hätte, hätte ich mich "totschlagen" lassen. Wir mußten den Teller
aber leer essen. Meine Schwester (1Jahr älter als ich) half mir dabei - wenn es möglich war, damit es nicht wieder Schläge gab. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass ich einmal
so eine Ohrfeige bekommen habe, dass das Butterbrot aus meiner Hand - durch den Ess-
raum flog.
Das Mittagessen gestaltete sich ähnlich. Erinnere mich noch sehr gut an eine Tomatensuppe - auch nicht mein Ding - so versuchte meine Schwester mir wieder zu helfen - aber sie konnte auch nicht alles bewältigen. Irgendwann habe ich es dann geschafft "aussortiert" zu werden und musste mit einigen anderen "bösen" Kindern an den Spezialtisch. Für mich als 6-jährige war das eine schlimme Bestrafung - dort ohne meine Schwester zu sitzen.
Erinnere mich noch gut daran, dass ein Mädchen eine Karte an ihre Eltern geschrieben hatte, um die dortigen Zustände mitzuteilen und nach Hause geholt zu werden. Sie hatte diese Karte allerdings - wegen der fehlenden Briefmarke - bei den Tanten abgegeben und um eine Briefmarke gebeten. Diese Karte wurde dann beim Mittagessen den Kindern vorgelesen. Dieses Mädchen kam auch an den "bösen" Tisch.
Zur Toilette ging es nur zu bestimmten Zeiten, die Toiletten waren draußen und hatten keine Türen. Wir waren ja als Geschwister "privilegiert" und einer konnte sich immer vor die Türe stellen, wenn der andere sein Geschäft verrichtete.
Mittags musste geschlafen werden und da durfte auch keiner aufstehen, um evtl. zur Toilette zu gehen. Neben mir schlief ein ungefähr gleichaltriges Mädchen, die jeden Mittag ins Bett machte.
Spaziergänge wurde auch gemacht, aber immer nur zum Schloss, weil die Tante dort ihren "Schatz" besuchte
Es war für uns Kinder eine ganz schlimme Zeit, wir konnten unseren Eltern erst davon berichten, als wir wieder nach Hause kamen.
Das Heim ist nach unserer Kur geschlossen worden. Welch ein Segen!!!!
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Nicole schrieb am 28.05.2020
Hallo, mein Name ist Nicole und ich weiß seit gestern wieder, dass ich ein Verschickungskind war. Gestern Mittag sah ich einen Bericht im ARD Mittagsbufett über Verschickungskinder. Bis zu diesem Report kannte ich diese Bezeichnung nicht und bis zu diesem Report habe ich diesen Teil meines Lebens wohl verdrängt. Nun saß ich vor diesem Report und brach in Tränen aus. Plötzlich erlebte ich alles noch einmal. Ich möchte Zeugnis ablegen und möchte mich befreien. Bis gestern war ich allein und heute sind wir viele. Ich weiß nicht ob dieses Trauma der Auslöser für weitere Traumata und Depressionen war oder ist, aber seit gestern weiß ich erst wieder davon und werde versuchen es zu bearbeiten und verarbeiten.
Ich war 9 Jahre alt und war in Haffkrug im Haus Marion. Ich kann mich an die Zugfahrt erinnern. An viele andere Verschickungskinder und meine Angst. Es gab kein Begleitpersonal. Nur ein Schaffner schaute gelegentlich nach uns. Dann erinnre ich mich erst wieder an das Haus. An die Treppe die zu den Schlafsälen führte. An den Waschraum und an den Speisesaal. Ich erinnere mich an das Zimmer in dem meine Läuse ausgiebig behandelt wurden. Ich erinnere mich an eine Flasche Essig die damals genauso aussah wie heute. Heute weiß ich, dass es Essig-Essenz war. Ich musste im Schlüpfer dort Sitzen und bekam den Inhalt der Flasche auf den Kopf. Es lief an meinem Körper herunter und es fing an zu brennen. Ich weinte und wurde angeschrienen. Mit einem Läusekamm wurden meine etwa längeren Haare den Rücken runter gekämmt. Diese Tante kämmte so fest das es schmerzte und der Essig in den Wunden brannte. Diese Traktur hatte ich mehrfach. Wegen der Läuse durfte ich nur auf Müllsäcken schlafen. Im Speisesaal musste ich eine Duschhaube tragen. Ich durfte nicht einmal ein Handtuch darüber wickeln.

Ich war klein und dünn und da hieß es zwei Portionen essen. Die Übergewichtigen Kinder saßen mit den Untergewichtigen Kindern zusammen. Man kann sich vorstellen wie schlimm das war. Mir wurde das essen rein gezwängt und die Kräftigen litten unter Hunger. Mehrfach habe ich das Essen erbrochen. Meist saß ich bis zum Abendessen. Während zur Kaffeezeit Kuchen serviert wurde saß ich noch vor kalter Leber mit Spinat. Auch diese habe ich erbrochen.

Ziemlich am Anfang musste ich nachts auf die Toilette. Als ich nicht mehr einhalten konnte schlich ich mich zur Toilette. Natürlich wurde ich erwischt. Die Strafe war schlimm. Am nächsten Tag wurde im Speisesaal vor allen Kindern gesagt, dass ich ein Baby sei und noch ein Töpfchen brauche. Mir wurde dann feierlich ein Nachttopf überreicht. Ich habe mich einfach nur geschämt. Den ganzen Aufenthalt fühlte ich mich beobachtet. Ich dachte alle lachen über mich. Das Läusemädchen mit dem Nachttöpfchen.

Ich hatte schon damals das Gefühl, dass es nicht rechtens ist, was mir dort angetan wurde. Ich wäre am liebsten gestorben, abgehauen oder zur Polizei gegangen. Ich wollte mein Taschengeld den Tanten geben damit Sie mich in Ruhe lassen. Die eine meinte nur das sei zu wenig. Ich habe meiner Oma geschrieben, sie solle mir mehr Geld schicken. Aber auch für 75 DM wollten die nicht nett zu mir sein. Sie lachten mich aus.

Ich kann heute nicht mehr genau sagen, ob sie nur zu mir so waren oder auch zu den anderen Kindern. Damals hatte ich das Gefühl, dass es wegen meinen Läusen war. Ich glaube diese 6 Wochen begleiten mich noch immer. In diesen 6 Wochen ist so viel in mir zerbrochen. Selbstverständlich kann ich nicht behaupten, dass mein Zwangsstörungen und Angststörungen darauf zurück zu führen sind aber vielleicht finde ich hier endlich einen Ansatzpunkt.

Diese plötzliche Erinnerung ist so verdammt schmerzhaft aber auch so befreiend. Da war etwas in deiner Kindheit das plötzlich wieder da ist. Meine Therapeutin hat in zig Sitzungen immer gesagt da muss etwas in der Kindheit gewesen sein. Das glaubt mir sicher keiner, aber das fiel mir nicht ein. Das war wie ausgelöscht und jetzt ist es da.

Viele meiner Briefe aus der Kinderkur kamen nie zuhause an. Wir wurden ja auch angehalten, unseren Eltern nur schöne Dinge zu schreiben. Ich habe nichts Schönes erlebt. Carl Carsten war damals dort und hat den Kindern Autogramme gegeben. Ich durfte nicht hin ich hatte ja Läuse. Ich hatte gefühlt 6 Wochen lang Läuse. Ich durfte höchstens mal mit Mütze und Duschhaube mit in den kleinen Supermarkt ein Stück die Straße runter.

Ich habe gestern gleich den Fragebogen auf dieser Seite ausgefüllt. Bei dem Punkt was am schlimmste war, konnte man nur 3 Punkte auswählen. Ich habe lange überlegt und konnte mich nicht entscheiden. Ich fand einfach alles schlimm und habe wirklich lange bei diesem Punkt nachgedacht. Ich strich z.B. die Trennung von meinen Eltern. Ich glaube wenn es dort schön gewesen wäre hatte mir die Trennung nichts ausgemacht. Zwischen Esszwang und Toilettenverbot konnte ich mich auch nicht entscheiden. Auch die Demütigungen waren gleichwertig. Die Körperliche Misshandlung mit dem Essig und dem spitzen Kamm war ebenso schlimm. Ich hatte das volle Programm.

Wer von Euch war auch in Haffkrug oder wer von euch möchte sich mit mir austauschen???

Ich habe heute selbst zwei Kinder. Keiner darf meinen Kindern so etwas antun. Ich kann auch nicht verstehen, was mit diesen Frauen dort los war. Wurden Sie so schlecht bezahlt? waren es Sadisten?

Wie kann man so etwas einem Kind antun?????
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Petra schrieb am 28.05.2020
Ich war 1968 6 Wochen in den Sommerferien im Kinderheim Dr. Roß in Westerland. Das war wohl veranlasst vom Land Berlin als preiswerte Ferienerholung für dünne Kinder armer Leute. Genaues weiß ich nicht, kann auch niemand mehr fragen. Die Altersgruppe dort war von 6-12 Jahren, allerdings waren fast alle Kinder eher am oberen Ende dieser Skala. Ich bin während des Aufenthaltes 7 Jahre alt geworden und deutlich die jüngste. Meine Erinnerungen sind nun nicht so krass wie vieles, was ich hier lese, vieles ist auch verschwommen oder vergessen, allerdings habe ich interessanterweise keinerlei positive Erinnerungen an diese Zeit, auch nicht an Freundschaften mit anderen Kindern, und doch etliches Unangenehmes mein Leben lang deutlich vor mir. Das Essen war wohl gar nicht so schlecht, allerdings mit viel Druck verbunden. Zum Frühstück z.B. gab es Schwarzbrot mit Marmelade. Das musste gegessen werden, obwohl ich keine Marmelade mochte. Wenn ich nicht alles aufaß, wurde das Brot auf die Ausflüge mitgenommen und mir den Tag über immer wieder vorgesetzt bis es alle war, auch wenn die anderen Kinder etwas anderes bekamen. Zum Abendbrot gab es im Wechsel einen halben Apfel oder eine halbe Zwiebel (!) als Zugabe zum Brot. Vormittags gab es ein strammes Ausflugsprogramm. So erinnere ich mich an eine über 20 km lange Wanderung am Strand entlang, also im Sand. Mittagsschlaf war Pflicht und danach gab es Spiele im Garten. Obwohl ich zu Hause viel turnte, waren die ruppigen Ballspiele mit allen als kleinste und dabei sehbehinderte für mich ein ziemlicher Alptraum. Mitmachen war aber Pflicht. Ich erinnere mich vor allem an die Drangsalierungen der großen Jungs. Z.B. am Strand warfen sie mit Feuerquallen, im Haus zur Schlafenszeit stürmten sie den Mädchenflur und versuchten die Schlafanzughosen runterzuziehen. Die Erzieherinnen nahmen das nicht zur Kenntnis. Jeden Sonntag wurden Briefe nach Hause geschrieben. Diese wurden kontrolliert. Den Inhalt meines Geburtstagspaketes musste ich auf Verlangen der Erzieherinnen mit den anderen teilen, für mich blieb nichts. Zwei Tage vor Abfahrt wurde ich krank mit Bindehautentzündung und hohem Fieber. Die Erzieherinnen kommentierten das nur lächelnd, dass ich ja so nicht nach Hause fahren könne…. Zum Glück sank das Fieber wieder etwas und ich konnte die Heimreise antreten. Ich bekam die Augen zugepflastert und meine Mutter bekam den Schreck ihres Lebens, als sie mich ohne Vorwarnung so am Bahnhof in Empfang nehmen sollte.
1970 bin ich mit meiner Familie im Urlaub aus Neugier dort vorbeigefahren; da schien das Gebäude nicht mehr als Kinderheim genutzt zu werden.
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Gerda Schmidt schrieb am 27.05.2020
Im März 1961 fuhr ich für 4 Wochen zur Kinderkur auf die Insel Langeoog, ins Flinthörn-Haus. Das Haus gehörte wohl zur Inneren Mission, einer christlichen Vereinigung. Ich war eine schlechte Esserin und sehr dünn. Die Initiative kam von unserem Dorfpastor .Es sollte um die gute Wirkung von Luftveränderung gehen. Das erinnere ich noch. Ich war damals
7 Jahre alt und Erstklässlerin. Meine Schwester verbrachte im Jahr davor als 13 Jährige dort einen Kuraufenthalt und war mit guten Erinnerungen und einigen Pfunden mehr nach Hause zurück gekommen. Im Flinthörnhaus sah ich Dinge, die mich verstörten, weil ich
so etwas selbst in meinem sehr strengen Elternhaus nie erlebt hatte: Ich erinnere mich an ein Mädchen eben mir, das ihr Mittagessen, ich glaube es war Grünkohl, nicht essen wollte. Sie wurde dann zum Essen gezwungen und erbrach sich auf den Teller. 30 oder 50 Kinder im Esssaal schrien auf. Das Mädchen weinte und wurde dann gezwungen, das Erbrochene aufzuessen. Das Mädchen tat mir so leid, aber was sollte ich tun? Ich hatte Mitleid und große Wut auf die Tanten. Ein anderes Mädchen aus meiner Gruppe (wir waren alle zwischen 6 und 8 Jahre alt) nässte nachts ein. Viele Nächte musste sie in dem nassen Bett schlafen. Eines Abends kehrte sie nicht in unseren Schlafsaal zurück, denn ab dann musste sie in der harten Badewanne schlafen. Wir Kinder wurden gezwungen uns das "Bett" im Badesaal anzuschauen. Ich hatte oft Heimweh und habe abends im Bett geweint, wie viele andere Mädchen im Saal auch. Ich kann mich nicht erinnern, dass mich eine erwachsene Person getröstet hätte.
Nach dem Mittagessen mussten wir Mittagschlaf machen. Wer seine Augen nicht zu gemacht oder gesprochen hat, der wurde geschlagen.
Dass unsere Post nach Hause zensiert wurde, ist dagegen harmlos. Ich war eine der wenigen Kinder, die schon gut schreiben konnten. Ich musste das, was ich meinen Eltern schreiben wollte, den Tanten auf einen Zettel schreiben. Schlechte Nachrichten wurden durchgestrichen. Nach den 4 Wochen hatte ich 1 Kilo zugenommen. Meine Mutter war schockiert über meinen Bericht und machte sich Vorwürfe, dass sie mich zur Kur geschickt hatte. Diese wunderschöne Insel war 30 Jahre in meiner Erinnerung eine Ort des Bösen, in einem Haus, das der evangelischen Kirche unterstand. Später wurde mir klar, dass dort die Pädagogik aus der Nazizeit zur Anwendung kamen und nicht nur deren Lieder gesungen wurden.
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Sieglinde Igel schrieb am 27.05.2020
Auch ich war ein Verschickungskind. Ich wurde 1965 zur Kur in den Harz geschickt. Der Ort hieß Rottleben und ich war damals 9 Jahre alt.
Wie schon von jemandem hier geschrieben, herrschte auch zur meiner Zeit dort der Essenszwang. Es war ein furchtbares Erlebnis und davon gab es weitere schlechte Erfahrungen.
Ich wurde gezwungen rote Beete zu essen. Die Erzieherin drohte mir, falls ich die nicht esse, dann werde ich damit gefüttert. Aus Angst zwang ich mich selbst diese zu essen. Jedoch habe ich alles wieder ausgebrochen und wurde dafür bestraft. Es war ein traumatische Erlebnis. Bis heute esse ich keine rote Beete und wenn ich welche sehe, dann kommen alle Erinnerungen daran wieder.
Wir durften auch nachts nicht einfach auf die Toilette gehen. Wir mussten vor dem Schlafen gehen, auf die Toilette. Danach durften wir nicht mehr.
Für mich war das kein Erholungsheim, sondern eher ein Erziehungsheim mit bösen Erziehern.
Es waren 6 Wochen in diesem angeblichen Erholungsheim und für mich eher eine schlimme Zeit.
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Regina Scholl schrieb am 27.05.2020
Im Alter von fünf Jahren wurde ich 1967 für 6 Wochen zur Kindererholung nach Altastenberg ins Sauerland zum Aufpäppeln geschickt, denn ich hatte 2 OPs hinter mir. So kam ich ins Haus "Sonnenschein".
Die Toiletten waren nur eine halbe Stunde vor und nach dem Essen geöffnet und wer sich in die Hose machte wurde geschlagen. Bettnässer hatten regelmäßig das "Vergnügen". Ich hatte fürchterliches Heimweh. Beim Mittagsschlaf war ich still, hatte aber die Augen geöffnet und hab sehnsüchtig auf die Ansichtskarte meiner Eltern geschaut. Das hatte zur Folge, dass ich an den Haaren aus dem Bett gezogen wurde und nach Schlägen barfuß im Flur auf dem kalten Boden stehen musste. Bei der anschließenden Erkältung wurde mir das Husten verboten.
Nach den langen Wochen hatte ich Angst meine Eltern nicht mehr zu erkennen. Oft dachte ich: Was habe ich nur verbrochen, dass man mich dorthin geschickt hat?. Lange habe ich daheim nichts erzählt. Erst später und da tat es meiner Mutter sehr leid, denn eigentlich wollten sie mir nur Gutes tun.
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Susanne Winkler schrieb am 27.05.2020
Hallo, Susanne hier - um und bei 1960 wurde ich mit ca.. 10 Jahren in das Kinderkurhaus Kölpinsee auf Usedom für 4 Wochen verschickt. Diagnose war Kopfschmerzen, Schuppenflechte und essen essen essen. Wie auch immer, Mittagsschlaf war Doktrin, Ich war das nicht gewohnt. Großer Saal mit Aufseherin und wehe dem, man hat sich gerührt. Also habe ich mich über die 11/2 Stunden damit gerettet, unter der Decke jeweils den kleinen Zeh unabhängig von allen anderen abzuspreizen. Ich war so froh, dass meine Eltern mich vorzeitig erlösten und in den Urlaub mit meinen Geschwistern in Heringsdorf nahmen. Ich kann bis heute nicht zu Mittag schlafen und die kleinen Zehe immer noch abspreizen. Versucht es mal, ist gar nicht so einfach. Tagelanges Training bringt es. LG Susanne
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Martin schrieb am 27.05.2020
Bad Wörishofen - Kneippsche Kinderheilstätte:

Ich war ca. 1976/77 dort. Der absolute Horror! Alles was schon beschrieben wurde, fand auch dort statt. Folter pur ... und das 24/7. Man wurde von einer Quälerei in die nächste weiter gereicht. Wir hatten alle schreckliche Angst!

Es muss den Nonnen/Erziehern?/Angestellten klar gewesen sein, was sie taten. Die Kinder haben so lange geweint, bis sie gebrochen waren und nur noch innerlich geheult haben und hofften, dass es irgendwann zu Ende geht.

Das Foltern und das Vertuschen hatte System! Und wir haben es strafrechtlich mit Tätern zu tun!

Gut, dass die Sache an`s Licht kommt. Ich wusste immer, dass das nicht OK war. Jetzt ist es raus. Mir geht es heute noch sehr nahe ...
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Pia Freiwald schrieb am 27.05.2020
Als Fünfjährige wurde ich 1963 nach Bondorf im Schwarzwald "verschickt". Die Erlebnisse in diesen 6 Wochen sind heute noch ein Alptraum für mich. Niemand in diesem Heim war freundlich, es herrschte ein militärischer Umgangston. Um gute Erfolge bei Gewichtzunahme der Kinder zu erzielen, wurde man regelrecht gemästet. Musste sich ein Kind erbrechen, musste es das Erbrochene aufessen.
Nach 2 Wochen fing ich an ins Bett zu machen. Daraufhin musste ich ganze Tage auf der blanken Matraze liegen oder wurde für Stunden in eine Besenkammer gesperrt. Schläge und Drangsalierungen waren an der Tagesordnung, für mich merkwürdige Kontakte von älteren Kindern und Erziehen sind mir im Gedächtnis geblieben. Nach 6 Wochen wurde ich allein in den Zug gesetzt(5 Jahre alt!) und nur meiner aufmerksamen Oma ist es zu verdanken, dass ich am richtigen Bahnhof aus dem Zug geholt wurde.
Lange konnte ich meinen Eltern nicht verzeihen, dass man mich dorthin geschickt hat. Bis heute kann ich nicht eine Kur oder Reha wahrnehmen, zu schlimm ist die Erinnerung. Meine Eltern haben mir zeitlebens nicht geglaubt, was ich erlebt habe.
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klaus-dieter kronier schrieb am 27.05.2020
ich war 1966 in st.peter ording ich glaube das heim hies westerland und 1967 im schwarzwald im haus kohlwald wenn ich mich richtig erinnere,ich war damals 6bzw.7 alt dort wurden wir auch gezwungen ebrochenes zu essen und geschlagen.falls jemand infos zu diesen einrichtungen hat wäre es schön noch infos zu bekommen,das gleiche geschah auch awo kindergarten in wiesbaden riederbergstrasse,ich bin mit 3 jahren dort hingekommen auch dort musste ich mein erbrochenes essen wenn ich das essen nicht mochte,falls da jemand eine info hat würde ich mich freuen,liebe grüsse k-d kronier
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Torsten schrieb am 25.05.2020
"Schloss am Meer", Wyk auf Föhr
Ich, Torsten, bin Jahrgang 1967 und wurde 1975 nach Wyk auf Föhr verschickt (das Jahr habe ich in meinem Grundschulzeugnisheft ermittelt, meine Verschickung ist dort sogar vermerkt).
Allein die Bahnfahrt war schon traurig, ich kannte natürlich niemanden. Immerhin hat ein ebenfalls verschickter Junge im Zugabteil Gitarre gespielt, das blieb der einzige Lichtblick für 6 Wochen. Alle hatten diese grünen Barmer Ersatzkassen Rucksäcke. (Ich bin natürlich nicht mehr bei der Drecks Barmer!)
Ich war in einem Dreierzimmer mit einem Jungen aus Gelsenkirchen und einem aus Bochum, das weiß ich noch genau. Was ich nie vergessen werde: nach einer der Zwangsmittagspausen mussten alle an einer der ständig rauchenden "Tanten" vorbei, und wir wurden genötigt, einen Zug an ihrer Zigarette zu ziehen. Es war eine schlimme Zeit mit viel Heimweh und Gefängnisatmosphäre. Ich kann mich an nichts Schönes erinnern.
Gestern habe ich hier eine Menge Kommentare gelesen, das hat mich sehr aufgewühlt, ich hatte das Kapitel irgendwie verdrängt. Und ich hätte nie geglaubt, dass das bis in die 90er Jahre ging. Meiner jetzt 12-jährigen Tochter würde ich so eine Verschickung niemals antun. Wie kam man damals auf die Idee, dass das für irgendetwas gut sein soll??? Wer ist verantwortlich? Wer hat dieses System ausgedacht mit den Strafen und seelischer Folter? Sitzen die Verantwortlichen im Knast oder schmoren die schon in der Hölle? Das "Schloss am Meer" bleibt in meiner Erinnerung wie ein Sanatorium aus einem Horrorfilm.
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Birgit Stern schrieb am 18.05.2020
Ich war 1965 in so einer "Anstalt" in Donaueschingen im Schwarzwald, ich habe diese Einrichtung auf keiner Liste gefunden. Weiss auch keinen Namen oder Strasse, ich war 7?, aber es war Donaueschingen.
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Ralf schrieb am 14.05.2020
Ich erinnere mich noch genau an meine Zeit in der Kinderkur im Adolfinenheim auf Borkum 1976. Es war nach dem Tod meines Vaters das zweitschlimmste traumatisierende Erlebnis meiner Kindheit. Wie auch aus anderen Heimen berichtet wurde, mussten Kinder die das ungenießbare Essen erbrochen hatten auch hier ihr Erbrochenes wieder essen. Ich selbst habe dies zwar nicht gemusst, kann es aber aus meiner Erinnerung bestätigen. Auch dass uns das Taschengeld von den Erzieherinnen gestohlen wurde kann ich bestätigen. Ich hatte damals von den Eltern und Großeltern bestimmt um die 100 DM bekommen. Diese hatte sich meine Erzieherin Frau Wesseling schnell eingesteckt, nein wir wollen die richtige Bezeichnung nennen, gestohlen. An ein Erlebnis kann ich mich besonders gut erinnern weil es mich bis heute nicht loslässt. Ich hatte mit dem Essen gespielt und wurde von einer Erzieherin unsanft am Oberarm gepackt und auf den Flur geschleift. Ich dachte zuerst hier muss ich jetzt warten bis die anderen Kinder gegessen haben und freute mich schon heimlich den Drecksfraß nicht mehr essen zu müssen. Doch das sollte nicht alles sein. Plötzlich kam die Erzieherin (Namen weiß ich leider nicht mehr) mit einem Rohrstock zurück. Nahm meine Hand am Handgelenk und schlug mir mehrmals mit diesem Rohrstock auf die Handfläche. Zuerst war ich so erschrocken und überrasch, dass ich den Schmerz nicht sofort gespürt hab, denn von zu Hause kannte ich keine Schläge. Doch schnell war ich in der Realität angekommen und merkte den stechenden Schmerz der sich durch den ganzen Arm zog. Es waren nicht ein paar Schläge, nein aus meiner Erinnerung meine ich, dass es minutenlang so ging. Ich dachte sie hört gar nicht mehr auf und meine Hand fällt ab. Als die Erzieherin endlich aufgehörte und ich schon ganz schön verheult war, tippte sie mir mit dem Finger auf die Nase, wuschelte meine Haare und sagte; ich werde es nie vergessen: „Na junger Mann, das Lustige ist, dass zu zwei Händchen hast“. Danach nahm sie meine andere Hand die nun auch mit dem Rohrstock malträtiert wurde. „Oh ja, schrei schön laut damit alle wissen was mit Kindern passiert die mit dem Essen spielen“, sagte sie. Meine Handflächen waren danach richtig rot und geschwollen und die Striemen waren noch am nächsten Tag gut zu sehen.
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Anne Debski schrieb am 07.05.2020
Hallo und guten Tag
Ich bin Jahrgang 1965 und war 1975 im Allgäu, in Obermayselstein.... Kinderkurheim Marianne
zusammen mit meiner jüngeren Schwester, sie hatte sogar in der Kurzeit Geb und wurde 6 Jahre alt.
Das waren die schlimmsten 6 Wochen die wir je erlebt haben, am 20.12.1975 sind wir wieder nach Hause gefahren....

Ich habe noch HEUTE mit gewissen Ängsten zu kämpfen

Meine Bezeichnung für die Zeit ist... 6 Wochen Kinderknast....

Ich wünsche allen noch einen schönen Tag.....


Kennt jemand das Heim.... heute ist es ein Mutter-Kind-Haus
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Juliane schrieb am 06.05.2020
Hallo, tut mir leid, wenn ich die Seite nicht richtig nutze. Ich bin auf der Suche nach Informationen über das Kurheim in Strausberg bei Berlin. Dort war ich Anfang der 90er Jahre. Über das Landesarchiv komme ich nicht weiter und ich versuche gerade, das alles zusammen zu puzzeln.
Kann mir vielleicht jemand helfen? Danke!
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Heike Kozel schrieb am 03.05.2020
Ich war drei Montate auf Norderney,1961 war ich fast vier Jahre alt. Es war die Hölle ... wir wurden gedemütigt, ich musste mein Erbrochenes essen. Täglich wurde mir Blut abgenommen. Nachts wurde ich im Bett festgebunden, damit ich mich nicht kratze. Die täglichen Bäder haben mir Angst gemacht, es war eine riesige Badewanne mit einer blauen Flüssigkeit, die total gebrannt hat. Wenn ich geweint habe,wurde ich getaucht ... die Tante sagte dann,jetzt hast du einen Grund zu weinen. Ich bin immer noch traumatisiert. Ich leide unter einer Angstörung. Norderney hat mich gebrochen.
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Gaby schrieb am 02.05.2020
Hallo, ich war im April/Mai 1969 in Bad Dürrheim im Luisenheim, weil ich angeblich zu dünn war.
Ich wurde in Freiburg von meinen Eltern in den Zug gesetzt. Ein anderer Junge aus meinem Kindergarten, der auch zu dünn , war ging auch mit. Dessen Mutter brachte uns nach Bad Dürrheim.
Wir schliefen alle in einem großen Raum . Und der Speisesaal war auch riesig. Es gab jeden tag Grießbrei, den wir essen mussten. Irgrndwann bekam die Windpoken und musste tagelang isoliert von allem in einem kleinen Raum liegen. Ich glaube, es war eine Wäschekammer. Ich musste Wollhandschuhe tragen und nachts Plastikmanschetten, die vom Unterarm bis zum Oberarm gingen, damit ich nicht kratzen konnte. Die Schwestern dort waren kalt und lieblos.
Leider weiß ich sonst nichts mehr.
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Silke schrieb am 01.05.2020
Hallo Wolfgang
Wann warst du genau in St.Peter Ording? Weißt du noch wie das Heim hieß ?
Ich war 1974 im Wetzelhof
Silke
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Ingrid schrieb am 27.04.2020
Hallo Monique Eckardt-Begall, kann es eventuell der Berghof bei Polling (Peißenberg) gewesen sein? Wenn Sie mir eine Mail an verschickung-Berghof senden, schicke ich ein Foto. Allein das Haferschleim-Problem kommt mir sehr bekannt vor! Liebe Grüsse Ingrid
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Anne schrieb am 24.04.2020
Hallo, das Verschickungsheim war das Kindersansatorium Luisenruhe, Königsfeld im Schwarzwald Gemeinde in Baden-Würtemberg. Geboren bin ich 1961, mit 5 Jahren und mit 9 Jahren war ich jeweils 6 Wochen über das Gesundheitsamt wegen Spastischer Bronchitis dort. Schon mit 9 Jahren konnte ich mich nicht mehr daran erinnern, was ich mit 5 Jahren dort erlebt hatte. Eins wußte ich aber, ich wollte da nie wieder hin und habe tagelang vor der Abreise geweint. Als verändertes Kind bin ich mit 9 Jahren heim gekommen. Auch heute kann ich nicht mehr sagen, was in dem Heim mit mir mit 5 Jahren und 9 Jahren genau passiert ist. In Erinnerung sind mir einige Szenen wie Reise mit der Bahn, kleine Zimmer mit ziemlich vielen Betten ohne Privatsphäre, mehrmaliges tägliches Fiebermessen im After, Wurmbefall und immer wieder Afterschau bei allen Kindern, tagelange Isolation im Bett im Dachstuhl, Essen im Keller im Saal auf Bänken und immer und immer wieder Milchsuppe, Therapie zu der man Anstaltskleidung anziehen musste, Gewichtszunahme von 5 kg, Briefe Schreiben mit Zensur, Basteln gegen Geld, Wegnehmen von Päckcheninhalten (Süßigkeiten), Waschaktion unter Aufsicht von mehreren Frauen einmal in der Woche mit mehreren Kindern gleichzeitig, Unterricht bei dem es um still sitzen ging, Vorlesen, Räume ohne Spielsachen und immer und immer die eisige Kälte der Schwestern, ausgegrenzt werden. Ich hatte unendliches Heimweh.
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Wolfgang schrieb am 24.04.2020
In den 70er-Jahren war ich wegen meines Asthmas zwei mal für jeweils 6 Wochen in einem "Kindererholungsheim". Zuerst auf Borkum (im Alter von 5 oder 6 Jahren) und dann in Sankt Peter Ording (wohl mit 7 oder 8). Leider erinnere ich mich nur noch bruchstückhaft an viele schlimme Erlebnisse. In welchen Heimen ich konkret war, weiß ich leider nicht.

Schon die Zugfahrten waren furchtbar. Man wurde einfach zu wildfremden Leuten ins Abteil gesetzt, die dann gefragt wurden, ob sie ein wenig aufpassen könnten. Zu trinken gab's nichts. Nur eine Tüte Gummibären "gegen den Durst". Das in den Heimen Essen war mies, ich hatte entsetzliches Heimweh und wurde behandelt, als wäre ich ein Möbelstück. Die Betreuerinnen auf Borkum mussten wir "Tanten" nennen. Dabei hatten sie uns nur Kaltherzigkeit und Erniedrigung zu geben. Die Betreuerinnen in Sankt Peter Ording waren auch nicht besser. Ich erinnere mich nur an tiefe Traurigkeit, viel Heimweh, das Gefühl des Ausgeliefertseins und des Alleinseins. Briefe nach Hause wurden zensiert. Und mir ist es bis heute ein Rätsel, warum meine Mutter mich ein zweites Mal in Kur schickte, obwohl doch die erste Kur schon grauenhaft war und das Heim auf Borkum wegen der unhaltbaren Zustände wohl zwischenzeitlich geschlossen worden war.

Wenn ich in den Berichten der anderen von Missbrauch und Misshandlung lese, scheine ich es allerdings noch recht gut getroffen zu haben. Was mich allerdings sehr ärgert ist die Ignoranz, mit der dem Thema begegnet wird. Offenbar möchte man es nicht so genau wissen (so wie damals anscheinend auch meine Mutter). Niemand scheint ernsthaft gegen die Zustände vorgegangen zu sein. Auch heute wird versucht, abzublocken. Die Stadt Sankt Peter Ording lässt sich bspw. auf einer Webpage u.a. über die Geschichte der "Kindererholungsheime" aus und bedauert, dass sie heute nicht mehr existieren, wo doch über 44.000 Kinder Gesundheitsprophylaxe und Erholung gefunden hätten. Niemand will Verzeichnisse besitzen oder noch lebende Verantwortliche kennen.
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Christiane schrieb am 23.04.2020
Ich war 1965 kurz vor meiner Einschulung 6 Wochen in einem "Kindererholungsheim". An den Namen des Heims oder des Ortes kann ich mich nicht mehr erinnern.
In dem Heim sollte ich dicker werden. Mein Vater nahm mich zum Abschied in die Arme. Ich klammerte mich an ihn und versuchte, vor den anderen Kindern nicht zu weinen. Eine Erzieherin zeigte uns den Schlafraum. Abends gingen wir in den Speisesaal. Wir saßen auf Holzbänke, die vor langen Tischen standen. Es gab Schokoladensuppe und Brötchen, die mit einer dicken Schicht Butter bestrichen worden waren. Das gab es in den sechs Wochen jeden Abend.
Wir waren ca. 10 Mädchen im Zimmer. In der ersten Nacht hat sich vor Angst mein Darm entleert. Die Erzieherin ließ mich am nächsten Morgen vor allen anderen Kindern mein Laken im Waschraum an einem kleinen Wachbecken mit einem Stück Seife waschen, was mir natürlich nicht richtig gelungen ist.
Beim Sport in der Turnhalle wurde ein Junge bestraft. Er musste die Arme nach hinten halten und die Turnlehrerin steckte ihm einen Gymnastikstab hinter dem Rücken in die Ellenbeugen, so dass er die Arme nicht mehr bewegen konnte. Er musste im Schneidersitz bis zum Ende der Stunde auf dem Boden in dieser Haltung still sitzen bleiben.
Ich versuchte sechs Wochen nicht aufzufallen und alles mitzumachen. Von Morgens bis Abends war ich achtsam, um nichts falsch zu machen.
Wir durften nachmittags draußen auf einer Wiese spielen. Der Spielplatz war von einer Hecke umgeben. Auf der Wiese standen Klettergerüste. Ich spielte lieber ein Stück entfernt von den anderen und flüchtete mich in eine Phantasiewelt. Die anderen Kinder machten mir Angst, ich freundete mich mit niemandem an.
Ich habe in den sechs Wochen in diesem "Kindererholungsheim" kein Gramm zugenommen.
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Ursula Laschewski schrieb am 21.04.2020
Mit 10 Jahren, 1963, wurde ich für 6 Wochen nach Bad Sooden-Allendorf verschickt, grauenhaft, gerne hätte ich Kontakt zu jemanden, der dort auch in der Kinderverschickung war. Kann mich dem sehr anschließen, was Brigitta geschrieben hat...
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Christine schrieb am 20.04.2020
Ich habe über einen Zeitungsartikel von dieser Initiative erfahren und bin sehr dankbar darüber.
Eigentlich bin ich eher ein Mensch, der eigene Probleme verharmlost und sicher ist meine Erfahrung auch nicht so dramatisch wie die vieler anderer in diesem Forum. Dennoch fühle ich mich zugehörig und möchte die großen Erinnerungslücken gerne auffüllen.

Ich bin im Dezember 1960 geboren und war 1966 (oder 1965) 4 Wochen wegen Mangelernährung in Bad Rappenau, wahrscheinlich im Kinderkurheim Siloah und 1969 6 Wochen in Königsfeld (Scharzwald) wegen Mangelernährung und einer Lungenerkrankung, wahrscheinlich im Kindersanatorium Schwester Frieda Klimsch Stiftung.
Ich habe leider nur sehr wenige Erinnerungen, aber ich denke nicht, dass ich misshandelt wurde. Trotzdem würde ich gerne mehr erfahren und hoffe, hier andere Menschen zu treffen, die auch dort waren.
Ich denke, der 1. Aufenthalt wurde nach 4 Wochen aus irgendeinem Grund abgebrochen. Ich bin sicher, dass ich großes Heimweh hatte und kann mich noch an einen 13-jährigen Jungen (oder Mädchen) erinnern, der nachts eingenässt hat. Ich hatte große Angst, auch einzunässen, was ich aber nie getan habe. Der Junge/das Mädchen wurde irgendwie abgesondert und vielleicht auch diskriminiert, weil ein so großer Junge/Mädchen noch ins Bett macht. Ich kann mich an einen großen Esssaal erinnern und an Brot mit Johannisbeergelee (ich kannte nur selbstgemachte Marmelade). Ich kann mich an keine Waschräume oder Spiele erinnern. In meinen Kleidungsstücken war mein Name eingenäht, sodass ich davon ausgehe, dass sie gewaschen wurden. Abends nach dem Abendessen wurde immer: Guter Mond, du gehst so stille… gesungen und dann gingen wir wohl ins Bett. Ich war ja erst 5 Jahre alt. Obwohl ich eine sehr schlechte „Esserin“ war, habe ich, außer dem Frühstück, keinerlei Erinnerung an Speisen. An eine Bezugsperson kann ich mich nicht erinnern.

Beim 2. Aufenthalt war ich 8 Jahre alt. Wir fuhren mit dem Bus und wurden als erstes ärztlich untersucht. Ich kann mich noch an den Schlafsaal erinnern und an die Lage meines Bettes. Es müssten 4 – 5 Betten gewesen sein und eine Kommode für die Wäsche. Jede hatte eine Schublade. Der Esssaal war hell und ein wenig bunt. Dort aßen etwa 20 Kinder. Ich weiß nicht, ob wir nur Mädchen waren oder gemischt. Ich habe in 6 Wochen 6 kg zugenommen, kann mich aber ans Essen wieder nicht erinnern. Am Freitag zur Mittagszeit, wenn es Fisch gab, hat meine Mutter immer angerufen. Wir mussten nach dem Mittagessen 2 Stunden im Freien mit Wolldecken schlafen. Ich konnte nicht schlafen und habe nur so getan. Wir gingen auch spazieren, aber wir durften keine anderen Spaziergänger treffen (wahrscheinlich wegen unserer Lungenbeschwerden). Meine Bezugsperson hieß Tante Martha, sie hat auch in mein Poesiealbum geschrieben. Sie war sehr lieb zu mir, aber wenn sie nicht im Dienst war, hatte ich niemanden. Auch kann ich mich an die Nächte erinnern. Ich hatte Angst aufzustehen und z.B. zur Toilette zu gehen. Es gab Aufsichtspersonen, die mit Taschenlampen durch die Gänge gingen. Sie waren irgendwie unheimlich. Wenn jemand auf dem Gang erwischt wurde, gab es laute Stimmen auf dem Gang, aber meistens gab es keine. Wir wurden regelmäßig gewogen und es wurde Fieber gemessen.

Insgesamt war ich bemüht, nicht aufzufallen und sehr "brav".
Meine Eltern haben nie darüber gesprochen, ich denke, meine Mutter hatte Angst, einen Fehler gemacht zu haben und dass ich ihr vielleicht Vorwürfe gemacht hätte. Das ist schade, denn jetzt ist meine Mama gestorben und ich weiß nichts über die Aufenthalte. Vorwürfe hätte ich ihr sicher nicht gemacht, zumindest aus heutiger Sicht. Aber irgendetwas in meinem Inneren ist geblieben, eine Ahnung von Einsamkeit, Verlassenheit und vielleicht auch Verrat, obwohl letzteres sicher nicht beabsichtigt war.
Ich hoffe, von Euch Hinweise zu den o.g. Kurheimen zu bekommen. Das wäre sehr schön!
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Uwe schrieb am 17.04.2020
Mitte der 60er Jahre wurde ich für 6 Wochen zur Kur ins Kinderjeim Brilon verschickt. Geleitet wurde es von einer furchtbaren alten Dame, die eine strenges Regiment führte. Es war eine schreckliche Zeit. Allerdings erinnere ich mich (zum Glück?) nicht mehr an alles. Persönliche Gegenstände und Geld wurden einkassiert. Das Essen war ekelhaft. Man wurde gezwungen alles aufzuessen. Schaffte man es nicht, musste man sehr lange alleine vor dem Essen sitzen bleiben, bis man irgendwann doch alles heruntergewügt hat. Musste man während der Mittagsruhe oder in der Nacht aufs Klo wurde das überwacht. Man musste ein "Ergebnis" vorweisen. Natürlich konnte man dann nicht. Man musste dann solange auf dem Klo sitzen bleibenn, bis doch was kam. Man wurde wenn man weinte vor anderen lächerlich gemacht. Die Post wurde streng zensiert. Schrieb man etwas unliebsames wurde die Karte vorgelesen und dann zerrissen. Man musste auf eigene Kosten einen neue kaufen und etwas posives schreiben. Es gab eine Überschlagsschaukel vor der ich Angst hatte. Die "Erzieherin" machte sich darüber lustig und ich wurde ausgelacht. Auch wenn man Heimweh hatte, wurde man ausgelacht. Das Selbstwertgefühl ging einem verloren. Es sind nur einige der Dinge, an die ich mich erinnern kann. Ich habe den Aufenthalt als grauenvoll empfunden und war danach völlig fertig.
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Andre Schnor schrieb am 12.04.2020
Ich wurde als vierjähriges Kind im Rahmen einer Kinderkur in das BRK Erholungsheim nach Muggendorf in die Fränkische Schweiz verschickt. Die Kur dauerte insgesamt – und das war scheinbar üblich – sechs Wochen. Und so verbrachte ich die Zeit vom 3. November 1972 bis zum 14. Dezember 1972 an der Wiesent. Das genaue Datum kann ich deshalb sagen, weil mir meine Mutter vor einigen Tagen die „Kurmappe“ übergeben hat, die lange verschollen, von ihr wiedergefunden wurde. Ich staunte nicht schlecht. In dieser Mappe wurden alle Unterlagen zu meiner Kur aufbewahrt. Sämtlicher Schriftverkehr mit der Krankenkasse, Kofferanhänger, das Schild, das ich während des „Kindertransportes“ um den Hals trug, den Sachenzettel (1 Minitube "Blendi" Zahnpasta), den meine Eltern ausfüllen mussten und sogar die Taschengeldabrechung des Kindererholungsheims Muggendorf, auf der sogar die Schnitte Brot, die uns „Tante Edith“ gekauft hatte, mit 20 Pfennig abgerechnet wurde. Der Arztbericht ist auch dabei. Sämtliche Briefe, die ich von meinen Eltern bekommen habe und die, die von den Schwestern in meinem Auftrag an meine Eltern geschickt wurde sind ebenfalls dabei. Die Briefumschläge wurden mir wohl vorfrankiert von meinen Eltern mitgegeben.

Ich kann mich nicht vollständig an die sechs Wochen erinnern, aber es sind doch einige Dinge hängengeblieben. Eines kann ich vorwegnehmen: Ich war keiner körperlichen Gewalt des Personals ausgesetzt und kann nicht erinnern, geschlagen worden zu sein. Ich meine aber, dass man ziemlich grob und unsentimental mit mir umgegangen ist. Ich habe wohl einige Male ins Bett gemacht. Insbesondere am Abend vor der Abreise, und das weiß ich noch ganz genau. Ich habe vor lauter Aufregung das Bett so vollgekackt, dass ich nicht mehr wusste, wo ich liegen sollte. Das hat dann offensichtlich eine der Nachtschwestern gemerkt und mir mitten in der Nacht den Popo mit eiskaltem Wasser abgewaschen.

In den sechs Wochen haben wir einige Wanderungen in der näheren Umgebung durchgeführt. Ich kann mich daran erinnern, immer über die herausragenden Baumwurzeln gestolpert zu sein. Wir haben vor allen Dingen eines gemacht: Gegessen was auf den Tisch kommt. Das war nämlich auch der Grund meines Aufenthaltes. Ich war schlicht und einfach zu dünn. Das war anscheinend die Meinung der Kinderärztin, bei der wir waren. Damals waren fast alle Ärzte, denen die Generation meiner Eltern offensichtlich hörig waren, noch Götter in Weiß. Also wurde gesagt: „Der Junge ist zu dünn. Ich empfehle eine Kur in einem Kindererholungsheim.“

In der Zeit des Aufenthaltes habe ich viele Briefe von meinen Eltern erhalten. In jedem Brief ist davon die Rede, immer schön artig zu sein und immer „schön zu essen“. Die Briefe, die meine Eltern von mir bekamen, waren vorgeschriebene Briefe, unter die am Ende nur mein Name gesetzt wurde. Ich könnte wetten, dass alle Eltern Briefe mit demselben Wortlaut erhalten haben.

Ich kann mich noch gut an einen Jungen namens Frank B. erinnern. Da ich mich nie gewehrt habe, hat er gekniffen, gebissen und gehauen. Dem war ich nahezu wehrlos ausgesetzt. Ich hatte wahnsinnige Angst vor diesem Jungen.

Zu Beginn und zum Ende einer Kur wird immer ein ärztlicher Befund erstellt: Aufnahmezustand und der Zustand bei der Entlassung. Am 4.11.1972 wog ich 17,1 kg, 6 Wochen später waren es 18,0 kg. Für 900 Gramm Gewichtszunahme wurde ich 1 1/2 Monate von meinen Eltern getrennt, um 600 km von meinem Heimatort entfernt Essen zu lernen.

Sollte ebenfalls jemand zu diesem Zeitpunkt in Muggendorf gewesen sein: Ich habe sogar noch ein Gruppenfoto mit allen Kindern, die mit mir in Muggendorf waren.
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Ursula Ege-Schabler schrieb am 09.04.2020
Hallo,
ich begrüße alle ganz herzlich, die die gleichen Erfahrungen gemacht haben wie ich.
Ich habe diese Seite durch Zufall entdeckt und deshalb ist mir erst jetzt bewusst geworden, dass es viele andere gibt, die die gleiche Angst, Schmerzen und Ekel erfahren haben. Ich dachte bisher, nur mir sei so etwas widerfahren. Aber wenn kleine Kinder sich vor physischer und psychischer Gewalt schützen müssen, wird ihnen wohl auch die Fähigkeit der sozialen Kontaktaufnahme und des Mitleiden genommen. Um zu überleben, habe ich mich anscheinend emotional völlig zurückgezogen. Das ist heute für mich zusätzlich schmerzlich.
Ich hatte seit meinem zweiten Lebensjahr schweres Asthma, was wohl auch der Grund für die “Kuren” war, zumal wir im Ruhrgebiet lebten. Ich bin Jahrgang 1952, zu dieser Zeit war die Luft in diesem Industriegebiet das reinste Gift.
Ich wurde nach Sylt, Wangerooge, Bad Reichenhall, Norderney und in den Schwarzwald . Das erste Mal mit 4 Jahren. Eine besondere “Verschickung” habe ich wohl noch exclusiv erlebt. Mit elf Jahren verbrachte ich die sechs-wöchigen Sommerferien in der Kinderklinik in Essen, wo man feststellen wollte, ob- und wie man mein Asthma heilen könnte oder ob ich überhaupt Asthma habe.
Eine besonders quälende Erfahrung in meiner Jugend war nämlich der Vorwurf, ich habe keine Atemnot, sondern wolle mich nur interessant machen. Meine Eltern erzogen uns vier Kinder nach den damals üblichen Wertvorstellungen. Mein Vater vertrat die Ansicht- Zitat: “Wer sein Kind liebt der züchtigt es” oder “Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen die Intelligenz”. Das war wohl auch der Grund, dass ich nie den Versuch machte, ihnen meine “Kurerfahrungen” zu erzählen.
Im Klinikum Essen ließen sich meine Eltern auch davon überzeugen, dass es besser sei, ihr Kind ohne Verabschiedung dazulassen. So lag ich plötzlich ohne jede Erklärung in der Unterhose auf einer Behandlungsliege, umgeben von mehreren Ärzten und Krankenschwestern. Ich bekam einige Spritzen und mir wurde Blut abgenommen. Dann führte mich eine Schwester zu einem Zimmer und teilte mir auf dem Weg mit, meine Eltern liessen mich grüßen. In dem vorgesehene Vierbettzimmer war ein Bett von einem älteren Mädchen belegt. Ich könnte wählen, zwischen einem Bett an der Tür oder am Fenster. Das Bett am Fenster erschien mir die bessere Wahl. Als mir die Schwester aber erzählte, Besuche seien nur von den Eltern erlaubt und diese dürften den Raum nicht betreten, wählte ich das Bett an der Tür. Besuchszeiten waren nur sonntags und dann wurde die Türöffnung durch die Nachttische blockiert. Am nächsten Tag wurde ein Kleinkind aufgenommen, dass den ganzen Tag weinte und schrie und ich musste in das Bett am Fenster umziehen. Meine Eltern besuchten mich zwei- oder dreimal. Ich verbrachte die sechs Wochen Sommerferien in diesem Zimmer im Bett, erhielt täglich regelmäßig drei Spritzen und im Laufe der Wochen verschiedene Untersuchungen, teils schmerzhaft, teils angstbesetzt, da mir nie erklärt wurde, was mit mir geschah oder warum.
Die Erfahrungen in den Kinderheimen waren vielfach die gleichen, die auch andere Verschickungskinder gemacht haben. Der erste Aufenthalt mit vier Jahren wurde auf eine lange Zeit verlängert, da meine Mutter krank wurde, die genaue Zeit kann ich nicht sagen. Die Ordensschwester, die die Abteilung mit eiserner Hand leitete und der diese Hand oft ausrutsche, fühlte sich bemüßigt, für meine Mutter in der sonntäglichen Pflichtmesse öffentlich zu beten. Ich war während des Aufenthalts längere Zeit sehr krank, isoliert und völlig vereinsamt in einem Verschlag ( unten Holz, oben Fenster). Als ich wieder in der Gruppe sein konnte, bemühte sich die “Tante” freundlich zu sein, was mir bewusst machte, dass ich wohl schwer krank gewesen war, denn bisdahin war sie mir als eine Person in Erinnerung, die mich/uns ständig sehr stark und schmerzhaft an den Haaren riss. Ich kam auch, wie mir meine Eltern erzählten, sehr krank mit hohem Fieber nach Hause.
Die Erlebnisse in Wangerooge waren ähnlich schmerzlich und negativ. Allerdings kannte man hier noch eine besondere Form der Folter: es gab nur etwas zu essen und trinken, nachdem zwei Becher Meerwasser getrunken waren, zu jeder Mahlzeit. Das betraf aber nur die wenigen Kinder mit Asthma oder Bronchitis und sollte wohl eine Heilmethode sein. Auch in Bad Reichenhall gab es die bekannte “schwarze Pädagogik” mit all den schon hier im Forum geschilderten Praktiken. Norderney und das Heim im Schwarzwald waren ok, wenn auch nicht gerade ein Urlaubserlebnis.
Leider kann ich mich nicht mehr an die Namen der Heime erinnern. Da ich sonst eigentlich ein recht gutes Gedächtnis habe, vermute ich, das die Namen zu den vielen verdrängten “Nicht-Erinnerungen” gehören.
Ich grüße alle ehemaligen “Verschickungskinder” und hoffe, der Austausch hilft ein wenig, die Erlebnisse besser zu verkraften und das Selbstbewusstsein zu
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Sylke schrieb am 09.04.2020
Wie dankbar ich über diese Initiative bin, kann sich nur schwer jemand vorstellen, der nicht Ähnliches und/oder Vergleichbares erlebt hat. Bis noch vor vier Wochen glaubte ich, es hätte schon irgendeinen Grund gegeben, der all die Bestrafungen und Misshandlungen, die ich 1970 als Fünfjährige im Haus Köhlbrand in St. Peter Ording erfahren musste, rechtfertigten. Was stimmte denn nicht mit mir, warum wurde ich gefesselt eingesperrt?. Gedemütigt vor der ganzen Gruppe? Warum durfte ich nicht auf die Toilette, wurde nackt mit dem Schlauch abgespritzt, durfte an den Mahlzeiten nicht teilnehmen? War ich so ein schlimmes Kind? Was habe ich den getan? Ich schämte mich und diese Scham hat mich bis zu einem Zeitungsartikel, der mich auf diese Seite führte, jeden Tag begleitet. Und jetzt weiß ich: ich war und bin nicht alleine!!!! Das tut so gut. Ein Weg der Heilung kann jetzt beginnen.....
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Lina-Marie schrieb am 08.04.2020
Ich war 1972 über die Ostertage in Bad Sachsa, vermutlich im Haus Warteberg für wohl sechs Wochen.
Das Haus wurde vom Ärzte Ehepaar Köbrich geleitet. Ich selbst erinnere mich weder an diesen Namen noch an die der Pädagoginnen.

Der Speisesaal war licht und hell, da in einer Art Logia untergebracht. Am Speisesaal befand sich linker Hand eine Teeküche, wenn ich mit dem Treppenhaus im Rücken im Saal stand. Rechter Hand befand sich der Raum für die Erzieherinnen. Die Duschen, großer dunkler Raum, befanden sich im Keller. Wir Mädchen waren in der obersten Etage unter bzw. fast unter dem Dach einquartiert und mussten nackt an den grölenden Jungen vorbei in den Keller laufen.
Waren die Jungs zur Nachruhe albern und laut, wurde einer von ihnen zur Strafe in eines der Mädchenzimmer gebracht.

Ich erinnere mich an ein kleines blondes Mädchen ca. drei Jahre alt. Es saß manchmal bei den Erzieherinnen am Tisch. Mir war das unverständlich und ich hatte Angst um dieses Mädchen.
Nach dem Mittagsschlaf gingen wir alle? mit einem Stück Kuchen in der Hand zu einem langen Spaziergang in den Wald.

Nach dem Abendessen wurde ich gezwungen Tabletten einzunehmen. Zwei oder drei andere Kinder bekamen auch Medizin verabreicht, sie waren schneller aus der Teeküche raus als ich, konnte und wollte ich die Tabletten nicht schlucken.

Ich war mit zwei Mädchen in einem Zimmer. Unsere Kleider wurden in einem Sack aufbewahrt. Frische Kleidung gab es einmal in der Woche.

Ich war damals 9 Jahre alt mit blonden, mittellangen Haaren.
Verschickt wurde ich damals über die BKK VW oder die LVA.
Zum Ende der Kur erkrankte ich an Röteln und wurde von einem mir unbekannten Ehepaar abgeholt.

Gibt es hier die eine oder den anderen mit ähnlichen Erfahrungen?
Welche, wer war zur gleichen Zeit dort?
Kennt noch Namen der Pädagoginnen?
Ich freue mich auf Antworten.
Lina-Marie
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Gerhard Borsdorf schrieb am 07.04.2020
Gerhard

Ich bin ca.1962 als 8jähriger nach Donaueschingen "verschickt" worden, wohl weil unsere Familie aus der DDR geflüchtet war und mein Vater ein noch geringes Einkommen hatte und daher diese Möglichkeit für sein Kind geboten bekam. Dass wir in dem Heim in einem großen Baderaum als Gruppe (nur Jungs) nackt duschen mussten, war mir unangenehm. Dass dann eine der "Tanten", eine relativ junge Frau, einen Fotoapparat dazu mitnahm, fand ich gemein. Wir haben versucht, uns möglichst weit von ihr zu „verstecken“ (so weit das möglich war). Die verordneten Schlammbäder haben mir keinen Spaß gemacht. Vor dem Wiegen wurden wir animiert, beim Frühstück noch möglichst viel von der Kakaosuppe zu essen, damit mehr auf die Waage kam (was für ein Unsinn). Einer der Jungs - weiß seinen Namen Adam noch - hat sich nach dem 5.Teller erbrochen. Naja, gegenüber den anderen Berichte noch harmlos. Und es gab auch schöne Momente, wie ein Sommerfest und die Abendrunde mit "Tante" Gertrud (aus Bottrop, sie hätte ich gern mal ausfindig gemacht), wo wir "Der Mond ist aufgegangen" gesungen haben. Insgesamt hat der Aufenthalt aber einen so schlechten Nachgeschmack bei mir hinterlassen, dass ich mich sehr gewehrt habe, als mein Vater mich ein Jahr später wieder "verschicken" wollte, und war sehr erleichtert, als er auf meinen Protest hin darauf verzichtet hat.
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Britta schrieb am 05.04.2020
Ich war im Jahr 1979 in Mittelberg im Allgäu in einem Kinderheim. 5 Jahre war ich alt. Über 600 km weit weg von meiner Heimat in Bielefeld, zum ersten Mal weg von meinen Eltern und meinen zwei Schwestern. Und das für 6 Wochen. Ich hatte wohl keine gute Muskulatur und ich aß furchtbar schlecht, und der Kinderarzt, dem die Eltern damals noch hörig waren, hatte mir Luftveränderung verordnet. Meine Mutter glaubte tatsächlich daran, dass es gut für mich sei, oder erzählt sie mir das jetzt nur? Es war grausam. Viele meiner Erinnerungen sind verschüttet, einige Bilder sind glasklar und haben sich in meinem Gedächtnis eingebrannt. Die langen Wege vom Heim ins Dorf, wo wir einmal die Woche für 50 Pfennig etwas Süßes kaufen durften, das hinterher natürlich streng rationiert wurde. Die Postkarten, in denen stand, dass es mir hervorragend gehen würde, wo ich damals schon innerlich schrie ob dieser Lügerei, und mit Sicherheit war dies einer der Gründe, warum ich hinterher, noch vor Schuleintritt, mir das Lesen und Schreiben nahezu selbst beibrachte.
Das Gruppenfoto im strahlenden Sonnenschein, auf dem ich mich an meinen rot-blauen Regenhut (!) klammere, den mir die Fotografin versuchte im Vorfeld noch abzunehmen. Sie hat es nicht geschafft, ich habe mich daran festgeklammert, der Hut ist auf dem Foto zu sehen.
Ich war in einem 6 oder 8- Bettzimmer untergebracht, ich war eine der Kleinsten oder die Kleinste. Ich konnte nachts oft nicht schlafen. Zur Strafe musste ich barfuß und frierend im Flur stehen, wie oft habe ich verdrängt. Eines der schlimmsten Vorfälle, was ich bis zum heutigen Tage nicht verwunden habe, war, dass ich gezwungen wurde, Kartoffelsalat zu essen, eine Riesenportion. Die genaueren Umstände zu diesem Erlebnis habe ich verdrängt, vielleicht ist das auch besser so. Ich habe ihn jedenfalls ausgebrochen auf dem Tisch, woraufhin ich dann eine Weile in der Ecke stehen musste. Seitdem bekomme ich einen Würgereiz, sobald ich in die Nähe von Kartoffelsalat komme. 40 Jahre später noch.
Ich habe kein freundliches Gesicht einer dieser steinalten Erzieherinnen vor Augen wenn ich an die Zeit denke. Es war eine Tortur, und ich spüre, dass meine Verlustängste auch in dieser Zeit mit entstanden sein müssen. Nach den 6 Wochen bekam ich von meinen Eltern ein Kettcar geschenkt, schwarz-weiß-gewürfelt, mein großer Traum. Gegessen habe ich danach noch schlechter als vorher. Und mein Urvertrauen hatte einen Knacks. Als meine eigenen Kinder 5 Jahre alt waren, fragte ich mich, wie meine Eltern es damals fertig gebracht haben, mich in dem Alter einfach so wegzuschicken. Für mich wäre so ein Schritt niemals in Frage gekommen, was für eine Horrorvorstellung, die Kinder am Bahnhof einfach in fremde Hände zu geben, die die Kinder noch nie gesehen haben. Aber wie man immer so schön sagt, und wie auch meine Mutter immer sagt zur Entschuldigung oder Erklärung: "Es waren damals einfach andere Zeiten." - Ich habe es überlebt und auch verwunden, aber vergessen werde ich die 6 Wochen nie, und ganz verziehen hab ich auch meinen Eltern nie. Aber: man kann auch hervorragend ohne Kartoffelsalat leben.
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Franzi schrieb am 05.04.2020
Ich war 1995 als Fünfjährige auf Langeoog zur Kur, zusammen mit meinem zwei Jahre älteren Bruder. Er bekam als „Aufbaukost“ Müsliriegel. Wir durften uns die ganzen Wochen nicht sehen, aber ich erinnere mich noch, wie wir uns heimlich manchmal getroffen haben. Telefonieren durften wir nur einmal pro Woche. Einmal war wegen eines Sturms der Anruf meiner Eltern weg - wieder eine Woche warten, schrecklich! Es gab eine sehr strenge, eine strenge und eine nette Erzieherin. Letztere brach sich aber ein Bein, dann mussten wir eben mit den anderen klarkommen. Viel weiß ich nicht mehr von damals, es sind eher Erinnerungsfetzen an ein unheimliches Gebäude und schlimmes Heimweh.
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Birgitta schrieb am 03.04.2020
Zwei Postkarten habe ich jetzt noch gefunden. Alle Post musste ich unter Aufsicht schreiben, immer wieder: "Dass es mir gut geht!"

Ich kann mich nun wieder erinnern, dass schon die Zugfahrt dorthin ein schreckliches Erlebnis für mich war. Viele der Kinder schliefen auf der sehr langen Zugfahrt, doch ich konnte nicht schlafen, war aufgedreht und ich hatte Bewegungsdrang. Das mochten die Betreuer gar nicht. Wahrscheinlich war ich da schon "unten durch". Dann kann ich mich daran erinnern, dass Sachen, die mir meine Mutter mitgegeben hatte, bei der Ankunft nicht mehr da waren. Ich war in einem Schlafsaal mit 8-10 Kindern. Mein Bett stand vorne an der Zimmertür und das Bett quietschte. Sofort nach der Ankunft habe ich, ich hatte glaube ich Schreibpapier von meiner Mutter dabei, einen Brief geschrieben: Holt mich hier ganz schnell wieder weg. Bitte! Bitte! Es ist ganz schrecklich hier.... Ich staune, aber daran kann ich mich erinnern.

Doch der Brief ist natürlich nicht abgeschickt worden. Da mein Bett quietschte und wir aber still liegen mussten, bekam ich sehr oft Strafen, weil ich mich im Bett bewegte. Eine Strafe erinnere ich: Tagsüber noch mal schlafen, ohne mich zu bewegen! Und da das Bett an der Tür stand, wurde es sofort bemerkt.
Der Inhalt von Päckchen, die meine Eltern schickten, bekam ich nie vollständig.

Pfefferminztee kann ich bis heute kaum riechen. Den gab es täglich in großen Kannen und dazu Graubrot ohne Butter nur dünn mit Marmelade bestrichen. Das mochte ich nicht.
Es gab auch immer Strafen, die alle betrafen, obwohl man selbst gar nichts gemacht hatte.
Viele Erinnerungen sind wohl aber noch verschüttet. Immerhin waren es 7 Wochen. Das Heimweh war unendlich groß.
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Corina schrieb am 03.04.2020
Ich war zw. 1968 und 1970 6 Wochen zur Kinderkur auf Sylt und zw. 3 und 5 Jahre alt. Genaues weiß ich nicht. Ich erinnere mich nur an einen großen Schlafsaal und eisige Waschräume. Ich bekam Mumps und hatte einmal Verstopfung und muß gefühlte Stunden alleine auf dem Klo gesessen haben, ohne dass jemand nach mir suchte ! Ich habe geglaubt meine Eltern nie wieder zu sehen weil 6 Wochen unendlich für ein so kleines Kind sind.Am Hamburger Hbf holten sie mich dann doch wieder nach 6 Wochen ab. Den Schrei, den ich beim Anblick meiner Eltern abgab, höre ich noch heute. Habe wohl sehr lange vor Freude geweint, sie wieder zu sehen!!!
Es war grausam !!!
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Birgitta schrieb am 02.04.2020
Ich bin am 9.8.1971 als Neunjährige von Dortmund mit dem Zug zum Kinder-Erholungsheim "Schmiedhof" in Kreuth am Tegernsee gefahren. Die Kur war von der Barmer-Ersatzkasse. Erst jetzt bin ich auf die Erfahrungs- und Erlebnisberichte von Kindern in Verschickungsheimen gestoßen und es kommen nur wenige Erinnerungen. Allerdings vermute ich jetzt, dass dieser Aufenthalt großen Einfluss auf mein Leben hatte/hat. Mich würde interessieren, ob es jemanden gibt, der auch in diesem Heim war und welche Erfahrungen oder Erlebnisse er hatte, um an eigene Erinnerungen zu kommen.
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CONNX T. schrieb am 02.04.2020
Hallo Marion, Hallo Joachim, ich war auch in obersdorf mit meiner kleinen Schwester, 1969 +/- 1 Jahr, es gab dort eine heimleiterin sie war klein und ich glaube dunkelhaarig, immer wenn sie tagsüber besonders schlimm war diese Frau holte sie Abends ihre Gitarre heraus uns spielte im Schlaf ganz für die Kinder....oh Ton: Li La Lu nur der Mann im Mond schaut zu....schrecklich ich vergesse das nie!!!!! Ach Jakobi oder so ähnlich hiess die...liebe Grüsse Conny
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Maria Krisinger schrieb am 01.04.2020
„Gefängnis am Meer“


So nannten wir es damals, das „Schloss am Meer“. Die Kinderkur der Barmer Ersatzkasse auf Föhr. Es hatte sogar Gitter an den Fenstern.
Ich war neun. Daher müsste es 1991 oder '92 gewesen sein. Ich hatte chronische Bronchitis, ausgelöst durch Holzschutzmittel in unserem damaligen Haus. Außerdem hatte ich Untergewicht. Und so sollte ich sechs Wochen in eine Kur. Erst einmal freute ich mich, denn wir waren schon die beiden Jahre zuvor auf Föhr im Urlaub gewesen. Auf einem netten Bauernhof. Ich sollte dorthin wegen der guten Meeresluft.
Aber erinnern an Ausflüge draußen, geschweige denn am Meer, kann ich mich an ungefähr drei. In den gesamten sechs Wochen. Wir waren immer drinnen.

Unsere Betten hatten Nummern. Und diese Nummern wurden wir. Ich weiß noch, dass ich meine Nummer noch einige Jahre lang wusste. Nun, nach fast 30 Jahren ist sie zum Glück verblasst. Also, das Bett hatte meine Nummer, mein Kleiderschrank hatte diese Nummer, in meiner Kleidung stand diese Nummer, an meinem Handtuch, meinem Kulturbeutel. Ich war diese nun vergessene Nummer.
Ich teilte mir ein Zimmer mit vier anderen Mädchen. Eines dieser Mädchen war erst sechs Jahre alt. Sie war von ihrer Schwester getrennt worden und, es ist kaum zu glauben, aber sie weinte noch viel mehr als ich. Sie hatte so schreckliches Heimweh. Noch mehr als ich. Und ich habe auch die gesamten sechs Wochen hindurch geweint.
Es störte die Erzieherinnen, dass ich Heimweh hatte und so viel weinte. Das war gar nicht gern gesehen und ich wurde von ihnen (außer einer, die sehr nett war) immer ein bisschen aufgezogen deswegen.
Nur manchmal, ganz selten, kam die Chefin runter. Sie war ein unglaublich dicke Frau. Sie hatte riesige Arme und Beine. Und sie war sehr einfühlsam und nett. Sie kam dann und gab uns „Heimwehpillen“. Ich glaube, es waren Smarties. Aber nur weil sie so nett mit mir sprach und mich tröstete, ging es schon viel besser.

Damals konnte ich nicht einschlafen, ohne die Stimmen der Drei Fragezeichen. In meiner ersten Nacht in der Fremde lauschte ich Justus, Bob und Peter und ließ mich von ihnen beruhigen. Nach nur wenigen Minuten jedoch kam eine der „Wachen“ hinein und nahm mir den Walkman weg. Das sei zu gefährlich, sagte sie. Und dass ich den Walkman am Ende der Kur zurück bekäme.
Weg waren sie, meine tröstenden Stimmen. Und da war die volle Kraft des Heimwehs, des alleine Seins und der Einsamkeit.

Duschen mussten wir immer zusammen. Wir standen in einem weiß gekachelten Raum unter ganz vielen Duschköpfen, die an der Decke hingen. Ich glaube wir standen auf einer großen Stufe, also etwas erhöht. Und das Schlimmste am Duschen war das kalte Abduschen danach. Da musste jede durch. Einzeln wurde man mit einem Schlauch eiskalt abgeduscht. Erst vorne, dann einmal umdrehen, und hinten.

Mit den Mädchen auf meinem Zimmer habe ich mich nicht so richtig gut verstanden. Meine Freundinnen, die ich dort gefunden hatte, waren alle schon 12 Jahre alt und gemeinsam auf einem anderen Zimmer. Mit 12 durfte man schon mehr machen. Auch mal alleine in den Ort gehen. Ich habe mir eigentlich damals geschworen, nochmal mit 12 dorthin zu fahren. Nur um den Laden dann aufzumischen und es den Erzieherinnen heimzuzahlen! Aber die Abneigung war größer als die Rachelust.
Ein Mädchen aus dem Zimmer meiner Freundinnen bot mir an, dass wir ja die Betten tauschen könnten. Sie wollte gerne der armen Sechsjährigen beistehen. Und ich wollte in das andere Zimmer. Unser Vorschlag wurde aber abgelehnt. Denn dann würden ja die Nummern nicht mehr stimmen, die wir durch unsere Betten ja nun waren.


Am meisten erinnere ich mich an die „Wachen“. An die Bewegungseinschränkung und die Kontrolle. Obwohl wir für die gute Luft da waren, hatten wir immer zwei Stunden Mittagsruhe. Da mussten wir auf unseren Zimmern und ruhig sein. Man durfte gar nicht raus. Wenn man aufs Klo musste, wurde man von der Wache dorthin gebracht. Sie wartete dann vor der Tür und brachte einen wieder ins Zimmer. Damit man ja nicht zu Freunden ins andere Zimmer huschen konnte. Die Erzieherinnen schritten die Flure auf und ab und kontrollierten, ob wir auch im Zimmer bleiben.
Nachts gab es auch Wachen im Flur.
Ab 22 Uhr war Nachtruhe. Einmal habe ich noch mit meiner Bettnachbarin geredet und gelacht. Es war kurz nach zehn. Da flog die Tür auf und wir wurden in den Waschraum geschickt. Dort mussten wir die ganze Nacht auf den kalten Fliesen schlafen. Wir haben uns damals alle Handtücher auf den Boden gelegt, um es uns ein bisschen weicher zu machen.

Einmal in der Woche durfte die Familie uns anrufen. Mein Flur war dienstags dran. Dienstags abends durfte meine Familie also anrufen. Wir hatten drei Minuten Zeit. So saßen jeden Dienstag mein Vater, meine Mutter, meine Schwester, meine beste Freundin und ihre Eltern um unser Telefon zuhause und ich im Büro des „Schloss am Meer“. Ich weinend. Jedes Mal. Ich habe sowieso die ganze Zeit nur geweint. Aber besonders am Dienstag. Nach drei Minuten klopfte es an der Tür. Zeit vorbei. Wenn man dann nicht auflegte, kam kurz danach eine Erzieherin rein und beendete das Telefonat.
Dieses Gefühl des Ausgeliefertseins ist noch heute unerträglich.

Das Wichtigste war die Post!
Meine beste Freundin dachte sich immer ganz kreative Sachen aus. Sie schrieb mir Rätsel und erfand Spiele, damit ich mich vom Heimweh ablenken konnte. Sie schickte mir Briefe, Playmobilfiguren und einmal sogar Hundeleckerlies, damit ich was zu Begrüßung für meinen Hund hätte, wenn ich zurück komme.

Meine Mutter schickte mir vor allem Saft-Trinkpäckchen. Denn in der Kur gab es ausschließlich Früchtetee. Und ich hasse Früchtetee. Heute noch mehr als damals. Aber auch schon zu Beginn der „Kur“ fand ich es schrecklich eklig. Ich konnte es einfach nicht trinken.

Die so überaus wichtige Post durfte aber immer nur zusammen mit einer Erzieherin geöffnet werden. Denn sollten Süßigkeiten drin sein, würden sie einem weggenommen und an alle verteilt. Das kann ich ja sogar noch verstehen. Falls jemand ständig Süßes kriegt und ein anderer nie, wäre das ja auch hart. Was so schlimm war, war dass man darauf warten musste, bis eine Erzieherin Zeit hatte. Da lag ein großes Päckchen, gefüllt mit Fotos, Briefen und Trinkpäckchen. Mit der Sehnsucht nach Zuhause. Und die Erzieherin hatte keine Zeit, es mit mir zu öffnen. Es war zum verzweifeln. Einmal sagte mir eine Erzieherin: „Stell dich nicht so an, da sind doch eh nur Trinkpäckchen drin.“

Eines Tages wollte meine Großtante mich besuchen, da sie auch gerade auf Föhr im Urlaub war. Dass sie da gewesen war und an der großen Holztüre abgewiesen worden war, erfuhr ich erst Tage später durch eine Postkarte, die sie mir schrieb.

Ich war ja auch wegen Untergewicht dort. Und deshalb musste ich immer alles aufessen. Ich habe nie viel gegessen. Und zuhause durfte ich immer aufhören, wenn ich nicht mehr konnte. Dort musste ich aber aufessen. Und jemand setzte sich neben mich, bis ich den Teller leer hatte. Es war ein schrecklicher Zwang. Wenn man satt ist und es geht einfach nichts mehr rein. Aber man darf auch nicht aufhören zu essen, bis man es geschafft hat.
Und eine weitere „grandiose“ Maßnahme war, dass ich jeden Abend vor dem Schlafengehen noch eine Schüssel Smacks essen musste, bzw. durfte. Die sind ja lecker. Aber was für eine hirnrissige Ernährungsphilosophie ist das denn bitte?!

Am Anfang las ich auf dem Plan der Aktivitäten, dass wir eine Kutschfahrt mit Herrn Nikkelsen (ich bin nicht ganz sicher, wie er geschrieben wird) machen werden. Ich freute mich wochenlang wahnsinnig darauf. Denn auf dem Bauernhof dieses nettes Mannes war ich die beiden Jahre zuvor schon im Urlaub gewesen. Und ich war mir sicher, dass er mich noch kennt. Ich freute mich so sehr auf einen netten Bekannten. Und war auch heimlich schon ganz stolz, weil er mich doch bestimmt wieder die Kutsche lenken lassen würde, wie schon einmal zuvor. Am Tag der Kutschfahrt wurde diese ohne Angaben von Gründen gestrichen. Also wieder ein Tag im Essraum mit den großen Fenstern von denen aus man die Drachenflieger am Strand sehen konnte.

Ich weiß, dass meine Mutter es damals nur gut meinte und dem Arzt vertraute, dass diese Kur gut für mich sei. Aber ich kann mir bis heute nicht erklären, warum sie mich nie abgeholt hat. Sie hatte mich doch jeden Dienstag weinend am Telefon.
Und bis heute hatte ich immer eine ganz leise Angst, dass es tatsächlich ein Gefängnis war, oder eine Besserungsanstalt, weil ich laut meiner Mutter ja immer so schrecklich wütend war und das so anstrengend war.

Ich glaube, dass ich in dieser Zeit damit begann, mir die Mundwinkel blutig zu reiben. Das taucht auch heute immer mal wieder auf, dieses Phänomen und während dieser Phasen kann ich es nicht stoppen. Es ist ein Drang, den ich nicht lassen kann. Auch wenn mir die Mundwinkel schon weh tun und ich völlig bescheuert aussehe. Ich kann es nicht lassen. Erst wenn sie wirklich blutig sind und es zu sehr weh tut, sie zu berühren, dann höre ich auf.
Durch die momentane Ausgangs- und Kontaktsperre wegen Corona fühle ich mich immer öfter an diese Zeit erinnert. Wieder einmal Freiheitsentzug und Kontrolle im Namen der Gesundheit. Meine Mundwinkel sind auch wieder wund. Und das ist ja besonders jetzt, da man sich nicht ins Gesicht fassen soll, wiederum mit sehr viel Angst verbunden.

Aber ich bin froh, dass diese Zeit gerade wieder so lebendig wird und ich viel darüber nachdenke.
Denn so kam es, dass ich online suchte nach dem „Schloss am Meer“ (diesen Namen kann ich in meinem Inneren immer nur mit größter Verachtung und Wut denken). Ich wollte wissen, ob es das Haus noch als Kurort gibt und ob ich vielleicht heute noch klagen könnte, um andere Kinder zu schützen oder um nun endlich den Laden aufzumischen, wie ich es eigentlich mit 12 machen wollte. Da stieß ich auf ein altes Foto des Hauses, was mich zu einem Artikel über „Verschickungskinder“ brachte. Ich fand noch viele weitere Artikel und auch zu dieser Seite der Vernetzung von Betroffenen.
Ich fühle mich nur allein dadurch schon so viel besser! Ich bin nicht zu sensibel. Es ist so schlimm wie es sich angefühlt hat. Und ich bin nicht die einzige. Und „das Kind“ hat einen Namen. Und außerdem kann ich jetzt ganz sicher sein, dass es eine Kur war und kein Knast.
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Christian Katz schrieb am 30.03.2020
Hallo zusammen, ich bin ganz neu hier und habe durch einen Artikel in der örtliche Zeitung wieder Interesse bekommen, über meinen Kuraufenthalt auf Wyk auf Föhr nachzudenken.
Leider habe ich gar keine Erinnerung an die Zeit, da ich erst knapp zwei Jahre gewesen sein muss, als ich zur Erholung und Kräftigung nachdem ich nur knapp eine doppelseitige Lungenentzündung überlebt hatte. Das muss so um 1953 gewesen sein. Ich bin in Lübeck geboren. Aus Erzählungen meiner Mutter, die schon lange verstorben ist, kann ich mich an den Namen "Tante Elisabeth" erinnern, weil meine Mutter erzählt hat, dass es dort eine Schwester, eben besagte "Schwester Elisabeth" gegeben hat, die mich zu sich genommen hat und in deren Bett ich schlafen durfte, weil ich noch so klein war. Ich hatte wegen der Erzählung immer ein starkes Gefühl der Dankbarkeit ihr gegenüber. In dem Zeitungsartikel wird diese Frau "Tante Elisabeth" aber als ziemlich brutale und unmenschliche Person dargestellt.
Meine Frage jetzt: War jemand in den Jahren 1953/54 in diesem Heim in Wyk auf Föhr und hat diese Tante Elisabeth gekannt und kann mir mehr über diese Person erzählen? Weiß jemand noch den Namen des Heims? Die Frage, ob sich jemand an einen kleinen, eher zarte zweijährigen Jungen namens Christian in diesem Heim erinnert, ist wahrscheinlich nicht zu beantworten.
Aber vielleicht gibt es aj Infos aus dieser Zeit. Mir wäre es wichtig, weil ich mich immer gefragt habe, wieso ich, obwohl ich eigentlich kein sehr ängstliches Kind war, solange ich mich als kind ein meinem sozialen Umfeld meiner Familie und auf der Straße bewegt habe, aber bei der Einschulung, als meine mich begleitende Mutter den Klassenraum nach der Begrüßung durch die Grundschullehrerin die Klassenraum verlassen sollte (wie alle Eltern), ich sofort laut weinend hinter ihr her und aus der Klasse gelaufen bin.
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Thomas Schmitt schrieb am 29.03.2020
Meine Verschickung 1964 (aufgeschrieben im März 2020)

*Erholung*
Im Herbst 1964 wurde ich als Achtjähriger für sechs Wochen in ein Heim gegeben, wie man damals sagte “zur Erholung”, mit dem Ziel der Gewichtszunahme. Meine zwei Jahre jüngere Schwester begleitete mich mit unzähligen anderen, fremden Kindern.

*Die Fahrt*
Die lange Bahnreise führte uns erstmals im Leben ins Ausland, von Rheinhessen ins Tessin. Bei einem längeren Zwischenhalt in Basel besuchten wir den Basler Zoo, der einzige Lichtblick der gesamten Verschickung.

*Das Heim*
Das Haus lag auf einem Hügel außerhalb der Ortschaft Agra im Tessin, mit einer herrlichen Sicht bis zum Luganer See. Geleitet wurde das Heim von katholischen, deutsch sprechenden Ordensschwestern. Es war das Olga-Burchard-Heim in
6927 Agra - Collina d'Oro,
Lugano - Schweiz

*Die Trennung*
Wie bereits im Zug, so wurden wir Kinder im Heim getrennt und nach Geschlechtern auf verschiedenen Stockwerken untergebracht. Meine kleine Schwester sah ich selten, ich erinnere mich dabei nur an die Essenszeiten im riesigen Speisesaal, aber auch da saßen wir nicht am selben Tisch. Bei Spaziergängen und anderen Freizeitveranstaltungen wurde die scharfe Geschlechtertrennung durchgehalten.

*Die Mahlzeiten*
Hier gab es die eiserne Regel, dass der Teller leer gegessen werden musste. Die Portionsgrößen wurden von den Nonnen bestimmt. Wer nicht aufaß, musste so lange im Treppenhaus auf- und ablaufen, bis der Hunger, die Erschöpfung oder die Verzweiflung so groß war, dass man schließlich doch seinen Teller leer aß. Es gab dabei keinerlei Pardon.

*Die Nächte*
Fünf oder sechs Eisengestellbetten pro Schlafsaal, unter jedem Bett ein großer Blecheimer für’s nächtliche “Geschäft“. Schlafenszeit war schon recht bald nach dem Abendessen, an ein Abendprogramm kann ich mich nicht erinnern. Vor den Türen auf dem Flur patrouillierten Nonnen, um beim geringsten Geräusch hereinzukommen und den “Schuldigen” ausfindig zu machen. Zur Strafe musste der Ertappte lange auf den Fliesen im eiskalten Flur knien, im Schlafanzug und unter Aufsicht. Manchmal passierte es einem Jungen, dass er seinen Blecheimer umstieß. Lärm, Gestank, Geschrei und Strafe waren die Folge, die zur gestörten Nachtruhe hinzukam.

*Die Sonntage*
Für uns “Ältere”, meine Schwester gehörte nicht dazu, war der sonntägliche Kirchgang Pflicht. Das bedeutete einen Marsch durch den Wald zur winzigen Dorfkirche von Agra. Diese war schon wegen der Dorfbewohner ziemlich voll. Unsere Gruppe Kinder musste dann ganz hinten stehen, wir sahen nichts und verstanden kaum etwas, denn die Messe wurde noch auf Latein gehalten, die Predigt etc. war auf italienisch. Am schlimmsten aber empfand ich den stickigen Geruch, wohl verursacht vom alten Gemäuer, von alten Menschen, Kerzen und Weihrauch. Mehr als einmal wurde mir übel!

*Kontakt nach Hause*
Sechs Wochen ohne Kontakt zu Eltern und unseren fünf weiteren Geschwistern! Telefonieren gab’s gar nicht. Briefe und Postkarten wurden zensiert, es durfte nur Positives über unseren Aufenthalt berichtet werden. Es gab Jungs, die einen Hilferuf an die vorgesehene Stelle für die Briefmarke schrieben und dann überklebten. An einen Besuch durch Eltern eines anderen Kindes kann ich mich nur in einem einzigen Fall erinnern.

*Recherche und Erinnerung*
Angeregt durch einen Betrag im Südwestfernsehen Anfang 2020 stieß ich auf die Webseite http://verschickungsheime.org/ und recherchierte dann nach dem Heim in Agra/Tessin. Das “Deutsche Haus” war zunächst als Sanatorium gegründet und von einem Direktor Hanns Alexander aus Dresden geleitet worden, der von den Nazis unterstützt wurde. Zitat aus der Webseite https://www.resortcollinadoro.com/en/the-resort/history : “Nachdem Deutschland 1945 besiegt wurde, litt das Deutsche Haus infolge der Aktivitäten von Doktor Alexander unter seiner schlechten Reputation, bis es 1969 schließlich geschlossen wurde.” - Gelände und Gebäude haben seit Jahren einen anderen Besitzer. Es ist heute ein Ferienresort. Schon beim Betrachten der ersten Fotos kamen deutliche Erinnerungen an das Heim und die Umgebung wieder. Keine Zweifel: hierhin waren ich und meine Schwester 1964, ich mit acht, sie mit sechs Jahren, verschickt worden.
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Katrin Sander schrieb am 29.03.2020
Ich war 1969 als 5 jährige im Bodelschwingh Haus auf Langeoog und vorher war ich ein fünfjähriges aufgewecktes Kind mit Neurodermitis. Als ich zurückkam habe ich meine Eltern nicht mehr erkannt. Sie haben mich nicht aus Langeoog abgeholt, obwohl ich es ganz oft zu den Schwestern dort gesagt habe. Sie sollten es auf die Postkarten schreiben. Doch meine Eltern kamen nicht, da sie natürlich keine solcher Postkarten bekamen. Danach war ich abgemagert und wieder Bettnässer. Meine Eltern waren erschüttert und nachdem sie einen Brief an das Heim geschrieben haben, kam von der Oberin ein Brief zurück, dass ich wohl geistig minderbemittelt bin und mich nicht habe einordnen können.
Die widerliche Suppe musste ich aufessen und so lange am Tisch sitzenbleiben, bis sie leer war, sodass es dann meine Schuld war, wenn ich nicht mit an den Strand durfte. Auch ins Bett habe ich gemacht, da man nicht mehr aufstehen durfte, wenn das Licht ausging. Einmal habe ich auch eingekotet, warum weiß ich nicht mehr aber ich musste alles selber saubermachen und draußen vor der Tür saß eine Hexe, die aufgepasst hat. Mir kommen immer noch die Tränen und ich hatte es alles bis vor 27 Jahren verdrängt. Doch bei der Geburt meines Sohnes ist wohl wieder alles hoch gekommen und so habe ich bis heute starke Verlustängste und kann nicht gut allein sein. Meinen Eltern mache ich keine Vorwürfe, die wussten nichts von den Zuständen dort. Ich habe lange Zeit an mir selbst gezweifelt. Ich war eben ungehorsam und habe immer Schwierigkeiten gemacht. Jetzt weiß ich, dass es vielen so ging und auch wie ich, daran noch leiden. Das hilft natürlich.
Liebe Grüße an alle da draußen
Katrin
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Brigitte Tritschler schrieb am 25.03.2020
Auch ich war 5jähr. 1968 für einige Wochen in einem Heim in Schulenberg im Harz. Bisher habe ich die Ereignisse wohl verdrängt, nachdem ich aber die Dokumentation von Report Mainz gesehen habe, kommt so einiges wieder zum Vorschein. Zusammen mit meinem jüngeren Bruder wurden wir von der Kinderärztin dahin geschickt. Am schlimmsten ist wirklich diese Erinnerung an die Kirschsuppe, ich fand sie eklig, habe sie auch erbrochen und musste das dann aufessen. Als ich nicht wollte, hat eine der Tanten mich auf den Schoss genommen und mir alles reingestopft. Ich war ganz alleine mit ihr in diesem Saal bis alles weg war. Auch durfte ich nie raus, weidlich anscheinend keine Gummistiefel hatte. Als wir wieder heim kamen, waren die Gummistiefel auf einmal wieder im Koffer. Meinen 4jähr. Bruder habe ich in den ganzen Wochen nur einmal gesehen. Mädchen und Jungs waren damals ja strikt getrennt.
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Birgit Skog schrieb am 25.03.2020
Hej, ich war ungefæhr 1975 als 10 jæhrige in einem kurheim auf Borkum. Meine Erinnerungen daran sind nicht die besten. Denke an dicken hafersuppe, einen grossen speissesal, mussten um 5 uhr ins Bett, rote jogginganzuege, lieder fuer die leiterin singen und vieles mehr. Ich wohne jetzt schon 30 jahre i Dænemark aber diese wagen Erinnerungen haben mich nie verlassen.
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Veronika schrieb am 21.03.2020
Hallo zusammen,
ich habe diese Info durch einen Bericht in unserer Tageszeitung (LKZ) gefunden. Ich war vom 20.9. - 30.10.1963 im Kinderheim Berghof´ in Polling / Obb. Bin 1955 geboren und damals wohnten wir in Essen/NRW. An das Kinderheim kann ich mich nur erinnern, daß wir Holunder essen mußten, den ich nicht mochte. Außerdem mußten wir uns abends immer in eine Reihe stellen, um auf die Toilette zu gehen. Erst wenn die Schüssel voll war, durfte abgezogen werden. Das hat - glaube ich - bis heute Nachwirkungen, da ich immer noch drauf fixiert bin, eine Toilette in der Nähe zu haben. Außerdem bekam ich nach 3 Wochen eine angeblich starke Bronchitis. Der Arzt , Dr.Treidtel, kam ab und zu abends . Als ich nach Hause kam, fiel ich meinen Elternhalbtot ´ in die Arme ( Aussage meiner Eltern). Die gingen gleich am nächsten Tag mit mir zum Lungenfacharzt und der stellte fest, daß ich eine heftige Lungenentzündung gehabt hatte. Nach den 6 Wochen Kur fehlte ich noch 3 Wochen in der Schule, weil ich erst diese Folgen der Lungenentzündung wieder auskurieren mußte.
Wie das weitere `Leben ´ in dem Heim war, daran kann ich mich - Gott sei Dank wohl - nicht mehr erinnern. Es muß wohl auch bald darauf geschlossen worden sein. Über das Heim habe ich noch den Entlassbericht und die Stellungnahme der Krankenkasse von damals, daher die genauen Angaben. Mein Vater hatte sich massiv bei der Krankenkasse beschwert.

Ich finde es gut, daß es jetzt diese Seite gibt und das es endlich bekannt wird, wie in einem Teil der Heime mit den Kindern umgegangen wurde. Mein Mann war mehrfach auf Sylt und hat keinerlei schlechte Erfahrungen in seiner Erinnerung.

Ich wünsche uns allen, das wir durch diese Seiten sehen können, daß wir nicht alleine sind.
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Beate schrieb am 20.03.2020
Hallo, ich war 1970 als 7-jährige für 6 Wochen im DRK-Kindersolbad Bad Dürrheim. Ich erinnere mich an lieblose, empathiefreie Betreuung, strenges Regime mit Ohrfeigen, Drohungen, Schlafentzug und Unterschlagung von Post und Geburtstagsgeschenken von meiner Familie (ich habe dort meinen 8. sehr freudlosen Geburtstag verbringen müssen)

Bislang gibt es auf dieser Seite nur Erfahrungen vom Luisenheim. Vielleicht war ja auch jemand in der DRK-Kinderheilstätte, die oder der mehr erzählen kann?
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Silke schrieb am 19.03.2020
Hallo
Ich war 1979 in St.Peter Ording mit 4 Jahren, mein Bruder mit 6 Jahren war auch dabei. Meine Erinnerungen daran sind sehr schwach, meine Seele weiß aber das da was war. In meinem Heilungsprozeß 2010 aufgrund von Sex.Mißbrauch kam das immer mehr zu Tage. Ich kann mich erinnern das meine Mutter später erzählt hat sie hätte anrufe wegen meines unmöglichen Verhaltens bekommen. Ich hätte doch tatsächlich meinen Kot an die Wand geschmiert... wahrscheinlich aus Langeweile... ha ha. Diese Ignoranz ist mir bei der Aufarbeitung öfters begegnet. Ja ich war halt ein schlimmes Kind und eben unmöglich weil ich mich schon im Kindergarten bestens mit der Anatomie des Mannes auskannte...
Das Kurheim hieß Wentzelhof von Ehepaar Spielmann. Durch einen Heimatforscher habe ich ein Buch über die Kinder Kurheime in St.Peter Ording. Dem Ehepaar habe ich 2011 geschrieben aber meine Akte nicht bekommen.
Ich habe auch noch ein Gruppenfoto und schon oft überlegt wie ich die Kinder ausfindig machen kann. Es würde mich interessieren ob sich jemand an mich erinnert. Vielleicht erinnert sich ja jemand daran.
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Michael Thierbach schrieb am 18.03.2020
Hallo zusammen!
Ich wurde heute durch einen Bericht im "Schwarzwälder Boten" auf dieses Forum aufmerksam und seither habe ich feuchte Augen. Auch ich war ca. 1964 so ein Verschickungskind wegen ständiger Brochitis. Ich habe wirkliche Grausamkeiten erlebt. Ich war in einem DRK-Heim in Wittdün auf der Insel Amrum. Meine Frage: Gibt es jemanden, der dort auch war? Vor ca. 15 Jahren habe ich an das DRK und die Kriminalpolizei dort geschrieben, ob weitere Fälle bekannt sind, leider ohne Ergebnis.
Anlässlich einer kardiologischen Reha im vergangenen September wurde mir dringend empfohlen, die Erlebnisse aufzuarbeiten, da das auch mein Herz beeinträchtigt. Die Psychologin hat bei mir eine PBS diagnostiziert, aber leider gibt es in meiner Nähe keine geeigneten Traumatherapeuten.
Ich würde mich gerne weiter austauschen...
Liebe Grüße aus dem Schwarzwald
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Monika Held schrieb am 17.03.2020
Hallo, ich war schon in den fünfziger Jahren in Wijk auf Föhr. Ich erinnere mich an die ekelhafte Brotsuppe, die es zum Frühstück gab. Ich nahm ein paar Löffel und erbrach die Pampe sofort zurück auf den Teller. Sie wollten mich zwingen, das erbrochene aufzuessen. Als ich mich weigerte, musste ich einen ganzen Tag alleine vor dieser säuerlich stinkenden Suppe sitzen. Ich weiß, dass ich damals dachte: Und wenn ich hier sterbe - den Teller rühre ich nicht an.

Ich erinnere mich auch an einen Nachmittag, an dem getestet wurde, wer von uns schön singen kann. Nach einer Strophe "Hänschen klein" wurde entschieden, wer beim Singspiel mitmachen durfte und wer nicht. Ich nicht. Wir mit den unschönen Stimmen wurden ins Bett geschickt und mussten bis abends anhören, wie die anderen Kinder ein Singspiel einübten. Wir haben stundenlang geweint. Jahre später ist mir diese wieder Szene eingefallen, als ich gefragt wurde, warum ich im Musikunterricht nicht mitsingen wollte. Singen kann doch jeder! Ich nicht mehr.
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Monique Eckardt-Begall schrieb am 17.03.2020
Hallo, ich wurde 1958, mit 6 Jahren, vom Gesundheitsamt Wiesbaden (wie ich vermute), wegen Untergewichts für 6 Wochen in ein Kinderheim nach Bayern (wo genau, weiß ich nicht mehr) verschickt. Viele Erinnerungen an diese schreckliche Zeit habe ich verdrängt, was ich noch erinnere: es gab 3x täglich Haferschleim, und weil ich den noch nie gemocht habe, hatte ich mich während des Essens meistens übergeben. Danach wurde ich an den Tisch gesetzt und musste den Haferschleim weiteressen. Das ging so über Wochen. Die Post wurde zensiert bzw. Briefe an die Eltern wurden erst gar nicht abgeschickt, Telefonate nach Hause verboten. Weil sich mein Vater wunderte, dass ich mich nicht meldete, hatte er 2x in dem Heim angerufen und wollte mich sprechen, jedes Mal wurde ihm gesagt, dass ich gerade nicht da sei. Die Erzieher waren lieblos bis grob, wir wurden oft angeschrien. Ich hatte viel Heimweh und habe ins Bett gemacht, weil wir nachts nicht aus dem Zimmer gehen durften. Die Bettwäsche wurde dann nur getrocknet und ich musste weiter in dem nach Urin riechenden Bettzeug schlafen. Während dieser Zeit sind in dem Haus die Windpocken ausgebrochen und es ging das Gerücht um, dass man auf der Krankenstation besser und freundlicher behandelt und nicht zum Essen gezwungen würde. Ich hatte alles daran gesetzt, mich mit Windpocken anzustecken, um auch in die Krankenstation zu kommen, was mir dann auch gelang. Dort war es dann wirklich besser. Die Eltern wurden über diesen Windpockenausbruch allerdings nicht informiert. Viele von uns wurden dann krank in den Zug nach Hause gesetzt und den entsetzten Eltern übergeben, das war 1 Tag vor Hl. Abend. Ich war damals, wie gesagt, 6 Jahre alt. Bis auf den heutigen Tag kann ich keinen Brei, geschweige denn Haferschleim, auch nur riechen, ohne dass mir übel wird. Leider habe ich nicht herausfinden können, wo das Heim in Bayern genau war und wie es hieß. Aber vielleicht war ja noch jemand, der das hier liest, ebenfalls dort? Den größten Skandal an diesen Verschickungen sehe ich darin, dass damals niemand - weder Eltern noch Behörden - diese Zustände öffentlich gemacht und dafür gesorgt hat, dem ein Ende zu setzen.
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Michael schrieb am 12.03.2020
Hallo
ich war in St.Peter-Ording 1966 und 1967 in Wyk auf Föhr. Leider kennen ich die Namen der Heime nicht mehr ; ich war damals 6 bzw. 7 Jahre alt. St.Peter war besonders furchtbar, Wyk 1967 wenig besser. Leider weiß ich nicht wer damals die Verschickung angeordnet hat , vermutlich der Berliner Kinderarzt zu dem ich damals ging....Würde mich gern mit Leuten austauschen die auch in diesen Jahren in den genannten Heimen waren.... und ich bin froh dass ich zufällig auf dieses Forum und die "Verschickung" gestoßen bin... Vieles habe ich verdrängt, durch die Schilderungen bekomme ich wieder einen "Draht" in die Vergangenheit...
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Heidi schrieb am 10.03.2020
Ich wurde 1975 im Alter von 6 Jahren nach Sylt zu einer Kinderkur geschickt, weil ich Asthma hatte. Es war das Kinderkurheim „Haus Nordmark“, Westerland. An den Aufenthalt selbst habe ich kaum bildhafte, sondern eher emotionale Erinnerungen. Es war sehr schlimm für mich dort, weil ich großes Heimweh hatte. Ich wurde gezwungen, mein Essen stets aufzuessen, weil die Betreuerinnen mir sonst nicht die Postkarten vorlasen, die meine Mutter mir schrieb. Das ist die einzige Szene, die ich immer noch vor mir sehe: Wie ich vor dem Teller mit Essen sitze und die Betreuerin mit der Postkarte meiner Mutter winkt. Ich hatte große Angst vor dem starken Wind auf der Insel. Die Betreuerinnen sagten, dass dort auch schon Kinder weggeweht seien, die nicht brav gewesen seien. Seit dem Aufenthalt bin ich übergewichtig und habe eine Essstörung (vorher war ich ein sehr dünnes Kind).
Im Jahr 1978, im Alter von 8 Jahren, wurde ich dann noch einmal in eine Kinderkur geschickt, weil ich abnehmen sollte. Damals war ich im „Haus am Schmalensee“ in Mittenwald, das von Nonnen geleitet wurde. An diesen Aufenthalt habe ich mehr Erinnerungen. Es gab für mich kaum etwas zu essen, während die anderen Kinder zum Essen angehalten wurden. Ich hatte ständig Hunger und großes Heimweh. Wir bekamen gleich zu Beginn alle Anziehsachen abgenommen und durften erst nach zwei Wochen die Kleidung wieder wechseln. Post meiner Eltern wurde mir vorenthalten, sodass ich dachte, sie hätten mich vergessen. Auch wurde meine Post an die Eltern zensiert. Ich weiß noch, wie eine Nonne mich zu sich rief, um mir einmal zu sagen, dass ich „keinen schönen Brief“ geschrieben habe. In diesem hatte ich meinen Eltern von den Zuständen geschrieben. Den Brief sollte ich noch einmal neu schreiben. Am Ende der 6 Wochen bekam ich alle Briefe meiner Mutter und ein Paket mit Süßigkeiten, die ich auf der Rückfahrt alle auf einmal in mich hineinstopfte, bis mir schlecht war. Es gab kein Mitgefühl dort. Als ich Windpocken hatte, wurde ich in ein Zimmer einquartiert, in dem ich mehrere Tage völlig allein verbringen musste. Die Nonnen waren sehr streng, es fiel kein freundliches Wort, soweit ich mich erinnern kann. Es wurde viel gebetet. Es gab aber einen gewissen Zusammenhalt unter den Kindern, das weiß ich noch. Alle waren in Not und haben auf ihre Art versucht, mit der Situation fertig zu werden.
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Juergen Reinhold schrieb am 10.03.2020
Hallo, ich bin Jahrgang 1959 und wurde im Alter von 5 Jahren, oder so, fuer 6 Wochen nach Spiekeroog zur "Kur" geschickt. Meine Lungen waren damals "unterentwickelt" und das Rhein/ Main Delta Klima im Raum Frankfurt/Main war nicht gut fuer mich (kannn mich noch daran erinnern wie es meinen Eltern erklaert wurde). Die "frische Luft" wuerde mir im Norden
gut tun. Wenn ich das Wort Spiekeroog bis zum heutigen Tage hoere (bin nun 61) geht mir ein eiskalter Schauer ueber meinen Ruecken runter.
Die Sehnsucht nach meinen Eltern und unendlichen Traenen die wir gemeinsam mit anderen Kindern dort geweint haben werd ich niemals in meinem Leben vergessen.
Der eiskalte "Empfang" und taeglichen Umgang mit uns dort auf der Insel waren einfach grausam. Ich kann mich nicht an viele Einzelheiten erinnern, nur das es ein absoluter Alptraum fuer mich war.
Ich bin mir sicher das dieser Schock dort mein Leben gepraegt hat. Ich konnte mich danach kaum konzentrieren, hatte Schwierigkeiten in der Schule. Hatte ueberhaupt kein Selbstvertraunen mehr.
Danke das Sie diese Seite gegruendet haben.
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Monika Pahnke schrieb am 09.03.2020
Ich war Mitte der 70er Jahre auf Sylt, Vogelkoje.
Ich bin von der ersten bis zur letzten Minute Schikaniert und gemobbt worden !
Durch diese Scheiße ( sorry ) lief / läuft bis heute mein Leben komplett aus dem Ruder.
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Elke schrieb am 09.03.2020
Hallo, ich war 1977 als 12jährige im Kinderheim Schlichter am Schliersee und habe zum Glück keine traumatischen Erlebnisse gehabt. Es sind kleine Dinge die bei mir in der Erinnerung auftauchen ich bin gespannt was da noch hervor kommt.
Die jüngeren Kinder haben allerdings sehr unter Heimweh gelitten und die Nähe zu uns Älteren gesucht. In einem Brief an meine Eltern erzählte ich dass ich schon „zwei Töchter“ hätte und ich erinnere mich zudem an einen kleinen Jungen der mich bat, seine Mama zu sein.
Seither habe ich mich nur daran erinnert dass ich 1977 beschoß Erzieherin zu werden, jetzt ist mir klar geworden warum......
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Ute Maria schrieb am 09.03.2020
Ich bin mit 6 Jahren im Jahr 1972 nach Bad Dürrheim verschickt worden, weil die Untersuchung zur Einschulung ergeben hat, dass ich übergewichtig sei und deshalb abnehmen sollte. In Bad Dürrheim wurden Kinder, die übergewichtig waren und die, die Untergewicht hatten, zusammen betreut.

Der Begriff Verschickungskind fasst all die Trauer, das nicht begreifen können über die einsamen Wochen zusammen. Verschickt worden wie eine Sendung, die niemand mehr wollte. So hat es sich angefühlt. Verheerend.

Als ich zurück kam war ich verstört, hatte in der Zeit keinen Kontakt zu meinen Mitschüler*innen knüpfen können, war sozial nicht integriert, konnte nicht lesen und schreiben und habe nur durch viel Glück und gute Umstände nicht in der Schule versagt.

Heute bin ich 54 und dieses frühe Trauma hat als Subtext immer mein Leben begleitet. Ich habe 40 Jahre niemandem vertraut, auch mir selbst nicht.
Die Fassungslosigkeit darüber, wie eine Mutter und ein Vater akzeptieren können wochenlang von ihrem Kind getrennt zu werden ohne jedweden Kontakt habe ich nie verloren. Wie Krankenkassen, Ärzte, erweiterte Familie, Umfeld, Schule und andere Beteiligte bei dieser unseligen Praxis zugeschaut und es teilweise bagatellisiert haben.

Ich habe Erinnerungsfetzen an die Zeit und habe jahrelang gemutmasst, dass meine chronische Hautkrankheit und meine Essstörung die Konsequenz von sexuellem Mißbrauch ist. Heute denke ich, dass die Situation als solche, als Kind mit dieser Situation fertig werden zu müssen, jedwedes Vertrauen nachhaltig zerstört hat, keine tragfähigen, langfristigen Beziehungen deshalb möglich waren. Nur sehr viel Therapie und in der Folge Selbstliebe waren nötig um mich selbst heute uneingeschränkt zu schützen. Ich kann mich auf mich selbst verlassen, immer.

Ich bin dankbar, dass ich die Fakten an sich kenne, nicht völlig ahnungslos bin und mich wundere, warum meine Biographie so ist wie sie ist. Dieses Erlebnis hat mich massiv geprägt und mir letztlich Mitgefühl für andere beschert, dass ich vielleicht sonst nicht empfinden könnte. Ich weiß noch ganz genau wie sich die 6-Jährige damals gefühlt hat. Sicher ist, dass ich niemandem mehr erlaube mir zu schaden und mir weiß zu machen, dass man nur das Beste für mich will und sich gleichzeitig völlig übergriffig verhält oder mich benutzt.

Bilder von damals erzählen mir heute, dass ich nicht wirklich übergewichtig war und abgenommen habe ich damals 200 Gramm.
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Peer schrieb am 09.03.2020
Hallo Frau Röhl, vor kurzem habe ich einem Dr.Oliver Schmidt, seines Zeichens Museumsleiter eine Email geschrieben, weil ich ab und an mal gegoogelt habe, was es mit dem Kindesmissbrauch in Bad Sassendorf, wo ich 1974 für 6 Wochen war, auf sich hat. Nun.... ich schrieb ihm folgende Zeilen: Hallo Herr Schmidt,

kürzlich habe ich die Wörter "Bad Sassendorf / Kinderheilanstalt" gegooglet und fand Ihren
Aufruf sich bei Ihnen als Zeitzeuge zu melden zur Kinderheilanstalt Bad Sassendorf zu melden.
Tja....hier bin ich.
Geboren wurde ich 1966 in Kiel. Aufgewachsen bin ich in schwierigen Verhältnissen als jüngerer
Bruder meines Bruders Michael. Mein Vater -Alkoholiker- an den ich nicht viel gute Erinnerungen
hege, meine Mutter ständig arbeitstätig und sehr bemüht meinem älteren Bruder und mir ein gutes
Leben zu ermöglichen.
Die ersten Erinnerungen an Bad Sassendorf sind, dass meine Mutter und ich in einem Büro in
Kronshagen, bei Kiel saßen und das Thema Kur für Kinder erörtert wurde. Dann weiß ich noch,
dass das Thema 6 Wochen im Raume stand, obwohl wir damals nur 4 Wochen Ferien hatten. Ich
meines Erachtens 7 Jahre und in der zweiten Klasse gewesen sein.
Dann weiß ich noch, wie ich in Rendsburg in den Bahnhof gebracht worden bin und als Trostpflaster
ein kleines Spielzeugmotorrad bekam und mir bei der Abfahrt ein paar Tränen heruntergekullert
sind. Und schon ging die Fahrt mit den Betreuerinnen los nach Soest/Bad Sassendorf.
Abends angekommen wurden wir in den Speisesaal geführt, nachdem uns die Koffer abgenommen
wurden. Dort ist einem Jungen das Unglück passiert, dass er gegen einen Tisch gestolpert ist und
sich eine Platzwunde am Kopf zuzog. Der Umgangston dort war sehr harsch und streng, dass viele Jungs
anfingen zu weinen und sich teilweise in die Hosen machten vor Angst. An den Abend kann ich mich
sehr gut erinnern, da dort das Thema aufkam, dass Deutschland Fussballweltmeister geworden ist
und viele Kinder und Betreuer das bejubelt haben. Viele andere Jungs, mich eingeschlossen, waren
eher starr vor Angst und vor dem, was uns bevorstand. Jetzt in diesem Moment, in dem ich Ihnen
schreibe, muss ich ein paar mal durchatmen um einen klaren Gedanken zu finden. Es ist nicht einfach.
Am nächsten Tag wurde uns nach dem Frühstück mitgeteilt, dass alle Naschsachen und Spiel-
gegenstände eingezogen worden sind. Wenn jemand Geburtstag hatte, während dieser sechs
Wochen Aufenthalt, durften die Geburtstagskinder und manchmal auch wir, die keinen Geburtstag hatten,
"blind" in die Tüte reingreifen und uns ein Naschi nehmen. Täglich wurden wir gewogen und wenn wir
nicht zunähmen, müssten wir solange dort bleiben, bis wir zugenommen haben. Diese Androhung haben
wir ernst genommen und haben so viel wie möglich versucht zu essen und zu trinken. Es flossen viele
Tränen, wenn wir nicht zugenommen haben. An das Essen an sich kann ich mich wenig erinnern,
Hagebuttentee und der Geruch von Vanillepudding in Kantinen verursacht bei mir immernoch ein
Gefühl von Unwohlsein. Wöchentlich wurden wir mehrmals in die Solbäder gebracht. Diese waren
so heiss, dass es bei allen Kindern sehr lange gedauert hat ich in diese Holzbottiche. Das ging nie
von statten ohne dass wir uns den Gram der Betreuerinnen zuzogen. Erinnern kann ich mich an eine
"Schwester Brigitte" ….die hatte immer so ein Stars and Stripes TShirt an, so wie es in den Siebzigern
modern war. Den Gram haben wir Kinder uns des Öfteren zugezogen, so dass es immer zu einer
Gruppenhaftung kam, wenn einer von uns kleinen Jungs sich nicht "benommen" hat. Die Strafe folgte
folgendermaßen. Wir mussten uns im Aufenthaltsraum im Kreis hinsetzen und solange die Arme hoch-
halten bis die Finger anfingen zu kribbeln und zu schmerzen, aufgrund des Blutmangels in den Händen
und Armen. Immer haben die Kinder vor Schmerzen geweint, meistens folgte danach das gefürchtete
Finger- und Fußnägeln knipsen und schneiden. Dort wurden uns nämlich die Finger so kurz geschnitten,
dass wir vor Schmerzen weinen mussten. Die aufgestauten Agressionen entluden sich bei vielen
Kindern, indem sie andere Kinder anfingen zu ärgern, schlagen oder quälten. Ich erinnere mich an einen
Jungen Alfred -Sommersprossen, leicht rötliche Haare und einen Sprachfehler aufgrund einer Hasenschate-,
der schlief in unserem 8 oder 6 Bettzimmer und wurde unter Androhung von Schlägen dazu gezwungen
ihm die in den Mund gerotzte Spucke runterzuschlucken. Das ist den schwächeren Jungs dort oft passiert,
ich konnte mich mit meiner großen Klappe dagegen wehren und muss zu meiner Schande gestehen,
dass ich bei diesem erniedrigenden Spiel auch ein- zwei- mal mitgemacht habe. Meistens habe ich jedoch Bilder vom Krieg gemalt. Flugzeuge die Bomben warfen, Panzer und Kriegschiffe und viele schießende Soldaten. Und das als 7jähriger. Ferner weiß ich noch,
wie einem Jungen -ich glaube er hieß Kay (Kai) Fischer, die Flucht gelang, aber wieder eingefangen
wurde. Ich denke auch, dass er es war, der die Einrichtung früher verlassen konnte, da ihn seine Eltern
abholten. Der Glückliche, dachten wir und wussten, dass es Hoffnung gibt und wir bald nach Hause können.
In der Zwischenzeit habe auch ich mir eine Kopfwunde zugezogen und musste einmal täglich zu einer
Nonne in der Sanitätsstation. Ich erinnere mich noch daran, dass wir bei dieser Frau jedesmal ein Bonbon
in Form von einem Storck Riesenkaramel bekamen. Dafür wurden wir von den Betreuerinnen gehasst und ernteten immer böse Sprüche, wenn wir erwähnten, dass wir noch in den Sanitätsbereich mussten. Irgendwann kam der Tag an dem wir nach Hause konnten und in Rendsburg angekommen und meine Eltern
sah, habe ich zur Verwunderung meiner Eltern geweint wie noch nie.....Monate oder Jahre später konnte
ich erst meinen Eltern von dem was wir dort erlebten berichten. Ich wollte nie wieder verschickt werden und habe jahrelang Alpträume von Bad Sassendorf gehabt. Circa 5 Jahre später bin ich dann doch nochmal
nach Arrach oder Filzmoos in Österreich gefahren und wie es der Zufall wollte, habe ich währen der Fahrt
mit dem Bus einen Martin getroffen, der auch in Bad Sassendorf war. Auch er war immernoch gezeichnet
von dem Erlebten.
Ich kann sagen, dass ich wirklich einen Knacks dort bekam und das Erlebte nie vergessen werde und kann.

Falls Rückfragen sind, schreiben Sie mir gerne.
peer-elshoff@t-online.de
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Martina schrieb am 08.03.2020
Liebe Michaela B., wenn Du uns mitteilen würdest wo Du heute wohnst, könnten wir dich leichter vernetzen, wenn Du das möchtest.
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Evi schrieb am 08.03.2020
Hallo , zusammen. Ich war vom 15.08.1972 bis 25.09.1072 mit meiner kleinen Schwester im Kinderkurheim Carola in Schönau b. Berchtesgaden. Tante Elfi und glaub Tante Uschi haben uns in den ersten 3 Wochen betreut. Elfi hatte lange schwarze Haare. Danach wurde es schlimm. Vielleicht war ja von Euch auch jemand zur selben Zeit mit uns dort. Wäre toll.
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Michaela B. schrieb am 07.03.2020
Guten Abend, durch ein Video im Internet und auf Facebook bin ich heute Abend auf die dramatischen Erlebnisse der Verschickungskinder gekommen. Schon beim Lesen der Kommentare und beim Ansehen des Videos kamen sehr schlimme Gefühle in mir hoch.
Plötzlich fing ich auch an mich an Einzelheiten zu erinnern, die mich offensichtlich in meinem Leben sehr unangenehm begleiten.

Ich bekommen jedoch ( zumindest im Moment) nur Einzelheiten zusammen.

Ich wurde 1968 von meinen Eltern in NRW adoptiert und diese waren bei der Barmer Ersatzkasse versichert.
Ungefähr im Jahr 71/72 wurde ich 6 Wochen lang von Remscheid (NRW) nach Freundenstadt in eine Kindererholung geschickt- da gaben mich meine Eltern schon wieder weg.

Den Grund dafür kenne ich nicht.

Es war eine schlimme Zeit, die mir bis heute nachhängt. Die Erlebnisse, die ich dort hatte könnten der Grund für meine persönlichen Einschränkungen und mein ungewolltes Verhalten in der heutigen Zeit sein.

Ich weiss, dass alle Kinder sich zusammen ausziehen mussten- sie wurden mit einem Schlauch abgespritzt und mussten dann in einen riesigen, sehr warmen "Wärmeraum" damit man dort trocknete- besonders die Haare.
Ich erinnere mich an ein Gefühl, wie in einem Konzentrationslager, welches ich in 1985 in München besuchte.
Ich habe Pakete meiner Eltern nie bekommen und musste unter Aufsicht Karten schreiben
Die Postkarten meiner Eltern bekam ich und ich habe sie vor Heimweh und Hunger fast aufgegessen...
Auf die Toilette durften wir nicht und unter dem Bett stand ein Nachtopf - im Zimmer schliefen ca. 10 Kinder.

Als ich eine Nacht weinte holte mich eine Schwester aus dem Bett und ich musste mit Ihr mitten in der Nacht durch lange, dunkle Flure gehen, an vielen Schwestern vorbei, die an Tischen im Flur mit Schreibtischlampe sassen und Nachtwache hielten.

Ich wurde auf die Krankenstation gebracht und musse alleine in der Nacht auf der Behandlungsliege in der Hausarztpraxis des Hauses schlafen.

Es war unheimlich, kalt und einsam - erst am morgen durfte ich aufstehen und eine Schwester hat mich geholt.

Ich suche Menschen, die auch in Freudenstadt zur Erholungskur waren. Ich habe mir einige Bilder angesehen im Netz und denke es könnte in Kniebis das Haus Kohlwald sein, welches ich glaube ich erkenne.

Wer war auch dort und kann mir mehr Informationen geben.

Ich bedanke mich schon sehr im Voraus.
Michaela
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Andreas schrieb am 04.03.2020
Ich bin vermutlich 1967 oder 68 vor meiner Einschulung für 6 Wochen im Haus Schwalbennest in Bonndorf gewesen. Am schlimmsten war das Heimweh... Essen und Betten waren grausam... ich habe mir in den 6 Wochen eine kleine Glatze (ca 6 cm Durchmesser) gedrudelt... weil ich nicht einschlafen konnte und auch nicht verstanden habe warum ich da sein muss..Ich habe nach dem Tod meiner Eltern ein Foto von dem Haus gefunden und wusste sofort das es das Haus war!!!
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Britta schrieb am 02.03.2020
Hallo zusammen.
Ich muß so 5 oder 6 Jahre alt gewesen sein. Bin 1963 geboren, also 1968 oder so.
Ich war auf Borkum in einem Heim, wie es hieß weiß ich leider nicht. Jedenfalls wurde dieses auch irgendwann geschlossen wegen den schlimmen Zuständen.
Woran ich mich erinnere ist folgendes:
Das Taschengeld das wir mitbekommen haben wurde sofort einkassiert und am Ende diese 6 schlimmen Wochen bekamen wir einen kleinen Betrag zurück und mußten für die Eltern Geschenke kaufen. Ich habe meiner Mutter eine kleine Schmuckdose aus Muscheln kaufen müssen. Diese hat sie heute noch ????
Nachmittags sind wir mit einer Betreuerin zu Meer gegangen und sie hat mit einer Metallkanne Wasser aus der Nordsee geholt. Am folgenden Tag mußte jedes Kind das Salzwasser trinken, einen Becher voll.

Auch gab es ständig Milchreis mit Zimt, auf Plastikteller. Wir mußten die Teller sehr sauber kratzen, so dass auch das Plastik von der Tellern abrieb. Es schmeckte gräßlich. Manche mußten sich auch übergeben, am Tisch. Wir durften nichts machen und mußten tatsächlich weiter essen. Mein Gegenüber hat sich übergeben müssen, das gelang auch auf andere Teller. Das mußte natürlich auch alles aufgegessen werden.
Ansonsten weiß ich nicht viel, aber das reicht mir bis heute. Ich arbeite momentan alles auf.
LG Britta
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Margrit Goodhand schrieb am 02.03.2020
Hallo Ihr Lieben, ich musste mit 6 Jahren nach St. Peter Ording. Eine meiner klaren Erinnerungen ist, dass ich ganz dringend auf die Toilette musste, was nach "Licht aus" verboten war. Ich weiss nicht ob ich trotzdem gegangen bin oder ins Bett gemacht habe. Ich glaube ich bin trotz der Warnung eines groesseres Maedchens gegangen. Trotz Empfindungen von starken Durst- und Hungergefuehlen, habe mich vor dem Essen geekelt und musste sitzenbleiben bis der Teller gelehrt war. Ich erinnere mich an Fruchtsuppen, Haferschleim, und einmal Gulasch mit hartem Fleisch. Einmal wurde ganz schnell ein Einzelfoto bei den Duenen nahe am Haus von mir gemacht--mein Gesicht ist eine kleine Maske mit gezwungenes Laecheln und traurige, unterschattende Augen. Man konnte mich fuer ein vorhergehendes Gruppenfoto nicht finden. Ich wurde gefragt wo ich war und hatte selbst keine Ahnung. Wir mussten nackt im Sackhuepfen zum Bestrahlen. An das Huepfen konnte ich mich erinnern, aber nicht die Bestrahlungen. Beim Postkartenschreiben hatte ich grosse Schwierigkeiten, da ich ja nur sechs Jahre alt war. Ein groesseres Maedchen hat versucht mir zu helfen und gab als Addresse St. Peter Ording an... ich hab die Karte noch, die in einem Umschlag zu meinen Eltern ging. Als einer der kleinsten Kinder, fuehlte ich mich oft in Gruppenbewegungen rum- oder vowaerts gestossen. Ich kann mich nur an einen Strandbesuch erinnern, mit viel Gegenwind und Schwierigkeiten im Sand vorwaerts zu laufen. In der "Schule" habe ich nichts verstanden. I wundere mich was ich eigentlich noch verdraengt habe um zu ueberleben. Mein Name damals war Margrit Benirschke. Mit 14 haben meine Eltern mich in den Heiligenhof in Bad Kissingen gesteckt wo ich fuer ein Jahr "Haushaltspraktikantin" von Nazisymphasizers fuer Haus- Dienst- und Feldarbeit ausgenutzt wurde. Meine Kindheit und Jugend waren versaut in Deutschland und die Angst vor meiner Zukunft in Deutschland
war groesser als die Angst vor dem Unbekannten. Hier studierte ich Sozialarbeit und bin lizenziert. Gibt es Information ueber andere Verschickungskinder in den US?
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Margitta Struß schrieb am 01.03.2020
6 Wochen Hölle in Wittdün auf Amrum

Wegen chronischer Bronchitis wurde ich von Mitte Mai bis Ende Juni 1967 im Alter von 8 Jahren zur Kur verschickt. Träger dieser Maßnahme war die DAK.

Vom Bahnhof Hamburg-Altona fuhr der Sonderzug. Wir Kinder bekamen vor der Abfahrt ein Pappschild mit dem Bestimmungsort um den Hals gehängt. Auf dem Bahnsteig standen auch noch unzählige Kinder mit der Aufschrift „St. Peter Ording“. Alle Kinder bestiegen den Zug. Irgendwo unterwegs mussten die Kinder nach St. Peter Ording den Zug verlassen und umsteigen. Unser Zug fuhr bis Niebüll. Mit der Fähre wurde wir nach Amrum übergesetzt.

Vom Hafen bis zum Heim war es mit dem Koffer, den wir selber tragen mussten, ein beschwerlicher Weg. Im Heim angekommen wurde ich mit 4 weiteren Mädchen einem 5-Bett-Zimmer zugeteilt. Mein Bett war an der Fensterseite. Vor mir, ebenfalls an der Fensterseite lag Ursula aus Schwaben, neben mir, in der Mitte des Zimmers hatte Anette ihr Bett und an der hinteren Wand lag Astrid. Den Namen des 5. Mädchens kann ich nicht mehr erinnern. In einem großen Holzschrank wurde unsere Bekleidung untergebracht. Als erstes wurde uns verboten, an diesen Schrank zu gehen und uns Kleidung herauszuholen. Alles im Zimmer sah sehr einfach und heruntergekommen aus. Wir mussten in gelblich-weißen, abgestoßenen Stahlrohrbetten schlafen.

Zu jeder Mahlzeit wurden wir zum Essen gezwungen. Das, was man uns da servierte, war das Billigste vom Billigsten. Die Kinder, die es nicht schafften, aufzuessen, mussten solange sitzen bleiben, bis sie es aufgegessen hatten. Schafften sie es nicht, gab es für sie keinen Mittagsschlaf und nach dem Mittagsschlaf auch kein Stück Kuchen. 2 – 3 Mal in der Woche bekamen wir zum Abendbrot mit ranzigem Schmalz bestrichene Vollkornbrotscheiben, die wir selbstverständlich auch essen mussten.

Nach dem Mittagessen mussten wir Mittagsschlaf machen, was ich nicht gewohnt war. Eines Tages lieh ich mir von Astrid ein Comic-Heft aus, setzte mich hinter die zugezogene Gardine und las, statt Mittagsschlaf zu machen. Dabei erwischte mich „Tante“ Erika. Sie riss mir das Heft aus der Hand und schlug damit schimpfend auf mich ein, so dass ich nur noch Schutz suchend unter der Bettdecke verschwinden konnte.

Ab 20:00 Uhr abends durfte keiner mehr zum WC gehen, egal, wie dringend man musste. Das brachte mir unzählige durchschwitzte und durchfrorene Nächte ein. Teilweise hatte ich es nicht mehr ausgehalten. Also schlich ich mich aus dem Bett. Schnell konnte ich mit meinen nackten und verschwitzten Füßen nicht über den mittelgrünen Linoleum-Fußboden laufen, da ich sonst schmatzende Geräusche verursacht hätte. Beim WC angekommen, durfte ich die Tür nicht schließen, da dies auch verräterische Geräusche gemacht hätte. Nun musste ich versuchen geräuschlos Wasser zu lassen. Meistens gelang mir das. Trotzdem wurde ich einmal dabei von der Nachtwache erwischt. Sie bestrafte mich damit, dass ich im eiskalten, zugigen Flur barfuß eine ¼ Stunde lang in der Ecke mit dem Gesicht zur Wand stehen musste.

Neben der Heimleiterin „Tante“ Marianne war ihre Tochter dort „Tante“ und hatte dort auch ihre beiden ca. 10 und 12 Jahre alten Kinder. Eines Tages kamen diese zu spät zum Mittagessen. Die Mutter war sauer und holte das ältere Kind in den Speisesaal, in dem wir schon alle saßen und keifte ihre Tochter an: „Wo warst Du?“ Antwort: „Am Strand.“ Daraufhin schlug die Mutter ihrer Tochter ins Gesicht. Ihre Wange färbt sich leuchtend rot. Und wieder fragte sie rechenschafts- und authoritätsheischend und geradezu schreiend:“Wo warst Du?“ Antwort: „Am Strand.“ Und wieder schlug die Mutter ihrer Tochter mitten ins Gesicht. Vor Schmerzen rannen ihr schon die Tränen runter. Das Hin und Her ging einige Male so. Dann machte „Tante“ Marianne den Vorschlag, doch mal die jüngere Tochter hereinzuholen, denn die wäre wohl eher weich zu kriegen. Also wurde die ältere, weinende Tochter vor die Tür geschoben und die jüngere Tochter gewaltsam hereingezerrt. Wieder fragte die Mutter schreiend nun die jüngere Tochter: „Wo warst Du?“ Antwort: „Am Strand.“ Auch sie kassierte eine klatschende Ohrfeige. Nach einigen weiteren Malen gab die jüngere Tochter weinend zu, dass sie nicht am Strand waren, sondern in der Stadt. Eben da, wo sie nicht spielen durften, weil dort Autos fahren. Nach diesem heraus geprügelten Geständnis wurde die ältere Tochter wieder hereingeholt. Nun schlug die Mutter auf ihre beiden Töchter äußerst brutal ein, so dass beide Kinder zu Boden gingen. Sie lagen weinend am Boden und erbrachen sich. So auf dem Boden liegend trat die Mutter auf ihre Kinder ein und beschimpfte sie extrem beleidigend.

An einem Tag, als wir am Strand spielen durften, musste ich mal wieder sehr dringen aufs Klo. Aber weit und breit gab es keines. Kinder, die dasselbe Problem hatten, verzogen sich hin und wieder mal in die Dünen. Wenn sie dabei erwischt wurden, bekamen sie Ärger. Vom kalten Wind an den Beinen wurde der Blasendrang so übermächtig, dass ich in die Hose machte. Wieder im Heim angekommen, wechselte ich sofort meine Unterhose, bekam aber einen Riesenärger, weil ich mir die eigenmächtig aus dem Schrank geholt hatte.

Der 4-jährige Ingolf hatte es eines nachts nicht geschafft, bis zum nächsten Morgen, anzuhalten und ließ unter sich, so dass am nächsten Morgen seine Matratze durchnässt war. Das war Anlass genug für die Heimleiterin „Tante“ Marianne, den kleinen Ingolf brutal zusammenzuschlagen. Außerdem wurde seine durchnässte Matratze für alle sichtbar vor die Tür gestellt und ihn vor uns allen als „Schwein“ bezeichnet. Ingolf bekam Stubenarrest. An diesem Tag war das Wetter schön und es war wieder mal Wandertag. In 2er-Reihen aufgestellt wurde an uns Kinder geschabte Möhren verteilt. Die mochte ich wohl, aber mir war nach dem Genuss einer solchen Möhre immer sehr unwohl. Außerdem ließ ich mich von der allgemein schlechten und aufgeheizten Stimmung anstecken und machte die Bemerkung: „Bäh, schon wieder Möhren.“ Darauf hin schlug mir einer der „Tanten“ eine schallende Ohrfeige mit dem Kommentar: „Hat das Frauenzimmer hier sonst noch was zu meckern?“ Als jeder seine Wegzehrung hatte gingen wir los. Während der Wanderung löste sich unsere 2er-Reihe auf und wir wanderten im lockeren Verband. Ich ließ mich langsam immer weiter zurückfallen und in einem unbeobachteten Moment flogen fortan meine Möhren in die Dünen.

Einmal in der Woche wurden wir angehalten, einen Brief nach Hause zu schreiben. Dass ich nichts von den Quälereien schreiben durfte, wusste ich instinktiv und schrieb irgendwas Unverfängliches, denn die „Tanten“ lasen unsere Post bevor sie sie abschickten.

Gegen Ende der Kur gingen wir Mädchen mit einer „Tante“ zum Souvenir-Laden und durften uns dort etwas aussuchen. Ich war als letzte dran und wurde angehalten, mir etwas aus dem schon ziemlich ausgedünnte Sortiment etwas auszuwählen und entschied mich für ein getrocknetes Seepferdchen, was ich selbstverständlich von meinem Taschengeld bezahlen durfte.



Auf einer alten Postkarte habe ich im Internet das Haus Seemöwe wiedererkannt.

Lange Zeit konnte ich nichts essen, was mit Schmalz zu tun hatte. Irgendwann sagte mir meine Mutter, dass Schmalz nicht stinken darf und nahezu geruchlos ist. Um neu zu lernen, kaufte ich ein Päckchen Schmalz und briet darin Frikadellen und Kartoffeln. Beides konnte ich ohne Ekel essen, nur keine Schmalzbrote. Schon wenn jemand das Wort „Schmalz“ ausspricht, zieht sich mir sofort der Hals zusammen. In einigen Restaurants gehört es zur Tischkultur, dass wartende Gäste ein Teller mit Messer, ein Körbchen mit kleinen Weißbrotscheiben und einem Töpfchen Schmalz kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, um die Zeit, bis das Essen serviert wird, zu überbrücken. In einem solchem Restaurant kann ich nicht essen, denn schon der Anblick von Schmalzbroten essenden Leuten läßt mich die Flucht ergreifen.

Wegen des wochenlangen nächtlichen nicht zum WC gehen dürfen, begannen nach der Kur psychosomatische Blasenbeschwerden. Wenn beispielsweise meine Mutter mich anwies, sie zum Einkaufen zu begleiten, kam ich vom heimischen WC nicht mehr runter, weil mich ein übergroßer Blasendrang wegen extrem verkrampfter Blasenmuskulatur quälte. Eines Tages sagte sie zu mir: „Du gehst jetzt auf Klo.“ Das tat ich auch. Als ich den WC-Raum verließ, wies sie mich an, mir Mantel und Schuhe anzuziehen, weil wir jetzt zum Einkaufen müssen. Da geriet ich in Panik weil sich sofort meine Blasenmuskulatur wieder extrem schmerzhaft verkrampfte und sagte: „Ich muss mal.“ Meine Mutter: „Das kann gar nicht sein. Du warst doch eben.“ Aber ich blieb dabei und hatte Angst, unterwegs kein WC mehr rechtzeitig erreichen zu können. Als mich meine Mutter das nächste Mal anwies, zum WC zu gehen, kam ich vom WC nicht mehr runter, denn ich wusste, dass wir gleich einkaufen gehen würden. In den folgenden Jahren bin ich immer wieder vor Schmerzen wegen verkrampfter Blasenmuskulatur zu Boden gegangen. Als ich wegen Blasenbeschwerden bei meinem Urologen war, nahm ich mal meinen ganzen Mut zusammen und erzählte ihm, dass uns Kindern damals verboten wurde, zum WC zu gehen. Der Arzt wäre fast aus seinem Ledersessel gefallen, schlug seine Hand vor sein Gesicht und sagte: „Oh mein Gott, Sie sind ja gefoltert worden.“ Ein anderer Urologe fand es bemerkenswert, was für eine extrem ausgeprägte Blasenmuskulatur ich habe und sagte: „Das habe ich in meiner jahrzehnte langen Berufstätigkeit noch nie gesehen.“ Noch heute habe ich immer noch diese Beschwerden.

In den Urlaub zu fahren war für mich seit meinem „Kuraufenthalt“ ein echtes Problem. Wenn sich bei anderen Urlaubern wegen zu guten und zu reichhaltigen Essens das Hüftgold vermehrte, nahm ich genau die Menge im Urlaub ab. Lange in einer fremden Umgebung zu sein, ist für mich kaum auszuhalten. Dann habe ich den Eindruck, ich befinde mich im Feindesland und verspüre einen ständige Fluchtimpuls und habe Stress pur. Das geht inzwischen soweit, dass wenn ich mich längere Zeit in einer fremden Umgebung befinde, ich stressbedingten, teilweise großflächigen Haarausfall bekomme. Die Haare wachsen wohl immer wieder nach, nur sind die kahlen Stellen lange Zeit sichtbar.
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Simone schrieb am 01.03.2020
Hallo an alle!

Schön, dass es dieses Forum gibt. Auch ich war im Oberstdorfer "Sonnenhang", leider mehrmals... (ich war auch laut des Kinderarztes, der den Aufenthalt anregte, ein sehr zartes, zerbrechliches, fast schon zu liebes, dazu noch schüchtern und häufig fiebrig erkranktes Kind...) Das erste Mal war ich mit 5/6 Jahren 1960 dort, an einiges erinnere ich mich noch ganz besonders: komplett ausziehen, in eine Reihe stellen, dann einzeln ins Arztzimmer auf die Liege, mir war schrecklich kalt und ich schämte mich so vor den fremden Leuten. Ich musste mich auf den Rücken legen, es sollte Fieber im After gemessen werden, irgendwie sah ich das nicht ein, ich war nicht krank, presste Po und Beine zusammen und rief nach meiner Mami, von einer Schwester setzte es sofort sehr hart etwas hintendrauf und ja, sogar zwischen die Beine von vorne. Solche Schmerzen hatte ich noch nie, sofort dumme Sprüche "das kommt davon", allgemeines lautes Lachen, ich konnte gegen das Messen keinen Widerstand mehr leisten und musste es geschehen lassen, es wurde sehr unsanft durchgeführt... Bis heute habe ich Alpträume und manchmal sogar Schlafstörungen. Das alles zu schreiben hat mich sehr viel Kraft gekostet, mein Hals ist zugeschwollen. Später werde ich mehr schreiben, vieles ist mir auch nur schemenhaft in Erinnerung, allerdings wird einiges nach und nach scharf. Ich musste nackig zur Strafe auf dem eiskalten Fliesenboden sitzen und anderes, die Verpflegung verdiente ihren Namen nicht...

Ganz liebe Grüße an alle!
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Birgit schrieb am 27.02.2020
Ich war 1968 (im Alter von zehn Jahren) wegen einer "chronischen Nierenbeckenentzündung" im Kinderkurheim Reinhardshausen bei Bad Wildungen (ist das hier schon erwähnt worden?). Damit verpasste ich die ersten sechs Wochen auf der neuen Realschule ...

Im Heim der hier schon oft geschilderte Essenszwang, ich erinnere mich an ein Mädchen, die ihr Erbrochenes vom Fußboden wieder essen musste. Also versuchte ich, den Brechreiz, den ich bei vielen Speisen empfand, zu unterdrücken und entwickelte Strategien, das Essen trotzdem herunterzuwürgen. Außerdem Zwang zum MittagsSCHLAF: Es reichte nicht, still dazuliegen, es wurden einem die Augenlider hochgezogen, um zu kontrollieren, ob man auch "wirklich" schläft. Wenn nicht, wurde einem das Ohr umgedreht, sehr schmerzhaft.

Mein Heimweh war unermesslich, aber wegen der Postkontrolle (in beide Richtungen) konnte ich es nicht zum Ausdruck bringen. Ich erinnere mich an die ständige Angst vor öffentlicher Bloßstellung (kam häufig vor) und Bestrafung.

Ich musste drei Tage auf die Krankenstation wegen eines Bremsenstiches; das habe ich als Erleichterung empfunden.

Ich glaube, die angebliche Nierenbeckenentzündung war ein Vorwand, um meinen Eltern etwas Luft zu verschaffen, da es zu Hause große Probleme gab.

Es würde mich interessieren, ob jemand dieses Heim kennt.

Viele Grüße an meine Leidensgenossinnen und -genossen
Birgit
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Jochen schrieb am 25.02.2020
Hallo,
Ich war 1975 mit 5 Jahren in Niendorf an der Ostsee. Kann mich daran erinnern das ich Masern oder Windpocken hatte und isoliert untergebracht wurde. In meiner Erinnerung war ich in einem abgedunkelten Raum den ganzen Tag alleine, mit Ausnahme der Zeiten wo das Essen gebracht wurde. Wurde von Nonnen beschimpft, da ich Bettnässer war. Habe ansonsten so gut wie keine Erinnerung an diesen sogenannten Kuraufenthalt.
Hatte jemand ähnliche Erfahrungen gemacht?
Grüße
Jochen
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Ingrid H. schrieb am 24.02.2020
Ich bin Jahrgang 1955 und scheinbar eine der Älteren, die sich einklinken. Ich habe nur diffuse Erinnerungen zu dem Verschickungsheim im Schwarzwald. Finanziert von der DAK. Nachdem ich ich nach Masern eine schwere Nachkrankheit entwickelte, sollte ich im Sommer 1960 dort vor Schuleintritt aufgepäppelt werden.
Ich hatte nur Heimweh, kann mich an Misshandlungen nicht erinnern, weiß nur, dass fast alle Kinder im Schlafsaal abends (leise, weil laut war verboten) schluchzten. So viel Traurigkeit um mich rum und keiner, der tröstete. Das war für mich total verwirrend - ich erstarrte einfach; konnte weder essen noch trinken und kümmerte vor mich hin.
Wie ich heute weiß, entsprach ich dem deutschen "Mädchen-Bild": blond, blaue Augen und zart angelegt. Das wird mich vor mancher Schikane bewahrt haben, denn ich kann mich erinnern, dass mich eine "Tante" mal von einer Wanderung bis ins Haus trug. (Der Wald war beängstigend und wir Kinder blieben immer dicht beinander.)
Da ich während des Aufenthalts extrem an Gewicht verlor, wurden meine Eltern benachrichtigt mich nach 3 Wochen abzuholen/ Aufenthaltszeit waren 6 Wochen. Daran habe ich auch keine klaren Erinnerung, nur dass mein Vater mit mir schimpfte.

Leider sind meine beiden Eltern in den letzten 2 Jahren verstorben, so dass ich nichts Genaueres zu dem Ort sagen kann, außer Schwarzwald. Meine Mutter hat sehr geweint, als sie mich nach der "Erholung" in Empfang nahm, "wenn sie das gewusst hätte ..."

Seitdem war ich nie mehr in der Gegend und würde auch freiwillig niemals in den Schwarzwald fahren.
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Martina schrieb am 24.02.2020
Ich war Ende der 1960er Jahre auch in so einem Heim (Rauenstein im Erzgebirge) 2 Fotos von unserer Gruppe auf der Schloss-Treppe, besitze ich noch. Es war der blanke Horror! Ich habe nachts vor Angst eingenässt. Diese Erinnerung werde ich nie mehr los. Eine Betreuerin stand neben meinem Bett, ich versuchte krampfhaft meine Augen geschlossen zu lassen, weil wir zum Einschlafen gezwungen wurden. Sie leuchtete mich mit der Taschenlampe an und sagt in einem äußerst agressiven Ton zu mir:" wenn du nicht sofort schläfst dann bring ich dich nach draußen in den Wald, binde dich an einen Baum und da bleibst du bis morgen früh!" Da habe ich mir zum ersten Mal in die Hose gemacht, aus panischer Angst. Das setzte sich am nächsten Tag, beim Mittagsschlaf, fort und ich behielt dann meine nassen Hosen an. Einnässen wurde bestraft und darum habe ich das jedesmal vertuscht. Essen mussten wir, bis zum Würgereiz. Seit dem mag ich auch kein Müsli! Die ganze Atmosphöre, auch das Schloss, in dem dieses (Kur) Heim sich befand, haben mir von Anfang an Unbehagen und Angst eingeflösst. Ich war damals erst 8 Jahre alt, völlig ausgeliefert. Drinnen mussten wir uns jeden Morgen, vor dem Frühstück, in Unterwäsche gegenseitig mit einer Bürste warm bürsten, dann ging es in Unterwäsche raus in den Schnee, das sollte als Abhärtung dienen. Ich wurde übrigens durch das Gesundheitsamt zwangseingeliefert, weil ich angeblich zu dünn war. Zurück nach Hause war ich nicht ein Kilo schwerer. Ich wurde dann erst richtig krank!
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Anja schrieb am 22.02.2020
Ich war in Bad Sassendorf, sollte zunehmen und mich Erholen. Aber es war genau das Gegenteil, kam dünner und eingeschüchtert wieder. Es war sehr grausam. Langes Schweigen und Stille Sitzen, kein Toilettengang nach 19 Uhr, alles Essen und so lange Sitzen bleiben bis alles aufgegessen war usw.
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Lutz schrieb am 21.02.2020
Ich war 1962 im Schwarzwald zur Verschickung, den Ort weiß ich leider nicht mehr, wurde aber von der Barmer betrieben. Ich war zu meinem Geburtstag dort für 6 Wochen....Herbst / Winter. Die Gegend fand ich toll, nur das Heim nicht. Alle hatten Heimweh und es liefen überall die Tränen, denn keiner in der Gruppe verstand, warum er hier war. Im Ort ...ein kleines Dorf...wurde noch auf dem sandigen Dorfplatz geschlachtet, haben wir Kinder mitbekommen. Ich habe dort Mumps bekommen und kam auf die Krankenstation. Da ich schlecht schlucken konnte beim Essen, gab es öfter mal eine Ohrfeige von den Erzieherinnen...Nach 6 Wochen kam die Rückfahrt und ich wurde nicht im Bus mit den anderen Kindern zur Bahn gebracht, sondern im grünen Mercedes des Heimbetreibers. Die Fahrt begann morgens gegen 9 Uhr...und ich 7 Jahre alt. Unterwegs blieb die Dampflok wegen Schaden liegen und musste repariert werden, da es noch keine Ersatzloks gab wegen der Nachkriegszeit.....dann gegen 21 Uhr fiel der Zug komplett aus in Braunschweig. Ich stand als 7 jähriger mit einem Schild um den Hals allein und mit meinem Koffer auf dem Bahnsteig. Es war Winter und 1962 war das noch ein kalter Winter. Die Bahnhofsmission wollte , das ich mit in den Bahnhof ins Warme ging. Tat ich aber nicht, da meine Alleinerziehende Mutter mir immer gesagt hat, gehe nicht mit Fremden mit. Ich ging auf und ab auf dem Bahnsteig und mir war alles egal, was mit mir passierte....keine Träne vergoss ich. Die Bahnhofmission schaute auf mein Schild um den Hals und telefonierte nach Helmstedt in meinen Heimatort....nur gab es damals nur wenige Telefone....doch man rief einen Arzt in Helmstedt an und bat einen Mitarbeiter der Barmer Ersatzkasse Ausfindung zu machen.Der Arzt zog sich an und suchte gegen Mitternacht diese Person auf....dann wurde eine weitere Person mit PKW ausfinding gemacht, der von Helmstedt nach Braunschweig fuhr und ich abholte....gegen 5 Uhr am anderen Morgen kam ich dann zu Hause an....ohne Schlaf innerhalb von 24 Stunden.....Ich erinnere mich an das zerbomte Schloss in Braunschweig und davor stand ein großer Weihnachtsbaum..Ich würde meinen Kindern so etwas nie zumuten.....
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Ina Janßen schrieb am 20.02.2020
Ich verbrachte 6 Wochen in Mittenwald als 5-jähriges Mädchen, weil ich zu "leicht " war und vom Arzt für ein Jahr für die Einschulung zurückgestellt wurde. Das war im Jahr 1975 oder 1976. Es war eine schlimme Zeit voller Heimweh, Ungerechtigkeit, Willkür und unbeantworteter Fragen. Das Heim hieß Haus am Schmalsee und wurde von Nonnen geleitet. Dort gab es keine Wärme oder Trost, sondern Bestrafungen und Einschüchterungen, Essenszwang und unverständlichen Regeln. Zweimal habe ich versucht in meiner großen Not, von dort wegzulaufen.. vergeblich,,, anschließend waren die Strafen wie zum Beispiel Stubenarrest. und Einsperren im Holzschober umso härter,,,es gab keinen Kontakt zu meinen Eltern außer einem kurzen Telefonat zum Ende der Kur unter Aufsicht, denn ich konnte ja noch nicht lesen und schreiben. Nach dem Aufenthalt wog ich noch weniger als vorher, war ein verändertes, verstörtes Kind, ängstlich und unsicher und immer verfolgt vom Gedanken, meine Eltern schicken mich wieder weg. 45 Jahre hatte mein Gedächtnis diese furchtbare Zeit fest verschlossen, doch nun, wo darüber berichtet wird, kommen Erinnerungen, Bilder und vor allem Gefühle wieder hoch...ein Phänomen, wie der Körper sich selber schützt...
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Margrit Davoodi schrieb am 18.02.2020
Ich war im Frühjahr 1954, noch vor meiner Einschulung, 6 Wochen in einem katholischen Kinderheim in Bad Soden im Taunus. Den Namen des Heims weiß ich nicht mehr. Es wurde von katholischen Nonnen geleitet, die alle eine schwarzweiße Tracht trugen.
Ich sollte zunehmen und musste täglich „Buttermilch“ trinken, warme Milch mit einem Esslöffel Butter. Vor diesem Getränk musste ich so lange am Tisch sitzen bleiben, bis ich es runtergewürgt hatte, und oft genug war mein Erbrochenes auch dabei.
Nachts habe ich mich einmal zur Toilette geschlichen, weil der Eimer im Schlafsaal übergelaufen war. Eine (damals für mich riesige) Nonne hat mich erwischt und mich mit der Hand oder der Faust so ins Gesicht geschlagen, dass ich von der Toilette runtergefallen bin. Dann hat sie mich an den Haaren zum Schlafsaal gezerrt und mich unter weiteren Schlägen ins Bett gesteckt. Den ganzen nächsten Tag bekam ich nichts zu essen.
Schöne Erinnerungen habe ich keine einzige aus dieser Zeit.
Ich habe jeden Abend gebetet: Lieber Gott, bitte lass mich morgen früh zuhause sein. Da er mich nicht erhörte, bin ich damals, also bereits mit 5 Jahren, vom Glauben abgefallen.
Der katholischen Kirche gegenüber empfinde ich eine Mischung aus Hass und Verachtung. Wie sie mit dem Thema Kindesmissbrauch durch Priester umgeht, bestärkt mich darin.
Das einsame Kind, das der liebe Gott nicht hört, wohnt immer noch tief in mir. Heute bin ich 71 Jahre alt und konnte diese Zeit nie vergessen.

Margrit, Bochum
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Laura-Lore Diehm schrieb am 18.02.2020
Von allen vier Kinderverschickungen, die mich zu einer besseren Esserin machen sollten, war meine erste die Schlimmste:

Ich wurde im Alter von vier Jahren gemeinsam mit meiner um acht Jahre älteren Schwester für einen sechswöchigen Heimaufenthalt geschickt. Das Heim befand sich in Oberstdorf genannt „Sommerhang“ ( Wir wohnten damals in Stuttgart- Untertürkheim )
Meine Eltern sind - so erzählten sie im Nachhinein - davon ausgegangen, dass ich gemeinsam mit meiner Schwester dort untergebracht sei. Dem war jedoch nicht so. Es gab dort zwei Kurheime.

D.h., meine Schwester traf ich nie.

Ich habe eine traumatische Erinnerung an diesen Heimaufenthalt.

Es geschah beim Mittagessen.
Ich aß meine Suppe nicht schnell genug auf und bekam dann die Hauptspeise mit dazu in die Suppe.
Ich musste mich am Tisch übergeben. Dann wurde ich von der "Tante" aufs Clo gezerrt, musste meine Unterhose ausziehen und bekam schlimme Schläge auf den nackten Hintern.

Dies war jedoch lediglich der Anfang. Sie steckten mich in den großen Schlafsaal ins Bett .
Es wäre der einzige Tag gewesen, meine Schwester einmal zu sehen, da sie alle einen gemeinsamen Ausflug aufs Nebelhorn machten. Damals freute sich jedes Kind darauf.
Ich dagegen lag in dem - von Kindern - leeren Schlafsaal, den ich heute noch vor mir sehe.

Man kann sich sicher vorstellen, wie groß das Heimweh eines vierjährigen Kindes gewesen sein muss. Ausgeliefert den sadistichen „Tanten“, die – ich fand eine Karte - meinen Eltern berichteten, wie gut es mir dort ginge.

Die anderen drei Aufenthalte waren auch alles Andere als angenehm. Doch an diesen ersten Heimaufenthalt habe ich die schlimmsten Erinnerungen.

Später, im Schulalter, wurde ich noch drei Mal – immer in den Sommerferien – zum Zunehmen verschickt.

Vor einigen Jahren war ich im Internet schon auf der Suche nach Kinderverschickungen. Ich wurde nie fündig, bis mein Mann vor kurzem ein Interview auf SWR hörte und mir davon erzählte.
Endlich wurde mir dann klar, dass ich kein Exot bin und war.

Es tat gut, zu lesen, dass auch viele andere Menschen sich noch mit diesen Erinnerungen rumplagen
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Christel schrieb am 17.02.2020
Im Alter von 6 Jahren, ich war in der 1. Klasse, wurde bei einer schulärztlichen Untersuchung festgestellt, dass ich an Tuberkulose erkrankt war. (im Jahr 1961) Das hatte zur Folge, dass ich in die Kinderheilstätte Stieg geschickt wurde. Das war im Kreis Waldshut im südlichen Schwarzwald und es handelte sich um eine spezielle Einrichtung für Kinder mit TBC. Ich war 4 Monate dort. In den ersten 6 Wochen durfte man keinerlei Besuch von Eltern oder Bekannten bekommen. Angeblich, damit man kein Heimweh entwickeln sollte. Was natürlich nicht stimmte, alle hatten Heimweh! Es gab Esszwang, wir wurden gemästet. Alles musste aufgegessen werden, auch wenn es eklig für einen war z.B. Milchsuppen, Haferschleim, Milch mit Haut. Es kam öfter vor, dass ich allein mit einer Tante im Speisesaal bleiben musste bis ich alles gegessen habe. Oder ich bekam es kalt am Abend wieder hingestellt. Erbrochenes oder Ausgespucktes aufessen kam leider auch vor.
Wir mussten jeden Tag Liegekur machen, auf dem Balkon, warm eingepackt. Das gehörte halt dazu in einem Lungensanatorium. Je nachdem wer Aufsicht hatte, konnte man sich mit den anderen Kindern unterhalten oder aber man musste Mucksmäuschen still sein.
Ärztliche Untersuchungen waren ziemlich barsch. Es gehörte auch dazu, dass man einen Magenschlauch schlucken musste, was mich sehr grauste. Aber es hieß, man solle sich nicht so anstellen. Da waren sie sehr streng und hatten kein Verständnis.
Zu meinen schönsten Erinnerungen gehörte, wenn ich Briefe von zu Hause bekam. Päckchen gab es auch und man durfte den Inhalt behalten. (Meist teilte man es mit den Kindern aus dem gleichen Zimmer). Und die Ausflüge in den Wald fand ich immer spannend.
Es gab strenge Tanten, die einem zu ziemlich alles verboten und vor denen ich mich sehr fürchtete. Aber ich kann mich auch an verständnisvolle erinnern, die mich trösteten, wenn ich Kummer hatte.
Manche Kinder waren schon ein halbes Jahr dort, das hat mich erschreckt und ich war sehr froh, dass es bei mir nach 4 Monaten hieß, ich dürfe nach Hause.
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Wolfgang Wipfler schrieb am 16.02.2020
Bin Jahrgang 1965, wurde im November 1969 als Vierjähriger für 6 Wochen ins Kinderheim "Haus Quickborn" nach Westerland/Sylt verschickt. Grund: Der Kinderarzt in meiner Heimatstadt Baden-Baden, ein älterer Herr, diagnostizierte bei mir "Untergewicht". Nach heutigen Maßstäben war ich ein vollkommenen normalgewichtiger Junge, doch aus seiner Sicht galt: Nur ein dickes Kind ist ein gesundes Kind. Also Verschickung an die See, zur "Appetitsteigerung". Meine Eltern brachten mich zu spätabends zum Karlsruher Hauptbahnhof, es folgte eine eine Zugfahrt über Nacht im Liegewagen nach Westerland. Ich kannte weder den Betreuer noch eines der mitreisenden Kinder der Gruppe (ca. 10-20 Kinder, vermutlich alle aus dem Raum Mittelbaden). Wir lagen im 6er-Abteil und wurden vom Betreuer angewiesen, uns hinzulegen und keinen Mucks von uns zu geben, wohlgemerkt während der gesamten ca. 10-stündigen Fahrt im abgedunkelten Zugabteil. Morgens in Westerland angekommen wurden wir am Bahnhof von einem kleinen Bus abgeholt, der Busfahrer ermahnte uns unter Androhung von harten Strafen, nur ja nichts in seinem Bus schmutzig zu machen. Dann folgte ein sechswöchiger Aufenthalt im "Haus Quickborn", den ich auch heute noch als die sinnloseste Zeit meines Lebens betrachte. Als "untergewichtige" Kinder wurden wir auf eiweißreiche Kost gesetzt: Milch, Eier in jeder Form, Käse. Zum Frühstück gab es weiche Eier und ein großes Glas warme Milch. Schon vor meinem Aufenthalt auf Sylt war ich kein großer Milchtrinker, aber dort bekam ich einen derartigen Ekel vor dieser morgendlichen Milch, dass ich sie einfach nicht herunterbekam. Konsequenz: Ausschluss vom Strandspaziergang der Gruppe, stattdessen wurde ich in einem fensterlosen Zimmer eingesperrt, auf einem Stuhl sitzend, vor mir das Glas Milch. Ich konnte es dennoch an keinem Tag trinken, was zur Folge hatte, dass ich während der sechs Wochen viele Tage zur Strafe vormittags vor meinem Glas Milch verbringen musste, während die anderen, "braven" Kinder, an den Nordseestrand gehen konnten. An manchen wenigen Tagen durfte ich aber, aus welchen Gründen auch immer, trotz nicht getrunkener Milch, am Strandausflug teilnehmen. Ich erinnere mich sehr gut an die beiden Betreuerinnen bzw. Erzieherinnen unser Gruppe - es waren junge Frauen, vielleicht 25, 30 Jahre alt, die mit unerbittlicher Härte die Einnahmen der Mahlzeiten überwacht haben. Der Name der eine Dame lautete "Frau Kleinige" oder "Kleinicke". Das Schlimmste während des gesamten Aufenthaltes war jedoch der unbändige Durst, den ich gelitten habe, denn aufgrund der Tatsache, daß ich nicht in der Lage war, Milch zu trinken, wurde mir auch jegliches andere Trinken, z. B. Wasser, verweigert. Lediglich zum Abendessen gab es Tee, so lange musste ich dann jeden Tag notgedrungen warten, um meinen Durst einigermaßen zu stillen. Dass ich so gut wie nichts von dem angeboten und mir immer mehr verhassten Essen zu mir nehmen konnte, wie erwähnt hauptsächlich Eierspeisen in jeglicher Form sowie Käsebrot am Abend, hat mich weniger beeinträchtigt als der große, ständige Durst. Am Nikolaustag wurde die Gruppe versammelt, es gab Pakete, die die Eltern uns zu diesem Anlass schicken durften. Ansonsten war es den Eltern nicht erlaubt, Post zu senden. Andererseits wurden aber einige Male Postkarten von den Kindern nach Hause geschickt, in meinem Falle wurden die Karten, da ich als Vierjähriger ja noch nicht schreiben konnte, von den Betreuerinnen verfasst mit dem Inhalt, wie grossartig es mir doch auf Sylt gefallen würde und was für wunderbare Erlebnisse ich hier hätte. Die Karten existieren heute noch... Ein anderes Erlebnis hat sich mir auch noch stark eingeprägt: Am Abend unserer Rückfahrt nach Hause (wieder mit dem Nachtzug) wurde zum Abendessen kein Tee, sondern nur Milch ausgegeben. Ich weiß noch wie heute, welche Angst ich davor hatte, mit meinem unbeschreiblichen Durst diese Reise überstehen zu können und schlich mich in einem unbeobachteten Augenblick direkt vor der Abfahrt noch in die grosse Küche, um etwas Trinkbares zu finden und fand dort eine ältere Frau, eine Küchenhilfe, der ich meine Not schilderte. Sie war der erste Mensch der vergangenen sechs Wochen, der mich verstand und gab mir ganz viel wunderbaren, kalten roten Tee zu trinken und tat sogar noch Zucker hinein! Das einzige schöne Erlebnis meiner Zeit der Kinderveschickung! Am nächsten Morgen, es war der Tag vor Heiligabend, holten mich meine Eltern am Karlsruher Bahnhof ab - das erste, was meine Mutter nichtsahnend zu Hause tat, war, mir ein großes Glas Milch hinzustellen...! Nie wieder habe ich bis heute Milch oder Eier angerührt, es befällt mich nach wie vor ein großer Ekel davor. Übrigens habe ich damals im Verlauf der Kinderverschickung nicht zu-, sondern einige Kilo abgenommen, was der Kinderarzt überhaupt nicht verstehen konnte. In späteren Jahren habe ich natürlich mit meinen Eltern über diese Zeit gesprochen - sie sagten mir, dass nicht nur der Kinderarzt, sondern in irgendeiner Form auch die Krankenkasse sehr auf die Verschickung gedrängt habe. Ein "Geschäftsmodell"?
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Gregor schrieb am 14.02.2020
Ich kam im Herbst 1989 in die Kurklinik Santa Maria im Oberjoch Hinderlang. Die Einrichtung hatte schon damals den Beinamen Santa Knasta. Ich erlebte dort selbst sexuellen Missbrauch durch einen Nachtpfleger. Vorher wurden zum Abend Tabletten verteilt. Was das war wurde nicht gesagt, jedoch müssten alle im Zimmer die Tabletten schlucken. Wer war zu dieser Zeit auch dort?
Weite Erinnerung die ich habe sind folgende:
An zwei Filme die abends im Fernseheraum geschaut wurden kann ich mich erinnern. Das war Spacey Balls und das Wunder in der achten Straße. Bei einer Gruppe älterer Jugendlicher wurde der Film das Leben des Brian durch die Geistliche Führung abgebrochen. Wir müssten uns abendlich in Unterhose oder Schlafanzugdhose in einer Reihe auf den Flur stellen und uns gegenseitig mit einer Wurzelbürste die Haut bürsten. Das tat sehr weh und ich erinnere mich an manch geilen Blick der Pfleger. Nachts hatten fast alle Angst vor den Nachtpflegern. Kaum jemand traute sich auf die Toilette. Oftmals war das Essen mehr als fragwürdig.

Als ich einen Bericht auf einer Webseite für Klinikbewertung postete, wurde dieser nach einiger Zeit von der Webseite gelöscht. Jedoch habe ich über ein Kommentar dort von dieser Webseite hier erfahren, worüber ich sehr dankbar bin.

Wer war zur fraglich Zeit auch dort?
LG Gregor
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Ingrid E. schrieb am 08.02.2020
Ingrid E. 1959 oder1960
Verschickt nach Bad Salzdetfurt
Aufgenommen und kontrolliert v.Frl Fröhlich
Das im Essen erbrochene hab ich persönlich und täglich mitansehen müssen!
Den Holzlatschen von Frl Fröhlich sehr oft zu spüren bekommen, wegen Nichtigkeiten, wie zB Bettnässen, Planschen im 1× wöchentlichem Bad im viel zu heißem Wasser ( zumindest für uns Kinder)
In meinem Zimmer schlief ein Mädchen, die in der Nacht oft zur Toilette musste und deshalb klingelte. Sie wurde dann auf eine Pfanne gesetzt und musste die ganze Nacht dort sitzen. Oft schlief sie darauf ein und warm war es nicht gerade.
Dieses und viele furchtbaren Erlebnisse habe ich bis heute nicht verarbeiten können und auch nie drüber gesprochen, denn damals habe ich mich dafür geschämt und war nur glücklich, nach etwa 7 schlimmen Wochen ( die schlimmsten in meinem jungen Leben) wieder daheim zu sein....
So, vielleicht kann man damit etwas anfangen und ich weiß nicht ob ich noch den Geb.namen dazu schreiben soll und die Briefe sind auch kontrolliert worden und nicht verschickt, wenn irgendwas negatives darin stand......ich glaube ich schreibe ein Buch ??
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Daniela Frey schrieb am 04.02.2020
Hallo, ohne zu wissen das ich heute Abend noch auf diese Seite stoßen werde, dachte ich erst heute Vormittag wieder an meinen Kuraufenthalt in Aschersleben. Seit Jahren beschäftigt mich immer wieder die Aufenthaltszeit während dieser Kur , dass dort erlebte.Es scheint, das bestimmte nicht verarbeitete und sortierte Erinnerungen ,nie verblassen...
Immer wenn ich an meinen Kuraufenthalt dachte , dachte ich ; schade das es kaum etwas im Internet zu finden gibt über die damaligen Zeiten in den Heimen. Deshalb danke ich sehr , für das was hier bisher auf die Beine gestellt wurde. Ich vermute die wenigsten haben noch untereinander Kontakt zu damaligen Kindern aus den Heimen. Ich weiss ja von meinen Erlebnissen und Gefühlen damaliger Zeit, aber ohne Austausch darüber, hatte ich bisher fast das Gefühl ich stehe alleine da mit dem erlebten...

Ich war Nov/Dez 1982 als Kind im Alter von 10 Jahren , 8 Wochen in im Orthopädischen Kindersanatorium Aschersleben zur Kur.
Vieles ähnelt sich mit den Berichten anderer, wir durften keine Post mit negativen Bemerkungen an unsere Eltern schicken, alles wurde vorher gelesen und musste eventuell neu geschrieben werden. Päckchen die an Kinder gesendet wurden ,wurden geöffnet vor allen , wenn Süssigkeiten darin waren musste man entweder alles sofort alleine aufessen oder mit den anderen Kindern teilen. Bekleidung wurde zugeteilt, so musste ich mich entscheiden welche von meinen beiden Jacken ich acht Wochen trage und welche sauber im Schrank liegen bleibt für die Abreise.
Es gab Filmabende , an deren Inhalt der Filme ich mich noch heute erinnere als ob es gestern war. Ein Film handelte über ein Kind welches einen Mord sah und dann entführt wurde...
sicher keine Altersenstsprechenden Kinderfilme.
Es sind noch einige Sachen mehr die ich berichten könnte , es sind die vielen kleinen und grossen Erlebnisse welche nie hätten geschehen dürfen . Manchmal fragte ich mich schon ,warum eigentlich nie jemand dafür verantwortlich gemacht wurde.
Ich selber habe meiner Mutter erst Jahre später davon erzählt. Sie war schockiert und hätte vielleicht, früher davon gewusst, Schritte eingeleitet gegen das damalige Kurhaus.

Ich hatte Freundinnen damals dort (Heike), es wäre schön wenn jemand der zur gleichen Zeit oder auch in anderem Zeitraum dort war , sich melden würde...
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Hartmut H. schrieb am 03.02.2020
Im November / Dezember 1961 befand ich mich im Alter von 4 Jahren für 6 Wochen im „Kinderkurheim Bremen” auf Norderney. Diesen Aufenthalt habe ich als sehr traumatisch wahrgenommen und auch mein ganzes Leben mit mir „rumgeschleppt”. Vieles habe ich gefühlt verdrängt, aber kleine Details sind mir noch klar in Erinnerung. Der Abschied auf dem Bahnsteig und die Anfahrt mit der Bahn zur Küste, auf der ich gezwungen wurde, labberigen Kochschinken und Tomaten zu essen. Vor beidem habe ich mich geekelt.

Tägliches für mich unwürdiges Fiebermessen in überfüllten Schlafsälen. Wir Kinder mussten mit entblößtem Hinterteil, auf dem Bauch bereit liegend auf die Schwester warten, die irgendwann dann mit einem mit Fieberthermometern gefüllten Gefäß die Betten ablief und die Fieberthermometer am Fließband in die Po’s „versenkte …” und auf dem Rückweg kontrollierte und wieder entfernte. Sicher bin ich mir nicht mehr, aber ich glaube, das geschah jeden Abend!

Der Ton gegenüber uns Kindern war zumeist sehr streng und einschüchternd. Erinnern kann ich mich auch an die brachial (auch verbal) versuchte, erzwungene Nahrungsaufnahme durch stundenlanges einsames Sitzen vor dem gefüllten Teller im leeren Speisesaal. Ich kann mich erinnern, das eine Reinigungskraft oder Küchenhilfe Mitleid mit mir hatte und manchmal einen großenTeil meines Essen vom Teller nahm, um mich aus diesen Situationen zu befreien, in denen ich mich manchmal kurz vor dem Übergeben befand, vor Ekel und besonders vor Aufregung. Ganz furchtbar für ein Kind von gerade mal 4 Jahren.

Mitgenommen von diesem Aufenthalt jedoch hatte ich einen über viele Jahre wiederkehrenden Alptraum. Vor jedem zu Bett gehen hatte ich Angst, dass dieser Traum mich wieder quält und schweißgebadet und wimmernd wach werden lässt. Bis heute weiß ich nicht, was dieser Traum bedeutete. Diesen immer wiederkehrenden Traum habe ich bis ins Erwachsenenalter mit mir herumgeschleppt, bis er dann nach über 25 Jahren nicht mehr zurückkehrte: In diesem Traum musste ich in der Dämmerung allein über eine Brücke, vorbei an einem diagonal gelb-schwarz-gestreiften „Wachhäuschen”. Der Eingang des kleinen Wachhäuschen war finster und bedrohlich und ich konnte nichts darin entdecken, konnte nur spüren das dort etwas war, mir fürchterliche Angst machte und im Moment des Vorbeigehens mich völlig verängstigt wach werden ließ.

Es war für meine damals kleine Seele ein traumatisches Erlebnis, dass ich bis heute leider verschwommen und für mich unvollständig mit mir rumschleppe. Aber ich habe mit nun knapp 63 Jahren meinerseits damit abgeschlossen.
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Anja H. schrieb am 02.02.2020
Hallo.
Ich habe heute einen Radiobericht im SWR gehört, zum ersten Mal davon gehört, das ich nicht alleine bin.
Ich bin 1968 geboren und wurde 1976 nach einer Operation, wegen Blässe und zu wenig Gewicht ins Haus Berchtesgaden nach Marktschellenberg geschickt.Für 6 Wochen.
Kontakt nur in schriftlicher Form.
Unsere Briefe wurden gelesen. Wenn dort etwas negatives stand, wurden die zerrissenen und man musste neu schreiben. Pakete von zu Hause wurden an alle verteilt.
Wir waren mit 5 Mädchen auf einem Zimmer.
Mittagsruhe von 13 bis 15 Uhr.
Wir durften nicht reden. Wer erwischt wurde, musste die restliche Zeit in Unterwäsche auf dem Flur in einer Ecke stehen..
Das ist mir einmal passiert. Aus Langeweile habe ich mir dann einen Wackelzahn gezogen.
Das Blut musste ich runterschlucken. Den Mund durfte ich mir nicht ausspülen.
Vor Ort habe ich mir die Fingernägel abgekaut.
Eine Nagelschrere hatte ich nicht. Und die Damen haben sich geweigert mir zu helfen.
Morgens gab es Caro Kaffee. Wer den nicht mochte, bekam halt nichts. 2 Scheiben
Schwarzbrot mit ganz dünn Butter drauf und nur auf einer Scheibe ein bisschen Marmelade.
Zwangsduschen. In meinem Zimmer war ein älteres Mädchen, gegen die ich mich nicht wehren konnte. Die hat mich jeden morgen gezwungen, ihre eingenässte Matratze zu tauschen. Dann musste ich in der Nässe liegen und habe täglich Ärger bekommen.
Bei meiner Rückkehr bin ich ganz alleine durch den Bahnhof meinen Eltern entgegen gerannt und habe nur noch geweint.
. Bis heute morgen wusste ich nicht wie viele Erinnerungen da hoch kommen.
Unglaublich
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Franz Beutler schrieb am 02.02.2020
Habe diese Plattform und die "Verschickungskinder" erst heute entdeckt. War im Oktober 1955 in Bad Dürrheim im Schwarzwald in eine Kinderheilstätte wegen chronischer Bronchitis verschickt worden. Habe auch einem Kind gegenüber gesessen, das sein erbrochenes Essen aufessen musste. Post nachhause wurde zensiert. Mussten als "Mumie" verwandelt nachmittags ruhen. Kann mich nur an Einschüchterung und Zwang erinnern.
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Torsten Kohlschein schrieb am 02.02.2020
Ich bin, Jahrgang 1967, zwischen 1972 und 1979 dreimal zur Kur gewesen, 1972 in Ühlingen im Südschwarzwald im Kindersanatorium Dr. Schede, 1974 im Sommer in Timmendorfer Strand in einer Einrichtung, die von einer Ärztin namens Düvel geleitet wurde, 1979 in St. Peter-Ording im Kinderkurheim Dr. Drenckhahn, der aber damals wohl schon nichts mehr damit zu tun hatte. Damals hat ein Ehepaar namens Buchwald die Einrichtung geführt. Er Erzieher, was ihn nicht daran gehindert hat, auch mal ein Kind zu schlagen, sie offenbar schwedischstämmige Ärztin.

Die eigenartigsten, bizarrsten Erfahrungen sind mir jedoch aus Timmendorfer Strand erinnerlich. Es sind dort durchaus auch mal Kinder geschlagen worden - ich habe noch den Ruf "Hosen runter!" im Ohr, war aber selbst nicht betroffen - ausgehende Post wurde kontrolliert, und bei vermeintlich unwahren Behauptungen in Briefen nach Hause - wohl eher unbequemen - wurde derlei öffentlich im Speisesaal verlesen und der Schreiber verächtlich gemacht.Ob auch namhaft, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich noch, dass die Einrichtung nicht besonders gepflegt war, dass wir merkwürdige Spiele gespielt haben wie "Stühleriechen", dass wir merkwürdige, dem Entwicklungsstand von Grundschülern unangemessene Lieder singen mussten - ging wohl so in die martialisch-seemännische Richtung - dass wir, wenn wir am Meer waren, zwar ins Wasser, aber unsere Badehose nicht nass machen durften, dass Hänseleien und Mobbing der Größeren gegenüber den Kleineren an der Tagesordnung waren und die "Tanten" da auch nicht eingegriffen haben. Das Essen wurde in großen Waschwannen aus Kunststoff in den Speisesaal getragen, an die Qualität des Essens kann ich mich nicht mehr erinnern, außer an Schokoladensuppe. Und sehr oft Pflaumenmus, was sich naturgemäß stark auf die Verdauung ausgewirkt hat. Sonst waren es wohl eher Gerichte zum Löffeln, die man mit der Kelle ausgeben konnte. Auch daran, dass, wenn ein Kind Post bekommen hat, ein anderes Kind sie aufmachen durfte, erinnere ich mich. Eventuell darin enthaltene Bücher durfte zunächst jemand anderes lesen, ob übriger Inhalt ebenfalls geteilt werden musste, ist mir nicht mehr erinnerlich. Sollte wohl sowas bedeuten wie "Du bist hier nichts Besseres, nur, weil du Post bekommst." Natürlich gab es Mittagsschlafzwang, an Aufesszwang kann ich mich nicht erinnern, aber alles in allem erscheint mir dort im Nachhinein vieles ziemlich merkwürdig. Ich bin wohl nur nicht so traumatisiert davon, weil meine Eltern mit mir gleich anschließend nach dem Heimaufenthalt ebenfalls in Timmendorfer Strand Urlaub gemacht haben, das hat wohl vieles überformt. Viel erzählt habe ich von dort wohl nicht. Es ist auch nicht viel gefragt worden. Meine Mutter hätte sich das Heim damals gern noch mal angesehen, mein Vater hat das unabsichtlich unmöglich gemacht, da er mich wegen der Sehnsucht nach mir (um ein paar Stunden) vorfristig allein aus dem Heim abgeholt hat, danach waren die Türen natürlich verschlossen. aber was hätte es auch gebracht, im Nachhinein?


Ein Rätsel ist mir bis heute, warum überhaupt es die drei Kuren für mich gegeben hat. Ich war zwar öfter etwas kränklich - nicht zuletzt, weil meine Eltern (die ich bis auf dieses Detail in sehr guter Erinnerung habe) damals in meiner Gegenwart (im geschlossenen Auto inklusive) ungeniert geraucht haben, die Zusammenhänge mit meinen häufigen Atemwegserkrankungen hat damals noch keiner begriffen - aber nicht so schwer malade, dass ich derlei so regelmäßig nötig gehabt hätte. Ich war normalgewichtig, und an der Niederelbe, wo ich aufgewachsen bin, war auch immer gute Luft. Ich vermute eher, dass meine Mutter, die des öfteren depressive Phasen hatte, gelegentlich "Urlaub" von mir gebraucht hat und dafür bei der Krankenkasse willige Unterstützung fand. Ich weiß nicht, ob mich dort etwas traumatisiert hat, aber dafür, dass diese Aufenthalte - vor allem der zweite und der dritte - so lang her sind, denke ich verdächtig häufig daran, und die Schauplätze geistern mir öfters durch den Kopf. 46 respektive 41 Jahre später! Es hat in den beiden letzten Heimen jedenfalls stetig ein sehr rauer, wenig kindgemäßer Ton geherrscht. An Bestrafungen, wie sie Sabine Ludwig in ihrem sehr lesenswerten Buch "Schwarze Häuser" beschreibt, gut, es spielt 1964, erinnere ich mich nicht. Aber halte das Buch für sehr glaubwürdig. Auch unter den Kindern gab es in meinen Erinnerungen unschöne Szenen und Dialoge. Homo, Mongo, Spast, so die Preislage. Im dritten Heim (das immerhin ab 12-Jährigen schon Ausgang in kleinen Gruppen erlaubte) wurde man überdies dazu angehalten, sich wirklich nur in dringenden Fällen an die ärztliche Heimleitung zu wenden.

Zu den Anreisen kann ich nur sagen, dass mich zum ersten Kurort im Schwarzwald mein Vater selbst gebracht hat - zwei Tage Autofahrt von Stade bis in den Kreis Waldshut, - zum zweiten ebenfalls. Zum dritten nach Nordfriesland ging es ab Hamburg mit der Bahn (ohne nennenswerte Verpflegung) mit Reisebetreuerinnen, älteren Damen,die das wahrscheinlich auf Honorarbasis gemacht haben. Da war es auch anders als meines Erinnerns nach ihren anderen beiden Heimen so, dass eine komplette Heimbelegung gleichzeitig anreiste und gleichzeitig wieder abfuhr. Rückblickend erinnere ich mich noch, dass wir in den jeweiligen Heimen ziemlich wenig geistige Anregung hatten, so etwas wie eine Bibliothek ist mir nicht erinnerlich, Fernsehen war sowieso verboten, an einen Kindergottesdienst erinnere ich mich und an einen Diavortrag über die Nordsee. Ich weiß noch, dass ein paar Kameraden (Geschlechter waren natürlich getrennt) sich in St.P.-O. dann bei Freigang gelegentlich mal eine Bild-Zeitung gekauft haben. Und ich habe Comics gelesen, die mich eigentlich gar nicht interessiert haben. Aus purer Not.

Der erste Kuraufenthalt im Schwarzwald war wohl ganz in Ordnung, da war ich fünf und weiß so gut wie nichts mehr, nur, dass meinen Eltern von der Ärztin regelmäßig handschriftlich Bericht über meinen Zustand gegeben wurde. Wie fundiert, vermag ich nicht zu sagen. Nur dass ich mit einer Erkältung wieder nach Hause gekommen bin, das weiß ich noch. An die beiden anderen Aufenthalte habe ich eher zwiespältige Erinnerungen. Ob sie gesundheitlich positiv gewirkt haben, weiß ich nicht.

Meinem Selbstbewusstsein, meinem Vertrauen gegenüber anderen Menschen und meiner Haltung gegenüber Autoritäten waren sie wohl eher nicht zuträglich. Ja, ich meine, dass sich dort vielleicht nicht nur bei mir Kindheitsmuster ausgebildet haben. Dahingehend, sich Dinge bieten zu lassen, die man sich nicht bieten lassen sollte, unsinnige Regeln und Anweisungen nicht in Frage zu stellen, weil man davon Nachteile zu erwarten hat. Die Schuld immer erstmal bei sich zu suchen und am Ende sogar zu finden, selbst wenn da gar nichts ist. Zu funktionieren und Probleme mit sich selbst auszumachen, im Bewusstsein: Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner.

Was nicht heißt, dass es nicht auch andere Orte gibt, an denen man sich solche Kindheitsmuster einfangen kann. Alles Sachen, die erstmal schlummern und sich im späteren Leben negativ wieder bemerkbar machen, wenn man es nicht schafft, sie wieder abzulegen, in der Partnerschaft, im beruflichen Alltag, im sozialen Umgang. Im achtsamen Umgang mit sich selbst.
Ich kann mich wirklich nur noch an das Wenigste aus diesen dreimal sechs Wochen erinnern. um so mehr wundere ich mich, dass ich so oft an diese Aufenthalte denken muss. Was ist dort geschehen, was ich verdrängt habe?

Ich finde es jedenfalls sehr gut, dass nach diversen Aufarbeitungsrunden über die Vorgänge in Kinderheimen zur Dauerunterbringung - die dortigen ehemaligen Kinder haben natürlich Vorrang, sie haben oft Jahre in solchen Einrichtungen und unter keinesfalls besseren Umständen verbringen müssen - auch dieses Kapitel ins öffentliche Bewusstsein gerückt wird. Vielleicht erinnert sich ja noch jemand an die von mir beschrieben Heime?

Wir stehen vor vielen Fragen. Vielleicht finden wir gemeinsam Antworten.
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Tanja K. schrieb am 30.01.2020
Hallo!

Ich wurde damals im November 1988 kurz vor der Einschulung von Nürnberg aus zur Kindererholung nach Wyk auf Föhr "Schloß am Meer" geschickt. Viele Erinnerungen habe ich dazu "leider" (oder vielleicht auch zum Glück) nicht mehr. Lediglich an das große Heimweh, der Zwang zum Essen (ich war ein ziemlich dünnes Kind), die Abgabe des Inhaltes meiner Päckchen die ich erhalten habe, sind in meiner Erinnerung vorhanden. Wir hatten Lieder wie "Kookaburry sit in the old gum tree" oder "What shall we do with a drunken Sailor" gelernt. Auch mussten wir uns in den Gemeinschaftsduschen mit rosafarbenen Gummibürsten abreiben und ich bin der Meinung, dass es eine große Glastür (weiß), zum Essensaal führte. Wir mussten morgens beim ärztlichen Personal antreten zum Lebertran- und Vitamineinnahme. Auch an einem Laden in Wyk kann ich mich erinnern, wo wir eine Kleinigkeit von unseren Taschengeld in Spielsachen umsetzen durften. Ich meine dieser Laden stand bei einem großen Marktplatz dessen Bodenmuster schwarz/weiß gekachelt war.

Fakt ist jedoch dass diese Zeit mich enorm geprägt hat. Wenn auch sicher unbewusst, denn viele Erinnerungen sind nicht vorhanden. Denke ich habe vieles verdrängt.
Ich hatte immer Verlassenheitsängste, ging nie mit auf Schullandheimaufenthalten oder habe bei Freunden übernachtet.
In der Jugend kamen dann Essstörungen und eine Borderline-Erkrankung dazu.
Ich dachte meine damaligen Probleme mit meiner Psyche hätten andere Ursachen. Heute denke ich eher, dass die Ursache dessen, das Trauma Kindererholung war/ist.
Ich habe noch sehr viele Unterlagen von meiner Kindererholungszeit, dich ich auf Facebook schon in der Gruppe hochgeladen habe.
Ich hoffe wir werden diese Sache aufarbeiten können. Ich freue mich auf Austausch hier.

Lieben Gruß

Tanja
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Katrin schrieb am 30.01.2020
Hallo,

ich habe vor 20 Tagen schonmal geschrieben (Katrin, verschickt nach "Lensterhof" in Lenste bei Grömitz an der Ostsee) - hier noch ein Nachtrag. Es fiel mir eben plötzlich ein, als in den neueren Beiträgen jemand schrieb, sie hätten weinend fröhliche Lieder singen müssen. Ein scheinbar unwichtiges Detail, das vielleicht doch nicht so unwichtig ist: Wir mussten "Armer schwarzer Kater" spielen (siehe z.B. Wikipedia). Ziel ist dabei kurz gesagt, so lange wie möglich nicht zu lachen, während jemand versucht, einen zum Lachen zu bringen. Ich war durch die hartnäckigsten Bemühungen nicht zum Lachen zu bewegen... und das fiel nach meiner Erinnerung sogar der "Tante" auf, die das Spiel betreute.

Hm, interessant, dass doch - ausgelöst durch die Erzählungen anderer - so manche schlummernde Erinnerung wieder hoch kommen kann.

Gruß
Katrin
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Michael schrieb am 30.01.2020
Hallo,war in den späten 60ee Jahren zweimal in Niendorf Ostsee.Hab außer der großartigen Landschaft keine positiven Erinnerungen.Schokopuddingsuppe bis zum erbrechen, Demütigungen,Schläge.Ähnliche zum Teil traumatisierende Erlebnisse in Berchtesgaden Anfang der 70er.War jemand 68+69 in Niendorf bzw 70/71 in Berchtesgaden?
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Doris Katzor-Uebersohn schrieb am 28.01.2020
Grüßt Euch, liebe "Mitleidende",
habe mir div. Berichte - speziell meinen damaligen Aufenthalt im Schwarzwald bei Freudenstadt (Ort nicht mehr präsent), Wohnort damals Peine, betreffend - durchgelesen .... 

Diese "Verschickung" trat ich widerwillig im Jan./Feb. 1964 an, sprich -> im tiefsten Winter, die 50/60er Jahrgänge wissen um diese Bedeutung. Zudem ein Winter in der Region noch viel mehr Schnee androhte, als er hier in Nord-Ost- und Westdeutschland üblich war/ist. Mein Zwangsurlaub erfolgte als ich gerade 6 Jahre alt war, kurz vor meiner Einschulung im April 64, und dauerte wie bei den meisten hier, elendige nicht enden wollende 6 Wochen.

Auch ich muss mich hier bei den Leichtgewichten einreihen: Krampfhafte Versuche meiner Mutter, mich mit Butter (Ekel!), Kondensmilch - eben alles was fettig war und dieses beinhaltete - Kalorienbomben, zu mästen, fehlschlugen, obwohl meine 3 Geschwister alles aßen, was auf den Tisch kam und auch meine jüngere Schwester größer war und einen stärkeren Körperbau hatte, als ich. Erwähnenswert ist hierbei, dass ich damals bereits Fleisch verweigerte, mit jämmerlichem Erfolg, diese wichtige Eiweißgrundlage fehlte wohl auch dem im Wachstum befindlichen Körper ***. Somit gipfelte meine für Außenstehende fragwürdige Ernährung in dieser schrecklichen Maßnahme.  

Meine Erinnerung an die Abreise ist lediglich die, dass mein Vater mich und meinen kleinen Koffer bei Kälte und Schnee irgendwie auf sein Fahrrad verfrachtete und zum ca. 3 km entfernten Bahnhof brachte.

Dort angekommen wurde ich in den Zug gesetzt, kann mich aber kaum an das Prozedere und die Bahnfahrt erinnern, nur dass ich ab jetzt allein und "fern der Heimat/der Familie" war, wollte nur noch nach Hause. 

Das Heim befand sich irgendwo auf freier Fläche und grenzte an einen großen Wald, es war ein großes, langes Haus, so wie damals Krankenhäuser und Heime gebaut wurden. Natürlich war es auch im Schwarzwald bitterkalt, kälter als zuhause, der Schnee war meterhoch, den ich damals, speziell dort, hasste.
 
Die Mahlzeiten betreffend, ergießen sich in dem Frühstück, was eigentlich nach meinem Geschmack war; es bestand aus einem Teller Haferflocken mit dunklem Kakao und einer Scheibe Brot mit Erdbeermarmelade -> was ich übrigens seltsamerweise noch heute liebe; regelmäßig mit Heißhunger verschlinge, immer wenn ich mal wieder mal einen Zuckerabfall habe, weil ich seit eh und je ein sehr unregelmäßiges Essverhalten pflege, jedoch nicht an Diabetes leide. Außerdem bekamen wir nachmittags Brezel mit heißem Kakao, auch das mochte ich. 

Das eigentliche "Trauma" -> HEIMWEH kreuzte immer in den Abendstunden auf, da schmerzte es am meisten. Als wir Mädchen abends in den Schlafsaal gingen, bekamen wir jedes Mal ein "Betthupfer´l" in Form von Bonbon oder Schokoladenstück, welches auf dem Kopfkissen lag, entsprach ganz meinem Geschmack, allerdings nach dem Zähneputzen?! Und zum Abschluss vor dem Schlafen sangen die Schwestern mit uns das Lied "Guten Abend, Gute Nacht", das werde ich nie vergessen ... 

Das grausamste Gericht - außer Fleisch & Co. sowieso - war der NUDELSALAT; dieser wurde aus den dafür bestimmten Nudeln mit Mayonnaise, Äpfeln und Erbsen gemischt. Wie heute erinnere ich mich an den Brechreiz und das damit verbundene ÜBERGEBEN später abends, seitdem dreht sich mir schon der Magen, wenn irgendwo auf Feiern ein Nudelsalat serviert wird ...

Bezüglich der "Mithäftlinge" - Mädels dort waren wir in einem größeren Raum ca. 8-10 ...
s. Foto. Eine kleine Freundin hatte ich auch, welche mich auf diesem Foto umarmt ... allerdings ärgerte ich mich von Beginn an, weil alle bezweifelten, dass ich "schon" 6 Jahre alt war, war also auch hier die kleinste ....

Das Personal hat uns wohl nett behandelt, denn ich kann mich nicht erinnern, dort physisch gelitten zu haben und unsere zuständige Schwester sah aus wie meine Lieblingstante ... s. Foto, was mich wohl etwas über die Zeit hinweg tröstete.

Auf meinem Lebensweg hat sich bis dato sooft der Kreis geschlossen, in etlichen Bereichen, somit ergab es sich, dass ich aufgrund von Knie-LWS-Arthrosen *** bereits mit 24 Jahren meine erste Reha - damals noch Kur genannt - absolvierte und landete, wie sollte es auch anders sein? -> ganz in der Nähe von Freudenstadt 🙂 Bad Wildbad, welche übrigens sehr schön war (Unterbringung in einer Pension, da die Kurklinik überlaufen war) und meine Arthrosen - leider nur - vorübergehend linderte ....

M.a.W. .... ich lebe noch 🙂 

Grüße Doris Katzor-Uebersohn
aus Langenhagen - Hannover

PS Leider ist es nicht möglich ein Foto anzuhängen - schaaaadeeee
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Alex R. schrieb am 28.01.2020
Hallo Frau Röhl,
gibt es die Möglichkeit in diesem Forum nach Bundesland oder gar nach den Heimen selbst zu filtern, um so schneller mit Menschen in Kontakt zu kommen, die evtl. zur gleichen Zeit dort waren wie man selbst?
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Alex R. schrieb am 28.01.2020
Hallo an alle,
ich kann mich den Ausführungen fast aller nur anschließen. Es hört sich so an, als ob alle Heime einem gleichen System untergeordnet waren, fast wie Heime im 3.Reich. Zumindest empfand ich nahezu alles als ungerecht und willkürlich. Wir wurden menschenunwürdig behandelt.
Ich hätte noch eine Frage in die Runde.
Ich bin Jahrgang 1962 und war im Sommer 1968 für 6 Wochen in einem Heim Im Odenwald. In der Nähe von Bad Michelbach oder Michelstadt. Da mir meine Mutter darüber früher und auch heute keine Antwort geben will oder kann, meine Frage weiß jemand wie das Heim und der Heimleiter zu dieser Zeit hieß und ob es noch existiert.
Vielleicht gibr es ja einen Leidensgenossen / -Genossin mit dem/der ich die Zeit dort verbrachte.
Danke für eure Mithilfe.

Alex
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Claudia T. schrieb am 27.01.2020
Ein Hallo an alle, die schon einen Kommentar geschrieben haben oder dies vielleicht noch tuen werden.
Ich habe mir ganz schön Zeit damit gelassen. Die Beschäftigung mit diesem Thema hat viel angerührt.
Unglaubliche Dinge, die Verschickungskinder widerfahren sind. Von denen ich nichts geahnt hatte.
An dem Tag als der REPORT MAINZ ausgestrahlt wurde, hatte ich schon zufälligerweise das erste Mal überhaupt davon im Radio gehört und konnte gar nicht glauben, was ich hörte. So viele Kinder, die von der Verschickung betroffen waren und schreckliche Erfahrungen gemacht haben. Bis zu dem Zeitpunkt habe ich immer gedacht, dass nur ich es furchtbar fand. Wenn ich mal davon erzählt habe, konnte es keiner verstehen und nachvollziehen.
Jetzt endlich darf ich es wirklich schrecklich finden. Es ist wie eine Befreiung.
Ich war 6 Jahre alt als ich im Sommer 74´ für sechs Wochen auf Langeoog im Haus Dünenheim untergebracht war. Eigentlich sollte noch eine Freundin von mir mit, was dann letztendlich doch nicht geklappt hatte. Ich war blass und sehr schüchtern und sollte dort "aufgepäppelt" werden.
Ich weiß nicht mehr sehr viele Dinge, erinnere mich jedoch an das tiefe Verlassenheitsgefühl, an das schreckliche Heimweh. In meiner Gruppe war ich die jüngste, konnte als einzige nicht schreiben und lesen. Musste immer warten, bis mir jemand meinen Brief vorgelesen hat. Bei der Ankunft habe ich den letzten Schrank bekommen, den ich nicht erreichen konnte, da zu hoch. Nie konnte ich alleine an meine Sachen. Immer war da dieses Gefühl nichts eigenes zu haben. Was ich von zuhause und meinen Großeltern mitbekommen hatte, durfte ich nicht behalten. Ebenso wenig wenn ein Päckchen ankam. Als kleines Kind versteht man das nicht...das war ja die einzige Verbindung zur Familie. Der Essenssaal war riesig, bis heute mag ich keinen Milchreis und Puddingsuppe etc., an weiteres erinnere ich mich nicht. Nur dass wir in diesem Saal lustige Lieder singen sollten, auch wenn die Tränen kamen.
Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern mit anderen Kindern gespielt oder gesprochen zu haben. Das ist komisch, ich hatte sonst immer Freundinnen. Ich kann mich auch überhaupt nicht daran erinnern, was wir den ganzen Tag gemacht haben. Obwohl ich sonst schon Erinnerungen an dieses Alter habe.
Innerhalb der sechs Wochen bin ich krank geworden(Windpocken?) und lag für viele Tage in einem kleinen Isolierzimmer ganz alleine ohne jeglichen Besuch oder Kontakt. Nur der Blick aus dem Dachfenster in den Himmel ist noch präsent. Und die Einsamkeit und gefühlte Ewigkeit, die diese Isolation dauerte.
Meine Eltern wussten von der Krankheit, durften/konnten mich aber nicht abholen.
Laut meinen Eltern war ich noch blasser und stiller als vor der Kur. Deutlich zu sehen auf dem vorher-nachher Foto.
Ich habe auch schon früher öfters mit meinen Eltern über diese Verschickung gesprochen. Es tut beiden leid, dass ich diese Erfahrungen gemacht habe. Sie wollten mir eigentlich auf Anraten der Kinderärztin etwas Gutes tun.
So viele Wunden auf kleinen Kinderseelen. Allgegenwärtig.
Endlich wurde der Stein ins Rollen gebracht...DANKE!!!
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Birgit schrieb am 27.01.2020
Ich bin Jahrgang 1963 und war wahrscheinlich, noch bevor ich in die Schule kam, 6 Wochen in einem Kloster, in Wessobrunn, bei Weilheim. Am schlimmsten, war das Heimweh!
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Ulrike G. schrieb am 27.01.2020
Hallo. ich bin 1965 geboren und war mit etwa 3 oder 4 Jahren für sechs Wochen in Scheidegg zur "Kinderkur". Als ich heute meine Mutter danach fragte, erzählte sie folgendes: Mein damaliger Kinderarzt hat mich , weil ich oft erkältet und sehr dünn war in "Kur" geschickt. Eine Frau muss mich in meiner Heimatstadt abgeholt haben und brachte mich dann nach Scheidegg. Meine Eltern durften nicht mit mir telefonieren oder mich besuchen. Laut meiner Mutter wären die Schwestern dort sehr hart zu uns gewesen. Ich wäre dort auch geschlagen worden. Eine Schwester wäre nett zu mir gewesen. Ich hätte immer alles aufessen müssen. Dies deckt sich mit meiner wagen Erinnerung, dass ich auch, wenn ich gebrochen hatte, weiter essen musste. Sie erzählte weiter, dass ich die "Liegestunde" gar nicht mochte.
Wenn ich daran denke, bekomme ich immer ein sehr ungutes Gefühl.
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Sell Elisabeth schrieb am 27.01.2020
als 5 jähriges Kind war ich auch auf --Erholung-- !!! die abreise war schon ein Drama, ich hatte mich am Bahnhof an eine Stange geklammert und geschrieen, wie am spieß. da hat mir die --tante-- eine ins gesicht gehauen un d hat mich in den zug reingeschmissen.daran kann ich mich noch wie heute ,fast 70 jahre später ,gut erinnern.ich war in bad Reichenhall und auch mal in bad Soden. in reichenhall musste ich den grünen Wackelpeter zweimal aufessen, einmal normal, dass aufn teller gekotzt und das ganze nochmal.und musste stundenlang im Speisesaal sitzenbleiben, bis der teller leer war.wenn ich heute grünen wackelpudding seh, denke ich sofort daran zurück. aber ich muss trotzdem sagen, ich habe kein Trauma davon zurück behalten,sondern wut. im Gegenteil, mich hat die ganze ungerechtigkeit dort gestärkt und hat mich zu einer Kämpferin gemacht. das hat mir im späteren leben geholfen, mich durchzusetzen und mir nix mehr gefallen lassen.deshalb tun mir die kinder heute noch leid , die es nicht verarbeiten konnten .es wird immer wieder zu Ungerechtigkeiten kommen, nur heute sind Eltern und Familie eher bereit , was zu unternehmen.und ich glaube, dass kinder auch heute noch gequält werden, nur auf eine andere art und weise.
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Petra Becker schrieb am 26.01.2020
Hallo, ich bin 1962er Jahrgang und etwa mit 5 Jahren in der Nähe vom Neadertal in einem Kinderkurheime gewesen. Weiß jemand wo das gewesen sein könnte?
Herzliche Grüße
Petra Becker
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Angela S. schrieb am 25.01.2020
Liebe Karina, wahrscheinlich war ich 1967 in dem selben DRK Heim. Ich würde mich gerne mit Dir darüber austauschen. Wenn Du auch möchtest, wende Dich bitte an die Heimort Verantwortliche für Amrum. (Bea, ihre Email findest Du unter Vernetzung). Sie wird Dir meine Email weiterleiten.
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Karina Kammeritsch schrieb am 24.01.2020
Ich muss da mal ein wenig ausholen. Wie gesagt, 1968 kam ich nach meiner Erkrankung für 6 Wochen zur "Erholung " nach Amrum. Es war ein Haus des DRK's. Zeitgleich wurde der kleine Sohn der Nachbarn dorthin verschickt. Der war ca 2 1/2-3 Jahre alt. Eigentlich dachten unsere Eltern, dass wir zusammen bleiben würden. ... Jedenfalls stand ich mit einigen anderen Kindern und dem Kleinen an der Hand auf dem Bahnhof , jedes Kind mit einem Pappschild um den Hals und wartete auf den Sammelzug nach Amrum. Die Betreuer hatten uns in Empfang genommen und die Eltern nach Hause geschickt. Der Kleine war ganz verschreckt und hat mich die ganze Zeit nicht losgelassen. Auf Amrum angekommen, wurden wir sofort getrennt. Und ich habe ihn die ganzen 6 Wochen nicht mehr gesehen. Ich hatte dann auch genug mit mir selber zu tun. Meine Mutter hatte mir für die 6 Wochen 50 DM Taschengeld mitgegeben. Das war sehr viel Geld für die Zeit. Das haben die Betreuer sofort einkassiert ! Ich habe es nie mehr wiedergesehen. Ich kam in einen Schlafsaal mit fünf anderen Mädchen. Wir waren im Alter von 10 bis 15 Jahre. Die Jüngste kam aus Bayern und hat sechs Wochen lang eigentlich nur geweint. Ich erinnere mich , dass ich Schulaufgaben mit hatte, um den Anschluss nicht zu verpassen. Aber es gab da keine geregelte Anleitung. Nach dem Frühstück hatten wir 2 Stunden Lernzeit. Aber ohne Hilfe. Hauptsache, wir haben uns ruhig verhalten. Danach mußten wir zurück in unseren Schlafsaal. Und uns ruhig verhalten. Es war Hochsommer , die Sonne schien und es war heiß. Aber wir durften nicht nach draußen. Und wir hatten Durst ! Es gab nur morgens, mittags und am Abend was zu trinken. Für jedes Kind genau 2 Tassen Tee pro Mahlzeit ! Wir haben und heimlich in den Waschraum geschlichen und Wasser aus dem Wasserhahn getrunken. Wenn wir erwischt wurden, mussten wir für 1-2 Stunden in die Besenkammer.Das war nicht so schlimm. Schlimmer war, dass uns zur Strafe dann die Trinkmenge bei der nächsten Mahlzeit abgezogen wurde.Also wir dann nur noch ein Tasse Tee bekamen. Oder nur ein halbe Tasse..... Nachmittags wurden wir ausgeführt. Schön in Reih und Glied.... Stundenlang über die Insel geschleift, ohne was zu trinken. Und selber kaufen ging ja auch nicht. Unser Geld hatten ja die Betreuer einkassiert. Meine Mutter hatte aufgeschrieben, auf was ich allergisch reagiere. Unter anderem auf Nivea Creme. Das hat niemanden interessiert. Ich wurde dick mit Nivea eingecremt und bin dann fürchterlich verbrannt. Mein Gesicht war blasig, verschwollen und tat unheimlich weh. Die Betreuerin fand das nur lustig. Ich habe dann versucht mir selber zu helfen. Meine Mutter hatte mir Penaten Creme eingepackt. Die hab ich mir dann dick auf das Gesicht geschmiert. Das hat auch geholfen. Aber am nächsten Morgen hab ich dann Ärger bekommen, wegen dem eingesauten Kopfkissen. Habe deshalb kein Frühstück bekommen und musste im Schlafsaal bleiben. Da konnte ich wenigstens ungestört Wasser aus dem Wasserhahn trinken. Samstags mußten wir Ansichtskarten nach Hause schreiben. Die Texte waren vorgegeben. Und jede Karte wurde kontrolliert, ob wir auch ja nichts negatives geschrieben haben. Dann wurde die Karte zerrissen und wir mussten eine Neue schreiben. Die Karten und Briefmarken wurden uns von unserem konfiszierten Taschengeld abgezogen. Am letzten Samstag vor der Heimreise verkaufte uns das Heim Andenken. Im Speisesaal war ein Tisch mit Sachen aufgebaut und wir mussten uns was aussuchen. Jedenfalls wurde damit unser letztes Geld geschrottet. Bei der Heimreise habe ich dann den kleinen Sohn der Nachbarn wiedergesehen. Er war dünner und blasser als bei der Anreise. Wie sich später heraus stellte, war er während der Zeit recht schwer an Windpocken erkrankt. Man hatte es nicht für nötig gehalten, die Eltern zu informieren. Ich habe meinen Eltern alles erzählt. Und sie haben mir geglaubt. Dann kam auch noch eine Taschengeld Abrechnung. Da standen Positionen drauf, die nicht korrekt waren. Wie Eis und Limonade. Habe ich nicht einmal bekommen. Und die Ansichtskarten und Andenken waren wohl auch ziemlich überteuert. Meine Eltern und die Eltern des Kleinen haben sich dann gemeinsam bei der Krankenkasse beschwert. Und anscheinend auch noch andere Eltern. Wir haben dann irgendwann gehört, dass einige Kassen die Verträge mit dem Heim gekündigt haben und das Haus geschlossen wurde.
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Barbara schrieb am 23.01.2020
Ich war ca. 1969 und ca. 1975 in Bad Dürrheim. Ob es das gleiche Kindersolbad, wie das genannte war, weiß ich nicht, aber ich vermute es. Auch mich haben diese Aufenthalte stark geprägt.
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Stefan Mahlstaedt schrieb am 23.01.2020
Hallo,
schon lange frage ich mich, ob es für mich oder auch andere hilfreich wäre, sich zu dem Thema Heimverschickung zu vernetzen. Nun habe ich kürzlich über eine Arbeitskollegin von dem Kongress auf Sylt gehört. Immer noch ein wenig skeptisch, ob ich mich wirklich mit dem Thema mehr beschäftigen möchte, so weiss ich auch, dass mich die Heimaufenthalte schon sehr geprägt haben mit einer Reichweite bis in mein heutiges Leben. Ich war von 1966 bis 1969 fünf Mal im DRK- Kindersolbad in Bad Dürrheim im Scharzwald. Kennt jemand dieses damals sehr grosse Kinderheim unter dem Chefarzt Dr. Kleinschmidt?
Aus heutiger Sicht ist mir klar, dass der Faschismus damals gerade mal wenig mehr als 20 Jahre "vorbei" war und so waren die Strukturen und Methoden in dem Heim auch noch davon sehr stark geprägt. In diesem Sinne....
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Bärbel M. Aus Freiburg schrieb am 21.01.2020
Ich suche Menschen die wie ich auch in Friedenweiler waren unter anderen Corinna Dietz die hier einen Kommentar gepostet hat deren Kontaktmöglichkeiten ich nicht finden kann.
Bitte melden unter baerbma@gmx.de
Es wäre für mich wichtig mich nicht mehr allein zu fühlen.
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Heike Husak (geb. Haab) schrieb am 20.01.2020
Ich bin Jahrgang 1962 und wurde 1970 zusammen mit meiner Cousine nach Wittdün auf Amrum zur Erholung geschickt. Ich weil ich unter Neurodermitis litt und meine Mutter ins Krankenhaus musste. Wir waren 4 Kinder und ich das Jüngste. Mein Vater und sein Bruder fuhren uns nach Heidelberg zum Sonderzug und ich kann mich noch daran erinnern, dass er mich ganz fest drückte bevor ich in den Zug stieg. Meine Freude an die Nordsee zu fahren war riesengroß. Doch leider hielt die Freude nur bis zur Ankunft am Erholungsheim Nordfriesland. "Tante" Katie hat uns in Empfang genommen und die Zimmer zugewiesen (ich durfte nicht mit meiner Cousine in ein Zimmer) und wir mussten sofort unsere Betten beziehen. Weil ich es nicht richtig machte, bekam ich eine Backpfeife. Unsere persönlichen Sachen durften wir nicht behalten. Wir bekamen sehr wenig zu trinken, zu jeder Mahlzeit eine Tasse Tee oder sehr verdünnten Himbeersirup oder Buttermilch - mehr nicht. Auf einer Wanderung kamen wir an einem Haus vorbei mit einer Leuchtreklame von Union-Bier. Das U war das obere Teil von einem Pilsglas. Mit meinen 8 Jahren dachte ich immer daran wie gerne ich jetzt ein Bier trinken würde! Der erzwungene Mittagsschlaf war sehr schlimm für uns Kinder. Wenn wir beim Flüstern erwischt wurden, mussten wir den Rest der Zeit in Unterwäsche auf der Jungen-Station stehen. Sehr erniedrigend. Die Ansichtskarten oder Briefe wurden zensiert. Ich habe genau 6 Karten geschrieben, auf denen jeweils das gleiche geschrieben stand: Mir geht es gut, die Aussicht (aus dem Speisesaal) ist schön. Die Aussicht war schön, aber mir ging es nicht gut. Die Dusche war ein Gang bei dem von zwei Seiten kaltes Wasser rausspritzte und man durchlaufen musste. Das Wasser war bräunlich und stank faulig. Schläge, Erniedrigungen waren an der Tagesordnung. Vor 30 Jahren wollte ich mich mit dem Heim konfrontieren und bin nach Amrum gefahren. Das Haus wurde entkernt und neu aufgebaut mit Wohnungen. Es heißt Haus Kerrin, wie auch damals die Heimleiterin hieß. Ich kann mich leider nur noch an die grausame Tante Katie erinnern und hoffe, dass sie sehr einsam ist oder war und sehr viele Schmerzen erleiden muss oder musste. Sie hat mir meine unbeschwerte Kindheit genommen. An die Namen der anderen Tanten kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Ich habe lange nach Leidensgenossen gesucht, wurde aber nicht fündig, da ich nicht wusste, dass wir "Verschickungskinder" sind. Durch einen Bericht in unsrer Tageszeitung bin ich auf diese Seite aufmerksam geworden. Es hat Wunden aufgebrochen und ich habe viele Tränen vergossen. Mir war nicht bewusst, dass es so viele von uns gibt. Ich dachte immer, dass es nur in diesem Erholungsheim so schlimm war!
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Bärbel M schrieb am 20.01.2020
Bärbel M. aus Freiburg
Durch Zufall habe ich diese Seite letzte Woche gefunden und bin seither sehr emotional bewegt.
Meine Leben hat dieser Heimaufenthalt in Friedenweiler als 6 jährige 1965 sehr negativ geprägt......bis heute!!!!!!!.....mein Wunsch war schon immer auch Betroffenen zu finden um sich sehr vorsichtig auszutauschen.............ich würde mich unendlich freuen wennn wir eine gemeinsame Sprache über unser Erleben finden ..Kontakt baerbma@gmx.de Nur Mut Gemeinsam nicht mehr Einsam!!!!!

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linnea schrieb am 19.01.2020
Ich bin 1977 in Arnsberg geboren und wurde vor meinem Schulantritt für 4 Wochen ins Kinderkurheim Norderney geschickt. Wie ich dorthin kam weiß ich leider nicht, nur dass meine Eltern mich abholten. Vorher wurde ich von der Schwester Oberin eingeschworen, den Eltern nur das Beste über den Aufenthalt zu erzählen. Leider habe ich ein excellentes Gedächtnis und ich erinnere mich an vieles. Sofort am Anfang wurde ich von einem Kind bei unserem ersten Ausflug ins Wasser geschubst. Folglich durften alle Kinder eine Woche nicht an die Nordsee. Die Stimmung war dementsprechend. Wir mussten unser Taschengeld für Süßes ausgeben, damit wir 'wohlgenährt' nach Hause kamen. Schaumküsse und Baiser erzeugen bei mir heute noch Brechreiz. Die ewigen Suppen und der Kartoffelmatsch haben scheinbar nicht genug Gewicht gebracht. Ich hatte Angst vor Wasser da ich noch nicht richtig schwimmen konnte. War im Lehrschwimmbecken aber kein Grund Rücksicht zu nehmen. Eines der schlimmsten Erlebnisse war der Griff einer Ordensschwester in meinen Nacken um mich aus dem Schlafsaal zu zerren. Ich musste den Rest der Mittagsruhe im abgeschlossenen Waschraum ohne Socken auf dem Klo hockend verbringen. Von anderen Kindern wurde ich leider meiner Geschenke beraubt und niemand dort hat mir geglaubt. Kurzum. Wenn man das alles überstanden hat, ist man deutlich erwachsener und hat einen unbeschwerten Teil der Kindheit hinter sich gelassen zumal ich lange nicht verstanden habe warum meine Eltern mir so etwas angetan haben.
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Anja Korte schrieb am 19.01.2020
Ich bin 1972 in Hamburg geboren, muss so ca. 1978 verschickt worden sein, nach Wyk auf Föhr für 6 Wochen. Viel erinnere ich mich nicht. Ich sollte zum Zunehmen, weil ich stark untergewichtig war. Das Essen wurde mir reingezwängt, bis ich es erbrochen habe. Ich musste so lange das Erbrochene essen, bis der Teller leer war. Im Speiseraum gab es mehrere Tischgruppen. An jedem Ende saß eine Tante und sorgte für Ordnung. Ich erinnere große Schlafsäle mit kratzenden Decken (Bundeswehrdecken?) und dass ich durchweg gefrohren habe. Am Abend wurden Hände in Fäustlinge gewickelt, zum Teil am Bett fixiert. Ich weiß nicht, ob bei mir auch. Vieles hat man ja auch als abschreckendes Beispiel bei den anderen Kindern beobachten dürfen. Eines erinnere ich aber genau. Als wir von was auch immer wiederkamen, waren alle Schränke ausgeräumt. Davor die Tanten und nähten in unsere private Kleidung so kleine Punkte rein. Ich war sehr erbost darüber, weil es ja meine Sachen waren, aber ich wurde nur ausgelacht und sollte es so hinnehmen. Ich erinnere auch, dass Kinder zur Strafe im Flur stehen sollten, mit Decke oder Kissen. Ob ich es auch musste, weiß ich nicht. Das kalte Abduschen mit Wasserschlauch erinnere ich auch. Viele Kinder weinten und hatten Heimweh. Für mich war die gesamte Zeit beklemmend. Von der Insel und vom Strand habe ich nicht viel gesehen. Vielleicht waren wir ein oder zweimal da. Es gab ein Spielplatz am Haus. Aber irgendwie hatte keiner so richtig Lust zu spielen und fröhlich ging es auch nicht zu. Die Tanten saßen da und passten auf. Und ich war mir nie sicher, ob das, was ich da tat oder auch nicht, überhaupt richtig war, also ein gewünschtes Verhalten. Aber ganz ehrlich, zu Hause erzhählte ich es und wurde nicht ernst genommen, wurde es meiner regen Fantasie zugeschrieben.
Ich war auch noch auf anderen Verschickungen, z.B. am Brahmsee, aber das fand ich nicht so schlimm. Es war in einem Wald mit verschiedenen Hütten und da erinnere ich mich an Lagerfeuer mit Gitarrenmusik, Nachtwanderungen und Nachmittage am und im See, Waldspaziergänge....und dann Quarantäne mit Masern, wo ich mich bis heute frage, warum die mich nicht einfach wieder nach Hause geschickt haben.
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Sonja W. schrieb am 19.01.2020
Nachdem ich gestern meinen Fragebogen ausgefüllt habe, schreibe ich nun hier meine Erfahrung: Ich wurde 1989 im Juni für 4 Wochen nach Waltersdorf (Sachsen bei Zittau) in das Kinderkurheim "Rübezahlbaude" geschickt. Ich war gerade 7 Jahre alt und bis zu dem Zeitpunkt ein fröhliches, aufgewecktes Mädchen (so wie es meine Tochter heute ist). Zurück kam ich als ruhiges, in sich gekehrtes und nachdenkliches Kind. Dies erzählte mir kürzlich mein Vati. Was war passiert? Meine damalige kleine Seele muss so sehr verstört worden sein, dass ich mich kaum noch an was erinnern kann. Langes sitzen beim Essen und unbedingt aufessen. Panisch in der Sauna sitzen weil man Angst hat und den Geruch widerlich fand, dennoch sitzen bleiben musste. Täglich weinend im Bett auf einem Zimmer mit zwei älteren Mädchen, die mich oft trösteten. Die Postkarte an die Eltern malen, wo der Text von jemand anderem geschrieben wurde. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Ich war jedenfalls danach ein ganz anderes Kind, was schwer Vertrauen zu anderen Menschen fand, kaum Selbstvertrauen hatte und Bauchweh bekam, wenn ich andere Kinder zu unrecht behandelt sah. Ich hoffe, hier noch mehr Betroffene aus Sachsen bzw. aus der Ostregion zu finden.
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Frank schrieb am 19.01.2020
Ich war als 10jähriger im Weberhäuschen in St. Peter-Ording. Ich habe drei Briefe nachhause geschrieben; der erste wurde mir zurückgegeben. Ich wurde aufgefordert nichts von meinem Heimweh zu schreiben, sondern nur darüber, daß alles schön ist und das Essen gut. Diese beiden Briefe (mit einem Umschlag und der Postkarte des Heims) kamen nach dem Tod meiner Mutter wieder an mich. Ich wußte nicht das sie noch existierten.
Ich war Zimmerältester mit lauter Jungs zwischen 7-10 Jahren. Die größte Angst bestand vor dem Bettnässen, denn am nächsten morgen wurde kontrolliert und wer erwischt wurde kam an einen Sondertisch und bekam nur trockene Haferflocken zum Frühstück und wurde zusätzlich noch ins Bettnässerbuch eingetragen. Nachts kamen dann Jungs die ins Bett gemacht hatten und weinten. Wir haben dann gemeinsam die Matratze rumgedreht und das Bettlaken mit Handtüchern gerieben und gerieben, bis man keine Feuchte mehr fühlte. Einmal hatte einer unters Bett gemacht und wir haben das dann mit Kleidern und Handtüchern aufgewischt.
Ich habe schon einiges aufgeschrieben, aber es sind auch immer wieder Erinnerungslücken da.
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Angela Nörenberg schrieb am 19.01.2020
Kinderverschickung Schloss Ratzenried !!!

Wir sind wohl im März bis in den April 1972 da gewesen für 6 Wochen. Wir, das sind meine Brüder Jörn (12), Heiko (9) (2013 verstorben) und meine Schwester
Susanne (8) und ich war damals 7 Jahre alt.

Meine Mutter erfuhr damals sehr kurzfristig von der Zusage für uns alle 4.
Klar, wenn gleich 4 Kinder unter gebracht werden müssen.
Verschickt wurden wir über die Post (die sogenannte Postverschickung).

Also, ich war schon sehr dünn aber der eigentliche Grund der Verschickung war, das meine Mutter mal eine Auszeit brauchte. Bei 4 Kindern ja auch zu verstehen.
Meine Mutter erzählte mir das sie Nächte damit verbrachte Namensschilder in unsere Kleidung ein zu nähen...

Dann war der Tag der Abreise, und wir waren alle aufgeregt und überdreht. Wir fuhren mit dem Zug am späten Abend vom Hamburger Hauptbahnhof los.
Begleitet wurden wir von freiwilligen Postbeamten (also Arbeitskollegen meines Vaters).
Muss für die Begleiter wirklich anstrengend gewesen sein. Meine Geschwister und ich waren in einem Abteil untergebracht und haben die Begleiter mit viel Blödsinn auf Trab gehalten, so das sie am Ende Ihre Abteiltür mit unserer durch ein Band verbunden hatten, damit sie beim öffnen unserer Abteiltür sofort reagieren konnten.

Am morgen sind wir dann angekommen und wurden mit dem Bus nach Ratzenried gebracht.

Übrigens habe ich erst vor vielen Jahren durch meinen Bruder Heiko erfahren das der Ort unserer Kinderverschickung Ratzenried hieß.
Ich wusste es nicht mehr. Dann natürlich gegoogelt und dann kamen einige Erinnerungen wieder.

Aber weiter...
Nun berichte ich dir von meinen Erinnerungen .

Wenn man reingekommen ist war auf der linken Seite der Speise und Aufenthaltsraum der Jungen und auf der rechten Seite das der Mädchen.
Ich habe keine Erinnerung wo die Jungen geschlafen haben. Aber ich weiß das innerhalb des Heimes Jungs und Mädchen getrennt voneinander waren.

Bei den Jungen war Schwester Begmana ( ob sie so geschrieben wird weiß ich nicht ) zuständig, bei uns Mädchen war es Schwester Lioba.

Direkt beim Heim war eine Kirche in die wir Sonntags gingen. Vorher mussten wir immer unsere Schuhe putzen oben draußen auf dem Turm.

Zum Essen, ja auch wir wurden gemästet. Ich erinnere mich an viele Scheiben Brot zum Frühstück, komische Suppen zum Mittag teilweise untypisch für uns norddeutschen. Aber Essen war immer ein Thema weil wir ja zunehmen sollten.
Und wie ich bei vielen anderen lass, auch hier musste erbrochenes gegessen werden und es ging noch schlimmer, nämlich das in die Toilette geworfene Brot musste wieder raus gefischt werden und es musste aufgegessen werden. ( das ist aus der Erinnerung meiner Schwester und mir).
Zum Glück ist das weder mir noch meiner Schwester passiert.

Geschlafen wurde in einem großen Schlafsaal mit gefühlten 20-30 Betten aus meiner Erinnerung..
Ich hatte einen Schlafplatz ziemlich weit hinten beim Fenster und meine Schwester hatte direkt neben mir ihr Bett gehabt.
Sobald wir im Bett waren durfte nicht mehr geredet werden, keinen laut durfte man mehr von sich geben. Die Tür vom Saal war immer angelehnt und die Schwester saß vor der Tür, war sofort da, wenn sie einen laut gehört hat. Die Strafe war immer raus aus dem Schlafsaal und sich in eine Ecke stellen.
Es kam auch vor das Kinder in der Nacht ins Bett gemacht hatten, das fanden die Nonnen Schwestern gar nicht gut und waren oft böse. Die Kinder mussten dann ihre Nachtwäsche selber ausspülen. Ob Sanktionen folgten das weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich war ich wieder eingeschlafen...
Aber ich weiß das ein Mädchen die auch öfters ins Bett gemacht hatte, dann auch ihr „großes Geschäft“ ins Bett gemacht hatte, das ist ein Bild das ich bis heute nicht vergessen habe.
Sie stieg aus ihrem Bett und es hing alles an ihrem Nachthemd und auch sie wurde schimpfender weise raus geholt, musste alles auswaschen und ihr Bett selber abziehen. Sie hatte die ganze Zeit geweint.
Dieses Mädchen wurde von ihren Eltern abgeholt.

Da meine Schwester im Mai 9 wurde durfte sie später in einem anderen Zimmer mit den älteren schlafen, aber nicht lange, dann war sie wieder neben mir.

Ich habe jede Nacht Heimweh gehabt, bin unter die Decke gekrochen und habe geweint und ich habe jeden Abend unser zuhause vor Augen gehabt...

Es durfte aber keiner der Nonnen Schwestern mitkriegen.Man durfte einfach nicht weinen oder gar Heimweh haben, warum weiß ich nicht..

Meine Schwester war mir da schon eine große Hilfe, wir hielten irgendwann abends immer die Hände und streichelten uns gegenseitig die Arme.
Das haben wir dann zuhause noch eine lange Zeit weiter gemacht.


Postkarten schreiben, dafür gab es immer eine bestimmte Zeit wo wir alle schreiben konnten oder mussten... Jeder musste seine Postkarte bei der Nonnen Schwester abgeben und es durfte nichts negativen drin stehen, das weiß ich auch noch. Obwohl ich mich im nach hinein frage ob ich schon richtig schreiben konnte. Aber auch meine Schwester bestätigte das die Post zensiert wurde.

Im Badezimmer mussten wir uns immer in einer Reihe aufstellen zum waschen.

Hinter dem Heim nicht weit weg muss auch ein Spielplatz gewesen sein, dort waren wir öfter und auch die Jungen waren dabei.

Wir waren auch öfter im Wald und haben uns irgendwelche Höhlen gebaut, das war eigentlich schön.. Auch hier waren die Jungen dabei.

Aber die Wanderungen waren nicht so schön. Stundenlang irgendwelche hügeligen Gras Weiden und die Nonnen Schwestern immer hinter einem mit Rohrstock. Meine Erinnerung, wie Vieh das in den Stall getrieben wurde.

An einem Abend habe ich mit vielleicht 3-4 Mädchen Memory gespielt, als dann die Spielzeit zu ende war und wir ins Bett sollten, räumte die Nonnen Schwester das Spiel ein und wurde ganz böse weil bei eins der Memory Karten eine kleine Ecke fehlte.

Wer war das, schrie sie uns an. Keiner sagte etwas, ich glaube wir hatten alle Angst.Ich weiß nicht wer das war, ich auf jeden Fall nicht.
Wir mussten alle in den Ecken stehen und durften nicht schlafen und sie fragte immer wieder ,wer war das....
Nach gefühlten Stunden durften wir endlich ins Bett, so etwas vergisst man nicht.

Wir haben auch gesungen, aus der Mundorgel, die werden sicher noch einige kennen.

Und wir haben zu Ostern gebastelt. Ich glaube wir durften das auch mit nachhause nehmen.

Und als wir dann wieder zuhause waren haben wir wohl auch alles berichtet das schöne und das schlechte.

Ich weiß, das meine Mutter uns irgendwann erzählte das das Heim geschlossen wurde.

Meine Schwester und ich spielten oft das erlebte noch nach und das hat uns sicher geholfen das ganze besser zu verarbeiten.


Es ist wirklich sehr lang geworden, aber ich wollte nichts auslassen.

Liebe Grüße, Angela.
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Susanne schrieb am 19.01.2020
Hallo,
ich bin 54 Jahre alt, komme aus NRW. Im Jahre 1975 wurde ich sechs Wochen lang nach Oberstdorf, in das
Kindersanatorium "Sonnenhang" geschickt. Ich war untergewichtig und oft krank, so die Begründung der Ärzte, auf die meine Mutter, wohlwollend einging. Da könnte ich Kraft und Gesundheit tanken.
Vom Horror des Heimwehs mit 9 Jahren, ohne irgendeine bekannte Person, ganz zu schweigen, begann dort der Horror auf eine Weise, wie ich sie vorher und nachher nie erlebt habe.
Wir wurden gedemütigt, vor versammelter Mannschaft im Speiseraum vorgeführt, mir wurden Dinge unterstellt, die
ich nie im Leben begangen hatte. Trotzdem hatte ich mich zu entschuldigen. Eines Abends kam eine Betreuerin in unser Zimmer, in dem sechs Mädchen schliefen. Zwei Mädchen schwatzen und lachten noch trotz Verbot. Ohne zu fragen, wer da noch quatscht, riss sie mich aus dem Bett und verdonnerte mich dazu, mindestens eine Stunde alleine im kalten, dunklen Treppenhaus zu sitzen. Niemand half mir, auch nicht die wirklich schuldigen, sie hatten wahrscheinlich auch nur Angst.
Wir mussten bei hohen Temperaturen lange, anstrengende Wanderungen machen, mit minimal rationierten Getränken. Es gab Sportpflicht und eine Kleiderordnung. Briefe nach Hause wurden kontrolliert und mussten oft verbessert werden (logisch), auf Anordnung der Betreuuer.

Es wurden auch Kinder geschlagen, ins Gesicht!! Es war der reinste Horror, ich habe das niemals vergessen.
Meiner Mutter habe ich aus Scham erst viele Jahre später davon berichtet, sie war zwar entsetzt, sagte aber,
da könne man jetzt nichts mehr machen.Ich hätte eben eher was sagen sollen.

Vielleicht bin ich nicht die einzige, die in diesem Zeitraum da war. Ich kann mich zumindest an zwei Betreuerinnen erinnern. Das eine war eine etwas jüngere Frau, mit kurzen Haaren, den Namen hab ich vergessen. Die hatte einen bayrischen Akzent.
Die war sehr schlimm, aber die schlimmste war Ludmilla, eine ältere sehr fiese, dürre Frau. Ich glaube sie war eine Art Leitung oder Direktorin.

In diesem Jahr im Juni 2020, 45 Jahre später, werde ich in Oberstdorf Urlaub machen, ich glaube das Gebäude steht noch. Da will ich diesen Horror verarbeiten und vergessen. Und dann diesen wirklich schönen Ort genießen, denn der hat mit diesen schlimmen Ereignissen in diesem Haus ja nichts zu tun.

Danke fürs Lesen
Susanne
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Gertrud Schokker schrieb am 19.01.2020
Ich war Anfang 1966 in Bad Rothenfelde von der Zeche Moltke in Gladbeck,ich war zu klein und zu dünn .Eingeschult wurde ich erst im Dezember (kurzschuljahr).Ich war auch 6 Wochen da,schlimmste Zeit meines kurzen Lebens.Wir bekamen auch seltsame Dinge zu essen,ich kann mich noch dran erinnern das ein Junge seinen kompletten Teller mit Spinat durch den Speisesaal warf.Wenn wir spazieren gingen immer zu zweit in einer Reihe mit Seil dazwischen,wehe man lies das Seil los.Mich hat man eine Nacht lang in meinem erbrochenen liegen lassen.Aufs Klo durfte man nicht,man hatte einen Topf,den man morgens zu ausleeren wegbringen musste.Ich fühlte mich von meinen Eltern abgeschoben,hatte grade meinen Bruder bekommen und dachte sie wollten mich nicht mehr.Reden konnte und kann ich mit meiner Mutter (Vater verstorben) darüber nicht .
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Kerstin schrieb am 18.01.2020
Hallo, ich wurde im Alter von 5 Jahren nach Sylt verschickt. Das war im Frühjahr 1976.
Einige Erinnerungen sind geblieben. Leider nur negative. Positive Erinnerungen an diese Zeit habe ich gar nicht.

Ich erinnere mich an die Vorabuntersuchung. Die fand in Hamburg in den Mundsburg Türmen statt. Es war ein riesen Raum mit vielen Erwachsenen und Kindern. Wir mussten uns dort bis auf die Unterhose ausziehen. Auch ältere Kinder (Jugendliche) mussten das. Dann wurden wir untersucht und befragt, ob wir 4 Wochen verschickt werden wollen. Als 5 jährige hat man wahrscheinlich noch nicht die Ahnung, was 4 Wochen sind. Ich dachte zumindest, es würden 4 Tage sein.

An die Fahrt selber habe ich wenig Erinnerungen, nur das viele weitere Kinder mit in dem Zug waren.

Dort angekommen wurden unsere Koffer von den Mitarbeitern ausgepackt und der Inhalt begutachtet. Ich leide unter einer Hauterkrankung und habe dadurch sehr trockene Haut. Die Heimleitung nahm mir meine Hautcreme ab (Nivea - damals gab es nichts anderes). Die Begründung "die ist zu fettig für Dich". Die ganzen 4 Wochen hatte ich keine Möglichkeit mich einzucremen, was zu schuppiger Haut mit sehr schmerzhaften Rissen an Händen, Armen und Beinen bei mir führte.

Ich wusste, dass meine Eltern mir Taschengeld mit in den Koffer gelegt haben. Von diesem Geld habe ich nur einen kleinen Bruchteil bekommen. Davon durfte ich mir bei einem Ausflug ein kleines Spielzeug kaufen. Dieses Spielzeug wurde bei der Rückkehr promt einkassiert. Dieses Spielzeug sowie das restliche Geld ist auf nimmerwiedersehen verschwunden.

Wir mussten regelmäßig Briefe nach Hause schreiben. Ich konnte zu dem Zeitpunkt noch nicht schreiben - wer weiß, was die Mitarbeiter in die Briefe geschrieben haben. Ich erinnere mich an eine junge Mitarbeiterin, die wirklich bemüht war. Die hat die Briefe für die Kinder geschrieben, die noch nicht schreiben konnte. Ich hatte in einem Brief über die Hauteinrisse berichtet und darüber, dass ich mich nicht eincremen darf. Dieser Brief ist niemals an meine Eltern geschickt worden. Ich hatte unter jeden Brief ein Bild gemalt und daher weiß ich, das der Brief nicht geschickt wurde.

Eine Erinnerung hallt bis heute nach. Bei einem Toilettengang bekam ich das Türschloß nicht mehr auf und habe verzweifelt versucht die Toilettenbox zu verlassen. Mein Klopfen und Schreien wurde nicht gehört. Es hat ewig gedauert, bis mich jemand befreite. Danach gab es keine tröstenden Worte.

Ich mag mich bis heute nicht gerne auf Toiletten einschließen.

Warum ich verschickt wurde, weiß ich nicht. Ich war weder zu dünn noch zu dick. Gesundheitliche Probleme hatte ich auch nicht (bis auf diese Hauterkrankung). Wahrscheinlich machte man es zu der Zeit eben.

Meine Eltern haben aber zum Glück davon abgesehen, mich nochmal zu verschicken. Auch mein jüngerer Bruder (der als Kind mehr gesundheitliche Probleme hatte als ich) wurde nicht verschickt.
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Armin schrieb am 18.01.2020
Hallo,
ich war 1964 im Alter von drei Jahren zusammen mit meiner älteren Schwester auf Schloss Katzenelnbogen in Rheinland-Pfalz. Natürlich wurden auch wir, wie so viele andere Geschwister, getrennt. Ich habe nur wenige eigene Erinnerungen an diese Zeit, das meiste weiss ich aus den Erzählungen meiner Schwester.
Leider gibt es kaum Informationen dazu im Internet ausser, dass das Schloss 1948 vom evangelischen Hilfswerk zum Kinderheim umgebaut und bis 1972 betrieben wurde.
Es wäre sehr schön, sich mit anderen Menschen austauschen zu können, die auch zu dieser Zeit auf Schloss Katzenelnbogen waren.
Deshalb wäre ich über eine Nachricht sehr froh und sehr froh bin ich auch darüber, dass dieses Thema nun endlich an die Öffentlichkeit gelangt.
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Elke schrieb am 17.01.2020
Ich war auf Wangerooge etwa 1967 oder 1968, zweite oder dritte Klasse. Ich sollte zunehmen, mir war immer schlecht. Das war wohl der Anlass meiner Verschickung.

Ich kann mich an nichts erinnern. Ich weiß nichts von einer Zugfahrt, auch keine Fähre, keine Hin- oder Rückfahrt ist erinnerlich.

Ich weiß nur noch, dass die Post zensiert wurde und ich nichts von meinem Heimweh schreiben durfte. Ich weiß noch, das der Arzt bei der Abschlussrunde fragte, wem es denn nicht gefallen hätte. Ich habe mich als Einzige gemeldet und wunderte mich, dass die anderen alles zu toll gefunden haben. Dann war das Erlebte vermutlich in Ordnung. Ich glaube auch nicht, dass ich zu Haus erzählte habe. Fragen kann ich meine Eltern leider nicht mehr, da sie nicht mehr leben.

Nach dem Lesen der anderen Berichte kommen mir auch Erinnerungen.

An die Mittagsschlafzeit. Ich habe ein Bild vor Augen, viele Betten nebeneinander und ich lag darin mit einem Handtuch über meinen Augen. Früher dachte ich immer, dass sei eine Erinnerung aus der Kindergartenzeit. Aber im Kindergarten war ich nur eine ganz kurze Zeit, dann wurde ich dort nicht mehr hingebracht. Im Kindergarten gab es auch keine Betten. Vielleicht war es doch in der Kur?

Als Kind hatte ich Alpträume. Es war immer eine riesengroße Zudecke über mir, schwer und bedrohlich.

Jetzt leide ich aber nicht mehr. Ich frage mich nur, warum ich mich nicht erinnern kann.

Nach der Kur musste ich das Kurzschuljahr wiederholen, deshalb nehme ich an, dass ich nicht in den Ferien, sondern in der Schulzeit dort war.

Elke
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Ilona Gruber schrieb am 15.01.2020
kenne ich auch, wurde so ca 1963-64 vom Arzt nach Bad Herrenalb zur Erholung geschickt, da ich zu wenig Gewicht hatte, war 6 Wochen in diesem Heim, das Essen war grauenhaft und wir haben vor Hunger an Papiertaschentüchern geknabbert. Man wurde dauernd bestraft. War auch mehrmals auf der Krankenstation mit Fieber und Erbrechen. Jedes mal wenn ich spucken musste, war ich die Böse und durfte nicht mit den anderen Kindern spielen. Ein Tag vor Ende der Kur haben die Schwestern meine Eltern kontaktiert, dass sie mich abholen sollen wegen Fieber. Mein Vater ist mit meiner Oma gekommen. Kaum war ich im Auto, war schwups mein Fieber weg und ich habe im Auto gesungen. Abends bin ich mit meiner Mutter zum Bahnhof um meinen Koffer abzuholen. Die Aufsichtsperson, die die Kinder wieder nach Pirmasens begleitete hat meine Mutter angeschrien wieso sie ein fieberhaftes Kind an die zugige Bahn mitbringt. Meine Mutter war stinksauer und hat Dampf abgelassen. Das war meine einzige Kinderkur, meine Eltern haben das nie wieder mit sich machen lassen.
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Christine schrieb am 15.01.2020
BAD SASSENDORF...
Ich war 1978 in BAD SASSENDORF. Werde ich nie vergessen. Mit 6 Jahren, 6 Wochen weg. Erbrochenes essen kenne ich. Abends erklang ein Gong, Dann musste man sofort schlafen. Dann kam eine Person und kontrollierte mittels Taschenlampe ins Gesicht strahlen, wer nicht schläft. Wenn man mit dem Auge gezuckt hat, musste man auf dem Flur stehen. Barfuß. Kalt. Stehen an der Wand... keine Ahnung wie lange. Man durfte nicht einschlafen. Einmal hatte ich beim Urinieren starke schmerzen und Blut im Urin. Ich bat die Erzieherinnen zuhause anzurufen. Ist nie gemacht worden. Später berichtete meine Mutter, sie hätte oft in der Einrichtung angerufen, aber ihr wurde immer erzählt, dass ich gerade so schön spielen würde (was nicht stimmte). Als ich nach 6 Wochen nach hause kam (alleine mit dem Zug), erkannte meine Mutter, dass es ein großer Fehler war mich dort hinzuschicken. Sie sagte, ich stieg aus und gab ihr völlig emotionslos und förmlich die Hand zum Gruß... danach hatte ich Aggressionen gegen sie und biß ihr (währen ich unter dem Eßtisch saß) in die Beine etc. (weiß ich nur von Erzählungen).
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Willi Schmidt schrieb am 14.01.2020
Die Geschichte der Verschickung beginnt mit dem Gips-Bett. Ich bin noch sehr klein. Etwas ist schief gewachsen bei mir, die Wirbelsäule ist nicht in der Form, in der sie sein soll, mein rechtes Bein ist länger als das linke. Aber so ein kleiner Körper ist noch dehnbar, kann angepasst werden. Mir wird ein Gips-Bett verordnet. So wird es jedenfalls genannt. Das ist ein weißes, hartes Brett, in leicht gebogener Form, ungefähr so lang wie ich groß bin, mit mehreren blauen Riemen an den Seiten. Das Gips-Bett bekommen wir mit nach Hause und ich muss mich mit dem Rücken darauflegen. Dann werde ich mit den Riemen festgeschnallt, an Füßen, Händen und Hüfte, so dass ich mich nicht bewegen kann. So muss ich liegen. Ich weiß nicht wie lange, wie oft. Eine Stunde, einen Tag, täglich, immer. Es kommt mir vor, als liege ich immerzu im Gips-Bett. Ich zerre irgendwann an den Fesseln, weil ich mich bewegen will, es ist schrecklich, sich nicht bewegen zu dürfen, ich will aufstehen, rennen, immerzu will ich rennen, und das tue ich auch immer, wenn ich losgeschnallt werde, angezogen bin, hinaus, und rennen, den Fußball suchen, ihn mitnehmen, auf die Wiese hinter dem Haus, und rennen. Bis ich wieder angeschnallt werde und liegen muss, im Gips-Bett. Dann hilft nur noch träumen, sonst nichts.
Als ich älter werde, brauche ich nicht mehr ins Gips-Bett. Es wird Gymnastik verordnet und das Tragen einer Einlage im linken Schuh wegen den unterschiedlichen Beinlängen. Ein Zentimeter ungefähr, wovon ich nichts merke.
Für die Gymnastik muss ich nach Marburg in die Orthopädie.
In den Fluren und im Wartesaal riecht es vermodert. Ich schäme mich beim Ausziehen. Aber die kühlen Hände der Frau im weißen Kittel tun wohl, wenn wir die Übungen machen.
Später, als ich älter bin, kann ich schon allein mit dem Bus nach Marburg fahren. Die Gymnastik ist jetzt auch im Schwimmbad der Orthopädie. Im warmen Wasser werden ich an den Hüften gehalten und mache Bewegungen, lerne allmählich auch schwimmen, zuerst mit dem Schwimmreifen, kann schaffe ich es schon ohne, ein Stückweit im Wasser.

Eines Tages werde ich dann von der Orthopädie in die Hautklinik geschickt. Seltsame Flecken haben sich auf meiner Haut herausgebildet. Vor allem auf der rechten Seite, an Armen, Hüfte, Beinen und es sieht aus, als wäre ich da stark sonnengebräunt, während die restliche Haut ganz hell ist. Der Arzt in der Hautklinik ist sehr interessiert. Er macht sich Notizen, murmelt etwas vor sich hin, es hört sich an wie: Eine besondere Ausprägung. So noch nie gesehen. Er spricht lange mit Mama, aber es scheint nichts Schlimmes zu sein, weder der Arzt noch Mama schauen ernst. Der Arzt mustert mich nochmal, schüttelt leicht den Kopf und lächelt mich an. Dann spricht er mit Mama einen Termin ab.
Ich stehe in einem Saal in der Uniklinik. Neben mir der Arzt, vor mir, um mich herum Männer und Frauen in weißen Kitteln, ich erkenne sie nicht genau, ich werde angeleuchtet und trage nur eine Unterhose. Der Arzt sagt: „Schauen Sie. Schauen Sie genau. Diese ungewöhnlichen Flecken auf der Haut des Jungen. Die Flecken in dieser Form sind ein seltenes Phänomen.“ Ich muss mich gerade hinstellen, ich zittere. Er fährt mit seiner Hand meine Wirbelsäule ab. Seine Finger sind kalt. „Typischer Haltungsschaden… schief gewachsen… natürlich zwei unterschiedliche Baustellen, kein Zusammenhang…“ Er fasst mich an den Schultern, dreht mich. Diesmal kommt die Kälte über seine beiden Hände. Ich zittere stärker. „Du brauchst doch keine Angst zu haben, meine Junge“, sagt er. Dann wendet er sich wieder an die Männer und Frauen in weißen Kitteln. „Und hier: die Flecken ziehen sich über die ganze rechte Seite nach unten, während die linke Seite unauffällig ist. Hier, bis zu den Beinen.“ Dabei streift er meine Unterhose nach unten. „Ein interessanter Fall. Aber unabhängig davon. Der Junge ist für sein Alter zu zart gebaut. Ein schwächlicher Junge… eine Kur täte dem Jungen gut… ich werde mit seinen Eltern sprechen.“

2
Ich werde zur Kur nach Karlshafen geschickt. Das ist gar nicht weit weg von uns. In Nordhessen. Mit dem Zug geht es nach Kassel. Dann der Umstieg in einen kleineren Zug, bis nach Karlshafen. Ich will da nicht hin, aber ich muss. Der Arzt in der Klinik hat das angeordnet und Mama und Papa lassen es ausführen. Ich muss. In Karlshafen ist ein großes Haus voller Nonnen. Jedenfalls sehen sie für mich wie Nonnen aus. An denen ist alles schwarz. Es ist, als würden sie immer Trauer tragen. Die sprechen nur in Befehlen. Am Anfang muss ich alles abgeben, was ich besitze. Nicht einmal die Fußballerbilder von den Spielern des FC Bayern, die ich bei mir trage, darf ich behalten. Ich will das Bild von Franz Beckenbauer nicht abgeben, ich sage, dass ich das von meinem Papa habe, mit einem Autogramm drauf. Und einen Wimpel. Der hängt bei mir zu Hause über dem Bett. Aber die Nonne ist unerbittlich, ich muss mich fügen und ihr das Bild geben. Ich sehe, wie sie es in den Papierkorb wirft.
Dann komme ich zu den an¬deren Kindern in den riesigen Räumen. Alle Räume sind riesig und in allen Räumen sind immer alle Kin¬der zugleich. Nur Jungs allerdings; in dem Waschraum, dem Essraum, dem Schlafraum. Es riecht schrecklich nach Seife und Zahnpasta. Beim Waschen nimmt eine der Nonnen einen Waschlappen und zeigt mir, wie ich mich zu waschen habe, auch zwischen den Beinen. Sie reibt mit dem Waschlappen ganz fest auf mir, da wo der Pimmel ist, dass es sehr weh tut. Mir schießen Tränen ins Gesicht, da kriege ich eine Ohrfeige. Zum Essen gibt es immer Hagebuttentee. Den mag ich nicht, ich will lieber Kaffee trinken, wie daheim, aber das ist verboten, die Nonnen befehlen mir, den Hagebuttentee zu trinken, ich würge ihn hinunter, sonst bekäme ich gar nichts. Ich fürchte mich vor ihrer Trauerkleidung.
Der bittere Geruch des Hagebuttentees. Kriecht langsam in die Nase. Das Ansetzen der großen, weißen Tasse an den Lippen. Die lauwarme Flüssigkeit. Der Hustenreiz. Das ruckartige Herunterschlucken. Der krampfhafte Schmerz im Bauch. Das Unterdrücken des Brechreizes. Und wieder das ruckartige Herunterschlucken der Flüssigkeit. Der bitter-abstoßende Geschmack auf der Zunge. Die Hitze, die sich über das Gesicht ausbreitet. Die aufsteigenden Tränen in den Augen. Und weiter. Sich zwingen. Der nächste Schluck. Der Schmerz im Bauch. Das kurzzeitige Absetzen der Tasse. Der strenge Blick der Nonne. Und weiter: unter Tränen, mit zittrigen Fingern, die an der Tasse kleben, der nächste Schluck, immer weiter, bis die Tasse endlich leer ist. Das Aufatmen, endlich. Die Entspannung im Bauch. Das sich abwischen der Tränen. Das beruhigte Sitzen auf dem Stuhl am Tisch. Der auf die leer getrunkene Tasse gerichtete Blick.

Im Schlafsaal stehen ganz viele Betten mit eisernem Gestell. Die Wände sind gelblich verblasst, über der Tür hängt ein großes Holzkreuz. Abends geht das Licht aus und wir liegen mit all den vielen Kindern in dem riesigen Schlafsaal, ohne müde zu sein. Da reden noch einige Kinder, es wird nicht gleich still. Und dann kommen die Nonnen durch unsere Reihen zwischen den Bet¬ten gerast und geben uns Ohrfeigen, alle bekommen Ohrfei¬gen, egal, ob man ruhig gewesen ist oder nicht. Das geht so lange, bis alle still sind, bis alle ihr Weinen ins Kissen gedrückt haben, damit es verstummt.
Zu Hause bekomme ich nie eine Ohrfeige und werde nie geschlagen. Nur einmal bekomme ich schwer Geschimpftes, weil ich gelogen habe. Es kommt aber heraus, und da packt sie mich an den Schultern und schüttelt mich und schimpft mich ganz laut, dass ich nicht lügen darf, auf keinen Fall lügen. Das sagt Papa auch immer und sie haben ja recht: es ist nicht richtig zu lügen. Es war nur, weil, Mama und Opa streiten oft, das kann ich nicht aushalten. Das kommt manchmal ganz plötzlich. Dann fliegt etwas durch die Gegend, wie neulich eine Schüssel Mehl und Mama knallt die Flurtür so heftig zu, dass die Scheibe zersplittert. Ich weiß nicht, warum sie sich so streiten, ich hau dann ab und verkrieche mich.

Zur Kur in Karlshafen gehört eine besondere Art des Badens. Dazu geht es im Schlafanzug, das große Badetuch in der Hand, hinter der Nonne her, die Treppe hinunter. Da ist ein großer, hellgrün gekachelter Raum, in dem stehen mehrere Badewannen, durch weiße Vorhänge getrennt. Auf Geheiß der Nonne ziehe ich meinen Schlafanzug aus und steige in die Wanne. Solbad nennen die das hier. Wasser mit Salz drin, so ein besonderes Salz, sagen die. Aber immerhin ist das Wasser so warm wie in der Orthopädie, wo ich Wassergymnastik machen muss. Und wenn ich erstmal in der Wanne sitze, werde ich in Ruhe gelassen und kann so für mich hindenken. Fast wie daheim, wenn ich in der Küche auf dem Holzkasten sitze, wo das Holz für den Herd drin ist und aus dem Fenster schaue.
Ich werde aus dem Träumen herausgerissen. Die Nonne fasst mir an die Schulter. Ihre Hand ist kalt. Ich muss raus aus dem warmen Wasser, steige aus der Wanne. Ich reibe mir die Augen. Dann erstarre ich. Ein Strahl eiskalten Wassers. Die Nonne duscht mich kalt ab. Ich friere. Ich zittere. Ich kriege eine Gänsehaut. Endlich darf ich mich abtrocknen.

Ich habe Heimweh. Hier lässt man mir keine Ruhe. Immer sind die Nonnen um mich herum und passen auf, hüten, kontrollieren. Malen dürfen wir nur in die vorgedruckten Formen im Malbuch. Ich will das vorgedruckte nicht malen, ich will das malen, was in meinem Kopf ist, aber das darf ich nicht. Ich starre an die Wand. Wenn ich lange auf die Wand starre, entstehen Bilder auf der Wand, als würde ich sie malen in meinem Kopf. Ich darf mein eigenes Bild nicht malen, deswegen male ich es in meinem Kopf an die kahle Wand.
Die Nonnen geben mir keine Zeit zum Nichtstun, zum Schauen. Immer muss ich was tun, und zwar das, was die Nonnen wollen. Nicht einmal vor dem Schlaf lassen sie mich in Ruhe. Sie wollen mich zerstören. Wenn ich mein Weinen ins Kissen drücke, sinne ich nach einem Ausweg. Über mir spüre ich den riesigen, bedrohlichen Schatten der Nonnen. Da kriege ich Fieber. Und als das Fieber nicht weggeht, kommt der Arzt. Es sind die Masern. Da sind überall die roten Flecken und das Fieber, die Erlösung. Ich entkomme ihnen.
Jetzt darf ich im Krankenzimmer liegen. Da bin ich meistens allein und das macht mich froh, denn ich habe meine Zeit wiedergewonnen. Einmal darf ich sogar Kaffee trinken, weil ich so krank bin und mir deshalb etwas wünschen darf.
Ich denke an Papa. Von ihm wünsche ich mir immer das Hasenbrot. Die Hände von Papa riechen nach Teer. Sie riechen immer nach Teer. Der Papa ist die Woche über unterwegs und teert Straßen. Freitagabends wird er von einem Bauarbeiterbus vor unserem Haus abgesetzt. Er kommt dann müden Schrittes mit seiner vollgepackten, abgewetzten Ledertasche zur Küchentür herein, stellt die Tasche ab und lächelt. Ich renne dann auf ihn zu und drücke meinen Kopf an die von Teergeruch durchzogene Arbeitshose, bis er seine rauen, warmen Hände über mein Gesicht gleiten lässt.

Die letzten paar Tage der Kur sitze ich im Krankenzimmer dann leicht ab, ich zähle sie heimlich jeden Abend, und dann darf ich wieder heim.

3
Ich sehe mich im Garten vom Haus Ditmarsia in St. Peter Ording. Wir spielen Völkerball im Garten. Ich habe kurze, blonde Haare, bin schmal, meine Arme sind sehr dünn, und auch meine Beine, man sieht das jetzt, wo ich in kurzer, schwarzer Turnhose umherrenne. Dafür, dass ich deutlich schmaler und kleiner bin als die meisten anderen, sind meine Beine aber erstaunlich lang. Ach, wenn wir doch mal Fußball spielen dürften, aber das dürfen wir nicht, ich schwitze, der Schweiß läuft mir über das Gesicht, über Arme und Beine, und immer weiter rennen, nicht stillstehen, das ist viel besser, als selbst zu werfen, beim Werfen habe ich keine Kraft und auch keine Technik, der Ball fliegt viel zu langsam, verhungert geradezu in der Luft, keine Chance, damit einen der anderen Jungs abzuwerfen, du wirfst wie ein Mädchen, wie ein Mädchen, und das Lachen poltert über mich hinweg, ich versuche es poltern zu lassen und es wieder zu vergessen, lieber wieder rennen, rennen und rennen und schwitzen und rennen und am Schluss, wenn das Spiel zu Ende ist, am Boden liegen, im Gras, ausgestreckt, grüne, feuchte Streifen auf Beinen und Armen.
Später gibt es kalten Kakao und Streuselkuchen. Unter Bäumen, im Schatten, auf langen Bänken hockend. Ich vertiefe mich in dieses Bild, trinke den Kakao, etwas gierig, mit großen Schlucken, kaue genüsslich den Streuselkuchen, spüre die Ruhe dieser schattigen Nachmittage. Aber sie sind selten, und wenn, dann nur von kurzer Dauer. So, jetzt singen wir gemeinsam, und dann geht es rein. Duschen und umziehen. Die Aufforderungen der Tanten kommen schnell und dulden keinen Widerspruch. Und schon stehen wir auf, treten an in gerader, fester Reihe und eine der Tanten stimmt ein Lied an.
Die zweite Verschickung, ungefähr drei Jahre später. Diesmal eine wesentlich weitere Reise. St. Peter Ording an der Nordsee. Haus Ditmarsia.
Wir fahren nachts. Ich bin mit fünf anderen Kindern im Liegewagenabteil. Ich kenne alle ein bisschen, kommen aus Nachbardörfern. Agnes geht mit mir in die gleiche Klasse, dunkelblonde Locken, dicke Brille. Wir plaudern, spielen Auto-Quartett, sind vergnügt. Das Zuhause ist noch nah. Die Färbung der Worte, der Klang der Laute sind vertraut. Geschlafen wird kaum. Alle sind aufgeregt, keiner ist allein so lange und so weit von zu Hause fort gewesen. Außer mir. Aber an die Zeit in Karlshafen will ich nicht denken, diese Zeit ist, als hätte sie gar nicht existiert.
Der Nachtzug, der diesmal ein Sonderzug ist, mit Kindern aus Mittelhessen, tuckert seinen gleichbleibenden Rhythmus über die Gleise, mal schneller, mal langsamer, auf seinem Weg zum Kurort an der Dithmarschen Nordseeküste, unweit der Kreisstadt Husum.
Alles, was jetzt kommt, ist neu, denke ich. Es mischen sich Neugier und Furcht. Ich betrachte aus dem Zug, nachdem es hell geworden ist, langgezogene, abgeerntete Felder, dazwischen kleine Wäldchen mit niedrigen Bäumen, keine Hügel am Horizont.
Es ist früh am Morgen. Wir Kinder aus dem Hessischen werden in verschiedene Heime aufgeteilt. Zwei Betreuerinnen des jeweiligen Heimes nehmen uns in Empfang, lassen uns in Zweierreihen antreten. Das Gepäck wird in Kleinbussen wegtransportiert. Ich muss mich von Agnes und meinen anderen Bekannten trennen. Agnes werde ich in den nächsten sechs Wochen nicht wiedersehen, zwei andere Jungs nur von weitem. Wir marschieren los in den fremden Ort. Der Wind ist kräftig und fremd.

In der Anfangszeit ist das Wetter schlecht, und es werden Spiele gespielt, es wird gesungen. Es gibt einen Chef, der spielt Akkordeon. Der hat einen blonden Vollbart und ein kantiges Gesicht. Trägt immer ein blaues Hemd. Der Chef hält Vorträge, über Ebbe und Flut, über das Land, wo wir uns befinden, was eine Halbinsel ist, oder ähnliche Dinge. Manchmal fragt er auch die Hauptstädte verschiedener Länder ab, oder wo welcher Fluss fließt. Wenn der Chef da ist (er ist nicht oft da), ist es ein wenig wie Schule. Vielleicht ist er Lehrer, wahrscheinlich sogar.
„Wie heißt die Hauptstadt von Kuba?“, fragt er und lässt seinen Blick über uns schweifen.
Das ist einfach, denke ich, und sehe den Globus vor mir, der bei uns im Wohnzimmer steht, daneben liegt mein großer Erdkundeatlas auf dem Tisch. Ich schalte die Lampe ein, die im Globus ist, drehe ihn und stoppe mit dem Finger ein Land, wo ich sein will. Dann schaue ich im Atlas nach, was es über das Land zu lesen gibt.
Ich melde mich und komme dran: „Havanna“, antwortete ich.
„Richtig.“ Dann denkt der Chef nach, während er uns alle genau beobachtet. „Und die Hauptstadt der Niederlande?“, fragt er schließlich.
Ich habe nicht gleich eine Antwort darauf, über die Niederlande habe ich noch nichts im Atlas gelesen, obwohl ich natürlich Johan Cruyff kenne und Ajax Amsterdam. Aber ist es auch Amsterdam?
Alle schweigen und der Chef hebt den Zeigefinger, als sei er ein unsichtbarer Stock. „Ja, unsere Nachbarn. Scheinbar leicht und doch nicht leicht“, sagt er, und fügt hinzu: „Es ist nicht immer das, woran man zuerst denkt, also?“
Da meldet sich der Junge, der neben mir sitzt. Er ist schmaler und kleiner als ich selbst und trägt eine dicke, runde Brille.
„Den Haag“, antwortet der Junge, als er vom Chef drangenommen wird.
Deshalb wird er hier „der Professor“ genannt, denke ich. Soll außerdem ein Ass in Mathematik sein.
Der Chef scheint zufrieden und führt dann weiter aus: „Den Haag ist Regierungssitz und Parlamentssitz. Aber für die Holländer ist trotzdem eigentlich doch Amsterdam die Hauptstadt.“ Dann kommt der Chef zu den Flüssen. Zuerst will er wissen, an welchem Fluss Wien liegt. Das weiß ich natürlich. Auch ohne Atlas. Meine Mama spricht dauernd von Wien, dass sie da hinwill. Ich glaube vor allem wegen der Sissi.
Jetzt will er wissen, an welchem Fluss Magdeburg liegt. Wieder schweigen wir alle und ich überlege, ob ich mich melden soll, während der Chef weiterredet, immer den Blick auf uns gerichtet. „Von der Ostzone weiß man ja heute nicht mehr viel. Und. Kann es einer beantworten?“
Ich melde mich, komme dran und sage: „Die Elbe. Magdeburg liegt an der Elbe.“
„Das stimmt. Woher weißt du das denn, mein Junge?“ Er schaut mich an, der Zeigefinger ist verschwunden, jetzt sind seine Hände gefaltet.
„Ich gucke Fußball im DDR-Fernsehen“, antworte ich. „Da spielt doch der 1. FC Magdeburg. Und da sagt das der Reporter: die Elbstädter.“
Der Chef geht ein paar Schritte auf mich zu, legt mir die Hand auf die Schulter. „Gut aufgepasst, mein Junge. Aber mit dem Fernsehen der Ostzone müssen wir vorsichtig sein. Alles Propaganda der Kommunisten. Also Vorsicht.“

Wenn es nicht regnet, spielen wir Völkerball. Nie Fußball. Ich frage mich warum. Es fehlt mir sehr, das Fußballspielen. Zu Hause spiele ich jeden Tag. Außer sonntags. Vielleicht mag der Chef kein Fußball. Ich verpasse die Sportschau, darf kein Fußball schauen. Völkerball spielen ist immerhin besser als Schwimmen. Ich mag nicht schwimmen. Ich schäme mich. Mein Körper ist zittrig und schief und fleckig.

Im Ditmarsia ist das Wasser aus den Duschen kühl und hat einen kräftigen Strahl. Mich fröstelt beim ersten Mal. Tante Bärbel heißt die Betreuerin, die beim Waschen dabei ist. Sie trägt einen blauen Badeanzug und hat lange schwarze Haare, die jetzt nass und strähnig über den Schultern hängen. Sie seift uns drei Jungs, die unter der Gemeinschaftsdusche stehen, ein, sich waschen lässt sie uns selbst. Passt aber auf, dass wir es auch überall tun, auch die Ohren nicht vergessen. Und wenn wir allzu schnell die kühle Brause verlassen wollen, scheucht sie uns wieder zurück. Aber immerhin tut es nicht weh, und ich denke für einen kurzen Moment an Karlshafen, aber nur ganz kurz, dann vergesse ich wieder Karlshafen.
“Zu warm zu duschen ist nichts für Jungs,” sagt Tante Bärbel und lacht, “nich, ihr wollt doch stark werden.” Und sie sagt nicht schtark sondern stark mit st. Ich wundere mich. Die Töne hier an der Nordsee klingen so klar und kühl. Und kühl sind die Hände von Tante Bärbel, die kräftigen Hände mit den geröteten Fingerspitzen, wenn sie mich einseift, über den Rücken, den Hintern, die Beine, den Bauch. Da kitzelt es, ich bin schrecklich kitzlig auf dem Bauch. Und Tante Bärbel kitzelt extra und lacht wieder. Jetzt schäme ich mich auch nicht mehr wie anfangs, als ich mich ausziehen musste vor Tante Bärbel oder Tante Hiltrud oder Tante Jutta. Außer dem Chef sind alle Betreuer Frauen, und obwohl sie alle “Tante” genannt werden, sind sie noch sehr jung. Bis auf die Älteste, die Tante Waltraud. Die hat am meisten zu sagen, hinter dem Chef, sie geht nie mit unter die Duschen.
“Du hast ja richtige Flügel”, sagt Tante Bärbel, “Engelsflügel.”
Ich verstehe nicht, was sie meint. Bis sie es mir zeigt: Die hervorstehenden Schulterknochen an meinem schmalen Rücken.
“Mädchen haben Engelsflügel”, sagt Tante Bärbel, “Jungs nicht. Jungs brauchen kräftige Schulter, um Engel tragen zu können. Damit sie losfliegen können. Aber das schaffen wir bei dir auch noch, wirst du sehen.”
“Hast du auch Engelsflügel?”, frage ich zaghaft.
“Na klar”, antwortet Tante Bärbel und zeigt sie mir und ich darf sie anfassen. Die jetzt feuchten und glatten Flügel der Tante Bärbel. Aber nur kurz, denn an dieser Stelle ist sie kitzlig und sie lacht auf. Dann haben wir Spaß miteinander, beim Kitzeln, wir drei Jungs und Tante Bärbel. Sie zeigt uns noch, wie man sich sorgfältig abtrocknet und die Zähne putzt. Dann in den Schlafanzug und ab ins Bett.

Wir liegen zu sechst im Zimmer, aufgeteilt in Zwei-Etagen-Betten. Ich liege unten, ich kann aus dem Fenster nach draußen sehen, Richtung Dünen. Dahinter muss das Meer sein, aber das ist zu weit, um es zu sehen. Neben mir, im Bett nebenan, unten, liegt der Professor.
Wenn ein Gewitter aufkommt, schlafe ich schlecht. Angespannt liege ich im Bett. Hände krallen die Bettdecke, mein Blick huscht zum Fenster hinaus, wo es grell aufblitzt, schließen kann ich die Augen nicht, dann wird das Blitzen nur schlimmer, ich muss hinsehen, in den Blitz hineinschauen. Mein Herz rast, der Himmel ist schief, die Sterne wackeln, vom Sturm gerüttelt treibt der Mond aus der Bahn, er wird ins Meer stürzen. Dann wird alles vorbei sein.
“Bist du wach?”, fragt eine ängstliche Stimme von nebenan. Der Professor zieht vorsichtig den Kopf aus der Decke. Um ihn beim nächsten Donner wieder zu verbergen.
“Du musst in den Blitz sehen”, sage ich leise, “das hilft. Und dann zählen, bis der Donner kommt. Soviel Kilometer weit weg ist dann das Gewitter.”
Der Professor zählt laut mit. Die Entfernung verringert sich. Unsere Gesichter sind einander zugewandt.
“Und wenn es gleichzeitig blitzt und donnert…” Wir schweigen und schauen uns an. Bis der Professor flüsternd weiterspricht. “Dann trifft uns das Gewitter mittendrin. Dann brechen wir mitten auseinander. Wie wenn Papa das Holz auseinanderschlägt, mit der Axt. Und dann?”
“Und dann fliegen wir zu den Sternen. Dann ist alles schief und wackelt und alles ist neu.” Auch ich flüstere, als tauschten wir ein Geheimnis aus, welches niemand erfahren dürfe. Dann strecken wir die Arme aus und fassen einander an den Händen. Bis das Gewitter vorbei ist, bis wir einschlafen können.
Ich hasse alle Wärter auf der Welt. Jetzt und für alle Zeit. Ich hasse sie. Ich hasse sie. Ich hasse sie. Neben mir schläft der Professor. Er trägt eine dicke runde Brille. Alle lachen über ihn. Ich will sein Freund sein. Es ist die Nacht, als das Gewitter aufzieht. Die Sterne wackeln und sind schief. Schiefer als mein Rücken und schiefer als mein Blick. Die Wärter sind überall. Sie verkleiden sich. Wir müssen zurückschlagen. Wir, die Kinder von Ditmarsia, müssen zurückschlagen. Der Arzt, der in der Klinik meinen Körper ausstellte, der Chef von Ditmarsia. Ich habe euch nicht vergessen.

Der Chef unternimmt Wanderungen mit uns. Dann hat er sein Akkordeon dabei und stimmt frohe Lieder an. Blau, blau, blau blüht der Enzian. Oder: Schwarz-braun ist die Haselnuss. Wir Jungs müssen laut und deutlich singen. Die Lieder schmettern, wie er sagt. Mit Schmackes, wie er sagt. Wir singen Holladihi. Holladiho. Wir sind fröhlich. Wir müssen fröhlich sein. Wir sind Kinder. Und dann durch die Wälder marschiert. Dicht an dicht. Eine geschlossene Reihe müsst ihr bilden, ruft der Chef. Und immer voran, ohne Rast und Ruh, ruft der Chef. Schwarz-braun ist die Haselnuss, schwarz-braun bin auch ich, bin auch ich. Schwarz-braun muss mein Mädel sein, gerade so wie ich.
Wir Jungs verstehen nicht, was wir singen, aber es lässt uns zucken in Beinen und Armen. Im Takt schreiten wir voran. Leicht geht das, wie von selbst. Vorneweg der Chef. Mit kantigem Gesicht und blauen Augen. Auf, auf, Kameraden, auf, auf – auf, auf. Mit Akkordeon und donnernder Stimme. Wir lagen vor Madagaskar. Und hatten die Pest an Bord. In den Fässern da faulte das Wasser. Und täglich ging einer über Bord. Auf, auf. Voran. Und hinterher die Tante Jutta. Mit blondem dichtem Zopf. Und lächelnd. Hinterher.

Schwarzbrot und Graubrot. Butter. Jagdwurst, Salami, Schnittkäse, Quark. Manchmal Essiggurken. Und Hagebuttentee. Morgens wenigstens Milch. Aber kein Kaffee. Und süße Milchsuppe mittags. Und Milch für den Grießbrei. Und Milch für den Milchreis. Mit Obst. Mit Apfelmus. Milchbrötchen. Aber kein Kaffee. Ich beschwere mich beim Professor darüber.
“Was haben die bloß gegen Kaffee”, schimpfe ich, “ich trinke zu Hause immer Kaffee.”
“Ich auch”. Der Professor versteht: “Da ist bloß der Chef dran schuld, der will das so. Der Chef, der mit seinem Tee.” Der Professor verzieht den Mund.
“Teetrinker!”, verurteile ich und spiele Würgen. Wir lachen. Der Professor nimmt die Brille ab. Das macht er selten (außer beim Schlafen und Duschen natürlich). Es ist, als wolle er mir seine Freundschaft zeigen. Ich staune: wie groß seine Augen sind. Tief liegen sie in den Höhlen. Geschützt vom Glas der Brille. Sein Gesicht ohne Brille hat sich verändert, ist härter und fester geworden. Ich habe eine Tür geöffnet bekommen und durch einen Spalt ein Geheimnis sehen dürfen. Wie stark der Professor in Wahrheit ist. Kein Chef wird ihn kleinkriegen.
Ich habe nach Hause geschrieben und mich darüber beschwert, dass es keinen Kaffee gibt. Genauer gesagt: ich habe es versucht. Der Brief wurde nicht weggeschickt. Wurde eingezogen. Der Chef persönlich hat mir einen neuen diktiert: Mir geht es hier sehr gut. Das Wetter ist schön. Das Essen ist gut. Die Betreuer sind nett. Ich habe jetzt kein Heimweh mehr.
Die Stimme war streng, ich hatte keine Chance. Aber ich vergesse nicht, dass es eine Lüge war. Und erzähle es dem Professor. Ich verstehe das nicht, sage ich ihm, man soll doch nicht lügen, das weiß ich von meinem Papa. Wir versuchen es nochmal. Ich schreibe die Wahrheit, auch, dass der vorige Brief gelogen war, eine aufgezwungene Lüge. Aber die Briefmarke. Wie sollen wir an eine Briefmarke kommen? Wir bekommen kein Geld und sind immer unter Aufsicht. Es ist unmöglich, allein das Haus zu verlassen. Vielleicht nachts, aber wir liegen zu sechst im Zimmer, und den anderen ist nicht zu trauen.
“Wir kleben einfach keine Briefmarke drauf”, schlägt der Professor vor, “deine Eltern müssen dann die Briefmarke zahlen, aber die wissen dann ja, dass es von dir kommt und zahlen das dann bestimmt.” Ich bin einverstanden. Wie klug der Professor ist. Als wir wieder durch den Ort gehen und am Briefkasten vorbeikommen, lenkt er die Tanten ab und ich werfe schnell den Brief ein.

Ich stehe an der Tür zum Waschraum und lausche. Geräusche von spritzendem Wasser und Auflachen. Ich erkenne das Lachen des Professors und das von Tante Bärbel. Ich schleiche mich hinein und gucke durch den Spalt der Zwischentür. Gerade kitzelt Tante Bärbel wieder den eingeseiften Professor unter dem Wasserstrahl. Und der wehrt sich auflachend. Bis Tante Bärbel das Wasser abdreht und ihn fortschickt. “Abtrocknen. Anziehen. Und ab!”, befiehlt sie gespielt streng, dass es hallt im Waschraum. Der Professor gehorcht. Und während ich mich hinter der Tür verstecke, hat er sich sehr schnell fertiggemacht und ist hinausgeschlüpft.
Da geht wieder die Brause. Ich schaue durch den Spalt. Betrachte Tante Bärbel. Sie hat keinen Badeanzug an. Ich zögere kurz, dann ziehe ich den Schlafanzug aus, schlüpfe unbemerkt in den Duschraum und husche unter die Dusche. Für einen Moment erschrickt Tante Bärbel, und ich umschlinge von hinten ihren Bauch. Sie lacht kurz auf, dann drückt sie mich an sich, meinen Kopf an ihre Brust.
„Ich spüre deine Engelsflügel“, sage ich. Und für einen Moment stehen wir so da, umschlungen, während die Wassertropfen über uns hüpfen. Dann lässt sie mich los. Ich will gar nicht loslassen und halte mich an ihr fest. Da stößt sie mich weg, mit Wucht, dass ich ausrutsche und zu Boden falle.
Warum ist sie auf einmal so böse mit mir? Was habe ich Falsches getan? Mir schießen Tränen ins Gesicht, während noch immer das Wasser über mich läuft und die Tränen hinwegspült.
Tante Bärbel dreht das Wasser ab. Hockt sich zu mir, und fragt mich, ob ich mir weh getan habe. Ich gebe keine Antwort, drehe den Kopf weg, als sie mich trösten will, gucke auf den nassen Kachelboden.
“Bist doch noch so klein”, sagt Tante Bärbel, ganz ruhig geworden. Sie wickelt sich in ein großes Handtuch und reicht mir eins. Ich nehme es mechanisch und trockne mich ab, wie ich es gelernt habe.
Plötzlich steht der Chef im Bad. Ich sehe als erstes seine nackten Füße in dunkelblauen Badelatschen, dann die ganze kräftige, große Gestalt in hellblauer Trainingshose mit weißen Streifen. Schweigend sieht er uns an, dann macht er eine kleine Bewegung mit der Hand und sagt mit freundlicher Stimme zu mir: „So jetzt aber schnell ins Bett. Auf, Auf.“
Ich gehe. Aber nicht gleich ins Bett, sondern bleibe im Badvorraum stehen und beobachtete durch den Türspalt den Chef und die Tante Bärbel.
Der Chef schaut Tante Bärbel von oben nach unten an, ich sehe ein Grinsen auf seinem Gesicht. Tante Bärbel hat den Kopf gesenkt und guckt nach unten. Es ist still. Aus der abgedrehten Dusche fällt ein Wassertropfen herab, dann noch einer, und noch einer. Der Chef geht einen Schritt auf Tante Bärbel zu. Sie bewegt sich nicht, ich sehe die Gänsehaut bei Tante Bärbel, obwohl es doch ganz warm ist. Da kriege ich Angst, drehe den Kopf weg, husche lautlos davon, verkrieche mich ganz schnell unter der Bettdecke und schließe die Augen, ohne einschlafen zu können.
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Mike schrieb am 13.01.2020
Hallo Manfred! Mir wurde damals gesagt, ich müsse auf Kur, weil ich zu dünn sei. Nur, sechs Wochen ohne ein Elternteil und das (habe ich irgendwo gelesen) schon mit zwei jährigen Kindern?! So jünger die Kinder waren, desto verstörender muss das für sie gewesen sein.
Das da manch einer in seinem späteren Leben Ängste, oder ein Unwohlsein vor Reisen usw. entwickelt wundert einen nicht. Ich hatte lange Zeit Probleme mit fremden Menschen. Meine Mutter meinte das ich mich als Kind hinter der Couch, oder in meinem Zimmer versteckt habe, wenn Bekannte kamen. Lange konnte ich auf niemanden zugehen und sprechen fiel mir sehr schwer. Ich höre heute noch die Kinder von damals im Ohr- „was ist den mit dem los, mit dem stimmt doch irgendwas nicht“. Nun wird mir immer deutlicher bewusst warum das so war. Ich habe die Erwachsenen in frühen Jahren meist sehr böse erlebt und musste mir die Menschen erst sehr genau anschauen bis ich Vertrauen aufbauen konnte. Ob dieser Verschickungsaufenthalt jetzt einen Großteil dazu beigetragen hat kann ich leider nicht sagen.
Zum Glück habe ich damit heute nicht mehr so zu kämpfen, aber es gibt manchmal Situationen da fällt es mir immer noch schwer. Meist vor größeren Gruppen.

Wohin bist du denn verschickt worden?

Wird wirklich vermutet das Medikamente an den Kindern getestet wurden?

Ich hatte immer ein Gefühl das dies ein sehr komisches Erlebnis meiner Kindheit war.

Schön das du geantwortet hast!

Gruß

Mike
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Ina schrieb am 12.01.2020
Ich bin jetzt 54 Jahre alt und wurde vor 50 Jahren im April 1970 zusammen mit meiner Schwester (diese ist 1 Jahr älter als ich) verschickt. Wir waren vom 1. April bis zum 11. Mai auf Amrum, Norddorf, Haus Utjkiek. Ein Bericht meiner Schwester folgt noch, sie ist ebenfalls traumatisiert.
Die größte Angst und das Gefühl von Verlassenheit hatte ich während der langen Zugfahrt und nachts. Meine Schwester und ich wurden größtenteils getrennt. Nachts mußten wir regungslos im Schlafsaal liegen und durften uns nicht bewegen. Ich habe auf diese Situation mit Essensverweigerung reagiert und nicht mehr gesprochen. Zur Strafe wurde ich im Essensraum eingesperrt und musste alleine vor meinen Butterbroten den ganzen Morgen sitzenbleiben. Das war psychische Gewalt! Das war eine Zeit des Grauens!
Ich habe bis zum 14. Lebensjahr nur mit Kopfschlagen einschlafen können. Ich war ein sehr zurückgezogenes Kind. Ich kann bis heute nicht im komplett dunklen schlafen, brauche immer ein bischen Licht. Ich habe 3 mittlerweile erwachsene Kinder. Ich habe sie mit Ausnahme des Kindergartens nie von anderen betreuen lassen, habe meinen Job aufgegeben um immer bei ihnen sein zu können. Selbst die Omas der Kinder habe ich zur Betreuung nicht gewollt. Damit möchte ich verdeutlichen, welche weitreichenden Folgen in die Zukunft diese 6 Wochen in meinem Leben gehabt haben.
Meine Schwester und ich haben in späteren Jahren unsere Eltern darauf angesprochen und dass es ein schrecklicher Aufenthalt war. Wir sind auf taube Ohren gestoßen und uns wurde gesagt, dass es von "allen" empfohlen wurde und doch so toll dort sein sollte für Kinder.
Wie kann man so kleine Kinder ohne Eltern "verschicken wie Pakete"? Wieso haben das solche Massen von Eltern ohne Bedenken gemacht? Was wurde denen erzählt/vorgegaukelt? Auf diese Fragen habe ich bis heute keine Antwort.
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Mike schrieb am 12.01.2020
Hallo in die riesige Runde! ?

Erstmal ein großes WOW! Heute bin ich zufällig durch eine Kurzdoku auf dieses Thema gestoßen und mir wird ganz schaurig, dass es so viele Menschen gibt die das gleiche Leid mit mir teilen, welches seit nun 40 Jahren immer wieder Fragen aufwerfend durch meinen Kopf geht.
Warum schickt man so junge Kinder sechs Wochen lang auf „Verschickung“ (das Wort ist mir neu in diesem Zusammenhang)? Auffällig ist auch, das es oft Kinder waren die zur Gewichtszunahme dort hingeschickt wurden- wieso? Wurden Eltern dazu gezwungen, oder waren die Fälle freiwillig?...
1980 mit gerade fünf Jahren hatte man mich irgendwo ins Allgäu deportiert (kann man so sagen). Meine Mutter, alleinerziehend, brachte mich zum Bahnsteig und ich wurde von fremden Menschen in ein Zugabteil gesetzt. Ich wusste nicht wo die Reise hinging, gefühlt war die Fahrt endlos. Erst mit dem Zug und später noch mit dem Bus. Es muss Winter gewesen sein, überall lag Schnee, durch den wir in Erinnerung stundenlang laufen mussten. Dunkel erinnere ich mich noch an das Haus. Man ging rein und stand in einem großen Eingangsbereich (der glaube ich auch der Essbereich war). Die Zimmer gingen ringsum von diesem Bereich weg. Links angefangen, der große Schlafsaal mit Kratzliegen wie im Kindergarten in den 70ern und rechts davon ein kleines Zimmer, in dem gefühlt immer ganz viel abging. Darin standen lauter Mitbringsel, Schneekugeln, Postkarten, kleine Fernseher durch die man Fotos anschauen konnte wenn man ins Licht schaute. An den Rest des Gebäudes kann ich mich leider nicht mehr genau erinnern.
Der Umgang allgemein war sehr hart, was kleine Kinder sehr schnell beunruhigte. Außerdem dachte man, dass man seine Mutter nie wieder sehen würde, auch weil der Abschied so abrupt und schnell war. Verstört hatte man sich an die Situation gewöhnen wollen, aber man konnte es nicht. Ich war natürlich auch schon einiges vorher gewohnt. In den ersten zwei Lebensjahren, meine Mutter war in der Ausbildung, wurde ich unter der Woche bei einer Pflegefamilie abgegeben, bei der ich von der Frau sehr aggressiv behandelt wurde. Seelische, wie auch körperlich Misshandelt, war ich in dieser Verschickungszeit schon etwas abgestumpft. Vielleicht kam mir das zu gute und ich nahm dadurch manches nicht so verletzend wahr.
Ich hatte das Pech, dass mein Bett direkt an der Tür stand. Sehnsüchtig hat man am Abend schon mal weinen müssen und wurde mit lauter Stimme angefahren. Zwei Brüder sind ständig aufgestanden in der Nacht und haben mich an den Haaren gezogen und mir gedroht. Ich kann mich an Bruchstücke erinnern, in denen man ungerecht draußen im Flur stehen musste in der Nacht, obwohl die anderen einen gehänselt hatten und man sich nur wehren wollte. Zu essen gab es sehr oft Butterbrot mit Zucker darauf und an lange vor dem Essen sitzen bis es aufgegessen war habe ich auch noch Erinnerungen. Dazu, komischerweise oft so orangene Pillen und an Spritzen kann ich mich auch erinnern. Alles immer in diesem Zimmer mit den Mitbringseln.
Die Schneewanderungen waren sehr kalt und anstrengend. Ich bekam oft zu spüren das ich zu langsam bin. Viele Erinnerungen sind nicht mehr da, aber wie gesagt, meine Haut war vorher schon dicker. Im Ganzen war es eher ein einschüchterndes Erlebnis.

Jetzt noch eine Frage- hatte denn jemand mit zunehmenden Alter immer noch Gewichtsprobleme, oder habt ihr wie ich mit angehender Jugend euren Eltern den Kühlschrank ständig geplündert? Wie Naiv doch die Erwachsenen damals waren.

Mich würde aber doch sehr interessieren, warum man das damals so vielen Kindern angetan hat?

Fühlt euch gedrückt!

Mike
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Katrin schrieb am 12.01.2020
Liebe Anja,

danke für Deine Initiative. Was mir noch nicht klar ist: 1. Welchem Bundesland ist man zugeordnet? Bei mir sind Elternhausadresse, Heimadresse und jetzige Adresse in 3 verschiedenen Bundesländern... 2. Ist mit "Ansprechpartner/in" und "Veranwortliche/r" bezüglich des Heimortes etwas unterschiedliches gemeint? (Z.B. bezüglich des Arbeitsaufwandes, man muss ja ggf. auch über entsprechende Ressourcen verfügen.)
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Andrea schrieb am 11.01.2020
Lieber Wolfgang, ich halte es für sehr wichtig, dass niemandes Erfahrungen infrage gestellt werden. Auch Deine (positiven) nicht. Deshalb finde ich Deine Anmerkungen auch sehr wichtig. Es gibt objektivierbare Sachverhalte, wie die häufig genannten Strafen etc., aber eben auch Gefühle, die bei jedem und jeder anders aussehen können. "Nur" Heimweh kann - trotz sonst unproblematischer Situation - auch traumatisierend erlebt werden. Dabei spielt mit Sicherheit auch das Alter der Kinder eine große Rolle. Meine Schwester, die damals knapp 9 Jahre alt war, erlebte dieselbe Kur völlig anders als ich mit erst 6 Jahren, die ich mich hilflos ausgeliefert und verlassen fühlte.
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Kathi schrieb am 11.01.2020
Kathi

Ich war dreimal in in sog. Erholungskuren:
Januar/Februar 1960 für 6 Wochen im Haus Gutermann in Oberstdorf (8 Jahre alt)
Juli/August 1964 für 6 Wochen im Haus Hamburg in Bad Sassendorf (12 Jahre alt)
Juli/August 1968 für 4 Wochen im Haus Schimmelreiter in Wertach (16 Jahre alt)
Bei den beiden ersten Aufenthalten war meine ein Jahr jüngere Schwester mit dabei.
Im Großen und Ganzen habe ich nur negative Erinnerungen an die Zeiten. Am schlimmsten empfand ich das Fehlen jeglicher Privatsphäre, man war nie für sich allein. Es ging streng zu, aber an Strafen oder gar Schläge bei mir oder anderen kann ich mich nicht erinnern.
Bei den beiden ersten Aufenthalten musste man Mittagsschlaf halten und abends auf die Minute im Bett liegen, ohne sich zu regen, geschweige denn zu reden. Daran haben sich auch alle Mädchen gehalten. In Wertach ging es etwas lockerer zu.
Die Pflegerinnen/Erzieherinnen?? waren nicht unfreundlich zu uns Kindern, aber auch nicht besonders freundlich. Ich hatte das Gefühl, dass sie sich nicht sehr für uns interessierten, an persönliche Gespräche kann ich mich nicht erinnern. Allenfalls daran, dass einzelne Kinder mal wegen irgendetwas ein Lob erhielten. Aber selten, ich nie.
In Oberstdorf mussten wir sechs Wochen lang jeden Morgen Haferschleimsuppe essen, was auch alle brav gemacht haben. Ich habe damals im Schnee nur gefroren, denn im Gegensatz zu den anderen hatten meine Schwester und ich keine lange Hose, sondern nur Strumpfhosen. Eine "pädagogische" Maßnahme war, dass die älteren Mädchen den kleinen beim Waschen und Anziehen helfen sollten. Wie das? Mit 8 Jahren konnte ich das längst allein. Zum Ausgleich habe ich mir die dicksten Bücher zum Lesen geholt.
In Bad Sassendorf wie auch in Oberstdorf wurde die Post, die wir nach Hause schrieben, selbstverständlich von den Pflegekräften vorher gelesen. War eben so, genau wie die der leer zu essende Teller. Das Schönste in Sassendorf war das viele gemeinsame Singen von Liedern aus der "Mundorgel". Das Schrecklichste für mich waren die jeden Sonnta-nachmittag veranstalteten Volkstänze mit den Jungengruppen. Dabei ging es zu wie in der Tanzschule, die Jungen forderten die Mächen auf. Dass ich so gut wie nie aufgefordert wurde, hat mich beschämt, wurde aber von Erzieherinnen nicht bemerkt. Ich hasste diese Veranstaltung, andere freuten sich darauf.
In Wertach war ich wegen meiner Magersucht (39 kg). Ich habe es geschafft, dort kein Gramm zuzunehmen. Eine "Tante" meinte einmal zu mir: "Mensch, ist die Frau dünn". Das war alles, ansonsten keine Gespräch, kein Interesse an meinem Zustand.
Insgesamt war ich jedes Mal froh, wenn die Zeit herum war.
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Melanie schrieb am 11.01.2020
Die "klassischen" 6 Wochen Erholungskur, wurden auch für mich zu einer traurigen Zeit meiner Kindheit und eine gefühlte Ewigkeit. Auf Anraten des Kinderarztes wurde ich nach Bad Dürrheim in das Kindersanatorium Luisenheim geschickt, vom 14. Mai bis 25. Juni 1976. 5 Jahre war ich damals alt als ich anreiste, 6 Jahre als ich endlich wieder nach Hause durfte. Zugegebenermaßen war ich vorher recht häufig erkältet und durfte daher auch die ersten Wochen nicht mit in das Hallenbad im Kindersanatorium. Was meine Vormittag sehr einsam machte.

Meine Mutter erzählte neulich wie überrumpelt und geschockt sie war, dass sie nicht mit rein durfte ins Haus, sondern mich an der Tür abgeben musste. Heute sagt sie, Sie hätten mich einfach wieder mitnehmen sollen. Meine Eltern hatten mich mit dem Auto nach Bad Dürrheim gebracht und wie die noch vorhandenen Briefe/Unterlagen zeigen, haben wir auch noch ein Mädchen von unterwegs mitgenommen.

Von der Kur als auch von meinen 6. Geburtstag (9. Juni) habe ich nur einzelne Erinnerungen. Am Geburtstag durfte ich ausnahmsweise mit meinen Eltern telefonieren – ansonsten gab es wie bei allen nur Kontakt über Briefe.Und ich konnte ja selbst noch nicht schreiben. Ich sehe mich stehend telefonieren, der graue Telefonapparat war an der Wand angebracht. Das erste (und einzige) Mal, dass ich die Stimme meiner Eltern hörte in all der Zeit. Viel gesagt habe ich nicht. Noch heute wird meine Kehle eng, wenn ich an die Situation denke. Denn direkt hinter mir stand eine der Schwestern (vom Chrischona Orden wie ich zwischenzeitlich weiß). Vermutlich hat sie aufgepasst, dass ich nicht "Falsches" sage. Diese Ohnmacht, dieses Nichts sagen können, Nicht-Gehört werden, Alleine sein ist es war ich als dumpfes Gefühl, als Resümee der Erinnerungen noch heute spüre. Kurz gesagt: Ich hatte irrsinniges Heimweh.

Besonders in den ruhigen Stunden nachmittags und abends. Nach dem Mittagessen war jeden Tag zwei Stunden Mittagschlaf angeordnet. Wir mussten Schlafen oder zumindest Schweigen. Die Türen unserer Zimmer standen offen. So hörten die Schwester schnell wenn jemand jammerte oder laut weinte und kamen rein, um für Ordnung zu sorgen. Ich habe im Kindererholungsheim gelernt geräuschlos zu Weinen, um nicht auf mich aufmerksam zu machen. Diese lautlosen Tränen sind mir bis heute geblieben. Der Zusammenhang wurde mir tatsächlich erst neulich richtig klar, als ich über die Berichte in der Presse, auf diese Seite hier gestoßen bin.

Viele unserer Berichte und Erlebnisse ähneln sich. Vieles war systematisch angelegt, wie ich durch Briefe und Merkblätter weiß, die mein Vater in seiner Sammelleidenschaft glücklicherweise aufgehoben hatte. Das Diakonische Werk der evang. Landeskirche in Baden hat ein Merkblatt über die Aufnahme in Kindererholungsheimen herausgegeben. Ich zitiere Punkt 10:
„Während des Aufenthaltes im Heim sind – im Interesse der Kinder – Besuche von Eltern, Verwandten usw. nicht gestattet, ausgenommen in dringenden Fällen nach vorher eingeholter Erlaubnis der Heimleitung.

Es ist unerwünscht, Kinder frühzeitig aus den Kuren abzuholen!
Die Heime behalten sich in diesen Fällen vor, die gesamten Kurkosten den Eltern in Rechnung zu stellen, auch Krankenhassen und Versicherungsträger gewähren dann keine Zuschüsse.

Die Heimleitungen bitten, nicht unbedingt erforderliche Telefonanrufe zu unterlassen. Es wird auch gebeten, den Kindern keine Päckchen oder Pakete mit Obst oder Süßigkeiten zu schicken, außer an Geburtstagen, zu Ostern oder zum Nikolaustag."

Meine Eltern hatten mir zum Geburtstag eine Stoffkatze geschickt. Die einzige wirklich positive Erinnerung.
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Barbara Frohnwieser schrieb am 10.01.2020
Ich war ca. 1985 auf Erholungsurlaub am Semmering bei Wien. Es war schrecklich ..... zum Essen wurden wir gezwungen ..... Post wurde abgefangen und andere nach Hause geschickt .... ebenso das Taschengeld weggenommen ..... eine „Tante“ hat mich, weil ich nachts im Bett lag und weinte, in der Finsternis bei den Haaren gepackt und mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen ..... ich hatte soooo Angst vor dem Lichtkegel ihrer Taschenlampe. Wenn ich ihre Schritte am Gang hörte, erstarrte ich und traute mich nicht mal zu atmen ...... es gab null Intimsphäre ..... Kloräume ohne Zwischenwände ..... und wir Kinder trauten nicht mal uns untereinander .... jeder hatte Angst vor Strafen ..... so dass wir alle nur wisperten und uns gut überlegten was wir sagen ..... ich hab noch nie darüber geredet weil ich dachte nur ich hab das so erlebt ..... ich schäm mich bis heute ?
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Christiane schrieb am 10.01.2020
Hallo Christian, das was Du schilderst, ist mir genau so passiert und zwar zur selben Zeit in Bad Reichenhall. Wir hatten Spinte mit einem Bild vorne drauf und mein Koffer ist trotz der Namensschildchen in den Kleidern vertauscht worden und andere Kinder haben ständig meine Sachen getragen. Es fehlte auch viel als ich wieder zu Hause im Ruhrgebiet war. - Christiane
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Katrin schrieb am 10.01.2020
Ich habe gestern berichtet. Und: ja, das Heim gibt es doch noch, da hatte ich offenbar eine falsche Information.

Katrin
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Katrin schrieb am 10.01.2020
Zum Kinder-Verschickungsheim in Lenste (Lensterhof) bei Grömitz und meinem Aufenthalt dort habe ich nun gestern etwas geschrieben...

Katrin
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Oliver Degen schrieb am 10.01.2020
2 Heimaufenthalte mit ca 6 und 8 Jahren, Juist und Amrum. Durch die kürzlich gesehene Report-Sendung hab ich mich überhaupt erst wieder erinnert. Es fällt mir schwer, darüber zu reden, weil es mich emotional sehr aufwühlt, was mich nach der langen Zeit wirklich überrascht. Ich schaltete den Fernseher ein und sah als Erstes den Interviewten, der Erbrochenes essen musste. Das war auch in meinem 2.Heim Praxis, bin deshalb auch nur mit Angst zu den Mahlzeiten. Strafaufenthalte im kalten Bad, Frühgymnastik in der Kälte, zur Bewegungslosigkeit im Krankenzimmer verdammt, schreiendes Heimweh... eigentlich eine Art Gefängnis....
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Monika Winter schrieb am 10.01.2020
Mein Zeugnis
An häusliche Gewalt gewöhnt - ich hatte aus bestimmten Gründen eine Eßstörung - wurde die Fürsorge informiert und so wurde ich 1962 nach Westherbede verschickt. Es war das Kindererholungsheim der Stadt Bochum in Westherbede. Ich habe keine Erinnerungen an das Tagesprogramm und die Dauer des Aufenthalt. Aber es gibt sehr plastische und auch nebulöse Erinnerungen an das Schlimmste.
Das Schlimmste war das Essen. Meist saß ich als Letzte an der rechten kurzen Seite des langen Tisches. Die anderen spielten schon draußen, während ich das Erbrochene wieder essen musste. Ich wusste was geschieht. Die Nonne stand im Türrahmen und befahl: Iß! Das Folgende konnte ich nicht vermeiden. Sie zog mich mit Gewalt in den Waschraum und schlug mich so, wie andere Kinder auch.
Geschlafen haben wir in einem Schlafsaal. Jedes Kind wurde kontrolliert ob es richtig liegt. Die große Frau vor dem Bettchen war immer ein Schreck. Ich erinnere mich, daß vor dem Schlafsaal eine Wache saß und so konnten wir nicht zur Toilette obwohl es dringend war.

Das Waschen in dem Bad der Züchtigung war auch nicht normal.
Wir haben Ausflüge mit dem Bus gemacht und in einer Vision sehe ich aus dem Fenster das große Haus nach unserer Rückkehr. Gelaufen wurde streng in einer Reihe je 2 Kinder. Wer ausscherte, wurde grob zurück gestoßen.
Da ich noch nicht schreiben konnte wurde eine Karte an meine Eltern geschickt. Ihr Besuch war nicht gestattet.

Eines Tages bekam ich ein Päckchen von zuhause mit einer schwarzen Puppe. Die durfte ich behalten.
Wir wurden während der "Kur" in Bochum geimpft. Den Impfpass habe ich noch.

Nach meiner Rückkehr stand ein Sarotti Mohr auf dem Tisch. Ich habe nicht gesprochen und war dünner als vorher. Ich dachte, wenn ich erzähle was da war bekomme ich gleich wieder Schläge weil ich dort nicht gegessen habe. Und tatsächlich ging es wie gewohnt weiter.
Im Jahr darauf wurde ich eingeschult und wurde als schüchtern und gehemmt bezeichnet.

Ich bin Einzelgängerin. Kann mich nicht binden, hab berechtigt kein Vertrauen in andere und konnte nie im Team arbeiten. Ich habe gearbeitet und bekomme Altersrente aber solcher Kontakt mit Kollegen, wie es üblich war, ging nicht. Kontakte mit Nachbarn werden vermieden. Ich hab alles verloren durch Menschen und hab mir alles neu aufgebaut. Ich bin sehr vorsichtig geworden.
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Michael schrieb am 10.01.2020
Danke für die Verlinkung! Mir persönlich sind diese Zeugnisse bereits bekannt.
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C. Goeden schrieb am 10.01.2020
Zu Brilon gibt es noch ältere Zeugnisse:

https://www.stern.de/noch-fragen/war-jemand-auch-in-einem-kinderheim-bei-brilon-in-den-60ern-und-hat-da-so-dinge-erlebt-1000634082.html

und hier sind mehrere Berichte zusammengefasst:

https://www.gelsenkirchener-geschichten.de/viewtopic.php?t=7233&start=15&postdays=0&postorder=asc&highlight=
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Michael schrieb am 09.01.2020
Unfassbar! Wenn ich Deine Beschreibung lese, habe ich ein Deja-Vu. Alles ist wieder präsent.
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Christian schrieb am 09.01.2020
Deine Beschreibung würde zum Kinderheim Dr. Selter in Brilon passen. Die Adresse ist Möhneburg 3. Bilder findest Du mit diesen Stichworten im Netz.

Grüße

Christian
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C. Goeden schrieb am 09.01.2020
In Brilon im Heim Dr. Selter war ich 1980 als 10-jähriger. Da hat sich seit 1970 offenbar nicht viel geändert.

Ich kenne ebenfalls Esszwang, Unmengen widerlicher, lauwarmer Milch mit Haut, Kunsthonig am Abend zur Kariesförderung, Essigwasser am Nachmittag. Ich esse heute weder Honig noch Milchprodukte.

Die Bürstenmassage gab es auch noch, allerdings durften wir die Hosen anbehalten und mussten mit freiem Oberkörper im Waschraum antreten. Im Waschraum stand ein großes, ovales Waschbecken mit etwa 10 Wasserhähnen, an welchem auch die tägliche Katzenwäsche durchgeführt wurde. Nach dem Bürsten mussten wir uns mit dem Armen in diesem Becken unter einem Wasserhahn abstützen während der Rest unseres Körpers von einer Tante emporgehoben und zwischen ihren Beinen eingeklemmt wurde, so dass das kalte Waser über die Schultern abfloss.

Geduscht wurde jede Woche so, wie von Dir beschrieben: Wir mussten nackt antreten und wurden von einer "Tante" in Gummistiefeln und Schürze abgeduscht. Fand ich damals entwürdigend, daheim konnte ich mich selbst waschen.

Dann erinnere ich mich noch an wöchentliches Solarium. Das Gerät hing in einem Raum im Dachgeschoss an der Decke. 10-20 Kinder mussten sich bis auf die Unterhose entkleiden und warten, bis sie "dran waren". Dann gab es immer für 4 Kinder Schutzbrillen und wir lagen einige Minuten auf dem Rücken und danach einige Minuten auf dem Bauch unter der Höhensonne.

Dienstag Vormittag war Schreibtag. Als fast 10-jähriger durfte ich selbst schreiben und habe die Zustände korrekt beschrieben. Wie ich erst daheim erfahren habe, hat meine Mutter daraufhin im Heim angerufen und sich über die Behandlung dort beschwert. Sie wurde von Fr. Selter dreist belogen: Selbstverständlich müsste ich nichts essen, was ich nicht mag und überhaupt sei alles in bester Ordnung. Erzählt wurde mir von diesem Anruf natürlich nichts. Allerdings setzte danach für den Rest des Aufenthalts strenge Postzensur ein.

Anfangs und Ende des Aufenthaltes und glaube ich einmal zur Halbzeit wurden wir von Dr. Selter himself untersucht. Im Wesentlichen beschränkte sich das darauf, die bis auf die Unterhose entleideten Kinder auf eine Waage zu stellen, wobei jeder Gewichtszuwachs von seiner ebenfalls anwesenden Gattin euphorisch gefeiert wurde. Ich bin normalgewichtig angekommen und nach 6 Wochen als adipöser Klops heimgekommen. Meine Mutter war entsetzt. Nach 2 Jahren FdH war wieder alles im Lot.

Der Gang vor den Schlafräumen war meine ich nicht mehr bewacht. Allerdings stand einmal "Tante" Selter im Türrahmen, weil wir im Bett noch geredet hatten. Daraufhin wurden wir mit viel Gezeter aus den Betten geholt und Standen einige Zeit barfuß im Schlafanzug im dunklen Waschraum auf den kalten Fliesen. Danach folgte der zweite Anschiss und dann durften wir wieder ins Bett. Einige jüngere Kinder (6 oder 7) hat sie auch mal mit großem Getöse nachts im Februar im Schlafanzug und barfuß vor's Haus gestellt, "weil Ihr es nicht Wert seid, für Euch ein Bett warm zu halten".

Überhaupt war eine große Bühne bei Bestrafungen immer wichtig. Keiner sollte sich sicher fühlen und keiner wusste, wer der nächste ist oder wann der Blitz wieder einschlägt. Es reichte, beim freien Spiel das "Falsche" zu spielen oder aus Bauklötzen nicht das "Richtige" zusammenzusetzen, um ihren Unmut zu erregen.

Das Heim lag außerhalb von Brilon am Waldrand an einer unbefahrenen Straße. Wir wurden vom Bahnhof mit einem Bus abgeholt. Wo wir da genau waren, habe ich erst Jahrzehnte später nach der Erfindung des Internets festgestellt: Möhneburg 3, 59929 Brilon. Das hat den Eindruck des eingesperrt-seins und der totalen Verlassenheit ziemlich verstärkt.

Ich könnte noch einiges weiterschreiben, das soll für's erste reichen.
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Ilka Dreves schrieb am 09.01.2020
Hallo zusammen, habe bereits den Fragebogen ausgefüllt und möchte hier noch Zeugnis ablegen.
Ich war Anfang der 1970 er Jahre als 7 oder 8 Jährige in Oy-Mittelberg im Allgäu zur „ Erholung „.
Meine Erinnerungen sind nur schrecklich.
Zum Essen gezwungen worden, Pudding mit Haut essen müssen, erbrochenes wieder essen müssen,
Mittagsschlaf auf Pritschen für 2 Stunden ohne sich umdrehen zu dürfen, musste 1 Woche die gleiche Unterwäsche tragen, obwohl ich genug dabei hatte, bei Weinen vor lauter Angst und Heimweh im Flur stehen, nachts, nicht auf Clo dürfen, wenn ins Bett gemacht wurde, eiskalte Dusche, Text für Karten nach Hause wurde an Tafel geschrieben, keiner durfte eigene Worte formulieren.
Ein Kind hat es geschafft einen Brief in einen Briefkasten zu stecken und wurde umgehend abgeholt.
Das ist noch nicht alles, aber das waren die Dinge, die irgendwie immer noch präsent sind.
Denke noch immer oft an diese schreckliche Zeit und denke inzwischen, dass meine heutigen Probleme auch von diesen 6 Wochen kommen.
Hab all die Jahre gedacht, ich wäre ein Einzelfall und hätte mir manches nur eingebildet.
Danke, dass diese schlimmen Dinge jetzt ans Licht kommen. Lg Ilka
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Katrin schrieb am 09.01.2020
Ich wurde als 8-Jährige mit einer Freundin zusammen 6 Wochen nach Lenste an der Ostsee verschickt. Das Heim existiert heute noch als Hamburger Schullandheim "Lensterhof", siehe z.B. https://www.hamburger-schullandheime.de/freizeithaus-lensterhof.html, https://schullandheim.de/index.php/slh-lenste, http://www.ostseefreizeit-groemitz.de/. Ich kann mich an das Gebäude, sogar an den auf einer der Internetseiten verfügbaren Grundriss des Schlafgeschosses erinnern (inklusive des Schlafraumes und Bettes in dem ich schlief).

Die folgenden Aussagen basieren sämtlich auf meiner Wahrnehmung und Erinnerung: Der Verschickung vorausgegangen war die in regelmäßigen Abständen stattfindende Untersuchung bei der Schulärztin, die mich „zu dünn“ fand. Ich war tatsächlich sehr dünn, wog nur 22 kg. Ich fand die Idee cool, einmal ohne Eltern mit vielen anderen Kindern zusammen zu sein und habe mich darauf gefreut. In Lenste angekommen, wurden die aus dem Bus aussteigenden Kinder nach Geschlecht aufgeteilt in zwei Gruppen. Ich – kurzhaarig und mit einer kurzen Lederhose bekleidet – wurde zunächst der Jungengruppe zugewiesen. Als ich klarstellte ein Mädchen zu sein, glaubte man mir zunächst nicht! ("Nein, Du bist ein Junge ...!") Ich hatte kurz die Befürchtung, zum Beweis meine Hose ausziehen zu müssen, bis mir meine Aussage schließlich doch abgenommen wurde.

Im Kinderheim herrschte ein fast militärisches Regime, so dass ich mich bald nach Hause zurück sehnte. Kinder wurden aus nichtigen Anlässen geschlagen, das Essen war rationiert, ohne Auswahlmöglichkeiten und teils ekelhaft (z.B. Milch- oder Kakaosuppe mit Nudeln), die erzwungene Post nach Hause wurde zensiert, wir mussten in Zweierreihe zum Stand marschieren und alles mitmachen, was gefordert wurde. Ich erinnere zwei Ohrfeigen: Als ich völlig arglos äußerte, ich wolle lieber meinen Badeanzug anziehen, als meinen Bikini, und als ich zu Beginn des erzwungenen 2-stündigen „Mittagschlafs“, bei dem wir (zumeist wach) still "strammliegen" mussten, kurz den Kopf hob, um zu überprüfen, ob meine Kleidung wie gefordert ordentlich zusammengelegt auf dem Hocker hinter dem Kopfende lag. Da „Toilettenverbot“ herrschte, haben mache Kinder ins Bett gemacht, was zu Unmut bei den Erzieherinnen führte. Die hier teilweise geschilderten drastischen Bestrafungen dafür erinnere ich nicht, war aber auch nicht betroffen. Nach dem Essen mussten ab und an alle Kinder den Kopf in den Nacken legen, eine Erzieherin ging durch die Reihen und drückte „blassen“ Kindern aus einer Tube ein orangefarbiges Präparat mit Apfelsinenaroma in den Mund.

Meine Erinnerung an die Verschickung ist deutlich und bildhaft - bis hin zu den Namen der Erzieherinnen -, allerdings bruchstückhaft. Es fehlen z.B. Erinnerungen an Tagesabläufe und Kontakte zu anderen Kindern, weitgehend sogar zu meiner mitgereisten Freundin (hier kann ich mich nur an ein Gespräch auf der Toilette erinnern, als wir kurz unter uns waren). Vermutlich war ich, wie die anderen Kinder, damit beschäftigt meinen eigenen "Hintern" zu retten, und habe schnell begriffen, dass es besser war, eigene Bedürfnisse und Gefühle nicht zu zeigen. Ich empfand meine Erlebnisse dort eher als skurril denn als schmerzhaft, und habe es schnell geschafft, mich hinreichend anzupassen, um weiteren "Maßnahmen" wie Schlägen zu entgehen. Das mag daran liegen, dass es mir zu Hause auch nicht gut ging, mein "Bedrohungslevel" sozusagen dort noch deutlich höher lag, insbesondere in Bezug auf emotionale Grausamkeiten. Ich dachte wohl "da muss ich jetzt durch und werde das auch schaffen". Zum Glück gelang es mir auch, die "Toilettenverbote" durchzuhalten oder aber mich heimlich doch über den Gang zum Toilettenraum zu schleichen. Auch eine etwas tiefere Verletzung an der Hand durch einen Stacheldrahtzaun, in den mich ein anderes Kind auf dem Weg zum Strand geschubst hatte, konnte ich vor den Erzieherinnen verbergen und mich - versteckt in den Dünen - vor dem gemeinsamen Bad im Meer drücken.

Ich bin sehr überrascht, dass es offenbar viele Leidensgenossen gibt, denn noch vor wenigen Jahren blieb eine Webrecherche dazu ohne Ergebnis. Ich bin gespannt, inwieweit wir es schaffen, unsere Erlebnisse für uns aufzuarbeiten und so vielleicht auch heutige und zukünftige Kinder vor so etwas zu bewahren.

Solidarische Grüße an alle Verschickungskinder
Katrin
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Michael schrieb am 09.01.2020
Als sechsjähriger Junge kam ich im Sommer 1970 vor meiner Einschulung aufgrund meines Bronchialasthmas zur sechswöchigen Kinderkur ins sauerländische Brilon. Im "Kindergenesungsheim Dr. S." wurden wir Kinder gezwungen, unser Essen aufzuessen. Seit meinem dortigen Aufenthalt widern mich heiße Milch (auf der Milch schwimmende Haut), Grießbrei und der Geruch von Milchreis an. Des Weiteren wurde jedem Kind allabendlich im Waschraum ein Teelöffel Honig verabreicht. Diesen Honig musste ich regelmäßig hinunterwürgen. Einmal habe ich ihn erbrochen. Ich musste zwar nicht den erbrochenen Honig auflöffeln, bekam aber einen weiteren Löffel Honig verabreicht, der nach meiner Erinnerung noch voller war als der erste Löffel. Seit diesem Erlebnis esse ich bis heute keinen Honig mehr.
Zusätzlich bekamen alle Kinder ein Glas Apfelessig mit Sprudelwasser verabreicht, dass sie austrinken mussten ("für die Verdauung"). Den Geschmack dieser Mischung werde ich nie vergessen, ich empfand ihn aber nicht so widerlich wie den Honig.

Ein weiteres Ritual war eine Bürstenmassage des Rückens mit einer rauen Bürste und nachfolgendem kalten Wasserguss aus einem Schlauch. Die Kinder mussten sich hierzu nackt aufstellen (getrennt nach Mädchen und Jungen). Die "Tanten" (überhaupt erinnere ich mich ausschließlich an weibliches Personal) hatten sich hierzu Plastikschürzen umgebunden und feixten - so trage ich es zumindest in meiner Erinnerung. Ich empfand diese Prozedur in gemeinschaftlicher Nacktheit vor dem Personal als erniedrigend. Ebenfalls erniedrigend empfand ich die Toilettengänge, da die Toiletten nicht verschlossen werden konnten. Ich hatte seither Probleme mit dem Wasserlassen an Urinalen bzw. Stuhlgang in öffentlichen WC-Anlagen. Diese Probleme haben sich allerdings im Laufe von Jahrzehnten "entschärft", wenn ich sie auch nicht vollständig hinter mir lassen konnte.

Bestrafungen gab es für Bettnässer und Unruhe in den Schlafräumen. Üblicherweise mussten sich die Betroffenen nachts im bewachten, dunklen Flur still in eine Ecke stellen. Da ich davon nicht betroffen war, habe ich das jedoch nur dunkel in Erinnerung.
Quälend war die Zeit der verordneten Mittagsruhe, bei der absolute Stille zu herrschen hatte.
Ein Brief nach Hause musste einer "Tante" diktiert werden, da ich ja noch nicht lesen und schreiben konnte. Der Inhalt des Briefes entsprach nicht meinen Angaben, wie sich später herausstellte. Er war sehr geschönt.

Wenn Kinder Päckchen bekamen, wurden diese konfisziert, Süßigkeiten zurückgehalten und erst später bei Abreise ausgehändigt. Das Taschengeld, das mir meine Eltern mitgegeben hatten, wurde bei Ankunft ebenfalls einbehalten. Kurz vor der Abreise bekamen wir Kinder die Möglichkeit, auf einem eigens angerichteten "Hausbasar" kleine Souvenirs für "zu Hause" zu erwerben. Offenbar waren diese völlig überteuert (ich hatte als Sechsjähriger noch kein Gefühl für Geld), denn meine Mutter schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als ich ihr auf Nachfrage stolz erzählte, was meine Mitbringsel gekostet hatten.

Mit meiner Familie verbrachte ich einige Jahre später einen Urlaub in der Nähe von Brilon - in Bigge (Olsberg). Meine Mutter bestand darauf, das Kindergenesungsheim aufzusuchen und die Heimleiterin zu den Vorgängen zu befragen. Sie fragte mich, ob ich mit zur Haustür kommen wollte. Dies lehnte ich jedoch ab, da mir die Vorstellung Angst bereitete. Mein Vater blieb mit mir auf dem in der Nähe liegenden kleinen Spielplatz, während meine Mutter zum Haus ging. Die Heimleiterin war entweder nicht anwesend oder aber sie ließ sich verleugnen.
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Katrin schrieb am 08.01.2020
Hallo,

ich bin ebenfalls Jahrgang 1963 und war 1971 in Lenste (Lensterhof). Ich werde eventuell noch berichten, weiß allerdings nicht mehr so viel.

Ich dachte, das Heim sei Mitte der 90er geschlossen worden...

Katrin
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Katrin schrieb am 08.01.2020
Hallo Alois,

ich wurde ebenfalls verschickt, weil ich "so dünn" war. 1971 mit 8 Jahren nach Lenste (nicht Leste - hast Du Dich eventuell verschrieben?) an der Ostsee, in der Nähe von Grömitz.

Hatte mich bisher gewundert, diesen Ort nicht zu finden. Ich erinnere nicht so viel, werde eventuell noch dazu schreiben.

Ich hörte vor einigen Jahren, dass das Kinderheim dort erst Mitte der 90er geschlossen worden sei, wegen irgendwelcher "Unstimmigkeiten".

Einen solidarischen Gruß
Katrin
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Hermann schrieb am 07.01.2020
Hallo, bin erstaunt, was hier los ist...
Auch ich hatte das Thema total verdrängt und erst Heute habe ich mal wieder an diese unerfreuliche Zeit gedacht und bin bei der Recherche auf diese Seite gestoßen. Ich bin Jahrgang 66 und wurde Anfang 1973 im Winter in das Erholungsheim nach Juist geschickt. Hier habe ich auch die Schikanen der "Schwestern" erleben müssen. Auch ich musste vor den üppigen vollen Tellern mehrfach sitzen bis ich sie aufgegessen habe, oder auch nicht. Dann durfte ich nicht an den Aktivitäten draußen teilnehmen. Wenn ich gesagt hatte, dass ich einen bestimmten Brei nicht möchte, hat man den Teller extra voll gemacht. Einmal, es war ja Winter, hatte ich vergessen, vor den Spaziergang noch einmal auf Toilette zu gehen. Als wir dann losgehen mussten, habe ich gesagt, das ich noch mal "wohin" müsse. Das hatte man mir natürlich nicht erlaubt. Auf dem Strandspaziergang ist es dann passiert und ich hatte die Hose voll. Nach dem Spaziergang sollte ich dann sofort in den Waschraum gehen. Erst dort durfte ich dann die Hose wechseln und bekam noch ein paar hinter die Ohren. Von den ca 80 Kindern, die dort warten, sollten alle an Gewicht zunehmen. Nur Jürgen nicht! Der hatte Übergewicht und war der Einzige, der Abends nur eine trockene Scheibe Schwarzbrot und einen Apfel bekam. Auch eine Art Quälerei. Der wurde natürlich auch von den etwas älteren gehänselt.
Es gab dort aber auch einen Mann, der mit uns die Spaziergänge am Strand durchgeführt hat. An den Namen kann ich mich leider nicht erinnern. Der hat das immer total interessant für uns gemacht mit Erzählungen über Piraten und Strandgutsammeln und Feuer machen und so. Der konnte zu jeder Muschel eine Geschichte erzählen.
An die dortigen Nonnen oder Schwestern, habe ich nicht so schöne Erinnerungen. Die waren, soweit ich mich erinnere nur Streng und Unfreundlich.
Ich war froh, als ich wieder zu Hause war und würde meinen Kindern, wenn ich welche hätte, so etwas NIE antun.
Ich würde gerne erfahren, ob noch andere von den ehemaligen Juistern hier aktiv sind.
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Dorothea Harrer schrieb am 07.01.2020
In meinem Elternhaus habe ich vor ein paar Jahren sämtliche Briefe gefunden, die ich (1952 geb.) an meine Eltern aus drei verschiedenen Kinderheimen geschickt habe (Borkum 1959 knapp 7-jährig, Scheidegg 1961 9-jährig, Wallgau 1964 12-jährig). Meine Erfahrungen waren sehr unterschiedlicher Art. Scheidegg war übel.
Aber ich habe nicht nur die Briefe von mir, sondern auch sämtliche Briefe gefunden, die meine Eltern an mich geschickt haben. Es sind Zeitzeugnisse.
Alle Briefe habe ich in den Computer getippt (mit Erklärungen) und würde sie gerne veröffentlichen (ca. 170 Seiten). Hat jemand eine Idee oder kennt jemand einen Verlag, der bereit wäre?
Ich habe damals schon gerne geschrieben und tue es heute auch noch. Im November ist mein zweiter Gedichtband erschienen: 'Füße im Tau'
Der erste Gedichtband: 'Wäre da nicht der Amselgesang' wurde im Selbstverlag ein paar Jahre vorher verlegt, wie auch eine wahre Zahngeschichte 'Odyssee Dental' als e-book.
Ein autobiografischer Roman wird folgen.
Auf das, was sich entwickeln und kommen wird, bin ich gespannt.

Dorothea Harrer
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Britta schrieb am 06.01.2020
Ich bin geb 1970 und wurde wegen Krupp ca. 1975 verschickt. Ich habe immer geglaubt, die Kur ist halt doof gelaufen, bis ich auf diese Seite gestossen bin. Wir durften nachts nicht aufstehen um auf die Toilette zu gehen. Dort sass eine Frau und hat uns ins Bett geschickt und gesagt wir sollten still sein, sonst würde man uns unsere Stofftiere weg nehmen. Was sie auch taten. Viele Kinder haben geweint. Ich kann mich an Gestalten vor den grossen Fenster erinnern die wie Gespenster aussahrn. Es hiess, sie holen uns wenn wir aufstehen. Die Kinder die eingenässt haben, mussten sich nackt ausziehen und ihr Bettzeug waschen und ihre Schlafanzüge. Erst wurde noch gelacht, später nicht mehr. Pakete und Briefe kamen nie an. Es hiess das unsere Eltern keine kranken Kinder wollen und uns deshalb vergessen haben. Und nur wenn wir schnell wieder gesund werden würden, wieder zurück kämen. Ich wurde am Ende der Kur sehr krank. Scharlach. Ich musste länger bleiben und musste nochmal 14 Tage bleiben. Auf der Isolierstation. 14 Tage im Bett, ohne Kontakte. Ich habe irgenwann vergessen was da passiert ist. Nach 8 Wochen durfte ich dann nach Hause. Ich ging an der Hand einer Betreuerin. Eine grosse Holztreppe, wie in einem Schloss. Unten stand eine Frau in einem Mantel und ein Mann sass auf einer Truhe. Als ich runter ging fragte ich wer die beiden seien, ich habe meine Eltern nicht mehr erkannt. Meine Mutter hat fürchterlich geweint.
Bis zu meinem 10. Lebensjahr habe ich jede Nacht geschrien. Allein bleiben konnte ich garnicht. Kann ich heute nur sehr schlecht und ist mit viel Angst verbunden. Ich habe hier sehr viele Erfahrungsberichte gelesen und finde mich in vielen wieder. Ich glaube ich war im Schwarzwald, weiss es aber leider nicht mehr.
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Jens schrieb am 06.01.2020
Guten Tag, ich bin 1981 im Alter von 10 Jahren ins Allgäu zu einer Kur geschickt worden. Polling in der Nähe des Ammersee geht mir durch´s Gedächtnis. Leider finde ich keinerlei Infos im Netz, ob und was es da gegeben hat, ob es das Kloster war oder eine Einrichtung, die es heute nicht mehr gibt oder ob es dort nur irgendwo in der Nähe war. Meine Eltern waren zerstritten und ließen sich zu der Zeit scheiden. Sowas reißt einem im Alter von 10 Jahren den Boden unter den Füßen weg. Man verliert zumindest erst mal ein Elternteil - so nimmt man es als Kind erst mal wahr. Aber das reichte nicht, man musste noch eins oben drauf setzen, denn da ich sehr dünn war (aber schon immer), war wohl der damalige Hausarzt der Meinung ich müsse raus aus der "Scheidungssituation" und müsste dringend zunehmen. Er empfahl meiner Mutter, mich in eine Kur zum Zunehmen zu schicken. Erst wird einem der Vater genommen und dann wird man in einer Kur abgegeben, also verliert auch noch die Mutter. So habe ich es damals wahrgenommen. Aber auch das war noch nicht genug, denn die erste Nacht in dieser Einrichtung war der absolute Horror. Ich wurde von den dort bereits untergebrachten Kindern nachts "überfallen". Es waren 6 - 7 Kinder, die mich im Schlaf aus dem Bett auf den Boden gezogen und auf mich eingetreten haben. Danach legten sich einige auf mich drauf während andere meine Sachen zerstörten. Das einzigste was ich noch von zuhause hatte war kaputt/weg. Ich verbrachte die ganze Nacht völligst verstört im Dunkeln in einer Ecke und schrie. Gehört hat es keiner oder es wollte keiner hören. Ab da Nacht für Nacht wurde ich wegen Albträumen wach. Ich fand in diesem Zimmer den Lichtschalter nicht und und kroch immer panisch im Dunkeln durch´s Zimmer und schrie. Keiner kam um zu helfen. Da es ja auch eine Kur zum Zunehmen war, trifft all das bereits durch andere Personen Geschilderte zu. Es gab keinerlei Zuneigung, keinerlei Unterstützung, nur Strafe wenn man nicht alles befolgte oder sein Essen nicht vollständig auf aß. Es war alles in allem der blanke Horror. Ich litt weitere 15 Jahre unter massiven Albträumen. Meine Eltern waren sich damals "zu fein", um das von einem Psychologen aufarbeiten zu lassen bzw. waren ja sowieso zerstritten und hatten wohl eher mit sich selbst zu tun. Heute mit 48 leide ich noch immer unter Panikattacken und auch Depressionen. Lebe eher zurückgezogen, bin ruhig und scheue allgemein Kontakte, bin lieber alleine. Ich habe eine Frau und einen Sohn für den es sich zu Leben lohnt. Ich bin voll berufstätig und Kantinen sind der blanke Horror für mich. Ich versuche immer alles irgendwie im Griff zu halten. Ich muss mir aber eingestehen, je älter ich werde, umso schwerer fällt es mir.
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Gina schrieb am 06.01.2020
Hallo. Ich bin 1969/1970 aus Lüdenscheid in den Schwarzwald verschickt worden, hatte dort die nämlichen Erlebnisse, die viele Leute hier schon beschrieben haben, suche natürlich auch Menschen mit den gleichen Erfahrungen, erinnere mich leider nur sehr bruchstückhaft. Große Schlafsäle, jede/r versuchte, auf seine Art mit allem klarzukommen, einige wurden aggressiv, teilten selbst das aus, was sie von oben erfahren hatten...Ich zog mich völlig in mich zurück, schaltete mich ab sozusagen...Habe seitdem Essstörungen, weil auch ich gezwungen wurde, aufzuessen, mich erbrochen habe, und dann gezwungen wurde, es..., ach, Ihr wisst ja, was ich meine, mir wird gerade schlecht beim Schreiben.Ich überlege, vielleicht durch Hypnose, mehr zu erinnern, habe aber Angst vor Retraumatisierung.
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Manfred schrieb am 06.01.2020
Hallo, 1965 war ich zur "Verschickung" in Lauterbad, Schwarzwald. Meine Eltern brachten mich früh Morgens zum Bahnhof und dann gings los. Nachmittags kamen wir schließlich an, es war das Albert Schweitzer Haus. Das nächste an was ich mich erinnern kann war ein Spaziergang in der näheren Umgebung, bei dem ich ganz fürchterliches Heimweh hatte. Dieser verflog einige Tage später, denn es gefiel mir zusehends besser dort! Wir waren in einem kleinen Haus untergebracht, an dem die Lauter, ein Wildbach, direkt vorbei rauschte. Die älteren waren in einem größeren Haus direkt gegenüber, es heißt jetzt Hotel Gut Lauterbad. Wir machten Ausflüge, unter anderem nach Freudenstadt zu einem Kirmis, an dem ich glatt für kurze Zeit verloren ging, zum Glück wurde ich wieder gefunden... Abends legte man uns kleine Geschenke oder Steine unters Bettkissen, man sagte uns es wären die Heinzelmännchen gewesen, die hier im Wald wohnen.. Tagsüber, wenn nichts besonderes anlag, gingen wir oft rüber zu den "großen" den auf deren Hof kam ein Rinnsal aus den Bergen, der quer über den Hof einen kleinen Teich bildete, da konnte man gut spielen! Briefe und Päckchen von den Eltern wurden nicht geöffnet, sondern wir durften sie selber aufmachen, auch wurden welche von den Tanten geschrieben und nach Hause geschickt, ich habe sie noch heute. Seltsamer weise kann ich mich nicht an das Essen erinnern, also muss es wohl ok gewesen sein. Auch an erzieherische Maßnahmen nicht, das hätte ich mit Sicherheit nicht vergessen. Das einzige, wir durften oder sollten während des Mittagschlafes nicht aufstehen. Haben uns aber trotzdem auf die Toilette geschlichen! Die entsprechende Betreuerin war auch nur ganz kurz auf dem Flur, nachdem sie gesehen hat, dass alle schlafen, war sie verschwunden, wahrscheinlich schlief sie selber.. Die Zeit ging dann doch sehr schnell vorbei und ich saß dann wieder am Tisch meiner Eltern, wo ich den Teller wieder aufessen musste. Eigentlich wollte ich wieder zurückkehren, an den Wildbach und zu den Heinzelmännchen, jedoch bin ich bis jetzt nie wieder dort gewesen!
Grüße Manfred
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Tamara schrieb am 05.01.2020
Habe gerade ein kleines, mit einem Bastfaden zusammengebundenes, schwarzes Pappheftchen vor mir. Lange lag es in einer Schublade. Vergrabene schlechte Erinnerungen. Und doch konnte / wollte ich es nicht wegwerfen. Es beginnt mit den handgeschriebenen Worten: "Zur lieben Erinnerung an Deine Erholungszeit im HAUSE BATTENFELD" (in BAD ROTHENFELDE). Ich muss jedesmal schlucken, wenn ich das lese. Das erste Gruppenfoto zeigt lächelnde, winterlich eingemummelte Kinder mit einer Betreuerin.

Meinen Eltern wurde zu dieser Kur geraten, da ich angeblich zu dünn war. So wurde ich im Winter, Mitte der 60er Jahre, in den Zug gesetzt. Wir wurden in kleine Gruppen eingeteilt und in Zimmern mit Märchennamen untergebracht. Soweit ich mich erinnern kann, hieß mein Zimmer "Schneewittchen". Leider habe ich in dieser Zeit lernen müssen, dass es böse Menschen gibt.
Das "Erholungsprogramm" bestand aus täglicher Gabe von Lebertran, fetten, süßen oder in Mehlschwitze ertränkten Speisen. Die Portionen waren mächtig. Meine Abneigung gegen Rosinen wurde mir zum Verhängnis. Man hat mich mit Kaiserschmarrn und einer extra Portion Rosinen gefüttert bis ich auf den Teller erbrach. Danach musste ich das Erbrochene essen. Gelang es nicht, durfte ich am nachmittäglichen Spaziergang nicht teilnehmen und musste solange am Tisch sitzen bleiben. Selbst die Nachtruhe brachte keine Erholung. Man gab uns nur eine kurze Zeit vor dem Zubettgehen noch einmal die Toilette aufzusuchen. Danach durften wir das Bett nicht mehr verlassen. Der Bettkasten knarrte unbarmherzig bei jeder noch so kleinen Bewegung. So traute man sich nicht, die Schlafposition zu wechseln. Tat man es aus Verzweiflung doch, wurde man von der auf dem Gang patrouillierenden "Tante / Schwester" aus dem Zimmer geholt. Nun folgte eine der für mich grausamsten Züchtigungen. Ich wurde im Gang vor ein offenes Fenster positioniert, musste die Arme nach vorne strecken. Dann wurde eine harte, sehr schwere Filzdecke über meinen Kopf geworfen. Unterleib und Beine blieben nur vom Nachthemd bedeckt. Es war bitterkalt und meine dünnen Ärmchen konnten das Gewicht der schweren Decke nicht lange halten. Ich wurde mehrmals aufgefordert sie wieder zu erheben.
Andere Kinder, die aus Angst ins Bett gemacht haben, erging es ähnlich. Diese wurden darüberhinaus beim Frühstück ans Tischende positioniert und als Bettnässer zur Schau gestellt. Tägliche Höhensonne sorgte für eine gesunde Gesichtsfarbe. Leider konnten wir keine Hilferufe an die Eltern schicken, da die Post kontrolliert und zensiert wurde. Die zum Nikolausfest erhaltenen Päckchen wurde konfisziert. Nur einzelne Süßigkeiten wurden "gerecht" unter den Kindern verteilt. Strenges Üben für das bevorstehende Krippenspiel nahm täglich viel Zeit in Anspruch.
Ich wurde nach dem Zubettgehen noch einmal aus dem Zimmer geholt. In einem Betreuerinnenzimmer bekam ich "Einzelunterricht". Als Maria sollte ich mit meiner hellen Stimme "Still, still, weil`s Kindlein schlafen will" singen. Fehlerfrei, versteht sich ... Es gab noch viele, viele kleine Schikanen, die eine Kinderseele zerstören können.

Aber das wohl Schlimmste passierte zum Schluss. Ich wurde alleine zum Gespräch zitiert. Man hat mir in aller Schärfe klargemacht, dass die Betreuerinnen die Macht hätten mich meinen Eltern wegzunehmen und mich für immer in diesem Heim unterzubringen. Daran habe ich fest geglaubt! Nach meiner Rückkehr weinte ich unzählige Tränen aus Freude wieder zu Hause zu sein. Ich habe aus großer Angst geschwiegen und es verdrängt bis ich selbst einen Sohn bekam. Erst dann habe ich meiner Mutter davon erzählt mit dem Versprechen, dass meinem Kind so etwas nie passieren wird. Sie war sehr erschüttert. Ich war ein starkes Kind in einem schönen, liebevollen Elternhaus und habe dieses Erlebnis ganz gut weggesteckt. Lese ich allerdings die Kommentare anderer Betroffener, merke ich, dass es noch in mir wabert. Bei Interesse stelle ich gerne die Fotos zur Verfügung. Auch wenn es sehr lange her ist, ist es zu begrüßen, dass diese systematische Zerstörung von Kinderseelen an die Öffentlichkeit kommt. Alle Kinder müssen schon früh so stark gemacht werden, dass sie sich NIEMALS erpressen lassen und ihren Eltern vertrauen.

Tamara
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Margarethe 46 schrieb am 04.01.2020
Ich misch mich einmal kurz ein und wünsche ein gutes 2020 ohne Dramen, Panik etc,
Auch ich gehöre zu den ehemaligen "Verschickungskindern" aus Hamburg. Ich bin in den Jahren 1955 bis 1960 jedes Jahr währned der Sommerferien in einem anderen "Kurheim" gewesen und hatte wohl sehr viel Glück dabei, denn ich habe - bis auf eine Verschickung nach Cuxhaven - alle genossen. Wir wohnten in den Jahren 1952 bis 1961 in Unterkünften/Wohnlagern in Hamburg. Allesamt ziemlich mies und eng und viele Menschen auf viel zu kleinem Raum. Alkoholiker und Choleriker in der engsten Nachbarschaft. Dazu finanziell ganz weit unten, deshalb Essen schlecht, Kleidung schlecht etc. Ich habe die Verschickungen als die "bessere Alternative" zum Zuhause gesehen. Vor allem mit sauberer Bettwäsche und genügend auf dem Essteller. Nur Cuxhaven war problematisch. Dort gab es Sanktionen (nach Bettnässen, weil die Toilette ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr aufgesucht werden durfte) und wenn das Essen nicht schmeckte - was häufig der Fall war. Spießrutenlaufen mit dem nassen Bettzeug durch ein Spalier der johlenden anderen Kinder und Personal. Mit nackten Füßen auf dem kahlen Boden stehend, ohne wärmende Decken (da war ich 9 Jahre alt. Klapse auf den Hinterkopf - nicht mir passiert, sondern anderen dort. Wie gesagt, ein Heim von vielen, das einfach nicht den Namen "Kurheit" verdiente. Cuxhaven. Als ich heimkehrte und meiner Mutter davon berichtete, war sie völlig hilflos und ich erinnere mich, dass das Thema fallengelassen wurde, die Behörden wurden damals nicht unterrichtet. Ich denke aber auch, dass das nicht so viel gebracht hätte, weil es schließlich ein Kind war, das es erzählte. In allen anderen Heimen habe ich mich wohlgefühlt und tatsächlich auch erholt. Aber vielleicht verdränge ich einiges.
Als besonders herausragend möchte ich aber auch anmerken, dass eine Verschickung ins Ausland (nach England) mir besonders gefallen hat. Ich war mit 8 Jahren fortgefahren und verbrachte insgesamt 9 Monate dort bei Gasteltern und in einem Heim mit anderen englischen Kindern. Dort ist es mir (und auch meinen Geschwistern sehr gut gegangen und ich bedaure es heute, dass meine Eltern den Kontakt zu den Famillen dort nicht für mich aufrechtgehalten hatten.
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Gerhard schrieb am 04.01.2020
Ich war mit sieben Jahren 1964 für sechs Wochen in Bad Rappenau, Haus Siloah. Ein halbes Jahr zuvor wurde ich an Ostern eingeschult, so dass ich dann auch in der ersten Klasse eine ordentliche Fehlzeit hatte. Anlass für die Kur war ein chronischer Schnupfen. Die Anfahrt vom Bodensee erfolgte mit dem Zug in Begleitung einer Fürsorgerin und einem zweiten Jungen. Die Fahrt war für mich sehr lange und anstrengend. Wahrscheinlich in Karlsruhe kamen andere Kinder hinzu. Vom Bahnhof in Rappenau ging es zu Fuß zum Heim. 40 Jahre später habe ich den Weg noch gekannt. Vorherrschend ist für mich das Gefühl fremd, alleine zusein und kontrolliert zu werden. Das Gefühl von Scham und nicht richtig zu sein, verbinde ich mit dieser Zeit. Zwei Portionen mussten gegessen werden und ich erinnere mich, dass es Jungs gab, die noch zum Abendessen vor ihrem Mittagessen saßen. Einmal kam ein neuer Junge. Er hatte ein Hütchen auf, das er nicht abnehmen wollte. Er wurde gezwungen vor allen den Hut abzunehmen und hatte keine Haare. Weinend stand er vor der lachenden Gruppe.
In meiner Erinnerung hatte ich keinen Besuch, wobei mein Bruder meinte, dass er einmal mit meiner Oma da war.
Als ich die ersten Berichte im Fernsehen gesehen habe, hatte ich mit meiner Frau eine Diskussion über die geschilderten Erlebnisse. Zunächst habe sie runtergespielt und abgetan. Am nächsten Tag flossen die Tränen und ich bin tief berührt und komme mit meinem vergrabenen Schmerz über diese Zeit und die Sprachlosigkeit in Berührung.
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Franziska Petersen schrieb am 03.01.2020
Hier kommt ein ausführlicherer Bericht als Ergänzung zu meinem Kommentar von Ende November 2019. Ich verbrachte mindestens sieben Wochen (erlebte dort Fasching und Ostern) in einem Kinderheim in Hirschegg/Kleinwalsertal. Die offizielle Begründung hieß: "Keuchhusten". Dass ich an dieser Begründung Zweifel habe - meine jetzige Hausärztin hält es für widersinnig, ansteckende Kinder zur Kur zu schicken - ist eine andere Geschichte. Die damalige Hausärztin nahm meinen Eltern die Bedenken, ein so kleines Kind - ich war ca. 4 Jahre alt - so lange wegzuschicken, mein eineinhalb Jahre ältererer Bruder sei ja dabei. Eines Tages sollte ich Skischuhe anprobieren. Ich konnte nicht skifahren und mir wurde wahrscheinlich auch nichts von der bevorstehenden Reise erzählt.
Wir wurden in den Zug gesetzt, es war vermutlich ein Sammeltransport. Ich kann mich daran erinern, dass Kindergesang im Zug war ("Ein Mann der sich Kolumbus nannt" und "Jetzt fahr´n wir übern See" . . . ) und auch dunkel an das Pappschild um den Hals, aber ich glaube, ich fühlte mich schon während der Fahrt sehr verlassen, ich kann mich weder an erwachsene Betreuer noch an meinen Bruder oder an andere Kinder erinnern.
Zu Fasching hatte man die Deckenlampen mit buntem Transparentpapier beklebt und mich als Zigeunerin verkleidet, ich fühlte mich nicht wohl in dem Kostüm und wäre lieber, wie mein Bruder, ein Mäuschen gewesen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich meinen Bruder nach der Faschingsfeier noch im Heim gesehen habe. Er hatte immerhin seinen Teddy "Peterle" dabei (Ich weiß aber nicht, ob "Peterle" auch die Rückfahrt antreten durfte oder zwischendurch "abhanden gekommen" war. Mein Bruder jedenfalls hat noch sehr lange nach der Rückkehr seinen "Peterle" oder seinem Nachfolger und seinen eigenen Daumen gebraucht.)
Ich kann mich nicht erinnern, ein Kuscheltier dabei gehabt zu haben. Einmal wurde mir von einem Paket (für mich? vielleicht zu Ostern?) mit einer Puppe erzählt, aber die bekam ich nie zu sehen. An mein kleines Schlafkissen kann ich mich erinnern, ich benutzte es für den Mittagsschlaf in einer großen Halle mit hölzernen Wänden, vermutlich war eine Seite offen. An die Haarbürste und die eigene Zahncreme im Waschsaal und dunkel auch an das weiße Metallbett kann ich mich erinnern. Und auch an eine verhaßte wollene Hose mit Schottenkaromuster, das ich heute noch hasse. Im Nachhinein vermute ich, dass diese Hose von einem anderen Kind gewesen sein könnte.
Ich kann mich nicht daran erinnern, gespielt zu haben, weder mit anderen Kindern noch mit dem Spielzeug aus dem großen weißen Schrank. Nur ab und zu fand ich auf dem Boden mal vereinzelte Teile von Plastiksteckspielen. Ich wurde ausgeschlossen und auch verspottet, weil ich oft die Hosen voll hatte. Meine Mutter sagte, ich wäre sauber gewesen, bevor ich diese Reise antrat. Ich kann mich noch gut an das Schlangestehen und den Gestank vor den Toiletten erinnern, wenn Toilettengang angeordnet wurde, was für mich oft schon zu spät war. In meiner Erinnerung habe ich jeden Tag geweint. Am schlimmsten war es, als beim Essen ein Kind nicht wußte, wohin es seinen abgenagten Suppenknochen legen sollte. Die Kinder beschlossen, ihn auf meinen Teller, von dem ich noch aß, zu legen. Ich weiß nicht genau, was die Folge war, aber es muß schlimm gewesen sein. Einige Zeit verbrachte ich auf der Krankenstation und war sehr froh, Ruhe vor den Gemeinheiten der anderen Kinder zu haben. Den Grießbrei, den ich während meiner Krankheit bekam, habe ich genossen. Vielleicht hatte ihn jemand extra für mich zubereitet? An das Essen habe ich sonst keine schlimmen Erinnerungen, Marmeladebrote und klare Suppe mit Würstchen waren für mich in Ordnung.
Wie es war, von meinen Eltern in Empfang genommen zu werden weiß ich nicht. Aber sie sahen davon ab, mich anschließend im Kindergarten anzumelden. Ich muß wohl ziemlich verstört gewesen sein.

Wenn ich meinen Bericht jetzt noch einmal durchlese und mit dem anderer Betroffener vergleiche, dann erscheinen meine Erfahrungen noch relativ gemäßigt. Ein Trauma mit Folgen habe ich trotzdem davongetragen, auch, wenn dafür sicher nicht alleine der Kinderheimaufenthalt verantwortlich zu machen ist: Suizidgedanken, Depressionen, Scheu vor anderen Menschen, schlechtes Selbstwertgefühl, ich habe schon einiges hinter mir. Momentan bin ich dankbar, dass ich mit Mann und Kindern in einer stabilen Beziehung lebe.
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Christian schrieb am 02.01.2020
Ich kann mich nicht an sehr viel erinnern, und wahrscheinlich ist das auch besser so.
Ich habe viele Lücken, vor allem was das Organisatorische betrifft. Ich könnte meine Eltern hierzu noch befragen. Sie sind aber beide über Achtzig Jahre alt, und eigentlich möchte ich mit Ihnen nicht mehr über dieses Thema reden, weil das in der Vergangenheit schon mehrfach sehr unschön geendet ist. Dazu später mehr.

Ich, Jahrgang 1968, bin wahrscheinlich 1975, vor der Einschulung und vor meinem 7. Geburtstag für 6 Wochen in eine Art Erholungsheim, vermutlich im Allgäu, geschickt worden. Ich kann mich an die genaue Begründung nicht erinnern, aber vermutlich sollte ich zunehmen. Ich kann mich auch vage in „bessere Luft“ als Begründung erinnern. Das würde passen, weil ich im Ruhrgebiet aufgewachsen bin.

Meine früheste Erinnerung ist auch fast die schlimmste an diese Zeit: meine Mutter hat Namensschilder in meine Kleidung eingenäht. Dieser Vorgang war für mich ungeheuer bedrohlich und hat mir große Angst eingejagt. Gleichzeitig konnte ich aber nicht darüber sprechen. Die Tatsache der Verschickung war mir da schon bekannt, aber ich war, zumindest in meiner Erinnerung, nicht in der Lage irgendetwas dagegen vorzubringen. Es fühlte sich an, wie eine große dunkle Bedrohung, die unabwendbar ist und langsam immer näher rückt und mir den Atem (und die Sprache) nimmt.

Die Fahrt mit der Eisenbahn war unfassbar lang.

Das Heim war ein großes Gebäude mit mindestens einer Etage, eventuell mehr. Ich kann mich nur daran erinnern, dass es einen Speisesaal gab, und einen Schlafsaal. In diesem Schlafsaal wurde viel geweint. An mehr kann ich mich nicht erinnern, weder an Mahlzeiten, noch wie geschlafen wurde. Welche Regeln es für Toilettengänge gab, weiss ich nicht mehr. Auch an konkrete Betreuungspersonen (Tanten) fehlt mir jede Erinnerung. Keine Gesichter, keine Namen, alles weg. Nur dass es Frauen waren, und dass sie jünger wirkten als meine Mutter, die damals Mitte 30 war, weiss ich noch.

An einige konkrete Dinge kann ich mich erinnern, aber alles nur schlaglichtartig und ohne Kontext:

Direkt nach Ankunft wurde ich bestraft, weil ich mit einem anderen Kind gespielt habe (er hieß glaube ich Marco). Wir durften beide nicht an einem Ausflug teilnehmen und mussten alleine zurückbleiben. Ich erinnere mich, dass ich sinngemäß gedacht habe: wenn die hier so bescheuert sind, dann können die mich mal.

Es wurde viel durch die Gegend gelaufen. Einmal wurde ein Ausflug zu einem Wasserfall angekündigt, der sich aber als dünner Wasserstrahl aus einem Rohr herausstellte. Höhnisches Gelächter seitens der Kinder, den Tanten war das irgendwie peinlich.

Briefe wurden diktiert, da ich ja noch nicht in der Schule war. Ich argwöhnte, dass der Inhalt des Briefes nicht mit dem übereinstimmte, was ich gesagt habe. Aber ich habe nichts gesagt. Diese Briefe waren mir gleichgültig. Eigenartigerweise kann ich mich genau an die Briefmarke erinnern.

Ich kann mich an eine einzelne Mahlzeit erinnern: es gab irgendetwas süßes, schokoladiges, von dem man viel essen sollte. Es hat ganz gut geschmeckt, war aber kein richtiges Essen. Zu Hause hätte es so etwas (Pudding? Brei?) nicht als Hauptmahlzeit gegeben.

Einmal bin ich krank geworden und wurde auf einer Art Krankenstation isoliert. Ich habe ganz lange Zeit niemanden zu Gesicht bekommen. Das war sehr beklemmend und unmenschlich.

Ganz vage und weit entfernt erinnere ich mich an eine Terrasse an frischer Luft, auf der man irgendwie eingewickelt (dunkle kratzige Decken?) liegt und nichts sagen darf.

Mehr ist da (leider/zum Glück) nicht an Erinnerungen…

Laut Erzählungen meiner Eltern, oder besser gesagt meines Vaters, war ich nach der Rückkehr nicht wieder zu erkennen. Ich war wohl sehr aggressiv und hatte schlechte Angewohnheiten, und man musste mich erst mal wieder zurechtbiegen. Dies vorgetragen in einem vorwurfsvollen Ton, der wohl signalisieren sollte: rede nicht über dieses Thema und frage nicht weiter. Wir wollen nicht daran erinnert werden.

Was bleibt: Als mein Sohn sechs Jahre alt war, habe ich mir vorgestellt, ihn für 6 Wochen in eine ihm und mir unbekannte Umgebung alleine wegzuschicken. Diese Vorstellung war, unabhängig von meinen Erfahrungen, derart grotesk und widerlich, dass ich mir seitdem ernsthaft die Frage stelle, wie abartig und krank die Generation „unserer“ Eltern eigentlich ist.
Kleine Kinder, die völlig hilf- und wehrlos sind über so lange Zeiträume zu verschicken, zusammen mit Leuten, die man gar nicht kennt, kann nicht nur durch Gleichgültigkeit und Dummheit erklärt werden. Das muss schon so etwas wie Hass auf die eigenen Kinder im Spiel sein.
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I. Bruhn schrieb am 01.01.2020
Ich muss so 1961, ca. 5 Jahre alt, nach Wyk auf Föhr verschickt gewesen sein, ich erinnere mich nur noch daran, dass ich krank wurde und alleine in einem große Zimmer Tag und Nacht im Bett zu liegen hatte. Ab und zu schaute eine Frau nach mir.
Woran ich mich noch gut erinnere ist, dass ich nie gerne verreist bin, ich wurde jedes Mal richtig krank mit hohem Fieber, wenn meine Eltern einen Urlaub ankündigten, so dass sie es mir vorher nicht mehr sagten, sondern einfach mit mir los fuhren.
Seit dem ich erwachsen bin, bin ich nur 2 x verreist, ich mag das nicht.
Ich denke, dass ich in dem Verschickungsheim traumatisiert wurde.
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Tobias C. schrieb am 30.12.2019
Ich war zwei Jahre alt, als ich 1976 von meinen Eltern im Seehospiz "Kaiserin Friedrich" auf Norderney abgeliefert wurde. Der Aufenthalt dauerte drei Monate lang (von Ende Juli bis Anfang November), erinnern kann ich mich naturgemäß an nichts. Als meine Eltern mich damals wieder abholten, habe ich sie (laut Überlieferung) zunächst nicht wiedererkannt.
Es ist bitter, dass so junge Kinder so lange fremdem Personal überlassen wurden...
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Ulrike König schrieb am 30.12.2019
Meine Zwillingsschwester und ich waren ca 1974 zur Kur in St.Peter Ording.
Es war das Grauen für uns.

Bis heute dachte ich wir wären alleine und manche Dinge hätten nur in meinem Kopf existiert.. wer glaubt schon das es wahr ist, ansehen zu müssen wie Kinder ihr Erbrochenes essen müssen...
Die Tanten waren unfassbar streng, ich erinnere mich an die Heimleiterin, sie hatte auf der einen Seite einen amputierten Unterarm. Den gesunden nutzte sie zB einmal als ich mit Windpocken im Zimmer bleiben musste.

Alle Kinder Sachen auf dem benachbarten Spielplatz – die Ponde Rosa, ich schlich mich aus dem Bett und saß auf der Fensterbank um die anderen Kinder beim Spielen zu beobachten, sie kam wie eine Furie die Treppe hochgerannt hinter mir her und verprügelte mich mit einem Handfeger.

Vor lauter Angst und Heimweh habe ich wieder angefangen einzunässen und zur Strafe musste ich auf den kalten Fliesenboden in der Dusche ohne Decke schlafen.

Wir hatten ausreichend Bekleidung dabei, aber bekam nur einmal in der Woche saubere Unterwäsche, einmal täglich wurde gefragt wer ein Taschentuch benötigt, nahm man in dem Moment keins bekam man später keins mehr.

Wir waren verängstigt und traurig und haben den Tanten diktiert (wir konnten Jahr mit knapp fünf noch nicht schreiben) wie schrecklich wie es fänden und wie sehr wir doch nach Hause wollten, sie schrieben nur schöne Sachen – nur Lügen!
Als die sechs Wochen dann endlich vorbei waren, kamen wir abgemagert krank und wund nach Hause.

Es war der reinste Horror
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Wolfgang B. schrieb am 29.12.2019
Guten Tag zusammen! Ich bin berührt von dem, was ich hier mehrheitlich lese! Und genau deshalb sehe ich es als meine Pflicht an, von ganz anderen, nämlich recht positiven Erfahrungen zu berichten!

Ich möchte beginnen mit dem Begriff „Verschickungskinder“. Ich selbst (geb. 1962) habe mich bei zwei Kuraufenthalten nie „verschickt“ gefühlt (Bad Buchau am Federsee (1968) und Haus Nordmark / Westerland / Sylt (1972)). Ich war starker Pollenallergiker und Asthmatiker und fand es gut, dass man mir einen „Kuraufenthalt“ angedeihen ließ. Mein Vater brachte mich an den Bahnhof in der Eifel, wo mich im Zug eine Frau in Empfang nahm. Bis zum Zielort war sie immer dabei, unterwegs stiegen andere Kinder in das Abteil zu. Ich fand das eher spannend an allen möglichen Bahnhöfen in nie gesehenen Gegenden vorbeizufahren. Das Wort „Verschickungskinder“ suggeriert „Pakete“ mit einer Kordel drumherum, sowie Herzlosigkeit und Loswerdenwollen. So hatte ich das aber nie erfahren. Wie hätten wir denn sonst in der damaligen Zeit an unseren Kurort gelangen sollen? Helikoptereltern, die uns höchstpersönlich mit ihrem SUV dorthin brachten, gab es (Gott sei Dank) noch nicht! Ich finde das sowie das Folgende auch wichtig zu schildern, damit diejenigen in den Heimen, die einen tollen Job machten, und die ja heute auch häufig noch leben, nicht vollkommen diskreditiert werden. Auch die Arbeit dieser „guten“ Menschen hat einen Aspruch darauf gewürdigt zu werden.

Ich berichte in diesem Kommentar über Sylt, Haus Nordmark. Bad Buchau in einem anderen, noch folgenden Kommentar. In der Tat gibt es Unterschiede, was mglw. damit zusammenhängt, das 1972 schon fortschrittlicher war als 1968.

Sylt im März / April 1972 im Haus Nordmark in Westerland war toll! Ich war in der Gruppe „Seeigel“. Tolle „Erzieherinnen“ in meiner Gruppe, Anfang bis Mitte 20, freundlich. Ich habe diesen Aufenthalt genossen, mein erster Ausflug von meiner „Geburtsregion“ Eifel in die große weite Welt. Ich kann mich noch daran erinnern, dass die Erzieherinnen mir das Problem des Landverlustes auf Sylt erklärten und wie man versuchte, durch die „Buhnen“ etwas dagegen zu tun. Ich war zwar erst 10, aber ich fand das sehr spannend und lehrreich.

Aus dieser Zeit habe ich noch viele „Souvenirs“, Dinge, die wir gebastelt haben, Postkarten, Fotografien, etc. Sylt war eine positiv prägende Erfahrung für mein Leben. Deshalb habe ich auch das Haus Nordmark im Jahr 1995 einmal besucht, während eines Urlaubs auf Sylt (ich weiß, dass es heute nicht mehr existiert). Und ich hatte „flash backs“, aber nur positive!

Ich habe mir kürzlich sämtliche „Souvenirs“ aus dieser Zeit (darunter ein Tagebuch) sowie die Korrespondenz mit Eltern, Geschwistern, Verwandten sowie Schulfreunden angesehen. Ich hatte nicht nur etwa 2x Briefverkehr pro Woche mit den Genannten, sondern auch noch 2-3 Jahre danach Korrespondenz mit anderen Kindern aus diesem Aufenthalt.

Ich gehörte zur Gruppe „Seeigel“. Die Heimleiterin war Frau M. Fackler, an die ich mich aber nicht mehr erinnern kann. Die Gruppe „Seeigel“ wurde betreut von Frau C. Schweizer und Frau E. Möller … und die waren toll, keine „Tanten“, sondern eher liberale 68erinnen. Aus dem Tagebuch sowie aus meiner Korrespondenz erkenne ich eine große Begeisterung bei mir für alles. Es gab Essen, was ich so noch nicht kannte, wie z.B. Müsli, ich bin jetzt selbst erstaunt, dass das so in meinem Tagebuch steht. Häufig hatte ich „lecker“ eingetragen. Was ich ganz klasse fand, dass wir „Kurenden“ eigenverantwortlich und abwechselnd das Essen aus der Küche auf die Tische im Speisesaal bringen mußten, sowie jeder Mal „Tischdienst“ hatte. So etwas dufte ich zuhause nie.

Es gab jeden (!) Tag Spaziergänge ans Meer und an den Strand und an die Dünen, es gab Gesellschaftsspiele usw. Ich bekam „Material“ zum Schreiben an meine Eltern und Freunde .. und ich bekam keine Post vorenthalten. Auch ein Ostergeschenkpaket meiner Eltern mit Süßigkeiten wurde nicht konfisziert o.Ä. Darüber hinaus waren wir mehrere Male in einem Wellenbad (zuvor vollkommen unkannt für mich, also sehr spannend).

Ja, und wir machten von Sylt aus einen Tagesauflug zur Insel Röm in Dänemark, und dann ging es auch noch nach Esbjerg, einem Hafen auf dem dänischen Festland, bevor es wierder nach Westerland zurückging. Mein erstes große Reiseabenteuer!

Und ja, natürlich kann ich mich an das Äffchen eim Eingangsbereich erinnern, Fiffi. Meinen ersten Hamster hatte ich später danach benannt.

Ich sehe in meinem Tagebuch, dass es eine klare Ordnung gab … wann ins Bett, wann aufstehen usw. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, am Aufstehen mitten in der Nacht gehindert worden zu sein, wenn ich Pipi machen mußte. Vor dem Einschlafen wurde uns meist eine Geschichte vorgelesen. Wir hatten flache Einzelbetten, nahe am Fenster, wo ich nachts immer versuchte der Brandung zu lauschen und ganz gespannt darauf war, ob vielleicht eine Sturmflut im Anmarsch wäre … Spektakel hoch drei!

Ich habe Sylt geliebt, und ich bedaure, dass Andere zu anderen Zeiten oder mit anderen Menschen ganz Anderes erlebt haben. Und ich finde es sehr sehr wichtig, dass eine objektive Wahrheit ans Licht kommt … in die eine, oder eben in die andere Richtung! Ich persönlich möchte zu einer positiven Interpretation beitragen! Das sehe ich als meine Aufgabe an!

Mit besten Grüßen, Wolfgang.
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Dieter schrieb am 29.12.2019
Guten Tag,

im Februar 1962 war ich im Alter von 5 Jahren verschickt nach Norderney ins Seehospiz Kaiserin Friedrich.

Noch heute habe ich - ausschließlich - negative Erinnerungen an meinen Aufenthalt dort und kann über Misshandlungen der "Tanten" berichten. Ich verfüge über Fotos von meinem Aufenthalt, der seine unrühmliche Krönung darin fand, dass wir Kinder während der Sturmflut, die in Hamburg zahlreiche Todesopfer forderte, des Nachts geweckt wurden und uns angezogen in einem Raum versammeln mussten (bei "blauem Licht"), weil die Sicherheit der Anwesenden wohl auf dem Spiel stand.

Gerne würde ich mich mit anderen austauschen, sehe aber mich aufgrund technischer Schwierigkeiten bei "forumromanum" daran gehindert.

Wer kann mich unterstützen?
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sven schrieb am 28.12.2019
sven

ich war 1978 8 wochen im kinderkurheim “mövennest”.
es war sehr schlimm dort. nach stundenlanger fahrt mussten sich alle kinder an einer linie anstellen und wurden dann nach herzloser begrüssung auf die zimmer verfrachtet . die jüngeren kinder weinten jede nacht und wurden wenn sie nicht aufhörten im dunkeln in den toiletten eingeschlossen. es herrschte militärischer drill.unsere anziehsachen mussten wir jeden abend auf unserem platz zusammenlegen.wenn es ncht ordentlich genug war wurde alles von den “netten” schwestern quer durch den flur geschmissen und es ging wieder von vorne los.mädchen waren streng von jungs getrennt es gab keine wirkliche freizeit zum spielen. es herrschte ständige angst vor strafen, die es zu hauf gab.
die kleinen ( 5 jahre) litten besonders sie weinten andauernd. wir älteren hielten zum glück zusammen und litten nicht so viel. es gab soviel zwang und strafe das wir uns immer vorstellten wie wir von dieser insel abhauen könnten. .leider trauten wir uns nicht….das schlimme bei der ganzen sache fand ich dass es sich bei den schwestern um sehr junge schwestern handelte die absolut kein herz hatten….

viele grüsse

sven
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Rolf Döring schrieb am 28.12.2019
1. Aufenthalt in Stuttgart Plieningen: Insgesamt herrschte in dem Heim noch der Geist aus der Nazizeit, vom Inventar über das Personal und der Umgang mit den Zöglingen. Wenn ich das "Essen" nicht essen wollte/konnte (ich war wegen Unterernährung verschickt), in diesem Fall Leberknödel, die verdorben waren, wurde es mir mit Zwang eingefüttert, und nachdem ich es erbrochen hatte, mußte ich eben dieses erbrochene wieder "essen". Zugelassener Schriftverkehr war eine (!) gemeinsam verfasste Postkarte mit einem an der Tafel vorgeschriebenen Text, wie gut es uns geht. Das Blechgeschirr erlebe ich in Träumen bis heute.
2. Aufenthalt in Bad Rappenau: (immer noch "unterernährt") Gewaltsamer Esszwang, wenn erfolglos gab es ein besonderes Psycho-Highlight (insbesondere für die Stadtkinder): in einem benachbarten abgeschlossenen Hof durfte/mußte ich der Schlachtung einer Sau beiwohnen, wie diese im Kreis herum um ihr Leben rannte, schließlich vom Metzger (?) eingeholt, abgestochen wurde, alles voller Blut, das Geschrei der Sau, wie sie ausblutete, ich werde das vom Blut rote Pflaster nicht aus meinem Kopf los. Wahrscheinlich wohl deswegen Bettnässer, wurde mir eine Spezialbehandlung zuteil: Toilettenverbot (sowieso), ein Knebel in den Mund, der vorher in den gemeinsamen Nachttopf der Stube getaucht und geränkt wurde. Steigerung am nächsten Tag: Verlegung von dem 3-Kinderzimmer in ein 6er Zimmer und Wiedreholung der "Maßnahme", Weiter"schlafen" im nassen Bett. Die "Therapie" war insofern erfolgreich, als ich im Laufe nur eines Jahres mein Gewicht verdoppelt habe. Darunter allerdings leide ich bis heute.
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Conny schrieb am 27.12.2019
Ich und meine kleine Schwester waren auch 1975 durch eine Kinderverschickung von der Barmer in einen Haus gekommen was ich bis heute nicht vergessen habe. Ich erinnere mich nur nicht an den Ort. Ich weiß nur noch das es im Wald gewesen war. Es war groß und hatte Zimmer unter dem Dach. Ich war in einen Zimmer unter gebracht mit mehreren Kindern.Meine Schwester in einen kleinen Zimmer mit schräger Decke.Bei der Ankunft wurden uns die Spielsachen abgenommen und alles was sie gebrauchen konnten,Süssigkeiten,neue Pakete mit Taschentücher u.s.w.Es waren grauenvolle 6 Wochen die wir erlebten.Meine Schwester machte jede Nacht wegen Heimweh ins Bett was zufolge hatte das ich dann in der Nacht aus dem Bett gerissen wurde. Meine Aufgabe war dann unten im Waschkeller mit einen Waschbrett in einer Waschtonne das Bettzeug meiner Schwester zu waschen.Sie war ja erst 5 und ich 7 Jahre alt.Wurde im Zimmer bei mir nach dem zu Bett gehen noch gesprochen saß man vor der Tür und drückte die ganze Nacht die Klinke herunter.Es waren nur weibliche Betreuer im Haus. Bei Bestrafung wurde man auch kalt abgebraust.Lange Spaziergänge täglich im Wald waren Standart.Wir bekamen einmal ein Paket von den Eltern das mußten wir vor allen anderen essen. Das war voll die Schikane.Wir wurden beschimpft und bestraft.Es sind Dinge die ich 45 Jahre später immer noch nicht vergessen habe und die immer mal wieder hoch kommen.Als wir zurück nach Hause kamen bekamen wir immer nach unseren Schilderungen zuhören das wir wohl nicht lieb waren.Aber als meine Schwester auch noch Wochen danach immer wieder ins Bett machte und ich kaum eine Nacht durch schlief wurden sie aufmerksam.Meine Mutter kann heute noch nicht mit dem Thema um.Das Gefühl das jemand seine Macht an jemanden ausläßt möchte ich nie wieder haben.
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Astrid Ovenhausen schrieb am 26.12.2019
Als 7 jährige ( heute 75 Jahre alt) wurde ich zusammen mit meiner 2Jahre älteren Schwester nah Amrum verschickt. Nach 4 Tagen haben meine Eltern uns abgeholt. Ich musste auch das Erbrochene essen, dann gab es angeblich Kopfläuse, was für meine Haare ( lang bis auf die Hüfte) ein reines Vergnügen war. Meine Schwester wurde hermetisch von mir abgeschottet, war aber so pfiffig meinen Eltern eine Ansichtskarte zu schicken. Die holten uns dann umgehend ab
Schlimm war auch das spielen mit den Kaninchen die anschließend auf den Tellern landeten; natürlich wurde auch besonders betont daß das die Tiere waren mit denen wir vorher gespielt hatten. Ein einziger Albtraum.
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Jörg schrieb am 26.12.2019
Ich war im Frühjahr 1973 im Alter von sechs Jahren sechs Wochen in Niendorf, um für den Schulbeginn „aufgepäppelt“ zu werden. Es müsste das Kinderkurheim St. Antonius (Caritas, am Strand gelegen) gewesen sein. Auch ich hatte einige traumatische Erlebnisse, die mich bis heute verfolgen. Sie sind beim passenden Trigger sofort wieder präsent und tauchen gelegentlich immer noch in Träumen auf.
Den Gestank kochender Milch, der jeden Morgen das Treppenhaus hoch und durch die Gänge bis in die Schlafsäle kroch und einen aufweckte, kann ich bis heute nur schwer ertragen. Vor ein paar Jahren hatte ich mich mittags hingelegt, während meine Frau mit den Kindern in der Küche aktiv war, wobei Milch überkochte. Sofort träumte ich vom Aufstehen im Heim und dem Gang zum verhassten Frühstück, bei dem ich wieder irgendwie versuchen musste, um die heiße Milch mit Haut herum zu kommen.
Heiße Milch oder Kakao mit Haut ekeln mich nach wie vor ebenso an, wie gekochte Puddings mit Haut, die es auch dort gab. Das übrige Essen war teilweise „grenzwertig“, aber verglichen mit dem, was einem später in Schullandheimen und Co. oft serviert wurde, kein extremer Ausreißer. Zumindest kann ich mich abgesehen von den Puddings an keine Details erinnern (was verwunderlich ist, da ich ansonsten ein sehr gutes Gedächtnis für Essen und Trinken bis zurück in die früheste Kindheit habe).
Und natürlich hat auch die langfristige Trennung von den Eltern ihre Spuren hinterlassen. Angesichts noch fehlender Schreibkenntnisse und nicht vorgesehener Telefonate machte sich einerseits eine enorme Ohnmacht und Hilflosigkeit breit, und war man andererseits viel zu früh gezwungen Dinge „mit sich selbst auszumachen“, bei denen Kinder in diesem Alter in einer zivilisierten Gesellschaft Unterstützung ihrer Eltern haben sollten. Gerade beim Durchstehen von (banalen) Krankheitssituationen war man vollkommen einem Hausarzt ausgeliefert, der einem sofort Spritzen in den Po verpasste, was er überhaupt nicht beherrschte, und zu einer Rückkehr mit einem vollkommen zerstochenem, grün und blauen Hinterteil führte, das mich bei der Ankunft gleich wieder aus den Armen meiner Eltern flüchten ließ. Dass ich nach diesem Kurpfuscher keine Spritzenphobie entwickelt habe, ist erstaunlich.
Dieses „mit sich selbst ausmachen“, führte dann auch dazu, ein Übergeben nach dem Schokoladenpudding mit Haut geheim zu halten, um bloß nicht wieder als krank zu gelten, und damit dann die nächste Spritze zu kassieren. Und dies in einem Alter, in dem ich es noch gewohnt war, bei jeder Übelkeit der liebevollen Begleitung und des Verständnisses und der Sorge meiner Mutter sicher zu sein. Da ist viel Urvertrauen und kindliche Unbekümmertheit zerstört worden. Der Aufenthalt hat mich viel früher als üblich deutlich erwachsener werden lassen, und mir einen Teil meiner Kindheit zerstört. Es hat auch lange gedauert, bis ich mich wieder in die eigene Familie auf diesem neuen Niveau eingelebt hatte, und da gibt es für mich nach wie vor eine „Stufe“ in meiner Biographie, wo eigentlich eine sanfte Steigung sein sollte.
Dabei hatte ich es vergleichsweise gut, wenn man sich hier andere Schilderungen durchliest. Daher fällt es mir vielleicht auch leichter die damals gemachten Erfahrungen differenziert „einzusortieren“. Denn auch wenn einige der hier geschilderten Dinge durchaus strafrechtliche Relevanz haben oder zumindest auch nach damaligen Maßstäben als skandalös zu bezeichnen sind, ist es mE notwendig sie im zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext zu sehen, zu verstehen und zu bewerten.
Wir Ruhrgebietskinder waren tatsächlich vielfach recht kränklich und eher mager. Die Luftverschmutzung war extrem, und Erkrankungen der Atemwege waren weit verbreitet, drohten vielfach chronisch zu werden (soweit sie es nicht ohnehin schon waren). Ich selbst hatte damals schon eine zweistellige Zahl an Mittelohrentzündungen aufsummiert und ständig Last mit Erkältungen und Co. In Folge dieser ganzen Erkrankungen waren viele Kinder im Vergleich zu Kindern „vom Lande“ oft auf den ersten Blick als offensichtlich geschwächt zu erkennen. Über die Dinge, die wir mit der Nahrung aus dem Garten und dem Trinkwasser aus dem Uferfiltrat schwer belasteter Gewässer, … und beim Spielen und Baden draußen aufgenommen haben, will ich lieber erst gar nicht nachdenken. Ich bin damals unmittelbar nach diesem „Kuraufenthalt“ aus dem Ruhrgebiet weggezogen, und habe bei Besuchen in den Folgejahren zunehmend gemerkt, wie anders sich die „Ruhrgebietsmenschen“ im Vergleich zu meinem neuen Umfeld entwickelten.
Insoweit ist es nicht von der Hand zu weisen, dass bei den ganzen Verschickungen sicherlich viel guter Wille bei denen vorhanden war, die Kinder zur Verschickung vorschlugen, und sich dafür einsetzten, dass Kinder aus dem Ruhrgebiet und anderen hoch belasteten Gebieten die Chance bekamen, einige Wochen raus an die frische Luft zu kommen, um dort etwas Reserven aufzubauen.
Natürlich war es fatal Kinder für so eine lange Zeit komplett von den Eltern zu trennen, die noch nicht in der Lage sind eigene Briefe zu schreiben oder unabhängig von einer Einrichtung Hilfe zu suchen, und sei es nur, ein Telefonat zu führen. Die einseitige Kommunikation durch fröhliche Postkarten der Eltern, auf die man keine Chance einer Erwiderung unter Mitteilung der tatsächlichen Situation und Gefühle hatte, war sicherlich ein Kardinalfehler, der damals gemacht wurde.
Andererseits muss man aber auch sehen, dass die Elterngeneration selbst oft noch erheblich schwerere Schicksale in der eigenen Kindheit durch Krieg und Vertreibung erlitten hatte, und dadurch ggf. abgestumpft war, und die sich hier für ihre Kinder abzeichnende Dramatik eventuell gar nicht erkannte. Zudem herrschte noch eine ganz andere Obrigkeits-Hörigkeit, und wenn der Arzt und die Heimleitung verkündete, dass dies so richtig und wichtig sei, dann galt dies damals noch viel mehr als heute. Die Zeit war noch stark autoritär geprägt, und gerade Jungen wurden noch sehr in Richtung „Härte“ erzogen. Auch die „technischen Voraussetzungen“ waren noch ganz anders. Vermutlich gab es damals in solchen Heimen nur einen einzigen Telefonanschluss, der es einfach gar nicht gestattete, dass die Kinder regelmäßig mit ihren Eltern hätten telefonieren können. Und auch die Kosten von Ferngesprächen waren noch ganz anders. Auch fehlte in vielen Familien noch das eigene Auto und waren daher Sammeltransporte mit der Bahn das Mittel der Wahl.
Was natürlich gar nicht ging, und auch strafrechtlich relevant ist war, dass man meine Eltern damals mehrfach über meinen tatsächlichen Gesundheitszustand belogen und nicht in die ärztliche Behandlung einbezogen hat/ihnen aufgrund meiner Erkrankungen die Möglichkeit gegeben hat, mich vorzeitig abzuholen. Ich wurde bei mehreren Versuchen eines Anrufs verleugnet, und als „gesund und munter“ beschrieben. Spätestens vor der Verabreichung von Spritzen hätte man hierzu die ausdrückliche Einwilligung meiner Eltern einholen müssen. Der ärztliche Heileingriff ohne Einwilligung ist eine Körperverletzung!
Was die „gute Milch“ angeht, so will ich auch hier zunächst niemand einen Vorwurf machen, auch wenn mich das Thema bis heute verfolgt. Die tatsächlich frisch vom Bauern in der Kanne angelieferte Milch würde auch heute noch als „besonders gesund“ und hochwertig gelten, muss aber aus hygienischen Gründen selbstverständlich abgekocht werden. Auf pingelige Esser und Trinker wurde damals allgemein noch keine große Rücksicht genommen. Auch in vielen Familien wurde „gegessen, was auf den Tisch kommt“, und mussten mäkelige Esser mal die ein oder andere Stunde am Tisch bleiben. Das waren keine besonderen Grausamkeiten in den Heimen, sondern übliche Erziehungsmethoden dieser Zeit, auch wenn man sie aus heutiger Sicht sicherlich zurecht kritisch sieht. Kinder zum erneuten Essen erbrochener (eher waren es vielleicht doch eher lediglich ausgespuckte) Speisen zu zwingen ist eine ganz andere Hausnummer, dies habe ich aber nicht erlebt. Den Luxus von „Trend-Allergien“ und Unverträglichkeiten, „Iss-Dich-Interessant-Diäten“ und Co. gönnen wir uns erst seit wenigen Jahren. Und viele Zusammenhänge zwischen Ernährung und bestimmten Erkrankungen waren damals auch noch nicht so gut erforscht und bekannt, wie heute. Insoweit will ich – insbesondere sicherlich damals auch knapper Budgets – nicht zu viel am Thema Essen kritisieren.
Auch bei uns wurden damals Süßigkeiten aus den Paketen der Eltern in der Gruppe verteilt, was ich damals selbstverständlich als ungerecht betrachtete. Im Nachhinein sehe ich dies anders. Die Kinder bekamen damals sehr unterschiedlich viel Post und Pakete mit sehr unterschiedlichem Inhalt. Die Verteilung der Süßigkeiten schaffte hier einen gerechten Ausgleich zugunsten der sonst schlechter gestellten Kinder. Wenn meine Süßigkeiten damals das ein oder andere Kind glücklich gemacht haben, das selbst nicht so viel bekam, soll es mir heute Recht sein.
Was mich allerdings trotz des berechtigten – auch bei mir vorhandenen – Interesses an einer gründlichen Aufarbeitung des Themas stört ist, dass hier nicht wenige Stimmen vorhanden sind, die die Erlebnisse von sechs Wochen Kur monokausal für diverse Dauerprobleme in ihrem Leben ansehen. Zweifelsohne haben diese Erlebnisse sicherlich vielfach bleibende negative Erinnerungen produziert. Es wäre aber gut, diese sechs Wochen angemessen gegenüber anderen Dingen in Relation zu setzen, die in übrigen 50 und mehr Jahren Lebenszeit geschehen sind.
Auch stört mich der bislang durch nichts belegte Vorwurf, „dass jemand an der Verschickung verdient haben muss“. Natürlich sind die aufgerufenen Summen, die für die Verschickung damals aufgewendet wurden, in den Augen von all denjenigen, die sich noch nie mit Beträgen in entsprechender Größenordnung beschäftigten mussten, hoch. Allerdings darf man eben auch nicht vergessen, was dem an Kosten für Personal, Transport, Räumlichkeiten und Verpflegung gegenüberstand. Wenn ausgeführt wird, dass die Verschickung damals ein „eigener Wirtschaftszweig“ gewesen sei, so sollte man aufpassen darüber entstandene Umsätze nicht mit Gewinnen gleichzusetzen, die sich ggf. einzelne Beteiligte unberechtigter Weise in die eigene Tasche gesteckt haben mögen. Ohne konkreten Nachweis gilt auch hier die Unschuldsvermutung.
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Bernadette schrieb am 25.12.2019
Ich war 1968 mit sechs Jahren sechs Wochen in Nußdorf am Inn zur Kur, weil ich zu dünn war und zunehmen sollte. Vor dem Aufenthalt in dem Erholungsheim sollten den Mädchen die Haare geschnitten werden, damit die Tanten nicht soviel Arbeit hätten. Das mochte ich nicht, ich wollte meine Haare lieber behalten. Auf der Hinfahrt mit dem Zug waren wir sechs Kinder im Abteil und sind über Nacht gefahren ohne die Begleitung eines Erwachsenen.
Einmal sind wir am Inn spazieren gegangen und ich kann mich erinnern, daß mir ein anders Kind Zittergras gezeigt hat, das fand ich sehr toll. Die Tanten haben uns erzählt, daß dort überall Bomben aus dem Krieg liegen und wir deshalb auf keinen Fall vom Weg abkommen dürften, was ich sehr spannend fand.
Ich kann mich an einen ewig langen Nachmittag erinnern mit einem anderen Kind im Speisesaal, wo wir so lange sitzen bleiben mußten, bis wir unseren Rhaberberkompott aufgegessen hatten. Einmal war ich wohl frech und habe Widerworte gegeben, da hat mich eine Tante mit dem Gesicht in weiße Soße oder Sahne getaucht, alles hat gelacht.
Wir mußten immer alles aufessen und oft kam es mir wieder hoch und ich mußte das runterschlucken.
Es gab auf der Etage, wo ich schlief nur 2 Toiletten, vor denen sich immer lange Schlangen bildeten. Einmal habe ich mich vor der Klotür auf den Boden übergeben, weil ich nicht rechtzeitig zur Kloschüssel kam.
Einmal mußte ich, weil ich irgendetwas angestellt hatte die ganze Zeit auf einen Stuhl im Flur sitzen, während die anderen Kinder Mittagsschlaf in ihren Betten halten mußten
Ich hatte einmal Besuch von meiner Tante Else aus München, wir waren die ganze Zeit im Büro der Heimleiterin. Meine Tante hatte mir einen kleinen grünen Spielzeugfernseher mitgebracht, in dem man Bilder sehen konnte, wenn man auf eine Taste drückte. Den habe ich geliebt.
Sonntags wurden Postkarten geschrieben, da ich noch nicht schreiben konnte, hat das eine Tante, die noch sehr jung war und die ich nett fand für mich gemacht.
Ich kann mich an sexuellen Mißbrauch durch die Heimleiterin erinnern, die nachts in unseren Schlafsaal kam und die Mädchen befummelte und dabei sehr vulgäre Worte von sich gab.
In dem großen Speisesaal gab es eine Durchreiche zur Küche, dort war eine böse Frau mit einem Kopftuch, vor der hatte ich viel Angst und ich glaubte auch, daß die Küche die Hölle sei.
Zum Abschied gab es ein großes Fest für alle Kinder mit Musik und wir durften tanzen. Es gab ein Zwillingspaar aus Berlin, Jungs, die waren schon größer, die trugen Chucks an denen sie die Schnürsenkel hinten an den Fersen zugebunden hatten, das fand ich sehr cool.
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Siegfried schrieb am 23.12.2019
Hallo, durch Zufall bin ich auf diese Seite gestoßen und konnte erfahren dass viele Kinder ihre Verschickung wie ich als Trauma empfunden haben. Ich bin Jahrgang 1943 und habe Anfang 1957 sechs Wochen in Wyk auf Föhr verbracht. Meine schlimmste Erinnerung ist die an den 90 minütigen Mitttagsschlaf unmittelbar nach dem Mittagessen, dabei war es uns strengstens verboten während dieser Zeit die Toilette aufzusuchen. Für mich war das eine Tortur.Irgendwann habe ich mein Problem brieflich meiner Mutter geschildert. Dieser Brief wurde von der Heimleitung abgefangen, hatte aber zur Folge, dass ich nun während der Mittagspause einmal die Toilette aufsuchen durfte.
Wenn wir das Heim zum Spaziergang verließen, mußten wir 14 jährige dies in Zweierreihen und angefaßt tun. Erst wenn wir den Ortsausgang von Wyk erreicht hatten durften wir uns losslassen und uns frei bewegen.
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Rüdiger schrieb am 23.12.2019
Hallo zusammen, ich habe mich immer gewundert weshalb diese “Kinderverschickungen” oder wie man “das Kind” nennen möchte nicht in die öffentliche und politische Diskussion und zur Aufarbeitung gebracht wurde. Egal, besser jetzt als nie.

Ich bin Jahrgang 1959. Auch ich kam in den “Genuss” einer sechswöchigen “Erholungsmaßnahme”. Wer diese vorschlug / verordnete (vermutlich der beim Gesundheitsamt Wiesbaden beschäftigte Schularzt oder der Kinderarzt – die hatten in den 1960er-Jahren noch “was zu sagen”) und aus welchen Gründen, weiß ich nicht mehr… ich hatte weder Asthma noch war ich unter- oder überernährt oder allzu blass. Vielleicht aber nahmen meine Eltern in guter Absicht nur die Gelegenheit wahr, ihrem Sprößling sechs Wochen kostengünstig “Ferien” angedeihen zu lassen.

Leider erinnere ich nicht mehr jedes Detail. Die “Erholung” fand wohl irgendwann in den Jahren von 1965 bis spätestens 1968 statt (eher 1967). Los ging es per “Sammeltransport” mit dem Zug von Wiesbaden, ich meine in den Schwarzwald. Wenn ich nicht total daneben liege, waren unter anderem Jungs aus Wiesbaden-Erbenheim dabei. Den Name des Zielortes und den des “Ferienheimes” habe ich aus meinem Gedächtnis verbannt, dafür waren die Erlebnisse in diesen sechs Wochen zu wenig vergnügungssteuerpflichtig.

Ich weiß, dass Ernährung immer auch Geschmack- und Ansichtssache ist, trotzdem: Das Essen war einseitig, teilweise ungenießbar bis verdorben… von mehrmals täglich Milch- und / oder Schokoladenpuddingsuppe über nicht definierbare Wurst- und Käsesorten mit ebensowenig definierbaren Inhalten… egal, was auf den Tisch kam: es war ekelhaft. Einzige Ausnahme war die tägliche Nachmittagsvesper: Bei diesen Mahlzeiten war das Schwarzbrot ausnahmsweise genießbar, die Marmelade ebenfalls. Ich vermute, diese Vesper haben uns damals am Leben gehalten. Alle Mahlzeiten mussten vollständig aufgegessen werden, auch wenn einem “das Zeugs” aus den Ohren oder sonstwo raus kam. Wer sich erbrach, der hatte anschließend mehr vom Essen… es wird aufgegessen, und zwar alles… basta! Beschwerden über das Essen wurden bestenfalls ignoriert, meistens aber bestraft… Bloßstellung vor der Gruppe, Schlafentzug, stundenlanges Stehen “in der Ecke” oder Sitzen auf der Treppe und so weiter.

Es gabe nur ganz wenige “Tanten” (meist jüngeres Semester), die sowas wie ein Herz hatten für uns Kinder. Ich erinnere eine “Lieblingstante”: Immer wenn wir mit ihr das “Lager” verlassen hatten für einen Ausflug oder eine Besichtigungen erlaubte sie, dass wir uns etwas “Anständiges” zum Essen kauften… ein Brötchen, eine Rosinenschnecke und dergleichen… aber es musste die “richtige” zweite Aufsichtsperson dabei sein… und bloß nichts verraten.

Ansonsten: Kasernenhofton allenthalben, Rudelduschen (gerne mit kaltem Wasser), mehr als fragwürdige physische und psychiche “Erziehunsmaßnahmen, keine Gespräche oder auch nur einen anderen “Mucks” während der Mittags- und Nachtruhe (dazu gehörten z.B. murmeln, Selbstgespräche, weinen, schnarchen, niesen, husten… anderenfalls gab es ebenso einfallsreiche wie schrechliche Strafen), keine Besuche und Post von Eltern / Verwandten, die eigene Post “nach draußen” war nur sporadisch erlaubt und wurde streng kontrolliert / zensiert.

ENDLICH, die sechs Wochen waren vorbei… das unsägliche Heimweh hatte ein Ende! Zugfahrt zurück nach Wiesbaden und Abschied von liebgewonnenen Leidensgenossen (ich glaube, zum Teil aus Berlin). Ankunft in Wiesbaden… Ausstieg aus dem Zug… große Augen und verblüfft-fassungslose Gesichter meiner und anderer Eltern: “Wie seht ihr denn alle aus? Gab’s nichts zu essen? Ihr seid ja rappeldürr geworden!!! Auf ins nächste Lokal (Wiener Wald?) und ordentlich futtern!”

Haben sich meine Eltern damals irgendwo beschwert? Ich weiß auch das nicht mehr… und fragen kann ich sie nicht.

Alle ein besinnliches Weihnachtsfest und einen "Guten Rutsch"!
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Joachim Ratzel schrieb am 23.12.2019
Auch ich wurde gegen meinen Willen verschickt, nie gefragt oder irgendwie mit einbezogen. Eine Aufarbeitung mit meinen Eltern war und ist bis heute nicht möglich. "Das war damals halt so üblich oder wir meinten es doch nur gut". Bis heute ist das Verhältnis zu meinen Eltern belastet. Heute bin ich 61 Jahre alt und immer noch nicht darüber hinweg aber ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin.
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sven schrieb am 22.12.2019
hallo steven,
hört sich an wie das kinderkurheim mövennest von der awo indem ich insasse war.
ich war auch 78/79 für 8 wochen da.
nur bei den dünnen.
kann mich erinnern das wir einige male mit den dicken im speisesaal waren.
strikt gerennt natürlich.
wir haben unseren dicken leidensgenossen dann unser essen zukommen lassen...
au backe,während ich das aufschreibe merke ich wieder was die dort mit uns kindern für kranke scheisse veranstaltet haben....
viele grüsse sven
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Joachim Ratzel schrieb am 22.12.2019
Die Reportage in "Report Mainz" über die Verschickungskinder hat mich
sehr berührt. Zu meiner Person: Ich bin 61 Jahre alt und in der Nähe von
Karlsruhe aufgewachsen. Seit vielen Jahren lebe ich in Frankreich. Ich
selbst war in den 60ern zweimal für jeweils 6 Wochen als
Verschickungskind in Erholungsheimen der Post im Schwarzwald. Die Zeit
dort war für mich eine der schlimmsten und erniedrigensten Erfahrungen
meines bisherigen Lebens. Bis heute kann ich meinen Eltern nicht
verzeihen, dass ich dort hin geschickt wurde und die große
Verlassenheit, das Heimweh und die Qualen ertragen musste.

Der Bericht hat mir die Augen geöffnet und gezeigt: Ich bin kein
Einzelfall und ich habe ein Recht dazu darüber zu reden....
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Mechthild schrieb am 22.12.2019
Als ich 1962 in das Kinderkurheim nach Sandkrug verschickt wurde, war ich 3 Jahre alt. Meine Erinnerungen sind sehr lückenhaft, aber die Schilderungen von Christine kommen mir doch sehr bekannt vor. Wer sich nachts in den Schlaf weinte, wurde bestraft. Beim Einschlafen wurde uns vorgeschrieben, zu welcher Seite unser Kopf liegen musste, damit wir uns gegenseitig nicht ansehen konnten. Nächtlicher Toilettengang war verboten. Als ich schreckliches Heimweh bekam, schickte man mich auf die Krankenstation und leider nicht nach Hause. Dieser eigentümliche Puddinggeruch im Speiseraum - an den kann ich mich seltsamerweise heute noch erinnern.
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Madeleine15 schrieb am 22.12.2019
Danke, Cornelia, bei mir war es fast genauso wie bei dir! Wo an der Nordsee warst du denn?? Übrigens gibt es auf Facebook eine private Gruppe "Verschickungskinder Deutschland". Stelle eine Beitrittsanfrage und beantworte dann die Frage. Wäre schön, dich dort zu sehen.LG
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Saskia Breul schrieb am 21.12.2019
Meine Mutter hat zum Zeitraum meiner Geburt (Februar 1971) in einem Kindererholungsheim auf Amrum „Möwenhof“ gearbeitet. Da ich die nächsten Jahre unter chronisch spastischer Bronchitis litt und zu klein und leicht war, wurde ich das erste Mal 1973 verschickt...nach Amrum in den Möwenhof.
Bevor ich in die Schule kam, wurde ich noch mind. 1 weiteres Mal verschickt...nach Birkendorf im Schwarzwald. Es kann sein, dass ich irgendwann noch mal auf Amrum war.
Ich hatte diese Verschickungen eigentlich nie mehr wirklich auf dem Schirm....auch nicht als Grund, dass ich mich nicht unter kriegen lasse im Leben und immer am kämpfen bin.
Aber ja.....bei meinen beiden Adoptivkindern merke ich, welch Auswirkungen ein Verlassenwerden und auf sich allein gestellt sein bei einem Kind haben kann. Warum hab ich da nie an meine eigenen Erfahrungen gedacht?
Habe nur bruchstück artige Erinnerungen an diese Aufenthalte.....dass ich wegen Schwätzen abends im Schlafsaal mal ins Bad auf einen Stuhl gesetzt wurde mit einer grauen kratzenden Wolldecke und dort dann vergessen wurde.
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Cornelia schrieb am 21.12.2019
Es heißt aber, über 8Millionen Kinder seien verschickt worden. Ich glaube jedem, der sagt, er sei misshandelt worden. Ob es viele oder wenig sind. Das muss man auf jeden Fall ernst nehmen. Ich selbst wurde mit 7,11 und 12 verschickt. Das erste Mal war das Heimweh eine ganz schlimme Erfahrung. Misshandelt wurde ich aber nicht. Ich wurde weder für das Heimweh noch für das Bettnässen bestraft. Die anderen Aufenthalte habe ich in derart positiver Erinnerung, dass ich deshalb heute noch gerne an die Nordsee fahre. Mein Mann und meine 4 Brüder wurden auch verschickt. Einer meiner Brüder sagt, es seien ein paar Dinge nicht in Ordnung gewesen. Die anderen fanden die Aufenthalte gut und haben keine Misshandlungen erlebt. Ich habe lange überlegt, ob ich was schreibe, weil ich vermutete, dass positive Berichte untergehen und kein Gewicht haben.
Mir ist immer eine ausgewogene und faire Berichterstattung wichtig. Eine allgemeine Aufarbeitung ist sicher notwendig, ich würde mich über eine differenzierte Aufarbeitung freuen, die auch die positiven Seiten berichtet und vor allem auch den gesundheitlichen Aspekt im Focus hat. Ich selbst hätte die darauffolgenden Winter schlechter überstanden, das konnte ich schon als Kind feststellen. Ich war immer sehr von Atemwegsinfekten geplagt und es gab keine Antibiotika. Ich konnte mich nach den Aufenthalten in der Schule besser konzentrieren. Meine Tante starb im Alter von 21 Jahren an Herzlähmung infolge einer schweren jahrelangen Asthmaerkrankung. Wie oft hörte ich den Satz "Hätte man sie ab und zu in Kur geschickt,dann würde sie noch leben". Man darf nicht übersehen, dass es damals vor Ort sehr wenige gute medizinische Hilfen gab.
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Gerald schrieb am 20.12.2019
Das sehe ich auch so, Gabriele! Ich habe hier auch Kommentare gelesen, die positive Erfahrungen enthielten.

Klar, die meisten Kommentatoren haben, so wie ich auch, negative Erfahrungen gemacht. Daran kann man sehen, dass es keine Einzelfälle sind.

Und wegen der Aufteilung Verschickungskinder - Kurkinder: Es gab eben bis 1990 verschiedene Verantwortliche, die die Verschickung organisiert, angeordnet und durchgeführt haben. Von daher, sollte man hier schon unterscheiden.
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Ingrid Landwehr schrieb am 20.12.2019
Liebe Manuela, auch ich war 6 Wochen auf Langeoog allerdings 3 Jahre nach dir.
Im Gegensatz zu dir bin ich durch diese Kur schon traumatisiert u. beabsichtige eine entsprechende Therapie zu machen.
Meine Frage an Dich: hast Du irgendwelche Fotos, Postkarten, Namen oder ähnliches? Würden mir zwecks Verarbeitung sehr dienlich sein.
Würde mich freuen von dir zu hören!
LG Ingrid
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Sabrina schrieb am 20.12.2019
Ich bin Anja Röhl mehr als dankbar für diese Möglichkeit, mich endlich mitteilen zu können und mit anderen Betroffenen in Kontakt treten zu können. Überhaupt zu erfahren, dass man eben nicht als Einzige diese Erfahrung machen musste oder sie sich womöglich nur eingebildet hat.
Mag sein, dass mich das Gelesene und meine Erinnerungen an diese Zeit , die jetzt natürlich geballt wieder zurück kommen, etwas dünnhäutig machen..
Ich bin froh hier eine von vielen zu sein und nicht länger mit meiner Geschichte allein da zu stehen. Auf der Seite der DDR Kurkinder bin ich gerade die Einzige... DAS war der Grund meines Kommentars. Um den link ging es mir nicht.
Falls ich mich im "Ton" vergriffen habe, möchte ich mich dafür entschuldigen.
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Anna schrieb am 19.12.2019
Nachdem ich als selbst betroffenes Kind hier geschrieben habe und meine Erfahrungen mit anderen geteilt habe, lese ich immer wieder von Zeit zu Zeit. Zum einen möchte ich Anja Roehl danken, dass sie diesen Link eingerichtet hat. Zum anderen möchte ich allen sagen, dass wir von Nazis so misshandelt wurden. Frauen, die ihre Machtfantasien an uns ungehindert ausleben konnten. Es waren Nazis - nichts anderes, lebenswert oder lebensunwert saß so tief in den Köpfen dieser Tanten-Monster, null Respekt, null Achtung vor schwachen Kindern, obwohl wir ja klein und relativ artig waren. Eine Kleinigkeit konnte diese Monster total ausrasten lassen. Nach diesem Schlüsselerlebnis der Aufdeckung via ‚Report’ ist mir endlich klar, warum ich Nazis abgrundtief hasse und es mich nach wie vor schockiert, wie lange diese Heime existiert haben und wie wenig Aufarbeitung bis ins 21. Jahrhundert hinein stattgefunden hat, von staatlichen Stellen. Diese Verachtung ist ungeheuerlich.
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Gerald Frühsorge schrieb am 18.12.2019
Mein Name ist Gerald Frühsorge. Ich bin 1959 auf die Welt geschickt worden. Meine Kindheit verbrachte ich in einem kleinen Dorf nahe Dessau. Dort, wo das Land so eben wie ein Bügelbrett ist. Und wo die Luft damals so dick war wie der Nebel in Südengland. Umweltverschmutzung in höchsten Grade. Im Industriedreieck der DDR. Bitterfeld war nicht weit.
Im Jahr 1967, es waren meine ersten Sommerferien, schickte mich meine alleinerziehende Mutter in das Kinderkurheim Schloss Kröchlendorf. Kinderstrafvollzugsanstalt wäre eine treffender Bezeichnung. Es war mein erster Ausflug in die Ferne. Vier Wochen sollte ich hier sein. Als die vorbei waren wußte ich, es war eine Reise um das Gruseln zu lernen. Das, was ich in diesen vier Wochen erlebt und erduldet hatte, möchte ich erstmals nach außen tragen. Seit meinem Aufenthalt dort sind mehr als 52 Jahre vergangen. An Vieles kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß weder Namen von Erzieherinnen (Wachpersonal), noch von anderen Kindern. Nur ein Name ist mir in Erinnerung geblieben. Konrad. Er war so alt wie ich und in meiner Gruppe. Wir trafen uns 1969 zufällig im Theater in Wolfen.
Wir Kinder sind mit dem Bus nach Kröchlendorf gefahren worden. Bei der Ankunft wurde uns das Taschengeld abgenommen. Nicht jeder hatte welches. 10 MDN hatte meine Mutter mir mitgegeben. Weiß nicht wofür es verwendet wurde.
Vom ersten Augenblick an war mir bewußt, daß es hier ganz anders sein wird als in meiner kleinen Welt, die ich bis dahin kannte. Es herrschte ein rüder Ton. Einschüchternd. Die Erzieherinnen haben klargestellt wie das hier ablaufen sollte.
Die Erinnerungen und die bösen Erfahrungen, die ich in dieser Zeit machte, sind absolut authentisch. Sie sind immer dieselben geblieben, haben sich im laufe der Jahre nicht verändert. Haben sich eingebrannt.
Zu den Malzeiten ging es besonders drakonisch zu. Vor der Essenausgage mußten wir in einer schmerzhaften Zwangshaltung am Tisch sitzen. Die Arme über die, für Kinder im Alter von sieben Jahren, viel zu hohen Stuhllehnen nach hinten über die oberste Sprosse gelegt. Das Essen war nicht kindgerecht. Erbrechen war an der Tagesordnung. Nachts habe ich oft gesehen, daß das Treppenhaus von Erbrochenem bedeckt war. Und die Kinder dazu. Mit Eimern und Wischlappen. Ich war auch dabei.
Kaum vorstellbar, für den der das nicht selbst erlebt hat , davon möchte ich nun erzählen. Während des Essens mußte ich mich übergeben. Ich erbrach mein Essen auf Tisch und Teller. Eine Erzieherin kam und zwang mich unter Androhung von Strafe mein Erbrochenes aufzulöffeln.
Solange, bis ich weinend zusammengesunken war.
Wir Konnten unsere Kleidung nicht selbst aussuchen. Der Kleiderschrank war verschlossen. Die Sachen, die wir anziehen sollten, legten die Erzieherinen heraus. Ich hatte zwei kurze Schlafanzüge im Gepäck. Eines Morgens lag einer davon auf meinem Bett. Samt Unterwäsche und Strümpfen. Das ist doch Nachtwäsche sagte ich. Es half nichts. Zwei Wochen lang bin ich tagsüber in meinen Schlafanzügen herumgelaufen. Guck mal, da ist wieder der Junge im Schlafanzug. Nicht nur einmal hatte ich das gehört. Habe mich so geschämt.
Einmal in der Woche war Schreibtag. Ich glaube am Montag. Die Post, die wir verschicken wollten, wurde auf den Inhalt hin kontrolliert. Nicht selten standen die Inhalte der Zensur nicht stand. Nocheinmal." Das Wetter ist schön. Das Essen schmeckt. Ich fühle mich hier wohl".
Dann ging die Post ab.
Die Gruppen, die zusammengestellt wurden, bestanden aus Kindern verschiedenen Alters. 6 bis 9 jährige. Ohne weiteres nachdenken für jeden nachvollziehbar, was das für die Schwächsten einer Gruppe bedeutete. Zusätzliche Schikane, Drangsalierung und Gewaltanwendung.
Nur eine Erzieherin, noch sehr jung, ist mir in guter Erinnerung geblieben. Sie war sehr liebevoll. Auf einem meiner zwei Fotos aus dieser Zeit ist sie zu sehen.
Viele Erinnerungen sind mir nicht geblieben. Ein paar kleine Begebenheiten nur.
Bis heute weiß ich nicht, warum meine Mutter mich nach Kröchlendorf geschickt hatte.
Auf diese Frage habe ich keine Antwort bekommen. Unverständlich für mich auch, daß sie meinen Erzählungen offensichtlich keinen Glauben geschenkt hat. Sie hat sich nie die Zeit genommen mehr darüber zu erfahren.
Ich wünsche mir, daß jeder, der die Kommentare der Kurkinder liest und ähnliche Erfahrungen gemacht hat, sich die Zeit nimmt und an dieser Stelle sich mitteilt.
Hier geht es nicht "nur" um die Aufarbeitung und Benennung des Unrechts das uns widerfahren ist. Es geht immer darum, den Schutz der schwächsten in unserer Gesellschaft sicherzustellen. Es geht um unsere Zukunft. Unsere Kinder. Ihre Rechte müssen respektiert und durchgesetzt werden.
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Janin Zielonka schrieb am 18.12.2019
Als kleines Mädchen litt ich unter starkem Bronchial-Asthma und kam deshalb im Frühjahr 1961 als Verschickungskind für 6 Wochen nach Dunen an der Nordsee. Ich war 7 Jahre alt und Schülerin einer ersten Klasse.

Dort herrschte ein rauer Umgangston, selbst am Ende der 6 Wochen kannten die Betreuerinnen meinen Namen noch nicht, wie viele andere Kinder wurde ich entweder mit „Du da“ oder – persönlicher - „Heh, die mit den Zöpfen“ angesprochen.

Wir schliefen in einem großen Gemeinschaftsraum mit ungefähr 25 Kindern, und sobald das Licht gelöscht war, durfte niemand von uns einen Mucks machen oder auf die Toilette gehen. Wer doch sprach, wurde bestraft, indem das Kuscheltier für diese Nacht weggenommen wurde. Als ich einmal weinte und dabei ertappt wurde, musste ich eine Stunde im Nachthemd neben dem Bett stehen, Noch schlimmer ging es den Kindern, die einnässten, denn diese wurden am nächsten Morgen gezwungen, ihre Bettlaken in kaltem Wasser zu waschen.

Glücklicherweise habe ich nicht eingenässt. Da wir jedoch nur zu bestimmten Zeiten auf die Toilette gehen durften, habe ich einmal bei einem Strandspaziergang in den Sand gemacht und wurde dabei erwischt.
Daraufhin wurde mein Anorak in mein großes Geschäft gedrückt, mit dem Kot beschmiert, und dann musste ich diesen zunächst wieder anziehen und später ebenfalls mit kaltem Wasser säubern.

Zum Frühstück, das wir ebenfalls schweigend verbringen mussten, bekamen wir stets Hafergrütze, Graubrot und Marmelade, während die mit uns am Tisch sitzenden Erzieherinnen Brötchen, ein gekochtes Ei und vielseitigen Aufschnitt verzehrten. Vom Brot durften wir uns erst nehmen, wenn der Teller Hafergrütze leergegessen war. (Sie schmeckte abscheulich Wenn eine von uns redete, durfte sie nicht weiteressen und musste die restliche Frühstückszeit hinter ihrem Stuhl stehend verbringen.

Alle Strafmaßnahmen wurden von lauten herabsetzenden und verletzenden Kommentaren der Erzieherinnen begleitet, und alle anderen Kinder wurden dazu angehalten, dem ausgeschimpften Kind die Ätsch- Geste zu zeigen und es wegen seines Fehlverhaltens auszugrenzen.



Einmal gab es für uns doch ein Frühstücksei, nämlich am Ostersonntag. Meins war geplatzt und ausgekocht, und eine der Erzieherinnen verhöhnte mich vor allen anderen:“ Guckt mal, ein hohles Ei für eine hohle Nuss!“, lautes Gelächter von allen Seiten.

Was wir unseren Eltern schrieben, wurde vorgegeben. Immerhin durften wir zwischen einigen Sätzen wählen, wohl, damit nicht 50 Kinder dasselbe schrieben.

Wenn wir Post bekamen, so wurden wir darüber beim Mittagessen informiert, bekamen die Briefe und Karten aber erst am nächsten Tag, sofern wir uns folgsam und angepasst verhalten hatten. Wenn nicht, wurde auch dies öffentlich gemacht und die Postausgabe verweigert, bis wir das erwartete Verhalten an den Tag gelegt hatten.

Viel habe ich vergessen, bestimmt auch so einiges verdrängt, einiges fällt mir bestimmt in der nächsten Zeit noch wieder ein, dann werde ich meinen Bericht vervollständigen. Für heute reicht es.

Als kleines Mädchen litt ich unter starkem Bronchial-Asthma und kam deshalb im Frühjahr 1961 als Verschickungskind für 6 Wochen nach Dunen an der Nordsee. Ich war 7 Jahre alt und Schülerin einer ersten Klasse.

Dort herrschte ein rauer Umgangston, selbst am Ende der 6 Wochen kannten die Betreuerinnen meinen Namen noch nicht, wie viele andere Kinder wurde ich entweder mit „Du da“ oder – persönlicher - „Heh, die mit den Zöpfen“ angesprochen.

Wir schliefen in einem großen Gemeinschaftsraum mit ungefähr 25 Kindern, und sobald das Licht gelöscht war, durfte niemand von uns einen Mucks machen oder auf die Toilette gehen. Wer doch sprach, wurde bestraft, indem das Kuscheltier für diese Nacht weggenommen wurde. Als ich einmal weinte und dabei ertappt wurde, musste ich eine Stunde im Nachthemd neben dem Bett stehen, Noch schlimmer ging es den Kindern, die einnässten, denn diese wurden am nächsten Morgen gezwungen, ihre Bettlaken in kaltem Wasser zu waschen.

Glücklicherweise habe ich nicht eingenässt. Da wir jedoch nur zu bestimmten Zeiten auf die Toilette gehen durften, habe ich einmal bei einem Strandspaziergang in den Sand gemacht und wurde dabei erwischt.
Daraufhin wurde mein Anorak in mein großes Geschäft gedrückt, mit dem Kot beschmiert, und dann musste ich diesen zunächst wieder anziehen und später ebenfalls mit kaltem Wasser säubern.

Zum Frühstück, das wir ebenfalls schweigend verbringen mussten, bekamen wir stets Hafergrütze, Graubrot und Marmelade, während die mit uns am Tisch sitzenden Erzieherinnen Brötchen, ein gekochtes Ei und vielseitigen Aufschnitt verzehrten. Vom Brot durften wir uns erst nehmen, wenn der Teller Hafergrütze leergegessen war. (Sie schmeckte abscheulich Wenn eine von uns redete, durfte sie nicht weiteressen und musste die restliche Frühstückszeit hinter ihrem Stuhl stehend verbringen.

Alle Strafmaßnahmen wurden von lauten herabsetzenden und verletzenden Kommentaren der Erzieherinnen begleitet, und alle anderen Kinder wurden dazu angehalten, dem ausgeschimpften Kind die Ätsch- Geste zu zeigen und es wegen seines Fehlverhaltens auszugrenzen.



Einmal gab es für uns doch ein Frühstücksei, nämlich am Ostersonntag. Meins war geplatzt und ausgekocht, und eine der Erzieherinnen verhöhnte mich vor allen anderen:“ Guckt mal, ein hohles Ei für eine hohle Nuss!“, lautes Gelächter von allen Seiten.

Was wir unseren Eltern schrieben, wurde vorgegeben. Immerhin durften wir zwischen einigen Sätzen wählen, wohl, damit nicht 50 Kinder dasselbe schrieben.

Wenn wir Post bekamen, so wurden wir darüber beim Mittagessen informiert, bekamen die Briefe und Karten aber erst am nächsten Tag, sofern wir uns folgsam und angepasst verhalten hatten. Wenn nicht, wurde auch dies öffentlich gemacht und die Postausgabe verweigert, bis wir das erwartete Verhalten an den Tag gelegt hatten.

Viel habe ich vergessen, bestimmt auch so einiges verdrängt, einiges fällt mir bestimmt in der nächsten Zeit noch wieder ein, dann werde ich meinen Bericht vervollständigen. Für heute reicht es.
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Jea schrieb am 18.12.2019
Ich war 1979 im Kinderkurheim "Frohe Zukunft" in Kröchlendorff im Alter von 9 Jahren. Ich leide heute noch unter den Folgen. Essenszwang, musste löffelweise Butter essen bis zum Erbrechen, habe täglich alle meine Hosentaschen mit Butter, Wurst, Brot vollgestopft und versucht es wieder loszuwerden. Bin ich erwischt worden, gab es harte Strafen. Große Schlafsäle, schwächere Kinder wurden gequält von den älteren, ich habe so viel geweint bis ich keine Tränen mehr hatte und war völlig verzweifelt, dass ich einen Brief an meine Mama geschrieben habe. Wurde kontrolliert und vernichtet, wieder harte Strafen, musste dann einen Brief nach Hause senden, der mir von einer Erzieherin diktiert wurde, das alles so toll ist und wie super es mir gefällt. Ich habe die Tage/Stunden/Minuten gezählt bis zur Entlassung. Niemand hat mir geholfen. Im Gegenteil, ich wurde in die Mitte des Raumes gestellt und die Erzieherinnen haben alle Kinder animiert mich als "alte Heulsuse" zu beschimpfen, solange bis ich aufgehört habe zu weinen. Das war psychische Gewalt/emotionaler Missbrauch. Ich hatte Suizidgedanken, weil ich dachte, ich komme nie wieder raus hier. Denn die Erzieherinnen haben damit gedroht "du darfst erst nach Hause, wenn du ... kg zugenommen hast". Und bei jedem Wiegen hatte ich immer mehr abgenommen. Hab fast jede Mahlzeit, die mir rein gestopft wurde erbrochen. Ich musste stundenlang am Tisch sitzen, bis der Teller leer war. Danach litt ich unter starken Ängsten, konnte nicht mal mehr auf Klassenfahrt, weil ich immer Angst hatte, habe seitdem einen ganz starken Ekel auf Butter und andere Lebensmittel, habe eine sehr starke Essstörung entwickelt, welche zur Anorexie führte, leide heute noch unter starken Verlustängsten, kann Menschen nur sehr schwer vertrauen. Wenn ich das hier von den anderen lese, fange ich an zu zittern und all die schlimmen Erinnerungen/Traumatisierungen sind wieder da. Es war kein Kindererholungsheim, es war ein Kinderknast!!! Meine eigenen Kinder, die aus gesundheitlichen Gründen auch zur Kur/Reha fahren mussten habe ich IMMER begleitet. Ich hatte immer Angst um sie. Das ganze ist jetzt 40 Jahre her, aber ich werde es niemals vergessen.
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Christel M. Ianuschewa-Strobelt schrieb am 17.12.2019
Ich möchte hier ausdrücklich darauf hinweisen, dass Anja Röhl eine Verlinkung www.verschickungsheime.org/ddr-kurkinder eingerichtet hat, auf der Betroffene Ost über ihre eigenen schmerzvollen Erlebnisse in DDR-Kinderkurheimen berichten können. Herzlichen Dank, liebe Anja, für diese Zusammenarbeit! Hier soll über eine gesamtdeutsche Geschichte berichtet werden, die in Ost und West Kinderseelen sehr verletzt hat. So hoffe ich sehr, dass es ein nächstes gemeinsames Treffen geben wird - vielleicht auf Schloss Kröchlendorff in der Uckermark.
Christel M. Ianuschewa-Strobelt, Berlin
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Jasmin schrieb am 17.12.2019
Ich freue mich immer, wenn ich davon höre, dass es auch Kinderkuren gab, die tatsächlich so waren, wie wir alle es uns gewünscht hätten.
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Monika Winter schrieb am 16.12.2019
Kann sich jemand erinnern, während der Kur geimpft worden zu sein?
Ich war in Westherbede und wurde dort beim Gesundheitsamt der Stadt Bochum geimpft. Den Impfpass habe ich noch. Das ist doch bei einer Kur von 6 Wochen unüblich, oder? Ich frage mich, ob ich nicht wesentlich länger dort war.

Ich kann mich nur an wenig erinnern, das Wenige aber mit fotografischem Gedächtnis, weil es so schlimm war. Kaum zu glauben, dass der Mensch solche Dinge nach knapp 60 Jahren noch vor sich sehen, hören und fühlen kann.
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Marion Eimers schrieb am 16.12.2019
Hallo zusammen,
Habe mit großem Interesse jetzt von dieser Initiative erfahren.
Ich bin fast 58 Jahre alt und als Kind dreimal verschickt worden, mit 4 nach Langeoog, mit 9 nach Oberstdorf und mit 11 Jahren nach Borkum. Namen, weder von Heimen noch Betreuern, kann ich nicht benennen.
Meine schlimmsten Erinnerungen habe ich an das Heim in Oberstdorf. Dort wurden Kinder geschlagen, wegen Nichtigkeiten, und auch gezwungen, Erbrochenes zu essen.
Ich fände es gut, wenn über die Hintergründe dieser Verschickung mehr heraus gefunden würde.
Was ging in den Eltern vor, die ihre Kinder teilweise so im Stich ließen und sich über ihre Gefühle hinwegsetzten ?
Die dritte Verschickung erfolgte klar gegen meinen Willen.
Liebe Grüße an alle Betroffenen
Marion
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Margot schrieb am 16.12.2019
Hallo,
ich habe erst vor ein paar Tagen erfahren das sich immer mehr Verschickungskinder melden.
Geboren 1954 war ich 1962 nach der Hamburger Sturmflut verschickt. Ich bin auf der Veddel
ein Flut Kind gewesen. Meine Mutter, heute 88 Jahre erinnert sich, das ich sehr schlank war.
Ich bin mit sehr warmer Garderobe im Frühjahr nach Glücksburg gekommen. Sammelpunkt
war die Veddeler Schule Slomannstieg. Das heißt, es müssten viel mehr Kinder aus der
Umgebung mit mir 4 Wochen weggefahren sein. Diese Kur habe ich bis heute nicht vergessen.
Schleimsuppen und Graupen-Eintöpfe habe ich und andere ausgekotzt. Durften erst aufstehen
wenn der Kotzteller leer war. Ich war wohl mit die Jüngste und Kleinste und hatte viel Heimweh.
Wenn man geweint hat wurde man ins Bett gesteckt. Stundenlang musste ich am Tag darin liegen
und durfte nicht aufstehen. Immer öfter bekam ich dünneres und fremdes Zeug an, so dass ich
viel gefroren habe. Ich konnte schon schreiben und hatte von zu Hause frankierte Umschläge
mitbekommen. Die Briefe sind nie bei meinen Eltern angekommen. Mir viel jetzt auch wieder der
Name meiner Betreuerin ein, sie hieß Frl. Gertrud. Ich sehe im Gedanken auch noch das Haus vor
mir. Ein schöner alter Park am Hang mit einem Gutsherrenhaus. Von der Straße aus konnte man
die Flensburger Förde sehen. Eine positive Erinnerung ist, das es ein Japanisches Fest gab und wir
aus Tapetenreste und Kleister japanische Schirme gebastelt haben.
Nach vier Wochen bin ich total abgemagert und blass nach Hause gekommen. Meine komplette
Garderobe war weg, hatte nur alte Lumpen an. Meine alte Dame weiß noch, das ich tagelang
Zuhause nicht gesprochen habe, zusammen gezuckt bin beim kleinsten Geräusch und viel geweint
habe. Die späteren Klassenreisen waren für mich echt schlimm und bis heute denke ich an die
schlechte Zeit zurück. Ich möchte anderen Betroffenen Mut machen, sich das Erlebte mal von
der Seele zu schreiben. Das tat mir jetzt gut, mit meinen 65 Jahren.



Mit freundlichen Grüßen,

die Veddeler Deern

Margot Pohl, geb. Gebauer
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Jens-Uwe Nickel schrieb am 16.12.2019
Natürlich ist das eine unhaltbare Sache, wie speziell in Wyk auf Föhr und auf Sylt Kinder „behandelt“ worden sind und muss als verwerflich eingestuft werden. Aber - es gibt auch andere Erfahrungen! Meine vier Geschwister und ich sind von 1952 bis 1958 alle zwei Jahre für jeweils sechs Wochen im Rahmen eben jener Kinderverschickung von Hildesheim aus in das alte, sehr große und fürsorglich gestaltete Fachwerkgebäude „Hildesheimer Haus“ in Buntenbock im Harz verschickt worden – das es heute noch gibt, aber als Hotel…. Wir haben jedes Mal die Zeit dort sowohl vom Ambiente her als auch, und das im Besonderen, durch zahlreiche und überaus liebevolle Betreuerinnen genießen können. Wir mussten sie nicht mit „Tante“ ansprechen, sondern jede von ihnen wurde mit ihrem Eigennamen gerufen. Auch die Verpflegung war für uns wahrlich nicht verwöhnte Nachkriegskinder ein Genuss und sie war stets reichlich bemessen! Und die Freizeitgestaltung war umfangreich und vielfältig. Kurzum: Wir haben uns dort jeden Sommer sauwohl gefühlt – und uns gut erholt, was ja Sinn der Sache war…
Jens-Uwe Nickel, Schafstedt
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Lotte schrieb am 16.12.2019
Im September 1956 wurde ich als 4 jährige nach Bad Sassendorf zur Kur geschickt. Nach meinen Recherchen war es die Kinderheilanstalt des Diakonischen Werks der evangelischen Kirche. Ich habe ausschließlich schlechte Erinnerungen an diese Zeit. Viele Eindrücke die von anderen Verschickungskindern geschildert worden sind, kann ich bestätigen. Ich sehe mich in einem großen Speisesaal am Tisch sitzen. Vor mir befindet sich eine Scheibe Brot, belegt mit einer in Scheiben geschnittenen Banane, was für mich kein richtiges Essen war. Wenn wir abends im Bett lagen, ging eine der Betreuerinnen mit einem nassen Waschlappen von Bett zu Bett und jeder bekam einen Schlag ins Gesicht, unabhängig davon, ob er tagsüber „etwas gemacht“ hatte. Eines der Kinder, sie musste die jüngste gewesen sein, wurde besonders schikaniert. Dadurch waren wir alle eingeschüchtert und verhielten uns möglichst unauffällig. Auch ich habe Päckchen meiner Eltern nicht bekommen, weil die Sachen angeblich unter allen Kindern verteilt worden sein sollen. Das konnte nicht stimmen, denn bei uns kam nichts an. Ich habe noch das Gruppenfoto. Darauf lächeln nur die drei Betreuerinnen, keines der fast 30 Kinder hat ein Lächeln im Gesicht.
1959 war ich noch in Bad Dürrheim. Das Gruppenfoto wurde vor dem DRK-Haus Hohenbaden gemacht. Die Kinder lächeln darauf. Ich habe aber keinerlei Erinnerung an den Aufenthalt.
Meine Erzählungen zuhause haben dazu geführt, dass der Hausarzt von einer dritten Kur abgeraten hat und sich meine Schwester erfolgreich gegen eine Kur wehren konnte.
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Jasmin schrieb am 16.12.2019
Ich war vor meiner Einschulung als 5-jährige 1967/1968 von Hamburg aus nach Winsen/Luhe verschickt worden. Vorher war ich mit meiner Mutter schicke Sachen für mich einkaufen, wir hatten eine Liste, was einzukaufen war und ich bekam auch einen hübschen roten Mantel mit einem schwarzen Samtkragen. In all meine Wäsche musste meine Mutter meinen Namen einnähen, bevor alles in den Koffer kam. Das fand ich sehr aufregend.
Ich wurde zu einem "Jasper-Reisen"-Bus gebracht und in meiner Erinnerung hatte die Reise "tagelang" gedauert (erst viele Jahre später stellte ich fest, dass Winsen quasi ein Vorort von Hamburg war).
Ich habe weder an die Örtlichkeit noch den Namen des Heimes eine Erinnerung. Ich kam dort an, musste meinen Koffer selbst auspacken und hatte direkt den ersten Ärger, weil ich dazu wohl zu dumm war. Sagte eine Tante. Der Schrank war so eine Art Spind in einem riesigen Schlafsaal mit weißen Metallbetten. Dort wurde mir ein Bett zugeteilt. Meinen Teddy Brummi durfte ich nicht behalten. Er blieb im Koffer...
Alle Tanten trugen weiße Kittel oder weiße Schürzen. Ich kann mich an keine Wärme oder Freundlichkeit erinnern.
Ich hatte immer Angst. Schroffer Ton. Aufessen müssen. Schlechtes Essen. Weinende Kinder. Bestrafungen: allein im Waschraum sitzen, Erbrochenes aufessen, vollepinkelte Schlüpfer den ganzen Tag als Mütze tragen und ausgelacht werden, Hände in weißen Handschuhen ans Bett gebunden, nicht zur Toilette dürfen, bitteren roten Tee (zuhause war Malventee nie bitter !) trinken müssen, in einem Raum allein eingesperrt sein. Und so vieles schreckliches mehr.
Ich begann ins Bett und in die Hose zu machen. Ich fing an, Fingernägel zu kauen und mir wurde so eine bittere Lösung auf die Finger gestrichen (nachdem mir auf die ausgestreckten Finger gehauen wurde) und meine Hände wurden nachts und beim Mittagsschlaf in Handschuhe gesteckt und festgebunden mit hellen Lederriemchen.
Während der Ruhezeiten durfte nicht "geschwatzt" oder geweint werden (weinen gab immer Ärger. Auch außerhalb der Ruhezeit). Wer dagegen verstieß, musste aufstehen und im Waschraum sitzen oder im Schalfsaal an der Tür "gerade"(!) stehen.
Im Waschraum war es immer feucht und kalt. Ich wusste nichts mit meinen 2 Waschlappen anzufangen, da ich zuhause duschte und badete und keinen benutzte. Auch mit der Erklärung, "einer für oben und einer für unten" konnte ich nichts anfangen. Ich wurde wieder als ein bisschen blöde betitelt.... Die Tante zeigte es mir dann. Das würde heute sexuelle Nötigung genannt und ich habe mich sehr geschämt. Wehgetan hat es auch!
Im Speisesaal gab es ein Aquarium. Davor stand ich gern und "beamte" mich weg. Solange, bis mich eine Tante verscheuchte (Aquarien beruhigen mich noch immer).
Es gab wöchentlich eine ärztliche Untersuchung und ich erinnere mich, dass ich immer sehr gefroren hatte, nur mit der Unterhose bekleidet. Ich wurde gewogen und abgehört und das Horchhorch (so nannte mein Kinderarzt in Hamburg das Stethoskop, das bei ihm immer angenehm warm war) war furchtbar kalt an meinem Körper.
An den Arzt habe ich keine Erinnerung, nur sein bekittelter Rücken, am Schreibtisch sitzend.
Nach 6 Wochen, glaube ich, ging es nachhause und es wurde nicht mehr darüber gesprochen. Meine neuen schlechten Angewohnheiten (Bettnässen, in die Hose machen, Fingernägel kauen, Quarkspeise und diverse Suppen verweigern) kamen indes nicht gut an...
(In der Grundschule hatte ich viele Fehlzeiten wegen wiederholter unerklärbarer schwerer Nierenentzündungen)
Kurz danach erkrankte ich an Keuchhusten und musste zur Rekonvaleszens in ein Heim in Wyk auf Föhr. Dieser Aufenthalt war kürzer und ich habe fast überhaupt keine Erinnerungen daran. Was mir in furchtbarster Erinnerung blieb, ist die Klimakammer oder Druckkammer, in der ich regelmäßig (täglich?) sitzen musste: ein kleines stählernes U-Boot im Keller mit einer Holzbank, Neonlicht und einer dicken Stahltür mit einem winzigen Bullauge, die mit einem Drehrad verschlossen wurde. Mit mir saßen noch 1 oder 2 Kinder auf der Bank. Wir haben uns niemals angekuckt oder miteinander gesprochen, manchmal haben wir vor Angst geweint.
Heute bin ich psychosomatisch erkrankt, kann Gefühle und Stimmungen schwer regeln, gehe seltenstmöglich zur Toilette, habe Platzangst und soziale Phobien. Seit 2007 bin ich in Erwerbsminderungsrente und schwerbehindert. Ich suche aktuell nach einer Traumatherapeutin.
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Manuela schrieb am 15.12.2019
Ich dachte lange, ich habe mir das als Kind alles nur eingebildet, aber was ich hier so lese, bestätigt meine Erinnerungen.
Ich (Bj 1957) war ca. 1964 oder 1965 auch "verschickt" worden, weil ich so mickrig war. Muss nach der ersten Klasse gewesen sein, ich konnte schon etwas schreiben.
Ich kam nach Langeoog und war dort 3 Wochen lang sehr unglücklich.

Meine (bruchstückhaften) Erinnerungen:

- wir mussten um 19 Uhr im Bett sein (grosser Saal). Vom Fenster aus sahen wir andere Kinder, die noch draussen waren und spielten.

- wer später noch geredet hatte, musste eine Zeitlang im Flur stehen. Mit dem Gesicht zur Wand, Bettdecke um die Schultern.

- einmal war ich "frech" und musste in ein Zimmer mit Spielzeug gehen, dort saß ein großer Schäferhund. Ich liebe Hunde, aber war damals ein Jahr vorher von einem Schäferhund ins Gesicht gebissen worden und schlotterte vor Angst. Das ging mehrere Stunden.

- das Essen war teilweise eklig. Ich musste zuhause zwar alles probieren, aber was ich nicht mochte, brauchte ich auch nicht zu essen. Gab es halt ein Brot.
Dort sass ich stundenlang vor einem Teller mit flüssiger Grützwurst (die ich hasste), die wurden mit einer grossen Kelle und Schmatzer in tiefe Teller gefüllt und ich hatte fast gekotzt.

Sehr unbeliebt war auch rosa Milchsuppe mit Mehlklüten drin. Die hab ich nicht runterbekommen. Nach einigen Stunden hab ich sie in einen grossen Pflanzentopf geschüttet. Was mir neue Strafen einbrachte.

- wir mussten einen kleinen Brief an unsere Eltern schreiben. Der Text wurde uns vorgegeben.
Wir waren 7 Jahre alt !
Also brav abschreiben: Liebe Mami und Papi, mir geht es hier sehr gut. Ich habe viele Freunde gefunden und alle sind sehr nett.

- Besuche der Eltern waren nicht erlaubt (kein Wunder - danach wäre die "Einrichtung wohl leer gewesen).

Ich habe das alles relativ gut überstanden, weil ich ziemlich stark bin und vieles mit meinem Humor rette.
Aber jetzt im Nachhinein wundere ich mich immer noch, dass ich bei mir keine grössere Macke nachgeblieben ist .....
Meine (jetzt 83jährige ) Mutter meint übrigens, das habe ich mir wohl nur eingebildet, weil ich immer schon sehr viel Phantasie hatte. Diskutieren zwecklos.

Danke für dieses Forum und dass man sich hier mitteilen kann !
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Wilfried schrieb am 15.12.2019
Es tut mir gut zu hören, dass ich mit den mich stark beeinflusst habenden traumatischen Erlebnissen nicht alleine bin, denn bisher erschienen die Auswirkungen, trotz aller Aufarbeitung, doch noch mit einem Rest persönlichem Versagens behaftet zu sein.
1956 oder 57 wurde ich, geb1951, nach Wangerooge verschickt. Meine alleinerziehende Mutter wollte es eigentlich nicht, doch wurde vom Jugendamt Druck ausgeübt. Es gab keinen Grund für diese Maßnahme. Mir ging es gut und ich war gesund. Das spätherbstliche ,stürmische und regnerische Wetter verstärkte das Einsamkeitsgefühl noch und alles erschien dunkel und trostlos. Die ganze Stimmung auf der Insel machte mir Angst. Ich war der Jüngste und Kleinste in der Gruppe. Ich erinnere mich außer an Wanderungen an keinerlei Aktivitäten, - nicht eine positive Erinnerung an diese sechs Wochen. Die langen Spaziergänge, ich hatte jedesmal schon Angst wenn wir uns dazu anziehen mussten, waren eine einzige Überforderung. Dies brachte mich neben dem ständigen Heimweh oft zum Weinen, was wiederum einen wesentlich älteren Jungen in der Gruppe dazu anregte mich ständig zu hänseln. und zu pisaken. Außer zu einem ebenfalls älteren Jungen hatte ich keine freundschaftlichen Beziehungen. Von den Betreuern bekam ich keinerlei Unterstützung, musste aber oft lange nachts alleine im Flur stehen, da mein Weinen als störend empfunden wurde.
Eines Abends übergab ich mich plötzlich beim Essen. Ich weiß nur noch, das ich vom Tisch weggezerrt wurde. Irgendwann wachte ich in einem Bett auf. Es war in der Krankenstation, wo ich bis zur Abreise blieb, da sich mein Zustand nicht besserte. Meine Krankheit stellte sich dann als Hepathitis B heraus.
Als völlig fröhliches Kind abgereist, kam ich schwer krank, ich litt noch lange Zeit unter den Folgen und konnte nur bestimmte Kost essen, völlig verstört und in mich gekehrt zurück. Mein Selbstbewusstsein hatte stark gelitten und als die Einschulung kam fiel es mir schwer zu den unbekannten Kindern Kontakt aufzunehmen.
Mir ist schon vor vielen Jahrenn klar geworden, dass diese Zeit stark bestimmend für meine Entwicklung und meinen weiteren Lebensweg war. Ich habe versucht mit Unterstützung die entstandenen Traumata aufzuarbeiten. In vielen Dingen ist es mir gelungen, doch gibt es immer wieder Momente, in denen damals entstandene Muster mich wieder beherrschen würden, wenn ich nicht bewusst mich dagegen wehre.
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Ingrid schrieb am 15.12.2019
Ich bin heute (15.12.) über einen Bericht von focus-online zu diesem Forum gekommen und habe den Fragebogen eben ausgefüllt.

Ich war in vor meiner Schulzeit verschickt, in ein "Erholungsheim", ja von wem? Ich muss 5 Jahre alt gewesen sein, bin Jahrgang 1955. Ich hatte davor Masern mit einem ganz heftigen Verlauf. Danach empfahl die Kinderärztin eine Verschickung zur Erhohlung. Und meine Eltern haben mich "verschickt".
Irgendwo in den Schwarzwald, ich meine der Ort hieß Wieden. Ich habe jetzt aber ein Haus im Internet gesehen, dass bei mir Erinnerungen weckt. Es war ein dunkles altes, sehr kaltes Haus. Alles war dort laut, Gebrüll - und mein Heimweh brachte mich fast um. Ich habe so viel geweint. Daran kann ich mich erinnern, an einige ganz schreckliche Wanderungen durch ganz dunklen Wald und immer wieder das Geschrei.

Mit dem Wissen von heute weiß ich, dass ich den Tanten entging, weil ich vollkommen dem arischen Mädchen entsprach - sehr blond, blauäugig. Nur meine "Empfindlichkeit" entsprach nicht dem deutschen Mädel. Deshalb haben sie nach 3 Wochen meine Eltern verständigt, dass sie mich abholen sollen. Ich hatte abgenommen, kam als Gerippe nach Hause.

Ich muss jetzt eure Schilderungen wirken lassen und auch hoffen, dass noch etwas Erinnerung einsetzt. Keine Erinnerung ist meist Zeichen für eine Traumatisierung ... Ich habe nur Erinnerungen an Gefühle.
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Detlef schrieb am 15.12.2019
Hallo, als ich heute morgen beim Bäcker meine Sonntagsbrötchen gekauft habe, fiel mein Blick auf eine Zeitung mit der Überschrift " Albtraum im Nordsee Urlaub, wie Verschickungs-Kinder " über Jahrzehnte in Heimen gequält wurden. Ich habe mit Tränen in den Augen den Bericht von Herrn Peter Krausse gelesen. Geboren 1959 wurde ich in den sechziger Jahren auch mehrfach "verschickt". Zwei für mich einschneidende Erlebnisse, es muß so ca. 1967 gewesen sein, spielten sich in einem Heim, ich glaube der Ort hieß Lemsahl, bei Hamburg ab. Zum Abendessen gab es Käse, der Geruch erzeugte bei mir Übelkeit und ich mochte nichts essen, wurde jedoch von der "Tante" und unter dem Gelächter der anderen Kinder dazu gezwungen. Irgendwann habe ich mich dann übergeben. Ich habe seitdem in meinem ganzen Leben nie wieder Käse gegessen. In der folgenden Nacht hat mir nun ein anderes Kind meinen Teddy weggenommen, welchen ich mir dann wiedergeholt habe. Ich weiß nicht ob es Abgesprochen war, jedoch ist in dem Moment die Zimmertür aufgegangen und eine der "Tanten" hat mich im Zimmer stehend vorgefunden. Ich wurde nun, nur mit einem Schlafanzug bekleidet, wieder in den großen Speisesaal geführt und musste dort die ganze Nacht im dunkeln auf einem Holzstuhl sitzend verbringen. Ich weiß noch wie bitterlich ich geweint habe und einfach nur nach Haus wollte. Postkarten welche ich geschrieben habe durften keinen Inhalt zu diesen Vorkommnissen haben.
Auch in einem Heim auf Wyk auf Föhr, in welchem ich irgendwann in den sechziger Jahren für einige Wochen zur Verschickung war, herrschten bezüglich Post an die Eltern die selben Regeln. Es wurden zum Heim, der Leitung, der Unterbringung, dem Essen usw. nur positive Kommentare zugelassen.

Es ist über fünfzig Jahre her, aber diese Erinnerungen sind Narben auf der Seele......

Detlef Tamm
Halstenbek bei Hamburg.
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Olaf schrieb am 15.12.2019
Ich war 1973 im Winter in St. Peter Ording, für 6 Wochen verschickt. Ich erinnere mich an Einschüchterung, Druck etc. Ich musste alleine in dem dunklen Speisesaal sitzen und so lange dort bleiben, bis ich den Milchreis aufgegessen hatte. Seit dem habe ich nie wieder Milchreis gegessen, und der Gedanke, Geruch erzeugt noch heute ein übelkeits Gefühl.
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Boris schrieb am 15.12.2019
Ich war als 9jähriger etwa 1977 mit meiner kleinen Schwester nach Norderney geschickt worden, ich meine, die Einrichtung hieß Kinderkurheim Upsala. Die Berichte hier kann ich auch für diese Einrichtung nur bestätigen: wir durften nur Positives schreiben (die Post wurde explizit zensiert). Dass ich unglaublich Heimweh hatte, durfte darin ebensowenig auftauchen wie die handgreifliche Nachtwache. Wer nachts (oder während der zwangsweisen Mittagspause) den Schlafsaal in Richtung Toiletten verlassen wollte, musste das ganz leise und heimlich tun, andernfalls, wenn er erwischt wurde, gab es Schläge aufs Gesäß, ebenso wenn man nach angeordneter Bettruhe noch mit offenen Augen im Bett lag. Vollständiges Aufessen und kleine Hänseleien gehörten trotz „moderner“ Erzieher selbstverständlich mit dazu. Meine Oma schrieb immer noch teilweise in Sütterlin, was die meisten Erzieherinnen aber nicht lesen konnten. Aus „Boris“ wurde dann schnell „Loris“, auch mein Nachname beginnt mit „B“, was damit quittiert wurde, dass es so ein Kind ja nicht gebe. Meine Widerworte, das sei ein (Sütterlin-)“B“ und kein „L“, machten es nur noch schlimmer. Mir wurde Postentzug angedroht: ich (als Kind) solle gefälligst dafür sorgen, dass meine Oma leserlich schreibe! Sonst bekomme ich eben gar keine Briefe mehr. Neben der nächtlichen Angst vor Schläge und dem Heimweh kam dann auch noch die Angst, keine Briefe mehr von zu Hause zu bekommen. Insgesamt kann ich nur unterstreichen, dass es schreckliche sechs Wochen waren, die mich seither begleiten. Es tut gut zu erfahren, dass ich damit nicht allein bin. danke für diese Website!
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Mara schrieb am 15.12.2019
Wie stark das Trauma ist bemerke ich immer wieder erneut bei mir Jahrgang 1960....
Ich war immer ein sehr dünnes Mädchen ,sehr blass und zudem noch lange rote Haare
In dieser Kombination wurde ich bereits im Kindesalter mit ablehnenden Verhalten/Verboten Ungerechtigkeiten konfrontiert

1969 Frühjahr in Kellenhusen zur Kur
Es gab Milchsuppe mit Nudeln wo sich schon Haut darauf gebildet hatte
Es war schon für mich ganz schrecklich dies als Essen anzusehen aber wir mußten solange sitzen bleiben bis wir auf gegessen haben
Ich hatte inständig darum gebeten die Haut entfernen zu dürfen was mir versagt wurde
Ich saß allein im Raum während alle anderen bereits im Schlafraum waren und habe mit Würgereiz den Pudding essen müssen während eine Betreuerin daneben stand
Ergebnis ...
Ich habe mich nach dem Essen so übergeben das ich bis Dato keine Milch trinke/ keinen Joghurt/Quark esse halt alle Milchprodukte meide
Am Badetag im Holzzuber wurde einem Mädchen das Wasser zu heiss eingelassen
Obwohl Sie dies mitteilte mußte Sie bis zum Schluß (30min)in dem Zuber bleiben
Ergebnis Verbrühungen 1 Grades am ganzen Körper und kam ins KH und ihre Eltern holten Sie später ab Ich weiß es noch wie heute da wir alle schnellstmöglich aus den Zubern mußten das Wasser abgelassen wurde und die Betreuer sich gegenseitig die Schuld zuwiesen
An einem Ausflugstag mußte ich noch schnell zum WC als ich zurückkam waren alle weg und ich als 9jährige allein in einem riesigem Haus Ich habe mich vor Angst hinter einem Schrank versteckt und bitterlich geweint Eine Küchenfrau entdeckte mich und tröstete mich sehr liebevoll bis zur Heimkehr der Gruppe
Für mich ein sehr prägendes Erlebnis ....das Gefühl alleingelassen zu werden hat mich sehr lange
begleitet

1971 im Albtal Haus Ballenberg zur Kur
Auch dort die Problematik des ...es wird aufgegessen oder ihr bleibt sitzen
Ich hatte einen Zitronenpudding mit Sahne und es ging einfach nicht
Ergebnis... Ich wurde gezwungen den Pudding zu essen und habe mich so sehr übergeben das ich noch 2 Tage im Bett bleiben mußte
Mittagsschlaf ob man müde war oder nicht wir mußten im Bett liegen obwohl es draußen so schön war
Für mich war es eine Kasernierung von Schutzbefohlenden die sich nicht wehren konnten

1972 mit dem DHW Hamburg nach Klingenberg
Mit meiner 1Jahr jüngeren Schwester zur Verschickung
Hier habe ich sehr intensiv erfahren was es heißt von den Betreuern abgelehnt zu werden
Meine Schwester war lieb und ich halt ein Wildfang ..und Geschwister streiten auch mal
Die Betreuerin hatte einen Sohn im gleichen Alter dabei der meine Schwester sosehr mochte das wann immer eine Kabbelei zwischen mir und meiner Schwester war er zu seiner Mutter lief
Ergebnis Boden schrubben,Küchendienst etc.für mich
Badetag am Strand
Ich war schon sehr isoliert von der Gruppe und dies wurde Tage vorher schon sehr forciert von den Betreuern Ich lag in der prallen Sonne kein Schutz /Sonnenschirm/Creme und so versuchte ich mich mit einem Handtuch zu schützen und legte mir dies ins Gesicht
Es kümmerte sich auch niemand darum wie schlecht es mir mittlerweile ging zumal auch kein Trinken vorhanden war
Ergebnis Hitzschlag 3 Tage lag ich im Bett und es ging mir hundeelend
Da wurde den Betreuern wohl etwas Bange und Sie bemühten sich mir gegenüber freundlich zu sein

Ich hätte nie gedacht das ich einmal so sehr von diesen negativen Erlebnissen geprägt sein würde und immer noch diese Wut in mir spüre
Heute selbst O-Mama und ehrenamtlich in der Kinder/Jugendarbeit tätig bin ich bis heute sehr engagiert wenn es darum geht Kinder zu schützen
Einmal mehr schauen / hinhören / hinterfragen kann nicht schaden
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Frank schrieb am 15.12.2019
Hallo Zusammen,
ich war ein Vorschulkind und war mit meinem jüngeren Bruder Ende der 60er Jahre in einem Heim Namnes "Haus Hanah" in Niederkleweetz in Schleswig Holstein. Wir Geschwister wurden sofort getrennt und in unterschiedlichen Gruppen verteilt. Wir haben uns nur auf dem Flur getroffen, wenn die einzelnen Gruppen nacheinander zum Waschraum gingen. Das lief so ab, dass man in einer Reihe ging, die rechte Hand auf die Schulter des Vordermans legen musste und ein Lied singen musste. Da habe ich dann meinen Bruder kurz gesehen.
Die Nahrungsaufnahme war heftig, man musste solange sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war, auch Sachen die man nicht mochte. Das Kinder sich auf den Teller erbrochen haben habe ich mehrmals erlebt, die Kinder mussten dann die Reste auf dem Teller trotzdem essen.
Der Schlafsaal war ein riesiger Raum, in dem die Kinder schliefen, wer es gewagt hat auch nur ein Wort mit den anderen Kindern zu sprechen, dem wurde mit einer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet mit dem Satz " dreh dich auf deine Schlafseite" Wer sich nicht daran gehalten hat, wurde in ein Bettlaken geknotet und auf den Gang gesetzt. Zum WC durfte man auch nicht, es gab Nachttöpfe. Die Bekleidung musste auf einem Stuhl neben dem Bett exakt zusammen gelegt werden. Absoluter Drill.
Ich kann mich nicht erinnern, dass es dort einen Spielplatz gab oder andere für Kinder interessante Schen, eigentlich sind wir nur spazieren gegangen und haben drinnen gepielt.
Wie lange ich dort war weiß ich nicht mehr.
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Wolfgang Neff schrieb am 15.12.2019
Wolfgang

Im Jahre 1965 wurde ich, 7 Jahre alt und meine Schwester 5 Jahre alt in das Kinderheim Stieg in Unteralpfen bei Waldshut "verschickt". Wir waren beides dünne Kinder, aber ansonsten gesund. Der Aufenthalt dort war schrecklich und als wir nach 6 Wochen wieder am Bahnhof in unserer Stadt zurückkamen haben wir, und auch die anderen Kinder, welche mit dabei waren, nur noch geweint als wir unsere Eltern wiedersahen.

Zu meinen Erlebnissen:

Mittags gab es einmal Zwiebelsuppe zum Essen. Nachdem ich sie drin hatte musste ich mich übergeben und der Teller war wieder voll. Immerhin wurde mir diese dann nicht mehr rein gezwungen. Nach dem Mittagessen mussten wir 2 Stunden schlafen, was wir als Kinder überhaupt nicht kannten. Unsere Post wurde zensiert und korrigiert. Dann erkrankte meine Schwester an Windpocken und wir wurden beide in einem winzigen hässlichen Zimmer mit Löchern an den Wänden für einige Tage eingesperrt. Ich erinnere mich noch, daß an der Wand ein großes Holzkreuz hing. Wir saßen am Fenster und haben den Kindern draußen im Garten zugeschaut. Einmal wurde ich und die anderen Jungs geröntgt. Wir bekamen Bleischürzen umgehängt und dann wurde der Brustkorb geröntgt. Was der Sinn dieser Aktion war haben meine Eltern wohl nie erfahren. Dann mussten einige der anderen Jungs lange rote Gummischläuche schlucken, um Magensaft zu gewinnen. Das war für mich das schrecklichste Erlebnis, als ich sah wie sie daran würgten.

Bis vor einigen Tagen dachte ich, daß diese Erlebnisse nur mich und meine Schwester betroffen hätten. Aber nachdem ich hier auch von anderen ähnliches gelesen habe, bin ich doch geschockt, was in den sechsziger Jahren so abging.

Aber auch in der Grundschule ging es ähnlich ab. Im Rechnenunterricht wurden wir von einer sadistischen Lehrerin mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, wenn wir das Einmaleins nicht beherrschten. Immerhin hat es "geholfen", da ich es bis zum Dipl. Wirtsch.-Ing. geschafft habe.

Bis heute verstehe ich nicht, warum unsere Eltern sich das alles haben gefallen lassen.
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xxx schrieb am 14.12.2019
ich habe mich geirrt, das Heim war wohl nicht von der Arbeiterwohlfahrt, sondern das Eisenbahner Kurheim Schulenberg. Vielleicht gab es aber auch eine Eisenbahner-Arbeiterwohlfahrt, wer weiß.
Jedenfalls habe ich hier einen Bericht von 1975 gefunden:
https://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/22509174_Horror-im-Kurheim-Weitere-Bielefelder-erinnern-sich-an-schlimme-Erlebnisse.html
Die Zustände waren 1975 wohl immer noch so schlimm. Hätte ich nicht gedacht. Ich kopier den Bericht einfach mal hier rein:

Noch 1975 habe ich als 9Jähriger ähnliche Erlebnisse in einem "Eisenbahner Kurheim" in Schulenberg/Harz gehabt. Ich werde nie vergessen wie ein anderes Kind, das offensichtlich mit der dortigen Ernährung Probleme hatte sein Erbrochenes erneut essen musste. Es wurde auch massiv psychische Gewalt ausgeübt, Kinder eingesperrt usw.
Am schlimmsten war es für mich, das mir zuhause niemand geglaubt hat! Es kamen Beschwerden dass ich nicht geschrieben hätte!
Hab ich, vermutlich wurden meine Postkarten wegen der Bitte um sofortige Abholung aus dem Verkehr gezogen.
Unvorstellbare Zustände aus heutiger Sicht, in den 70ern, mit den kruden Machtansprüchen der "Erziehenden/Erwachsenen" scheinbar noch tolerierbar..
Zum Glück habe ich diese Episode ohne einen bleibenden Schaden überstanden, die Erinnerungen kamen mit der Lektüre der Artikel.
Leider sind diese Vergehen vermutlich längst verjährt, oder damals keine Straftat gewesen. Die meisten Erzieher dürften auch nicht mehr leben.
Leider kann einem Kind heute auch noch entsetzliches Grauen wiederfahren, wenn es in die Mühlen unseres Systems gerät, siehe die Pflegekinder auf dem Campingplatz in Lüchte. Nicht der Regel- aber bei weitem kein Einzelfall!

EINER_AUS_SCHILDESCHE
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Gerd schrieb am 14.12.2019
Eigentlich dachte ich dass die Zeit nach rund 50 Jahren Gras über das Thema bei mit hat wachsen lassen.
Nach dem Bericht und den Kommentaren von Betroffenen brach eine Wut aus mir heraus als sei das alles Gestern geschehen.
Ich wurde mehrere Jahre meist nach Bad Dürr heim oder Bad Buchau "zur Erholung" verschickt.
Kann mich heute noch sehr gut an meine damaligen Gefühle wie Einsamkeit, Verlassenheit, Erniedrigung, Demütigung und auch meine Wut erinnern, und das nach einem halben Jahrhundert !

Konkret kann ich mich noch an folgende Ereignisse erinnern .
Öffentliche Blosstellung bei geringen oder peinlichen Regelverstößen;
sofortige Trennung von Geschwistern und Freunden währen der sogenanten “Erholung“ ;
Zensur der ausgehenden Karten oder Briefe an die Eltern.
Keinerlei ärztlich Begleitung währen des Aufenthaltes.
Systematische Brechung des Kindeswillens.
Unterordnung wurde erzwungen und war Ziel des Aufenthalts.

War ich vor der Reportage der Ansicht dass das nur mir so ging bin ich mir jetzt über die Dimension der Kindesmisshandlungen erst bewusst geworden.
In meinem unmittelbaren Umkreis hab ich einige gefunden die ebenfalls "zur Erholung" kamen. Niemand wollte noch an das Thema erinnert werden oder gar darüber berichten.
Die spät faschistoide Erziehungsbilder in die wir Nachkriegskinder hineingepresst wurden, haben zumindest bei mir eine große Wut auf meine Elterngeneration und eine große anhaltende Skepsis gegenüber Behörden Kirchen und Ärzte hinterlassen.
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Marlis schrieb am 13.12.2019
Kinderheim Luisenhof (oder "Haus Luise"???) in Bad Wildungen, Nordhessen. Ich wurde dorthin für sechs Wochen geschickt, mit 10 Jahren, Anfang 1961. Ich gehörte schon zu den etwas Größeren, es waren auch sehr kleine Kinder dort. Es war eins der kleineren Kurheime - dorthin kamen Kinder, die chronische Blasen- oder Nierenprobleme hatten oder beides, und/oder Einnässer waren.Das Bad Wildunger Heilwasser war bekannt und anerkannt hilfreich für diese Gesundheitsprobleme.
Allerdings muss man davon ausgehen, dass sehr viele der dorthin zur Kur geschickten Kinder - aufgrund der damals in den meisten Familien üblichen Prügelmethoden bei der Sauberkeitserziehung - das Einnässen als Angststörungssymptom entwickelt hatten - das wurde damals von den Kinderärzten als physiologisches Problem gesehen. Erst wenn in der Familie alle Prügel und Beschämungen ihm die "schlechte Gewohnheit" nicht "abgewöhnen" konnten, nahm man an, dass sie nicht aus Unart und bösem Willen, sondern doch aus medizinischen Gründen in die Hose oder ins Bett machten, drum brauchte das Kind eben eine Kur in Bad Wildungen.

In diesem Heim ging es zu wie in allen Berichten beschrieben. Kotze aufessen müssen, Postkontrolle, Päckchen der Eltern klauen, kleine Kinder nachts in den kalten Waschraum stellen, wenn sie im Bett gesprochen hatten, und so weiter und so fort. Die widerlichste Kinderfolterin hieß Tante Margot, die mit Freude Kindern Erbrochenes reinfütterte. Die für mich und die anderen Mädchen im Zimmer zuständige junge dumme Göre hieß Karin Meyer , "Tante Karin", ich erinnere mich, wie sie ein kleines Mädchen im Bett schlug, als es einen Scherz gemacht hatte, weil sie die Schuhe ausgezogen hatte. Sie aß die Süßigkeiten auf, die die Eltern den Kindern schickten.

Vor lauter Angst vor der Kotze-Folter habe ich mehrmals entsetzliche Übelkeit verursachendes Überfressen praktiziert - wenn man einer "Tante" sagte, ein klein wenig zu Essen hätte man noch gerne, man wäre noch nicht satt, machten sie den Teller nochmal genauso voll wie beim ersten Mal, und das sollte unbedingt aufgegessen werden, sonst saß man stundenlang oder bekam es mit Gewalt eingefüttert

Nachtwachen"tanten" zerrten kleine Mädchen aus dem Bett, um sie in den kalten Waschraum oder direkt in die Klozellen zu stellen. Ich weinte jeden Abend im Bett vor Heimweh. Vor lauter Kinderleid bekam ich Herzrhythmusstörungen und Ohnmachtszustände, was die Heimärztin feststellte, die daraufhin schonendere Behandlung für mich durchsetzte, ich durfte mal allein ins Zimmer gehen und mich hinlegen oder lesen, u.ä.
Briefe nach Hause wurden gelesen, wenn die Tanten sie zu "jammerig" und "zimperrliesig" fanbden, musste man alles neu schreiben, bis sie zufrieden waren.

Nach einigen Wochen wagte ich einen Widerstand, für den ich mich heute noch diebisch freue. Auf einem der Spaziergänge sprang ich plötzlich aus der Reihe und steckte blitzschnell einen heimlich geschriebenen Brief an die Eltern in einen Postkasten. Die "Tanten" waren außer sich vor Wut, konnten aber nichts machen - ich sagte ihnen, dass ich heimgeschrieben hätte, wie gemein sie zu den KIndern seien und dass man nicht schreiben durfte, was man wollte an die Eltern. Kurz darauf war dann die "Kur" vorbei.Einer SChulärztin erzählte ich, was im Heim geschehen war, sie notierte essich ungläubig ("Kind Marlis behauptet:Erbrochenes essen erzwingen").
Ich erinnere mich, dass die Frauen untereinander sagten, Kuren mit Mädchen seien so blöd, diese Zimperliesen allesamt, Kuren mit Jungs seien viel besser, die heulten nicht so viel und stellten sich nicht so an, egal was man machte, da könnte man sich auch an den niedlichen Pipihänsen amüsieren, etc.
Doch eins ist klar: in sehr vielen Familien waren solche Methoden alle üblich, nicht nur in Heimen - das waren die Zeiten. Und bis in die 80er Jahre hinein wurde die Bevölkerung mit dem Buch der Nazi-Ärztin Johanna Haarer vergiftet, die der kaltherzigen, brutalen Abrichtung schon von Babys das Wort redete.Auch in meiner teilweise fortschrittlich eingestellten Familie wurde geschlagen, man wusste es nicht anders, oder meinte, es nicht besser wissen zu können - allerdings sonstige Foltermethoden nicht praktiziert.
Meine schweren Traumatisierungen gab es schon, als ich die sechs Wochen in jenem Heim verbrachte, stammten aus der Babyzeit und Kleinkindhzeit, sie wurden allerdings in dieser Zeit vertieft. Kurz danach entwickelte sich bei mir eine starke Herz-Kreislaufstörung, die mich einige Jahre an der Teilnahme am Schulsport hinderte.
Das Einzige, was in diesem Heim Kinder sozusagen nach Herzenslust frei tun durften, war - weil das ja als ihre Krankheit, also nicht ihre Schuld, akzeptiert war - ins Bett und in die Hose zu machen. Möglicherweise genau aus diesem Grunde hörte das bei mir und manchen Kindern deshalb dort auf.
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Wolfgang schrieb am 13.12.2019
Mein Name ist Wolfgang. Ich bin Jahrgang 1957. Ich bin in Wuppertal aufgewachsen, lebe aber seit 42 Jahren in Köln.
Ich war zusammen mit meinem zwei Jahre älteren Bruder drei Mal für jeweils sechs Wochen in einem Verschickungsheim. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, das erste Mal war ich fünf Jahre alt. Das erste Mal war ich in Sylt, Westerland, zwei Jahre später noch einmal im selben Heim und dann wieder zwei Jahre später im Schwarzwald.
Ich war immer zusammen mit meinem Bruder verschickt worden und deshalb im Vergleich zu den anderen Kindern zu jung.
Vor allem den ersten Aufenthalt auf Sylt als fünf-jähriges Kind habe ich als Hölle erfahren und in Erinnerung. Als ich nach meinem ersten Aufenthalt zurückkam, hatte mich meine Mutter bei der Begrüßung am Bahnsteig erst einmal gar nicht erkannt, wie sie mir später sagte, weil ich so abgemagert war und so schlecht aussah. Ich kann mich an diesen Augenblick erinnern, wie ich am Bahnsteig meine Mutter entdeckte und tränenüberströmt auf sie zu rannte und sie umarmte. Sie sagte mir später, dass sie sich erst wunderte, was da ein abgehärmter Junge auf sie zulief.
Trotzdem ist es so, dass unsere Eltern uns zwei Jahre später noch einmal in dasselbe Heim verschickten und wieder zwei Jahre später in ein Heim im Schwarzwald. Mein Bruder und ich hatten von unseren Erlebnissen erzählt und ich meine nicht, dass unsere Eltern das alles angezweifelt hätten. Mein Bruder und ich waren auch sehr verzweifelt, als uns klar wurde, dass wir noch einmal in das Heim nach Sylt sollten. Ein Grund für meine Verschickungen war, dass ich seit frühester Kindheit unter chronischem Asthma leide und gesagt wurde, solche Aufenthalte würden mir guttun. Ich glaube, die Autorität von Ärzten spielte eine Rolle. Ich denke, eine Rolle spielte aber auch, dass meine Eltern auch mal einige Wochen alleine und ohne uns sein wollten, also dass sie einfach auch von ihren beiden Söhnen überfordert waren und Entlastung suchten.

Ich kann mich an erstaunlich wenige konkrete Begebenheiten der Heimaufenthalte erinnern. Mir ist in der Hauptsache die allgemeine Atmosphäre von Angst, Gewalt, Verachtung, Demütigung in Erinnerung. Ich kann es aber schlecht in Worte fassen. Ich habe es als Hölle empfunden.
An einige Sachen kann ich mich konkret und genau erinnern. Vor allem an die Mahlzeiten. Den Mahlzeiten sah ich immer mit Bangen entgegen. Ich kann mich an die Gerüche erinnern. Gerüche, die auch permanent und zu jeder Zeit in den Aufenthaltsräumen penetrant wahrzunehmen waren. Ich habe mich auch später immer wieder gefragt, was das eigentlich war, was da so stank. Irgendetwas Salziges und Fischiges. Ich weiß es nicht. Es ekelte mich jedenfalls an. Die Mahlzeiten waren meistens ein Kampf gegen den Brechreiz. Während der Mahlzeiten kam zu den Gerüchen des Essens der Geruch von Erbrochenem hinzu. Das ist das, was ich am Deutlichsten in Erinnerung habe: Wie Kinder es nicht geschafft haben, den Brechreiz zu unterdrücken und sie sich auf ihren Teller mit dem Essen übergeben mussten. Wie sie deswegen verzweifelt waren, wie sie sich deswegen geschämt haben, wie sie ratlos waren und wie sie ausgeschimpft wurden und wie sie gezwungen wurden, alles aufzuessen, die Kotze und das Essen, bis alles weg war. Für mich war immer die Frage, ob es mir gelingt, den Brechreiz zu unterdrücken oder nicht. Ich glaube, ich selbst habe nie in meinen Teller erbrochen. Ich hatte oft meinen Mund voll Erbrochenem und konnte es unterdrücken, das alles auszuspucken und habe alles wieder runtergewürgt. Die Mahlzeiten waren ein einziger Kampf und ein einziges Gewürge.
Etwas, was mich mein Leben lang belastet hat, weil ich meine Scham deswegen nicht ablegen konnte, ist die Tatsache, dass ich mich bei beiden Sylt-Aufenthalten, also als fünf-Jähriger und als sieben-Jähriger Junge wiederholt – ich weiß nicht, wie oft – eingenässt und eingekotet habe. Die Scham deswegen war damals für mich schwer zu ertragen, aber auch mein ganzes Leben lang. Auch wenn mein Verstand mir sagte, dass das nicht meine Schuld sein konnte, ich sah die Schuld bei mir. Eine irrationale Scham, die ich schlecht in Worte fassen kann.
Ich weiß, dass schlimme Sachen passiert sind. Aber ich kann mich an kaum etwas konkret erinnern. Es ist alles weg.
Ich bin jetzt aktuell so auf dieses Thema gestoßen, dass ich vor einer Woche auf Tagesschau.de einen Bericht zu diesen „Kuren“ gelesen habe. Ich war mir zuerst nicht bewusst, worum es ging, irgendetwas von Misshandlungen von Kindern. Ich habe, wie ich es manchmal mache, erst die Überschriften übersprungen und habe direkt hier und da in den Artikel reingeguckt. Als ich dann las von „Erbrochenem essen müssen“, „in dunkle Keller sperren“, „mit Stöcken geschlagen“, „Kinder in einen Sack stecken“, „Mund zukleben“, und so weiter, da wurde mir schlagartig klar, dass von dem die Rede ist, was ich selbst erlebt habe. Dann habe ich erst den Zusammenhang in den Überschriften gelesen und bestätigt gefunden, dass es um das geht, was mir selbst widerfahren ist. Was ich damit sagen möchte: Ich kann mich konkret an das meiste nicht erinnern, aber als ich die Berichte gelesen habe, war und ist mir klar, dass sie genau das schildern, was ich auf Sylt erlebt habe. Genau so war es, auch wenn ich das meiste konkret nicht erinnere. Aber diese Berichte geben genau die Stimmung wider, die mir noch sehr gegenwärtig ist: Angst, Gewalt, Verachtung, Demütigung.
Ich habe direkt meinem Bruder gemailt, mit dem ich mich nicht sehr gut verstehe und zu dem ich nur selten Kontakt habe: „kannst du dich noch daran erinnern?“. Es kam zur Bestätigung ein längeres Mail zurück mit so Begriffen wie „Gruselkeller“.
Ich kann mich auch nicht an so konkrete Dinge erinnern wie die, dass von „Tanten“ und „Onkeln“ die Rede war. Ich kann mich auch an keine dieser „Tanten“ und „Onkeln“ erinnern und wie sie aussahen. Aber ich weiß, dass ich das, was ich empfunden habe, heute als „Psychoterror“ und „Folter“ bezeichnen würde, genau wie es im Tagesschau-Bericht genannt wird.
Konkret erinnern kann ich mich daran, dass ich einmal eine Nacht alleine in einem kleinen Raum unter dem Dach eingesperrt war, aber warum, das weiß ich nicht mehr.
Ich kann mich daran erinnern, dass kontrolliert wurde, dass wir beim Schlafen unsere Arme über der Bettdecke halten, und ich mich wunderte, warum das so wichtig sein sollte. Das wäre so richtig und anders falsch. Aber das ist ja eigentlich noch harmlos.
Also kurz zusammengefasst: Was konkrete Begebenheiten betrifft, kann ich mich im Wesentlichen an die Kotze-Mahlzeiten und daran erinnern, dass ich mich oft eingenässt und eingekotet habe. Ansonsten aber kaum an konkrete Begebenheiten. Was mir aber sehr deutlich in Erinnerung ist, sind meine Empfindungen: Ich habe die Aufenthalte als pure Hölle empfunden, vor allem der erste Aufenthalt als ungefähr fünf-jähriger Junge.

Was ich mich seit anderthalb Wochen frage, ist, warum ich nie darüber geredet habe. Vor wenigen Wochen zum Beispiel machte eine gute Freundin von mir einen Kurzurlaub auf Sylt. Ich sagte ihr, dass ich auch schon mal auf Sylt war, das aber nicht als so gut in Erinnerung habe. Mehr habe ich nicht gesagt, obwohl ich über vieles mit dieser Freundin rede und obwohl mir immer präsent war, dass ich diese Erlebnisse als Hölle empfunden habe.
Ich glaube, es ist ein Mix aus drei Gründen, warum ich nie darüber geredet habe: Erstens habe ich mich immer gefragt, ob das auch alles wirklich wahr ist oder ob ich mir das nicht zu einem großen Teil nur einbilde, weil das doch nicht wirklich wahr sein könne. Dabei wusste ich immer ganz genau, dass es wahr ist. Zweitens habe ich mich gefragt, ob alles wirklich so schlimm war oder ob ich mich einfach nur anstelle, während andere Menschen bei solchen Erlebnissen kein so großes Aufheben machen würden. Dabei habe ich ja nie deswegen ein Aufheben gemacht. Und drittens ist da eine Scham, sehe ich bei mir selbst die Schuld, obwohl ich weiß, dass das Quatsch ist. Schließlich ist es ja auch so, dass im Heim uns immer die Schuld gegeben wurde.
Es gibt in der Tat auch eine Ausnahme. Einmal habe ich gegenüber Freunden darüber gesprochen. Damals habe ich aber mein Herz darüber ausgeschüttet, dass ich mich unsäglich darüber schäme, weil ich mich als fünf- und sieben-Jähriger eingenässt und eingekotet hatte. Ich habe nicht über die Misshandlungen, sondern über meine angebliche Schande gesprochen.
Ich wusste also immer zwar, dass das alles passiert ist, dass das alles schlimm ist und dass das alles nicht meine Schuld ist, aber ich habe mich selbst nicht wirklich ernst genommen.
Was ich erschütternd finde, ist die Tatsache, dass ich das in der Presse sehen muss, um es dann schlagartig ernst zu nehmen. Also ich nehme mich selbst erst wirklich ernst, wenn ich das, was ich selbst erlebt habe, in der Presse sehe.

Wenn ich jetzt diese Berichte sehe zu diesen Menschen, die jetzt zusammenkommen, um sich darüber auszutauschen, Menschen, die alle ungefähr in meinem Alter sind und mittlerweile alle wie ich ein ganzes Leben gelebt haben und offenbar alles Menschen sind, mit denen ich vieles gemeinsam habe und sehe, wie sie darüber reden und wie nahe es ihnen geht, dann bewegt mich das sehr. Ich möchte sie alle unterstützen und ermutigen und ihnen sagen, dass ich das auch erlebt habe, dass das alles stimmt und ihnen Mut zusprechen, sich nicht einzureden, das wäre alles nicht so schlimm, so wie ich das ein Leben lang gemacht habe.
Das ist mein Hauptanliegen jetzt.
Diesen Bericht stelle ich als Kommentar auf „Zeugnis ablegen“ und ich schicke ihn an die Gruppe des Sylter Heimortes und an die NRW-Gruppe der Verschickungskinder.
Es ist mir nicht leichtgefallen, diesen Bericht zu schreiben, weil ich mich immer gefragt habe, woran ich mich den nun wirklich erinnern kann und was ich mir möglicherweise nur einbilde.
Ich habe bisher noch keine anderen Zeugnis-Berichte gelesen, weil ich meine eigenen Erinnerungen nicht mit den Erinnerungen anderer vermischen möchte, bevor ich diesen Bericht geschrieben habe. Ich möchte aber auch nicht zu viel von diesen Kommentaren lesen und mich nicht zu viel digital darüber austauschen, weil mich das emotional zu sehr berührt. Ich möchte mich lieber mit anderen austauschen, wenn ich meine Gesprächspartner wirklich vor mir habe, also in einer der Gruppen.
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doris schrieb am 13.12.2019
8.12.19-12.12.19
Ein herzliches Hallo an alle, die den Mut haben, sich hier zu zeigen

Auch ich,
1955/56, damals 4+5 Jahre alt, heute 68 Jahre habe mich mein Leben lang mit dieser „Kur“ beschäftigen müssen. Report Mainz hat sie mir wieder vor Augen geführt und so bin ich auf diese Seite geraten.

„Schloss“ Friedenweiler, einer Kinderheilstätte im Schwarzwald unter Leitung des Monsignore Klotz mit Nonnen unter dem Dach der Caritas der Erzdiözese Freiburg. Zur gleichen Zeit hielten sich ca. 500 Kinder dort auf und insgesamt haben diese „Kuren“ ca. 30000 Kinder „genossen“

Ich bin Sozialpädagogin, psychoanalytische Kunsttherapeutin u. Traumatherapeutin. Diese Qualifikationen haben mir geholfen, mein frühkindliches Trauma teilweise zu lösen und damit zu leben. Und trotzdem holt es mich aktuell wegen meines Enkelkindes ein.
Ein Mädchen, 4 Jahre alt, bedacht darauf, die Liebe derer zu gewinnen, die es nähren, die für sein Überleben sorgen. Diese kleine Analphabetin, die nicht allein von A nach B fahren kann, weder Zeit noch Raum zu erfassen mag, führt mir deutlich vor Augen, in welch einer Welt so ein kleiner Mensch noch lebt:
eine Welt voller Unsicherheiten, voller Unwissen, Ungewissheiten, voller Angewiesen sein auf Erklärung für Unerklärliches, für Ängste; voll von zärtlichen Gefühlen, voll Spürsinn „Kindermund tut Wahrheit kund“; mit eisernem Eroberungswillen, voll von Fähigkeiten und Unfähigkeiten; ein Stehaufmännchen, gebeutelt von Erfolg, von Niederlagen, bedarf es eines wohlwollenden Schutzes durch erwachsene Menschen. Wie angewiesen ist dieses kleine Wesen auf Hilfe, wie abhängig von der Kraft, dem Einfühlungsvermögen, der Intuition und den weisen Entscheidungen der Riesen um es herum?!

Aktuell
Seit einiger Zeit mache ich mir Sorgen um die Ernährung meines Kindeskindes. Die innige Beziehung, die Paralellen ihres Alters, und dem Essensthema, zu meiner Zeit in der Kur damals, haben mich extrem belastet. Ich hatte Panik. Ich war verzweifelt.
Ich spürte seit Wochen sehr deutlich, die zunehmende Sorge und Angst um mein Enkelkind, eine Todesangst, es könne verhungern, eine Verlustangst auf die Zukunft gerichtet, das Kind könne so geschädigt werden, dass es später eine Essstörung entwickeln könne.

Ich suchte meine Hausärztin auf. Mein Blutdruck, sonst normal entgleiste und ich wurde notfallmäßig ins Krankenhaus geschickt. Es gibt keine körperlichen Ursache dafür, so dass die Diagnose lautet „essentielle Hypertonie“ eine vegetative „Bereitstellungs-krankheit“ u. o. ähnlich eines Konversationssymptomes als Ausdruckskrankheit be-zeichnet. Mein Herz ist unter hohen Druck geraten.

Damals, vor genau 65 Jahren geschah Folgendes:
Für mich liegt es auf der Hand, dass mein kindliches Trauma, durch die Liebe zu meinem Enkelkind und meine eigenen Esserfahrungen damals aktualisiert wurde:
Wie die Meisten hier berichten, sehe ich mich in einem riesengroßen Speisesaal, gefühlte Stunden vor dem dicken Milchreis sitzen. Zunächst an der Längsseite, dann als alle Kinder weg waren, alle Stühlchen leer, mein Teller voll, wurde ich umgesetzt, an das Kopfende des langen Tisches, nah zu den mit Küchengeschirr klappernden Nonnen, Sie liefen dort direkt hinter meinem Rücken hin und her in eine Küche. Ich hörte sie nur, wusste, dass sie mich immer im Blick hatten. Ich versuche noch heute jedes unbekannte Geräusch zu analysieren. Ist es gefährlich oder nicht. Zunächst erlebte ich so etwas wie ein Triumphgefühl, weil ich es schaffte, so lange still zu sitzen. Ich wollte stärker sein, als die Nonnen, die mich zwingen wollten zu essen. Ich schaffte es, ich träumte vor mich hin und war stolz, dass es tatsächlich nicht schwierig war, diese lange Zeit auszuhalten. Ich habe mich stark dabei gefühlt, den Brei so hartnäckig zu verweigern. Ich weiß nicht genau, aber ich glaube, ich schaute aus den großen Fenstern. Jedenfalls sah ich keine Nonne, kein Kind, sondern hörte nur die Räumgeräusche.

Plötzlich, nach dem ewigen Stillsitzen wird es Schwarz in meinen Kopf, wie als wenn ich auf ein schwarzes rechteckiges Blatt Papier sehe. Mein ganzer Kopf war davon ausgefüllt. Was war mit mir geschehen? Ich habe absolut keine Erinnerung.
Ich nahm ein Siegesgefühl aus dieser Situation mit.
Was, wenn es eine Täuschung war?

Schon als Baby, so berichtete meine Mutter mir später, habe ich keinen Griesbrei oder dicken Milchreis gegessen, habe ihn ausgespuckt. Zu Hause wurde ich liberal erzogen, niemals gezwungen und ich durfte meine Meinung sagen.

Ich blieb die ganze Kindheit über eine Träumerin, die aus der Realität ausstieg, wenn es schwierig wurde. Die Abwertung, weil ich oft so viel vergaß oder sogar konfus wurde, Fehler machte, wenn ich bewertet wurde, folgte regelmäßig. Bewertungssituationen wurden ein riesiges Thema, immer mit der Gefahr, eines Blackouts. Ich verkroch mich in Büchern und konnte wegen der Bewertungsangst nicht so viel Kapital daraus schlagen, wie es meinem Wissensstand eigentlich entsprach. Ich bin im Leben, wenn irgend möglich, Prüfungen und jeglicher Bewertung aus dem Weg gegangen, vor Angst, im entscheidenden Moment nur noch Schwarz zu sehen.

Dieses Schwarz im Kopf ist mir als 6/7jährige zum ersten Mal aufgefallen, als ich eine Ente oder später einen Wunschzettel malen wollte. Ich dachte, ich müsste doch im Kopf sehen, wie das aussieht, aber da war nichts, nur Schwarz. Mir kam das irgendwie nicht richtig vor, es war mir auch ein bisschen unheimlich. Dann habe ich gedacht, ich muss eben alles besser anschauen, dann würde sich dieses missliche Schwarzsehen vielleicht geben.
Die Gefahr der Blackbox aber blieb.
Viel, viel später, in der Mitte meines Lebens, als ich zeichnen lernte, kehrten die Bilder zurück und heute habe ich ein ausgezeichnetes Scenen-, Bild- und Filmgedächtnis.

Es erscheint nun plötzlich logisch, was wahrscheinlich nach meiner Essensverweigerung geschah. Mir fehlte bis vor ein paar Tagen, einfach die Vorstellung, dass es so etwas wie einen Zwang zum Aufessen von Erbrochenem gab. Und nun kommt es mir vor, als hätte mir genau diese Info, dieses eine Puzzleteil zu meiner Eßscene gefehlt. Mein Kampfgeist, mein Mut, der weitgehend auf der Strecke geblieben ist, kehrt nun zurück, ich möchte wissen! Und für die Anerkennung meiner leidvollen Erfahrung kämpfen.

Herzlichen Dank Anja und allen, die hier schreiben.

In diesem „Schloss“ geschahen nach meiner Erinnerung noch mehr seltsame Dinge, so dass ich sexuelle Gewalt nicht ausschließen kann, z.B. gab es Auswahlsituationen. Man konnte als Kind „auserwählt“ werden, „auserwählt sein", von einem alten Mann. Dieses Wort „auserwählt“ hat sich mir durch beide Kuren dauerhaft eingeprägt, ohne dass ich es mir näher erklären konnte. Ich habe auch ein Bild von dem Mann im Kopf (grau und von schlanker Statur, wie ein gefühlt gütiger Opa). Ich sehe und spüre noch immer, wie ich an seiner Hand inmitten der großen Kindermenge, in dem wunderbaren „auserwählten Zustand“ umherlief. Das fühlte sich so an, als wenn alles um mich herum leuchtete, hell und freundlich.

In der 2. Kur erinnerte ich mich gleich an diese Auswahlsituation, im Jahr zuvor. Es gab mir Sicherheit, weil ich wusste, worum es ging. Anders, als beim ersten Mal musste ich mich abmühen, drängeln, um in die Nähe des Mannes zu gelangen. Mit fragendem Blick an seiner Seite, strich er mir zwar übers Haar und es war, wie eine Hoffnungsschimmer, aber ich merkte, er erkannte mich nicht wieder. Er erwählte ein anderes Kind und ich war sehr enttäuscht. Nicht wiedererkannt zu werden, bedeutete wieder ganz allein, verlassen zu sein, in einer riesigen Kindermenge zu verschwinden. Ich war 5 Jahre. Dieses „Auserwählen“ scheint mir, geschah bei der Ankunft. Schwester Cortona, die mich auf ihrem Arm mit Lügen von meinen Eltern entführte, ich schrie und war nicht zu trösten, führte mich bei der 1. Kur diesem alten Mann zu, sozusagen als Trost.
Harmlos?

Vor ein paar Jahren machte der von mir befragte Wirt der Gastwirtschaft in Friedenweiler uns gegenüber zwielichtige Andeutungen über den, er nannte ihn Monsignore und erzählte, es sollen nach seinem Tod ca. 1973 bei der Räumung der Wohnung Kinderfotos, Pornos u.... gefunden worden sein. Das machte mich stutzig und hat mich bis heute nicht mehr losgelassen.
Gerede – Gerüchte?

Meine Recherche
Dieser Monsignore war der Anstaltsdirektor Ferdinand Klotz, von 1922-1971 im „Schloss“ Friedenweiler, Geistlicher, auch Geheimkämmerer des Papstes. Besonders ausgezeichnet mit dem Bundesverdienstkreuz. Ein Bild habe ich leider noch nicht gefunden, um meine Erinnerung zu überprüfen. Ich könnte aber versuchen es zu malen.

Seltsam
Unter anderem ist mir das Mädchen, Astrid, in Erinnerung geblieben, welches ich durch einen gemeinsamen Krankenhausaufenthalt in unserer Heimatstadt kannte.
Ich beobachtete dort, Astrid lag links neben meinem Bett, wie die Eltern das Kind während eines Besuches beschimpften und ihm die Schuld an seiner Krankheit gaben. Ich hatte Astrid in mein Herz geschlossen, sie war ein besonders zartes, liebes Kind und ich war richtig empört über solche Eltern. Astrid tat mir total leid, gleich als die Eltern weg waren, lief ich auf die andere Seite ihres Bettes, dahin, wo vorher die Eltern standen und tröstete sie. Ich erklärte ihr, dass sie auf keinen Fall schuldig sein könne, und ich fände, die Eltern seien schuld und böse. Ich hatte den Eindruck, sie konnte mir nicht wirklich glauben. Ich habe ganz verzweifelt versucht, sie zu überzeugen, weil ich es ganz verkehrt fand, so beschimpft zu werden.
Astrid traf ich in der 2. Kur wieder, sie hatte Asthma, es ging ihr in der Kur nicht gut, aber wir konnten auch spielen. Eines Tages suchte ich Astrid im Heim, sie war plötzlich verschwunden, doch ich fand sie nicht mehr.

Ein paar Jahre später, ich war ca. 12Jahre, traf ich die Eltern, und fragte sie, wie es Astrid ginge. Sie sagten mir, sie sei in dem Heim gestorben. Ich war schockiert und erzählte es gleich meiner Mutter, die das gar nicht glauben konnte, dass ich die Eltern erkannt habe. Ich sah die Eltern zuletzt, als ich 4Jahre war. Aber diese Momente mit diesem Mädchen hatte ich nie vergessen. Sie wirkte mit ihren blauen Augen, den blonden, leicht gelockten Haaren, mit diesem hellen, weißen Gesicht, wie ich mir einen Engel vorstellte, wunderschön.
Auf jeden Fall würde ich gerne auch darüber genauer recherchieren.

Wir mussten die Haare über Kopf im Waschbecken waschen, die Seife brannte in den Augen „...sei nicht so zimperlich...“, ich glaube es war auch kaltes Wasser, und dann wurden meine langen Haare brutal gekämmt, egal wie es ziepte. Ich habe immer geweint. Mir waren solche Verhaltensweisen völlig fremd!

Im Schlafsaal des Heimes wagte ich nicht, mich im Bett zu bewegen, weil draußen die schwarzen Wächterinnen standen. Ich fühlte mich, wie in Gefangenschaft, alles war verschlossen. Ich wusste, ich komme hier nicht raus.
Ich weiß nicht, ob wir bedroht wurden, aber ich fühlte, die ganze Atmosphäre war total beängstigend. Ich hatte auch irrsinnige Angst, aus dem Bett zu fallen, denn die Betten standen frei im Raum in Reih und Glied. Es gab kein Entkommen und ich glaubte, ich sähe meine Eltern niemals wieder.
Ich hatte mitangehört, dass es keine Päckchen, keine Briefe und vor allem keine Besuche geben darf. Ich erlebte mich total von der Außenwelt abgeschnitten. Mit diesem Wissen lag ich da, völlig ausgeliefert und ohnmächtig, ohne jemanden, der mir helfen konnte. Es war ganz, ganz schrecklich!

Ich litt zu Hause noch lange unter Albträumen, in denen ich verfolgt wurde.
Wieder bei den Eltern, habe ich aus Angst nicht gewagt, meine Arme und Hände über die Bettkante hinauszubewegen. Trotzdem lief ich nachts schreiend auf die Straße, ein nachträglicher Fluchtversuch? Ich hatte lange Angst vor dem Soldaten unter meinem Bett. Er lag dort mit dem Gewehr im Anschlag.
Einige Zeit danach drückte ich manchmal meine Nagelbetthaut von allen Fingern so fest an die Ecken der Glasplatte des Nachttisches, bis diese sehr weh taten. Erst neuerdings kam mir die Idee, dass dieses Verhalten evtl. dazu gedient hat, mich aus einem dissoziierten Zustand in die Realität zu holen.
Noch heute betreibe ich eine Extrempflege meiner Fingernägel, wenn ich durch Umwelterfahrungen ausgelöst, in konfuse Gefühle hineinrutsche, die ich nicht in Worte fassen kann, oder die ich noch nicht verstehen und deuten kann. Ich sage dann immer, „ich bin huschig“, verlege Dinge oder bin ganz abwesend.
Ich bin dann innerlich davon getrieben, mir Wissen und Erkenntnis anzueignen, um die Situation, das Ereignis einordnen zu können oder das Verhalten des Menschen mir gegenüber zu verstehen. Es ist fast, wie ein Zwang und kostet viel Zeit, da ich es auch häufig verschriftliche. Das wundert mich jetzt gar nicht mehr, denn ich habe als Kind überhaupt nicht begriffen, was da in dem Heim alles konkret falsch lief.

Als ich mit 38 Jahren das erste Mal allein verreiste, weckte mich ein entsetzliches Angstgefühl, das Herz schlug mir bis zum Hals. Senkrecht im Bett sitzend sah ich diesen bedrohlichen Soldaten im Türrahmen stehen, das Gewehr auf mich gerichtet. Minutenlang hielt ich diesen Soldaten für Realität. Ich konnte nicht fassen, dass er keine Realität sein sollte, so klar und farbig, von Feuer umhüllt stand er da, so deutlich, wie das übrige Zimmer.
Dieses Bild dieses Soldaten hat mich immer wieder beschäftigt, weil ich es mir nicht erklären konnte. Jedenfalls nicht mit Verlustangst. Beim Schreiben wird mir erst bewusst, dass dieses Bild die reine Todesangst symbolisiert!
Vor ein paar Tagen erhielt ich nun Post von Wolfgang Schrader, der mir schrieb, er sei mit 10 Jahren in diesem „Schloss“ gewesen. Er drückte seine Wut auf dieses „Schloss“ auch in einer Bildersprache aus. Er schrieb, es habe auf ihn wie ein Gefangenenlager gewirkt.
Da ich erst 4 Jahre alt war, so erklärt es sich mir jetzt, habe ich diesen Umstand vor allem gefühlt und dafür scheint der Soldat als Ausdruck zu stehen, für Todesängste, die ich dort ausstehen musste.
Ich bin sehr dankbar für Wolfgangs Rückmeldung, da sie mir eine Gewissheit gibt, dass ich die Situation richtig erfasst habe. Eine Flucht war nicht möglich. Ich erinnere mich an den Raum in dem das Aufnahmegespräch mit der Nonne Cortona stattfand. Meinen Eltern wurde jeglicher Kontakt untersagt, weder, wie ich schon oben erwähnte, dürfe es Briefe oder Päckchen geben, noch Besuch. Meine Mutter war darüber entsetzt, aber die Nonne argumentierte, dass diese Regel zum Schutze der Kinder seien, die nichts von zu Hause bekommen würden. Beinahe hätte meine Mutter mich wieder mit nach Hause genommen. Doch dann erschlich sich die Schwester Cortona mein Vertrauen, indem sie mir versprach, meine Lieblingstiere, die Rehe im Garten zu zeigen und wieder zu meinen Eltern zurück zu bringen. Mein Vater reichte mich auf ihren Arm. Aber dann, als ich mit ihr auf der gewendelten Treppe durch ein Fenster in den Garten schauen konnte, merkte ich, dass es keine Rehe gab. Ich war völlig irritiert und durcheinander. Ein Durcheinander, dann ein riesiges Gewusel von Kindern. Das war völlig wirr. Danach war die Scene mit dem Monsignore. Ich bemerkte, dass alle Türen hinter mir ins Schloss fielen. dass die Schwester Cortona mich an den Monsignore übergab, der mich dann ja „auserwählte“. Die Nonne verschwand hinter einer Tür, die ich nicht öffnen konnte und durfte. Ich habe dann oft davor gestanden. Diese Schwester, die mich auf dem Arm mit einem falschen Versprechen entführte, sah ich nie wieder.

Meine Eltern wurden unerreichbar. Ich hielt sie dann nach und nach für gestorben, ich meine noch heute diese furchtbare Resignation darüber zu spüren. Ich habe davon ein Gefühl zurückbehalten, dass es alles immer dunkler wurde, auch in mir. Später erzählte ich, ich sei dort seelisch gestorben.

Immer wieder habe ich Schwierigkeiten zu erkennen, ob Menschen mir ehrlich und vertrauenswürdig begegnen: zum Teil blieb ein gesundes Misstrauen, zumindest Fremden gegenüber und vor allem Kirchenmenschen, aber in nahen Beziehungen werde ich erst nach und nach gewahr, wenn ich ausgenutzt, belogen oder betrogen werde. Es fällt mir schwer, Schein, manipulatives Verhalten, Verschleierung, und Halbwahrheiten eindeutig zu identifizieren. Spontan erfasst mich eher eine naive Glaubwürdigkeit oder ein diffuses Gefühl, von Unstimmigkeit. Das hat zu tragischen Weichenstellungen in meinem Leben geführt. Dieses darzustellen, wäre hier nicht der geeignete Ort, aber der wird sich sicher auch noch ergeben.

Unerklärliches, konfusen Erleben in Worte zu fassen, zu begreifen oder eine Aufklärung dafür zu finden, hat mich bis heute viel Zeit und Energie gekostet. Sehr oft haben sich diese diffusen Zustände auf Verlust- und Todesängste bezogen, die sich in Träumen und in Tagebüchern konkret ausdrücken.
Ich habe aber auch ganz unbewusst, ohne dass ich es mir vorgenommen hätte wichtige Bilder gemalt. Sie beziehen sich z.B. auch auf sexuelle Gewalt und nackte Nonnen, für mich bisher nicht erklärbar. Einen Sinn könnten sie im Zusammenhang mit meiner Kur machen, ich weiß es aber noch nicht.

Ich kam als eingeschüchtertes mucksmäuschenstilles, fügsames Kind nach Hause, voller Ängste davor, Fehlern zu machen und negativ bewertet zu werden. Ungefähr bis zum 16. Lebensjahr war ich wie mundtot. Ich sei wie ausgewechselt gewesen, sagte meine Mutter und sei krank nach Hause gekommen.
Ich habe zwar überlebt, konnte mich aber nie mehr meiner Mutter vertrauensvoll anschließen. Unser seit der Kur gestörtes Verhältnis, denn sie hat ebenso unter den Folgen gelitten wie ich, hat uns ein Leben lang begleitet. Sie glaubte mir damals, da sie meine Reaktionen ja auch erlebte und war der Meinung, dass es ein großen Fehler gewesen sei, mich wegzuschicken. Diese Schuldgefühle haben sie bis zu ihrem Tod 1996 begleitet. Sie konnte sich als Laie aber nicht konkret vorstellen, wie lebensbestimmend, verhaltensprägend derartige Gewalterfahrungen in der frühen Kindheit auf den Lebensverlauf wirken würden und wie schwer es ist, die daraus resultierenden Schlussfolgerungen, Einstellungen und Einschränkungen zu korrigieren oder ganz zu überwinden. Das war vielleicht auch gut für sie.

Traumatisierte Kinder erleiden nicht nur ihr Trauma, was schon schlimm genug wäre, sondern müssen mit den folgenden Ängsten und Beeinträchtigungen lernen, umzugehen, entwickeln daraus Notverhaltensweisen, „ernten“ von der Umwelt im weiteren Lebenslauf, oft viel Unverständnis und Kritik oder werden abgewertet. Das zeigt sich z.B. in solchen Äußerungen, wie : „...wenn man nur will, ...dann kann man auch...“ oder „...was wühlen sie denn nur immer in der Vergangenheit rum...“ „...das sind doch alles alte Kamellen...“ „...muss das sein, dass du dich so aufregst...“ usw.

Ich musste mich mit diesem Vergangenen auseinandersetzen, sonst hätten meine Gefühle mich in Panik und Schrecken versetzt. Ich habe viel Energie dafür einsetzen müssen, damit diese Vergangenheit mir mein Leben nicht verdirbt, verdunkelt, mich total kaputt macht, damit ich meine Ängste im Griff behalte und steuern kann, damit ich nicht krank werde und niemand anders, z.B. meine Kinder darunter leiden müssen.

Ich hoffe, es wird deutlich, in welchem Zusammenhang meine Todes- und Verlustängste bezüglich meiner Enkelin aktualisiert wurden. Ich musste leidvoll erfahren und weiß darum, wie nachhaltig frühkindliche Erfahrungen das Leben prägen können. Ich habe versucht, das Beste daraus zu machen, indem ich lernte, das Kind, was jeder einmal war, zu verstehen, mich einzufühlen und ihm zur Seite zu stehen. Und das hat mich ebenso bei meinen Kindern geleitet, wie bei meiner Enkelin.

Nun versuche ich, Informationen zu bekommen, weil ich noch sehr klein war und vor allem das Meiste als Gefühl gespeichert habe. Ich habe zwar bildliche Erinnerungen, Scenen, Worte, aber es sind Bruchstücke. Ich möchte Gewissheit, recherchieren, möchte wissen, ob ich mit meiner Wahrnehmung als kleines Kind die Realität erfasst habe, wie unmenschlich sie durch die Nonnen und den Monsignore gestaltet wurde. Einfach zerstörerisch!

Ich würde gerne ein Zwillingspärchen finden, die mit mir bei der 2. Kur ein Zimmer bewohnt haben. Ich würde gerne so etwas wie einen Aufruf starten. Weiß aber noch nicht genau wie. Es wäre ein Geschenk, sie zu finden.
Und ich habe den Weihnachtswunsch, dass mir ein Buch mit Bildern und Dokumenten gelingen möge.
Und vielleicht kann mein Bericht auch ein bisschen helfen oder anregen.

Liebe Grüsse an alle,
von den Eltern gerufen Mäuschen, von den Nonnen geändert in Dorle
Doris
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Monika Winter schrieb am 13.12.2019
Ich wurde 1962 mit fünf Jahren in ein Kindererholungsheim in Westherbede verschickt weil ich nicht essen konnte. Das Haus wurde von Nonnen geführt. Die Methoden waren grausam. Nach meiner Rückkehr habe ich kaum gesprochen.

Es müsste das "Kindererholungsheim der Stadt Bochum in Westherbede" gewesen sein. Leider hat hier noch niemand von diesem Haus berichtet. Es gibt ein altes Foto im Internet. Kann sich jemand erinnern dort gewesen zu sein?
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Karin Diestel schrieb am 13.12.2019
Hallo Roswitha, ich bin eine Leidensgenossin aus Bad Sachsa. Ich wurde 1951 geboren und man verschickte mich kurz vor der Einschulung, weil ich angeblich zu dünn und zart war. So verbrachte ich drei Jahre nach Dir, sechs Wochen in Bad Sachsa. Diese Zeit hat mich geprägt, doch das weiß ich jetzt erst, denn nach und nach tauchen Erinnerungen auf und runden mein Bild ab. Ich habe nie über diese Zeit gesprochen und traue mich noch sehr vorsichtig an das Erlebte heran. Vieles von Deiner Erzählung erinnere ich klar, einiges noch vage. Ich lebe in Schleswig-Holstein, bin vor vier Jahren noch mal in Bad Sachsa gewesen, um das Heim zu suchen. Ich habe davor gestanden, mit Tränen in den Augen und vieles wiedererkannt. Warum hat man uns Kindern das angetan?
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Rainer W. schrieb am 12.12.2019
Hallo zusammen,

ich war 1973 kurz vor der Einschulung 6 Wochen zusammen mit meinem Bruder in einen Heim auf der Insel Langeoog.

Organisiert war der Aufenthalt über die Caritas und das Heim wurde von Ordensschwestern geführt. Begleitet wurden wir damals auf der Zugfahrt ab Titisee-Neustadt von einer äußerst strengen, älteren Frau.
Was für mich als Abenteuer begann, stellte sich als eindrückliche Erfahrung heraus, welche mich bis heute begleitet.

Mein Bruder und ich wurde in verschiedene Gruppen getrennt und wir durften uns nur selten kurz sehen. Meinen Eltern berichtete ich hinterher, dass ich neun Mal Heimweh hatte.

Obwohl ich Schläge seitens Elternhaus gewohnt war, hatte ich vor der Brutalität und den Strafen in dem Heim richtig Angst.
Wenn es in dem großen Schlafsaal abends nicht ruhig wurde, konnten schon mal mehrere Schwestern reindonnern und wahllos auf die Kindern draufschlagen.
Auch bei kleineren Vergehen waren die Betreuer nicht zimperlich.

Besonders schlimm fand ich die Bestrafung, bei der man die Nacht in einem dunklen Speicher bei abgeschlossener Türe auf einer einfachen Matratze auf dem Boden verbringen musste.
Ich selbst musste das nicht erleben, aber ich „durfte“ mehrmals morgens die Türe aufschließen und sah jedes Mal ein völlig verstörtes Kind.
Diese Strafe gab es z.B. dann, wenn auch nach Erbrechen das Essen nicht vollständig aufgegessen wurde.
Man musste immer alles aufessen.
Ansonsten gingen sie mit einem in ein Nebenzimmer und dann gab es kein Entrinnen mehr.
Aufgrund dieses Erlebnisses hab ich noch bis vor wenigen Jahren keine Linsen mehr angeschaut.

Es gab immer wieder Gerüchte, dass Kinder versucht haben sollen, von der Insel zu flüchten.
Das fand ich wiederum spannend und weckte in mir die Abenteuerlust.
Versucht habe ich es nicht, aber der Gedanke daran hat mir sicher über die schlimme Zeit hinweggeholfen.
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Alexandra schrieb am 12.12.2019
Guten Abend zusammen,
soeben habe ich im SWR den Beitrag über die Verschickungskinder gesehen. Gleich sind wieder alte Erinnerungen an die Kinderlandverschickung in mir hochgekommen.

Es muss im Herbst 1964 gewesen sein, als ich mit 9 Jahren zwecks Gewichtszunahme und Stabilisierung der Gesundheit in das Erholungsheim nach Adenau in der Eifel geschickt wurde. Das Erholungsheim wurde von Nonnen geführt. Unter unserem Schlafsaal befand sich die Kapelle. Das hatte zur Folge, dass wir Kinder ab 4.30 Uhr nicht mehr zur Toilette gehen durften und bis zum Aufstehen einhalten mussten, weil ansonsten die betenden Nonnen gestört worden wären. Wer das nicht geschafft hat, musste später mit einer entsprechenden Bestrafung rechnen.

Auch ich habe erlebt, dass nicht aufgegessenes Mittagessen, anstatt des Teilchens oder des Abendessens, nachmittags bzw abends wieder auf dem Tisch stand. Und bevorzugt wurde seinerzeit "Himmel und Äd" und dazu gebratene Blutwurst oder Sülze serviert. An den widerlichen Geruch erinnere ich mich bis heute.
Vor der Mittagsruhe haben wir alle eine Apfel bekommen, der dann im Ruheraum mit Stiel und Gehäuse gegessen werden musste. Wehe dem, es blieb ein Apfelrest übrig.

Es gab ein paar Mädchen, mit wunderschönen langen Haaren, die von Kopfläusen betroffen gewesen sein sollen. Denen wurde der Kopf kahl geschoren. Ein Schock.

Briefe an meine Eltern, in denen ich von meinem Heimweh geschrieben und berichtet hatte, dass ich jede Nacht vor Heimweh weine und die gesammelten Tränen in meinem Kulturbeutel sammeln wollte um meinen Eltern zu zeigen wie unglücklich ich gewesen war, wurden meinen Eltern gar nicht zugeschickt oder mussten umgeschrieben werden. Allerdings wurde ich im Glauben gelassen, dass die Briefe natürlich verschickt wurden. Das hat dann später teils dazu geführt, dass ich das Vertrauen zu meinen Eltern verloren hatte und mich von ihnen nicht beschützt fühlte.
Jeder spätere Schullandheimaufenthalt aber auch Urlaube mit meinen Eltern zusammen waren lange für mich eine Tortur weil ich extrem unter Heimweh litt und nur nach Hause wollte.

Am 6.12. kam der Nikolaus mit dem Knecht Ruprecht in das Erholungsheim. Ich erinnere mich daran, dass Knecht Ruprecht dazu benutzt wurde, uns Kinder in Angst zu versetzen. U.a. sind 2 Kinder, die wohl als unartig auffällig geworden waren, von ihm schreiend und weinend in seinen Jutesack gesteckt und darin aus dem Raum geschleppt worden. Wir waren sehr erschrocken und hatten große Angst weil wir ja nicht wussten, wer der nächste sein würde und was mit den Kindern passiert.

Natürlich hat der Aufenthalt meine Kinderseele beschädigt und mich lange belastet und anstatt zuzunehmen, bin ich mit erheblich weniger Gewicht als vorher nach Hause gekommen bin.

Vor ein paar Jahren habe ich mir das Gebäude des damaligen Erholungsheimes wieder angesehen. Es ist inzwischen an Privatleute verkauft worden und befand sich im Umbau. Das hat mir etwas geholfen, Erinnerungen an den damaligen Aufenthalt zu verarbeiten. Zumindest kann ich heute leichter darüber reden und endlich finde ich Menschen, denen ähnliches oder schlimmeres widerfahren ist.
Lange dachte ich, ich bin vielleicht übersensibel und nahezu die Einzige, die unter einem Erholungsaufenthalt gelitten hat und gleich kommt der Gedanke oder die Stimme : ....ach stell Dich nicht so an.
Gut, dass das mal thematisiert wird und Betroffene sich endlich mal Luft machen und sich ggf. austauschen können.
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Gabriele Abbühl-Herzsprung schrieb am 12.12.2019
Ich war 1955 auch in Westerland / Sylt, kann mich aber an den Namen des Heimes nicht erinnern. Ich weiß nur, dass der Haupteingang zu einer Art Promenade wies, denn dort auf den Treppen des Eingangs musste ich immer mal wieder mein Erbrochenes essen. Da ich aus dem Allgäu stamme, aß ich keinen Fisch - den gab es aber häufig. Makrelen. Nie mehr im Leben habe ich Makrele angerührt.
In dem Heim gab es in meiner Aufenthaltszeit auch einen schweren Unfall. Folgen unbekannt. An den Heizkörpern (ich war im Spätherbst dort) ragten nur die Vierkantventile heraus und ein Mädchen aus Bamberg (ich betrachtete sie als meine Freundin) wurde wegen Schwätzens geschlagen und prallte mir ihrer Schläfe auf den Vierkannt. Ich habe sie nie wieder gesehen und habe dieses Bild nie vergessen.
Meine Eltern glaubten mir meine Erzählungen vom Aufenthalt nicht. Ich bekam danach Mutismus, der in sehr abegschwächter Form auch heute noch bei Verletzungen (seelisch) eintritt.
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Regina Koch schrieb am 12.12.2019
Nachdem ich den Beitrag von Monitor gesehen habe, musste ich fürchrterlich weinen. Ich glaubte, die zweimalige Verschickung nach Bad Wildungen in den 50er Jahren als nicht so bedeutungsvoll abhaken zu können. Wann ich genau da war, kann ich nicht mehr nachvollziehen, es muss vor und nach der Einschulung gewesen sein. Beim 2. Mal hatte ich nach Hause geschrieben, dass ich Erbrochenes essen musste, aber dieser Brief erreichte meine Eltern nie. Seit diesen Aufenthalten habe ich bis zum 15. Lebensjahr das Bett genässt und mir die Fingernägel blutig gerissen. Lang geduldete Erniederungen brachten jahrelang in plötzlichen explosiven, aggressiven Verhaltensweisen scheinbar vorübergehende Erleichterung, gefolgt von schlechtem Gewissen. Mehrfache Psychotherapien gingen dem nicht auf den Grund. Bis heute habe ich panische Angst vor dem Verlassenwerden. Ich bin entsetzt und zugleich erleichtert, dass ich nicht "gesponnen" habe, wie mir früher vielfach unterstellt wurde.
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Claudia Kämper schrieb am 12.12.2019
Hallo Katma, ich war 1969 mit 5 Jahren in diesem Kurheim. Es war die schlimmste Zeit meines Lebens. Zu einer Seite einschlafen, keinen Blickkontakt, kein sprechen, einen Eimer als Toilette im Schlafraum, wobei die Toiletten direkt auf dem Gang waren. Wer weinte , musste barfuß auf dem dunklen Flur stehen ( da stand ich leider oft). Zum Essen gezwungen, Strafe, wenn die Haare auch nur minimal nass waren vom Baden in der braunen Wanne mit Salzwasser. Leider waren diese viel zu groß für so kleine Kinder.
Nicht eine gute Erinnerung und die schlimmsten Erinnerungen hat mein Gehirn wohl woanders hin platziert . Ich bin so froh, dass das jetzt alles ans Licht kommt , nur leider glaubt der Teil meiner Familie immer noch nicht , dass uns Kindern das passiert ist. Jetzt bin ich 55 Jahre und ich brauche endlich nicht mehr deren „ Einsicht“ über diese Zeit. Ich habe hier viele andere Menschen, mit denen ich dieses Schicksal teile und natürlich mit Ihnen, da wir das selbe Heim besucht haben. Alles Gute für Sie- Claudia
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Rainer Pörzgen schrieb am 12.12.2019
Im Sommer 1956 bin ich von der BEK nach Wüstensachsen in der Rhön verschickt worden; ich war damals acht Jahre alt. Das Heim lag oben lag an einer Straße, dahinter befand sich eine abfallende große Wiese bis zu einem Bach. Wir sind geschlagen worden und auch zur Strafe (z.B. für Reden im Schlafraum nach Löschen des Lichts) in den dunklen Keller gesperrt worden. Dass ein Kind sein Erbrochenes essen musste, daran kann ich mich allerdings nicht erinnern. Einmal in der Woche mussten wir nach Hause schreiben, unser Alltag im Heim war positiv zu beschreiben; das Geschriebene wurde zensiert, fand es nicht die Zustimmung des Personals, wurde es zerrissen und musste neu geschrieben werden.
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Claudia Kämper schrieb am 12.12.2019
Liebe Gaby, ich habe ganz Ähnliches in Bad Salzuflen erlebt 1969 mit 5 Jahren. Ich war dort zur Gewichtszunahme. Großer Schlafsaal, einen Eimer als Toilette , da es verboten war, Nachts auf die Toilette im Gang zu gehen.
Wir durften nur mit dem Gesicht zum Fenster einschlafen, damit jeder Blickkontakt oder Sprechen zum Nachbarn vermieden werden konnte. Da ich unglaubliches Heimweh hatte, habe ich sooft geweint, wurde dann aus dem Raum gezerrt und verbrachte eine lange Zeit barfuß im kalten Flur, stehend.
Die Wannen waren braun mit dem Salzwasser und die machten mir schon beim Anblick Angst. Da sie so groß waren , konnte ich mich nicht halten darin und bekam immer eine Strafe, wenn meine Haare nass wurden. An die Strafe erinnere ich mich nicht mehr, aber sie war schlimm. Das hat wohl mein Gehirn ausgegrenzt. Auch ich musste lauwarme Milch mit Haut jeden morgen trinken, was natürlich immer zu einem Desaster wurde. In der Küche jedoch gab es eine Dame, die mir ab und zu ohne Wissen der Erzieherinnen ein klein wenig Kakao in die Milch gaben oder zumindest die Haut vorher entfernte.
Ich bin so froh, dass es dieses Forum gibt und ich nicht mehr alleine bin. Ich habe tatsächlich bisher immer gedacht, ich wäre alleine mit dieser Erfahrung. Wenn ich früher jemanden mal erzählt habe von dieser Kur, hat man das wohl nicht ganz ernst genommen. Selbst meine Schwester glaubt mir das nicht wirklich. Ich habe ihr einen Link von Report Mainz geschickt, auf den sie aber gar nicht reagiert hat. Aber damit kann ich leben, da ich froh bin, nicht allein mit diesem Schicksal zu sein.
Alles Gute, liebe Gaby!
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Beate Schrader schrieb am 12.12.2019
Im Frühsommer 1967 verbrachte ich im Alter von 6 Jahren 8 schreckliche Wochen im Hamburger Kinderheim "Köhlbrand" in St. Peter Ording (6 Wochen reguläre "Kur" und 2 Wochen Verlängerung, weil ich gegen Ende die Windpocken bekam und unter Quarantäne gestellt wurde). Sicher habe ich Vieles verdrängt. An Einiges erinnerte ich mich immer, nämlich dass ich zum Essen gezwungen wurde und man mir mitteilte, mein Vater hätte geschrieben, sie sollten mich in den Schweinestall stecken. Anderes hielt ich lange Zeit für einen Albtraum, z.B. dass ich immer wieder gezwungen wurde, mein Erbrochenes aufzuessen, und dass im nächtlichen Schlafsaal Kinder geschlagen wurden. Erst durch den jüngsten Bericht von report Mainz wurde mir klar, dass all dies wirklich passiert ist, dass es mir passiert ist, aber auch Hunderten oder wahrscheinlich sogar Tausenden anderer Kinder. Seitdem kreisen meine Gedanken immer wieder um die damaligen Erlebnisse, die ich doch eigentlich schon längst verarbeitet glaubte.
Natürlich hatte mein Vater nichts dergleichen geschrieben. Im Gegenteil: Da ich damals noch nicht zur Schule ging und nicht schreiben konnte, hatte ich mit meinen Eltern einen Code vereinbart, wie ich durch in einer Zeichnung versteckte Striche mitteilen könnte, wie es mir geht. Die Zeichnung, die von mir nach Hause geschickt wurde, enthielt die maximale Anzahl von Strichen (schlechtmöglichste Bewertung), versteckt in einer Rauchfahne aus dem Schornstein eines Häuschens. Daraufhin schrieb mein Vater das Heim an und erhielt einen beruhigenden Brief. Ich sei anfangs ein "außerordentlich nervöses Kind" gewesen, hätte mich aber gut eingelebt, fühle mich wohl und "gebe mir große Mühe". Diesen Brief besitze ich noch und stelle ihn gerne zur Verfügung.
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Thomas C. schrieb am 12.12.2019
Hallo,
jetzt kommt doch noch alles ans Tageslicht!
Jahrzehnte lang habe ich mich immer mal wieder gefragt, hatte nur ich diese Erebnisse und Gefühle?
Ich wurde mehrfach im Alter von vier bis sechs Jahren in Erholung und Kur geschickt, da ich angeblich zu dünn gewesen sei.
Die Fahrten allein ohne Freunde im Zug, waren für mich der Beginn der "Hölle".
Wo das war, weiß ich im Einzelnen nicht mehr. Mindestens ein Mal war ich im Schwarzwald. Noch heute habe ich die Tannen vor Augen, an denen wir auf Wanderungen vorbei kamen. Das löst immernoch Beklemmungen in mir aus, wenn ich solchen Bäumen begegne.
Ich erinnere mich auch an die langen Nächte, in denen man nicht zur einzigen auf der Etage befindlichen Toilette gehen durfte. Diese wurde nur während bestimmter Zeiten aufgeschlossen. Ansonsten gab es keine Möglichkeit sich zu entledigen. Hatte man nachts doch mal ins Bett gemacht, wurde man körperlich gemaßregelt und vor der gesamten Gruppe gedemütigt.
Einmal war ich über Weihnachten dort. Geschenke wurden nur ausgegeben, wenn abends vor der Gruppe, vor der ich morgens noch gedemütigt wurde, ein Gedicht aufgesagt wurde. Die Päckchen und der Brief meiner Mutter blieben unter Verschluss.
Aus Angst ausgelacht zu werden, habe ich mein Studium abgebrochen, weil ich dort vor den ganzen Studenten Vorträge halten musste. Diese Streßsituationen waren einfach nicht mehr zu ertragen, da sich auch schon gesundheitliche Beschwerden bemerkbar machten. Man kann sagen, dort wurde ich gebrochen.
Mein Heimweh war unerträglich.
Immer wenn ich darüber in der Familie oder im Freundeskreis erzählt habe, wurde ich nur mitleidvoll angesehen, aber wirklich verstanden hat das wohl niemand, vielleicht nicht einmal geglaubt.

Zum Glück wurde diese Art der Erholung/Kur abgeschafft. Dass die sich bis in die 90er-Jahre gehalten haben finde ich erschreckend.
Etwas Gutes hatte es dann auch, ich weiß heute, wie wichtig ein belastbares Fundament für einen Menschen ist - die Kindheit. Das Wissen darüber, dass meine Kinder eine behütete, sichere und stets respektierte Kindheit hatten, erfüllt mich mich Zufriedenheit.
Kein Kind auf der Welt hat es verdient von Erwachsenen - in welcher Form auch immer - mißhandelt zu werden.

Thomas
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Randalf schrieb am 12.12.2019
Ich war entweder auch 1967 oder ein Jahr früher dort, auf jeden Fall kurz vor der Einschulung mit 6 im Sommer. Es gab zwei große Gebäude mit einem Innenhof, eins für Jungs und eins für Mädchen und man achtete streng auf Trennung der Geschlechter. Bei den Jungs habe ich zumindest diese Salzwasserbottiche nicht erlebt, aber ansonsten war allles wie beschrieben. Ich versuche mich gerade an den Namen der Schwester Oberin zu erinnern, aber es gelingt mir nicht wirklich. Erika, Elisabeth, irgendwas mit E?
Wie funktioniert das mit der Vernetzung?
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Sarah schrieb am 11.12.2019
Ich habe etwas vergessen, es müsste heißen: 1988/89 (?) auf Amrum. Ich weiß nicht mehr welches Jahr.
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Peter K. schrieb am 11.12.2019
Ich war Ende 1970 in Königsfeld im Kindersanatorium der Schwester-Frieda-Klimsch-Stiftung (siehe oben). Es gab noch weitere Kinderheime in Königsfeld, laut der Königsfelder Webseite im Jahr 1950 acht Heime. Genannt wird neben dem oben genannten Kindersanatorium die "Kinderweide". Letztere schloss 1960, das Kindersanatorium der Schwester-Frieda-Klimsch-Stiftung ging 1982 in Konkurs.
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Thomas Hagen schrieb am 11.12.2019
Mich springt das Thema an, da ich es eigentlich für mich als verarbeitet betrachtet hatte.
Ich musste drei Mal zur Kindererholung - jeweils für 6 (!) Wochen.
Das erste Mal mit 3 Jahren, 1963, nach Ruhpolding. Da habe ich sogar noch Erinnerungen - sehr liebevolle Nonnen, Mittagsschlaf auf einer Sonnenterasse, "Mithelfen" in der Küche. Tatsächlich eine schöne Erinnerung.

Das zweite Mal in Bad Soden Salmünster. Mit 6. Heimweh ohne Ende.

Und dann:
Mit 7 wieder in Bad Soden Salmünster. Absoluter Horror.
Ich war gemeinsam mit meinem 9-jährigen Bruder dort. Der wurde sofort nach Ankunft von mir getrennt. Sich zu treffen war streng verboten - zwei oder dreimal haben wir das doch heimlich geschafft, voller Angst, erwischt zu werden.
Wir bekamen nur rationiert zu trinken. drei Mal am Tag ein Glas Tee, morgens eine Art Kakao. Begründung: damit niemand ins Bett macht. Wer ins Bett gemacht hatte, wurde vor allen bloßgestellt und angebrüllt. Ich kann mich heute noch an den tierischen Durst erinnern. Habe dann abends beim Waschen heimlich den Waschlappen ausgesaugt.
Ich habe mit eigenen Augen beobachten müssen, wie ein Tischgenosse sein Erbrochenes aufessen musste. Das Essen habe ich wässerig, zerkocht, in schalen Farben in Erinnerung.
Unsere "Betreuerin" his "Tante Marga" - jahrzehntelang habe ich ihr Höllenqualen gewünscht, wenn ich an sie denken musste. Streng, unerbittlich und gemein habe ich sie in Erinnerung.
Ein Erinnerungsfetzen: meine (zu der Zeit schwerkranke) Mutter - eine grundordentliche Frau - hatte mir eine kurze Lederhose nachgeschickt. An der fehlte ein Knopf. Tante Marga nahm die Lederhose, ich musste mich vor allen Kindern (Stuhlkreis) in die Mitte stellen - und Marga hielt eine Rede, dass man ja hier sehe, wie das ist, wenn Kinder aus verlotterten Elternhäusern hier her geschickt würden. Absolut demütigend undentwürdigend.
Einige mal durften wir eine Postkarte nach Hause schicken: vorher Linien auf die freie Fläche ziehen, dann schreiben - unter Aufsicht der Marga. Und unter deren Zensur. Sie hat jede Karte gelesen, zum teil laut vorgelesen - und da durfte nichts drinstehen von dem, was uns da angetan wurde.
Ich erinnere mich an die Langeweile beim aufgezwungenen Mittagsschlaf: und an die selbe Doppelseite aus einem Fix-und Foxiheft, die ich irgenwo gefunden hatte. Das war die Lektüre für 6 Wochen.
Was mich tatsächlich noch heute fassungslos macht: dass meine Eltern, als wir ihnen nach unserer Rückkehr von alledem berichtet haben, das hingenommen haben, ohne auf die Barrikaden zu gehen.
Unseren Kindern hätte ich niemals "Kindererholung" angetan.
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Jörg schrieb am 11.12.2019
Hallo Hanne, ich war 1970 mit 3 Jahren im Kinderheim Frisia in St. Peter-Ording.
Leider kann ich mich an so gut wie nichts erinnern. Es gibt nur einige Karten von den Tanten, in denen alles wunderbar ist. Warst Du auch im Frisia? LG Jörg
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Brigitte schrieb am 11.12.2019
Liebe Rosi, warst Du auch im Haus Meerstern auf Spiekeroog? Liebe Grüße, Brigitte
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Gabriele Bodesohn schrieb am 11.12.2019
Auch ich war 1967 auf Wangerooge. Mein Beitrag ist schon 2 Monate alt und steht ganz unten. Wir können uns gerne vernetzen.LG
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Gabriele Bodesohn schrieb am 11.12.2019
Ich kenne dieses Haus. Dort war ich 1967 im Herbst im Alter von 7 Jahren. Wir können uns gerne vernetzen!
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Tina schrieb am 10.12.2019
Diese Missstände hatten sogar bis Anfang der 90er Jahre leider System....
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Annegret schrieb am 10.12.2019
Hallo Birgit,
ich habe soeben erst Deine Frage gelesen.
Auf irgendeiner Seite hier im Netz hatte ich eine Auflistung der „Erholungsheime“ gesehen.
Gruß Annegret
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Siebert, Elke schrieb am 10.12.2019
Hallo
ich war im Alter von 5 Jahren (1963) in einem " Kurheim" in Schwarzwald zum Aufpäppeln. Ich wurde als einjähriges Kind adoptiert und war immer sehr dünn. Deshalb wurde beschlossen, mich zur Kur zu versenden. Schon die lange Bahnfahrt, die ich hockend im überfüllten Abteil aushalten musste, hat mich total erschüttert, ich hatte extreme Angst vor den Erwachsenen, aber auch vor den anderen Kindern. Im Kurheim selbst musste ich in einem Gitterbett schlafen, mit mindestens 20 anderen Kindern in einem großen Schlafsaal. Vor dem Frühstück mussten wir uns ausziehen und wurden kalt abbgeduscht, danach gab es Brei, den ich nicht aufgegessen habe. Darum habe ich solange sitzenbleiben müssen, bis ich ihn dann doch gegessen habe. Bei den Spaziergängen bin ich gerne alleine gegangen, dann wurde ich von den Erwachsenen an meinen Zöpfen hinterhergezogen. Einmal habe ich Quellwasseer getrunken, daraufhin wurde ich geohrfeigt und musste sofort ins Bett gehen, es gab kein Essen und Tinken. Nach 2 Wochen Aufenthalt bin ich schwer krank geworden. Ich hatte eine komplizierte Masernerkrankung. Meine Adoptiveltern haben mich in dieser Zeit nicht besuchen können. Nach 4 Wochen Krankheit bin ich von wildfremdem Menschen zum Bahnhof gebracht worden und musste alleine zurückreisen. Diese Erlebnisse verfolgen mich noch heute.
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Christine schrieb am 10.12.2019
Es muss um 1964 gewesen sein, da wurde ich als 6 jährige vor dem Schulbeginn zusammen mit meinem 4 jährigen Bruder „verschickt“. Meine Mutter war geschieden und gerade in 2. Ehe wieder verheiratet. Meine kleine Schwester war unterwegs oder schon geboren? Ich weiß es nicht mehr. Bestimmt hatte meine Großmutter die Finger im Spiel, denn sie war der Meinung ich sei zu schmächtig und blutarm. Tatsächlich bekamen wir immer „Rotbäckchen“ und „Sanostol“ von ihr und die Teller so voll gepackt, dass man schon beim Anblick satt war. Sie meinte es bestimmt gut, denn sie war im Krieg mit ihren Kindern von Ostpreußen geflohen und musste sich in Oldenburg wieder eine Existenz aufbauen. Meine Großmutter kurte leidenschaftlich gerne. Sie fuhr wann immer es ging zur Kur.
Zur damaligen Zeit gab es nur wenig Menschen, die das Rückgrat hatten und Autoritäten wie dem Jugendamt, der Polizei oder dem Kinderarzt widersprechen. Meine Mutter gehörte nicht zu denen. Eigentlich eine starke Frau, hat die Sozialisation und Indoktrination im 3. Reich bezüglich ihrer Erziehungsmethoden ganze Arbeit geleistet. Die Traumatisierung durch den Krieg und die Flucht nahmen ihr die Fähigkeit für die Menschen in ihrem nahen Umfeld Empathie zu entwickeln. Als „Flüchtling“ und „Geschiedene“ waren sie und wir bis zu ihrer Wiederverheiratung stigmatisiert. Ich bin davon überzeugt, dass sie glaubte uns etwas Gutes zu tun.
Meine Mutter und ich haben seit Beginn der 1990er Jahre keinen Kontakt mehr. Ein Gespräch über die Verhältnisse im „Kurheim“ ist leider nicht möglich. Ich bin sicher, dass noch Fotos existieren aber darauf habe ich keinen Zugriff.
Ich möchte anmerken, dass zu der Zeit in Institutionen und Behörden Menschen das Sagen hatten, die schon im 3. Reich ihr Unwesen trieben. Das Ende des Krieges war nicht das Ende der barbarischen Erziehungsmethoden. Die kranken Ideologien lebten weiter in den Köpfen der Ärzt*innen, Pfleger*innen, Lehrer*innen, Erzieher*innen, Behördenmitarbeiter*innen, etc.
All dies rechtfertigt aber in keiner Weise den Umgang mit den Kindern dieser Zeit. Hier hat die Politik der neuen Republik kläglich versagt und ich hoffe es fliegt ihnen endlich um die Ohren. Heimkinder, Internatskinder, Kindergartenkinder, Schulkinder, Kinder in klinischen Einrichtungen, somatisch wie psychiatrisch, alle haben oder machen noch Erfahrungen mit dem Erziehungssystem nach dem Krieg. Und auch heute noch würde der eine oder andere gerne mal „Hart durchgreifen“.
Mein Bruder und ich wurden zusammen mit anderen Kindern in einen Zug gesetzt. Für uns war es wie eine Weltreise, in Wirklichkeit ging es an einen nur 10 Km entfernten Ort namens Sandkrug. Noch waren wir guter Dinge. Ich versprach meiner Mutter, dass ich meinen Bruder trösten würde, wenn er Heimweh hätte. Es lag Schnee.
Dort angekommen wurde uns unser Gepäck abgenommen. Mein Bruder und ich wurden sofort getrennt. Ab da sorgte man dafür, dass wir nicht mehr miteinander sprechen konnten. Ich sah meinen Bruder nur selten von Weitem beim Spazieren gehen, eher zufällig. Es brach mir das Herz, er sah so traurig aus. Mein kleiner zerbrechlicher Bruder versuchte die Zeit in diesem Heim zu überleben. Ich dachte nur, wenn es für mich so schrecklich ist, wie muss es dann für meinen kleinen Bruder sein? Ich fühlte mich machtlos und ausgeliefert. Es sind ganze Passagen ausgeblendet. Ich erinnere mich nicht mehr an die Namen der „Tanten“. Bis ich vor ein paar Jahren mit meiner Freundin aus früher Kindheit gesprochen habe, wusste ich nicht, dass auch sie dabei war.
Ich habe nicht eine gute Erinnerung an den Aufenthalt in diesem „Kurheim“. Meistens habe ich mich „weggeträumt“. Es gibt einige, wie soll ich sagen, kleine Filme in meinem Gedächtnis:
Wir mussten bei jedem Wetter nach draußen. Es war kalt und man hatte mir meine Handschuhe nicht gegeben. Die Schmerzen in meinen Händen waren unerträglich. Im Vorbeigehen sah ich meinen kleinen Bruder in seiner Gruppe mit gesenktem Kopf durch den Schnee stapfen. Er nahm mich gar nicht wahr. Schnee war in meine Stiefel gedrungen und ich hatte nasse Socken. Trotzdem durfte ich nicht rein. Die Stiefel trockneten nicht über Nacht, so musste ich am nächsten Tag wieder in die nassen Stiefel steigen und endlos spazieren gehen.
Ich sehe mich im leeren Speisesaal vor einem vollen Teller mit irgendeinem süßen Brei, den ich nicht herunter bringe.
Ich hatte vor Heimweh im Schlaf geweint. Man zerrte mich aus dem Bett und ich musste auf der Schuhbank vor unserem Schlafsaal schlafen.
Wir durften nachts nicht auf die Toilette, wie es tagsüber war, weiß ich nicht mehr. Ich hatte eingenässt und musste bis zum Morgen in dem nassen Bett ausharren. Was morgens geschah, daran erinnere ich mich nicht mehr.
Wir stehen in langen Schlangen nur mit einem Hemdchen und einem Höschen bekleidet in der Kälte vor dem Raum in dem der Arzt uns untersucht. An das was drin geschah erinnere ich mich nicht mehr.
Und dann wird alles wieder ganz klar, als sei es gestern gewesen: Ich war krank und wurde in das Zimmer der Heimleiterin gebracht. Ich sollte vom Arzt untersucht werden. Ich erinnere mich an einen dunklen Schreibtisch auf dem ein Bakelit-Telefon stand. Es klingelte und ich bekam mit, dass meine Mutter am anderen Ende des Telefons war. Meine Begleiterin sprach sie nahezu flüsternd mit ihrem Namen an. Sie war gebeten worden einen Krankenschein zu schicken weil ich krank sei und sie wollte wissen, was da los ist. Meine Begleiterin war in einem Dilemma. Sie durfte meiner Mutter keine Auskunft geben, sondern musste die Heimleiterin holen, ich aber durfte ja nicht mit meiner Mutter telefonieren. Ich wusste, dass dies meine einzige Chance ist meiner Mutter zu sagen wie es uns in dieser Einrichtung geht. Zu der Zeit hatte nicht jeder Haushalt ein Telefon und so war es auch bei uns. Meine Mutter telefonierte entweder von einer Zelle oder aus der Gaststätte in der Nähe unseres Zuhauses. Ich verhielt mich so als ob ich gar nicht mitbekommen hätte, wer da am Telefon ist und beschäftigte mich indem ich auf meine Hände guckte und uninteressiert tat. Meine Begleiterin verließ den Raum und ich nutzte die Gelegenheit meine Mutter anzuflehen uns abzuholen. Der Telefonhörer war höllenschwer in meiner kleinen Hand. Ich sagte meiner Mutter, dass ich streng bestraft würde, würde sie verraten, dass ich mit ihr gesprochen habe. Danach bricht meine Erinnerung wieder ab. Meine Mutter holte uns aus dem „Kinderkurheim“ frühzeitig unter Androhung finanzieller Konsequenzen durch die Heimleitung ab. Wir wurden nie wieder „verschickt“.
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Jens Rothfuss schrieb am 10.12.2019
Der Link funktioniert leider nicht mehr: deshalb hier nochmals:

Hallo Jens Rothfuss,

>Ihr Kommentar wurde genehmigt.

http://verschickungsheime.org/regionalgruppen/#comment-553

Sehr geehrte Damen und Herren, im baden-württembergischen Herrlingen bei Ulm gab's auch so ein Heim. Ich (Jg. Nov. 1959) war dort im Nov. + Dez 1966, mit meinen beiden Brüdern (Jg. 1957+1961) verschickt worden. Unsere Mutter hatte seinerzeit schwere Gelbsucht. Das ganze lief irgendwie über das Müttergenesungswerk.Gleich nach Ankunft wurden wir getrennt. Meinen kleinen Bruder sah ich in dieser Zeit fast nie. Meinen älteren Bruder recht regelmäßig, da die Gruppen (mittleres und älteres "Alter) manchmal zusammengelegt wurden. Gegessen haben wir jedoch stets getrennt. Die jetzt geschilderten Grausamkeiten kann ich 100%ig bestätigen und habe noch sehr intensive, niemals verarbeitete Erinnerungen an das Heim in Herrlingen wie * nachts das Verbot aufs WC zu gehen incl. entsprechender Erniedrigungen am nächsten Morgen, wenn eingenässt wurde * Erbrochenes musste so oft wieder gegessen werden, bis der Teller leer war. Dies musste zum Teil auch unter dem Tisch erfolgen... * "Wiederholungstäter" erhielten zu den anschliessenden Mahlzeiten ausschließlich Schmalzbrot * regelmäßige Schläge und Brutalitäten von den "Tanten" bei nichtigsten Anlässen usw... Ich hatte das "Glück", in dieser Zeit an Windpocken zu erkranken und war während dieser Zeit, übrigens auch an meinem 7. Geburtstag, in einem Einzelzimmer auf der Bühne untergebracht. Bekam dort KEINE Schläge und KEIN Schmalzbot... Auch mir wurde nach dieser Zeit NIX davon geglaubt, auch nicht von meinen Eltern. Mein ganzes Leben wurde von diesen knapp 2 Monaten sehr nachhaltig negativ geprägt: * ich kann auch heute noch nicht in einem Mehrbettzimmer schlafen * ich kann ein Schmalzbot bis heute nicht mal ansatzweise ansehen (bzw. essen) *mein Selbstbewusstsein war (und ist bis heute) empfindlich gestört * sobald sich jemand übergeben muss, geht's mir fast immer ebenso usw. Während ich das gerade schildere, laufen mir die Tränen übers Gesicht. Durch die Berichterstattung kommt die ganze, halbwegs verdrängte Sch... wieder hoch. Und vorbeifahrenden Züge entwickeln wieder - wie schon damals vor über 50Jahren - einen gewissen Charme, nämlich das Gewitter im Kopf zuverlässig zu beenden.
Mit freundlichen Grüssen
Jens Rothfuss
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Detlef Eberlei schrieb am 10.12.2019
Detlef
Mein Zwillingsbruder und ich waren Mitte der 60er Jahre im Kinderkurheim,Oldenburg-Sandkrug.Was wir dort erlebt haben,ist nicht in Worte zu fassen,Mißhandlungen,Strafen.Ich durfte eine Karte an meine Eltern schreiben,unter Aufsicht,diese Karte habe ich noch datiert auf den 08.7.1965.Ich wurde auch mißhandelt.
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Wilfried schrieb am 10.12.2019
Guten Tag,
ich lebe seit 1987 in Berlin.
Ich komme aber aus Neumünster in Schlewig-Holstein.
Ich bin mir nach Recherche sicher, dass ich Ende der 60er-Jahre im Sommer für mindestens 6 Wochen in Bad Sooden war.
Ich habe furchtbare Erinnerungen, die mir meine Eltern leider nie geglaubt haben.
Ich habe erst letzte Woche von den ganzen Vorgängen erfahren.
Ich befinde mich gerade in psychotherapeutischer Behandlung und es scheint ganz so, dass ich den Schlüssel zu vielen Problemen gefunden haben.
Alles war verschüttet und ist plötzlich präsent - wie beklemmend.
Ich habe momentan so gar keinen Plan, was ich jetzt machen soll.
Herzlicher Gruß
Wilfried
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Sarah schrieb am 09.12.2019
Hallo Sabrina.
Ich bin auch Jahrgang 1980 und wurde sehr oft zur Kur geschickt, und ich kann deine Schilderungen nur bestätigen.
Es begann mit einer Zugfahrt, viele Kinder weinten, die erfahreren von den Kindern empfahlen uns alle mitgebrachten Süssigkeiten schnell aufzuessen, man würde sie uns abnehmen. Eine Tante sang " Schlaf Kindlein Schlaf..."um die weinenden zu beruhigen.
Ich erinnere mich an solange alleine im Speisesaal Sitzenbleiben müssen bis der Teller aufgegessen war, meistens Griesbrei. Ich erinnere mich, dass wir irgendwelche Deals mit den Kindern hatten, die zu wenig bekamen, weil sie abnehmen sollten, ich war bei den "Zunehmern" . Wie wir das genau anstellten weiß ich nicht mehr. Es gab sehr böse Tanten, Kinder wurden wegen Erbrechen und ins Bett machen vor allen bloßgestellt.Es wurden Kopfnüsse und Backpfeifen verteilt, eine Strafe war den ganzen Abend mit Hut in der Ecke stehen, im Raum mit allen anderen, die währendessen einen Film guckten. Aber auch liebe Tanten, die einen manchal getröstet hatten. Ich erinnere mich an lange Warteschlangen in Unterhose auf dem kalten Flur, anstehen zum Wiegen oder zum Arztzimmer.
Es gab zu wenig zu Trinken, nur eine rote Plastiktasse von diesem roten Tee, wir tranken immer heimlich so viel wir konnten, aus den Wasserhähnen im Waschraum, was dann aber zu Problemen führte, weil wir während der Schlafenszeiten nicht zur Toilette gehen durften. Wir tauschten Tipps aus, wie wir das Pippi wohl am längsten in uns behalten konnten, etwa der Art: ."Wenn es ganz schlimm drückt und wehtut, und du schon nicht mehr kannst, dann press die Zähne zusammen, es geht vorbei, danach geht es wieder für eine ganze Zeit, ohne zu drücken...wenn der Druck
sich entleeren zu müssen dann ein zweites Mal zurückkommt, dann gibt es kein Halten mehr, dann ist es besser von der Aufsichtstante
ausgeschimpft zu werden, wenn sie einen
erwischt, als nach der Schlafenspause in der
langen Warteschlange vor dem Klo einzunässen
und vor allen blossgestellt zu werden."Post von
zu Hause wurde vor allen vorgelesen, die die keine Plst bekamen wurden gedemütigt: "Sarah,
keine Post, " und sie durften dann auch nicht ins
Schreibzimmer, in dem die Karten nach Hause
zensiert wurden.
Endlich bekam ich auch mal ein Päckchen von zu Hause, der Inhalt wurde einbehalten und dann an die anderen verteilt, als ich auf der
Krankenstation war , als Strafe für Fehlverhalten meinerseits...
In einem Brief von meiner Mutter werde ich ermahnt nicht so ein Trotzkopf zu den Tanten zu sein, und sie wunderte sich, dass ich bei dem Telefonat so wenig gesagt hätte..auch warum ich ihr keine Zeichnungen schicken würde..

Ich erinnere mich, dass ich wahnsinnige Angst vor den Schwestern und Ärzten hatte..Es wurde viel rumgeschrien und kommandiert. Ewiglange Spaziergänge, in zweierReihen, ich hatte immer Durst. Wenn ein Kind vom Weg abwich oder träumte, langsam war, müde wurde, wurde es angebrüllt.Der Wind trieb uns den Regen und den Sand quer ins Gesicht, wir hatten Sprechverbot und sollten nur durch die Nase atmen, weil wir vom Wind sonst Halsweh bekommen würden.

Ich war1985 im Sanatorium Schönsicht in
Berchtesgaden,1986 in Norderney, Seehospiz Station 8, dann 1988/89 in Amrum,1990 in Sankt Peter Ording, dort zum allererstenmal mit meiner Mutter im selben Zimmer, was war ich froh, und
danach nur noch zur Mutter Kind Kur, das heißt
ich musste nur noch zu den Anwendungen in das Heim ,der
Umgangston dort aber war noch derselbe
geblieben. Bei der Atemtherapie wurde ich schlimm angeschrien und der Physiotherapeut
brach mir fast die Rippen, so drückte er mir auf
den Brustkorb, er war wütend, weil ich die
Bauchatmung nicht konnte.
Es gab aber auch Bastelangebote, das hatte mich sehr überrascht.
Irgendwie waren in der Mutter Kind Kur alle
etwas freundlicher, plötzlich..
Ich lernte einen Jungen am Strand kennen, er sagte er wäre aus dem Kurheim weggelaufen und würde in den Strandkörben übernachten, und das von den Touristen weggeworfene Zeug essen..ich bewunderte ihn für seinen Mut und hoffte er würde es schaffen. Ich hätte mich das nicht getraut.

Ich habe sicher viel verdrängt aus der Zeit, es gab viel Gewalt, es waren viele Heime, aber die Methoden alle ähnlich. Kinder wurden dort gebrochen und das systematisch, bis in die 90 er hinein..Wahrscheinlich haben sie erst damit aufgehört, als diese bösen " Tanten" in Rente gingen, irgendetwas aufgearbeitet oder reflektiert wurde da nicht.
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Peter K. schrieb am 09.12.2019
Ich bin am Wochenende auf den Bericht und die Webseite aufmerksam geworden, habe die Berichte gelesen und bin erschüttert, aufgewühlt und fassungslos.

Ich wurde wegen Asthma und Neurodermitis 4x verschickt. Das erste Mal mit knapp 2 Jahren von Juni - September 1963 auf den Kniebis im Schwarzwald. Meinen 2. Geburtstag "feierte" ich nicht mit meiner Familie. Weitere Stationen waren März - Mai 1965 (Kniebis), April - Mai 1968 (Luisenheim, Bad Dürrheim), November - Dezember 1970 (Kindersanatorium in Königsfeld). Alle Orte liegen im Schwarzwald und ich komme aus dem Schwarzwald.

Ich habe keine bewussten Erinnerungen an Schläge, Essen von Erbrochenem, Bettnässen oder vorsätzliche Demütigungen. Vielleicht hatte ich Glück, vielleicht kann oder will ich mich nicht erinnern. Beim Lesen der anderen Berichte kommt mir aber das eine oder andere wieder in Erinnerung. Die Sole-Bäder und die Badewannen, in denen man auch nach dem Ablassen des Wassers sitzen bleiben musste (immerhin mit Unterhose bekleidet), die Plastikröhren um die Arme, damit ich mich nicht kratzen konnte (gejuckt hat es trotzdem), die Vorwürfe wenn ich an einem Tag keinen Stuhlgang hatte (irgendwann habe ich dazu einfach die Schwestern angelogen), die Briefe nach Hause mit Formulierungen eines erwachsenen Schreibers und nicht mit den Formulierungen eines Kindes usw. Es könnte sein, dass beim weiteren Lesen und dem Vernetzen mit den Heimorten noch einiges dazu kommt...

Als ich die Berichte las, habe ich geweint.

Das Übelste ist für mich persönlich aber die Rahmenbedingung, dass Kinder ab zwei Jahren für Monate oder ein Vierteljahr von den Eltern weg sind (Besuchsverbot). Meine Eltern sind schon gestorben, aber mein älterer Bruder erzählte mir mal, dass ich nach dem ersten Heimaufenthalt sehr verändert war und unsere Mutter mit Tante angesprochen habe.

Haben die Leute damals wirklich geglaubt, dass Kinder sich gleich verhalten, egal ob sie bei den Eltern sind oder monatelang getrennt von ihren Eltern? Auch in den 60er Jahren müsste man das doch gewusst haben. Geschockt hat mich, dass es in den 70ern und teilweise in den 80er Jahren auch noch so war.

Ich habe mein Leben in den Griff bekommen, aber manche persönliche Entwicklung hat deutlich länger gedauert als bei vielen Altersgenossen und einiges als Jugendlicher und Erwachsener hätte so nicht sein müssen.

Als meine Tochter mit knapp zwei Jahren für eine Woche ins Krankenhaus musste, habe ich sofort einen Teil des Rooming-Ins übernommen. Meiner Tochter hat das gut getan - mir auch.

Ich bin mal gespannt, ob andere etwas vom Kniebis, Bad Dürrheim oder Königsfeld erzählen können.

Liebe Grüße

Peter
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Alois Nitsche schrieb am 09.12.2019
Hallo, ich bin Jahrgang 1947 und durch Zufall auf diese Seite gekommen.
Auch ich wurde VERSCHICKT weil ich doch so dünn war. Meine Erinnerungen sind sehr schwach
aber nicht schön. Fragen kann ich keinen mehr. Ich bin einmal in Berchtesgaden am Untersalzbrg
gewesen und dann in Leste bei Grömiz an der Ostsee. Kann es sein, das dieses Haus noch
als Schullandheim exestiert? Würde mich interessieren .
MfG Alois Nitsche
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Heidi S. schrieb am 09.12.2019
Wie erleichtert bin ich, dass wir Verschickungskinder nun endlich, nach so langer Zeit gehört werden.Ich war mit 7Jahren im Sommer 1956 in einem "Kinderheim" (von der Kirche)? auf Wyk auf Föhr sechs Wochen untergebracht. Ich war damals sehr schmächtig (war eine Frühgeburt), und litt sehr häufig an schweren Lungenentzündungen. Die Seeluft und das "gute" Kurheim sollten mir helfen, meine Traumata zu verarbeiten.
Mein geliebter Bruder starb 1953 mit 12 Jahren an Muskeldystrophie. Mein Vater war in russischer Kriegsgefangenschaft und kam mit dem ersten Krankentransport des Roten Kreuzes zurück. Er starb mit 48 Jahren direkt vor Weihnachten, als ich 7 Jahre alt war.
Im Heim herrschte ein strenges Regiment. Wir saßen an langen Tischen. Erbrach sich ein Kind, musste das Erbrochene wieder aufgegessen werden. Die Tanten machten einen eiskalten Eindruck und setzten diese Forderung immer durch. Als der Junge neben mir auch auf seinen Teller erbrach, geschah mir das ebenfalls. Es war so eklig und widerwärtig!
Glücklicherweise erkannte die Tante mein hohes Fieber, sodass ich davon verschont blieb. Der Arzt stellte bei mir Windpocken fest, sodass ich dann isoliert in einer kleinen Holzhütte, oder einem Pavillon, mit zwei Etagenbetten und mit einem kleinen Fenster, untergebracht wurde. Ich war dort allein, bis auf das Essen, was mir gebracht wurde. Der Arzt war sehr freundklich und schaute gelegentlich alle ein-zwei Tage nach mir. Ich vertrieb mir die lange Zeit damit, dass ich wenigstens von meinem Bett aus durch das Fenster nach draußen schauen konnte. Spielsachen gab es nicht!
Zu meinem Krankenzimmer gab es keinen Vorraum. Die Außentür war meistens geöffnet und wurde mit einem langen Haken an der Außenwand fixiert. Ich hatte viel Angst und es brauchte eine große Überwindung, abends nach draußen zu gehen, den Haken zu lösen, um die Tür dann schließen zu können. Abschließen konnte ich nicht, es gab keinen Schlüssel.
Ich kann mich erinnern, dass wir den Text der Karten für die Eltern von einer Tafel abschreiben mussten. Jede Karte wurde von den Tanten kontrolliert. Die Briefe meiner Mutter habe ich nie bekommen!
Obwohl mir das sonst nie mehr passierte, machte ich dort in meine Hose. Die Tante hielt mir den eingekoteten Slip dicht unter meine Nase. Alle Kinder durften zusehen. Ich war einem großen Gelächter ausgesetzt. Ich habe mich unendlich geschämt und mich gedemütigt gefühlt..
Meiner Mutter habe ich von den Missständen erzählt, aber sie hat sich nicht darum gekümmert. Die Trauerarbeit um meinen Bruder und meinem Vater war zu schwer..
Als Kind hatte ich schon einen tiefen Glauben und fühlte eine starke Verbindung zu Gott. Das hat mich durch alle Widrigkeiten getragen.
Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe mich zur Krankenschwester ausbilden lassen, um notleidenden Menschen helfen zu können.
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Anke schrieb am 09.12.2019
Hallo Kerstin, ich war 1970 in Haffkrug (das Haus erinnere ich nicht mehr)und habe meinen 6. Geburtstag dort (nicht) gefeiert. Mir geht es ähnlich wie dir, es sind nur Sequenzen, die ich erinnere. Die großen Schlafsäle, die unsäglichen Puddingsuppen, die nie zu Pudding wurden. Persönliche Dinge, die eingezogen wurden. Geöffnete Briefe (was ich, da ich nicht lesen konnte, okay fand) und Postkarten von mir, die vermutlich eine Tante geschrieben hatte, fand ich im Nachlass meiner Mutter auch.

Dann wurden Kinder krank – die einen hatten Windpocken, die anderen Masern. Ein anderer Junge und ich hatten beides.

Sonst streng in Mädchen und Jungs getrennt, wurde ich mit diesem, vielleicht 2 Jahre älteren, Jungen über Tage in ein abgedunkeltes Zimmer gesperrt. Essen wurde gereicht, gelegentlich kam jemand zum Fiebermessen. Ich war zu krank, um mich wirklich vor dem Jungen zu schämen, denke ich. Meine Eltern wurden informiert, warum sie nicht kamen und mich abholten, habe ich nie verstanden.

Ich kam dünner und blasser zurück und habe wochenlang nicht mehr gelacht und wenig gesprochen.

Ich habe lange nicht mehr an diese Zeit gedacht, aber bei den Berichten hier merke ich, dass einige Erinnerungen hochkommen.
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Tom schrieb am 09.12.2019
Hallo, ich war grob zwischen 1973 und 1976 zur "Kur" irgendwo im Schwarzwald, ich war dort zwischen 4 und 6 Jahre alt.

Ich habe nur wenige vage, aber aus meiner Sicht eben schlimmste Erinnerungen:

Personal, dass mich einsperrt, dass mich zwingt, alleine im Essensraum zu sitzen, bis ich meinen Teller samt Abfällen(!) restlos leergegessen hatte, egal ob ich würgte oder mich erbrach. Ich erinnere mich jetzt in diesem Moment erstmans an einen Eimer für mein Erbrochenes neben meinem Essplatz ...

Strenge und Härte, jedwedes kindliche Verhalten wurde nicht toleriert, nur Gehorsam zählte. Mir wurde Prügel angedroht, ob es dazu kam, weiß ich nicht mehr, ich hatte so viel Angst, ich zeigte sicher absolutes Gehorsam, bis heute wehre ich mich zu wenig in mich bedrängenden Situationen.

Zur Strafe wegen angeblichen Ungehorsams wurde mir mein Kuschelteddy abgenommen oder ich musste ewig lang alleine im verdunkelten Zimmer sitzen.

Es gab feste Toilettenzeiten, bei denen ich beobachtet wurde - ich kann seither nicht "frei" zur Toilette gehen, in öffentlichen Toiletten darf beispielsweise niemand im Raum zugegen sein und schon als Kind/Jugendlicher konnte ich mich nicht draußen erleichtern, wenn wir beim Zelten etc. unterwegs waren. Auf meiner ersten Klassenfahrt war ich fünf Tage lang nicht "gross" zur Toilette, weil ich dort nicht alleine sein konnte - voller Bauchschmerzen wartete ich auf die Erlösung zuhause.

Ein Erfahrungsbericht hier in diesem Forum brachte etwas Licht in mein Dunkel: Rektales und sehr schmerzhaftes Fiebermessen war an der Tagesordnung - ich habe mich gewehrt, geschrien und geweint, musste dabei fixiert werden und bin dann anschließend weinend eingeschlafen, denn es passierte spät abends ... ich weiß -noch- nicht, was mir sonst noch alles geschehen ist, aber es muss mehr sein als ich befürchte.

Natürlich blieben auch die Misshandlungen der anderen "Kurkinder", die größer, älter und stärker waren als ich, nicht ohne Folgen: Sie ließen -ich mache ihnen keine Vorwürfe- ihre Erfahrungen in gemeiner Aggressivität an mir aus, ich war einer der kleinsten und jüngsten dort. Andere Jungs haben mir beispielsweise die Unterhose ausgezogen und unerreichbar versteckt, die ich dann unten herum nackt und weinend unter den Hänseleien und Quälereien der Größeren suchen musste - mit Sicherheit unter den Augen des belustigten Personals.

Dies hier heute ist meiner erster Anlauf!

Das Schlimmste ist, dass mir (außer meiner lieben Frau) niemand zuhört:
Ich habe versucht über meine Eltern zu erfahren, wann ich genau in welchem Heim war, aber es weiß niemand mehr genau (oder will es nicht wissen). Die damals zuständige Krankenkasse AOK habe angeblich keine Unterlagen mehr und mein Versuch, einen Therapeuten zu finden schlägt seit langer Zeit fehl - es gibt keine.

Ich werde mehr schreiben, wenn ich mehr weiß - endlich gibt es einen Ort, an dem ich das Gefühl habe, nicht alleine damit zu stehen (meine liebe Frau unterstützt mich zum Glück auch). Sicherlich muss ich alles aufarbeiten, aber am Meisten ärgert mich, dass niemand Verantwortung übernehmen will. Verantwortung darüber, dass niemand hingeschaut hat und niemand die Methoden der Heime ernsthaft überprüft und beendet hat. Krankenkassen, Jugendämter, Politiker, Eltern.

So viele Jahre / Jahrzehnte konnten perverse Männer und Frauen ihren pädophilen und/oder perfiden Gelüsten freien Lauf lassen und alle haben weggeschaut. Das darf nicht einfach so im Sande verlaufen! Vielen ist noch Schlimmeres als mir widerfahren und sicherlich wählten leider viele von uns Betroffenen den Suizid, was sich nie nachweisen lassen wird.

Aber wir alle haben Aufklärung und Antworten verdient. Diese Entschädigung ist wichtiger als jede Materielle, vor Allem darf sich so etwas nie wiederholen.

Danke für diese Plattform, vielleicht hat ja jemand Tipps, wie ich an Ort und Zeit des grausamsten Aufenthaltes meines Lebens kommen kann; das würde mir das Aufarbeiten sicher sehr erleichtern.

Liebe Grüße Tom
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Hartmut Schnall schrieb am 09.12.2019
Mein Name ist Hartmut Schnall,geboren 1951. Ich wurde Ende der fünfziger Jahre mit 7 Jahren für 6 Wochen zur Erholung nach Allerheiligen im Schwarzwald geschickt.
Es gab vor jedem Mittagessen für jeden mit dem gleichen Löffel Lebertran aus einem großen Glas. Ich erinnere mich, daß ich einmal den Lebertran in die Suppe erbrochen habe. Ich sollte die Suppe essen und mußte über zwei Stunden vor dem Teller sitzen bleiben. Ich bin bis heute stolz, daß ich mich geweigert habe.
Weiterhin ist mir in Erinnerung, daß ich bei der Rückkehr nachhause meine Mutter mit Tante angeredet habe.
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Sascha schrieb am 09.12.2019
Guten morgen,
Ich habe durch Spiegel-Online von dieser Seite erfahren. Ich bin 1969 geboren und wurde von 1974 bis 1977 jeweils zwei Mal im Jahr "verschickt" weil ich so "schmächtig" war. Zu dieser Zeit lebten wir in Unna.
Angeblich litt ich auch unter "Eisenmangel" und habe jeden Tag ein in Wasser aufgelöstes Pulver trinken müssen sowie Tubenweise das berühmte Multi-Sanostol löffeln (das war aber ganz lecker).
1974 und 1975 wurde ich jeweils abwechselnd nach Marktredwitz und Scheidegg (jeweils 6 Wochen im Sommer und Winter) verschickt. 1977 nach Tirol (ich kann mich an den Ort nicht mehr erinnern....oder will es nicht)
All diese Beschreibungen haben so viele Erinnerungen hervorgeholt.
Es mag wie eine Wiederholung klingen doch leider ist mir Vieles selbst widerfahren.
Stundenlanges im Essensaal sitzen vor diversen Sachen bis sie aufgegessen waren (selbst mit eigenem Erbrochenem) die ich bis heute nicht einmal riechen kann ohne würgen zu müssen. Bis heute kann ich keinen Zimt ertragen (Griessbrei mit Zimt überstreut). Eingemachtes Obst (diese dicken weichen eingemachten Pflaumen). Und besonders schlimm waren Nudeln mit eingekochtem Dörrobst als Soße (ekelhaft süß).
Ich erinnere mich an die großen Speisesäle in denen wir "Dünnen" und die "Dicken" getrennt sitzen mussten. Während die Einen gezwungen wurden jede Mahlzeit aufzuessen bekamen die Anderen Magerkost.
Beschwerden wurden mit "Backpfeifen" und stundenlangem Sitzen (selbstverständlich ohne zu reden) bestraft.
Bettnässer (zu denen ich Gottsseidank nicht gehörte) wurden in der Nacht unter eiskalte Duschen gestellt und mussten anschließend im Flur auf ihrer nassen Matratze schlafen.
Briefe wurden kontrolliert und "umgedichtet" wobei einem teilweise die Hand geführt wurde.
April 1975 "feierte" ich meinen 6. Geburtstag in Marktredwitz. Mein Geburtstags-Paket wurde vor allen Kindern geöffnet und einige Dinge (Süßigkeiten) einbehalten.
Es herrschte immer eine Atmosphäre der Angst. Selbst Kleinigkeiten welche in den Augen der "Betreuerinnen" Verfehlungen darstellten wurden mit Isolation und stundenlangem auf dem Boden knien oder in Unterwäsche/nackt auf Holzstühlen sitzen bestraft.

Ich habe immer wieder meinen Eltern davon erzählt und verstehe bis heute nicht wie sie mich immer wieder dorthin schicken konnten.
Ich bin dankbar für diese Seite und fühle mich nicht mehr so alleine mit diesen Erinnerungen. 45 Jahre lang hatte ich immer das Gefühl das mir nicht geglaubt wurde wenn ich davon erzählte. Danke.
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Gaby schrieb am 08.12.2019
Guten Abend, Jürgen;
was für eine grausame Geschichte Du hast erdulden müssen!

Ich war 1966 oder 1967, auf jeden Fall vor der Einschulung 1967 in der "Kur" in Bad Rothenfelde. Meine Eltern hatten es gut gemeint, der Kindergarten hatte darauf verwiesen und ich war voller Vorfreude aufs Unbekannte.

Meine Erinnerungen sind nicht in dieser unendlichen Grausamkeit, die Du erlebt hast, aber auch schlimm: Riesige Wannen mit den Solebädern, in denen wir wortlos und mit nach vorne ausgestreckten Armen sitzen mussten, das machte mir Angst. Wir saßen auch noch da drin, wenn das Wasser bereits abgelaufen war... Die Wannen waren sehr hoch, man hätte gar nicht alleine daraus gekonnt.

Schlafsäle: kein Wort durfte gesagt werden, ich hatte Angst und Heimweh - ein anderes Kind weinte regelmäßig und wurde jedesmal deswegen ausgeschimpft und uns als schlechtes Beispiel vorgeführt. Ich habe gezittert vor Angst.

Essen: Ich mochte nie Milch und ekelte mich vor dem Schmand / der Haut - und habe das auch gesagt, natürlich vergeblich. So trank ich die Milch mit (wortlosem) Luft-Anhalten, und musste dies ausgeschimpft und dann ganz alleine in dem riesigen Speisesaal tun. Ich erinnere mich an die bedrohliche Atmosphäre. Ich war ganz still und weinte auch nicht. Dann wartete ich auf die Abholung aus dem Saal... Die Frau hieß JEANETTE - ich weiß das ganz, ganz genau!
Sie holte mich ab, langer Flur (ich stumm) und herrschte mich an, dass ich meine Schnürsenkel binden sollte. Ich konnte das nicht und sagte das - und ZACK - öffnete sie eine Tür, schob mich darein und schloss hinter mir ab. Ich habe keine Vorstellung, WIE LANGE ich dadrin war. Ich blieb stumm. Setzte mich auf den Boden aber sagte nichts, klopfte nicht an die Tür, rief nicht um Hilfe (war wahrscheinlich auch besser so) IRGENDWANN zog sie mich da raus und herrschte mich an, wenn ich die Schleife nicht bald könnte, würde ich wieder eingesperrt... Es ist aber nur einmal passiert und ich lebte Tag und Nacht in Angst, dass sie mich wieder einsperrt.

Meine Eltern erzählten mir, dass sie dreimal da waren, aber nicht zu mir durften, dass ich todunglücklich wiederkam - und nichts erzählte, nie. Vor drei Jahren endete mein Schweigen, weil auf einmal die Erinnerung hochkam - ich hatte es komplett verdrängt. Erstaunlich.
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Katja Plettenberg schrieb am 08.12.2019
Hallo,

ich war als 5 jährige im Jahr 1976, im Seehospiz Kaiserin Friedrich auf Norderney, für 8 Wochen zur "Erholung". Für meine Eltern galt Kontaktverbot.

Ich hatte Asthma und Allergien, die dort behandelt werden sollten und was von der Krankenkasse (Barmer) (gut) bezahlt wurde.

Es wurde der gepackte Koffer mit meiner Kleidung mir nicht zur Verfügung gestellt, sondern ich bekam Anstaltskleidung. Dieses nahm mir direkt kurz nach der Ankunft schon einen Identitätsaspekt. Ich war eher wie ein Junge und hatte früher nur Hosen an, nun wurde ich in Kleider gesteckt und in Strumpfhosen die kratzten....und nicht mir gehörten.

Es gab übermäßig strenge Regeln und Strafen:

Mahlzeiten: Eagl was und ob man es mochte oder vertrug, ich musste das Essen aufessen. Wenn ich mich weigerte, nicht mehr konnte, mich übergab,-egal, ich musste es aufessen.

Toilettengang: Ich durfte nur zu bestimmten Zeiten auf die Toilette. Egal ob ich musste oder nicht. Bzw. wenn ich musste und nicht diese bestimmte Zeit war, so durfte ich nicht auf die Toilette. Als 5 jährige sah ich nur den Ausweg, mich in Ecke des Zimmers zu kauern und heimlich in die Ecke zu machen. Zur Strafe durfte ich nicht auf Ausflüge (ständiges Laufen am Strand/ über die Insel, kein freies Spiel) oder musste im Zimmer bleiben.
Als diese Strafen nicht wirkten, bekam ich in meinem Alter Windeln an. Diese zog ich mir aus und machte erneut in die Ecke des Zimmers. Darauf hin wurde ich mit meinem eigenen Kot, am ganzen Körper eingerieben. Ich solle mich doch bitte an die Toilettenzeiten halten.

Post: Es war Ostern zu der Zeit, als ich da war. Das Päckchen, was meine Familie mir schicke, wurde von einer Schwester geöffnet, der Teddy der darin war herumgereicht bevor ich ihn haben durfte, der Brief von meiner Schwester vor allen vorgelesen und belacht, da sie Schreibfehler darin hatte. Auch hier hatte ich das Gefühl nichts Eigenes mehr zu haben, die kleine Verbindung zu meiner Familie wurde mir "weggenommen" und lächerlich gemacht.
Der letzte Anker war von Ihnen gelichtet. Ich glaubte nun, meine Familie wolle mich nicht mehr haben. Das Päckchen änderte nichts daran.

Hilflosigkeit/ kein Entrinnen: Einmal bin ich auf einem Ausflug weggelaufen und war bis zum Meer gekommen. Da verstand ich, dass ich nicht alleine hier wegkonnte, ich war auf einer Insel, die von Wasser umgeben war. Das machte die Hilflosigkeit noch stärker. Ich konnte ja noch niciht schreiben oder telefonieren.
Ich bekam als Strafe ein paar Backpfeifen und musste wieder im Haus, im Zimmer bleiben.
Nachts hörte ich auch anderen Kinder weinen, traute mich genausowenig wie sie selbst zu trösten.

sex. Übergriff: Morgens war das Fiebermessen pflichtritual. Wobei ich erinnere, dass es einmal definitiv zu einer sexuell motivierten Handlung kam. Ich sagte noch " Das ist doch nicht der Po". Meine Vagina wurde stimuliert. Ich drehte mich aus Angst nicht um und ließ es geschehen.

Eine Sprache finden/ nicht wirklich Gehörfinden: Eine Freundin meiner Mutter besuchte mich einen Tag und ich bettelte , dass sie mich wieder mitnahm. Sie dachte ich hätte Nur Heimweh und würde mir die Dinge, die ich Ihr schilderte, ausdenken.
Diese Freundin war selbst auf Norderney aufgewachsen und hatte einen Bruder, der dort arbeitete. Als ich sie später als Erwachsene fragte, ob Ihr Bruder davon etwas erzählt habe, verneinte Sie.

Zu Hause: Als ich nach Hause kam war ich hospitalisiert, wackelte mit meinem Oberkörper entsprechend hin und her, und wich meiner Mutter nicht mehr von der Seite. Sogar mit auf die Toilette begleitete ich sie ein halbes Jahr. Jegliche Trennung von ihr war für mich eine Katastrophe.
Ein Jahr später erst erzählte ich einen kleinen Teil von den Erlebnissen. Sie machte sich große Vorwürfe.

Die Folgen: Ich hatte ursprünglich Asthma und 2 Allergien. Die Jahre nach diesem Aufenthalt bekam ich Neurodermitis. Dieses ist im Rückblick und mit Fachwissen nicht verwunderlich. Haut ist ein Grenzorgan. Grenzen wurden mehrmals massiv überschritten. Das ich mit Kot auf der Haut eingerieben wurde, und nun diese Haut aufkratzte, ist für mich ein unmittelbarer Zusammenhang.
Mein Asthma wurd nicht besser, sondern schnell schlimmer. Jahrelang hatte ich Nachts Asthmaanfälle, die psychogen und nicht mehr allergisch ausgelöst waren.
Wenn mein Arzt und meine Eltern damals mich baten wieder zur Kur zu fahren, ging ich in massiven Wiederstand. Ich sagte ganz deutlich im Jugendalter: Wenn ich jemanden von den damals Verantwortliche treffen würde,ich würde für nichts garantieren können,- so groß war meine Wut. Erst mit 18 Jahren traute ich mich in eine Kur in Davos durchzuführen.

Durch mehrere Therapien und anderen Erfahrungen weiß ich, das auch meine Autoritätsakzeptanz-probleme mit der damaligen Situation zusammenhängen. Meine Krisen in Trennungssituationen sind davon geprägt und die Art Beziehungen zu gestalten. Mein Urvertrauen wurde damals komplett zerstört. Schließlich bin ich einmal an einer reaktiven Depression erkrankt.

Mittlerweile habe ich gelernt damit umzugehen. Ich bin nicht mehr überwältigt von den Gefühlen, Erinnerungen und Gedanken zu dem Kurheim.
Jedoch bin ich sehr daran interessiert, das Verantwortung für damalige Strukturen und Verfahrensweisen übernommen wird.
Ich frage mich, ob die Barmer nicht mehr hätte unternehmen können. Denn meine Eltern haben durch aus damals ihre Irritation geäußert.
Warum konnte das so lange Jahre und in so vielen Kurheimen so gehandhabt werden???
Das schlicht Geld (auf Heimseite) wahrscheinlich ein Grund und ein anderer das "nicht glauben können" (alle anderen Beteiligten, die davon hörten) war, frustriert immernoch.
Es hätte der Barmer viel Geld in Folge gespart, wenn sie mich nicht dorthin zur Kur geschickt hätten.

Hinweis auf die Internetseite der Betroffenen, des Kurheimes Seehospiz Kaiserin Friedrich auf Norderney: forumromanum.com
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Torsten schrieb am 08.12.2019
Schon viele Jahre, in unregelmäßigen Abständen, recherchiere ich im Internet nach Bildern und Berichten in Bezug auf meine zwei Kuraufenthalte.
Alleine diese Tatsache dass man nach fast 50 Jahren immer noch auf der „Suche“ ist halte ich für sehr bedenklich. Jetzt weiß ich dass es ein Trauma sein muss
Vor ein paar Wochen stieß ich schließlich auf diese Seite und ich konnte es kaum glauben. Endlich eine Plattform wo man halbwegs Antworten und Informationen zu diesem Kapitel findet. An dieser Stelle möchte ich mich bei der Initiatorin Frau Röhl sehr herzlich bedanken. Etwas vergleichbares hat bisher echt gefehlt.

Nun zu mir und meinen noch immer präsenten Erinnerungen an die damalige Zeit.
Ich hatte als Kind starkes Asthma und auch schon mehrere Krankenhausaufenthalte hinter mir. Irgendwann bekamen meine Eltern auf Empfehlung des Hausarztes mich auf eine Erholungskur zu schicken zwecks Luftveränderung wie es damals hieß.
Im Sommer 1971 war es dann soweit dass ich mit vier Jahren für sechs Wochen an die Nordsee nach Büsum/Deichhausen in das Kinderheim „Seeschlösschen“ geschickt wurde.
Ich erinnere mich dunkel an eine nicht enden wollende Zugfahrt ins Ungewisse und aufkommende Angst.
Das schlimmste für mich war jedoch das Heimweh und das ständige Gefühl meine Eltern nie wieder sehen zu können. Ich meine nur geweint zu haben.
Die Erzieherinnen sind mir in Ihrem Verhalten als sehr streng und völlig empathielos in Erinnerung.
Es gab niemanden der einen getröstet hat oder dem man sich anvertrauen konnte.
Ich fühlte mich völlig allein und allem und jedem hilflos ausgeliefert.
Ich weiß noch dass es unter uns Kindern keinen Zusammenhalt gab sondern nur Aggression und Hänseleien.
Besonders eingeprägt haben sich mir folgende Ereignisse:

Eines Nachts wachte ich auf und bemerkte dass ich mich komplett eingenässt hatte.
Ich stieg aus dem Bett auf und ging weinend in den dunklen Flur wo sich am Ende ein Tisch mit Lampe befand wo eine der Erzieherinnen Nachtwache hielt.
Diese kam auf mich zu und befahl mir in rüdem Ton still zu sein und schickte mich wieder in mein nasses Bett. Ich fing an unerträglich zu frieren.
Ab diesem Zeitpunkt musste ich nachts gegen meinen Willen wieder Windeln und Windelhosen tragen. Zudemst bekam ich ein Gummilaken ins Bett eingelegt.
Das alles empfand ich als äußerst demütigend und ich schämte mich.
Auch haben die anderen Kinder mein Dilemma mitbekommen und hatten mich daraufhin gehänselt und geärgert. Ich fühlte mich völlig bloßgestellt.

Des Weiteren kam es irgendwann am Eingang des Heimes, wo sich links und rechts Schuhregale befanden, zu einem Streit mit einem Jungen weil der versuchte mir meine Schuhe wegzunehmen. Deshalb wehrte ich mich, worauf der Junge mir in die Augenbraue biss. Eine Narbe ist heute noch sichtbar.
Eine der Erzieherinnen bekam die Situation mit und schnappte sich den Jungen der daraufhin fürchterliche Schläge erhielt.

An was ich mich auch noch sehr gut erinnere war, als uns Kindern die Ohren sauber gemacht werden sollten.
Wir standen in Reih und Glied hintereinander. Als ich dran war passierte folgendes:
Eine der Erzieherinnen saß auf einem Stuhl, neben Ihr ein Eimer mit vielen braunen Wattefetzen.
Auf dem Tisch vor Ihr befand sich ein großer Watteklumpen, Sie hatte eine Haarklammer in der Hand und nahm ein Stück Watte aus dem Klumpen, befestigte es an der Haarklammer und ging mir damit in beide Ohren, um diese zu säubern, was sehr schmerzhaft war.

Im Sommer 1975 mit acht Jahren wurde ich wegen meines Asthmas wiederum in eine sechswöchige Kur geschickt. Ich weiß noch dass ich auf gar keinen Fall dahin wollte. Doch es nütze nichts, ich musste.
Diesmal ging es nach Bad Reichenhall in die Kurfürstenstraße 26 in eine sogenannte „Asthma Kinderheilstätte“. Auch dort ging es sehr streng und kaltherzig zu.
Und auch dort hatte ich sehr starkes Heimweh.
Als nach der Ankunft unsere Koffer ausgepackt wurden, nahm man mir meine Asthma Medikamente ab mit der Begründung, dass ich diese hier nicht brauche.
Ich reagierte völlig unverständlich und flehte, dass ich die aber benötige.
Es wurde nicht nachgegeben und ich bekam Sie nicht wieder.
Irgendwann bekam ich mit, dass mein Koffer in den Keller verfrachtet wurde. Ich fragte die Erzieherin warum mein Koffer in den Keller kommt und bekam gesagt, dass ich den nach meinem Aufenthalt wiederbekomme.
Auf die Frage wann dies denn sei, bekam ich als Antwort „Das weiß ich nicht“
Ich wurde völlig panisch und bekam furchtbares Heimweh.

Irgendwann wurden in einem Raum unter uns Kindern Ansichtskarten verteilt um den
Eltern zu schreiben.
Ich weiß noch genau dass ein von den Erzieherinnen vorgegebener Text an eine Art Schultafel geschrieben wurde. Nur das durften wir schreiben, wir durften nichts eigenes verfassen. Das empfand ich als äußerst demütigend.
Die Briefe meiner Eltern an mich bekam ich in geöffnetem Zustand überreicht was ich auch nie verstanden habe. Zumindest damals nicht.

Was mich auch gestört hat, war der angeordnete Mittagsschlaf.
Draußen war es warm und die Sonne schien hell in den Schlafsaal, trotzdem sollten wir alle Ruhe halten. Das habe ich nie nachvollziehen können.
Des Weiteren erinnere ich mich an einen Spaziergang in der Gruppe.
Ich musste ziemlich dringend auf die Toilette weil ich „groß“ musste, wusste aber nicht wo.
Ich traute mich auch nicht eine der Erzieherinnen zu fragen, vielleicht weil Sie ja so streng und unverständig waren.
Das Resultat war letztendlich, dass ich mir in die Hose machte.
Wieder im Heim angekommen, erzählte ich verängstigt, dass ich mir in die Hose gemacht habe.
Ich wurde allein in ein Bad geschickt und sollte mich nackt ausziehen und in eine Badewanne steigen. Kurz darauf kam dann die Erzieherin und duschte mich mit hartem Wasserstrahl eiskalt ab währenddessen Sie mich aufs übelste beschimpfte. Zur Strafe musste ich mir schon nachmittags den Schlafanzug anziehen und durfte nicht mehr vor die Tür.
Das bekamen andere Kinder mit und hänselten und lachten über mich. Ich schämte mich total.

Rückblickend muss ich heute sagen, dass mich diese zwei „Kuren“ doch sehr für mein weiteres Leben geprägt haben. Vieles ist für mich heute erklärbar und nachvollziehbar.
Meinen Eltern kann und will ich keine Vorwürfe machen da Sie den Empfehlungen der Ärzte vertraut haben.
Ich würde mich freuen wenn es zu Kontakten mit Mitmenschen käme die ebenfalls in Büsum im „Seeschlösschen“ sowie in Bad Reichenhall, Kurfürstenstraße 26, waren.

Vielen Dank fürs Lesen!
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Jürgen Weichselbaum schrieb am 08.12.2019
Habe mich mit der Jahreszahl vertan, das war natürlich 1968.....
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Jürgen Weichselbaum schrieb am 08.12.2019
Nachtrag...

zum Glück habe ich davon nichts zurück behalten und meine beiden Söhne, einer ist 31 Jahre alt und der andere 25, haben so denke ich, eine Kindheit wie im Paradies gehabt. Durch all meine Erlebnisse hatte ich mir geschworen, niemals meine Hand zu erheben gegen meine Kinder.
ZUm Glück habe ich es geschafft. Es gab noch niemals auch nur einen KLaps oder ich wurde in Bezug auf die beiden wütend oder laut.
Da bin ich sehr stolz drauf und habe ein unfassbar tolles Verhältnis zu meinen Kindern.
Also hat es in meinem Falle auch was Gutes gehabt.
KInderseelen kann man so schnell verletzten oder zerstören...darum hat jeder, der sich egal in welcher Form an Kindern vergreift, ob seelisch oder körperlich, nur das aller Schlimmste verdient und für mich keinen Platz in der Gesellschaft.
Ich wünsche allen, die seelische Grausamkeit in iher Kindheit erfahren haben, daß sie damit umgehen können und um so mehr sich für den Schutz aller Kinder einsetzten..
Alles Liebe und viel Kraft wünsche ich euch....
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Eberhard H. schrieb am 08.12.2019
Der Bericht eines Fernsehformats machte mich auf das Thema der seinerzeitigen "Kinderverschickungen" aufmerksam. Nie zuvor hatte ich eine Vorstellung davon, dass die Missstände der Kinderverschickungsheime in der frühen Nachkriegszeit der Bundesrepublik Deutschland, also in den 50er und 60er Jahren, offenbar System hatten. Eher bin ich davon ausgegangen, dass es sich hier möglicherweise um Einzelfälle handelte, die ich als Sechsjähriger während einer Verschickung nach Amrum zu erleben hatte. Dass dem aber nicht so ist, beweisen mir hier die zahlreichen Kommentare.

Meine Kurverschickung erfolgte präzise vom 24.09.1963 bis zum 04.11.1963 ins "Haus Erika" in Wittdün/Amrum. Dies weiß ich so genau, weil meine Eltern über all die Jahre ein altes Schwarzweiß-Foto aufbewahrt hatten, auf dem unsere damalige Kindergruppe dieses Hauses von einer Heim-Tante auf Anweisung lachend und lächelnd abgelichtet wurde, um eben dieses Foto den Eltern der verschickten Kinder zukommen zu lassen, so dass diese sich einbilden durften, ihren Kindern gehe es dort gut.

Soweit ich mich erinnern kann, erfolgte meine Heimverschickung aus zweierlei Gründen:

1. Seit der Geburt hatte ich immer wieder erhebliche Magen-Darm-Probleme und legte damit eben auch eine nachvollziehbare Blässe an den Tag. Die "Seeluft" sollte dies richten.

2. Meine Mutter sollte in diesem Zeitraum ein Geschwisterkind gebären, wobei es sich aber leider um eine Totgeburt handelte. Eine Erholungsphase brauchte also auch sie.

Zu den Vorgängen im Haus Erika auf Amrum lässt sich Folgendes beschreiben:

1. Toilettengänge waren grundsätzlich untersagt, wenn man zuvor nicht um Erlaubnis gefragt hatte. Dies Erlaubnis aber wurde nicht jedem zu jedem Zeitpunkt zuteil, sondern eben nur dann, wenn es die fremden "Tanten" für richtig hielten. Wurde dagegen verstoßen, weil man es nicht mehr aushielt, gab es entweder einen Boxschlag in die Magenkuhle oder man wurde mit dem Gesicht zur Wandecke unter eine Waschraumdusche gestellt. Dies konnte auch mitten in der Nacht geschehen.

2. Der verhältnismäßig große und geradezu überdimensionierte Schlafsaal besaß große, hohe Fenster mit leichten durchscheinbaren Vorhängen, während das Licht eines sehr nahe gelegenen Leuchtturms den Schlaf der Kinder massiv beeinträchtigte und stets für Heimweh sorgte.

3. "Tante Isolde", deren Name sich in meinen Gehirnwindungen bis dato recht gut in Erinnerung gehalten hat, sorgte in aller Regel dafür, dass es sowohl zur Frühstücks-, wie aber auch zur Mittags- und Abendbrotzeit fast nie ausreichend zu essen gab und man tagsüber und in der Nacht mit knurrendem Magen umher lief. Für ein Kind, das wegen massiver Magen- und Darmprobleme verschickt wurde, ist ein solcher Vorgang mehr als fatal.

4. Tagsüber fanden mehrfach recht ausgiebige Spaziergänge statt, denen man aufgrund langer Wege und ungeeigneten Schuhwerks oft nicht standhalten konnte. Man wurde als aufsässig bezeichnet und es erfolgte anschließend der komplette ganztägige Entzug von Essen.

5. Mir persönlich sind während dieses Aufenthalts zudem auch sehr unappetitliche Dinge mit besagter "Tante" widerfahren. die aufgrund ihrer Jugend gefährdenden Inhalte hier nicht beschrieben werden sollen. Nur so viel: Es gab auch sogenannte, willkürliche "Belohnungen" , die da wohl mehr einer Belohnung dieser "Tante Isolde" entsprachen...
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Jürgen Weichselbaum schrieb am 08.12.2019
Es gib Einige hier bei der Diskussion, die den Terror in den Verschickungsheimen herunter spielen. Das kann ich nicht verstehen.Vielleicht ist denen zum Glück nichts passiert, aber ich kenne eine ganz andere Geschichte.
Vor genau 51 Jahren ,1969 von Anfang November bis kurz vor Weihnachten wurde ich nach Bad Rothenfelde für sechs Wochen verschickt, Kaum zu glauben, ich kann mich an jeden einzelnen Tag erinnern, obwohl ich damals erst fünf Jahre alt war.
Wir wurden geschlagen, bekamen zwischendurch einen ganzen Tag lang nichts zu essen, ich wurde in den Sack vom Nikolaus gesteckt und dachte, ich muss sterben und der Hausmeister versuchte abends immer wieder, sich uns unsittlich zu nähern, wenn wir im Bett lagen oder schon schliefen, was er dann auch schaffte. Jeden Abend kam die Heimleiterin mit einem Rohrstock, hob unsere Bettdecken hoch und schlug immer wieder wie eine Furie unkontrolliert und heftigst zu, was zum Ende meines Aufenthaltes wesentlich weniger wurde, wahrscheinlich, damit, wenn man dann nach Hause kam, die blauen Flecken und Verletzungen abgeklungen waren. Dafür gab es dann mehr Psychterror.
Jeder Tag war die Hölle ,ich kann gar nicht alles aufzählen, weil das den Rahmen sprengen würde.
Meine Mutter sagte mir später, ich hätte monate lang kein Wort gesprochen und wäre ihr nicht einen Moment von der Seite gewichen. Daran zum Beispiel kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern.
Freue mich für jeden, der damals das Glück hatte, dort nicht misshandelt worden zu sein, jedoch meine Geschichte sieht ganz anders aus
Meine Brüder und ich sind wahrlich damals zuhause nicht mit Samthandschuhen angefasst worden und ich war auch selbst mit fünf Jahren viel gewohnt.
Aber das war wirklich die Hölle.....
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Christian schrieb am 08.12.2019
Ich wurde 1972 oder 1973 für 6 Wochen nach Boffzen zum aufpäppeln geschickt, weil ich so ein Hering war. Ein von Nonnen geführtes Heim. Der Umgang mit uns Kindern war der gleiche wie andere hier auch schilderten. Harte Strafen fürs Bettnässen und nicht aufessen. ich sass stundenlang alleine in einem Zimmer auf einem Stuhl als Strafe für ich weiß nicht was. Uns wurden alle persönlichen Sachen und Lieblingsbücher, Teddies u.s.w. abgenommen. angeblich war eine Infektion ausgebochen und alle Dinge verseucht waren. Andere Kinder bekamen Ohrfeigen, dass sie durchs Zimmer flogen. In Boffzen waren die Strassen mit Glassplitt aus den Glashütten belegt und wir sammelten schöne Steinchen, die uns im Heim sofort wieder abgenommen wurden. Postkarten wurden nur mit Kontrolle der Betreuer geschrieben. Damals habe ich mir als Kind eine Selbstkontrolle angeeignet, die mich vor den meisten Strafen geschützt hat, dieses ÜberIch hat mich damals beschützt und sitzt jetzt noch so tief, dass ich heute in meinem Leben große Probleme mit meinen inneren Konflikten habe, mit meinem Perfektionismus. Ich bin seit 10 Jahren in Therapie, ADHS, Depressionen, Suchterkrankung. Vor einigen Jahren fuhr ich noch einmal zu dem Heim, um zu testen was es in mir auslösen würde, damals war ich nicht nüchtern und ich spürte nix, allerdings beim Lesen der anderen Berichte hier gehts mir echt schlecht.
Zum Glück ahnten meine Eltern das etwas in dem Heim nicht gut für mich war und holten mich eher wieder ab. Sie schämen sich dafür auf anraten eines Arztes mich weggegeben zu haben.
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Peter schrieb am 08.12.2019
Hallo Beate, heute bin ich auf diese Seite aufmerksam geworden. Meine erste Verschickung ging ebenfalls nach Vossloch. Ich kann mich nur bruchstückhaft daran erinnern. Es war Winter und ich bin auf dem Bahnsteig bei Glatteis ausgerutscht. Die Folge eine heftige Gehirnerschütterung. Es war eine Villa, der Garten und Brunnen waren verschneit. Ob es dieses Gebäude heute noch gibt ?? Die ganze Zeit begleitete mich jedenfalls Heimweh, warum wohl ?? In meiner Erinnerung eine gruselige Zeit dort.
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Carsten Palm schrieb am 08.12.2019
1977 war ich wegen Lungenschwäche in Bad Reichenhall . Insgesamt war die Teit sehr schön ,aber man durfte nachts nicht zur Toilette. Nur direkt gegenüber dem Schlafsaal war die Toilette ,doch mich hat die Nachtwache abgefangen und in den Waschraum gesperrt.Niergends eine Möglichkeit so fanden mich alle morgens eingeschissen .Ein anderes Mal sollte ich so lange sitzen bleiben bus ich den Nachtisch aufgegessen hatte.Etwas ekligeres habe ich bis dahin noch nicht gegessen. ES war ein Berg von gebratenen Haferflocken .Die Hälfte konnte ich in den Backen ausfüllen und dann in derToilette entleeren.Einmal hat man mir heftigst das Ohr umgedreht ,für eine kleine Schandtat. Also ich war 5 .Und die böse Frau Braun hat nicht mal bach dem Grund gefragt.Aber es waren 6 Wochen und drei schreckliche Erlebnisse ,die Zeit dazwischen war schon schön.
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Anonym schrieb am 08.12.2019
Ich war auch 1992 dort - und einer von den Kleinen.
Dein Bericht hat einige Erinnerungen zurückgebracht. Immer durch diese Kellergänge. Ich war in der jüngsten Gruppe (Seestern?).
Und eigene Kleidung gabs zeitweilig wohl nicht, weil nicht gewaschen wurde. Weiß noch wie die Betreuerin uns fragte ob es nicht schön wäre, wieder eigene Sachen zu tragen.
Ja das mit dem Geld haben wir auch gehört.
.Es gab zwei Betreuerinnen die sich abwechselten und ich weiß noch, man musste beim Essen bei einer die linke Hand immer unter dem Tisch haben und bei der anderen auf dem Tisch - was ich mir bis heute nur als Sadismus erklären kann.
Schläge gabs bei uns nicht, aber in die Ecke stellen, wobei ein Kind solange stehen musste bis es sich einnässte. Auch musste man die eigene Wäsche wechseln, wenn man ins Bett machte (ich zum Glück nicht).
Mittagsschlaf gab es auch wobei man zwingend Augen zuhaben musste und die Deck über dem Körper. Egal wie.
Und manchmal mussten wir als Gruppe stundenlang stillsitzen. (Angeblich als Übung, weil wir ja bald eingschult werden sollten).
Ich erinnere mich aber auch an Gutes. Da gab es einen Spielplatz im Wald, bei dem wir öfter waren. Und Ausflüge am Strand und Wattwanderung.
Post von Zuhause haben wir aber bekommen, Süßigkeiten wurden einkassiert.
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Stefan schrieb am 08.12.2019
Guten Tag,
auch ich war 1970 als siebenjähriger für 6 Wochen auf der Insel Wangerooge, weil ich angeblich zu dünn war. Es waren die längsten Wochen meines Lebens. Meine Geschichte gleicht den vielen Schilderungen hier, daher verzichte ich auf weitere Details.
Ich habe keine genauen Erinnerungen, an das Haus oder die Betreuerinnen.
Ich wüsste gerne wer noch auf Wangerooge war und was er dort erlebt hat.
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xxxx schrieb am 08.12.2019
Ich wurde 1967 für 6 Wochen in den Harz verschickt. Die Trennung von meiner Schwester und meinem Bruder habe ich als sehr problematisch erlebt. Besonders die von meiner jüngeren Schwester. Wir waren sehr verbunden. Einerseits war ich tatsächlich auch froh, mal auf mich alleine gestellt zu sein, andererseits brach es mir das Herz, da ich meine Schwester nicht beschützen konnte. Sie erzählte in den wenigen Momenten, die ich sie treffen konnte, Grauenhaftes: An die Wand geschmierte Scheiße, Toilettenverbot, Bloßsstellungen u.ä. Ich selbst erinnere einen Moment, in dem ich abends die anderen Kinder anstiftete, Bremer Stadtmusikanten zu spielen: Wir machten die Tierlaute nach. Da kam eine Tante herein, wir waren alle sofort muksmäuschen still. Nur ein Kind machte noch Laute und wurde erwischt. Sie musste ihre Decke nehmen und in die Nacht in der Fußrinne im Badesaal schlafen. Als sie ihre Puppe mitnehmen wollte, wurde ihr dies verweigert, weil die Puppe ja nichts verbrochen hätte. Das fand ich so schrecklich grausam. Ich habe lange darunter gelitten, dass ich nicht die Zivilcourage aufgebracht habe, mich an ihre Stelle zu setzen, da ich ja die Kinder angestiftet hatte. Das Essen war so weit in Ordnung, nur Milchreis mochte ich nicht. Wir mussten den aber essen. Darum streute ich Zimt drauf und Zimt drauf, bis ich plötzlich auch keinen Zimt mehr mochte. Erst seit Kurzem mag ich wieder Zimt. Ich hörte davon, dass andere Kinder ihr Erbrochenes essen mussten, ich glaube, das hat mein Bruder später erzählt. Es gab wie gesagt drakonische Strafen, wie in der Rinne schlafen und stundenlang in einer Liege still liegen, aber ich bin nie so bestraft worden. Es gab auch die peinliche Situation, dass die Tanten meine von meiner Großmutter selbstgestrickten Strümpfe nicht mochten und ich Strümpfe von anderen Kindern ausgeliehen bekam. Das war für mich zwiespältig, meine Sachen wurden abgewertet, aber ich war natürlich auch neugierig auf weiche Farbrikstrümpfe. Frau Süselberg war nett und tröstete mich über Heimweh. Sie war von Akne übersäht und ich hätte erst lieber eine Tante gehabt, die ich schöner fand. Diese wurde die Tante meiner Schwester: Sie hieß Frau Peter. Als meine Schwester sie mit Frau Petra anredetet, da sie nicht verstehen konnte, dass Frau Peter, einen Jungennamen zum Nachnamen hatte, hatte sie schon verloren. Frau Peter war sehr streng und kalt mit meiner Schwester. Die Erkenntnis, dass die Hässliche lieb, die Schöne aber unbarmherzig war, ist die sehr positive Lehre, die ich für mich aus all dem gezogen habe.
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Heide Wruck schrieb am 08.12.2019
Kinderkurheim Sinnershausen bei Hümpfershausen in der Nähe von Meinungen, damals in der DDR

Mein Name ist Heide, geb. 1952, und ich kam etwa 1960/61 in oben genanntes Kurheim, zusammen mit meinem 1 Jahr jüngeren Bruder. Wir wurden auch getrennt und kamen in verschiedene Gruppen. Wir waren beide sehr dünn und sollten zunehmen. Die ganze Atmosphäre gefiel mir nicht, wir wurden schikaniert und zum Essen gezwungen. Frühs standen wir in einer Schlange, um uns vom Direktor des Heimes persönlich den Löffel mit Lebertran pur in den Mund schieben zu lassen. Davor hatte jeder das Grausen. Ich konnte nicht essen, musste mich bei jeder Mahlzeit übergeben und man ließ mich lange allein vor dem Teller sitzen, beschimpfte mich und wenn ich auf den Fußboden kotzte, musste ich selber Eimer und Lappen holen und es aufwischen. Es gab noch andere Kinder, die waren in der gleichen Lage wie ich, aber bei mir war es am Schlimmsten, da ich sehr sensibel bin. Mit meiner Gesundheit ging es steil bergab, ohne dass es jemanden interessierte. Ich wurde immer dünner und schwächer, jeder Spaziergang war für mich eine Qual, da ich kaum noch laufen konnte. Ich trank nur noch Wasser aus den Wasserhähnen im Waschraum. Es wurde so schlimm, dass ich aus dem Bett nicht mehr aufstehen konnte und die dann mal einen Arzt holten, der sich an das Fußende meines Bettes stellte und mich ebenso beschimpfte wie die Erzieherinnen, dass wenn ich nicht esse, sie mich ins Krankenhaus stecken wollen. Ich war schon total apathisch vor Schwäche. Mein kleiner Bruder hat mir das Leben gerettet. Er schrieb auf seine Ansichtskarte, die wir mal schreiben sollten, dass es ihm in der Kur gefallen würde, nur der Heide ginge es so schlecht. Darauf rief mein Vater im Heim an, hörte nichts Gutes aus dem Gespräch heraus und setzte sich durch, mich abzuholen. Da war ich schon so schwach, dass ich nur noch liegen konnte. Ich selbst habe nicht mehr registriert, wie schlecht es mir ging. Er setzte sich mit dem Direktor auseinander, dass sie mir nicht geholfen haben, nicht die Eltern benachrichtigt haben. Er legte mich in eine Taxe, es ging zum Bahnhof, dort musste ich im Abteil liegen und auch zu Hause im Bett bleiben. Auch dort konnte ich nichts essen, stand immer noch unter Schock. Mein Vater redete mir immer wieder zu, sie brachten mir frische Kirschen aus dem Garten ans Bett und da begann ich in Zeitlupe eine Kirsche zu essen, nachdem ich sie erst zerlegt und von allen Seiten angeschaut habe. Ab da konnte ich wieder langsam was essen. Also, ich habe etwa 3 Monate gebraucht,um wieder auf die Beine zu kommen und um wieder in die Schule gehen zu können. Mein Bruder hat die restliche Zeit noch in der Kur ausgehalten, ich weiß nicht, wie er das gemacht hat. Er war es, der mich auf euch aufmerksam gemacht hat!!!! Eine der schlimmsten Frauen dort war die Frau Domke und der Direktor mit seiner Frau.
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Aufgewühlt schrieb am 08.12.2019
Ich war ca. 1967/68 als ca. 4 oder 5-jährige im Schwarzwald in einem "Erholungsheim" für 4 Wochen. Es war Winter, Schnee, kalt. Die Zustände dort waren eine einzige Katastrophe. Wir wurden geschlagen, blosgestellt, mussten nachts im Flur stehen. Nikolaus und die Voradventszeit musste ich dort aushalten. Wenn nur ein kleines Geräusch im Schlafsaal zu hören war, kam eine Betreuerin, riß willkürlich ein Kind aus dem Bett und es musste im kalten Flur stehen, manchmal auch die ganze Nacht oder es wurde willkürlich ein Kind verprügelt.

Auch mich hat das getroffen. Mir wurde eine Decke zum Umhängen gegeben und ich musste die ganze Nacht in einer Ecke im Flur stehen. Es war nicht auszuhalten. Ich musste dann trotzdem am nächsten Tag alles bewältigen, obwohl ich kaum die Augen offen halten konnte und mich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Es wurde am nächsten Tag eine Wanderung unternommen, ich machte mir unterwegs in die Hose, da ich dick angezogen war und die Betreuerin keine Lust hatte, mit mir hinter eine Hecke zu gehen und musste dann die ganze Wanderung mit den nassen Sachen durchhalten.

Ein Kind hatte abends im Bett gepubst. Daraufhin stürmte die Betreuerin, die wohl vor der Tür gelauscht hatte, in den Schlafraum geschossen und riss meine Bettdecke weg, drehte mich um, zog mir die Schlafanzughose herunter und verprügelte meinen kleinen nackten Po. Es war einfach nur grauenhaft.

Auch im Waschraum spielten sich immer schreckliche Szenen ab, wenn ein Kind sich nicht so wusch, wie die Betreuerinnen sich das vorstellten. Der Waschraum war mit großen Steinwaschbecken.

Die Nikolauspäckchen, die wir Kinder von zuhause geschickt bekamen, wurden uns gezeigt, der Inhalt wurde uns gezeigt, dann verschwanden die Päckchen auf Nimmerwiedersehen. Der Nikolaus kam auch am 6.12. er hatte einen Sack dabei und auch eine Rute. Er las aus einem Buch über jedes Kind etwas vor. Viele Kinder wurden einfach nur blosgestellt und wurden mit der Rute verprügelt vor allen anderen. Ich durfte in den Sack greifen (was hatte ich eine Angst vor diesem Nikolaus), zum Vorschein kam ein alter, verschrumpelter Apfel, den ich dann aufessen musste. Ich war so enttäuscht, dachte ich doch, ich bekäme aus diesem Nikolaussack etwas von meinen Süssigkeiten, die meine Eltern mir geschickt hatten, aber Fehlanzeige. Die Sachen haben wohl die Betreuerinnnen für sich verwertet.

Es gab auch Kinder, die bevorzugt behandelt wurden. Es gab eine Tante Helga, die war recht beliebt, aber sie war nur nett zu ihren "Lieblingskindern".

Einmal gab es einen Besuchstag um die Nikolauszeit. Es war schon abends, als einige Eltern auftauchten. Die Betreuerinnen zeigten sich da von ihrer besten Seite. Ein Drama für die Kinder, die keinen Besuch bekamen, sie mussten sich alles mitansehen, wie ein paar Kinder Besuch bekamen und wir mussten alle da sitzen, mit den Augen suchend, ob nicht doch jemand Vertrautes die Tür hereinkommt, weinend und ertrinkend in unserem schlimmen Heimweh. Und wie die Betreuerinnen sich bei diesen Eltern anbiederten, einfach nur widerlich. Das Schauspiel ging über 1 - 2 Stunden, danach wurde wieder agiert wie auf einem Kasernenhof mit den Kindern.
Die Betreuerinnen hatten auch ein paar Kinder als Sündenböcke auserkoren. Es war ein Mädchen dabei, das etwas übergewichtig war, was sie mit diesem Mädchen alles machten ging auf keine Kuhhaut mehr. Sie haben die Kleine bloßgestellt, verprügelt, lächerlich gemacht, herumkommandiert, wo sie nur konnten. Es war furchtbar. Insgeheim waren wir Kinder froh, dass es Sündenböcke gab, denn dann war das Augenmerk der Peinigerinnen zeitweise nicht so sehr auf uns gelenkt. Aber ich hatte als kleines Kind schon tiefes Mitleid mit diesem Mädchen, das traute sich überhaupt nichts mehr, sich zu bewegen oder sonstiges, schaute nur noch ängstlich um sich, wie erstarrt. Aber die Betreuerinnen fanden immer etwas, womit sie die Kleine malträtieren konnten, auch auf den nackten Po vor allen anderen verprügelt, herumgerissen usw. gedehmütigt. Einfach nur schrecklich. Ich sehe das Vorgehen heute als vorgelebtes Fundament für Mobbing-Verhalten, das war brutalstes Mobbing an Kindern übelster Sorte.

Mich wühlt das Ganze hier seit ein paar Tagen sehr auf, ich bin auf der Suche nach dem Haus im Schwarzwald, wo sich das alles zugetragen hat, konnte aber bisher nichts konkretes finden, wo ich sagen könnte: Das war das Haus, in dem sich alles zutrug. Hat jemand Fotos, es wurden auch zum "Abschied" noch Gruppenfotos gemacht, das weiß ich noch, habe aber leider kein Foto mehr.

Ich wurde, soweit ich noch weiß, über die Barmer Ersatzkasse da hin verschickt, war als Kind vorher schon oft im Krankenhaus usw.

Ich muss aber auch sagen, dass meine Schwester, 2 Jahre älter als ich, auch in Erholung geschickt wurde, sie kam immer begeistert zurück und freute sich immer, wenn sie wieder in Erholung durfte.
Ich dachte damals oft, dass es ja an mir liegen muss, dass ich so schlimm in der Erholung behandelt wurde, also dass ich eben ein schlechtes Kind bin, denn das haben diese Personen so kleinen Kindern vermittelt: Du bist schlecht, Du bist nicht in Ordnung, auf Dir können wir herumtrampeln, wie wir wollen, Du darfst nicht Lachen, Du sollst leiden, Du bist schutzlos!

Heute würde ich sagen, dass diese Zeit viel kaputt gemacht hat und auf mein ganzes Leben sehr negative Auswirkungen hatte und hat. Denn die Gefühle trage ich immer noch in mir.
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gerhard schrieb am 08.12.2019
Hallo Dieter,
es geht nicht um Rache und auch nicht darum, die Täter an den Pranger zu stellen.
Sie müssen aber für Ihre Handlungen zur Verantwortung gezogen werden. Ähnlich wie bei sexuell motivierten Gewalttaten ist es für die Opfer oft ein Stückchen Balsam, wenn die Täter Rechenschaft ablegen müssen. Es gibt keinen Grund, so sie noch leben, sie nicht mit Ihrem Verhalten damals zu konfrontieren.

Daneben ist es für die Opfer sehr wichtig, von diesen "Zeitzeugen" Näheres über die Motive und die Umstände Ihrer sadistischen Handlungen zu erfahren.

Was die Träger der Heime und die anderen hinter dem System stehenden Institutionen betrifft (in meinem Fall die AWO Bayern), so ist eine öffentliche Entschuldigung überfällig.
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Viola Prasse, geb. Eichhorn schrieb am 08.12.2019
Hallo, ich war im Januar - Februar 1968 mit 3 Jahren irgendwo auf Amrum im Kinderheim.
Den einzigen Beweis den ich habe, ist ein Foto (habe ich eingereicht) auf dem neben mir noch 6 weitere Mädchen unterschiedlichen Alters und eine der sogenannten Tanten an dem Tisch sitzen.
Ich habe leider so gut wie gar keine Erinnerung daran, außer ein kurzer Moment des Abschieds am Bahnhof in Lübeck, viele Betten in einem Schlafsaal und irgendwie bei Zähneputzen der komische Geruch der Zahncreme.
Ich sollte damals 8 Wochen dort bleiben, wurde aber auf Grund einer schweren Erkrankung und extremen Heimwehs nach 6 Wochen zurückgeschickt. Warum ich überhaupt dort war ist mir nicht bekannt, Krankheit durch "Kur" auch nicht. In meiner Familie kann bzw. will mir auch keiner etwas sagen, haben angeblich alles vergessen, wie alles was mich betrifft.
Da ich seit 11.09.2001 auf Grund einer Angststörung und starken Panikattacken das Haus nicht mehr verlassen kann, suche ich nach dem Grund meiner Erkrankung. Ich bin jetzt 55 und lebe seit 18 Jahren mit irgendeiner Angst, die ich nicht erklären kann, in meinen 4 Wänden. Therapie, Tagesklinik, Medikamente... Nichts bringt mich weiter.
Als ich heute diesen Artikel ( Kindererholungskuren "Psychoterror und Folter" der tageschau.de ) online gelesen habe, kamen in mir sehr viele Fragen auf. Gehöre ich vielleicht auch zu den misshandelten Kindern, ist da vielleicht die Erklärung für meine Angst zu suchen? Keine Ahnung. Tatsächlich sind die Ärzte bei mir von irgendeinem Missbrauch in frühester Kindheit überzeugt. Ich habe es, wenn da was war, jedoch so sehr verdrängt... Absolut keine weitere Erinnerung, weder an die Zeit auf Amrum noch an meine Kindheit.
Vielleicht findet sich ja eine wieder auf dem Foto in der Cloud, vielleicht gibt es irgendwann wichtige Informationen über die Zeit dort...
In jedem Fall wünsche euch allen nur das Beste und ganz viel Kraft! ? ?
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Annegret schrieb am 08.12.2019
Moin,
ich wurde 3 x "Verschickt", wie es damals hieß. Träger war das Sozialwerk der Bahn.
1965 war ich im Frühling auf Amrum. Von dort ist mir hauptsächlich in Erinnerung geblieben, dass es eine Gruppe für Kinder bis 7 Jahre gab, in der viel gespielt und nicht gewandert wurde, und Gruppen für Kinder ab 8 Jahre, in der lange Wanderungen unternommen wurden, dafür wenig gespielt wurde. Ich war zwar gerade erst 6 Jahre alt, musste aber mit den Großen mit, da ich so groß (jedoch noch lange nicht so weit) war, weshalb ich viel traurig gewesen bin.
Weshalb ich eigentlich schreibe waren meine 2 Aufenthalte im Alter von 7 und 8 Jahren in Arosa in der Schweiz, jeweils im Winter. Das Heim wurde von Nonnen geleitet. 30 Mädchen und 30 Jungen in 2 Gruppen gab es. Jede Gruppe wurde 6 Wochen lang von 1 Nonne - auch hier Tante genannt - geleitet, wobei die Tante, die bei einem Aufenthalt die Mädchen betreut hat z.B. beim nächsten Aufenthalt die Jungen betreut hat. Ich hatte mich auf dem 1. Aufenthalt erkältet, so dass mein Auffenthalt von 6 auf 12 Wochen verlängert wurde, so dass ich nach 6 Wochen eine neue Tante bekommen habe. Die jeweilige Tante wurde an ihren freien Tagen von einer Springer-Tante vertreten.
Uns wurde viel vorgeschrieben. Unsere Kleidung haben die Tanten ausgesucht. Unsere Pakete wurden in der Gruppe aufgeteilt. Unsere Post, die wir schreiben mussten, wurde zensiert. Wer nicht das richtige geschrieben hat musste sich einen neue Karte kaufen und neu schreiben.
Ich erinnere mich an eine Tante, die sehr nett war und eine Tante, die überstreng war und auch schon mal geschlagen hat.Geschlagen wurden allerdings nur Jungen.
1x (!) bin ich auch "Skifahren" auf dem Rodelberg gewesen, mit der netten Tante. Die anderen Tanten haben es nicht gemacht.
Was mir bis heute in sehr negativer Erinnerung geblieben ist:
Im Speiseraum saßen wir an 10ner Tischen. An einem Aufenthalt saßen an meinem Tisch 2 Mädchen, die alles nicht mochten. Da sie sehr dünn waren bekamen sie Milchsuppe zum Essen (Andere durften keine Milchsuppe essen, da sie kräftig waren). Diese beiden Mädchen kotzten regelmäßig in die Suppe und mussten trotzdem alles - inclusive dem Erbrochenen -. bis auf den letzten Löffel aufessen und bekamen - je nach Tante - auch noch Bevor sie nicht fertig waren durften sie nicht aufstehen.
Wie streng das gehandhabt wurde kam auf die Tante an, die für den Tisch bei der Mahlzeit gerade zuständig war. Es wurde also nicht im ganzen Saal gleich gehandelt.
Ich erinnere einen Tag, an dem es etwas gab, was fast keiner mochte.Wer spucken musste, durfte 1x zur Toilette,musste danach jedoch weiter essen. Beim zweiten Mal blieb nur das Kotzen in den Teller, mit anschließendem aufessen. An unserem Tisch hat fast jeder mindestens 1x gespuckt und es wurde hinterher noch viel gewürgt.. Ich erinnere mich nicht daran, jemals in den Teller gespuckt zu haben.
Aber dieses Bild der Mädels, die ihr Erbrochenes essen musste vergesse ich nie.
Macht bitte bei der Recherche nicht bei den Deutschen Heimen halt. Wie gesagt, das Heim in Arosa liegt in der Schweiz, wurde von Nonnen (!) geführt und ich wurde vom Sozialwerk der Deutschen Bahn von Hamburg aus dorthin verschickt.
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Randalf schrieb am 08.12.2019
Ich kam 1967 mit 6 Jahren für 6 Wochen nach Wangerooge in ein städtisches "Erholungsheim", welches von Nonnen geführt und betreut wurde. Ich selbst war nicht krank aber mein Vater war städtischer Angestellter und wollte mich wohl überraschen bzw. für die Zeit aus dem Haus haben, weil wir umgezogen sind, in eine größere Wohnung mit eigenem Kindezimmer, was wirklich toll war, als ich zurück kam. In den 6 Wochen habe ich alles erlebt, was in den einschlägigen Berichten erzählt wird, die Kontrolle, die z. B. Pakete von den Eltern beinhaltete, die dann eingezogen wurden, die Briefe, die von der Äbtissin verfasst wurden und völlig anderen Inhalt hatten, als den man selbst vorgetragen hatte, Kuscheltierentzug, Erbrochenes essen, Salzwasser trinken bis zum Erbrechen, Prügelstrafe und vieles mehr. Dabei wurden gezielt die Schwachen ausgesucht und quasi eine Hirarchie erzeugt, wer von den Erziehern bevorzugt wurde und wer mit Strafe zu rechnen hatte. Ich habe die Nonnen gehasst, obwohl nicht alle sich so verhalten haben, einige waren auch lieb und nett, aber alle wussten mit Sicherheit über die Methoden. Meine Eltern haben mir meinen Bericht allerdings geglaubt und mein Vater hat bei entsprechenden Stellen Eingaben gemacht woraufhin das Vetragsverhältnis zwischen Stadt und Heim aufgekündigt worden ist. Ob es allerdings jemals eine Untersuchung gegeben hat weiss ich nicht und glaube ich auch nicht. Diese Methoden waren damals noch recht verbreitet und anerkannt.
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Heike schrieb am 08.12.2019
Hallo, ich freue mich sehr, dass es nun endlich eine Möglichkeit gibt, diese Dinge öffentlich zu machen, bin aber gleichzeitig schockiert zu erfahren, dass so vielen Kindern so schlimme Dinge passiert sind und JEDER Erwachsene einfach weggeschaut hat!!!

Ich wurde 1974 im Alter von gerade so sechs Jahren „verschickt“, nach Bonndorf im Schwarzwald. Soweit ich mich erinnere war ich in einem „Schwalbennest“ untergebracht. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das komplette Heim diesen Namen hatte, oder ob jedes Haus, das zu dieser Einrichtung gehörte, jeweils einen eigenen Namen hatte und der Name des Heimes selbst ein anderer war. Die Einrichtung bestand jedenfalls aus verschiedenen größeren Häusern und mir wurde damals gesagt, dass ich im „Schwalbennest“ wohnen würde.

Leider habe ich nur schlechte Erinnerungen an diese Zeit, die für mich allerschlimmsten Erlebnisse möchte ich gerne hier schildern:
Abends, nach Beginn der Bettruhe war es jedem Kind verboten, das Bett zu verlassen. Zur Überwachung saß eine Betreuerin in einem Raum in der Nähe der Schlafsäle. Eines Tages hatte ich Durchfall, wurde von heftigen Bauchkrämpfen und Stuhldrang geplagt. Ich habe damals zunächst versucht alles auszuhalten, denn ich hatte große Angst vor der Aufpasserin, die damals auf mich sehr böse gewirkt hat. Einige Kinder sind wegen meinem schmerzvollen Weinen wach geworden und hatten auch große Angst, weil sie befürchteten, wegen mir bestraft zu werden, falls man mich erwischen würde. Irgendwann konnte ich aber nicht mehr, ich musste schnellstens zur Toilette. Voller Angst habe ich allen Mut zusammengenommen, bin aus meinem Bett gestiegen und habe vorsichtig versucht, die Tür meines Schlafsaals leise zu öffnen, in der Hoffnung, möglichst unbemerkt an der Aufpasserin vorbeischleichen zu können. Natürlich war ich nicht leise genug und wurde erwischt. Die Aufpasserin schrie mich an, beschimpfte mich aufs Übelste und jagte mich unter Strafandrohung für den ganzen Schlafsaal zurück ins Bett. - Dort ist passiert was passieren musste: Mein Durchfall ging in die Hose und ins Bett. Das war mir so unsagbar peinlich, ich schämte mich so sehr deswegen und hatte gleichzeitig eine so unbeschreibliche Wut in mir... Aber ich wusste, dass ich das noch sehr lange ertragen musste, denn ich war ja erst seit ungefähr einer Woche da... Ich weinte, vor Scham und Demütigung, vor ohnmächtiger Wut und Verzweiflung. Ich hatte sehr großes Heimweh. Weil ich so sehr geweint habe, ist die Aufpasserin zur Tür hereingekommen und hat mich angeschrien, ich solle endlich still sein und schlafen. Aber ich konnte mich nicht beruhigen und habe ihr ängstlich stammelnd mein „Missgeschick“ gebeichtet. Daraufhin hat sie mich voller Zorn und unaufhörlich schimpfend in den Waschsaal gebracht, um mich zu säubern. Dass sie mein Bett frisch beziehen musste hat ihren Zorn vergrößert, weshalb sie mich vor allen anderen Kindern bloßgestellt hat und uns allen gedroht hat, dass so etwas nie wieder passieren dürfe, sonst würden wir sie erst richtig kennenlernen...

Ebenfalls schlimm fand ich die Zustände beim Essen. Wir wurden jeden Nachmittag dazu gezwungen, ein Glas warme Milch zu trinken und dazu einen Apfel und ein Butterbrot zu essen. Mir ist warme Milch damals nicht bekommen und Butterbrot hat mir als Kind nie geschmeckt. Deshalb habe ich einmal gewagt zu sagen, dass ich davon Bauchschmerzen bekäme und zu fragen, ob ich es nicht einfach lassen könnte, da ich sowieso keinen Hunger hätte und es bald darauf schon Abendessen gäbe. Das war jedoch eine schlechte Idee, ich wurde sofort beschimpft und dazu gezwungen, dies zu essen. Ich solle ja nicht wagen, dies nicht zu essen, alle dürften erst vom Tisch aufstehen, wenn JEDER alles aufgegessen habe.

So gab es auch relativ regelmäßig Haferbrei mit Zwetschgenkompott als Abendessen - sehr häufig. Dieses Essen haben manche Kinder auch nicht mehr essen wollen, dann sind die Erzieherinnen zu den Kindern gegangen, haben ihnen die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten und haben ihnen den Haferbrei in den Mund gestopft, bis diese erbrochen haben. Zur Strafe mussten diese armen Kinder den Teller mit dem zusätzlichen Inhalt weiter leer essen.

Eine weitere, zwar nicht ganz so traumatische, aber trotzdem unschöne Erinnerung war der Pakete-Tag. Etwa einmal wöchentlich haben alle Kinder von zu Hause ein Päckchen geschickt bekommen. Alle haben mitunter sehr persönliche Dinge, ihre Lieblingssüßigkeiten oder gar ein paar Stückchen von der Mutter gebackenen Lieblingskuchen geschickt bekommen. - Lieblingsdinge, die von daheim extra für das jeweilige Kind liebevoll verpackt geschickt worden sind.
All diese Pakete wurden dann vor allen anderen Kindern geöffnet, die darin befindlichen Briefe allen laut vorgelesen und die Paketinhalte eingesammelt, von den Erzieherinnen unter Verschluss gehalten und nur zu bestimmten Uhrzeiten gleichmäßig („gerecht“) an alle Kinder verteilt. Wenn die Zeit knapp war, durften manche Kinder nicht einmal mehr selbst einen Blick in die Pakete werfen und die liebevoll eingepackten Dinge anschauen bevor sie konfisziert worden sind.
Da diese Pakete für uns von Heimweh geplagten Kinder sehr wichtig waren, quasi ein Liebesgruß von daheim, habe ich dies als sehr grausam empfunden. Das Problem bestand dabei nicht darin, dass ich meine Süßigkeiten nicht mit den anderen teilen wollte, sondern es war für mich schlimm, dass wir DAS Paket, DEN Gruß von daheim, nicht bei uns haben durften, sondern es uns einfach weggenommen wurde.

Dies sind meine schlimmsten Erinnerungen an diese „Kindererholungskur“. Rückblickend habe ich außerdem sehr unter dem großen Heimweh gelitten, welches von den Erzieherinnen überhaupt nicht beachtet worden ist. Es gab keinerlei Trost, nur Beschimpfungen, Drohungen, Demütigungen und Bloßstellungen.

Gott sei Dank sind die meisten Erinnerungen mittlerweile verblasst, aber ich habe sehr viele Jahre an diesen Erlebnissen geknabbert und nach meiner Rückkehr meinen Eltern für sehr lange Zeit schwere Vorwürfe gemacht, weil sie mich dorthin geschickt hatten. Eine Zeit lang ist nach meiner Rückkehr auch immer mal wieder passiert, dass ich nachts eingenässt habe, das hat sich dann aber nach ein paar Jahren wieder gelegt. Auch heute spüre ich noch dieses Gefühl des ohnmächtigen Ausgeliefertseins, wenn ich an diese „Kindererholungskur“ denke. Die geschilderten Erlebnisse sind teilweise noch immer recht lebendig in meinem Kopf, aber nur, wenn ich mich aktiv daran erinnere bzw. davon erzähle, so wie jetzt gerade.

Es tut gut, diese Dinge nun öffentlich schildern zu können. Dadurch habe ein kleines bisschen das Gefühl, einer - wenn auch viel zu späten - Abrechnung.

Hoffentlich werden durch diese Initiative viele Menschen aufmerksamer, damit künftig ähnliches Leid verhindert werden kann.

Vielen Dank an die Initiatoren/-innen und allen Leidensgenossen/-innen von Herzen alles Gute.
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Anonym schrieb am 07.12.2019
Hallo,

ich wurde Anfang der 70´ger Jahre für 6 Wochen nach Föhr geschickt.
Bereits bei der Ankunft wurde unser Gepäck durchsucht und es wurden uns sämtliche mitgebrachten Süßigkeiten weggenommen.
Es gab eine Art Wettbewerb zwischen verschiedenen Gruppen und man musste lernen auf einer mit Wasser gefüllten Flasche Musik zu machen. Zu den Mahlzeiten wurde man gezwungen aufzuessen, egal ob es einem geschmeckt hat oder nicht. Ich musste mich mehrmals übergeben als es Eier mit Senfsoße gab, ein Gericht das ich nicht mochte aber aufessen musste.
Zudem gab es eine Art Arbeitsdienst, einmal mussten wir die Stundenlang über eine Fläche stampfen, auf der Rasen ausgesät worden war.
Die Erzieherinnen waren extrem streng.Ich hatte mal Streit mit einem anderen Kind und musste dann auf das Zimmer einer erzieherin. Diese saß auf Ihrem bett und ich musste mich vor Ihr hinknien. Dann zog Sie mir mehrmals Ihre Haarbürste durch das Gesicht. Was danach kam, habe ich verdrängt, aber irgendwas ist da noch passiert.
Die letzten beiden Wochen war ich dann so krank, das ich auf die Krankenstation musste.
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Vielleicht schrieb am 07.12.2019
Guten Tag,
ich wurde 1959 im Alter von 7 Jahren für gute 6 Wochen nach Westerland auf Sylt verschickt. Ich versuche gerade, meine Kindheits- und Jugenderlebnisse per Video aufzuarbeiten und fand bei meiner Suche nach dem ehemaligen Kinderkurheim Haus Böving das Abbild dieses Hauses sowie im Nachlass meiner Eltern ein Gruppenfoto, auf dem ich zu sehen bin. Ich will an dieser Stelle die Strafandrohungen, den Kasernenhofton und vor allem die verbalen Demütigungen all der dortigen "Tanten", die ich ertragen musste, nicht weiter schildern, nur so viel: Man hielt mich bestenfalls für einen Sonderling, der wohl "nicht ganz richtig da oben" gewesen sein musste. Gemessen an anderen Schilderungen - z.B. Zwang, Erbrochenes aufzuessen, - ging es im Haus Böving noch einigermaßen menschlich zu, aber auch ich musste an einem Tag die Wanderung nach Keitum mitmachen, obwohl ich an Durchfall erkrankt war und unterwegs keine Gelegenheit bekam, den Dünnschiss loszuwerden. Als ich dann die Hosen voll hatte und den ganzen Tag bis zur Rückkehr in diesem Zustand verharren musste, war ich willkommenes Opfer von Häme: "Iiieh - der stinkt aber!" Alle Nächte musste ich wegen Bettenmangel auf einer harten Kinderpritsche zubringen, die für mich eher zu klein war. Wer mittags oder abends zur Bettruhe nicht ruhig genug war, bekam Schläge, wovor ich riesige Angst hatte.
Vielleicht ist jemand unter den Lesern/innen, der/die ebenfalls im Haus Böving war. Vielleicht fällt jemandem die ironisch gemeinte Bezeichnung von "TANTE" BÖVING ein: "Unser Goldstück", damit war ich gemeint.
Meine Eltern hatte sicher darauf vertraut, dass mir etwas Gutes zukommen würde. Später hatten sie aber wohl gemerkt, dass in dem Heim etwas nicht gestimmt hatte - ich hörte meinen Vater später sagen, dass das Heim geschlossen würde. Leider hatte ich nie Gelegenheit, mit den Eltern ausführlich über diese Zeit zu sprechen, sie konnten mir gegenüber wohl nicht eingestehen, dass diese Verschickung ein Fehler war.
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Katrin schrieb am 07.12.2019
Liebe Gabi,
wenn du möchtest, melde dich unter gmainbayerisch@gmail.com zum gemeinsamen Erinnerungsaustausch. Wir sind schon vier Kinder aus Bayerisch Gmain, zwei davon vom Haus Sonnleiten.
Liebe Grüße, Katrin
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Prof. Dr. Thomas Harmsen schrieb am 07.12.2019
Hallo Hildegard,

ich war auch in Bad Rippoldsau (1968) und bin jetzt einer der Forscher. Wir können uns gerne austauschen ... meine Kontaktmail findest Du unter Forscher
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Annegret Schneider schrieb am 07.12.2019
Guten Morgen,
in dieser Woche lief im Fernsehen „Report Mainz“ ein Beitrag über Verschickungsheime, was mich sofort an meine eigene Geschichte im Jahr 1964/65 mit all seinen furchtbaren Erlebnissen erinnern ließ. Ich war in einem Erholungsheim im Schwarzwald Villingen/Schwennigen. Vielleicht gibt es jemanden, der auch dort seine Zeit verbrachte. Dieses Haus ist noch nicht aufgelistet. Ich habe Interesse mich an der Aufarbeitung der Geschichte zu beteiligen.
Gruß Annegret
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Jens Rothfuss schrieb am 07.12.2019
Hallo Lucy,

Dort war ich auch! Hier ist mein Bericht:

http://verschickungsheime.org/regionalgruppen/#comment-553

Wenn Du recherchieren möchtest: das Gebäude, und Du wirst es wiedererkennen, wird heute als "Erwin-Rommel-Museum" genutzt. Es gibt auch alte Bilder von diesem Gebäude im Netz.

Herzliche Grüße
Jens
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xxx schrieb am 06.12.2019
Ende April im Jahr 1967 fuhr ich mit meinen älteren Geschwistern im Sonderzug von Hannover nach Schulenberg im Harz ins Kindererholungsheim der Arbeiterwohlfahrt zu einer 6-wöchigen Kur.
Das weiß ich noch ganz genau. Ich war 5 Jahre alt und fand es sehr interessant an einen Ort zu fahren, der das Wort "Schule" in seinem Namen hatte. Ich freute mich riesig, schließlich war ich noch nie in einem Kindergarten gewesen (geburtenstarker Jahrgang, keine Plätze) und hier sollte es nun ein großes Heim geben - extra für Kinder. Meine beiden älteren Geschwister waren bei mir im gleichen Zugabteil und ich ließ aufgeregt die Beine baumeln. Lauter Kinder, der ganze Zug war voller Kinder. Oh wie schön, dachte ich.

Wir kamen in Schulenberg an und wurden alle in einen Saal geführt. Nach und nach wurden die Kinder aufgerufen und mussten sich vorne an die Wand zu einem Fräulein stellen und dann abmarschieren. Wir Geschwister wurden getrennt. Ich war entsetzt, erschüttert, schockiert, tief traurig, so traurig, wie in meinem ganzen Leben nie zuvor. Ich war zuvor nicht einen einzigen Tag von meiner Familie getrennt - und nun lagen 6 Wochen ohne meine Geschwister, ohne meine Eltern, ohne jemanden, den ich kannte, vor mir - 6 lange traurige Wochen. Geweint habe ich nicht, dazu war die Situation zu hoffnungslos.

Wir bekamen unser Bett gezeigt, unseren Spind, unsere Koffer wurden ausgepackt, unsere Zahncremes und Hautcremes wurden eingesammelt. Ich legte traurig meinen Teddybär aufs Bett. Er bot mir nicht viel Hilfe, war er doch nur aus Stoff. Nur noch Gott war lebendig bei mir, leider lässt er sich nicht sehr gut umarmen. Mein Teddy lag still da und streckte die Nase in die Luft. Ich deckte ihn zu, deckte ihn auf, war traurig. Wir lernten das Betten machen. Zwei der Mädchen waren schon mal dort zur Kur gewesen. Sie waren sehr geschickt im Decke unterfalten. Ich nicht.

Von nun an konnte ich meinen Geschwistern nur noch aus der Ferne zu winken. Nicht mal beim Essen konnte ich sie sehen, da die Kleinen, zu denen ich gehörte (eine Gruppe 2-5 Jahre alte Mädchen ca. 12 und eine Gruppe 2-5 Jahre alte Jungen auch ca. 12 Kinder), von den anderen Kindern völlig abgeteilt im Speisesaal saßen.
Unser Fräulein hieß Fräulein Peter. Ich dachte, ich hatte mich verhört, schließlich war sie doch eine Frau und Peter eine Jungenname. Am nächsten Morgen beim aufstehen bat ich sie um Hilfe: "Fräulein Petra, können Sie mir bitte den Rock zu machen?". Damals hatte ich noch keine Angst vor erwachsenen Menschen. "Ich heiß nicht Fräulein Petra, sondern Fräulein Peter" kam es verärgert zurück. Ich schämte mich und war einsam.

In der Gruppenhierarchie, die sich bildete, landete ich ganz unten. Ich weiß nicht warum. Vielleicht, weil ich in der zweiten Woche eine infizierte Stelle an der Stirn bekam, weil ich ständig traurig war, weil ich keine bunten Strümpfe hatte (meine waren graubraun aus Wolle), oder weil ich nie Postkarten bekam, weil ich nicht klein und goldig war (die jüngsten waren zwei Jahre alt, ich schon fünf) - keine Ahnung? Ich trottete immer als letztes hinter den anderen her.

Der Tagesablauf war folgendermaßen: Aufstehen, waschen, Zähne putzen. Manche der Kinder benutzten kräftig Seife und erzeugten richtige Blasenberge im Waschbecken, sie wurden gelobt. Ich seifte mich sparsam mit den Händen ein, wie zuhause. Ein Fräulein kam zu mir und fragte: "Wozu ist der Waschlappen da?" ich antwortete "zum Waschen". "Na also" meinte sie. Ich verstand sie nicht, ich war doch noch beim einseifen und nicht beim abwaschen der Seife - egal, ich fühlte mich verkehrt, machte weiter, wie gewohnt.

Wir mussten uns alle mit der Zahnbürste in einer Schlange aufstellen und jeder bekam einen Klecks Zahncreme. Jeden morgen wurde laut verkündet von welchem netten Kind die Zahncreme war und welchen schönen Geschmack sie hätte. Die gute Kinderzahncreme, die meine Mutter extra in der Apotheke für uns gekauft hatte, bekamen wir nie. Einmal, als ich an der Reihe war, und meine Zahnbürste vorstreckte, nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte zu den beiden Fräuleins (irgendwie waren die immer zu zweit - und man selbst einsam alleine): "Ich möchte nach hause." Daraufhin wurde mir erklärt, dass ich sehr unartig wäre. Meine Geschwister wären viel artiger als ich, sie würden nicht nach hause wollen. Nach hause käme ich nur ganz ganz ganz alleine. Ich dachte, das klingt zwar jetzt sehr fürchterlich, ist aber eigentlich akzeptabel. Ich gab zu verstehen, dass ich auch unter diesen Umständen nach hause wollte. Ich wartete Tag für Tag, aber es geschah nichts.

Nach der Morgentoilette gab es Frühstück, Waldspaziergänge und Spielzeit im Spielraum, dann Mittagessen, Nachmittagsschlaf, Kaffeetrinken, wieder Waldspaziergänge (es gab viele Frösche dort) Spielzeit und Abendessen. Zur Toilette ging die ganze Gruppe immer gemeinsam und ich wunderte mich, dass das funktionierte, dass ich zum festgelegten Zeitpunkt musste. Manchmal wusste ich beim aufstehen gar nicht mehr, ob jetzt morgens war oder nachmittags, alles war so gleich.

In dem Spielzimmer gab es einen Kaufmannsladen. Kaufmannsladen-spielen war mein Traum. So hatte ich mir Kinderheim vorgestellt: Mit anderen Kindern und meinen Geschwistern Kaufmannsladen spielen. Das Fräulein hatte sogar kleine Päckchen mit winzigen Butter-Keksen, die sie den Verkäufern im Kaufmannsladen gab. Das dumme war nur, ich durfte niemals mitspielen. Verkäuferin spielen hätte ich super toll gefunden, aber ich durfte noch nicht mal einkaufen. Wenn ich mich dem Kaufmannsladen näherte, zeigten die anderen Mädchen auf mich und sagten: "Nee, Du nicht!" Leider war ich nicht mit Freundin dort oder Geschwistern, leider war ich ganz allein.

Morgens bildeten wir im Spielzimmer einen Stuhlkreis und es wurden Postkarten vorgelesen. Kinder die eine Postkarte bekommen hatten, waren sehr froh und wurden geliebt und gelobt. Ich bekam nie eine Postkarte im Stuhlkreis vorgelesen. Einmal hielt mich das Fräulein von meiner Schwester auf dem Flur an. Sie hatte eine Postkarte in der Hand und war sehr freundlich zu mir. Ich kannte sie nicht, aber sie wußte wer ich war. Sie sagte, etwas sehr schönes wäre passiert, ich hätte ein Geschwisterchen bekommen und solle raten, wie es heißt. Sofort sagte ich alle Namen, die mir einfielen, aber der richtige war nicht dabei. Die Postkarte selbst bekam ich nicht vorgelesen. Hätte ich gewusst, dass sie mit: "Meine lieben Kinder...." anfing, hätte ich sofort Rotz und Wasser geheult und nie mehr aufgehört zu heulen. So aber blieb ich stumm.

Im Spielzimmer gab es eine Liege. Manchmal lagen da ältere Kinder. Sie mussten "Liegekur" machen, weil sie unartig waren. Dabei mussten sie eine Stunde ganz still liegen. Später taten mir Leute leid, die sich in die Sonne legten, wie bei der "Liegekur". Die machten das, um braun zu werden. Diese Armen, gefangen in ihrem Schönheitswahn nahmen sie freiwillig so eine harte Strafe auf sich. Ich habe das nie gemacht, niemals "Liegekur" - niemals. In unserer Altergruppe wurde diese Strafe noch nicht angewendet.

Als wir im Spielzimmer waren, hörten wir einmal ein Kind vom Krankenzimmer her weinen. Die Fräuleins sagten es wären unartig. Man hörte auch einmal Geschimpfe dort. Ich glaube ein krankes Kind wurde auch mal von den Eltern abgeholt.

Einmal pro Woche gab es Sport in der Turnhalle. Wir mussten uns zum Beispiel nur durch Bewegen der Zehen von einer Turnhallenwand zur anderen vor bewegen. Einmal mussten wir uns alle ganz gerade hinstellen, und die Fräuleins gingen um uns rum und schauten, ob wir das richtig machten. Ich hatte keine Ahnung, wie man richtig gerade steht, zum Glück wurde ich nicht weiter beachtet. Ein Mädchen hatte einen Kugelbauch und ein anderes ein Hohlkreuz, sagten die Fräuleins.

Einmal pro Woche wurden wir gewogen und gemessen. Jedes Kind, das ordentlich zugenommen hatte, wurde gelobt. Ich habe in den ganzen 6 Wochen 2 Pfund zugenommen, und das obwohl ich keinen einzigen Bissen mehr gegessen hatte, als ich musste. Manchmal fing ich an zu würgen, wenn ich das Essen runterschluckte. Zur Strafe musste ich dann auch mal in der Ecke stehen mit dem Gesicht zur Wand. Das fand ich nicht sehr schlimm. Insgesamt stand ich 3 Mal in der Ecke. Ich war ja sowieso einsam. Die Ecke hatte Holzstreifen und ich spazierte mit dem Finger auf und ab. Ecke stehen fand ich jedenfalls sehr viel schöner als essen. Aufessen musste ich aber trotzdem immer, oft alleine in der Küche stehend an der Durchreiche. Dabei schaute ich dann sehnsüchtig zu den Töpfen und überlegte, wie ich es schaffen könnte, das Essen dort wieder hinein zu bekommen. Aber sie waren viel zu weit weg von mir. Unter der Durchreiche stand ein Eimer mit Wischlappen, aber ich traute mich nicht, das Essen dort zu entsorgen. Aufessen war ja damals normal, zuhause musste ich das auch, nur durfte ich zuhause bestimmen, wie viel auf den Teller kommt.
Da ich sowieso immer alles aufessen musste, gewöhnte ich mir an, die schrecklichen Dinge zuerst zu essen, und dann die besseren Sachen hinter her. Einmal gab es halbgare Kartoffeln. Sie wurden mitten während der Mahlzeit wieder eingesammelt - und dabei nicht gezählt!! Dummerweise hatte ich meine Kartoffeln schon runter gewürgt. Zu gerne hätte ich sie abgegeben in den großen Topf, und nichts zurück genommen. Gebrochen hat bei uns niemand, so schlimm und viel war das Essen dann auch wieder nicht. Manchen Kindern hat es immer geschmeckt. Meine Mutter fand, ich hätte mir diese dumme Würgerei im Kinderheim abgeschaut, aber ich glaube, es passierte von alleine, ich musste mir das nicht abschauen.

Nachts war unsere Mädchengruppe in zwei angrenzenden Schlafräumen untergebracht. Bei mir im Zimmer lagen auch zwei Mädchen, die das Heimleben liebten und schon zum zweiten Mal zur Kur waren. Sie waren befreundet oder sogar Cousinen und die Lieblinge der Erzieherinnen. In der ersten Woche abends beim zu Bett gehen zeigte eine von ihnen mit dem Finger auf mich und sagte: "Die macht bestimmt auch bald in die Hose". Ich schüttelte den Kopf, weil ich mir das überhaupt nicht vorstellen konnte. Aber leider behielt sie recht, nach 2-3 Wochen fanden sich in meiner Schlafanzughose hin und wieder und immer häufiger Bremsspuren. Ich versuchte es möglichst gut zu verbergen und stieg dann abends wieder in die Hose mit dem eingetrocknetem Dreck. Manchmal wurde es aber auch entdeckt. Dann durfte ich morgens alleine in den Waschraum und die Hose auswaschen, während die anderen Kinder noch draußen warten mussten. Das empfand ich nicht als harte Strafe, eher als Möglichkeit das ganze wieder selbst in Ordnung zu bringen und endlich wieder eine saubere Hose zu bekommen. Zuhause habe ich das natürlich nicht erzählt.
Manchmal schmierten Kinder ihren Kot an die Wand oder entleerten sich einfach auf einen Stuhl im Schlafzimmer. Sie mussten das dann weg machen, aber nie während wir dabei waren. Trotzdem wussten wir bescheid und wußten, wer böse war (natürlich waren die Ungeliebten die Bösen). Niemals hätte ich mich getraut nachts auf die Toilette zu gehen.

Einmal hat die Erzieherin abends eine Geschichte vorgelesen. Es handelte von einem Kind, dass Karussell gefahren ist. Es saß in einem kleinen Auto, und das ist plötzlich los gefahren, runter vom Karussell und durch die Welt. Danach hatte ich einen wunderschönen Traum: Ich hatte ein kleines Auto und meine ganze Familie kam mit dem großen Auto und wir sind alle nach hause gefahren. Die ganze Groß-Familie im großen Auto, ich mit meinem kleinen Karussell-Auto hinterher. Wir waren alle glücklich und ich war glücklich und selbstbestimmt.
Leider war es nur ein Traum, als ich aufwachte, war ich wieder im Heim.

Wie schon gesagt, wir waren in zwei angrenzenden Schlafräumen untergebracht.
Abends passierte Quatsch. Ich lag am Fenster in einem Zimmer mit ca. 7 Betten, nebenan waren ca. 4 Betten. Insgesamt waren wir 12. Einige Mädchen (besonders die Lieblinge der Erzieherinnen) waren mutig, sie liefen zur Tür des anderen Schlafraums, zogen sich die Schlafanzughose runter und zeigten den anderen Kindern ihren nackten Arsch in der Dämmerung. Plötzlich kamen die Erzieherinnen rein. Sie bezeichneten mich als Anstifter, und ich musste mitsamt Decke mitkommen. Sie brachten mich in das Badezimmer mit den vielen Waschbecken. Dort gab es im Nebenraum am Rand eine Rinne zum Füße waschen, mit Wasserhähnen. Sie war trocken und wir haben sie nie benutzt. Die beiden Fräuleins legten meine Bettdecke zur Hälfte in die Rinne, ich sollte mich hinein legen. Dann wurde ich zugedeckt, um die Nacht dann dort zu verbringen. Die Fräuleins waren beim zudecken erstaunlich freundlich und haben gar nicht mehr geschimpft. Ich fühlte mich wie Daniel in der Löwengrube - völlig unschuldig bestraft. Da lag ich nun alleine mit den Wasserhähnen in der Dämmerung. Ich stellte mir vor, wie die Wasserhähne langsam dunkel werden würden, und wie ich dann Angst bekommen würde, so völlig alleine im großen dunklen Waschraum. Ich betete zu Gott, dass ich bitte schnell einschlafen möge, bevor es dunkel würde. Ich stellte mir vor, dass es vielleicht doch Engel geben könnte, die sich um meine Schlafstätte stellen könnten, und schlief ein. Ich wachte erst wieder auf, als die Sonne zum Fenster rein schien und genoss die Wärme auf meinem Gesicht - puh geschafft, danke Gott - ich war glücklich, dass es überstanden war, und fühlte mich wunderbar wohl, so mit der warmen Sonne auf der Nase. Ein Fräulein kam zu mir und fragte mich, wie es mir in der Nacht ergangen war. Ich antwortete: "Endlich konnte ich mal richtig ausschlafen!" Dabei streckte ich mich und war etwas unsicher, weil ich gar nicht so genau wusste, was ausschlafen überhaupt bedeutete. Ich war froh, dass ich nicht geheult hatte. Ich durfte mich waschen gehen.

Tage später passierte wieder das Gleiche, die Lieblinge machten Quatsch, zeigten ihren nackten Arsch an der Tür, und die Erzieherinnen kamen rein. Diesmal wurde die dreijährige Tina ergriffen. Sie hatte ihr Bett unglücklicherweise gleich neben der Tür. Tina war auch unschuldig. Sie war noch viel zu klein, um überhaupt Quatsch zu machen. Tina wollte ihre Puppe mitnehmen. Das durfte sie aber nicht. Die Puppe musste liegen bleiben, sie wäre artig gewesen, nur Tina wäre böse. Tina ging weinend mit, die Fräuleins trugen ihre Decke. Da lag die Puppe nun auf dem Kopfkissen in der Dämmerung.

Ich muss noch oft an Tina denken. Schade dass ich nicht den Mut hatte, Dich heimlich in der Rinne zu besuchen, aber ich habe mich ja noch nicht mal aufs Kloh getraut. Ich wusste ja als einzige von den Kindern, wo Du warst. Schade dass ich nicht aufgestanden bin und gesagt habe: "Ich will mit!" oder "Das ist nicht fair!" oder "Tina ist unschuldig" Schade, dass ich so so viel Angst hatte. Es tut mir leid. Tina und ich, wir waren die einzigen in der Gruppe, die so bestraft wurden.

Tina hatte Ohrringe, als sie einen verlor, weinte sie fürchterlich, weil das Ohren stechen so weh getan hatte. Mehr weiß ich nicht von Tina.

Einmal pro Woche wurde abends geduscht und Haare gewaschen, das war schön, denn es gab Harwaschmittel, das nicht in den Augen brannte. Das hatten wir zuhause nicht.

Beim Abschlussabend ging mein gebastelter Krepp-Rock kaputt und ich musste in Unterhose essen. Zwei blöde Fräuleins standen hinter mir, zeigten mit dem Finger auf mich, tuschelten und lachten, sie fanden das irgendwie goldig - mich in der Unterhose, ich fand sie doof.

Oft schien die Sonne und einmal haben wir auf einer Lichtung ein Singspiel gemacht: "Drei mal drei ist Neune, Du weißt ja..." das war schön. Sonntags gab es Eis, das war auch schön. Aber der Abschlussabend, als Sketsche vorgeführt wurden und Tänze und wir danach nach hause durften, das war das allerschönste. Alle waren gut gelaunt und fröhlich, die Kinder und die Fräuleins.

Es war wunderschön wieder zuhause zu sein. Meine Mutter hatte neue Kleider für uns genäht und alles war aufgeräumt. Ich hatte eine niedliches kleines Geschwisterchen bekommen, die Sonne schien und alles war wunderbar. Wir haben alles zuhause erzählt und gegenseitig mit der Anzahl der Strafen angegeben; ich als jüngste hatte die meisten kassiert. Wir protzten auch damit, wer am meisten zugenommen hatte, und meine Mutter meinte, wir könnte gerne wieder abnehmen. Meine Eltern haben nie wieder irgendein Kind irgendwohin verschickt. Nicht mit der Kirche, nicht mit der Arbeiterwohlfahrt nicht aus guten Gründen - gar nicht.

Vor der Verschickung hatte ich keine Angst vor erwachsenen Menschen, danach immer, besonders wenn ich alleine mit ihnen in einem Raum war.

Immer wenn ich eine Kindertagesstätte von innen sehe, diesen Linolfußboden, die kleinen Stühle diesen Erzieherinnen-Tonfall höre, muss ich weinen. Es fällt mir schwer Kinder in den Kindergarten zu bringen ohne in Tränen auszubrechen, selbst wenn diese ganz fröhlich sind. Erzieherinnen gegenüber bei denen ich Kinder abgeben muss, bin ich sehr skeptisch. Wenn Kinder im Erzieherinnentonfall reden, tun sie mir unendlich leid. Jede Begegnung mit Erzieherinnen oder Erziehern ist sehr belastend und stressig für mich und ich muss aufpassen, keine Feindseeligkeiten zu zeigen. Manche Erzieherinnen sind aber sehr sehr nett zu den Kindern und auch zu mir, irgendwie gibt es heutzutage aber auch doofe und nette Erzieherinnen. Man sollte mit einsamen Kindern - und viele Kinder in den Einrichtungen sind einsam - jeden Tag - man sollte mit ihnen noch viel viel netter umgehen. Jedes böse Wort ist schon zu schlimm. Heute hörte ich in den Nachrichten, dass einem Kind Essen eingeflößt wurde und die Staatsanwaltschaft ermittelt. Ist schon erstaunlich, was man damals als normal empfunden hat.
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Winfried Hölz schrieb am 06.12.2019
Gott sei Dank erinnere ich mich kaum an Details meines sechswöchigen Aufenthalts in Büsum/Holstein im Haus "Seeschlösschen". Ich schreibe dies, um darauf aufmerksam zu machen, dass es dort offensichtlich auch ein Heim gab, in dem Kinder leiden mussten.
Ich war dort vermutlich als Drittklässler (1959) und erinnere mich an die eiskalten Nächte in dem riesigen Schlafsaal. Alle froren, weil unsere Bettdecken hauchdünn waren.
Jeden Morgen gab es zum Frühstück Haferschleim...
Als wir aufgefordert wurden, einen Brief/eine Postkarte nachhause zu schreiben (Besuch der Eltern war nicht erlaubt), schrieb ich " Bitte, bitte holt mich...". Aber die Karte wurde nicht abgeschickt, man sagte mir, ich hätte die Adresse falsch geschrieben.
Ich habe die weiteren Einzelheiten dieser traumatischen Zeit vermutlich erfolgreich verdrängt. Trotzdem trage ich anstelle dieser immer noch unterschwellige Angst mit mir herum.
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Daniel schrieb am 06.12.2019
Unfassbar, ich hatte das ewig begraben, kann jeden Satz bestätigen - ich war 1973 im Alter von 5-6 Jahren in Timmendorf ( bin Jg. 1967 ). Erinnere mich noch an die Toiletten nachts, Rest 1 zu 1 meine Erinnerung. Habe noch viele Erinnerungsschnipsel an diese Zeit, die hier aber den Rahmen sprengen würden. Wirklich unfassbar für mich, dass ich mit den Erinnerungen nicht allein bin. . Danke Dir.
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Lucy schrieb am 06.12.2019
Hallo, 1972 wurde ich fünfjährig in ein Kindererholungsheim nach Herrlingen bei Ulm verschickt. Das Haus wurde von der AWO betrieben, mein Aufenthalt dauerte sechs Wochen. Die Anreise erfolgte als Sammelverschickung, ich hatte einen Zettel um den Hals auf dem meine Daten standen. Verschickt wur-de ich, da sich meine Mutter einer OP unterziehen musste und mein Vater sich nicht in der Lage sah, ein Kind zu versorgen. Meine kleinere Schwester konnte bei den Großeltern untergebracht werden. Für mich war dort kein Platz.
Etwa 40 Jahre nach der Verschickung habe ich von meiner Mutter erfahren, dass sie lediglich einige Tage im Krankenhaus war. Diese Information, die sie mir erst nach so vielen Gesprächen über die Zeit der Verschickung gegeben hat, hat mich wirklich erschüttert. Ein kleines Kind für sechs Wochen wegzu-geben, weil man ein paar Tage im Krankenhaus ist, ich verstehe das nicht.
Im Erholungsheim wurden mir und den anderen Kindern persönlichen Gegenstände abgenommen. Die Kleidung wurde in notwendig und überflüssig sortiert. Rücksicht auf den Lieblingsschlafanzug, oder das Kuschelkissen wurde nicht genommen. Meine Puppe, die ich ohne Puppenkleidung behalten durfte, wurde mir bei Fehlverhalten temporär weggenommen.
Nachts durften wir die Zimmer nicht verlassen. Wer dann in Bett machte wurde am nächsten Morgen vor den anderen bloßgestellt. Ich erinnere mich an eine Situation, da hatte ein Mädchen aus meinem Zimmer über Nacht in ihr Bett gekotet. Die „Tante“ sagte zu ihr „Du isst doch gerne Schokolade, dann iss jetzt das hier“. Das Mädchen hatte solche Angst, das wirklich machen zu müssen.
Neben unserem Mädchenheim war ein Jungenheim. Von dort kam ein kleiner Junge zu uns, der immer wieder eingenässt hat. Die männlichen Erzieher waren damit wohl überfordert und haben ihn daher zu den Erzieherinnen ins Mädchenheim abgegeben. Als er wieder einmal eingenässt hatte, schrie ihn die „Tante“ an „ich hau Dir solange auf den Hintern, bis der so rot ist, wie deine Unterhose“.
Warum merkt man sich als fünfjährige solche Sätze?
Zum Essen saßen wir an einem großen Tisch, an den Kopfenden jeweils eine „Tante“. Sogenannte schlechte Esser mussten neben den „Tanten“ sitzen und wurden teilweise fixiert und zwangsgefüttert. Wer sein Essen ausgespuckt hat, musste das Erbrochene wieder aufessen. Grundsätzlich musste immer der gesamte Teller leergegessen werden. Ich erinnere mich noch gut an widerlich fettes Fleisch. Bis heute verursachen mit Fettränder am Fleisch Ekel. Ich muss alles wegschneiden. damals musste ich es essen.
In den sechs Wochen habe ich so viel zugenommen, dass mich meine Eltern bei der Abholung kaum erkannt haben. Ich wurde dann erstmal auf Diät gesetzt, um wieder Normalgewicht zu bekommen.
Grausam fand ich auch, dass die Briefe unserer Eltern öffentlich von den „Tanten“ vorgelesen wurden und wir die Briefe nicht erhalten haben. ebenso durften wir nicht selbst an unsere Eltern schreiben. Es wurden Standardformulierungen von den „Tanten“ in unserem Namen verschickt.
Die gesamte Zeit ist mir als permanenter Stress in Erinnerung geblieben. wir Kinder waren immer auf der Hut alles richtig zu machen, um Bestrafungen zu entgehen.
Und am Schlimmsten war, dass meine Eltern mir nicht geglaubt haben, das als kindliche Übertreibungen abgetan haben. Ich hoffe sehr, dass die Zeit aufgearbeitet wird und die Geschehnisse von damals an die Öffentlichkeit kommen.
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Susanne schrieb am 05.12.2019
Liebe Frau Röhl, liebe ebenfalls Betroffenen,
ich bin durch einen Artikel zur geplanten Konferenz im Tagesspiegel auf die Thematik gestoßen und bin seither total aufgewühlt. Tagelang habe ich sämtliche Berichte gelesen und bin erschüttert, wie sich die Berichte ähneln. Offensichtlich wurde landesweit systematisch so mit den Verschickungskindern umgegangen. Andererseits tröstet es mich auch - so haben es andere schon geschildert - dass ich mit meinen Erinnerungen und Erfahrungen nicht alleine stehe.
Ich bin Jahrgang 1957 und wurde August/September 1963 von West-Berlin nach Salzdetfurth, Kindererholungsheim Haus Sothenblick verschickt, also vor meiner Einschulung. Angst, Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein und Ekel sind die Worte, welche mir zu der Zeit einfallen. Ekelhaftes Essen, z.B. fette Fleischknubbel, mussten gegessen werden bis zum Erbrechen, jeden Tag. Es wurde uns ständig mit den zwei Schäferhunden gedroht. Das Schlafen wurde bewacht, eine Tante verlangte die Bettdecke über den Kopf, die andere Tante oder "der Onkel" (der Hausmeister? jedenfalls der mit den beiden "riesigen" Hunden) schrie uns an, wir würden mit der Bettdecke über den Kopf nur so tun als würden wir schlafen und dürfen auf keinen Fall die Decke über den Kopf ziehen. Dann kam wieder die andere und schrie und drohte, weil wir die Decke nicht über den Kopf haben... Und immer so hin und her...
Toilettengänge und Weinen zur Schlafenszeit waren auch bei uns verboten. Einmal musste ich aber so doll weinen, dass der Onkel es bemerkte, er riss mir die Bettdecke weg und schnauzte mich an. In meiner Not sagte ich, ich müsste auf die Toilette. Ich wurde fest am Nacken gepackt, vom Bett gerissen und am Nacken festgehalten zur Toilette gestoßen, der Onkel blieb neben mir stehen. Dort konnte ich vor lauter Angst nichts machen, woraufhin ich wieder am Nacken gepackt und über der Toilette hochgehoben und hin und her geschüttelt wurde unter schlimmsten Beschimpfungen und Bedrohungen. Das sind einige konkrete Erinnerungen. Die gesamten Wochen muss ich in einer Art Schockstarre verbracht haben, es war die schlimmste Zeit in meinem Leben. Über die Folgen kann man nur spekulieren, aber bestimmt rührt meine Angst vor Hunden bis weit ins Erwachsenenalter und meine Reiseangst bis zur Jetztzeit von daher. Gegipfelt hat das, als ich 2017, also mit 60, das erste mal zu einer Reha fahren konnte (musste), bin ich nahezu panisch geworden. Völlig irrational erlebte ich heftigste Ängste und Gefühle von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein - als gestandene und für Außenstehende selbstbewusste Frau.
Ich habe aus der Zeit ein Gruppenfoto gefunden, beim Anblick zieht alles bei mir zusammen...
Ich danke allen, die sich dieses Themas annehme und wünsche bei der Aufarbeitung viel Erfolg und Unterstützung!
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Nina schrieb am 05.12.2019
Hallo Gerald,

das erste Mal muß Frühjahr 1980 gewesend sein. Ich erinnere mich hauptsächlich an zwei Schafe,die mit der Flasche gefüttert wurden, an Vanille- und Schokosuppe (verdünnter Pudding) zum Frühstück, und lange Wattwanderungen. Ich wollte gar nicht mehr nach Hause, was dann wiederum meine Mutter etwas schockiert hat.

An den Namen des Heims erinnere ich micht mehr, außer daß es von der AOK war, und die Zimmer nach den Dörfern benannt waren (Alkersum, etc.).

Wenn ich also irgendwie dazu beitragen kann, daß die verschiedenen Erfahrungen anaysiert und verglichen werden, um daraus die Lessons Learned zu ziehen, würde ich gerne mithelfen.

Gruß Nina
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Ursula schrieb am 05.12.2019
Hallo zusammen, ich war im Sommer 1971 für 6 Wochen in dem DAK-Heim Bad Sassendorf. ich war ziemlich dürr . Ich musste immer das Mittagessen aufessen. konnte das aber nicht, musste mich , vorallem bei Haferschleim, ins Essen erbrechen und das dann aufessen. Ich musste alleine im Essensaal sitzen bleiben, bis ich aufgegessen hatte. In dieser Zeit dort hatte ich Geburtstag. Ich bekam von zu Hause ein Päckchen mit einem kleinen Kuchen und Süssigkeiten. Alles wurde verteilt und ich bekam fast nichts davon ab. Der Kurerfolg sollte zu einer Gewichstzunahme führen. Ich habe allerdings nichts zugenommen. In der Woche 5 wog ich genauso viel wie zu Kurbeginn, der Abschlussbericht liegt mir heute noch vor. Das führte dazu, dass ich die gesamte letzte Woche alleine im Zimmer im Bett bleiben musste, während ich bei tollsten Sommerwetter die anderen Kinder draußen spielen hörte. Dieses Gefühl des alleine seins war die Hölle und für mich völlig unverständlich. Mein Bruder, 1,5 Jahre älter, war auch dort, erzählte mir dann auch, dass alle zum Abschluss noch auf einem tollen Spielplatz waren und auch ein Eis bekommen haben.
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Clarissa Baillon schrieb am 05.12.2019
Ich war 1961 Dezember im Kinderhaus Santa Maria in Borkum ich kann auch nur bestätigen - Kinder wurden misshandelt , das Essen war ein Horror und wenn man erbrochen hat solange essen bis der Teller Lehr war egal ob mit oder ohne kotze. Nachts aufs Klo war verboten wer ins Bett pinkelte musst nachts im Dunkeln auf der Treppe den Nonen die Schuhe putzen in der Küche arbeiten - als 6 und 7 jährige Kinder. Briefe an die Eltern wurden geöffnet und weggeschmissen Nikolaus Pakete verteilten die Nonnen unter sich! Sehr viele der Kinder In meiner Zeit ? wurden krank und total gestört. Ich war lange Zeit in psychologischer Behandlung . Diese Nonnen waren bösartig und eine Schande für alles was mit Schutz und Gutem für Kindern sein sollte. Unglaublich heute zu erfahren wie oft dieses Vorgekommen ist und das keiner je zur Rechenschaft gezogen wurde. Ich habe nichts über Misshandlungen bei Santa Maria im Internet gefunden. Sind die bisher nicht entdeckt worden?.....
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Beate Stursberg schrieb am 05.12.2019
Guten Tag, ich bin durch Zufall auf diese Seite gestoßen, habe den Bericht im Fernsehen nicht gesehen. Beim Lesen der vielen Berichte und Kommentare musste ich immer wieder an meine eigenen Erlebnisse in Kinderheimen denken.
Ich bin Jahrgang 1954, in Hamburg aufgewachsen. Mit 4 Jahren kam ich zum ersten Mal in ein Kinderheim. Den Namen des Heimes weiß ich nicht mehr , es war in Voßloch bei Elmshorn. Die Patentante meiner Schwester, Frau Dr. Wieczorek hat mich dorthin bringen lassen , um meine Mutter für eine Weile zu entlasten. Ich wurde von ihrer Sprechstundenhilfe abends dorthin gebracht. Das ganz ging sehr plötzlich , und ich hatte überhaupt keine Ahnung wieso jemand Fremdes mit mir irgendwohin fuhr. Doch bis dahin war ich wohl noch recht gut gelaunt.
Ich erinnere mich, dass es vom Bahnhof aus noch recht weit zu laufen war, was mir aber weniger ausmachte als der Sprechstundenhilfe, denn auf ihre Worte, sie könne nicht mehr laufen sagte ich: " Du kannst, du willst nur nicht."
Meine Erinnerungen an die Zeit in dem Heim sind sehr gering. Ich erinnere mich aber, dass ich allein vor meinem Teller mit Spinat saß, den ich absolut nicht mochte. Ich sollte ihn aber aufessen. Ich wurde von einer " Tante"? aus einem Raum beobachtet, der rechts von meinem Tisch war. Irgendwann versuchte ich den Spinat zu essen, um endlich gehen zu dürfen. Nach ein paar Löffeln erbrach ich aber alles wieder . Ich fing an zu weinen, da ich doch meinen Teller nun erst recht nicht leer essen konnte . Ich musste zu der " Tante " in den Raum gehen und wurde gefragt, warum ich denn erbrochen hätte, ob ich das etwa mit Absicht getan hätte. Ich verneinte und bestritt das unter heftigem Weinen auch bei mehrmaligem Nachfragen. Ich wurde wieder an den Tisch gesetzt und sollte trotzdem meinen Teller leer essen. Da ich aber aufs heftigste weinte , durfte ich irgendwann aufstehen und wurde zum Mittagsschlaf gebracht.
Sobald wir zum Schlafen im Bett waren durften wir nicht mehr auf die Toilette. Einmal habe ich versucht auf die Toilette zu gehen, doch weil gerade jemand kam bin ich schnell wieder ins Bett gegangen. Ein oder zweimal habe ich ins Bett gemacht .Ob ich dafür bestraft wurde weiß ich nicht mehr.
Ich hatte großes Heimweh in der ganzen Zeit. Meine Mutter durfte keinen Kontakt zu mir haben.Damit sie sich erholen konnte. Irgendwann wurde ich krank , bekam hohes Fieber. Ich erinnere mich an eine junge Frau, die mir über den Kopf strich und sagte: " Endlich geht es Dir besser und du bist wach". Das Streicheln über meinen Kopf habe ich sehr genossen, und es hat mich beruhigt.
( Während ich die letzten zwei Sätze geschrieben habe, ist mir der Gedanke gekommen, dass mir noch heute die Tränen in die Augen steigen, wenn mir mein Mann oder meine Kinder über den Kopf streichen. Und wenn ich nachts schlecht träume, so beruhige ich mich sofort, wenn man mir über den Kopf streicht. Womöglich gibt es da einen Zusammenhang??)
Ich war wohl ca. 6 Wochen in diesem Heim. Es muss über Ostern gewesen sein, denn ich hatte ein Osternest. In dem war gefüllte Schokolade und ein Fondant Küken , beides mochte ich nicht. Ich ließ die angebissene Schokolade in dem Nest, und das Nest blieb stehen, bis die Ameisen darüber liefen.
Auf dem Heimgelände gab es wohl auch einen kleinen Spielplatz mit einer Schaukel. Und es gab einen Jungen, der mich an die Hand nahm ( schätzungsweise war er zwei Jahre älter als ich) und zu mir sagte: " Ich pass auf dich auf." In meiner Erinnerung hieß er Michael.

Mit 8 oder 9 Jahren wurde ich wegen einer Bronchitis in das Kinderheim in Cuxhaven/ Duhnen verschickt. Liebe Frau Marianne Vossoug, als ich den Namen der Leiterin " Frau Hussmann " las, klingelte es leise bei mir. Sie war 1962/63 ja auch da.
Auch in diesem Kinderheim durften wir nicht mehr auf die Toilette wenn Nachtruhe angesagt war. Ich kann mich noch sehr deutlich daran erinnern, dass ein älteres Mädchen ( ca.12/13 J.) abends noch mal zur Toilette musste und im Bett deswegen jammerte. " Ich kann nicht mehr! Ich halt das nicht mehr aus!" Sie sprach einen süddeutschen Dialekt. Ich habe ihre Stimme noch immer im Ohr.Ein anderes Mädchen bot ihr ihren Zahnputzbecher an. Irgendwann sind wir dann mit mehreren zur Toilette geschlichen, haben uns tief gebückt um an dem Zimmer der Leiterin vorbei zu kommen. Auf dem Rückweg ging kurz hinter uns dann die Tür dieses Zimmers auf. Wir sind wie wild zum Schlafraum gerannt. Natürlich wurden wir gefragt, wer da gerade auf dem Flur gewesen sei und warum. Das als " Anstifterin" ausgemachte Mädchen musste dann aufstehen und den Raum in Begleitung der Leiterin verlassen. Sie kam an dem Abend nicht mehr zurück . Als sie am nächsten oder übernächsten Tag wieder auftauchte sagte sie nur, dass sie allein in einem Raum gewesen wäre und nicht raus gedurft hätte.
Beim Essen durften wir nicht reden, nach dem Essen mussten wir mit den Armen hinter der Stuhllehne warten bis wir aufstehen durften. Einmal in der Woche mussten wir eine Karte nach Hause schreiben. Es wurde aber genau kontrolliert was wir geschrieben hatten. Abends putzten wir gemeinsam Zähne, die Toiletten waren nebeneinander, nur durch kleine Wände voneinander getrennt. Einmal die Woche wurden wir gewogen und unsere Köpfe nach Läusen abgesucht. In unserem Haus waren nur Mädchen. Es gab auch einen Hausteil mit Jungen. Zu denen durften wir keinen Kontakt haben. Es wurde uns gesagt, sie hätten die Pest. Die ältesten Mädchen waren 12 bis 14 Jahre alt.

Im vergangenen Jahr war ich in Cuxhaven und bin an der Wehrbergstrasse 63 vorbei gegangen. Ich brachte es aber nicht fertig, näher hin zu gehen. Das Haus gibt es immer noch, ist aber wohl nicht mehr in Betrieb so wie es aussah.

Mit 11 Jahren war ich dann in den Sommerferien noch in einem Schullandheim in Kakenstorf an der Este.Da habe ich noch in Erinnerung , dass ich die Schokolade die meine Mutter mir geschickt hatte an einem Abend komplett aufaß ,damit sie niemand anderes bekam oder wegnehmen konnte, und dann später alles wieder erbrach. Leider hatte ich es nicht ganz bis zur Toilette geschafft und so die Toilettentür und den Fußboden " verziert" . Ich musste dann alles selber saubermachen. Am nächsten Tag musste ich im Bett bleiben. Erst als meine Mutter mich besuchte ( Warum weiß ich nicht mehr)durfte ich aufstehen und mit ihr spazieren gehen. Ansonsten habe ich bei dem Aufenthalt nicht wirklich etwas negatives erlebt. Ich habe die Zeit dort sogar relativ positiv in Erinnerung. Nur dass ich überhaupt noch einmal verschickt worden war hat mich sehr gestört.
Liebe Frau Marianne Vossoug, wenn Sie Interesse haben können wir ja gerne wegen unserer Aufenthalt in Duhnen Kontakt aufnehmen.

Mich würde noch sehr interessieren, ob es noch jemanden gibt, der das Heim in Voßloch kennt. Dort war für mich die schlimmste Zeit. Ich weiß nicht , wer der Träger war . Vielleicht war es ja sogar unter privater Trägerschaft.
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Uwe Sternberg schrieb am 05.12.2019
Ich bin 1953 geboren und war einmal mit meiner Schwester zusammen in der "Verschickung" in den 60ziger Jahren. Per Sammeltransport ging es nach Bad-Immnau in den Schwarzwald. Ein streng katholisch geführtes Heim, Jungen und Mädchen wurden getrennt. Die Mädchen waren weiit entfernt in einem anderen Haus, nahe der Kirche im Ort untergebracht. Meine Schwester sah ich in den 6-Wochen nur beim Gottesdienst in der Kirche auf Abstand. Sprechen mit ihr durfte ich nicht. Ich war als Kind kränklich und zu dünn und sollte in der sogen. "Erholung" zunehmen. Ich kann nur bestätigen, was ich hier lese, Züchtigung, Strenge, ekelhaftes Essen und physische und psychische Gwalt war an der Tagesordnung.
Schon die Brotberge, die ich beim Frühstück essen sollte, waren mir ein Greul vom Tee ganz zu schweigen. Ich mußte so lange sitzenbleiben bis alles aufgegessen war, notfalls mit Gewalt von den Schwestern ausgehend. Ich wußte mir nicht anderst zu helfen und ließ das Brot zum Teil unter einem Schrank, der in der Nähe stand, verschwinden. Leider kam das beim putzen irgendwann raus, ich wurde geschlagen, im Zimmer tagelang eingesperrt und mußte dann zum Frühstück jedesmal das verschimmelte Brot unter Gewalt essen. Beim sogen. "christlichen" Mittagsmal als ich die Tomaten-Sago-Suppe (schrecklich!!) nicht essen wollte, wurde mir von zwei Betschwestern nachgeholfen. Die eine Schwester drehte mir die Hände auf den Rücken und die andere zwang mir das Essen rein und als ich mich über dem Teller erbrochen habe, wurde es mir erneut mit roher Gewalt eingetrichtert. Das war dort auch bei anderen Kindern so. Alle Briefe die wir nach Hause sendeten, wurden zensiert, dass ja nichts nach außen dringt und beim wöchentlichem Wiegen, bei "Nicht-Zunahme" des Gewichts wurden wir unter Druck gesetzt, nicht mehr nach Hause zu dürfen, solange bis wir zugenommen haben. Schlimm waren auch die viel zu heißen Bäder in der Badewanne mit Sole-Wasser. Sogenanntes Wassertreten mußten wir auch immer. Im Kreis rum, durch zwei Wasserbecken laufen, eines davon mit eiskaltem Wasser gefüllt und eines mit viel zu heißem Wasser. Ein entrinnen gab es nicht und wir waren den "Uralt-Schwestern hilflos ausgeliefert. Von Menschlichkeit keine Spur und von Nächstenliebe hatten die damals auch noch nichts dort gehört. Briefe von Kindern an die Eltern mit den Mißständen dort kamen doch an das Tageslicht und das Heim wurde dann daraufhin geschlossen.
Ich denke mal, dass ich keinen all zu großen Schaden davon getragen habe, aber vergessen kann ich das, in all den Jahren die vergangen sind, nicht!!
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uwe schrieb am 04.12.2019
Ich musste als 11jähriger über sechs Wochen (vom 21.05.1979-03.07.1979) wegen der guten Luft und zwecks Gewichtszunahme in der Kinderklinik Prinzregent Luitpold in Scheidegg im Allgäu verbringen. Den Aufenthalt habe ich in schlimmer Erinnerung, habe jahrzehntelang immer wieder von den katholischen Schwestern geträumt, die das Haus mit fester Hand geführt haben. Briefe nach Hause durften nur zu bestimmten Zeiten geschrieben werden. Offenbar wurden diese von den Schwestern geöffnet und gelesen, weil Kinder, die sich darin negativ über das Heim geäußert hatten, vor allen Mitleidenden an den Pranger gestellt wurden. Die Anwendungen und Untersuchungen waren distanzlos (u.a. nackt gebadet werden). Da ich in der ganzen Zeit trotz ständigen Zwangs, alles Mögliche essen zu müssen (noch heute sind div. Mahlzeiten fest mit der Kurzzeit assoziiert) nur 400 Gramm zugenommen habe, wurde mit Kurverlängerung gedroht, so dass ich tagelang versuchte, Toilettengänge zu meiden. Es wurde viel gebetet und erwartet, dass man sich bekreuzigt und die Messe besucht. Im Vergleich zu anderen Kindern kam ich noch glimpflich davon. Viele litten unter schrecklichem Heimweh und Ängsten oder wurden regelmäßig gedemütigt. Zum Abschied drohte uns die leitende Schwester namens Waldefrieda, wir dürften zuhause nur Positives über die Kur erzählen und sollten alles Negative „über die Balkonbrüstung wegwerfen“, da sie sonst ihre negativen Eindrücke von uns weitergebe.
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Heidi Rehmet schrieb am 04.12.2019
ich(geb 1950) war Ende der 50iger in St Peter Ording im Heim Köhlbrand. Erinnerung nur an zwangsweisen Mittagsschlaf
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Heidi Rehmet schrieb am 04.12.2019
Ich (geb 1950 )war auch in den 50igern noch vor Schuleintritt in Bad Sachsa. Meine Erinnerungen sind schwach aber mein Erbrochenes essen zu müssen erinnere ich. ich wurde durch die Firma Osram Berlin verschickt Arbeitgeber meines Vaters.
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Elke schrieb am 04.12.2019
Ich war 1971 irgendwo an der Nordsee. Es war ein kirchlich geführtes Heim. Ich sollte vor Schulbeginn "aufgepäppelt" werden, da ich klein und dünn war. Das Schönste war die Anreise durch das immer flacher werdende Norddeutschland, Himmel und Horizont ganz vereint. Ich war also eigentlich guter Dinge und freute mich auf das Abenteuer. In der ersten Nacht weinte ein anderes Mädchen im Schlafsaal vor Heimweh. Ich ging zu ihr, um sie zu trösten. Eine Schwester (Häubchen, Tracht) kam herein und brüllte mich an. Ich fühlte mich ungerecht behandelt und wollte die Lage richtig stellen (ich war es von zu Hause gewöhnt, das man hilfsbereit ist und das man einander zu hört und Meinungen frei und offen austauschen kann). Keine Chance, ich wurde in mein Bett zurückgeschickt. Kurz darauf musste ich auf die Toilette – was ich mich nun nicht mehr traute und habe eingenässt. Wie peinlich – ich war schon 6 Jahre alt. Am anderen Morgen kam ebenjene Schwester und hob vor allen Kindern die nasse Bettwäsche hoch und blamierte mich öffentlich. Dann musste ich die Bettwäsche alleine in dem Waschsaal waschen und vor allen anderen Kindern zum Trocknen aufhängen.
Ich sollte dicker werden, deshalb musste ich (ich nehme an, auch die anderen Kinder am Tisch) Puddingsuppe essen – das konnte ich nicht, es ging einfach nicht. Zur Strafe musste die ganze Tischgruppe so lange am Tisch sitzen, bis ich fertig war.
Wir wurden mehrmals medizinisch untersucht. Höhe, Breite usw. Jedes Kind saß bis auf die Unterhose ausgezogen auf einem Stuhl in einem Kreis in einem großen Raum und wartete darauf, "dranzukommen". Es war kalt und demütigend so dazusitzen und sich wie Vieh betrachten zu lassen. Nackt traten wir allein ohne Vater oder Mutter in der völligen Fremde vor einen Arzt, der uns dann untersuchte – unvorstellbar! An weitere Einzelheiten diesbezüglich erinnere ich mich nicht.
Ich habe an meine Eltern Postkarten "geschrieben", obwohl ich erst nach der Kur eingeschult wurde. Die Schwestern haben geschrieben, dass es mir gut gehe und es mir Spaß mache usw. und so fort. Ich bin ehrlich erzogen worden, Lügen gab es nicht bei uns, sie waren verpönt und unmoralisch. Also habe ich interveniert und gesagt, dass es nicht stimme, was sie da schreiben. Dafür bin ich wieder bestraft worden - Puddingsuppe und alleine im Hof spielen, die anderen sollten nicht mit mir spielen, weil ich "böse" sei.
"Von Haus aus" habe ich ein sonniges Gemüt und lasse mich nicht so schnell unterkriegen – aber was zu viel war, war zu viel. Nach drei Wochen bin ich glücklicherweise an Masern erkrankt und durfte auf die Krankenstation, wo mich eine reizende Krankenschwester versorgt hat. Endlich Menschlichkeit, Wärme, Zuneigung. Meine Eltern haben mich dann abgeholt, die Masern habe ich zu Hause auskuriert und kurz darauf Keuchhusten bekommen. Zum Schulstart war ich also dünner und schwächer als vor der Kur.
Bislang habe ich noch nie über diesen Kuraufenthalt berichtet, weil ich mich geschämt habe, weil es schrecklich war, nicht mal meinen Eltern gegenüber habe ich jemals etwas gesagt, denn sie meinten es ja gut, ich wollte ihnen nicht wehtun. Fast konnte ich mir ja selber nicht glauben, dass so etwas passieren kann, denn solche Demütigungen und Grausamkeiten kannte ich nicht und habe sie auch nie wieder in meinem Leben erfahren. Erst durch euren Bericht bin ich darauf aufmerksam geworden. Herzlichen Dank für die Initiative, dieses nun öffentlich zu machen.
Ich bin froh, dass ich dort nur drei Wochen gewesen bin.
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Anna schrieb am 04.12.2019
Ich bin 1952 geboren und war zwei Mal in der „Verschickung“. Beide Male in St. Peter Ording in den 60er Jahren.
Das erste Mal war es direkt am Strand. Es könnte das Heim „Heimattreue“ oder „Gorch Fock“ gewesen sein. Ich kann alles nur bestätigen, was ich bisher gelesen habe. Strenge, Züchtigung, Schläge. Ekelhaftes Essen. Als ich nicht gehorcht habe, hat mich die Kindergartentante gewürgt, sodass ich fast erstickt wäre. Ich habe geschrien, geweint, als sie endlich begriff, dass sie imstande war mich zu töten. Daraufhin wurde meine Mutter angerufen, die dann noch in der Nacht mit meinem Großvater kam und mich abholte. Ich war natürlich schuld, meine Mutter war auf der Seite der Tante. Mein Großvater Gott sei dank auf meiner.
Das zweite Mal war ich im Kinderheim Blinkfuer in St. Peter Ording Dorf/Boehl. Das Heim wurde von Diakonissen geleitet, also überall in Kutten gekleidete Frauen, die sehr streng und unverzeihlich, sprich ohne jede Empathie mit uns umgingen. Im Namen des Herrn. Meine Klassenlehrerin Frau Steenken in Hamburg von der Mittelwegschule hatte das organisiert, weil ich so dünn und verträumt war. Wie eben ein Kind in der 2. Klasse so ist. Ich bin in den Wochen dort zur ortsansässigen Schule geschickt worden. Da hatte ich einen kleinen Freund. Alfred. Der holte mich morgens immer mit dem Fahrrad zur Schule ab und wir haben uns toll verstanden, was den Diakonissen natürlich nicht gefiel. Stubenarrest. Und noch etwas in meiner Erinnerung: Wabenhonig als ich krank war und auf der Krankenstation lag. Ich kriegte den nicht runter, da wurde er mir mit Maulsperre rein gelöffelt. Anschließend habe ich gekotzt. Seitdem esse ich keinen Honig mehr und die Kirche ist ein Ort des Grauens fuer mich.
Ich kann alles nur bestätigen, was hier erzählt wird. Es waren Traumata, die mich mein Leben lang begleitet haben.
Inwieweit Schulärzte oder Krankenkassen an diesen Heimen beteiligt waren, weiß ich nicht. An einen Bustransport dahin kann ich mich nicht erinnern.
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Barbara Thielke schrieb am 04.12.2019
Auch ich war zusammen mit meiner 2Jahre jüngeren Schwester Mitte der Sechziger Jahre zu einer 6wöchigen Kur in Bad Rothenfelde. Es handelte sich bei uns um ein Kinderheim der Stadt Bochum, das auch inzwischen einer Senioreneinrichtung Platz gemacht hat.

Der Aufenthalt gestaltete sich für uns als totaler Albtraum. Gleich am ersten Tag wurden wir mit den rigiden Regeln konfrontiert: Kinder, die beim Essen nicht gerade saßen, mussten während der gesamten Essenszeit stehen mit einer durch die Armbeugen gesteckten Holzstange auf dem Rücken. Das Essen wurde kalt, musste jedoch trotzdem anschließend komplett aufgegessen werden. Reste auf dem Teller wurden nicht akzeptiert. Jedes Kind musste mittags zwei Portionen essen. Es wurde peinlich darauf geachtet, dass sich niemandum die zweite Portion gedrückt hat. Wer während dieser Prozedur erbrochen hat, musste das Erbrochene wieder aufessen.
Zum Abendessen gab es nichts mehr zu trinken, weil man so das Bettnässen verhindern wollte.
Einmal wurden meine Schwester und ich dabei erwischt, wie wir abends aus dem
Wasserhahn in der Toilette getrunken hatten. Zur Strafe wurden wir geohrfeigt.
Wir konnten beide nicht mehr aufhören zu weinen. Da Reden und Weinen im Schlafsaal streng verboten war, haben wir uns eine Hand gereicht und uns festgehalten. Dabei verletzten wir eine weitere Regel: Alle mussten beim Schlafen auf der rechten Seite liegen. Wenn wir uns die Hand reichen wollten, musste sich einer umdrehen. Dabei hat uns die ständig kontrollierende Nachtschwester erwischt. Wir mussten getrennt voneinander auf dem Flur stundenlang in der Ecke stehen, mit dem Gesicht zur Wand. Wer müde wurde und nicht mehr stehen konnte, wurde mit dem eigenen Pantoffel geschlagen.
Wir wurden Zeuge, wie die Nachtschwester einem jüngeren Kind drohte, es käme ins Kindergefängnis nach Osnabrück, wenn es nicht sofort aufhörte zu weinen.
Diese sechs Wochen gehörten für uns zu den schlimmsten unserer Kindheit.
Als wir nach Hause kamen, erzählten wir unseren Eltern von den Ungeheuerlichkeiten. Meine Mutter hat uns geglaubt und wollte sich bei der Stadt Bochum beschweren. Mein Vater fand das jedoch reichlich übertrieben und war auch der Meinung, Verbote solle man eben akzeptieren. Außerdem war er bei der Stadt Bochum beschäftigt und erwartete in Kürze seine Beförderung zum Oberinspektor, die er nicht gefährden wollte.
Ich glaube in der Ignoranz und Gleichgültigkeit der Erwachsenen zu dieser Zeit lag ein Hauptgrund für die hoffnungslose und schreckliche Situation der “Verschickungskinder”. Wir wurden übrigens trotz unserer Erlebnisse in Rothenfelde wieder verschickt, in ein Heim in Glücksburg an der Ostsee, wo ähnliche Verhältnisse herrschten. Wir fühlten uns verloren und verraten. Schutz und Hilfe von Erwachsenen haben wir nicht mehr erwartet.
Jetzt bin ich froh, dass diese Initiative hier entstanden ist. Ich bin siebzig Jahre alt und hoffe immer noch, dass man uns endlich glaubt. Entschädigungen usw. sind mir egal, es ist nur wichtig, dass man die Wahrheit erfährt.
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Nina schrieb am 04.12.2019
Ich war mit 5,8 und 12 jeweils 6Wo in Wyk auf Föhr (AOK) und habe keine einzige negative Erinnerung außer, daß ich sofort wieder zurück wollte. Ich finde es schockierend, daß es so viele schlechte Erfahrungen gab.

Mich würde es interessieren, eine Analye zu erstellen, was damals den Unterschied ausgemacht hat (Lessons learnt). Vielleicht kann man mit diesen dann ja zukünftige Probleme, auch in anderen Bereichen, vermeiden.
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Kerstin schrieb am 04.12.2019
Ich bin Jahrgang 1962 und war insgesamt 2-mal auf Verschickung. Das erste Mal mit 4.5 (1967) in der Lüneburger Heide -Egestorf- das zweite Mal mit 6.5 (1969) an der Ostsee, Haffkrug, ich weiß den Namen nicht mehr, anhand der Bilder im Internet dürfte es aber Haus Marion gewesen sein.

Wo fange ich an? Seit Jahren habe ich immer wieder “Bilder im Kopf”, die ich ebenso lange beharrlich weg schob und verdrängte. Ich erinnere mich an die Busfahrt zur Verschickung (es war der zweite Aufenthalt) ich hatte von meinen Eltern Bonbons und Leckereien mitbekommen, das waren meine “Schätze”. Ich bewahrte sie auf, alle, hielt sie fest in meinem kleinen roten Täschchen, aß nicht ein Bonbon. Im Heim angekommen, nahm man sie mir ab – ALLE-. Sie kamen in einen kleinen Karton. :*-( Man versprach mir, ich würde sie wiederbekommen, bekam ich aber nicht!

Das Nächste was ich erinnere ist dass ich nachts zur Toilette musste, das durften wir aber nicht, also schlich ich mich, aus Angst ins Bett zu machen, raus, wollte aufs Klo. Ich wäre wohl fast erwischt worden, denn ich weiß, dass ich mich in einer Art Garderobe oder Schrank versteckte, bis die “Schwester” wieder außer Sicht war. Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ich unentdeckt wieder ins Bett gelangte, oder ob ich erwischt wurde.. denn mit dem “Schrank” bricht meine Erinnerung ab. Wie groß muss meine Angst gewesen sein, dass ich fast alles verdrängte? Wie schlimm muss alles gewesen sein, dass ich nur Sequenzen erinnere?

Das nächste war an Demütigung und vor Scham im Boden versinken kaum zu überbieten. Auf dem Weg zur Nasszelle, mussten wir Mädchen, nur in Unterwäsche bekleidet, an den Jungs vorbei laufen, die uns von einer Treppe aus anstarrten.. es war so erniedrigend.. so entwürdigend, so unendlich peinlich…. Ende Sequenz.. wieder siegt die Verdrängung.

Jetzt ein Paradox, ich war 6.5 Jahre alt, konnte also sicher noch nicht schreiben, dennoch erinnere ich mich daran, meinen Eltern “geschrieben” zu haben, und auch daran, dass diese Worte kontrolliert wurden (schrieb sie vielleicht jemand für mich? Tat dieser jemand seinen Unmut über das was ich sagte kund?) Jedenfalls durfte ich meinen Eltern nicht mitteilen, was ich ihnen eigentlich mitteilen wollte…. Ende Sequenz.

Mehr erinnere ich nicht. Leider? Gott sei Dank?

Ich war in meinem Leben in 4 Therapien.. in keiner war die Verschickung ein Thema!
Warum?
Weil es in meinem Bewusstsein nicht existent war. Immer wieder mal flammten die Sequenzen auf.. um ganz schnell wieder verdrängt zu werden.

Ich kann mit Druck, egal in welcher Form bis heute nicht umgehen. Ich reagiere panisch, konfus, verwirrt, kopflos, bin ausser Stande einen klaren Gedanken zu fassen, fühle mich nicht mehr, möchte am liebsten weglaufen. Ich litt Jahrzehnte unter Panikattacken. Durch die letzte Therapie bekam ich diese soweit in den Griff, dass ich heute in der Lage bin, die ersten Anzeichen zu erkennen, mich dann sofort zu fragen: “Was hast du jetzt gedacht? Was war unmittelbar davor? Die Antwort ist immer die selbe: ich hatte das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben, jemanden enttäuscht zu haben, jemand gegen mich aufgebracht zu haben, ein “böses Kind” zu sein. Indem ich mich damit bewusst auseinandersetzte, mit diesem Gefühl, bekam ich die aufsteigende Panik, in den Griff.

Wie komm ich jetzt dazu, nicht wieder zu verdrängen. Ich sah gestern den Beitrag in “report”.. und mir liefen die Tränen die Wangen hinunter. Da waren sie wieder die Erinnerungen, diesmal ließen sie mich nicht mehr los, ich wollte sie nicht mehr verdrängen. Ich suchte im Internet nach Bildern, fragte meine Mutter wie oft und wo ich in Verschickung war. Mit mehr wollte ich sie nicht belasten, da es ihr gesundheitlich nicht sehr gut geht.

Vieles ist mir seit Gestern klar geworden, ich hab Erklärungen gefunden für Verhaltensweisen von mir. Z. B. warum ich IMMER für meine Kinder da sein wollte und bin! IMMER für sie erreichbar sein wollte und bin! Warum ich keinen Druck ertrage! Warum ich mich nicht wirklich fallenlassen kann! Warum ich panisch reagiere, wenn meine Kinder mich brauchen, und ich nicht sofort und auf der Stelle für sie da sein kann. Warum ich Ungerechtigkeiten nicht ertrage!

Ich sitze hier wie ein hypnotisiertes Kaninchen..

Ich weiß nicht, ob ich wirklich alles wissen will, was damals geschah. Zwei Therapeuten von mir, deuteten einen emotionalen Missbrauchsverdacht an.. den ich nie erklären konnte.. denn, wie oben geschrieben, die Verschickung war NIE Thema, weil verdrängt!
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Carsten Palm schrieb am 04.12.2019
Das klingt genau nach meinem Erlebnissen dort ,eine gewisse Frau Braun war immer dabei und dieser Teller /Berg gebratene Haferflocken habe ich nicht runter bekommen.Und musste Stunden daran sitzen .Einmal wollte ich nachts zur Toillette und wurde abgefangen und in den Waschraum gesperrt.Dort gab es kein Klo so musste ich mir in das große Geschäft in die Hose machen.
Im Großen und Ganzen war es aber schon schön.Wandern ,Spielen im Wald ,des öfteren Schwimmen und Inhalationstherapeutisches Singen im Keller .Einmal in der Woche kam Pinoccio im Ferseher der in einer großen Schrankwand eingelassen war.Wir waren auch in einem Passionswegsmuseum und Eisessen, ja ich bin auch einmal geschlagen worden ,aber bei mir zu hausewar es viel schlimmer.
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Carsten Palm schrieb am 04.12.2019
Ich war 1980 in Bad Orb ich erinnere mivh an eine Roswitha und eine Dorfbewohnerin hst ihren Sohn tagsüber dort geparkt. Eine Treppe rauf war der Dr.in seinem Büro.Eigentlich war es fanz nett dort Das einzig negative war die Drohung mit 4 Wochen nachkur ,wenn der Dr.es für notwendig hält.Seit der Kur bin ich immer latent übergewichtig.
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Brigitte Rock schrieb am 04.12.2019
Ich war 1966 in Schwenningen im Schwarzwald. Oder in der Nähe. Es war furchtbar. Ich war von zuhause schon einiges an Misshandlungen gewöhnt. Aber danach war ich froh, wieder zu meinem prügelnden Vater zurück zu kommen. Tatsächlich waren Kinder da, die taten mir so leid. Wenn sie wegen Heimwehs weinten, wurden sie in den Schlaf geprügelt. Bettnässer täglich. Die nicht essen wollten...
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Renate B. schrieb am 04.12.2019
1974 im Alter von 5 Jahren war ich zur Kur im Kinderheim auf Norderney. Eigentlich sollte ich 6 Wochen fortbleiben, es wurden elf! Meine Eltern waren zweimal dort , ohne mich sehen zu dürfen . Nur durch heftige Auseinandersetzungen meines Vaters mit den Ärzten konnte ich dann nach hause. Bei einem langen Spaziergang ca. 3 std musste ich zur Toilette , es wurde ignoriert und ich machte in die Hose was mir sehr peinlich war. Wurde mit eiskalten Wasser abgespritzt und einer harten Wurzelbürste abgeschrubbt, was sehr schmerzhaft war. Danach bin ich in einem dunklen Speicher eingesperrt worden. Musste eiskalten widerlichen Kartoffelsalat essen, der wieder rauskam und ich ihn wieder essen musste! Noch heute meide ich diesen .Kehrpakete mit Überraschungen und Süßigkeiten von den Eltern wurden vom Personal einbehalten . Einige Kinder haben versucht an ihre Sachen zu kommen und sind böse bestraft und auf den Dachboden teilweise auch über Nacht eingesperrt worden. wenn ich heute noch diese Geschichten erzähle, entsteht immer noch Unglaube und erzeugt bei mir Traurigkeit, ich habe nie verstanden warum ich immer wieder mit Angst und Panikattacken zu tun habe. Durch den Bericht bei Report Mainz bin ich darauf gekommen! Danke das Sie sich angängigeren.
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Roland Müller schrieb am 04.12.2019
Ich heiße Roland geb 1951 und ich war damals 6 Jahre alt. Blass, dünn, blutarm und kränklich. Deswegen haben mich meine Eltern wohlmeinend in das Caritas Kinderheim nach Westerland Sylt geschickt. (Haus Nordmark) Zeitpunkt wahrscheinlich Februar 1957 oder 1958. All das, was in den ganzen Briefen auf schreckliche Weise ans Licht kommt habe ich auch so erlebt. Ich bin zwar nicht geschlagen worden aber das Einsperren stundenlang in dunkle Kammern tat eine noch schlimmere Wirkung. Die "bamherzigen " Schwestern waren kaltherzig und gefühllos. Das aufessen von Erbrochenem war an der Tagesordnung. Der Lebertran wurde mit Gewalt eingeflößt. Nach Hause mussten wir schreiben "wie schön es hier ist" der Text wurde diktiert. Noch heute kommen mir die Tränen und es schüttelt mich, wenn ich an dieses Heim denke oder es jemand mitteilen will.
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Claudi schrieb am 04.12.2019
Hallo Sil, war das vielleicht in Todtmoos-Weg-Luginsland ? Fotos findest du im Netz. Ich war 1969 dort, siebenjährig und erinnere mich an Vieles :-((
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Ute K. schrieb am 04.12.2019
Ich heisse Ute, 52 Jahre alt und die jüngste von 3 Mädels.Was die Beweggründe meiner Mutter waren, uns in Kur zu schicken, weiß ich leider nicht und ich kann sie auch nicht mehr fragen, da sie 1977 nur 2,5 Monate nach Ende meiner letzten Kur in Adenau plötzlich verstarb.Meine Mutmaßung kann nur sein, dass sie auch mal Ruhe von und uns 3 Kindern haben wollte.Da unsere Eltern ja auch bereits 1972 geschieden wurden, war es finanziell nicht möglich in Urlaub zu fahren und damit stellten die Kuren eine günstige Alternative dar und 6 Wchen "ERHOLUNG" für Mutter und Kinder.
1972 - Berchtesgarden
1973 - Murnau
1974 - Cuxhaven ( keine Kur, sondern 3 Wochen Jugendfahrtendienst )
1975 - Baden Soden - Allendorf
1977- Adenau
An Berchtesgarden habe ich keine Erinnerung, an Murnau nur das wir abends ab Köln-Deutz und nicht ab Köln Hbf abgefahren sind. Unsere Mutter stand auf dem Bahnsteig und weinte. Das verstand ich so gar nicht. Schickt uns weg und dann weinen. Sie hatte sich im Vorfeld sehr viel Mühe gemacht, damit unsere Kleidung auch ordentlich ist und mit Namen versehen. Sie beschriftete unsere Namen auf Stoßband mit schwarzer Tusche und Feder und nähte sie anschließend in die Kleidung. Alles von Hand. Ich habe heute noch einen Washlappen, der so beschriftet ist. Besonders fatal an Murnau war, dass ich gerade am Vortag erst eingeschult worden war und nun musste ich schon 6 Wochen fehlen. In Bad Soden war ich mal krank und man entschied, dass ich im Bett bleiben sollte. Ich bekam ein Teller mit Scheidben Zwieback und eine Tasse Kamillentee hingestellt und dann kam niemand mehr. Am abend als die Kinder ins Bett geschickt wurden und eine Betreuerin ins Zimmer kam, sagte ich ihr, dass ich Hunger hätte und sie antwortete, dass ich Pech hätte, denn die Küche wäre geschlossen. Ich habe solange Theater gemacht, bis man mir Zwieback und Tee nochmals aus der Küche holte.Außerdem mussten wir täglich dieses widerliche Sole-Wasser trinken. Da ging man mit uns hin, dass sah aus wie eine Kneipe. Bis dahin war Kur blöd, aber mehr auch nicht dachte ich, bis ich nach Adenau kam. Adenau hat mich so geprägt, dass ich bis heute sehr schlecht in Urlaub fahren kann und immer unter schreckliches Heimweh leide ( wahrscheinlich eine Nachwirkung der ganzen aufgezwungenen Kuren ).
Im Ausust 1977, ich hatte gerade die erste Woche in der 5.Klasse und damit in der neuen Schule überstanden, war für mich wieder Schluss und ich führ mit einem Reisebus voller Kölner Kindern vom Gesundheitsamt am Neumarkt in der Kölner Innenstadt ab nach Adenau in die Eifel. Meine Mutter hatte mir auch ein paar Süßigkeiten eingepackt. Als wir ankamen, wurden wir auf Gruppen verteilt und dann führte man uns in einen Speiseraum. Dort standen die Tische in U-Form. Jedes Kind suchte sich eien Platz und dann wurden allen Kindern die Süßigkeiten abgenommen. Dort im Raum stand auch ein Schrank, der verschlossen war und nur die sehr strenge ältere Frau ( wer das war und welche Rolle sie in dem Kurheim spielte, weiß ich bis heute nicht ) hatte dazu einen Schlüssel. Sie sagte, dass die Süßigkeiten geteilt werden würden. Soweit so gut. Allerdings sahen wir nie wieder was davon. Der "General" ( so nenne ich diese strenge Frau mal ) bewachte uns auch zu den Mahlzeiten und es war schön, wenn sie mal nicht da war, denn dann konnte wir uns auch mal unterhalten und wurden nicht immer angeschrieen. Die Mädchen schliefen im 2. Stock und die Jungs im 1. Stock.Mein Zimmer war gleich links neben der Holztreppe, die wir immer hochsteigen mussten.Es war ein 4-Bett-Zimmer und mein Bett stand gleich in gerader Linie zur Türe. Immer unter Beobachtung, denn die Türe durfte nicht geschlossen werden. Fast jeden Tag bei Wind und Wetter mussten wir den Kreuzweg hoch laufen.Das war für mich sehr beängistend. Daran konnte man merken, dass das Haus bis Ende 1976 noch von Nonnen geleitet wurde. 1977 war die Übergangszeit und die Kurzeit endete 1977. Somit waren wir wohl die letzten Kinder dort. Ab 1978 wiurde es eine Familienbildungstätte der Stadt Köln. Jeden Mittag mussten wir 2 Stunden Mittagsschlaf halten. Wir lagen ganz ruhig auf unseren Betten und durften nicht erzählen oder uns bewegen, ansonsten stand schon ein Betreuer im Rahmen, um uns anzuschreien.Die Waschräume mit Toiletten befanden sich gegenüber der Zimmer der Nachtwachen. Nachts, wenn man mal auf Toilette musste, dann hatte man schon angst, dass eine Nachtwache aus dem Zimmer kam, und schimpend fragte, wo man hin wolle. Die Toletten war eiskalt und voller Mücken. Die Badezimmer befanden sich gegenüber der Waschräume und gleich neben den Nachtwachenzimmern.Jeden Samstag war Badetag. Es waren 2 Wannen hintereinander und in jede Wanne kamen 2 Kinder. Das eigentliche Baden dauerte nur 5 Minuten. Anschließend wurden wir eiskalt abgeduscht. Angeblich wäre das gesund. Wenn man zickte, wurde das eiskalte Abduschen wiederholt oder dauerte eben länger. Ich kann bis heute keine Wecjhselduschen über mich ergehen lassen. Meine Wasser unter der Dusche muss warm sein.Wie kann man das Kindern nur antun. Briefe nach Hause wurnden zensiert oder kamen erst gar nicht an, wenn man schrieb, dass es schrecklich ist und man nach Hause wollte. Meine Stiefoma schickte mir 20DM, aber ich fand das Geld nicht in dem göffneten Umschlag. Demnach wurde unsere Post vorab schon gelesen.Ich traute mich nicht nach dem Geld zu fragen, da ich sehr große Angst hatte, wieder angebrüllt zu werden.Ein paar Tage später hieß es zu einigen Kindern, u.a. auch zu mir, dass wir nicht mit spazieren gehen würden, sondern wir müssten zum Friseur gehen. Zum Friseur? Ich hatte vor der Kur gerade die Haare geschnitten bekommen, denn meine Mutter legte auf Äußeres großen Wert. Aber ich konnte mich ja nicht dagegen wehren, also zum Friseur und ab waren die Haare. Was kostete 1977 so ein Kinderhaarschnitt? Also bestimmt keine 20 DM. Ich nehme an, dass der Friseur davon bezahlt wurde. Hat man mir aber nicht gesagt. Ich weiß es bis heut nicht, aber es liegt wohl nae. Der Rest hat man wohl asl " Spende" an das Kurheim behalten, denn ich habe kein Geld wieder mitgebracht und Taschengeld hatte meine Mutter mir ja auch mitgegeben. Das war in einem Umschlag und musste abgegeben werden. Das hab ich ja auch verstanden und kannte das aus vden vorherigen Kuren. Aber die 20 DM bleiben ein Rätsel. Es gab nur 2 nette Betreuerinnen, deren Namen ich nicht mehr weiß. Eine jüngere, die war 28 Jahre alt ( wir hatten sie nach dem Alter gefragt und das habe ich behalten ) und eine ältere Dame , die kam aber nur 2 -3 x die Woche. Die wohnte ebenfals in der Wimbachgasse ( heute Wimbachstrasse ), da wo auch das Kurheim stand. Es war ein Segen für uns, wenn sie uns betreute, dann war es erträglich. Aber ansonsten war es schlimm, beängsitend und man stand ständig unter Druck und das 6 Wochen lang.Als die Kur endlich zu ende war und ich wieder zu Hause war, habe ich zu meiner Mutter gesagt, dass ich nie wieder in Kur fahren würde. Nie wieder....

Ich glaube schon, dass ich durch die Kuren und vorallem durch Adenautraumatisiert bin, denn ich kann bis heute nicht wirklich in Urlaub fahren. Leide unter großes Heimweh und fühle mich nur zu Hause sicher. Genauso kann ich mich nur unter eine warme bis heiße Dusche stellen.

Für mich war klar, meine Tochter wird niemals in Kur geschickt werden und auch als meine Freundinnen mit ihren Kindern in Mutter-Kind-Kuren fuhren, war das für mich ein No-Go... Allein der Begriff "Kur" macht mich schon aggressiv.

Sicherlich ist es nicht so schlimm, wenn man andere Berichte hier liest, aber mir hat es gereicht, um mich doch zu schädigen.

Ute K- aus Köln
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R. schrieb am 04.12.2019
Hallo Franzi, ich war als ganz kleines Kind dort. Habe gerade heute Postkarten von dort entdeckt. Hast Du Interesse? R.
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Hanne Voswinkel schrieb am 04.12.2019
Oft habe ich meinen Freundinnen und Freunden oder der Familie über meine gruseligen Erfahrungen in St. Peter Ording erzählt. Aber ich habe immer gedacht, ich wäre eine Ausnahme gewersen. Und nun zeigt das ganze Drama der Kindesmisshandlungen bei den KinderkureneIch. Das macht es wahrlich nicht besser, aber ich bin froh, ohne Selbstzweifel darüber reden zu können. Ich war Anfang der 1960er zwei Mal in dem Kinderheim, dessen Namen ich niemals vergessen habe.
Im Mittelpunkt stand, dass ich eine schlechte Esserin war und zunehmen. sollte. Das Essen war so schlecht, dass es mir immer wieder hochkam und zur Strafe wurde es erneut auf den Teller getan. Ich wurde geschlagen, wenn ich beim Wiegen nicht zugenommen hatte. Einmal wurde ich an einen Baum gebunden, während die anderen Kinder einen Ausflug zu den Seehunden machten, worauf ich mich die ganze Zeit gefreut hatte.
Zu Ostern bekam ich ein Päckchen mit Süßigkeiten von zu Hause. Ich verteilte die Ostereier unter den anderen Kindern. Doch das war verboten und uns wurde alles wieder weggenommen.
Die Postkarten an die Eltern wurden uns von den "Tanten" diktiert. Ich habe sie bei meinen Unterlagen aus der Zeit. "Alles prima."
Beim Wiegen am Ende des Aufenthaltes muss etwas Schreckliches passiert sein. Ich erinnere mich nicht daran, was es war. Ich weiss nur, dass ich 1,3 kg abgenommen hatte und fertig gemacht wurde. Ich fühlte ausgestoßen wie ein Hund.
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Sil schrieb am 03.12.2019
Schwarzwald irgendwo. Ich- 3Jahre alt 1966- und wurde von Eltern sorglos zum Aufpäppeln nach Rat des Kinderarztes allein per Zug losgeschickt. Ich erinnere mich an Baden in Holzzubern und neben dem Bett stehen müssen. Ich kam nach 6 Wochen zu dick und im Hochsommer mit rotem schwitzendem Kopf in Woll-Strumpfhosen heimgekehrt. Meine Eltern haben sich keine besonderen Sorgen gemacht. Ich hab heute Depressionen und Flashbacks.
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Heike Rupp schrieb am 03.12.2019
Hallo,
auch ich musste 1979/1980 für 7 Wochen in ein Heim in Salzwedel. Dort geschah fürchterliches: Ich durfte als kleines Kind keinen Kontakt zu meinen Eltern und Geschwistern haben. Essen musste ich täglich Puddingsuppe, ich habe sie zum Teil schon fast nicht mehr runterschlucken können. Und dadurch dass ich nicht mehr essen konnte bin ich alleine an einem Tisch gesetzt worden und es saß eine Aufseherin mit Häubchen auf dem Kopf neben mir und hat mich zum Essen unter gewalt gezwungen bis ich mich übergab.
Am Morgen musste täglich nach dem aufstehen um das Kurgebäude gerannt werden. Damit auch wirklich gerannt wurde, wurde ein Hund hinterher geschickt , der die Kinder alle vorantrieb.
Als ein Gewitter war, hatte ich große Angst und habe bitterlich geweint. Um zu lernen wie man an Gewittertagen oder mit Gewitter umgeht, musste ich in ein Einzelzimmer (Bunker) im Keller.
Auch ich habe auf ein Holzbett schlafen müssen und durfte Nachts nicht aufstehen und auf Toilette. Da ich es trotzdem tat um nicht einzunässen, musste ich die Nacht auf dem kalten Flur auf einem Stuhl verbringen.
Es wurden uns Horrorgeschichten erzählt, Trinken durfte man kaum etwas.
Die Briefe an den Eltern waren erfunden und gelogen.
Auch bin ich missbraucht worden und habe heute noch Albträume und viele sowie große Ängste.

Heike
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Carola KLOHS schrieb am 03.12.2019
Hallo, ich bin im Dezemder 1954 geboren und war 1960, kurz vor meinem 6sten Geburtstag, für 6 Wochen auf der Insel Borkum. Bis heute verfolgen mich diese 6 Wochen. Jahre habe ich diese Zeit verdrängt, aber statt endlich ganz zu vergessen, belasten mich die Erinnerungen an diese Zeit immer mehr. Je älter ich werde. Und wie man lesen kann, geht es wohl vielen so. Das Bild von dem Mädchen, welches bei "Frühstück" oft weinte, weil sie die graue Pampe nicht mochte, sich dann erbrach und gezwungen wurde weiter zu essen, hat sich in meinem Kopf festgesetzt. Auch der Schmerz den ich aushalten musste und die Ängste sind mir noch gegenwärtig. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich dort Nr.3 war. Eine Nummer. Ich weiss leider nicht mehr wie das Heim geheisen hat. Der Name " Adolfinenheim" kommt mir bekannt vor, aber nur eine Ahnung. Meine Mutter ist fast 90zig und dement, von Ihr kann ich keine Informationen bekommen. Viele Grüsse an alle Carola
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Hildegard Heinemann schrieb am 03.12.2019
Meine Name ist Hildegard Heinemann, geb Altmann. Ich wurde 1960 wegen angeblicher Unterernährung nach Bad Rippoldsau im
Schwarzwald verschickt. Die stundenlange Reise im Zug fand ohne jegliche Betreuung
statt. Ich habe während der Reise keinen
Erwachsenen zu Gesicht bekommen. Erst
am Bestimmungsbahnhof wurden wir von
Nonnen und uniformierten Erzieherinnen
in Empfang genommen.
Ich erinnere mich an Schlafsäle mit mindestens 20 Betten, an nächtliche Schläge, weil Kinder eingenässt hatten, an rüdeste Methoden, uns zum Schlafen zu zwingen.
Manche Kinder wurden im Bett festgebunden,
um sie am Aufstehen zu hindern. Ich musste
mehrfach unbekleidet nachts stundenlang in
einer Flurecke stehen. Weinen und Frieren
machte alles nur schlimmer. Nach wenigen Tagen waren fast alle Kinder gebrochen und
gaben Ruhe.
Das Essen war schlecht. Ich erinnere mich an
täglich angebrannte Milchsuppe zum Frühstück, die man gezwungen wurde zu essen. Man zwang uns, ausgespucktes, ungeniessbares Essen, auch von anderen Kindern, zu essen.
Briefe an die Eltern wurden zensiert.
Post von zuhause erhielt man nur, wenn man brav gewesen war.
Ich erinnere mich auch an 1 oder 2 Erzieherinnen, die versuchten, liebevoll mit uns unzugehen und Kritik an den Methoden zu üben. Sie waren über Nacht verschwunden.
Die sogenannte Erholung endete nach meiner Rückkehr nach Hause in einer Gelbsucht, die mich 6 Wochen ans Bett fesselte.
Dies alles ist nun 60 Jahre her, ich habe es nie
vergessen. Was die Quälerei noch toppte, war die Tatsache, dass meine Eltern auch noch einen nicht unbeträchtlichen Betrag zahlen mussten.
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Heide F. schrieb am 03.12.2019
Ich wurde Im Sommer 1960 als Achtjährige aus dem Harz nach Schillig an der Nordseeküste verschickt. Ich meine, dass der Träger des Heimes das DRK war. Ich habe die schrecklichsten Erinnerungen an diese Zeit, sie mit Therapeuten, Familienangehörigen, Freunden später versucht, zu „verarbeiten“. Als junge Frau bin ich einmal in den Ort gefahren, habe die düsteren Holzbaracken -jetzt freundlich angestrichen- wiedererkannt und meine Wut über das damalige Erlebte in den Wind geschrieen! Als ich viel später im Nachlass meiner Mutter eine Postkarte von mir an die Familie fand, wurde alles wieder wach und real.
Die Wochen waren geprägt von großem Heimweh, dem Gefühl von Verlassenheit und Verzweiflung. Die Erwachsenen waren streng, hart und ohne Verständnis für kleine Kinder. Meine erste Post nach Hause wurde zerrissen „wir wollen doch nicht, dass deine Eltern traurig werden, schreib nochmal!“ Ich habe schnell begriffen, was die Erwachsenen von mir erwarten und dann auf weiteren Karten simple Aufzählungen ohne Erwähnung meiner Gefühle gemacht: „Wir haben hier 2 Schaukeln, eine Wippe, ein Drehkarussel, wir waren am Strand“. Ich erinnere meinen großen Ekel und immer wieder Erbrechen. Ich musste rohe Leber (wirklich!) essen und neben rohem Gemüse, das ich kannte auch rohe Kartoffeln! Ich sollte täglich mit Meerwasser gurgeln. Das erste Päckchen von Zuhause wurde von der „Schwester“ vor meinen Augen geöffnet und die Süßigkeiten darin an Alle verteilt. Ich hatte kein Mitspracherecht. Ich habe häufig nachts ins Bett gepinkelt und das Bettlaken unter Tränen verschämt abgezogen und zum „Trocknen“ über das Fußende des Bettes gehängt.
Meine Eltern müssen gemerkt haben, dass mit mir etwas nicht stimmte und baten einen Bekannten, der in den Urlaub in die Nähe fuhr, mich aufzusuchen und Grüße zu bestellen. Ich habe den mir Fremden dann unter Tränen umarmt und wenige Tage später holten die Eltern mich vorzeitig ab! Der Bekannte hatte eindringliche Worte an die Eltern gefunden.
Nachzutragen bleibt: Verschickungsgrund: ich war anämisch, blass, kränklich, untergewichtig. Zum ersten Mal allein in der Fremde. Meine Eltern waren, geprägt vom Faschismus, angepasst, autoritätsgläubig und hatten kein Verständnis für “Wehleidigkeit“ und „Extrawürste“ bei Kindern. Umso erstaunlicher und bezeichnend für diese „Sadisteneinrichtung“, dass sie mich, wenn auch spät, daraus erlösten.
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Elisabeth Häuser schrieb am 03.12.2019
hi war auch in Bad Rothenfelde, 74 mit 10 Jahren. Auch bei mir wurden Grenzen überschritten. Kleiderwünsche (meine Mutter hatte für mich extra Spielkleider genäht) sadistisch - mit dieses Kleid wird nicht angezogen ausgeräumt.
Das sich Waschen war immer ,außer am Beginn und dann nach 6 Wochen zum Abschluss eine Sammeldusche mit allen. mit Unterwäsche angezogen! Ich hatte damals dann ganz wüste Pickel am Popo. ( Körperliche Vernachlässigung!)
Reden beim Mittagschlaf? (10 Jahre alt) - Strafe um den Sportplatz 10 Runden entlanglaufen. (Hatte Blasen wegen unzulänglichen Schuhen)
Essen zur Gewichtszunahme - mit Hunger ins Bett
Jeder erhielt Rationierte Essensmenge.
Nicht lesen dürfen von mitgebrachten Büchern.
Keine Person die Zuwendung oder Beziehung angeboten hat.
Gut war das ich schon 10 war, aber geglaubt hat mir niemand so recht
was ich dann zu Hause erzählt habe.
Und lange dachte ich das hast blos Du so negativ empfunden, aber in Erinnerungen
fällt mir just jetzt ein das wir Kinder da schon nachgefragt haben , warum es so wenig zu Essen gab.
Danke für die Aufarbeitung
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Christian schrieb am 03.12.2019
Ich bin Jahrgang 1981. Ich war Mitte/Ende der 80er Jahre auf einer Mutter-Kind-Kur. Wahrscheinlich auf Sylt. Ich bin mir da aber nicht mehr so sicher da ich das ganze mehr oder weniger verdrängt habe. Zum Essen und für das Programm wurden Eltern und Kinder getrennt. Einmal gab es beim Essen Mungobohnensprossen was wir Kinder nicht kannten und den "Betreuer" fragten was das ist. Als Antwort bekammen wir gekochte Spinnenbeine und er zwang uns das ganze zu Essen. Ich und einige andere Kinder haben sich erbrochen was wir dann auch Essen mussten. Meine Mutter glaubte mir nicht als ich ihr das erzählte. Ich hatte das ganze Erlebnis verdrängt und mich erst vor einigen Jahren wieder daran Erinnert als ich versuchte herauszufinden wann meine Arachnophobie anfing und woher Sie kamm. Arachnophobie hab ich immer noch aber wenigstens weiss ich heute warum.
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Silke schrieb am 03.12.2019
Hallo Klaus, bitte wende dich an unsere Borkum-Gruppe unter "Heimort-Vernetzung".
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Volker Selse schrieb am 03.12.2019
Ich möchte eigentlich nur schreiben, ich war auch dabei.
In Bad Sassendorf bei Soest NRW Nur soviel die Punkte die hier geschrieben habe ich auch so erlebt. Deshalb empfinde ich es eine Schweinerei, das niemand zu Verantwortung gezogen wird.
Allerdings habe habe auch eine Gute Erfahrung bei meiner zweiten Verschickung nach Bad Salzuflen. Diese Kur hat mir wirklich etwas gebracht. Dieses wollte ich mal Erwähnen bei den ganzen negativen Erfahrungen.

Die Geschichte mit Bad Sassendorf habe ich meinen Gutachter angegeben zur Begutachtung für die A U, es musste einfach sein
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Klaus schrieb am 03.12.2019
Ich bin Jahrgang 1959 und wurde im März/April 1964, also mit 4 Jahren, zur Kur nach Borkum verschickt. Im Zug habe ich meiner Mutter noch gesagt, dass ich tapfer sein und nicht weinen werde.
Warum ich dahin geschickt wurde, weiß ich nicht. Meine Eltern haben es mir bis zuletzt nicht verraten. Nur Andeutungen, dass es sein musste usw.
Ich habe kaum noch Erinnerungen an diese Wochen. Ich kenne weder den Namen der Einrichtung, noch den irgend eines der Betreuer bzw. Betreuerinnen.
Ich weiß noch, dass morgens noch im Bett mein Oberkörper mit Meerwasser abgerieben wurde.
Nachts habe ich wohl regelmäßig eingenässt. Das wurde auch meinen Eltern geschrieben.
Ich kann mich noch erinnern, dass ich in einer Badewanne ins Wasser geschissen habe.
Aber eigentlich war ich zu der Zeit schon "stubenrein".
Ich kann mich an Augenblicke am Strand erinnern. Ich weiß noch, dass es verboten war, beim essen zu sprechen.
An Strafen kann ich mich nicht erinnern.
An andere Kinder kann ich mich nicht erinnern.
Meine beiden jüngeren Geschwister und meine ältere Schwester wurden nie verschickt.

Gibt es noch Möglichkeiten heraus zu finden, warum und wo ich damals war?

Grüsse
Klaus
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Renate Kellers schrieb am 03.12.2019
Hallo verschickungskinder
Ich bin 1956 geboren und hatte in der Vorschulzeit eine Magenkrankheit ( Bandwurm) . Da ich zu wenig wog um Eingeschult zu werden bin ich in eine ,, Kindererholung" ins Sauerkand geschickt worden das war Anfang1962 .Ich weiß nicht mehr wie das Haus hieß, ich weiß nur noch das das Heim von Nonnen geleitet wurde.
Von Erholung war keine Rede, wir mussten alles tun was uns gesagt wurde . Schon das Frühstück war für mich eine Qual , warme Milchsuppe mit Brot/ Börtchenstücken drin war pflicht zu essen . Ich mochte noch nie warme Milch aber die Suppe musste ich essen , neben der Suppe lag das lecker Marmeladenbrot was ich erst essen durfte wenn die Milchsuppe aufgegessen war . Bis in den Teller gebrochen habe weil das so ekelhaft war für mich .
Sonntags war es dann noch schlimmer da musste ich Griessbrei nachmittags zur Kaffeezeit essen , es ekelt mich Heute noch wenn ich nur das Wort höre .
Dann wurde ich krank und kam in ein Krankenzimmer ! Da ich Fiber hatte haben so geschwitzt das das ganze Bett nass war , ich fühlte mich so elendig. Eine Schwester kam zu mir und schimpfte direkt los . Ich seid ein Ferkel und so ungezogen ins Bett gemacht zu haben . Ich weinte und sagte das ich nicht ins Bett gemacht habe ich habe so geschwitzt. Die Nonne zog mich aus dem Bett und schrie mich an ich würde lügen , dann musste ich mich am Waschbecken nackt ausziehen und waschen . Alle Kinder die zur Toilette müssen gingen an mir vorbei , ich habe mich so sehr geschämt.
Dann kam ein Junge auf das Krankenzimmer, der ärgerte mich immer ! Er lockte mich mit einem Trick an das Fußende meines Bettes und zog mich aus mein Bett. Ich werte mich und sagte ihm er solle mich los lassen, das bekam wieder eine Nonne mit . Die schrie gleich wieder nur mich an ,, wenn ich so im Bett herum trunen kann wäre ich wo wieder gesund . Mich hat die Nonne gar nicht angehört , ich wurde wieder bestraft .
Auf dem Flur vor einer Treppe musste ich mich anziehen und wieder gingen andere Kinder an mir vorbei. Als ich angezogen war musste ich in die Küche und dort mithelfen , Geschirr spülen und den Tisch im Spieseraum decken obwohl ich noch krank war .
Auch wenn sich das nicht schlimm anhört zu dem was andere Kinder erlebt haben , für mich waren die 4 Wochen schrecklich . Ich war so froh als ich wieder nach Hause durfte . An Gewicht hatte ich auch nicht zugenommen.
L G Renate
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Stefan Decker schrieb am 03.12.2019
Heute fand ich bei Tagesschau einen diesbezüglichen Artikel. Ich muss dazu sagen, dass ich unter einer Amnesie leide, die auch meine komplette Kindheit betrifft.

Weiter recherchierend kamen plötzlich die Erinnerungen zum Teil zurück. Im Moment fühle ich einen unglaublichen Hass - und Angst, und Trauer …

Ich weiß noch, wie ich mit 5 Jahren - abgemagert und Keuchhusten, 1959 alleine in den Zug gesetzt wurde. Das Heim ist dunkel und böse. Ich musste auch Gerichte essen, die so übel schmeckten, dass ich Erbrechen musste. Den Rest kennt ihr. Da waren auch die Schlafräume, ganz viel Angst.

Was ich noch weiß, ist, dass ich mit einem Freund aus dem Heim ausgerissen bin. Wie man mich wieder einfing, weiß ich nicht. An die Strafe erinnere ich mich im Moment Gott sei Dank nicht.

Mir ist gerade furchtbar übel. Ich weiß nicht, ob ich zuhause davon erzählt habe. Ich glaube mich zu erinnern, das die Leiterin des Heimes meiner Mutter einen Brief geschrieben hat. Was für ein böser Junge ich doch sei …
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Heidi Wollmer schrieb am 03.12.2019
Ja, auch ich war in Kurverschickung Mai 1968 auf Norderney 6 Wochenlang. Man hat mich zum Bahnhof gebracht und dann ging es in den Zug und über eine stürmische See ins Heim. Ich war klein und sehr zart. Ich hatte viel Heimweh, stand jeden Abend am Fenster. Bei Ankunft wurden wir durchsucht und die paar Süßigkeiten einkassiert. Ich mußte oft über Mittag sitzen bleiben, bis ich meine Mahlzeit eingenommen hatte. Ein Mädchen hat sich oft die Backen voll gestopft und auf der Toilette entleert. Ab und zu hat eine Küchenmitarbeiterin mich erlöst (aber die war ja nicht immer da). Gesundheitlich ging es mir schlecht, hatte mal eine heftige Magen/Darmerkrankung und sehr häufig Nasenbluten, dass ich mal einen Arzt vorgestellt wurde, daran kann ich mich nicht erinnern. Meine Post wurde gelesen, ich hatte gerade in der Verschickungszeit einen kleinen Bruder bekommen. Man hat mir vorgeworfen, dass ich mich beklage und meine Post wurden dann nicht mehr verschickt. Das Ergebnis dieser Kur war... ich hatte 4 Kilo abgenommen. Dieses Thema berührt mich nach über 50 Jahren immer noch sehr. Ich konnte jetzt nur einen kleinen Einblick geben. Vom Hausarzt her sollte ich mit 12 Jahren, nochmals zur Kur, meine Mutter hat da nicht zugestimmt und abgelehnt. Meine ältere Schwester war mal im Allgäu, sie hat mir mal berichtet, dass ein Kind sein Erbrochenes essen mußte, dass war Anfang der 60 Jahre. Ich finde es gut, dass dieses Thema mal angesprochen wird, ich denke es gibt viele heutige Erwachsenen die ein Kindheitstrauma mit sich tragen. Ich schreibe schnell, weil ich meine Emotionen freien lauf lasse und möchte diesen Kommentar auch nicht Korrekturlesen,
um evtl Tippfehler und Grammatik auszubessern.
Danke und mit freundlichen Grüßen Heidi Wollmer
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Heike schrieb am 02.12.2019
Mich haben die Berichte über Erfahrungen in Erholungsheimen und die Folgen, die diese Aufenthalte bis heute für das Leben von Menschen haben, sehr bewegt. Was mich aber geradezu erschüttert ist die Vielzahl der Heime, in denen Kinder schlecht behandelt wurden.
Ich stamme aus Dortmund und war als 9-jährige ebenfalls in einem Erholungsheim, in Herzberg am Harz. Dieses wurde von katholischen Ordensschwestern geführt. Den Namen des Heims weiß ich leider nicht mehr. Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht wie andere in diesem Forum, bin aber gottseidank (ein ironischer Begriff in diesem Zusammenhang) nicht traumatisiert. Die einzige für mich unmittelbar greifbare Folge für mein späteres Leben war und ist, dass mir in dieser Zeit der Glaube an Gott verloren gegangen ist. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Gott zulassen würde, dass „seine Dienerinnen“ so mit wehrlosen Kindern umgehen.
Schon für mich als 9-jährige war klar, dass von den Kleinsten unter uns Kindern einige einen „Knacks für’s Leben“ (so meine damaligen Gedanken) davontragen würden. Aber ich hatte zum einen das große Glück, dass ich schon in diesem Alter eine „Reisetante“ war und Heimweh nur eine untergeordnete Rolle spielte. Ich gehörte ja auch zu den Ältesten in der Gruppe und war außerdem als viertes von fünf Kindern sehr anpassungsfähig. Außer mir gab es nur noch eine weitere 9-jährige, Anne L. Dann gab es noch eine 8-jährige, deren jüngere Geschwister dabei waren (Gabi?). Die übrigen Kinder waren zwischen 4 und 7 Jahre alt.
Zum anderen haben mir meine Eltern nach meiner Rückkehr jedes Wort geglaubt und mit Annes Eltern zusammen eine Beschwerde bei der CARITAS eingereicht. Meine Mutter erinnert sich leider nicht mehr, was daraus geworden ist, aber für mich war es damals sehr wichtig, dass meine Eltern mit mir wütend auf die CARITAS und die Nonnen waren.
Meine Eltern hatten die Einrichtung und ihre Leiterin sogar kurz kennengelernt, da sie mich persönlich dort ablieferten. Ich konnte wegen einer Mumps-Erkrankung nicht von Anfang an dabei sein (was für ein Glück – ich war während mei¬nes Aufenthaltes täglich dankbar dafür!) und war somit nur 4 anstatt 6 Wochen in dem Erholungsheim. Meine Eltern brachten mich von Dortmund in den Harz. Was ihnen aber damals schon verdächtig erschien war, dass sie das Heim nicht anschauen durften, sondern nur zu einem kurzen „Übergabegespräch“ in das Büro der Heimleiterin gebeten wurden.
Das Heim gibt es heute nicht mehr. Ich war Mitte der 90er mit meinem Mann im Harz im Urlaub und wollte ihm zeigen, wo ich als Kind eine schlimme Zeit verbracht hatte. Ich glaube, das Haus erkannt zu haben, aber es war inzwischen ein Kindergarten darin. Hier mein Bericht über den Aufenthalt dort.

Kinder, wollt ihr Herzberg sehen, fariafariahoh
müsst ihr erst zur CARITAS gehen. Fariafariahoh
Die verschreibt euch einen Schein,
schickt euch dann ins Erholungsheim!
fariafaria fariafaria fariafariahoh!
...
Am schlimmsten waren die Mahlzeiten. Ich war wegen zu geringen Gewichts in diese Kur geschickt worden. Meine Mutter meint, sich erinnern zu können, dass die Initiative nicht von meinem Kinderarzt ausging, sondern aus einer Schuluntersuchung resultierte. Ob alle anderen Kinder auch wegen Gewichtsproblemen dort waren, weiß ich nicht mehr. Nach meiner Erinnerung stand aber „möglichst viel und nahrhaft essen“ im Vordergrund.
Wir mussten essen, was auf den Tisch kam. Bis zum Erbrechen. Die Atmosphäre im Speisesaal war bedrückend. Die Mahlzeiten wurden meist begleitet vom Jammern, Weinen und Würgen mancher Kinder und natürlich vom Schimpfen der Nonnen. Man musste sitzen bleiben, bis der Teller leer war. Ich hatte das Glück, dass ich beim Essen nicht wählerisch war und nur wenige Male Gerichte auf den Tisch kamen, die ich gar nicht mochte.
Das Zweitschlimmste waren die strengen Ruheregeln mittags und nachts. Damit das Essen „richtig ansetzt“, waren nach dem Mittagessen zwei Stunden Mittagsruhe befohlen. Wir mussten in unseren Betten liegen und durften keinen Mucks machen. Auf dem Flur saß eine „Wach-Nonne“ und passte auf. Wer beim Sprechen erwischt wurde, musste für den Rest der Mittagspause zu ihr auf die Holzbank (im Schlafanzug) und dann beim nachmittäglichen Kakaotrinken stehen. Auch nachts saß eine Nonne auf dem kalten Flur und Kinder, die nicht ganz still in ihren Betten lagen, mussten für den Rest der Nacht zu ihr auf die Bank.
Ob gegen Kinder, die nicht so gut „funktionierten“ wie ich, auch sonst in irgendeiner Form Gewalt ausgeübt wurde, weiß ich nicht. In meinem Schlafsaal, in dem wir sechs Mädchen waren, passierte jedenfalls nichts dergleichen.
Anne und ich konnten uns in der Mittagspause mit Zeichensprache „unterhalten“, wobei wir auch dabei nicht erwischt werden durften. Wir hatten gegenüberliegende Betten und spielten „Abnehmen“, jede mit einem Gummiband, und versuchten, dieselben Figuren zu kreieren, um uns die Zeit zu vertreiben. Mir taten die Kleinen unendlich leid, für die diese zwei Stunden täglich, eingesperrt in einen Schlafsaal, wahrscheinlich eine Ewigkeit waren.
Es gab immer nur warme Milchgetränke, keine Säfte oder ähnliches. Wer Durst hatte, musste Wasser aus dem Hahn trinken (sofern er die Toilette aufsuchen durfte). Als Anne und ich ein paar Tage mit Fieber und leichtem Ausschlag im Bett lagen (wahrscheinlich Röteln), brachte uns unsere „Zimmerschwester“, Notburga, heimlich Himbeersirup mit Wasser, weil wir so furchtbaren Durst hatten. Sie machte uns auch Wadenwickel, um das Fieber zu senken. Meine Eltern wurden übrigens nicht über meine Erkrankung informiert.
Schwester Notburga war der einzige erwachsene MENSCH in diesem Heim, und ich bin ihr bis heute zutiefst dankbar, dass sie uns immer wieder vorsichtig signalisiert hat, dass sie mit der Behandlung von uns Kindern auch nicht einver¬standen ist. Sie machte die Wochen für einige Kinder etwas erträglicher.
Die anderen Nonnen waren extrem streng (vor allem zu den Jungen) und hatten wenig Verständnis für das Bedürfnis geräuschvoll zu spielen oder gar zu toben. Es wurde ganz „gesittet“ und leise gespielt, immer unter Aufsicht mehrerer Nonnen.
Nach meinem Gefühl ging es außerdem täglich in die Kirche, um den Rosenkranz rauf und runter zu beten. Ich musste auch zur Beichte gehen – eine der Nonnen „übte“ vorher mit mir, was ich sagen sollte.
Die wenigen Kinder, die schon schreiben konnten, bekamen einen Text für eine Ansichtskarte nach Hause diktiert. Natürlich durften wir nur schreiben, wie schön es ist und wie gut es uns gefällt.
Ich habe mehrfach überlegt, wie ich an ein Telefon komme, um einen Hilferuf nach Hause abzusetzen, aber wir waren ständig unter Aufsicht und konnten somit nicht einmal auf einem der Ausflüge eine Telefonzelle benutzen. Meine Mutter erzählte mir nachher, dass sie einmal angerufen hat und mit mir sprechen wollte, um zu hören, wie es mir geht. Sie wurde abgewimmelt. Es sei besser für mich, nicht mit ihr zu sprechen, da ich sonst sicher Heimweh bekäme.
Ein paar schöne Momente gab es auch. Die Landschaft im Harz gefiel mir gut, das Singen auf den Spaziergängen machte mir Spaß (bis auf das „CARITAS-Lied“, das wir immer wieder gehirnwäscheartig singen mussten). Wir übten mit ein paar der älteren Kinder das Stück „Dornröschen“ ein und spielten es den Kleinen vor. Anne und ich kümmerten uns auch um die Jüngeren und trösteten sie, so gut es ging.
Wenige Tage vor dem Ende des Kuraufenthaltes brachen dann Kopfläuse aus. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Nonnen uns die Schuld daran gaben. Zumindest waren sie erheblich genervt und sehr grob beim Umgang mit dem Läusekamm. Mädchen mit langen Haaren (zu denen auch ich gehörte) mussten besonders leiden. Zuhause gab es dann als erste Maßnahme eine Behandlung mit einem Mittel gegen Kopfläuse.
Ich bin durch diesen Aufenthalt wie gesagt nicht traumatisiert. Verändert hat er mich aber sicherlich in gewisser Weise, auch wenn ich heute nicht genau greifen kann, wie. Die Erinnerungen sind jedenfalls auch 47 Jahre später noch sehr intensiv.
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Sabrina schrieb am 02.12.2019
Ich bin Jahrgang 1980 und war wegen schwerem Asthma war zweimal 1988 und dann wieder 1994 zur "Kur" in der Reihenfolge Wyk auf Föhr, Sylt und Norderney.
Und auch zu dieser Zeit war es noch traumatisch. Die Erlebnisse erinnere ich seit jeher als "Kinderknast" und Bestrafung und habe es auch so berichtet. Nur meinen Eltern nicht, da ich damals Angst vor deren Reaktion und erneuter Verschickung hatte. Wir haben viele Jahre nicht über die Ereignisse gesprochen. Die Trennung von meinen Eltern mit 8 Jahren über 6 Wochen, über die zuvor und danach nie gesprochen wurde, stellte viel mit meiner Kinderseele an. Hinzu kommen die dortigen Zustände, Essens-oder Diätzwang, nackt zum Wiegen aufstellen, wobei die Diät-Kinder, die zugenommen hatten (sowie die Zunehmkinder, die abgenommen haben) vor allen eine Standpauke und Strafen bekamen. Ich wusste nicht warum welche Therapien gemacht wurden und ich ewig nackt in einem entzündungshemmenden Sud sitzen musste, derweil alle an mir vorbei liefen. Nicht auf Kante einsortiert Wäsche wurde aus dem Schrank auf den Boden gefetzt. Bis heute lege ich meine Handtücher auf Kante...Auf Norderney mit 14 Jahren sollte ich mich vor einem wildfremden Arzt nackt ausziehen und mit gespreizten Beinen auf eine Bahre legen. Ich weigerte mich und rief meine Mutter an. Ich durfte nach ihrem Anruf dort die Unterhose anbehalten. Trotzdem wurde ich fast nackt Ganzkörper untersucht. Die Begründung für die "Intimuntersuchung" war, man wolle eine Pilzinfektion ausschließen. Hiernach bekam ich eine mega Standpauke von der Mutter Oberin, ich glaube sie hieß Jutta. Ab da hatte sie mich auf dem Kiecker. Zimmerkontrollen, Ausschuss bei Nachtisch, Gebäck oder Freizeitangeboten mit der Begründung der Überfüllung. Lieblosigkeit und Anbrüllen waren eh an der Tagesordnung. In Wyk auf Föhr auch noch Isolation.
War die Unterwäsche nicht richtig beschriftet, hatte man eben Pech und sie kam nicht aus der Wäscherei zurück. Man musste nehmen was übrig blieb. Und die Sache mit den Paketen ging genau so weiter, Kontrollieren und Einbehalten. Die Gewalt unter den Kinder war mitunter auch groß aber keiner tat etwas, wir waren auf uns allein gestellt. Es herrschte das Recht des Stärkeren. Die Geschichten von Grausamkeit und Demut sind endlos. Ich dachte immer, ich sei allein und würde halt etwas übertreiben. Ich bin völlig geplättet von dieser Initiative! Seit ich 25 Jahre alt bin mache ich Therapie zuerst wegen Angstzuständen. Mittlerweile wegen handfester Traumata und dies ist eines davon. Hilflosigkeit, Gewalt, Ausgeliefert sein, Demütigung, Isolation, Bestrafung. Ich habe mich lange Zeit gefragt, was ich getan habe, dass meine Eltern mich immer wieder fort schickten...
Danke für diese Aktion.
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Gerald schrieb am 02.12.2019
ich habe zufällig im NDR über das Treffen der Betroffenen gehört und mich direkt an meine Zeit vor 55 Jahren im Heim Marienhof in Wyk auf Föhr erinnert.

Die Walknochen am Eingangstor sind wohl die beste Erinnerung. Vieles habe ich verdrängt, aber einige Dinge habe ich noch im Kopf.

Ich bin mir sehr sicher, dass ich dorthin wollte, weil mein Freund im Kindergarten dorthin musste. Also fuhren wir im Sammeltransport von Flensburg über Dagebüll nach Föhr. Ansonsten kann ich mich an keine Situation erinnern, an der mein Freund dabei war. Vielleicht wurden wir in unterschiedlichen Gruppen eingeteilt?

Das Essen war fast immer ekelhaft. Alle Kinder mussten am Tisch sitzen bleiben und wurden gezwungen, aufzuessen. Meistens gab es Milchsuppen. Eine Situation sehe ich immer noch vor mir: Es gab Sago- Milchsuppe (sah aus wie Froschaugen-Suppe). Ein Junge nahm den vollen Teller und kippte die Suppe hinterrücks über seine Schulter auf den Boden. Das gab dann gewaltig Ärger von den Tanten...

Jeden Tag war nach dem Essen Mittagsschlaf angesagt. Ich habe als Kind nie mittags geschlafen. Das habe ich auch dort nicht gemacht, so lag ich dann bei Redeverbot im Bett und wartete bis wir wieder aufstehen durften.

Nachts war es noch schlimmer. Neben dem Heimweh war das Schlimmste, dass man nicht auf Toilette durfte. Normalerweise hatte ich damit auch kein Problem, aber als ich einmal doch auf Toilette musste, wurde ich auf dem Weg dorthin erwischt und wieder ins Bett gezerrt. Ergebnis war, dass ich nächsten Morgen in einem durchnässten Bett aufwachte. Allerdings war ich nicht der Einzige, vielen Kinder in dem Schlafraum erging es nicht anders.

Ich weiß noch, dass wir manchmal spazieren gingen. An Spiele kann ich mich überhaupt nicht erinnern. Ja, wir haben wohl auch Weihnachtslieder gesungen, war ja schließlich Adventszeit.

Zu allem Überfluss bekam ich auch noch die Windpocken. Da wurde ich isoliert und lag allein in einem Raum, der aussah wie eine alte Waschküche. Im Nachhinein eigentlich merkwürdig, dass ich der Einzige Kranke war.

Die Post wurde immer von den Tanten vorgelesen (ich konnte damals noch nicht lesen und schreiben). Die Tanten haben dann auch für mich nach Hause geschrieben. Ob das geschrieben wurde, was ich sagte, wage ich zu bezweifeln.

Positive oder schöne Erinnerungen habe ich nicht. Und wenn ich zuhause erwähnt habe, wie schlimm es doch war, hörte ich immer, "du wolltest doch freiwillig dorthin". Auf jeden Fall war ich froh zuhause zu sein und wollte auch nie wieder an einer Kinderverschickung teilnehmen.

An mehr kann ich mich leider nicht erinnern.
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katma schrieb am 29.11.2019
Hallo ,liebe Leidensgenossen-innen,
ich wurde Juni/Juli 1976 im "Haus Roseneck" Bad Salzuflen gequält, angeblich wegen Untergewicht .Träger war die Bundesbahn,die schlimmste Leiterin hieß Angelika,oder Angela. Gibt es noch mehr Betroffene,die dort waren? Ich sage nur"Milchsuppe aufessen müssen( mir wird schon beim schreiben schlecht,Nachts und Mittags nicht aufstehen( und aufs Klo dürfen,Gewalt,Bloßstellung,eingesperrt werden,auf dem Balkon schlafen müssen,und schlimmeres. Es tut so gut,endlich die Bestätigung zu bekommen,ja,es war schlimm,ja es ist passiert, und es war falsch!!! nicht ich war falsch!!
Ich war damals 9 Jahre alt
Bitte meldet euch
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Michael schrieb am 28.11.2019
Hallo!
Ich (Jahrgang 1967) wurde mehrfach verschickt, einfach weil meine Erzeugerin Geld für den Urlaub sparen wollte, denn das Amt zahlte ja alles und mich los werden wollte. Ich nahm es hin, wie alles in meiner Kindheit von ihr.
Die Berichte haben mich auch dazu animiert hier zu schreiben. Weil ich etwas besonderes erlebt habe, das bestimmt auch andere Kinder gesehen haben.
Ich bin fasziniert, wie stark ich diese Verschickung verdrängt hatte und erstaunt, dass ich ebenfalls von diesen Verschickungen traumatisiert bin.
Ich kann mich sonst nur noch an Bruchstücke erinnern und einzelne Szenen, weis jetzt aber, warum ich so Probleme habe, wenn ich von zu Hause auch heute noch geschäftlich aufbrechen "muss" und ein Paar Tage nicht zu Hause bin. Selbst für Urlaube von zu Hause wegzugehen ist manchmal schwer, jetzt durch diese Seite weis ich warum das so ist, das ist eben das Ttrauma als kleines Kind (5 oder so) einfach für eine Ewigkeit weit weg geschickt zu werden.
Da mich meine Erzeugerin sowieso nicht lieben konnte und wollte, war dies eben die normale Bestätigung ihrer Lieblosigkeit. Später hat sie mich dann in ein Internat gegeben das sie praktischerweise nicht mal Geld kostete. Somit hatte sie immer genug Geld für sich und war mich auch noch los.
Nun aber zu meinem besonderen Erlebnis:
Es muss in einem Heim im Norden gewesen sein, so um 1973(?).
Wochenlang schaufelten die Jugendlichen unter der Regie des Hausherren Sohnes (ca. 16-17 Jahre alt) eine sehr tiefe Grube. Ich schätze mal so 4 Meter tief in den Sand / Boden. Wir kleinen Kinder durften natürlich nicht in die Nähe, weil so kleine Pisser wollten die Großen Jungs da nicht sehen.
Im Endeffekt war das gut, weil viele Tage oder Wochen später die Grube zusammenfiel und den Sohn bei lebendigem Leib begrub.
Alle Kinder wussten es sofort und waren Augenzeugen, wie man versuchte, mit Schaufeln ihn wieder auszugraben. Der Vater(?) stieß nach einer Ewigkeit auf den leblosen Körper und der Krankenwagen (Rotes Kreuz) transportierte den bewusstlosen (?) Jungen später ab.
Circa 100 Kinder haben also diese sehr verstörenden Szenen life miterleben dürfen und es wurde weder darüber geredet noch gab es irgendwelche Aussagen der Aufseherinnen dazu. Es gab bestimmt Kinder, die das Erlebnis mitgenommen hat, aber es wurde weder getröstet noch erklärt.
Ich bin gespannt, ob jemand das Heim und das Erlebnis kennt.
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Tanja Spr schrieb am 28.11.2019
Hab jetzt fast alles hier gelesen, in der stillen Hoffnung mich an noch mehr zu erinnern. Interessanterweise sind mir ein paar „ungefährliche“ Dinge wieder eingefallen. Meine Mutter hat vor der Kur Namensschilder in meine Kleidung genäht und mich auf die Kur vorbereitet. Ich wurde von meinen Eltern dorthin gefahren. Meine Mutter hat in den 6 Wochen einige Male angerufen und die (Kranken-) Schwestern (nicht Tanten) erzählten mir davon. Ich war als 5-jährige mit fünf etwas älteren Mädchen in einem Zimmer mit Etagenbetten. Die Mädchen waren sehr lieb zu mir, aber wir durften kaum sprechen. Und ich erinnere mich an den Speisesaal, wo auch Ankündigungen zu Aktivitäten gemacht wurden, von denen ich aber nichts mehr weiß oder nicht teilgenommen habe (vielleicht weil zu jung?).
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Andrea Bantel schrieb am 28.11.2019
Hallo... war 1967 in Kressbron zur "Kur" für sechs Wochen - November bis kurz vor Weihnachten. Wer in der Nacht weinte, mußte auf dem kalten Flur schlafen - ich weiß noch, daß ich mich immer sehr mühte nicht zu weinen. Einmal wusch ich mir die Hände, ohne im Waschsaal das Licht anzumachen. Zur Strafe mußte ich mein Essen eingesperrt im dunklen Waschsaal essen und anschließend vor allen Kindern meine "Tat" berichten. Ich war 6 Jahre alt! Am letzten Morgen konnte ich vor Aufregung mein Brot nicht essen. Eine der Betreuerinnen sagte mir dann,daß ich nicht heimfahren darf und Weihnachten im Heim bleiben müßte. Irgendwie bekam ich das Brot runter. Vieles aus dieser Zeit ist mir nicht mehr erinnerbar, diese sechs Wochen sind einfach dunkel. Ich kam als völlig ängstliches und verunsichertes Kind zurück - ein Grund für diese Kur war, daß ich zunehmen sollte und meine Schüchternheit verlieren sollte!
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A.B. schrieb am 28.11.2019
Selbst Jahrzehnte nach der Verschickung, hier nach Niendorf im Jahr 1975, gibt es noch Spätfolgen in Form von Selbstmorden. Siehe hier:
https://netzwerkb.org/2010/01/24/daniel-b-1976-im-kinderheim-niendorfostsee-timmendorfer-strand/

Zitat daraus:

"wir schreiben Ihnen als Hinterbliebene unseres Lebensgefährten, Freundes und Papas Daniel B., der sich im Alter von 39 Jahren am 2. November 2009 das Leben genommen hat.

Daniel litt seit ca. zweieinhalb Jahren extrem an den Folgen sexualisierter Gewalt, die er seiner Meinung nach während eines Kinder-Kuraufenthaltes im damaligen Kurheim in Niendorf/Ostsee (Timmendorfer Strand) erlebt hat. Während des sechs Wochen dauernden Aufenthalts als sechsjähriger Junge, soll er auf bestialische Weise missbraucht, vergewaltigt, gefoltert und gequält worden sein.

Über dreißig Jahre lang, von 1977 bis 2007, sind Daniel, dem Kind, dem Jugendlichen, dem jungen Erwachsenen, dem Familienvater, diese Ereignisse nicht präsent gewesen.

Daniel war nach Bewusstwerdung der Ereignisse, nie wieder in der Lage ein „normales“ Leben zu führen.

Er hat bis zum Schluss so sehr gekämpft:
Gegen die urplötzlichen „Flashbacks“ am hellen Tage, die ihn mitten in der Stadt ereilten und ihn einfach umkippen ließen.
Gegen Todesängste und Panikattacken.
Gegen seine Alkoholsucht.
Gegen die Alpträume die ihn stundenlang gelähmt vor Furcht ans Bett fesselten."


Die Verantwortlichen müssen endlich genannt werden und zur Rechenschaft gezogen werden!
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Valerie schrieb am 27.11.2019
Liebe Melanie, wenn du dich mit anderen aus dem Hamburger Kinderheim vernetzen möchtest. Dann melde dich doch über verschickung_hamburger_kinderheim_wyk_föhr@mail.de
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Valerie schrieb am 27.11.2019
Du liebe Silke, du. Ja, es stimmt! Das Lied haben wir sogar am Samstagabend in der Friesenkate auf Sylt gegröhlt. Ich bin froh, dass ich auf Sylt war. Die Solidarität untereinander tut so gut. Liebe Grüße zur dir
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Bettina schrieb am 27.11.2019
Hallo, vor Kurzem fiel in einem Beitrag (Fernsehen?) das Stichwort "Verschickungskinder" und heute las ich in der Tagespresse einen Bericht.
Auch ich gehöre zu diesen "Verschickungskindern". Ich bin 1962 geboren. Meine erste Erfahrung war vor der Einschulung, mit 4 oder 5 Jahren. Damals war es Bad Rappenau. Das 2. Mal 1968/1969 der Ponyhof in Schönau / Berchtesgaden.
Wie bereits schon oft beschrieben, die Vorbereitung der Kleidungsstücke etc. Meine Mutter war alleinerziehend. Manchmal denke ich, dass ich verschickt wurde, damit sie Zeit für sich hatte. Ich war von Klein auf in einer täglichen Betreuung, Tagesfamilie, Kindergarten, Hort.
Unterordnen, anpassen, nicht unangenehm auffallen war lange wichtigster Punkt in meinem jungen Leben. Zum Teil hat das Auswirkungen bis heute. Erst langsam befreit man sich aus diesen unbewussten Zwängen.
Die Erinnerungen an die Erholungsheime sind sehr wage. Aber es gibt kein gutes Bauchgefühl.
Aber das Foto mit den Pony ist sehr präsent. Die Schifffahrt über den Königssee ist mir noch in Erinnerung geblieben. Postkarten schreiben, das Mehrbettzimmer mit der rot-weiß-karierten Bettwäsche. Nachts zur Toilette, schauen, dass es keiner mitbekommt. In der Toilette schwirrten die Nachtfalter, weil dort das Licht immer brannte. Man hat sich nicht wohl gefühlt.
Von Bad Rappenau habe ich eine Erinnerung, dass in einer Lichtung beim Haus, umringt von hohen Tannen ein Pool stand. Der war aber nur den Mitarbeitern vorbehalten. Ich weiß noch, dass ich häufig hingefallen bin, immer mit dem Knie auf die gleiche Stelle. Da kam Jod drauf, ein Verband, das war's.
Menschliche Nähe war in beiden Aufenthalten Mangelware. Zu Hause nicht gewünscht, dort nur verwahrt. Und dann soll man zu einem seelisch stabilen Erwachsenen heranwachsen.
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Heidi Wolter schrieb am 27.11.2019
Liebe Sylvia, leider haben ich so gut wie keine Kinderfotos, von Westerland gar keine. Nur ein paar wenige Briefwechsel aus den späteren Jahren. Wie alt warst du damals? Anfang der 60er gab es verschiedene Unterkünfte für uns, später einen sehr grossen Bau von der LVA. Ich kann heute leider niemanden mehr nach damals fragen. Hast du noch Kontakt zu Eltern oder Geschwister, die vielleicht etwas wissen? Du hast Recht, so sehr mich immer Nord-und Ostsee anziehen, kann ich nach Sylt nicht fahren? Ich lebe östlich von HH, war in HH geboren und aufgewachsen. Ich bin schockiert, wenn ich diese Berichte hier lese.....ich scheine es irgendwie verdeckt zu haben, aber das ganze Thema berührt mich unangenehm und sehr tief?Liebe Grüsse Heidi
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Stephan schrieb am 27.11.2019
Hallo Marion, schau bitte auch unter Heimort-Vernetzung.
Dort gibt es einen Kontakt.
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Petra schrieb am 27.11.2019
Ich wurde im Jahr 1957 mit 5 Jahren zusammen mit meinem Bruder nach St. Peter Ording verschickt.
Meinen Bruder habe ich in den 5 Wochen nur einmal aus weiter Ferne gesehen. Jungen und Mädchen wurden getrennt. Bei mir zäher Keuchhusten. Ich habe auch alles sehr traumatisch in Erinnerung, wenn man überhaupt von deutlicher Erinnerung sprechen kann. Auch bei mir blieb der Speisesaal in Erinnerung und mit mir weinende KInder vorallem auf der Toilette. Wahrscheinlich sonst verboten worden. Lebertran unter Zwang gehörte dazu. Ich hoffe und weiß es nicht mehr im Nachhinein, dass mir wenigstens mein Teddy geblieben ist ! An Päckchen, die man persönlich nicht bekam, kann ich mich auch noch erinnern. Schlafsaal mit angelehnten Türen und Licht im Gang, wo Schritte zu hören waren. Lange Spaziergänge am Strand im Sommer sicher nett, aber es war Winter. Uns wurde vorgelesen, an Spielsachen kann ich mich auch nicht erinnern. Mittags mussten wir schlafen und durften nicht blinzeln, obwohl die alte Nähmaschine ratterte.
Ich bin noch mal nach Wyk auf Föhr verschickt worden, weil ich keine gute Esserin war, insofern können sich Erinnerungen mischen .Ich glaube, meine Eltern haben mir irgendwie geglaubt, aber manchmal wurde scherzhaft gefragt, oder möchtest du da wieder hin? !!!
Ich finde es gut, dass endlich darüber gesprochen wird. Habe zufällig noch mit 2 Personen im näheren Umfeld über gemeinsame Erfahrungen gesprochen, davor dachte ich wirklich, ich wäre
Einzelfall.
Petra
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Silke schrieb am 27.11.2019
"Wir lagen vor Madagaskar/ und hatten die Pest an Bord./ In den Fässern, da faulte das Wasser,/ und täglich ging einer über Bord./ ...Ade, kleines Mädel, ade, ade..." Vielsagend. Kein Wunder, dass sich viele von uns damit identifizieren konnten...
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Silke schrieb am 27.11.2019
Ich wurde 1973 mit 10 Jahren für sechs Wochen von Nordrheinwestfalen ins Kinderkurheim Kiebitzdelle auf Borkum verschickt. Solchen Foltermethoden, von denen viele Verschickungskinder berichten, war ich nicht ausgesetzt, und dennoch leide ich bis heute unter den Folgen des erdrückenden Systems und der persönlichen Demütigungen. Ich bekam außerdem die Behandlung einer Fünfjährigen mit, die Heimweh hatte, und wurde in deren Abwertung verwickelt.

Nach dem Kongress auf Sylt habe ich plötzlich zwei meiner Briefe aus dem Heim gefunden. Sie lösten noch einmal einen Erinnerungs-Schub aus, obwohl sie - oberflächlich gesehen – wenig mit meiner bedrückenden Erinnerung gemein haben: Ein Zauberer muss dort gewesen sein, es gab viele Tiere rund um das Haus, wir wurden auf eine Inselrundfahrt mitgenommen und gingen ins Wellenbad. Ich erinnere mich dagegen an viele Details, die den Aufenthalt für mich zu einer persönlichen Tortur machten:

Zunächst einmal ist es seltsam, dass ich überhaupt auf so eine „Kur“ geschickt wurde, denn bei Familienurlauben an der Ostsee haben wir immer mal Gruppen von Verschickungskindern mit Schildern um den Hals gesehen, die von meiner Mutter als bemitleidenswert betrachtet wurden. Als es bei mir so weit war, schien das aber ganz etwas anderes zu sein. Was genau der Grund für die Kur war, weiß ich nicht mehr, ich glaube, dass ich vorher eine Mandeloperation hatte. Ansonsten war ich nicht besonders oft krank, auch nicht unter- oder übergewichtig.

Mit meinen zehn Jahren kannte ich Jugendfahrten von Kirchen-Freizeiten und hatte vorher nie mit Heimweh zu tun. Meine Mutter hatte mir die Kur als einen tollen Urlaub in den Dünen ausgemalt, und ich hatte mich darauf gefreut. Beim Kofferpacken war ich in freudiger Erwartung. Ich weiß, dass wir für ein neues weißes Sweatshirt mit einem Mickeymouse-Aufdruck einpackten und dass ich eine eigene Dose Nivea-Creme bekam. Außerdem lernte ich extra noch, meine langen Zöpfe selbst zu flechten. Mein Vater gab mir eine alte Armbanduhr mit auf die Reise, auf der man das Datum ablesen konnte. Die wollte ich verwenden, um in einem Tageskalender für meine Mutter die Erlebnisse auf Borkum aufzuschreiben. Ich war fröhlich auf der Zugfahrt, fühlte mich groß und unabhängig und saß stolz im Abteil mit einer Gruppe gleichaltriger Jungen, die auch nach Emden zur Fähre fuhren. Ein Schild um den Hals mussten wir nicht tragen.

Mein Fall von dem Höhenflug begann bei der Ankunft im Heim, als die Anzahl der Jungen und Mädchen jeweils in der Mitte in „Große“ und „Kleine“ eingeteilt wurden. Ich lag altersmäßig auf der Mitte und kam in die Gruppe der „kleinen“ Mädchen. Diese Zuordnung hatte eine Reihe von Einschränkungen zur Folge, die mich in den nächsten Wochen immer weiter in eine Haltung von Scham, Schuld und Angst hineinbrachten:

1. Die „kleinen Mädchen“ mussten vor dem Abendessen den Schlafanzug anziehen und so zurück in den Essensraum kommen – gleich am ersten Abend schämte ich mich fürchterlich, denn die Jungen, mit denen ich vorher im Zug gesessen hatte, saßen nun am Nebentisch komplett angezogen. Hätte ich doch wenigstens einen Bademantel gehabt wie einige Andere! Aber der hatte nicht auf unserer Liste gestanden, an die meine Mutter sich genau gehalten hat. Ich fühlte mich total entblößt mit meinem Schlafanzug im Essenssaal.
2. Die „kleinen Mädchen“ durften sich ihre Wechsel-Sachen nicht selbst aus dem Schrank nehmen, der auch im Flur entsprechend erhöht war. Unsere „Tante Elisabeth“ stand einmal die Woche auf der Leiter, um uns nach ihrem Geschmack etwas für die Woche auszusuchen, und wir bettelten von unten um unsere Lieblingsstücke – ich immer wieder um mein neues weißes Sweatshirt. Ich bekam es erst in der letzten Woche.
3. Das Schlimmste aber war das Duschen, für das wir nackt aus unseren Zimmern über den Flur laufen mussten. Dort wurden wir dann von der Tante abgeduscht. Ich erinnere mich noch, wie ich beim ersten Mal mit einem anderen Mädchen im Zimmer hockte und wir uns nicht trauten, das Zimmer nackt zu verlassen. Die Tür zum Essenssaal stand offen und auf der andern Seite war der Jungenflur. Überhaupt waren wir von zu Hause nicht gewöhnt, außerhalb des Badezimmers nackt herumzulaufen. Aber es half nichts. Wir sollten uns nicht „so anstellen“ und wir mussten uns überwinden. Aus Spaß stellte Tante Elisabeth dann auch schon mal das Wasser kurz kalt und freute sich über unser Geschrei, aber das nur nebenbei.

Die Gruppenleiterinnen waren gar nicht so alte harte Frauen wie die, von denen andere Verschickungskinder berichten. Im Gegenteil, unsere „Tante Elisabeth“ war sogar noch sehr jung und fröhlich – gut möglich, sie machte diese Gruppenleitung der „kleinen Mädchen“ als Ferienjob. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn es ehemalige Verschickungskinder gäbe, die sie positiv in Erinnerung haben. Irgendwie wirkte sie ganz lässig, und ich bewunderte zum Beispiel auf unseren Strandwanderungen ihre coolen „Boots“ – habe wohl diese Bezeichnung sogar da zum ersten Mal gehört. In meinen Briefen spreche ich seltsamerweise von „Frl. Elisabeth“ oder nenne sie sogar mit Nachnamen, aber ich weiß genau, dass wir sie im Heim „Tante“ nannten. Wahrscheinlich war es mir gegenüber meinen Eltern peinlich, dass wir so „kindisch“ behandelt wurden. Ich erinnere mich jetzt auch, dass mir später die Tanten-Bezeichnung mal rausgerutscht ist und meine Mutter sich darüber wunderte.

Die Creme, die auf meiner Einpackliste gestanden hatte, wurde schon am Anfang eingesammelt. Ich kam ja überhaupt an meinen Koffer und meine persönlichen Sachen gar nicht mehr heran. Immer vor dem Schlafengehen kamen wir in einem der Zimmer zusammen; dann (oder nur nach dem wöchentlichen Abduschen?) suchte Tante Elisabeth sich in unserem Beisein die Creme aus, auf die sie Lust hatte. Das war auch immer mit einer gewissen Wertigkeitszuschreibung verbunden. Aus der ausgesuchten Cremedose tupfte sie uns allen Punkte aufs Gesicht. Weil das so lustig aussah, knotete sie bei mir dazu noch die Haare über dem Kopf zusammen, damit alle etwas zu lachen hatten, und experimentierte überhaupt ganz gerne mit meinen Haaren herum. Im ersten der beiden wiedergefundenen Briefe schreibe ich meiner Mutter, dass ich mit dem „Kämmen“ zurechtkäme und „Frl. Elisabeth“ mir einen Zopf flechten würde; das sei „auch gut“. Ich weiß aber noch genau, dass ich die Zöpfe selbst flechten wollte, wie ich es geübt hatte, und das nicht durfte. Offenbar waren wir der Tante als Spielpuppen überlassen worden.

Das jüngste Mädchen in meiner Gruppe war erst fünf Jahre alt und ich erinnere mich sogar an ihren Namen. Sie war die erste Zeit mit mir in einem (Dreibett-?)Zimmer und hat immer geweint. Deshalb nahm man ihr zur Strafe das Schmusetier ab – einen Frosch, von dem ich auch noch eine genaue Vorstellung habe. Wir anderen wurden in einer Art Gruppensitzung informiert, J. würde nur deshalb dauernd herumheulen, weil sie zuhause schrecklich verwöhnt würde; das sei widerlich, deshalb könnte sie sich hier nicht einfügen und man müsse ihr das abgewöhnen. Wir sollten uns auf keinen Fall um sie kümmern, denn sie wolle nur Aufmerksamkeit und dürfe nicht immer ihren Willen bekommen, dann höre das nie auf. Sie weinte also nächtelang in unserem Zimmer und wir trösteten sie nicht. Man hatte uns zu Mittäterinnen gemacht. „Trotz“ dieser Abhärtungskur hörte J. nicht auf zu weinen, wurde krank und dann tatsächlich abgeholt. Ich sah ihre Eltern am Eingang und fragte mich die ganze Zeit, wie ich das auch schaffen könnte, aber man durfte ja nicht „verwöhnt“ wirken.

Mir selbst wurde ziemlich schnell die geliebte Uhr (Zeichen meiner Größe und Unabhängigkeit) abgenommen, weil ich sie zweimal im Waschraum vergessen hatte. Auch hier half kein Flehen, dass ich sie doch dringend zum Tagebuchschreiben bräuchte – ich sollte lernen, dass man nichts liegenlassen darf und bekam sie erst zur Abreise nach sechs Wochen zurück.

Beim wöchentlichen Schreiben der Briefe und Postkarten nach Hause wurde uns gleich mitgeteilt, dass die Post kontrolliert würde und wir nichts Schlechtes schreiben dürften, um unsere Eltern nicht traurig zu machen. Die Umschläge mussten offengelassen werden. Immer überlegte ich, wie ich beim Spaziergang einen Hilferuf an meine Eltern in einen Briefkasten werfen könnte, aber ich hatte ja nicht einmal eine Briefmarke und schon gar kein Geld (unser gesamtes Taschengeld wurde am Anfang eingezogen). Außerdem wollte ich eigentlich auch meine Eltern nicht so enttäuschen und schrieb selbst in das Tagebuch für meine Mutter nur Belanglosigkeiten über nette Dünenspaziergänge. Bei den frühen Zubettgehzeiten und während der „Mittagsschläfe“ war ja genug Zeit zum Nachdenken, aber ich kam trotzdem nicht dahinter, warum es mir überhaupt so schlecht ging.

Wegen der Peinlichkeit mit dem Schlafanzug riskierte ich in einem Brief die wohlüberlegte Bitte, mir doch einen Bademantel zu schicken, weil mir abends kalt sei. Dieser kam aber nicht. Meine Mutter erzählte mir später, sie habe im Heim angerufen, man hatte ihr aber versichert, es sei warm genug im Essensraum, was ja auch stimmte. Mit mir sprechen durfte sie nicht. Mein zweiter wiedergefundener Brief beginnt gleich mit der erneuten Bitte um den Bademantel, jetzt schon flehentlich, fast anklagend. Überraschend, dass auch dieser Brief durch die angekündigte Zensur gegangen ist. Es geht daraus auch hervor, dass meine Mutter mich wohl auf eine Trainingsjacke verwiesen hat – diese war aber in meinen Sachen nicht mehr auffindbar.

Wirklich schlimm und traumatisch für mich wurde ein Dünenspaziergang, bei dem „Tante Elisabeth“ angeblich etwas vergessen hatte und ich es holen sollte – ein Vorwand, wie sich zeigte. Als ich zur Gruppe zurückkam, sagte sie, sie habe in der Zwischenzeit mal mit den anderen über mich gesprochen, weil ich ja gar keine Freundin gefunden hätte und mich so schlecht einfügen würde. Sie hätte die anderen mal gefragt, was sie an mir stört. Was ich denn selbst denken würde, was der Grund dafür sei. Ich wusste darauf nichts zu sagen, denn mir war gar nicht aufgefallen, dass ich „keinen Anschluss“ hatte. Die Tante meinte jedenfalls, irgendetwas sei eben „komisch“ mit mir. Und ich sollte mal darüber nachdenken. Das tat ich dann auch - die nächsten Jahre meines Lebens – vorerst aber bemühte ich mich um die anderen Mädchen, um nicht mehr weiter dem Vorwurf der Freundinnenlosigkeit ausgesetzt zu sein. Meine angebliche Seltsamkeit sollte wenigstens nach außen kaschiert werden. In meinem zweiten Brief nach Hause zähle ich lang und breit alle Namen der Mädchen auf, mit denen ich angeblich „befreundet“ sei, und wie nett alle wären.

Meine Mutter hatte sich einfach strikt an die Anweisung der BEK gehalten, keine Pakete zu schicken. Deshalb bekam ich auch zu Ostern kein Paket wie die meisten anderen Kinder. Im Essensraum zu sitzen und beim Auspacken zuzusehen, war schrecklich. Bisher hatte ich mich immer behütet gefühlt, und nun sah es so aus, als würde sich niemand um mich kümmern. Die Kinder mit Süßigkeiten mussten uns armen unversorgten Kindern etwas abgeben – als ob es bei diesem Problem um Naschereien gegangen wäre. Die Almosen machten die Scham nur noch schlimmer. Dabei hatte meine Mutter mir das mit den Paketen erklärt, ich wusste, dass ich nicht einfach vergessen worden war. Das Schlimme war die Erniedrigung vor der Gruppe. Erst nach Wochen kam endlich doch noch eine Reisetasche mit dem Bademantel an – und auch einigen versteckten Süßigkeiten, die ich nun im Zimmer teilen konnte.

Einen weiteren Einbruch für meine Kinderseele gab es, als aufflog, dass ich an meinem Bett die Tapete abgerissen hatte. Ein ganzer Haufen kleiner Fetzen wurden beim Putzen darunter gefunden. Die Tante machte bei der Strafpredigt keinen Hehl aus ihrer Vermutung, dass dies als ein weiteres Zeichen für meine angebliche Seltsamkeit oder geradezu Gestörtheit zu werten sei. Ich begann nun auch selbst daran zu glauben, obwohl ich in der Schule nie irgendwie auffällig gewesen war.

Bei einem der letzten Abendrunden in einem der Schlafräume kam es zu einer ähnlichen Ansprache wie bei dem Dünenspaziergang. Schon öfter war uns mit einem „Bericht“ an unsere Eltern gedroht worden, der über jede von uns geschrieben werden würde. Nun war die „Kur“ bald zu Ende – aber kein Grund zum Aufatmen! Ich sollte zuerst wieder selbst sagen, was Tante Elisabeth wohl in meinen Bericht schreiben würde. Immerhin konnte ich ja inzwischen Freundinnen vorweisen. Aber das Vergessen der Uhr, das Abreißen der Tapete und die Lüge wegen des Bademantels wurden dennoch als Anzeichen dafür dargestellt, dass ich mich nicht in Gruppen einfügen könnte – jedenfalls behauptete die Tante, dass sie das so schreiben würde. Wochenlang hatte ich nach meiner Rückkehr Angst vor diesem Bericht – Anpassung war auch bei uns zu Hause ein hoher Wert. Dabei haben meine Eltern diesen Bericht (angeblich) nie erhalten.

Zu guter Letzt musste ich meine Eltern auch noch um eine Nachzahlung meines Taschengelds bitten, weil ich wohl beim Andenkenkauf zu viel davon ausgegeben hatte – ohne es selbst in Händen gehalten zu haben und ohne über vorherige Ausgaben informiert worden zu sein. Dennoch wurde mir diese Fehlorganisation von den Tanten als erneutes peinliches Versagen meinerseits verkauft, und ich war auch inzwischen so weit, das sofort anzunehmen.

Obwohl ich zu Hause niemals erzählte, wie es mir tatsächlich ergangen war – weil ich ja dachte, ich sei alles selbst schuld gewesen – müssen meine Eltern mir etwas angemerkt haben. Auch meine jüngere Schwester erinnert sich an die Familien-Erzählung, dass sie wegen meiner „schlechten Erfahrung“ auf Borkum selbst nicht zur Kur geschickt worden ist.
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Silke schrieb am 27.11.2019
Liebe Susan, hast du gesehen, dass wir uns hier auch nach Heimorten vernetzen können? Für Timmendorfer Strand steht dort (noch) keine Heimort-Verantwortliche, soweit ich sehe, aber für andere Orte an der Ostsee. Vielleicht willst du ja mitmachen. Silke
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Jens Rothfuss schrieb am 27.11.2019
Warum sollte man solch einen unsäglichen Kommentar dadurch aufwerten, dass man ihn Ernst nimmt und weitere Worte darüber verliert. Dieses aufgemachte Fass macht diesen JüJü ja sprachlos. Somit ist ja Gott sei Dank nicht noch mehr intellektueller Dünnpfiff von ihm zu befürchten.
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Susan Mattner schrieb am 27.11.2019
Hallo, mein Name ist Susan,ich wurde 1966 wegen unterernährung nach Timmendofer Strand verschickt. Soweit ich mich erinnern kann war noch ein Junge namens Andre ,der mit mir zusammen im Kindergarten in Hamburg Jenfeld war mit verschickt.
Auch ich habe keine guten einnerungen an diese 8 Wochen. Morgens gab es haferschleim ,der bei verweigerung,zwangsverabreicht wurde. Ich kann bis heute den Geruch nicht ertragen .wir wurden nachts im Schlafsaal eingesperrt mit zwei Nachttöpfen in der mitte ,wer eingenässt hat wurde in einer Wanne mit kaltem Wasser abgedutscht und alle anderen Kinder mussten zu sehen.wir haben eine Nacht im der Toilette eingeschlossen,weil wir vorher noch einmal auf die Toilette gehen wollten .
Wenn wir an den Strand gegangen sind mussten wir singen, damit jeder sehen konnte wie gut es uns ging.Auch wir haben in der Zeit keine Post oder ähnliches von unseren Eltern bekommen ,nur zu Ostern wurden Geschenke in die Betten gelegt .
Ich hatte und habe bis heute Probleme in geschlossenen Räumen zu sein .Meine Mutter hat mir irgendwann die erlebnisse geglaubt und mir versprochen mich nicht mehr zu verschicken .Gibt es noch jemanden, der ebenfalls in Timmendorf /Ostsee seine Zeit verbringen musste ? Ich war als erwachsene noch einmal dort ,da war aus dem Heim ein Altenpflegeheim geworden.
Es tut gut zu wissen, das man nicht alleine ist,obwohl die ganzen erlebnisse so furchtbar sind.
Susan
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Ivy schrieb am 27.11.2019
1970, mit 2 1/2 Jahren war ich zum ersten Mal in Norderney, Seehospiz für die Dauer von 3 Monate. Es fehlt mir der Mut, an dieser Stelle aufzuschreiben, wie einschneidend nicht nur die Verschickung an sich sondern auch die markerschütternden Erlebnisse waren. Meine Kinderseele wusste schließlich nicht mehr, wem oder was sie vertrauen konnte und ein Teil hat eigentlich nicht wieder von der Insel zurückgefunden.

Ich hatte immer das Gefühl, als krankes Kind von meinen Eltern bewusst in eine Art Erziehungslager geschickt zu werden. Als wenn irgendein Zusammenhang bestehen würde zwischen Krankheit und mangelnder starker Hand. Auch die Diakonissen vor Ort waren frei von grundlegenden Instinkten, was ein Kind gesund macht und was es krank macht.
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Thomas schrieb am 27.11.2019
Als ich von dieser Aktion erfuhr, habe ich mich an ein Ereignis in meiner Kindheit erinnert: es muss wohl im Sommer 1959 gewesen sein, als bei uns zu Hause eine Art Betreuungsnotstand entstand. Ich war 6 oder knapp 6 Jahre alt und meine Mutter im 7. oder 8. Monat schwanger mit meinem jüngsten Bruder, meine Schwester war zu dem Zeitpunkt 4. Wir wohnten in einem Dorf am Rande von Freiburg im Elternhaus meiner Mutter zusammen mit meiner Großmutter (damals 71). Landwirtschaft gab es zwar keine mehr, allerdings waren Großmutter und Mutter in den Sommermonaten stets im riesigen Garten hinter dem Haus tätig , wo sämtliches Gemüse und Obst angebaut und im Wortsinne beackert wurde.
Mein Vater war tagsüber auf Arbeit. Familienprobleme gab es keine; ich wuchs sorglos im klassischen ländlichen Idyll auf. An den wahren Grund meiner "Verschickung" in ein "Kinder-Erholungsheim" im Nordschwarzwald kann ich mich nur vage erinnern bzw es nachvollziehen, auch Nachfragen bei meiner Schwester verlief ergebnislos; sie war zu jung damals.
Ich erinnere mich, dass ich mit meinem Vater rund anderthalb Stunden durch den Schwarzwald nach Bad Rippoldsau gefahren bin, wo ich 6 Wochen in diesem Erholungsheim verbrachte, das mir in der schwachen Erinnerung eher wie eine Klinik vorkam.
Ich fand mich inmitten von hypernervösen Kindern aus dem Ruhrgebiet wieder; wir schliefen in einem Schlafsaal mit ca 20 Betten oder mehr (keine Doppelstockbetten), und ab und zu bekamen wir eine Injektion in den Hintern - keine Ahnung, ob es sich um ein Medikament oder um Placebo handelte. An Auswirkungen kann ich mich nicht erinnern. Meine Erinnerungen an diesen Aufenthalt beschränken sich auch auf die wenigen Fetzen, die ich hier beschreibe. Es gab wohl auch "renitente" Kinder, die irgendwie bestraft wurden, aber ich kann mich an keine Details mehr erinnern.
Ich erlitt vermutlich eine Art Mini-Trauma, das mich glücklicherweise nicht länger verfolgte. Allerdings kam ich gewissermaßen "beschädigt" zurück nach Hause: Ich war nervös und plapperte komisches Zeug im Ruhrpott-Dialekt, was meine Spielkameraden aus der Nachbarschaft einigermaßen verstörte (und meine Eltern ebenfalls), schließlich sprachen wir auf dem Dorf alemannischen Dialekt. Eine der von mir geplapperten Formeln war "Spritze jekricht, Spritze jekricht" oder "Düsenjäger, Düsenjäger".

Den Sinn des Aufenthaltes der anderen Kinder habe ich mir (eher im Nachhinein) so erklärt, dass diese aus einer großstädtischen Umgebung mit schlechter Luft (Ruhrgebiet) zur Erholung dort waren.
Ich erinnere mich noch, dass der Abschied meinem Vater damals schwer an die Nieren gegangen ist und er mir Jahre später sagte, dass das ein furchtbares Erlebnis für ihn war. Ähnlich betroffen reagierte meine Mutter, wenn ich viele Jahre später eher scherzhaft diese Verschickung in ironischer Meiner thematisierte. Ich habe meinen Eltern nie einen Vorwurf gemacht deswegen. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang unbedingt, dass mich meine Eltern dort gut aufgehoben glaubten, da die Schwester meiner Mutter in Bad Rippoldsau als Ordensschwester lebte und ein Auge auf mich werfen sollte. Meiner Erinnerung nach habe ich sie in der ganzen Zeit dort selten gesehen, geschweige denn ein "sich Kümmern" erlebt. Diese meine Tante war ein sehr spezieller Fall von Weltabgewandheit und fast schon religiösem Wahn, der aus dem katholischen Elternhaus meiner Mutter gewachsen ist; sie ging bald darauf als Missionsschwester nach Indonesien, wo sie mindestens 10 Jahre blieb. Meine Sozialisation in dieser Hinsicht hat mich sicher 100.000mal mehr geprägt als diese 6 Wochen im Schwarzwald. Man war, wie man das damals bezeichnete "gut katholisch" LOL, was bei mir später eine radikale Zuwendung zu linker Politik zur Folge hatte.

Ich bin mir im Klaren darüber, dass ich im Gegensatz zu den meisten hier beschriebenen Schicksalen keinen Schaden erlebt und davon getragen habe, wollte aber meine Geschichte hier loswerden, auch weil mich Anja Röhl dazu anregte.
Ich wünsche allen hier Versammelten nur das Beste für den Rest ihres Lebens!
Thomas
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Anja G. schrieb am 26.11.2019
Hallo in die Runde,
ich habe lange hin- und her überlegt, ob ich mich hier melde, da ich mich a) an viele Jahre in meiner Kindheit so gut wie gar nicht erinnere und b) zumindestens meine letzte Reise ohne Eltern wohl keine klassische Verschickung war. Nach dem wenigen, das ich so zusammen gepuzzelt bekomme, war ich außerhalb der Schulferien und nicht mit meiner Schulklasse über einen längeren Zeitraum im damaligen Bismarckheim in Wennigstedt/Sylt. Das müsste ca. 1975 gewesen sein. Das Haus war damals in Trägerschaft von ein oder zwei Hamburger Schulen, meine war definitiv nicht dabei. Daher ist mir sehr schleierhaft, warum und wie ich überhaupt dahin gekommen bin. Leider kann oder will sich aber niemand aus meinen familären Umfeld daran erinnern.
An die Zustände dort kann ich mich aber recht genau erinnern, und die waren nicht anders als die hier geschilderten. Beispielsweise hatte mich eine Nachtwache auf dem 'Kieker', so dass ich Nacht für Nacht aus meinem Schlafsaal geholt wurde, mein Bettzeug in einer bestimmten Art vor der Brust falten musste und barfuss über einen Steinfussboden 'wandeln' musste. 'Anja, geh wandeln', an diesen Satz geht mir noch heute in blöden Situationen durch den Kopf. Habe ich mich hingesetzt, wurde die Strafe verlängert. Bis ich dann irgendwann durchgefroren ins Bett kam, der Aufenthalt muss irgendwann im November/Dezember gewesen sein. Ob ich die Verursacherin von Lärm war, war übrigens egal.
Beim Essen musste ich stets sitzen bleiben, bis ich alles aufgegessen habe. Bei Widerworten (auch so ein Begriff von damals) wurde der Teller wieder aufgefüllt. Auch an die eklige Milch mit Haut, die ausgetrunken werden musste, erinnere ich mich mit Grauen. Die Beschimpfungen (bockig, verstockt usw.) waren dann nur noch Beiwerk.
Danach ab in Schulraum, während der Rest der Gruppe draußen spielen durfte.

Ich war in diesem Heim mindestens zweimal, davor u.U. in einem anderen Heim auf Sylt in klassicher Verschickung.

Mich würde es sehr interessieren, ob sich noch andere LeserInnen an diese besondere Form der Verschickung erinnern.

Die Initiatoren dieser Seite und des Kongresses möchte ich meinen höchsten Respekt und Dank aussprechen.
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Jott74 schrieb am 26.11.2019
Ja, gab es. Siehe mein Beitrag vom 25.11.2019
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Xyzxyz schrieb am 26.11.2019
1961 gab es diese Milchnudeln auch im Kinderheim Hans im Glück in
Westerland, täglich und es waren labbriggekochte Makkaroni, ohne Geschmack und Würze.
Hatte man erst einmal den ganzen Nachmittag damit im Speisesaal verbringen müssen, dann gab es nur ein Bestreben, irgendwie und irgendwo rechtzeitig entsorgen. Wir haben sogar draußen Papier gesammelt, da kamen am Tisch die Nudeln rein, versteckt im Pulloverärmel.
Die Milch verschwand im Blumentopf. Ein richtig ausgefeiltes System und so
würdelos. Was hätten Erzieher und Kinder nicht alles mit der Energie machen können, wirklich kreatives, lehrreiches. Stattdessen übten die einen
sinnlose Gewaltherrschaft aus und die anderen (wir älteren Kinder/10) suchten Auswege.
Komplettierte Dummheit und Dumpfheit und Beschädigungen - mehr ist von Gewalt ja nie zu erwarten.
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Christiane schrieb am 26.11.2019
Lieber Jürgen Jürgensen,
Sie haben fünfmal „ja“ geschrieben. Versuchen Sie mal, sich diese Szenen, die Sie vielleicht nur beobachtet haben und Ihre dazugehörigen Gefühle vor Augen zu führen. Nicht aus Ihrer heutigen Sicht, sondern in dem Sie sich hineinfühlen in Ihr damaliges kindliches Erleben.
Bei der Aufarbeitung dieser Themen durch die geplante selbstbestimmte Forschung soll es darum gehen, Zahlen und Fakten zusammenzustellen, eine historische Einordnung vorzunehmen, organisatorische und personelle Strukturen darzulegen, die dafür verantwortlich waren und daran viel Geld verdient haben und, aus meiner Sicht, klar zu machen, wie diese Erziehungsprinzipien bis heute fortwirken können. Wenn wir sie uns nicht bewusst machen, und zwar im eigenen Denken und Handeln, geben wir dieses Denken, das Handeln und das Verleugnen von Unrecht (eine kindliche Reaktion aus Ohnmachtserleben heraus) an die nächste und übernächste Generation weiter.
Ich empfehle die Lektüre der Schriften von Sigrid Chamberlain. Und die nächste Sendung von Report Mainz (3.12.19).
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Walter schrieb am 26.11.2019
Hallo zusammen,
1972 wurde ich im Alter von 6 Jahren in die Einrichtung 'Haus Sonnenschein' verschickt. Aufgrund einer chronischen Bronchitis und eines schwächlichen Gesamtzustand hielt unser 'Halbgott in Weiß', Dr. Wortberg - ein bis zuletzt überzeugter Nationalsozialist - es für angemessen, mich für sechs Wochen nach Langeoog zu verschicken - natürlich ohne jeden Kontakt zu meinen Eltern oder Geschwistern. In meiner Erinnerung ist es so, als hätte ich sechs Wochen nur geweint. Da ich mich regelmäßig einnässte, wurde mein Bett zur Strafe nachts auf den Flur geschoben, wo ich die Nacht in meinem nassen Bett verbringen musste. Vor jeder Mahlzeit wurden wir gezwungen ein Glas Salz- oder Meerwasser zu trinken, sonst bekamen wir nichts zu essen. Ich kann mich nicht erinnern, dass es in den gesamten sechs Wochen auch nur ein einziges liebevolles oder tröstendes Wort gab. Und noch schlimmer: Es gab auch keine Freundschaft oder Nähe unter den Kindern, da wir alle nur damit beschäftigt waren, unsere Haut und unsere kleinen Seelen zu retten. Erwähnen sollte ich vielleicht noch, dass es sich um eine katholische Einrichtung handelte und unter den 'Betreuerinnen' auch Ordensschwestern waren. Für mich als Kind war es unbegreiflich, wie Menschen, die von Gottes Liebe und Nächstenliebe faseln, solche Sadisten und Folterknechte sein konnten. Ich bin heute 53 Jahre und habe immer noch furchtbare Erinnerungen an die Zeit. Aber ich habe mich entschieden, dass ich mir von diesen Unmenschen nicht mein Leben versauen lasse. Ich bin glücklich mit einer toller Frau verheiratet, habe drei großartige Kinder, eine starke Familienbande und viele gute Freunde. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte den Verantwortlichen gegenübertreten, ihnen in die Augen schauen und sie fragen 'warum?' Was für Menschen seid ihr, dass ihr den Schwächsten der Schwachen so etwas antun konnten? Und dann würde ich ihnen sagen, dass sie es NICHT geschafft haben. Sie haben mich NICHT gebrochen, sie haben mich NICHT kaputt gemacht. Nicht zuletzt wegen dieser Erfahrungen bin ich schon vor Jahrzehnten aus der katholischen Kirche ausgetreten und halte alle, die mir lieb sind, von dieser Institution fern. Trotzdem wünsche ich mir, es gäbe diesen Gott mit Jesus an seiner Seite, der auf dieses Sadistenpack wartet und in die ewige Verdammnis schickt.
Mein Appell lautet: Passt auf die Schwachen auf, passt auf eure Kinder auf, achtet auf sie, hört auf sie und glaubt ihren.
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Martina Tr. schrieb am 26.11.2019
Hallo, mein Name ist Martina. Ich bin Jahrgang 1964 und war 1970 oder 71 in Bad Soden Allendorf zur "Kinderkur", aufgrund meiner "schwachen" und "kränklichen" Verfassung. Ich nehme an, dass die Volkswagen-Betriebskrankenkasse mich dorthin geschickt hat. Meine Eltern brachten mich zu einem Bus (Treffpunkt VW-Werk Hannover?) auf der Fahrt sammelten wir noch weitere Kinder ein. Sechs Wochen war ich auf mich allein gestellt.
Es sind nur wenige Erinnerungen an diese Zeit, die allerdings in all den Jahrzehnten nicht verblasst sind. Einmal bin ich während der Mittagsruhe verbotenerweise auf die Toilette gegangen und erwischt worden. Ich erinnere mich an eine Backpfeife. Wir sind gewandert und mindestens einmal saß ich in einer Art Sole-Dampfbad. Meine Mutter hat mir später erzählt, dass meine Unterwäsche offensichtlich nie gewechselt, geschweige denn gewaschen wurde! Ich hatte eine Erklärung dafür, an die ich mich aber nicht mehr erinnere. Meine Eltern haben mir diese Erklärung nicht geglaubt. Nun sind sie leider schon verstorben.
Ich bin sehr daran interessiert, mich auszutauschen.
Viele Grüße
Martina
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Eva Zartmann schrieb am 26.11.2019
Waren Sie auch in Lindenberg im Allgäu im Eisenbahner Kinderheim?
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Eva Zartmann schrieb am 26.11.2019
Eisenbahnererholungs Kinderheim Lindau im Allgäu - Sommer 1964.
Ich feierte dort im Juli meinen 8. Geburtstag, deshalb erinnere ich mich gut an das Jahr.
In einer Nachbarkindergruppe war ein bettnässendes Mädchen, die brutal von der Kinderpflegerin an den Haaren aus dem Bett gezogen und laut beschimpft wurde - welche Strafe sie erhielt weiß ich nicht mehr.
Dieses Ereignis, bei dem unsere Gruppe zusah, war entsetzlich angstbesetzt und erschütternd. An dieses eine Mal erinnere ich mich ganz genau.
Und durch diesen Beitrag erhoffe ich mir, dass dieses betroffene Mädchen, Jahrzehnte danach, irgendeine Art von Wiedergutmachung erhalten kann. Das ist meine einzige Motivation, mich hier zu engagieren.
Ein älteres Mädchen (10 Jahre) stampfte mir jedesmal, wenn wir in der Schlange standen, brutal mit ihrem Fuß auf meine Füße. Obwohl ich es der Kinderpflegerin berichtete, wurde diese Schikane nicht eingestellt und ich hatte große Angst vor diesem Mädchen und versuchte ihr so gut es ging aus dem Weg zu gehen.
Einmal sprach ich im Traum und meine Schlafgenossinnen berichteten:
Ich sagte laut: "Schlag mir den Kopf ab!"
Als ich von meiner Mutter in Stuttgart nach 6 Wochen Kindererholungsheim auf dem Bahnsteig abgeholt wurde, wünschte ich mir einen Kaktus.
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Angela Covato schrieb am 26.11.2019
Hallo Xyzxyz, genau so einen Jungen hatte ich in meiner Gruppe, vielleicht auch mehrere. Ich erinnere mich an tröstende Gesten, heimliche Hilfestellungen, das Gefühl, nicht ganz alleine zu sein. Stellvertretend für alle „Großen“ möchte ich Dir herzlich danken.
Liebe Grüße Angela
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Tanja Spr schrieb am 26.11.2019
Im Jahre 1973 bin ich im Alter von 5 Jahren für 6 Wochen wegen Bettnässen verschickt worden. Das Problem sollte vor der Schule noch geheilt werden. Ich war vorher noch nie länger von Zuhause weg und schon gar nicht bei Fremden. Der Kontakt zu meiner Mutter wurde strikt untersagt, damit das Heimweh nicht noch schlimmer wird. Ich kann mich an nicht mehr viel erinnern, habe aber gefühlt 6 Wochen lang durch geweint. Jeden Abend vor dem Einschlafen habe ich mir eingeredet, dass alles nur ein Alptraum ist, und ich morgens in meinem Bett wieder aufwache. Das ist aber nicht passiert. Irgendwann hab ich einfach aufgegeben, nichts mehr gefühlt, nicht mehr geweint und mich damit abgefunden, dass der Alptraum nie endet. Irgendetwas in mir ist damals unwiederbringlich zerbrochen. Mittlerweile bin ich seit 3 Jahren (ich bin 51) wegen Depressionen berentet. Und ich bin mir sicher, dass damals die Grundlage für diese immer wieder kehrenden Depressionen gelegt wurde. Ich bin froh, dass überhaupt mal darüber geredet wird. Ich hatte immer das Gefühl ganz allein mit dem Erlebten zu sein.
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Regina K. schrieb am 26.11.2019
Diese Verschickungen gab es auf jeden Fall noch in den 90ern. Habe in einem Archiv zu einem bestimmten Kurheim recherchiert, welches 1993 geschlossen wurde.
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Silke schrieb am 25.11.2019
Ich bin jetzt auch direkt zu erreichen: verschickungskinder-sh@mailbox.org
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Doreen schrieb am 25.11.2019
Hallo.
Ich bin ein Verschickungskind.
Nach mittlerweile 12 Jahren Therapie,inhaltlich habe alle Therapieansätze durchlaufen die es gibt.
Mittlerweile stecke ich mitten in der Psychoanalyse.
Das erste Mal habe ich über "die kur" gesprochen.

Ich habe geheult. ich bin entsetzt.

und ich bin schockiert und gleichzeitig erleichtert.

ich bin nicht allein. es gibt sogar einen Begriff für "das Kind braucht mal frische Luft und muss aufgepäppelt werden ".

meine Mutter,so naiv wie sie auch war,hat mich tatsächlich in diesen Wahnsinn geschickt. mit 4!

kaltes Wasser,mit Strumpfhosen ans Bett gefesselt,mit Strumpfhosen Augen (nicht schlafen können) oder Mund ( geweint)zugebunden.
geschlagen,gedemütigt

es ging Postkarten nach Hause...von mir bemalt....."nein,wir schreiben nicht,du hast Heimweh. da geht es Mama nicht gut. wir schreiben,dir schmeckt das Essen aber zugenommen hast du noch nicht".

Ich bin so wütend. Ich hasse diese Menschen. Ich glaube,ich gebe meiner Mutter große Schuld.

ich hatte immer Angst,dass sie mich wieder wegschicken könnte. in die Hölle.

ich weiß nicht mehr wo ich war.
ich will Antworten für mich finden.
Wie. Das weiß ich noch nicht.

ich war nicht darauf vorbereitet,dass es "diese Gruppe" gibt,dass es überhaupt Leidgenossen gibt.

Ich bin jetzt 37 und ich habe mir eingeredet,es war bestimmt nicht so schlimm u meine Erinnerungen sind übertrieben u spielen mir einen bösen Streich.
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Roswitha Mahn schrieb am 25.11.2019
Hallo, ich bin Roswitha Mahn, Jahrgang 1948.
Mit fünf Jahren wurde ich eingeschult. Schon bald stellte meine Lehrerin fest, dass ich körperlich zu schwach war und das Schuljahr wohl nicht schaffen würde. Unsere Hausärztin veranlasste darauf hin, dass mein jüngerer Bruder und ich zur Erholung gechickt wurden.
Wir waren 1954 für 6 Wochen in Bad Sachsa und sollten in der Zeit zunehmen. Ich vermute, dass wir im Haus Warteberg waren, bin mir allerdings nicht sicher.
Im Gedächtnis haften geblieben sind mir die Mahlzeiten, die morgens hauptsächlich aus Haferflockensuppe bestanden, mit Wasser und groben Haferflocken gekocht. Wäre die Suppe mit Milch und ein paar Rosinen gekocht worden, hätte ich sie sicherlich nicht jedesmal ausgebrochen. So mußte ich das Erbrochene aufessen bis der Teller leer war. Gleichzeitig wurde ich von der "Tante", es war die Heimleiterin, beschimpft. Zuhause hätte ich so etwas Gutes nicht zu essen bekommen und hier würde ich es "auskotzen". Das hatte mich sehr gekrängt. Wie konnte sie das sagen! Wir hatten zuhause einen Obst- und Gemüsegarten, ein Hausschwein und Hühner. Ich musste dann auch in der Raumecke stehen, damit mich alle anschauen konnten. Es gab auch zwei Scheiben Brot, die für mich zuviel waren. So versteckte ich sie in meiner Hosentasche und habe sie beim Morgenspaziergang unterwegs heimlich verstreut. Alles in der Angst, die sogenannte Tante Begleitung könnte es bemerken.
Nach dem Mittagessen mußten wir täglich 2 Stunden auf dem Balkon schlafen. Das war für mich eine Strafe, ich hätte gern gespielt und herum getobt. Danach wurden wir wieder auf einen Spaziergang geführt, meist am Märchenpark vorbei.
Nach dem Abendessen ging es sehr früh ins Schlaflager. Es durfte kein Wort mehr gesprochen werden. Dieser Drill war die Hölle. Ich hatte Heimweh, wusste jedoch, dass ich 6 Wochen durchhalten musste.
Wenn ich meinen Bruder auf dem Spaziergang traf, durfte ich nicht mit ihm reden. Er hat natürlich jedesmal geweint, weil er Heimweh hatte. Das war auch für mich besonders schlimm, weil ich ihn nicht trösten durfte.
In den 6 Wochen hatte ich 8 Pfund zugenommen. Für die Heimleiterinwar es ein gutes Ergebnis!
Ich hatte mich wie eine gestopfte Gans gefühlt...
Ich habe versucht, alles zu vergessen, aber sobald jemand etwas über Haferflockensuppe erzählt, kommt alles wieder hoch.
Allerdings erinnere ich mich nach so vielen Jahren nicht mehr an wichtige Details. Viele Jahre später habe ich zusammen mit meinem Mann Bad Sachsa besucht, jedoch nur den Märchenwald wieder erkannt. Nach dem Heim hatten wir nicht gesucht, weil ich mich nur wage an die Hanglage, wäldiche Umgebung, Steintreppe und Balkon erinnern konnte.

Inzwischen haben wir einige Jahre Urlaub im Harz gemacht, und ich finde den Harz schön, trotz der Kindheitserinnerungen.
Dennoch muss alles aufgeklärt, für die Zukunft unterbunden und Verantwortliche müssen benannt werden. Die Betroffenen haben ein Recht darauf. Durch Berichte in den Medien wurde ich erst aufmerksam über Ausmaß und Zeitraum der unmenschlichen Behandlung der anvertrauten Kinder in den Verschickungsheimen. Die hier geschilderten Erlebnisse mißhandelter Kinder und deren Leid bedrücken mich sehr. Unglaublich, dass in Deutschlan so etwas über Jahrzehnete möglich war.
Ich wüsste auch gern, in welchem Heim mein Bruder und ich 1954 waren. Irgendwelche Unterlagen besitze ich leider nicht. Ich hatte auch nur eine Ansichtskarte nach Hause schicken dürfen. Der Text wurde mir diktiert.
Für mich war es kein Erholungsheim, sondern ein Erziehungsheim mit viel Drill und ohne Liebe und Zuwendung.
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Tina schrieb am 25.11.2019
Diese Verschickungen gab es leider noch bis Anfang der 90er. Ich war 1990 in einem Kurheim der ehemaligen DDR. 6 Wochen Alptraum.
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Hubertus Tresp schrieb am 25.11.2019
Langeoog kenne ich auch, von einem "Kuraufenthalt". Es war Anfang der 60er, ich war 7 oder 8 Jahre alt. Alles war lieblos, das Essen schlecht. Die Briefe wurden uns vorgeschrieben. Ich hatte extra Karten mitbekommen, um meinen Großeltern, dem Lehrer und dem Pfarrer auch aus der Kur zu schreiben. Durfte ich nicht. Ich erinnere mich an entsetzlich langweilige Spaziergänge über die Insel. Und ich wurde Bettnässer. Ich weiß nicht mehr, ob noch andere Kinder ins Bett gemacht haben. Ich musste jedenfalls die Bettwäsche kalt auswaschen. Und es kamen stets ein paar Mädchen vorbei, die mich ausgelacht haben. Ich weiß nicht ob wir gleichzeitig auf Langeoog waren, in jedem Fall danke ich dir, dass du die Hänselei nicht mitgemacht hast.
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Menkenhagen schrieb am 25.11.2019
Hallo,
bin Jahrgang 62. Ich war vor der Schulzeit verschickt nach Amrum und Ende der 1. Klasse in Hanstedt/Lüneberger Heide - jeweils 6 oder 8 Wochen - weiß ich nicht mehr genau. Dazu war ich als Vierjähriger für 1,5 Jahre mit TBC und anschließender Gelbsucht im Krankenhaus. Zuerst Hamburg Altona, danach Wintermoor.
Ich erlebte Einsperren ins dunkle Bad, schlafen auf dem kalten Flurfußboden, anschnallen ans Bett, Gesicht in den Suppenteller drücken, Schlauch schlucken, bis ich Galle kotzte, Gruppenduschen mit lästernden Krankenschwestern und noch einiges mehr. Die gefälschten, geschönten Postkarten nach Hause kenne ich auch.
Leider (vielleicht auch Gottseidank) erinnere ich nur Fetzen und kann sie selten Zeiten und Orten zuordnen.
Das Schlimme an allen drei Orten war die Einsamkeit, das Ausgeliefertsein, die Hoffnungslosigkeit und vor allem die Angst, Angst, Angst.
Obwohl sie sicher nur einen kleinen Teil der Schuld trugen, war und ist mein Verhältnis zu meinen Eltern nicht in Ordnung und mein Sozialverhalten ist manchmal für andere etwas rätselhaft.
Ich war ewig lang Bettnässer - mit Psychotherapie, Schlägen, Spritzen und allem Schnickschnack. Es half später viel Alkohol und andere Drogen. Dann kamen Abszesse, zweimal mit OP und dann mit Mitte dreißig eine schwere Angstneurose: Gesprächstherapie, 4 Monate psychosomatische Klinik und fast ein Jahrzehnt KBT.
Danke, dass ich das in diesem recht öffentlichen Rahmen mal loswerden durfte.
Gruß T.
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Dr. Thomas Hill schrieb am 25.11.2019
Ich war 1964 oder 1965 im Alter von fünf oder sechs Jahren zusammen mit meinem drei Jahre älteren Bruder auf Sylt. Leider kennen wir nicht mehr den Namen des Heims. Überhaupt sind meine Erinnerungen recht bruchstückhaft. In vielen Kommentaren dieser Seite finde ich mich aber wieder. Meine wenigen Erinnerungen: Wir wurden vom Hausarzt nach einem kalten Winter nach Sylt geschickt, um "aufgepäppelt" zu werden. In dem Heim gab es deshalb immer Essen mit Milch, zum Frühstück, zum Mittag und zum Abendbrot. Ich erinnere v.a. Milchnudeln. Seitdem trinke ich keine Milch mehr, erst seit einigen Jahren fällt es mir leicht, Müsli mit Milch zu essen. Neben dem Essen spielte natürlich das Scheißen eine große Rolle, weil es reglementiert war: Man durfte tagsüber nur nach den Mahlzeiten auf Toilette. Auch abends gab es bestimmt eine Regelung, die erinnere ich aber nicht mehr. In jedem Fall wurde als Resultat laufend in die Hose bzw. ins Bett gemacht. Das Heim lag an der Nordsee und trotz des noch kalten Wetters im März/April waren wir oft am Strand. Wir sind da in Reih und Glied mit geschulterten Schaufeln hin marschiert (muss wohl etwas wie beim Reichsarbeitsdienst ausgesehen haben). Mein Bruder meint zu erinnern, dass Verschickte geschlagen wurden. Er sagt auch, dass die Post nach Hause zensiert wurde, indem die Briefe während des Schreibens kontrolliert und man ggf. zur Überarbeitung aufgefordert wurde. Ich besuchte noch nicht die Schule und konnte daher noch nicht schreiben. Mein Bruder und ich haben noch lange Zeit nach dem Aufenthalt darüber gesprochen, uns zu rächen. Unser Plan: Eine Bombe in den Zug nach Sylt schmuggeln und unter dem Sitz verstecken und mit dieser Bombe das Heim in die Luft sprengen. Es war ein schrecklicher, schlimmer Aufenthalt, aber trotz meiner Milchallergie glaube ich nicht, dass ich irgendwie traumatisiert worden bin. Bei uns zu Hause ging es zum Glück ganz anders zu. Ich denke, dass meine Eltern - v.a. meine Mutter - dem Aufenthalt zugestimmt haben, weil sie großes Vertrauen zu unserem Hausarzt hatten.
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Melanie Pickenpack schrieb am 25.11.2019
Hallo, meine Name ist Melanie P. mit sehr traurigen und beklemmenden Gefühlen habe ich die vielen Berichte gelesen.
Ich bin Jahrgang 1950 und bin mit 11 oder 12 Jahren nach Wyk auf Föhr, Hamburger Kinderheim verschickt worden.
Der Schularzt legte meinen Eltern nah, dass ich zu dünn sei und eine Luftveränderung mit gutem Essen, dass richtig für mich sei.
6 Wochen ohne Kontakt zu den Eltern, schlafen in großen Sälen ohne liebevolle Betreuung. An vieles kann ich mich nicht mehr erinnern, nur daran, dass es für die " dünnen" Kinder jeden morgen Lebertran gab, danach Müsli, was mir bis heute ein Graus ist. An fröhliche Zeiten mit Spielen und Zuwendungen durch " die Tanten", kann ich mich nicht erinnern, keinen Kontakt zu meinen Eltern war für mich schrecklich und ließ mich nicht schlafen.
Zum Ende der 6 Wochen bekam ich Windpocken, wurde in einen großen Saal geschoben , ohne, dass sich jemand gekümmert hat, ich sollte dann weitere Zeit bleiben, daraufhin muss ich mich dagegen stark gewährt haben, so dass ich dann doch nach den 6 Wochen nach Hause kam. Wie meine Mutter mir später immer erzählte , blasser und dünner als vorher.
Diese Erlebnisse habe ich über die viele Jahre sehr verdrängt, jetzt durch die vielen Berichte sind sie wieder sehr präsent.
Es ist schon schlimm, was Kindern in diesen Heimen angetan worden ist .
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Madeleine15 schrieb am 25.11.2019
Ich war ca. 1965 auf Borkum im Friesenheim,( hieß es so?), irgendwas mit ' Friesen', in der Nähe der Dünen. Wer war auch dort? Ich kann nicht behaupten, dass es traumatisierend war. Ich, aus Württemberg, konnte danach kein Schwäbisch mehr 🙂
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Anja Q. schrieb am 25.11.2019
Auch ich war ein "Verschickungskind", Jahrgang 1958.
Hätte ich schon früher von der Initiative gehört, hätte ich an dem Kongress teilgenommen.
Ich wurde zweimal wegen Neurodermitis und chronischer Bronchitis nach St. Peter Ording verschickt.
Das erste mal 6 Wochen mit 4 oder 5 Jahren, das zweite mal 4 Wochen mit 6 oder 7 Jahren.
Ich wurde an´s Bett gefesselt, damit ich mich nicht kratze (Neurodermitis ist eine Höllenqual). Ich musste stundenlang im Speisesaal weinend vor meinem Teller sitzen, bis dieser leer war (Rote Bete kann ich bis heute nicht essen). Ich wurde von den anderen Kindern ausgesondert und musste alleine essen.

Da ich noch nicht schreiben konnte, wurde ich aufgefordert, einen Text für eine Postkarte an meine Eltern zu diktierten. Ich sagte, dass die "Tante" schreiben soll, dass ich nach Hause will
und dass meine Eltern mich abholen sollen.
Niemand kam...
Jahre später fand ich die Karte in den Unterlagen meiner Mutter.
Dort stand nichts von dem, was ich diktiert hatte.
Im Gegenteil - es stand nur positives darin.

Ich kam nach Hause mit Euromünz-großen, verkrusteten Stellen am ganzen Körper.
Ich war krank, als ich wieder zu Hause war.
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Dati schrieb am 25.11.2019
Mit nur 6 Jahren und zwei Monaten wurde ich auf Anraten der Fürsorgerin 1972 in das Kindererholungsheim „Haus Roseneck“ des Bundesbahn-Sazialwerks nach Bad Salzuflen geschickt. Der Aufenthalt dauerte unendliche 6 Wochen. Ich war das erste Mal länger als wenige Stunden von zuhause entfernt. Die Urkatastrophe meines Lebens.
Heute kann ich dieses Heim nur als „Kinder-KZ“ bezeichnen. Die Parallelen zur Nazi-Zeit sind erschreckend:
Eingesperrt hinter einem unüberwindlichen gusseisernen Zaun. 24 h unter Kontrolle und Beobachtung. Gedemütigt und entmenschlicht. Rationierte Lebensmittel. Solebäder und Höhensonne, für die es keine medizinische Indikation gab (also Körperverletzung). Stundenlanges tägliches Marschieren, vormittags und nachmittags, als „Spazieren gehen“ bezeichnet. Eine Eiseskälte von Seiten der „Schwestern“. Militärischer Ton. Drill und bedingungsloser Gehorsam.
Bis heute kann ich bestimmte Situationen nicht ertragen / aushalten:
Zum Abendbrot gab es immer ausschließlich Kamillentee. Ich kann alleine schon den Geruch von Kamillentee nicht aushalten; geschweige denn ihn trinken.
Das Schlaflied „Guten Abend, gute Nacht“ kann ich nicht mehr hören. Wir mußten es jeden Abend, im Bett liegend singen. Im Refrain heißt es sinngemäß „…und wenn Gott will, wirst du wieder geweckt…“. Warum sollte der liebe Gott Kinder wieder wecken, die, weil sie ungezogen waren, von ihren Eltern in´s Heim gesteckt wurden??? Panik und Angst, gepaart mit einer spontanen Aggression sind für mich bis heute die unmittelbaren Folgen.
Es wurde in diesem Forum bereits ausführlich über Exzesse in den Heimen berichtet. Weitestgehend kann ich diese Beschreibungen bestätigen.
Für mich waren diese 6 Wochen die Hölle auf Erden. Unter den Folgen leide ich bis heute. Aufenthalte – egal wie notwendig sie sind – in Heim-ähnlichen Einrichtungen, wie z.B. Krankenhäusern sind für mich nur schwer auszuhalten. Alles, was mich in meiner persönlichen Freiheit und Selbstbestimmtheit einschränkt, lehne ich ab, oder verweigere ich. Das schränkt natürlich meine Lebensqualität enorm ein.
Noch ein Punkt: Die Stasi-Unterlagen werden in´s Bundesarchiv überführt. Sie werden der Öffentlichkeit bis zum Sankt Nimmerleinstag erhalten bleiben. Gut so.
Selbst 75 Jahre nach Kriegsende kann jeder bei der Deutschen Dienststelle in Berlin Auskunft über jeden einzelnen Wehrmachtsangehörigen beantragen. Gut so.
Selbst 75 Jahre nach Kriegsende kann jeder beim Suchdienst des DRK einen Suchantrag stellen. Gut so.
Knapp 50 Jahre nach meinem Kinder-KZ Aufenthalt sind die Unterlagen längst geschredert; die Verantwortlichen wurden nie zur Rechenschaft gezogen.
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Stefan Steurer schrieb am 25.11.2019
Kann ich voll und ganz bestätigen. Ich war auch im "Goldenen Schlüssel" wg. angeblichem Asthma, bei "Tante Dora" - Prügel waren ganz üblich, es wurde jede Post zensiert, alles gefilzt und vieles mehr. Jahr später - als erwachsener Bär - bin ich dort extra mal mit dem Motorrad hingefahren, um das für mich aufzuarbeiten und mich davon zu überzeugen, dass der Laden so nicht mehr existiert. Verm. sind alle Verantwortlichen Sadisten tot (nicht alle waren so, aber die Mächtigen - ich erinnere mich ausschließlich an Frauen. Einzig sexuelle Übergriffe kann ich nicht erinnern. Die "Braven" durften als Belohnung zu Tante Dora in die Privatgemächer zum Fernsehgucken - da war ich aber nie dabei 🙂 Was dort pasiert ist - keine Ahnung. Jedenfalls war das System ser perfide, man wurde so eingeschüchtert, dass man nix gesagt hat und - erst durch diese Veröffentlichungen glaubt mir meine heute 87-jährige Mutter die später erzählten Schauergeschichten. Dafür - späten Dank!
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Miriam Müller schrieb am 25.11.2019
Hallo,

obwohl ich im Januar 1971 erst 6 Jahre alt wurde, kann ich mich noch sehr gut an meinen Erholungsurlaub in Röt bei Baiersbronn erinnern und fand das dort Erlebte bereits als Kind grenzwertig, berichtete schon damals, so in der Pubertät, davon und hörte andere Ähnliches berichten. Derartige Erfahrungen habe ich sonst, im Kindergarten z..B. nicht gemacht, und wunderte mich schon damals sehr, dass so etwas möglich ist.

Der Grund für meinen Urlaub war häufige Bronchitis und Asthma sowie eine von meiner Mutter benötigte Auszeit von mir als sehr lebhaftem Kind. Meine jüngere Schwester war erst knapp 2, meine Eltern waren beide berufstätig. Insbesondere, da sich meine Großmutter sehr liebevoll um mich kümmern konnte, fühlte ich mich als ein geliebtes Kind, auch von den gestressten Eltern geachte..Deshalb fand ich es ja auch sehr befremdlich, dass dies in diesem Erholungsheim dann nicht mehr der Fall war.

Nun einige von weiteren Episoden, an die ich mich spontan erinnere:

Obwohl ich zuhause mit reichlich Gemüse aus heimischen Garten großwurde, ich immer viel aß und nicht unterernährt war, wurde man in diesem Heim regelrecht überernährt. Das fing schon morgens im Bett an, wo man noch schlaftrunken einen kräftigen Haferschleim zu sich nehmen musste. Es war nicht möglich, dies abzulehnen. Ich verstand nicht, wie es möglich war, dass die meisten der anderen Kinder dann auch noch ein paar Schnitten später zum Frühstück aßen. Man wurde immer zum Essen angehalten. Man musste auch Kakao trinken, was ich nicht gewöhnt war, vor allem in den Mengen.

In der Nacht kotete ich mich regelmäßig ein, was mir sehr peinlich war, zuhause nie geschah, ich große Mühe hatte, wieder was Frisches zu finden, mich sauber zu halten und weshalb ich voll fertig gemacht wurde: Von den anderen Mädchen in meinem Schlafraum und von den Erzieherinnen. Damals schon war ich so "frech" zu behaupten, das läge auch an dem morgendlichen Brei, den ich lieber nicht essen wolle.

Abendliches Sprechen im Schlafzimmer war verboten. Man wurde bestraft. Ich sagte den anderen Kindern immer, sie sollten doch ruhig sein. Wer aber wurde vor die Tür gesetzt? Ich! Man musste die ganze Nacht, ohne Decke auf einem Stuhl im Flur sitzen. Ich fand das unmöglich! Jedenfalls nicht erholsam! Ich bettelte, wieder ins Bett zu dürfen! Keine Chance! Ich benannte die Ungerechtigkeit! Keine Chance! Ich beschloss, dass mich dies nicht umbringen solle. Aber mir war klar, das der liebe Gott die dafür bestrafen werde.

Einmal riss mir ein Kind am Trägerröckchen. Ich brachte es der Nöhfrau, der Knopf war ab. Diese schimpfte mit mir, und nannte mich Lügnerin, das Missgeschick noch einem anderen Kind in die Schuhe zu schieben. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich fühlte mich total verlassen. Sonst waren die Nähfrauen eigentlich immer nett.

Dann musten wir einen total vereisten Hang Schlitten runter fahren. Ich merkte, dass ich nicht bremsen konnte. Und blieb dann unten stehen, damit mir nichts passiert. Ich wurde harsch gezwungen, wieder hoch zu gehen und wieder runterzufahren. Zwei- oder drei Mal gelang mir das Bremsen unten mit Mühe. Dann überschlug ich miich, hatte das ganze Kinn blutig. Die Erzieherin war nicht mal bereit, mir ein Tempo für das viele Blut zu geben, sie ließ mich links liegen, war mit einem Schlitten beschäftigt, der im Bach, weit weg gelandet war. Dann schimpfte sie, was ich den da gemacht habe und wurde noch ärgerlicher, als ich ihr sagte, das sei ja ihre Schuld, ich habe da nicht runter fahren wollen, das sei viel zu vereistt, unten in der Kurce. Ich würde die Stell heute wohl noch wiederfinden! Die Wunde musste später genäht werden, gibt wohl noch kleine Narben.

Konntakt nach Hause hatte ich nur über Briefe, die angeblich ich diktierte. Da stand dann aber drin, dass ich Winterstiefel brauche und ao Zeug. Ea gab immer so eine Stunde, wo man Briefe schreiben lassen konnte.

Sehr schlimm fand ich folgendes: Meine Tante, die nicht weit entfernt wohnte, wollte mich zum Geburtstag besuchen. Sie wurde aber nicht vorgelassen zu mir. Angeblich würde ich Heimweh bekommen. So erfuhr ich später von meiner Mutter. Sie brachte allen Kindern Süßigkeiten mit, sowie mir die benötigten Stiefel. Dass ich meine Tante nicht sehen durfte, obwohl ich erfuhr, dass sie da war, tat mir sehr, sehr weh. Ich wollte ihr auch erzählen, wie das hier alles so lief. Wahrscheinlich wollren diie dort auch nicht, dass meine Tante das verletzte Kinn sah.

Was ich auch nicht gut fand: Karnevall wurde man gezwungen, sich schminken zu lassen! Ich hasste aber Schminke im Gesicht!

Auch sehr, sehr negativ für mich: Unterm Dach durften wir uns Spielsachen hinter einem Bretterverschlag holen, zu bestimmten Spielzeiten. Die Jungen bekamen immer die interessanten Sachen. Ich musste zuschauen, wie andere Mädchen mit Puppenstuben spielten, was mich wirklich gar nicht interessierte.

Positiv fiel meiner Mutter bei meiner Heimkehr auf, dass ich sehr viele Lieder mit sehr vielen Strophen sang. Sie hatte den Eindruck, dass ich froh zurückkehrte. Ich war vor allem aber froh, zurückzukehren in ein Umfeld, das mir die natürliche Achtung, die ein Kind verdient, nicht systematisch verweigerte.
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Franziska Petersen schrieb am 25.11.2019
Hallo, ich heiße Franzi P., ich war Anfang der 60er Jahre (1964?) im Kinderheim in Hirschegg, Klein Walsertal. Die Erfahrungen von dort gehören zu den schlimmsten meines Lebens. Wenn es Leidensgenossen/innen gibt, die das lesen,
bitte melden zwecks Austausch!
.
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Uwe B. schrieb am 25.11.2019
Ich bin 1962 geboren und wurde mit der Diagnose "chronische Bronchitis" zwei Mal verschickt, vermutlich 1966 für -nach meiner Erinnerung- 6 Wochen nach Bad Reichenhall und ca. 1968 für 4 Wochen nach Freudenstadt.
Besonders an den ersten Aufenthalt zur "Luftveränderung" in Bad Reichenhall habe ich grauenhafte Erinnerungsfetzen an Schläge und Demütigungen durch behaubte "Tanten" (Nonnen, Diakonissinnen?). Insbesondere Misshandlung durch "Aufessenmüssen" waren an der Tagesordnung. Mindestens einmal habe ich einen gefühlt ganzen Tag in einem riesigen Speisesaal vor einem kalten Teller Haferbrei gesessen, sicher auch erbrochen (ob ich Erbrochenes essen musste, wie es andere schildern, kann ich nicht mehr sagen). Mir wird über 50 Jahre danach noch schlecht, wenn ich heißes Wasser oder Mich auf Haferflocken nur rieche. Die in anderen Berichten beschriebenen drakonischen Strafen wegen Bettnässens habe ich ebenfalls erlebt. Während des Aufenthalts war einmal ein Tagesausflug zum Königssee vorgesehen, an dem ich zur Strafe nicht teilnehmen durfte und gemeinsam mit einem mit Fieber erkrankten Jungen im Schlafsaal arrestiert wurde. Ich erinnere mich an das Gefühl totaler Verlassenheit, wir glaubten völlig alleine im Haus zurückgelassen worden zu sein. Nach Aussage meiner Mutter hatte ich bis dahin kein auffälliges Problem mit Bettnässen, danach bin ich deswegen bis zum Alter von über 10 Jahren in Behandlung unterschiedlichster Ärzte gewesen, die das nicht erklären oder heilen konnten.
Den zweiten Verschickungsaufenthalt in Freudenstadt erinnere ich weniger deutlich. Hier waren wir altersabgestuft in mit Tiernamen versehenen Schlafgruppen usw. untergebracht, die jeweiligen Tiere, "Eichhörnchen", "Füchse" usw. waren in den Fluren auf die Wände gemalt. Diffuse Gewalterinnerungen habe ich hier nur an Übergriffe und Schläge durch ältere Jungs.

Ich bin über die Berichterstattung in der Presse auf diese Seite gestoßen und habe einige Tage gebraucht, um dies jetzt so weit schreiben zu können.
Besonders schlimm an den Erfahrungen war, dass das wenige zu Hause Erzählte nicht ernst genommen oder als "Phantasieren" abgetan wurde und man mit dem Erlebten und den erlittenen Deformationen allein blieb. Daher bin ich dankbar für eure Initiative und die Möglichkeit des Austausches. Vielleicht weiß ja noch jemand mit ähnlichen Erinnerungen, wie die Heime geheißen haben können?

Grüße,
Uwe
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Veronika Heinisch schrieb am 25.11.2019
Ich wurde1974 mit fünf Jahren zusammen mit meinem Bruder, der sechs Jahre alt war, nach Scheidegg im Allgäu in die Prinzregent Luitpold Klinik geschickt. Da Mädchen und Jungen getrennt untergebracht waren, habe ich meinen Bruder nur ganz selten gesehen. Ich kann mich noch daran erinnern, dass meine Mutter in alle Kleidungsstücke meinen Namen eingenäht hat. Aus der Zeit in der Kur kann ich mich nur noch daran erinnern, dass wir das Essen aufessen mussten.Es gab Grießbrei und es hat sich auch jemand erbrochen, aber es musste alles aufgegessen werden. Mehr Erinnerungen habe ich nicht und meine Eltern haben mir erzählt, dass mein Bruder und ich nach der Kur sehr verstört waren, aber wir hätten nichts darüber erzählt. Ich könnte Jahrzehnte lang nichts mit Grieß essen. Bis heute habe ich große psychische Probleme.
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steven schrieb am 25.11.2019
Hallo,
leider wurde ich als 10 jähriger, mit starkem Übergewicht ca. 1978/79 6 Wochen zu einer Kur nach Langeoog geschickt. Zum Glück sind keine seelischen Schäden geblieben. Jedoch empfand ich das Heim als die Hölle. Die sogenannten Dicken wurden von den anderen Kindern (Lunge, Haut, etc...) separiert und ständig gehänselt. Wir mussten unser Essen in einem abgeteilten Raum einnehmen. Dabei kann ich mich noch erinnern, dass wir die Äpfel komplett incl. Kerne aufessen mussten. Wenn einmal Geburtstage waren, durften wir nicht daran teilnehmen, da es ja kleine Süßigkeiten gab. Die Betreuer hänselten uns ständig. Ich war schließlich froh nach 6 Wochen wieder zuhause zu sein. Die abgenommen 6 kg waren nach einigen Wochen doppelt wieder drauf. Das ganze Konzept war einfach nur schrecklich. Eigentlich haben wir nur nichts zu essen bekommen, quasi Nulldiät. Keine Anleitungen zur gesunden Ernährung oder ähnliches. Wie schon gesagt, zum Glück habe ich auf Grund meines Charakters keine Schäden davon getragen, allerdings weiß ich nicht wie es anderen danach ergangen ist. Ich glaube das Heim war von der AWO.
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Frank schrieb am 25.11.2019
Hallo,
ich bin so froh das ich diese Organisation hier entdeckt habe und endlich ebenfalls betroffene hier schreiben. Ich war als Kind mehrmals zur Kur wegen „schweres Asthma Bronchiale“ und (eine Form von) Neurodermitis. Unter anderem in Norderney Seehospitz jeweils 3 x 12 Wochen ab 1967. Ich kann euch sagen das war die Hölle auf Erden. Das schlimmste was man einem jungen Menschen antuen kann. Ich weiß noch alles ganz genau wie wenn es gestern gewesen wäre. Schläge ins Gesicht –Backpfeife nannte man das. Ich habe es mehrfach erlebt das andere Kinder ihr erbrochenes Essen mussten. Jegliches abweichen von irgendwelchen Regeln wurde sofort sehr hart bestraft. Im Essenssaal vor allen anderen in die Ecke stellen. Mit dem Gesicht zur Wand. Nachts wenn man mal unruhig war und nicht schlafen konnte mußte man sich mehrere Stunden auf einen Stuhl im kalten Gang der hell beleuchtet war mit dem Gesicht zur Wand setzen. Das habe ich mehrfach erlebt am eigenen Leib. Wie gesagt ich erlebte das mit 5 , 6 und 8 Jahren. Es war die Hölle auf Erden. Die schlimmsten waren die Pinguine (Nonnen) allesamt grauenhafte von Hass erfüllte Menschen die ihr unbefriedigtes Leben an den Kurkindern ausgelassen haben. Wenn man das alles zu Hause berichtet hat wurde das nicht ernst genommen. Man hat einem einfach nicht geglaubt. Das eigene Elternhaus hat einem kein vertrauen geschenkt. Man wollte es auch nicht hören. Die verantwortlichen sind bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen worden, das ist traurig.
Grüße
Frank
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Birgitt Voce-Hommel schrieb am 25.11.2019
Ich heiße Birgitt, bin Jahrgang 1961 und war zur 'Kur' auf Borkum, im Heim Concordia. Wann genau, kann ich nicht sagen, ich denke das ich etwa 8 Jahr war. Seit ich den Artikel im Spiegel online gelesen habe, bin ich total aufgeregt, weil ich immer dachte, das die schlechten Erinnerungen daran nur durch meine eigene Wahrnehmung zustande kamen und ich bin erschüttert, wie vielen Anderen es genauso geht. Alle diese Bericht decken sich mit meinen Erinnerungen. Das Abnehmen persönlicher Dinge bei der Ankunft, das schlafen mit den Gesicht zu Wand, die Bestrafung von Einnässen im Bett mit Isolierung des Kindes und viele andere Erniedrigungen und Strafen. Jetzt ist die Erinnerung wieder greifbar. Auch ich bin erleichtert, das ich mit meinen Erlebnissen nicht alleine bin, denn es zeigt mir, das ich kein schlechts Kind war, so wie es einem im Concordia immer eingeredet wurde. Ich wünsche dir und allen Anderen viele Kraft, diese Erlebnisse zu verarbeiten.
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Marion schrieb am 24.11.2019
Hallo, auch ich bin Betroffene und war im Mai 1966 in BAD SOODEN - ALLENDORF.
Ich würde mich freuen hier jemanden zu finden, der auch in diesem Kinderkurheim untergebracht war.
Ich war damals 3 1/2 Jahre alt.
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Ralf schrieb am 24.11.2019
Seit 3 Tagen habe ich den Artikel über Verschickungskinder nunmehr auf Spiegel Online gelesen und mir kommen in diesem Zusammenhang leider die präzisen Erinnerungen an meine eigene Verschickungszeit in einem Heim in Wilhelmshaven in den Sinn.

Es muss sich um die übliche Zeit von 6 Wochen Verschickung im Spätsommer / Herbst 1968 gehandelt haben.
Meinen fünften Geburtstag am 13. September 1968 verbrachte ich eingesperrt in einem Raum im Heim, in dem Möbel gelagert wurden.
Zuvor war mein von den Eltern geschicktes Geburtstagspäckchen vor den Augen aller Kinder im Speisesaal geöffnet und die Inhalte an alle verteilt worden. Ich erinnere mich vor allem an Kaugummi, die in einer Plastikverpackung auf Goldfolie eingeschweißt waren.
Ein kleines Auto, eignen grauen Simca 1300, durfte ich mit in das verschlossene Zimmer nehmen.
Der Grund für die Maßnahme waren wiederholte, insbesondere abendliche Durchfälle.
Unter diesen Durchfällen litten viele Kinder.

Diese Kinder wurden im Speisesaal von der Mahlzeit ausgeschlossen, mussten sich zur Wand drehen und bekamen mit einem Esslöffel zuckerfreien BENDSDORP Kakao eingetrichtert, auf dem sie dann in der gesamten Mittagszeit stehend herumkauen und diesen schlucken mussten.
Der Durchfall blieb.

Ich hatte wie viele Kinder Hautausschläge. Hierzu wurden wir in Begleitung der Nonnen / Tanten in eine fussläufig entfernte Badeanstalt, anders kann man es nicht bezeichnen, geführt. Es handelte sich um einen flachen Holzbau, in dem Wannen und Tröge aufgestellt und mit Salzwasser gefüllt waren.
In diese Wannen und Tröge wurden wir nackt gesetzt und von den Begleiterinnen unter Wasser gedrückt, damit auch die von den Hautausschlägen betroffene Gesichtshaut ausreichend Wasserkontakt bekam.

Ich stand oft am Kopf einer nach rechts geschwungenen Treppe und konnte beobachten, wie Kinder von ihren Eltern aus dem Heim abgeholt wurden. Meine Eltern kamen nicht.

Nach sechs Wochen wurde ich wieder auf dem Münsteraner Bahnhof abgeliefert. Meine Eltern hatten eine falsche Ankunftszeit realisiert, von daher musste eine der Tanten mit mir aus dem weiterfahrenden Zug aussteigen und mich auf dem Bahnsteig betreuen.

Ich erinnere mich sehr präzise an die Ankunft meiner Eltern auf dem Bahnsteig, an meine fassungslose und weinende Mutter und an das sofortige Aufsuchen einer Apotheke, um zumindest den schweren Hautausschlag im Gesicht unverzüglich zu lindern.

Am Abend würde ich zuhause ausgezogen und meine Mutter verlor endgültig die Fassung, als sie meinen Körper erblickte..

Ich pflichte vielen Betroffenen bei, da diese sechs Wochen schwer auf der Seele eines Fünfjährigen lasten und ein ganzes Leben nicht vergessen wurden.

Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, werde auch deshalb traurig, weil meine Verschickung auch im Nachhinein die Familienbiografie erheblich beeinträchtigt hat.

Vertrauen in das familiäre System und die Bindung zu Geschwistern wurden meiner Einschätzung nach genau in dieser Situation irreparabel irritiert.
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Oliver Heath schrieb am 24.11.2019
Hallo Frau Roehl,
das ist gut, daß es diese Seite gibt !
Auch ich wurde als Kind verschickt, mit 9 Jahren kam ich für 6 Wochen nach St Peter-Ording ins Haus Köhlbrand, da ich zu dünn war.
Schlafsaal mit knapp 30 Betten, null Privatsphäre,wer nachts auffiel, musste ins Zimmer der strengen Leiterin und zur Strafe eine halbe Stunde in der Ecke stehen, mit dem Gesicht zur Wand natürlich.
Tagsüber waren die Strafen für "unangemessenes Verhalten" (O-ton der Leiterin !!!) Entzug der Nachspeise (wie kontraproduktiv, wo ich doch eh schon zu dünn war..), Ausschluß von Gruppenaktivitäten oder wieder strammstehen bei der grimmigen alten Leiterin.
Die Gruppenleiter waren immerhin jung und in meiner Erinnerung okay.
Obwohl das für mich keine schöne Erinnerung war, habe ich es wohl noch gut getroffen, wenn ich mir so die Kommentare anderer Leute hier durchlese....
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Rolf D. schrieb am 24.11.2019
Hallo zusammen,
Ich habe in Spiegel online von der Seite gelesen.
Ich bin Jahrgang 1961 und war wegen meiner Bronchitis 1967 oder 68 in einem katholischem Kinderheim in Berchtesgarden.Dort wurden wir geschlagen,eingesperrt und mussten unser Essen immer bis auf den letzen Krümel aufessen.Es gab fast täglich Milchreis oder Grießbrei.Ich habe bis heute Würgereiz wenn ich soetwas rieche.Ich bin heute Frührentner wegen einer chronischen Krankheit und in einer Psychosomatischen Reha kam viel raus über meine damalige Kur in Berchtesgarden.Die 6 Wochen dort waren der Horror.Ich weis leider nicht mehr wie die Klinik geheissen hat.Grüße aus dem Schwarzwald. Rolf
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Margret Schröter-Mewis schrieb am 24.11.2019
Margret ( damals Wazel )
Ich, Jahrgang 1950 ) wurde 5 x verschickt., davon die ersten drei Male je 8 Wochen, die weiteren Aufenthalte dauerten nur je 3 Wochen.

Die Verschickungen wurden, von der Fürsorge gesteuert u. wohl auch veranlasst.
Soweit ich mich erinnere, fanden die ärztlichen Voruntersuchungen u. “ der Papierkram “ in Hamburg, im Besenbinder-Hof statt. ( oder Kurio-Haus ? ).
Bei mir war der Grund, dass ich zu dünn und wohl auch häufig erkältet war.

Beim ersten Aufenthalt war ich zwischen 3 u. 5 Jahre beim zweiten 5 oder 6 Jahre jung.

Das erste Heim befand sich in ( Hmb. ? ) Volksdorf, das zweite in Winsen ( Luhe ? )
Ich habe auch – mehrfach - miterlebt, dass Kinder sich über ihrem Essen erbrochen haben und es dennoch ALLES aufessen mussten. Bettnässer-Bestrafungen u. s. w. .

Im Heim Winsen, inmitten vieler schlafender Kinder, wachte ich eines nachts, bedingt durch Licht
und Stimmengewirr, auf.
Am Fußende meines Bettes standen ca. sechs Personen
( Frauen und Männer – glaube ich – ),
meine Bettdecke hatte man entfernt. Mir war kalt, und ich war sehr erschrocken.
Ich lag nur noch mit meinem kurzen Nachthemd ( ohne Slip ) in meinem Gipsbett, welches ich, wegen einer Verkrümmung der Wirbelsäule damals benötigte.
Aus den Worten der Erwachsenen verstand ich, dass die Heimleiterin ( Schwester Eva ) den Leuten, an meinem Bett, das Gipsbett zeigen und wohl erklären wollte.
( Es handelte sich um eine mit Stoff bezogene Gipsschale und Festschnall-Gurten )

Ich war zu dem Zeitpunkt 6 Jahre, aber die ganze Situation überforderte mich total.
Mir wurde gesagt, ich solle die Augen wieder zumachen und weiterschlafen.
Wer könnte das wohl, in so einem Moment ?

Was die ein-/ausgehende Post betrifft :
Ich war noch zu jung um selber schreiben und lesen zu können..

1962, mit knapp 12 Jahren, ( von Anfang April bis Ende Mai ) war ich in Wyk auf Föhr, im Hamburger Kinderheim, so hieß es damals. Direkt an der Strandpromenade, nicht sehr weit vom damaligen Ortskern.

Der Zutritt – zum Strand - blieb uns allerdings, in der gesamten Zeit, verwehrt.
Wir sahen diesen, bei unseren täglichen, bei Wind und Wetter stattfindenden, stundenlangen,
Spaziergängen, nur aus der Ferne, obwohl der doch zum Greifen nahe war.

Mittwochs ging es – bei “ schönem Wetter “ - ab ins Heidewäldchen. ( eingezäunt )
Dort gab es Sand, der immer feucht bis nass u. kalt war, Kiefern und jede Menge tote Kaninchen, “ frisch und auch schon skelettiert “.
Uns wurde vorher gesagt, dass wir damit nicht in Berührung kommen dürften, da die alle an einer Seuche gestorben waren.
Wir hatten, den ganzen Tag, tatsächlich so etwas wie Freizeit.
Jede machte was sie wollte. Miteinander reden, in die Luft starren und den Sand mit den Händen oder Schuhen etwas bewegen.
Was “ die Tanten “ in der Zeit unternahmen, weiß ich überhaupt nicht.

In diesem Heim ging es auch recht strenge zu, allerdings nicht so schlimm wie in den vorherigen.

Wir mussten uns, jeden Morgen – in einem großen Waschraum – mit Reihen-Becken
( für Körper- / und Zahnpflege ) in Richtung einer Eckdusche – alle nackend – hintereinander aufstellen, um einzeln, eine längere Zeit, mit einem Schlauch, von oben bis unten, mit sehr kaltem Wasser, abgespritzt zu werden.
Ich schaffte es – in acht Wochen – zwei oder drei Male dieser Quälerei zu entgehen.

Drei Mädchen mussten allerdings noch mehr ertragen. Sie wurden, jeden Morgen, mit frischem
Nordseewasser, aus Eimern, übergossen.
Dieses wurde immer kurz vorher von einigen Erzieherinnen / Tanten, direkt beim Strand geholt.

Es war April und Mai ! Jeder kann sich vorstellen, wie eisig dieses Wasser gewesen sein muss.
( Gerda F., aus Finkenwerder und die beiden anderen Mädchen, taten mir sehr leid.)

Die sonst üblichen “ Verordnungen “ waren, wie wohl in allen anderen Heimen auch :
Jedes Essen aufessen, tägliches Müsli – am Abend vorher schon zusammengematscht –
Walfisch-Fleisch, extrem süss-sauer, eingelegter Kürbis, viele Speisen mit Grieß und Sago,
Milchsuppen u. v. m.

Aus Mitleid halfen viele von uns größeren Mädchen ( 10 – 13 Jahre ) , den drei “ Diät-Kandidatinnen “ , beim Betreten des langen Speisesaales, im Vorbeigehen, einen vollen Löffel ihrer riesigen Quarkspeise zu verschlingen. Es durfte keiner merken.

Am Tisch - bei unseren Mahlzeiten - versuchten wir uns auch immer ähnlich, gegenseitig zu unterstützen. Gelang allerdings nicht sehr oft.

Süßigkeiten wurden am Ankunftstag eingesammelt und wer Glück hatte, so wie ich, bekam zum
Geburtstag etwas davon. Traurig für die eigentlichen Besitzer !
Päckchen ( außer mit Papiertaschentücher ) wurden beschlagnahmt, Post, ein- / und ausgehend, wurde kontrolliert.

Zwei Tages-Ausflüge fanden statt.
1 x Hallig-Hooge ( Schlechtwetter ) :
Lange Spaziergänge, mit Blick auf viele tot in Zäunen hängenden, aufgeblähten Schafen.
( Noch von der großen Sturmflut aus Februar )

1 x Amrum ( Wetter gemischt ) :
Da die größeren Mädchen, also auch ich, in der Nacht vorher “ laut “ gewesen waren, mussten wir, im Eilschritt, vom ersten Strand, bis hin zur Fähre, einen “ Straf-Marsch “ absolvieren..
Die letzten – paar Hundert Meter – mussten wir sogar noch laufen, sonst wäre das Schiff weg gewesen.
Die kleineren Kinder durften, glücklicherweise, die ganze Zeit am Strand oder in den Dünen
verbringen.
Wir " Grossen " schimpften noch bis zum ins Bett gehen, aber es wurde bestritten, dass es sich um eine Bestrafung handelte.


Mit Verschickungen hat NIEMAND - uns Kindern - etwas Gutes getan, obwohl ich ja vielleicht dabei noch “ ganz gut weggekommen “ bin ? ! ?

Viele Speisen kann ich heute noch nicht riechen geschweige denn essen und auch sonst
verfolgt und prägte mich, das Erlebte, bis zum heutigen Tag.

Eine Freundin sagte mir, nach mehreren gemeinsamen Übernachtungen, sie hätte noch niemals einen, während des Schlafens, so stark zuckenden Menschen, erlebt.

Vielleicht kann ich, mit meinem schriftlichen Beitrag, etwas zur Aufklärung beitragen.
Ich hoffe es sehr.
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Birgit aus Bremen schrieb am 24.11.2019
Hallo Frau Mirbach,
ich war 1972 oder 1973 mit zarten 4 Jahren für 6 Wochen im Kinderkurheim Frisia und habe noch heute nach fast 50 Jahren einige Traumata. Es ist erschreckend was bei Kindern in diesem Alter für bleibende Schäden durch falsche Pädagogik angerichtet werden.
Ich erinnere mich an wenige junge "Tanten" welche ein wenig Mitgefühl und Wärme in den Kurhorror brachten. Sollten Sie eine davon gewesen sein auf diesem Weg ein grosses Dankeschön. Es ist bestimmt nicht leicht sich als junger Mensch gegen die Übermacht und festgefahrenen Erziehungsmethoden zu stellen. Dafür ist viel Mut nötig. DANKE
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Mechthild Steinigen schrieb am 24.11.2019
Ich habe meine Kindheitserinnerungen in einem Buch aufgeschrieben und mein Kuraufenthalt in Bad Orb im Spessart ist eine dieser Geschichten. Eine der wichtigsten in meinem Buch. Hier ist sie:
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Tief einatmen, die Luft ist selten

In der Wirtschaftswunderzeit genossen viele Kinder in der Bundesrepublik ein großes Privileg. Sie durften oder mussten wochenlang in die Kur fahren. Egal ob sie arm waren oder reich, dick oder dünn, krank oder gesund, Junge oder Mädchen, Heulsuse oder Rabauke, Bettnässer oder Zappelphilipp, Quasselstrippe oder Stotterer, katholisch oder evangelisch, Volksschüler oder Gymnasiast.
Also musste auch ich in die Kur fahren, denn ich war ein Mädchen, dünn, gesund und ein katholischer Volksschüler, aber weder Heulsuse, noch Rabauke und erst recht keine Quasselstrippe.
Alle meine älteren Geschwister waren schon in der Kur gewesen und hatten davon die verschiedensten Geschichten und Erlebnisse mit nach Hause gebracht, die sie mir immer mal wieder erzählten.
Einem Geschwister waren die vielen Wochen in der Kur viel zu kurz gewesen und es hatte gar nicht mehr nach Hause kommen wollen. Andere erzählten von schrecklichem Heimweh und vielen Tränen in den ersten Tagen und strengen Krankenschwestern und Ärzten. Ich wusste also so ungefähr, was in einer Kur auf mich zukam und in die Kur zu fahren war wie das Tüten packen. Ein unumstößliches Gesetz. Also ergab ich mich in mein Schicksal. Ich war noch nicht ganz neun Jahre alt.

Trotz all´ der Schauergeschichten meiner Geschwister, freute ich mich sehr auf die Kur. Eine lange Zugfahrt erwartete mich, denn es sollte nach Bad Orb gehen, in den Spessart. Den Spessart meinte ich sehr gut zu kennen, denn ich hatte schon mehrmals den Spielfilm mit Liselotte Pulver gesehen. Und darum war ich mir sicher, dass ich nun schon bald diesem berühmten Wirtshaus im Spessart einen Besuch abstatten könnte. Wenn Mama mir ein bisschen Taschengeld mitgeben würde, könnte ich Liselotte Pulver vielleicht zu einer Coca Cola einladen.

Mama quälten zu dieser Zeit wieder große Geldsorgen, denn das Wirtschaftswunder war bei uns immer noch nicht eingezogen.
Unser Hausarzt hatte aber bestimmt, dass ich in die Kur zu fahren habe. Sechs Wochen lang. Und so lief ich nach dem Arztbesuch neben einer Mama nach Hause, in deren Gesicht noch tiefere Sorgenfalten standen, als sonst.
Sie murmelte eine Liste vor sich hin. Auf dieser Liste schienen all´ die Dinge zu stehen, welche ich mit in die Kur zu nehmen hatte. Unterhosen- und Hemden, Socken, Schuhe, Strumpfhosen, Bademantel, Badeanzug, Kleider, Röcke, Blusen und Pullover, Schlafanzüge, Jacke und Mantel, Handtücher und Waschlappen. Die Liste hörte gar nicht mehr auf. Mamas Sorgenfalten wurden so breit und tief, wie die Straßenbahnschienen in unseren Straßen.

Ich wusste ganz genau, wenn Mama mir diese Sachen alle neu kaufen musste, würde das die Ladenkasse in 1000 Stücke reißen.
Aber ich wusste auch ganz genau, dass meine Mama mich niemals mit der Kleidung in die Kur schicken würde, die ich normalerweise auf dem Leib trug.
Fadenscheinige Unterhosen, Strumpfhosen mit gestopften Löchern, Pantoffeln mit abgeschnittener Schuhspitze, Schlafanzüge, dessen Ober- und Unterteile nicht unbedingt zusammen passten, Kleider und Röcke mit ausgelassenem Saum, Pullover mit zu kurzen Ärmeln, zu kleine Söckchen und Kniestrümpfe und einen Bademantel hatte ich erst recht nicht.
Mit einem Koffer, bepackt mit diesen Klamotten, würde sie mich niemals nach Bad Orb in den Spessart schicken, denn dann würde ich mich bis auf die Knochen blamieren. Oder noch schlimmer; daherkommen wie ein Mädchen, das aus einer armen Familie stammt.
Das würde sie nicht zulassen. Da brauchte ich keine Angst zu haben. Denn da konnte ich mich auf die Rose des Stolzes und den mächtigen Efeu des Trotzes verlassen, die auch in meiner Mama gewachsen waren. Und natürlich auf ihr Mutterherz, stark wie das einer Löwin.

Die Löwin schrieb zu Hause, auf die größte Brötchen Tüte, die sie finden konnte, eine lange Liste. Anschließend rechnete die Löwin und rechnete und ich hatte bis dahin nicht gewusst, wie tief und breit Sorgenfalten werden können.
Dann schaute die Löwin mich mit ihren schwarzen Augen an, die sie nur dann hatte, wenn sich die Geldsorgen auf ihren Schultern meterhoch türmten.
Sie sagte, dass sie das alles nicht bezahlen kann. Punkt aus.

Tagelang wälzte die Löwin die Geldsorgen hin und her, denn ihr Mutterherz wollte eine Lösung finden. Sie telefonierte mehr als sonst im Buröchen und führte offensichtlich irgendetwas im Schilde.
Und eines Tage schnappte sie mich und eröffnete mir, dass wir jetzt zusammen ins Rathaus zu gehen hätten. Dort gäbe es ein Amt, in dem ein Beamter uns vielleicht das Geld für die Kur geben würde.

Im Rathaus klopfte Mama an eine Tür und eine Stimme forderte uns auf hereinzukommen. Mama nahm mich an die Hand. Ihre Hand umschlang ganz fest die meine und da sie mich sehr selten an die Hand nahm, ahnte ich sofort, dass etwas Besonderes im Busch war.

Ein älterer Mann, mit einem gleichgültigen Gesicht, saß hinter einem Schreibtisch und sagte uns kaum guten Tag. Er wies uns an, auf den beiden Stühlen vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen und fragte nach dem Grund unseres Erscheinens.
Mama erzählte ihm von meiner Kur und der vielen neuen Kleidung und der teuren Fahrkarte ins ferne Bad Orb im Spessart.
Während sie erzählte beobachtete ich sie die ganze Zeit und ich konnte den Blick nicht von ihr lassen.
Denn neben mir saß eine Mama, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte.
Desto mehr sie von der leeren Kasse im Laden und ihren Sorgen sprach, desto mehr sank sie in sich zusammen. Ihre Stimme klang nicht mehr, wie die Stimme einer Löwin, sondern wie die einer Heulsuse. Und irgendwann lief eine kleine Träne an ihrer Wange entlang.
Der Mann hinter dem Schreibtisch ließ sich alles ganz genau erklären und musterte Mama und mich wie ein strenger Lehrer.
Desto mehr Mama erklären musste, desto mehr Tränen liefen ihr über die Wangen und irgendwann saß neben mir eine völlig verzweifelte Mama.
Ein Meer von Tränen lief ihr durchs Gesicht und ihre Stimme zitterte.
Aber sie hörte nicht auf, dem Mann hinter dem Schreibtisch alle Fragen zu beantworten. Irgendwann erklärte sie nicht mehr, sondern bettelte. Nach dem Betteln fing sie an zu Flehen und nach dem Flehen konnte sie nur noch weinen und brachte keinen Ton mehr heraus.

Sie war nur noch ein Häufchen Elend und ich liebte sie dafür.
Ich liebte sie dafür, dass sie sich für mich erniedrigte und gleichzeitig kämpfte wie eine Löwin.
Es war schrecklich und schön zugleich.

Sprechen konnte in diesem Augenblick niemand mehr in diesem Büro in unserem Rathaus. Auch der Mann hinter dem Schreibtisch nicht. Er schaute uns eine geraume Zeit an und dann versprach er Mama, dass sie das Geld für meine Kur bekommen werde. Danach stellte er einen Scheck aus und überreichte ihn wie selbstverständlich meiner Mama.
Der meterhohe Berg aus Sorgen fiel Mama von den Schultern und mit dem Scheck in ihrer Hand verließ sie erhobenen Hauptes das Rathaus. Mit jedem Schritt, auf dem Weg zurück in den Laden, verwandelte Mama sich wieder in die Löwin, die ich kannte.

Zuhause erzählten wir niemandem, was sich im Rathaus abgespielt hatte. Die anderen erfuhren nur so viel, wie sie wissen mussten. Nämlich, dass das Amt die Kosten für meine Kur bezahlt hat. Welchen Preis Mama dafür zahlte, erzählte sie nicht und wir beide haben auch nie wieder miteinander darüber gesprochen.

Einige Tage später kam ich von der Schule nach Hause und auf dem Küchentisch lagen viele Stapel neuer Kleidung.
Schneeweiße Unterhosen- und Hemden strahlten mich an und nagelneue schicke Söckchen und Kniestrümpfe warteten darauf, in einen Koffer gepackt zu werden. Bunte Schlafanzüge, die noch niemand vor mir getragen hatte und ein nagelneuer Bademantel mit Kapuze kamen mir vor, wie ein Wunder. Ömchen hatte Nadel und Faden geholt und nähte in meine neuen Sachen kleine, weiße Stoffschildchen ein, auf die Mama mit einem Stift meinen Namen schrieb.
Das war der Beweis!
Diese neuen Sachen gehörten nur mir ganz allein.
Der blaue Badeanzug, die Pantoffeln, die Strumpfhosen ohne gestopfte Löcher und der Faltenrock mit passendem Pullover.
Das war alles so unbeschreiblich schön für mich, dass ich einen Wermutstropfen spielend leicht hinunterschlucken konnte. Meine schönen, neuen Sachen wurden in einen alten, braunen Koffer aus dicker Pappe gepackt. Da die Schlösser nicht mehr richtig schlossen, wurde der Kofferdeckel mit einer Schnur festgebunden und so sah mein Koffer wie ein Paket aus, das zur Post gebracht werden musste.

Am Abreisetag trug ich von oben bis unten neue Kleidung und war sicher das stolzeste Mädchen zu sein, dass jemals nach Bad Orb in den Spessart gefahren ist.
Auf dem Bahnsteig traf ich noch weitere Kinder, die mit mir in die Kur fuhren und in einem Abteil wartete eine ältere Dame auf uns, welche beauftragt war (von wem auch immer), uns gesund und munter in Bad Orb abzuliefern.

In Bad Orb wartete ein Bus auf uns und der fuhr immer nur bergauf, bis vor uns ein riesiges, weißes Gebäude auftauchte. Die Kinderkurklinik.
Ich hatte sofort riesiges Heimweh.

Mürrische Frauen in weißen Kitteln begrüßten uns, und ich trottete mit meinem braunen Pappkoffer unglücklich hinter ihnen her. Mit drei weiteren Mädchen zog in ein Zimmer ein und ein Bett wurde mir mit strengem Blick zugeteilt.
Mein Heimweh war von nun an so groß und schwer, wie die Geldsorgen meiner Mama.

Wie im Nebel erlebte ich die ersten Stunden in dieser Kinderkurklinik.
Das Abendessen, den pipiwarmen Hagebuttentee in großen Metallkannen, das Auspacken meiner schönen, neuen Sachen in meinen Kleiderschrank und die lieblose Strenge um mich herum.
Tüten packen war dagegen Pipikram.

Ein Gong verkündete, dass nun Schlafenszeit sei.
Alles musste ganz schnell gehen und wir hatten in Nullkommanichts im Bett zu liegen. Auf dem Rücken, die Arme auf der Bettdecke liegend.
Dann machte eine Pflegerin die Runde, welche für uns zuständig war. Sie war hartherzig, unnahbar und bitter. Von der ersten Sekunde an nannte ich sie innerlich nur „den Teufel“.

Der Teufel erklärte uns, dass wir nur mit dem Gesicht zur Wand einzuschlafen und zu schlafen hätten. Von jetzt an wolle sie keine Wort mehr von uns hören.

Wie alle Betten stand auch meins der Länge nach an der Wand. Um mit dem Gesicht zur Wand einzuschlafen, musste ich mich auf meine linke Seite drehen. Aber das war nicht meine Lieblingseinschlafseite. Meine Lieblingseinschlafseite war meine rechte Seite.
Aus Angst vor dem Teufel drehte ich mich zur Wand und versuchte einzuschlafen. Ich war dafür zwar schon viel zu groß, aber ich rief innerlich das Sandmännchen zur Hilfe. Aber das konnte noch so viel Sand in meine Augen streuen, mein Heimweh war viel zu groß.
Also drehte ich mich auf meine Lieblingseinschlafseite und erkannte in der Dunkelheit die anderen drei Mädchen, welche sich genau wie ich, auf die verbotene Seite gedreht hatten.
Wir hatten alle Angst vor dem Teufel.
Und wir hatten alle Heimweh.
Und wir weinten alle stumm vor uns hin.
Und so schliefen wir irgendwann ein.

Der Teufel ließ mich nicht lange schlafen. Er rüttelte und schüttelte mich, bis ich wach war und befahl mir, mich gefälligst zur Wand zu drehen. Immer wieder tauchte der Teufel in dieser Nacht auf, weckte mich und ich drehte mich von meiner Lieblingseinschlafseite auf die linke Seite. Einige Nächte lang ging das so.
Eines muss ich dem Teufel aber lassen, wir haben alle gelernt mit dem Gesicht zur Wand zu schlafen.

Mein Heimweh marterte mich Tag und Nacht. Und es gab nichts, was mich hätte trösten können. Nicht einmal meine schönen, neuen Sachen.
Mein Heimweh war so groß, dass ich wegen jeder Kleinigkeit anfing zu weinen und von morgens bis abends mit einem traurigen Gesicht durch die Kinderkurklinik lief.
Jeden Abend weinte ich mich in den Schlaf, der einfach nicht kommen wollte und die Nachtschwestern immer wütender auf mich machte.
Ich sehnte mich nach zu Hause, nach dem Tüten packen, den Pantoffeln mit den abgeschnitten Zehenspitzen und sogar nach Papas Dämmerschoppen.

Jeden Tag mussten wir lange Spaziergänge durch den Spessart machen, was ich überhaupt nicht leiden konnte. Bergauf, bergab. Besonders oft bergauf. Und dabei die Lieder aus der „Mundorgel“ singen. Laut und gesund.
Während die anderen Kinder fröhlich und munter „Wir lagen vor Madagaskar“ sangen, weinte ich und auch „Das Wandern ist des Müllers Lust“ konnte mein Heimweh nicht vertreiben. Nicht einmal für eine kleine Sekunde lang. So ging das tagelang.

Am ersten Wochenende durften wir eine Postkarte oder einen Brief nach Hause schreiben. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen.
Ich nahm einen Bogen Briefpapier und machte aus meinem Herzen keine Mördergrube. Zum ersten Mal in meinem Leben schrieb ich meiner Mama einen langen Brief.
Ich erzählte ihr darin von dem Kindergefängnis, in dem ich gefangen sei und das ein Teufel auf uns aufpasst. Und das sie mich sofort abholen soll, da ich sonst weglaufen würde. Ich bettelte und flehte Mama an.


Ich steckte den Brief in einen Umschlag und nach einiger Zeit sammelte der Teufel unsere Postkarten und Briefe ein.

Ein paar Stunden später war der Teufel los.
Mit wütendem Blick fuchtelte er mit meinem Brief vor meiner Nase herum und schimpfte auf mich ein. Was ich mir einbilde, wie ich so etwas nach Hause schreiben könne!
Jetzt begriff ich, dass unsere Post geöffnet und gelesen wurde.

Mein Heimweh trat einen Moment zur Seite und meine Wut brach sich Bahn.
Ich schrie den Teufel an, dass das doch alles stimme. Ich sei in einem Gefängnis und sie der Teufel. Und ich wolle sofort nach Hause. Rotz und Schnott heulte ich dabei und dann stampfte ich mit dem Fuß auf und sagte schluchzend:
„Ich will zu meiner Mama.“

Wie aus dem Nichts stand plötzlich eine Ärztin neben mir. Die, die immer so nett zu uns Kindern war. Sie wollte wissen, was hier los sei.
Trotzig überreichte der Teufel der Ärztin den Brief. Und die las ihn ganz ruhig durch.
Sie schaute mich lange an und nahm mich und meinen Brief mit in ihr Arztzimmer.
Dort durfte ich alles erzählen, einfach so, ganz ehrlich, was mit mir los war.
Von meinem großen Heimweh konnte ich erzählen, von dem schrecklichen, pipiwarmen Hagebuttentee und das ich nicht einschlafen kann, mit dem Gesicht zur Wand.

Die Ärztin hörte sich alles an und zu meinem Erstaunen versprach sie mir, dass nun alles besser werden würde und der Brief an meine Mama genau so abgeschickt wird, wie ich ihn geschrieben habe.

Es wurde nicht alles besser, aber ein wenig.
Der Teufel war ein bisschen freundlicher zu uns Kindern, aber mit dem Gesicht zur Wand mussten wir immer noch schlafen. Und mein Heimweh blieb so schlimm, wie vom ersten Tag an.

Einige Tage später kam ein großes Päckchen für mich an.
Es war von meiner Mama!
Wieder trat mein Heimweh ein kleines Stück zur Seite und Aufregung und Freude erfasste mich. Wie eine Wilde riss ich das Päckchen auf und auf einem Haufen meiner Lieblingssüßigkeiten lag ein Brief von meiner Mama.
Sie schrieb, dass sie meinen Brief erhalten habe und dass sie sich beim Oberarzt beschwert hätte und nun sicher alles besser werden würde. Ich solle mich mit den Süßigkeiten trösten und auf keinen Fall weglaufen. Auch mein Heimweh würde vorrübergehen. Ich solle tapfer sein.
Die Süßigkeiten waren lecker, aber sie haben mich nicht getröstet.
Was mich bis in die letzte Zelle meines kleinen, vom Heimweh geplagten Herzens getröstet hat, war Mamas Brief. Nicht die Worte. Einfach nur der Brief. Das weiße Papier mit den Worten nur für mich. Mit der Handschrift meiner Mama, die ich bis heute sicher unter Tausend Briefen wieder erkennen würde.

Mit vielen Tränen und Heimweh überstand ich die nächsten Tage in dem immer gleichen Trott. Frühstück mit Graubrot, Butter und Marmelade; dazu den verhassten, pipiwaremn Hagebuttentee. Spaziergang in den Spessart. Mittagessen. Mittagsruhe. Graubrot mit Butter und Zucker und Hagebuttentee. Spaziergang in den Spessart. Abendessen. Schlafen. Mit dem Gesicht zur Wand. Am Sonntag gab es einen Nachtisch und ein Stück Kuchen.

Die Spaziergänge hasste ich. Sie waren immer gleich. Nichts interessantes passierte. Nur Bäume und Wiesen, Bäume und Wiesen. Ich weinte vor Heimweh und die anderen Kinder trällerten aus der Mundorgel immer die gleichen Lieder.
Nichts konnte mich aufmuntern. Kein Harung jung und schlank zwo, drei, vier und auch nicht ein Mann, der sich Kolumbus nannt, und schon gar nicht die drei Chinesen mit dem Kontrabass.

Aber der Teufel liebte diese Spaziergänge. Und besonders den Spaziergang, bei dem wir an einem Bauernhof mit einem großen Misthaufen vorbeikamen.
Schon hundert Meter vorher wussten und rochen wir, was nun kommen wurde. Es war, wie mit dem Amen in der Kirche. Unvermeidbar.
Wir erreichten den braunen, stinkenden, dampfenden Misthaufen und mussten uns sofort drum herum im Kreis aufstellen. Dann forderte der Teufel uns auf, unsere Arme ´gen Himmel zu strecken und dabei tief ein und aus zu atmen.
Dazu rief der Teufel mit Inbrunst: „Tief einatmen, die Luft ist selten“.
Dieses teuflische Ritual mussten wir mehrmals in der Woche klaglos über uns ergehen lassen.
Aber gegen mein Heimweh half auch das nicht.

Nach zwei quälenden Wochen wurden wir Kinder dazu ermuntert, uns eine Geschichte auszudenken und diese aufzuschreiben. Wir durften schreiben, was wir wollten und den Inhalt selber wählen.
Ich brauchte nicht lange zu überlegen und schrieb eine Geschichte über meine Babypuppe Sonja und meinen Teddybären Max.
Ich hatte vor einiger Zeit im Fernsehen das Ballett vom Nussknacker gesehen und war seitdem von der Idee fasziniert, dass Spielzeug um Mitternacht erwacht.

Unsere Geschichten wurden eingesammelt und nach einigen Tagen wurde ich vom Teufel in ein Arztzimmer geführt. Ich erwartete die nette Ärztin, aber an diesem Tag saßen viele Männer in weißen Kitteln, Hosen, Socken und Schuhen dort.
Mama hätte dazu „Götter in Weiß“ gesagt.
Mir war das alles ziemlich unheimlich, aber da die Götter in Weiß mich freundlich anlachten, war es nicht ganz so schlimm. Ich entdeckte, dass ein Gott in Weiß meine Geschichte vor sich liegen hatte.
Er wollte von mir wissen, ob ich diese Geschichte ganz allein geschrieben habe.
Ich bejahte das.
Die Götter in Weiß warfen sich Blicke zu, die ich nicht deuten konnte, mir aber das Gefühl gaben, dass etwas Besonderes vor sich ging.
Die Götter in Weiß tuschelten ein wenig miteinander und ich konnte kein einziges Wort verstehen. Einige musterten mich, ließen sich die Blätter mit meiner Geschichte geben und lasen kurz darin.
Dann wurde ich gefragt, ob ich immer noch so viel Heimweh habe.
Ich nickte.
Wieder tuschelten die Götter in Weiß miteinander und dann sagte ein Gott:
„ Du darfst nach Hause fahren.“

Wie angenagelt blieb ich auf meinem Stuhl sitzen.
Ich durfte nach Hause fahren?
Warum denn auf einmal?

Ehe ich was sagen oder fragen konnte, ob das alles was mit meiner Babypuppe Sonja und meinem Teddybär Max zu tun habe, wurde ich gebeten, das Arztzimmer zu verlassen.
Die Götter in Weiß wollten mir nichts erklären.

Ich stand auf, sagte brav auf Wiedersehen, öffnete die Tür, trat in den Flur, schloss die Tür und das Heimweh war wie weggeblasen. Es war einfach weg. Futsch.
Und zum ersten Mal lief ich fröhlich die Flure entlang und fühlte mich wohl in Bad Orb im Spessart.

Der Teufel empfing mich und wusste schon Bescheid. „Du darfst also nach Hause fahren. Dann gehen wir mal packen.“
Der Teufel machte vielleicht große Augen, als ich ihm sagte, dass ich aber gar nicht mehr nach Hause fahren wolle, da mein Heimweh auf einmal weg sei und ich sehr gerne in Bad Orb bleiben würde.

Ich durfte bleiben und nun wurden es herrliche Wochen.
Zwar hasste ich die Spaziergänge und den Hagebuttentee immer noch, aber ich war plötzlich gerne im Spessart, mit seinen Bäumen, den Wiesen und dem braunen, stinkenden, dampfenden Misthaufen.

Ich habe die Geschichte von Sonja und Max noch einmal für dieses Buch aufgeschrieben. Natürlich sind es die Worte eines Erwachsenen, aber sie erzählen genau das Gleiche.
Bis heute ist es mir ein großes Rätsel, was die Götter in Weiß dazu bewogen hat, mich nach Hause zu schicken.
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s.sobota-coombs schrieb am 24.11.2019
Ich hatte im Radio von dem Kongress auf Sylt gehört und wurde aufmerksam. Ich wurde 1970 nach Norderney verschickt. Dort durften die Kinder Nachts nicht zur Toilette gehen, sondern mussten ein "Töpfchen" benutzen.Haben Kinder das Laken zerwühlt, so wurden sie angeschnallt. Ähnlich wie die Vorrichtungen für Kinderwagen, die damals noch üblich waren.Telefonieren mit den Eltern war nicht möglich, es wurden die Hände zum schreiben geführt, aber nicht das was man schreiben wollte. Nur "Liebe Mama mir geht es gut"!
Meine Mutter war über meine Veränderung nach diesem Aufenthalt so schockiert das wir einen Psychologen augesucht haben.
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Dr. Bettina Jansen-Schulz schrieb am 24.11.2019
Ich heiße Bettina Jansen-Schulz. damals Bettina Schröder.
Weil ich 1957 ein dünnes Mädchen (geb. 1950) war und sehr oft im ersten Schuljahr krank war, wurde auch ich für 6 Wochen „verschickt“ nach Wyk auf Föhr ins Haus Sonnenschein - zu einer kalten Jahreszeit Herbst oder Frühjahr.
Zum Essen:
Ich kann mich erinnern, dass es morgens immer Haferschleimsuppe gab, nur Sonntags gab es Schokoladensuppe, die schmeckte gut. In meiner Erinnerung gab es sehr oft Linsensuppe, die offenbar den meisten Kindern nicht schmeckte, weshalb wir in einen „Streik“ traten. Wir verabredeten uns, so lange beim Essen zu würgen, bis wir uns übergeben mussten. Das haben wir offenbar öfter gemacht. An Strafen kann ich mich nicht erinnern - wahrscheinlich bekamen wir hinterher nichts mehr zu essen.
Zum Spielen:
Ich kann mich an keine Spielsituation drinnen oder draußen erinnern. Offenbar mussten wir aber bei Wind und Wetter an den Strand, was ich immer als unangenehm empfunden habe (danach hasste ich lange das Meer).
Zur Post
Unsere Post, die wir nach Hause geschrieben haben, wurde immer kontrolliert, ältere Kinder schrieben für die jüngeren, da stand immer drin, dass es mir gefällt, dass ich gutes Essen bekomme und dass es mir gut ging. Meine Mutter zu Hause wurde damit beruhigt. An Post von zu Hause kann ich mich nicht erinnern.
Schlafenszeiten:
Wir schliefen in großen Sälen. Dort hatte in meiner Erinnerung immer eine Erzieherin mit roten Locken die Aufsicht, die mich oft ausschimpfte, wenn ich mich im Bett am Körper kratzte. Ich floh dann immer unter das Bett, wo sie mich jedesmal wieder hervorzog - ich sah in ihr in meiner kindlichen Phantasie eine Hexe.
Krankheit
Nach drei Wochen erkrankte ich an Angina, hatte hohes Fieber. Meine Mutter wurde darüber nicht informiert (sonst hätte sie mich sofort abgeholt), sie erhielt weiterhin die o.g. Post. Wie ich versorgt wurde, weiß ich nicht mehr. Als es mir wieder etwas besser ging, hat sich die Heimleitung um mich gekümmert, mit mir nur kurze Spaziergänge am Strand gemacht. Diese Situation habe ich eher als angenehm im Gedächtnis.
Beschwerden
Ich wurde erst nach dem regulären Ende der Verschickungszeit von 6 Wochen nach Hause geschickt, meine Mutter bekam ein noch dünneres blasses Kind zurück, als sie es losgeschickt hatte. Sie beschwerte sich bei der Organisation (Rotes Kreuz??), das hatte aber keine weiteren Auswirkungen auf das Heim.
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Uwe Schmauder schrieb am 24.11.2019
Mitmenschen, Nächste,
hab' versehentlich 'n falsch geleiteten Beitrag an die service@ adress a.r. abgeschickt, gestern.
ich heiß als Kind Uwe, und hatte ne böse Stiefmutter ab 9, und meine liebe Mami starb langsam an'm Gebärmutter-CA, und wohl davon mochte ich nix essen fast, so kam ich ins ESSheim zum ESSen nach Bad Sachsa, da raus nach Steina, wo von der Straße her 'ne schmale steinerne Treppe raufführt, steil, zu den 2 erinnerbaren Häusern, und FreSSsaal, gleich links, ich war in'n 90ern mal nacherinnern hingefahren, aber hatt' zu viel Angst genau zu gucken.
Auch zu fuß war ich zu wenig beweglich geworden, wegen unterer Wirbelsäule am Ende.
Meine tötenswerte Stiefmutter schrieb den Aufseherinnen dort über mich was sie mit mir machen sollen, worauf die Führerin da zu mir sagte, deine Mutter hat geschrieben, jetzt weiß ich was du für einer bist!
Ich Angst in der deutschen Kinderseele.
Ich falsch.
Ich dumm.
Meine Stiefmutter war bis ins 90er eine hassenswerte Person, ich brachte ihr zum Abschied einen Brief an ihren Hausbriefkasten, in SIE Form, worin ich u.a. meinte, ich würde sie erschlagen, wenn das erlaubt wäre, das war ein Heiligabend.
Damit will ich ausdrücken, man müßte zu viele Böse erschlagen, und kann nicht Gerechtigkeit erlangen, aber inneren Frieden in Maßen suchen in der zusammenhänglichen Kommunikation.
Gruß Euch Mutigen.
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Dieter schrieb am 23.11.2019
Ich war 1966 oder 1967 als Dritt- oder Viertklässler im "Kinderkurheim Schönsicht" in Berchtesgaden. (Es war also nicht der Ponyhof Schönau und auch nicht eins der Caritas-Heime, die auf dieser Website mehrfach erwähnt wurden.) Es war für mich eine schwere Zeit, auch wenn es nicht eines der ganz schlimmen Heime war, von denen hier sonst berichtet wird. Schläge, Fixieren oder der Zwang, Erbrochenes zu essen habe ich dort nicht beobachtet oder erfahren. Es war mehr der psychische Druck. Obwohl ich zum "Aufpäppeln" dort hin geschafft wurde, kam ich nach 6 Wochen abgemagert wieder nach Hause. Die Heimleiterin "Tante Steffi" empfand ich als Hexe, rückblickend vermute ich eine Nazi-Vergangenheit, die Gruppenleiterinnen ("Tanten") waren wohl objektiv überfordert, konnten jedenfalls das Aggressionspotenzial innerhalb der Kindergruppen nicht bändigen. Statt dessen wurden durch Zwangsessen, Bloßstellen, Schimpfen, Verweigerung des Kontaktes mit den Eltern, Briefzensur, ... noch weitere Aggressionen in die Gruppen getragen. Die entluden sich dann ohne Hemmungen an den Schwächsten. Einziger Lichtblick war einmal in der Woche die Krankengymnastin und Masseurin Frau Lattermann, die in ihren Gruppen für Ruhe sorgte und auch mal fragte, wie es uns geht.
Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir in der Vorweihnachtszeit vor das Haus der Besitzer, einem älteren Ehepaar Schulz-Lauterbach, das wir sonst nie zu Gesicht bekommen haben, ziehen und etwas singen mussten.
Später habe ich oft gedacht, was es wohl für ein Gefühl sein muss, mit dem Unglück der Kinder sein Geld zu verdienen.
Heute habe ich gesehen, dass das Heim zu einer Kinderkurklinik ausgebaut worden ist, die immer noch einem Herrn Schulz-Lauterbach, also vielleicht einem Sohn oder Enkel, gehört. Aber heute gibt es diese Verschickungen ja nicht mehr, und ich will für die Kinder von heute hoffen, dass der Stand der Medizin und die behördliche Aufsicht auf einem besseren Stand ist als in den 60er Jahren.
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Remi schrieb am 23.11.2019
Was Sie tun, nennt man neudeutsch "Whataboutism " .... ja, aber was war in den Elternhäusern, Schulen etc? Das macht aber ein Unrecht nicht kleiner .
Ich gebe Ihnen übrigens Recht, dass sich auch Kinder gegenseitig traumatisieren , neudeutsch mobben können. Besonders in einem Klima der Kälte, der Angst , in der das noch gefördert wird. Mich haben Kinder - aufgehetzt von einer Erzieherin - einen Abhang rruntergeworfen.
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Hans-Peter 61 Jahre alt schrieb am 23.11.2019
Mein Name ist Hans-Peter - heute bin ich 61 Jahre alt

- der Horror mit den Nonnen
Ende der 60-er Jahre war ich in Reinhardshausen - bei Bad Wildungen. Dort wurden wir geschlagen und gedemütigt. Kinder die ins Bett gemacht hatten, mußten ihre Matratzen und Bettbezüge mit den Händen auswaschen und feucht wieder aufziehen. Getrocknet wurde alles mit der eigenen Körperwärme. Ich mochte vor allem die undefinierbare Nachtischpampe nicht und wurde so lange von den Nonnen mit dem Gesicht hineingedrückt bis ich keine Luft mehr bekam. Jede Woche mußte ich - wie einige andere auch - auf eine Liege in eine Doggystellung. Dann bekamen wir eine Spritze in den Rücken. Danach mußte ich Stunden liegen, ohne mich zu bewegen. Man sagte mir, wenn ich mich bewege, kann ich danach nicht mehr laufen. Schläge usw. waren an der Tagesordnung. Vieles habe ich verdrängt. Und das ist gut so. Oftmals warn ich mit dem Motorrad in der Gegend um Reinhardshausen. Nach Jahren habe ich mich dann getraut zu dem Heim zu fahren. Der alte Kasten sah so aus, als ob er bald zusammenbricht. Das war für mich eine späte Genugtuung. Traumatisiert bin ich noch heute. Weder damals noch heute will jemand etwas von dieser Geschichte wissen. Es tut gut, das mal hier zu schreiben und zu erkennen, das ich nicht alleine damit bin. Und wenn es noch ein wenig Gerechtigkeit für das alles gibt - mögen die Nonnen von damals ewig in der Hölle schmoren.
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Hans-Peter 61 Jahre alt schrieb am 23.11.2019
der Horror mit den Nonnen

Ende der 60-er Jahre war ich in Reinhardshausen - bei Bad Wildungen. Dort wurden wir geschlagen und gedemütigt. Kinder die ins Bett gemacht hatten, mußten ihre Matratzen und Bettbezüge mit den Händen auswaschen und feucht wieder aufziehen. Getrocknet wurde alles mit der eigenen Körperwärme. Ich mochte vor allem die undefinierbare Nachtischpampe nicht und wurde so lange von den Nonnen mit dem Gesicht hineingedrückt bis ich keine Luft mehr bekam. Jede Woche mußte ich - wie einige andere auch - auf eine Liege in eine Doggystellung. Dann bekamen wir eine Spritze in den Rücken. Danach mußte ich Stunden liegen, ohne mich zu bewegen. Man sagte mir, wenn ich mich bewege, kann ich danach nicht mehr laufen. Schläge usw. waren an der Tagesordnung. Vieles habe ich verdrängt. Und das ist gut so. Oftmals warn ich mit dem Motorrad in der Gegend um Reinhardshausen. Nach Jahren habe ich mich dann getraut zu dem Heim zu fahren. Der alte Kasten sah so aus, als ob er bald zusammenbricht. Das war für mich eine späte Genugtuung. Traumatisiert bin ich noch heute. Weder damals noch heute will jemand etwas von dieser Geschichte wissen. Es tut gut, das mal hier zu schreiben und zu erkennen, das ich nicht alleine damit bin. Und wenn es noch ein wenig Gerechtigkeit für das alles gibt - mögen die Nonnen von damals ewig in der Hölle schmoren.
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Kirsten Beste schrieb am 23.11.2019
Herr Jürgen Jürgensen.
Wie kommen Sie dazu mein Leid, mein Trauma (und Das der anderen Leidtragenden die hier ein Forum gefunden haben), das was ich erlebt habe und mein ganzes Leben beeinflusst hat abzuwerten? Und das auch noch als nicht Aufarbeitungswürdig zu bewerten! Sie sind nicht der Maßstab dafür. Das ist niemand! Leid ist immer individuell. Ihr Beitrag zeigt Ihre Empathielosigkeit und Ignoranz. Leben Sie gerne weiter so, aber nehmen Sie Abstand davon uns hier abzuwerten. Kirsten Beste
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Doris Stober schrieb am 23.11.2019
Hallo Hr.Sanderink,
haben sie schon mal was vom Milgram- Experiment gelesen ( wieweit Menschen gehen, wenn Autoritäten gesundheitsgefährdende Anweisungen geben)?Beschreibung finden sie im Internet.
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Juergen Wuergensen schrieb am 23.11.2019
Ich verstehe diesen Äpfel-/Birnenvergleich mit Glückstadt und der katholischen Kirche nicht - nur weil Kinder auch anderswo misshandelt wurden, darf sich hier nicht untereinander ausgetauscht werden? Dass es in "ja soooo viel harmloseren" Verschickungsheimen sogar Todesfälle durch Misshandlungen gab, die juristisch nie aufgeklärt wurden und nahezu alle, die hier schreiben, heute teilweise schwere psychische Folgen davontragen, soll nicht thematisiert werden? Die Art der Mißhandlung spielt dabei überhaupt keine Rolle, wenn sie als traumatisch erlebt wird.

Niemand verallgemeinert hier, jeder beschreibt seine ganz persönliche Erfahrung. Niemand leugnet, dass es in der Zeit auch rühmliche Ausnahmen und gut geführte Heime gegeben haben mag; auch davon berichten hier Zeitzeugen, nur scheinen sie damals sehr selten gewesen zu sein.

Hier tauschen sich eben vorwiegend die aus, die nicht in "Bullerbü" waren und das sind scheinbar nicht wenige. Niemand leugnet hier Misshandlungen auf der Flucht, in der Schule, in den eigenen vier Wänden oder wiegt sie gegeneinander auf - auch das gehört aufgeklärt und aufgearbeitet. Es ändert aber nichts an meinen eigenen Erfahrungen und macht sie nicht besser.

Leute mit eher schlichtem Gemüt spielen das Erlebte halt gern herunter, sind abgestumpft oder machen jeden Abend "ein Fass auf" (und das nicht im übertragenen Sinn...). Aber auch dafür gibt es Therapieangebote Jürgen... :o)
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Matthias schrieb am 23.11.2019
Es muß 1966 in den Sommerferien gewesen sein, bzw. schon vor deren Beginn, als ich mit 10 J. nach Bad-Dürrheim in ein "Kindererholungsheim" verschickt wurde. Wie ich da hinkam, gebracht oder mit anderen Kindern zusammen, daran habe ich keine Erinnerung mehr. Auf jeden Fall mit dem Zug. Positive Erinnerungen habe ich an diese Zeit nicht eine Einzige. Es herrschte von den Ordensschwestern (Tanten) ein strenges, aber dafür umso weniger herzliches Regiment. Ein irgendwie geartetes "Aufmucken" gab es bei einem 10-jährigen damals ohnehin nicht, wir waren Gehorsam gewöhnt. Da ich in dieser Zeit Geburtstag hatte, bekam ich ein Paket von zuhause. Dieses wurde mir zwar ausgehändigt, aber wieder weggenommen, zwecks "Zuteilung". Meine Mutter -und daran erinnere ich mich genau- hatte das Zeugnis mit ins Paket gelegt, da ich ja schon kurz vor Ferienbeginn verschickt wurde und diesen nicht erhalten hatte. Wie bei jedem "anständigen" Jungen in diesem Alter, waren nicht alle Note zur vollsten Zufriedenheit. Aus irgend einem absolut nichtigen Anlaß, las dann eine der "Tanten" zur Strafe die Zeugnisnoten allen anderen Kindern vor. Man könnte das auch Anleitung und Aufstachelung zum Mobbing bezeichnen. Es gab Kinder (die etwas aufmüpfigeren), die auch geschlagen wurden. Mir selber ist das nicht passiert, außer einer Ohrfeige. Trotzden hatten solche Maßnahmen ihre verstörende Wirkung auf alle anderen.
Besonders in Erinnerung sind mir die "Inhalationsmaßnahmen" gelblieben. Gruppenweise kamen wir in gekachelte Räume (sie schienen die Bombenangriffe überstanden zu haben), so groß wie kleine Umkleidekabinen. Dort saßen wir dann auf Holzbänken in kurzen Lederhosen. Durch eine Rohröffnung wurde dann ein Solenebel eingeblasen, daß man die gegenüberliegende Wand nicht mehr sehen konnte. Beim ersten Mal, war eine der "Tanten" dabei, danach wurden wir dort alleine eingesperrt. Etliche Kinder fingen regelmäßig an zu weinen und wollten raus. Verfroren und an allen Gliedern schlotternd kamen wir danach aus diesem Raum dann immer raus. Heute würde man sowas wohl als "seelische Grausamkeit" bezeichnen - damals war das wohl noch normal.
Die Briefe, die wir nach Hause schreiben mußten (dafür gab es jede Woche einen festen Tag), wurden allesamt zensiert. Ich durfte meine immer mehrfach schreiben, bis sie "ordenskonform" waren. Meine Mutte hatte mir ein kleines Portemonait mitgegeben, mit etwas Taschengeld. Dieses bekamen wir nur zu "Ausgängen" ausgehändigt. Besagtes Portemonait hatte ein kleines, kaum sichtbares Seitenfach. Und dort hatte mir meine Mutter einige Briefmarken reingetan. Während sich die anderen Kinder bei einem dieser Ausflüge Eis oder Süßigkeiten kaufte, erstand ich eine Postkarte. Irgendwo hatte ich dann heimlich nach Hause geschrieben, was wirklich los war - und, daß ich sofort nach hause wollte.
Fazit: ich kam von dieser "Erholungstortour" krank und abgemagert wieder zurück. Bis zum heutigen Tag habe ich eine tiefe Abneigung gegen alle Ordenschwestern....
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Uschi Pietzsch schrieb am 23.11.2019
Hallo Kurt schaue mal es gibt zu Bad Reichenhall schon eine Heimortvernetzung. Armin: armin.prauser@t-online.de
Ich selbst war im Januar 1966 mit 5 Jahren in Bad Reichenhall.
Herzliche Grüße
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Noll schrieb am 23.11.2019
Wilhelmshaven,den 20.11.2019

Hallo,
am 19.11. sah ich in der Sendung, "Hallo Niedersachsen", den Bericht über die schlechte Behandlung der Kurkinder.

Ich war 1963 9 Jahre alt und von Ende August bis Ende September im Oldenburger Kinderheim, in Bad Rothenfelde, im Teutoburger Wald. Meine Erinnerungen an diese Zeit sind schlecht.
Vor der Kur wurde der Koffer von meiner Mutter liebevoll gepackt. Hübsche Kleider und persönliche Sachen kamen hinein. Auch Proviant für die Fahrt war dabei. Sehr stolz war ich auf die 8X4 Seife zum Waschen.
Bei der Ankunft wurden wir Kinder auf die Terrasse des Hauses gebracht, und wir mußten unsere übrig gebliebenen Lebensmittel in Körbe legen. Auch die Seife mußte ich abgeben. Beim Kofferauspacken, was die "Tanten" machten, wurde mir gleich gesagt, daß ich die Kleider nicht anziehen dürfte, weil die anderen Mädchen sonst neidisch würden. Ich hatte in den 4 Wochen 2 Kleider an, die Tante Gudrun für geeignet hielt.
An die Abläufe beim Frühstück und Abendbrot kann ich mich nicht erinnern.
Aber die Mittagessen sind noch sehr präsent. Wir mußten drei Teller, die uns vom Personal gebracht wurden , leeressen. Wenn wir das geschafft hatten, durften wir uns den vierten Teller selber holen.
Bei der Linsensuppe, die es 4x in den Wochen gab, habe ich es tatsächlich geschafft, vor dem Essen zu erbrechen.
Meine Seife habe ich auf der Gemeinschaftstoilette wiedergefunden.
Das Briefeschreiben wurde kontrolliert und die, die ankamen, wurden geöffnet und vorab gelesen. Mir ist meine Post erst später ausgehändigt worden. Die Briefe, die von uns nach Hause geschickt wurden, duften nur Positives beinhalten.
Um 7 Uhr morgens sind wir geweckt worden. Aber die Augen mußten noch geschlossen sein.
Am 13.09. hatte ich Geburtstag und war etwas aufgeregt und öffnete die Augen früher. Ich bin angewiesen worden, die Augen wieder zu schließen, um 15 Minuten "nachzuschlafen".
Ich habe die ganze Zeit geweint und geschluchzt. Es war eine Strafe und das an meinem Tag.
Ein Mädchen näßte jede Nacht ein. Sie durfte nicht mit uns aufstehen. Jeden Morgen, wenn ich aufwachte, war ich schweißgebadet, weil ich Angst hatte, daß mir das auch passiert wäre.
Gott sei Dank blieb alles trocken.
Den Herbergsvater habe ich als schreienden und colerischen Mann in Erinnerung. Einmal brüllte er mich an, weil ich einen Blick auf die Seite der Jungen warf.
Mit freundlichen Gruß
Heidi

P.S. Ich war danach noch einige Male zur Kinderverschickung. Dort habe ich positive Erlebnisse
gehabt.
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Doris Stober schrieb am 23.11.2019
Hallo Thomas, da war ich auch, s.mein Zeugnis. Ja, nur Erlebtes in der Vergangenheit generiert Erinnerung. Mir hat Jesus geholfen das kinderfeindliche Erleben zu meistern und überwinden. Reden sie einfach mal mit IHM. Bitte Ihn nicht mit Kirche gleichsetzen!
Gruß Doris
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Gisela Ehrhardt schrieb am 23.11.2019
Mit elf Jahren, dürr wie eine Spindel, wurden meine 3 Jahre jüngere Schwester und ich vom BRK nach Muggendorf / Ofr. in ein Kurheim verschickt. Im Prinzip ähneln sich solche Berichte, und wir sind kollektive Opfer. Dennoch ist jeder für sich alleine, um diesen Teil der Vergangenheit aufzuarbeiten.
Die vermeintliche Harmonie durch die idyllische Lage der Häuser (Muggendorf liegt wunderschön am Wald) täuscht gewaltig. Das Essen war immer eine Katasthrophe. Ich wollte am liebsten unsichtbar sein, nicht auffallen. Aber nun hatte mich beim Mittagessen - es gab Zwetschendatschi! - eine Wespe oder Biene gestochen. Leise weinte ich vor mich hin, denn es tat weh. Da kam die Aufseherin, zog mich am Arm nach oben (ob ich eine Ohrfeige bekam, weiß ich nicht mehr) und schrie mich an, warum ich weine. Ich wolle bloß die Zwetschendatschi nicht essen, meinte sie. Ein Mädchen an meinem Tisch sagte, dass ich von einer Wespe/Biene gestochen wurde. Da zog sie mich in die Toilette, ich musste meinen Unterarm frei machen, denn der Stich war unter der Achselhöhle. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass es stimmte mit dem Stich, wurde sie etwas kleinlauter und brachte mich an den Tisch zurück. Ich musste weiter essen, keine Entschuldigung oder so.
Ein anderes Mädchen konnte keinen Fisch essen. Nachdem alle fertig waren mit Essen, musste sie vor uns allen den Teller leeressen - und kotzte über den ganzen Tisch! Eine kleine gehässige Genugtuung blieb uns da, denn sie wurde dann tatsächlich vom Tisch entlassen (musste, entgegen anderen Berichten von Verschickungsopfern, ihre Kotze wenigsten nicht ..... und auch nicht selber sauber machen).
Mittags mussten wir schlafen! Ich konnte aber oft nicht richtig schlafen, sondern phantasierte mit offenen Augen vor mich hin. Einmal wurde ich dabei erwischt (ich war aber nur eine von vielen!) und musste vor die Tür stehen, bis die anderen Mädchen mit Schlafen fertig waren und zum Spielen geschickt wurden. Ich musste dann nochmal eine Stunde hinliegen. Das war für mich eine der härtesten Strafen, denn ich konnte und kann auch heute tagsüber nicht schlafen.

Meine Lieblingstante schickte mir einmal ein Päckle mit vielen besonderen Süßigkeiten. Da wir eine große Familie waren (9 Kinder, Vater und Mutter), war ich es gewöhnt zu teilen. Ich hätte garantiert mit meiner Schwester und mit den anderen in meinem Schlafraum geteilt. Aber ich bekam außer dem Brief meiner Tante den gleichen Anteil wie alle anderen, und das war natürlich nicht viel. Es wäre eine für mich außergewöhnliche Situation gewesen, wenn ich mal für mich alleine etwas gehabt hätte. Aber das wurde mir von dem Betreuungspersonal nicht vergönnt.
Es gibt sicher noch einiges, das ich vergessen habe - aus dem Gedächtnis radiert habe. Wenn ich das Gruppenfoto anschaue mit den beiden BRK-Schwestern, sehe ich eine harmonisch lächelnde Freizeitgruppe, die freundlich von den Betreuerinnen umarmt werden. Wie der Schein trügt!
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Daniel schrieb am 23.11.2019
Liebe Kerstin, Danke Dir für die Antwort ! Wahrscheinlich sind wir uns da über den Weg gelaufen. Verrückt, vor 46 Jahren ! Ich war wohl so um Juli/August 73 herum als 5/6-jähriger in Timmendorf. Warum zu dieser Zeit ? Das genaue Datum weiß ich nicht mehr, aber wir haben im nahen Wäldchen bei den organisierten Ausmärschen reife Himbeeren gesammelt und es gab ziemlich viele Weinbergschnecken, was für einen knapp 6-jährigen aus HH schon eine ziemliche Attraktion ist. Klingt erstmal toll, aber man wird unbeteiligten Dritten wohl nie vermitteln können, wie verlassen sich alle Kinder damals fühlten. Elternbesuch gab es nicht. Im Saal, in dem ich damals schlief, standen nach meiner Erinnerung ca. 10-12 einfache Betten für sowohl Mädchen als auch Jungs. Wie ich gesehen habe steht das Haus heute noch und wird auch heute noch für dieselben Zwecke - nur hoffentlich moderner - genutzt. Ich könnte wahrscheinlich heute noch auf den Platz zeigen, wo mein Bett stand. Mensch, ich könnte noch einiges erzählen. Bis zu den aktuellen Berichten war das bei mir alles längst beerdigt.
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May-Britt schrieb am 23.11.2019
Ich war ca. 1969 mit 5 Jahren in Muggendorf. Ich habe nur wenige Erinnerungen. Meine Mutter hatte in alle meine Kleidungsstücke meinen Namen eingenäht. Kontakt mit meinen Eltern gab es während des Aufenthaltes nicht, man hatte sie wohl aufgefordert, den Kontakt zu unterlassen, damit ich kein Heimweh bekäme. Einmal kam eine Postkarte und einmal ein Päckchen, dessen Inhalt ich aber abgeben musste. Eine Situation ist mir aber bis heute in Erinnerung geblieben. Ich musste etwas aufessen, obwohl mir schon schlecht war. Anschließend im Bett musste ich mich übergeben, wofür ich nichts konnte. Zur Strafe musste ich die Nacht alleine auf dem Dachboden verbringen. Als Kind habe ich das irgendwie verarbeitet, denn die Erziehungsmethoden waren ja allgemein üblich. Durch das Buch „geprügelte Generation“ bin ich darauf aufmerksam geworden, wie verbreitet diese Methoden, die ich ja selber zu Hause auch erlebt hatte, waren und erst in den letzten Jahren ist mir in Gesprächen klar geworden, dass viele Kinder meiner Generation in solchen „Kuren“ ähnlich üble Erfahrungen gemacht haben. Gut, wenn das mal an die Öffentlichkeit kommt.
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Romana Klein schrieb am 23.11.2019
Kleine Ergänzung zu meinem gestrigen Eintrag, nachdem ich noch meine alte Post an meine Mutter aus dem Heim gefunden habe und ein paar Bilder: Sommer 1979, Katholisches Kindererholungsheim Haus Nordmark, Träger Caritas Verband,, Bismarckstraße 17 in Westerland/ Sylt, Gruppenleiterin Frau Kwoll, das Äffchen hieß Fiffi... . Erschütternd: in einem Brief an meine Mutter hat Frau Kwoll genau wie schon so oft hier beschrieben, mit hinzugefügt: „Romana geht es gut, sie hat sich sehr gut eingelebt, sie hat noch ab und zu mal Heimweh...“ So falsch, so gelogen! Bin ganz schön aufgewühlt, ich bin aber auch sehr dankbar, endlich hat diese Sache einen Namen! Misshandlung und Demütigung, und so kann ich mich jetzt auf einen Weg der Klarheit begeben. So vieles fügt sich jetzt, mein Bild komplettiert sich. Und etwas Gutes konnte ich auch feststellen: In gewisser Weise war ich nicht ohnmächtig, sondern ich hatte zumindest die Idee, zu handeln, in dem ich mir überlegte, die Kasse mit meiner Freundin zu stehlen, um von dem Geld für uns beide Zugtickets nach Hause zu kaufen. Okay, wir haben diese Kasse nicht gefunden, aber wir waren auch nicht starr vor Ohnmacht. Dennoch, unterm Strich bleibt es eine riesige Sauerei mit verherrenden Folgen, und es bleibt verwirrend... mal sehen, ob ich ohne professionelle Hilfe auskomme.
Danke an ALLE, die sich hier reinhängen! Das ist so wichtig!
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Sabine schrieb am 23.11.2019
Hallo zusammen,
ich war ca. 1974 gemeinsam mit meinem Bruder für 6 Wochen auf Borkum. Ich glaube, es war das Haus Concordia.
Vieles was ich hier lese ist uns und den anderen Kindern auch geschehen. Mein schlimmstes Erlebnis: Ein mit einer Zwangsjacke ans Bett gefesseltes Kind. In einem seperaten Raum. Warum, wie lange usw., daran kann ich mich nicht erinnern. ???
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Tina schrieb am 23.11.2019
Ich bin fassungslos über diese Aussage. Wie kann man nur so dreist sein? Bis zu diesem Tag der Verschickung war meine Welt in Ordnung und nach 6 Wochen Qualen war nichts mehr, wie vorher. 6 Wochen Alptraum!!! Und 30 Jahre danach sind die Erinnerungen und das Verdrängte noch präsent. Und da maßt sich jemand an zu behaupten es in Frage zu stellen, dass bei psychische und körperliche Gewalt gegen Kinder kein Aufarbeitungsbedarf besteht?! Unglaublich diese Aussage!!!!!!
Ebenso zu behaupten, dass die Kinder aus Elternhäusern kamen, wo seelische und körperliche Misshandlungen an der Tagesordnung waren( wobei gerade diese Kinder ein Recht auf therapeutische Hilfe und liebevolle Unterstützung haben!).
Woher möchten Sie das bitte wissen?
Zu meiner Schulzeit gab es keine Rohrstockschläge mehr durch Lehrer- und auch diese Kinder,welche Gewalt durch Lehrer erleben mussten, haben das Recht der Aufarbeitung. Ebenso Kinder durch Mobbing, Misshandlungen, etc. dieses Recht haben.
Da kann man sich doch nicht hinstellen und behaupten- aber diese "Verschickungskinder" brauchen keine Aufarbeitung. Ich verstehe den Unterschied nicht? Seelische und körperliche Gewalt gegen Kinder( egal wo oder in welcher Hinsicht) Bedarf immer Aufarbeitungsbedarf.
Sind Sie lieber froh darüber, nicht solch ein Leid durchlebt zu haben.
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Barbara schrieb am 23.11.2019
Auch ich habe solche Erfahrungen gemacht. Das war im Frühjahr 1972 in Badenweiler (Südschwarzwald). Ich war dort kurz vor meiner Einschulung und während meines 6. Geburtstags zu einer sechswöchigen "Kur", um mich fit für die Schule zu machen. Ich war untergewichtig und schmächtig und sehr schüchtern.
Im "Erholungsheim" der Diakonie bekam ich im Schlafsaal ein vergittertes Kleinkinderbett zugewiesen, weil ich da noch reinpasste. Das war ich nicht gewohnt und das engte mich sehr ein. Oft lag ich nachts wach und konnte nicht einschlafen wegen der eingeschränkten Bewegungsfreiheit.
Zum Aufpäppeln musste ich - was mich total ekelte - heiße Schokolade zum Wurstbrot trinken. Nachts musste ich mich übergeben, weil ich diese Kombination nicht vertragen habe. Nur: ich kam nicht aus meinem vergitterten Bett raus und habe mich im Bett übergeben. Da musste ich dann liegen bleiben, damit nur ja die anderen im Schlafsaal nicht geweckt werden. Ich habe kein Auge zugemacht und auch danach wollte ich nur noch raus aus diesem Bett. Ging aber nicht. Ich lag an der Durchgangstür zum benachbarten Schlafsaal und hatte in einer Nacht mal leise flüsternd mit dem Kind im Nachbarraum gesprochen. Dazu stand ich im Gitterbett und habe mich weit rüber gelehnt, um ganz leise zu sein. Da kam plötzlich von hinten eine Hand und griff in meine Haar und zerrte mich ins Bett zurück. Ganz leise hatte sich die wachsame "Tante" von hinten angeschlichen und mir den Schrecken meines Lebens eingejagt!
Während der täglichen Gymnastikübungen habe ich Nasenbluten bekommen. Das war während der Wachstumsschüben bei mir normal. Nicht normal war, dass ich den Saal nicht verlassen durfte, um die Blutzung zu stillen. Ich konnte damals schon gut damit umgehen und wusste, was zu tun ist, aber ich durfte nicht. Zur "Strafe" musste ich den Rest der Woche mit dem blutverschmierten Pullover rumlaufen, obwohl genügend frische Wäsche für mich eingepackt worden war.
Üblich war, dass wir einmal in der Woche im Waschraum nackt Schlange stehen mussten und von den "Tanten" mal kurz abgeduscht wurden. Es war kalt und ring auch recht ruppig zu.
Es gab allerdings auch die "schöneren" Momente, wenn wir als Gute-Nacht-Geschichte "Die kleine Hexe" vorgelesen bekamen. Wir haben auch mit Klötzchen Figuren für den Dominoeffekt gelegt. Das hat dann mal Spaß gemacht und wir wurden immer kreativer.
Trotzdem überwog die permamente Einschüchterung, Zwangsmaßnahmen und Strafen für alles mögliche. Als ich wieder zu Hause war, wollte meine Familie nochmals mit mir dorthin fahren, damit ich ihnen alles zeige. Ich war total verstört. Bis heute ist Badenweiler für mich mit diesen Erinnerungen verbunden.
Die "Kur" hatte nicht den gewünschten Erfolg eingebracht: weder hatte ich zugenommen, noch war ich "aufgeweckter" - im Gegenteil: Ich hatte weiter abgenommen und war verschreckter und ängstlicher als zuvor. Zu Ostern, nach meiner Rückkehr hatte ich ein Paar Rollschuhe geschenkt bekommen. Als ich mir die Strumpfhose beim Spielen aufriss, habe ich mich fast nicht nach Hause getraut. Denn im Heim hätte das üble Folgen gehabt. Erst dann haben meine Eltern begriffen, dass die schönen Karten, die sie "von mir" bekommen hatten, nicht mit der erlebten Realität übereinstimmten - zu spät.
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Ralf Mamerow schrieb am 23.11.2019
Moin, ich bin Jahrgang 1955 und war, soweit ich es nachvollziehen kann, 1961 in einem Kinderheim in Grömitz, Ich meine erinnern zu können, dass das Heim Seestern hieß. Verschickt wurde ich, weil aufgepäppelt werden sollte. Ich war zu dünn.
An den Aufenthalt kann ich mich kaum noch erinnern. Habe ich wohl verdrängt.
An zwei Dinge kann ich mich aber gut erinnern. Ich wurde über einen Zeitraum von zwei oder drei Stunden unter Schlägen in den Nacken und gegen den Kopf, gezwungen, meinen Teller mit Fisch und Kartoffelsalat zu leeren. Jedem Bissen folgte ein heftiges würgen. Ob ich mich auch erbrochen habe, weiß ich nicht mehr.
Nach diesem Tag wurde ich krank, bekam Fieber und kam nicht mehr aus dem Bett heraus. Meine Mutter musste mich vorzeitig aus dem Heim abholen. Ich weiß nicht mehr, ob ich meinen Eltern von diesem für mich schrecklichen Erlebnis erzählt habe. Fragen kann ich sie nicht mehr.
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ute Schroeter-Bongaerts schrieb am 23.11.2019
Hi, ich bin die Ute, die 1958 zur Erholung nach diversen Kinderkrankheiten mit 5 Jahren allein nach Borkum in das Heim MÖWENNEST verschickt wurde. Im Winter 1958 und über meinen Geburtstag am 15.2. Dieser Aufenthalt hat mich anfangs unbewusst, später bewusst mein Leben lang traumatisiert. Dort holte ich mir die Grundlage für meine späteren Blaseninfektionen und heutige Nierenerkrankung. Mit 5 Jahren nächtelang barfuß auf dem kalten Steinfußboden auf dem Flur stehen zu müssen, weil beim "Schlaftest" angeblich festgestellt wurde, dass ich nur so tat als ob ich schliefe...….Es folgten Blasenerkältungen mit Bettnässen und anschließendem Bloßstellen mit Herumtragen und Demonstrieren der nassen Schlafanzughose.Die Zeit war geprägt von Angst, was sich in meinem späten Leben als Angst- und Panikerkrankung manifestierte.
Ich wurde gezwungen trotz Panik und Atemnot die "angemessene " zeit in einer verriegelten Sauna zu verbringen trotz Weinens. Geblieben ist mir davon mit 67 J. heute eine Panik vor jeglicher Form von geschlossenen Räumen besonders im Sommer. Ich kann Sommer nur mit Klimaanlage verbringen und gehe bei Temperaturen ab 26 Grad nicht ins Freie. Meine therapeutische Aufarbeitung ergab, dass die Wurzeln hierfür in dem Heimaufenthalt im Möwenheim liegen. Es gäbe noch eine Menge von schlechten Erinnerungen zu schildern. Für heute reicht es.
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Christiane schrieb am 23.11.2019
Ich hab' wohl viel verdrängt von den 6 Wochen Kinderheim Marianne in Obermaiselstein, Allgäu, aber einiges kann ich gar nicht vergessen. Ich kann seitdem (1962- ich war fast 6) keinen Rotkohl mehr essen, denn der gehörte zur Abteilung Erbrochenens, das man erneut essen musste. Alle Süßigkeiten, die meine Eltern zur Weihnachtszeit speziell für mich ausgesucht und geschickt hatten, kamen gar nicht erst zu mir durch (meine Mutter erzählte später, wie liebevoll sie Teil für Teil ausgesucht hatte). Die Tanten schrieben dann Briefe nach Hause und erzählten, wie wohl ich mich fühlte, dass alles wunderbar sei. Ich habe viel geweint, das weiß ich noch, und als ich nach Hause kam und vom Bahnhof abgeholt wurde, habe ich total gefremdelt und eine Zeitlang kaum gesprochen und niemandem getraut. Bei uns zuhause ging es immer sehr herzlich zu, daher war das damals für alle erschreckend.
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N. Becker schrieb am 23.11.2019
Ich bin als Begleitung für meinen Bruder Anfang der 70er für 6 Wochen in den Taunus verschickt worden. Das Erbrochene essen zu müssen kann ich voll bestätigen. Dazu die Mittagspause von 2 Stunden, in der wir im Bett liegen mussten und nicht zur Toilette durften. Und die Nächte waren besonders schlimm. Auch hier durften wir nicht zur Toilette. Außerdem waren die alten Metallbetten bei jeder Bewegung so laut, dass die Nachtwache, die auf dem Gang patrouillierte, bei stets offenen Türen jedes Quietschen mitbekam. Wenn man nun zu laut war oder trotz des Verbotes zur Toilette ging, musste man den Rest der Nacht auf dem kalten Flur mit dem Gesicht zur Wand in einer Ecke stehen.
Auch die Prügeleien unter den Kindern wurden nicht unterbunden. Die Heimfahrt in den Zügen war auch schlimm, weil ich
keine Kontrolle mehr über meine Blase hatte. Mein Bruder hat in dieser Zeit besonders gelitten, weil er insgesamt nicht so robust war wie ich. Mit Folgen für sein Leben bis heute.
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Heidi Wolter schrieb am 23.11.2019
Ich heisse Heidi, Jahrgang 1960. Ich weiss nicht mehr genau, ob es jeden Sommer oder alle 2Jahre hieß, am Hamburger Dammtor Bahnhof mit Namensschild um Hals und hunderten von Kindern( so kam es mir damals vor) auf die "Verschickung" zu warten. Ich war bei der ersten 4Jahre alt und bis zum 12. wiederholte sich dieses grauenhafte Bild zigfach. Es ging jedesmal über die LVA nach Westerland. Meine Brüder mussten auch fahren,später auch meine kleine Schwester.....so hatten meine Eltern (???) 6 Wochen Ruhe Zuhause ?....so sehe ich das heute.Meine Brüder sind nur ein Lebensjahr auseinander und durften immer zusammen bleiben.Meine Schwester ist 4 Jahre jünger....ich habe meine Geschwister diese 6 Wochen nur bei der An-und Abfahrt sehen dürfen. Vieles habe ich verdrängt...? Dies hier ist grad irgendwie schwer und unangenehme, schmerzhafte Bilder tauchen auf. Ich habe es nie wieder geschafft, auf diese Insel zu fahren und wenn ich an meine Tochter in dem Alter denke oder meine Enkel sehe,muss schon die 6wöchige Verschickung und Trennung vom gewohnten Lebensumfeld damals unerträglich gewesen sein. Von den Umständen in den Heimen ganz zu schweigen. Ich hatte eine sehr strenge Kindheit und war sicher einiges gewohnt, aber nach Westerland verschickt zu werden, bedeutete, 6Wochen bestraft zu werden...... wofür, habe ich nie verstanden?Mein Teddy hat bis heute ein kleines Schild mit meinen Initialen auf dem Bauch.
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Uwe Schmauder schrieb am 23.11.2019
Nächste, Mitmenschen,
so ca. mitte der 60er war ich im Erholungsheim Bad Sachsa da wo wohl die Kinder der AntifaschistInnen inhaftiert worden waren.
Es war für mich emotional furchtbar !!!
Kotze fraß ich vergefreiwilligt.
Ich war dort täglich seelisch verängstigt.
Einmal spürte das ein auch dort einsitzender Junge und sprang mich am Oberkörper an um mich niederzuringen wovon ich in der unteren Wirbelsäule geschwächt schmerzhaft zusammensackte und das als Schwächling zu verbergen übte.
Glaub, es war wie ein Banscheibenvorfall.
Ich hatte unten doch Morbus Scheuermann.
Dort sollte ich zu essen lernen wie ein Vieh.
Gruß Euch.
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Christel Pink schrieb am 23.11.2019
Hallo, bin zufällig auf das Thema gestoßen dass mich auch betrifft. Ich bin Jahrgang 1954 und war wegen einer Tuberkuloseerkrankung vor meiner Einschulung 3 Mal in sogenannten Erholungsheimen, zweimal im Schwarzwald und einmal am Bodensee. Man wurde als Kind von 4 Jahren alleine ohne Eltern mit anderen Kindern in den Zug gesetzt und los ging es. Meine Art damit umzugehen war eine Schockstarre und ein renitentes Verhalten gegenüber den Betreuern. Schlimm war die Unterbringung in riesigen Schlafsälen, militärischer Drill und auch Strafen wenn man diesen nicht so mitmachte. Was ich auch noch gut in Erinnerung habe,dass die katholischen Kinder bevorzugt behandelt wurden. Jeden Tag gab es Lebertran,eine furchtbare Sache ,ich weigerte mich und würde bestraft,ich bekam Hausarrest. Ich sollte zunehmen, doch ich kam immer mit Untergewicht aus den Kuren zurück. Beim letzten Mal fragte ich meine Mutter dann ,warum schickst du mich immer weg hast du mich nicht lieb. Sie erzählte mir später,dass sie danach zuhause fürchterlich geweint hat. Ab diesem Zeitpunkt musste ich nicht mehr in Kur. Die Problematik die durch diese Traumas entstand sind vielfältig: ich bin ein sehr misstrauischer Mensch, fahre nicht gerne in Urlaub weil ich dann mein Zuhause verlassen muss, bin auch sehr introvertiert und kann Gefühle nur sehr schlecht zeigen.
Vielmehr bin ich ziemlich pragmatisch in diesen Dingen und habe das auch teilweise an meine Kinder weitergegeben. Wenn ein Kind in diesem Alter diese Erlebnisse hat verliert es sein Urvertrauen und der Schaden ist nicht mehr zu reparieren. So habe ich durch diese Erfahrung schon früh gelernt mich zu behaupten und bin immer kampfbereit durchs Leben, dass aufgrund dieser frühkindlichen Erfahrung und noch anderer negativen Erfahrungen nicht immer leicht war. Ich habe jedoch durch meine Ehe und meine 3 Kinder die Sonnenseite des Lebens erlangt und habe die Devise,schau nach vorn und nicht zurück denn das bringt dir dann auch Glück.
Meine Eltern wollten nur das Beste für mich und daher mache ich Ihnen auch keine Vorwürfe.
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Nicole schrieb am 22.11.2019
Gerade erst in der Tageszeitung hier in Süddeutschland auf das Thema aufmerksam geworden. Auch ich war betroffen, Jahrgang 1968 schicke man mich wegen chronischer Bronchitis, schlechtem Eisenwert vor der Einschulung im Frühjahr 1974 für 6 Wochen auf die Insel Sylt, Kinderheim in Wenningstedt Braderup. Auch dort gab es die erzwungene Regel der Mittagsruhe in der man nicht auf die Toilette durfte. Ich erinnere mich dass ich einmal so sehr auf die Toilette musste, der Weg zu den Toiletten aber überwacht wurde und ich mir somit behalf indem ich in einem an den Schlafsaal angrenzenden Waschraum ins Waschbecken pinkelte. Ich wurde in meiner Not erwischt. Mir wurde vermittelt dass ich darüber stille zu schweigen hätte "und wenn es heraus käme" meine Eltern davon erfuhren, dass ich etwas Verbotenes gemacht hatte und bestraft würde. Ich erinnere mich auch an den Begriff "Tanten".
Mindestens genauso aber erinnere ich mich wie die Ankunft zurück zuhause am Bahnhof war. Ich rannte meinen Eltern in die Arme, weinend und sagte "Gell Mama, jetzt muss ich nie wieder weg" - Meine Mutter hat meine Erzählung schon oft gehört und fühlt sich immer sehr schlecht dabei. "Das habe man damals halt so gemacht...das haben alle so gemacht."

Ich selbst war mit meinem damals 9-jährigen Sohn vor Jahren in der Mutter Kind Kur. Wir hatten so eine gute Zeit zusammen und kamen gestärkt und erholt zurück.
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Brennecke käte schrieb am 22.11.2019
Ich war im winter 1955 als 6-jährige in Bad Rothenfelde zur "Mastkur". Ein heim des roten kreuzes. auch ich durfte Erbrochenes so lange essen, bis der Teller leer war. als ich dann auch noch krank wurde, riss man mich wutschnaubend aus dem Bett, das gesamte Bettzeug wurde entfernt und ich wurde nackt wieder auf die Matratze gelegt. ich habe die ganze Nacht geweint und fürchterlich gefroren. ich kam mir so verlassen vor, so fürchterlich verlassen!!! am nächsten Tag musste ich fiebrig, nur mit unterwäsche bekleidet in einem Vorraum, der ganz kalt war, den halben Tag in der Ecke stehen und mich "schämen". Als mir vom fieber immer wieder die Beine weg gingen, wurde ich jedesmal fürchterlich geschlagen. mittags dann wieder die gleiche Prozedur mit dem erbrochenen - nachmittags wieder in der Ecke stehen. es gab noch andere diverse Erlebnisse in diesem Heim, aber das war so das schlimmste. Dort habe ich begonnen, meine nägel abzunagen. Auch habe ich mich ab meinem 20. Lebensjahr immer, wenn ich alleine war, betrunken. um vom Alkohol herunterzukommen, habe ich dann mit 25 Jahren eine Therapie begonnen und es ist mir dadurch gelungen, diese sucht zu besiegen. aber noch heute kann ich mit dem Alleinsein nicht besonders gut umgehen.
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Daniel schrieb am 22.11.2019
Dies ist für mich eine unglaubliche Rückreise und eine Offenbarung in den Teil meiner Kindheit, den ich sicher vergraben glaubte. Mit knapp 6 Jahren wurde ich ( Jg. 1967 ) 1973 von meiner Mutter 1 Jahr vor meiner Einschulung in die Grundschule für 8 Wochen von HH nach Timmendorf ( nicht Niendorf ! ) an die Ostsee verschickt. Bei Ankunft im Essraum traf ich bei Kakao mit Haut zuerst auf meine in etwa gleichaltrigen, auch so verteufelt jungen Leidensgenossen. Einige von ihnen heulten wie die Schlosshunde, andere nicht. Wir machten uns schnell miteinander bekannt. Das Heimweh aller Kinder verging die ganzen 8 Wochen nicht. An die Erzieherinnen habe ich kaum Erinnerungen, bis darauf, dass eine von ihnen uns vor dem Einschlafen im gemischten Schlafsaal mit "Drei Chinesen mit dem Kontrabass" zum Singen zu animieren versuchte. Irgend jemand hat im Schlafsaal neben mir ständig in sein Bett genässt. Die weitere Kur bestand aus Ausmärschen entweder zum Strand, in den Ort oder in ein nahes Wäldchen in militärisch geordneten Zweierreihen Hand-in-Hand mit dem Absingen von Liedern, bei denen sich meine jungen 6-jährigen Kameraden gegenseitig an den Händen hielten, was gewiss für Umstehende sehr possierlich aussah. Post habe ich selbst kaum bekommen. Ich habe furchtbar an Heimweh gelitten. Damals kamen diese Postkarten mit 3D-Effekt auf, ich erinnere mich dunkel dass ich so eine mal erhielt. Irgendein Tier in einer bunten Umgebung bewegte sich, wenn man die Karte neigte und dann wieder hoch hielt. Ich weiß bis heute übrigens nicht, weshalb ich da in Timmendorf war, ich war weder über- noch untergewichtig noch anderweitig krank. Meine mich allein erziehende Mutter wollte aber wohl nicht, dass meine Großeltern, bei denen ich mich so über alles wohlfühlte, das Zepter der Erziehung übernahmen. Ich wurde viele Jahre später nach dem Abitur übrigens mit der höchsten Tauglichkeitsstufe T1 gemustert und trat als Zeitsoldat vorübergehend in die Marine ein, bei der mich im Kasernenablauf manches an die Erlebnisse des 6-jährigen erinnerte, der ich mal war und der ich irgendwie bis heute auch geblieben bin.
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Cornelia Rietveld schrieb am 22.11.2019
Ich war 1959 6 Jahre alt und kam zur "Erholung" nach Freudenstadt im Schwarzwald. Ich erfuhr quälende Behandlungen, Essen nach Erbrechen, Verbot, nachts aufs WC zu gehen. Der Pisspott war früh übervoll, 12 Kinder und mehr im Schlafsaal. Wäsche wurde nicht gewechselt. Ich wurde sehr krank, Masern und Mumps. Zugeschickte Pakete mit Obst und Kuchen wurden von anderen aufgegessen, Taschengeld durfte ich auf einer Wanderung nicht ausgeben, ich wollte eine kl. Schneekugel kaufen. Ständiges Heimweh, Zwang zu Essen. Diese Erfahrung möchte ich auch weitergeben. Die kalte, lieblose Art der Erzieherinnen hat mich krank werden lassen, Schreiben konnte ich nicht da ich noch nicht in der Schule war.
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Rena Mirbach schrieb am 22.11.2019
Hallo, ich möchte hier meine Erfahrungen mal aus einer anderen Perspektive schildern. Ich war15 Jahre alt und wollte Erzieherin werden. Das Vorpraktikum machte ich 1970 in einem kleinen Kinderkurheim in St. Peter-Ording. Es hieß Kinderheim Frisia. Alle 6 Wochen kamen unsere Kinder in St. Peter am Bahnhof an. Das Haus war auf Kinder aus dem Ruhrgebiet mit asthmatischen Problemen spezialisiert. Die Heimleiterin, Freifrau Mara Storck von Freyhold, damals schon recht betagt, hatte ein besonderes Augenmerk auf die Bettnässer. Kinder, die zu Anfang ins Bett machten wurden daraufhin gegen Mitternacht aus dem Bett geholt, neben einem Wasserhahn auf den Topf gesetzt. Der Wasserhahn wurde aufgedreht, die Hand daruntergehalten bis sich der „Erfolg“ einstellte. Sollte es trotzdem passieren, dass ein Kind einnässte waren wir gezwungen das Kind aus dem Bett zu nehmen und zur Strafe eiskalt abzuduschen. Ein Schock für die Kinder, die sich noch im Halbschlaf befanden. Mir war unwohl dabei, aber ich traute mich nicht mich zu wehren. Zum Glück kam eine Sozialpädagogikpraktikantin zu uns, die sich sofort weigerte diese Praktik auszuführen. Wir solidarisierten uns und traten gemeinsam in den Streik. Mit Erfolg, diese Praktiken wurden sofort abgeschafft. Dieses Erlebnis hat mich für mein weiters Berufsleben nachhaltig geprägt. Ich habe nie wieder Anweisungen von Vorgesetzten ausgeführt bei, die für falsch erachtete.
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Thomas schrieb am 22.11.2019
Die Große Angst kam für mich schon Monate vorher, meine Eltern kündigten an das sie mich in eine Kur schicken werden, wegen meiner Bronchitis außerdem war ich Bettnässer. Zu dieser Zeit war ich als jüngstes Kind noch sehr dicht am Rockzipfel meiner Mutter.
Meine Angst war so groß das ich den Kurantrag aus der Schreibklappe meines Vaters stahl und in einem Sitzkissen versteckte. Mit dem Ergebnis das meine Mutter Ärger von meinem Vater bekam, also lies ich die Unterlagen wieder “auftauchen“.

Ich war noch nie alleine von zuhause weg, der Zeitpunkt der Abreise kam immer näher bis dahin hatte ich bereits sehr viele Angst - Tränen vergossen. Ich werde die meisten Sachen hier nicht wiederholen, es bleibt ein Martyrium das wir erlebt haben.

Es ist alles wirklich geschehen, es sind nicht nur Erinnerungen !

Wie man Kinder dazu zwingen kann sich nachts im Bett nicht zu bewegen ( ich hatte die Erfahrung gemacht wenn ich es getan habe war eine Tante vor Ort, im dunkeln Zimmer, und es gab Ärger, dann erschreckst du dich so sehr das du dich Tod stellst, so liege ich heute noch oft im Halbschlaf nachts im Bett und frage mich immer wieder warum ich nicht einfach zu Klo gehe.) und den Gang zur Toilette zu verwehren. Wenn das Bett nass ist gibt es nachts bei der Kontrolle Ohrfeigen.
Und jeden Morgen mussten Wir Singen : “Danke für jeden Guten Morgen“. Für mich als Kind war das wirklich schrecklich – traurig, heute sage ich das war Folter !!!! - in der Kinderheilstätte - Stieg, der Caritas, in Unteralpfen - Albbruck im Sommer 1978.

Gruß

Thomas
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Heinz-Dieter Scheepers schrieb am 22.11.2019
Ich heiße Dieter Scheepers – bin Jahrgang 1945

Norderney – Vestisches Kinderheim – ca. 1953/4

Da ich als Kind recht dünn war, haben meine Eltern (wahrscheinlich über Zeche Rheinpreußen) einen 6-wöchigen Aufenthalt auf Norderney im Vestischen Kinderheim gebucht. Damals war ich ca. 8 oder 9 Jahre alt (Schätzung). Ich kann mich erinnern, dass meine Mutter mit einem Wäscheschreiber in alle meine Kleidungstücke meinen Namen schrieb bzw. einnähte.

Die Fahrt begann in Duisburg – mit einer riesigen Dampflok. Unterwegs konnte man nicht so viel sehen, weil der Qualm der Lok fast immer die Sicht versperrte. In Norden wurden wir aufs Schiff gebracht – Frisia 4 oder 6.

Wir wurden im Vestischen Kinderheim untergebracht, das von Nonnen geleitet wurde.
Im Vestischen Kinderheim kann ich mich an folgendes erinnern: Es war ein weißes kastenförmiges Gebäude. Innen war eine große Treppe in die oberen Stockwerke.

In den ersten Tagen haben wir nichts zu trinken bekommen, weil die Tanten und Schwestern besorgt waren, dass wir bettnässten. Ich habe damals mit einem anderen Jungen zusammen in einer Toilette aus der hohlen Hand das Spülwasser getrunken.

Beim Essen im Esssaal kann ich mich an eine Situation erinnern: ein Junge hatte sich in den Gang erbrochen. Daraufhin kam eine Schwester – stellte sich neben ihn und zwang ihn, das Erbrochene vom Boden zu verzehren. Ich weiß noch, dass in den Fleischgerichten kleine Stücke wie Gummi waren (wahrscheinlich Darmstücke) – widerlich. Der Pudding hatte eine dicke feste Oberhaut, die ich nur widerwillig hinunterbekam. Auch wurden Kinder zum Essen gezwungen – ich hatte etwas Glück, weil einige Speisen, die ich nicht mochte, mein Nachbar heimlich (es war streng verboten) nahm.

Wir schliefen alle in einem großen (für Kinder bleibt alles groß in Erinnerung) Schlafsaal, in dem regelmäßig der Lichtstrahl des Leuchtturms fiel. An bestimmten Tagen durften/mussten die katholischen Kinder in die Kapelle, die am anderen Ende des Gangs zum Schlafsaal lag. Wir, die evangelischen mussten aber ins Bett – hörten Teile des Gottesdienstes und rochen den Weihrauch bis in den Schlafsaal. Am Eingang stand eine Nonne und wachte über uns. Wenn dann unter den Kindern Gespräche begannen (es war schließlich noch früh und fast hell), kam die sie mit einem Holzstück (Rand einer Schiefertafel) und ging von Bett zu Bett und verprügelte jeden, egal ob er schon schlief oder wach war.

An die Toilettengänge kann ich mich noch gut erinnern: Am Eingang zum Toilettenraum saß eine Schwester, die jedem Kind ca. 2 – 3 Blatt kleingeschnittenes Zeitungspapier als Toilettenpapier gab . Nachfragen nach weiteren Blätter wurden stets barsch abgelehnt. Dazu ist wohl nicht mehr zu sagen?!

Es gibt auch schöne Erinnerungen: Wanderungen am Strand (dies mit jungen und freundlichen 'Tanten') – Muschelsuchen. Besuch des Wellenbades. Dort hatte ich mir aber ein Ekzem am Fuß zugezogen. Die Zehen nässten, juckten und die Haut ging ab.
Daraufhin wurde ich zur Krankenschwester geschickt – Den Namen werde ich nicht vergessen: Schwester Aloysia. Sie kochte Wasser und schüttete es in eine kleine Wanne, verrührte dann Schmierseife darin. Dann drückte sie meine Füße in das wirklich heiße Bad. Mein Schreien hat man bis unten gehört, wie mir ein anderer Junge sagte.

Diese Behandlung wurde mehrfach vorgenommen. Nach einer dieser Behandlungen sagte Schwester Aloysia – es war wenige Tage vor der Abreise – dass die Behandlung jetzt abgeschlossen sei und ich nicht wiederzukommen brauche. Tatsächlich war es aber nicht besser geworden. Ich lief nur noch auf den Hacken, weil das normale Laufen so weh tat. Eine von den wenigen jungen Frauen, die uns beim Spielen etc. beaufsichtigten nahm sich meiner an. Als sie meine Füße sah, ging sie zur Schwester Aloysia und bat sie, doch eine weitere Behandlung vorzunehmen. Die Schwester aber sagte: Dieter ist gestern nicht zu Behandlung gekommen – ich behandele ihn nicht mehr! Ich verstand die Welt nicht mehr.
Dann kam die Abreise. Wieder Frisia und Dampflok. In Duisburg angekommen (im Abteil des Zugschaffners) und Ansage am Bahnhof: Kind Dieter Scheepers – aussteigen!
Am Bahnhof warteten meine Eltern (und ich glaube auch meine Schwestern). Als meine Mutter mich auf Hacken ankommen sah, war ihre erste Frage: was ist los?

Zuhause haben mich meine Eltern dann zu einen Arzt gebracht: rohes Fleisch an den Zehen!
Der Arzt schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte (das weiß ich noch ganz genau): Da darf absolut kein Wasser dran, schon gar nicht heißes mit Schmierseife. Ich bekam Puder und Verbände und nach einiger Zeit waren die Füße dann auch verheilt.

Mir blieb eine besondere Erinnerung: Schwestern musst du meiden, die sind böse, bezichtigen dich der Lüge und sind nicht freundlich – fröhlich. Diese Einstellung konnte ich erst als junger Mann im Krankenhaus in Bremen korrigieren – dort war eine Nonne - immer fröhlich und hilfsbereit. Hat mir Briefmarken vom Professor besorgt und auch schon mal eine Flasche Bier rangeschmuggelt.
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Frank schrieb am 22.11.2019
Ich bin Jahrgang 1963. Wann es genau war, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich war aber sicher nicht älter als fünf, eher jünger. Weil ich häufig krank war wurde ich zu Kinderkur nach Bayrisch Gmain zur Kinderheilstätte Sonnleiten geschickt.

Das Heim wurde von "kirchlichen Schwestern" geleitet. Viele der in andren Berichten geschilderten Erlebnisse kann ich für dieses Heim auch bestätigen. Aus heutiger Erinnerung besonders bedrückend empfand ich die Hilflosigkeit gegenüber den Schwestern und auch gegenüber älteren Kindern. Es gab falsche Anschuldigungen und daraus folgende Bestrafungen. Gegen Quälereien (heute würde man Mobbing sagen) der Älteren gab es keine Unterstützung, im Gegenteil.

Habe beim Surfen heute Abend schon mehrere Berichte über dieses Heim gelesen. Es muss dort Methode gewesen sein und nicht die Fantasie eine kleinen Kindes.

Auch von meiner Seite Dank dafür, dass dieses Thema aufgegriffen wird.
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Gabriele L.-Andresen schrieb am 22.11.2019
Hallo, ich heiße Gabi Andresen, bin Jahrgang 1958 und kam im Januar/ Februar 1964 (also mit 5 1/2 Jahren) nach Wyk auf Föhr in das Kinderheim "Marienhof" in die Gruppe XI. Warum ich das so genau weiß? Ich besitze noch eine Postkarte, die meine Mutter mir dorthin schrieb. Der Grund für die Verschickung war, dass ich zu wenig aß, Kindergärtnerin und Arzt empfahlen diese Kur. Wir fuhren per Bahn ab Flensburg (man hatte uns Karten um den Hals gehängt, auf denen unsere Personalien vermerkt waren). In Niebüll hieß es umsteigen, einige von uns gingen kurzzeitig verloren. Dann ging's aufs Schiff. Im Heim Marienhof angekommen, mussten wir in einem langen Flur warten. Man sprach von einer Aufenthaltsdauer von 6 Wochen. Da ich mir darunter nichts vorstellen konnte, dachte ich mir einen Zeitraum von 6 Tagen, und das wäre dann ja nicht so schlimm. Einige Kinder weinten. Ich erinnere mich an eine Toilette im Flur (war es die einzige?), einen Waschraum (ein anderes Kind hatte mir gleich zu Beginn meinen Waschlappen wegggenommen), einen Tagesraum mit großen Fenstern, vor denen manchmal die Gardinen vorgezogen waren. Eine Treppe führte in den Keller. Hier standen unsere Winterschuhe, vielleicht war dort auch die Garderobe. 3-mal am Tag hieß es anziehen und an der Nordsee spazieren gehen. (Einmal war dort ein Wal angespült worden).
Im Tagesraum wurde gegessen, häufig gab es Suppe (Schokoladensuppe). Mehrmals wurden wir gewogen. Nachmittags wurde manchmal etwas vorgelesen. Im 1. Stock lagen die Schlafsäle.
In meinem Schlafsaal befanden sich ca. 15 Betten. Es wurde täglich Mittagsschlaf gehalten.
Während dieser Zeit und natürlich auch nachts musste man ganz still sein und durfte sich kaum bewegen. Die Strafe: lauten Kindern wurde ein Pflaster auf den Mund geklebt, unruhige Kinder wurden mit Bändern ans Bett gefesselt. Ob auch geschlagen wurde, weiß ich nicht. Die "Tante", die mich betreute hieß "Tante Ingke". Sie berichtete den Eltern schriftlich über das Verhalten und den Entwicklungsstand der Kinder. Meine Mutter war insofern der Meinung, dass es mir dort gut gefiele. Ich erhielt im Heim 2 Postkarten meiner Mutter, die vor der ganzen Gruppe laut vorgelesen wurden. Nur eine Karte erhielt ich bei der Abreise ausgehändigt. In Flensburg angekommen, mussten wir Kinder noch sehr lange im Wartesaal des Bahnhofes warten, weil die Eltern nicht über unsere Ankunftszeit informiert worden waren. Zuhause berichtete ich meiner Mutter über die Zustände im Heim, was zunächst ungläubig aufgenommen wurde. Als jedoch mein Koffer mit der teilweise stark verschmutzten Unterwäsche eintraf, waren meine Eltern doch etwas skeptisch geworden. Übrigens wurde bei der ärztlichen Nachuntersuchung festgestellt, dass ich weder zu- noch abgenommen hatte. - Die Tatsache, dass ich mich noch so genau an diesen Heimaufenthalt erinnere, zeigt doch, wie stark die Eindrücke waren, die die Kinder in dieser Zeit verarbeiten mussten.
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TinaT schrieb am 22.11.2019
Hallo.
Heute habe ich bei der Autofahrt vom Kongress an diesem Wochenende erfahren - ja mehr noch - davon dass es offensichtlich anderen so ging wie mir!
Ich habe hier eine Originaldokumentation über meine "ERFOLGE" von der AOK liegen - 0,7 Kilo Gewichtszunahme...von 1981. Ein Jahr vorher war ich aber auch dort, also 1980, jeweils für 6 Wochen, im Kinderkurheim Marienhof...
1. Aufenthalt 1980, ich 6 Jahre alt:
6 Bettzimmer, Jumgs und Mädels gemischt. Ein Junge, ein etwas dunkelhäutigerer Lockenkopf, hatte es irgendwie auf mich abgesehen. Das Spiel ging dann folgendermaßen:
Heiratest Du mich? Ich: nein! Daraufhin rollte er den über Tage getrockneten Kot, der nicht aus seinem Bett entfernt wurde, zwischen den Fingern und bewarf mich und mein Bett damit. Solange, bis mein Ekel mich rufen lies: Ja, ich heirate dich...Dummerweise musste ich das Ganze aufgrund meiner Ehrlichkeit kurze Zeit später wieder zurücknehmen, und wurde wieder mit Scheiße beworfen..Ich habe mich furchtbar geekelt, das Bett wurde tagelang nicht gesäubert, die Prozedur wiederholte sich Abend für Abend.
Traurig war das Abschlussfest, Mannschaften mussten gegeneinander antreten, ich war bei den Losern, die im Seilziehen etc. versagten. Während die Gewinner große Naschitüten bekamen gingen wir leer aus, zumindest erinnere ich das so, was auch zu meiner Erinnerung beim 2. Aufenthalt passt...
2. Aufenthalt
Jede Nacht falle ich aus dem Bett, es tut furchtbar weh, jedesmal der Solarpklexus, Es gibt am Bett keine seitliche Begrenzung dieses Mal, ich weiß nicht, ob ich damals um Hilfe bat...wohl eher nicht: Ich erinnere mich den Aufseherinnen gegenüber stumm, gehorsam und ängstlich.
Beim Essen im großen Saal komme ich endlich auf den Trick, mir die Nase dabei zuzuhalten, weil ich mich so geekelt habe. Ich war eine schwierige Esserin... umso glücklicher war ich nun, mit dem Nasezuhalten alles runterwürgen zu können, auch den penetranten, verhassten Nachschlag. Als die Aufsivht das sah, wurde ich vor den gefühlten 300 Kindern mittig in den großen Saal gesetzt. Sie nannten ihn den Katzentisch (ich weiß nicht, wie viele Kinder es waren, gefühlt waren es viele!)Dort durfte ich dann alleine hocken und meinen Teller leeren...
Zum Glück bekam ich Mumps. Auf der Krankenstation war ich diverser Drangsal nimmer ausgesetzt, und bekam zum Abschiedsfest ganz automatisch eine Naschitüte - ich weiß noch, wie ich mich gefreut habe, mich nicht wieder messen zu müssen, wieder leer ausgehen zu müssen.

Wahrscheinlich hasse ich seit dem jegliche Art von Wettstreit,
Ich habe mich im KKHMarienhof furchtbar einsam und verloren gefühlt, und habe viel geweint. Mit Erholung hatte das wohl nichts zu tun, und das im Jahre 1980 / 81....
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Joerg Lanker schrieb am 22.11.2019
Hallo mein Name ist Jörg, und ich war mit ca. 4 Jahren in Feldberg. Sie nahmen mir meine ganzen Persönlichen Sachen ab, ich bekam ein Gitter bett und schlief oben....wenn man denn schlief...keiner von uns kindern wusste was schreckliches auf ein zu kam... Im Schlafsaal wurde viel geweint...und ich weiß endlich warum ich kinder nicht weinen hören kann... ich habe alles verdrängt... doch dank das Anja es in das Leben gerufen hat...bin ich mir nun sicher woher meine ganzen Lebens leiden kommen. Wir wurden gedemütigt...durften untereinander keine Freundschaften aufbauen und nicht reden...ganz besonders beim Essen in einem großen Saal war es Totenstill... denn wer was sagte musste sich ohne zu Essen in die Ecke setzen... andere Kinder erbrachen in Ihrem Essen und wurden gezwungen dieses wider zu Essen... und das alles in dem Alter...was hat man uns angetan... Nachts herrschte ein generelles Toiletten verbot, aber wer aus der reihe Tanzte durfte gar nicht mehr auf Toilette...Es sind mehr als diese dinge vorgefallen, die mein Leben bis heute umlebbar machen!!! Ich bin Bettnässer bis 20 Gewesen, ich habe 15 Jahre erfolglose Psychotherapie hinter mir und von Depressionen und sogar Suizid ganz zu Schweigen... die Ständigen Ängste vor irgendwas was du nicht weißt und nicht für dich greifen kannst, Quälen sich mit dir durch das Leben. An eine Beziehung ist auch gar nicht zu denken, ich versuche es immer wider, aber leider kann ich kein vertrauen zu Menschen aufbauen... immer wider bin ich zum scheitern gezwungen worden. Durch dieses alles das was dich mit 4 Jahren geprägt hat. Ich habe weder eine Kindheit noch ein heranwachsen gehabt... das Leben was ich heute für, ist für mich ein gerade mal erträgliches Dasein... Ich habe mich immer gefragt was macht andere Menschen so glücklich..,. nun habe ich die Antwort... Sie haben das nicht erlebt. Was haben Sie all diesen kleinen Seelen angetan... Ich hoffe für uns alle das wir noch ein kleines stück vom Leben bekommen können... Irgendeiner muss hierfür verantwortlich gemacht werden und das gibt mir Mut...
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Helma schrieb am 22.11.2019
Hallo,
auch ich gehöre zu den Verschickungskindern und war 1970 auf Wangerooge.
Ich erinnere mich daran, dass ich jeden Mittag im Solebad liegen mußte.
Ob es meiner Neurodermitis half, weswegen ich dort war,weiß ich nicht.
Aber das ich wahnsinniges Heimweh hatte, weiß ich sehr wohl!
Ich habe keine guten Erinnerungen und als Pädagogin weiß ich heute, dass sehr viel falsch gelaufen ist. Gut, dass dies heute vorbei ist!
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Daniel schrieb am 22.11.2019
Liebe Kerstin, 1973 war ich im Alter von 6 Jahren wie Du auch in Timmendorf, für sage und schreibe 8 Wochen. Ich erinnere mich an einen Schlafsaal, Kakao mit Haut und tägliche Ausmärsche in Zweierreihen mit einem Lied an den Strand oder in ein nahes Wäldchen. Ich und meine Mitinsassen sind beinahe gestorben vor Heimweh. Was wurde da geweint ! Werde ich nie vergessen und werfe ich meiner mittlerweile verstorbenen Mutter heute noch vor, dass sie mir das angetan hat. Denn ich war kerngesund und weder über- noch untergewichtig.
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Rolf schrieb am 22.11.2019
Ich kam im Winter 1971/72 als knapp Neunjähriger für 6 Wochen in ein Kinderkurheim nach Berchtesgaden. Nach bisherigen Berichten und Fotos im Internet muss es Haus Schönau gewesen sein. Es gibt hier (http://www.ansichtskarten-center.de/berchtesgadener-land-lkr-weitere/koenigsee-berchtesgaden-kinderkurheim-schoenau-am-koenigssee) eine alte Postkarte, Ich bin sicher dass es das war. Ich kann mich noch an den Gemeinschaftsraum mit der durchgehenden Sitzbank (wie auf der Postkarte zu sehen) und den Speisesaal erinnern. Ich glaube auch es war ein Ponyhof, gegen Ende der 6 Wochen wurde von allen Kindern ein Foto mit Pony gemacht.

Mit 9 Jahren war ich kein ganz kleines Kind mehr, dennoch erinnere ich mich an eine größtenteils schlimme Zeit. Furchtbares Heimweh. Oft ekelhaftes Essen, das aufgegessen werden musste (ich habe zum Glück immer geschafft es runterzuwürgen ohne zu kotzen, das gelang aber nicht jedem Kind). Bettnässer wurden vor allen blossgestellt. Ausgehende Briefe an Eltern wurden zensiert. Eine "Tante" (eine junge Frau von höchstens 20 Jahren) habe ich als besonders übergriffig in Erinnerung. Einmal schlug sie einem Jungen so heftig ins Gesicht, dass seine Wange aufplatzte. Mich knallte sie einmal mit dem Kopf gegen den Kopf eines anderen Jungen weil wir uns gezankt hatten. Es war so heftig. dass wir beide noch tagelang danach Kopfschmerzen hatten. Es gab aber auch nette und verständnisvolle Betreuerinnen.

Die 6 Wochen kamen mir damals wie eine Ewigkeit vor. Die zweite Hälfte der Zeit war etwas erträglicher. Man hatte sich mit anderen Kindern angefreundet, und es gab teilweise schöne Ausflüge an/auf den Königssee.
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Remi schrieb am 22.11.2019
Ich gehörte zu den Zunehmkindern, war aber schon 16. Ich erinnerte mich, dass mich die Abnehmkinder baten, ihnen in der Apotheke Abführmittel zu besorgen , weil ich schon erwachsen aussah, würden sie die mir verkaufen. So Angst hatten sie, das Gleiche zu wiegen oder gar zuzunehmen. Ich habe es nicht getan, weil ich Angst hatte, anderen Medikamente zu geben.
Ich bin mir sicher, wenn der Grund für Übergewicht keine Essstörung war, hatten sie die spätestens bei ihrer Entlassung.
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Sylvia schrieb am 22.11.2019
Ich bin entsetzt zu sehen, dass so viele andere Kinder ebenso schreckliche Erfahrungen machen mussten und düstere Erinnerungen haben wie ich! Ich musste 1966 als 4-jährige für 6 Wochen in ein Heim nach Saig am Feldberg in den Schwarzwald im Januar/Februar, zum Aufpäppeln, weil ich angeblich so schlecht gegessen habe. In Wirklichkeit war es wohl, weil meine Mutter zur gleichen Zeit in der Nähe zur Kur war und sonst niemand auf mich hätte aufpassen konnte. So blieb mir wenigstens die Anreise mit dem Zug erspart, da mich meine Eltern mit dem Auto hingebracht haben. Ich habe keine Erinnerungen mehr, was wir dort eigentlich den ganzen Tag gemacht haben, nur, dass ich kreuzunglücklich war, fürchterliches Heimweh hatte, mich unendlich alleine gelassen gefühlt habe und ich nicht wusste, ob ich jemals wieder zurück zu meinen Eltern komme. Die Schwestern waren alle sehr streng und böse, das Haus war ein düsterer Schwarzwaldhof mit knarzenden Dielen, kalten Schlafsälen und hallenden Waschräumen. Draußen lag viel Schnee und wir mussten spaßfreie Spaziergänge in braven Zweiergruppen unternehmen, wohl um unseren Appetit anzuregen. Beim Toben im Schnee wären wir ja sonst alle nass geworden! Das Essen schmeckte aber furchtbar und ich war immer die Letzte, die alleine würgend vor ihrem Teller sitzen musste, bis alles aufgegessen war, während die anderen Kinder schon aufgestanden und verschwunden waren. Der einzige Hoffnungsschimmer war für mich die wöchentliche Gewichtskontrolle, obwohl wir uns bis auf die Unterhose ausziehen und lange im Kalten warten mussten bis wir an der Reihe waren, um von einem strengen Weißkittel auf eine Waage gestellt zu werden. Hatte man nämlich an Gewicht etwas zugenommen, gab es zur Belohnung ein, wohlbemerkt EIN, für mich damals sehr leckeres „Fischli“, das Salzgebäck, das es heute noch als Knabbermischung zu kaufen gibt und ich heute nicht mehr anrühre. Leider hatte ich nicht immer zugenommen und oft ging ich leer aus, was mich unendlich enttäuscht hat. Es gab auch sonst keinerlei Süßigkeiten, keine Päckchen und keine Post, nicht mal zu meinem Geburtstag, ich konnte ja auch noch nicht lesen und schreiben. Die Nächte im großen Schlafsaal waren eine Tortur, kalt und Angst einflößend, wir mussten mucksmäuschenstill sein und durften nicht auf die Toilette gehen, dafür gab es nur einen Emaille-Nachttopf für alle. Ausgerechnet zu dieser Zeit war meine Verdauung (wahrscheinlich stressbedingt) so durcheinander, dass ich regelmäßig Nachts mein Geschäft in den schon halbvollen Topf erledigen musste – voller Ekel, ohne Papier zu haben – bis ich irgendwann auf die glorreiche Idee kam, zum Abwischen die großen Gardinen zu benutzen….Zum Glück wurde ich nicht ertappt, aber ich schüttle mich heute noch bei dem Gedanken daran. Als mich meine Eltern zwischenzeitlich einmal besuchten, war ich überglücklich und dachte, sie nehmen mich endlich wieder mit nach Hause. Sie haben es aber nicht geschafft, mir die Wahrheit zu sagen, sondern waren dann plötzlich wieder verschwunden ohne sich verabschiedet zu haben, wohl auf Anraten der Schwestern, die mich kurz abgelenkt hatten. Ich weiß nicht, wie lange ich danach geheult habe, aber zum Schluss war ich wie versteinert vor Enttäuschung. Kinder wurden damals unmenschlich, würde- und lieblos behandelt, es wurden ihnen keinerlei Bedürfnisse und Gefühle zugestanden und sie hatten nur nach dem Willen der Großen zu spuren. Zum Glück hat sich heute Vieles geändert und ich hoffe, dass meine Kinder später nie unter solchen Erinnerungen zu leiden haben!
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Remi schrieb am 22.11.2019
Ich bin Jahrgang 1963., und würde sagen, die Misshandlungen gingen noch bis in die 70er Jahre. 1974 kam ich wegen chronischer Bronchitis in das DLRG Kurheim Goldener Schlüssel in St. Peter Ording. Die Erziehung war grauenvoll - wer nachts sprach, musste sich im Nachthemd auf den Kellerboden knien - die ganze Nacht. Alles musste gegesssen weren, auch die Haut von der Milch, es war verboten, sie wegzumachen. Eine mildtätige Küchenhelferin schmuggelte einen Löffel heraus , um die Haut zu entfernen, der wurde gehütet wie ein Schatz. Das Schlimmste war, dass eine der "Tanten" die anderen Kinder aufhetzte, mich zu schlagen und zu quälen. Einmal warfen sie mich einen Abhang herunter. Ich glaube, sie wollten mich umbringen.
Ich habe als Erwachsene erst die Diagnose Aspergerautismus bekommen, das heisst, ich war ziemlich wehrlos und verstand nicht so recht, was geschah. Die Welt war vorher schon bedrohlich gewedsen, im Kurheim wurde sie eine Hölle. Es dauete sehr lange, bis ich mich erholte, und ich glaube, ich wurde als Kind schon schwer depressiv.
Als ich nach Hause kam, habe ich nur geweint, doch meine Eltern haben nicht groß reagiert und auch nie Beschwerde eingelegt.
Als ich 6 Jahre später aber in ein anderes Kurheim kam , sind sie mitgefahren und haben mich hingebracht, daher glaube ich, dass sie mich doch ernst genommen haben.
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Andrea Kehrer schrieb am 22.11.2019
Mit großem Interesse habe ich den Beitrag vom 20. November 2019 in der Stuttgarter Zeitung zum Thema "Verschickungskinder" gelesen. Auch ich bin eine Betroffene. Bereits ab dem Alter von 5 Jahren wurde ich mehrmals in unterschiedliche Heime in Süddeutschland verschickt und kann die im Beitrag geschilderte Praxis aus eigener bitterer Erfahrung bestätigen.
Ich finde es sehr erfreulich, dass es Menschen gibt, die sich um die Aufarbeitung der missbräuchlichen Handlungen bemühen. Herzlichen Dank dafür !!!
Andrea
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Romana Klein schrieb am 22.11.2019
6 Wochen Westerland auf Sylt im katolischen Kindererholungsheim HAUS NORDMARK in der Bismarckstraße in Westerland auf Sylt. Hört sich erstmal ganz nett an...

Es war Ende der 70er Jahre, als es hieß, das Kind muss sich mal richtig von allen familiären Strapazen (Scheidung der Eltern) erholen, allgemeine Roborierung heißt der Fachausdruck. Der Kontakt zum Heim kam über unsere Nachbarin, die beim Caritas Verband gearbeitet hat, ein anderes Mädchen aus unserem Haus durfte auch mit.

Wir waren um die 10 Jahre alt, als wir in den Zug gesetzt wurden. Im Heim angekommen kann ich mich an einen Käfig im Flur erinnern, in dem ein kleines Äffchen lebte. Es gab mehrere, kleine Schlafsääle mit alten, quietschenden Metallbetten. Beim Schlafen wurde uns befohlen, uns nicht zu bewegen, damit wir niemanden stören. Somit trauten wir uns alle nicht, fest einzuschlafen aus Angst, wir könnten das Bett zum Quietschen bringen.

Es gab eine Gruppe von Mädchen dort, eine ältere und eine jüngere Erzieherin und andere Angestellte. Die alte Erzieherin war schroff, streng und brutal, die jüngere etwas milder.
In der Gruppe waren alle Mädchen ziemlich dünn und sollten zunehmen, ich war (schon immer) etwas kompakter und sollte abnehmen. Beim Frühstück gab es für die dünnen Mädchen Brötchen mit Butter und Schokostreußeln mit Kakao, für mich Schwarzbrot mit Margarine (als hätte Margarine weniger Fett!!!) mit Marmelade und Tee.
Wenn die Eltern Naschpakete geschickt haben, wurden diese geöffnet und an alle, außer, Sie ahnen es schon, mich, verteilt.

Ab und zu ging es an den Strand zum Baden, und wenn die Zeit vorbei war, wurden die Kinder mit einem Megaphon aus dem Wasser befohlen: "Alle raus aus dem Wasser, nur Romana bleibt noch länger im Wasser, die muss abnehmen!" Danke, jetzt weiß der ganze Strand Bescheid.... . Es war mehr als nur peinlich!

Und ich kann mich noch einen Ausflug in die Dünen erinnern, eigentlich ganz lustig, doch wenn man ausserhalb der terminierten Pausenzeiten um etwas zu Trinken bat, wurde dieses barsch abgewiesen. Warte, bis alle trinken!

Mein Freundin und ich waren so unglücklich, wussten, dass wir von unseren Eltern keine Unterstützung erwarten konnten, und so haben wir den Plan geschmiedet, die Kasse zu stehlen, um uns dann Zugtickets nach Hause kaufen und abhauen zu können. Wir haben nur leider die Kasse nicht gefunden.

Mein einziger Lichtblick in dieser Zeit war die Tochter des Hausmeisters, die das Down-Syndrom hatte und einfach nur aufmerksam und liebevoll war.
Wenn es hier heißt, man möchte keine Entschuldigung, keine Entschädigung sondern nur Gewissheit, dass alles so stimmte, kann ich das teilweise gut nachvollziehen. Dennoch: Ich möchte eine Entschuldigung des Caritas Verbandes für so eine grausame Einrichtung unter dem Deckmantel der katolischen Kirche.

Klasse, dass es diesen Kongress gibt, ich hoffe auf viel Aufklärung auch seitens der Träger dieser sog. Kindererholungsheime! Ich bin dabei....
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Stephan schrieb am 22.11.2019
Hallo, mein Name ist Stephan und ich wurde 1957 geboren. Nachdem mein Großvater an TBC verstorben war, wurde das gesamte Familienumfeld untersucht. Bei mir und bei 2 Cousins wurden ein Schatten auf der Lunge gefunden, woraufhin wir in unterschiedliche, sogenannte Lungenheilstätten, eingewiesen wurden.
Im Jahr 1964 kam ich in die Lungenheilstätte Kutzenberg im Landkreis Lichtenfels.
Vieles habe ich im Laufe der Jahrzehnte vergessen oder verdrängt. Nachfolgendes werde ich aber nie vergessen können.
Die ersten 6 Wochen (oder war es noch länger?) durften mich weder Eltern oder Geschwister besuchen, um mir das „Eingewöhnen zu erleichtern“. Auch Briefe oder Päckchen wurden in dieser Zeit nicht ausgereicht.
Das Personal bestand aus Nonnen, deren Orden ich nicht mehr mit Bestimmtheit benennen kann.
Im Schlafsaal waren ca. 12 Kinder untergebracht. Wieviele solcher Säle es gab kann ich nicht mehr sagen.
Es gab streng geregelte Zeiten. So durfte man nach dem Zubettgehen nicht mehr aufstehen, auch nicht um zur Toilette zu gehen.
Eines Abends verspürte ich einen starken Harndrang. Da ich mich nicht einnässen wollte, habe ich Taschentücher als Windel benutzt und unter das Bett entsorgt. Dies blieb natürlich nicht unentdeckt. Zur Strafe hat man mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und ich musste nackt, für eine Stunde, im kalten Badesaal, frierend über einem Bodenablauf stehen.
Zum Mittagessen bekamen wir jeweils einen Esslöffel mit Lebertran in den Mund verabreicht. Einmal konnte ich den Geschmack nicht mehr ertragen und habe mich erbrochen. Das Erbrochene musste ich dann aufessen.
Im Speisesaal durfte auch nicht gesprochen werden. Wurde das Schweigen gebrochen, wurde mit Züchtigungen reagiert. Bestraft wurde auch, wenn nicht aufgegessen wurde.

Briefe an die Eltern wurden zensiert. Wir mussten Passagen die nicht passend erschienen, nach Diktat abändern. Unsere Eltern dachten deshalb, uns geht es super und waren beruhigt.

Insgesamt war ich über 6 Monate in dieser Hölle.
Ich wünsche allen, die ähnliches erleben mussten, alles erdenklich Gute.
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Lili schrieb am 22.11.2019
Hallo,
erst heute bin ich durch einen Artikel in unserer Zeitung auf diese Seite aufmerksam geworden. Ich kann kaum glauben, dass diese Vorfälle fast normal waren und jetzt ans Licht kommen. Als Kind traut man sich nicht, so etwas zu erzählen.
Mit etwa 5 Jahren war ich in einem Kinderheim im Schwarzwald, Königsfeld (wenn ich mich richtig erinnere. Das ist jetzt fast 60 Jahre her, aber bis heute kann ich den Geruch von gekochtem Valiiepudding nicht ertragen. Die Erlebnisse, dass Kinder verprügelt wurden, die beim Frühstück nicht schnell genug ihren Suppenteller voll von diesem schnittfesten Vanillepudding aufaßen, ebenso wie an Kinder, die ihr Erbrochenes wieder essen mussten, verfolgen mich bis heute.
Obwohl ich schon lesen und schreiben konnte, durfte ich weder die Post meiner Eltern selbst lesen und schon garnicht an sie schreiben.
Wer beim Mittagsschlaf kicherte (was bei kleinen Mädchen nun eben so ist), wurde an den Haaren oder den Ohren gezogen...
Kennt jemand diese Heim?
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Sabine Koopmann schrieb am 22.11.2019
Vor einigen Tagen habe ich im Radio auf Bremen 2 einen Bericht über Verschickungskinder gehört. Die Informationen darüber waren für mich sehr vertraut. Ich war 1963 fünf Jahre alt und wurde nach Bad Harzburg geschickt. Für 6 Wochen . Meinen 6. Geburtstag feierte (hatte) ich am 31.01. in diesem Heim. Ich weiß nicht warum ich dort war. Viele Erinnerungen habe ich nicht. Da es mir eigentlich gesundheitlich gut ging, gehe ich davon aus, dass meine Mutter, die schwer krank war, eine Auszeit benötigte. Ich hatte noch 2 ältere Brüder. Es war kalt, meine Süßigkeiten wurden mir am Anfang weggenommen, ich konnte das Essen nicht essen, musste immer sitzenbleiben, bis ich es gegessen habe. Bohnensuppe mit Fleisch und Knöchelchen drin und andere Suppen. Es wurde mir eingeflößt und ich musste mich immer übergeben. Ich habe 6 Wochen lang nur geweint und nicht gesprochen. Mein Geburtstagspäckchen mit Süßigkeiten, war am nächsten Tag verschwunden. Nach den 6 Wochen war von Erholung keine Spur, ich wurde zu Ostern 1963 mit 6 Jahren nicht eingeschult, da ich nach der Kur nur krank war und abgemagert war. Da fühlte ivh mich doppelt bestraft, da ich mich auf die Schule gefreut hatte. Einschulung mit 7 Jahren Ich war zu schweigsam und schüchtern und zu schwach......

Meine Mutter ist kurz darauf gestorben, mein Vater auch. Ich habe immer Probleme mit Essen, kann nur kleine Portionen essen, beim Zahnarzt musste ich mich schon immer übergeben, wenn er zu tief in den Rachen kam.

Ich habe immer zuviel gearbeitet, habe aber drei fröhliche erwachsene Kinder mit dem Herzen auf dem rechten Fleck und guter Ausbildung. Leider war ich trotzdem mein ganzes Leben als Alkoholiker (Pegeltrinker) unterwegs, als Pegeltrinker kann das alltägliche Leben gut funktionieren. Es merkt niemand. Jetzt bin ich seit 5 Jahren trocken, dafür sind die Depressionen gekommen, die ich vorher weggetrunken hatte.

Ich bin am liebsten alleine und nicht gerne mit Menschen zusammen.

Meine psychischen Probleme sind sicher auch durch den frühen Tod meiner Eltern hervorgerufen, aber ein Trauma war Bad Harzburg sicherlich. Ich habe ein Foto von kleinen Mädels vor dem Heim, mit "Tante Heidi" und ich bin ein kleines süßes Mädchen, das muss ich mir immer sagen. Ein kleines verletzliches Wesen. Meine Mutter hat auf die Rückseite alle Namen notiert, mit dem Zusatz: zur lieben Erinnerung an meinen Kuraufenthalt in Bad Harzburg, den 5.02.63. !!!

Den Namen des Hauses weiß ich leider nicht mehr.

Sabine Koopmann
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Rosi Büthe schrieb am 22.11.2019
Hallo,
ich war 1950 9 Jahre alt. Gerade war ein Brüderchen bei uns angekommen. Da verschickten mich meine Eltern in ein Kinderkurheim auf die Insel Spiekeroog. Das war schon schlimm, allein weil nun ein Baby in der Familie war, wurde ich weg geschickt....dachte ich. Auch dort musste das Erbrochene noch einmal gegessen werden. Was wir Kinder damals als völlig normal ansahen. Zuhause war sowas ja noch nicht passiert....also konnten wir doch das nicht als widerwärtig empfinden. Wir Kinder hielten das für normal.
Ich hatte Asthma und wenn ich stark hustete, dann wurde ich auf den Dachboden verfrachtet. Dort lag ich dann auf einem Heusack und konnte mich im Höchstfall mit einem nicht bezogenen dünnen Federbett zudecken. Im schlimmsten Fall hatte ich gar keine Zudecke.
Hat man sich mal eingenässt...aus Angst...dann wurde das Höschen als Trophäe an einem Pfeiler aufgehängt, damit das alle sehen konnten. Ein sauberes Höschen gabs nicht, dann liefen wir eben unten rum nackend durch die Gegend. Für uns Kinder war das alles völlig normal.
Ich habe dort nicht viel geweint, weil ich alles hinnahm, was geschah. Ich dachte doch immer, das alles völlig normal war. Zuhause erzählt, wurde mir später nicht geglaubt. Es konnte doch nicht sein, was nicht sein durfte.
Dieses Martyrium MUSSTE ich und auch die Anderen, 6 Wochen aushalten. Danach wurde mein Asthma immer schlimmer. Inzwischen ist aus dem Asthma COPD geworden.
Erst mit 50 habe ich das alles in einer Therapie aufarbeiten können. Auch als Erwachsene habe ich alles hingenommen, was andere als ungerecht oder unzumutbar empfanden, hielt ich für völlig normal. Auch später in meiner Ehe. Ich war eine stille Dulderin.
Ich bin nun 76 Jahre und seit über 20 Jahren frei von dem Gedanken, alles ertragen zu müssen. Ich habe in der Therapie gelernt mich zu wehren.
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Heike Heine schrieb am 22.11.2019
Ich war im Sommer 1967 in St. Peter Ording zur Kur.Damals war ich 7 Jahre alt.Wenn abends im Schlafraum noch gesprochen wurde, geschah folgendes: eine Betreuerin kam rein und sagte,
Du kannst dir schon mal die Schlafanzughose runterziehen. Du auch und du und alle die gesprochen hatten.Dann gab es Schläge mit einem Badelatschen auf den nackten Hintern.Dabei ist auch mal ein Latschen gerissen! Das verfolgt mich noch heute.
Liebe Grüße Heike Heine
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Doris Stober schrieb am 22.11.2019
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin Jahrgang 1951, aus dem Südwesten Deutschlands und mußte 1958/59 über Winter als evang.Kind wg.Tuberkulose in ein Lungensanatorium für Kinder in den kathol.Hotzenwald. Das Sanatorium in Stieg/ Oberalpfen bei Waldshut wurde geführt von Nonnen mit freien Erzieherinnen,Tanten genannt. Ich habe dort schöne Dinge erlebt und grausame, besonders die mit Pädagogik zu tun hatten. Um der Wahrheit willen hier erst die schönen Dinge.
Das Heim lag abseits vom nächsten Dorf, ein wunderschöner Wald ums Haus ( dort entstand meine Liebe zum Wald) Wir wurden von einem nahen Bauernhaus mit versch.Essen versorgt, das ich als gut u.abwechslungsreich in Erinnerung habe. Auch zum Hausmeister mit seinem Hund hatte ich eine gute, quasi ausgleichende Beziehung. Er war sehr verständnisvoll. Wir haben oft auch schöne Wanderungen im verschneiten Wald gemacht ( frische Luft) und hatten auf der offenen Veranda unsere "Liegekuren" bei denen uns Märchen vorgelesen wurden. Dieses große Märchenbuch aus einem österr.Verlag habe ich in den 90ern gesucht und dann per Zufall bei einer angeheirateten Verwandten gefunden und abgekauft. Es hat etliche unbekanntere Märchen in denen der auf zwei Seiten geschriebene Text umrahmt war mit wunderschönen Illustrationen.
Auch hatten wir dort Schulunterricht ( 2 Klassen zusammen) und als wißbegieriges Kind mußte ich so kein Schuljahr nachholen. Auch haben wir dort " freche" Lieder gelernt.
Jede Medaille hat zwei Seiten.
Nun zu den perfiden, grausamen, unchristlichen Geschichten, die geschahen, und für die ich hier NUR Zeugin sein will, keine Anklägerin mehr. Ich habe kein Traumata zurückbehalten, habe den Personen auch mittlerweile verziehen.

Ich will nur zur Glaubwürdigkeit beitragen, denn auch mir wurde von meiner geliebten Mutter zuerst nicht geglaubt. Das schreibe ich der Autoritätshörigkeit zu, zu der die Generation meiner Eltern erzogen wurden.

In kurzen Zügen die "schwarze Pädagogik" ( Buch Alice Miller Schweizer Kinderpsychologin) des von kathol.Nonnen geführten Haus:
- bei den Liegekuren auf der offenen Veranda im Winter wurden wir bis zum Hals, die Arme am Körper in eine Wolldecke eingewickelt und lagen auf wie Feldbetten aussehenden Liegen hingelegt und mussten still sein, ein Märchen wurde vorgelesen u.dann auf Kommando schlafen. Redete ein Kind mit dem Nachbarkind, wurde ihm das Kopfkissen entzogen und auf das Gesicht gelegt.
Was aber schlimmer war, war das, daß Kinder die Wasserlassen mußten gezwungen wurden in die Hose zu machen, man kann sich vorstellen was das nicht nur seel.sondern auch physisch bedeudete bei Kälte.
-jeden Montag war ein Brief an die Eltern zu schreiben, natürlich zensiert. Als Kind mit stark ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn, schrieb ich natürlich über die unsäglichen Vorkommnisse und mein Heimweh u.diese Briefe wurden solange zerrissen, bis sie den Tanten gefielen.Verlogenes Blablabla.
- Besuch war wochenlang verboten, als aber meine Mutter mit ihrer Freundin, die ein Auto hatte, mich besuchen kam vor der Zeit, hat man mich im Schlafsaal eingesperrt, die Fenster verriegelt und ich weinte und schrie nach ihnen hinter den verschlossenen Fenstern. Sie liesen mich nicht zu ihnen, wenigstens konnte ich noch winken, aber meine Mutter weinte und ihre Freundin gestikulierte empört gegen die Nonne.
-Da bei Tuberkulose Appetitlosigkeit u.Gewichtsverlust einhergeht, wurde natürlich immer auf Teller leer essen geachtet.
Hat ein Kind sich geweigert wurde es gezwungen allein weiter nach der gemeinsamen Mahlzeit am Tisch vor einem vollen Teller zu sitzen bis der leer war.
- was noch schlimmer war, wenn ein Kind erbrochen hatte, mußte es das Erbrochene wieder aufessen! Immer und immer wieder bis der Teller mit Erbrochenem überlief, dann holte man die Heimleiterin um das Kind noch mehr bloßzustellen.Aber die war wenigstens so human, den Teller ausleeren zu lassen und einen mit frisch gefülltem Essen hinzustellen.
-Einmal, ich vergesse es nie, kann seitdem auch kein Tafelspitz und Rote Beete mehr essen, erbrach sich ein Kind, das mir gegenüber saß so stark, daß es auch in meinen Teller fiel. Mir wurde ein frischer Teller gereicht dem erbrechenden Kind nicht.Ich reagierte empört und wurde dafür bestraft.
-Nur einmal erlebte ich eine wirklich christl.Nächstenliebe als ich selbst, nur wg. einer verschluckten Wursthaut erbrechen mußte...
Als einziges evang. Kind mußte ich nicht mit in die Messe ( so ca. 17 Uhr) und durfte im Speisesaal alleine abendessen. Es gab Schwarzwurst und an deren Haut verschluckte ich mich und erbrach. Das junge Küchenmädchen das mich beaufsichtigen mußte, hat sofort den Teller entsorgt u.mir auch kein neues Essen mehr aufgenötigt u.bat mich nur ängstlich, diesen Vorfall nicht der Nonne zu erzählen, klar das ich das auch nicht wollte. Ich danke Gott heute für diese menschl.fürsorgliche Küchenhilfe und erbitte Segen für sie wo immer sie heute auch ist.

In den 80ern wollte ich mit einem Teil meiner Familie nochmal dort hin einen Ausflug machen. Als wir dort waren, mittlerweile wurde aus dem Haus ein Aussiedlerheim, erzählte ich die Geschichte nochmal und plötzlich sagte der Freund meiner Schwester" Waaas, du auch?" Und diesmal hörte meine Mutter die Bestätigung meiner Geschichte die ich dort erlebte und glaubte sie. Sie nahm mich in den Arm und bat um Verzeihung und weinte. Ich vergab ich ihr gern.
Später wurde ich Krankenschwester besonders im Notfallbereich, Intensiv- u.Op und habe Patienten geholfen, wenn sie von Ärzten ungerecht behandelt wurden. Weil ich wußte, wie man sich als hilfloses Opfer fühlt.
Jesus in Matth.18,6+7!
Nicht nur Erwachsene haben Rechte, auch Kinder.
Aber Er sagte auch, vergebet euren Feinden und auch das weiß ich nun, wie das sich anfühlt, befreiend, neue Kraftressourcen hervorbringend.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und allen Betroffenen rechtlichen Erfolg aber auch Frieden für ihre Seelen.
Doris Stober
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Inka Rothenhäusler schrieb am 22.11.2019
Nach meiner Erinnerung sind wir im Sommer 1973 oder 74 mit der AWO nach Bad Sooden ALlendorf verschickt worden.
Meine Mutter musste sich einer OP unterziehen und die Kinder sollten gut untergebracht sein.
Meine jüngste Schwester war noch zu klein und kam zu einer Tante von uns.
Wir fuhren mit vielen anderen Kindern im Zug dorthin. Ich war 10 und meine Schwester 6 Jahre alt.
Als wir da waren mussten wir duschen. Das war das einzige Mal in 6 Wochen das wir duschen durften.
Unsere persöhnlichen Sachen, wie Zahnpasta, Toilettenartikel, Süßigkeiten, Bücher ...mussten wir abgeben.
Dann kamen wir auf unsere Zimmer. Ich war in einem sehr großen Mehrbettzimmer mit meiner Schwester.
Mir wurde aufgetragen dafür zu Sorgen, dass sich meine Schwester benimmt.
Wir mussten um 18:00 oder 19:00 Uhr ins Bett und durften weder reden noch uns bewegen.
Uns wurde eine bestimmte Schlafstellung gezeigt, die wir einzunehmen hatten.Dann gingen Erzeiherinnen oder noch schlimmer der Hausmeister rum um uns zu bewachen. Besonders vor dem Hausmeister hatte ich große Angst.
Wer redete/flüsterte oder sich zuviel bewegte musste mit nackten Füßen im Nachthemd auf der zugigen Treppe, unter Aufsicht des Hausmeisters stehen.
Das war so ein älterer Mann der für mich eine sehr böse Ausstrahlung hatte. Der hatte immer so einen Rohrstock dabei. Ob er ihne benutzt hat weiß ich nicht mehr. Ich wurde nicht geschlagen. Der war bestimmt ein alter Nazi.
Zahnpasta und manchmal Seife wurden uns zugeteilt.
Meine Schwester fing dann an einzunässen und einzukoten.
Die Bettlaken und Unterhosen wurden dann immer im Speisesaal , während des Essens, hochgehalten. Dann musste ich die Mahlzeit beenden und alles auswaschen.
Die Malzeiten waren auch schrecklich. Es gab immer sehr dicke, trockene Brotscheiben. Da meine Schwester die Kannten nicht essen konnte, schob sie sie mir unterm Tisch zu. Ich habe sie dann für sie gegessen oder verschwinden lassen. Eines Tages wurden wir jedoch erwischt und meine Schwester musste solange am Tisch sitzen bleiben bis sie sie gegessen hat.
Sie saß von Morgens bis Abends dort da sie die Kanten nicht essen konnte. Ich konnte ihr nicht helfen. Sie durfte auch nicht aufstehen um zur Toilette zu gehen und nässte natürlich wieder ein. Das Ergebnis wurde dann wieder allen Kindern beim Abendessen präsentiert.
Wir hatten keinerlei Spielsachen oder sonstige Beschäftigung. Wir waren einfach draußen. Ich versteckte mich dann oft mit meiner Schwester hinter einem alten Schuppen im Garten.
Es gab ein Schwimmbad im Garten. Im Vorfeld wurde unseren Eltern das auch angepriesen. Sehnsüchtig schauten wir immer aufs Wasser. Wir durften nicht ein einziges Mal hinein. Wen wir still in unseren Betten liegen mussten gingen die Tanten dort hinein.
Es gab eine sehr nette Erzieherin. Sie war jung und hieß Roswita. Sie wurde von den anderen Tanten als Zigeunerin beschimpft und schlecht gemacht. Sie war nach etwa 3 Wochen nicht mehr da.
Dann gab es noch eine Putzfrau die mich und meine Schwester ins Herz geschlossen hatte. Es war eine ältere, etwas dicke Frau die irgendwie aus dem Osten oder Ostpreussen kam. Sie hatte einen so netten Akzent.
Sie kam jeden Morgen etwas früher zur Arbeit um mir und meiner Schwester die Haare zu flechten.
Wir hatten beide sehr lange Haare und uns wurde immer damit gedroht , das sie abgeschnitten würden wenn wir sie offen trügen.
Davor hatte ich große Angst. Zum Glück hat die liebe Tante "Gell" (so nannten wir sie, weil sie immer Gell sagte) sie uns immer geflochten. Ich konnte es nicht selber und die Erzeiherinnen haben es nicht gemacht.
Jeden zweiten Tag mussten wir ins Gradierwerk und dort den salzigen Nebel einatmen. Dabei wurden Volkslieder gesungen.Meine Schwester bekam davon ganz wunde, rissige Haut und der salzige Nebel tat ihr dann weh. Sie musste trotzdem mit
Jeden Sontag mussten wir den Eltern schreiben. Die Briefe wurden zensiert. Ich versuchte heimlich einen unzensierten Brief an unsere Eltern zu schreiben und ihn auf dem Weg zum Gradierwerk einzuwerfen.
Leider misslang es.
Nachts lag ich wach und glaubte immer wieder das Auto meines Vaters zu hören. Ich hatte die Hoffnung das er uns da raus holt. Das ich ihn durch die Kraft meiner Gedanken wissen lassen könne wie schlecht es uns geht.
Am schlimmsten war aber die Ärztin.
Einmal in der Woche mussten wir antreten zur Untersuchung. Wir standen Stundenlang nur mit Unterwäsche bekleidet auf dem Flur vor ihrem Zimmer. Wenn man bei ihr war musste man die Hose runterziehne und sie rammte einem erstmal ein Fiebertermometer hinten rein. Ich empfand das als extrem unwürdig und übergriffig.
Meine arme Schwester wurde auch krank und musste zu dem Drachen auf die Krankenstation. Ich durfet meinen Eltern nichts davon schreiben. Sie sollten sich keine Sorgen machen. Ich machte mir aber Sorgen um meine Schwester. Durfte aber nicht zu Ihr. Sie war dort völlig isoliert.
Einmal bekamen wir ein Päckchen von zu Hause. Es wurde uns mitgeteilt aber wir haben es niemals zu Gesicht bekommen oder etwas vom Inhalt gesehen.
Einmal ist ein Junge abgehauen. Er war etwas jünger als ich. Er hat mithilfe eines Freundes beim Mittagessen einen riesen Tumult verursacht und das Durcheinander genutzt um durch das offene Fenster zu entfliehen.
Als es auffiel war er schon über alle Berge.
Die Erzieher haben 3 Tage nach ihm gesucht. Dann wurde er aufgegriffen. Ich weiß nicht mehr was mit ihm passiert ist.
Ich kann mich noch erinnern das es einmal GRiesbrei gab und ich hatte mir mehr genommen als ich essen konnet.
Ich musste aber alles aufessen. Da es zuviel war erbrach ich und der Teller war wieder voll.
Ich sollte das dann wieder essen, weigerte mich aber. Ich musste dann aufstehen und ins Bett gehen( es war Mittag) durfte mich an dem Tag nicht mehr blicken lassen und bekam an diesem und am nächsten Tag nichts zu essen. Zum Glück schmuggelte meine Schwester ihre Brotkanten, die sie nicht essen konne, raus und ich hatte etwas zu essen.
Als wir wieder zu Hause waren war meine Mutter entsetzt über unseren Zustand. Wir waren verdreckt und verlaust und abgemagert. Auch unseren Erzählungen wurde Glauben geschenkt. Meine Mutter hat sich wohl bei der AWO über die Zustände in dem Heim beschwerd aber sie wurde abgewimmelt.
Wir waren zum Glück nie wieder in Verschickung.
Ich dachte ich hätte das alles vergessen. Als ich den Bericht im Radio hörte überlief es mich jedoch eiskalt und alles kam wieder hoch. Meine jüngere Schwester möchte nicht mehr an die Ereignisse erinnert werden.
Ich hoffe ich konnte Dir helfen.
Liebe Grüße
Inka
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Susanne Speck schrieb am 22.11.2019
Hallo, wie gut, dass es dieses Forum jetzt gibt. Ich werde im nächsten Jahr 60 und habe immer geahnt, dass dieses Erelebnis mein Leben geprägt hat. Ich wurde im Jahr 1966 nach Bayern verschickt. Aus Neumünster in Schleswig - Holstein nach Uffing am Staffelsee. Quer durch Deutschland. Ich wurde abends allein in einen Zug gesetzt. Mir wurde vorher nichts erzählt. Ich weiß nur, dass ich mutterseelenallein war. Noch keine 6 Jahre alt. Untergrbracht wurden wirin einem Kinderkurheim, ich wohnte im Vogelzimmer.
Das furchtbarste Erlebnis war an meinen Geburstag, den ich dort verbringen "durfte" fernab von Geschwisatern und Eltern. Am Tag vor dem Geburtstag wurde in der Morgenrunde Post verteilt. Ein Paket für mich!!!! Die Freude war riesengroß. Doch dann wurde das Paket zurück gerissen. Ohne Begründung. Es war wohl einen Tag zu früh??? Da kommen mir auch heute noch die Tränen. Erinnern tue ich mich an völlige Verloenheit. Da waren ja die Tanten, aber ich kann mich an keine Zuwendung, an kein Gespräch erinnern. Meine Familie erhielt Karten, die aber von den Tanten geschrieben wurden, ich konnte ja noch nicht schreiben. Eine Karte gibt es noch. " Susanne hat sich gut eingelebt...." Nein, nein!! Das Schlimmste waren die Mahlzeiten. Wenn ich etwas nicht mochte, habe ich mich erbrochen und musste dieses dann essen.
Nach der Rückkehr nach Hause ahbe ich bis zum Alter von 12 Jahren am Daumen gelutscht und bin beim Einschlafen immer an einer grauen Wand abgerutscht.
Auc kann ich bis heute nur mit größter Überwindung reisen...Am liebsten bleibe ich Zuhause. Wie gut, dass endlich alles schreiben zu können. Danke für diese Möglichkeit. Tiefste Verbundenheit allen anderen Verschickkindern. Susanne Speck
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Ulrike schrieb am 22.11.2019
Hallo, ich bin Jahrgang 1957 und war 1963 (als noch Fünfjährige) in -ich glaube Sandkrug hieß das Heim - irgendwo in Niedersachsen verschickt. Ich meine, dass es vom Bundesbahn -Sozialwerk war, oder so. Erst als erwachsenen Frau mit eigenen Kindern ist mir richtig klar geworden, dass dort Kindesmisshandlung betrieben wurde. Ich persönlich habe Folgendes erlebt, was ich nie vergessen konnte: Ich war eine schlechte Esserin und musste grundsätzlich an den "Katzentisch" , wo sich die schlechten Esser versammelten. Nachdem alle Drohungen nichts halfen, wurde mir das Essen hineingezwungen und als ich erbrach musste ich mehrere Male in der Zeit das Erbrochene wieder essen. Mir kommt jetzt noch regelmäßig alles hoch.
Ein zweites ungemein entwürdigendes Erlebnis war, dass man nicht auf Toilette gehen durfte, wenn man musste, sondern zu festen Zeiten. Ich habe das nicht immer ausgehalten und einmal, als ich wieder eingenässt hatte, musste ich meine Unterhose zur Wäsche bringen und o h n e weiter herumlaufen - mich so auch in eine Stuhlreihe setzen, als irgendwelche "Offiziellen" kamen, denen die Kinder in Unterwäsche mit ihren Basteleien vorgeführt wurden. Jedes mal, wenn ich mein noch existierendes Bastkörbchen sehe, muss ich daran denken, wie verkrampft ich es auf meinen Schoß gepresst habe, damit die fremden Erwachsenen meinen nackten Unterleib nicht sehen, weil ich mich so geschämt habe! Die jungen Erzieherinnen haben selbst unter der rigiden Heimleitung gelitten, wir haben sie häufiger weinen gesehen. Die Leiterin muss eine Diakonisse oder Schwester gewesen sein, denn sie war immer mit Haube und Schürze.
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Liz schrieb am 22.11.2019
Ich war mit ca. 4 oder 5 Jahren ins Krankenhaus eingeliefert worden (das war ca. 1956 oder 57) wegen ungeklärten Problemen mit dem Bauch. Ich klagte über Verdauungsbeschwerden, häufigen Durchfall und Bauchweh. Es ergab sich kein klinischer Befund. Da ich sehr zart und dünn war, wurde meinen Eltern empfohlen mich in eine Kur zu schicken. So landete ich in Scheidegg, einem kleinen Städtchen im Allgäu, unweit vom Bodensee, das für seine vielen Sonnenstunden bekannt ist. Heute ist es ein anerkannter Kurort bei Zöliakie, da sich der ganze Ort auf glutenfreie Ernährung spezialisiert hat und in fast jedem Gasthaus glutenfreie Gerichte angeboten werden. Wir waren einige Tage mit meiner Tochter dort, damit sie nach Herzenslust zum Essen ausgehen konnte. Ich erinnerte mich, dass ich als kleines Kind dorthin ins Kinderheim verschickt wurde und fragte im Café eine Bedienung, ob das Kinderheim heute noch existiere und wo es sich befinde. Ich würde es mir gerne ansehen, weil ich selbst einige Wochen dort zugebracht hätte. „Oh je“, war ihre Antwort. „Da sind sie nicht die einzige. Prinzregent Luitpold Klinik, Fachklinik für Kinder Reha, nennt sich die Einrichtung heute“, und sie erklärte mir, wo sie zu finden ist. Meine Tochter begleitete mich in das Gebäude, aber meine Erinnerung verband sich nicht mit dem Ort. Umso mehr erinnere ich mich an das, was mir hier widerfahren ist und die Ängste, die mich als Kind lange Zeit nicht losließen. Wir Kinder wurden von Diakonissen betreut, die sich drakonische Strafen für uns ausgedacht hatten. So wurde ich beim Baden plötzlich, für welche Verfehlung weiß ich nicht mehr, untergetaucht. Die Schwester drückte meinen Kopf kraftvoll unter Wasser, sodass ich keine Luft bekam. In meiner Erinnerung zählte sie laut auf 60 bis ich wieder an die Oberfläche durfte, um Luft zu holen. Ich hatte panische Todesangst, konnte mich nicht befreien aus dieser harten Hand und war der Schwester hilflos ausgeliefert. Ein anderes mal hatte ich glaube ich in die Hose gepinkelt und wurde deshalb nackt auf ein Töpfchen gesetzt, das in einen endlos langen Gang gestellt wurde, von dem beidseitig viele Türen abgingen. Der Gang war menschenleer, ich wusste nicht, wo ich war, traute mich nicht alleine wegzugehen und wurde nach meinem Empfinden stundenlang mutterseelenallein frierend sitzen gelassen, bis mich endlich jemand abholte. Diese Erlebnisse waren die traurigen Höhepunkte eines trostlosen Aufenthaltes fernab von meinen Eltern. Ich dachte, ich würde sie nie wieder sehen und hatte keine Ahnung, warum sie mich nie besuchten und trösteten. Ich glaubte, sie wären tot oder hätten mich vergessen. Sonst könnten sie mich doch nicht so lange alleine lassen. Eines Tages stand unerwartet mein Vater vor der Tür, um mich abzuholen. Später erzählte er, dass ich völlig außer mir war, auf meinem Bett auf und ab gehüpft wäre und mich vor Freude gar nicht mehr beruhigen konnte. Er hätte niemals jemanden erlebt, der sich so gefreut hätte. Das Gefühl des Verlassenseins hat mich lange Zeit begleitet und beim Balgen mit meinem Bruder bekam ich Panik, wenn er mir im Scherz ein Kissen aufs Gesicht drückte. Es war für mich keineswegs sicher, dass er nicht zudrücken könnte, bis ich keine Luft mehr bekam. Noch heute ist das Element Wasser für mich bedrohlich und beim Schwimmen recke ich krampfhaft mein Gesicht über Wasser. Den Kopf für kurze Zeit unter Wasser zu halten oder Wasser in die Nase zu bekommen, kann ich bis heute nicht ertragen.33
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Harald schrieb am 22.11.2019
Hallo, ich war mit 4 oder 5 Jahren im Kinderheim in Schönau in Berchtesgaden (Ponyhof?). Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Es begann damit, dass ich von meinen Eltern mit einem Zettel um den Hals alleine in einen Zug gesetzt worden bin. Ich saß gefühlt Stunden alleine in einem Abteil und hatte derartig Panik, da ich nicht wusste wie ich dort ankommen soll. Nach einiger Zeit lief eine Frau durch den Zug und hat alle Kinder mit Zetteln um den Hals eingesammelt.
Ich sollte wegen chron. Bronchitis Luftveränderung erhalten. Im Heim ging es aber nur um Essen und Zunehmen. Wir mussten Unmengen an Marmeladebroten zum Frühstück essen, viele Kinder haben unter dem Esszwang erbrochen und mussten dann das Erbrochene vom Tisch aufessen. Wir durften erst aufstehen, nachdem alles gegessen war.
Die Nächte waren ebenfalls grausam. Der Gang zur Toilette war verboten. Wer ins Bett machte wurde morgens von den Tanten bloßgestellt und von allen Kindern verlacht.
Kontakt zu den Eltern oder gar Besuche waren verboten. Einmal die Woche wurden Briefe von zuhause vor allen Kindern vorgelesen. Ich erinnere mich an die Blicke der Kinder, die keine Post bekommen haben.
Ich wollte mehrfach weglaufen, ich hatte aber keine Ahnung wo ich überhaupt war und wie ich wieder nach Hause kommen konnte. Nach ca. 3 Monaten durfte ich heim. Heute weiß ich, dass ich als Kind das Gefühl hatte, von den Eltern bestraft worden zu sein. Ich konnte von den schrecklichen Erlebnissen nichts erzählen und habe die Utopie aufrecht erhalten, dass es im Ponyheim ganz toll war. (Damals waren wohl die Ponyhof-Urlaube aus Sicht der Eltern das beste was man einem Kind bieten konnte. Ich erinnere mich aber, dass wir nur für Fotos auf ein Pony gesetzt worden sind.) Diese Zeit dort hat mein ganzes Leben beeinflusst und auch einen tiefen Bruch zu meinen Eltern verursacht. Diese wollten sicherlich nur das tun, was Ärzte und Krankenkasse empfohlen hatten.
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Roland Federau schrieb am 22.11.2019
Hallo, ich bin Roland Federau geb. 11.09.1963,. Ich war zur Zeit der Verschickung etwa vier oder fünf Jahre alt und wurde mit meinem eineinhalb Jahre älteren Bruder nach Sylt verschickt. Ich habe nicht viele Erinnerungen an diese Zeit, da ich einfach zu klein war. Ich bin mit einer Dampflock aus Hamburg Altona mit meinem Bruder losgefahren und habe nur eine schreckliche Erinnerung an diese Zeit. Ich musste nachts auf einer Holzbank im Flur schlafen und es wurde ein Lied zum Einschlafen gesungen. Schlaf Kindlein schlaf, dein Vater ist ein Schaf, deine Mutter ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt, schlaf Kindlein schlaf. Dies war für mich eine schreckliche Vorstellung und ich weiß das ich unbedingt wieder nach Hause wollte. Ich hatte Angst und Heimweh. Dann sind mein Bruder und ich aus dem Heim ausgebüchst und wir wurden vorzeitig nach Hause geschickt. Das war unser Glück. Ich weiß noch wie ich zu Hause aus einem Auto ausstieg und von meiner Mutter auf der Strasse in die Arme genommen wurde. Da ich einen Radiobeitrag zu diesen Verschickungen gehört habe, kamen die Erinnerungen daran wieder zu Tage. Vergessen werde ich diese schreckliche Zeit nie.
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Erhard Wischmeyer schrieb am 22.11.2019
Ich war als 11-jähriger im Kinderkurheim Sankta Maria auf Borkum in der Gruppe K1b unter dem Oberkommando von Schwester Martina. In Erinnerung geblieben ist mir eine mehrstündige Nachsitzung vor einem großen Teller Milchreis, obwohl ich angekündigt hatte, kein Milchreisfan zu sein. Die Nachtruhe ab 19 Uhr war ebenfalls sehr ungewohnt für mich. Alles in allem sechs Wochen, die man nur unter dem Kapitel "Lebenserfahrung" abhaken kann.
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Andrea Christiansen schrieb am 22.11.2019
Hallo,
schade, dass ich erst heute durch das Radio von dieser Aktion erfahre. Ich wäre gerne nach Sylt gekommen. Meine Zwillingsschwester und ich waren 1969 für sechs Wochen in einem Heim in Lüneburg. Wir waren fünf Jahre alt. Wir sollten zu nehmen. Ich habe gedacht, unsere Eltern wollen uns nicht mehr haben. Daher war ich ziemlich überrascht, als wir wieder nach Hause durften.
Dieses Heim wurde 1970 geschlossen wegen Kindesmisshandlung. Erst danach haben meine Eltern mal gefragt, was wir erlebt haben. Wir haben gar nicht gewagt davon zu erzählen. Wir durften nachts nicht auf Toilette gehen . Wer erwischt wurde, musste auf der Holzbank im kalten Badezimmer schlafen. Ohne Decke und Kissen, nur so. Sprechen war nach dem Abendessen verboten. Wäre eine Frage der Erzieher beantwortet hat, wurde bestraft, denn er hat ja gesprochen. Er musste z.b. die halbe Nacht stehend neben seinem Bett sein. Auch einen ganzen Tag ohne Essen im Bett bleiben war eine Strafe. Ich bin für zwei Wochen auf der Krankenstation gewesen, da ich krank geworden bin. Dort durfte ich mich im Bett nicht hinlegen wenn ich meinen Mittagessen gegessen habe und fertig war. Ich musste teilweise zwei Stunden sitzen bleiben was ich gar nicht konnte. Für jede Kleinigkeit wurde man bestraft. Die Strafen waren vielfältig. Immer so, dass sie keine Spuren am Körper hinterließen. Badetag bedeutete alle Kinder gingen durch eine kalte Badewanne und wurden kalt abgeduscht. Das Essen in den großen Sälen war von sehr schlechter Qualität. Wir wurden gezwungen alles aufzuessen. Wer sich übergeben musste, wurde gezwungen das Übergebene aufzuessen.
Ich habe zwar keine Albträume davon, wie geht es aber immer noch nahe davon zu berichten.
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Alexander Zeitler schrieb am 22.11.2019
Ich war mit 10 Jahren im Elisabethernherim(?) in Bad Dürrheim. Besuche waren nicht erwünscht.
Post kam geöffnet. antworten mussten offen abgegeben werden. bei spaziergängen wurde vor brielkästen die Strassenseite gewechselt. betreut wurden wir von schwestern.
wecken morgens 5.00 dann solebad. dann wieder ins bett.
es gab viel griesbrei abends oft heringssalat. bei jeder mahlzeit hat sich mindestens 1 kind erbrochen.
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Barbara schrieb am 21.11.2019
Hallo Edwin, auch ich war 1964 in Marwang , ich war 6 Jahre alt und gerade eingeschult. Leider konnte ich noch nicht schreiben und meine Eltern kontaktieren. Am Schlimmsten war damals die katholische Ordensschwester Adele. Sie war eine Sadistin.
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Graubner Marianne schrieb am 21.11.2019
Ich wurde auch circa 1962 in ein Kinderheim verschickt und zwar nach Marwang, weil ich so dünn und blass war. Meine sechs Jahre ältere Schwester war Zweimal verschickt worden, das erste Mal in ein Heim in Sankt Peter Ording, wo ist wunderschön war und ein zweites Mal nach Marwang, wo sie ist schrecklich fand. Als dann für mich der Antrag auf eine Heimverschiebung gestellt wurde, sagte sie: hoffentlich kommst du nicht nach Marwang. Aber genau das passierte. Mir gefiel es dort gar nicht - wir wurden zum Essen gezwungen. Meine Tischnachbarin erbrach sich oft in ihren Teller, was ganz schrecklich war. Dann wurde sie angeschrien und ich glaube auch geschlagen. Kinder nässten ein und wurden bestraft. Ich selber Schlaf wandelte in einer Nacht im Gang und wachte daran auf, dass mich eine Erzieherin fest an den Haaren riss und an fauchte, dass ich nachts nicht herum zu laufen hätte. Es herrschte ganz viel Angst. Unsere Briefe wurden immer zensiert. Als ich ein Päckchen mit Süßigkeiten bekam, musste ich den Erzieherinnen davon abgeben. Um Gewicht zuzulegen, mussten wir eine langen Mittagsschlaf halten und durften uns nicht viel bewegen. Meine Eltern reagierten leider nicht darauf und schickten keine beschwerde los.
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Boerries schrieb am 21.11.2019
Hallo zusammen,

ich bin heute durch eien SPIEGEL Online Artikel auch Euch aufmerksam geworden.

Ich bin Jg. 1963 und war im Herbst 1969 noch vor meiner Einschulung für 6 Wochen auf BORKUM (ich glaube im Concordia Heim). Es war eine Zeit die ich lange ganz tief begraben hatte. Ich weis noch dass während des Aufenthaltes ein Sturm über Borkum zog und dieser mir als positiv in Erinnerung blieb.

Die Erinnerung ist durch zwei Ereignisse in den letzten Jahren wieder hochgekommen, wenn auch nur bruchstückhaft. Ich leide seit Jahren an Depressionen und im Rahmen der Therapie habe ich das erste mal wieder an diese Zeit zurückdenken müssen. Dazu kommt, dass ich letztes Jahr das erste mal seit dieser Zeit wieder auf Borkum war; und dieser Aufenthalt hatte gesundheitliche Folgen.

Auf Borkum selbst und in den Tagen vor der Reise , war ich in einer "komischen" Verfassung, es bedrückte und beschäftigte mich etwas was ich nicht so ganz einordnen konnte. Am ersten Tag auf Borkum waren wir am alten Leutchturm und sind von da aus Richtung neuer Leuchtturm und Promenade gelaufen, als mir auf einmal schwindelig wurde und ich Gänsehaut bekam, as wir vior dem "Weißen Haus" vorbeiliefen. Ich sagte zu meiner Frau "Hier war es" und brach iin Tränen aus.

Zwei Tage später ereilte mich ein Hexenschuß, den ich so noch nicht erlebt habe; körperlich wurden dafür keine Ursachen gefunden und ich war die nächsten vier Wochen wieder mit der Diagnose Depressiver Schub arbeitsunfähig (Die Depression ist erstmals 2016 festgestellt worden).

In dieser Zeit kamen auch wieder Erinnerungen hoch die sich um den Aufenthalt in ´69 drehten; z.B. das miese Essen, ich mochte keinen Reis, musste diesen aber immer essen. Auch Pfefferminztee ist seitdem ein Getränk, dass ich weder gerne trinke noch für andere zubereite. Ob ich auch zu den Kindern gehörte, die ihr Erbrochenes essen mussten weis ich heute nicht mehr, aber bis heute ist der Anblick von Erbrochenem für mich fast unerträglich.

Zudem habe ich in dieser Zeit wieder bettgenässt und und auch eingekotet: ich erinnere mich bildlich an eine Situation in der ich einem großen Treppenhaus mit einer bogenförmigen (Granit- oder dunklen Marmor-) treppe stehe und versuche auf eine Toiliette zu kommen um meine Unterhose zu wechseln, die beschmutzt war. Ich weis aber nicht mehr wie es ausgegangen ist.

Ich habe hier viele Kommentare gesehen (noch nicht gelesen) und bin irgendwie erleichtert, dass ich nicht alleine bin. Ich wünsche allen anderen Betroffenen dass es Euch gelingt dieses Traume zu verarbeiten.

Börries
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Tina schrieb am 21.11.2019
Hallo, ich bin 1964 geboren und war dreimal (1973, 1974, 1976) wegen Excem und Untergewicht zur Erholung in List/Sylt im Kindererholungsheim Möwengrund.
Die Zugfahrt von Stuttgart nach Westerland erlebte ich als spannendes Abenteuer- wir klappten die roten Bundesbahnsitze auseinander und hatten eine 'Liegewiese', teilten unser Vesper und spielten gefühlt stundenlang MauMau. In dem kleinen Heim mit nur 20 Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren gab es ein Zweierzimmer für die Ältesten, Vierer- und Sechserzimmer mit Mittagsruhe, während der wir Märchenschallplatten hörten. Soviele Lego und Bücher, sowie Brettspiele auf einem Haufen waren mir bis dahin nicht begegnet- am liebsten mochte ich aber das zum Strand gehen, je nach Wetter mit Gummistiefeln oder im Meer baden. Auch die Ausflüge zum Wellenbad nach Westerland und ins Legoland vergesse ich nie! Das Essen war sicher nichts Besonderes, aber wir asen um die Wette: manchmal acht! Scheiben Brot abends. Und - für mich eines der Highlights: wir mussten so gut wie nie Hausis machen, nur einzelne Arbeitsblätter, die ich von meiner Schule dabei hatte! Im Großen und Ganzen hat es mir dort sehr gut gefallen - die Hunde Pit und Zottel, sowie die Katze Tiger (der Hauseltern Wentz), die oft zu den Spaziergängen angeleint mitliefen, taten ein Übriges, dass es mir gefiel. Die jungen Erzieherinnen waren unterschiedlich sympathisch, kamen mir als Kind aber nicht irgendwie bösartig vor.
Es tut mir leid für diejenigen, die so schlimme Erfahrungen machten. Ich wollte aber nichtsdestotrotz meine positiven Erinnerungen teilen und freue mich von anderen zu hören, die auch im Kindererholungsheim Möwengrund waren, ob sie wohl ähnliche Erfahrungen machten? vG Tina
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Patrick schrieb am 21.11.2019
Mir fiel heute zufällig der ausführliche Zeitungsbericht der HAZ zu diesem Thema in die Hände und sofort kam hoch, was sich vor 40 Jahren mit 9 bei mir im Sommer 1979 abgespielt hat: vermutlich war ich dann einer der letzten kleinen Kurheimshäftlinge, wenn die meisten Zeitzeugenberichte aus den 50/60er-Jahren sind, und es war ein privates Heim in Bad Rothenfelde, das den zynischen Namen "Kindererholungsheim Behmerburg" trug. Im Netz gibt es geschöntes Ansichtskartenidyll, einfach mal googlen... Die beiden Häuser in der Georgstr. hat man längst abgerissen, laut Maps steht dort ein Seniorenheim drauf. Daher auch der Klarname.

Vieles aus dem HAZ-Artikel was Sabine Schwemm berichtet und auch hier in den Blogs zu lesen ist (bzw. ich noch durchlesen werde - oder auch nicht, falls es mir selbst zuviel werden sollte), war meine eigene Erfahrung, daher brauche ich sicher nicht zu wiederholen, was hier schon dutzendfach steht: Demütigung, Einschüchterung durch die "Aufseher", direktes Kontaktverbot zu Eltern bzw. Briefkontrolle, Schläge (bei anderen sogar richtige Prügel), kalte Duschen, wegsperren, Wegnahme persönlicher Sachen .... und unter den "Insassen" die entsprechenden Reaktionen, die auch zu Aggressivität untereinander, Panikattacken, Bettnässen u.ä. führten - all das, was dem ein oder anderen Therapeuten heute nach vielen Jahrzehnten (immer noch...) Patienten beschert....

Vielleicht war ich diese Art Nazi-Regiment auch aus der Grundschule, Krankenhausaufenthalten, Musikunterricht.... gewohnt, besonders erschreckt hat es mich nämlich nicht - das kam erst einige Jahre später. Die damaligen "Pädagogen" und Erzieher, alles Mittfünfziger und älter, haben somit noch unter dem kleinen schnauzbärtigen Schreihals ihre "Kenntnisse" erworben. Sie konnten es halt nicht besser. In meinem Fall bekamen sie willfährige Unterstützung einer jugendlichen pubertären Kurinsassin, die auf Seite der Betreuer freudig mitschickanierte und mitprügelte. Wahrscheinlich wurde auch sie so konditioniert: mit Pickeln, Panzerbrille und Zahnlücke musste sie in ihrer Schule sicher ähnliches ertragen - nicht als Entschuldigung zu verstehen sondern als Erklärung.

Viel schlimmer fand ich, dass zumindest ab den 1970er-Jahren das Thema Kinderfürsorge auch auf Behördenseite deutlich an Stellenwert gewonnen hat (als Scheidungskind hatte ich in der Zeit öfter mit einer Tante vom Jugendamt zu tun, die sehr um mein Wohl bemüht war, uns mit Hausbesuchen malträtierte und mit unverfänglichsten Aussagen von mir meinen Eltern gleich schlimmste Vorwürfe machte). Bei der Alkoholikerfamilie zwei Häuser weiter kam sie nie rein, deshalb machte sie vielleicht immer Rast bei uns, wo es auch Kaffee und Kekse gab...

Hier wo wirklich eklatant und systematisch mißhandelt wurde unternahm man nichts - anscheinend bis zuletzt. Bei manchen, gerade kirchlichen Trägern bin ich auch nicht verwundert (auch wenn ich heute selbst in der Diakonie arbeite und pikanterweise selbst viel mit Kleinkindern zu tun habe, allerdings in Anwesenheit ihrer Eltern, die meine Arbeit sehr schätzen). Wir werden heutzutage so dermaßen von allen Seiten überwacht, dass selbst der kleinste, nichtigste Anlass einen Rattenschwanz an Untersuchungen und Stellungnahmen nach sich zieht. Von Facebook-Shitstorm (was es vor 50 Jahren ja noch nicht gab) mal ganz abgesehen. Wie blieb sowas so lange unbemerkt?

Als uns nach drei Wochen Bootcamp unsere Eltern wieder am Bahnhof in Empfang nahmen (auch denen man im Heim sagte, sie seien hier zur Adoption freigegeben...), waren natürlich alle von den Berichten ihrer Kinder erschüttert und tönten, dass sie Anzeige erstatten werden und die Presse und den Papst und wen nicht noch alles einschalten. Ich erinnere mich an keine Befragung durch Polizei/Justiz, Journalisten, Jugendschutz (gab es sowas schon?) oder Sozialverbände/Kostenträger dieser "Kuren". Selbst wenn es vereinzelt Anzeigen gegeben haben mag, führten sie wahrscheinlich ins Leere. Nicht einmal die Krankenkassen, die diese Folter mit vierstelligen Beträgen pro Kind bezahlten, haben mal hinterfragt oder überprüft, wofür sie eigentlich Geld ausgeben. Als Privatmensch darf man sich natürlich durch die Instanzen klagen, wenn man für dringende medizinische Behandlung Kostenübernahme haben will.

Leider habe ich diese Seite(n) erst entdeckt und bin leider auch jetzt erst auf die Tagung auf Sylt aufmerksam geworden. Ich stehe also erst am Anfang allen Lesens, des Mitleidens mit den Geschichten und auch des eigenen Aufarbeitens (ich merke, dass dieser Bericht und diese Webseite was mit mir macht - weniger aus meinen eigenen Erlebnissen, wo nur nach 40 Jahren noch Fragmente vorhanden sind - dann aber sehr konkret, vielmehr aus den Schilderungen der anderen, bis hin zu den Todesfällen von Kleinkindern), was mich - so wie die Nicht-Aufarbeitung dieser - völlig fassungslos macht, aber nicht überrascht. Das ist keinesfalls zynisch, sondern eine Folge dieses sadistischen Umgangs in vielen "Kinderkurheimen".

Allen, die hier gleiches, ähnliches oder schlimmeres erlebt haben, wünsche ich, das sie mit dem Erlebten abschließen können. Irgendwie scheint bei mir gerade ein Druckventil aufgegangen zu sein - sorry für das viele Geschwalle.... :o)
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Volker Fabian schrieb am 21.11.2019
Hallo liebe Leidensgenossen, ich bin heute über den Spiegel-Online Artikel über die Verschickungskinder ("Macht was. Bitte! Bitte!") gestolpert. Daher auch hier mein Kommentar, vielleicht erkennt ja jemand die Einrichtung wieder (Ludgeri-Stift auf Norderney, ca.1965):

Ich bin Jahrgang 1960 und war als 5jähriger für eine "Kinderkur" in der oben genannten Einrichtung. Es war für ein kleines, unsicheres Kind wie mich eine verstörende und gewalttätige Erfahrung. Beim Lesen des Artikels kam alles wieder hoch. Und erstaunlich, wie viel Deckungsgleichheit es hier gibt.
Das Ludgeri-Stift (kirchlich-soziale Einrichtung, der reinste Hohn...) wurde von einem Hausdrachen und sadistischen, unreifen Erzieherinnen (Tanten) geführt. Das Taschengeld musste abgegeben werden, jeder Brief wurde zur Zensur der Heimleitung vorgelegt. An das Essen habe ich relativ wenig Erinnerung (nur dass es schlecht war), aber an die Kasernierung im Speiseraum unter absoluter Ruhe samt Strafen, wenn das Schweigen gebrochen wurde. Woran ich genaue Erinnerungen habe, war die willkürliche Gewalt. Ohrfeigen, barfuß Strafe stehen im dunklen Flur, Entwürdigungen. Ein Junge wurde besonders schikaniert, weil er sich wohl etwas sonderbar artikulierte und recht lebendig war. Die "Tante" sperrte ihn für eine halbe Stunde in eine engen Besenspind, in welchen sonst nur zwei Putzeimer und die Besen passten. Das unglaubliche Schreien und Weinen werde ich bis heute nicht vergessen, weil ihm gesagt wurde, dass er für immer dort eingesperrt bleiben würde. Ein anderes Mal musste er sich nackt ausziehen und an die Wand stellen, und dann befahl die nette Tante, dass JEDER von uns (Jungen und Mädchen) in einer Schlange an ihm vorbeigehen musste und ihn entweder einmal hauen oder treten sollte. Das war perfide gesteuerte, organisierte Massengewalttätigkeit mit unschuldigen Kindern...
Einmal in der Woche durften wir eine Stunde zu dritt in den kleinen Ort, um unsere Taschengeldration auszugeben. Wurde natürlich alles kontrolliert, manches musste auch wieder abgegeben werden. Da habe ich im Krämerladen einfach einen heimlich geschriebenen Brief an meine Eltern aufgegeben und damit die Zensur ausgetrickst. Und meine Mutter kam tatsächlich und hat mich vorzeitig abgeholt! Zu Hause gab es dann auch halbherzige Beschwerden und Gespräche mit dem Träger, das verlief aber schnell im Sande. Ja nicht auffallen und immer ducken, das war ihre Devise. Aber dass sie mich da herausgeholt hatte, vergaß ich nie...
Ein halbes Jahr später bin ich dann noch auf eine andere "Kinderfreizeit" geschickt worden. Wo das war, weiß ich allerdings nicht mehr. Herrische Tanten, Willkür, viel Heulen und Heimweh, fast das gleiche Spiel. Auf einmal wurde gesagt, ich hätte Besuch! Das war extrem selten, alles staunte, ich am meisten. Es war mein Vater, der nur mal kurz auf der Durchreise war und nach 10 Minuten wieder weg war. Da war das Heulen danach noch viel größer.
Meine Eltern haben sich übrigens kurz danach getrennt, als ich in die Schule kam. War schon eine tolle Kindheit, damals in den 60ern...
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Karl Hohberg schrieb am 21.11.2019
Als Kind bin ich dreimal "verschickt" worden und habe ähnliche Erfahrungen gemacht, die auch in den Kommentaren der anderenn Betroffenen sind. In einer streng katholischen Familie aufgewachsen, wurde ich dabei immer in die "Obhut" von Ordensschwestern gegeben. Eswaren gjeweils katholische Heime, soviel ich weiß, wurde die Verschickung vondedr Caritas organisiert. Zweimal war ich in einem Kinderheim in Sandebeck ( ca. 1957 mit 6 Jahren und 1961 mit 10 Jahren). Ca. 1958 wurde ich zur Aufpäppelung und um für die anstehende Schulzeit fit zu werden ins Kinderkurerholungsheim nach Mittelberg/Oy verbracht.

Insgesamt war der Umgang der Nonnen und ihrer Helferinnen mit den Kindern geprägt von Respektlosigkeit, Einforderung unbedingten Gehorsams und strengster Sanktionierung von kleinsten Regelverstössen, fanatischer Glaubenserziehung und schwarzer Pädagogik, d.h. Gefügig machen durch Angsteinfößung (Feuer, Hölle, ewige Qualen). Rückblickend kann ich sagen, dass der Umgang und die Erziehungsstrategien sicherlich - wie es auch schon in vielen Kommentaren und Beiträgen zu lesen war - ihre Wurzeln in der NS-Zeit hatten, gepaart aber auch mit masochistisch-sadistischen Tendenzen der Ordensschwestern, deren Persönlichkeiten
durch ihre Unterwerfung unter das katholische Regelwerk (Sünde, Buße, Qualen, Hingabe, absolute Autoritatshörigkeit) deformiert wurde.

Ganz besonders erschreckend war die Zeit in Mittelberg/Oy. Viele Demütigungen und Schrecken habe ich vergessen (das Gesamtbild ist aber heute noch so lebhaft wie damals), aber in mein
fotografisches Gedächtnis hat sich eingebrannt, wie mein 6-jähriger kleinere Bruder, für den ich mich als 7-jähriger doch verantwortlich fühlte - nachts wegen nicht eingehaltener Nachtruhe aus seinem Bett gerissen wurde und in den (Kohlen?)keller gesperrt wurde, wo er die ganze Nacht verbringen musste und ich seine Schreie hören konnte.

Die Essenzeiten waren fast fast jedes Mal Horrorveranstaltungen (Und hier wiederholt sich das, was viele berichten): Das Essen (Milchgrütze etc) war für uns fast ungenießbar, es wurde in uns reingestopft und fast jedes Mal musste ein Kind erbrechen. Nicht nur die Tatsache, dass dieses Kind sein Erbrochenes auslöffeln mußte, nein - und jetzt kommt eine Variante, die ich bislang in den Schilderungen noch nicht gelesen habe - das jeweilige Kinde wurde von zwei Schwestern fixiert und mußte einen Schlauch schlucken, um noch mehr zu erbrechen und anschließend noch mehr auflöffeln. Ich empfand dieses Ritual so schockierend (es war kein Einzelfall, es wiederholte sich immer wieder!), dass ich auch später mit meinen Eltern nicht darüber reden konnte. Die Essenszeiten waren ständig Angst besetzt, dass es mir auch so passieren könnte.
Ich habe aber auch bemerkt, dass diese extreme Behandlung zumeist immer wieder den gleichen Kindern widerfuhren und schon damals , mit meien 7 Jahren - meinte ich, es seien zumeist eine der vielen Waisenkinder, die überhaupt keinen familiären Rückhalt hatten und an denen die Nonnen seine sadistischen Trieben ausleben konnte.

Ich fühle mich nicht traumatisiert, wenngleich die Bilder immer wieder an der Oberfläche erscheinen. Es hat aus mir aber einen militanten Kirchengegner gemacht, der sich nicht damit abfinden will, das eine Institution, deren strukturellen Probleme so offen liegen, noch imnmer diesen großen Einfluss in unserer Gesellschaft hat und deren Lobbyismus immer noch bedeutend die Politik bestimmt.
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Christian schrieb am 21.11.2019
Nach einer eingebildeten Erkrankung meiner Mutter 1967 wurde ich (7) mit meiner Schwester (3) in ein Heim am Schluchsee verschickt. Ich habe die Zeit dort nur in sehr schlechter Erinnerung. Bei der Wohnungsauflösung meiner Eltern habe ich noch eine Postkarte gefunden, auf der das Heim meine Grüße ans Elternhaus mit dem Stempel versehen hatte, dass die Zusendung von Geschenkpaketen an die Kinder verboten sei. Ich glaube, dass damals Kinder nicht als vollwertige Menschen angesehen wurden. Da man zudem als Junge nicht besonders emphatisch erzogen wurde, sondern funktionieren mußte, war das Heimerlebnis nicht traumatisierend, sondern entsprach eher dem Zeitgeist. Nach dem Aufenthalt war jedoch mein Verhältnis zu meinen Eltern nur noch neutral, da sie mich mit meiner kleinen Schwester allein gelassen hatten.
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Gudrun Kroll schrieb am 21.11.2019
Mit acht Jahren kam ich für vier Wochen nach Langeoog, ich hatte solches Heimweh, war noch nie von Eltern und Geschwistern getrennt. Wenn ich darüber erzähle, sage ich auch immer, dass man das heute als Mißhandlung bezeichnen würde. Wer sein Essen nicht aufaß, mußte stundenlang am Tisch sitzen bleiben, bis es gegessen war, In der Mittagspause durfte man nicht auf die Toilette, wer es trotzdem nicht aushielt, mußte den Rest der Pause auf der Toilette bleiben.Manchen Kindern wurden zum Spaß die Augenlider mit Schuhcreme beschmiert und wir wurden aufgefordert, einen Bettnässer auszulachen, das habe ich nicht gemacht, er tat mir so leid.Es herrschte eine Grundlieblosigkeit. Eine Sache war aber schön, wir sangen mit der Mundorgel zum Schifferklavier, ich habe immer gern gesungen. Damals als Kind habe ich mir geschworen, dass meine Kinder nie irgendwohin müßten, wohin sie nicht wollten und das habe ich beibehalten.
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Eggeling Lutz schrieb am 21.11.2019
War zu schmächtig

Kinderkurheim Büsum Deichhausen DAK, Name war ?? Seeschlößchen??
Neben diversen Erlebnissen wie Bunker, Knüppelgasse und iZwangsaufenthalt in der Krankenstation wurden wir gezwungen ständig zu essen. Das übelste Bild, welches mir in Erinnerung geblieben ist, das mein gegenüber, 9 - 10 Jahre, als er das Essen verweigerte, an den Armen festgehalten wurde, die Nase zugedrückt und beim öffnen des Mundes wurde das Essen, reingestopft. Das war eine Abschreckung für uns anderen. Und natürlich mussten wir am Tisch sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war.
Ich leide heute ich unter Adipositas, da ich keinen natürlichen Reflex mehr habe, wann ich satt bin. Eine weitere Frage hätte ich auch, ist es bekannt, das damals auch ruhig stellenden Mittel ins Essen kamen?
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Josef schrieb am 21.11.2019
Hallo,
ich bin Jahrgang 1961. Mit 5 Jahren hatte ich einen „ Kuraufenthalt“ auf Norderney.
Eine Kur war wohl auch gerechtfertigt damals. Ich war ein kränkliches Kind und hatte u.a. Krupphusten. Die Seeluft hat mir geholfen.
An den Aufenthalt selber erinnere ich mich nicht so gerne, hatte es zum größten Teil auch verdrängt, bis ich den Artikel las.
Es gibt Erinnerungen von Erbrechen und das regelmäßig. Bloßstellen vor den Anderen. Und da waren sehr viele andere Kinder. Demütigungen. Androhung von Spritzen in den Hals, wenn ich nicht aufhöre zu erbrechen. Ich glaube es gab auch Isolation. Ich habe auch ins Bett gemacht. Die Erinnerungen sind sehr verschwommen, ich habe vieles verdrängt. Ich kann mich aber erinnern, daß ich danach als Kind sehr verängstigt war. Jetzt beim schreiben kommen Bruchstücke wieder zurück. Die Tanten waren groß und übermächtig. Mit Schürze und hochgestecktem Haar. Streng.
Ich kann mich an einen großen Speisesaal erinnern, mit Holztischen. Das Heim selbst war wohl ein sehr altes Gebäude. Es gab doppelte Fenster. Ein Fenster außen und eins innen. Sehr dicke Mauern. Ich hätte zwischen diese Fenster gepaßt.
Eine gute Erinnerung ist der Strand. Muschelsuchen und mit angespülten Quallen Fußball spielen.
Obwohl es sehr wenige und verschwommene Erinnerungen sind, macht sich jetzt beim schreiben ein schlechtes Gefühl breit. Eine innere Unruhe. Als wenn da noch mehr gewesen ist.

Ich glaube, da gibt es etwas, das ich aufarbeiten muß. Vielleicht gibt es noch Briefe. Es muß auch noch min. ein Bild geben.
Was mich aber mein Leben lang begleitet hat, ist die Drohung, eine Spritze in den Hals zu bekommen.

Danke.
Ich habe immer geglaubt, ich wäre der Einzige.
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Michael Brenner schrieb am 21.11.2019
Ich heisse Michael Brenner, bin 1951 geboren und war etwa 1958 zur Verschickung durch die DAK, die Krankenkasse meiner Eltern, aus Hamburg für 6 Wochen in einem Heim des DRK des Roten Kreuz in Muggendorf in der Fränkischen Schweiz.
Über meine Erinnerungen ist der folgende Text entstanden:

Kindheit zu Anfang der 1950er bedeutete ein Leben in zerstörten Städten, in Not und Elend. Doch Hunger musste ich nie erleben. Hatten die Erwachsenen wenig zu essen, hielten meine Großeltern Haferflocken mit Kakao, Zucker und Milch für mich bereit. Als Kleinkind soll ich schwächlich gewirkt haben, auch wenn ich mich selbst nie so gefühlt habe. Mein ausgezehrter Gesundheitszustand war nichts Persönliches, es waren die Zeiten der Nachkriegsnot. Mehrfach schickte mich unser Hausarzt auch zur Höhensonne. Doch es reichte nicht. Deshalb verordnete er mir im Alter von sechs Jahren einen längeren Kuraufenthalt, bezahlt von der DAK, der Krankenkasse meiner Eltern.

Auf dem Hauptbahnhof bestieg ich mit Hundertfünfzig oder gar mehr weiteren Kindern einen Sonderzug, der uns, gezogen von einer Dampflokomotive, für sechs oder in ein Kinderheim nach Muggendorf in Franken verschickte, wie es damals hieß. Dort wurden wir von Schwestern des Roten Kreuzes mit gesunder Luft, viel Bewegung und reichlich Essen aufgepäppelt. Sicherlich war es von meinen Eltern gut gemeint, aber ich habe zwiespältige Erinnerungsbilder in meinem Kopf: große Schlafsäle, eine strenge und kalte Atmosphäre, viele ärztliche Untersuchungen.

Im November 2019 entdeckte ich im Internet einen Kongress zum Thema Das Elend der Verschickungskinder, zu denen ich mich rechne. Verschickungskinder, das war nach 1945 der Sammelbegriff für das Verbringen von Klein- und Schulkindern, wegen gesundheitlicher Probleme, in Kindererholungsheime und -stätten in den 50/60/70er bis in die 80/90er Jahre. Die Kleinkinder wurden allein, in Sammeltransporten, dorthin „verschickt“. Die Kinder erinnern diese Verschickungen traumatisch, verkünden die Veranstalter.

Aus der Presseankündigung zum Kongress: Nach grober erster Schätzung sind in den 50/60/70er und bis in die 80/90er Jahre hinein ca 8 Millionen Klein- und Schulkinder ab 2. Lebensjahr allein über 6-8 Wochen, oft verlängert auf viele Monate, ohne ihre Eltern „verschickt“ worden. Die Stätten waren Kinderkurheime und Kindererholungsstätten auf Nord- und ostfriesischen Inseln, in den Mittel- und Hochgebirgen. Die Kinder wurden in Sammeltransporten verschickt. Die Eltern hatten kein Besuchsrecht. Die Kinder waren der Institution und ihren Bedingungen hilflos und allein ausgeliefert. Während die Eltern sich Erholung und Gesundung ihres Kindes vorstellten, wird der Alltag in diesen Verschickungsheimen von vielen Betroffenen traumatisch erinnert. Es werden Essenszwang und gewalttätige Einfütterung bis zum Erbrechen, harte Behandlung, Erniedrigungen, Strafen, Verbote, u.w. erinnert.

Auch in dem Heim in Muggendorf, in das ich verschickt worden war, hat ein überaus strenges Regime geherrscht und ich erinnere noch, dass ich dort wenig glücklich war und kein Klima von Geborgenheit und Wärme herrschte, aber das hatte ich zuhause auch eher wenig. Ob sie mir dort auch Beruhigungsmittel und Spritzen gegeben haben? Oft mussten wir uns ausziehen und uns medizinisch untersuchen lassen. Was sie genau gemacht haben, kann ich nicht mehr sagen. Die Bilder von ärztlichen Behandlungen bleiben unscharf. Offenbar habe ich viel verdrängt, an weite Teile meiner Kindheit kann ich mich besser erinnern.

Sozialwissenschaftlich und historisch habe ich mich viel mit der in großen Bereichen unmenschlichen Behandlung von Kindern und Jugendlichen in der deutschen Heimerziehung der 1950 und 1960er beschäftigt, die zu Anfang des zweiten Jahrzehnts im 21. Jahrhundert so intensiv diskutiert wurde. Die erste Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs ( Rundes Tisches für Missbrauch) ist mir persönlich bekannt. Daher ist mir schon seit langem ist bewusst, dass die pädagogischen Vorstellungen der dort Arbeitenden aus der Nazi-Ideologie über Erziehung stammten und dass viele der dort Tätigen ihre Berufsvorstellungen im Dritten Reich gewonnen hatten. Doch ich habe, bis zum Lesen der Texte dieses Kongresses von 2019, meine persönlichen Erlebnisse in Muggendorf nie in Verbindung damit gebracht. Manchmal schützen uns das Vergessen und ein blinder Fleck.

Wenn jemand ebenfalls in Muggendorf war, freue ich mich sehr auf seine oder ihre Eindrücke oder eine persönliche mail
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Hartmut Kuhn schrieb am 21.11.2019
Mein Name ist Hartmut Kuhn. Ich war ca 1969/70 im "Erholungsheim" Hafenpreppach.
Und alles, was hier schon beschrieben stand, kann ich bestätigen: Repressionen, Angst, Zwang zum Essen und auch das Essen des Erbrochenen, Einnässen mit Demütigungen, Zensur. Verschickt wurde ich vom Jugendamt / Gesundheitsamt Schweinfurt. Auch wenn ich erst rd. 8 Jahre alt war, ich werde diese Wochen nicht vergessen.
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Wilhelm Lüttebrandt schrieb am 21.11.2019
Es war in den späten 50er Jahren in Westerland auf Sylt , Die Sadistin hiess Charlotte. Daheim hatte ich eine langsame Prozedur des Aufstehens mit Kreislauftropfen auf Sylt gab es gleich Kakao mit Haferflocken,was regelmässig zu Erbrechen führte, zur Belohnung gab es dann einen Gummischlauch in die Speiseröhre. Der war zum Glück dünner als die damals üblichen Endoskope und hat wohl keine Verletzungen erzeugt.
Wurde mittags das Essen erbrochen, so hatte man bis der Teller blank war am Katzentisch zu sitzen, das dauerte meist bis zum Nachmittagskaffee, vermutlich war mit Flüssigkeit, das Erbrochene leichter zu schlucken.
Eine soziale und eigentlich sehr freundliche Sozialeinrichtung der Bahn hatte mich als Halbwaisen dorthin geschickt. Dort wurde der Bericht meiner Mutter kommentiert, mit den Worten: es ist bekannt, dass Charlotte schlägt. An die Schläge erinnere ich mich nicht mehr. Aber ich weiss noch, dass ein eigentlich unauffälliger Knabe regelmässig Asthmaanfälle bekam, sobald er in den Dünen ankam. Vermutlich gab es da keinen Mediziner, der da Verantwortung trug.

Dass ich nicht mit meinem richtigen Vornamen angeredet oder gerufen wurde, hat nur vorübergehend für Aerger gesorgt, ganz schnell habe ich begriffen , dass ich von nun an nur noch der Hans war.
dieser text hat mich total erschöpft
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Stefanie schrieb am 21.11.2019
Ich habe heute Morgen einen Beitrag über das Buch „Schwarze Häuser“ von Sabine Ludwig in Radio Bremen 2 gehört und wurde beim Aufwachen hellhörig. Sofort beim Hören stellte sich jenes bedrückende Gefühl von damals wieder ein und ein weiteres, noch nie gefühltes: ich bin nicht allein! Denn davon war ich bisher ausgegangen!

Ich war eine sogenannte „Bettnässerin“. Grund waren von Geburt an falsch angewachsene Harnleiter und ständige Blasenentzündungen, die mit reichlich Antibiotika behandelt wurden. Mit 4, 6, 8 und 11 Jahren wurde ich operiert, in den 1970er und Anfang der 1980er Jahre. Zunächst wurden die Harnleiter umoperiert, erst links dann rechts, dann festgestellt, dass die übergelassenen Stümpfe weitere Entzündungen verursachten, wieder operiert und wieder…, das alles in wochenlangen Aufenthalten in Krankenhäusern in Wilhemshaven und Trier, weit entfernt von meiner Heimat in Emden. Die Eltern durften damals nicht mit im Krankenhaus schlafen und mich nur zu den Besuchszeiten vormittags und nachmittags besuchen. Ich war einsam. Bei der ersten OP erzählte mir der Arzt, ich müsse nur einen Luftballon aufblasen, dann würde ich schlafen und nichts mehr merken und aufwachen und alles wäre gut. Nichts davon trat ein. Der „Luftballon“ blies mich auf, nicht umgekehrt. Ich fühlte mich belogen und betrogen. Später wurde mir beim Gucken der „Schwarzwaldklinik“ immer bei dem "Beatmungs-Blasebalg" im OP-Saal so übel, dass ich mich fast übergeben musste.

Mit 9 Jahren, 1982, sollte mir eine Kur in Bayern Besserung bringen. Meine Eltern kämpften dafür, dass die Krankenkasse die Kosten übernimmt. 8 Wochen wurden genehmigt, auf 10 Wochen wurde später verlängert (das war die schlimmste von allen schlechten Nachrichten, die ich je bekommen habe!). Das Heim war für Harn- und Kot-inkontinente Kinder gedacht, und stand kurz vor der Schließung. Statt 30 waren max. 3-4 Kinder zur gleichen Zeit da. Wir waren alle nicht so dicke, weil wir ja alle wegen einem sehr peinlichen Thema da waren, über das niemand sprach. Es hieß dann nur, dass man „Erfolg hatte“, wenn man einen Tag nicht eingenässt hatte. Das war nicht so schwer, denn wir bekamen so gut wie nichts zu trinken. Das Zahnputzwasser wurde mit einer rosa Farbe versetzt und uns gesagt, dass diese giftig sei, damit wir das Wasser nicht heimlich tranken, denn wir hatten immer Durst! Hatte ich trotzdem eingenässt, musste ich zur Strafe den Mittagsschlaf auf der harten Speisesaal-Bank verbringen statt im Bett.

Die Leiterin, ein Helfer und eine Betreuerin waren (aus damaliger Perspektive) 75+ und entsprechend pädagogisch-altmodisch, die Köchin burschikos-unsensibel – ich weiß noch alle Namen. Nur die Nachtschwester hatte ein freundliches Wesen und ab und zu Verständnis für mein Heimweh, das sich in Tränen ausdrückte. Das Essen war genauso fremdartig für mich wie der bayrische Dialekt, den ich – wieder „daheim“ – noch einige Zeit behielt. Die Betreuer zwangen uns, das Essen aufzuessen, sie waren stolz, dass ich endlich zunahm, meine Eltern und Großeltern ebenfalls glücklich, da ich immer ein kleines dünnes Kind war - ich jedoch nicht. Dies war vermutlich der Beginn meiner Übergewichtskarriere, die mich bis heute stark beschäftigt, genau wie die Inkontinenz. Freundlichkeit und Empathie, Trost, nette Worte bekam ich während der ganze Zeit von niemandem! Von "meiner" Welt war ich abgeschnitten. Telefonieren durfte ich nur an meinem 10. Geburtstag, ganz kurz und unter Aufsicht der Leiterin.

Die Briefe wurden zensiert. Ich grübelte immer wieder darüber nach, wie ich meinen Eltern heimlich mitteilten konnte, wie schrecklich es hier war und dass sie mich abholen müssen. Ich wollte eine kurze Nachricht in die Innenseite des Briefumschlages schreiben, damit sie wissen, dass mein ständiges „Mir geht es gut!“ nicht wahr ist, habe mich das aber nie getraut. Stattdessen habe ich rote Herzen mit Liebespfeil als geheime Botschaft gemalt und gehofft, dass sie verstehen. Ich wusste nie, ob sie meine Botschaft nicht verstanden oder mir nicht helfen wollten! Erst Jahre später erzählte ich ihnen von meinen Erfahrungen.

Ich habe drei Psychotherapien hinter mir, die letzte war eine EMDR-Trauma-Therapie. Diese hat mich in der Tat von meinem über 40jährigen OP-Trauma befreit, so daß ich danach eine nötige Operation absolvieren konnte. Wie tief die schrecklichen Erfahrungen der Kur noch in mir sitzen, merke ich nun wieder. Dass es scheinbar noch so viel mehr Kinder gab, die ähnliches Leid erfahren mussten, tut mir weh, erleichtert mich aber auf der anderen Seite, da ich somit irgendwie Teil einer Gemeinschaft und nicht allein bin.
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Jürgen schrieb am 21.11.2019
Hallo, ich bin 1952 geboren und war 1961 für 6 Wochen in St. Peter Ording an der Nordsee, Auch ich kann mich an Situationen erinnern, dass Kinder das Essen erbrochen haben und dann die Teller immer wieder aufgefüllt bekommen haben, bis sie den Teller leer gegessen haben ohne zu spucken.
In der Mittagstunde und in der Nacht durften wir nicht auf die Toilette, dadurch bin ich zum Bettnässer geworden. Zur Strafe musste ich dann ohne Bettdecke auf einer Holztruhe mit rundem Deckel schlafen oder ich wurde in die Toiletten gesperrt mit den Worten: "Hier hast du ja dein Klo". Dort musste ich dann auf dem kalten Boden schlafen, nur im Pyjama.
Briefe nach Hause durften nur positiv sein, ansonsten wurde man bestraft.

An mehr kann ich mich nicht mehr erinnern, vielleicht auch weil es zu Hause und in der Schule ähnliche " Erziehungsmassnahmen" gab.

Viele Grüße
Jürgen
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Bernhard schrieb am 21.11.2019
Bernhard, Jahrgang 1963:
Lange Zeit dachte ich, ich sei der Einzige der solche "Kuren" als extrem traumatisierend in Erinnerung hat. Nach der Lektüre eines Spiegel-Artikels darüber heute und einiger Kommentare auf der Internet-Seite hier, weiß ich es besser. Insgesamt fünf Mal wurde ich im Zeitraum von 1969 bis 1974 Jahr für Jahr zu unterschiedlichsten Jahreszeiten in ein Kinderkurheim geschickt. Die Aufenthalte variierten jeweils zwischen 6 und 9 Wochen. Die schlimmsten Erinnerungen habe ich an ein mutmaßlich konfessionell geführtes Kinderkurheim in St. Peter-Ording, an dessen Namen ich mich aber nicht erinnere.
Untergewichtig und mit der Diagnose Asthma und damit einhergehender Neurodermitis wurde ich 1969 gleich in den Sommerferien meines 1. Schuljahres wegen der "guten Seeluft" dorthin geschickt. "Damit du wieder rote Bäckchen kriegst!", hieß die Devise. Die Freude darüber, endlich mal das Meer zu sehen und über die damit verbundene, erste längere Zugfahrt meines Lebens, wich großem Entsetzen, als mir kurz vor der Abfahrt des Zuges im Bahnhof Münster erst richtig klar wurde, dass meine Eltern nicht mitfahren würden.
Die panische Angst, nun für eine gefühlte Ewigkeit von ganzen 7 Wochen in der Fremde auf mich allein gestellt zu sein, kann ich kaum in Worte fassen. Die tränenreich absolvierte Zugfahrt umgeben von zwei völlig überforderten älteren Damen von der Bahnhofsmission und vielen anderen ebenso verstörten Kindern, denen man auch eine Identifikationskarte aus blauer Pappe um den Hals gehängt hatte, werde ich mein Lebtag nicht vergessen.
Was dann vorort darauf Tag für Tag folgte, kann ich aus meiner Erinnerung heraus heute nur als Kindesmisshandlung durch Gewalt und eine widerwärtige, seelische Grausamkeit bezeichnen.
In einer Gruppe von etwa 20/30 gleichaltrigen Kindern wurde mir gleich am ersten Abend klar gemacht, was mich erwartete. Schimpfe und Schläge bei jedem Fehlverhalten. Was da waren: Unpünktlichkeit, vermeintlicher Ungehorsam durch Widerspruch, Reden beim Essen, den Teller nicht leer zu essen, das Aus-der-Reihetanzen- beim marschähnlich vollzogenen Spaziergang in Zweierreihen zum Strand, Nichteinhalten der verbindlichen Zeiten für den Toilettengang, die Augen offenzuhalten bei der erzwungenen Mittagsschlafzeit, sich trotz juckender Dermatitis zu kratzen, sich während einer durch Asthma bedingten, schweren Atemnot im Bett aufzurichten oder gar auf den Bettrand zu setzen, die Nachtwache des Schlafsaals aus dem gleichen Grund "unnötigerweise" um Hilfe und Medikamente zu bitten und vieles, vieles mehr. Die Strafen folgten als Schläge ins Gesicht oder auf den Nacken oder noch perfider, als ich etwa in der zweiten Nacht im Schlaf unfreiwillig mein Bett eingenässt hatte: durch das nackt im Dunklen für eine halbe Stunde unter einer kalten Dusche stehen zu müssen, bis das Bett neu gemacht war. Die damit einhergehenden, verbalen Aggressionen und Demütigungen muss man sich noch dazu vorstellen.
Das Personal bestand zu einem kleinen Teil aus hauptsächlich für die Verpflegung zuständigen Ordensfrauen in einem Habit, der dem heutigen der Diakonissen ähnelte und zahlreichen "zivilen" meist älteren Erzieherinnen, insbesondere verantwortlich für die Tages- und Nachtbetreuung.
Aus Erzählungen meiner Mutter zu ihren Lebzeiten weiß ich, dass sie mich nach der "Kur" am Bahnsteig im Bahnhof Münster als ein vollkommen verstummtes und blasses, kleines Häufchen Elend wieder in Empfang genommen hatte, um mich dann wochenlang wieder auf das gleiche Gewicht wie vor der Kur hochzupäppeln. Trotzdem haben meine Eltern mich, im Vertrauen auf die Aussagen eines Kinderarztes und im festen Glauben, mir damit etwas Gutes zu tun, auch in den vier Folgejahren gegen meinen erklärten Willen in ein Kinderkurheim geschickt.
Die drei weiteren Aufenthalte, in einem Rot-Kreuz-Kinderheim auf der Insel Langeoog danach, habe ich nach den Erfahrungen des ersten Mals als weitaus weniger schrecklich in Erinnerung. Die dort tätigen (wesentlich jüngeren) Erzieherinnen führten zwar auch ein strenges Regiment, jedoch ohne körperliche Züchtigung. Trotzdem habe ich diese Kuraufenthalte dort stets als Bestrafung und nicht als feriengleiche Zeit des Vergnügens empfunden und meine Eltern geradezu dafür gehasst, dass sie mich immer wieder fortschickten. Zumal ich aus keiner dieser Kuren gesünder zurück kam als zuvor. Im Gegenteil.
Erst nach meinem fünften Kuraufenthalt im Alter von nunmehr 11/12-Jahren, in einem Kinderkurheim in Bad Lippspringe, war auch für meine Eltern das Maß voll.
Das Kurheim war an eine Art allergologische und dermatologische Klinik angeschlossen. Die schweren Fälle von Kindern mit Asthma und Neurodermatitis, zu denen ich auch gehörte, wurden dort jede Nacht und auch häufig tagsüber nicht im naheliegenden Kurheim, sondern in Krankenbetten einer Klinik-Station untergebracht und betreut. Der Aufenthalt dort bestand darin, mit unterschiedlichsten Therapien und Anwendungen behandelt zu werden, die mit strikter Bettruhe und engmaschigen Kontrollen der Blutwerte und Herz-/Kreislauffunktionen durch Klinikpersonal einhergingen.
Nahezu jeden zweiten Tag wurden mir über zwei/drei Wochen sogeannte Tests gemacht und dazu subkutan oder intravenös Substanzen verabreicht sowie hinterher die Immunraktion des Körpers darauf beobachtet. Von Nesselfieberschüben, die ich nie zuvor in meinem Leben hatte, bis hin zu Erbrechen und hohem Fieber war da alles dabei. Hinzu kamen häufige UV-Licht-Therapien der erkranken Hautpartien, die für mich äußerst schmerzhaft waren und eine für mich heute noch unbegreiflich hohe Anzahl von Röntgenuntersuchungen des Thorax in nur wenigen Wochen.
Erst viele Jahre später wurde mir klar, das das Ganze mitnichten einen kurativen Sinn hatte. An uns Kindern wurden in der Klinik ganz offensichtlich empirische Untersuchungen zu allergologischen Studien mit unterschiedlichen Allergenen, Therapien und Antihistaminika vorgenommen. Wo sonst, als in einem auf Asthma, Allergien und Neurodermitis spezialisierten Kinderkurheim bekommt man soviele Vergleichsprobanden auf eine Schlag für eine solche Studie zusammen? Möglicherweise haben meine Eltern dem im Vorhinein unwissentlich sogar zugestimmt.
Sechs Wochen später kam ich mit deutlich verschlechterten Krankheitssymptomen und einem erheblichen Gewichtsverlust wieder nach Hause. Meine Eltern waren darüber entsetzt und versprachen mir danach endgültig, mich nie wieder zu einer Kur zu schicken. Meine Eltern haben sich in den Jahrzehnten danach bis zu ihrem Tod immer wieder bei mir für diese Zwangskuren entschuldigt. Dass diese traumatischen Kur-Erlebnisse bei mir selbst schwerwiegende psychische Folgen hinterlassen haben, das glaube ich ehr nicht. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass Vergleichbares bei vielen, psychisch ohnehin schon labilen Menschen, schwerwiegende Folgen hinterlassen kann und auch hat. Umso wichtiger finde ich die historische Aufarbeitung der Geschehnisse in solchen Kurheimen und auch die Unterstützung für dieses Projekt.
Vielen Dank dafür, Frau Röhl!
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Xyzxyz schrieb am 21.11.2019
Mit zehn auf Sylt - heute würde man diese "Erholung" mit den damaligen Zuständen als Trainingscamp bezeichnen - 6 Wochen überleben war alles.
Ekliges Essen in Blumentöpfen verschwinden lassen, hungrigen Dicken die
Leberwurstschnitten zuwerfen, wenn keiner guckte, nachts auf abenteuerliche Weise zur Toilette robben, den Kleinen eine schöne Muschel
heimlich in die kleine Faust drücken und sich mit AlibiPutzlappen in der Hand auf zu den tagelang isolierten Kindern auf die Krankenstation schleichen.
Und die Tante böse fixieren, wenn sie einem mit den Fingerknöcheln strafend gegen die Stirn pockerte.
Die Kreativität wurde dort schon sehr gefördert......
Speziell die Kleinen waren aber einfach nur hilflos ausgeliefert.
Und die Tanten hatten ein Händchen dafür, Freundschaften untereinander
und das Beschützen Schwächerer zu unterbinden.
Eigentlich müsste man sich fragen, in welcher Gefühlskargheit diese Tanten
ihr eigenes Leben verbracht haben, Freude am Kinderquälen ist ja nun nicht
wirkliche Lebensfreude - was für eine seelische Verarmung und das auf einer
schönen Insel wie Sylt. Wir konnten ja wieder raus aus dem Gruselhaus.
Die Tanten waren in ihrer selbst geschaffenen Hölle gefangen.
Kälte Asche lange vor der Urne.
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Diplom-Psychologin Kerstin Thormann-Hofmann schrieb am 21.11.2019
1967, im Alter von 11 Jahren, wurde ich für 6 Wochen nach Klappholttal, Sylt, verschickt und bin fast gestorben.
Ich war das erste Mal allein von zuhause fort. Bei der Ankunft untersuchte uns der Kurarzt, ein, so schien es mir zumindest damals, alter Mann mit stoppeligem Bart. Woher ich das weiß?:
Wir mussten uns mit nacktem Oberkörper der Reihe nach aufstellen. Mir war das zutiefst peinlich, weil ich, im Unterschied zu den anderen, in etwa gleichaltrigen, Kindern, bereits einen Busenansatz hatte. Der Arzt horchte alle mit dem Stethoskop ab. Als ich an der Reihe war, nahm er das Stethoskop aus dem Ohr und legte sein Ohr an meine Brust.
Wir durften keine Briefe nach Hause schreiben, nur Karten. Diese wurden vor dem Abschicken gelesen und vor unseren Augen zerrissen, wenn etwas Kritisches darin stand.
Das Essen war schrecklich. An der Tür standen 2 Erzieherinnen mit Kochlöffeln in der Hand und schlugen die Kinder, wenn sie den Raum verlassen wollten, bevor sie aufgegessen hatten. Überhaupt wurde viel geschlagen.
Beim Ausflug nach Westerland kauften sich die Erzieherinnen vor unseren Augen Leckereien und aßen sie. Wir hatten kein Geld und keine Erlaubnis, schauten zu.
Jeden Abend war Spindkontrolle. Andenken vom Strand etc. wurden weggeworfen, gesammelte Blaubeeren ins Klo gespült.
Am schlimmsten war, dass ich fast gestorben wäre.
Ich hatte erst wenige Wochen zuvor Schwimmen gelernt. Als wir das erste Mal ins Meer durften, war ich begeistert und übte mit Blick zum Horizont meine neu gelernten Schwimmbewegungen. Weil die kleinen Wellen immer auf mich zukamen, unterlag ich, die noch nie am Meer gewesen war, der optischen Täuschung, mich nicht von der Stelle zu bewegen. Als ich mich schließlich umdrehte, sah ich das Ufer in weiter Ferne. Erschrocken, versuchte ich mich hinzustellen, was natürlich nicht gelang, da ich schon viel zu weit draußen war. Ich tauchte unter, versuchte zu schreien und zu winken, schluckte noch mehr Wasser, bemerkte, dass niemand schaute und kam mit einer Art Hundepaddeln panisch zurück an den Strand. ich war etwas abgetrieben und als ich mich berappelt hatte, ging ich zu den anderen Kindern zurück.
Keiner hatte meine Abwesenheit bemerkt und ich sagte nichts.
Heute arbeite ich als Psychotherapeutin, unter anderem mit traumatisierten Patienten.
Ich freue mich über ihre Initiative.
Mit freundlichem Gruß,
Diplom-Psychologin Kerstin Thormann-Hofmann
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Kati schrieb am 21.11.2019
Hallo, Anfang der 60er Jahre wurde ich mit 10 Jahren in ein Schullandheim in Niedersachsen verschickt. Ich hatte mich gefreut und eine Freundin aus meiner Klasse war auch mit. Wir kamen ins selbe Zimmer mit jeweils 4 Mädchen. Als Kleinkind hatte ich Mittagsschlaf gemacht aber längst nicht mehr mit 10. Weil weder meine Freundin noch ich müde waren haben wir uns nur angeschaut, weil Reden eh verboten war. Die Gruppenleiterin machte ihre Zimmerrundgänge und als sie sah, dass wir die Augen offen hatten, hat sie uns dafür bestraft. Am Abend, wenn sie die Gute-Nacht-Geschichte vorlas, wurden meine Freundin und ich zur Strafe auf einer Pritsche für die Zeit im Gruppenraum untergebracht. Ich bei den Mädchen und sie bei den Jungen. Ich höre, wie die Jungen dort rein kamen und johlten. Aber ich hatte so Probleme Äpfel mit der Schale zu essen, die es oft als Nachtisch gab und musste abends auf dem Gang zu den Schlafräumen auf einem Stuhl sitzen und den Apfel essen. Er war in Stücke geschnitten aber mit Schale. Die anderen Mädchen, die alle schon im Bett waren wollten mir helfen und ich sollte ihnen ein paar Stücke abgeben. Das hat die Leiterin auch mitbekommen und ich durfte als Strafe nicht bei der Gute-Nacht-Geschichte dabei sein. Bin da noch sehr krank geworden mit Fieber auf die Krankenstation, ein Arzt musste kommen und als ich wieder in die Gruppe kam meinten einige Mädchen, es sei viel schöner ohne mich dort gewesen. Keine Ahnung warum das so war, hatte vorher zu allen anderen Mädchen ein gutes Verhältnis. Schlimm war für mich der Unterrichtsausfall, da es damals noch eine Aufnahmeprüfung für das Gymnasium gab und ich die gar nicht erst gemacht habe, eben wegen des fehlenden Unterrichtsstoffs.
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kerstin schrieb am 21.11.2019
Ich war 1973 Timmendorfer Strand mit 5 J. und 1974 auf Wyk auf Föhr. Ich habe nur schreckliche Erinnerungen: Bestrafungen, Heimweh, Angst, Verzweiflung und Verlorensein. Die Postkarten, die die Tante schrieb, habe ich alle noch. Sie schreibt immer, wie vergnügt und munter ich sei. Alles gelogen! Dabei war ich auch dort krank. Meine Eltern haben mich fast nicht wiedererkannt, so elend sah ich nach meiner Rückkehr aus.
Geprägt hat mich diese Erfahrung mein Leben lang, negativ natürlich.
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Tanja Perez-Roos schrieb am 21.11.2019
Hallo und guten Tag, ich bin 1964 geboren und habe damals auch ein Trauma erlebt. Ich war in Bad Sassendorf, ich weiß nicht genau welches Jahr das war..vielleicht 70 oder 71? Hätte ich damals nicht eine Tante Elke gehabt, die dort arbeitete und sich so oft wie möglich um mich gekümmert hat (ich klebte auf jeden Fall an ihren Versen, wenn sie Dienst hatte) , hätte ich wohl allen Glauben an gute Menschen verloren.Kinder wurden , wenn sie abends beim Tuscheln erwischt wurden, in stockfinstere Räume gestellt und mussten dort bleiben, bis die Nachtschwester sie wieder erlöste. Leider ist es mir auch einmal so gegangen und es war so schrecklich für mich! Ich glaube, ich habe noch nie im Leben so eine Angst gehabt...furchtbar! Es gab eine Tante Elke mit feuerrotem Haar, der Teufel persönlich! Sie hatte meines Erachtens nach, Spaß daran Kinder zu bestrafen. Sie schlug machmal den Kindern mit der Handinnenfläche, so hart gegen die Stirn, dass sie nach hinten auf den Po vielen. Sie ließ Kindern, ihr Erbrochenes wieder essen..wie pervers muss man sein? Sie holte jede Nacht irgendwelche Kinder aus den Betten, damit sie in der Dunkelheit , irgendwo im Gbäude in einer Ecke verharren mußten, bis die Dame sie wieder aus ihrem Martyrium erlöste. Wir durften teilweise am Nachmittag nicht raus und mussten im Essensraum sitzen bleiben, weil ihr mal wieder irgend etwas nicht passte und sie uns bestrafen musste. Einmal die Woche wurden Briefe geschrieben, die natürlich von den Tanten kontrolliert wurden, damit sich niemand beschwert....es war wirklich eine schreckliche Zeit dort!!! Es gab einige Glückliche, die an einer Kinderkrankheit erkranten und nach Hause durften..mein Gott, wie hab ich mir gewünscht auch krank zu werden!! Das sind meine Erinnerungen an Bad Sassendorf. So etwas nannte sie damals Kindererholungsheim...
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Doris Tonn schrieb am 21.11.2019
Hallo Frau Röhl, auch ich war auf Föhr im Berliner Kinderheim 1957 und habe sehr ähnliches erlebt. Fast 5 Monate war ich dort und viele Nächte habe ich nur mit einem Handtuch versehen im kalten Duschraum auf der Erde verbracht, meistens kamen noch 4-5 andere Mädchen dazu, so daß man nicht ganz allein war. Pakete habe ich bekommen, aber alles wurde an die anderen Kinder verteilt, man selbst bekam nur ein kleines Stückchen Süßigkeit. Gespräche wurde unterbunden grundsätzlich im Schulunterricht, beim Essen und in der Schlafenszeit. Gesehen habe ich oft, das Erbrochenes dem Kind wieder eingeflößt wurde - mehrmals. Besuch der Eltern wurde verboten, Karten nachhause wurden kontrolliert. Ich bin froh, das mir Ihr Bericht bestätigt, das mich meine Erinnerungen nicht betrügen und ich nicht alleine bin, so wie ich es damals war - allein!
Mit freundlichem Gruß Doris Tonn
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Johannes schrieb am 21.11.2019
Ich war im Januar 1955 mit 11 Jahren wegen Unterernährung zu Kur in Rantum auf Sylt. Das Essen und die Luftveränderung taten mir gut und auch die Spaziergänge und Spiele am Strand waren sehr schön. Die Betreuung der Kindergärtnerinnen und das Essen hat mir sehr gut gefallen. Strafen wegen nicht Essen gab nicht. Selbstverständlich ist die Betreuung zu Hause individueller aber die Heimleitung und das Personal machten uns den Aufenthalt zu einem Erlebnis an dem mich gerne zurück erinnere.
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ederi schrieb am 21.11.2019
Ich war auch in einem Posterholungsheim , allerdings in Manderscheid. Die Zustände dort waren ähnlich wie in deiner Beschreibung. Bin interssiert an Erfahrungsaustausch.
Ederi
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Ederi schrieb am 21.11.2019
Bin auf diese Seite gestoßen, weil ich schön länger Infos zu dem Posterholungsheim Manderscheid suche.
Frau Marion wege-rahmen hatte im Juli 2019 im Kommentar nachgefragt.
Mein Vater als Postangestellter wollte mir auch einen Urlaub mit anderen Kindern ermöglichen und schickte mich nach Manderscheid. Es war 1966 und ich damals 9 . Da gehörte ich fast schon zu den größeren Kindern.
Die Tochter einer Kollegin meines Vater war jünger. Meiner Erinnerung nach hatte diese furchtbares Heimweh und weinte jede Nacht, was aber strengstens verboten war.
Meine Erinnerungen, voller Schlafsaal im stickigen Dachgeschoss im Sommer , streng einzuhaltende Nachtruhe, junge Tanten, die kaum älter als die älteren Kinder waren, alte sehr strenge Frauen, die uns schimpften und quälten mit Zwang zum Leeressen der Teller.
Das ist mir besonders in Erinnerung geblieben.
Zum Frühstück, außer sonntags gab es immer Breie, Grießbrei, Milchbrei, dünner Pudding, Haferbrei.
Ich mochte keinen Brei und kann bis heute keinen Grießbrei riechen ohne dass mir leicht übel wird.
Eingesperrt wurden wir hin und wieder in eine Toilette, wegen welcher Vergehen weiß ich nicht mehr.
Schlimm für mich war, dass wir nicht an unsere Kleider kamen, meine Mutter hatte für mich nach Anweisung Wäsche und Unterwäsche für 4 Wochen eingepackt. Die koffer wurden aber versteckt und die Kleider zugeteilt. Das bedeutete aber nur einmal die Woche eine Unterhose, was für mich furchtbar eklig war, da ich doch jeden Tag frische Wäsche gewohnt war.
Pakete von zu Hause waren erlaubt, wurden aber nicht uns Kindern ausgehändigt, sondern angeblich unter allen verteilt. Selten ist aber etwas in der Gruppe angekommen.
In guter Erinnerung habe ich aber das Zusammensein mit den anderen Kindern, manchmal konnten wir uns verbünden gegen die bösen Tanten, besonders die älteren Jungs haben sich oft für uns eingesetzt.
Würde gerne weitere Erfahrungen und Erinnerungen austauschen .
Viele Grüße
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Angelika Schnitzkewitz schrieb am 21.11.2019
Ich heiße Angelika S. und bin Jahrgang 1952. ich wurde mit 6 Jahren zum „Essenletnen“ in den Harz verschickt, ich glaube es war Bad Sachsa. Es führten viele Treppen hinauf und ich wünschte immer, dass meine Eltern sie hinaufsteigen und mich zu holen würden. Ich war 3 Wochen dort, wohnte im 2 Stock unter dem Dach in einem großen Schlafsaal. Auf die Toilette durften wir nicht ohne Erlaubnis. Als erstes wurde mir von dem “Chef-Mädchen” das ihr Bett neben mir hatte, mein einziges Kuscheltier, ein Teddybär, entwendet. Die darauf folgenden Auseinandersetzung führte dazu, dass alle mir, dem Neuling, die Schuld gaben und ich zur Strafe zur Schlafenszeit im Dunkeln neben der Aufsichtführenden Schwester mit einer Decke um die Schultern auf der Treppe sitzen musste, Danach war ich in meinem Zimmer isoliert und keiner wollte mehr mit mir “gehen”, wenn wir in Zweierreihen zum Spazieren antreten mussten. An Spiele kann ich mich nicht erinnern.
Zum Frühstück gab es eine Milchsuppe, die ich nicht mochte und die ich, obwohl ich sie wieder ausspuckte, trotzdem aufessen musste. Ich erinnere mich, dass ich auch einige Male am Abend in der Dämmerung alleine im grossen Speisesaal vor meinem vollen oder halbvollem Teller saß bis ich ihn endlich leer gegessen hatte. Später habe ich mein ganzes Leben mit Gewichts- und Essproblemen gekämpft.
Ja und wenn mal ein Malheur in der Unterhose war, wurde ich abgeduscht und alle vorbeigehenden Kinder konnten mich sehen-ich habe damals ein Gefühl von tiefer Demütigung erlebt.
Die Karten, die eine Pflegerin nach meinem Diktat schrieb waren gefälscht und beschönigt, als ich später lesen konnte, war ich empört.
Jedesmal, wenn ich an diese Zeit denke bekomme ich Tränen in den Augen und habe tiefes Mitgefühl mit dem kleinen Mädchen. Ich habe nach dieser Zeit ein gebrochenes Verhältnus zu meinen Eltern gehabt und Ihnen, nur im Wissen darum, dass sie einem Trend der Zeit aufgesessen sind und wahrscheinlich das Beste für mich wollten, nach langer Zeit verziehen.
Aber ein immer wiederkehrendes Gefühl von tiefer Einsamkeit begleitet mich ein ganzes Leben.
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Peter Helga schrieb am 21.11.2019
Hallo Frau Röhl, durch N3 bin ich auf Ihre Seite gestoßen. Ich war 3 x in Verschickungsheimen. Bin 1943 geboren und war total unterernährt. Das 1. Mal war ich 1950 im Helenenkinderheim in Bad Pyrmont. War gerade eingeschult, konnte noch nicht lesen und schreiben, nur meinen Vornamen in Druckbuchstaben. Es war ein schreckliches Heim von Diakonissen geführt. Die Helferinnen, die sogenannten Tanten, hatten weiße Schürzen um. Das Essen war grauenhaft, man musste den "Teller" aufessen. Ich war ein ängstliches Kind und habe nachts mal ins Bett gemacht. Das Laken wurde dann von den Tanten herumgezeigt und die anderen Kinder lachten darüber. Es war fürchterlich.
Das 2. Mal war ich 1953 im Waldhaus in Bad Salzdetfurth. Man durfte nur zu bestimmten
Zeiten auf die Toilette, z.B. während des Mittagesschlafes nicht. Das Toilettenpapier wurde gereicht, 2 Blatt bekam jeder. Das 3. Mal war ich 1957 in Freudenstadt im Schwarzwald im Waldhaus, eine Nebenstelle des Oberlinhauses. Das Essen war auch grauenhaft. Einmal hatte ich Reste von einem Topfkratzer in den Bratkartoffeln mit Blutwurst. Besser war es dann in Menzenschwand im Schwarzwald, dort war ich als 16-jährige im Jugendkurheim der Barmer Ersatzkasse.
Viel Erfolg bei der Aufarbeitung auf Sylt.
Liebe Grüße
Helga Peter
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Peter Helga schrieb am 21.11.2019
Hallo Klaus, ich war 1953 im Waldhaus in Bad Salzdetfurth und das was Sie schreiben trifft genau zu. Mit den Toilettengängen und dem Klopapier. Ich war damals 9 Jahre alt. Das Essen war katastrophal.
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Deetjen, sylvia schrieb am 20.11.2019
Konnte nicht glauben, das es so vielen so erging ! Mein Name ist Sylvia geb.1953 , bin mit meiner Schwester Birgit 1961/62 Im Alter von 10 / 9 Jahren gen Wyk - Föhr verschickt worden weil wir so dünn waren. Wir stiegen mit einem Schild um den Hals am Bremer Hauptbahnhof in den Zug, indem wir erwartet wurden. An die Zugfahrt erinner ich mich nicht. Von der Insel haben wir nicht viel mitbekommen, die meiste Zeit waren wir im & am Heim. Wie das Heim hieß weiß ich nicht mehr aber ich erinner mich an Kälte in den Schlafsälen wie auch an emotionale Kälte, schlechtes Essen, weinende Mädchen in der Nacht & beim Mittagessen, Strafen, Essen bis der Teller leer war - auch wenn alle Kinder schon den Speisesaal verlassen hatten, Demütigungen vor allen Kindern bei Unpässlichkeiten weil man nicht zur Toilette durfte, Zensierte Briefe! Roter Tee ohne Ende. Wir bekamen 1 x 1 Paket von zu Haus, durften aber nicht alles behalten. Meine Schwester weinte viel vor Heimweh, sie war 2 Jahr jünger als ich. Ich dagegen bekam Ausschlag ( Herpes ) fast über die gesamte rechte Gesichtshälfte ! Es gibt zwei Fotos am Strand, an dem wir selten waren. Eines mit einer Erzieherin ( 35/40 Jahre alt ) beide Fotos stammen von Foto Herzog Wyk- Föhr.
Unsere Mutter erkannte uns nicht wieder, es brauchte Zeit, bis wir uns zu Haus wieder zurecht fanden, es war für uns eine Schlimme Zeit, ich dachte nur wir hätten gelitten. Meine Schwester & ich weigerten uns nochmals allein irgendwo hin zu fahren.
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Silke schrieb am 20.11.2019
Hallo, meine Name ist Silke und ich kam1970, mit 5 Jahren, zur Verschickung nach Wyk auf Föhr . Ich litt unter Neurodermitis und sollte dort vor meiner Einschulung von dieser Hauterkrankung geheilt werden. Ich kann mich an die Zugfahrt von Hamburg aus erinnern und das in meinem Abteil ein Mädchen saß, das sehr weinte und ich sollte sie trösten, obwohl es mir schrecklich ging. Ich kann mich an ein riesiges Bad erinnern mit vielen Waschbecken, bitterkalt, an den Schlafsaal mit der Aufpasserin davor, an den Speisesaal. Eines abends -wenn wir im Bett lagen, durfte nicht mehr gesprochen werden- wollte ich heimlich meiner Bettnachbarin etwas zuflüstern. Ich wurde von der Aufpasserin erwischt, sie zog mich aus dem Bett und ich musste irgendwo in einer Abstellkammer mit Stockbetten und alten Matrazen alleine die Nacht verbringen. Ich hatte schreckliche Angst. Zum Frühstück wurde ich dann abgeholt. Die Strafe war damit nicht zu Ende. Mittags gab es Eis zum Nachtisch, die Erzieherin stellte sich zu meinem Tisch und sagte “Silke war gestern unartig, sie bekommt kein Eis” und aß mein Eis vor aller Augen auf. Ich musste mehrmals die Woche abends in eine Badewanne. Dort wurde ich vergessen, das Wasser wurde kalt, eine Aufpasserin kam in das Bad, sah mich nicht, machte alle Fenster auf und löschte das Licht. Ich traute mich nicht, auf mich aufmerksam zu machen. Gefühlt saß ich dort 2 Stunden, bis man mich vermisste. Das Essen war schrecklich und man durfte erst aufstehen, wenn man aufgegessen hat. Ein Päckchen, welches mir geschickt wurde mit Süßigkeiten, durfte ich einmal ansehen, dann wurde alles verteilt und ich bekam ein Stück Schokolade. Diese schrecklichen 6 Wochen sind seit 50 Jahren tief in meinem Herzen und ich habe nur diese Erinnerungen abgespeichert. Ich habe keine Erinnerung daran, wie die Freizeit gestaltet wurde. Ich bin ein positiver und fröhlicher Mensch, aber wenn die Erinnerung an die Verschickung hochkommt, dann bekomme ich schon feuchte Augen. Ich habe nur das Gefühl von unglaublicher Angst in Erinnerung.
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Barbara schrieb am 20.11.2019
Ich bin 1957 von Hamburg aus in ein Kinderheim in Wyk auf Föhr verschickt worden, über mehrere Wochen. Ich konnte nicht so viel essen, hab aber eine 2. Teller voll bekommen und musste sitzenbleiben, bis der Teller leer war. Wenn ich mich dabei übergeben habe, musste ich das Erbrochene auch aufessen. Einmal gab es eine Lebensmittelvergiftung. Ich weiss den Zusammenhang nicht nehr, aber ich musste in ein anderes Bett und zwar einer Bettnässerin. Ich wurde auch von anderen Kindern gequält, aber ich bekam keine Hilfe. Es gab immer wieder ähnliche Situationen, die Erinnerungen kommen langsam wieder hoch. Die Briefe an die Eltern mussten wir ohne Umschlag abgeben.
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Ute Schlling schrieb am 20.11.2019
Ich bin 1945 in Hamburg geboren und war in der ersten Klasse viel zu dünn. Wann ich genau im Hamburger Kinderheim in Wyk auf Föhr war, kann ich nicht genau sagen Nur das ich schon schreiben konnte. Nur, das diese Karten sind nie zu Haus angekommen sind und so wußte meine Mutter nichts von meinem Kummer. Jede Woche hat sie mir ein Päckchen geschickt mit einem Buch. In der Serie war Sonja die Heldin. Nur die Naschsachen aus dem Päckchen bekam ich nie, die wurden an alle verteilt, die nie etwas bekamen. Tränen haben nicht geholfen. Und das Essen, ich esse heute noch keinen Fisch. Die Suppe roch fürchterlich und an meinem Tisch übergab sich ein Mädchen. Sie musste ihre Suppe aufessen MIT dem Erbrochenen. Dann passierte mir dasselbe, Nur das ich ganz schnell den Teller, mit Allem darin, auf die Erde geschmissen habe. Das brachte mir eine Nacht ein, wo ich nicht im Schlafsaal schlafen durfte, Wo ?
Dort war es dunkel, Kalt und ich war allein.
Heute sind Aufenthalte in Institutionen immer noch mit Panikgefühlen verbunden. Krankenhäuser, Kurheime usw lösen Aggressionen in mir aus.
Wenn ich meine Kinder verreisen lassen mußte, bekamen sie immer eine Postkarte mit. Schon frankiert mit Anschrift versehen. Wäre diese Karte jemals bei mir angekommen, wäre ich in den nächsten Stunden am Urlaubsort gewesen meine Kinder abholen.
Meine Mutter hat mir nicht geglaubt. Ich müßte mich eben mehr anpassen und das kommt davon, weil Du immer so schwierig bist. Dieses Wort tut mir noch heute weh. Und heute bin ich schwierig, wenn mir oder in meinem Umfeld Dinge passieren, die nicht gut sind
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Angela schrieb am 20.11.2019
Hallo, ich war 5, als ich 1969 nach Sylt verschickt wurde. Ich erinnere mich an Tante Brigitte, die mich zum Essen zwang. Oft saß ich noch beim Frühstück, während die anderen Kinder nach draußen gingen und zum Mittag wieder zurück kamen. Natürlich musste ich direkt weiteressen , was dazu führte, dass ich mich übergab. Ich musste das Erbrochene aufessen, manchmal im Toilettenraum, damit sich das niemand ansehen musste. Ich hatte so große Angst, dass ich mich nicht traute, alles ins Klo zu spülen. Nach dem Mittag wurde ich vor den anderen Kindern über‘s Knie gelegt und bekam Schläge auf den nackten Hintern. Wenn wir Post von zu Hause bekamen, wurde uns diese vorgelesen. Mir wurde oft gesagt, dass mich meine Eltern bestimmt schon vergessen hätten, da sie mir nicht geschrieben haben.
Bestimmt war ich in der Gruppe nicht die Einzige, aber ich war wohl so fokussiert auf mein Problem. An einen älteren Jungen erinnere ich mich, der versuchte mich zu trösten und mir zu helfen. Der bekam dann auch eine Strafe.
Meine Eltern haben mir jahrelang nicht geglaubt und das war fast noch schlimmer für mich. Das hat das Vertrauensverhältnis zu meinen Eltern nachhaltig gestört. Und mein Essverhalten war lange nicht normal. Ich brach auch als junge Erwachsene noch in Tränen aus, wenn mir jemand sagte, ich müsse essen.
So etwas vergisst man sein Leben lang nicht!
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Stefan Wendt schrieb am 20.11.2019
Ich (Jg. 1957) war im September/Oktober 1966 zusammen mit meiner älteren Schwester zur Aufpäppelung in St. Peter-Ording für sechs Wochen im "Weberhäuschen" interniert. Nachfolgend nur eine kurze Liste der übelsten Erlebnisse:

Leidensgenosse (ob Junge oder Mädchen erinnere ich nicht) hat sich am Tisch über dem Teller erbrochen und muss nun solange davor sitzen bleiben, bis der Teller leergeputzt ist. Wie lange die Tortur dauerte, weiß ich nicht mehr, aber es waren viele Stunden.

Unterwegs beim Runterrollen vom Sommerdeich - was eigentlich nicht gestattet war - war ich leider durch einen dicken Hundehaufen gerollt, wurde angepöbelt und musste die verkoteten Sachen zur Strafe längere Zeit anbehalten.

In der Nacht war die Toilettenbenutzung verboten. Wer sich dennoch aufmachte, wurde von einer herrischen "Schwester", die dort auf einem Stuhl permanent Wache hielt, angeschnauzt und ins Zimmer zurückgeschickt. Ich war mit dem Enkel der Heimleiterin in einem Zimmer, und dort haben wir dann in unserer großen Not in den Papierkorb gepinkelt. Am nächsten Morgen wurde das natürlich entdeckt, und mein Zimmergenosse bekam einige schallende Ohrfeigen von den Schwestern versetzt. Die Oma und Heimleiterin, die auch erschienen war, hatte "Feuer frei" erteilt, weil es ja ihr Enkel war und Sie ihr eigen Fleisch und Blut - natürlich - züchtigen durfte. Ich hatte Glück und wurde, so glaube ich, nur angeschrien. Fortan waren die Nächte die Hölle und von unglaublicher Furcht geprägt, dass man ja vielleicht auch einmal "groß" machen müsste, und was dann - in den Papierkorb scheißen?! Ich weiß nicht, wie wir das durchgehalten haben, aber seitdem habe ich entsprechende Ängste, die jetzt im Alter wieder eher verstärkt auftauchen. Wie sehr mich das getroffen hat, vermag vielleicht der Umstand illustrieren, dass ich viele, viele Jahre lang Gewaltphantasien hegte, um einst als großer, starker Mann an diesen Ort zurückzukehren, um dann den lieben Schwestern - mit Verlaub - mal so richtig die Fresse zu polieren. Leider oder zum Glück ist es nur bei dem Gedanken geblieben ...

Nach dem Abendessen wurden gemeinsam Lieder gesungen (Wir lagen vor Madagaskar, Wir lieben die Stürme, Wer will mit uns auf Kaperfahrt gehen etc. pp.). Wer nach Meinung der Schwestern irgendwie auffällig wurde, musste auf seinen Stuhl steigen und eine Strophe laut vorsingen. Also auch hier immer die Angst, ausgeguckt zu werden. Nicht- oder Leisesänger mit zittriger Stimme wurden dann zumindest angebrüllt oder lächerlich gemacht.

Beim Schwimmbadbesuch und/oder in den Waschräumen mussten wir uns nackt ausziehen - für einen Neunjährigen aus einem eher prüden Elternhaus auch ein Hammererlebnis. Wer nicht spurte, dem rissen die lieben Schwestern die Hose runter.

Während der Kur kam auch ein Arzt ins Heim, vor dem wir alle - ebenfalls nackt - antreten mussten. Ein Junge hatte offensichtlich seine Unterhose verloren und rannte auf der Suche nach seiner Büx verzweifelt durch den Saal, begleitet vom höhnischen Gelächter der Schwestern.

Bei einem Strandausflug hatte ich mich (auf der Suche nach Seeigeln und Krebsen) ein paar Meter von der Gruppe entfernt, weshalb ich angeschrien und zurück ins Heim eskortiert wurde. Ich bekam Hausarrest und musste eine Strafarbeit schreiben. Titel: "Warum ich mich nicht von der Gruppe entfernen darf".

Wir durften zwar nach Hause schreiben, aber wenn der Text in den Augen der kontrollierenden Schwestern irgendwie missliebig, also zu wenig positiv klang, wurde die Karte vor unseren Augen zerrissen und wir durften nun die "Wahrheit" nach Hause schreiben.

Beim Essen fiel auf, dass Schwestern und Heimleitung an einem großen Extratisch saßen und andere, bessere Mahlzeiten genossen als das, was wir auf den Tisch bekamen. Nun mag das kulinarische Urteilsvermögen eines Neunjährigen nicht besonders ausgeprägt gewesen sein, aber ich erinnere mich ganz genau, dass ich beim Vorbeigehen fast immer neidisch war. Auf jeden Fall hatten Heimleitung und Personal eine andere Speisekarte.

Vor der Abreise ging es kollektiv in einen Andenkenladen, wo wir für unsere Liebsten daheim ein paar Souvenirs kaufen sollten bzw. mussten, damit auch unsere Eltern nicht zuletzt ob der schönen Mitbringsel ahnen konnten, wie toll und erholsam der Kurlaub wohl gewesen sein musste. Ich hatte mein Taschengeld zusammengehalten, wollte partout nichts kaufen und war so stolz auf meine Sparsamkeit. Doch man nahm mir das Geld weg und kaufte kurzerhand einige Teile für mich, die noch heute bei mir in der Vitrine stehen - als Andenken an eine schreckliche Zeit.

Bei der Rückreiseankunft in Hamburg-Altona wunderten sich meine Eltern zwar, dass wir Kinder allein unser Gepäck über den ganzen Bahnsteig schleppen mussten, während die gut frisierten und manikürten Schwestern (was meiner Mutter, wie sie später einmal sagte, sehr "nuttig" vorgekommen war) rauchend ihrer Wege gingen. Schlimm war auch, dass meine Eltern die Erzählungen vom Heimaufenthalt einfach nicht glauben wollten oder konnten, hatten sie doch in bester Absicht und nach ärztlichem Anraten gehandelt.

Jetzt reicht's aber erst einmal ...

Stefan Wendt
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Schmidt Klaus schrieb am 20.11.2019
Etwa 1951 war ich in, damals 9 Jahre alt, Bad Salzdethfurt in einem der Kinderheime, wahrscheinlich im Waldhaus (die Postkarte in der HAZ ruft Erinnerungen wach. Es ging hart zu, Disziplin war alles. Wir durften zur Toilette nur zu festgesetzten Zeiten, auch wenn es drängte. Zwei Blatt Papier wurden je Kopf zugeteilt, auch wenn man leichten Durchfall hatte. Schlimm war das Essen; es sah wie Abfallverwertung aus - das Fleisch war eine Mischung aus Zadder und Blutgefäßen. Es ekelte mich an, und ich habe damals oft das Essen auf den Teller erbrochen. Weiter essen war dann angesagt. Ich habe einige Jahre später mit großer Genugtuung in der Zeitung gelesen, dass die Leitende des Heims vor Gericht stand wegen Veruntreuung von Essensgeldern. Sie hatte tatsächlich einen Teil für sich behalten und minderwertige Lebensmittel an die Kinder ausgegeben. Ist das heute noch feststellbar?
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Theresa schrieb am 20.11.2019
Hallo, war jemand Anfang der 70er im Haus Murgtal im Schwarzwald, bzw auf Borkum im Kinderheim Sankta Maria? Ich kam im Alter von 4 und 5 Jahren in den “Genuss“ der Verschickung zur Erholung. Welch ein Hohn! Nie wieder im Leben litt ich solches Heimweh. Ich habe Eure Kommentare gelesen und vieles darin wieder erkannt. Erbrochenes essen, zur Strafe nachts allein im Speisesaal auf einer Holzbank schlafen müssen bis zum nächsten Morgen, und von allen gesehen werden. Viele viele Tränen. Ich wusste aber bis jetzt nicht, dass es so schrecklich viele Leidensgenossen gibt...
Theresa
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F.G. schrieb am 20.11.2019
Moin,
Ostern 1979 sind meine Schwestern und ich zur "Kur" in Wyk auf Föhr gewesen, die für uns schrecklichen Erinnerungen an diese sechs Wochen haben wir seitdem immer unter "wir hatten einfach Pech mit der Einrichtung" verbucht. Als wir gestern zunächst den Artikel in der SHZ und später die Beiträge auf dieser Seite gelesen haben war alles wieder so präsent.
Die Anreise nach Föhr erfolgte damals in Begleitung einer Dame vom DRK-Betreuungsdienst, im Kurheim angekommen wurden meine Schwester und ich sofort getrennt und haben uns in den sechs Wochen ein einziges Mal für einen kurzen Moment sehen dürfen (es war der 7. Geburtstag meiner Schwester und ich durfte kurz gratulieren). Am Ankunftstag wurden alle Kinder einer "Läusekur" unterzogen, zu erkennen an einer Mullwindel um den Kopf. Diesem Prozess wurden wir nicht unterzogen, wir hatten glücklicherweise ganz kurze Haare. Im Anschluss bekamen wir alle schwere Lodenmäntel, die wir während unseres gesamten Aufenthaltes tragen mussten, obwohl eigene Winterjacken vorhanden waren.
Im Schlaftrakt der "Großen" waren die Türen ausgehängt, sodass wir unter ständiger "Bewachung" waren. Auch unsere Post wurde zensiert und die Eingangspost im Vorwege geöffnet, das Geburtstagspaket meiner kleinen Schwester wurde großzügig verteilt. Obwohl meine Schwester zu diesem Zeitpunkt schon schreiben konnte, haben meine Eltern keinen handgeschriebenen Brief von ihr erhalten, sondern immer geschrieben von einer Pflegekraft. Dies machte unsere Mutter stutzig, so dass sie mehrfach telefonisch nachfragte. Ein völlig genervter Leiter der Einrichtung empfahl unserer Mutter, OT: sich mal in der Kneipe nebenan ordentlich einen hinter die Binde zu kippen, damit sie mal ihre Kinder vergessen würde.
Eine Beschwerde meiner Mutter beim Kreis daraufhin ergab jedenfalls, dass der Mitarbeiter zunächst vom Dienst in dieser Einrichtung suspendiert wurde.
In der einzuhaltenden Mittagsstunde wurde meine kleine Schwester gezwungen einzunässen, weil es ihr verboten wurde das Bett zu verlassen um auf Toilette zu gehen.
Während dieser Zeit habe ich oft darüber nachgedacht wegzulaufen, zumal sogar Verwandschaft auf Föhr lebt, aus Angst vor drastischen Strafen (bei anderen "Flüchtlingen" erlebt) und Sorge um meine kleine Schwester habe ich mich durchgebissen.

Föhr hat bis heute einen "Beigeschmack" für uns und wir sind tatsächlich bis heute noch nicht wieder dort gewesen.
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Claudia S. schrieb am 20.11.2019
1969 in Bad Rappenau bei Heilbronn, Baden Württemberg. Über Ostern wurde ich für 6 Wochen in diese Anstalt verschickt um mich von einer Mandeloperation zu erholen. Zu dieser Zeit war ich 7 Jahre alt und ging in die 2. Klasse. Ich war immer kränklich und zart, etwas zu dünn und gänzlich ohne Selbstbewusstsein. Als zweite von 4 Kindern wurde ich von unserer strengen Mutter erzogen. Leider ohne Bindung - sie hat es gut gemeint, ich weiß es. Sie konnte und wusste es nicht besser und war bis ins hohe Alter davon überzeugt alles richtig gemacht zu haben. So hat sie mir einmal erzählt (zu einem Zeitpunkt, als ich selbst ein Kind bekam), dass man Kinder nicht so verzärteln soll, sie habe uns Kinder ab dem Alter von 8 Wochen nicht mehr bei jedem Schreien aus dem Bettchen genommen, sondern nur noch zu den Fütterungszeiten so alle 4 Stunden. Nachts auch durchgehen gar nicht. Wir sollten ja schließlich lernen, dass man nachts schläft und da niemand für einen da ist. So, jetzt wusste ich, warum ich niemals eine gute Beziehung zu meiner Mutter hatte. Sie war immer wie eine Fremde.
Unter diesen Umständen waren die Erfahrungen in dem Heim in Bad Rappenau nicht ganz so krass für mich, wenn auch das ein oder andere in schlechter Erinnerung geblieben ist:
Kurz vor Ostern musste meine Mutter in alle meine Kleidungsstücke Namen einnähen. Sie bekam eine genaue Anleitung, was ich mitzubringen hatte und wie das zu verpacken war. Am Tag als es los ging, brachte sie mich mit meinem Koffer und einem Rucksack auf den Stuttgarter Hauptbahnhof. Dort wurde ich von einer "Tante" in Empfang genommen und mit einer Gruppe anderer Kinder nach Bad Rappenau gebracht. Als wir an unserem Zielort eintrafen wurden uns die Zimmer und Betten zugewiesen. Wir wurden angewiesen, den Rucksack auf den Nachttisch neben das Bett zu legen und in den Gemeinschaftsraum zu gehen. Als wir in die Zimmer zurückkamen, stellten wir fest, dass inzwischen die Rucksäcke geleert waren und die mitgebrachten Süßigkeiten verschwunden !! Ich war sehr traurig und habe das überhaupt nich verstanden. Man muss dazu wissen, dass 1969 der Besitz von Süßigkeiten - zumindest für mich - etwas ganz besonderes war. Nur an Ostern, Weihnachten und zu meinem Geburtstag bekam ich welche geschenkt. So hat meine Mutter mir meine Ostersüßigkeiten in ein Geschenkpäckchen gepackt und mir gesagt, das dürfe ich an Ostern öffnen. Ich habe mich sehr darauf gefreut !!
Daher war das Gefühl bestohlen worden zu sein sehr schlimm !!
Immer nach dem Mittagessen hat die Erzieherin eine große Schüssel geholt. In der war das ganze Diebesgut. Sie hat ein Teil in die Luft gehoben und uns kleine Kinder gefragt: "Wem gehört das?" Der Besitzer hat es dann bekommen. Der Grund für diese Vorgehensweise ist mit erst sehr viel später klar geworden. Es sollte vermieden werden, dass die Kinder alles auf einmal essen. Die Erzieher haben es einteilen wollen. Da ich aber gar nicht wusste, was mir meine Mutter eingepackt hat, bekam ich also nichts. Das war für mich damals sehr schlimm!
Eine weitere Erinnerung ist die Strafe, die ich bekam, ohne zu wissen wofür. Unter der Dusche haben wir Kinder rumgealbert und die Erzieherin hat mich ermahnt damit aufzuhören. Hab ich wohl nicht gemacht, und zur Strafe hat sie mich von der Gutenachtgeschichte ausgeschlossen. Ich sollte gleich ins Bett verschwinden. Hab ich auch nicht gemacht. Heimlich habe ich mich an den äußersten Rand der Bank gesetzt, wo die anderen Kinder alle saßen und vorgelesen bekamen. Leider hat die Erzieherin mich da entdeckt und mich barsch in mein Bett geschickt. Ich wusste nicht, warum ich so bestraft wurde und bin völlig geknickt ins Bett gegangen, habe mir die Decke über den Kopf gezogen und mich in den Schlaf geweint.
Im Allgemeinen war alles sehr reglementiert und wir Kinder hatten gar keine Freiheiten. Nach jedem Mittagessen wurde geschlafen. Dafür gab eis einen Mittagschlafsaal. Dieser Saal war angefüllt mit sehr kleinen Holzpritschen. Auf jeder Pritsche ein dünnes Kopfkissen und eine dünne Decke (in meiner Erinnerung blau weiß kariert). in der Mitte des Saales war ein Podest mit einem Tisch und einem Stuhl. Auf diesem Stuhl saß die Aufsicht und sorgte für Ruhe. Wir Kinder mussten uns auf die Pritschen legen. Ich als 8-Jährige passte da gerade noch so drauf. Jedoch durften wir uns nicht unter die Decke legen, sondern oben drauf. Wir mussten auf der Seite liegen, mit dem Gesicht zur Aufsicht hin. Still liegen, die Augen schließen und sich nicht mehr bewegen. Unter diesen Umständen war das nicht sehr erholsam. Warum wir die Decken nicht benutzen durften? Vielleicht war das Aufräumen dann zu aufwendig?
Beim Essen wurde sehr genau darauf geachtet, dass die Dicken nicht viel bekamen und die Dünnen ja bloß nichts stehen lassen. Eines Tages gab es ein undefinierbares Gericht. Auf meinem Teller lag eine Scheibe Brot, eingeweicht in irgendeiner Soße und noch irgendetwas daneben. Das konnte ich beim besten Willen nicht essen. Aber ich war eine Dünne und musste !!
Bis heute habe ich noch das Bild im Kopf: Ich sitze ganz allein in einem leeren Speisesaal. Alle Kinder sind schon draußen. Vor mir der Teller mit dem unberührten Essen. Es war still, ich kam mir verloren vor. Ich kann mich jedoch nicht mehr daran erinnern, wie diese Situation aufgelöst wurde.
Von Zeit zu Zeit waren wir gezwungen Postkarten nach Hause zu schicken. Auf diesen sollten wir unsere schönen Erlebnisse schildern. Es durfte nichts negatives geschrieben werden. Alle Karten wurden von den Erzieherinnen gelesen und nur dann abgeschickt, wenn sie durch die Zensur kamen. So kam es, dass ich nur 2 Sätze geschrieben habe. "Es ist schön hier. Das Essen ist gut"
Mein Bruder hat mir später einmal gesagt, dass er sich über diese kurze Information etwas gewundert hat, wo ich doch 6 Wochen weg war.
Ansonsten habe ich noch ein paar kleine Erinnerungen an - Abduschen mit eiskaltem Wasser (Kneipp), Gymnastik, Spiele draußen und drinnen, Spaziergänge, Aufenthalt im Dampfraum ...
In diesem weiß gekachelten Raum (wie in einem Swimmbad) saßen wir auf einer weiß gekachelten Bank rings herum an der Wand. In der Mitte an der Decke war ein Gerät, aus dem salziger Dampf strömte. Damit wir Kinder den fest einatmen, mussten wir singen. Dafür bekamen wir jeder ein grünes Liederbüchlein und wir haben feste gesungen und geatmet. Das ist keine schlechte Erinnerung - wie hätte ich auch sonst die 6 Wochen irgendwie rum gebracht. Viele Kinder hatten deutlich Probleme mit Heimweh und haben viel geweint. Ich war da eher abgehärtet auf Grund meiner Erziehung zu Hause, aber schön war die Zeit in Bad Rappenau nicht wirklich. Auch nicht erholsam. Am Ende also wurden alle Sachen wieder in den Koffer gepackt. Es hat wohl nicht alles reingepasst. Jedenfalls musste ich auf der Heimfahrt die dicksten Sachen anziehen. Es war inzwischen aber schon warm geworden und ich kam im Wintermantel und viel zu warmer Kleidung am Stuttgarter Hauptbahnhof an. Noch heute habe ich das Entsetzen im Gesicht meiner Mutter in Erinnerung. Mit hochrotem Kopf und verschwitzt lief ich ihr entgegen und wir gingen nach Hause. Sogar meine strenge Mutter war entsetzt. Ich hatte abgenommen und war alles andere als erholt. Sie hat im Nachhinein an der Sinnhaftigkeit dieser Verschickung sehr gezweifelt. Das hat mich tatsächlich ein wenig getröstet.
Am nächsten Morgen ging es dann wieder in die Schule. Meine Klassenlehrerin bat mich, ihr die Hausaufgaben zu zeigen, die ich nicht hatte, denn ich war ja 6 Wochen nicht da. Trotzdem bekam ich eine Rüge und eine gesalzene Strafarbeit. Es ging also grad so weiter ... 1969 lässt grüßen !!
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Karin schrieb am 20.11.2019
Da mich die Schulärztin bei der Untersuchung für zu dünn befand, wurde ich mit 6 Jahren nach Bad Sachsa, in den Harz verschickt. Es war im Winter 57/58, an den Monat erinnere ich mich nicht mehr, es lag viel Schnee und es war kalt. Ein älteres Nachbarkind, Jutta, stieg ebenfalls mit in den Zug. Heute bin ich 68 Jahre und habe all die Zeit an meinen Erinnerungen gezweifelt. Ich dachte bis vor ein paar Monaten noch, so grausam kann es nicht gewesen sein. Doch seit ich die ersten Berichte von anderen Opfern gelesen habe, ist alles wieder da. Im Borntal, Bad Sachsa, mussten wir bis zum Erbrechen essen, wer sich übergab, hatte das wieder aufzuessen. Wir durften nur 3x am Tag zur Toilette, das nannte sich Eisenbahnspiel. Wir waren auf einer Treppe ein Zug und die ersten durften auf das Klo, musste dann die Bahn in die andere Richtung anführen. Viele, auch ich, machten in die Hose, wenn wir uns hinten am Zug befanden. Dann standen wir zur Bestrafung nachts barfuß im Nachtzeug aufgereiht auf dem kalten Flur an der Wand beim Schlafsaal, viele lange Stunken und zitterten vor Kälte. Einmal hatte ein kleines Mädchen aus unserem Saal nachts gespuckt. Sie musste in dem Erbrochenen bis zum Morgen liegen bleiben. Sie hat so geweint und es hat gestunken. Post wurde kontrolliert, diktiert und eingehende Briefe der Eltern abgefangen. Ich habe in den 6 Wochen so viel geweint. Zum Ende bekam ich Windpocken. Sie steckten mich in ein Turmzimmer, da standen ein Bett, Tisch und ein Nachttopf. 3x täglich schob man mir das Essen rein, kalt, ohne ein freundliches Wort. Trotzdem war das die beste Zeit für mich, sie ließen mich zufrieden. Als ich meinen Eltern nach der Rückkehr weinend berichtete, glaubten sie mir nicht, ich hätte zu viel Fantasie, war die Antwort. Heute weiß ich, diese Zeit hat mein ganzes Leben beeinflusst, meine Gesundheit, meine Seele. Während ich das schreibe, sind meine Augen voller Tränen. Wir waren Kinder, warum hat uns niemand geholfen?
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Sabine Preger schrieb am 20.11.2019
Liebe Iniatorin!!!!
Gestern Abend wurde durch einen NDR-Fernsehbeitrag am frühen Abend auf Euch aufmerksam!!!!!
Bin "begeistert", dass dieser Missbrauch so vieler Kinder nun Gehör findet!!!
Ich möchte unbedingt ergänzen, dass ich außerdem , zumindest in einem (meinem zweiten ) Hamburger Kindertagesheim ( der damaligen Vereinigung städtischer Kindertagesheime), welches ich vom 3./4. Lebensjahr bis zum Ende der 4. Klasse besuchen musste, unter der erlebten Praxis bei den Mahlzeiten sehr gelitten habe!!!!!!

Heute bin ich (Jahrgang 1957) 62 Jahre alt und aufgrund eines Burnout als Grundschullehrerin seit über10 Jahren frühpensioniert.

Meine 1.Verschickung war 1960 über meinen dritten Geburtstag in ein Heim nach Lüneburg.
Bis zur Einschulung 1964 würde ich mehrfach verschickt nach
Wittdün/Insel Amrum und Wyk auf Föhr.
Im Jahr 1966 musste ich dann noch in den Schwarzwald nach Schlägen bei St. Blasien....

Ich habe erstaunlich genaue und klare Erinnerungen an diese Zeiten!

Meine Schlagwörter dazu sind:
HEIMWEH

QUÄLEREIEN beim Essen

ZENSIERTE POST (würde gelesen, bzw. bevor ich selbst schreiben konnte meine Worte "gefälscht")

EKEL vor dem randvollen Nachttopf in der Schlafstube...als ich verbotenerweise deshalb die Toilette aufsuchte und brav spülte, kam die Nachtaufsicht gab mir eine Ohrfeige, zog mich am Ohr zu dem Pisspott und zwang mich ihn in der Toilette zu leeren - als 4-5 Jährige

OHNMACHT , HILFLOSIG- und EINSAMKEIT als Grundgefühl

Mit freundlichen Grüßen und Dank für das Engagement

Sabine Preger aus Büchen
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Jutta Schneider schrieb am 20.11.2019
Durch einen Zeitungsbericht über "Verschickungskinder" wurden wieder Erinnerungen wach. Im Februar 1962 wurde ich auf ärztliche Anordnung für 6 Wochen nach Scheidegg im Allgäu in das "Haus Hubertus" geschickt. Ich war damals 6 Jahre alt, ein schlechter Esser und sollte zunehmen. Das sollte im Heim erreicht werden, indem die Teller immer leergegessen werden mussten. Beim Frühstück sah das so aus: Es gab einen großen Teller Grießbrei und zwei Marmeladebrote. Grießbrei mochte ich nicht und konnte immer nur die Hälfte davon essen. Auch schaffte ich nur ein Marmeladebrot. Also musste ich sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war. Mittags kam das Mittagessen dazu und abends das Abendbrot. Oft saß ich tatsächlich bis abends alleine im Speisesaal. Die "Tanten" hatten kein Mitleid mit mir.
Regelmäßig wurden Kinder dort mit dem Teppichklopfer geschlagen. Die Gründe für die Schläge weiß ich nicht. Prügel bekam ich, weil ich eine Tafel Schokolade, welche meine Eltern mir zum Geburtstag geschickt hatten, versteckte. Ich sollte alle Geschenk mit den anderen Kindern teilen. Allerdings habe ich später herausgefunden, dass die anderen Kinder meine Süßigkeiten auch nicht bekommen haben. Wahrscheinlich haben die "Tanten" mein Geburtstagsgeschenk aufgegessen. Bei der ärztlichen Kontrolle, die regelmäßig stattfand, musste ich sagen, dass die blauen Flecken durch einen Sturz von der Treppe kamen.
Ich erinnere mich auch daran, dass alle Kinder regelmäßig gewogen wurden. Die Kinder, die nicht zugenommen hatten, bekamen zusätzlich zum Essen eine weitere Ration.
Nach ein paar Wochen hatte eine der "Tanten" dann doch noch Erbarmen und nahm mich nach dem Mittagessen mit in die Küche, da ich wieder den Grießbrei und ein Marmeladebrot nicht geschafft hatte und auch vom Mittagessen war noch einiges im Teller. "Tante Gerda" fragte mich, was ich denn so richtig gerne esen würde anstelle Grießbrei und Marmeladebrot und ich wünschte mir ein Senfbrot (Butterbrot mit Senf bestrichen), was ich dann bekam und ganz aufessen konnte. Aber den anderen "Tanten" durfte ich nichts davon erzählen.
Ein anderes Kind hatte einmal einen Teil der Malzeit mit nach draußen genommen und im Schnee versteckt, weil es auch nicht alles aufessen konnte. Als einmal die Sonne länger scheinte, taute der Schnee und das entsorgte Essen wurde sichtbar. Da gab es eine lange Strafpredigt der Heimleiterin und uns allen wurde klargemacht, dass wir sehr schlechte Kinder seien, wenn wir Essen wegwerfen, während in Afrika alle Kinder Hunger leiden müssen.
Wir mussten regelmäßig schöne Briefe nach Hause schreiben. Allen Kindern wurde gesagt, was sie zu schreiben haben. Für die Kinder, welche noch nicht schreiben konnten, schrieben die "Tanten" die Briefe. So bekamen meine Eltern ausschließlich Briefe von mir, in denen stand, wie gut es mir doch ging und dass ich schon ein paar Kilo zugenommen habe.
Nach 6 Wochen durfte ich wieder heim. Meine Eltern und meine Geschwister holten mich in Stuttgart am Bahnhof ab. Meine Familie war mir fremd, nur den Vater erkannte ich sofort.
Zu Hause stellten meine Eltern fest, dass ich weniger wog als da, bevor ich fortgeschickt wurde.
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Beate Böttner, geb. Bleil schrieb am 20.11.2019
Über Ostern 1961, das war kurz vor meiner Einschulung und ich war oft erkältet und hustete, wurde ich zur „Erholung“ und Luftveränderung für 4 Wochen nach Storzeln nahe dem Bodensee verschickt. Meine Mutter brachte mich zum Stuttgarter Bahnhof und ich startete zusammen mit vielen anderen Kindern meine „Erholungsreise“. Diese für mich sehr traumatische Zeit hat vor allem meine Kindheit, aber auch mein weiteres Leben stark beeinflusst. Da ich ein „schlechter Esser“ war und für mein Alter klein und zierlich, sollte ich während meines Aufenthaltes vor allem tüchtig essen und zunehmen. Bei jeder Mahlzeit wurden die Kinder, je nachdem, wie schnell sie ihren Teller geleert hatten, in „ Kaiser, König, Kurfürst, Graf, Edelmann, Bettelmann, Bauer, Soldat eingeteilt. Ich saß oft alleine, manchmal zusammen mit ein bis zwei anderen Kindern noch lange, nachdem der letzte „ Soldat“ schon vom Tisch aufstehen durfte vor meinem vollen Teller und mir war so übel, dass ich mich das eine und andere mal in meinen Teller erbrochen habe. Lange Zeit habe ich gedacht, ich hätte geträumt, dass ich das Erbrochene aufessen sollte, heute weiß ich, dass dies real war. Die Erzieherinnen, eine hieß Elisabeth, waren furchteinflößende Personen ohne Empathie, die als Pädagogen komplett versagt haben. Meine Mutter erzählte mir, dass ich schon im Alter von 2 Jahren mittags nicht mehr geschlafen habe. Im Erholungsheim musste ich täglich zum Mittagsschlaf im riesigen Schlafsaal zu Bett, was für mich eine echte Tortur war. Manchmal zog mich die Cheftante aus meinem Bett mit in ihr Schlafzimmer, wo ich ganz alleine in ihrem Bett schlafen sollte. Zu Ostern bekam jedes Kind von zuhause ein Paket. In meinem befanden sich beim Auspacken außer den Süßigkeiten auch kleine Plüschküken und Häschen. Die fehlten, als ich mein Osterpäcken am nächsten Tag öffnete. Da ich nicht auf den Gedanken gekommen bin, dass mir das jemand wegnehmen könnte, dachte ich wiederum, ich hätte es geträumt. Meine Mutter bestätigte mir Jahre später, dass es kein Traum war. Statt meinen Plüschtierchen gab es für mich von der Obertante am Ostersonntag eine Rute mit der Drohung, sie würde zur Anwendung kommen, wenn ich künftig nicht aufessen würde. Alle anderen Kinder durften im Garten nach Ostereiern suchen. Anstatt zu essen wurde ich krank. In einer Postkarte an meine Eltern stand, dass ich eine leichte Erkältung hätte, es mir aber ansonsten gut ginge. In Wirklichkeit ging es mir beschissen schlecht, mein Heimweh war so groß, dass ich Fieber bekam und freiwillig im Bett geblieben bin. Ich erinnere mich, dass sich die Heimleiterin tatsächlich an mein Bett setzte und mich freundlich fragte, was ich mir denn zu essen wünschen würde. Ich wünschte mir Möhrengemüse und habe meinen Teller an diesem Tag im Bett liegend aufgegessen. Geschlagen wurde ich während meines Aufenthaltes nicht, aber die seelischen Hiebe und das Heimweh haben dazu geführt, dass ich ab diesem Zeitpunkt bis nach der Pubertät keine Nacht mehr ohne die Nähe meiner Mutter verbracht habe. Einzige Ausnahme war meine Oma. Mein ganzes Leben lang begleitet mich die schreckliche Kindheitserfahrung. Ich war kein böses oder unerzogenes Kind, fühlte mich aber jahrelang „schuldig“ und habe meiner Mutter erst Jahre später von diesen Vorfällen berichtet. Danach war ihr klar, weshalb ich nach meiner Ankunft am Hbf. Stuttgart für Tage nicht mehr von ihrer Seite wich und mich regelrecht an Sie geklammert habe. Noch heute sind diese Erfahrungen in manchen Lebenssituationen spürbar.
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Doris schrieb am 19.11.2019
Ich war 1971 für 6 Wochen nach Bad Soden Salmünster verschickt. Den Namen des Kinderheimes weiß ich nicht mehr. Es lag neben einer Kirche und wurde von katholischen Schwestern geleitet.
Wir durften in den Schlafräumen nicht miteinander sprechen. Wer das trotzdem tat, musste mit nackten Füßen auf den Steinfliesen im Flur vor der Tür still stehen.
Vor dem Essen mussten wir lange Zeit still sitzen, auf das Essen warten, sprechen war verboten. In den Suppen waren oft versehentlich Eierschalenreste. Wir mussten sie mitlaufenden. Vorher durften wir nicht vom Tisch aufstehen.
Wir bekamen Anwendungen: Massagen und Solebäder. Im Bad habe ich beobachtet, wie ein kleiner Junge von einer Betreuerin zur Strafe mit dem Kopf in einem Holzzuber mit Solewasser untergetaucht und so gehalten wurde. Von „unserer „ Betreuerin wurden wir schnell weitergescheucht. Keiner von uns Kindern hat ihm geholfen. Wir waren eingeschüchtert.
Ein Mal pro Woche mussten wir nach Hause schreiben.
Die Briefe mussten offen bei den Schwestern abgegeben werden. Uns wurde angedroht, dass unsere Eltern die Kur bezahlen müssten, wenn wir ihnen etwas Schlimmes schreiben würden.
Meine Eltern haben mir nicht geglaubt als ich zuhause von dem Erlebten erzählen wollte.
Heute habe ich die Reportage über das Treffen der Heimverschickungskinder auf Sylt gesehen. Es ist irgendwie tröstlich, dass ich ich mit meinen Erinnerungen nicht alleine dastehe.
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Klaus schrieb am 19.11.2019
Hallo, ich bin Klaus, Jahrgang 63. Durch die NDR Sendungen bin ich auf diese Seite gestossen. Es war wie ein Deja-Vu. Ich war 1970 kurz vor meiner Einschulung für ca 6 Wochen (gefühlt) im Kindererholungsheim Lensterhof bei Grömitz. Ich wurde, betreut von einem Rentnerehepaar, von Bad Harzburg aus mit dem Zug dorthin verschickt. Ein gleichaltriger Junge war noch mit dabei. Bei der Ankunft nahm man uns alles aus unserer persönlichen Tasche ab. Auch unsere Koffer wurden geöffnet und nach Kuscheltieren durchsucht, welche man uns sofort wegnahm. Ich übergab mich des öfteren nach oder bei dem Essen. Wie andere es beschrieben musste ich das zwar nicht wieder aufessen doch wurde ich dafür jedesmal bestraft. In Erinnerung blieb mir ein schrecklicher Pflaumenkompott. Erst später machte ich die Erfahrung, das er wirklich zum Kotzen schmeckt wenn man die Pflaumen vor dem Kochen nicht entsteint. Ich weigerte mich jedesmal und durfte zur Strafe nicht mit an den Strand, sondern musste in dem Schlafsaal bleiben. Geschlagen wurden wir öfters, auch ins Gesicht. Manchmal bis zum Nasenbluten. Ich war damals etwas aufmüpfig, doch das wurde schnell aus mir rausgeprügelt. Eine vorgedruckte Ansichtskarte in der handschriftlich mein Name eingesetzt wurde , war die einzige Nachricht, die meine Mutter erhielt. " Ihrem Kind Klaus geht es gut..." Ich habe sie Jahre später noch einmal in der Hand gehabt und sie war unterschrieben von der Tante, die mich immer drangsalierte. Sie hieß Jonnisek oder so ähnlich. Sie verpasste mir auch die Nasenbluten und stellte mich gerne in die Mitte um mich vor den anderen zu beschimpfen und zu demptigen. Während meiner alleinigen Strafzeiten beaufsichtigte mich noch eine von den freundlichen Tanten, sie teilte mit der anderen ein Zimmer. Sie mochte mich und ich durfte sie auf ihrem Zimmer besuchen und sah sofort mein Kuscheltier, eine Steiff-Schildkröte. Sie nahm mich mit in ihr Bett, kuschelte mit mir und gab mir dann die Schildkröte zurück. Später bekam ich noch Bonbons von ihr für jede "Kuschelrunde"
Ich empfand diese Nähe als wohltuend, weiss aber nicht mehr, ob sie was mit mir anstellte, ich wage nicht weiterzudenken. Ich weiß nur noch, das ich später zu Hause grosse Stotterprobleme hatte, die sich erst in der Grundschulzeit wieder verflüchtigten. Auch jahrelange Jaktation ( Kopfwackeln vor dem Einschlafen) hatte ich seit dieser Zeit. Heute ist es ein durchaus freundliches und auch positiv bewertetes Landschulheim. Damals im Sommer 1970 kam es mir vor wie ein Kinderstraflager, der Horror und das erste und einzige mal in meinem Leben erfuhr ich Heimweh. Später erfuhr ich noch, das mir Post von meiner Familie nie zugestellt wurde. In den 80er Jahren bin ich dort noch einmal vorbeigefahren, habe kurz gestoppt und sofort überfiel mich eine eisige Kälte, so dass ich schnell weiterfuhr.
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Daniela Anders-Wongel schrieb am 19.11.2019
Hallo, ich war ca 1967 in einem Heim auf sylt. Es war die Hölle. Mein ganzes Leben war die Hölle. Ich war damals ca 4 bis 5 Jahre alt. Ich würde dort noch kränker. Man hat mich alleine im Schlafsaal liegen lassen. Ich wurde mit einem Darmfehler geboren, was bis heute noch ist, ich war immer zu dünn, darum musste ich dort hin. Ich glaube, meine Mutter war froh, hatte sie doch 6 Wochen Ruhe vor mir und meiner Darmkrankheit. Es war die Hölle in dem Heim. Ich HASSE heute noch etliche Kinderlieder . Das einzige was ich mitgenommen habe, ist, dass ich heute noch Joghurt pur esse. Das Essen dort war furchtbar. Hat man nicht gegessen oder war krank, wurde man geprügelt. Das kannte ich ja schon von meiner Mutter. Ich würde gerne noch einmal auf Sylt fahren und mit der Vergangenheit abschließen, damit ich mit 56 endlich zur Ruhe komme. Mein Mann würde auch mit mir fahren, wenn es inzwischen nicht so teuer geworden wäre. Ich glaube, mein damaliges Heim ist heute eine Ferienunterkunft für Familien geworden. Aber die Erinnerung lässt mich nicht los. Meine Eltern bzw meine Mutter kann ich nicht mehr fragen, sie sind beide vor 20 Jahren mit ca Mitte 50 verstorben. Ich habe auch eine Tochter bekommen, sie hat meine bedingungslose Liebe bekommen. Ich habe die Fehler meiner Mutter nicht wiederholt. Heute bin ich krank, habe Depressionen, meine Kindheit hat mich geprägt. Ich wünsche das in der heutigen Zeit niemanden. Ich hätte und habe mein Kind immer bei mir gehabt. Noch heute kommt sie ständig zu uns und ihr Papa hilft ihr immer noch, zB was ihr Auto angeht. Ich liebe meine Tochter über alles.
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Katja Rast schrieb am 19.11.2019
Auch ich wurde 1977 zur "Erholungskur" mit meiner kleinen Schwester verschickt. Meine Schwester war 3 und ich 8. Sie schickten uns mit einem Sammelzug nach Pollingen in ein Katholisches Kloster in Garmisch Partenkirchen. Bis heute verfolgen mich diese Bilder. Die Kinder wurden geschlagen, wenn sie nicht machten was die Nonnen sagten. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es so viele Menschen gibt, die ebenfalls so grausame Erfahrungen haben. Wir mussten sehr oft in deren Kirche und lange hat der Weihnrauch-Geruch immer wieder diese Erinnerungen nach oben geholt.
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P.F. schrieb am 19.11.2019
Hallo Frau Röhl, ich bin durch einen Zeitungsartikel auf Ihre Seite gestoßen.
Ich wurde 1978 ins Hochwald- Kindersanatorium (heute Edelsteinklinik) geschickt um meine "Lungenprobleme" in den Griff zu bekommen. Ich war 4 Jahre alt. Mit vielen anderen Kindern wurde ich mit einem Sammeltransport zu dem Sanatorium gefahren.Ein Schild mit meinem Namen und dem Zielort war alles was ich im Zug dabei haben durfte.
Ich bin sicher, dass Schwester Dora, Klasse 1, nett war. Jedenfalls glaub ich das wenn ich Ihre Postkarten lese, die Sie meinen Eltern geschickt hat. Erinnerungen hab ich nur als Gerüche gespeichert. Bis heute kann ich eine bestimmte Tomatensoße nicht riechen...Sie hat mich als umgänglich und ruhig beschrieben. Ich glaube, Sie konnte nicht unterscheiden was "umgänglich" und " total verschüchtert" war, oder wollte Sie meinen Eltern kein "Kummer" machen. Das schlimmste war einfach das unsägliche Heimweh. Selbst meinen 5. Geburtstag musste ich dort feiern. Als ich nach 6 Wochen wieder zu Hause ankam, war alles anders. Wie soll ein 5 jähriges Kind sich den Eltern gegenüber artikulieren. Wie Ihnen sagen wie fürchterlich, beängstigend und grausam eine 6 wöchige Trennung ist? Im Grunde mache ich meinen Eltern keinen Vorwurf, sie wollten wahrscheinlich nur "mein Bestes". Das ich ein Traumata erlitten habe und es bis heute nur schwer verarbeiten kann, schreibe ich der Kinderärztin und der LVA zu, die diese Kur für "unbedingt notwendig" erachtet haben.
Meines Erachtens liegt ihr der springende Punkt. Jedenfalls für mich.
Dieser Kuraufenthalt zieht sich durch mein ganzes bisheriges Leben.
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Edwin Schäfer schrieb am 19.11.2019
Ich war als Kind 2 x in Erholung. Erst in Marwang/Bayern, ca. 1960. Das war schon horrormäßig was die Nonnen dort veranstaltet haben. Beim Baden Seife in die Augen gerieben und bei ansteckendem Hausausschlag mit Armmanschetten gefesselt, damit man sich nicht kratzen kann. Fingernägel sind giftig hieß es. Vorführung bei einem Arzt: Fehlanzeige. Schlechtes Essen und immer nur Kümmelbrot. Ekelhaft!
Dann 1963 6 Wochen in Wyk auf Föhr. Das war ganz anders. Keine böse Nonnen, nette Betreuerinnen, viel Unternehmungen und viel Spaß. Daran denke ich gerne zurück!
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Monika Klebe schrieb am 19.11.2019
Hallo Horst, ich wurde dort 1967 im Jahr meiner Einschulung hingeschickt, weil ich angeblich so "zahrt"war. Es war grauenvoll. Wir wurden zum Essen gezwungen, bis sich einige Maedchen übergeben mussten. Die Badezimmer waren irgendwie im Keller und wenn man zögerlich unter die kalte Dusche ging, wurde man geschlagen. Ich habe 6 Wochen nichts von meiner Familie gehört und hatte grauenvolle Angst und Heimweh. Aber meine Mutter war voll von der ganzen Sache ueberzeugt. Was sie mir damit angetan hat ist ihr bis heute nicht klar. Ich bin ein sehr ängstlicher Mensch geworden. Im Internet kann man noch alte Postkarten von dem Kinderheim finden. Ich kann mich an alles erinnern und bekomme Beklemmungen, wenn ich durch Lueneburg fahre. Liebe Gruesse Monika
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Jochen Winkler schrieb am 18.11.2019
Ich war 1961 mit gerade mal fünf Jahren im Kinderheim Hirschegg/Kleinwalsertal und kann die Erinnerungen der anderen nur bestätigen. Allein mit dem Zug mit umgehängter Namenskarte in eine völlig unbekannte Umgebung geschickt, erwiesen sich die Tage dort als reine Tortur. Streng und unnachgiebig behandelt, kein freundliches Wort. Wir bekamen morgens und abends gerade mal eine Tasse Milch zu trinken, sodass alle immer fürchterlichen Durst hatten. Bei Wanderungen hätten wir am liebsten aus den Bächen getrunken. Jungs, die in die Hose gemacht hatten, mussten unter eine kalte Dusche und wurden abgebraust. Ich hatte mich mit Masern dort angesteckt und wurde in ein dunkles Zimmer gelegt, wo ich keinerlei Behandlung, sondern nur die notwendige Nahrung bekam. Es geschah so viel Ungeheuerliches, das ich hier aber nicht weiter ausbreiten möchte. Alles dies hat bei mir bis heute ein Trauma hinterlassen,
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Cornelia Weller (Stauch) schrieb am 18.11.2019
Hallo Christa, ich war auch in Bad Dürrheim, aber wahrscheinlich früher als Du. Ich kann mich gut an die Grausamkeiten der "Schwestern" erinnern. Dort wurde mir wegen Heulens im Schlafsaal der Teddy weggenommen..Mein Heimweh kann ich heute noch körperlich spüren. Geblieben sind mir seit der Zeit enorme Verlustängste, ich habe z.B. in Beziehungen ausgehalten, die mir nicht gut taten, nur um nicht noch jemand zu verlieren.
Wenn ich bisher in seltenen Fällen jemand von diesen Sachen berichtet habe, hieß es immer "stell Dich nicht sn, das waren doch bloß 6 Wochen". Nur sind 6 Wochen für eine Kinderseele eine Ewigkeit..
Ich denke, es hilft zu wisen, dass man nicht fantasiert hat (O-Ton meiner Mutter), dasses wahr ist und dass man nicht Schuld ist.
Liebe Grüße Conny
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Cornelia Weller (Stauch) schrieb am 18.11.2019
Ich bin so froh, auf diese Seite gestoßen zu sein. Dachte immer, es sei nur in meinen Verschickungsheimen passiert. Komme aus Karlsruhe und war überwiegend im Süden "verschickt ". Angeblich wegen chronischer Bronchitis, wohl aber eher, um meiner alleinerziehenden Mutter anfangs bis Ende der 60iger Jahre Freiraum in den Ferien zu schaffen. Habe 8 x die Heime genossen. In einem war die Strafe zu einem kleinen Jungen ins Bett gelegt zu werden, der jede Nacht einnässte. Noch Jahre später habe ich davon geträumt, zu ihm ins Bett zu müssen.
Stundenlang musste ich vor Griesbrei sitzen, obwohl mir alleine der Geruch schon immer Brechreiz verursachte. Als ich ihn dann gegessen habe, musste ich brechen und die "Schwester" zwang mich, das Erbrochene zu essen. Haferschleimsuppe ging auch gar nicht, deshalb wurde mir in einem anderen Heim, die Nase zugehalten und das Zeuge in den Mund gezwungen. Als ich das Zeug dann im Flur erbrach, musste ich das selbst wegwischen, Postkarten nach Hause wurden zensiert, Päckchen geöffnet, Süssigkeiten für die armen Kinder in Afrika konfisziert (katholisches Heim). Meine Großeltern, die mich besuchen wollten, wurden weggeschickt, weil wir angeblich eine Wanderung machten, ich habe sie aus dem Speisesaal gesehen, wie sie weggingen.
Stundenlang mussten wir zur Strafe still auf Stühlen sitzen, wer sprach wurde ins Bett der Krankenstation gesteckt.
An eine "Wanderung " kann ich mich erinnern. Ich war circa 6 Jahre alt, meine Freundin war durch eine Kinderlähmung gehbehindert. Wir mussten einen Steilhang im Wald hochklettern, um Tannenzapfen zu sammeln. Zusammen mit 6 oder 7 Kindern rutschten wir ab und konnten uns nur an Bäumen festhalten, meine behinderte Freundin schrie laut und bekam dafür Schläge. Abends mussten wir dann ohne Essen zur Strafe ins Bett.
Als ich im ersten Kinderheim vor Heimweh lsut heulte, wurde mir mein geliebter Teddy weggenommen, ich habe ihn nie mehr gesehen.
Bis auf den Aufenthalt in einem "guten" Heim kam ich jedes Mal schwer traumatisiert nach Hause. Noch Wochen danach habe ich kein Wort gesprochen, mich an meine Oma geklammert, wenn sie das Haus verlassen wollte.
Ich denke, dass ich viele Erlebnisse aus diesen Heimen verdrängt habe und mir nur die schlimmsten im Gedächtnis blieben.
Das einzige Heim, das ich in guter Erinnerung habe, war der Schafhof bei Lenzkirch.
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Kurt P. schrieb am 17.11.2019
Hallo, ich war auch mehrmals in "Kur". Bad Reichenhall, 2x Spiekeroog und zuletzt mit ca. zwölf Jahren in Berchtesgaden. Ich kann mich kaum an Details erinnern. Lediglich bestimmte Schlüsselreize haben im Laufe der Jahre immer wieder Reaktionen hervorgerufen. So z. B. bestimmte Gerüche bzw Geschmäcker z B. Rote Beete. Sofort überkommt mich Übelkeit. Ich kann mich nur noch vage erinnern, das ich als Kind (~4), gezwungen worde dieses Gemüse zu essen. An eine Bestrafung bei der ich nicht mitspielen durfte sondern isoliert, stehend die Zeit verbringen musste. Eigentlich kann ich mich an viele Dinge meiner Kindheit genau erinnern. Aber, die Geschehnisse, Orte und Menschen dieser Episoden bleiben für mich total im Dunkeln. Zum Teil kam ich auch krank wieder aus diesen Heilkuren. Geht es euch auch so, das ihr gar nicht an die Etinnerungen heran kommt? Sondern nur ein mulmiges Gefühl entwickelt wenn ihr getriggert werdet? Ich kann mich nicht einmal an eine positv besetzten Eindruck aus dieser Zeit erinnern. Seltsam!?
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Dr. Barbara Kaufmann schrieb am 16.11.2019
Ich bin zufällig bei Internetrecherchen zu einem anderen Thema auf diese Seite gekommen.Dreimal Kinderverschickung ( oder einmal davon Landschulheim, meine Mutter kann und oder will sich nicht wirklich erinnern,sie ist 85 Jahre alt und im Pflegeheim), mit 5 Jahren 6 Wochen Wyk auf Föhr und mit 8 Jahren 6 Wochen Ratzenried.
Ich frage mich heute, inwieweit diese Aufenthalte meine Persönlichkeit mitgeprägt / beeinflusst haben. Seit ich per Zufall auf diese Seite kam, beschäftigt mich diese Frage und die Suche nach Erinnerungen sehr intensiv!
Ich war mit 5 noch ein Nuckelkind und wurde laut Aussage meiner Mutter "mitgegeben", damit das Kind einer Freundin da nicht so allein ist. Dieses Mädchen habe ich in diesen 6 Wochen so gut wie gar nicht gesehen oder gesprochen. Ich habe mich nicht getraut, an der Bettwäsche zu nuckeln, wie daheim und habe verzweifelt auf Papiertaschentüchern genuckelt, so gut es ging, die ich bekam, weil ich Schnupfen vorgetäuscht hatte. ich kann mich erinnern, dass die Tanten eines Abends bei allen Kindern die Bauchnäbel (?????) kontrolliert hatten auf Sauberkeit und ich hatte große Angst, ihren Erwartungen nicht zu entsprechen und habe an dem Bauchnabeln gerieben und gerieben und als die Tante meinen kontrollierte, hat sie sich gefragt, warum der so rot ist, hat aber dann wieder schnell das Interesse verloren.
Ich war mir bei der Froschaugensuppe nicht sicher, ob das wirklich Froschaugen waren...
Mit 8 Jahren war ich bei den katholischen Nonnen in Ratzenried für 6 Wochen, im August 1970, es gibt noch zwei Gruppenbilder aus der Zeit mit Schwester Lioba und der Hauswirtschafterin Marianne. Das Schlimmste dort war der Schlafsaal mit 40 Kindern, ich bin mir nicht sicher, ob der mit Jungen und Mädchen belegt war, bis 11 Jahre, ab 12 waren die Kinder im Stock darüber untergebracht. Man durfte sich nachts nicht im Bett bewegen und wer das doch tat, wurde im Dachboden mit den leeren Koffern eingesperrt. Es herrschte Essenszwang und wir mussten kalt duschen. Wir durften unsere Kleidung nicht selbst aussuchen und es gab keine Süssigkeiten, außer wenn ein Kind ein Päckchen bekam, wurde 50% des Inhalts an die anderen verteilt.
Auf dem Rückweg bekam ich ein Oberteil eines Hosenanzugs als Kleidung und die Bitte nach der Hose wurde mir verwehrt. Ich saß 12 Stunden im Zug von Ratzenried nach Hamburg ohne Jacke und Hose. Die Post wurde zensiert und meine Mutter erwartete ein rotbackiges Moppelchen am Bahnhof und es stieg ein blasses, mageres, durchgefrorenes Kind mit Augenringen aus. Meine Mutter sagt noch heute, sie hätte mich fast nicht erkannt und ich konnte nicht mehr aufhören zu schluchzen. Ich hatte keine einfache Kindheit mit einer alleinerziehenden Mutter in den 60iger Jahren, aber das war die allerschlimmste Zeit.
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Susanne H. schrieb am 16.11.2019
Hallo zusammen,
nun habe ich mich auch entschlossen, hier meine Geschichte zu erzählen. Ich weiss leider nicht mehr sehr viel, da ich wohl einiges verdrängt habe.
Im Sommer 1966 (ich war 6 Jahre alt) bin ich alleine in ein Heim nach Bad Dürrheim gefahren. Leider weiss ich nicht mehr ganz genau wie das Heim hiess, meine Mutter hat alle Unterlagen wohl weggeschmissen. Nach Bildern zu urteilen, war es wohl das damalige DRK Heim. Ich war anscheinend zu dünn.
Ich wurde in einen Zug gesetzt und erinnere mich daran, dass der Zug durch unheimlich viele Tunnel fuhr. Am Heim angekommen empfing mich eine "Tante" mit fürchterlich vorstehenden Zähnen, die in meine Augen wie eine Hexe ausgesehen hat. Wir mussten sehr viel essen und wenn ich den Teller nicht geschafft hatte, dann bekam ich noch einen zweiten dazu. Wir mussten alle bis zum Hals in einer Badewanne mit Salzwasser liegen und durften uns nicht bewegen! Meine Oma hatte mir damals ein Paket geschickt. Meine Mutter wurde von einer Tante Minna angeschrieben, mit der Bitte, meine Oma solle dies doch bitte unterlassen.
Meine Mutter erzählte mir später, dass ich nach der Rückkehr sehr verstört gewesen war, habe viel gebetet, wollte nachts nicht schlafen und habe immer nachgefragt, ob sie böse auf mich sei. Ich wollte danach nicht eingeschult werden, da ich dachte sie schickt mich wieder weg. In ihrem Tagebuch hatte meine Mutter geschrieben: "Wer weiss, was sie dort mit ihr gemacht haben"
Ich habe noch ein Foto, wo ich mit 5 weiteren Mädchen draussen vor einem Taubenschlag oder ähnliches sitze. Ein Mädchen, es hiess Simone und war 8 Jahre alt, hat sich sehr um mich gekümmert. Mehr weiss ich leider nicht mehr.
Diese Zeit hat mein Leben geprägt. Mein Selbstbewusstsein hat darunter wohl stark gelitten.
So, dass war es erstmal von mir. Ich bin froh, dass ich es jetzt einfach mal so erzählen konnte.
Alles Liebe
Susanne
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fraukec.d@gmail.com schrieb am 12.11.2019
1959 Wyk auf Föhr Die Hölle.Milchsuppe trotz Allergie.Schlafen im Jungszimmer.Eingesperrt.Sitzen Bit Mittag mit Milchsuppe.Nur noch kotzen.
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Tina schrieb am 12.11.2019
Hallo.
Ich bin nur zufällig auf den Bericht gestoßen und wahrscheinlich eine der Jüngsten "Opfer".
Leider habe ich auch noch keine Zweitmeinung zu meiner " tollen" ,unvergesslichen Kureinrichtung gefunden. Seit Jahren verfolgt es mich. Und eigentlich bin ich auch auf der Suche nach meinen Zimmergenossen ( ein Junge und ein Mädchen), um herauszufinden, ob ich mich nicht täusche und es Tatsache alles so stattgefunden hat und ob sie genauso darüber denken und fühlen ,wie ich.
Es war März/ April 1990 Wendezeit.
DDR Regime noch in voller Blüte.
Ein Schularzt hatte mich kurz vor Einschulung dahin geschickt- in meinen ganz persönlichen Alptraum für 6 Wochen.
Zum Zunehmen- ich sah wohl danach schlimmer aus, als wie ich hingefahren bin. Es war für mich schrecklich. Ich saß am ersten Tag vor meiner Gräupchensuppe und hatte nur geweint.
Niemand hat mich getröstet- nur strenge Blicke.
Dies hat sich auch durchgezogen- das Strenge.
Ich weiß noch, dass wir das letzte Zimmer Treppe raufkommend links hatten. Neben uns war ein 4 Bettzimmer mit 4 frechen Jungen.
Sie haben mein Lieblingskuscheltier kaputt gemacht.
Darüber war ich sehr traurig- auch da kein Trost.
Nun zur Einrichtung:
Wir mussten stundenlang ewig durch den Wald spazieren gehen, Wassertreten im dunklen Keller mit Smaragdgrünen Fliesen, man musste vor seiner Leberwurst Schnitte sitzen bleiben, bis man sie aufgegessen hatte. Kleine 5/6 Jährige kinder hatten einen Nachttopf unterm Bett, den jedes Kind abwechselnd morgens entleeren musste.
Nachts lauschten wir an der Tür und hörten das Nachtpersonal Schuhe putzen.
Von Liebe und Trösten keine Spur.
Und dann kam das Schlimmste- Windpocken.
Bis ich überhaupt untersucht wurde, dauerte Stunden, anschließend wurde ich ins Zimmer isoliert ohne Spielzeug, Bücher, etc....man hat ewig niemand gesehen. Ich wollte nur nach Hause. Mir ging es sehr schlecht.
Später habe ich erfahren, dass meine Eltern telefonisch darüber informiert wurden und alles gut dargestellt wurde. Trotzdem sind sie gekommen und wollten mich besuchen- vielleicht hätten sie mich mitgenommen. Doch nein, sie wurden an der Tür abgewimmelt " zum Wohle des Kindes ". Ich musste Tatsache da bleiben und habe noch nicht einmal meine Eltern gesehen. Wie kann man nur so grausam sein?
Leider sind es nur wenige Erinnerungen, doch leider kann ich nichts Positives berichten.
Meine Eltern haben mir berichtet, als sie mich abholten, habe ich kein Wort mehr mit ihnen gesprochen. Wie tief muss diese Kinderseele verletzt gewesen sein und geschädigt? So sehr, dass es mich nach 30 Jahren immer wieder einholt und nicht in Vergessenheit gerät.
Diese sogenannten "Erzieherinnen" sollten sich in Grund und Boden schämen.
Ich würde es Ihnen so gerne selbst sagen und fragen, warum sie sich so verhielten....
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Matthias G. schrieb am 10.11.2019
Hallo zusammen, mit Interesse habe ich den Bericht von Report Mainz gesehen und bin im nachherein auf diese Seite gestoßen.
Ich selbst war 1976 als 6jähriger für 6 Wochen zur "Kur" in Berchtesgaden. Seit der Reportage sind viele Erinnerungen und Bilder, die verdrängt, vergessen und zum Teil auch verarbeitet waren, wieder "hochgekommen". Es war mir schon bewusst, dass das Erlebte in den Bereich Kindesmisshandlung fällt. Jedoch habe ich es bisher als einen von wenigen Einzelfällen angesehen. Das die menschenunwürdige Behandlung von Kindern bundesweit solche Ausmaße hatte, war mir bisher nicht klar.
1976 kam die Frage auf, ob ich mit 6 oder 7 Jahren eingeschult werde - ich bin ein paar Tage nach dem Stichtag geboren und somit ein "Grenzfall". Nach erfolgter Schuleingangsuntersuchung kam statt der erwarteten Einschulung im Sommer die Empfehlung von Krankenkasse (Barmer Ersatzkasse) und Arzt, für 6 Wochen zur Kur nach Berchtesgaden zu reisen. Ich hatte in der Zeit oft Bronchitis, häufige Hautausschläge (Neurodermitis) und war auch noch ein "schlechter Esser".

An die Fahrt kann ich mich nicht mehr erinnern; nur an einen grünen Rucksack, den ich von der Barmer bekommen habe. Dieser diente vielleicht als Erkennungszeichen, dass ich zu der Verschickung gehöre. Von den Süßigkeiten, die mir meine Eltern und meine älteren Geschwister eingepackt haben, habe ich nach meiner Ankunft nie wieder etwas gesehen.
Die Bilder vom Inneren das Gebäudes sind in der letzten Zeit wieder vermehrt in meinem Kopf aufgetaucht: viel dunkles Holz, die Medikamentenausgabe vor der Treppe nach oben, der Schlafraum und die Stelle wo mein Bett stand und der riesige Speisesaal mit angrenzendem Gemeinschaftsraum.

Der Speisesaal und der damit verbundene Esszwang sind mir noch sehr präsent: wenn ich mich recht erinnere, war es jeden Dienstag. Da gab es als Vorspeise eine eklige Suppe und danach Pfannkuchen. Die Pfannkuchen haben natürlich nur die bekommen, die die Suppe aufgegessen haben. Einmal habe ich es geschafft, die Suppe runter zu würgen und fand die Pfannkuchen echt lecker - hat sich aber nicht wiederholt. Ein anderes Mal saß ich alleine im Speisesaal vor meiner Suppen, während nebenan im Gemeinschaftsraum eine Veranstaltung stattfand.

Toilettengänge waren wohl auch nicht jederzeit möglich. Als ich wieder zuhause war, habe ich ein Gedicht aufgesagt, von dem ich noch das Ende kenne: „... und bist du endlich an der Tür, dann fehlt auch noch das Klopapier." Ich kann mich an Situationen erinnern, wo ich eingenässt habe und in eine Ecke musste, bis alles getrocknet war. Erst dann durfte ich wieder zurück zu den anderen Kindern (ohne frische Kleidung).

Dass andere Kinder im Speisesaal etwas aufsagen oder vorlesen mussten, habe ich noch im Gedächtnis. Worum es da ging weiß ich nicht mehr, aber das ungute Gefühl spüre ich immer noch.

Ein Highlight war es, wenn wir auf dem Pony "Frieda" reiten durften. Aber auch da war der Sadismus der Betreuer latent vorhanden: Das Pony wurde immer um einem Baum mit einem tiefhängenden Ast geführt. An der Stelle wo der Ast war mussten wir immer den Kopf einziehen. Ein Junge hat das mal vergessen und während er behandelt wurde hieß es von den Betreuern, dass er blöder wäre als das Pony - das hat nämlich an der Stelle immer den Kopf gesenkt. Ansonsten wurde der Kontakt mit dem Tier genutzt um Fotos an die Familie zu schicken, die eine schöne heile Welt vorspielen.

Wenn ich die anderen Berichte lese, weiß ich, dass ich "glimpflich" davongekommen bin. Doch bin ich froh und dankbar für diese Plattform und darüber, dass dieses dunkle Thema nun mehr und mehr öffentlich wird.
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Gabriele schrieb am 09.11.2019
Ich wurde 1943 im Dortmunder Norden geboren. Ich war immer sehr blass und hatte Untergewicht. So wurde ich vom Diakonischen Werk aus im Sommer 1951 in ein Ferienheim im Sauerland oder Hessen (ich erinnere mich leider nicht mehr genau), verschickt.
Schon auf der Hinfahrt mit dem Bus war ich Demütigungen ausgesetzt: Der Bus musste anhalten, weil ich mich übergeben musste. Die Betreuerin wusch mein Gesicht mit Cola ab; es klebte fürchterlich und die Betreuerin lachte, weil ich "wie ein Neger aussehe". Dann war ich dem Gespött der Kinder ausgesetzt.
Ich hatte Zöpfe und konnte meine Haare noch nicht selber kämmen. Die Betreuerin bürstete so brutal mein Haar, dass mir ein Büschel Haare ausgerissen wurde. Sie konnte darüber nur lachen und animierte auch die anderen Kinder dazu. Das brutale Bürsten wiederholte sich täglich.
Gegessen werden musste alles, ob man es mochte oder nicht, man sollte ja zunehmen.
Die Karten, die meinen Eltern schrieb, enthielten immer die gleichen Text: "Noch soundsoviel Tage und ich bin wieder zu Hause."
Meiner Erinnerung nach hat man sich wenig um uns gekümmert, wir waren tagsüber meistens uns selbst überlassen. Als kleines, schüchternes Kind habe ich das als sehr schlimm empfunden.
Als mich meine Mutter nach diesem Ferienaufenthalt (4 Wochen) am Bahnhof abholte, erkannte sie mich nicht wieder und lief an mir vorbei. Sie erzählte mir später, dass ich so verwahrlost ausgesehen habe, auch die Stelle mit den herausgerissenen Haaren hat sie wahrgenommen. Sie ist dann mit zur Bahnhofstoilette gegangen um mein Gesicht zu waschen. Sie schämte sich, so mit mir nach Hause zu fahren. Heute beschäftigt mich besonders, dass meine Mutter mich damals nicht bedauert, sondern sich für mich geschämt hat.
So war das, aber ich hatte 1 kg zugenommen.
Da sich meine Eltern nicht beim Diakonischen Werk beschwerten, dachte ich, dass ich als Kind die Behandlung so ertragen musste.
Ich hatte alles verdrängt, bis jetzt, nachdem ich den Artikel über Verschickungskinder in der Zeitung (Ostfriesische Zeitung) las.
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Frida schrieb am 06.11.2019
Hallo Anja. Bin gerade auf dein Post aufmerksam geworden.
İch finde es unglaublich.
İch bin aus berlin und wurde 1980 in ein Kinderkurheim verschickt, ich war 6 Jahre und ich denke, es war auf der İnsel Wyk auf Föhr. İch war habe null Erinnerung an diese Zeit. Meine Mutter war allein erziehend und schon lange verstorben, so dass ich sie nicht mehr fragen kann.
İch habe mich immer gefragt, warum ich mich an diese Zeit nicht erinnern kann.
So Schade, dass ich nicht zur Konferenz kommen kann.
Aber die ganzen Kommentare zeigen mir, dass meine Verdrängungsmechanismen schon richtig waren. Wer weiß, was ich da erlebt habe.

War jemand 1978 auf der İnsel Wyk auf Föhr?

Danke für die wertvolle Arbeit.
??
Frida
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Carolin Wortmann schrieb am 06.11.2019
Hallo Frau Röhl,

auch ich musste vor Schulbeginn in so ein Verschickungsheim – mir war aber das unglaubliche Ausmaß nicht bewusst. Deshalb finde ich es sehr gut, dass Sie sich dieses Leidens angenommen haben und möchte auch meine Geschichte kurz beschreiben.

Eigentlich war ich zu klein, um mich detailliert erinnern zu können. Ich hätte vom Alter her beide Kurzschuljahre (in denen man den Schuljahresbeginn von Ostern in den Sommer verlegt hatte) mitmachen müssen, wurde aber zurückgestellt, da ich damals „so zart war“. Ich war also fünf oder sechs Jahre alt. Es muss im Frühjahr 1966 gewesen sein, denn ich kann mich an Schnee erinnern. Mein Vater hatte mich mit dem Auto in den Schwarzwald (meine Mutter meinte, es sei in Todtmoos gewesen, weiß es aber auch nicht mehr genau) in ein Heim gebracht, das von Nonnen geführt wurde. Alle Frauen hatten eine Ordenstracht an, an männliche Aufseher kann ich mich nicht erinnern. Ich wurde nicht sexuell missbraucht und kann mich auch an Schläge nicht erinnern. Also ging es mir wohl besser als vielen anderen Leidensgenossen/innen.

Erinnern kann ich mich an wahnsinniges Heimweh und Verlustängste und, dass wir eigentlich immer nur einen Blechnapf und einen Löffel zum Essen in der Hand hatten, d. h. es gab immer nur Brei oder Suppe. Brei kann ich bis heute nicht essen – ich glaube, ich müsste nah am Verhungern sein, um das runter zu kriegen. Es gab immer unglaublich heftigen Streit um das wenige Spielzeug – ich habe eine ganz undeutliche Erinnerung, dass ich, um den Streit zu vermeiden, viel gemalt habe. Mittagsschlaf wurde auch erzwungen – in riesigen Schlafsälen. Weinen durfte man nicht, also habe ich entweder die Bettdecke über den Kopf gezogen, damit man mich nicht erwischte oder aus dem Fenster gesehen (das mir zugeteilte Bett stand so, dass ich rausschauen konnte) und mich weggeträumt. Wir haben viele Wanderungen unternommen (ich glaube täglich) und mussten immer zu zweit gehen. Ich habe zugesehen, dass ich weit nach hinten kam und habe mir dann vorgestellt, dass ein Wolf käme (meiner damaligen Vorstellung nach musste es im Schwarzwald einfach Wölfe geben) und mich aus dieser Situation befreien würde. Was der wohl dann getan hätte, da endete meine Phantasie.

Die schrecklichste Erinnerung war die, dass ich es nicht geschafft hatte, wegen Durchfalls rechtzeitig zur Toilette zu kommen und mir daher meine Unterhose entsprechend verschmutzte. Ich musste sie vor den Augen aller anderen Kinder ausziehen, selbst auswaschen (mit fünf/sechs Jahren!) und wurde entsprechend zurechtgewiesen. Das war unglaublich demütigend. Einmal hatte ich es rechtzeitig geschafft, in den Toilettenraum zu kommen, es waren aber alle Toiletten besetzt. Das wiederum heißt, dass ich nicht die Einzige mit Durchfall war.

Ich sollte vier Wochen bleiben, das Heim hatte dann entschieden, dass ich noch weitere zwei Wochen dort ausharren müsste.

Mein Leiden fing eigentlich danach, ca. 2 Jahre später an – mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die Ursachen in dem Heimaufenthalt zu finden sind. Mit sieben Jahren bekam ich „Heuschnupfen“, Allergien, die sich mal im Anschwellen der Schleimhäute, mal als Ausschlag auf der Haut zeigten, mal zu Kurzatmigkeit führten. Die Allergieauslöser wechselten auch immer mal. Ich bekam hintereinander mehrere Mittel dagegen – viel, denn in den 60er, 70er Jahren glaubte man, viel hilft auch viel. Ich bekam u. a. Kortison (seitdem kämpfe ich gegen mein Hüftgold an), Desensibilisierungsspritzen, Antihistaminika usw. Ich habe also meine halbe Kindheit und Schulzeit verschlafen, weil mich die Antihistaminika so müde machten. Meine sozialen Kompetenzen habe ich eigentlich erst viel später entwickelt. Jahrelang hatte ich unglaubliches Bauchweh – da man nichts finden konnte, hat mir mal vorsichtshalber den Blinddarm entfernt. Der Kraftaufwand, diese Allergien auszuhalten und „normal“ funktionieren zu können, war unglaublich hoch.

Ich hatte das unermessliche Glück, im Alter von ca. 40 Jahren einen superguten Arzt zu finden, der herausfand, dass meine Allergien (und wahrscheinlich auch die Bauchweh in der Kindheit) durch eine „erhebliche bakterielle Infektion im Kindesalter“ verursacht worden war. Bingo!!! Wahrscheinlich ist, dass das Heim mit Salmonellen o.ä. zu tun hatte, dies aber nicht gemeldet hatte (sonst wäre es wahrscheinlich geschlossen worden). Denn die anderen Kinder hatten ja denselben Durchfall wie ich. Deshalb musste ich zwei weitere Wochen länger bleiben, in denen man versuchte, mich „gesund“ zu bekommen. Als ich dann wieder zuhause war, kam meine Mutter nicht auf die Idee, mit mir zum Arzt zu gehen und ich konnte ihr nicht sagen, dass es im Heim Probleme gegeben habe. So musste mein Körper selbst mit diesen Bakterien zurechtkommen. Dieser tolle Arzt, den ich im Erwachsenenalter traf, gab mir homöopathische Mittel zum Ausleiten – seitdem habe ich keine Allergien mehr und habe danach gemerkt, wie viel Kraft mich das Aushalten gekostet hatte.

Ich habe lange Zeit mit meinen Eltern gehadert, dann aber erkannt, dass diese nur mein Bestes gewollt hatten. Ich war das älteste Kind, meine Eltern waren unsicher. Richtig böse bin ich auf die damalige Kinderärztin (die mit Sicherheit nicht mehr lebt). Diese hatte nämlich meiner Mutter vor der Verschickung in das Heim empfohlen, mir durchgedrehte rohe Leber sowie viel Spinat (damals glaubte man noch, da sei viel Eisen drin) zum Essen zu geben. Der eklige Lebertran durfte natürlich auch nicht fehlen. Wer bitte schön würde bei dieser Speisekarte nicht das Essen verweigern?

Nachdem ich mein Zähneknirschen (auch eine Folge der Heimunterbringung?) losgeworden bin und weitgehend barfuß (oder in Barfußschuhen) laufe, bin ich auch von meinen Rückenschmerzen und Hüftproblemen befreit. Mir geht es also seit etwa 3 Jahren so gut wie noch nie zuvor.

Fazit: Ohne meine aus dem Heimaufenthalt resultierenden Erkrankungen wäre ich sicherlich ein anderer Mensch geworden. Ich hatte auch das Glück, mit den Krankheiten mein Trauma ablegen zu können, aber – wie schon oben gesagt – mir erging es im Heim wohl sehr viel besser als anderen Kindern.


Liebe Grüße, Carolin Wortmann
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Birgit de Boer schrieb am 04.11.2019
1976 wurde ich als 8 jähriges Mädchen, von unserem Hausarzt Dr. Teteberg, zur Kinderkur für 6 Wochen nach Bad Sachsa, Kinderkurheim "Im Borntal" verschickt. Es waren die schlimmsten 6 Wochen meines Lebens.

Ich litt als Kind unter spastischer Bronchitis und auch an Übergewicht. Dort angekommen, hat man mir dann mein Essen radikal gekürzt. Trockenes Knäckebrot mit Apfelspalten, Magerquark, Hagebutten-Tee, Sauerkraut in der Edelstahlschale.

Kinder, die zunehmen mußten und nicht essen konnten oder wollten, wurde gedroht, daß sie einen Schlauch in den Hals geschoben bekommen.

Bei den gemeinschaftlichen Toilettengängen wurde kontrolliert, ob man Stuhlgang hatte. Bei mir war das dann Mal nicht der Fall und ich bekam ein Abführmittel verpaßt. Außerdem wurde ich gegen meinen Willen kalt abgeduscht.

Briefe wurden zensiert, d.h. eine (weltliche) Schwester saß neben einem und hat kontrolliert, ob die Botschaften für zu Hause positiv waren, sonst hätte ich meinen Eltern geschrieben, dass sie mich wieder abholen sollen, weil es da so schrecklich war.

Das Schwimmen sollte ich dort erlernen, ich bekam Schwimmflügel, die man mir aber bei der nächsten Stunde schon wieder abnahm und man wollte mich nur an meinem Bikini-Band im Rücken festhalten. Das machte mir Angst. Ich leide heute unter diversen Angststörungen.

Einmal Nachts, wurde ich aus dem Bett geholt, wo alle anderen Kinder schliefen und mußte mich in eine Zinkwanne mit Kamillenblüten, in den Sanitärraeumen setzen. Im Dunkeln saß ich da im Wasser und wußte nicht wann sie mich wieder rausholen würden.

Ich hatte ganz schlimmes Heimweh. Mitgefühl der evangelischen Diakonissen dort - Fehlanzeige.
Einmal meinte eine Schwester zu mir, ich sollte nicht so viel weinen, ich bräuchte meine Tränen noch in meinem Leben. Ein Päckchen, dass mir meine Eltern schickten, durfte ich auch nicht für mich allein behalten. Sie wollten Luftballons für ein "geheimes" Grillfest haben und was glaube ich auch stattgefunden hat.

Eltern waren dort unerwünscht aber manchmal kamen doch Eltern am Wochenende. Einmal habe ich eine Mutter erlebt, die schimpfte, wenn sie ihre Tochter nicht besuchen dürfte, würde sie sie gleich mit nach Hause nehmen. Dieses Mädchen wurde "Vicky" genannt und kam aus Bremen.

Der Hunger war sehr schlimm, die Kinder, die zunehmen mußten, aßen morgens vor unseren
Augen Brötchen mit Marmelade. In einem Schrank im Speisesaal waren die Süßigkeiten von unserer Hinfahrt eingeschlossen. Für die Schlanken wurde dieser Schrank öfter Mal aufgeschlossen, wo die Kinder sich dann etwas rausnehmen durften.

Meine Eltern bekamen ein völlig verstörtes Kind mit Schuldgefühlen wieder.
Wenn die Menschen keine Kinder mögen, sollten sie einen anderen Beruf ergreifen.
Die Empathielosigkeit dort war einfach schrecklich. Die Zeit dort hat mich sehr geprägt,
leider nicht zum Positiven.

2 weltliche Schwestern schrieben mir sogar ins Poesiealbum, Eine davon war nett, die Andere ging so. Sie schrieb zur freundlichen Erinnerung an Deine Zeit in Bad Sachsa...welch ein Hohn.

Ich bin Frau Röhl sehr dankbar, daß sie diese Initiative ins Leben gerufen hat.

Gibt es noch andere Betroffene, die auch in Bad Sachsa, Im Borntal waren ?
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Dorothee Triphaus schrieb am 03.11.2019
Betr.: Kinderlandverschickung Juist Sommer 1959

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich bin 1951 geboren und 1959 in den Sommerferien mit meiner Schwester zusammen nach Juist in das Kinderheim der Stadt Münster (für Beamten- und Angestelltenkinder) zur Erholung /Gewichts-zunahme für 6 Wochen verschickt worden.

Dort angekommen, wurden meine Schwester (10 Jahre alt) und ich (8 Jahre alt) getrennt, weil es 1. angebliche altersgerechte Gruppen gab und 2. meiner Erinnerung nach alle Geschwisterkinder aus Prinzip getrennt wurden. Ich schlief in einem Schlafsaal am Anfang des Flures, meine Schwester am Ende des Flures. Kontakt war strengstens verboten, es blieb bei zufälligen Begegnungen. Mein Teddy war mein einziger Retter in der Not.

Seit dieser Zeit bin ich traumatisiert.

1. Abends, wenn Schlafenszeit angesagt war, mussten wir pünktlich und ohne zu schwätzen im Bett liegen und auf die Kontrolle warten, die die Kinder durchzählte und Schlafen befahl. An einem Abend haben wir uns, relativ still, die Wartezeit mit einem Socken vertrieben, der von Bett zu Bett geworfen wurde. Ich war dran, fing ihn auf, die Kontrolle kam rein und ich wurde bestraft.
Das war das, was ich lange Zeit nur noch in Erinnerung hatte.

Im Alter von ca. 30 Jahren habe ich, weil ich ein innerlich getriebener und unruhiger Mensch war, einen Meditationskurs besucht. Bei einer Übung mit Dunkelheit und Stille fing ich plötzlich an zu weinen und Bilder tauchten auf.

Ich wurde in den Waschraum geschickt. Dort waren mehrere Toilettenkabinen und 1 Kabine für Putzutensilien. In diese Kammer wurde ich gesperrt mit dem Bemerken: Und hier bleibst du so lange stehen, bis ich dich wieder abhole.

Ich stand, und stand und stand. Irgendwo schlug eine Turmuhr, jede Viertelstunde. Es gab einen Eimer in dieser Kabine aus Zink, den könnte ich umdrehen, so überlegte ich, aber der hatte am Boden einen hohen unbequemen Rand und außerdem wusste ich nur zu genau von zu Hause, was es für Konsequenzen haben kann, wenn ich als Kind einem Gebot/einem Befehl nicht gehorchte; also blieb ich stehen, Stunde um Stunde. Irgendwann war mir klar, dass man mich vergessen hatte und da war es mir egal; ich drehte den Eimer um und setzte mich.

Nachts um 24 Uhr bei der Nachtkontrolle muss dann wohl aufgefallen sein, dass ich nicht im Bett lag. Ich wurde geholt und ins Bett geschickt. Eine Entschuldigung gab es natürlich nicht.


Seitdem kann ich meinen Ängsten in Dunkelheit und meiner Unruhe bei Stille zumindest einen Namen geben.

2. Ein anderes Mal hatte ich wohl das Gefühl zur Toilette zu müssen, was natürlich nicht erlaubt war, oder ich habe geträumt, ich säße auf dem Klo. Wie auch immer, zumindest war am Morgen mein Bett nass und ich wurde beschimpft und ausgelacht. Seither und bis heute habe ich daher immer noch Angst und wenn ich nur daran denke, muss ich rennen, dass ich noch rechtzeitig zum Klo komme und gehe schon bei dem kleinsten Gedanken zur Toilette, damit nur ja kein Missgeschick passiert.



Ansonsten war das Essen eine Katastrophe. Haferschleim, bei dem das Wort Schleim seiner Bedeutung mehr als gerecht wurde. Spinat wurde angekündigt, gelber übelriechender Mangold in schleimiger Verfassung wurde angeboten und musste aufgegessen werden. Aus nichtigen Gründen gab es Strafarbeiten, die in Ermangelung von ordentlichem Papier auf Klopapier geschrieben werden mussten. Und, es gab auch Teddy-Entzug für mindestens 2 Tage.

Mein Bruder, 10 Jahre älter als ich, war irgendwann nach dem Krieg auch für 6 Wochen in dem Heim, kannte noch die Namen der „Tanten“, kannte die Strafsanktionen. Also alles „Erzieherinnen“ die schon zu Nazizeiten dort ihren Dienst getan hatten.

Ich bin jetzt nun nach 60 Jahren zum ersten Mal wieder auf Juist gewesen. Die Gebäude sind noch da, es sind Wohnungen draus geworden, die von Münsteraner Bürgern erworben werden konnten.

Es schaudert mich.


D. Triphaus
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Karin schrieb am 02.11.2019
Auch ich und meine Schwester waren Erholungskinder/Verschickungskinder.
Wir waren von der Caritas aus vom 04.06. – 15.07.1971 (6Wo) in Bad Kissingen im St. Josef Sanatorium = von Nonnen – Mariannhiller Schwestern geführt.
Damals war ich 4,10 Jahre und meine Schwester 6,3 Jahre.
Wir wurden mit einem Sammeltransport alleine mit der Bahn & einer fremden Frau verschickt. Als wir dort waren wurde uns gezeigt, dass wir so lange bleiben müssen = uns wurden 6 Finger gezeigt.
Wir haben täglich mitgezählt und bekamen eine andere Rechnung.
Es gab mehrere Gruppen dort. Wir waren bei Schwester Agathe & bei der Praktikantin od. Erzieherin Beatriz.
Als wir angekommen waren, wurden uns alle Sachen wie Tempos & Traubenzucker, auf die wir zur damaligen Zeit Mega-Stolz waren, von Schwester Agathe abgenommen.
Jeden Tag war strenge Pflicht, Heilwasser zu trinken, mit Gurgeltee zu gurgeln, Mittagschlaf zu machen. Es gab auch eine Bade-& Kneipp Einrichtung.
Dort machten wir Wassertreten und wurden mit Schlauch mit kaltem Wasser von Schwester Agathe abgespritzt. Das war damals Qual.
Postkarten, das einzige Signal der Eltern – was man bekam, wurden uns kurz gezeigt und dann weggeschlossen.
Da ich nicht alles Essen wollte, erlebte ich dort die Hölle.
Dann wurde ich zu den 2 Betreuern an den Tisch auf einen großen Stuhl gesetzt. Einmal gab es z.B. Bohnen. Schwester Agathe rieß mir mit 2 Händen den Mund auf und Beatriz musste die Bohnen reinschieben. Daraufhin drückte mir Schwester Agathe den Mund zu, solange bis ich unter Tränen und Panik das Essen gekaut und runtergeschluckt hatte. Nachts im Bett habe ich dann erbrochen. Irgendjemand vom Schlafsaal meldete dies. Dann kam Schwester Agathe wie eine Irre reingerannt, machte das Licht an – dass wirklich alle wach wurden – riss mich aus dem Bett und hat mich verschlagen und vor den anderen mit Worten bloßgestellt. Als Strafe durfte ich dann am nächsten Tag nicht mit ins Märchen-Kino, dass sich unter dem Schlafsaal befand. Ich musste um 16 Uhr schon ins Bett und die anderen durften den Film schauen, von dem ich im Bett einzelne Worte hörte.
Und so ging das ganze Spiel fast täglich 6 Wochen lang.
Immer wieder gefüttert, erbrochen, verschlagen, früh ins Bett.
Irgendwann erbrach ich nur noch unter der Decke, damit es niemand hörte und blieb lieber die ganze Nacht darin liegen.
Dann fing ich auch noch an einzunässen & hatte total verspielt und die Buhmann Rolle der Gruppe inne.
Da wir Geschwister waren, durften wir sonntags nicht zu zweit mit in die Kirche, weil so viel Platz nicht mehr war – denn 2 ist einer zu viel und ich musste alleine zurückbleiben. Aus demselben Grund mussten wir uns auch am Sonntag, als es zum Nachtisch ein 10er Eis am Stiel gab (Quadratisches Milcheis am Stiel in Alupapier verpackt,) eins zu zweit teilen, während die anderen jeder eins bekamen.
Irgendwann zum Abschluss gab es ein Fest wo wir einen Tanz vorführten.
Irgendwie ging die Zahl nicht auf und ich war nur ein Ersatztänzer mit einem Jungen-Spitz Hut, obwohl ich Tanzen sehr liebte.
Vor dem Haus stand eine sehr hohe Rutschbahn – die heute nicht mehr genehmigt werden würde. Sie war mir zu hoch & ich hatte Angst zu Rutschen. (darunter normale Betonplatten).
Schwester Agathe wollte Fotos machen und zwang mich auf die Leiter zu stehen und hoch zu klettern. Sie sagte nur fürs Foto. Als ich zitternd oben war – bekam ich von hinten einen Schubser und ich rutschte vor Schreck runter.
Wir mussten immer wieder in das Krankenzimmer, wo Schwestern uns Blut nahmen und uns auf die Waage stellten. Wir waren dort wegen Untergewicht. Die sagten immer, auf euren Rücken kann man mit den Knochen Klavier spielen. Da ich sehr blass war, sagte jedes Mal die eine Schwester zu mir, dass ich daheim unbedingt zum Doktor gehen muss, weil ich so blass war & bestimmt zu viel weißes Blut habe – was Leukämie genannt wird. Schock!
Außerdem kann ich noch leichter nach Hause – als ich mit Untergewicht hingekommen bin. Der volle Erfolg also. Eine Schwester konnte sich in ihrer angestauten Wut an Kindern vergehen.
Meine Schwester konnte mich nicht unterstützen, da sie selbst erst 6 Jahre alt war & dort in Dauerangst lebte.

So werden Selbstbilder bei Kindern früh geprägt - wie:
- Du bist schlecht/anders als die anderen
- Du bist krank
- Du gehörst nicht dazu/ du hast es nicht verdient
- Man muss immer den Teller leer essen/Abneigungen müssen unterdrückt werden/Reaktionen des Körpers sind nicht erwünscht.

Bis heute habe ich noch ständig Magen- & Darmprobleme.
Die Lebensmittel, mit denen ich dort gequält wurde, esse ich heute noch nicht.
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Andreas Schulz schrieb am 31.10.2019
Meine "Erholungskur" an der Nordsee


Meine Geschichte in diesem Zusammenhang beginnt im ausgehenden Frühjahr oder Sommer 1961. Wie fast jede einigermaßen brauchbare hatte auch sie eine Vorgeschichte, die immerhin mehrere Monate umfasste. Ich war sehr häufig erkältet gewesen, hatte oft Husten und immer wieder Probleme mit den Atmungsorganen. Der Hausarzt unserer Familie empfahl und beantragte eine Kur an der Nordsee, die vom damals dafür zuständigen Kinder- und Jugendamt einer etwas größeren Stadt im südlichen Niedersachsen bewilligt wurde. Ich sollte für einige Wochen nach der Nordseeinsel Langeoog verschickt werden und mich dort in einem speziellen Kinderheim erholen. An den genauen Zeitraum kann ich mich nicht mehr erinnern, ich meine, dass er vier oder fünf Wochen betragen hat.

Die Anreise mit einer Gruppe ungefähr gleichaltriger Kinder unter Begleitung einiger betreuender Kinder-krankenschwestern war erst einmal ein tolles Abenteuer – die Betreuerinnen waren super nett, die Züge fuhren damals noch unter Dampgf und kräftigem Getöse, und die Überfahrt mit dem Fährschiff nach Langeoog war für mich als Binnenländer eine völlig neue Erfahrung.

Ich erinnere mich noch, bei der langen Fahrt im Zug viel geschlafen und danach auf der Fähre durch Spielen mit Betreuerinnen erfreulich "seefest"gewesen zu sein. Innerlich sicher auch ein wenig stolz darüber, nicht – wie einige andere Kinder unserer Gruppe – durch das Geschaukel der Fähre seekrank geworden zu sein. Natürlich empfand ich für die armen, von Übelkeit geplagten Mitreisenden Bedauern – kaum ahnend, dass ich das schon wenig später auch gut würde gebrauchen können.

Der Aufenthalt auf der Insel Langeoog fand im Kinderhaus H. statt – der aus zwei Silben bestehende Name ist mir bis heute in schauriger Erinnerung geblieben – so, wie manche Kiddies heute sich in ein paar Jahren vielleicht an ihr erstes virtuelles Computerspiel mit diversen Horrorgestalten erinnern werden. Wobei der Wortteil "Horror" den Zustand des Zeitraums zwischen Ankunft und Wiederabreise vom angeblichen "Kinderhaus" recht treffend beschreiben mag.

Schon bei der Ankunft – wir wurden mit Pferdewagen zum "Kinderheim" gebracht – erwartete uns Kinder ein Empfang im Kasernenhofton. Meine Hoffnung, der Ton der Herbergseltern und der anderen uns angeblich betreuenden – in Wirklichkeit: bewachenden und kommandierenden – Personen werde schon bald freundlicher werden, zerplatzte leider schnell. Bis zuletzt wurde mit uns Kindern von allen Aufsichtsperso­nen im scharfen, ruppigen Befehls- und Kommandoton kommuniziert. An freundliche, Respekt zeigende und uns Kinder ansprechende Anreden kann ich mich nicht erinnern – stattdessen wurden wir Kinder regelmäßig angeschrieen, im ruppigen Befehlston kommandiert und bei den geringsten Nachlässigkeiten angebrüllt. Und das sollte nur der Anfang sein ...

Die Mahlzeiten wurden in einem großen Speisesaal eingenommen. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, meine aber, dass Jungen und Mädchen durch einen breiteren Mittelgang voneinander getrennt saßen. Es gab am Tag vier Mahlzeiten; außer Frühstück, Mittag- und Abendessen gab es am Nachmittag noch abgezählte Stücke Kuchen und Kakao bzw. Milch. An die Qualität des Essens erinnere ich mich nur noch dunkel. Besonders gut geschmeckt hat es mir wahrscheinlich nicht, was sicher mit daran gelegen hat, dass die Mahlzeiten sehr zügig eingenommen werden mussten. Jeder davon ging ein Tischgebet voran, das alle Kinder nach ein paar Tagen zumindest mistsprechen mussten. Nach dem Essen mussten wir abräumen und die Tische wieder säubern. Wer dabei nach Ansicht des Aufsichtspersonal schluderte, Essensreste versehent­lich fallen ließ oder gar Geschirr beschädigte, wurde angebrüllt und mit herabwürdigenden und persönlich verletzende Worten "zur Ordnung gerufen"; im Wiederholungsfall gab es auch "Backpfeifen".

Überhaupt nahm das Austeilen körperlicher Strafen einen nicht unerheblichen Anteil an der Behandlung von uns Kindern ein. Man muss sich dabei immer wieder vergegenwärtigen, dass es sich bei uns überwiegend um noch kleine Kinder im Vorschulalter handelte, die ihren Aufenthalt alle einer längerfristig angegriffenen Gesundheit zu verdanken hatten – und die insofern schon eine deutlich geringere Robustheit mitbrachten als andere Kinder gleichen Alters.

Anlässe für körperliche Strafen gab es genau genommen ohne Ende. Grundsätzlich wurde jedes Verhalten, das sich im weiteren Sinne von den Aufsichtspersonen als Aufsässigkeit auslegen ließ, mit den schon erwähnten Backpfeifen geahndet. Das konnten Widerworte sein, aber auch Rechtfertigungsversuche für ein nicht ordentlich gemachtes Bett, verspätet zum Essen Erscheinen oder auch zu langes Einnehmen der Mahlzeiten, zu leises Sprechen beim Essensgebet oder unerlaubtes Sprechen oder Flüstern beim Essen sein. Da man sich den gesamten Tag über in der Gruppe und unter Aufsicht befand, gab es für die Aufsichtspersonen quasi ständig Anlässe zum "Durchgreifen", und von diesen Möglichkeiten wurde ebenso ausgiebig wie für uns Kinder schmerzhaft Gebrauch gemacht.

Wiederholungs"taten" wurden grundsätzlich strenger geahndet als Erstvergehen – dann wurde auch "gezüchtigt". Schon bald hatte sich fast jeder genügend häufig versündigt, so dass weniger geohrfeigt als geschlagen wurde. Das fand dann zumeist nicht im Beisein der Gruppe, sondern in einem Nachbarraum statt.

Ebenfalls zu den körperlichen Strafen rechne ich ein paar Dinge, die mir in besonders widerlicher Erinne­rung geblieben sind. So ist es vorgekommen, dass Kinder sich schwertaten, ihr Mittagessen vollständig aufzuessen. In einem solchen Fall musste der oder die Betreffende dann allein weiter essen, bis alles verzehrt war. Wenn das zu lange dauerte, wurde ihm oder ihr das kalt gewordene Essen am Abend wieder erneut serviert – in einigen Fälle auch nicht wieder aufgewärmt. Es musste gegessen werden, bis es endlich verzehrt war. Extrem ekelhaft wurde geahndet, wenn sich jemand beim Essen übergeben hatte: Dann musste auch das Erbrochene mit aufgegessen werden – eine entsetzliche Qual, vor der ich große Angst hatte. Ich war als Kind alles andere als ein "guter Esser" und sah mich, als ich davon gehört hatte, permanent gefährdet. Aber ich habe Glück gehabt, dass mir so etwas nicht passiert ist. Andere hatten leider weniger Glück und waren danach tagelang fertig.

Und ebenfalls besonders schlimm habe ich die Nächte in Erinnerung. Wir schliefen in größeren Schlafsälen. Am Abend, wenn das Licht gelöscht worden war, kam Aufsichtspersonal in die Säle und kontrollierte, ob alle Kinder wirklich schliefen. Wer erwischt wurde, noch wach zu sein, musste mit den Aufsichtspersonen den Saal verlassen und hat in einem Nebenraum Schläge bekommen, um so sein Schlafbedürfnis gefördert zu bekommen. Und auch, wer tagsüber "unangenehm" aufgefallen war, wurde abends oder in der Nacht "geholt" – geschlagen wurde aufs Gesäß mit den Händen, Stöcken und Riemen. Das einzige, was wir Kinder an diesen Züchtigungen noch als einigermaßen gerecht erkennen konnten, war, dass jeder von uns so behandelt wurde. Jeder hat buchstäblich "sein Fett abbekommen". Ich glaube, es gab niemanden, der oder die diesen Aufwenthalt absolviert hat, ohne mindestens einmal körperlich bestraft worden zu sein. Mir ist dies aus dem Grund in besonders intensiver Erinnerung geblieben. Nicht, weil ich weniger oder mehr als andere davon betroffen gewesen wäre. Sondern weil ich zu meinem Glück Eltern hatte, für die körperliche Strafen nie Gegenstand der Erziehung gewesen waren – diese Art des Erzogenwerdens habe ich erst in diesem Kinderhaus H. kenengelernt.

Wir Kinder lebten genau genommen die gesamte "Kur" über in ständiger Angst, uns falsch zu verhalten und so wieder neue, zumeist körperliche Strafen verdient zu haben. Aber die Angfst erzeugte auch Unsicherheit im Verhalten, was einem dann prompt auch wieder entweder als Aufsässigkeit oder man habe wohl etwas "ausgefressen" und wolle dies verheimlichen ausgelegt – mit stets schlimmen Folgen, die je nach Laune des Aufsichtspersonals von ruppigen verbalen Einschüchterungen bis hin zu brutalen Körperstrafen reichten. Es kam auch vor, dass einige von uns Kindern sich in ihrer Angst nachts einnäßten, weil sie zwar nach einiger Zeit eingeschlafen, innerlich aber überhaupt nicht zur Ruhe gekommen waren.

Erst gut eine Woche vor dem Ende des Aufenthalts hörten die nächtlichen "Besuche" in den Schlafsälen schlagartig auf, und auch am Tage gab es mit einem Mal nur noch leicht weniger starke Ohrfeigen – der Grund hat sicher darin gelegen, dass unsere Eltern nach unserer Rückkehr zu Hause auf den Hinterteilen keine Striemen oder andere Spuren von Mißhandlung feststellen sollten.

Das einzige, was ich in positiver Erinnerung an diesen Aufenthalt in Erinnerung behalten war, dass wir Kinder uns gegenseitig geholfen haben, so gut es irgendwie ging – wir saßen schließlich alle im gleichen Boot. Und, was noch erfreulicher war: Die Dauer des Aufenthalts war begrenzt – und hatte daher ein festgesetzes Ende. Dieses sehnte jede und jeder von uns ständig herbei! Die Zeit ging nur allzu quälend langsam um, und die etwas größeren Kinder, die schon zählen konnten, haben schon nach wenigen Tagen angefangen, die Tage bis zur Abreise zu zählen.

Vor der Abreise wurden wir dringend ermahnt, alles was wir erlebt – das heisst erlitten – hatten, für uns zu behalten. Alle Bestrafungen, die wir bekommen hätten, wären dazu da gewesen, uns zu bessern – also letztendlich doch für uns selbst das Beste gewesen ...

Nach der Rückkehr nach Hause habe ich es aber vorgezogen, diese Zukunft dann lieber doch nicht lange abzuwarten – und alles meinen Eltern erzählt. Die sind natürlich aus allen Wolken gefallen! Nach ein paar Tagen ist meine Mutter mit mir zum zuständigen Kinder- und Jugendamt gegangen, um sich über die Miß­handlung ihres Jungen zu beschweren. Die zuständige Sachbearbeiterin hat sich alles angehört und sich dann geweigert, die Beschwerde überhaupt zur Kenntnis - geschweige denn zu den Akten - zu nehmen. Sie hat meiner Mutter sogar gedroht, wenn sie die Beschwerde aufrecht erhalte, werde man gegen sie und meinen Vater eine Klage wegen Verleumdung anstrengen. Das hat eingeschüchtert. Weil meine Eltern sich davor scheuten, sich mit staatlichen Behörden anzulegen, wurden dann keinerlei Schritte gegen das Kinderheim H auf Langeoog eingeleitet.

Ich habe als Kind und später als Jugendlicher wiederholt mit meinen Eltern über diese "Kur" gesprochen. Aus dem Grund sind mit viele scheußliche Dinge in Erinnerung geblieben. Etwas besser einzuordnen habe ich die furchtbaren Ereignisse im Kinderhaus H dann etwas später erfahren, als ich in der Schule gelernt habe, mich mit der NS-Zeit auseinanderzusetzen. Die meisten Personen, die im Kinderhaus H. tätig waren, sind schätzungsweise zwei bis drei Jahrzehnte älter gewesen als ich. Ich selbst bin Jahrgang 1957. Wenn ich davon dann gut zweieinhalb Jahrzehnte abziehe, dürften die Aufsichtsleute so im Durchschnitt um 1930 oder etwas früher geboren worden sein. Das bedeutet, unsere PeinigerInnen hatten ihre eigene Sozialisation im "Jungvolk" und in der "HJ" oder im "BdM" erlebt – und meiner Erinnerung nach offenbar verinnerlicht ...
Andreas Schulz
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Mein Name schrieb am 31.10.2019
Vor der Einschulung wurde ich 1973 für sechs Wochen mit der Caritas und auf Drängen unseres Hausarztes nach Albbruck in das Kinderkurheim am Stieg verschickt. Ich war häufig krank und recht dünn, so dass ich dort aufgepäppelt werden sollte.
Von Westfalen aus ging es mit der Bahn dorthin. Wir hatten ein Abteil für uns und einen Erwachsenen, der uns bis zum Zielbahnhof begleitet hat. Die Rückfahrt war ebenso.
Über den Kuraufenthalt habe ich nur noch wenige Erinnerungen. Es war furchtbar!!
Die Tanten legten die Kleidung für jeden raus. Mittags musste man schlafen. Einmal habe ich aus dem Fenster über meinen Bett geschaut, ganz leise, und hatte im selben Moment schon eine schallende Ohrfeige sitzen.
Zum Heim gehörte eine große Wiese, auf der wir manchmal spielen durften. Einmal haben zwei Jungs ordentlich getobt und waren verschwitzt, ganz harmlos, so wie Kinder halt sind. Die Heimleiterin hat sie beim anschließenden Appell aus der Gruppe geholt, sie im Nacken gepackt und mit den Köpfen zusammen geschlagen. Dieses Bild habe ich heute noch vor Augen.
Ich hatte durchweg starkes Heimweh. Da ich noch nicht lesen konnte, wurde jeweils am Wochenende eine Postkarte von der Tante geschrieben und an meine Eltern verschickt. Natürlich stand dann immer nur Positives darauf. Post von Daheim wurde immer vor der ganzen Gruppe vorgelesen. Das habe ich nicht als schlimm empfunden, eben weil ich noch nicht lesen konnte.
Ich erinnere mich an zwei Anrufe meiner Eltern: Das Telefon hing im Flur an der Wand. Während des ganzen Gesprächs stand eine Tante neben mir, so dass ich mich nicht getraut habe, meinen Eltern zu erzählen, was im Heim passierte.
Päckchen wurden geöffnet und der Inhalt an alle Kinder aufgeteilt. Ich erinnere mich, dass meine Oma mir das Buch ‚Heidi‘ geschickt hat. Das wurde einfach weggenommen und einem anderen Kind zum Lesen gegeben. Dieses Kind hat mich oft geärgert und ich wollte nicht, dass sie mein Buch hatte. Heimlich habe ich es dann wieder genommen - ohje, das gab Ärger für mich, habe ich doch ‚geklaut’! An das hämische Grinsen der Tante und des anderen Kindes erinnere ich mich noch gut. Vor allen Anderen wurde ich als Diebin beschimpft.
An das Essen habe ich gute Erinnerungen. An Zwang oder Erbrochenes aufessen kann ich mich nicht erinnern. Wir durften sagen, wenn wir etwas nicht so gern hatten, aber was auf dem Teller war, musste gegessen werden.
Samstags war Duschen angesagt. Alle mussten nackt in eine große Sammeldusche. Die Tanten haben einem dann jeweils die Haare gewaschen. Ich weiß noch, dass zwei Mädchen, die schon etwas älter waren, in einem separaten Raum baden durften. Dort gab es eine lange Reihe von Sitzbadewannen.
Mir war Unterwassermassage verordnet worden. Der Masseur war sehr warmherzig zu uns. Bis das nächste Kind an der Reihe war, durfte man anschließend in der großen Badewanne spielen. Das war immer ein Highlight und ein Trost im strengen Tagesablauf. Sexuellen Missbrauch in irgendeiner Form kann ich für mich nicht bestätigen.
Da ich mit zwei Jahren in einen von Nonnen geführten Kindergarten kam, wo ein ähnlich harter Erziehungsstil herrschte, kam mir das alles nicht seltsam vor. Ich kannte es ja nicht anders! Auch meine Eltern waren es gewohnt, vor Autoritäten zu schweigen. Ein fataler Teufelskreis!
Ein Trauma? Sicherlich! Aber ich denke, dass ich das alles überwinden konnte, da meine Familie sehr liebevoll miteinander umgeht und ich so ein gutes Fundament hatte.
Meines Wissens steht das Haus heute noch:
https://www.badische-zeitung.de/brandschutzfirma-an-areal-am-stieg-interessiert" target="_top">Brandschutzfirma an Areal am Stieg interessiert (veröffentlicht am Mi, 21. Januar 2009 auf badische-zeitung.de)
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Otto S. schrieb am 30.10.2019
Grüß Dich Martin M.,
der Vorname des Pflegers ist mir persönlich definitiv nicht bekannt. Sofern Dir jedoch der Name "Andreas" in Erinnerung ist, könnte dies sicherlich passen.
Die dritte weibliche Betreuerin - Magdalena?? - wäre eventuell möglich, allerdings habe ich deren Äußeres nicht mehr vor Augen. Wie die beiden anderen ausgesehen haben, das weiß ich jedoch noch sehr gut
.
Die Örtlichkeiten selbst habe ich noch gut in Erinnerung, ich kann z. B. noch heute das pulsierende Laufgeräusch der Kühlmaschinen "hören", die seitlich der Zugangstreppe in UG zur Kantinenbaracke Ihre doppelte Auspuffleitung ins Freie hatten. Dieses Funktionsgebäude hatte einen groben Rauhputz und einen gelblichen Außenanstrich.
Die speziellen Erinnerungen kommen in stillen Stunden, wenn ich mich in diese Zeit von 1965 bewußt "zurückfallen" lasse.
Eventuell hast auch Du noch solche Erinnerungen an bauliche oder technische Details.
Liebe Grüße,
Otto S.
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Verena schrieb am 30.10.2019
Ich bin mir noch immer nicht sicher, wohin ich verschickt worden war, Sylt oder Föhr, aber das mit dem Theater löst bei mir was aus. Ich wurde damals alleine in einen abgedunkelten Raum geführt, und größere Kinder saßen wie auf einer Tribüne. Keine Ahnung was das sollte aber ich fing laut an zu weinen, und alle lachten laut. Auch der Name Haus Sonnenschein macht mir komische Gefühle. Meine Eltern können sich an nichts erinnern.
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GCR schrieb am 29.10.2019
Hi, Sylt.. Westerland .. Heim.. meine Erinnerungen sind schon ziemlich verblaßt.
Habt ihr noch ein Photo von dem Backsteingebäude ?
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Kerstin Thome schrieb am 28.10.2019
Hallo, auch ich bin Betroffene und war im Frühjahr 1984 in Steinen im Schwarzwald. Ich würde mich freuen hier jemanden zu finden, der auch in diesem kinderkurheim untergebracht war.
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St. F. schrieb am 28.10.2019
Hallo Frau Röhl
Im November/Dezember 1966 wurde ich zur Verschickung nach Wyk auf Föhr geschickt. In meiner Erinnerung war es nur schrecklich. Es herrschte im Umgang mit uns Kindern ein furchtbarer Kommandoton. Ich war mit 8 Mädchen in einem Schlafraum. Am Abend musste absolute Ruhe herrschen, wenn nicht, hat uns die Erzieherin, die im angrenzenden Zimmer untergebracht war, durch ein, in der Wand angebrachtes Fenster angeschrien, wir sollten sofort ruhig sein. Den Namen der Erzieherin habe ich nie vergessen, sie hieß Fräulein Wolf. Trug Klapperlatschen mit Holzabsatz, und wenn sie en Flur hörbar herunterkam, bekam ich schon Angst vor ihr.
Am Morgen ging es in den riesigen Waschraum, dort musste man sich nackend ausziehen und wurde dann mit kaltem Wasser aus einem Schlauch abgespült. Auch bei den Mahlzeiten herrschte rauher Umgangston. Das Essen musste aufgegessen werden, wenn nicht gab es Tischdienst und man durfte nicht mit nach draußen. Schwarzbrot mit Marmelade konnte ich jahrelang nicht essen.
Ich war 1966 im Frühjahr gerade erst eingeschult worden und konnte noch nicht selbstständig schreiben. Durch die Erzieherinnen wurde ein Text an die Tafel geschrieben den wir abschreiben mussten...... Liebe Mama lieber Papa mir geht es gut... Ich wollte das nicht schreiben aber es blieb mir keine Wahl, ich wollte schreiben "holt mich bitte hier schnell ab, ich möchte nach Hause. Ich hatte schreckliches Heimweh. Und da das Alles noch nicht genug war bekam ich Mumps wurde in Quarantäne gesteckt, isoliert von allen anderen Kindern. Gesprochen hat keiner und wenn dann nur um mich anzumeckern ich solle mit meinem Erbrochenem nicht noch einmal die Toilette verstopfen. Zusätzlich bekam ich dann auch noch irgendwelche schrecklichen, schmerzhaften Spritzen. Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt, sodass mich 4 Personen festhalten mussten.
6 elend lange Wochen war ich auf Wyk auf Föhr. Erst viele Jahre später habe ich mit meiner Mutter über die Zustände dort gesprochen. Und ich weiß noch, dass ich mir schon als Kind geschworen hatte, dass wenn ich je Kinder haben sollte, diese niemals verschickt werden sollten.
Ich selbst bin als Erwachsene nie zur Kur etc. gefahren, es war
mir ein Greuel die Vorstellung, das Heimweh und von zu Hause fort zu müssen.
Im Bekanntenkreis und unter Kollegen habe ich Etliche die auch dort waren und von ähnlichen Zuständen berichteten, von nächtelang Einsperren in Schrankbetten nach Einnässen etc.
Lange Zeit habe ich gedacht, dass nur ich das Alles so schrecklich empfunden habe. Jetzt habe ich aber all die furchtbaren Erlebnisberichte gelesen und bin entsetzt über das Ausmaß der Mißhandlungen und das sich das Ganze durch die gesamte BRD zog. Es hat mich depremiert.
Ich finde es großartig von Ihnen, dass Sie diese schrecklichen Zustände öffentlich gemacht haben, und uns als Leidtragende die Möglichkeit geben es uns von der Seele zu schreiben.
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Anja Lakeberg schrieb am 27.10.2019
Mein Name ist Anja, ich bin 1964 geboren und war im Jahre 1971 auf Baltrum für 6 Wochen in Kur. Als ich den Bericht in der Zeitung las, sind mir die Tränen gekommen. All die Erinnerungen kamen zurück. Hatte sofort die Bilder dazu. Eine schreckliche Zeit.
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Frank Sanderink schrieb am 27.10.2019
Hallo ich bin Frank Sanderink , geboren am 02.06.1965 in Westfahlen. Ich bin einmal im alter von 8 Jahren nach Bad Reichenhall verschickt worden und dann das Jahr darauf an die Nord oder Ostsee, der Name fällt mir leider nicht mehr ein. Ich kann mich aber sehr gut daran erinnern das es beim Frühstück in dieser "Kur" für jeden 2 Tassen Tee gab. Ausser für die Bettnässer die durften nur "2 halbe" Tassen Tee trinken. In einer Gruppe von ca. 15- 20 Jungs waren immer so 2-3 unglückliche Bettnässer , der eine hatte den ganzen Körper voll mit so merkwürdigen grauen Flecken . Eine wirklich traurige bedrückte Kreatur. Das Tagesprogramm in dieser Kur bestand ausschliesslich darin endlose Spaziergänge am Strand entlang zu absolvieren, man gab in jener Zeit den Kindern nichts zu trinken mit. Der Durst war deshalb ein ständiges Thema für uns. Kamen wir dann von der Wanderung zurück , stürmte die ganze Mannschaft auf die Toilette an die Waschbecken um zu trinken. Einmal erlebte ich wie einer der Bettnässer von einem Deppen dabei denunziert wurde. Ich kann mich nicht mehr erinnern was die Strafe war aber es war alles schrecklich .
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Siegfried schrieb am 27.10.2019
Hallo,
mein Name ist Siegfried und ich bin 1962 geboren. 1968 wurde ich mit meiner Schwester nach Bad Dürrheim geschickt, eigentlich sollte es St. Peter Ording werden. Wir waren dort zwei mal 6 Wochen am Stück, bekammen also Verlängerung, alle durften nach Hause und wir mussten nochmals 6 Wochen bleiben. Ich habe meine Schwester in dieser Zeit nicht ein einziges mal gesehen. Wir bekamen nicht genug zu trinken, aus Durst haben wir immer versucht aus dem Wasserhahn zu drinken. Jedes Getränk, das es gab, war mit Haferflocken versetzt. Wenn die Eltern was geschickt haben wurde das einbehalten. Eine Frau aus der Umgebung, mit der meine Mutter beim Abholen ins Gespräch kam, meinte, wenn die Eltern wüssten wir dort mit ihren Kindern umgegangen wird.
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Petra K. schrieb am 27.10.2019
Hallo Alle zusammen,
mein Name ist Petra und ich bin 1964 geboren. Vor 2. Monaten bin ich über die Seite von Anja Röhl gestolpert und was ich lass löste ein Gefühlschaos in mir aus.
Das Thema Kinderverschickung, diese Baustelle hatte ich 2010 geschlossen. Nachdem meine Recherchen immer wieder in einer Sackgasse endeten bzw.keiner darüber reden wollte und Hilfe von Weißer Ring und VDK etc. auch nicht zu erwarten waren.
Ich habe die letzten Wochen mit Flash Backs, Angstzuständen, Schlafstörungen und Albträumen zukämpfen.Jetzt bin ich soweit alles aufzuschreiben um anderen zuzeigen das sie nicht allein sind.
Es fällt mir nicht leicht meine Erfahrung - Erinnerung an meine "Kur" Aufenhalte,1968/69 in Bad Reichenhall über Ostern (es gibt ein Gruppenbild aus dem Heim) und 1971/72 in Amrum / Nebel hier zuschreiben.
Ich erinnere mich an den Tag als meine Mutter mit mir in die nächste Stadt fuhr um einzukaufen, das kam sonst nie vor, ich war Kind Nummer 5 und wir lebten auf dem Land. Normal hat meine Ältere Schwester auf uns jüngere aufgepasst wenn Mutti einkaufen ging. Es hieß ich bekomme neue Sachen, auch das machte es zum Erlebnis,normal bekam ich immer alles Abgelegte von meinen Älteren Schwestern.
Zuerst ging Sie mit mir auf eine Art Amt oder Klinik, ich wurde gemessen und untersucht,meine Mutter sagte dem Mann immer wieder das ich immer Atemnot hätte und Husten und nicht viel sprechen würde,das war sehr unangenehm, aber die Freude auf neue Sachen überwiegte. Danach in Geschäfte und ich bekam Unterwäsche und Schlafanzüge. Dann in ein Geschäft mit vielen Taschen und Koffer. Ich bekam einen kleinen rot-schwarz karierten Kinderkoffer er war wunderschön, für mich was ganz besonderes. Sie kaufte noch einen braunen Kofferanhänger wo man Name und Adresse rein schreibt und erklärte mir, - damit er nicht verloren geht und ich muss sehr gut auf das Köfferchen achten und darf es nicht verlieren, das habe ich nicht ganz verstanden aber egal.
In den nächsten Tagen fing meine Mutter an in alle Kleidungsstücke von mir kleine Schilder zunähen. Meine Schwester sagte,da steht dein Name drauf damit sie nicht verloren gehen, jetzt bekam ich ein unangenehmes Gefühl. Immer wieder, jeden Tag bekam ich zuhören den rot-schwarz karierten Koffer darfst du nicht verlieren sonst kommst du nie wieder nachhause. Verstanden hab ich es nicht, der Koffer lag in unserem Kinderzimmer und spielen durfte ich damit auch nicht.
Eines morgens,ganz früh es war stockdunkel, kam Mutti ins Kinderzimmer und hat mich geweckt.
Meine Geschwister schliefen noch alle.Sie hat mich gewaschen und angezogen,mein Vater war auch da,normal war er immer auf der Arbeit und der kleine Koffer stand im Flur. Wieder redete Sie auf mich ein den Koffer nicht zu verlieren, sonst komme ich nie wieder nachhause.
Das nächste woran ich mich erinnere, ist das sie mich in ein Zugabteil setzen und weg sind sie.
Ich umklammere meinen kleinen Koffer und hab riesig Angst. Der Koffergriff brennt in meinen Händen ansonsten nehme ich nichts war.
Jetzt bin ich in einem großen Haus,eine große alte Holztreppe, wo ins Unendliche führt, am Boden Steinfliesen, überall Holz an den Wänden, große Holztüren, wie ich dahin komme weiß ich nicht. Eine kräftige Kath.Nonne schreit mich an, den kleinen Koffer los zulassen, ich will nicht, wenn ich ihr den Koffer gebe komme ich nie wieder nachhause, das ist das einzige was ich denken kann. Aber sagen kann ich kein Wort. Sie entreist mir den Koffer und mir wird übel alles dreht sich. Ab jetzt nehme ich alles weit weg war, wie wenn ich nicht mehr in mir bin.
In zweier Reihen aufstellen vor einer Tür und dann rein in einen Speiseraum, Holztische und Bänke, alles dunkel. Setzen! Ich nehme die anderen Kinder nicht wahr, obwohl da welche sind,-
das Essen ist ein grüner Mus mit harten Brocken, kann ich nicht definieren, kann ich nicht essen.
Jetzt zieht mich die Nonne von der Bank, wie lange ich da saß weiß ich nicht, sie zieht mich in den Flur mit der großen Treppe von vorhin und drückt mich in eine Zweierreihe von Kindern vor einer Tür, ein Kind kommt aus der Tür, das nächste rein. Jetzt bin ich dran, erst weiß ich gar nicht was passiert und bis ich begreife, das es eine Toilette ist, reißt die Nonne die Tür auf und zieht mich raus.In Zweierreihe die Treppe hoch bis unters Dach in ein Zimmer mit schrägen Wänden und einem Erker mit Fenster, sechs Betten, meins ist direkt neben der Tür. Da liegt ein Schlafanzug von mir, ich ziehe ihn an und leg mich ins Bett. Die Nonne verlässt das Zimmer und es ist sofort totenstille.
Jetzt erst merke ich das ich zur Toilette muss, was hat die Nonne gesagt, hat sie was gesagt, wann kann ich zur Toilette, wo ist die Toilette? Ein Stein löst sich in meinen Schlafanzug,- er muss da raus. In meinem Kleid war ein Taschentuch. Leise stehe ich auf und durchsuche meine Kleider die am Bettende hängen, und packe den Stein (Kot) in das Taschentuch, jetzt wohin,- ich lege es unter mein Bett in die Ecke. Schlafen kann ich nicht, irgend wann kommt jemand mit Taschenlampe ins Zimmer und leuchtet jedes Bett ab, ich erstarre und stelle mich schlafen.
Am nächsten morgen werden wir durch eine junge Nonne geweckt, Zweierreihe die Treppen runter, Kleidung unter den Armen in einen Waschraum, Waschen anziehen, Zweierreihe ein Stockwerk höher, Toilettengang und zum Speisesaal. Da war wieder die ältere kräftige Nonne und blickte mich böse an. Hinsetzen Essen und wieder Lücke bis die kräftige Nonne den Raum verlässt. Ein Fräulein (junges Mädchen so um 18 J.) kam und ich musste nach oben in den Schlafsaal.
Da stand die älter Nonne und zeigte auf mein Taschentuch, das eine jüngere Nonne in der Hand hatte, ich musste mich vor die Nonne stellen und bekam 2 Ohrfeigen das mir der Kopf anfing zu glühen und sich alles drehte, dann wurde ich an den Ohren die Treppen runter gezogen in den Speisesaal, und vor allen Kindern degradiert vom feinsten, ich schämte mich so und fühlte mich allein und heimkommen werde ich nie wieder, weil ich meinen kleine Koffer nicht mehr habe. In dieser Nacht musste ich ohne Matratze und Bettzeug schlafen, nur auf dem Bettrost.

Von nun an liefen die Tage ziemlich gleich ab. Morgens aufstehen waschen, essen, Toiletten gang, dann einmal die Woche zwei, drei Strassen weiter in eine große Klinik zur Untersuchung,
ansonsten Liedersingen, stillsitzen und warten, ab und zu Gymnastik, vorm Mittagessen Toilettengang und vorm zu Bett gehen Toilettengang (die Toiletten waren ansonsten verschlossen) und alles immer in Zweierreihen. Wenn man Glück hatte gab es Nachmittags einen Spaziergang( kann mich nur an wenige erinnern) und alles immer in Zweierreihen. Oft musste ich alleine auf der großen Treppe sitzen, weil ich ein sehr, sehr böses Kind bin und mich nicht anpassen kann, warum weiß ich bis heute nicht.
Einmal wurden im Flur Bilder gemacht und die Kinder bekamen Osterhasen aus Schokolade in die Hand (ich natürlich nicht,was mich wieder sehr traurig machte) aber die anderen mussten nach dem Foto die Schokoladenhasen auch wieder abgeben. Dieses Foto wurde nachhause geschickt mit einem Brief, wie gut es mir geht.
Aber jede Nacht wenn alle schliefen und ich sicher war das so schnell keine Taschenlampe kommt, stand ich in diesem Erker am Fenster, auf Zehenspitzen, um hinaus zusehen, auf die Strasse in die Nacht und weinte und betete, erst nach der Mutti das sie mich holen soll, auch wenn ich den Koffer nicht mehr habe, später dann zu meiner Oma und am Schluss, lieber Gott hol mich zu dir.
Dann kam ein Tag wo alle Kinder sich freuten es geht nachhause, sie bekamen ihre Rucksäcke und kleinen Koffer, nur ich nicht. Die ältere Nonne sagte zu mir, böse Kinder kommen nicht mehr nach hause. Ich kam ein paar Strassen weiter in diese Klinik, wo wir immer alle Untersucht wurden, in ein Krankenzimmer, es hieß ich muss isoliert werden. In diesem Zimmer war ich lange allein, Morgens, Mittags und Abends kam eine Krankenschwester zum waschen, essen bringen, Fieber messen, ansonsten war ich allein.
Dann kam ein älteres Mädchen (etwas 12/13 J.) zu mir aufs Zimmer. Erst freute ich mich endlich nicht allein, aber für das Mädchen war ich (4/5 J.) ein Baby und sie wollte nichts mit mir zu tun haben. Ein Junge im Alter von dem Mädchen schlich sich oft zu uns ins Zimmer, dann wurde es für mich sehr unangenehm sie haben mich als ihre Puppe benutzt, mich verspottet und körperlich gequält. Irgendwann durfte das Mädchen dann nachhause und der Junge kam auch nicht mehr.
Ich war dann noch Tage lang alleine, bis die Schwester morgens ins Zimmer kam und zu mir sagte, heute ist Abreise. Wieder wo Anderst hin, das es nachhause gehen sollte wollte ich gar nicht mehr glauben. Erst als ich angezogen war und die Schwester meinen kleinen Koffer brachte, hatte ich Hoffnung nachhause zukommen.
Jetzt saß ich wieder in einem Zug allein, ein Schaffner kam und hat sich den Kofferanhänger angesehen und gesagt er würde mich in den nächsten Zug umsetzen.
Die nächste Erinnerung ist, das ich alleine auf einem Bahnsteig stehe und Angst habe, eine Frau kommt und nimmt mich mit in ein Büro, ich bekomme mit, das meine Eltern mich vergessen haben und jetzt die Leute versuchen sie telefonisch zu erreichen. Wieder wurde es dunkel draußen und wieder hell. Dann kam mein Vater, ein paar Worte mit den Leuten und dann ohne Begrüßung ins Auto, ich glaubte das meine Familie mich gar nicht mehr haben wollte.An meine Ankunft daheim kann ich mich nicht erinnern. Meine Große Schwester sagte mal, ich wäre mehr tot als lebend zuhause angekommen, hätte nicht mehr gesprochen und Nachts nicht mehr geschlafen, auch essen wollte ich nicht.
Das hatte zu Folge das ich 1971 wieder Verschickt wurde, dies mal nach Amrum/ Nebel. Jetzt ging ich schon in die erste Klasse. Und da war er wieder, dieser rot-schwarz karierte Koffer der mich begleiten soll und wieder die Ansage meiner Mutter, wenn ich ihn verliere, komme ich nie wieder nachhause.
Diesmal ging es früh morgens ab Frankfurt Flughafen mit dem Bus los, das nächste wo ich mich erinnere ist, das der Bus mit uns Kindern auf ein Schiff fuhr und übers Meer, jetzt werde ich nie mehr nachhause kommen dachte.
An diese " Kur" habe ich die Erinnerung, das ich nur am Weinen war und wegen meiner " sinnlosen Heulerei" von vielem bastel, spielen und usw. ausgeschlossen wurde. Ich musste mich dann immer mit einem Stuhl, Gesicht zur Wand in die Ecke setzen oder wurde raus in einen Art Vorraum gesetzt wo unsere Schuhe und Jacken waren. Auch hatte ich keine Wetter gerechte Kleidung dabei und meine Eltern mussten mir Kleidung nachschicken, so durfte ich nicht an Spaziergängen teilnehmen. Als das Paket endlich kam, hatte meine Mutter mir eine Tüte meiner Lieblingsbonbons mitgeschickt, ich musste alle an die anderen Kinder verteilen, weil ich immer die letzte bei allem war und die anderen Kinder auf mich warten mussten und ich allen mit meinem Geheule nerven würde, nicht ein einziges blieb für mich. Das tat sehr weh.
In diesem Heim habe ich auch gelernt mein Erbrochenes wieder zu essen. Es gab Spinat und ich habe mich geschüttelt weil er süß schmeckte. Ich habe ihn nicht nur einmal erbrochen immer wieder und als der Teller leer war gab es nochmal Nachschlag. In der Nacht danach kam dann alles hoch der Schlafraum war grün und mein Bett auch. Ich musste zur Strafe im Duschraum übernachten nur mit Unterwäsche auf einer Bank.
Wenn der Tischnachbar sich übergab und es in meinen Teller spritzte war es besser weiter zu essen ansonsten drohte Strafe.
In diesem Heim war es nicht möglich Nachts am Fenster zustehen, es waren Schlafräume mit 8 Betten und die Tür stand immer offen. Die ganze Nacht war eine Schwester da, wo im Flur auf und ab lief. Auch waren hier keine Kath.Nonnen. Es waren Schwestern und Tanten. Liebevoll gingen diese nicht mit mir um. Schulunterricht hatte ich da keinen nur die älteren Kinder so ab 12 Jahren. Aber ich hatte das Glück, konnte nach 8 Wochen nachhause, wie die anderen. Zurück wieder mit dem Bus auf die Fähre und dann Frankfurter Flughafen. Am Flughafen wurden dann alle Kinder abgeholt und ich stand als letzte da, mit meinen kleinen Koffer. Der Busfahrer wurde schon ungeduldig und hat mich gefragt wie meine Eltern aussehen und noch einige Fragen aber ich wusste gar nicht zu antworten weil ich nur Angst hatte. Dann kam mein Vater endlich und wir fuhren ohne große Begrüßung nach hause. An diese Heimfahrt und Ankunft zuhause habe ich auch keine Erinnerung.
Heute noch habe ich Probleme mit Krankenhäuser und alles was Einrichtungen in dieser Richtung gleicht. Auch reise ich sehr ungern mit Bus und Bahn. Ich kam auch nie weider richtig zuhause an, für meine Geschwister blieb ich ein Außenseiter. Für meine Eltern ein Sorgenkind das nicht viel spricht. Es hat mich eine Menge Kraft gekostet das alles nieder zuschreiben. Das Heim in Bad Reichenhall könnte das Kinderheim Sonnenwinkel gewesen sein und in Nebel das Kinderheim Satteldüne. Bin aber nicht ganz sicher.
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Verena schrieb am 27.10.2019
Hallo, mein Name ist Verena. Vor einigen Jahren ist bei mir die traumatische Erfahrung der Verschickung im Alter von 5 (1965 geboren), ich glaube es war nach Sylt, aber das muss ich erst herausfinden, wieder hochgekommen. Ich habe das aber weiter versucht zu verdrängen, bis es jetzt wieder auftauchte. Ich erinnere mich daran, frohen Mutes mit meinen beiden gleichaltrigen Freunden in einem 3Bettzimmer aufgenommen worden zu sein. Da ich aber offensichtlich zu laut war, wurde ich noch am ersten Abend von den Freunden getrennt und habe diese auch ca. 6 Wochen nicht mehr wiedergesehen. Ich erinnere mich, dass ich wieder anfing, in die Hose zu machen, dass ich nie genug Zeit hatte, um auf die Toilette zu gehen, dass ich irgendwie vor größeren Kindern vorgeführt und ausgelacht wurde. Ich habe mich sehr einsam gefühlt und wollte das schreiben, aber die Karte wurde ausgetauscht und mir ein Text diktiert. Bei einer Sitzung kam eine sehr starke Verängstigung und Angst vor Menschengruppen herauf. Leider nur sehr wenig Details. Viele Jahre hatte ich Träume, in denen ich verzweifelt eine Toilette zu finden versuchte, insbesondere auch in der ich nicht gestört werden würde.
Ich habe immer gedacht, ich wäre alleine mit dieser Erfahrung und mir kommen die Tränen, wenn ich hier lese, wie es euch allen gegangen ist. Im Grunde hatte ich ja noch fast Glück im Unglück, ich bin entsetzt.
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Margot Skopp schrieb am 27.10.2019
Ich bin im Jahr 1944 geboren und kam durch die Vertreibung aus Schlesien nach Ibbenbüren/Westf. Soviel meine Erinnerung sagt, war ich 1951/52 zur Erholung in einem Kinderheim in Kolberg. Ich finde in meiner Erinnerung keinen anderen Namen, sehe nur manchmal die Steilküste an der Ostsee vor meinen Augen und verschwommene Bilder eines großen Heimes. Nach einem Armbruch wurde ich - als schwächliches Kind - ins Erholungsheim zum Aufpäppeln geschickt. Auch ich kenne das; Essen, was auf den Tisch kommt oder Erbrochenes aufzuessen - und wenn nicht: Sitzenbleiben, bis der Teller leer ist. Ich habe mir beigebracht, alles zu schlucken und dann sofort in der Toilette wieder herauszubringen. Auch kann ich seitdem keine Graupen- oder Milchsuppe essen. Und auch keine Speise mit Klumpen. Ob ich glücklich dort war, weiß ich nicht. Ich kann es mir nicht vorstellen. Am Tage meines Geburtstages bekam meine Gruppe ein STück Schokolade und ein Stück Kuchen. Erst Zuhause wurde mir klar, dass dies aus dem Geburtstagspaket meiner Eltern stammte. Ob sonst noch etwas darin war, weiß ich nicht. Nur die Spaziergänge am Rande der Steilküste, die ich als hoch empfand - habe ich als schön in Erinnerung. Sonst ist mir nichts mehr bewusst. Wenn ich die Fragen zum Fragebogen lese, kommt es mir vor, dass ich viele meiner Angewohnheiten und Einstellungen dort und auch in meinem Kindergarten davor bekommen habe. Ich weiß nicht, wieso ich so anders bin als meine Schwestern und in der Kindheit und Jugendzeit so oft angeeckt und "vor die Wand" gelaufen bin. Vielleicht liegt es auch mit an diesem 6-wöchigen Aufenthalt dort.
Ich würde gern Weiteres über dieses Thema lesen oder hören.
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Peter Hoppe schrieb am 25.10.2019
Hallo miteinander,
ich heiße Peter und bin Jahrgang 1950.
Meine traurigen Erfahrungen musste ich ich 1961 in Tutzing am Starenberger See unter der furchtbaren Herrschaft von Frau Stautzenbach machen.
Dieser Name hat sich so bei mir eingebrannt weil alle auch kleinste angebliche Vergehen von einigen Betreuerinnen als Drohung: “das sagen wir Frau Stautzenbach“, verwandt wurde.
Diese Heimleiterin führte das Verschickungsheim im Sinne eines Gefängnisses mit Schlägen, Bettfesseln, einsperren im Bett über Stunden mit hohen Bettgitter Aufsätzen die aussahen wie Löwenkäfige.
Die Bestrafung ließ sich die Heimleiterin nicht entgehen und führte sie persönlich durch.

Ich erinnere mich an eine einzige junge, den Kindern gewogene Erzieherin, die wenn sie konnte heimlich den Kindern Beistand leistete, und dabei große Furcht vor Frau Stauzenbach hatte.

Toilettengang Verweigerungen in der Nacht und beim Mittagsschlaf über 2 Stunden waren an der Tagesordnung.
Nach dem daraus resultierenden Einnässen wurde man mit dem Wasserschlauch eiskalt abgespült.
Manche Kinder wurden herausgestellt und mit einer entsprechenden Aufschrift auf einem Pappschild am Bett z.B. als Bettnässer geschmäht.
Essen musste komplett aufgegessen werden, ebenso erbrochenes. Dabei saßen die betroffenen Kinder stundenlang im Speiseraum vor ihrem Teller auf dem Fussboden.
Alle Speisen waren mit Kümmel zubereitet und viele Kinder, darunter auch ich, vertrugen die ganzen Kümmelkörner nicht.
Post wurde streng zensiert und in 6 Wochen wurden 2 Spaziergänge gemacht, einmal in den Ort Tutzing um die zensierte Post abzugeben und ein zweites Mal zur Stelle wo König Ludwig ertrunken ist.

Anmerkung:
Die alte Villa in dem wir, etwa 25 Kinder, in 2 Schlafräumen unter der Furchtherrschaft von Frau Stautzenbach unter gebracht waren, lag direkt an der Promenade des Starenberger See,
wir konnten aus dem Fenster die vorbei fahrenden Schiffe sehen,
an das Wasser oder an das Ufer durften wir nie.......
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Hans-Dieter Clasmeier schrieb am 24.10.2019
Mißhandlungen in Kinderheimen gab es auch schon vor 1960
Hallo, ich bin Hans-Dieter, geb. 1946. Kurz vor der Einschulung 1952 im Januar war ich sechs Wochen im Kinderheim Bad Sassendorf um körperlich noch etwas zuzulegen, da ich recht schwächlich war. Der Aufenthalt dort, insbesondere die zweite Hälfte, mir mich auch heute noch manchmal in Erinnerung, insbesondere wenn ich wie jetzt lesen muß, wie es anderen Kindern in diesen "Erholungsphasen" erging. Am schlimmsten war eine Situation in der ich mich anfangs nicht wohl fühlte und beim Mittagessen die Tomatensuppe erbrechen mußte.Die Aufsicht zwang mich dann, das Erbrochene mehrfach wieder zu mir zu nehmen. Es war schlimm. Jahrelang war mir später Tomatensuppe ein Greuel, ich konnte sie nicht essen.
Eine weitere Strafe bestand dann darin, dass ich nicht wie alle anderen Kinder im Anschluß an eine Theateraufführung vom Rumpelstilzchen von dem gesponnenen Goldfaden ein Stückchen abbekam. Das tat damals sehr weh.
Ich erzählte diese Dinge meiner Mutter, sie gkaubte mir auch, aber sie besaß damals leider noch nicht die Kraft sich zu beschweren.
An einen späteren Aufenthalt in einem Kinderheim in Bad Weilmünster (1955) hingegen habe ich nur positive Erinnerungen, obwohl die Heime dort, wie ich später erfuhr, auch für Versuche der NS-Mediziner genutzt wurden und auch einige Tausend Menschen, vielfach Kinder, dort das Leben lassen mußten.
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Ingo schrieb am 24.10.2019
Hallo mein Name ist Ingo und ich bin 1961 geboren.
Im zarten Alter von etwa 4-5 Jahren hat man mich auf die Insel Langeoog geschickt.
Erst lange Zugfahrt über Nacht von Baden Würtemberg und dann übersetzen zur Insel.
Verbunden mit Heimweh, schlechter Betreuung und Tanten die es nicht mit den Kindern gut gemeint haben. Leider konnte ich damals nicht wehren und geglaubt hätte das sowieso niemand.
Leider ?????
Es ist jedoch sehr gut, dass darüber berichtet wird.
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Kathrin schrieb am 24.10.2019
Mein Name ist Kathrin und ich bin 1964 geboren. Meine Eltern wurden 1975 geschieden und damit ich wenigstens einmal im Jahr in Urlaub kam, wurde ich 1976 das erste Mal verschickt. Die erste Veschickung ging nach Amorbach im Odenwald die beiden weiteren Verschickungen nach Menzenschwand bei St. Blasien im Schwarzwald. Ja ich war immer schlank, hatte Untergewicht und sollte zunehmen. Ich habe in meiner Kindheit viel Sport getrieben, Leistungsturnen und Schwimmen. Ich habe aber auch immer gut und gerne gegessen.
In den Odenwald ging es begleitet per Zug. Dort angekommen, mussten wir zum obligatorischen Wiegen und zur ärztlichen Untersuchung. Wie nicht anders zu erwarten war, kam ich an den Tisch zum Zunehmen. Direkt daneben war der Tisch zum Abnehmen. Die "Abnehmer" bekamen einen Teller mit abgemessenem Essen, wir Zunehmer bekamen das Essen auf Platten und in Schüsseln auf den Tisch und konnten uns selbst bedienen. Manches Mal habe ich unter den Anfeuerungsrufen der "Tanten" einen Hausrekord aufgestellt, besonders dann, wenn es leckere Süßspeisen gab, wie z. B. Dampfnudeln mit Vanillesauce. So etwas kannte ich von zu Hause nicht, hat mir aber gut geschmeckt und auch heute esse ich so etwas sehr gerne. Was ich sehr ungerecht fand, waren das wöchentliche Wiegen und damit verbundene Demütigungen der Kinder, die die Zielvorgaben beim Zu- oder Abnehmen nicht erreicht hatten. An ein gewaltsame Mästen, wie von vielen anderen hier beschrieben kann ich mich nicht erinnern. Ebensowenig an Kinder, die sich erbrochen haben. Ich weiß noch, dass ich an vielen Sportangeboten nicht teilnehmen durfte, weil ich ja zunehmen sollte, das fand ich total blöd. Ich kann mich erinnern, dass es Bastel Angebote gab, an denen ich gerne teilgenommen habe. Mein schlimmstes Erlebnis dort war ein Toilettengang. Ich wollte die Toilette nach meinem großen Geschäft säubern und wollte die WC Bürste benutzen. Diese war voller Maden und Würmer. Ich habe mich so geekelt, dass mir die Bürste aus der Hand fiel und ich geschrieen habe. Die "Tante" liess mich die Schweinerei selbst weg machen. Noch heute ekel ich mich, wenn im Sommer in unserer Biotonne Maden krabbeln. An andere Kinder oder Ausflüge habe ich keine Erinnerung.

In Menzenschwand ging es etwas besser zu. Wir waren dort ja auch schon älter. Auch hier gab es die Zunehm- und Abnehmtische. Auch die strikte Mittags--und Nachtruhe. Aber von hier aus haben wir schöne Ausflüge gemacht, wir waren am Schluchsee schwimmen und durften nachmittags, wenn wir "lieb" waren, ins gegenüber liegende Cafe. Dort haben wir auch Kontakt zu den Einheimischen bekommen. Auch durften wir die Mittagsruhe draußen auf der großen Wiese hinterm Haus abhalten, aber auch nur, wenn wir "lieb" waren.
Ich habe während jeder "Kur" um die 3 Kilo zugenommen, die aber zu Hause zurück, innerhalb von 2 Wochen wieder runter waren.

Was mich heute wundert, ist, dass ich an manches gute Erinnerungen habe, aber nur bruchstückhafte an die Mädels dort.

Ich wünsche allen Betroffenen, die so stark traumatisiert wurden, dass sie durch den Austausch mit anderen Betroffenen, endlich nach so vielen Jahren, ihre Traumata bewältigen und überwinden können.
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Karin schrieb am 23.10.2019
Hallo,
mein Name ist Karin, ich war 1968 für mehrere Wochen in Lenggries, Sankt Georgi Haus verschickt. Kennt das jemand? Im Internet ist nichts darüber zu finden (außer alten Postkarten). Der Aufenthalt dort war für mich traumatisch. Vieles was ich hier gelesen habe, habe ich auch so erlebt. Ich war ein "dünnes" Kind was schlecht aß und aufgepäppelt werden sollte. Meinen Eltern war ich sowieso immer im Weg, so dass sie wahrscheinlich ganz froh waren, mich dort hin schicken zu können und ein paar Wochen los zu sein. Ich erinnere mich an Berge von Schmalzbroten, die es jeden (!!) Tag gab. Ich erinnere mich an Nachmittage, die ich in der Küche verbrachte vor meinem kalten Essen sitzend, denn ich durfte nicht raus bevor ich es nicht gegessen hatte (Später hatte ich für 14 Jahre lang Bulimie - ich denke dort liegt der Ursprung dafür !!!!)
Als ich krank wurde (eine Erkältung mit entzündeten Mandeln oder so etwas) legte man mich in ein Isolierzimmer wo ich den ganzen Tag völlig alleine war .....
Genauso alleine wie damals in meinem Krankenzimmer bin ich mit der Erinnerung an diese Zeit, es ist wie ein dunkles Verlies in meiner Mitte ... unbetretbar und trotzdem ganz real.
Es wäre großartig, wenn ich jemanden finden würde, der auch dort war.

Herzliche Grüße
Karin
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Ingrid Metzmacher schrieb am 23.10.2019
Neue Ergänzungen zu meinem leidvollen Aufenthalt in Bad Neuenahr. Ich hatte durch die ständigen Demütigungen viele Jahre meines Lebens unter Minderwertigkeitsgefühlen zu leiden. Ich litt unter Depressionen und war deswegen einige Jahre in Behandlung. Bei einer Recherche im Internet habe ich gestern eine Ansichtskarte von dieser Hölle gefunden. Auf der Karte war vermerkt:(KINDERERERHOLUNGSHEIM DES KRANKENKASSENVERBANDES AACHEN, BAD NEUENAHR.)
Mir stockte der Atem und es lief mir eiskalt den Rücken hinunter, als ich dieses Heim auf der Karte wieder erkannte. Wenn ich mir die Karte besehe, kommt mir das Haus wie ein Gefängnis vor. Sein Anblick ist schwer zu ertragen. Die Karte ist von 1955. Als Straße ist auf dem Abs. BAD NEUENAHR, JOHANNISBERG 70 angegeben.
Durch die Veröffentlichungen vieler Zeitzeugen, ist mein Inneres sehr aufgewühlt und so drängt es mich heute, wieder unschöne Erinnerungen nieder zu schreiben. Wir gingen dort fast täglich spazieren. Bei einem March durch Bad Neuenahr riß der Gummi meiner Unterhose und diese drohte nun hinunter zu rutschen. Ein großer Schrecken überkam mich. Ich wußte, das ich in dieser mißlichen Lage auf mich alleine gestellt war. Wem sollte ich mich anvertrauen ? Ich wußte, das ich nur Schimpf und Spott erfahren hätte. Krampfhaft hielt ich meine Unterhose zusammen mit meinem Kleid, in Höhe des Bauchnabels zusammengeknüllt mit einer Hand fest. Das war sehr schwierig. Weinen durfte ich nicht, das war verboten. Außerdem hätten die Tränen mich verraten. Der Marsch durch Bad Neuenahr kam mir sehr lange vor. Man kann sich kaum vorstellen, welche Angst ich ausstand. Da die Tante ja sowie so schon mit vielen Erniedrigungen dafür gesorgt hatte, das ich zum Einzelgänger wurde, kam mir das in meiner mißlichen Situation zu Gute. Ich hielt mich bei diesem Marsch ziemlich in der Mitte der Gruppe auf, immer in Angst, die Tante , oder eines der Kinder würde etwas merken, oder die Unterhose rutscht doch noch bis zur Erde. Aber die Tante hielt sich meistens am Ende der Gruppe auf, weil sie diese ja zusammen halten musste. Auf diesem endlosem Gang hatte ich unbeschreibliches Heimweh. Wie habe ich diesen unbeschreiblichen Gang zu Ende gebracht? Meine Erinnerung ist verblasst, aber vielleicht ist das auch gut so. Was sind das für Menschen, die Kinderseelen so verletzen? Ich habe mich in den letzten Jahre oft gefragt, ob diese Hexentante noch lebt.
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Jutta Gilbert schrieb am 23.10.2019
Als ich die vorhergehenden Kommentare las, bekam ich Herzrasen und es wurde mir noch einmal bewusst, was man uns in diesen 'Erholungsheimen' angetan hat..
Ich war im Alter von 5 Jahren für vier Wochen nach Grömitz verschickt worden. Obwohl Grömitz nur eine Autostunde von meinem Heimatort Hamburg entfernt war, durften meine Eltern mich dort nicht besuchen.
Ich erinnere mich mit Schaudern an das Essen vor allen Dingen an die angebrannte Schokoladensuppe. Süssigkeiten, die uns unsere Eltern mitgegeben hatten, sahen wir nie wieder.
Aber wirklich schlimm war diese absolute Lieblosigkeit der Erzieherinnen. Da ich abends aus Heimweh weinte, nahm man mir zur Strafe mein Kuscheltier weg und deponierte es auf einem Schrank, den ich auch unter grössten Anstrengungen nicht erreichen konnte. Den Mittagsschlaf musste ich zur Strafe bei den grösseren Mädchen verbringen, die mich mit ihren mit Rotz verschleimten Händen einrieben.
Ich war es gewohnt regelmässig frische Unterwäsche anzuziehen, von der ich auch ausreichend dabei hatte. Das war aber so nicht vorgesehen. Man gab mir keine frische Wäsche, die benutzte hatte ich aber auch nicht mehr. Ich musste dann ohne Höschen mit einem kurzen Rock im Sitzkreis auf dem Boden sitzen und war dann die Witzfigur für die anderen Kinder,die von der Gruppenleiterin auf meine peinliche Situation aufmerksam gemacht wurden.
Ich habe an diese 4 Wochen keine einzige gute Erinnerung, es war nur schrecklich.
Während meiner weiteren Kindheits-und Jugendjahre habe ich unter extremen Trennungsängsten gelitten.
Als ich mit ca. 30 Jahre eine Psychotherapie wegen Panikattacken machte, kamen die o.g. Erinnerungen wieder in mein Bewusstsein und konnten erst dann einigermassen verarbeitet werden. Der Therapeutin waren diese Vorfälle in Verschickungsheimen bekannt, ich erfuhr zum ersten Mal, dass es nicht meine Schuld, dass ich kein Einzelfall war.
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MartinaH schrieb am 23.10.2019
Hallo,
ich bin dir sehr dankbar, Anja Röhl, dass es diese Initiative gibt!
Ich war angeblich zu dünn, aß zu wenig und sollte überhaupt mal raus aus der Stadt Bremen. So kam ich 1967 für 6 Wochen in ein Verschickungsheim nach Boffzen im Sauerland. Das Haus war/ist auch bekannt als "Rothaus", es ist ein kleines Schlösschen auf einer Anhöhe und beherbergt heute ein Altersheim.
Gibt es jemanden, die/der auch dort war?
Ich denke, meine Erlebnisse dort waren nicht so krass wie manches, was ich hier lese. Aber tatsächlich habe ich auch nur ganz bruchstückhafte Erinnerungen und habe womöglich vieles von dem Erlebten verdrängt. Aber diese Bruchstücke möchte ich hier gerne teilen:
Mein erstes Trauma war, dass ich meine Mutter bei meiner Abreise (per Bus) zum ersten Mal weinen sah. Damit verband ich, dass hier grad was Schreckliches passieren muss. Tatsächlich halte ich eine Trennung von Kind und Eltern in dem Alter und für eine so lange Zeit für ein Trauma für sich…
Aus der Zeit in dem Heim erinnere ich vor allem die Strenge, mit der wir "gehalten" wurden. Im Zimmer (mit ca. 8 Betten) mussten wir z. B. jeden Tag streng Mittagsschlaf halten und dabei - wie auch abends - mit dem Kopf zur Wand gedreht liegen. Wir durften nicht miteinander sprechen und wenn wir es doch taten, kam eine "Wache" herein und schlug uns - vorzugsweise mit einem der Schuhe, die vor den Betten standen.
Es gab kein Toilettenpapier und auch selten frische Unterwäsche. Dies war für mich ein großes Problem. Ich benutze einmal ein Stofftaschentuch, das meine Mutter mir gebügelt mitgegeben hatte. Ich konnte es dann nicht wegwerfen, nahm es mit und tat es in mein Nachtschräncken. Die anderen Kinder kriegten das mit und ich wurde schwer gehänselt. Entsprechend erinnere ich mich an Ausgrenzung und Alleinsein.
Ich erinnere mich noch, dass ich viel mit meinen Fingern gespielt habe. Noch heute erzähle ich, dass ich gewisse Fingerfertigkeiten aus der Zeit in dem Heim habe. Ansonsten erinnere ich mich an keinerlei Situationen mit oder ohne andere Personen, weder an Spiele oder Unternehmungen, an Körperkontakte, Freundschaften, Gespräche, Mahlzeiten o. ä. Ich frage mich tatsächlich: Was habe ich in den 6 Wochen dort gemacht?
Merkwürdigerweise kann ich mich auch an gar keine Essenssituation dort erinnern. Wenn ich die Beiträge zu diesem Aspekt hier lese, kommt mir ein Zusammenhang, warum ich irgendwann im Kindeslalter schon das Übergeben "eingestellt" habe. Ich wunder mich noch heute d, dass ich die Fähigkeit habe, Übelkeit zu unterdrücken und Erbrechen aktiv zu vermeiden. Es bleibt Spekulation, aber womöglich habe ich mir das in Boffzen antrainiert…
Ich erinnere mich, dass ich viel geweint habe und für die Postkarten diktierte, dass ich nach Hause wolle. Angekommen sind Karten mit Texten, wonach es mir gut ginge und alles gut sei. Genau weiß ich noch, wie unglücklich ich noch kurz vor Ende der Zeit war. Ich weinte sehr und es gab am Abend eine etwas nettere Schwester, die mich nicht schlug, sondern tröstete und sagte, es seien ja nur noch 2 Tage bis meine Eltern mich holten.
Als meine Eltern dann kamen, habe ich sie nicht erkannt. Es standen plötzlich 2 fremde Menschen an meinem Frühstückstisch (das einzige Bild, dass ich von einer Essenssituation habe). Meine Eltern haben ein verstörtes Mädchen abgeholt und ich soll danach mehrere Tage lang nichts gesprochen haben. Erinnern kann ich mich deutlich an das Gefühl der Fremde und auch der Scham, dass ich in der ersten Zeit im Kontakt mit meinen Eltern hatte.
Im Jahr 2008 bin ich im Zuge einer Radtour nochmal in Boffzen gewesen und habe das Rothaus aufgesucht. Ich erlebte dort eine Art Gefühls-Zusammenbruch, als ich erzählte, warum ich dort sei und als ich die Räumlichkeiten wiedererkannte. Ich bekam gefühlvollen Trost und Verständnis von der seinerzeitigen Leiterin des Altenheims und sie erzählte mir, dass in regelmäßigen Abständen Personen kämen, die in den 60er Jahren auch dort waren und denen es ähnlich erging wie mir. Sie sagte, manche mögen nicht einmal durch das Tor auf das Grundstück gehen…
Das war sehr tröstlich für mich und nun gibt es sogar diese Initiative! Nochmals vielen Dank dafür. An dem Kongress diesen November kann ich leider nicht teilnehmen, aber ich hoffe, dass es weitere geben wird. Und ich bin dankbar für Rückmeldungen aus dem Raum Frankfurt, dann könnte man ggf. ein regionales Treffen anstreben.
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Marlene schrieb am 21.10.2019
Ich war 1954/55, als Sechs- oder Siebenjährige 6 Wochen im Kinderheim Hapag auf Föhr. Ich kann mich nur noch schemenhaft an die Zeit erinnern. Seit dieser Zeit, ich bin jetzt 72, kann ich den Geruch von Milchsuppe nicht ertragen. Immer noch wird mir übel davon. Ich habe jeden Abend darum gebetet, krank zu werden, denn dann kam ich ins Krankenzimmer und musste keine Milchsuppe o. ä. essen. Meine ältere Schwester erzählte mir jetzt, dass ich völlig verstört nach Hause gekommen sei und danach wochenlang kaum gesprochen habe. Ich sei sehr, sehr traurig gewesen. Ich habe wahrscheinlich alles verdrängt. Leide jedoch seitdem an immer wiederkehrenden Depressionen und Ängsten.
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Gerli Ostfriesland schrieb am 19.10.2019
Hallo,
auch ich Jahrgang 1955 und meine Schwester Jahrgang 1951 sind also 1964 zur Verschickung in Mühlenramede nahe Meschede im Sauerland gewesen. Vieles kommt beim lesen der vielen Berichte wieder hoch was im tiefsten inneren vergraben war. Ein tiefschneidendes Vorkommnis erklärt meine Angst vor engen Räumen und Menschenansammlungen. Wir lagen mit 8 Mädchen in 4 Stockbetten, ich durfte weil ich nicht von meiner Schwester getrennt schlafen sollte mit dem älteren Mädchen im Zimmer/ Schlafsaal schlafen. An einem Abend haben die älteren Mädchen Witze erzählt oder denn ich kann mich nicht mehr genau erinnern, jedenfalls habe ich sehr laut gelacht, nach der 2ten Ermahnung der Tante mussten wir alle raus aus dem Bett, ich wurde in die enge Besenkammer eingesperrt und die großen Mädchen mussen das riesige Bad putzen. Das Licht von der Besenkammer ging an, wenn die Tür geöffnet wurde und aus wenn sie geschlossen wurde. Meine Schwester flitzte vom schräg gegenüber liegenden Bad öffnete die Tür immer einen Spalt damit ich nicht im dunklen war. Natürlich bemerkte die Tante das bei ihrem Rundgang, und knallte die Tür mit lautem geschrei ( wer hat die Tür aufgelassen ) zu, das ging so 3 bis 4 mal, dann durfte ich wieder ins Bett, meine Schwester und die anderen Mädchen mussten das Bad fertig putzen. Da ich sehr dünn war, sollte ich natürlich auch gemästet werden, ich hab meinen Teller nie leer essen können, heimlich hat meine Schwester ihren leergegessenen Teller mit meinem getauscht und leer gegessen, sonst hätte ich wie einige andere Kinder auch nicht aufstehen dürfen bis der Teller leer ist.
Die Tanten waren bis auf die eine Nachtschwester schon bestimmt aber auch freundlich.
Es gab im Garten sogar einen Swimmingpool in dem wir an heißen Nachmittagen baden durften. Auch wurden viele Wanderungen unternommen. In der Nähe des Heimes floss ein kleiner Bach, ich bin darin gewatet wenn ich mit meiner Schwester allein ohne Aufsicht raus gehen durften, das war den älteren erlaubt.
Das schlimmste war das Heimweh, worunter ich noch heute sehr leide.
Ich habe noch großes Glück gehabt, denn wenn ich die Berichte der anderen Verschickungskinder hier lese, geht es mir eiskalt den Rücken hinunter.
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Susanne Müller schrieb am 19.10.2019
Ich wurde 1966 und 1968 im Alter von 5 bzw.7 Jahren in das Kinderheim Frohsinn nach Bad Dürrheim im Schwarzwald geschickt. Es war entsetzlich. Ich hatte fürchterliches Heimweh, so dass ich im Bett lag und einen Tag lang nur weinte. Ich musste diesen entsetzlichen Wirsing essen, den es jeden Sonntag gab, und mit Jungs gemeinsam baden, wobei ich mich sehr schämte. Ich war dort elend lange 3 Wochen ohne meine Geschwister untergebracht. Pakete von zuhause mit Leckereien wurden weggesperrt und man bekam sie nur Sonntags zum Essen. Wie wurden sehr früh geweckt und mussten auf die Liegeflächen liegen ohne ein Frühstück zu haben. Ich litt sehr unter Hunger. An Freunde erinnere ich mich nicht, es war einfach nur entsetzlich.
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Karla Fischer schrieb am 18.10.2019
Mein Name ist Karla Fischer, geb. 1952, und ich wurde kurz nach dem 9.ten Geburtstag im Herbst 1961 in Bayern verschickt. Das Heim hieß Schmiedhof und lag meiner Erinnerung nach am Chiemsee (vielleicht war es auch der Tegernsee) in Bayern. Diese sogenannte Kur dauerte 6 Wochen.
Ich kann mich an einen großen Schlafsaal erinnern (ca 20 Mädchen in eng stehenden Betten), an Waschen und Duschen nackig mit kaltem Wasser, ans Essen, wo wir auch Erbrochenes wieder essen mussten. Sogenanntes Fleisch, das hauptsächlich aus Fett bestand, musste ich runterwürgen, obwohl ich mich entschlossen hatte, vegetarisch zu essen, und ich habe das Zeug häufig erbrochen.
Wöchentliches Wiegen und Einteilen nach Gewicht in die Gruppe, die vor dem Essen wandern sollte, und die Gruppe, die vor dem Essen eine "Liegekur" machen musste, damit das Essen dann besser ansetzen konnte. Nach dem Essen mussten alle einen Mittagsschlaf machen.
Da ich nur 1 Pfund unterhalb der Grenze zum Untergewicht lag (ich war relativ kräftig als Ballettmädchen der bayerischen Staatsoper) durfte ich trotzdem mit zum Wandern gehen, sozusagen als "Ausnahme". Die Wanderungen fand ich sehr schön, da mein Bewegungsdrang sehr groß war. Ich hatte damals 5 Geschwister und war es gewohnt mich um die kleineren Kinder zu kümmern. Bei jeder Wanderung hatte ich zwei Kinder an den Händen, ein 6-jähriges Mädchen und einen Jungen, der 4 oder 5 Jahre alt war. Irgendwie waren die automatisch an meinen Händen, wenn die Wanderung losging.
Unsere Briefe nach Hause wurden zensiert. Wenn man Negatives geschrieben hatte, wurde es nicht abgeschickt. Päckchen wurden nicht vollständig ausgeteilt, die Süßigkeiten wurden nach dem Mittagessen an alle verteilt, wodurch von einer Tafel Schokolade nur ein Stück für jeden übrig geblieben ist.
Auch meine Eltern waren keine Stütze, meine Mutter äußerte sich nie darüber und mein Vater machte mich nur lächerlich, indem er sagte, daß er nur Schmiedhof sagen müßte und dann finge ich an zu weinen. Ich weiß, daß auch andere meiner Geschwister verschickt wurden, und keiner von denen hat je etwas davon erzählt.
Vieles von dem was hier andere schreiben, gehört auch zu meinen Erinnerungen, und auch die Auswirkungen auf mein Leben danach sind gut von anderen beschrieben:
Depressionen, Aggressionen, Selbstzweifel, Selbstmordgedanken (mit 12 Jahren hatte ich die überwunden und ich sagte mir, mit 21 Jahren bin ich dann erwachsen und dann mache ich was ich will, und die können mich dann alle mal ^^). Die Schule war eine Qual, vielleicht lag es auch daran daß mich die Lehrer an die Betreuerinnen im Schmiedhof erinnert haben. Jedenfalls hab ich auch heute noch sehr schlechte Gefühle wenn ich Krankenhäuser oder Schulen betrete.
Ich mach hier Schluß, ich weine wieder mal, wenn ich mich daran erinnere.
Jedenfalls viele liebe Grüße
Karla
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Michaela Sangkuhl schrieb am 18.10.2019
guten abend frau Röhl,

meine schwester und mich wuerde ich nicht als verschickungskinder bezeichnen, wir wurden jedoch 1975 von dem kinderarzt unserer familie ueber die DAK zur kur nach Wyk/Föhr in das haus Irmgard Remé geschickt. meine schwester war knapp 7, ich selbst 9 jahre alt.

der abschied von der mutter, die uns nach Föhr brachte, war furchtbar. der trennungsschmerz war kaum auszuhalten.

ich wurde vor der gesamten gruppe gedemuetigt, da vor allen verkuendet wurde, ich solle abnehmen. deshalb bekam ich anstatt der weißen mit butter beschmierten brötchen, schwarzbrot mit butter und marmelade. ansonsten keine andere kost. am ende der kur wurde dann nochmals vor allen verkuendet, dass ich weder ab- noch zugenommen haette.

meine tante wollte uns besuchen, stand am zaun, durfte nicht rein.

ich erinnere mich an Katrin aus niedersachsen, und Michaela aus berlin. wir mussten mittagsschlaf halten. die aelteren auch draußen im garten.

meine schwester mochte keine rosinenbroetchen, die es jeden nachmittag gab, bekam jedoch auch keine alternative, obwohl sie zunehmen sollte.

paeckchen der eltern wurden teilweise zensiert, vorsortiert.

anrufe waren moeglich, aber im beisein einer angestellten.

joghurt war schimmlig und musste gehessen werden.

ich schrieb nachhause und bat meine eltern uns abzuholen. ich begang den fehler zu fragen, ob die post vor dem versand gelesen wird. mein brief wurde also gelesen und ich geruegt. ich sollte dann einen neuen brief schreiben.

frau Remé warf mit der buerste nach kindern, die nicht still sitzen konnten waehrend sie bestimmten kindern, die sich teilweise davor fuerchteten, weil sie alt und furchteinfloeßend war, die haare buerstete. dieses tat sie, weil sie und nicht die kinder dieses mochten.

ein geschwisterpaar versuchte zu tuermen. schafften es meines wissens sogar bis zur faehre. ich glaube, das war auch in den medien / rundfunk vllt fernsehen. aber dennoch passierte nichts, uns wurde erzaehlt die beiden seien boese und duerften nicht zurueckkommen. wir beneideten die beiden.

wir wurden eiskalt abgeduscht.

ich erinnere mich aber auch an massagen. und an eine freundliche aufsichtsperson, die glaube ich versucht hat uns zu schuetzen bzw uns getroestet und aufgemuntert hat.

dieses sind nur fragmente und ich habe auch gute erinnerungssplitter. dennoch trage ich mein heimweh mach wie vor in mir. meinem kind haette ich nie im leben so etwas zugemutet. allerdings war es wohl in den 70ern so. mein bruder musste allein im krankenhaus bleiben mit fuenf. mein mann war nach erzaehlungen als baby wochenlang allein im krankenhaus ohne mutter.
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Ingrid Metzmacher schrieb am 16.10.2019
HALLO ZUSAMMEN, ich möchte noch erwähnen, das mein Aufenthalt in
Bad Neuenahr im Mai 1959 war. Ich bin jetzt siebzig Jahre. Ich lebte damals glücklich und zufrieden mit meiner Mutter bei den Großeltern in einem kleinen Dorf am Rande der Eifel. Wie schon gesagt, bin ich unehelich geboren. Meine Mutter wollte mir Unangenehmes ersparen. In dieser Zeit war eine Scheidung oder uneheliche Geburt nicht selbstverständlich. In unserem Dorf waren fast alle streng katholisch. Man wußte ja zu dieser Zeit als Kind überhaupt nicht, wo die Babys her kamen. Wir Dorfkinder glaubten an den Klapperstorch. Mit zwölf Jahren wurde ich aufgeklärt.
Ich hatte in Bad Neuenahr solches Heimweh und jeden Tag Angst, das die "TANTE mich wieder nach meinem Vater fragen würde. Die Briefe von zu Hause bekamen wir vorgelesen. Unsere Post wurde kontrolliert. Ich hätte so gerne einen Brief
von meiner Mutter oder den Großeltern in den Händen gehalten und gelesen. Das Vorlesen war so kalt und herzlos.
Einmal mußte ich während der Mittagsruhe neben dem Bett stehen, weil ich es gewagt hatte, mich auf eine andere Seite zu drehen.
Neben dem Heim stand noch ein kleineres Gebäude. Da sollten die Kinder nachts auf einer Pritsche schlafen, die sich nicht benommen hatten. Davor hatte ich große Angst. Das ist mir Gott sei Dank erspart geblieben.
Den Namen der "TANTE" weiß ich nicht mehr. Aber sie hat mich ein Leben lang verfolgt.
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Petra M. schrieb am 16.10.2019
Ich war 1971 od. 72 im Kinder"erholungs"heim Onstmettingen. Ich hatte gerade lesen gelernt und sah die sorgfältig aufgehängten Dankesbriefe von Kindern an die "liebe Frau Rometsch", Dank für die "schönen sechs Wochen". Das erschien mir bereits damals wie Hohn. Die liebe Frau R. hat mich, in unseren wenigen Begegnungen, angebrüllt wegen nix, ebenso die anderen sog. "Tanten", die Ohrfeigen verteilten, sobald man nachts zur Toilette musste oder vor Heimweh laut weinte. Meine selbstgeschriebenen Krakelbriefe nach Hause wurden ironisch niedergelacht. Auf Wanderungen (in meiner Erinnerung Gewaltmärschen) gab es nichts zu trinken, die Bitte danach wurde auch wieder niedergebrüllt. Das versehentliche Anziehen der Jacke eines anderen Kindes wurde - wer errät es? - mit Ohrfeigen bestraft. Usw. usw. Hab nur ICH das so erlebt? Ich zweifle bis heute an mir. Aber es gab natürlich auch die Lieblinge, Mädchen von kleiner Statur mit langem Engelshaar, die vielleicht wirklich "schöne sechs Wochen" hatten...
Nicht zu vergessen Schläge und Anfeindungen von anderen gestressten Kindern, die - und jetzt alle - von den "Tanten" ironisch niedergelacht wurden.
Was für eine gequirlte - unschöne Sache.
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Ingrid Metzmacher schrieb am 15.10.2019
Ingrid Metzmacher
Ich wurde mit neun Jahren zur Erholung nach Bad Neuenahr verschickt. Es war das furchtbarste Erlebnis aus meiner Kindheit. Wir lagen in einem riesigen Schlafsaal und die "Tante" wollte vor der Mittagsruhe von jedem Kind den Namen der Mutter und des Vaters wissen. Da ich unehelich geboren war, ließen meine Mutter und die Großeltern mich in dem Glauben , das ich keinen Vater hätte. Als ich nun der "Tante" den Namen meines Vaters sagen sollte, sagte ich, dass ich keinen Vater hätte. Da wurde die "Tante aber sehr böse und schrie mich an:"Jedes Kind hat einen Vater, los sag den Namen. Das konnte ich aber nicht. So zog sie mich an meinen Zöpfen aus dem Bett und hinaus auf den Flur. Dort stand ich nun die ganze Zeit. Sie brachte mir noch eine Decke, die ich mir um die Schultern legte. Nach dem Mittagsschlaf zogen die anderen Kinder an mir vorbei. Danach durfte ich mich auch anziehen und zu den Kindern. Dieses Erlebnis prägte mein zukünftiges Leben. Auch, als ich längst wußte, wer mein Vaterr war. Ich hatte als Kind das Wort Vater aus meinem Wortschatz gestrichen und ich lebte ständig in Angst, es würde mich jemand nach meinem Vater fragen. Meiner Mutter habe ich davon erst Jahre später erzählt. Nachts durften wir in diesem Heim auch nicht zur Toilette. Wir hatten einen Nachteimer im Schlafsaal, aber nur für das kleine Geschäft. Einmal musste ich so dringend groß, das ich in meiner Not in Tempotaschentücher machte und das Ganze unter dem Bett versteckte. Da habe ich am nächsten Morgen aber was erlebt. Die "Tante riss mir wieder an den Zöpfen, schrie und zeterte und ich musste die ganze "Sauerei" eigenhändig weg machen. Dazu wurde ich auch vor den anderen Kindern so gedemütigt, das kein Kind mehr etwas mit mir zu tun haben wollte. Ich könnte noch mehr Begebenheiten schildern, aber für heute ist es genug. Ich bin froh, das ich meine schrecklichen Erlebnisse hier nieder schreiben kann. Vor allen Dingen bin ich erstaunt, das ich nicht die Einzige bin, die Schreckliches erlebt hat.
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Birgit Hof schrieb am 15.10.2019
Hallo, Wenzlaff
Danke für deinen Eintrag. Ich bin erleichtert,das sich endlich jemand gemeldet hat, der auch in Dausenau an der Lahn, im Kinderheim "Waldesruh" war. Ich habe vor Wochen einen Eintrag geschrieben, indem ich jemanden suche, der in diesem Heim war. Ich war 1966 im Alter von 3 Jahren mit meiner 6 jährigen Schwester dort. Meine Schwester kann sich angeblich an gar nichts mehr erinnern, und will nicht mit mir darüber reden. Mir kommt das alles seltsam vor, da ich mich noch an sehr viele Dinge erinnern kann. Wir hatten zum Beispiel das Glück in einem Zweibettzimmer untergebracht zu sein, aber den strengen Erziehungsmaßnahmen entkamen wir auch nicht. An Schwestern oder an Tanten kann ich mich nicht erinnern, nur an einen Namen einer jungen Frau, sie hieß Monika, und wie ich bereits herausgefunden habe, war sie die Tochter der Heimleiterin, und damals um die 13 Jahre alt. Sie hat am Wochenende mit uns gespielt, und war für mich der einzige Mensch, der mir ein wenig Halt gegeben hat in diesem Albtraum.
Ich würde mich freuen weitere Details oder vielleicht Bilder von Deiner Kur von Dir zu erhalten. Leider bin ich nicht so unbeschadet wie Du davon gekommen.
Viele Grüße, von Birgit Hof.
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Ralf Kellermann schrieb am 14.10.2019
ich war im Frühjahr 1966 für 6 Wochen im "Ponyhof" in Schönau am Königsee, und bin daran interessiert mich mit Leidensgenossen auszutauschen. Habe leider kaum Erinnerungen, aber diverse Fotos (auch aktuelle) und die Adresse anzubieten
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Sina schrieb am 12.10.2019
Ich wurde 1972 an die Nordsee verschickt. Ich sollte aufgrund meiner doppelseitigen Lungenentzündung vor dem Schulbeginn gestärkt werden.
Ich kann mich nicht an einen täglichen Ablauf erinnern.Ich zog mich aber dort ganz stark zurück, lag nur im Bett. War schrecklich allein und voller Heimweh. Als ich nach Hause kam, war ich sehr ungepflegt, meine Haare seit mindestens 1 Woche ungekämmt. Dieser Zustand wurde dem Jugendamt auch gemeldet. Aber durch keine sichtbaren körperlichen Schäden wohl nicht weiter verfolgt. Ich habe diese Zeit immer verdrängt.Es ist jetzt aber durch Ihre Veröffentlichung eine kleine Befreiung für mich und erklärt jetzt Besonderheiten, die danach bei mir auftraten.
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Raffaela Usman schrieb am 09.10.2019
All die Jahre habe ich versucht die Kinderkur aus meinem Gedächtnis zu löschen... Bis ich auf Ihre Veröffentlichung gestoßen bin. Meine Zwillingsschwester und ich waren auch in solchen Kuren. Im Fichtelgebirge erlebten wir die Hölle. Es muss Anfang der 80iger Jahre gewesen sein. Es gab Abnehm und Zunehm Kinder, wobei letztere bevorzugt wurden. Die Pummeligen wurden wie Abschaum behandelt, vorgeführt und vor allen schikaniert. Es gab tagelang Haferschleim... bis zum Erbrechen. Aß man nicht auf, saß man unter Umständen bis nachts im Speisesaal und wurde fertig gemacht. Da wir ohnehin durch die schlechte Behandlung durch unseren Vater bereits Probleme hatten, ging es uns nach der Kur noch schlechter. Meine Schwester war Bettnässerin und wurde deshalb vor allen angeschrien und als alte Sau beschimpft. Haben wir geweint, wurde es noch schlimmer. Stundenlang bis zur Erschöpfung mussten wir wandern. Die Zunehm Kinder bekamen gutes Essen und Süßigkeiten, die Abnehm Kinder durften zu schauen... Es war die Hölle.
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Andrea Weyrauch schrieb am 08.10.2019
Auch ich bin sehr dankbar, dass dieses Unrecht endlich thematisiert wird. 1975 wurde ich mit 5 Jahren auch für 6 Wochen in das Kindersolbad nach Bad Friedrichshall "verschickt" - es war fürchterlich. Bei mir war es wegen einer Mandeloperation. Elternbesuche wurden verboten, weil ich so schrecklich Heimweh hatte. Dort wurde systematisch seelischer Missbrauch betrieben. Dieses Tag und Nacht diesen Menschen ausgeliefert zu sein und sich von den Eltern verlassen zu fühlen war traumatische. Gut, dass dies alles jetzt aufgearbeitet wird.
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Beate schrieb am 03.10.2019
Liebe Renate, wenn du magst, schau mal bei den Kontakten nach, ich habe mich dort inzwischen als Ansprechpartnerin für das Antoniushaus registrieren lassen. Du kannst mir gern schreiben.
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Detlev Otto schrieb am 03.10.2019
Hallo Petra, ich bin auch Jahrgang 58 und war auch im Alter von 6-7 Jahren auf Wyk für 8 Wochen. Meine Erinnerungen sind auch nur sehr bruchstückhaft. Nach und nach kommt immer mehr hoch. Es waren traumatische Erlebnisse für mich. Die Dinge, an die ich mich erinnern kann decken sich vollkommen mit deinen und der anderen auf dieser Seite. Mein ganzen Leben ist durch dieses Traume geprägt. Zur Zeit bin ich wieder einmal in psychologischer Behandlung und versuche das erlebte mit meiner Therapeutin aufzuarbeiten..............
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Christiane schrieb am 03.10.2019
Hallo Christiane, das ist richtig grausam. Ich war auch völlig entsetzt als ich zufällig von diesem Ausmaß erfahren habe. Mir war dass überhaupt nicht bewusst dsss so viele Kinder verschickt wurden. Dass die Behörden nie was erfahren haben lag wahrscheinlich daran dasd die Kinder es vielleicht Zuhause erzählt haben aber die Eltern es als 'nicht so schlimm' angesehen haben und nichts unternommen haben. In den dunklen Schlafsaal gesperrt werden, da erinnere ich mich auch noch dran. Stundenlang. Die sechs Wochen waren einfach schrecklich aber sie haben mich nicht so traumatisiert wie Dich.
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Christiane schrieb am 03.10.2019
Es ist unfassbar dass sowas über Jahre passieren konnte und den Kindern nicht geglaubt wurde oder die Kinder keine Stimme hatten.
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Christiane schrieb am 03.10.2019
Hallo Karin, vielleicht waren wir sogar im gleichen Kurheim. Ich weiß nicht ob es zu der Zeit mehrere in Wittdün gab. An Kindergeburtstage kann ich mich auch noch erinnern und dass wir immer Plumpsack gespielt haben. Ich habe meinen Vater noch gefragt ob er noch was weiß was ich nach der Rückkehr erzählt habe, aber viel wusste er auch nicht mehr. Nur dsss es mir dort nicht gefallen hat und dass ich oft n der Ecke stehen musste zur Strafe . Es existiert noch ein Foto. Auf dem Foto sitzen wir alle vor einer Mühle. Hast du auch Fotos?
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Janette Martens schrieb am 01.10.2019
Über einen Zeitungsartikel bin ich auf diese Seite gestoßen. Ich war tief schockiert beim Lesen des Berichtes.
Endlich jemand, der mir glaubt. Tatsächlich war mir nicht bewusst, dass auch andere Kinder so traumatisiert sind.
1971 wurde ich als Zweijährige mit meiner 2,5 Jahre älteren Schwester in das Haus "Sonnenschein" nach Wyk auf Föhr geschickt, da meine Mutter sehr dünn war und sich allein erholen sollte. Mein Vater arbeitete im Schichtdienst und so landeten wir im "besten" Heim-laut meiner Mutter.
Ich wurde immer wieder von meiner Schwester getrennt, was mir sehr schwer fiel und ich oft deswegen geweint habe. Ich erinnere mich, dass ich eine bestimmte Suppe (Erbsensuppe?)nicht essen mochte und da hat man mich kurzerhand isoliert. In dem großen Speisesaal gab es eine Art Theaterbühne mit Vorhang. Man hat mich also allein mit Tisch und Stuhl hinter zu gezogenem Vorhang gesetzt und gesagt, ich dürfte erst wieder raus kommen, wenn ich aufgegessen habe .Aufsicht war keine in der Nähe. Irgendwann habe ich dann den Teller genommen und die eklige Pampe hinter das Puppenhaus gekippt. Hat bis zu unserer Abreise keiner gemerkt. Das hört sich vielleicht lustig an, aber ich war zwei Jahre alt und habe bis heute von diesen Methoden eine Klatsche.
Meist glaubt mir keiner richtig, da ich ja noch so klein war, aber es ist mir bis heute präsent. Die Pflegerinnen haben wir nach den Sesamstrassenfiguren benennen dürfen, z.B. Bibo, Ernie etc. Vielleicht erinnert sich jemand.
Zum Strand sind wir immer in Zweier Reihen an der Hand gelaufen, ich durfte so gut wie nie an der Hand meiner Schwester gehen, an der ich ja nun sehr hing. Man hat mich konsequent von ihr fern gehalten. Auch im Schlafraum durfte ich nicht bei ihr sein. Das hat mich echt traumatisiert und ich habe so gelitten. Für meine Schwester war es alles nicht so schlimm.
Am Ende unseres Aufenthaltes hat meine Schwester eine richtig hübsche Schmuckdose aus Perlen von der Heimleitung geschenkt bekommen. Ich als unartiges Kind bekam natürlich nichts. War mir auch egal, wollte ich nur noch weg. Meine Großeltern haben mich abgeholt und meine Oma hat mir erzählt, dass ich während der Autofahrt einschlief und wenn ich aufwachte, hoch schreckte und fragte: Seid ihr noch alle da?
Liebe Frau Röhl, ich danke Ihnen sehr.
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Angelika Janz schrieb am 01.10.2019
Ich, geb. 1952 in Düsseldorf, bin fassungslos, plötzlich über meine eigene so schrecklichen Kindheitserfahrungen im Fernsehen zu hören, fassungslos und auf schreckliche Weise glücklich, dass endlich diese Erinnerungen, die ich ein Leben lang mit mir un-erhört mit mir herumgetragen habe, nun plötzlich thematisiert werden. Ich war in 3 Heimen, immer länger als 2 Monate, mit unendlichem Heimweh und voller Trauer und dem Gefühl entsetzlichen Ausgeliefertseins Tag und Nacht, während die Eltern uns "in Erholung" wähnten. Ja, die "Tanten" waren Bestien, manche, eine Schwester Ursula, schlug, wann immer sie dazu Lust zu haben schien, wenn sich ein Kind nicht so bewegte oder schaute, wie sie es erwartete. 2 Namen der Orte erinnere ich: Norderney und Rippoldsau, offenbar im Schwarzwald. Bei diesem Wort, höre oder denke ich es nur, überfällt mich noch heute gegen alle Widerstände ein Würgereiz und es drängen sich Tränen auf. Ja, unsere Münder wurden, ob laut oder nicht, zum Mittagsschlaf draußen auf Liegen in der Kälte mit Pflastern zugeklebt, der Schmerz beim Abreißen unvergeßlich, wir durften nicht auf Toilette, wenn wir mussten, ich litt stets unter brennenden Blasenentzündungen und entwickelte später eine chronische Nierenbeckenentzündung bis ins Jugendalter, wir froren immer, viel zu dünn angezogen die kleinen Mädchen mit diesen Strümpfen und Strapsen in eisiger Winterkälte und - ich fasse es nicht, dass JETZT auch andere das erinnern - - wir mussten Erbrochenes essen, was so entsetzlich war, dass es später niemand glauben wollte und ich über Jahre zum Essen ein gestörtes Verhältnis entwickelte, unterernährt blieb und ein Jahr später, also mit 7 Jahren eingeschult wurde, weil ich zu dünn war. Noch mit 12 Jahren sammelte ich das Essen im Mund und spuckte es später unbeobachtet aus, ich vermochte nur schwer zu schlucken. Als ich die Schilderungen soeben im Fernsehn hörte , traute ich meinen Ohren nicht - fast am Ende meines Lebens erfahre ich, dass ich "erhört" wurde, dass man mir glauben wird nun; denn meine Eltern lachten mich aus, ja schimpften mit mir ob solcher Unterstellungen, die sich bis heute bis in meine tiefsten Träume eingebrannt haben, und ich wache noch heute fast jede 2. Nacht schweissgebadet auf mit diesen unberechenbaren Bildern im Traumgedächtnis. Mit diesem unvorstellbaren Ausgeliefertsein scheinheiliger abgrundtief böser "Tanten" in endlosen kalten Gängen und unbeheizten Schlaf-und Esssälen, in denen die Gewalt gegen uns fast nur weinende Kinder überall plötzlich ausbrechen konnte, und wie es geschildert wurde, war das Weinen eine böse Tat, die wiederum mit Schlägen und Eckenstehen oder Essensverboten (was egal war, denn das Essen war Dreck oder wurde uns zu Dreck gemacht durch den Zwang, das Erbrochene zu essen) bestraft wurde. Elternpäckchen kamen nie bei uns Kindern an, und wir warteten vergeblich darauf, wenn sie uns einmal angekündigt worden waren. Alle Briefe oder Karten, die wir von dem 3. Heim aus schrieben (da war ich schon im 2. Schuljahr und dort mit meinem Bruder untergebracht) wurden vermutlich vernichtet, sie kamen nie an. Ich kann es noch gar nicht glauben, dass plötzlich so so spät dieses dunkle Kapitel meiner Kindheit, das mich lebenslang geprägt hat, aufbricht und mit Glaubwürdigkeit und Verständnis beleuchtet wird. Ich für meinen Teil kann sagen, dass diese Erlebnisse mein Leben entscheidend beeinflusst haben.
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Heidi schrieb am 01.10.2019
Es muss so 1956 oder 1957 gewesen sein, ich war vielleicht 8 oder 9, mein Bruder 6 oder 8 als wir in so ein "Verschickungsheim" auf Norderney kamen.

Von meinem kleinen Bruder wurde ich sofort nach der Ankunft getrennt . Ich habe ihn, wenn ich mich recht erinnere, in den 6 Wochen nur einmal wieder gesehen.

Ich kann mich erinnern an einen unglaublichen Druck, mich "anständig" benehmen zu müssen. Einmal habe ich ins Bett gepinkelt und daür gab es öffentliches Spießrutenlaufen. Das war schrecklich, schrecklich, schrecklich! Danach bin ich jede Nacht aufgewacht, auf einen Stuhl geklettert und habe ins Waschbecken gepinkelt. Immer in Angst, dabei erwischt zu werden. Allerdings habe ich nach ein paar Nächten mitbekommen, dass andere Mädels dasselbe machten.

Das Essen war eine Zumutung. Es gab jeden Tag eine Art Milchsuppe, die war fast immer angebrannt und klumpig. Aber das Schlimmste war der Vanillepudding, den es auch so ziemlich täglich gab und widerwärtig

schmeckte. Wir nannten ihn Eiter...

Allerdings erinnere ich mich auch an Spaziergänge am Strand, auch ans Schwimmen erinnere ich mich. Und ganz deutlich erinnere ich mich, dass ich den "Freischwimmer" dort gemacht habe. Mit einem Boot wurden wir rausgetuckert, schwammen dann um das Boot herum und mussten einmal vom Bootsrand springen. Das hat mich ziemlich stolz gemacht.

Ansonsten haben wir wohl die meiste Zeit auf so einer Glasveranda zugebracht und uns gelangweilt haben.

Es passiert mir sogar heute noch, dass ich ab und an schweißgebadet aufwache, weil ich das Gefühl habe, ich hätte ins Bett gepinkelt.

Und bei dem Geschmack von Vainille wird mir immer noch übel.
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Simona schrieb am 01.10.2019
Ich war im Sommer 1972 in Sankt Peter Ording im Haus Quisisana und damals knapp 10 Jahre alt. Straflager ist genau das richtige Wort! Die Spuren die es hinterlassen hat, begleiten mich ich bis heute.
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Otto S. schrieb am 30.09.2019
Hallo Martin M.,
danke für Deinen Bericht!
Der Anstaltsarzt war im Jahre 1965 Dr. Franz Braun. Ich weiß, dort ist zeitweise auch irgendein Pfleger "umhergesprungen". Dieser hatte immer eine lange weiße Schürze umgebunden. Der hatte alle paar Tage auch die Nachtwache auf unserem II. Stockwerk. Doch dessen Namen weiß ich leider nicht mehr.
Ansonsten gab es bei uns lediglich die drei weiblichen Betreuerinnen, alle so zwischen 30 und 40 Jahre alt, eine dieser "Beißzangen" hieß Mechtild, eine etwas dünnere schwarzhaarige hieß Heidi. Die Namen der dritten ist mir leider entfallen. Ja - dann noch das Küchenpersonal, doch wie die alle ausgesehen bzw. geheißen hatten, das bringe ich heute nicht mehr zusammen.

Kannst Du Dich auch an das alte Kurhaus entsinnen, in welchem wir damals das wöchentliche Solbad ausüben durften? Über dem monumentalen Eingangsbereich mit den beiderseitigen Treppen war eine marmorne Schalttafel mit messingfarbenen Armaturen (Hebel und Handräder) sowie Druck- und Temperatur-Anzeigen. Dort hatte immer ein älterer Dienstmann mit Schildmütze die Bedienung der Anlagen inne...

Mir ist bekannt, dass das ehemalige Heim aus dem dritten Reich nach dem 2. Welt -Krieg von der katholischen Diözese München und Freising übernommen wurde.

Ich selbst war im Juli 1982 bergsteigerisch auf dem Hochstaufen unterwegs und hatte damals auf dem Reichenhaller Haus auf 1750m übernachtet. Als ich dann wieder in Bad Reichenhall zurück war, hatte ich jedoch keinen unbelichteten Film mehr in meiner Kamera, so dass es leider keine Bilder dieser Anstalt in meinem Fundus mehr gibt...
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Birgit schrieb am 30.09.2019
Hallo Peter,
ich war 1975 in Wessobrunn und habe heute unter Selbsthilfe eine Gruppe eröffnet. Vielleicht hast du ja Lust auf einen Austausch.
Nein, Wessobrunn war nicht besser als andere Kurheime, es wurde nur nicht mit jedem Kind gleich schlimm umgegangen. Für mich war das 6 Wochen Folter pur, ich musste zwar nicht das Erbrochene essen, wurde aber zum Erbrechen gebracht, idem man das verweigerte Essen pürierte und mit einem Trichter einflößte. Den randvoll gekotzten Teller durfte ich dann in die Küche bringen, den langen Flur vom Speisesaal hinunter. Ich weiß nicht mehr was schlimmer war, der Trichter in meinem Schlund oder die panische Angst, etwas zu verschlabbern auf dem Weg in die Küche. Immerhin waren die Küchenschwestern nett, eine hat mit Schokolade zu gesteckt und mir ins Ohr geflüstert, es wäre nicht in Ordung, was hier passiert.

Grüße,
Birgit
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Katrin schrieb am 30.09.2019
Ich war Anfang 1969 zu meinem 6. Geburtstag für 8 Wochen in Bayerisch Gmain im Haus Datzellehen verschickt. Meine Chefin auf meiner Dienststelle ermutigte mich kürzlich, mich noch einmal diesem Thema zu stellen. Denn hin und wieder bin ich krank, weil ich unvermittelt körperlich völlig erschöpft bin und wandernde Schmerzen im Körper habe, die psychosomatisch bedingt sind, eine Ärztin nannte dies „prolongierter Schock“, der durchaus aus der damaligen Verschickung herrühren könne.

Ich hätte nie gedacht, dass wir Verschickungskinder mal aus unserem Schattendasein heraustreten würden, dass man uns zuhört und vielleicht auch glaubt. Ich bin dankbar und unglaublich bewegt über diese Initiative!

Insgesamt war meine Verschickung schrecklich, schrecklich und dunkel und eine völlige Überforderung. Es gab einige Lichtblicke tatsächlich (der nette Kinderarzt, der einmal bei mir war, der Ausflug in die verschneite Bergwelt, der junge Mann, der uns sonntags immer was vorlas), aber das waren Strohhalme beim ständigen Ertrinken. Das hätte alles nicht stattfinden dürfen. Nur ich hatte das zweifelhafte Glück, meine beiden jüngeren Brüder wurden nicht verschickt.

Ich weiß nicht was schlimmer war, der Heimaufenthalt selber oder die Tatsache, dass hinterher niemand mir zugehört hat, meine Eltern – übrigens bis ins hohe Alter - nicht wissen wollten, wie es mir dort ergangen war, wie ich das alles erlebt habe. Für sie war alles klar: Die Autoritäten im Heim, die Heimleiterin, haben telefonisch nach Hause immer vermittelt, wie toll doch alles sei, dass es mir gut ginge, dass ich ein fabelhaftes Mädchen sei, dass ich auch nicht weine; ja, ich habe vor der Abreise nach Bayerisch Gmain meiner Mami versprechen müssen, dass ich im Heim nicht weinen werde. Wem glaubt man mehr?

Ich habe keine länger anhaltenden Erinnerungen, ich weiß nicht mehr wie die Tage und Nächte verliefen, das Einschlafen, das Wecken, ob ich mein Püppchen behalten durfte. Ich weiß auch nicht mehr die Namen der Tanten. Ich habe lediglich einige wenige schlaglichtartige Erinnerungen: Meine Mutter hat mich Ende Januar hingebracht, mit dem Zug glaube ich. Beim Abschied draußen vor dem Haus wurde es schlagartig dunkel, als wenn eine Klappe herunterfällt, die Trennung zerriss mir das Herz, nichts weniger; das wars jetzt, aus, Ende.

Und ich habe Albträume. Einer meiner Albträume handelt von einem felsigen, in den Berg tief unten hinein gehauenen Raum mit lediglich einer Tür und zwei kleinen schmalen Oberlichtfenstern. Ich stehe mit dem Rücken zu den Fenstern, keine Fluchtmöglichkeit; gegenüber an der Tür stehen zwei gesichtslose, in weiße Gewänder gekleidete Frauen. Es wird etwas Schlimmes passieren. Schluss.

Erinnerung: Das Bad befand sich im Keller eines der beiden Gebäude. 2016 war ich tatsächlich einmal dort, zusammen mit meinem Sohn und einer Freundin. Wir konnten uns die ehemaligen Kellerräume anschauen. Rückblende 1969: Wir Kinder stehen nackt in einer Schlange vor der riesigen Badewanne, dahinter die beiden Oberlichtfenster. Eine weiß gekleidete Schwester beaufsichtigt streng das Baden. In Gruppen zu viert oder fünft müssen wir in das Wasser. Ich muss nötig aufs Klo, traue mich aber nicht, es zu sagen. Im warmen Wasser passiert es, ich pinkel ins Wasser, alles färbst sich gelb, furchtbare Angst, Schluss.

Ein anderer Albtraum (als Jugendliche hatte ich ihn immer wieder, heute ist er seltener): Ein felsiger Stollen der in einen Berg hinunter führt – nimm nicht diesen Weg, er führt zu einem Raum, in dem etwas Entsetzliches geschieht. Was, weiß ich nicht.

Erinnerungen an das Essen: Jeden Morgen gibt es die berüchtigte Suppe, grauer Schleim und da drin dicke feste kleine Knödel wie Mehlklumpen. Nichts anderes. Das ist so eklig, dass ich mich jeden Morgen übergeben muss; ich kann mich aber nicht erinnern, ob oder was darauf folgte; einmal sehe ich mich fluchtartig meinen Frühstücksplatz verlassen um einen heimlichen Platz zum Erbrechen zu finden. Wo der war, weiß ich nicht mehr.

Erinnerungsfetzen: Zwei Jungs, mit denen ich beim Mittagessen am Tisch sitze, machen Unsinn (sie halten ihre Zungen aneinander und ich finde das offenbar sehr interessant). Meine „Lieblingstante“ kommt wütend zu unserem Tisch, greift die Köpfe der Jungen an den Haaren und knallt sie laut zusammen. Ich schaue völlig entgeistert zu. Dann kommt sie noch zu mir und zieht mich brutal an den Haaren, obwohl ich doch nur zugeschaut habe.

Ein Junge muss zur Strafe für irgendwas noch mehr Suppe essen; er muss sich an der Essensausgabe die weitere Kelle Suppe abholen und zu seinem Platz gehen und essen, obwohl er schon satt ist. Wir anderen Kinder können gehen.

Dritter Albtraum: Eine Laborsituation - zwei gesichtslose, weiß gekleidete Frauen sind an einem Arzttisch beschäftigt. Ich bin eine Puppe und muss da auch hin und komme gleich dran mit irgendwas. Allerhöchste Gefahr! Sie brechen mich – die Puppe – am Hals und flößen mir irgendwas ein. Variante des Traumes: Ich, die große Katrin, nehme mich, die kleine Katrin, an der Hand und wir rennen weg von den schrecklichen weißen Frauen.

Erinnerung: Ich habe die Masern (zum zweiten Mal, das erste Mal zuhause in Berlin) und bin in dem Zimmer alleine in Quarantäne; es muss wochenlang gedauert haben; ich erinnere mich dabei nur noch an die ekelhaften kleinen gelben Tabletten zum Lutschen, von denen ich abends immer eine bekam und die ich alle hinters Bett gespuckt habe. Da muss schon ein ganzer Haufen gewesen sein. Ich hoffe, dass man den verklebten Tablettenberg erst nach meiner Abreise gefunden hat, aber genau weiß ich es nicht.

Ich habe keine Bindungen zu anderen Kindern aufgebaut. Ich war in meinem Erleben immer allein, stark und allein. Was mit anderen Kindern war, habe ich nur beobachtet, manchmal fassungslos, aber ohne den Impuls, etwas zu tun. Ich brauchte meine ganze Kraft für mich.

Meine Mutter kam mich Ende März abholen, was für eine Erlösung! Die gemeine Haare-zieh-Schwester war scheißfreundlich zu mir, weil meine Mutter dabei war. Ich habe sie keines Blickes gewürdigt, das weiß ich noch.

Zuhause war heile Welt angesagt. Ich habe mich in mich zurückgezogen, wurde schüchtern und kurzsichtig und wollte nicht in die Schule gehen, weil ich dort immer gehänselt wurde. Erst viel später, nach einer tiefen Lebenskrise, begann ich mich in mühevollen kleinen Schritten zu meiner eigenen Persönlichkeit hin zu entwickeln. Das ganze hat mir doch ziemliche Hypotheken für mein Leben beschert, die nach 50 Jahren immer noch wirken und die ich gerne noch wegarbeiten möchte, für mich selber und für meine Kinder.
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Sabine Rahimi schrieb am 29.09.2019
Hallo Frau Röhl,
ich bin über Report aus Mainz auf Sie aufmerksam geworden. Ich wurde in meiner Kindheit 2x verschickt, um nach 5 monatigem Krankenhaus Aufenthalt wieder zu Kräften zu kommen und um an Gewicht zuzunehmen. Ich bin Jahrgang 1964 und 54 Jahre alt.
Bei meiner ersten Verschickung nach St. Peter Ording war ich 5 3/4 Jahre alt. Es war im Spätsommer Ende Aug 1970 bis Sept. 1970. Das Kurheim war das Haus zum Goldenen Schlüssel und die Leitung die uns betreute hieß Rosmarie, sie hatte dunkelbraune Haare, dunkle Augen und war dicklich und älter.
Es war furchtbar dort. Ich erinnere mich nicht daran wie die anderen Kinder behandelt wurden, die meissten waren älter. Einzelheiten weiss ich nicht mehr, ich werde aber niemals vergessen, dass ich mein Erbrochenes essen musste. Rosmarie hat uns Kindern die Teller vollgefüllt und wir mussten mittags so lange sitzen bleiben bis wir aufgegessen hatten. Alle Kinder waren fertig mit dem Essen nur mein Teller war nicht leer. Rosmarie herrschte mich an und sagte ich müsse bis mein Teller leer ist hier sitzen bleiben und wenn es bis zum Abend wäre. Als ich keine Anstalten machte weiter zu essen fütterte sie mich und schob mir einen Löffel nach dem anderen in den Mund. Ich sagte das ich satt war, dieses ignorierte sie und sagte nur es werde aufgegessen. Als ich erbrechen musste schrie sie mich an und sagte, dass ich damit nicht durchkäme, ich habe meinen Teller leer zu essen, auch das Erbrochene, was sie mir löffelweise in den Mund reinzwang. Abends, als die anderen Kinder Abendbrot bekamen nahm sie mir wütend meinen Teller vom Mittagessen mit dem Erbrochenem weg und schickte mich ins Bett. Sie sagte weil ich nicht aufgegessen hatte bekäme ich kein Abendbrot und könne verhungern. Alle Kinder guckten mich an, ich weinte und Rosmarie bedrohte mich mir den Mund mit dem Pflaster zuzukleben wenn ich nicht sofort mit dem Geheule aufhöre.
Morgens wurden wir wie beim Millitär geweckt, beim Haare waschen im Waschraum lief das Schampoo in die Augen.Wir mussten kalt duschen und Rosmarie kämmte meine nassen Haare ruppig durch, es ziepte.
Als meine Mutter nach 5 Wochen Aufenthalt anrief und fragte wie es mir ginge fing ich am Telefon zu weinen an und sie kam am Wochenende aus Hamburg angereist und hat Rosmarie die Meinung geblasen. Meine Mutter wollte mich sofort mit nach Hause nehmen ,doch Rosmarie sagte, dass es nicht ginge die Kur einfach abzubrechen. Daraufhin hat meine Mutter sich für die verbleibende Woche ein Zimmer in St Peter Ording gemietet, meine Oma hatte währenddessen auf meine kleinere Schwester aufgepasst. Von da an hat meine Mutter mich dort morgens mit dem Bollerwagen abgeholt, weil ich schlecht laufen konnte und mir draussen etwas zu Essen gekauft und mich nur abends zum Schlafen da bei Rosmarie wieder abgegeben. Wenigstens 1 Woche die mir bei Rosmarieerspart wurde .

Meine zweite Verschickung war 1976 als ich 12 Jahre alt war bei Freiburg Königsburg oder so ähnlich hieß der Ort im Scharzwald wo das Verschickungsheim war. Wir mussten mittags draussen Mittagschlaf auf Liegestühlen machen und durften nicht reden für 1,5 Std . Das Haus war umgeben von dunklem Tannenwald, richtig idyllisch. Eigentlich war es ganz nett da, nur das ich mit 12 ohne Betreung von Hamburg in den Zug gesetzt wurde und erst in Kassel eine Betreuerin mit Kindern zustieg war seltsam und beängstigend.Das Essen war gut, wir durften uns selber auffüllen und nachholen. Als ich erwischt wurde wie ich auf die Tannen kletterte bekam ich Hausarrest im Schlittenkeller für 1 Tag, ansonsten war es aber schön dort.
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Christiane Lang schrieb am 29.09.2019
Hallo Christiane, ich bin im Februar 1959 geboren. Kurz vor der Einschulung, im März /April 1965 wollten meine Eltern wir was gutes tun, da sie mit mir in dem Jahr nicht in den Urlaub fahren konnten. Also kam ich zur Kinderverschickung nach Amrum. Bis dahin war ich ein fröhliches aufgewecktes Kind. Es fing schon mit der Zugfahrt an. Alleine weg zu müssen, war für mich schrecklich. Auch bei mir wurden wir zum Essen gezwungen. Neben mir saß immer ein Junge, der sich regelmäßig beim Essen übergeben musste. Aber nicht aufstehen durfte. Da ich mich allerdings regelmäßig entfernt habe, wurde ich in ein dunkles Schlafzimmer gesperrt. Ich weiß nicht mehr wie lange und wie oft ich darin weinend hockte. Auch nachts wurde patrouilliert. Wer nicht schlief oder sogar weinte wurde heftig beschimpft. Nach 6 Wochen kam ich stinkend,extrem stotternd und völlig verstört nach Hause. Meine Eltern waren völlig überfordert, da ich nichts zu Hause erzählt habe. Und so mehr sie mich zu Therapeuten schleppten, umso schlimmer wurde es. Erst, als ich mit Ende 20 mein 1Kind bekam, habe ich es ihnen erzählt. Mein Stottern begleitete mich trotz viele Therapien bis heute. Allerdings habe ich es durch eigene Sprachtechnik seit vielen Jahren im Griff. Meine Mutter hat die Reportage durch Zufall gesehen und hat tagelang geweint. Sie hat jetzt erst begriffen, wie schlimm der Aufenthalt für mich war und wie sehr er mein Leben beeinflusst hat. Denn durch das Stottern hatte ich in der Schule Schwierigkeiten, weil Lehrer mich für nicht zumutbar hielten und mich an eine Schule für Lernbehinderte schicken wollten. Gott sei dank gab es immer Menschen die sich für mich eingesetzt haben. Sodass ich heute ein glückliches Leben führen kann. Allerdings habe ich durch den Beitrag noch mal gemerkt, welche Chancen mir im Leben genommen worden sind. Und das es so viele Kinder gab, die über Jahre das gleiche Schicksal erleiden mussten, macht mich unendlich traurig und wütend zugleich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in den zuständigen Behörden oder Krankenkassen keiner etwas davon gewusst hat. Es ist gut, dass endlich darüber berichtet wird .
Danke
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Kirsten B. schrieb am 29.09.2019
Hallo Angelika,
ich war damals 6 Jahre alt. Leider kann ich mich nur an wenige Dinge erinnern.
Das Essen mochte ich jedenfalls auch nicht. Ich habe heute noch eine enorme Abneigung gegen Milchreis, Haferschleim, alles was irgendwie den Geruch von warmer Milch hat. Und Hagebuttentee, den es aus großen Blechkannen gab und einfach nur ekelhaft war. Ich kann mich an einmal erinnern dass ich am Tisch sitzen bleiben musste weil ich nicht essen oder aufessen wollte. Ich glaube ich habe es irgendwann runtergewürgt bekommen, durfte gehen und habe dann wohl auf die Treppe erbrochen. Ich hab kürzlich im Internet ein Foto vom Speisesaal gefunden, in meiner Erinnerung war er riesig groß. Auf dem Foto sah er ehr klein aus. Wie viele Kinder dort wohl gleichzeitig untergebracht waren?
An Schläge kann ich mich nicht erinnern, wohl aber an die psychische Gewalt die ständig präsent gewesen sein muss.
Wir mussten in einer Art Wintergarten Mittagsschlaf halten, auf Feldbetten mit kratzigen Wolldecken. Wir durften uns weder bewegen noch reden. Wer dagegen verstieß musste sich in die Ecke stellen. Ich habe immer versucht eine Liege möglichst weit weg von der Aufsicht zu erwischen, weil ich immer aus den Decken Flusen herausgezupft und zu kleinen Kugeln gedreht habe.
Auch wir durften nachts nicht aufstehen um zur Toilette zu gehen. Wenigstens einmal habe ich mich im Bett eingenässt und habe fürchterlich geweint.
Ich weiß gar nicht was wir den ganzen Tag gemacht haben. Eine wage Erinnerung habe ich noch an ein Spielzimmer? unten im Souterrain. Und wir waren wohl auch am Strand, der gleich vor dem Gebäude, über eine Steintreppe zu erreichen war.
Ich wüsste nicht das ich mit anderen Kindern gespielt habe, habe ehr an der Mauer im Sand gesessen und den durch meine Finger rieseln lassen.
Es gab eine Tante die ganz nett war. Ich glaube sie hieß Anita. Sie ist einmal mit mir an der Hand die Treppe zum Strand herunter gefallen. Sie war sehr besorgt das ich mir weh getan haben könnte.
Vielleicht war sie zu Deiner Zeit noch da? Ich habe ein Foto von den Kindern und zwei Tanten das vor dem Haus aufgenommen wurde.

Damals dachte ich es läge alles nur an meinem "ungezogenen" Verhalten und ich müsste nur lieb und angepasst sein, dann würde mir nichts passieren. Das ist auch heute noch, spontan, ein Teil meines Verhaltens. Immer unauffällig sein, keine Ansprüche zu stellen, mich selbst immer kontrollieren... Nach der Kur bin ich eingeschult worden. Ich hab mich nie getraut mich zu melden, was auch immer in den Zeugnissen stand..."Kirsten muss sich mehr am Unterricht beteiligen".
Mir ist es immer schwer gefallen Freundschaften zu schließen, mit anderen Kindern zu spielen oder gar Teile einer Gruppe zu sein. Einzelgänger halt.
Bis ins Erwachsenenalter hinein konnte ich körperliche Nähe fast nicht ertragen.
Leider konnte mir meine Mutter später auch keine Auskunft über evtl. Veränderungen in meinem Verhalten geben. Kurz vor meiner Kur verstarb meine Schwester. Meine Mutter war zu der Zeit nur mit ihrer Trauer beschäftigt.

Ich wünschte ich könnte mich an mehr erinnern. Es würde mir helfen zu verstehen warum ich so geworden bin.

Vielleicht meldest Du dich auch noch mal.

Liebe Grüße
Kirsten
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Christa M aus O schrieb am 29.09.2019
hallo Bärbel, leider waren unsere Eltern ja Kriegskinder und fanden das wohl alles richtig. Meine Wussten aber nichts von alle dem. Die wurden selber streng erzogen.
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Christa M aus O schrieb am 29.09.2019
hallo Christiane, ich war 1964 in Wittdün auf Amrum. DRK Kinderheim Ich war 12. Wie kann es angehen, dass keiner was gemerkt hat oder haben will? Wir mussten jeden Tag stundenlang am Meer spazieren gehen. Wer nicht mehr konnte, wurde einfach zurückgelassen. Meine Füße taten schrecklich weh weil ich keine Wanderschuhe hatte.
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Steffi W. schrieb am 29.09.2019
Hallo Frau Röhl,
ich möchte mich gerne bei Ihnen bedanken, dass sie dieses Thema aufgegriffen haben.
Ich bin Jahrgang 1961, also 58 Jahre alt. Mit 9 Jahren in der 3. Klasse war ich in St. Peter Ording für 6 Wochen zur „Erholung“, weil ich zu dünn war. Auch ich habe einige der bereits von anderen geschilderten Horrorgeschichten erlebt. Welches Heim es war, weiß ich nicht mehr.
Ob es anderen Kindern dort auch so ergangen ist, weiß ich nicht. Ich kann mich nicht erinnern, mitgekriegt zu haben, dass andere auch so oder ähnlich behandelt wurden wie ich. Ich dachte, es geht nur mir so und liegt an mir.
Ich war mit 9 die jüngste, die anderen mindestens 2 Jahre älter. Von den Kindern wurde ich schikaniert, von den Erwachsenen kam keine Unterstützung, statt dessen Strafen und Quälereien.
Seit 1986 arbeite ich bei der Krankenkasse, war damals im Schreibzimmer und bekam mit ca. 30 Jahren (?) eine Akte der Reha-Abteilung in die Hände, in der eine Mutter sich über eine solche Behandlung ihres Kindes beschwerte. Die Sachbearbeiterin, mit der ich daraufhin über meine Erlebnisse sprach, sagte, so was habe sie schon öfters gehört. Was aus der Beschwerde geworden ist, weiß ich leider nicht. Das war das erste Mal, dass ich so was von anderen hörte.
Mein Ex-Mann war mit 10 oder 11 Jahren ebenfalls in St. Peter Ording und erlebte auch Diverses in der Richtung. Seine Eltern erkannten ihn nach seiner Rückkehr am Bahnhof erst nicht mehr.
Auf der Homepage von St. Peter-Ording gibt es eine Chronik, auch über Kinderheime und eine Bildergalerie. Wenn man die Minibilder öffnet, steht auch darunter, welches Heim auf dem Bild ist - https://www.chronik-spo.de/ortsgeschichte/statistik-des-ortes/kinderheime/. Sämtliche Bilder kommen mir nicht bekannt vor. Ich kann mich nicht an das Haus erinnern, in dem ich war, nur ein paar Sachen und die nicht sicher. Das gleiche mit Unternehmungen etc. Ich war 9 Jahre alt und 6 Wochen lang dort. Da müsste doch was hängen geblieben sein? Nur an meine Horrorerlebnisse, an die erinnere ich mich.
Dort habe ich mich schon unfair, ungerecht und gemein behandelt gefühlt – von den anderen Kindern und von den Betreuerinnen. Zudem hatte ich Heimweh und war entsprechend traurig, entsetzt und fassungslos über die Behandlung, fühlte mich verloren, hilflos, hoffnungslos. Zuhause wurde mir nicht geglaubt, ich wurde angefaucht, das könne nicht sein, so was gäbe es nicht, ich solle nicht so ein Zeug erzählen. Teilweise wurden die Betreuerinnen noch in Schutz genommen. Das kam dann noch dazu. Auch das fand ich ungerecht und unfair und mich allein gelassen – und teils noch schlimmer, weil das von meinen Eltern kam, an denen mir ja was lag, entgegen den Betreuerinnen. Daraufhin habe ich nichts mehr weiter davon erzählt. Auch später habe ich ganz viele Erlebnisse in meinem Leben nicht erzählt, weil ich dachte, ich bekomme es eh nicht geglaubt oder die anderen kriegen noch Recht.
*
Mit meinem Ex-Mann war ich vor einigen Jahren eine Woche dort in Urlaub. Das Heim fanden wir nicht mehr. Ich weiß aber darüber oder die Lage nichts mehr Genaueres, mein Mann eher aber auch nicht sicher). Die Gegend gefiel uns gut, es war auch eigentlich schön.
Ich hatte aber die gesamte Zeit – Tag und Nacht – geradezu abartige Kopfschmerzen. Vielleicht lag es tatsächlich nur am Klima, das ich vielleicht nicht vertrug. Eigentlich bin ich (und auch mein Mann) aber davon überzeugt, dass es mit den Erinnerungen an meine „Erholungszeit“ als Neunjährige zusammen hing.
*
Erst jetzt, nach 49 Jahren, nachdem ich massig Horrorgeschichten von anderen auf
http://www.anjaroehl.de/verschickungsheime/ und www.verschickungsheime.org
gelesen habe, bin ich wirklich sicher, dass ich mir nichts von all diesen Erinnerungen eingebildet oder geträumt habe. Immer wieder habe ich an mir gezweifelt. Bisher dachte ich, dass das Einzelfälle waren. Aber das scheint ja eher umgedreht zu sein und war bundesweit an der Tagesordnung. Wie kann man nur dermaßen grausam und sadistisch zu Kindern sein? Unfassbar. Das hat nichts mit strenger Erziehung zu tun, sondern ist reiner Sadismus. Ich bin völlig fassungslos und entsetzt. Dazu kommt, dass ganz ganz viele wesentlich jünger als ich waren als sie so wo hingeschickt wurden. Für die muss das ja noch viel viel schlimmer gewesen sein. So viele Menschen sind bei den Erlebnisberichten, die immer noch damit zu kämpfen haben – nach so langer Zeit.
Mir ist bewusst, dass es wesentlich schlimmere Erlebnisse gibt. Aber trotzdem finde ich auch diese schlimm genug.
Immer noch zieht es mir bei diesen Erinnerungen den Hals zu, bekomme ich Atemnot, muss zumindest ordentlich durchatmen, finde ich es deprimierend und resigniere vor so viel psychischer und teils auch körperlicher Gewalt. Mir wird eiskalt, eine Kälte, die nicht von außen, sondern von innen kommt. Oft genug ist mir dabei zum Heulen zumute. - Wie erschreckend, dass mir das nach so langer Zeit noch so nah nach geht. Und nicht nur mir, wie ich in den anderen Berichten lese.
Und alles stimmt. Ich war nicht die einzige, nicht allein. Ich hab nicht gesponnen, geträumt, phantasiert, gelogen. Es war und ist die Wahrheit!!!
Es lag nicht an mir, sondern an denen!!!
Danke Frau Röhl und danke denen, die Ihre Erlebnisse hier geschildert haben. Ich wünsche
Euch alles alles Gute!
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Maike schrieb am 28.09.2019
oh ja, auch Milchreis. Der Drachen Schwester Elvira hat schon aufgepasst, dass man nicht zu wenig davon ißt.
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Beate schrieb am 28.09.2019
Liebe Renate,

ich war im selben Jahr wie du im selben Heim in Niendorf ("das Kind ist so dünn, es braucht Luftveränderung"), allerdings im August/September. Sechs lange, endlose, einsame Wochen. Ich erinnere mich auch sehr gut an alles, vor allem die Angst vor den Mahlzeiten und vor dem Schlafsaal. Man musste (natürlich!) alles aufessen, was auf dem Teller lag, aber wenn es doch nur lecker gewesen wäre. Ich erinnere mich mit Schaudern daran, dass wir den Nachtisch oder andere Reste, die vom Vortag offenbar übrig geblieben waren, als Suppe serviert bekamen. Ich kann aus diesem Grund bis heute keine Nußecken essen. Und auch bei Schokoladenpudding mit Haut graust es mich. Die Sülze, die es jeden Morgen gab, habe ich mit allen Mitteln zu entsorgen versucht, weil ich sie so eklig fand. In den Ärmel gestopft, in die Hosentasche, danach draußen im Sand vergraben, und später dann (keine Ahnung, wie ich das geschafft habe) in meinem Koffer deponiert. Dort ist der Sülzevorrat dann verschimmelt, und man hat alles entdeckt. Ich wurde ausgeschimpft und die anderen mussten mitleiden und meinetwegen eine Stunde still sitzen. Bis heute kann ich Sülze nicht mal berühren oder ohne Schaudern ansehen. Aber am schlimmsten waren die Nächte, in denen man die anderen Kinder weinen hörte und auch selbst in sein Kissen weinte, zum Teil aus Verzweiflung, weil man dringend auf Toilette musste und nicht durfte. Draußen im Flur saß eine strenge Wache und schickte einen mit barschen Worten sofort wieder zurück. Die Bauchkrämpfe, die Not, und zum Schluss wußte man sich nicht anders zu helfen, als ins Bett zu machen. Was auch wieder Strafen und Beschimpfungen nach sich zog. Und dann die schlimme Woche, in der viele von uns Brechdurchfall bekamen.....Unvorstellbare Szenen. Und keinerlei Trost. Nur Einsamkeit. Zum Glück hatten wir zwei sehr nette junge Betreuerinnen, die tagsüber mit uns zusammen waren. Und wir waren auch tatsächlich viel draußen. Aber die Nächte..... und das Wiegen.....der Arzt, der in die Unterhose schaute, ist mir auch noch sehr präsent, es war so peinlich, die lange Schlange Mädchen aller Altersstufen nur in Unterhosen nackt auf dem Flur stehend, die zensierte Post.... die Hilflosigkeit... die Wehrlosigkeit.... und das furchtbare Essen. Ich hatte lange eine Eßstörung, einfach Ekel vor dem Essen, und Panik, wenn der Teller schon voll war. Und auch sehr, sehr viel Angst. Bis zu dem Reportbericht hätte ich nicht für möglich gehalten, dass es so viele von uns gibt! Aber jetzt haben wir endlich eine Stimme. Ich habe als Schriftstellerin schon mehrfach über meine Erfahrungen geschrieben und werde es weiter tun. In den nächsten Tagen auch auf meiner Homepage über "unser" Heim in Niendorf.

Ganz herzliche Grüße, Beate
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Bärbel Andres schrieb am 28.09.2019
Noch ein kleiner Nachtrag zu meiner Geschichte, weil man daran sieht, wie "nachhaltig" diese grässlichen Erfahrungen sind: Wir hatten (jeden Tag?) Gymnastik bei einer Lehrerin mit sehr langen, knallroten Fingernägeln, Wenn wir die Übungen ihrer Meinung nach nicht richtig machten, hat sie unsere Ohrläppchen zwischen ihre langen Fingernägel genommen und so lange "hineingestochen", bis wir die Übung besser oder richtig machten. Gymnastik hasse ich bis auf den heutigen Tag (bin jetzt fast 68!).
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Bärbel Andres schrieb am 28.09.2019
Ich bin durch Report Mainz auf Sie aufmerksam geworden. Habe schon lange darüber nachgedacht, warum sich niemand der "Verschickungskinder" annimmt und finde es super, dass Sie dieses Thema jetzt angehen! Ich wurde insgesamt 3 Mal "verschickt". An das erste Kinderheim in Bad Kissingen habe ich keine negativen Erinnerungen. Zweimal war ich in einem Kinderheim im Allgäu - jeweils im Winter. Beim ersten Mal war ich nur mit einem Bruder dort (den ich allerdings so gut wie nie gesehen habe), beim zweiten Mal waren wir alle 4 dort. Da ich klein und zierlich war und Ostern 1962 aufs Gymnasium kommen sollte, hielten meine Eltern es für eine gute Idee, mich noch einmal "aufpäppeln" zu lassen. Das Heim war ihnen von den "Heimkehrern" (VdH) empfohlen worden. Die Heimleitung (Frau Leckies o.ä.) war wohl der Ansicht, dass eine Gewichtszunahme das einzig erstrebenswerte Ziel unseres Aufenthaltes war, d.h. wir wurden mit Essen "vollgestopft", auch wenn wir nicht mehr wollten (6 Wochen Milchsuppe mit unterschiedlichen und unterschiedlich verabscheuten Einlagen zum Frühstück); es gab Nachschläge, die man auch aufessen musste, und bis heute hasse ich es, wenn ich einen zu vollen Teller vorgesetzt bekomme und dann irgendjemand oder ein Ober im Restaurant zu mir sagt "das schaffen Sie schon". Ich habe jeden Abend erbrochen und schon nach einer Woche das erste Kilo abgenommen (wodurch ich auf den Index der Heimleitung kam und noch mehr in mich hineingestopft wurde). Einmal pro Woche wurden ein paar Kinder ausgewählt, eine "Wurmkur" zu machen (ohne Indikation), d.h. wir bekamen außer je einer Pille morgens, mittags und abends (abends gab es noch einen Apfel dazu) nichts zu essen. Das schlimmste (und psychisch sicherlich "nachhaltigste"), was mir passiert ist, war Folgendes: Wir lagen alle in unseren Betten. Einem älteres Mädchen war es gelungen, ein Paket ihrer Eltern "unversehrt" zu erhalten (bei den jüngeren wurden Pakete konfisziert und der Inhalt an alle Kinder verteilt). Sie warf mir einen Kaugummi zu, der unter mein Bett fiel. Ich stand auf, um ihn aufzuheben. In diesem Moment kam Frau Leckies herein, sah mich, schrie mich an ("Schneegans"); ich musste meine (Woll-) Decke nehmen und mit ihr in die ungeheizte große Diele vor den Zimmern hinausgehen. Dort stellte sie mich in einer dunklen Ecke ab. Noch heute erinnere ich den Geruch der Wolldecke, in die ich eingewickelt war und die oben völlig durchnässt von meinen Tränen und meiner laufenden Nase war, sowie das Gefühl einer grenzenlosen Verlorenheit. Wie lange ich dort frierend und weinend stand, weiß ich nicht mehr. Irgendwann öffnete sich eine Tür und ein Lichtstrahl fiel auf die Diele. Ich schluchzte laut auf und wurde von einer entsetzten "Tante" aus meiner Ecke herausgeholt. Sie brachte mich erst einmal in ihr Zimmer, da ich völlig vereist war. Natürlich wurde ich krank und kam auf die Krankenstation, was es nicht besser machte (Fiebermessen: Alle Kinder auf Kommando auf dem Bauch, Hose runter, dann "rammte" uns Frau Leckies ein Fieberthermometer in den Po). Die Post wurde nicht nur kontrolliert, sondern auch zensiert. Unsere Eltern waren entsetzt über die Horrorgeschichten (und ich denke, dass sie sie zunächst gar nicht glauben wollten), denn sie hatten es mit unserer "Verschickung" nur gut gemeint!
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Norbert schrieb am 28.09.2019
Bis heute reagiere ich körperlich auf die Worte "Quisisana" und "Sankt Peter Ording" - kein Witz.
Je länger das Ganze wieder in mir hoch kommt, umso mehr Lust bekomme ich, den Aufsehern und .-innen von damals zu begegnen und sie aus Leibeskräften anzuschreien, ihnen die ganze Trauer und Wut darüber, wie sie uns gequält und zum Teil versaut fürs Leben haben ins Gesicht zu schreien...
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Uschi Pietzsch schrieb am 27.09.2019
Hallo Herr Martin M. diesen Samstag ist nicht möglich. Ich gebe mal mein Einverständnis Ihnen meine Mail Ad. an sie weiter zu geben. Oder schaueen sie mal da ist ein Ansprechpartner jetzt für Bad Reichenhall. Da habe ich schon hingeschrieben und eventuell können wir über diesen unsere Mail.Adressen austauschen um ein Treffen zu organisieren. Herzlichst U.P.
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Karin schrieb am 27.09.2019
Hallo Christiane, ich war auch 1974 mit 5 Jahren auf Amrum; im unten erwähnten Lenz-heim in Wittdün. Ich kann mich leider nur an wenig erinnern. Bei Kindergeburtstagen - die bei so vielen Kindern ja ständig waren - mussten wir um die Wette Süßigkeiten essen. Ich erinnere mich daran dass ich mehrfach erbrochen habe und danach zum essen gezwungen wurde. Eine Erzieherin saß neben mir und wartete dass ich den Teller leer aß. Mehr brauchte es dazu auch nicht - ich war ja schließlich folgsam und hatte nicht gelernt mich zu wehren. Dementsprechend dicker kam ich zurück. Wir kamen auch kaum aus dem Haus raus. Wie streng und lieblos es war, erinner ich nicht. Das war ich ja schließlich gewohnt.
Von meiner Mutter habe ich erfahren, dass sie mich nicht kontaktieren konnte, Telefonate verboten waren.
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Susanne schrieb am 27.09.2019
Ich würde 1983, mit fünf Jahren, gemeinsam mit meinem Bruder(4 Jahre alt) nach Borkum in das Kurheim Kiebitzdelle verschickt. Es muss der Zeitraum von Mitte/Ende Januar bis Februar gewesen sein. Die Gesamtdauer war 6 Wochen. Damals hatte die BEK meine Eltern angeschrieben und Werbung für diesen Kuraufenthalt gemacht. So kam eins zum andern und wir wurden zur „Kur“ geschickt! Leider oder vielleicht auch zum Glück sind meine Erinnerungen an die Zeit gering!Erinnern kann ich mich beispielsweise daran, dass ich zur Strafe allein und längere Zeit im Speiseraum stehen musste, mein Bruder stundenlang vor seinem Teller sitzen musste bis er aufaß, das alle Süßigkeiten/Plätzchen der Kinder eingesammelt und weg geschlossen wurden! Die gesamte Kurzeit war immens belastend für mich und bei der Heimkehr bin ich einfach unter Tränen zusammengebrochen! Meinen Eltern gegenüber haben wir wohl geschwiegen und kaum etwas über die Zeit dort erzählt! Doch seit dem Zeitpunkt habe ich mit „Kur“ nur negative Gefühle in Verbindung gebracht!
Mein Gefühl sagt mir, dass dort mehr geschehen ist, als das,was ich noch aus dieser Zeit erinnere!
Auch ich bin geschockt darüber, wieviele Kinder aus dieser Zeit betroffen waren und noch heute an den Folgen leiden!
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Martin M. schrieb am 26.09.2019
Hallo Frau Pietzsch,
wir könnten uns in Saarbrücken am St. Johanner Markt in dem Restaurant Tante Maja treffen, vielleicht am 28.09.19 der nächste Samstagnachmittag um 14.00 Uhr. Ich trage einen schwarzen Rucksack.
Hinterlassen Sie mir bitte eine Nachricht, wenn es bei Ihnen an dem Termin gehen würde oder nennen Sie mir eine Alternative dazu.
Viele liebe Grüße Martin M.
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Christiane schrieb am 26.09.2019
Ich bin 1974 mit 5 Jahren in ein Kinderkurheim in Wittdün auf Amrum geschickt worden da ich laut Aussage meiner Mutter oft krank war. Es war schrecklich dort. Am schlimmsten war das Essen. Man wurde zum Essen gezwungen. Einmal musste ich stundenlang vor meinem Teller ekliger Suppe (Graupensuppe o.ä.) sitzen bleiben bis ich es mir reingewürgt habe und mich übergeben musste. Zur Strafe wurde ich dann in den dunklen Schlafsaal eingeschlossen wo ich mehrere Stunden alleine ausharren musste während die anderen Kinder an den Strand gingen. Kann mich auch noch einen Bettnässer erinnern der vor allen vorgeführt wurde. Einmal waren wir mit unserer Gruppe draußen unterwegs. Ich bekan den Reißverschluss meiner Jacke nicht zu und hab wohl etwas wütend mit dem Fuß gestampft und eine der Erzieherin gefragt ob sie mir helfen könnte. Hierfür wurde ich auch lautstark verbal beschimpft und zurechtgewiesen. Es herrschte dort eine strenge, lieblose Atmosphäre. An Kontakt mit meinen Eltern während der Zeit kann ich mich nicht erinnern, auch an die Zug - und Schiffahrt nicht. Ich hatte schlimmes Heimweh. Bis heute war mir überhaupt nicht bewusst dass es früher so weit verbreitet war in Kinderkur verschickt zu werden. Es ist echt schockierend was viele dort erleben mussten.
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Hildegard schrieb am 26.09.2019
Liebe Anja Röhl und liebe andere Verschickungskinder,
meinen Text habe ich überarbeitet, präzisiert und etwas ergänzt:

1958 war ich vom 14. Februar bis zum 25. März im Alter von sieben Jahren kurz vor meinem achten Geburtstag in der Asthma-Kinderheilstätte in Bad Reichenhall, Kurfürstenstr. 36. Diagnose: asthmatoide Bronchitis (Ärztlicher Schlussbericht vom 25.3.58).

Da ich für mein Alter recht klein war, wurde ich der Gruppe der jüngeren Kinder, ausschließlich Mädchen, zugeordnet und nicht derjenigen, die meinem Alter entsprochen hätte. Die Kleinste dort war zwei oder drei Jahre alt. Soweit ich mich erinnere, haben die Tanten, so nannten wir die Betreuerinnen, die Kleine gut behandelt. – Die anderen Kinder nicht.

Es war furchtbar. Wenn Kinder weinten, weil sie Heimweh hatten, drohte man ihnen. Herr Dr. B. (Chefarzt) hätte gesagt: „Wer weint, muss noch einmal 6 Wochen länger bleiben.“ Die Kur sollte ca. 6 Wochen dauern und 6 Wochen länger wären dann 12 gewesen, eine unvorstellbar lange Zeit für uns ...

Glücklicher- oder unglücklicherweise (?) sind meine Erinnerungen äußerst bruchstückhaft. – Objektiv betrachtet, wurde (natürlich) niemand in diesem Kinderheim „gut“ behandelt, auch die Kleinste in der Gruppe nicht. – Allein schon der Essensterror, dem jedes Kind ausgesetzt war, muss ja für alle unerträglich gewesen sein, auch für die ganz Kleine ... Gefühlsmäßig erinnere ich noch mein Entsetzen über die Gewaltszenen an den größeren Kindern und, dass ich immer dachte: „Hoffentlich behandeln sie die Kleine gut!“ Dass ich froh war, wenn sie verschont blieb. Aber, ob sie davon verschont blieb? Ich habe keine Ahnung ...

Wir sollten alle zunehmen. Zum Essen wurden wir gezwungen. Eine Frau erzählte uns Horrorgeschichten von einem Schlauch, der durch Nase oder Mund in den Magen eingeführt werden würde, falls wir nicht anständig äßen. Daran, dass erbrochen wurde, habe ich nur noch unklare Erinnerungen. – Ein Mädchen wurde über einen Stuhl oder Hocker gelegt und eine „Tante“ hatte einen Gong-Schläger in der Hand ... Danach bricht meine Erinnerung ab. Ich glaube, man hat ihr angedroht, sie zu schlagen, damit sie „besser“ isst ...

Bei den Mahlzeiten durfte nicht gesprochen oder gelacht werden. Einmal lächelte ich, ich weiß nicht mehr, warum. Darauf wurde ich des Raumes verwiesen und musste draußen vor der Tür sitzen. – Dort kam eine nette, jüngere Frau vorbei, die Atemtherapeutin. Diese war eine Ausnahme, sie begegnete mir als Mensch. Sie fragte mich, was ich da draußen mache und wie es mir gehe. Ihr vertraute ich mich an: „Ich will nach Hause und zu meiner Schwester.“ – Die Atemtherapeutin meinte, vielleicht könne ich früher heim (eine Hoffnung, die zwar nicht erfüllt wurde, aber immerhin, ich fühlte mich verstanden ...). Diese Frau war menschlich, ein Lichtblick in dem ganzen Elend.

Ich hatte ständig Angst, weinen zu müssen. Dies unterdrückte ich mit aller Macht, so lange, bis ich zum Mittagsschlaf oder in der Nacht im Bett lag, damit niemand das Weinen bemerkte. Einmal konnte ich es, als wir zusammen spielten, nicht zurückhalten. Als Entschuldigung gab ich Bauchschmerzen an, denn ich fürchtete die sechswöchige Kurverlängerung. Daraufhin erwiderte eine der Tanten, mich auslachend, wir würden gleich alle zum Arzt gehen und dann würde ich wohl eine Spritze gegen die Bauchschmerzen kriegen.

Die Getränke, ich glaube, es war Malzkaffee, erhielten wir in weißen Bechern mit Henkeln. Diese wurden, nachdem sie ausgetrunken waren, umgestülpt auf den Tisch gestellt. Eines Tages kam eine der Tanten (die, der ich das mit den Bauchschmerzen erzählt hatte) auf mich zu und fragte, ob ich meinen Becher ausgetrunken hätte. Eingeschüchtert und verwirrt antwortete ich: „Ich weiß es nicht.“ Da haute sie mir links und rechts Ohrfeigen. Sie hätte sich ihre weiße Schürze mit den Getränkeresten vollgegossen, weil nicht alles ausgetrunken gewesen wäre ...

Es gäbe noch mehr zu berichten. Aber ich möchte es dabei belassen. Insgesamt war die Atmosphäre geprägt von Empathielosigkeit und menschlicher Kälte. Es herrschte ein Klima unerträglicher Angst.

Als ich wieder zu Hause war, schämte ich mich für das, was ich erlebt hatte. Ich traute mich nicht, mit irgendjemandem darüber zu sprechen.

Gruß
Hildegard
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Britta K. schrieb am 26.09.2019
Seehospiz Kaiserin Friedrich, Norderney, ca. 3.monatige Kur im Frühling 1972, Barmer Ersatzkasse, Grund: Asthma, Neurodermitis
Ich war damals 7 Jahre alt, Sammelzug ab Hagen. Mein erstes negatives Erlebnis beim Kofferauspacken bei der Ankunft. Ein schöner Strandausgehanzug, den meine Mutter mir als Trostpflaster gekauft hatte, wurde direkt mit den Worten konfisziert, "so etwas tragen wir hier nicht". Auch die Schlüpfer wurden zugeteilt (eher 2 pro Woche denn pro Tag). Schlafen im Schlafsaal mit wimmernden Kindern. Morgens um 6 Uhr Fiebermessen. Das Thermometer musste man selbst einführen und saubermachen. Morgens stand man in Unterwäsche frierend in einer langen Schlange zur Medikamenten- und Cremeabholung. Duschen und Waschen nur unter Aufsicht. Ich kann mich an keinen heiteren Moment erinnern, keine Spiele, keine Bastelstunden. Ich hatte schmerzhaftes Heimweh. Zum Glück habe ich eine Freundin gefunden. Das prägendste Ereignis war, dass ich im März ins Büro der Oberin gerufen wurde. Drohend fragte sie mich, ob es mir denn etwa nicht gefalle. ich sagte daraufhin eingschüchtert, mir gefalle es. Daraufhin sie: Und warum schreibst Du dann böse Dinge nach Hause und willst an Deinem Geburtstag nicht mehr hier sein? Zur Strafe musste ich in der Ecke stehen. Nicht nur ausgehende Post wurde kontrolliert, sondern auch die eingehende. Päckchen von meiner Oma mit selbstgebackenen Plätzchen wurden geöffnet und in einem Spind verschlossen. An Telefonate mit zuhause kann ich mich nicht erinnern. Heutige Eltern würden ihre Kinder sofort abholen. Damals war noch so ein ungesunder Respekt vor medizinischem Personal und Kinderrechte wurden kleingeschrieben.
Im Zugabteil auf der Rückfahrt wurde ich Mitreisenden über meinen Kopf hinweg als besonders gelungene Heilung präsentiert, mit dem Verweis, ich sei so mager gewesen.
Danke für die Initiative!
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Cornelia Maier schrieb am 26.09.2019
Nur durch Zufall sah ich vor einigen Wochen den Report aus Mainz.
Mir ist gar nicht bewusst gewesen, dass es eine Vereinigung / Initiative Verschickungskinder gibt.
Über den TV Bericht war ich entsetzt, über die Berichte die ich später im Internet verfolgte noch viel mehr.
Danke Frau Anja Röhl, dass Sie sich dem Thema angenommen haben.
Ich kann hier nur einen kleinen Beitrag zu meiner Verschickung niederschreiben. Leider habe ich nicht mehr die Möglichkeit meine Eltern zu fragen, wie es denn nun wirklich in einigen Punkten ablief bzw wie es überhaupt zur Kinderverschickung gekommen ist. Meine Eltern sind verstorben, Dokumente liegen nicht vor.
Hier mein Bericht aus meiner Erinnerung heraus; meine Erinnerungen habe ich aber auch immer wieder im Laufe meines Lebens auch mit meinen Eltern und mit meiner Großmutter erzählt. Antworten gab es keine, weil sie sie nicht kannten oder weil meine Eltern glaubten alles richtig gemacht zum haben. Ich werfe meinen Eltern und meiner Großmutter nichts vor. Mein Bruder, Jahrgang 1962, wurde zweimal verschickt und hat nichts berichtet (vor seiner Einschulung). Der Fall meines Bruders liegt auch anders, er ist als Baby „falsch in einem Hamburger Krankenhaus“ behandelt worden und daraus her rührt eine Schwerbehinderung (geistig). Vielleicht hat er deshalb nichts mitbekommen oder er ist anders behandelt worden oder er weiß es einfach nicht.
Ich habe versucht das Thema, nach dem TV Bericht, noch einmal mit ihm anzugehen. Ohne Erfolg.

Ich bin geboren 1964. Aus meiner Erinnerung hieß es, wir sollten in das Hamburger Kinderheim nach Wyk auf Föhr verschickt werden, weil wir zu oft an Mandelentzündung erkrankt waren. Es wurde durch unsere Kinderärztin verordnet. Wir sind nicht als Geschwisterpaar gefahren.
In welchem Jahr ich verschickt wurde kann ich nicht sagen, auf jeden Fall vor der Einschulung. Vielleicht war ich 4 Jahre alt. Es ging los vom Bahnhof Hamburg-Altona nach Wyk auf Föhr. Ich habe keine Erinnerung wer die reisenden Kinder begleitet hat.
Ich litt sehr unter Heimweh und habe viel geweint. Ich musste wegen des Weinens oft im Waschraum übernachten. Daran ist meine Erinnerung so groß- nur mit Bademantel auf dem Boden oder auf einer Holzbank. Der Waschraum wurde abgeschlossen.
Ich erinnere mich an den Schlafsaal; an dessen Eingangstür ein kleinerer Raum war mit einer kleinen Tischlampe. In diesem Raum saß immer eine Frau (Tante) und die hielt „Wache“. Wenn ich weinte holte diese Frau mich aus dem Bett und ich musste in den Waschraum.

Ich wurde krank und kam auf die Krankenstation (hohes Fieber). Von da aus wurde ich zurück nach Hamburg geschickt.

Die ersten Worte in Hamburg-Altona von meinem Vater und meiner Großmutter waren: Oh Gott, was hat das Kind für eine dicke Mütze auf, hattest du die die ganze Zeit auf. Das Kind sieht schlechter aus, als zu dem Zeitpunkt als es losfuhr.
Ich habe keine Erinnerung ob mich jemand auf der Rückfahrt begleitet hat. Mein Vater und meine Großmutter hatten mir einen Spielzeug-Hund mitgebracht zum Bahnhof der so an einer Schnur laufen konnte und auch bellen konnte (mit Batterie). Erst dann soll ein Lächeln meinerseits gekommen sein.
Ich erinnere mich noch daran, dass wir Kinder in Wyk immer Muscheln gesammelt haben. Ich hatte einen wunderschönen Beutel von meiner Mutter genäht bekommen. Auf den war ich sehr stolz.

Im Laufe meines Lebens habe ich immer mal wieder von dieser Waschraum - Geschichte berichtet und sah immer diesen kleinen Raum an der Schlafsaal - Eingangstür vor mir.
Ich war erstarrt, als ich solche Bilder im TV vom Wyker Kinderheim sah.

Ich bedaure sehr, dass so viele Kinder so so schlimme Erfahrungen gemacht haben.Meine Erfahrung ist dagegen sehr klein und nicht von großem Belang/Interesse.
Ich habe mit meinen Kindern und meinem Ehemann darüber gesprochen und bin zu dem Entschluss gekommen, hier meinen kleinen Beitrag zu leisten. Ich bin erschüttert, dass mich dieses Thema nach über 50 Jahren einholt.

Eines noch: Erst seit ca 2009 bin ich das erste Mal wieder nach Föhr gereist. Bei jedem Spaziergang am Kinderheim vorbei, stockt mein Atem. Ich habe auch mal in die Fenster des Kinderheimes geschaut, es war kein gutes Gefühl.

Die Insel Föhr, mit seinen lieben Insulanern, ist zu einem meiner Lieblingsreiseziele geworden. Ich glaube für mich hat sich ein „Kreis“ ums Thema Verschickung geschlossen.

Ich wünsche allen betroffenen Kindern von damals (8 Mio!!!!) nur das Beste.
Ich werde diese Berichte hier weiter verfolgen.
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Anette Setzler-Bändel schrieb am 26.09.2019
Die Sendung von Report Mainz hat mir ein bis dato erfolgreich verdrängtes Trauma schlagartig ins Bewusstsein geholt. Ich bin im Haus Heckenrose auf Norderney gewesen, vom 19.2. - 1.4.65, von der Techniker KK bezahlt und der AWO organisiert. In dem Sommer wurde ich 6 und sollte meinen Dauerhusten als Ruhrpottkind loswerden, außerdem war ich etwas dünn. Ich hatte so viel Heimweh wie nie (obwohl ich öfters, auch für 2 - 3 Wochen schon allein bei meinen Großeltern gewesen war)
Dass mit dem aufpäppeln hat nicht geklappt durch Suppen, die mehr Wasser als Suppe waren, durch rohe, ungewaschene und ungeschälte Karotten, die mir den Bandwurm eingetragen haben, den ich mit nach Hause brachte. Haferschleimsuppe im Kinderheim hat dazu geführt, dass ich als Schulkind die Haferflocken, die ich mit Milch jeden Morgen essen sollte, mit viel Verachtung gegessen habe. Ich habe sie manches Mal, weil meine Eltern, mit recht, von der Nahrhaftigkeit überzeugt waren, ins Klo geschüttet und, als Mutti mir auf die Schliche kam und geschimpft hat, hab ich sie aus dem Fenster im 3. Stock geschüttet. Pech für mich, hatte die Nachbarin unten drunter in der Wohnung ihre Betten zum Lüften im Fenster liegen. Es gab mächtig Ärger, aber Haferflocken musste ich nur noch, wenn ich sie wollte essen! Nach der Kur war ich eher abgemagert und vor allen Dingen krank vor Heimweh und meinte auch vorzeitig wieder heim geschickt worden zu sein, aber ich denke, das war der Wunschgedanken der Kleinen.
Durch den Bericht war auf einmal die Szene wieder da, dass auch ich ein Pflaster über dem Mund hatte, damit ich nicht reden kann und heute Morgen wurde mir bewusst, dass ich noch heute lieber "den Mund halte, wenn es mir schlecht geht, oder ich mich beschweren müsste" als dass ich rede. Ich erinnerte mich an große Schlafsäle, in dem ich mich in den Schlaf weinte (zumal meine Puppe, die ich dabei hatte, weg gesperrt war in einen Schrank - auch das ist gestern Abend plötzlich als Erinnerung wieder da gewesen) und an unfreundliche "Tanten", die mit Strafen schnell dabei waren zum Beispiel ist mir eine Szene eingefallen, wo ich auf dem Boden knie in dem großen Waschraum und putze mit meinen nackten Kinderknien. Diese großen Steinwaschbecken, an denen wir uns morgens im ungeheizten Waschsaal in Reihe gewaschen haben mit eiskaltem Wasser und nur mit Höschen bekleidet sind mir wieder ins Bewusstsein gekommen und woher mein Ekel vor ungeputzten mit Zahnpastaschlieren verschmutzen Waschbecken noch heute kommt ist mir auch auf einmal klar. Ebenso habe ich jetzt das Gefühl, dass da noch was zu heilen ist, und ich dann nie mehr Gewichtsprobleme, „Lebensmittelallergien“ und Durchschlafprobleme haben werde – das macht gerade so viel Sinn, dass damals in diesem Kuraufenthalt die Trigger für das was ich heute noch habe liegen. Hagebuttentee mag ich bis heute noch nicht wieder. Überhaupt die Hagebutten (Haus Heckenrose!) die auf dem Weg zum Strandspaziergang wuchsen: das waren aber eher die Mit-Kur-Kinder-Jungs, die diese gepflückt und aufgemacht haben und das „Juckpulver“ überall im Bett verteilt und auch hinten in den Kragen gesteckt.
Die Insel Norderney hat es mir nicht verdorben. Ich war nie wieder in der Kinderlandverschickung. Meine Mutti ist ab 1966 mit mir immer privat in den Osterferien dorthin gefahren in ein privates Zimmer in der Nordhelm-Siedlung und sowohl sie, als auch ich, lieben Norderney bis heute. Die "Tanten" werden längst verstorben sein, das Haus Heckenrose gibt's nicht mehr, wem nutzt der Ruf nach Aufarbeitung noch? Meine Eltern, der Kinderarzt, alle haben es gut gemeint und wollten mir was Gutes tun. Okay, mir nutzt es die Aufarbeitung, die über 54 Jahre später angestoßen wird, mir, die weiß, sie war damals nicht allein und ist es heute nicht, es gibt Tausende davon und es ist wichtig darüber zu reden und sich den Schatten zu stellen.
Es gibt nicht nur böse Erinnerungen an jenen Kuraufenthalt: z. B. Matjes in Gelee, den manche als traumatisierend erlebt haben mag ich heute noch und auch Schwarzbrot hat man mir dort nicht verleiden können. Als Wasserratte, die ich schon lange bevor ich schwimmen konnte war, erinnere ich mich an das Wellenbad sehr gerne. Aus Erzählungen weiß ich, dass auch meine Eltern Heimweh nach mir hatten und einmal an einem Wochenende auf die Insel kamen, wo sie mich aus der Ferne am Strand beobachtet haben – gut heraus zu kennen aus all den Kindern mit meinem roten Mantel und Kopftuch. Irgendwie hab auch ich das Bild von ihnen, wie sie weit weit entfernt auf einer Düne stehen, meine Mutti im blauen Mantel, auch mit Kopftuch, und mein Papi. Besuchen durften sie mich selbstverständlich nicht, sie wurden am Eingang abgewiesen. Meine Mutter erzählte mir kürzlich, dass sie weiß, dass dieser Aufenthalt alles andere als erholsam für mich war, aber unternommen haben sie damals nichts.
Seit den 80er Jahren war ich nicht mehr auf Norderney. Im November 2009 zog es mich erstmals wieder hin, in die Pension, in die Mutti seit den 80er Jahren jedes Jahr ein- bis zweimal fuhr. Ich besuchte auch das Wrack am Ostende der Insel, was im Dezember 1967 dort gestrandet war und an das ich mich aus Kindertagen als hochaufragendes Schiff erinnern konnte.
Dort saß ich dann und weinte, als erwachsene Frau mit 50 Jahren, und wusste nicht warum. Ich sah mich als kleines trauriges Mädchen und wusste nicht, warum es so traurig war auf Norderney.
Jetzt weiß ich, was ich dort geheilt und aufgearbeitet habe, denn ich liebe diese Insel und die Nordsee bis heute, auch wenn mein erster Aufenthalt dort traumatisierend war.
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Uschi Pietzsch schrieb am 26.09.2019
Hallo Herr Martin M. gerne kann ich Ihnen einige Dinge zukommen lassen. Wie können wir unsere Kontaktdaten austauschen?
Herzliche Grüße Uschi P.
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Andrea schrieb am 25.09.2019
Hallo,
der Bericht im ARD hat mich sehr aufgewühlt, ohne eigen Erinnerung/Gedanken an eine Verschickung ,aber mein ganzer Körper reagierte massiv.
Mir fiel ein .....immer wenn ich Michlreis angeboten bekomme,meine spontan Antwort....Nein,danke ich war in Bad Sassendorf.
Meine Frage ......wurde man dort gezwungen Milchreis zu essen .?
Ist bestimmt nur eine Kleinigkeit, aber ich bin 1963 geb.und mir fehlen sämtliche Kindheitserinnerungen
Ich befinde mich deshalb seit Jahren in Therapie.
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Angelika Hill schrieb am 25.09.2019
Hallo Kirsten
Ich War 1976/77 dort und es war schrecklich.
Schläge schlechtes Essen Bestrafung bei der Mittags Ruhe wenn man nicht Ruhig war usw .
Bis heute geht es mir damit nicht gut .

Bin von der Barmer Ersatzkasse geschickt worden 6 Wochen im Sammelzug aus Stuttgart .
Melde Dich mal.

Viele Grüße
Angelika
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Rosi schrieb am 25.09.2019
Hallo Stefan,

sag doch DU - wir haben doch alle mehr oder weniger den selben Mist erlebt und sind doch alle "Opfer"!!!

Eigentlich traurig zu lesen, dass es so viele "Opfer" gibt. Ich bekomme hier jedes mal "Gänsehaut" und ich verspüre eine leichte Übelkeit, eine innerliche Anspannung und Vibrieren, ein Zittern überall.... Puls wird schneller, eine gewisse Angst oder Panik macht sich breit!

Also körperlich Misshandlungen habe ich leider schon erfahren, nicht nur Schläge, ich wurde auch "verbrüht"! Man hat meine Hand oder besser mein Handgelenk unter kochend heißes Wasser gehalten. Ich hatte Verbrühungen 3. Grades! Mir wurde danach eingetrichtert, eine nette Geschichte über einen kleinen Unfall zu erzählen, wenn mich der Arzt fragen sollte, wie das denn passiert sei. Und wehe du sagst auch nur ansatzweise etwas anderes!!! Ich hatte solche Angst, ich hatte gar nichts sagen können, nicht ein Wort!!! So hatte die Tante freie Bahn zu sagen was immer sie wollte. Letztendlich hat ein anderes Kind "versehentlich" das heiße Wasser aufgedreht, während ich mit meinem Handgelenk darunter war!

Wenn ich heute darüber nachdenke, dann klingt das lächerlich!!! Das Wasser wird gar nicht so heiß um sich so stark verbrühen zu können. Wir Kleinen waren viel zu klein um überhaupt an den Wasserhahn zu kommen, dazu brauchten wir Schemel und dann konnte nur ein Kind zur Zeit am Waschbecken sein. Also alles Quatsch! Mich wundert schon sehr, dass die Ärzte dort nicht irgendwann Verdacht schöpften, weil sich die Verletzungen doch sehr häuften. Meinen Geburtstag verbrachte ich dort, mit verbrühtem Handgelenk und fast täglichem Arztbesuchen. Das waren aber in sofern Tage mit Abwechslung, weil man mal rauskam. Wir waren ja nur drinnen!!! 6 Wochen nur im Haus!!!

Die Postkarten nach Hause, schrieben die Tanten, da wir ja nicht lesen und schreiben konnten, wir waren noch zu klein. Meine Mutter glaubte die Lügen, die dort geschrieben wurden: "Mir gehts es gut. Hier ist es wunderschön. Sind jeden Tag am Strand und sammeln Muscheln oder draußen an der frischen Luft. Wir spielen fiel und die anderen Kinder sind alle nett. Auch wenn es hier noch so schön ist, freue ich mich wieder auf mein Zuhause, wieder bei euch zu sein!" So ähnlich eben... (kotz! Sorry!) Und damit es dann auch glaubwürdig wurde, gab man uns bei der Abreise "Muscheln" mit, die wir angeblich selbst gesammelt, gesäubert und getrocknet hatten und das obwohl wir NIE am Strand waren!!!

Mein Zuhause war zwischen 850 bis 900 km entfernt, lag damals in Baden-Württemberg, das schöne Karlsruhe..... wer schickt so kleine Kinder sooo weit weg???? Keine Ahnung was man sich dabei gedacht hatte!!!
Wo warst du denn her, Stefan? Wenn ich fragen darf...

Stichwort Tee: "Ich musste immer Kamille trinken, was ich nicht mochte. Eingetragen war Pfefferminz-Tee, den ich aber nie zu trinken bekam!" Saft oder Obst gab es nie, Salat auch nicht. Dafür viel Eintöpfe und Suppen, besonders die olle Käsesuppe (würg), da kommt es mir noch heute hoch!!!

Kurz gesagt: "ES WAR DIE HÖLLE!!!"
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Martin M. schrieb am 25.09.2019
Hallo Uschi Pietzsch,
ich bin froh endlich jemanden gefunden zu habe, der auch in Bad Reichenhall in der Klinik für Lungenleiden war. Ich konnte mich an überhaupt nichts im Bezug auf diesen Aufenthalt erinnern, bis im Jahr 2014 während eines Reha-Aufenthaltes ein Oberarzt mit Hilfe von EMDR meine Traumata aufdecken konnte. Seit diesem Tag arbeite ich an den vielen Traumata. Das Aufdecken der Traumata ist sehr schwierig, ebenso das Durchleben und die Verarbeitung. Sehr schwierig für mich sind auch die persönlichen Annahmen dieser vielen sehr schlimmen lebensbedrohlichen Straftaten, die mir während diesem Aufenthalt 1967 widerfahren sind. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir Ihre Daten, Adresse und Bilder des Aufenthaltes zur Verfügung stellen könnten.
Vielleicht ist es Ihnen genauso ergangen wie mir , dass Sie diesen Aufenthalt oder ein Teil davon, dissoziiert haben.
Ich brauche noch Zeitzeugen, die auch in dieser Klinik waren und schlimmes erlebt haben.

Vielen Dank für Ihr Antworten.

Herzliche Grüße Martin M.
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Petra Vierecke schrieb am 25.09.2019
Kinderheim Cuxhaven-Duhnen – ein Trauma

Gern wurde in der Familie folgende, lustige Geschichte erzählt:

Wir wohnten nach der Flucht in Elmshorn. Dort sollte ich eingeschult werden – vermutlich Ostern 1950 (geb. Sept. 1944) –, war aber nicht erschienen. Also kam die Polizei. Denn bekanntlich waren Flüchtlinge asoziale Menschen. Wir sind Baltendeutsche aus Riga. Meine Mutter hatte selbstverständlich in der Schule am Propstenfeld Bescheid gesagt, dass ich im Kinderkurheim in Duhnen bei Cuxhaven bin. Sie hatte Arbeit beim Postsparkassenamt in Hamburg gefunden. Es war ein Posterholungsheim für Kinder.

Nur ein Bild habe ich noch vor Augen: Wie wir vor der Toilette morgens Schlange stehen und jede bekommt von der Tante ein kleines Stückchen Klopapier von der Rolle, die sie in der Hand hält.

Aber da müssen traumatische Dinge passiert sein, die ich ganz tief vergraben habe.

Vermutlich rührte nämlich meine panische Angst vor Autoritäten daher: bloß nichts falsch machen, so unauffällig wie möglich mich verhalten, mich nicht wehren. Weder verbal, geschweige denn körperlich.

Und was meine Mutter betrifft, so hatte sie mich zum zweiten Mal im Stich gelassen. Dessen war sie sich natürlich nicht bewusst, diese Verschickung zur Kur war doch ein großartiges Geschenk! Warum mein drei Jahre älterer Bruder nie verschickt wurde, weiß ich.

Auf unserer Flucht an der pommerschen Küste entlang waren wir auf einem Küstenmotorschiff. Ich war sechs Monate alt, das war im März 1945. Mit anderen Säuglingen war ich in einer Art Schublade abgelegt worden. Das Schiff fuhr auf eine Seemine und drohte zu sinken. Meine Mutter konnte sich nur um meinen Bruder kümmern, der an ihr klammerte. Sie hatte auf seine Brust einen Zettel geklebt mit seinem Namen. Sie war sportlich, 24 Jahre alt und wollte mit ihm an Land schwimmen. Aber so weit kam es nicht, mit letzter Mühe und halb abgesoffen, erreichte das Schiff Swinemünde, weil das meiste Gepäck und Sachen von Gewicht über Bord geschmissen worden waren.

Diese Geschichte hat mir mein Omachen wieder und wieder erzählt, als ich etwa vier, fünf Jahre alt war. Und jedes Mal habe ich dann gefragt: „Und ich? Was sollte aus mir werden?“
„Ist doch gutgegangen, das Schiff ist doch nicht gesunken!“, sagte sie dann.
Kurz bevor meine Mutter starb bat ich sie, mir diesen Teil unserer Fluchtgeschichte mit ihren Worten zu erzählen. Sie sagte – wir weinten zusammen –, dass es so war, dass sie sich hätte entscheiden müssen, meinen Bruder und nicht mich zu retten.
Aber niemand konnte mir je sagen, wie ich denn eigentlich vom Schiff gekommen bin – wer hat mich runtergetragen?


Nun weiß ich, warum ich immer so traurig hinterhergucke, wenn die Erstklässler mit Schultüte und Verwandten zur Einschulung gehen. Das habe ich nie erlebt.
Wenn ich Geburtstag hatte, am 16. September, wurde ich auch nicht richtig gefeiert, denn mein Bruder hatte am 15. September Geburtstag. Es wurde Pflaumenkuchen gebacken, der dann auch am nächsten Tag für mich noch reichte.


Hamburg, den 16. September 2019

Petra Vierecke, Hamburg
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Christa M aus O schrieb am 25.09.2019
hallo Jutta,
ich war 1964 auf Amrum, da war ich 12 Jahre. Wir mussten uns nackend ausziehen und mit Schutzbrille im Kreis laufen. Dabei schauten Leute zu, wer genau, weiß ich nicht mehr. Es war grauenvoll. Als ich wieder zu Hause war, habe ich das ganze verdrängt bzw. es hat mich nicht groß kaputt gemacht. Die Tanten waren streng, man durfte nicht auf die Toilette. Das war für mich das schlimmste. Meinen Eltern habe ich nichts erzählt. Alles war schrecklich. Hoffentlich erwischt man noch Verantwortliche.
Gruß Christa
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Günter schrieb am 24.09.2019
Tief betroffen habe ich die Berichteder Verschickungskinder gelesen.
Auch mich hatte man in den 50er Jahren ‚verschickt‘ in ein Heim auf Föhr. Kostenträger war die DAK. Mein damaliges Alter kann ich nicht mit Gewissheit sagen.
Die beschriebenen Erlebnisse – die bei mir bis auf bis auf einige gravierende Vorkommnisse fast verschüttet waren – wurden für mich plötzlich wieder ganz präsent.
Diese 6 Wochen waren traumatisch für mich. Wir Kinder wurden Tag für Tag so erniedrigt, dass es fast ein Wunder ist, wie es die Kinder von damals verkraftet haben.
Gut erinnern kann ich mich noch daran, wie ich mehrmals meinen Teller nicht aufessen konnte (ich weiß nicht mehr den Grund, warum). Ich weiß noch, wie ich in den Teller erbrochen habe und wie ich gezwungen wurde, so lange sitzen zu bleiben, bis ich alles (auch das Erbrochene) aufgegessen hatte. Auf Toilette gehen war währenddessen verboen
Täglich wurden Kinder vorgeführt, die ins Bett/ in die Hose gemacht hatten. Alle Kinder wurden aufgefordert, diese Kinder auszulachen.
Redeverbot, Lachverbot, auch Weinen war verboten, Toilettenbesuch nur zu bestimmten Zeiten – das alles war genau so, wie beschrieben.
Ich habe auch noch Erinnerungen, wie sehr ich immer gefroren hatte. Wir durften oft trotz kühler Witterung oftmals nicht mit Schuhen Spaziergänge machen, sondern nur barfuß.

Ich frage mich nur, warum so viele Tausende Kinder das ertragen mussten. Als ich meinen Eltern davon erzählte, sie wollten/konnten es nicht glauben.
Es war wohl die Zeit, in der eine ‚lockere Hand‘ bei den ‚Tanten‘ normal und gesellschaftlich akzeptiert war.
Das setzte sich für mich übrigens auch in der Schule fort.
Meine Erfahrung: es gab z.B. in der Heinrich-von Bibra-Schule in Fulda nicht einen Lehrer, der nicht geschlagen oder anders körperlich Gewalt ausgeübt hätte.
Gottseidank ist so ein pädagogisches Personal heute wohl ausgestorben. Das wäre meine Hoffnung.
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Christiane H. schrieb am 24.09.2019
evtl. gibt es Antworten über WIKIPEDIA. Da hab ich auch einiges gefunden.
..
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Birgit schrieb am 24.09.2019
Ich bin Jg. 1958 und wurde vielleicht mit 11/12 Jahren (jedenfalls vor der Pubertät) „verschickt“. Ich freute mich riesig darauf. Denn meine Nachbarin und Freundin wurde alljährlich „verschickt“- nach Sylt- und irgendwie hinterließ das in mir ein Gefühl, das sei etwas ganz Tolles. Meine Mutter arbeitete seinerzeit bei der Post als Angestellte; so war es wohl die Betriebskrankenkasse, die diese Maßnahme finanzierte.
Ich landete im Kinderheim „Quisisana“ in St. Peter-Ording.
Von Anfang an war es dort schlimm für mich. Morgens wurden wir eiskalt mit einem Gartenschlauch im Bad abgespritzt. Keine Ahnung, ob wir uns davor warm gewaschen oder gar geduscht hatten. Der Boden war gefliest und ebenso eisig wie das Wasser.
Die Ausgabe der Wäsche fand auf einem zugigen Flur statt. Die Betreuerin, die wir „Tante“ nannten, stieg auf eine Leiter und holte aus dem hohen Wandschrank die jeweiligen Wäscheteile. Auswählen durfte niemand. Und wenn doch, wurde dem nicht gefolgt, denn es war immer verkehrt. Ich hätte so gerne die extra gekaufte zweiteilige Unterwäsche angezogen, ein Bustier und Höschen, die erste mädchengerechte hübsche Wäsche. Als ich es dann endlich durfte, wurde ich verhöhnt, ausgelacht. Und als die neuen Teile später aus der Wäsche kamen, konnte ich nur noch weinen- völlig verwaschen und verfärbt. In den Schlafsälen musste absolute Ruhe herrschen. Die „Tanten“ kontrollierten. Wer weinte, wurde ausgeschimpft, auch lächerlich gemacht als Heulsusen, nicht aber getröstet.
Einmal bekam ich ein Paket mit vielen Süßigkeiten- kein Stückchen davon blieb bei mir. Es wurde alles aufgeteilt unter dem Hinweis der Gleichbehandlung. Ich war empört.
Da ich damals schon im Gymnasium war, wurde ich allein schon deswegen verhöhnt und als „Abiturientin“ bezeichnet (obwohl noch weit davon entfernt). Und immer im Zusammenhang damit, dass ich etwas nicht wusste.
Die Post nach Hause wurde zensiert. Als ich einmal schrieb ich wolle nach Hause, wurde ich gemaßregelt, wie ich so etwas schreiben könne. Der Brief wurde nicht abgeschickt. Ich versuchte mit Worten in Anführungszeichen eine negative Bedeutung zu übermitteln. Auch das wurde zensiert, verboten. Ich wurde bloßgestellt: als Gymnasiastin müsse man doch wissen, was Anführungszeichen bedeuten.
Und schließlich erinnere ich die nicht enden wollenden Kniebeugen am Strand zum Lied „Laurentia“. Das sollte wohl Freude machen. Mir nicht.
Alles in allem ein Drill, „Tanten“ ohne Empathie, statt dessen voller Bösartigkeit, Missgunst und gnadenloser Härte. Da war nichts Warmes oder Freundliches bei den Frauen. Geholfen hat mir ein Mädchen. Ich meine, sie war ein, zwei Jahre älter und wohl schon öfter dort gewesen und sie wusste, wie „der Hase lief“. Sie hat mich getröstet beim Heimweh und all der Häme, die ich abbekam.
Lange nach dem Aufenthalt fand ich einen Verlaufs-/Heimbericht bei den Unterlagen meiner Mutter, den ich las. Dort stand, ich sei ein störrisches Mädchen, dass Wiederworte gab, sich nicht einfügen wollte und Erziehungsschwierigkeiten machte. Im Verlauf des Aufenthalts habe sich das etwas gegeben.
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Jutta Debnar-Daumler schrieb am 24.09.2019
Meine Verschickungsgeschichte datiert aus dem Jahr 1965. Ich war unserem Pastor während des Konfirmandenunterrichts aufgefallen. Meinen Eltern gegenüber behauptete er, ich sei blass und habe einen schiefen Gang. Meine Eltern stimmten einer Verschickung nach Wittdün auf Amrum in das Lenz-Heim zu.
So wurde ich zu Beginn der Sommerferien von einer Bekannten meiner Eltern dorthin begleitet. Schon die Anfangsunteruchung war der reine Hohn, wurden doch bei allen Kindern unterschiedslos Untergewicht und schlaffe Haut diagnostiziert. Ich erinnere mich nicht mehr an alle Details, deshalb in Kurzform das, was mir nach Jahrzehnten noch lebhaft vor Augen steht:
Wir hatten vom Speisesaal aus einen schönen Blick auf das Wattenmeer, ersten vorsichtigen Wasserkontakt nach 10 Tagen, nur mit den Füßen, versteht sich. Angeblich bekam ein Kind anschließend Fieber, sodass für den Rest der sechs Wochen absolutes Badeverbot für alle Insassen verhängt wurde.
Außer den zwölf Stunden Nachtruhe gab es auch noch eine zweistündige Mittagsschlafenszeit für alle, egal welchen Alters. Eine Wache saß im Eingang zum Schlafsaal.
Nach dem Mittagsschlaf gab es eine zusätzlich Mahlzeit, also insgesamt vier Essenszeiten. Dass Kinder erbrochenes Essen erneut schlucken mussten, war auch hier Usus.
Bewegungsspiele? Fehlanzeige. Die seltenen Spaziergänge liefen so ab, dass man paarweise gemessenen Schrittes einen kurzen Weg zurücklegte, die Mädchen mit Kopftuch, die Jungen mit Kappen oder Mützen vor der Sonne geschützt.
Das Liedgut wurde in anderen Berichten genauso beschrieben, wie auch ich es erlebt habe.
Zu den Verhaltensregeln: Ich war in dieser Zeit mit knapp dreizehn Jahren die älteste und mir wurde eine besondere Vorbildfunktion zugeschrieben. Wegen des kinderfeindlichen Regiments hätte ich aber ohnehin nicht opponiert. Mir taten nur die wesentlich jüngeren Kinder sehr leid, die teilweise Hospitalismussymptome zeigten.
Zensur der Post fand auch hier statt.

Die schlimmste seelische Folter möchte ich genauer schildern:
Gegen Ende unserer Mastkur - bei allen waren Gewichtszunahme und straffe Haut als Kurerfolg festgestellt worden - wurden einige Kinder, darunter auch ich, des Diebstahls einer Geldbörse von einer der "Tanten" verdächtigt. Wir wurden in einen Nebenraum gesetzt und mussten dort warten, bis wir einzeln garufen wurden. Den Speisesaal hatte man in einen Gerichtssaal umfunktioniert mit Tischen, hinter denen die Heimleitung saß, und Stuhlreihen für alle Insassen.
Ich wurde aufgefordert, mich vor den Richtertisch zu knieen. Die drei "Richter" sprachen im Chor: Wir sind das schweigende Gericht. Gibst du zu, während des Mittagsschlafs heimlich unter der Bettdecke gelesen zu haben? Ich bekannte mich schuldig. Die Richter sprachen wieder im Chor: Wir sind das schweigende Gericht.Wir verurteilen dich dazu, ein Kleidungsstück auszuziehen.
Wohlgemerkt: Vor der versammelten Kindergruppe!!!
Diese Vorgehensweise wiederholten die Richter noch ein paarmal, die Beschuldigungen wurden immer absurder. Schließlich half mir die Idee, auf eine erneute Beschuldigung einfach gar nicht, also schweigend zu reagieren. Und damit war ich gerettet. Zum Glück hatte ich meine Kleidungsstücke schon sehr kleinteilig abgelegt, also beispielsweise nur einen Schnürsenkel etc.
Ich hatte das "schweigende Gericht" durchschaut und durfte mich nun in den Zuschauerraum setzen. Dort wurden nun auch viel jüngere Kinder dieser widerlichen Prozedur ausgesetzt und natürlich bis auf die Unterhosen ausgezogen. Hinterher nannte man diese Art der Folter "ein Spiel".
Am Ende dieser quälenden sechs Wochen hatte ich das Gefühl, dass dauernd schlechtes Wetter gewesen sein musste, denn ich war so blass wir vorher, dafür aber aufgequollen. Nordseeferien kannte ich bisher ganz anders, war ich doch jedes Jahr drei Wochen bei meiner Oma auf Juist gewesen, wo ich mich immer prächtig erholt habe. Da sie als Änderungsschneiderin den ganzen Tag an der Nähmaschine saß, konnte ich mich völlig frei bewegen, in den Wellen hüpfen, Sandburgen bauen usw.
Mir ist eine derart entsetzliche Zeit zu meinem großen Glück nur ein einziges Mal zugestoßen, und ich kann von mir sagen, dass ich keine bleibenden Traumata zurückbehalten habe. Das ist sicher auch meinem damaligen Alter geschuldet.
Meine Eltern haben gespürt, dass die Verschickung keine gut Idee gewesen war. Offen ausgesprochen habe ich es wohl nicht. Zu zwei Kindern hatte ich einen guten Kontakt aufgebaut und konnte sie noch einmal besuchen. Dafür haben meine Eltern einige hundert Kilometer Fahrt auf sich genommen. Eine kleine Wiedergutmachung.
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Doris schrieb am 24.09.2019
Ich war in Hirschegg im kleinen Walsertal und habe furchtbare Erinnerungen daran.
Es gab Jahre in meinem Leben, an denen ich vor Heimweh nicht reisen konnte, ja nicht einmal das Haus verlassen konnte. Ich kämpfe manchmal noch heute ( 57 Jahre) mit den traumatischen Erlebnissen allein der Zugfahrt....
Mit dieser Seite ist mir ein Fenster aufgegangen: Dass ich nicht allein bin, auch wenn meine Familie all dies negieren will, dass es auch andere gibt, die dem ausgesetzt waren und noch heute darunter leiden, dass es eine Möglichkeit gibt, diese Dinge und die daraus resultierenden Ängste und psychischen Beschwerden aufzuarbeiten und zu heilen und wieder ganz zu werden.
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Uschi Pietzsch schrieb am 24.09.2019
Hallo Frau Röhl und Herr Martin M. auch ich war im Januar 1966 mit 5 Jahren, wegen Bronchitis in dieser Lungenheilanstalt in Bad Reichenhall.
Das einzige was mir noch in Erninnerung ist und das bis heute, ist dass mir als wir Mittagsschlaf halten sollten, mir mein Hausschuh auf den Kopf geschlagen wurde, da ich es wagte den Kopf zu heben um mich im Schlafsaal umzusehen. Desweiteren ist mir in Erinnerung dass es diese schreckliche weise Speise gab vor der ich mich ekelte. Dass dies eine Milchsuppe wohl war habe ich aus den Berichten auf Facebook erfahren. Es ist erschreckend zu lesen dass es nicht nur mir so erging,sondern wohl noch viel schrecklicheres den anderen Kindern damals. Dass ich alleine da hin musste mit vielen anderen Kindern hier aus dem Saarland war alleine schon beängstigend und meine Mutter meinte später mal zu mir, dass ich nach den sechs Wochen ganz verändert wieder zu Hause ankam. Wie gesagt außer das mit dem Hausschuh kann ich mich an nichts anderes erinnern, außer dass ich bis heute Platzangst habe, eventuell hat dies damit zu tun,da ich mit anderen Kindern zusammen in so einen Raum mussten, um zu inhalieren, der vollkommen abgeschlossen war. Was ich Ihnen Fr. Röhl übersenden möchte sind Original Unterlagen von der Genehmigung meiner Kur über die Saarknappschaft und ich besitze noch ein Gruppenbild, des Weiteren habe ich noch Postkarten die damals in meinem Namen an meine Mutter gesendet wurde und eine original Kostenabrechung mit Namen von einer der Fräuleins.
In den 70ziger Jahren waren meine beiden Schwestern und ich in einem Erholungsheim hier im Saarland. Zwei Jahre später , kam die Kripo in meine Schule und befragte mich als Zeugin, ob mir etwas in diesem Kinderkurheim aufgefallen wäre, oder ob mir jemand zu nahe gekommen sei. Meine Mutter erzählte mir später, dass die Kripo morgens zu erst bei ihr daheim gewesen wäre und ihr erklärt hätte dass da wohl in diesem Heim es zu sexuellen Übergriffen von seitens des Personals zu manchen Kindern wohl gekommen sei.
Herzliche Grüße Uschi P.
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Corinna schrieb am 24.09.2019
Hallo,
mein Name soll Corinna sein und ich habe gerade mit Frau Röhl telefoniert. Sie ermunterte mich, auch meine Geschichte darzulegen.
Zuerst.: Ein riesiges Dankeschön für die Initiative. Sie wird vielen Personen die Möglichkeit der – wenn auch manchmal späten – Aufarbeitung geben.

Ich war im Sommer 1964, gerade eben 10 Jahre alt, in den Schwarzwald, Birkendorf, geschickt worden. Es handelte sich um ein Heim der Barmer Ersatzkasse.

Eure aller Geschichten berühren mich zutiefst Es ist unsagbar schwierig, sich in eine Kinderseele zu versetzen und zu verstehen, nachzufühlen, auszuhalten, was es für ein Kind bedeutet, weggeschickt zu werden. Weg von zuhause, weg von den Eltern, Großeltern, Freunden. Aus dem Bett gerissen und mit dem gepackten Koffer in einen Bus gepfercht. Die Jungen hörten wahrscheinlich „Ein Indianer kennt keinen Schmerz und ein Junge weint nicht." Die Mädchen: „Das wird alles schön, sei froh, dass du dahin darfst.“
Bei mir war es so, dass ich mit meinen Eltern erst im Urlaub in Kaltern war. Wir hatten enge Familienurlaubszeit dort. Wandern, baden, erleben. Niemand hatte mir vorher gesagt, dass ich nicht mit nach Hause kommen würde. Dass man eine Rückreise über den Schwarzwald gebucht hat und mich dort bei völlig Fremden abgeben würde.

Am Abend, bevor der Bus (Bahn)? von Südtirol in den Schwarzwald fuhr, erklärte mir meine Mutter: "Du kommst nicht mit nach Hause, du bist zu dünn und jetzt gehst du auf eine Kur." Ich weiß nur noch, dass ich schrie. Alles andere, auch die Gefühle von damals in dieser Situation, sind verschüttet.
Das absolut Perfide an der ganzen Geschichte war, dass meine Eltern noch einige Tage in diesem Ort blieben, sich ans Heim anschlichen und beobachteten, ob es mir beim Spielen draußen gut ging. Sie waren dann wohl der Meinung und fuhren irgendwann nach Hause. Wenn ich mir heute vorstelle, dass ich in dem Heim die erste wirklich schlimme Situation meines Lebens bewusst erfahren hatte und dabei auch noch beobachtet wurde, brauche ich auch jetzt noch intensives Nachfühlen, um das überhaupt zu begreifen.
Interessant finde ich, dass beim Schreiben dieser Zeilen, bestimmte Gedanken und Gefühle über meine Schultern schauen: Du darfst doch nicht deine Eltern so öffentlich schlecht machen, du bist aber empfindlich, das ist doch jetzt schon so lange her. Nun mach aber mal einen Punkt .... Seltsam, nicht wahr? So werden viele von uns denken und genau das ist der Grund, warum es bis ruhig um dieses Thema war.

In dem Heim ging es mir wie vielen von Euch. Da ich zu dünn war (angeblich) wurde ich auf eine Art Mastkur gesetzt. Jeden Tag gab es entsetzliche Milchsuppen und ich war immer die letzte, die allein an einem langen Tisch saß und versuchte, das Zeug hinunterzuwürgen. Vorher durfte ich nicht aufstehen. Der Geruch des Speisesaals war eine Mischung aus Früchtetee, Milchsuppen und Erbrochenen.
Das Heimweh war unglaublich, ich weinte so viel, dass ich eine Augenentzündung bekam. Damals setzten Schlafstörungen ein, die ich heute noch habe. Ich weiß noch, dass ich immer durch dunkle Gänge gehen musste, um mir am Abend Baldrian-Tropfen zu holen. Ein einziges gutes Wort hatte wahrscheinlich einen besseren Effekt gehabt. Die Leitung des Heimes war eine ältere Frau, die von mir völlig abgenervt war, da ich mit meinen Schlafstörungen alles durcheinander zu bringen schien. Auf jeden Fall hat man dann versucht, mich durch Druck, durch Schimpfen und Drohen, zum Schlafen zu bringen. Jeder weiß, wie „gut“ das funktioniert.
Ich war gerade eben mit 10 Jahren in der Gruppe der älteren Mädchen und noch nicht aufgeklärt. Die Mädels haben sich damals den Spaß gemacht, mich mit ihrer Periode zu erschrecken. Die Ansicht des Blutes hat dem kleinen Kind in mir den Rest gegeben. Ich weiß noch, dass ich die „Tante“ fragte", was das bei den Mädchen bedeute. Sie sagte, das müsse ich später meine Mutter fragen. Mir wurde klar, wie „gefährlich“ dieses Hinausgeworfenwerden aus der Familiengruppe sein kann. Gefahr bis aufs Blut. Ich hatte wirklich Todesängste.

In dem Schlafsaal lag ein Mädchen im Nachbarbett, das nur ein wenig älter war als ich. Es kam aus Krefeld (?). In unserer Verzweiflung und Einsamkeit haben wir uns immer Botschaften in die Hände geschrieben. Sollte dieses Mädchen das hier lesen, bitte melde Dich über diese Seite bei mir.

Nach dieser Blut-Geschichte setzt meine Erinnerung aus. Ich weiß nicht mehr, wie ich von dort wieder heimgekommen bin. Vielleicht mit dem Bus – ich weiß es nicht. Ich weiß nur noch, dass ich hörte, wie einige Tage später meine Mutter zu meinem Onkel sagte, dass ich so fett wiedergekommen sei, dass sie das Kind nicht mehr auf Kur geben würde.

Sollte jemand den Sommer 1964 auch in diesem Heim gewesen sein, bitte schreibt auch hier. Ich habe noch zwei Fotos, weiß aber nicht, ob ich sie hier reinstellen darf, wegen des Datenschutzes.

Danke fürs Lesen!
Corinna
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Norbert schrieb am 24.09.2019
Das Haus Quisisana war meiner Erinnerung nach ein Klinkerbau aus hellen Steinen. Irgendwas mit Kellergängen und Schuhregalen ist mir in Erinnerung.
Auf jeden Fall war es entsetzlich dort!
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Susanne Dank schrieb am 23.09.2019
Ich bin leider auch wegen einer Verschickung traumatisiert, noch heute, mit 50 Jahren, belasten mich die damaligen Erlebnisse in Plön (?).
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Gabriele Bodesohn schrieb am 22.09.2019
Seit der Berichterstattung von Report Mainz kommen täglich neue Erinnerungen hinzu. Ich hätte nie geglaubt, dass außer mir so viele Kinder betroffen waren. Nach der Kur gab es keine Möglichkeit der Aufarbeitung. Erstens waren wir zu jung um Brieffreundschaften zu pflegen, ich musste auch erst wieder schreiben lernen, außerdem glaube ich, dass ich damals alles nur schnell vergessen wollte.
Im Spätherbst 1967 wurde ich im Alter von 7 Jahren, mit dem Ziel der Erholung nach häufigen Infekten( Angina, Stirnhöhlenvereiterung, asthmatische Bronchitis), nach Wangerooge ins Haus Meeresstern verschickt. Ich weiß noch, dass es im Vorfeld eine Liste gab auf der die benötigten Utensilien und Kleidungsstücke standen. Leider stellte sich später heraus, dass ich mit 2 Strickkleidern, den damals für Mädchen üblichen braunen Strickstrumpfhosen aus Polyester, einer Trainingshose und einem dünnen Anorak völlig unpassend ausgerüstet war für die kalte Jahreszeit an der Nordsee.
Ich habe dort ganz furchtbar unter dem Heimweh gelitten und konnte mir nicht vorstellen, wie lange 6 Wochen dauern.
Die Situationen während der Mahlzeiten wurden von vielen hier ja schon hinreichend beschrieben, das war hier auch ähnlich. Ich musste Erbrochenes zwar nicht wieder essen, das war auch nicht möglich, denn die im hohen Bogen erbrochene Suppe war über den ganzen Tisch verteilt. Ich musste sie allerdings selbst wegwischen und die anderen Kinder mussten am Tisch sitzen bleiben und weiteressen. Das Mitleid der anderen hielt sich verständlicherweise in Grenzen und ich musste den Rest des Tages alleine im Schlafsaal im Bett verbringen.
Viel schlimmer war jedoch, dass es verboten war, während der Ruhezeit und in der Nacht zur Toilette zu gehen. Viele haben geschrieben, dass sie zu Bettnässern wurden. Wie hätte man die Blasen- oder Darmkontrolle behalten sollen bei einem strikten Verbot, frage ich mich.
So habe auch ich regelmäßig eingenässt, vor lauter Angst vor der Nonne, die im Flur saß und aufpasste, dass niemand aus dem Bett aufstand. Bald hatte man gelernt, das nasse Laken mit einem Handtuch abzudecken und die Zudecke so zu drapieren, dass es nicht auffiel, die Unterwäsche war allerdings nass und trocknete am Körper bis zum Abend. Haben die Aufseherinnen die eingenässte Wäsche bemerkt, wurde man vor allen bloßgestellt.
Nach der Mittagsruhe gingen wir in Zweierreihen an den Strand vor dem Haus und konnten da im Sand spielen. Die nasse Unterwäsche vermischte sich mit dem Sand, der schnell durch die unpassende Kleidung eindrang und am ganzen Körper klebte. Wie Schmirgelpapier wirkte die Mischung aus Urin und Sand beim Spaziergang und ich war bald sehr wund im Genitalbereich und an den Innenseiten der Oberschenkel. Die Besuche im Badehaus trugen das Ihre zur Verschlimmerung bei. Hier standen große Holzzuber mit Meerwasser. Wir Kinder mussten uns nackt ausziehen und jeweils in einer Reihe vor einem Zuber auf dem kalten Boden warten bis wir zu zweit in einen solchen Zuber steigen mussten, um eine Weile darin zu sitzen. Da wir nackt in den Reihen standen, konnte ich sehen, dass Kinder die vor mir dran waren, mit Kot verschmierte Hintern hatten. Da das Wasser nicht ausgetauscht wurde, war mir klar, wo ich mich hineinsetzen musste. Der Ekel vor dem Kot im Wasser war allerdings nichts im Vergleich zum Schmerz an meinen wunden Stellen bei der Berührung mit dem Salzwasser. Gegen Ende der Kur war plötzlich unruhiges Treiben im Haus spürbar. Uns wurde gesagt, dass Scharlach ausgebrochen sei, und die Kinder ohne Ausschlag sollten nach hause fahren dürfen. Die Rückreise wurde schnell organisiert und auch Kinder mit Ausschlag wurden mit einer dicke Creme auf den betroffenen Stellen in den Sammeltransport verfrachtet.
Bei der Ankunft zuhause wurde aufgrund meiner schlechten körperlichen Verfassung gleich der Hausarzt gerufen. Ich hatte eitrige Ekzeme an den Beinen bis in den Genitalbereich, Fieber und Ausschlag wie bei einer Kinderkrankheit. Scharlach war damals eine meldepflichtige Krankheit und mit der Diagnose hätte ich ins Krankenhaus gemusst. Unser Hausarzt legte sich auf Masern fest und so konnte ich zuhause ankommen.
Ich hatte große Angst, dass meine Ankunft zuhause nur geträumt sein könnte. Während der Kur hatte ich oft von daheim geträumt und bin dann sehr traurig aufgewacht. Ich habe wohl einige Zeit gebraucht bis ich der Realität trauen konnte.
1972 kam ich dann nochmals zur Kur nach Oberjoch ins Heim Santa Maria. Dieses Heim wurde hier auch schon erwähnt. Es war auch sehr streng und die Schilderungen, angefangen bei der Entlausung nach der Ankunft, die kalten Güssen mit dem Wasserschlauch, kamen mir bekannt vor. Die Betreuerinnen gehörten bereits zur jüngeren Generation und waren im Umgang mit uns viel menschlicher als die Tanten auf Wangerooge. Außerdem war ich schon zwölf Jahre alt und konnte die Unterschiede trotz der strengen Regeln sehr wohl einschätzen. Wer sich anpasste kam einigermaßen zurecht.
Ich bin vor allem Frau Röhl, aber auch allen anderen die ihr Schweigen hier brechen sehr dankbar. Ich bin allerdings auch besorgt darüber, was das Aufleben der Erinnerungen mit uns machen könnte. Ein gut verdrängtes Trauma ist auch ein Schutz der Seele. Es ist dennoch gut so wie es jetzt ist, aber es wird wahrscheinlich eine Menge Arbeit auf uns zukommen. Vielleicht gelingt es, die Erinnerungen als überstandenen Kapitel in unsere Biographien zu integrieren.
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Yvonne schrieb am 21.09.2019
Hallo liebe Anja, hallo alle Verschickungskinder
ich war mit 5 Jahren 1979 mit meiner Schwester 8 Wochen über die Sommerferien auf Norderney. (Wir wurden dort 6 Jahre alt - der schlimmste Geburtstag meines Lebens).Erst auf der Fähre, bei hohem Wellengang, wurde mir klar, dass dies hier kein Auflug ist und ich hatte ab diesem Moment bis zu unserer Rückkehr ohne Pause starkes Heimweh. Die Tanten in weiß waren unfreundlich, schrien, drohten! Abends schrien Sie in unser Zimmer, dass wir die Luft anhalten sollen, sonst kommen wir in den Keller oder auf den Flur. Ich verstand das damals nicht und warnte die anderen Kinder, dass wir dadurch ersticken würden. Wir mussten immer die Teller leer essen - immer auch Milchsuppe oder so einen komischer Brei. Ich hatte am Stück Bauchschmerzen. Einmal war mir schlecht und ich sagte dies einer Tante beim Essen - sie schrie mich an, rührte mein Essen um (ich glaube sowas wie Hackbraten und Brei) und zwang mich alles zu essen. Beim Schlafen mußten wir alle in eine andere Richtung schauen. Sie haben uns mit vielen absurden Regeln zu teilweise zwanghaften Menschen erzogen!
Das nackige Baden im Meer war mir unangenehm. Ich kann mich noch an das Gefühl erinnern.
Einmal telefonierte eine Tante im Flur mit meinen Eltern. Ich hatte das irgendwie bemerkt. Meine Schwester und ich schrien und heulten - sie hielt den Hörer in die Höhe und eine andere Tante "führte uns ab". Vorher biss ich ihr aber noch in den Fuß - ihr könnt Euch vorstellen, was dann folgte. Ich war nach diesem Aufenthalt ein verschüchtertes, sehr angepasstes Kind mit viel Heimweh. Habe stark daran gearbeitet. Allerdings - wenn ich heute einen Bericht zum Thema sehen laufen die Tränen - einfach so.
Liebe Grüße,
Yvonne
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Margarete schrieb am 20.09.2019
Liebe Angelika,
vielen Dank für Deine Nachricht und Deinen Bericht. Wohltuend zu hören, dass es Eltern gab, die auf die Nachrichten ihrer Kinder reagierten und sich über die Konventionen der damaligen Zeit hinweg setzten. Diese Erfahrung, dass Du Dich auf Deine Mutter verlassen konntest, war sicher sehr wichtig für Dich. Deine Mutter wird Eindruck in diesem Heim gemacht haben, denke ich. Hoffentlich gab es zu dieser Zeit noch mehr Eltern die so entschieden auftraten, wie in Deinem Fall.
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Margarete schrieb am 20.09.2019
Liebe Brigga,
vielen Dank für Deine Nachricht. Es ist schon bewegend, wie jetzt alles wieder hoch kommt, zum Teil auch angezweifelt oder mit Kommentaren im Netz wie: "Das hätte ich mir nicht gefallen lassen", abgetan wird. Trotzdem ist dies eine wertvolle und wichtige Möglichkeit die Erfahrungen aus dieser Zeit zu veröffentlichen, einander darüber auszutauschen und ein kleines bißchen auch das Erlebte aufzuarbeiten.
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Stefan schrieb am 20.09.2019
Sehr geehrte Rosi,

ich habe Ihren Bericht gelesen - er spiegelt auch meine Erfahrungen:

"Das Essen war schrecklich. Es gab sehr viel mit „Käse“ und ich mochte keinen Käse. Also wurde ich zum Essen und Aufessen gezwungen. Und es gab viel mit Käse…. Käsesuppe, Käsebrot, usw… und weil ich keinen Käse mochte, musste ich gerade erst recht Käse statt Wurst auf dem Brot essen".

1971 wurde ich als 5 jähriger dort hingeschickt. Eine der Betreuerinnen, die wußte das ich keinen Käse mochte, gab mir immer Käsebrot und zwang mich alles aufzuessen. Bei einer hatte ich Glück - bei der durfte ich die Käsescheibe an meinen Sitznachbarn weitergeben und konnte so zumindest das Butterbrot essen - obwohl das auch nach Käse schmeckte konnte ich es zumindest runterwürgen.

Nicht bei jeder der Tanten musste ich das Käsebrot aufessen - dafür gab es aber auch nichts anderes und so ging es halt mit knurrenden Magen ins Bett (nach einem Tag an salziger Luft die beste Methode zuzunehmen...). Jeden Abend saß ich dann 6 Wochen lang vor meinem Teller und hab immer nur geweint oder musste dann unter Beschimpfungen das Käsebrot runterwürgen. Es gab auch Wurstbrote - aber nicht für mich...

Hunger und Kälte waren 6 Wochen präsent - waschen mit kalten Wasser - kalte Fliesen. Es war mir und einigen anderen Jungs verboten Jacke oder Pullover anzuziehen, weil wir "abhärten" sollten. Ich war dort wegen einer verschleppten Lungenentzündung und Untergewicht. Am schlimmsten war es wenn es draussen kalt und windig war - ich hab mich tagsüber so verkühlt das ich nachts glühte und das Bett nassschwitzte.

Ich habe aus meiner Kindheit davor und nach dem Aufenthalt kaum Erinnerungen - aber viele Momente während der "Kur" habe ich heute noch bildlich vor Augen - auch die Gerüche im Treppenhaus und die Geräusche der Holztüren haben sich eingebrannt.

Ich kann Sie in Ihrer Wahrnehmung bezüglich der Älteren bestätigen - die Kinder hatten Glück - die haben gelacht und haben gespielt. Auf der Heimfahrt im Zug waren die ganz fröhlich, während ich das Gefühl hatte aus der Hölle zu kommen.

Insgesamt habe ich nur wenige konkrete Erinnerungen. Grundsätzlich denke ich, das alleine die Trennung für 5 jährige ein Trauma darstellt. Ich erinnere noch heute an die Situation "des in den Zug verfrachtet werdens" und Schreiens und Weinens. Später auf der Überfahrt mit der Fähre habe ich erstmals eingenässt - aus Angst und Überforderung.

Nach der Rückkehr - so aus späteren Erzählungen meiner Eltern, hatte ich einen "Knacks" weg - hab wochenlang nicht gesprochen und war kaum aus meinem Zimmer herauszukriegen.

An körperliche Mißhandlung kann ich mich nicht erinnern - nur das alle panische Angst hatten "mitgehen" zu müssen. Bei einem Essen beschwerte sich mal ein älterer Junge über den immergleichen Tee. Er musste dann aufstehen und mitgehen, woraufhin einige anfingen zu weinen und wir anderen aus Angst kanns still waren.

Das Kinder in einem so frühen Alter von ihren Eltern getrennt und in einem durchorganisierten Betrieb im 6 Wochen-Takt durchgeschleust wurden, mag vielfach aus guten Ansinnen entsprungen sein. Aus meiner heutigen Sicht hat es viel mehr Schaden angerichtet als geholfen.

Ich möchte mich bedanken für das Engagement von Frau Röhl und wünsche allen viel Kraft und Wege das Ganze zu verarbeiten und hinter sich zu lassen.

Es mag komisch klingen aber ich werde mir Zeit nehmen und die Insel besuchen fahren - das Gebäude steht ja noch. Und ganz sicher werde ich dann die Insel ruhiger und friedvoller verlassen.
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Hendrik D. schrieb am 20.09.2019
Ich war ebenfalls in den Anfängen von 1990er dort und kann die Geschichten in Wyk auf Föhr bestätigen.
-Eigene Klamotten durfte ich nicht getragen werden
-Misshandelungen auch am eigen Leib
-Das nächtliche Weinenm wie ich selbst auch
-Die Androhung, dass meine Mutter eine große Summe Zahlen muss, wenn ich nach Hause will
-Die Trennung sowie den Verbot meine Geschwister zu besuchen
-Militante Tonart
-Der Zwang alles auf zu essen
-Waren kaum draußen gewesen

Da ich bis heute von den traumatischen Erlebnissen geprägt bin, habe ich stets versucht mithilfe von Therapeuten mein Leben in den Griff zu bekommen, jedoch vergebens. Als ich ca. 25 Jahre war, ging ich zu einem Psychotherapeut Dr. med Herrn Ralf Cüppers in Flensburg. Er erzählte mir, dass er diese Kur mit organisiert hat und meine Erzählungen aus der Zeit in Wyk auf Föhr gelogen sei. Aus diesem bin ich nie wieder bei ihm gewesen.
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Daniela schrieb am 20.09.2019
Das war sicher das Haus Köhlbrand. Ich war 1981 für sechs Wochen dort. Es war keine schöne Zeit, aber wir wurden ganz gut behandelt. Meine Betreuerinnen hießen Erika, Iris und Traute.
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Ute schrieb am 20.09.2019
Hallo Christa,
ich war 1963 als 6jährige vor der Einschulung durch die Postbetriebskrankenkasse für 6 Wochen in Bad Sooden-Allendorf. Ich habe mir schon Unterlagen aus dem Ort schicken lassen (30 Seiten), weil ich den Namen des Heimes nicht mehr weiß. Leider habe ich den dadurch auch nicht finden können. Ich weiß nur, dass es ein relativ kleines, Villen ähnliches Gebäude war. Und meinem Vater hat man später gesagt, dass das Heim von der Postbetriebskrankenkasse nicht mehr genutzt werden wird, da sehr viele negative Rückmeldungen erfolgt waren. Und doch waren Sie 1964 auch noch mal dort. Ich glaube nicht, dass die Postbetriebskrankenkasse mehrere Heime in einem Ort unterhielt. Wenn sie möchten, können wir uns per Email direkt austauschen. Da ich ehrenamtliche Mitarbeiterin der Initiative von Frau Röhl bin, kann ich Sie, wenn Sie es mir hier erlauben, direkt per Email anschreiben.
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Christa M aus O schrieb am 20.09.2019
1964 wurde ich mit 12 Jahren nach Wittdün auf Amrum für 6 Wochen in ein DRK Kindererholungsheim geschickt. Im nachhinein muss ich sagen, es waren die schlimmsten 6 Wochen meines Lebens. Aber irgendwie habe ich nie oft daran gedacht. Mich ließ man ziemlich in Ruhe. Ich war mit 8 Mädchen auf einem kleinen, kalten Zimmer.(9 Betten) Strenge Regeln waren der Alltag. Wenn man erst mal im Bett lag, durfte man nicht hoch zur Toilette und die Blase platzte fast. Das Essen war miserabel. Ein Junge weinte viel und musste Erbrochenes aufwischen oder essen, genau weiß ich das nicht mehr. Spielen oder Lesen durften wir nicht. Zwischen den Mahlzeiten waren wir nur "draußen" zum Laufen. Kilometer weite Strecken wurden zurück gelegt. Wie gesagt: nur laufen war angesagt. Einmal pro Woche mussten wir uns nackt ausziehen, bekamen eine Schutzbrille auf und mussten in einem großen Raum im Kreis laufen, wo ein Arzt uns dabei beobachtete, wie wir angeblich etwas braun werden sollten durch eine aufgestellte Höhensonne. Angefasst wurde ich aber nicht. Briefe wurden zensiert. Unser Taschengeld wurde uns abgenommen und zugeteilt. Ich brauchte ja sowieso nichts, ich konnte nichts kaufen. Nur später gab es ein paar Souvenirs zu kaufen, da verdienten die wohl noch dran. Es war kalt und ungemütlich. An Duschen kann ich mich nicht erinnern. Nur am kalten Waschbecken wurde sich gewaschen. Ich möchte gerne mal wissen, warum das so lange gut ging und die Verantwortlichen davon gekommen sind. Die meisten leben wohl auch nicht mehr. Meine Eltern kümmerten sich nicht viel um mich und so wurde auch nichts gefragt oder hinterfragt. Der Alltag zu Hause ging einfach so weiter und ich verdrängte diese "Erholungskur" total. Wie gesagt, körperlich wurde mir ja nichts angetan. Wenn ich die anderen Berichte so lese, ging es mir noch relativ gut dort. Ich habe 2 Fotos von dort mit den ganzen Kindern, vielleicht erinnert sich wer und möchte die mal sehen. Da sind sogar auch noch unsere "Tanten" drauf. Eine Freundin hatte ich auch gefunden, die hieß Ingrid, aber mehr weiß ich nicht.
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Yvonne aus Flensburg schrieb am 19.09.2019
Hallo zusammen,
mein Name ist Yvonne und ich war mit meinen zwei Brüdern 6 Wochen auf einer "Kur", was 1992 gewesen ist, in Wyk auf Föhr.Tatsächlich gab es auch noch zu diesem Zeitpunkt solche Vorkommnisse!
Vieles habe ich auch verdrängt. Ich erinnere mich, dass ich sofort von meinen Brüdern bei Ankunft getrennt wurde. Wir liefen dann durch den Keller in Zweierreihen.
Meine nächste Erinnerung liegt in den Nächten und ich höre heute noch die Kinder weinen und nach ihren Eltern rufen.
Sie haben uns alles Geld abgenommen was wir von Zuhause mitgebracht haben. Pakete erhielten wir geöffnet oder gar nicht, was ich später erst erfuhr. Einmal die Woche durften wir mit 1 DM telefonieren, was schnell vorbei war. Die Tanten passten genau auf was wir erzählten und Post mussten wir vor dem versenden vorlegen. Wen denen etwas nicht passte, wurde die Karte zerrissen, Negatives durfte da nicht geschrieben werden.
Geschwister durften sich nicht treffen, so wurde auch die Stunde Garten genauestens geplant. Im Garten stand das " heiße Draht oder heiße Hand" irgendwie so, erinnere ich mich dunkel.
Die Kleinsten hatten es am Schlimmsten, wo auch mein jüngster Bruder betroffen war. Sie mussten im Keller essen. Wir mussten zum Speisesaal an ihnen, durch den Kellergang, vorbei. Ich sehe ihn heute noch da sitzen und in mir kommt die Wut, Trauer und das Gefühl der Machtlosigkeit auf. Die Kleinen durften nicht ihre eigenen Sachen anziehen und wurden schwer gedemütigt. Ich bin froh, dass ich nicht alles weiß. Das was ich weiß, ist schon schwer zu ertragen.
Ich erinnere mich auch an die Drohungen, dass unsere Eltern viel Geld bezahlen müssen, wenn sie uns dort abholen wollen. Ich meine sie sagten 4000DM pro Kind. Natürlich kamen wir alle aus sozialschwachen Familien...
Bei jeder Mahlzeit musste ein Kind aufstehen und beten, das war Pflichtprogramm. Wie geschmacklos und makaber im Nachhinein. Genauso wie der eklige Tee, wo wir die Reste aus den fremden Bechern am nächsten Morgen serviert bekamen. Ich habe heute noch eine Abneigung gegen Blechgeschirr.
Wir waren tatsächlich nur einmal am Strand und das auch nur kurz. Meine Mutter war erstaunt wie blass wir zurück gekommen sind.
Auch an das Wiegen erinnere ich mich, es gab eine Wiegekarte, wo jede Veränderung eingetragen wurde. Einmal musste ich an der Trimmgruppe teilnehmen, ich hatte wohl 500g zuviel auf der Waage.
Naja, ich wünschte man könnte die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Es gibt noch viele Bruchstücke, aber die bekomme ich nicht sortiert hin.
Ich erinnere mich noch an den dicken ekligen Heimleiter...
Entschuldigt das konfuse Schreiben, es ging gerade mit mir durch.
LG Yvonne
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Christa Gölden schrieb am 19.09.2019
Meine Eltern haben mich im November 1964 im Glauben mir etwas Gutes zu tun, mit der Postbetriebskrankenkasse für 6 Wochen in ein Erholungsheim nach Bad Sooden-Allendorf geschickt. Ich war 9 Jahre alt und wurde während meines Aufenthaltes 10.
Bei Ankunft wurden alle Neuankömmlinge geduscht, danach reichte das morgentliche gemeinschaftliche Waschen am Waschbecken. Uns wurde von den beiden "Tanten" - die Namen habe ich vergessen, aber seit der Sendung Report sehe ich sie jeden Abend vor dem Einschlafen wieder vor mir, eine blond, eine schwarz - mitgeteilt, dass das Personal just an jenem Tag gekündigt hätte und die "Ältesten" von nun an für die Dauer des Aufenthaltes mithelfen müssten. In meiner Erinnerung waren wir eine kleine Gruppe von höchstens 5 Kindern, das älteste 12, deren Tage ab sofort wie folgt aussahen.
Um 7h00 mussten wir aufstehen. Wir hatten keinen Wecker und die Tanten weckten uns auch nicht. Also war ich vor lauter Angst, zu verschlafen, meistens bereits viel früher wach und hörte auf die Kirchturmuhr in der Nähe. Wenn diese dann 7h00 schlug weckte ich die von uns, die noch schliefen. Dann zogen wir uns schnell und leise an und gingen runter in die Küche, um dort für alle Kinder das Frühstück zu machen. Tisch eindecken gehörte dazu. Von den Tanten war in der Zeit nichts zu sehen. Wenn wir fertig waren, ging es zurück in die Schlafsäle und wir weckten alle anderen Kinder. In meiner Erinnerung waren wir insgesamt 20 Mädchen und 22 Jungen. Den kleinen Verschickungskindern mussten wir dann beim Anziehen helfen und deren Betten machen. Abends brachten wir sie ins Bett. Ein italienischer Junge namens Raoul lag noch im Babybett.
Nach dem Frühstück, bei dem nun auch die Tanten zwecks Überwachung anwesend waren, wurde von unserer Gruppe wieder alles weggeräumt, gespült, die Essensräume ausgefegt usw. Dann mussten wir zurück in die Küche und haben Gemüse für das Mittagessen geputzt, Kartoffeln geschält und was halt so anfiel. Beim Mittagessen dann wieder die gleiche Prozedur: aufräumen, ausfegen oder wischen. Abends gab es Brote und ich glaube 2 Sorten Aufschnitt. Und zwar immer den gleichen. 6 Wochen lang. Ein Junge, den wir Mücke nannten, mochte keine Sülze. Wir haben mit ihm gegen etwas anderes getauscht, damit er keinen Ärger bekam. Ein Mädchen hat einmal sein Essen ausgebrochen. Eine der Tanten kam und löffelte ihr das Erbrochene wieder rein. Wir sind alle erstarrt!
Als einmal eine Toilette verstopft war, musste einer der Jungen mit der Hand reingreifen und sie wieder gangbar machen. Schließlich hatte das ja einer von uns verursacht.
Wenn unser Arbeitstag zu Ende ging, waren wir ganz schön geschafft. Aber dann gab es eine Belohnung für die fleißigen Arbeiter. Wir durften rauf zu den Tanten in die Wohnung und konnten nebeneinander auf dem Fußboden sitzend so lange Krimis gucken, wie wir wollten. Das Aufwachen fiel dann natürlich umso schwerer.
Es gab eine kleine Cornelia aus Wuppertal-Elberfeld, die abends oft weinte. Ich habe sie getröstet und mich ein bisschen um sie gekümmert. Ich glaube sie war erst 5.
Wir durften von zuhause Post bekommen, aber die Briefe, die wir geschrieben haben, wurden unter Aufsicht geschrieben und zensiert. Der Brief wurde so lange neu geschrieben, bis er passte.
Und dann kam der Tag, an dem wir uns überlegt hatten, dass wir so nicht mehr weitermachen wollten. Wir, die Arbeitsgruppe, machte sich eines Tages auf den Weg. Einen Plan hatten wir nicht. wir wollten nur weg. Ich hatte vorsorglich noch die kleine Cornelia im Schlepptau. Wir sind ewig gelaufen, der Wald wurde immer dichter und die Zonengrenze rückte immer näher, wie wir später erfuhren. Irgendwann, als es dunkel wurde, hat uns ,ein Ehepaar angesprochen. Wir hatten uns natürlich total verlaufen und sind brav hinter den netten Leuten zurück zum Heim getrabt. Wir wurden schweigend begrüßt und waren froh, dass wir keine Schläge bekommen haben. Ich gehe davon aus, dass den beiden Tanten "der Arsch auf Grundeis ging". Überhaupt muss ich sagen, dass keiner von uns je geschlagen wurde. Ich habe jedenfalls nichts dergleichen mitbekommen.
Zu meinem Geburtstag bekam ich ein kleines Lederportmonnaie geschenkt. Ob etwas drin war, weiß ich nicht mehr. Aber Geld hätte ich eh keines gebraucht, wir gingen ja nirgendwo hin. Einmal sind wir zum Solebad ins Kurhaus gegangen. Ansonsten wüsste ich nicht, worin die Kur noch bestanden hätte außer in viel Arbeit.
Nachdem ich zuhause war fragte mein Vater mich nach ein paar Tagen, wie es denn so im Heim war. Ich habe ihm daraufhin alles erzählt. Meinen Eltern standen die Haare zu Berge. Kollegen meines Vaters hatten wohl ebenfalls von ihren Kindern erfahren, was dort in Bad Sooden-Allendorf los war. Danach hieß es dann von der Postbetriebskrankenkasse, dass man das Heim geschlossen hätte. Gut so!
Es mag sein, dass in meiner Erinnerung die Zahl der Kinder falsch gespeichert ist, aber ich habe alles nach bestem Wissen und Gewissen so aufgeschrieben, wie ich es erinnere. Vielleicht sind wir auch gewandert, aber das ist alles weg. Was übrig ist, habe ich Euch nun mitgeteilt..
Ich bin froh und natürlich traurig zugleich, dass es so unglaublich vielen Kindern ähnlich ergangen ist. Ich habe im Nachhinein nicht den Eindruck, dass meinen beiden Tanten bewusst war, dass sie uns großes Unrecht antaten. Darüber grüble ich seit dem Bericht im Fernsehen nach. Sie wirkten irgendwie total souverän und - ja - nett manchmal. Das macht es irgendwie noch schlimmer.
Gruß an alle, die in Bad Sooden-Allendorf waren! Und Gruß an die kleine Cornelia, wherever you are....

Christa
fast 55 Jahre später...
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Kerstin Sombrowski schrieb am 19.09.2019
ich war mehrfach zur Kinderverschcikung, weil ich zu dünn war.Das erste Mal mit knapp sechs Jahren bach Norderney. an diesen Aufenthalt habe ich gar keine Erinnerungen.
Ein Jahr später musste ich nach St. Blasien im Schwarzwald. Das muss ein echter Horroraufenthalt gewesen sein.
Ich erinnere mich daran, dass wir regelrecht gemästet
wurden, um dicker zu werden. Es gab Mindestportionen, die gegessen werden mussten. Vorher durfte man den Speisesaal nicht verlassen.
Briefe nach Hause duften nur geschrieben werden, wenn die "Tanten" uns den Inhalt diktierten:
Zum Mittagstisch musste immer ein Kind was Tolles vortragen. Weil ich das nicht wollte, wurde ich an Armen, Haaren usw in die Mitte gezogen und gezwungen ein Lied zu singen.
Wenn wir uns nicht angemessen verhalten haben, wurden wir in eine dunkle Besenkammer gesperrt.
Es wurde Mittagsschlaf gehalten, dazu mussten wir alle schweigend zwei Stunden im Bett liegen. Mehrfach musste ich mich erbrechen, das Erbrechen wurde bestraft.
Es war ein Horroraufentahlt in St Blasien.
Danach musste ich noch einmal nach Wallgau. Meine große Schwetser fuhr mit. Dieser Aufenthalt war galube ich schön
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Joachim Ungerer schrieb am 19.09.2019
Aufgewühlt durch die Reportage von Report Mainz am 10.9.2019 über die Verschickungskinder habe ich mich zum ersten Mal ausführlich mit meinen eigenen Erlebnissen auseinandergesetzt. Davon möchte ich einiges gekürzt wiedergeben.

Vorbemerkung:
Fünfzig Jahre ist es jetzt her, die 6-wöchige „Erholung“ im Kinderheim Miralago in Brissago am Lago Maggiore. Nun habe ich zum ersten Mal zusammenhängend aufgeschrieben, was ich noch weiß, und welche Folgen das für mich hatte. Es fiel mir sehr schwer und ich war unendlich traurig dabei, aber es war mir auch ein Bedürfnis. Denn jetzt kann ich besser verstehen warum ich so bin, wie ich bin. Und ich trauere um das Kind, das ich seitdem nicht mehr war, und ich trauere auch um den Menschen, der aus mir hätte werden können.

Meine schlimmste Zeit:
Nach einer schulärztliche Untersuchung in der Grundschule wurde entschieden, dass ich wegen meiner schwächlichen Konstitution in ein Erholungsheim müsse. Dabei habe ich mich selber in meinem Körper wohl gefühlt, ich war drahtig und leicht, aber nicht schwächlich. Ich war lediglich einer der Kleinsten in der Klasse; darauf war ich sogar stolz. Es war das Jahr 1968, ich war 7 Jahre alt und ging in die zweite Klasse.
Zusammen mit meinen Eltern war ich dann bei einer Beratungsstelle, wo uns von tollen Heimen vorgeschwärmt wurde und was für eine einmalige Chance das sei. Ich wollte eigentlich nicht von daheim weg, schon gar nicht alleine, aber meine Eltern wurden überredet. Um mich zu ködern wurde mir sogar die Wahl gelassen zwischen einem Heim an der Nordsee und einem Heim am Lago Maggiore. Unsicher und mulmig habe ich mich dann für das Heim in Brissago (Schweiz, Tessin) entschieden, weil die Bilder so schön waren bzw. ausgemalt wurden. In mir entstand die Vorstellung eines richtigen Sommerurlaubes.
Zur angesagten Zeit, Anfang November dieses Jahres, brachten mich meine Eltern zu einem Zug im Bahnhof der Landeshauptstadt. Sie führten mich in ein reserviertes Abteil, wo noch andere Kinder saßen. An eine Begleitperson kann ich mich nicht erinnern. Dann ließen sie mich allein mit den fremden Kindern. Diese fremden Kinder waren dann später meine einzigen gefühlten Verbündeten gegen den Feind – die Tanten des Heimes. So wurde ich weggeschickt, mit Fremden in die Fremde.
Von der Fahrt weiß ich nichts mehr und vom Verlauf der nächsten 6 Wochen kann ich nur wenig Zusammenhängendes erinnern. Im Wesentlichen einzelne Momente der Qual, der Grausamkeiten, der Verzweiflung, aber vor allem meine innere Not. Es waren wohl die längsten und schlimmsten Wochen meines Lebens; und ich musste schon viele schwere Zeiten durchstehen.
Der Heimaufenthalt dauert für mich ewig und schien nicht enden zu wollen. Ich sehnte mich nach daheim, das hielt mich am Leben, die Hoffnung irgendwann wieder heim zu kommen. Welch ein Zynismus, so eine Einrichtung „Heim“ zu nennen.
Jeden Abend schaute ich im Bette liegend durch die offene Tür auf ein Fenster im Flur, das den Blick auf eine steile, bewachsene Böschung hinter dem Haus zeigte. Ein grün, braunes Chaos, und kein bisschen Himmel. Dieses Fenster war 6 Wochen lang meine eigene Welt und meine Rettung. In diese Welt mit Moos, Steinen, Erde, Gräsern, Farnen träumte ich mich hinein und bildete Muster und Figuren (ähnlich wie bei Wolkenbildern). Gefühlt lag ich stundenlang wach und schaute auf das Fenster, bis zum Einschlafen, dabei oft meinen Penis krampfhalft zuhaltend, weil die volle Blase drückte und wir nicht aufs Klo durften, wenn wir im Bett waren. Das war bei Strafe verboten. Natürlich wurden wir auch fürs Bettnässen bestraft. Das Schlafen auf dem Flur war eine Strafe, an die ich mich erinnere. Ein Bild, das ich noch sehe ist ein Junge, der sich dabei nackt auszog und verstört auf dem Flur herum hüpfte. Am Morgen lag ich ebenfalls vor dem Aufstehen lange wach und schaute auf das Fenster, im Versuch in dieser schmerzlosen Welt zu bleiben. So trauerte ich mich abends (oft mit drückender Blase) in den Schlaf hinein und morgens wieder aus meiner Traumwelt hinaus.
Man bedenke, es war November/Dezember. Ich konnte im Fenster alles gut erkennen, sowohl die lange Zeit Abends, bis die Dämmerung mir den Blick nach draußen nahm, als auch Morgens, als die Dämmerung mir den Blick wieder freigab und ich die lange Zeit bis zum Aufstehen meine „Fensterbilder“ formte. Das bedeutet: Wir wurden ins Bett gebracht lange bevor es Nacht war und wurden herausgeholt erst lange nach Tagesanbruch. Sonnenaufgang in Brissago ist am 30.11. 18 um 7.46 Uhr, Sonnenuntergang um 16.40 Uhr. Wenn ich diese Werte als Mittel auch für 1968 zugrunde lege dann wurden wir also rund 15 Stunden ins Bett gezwungen – und das ohne aufs Klo gehen zu dürfen.
Der Rest des Tages bestand dann aus einem Morgenkreis mit Singen von „dummen“ Fahrtenliedern, dem Frühstück, dem Mittagessen, dem Abendessen und einem Abendkreis wieder mit Singen. Ab und zu bastelten wir für Advent. Erinnern kann ich mich nur dunkel an einige Ausflüge (nach meinen Briefen müssen es ca. sechs gewesen sein). Bei einem wurde ich tief beschämt, weil ich, als einer der Kleineren, auf der Wanderung nur ein kurzen Stück mitlaufen durfte und dann mit den anderen Kleinen wieder zum Bus zurückmusste, um dort lange zu warten, bis die anderen wieder zurück waren. Dabei wollte ich so gerne laufen und mich frei fühlen.
Das Mittagessen war eine Folter. Das Essen selbst war ungenießbar, aber wir mussten aufessen. Ich erinnere mich an eine Pizza, die so eklig war, dass ich erbrechen musste. Ob ich dann mein Erbrochenes aufessen musste, erinnere ich nicht mehr. Aber ich weiß, dass andere dazu gezwungen wurden.
Die Heimtanten waren streng und ahndeten jeden Regelverstoß. Das einzige, was wir Kinder machen konnten, war es, uns in unserem Leid als Verbündete zu fühlen. Wehren konnten wir uns nicht – und um Hilfe rufen auch nicht. Denn die Post an die Eltern wurde streng zensiert.
Einmal in der Woche war Schreibtag. Wir durften aber nur „schöne Dinge“ schreiben. Wenn ich heute die Briefe lese, die meine Mutter aufgehoben hat, so klingen sie alle gleich nichtssagend konstruiert. Bei verdächtigen Formulierungen mussten wir den Brief neu schreiben. Alle Briefe (bis auf meinen ersten wurden von der jeweiligen Tante als Gruß getarnt abgezeichnet und die Elternbriefe wurden natürlich auch gelesen). So bekamen meine Eltern den Eindruck, als ob uns die Tanten die schönsten Ferien bereiten würden und hielten mich dann noch an folgsam zu sein und keine Schwierigkeiten zu machen. Meine versteckten „Hilferufe“ haben meine Eltern natürlich nicht verstanden. So war ich dann tief betroffen, als ich heute, also über 50 Jahre später las: „ … und vergesst mich nicht.“
Eine der wenigen Freuden in unserem tristen Leben waren die Briefe und Päckchen von daheim. Wenigstens gab es das Daheim noch und so auch die Hoffnung wieder da hin zu kommen. Die geöffneten Briefe durften wir behalten, doch die Päckchen wurden uns gleich wieder weggenommen. Und von den Schätzen und Süßigkeiten, die uns die Eltern so fürsorglich in dieser Vorweihnachtszeit zukommen ließen, bekamen wir so gut wie nichts. Alles wurde von den Tanten beschlagnahmt und dann nur wenige Brosamen an die Kinder verteilt, ohne Rücksicht darauf, wem es eigentlich gehörte. Ich erinnere mich nur an 2-3 Stückchen Schokolade, die ich insgesamt erhielt. Alles andere haben wohl die Tanten vernascht. So wurde uns auch noch das genommen, womit uns die fernen Eltern eine Freude machen wollten.
Tiefes Heimweh war unser alltägliches Brot. Das einzige, was mich am Leben hielt, war die Sehnsucht nach der Heimfahrt, irgendwann – und mein Fenster nach Hinten raus. Aber 6 Wochen waren für mich eigentlich gar nicht zu überblicken und stellten eine abstrakte Größe dar. Konkret war das tägliche Leiden. Ich war damals 7 Jahre alt, als ich mit dieser Heimsituation, ganz alleine gelassen, umgehen musste. Und aus meinen damaligen Leiden und Überlebensstrategien (vor allem der Rückzug nach Innen) sind meine heutigen Krankheiten geworden.
Endlich kam die Heimfahrt (ob eine Begleitperson dabei war, weiß ich auch hier nicht mehr), nach und nach stiegen die Heimkameraden aus, und endlich erreichten wir auch den Bahnhof, von dem ich vor so langer Zeit abgefahren war, und endlich sah ich meine Eltern wieder. Sie freuten sich natürlich, und ich auch – aber eigentlich nur äußerlich. Irgendwie waren sie für mich nicht mehr die Eltern, die ich vorher hatte.

Einiges aus meinem Leben danach:
Die Heimfahrt schien endlich die Erlösung zu sein, aber das war tatsächlich nur Schein. Jetzt im Rückblick muss ich sagen, ich war danach nicht mehr das Kind, das ich vorher war. Diese 6 Wochen haben mein Leben nachhaltig geprägt und belastet. Ich wurde zu einem zurückgezogenen Jungen, dem sozialer Kontakt schnell zuviel war. Ich ertrug es nicht mehr berührt zu werden, selbst nicht von meiner Mutter. Ich zog mich oft zurück, las viel und wurde vor allem innerlich zu einem Einzelgänger. Über die Jahre entwickelte sich eine Krankheitssymptomatik aus psychischen und körperlichen Beschwerden, die ich lange aus Scham verschwieg und verdrängte.
Heute lebe ich mit Depressionen, Zwangsstörungen und Ängsten. Ich kann kaum auswärts übernachten und brauche viel „meine Ruhe“. Körperliche Beschwerden kommen belastend dazu, vor allem im Verdauungs- und Ausscheidungsbereich. Meine Berufsbiographie ist durchzogen von vielen Zusammenbrüchen, langen Krankheitszeiten und einem ständigen Abstieg in immer schlechter bezahlten Jobs. Heute bin ich (befristet) erwerbsunfähig– auch das war ein langer, traumatischer Kampf.
Nun bin ich 58 Jahre alt, nicht mehr belastbar, erwerbsunfähig und mit vielen Krankheitsbelastungen behindert. Viele meiner Schwächen kann ich inzwischen akzeptieren. Gemessen an meinen „Behinderungen“ habe ich das Leben ganz gut gemeistert. Ich bin sogar verheiratet und habe Kinder. Aber ich hatte es nie leicht mit dem Familienleben und meine Familie hatte es nicht unbeschwert leicht mit mir, weil ich eben anders bin und andere Bewältigungsstrategien habe. Aber diese Strategien boten mir damals im Heim eine Möglichkeit des Überlebens, vor allem des seelischen Überlebens – und ich brauche sie teilweise noch heute.
Ohne dieses Leid, das mir angetan wurde, wäre mir bestimmt vieles leichter gefallen und ich hätte mein Leben vielleicht erwachsener in die Hand nehmen können – und hätte vielleicht auch anderen besser helfen können, auch solchen, die unter ihren Belastungen suizidal zusammengebrochen sind. Mein Schicksal habe ich inzwischen angenommen, weil ich auch tiefere Erfahrungen machen durfte, die ich nicht missen möchte; ohne Leiden keine Erkenntnis. Dass ich nicht so belastbar bin, wie andere und seit damals auch nie mehr richtig war, nagt aber zeitweise doch noch an mir. Und ich würde mir wünschen, nicht immer ringen zu müssen.
Erst durch die Reportage von Report Mainz konnte ich mich nun tatsächlich als Verschickungskind einordnen. Dafür bin ich dankbar. Es fiel mir schwer die Reportage anzuschauen, weil vieles bei mir wieder hochkam. Bisher habe ich gedacht, mein Heim wäre ein Einzelfall gewesen. Dieses Ausmaß an Misshandlungen hätte ich nicht erwartet. Außerdem sind die Folgen dieser wenigen 6 Wochen „Erholungsheim“ doch von kaum jemandem ernst genommen worden, angesichts der sexuellen Missbrauchsfälle und der jahrelangen grausamen Heimunterbringungen. Mich nun erstmals so ausführlich und zusammenhängend damit auseinanderzusetzen, war für mich sehr schmerzlich und traurig. Auch bei meinen bisherigen Therapien habe ich mich nicht zu tief darauf eingelassen, aus Angst, dass zu vieles hochkommt und ich überwältigt werde.
Dass ich mich nun als Verschickungskind einordnen kann, hilft mir nochmals besser zu verstehen, warum ich so bin wie ich bin. Denn diese 6 Wochen im „Erholungsheim“ haben mein Leben doch wesentlich geprägt und wohl vieles erschwert oder verhindert, worüber ich mitunter tief traurig bin. So war diese Schreibarbeit auch Trauerarbeit – und ich habe dabei einiges herausgetrauert und zu mehr Frieden gefunden.

Schuld und Wiedergutmachung:
Der Staat, die Verantwortlichen, die Mithelfer und Mitwisser haben sich schwer an den Kindern dieser Jahrzehnte versündigt, die in solche Erholungsheime verschickt wurden. Wieder gut machen lässt sich das nicht, zu viele Biographien wurden verbogen. Aber der Staat könnte Linderung schaffen, zuerst durch eine Anerkennung des Geschehenen, und dann vielleicht durch einen kulanten Umgang mit solchen Menschen bei den Ämtern und Behörden, je nach individueller Lebenslage. So hoffe ich z.B. auf eine Weiterverrentung. Die moralische Schuld muss dann anders aufgelöst werden.

Die andere Seite:
Zum Glück, oder aus Gnade gibt es auch noch die andere Seite meines Lebens, auf der ich Beistand hatte, auf der ich dem Leid einen Sinn abringen konnte, und Böses vielleicht noch wandeln kann. Diese andere Seite habe ich auch erlebt, und dann auch immer wieder Glück, Erfüllung und Frieden gefunden.


Folgendes Gedicht ist dann beim Schreiben noch entstanden:

Verschickungskind

Weggegeben
Hilflos
Heimatlos
Alleine
Entwürdigt
Gequält

Nun Gezeichnet
Und Krank
Und Anders
So bin ich nun.

Aber „Ich bin“ –
Und ich lebe und werde
Und kann dem einen Sinn geben!

Nicht nur
Gelitten
Gekreuzigt
und Gestorben –
Auch Auferstanden!
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Brigitte Juhls schrieb am 19.09.2019
Anfang oder Mitte der 60iger Jahre wurde ich nach Sylt ‚verschickt’. Warum überhaupt weiß ich bis heute nicht, da meine Eltern Binnenschiffer waren und ich sowieso in den Ferien immer mit dem Schiff unterwegs war und während der Schulzeit bei meinen Großeltern auf dem Land lebte.
Mit einem Sammeltransport kam ich also nach Sylt, ich kann mich nicht genau erinnern in welches Heim wir kamen, Vogelkoje, Klappholttal oder Puan Klent, auf jeden Fall war es in der Nähe von Kampen. Es war ein Barackenlager, so erschien es mir jedenfalls.
Dort angekommen wurden uns erst mal Geld und Süßigkeiten abgenommen und wir kamen in einen riesigen Schlafsaal. Als ich während meines Aufenthalts mal ein Paket von zu Hause bekam wurde der Inhalt konfisziert.
Als ein einigermaßen verwöhntes Einzelkind fand ich alles von Anfang an furchtbar dort. Es gab einen strengen Tagesablauf mit Spaziergängen, schrecklichem Essen und vorgeschriebenen Schlafenszeiten. Überhaupt das Essen, in einem riesigen Saal gab es das Essen, welches durchaus als eklig bezeichnet werden konnte, es durfte nicht geredet werden und die Betreuer*innen haben ständig überwacht, dass auch ja alles aufgegessen wurde.
Ich habe einen Brief nach Hause geschrieben und die Zustände dort geschildert. Die Post mussten wir den Betreuern*innen geben, die sie für uns abgesendet haben.
Ich war einfach nur froh, als die Zeit um war und ich wieder nach Hause konnte. Viele Monate später habe ich diesen Brief bei meiner Mutter gefunden.
Alles was ich im Brief negativ dargestellt habe war durchgestrichen, ich wurde als dreiste Lügnerin beschrieben und meinen Eltern wurde geraten, bei meiner Erziehung strenger zu sein und jede Lüge hart zu bestrafen.
Dies hat mich lange nach der Verschickung am allermeisten erbost.
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Brigga schrieb am 19.09.2019
Ich war auch in Bonndorf...1979... den Esel gab es. Jetzt fallen mir auch wieder Namen ein... Herr und Frau Preuß waren die Heimleitung. Und ja, die waren nah am Rentenalter...Gelegentlich kam die Tochter vorbei, die hatte einen Sohn, der hieß Oliver? Und die Tanten hießen Fräuleins 😀 Fräulein Manuela war nett und verständnisvoll, die Einzige. Dann gab's noch Petra, die ging so, Andrea naja und ein echter Besen war Cornelia.
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Renee schrieb am 19.09.2019
Ich war Anfang der 80er als sechsjährige zur Kur in Bonndorf. Der Schularzt hatte Untergewicht festgestellt, und da meine Eltern gerade am Bauen waren, war es praktisch, meinen Bruder (12) und mich (6) zur Kur zu schicken. Ich weiß noch, dass ich froh war, dass mein Bruder mitfuhr. Letztendlich habe ich ihn aber in den 6 Wochen ein oder zweimal von weitem sehen können. Meine Erinnerungen sind nur bruchstückhaft. Die erste ist vom Abend der Ankunft. Ich hoffte, dass mein Bruder mir gute Nacht sagt, aber das war verboten. Wer nicht schlief, weinte, unruhig war, musste auf dem erleuchteten Flur auf einer Behandlungsliege ohne Decke oder Kissen schlafen. Das Essen war schlecht, man musste aber aufessen. Wenn man das nicht tat, gab es entweder für alle am Tisch kein Dessert (das einzig genießbare) oder man durfte nicht aufstehen. Ein Kind schrieb nach Hause und beklagte sich über die Zustände. Seine Eltern kamen tatsächlich sofort, ob sie ihn mitnahmen oder die Heimleitung die Eltern beschwichtige, weiß ich nicht mehr. Aber danach wurden Briefe nach Hause geöffnet, zensiert, verschwanden, wurden diktiert. Meine sonstigen Erinnerungen begrenzen sich auf Wanderungen und die doch sehr eindrucksvolle Natur. Und die Heimfahrt. Wie wir alle im Bus euphorisch sangen, dass wir nach Hause fahren.
Ich glaube, es gab noch einen Esel dort, bin mir aber nicht sicher.
Ich weiß nur, dass ich mich von der Kur an komplett verändert habe. Vorher ein fröhliches, mutiges, aufgeschlossenes Kind, danach ängstlich, schüchtern, verschlossen, voller Verlustängste. Übergewicht blieb mir seitdem auch nicht erspart. Und der Verdacht von sexuellem Missbrauch keimte irgendwann auch in mir auf, weil ich seitdem auch ein gestörtes Verhältnis zu Körperlichkeit, Sexualität und Zärtlichkeit habe.
Naja, Bonndorf wurde im Jahr darauf geschlossen.
Vielleicht gibt es noch mehr, die sich an Bonndorf erinnern.
Renee
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Rolf Robertson schrieb am 18.09.2019
Als ehemaliger Mitarbeiter im Hamburger Kinderheim in Wyk auf Föhr kann ich mich nicht erinnern das damalige Kollegen von mir, in derartige Entgleisungen verwickelt waren.
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Petra H schrieb am 18.09.2019
Hallo liebe Birgit, vielen Dank für die Nachricht. Aber ich glaube, dieses Heim ist es nicht. Da kommt mir so gar nichts bekannt vor. Ich habe in Erinnerung, dass es ein Klinkerbau war.
Herzliche Grüße, Petra
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Angelika schrieb am 18.09.2019
Ja, meine eigentlich 6-wöchige Kur im Kindersanatorium Santa Maria / Oberjoch Allgäu wurde 1965 nach ca. 3 Wochen abgebrochen, als meine Mutter auf meine traurigen Briefe hin dort auftauchte und mich abholte. Der ausführliche Bericht steht weiter oben.
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Angelika schrieb am 18.09.2019
Die abgebrochene Kur

Kindersanatorium Santa Maria Oberjoch im Allgäu Januar 1965:

Im 4. Schuljahr kam eine Schulärztin in unsere Klasse, die feststellte, dass ich zu dünn sei und in eine Kur fahren solle. Dies fand ich zunächst einmal spannend und abenteuerlich, da man zu dieser Zeit ja noch nicht oft in Urlaub fahren konnte. An meinem 10.Geburtstag, den 10. Dezember 1964, gingen meine Mutter und ich zum Gesundheitsamt Köln, um die Anmeldung perfekt zu machen.
Im Januar ging es los. Die Abfahrt war abends am Hauptbahnhof. Wir Kinder sollten uns zu zweit aufstellen. Meine Partnerin war ein 5 jähriges Mädchen, das mir, so empfand ich es damals, auch von deren Eltern anvertraut wurde, damit es sich nicht so alleine fühlte. Ich wollte mich gerne um sie kümmern, aber daraus wurde leider nichts. Der Zug kam und wir wurden in verschiedene Abteile abkommandiert. Kinderwünsche spielten da keine Rolle. Ich kam in ein Abteil mit älteren Kindern, wo ich zu den jüngsten gehörte. Das kleine Mädchen kam ins Abteil der Begleiter. Unser Abteil wurde mit einem Zugseil, das mit dem Abteil der Begleiter verbunden, war verschlossen. Musste einer von uns auf die Toilette, musste man an der Tür ziehen und ein Begleiter kam und ließ uns heraus. Da kaum jemand richtig schlief, meldeten wir uns öfter und die Begleiter reagierten zunehmend genervt. Um uns gekümmert haben sie sich während der ganzen langen Fahrt kaum. So war es eine ziemlich trostlose nächtliche Reise.
Müde kamen wir schließlich im Kinderheim an. Unsere Koffer waren noch nicht eingetroffen und wir wurden erstmal ins Bett gesteckt. Vorher ging es zur Toilette. War man auf der Toilette, so standen davor andere Kinder Schlange und man hatte kaum Zeit und Ruhe. Zu den Begrüßungsprozeduren gehörte auch die Untersuchung der Haare auf Läuse. Da ich von der nächtlichen Reise ziemlich verwuschelte lange Haare hatte, wurden diese besonders misstrauisch begutachtet. Auf meinen Wunsch hin hat mir unsere Betreuerin dann in der Folgezeit morgens immer geholfen, diese zu Zöpfen zu flechten.
Meine Mädchengruppe war auf zwei Schlafräume aufgeteilt, in einem waren sieben in dem anderen ca. zwölf Betten. Der Tagesablauf war streng durchgetaktet mit Mahlzeiten, Sport, Spaziergängen und Schlafenszeiten. Für die Kinder, die in der Schule Probleme hatten, waren außerdem bestimmte Unterrichtszeiten eingeplant. Am besten gefiel mir das Singen der Fahrtenlieder aus der Mundorgel. Ich war sehr froh, wenn es in dem straff organisierten Ablauf mal eine Pause gab, in der man einfach mit den anderen spielen konnte. Oft spielten wir dann Mau-Mau.
Draußen lag wunderschöner Schnee – für ein Stadtkind wirklich etwas Besonderes - aber wir haben nie im Schnee gespielt oder Schneemänner gebaut. Wir sind in der Zeit, in der ich dort war, nie Schlitten gefahren. Wir stapften bei unseren Spaziergängen scheinbar endlos und ohne Ziel durch den Schnee und waren meist froh, wenn wir dann wieder ins Haus zurückkamen. In einer Art Keller zogen wir dann die Schneeschuhe aus und die Hausschuhe an.
Zwei Stunden am Nachmittag war für alle absolute Mittagsruhe. Die Fensterläden wurden geschlossen, so dass es dunkel im Zimmer war, man durfte nicht reden, kein Licht anmachen, nur herumliegen. Ein besonderes Highlight war es, dass wir an zwei Nachmittagen in der Woche im Bett lesen durften.
Süßigkeiten, die wir von Zuhause mitgebracht hatten oder in Paketen erhielten, wurden sofort eingesammelt und in einer Kiste verwahrt, aus der jedes Kind ab und zu etwas bekam. Dies sollte dafür sorgen, dass es gerecht zuging und niemand weniger als die anderen hatte. Da diese Verteilungsform aber einfach so verfügt wurde, hatten wir vor allem das Gefühl machtlos zu sein und beraubt zu werden.
Die Aufgabe der Erzieher schien hier insgesamt hauptsächlich darin zu bestehen, uns zu kommandieren und zu überwachen anstatt zu betreuen.
Die Mahlzeiten waren freudlose Zwangsveranstaltungen. Als Ergänzung zum Essen gab es eine Vitamintablette. Es war genau vorgeschrieben, was wir zu essen hatten. Wahlmöglichkeiten gab es nicht, getauscht werden durfte auch nicht. Es musste alles aufgegessen werden. Einmal versuchten die größeren Mädchen Teller mit Essensresten einfach aufeinanderzustapeln. Als dies entdeckt wurde, gab es ein Donnerwetter und alle mussten sitzenbleiben und die „Schuldigen“ mussten weiteressen. Nicht erinnern kann ich mich daran, dass jemand erbrochen hätte oder Erbrochenes gegessen werden musste. Aber viele saßen recht unglücklich und angeekelt vor ihren noch nicht leeren Tellern. Einmal wurde allen im Speisesaal für einige Zeit das zweite Brot gestrichen, entweder weil es unruhig war oder weil einer nicht aufgegessen hatte. Dies ärgerte besonders die größeren Jungs, die mehr Hunger hatten.
Nach einigen Tagen im Heim war es mir ziemlich egal, was ich aß. Ich aß still und mechanisch in mich hinein, was ich essen sollte und wurde dadurch vom Speisesaal der kleineren in den der größeren Kinder befördert.
Zu bestimmten Zeiten durften wir eine Karte oder einen Brief nach Hause schreiben. Es war uns bekannt, dass diese Briefe kontrolliert wurden. Dies empfand ich als Unrecht und eine große Einschränkung meiner Freiheit, schrieb aber trotzdem was ich wollte. Ich wollte dieses ungastliche Haus verlassen. Dieser Brief gelangte sogar zu meinen Eltern, die mir dann zurückschrieben, dass es eine weite Fahrt sei und sie auch keine Schneeketten hätten, um hierher mit dem Auto zu fahren. Eine der Karten, die ich damals geschrieben habe, fand ich später in den Papieren meiner Eltern.
Ich hatte mich schon fast darauf eingestellt hier als brave mechanische Kinderpuppe sechs Wochen verleben zu müssen, als ich eines Tages nach der Mittagsruhe in das Büro der Heimleiterin gerufen wurde. Ich war vollkommen erstaunt, dass in diesem Büro meine Mutter auf mich wartete, die mit dem Zug gekommen war, um mich nach Hause zu holen. In Köln hatte sie zuvor mit unserem Kinderarzt über meinen Brief gesprochen und dieser hatte ihr geraten, mich abzuholen. Damit war meine Kinderkur nach ca. 3 Wochen beendet. Bevor wir zusammen nach Köln zurückfuhren, verbrachten wir noch ein paar Tage im Schnee.
Meine Mutter erzählte mir später wie abweisend ihr das Haus erschienen sei, als sie bei schönstem Sonnenschein in der Mittagszeit dort ankam und die vielen geschlossenen Fensterläden sah. Sie stand dann zunächst vor verschlossener Tür, da auf ihr Klingeln niemand öffnete. So wartete sie bis schließlich eine der Erzieherinnen mit Skiern aus dem Haus kam, sie hereinließ und ins Zimmer der Heimleiterin führte. Dort traf sie außer der Leiterin auch ein Kind an, das die Mittagspause dort wahrscheinlich zur Strafe auf einer Bank verbringen musste. Die Heimleiterin versuchte meine Mutter zunächst zu überzeugen, mich doch dort zu lassen, da ich jetzt eine Freundin gefunden hätte. Sie gab aber dann rasch nach, als meine Mutter sich nicht abweisen ließ.
Vom Gesundheitsamt bekamen meine Eltern später einen Teil des bereits bezahlten Eigenanteils der Kurkosten zurück.
Trotz des guten Ausgangs war meine Unternehmungslust in Bezug auf Kinderfreizeiten und Klassenfahrten seitdem deutlich gedämpft und das Bevorstehen solcher Aktivitäten war von einem unterschwelligen Gefühl des Unbehagens begleitet.
Ich möchte mich hier bei meinen Eltern und den Erwachsenen bedanken, die damals meine Gefühle und Äußerungen ernst genommen haben, was zu dieser Zeit sicher nicht selbstverständlich war.
Hinzufügen möchte ich außerdem, dass es aus meiner heutigen Sicht eher das Gesamtsystem war, das auf unsere kindlichen Bedürfnisse keine Rücksicht nahm und uns erdrückte als die besondere Unfähigkeit oder Grausamkeit einzelner Erzieher. Das Verhalten der meisten entsprach wohl ganz dem damaligen „State of the Art“.
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Brigga schrieb am 18.09.2019
Liebe Margarete, ich kann dir da nur zustimmen. Genauso habe ich es auch erlebt. Sie konnten mit uns machen was sie wollten. Auch Ende der 70er haben sich Eltern nicht dagegen gewehrt, selbst wenn sie wollten. Das wäre einfach peinlich gewesen. Ich bin selbst mit dem Satz groß geworden: "Wenn der Lehrer/Arzt etc. das gesagt oder gemacht hat, hatte das seine Gültigkeit." Dieses Obrigkeitsdenken, bedingt durch NS-Zeit und preußischer Erziehung hat sicher viel Schaden angerichtet. Ich kann nur wiederholen, gut, dass ich schon 12 war, da tobten sie sich lieber an den Kleinen aus...
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Gabi schrieb am 18.09.2019
Haus Sonnleiten in Bayrisch Gmain, ich glaube, es war 1960 oder 61 ...
Von Schleswig-Holstein aus wurde ich mit der Bahn in einer Gruppe anderer Kinder nach Bayern verschickt. Mit sieben oder acht Jahren 1000 km „alleine“ durch das Land.
Zu den wohl schlimmsten Erfahrungen gehört das Erbrechen einiger Kinder beim Essen. Sie weinten vor lauter Heimweh, würgten und erbrachen sich. Die Konsequenz war: aufessen!
Aus genau diesem Teller mit dem Erbrochenem. Bis zum Schluss. Und alle mussten schweigend zuschauen.
Nebenbei eine kleine „Anekdote“:
Eine der „Tanten“ entpuppte sich als ganz besonders sadistisch. Ich meine mich zu erinnern, dass sie eine leitende Stellung hatte.
Auf einem Ausflug in einen Park schrie sie einige Kinder an, ein Passant hatte den „Mut“ zu rufen: „Die Nazizeit ist vorbei!“ Was wusste ich von Nazis!
Und doch erinnere ich mich noch heute so gut an diese Szene und glaube, dass die Frau tatsächlich in der NS-Zeit kein kleines Licht war.
Ich bekam, so wie einige andere Kinder auch, Windpocken. Wir wurden dann erst einmal in einem Zimmerchen ohne Fenster isoliert. Nach ein paar Tagen ging es ins Krankenhaus Berchtesgaden, in dem wir noch einmal - ich glaube, es waren drei Wochen - ausharren mussten.
Und doch gibt sich auch eine gute Erinnerung. Eine jüngere „Tante“ war wirklich emphatisch und litt - wie auch wir Kinder - sehr unter der „Machtherrschaft“ und der Brutalität der Alten.
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Brigitte Anna Schoenen schrieb am 18.09.2019
Ich wurde 1964 wegen Bronchitis im lLter von 5 Jahren für 6 Wochen nach Borkum geschickt, die Betreuerinnen waren Nonnen, meine Erlebnisse waren ähnlich, wie die anderen Schilderungen hier, Kontaktverbot der Eltern, regelmäßig Schläge aus nichtigem Anlass, z.B: wenn im 10 Betten Schlafsaal abends nicht Ruhe herrschte, kamen die Nonnen und es hieß: über den Schoß der Nonne legen, Hose runter und Schläge auf den nackten Hintern mit dem Holzlatschen, Esssenszwang (ich wollte kein Käsebrot essen, da wurde es mir in den Mund gestopft und Mund und Nase zugehlten, so dass ich es runterschlucken musste, um nicht zu ersticken, als ich es sofort danach erbrach, gab es wieder Schläge und zur Strafe sofort ins Bett. Käse kann ich bis heute nicht essen, vieles habei ch sicherlich auch verdrängt und vergessen.
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Martina schrieb am 17.09.2019
Mein Bruder, Jahrgang 62, Asthmatiker berichtete damals, dass er immer sehr heiß baden musste. Er wurde in die heiße Wanne gestoßen. Ich weiß aber nicht, wann und wo es war. Ein Junge, der einnässte wurde Pinkeljunge genannt. Meine Schwester, Jahrgang 64, ist Haferschleim traumatisiert.
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Margarete schrieb am 17.09.2019
War total überrascht, als ich im Netz von dem Beitrag in "Report aus Mainz" erfuhr. Hätte nicht gedacht, dass die Erfahrungen sich deutschlandweit so gleichen und es so viele Betroffene gibt. Meine Schwester (damals 9) und ich (damals 12) kamen im Sommer 1974 nach Roggenzell, einem kleinen Dorf nähe Lindau am Bodensee in ein Heim mit angeschlossenem landwirtschaftlichem Betrieb. Der Witz ist, wir wollten sehr gerne "in Kur", da ein Mädchen aus der Nachbarschaft ein Jahr zuvor an der Nordsee in einem Kinderkurheim war und davon schwärmte. In Roggenzell angekommen waren wir sehr enttäuscht und wollten schnellstmöglich wieder nach Hause zurück. Wir schrieben drastische Briefe an die Eltern zusammen mit einem anderen Mädchen, das auch aus unserer Gegend stammte. Diese verzierte ihr Schreiben mit Kreuzen, Särgen und Totenköpfen, was zur Folge hatte, dass die Eltern besorgt bei der Heimleitung anriefen und wir ins Gebet genommen wurden und dann entsprechend positive Schreiben verfassen mussten. Wir wurden wegen unseres Alters und vielleicht auch wegen der Briefe von Quälereien verschont, bekamen aber sehr wohl mit, wie es den Kleinen erging. Sehr viele Kinder, die aus Berlin und Umgebung sowie aus dem Ruhrgebiet stammten, waren z. T. erst 3 Jahre alt. 2 Betreuerinnen waren nett. Die 3. Betreuerin war schlimm, vor allem dann wenn die anderen beiden nicht anwesend waren. Sie hieß Uschi, war allein erziehend und wenn sie am Wochenende alleine Dienst hatte, war ihre Tochter (damals ca 8 - 10 Jahre alt) mit dabei. Die Tochter durfte die kleinen Kinder nach Belieben schlagen, schubsen und in die Beine treten. Sie bekam auch alle Pakete von den kleineren und suchte sich daraus aus, was sie haben wollte und behielt dies dann. An eine Situation kann ich mich gut erinnern: Das älteste Mädchen in der Kur hieß Gerda und war schon 14 Jahr alt. Gerda teilte mit uns das Zimmer und wir freundeten uns mit ihr an. Sie war sehr reif und selbstbewusst für ihr Alter. Als die Tochter von Uschi wieder einmal auf der Treppe zum Haus ein kleineres Kind schubste, gab Gerda ihr eine Ohrfeige. Großes Geschrei, aber Uschi die angerannt kam, wagte es nicht Gerda zu bestrafen. Sehr schlimm war ein Sonntag mit schlechtem Wetter. Wir waren alle zusammen in einem großen Raum um zu spielen. Bei den Kleinen ging es laut zu. Uschi kam wütend ins Zimmer und befahl allen sofort ruhig zu sein und die Arme zu heben. Sie stellte sich in den Raum und ließ ihre Blicke schweifen. Einer der 3-jährigen war der erste, der die Arme wieder senkte. Uschi stürzte sich auf ihn und schlug mit der Faust auf seinen Kopf. Dann schleifte sie ihn zur Wand und schlug seinen Kopf an die Wand. Der Junge hieß Max und hatte eine Brille mit einem zugeklebtem Glas. Ich sehe ihn noch heute vor mir. Auch die Situation, dass Kinder vor dem nicht leer gegessenen Teller so lange sitzen mussten, bis er leer war, erbrachen und das Erbrochene essen mussten, habe ich gesehen. Wir älteren Kinder haben uns damit arrangiert, dass wir die Kurdauer (6 Wochen) durchstehen mussten und waren froh als es wieder heimwärts ging.
Warum werden diese Erlebnisse erst jetzt erzählt - diese Frage findet sich häufig im Netz. Meine Meinung dazu: Damals war es nichts außergewöhnliches, dass Kinder geschlagen wurden.Eltern schlugen, Kindergärtnerinnen schlugen, Lehrer schlugen, Lehrherren schlugen usw. Jeder Erwachsene konnte Kinder kritisieren und an ihnen herumerziehen, nicht nur die Eltern.Das war leider ganz normal und es hätte schon drastisch kommen müssen, damit sich Eltern mit Lehrern, Nachbarn etc. angelegt hätten um sich schützend vor ihr Kind zu stellen. Das Motto: "Wenn du geschlagen wirst, hast du es verdient" hatte in dieser Zeit Gültigkeit. So war es auch unvorstellbar, dass Eltern ihr Kind aus der Kur frühzeitig zurück nach Hause geholt hätten. Das wäre eine totale Blamage gewesen. Oder hat dies jemand erlebt?
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Birgit Hof schrieb am 17.09.2019
Hallo, ich bin total erleichtert, dass endlich auch dieses Thema einmal zur Sprache kommt. Seit Jahren suche ich Menschen, mit denen ich über meine Erlebnisse reden kann. Ich war 3 Jahre alt, als ich mit meiner Schwester von 6 Jahren, 1966 zur Kur nach Dausenau ins Kinderkurheim "Waldesruh" geschickt wurde. Es muss wohl im Spätsommer gewesen sein, eine genauere Zeitangabe habe ich nicht, weil bei uns zu Hause niemand darüber reden wollte. Meine
Schwester kann sich an nichts mehr erinnern, und hat mich vor Jahren, als ich durch schwere Depressionen an dieses "unsägliche Thema" kam, glatt für verrückt erklärt und mir jede Hilfe verweigert. Gerade deshalb suche ich dringend Jemanden, der auch in diesem Heim war, vielleicht zur gleichen Zeit. Ich wäre sehr dankbar, wenn mir jemand weiter helfen könnte. In meiner Verzweiflung habe ich vor fast 16 Jahren angefangen darüber zu schreiben, aber immer wieder habe ich damit aufgehört, weil es zu schmerzhaft war, oder weil ich glaubte, dass niemand daran Interesse hätte. Dieses plötzliche aufflammen dieses lang verschwiegenen Themas, macht mir wieder Mut weiter zu schreiben. Diese Kur war mein größter Albtraum. Vieles woran ich mich noch erinnern kann, wurde von anderen bereits erwähnt. In diesem Sinne hoffe ich hier Antworten zu finden.
Danke an alle, die sich trauen endlich darüber zu erzählen, ich dachte schon ich wäre eine Ausnahme.
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Birgit Ritzrau schrieb am 17.09.2019
Hallo Frau Valle, ich habe auf einem Foto einen Gruß der Betreuerin gefunden. Sie hieß Resi Seele. Sie ist auch mit uns zusammen fotografiert worden. Ich schätze sie auf Anfang zwanzig. Sie lebt bestimmt noch. Außerdem ist noch ein Stempel abgedruckt. " Foto: Bergklause Maria Frieden 7861 Mambach " . Ob das Heim so hieß oder das Fotostudio??? Lg Birgit
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Janine Dahlhaus schrieb am 17.09.2019
Hallo, meine Eltern haben meinen großen Bruder und mich (6/5) mitte der 80'er in so eine Einrichtung verschickt. In den ganzen Wochen habe ich ihn nur 2-3 mal gesehen. Ich kann mich leider nicht mehr daran erinnern wo wir waren, aber für mich war es die Hölle. Der Speisesaal und die Ereignisse die sich da abspielten waren für mich reine Folter. Wir Mädchen mussten in eine Gemeinschaftsdusche unter männlicher Betreuung und dort wurden die Kinder ausgesondert die nicht blond und deutsch aussahen, die wurden dann beschimpft und gedemütigt. Als ich nachts zur Toilette musste wurde ich das erstemal in meinem Leben heftig gerohrfeigt. Wenn wir innerhalb der Mittagszwangspause unerlaubt aus dem Zimmer kamen hatten wir mit einer ordentlicher Strafe zu rechnen. Da ich noch nicht schreiben konnte haben die Erzieher für mich einen Brief an meine Eltern geschrieben , natürlich entsprach der Inhalt nicht dem was ich diktiert hatte. Das Motiv meiner Bilder wurden mit vorgeben und wenn ich das nicht malte wurde ich beschimpft. Als meine Eltern uns abholten erzählte ich alles, doch mir wird bis heute kein Glauben geschenkt. Vor diesem Bericht dachte ich dass ich allein mit dem Erlebten bin, danke das ich mich jetzt nicht mehr allein damit fühle.
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Bernd schrieb am 17.09.2019
Ich ebenfalls. Das dauert wohl noch ein paar Tage, bis die das organisiert haben.
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Rosi schrieb am 17.09.2019
Hallo,

ich bin erst jetzt über den Buten un Binnen-Bericht gestolpert, eigentlich mein Mann. Dieser hat mir sofort berichtet, weil wir oft über meine schrecklichen Erlebnisse gesprochen hatten. Auch ich war auf einer 6-wöchigen Kur in Wyk auf Föhr, muss 1973 gewesen sein, als ich dort 5 wurde (ich musste sogar meinen Geburtstag dort verbringen).

Die Erinnerungen sind teils verdrängt, vieles ist aber sehr present und quält mich fast tagtäglich. So musste ich nachts "stehend" im kalten Waschraum verbringen, weinend, verängstlicht, zitternd (es war kalt, eisig kalt), barfuß.... ich nässte mich ein und bei der nächsten Kontrolle, wurde ich "angeschrien, geschlagen, eingeschüchtert, bedroht".... jede Träne verursachte Ärger und Angst. Allen ging es so!

Das Essen war schrecklich. Es gab sehr viel mit "Käse" und ich mochte keinen Käse. Also wurde ich zum Essen und Aufessen gezwungen. Und es gab viel mit Käse.... Käsesuppe, Käsebrot, usw... und weil ich keinen Käse mochte, musste ich gerade erst recht Käse statt Wurst auf dem Brot essen, grauen- und ekelhaft....Erst nach 30 Jahren, schaffte ich es erstmals Käse zu essen, ohne Würgereiz. Inzwischen kann ich einige wenige Käsesorten essen, auch mit Käse überbackenes geht wieder, dennoch kommt dabei "jedesmal" alles wieder hoch!

Ich könnte hier Bände schreiben...... leider..... und das, obwohl vieles verdrängt ist.... das ist schon heftig! Leider kann ich mich nicht mehr an den Namen des Kurhauses erinnern, wahrscheinlich, weil mir dies gar nicht gesagt wurde. Denn der Grund der Kur war nicht gesundheitlich, sondern weil mein kleiner Bruder starb und meine Mutter einen Nervenzusammenbruch erlitt. Sie sollte sich erholen, während wir Kinder auf Kur sind.

Denn auch mein Bruder war dort, aber in einer anderen Gruppe, in einem anderen Haus, weil er älter war (7 J.). Er war einer der Jüngsten, unter viel älteren Kids (meist zwischen 9 und 11 Jahre, soweit ich mich noch erinnern kann. Vielleicht lief es deshalb anders ab, weil die Kinder älter waren und deshalb glaubwürdiger als wir Kleinen. Ich meine, ich war mit 4 J. die Jüngste.) Seine Erlebnisse waren anders, denn sie unternahmen sehr viel, gingen an den Strand, sammelten Muscheln, besuchten ein Museum.... Er hat diese Kur ganz anders erlebt! Das Essen war abwechslungsreich, niemand musste komplett aufessen oder gar sein Erbrochenes essen! Er kam fröhlich nach Hause, ich verstört, verängstlich und still!

Als ich berichtete, glaubte mir keiner, da mein Bruder genau das Gegenteil erlebt hatte. Das Traume wurde dadurch noch verstärkt! Noch Heute bekomme ich Gänsehaut, mir wird übel, noch Heute leide ich.... es wird wohl nie aufhören!!! Bisher habe ich nur meinen Mann davon berichtet, es ist das 1. Mal, das ich öffentlich hierüber schreibe. Dabei zittere ich und fühle mich beschis... - nach sooooo langer Zeit :o(

Nun werde ich mich hier erst einmal durchlesen. Es ist toll, dass sich endlich jemand an die Öffentlichkeit wagt und über diese Schweinereien berichtet - es darf nicht totgeschwiegen werden, auch wenn die Verantwortlichen nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden können! Deshalb DANKE an alle, die dies ermöglichen und ermöglicht haben!!!
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Boris schrieb am 16.09.2019
1971 war ich mit 5 Jahren in einem Kindererholungsheim bei Scheidegg, der Name des Hauses war „Bergfreude" Ich kann es aber nur als Horrorhaus betiteln.

Alles begann so das Ich zu einem für mich fremden Zug an denn Bahnhof gebracht wurde. Im Zug traf ich dann auf eine grau schwarz gekleidete evangelische Kirchenschwester mit weißer Haube auf dem Kopf. Unser Zug fuhr in Richtung Scheidung zum Kindererholungsheim das im Allgäu liegt.

Mit der Zeit und mit weiteren Stopps kamen dann immer mehr Kinder zu uns in den Zug und zu uns in die Kabine. Mein Gefühl war, was passiert jetzt eigentlich mit mir und wann kann ich wieder zurück nach Hause. „Für solche Gedanken hatte die evangelische Schwester überhaupt kein Verständnis“.

Auf dem Weg nach Scheidegg gab es nur eine Scheibe belegtes Brot und wenn ich dann noch wegen Hunger nach mehr Essen verlangte gab es trotz Verlangen kein weiteres Brot, so nach dem Motto dann hungerst Du halt noch ein bisschen.

Als wir dann in Scheidegg ankamen mussten wir alle in Reih und Glied zum Kindererholungsheim „Horrorhaus" laufen. Danach wurden die Jungs und die Mädchen von einander getrennt und dabei wurden uns auch die Schlafzimmer zugeteilt, ich weiß heute noch genau wo mein Zimmer war und in welchem Bett ich mit dem Gesicht zur Wand die ganze Nacht auf einer Schulter liegen musste.
Ich lag gleich rechts von der Eingangstür und an jeder Wand lag ein anderer Junge.
Dann Kamm die Säuberung wir mussten alle in Reih und Glied in den Keller zu denn Waschräume gehen, dort wurden wir auf gut Deutsch gereinigt.

Jetzt aber ein paar schlimme Punkte die mich bis heute Traumatisieren und Tag täglich verfolgen.

Ich musste im Speisesaal oft Stundenlang mit der Horrortante zusammen am Tisch sitzen „ich weiß heute noch genau an welchem Tisch und auf welchem Stuhl ich saß" die Horrortante saß links von mir. Wenn ich mein Essen nicht mehr essen wollte oder konnte dann musste ich so lange mit der Horrortante am Tisch sitzen bis der Teller leer war.
Mit Teller leer essen meinte ich, das ich Stundenlang am Tisch sitzen musste und ich wurde dabei gezwungen alles auf zu essen auch mein eigenes Erbrochenes alles was ich ausgewürgt oder erbrochen hatte. Was auf dem Teller oder auf dem Tisch landete musste ich mit dem Löffel wieder aufessen und wenn ich im Mund nochmal erbrochen hatte wurde ich gezwungen es wieder herunter zu schlucken.
Als ich dann schon mehrere Male das Erbrochene im Mund wieder hoch gewürgt hatte hat man mir den Mund zugeklebt damit ich es schlucken musste und so ging das bis der Teller leer war.

Was ich damals nicht verstehen konnte, ist das ich Zuhause das Essen mit dem Messer und der Gabel gelernt hatte aber hier im Kindererholungsheim gab es bei Essen keine Messer.
Wir durften nur mit Löffel und Gabeln essen, was damals für mich schon ein Schlag nach hinten war.

Nachts im Bett wurde alles dunkel gemacht und jeder musste auf der Schulter liegend die Wand anschauen, es durfte überhaupt nicht gesprochen oder geweint werden ansonsten kam die Horrortante rein und hat Einen angeschrienen und im schlimmsten Fall musste man mit ihr raus vor die Tür in eine dunkle Kammer wo Sie dann besser ein Auge auf dich und die Zimmer hatte.
Die Horrortante war jede Nacht im Flur vor unseren Zimmern gesessen damit sie uns wie ein Stück Dreck behandeln konnte.

An einem eiskalten Abend mussten wir alle bei Eis und viel Schnee zur Strafe am dunklen Walderand durch die dunkle Nacht marschieren bis wir nicht mehr konnten.

Ich leide heute noch so gut wie jeden Tag darunter und in mir herrscht ein Hass gegen bestimmte gesellschaftliche Dinge.

Ich bin so froh wenn diese grausamen Vergehen an uns Betroffenen endlich an die Öffentlichkeit kommt!
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Barbara schrieb am 16.09.2019
Hallo, ich bin gerade erst auf das Thema aufmerksam geworden. Ich war 1966 ( mit 5 Jahren! ) in einer Kinderkur in Grafenaschau in Bayern. Ich erinnere mich nur noch an sehr wenig. Ich war mit meinem 1 Jahre älteren Bruder zusammen dort, aber wir wurden in getrennten Schlafsäälen untergebracht. Das war schreckliche für mich, da wir zu Hause immer zusammen gespielt haben und dann durfte ich auch beim Spaziergang nicht an seiner Hand laufen und hatte das Gefühl "ohne Halt' zu sein, was mir Angst machte. Ich erinnere mich nicht an Misshandlungen, aber ich fühlte mich sehr einsam und allein gelassen und dachte meine Eltern wollten mich nicht mehr, denn ich wusste ja nicht wie lange ich da bleiben muss . Ich kann mich auch an keine anderen Kinder erinnern. Nicht an Spiele oder so. Nur an lange Spaziergänge an einer langen Leine, an der wir uns festhalten sollten. Wir durften nicht auf den Baumstämmen balancieren ö.ä. Meine lebhafteste Erinnerung: es gab oft nackte Weisswürste. Von denen wurde mir immer schlecht. Diesen Geruch kann ich noch heute nicht ertragen und habe eine Allergie gegen tierisches Eiweiß entwickelt. Vielleicht ist ja jemand hier im Forum unterwegs, der damals auch in Grafenaschau war und mehr Erinnerungen hat und diese mit mir teilen möchte.
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Regina Konstantinidis schrieb am 16.09.2019
Auch ich wurde - vermutlich 1970 - zu einer sechswöchigen Kur über Weihnachten nach Borkum geschickt, ins "Haus Ruhreck", weil ich zu dünn und zu blass war. Eine vierjährige Nachbarstochter ebenfalls, auf die ich aufpassen sollte. Vor Ort wurden wir sofort getrennt, Ich habe sie oft weinen hören, aber durfte nicht zu ihr. Ich habe diese Zeit als die schrecklichste meines Lebens empfunden, was aber mindestens genauso schlimm war, dass mir später weder meine Mutter noch sonst eine Vertrauensperson die schrecklichen Geschichten geglaubt hat, bis ich irgendwann selber schon dachte, ich habe mir das in meiner kindlichen Phantasie nur ausgedacht. Viele ältere Kinder, die vor mir bereits dort waren, konnten sich an nichts erinnern. Erst als ich im Jugendalter mit dem Bruder einer Freundin sprach, der vermutlich im selben Zeitraum im Haus Ruhreck war, bestätigten wir uns gegenseitig unsere Erlebnisse, das tat uns beiden nach so vielen Jahren der Verdrängung und Zweifel richtig gut.
Woran ich mich erinnere:
Bei der Ankunft wurde das Gepäck von den "Aufseherinnen" in Schränke geräumt, an die man nicht dran kam, Anziehsachen wurden -glaube ich - einmal täglich von den Aufseherinnen herausgegeben, dazu stand man halbnackt in einem kalten Flur in einer Schlange.
Strikte Toilettenzeiten, in denen die ganze Gruppe zur Toilette ging, außerhalb dieser Zeiten durfte man nicht gehen. Machte man sich deshalb in die Hose, wurde man "vorgeführt" und zur Strafe musste man die "verpinkelten" Sachen anbehalten.
Die schlimmsten Erinnerungen habe ich an das Mittagessen, das gruppenweise an langen Tischen mit ein bis zwei Betreuerinnen eingenommen wurde, denen Nichts entging: die Portionen waren für die dünnen Kinder riesig, und alles musste aufgegessen werden. Einige Kinder würgten das Essen wieder heraus, auch in der Hoffnung, das Essen dann nicht mehr anrühren zu müssen. Das war allerdings nicht der Fall. Sie mussten tatsächlich ihr "Erbrochenes" wieder aufessen, solange, bis der Teller leer war. Das war grausam und werde ich wohl nie vergessen.
Jeden Tag musste ein Mittagsschlaf gemacht werden, es hatte absolute Ruhe zu herrschen in den Schlafzimmern bei offener Tür, im Flur saß eine Aufsichtsperson, beim kleinsten Mucks kam die Aufsicht und meckerte höllisch rum. Kein Kind aus meinem Zimmer schlief, aus dem Alter war man nun mal heraus. ich war mit sechs Jahren eine der jüngsten in dieser Gruppe und nach gefühlt einer endlos langen Zeit, war dann die Zeit für den Mittagsschlaf abgelaufen. Das einzige Positive war, dass man danach ein Brötchen mit Honig im Speisesaal bekam, das war für mich wirklich das Highlight des Tages.
Wöchentlich wurden Briefe an die Eltern geschrieben, in denen aber nur Gutes stehen durfte, das haben die Aufseherinnen gründlich kontrolliert, und die Kinder, die sich auch nur ansatzweise beschwerten, mussten ihre Briefe umschreiben. Zukleben und davor nochmals kontrollieren war dann wieder Sache der Aufseherinnen. Einfacher hatten sie es bei uns kleineren Kindern, wir sollten irgendwas erzählen und sie haben dann irgendwas, was ihnen passte, aufgeschrieben. Nur Gutes ,wie ich hinterher erfuhr.
Gegen tägliche frische Luft hatte ich überhaupt Nichts, was sich allerdings anders gestaltete, als ich dachte. Freies Rumrennen oder Muscheln sammeln am Strand, stand definitiv nicht auf dem Programm. Stattdessen ging es in Zweierreihen durch den Ort und zum Meer, das war eher ein "Marschieren", denn wir mussten im Gleichtakt laufen und immer etwas Brüllen mit "Und eins und zwei ....und vorwärts, rückwärts, seitwärts, ran." Beim allerersten Mal fanden viele Kinder das noch lustig, aber danach war es einfach nur schlimm. Man konnte nicht mal stehenbleiben wo man wollte, denn das bestimmten die Aufseherinnen, man konnte durch das ewige "Gebrülle" auch nicht mit anderen Kinder quasseln oder gar Freundschaften schließen.
Mein einziger Freund war der Leuchtturm, dem ich in Gedanken meine Einsamkeit und Verzweifelung schilderte und versprach, dass ich alle Gemeinheiten dort später zuhause erzähle, damit da kein Kind mehr hin muss. Wie anfangs erwähnt, glaubte man mir nicht.
Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass ich bis zu dieser "Kur" ein in sich ruhendes, aber doch fröhliches Kind war, dass gerne zur Schule ging, die Lehrerin liebte und in den Pausen mit den anderen auf dem Schulhof tobte. Nach der Kur hatte ich erfahren, dass meine damalige Lehrerin wohl auch meiner Mutter zu dieser Kur geraten hatte, daraufhin war ich monatelang wie ausgewechselt. Ich habe im Unterricht gestört, und jeden Tag meiner Freundin ins Ohr geflüstert:"Die Frau X (Lehrerin) ist doof, bitte weitersagen." Wegen dieser Aufmüpfigkeit musste ich dann oft an den sogenannten "Katzentisch", alleine sitzen und Strafarbeiten machen. Irgendwann habe ich mich dann wieder gefangen.

Ich merke, dass mich das Aufschreiben und erinnern gerade sehr berührt, bin aber froh, dass diese schrecklichen Kindheitserlebnisse hier mal öffentlich gemacht werden und man noch einmal bestätigt wird durch die vielen anderen Berichte, dass man sich das definitiv nicht eingebildet hat. R.K.
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Birgit Lüth-Sötebehr schrieb am 16.09.2019
Guten Tag liebe Petra H.,
könnte es das Kinderheim Quisisana sein?
Dort jedenfalls bin ich für ? Wochen gewesen und schreibe dazu noch einmal gesondert hier im Forum. Brauche aber noch ein wenig Zeit...
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Helga Panknin schrieb am 16.09.2019
Moin moin
Für die Statistik ergänze ich meinen Beitrag zu Bad Sachsa:
1 Jahr später (1963) musste ich erneut zur Kur. Es sollte diesmal besser werden durch folgende Maßnahmen
1. Ich hatte ein ärztl. Attest über Milchunveräglichkeit
2. Dauer von nur 4 Wochen
3. Wahl einer Privatklinik

Das Haus war zwar freundlicher, aber die Abläufe ähnelten sich in allen Bereichen so sehr, dass ich heute Schwierigkeiten mit der Zuordnung habe. Details erspar ich mir.
Das Attest wurde ignoriert. Als ich dies beim Klinikarzt anmerkte war dies für eine 7-jährige wohl zu anmaßend . Hier hätte der Klinikarzt das Sagen.

Also auch in St.Peter Ording die gleichen Methoden. Die Klinik hieß Lorentzen (früher Haus Bergedorf)

Viele Grüße Helga
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Petra schrieb am 15.09.2019
Hallo Bernd,
Der Kontakt sollte nun über die Email von gestern zustande kommen. Habe meine Daten zur Weitergabe freigegeben. LG.
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Raphael R.M. Weiß schrieb am 15.09.2019
Ab meinem 5. Lebensjahr war ich wegen Asthma für 6 Wochen zur Erholung in solchen Heimen an unterschiedlichen Orten.
Bad Sassendorf, auf der Insel Spiekeroog, in Brunneck (Südtirol).
In Bad Sassendorf erinnere ich mich dass es Winter war und wir mußten draußen sein an der "guten, frischen und kalten Luft". Obwohl es allen Kindern schon kalt war, durften wir nicht rein gehen. Ich hatte fürchterliches Heimweh. Die Erzieherin schrieb in meinem Namen nach Hause, ich konnte ja noch nicht schreiben, meinen Eltern wie gut es mir gehe und wie sehr es mir hier gefällt.
Auf der Insel Spiekertoog erinnere ich mich an einen Jungen aus unserem Schlafsaal, der, immer wenn er eingenäßt hatte, barfuß sich mitten ins Zimmer stellen mußte mit seinem verpinkelten Schlafanzug."Da siehst Du was Du wieder gemacht hast", war der Satz der Erzieherin. Ich hatte großes Mitgefühl, aber wer will schon einen Verpinkelten Jungen zu sich ins Bett lassen.
Sitzen bleiben bis aufgegessen war, lernte ich dort kennen. Also schluckte ich die ekelhafte Schweinefetthaut im Eintopf.
Brunneck war das schlimmste Heim für mich.
Diesmal traf es mich voll.
Eine Katze war in einem Kleiderschrank der Jungen eingeschlossen worden und hatte dort ihr Geschäft gemacht.
Da man mich am Nachmittag mit diesem Kätzen gesehen hatte, sagten die Jungs das ich sie dort eingesperrt hätte.
Man holte mich aus dem Schlafsaal, stellte mich vor der Tür zur Rede.
Ich sagte, dass ich das nicht war.
Um den Wahrheitsgehalt meiner Aussage zu hinterfragen, lies man mich barfuß, mit einer Decke über der Schulter allein im kalten Flur stehen, um darüber nochmals nachzudenken.
Nach einer Weile kam der Erzieher wieder und Ohrfeigte mich."Hast Du darüber nachgedacht?" war seine Frage. Als ich ihm sagte dass ich das nicht war, beharrte er daruf dass ich es gewesen sei, weil die Jungen das gesagt haben.
Das Ohrfeigen ging also weiter.
Ich fühlte mich so hilflos. Irgenwann sagte ich dann, ja ich sei es gewesen in der Hoffnung dass dann die Ohrfeigen aufhören.
Genau das Gegenteil war dann der Fall. "Weil du gelogen hast" , sagte mir der Erzieher und Ohrfeigte weiter.
Ewigkeiten später ließ er ab und schickte mich zurück ins Bett.
Nur nicht weinen um nicht als Schwächling vor den Anderen da zu stehen.
Zum Frühstück wurde jeder Übeltäter vom Heimleiter nach vorne zu sich gerufen.
Er hatte einen Rohrstock der hieß "Neckermann macht es möglich".
Alle Kinder waren an ihren Tischen so plaziert, das immer der Tisch der Erzieher und des Leiters zu sehen war.
So stand ich vor allen Kindern vor dem Heimleiter, der mir die Frage stellte, wieviele Schläge ich wohl für mein Vergehen verdient hätte. Aus einer Spanne von eins bis fünf Schlägen durfte ich wählen.
Ich nannte fünf, in der Hoffnung Gnade zu finden und bekam dann drei Schläge auf den Hintern vor allen Kindern, mit besagtem Rohrstock.
Nur nicht weinen.
Es war so demütigend. Zumal ich unschuldig war und mir keiner glaubt hatte.
Ich war damals 11 Jahre alt.
Es gibt Wunden, die heilen nie. Es bildet sich ein Schorf darüber, wenn jedoch die Erinnerung kommt, tut es immer noch weh.
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Martin M. schrieb am 15.09.2019
Hallo Frau Röhl,
Sie haben in Ihren Veröffentlichungen von Ihrem Bruder berichtet, dass er wie ich in der Lungenheilanstalt/ Kinderkurklinik, in der Kurfürstenstraße 26, in Bad Reichenhall, zur Kur in den 60er Jahren verschickt wurde. Vielleicht ist es Ihnen möglich mit mir Kontakt auf zunehmen und mir von den Erlebnissen Ihres Bruders zu berichten.
Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie oder Ihr Bruder sich mit mir austauschen könnte.
Ich habe eine Fotokopie von der Klinik damals in den 60ern. Ich war vor 6 Jahren vor Ort und habe vom Stadtarchiv diese Fotokopie erhalten. Auf dieses Bild hatte ich mit heftigen Panikattacken reagiert, sodass ich sehr schockiert war. Diese Reaktionen bestätigten meine Erlebnisse und seit dem arbeite ich an meinen Traumata.
siehe Bericht vom 13.09.19

Vielen herzlichen Dank

Martin M.
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Hilge, Elke schrieb am 15.09.2019
Guten Abend, durch Zufall geriet ich auf Ihre Seite. Viele Jahre hatte ich meine Erlebnisse verdrängt, doch nun kommt alles noch einmal in mir hoch und ich möchte es zu Papier bringen:
Geboren bin ich Ende 1949 und war mit 8 Jahren im Kinderheim der Stadt Münster auf Juist für ca. 4 Wochen. - Es war schrecklich.
Nach der langen Reise mit Bahn und Schiff am Abend der erste Schock: Zum Abendbrot gab es die eingesammelten Butterbrote der anderen Kinder auf großen Tellern. Das war es. Und eine riesige Lebertran-Tablette, die ich an diesem Tag und auch an den anderen niemals schlucken konnte, sie deshalb zerbeissen musste. Auch an diesem Abend fiel ein Fräulein einfach um, sie soll einen epileptischen Anfall gehabt haben. Vor unseren Augen bei der Essensausgabe passierte es. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich in dieser Nacht eingeschlafen bin. Am nächsten Tag dann beim Mittagessen passierte das Schrecklichste, was ich bis dahin erleben musste. Ein Kind musste das Erbrochene wieder aufessen. Ja tatsächlich, auch hier wurde es praktiziert. Von nun an versuchte ich täglich, alles über mich ergehen zu lassen, was dort passierte. Ich traute mich nicht ein einziges Mal, zu sagen, dass ich unglücklich und traurig war. Es gab auch niemanden, der mich fragte. Mittags musste in einer Art Sommergarten auf Liegen ein Mittagsschlaf abgehalten werden. Nicht einmal konnte ich einschlafen, habe mein Leid herausgeweint und hatte sehr großes Heimweh. Einmal in der Woche wurden wir in Badeanzügen gebadet in einer großen Hallte mit ein wenig Wasser. Die Schwestern fuhren mit Seifenstücken unter unsere Badeanzüge. ich habe es als sehr unangenehm in Erinnerung.
An schöne Erlebnisse auf Juist kann ich mich gar nicht erinnern. Nur an einen Strandausflug, als wir Muscheln sammeln durften.
Es war uns gestattet, Briefe an die Eltern zu schreiben. Es tat mir gut, all mein Leid zu Papier zu bringen. Dieser erste Brief wurde jedoch nicht abgeschickt, statt dessen wurde ich genötigt, den Brief noch einmal zu schreiben und zu verbessern. Danach wurde er verschickt.

Nach 4 Wochen konnte ich endlich wieder nach Hause fahren. Ich hatte tatsächlich das Ziel des Heimes erreicht und 4 Pfund zugenommen.
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Petra Seitz schrieb am 15.09.2019
Hallo,
Ich war mehr als erstaunt als ich den Bericht vom 10.9. /Report Mainz gesehen habe.
Immer wieder dachte ich im Stillen dass man sich nicht nur um den Missbrauch in Kirche,Familie, Schulen kümmern müsste sondern auch was in dem Erholungsheimen so geschah....
Offensichtlich bin ich also nicht die einzige die diese 6 Wochen nicht vergessen hat. Ich bin zwar nicht körperlich missbraucht worden, aber die Demütigen sind mir noch gut im Gedächtnis.
Es muss 1970 gewesen sein. Ich war 6 Wochen in Obermeiselstein/Allgäu.
„Verschickt“ durch die BEK.
Als Älteste(11Jahre) musste ich zusammen mit weiteren 4 Kindern die 70 Paar Schule aller Kiinder putzen. Dieser Gestank im Schuhkeller. Und wehe die Schuhe haben nicht geglänzt....
Schlimm war allerdings dass ankommende Post oder persönliche Geschenke geöffnet wurden und die Süßigkeiten verteilt werden mussten.
Aber der Höhepunkte war dass die Briefe die wir nach Hause geschrieben hatten , zensiert wurden. Kritik durfte nicht drin stehen. Dann musste der Brief nochmal geschrieben werden.
Das Essen musste immer aufgegessen werden, egal ob verdorben oder verbrannt....
Mittagspause von 13-15 Uhr. Im Nachthemd ins Bett und absolute Ruhe!!!
Kontrolliert wurde das durch eine „Tante“, die 2 Stunden im Gang auf und ab lief. Auf die Toilette gehen-verboten.
Wer während der Mittagspause als „Störenfried“ erwischt wurde, musste die restliche Zeit auf dem Gang „strafestehen“ und nach dem Nachmittagskakao wieder zur Strafe ins Bett anstelle am “Nachmittagsprogramm“
mitzumachen.
Das ganze gipfelte dann darin das ein Mädchem einfach in eine Tüte gemacht und diese unter ihr Bett stellte.
Kinder die sich absolut nicht fügten wurden von ihren Zimmerbewohnern getrennt und mussten die verbleibende
Zeit mit im Zimmer/Wohnbereich der Leiterin schlafen....
Ich möchte betonen dass es mir in erster Linie darum geht, dass sich auch die Krankenkassen endlich mit diesem Thema beschäftigen.
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Sylvia Rehlich schrieb am 15.09.2019
Erschreckend, dass es in allen Einrichtungen ähnliche Maßnahmen gab. Ich bin Jahrgang 1953 und wurde mit 6 Jahren zum ersten Mal wegen Untergewicht verschickt. Das Heim war in Haffkrug an der Ostsee. Der Träger war die PRO Genossenschaft. Heute ist das Gebäude ein Erholungsheim für Senioren. Ich war für die ältere Tante, die meiner Gruppe vorstand, der letzte Nagel zu ihrem Sarg, wie sie immer wieder betonte. Ich konnte schon als Kind keine Milch vertragen und habe mich davor geekelt. Daher habe ich oft bis mittags vor meiner Milchsuppe, mal mit Nudeln, mal mit Graupen, gesessen. Warme Milch mit Haut in großen Blechkannen, der Gedanke verursacht mir heute noch Brechreiz. Post von zu Hause bekam man nur ausgehändigt, wenn man im vollen Speisesaal vor allen ein Lied sang. Suessigkeiten wurden einbehalten. Der Schlafsaal mit dem Blecheimer für das kleine Geschäft war mein Albtraum. Meine Bettnachbarin hat häufig ins Bett gemacht und musste dann den nächsten Tag im Bett bleiben. Abends mussten wir im Bett ein Lied singen zum Blockflötespiel der Tante. Die Lieder Hohe Tannen weisen die Sterne und Kein schöner Land verursachen mir heute noch Gänsehaut. Mittagschlaf in der Glasveranda unter grauen Wolldecken war auch der Horror, da wir alle in der selben Richtung liegen mussten und uns nicht bewegen durften. Post wurde zensiert bzw. für uns geschrieben. Und weil alles so schön war und ich immer noch Untergewicht hatte, wurde ich mit 9 Jahren nochmals verschickt, diesmal für 8 Wochen nach Westerland auf Sylt. Den Träger weiß ich leider nicht. Die Verhältnisse waren ähnlich. Ich habe einige Nächte im Stehen auf dem Flur verbracht, weil ich geredet hatte. Besonders demütigend war das Stehen nackt in langer Schlange vor den offenen Duschen, Jungen und Mädchen gemeinsam. Fast während des gesamten Aufenthaltes trug ich einen dicken Knieverband. Ich war auf nassem Schotter gestürzt und die Wunde hatte sich entzündet. Die kleinen Steine sind heute noch im Knie. Bei jedem Verbandswechsel wurde Jod darauf geschmiert. In der Nordsee baden durfte ich deswegen auch nicht und musste vom Strand aus den Kindern zusehen. Die Folgen der Kinderkuren für mein Leben waren Angst vor Autoritäten, Einsamkeitsgefühle, mangelndes Vertrauen und insgesamt eine große Ängstlickeit. Ich freue mich aber, dass ich diese schrecklichen Erfahrungen mit vielen teile. Vielen Dank für die Initiative.
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Christa schrieb am 14.09.2019
Hallo liebe Frau Röhl und alle Betroffenen,
Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, endlich auf Menschen zu treffen, die Ähnliches erlebt haben. Den Bericht bei Report Mainz habe ich in einer Rehaklinik nach einer Krebserkrankung gesehen und er hat mich erschüttert und gleichzeitig bestätigt in all meinen Erinnerungen und Gefühlen, die in den letzten Jahren in mir hochgekommen sind. Ich bin heute 57 und war ca. 1969 in einem Kinderkurheim in Bad Dürkheim (falls noch jemand dort war, bitte unbedingt bei mir melden) wegen starkem Asthma (damals hieß es Bronchitis) und Neurodermitis (damals hieß es Milchschorf).
Ich wurde mit 7 Jahren im Januar 1969 in einen Zug gesetzt mit anderen Kindern und einer fremden Aufsichtsperson. Da ich noch nie von Zuhause und aus meinem Dorf weg war, war das alleine schon traumatisch. Noch heute hasse ich alle Stoffe, die so ähnlich aussehen wie die Decke, eine Art Militärdecke, die man uns zum Warmhalten im Zug gegeben hatte. Der nächste Schock kam beim Abendessen am ersten Abend. Es gab Tomatensuppe, die ich als Kind vom Land damals nicht kannte, und, was schwerer wiegt, ich war so voller Schmerz und Heimweh, dass ich überhaupt nichts essen wollte und konnte. Diese Tomatensuppe wurde mir eingeflößt, Löffel für Löffel und mit per Hand aufgespreizten Wangen. Danach habe ich jahrzehntelang Tomatensuppe gehasst, ohne zu wissen warum, bis ich als junge Frau mit Mitte zwanzig bei einem wichtigen Geschäftsessen in einem französischen Restaurant als einer der ersten Gänge Tomatensuppe vor mir stehen sah. In dieser unausweichlichen Situation habe ich mich überwunden, sie zu essen, was gut war, denn heute liebe ich Tomatensuppe. Aber diese Situation beim Essen war der erste Trigger, durch den ich mich nach und nach an die Geschehnisse in der Kur erinnerte. Allein das Wort Kur war für mich jahrelang unterbewusst negativ belastet, für mich gleichbedeutend mit Schmerz, Heimweh und Strafen. Was will das mir sagen, dass ich jetzt gerade wieder in „Kur“ bzw. einer Anschlussreha nach Krebs bin und jetzt mit diesem Thema und den Erinnerungen konfrontiert werde?
An sonstige Schikanen beim Essen kann mich nicht erinnern, vielleicht wurde ich sonst nicht zum Essen gezwungen, da ich recht „kräftig“ war und auf eine Art Diät gesetzt wurde.
Jedoch gibt es weitere Erinnerungen, von denen ich schreiben möchte. Da ich noch nie von Zuhause weg war, und ich hatte ein sehr liebevolles Zuhause, hatte ich schreckliches Heimweh und weinte mich oft abends in den Schlaf. Da wir in einem großen Schlafsaal mit ich weiß nicht wie vielen Betten schliefen, musste natürlich absolute Ruhe herrschen. Nur meine mitgebrachte Puppe Liesel konnte mir ein bisschen Geborgenheit geben. Von den Nonnen, die das Haus betrieben, war keine Zuwendung oder gar Trost zu erwarten. Eines Abends oder nachts wurde ich beim Weinen „erwischt“ und musste zur Strafe draußen auf dem kalten Flur vor dem Schlafsaal stehen im Schlafanzug und einem dünnen Kunstfaserbademantel, wie sie damals üblich waren. Und es war Januar bzw. Februar und bitterkalt. Ich kann mich nicht erinnern, wie lange ich dort stehen müsste, nur noch dass ich furchtbar gefroren habe.
Eine weitere Situation erinnere ich aus dem Waschbereich. Unsere Haare wurden täglich (?) mit einem Läusekamm gründlich und nicht gerade zimperlich durchgekämmt. Danach mussten wir uns waschen und danach nebeneinander aufstellen, nach vorne beugen und dann kontrollierte eine Schwester, ob unsere Pofalten sauber waren. Ich erinnere mich, dass ich große Angst davor hatte, aber nicht mehr daran, wie das bestraft wurde.
Die Sehnsucht nach zuhause war so groß bei mir und ich wünschte mir nichts mehr, als dass meine Eltern kommen würden und mich abholen würden. Meine Eltern hatten damals weder Telefon noch Auto, es gab also keinerlei Kommunikation mit ihnen. Ob sie mir geschrieben oder Päckchen geschickt haben, weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich daran, dass der Inhalt von Päckchen an alle verteilt wurde. Eine Kusine meines Vaters, die ich relativ gut kannte, lebte in der Nähe des Heims und kam mich einmal besuchen. Ich nehme an, sie hat gemerkt, wie schlecht es mir ging, hat das aber wohl nicht meinen Eltern mitgeteilt. Ich hätte gerne meinen Eltern geschrieben, dass ich heim will, aber uns wurden die Briefe diktiert, die an die Eltern geschickt wurden. Ich erinnere mich genau, dass eine Schwester neben mir saß und genau gesagt hat, dass ich schreiben sollte, mir gehe es gut, es wäre schön dort, die Schwestern wären nett und das Essen lecker. Dann mussten noch fröhliche Blümchen aufs Papier gemalt werden.
Solche Briefe haben die Eltern dann bekommen und gedacht, dem Kind geht es gut und es wird wieder gesund dort. Doch wie kann man in einem solchen Umfeld gesund werden, mit einer solchen Unterdrückung, den Strafen, der Angst und dem Heimweh?! Ich kann mich nur an eine einzige junge Schwester erinnern, die ab und zu versucht hat, lieb zu mir zu sein und mich zu trösten, das aber heimlich tun musste und es daher nur selten vorkam. Alle anderen Schwestern habe ich als kalt, herzlos, unbarmherzig, streng und grausam in Erinnerung. Meinen Eltern mache ich keine Vorwürfe, sie konnten es nicht wissen und haben es gut gemeint und dem System vertraut. Sie wollten, dass es mir besser geht und wären sofort gekommen, um mich da raus zu holen, wenn ich ihnen die Wahrheit hätte sagen dürfen. Ich habe ihnen später als junge Frau davon erzählt und sie waren sehr betroffenen und entsetzt. Mein 91-jähriger Vater hat den Bericht bei Report Mainz auch gesehen und mich sofort darauf angesprochen, wie leid ihm das tut, dass auch ich so etwas als Kind erleben musste.
Als ich damals mit 7 Jahren nach 6 Wochen Kur zurück in die Schule kam, sollte ich dort den anderen Kindern davon erzählen, brach jedoch sofort weinend zusammen und war nicht in der Lage, darüber zu sprechen. Das konnte niemand, auch meine Lehrerin, nicht verstehen, da sie dachte, ich hätte eine schöne spannende Zeit in der Kur verbracht.
Es gibt auch einige wenige undeutliche Erinnerungen, die teilweise schön sind, z.B. Spaziergänge mit Singen vom Lied „er steht im Tor, im Tor, im Tor und ich dahinter, Frühling, Sommer, Herbst und Winter steht mein Schatz auf dem Fußballplatz“; Gänge an den Salinen entlang; samstags Ansehen von Daktari im Fernsehen; Verkleiden an Fastnacht. Dahingegen war der Schulunterricht dort eine Tortur, wir waren mit Kindern vom ersten bis zum neunten Schuljahr in einer gemeinsamen Klasse und ich als Zweitklässlerin war von den großen Kindern total eingeschüchtert und hatte Angst vor ihnen.
So blieb ich 6 Wochen an diesem grausamen Ort und leide heute noch darunter. Immer wieder kommen Erinnerungen hoch und oft habe ich ein seltsames Gefühl, als ob dort noch irgendetwas ganz Schlimmes schlummert und ich es nicht an die Oberfläche kommen lasse, da ich Angst vor dieser Erinnerung habe. Mein ganzes Leben leide ich unter Neurodermitis und Allergien, das Asthma ist in der Pubertät glücklicherweise verschwunden, aber leider haben auch meine Kinder die Neigung zu Allergien geerbt. Als bei meinem älteren Sohn Asthma auftrat, auch eine schlimme Variante, kamen meine eigenen Krankheitserlebnisse ganz unvermittelt wieder hoch und ich habe ihn bei seinen vielen Krankenhausaufenthalten im Kindesalter dort nie alleine gelassen. Mein Leben lang verspüre ich auch eine große Schwäche, wenn es um Krankheiten geht und will mir nicht zugestehen, krank zu sein. Jetzt bin ich krebskrank und frage mich natürlich, was die Ursache davon ist. Wie ich hier gelernt habe, sind die Ursachen von Krebs multifaktoriell und einer dieser Faktoren ist mit Sicherheit diese schreckliche traumatisierende Erfahrung im Kinderkurheim!
Ich möchte sehr gerne weiteren Kontakt zu dieser Initiative und sollte es jemanden geben, der auch in Bad Dürkheim war, würde ich mich sehr gerne austauschen. Leider weiß ich nicht mehr, wie das Haus hieß, welcher Orden es betrieben hat und finde auch im Internet keine Hinweise darauf.
Ganz herzlichen Dank für diese Initiative und die Möglichkeit zu erzählen.
Christa
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Edith Domagala schrieb am 14.09.2019
es war natürlich das Jahr 1960
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Kozel,Heike schrieb am 14.09.2019
Ich war 1960 oder 61 auf Norderney und wurde auch im Bett festgebunden. Ich habs genau so in Erinnerung, durfte mich nicht kratzen. Meine Eltern haben mir nichts geglaubt. Zur Zeit bin ich in einem emotionalen Ausnahmezustand ....
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Petra H schrieb am 14.09.2019
Ich bin Jahrgang 1959 und war im Frühjahr 1967 wg. Hautproblemen zur Kur in St. Peter-Ording. Leider weiß ich den Namen des Kinderheims nicht mehr. Irgendjemand hat geschrieben, dass das Kinderheim einen langen Kellergang hatte, der die Häuser miteinander verbunden hat. Als ich das gelesen habe, kam ein Stück Erinnerung zurück. Ich kann mich allerdings an ganz wenig erinnern - habe wahrscheinlich ganz viel verdrängt -, aber auf jeden Fall daran, dass ich auch einen Jungen gesehen habe, der sein Erbrochenes essen musste. Ich habe die ganzen Jahre immer gedacht, dass ich mir das einbilde, denn so etwas kann man doch keinem Menschen antun. Jetzt habe ich den Beitrag in Report Mainz gesehen und war entsetzt feststellen zu müssen, dass es so vielen Kindern so schlimm ergangen ist. Ich bin erstaunt, dass so viele sich nach den ganzen Jahren noch an so viele Details erinnern können. Ich bin ein guter Verdränger, was in diesem Fall vielleicht ja gar nicht so verkehrt ist.
Es tut weh zu lesen, wie schlimm es so vielen Kindern ergangen ist und kann nachfühlen, dass viele traumatisiert wieder nach Hause gekommen sind. Sechs Wochen unter diesen Umständen von zu Hause weg zu sein ist eine lange Zeit und Zeit genug, um Folgeschäden zu hinterlassen.
Meine Eltern haben mich guten Gewissens auf Anraten unseres damaligen Hausarztes zur Kur geschickt. Hätten sie gewusst, was sich da in den Heimen abgespielt hat, hätten sich mich mit Sicherheit nach Hause geholt. Aber es gab ja keine Möglichkeit, sich mit den Eltern in Verbindung zu setzen.
Meine Mutter hat mir gerade erzählt, dass ich nach der Kur nicht anders war als vorher. Deswegen gehe ich davon aus, dass mir nichts Schlimmeres passiert ist. Ich weiß nur, dass ich die ganze Zeit Heimweh hatte, jeden Tag geheult habe und Milchsuppe mit Einlage und Hagebuttentee bis zum heutigen Tage verabscheue.
Ich wünsche allen Betroffenen eine gute Aufarbeitung dieser Zeit.
Sollte hier evtl. jemand wissen, wie das Heim hieß, würde ich mich freuen, den Namen zu erfahren; vielen Dank.
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Kozel,Heike schrieb am 14.09.2019
Ich bin am 7.4,1957 geboren. Auf dem Foto von Norderney bin ich das Mädchen in der Mitte.
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Giuliana Valle schrieb am 14.09.2019
Sehr geehrte Frau Ritzrau,

ich hätte nicht gedacht, daß noch jemand dort war, da Mambach so klein war / ist. Ja, auch meine Erinnerungen sind altersbedingt nur noch lückenhaft. Wissen Sie vielleicht noch, wie das Haus hieß, wie die uns betreuenden Damen hießen.

Mit besten Grüßen, G.Valle
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Kozel,Heike schrieb am 14.09.2019
Hallo, ich bin Heike Kozel geb Weller,ich war mit dreieinhalb Jahren auf Norderney. Meine Eltern haben mich dort hingeschickt da ich eine Hauterkrankung hatte. Die Ankunft war schrecklich lieblos und beängstigend. Ich musste mich ausziehen und die Nonnen haben sich stumm meine Haut angesehen. Am Abend bekam ich Plastikschinen um beide Arme und wurde in einem riesigen Gitterbett festgebunden. Mir wurde oft Blut abgenommen, es war immer sehr schmerzhaft. Meine persönlichen Sachen wurden mir abgenommen, Bilder von meinen Eltern und meines Hundes. Die Mahlzeiten waren der Horror, ich wollte nicht essen, ich war voller Kummer und Traurigkeit. Beim Mittagessen setzte sich eine Nonne zu mir und hat mir den Löffel in den Mund geschoben, gezwängt. Ich hab mich übergeben, die Nonne hat mich gezwungen,das Erbrochene zu essn. Die täglichen Bäder in einer riesigen Wanne,mit einer blauen Flüssigkeit, hab ich in ganz schrecklicher Erinnerung. Eine Tante hat mich mehrmals unter Wasser gedrückt, weil ich weinte, sie sagt jetzt hätte ich einen Grund zu weinen. Mehr mag ich nicht mehr schreiben. Ich musste drei Monate diese Hölle aushalten
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Peter H. schrieb am 14.09.2019
Nachdem ich den Beitrag in Report Mainz gesehen habe, ist vieles, was ich verdrängt habe, wieder hochgekommen. Ich bin 1976 im Alter von 7 Jahren für sechs Wochen in das Kloster Wessobrunn nach Oberbayern verschickt worden. Meine Erinnerungen sind lückenhaft, decken sich aber mit vielen hier geschilderten Erfahrungen. Das Heim wurde von der Caritas betrieben, "betreut (wenn man das so nennen soll") wurden wir von Nonnen. Angeblich war ich zu dünn und sollte zunehmen.
Erinnern kann ich mich daran, dass uns bei Ankunft das von den Eltern mit gegebene Taschengeld abgenommen wurde und dass wir nur einmal in der Woche eine Karte nach Hause schreiben durften (natürlich wurde die vorher von den Nonnen gelesen). Um zuzunehmen musste man alles aufessen, was einem vorgesetzt wurde. Wer nicht mehr essen konnte oder wollte, musste das, was auf den Teller übrig war, abends kalt aufessen, sonst durfte man nicht aufstehen. Dabei mussten die dicken Kinder, die abnehmen sollten, den dünnen zusehen.
Auch wurden wir geschlagen, insbes. von den älteren Nonnen und insbes.. dann wenn sich jemand im Schlafsaal bewegte oder laut war. Auch wenn vieles lückenhaft ist, erinnere ich mich noch an eine junge Nonne, die uns immer gut behandelt hat und uns versucht hat zu trösten, wenn wir uns einsam gefühlt haben, leider war das eine Ausnahme.
Insgesamt scheint es noch ein bisschen besser gewesen zu sein als in anderen Heimen, immerhin musste ich kein Erbrochenes essen. Trotzdem waren die sechs Wochen ein einziger Alptraum, es herrschte eine beklemmende Atmosphäre und ein Klima der Einschüchterung und Angst.
Nachdem ich in den letzten Jahren immer wieder sporadisch nach Spuren solcher Verschickungen gesucht habe, bin ich froh, dass endlich darüber berichtet wird und dass das Thema Aufmerksamkeit bekommt. Interessieren würde mich, ob sich die Caritas und der Orden der Benediktinerinnen sich dem bewusst sind, was Sie bei den Betroffenen angerichtet haben. Leider kann ich mich an keinen einzigen "Leidensgenossen" mehr erinnern, es würde mich interessieren, ob auch andere ähnliche Erfahrungen in Wessobrunn gemacht haben.
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Petra Schreiber schrieb am 14.09.2019
Mit großem Interesse und Entsetzen habe ich den Bericht von Report Mainz gesehen.Ich bin Jahrgang 1958 und wurde mit 6-7Jahren nach überstandener
Scharlachkrankheit in Nürnberg in den Zug gesetzt,um in Wyk 8Wochen bei
einer Kur zu Kräften zu kommen.Es war die schlimmste,einsamste Zeit
meines Lebens.Zwang zum Essen,Angstzustände beim Mittagsschlaf,
Postkarten nach Hause,die von den "Tanten" geschrieben wurden und
Strafen.An mehr kann ich mich leider nicht mehr erinnern...
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Bernd Marschall schrieb am 14.09.2019
Hallo Frau Nießen,

ich habe auch den Reportbeitrag gesehen und anschließend diese
Webseite studiert und Ihren Beitrag gefunden.

Ich war 1966 im Herbst als 6-jähriger ebenfalls in der "Kinderkur" in der Auracher Wies. Ihre Erlebnisse decken sich mit den meinen. Ich erinnere mich auch noch an einen Bernhardiner-Hund, der regelmäßig mit den Keksen gefüttert wurde, die die "Tanten" den Kindern bereits während der Zugfahrt abgenommen hatten, indem sie alles Gepäck durchwühlte.

An die Milchsuppe erinnere ich mich auch und daran, dass ich sie auf einen Holztisch erbrochen habe. Ich wurde mit meinem Kopf hineingetunkt und wurde gezwungen das Erbrochene aufzuessen. Ich sollte in der Kur eigentlich zunehmen. Essen habe ich aber während des gesamten Aufenthalts als Strafe in Erinnerung.

Kleinere Kinder liefen mit offenen Schuhen herum, wenn sie sich die Schuhe nicht selbst zubinden konnten.

Außerdem sind mir lange Wanderungen in dem umliegenden Bergen in Erinnerung. Wir trugen eine Art Ledergeschirr un den Leib, an denen Karabinerhaken befestigt waren. Bei den Ausflügen wurden die Kinder in kleinen Gruppen zusammengekettet und von den Tanten an der Leine geführt. Ein Junge, der immer liebevoll gestaltete Mecki-Ansichtskarten von seinen Eltern erhalten hatte und deswegen von den Tanten besonders gemobbt wurde, hat sich bei einer Bergtour selbst ausgeklinkt und einen Abhang herunter gestürzt.
Er kam mit einer Kopfverletzung ins Krankenaus. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist, Es wurde nicht mehr über ihn gesprochen.

Die Gewalt, die die Tanten auf die Kinder ausübte, wurde durch die Kinder
untereinander weiter gegeben. Ich kann mich daran erinnern, dass ältere Kinder ihren Frust an den kleineren, schwächeren vor allem nachts im Schlafsaal ausließen und sich regelrecht zu kleinen Sadisten und Tyrannen entwickelten.
So wurden kleineren Kindern wurde von den Älteren festgehalten und in den Mund gespuckt.

Außerdem gab es nächtliche Kontrollgänge der Tanten. Hatte ein Kind
ins Bett gemacht wurden alle geweckt. Wir mußten dann alle in den Waschraum
gehen und der Betreffende wurde vor aller Augen mit einem Schlauch und eiskaltem Wasser abgeduscht.

Weiterhin sind mir die Abende in Erinnerung, als uns Onkel Trixl schwarzweiß Trickfilme zeigte, manchmal mit dem Bärenmarke-Bär und dass uns manchmal abends von einer Tante Peterchens Mondfahrt vorgelesen wurde. Diese Geschichte war meine einzige positive Erinnerung an die Kur und gab mir Halt.

Jeden Freitag wurden wir in einer Dachkammer gewogen. Dass sich dort auch nur einen Gramm zugenommen habe, wage ich zu bezweifeln.
Ich hatte nach 6 Wochen das Gefühl, ich hätte ein ganzes Jahr dort verbracht,
da es neben sonnigen Tage auch einen Wintereinbruch mit Schnee gab.

Als ich nach Hause kam, war ich lange Zeit in mich zurückgezogen. Meine Eltern erkannten ich kaum wieder. Hinterfragt haben sie es allerdings nicht. Als ich viele Jahre später Details erzählte war der Kommentar: Das kann ich mir nicht vorstellen. Du übertreibst.

Ich habe das Kinderheim im Internet vergeblich gesucht. Es gibt nur ein paar alte Ansichtskarten, von denen ich selbst eine zu Hause habe. Das Gebäude gibt es vermutlich nicht mehr. Es lag direkt an einer Bahnlinie und einem Bach. Eine Google-Maps Recherche war ergebnislos.

Habe mich auch schon oft gefragt, ob es noch andere gibt, die meine Erfahrungen teilen und bin sehr froh dass es eine Initiative gibt, die sich der Sache annimmt.

Über eine Rückmeldung zum Erfahrungs-Austausch würde ich mich freuen.

Viele Grüße

Bernd Marschall
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Martina Kimmel schrieb am 13.09.2019
Ich wurde im September 1968 (ich bin gerade 4 geworden) zusammen mit meiner 51/2 jährigen Schwester nach Bad Kissingen verschickt worden. Meine Mutter hat uns die Kur als was ganz tolles geschildert und wir haben neue Taschen und Kleider dafür bekommen. Das Kurheim lag im Wald, daran erinnere ich mich noch. Außerdem mussten wir öfter zur Heilquelle, dort hat es fürchterlich nach Schwefel gerochen und wir mussten das Heilwasser trinken. Essen gab es aus verkratzten Plastiktellern. Meine Schwester hat komplett das Essen verweigert, daraufhin fand ein reger Briefwechsel zwischen dem Heim und meiner Mutter statt. Sie hat dem Heim dann Tipps gegeben was man ihr noch zu essen geben könnte. Zum Hintergrund: wir beide waren nicht krank - ganz im Gegenteil, sondern nur dünn. In unserer Familie gibt es auch kein Übergewicht.
Meine Schwester durfte dann mit den 'großen' Kindern in einem anderen Speisesaal aus Porzellantellern essen und ich habe sie dann auch bei den Mahlzeiten nicht mehr gesehen.
Für mich muss die Kur völlig traumatisierend gewesen sein. Mit gerade 4 Jahren hat man kein Zeitgefühl und ich dachte, ich komme nie wieder nach Hause.
Erst über 40 Jahre später kam dann alles hoch und ich bekam Panikattacken (immer wenn ich mit meiner Schwester im Urlaub war). Das ging soweit, dass ich das Hotelzimmer nicht mehr verlassen konnte. Habe mir dann Hilfe gesucht und 7 Jahre gebraucht um die Panik endlich los zu werden. 3 Therapien (mit Traumatherapie), Psychopharmaka und vieles andere konnte mir nicht helfen. Ich hatte die Erinnerung so gut weggepackt, das ich sogar mit mehreren Hypnosesitzungen nicht heran kam. Ich konnte mich an die Zeit vor und nach der Kur erinnern, die Kur selbst war auch unter Hypnose ein schwarzes Loch. Bin sogar mit meiner Schwester nach Bad Kissingen gefahren vor eingen Jahren und hab mir das inzwischen leerstehende Haus angeschaut. Hilfe habe ich erst vor kurzem durch eine sehr gute WingWave Therapeutin bekommen. Als wir die Kur bearbeitet haben, bin ich im wahrsten Sinne des Wortes zur Salzsäure erstarrt. Mit ihrer Hilfe konnte ich aber endlich die Erlebnisse verarbeiten (wenn ich mich auch nach wie vor nicht an Einzelheiten erinnern kann). Insgesamt hat diese Kur ein tiefes tiefes Trauma hinterlassen. Meine Eltern haben uns nach der Kur (auch vor anderen Leuten) öfter gefragt, wie es in der Kur war und wir haben beide immer nur 'schön' gesagt ohne weiteren Kommentar. Wir wollten beide nicht mehr darüber sprechen.
Ich weiß bis heute nicht, ob dort außer der Trennung von den Eltern Schlimmes passiert ist. War sonst noch jemand in Bad Kissingen und kann mir Infos geben??
Als ich den Bericht bei 'Report' gesehen habe war ich schockiert. Das soviele andere das gleiche Leid ertragen mussten finde ich unfassbar. Lange konnte ich meiner Mutter nicht verzeihen, daß sie so kleine Kinder einfach für 6 Wochen weggegeben hat!!
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Angelika Witzorky schrieb am 13.09.2019
Hallo Frederik,

Ich war auch in Hirsau, es muss 1976 gewesen sein, es war furchtbar... Ich habe
meinen Bericht schon hier hinterlassen.

LG Angelika
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Vera K. schrieb am 13.09.2019
Es ist so furchtbar, was Sie damals erleben mußten!
So viel Schlimmes habe ich nicht erleben müssen, aber vielleicht war ich im selben Heim untergebracht.
Mit 8 oder 9 Jahren bin ich nach Wittdün auf Amrum verschickt worden. Das war 1959/1960. Das Heim lag auch direkt am Strand.
Seit Jahren beabsichtige ich auch, dorthin zu fahren, um mich meiner Erinnerungen zu stellen. Habe es noch nicht gemacht.
Jetzt, nach dem Bericht im Fernsehen, möchte ich ein paar Worte dazu schreiben.
Ich erinnere mich an schlimme Tage, die von schmerzendem Heimweh geprägt waren - ein Gefühl von Verlassensein und tiefer Traurigkeit.
Keinerlei kindgerechte, liebevolle Zuwendung, nur Zwang und Anordnung und Regeln, was man tun mußte - und nicht tun durfte.
Immer wieder kommen mir Bilder vor Augen, die mich jedes Mal aufwühlen.

Ein Bild z.B., was immer wieder auftaucht und mir noch heute Brechreiz verursacht:
Ich sitze noch am späten Nachmittag ganz alleine in dem großen Essraum. Vor mir ein Suppenteller voll mit gekochtem Schokoladenpudding mit dieser ekligen Haut darüber.
Ich konnte noch nie - von keinem Pudding dieser Welt - diese Erbrechen erzeugende Haut, die die mit Milch gekochten Speisen überzieht, essen! Hier, mutterseelenallein, wurde ich dazu gezwungen. Ich durfte nicht aufstehen, bevor ich den Teller geleert hatte.
Ich war so abgrundtief verzweifelt in dieser Situation.
Ich weiss auch noch, dass ich nicht nachgeben, mich nicht beugen - mir auch nicht die Blöße geben wollte, auf den Tisch zu erbrechen..... Ich kann mich an meinen inneren Kampf erinnern... aber nicht mehr an den Ausgang des Vorkommnisses.

Jedenfalls mußte ich mich - nachdem man mich eine Zeitlang gut zwangsgefüttert hatte - an den "Dickentisch" setzen. Das war das Schlimmste überhaupt: eine Art Pranger. Wer da saß, bekam den Spott vieler Kinder und Betreuer ab. Man konnte sich nicht dagegen wehren und mußte es ertragen.
Ich schämte mich so sehr.

Hätten meine Eltern gewußt, was man uns antat, mein Vater hätte mich sofort abgeholt. Aber das Wenige, was wir auf die Postkarten schreiben durften - und in dem Alter konnten -, wurde uns vorgegeben. Es durfte nichts Kritisches nach außen dringen....

Es war eine ganz furchtbare Zeit. Erlebnisse, die tiefe Spuren durch mein gesamtes Leben gezogen haben.
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Birgit Ritzrau schrieb am 13.09.2019
Meine Schwester und ich waren auch in dem Heim. Wir waren 1974 5 und 6 Jahre alt. Angeblich zu dünn. Wir haben nur noch lückenhafte Erinnerungen. Wir mussten eine Woche lang dieselbe Kleidung tragen und jeden Tag wandern. Die Jungen durften immer auf den Spielplatz. Für die Bettnässer gab es am Abend nichts mehr zu trinken. Im Treppenhaus war ein Aquarium, aber da durfte man nicht stehen bleiben. Am Sonntag ging es in die Kirche. Wir kamen als andere Kinder zurück. Liebe Grüße aus Norddeutschland Birgit
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Edith Domagala schrieb am 13.09.2019
Es müßte 1950 gewesen sein,als meine schwester und ich verschickt wurden ins Kinderheim Bergfreude nach Scheidegg im Allgau. Meine Schwester ist Jahrgang 1949 und ich bin Jahrgang 1950. Es war ein schönes Haus,nur der Aufenthalt war weniger schön. Wir kamen sofort in unterschiedliche Gruppen. Der Tagesablauf war folgendermaßen: Nach dem Aufstehen Toilettengang vor den Toiletten standeine Schwester (ich weiß nicht mehr ob wir sie Schwester oder Tante nennen sollten) sie fragte Größ oder Klein dann bekamen wir ein oder zwei Blatt Toilettenpapier. Anschließend waschen Anziehen und zum Frühstücken. Gesprochen werden durfte natürlich nicht.Nach dem Frühstück die sog, Rollkur eine Stunde liegen,damit wir auch wirklich an Gewicht zuhnehmen. es durfte nicht gesprochen werden. Bis zum Mittagessen dauerte es dann nicht mehr lange bis dahin wurde gesungen (Kirchenlieder) zum Mittagessen mußten wir unsere zwei Teller leer essen wer während der Woche nicht genügend an Gewicht zugenommen hatte gekam extra ein Sück Butter.Einmal habe ich mein Essen erbrochen ,wennich die anderen Berichte lese, ging es bei mir noch glimpfich ab. Ich wurde nur geschlagen,angeschrien,wurde weg geshickt um meine Kleidung auszuwaschen. nach dem Essen Toilettengang dann zwei Stunden schlafen. Wir durften während dieser Zeit nicht zur Toilette.Es saß auch eine Schwester mit im Schlafraum,die aufgepasst hat daß nicht gesrochen wurde. Meine Schwester hat während dieser Zeit einmal ins Bett gemacht,sie wurde vor allen anderen gedehmütigt durfte dann aber auch zwischendurch auf Toilette was uns anderen nicht erlaubt war.Der Kontakt mit den anderen Kindern wurde unterbunden,wir waren zwar in Gruppen,durften aber nicht sprechen.Jeden Mittwoch wurden wir gewogen natürlich nackt. Einmal in der Woche wurden unsere Nägel geschnittenfast immer hat es geblutet.Die ohren wurden gereinigt, um ien Streicholz wurde Watte gewickelt,dann ging es tief in die Ohren hinein es hat sehr weh getan. Nachmittags wurde gebastelt,ein kleines Erinnerungsheft, manchmal wurde auch gesungen oder wir durften Briefe an unsere Eltern schreiben. Da wir wußten,daß diese Briefe zensiert werden,haben wir nur positiv geschrieben als wir wieder zu Hause waren haben wir über unsren Aufenthalt dort nichts erzählt,da wir in unseren Briefen gelogen haben.dieses hat uns beide sehr belastet.Einmal durften wir auch in den GartenSpielgeräte gab es dort natürlich nicht wir sollten uns ja nicht zuviel bewegen, wir haben einen Schneemann gebaut. Als meine Schwester ausgerutscht ist,wurde ihr "klar gemacht" daß nicht getobt wird. Als Fazit kann man sagen, sechs Wochen Gfängniss im Mastbetrieb ,Anstiftung zur Lüge und Redeverbot.
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Anja Röhl schrieb am 13.09.2019
Hallo, Danke für Ihren Beitrag, wenn Sie möchten, dass wir Ihre Erlebnisse auch sammeln und auswerten sollen, worüber wir uns freuen würden, schicken Sie mir bitte eine mail an: info@verschickungsheime.org mit Ihren Daten,danke! Wir gehen mit den Daten sorgfältig und unter Berücksichtigung der Datenschutzrichtlinien um, mit freundlichen Grüßen, Anja Röhl
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Beller Petra schrieb am 13.09.2019
Sehr geehrte Frau Erfurt, wissen Sie zufällig noch, wer bei Ihnen in der Gruppe mit dabei war? Namen von Kindern, an die sie sich erinnern könnten? Herzliche Grüße Petra Beller
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Beller Petra schrieb am 13.09.2019
Hallo an die Welt da draußen, ich bin Jahrgang 1970 und "durfte" ebenfalls mit 6 und mit 9 Jahren in diesem Kinderheim "Wyk auf Föhr", mit jeweils einem Bruder von mir (Jahrgang 1967 und Jahrgang 1972) für 6 Wochen in den Genuss dieser "Anstalt" kommen. Die größte Furcht, die auch heute noch in meinen Erinnerungen sitzt, kam immer wenn es Schlafenszeit war. Die unnatürliche Stille im großen Schlafsaal, das Gefühl nicht mehr atmen zu können, weil die Erzieherinnen ihren Rundgang machten und das Unterdrücken der Tränen vor Heimweh und Kummer. Mein schlimmstes Erlebnis: Eines Nachts, ich hatte mich wirklich zusammen genommen und mich bewegungslos gestellt, war gerade am Einschlafen, ist ein Kind aufgeschreckt und hat geschrien. Der Schrei wurde "erstickt" und ich selbst bin davon aufgewacht, hatte nur "gefragt": Was ist los? Was ist? Und schon wurde ich von der Erzieherin an den Haaren aus dem Bett gerissen, übelst beschimpft und musste ins "Aufpasszimmer" auf den Boden sitzen. Das hast du davon, wenn du dich nicht an die Regeln hälst. Du bleibst jetzt hier, bist du aufhörst die anderen Kinder zu stören. Sie hat mir dann eine Decke über den Kopf geworfen und mir gesagt, dass ich mich nicht bewegen darf. Wenn ich mich bewege, wird sie den "Stock" holen. Ich musste mittlerweile auf die Toilette und traute mich nicht etwas zu sagen. Die ganze Nacht saß ich regungslos auf dem Boden, bis in den frühen Morgenstunden der "Wachwechsel" kam und mich aufgefordert hat, ins Zimmer zurück zu gehen. Ich hörte noch, wie sie sich gegenseitig stritten. Ich habe es dann nach meinem Aufenthalt meinen Eltern erklärt, die haben es der damaligen Ärztin gesagt und die hatten bei der Heimleitung angefragt und man hat mir dann begreiflich gemacht, dass ich das wohl nur geträumt hätte und das überhaupt nicht sein kann.

Drei Jahre später musste ich wieder da hin. Von den abartigen Szenen im Speisesaal bei den "dicken Kindern", dem Zwang sinnlos Milchreis in mich reinstopfen zu lassen von Erwachsenen, die demütigende Art mich fast täglich (nackt) zu wiegen und die Zurechtweisungen und Drohungen danach, wenn das Gewicht nicht nach oben ging, will ich gar nicht mehr berichten.

Heute weiß ich, woher meine Furcht vor dem Dunkel kommt - es gab nicht nur eine sondern mehrere reale Bedrohungen, die mein Leben begleitet haben! Heute jedoch bin ich eine freie erwachsene selbstbestimmte Person und wüsste, was ich tun könnte. Damals war ausgeliefert und niemand hat mir geglaubt!

Diese Initiative kommt aus meiner Sicht nicht früh, aber immer noch rechtzeitig!

Freundliche Grüße
Petra Beller
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Elfriede Kreuzer schrieb am 13.09.2019
Am 10.09.2019 sah ich in der Sendung Report Mainz (ARD) den Beitrag über „Kinderkuren – Kinderlandverschickungen“ in den 60iger bis 80iger Jahren. Endlich wird darüber berichtet, auch ich war betroffen.

Hier mein Bericht:
Ich wurde auf Empfehlung unseres Hausarztes, bei dem wiederum explizit meine Mutter diesbezüglich nachgefragt hatte, in Kinderkur geschickt. Ich war damals sehr infektanfällig (Bronchitis) und angeblich zu dünn. Den Namen des Kurheimes habe ich vergessen. Vor einigen Jahren jedoch bei einem Besuch in Bad Dürrheim das historische Gebäude wiedererkannt. Es beherbergt heute ein Wellnesshotel(!).

Das Regiment in dem Heim führten Nonnen oder Diakonissen. Unter dieser Führung hatten auch die weltlichen Bediensteten, die „Tanten“ zu leiden.

Einmal habe ich mich beim Essen übergeben, da mich der Geruch, der Geschmack und die Konsistenz des Essens regelrecht anekelten. Ein Teil der „K….“ landete auf dem Teller. Ich wurde gezwungen meinen Teller leer zu essen. Anfangs weigerte ich mich, woraufhin ich mich in eine dunkle Ecke des inzwischen leeren riesigen Speisesaals setzen musste und diesen Saal erst verlassen durfte, als mein Teller leer gegessen war.

Wir schliefen in riesigen Schlafsälen und mussten Mittagsruhe halten. Damals war ich sehr lebhaft, habe nicht geschlafen und mich mit meinen Bettnachbarinnen unterhalten, dadurch war die Mittagsruhe gestört. Eine Schwester hat mich, an Armen und Beinen ans Gitterbett gefesselt und total – auch das Gesicht – zugedeckt. Ich schlief tatsächlich ein, erwachte plötzlich schweißgebadet, bekam keine Luft, konnte wegen der Fesselung die Bettdecke nicht beiseiteschieben und hatte buchstäblich Todesangst, da ich glaubte ersticken zu müssen. Eine weltliche „Tante“ – während meines Aufenthaltes öfters mein rettender Engel – befreite mich, regte sich furchtbar auf und stellte die Schwester zu Rede. Was dazu führte, dass sie von der Schwester heruntergeputzt wurde und eine Rüge erhielt, warum sie sich in Erziehungsmaßnahmen einmische. So bekam ich es jedenfalls mit.

In Erinnerung habe ich auch noch, dass ich eines Tages zur Schwester Oberin ins Büro zitiert und zur Rede gestellt wurde. An mich war ein Päckchen mit Süßigkeiten von meinen Eltern eingetroffen. Mir wurde vorgehalten, dass das Essen im Heim sehr gut und ausreichend sei, was ich – unter Druck – bestätigen musste. Schließlich wurde mit erlaubt, mir ein kleines Stück von den Süßigkeiten aus dem Päckchen auszusuchen. Ich nahm mir ein Waffelröllchen mit Schokoladenende. Das weiß ich noch heute, so hat sich die Szene bei mir eingebrannt. Ich durfte dann das Büro der Schwester Oberin verlassen, mit dem Hinweis, dass ich das Päckchen mit Inhalt am Tage meiner Heimreise mitnehmen darf. Müßig hier zu erwähnen, dass ich die Süßigkeiten nie wieder sah.

Während meines 6-wöchigen Aufenthalts in dem Kurheim kam es zu einem heftigen Ausbruch von Windpocken; ich bekam sie auch. Auf der Krankenstation wurde ich von weltlichen Tanten sehr gut umsorgt und genoss die Zeit einem 4-Bettzimmer.

Ich habe versucht, mich in den 6 Wochen meines Aufenthaltes immer mehr anzupassen, zu essen, mittags zu schlafen (jedenfalls so zu tun) und mich auf die Zugfahrt nach Hause zu freuen.

Es gäbe noch mehr zu erzählen, durch die Berichte im Internet fällt mir ständig wieder etwas ein.

Aber auch Positives gibt es zu berichten! Bei den weltlichen Tanten gab es sehr menschliche empathische Frauen, die zum Teil auch noch sehr jung waren, aber auch sehr unter dem strengen Regiment der Schwestern zu leiden hatten.

Von meinen Erlebnissen konnte ich damals niemanden erzählen. Bei späteren Erwähnungen wurde diese Erzählungen von meinen unmittelbaren Verwanden und Bekannten als Phantasien abgetan. Unmittelbar nach meiner „Kur“ fragte mich niemand danach.
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Anonym schrieb am 13.09.2019
Im Herbst 1966, mit 6 1/4 Jahren wurde ich (m), alleine, von einem großen Bahnhof in Mitteldeutschland, in die Kinderkurklinik nach Neustift, bei Passau, geschickt. 8 Wochen, weil ich oft krank und untergewichtig war. Schon die Vorbereitung war schlimm, die Reise dorthin eine einzige Angst des Verlassenseins.

Diese Anstalt hatte die Ausstrahlung und das Interieur der Schrecken der NAZI Zeit. Geleitet wurde das Heim von Nonnen.

Auch dort die Folterei, tagsüber stundenlanges fixieren im Bett, mit dicken Lagen Wolldecken obendrauf, bis zum Kinn. Ich lag da, konnte schwer atmen, wegen der Fixierung, und habe unter den schweren Decken so geschwitzt, dass ich glaubte wahnsinnig zu werden.
Es war immer so eine Prozedur, da haben zwei Schwestern schon eine Weile gebraucht, bis sie mich, samt Decken, stramm festgezurrt hatten. Ich konnte mich nicht mehr rühren.

Abspritzen im Keller, mit kaltem Wasser aus dickem Schlauch, was weh getan hat, gab es auch.

Stundenlanges Einsperren in einem kleinen weißen, hohen Raum, ohne Fenster, mit kleinem Dreibeinhocker. An der Decke hing diese typische Lampe, weiße Glaskugel an einer Metallstange. Die Tür hatte ein kleines Oberlicht. Das Bild hat sich eingebrannt.

Mein Lieblingskuscheltier wurde mir gleich am Anfang weggenommen und habe es nicht mehr zurückbekommen. Das war das einzig Liebe was ich dabei hatte.

Stunden alleine im Speisesaal verbringen, das in den Teller Erbrochene essen. Eine Nonne hat mich von hinten festgehalten, eine zweite hat mir den Kiefer aufgedrückt und die dritte hat mir den Löffel in den Mund gedrückt. Es kam auch ein Trichter aus der Küche zum Einsatz. Am Ende hat der Kopf und der Hals wehgetan.

Die einzige "Attraktion" im Heim ( so wurde es angekündigt) war das Töten eines Schweins auf bestialische Art und Weise. Mehrere Männer, mit Messern und Mistgabeln, haben das Tier erst, unter Geschrei, Gelächter und Gejohle, gequält. es hat fürchterlich geschrien, und dann wurde es erstochen. Wir mussten uns das anschauen.

Ein Ausflug nach Passau, mit Bootsfahrt auf der Donau und Besuch des Doms gab es.. Da hing ein Bild, mit dem Kopf des geköpften Paulus auf einem goldenen Tablett.
Spaziergänge in Wald und Wiesen.
Es wurde mal was gebastelt, als Geschenk für die Eltern. Ansonsten war das alles sehr trostlos.

Zwei Postkarten wurden in der Zeit von den Nonnen geschrieben. "Liebe Mutti,.mir geht es gut.... usw."
Meine Mutter ahnte, das da was nicht stimmt, ich habe sie nämlich nie Mutti genannt. Sie konnte aber nichts unternehmen. Es gab sonst keinen Kontakt nach Hause.

In dieser Zeit bin ich wie durch einen Alptraum getaumelt, war gar nicht mehr richtig bei mir.
Ich bin krank von dort zurückgekommen und habe noch weniger gewogen.

Auch mein Leben war danach ein anderes.
Ich konnte auch nicht darüber sprechen, jahrzehntelang.

Es gab vor einigen Jahren eine Sendung in Bayern2 Radio, zum Thema Kindesmisshandlung. Dort hat jemand, die gleichen Erlebnisse aus dieser Anstalt geschildert. Er war 3 Mondate dort und ist beinahe ums Leben gekommen. Er kann es auch dokumentieren. Auf Bildern ist er zu sehen, wie ein KZ-Häftling abgemagert, Haut und Knochen, und dieses verzweifelte, ausgemergelte Gesicht mit den großen Augen.

Ich habe ihn kontaktiert, er wollte klagen. Auch sein Leben war zerstört. Leider habe ich keine Daten mehr von ihm. Es hatte mich so aufgewühlt, das ich es auch wieder vergessen wollte. Da habe ich die Daten gelöscht.

Vergessen kann ich das wohl nie.

Wenn ich jetzt all die Berichte lese, wie grausam und traurig das ist. Es ist jetzt für mich klar geworden, dass es die Fortsetzung der Systematik der kranken NAZI-Folterer war. Unfassbar, das so viele Kinder so etwas erleiden mußten.

Liebe Frau Röhl, vielen Dank. Ihre Initiative hilft auch mir, da es Ihr Engagement und Ihre Website überhaupt erst ermöglichen zu verstehen in welchem Ausmaß Leid und Gewalt ausgeübt wurde, und das ich als Betroffener damit nicht alleine bin.

Mit freundlichem Gruß
Anonym
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Angelika Wilke schrieb am 12.09.2019
Kathi ! wir müssen zur gleichen Zeit in dem Heim in Norderney gewesen sein. Ich war nachts auf dem Rücken liegend mit Händen und Beinen an die Bettpfosten gefesselt, damit ich nicht an den Nägeln kauen konnte. Zum täglichen Fiebermessen : s.o., Kathis Bericht. Nachts wurden wir aus dem mühsam erkämpften Schlaf gerissen, und aufs "Töpfchen" gesetzt - IM Bett. Wer umfiel war Demütigungen, Schlägen und Hohn ausgesetzt und musste sein Bettzeug waschen.
Das Schlimmste war am Strand: alle Kinder liefen in einer geordneten Gruppe am Strand entlang - ich durfte nicht in der Sicherheit der Gruppe mitgehen, sondern musste mindestens 20 Meter hinter her gehen, weil ich ja an den Nägeln gekaut habe. Das ist eine besondere Pein, weil für das Kind der neblige Strand, das bedrohliche Rauschen des Wassers und die fast nicht mehr sichtbare Gruppe einen Horror erzeugen. Weihnachtsgeschenke durften zwar ausgepackt, aber nicht behalten werden. Der Teddy, der in meinem Paket war, den hätte ich dringend als Seelentröster gebraucht. Die 3 Monate waren die schlimmste Zeit. 5 Jahre alt, allein, und den Nonnen ausgeliefert. Meine Mutter hat erzählt, ich sei schlimmer krank wieder gekommen, als ich es vor der "Kur" gewesen bin - und das Nägel kauen bin ich viele Jahre lang nicht los geworden.
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Helga Panknin schrieb am 12.09.2019
Moin moin Anja und liebe Heimkinder
Auch ich war als 6-jährige im März 1962 zur Kur - 7 Wochen ohne Elternkontakt in Bad Sachsa in denen mir das Urvertrauen abhanden kam. Mir wurde Erbrochenes eigelöffelt, ich stand stundenlang im Winter barfuß auf dem Steinfussboden im kalten Treppenhaus, erlebte einen pädophilen Übergriff und bekam Prügel...Ich habe auch den Verdacht auf Medikamentengabe zur Ruhestellung, da die Verteilung und Einnahme abendlicher Betthupferl "Bonbons" genau überwacht wurde und die vorgegebene Einnahme mir ungewöhnlich vorkam (kauen und schlucken)
Untergebracht war ich in einer geräumten Speisekammer im Keller- ohne Tapeten Bodenbelag und ohne Heizung.
Es herrschte Raumnot, weil unerwartet Hamburger Kinder untergebracht werden müssten, die durch die Sturmflut vom 16.2.1962 obdachlos geworden waren und ihre Eltern verloren hatten. Der Umgang mit diesen traumatisierten Kindern brach mir trotz des eigenen Leids schon damals das Herz. Diese Kinder waren gesund aber den Tanten zu wild, zu laut, zu frech und unerzogen. Entsprechend die diszplinarischen Massnahmen.
FAZIT
bestimmte Gerüche und Speisen erzeugen noch heute Würgereiz
An der Wiedererlangung des Urvertrauens arbeite ich jahrzehntelang.

Viele Grüße- macht was draus!
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Dagmar Lacher schrieb am 12.09.2019
Hallo, ich bin Jahrgang 1957 und bin 62 oder 63 auf anraten von der Kindergartenleitung mit noch 3 oder 4 anderen Mädchen aus dem Kindergarten nach Bad Sassendorf in die Kinderheilanstalt für 6 Wochen verschickt worden. Angeblich war ich zu schmächtig und anfällig für Krankheiten. Wir Kinder waren ängstlich, aber wir waren ja zu mehreren. Bei der Ankunft im Heim wurden wir bei der Gruppeneinteilung gleich getrennt. Das heißt, ich hatte Glück, ein Mädchen und ich kamen in eine Gruppe. Das war aber auch schon das einzige Glück. Die 6 Wochen sollten zu den schlimmsten meines Lebens werden. Betreut wurden wir von Krankenschwestern, die von Pädagogik null Ahnung hatten. Kalt und Herzlos. Beim Essen durfte nicht geredet werden, man musste sitzen bleiben, bis man aufgegessen hatte, ob man wollte oder nicht. Hatte man das Essen erbrochen, gab es danach noch eine größere Portion oder das Erbrochene musste gegessen werden. Beim Mittagsschlaf musste man ruhig im Bett liegen, wehe man hatte Heimweh und weinte. Da gab es gleich Strafen. Musste im kalten Flur stehen, oder die Kleidung wurde weggenommen. Es gab Tage, da wurde Post nach hause verschickt. Den Text schrieben natürlich die Schwestern und ganz sicher nicht das, was man diktiert hatte. Denn dann wären meine Eltern gekommen und hätten mich geholt. Das schlimmste dort aber waren die Solebäder in riesengroßen Holzwannen. Das Wasser ging einem bis zum Hals und wehe dem, es bewegte sich, dann kam die Schwester und tauchte den Kopf unter Wasser. Ich habe mich kaum getraut zu atmen. Da es Winter war, kann ich mich dran erinnern, immer gefroren zu haben. Lange habe ich das alles verdrängt, man hatte ja niemanden zum Reden. Hat ja keiner verstanden, wer das nicht selbst erlebt. Letztes Jahr musste ich in Therapie und da wurde das auf einmal auch zum Thema. Ich war erstaunt, wie viel mir wieder eingefallen ist. Ich fühlte mich wieder wie damals als Kind. Völlig verängstigt und eingeschüchtert. Beim erzählen liefen mir die Tränen. Ich bin froh, dass ich durch die Sendung Report Mainz auf Sie und Ihre Initiative aufmerksam geworden bin. Man fühlt sich nicht mehr so allein. Sehr interessiert wäre ich auch an diesem Kongress. Gibt es da Möglichkeiten, daran teil zu nehmen? Danke, liebe Frau Roehl für ihr Engagement
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Martin M. schrieb am 12.09.2019
Jahrgang 1963, mit der Bahn verschickt im Jahr 1967, nach Bad Reichenhall, Kinderkurheim für Bronchialerkrankung, in der Kurfürstenstraße 26, zu 6 Wochen Kuraufenthalt, in 20 Nächten schwerer wiederholter sexueller Missbrauch von mehreren Männer je Nacht.
Man brachte mich nachts in einen Kellerraum, kettete mich an der Wand fest oder sperrte mich in eine Kiste oder legte mich mit einem Tuch abgedeckt auf einen kalten Tisch usw. Dann folgte schwerer sexueller Missbrauch. Mal war es ein Täter, mal bis zu drei Täter in einer Nacht. Dann wurde ich geschlagen oder getreten, an die Wand geschleudert, übel beschimpft oder mit dem Kopf auf den Boden geschlagen bis ich bewusstlos war.
Damit ich keinen Ärger machte, wurde mir jedes mal ein Betäubungsmittel gespritzt, das sehr brannte. Anschließend legte man mich wieder regungslos in mein Bett.
Ich wünschte mir als 4- Jähriger den Tod.

Ich hatte diese 42 Tage komplett dissoziiert!

Seit diesem Aufenthalt leide ich unter dieser Todesangst, mit Panikattacken, Angststörungen,
schweren komplexen PTBS, Phobien, und einigen somatischen Beschwerden.
Ich suche weiter Opfer als Zeitzeugen oder zum Austauschen.
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Cornelia Pelzer schrieb am 12.09.2019
Ich wusste bisher nicht, dass es so viele Menschen gibt, die in ihrer Kindheit derartige Kinderheimerfahrungen sammeln mussten, für mich waren es die schlimmsten Wochen meines Lebens. Ich war nach einer Mandel- und Blinddarmoperation ziemlich schwach und wurde mit 5 1/2 Jahren 1958 für 6 Wochen nach Juist ins Kinderheim Schwalbennest geschickt.
Das lag hinter einer Düne nahe am Meer, aber in der ganzen Zeit durften wir nur zweimal ans Wasser.
Die Erzieherinnen waren äußerst streng und hart.
Im Zimmer durften wir am Abend nicht sprechen. Wer erwischt wurde, musste eine gewisse Zeit draußen an einer Treppe stehen. Ein Mädchen musste die ganze Nacht auf den Treppenstufen zubringen.
Im Zimmer stand ein Töpfchen, auf das alle Kinder im Dunklen zu benutzen hatten, die in der Nacht zur Toilette mussten. Ein Mädchen hat groß in die Hose gemacht und hat sich aus Angst ein großes viereckiges Loch in die Schlafanzughose geschnitten.
Tagsüber durften nur die Kinder in die Toilettenkabinen gehen, die groß mussten. Alle anderen mussten auf Töpfchen gehen, die vor den Toiletten aufgestellt waren. Das war mir immer ausgesprochen peinlich.
Den Mädchen mit langen Zöpfen wurden diese abgeschnitten, weil die Haare dann leichter zu kämmen waren.
Einmal in der Woche mussten wir uns nackt ausziehen und auf einen Holztisch im Duschraum setzen. Dann wurden immer vier Kinder gleichzeitig unter vier riesige Duschen gestellt und gewaschen, die einen so festen Strahl hatten, dass ich darunter kaum noch Luft bekam.
Einmal in der Woche wurden wir in einem Raum gewogen. Die Kinder, die zugenommen hatten, wurden gelobt und beklatscht, die Kinder, die wie ich abgenommen hatten, mussten sich zur Strafe eine Zeit in eine kleine Metallwanne mit kaltem Wasser setzen. Diese Wannen waren entlang der Wände aufgestellt.
Das Essen schmeckte überhaupt nicht. Oft gab es eine Suppe mit dicken, ekligen Mehlklumpen darin.
Ein Junge, der sich in den Teller übergeben hatte, musste im Speisesaal alleine sitzenbleiben, bis er die Suppe mit dem Erbrochenen ausgelöffelt hätte.
Viele Kinder fanden im Salat Schnecken und wollten ihn dann nicht essen.
Meine Mutter schickte mir aus der Schweiz ein Päckchen mit Schokolade, von der weder ich noch die anderen Kinder etwas bekamen.
Da ich noch nicht schreiben konnte, bat ich ein älteres Mädchen, für mich nach Hause zu schreiben. Diese Karte wurde abgefangen und kam nie an. Stattdessen bekamen meine Eltern zwei Karten, auf denen stand, wie gut es mir ginge und wie schön ich es fände.
Ich habe erst nach Jahren meinen Eltern von dem allen erzählt. Wahrscheinlich habe ich mich zu sehr geschämt. Mein Vater war entsetzt und meinte, warum ich das nicht eher erzählt hätte, dann hätte man doch etwas machen können.
Ich würde so gerne einmal mit einer noch lebenden Erzieherin sprechen und sie fragen, was in ihr vorging bei diesen Behandlungen und wie sie das aus heutiger Sicht sieht und empfindet.
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Claudia Holzinger schrieb am 12.09.2019
Ich habe gerade bei Report Mainz den Bericht über Verschickungskinder gesehen und ich habe nicht im Entferntesten damit gerechnet, daß es so vielen Kindern wie mir ergangen ist. Ich war fassungslos.

Ich bin Jahrgang 63, wurde noch vor der Einschulung allein für 6 Wochen nach Pelzerhaken "verschickt". Den Namen der "Anstalt" weiß ich nicht mehr. Es war für mich ein Horrortrip. Meinen Eltern wurde gesagt, daß sie während der Zeit keinen Kontakt zu mir aufnehmen sollten, nicht schreiben oder anrufen. Ab und an bekamen meine Eltern eine Postkarte vom Heim, auf der ihnen seitens der "Aufseher" versichert wurde, daß es mir gut ginge. Meine Mutter hatte mir vorher eingebleut, daß ich auf diesen Karten immer ein Männchen malen solle, wenn es mir gut ginge, Ich konnte ja weder lesen noch schreiben. Ich habe immer gemalt, obwohl es ein Martyrium war. Was hätte ich anderes machen sollen!?
Ich erinnere mich nur bruchstückhaft.
Ich fühlte mich allein und verlassen, hatte schreckliche Angst. Während der Anreise hatte ich immer meine Puppe im Arm, die mir dann von anderen Kindern im Bus zum Heim weggenommen wurde. Ich habe geweint, weil sie mein einziger Halt war. Irgendwer hat sie mir schlußendlich wiedergegeben.
Ich war wohl ein schlechter Esser. Jedenfalls war ich immer eine der Letzten im Speisesaal. Trotz mehrmaligem Erbrechen mußte ich so lange sitzen bleiben, bis ich meinen Teller geleert hatte, egal ob mir das Essen schmeckte oder nicht.
Nachts mußte ich mich übergeben. Ich habe mein Bett und meine Puppe vollgebrochen. Die "Tante" kam und sagte, daß ich bis zum Morgen mit dem Säubern warten müsse. Ich habe die ganze Nacht in meinem Erbrochenen gelegen.
Ich "durfte" auch öfter in der Ecke stehen, wenn ich nicht dem Bild eines braven Kindes entsprach.
Als ich endlich wieder nach Hause kam, habe ich meine Mutter gefragt, ob ich auf die Toilette gehen dürfe. Meine Mutter war entsetzt.
Das sind die Dinge, an die ich mich ganz klar erinnere. Es ist schon so lange her und ich habe sicherlich vieles verdrängt. Aber diese sechs Wochen gehören zu den schlimmsten meines Lebens.
MfG
Claudia Holzinger
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Kirsten B. schrieb am 12.09.2019
Hallo,
meine Erlebnisse habe ich ja schon beschrieben...
Ich würde mich über Kontakte freuen, die ebenso wie ich im Frühjahr 1971 im Schloss am Meer, Wyk auf Föhr waren. Träger der Einrichtung war die BEK.
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Giuliana Valle schrieb am 12.09.2019
Jahrgang 1963, verschickt 1969, ich war noch 5 Jahre. Ziel: Mambach im Schwarzwald. Die üblichen Gründe: zu klein, zu dünn. Ich erinnere mich noch genau, daß ich nichts verstanden habe. Ich wußte überhaupt nicht, was geschah, wie mir geschah. Ich kann mich nicht erinnern, daß mir jemand etwas erklärt hätte. Plötzlich saß ich im Zug mit anderen Zug, und plötzlich fand ich mich im großen Speise- und Aufenthaltssaal des Kinderheims wieder. Ich habe geweint u. gedacht, ich käme nie mehr nach Hause. Anrufe und Besuche gab es nicht. Dort wurde ich zur extremen Bettnässerin u. entwickelte eine Enkopresis. Wie viele andere auch schreiben: Es war demütigend. Nach einigen Wechseln der Bettwäsche hieß es: Wir können das nicht immer machen, jetzt schläfst du in dem Bett. Es war kalt u. naß.
Und das Essen - furchtbar. Ich weiß zum einen nicht mehr, warum ich allein an einem Tisch saß, während die anderen Kinder an großen Gemeinschaftstischen saßen. Vielleicht weil ich so schlecht gegessen habe. Ich mochte so Vieles nicht, v.a. keinen Salat, der mit einer ganz ekligen Sauce u. Rosinen serviert wurde. Auch ich sehe mich noch ewig dort am Tisch sitzen, weil ich nicht essen wollte. Einmal gingen die anderen Kinder in den Wald, es war ein sehr schöner Tag. Ich mußte jedoch im Haus bleiben u. weiß noch, wie ich in den Anderen traurig aus dem Fenster hinterhergesehen habe. Irgendwann wurde die Flüssigkeitsmenge eingeschränkt. Den Tee als einziges Getränk, an das ich mich erinnern kann, mochte ich gern, und ich hatte Durst, aber dennoch durfte ich ab einer bestimmten Uhrzeit nichts mehr trinken.
An meinem 6. Geburtstag - ich wußte nicht, daß ich Geburtstag hatte - wurde ich plötzlich auf den Korridor geschickt, ohne zu wissen, was ich getan hatte. Das klärte sich zum Glück auf; die Damen hatten einen jämmerlichen Geburtstagsaufbau vorbereitet. Meine Mutter hatte mir ein Päckchen mit Süßigkeiten geschickt. Daraus wurde eine Tüte Gummibärchen an alle Kinder verteilt. Mehr habe ich vom Inhalt nicht mehr gesehen.
Die Turnstunde mußte ich in verschmutzter Wäsche (noch von nachts) mitmachen. An die Demütigung kann ich mich noch gut erinnern. Und dann saß ich plötzlich wieder im Zug auf der Rückfahrt. Keiner hatte es vorher gesagt. Zurückgekommen bin ich NOCH dünner, zusätzlich traumatisiert (neben dem, was im Elternhaus ablief) und mit einigen neuen Ängsten u. "Macken".
Ich wüßte gern, ob das Haus noch existiert u. die sehr jungen Damen von damals noch leben.
G. Valle
Essen
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C.L. schrieb am 12.09.2019
Anmerkungen/Erinnerungen:

Ich kann mich sogar (immerhin?) noch an ein Sweatshirt erinnern, welches ich damals trug - es war rot mit dem Aufdruck "San Francisco University" (wahrscheinlich von C&A, kein originales). Und daran, wie ich mich damit abmühte, es unter dem Wasserhahn im Waschraum sauber zu bekommen.

Dafür kann ich mich nicht im geringsten an die anderen Kinder erinnern, die zur gleichen Zeit wie ich in diesem "Heim" Insassen waren, noch wie mein Verhältnis zu denen oder umgekehrt war. Wohl kann ich mich aber daran entsinnen, daß die "Dünnen" in meinen Augen besser behandelt wurden, zumindest bei den Gelegenheiten, bei denen ein Kontakt unausweichlich war.

Eines Tages hatte die Heimleiterin Geburtstag, eine in meiner Erinnerung ältere und freundliche Frau. Wir mußten auf Geheiß der "Betreuerin" in einer Reihe an ihr vorbeidefilieren und einen Geburtstagswunsch aufsagen.
Ich weiß noch, wie gerne ich ihr in diesem Moment vor allen Anwesenden gesagt hätte, was für ein ********* unsere "Betreuerin" ist und wie gerne ich sofort wieder nach Hause möchte - aber ich war bereits perfekt gedrillt und wußte, welche Konsequenzen mich in diesem Fall erwarten würden.

Apropos Sternchen: wie gern würde ich geradeheraus schreiben, was ich denke und fühle, Schimpfworte hin oder her.
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Hollensteiner schrieb am 12.09.2019
Bei mir war es wohl längst nicht so schlimm wie bei den meisten, ich war auch schon 9 Jahre alt und ging in die dritte Klasse, habe trotzdem 1970 unter Heimweh gelitten, vor allem, weil nach meiner Erinnerung nur ein Telefonat in den drei Wochen erlaubt war. Ich war dort wegen einer angeblichen durch den Schularzt bzw. in Kooperation mit Krankenkasse festgestellten Unterernährung, also weniger Gewicht als der Durchschnitt, die aber aus heutiger Sicht eher sehr gesund wäre. Wir mußten bei Tisch immer ewig sitzen bleiben und es wurden immer wieder riesige Platten mit Nutella-schnitten aufgetragen, die wir aufessen mußten, oft vier bis fünf solcher Platten, von denen jeder mindestens 1-3 Brote essen musste. Ich tat meine Pflicht, damit wir endlich aufstehen durfen und legte Gewicht zu. Der Erfolg war eine sich entwickelnde Adipositas, welche mir die letzten 20 Jahre schwer zu schaffen macht und viele weitere Krankheitsfaktoren schafft. Ich würde mir wünschen, dass die Krankenkasse heute für ihre damaligen Sünden Verantwortung auch in der Erstattung der Folgekosten übernehmen.
MfG
K Hollensteiner
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Thomas Harmsen, Prof. Dr. schrieb am 12.09.2019
Das erste, an das ich mich erinnere, war dieser unendlich lange Zug auf dem Bahnsteig in Rheine. Aus den Fenstern schauten unzählige Kinder heraus, einige weinten, andere grinsten mich an (so kam es mir vor). Man hatte mir auf Anraten des Kinderarztes (!) nicht gesagt, dass ich alleine nach Bad Rippoldsau im Schwarzwald zur sog. Kinderkur fahren sollte und so war ich völlig geschockt, als ich alleine mit vielen fremden Kindern im Zug saß. Ich war 1968 sechs Jahre alt und angeblich sollte die Kur mich dazu bringen zuzunehmen, da ich sehr dünn war.
Ich kam in das katholisch geführte Kindersanatorium St.Luitgard. Von Anfang an herrschte dort ein strenger, militärischer Befehlston - jedes KInd wurde nicht beim Namen genannt, sondern bekam eine Nummer, die auf allen persönlichen Sachen vermerkt war. Ich war die Nummer 65.
Wir schliefen in einem riesigen Schlafsaal, für den eine sog. "Tante" zuständig war: Tante Rosemarie hatte nach eigenem Bekunden schon im Faschismus die sog. Kinderlandverschickungen mitorganisiert, das qualifizierte sie wohl zu dieser Tätigkeit. Manchmal nahm sie mich gegen Ältere etwas in Schutz - vermutlich weil ich damals blond und blauäugig war.
Soweit ich mich noch erinnern kann, drehte sich der ganze Tagesablauf um Essen und um Disziplin. Alles musste zu Ende gegessen werden, vorher durfte ich nicht aufstehen, was dazu führte, dass ich ganze Nachmittage und Abende allein im riesigen Speisesaal verbringen musste. Gelegentlich wurde es den Ordensschwestern zuviel, und sie prügelten mit einem Bambusstock auf meine Hände (diese Bestrafung war in den sechzigern durchaus üblich, vor allem in Schulen). Freizeitaktivitäten gab es kaum, bestanden lediglich aus Spaziergängen.
Die Nächte waren mit am schlimmsten, da wir nicht auf die Toilette gehen durften. Wer einnäßte, wurde mit Stockschlägen bestraft und bekam eine Gummihose. Die Schwestern nannten sie "Hosenpisser". Vor lauter Angst blieb ich oft die ganze Nacht wach, weinte und lutschte an meiner Bettdecke (einen Teddybär durfte ich nicht mitnehmen). Als mein Lutschen an der Decke entdeckt wurde, bekam ich nachts "Daumex", ein stinkendes Mittel auf die Finger geschmiert - dann konnte ich noch schlechter schlafen...
Wenn Post von meinen Eltern kam, bekam ich diese nur, wenn ich alles aufgegessen hatte - und auch dann nicht immer. Wollte ich schreiben, so erledigte das "Tante Rosemarie". Ich habe noch zwei von diesen Karten, auf denen allen Ernstes geschrieben steht "Ich bin gut angekommen - mir geht es gut". Meinen Eltern sollte wohl vorgetäuscht werden, das ich dort wirklich gut aufgehoben war. Nach sechs Wochen hatte ich immer noch nicht zugenommen, sodass ich noch einmal zwei Wochen Verlängerung bekam - das war das Schlimmste von allem - bestraft zu werden für Verbrechen, die andere an mir begangen haben.
Als ich endlich wieder im Zug auf der Rückfahrt saß. traf ich zufällig dort eine entfernt verwandte Füsorgerin, die sehr schnell erkannte, was mit mir los war und mich bis nach Rheine begleitete. Erst in dem Augenblick spürte ich, das dieser Alptraum wirklich vorbei war.
Es ist sicherlich kein Zufall,dass ich heute Sozialarbeiter*innen ausbilde. Das fachliche Niveau, die Kenntnisse über kindliche Entwicklungen und ein Minimum an Verständnis und Zuwendung fehlten in Bad Rippoldsau völlig. Und selbst heute finden wir in ähnlichen Einrichtungen immer noch völlig inkompetente Beschäftigte. Ich kann als Lehrender meinen Teil dazu beitragen, dass sich das ändert und unnötiges Leiden verhindert wird.
Im Schwarzwald bin ich nie wieder gewesen - Bad Rippoldsau scheint sich der unrühmlichen Geschichte des Kindersanatoriums überhaupt nicht bewusst zu sein, nimmt man den medialen Umgang damit als Kriterium.
Heute fahre ich viel und gerne mit der Bahn - aber wenn ich mal wieder in Rheine auf dem Bahnsteig stehe, sehe ich immer noch den kleinen Thomas, der allein mit dem riesigen Zug in sein Unglück fahren muss...
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Bärbel Grönegres schrieb am 12.09.2019
Einfach gruselig - wie alles wieder hochkommt...Ich wurde 1966 mit 6 Jahren von Bad Oeynhausen nach Lindenberg im Allgäu verschickt (könnte geografisch hinkommen)
Als Erstes mussten wir alle unsere Butterbrote abgeben (die uns unsere Mütter zuhause ja noch mit Liebe geschmiert hatten) und auf einen großen Haufen legen. Dann wurden alle völlig neu verteilt und ich bekam ein Brot, das mir nicht schmeckte. Mittags mussten alle "schlafen" und sich in eine Richtung jeweils dem Rücken des Nachbarn zugewandt legen und durften nicht reden...Auch bei mir war es so, dass Erbrochenes aufgegessen werden musste - auch wenn es mich nicht selbst betroffen hat. Ich hatte keine Ahnung wo ich bin und wie lange ich noch bleiben würde - wieder zuhause war ich nach Aussage meiner Mutter tagelang völlig verstört...
Ich habe mich auch schon gefragt ob ich mal wieder dahin fahren sollte...aber ich glaube, ich habe damit abgeschlossen. Ihnen wünsche ich das auch von Herzen!
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Dieter Müller schrieb am 12.09.2019
"Zufällig" sah ich vorgestern den Beitrag in "Report Mainz", und zum ersten Mal in meinem Leben begreife ich, dass nicht ich, nicht meine vermeintliche Schwäche, die Ursache meines mich seither quälenden "Verschickt-Werden-Traumas" ist, sondern dass ich 6 Wochen lang einem kinderfeindlichen System ausgeliefert war, 6 Wochen, die mir zur Qual wurden.
Lese ich nur wenige der hier veröffentlichten Berichte, muss ich paradoxerweise sogar noch zum Schluss kommen, dass ich vergleichsweise Glück hatte - Erbrochenes musste ich nicht essen, an "Dunkelhaft" oder "Gewaltmärsche" kann ich mich auch nicht erinnern.
1953 geboren, fuhr ich 1962 mit meinem 4 Jahre jüngeren Bruder aus dem Rheinland nach Röt im Schwarzwald - bei unseren dauernden Erkältungen sollte uns die "Luftveränderung" gut tun.
Ich erinnere mich nicht, dass es anderen Kindern schlecht ging - aber (so schließe ich aus den hier versammelten Berichten) es muss ja so gewesen sein. "Dem System" muss es gelungen sein, Solidarität unter den Kindern so erfolgreich zu verhindern, dass ich tatsächlich bis vorgestern, bis zur Ausstrahlung des Berichts im Fernsehen, immer geglaubt habe, an den 6 schlimmen Wochen wäre ich selbst "schuld" gewesen, weil ich so entsetzliches Heimweh hatte (in meinem Denken: weil ich einen Charakter-Makel hatte/habe)
Die Demütigungen, die ich real erlebt habe - für mich schlimm genug, wenn auch nicht vergleichbar mit manchem, was ich hier gelesen habe - waren, dass ich die mir schon immer verhasste Milch trinken und so lange im Raum sitzen musste, bis es mir gelang, sie herunterzuwürgen (Kann man verdrängt haben, ob man sich erbrochen hat???). Für mich das Schlimmste war folgendes: meinen Heimweh-Brief an meine Eltern ("Bitte holt mich hier ab! Ich halt es nicht mehr aus!") lasen die "Tanten" (ich weiß nicht mehr, ob wir Briefe noch offen der "Zensur" vorlegen mussten, aber ich hatte immerhin den Mut, es dennoch zu versuchen und meinen Eltern offen zu schildern, wie schlecht es mir ging). Dann, immer noch unfassbar: ich musste diesen - natürlich nicht abgeschickten - Brief im Gemeinschaftsraum vor den versammelten Kindern laut vorlesen. Und wieder funktionierte das "System": ich wurde schallend ausgelacht, beschämt! Erst seit vorgestern wächst in mir die Überzeugung, dass dort unter den Lachenden viele gleichzeitig Leidende gewesen sein müssen, die sich dem "Holt mich hier ab!" eigentlich lieber angeschlossen hätten als mich auszulachen, mit einzustimmen in (von den "Tanten" orchestrierten?) Chor. Ist es zu weit hergeholt, hier an das MILGRAM-Experiment zu verweisen...?
Danke an Anja Roehl für die Veröffentlichung - ich trage "gerne" dazu bei, die Vielfalt der Erfahrungsberichte zu erweitern, vor allem: mich zu solidarisieren mit denen, die es noch viel schlimmer erwischt hat als mich, weil der Zufall sie in viel schrecklichere Häuser mit offensichtlich viel grausameren "Tanten" verschlagen hat als mich. (Was ich selbst erlebt habe, reicht mir schon fürs Leben...)
Leider hatten meine Eltern kein Verständnis, und ich wurde nach meiner Rückkehr als "Schwächling" betitelt, der mit seinen 9 Jahren viel mehr Heimweh gehabt habe als sein jüngerer Bruder. Schwarze Pädagogik halt...
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Erfurth Christine schrieb am 12.09.2019
1975 war ich ( 6jährig.) auf Wyk . Ich musste Nächte auf dem Flur stehend verbringen und durfte weder mich hinsetzen, noch einschlafen,weil ich das Redeverbot nicht eingehalten habe. Da diese Strafe und der Schlafentzug mich nicht vom Reden abhielt wurde ich Nachts in ein dunkles Zimmer gesperrt ,indem , wie ich heute weiss, ein behindertes Kind untergebracht war. Die Laute und Geräusche des Kindes , die Dunkeheit und das Eingesperrt sein brachen mich. Auch ich ass mein Erbrochenes. Habe die Demütigungen , nach zb Einnässen, erfahren, dass alle auf dem Hof versammelten Kinder, einen Kreis um mich bilden mussten, um mit dem ausgestrecktenFinger mich auszulachen... Wenn wir an den Strand zum Baden gingen, mussten wir uns in einer Reihe in die Brandung stellen und auf Komando auf den Bauch legen. Aufstehen durfte man erst bei Aufforderung. Auch körperliche Gewalt ist mir in Erinnerung geblieben. Meine Eltern bekamen ein gebrochenes, verängstigtes traumatisiertes Kind zurück. Die Versuche meines Vaters ,um Aufklärung, verliefen im Sand . Ich bin Frau Röhl sehr dankbar für dieses Forum
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Kathi schrieb am 12.09.2019
War im Alter von 5 Jahren auf Borkum, als gerade
die große Flut über Hamburg kam. Daran kann ich
mich nicht mehr so genau erinnern.
Dann Norderney zum Jahreswechsel 64/65. Ich sollte dort sechs Wochen bleiben und es wurde
verlängert auf drei Monate über Weihnachten.
Alle Geschenke aus den Paketen mussten abgegeben werden. Es war eisig kalt und wir mussten zum Turnen in eine eisige Turnhalle.
Schlimm war das Heimweh, wenn man aus einem
behüteten Elternhaus kam. Alles bestand aus Schikanen und Demütigungen. Vor allem, dass man die Toiletten nicht aufsuchen konnte, wenn das Bedürfnis da war. Nächtelang musste ich auf dem Flur stehen, weil ich zur Toilette wollte. Der Grund, man hat so lange angehalten, weil man
morgens Urin abgeben musste und wer das nicht konnte, dem hat man einen Katheder reingejagt.
Demütigend war auch das tägliche Fiebermessen. Alle mussten sich mit nacktem Po aufs Bett legen, damit das schnell ging.
Habe nur am Katzentisch gesessen, weil ich keine Schmalzbrote mochte. Finde ich heute noch ekelig. Als ich nach Hause kam, habe ich am Bahnhof geweint und weiß jetzt, dass man auch vor Freude weinen kann.
Ich habe sehr genaue Erinnerungen, und das kann ein Fluch sein.
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Bernd schrieb am 11.09.2019
Hallo Petra,

ich habe die meisten Erinnerungen an dort tief begraben oder verdrängt. Ich war im Herbst dort, es lag viel Laub herum, wir waren viel draußen, offenbar auch, um Farbe und rosa Bäckchen zu bekommen. Ich erinnere mich an eine Blindschleiche, die wir dort gesehen haben. Keine Ahnung, warum ich mich nicht an viel mehr erinnere.

Es böte sich die Bildung einer Betroffenengruppe an, um das einmal aufzuarbeiten. Es gibt sicherlich noch mehr Betroffene aus Bremen.
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Maike schrieb am 11.09.2019
Hallo,
da kamen alle schrecklichen Erinnerungen wieder hoch. Ich war April/Mai 1968 für 6 1/2 Wochen in der Kinderheilanstalt Bad Sassendorf . Schon der Name ist Programm.
Es war eine reine Mastanstalt. Es gab einfach alles zu essen, was ich nie mochte (hauptsächlich Sachen mit Milch, wie Pudding mit Haut, Grießbrei, Haferflocken u.s.w.). Dies alles konnte ich kaum herunterbekommen, es wurde aber aufgepasst, dass man mindestens 2 mal nachnahm, und wehe nicht!!!
Abends musste man um 07:00 Uhr schlafen gehen, vorher durften wir noch eine halbe Stunde lesen, die Bücher wurden wahllos auf die Betten verteilt. Ich war schon 14 1/2 Jahre alt und bekam ein Bilderbuch hingeschmissen.
Nachts wurde einem mit der Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet um zu sehen, ob man auch schlief.
Auf die Toilette durften wir auch nur zu bestimmten Zeiten und gruppenweise gehen.
Ich hatte Monatsbinden in meinem Nachtschrank, als die Schwester bei einer Inspektion diese entdeckte wurde ich wie eine Verbrecherin behandelt und die Binden weggenommen...
Mehrmals die Woche mussten wir Solebäder nehmen, einige Male, wenn wir in den Wannen lagen, gingen plötzlich wildfremde Männer durch den Raum (wohlgemerkt, ich war fast 15 und schon voll entwickelt).
Die Briefe, die wir nach Hause schreiben durften, wurden durchgelesen. Ein Mädchen hatte geschrieben, dass Sie es nicht aushält und dass Ihre Eltern sie wieder abholen sollten. Sie wurde während der Mittagsruhe aus dem Bett gezerrt und musste weinend den Brief neu schreiben.
Ein Mädchen hatte plötzlich kreisrunden Haarausfall bekommen, ein sicheres Zeichen für höchste psychische Not!
Wir mussten eine ganze Woche lang die selbe Kleidung (auch Unterwäsche!) tragen, das war sehr, sehr unangenehm.
Die Haare waschen durften wir uns in den ganzen 6 1/2 Wochen nur 2 mal, einmal nach 4 Wochen, dann wieder kurz bevor es nach Hause ging, wahrscheinlich, damit die Eltern nichts merken.
Meine Eltern hatten übrigens zu Ostern ein Paket mit Süßigkeiten geschickt, welches ich nie zu Gesicht bekommen habe. Als wir dann am letzten Tag auf unsere Abreise warteten, lagen plötzlich die ganzen Tische im Speiseraum voll mit Schokohasen und Eiern, von denen wir uns dann nehmen konnten, soviel wir wollten.
Ich könnte noch stundenlang weiterberichten, will es aber jetzt dabei belassen. Auf jeden Fall finde ich es gut, dass all diese Sachen jetzt mal aufgearbeitet werden. Man hat ja damals gedacht, dass ist normal und es glaubt einem sowieso niemand.

Nachtragen möchte ich noch, dass es eine Person gab, die mir den Aufenthalt etwas angenehmer gemacht hat, dass war Schwester Annegret. Ohne sie hätte es sicher nicht ausgehalten.
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Sabine Theidig schrieb am 11.09.2019
Hallo,
immer wieder versuche ich den Menschen in meiner Umgebung zu erklären, dass ich nicht zu einer Kur möchte, um mich mal zu "erholen".
Nur das Warum kürze ich immer ab, indem ich nur sagen : ich war Anfang der 70 iger für 6 Wochen in Wyk auf Föhr zur Kinderkur und das habe ich in sehr schlechter Erinnerung.
Uns wurde verboten während des Mittagschlafes oder auch während der Nachtruhe aufzustehen. Das beinhaltete auch den Toilettengang.
Das hatte zur Folge, dass wir uns eingenässt haben und z.B. die ganze Nacht in unserem eigenen Urin gelegen haben. Mit Taschentüchern haben wir dann versucht, die nassen Matratzen trocken zu reiben.
Einmal konnte ich mich auf Toilette schleichen und wurde auch prompt von dem Heimleiter erwischt. Der zerrte mich regelrecht aus der Toilette in mein Bett zurück.
Dort entdeckte er natürlich die Bescherung und brüllte mich an, was ich da für eine Schweinerei veranstaltet hätte, so dass auch der letzte wusste, welches Mißgeschick mir passiert war.
Bis heute leide ich unter einer extrem " schwachen Blase" und ich werde belächelt, dass ich jedes Getränk verweigere, wenn es in der Nähe keine Toilette gibt.
An eine nette Betreuerin kann ich mich erinnern. Sie spielte Gitarre, hatte dunkle Locken und hat uns immer was zum Schlafen vorgesungen. Wenn sie Nachtwache hatte, durften wir wenigstens auf Toilette gehen. Ich liebe sie bis heute dafür.
Meine Süßigkeiten aus den Päckchen habe ich dann wieder entdeckt, als die Geburtstagskinder sie auf Ihren Tellern liegen hatten und wir uns reihum was nehmen durften.
Meinen Eltern habe ich jeden Tag eine Karte geschrieben, dass sie mich ganz schnell abholen sollen. Diese wurden zerrissen und unter Tränen wurde mir ein Text diktiert, mit der Begründung, dass ich meine Eltern sonst ganz traurig mache. Ich kam mir ganz schlecht vor. Ich sollte meine Eltern anlügen, obwohl lügen doch was schlechtes war. Ich durfte meinen Eltern nichts sagen, auch nicht, wenn ich wieder zu Hause bin, denn dann mache ich sie ja traurig. Ich war also die Schlechte, so oder so.
Eigentlich kam ich nach Wyk, weil ich immer so dünn war, aber ich hatte es geschafft, noch dünner nach Hause zu kommen.
Ich bin so glücklich, dass es diesen Bericht im Fernsehen gab. Endlich kann ich zum ersten Mal darüber berichten und ich kann es nicht fassen, wie viel " wir" eigentlich sind.
Meine Eltern haben mir leider nie richtig geglaubt und immer gedacht, dass ich mir das alles nur ausgedacht habe, damit ich nicht nochmal verschickt werde. Das war eben die Zeit, als es auch noch die Götter in weiß gab und die Lehrer immer Recht hatten.
Nochmals vielen Dank für dieses Initiative an die Öffentlichkeit zu gehen

Eure Sabine ( 54 Jahre )
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Petra, Bremen schrieb am 11.09.2019
Hallo Bernd,
Gleicher Jahrgang, gleicher Ort des Schreckens, gleiche Heimat.. Ich war 4 oder 5 Jahre alt sein, als ich auf Anraten eines Arztes verschickt wurde. Es muss Winter gewesen sein. Ich sehe noch viele Treppenstufen vor mir, über die wir Kinder unser Gepäck zerren mussten. Die wenige Post nach Hause haben ältere Kinder oder die Tante geschrieben, der Inhalt war immer zensiert. Vor meiner Oma hatte ich ein Päckchen mit Malsachen und süssigkeiten bekommen. Daraus habe ich einen Malstift behalten dürfen, alles andere bekamen andere Kinder - darüber war ich sehr traurig, weil mein Heimweh so gross war. Es gab rüde Masernimpfungen ohne ein Fünkchen Mitgefühl, nur Strenge und Drill. Das Essen war furchtbar und war oft übersüsst und musste, egal wie, gegessen werden. Nur für den Heimweg gab es reichlich belegte Stullen, die ich nicht angerührt habe. Meine Mutter hat sich grosse Vorwürfe gemacht, dass sie mich geschickt hat. Schuheputzen für alle war eine beliebte Strafe. Einmal hat man vergessen, das Fieberthermometer aus meinem Rektum zu entfernen. Ich lang die halbe Nacht wach und habe es schliesslich selbst entfernt. Am morgen lang es entwei am boden, die quecksilberkügelchen verteilt. Es gab schlimme Schelte. Ich kann mich nur an harte Regeln und Massregelungen erinnern. Eine schlimme Zeit, ganz unverständlich für so kleine Menschen.
Anja, ich danke Dir, dass Du dieses dunkle Kapitel öffentlich machst. 8 Millionen Kinder - nicht vorstellbar
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Faye schrieb am 11.09.2019
Hallo alle...
endlich. So lange schon habe ich nach Spuren gesucht, Spuren einer Zeit, über die ich 50 Jahre lang nie reden konnte, denn zu den schrecklichen Wochen kam das Unverständnis der Eltern. Ich war in den 60er Jahren in der Nähe von Freudenstadt (irgendwas mit "roth"?) und schrieb Lügen nach Hause, (nachdem ich für den ersten
kleinen Brief ein Donnerwetter vonder 'Tante" bekommen hatte), duschte nackt und eiskalt in der Gruppe und schämte mich, bekam Kleidung zugeteilt, und wenn die "Tante' nicht gleich was fand, dann hatte ich das Nachthemd an und schämte mich. Nachts nicht zur Toilette, sonst stundenlang in der dunklen Ecke stehen. Da hatte ich Angst und fror. Taschengeld war nie da. Einmal habe ich irgendwas zerrissen (einen Bettbezug?), aus Versehen, ich war ein ängstliches Kind, und dann log ich. Es folgte die Inquisition. Das ganze Heim defilierte an mir vorbei, auch die Jungen, und in meiner Erinnerung habe ich mich unfassbar vor allen geschämt. Freunde fand ich dort keine. Aufessen war selbstredend nötig, sonst gab es Strafe. Vorher kein Aufstehen vom Tisch. Wanderlieder, lange Spaziergänge, tolle Spiele im Wald habe ich aber auch in Erinnerung. Ihr habt das ja alle schon so beredt erzählt. Danke für die Arbeit daran. Wir alle müssen anfangen zu verstehen, dass auch wir womöglich ungewolltes Erbe von Nazi-Pädagogik in uns tragen. Auch das ist eine wichtige Facette des aktuellen "Kriegsenkel" Themas. Ich würde sehr gern auf dem Laufenden gehalten werden.
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Cecily Bürgel schrieb am 11.09.2019
Im August 1969 werde ich für gute drei Wochen mit meiner älteren Schwester von Berlin nach Bad Reichenhall (Karlstein) verschickt. Meine Eltern brauchen Entlastung, wir sind vier Kinder, die Zwillinge sind noch klein. Wir sind voller Vorfreude auf diese Reise. Es dauert nicht lange bis diese Freude ganz anderen Gefühlen weicht.
Meine Mutter hat vor der Reise in alle unsere Kleidung Etiketten mit unseren Initialen eingenäht und die Koffer vorausgeschickt. Sie sind auch angekommen, es wird gesagt, was für hübsche Sachen da in den Koffern sind. Aber wir bekommen sie nicht, wir tragen Heimkleidung. Das ordnen die Heimleiter „Onkel Vati“ und „Tante Mutti“ an. Es sind komische Kleider. Ich mag sie nicht. Wir machen bei großer Hitze lange Wanderungen in Schuhen, die nicht passen. Einmal in der Woche gibt es frische Kleidung. Auch die Unterhose wird nur alle paar Tage gewechselt. Wir bekommen die Sachen zugeteilt. Meine Unterhosen sehen schlimm aus. Ich bin 5 Jahre alt. Manchmal schaffe ich es nicht ganz rechtzeitig auf die Toilette. Die Toiletten sind in einem Raum, nur durch kleine, kurze Wände voneinander getrennt, es gibt keine Türen. Ich schäme mich und verstecke die Unterhosen hinter dem Vorhang im Zimmer.
Weil ich, statt Mittagsschlaf zu machen, also absolute Ruhe zu halten, immer nur mit meiner Schwester quatsche, muss ich in einem anderen Zimmer schlafen. In dem Zimmer sind nur Jungs. Sie sind alle älter als ich, überhaupt sind alle Kinder mindestens 8 Jahre alt, ich bin mit Abstand das jüngste Kind. Ich starre die Decke an, wenn die Jungs abends im Schlafanzug auf ihren Betten herumspringen. Wenn sie hochspringen, ziehen sie ihre Schlafanzughose herunter, wenn sie landen wieder hoch. Rauf, runter, rauf, runter. Ich verkrieche mich unter der Bettdecke und halte mir die Ohren zu. Ich drücke mit den Fingern auf meine geschlossenen Augen bis ich bunte Muster sehe und ihr schiefes Grinsen verschwindet. Das Ausziehen ist für mich eine Tortur. Ich behalte auch unter meinem Schlafanzug meine verschmutzte Unterhose an und ekel mich.
Ich höre die Mittagshitze und ich rieche sie als ich in der Mitte des Zimmers stehe. Onkel Vati winkt mich zu sich heran. Er steht auf und kommt hinter seinem Schreibtisch vor, als ich den Raum betrete, und lobt mein niedliches Kleidchen. Er ist riesenhaft.
Meine geliebte Schwester, für mich plötzlich unerreichbar, schreibt (unfreiwillig) nichtssagende Briefe nach Hause.
Wieder zu Hause, daran habe ich zwischendurch nicht mehr geglaubt, erzähle ich nichts von den Gefühlen des Ausgeliefertseins und Verlassenseins, der wahnsinnigen Angst, der Einsamkeit, der Hilflosigkeit und der Scham. Man macht seinen Eltern keinen Kummer, so bin ich erzogen worden wie so viele andere auch.
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Renate Reuschenberg schrieb am 11.09.2019
ein zufällig habe ich den Bericht heute abend in der Sendung Report gesehen...es hat mich erschüttert, denn da kamen alle Erinnerungen wieder zurück...auch ich bin eine Betroffene.
Ich wurde im Februar März 1965 für sechs Wochen zur Kur in das katholische Kinderkurheim Sankt Antonius in Niendorf verschickt, weil ich zu dünn und ein schlechter Esser war, ich war damals 10 Jahre alt.
Es war einfach nur grausam und mir wird immer noch übel, wenn ich heute daran denke. Ich habe zwar keine Schläge und auch kein Essen von Erbrochenem erlebt, aber sehr wohl jede Menge psychische Misshandlungen, Demütigungen und Drohungen.
Es fing damit an, dass ich in den ersten 14 Tagen nicht wusste, wo meine Sachen waren, niemand hat mir das gesagt oder gezeigt, ich trug 14 tagelang denselben Schlüpfer, dieselben Socken. Wir duschten in den 6 Wochen genau zweimal...einmal nach drei Wochen und einmal zum Ende nach sechs Wochen. Die Duschen befanden sich in einem kalten Keller, unsere Sachen waren bereits eingepackt, wir hatten nur noch einen Schlüpfer an und wir schliefen unter den abgezogenen Betten, unter den kalten Inlets. Ich habe die ganze Nacht gefroren. Als ich nach Haus kam, erkrankte ich wenig später an einer schweren Grippe mit extrem hohem Fieber, der Arzt kam damals zu uns nach Hause...noch Jahre später hat mir ein Arzt gesagt, dass man diese schwere Erkrankung noch am EKG sehen kann... es ging mir nach der Kur schlechter als vorher und noch dünner war ich auch...
Das Essen war extrem schlecht, es wurde in großen Metallbehältern angeliefert und nur ausgewählte Kinder durften es an der Tür in Empfang nehmen, bei den anderen hatten sie Angst, dass die weglaufen. Montags gab es einen Eintopf, der dunkelgrau aussah und beim Essen zog sich das so, als wäre ein Kaugummi da drin, ich denke, es waren Nudeln...jedenfalls war alles reingemischt, was in der Woche übrig geblieben war. Und mit dem Essen war immer die Drohung verbunden...wenn du nicht genug isst, wenn du nicht zunimmst bzw dicker wirst, dann musst du länger bleiben...
Ich hatte furchtbares Heimweh, aber das durfte man nicht in Briefen schreiben. Alle Briefe wurden gelesen und kontrolliert, man durfte keinen Brief heimlich in den Kasten stecken...das ging auch gar nicht, weil wir in der ganzen Zeit höchstens zwei oder dreimal draußen waren, wir saßen die ganze Zeit in einem Dachzimmer und mussten spielen. Die Tanten sagten uns immer wieder, es sei zu kalt draußen, wir hätten eben Pech, im Sommer sei man die ganze Zeit am Strand.
Und wehe man musste noch einmal auf die Toilette, wenn man schon im Bett war, sie liefen Patrouille und brüllten einen an, das man gefälligst vorher gehen sollte.
Zweimal in der Zeit gab es eine ärztliche Untersuchung, dabei hatte man nur einen Schlüpfer an, ansonsten war man nackt,und man stand in einer langen Schlange, und bei manchen Kindern zog der Arzt den Schlüpfer herunter oder guckte in den Schlüpfer und ich habe nur gehofft, hoffentlich macht er das nicht bei mir..Es gab noch viele grausaame Details, aber jetzt wo ich das aufschreibe, merke ich wieder, es reicht...Ich bin Jahre später beruflich in Niendorf gewesen, habe die Straße, das Heim gesucht und musste den Ort ganz schnell wieder verlassen, weil die körperlichen Symptome unerträglich waren.
Dieser Kuraufenthalt hat mich mein lebenlang begleitet, noch heute...54 Jahre später, träume ich manchmal davon...in Farbe... und wache dann schweißgebadet wieder auf...
Und ich leide schon sehr lange an einer generalisierten Angststörung...ich denke, ein stückweit "verdanke" ich das auch dieser Kur, das hat mich als Kind geprägt.
Ich würde gerne an dem Kongreß auf Sylt teilnehmen. Ist das möglich?
Und ich freue mich, dass es nun eine Initiative gibt, die das aufarbeitet...bis heute dachte ich...das war eben so...das war wohl normal...

Renate Reuschenberg
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Udo Deuerlein schrieb am 11.09.2019
Das erste mal habe ich durch die Sendung Report etwas zu diesem Thema gehört! Bin selbst ein Betroffener! Ich war, weil ich als Kind unter Asthma litt, im Sommer 1968 im Kurt Pohle Erholungsheim in Westerland auf Sylt! Dort habe ich auch, wie andere Kinder ein Martyrium durchlitten.
War 6 Wochen dort! Wie im Bericht in Report kann ich mich auch daran erinnern, dass ein Junge so lange am Mittagstisch sitzen musste, bis er Alles aufgegessen hatte! Da er sich so vor dem Essen ekelte, erbrach er und er musste das Erbrochene vor allen Kindern aufessen! Man muss dazu sagen, dass es einmal in der Woche ein Essen gab, was anscheinend aus den Resten der Woche durcheinander, gekocht wurde und das sah wirklich nicht appetitlich aus! Die Post an die Eltern wurde zensiert und wurde falls jemand die Zustände in dem Heim geschildert hat, vor uns aller Augen zerrissen!
Ich musste einmal, zur Strafe, im Sommer einen ganzen Tag im Bett unter einer Steppdecke liegen, ohne Essen und Trinken!
Leider kann ich mich nicht mehr an den Namen unserer Betreuerin erinnern!
Dann kann ich mich erinnern, dass ich zur Strafe, einmal meine Hose runterziehen musste und alle Kinder mich auf den Hintern schlagen durften! Anschließend musste ich ohne Strümpfe in Turnschuhen am Strand spazieren, so dass ich richtige Löcher in den Fersen hatte! Nachts habe ich anschließend Pläne gemacht, wie ich abhauen könnte, aber wie sollte man als zehnjähriger Junge der total eingeschüchtert war, diese Pläne in die Realität umsetzen!
Ich kann mich ebenso erinnern, dass wir einmal einen jungen Mann, als Vertretung hatten, der sehr nett war. Als unser Drachen aber wieder da war, gab es ein riesen Donnerwetter gegenüber dem jungen Kollegen, da er gewagte hatte, dass wir duschen durften! Im Nachhinein kam es mir sehr merkwürdig vor, dass während wir nackt duschten, sie gleichzeitig im selben Raum in einer Badewanne saß! Also war es ihr Privileg uns duschen zu lassen!
Leider werden die Verantwortlichen dieses Heimes wohl nicht mehr leben so dass man sie zur Rechenschaft ziehen könnte! Das Heim war glaube ich in der Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt!
Ich werde demnächst 61 Jahre alt, aber diese Vorgänge in dem Heim, werde ich wohl nie vergessen!
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Birgit S. schrieb am 11.09.2019
Zufällig habe ich soeben bei "Report Mainz" noch einige Minuten des Beitrags der Verschickungskinder mitbekommen. Ich wusste aber schon nach ein wenigen Sekunden, worum es ging. Das eigene Erleben lässt sofort alle belastenden Ereignisse wieder aufleben:
1963 "Kurheim" in Oberstdorf mit 5 Jahren für 6 Wochen kurz vor Weihnachten; Drohungen, Erbrochenes wieder aufzuessen (ich hatte Glück, dass eine "liebe" junge Tante die Androhung der Ordensschwester abwenden konnte und mich sogar auf den Arm nahmm, was die einzige menschliche Wärme in der ganzen Zeit war); Drohungen, das Weinen zu unterlassen; Lächerlich machen vor allen Kindern wegen Einnässen der Bettwäsche, eine Auswirkung der Tatsache, dass ich aus einem sowieso schon belasteten und gewalttätigen Elternhaus kam.
Die Süßigkeiten aus dem Päckchen von zu Hause wollte ich mit anderen Kindern teilen, was untersagt wurde.
Schön, Frau Röhl, dass Sie das Thema aufgreifen.
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Meike Leveke schrieb am 11.09.2019
Ich war insgesamt 3 Mal in verschiedenen Erholungsheimen, das erste Mal mit 6 Jahren 1975 vor der Einschulung, in Bad Pyrmont, später mit ca. 11 oder 12 im Schwarzwald.
Beim 1. Aufenthalt bekam ich nach ein paar Tagen heftige Bauchschmerzen, was nur mit "Stell dich nicht so an!" quittiert wurde. Es wurde immer schlimmer, und schließlich bin ich auf der Straße zusammengebrochen. Eine fremde Person, also noch nicht mal jemand vom Heim, brachte mich ins Krankenhaus, wo eine akute Blasenentzündung diagnostiziert und ich stationär aufgenommen wurde. Das war an einem Freitag - meine Eltern wurden von der Heimleitung erst am Montag darüber informiert.
Die nächsten 2 Aufenthalte waren in Baiersbronn und noch heute bekomme ich beim Wort "Schwarzwald" eine Gänsehaut. Meine Eltern dachten, sie täten mir einen Gefallen. Ich als Einzelnkind mit vielen anderen Kindern, das fände ich doch bestimmt toll! Ich habe jede einzelne Minute gehasst. Kontrolle der ein- und abgehenden Post, ungenießbares, verkochtes Essen, zu trinken gab es nur zu den Mahlzeiten, trotz Hochsommer. Demütigungen, Bloßstellen von Kindern, all das gehörte zum Alltag . Auch dort endete ein Aufenthalt im Krankenhaus, und darüber war ich fast glücklich, da es mich von den cholerischen "Tanten" befreite. Ich möchte gar nicht wissen, wieviel Geld die Heime von den Verbänden, Kirchen, Eltern bekommen haben!
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Birgit Signo schrieb am 11.09.2019
Zufällig habe ich soeben bei "Report Mainz" noch einige Minuten des Beitrags der Verschickungskinder mitbekommen. Ich wusste aber schon nach ein wenigen Sekunden, worum es ging. Das eigene Erleben lässt sofort alle belastenden Ereignisse wieder aufleben:
1963 "Kurheim" in Oberstdorf mit 5 Jahren für 6 Wochen kurz vor Weihnachten; Drohungen, Erbrochenes wieder aufzuessen (ich hatte Glück, dass eine "liebe" junge Tante die Androhung der Ordensschwester abwenden konnte und mich sogar auf den Arm nahmm, was die einzige menschliche Wärme in der ganzen Zeit war); Drohungen, das Weinen zu unterlassen; Lächerlich machen vor allen Kindern wegen Einnässen der Bettwäsche, eine Auswirkung der Tatsache, dass ich aus einem sowieso schon belasteten und gewalttätigen Elternhaus kam.
Die Süßigkeiten aus dem Päckchen von zu Hause wollte ich mit anderen Kindern teilen, was untersagt wurde.
Schön, Frau Röhl, dass Sie das Thema aufgreifen.
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Brigitte Kock schrieb am 11.09.2019
Ich war im Alter von 6 Jahren mit meiner 4jährigen Schwester in Bad Dürrheim zur "kur".
Ich musste in einem anderen Saal schlafen als meine Schwester
. Morgens zum wecken mussten wir uns alle auf den Bauch legen und dann wurde uns ein Fieberthermometer in den Anus gesteckt,und das nicht vorsichtig.
Ich kann mich auch an zwillingsmäschen erinnern,die schreckliches Heimweh hatten und denen das Weinen verboten wurde. Außerdem ein blondes Mädchen,welches gebrochenes Essen so lange immer wieder essen musste,bis es drin blieb.
Päckchen,die von Zuhause verschickt wurden,haben wir nie bekommen.
Diese Erlebnisse haben mich sosehr geprägt,das ich auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle zur Krankenschwester 1971 einen Platz in Köln außer Acht gelassen habe,weil auf dem Flyer eine Krankenschwester abgebildet war,die schreckliche Ähnlichkeit mit einer Schwester aus dem Kuraufenthalt hatte. Es ist jetzt 58 Jahre her,aber ich könnte die Frau immer noch beschreiben.
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Manni schrieb am 11.09.2019
Mein Name ist Manfred aus Düsseldorf

Hallo, alle Betroffenen,
Ich war in den Sommerferien im Alter von 10 Jahren (3. Klasse) 1963 für 6 Wochen im Kinderheim in Wyk auf Föhr.
Meine Eltern hatte mich dort hin verschicken lassen, weil ich in ihren Augen ein schlechter Esser war. Ich sehr schlank.
Seit einiger zeit verfolge ich die Geschehnisse im Internet und habe mit Erschütterung gestern abend (10.09.2019) den 'Report aus Mainz' gesehen.
Meine einizige Erinnerungen sind, dass ein Kind Manschetten über die Ellenbogen bekam, dass es sich nicht kratzen konnte, es hatte Windpocken.

Mittags, nach dem Essen, mussten wir mucks mäuschen still, für ca. 2 Std. auf Liegen auf der großen Terrasse ausharren, damit das Essen ansetzen konnte..

Ich hatte nur unbändiges Heimweh und hatte meinen Eltern eine (Post/Ansichts) Karte geschickt (schicken wollen), mit der Bitte, mich ab zuholen. Natürlich ist diese Karte niiiiie angekommen. Später wusste ich dann warum. Möglicherweise wollte 'die' meine Eltern nicht beunruhigen.

Eine allgemeine Strenge herrschte schon.

Mit ca. 6 Jahren, vor der Einschulung, war in einem ähnlichen Kinderheim in Freudenstadt im Schwarzwald.
Hier ging es sehr streng zu:
Ich musste Abend's mal auf die Toilette, durfte ich aber nicht, so machte ich mein großes Geschäft in die Schlafanzughose und musste damit über die Gänge laufen.
Weil ich ja immer noch ein schlechter Esser war, mussten die Teller immer leer gemacht werden, so auch der Teller mit Milchsuppe, die ich zum ..... nicht mochte. Zu allem Überfluss, machte ein älteres Kind den Dreck unter seinen Fingernägeln in meine Suppe. Als das 'gepetzt' habe, musste ich die Suppe trotz dem auf essen.
Es gab keine Gnade und kein Entrinnen.
Gruß Manni
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Jochen Winkler schrieb am 11.09.2019
Ich war 1961 mit gerade mal fünf Jahren im Kinderheim Hirschegg/Kleinwalsertal und kann die Erinnerungen der anderen nur bestätigen. Allein mit dem Zug mit umgehängter Namenskarte in eine völlig unbekannte Umgebung geschickt, erwiesen sich die Tage dort als reine Tortur. Streng und unnachgiebig behandelt, kein freundliches Wort. Wir bekamen morgens und abends gerade mal eine Tasse Milch zu trinken, sodass alle immer fürchterlichen Durst hatten. Bei Wanderungen hätten wir am liebsten aus den Bächen getrunken. Jungs, die in die Hose gemacht hatten, mussten unter eine kalte Dusche und wurden abgebraust. Ich hatte mich mit Masern dort angesteckt und wurde in ein dunkles Zimmer gelegt, wo ich keinerlei Behandlung, sondern nur die notwendige Nahrung bekam. Es geschah so viel Ungeheuerliches, das ich hier aber nicht weiter ausbreiten möchte. Alles dies hat bei mir bis heute ein Trauma hinterlassen,
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Fröhlich, Carola schrieb am 11.09.2019
C. Fröhlich
Auf Langeoog war mein "Kurort": 1974, Ich: 10 Jahre.
Mir wurden auch Geld und Süßigkeiten abgenommen während ich duschte. Auf Nachfrage wurde ich angelogen sah aber wie es die Betreuer aßen. Seitdem habe ich auch Verlustängste und kann schwer vertrauen. Bin auch Single seit 55 Jahren.
Finde auch, dass ich seltsam oft beklaut werde, vielleicht wirke ich so, als ob ich mich nicht wehre.
Das fehlende Briefgeheimnis kann ich bestätigen. Die Zwänge und Schickanen auch. Habe auch niemandem erzählt: Einstellung: was soll´s. Ändert eh nichts.
In 2er Reihen Spazierengehen gab´s bei mir auch.
In Seniorenheimen herrscht teilweise eine "ähnliche Atmosphäre" für mich fühlt sich das eklatant an. Ich vermute, ich nehme es stärker wahr durch das frühe Erlebnis. Wehrlos, Machtlos, als Opfer fühlte ich mich.
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Beate Tilg schrieb am 11.09.2019
ich bin Jahrgang 1960 und war 1966 mit meiner Schwester (JG 1959) in Bondorf - Anfang Dezember. habe zwar nur rudimentäte Erinnerungen, aber wirsing und kotze sind für mich noch heute eins, angstvolle Nachmittage auf dem dachboden wegen schwätzen in der mittagspause und und und . Aber das verstörenste Erlebnis war, als Nikolaus und Knecht Ruprecht kamen. sie steckten ein paar der Jungs, die halt ein bissl unruhiger waren, in einen großen Sack mit der drohung, man würde sie am nächsten Tag ins Tote Meer werfen. Ich höre heute noch die Schreie, die uns eine ganze Nacht den Schlaf raubten.
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Peter Becker schrieb am 11.09.2019
Peter Becker
11.9.2019

ich war erschüttert über den Bericht von Frau Röhl.
Ich war ca.1958 und 1960 verschickt im Kinderheim
Wyk/föhr. Ich habe noch sehr stark in Erinnerung, daß ich versuchte nur nicht aufzufallen, da kleinste
erfehlungen bestraft wurden. In Erinnerung ist mir immer noch, daß ein artiges Kind am Abend einen
Apfel auf seinem Bett vorfand. Ich war also nicht artig,
weil ich erst nach Wochen einen Apfel bekam und ständig ein schlectes Gewissen hatte. Beim Essen
musste man gerade sitzen.. Das würde von einer
Frau überwacht, die bei krummer Haltung mit Ihrer Faust in den Rücken schlug. Auch erinnere
ich mich an den Heimleiter ,der Vorträge hielt,
die ich später als Verherrlichung der NS-Zeit
betrachtet habe. Die Unterdrückung in dieser
Zeit haben sicher eine Auswirkung auf mein
Selbstwertgefühl gehabt.
Vielleicht.melden sich einige Zuschauer, die
in meiner Zeit auf Föhr waren. Eine Wiedergabe
meiner vielen Erinnerungen würde diesen Rahmen
sprengen
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Steffi schrieb am 11.09.2019
Die Fernsehsendung „Report Mainz“ hat mich auch an meine damalige Zeit in der Kinderkurklinik Prinzregent Luitpold erinnert.

Im Sommer 1981 wurde ich im Alter von 12 Jahren auf Empfehlung des Kreisgesundheitsamtes Herford für 6 Wochen nach Scheidegg/Allgäu in die Kinderkurklink Prinzregent Luitpold zur „Erholung“ geschickt. Mit weiteren Kindern aus dem Kreis Herford und den Nachbarkreisen ging es im Sonderzug ins Allgäu. Dort angekommen wurden wir Kinder dann auf die Zimmer verteilt. Leider hatte ich das Pech gehabt, dass ich ein zu kurzes Bett bekam. Die ersten Nächte durfte ich also in gekrümmter Körperhaltung in einem zu kurzen Bett verbringen. Einige Tage später bekam ich dann ein längeres Bett.
Am Tag nach unserer Ankunft wurden wir dann der Ärztin der Kinderkurklinik vorgestellt. Jeder wurde einzeln ins Untersuchungszimmer gebeten. Ich musste mich komplett ausziehen und wurde von allen Seiten „begutachtet“. Außerdem musste ich einige Gesundheitsfragen sowie intime Fragen beantworten. Mir war die ganze Aktion peinlich, ich habe mich geschämt und gedemütigt gefühlt. Ich hatte den Eindruck, dass sich die Ärztin und die Aufseherinnen/Nonnen einen Spaß daraus gemacht haben, uns Kinder so zu demütigen. Gleich in den ersten Tagen wurden wir von den Nonnen/Aufseherinnen und Heimleiterin eingeschüchtert: Sollte es jemand wagen, zu Hause anzurufen, müssten die Eltern den Klinikaufenthalt aus eigener Tasche zahlen und das wären einige Tausend DM. Die Krankenkasse würde dann keine Kosten übernehmen. Und unsere Eltern wären dann auch ziemlich ärgerlich auf uns.
Da nach unserer Ankunft in der Kinderklinik in vielen Bunderländern die Sommerferien noch nicht begonnen hatten, hatten auch wir Unterricht in der Kinderklinik. Dort gab es einen Klassenraum. Soweit ich mich erinnern kann, wurden wir in Deutsch, Mathe, Englisch und Biologie unterrichtet. Mit Beginn der Sommerferien in den jeweiligen Bundesländern hatten dann auch wir Ferien. Die 6 Wochen „Erholung“ verliefen ziemlich schleppend. Schulunterricht, Anwendungen (Inhalieren von Sole, Fichtennadelbäder, Wassertreten nach Kneipp usw. wechselten sich ab. Das Mittagessen schmeckte teilweise widerlich. Mehrmals mussten wir zur Strafe solange sitzenbleiben, bis wir aufgegessen hatten. Andere, die trotz Ekel das Essen in sich hineingestopft hatten, mussten sich dann später auf der Toilette übergeben. Damit wir Hunger bekamen, wurden uns mehrere Male Appetitanreger in Form von Tabletten verabreicht. Wer die Tabletten nicht schlucken wollte, dem wurde von der Heimleitung wieder gedroht, dass die Eltern den Klinikaufenthalt dann aus eigener Tasche zahlen müssten oder man wurde dann für einige Zeit in ein Zimmer gesperrt. Versehentlich bekamen wir einmal statt Appetitanreger Schlaftabletten verabreicht. Das hatte natürlich dann zur Folge, dass wir uns nach dem Mittagessen in die Schlafsäle zurückgezogen und geschlafen haben. Als die Aufseherinnen/Nonnen dann ihre Kontrollgänge machten, wurden wir von ihnen aus dem Schlaf gerissen und zusammen geschrien, wir sollten gefälligst aufstehen. Die Schlafsäle wurden dann tagsüber abgeschlossen, so dass man keine Rückzugsmöglichkeit mehr hatte.
Natürlich war es Standard, dass die Post, die wir nach Hause schickten oder von zu Hause bekamen, zunächst durch die Aufseherinnen/Nonnen gelesen wurde.
Es gab aber auch angenehme Seiten, wie z. B. ganztägige Ausflüge, was aber eher die Ausnahme war.
Wie groß war die Freude, dass es nach 6 langen Wochen endlich wieder Richtung Heimat ging. Keine Kontrollgänge, keine Drohungen und kein Anschreien, kein ekelhaftes Essen und keine Tabletten mehr. Zu Hause begann dann die Erholung von der Kur.
Meiner Mutter hatte ich nach meiner Rückkehr von den schlechten Erfahrungen und Vorkommnissen berichtet. Sie hatte sich beim Gesundheitsamt beschwert. Das Gesundheitsamt hatte meiner Mutter nur mitgeteilt, dass es sich bei den Tabletten vermutlich um Vitamintabletten gehandelt habe.
Die schlechten Erfahrungen, dich ich innerhalb der 6 Wochen Kur in Kinderklinik Prinzregent Luitpold gemachte habe, haben mein Leben geprägt. Sie haben dafür gesorgt, dass ich im Erwachsenenalter bisher nie wieder eine Kur angetreten habe bzw. auch in Zukunft nie antreten werde.
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Silke M. Lachmund schrieb am 11.09.2019
Vor einigen Wochen habe ich (soweit ich mich erinnern kann zum ersten Mal überhaupt) einer Bekannten von meiner Aufpäppelkur auf der Insel Spiekeroog erzählt.
Und nun hat mir der Bericht bei Report Mainz und die Kommentare hier bestätigt, dass es sich nicht um Alpträume oder wirre Phantasien handelt, sondern um tatsächliche Erlebnisse.
Es muss Anfang 1960 gewesen sein, als man mich auf die Insel verschleppte. Ich war fünf Jahre alt und kurz davor eingeschult zu werden.
Von der Reise dorthin erinnere ich mich nur an die Überfahrt mit einem kleinen Boot. Ich saß mit anderen in einem kleinen Raum unter Deck auf einer Bank, die ringsum an den Wänden angebracht war. In der Mitte stand ein „Bollerofen“ mit einem Ofenrohr. Das Boot schaukelte stark – trotzdem (oder deshalb?) stand ich auf und torkelte in Richtung Ofen und verbrannte mir die Hand an dem Ofenrohr.

Wie einigen anderen geht es auch mir so, dass die Erinnerung sehr verschwommen ist und dass ich mich nicht an Gesichter von Menschen erinnere. Aber einige Dinge habe ich beängstigend klar vor Augen, als ob ich es gestern erlebt hätte und nicht vor fast 60 Jahren.

Nur an einen Menschen erinnere ich mich. Es war ein sehr kleiner Junge mit Locken, den ich auf einem Dachboden in einem Bett liegen sah. Es war ein düsterer Raum und man konnte die Dachbalken sehen. Nur eine einzelne Lampe strahlte das Bett an. Der Junge lag auf dem Rücken in einer Gipsschale und schrie sich die Seele aus dem Leib. Daneben standen irgendwelche Menschen die, als sie mich entdeckten, anfingen mich anzuschreien, dass ich sofort verschwinden soll. Das tat ich – aber das Bild von dem Jungen und seine furchtbaren Schreie verschwanden leider nie. Ich kann es bis heute nicht ertragen, wenn ich ein Kind schreien höre - völlig egal, warum es das tut.

Bezüglich des Essens erinnere ich mich nur an eine Milchsuppe mit kleinen Sternchennudeln drin. Es war für mich unglaublich ekelig. Ich weiß noch, dass ich mir das Zeug in den Mund gestopft und dann ins Klo gespuckt habe. Ich weiß nicht, ob ich vorher Milch mochte – ich weiß aber, dass ich solange ich denken kann keine Milch mag und auch nie wieder welche getrunken habe.

Aber das allerschlimmste habe ich in der Nacht vom 28. Auf den 29. Februar 1960 erlebt. Ich weiß das so genau, weil am 29. Rosenmontag war und alle Kinder feiern durften – nur ich nicht.
Ich wachte in der Nacht auf, weil ich aufs Klo musste. Ich hatte starken Durchfall. Ob das von der ungewohnten Ernährung oder von irgendwelchen Keimen kam, weiß ich nicht. Ich stieg also aus dem Bett und suchte ein Klo. Aber ich konnte den Stuhl nicht halten. Ich versuchte mit einer Hand und meinem Nachthemd das Elend aufzuhalten – es gelang mir nicht.
Das Klo habe ich auch nicht gefunden.
Ich sehe mich mit meinem Nachthemd in einem riesigen dunklen Treppenhaus stehen – es war nur eine kleine Notbeleuchtung an. Irgendwie habe ich dann mein Bett wiedergefunden.
Am Rosenmontagmorgen wurde mein „Vergehen“ entdeckt. Wutentbrannt wurde mir das Nachthemd vom Leib gerissen und ich wurde nackt über den Flur in das Jungenschlafzimmer geschleift. Dort befanden sich nicht nur einige bei meinem Anblick laut grölende und lachende Jungen sondern auch ein Waschbecken mit kaltem Wasser, an dem ich gereinigt wurde.
Ich weiß nicht, was das mit mir gemacht hat – ich weiß nur noch, dass ich, als ich wieder zuhause war, drei Tage lang nur geheult habe.

Aber ein Gutes hatte die Kur doch: inzwischen hat wenigstens das Aufpäppeln funktioniert. Leider viel zu gut…
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Yvonne schrieb am 11.09.2019
Liebe Frau Eich,

wo in Berchtesgaden war Ihre Schwester denn? Dort gibt/gab es 2 Heime, wenn ich richtig informiert bin.

Danke!

Yvonne
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Detlev schrieb am 11.09.2019
Hallo zusammen,

ich fasse es nicht, was ich hier lese und gestern im Report Mainz gesehen habe. Und ich dachte immer, das sei nur mir passiert. Ich war 8 oder 9 Jahre alt, als ich auf Langeoog im Heim war, weil ich "zu schmächtig" war.

Ich will nicht alles wiederholen, was schon geschrieben wurde, aber hier direkt dem Manni antworten. Auch mir ist es passiert, dass ich beim Essen auf die Toilette musste und nicht durfte. Ich habe mir dann in die Hose gemacht und das wurde hinterher die größte Demütigung in meinem Leben, weil ich damit "vorgeführt" wurde. Ich verspüre noch heute ungeheure Wut auf die damaligen Betreuerinnen und Betreuer.

Zu vielen anderen hier berichteten Erlebnissen kann ich nur sagen: mee too.
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Sabine schrieb am 11.09.2019
Ich musste 1974/75 in der ehemaligen DDR im Alter von 8 Jahren nach Salzwedel zu einem Kuraufenthalt. Ich bin zum Essen gezwungen worden, wurde mit Büchern geschlagen, in den Keller eingesperrt und die Briefe an meine Eltern wurden rezensiert. Bis heute habe ich Ängste, wenn es auf Reisen geht.
Ich hätte nicht gedacht, dass meine Erelebnisse von damals in der Gegenwart thematisiert werden könnten. Vielen Dank!
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C. schrieb am 11.09.2019
Ich bin als 8- oder 9-Jähriger Junge wegen Übergewichts Ende der 1970er Jahre zur "Kur" nach Langeoog verschickt worden, und zwar in ein Heim der AWO.

Schon am ersten Tag tat sich eine "Betreuerin" (deren Namen ich nicht vergessen werde) dadurch hervor, meine Bitte nach einem Nachschlag mit einem geknurrten "Du wirst schon sehen, was du bekommst" zu beantworten.
In den nächsten Tagen lernte ich diese Betreuerin nur zu gut kennen - selbst übergewichtig, machte sie sich dennoch einen Spaß daraus, insbesondere die übergewichtigen Kinder wie mich zu quälen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit herunterzumachen.

Zu ihrem speziellen Objekt wurde ich, als ich (ich denke, es war in der ersten Woche) einen Brief an meine Eltern schrieb und sie neben den üblichen Dingen vom Ort darum bat, mir ein paar Sachen nachzuschicken, die mir während des Kuraufenthalts fehlten. Ich war zutiefst erschrocken, als die "Betreuerin" unsere Gruppe nach dem Abendessen zusammenrief, meinen Brief vor der gesamten Gruppe verlas und mich dann nach allen Regeln der Kunst verbal eniedrigte. "Verwöhnt" und "undankbar", das waren ihre Kommentare an mich, und ob meine Eltern sich nicht für mich schämen täten.
Als sich dieser Schock gelegt und ich für eine Minute Zeit für mich hatte, mußte ich heulen und wollte nur noch nach Hause.

Zu spät...denn von nun an wurde ich selbst für Nichtigkeiten sofort bestraft, wobei diese Strafen in der Regel psychologischer Natur waren. Das reichte von den ständigen Verbalinjurien über eine Nacht im Betreuerzimmer (die ich mehrmals erleben durfte, wenngleich nicht immer mit dieser Person - trotzdem ein Horror) bis hin zu der Maßnahme, daß ich zukünftig meine Wäsche selbst zu waschen habe...warum auch immer, ich weiß es nicht mehr.
Dankenswerterweise blieben zumindest mir die drastischen physischen Maßnahmen wie Erbrochenens essen und Schläge erspart - möglicherweise war diese Person aber auch nur schlau genug, um keine sicht- und nachweisbaren Spuren zu hinterlassen.

Als ich nach 6 Wochen wieder zuhause ankam, fiel ich meinen Eltern weinend in die Arme. Aber als ich ihnen erzählte, was mir in dieser Zeit widerfahren ist, wollten sie es mir nicht glauben. Teilweise gaben sie mir sogar die Schuld daran...
In den 1990er Jahren hatte ich nach einer Serie von persönlichen Rückschlägen sogar zeitweise den Gedanken gefasst, diese Person aufzuspüren und umzubringen - nur um wenigstens einen Teil meiner negativen Gefühle und Gedanken loswerden zu können.

Dieser "Kuraufenthalt" hat einen wesentlichen Anteil dazu beiigetragen, daß ich zu dem wurde, was ich heute bin - schwer depressiv, schwer gestört und nur noch in eingeschränktem Maß empfindungsfähig.
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C. Rudolph schrieb am 11.09.2019
Ich bin Jahrgang 1950. Meine erste "Kur" war in Immendingen mit 4 Jahren. Mit 6 ging's nach Steimel im Westerwald, mit 7 nach Bad Nauheim, mit 9 und 11 nach Lindenberg/Allgäu und mit 15 nach Mittenwald. Es wurde schon alles mehrfach geschrieben: Vom Fraß, Erbrechen, still auf einer Seite liegen, Post wurde laut vorgelesen, bei Krankheit tagelang ganz alleine in einem Raum ... Meine Schwester erzählte ihrem Mann, dass ich die Verwöhnteste in der Familie sei. Durfte immer in Urlaub. Dabei habe ich den Kopf und meine Seele für meine Geschwister hingehalten.
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Gabriele H. schrieb am 11.09.2019
Mein Name ist Gabriele. Ich wurde 1966 vor meiner Einschulung ins Oldenburger Kinderheim auf Wangerooge „verschickt“. Ich war ein sehr zierliches Kind und angeblich für die Schule nicht „schwer“ genug. Eigentlich dachte ich, dass ich all das Erlebte in den vielen Jahren aufgearbeitet und verarbeitet habe.
Als ich am 10. September 2019 zufällig den Bericht im Report Mainz auf ARD gesehen habe, liefen mir sofort wieder die Tränen über meine Wangen. Die Seele hat nicht vergessen! Viele Erzählungen, treffen auch auf mich zu. Es war für mich auch die schlimmste Erfahrung in meinem Leben. Viele psychische Probleme führe ich zurück auf das Erlebte. Hier ein paar Dinge, an die ich mich heute noch erinnern kann.
Bei der Ankunft wurde eine große Schüssel rumgereicht. Hier mussten wir alle Süßigkeiten hineingeben. Unsere Koffer wurden nach dem ausräumen auf den Dachboden gebracht. Die Koffer wurden alle durchsucht. Wurden noch Süßigkeiten gefunden, sind sie verschwunden. Es gab keine Privatsphäre.

Jeden Morgen, vor dem Frühstück mussten wir einen langen Gang entlang in einen dunklen Keller gehen. Dort angekommen, standen wir splitternackt in einer Reihe und wurden dann einzeln mit einem kalten Wasserstrahl abgespritzt.Es war demütigend.

Das Essen: Zum Frühstück gab es immer einen Teller Milchsuppe und 4 halbe Brötchen. Das musste gegessen werden. Ich hasste Milchsuppe. Hatte aber auch davon gehört, dass Erbrochenes wieder gegessen werden musste. Aus Angst habe dann immer morgens die heiße Suppe ganz schnell gegessen, bevor sie anfing dick zu werden. Denn dann hätte ich mich bestimmt übergeben. Mein Nachbarin konnte gut essen. Ihr gab ich öfter einen Teil meiner Brötchen, da ich diese Menge nicht essen konnte. (Natürlich heimlich mit Zeichensprache). Außerdem erinnere ich mich, dass bei all den vielen Kindern ein Mädchen anwesend war, die abnehmen musste. Alle anderen Kinder wurden „gemästet“. Regelmäßig ging es auf die Waage. (Heute noch verfolgt mich dieser Wiege-Wahn und ein gestörtes Essverhalten sind sicher eine Folge dieses Aufenthaltes.)

Post: Die Briefe die ich geschrieben habe, sind nie zu Hause angekommen. Ich war krank vor Heimweh. War noch nie alleine von zu Hause weg. Ich weinte sehr, sehr viel. Briefe von Zuhause wurden zensiert. Telefonieren durfte man nur in Gegenwart einer „Tante“. Es wurde genau darauf geachtet, dass nichts Negatives erzählt wurde.
Nachts: Dieses Erlebnis hat ganz viel in mir zerstört. Eines Nachts musste ich zur Toilette. Ich schlich mich im Dunkeln in den Raum. Die Toilette war schon „voll“. Ich ekelte mich und wollte ziehen. Das Wasser war abgestellt. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Der Druck auf den Darm war aber so schlimm, dass ich ebenfalls darauf machte. Mein schlechtes Gewissen hat mich krank gemacht. Am nächsten Morgen schrie eine der „Tanten“ wer denn diese Schweinerei gemacht habe“. Ich habe mich nicht getraut etwas zu sagen. Hatte wahnsinnige Angst. Kann mich nicht mehr erinnern, wie es ausgegangen ist.
Auch ich bin froh, dass ich nicht alleine solch böse Erinnerungen habe und dass es jetzt an die Öffentlichkeit kommt. Vor einigen Jahren gab es über dieses Heim im Netz noch ein Forum, doch irgendwann war nichts mehr zu finden. Nur noch alte Postkarten erinnern daran. Sie zeigen genau meine Erinnerung.
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Helga Hadler schrieb am 11.09.2019
Finde meine Erlebnisse in vielen Berichten wieder und wiederhole darum nicht. Bin schon lange auf der Suche nach dem Heim, in das ich 1957 von Oldenburg aus geschickt wurde. Eine ewig lange Zugfahrt in eine bergige Gegend erinnere ich (Bayern?)ich war noch vor der Schule verschickt worden mit 6 Jahren. Es gibt ein Gruppenfoto was ich gerne schicken kann. Gibt es Möglichkeiten, dieses Heim ausfindig zu machen? Mir würde es sehr helfen. Als meine Mutter noch lebte, fragte ich sie einmal danach und sie brach nur in Tränen aus... So fragte ich nie wieder. Ich glaube, ein Wiedersehen mit der Landschaft um dieses Heim würde heilende Wirkung haben. Vielen Dank für Ihre Recherchen und die Möglichkeit, dieses Forum zu nutzen.
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Brigga schrieb am 11.09.2019
Kleiner Nachtrag zu meinem Post von gestern: Bin sehr überrascht... das Gänze hat mich doch sehr aufgewühlt, sehr schlecht geschlafen. Plötzlich kommen viele Erinnerungen und Gefühle hoch. Wohl doch nicht so spurlos an mir vorübergegangen, sondern gut verdrängt. Ich ahnen, dass da Einiges im Arten liegt, was mir heute zu schaffen macht. Mein Glück war wohl, dass ich schon älter war und mich besser aus der Affäre ziehen konnte als kleinere Kinder. Dennoch spüre ich, das es damals einen Grundstein für Angst und Vertrauensbruch gegeben haben muss.
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Christa Krumm schrieb am 11.09.2019
1959 wurde ich (Jahrgang 1950) in ein Kindererholungsheim an der Ostsee geschickt.
Wo? ich kann mich nicht mehr erinnern...hatte es verdrängt ...bis gestern, als ich den Bericht gesehen habe....auch ziemlich erfolgreich.

Nun ist alles wieder zurück in der Erinnerung.

Die Erniedrigungen vielfältiger Art.
Auch ich musste Erbrochenes wieder und wieder essen, bis der Teller leer war.

Danach durfte ich meinen Mittagsschlaf im Stehen absolvieren. Ich sehe noch heute eine Postkarte meiner Mutter auf meinem Bett liegen, die vor meinen Augen zerrissen und weggeschmissen wurde, ohne dass ich sie lesen durfte.

Wir durften auch nur zu vorgegebenen Zeiten zur Toilette. Natürlich nur unter Aufsicht, d.h. alle sahen allen zu. Die "Tanten" machten sich über alles lustig, was mir höchstpeinlich war. Als ich einmal nicht anhalten konnte und meine Unterhose naß geworden war, wurde diese, unter lautem Gelächter und fiesen Beschimpfungen mir gegenüber, "weitergeworfen", von einer zur anderen "Tante" .

Gerade jetzt, wo ich dieses alles schreibe, wird mir übel und ich werde unendlich wütend und traurig über diese Quälereien, die irgendwo in mir tief eingegraben bis gestern geschlummert haben. Ich denke, es ist an der Zeit, endlich auch diese Themen aufzugreifen und öffentlich zu machen, damit Heilung in unseren Seelen stattfinden kann. Ich bin nicht alleine betroffen, sondern so viel mehr andere "Ehemalige". Das tröstet und macht Mut, endlich darüber zu sprechen.

Danke für diese Möglichkeit!
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Angelika Gelbke schrieb am 11.09.2019
Hallo guten Tag,
Soeben habe ich im „Report“ die Reportage über die Verschickungsheime gesehen. Ich war erschüttert und hatte gleichzeitig ein Dejavue!!!
Auch ich war in Kindertagen verschickt in einem Kinderheim in Wyk auf Föhr. Ich weis nicht mehr in welchem Jahr es war; ich kann mich nur noch erinnern, dass ich immer schreckliches Heimweh hatte und nachts viel weinte.
Einmal habe ich eine Postkarte nach Hause geschickt, in der ich schrieb, dass es hier sehr „widisch“ sei .... es mir aber gefalle und ich genug zu Essen bekäme. Diese Karte haben meine Eltern sehr lange aufbewahrt; leider gibt es die Karte heute nicht mehr.

Was ich schrieb war gelogen denn auch ich musste, weil ich beim Schwatzen erwischt wurde, mit einem großen Pflaster auf dem Mund stundenlang in einer Ecke stehen, ich glaube mich zu erinnern, dass dies mehrmals der Fall war.
Das schlimmste aber war, dass ich mein Essen immer aufessen musste - auch das Erbrochene - bis mein Teller leer war. Ich erinnere mich noch genau:wir saßen alle an einem großen langen Tisch .... es gab eine Suppe aus Kakao oder ähnliches, es schmeckte mir überhaupt nicht und ich wollte nicht aufessen; da ich meinem Teller leer essen sollte, erbrach ich und musste nun auch mein Erbrochenes essen, bis mein Teller aufgegessen war!!! Ich durfte nicht vorher aufstehen und habe dann später ganz alleine am Tisch gesessen. Ich habe aber nie am Tisch geweint!!!!
Es war schrecklich !!!
Das sind meine Erinnerungen an Wyk auf Föhr, das erzähle ich noch heute, wenn über Wyk auf Föhr gesprochen wird. Aber so richtig glaubt niemand was ich erzähle.
Nun habe ich Reportage im TV gesehen und weis, dass es auch Anderen genauso erging.
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Wilhelm schrieb am 11.09.2019
Meine Erfahrungen musste ich 1968 im "Kinderheim Tüskendör" auf Borkum machen ...
Wurde während des Aufenthalts zwölf Jahre (jung), und kann einige der im TV-Beitrag gemachten Schikanen nicht nur bestätigen, ich könnte sie auch einige mehr ergänzen ...
Ob es hier wohl "Leidensgenossen" aus besagter Zeit gibt ???
Liebe Grüße -carpe diem-
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Manni schrieb am 11.09.2019
Hallo, alle Betroffenen,
Ich war in den Sommerferien im Alter von 10 Jahren (3. Klasse) 1963 für 6 Wochen im Kinderheim in Wyk auf Föhr.
Meine Eltern hatte mich dort hin verschicken lassen, weil ich in ihren Augen ein schlechter Esser war. Ich sehr schlank.
Seit einiger zeit verfolge ich die Geschehnisse im Internet und habe mit Erschütterung gestern abend (10.09.2019) den 'Report aus Mainz' gesehen.
Meine einizige Erinnerungen sind, dass ein Kind Manschetten über die Ellenbogen bekam, dass es sich nicht kratzen konnte, es hatte Windpocken.

Mittags, nach dem Essen, mussten wir mucks mäuschen still, für ca. 2 Std. auf Liegen auf der großen Terrasse ausharren, damit das Essen ansetzen konnte..

Ich hatte nur unbändiges Heimweh und hatte meinen Eltern eine (Post/Ansichts) Karte geschickt (schicken wollen), mit der Bitte, mich ab zuholen. Natürlich ist diese Karte niiiiie angekommen. Später wusste ich dann warum. Möglicherweise wollte 'die' meine Eltern nicht beunruhigen.

Eine allgemeine Strenge herrschte schon.

Mit ca. 6 Jahren, vor der Einschulung, war in einem ähnlichen Kinderheim in Freudenstadt im Schwarzwald.
Hier ging es sehr streng zu:
Ich musste Abend's mal auf die Toilette, durfte ich aber nicht, so machte ich mein großes Geschäft in die Schlafanzughose und musste damit über die Gänge laufen.
Weil ich ja immer noch ein schlechter Esser war, mussten die Teller immer leer gemacht werden, so auch der Teller mit Milchsuppe, die ich zum ..... nicht mochte. Zu allem Überfluss, machte ein älteres Kind den Dreck unter seinen Fingernägeln in meine Suppe. Als das 'gepetzt' habe, musste ich die Suppe trotz dem auf essen.
Es gab keine Gnade und kein Entrinnen.
Gruß Manni
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Imke schrieb am 11.09.2019
Ich war in den 70er Jahren 2x zur Kinderkur in Bad Kissingen.
Ich war zu dick und der Kinderarzt meinte, es sei eine gute Idee.
Für mich war es einfach nur ein Alptraum. Beim ersten Mal war ich 5 und meine Schwester durfte mit, allerdings konnte sie nach kurzer Zeit zu den Normalessern am Nebentisch und während wir z.b. Grahambrot mit Hüttenkäse oder zerkochte Tomaten mit Wasserreis (kein Salz, keine Kräuter oder Gewürze) bekamen, durften die anderen alles essen.
Ich esse noch heute keinesfalls puren Reis, gekochte Tomaten, etc.

Ich hatte damals so Heimweh, dass ich mit Bindehautentzündung auf die Krankenstation kam, jeden Morgen waren meine Augen dick verkrustet vom vielen Heulen.
Wir Abnehmkinder bunkerten sogar Bastelnudeln und weichten sie im kalten Wasser etwas ein, weil wir einfach zu wenig zum essen bekamen.
Meine Mutter war zu dieser Zeit extra auch in Bad Kissingen zur Kur, jedoch durfte ich sie nicht sehen, nicht mit ihr sprechen. Auch nicht, als wir sie zufällig trafen im Kurpark. Zerstörend, ich begriff gar nicht, was das sollte.

Viele Jahre später, das Schicksal spielt komische Spielchen, begegnete mir in meinem Heimatdorf in Friesland eine Erzieherin von damals. Ich erkannte sie sofort und vor Schock wechselte ich die Straßenseite.
Jedoch konnte ich der Begegnung nicht gänzlich ausweichen, sie wurde als Erzieherin am Kindergarten meiner Tochter eingestellt!? :-/ einfach schlimm für mich.
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Angelika Gelbke schrieb am 11.09.2019
Hallo guten Tag Frau Röhl,
Gestern habe ich im „Report“ die Reportage über die Verschickungsheime gesehen. Ich war erschüttert und hatte gleichzeitig ein Dejavue!!!
Auch ich war in Kindertagen verschickt in einem Kinderheim in Wyk auf Föhr. Ich weis nicht mehr in welchem Jahr es war; ich kann mich nur noch erinnern, dass ich immer schreckliches Heimweh hatte und nachts viel weinte.
Einmal habe ich eine Postkarte nach Hause geschickt, in der ich schrieb, dass es hier sehr „widisch“ sei .... es mir aber gefalle und ich genug zu Essen bekäme. Diese Karte haben meine Eltern sehr lange aufbewahrt; leider gibt es die Karte heute nicht mehr.

Was ich schrieb war gelogen denn auch ich musste, weil ich beim Schwatzen erwischt wurde, mit einem großen Pflaster auf dem Mund stundenlang in einer Ecke stehen, ich glaube mich zu erinnern, dass dies mehrmals der Fall war.
Das schlimmste aber war, dass ich mein Essen immer aufessen musste - auch das Erbrochene - bis mein Teller leer war. Ich erinnere mich noch genau:wir saßen alle an einem großen langen Tisch .... es gab eine Suppe aus Kakao oder ähnliches, es schmeckte mir überhaupt nicht und ich wollte nicht aufessen; da ich meinem Teller leer essen sollte, erbrach ich und musste nun auch mein Erbrochenes essen, bis mein Teller aufgegessen war!!! Ich durfte nicht vorher aufstehen und habe dann später ganz alleine am Tisch gesessen. Ich habe aber nie am Tisch geweint!!!!
Es war schrecklich !!!
Das sind meine Erinnerungen an Wyk auf Föhr, das erzähle ich noch heute, wenn über Wyk auf Föhr gesprochen wird. Aber so richtig glaubt niemand was ich erzähle.
Nun habe ich Reportage im TV gesehen und weis, dass es auch Anderen genauso erging.
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Angelika Gelbke schrieb am 11.09.2019
Hallo guten Tag,
Soeben habe ich im „Report“ die Reportage über die Verschickungsheime gesehen. Ich war erschüttert und hatte gleichzeitig ein Dejavue!!!
Auch ich war in Kindertagen verschickt in einem Kinderheim in Wyk auf Föhr. Ich weis nicht mehr in welchem Jahr es war; ich kann mich nur noch erinnern, dass ich immer schreckliches Heimweh hatte und nachts viel weinte.
Einmal habe ich eine Postkarte nach Hause geschickt, in der ich schrieb, dass es hier sehr „widisch“ sei .... es mir aber gefalle und ich genug zu Essen bekäme. Diese Karte haben meine Eltern sehr lange aufbewahrt; leider gibt es die Karte heute nicht mehr.

Was ich schrieb war gelogen denn auch ich musste, weil ich beim Schwatzen erwischt wurde, mit einem großen Pflaster auf dem Mund stundenlang in einer Ecke stehen, ich glaube mich zu erinnern, dass dies mehrmals der Fall war.
Das schlimmste aber war, dass ich mein Essen immer aufessen musste - auch das Erbrochene - bis mein Teller leer war. Ich erinnere mich noch genau:wir saßen alle an einem großen langen Tisch .... es gab eine Suppe aus Kakao oder ähnliches, es schmeckte mir überhaupt nicht und ich wollte nicht aufessen; da ich meinem Teller leer essen sollte, erbrach ich und musste nun auch mein Erbrochenes essen, bis mein Teller aufgegessen war!!! Ich durfte nicht vorher aufstehen und habe dann später ganz alleine am Tisch gesessen. Ich habe aber nie am Tisch geweint!!!!
Es war schrecklich !!!
Das sind meine Erinnerungen an Wyk auf Föhr, das erzähle ich noch heute, wenn über Wyk auf Föhr gesprochen wird. Aber so richtig glaubt niemand was ich erzähle.
Nun habe ich Reportage im TV gesehen und weis, dass es auch Anderen genauso erging
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Kristina schrieb am 11.09.2019
Als fünfjähriges Kind bin ich 1972 wegen chronischer Bronchitis und Unterernährung in Scheidegg gewesen. Ich erinnere mich z.B. noch an die riesigen Brotscheiben mit Butter und Schmelzkäse, die ich in mich hineinzwingen musste. Wir durften erst aufstehen, wenn der Teller leer war. Das Mädchen neben mir hat sich fast jeden Tag erbrochen und musste vor ihrem Teller sitzen bleiben, während ich meinen Teller leeren musste. Bis heute muss ich würgen, wenn ich Schmelzkäse rieche. Nachts durften wir nicht zur Toilette. Wer auf dem Gang erwischt wurde, musste die Nacht auf einem Treppenabsatz verbringen. Wer einnässte, wurde vor den anderen Kindern im Schlafsaal erniedrigt. Die Fingernägel wurden so kurz geschnitten, dass das Nagelbett schmerzte. Nach dem Duschen in der Gemeinschaftsdusche mussten wir uns in einer Reihe aufstellen und wurden mit kaltem Wasser abgespritzt.
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Wenzlaff schrieb am 11.09.2019
absolut richtig,ich war mit 13J. in Dausenau,also 1969,
wir hatten sogenannte Schwestern, nicht Tanten,die großen mussten die Kleinen waschen und anziehen,die Geschichten im Speisesaal stimmen,mussten unsere damals langen Haare mit kaltem Wasser waschen, so dass alle krank waren, alle mussten die gleiche Medizin schlucken, Briefe nach Hause wurden kontroliert, so dass wir sie rausgeschmuckelt haben, jeder, auch Übergewichtige mussten zunehmen, für jede 100Gramm gab es Süßigkeiten, habe aber keine bekommen, weil ich nicht zugenommen habe, aus heutiger Sicht undenkbar,aber hatte das Glück, einige nette Gleichaltrige zu finden, so dass die schlimmen Wochen zu überstehn waren. Mitgenommen in die heutige Zeit habe ich diese Erlebnisse nicht, und wünsche allen, dass sie es überwinden können!
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Susanne Nießen schrieb am 11.09.2019
Mir geht es so wie vielen...nach der Reportsendung kam alles wieder hoch. Ich war über die DAK 1967 für 6 Wochen in Verschickung im "Kindererholungsheim Auracher Wies" in Hammer bei Fischbachau bei Tante und Onkel Trixl, Onkel Hermann und Tante Friedel.Ich war zu dünn und sollte aufgepäppelt werden.Meine Eltern setzten mich im Alter von 8 Jahren mit einem Namensschild in Köln in den Zug mit einem Koffer voller gekennzeichneter Kleidung. Es sollten die schlimmsten 6 Wochen in meinem jungen Leben werden.Die meisten Dinge habe ich wohl verdrängt und mein Herz und meinen Verstand davor verschlossen.Aber ich hatte Angst, Scham, Beklemmungen,fühlte mich hilflos, ohnmächtig und furchtbar einsam. Ich hatte sogar den Plan, aus dem "Gefängnis" auszubrechen und nach München zu laufen, wo eine Freundin meiner Eltern lebte, aber keine Chance. Furchtbar war auch für mich die Essenssituation: wir mussten eine Milch-Mehlsuppe mit viel Fett und Marmeladenbrot zum Frühstück aufessen, und so lange schweigend sitzen bleiben, bis alles leer war.Viele haben erbrochen. Meine Tischnachbarin gab mir den Tip, zu fragen ob ich "austreten darf"um mir dann auf Toilette den Finger in den Hals zu stecken, zu erbrechen um dann weiteressen zu können. Grausam und entwürdigend war auch das Duschen jeden 2. Tag: im kalten Keller wurden alle nackt hintereinander mit kaltem Wasser abgespritzt und dann abgebürstet. Wir mussten jeden Tag 2 Stunden Mittagsschlaf unter Aufsicht machen, hatten dann sowie nachts Toilettenverbot, was dazu führte, dass viele Kinder ins Bett machten und unter hämischem Vorführen der Erzieher alles reinigen mussten. Briefe nach Hause wurden natürlich zensiert und /oder diktiert und immer von Tante Trixl mit einem Gruß an die Eltern versehen. Wir wurden so angehalten zu lügen. So schreib ich zum Beispiel" Heute Morgen worden wir wieder Geducht. Es war schön Warm." Eine schöne Erinnerung hatte ich: abends wurde gesungen, z.B. "kein schöner Land". Heute finde ich das Lied schrecklich!!! Als ich wieder zu Hause war, habe ich meine Eltern nichts erzählt, ich konnte das alles nicht einordnen und als ich es später als junge Erwachsene meinem Vater erzählt habe, äußerte er Zweifel an meinen Erinnerungen. Es ist gut zu erfahren, dass es auch andere Menschen mit ähnlichen Erfahrungen gibt. Ich habe immer gedacht, es hätte an mir gelegen. Danke, dass jetzt darüber berichtet wird, das hilft mir bei der Verarbeitung.
Mich würde interessieren, ob es noch andere gibt, die im Auracher Wies waren.
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Angelika Witzorky schrieb am 11.09.2019
Sehr geehrte Frau Röhl,

mit Betroffenheit habe ich am 10.09.19 durch Zufall den Bericht in Report Mainz über die Verschickungsheime gesehen.

Vieles von dem Beitrag kam mir so bekannt vor......
Ich dachte immer, mein Erlebtes sei ein Einzelfall und war jetzt sehr schockiert, dass es vielen anderen Kindern ebenso ergangen ist.

Auch ich war in einem solchen Heim, ich war sechs Jahre alt und habe dort sechs Wochen lang nur geweint. Ich bin 1969 geboren. Ich weiß noch, dass das Heim in Hirsau war Und von Nonnen geführt wurde. Wie ich jetzt über das Internet herausgefunden habe, war es wohl das Caritas Kindererholungsheim Hirsau, Calw, Baden Württemberg, Wildbader Straße 20.

Meine Eltern haben mich immer gefragt möchtest du denn dahin? Und ich hab gesagt ja. Ich glaube, ich hatte keine Vorstellung, wie lang sechs Wochen sind alleine.

Ich war als Kind sehr dünn. Vielleicht war das eine Begründung, dass ich dahin sollte, ich weiß es nicht.

Meine Mutter war auch sehr krank (Rheuma) und wir waren vier Kinder, wahrscheinlich war das auch ein Grund, dass wir dann alleine zur Kur gefahren sind.

Als besonders traumatisch habe ich folgende Dinge erlebt:

Ich weiß noch als wir ankamen, alle Kinder waren in einem großen Raum und fast alle haben nur geweint vor Heimweh.

Es gab keinerlei Privatsphäre. Von allen Kindern wurden die Koffer in einer Reihe aufgestellt. Es wurde immer ein Koffer geöffnet und alle Kinder, die ungefähr die gleiche Größe hatten, haben dann aus diesem Koffer die Sachen angezogen bekommen. Bis alles getragen war aus diesem Koffer, dann wurde der nächste Koffer geöffnet . Ich erinnere mich noch genau, dass meine Mutter in jedes Kleidungsstück kleine Aufnäher mit meinen Initialen genäht hat, Das war Pflicht bei jedem Kind, so konnten sie die Sachen auseinanderhalten. Ich fand das ganz schrecklich, dass andere Kinder meine Sachen an hatten, und ich fremde Sachen anziehen musste.
Ich hieß Angelika Sch., und meine Mutter hat A. SCH. in jedes Kleidungsstück genäht. Darüber haben sich natürlich alle lustig gemacht..... Arsch..... Das war mein Spitzname fortan. Und niemand hat sich darum gekümmert.

Es gab sehr wenig zu trinken, wir hatten ständig Durst. Nach langen Wanderungen mussten wir uns in einer Schlange aufstellen und es gab pro Kind nur eine kleine Tasse zu trinken.

Auch beim Essen gab es nichts zu trinken. Weil wir alle noch Durst hatten, stürmten wir alle zur Toilette um aus dem Wasserhahn zu trinken.
Nach einiger Zeit standen aber auch da dann Aufpasser und verboten uns dieses.

Gebadet wurde einmal die Woche in einem Waschraum /Badezimmer. Wir mussten uns nackt in einer Reihe aufstellen und man wurde in eine Wanne gesetzt und mit einem Schlauch abgespritzt. Ich erinnere mich noch, dass wir alle sehr gefroren haben.

Nachts durften wir nicht zur Toilette, in der Mitte des Raumes stand ein Topf, auf dem man sein kleines Geschäft erledigen sollte.

Nur in Ausnahmefällen durfte man nachts zur Toilette um sein großes Geschäft zu erledigen. Dabei musste man die Tür auflassen und eine Aufpasserin stand direkt davor und hat einen beobachtet.

Wir haben alle gelernt, den Urin so lange wie möglich anzuhalten, damit wir nicht vor allen anderen auf dieses Töpfchen gehen mussten. denn wenn man auf diesem Topf war, haben sich alle lustig gemacht, es waren ich weiß nicht wie viele Kinder in dem Schlafraum. Wir waren Jungen und Mädchen gemischt, Alter von 2 – 15 Jahren.

Das mit dem Urin Anhalten ist meiner Mutter danach übrigens extrem aufgefallen.

In den Schlafräumen galt absolutes Redeverbot. Die kleinsten Kinder waren zwei Jahre alt und schliefen im Gitterbett. Ich erinnere mich noch, dass eines dieser kleinen Kinder unsauber war nachts, dieses Kind wurde dann bestraft. Vor allen anderen Kindern wurde das nasse Bettzeug gezeigt und es wurde sich darüber lustig gemacht. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, denn ich erinnere mich kaum noch, glaube aber sogar, dass dieses Kind geschlagen wurde. Oft musste man auch zur Strafe lange in einer Ecke stehen, dabei die Wand ansehen.

Einmal wurde ich verpetzt, weil ich Abends gesprochen hatte, am nächsten Morgen durfte ich nicht aufstehen und das Bett nicht verlassen, nicht mal, um zur Toilette zu gehen. Das war an meinem Geburtstag. Neben mir war noch ein weiteres Kind in seinem Bett, was ganz nötig zur Toilette musste. Groß. Auch dieses Kind durfte nicht zur Toilette. Aus lauter Not hat sich dieses Kind in einem Tempo erleichtert. Ich erinnere mich noch wie heute daran.

Beim Essen musste alles aufgegessen werden und jeder Teller leer gemacht werden. Auch wenn man es nicht mochte. Wenn etwas auf den Boden gefallen war, konnte man sich melden und das schmutzige Essen vom Boden auf Essen. Dafür gab es extra Lob.
Einmal habe ich mich gemeldet und das gemacht, ich kann mich noch an diesen schrecklichen Geschmack wie heute erinnern. Die Äpfel musste man ganz aufessen, bis auf den Stiel, dieser durfte übrig bleiben. Ich erinnere mich noch, dass ich rote Beete gehasst habe, aber Gott sei Dank war ein Mädchen an meinem Tisch, welches sie gerne aß, wir haben dann heimlich getauscht und ich habe etwas gegessen, was sie nicht mochte.

Jeden Mittag mussten wir alle zusammen einen Mittagsschlaf halten. Es durfte wieder nicht gesprochen werden, 2 Stunden lang. Ich erinnere mich noch, dass wir auf Pritschen gelegen haben, mit grauen Decken, Jugendherbergsdecken waren das, ganz kratzig. Ich fand dieses Redeverbot mitten am Tag ganz furchtbar, und müde war ich auch nicht, ich war ja sechs Jahre alt.

Wenn meine Mutter von zu Hause angerufen hatte, stand eine Nonne neben mir und hat aufgepasst, dass ich nichts falsches sage. Wir wurden darauf getrimmt zu sagen, dass es uns gut gefällt. Da ich noch so klein war, konnte ich nicht schreiben. Wir hatten einen Spielraum, in dem auch eine Tante saß und die Karten schrieb. diese Frau war sehr nett, die einzige an die ich mich erinnere, die nett war.

Sie hat die Karten nach Hause geschrieben, aber sie schrieb immer: Alles ist toll, alles ist super.

Einmal war ich im Waschraum. Alleine. Da kamen ältere Kinder oder Aufpasser - ich weiß es nicht mehr, haben den Waschraum abgeschlossen und sie haben mir die Hose herunter gezogen und sich dann über mich lustig gemacht. Ich hatte furchtbare Angst. Die Betreuer und Aufpasser in dem Heim waren Nonnen (Tag und Nacht) und junge Mädchen, die nur tagsüber dort waren.

Ich hatte auch Geburtstag während dieser sechs Wochen. Meine Tante wollte mich besuchen, sie wurde aber nicht herein gelassen nur ihr Paket für mich durfte sie abgeben. Aus diesem ganzen Paket habe ich als Geschenk nur ein einziges Duplo bekommen. Der Rest wurde laut Nonnen unter allen Kindern aufgeteilt, was ich ja nicht mitbekam, da ich den ganzen Tag im Bett bleiben musste.

Ich weiß noch, dass ich schreckliches Heimweh hatte, und mich jede Nacht in den Schlaf geweint habe. Mein einziger Halt war mein Stofftier, eine Katze. Angst und fürchterliches Heimweh haben mich durch diese sechs Wochen begleitet. Mein Bett war direkt neben dem Eingang, es fiel ganz wenig Licht aus dem Flur ins Zimmer und ich fürchtete mich immer sehr in der Dunkelheit und habe meine Katze ganz eng an mich gekuschelt. Noch heute brauche ich nachts Stofftiere neben meinem Körper, um schlafen zu können. Ich habe übrigens danach noch sehr, sehr lange nachts unbewusst am Daumen gelutscht, ich glaube sogar bis zu meinem 13. Lebensjahr. (Als kleines Kind hielt ich mir dabei immer eine kleine Puppenwollmütze unter die Nase, an der ich geschnüffelt habe)

Wir kamen jeden Morgen an einem Kalender vorbei, und da ich noch so klein war, habe ich das Mädchen vor mir immer gefragt: wie lange noch? Und sie hat immer gesagt, wieviel Tage es noch sind, bis es nach Hause geht.

Was mir damals geholfen hat, dass ich zuhause viel über das Erlebte reden durfte und meine Eltern mir geglaubt haben.

Vielen Dank, dass ich das schreiben durfte, vielleicht konnte ich Ihnen etwas weiterhelfen.
Wenn hier jemand mitliest, er auch in besagtem Zeitraum (Juli /August 1976) in Hirsau war, würde ich mich über eine Kontaktaufnahme freuen.

MfG Angelika Witzorky
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Helga schrieb am 11.09.2019
Ich wurde mit 4 oder 5 Jahren (1965 oder 1966) vom Gesundheitsamt zur Erholung nach Bad Rappenau geschickt und kann mich noch erinnern, als ich weinend im Zug saß und auf dem Bahnsteig meine Angehörigen standen.
Mir ging es ähnlich wie von den anderen Betroffenen bereits im TV-Beitrag und in den Kommentaren geschildert. Man musste immer alles aufessen, auch wenn man erbrochen hatte. und man musste immer Mittagsschlaf in Rückenlage auf Pritschen in einem großen Saal halten. Dies wurde überwacht von einer Aufseherin, die in der Mitte des Saals erhöht saß, um alles zu überblicken. Wenn man sich nur bewegte oder die Augen aufmachte, wurde man angeschrien. Man durfte sich nur gehend in dem Erholungsheim fortbewegen. Ich bin einmal über einen Flur gesprungen und wurde dabei von der Heimleitung gesehen. Diese Frau zwang mich, den Weg nochmals zurückzugehen und diesen erneut gehend zurückzulegen. Wenn ein Kind nachts eingenässt hatte, wurde es morgens von den "Tanten" beschimpft und musste zur Strafe in der Ecke stehen.
Besonders grausam war "Tante Molly". Es handelte sich um mein schlimmstes Erlebnis in meiner Kindheit und ich weiß, dass darin der Ursprung von mich bis heute belastenden Ängsten liegt.
Es wäre interessant, wenn sich noch andere Betroffene melden würden, die einen Zwangsaufenthalt im Erholungsheim in Bad Rappenau hinter sich haben.
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Hildegard schrieb am 11.09.2019
1958 war ich vom 14. Februar bis zum 25. März im Alter von sieben Jahren kurz vor meinem achten Geburtstag in der Asthma-Kinderheilstätte in Bad Reichenhall. Diagnose: asthmatoide Bronchitis (Ärztlicher Schlussbericht vom 25.3.58).

Da ich für mein Alter recht klein war, wurde ich der Gruppe der jüngeren Kinder zugeordnet und nicht derjenigen, die meinem Alter entsprochen hätte. Das kleinste Mädchen dort war zwei oder drei Jahre alt. Soweit ich mich erinnere, haben die Tanten, so nannten wir die Betreuerinnen, die Kleine gut behandelt. – Die anderen Kinder nicht.

Es war furchtbar. Wenn Kinder weinten, weil sie Heimweh hatten, drohte man ihnen. Herr Dr. B. (Chefarzt) hätte gesagt: „Wer weint, muss noch einmal 6 Wochen länger bleiben.“ Die Kur sollte ca. 6 Wochen dauern und 6 Wochen länger wären dann 12 gewesen, eine unvorstellbar lange Zeit für uns ...

Wir sollten alle zunehmen. Zum Essen wurden wir gezwungen. Eine Frau erzählte uns Horrorgeschichten von einem Schlauch in den Magen. Das müssten diejenigen erleiden, die nicht richtig äßen. – Ein Mädchen wurde über einen Stuhl oder Hocker gelegt und eine „Tante“ hatte einen Gong-Schläger in der Hand ... Danach bricht meine Erinnerung ab. Ich glaube, man hat ihr angedroht, sie zu schlagen, damit sie „besser“ isst ...

Bei den Mahlzeiten durfte nicht gesprochen oder gelacht werden. Einmal lächelte ich, ich weiß nicht mehr, warum. Darauf wurde ich des Raumes verwiesen und musste draußen vor der Tür sitzen. – Dort kam eine nette Frau vorbei, die Atemtherapeutin. Diese war eine Ausnahme, sie begegnete mir als Mensch. Sie fragte mich, was ich da draußen mache und wie es mir gehe. Ihr vertraute ich mich an: „Ich will nach Hause und zu meiner Schwester.“ – Die Atemtherapeutin war menschlich, ein Lichtblick in dem ganzen Elend.

Ich hatte ständig Angst, weinen zu müssen. Dies unterdrückte ich mit aller Macht, so lange, bis ich zum Mittagsschlaf oder in der Nacht im Bett lag, damit niemand das Weinen bemerkte. Einmal konnte ich es, als wir zusammen spielten, nicht zurückhalten. Als Entschuldigung gab ich Bauchschmerzen an, denn ich fürchtete die sechswöchige Kurverlängerung. Daraufhin erwiderte eine der Tanten lachend, dann würde ich wohl eine Spritze gegen die Bauchschmerzen kriegen.

Die Getränke, ich glaube, es war Malzkaffee, erhielten wir in weißen Bechern. Diese wurden, nachdem sie ausgetrunken waren, umgestülpt auf den Tisch gestellt. Eines Tages kam eine der Tanten (die, der ich das mit den Bauchschmerzen erzählt hatte) auf mich zu und fragte, ob ich meinen Becher ausgetrunken hätte. Eingeschüchtert und verwirrt antwortete ich: „Ich weiß es nicht.“ Da haute sie mir links und rechts Ohrfeigen. Sie hätte sich ihre weiße Schürze mit den Getränkeresten vollgegossen, weil nicht alles ausgetrunken gewesen wäre ...

Es gäbe noch mehr zu berichten. Aber ich will es dabei belassen. Insgesamt war die Atmosphäre geprägt von Empathielosigkeit und menschlicher Kälte. Es herrschte ein Klima der Angst.

Als ich wieder zu Hause war, schämte ich mich für das, was ich erlebt hatte. Ich traute mich nicht, mit irgendjemandem darüber zu sprechen.
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Andreas schrieb am 11.09.2019
Es kommen nun auch noch weitere Erlebnisse hoch.

Die Schlafsäle: locker 20 Feldbetten mit den grauen Decken. Es saß immer eine "Schwester"/Nonne auf einem Stuhl, ein Buch lesend und unter einer blendenden Lampe. Die Atmosphäre kalt. Auch bei uns waren vom Verhalten auffällige Sonderbehandlungen unterzogen. Bettnässer bekamen ab Nachmittags nichts mehr zu trinken, Daumenlutscher wurden die Hände ans Bett geschnallt.

Die Solaraerosol"Behandlungen" gab es bei uns ebenfalls. Diese schwarzen Brillen, die genau wie die heutigen Schwimmbrillen aussahen, dieser chemisch riechende Dampf von der Decke.

Ich zog mir dort eine Mittelohrentzündung zu und ohne mich darauf vorzubereiten kam ich zum dortigen Doktor, der mit einer übergroßen Spritze (zum Spülen) hämisch grinsend rumfuchtelte. Ich hatte Angst und wurde dann von drei Erwachsenen lachend und drohend fixiert auf den Behandlungstisch gedrückt, damit der dann die Spülung vornehmen konnte.

In Zweierreihen wandern, immer still und stumm. Gespräche waren nie erwünscht.

Zensierte Post - bzw. es wurde vorgelesen und danach weggeworfen.

Das bleiernde Gefühl von schuldig sein - für was auch immer.

Ungesüsster Haferschleim zum Frühstück. Nicht mit Milch.. mit Wasser. Jedoch aß ich von dem eher mehr, weil mir das Mittagessen immer graute.

Und noch einmal, vielen Dank Anja. Es ist befreiend, das hier schreiben zu dürfen und mich haut es echt um, wie vielen es genauso ging.

Wie lange habe ich sogar daran gezweifelt, das überhaupt erlebt zu haben.

Jetzt wird doch nochmal im Nachhinein klar, warum sich mein Leben so entwickelte, warum die rohe Gewalt in meinem Elternhaus mir nochmal extra zusetzte und weshalb ich mich als 9jähriger das erste Mal erhängen wollte, es dann doch nicht tat, weil das Seil so kratzte und ich es doch mit der Angst bekam.

Es ist so schlimm, wenn in einer so wichtigen Zeit Kinder in solche Horrorstreifen verwickelt werden, hochgradig traumatisiert im späteren Leben an Depressionen erkranken und solche Situationen die Ursache waren.

Ich als Betroffener bekomme das alles nicht mehr weg. Was passiert ist, ist passiert. Es ist nur so unglaublich unfair, sich dann auch noch gegen Stigmatisierung zur Wehr setzen zu müssen, weil der Rest der Welt das nicht zu verstehen scheint und mit einem "Naja, reiß Dich mal zusammen" salopp antwortet.

Ich hoffe, es melden sich noch mehr.
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Irene Grimm schrieb am 11.09.2019
Heute bin ich nach einem Bericht bei Report Mainz auf diese Seite aufmerksam geworden. 1962 in Leipzig geboren gehöre ich nicht zu den sog. "Verschickungskindern", aber auch in der DDR gab es solche Kureinrichtungen. Bis heute dachte ich, dass ich mich falsch erinnere, da ich nur Rudimente erinnere. Im Oktober 1967 war ich mit 5 Jahren für 6 Wochen in Bad Salzelmen, heute Sachsen-Anhalt, zur Kur, da ich häufig an Bronchitis litt. Noch im Alter von 25 Jahren hatte ich Alpträume. Ich erinnere mich an das Gefühl totalen Verlassenseins, nur eine der "Erzieherinnen" hat etwas Freundlichkeit ausgestrahlt, sie war schon älter. Die anderen waren sehr streng und distanziert. Wenn es die Erzieherinnen für sinnvoll hielten, wurden wir auch geschlagen. Geschlafen wurde in großen Sälen. Wir mussten in großen Räumen duschen, an der Decke hingen im Rechteck viele Duschköpfe und es war überall Dampf und Wasser. Ich hatte Angst, habe mich am Türrahmen festgeklammert und wurde mit Gewalt in den Raum gezerrt. Beängstigend waren Spaziergänge entlang der Gradierwand, von der ich erst seit einem Besuch in Bad Salzelmen weiß, davor hielt ich das Bauwerk aus meiner Erinnerung für Ruinen von Wohnhäusern. Ich erinnere mich noch an einen Tag, an dem ich krank war. Es gab eine separate Krankenstation in einem anderen Gebäude als die Gruppenräume. In dieser Nacht wurde ich ganz allein in dem Gebäude gelassen. Als ich zur Toilette musste, suchte ich in dem Gebäude nach den Sanitärräumen. Ich habe geweint, ich war allein und habe mich gefürchtet. Am Ende des Aufenthaltes gab es ein Gruppenfoto, das ich noch besitze. Es zeigt außer mir 14 Kinder und die einzige freundliche Erzieherin, ich denke, sie hieß Frau Klose.
Darüber hinaus habe ich nur sehr verschwommene Erinnerungen, die immer mit Angst verbunden sind.
Nach meiner Rückkehr nach Hause stellten meine Mutter und meine Großeltern fest, dass ich mich verändert hatte. Ich wollte mich nicht berühren lassen, lehnte körperliche Nähe ab. Einen weiteren Kuraufenthalt lehnten sie zu meinem Glück ab.
Bis heute nahm ich an, dass es niemanden gibt, der ähnliche Erinnerungen hat wie ich. Außerdem dachte ich an, dass ich meine kindlichen Eindrücke überzeichne und zu viel hinein interpretiere. Allerdings hat das Erlebnis mein Leben nicht unwesentlich geprägt, nicht nur wegen der lang anhaltenden Alpträume. Manchmal braucht es offenbar über 50 Jahre, um zu sehen, dass auch andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben.
Mitte der 90er Jahre habe ich Bad Salzelmen besucht. Vieles erkannte ich wieder, Beängstigendes war in meiner Erinnerung viel größer als in der Realität, was vermutlich auch an meiner damals geringen Körpergröße lag.
Falls es jemanden gibt, der die Kinderkureinrichtung in Bad Salzelmen kennt und auch in den 60ern dort war, wäre es schön, hier von deren Eindrücken zu lesen.
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Andreas schrieb am 11.09.2019
Ich bin 64er Jahrgang, wurde zweimal in ein christliches ehemaliges Sanatorium verschickt. Irgendwo in Passau.

Meine Erinnerungen sind lückenhaft, diese dann aber tiefsitzend und heute noch Teil meiner Traumatherapie. Zusammengefasst erlebte ich als kleiner Junge Erniedrigungen, Trostlosigkeit, Bestrafung für gezeigte Emotionen, Demütigungen, Ohnmacht und Hilflosigkeit

Durch das bisher Gelesene kamen meine Erinnerungen wieder als Bilder hervor. Erbrochenes aufessen zum Beispiel.

Es gab zum Mittag grundsätzlich Speisen, die bei Kindern unbeliebt waren. Kopfsülze, Leber, Nieren. Es musste grundsätzlich alles aufgegessen werden.

Wenn sich ein Kind erbrach, endete es in einem Steppenbrand, so dass sich dann die meisten ebenfalls übergaben. Jeder, der sein Erbrochenes nicht wieder aufaß, galt als Krank und musste im Bett liegen, mit Bettpfanne und UrinEnte. Diese mussten selbst gesäubert werden. Wer sich dabei ebenfalls wieder übergab, musste dann die Bettpfannen der anderen Kinder mit säubern.

Bei einer Verschickung hatte mir meine Großmutter ein Paket geschickt. Dieses wurde von den Nonnen vor den zusammen getrommelten Kindern aufgerissen, mir warf man den leeren Karton zu und meinte, "es ist doch toll, wenn man teilen kann".

Ich war zu dieser Zeit 5 oder 6.

Das Schlimmste war, dass das Erlebte derart heftig war, das mir das "zuhause" niemand glaubte.

Es trug sehr zu meiner negativen Entwicklung bei, die ich heute immer noch aufarbeite.

Vielen Dank Anja, für diese Plattform und Dein Engagement zu diesem Thema.

Man kann nur erahnen, wievielen Kindern es so erging. Es waren geburtenstarke Jahrgänge und die Züge mit Verschickungskindern waren immer voll!

Diese Menschen arbeiten heute noch diese Traumata auf oder sitzen unwissend auf einem Pulverfass.
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Ute B. schrieb am 10.09.2019
Die heutige Fernseh-Sendung "Report Mainz" hat mich plötzlich und völlig unerwartet an meine Verschickung erinnert. Einige Einzelheiten habe ich schon ab und zu mal erzählt aber erst heute ist mir so richtig bewusst geworden, wie schrecklich vieles dort Erlebte war.
Ich wurde mit 9 Jahren kurz vor dem Wechsel zur Realschule nach Borkum verschickt. Mein Lehrer meinte mir etwas Gutes zu tun und setzte sich sehr dafür ein, dass ich für sechs Wochen auf die Insel durfte. Es war Januar/Februar 1964 und meistens kalt und stürmisch. Geplant war, dass ich ins Haus Ruheck sollte. Dann sollte eine Klassenkameradin auch nach Borkum und wir wollten gern ins gleiche Heim. Bei mir war kein Platz mehr frei aber bei ihr im Haus Marienhof (von Nonnen geführt). Also wurde ich kurzerhand dorthin geschickt. Während des Aufenthalts auf Borkum habe ich das immer wieder bereut, denn immer wenn wir Ruheck-Kindern begegneten, waren sie sehr fröhlich, durften durcheinander laufen, Jungen und Mädchen...... während wir -nur Mädchen- artig in Zweierreihen marschieren mussten. Ich erinnere mich an Mädchen, die Läuse hatten und denen die Haare geschoren wurden, an ungenießbares Essen.... an ekligen verbrannten Grünkohl, vor dem ich stundenlang sitzen musste, bis er aufgegessen war (übergeben hab ich mich zwischendurch mehrmals auf der Toilette). Und daran, dass ich Durchfall bekam und die beschmutzte Unterhose vor Angst in der Toilette runtergespült habe, die dann verstopfte und ich sehr bald als Täterin bekannt wurde, da ja mein Name eingenäht war..... Das hab ich bisher kaum jemandem erzählt...... aber meine Klassenkameradin konnte es nach unserer Rückkehr nicht für sich behalten und ich hab mich lange dafür geschämt. Während des 2-stündigen Mittagsschlafs dürften wir nicht zur Toilette, davor saß eine der Schwestern und überwachte die Einhaltung dieser Regel. Kinder, die dann ins Bett gemacht haben, mussten auf dem Hof ihr Bettlaken mit dem verräterischen Kringel hochhalten. Briefe an die Eltern wurden zensiert und entweder zum großen Teil geschwärzt oder gar nicht versandt. Ich war in der Gruppe von Schwester Dagmar, die aber keine Nonne war und das große Glück für unsere Gruppe. Sie hat sich manchmal für uns den Regeln widersetzt, uns zum Beispiel Papier und Briefmarken besorgt, damit wir nach Hause schreiben konnten und den Spaziergang so gelegt, dass er am Briefkasten vorbei ging. Sie war der Lichtblick im Marienhof. Es fallen mir jetzt immer mehr Dinge ein..... von Missbrauch weiß ich nichts aber Prügel hat es wohl gegeben. So Schlimmes, wie es andere schildern, kann ich nicht berichten. Vielleicht ist meine Erinnerung auch selektiv und braucht noch etwas Zeit. Tatsächlich hab ich im April dieses Jahres ein paar Tage auf Borkum verbracht, um jemanden zu besuchen, der dort eine Reha machte. Ich hab mich auf die Suche gemacht und das Haus Marienhof gefunden. Ich hab es nach so langer Zeit sofort erkannt. Die Veranda, wo wir abwechselnd zeitlich begrenzt mit einer einzigen Puppe spielen durften. Es ist zum Glück kein Kinderheim mehr!
Es verwundert mich, dass das Haus mir keine Angst mehr gemacht hat und ich sogar auch schöne Erinnerungen daran habe.... Doch auch das Leid von damals spüre ich noch und bin dankbar, dass ich jetzt weiß, dass ich mit dieser Historie nicht alleine bin.
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Uta schrieb am 10.09.2019
Soeben habe ich den Bericht im Report Mainz gesehen.
Auch ich kann eigene Erinnerungen hinzufügen und Einiges, was dort und in weiteren Kommentaren erwähnt wurde, bestätigen.
Ich war 1967 vor meiner Einschulung mit 6 Jahren für 6 Wochen in einem Heim der "Inneren Mission" auf Spiekeroog.
Anlaß waren nach meiner Erinnerung mein bei der Einschulungsuntersuchung festgestelltes Untergewicht sowie Asthma. Zurück kam ich noch magerer, völlig blass und mit einer Lungenentzündung...

Die Reise dorthin mit einer großen Gruppe mir völlig fremder Kinder und nur wenigen (ich glaube zwei) Betreuerinnen per Zug und dann Fähre aus dem Bergischen Land war auch für mich sehr angstbehafted. Vor dem Umsteigen auf die Fähre musste ich zur Toilette, durfte aber nicht. Mit dem Erfolg, dass ich dann beim Besteigen des Schiffes nicht mehr einhalten konnte und mir in die Hosen machte. Dafür wurde ich ausgeschimpft und ausgelacht und war von da ab als "Bettnässer" ettiketiert. So bekam ich im Schlafraum auch gleich einen Matratzenüberzug, was die anderen Kinder dann auch mit großem Gelächter begrüßten. Ich habe mich in Grund und Boden geschämt und unglaublich alleingelassen gefühlt.

Zu trinken bekamen auch wir außerhalb der Mahlzeiten nichts (Bettnäßer schonmal gar nicht!), so daß viele von uns Wasser aus dem Hahn tranken und ständig Magen-Darmprobleme 'im Umlauf' waren. Ich erinnere Kommentare der Betreuerinnen, dass sie dann 'wenigstens nicht mit uns raus müßten', aber wehe wir würden in die Betten spucken...

In den ganzen 6 Wochen gab es keine Spaziergänge, wir waren eigentlich immer im Heim, oft auch im Schlafraum, durften dann aber nicht die Betten berühren. Mein einziger Ausflug bestand darin, dass ich mit zwei Betreuerinnen und zwei anderen Mädchen in einem Souvenirladen Souvenirs für alle aussuchen durfte, die dann anschließend an alle Kinder verteilt wurden.
Dies, nachdem meinen Eltern aufgefallen war, dass der Text auf einer Ansichtskarte kaum von mir sein konnte und sie darauf bestanden hatten, dass man mich ans Telefon holte.
Mir war eingeschärft worden, dass ich am Telefon nicht viel reden sollte und mir ja nicht einfallen lassen sollte, irgendwelchen Blödsinn zu reden. Ging auch gar nicht, denn ich bin erstmal in Tränen ausgebrochen...
Den Inhalt meiner Päckchen habe auch ich nicht erhalten, lediglich die Glanzbilder, sie lagen abends unter meinem Kopfkissen. Die angeblich an alle Kinder verteilten Plätzchen und Bonbons dürften wohl eher die Betreuerinnen verputzt haben, denn wir haben niemals welche bekommen.

Das Essen habe ich auch als sehr einseitig in Erinnerung, Nudeln mit Backobst, Puddingsuppe und Erbsensuppe und roten Tee. Auch wir durften nicht sprechen beim Essen und alle mussten sitzen bleiben, bis auch der letzte fertig war. Was lange dauern konnte, auch bei uns erbrachen Kinder in den Teller und mussten dies wieder essen.

Als ich wieder zuhause war, kam mir Alles ganz fremd vor, besonders die Türklinken. Warum genau die, weiß ich nicht wirklich, vermute aber, dass wir tagsüber oft in den Schlafräumen eingeschlossen wurden.

Ja, das ist nun soweit Alles, was ich erinnern kann. Ich habe bis heute eigentlich nicht daran gedacht, dass meine Erfahrungen traumatische Einflüsse gehabt haben könnten.
Doch vielleicht muss ich bestimmte Ängste und auch Instabilitäten, die mich schon mein Leben lang begleiten, noch einmal neu bewerten. Vielleicht lassen sie sich ja dann auch (endlich!) gezielt beenden?! Das wäre schön!
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Anja Röhl schrieb am 10.09.2019
klar waren es auch Jungen, auf jeden fall! Vollkommen richtig! Der Reporter hatte sich nur Frauen als Interviewerinnen ausgesucht, es traf Jungen ebenso wie Mädchen, Anja
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Brigga schrieb am 10.09.2019
Interessante Berichte... und ich dachte, ich wäre ein Einzelfall und ich hatte nur Pech das falsche Kurheim erwischt zu haben...1979 Bonndorf, Schwarzwald Kinderkurheim Schwalbennest (die Ironie des Namens habe ich als Kind nicht verstanden) Ich war in den Sommerferien dort und "feierte" meinen 13. Geburtstag dort. Es war so, wie in sämtlichen vorangegangenen Berichten. Die Tanten, die Drohungen, die Puddingsuppen, einmal die Woche (Sonntag zum Kirchgang!) Wäschewechsel, das galt auch für die Unterwäsche. Nicht Reden beim Essen, Arme hinter die Stuhllehne-wegen der guten Haltung! ständig beten, in der Ecke stehen. Mittagsschlaf, Stundenlange monotone Spaziergänge mit Gesang. Unverhältnismäßige Strafen, diktierte Briefe, Postkontrolle. Ich hab tatsächlich ins Bett gepullert, weil vorher schon Sanktionen ausgesprochen wurden, dabei ist mir so etwas vorher nie passiert. Ich war clever genug, einfach das Bett trocknen zu lassen mit der Bettdecke, denn sonst hätte ich abends nichts zu trinken bekommen. Und so schlief ich sechs Wochen in einem stinkenden bepissten Bett. Trinken gab es auch nur zu den Mahlzeiten... im Hochsommer! Einen, mit Glück zwei Becher Tee- je nachdem wo man saß. Wenn der Topf am Ende leer war-Pech. Und so rannten alle heimlich in den Waschraum zum Trinken- war natürlich hochgradig verboten! Wer erwischt wurde- Ecke stehen in der Mittagszeit oder abends auf dem Flur. Mein jüngerer Bruder wurde von mir getrennt. Wir sahen uns vielleicht zwei, dreimal sporadisch. Mein Geburtstagspaket...einmal Reingucken und weg... Das Taschengeld der Eltern ebenso. Wurde mit angeblichen Bastelmaterialien, Porto und Souvenirkäufe, Eisbude, Grillabend oder Sommerfest etc. "verrechnet". Abends um 19 Uhr Bettruhe... im Juli... als Dreizehnjährige...1979... unglaublich. Meine Mutter und auch andere Eltern haben unsere Berichte nicht glauben können. Was hätten sie auch tun sollen? Ich war immer ein Kind, dass gerne verreiste und eher abenteuerlich eingestellt. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben Heimweh und nachts geheult. Ich wollte nur nach Hause. Die schrecklichsten Sommerferien aller Zeiten hatte ich eigentlich vergessen oder gut verdrängt. Ich habs GottseiPunk ohne größere Schäden überstanden, weil ich relativ selbstbewusst, frech und rebellische war. Ein totales liebloses beklopptes Irrenhaus mit Nazipädagogik.
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Renate SÜNNEMANN schrieb am 10.09.2019
Norderney Haus Upstalsboom?
Ich Jahrgang 1950 und mit 9 Jahren auf Norderney
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Iris schrieb am 10.09.2019
Es ist genau 50 Jahre her. Ich war ein zierliches, immer blasses Kind und sollte verschickt werden, um zu Kräften zu kommen.
Mit neun Jahren kam ich also in ein Kinderheim, das wohl - so vermute ich - von der VW-Krankenkasse in Bad Sachsa im Harz betrieben wurde.
Ich hatte Angst. Bisher war ich als jüngstes Kind behütet und mit viel Fürsorge umgeben aufgewachsen; das erste Mal war ich nun allein, ohne meine Eltern und größeren Geschwister weg - für 6 Wochen.
Ich weinte. Drei Tage lang. Fast ununterbrochen. Ich wurde beschimpft, bedrängt, mit dem Gejammer und Geheule endlich aufzuhören, ich solle mich nicht so anstellen. Es gäbe bald keine Taschentücher mehr und dann würde ich schon sehen ...
Am dritten Tag bekamen wir eine Postkarte, auf der Vorderseite die Zeichnung eines fröhlichen, gesunden Kindes. Wir sollten schreiben, wie gut es uns ginge und dass wir uns wohlfühlen. Ich schrieb, dass ich Angst hätte und nach Hause möchte. Die "Tante" zerriss meine Karte und zwang mich, den richtigen Text auf die Karte zu schreiben. Ich weigerte mich. Sie zerriss auch die nächste Karte und ich verstand: ich muss tun, was von mir verlangt wird.
Sie war eine kalte, herrische, ungerechte Frau und ich hatte sechs Wochen lang Angst vor ihr.
Jeden Tag mussten wir nach draußen gehen und uns auf eine Wiese legen (es war Juni), damit wir braun und erholt aussehen, wenn wir nach Hause kommen. Das war die medizinische Intervention. In der Zeit entwickelte ich einen schweren Heuschnupfen und andere Allergien - auf die jedoch niemand reagierte, da man mich noch immer ausschimpfte, dass ich rumheulen würde und einfach nicht aufhörte. So war ich Tag für Tag den Allergenen auf der Wiese ausgesetzt, ohne dass ein Arzt erkannte, was wirklich mittlerweile mit meinen Augen und meiner Nase los war. Und natürlich fand das Sonnenbaden ohne angemessenen Sonnenschutz statt.
Etwa in der Mitte der Kurzeit hatte ich meinen zehnten Geburtstag. Als ich das Päckchen meiner Eltern bekam, war es aufgerissen und die Tanten waren so freundlich, mich darüber zu informieren, dass sie die Süßigkeiten herausgenommen hätten und verteilen würden. Denn Pullover und das Buch durfte ich behalten, den Brief, den meine Eltern mir geschrieben hatten, wurde - wie alle anderen Briefe, die ein- und ausgingen - erst gelesen. Nicht genehme Briefe wurden einbehalten bzw. ich wurde aufgefordert, einen neuen Brief zu schreiben.
Jeden Abend musste ich vier Scheiben Brot essen. Ich musste, egal, ob ich Hunger hatte, ob es schmeckte, ob ich es schaffte, essen. Ich musste so lange am Tisch sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war. An einem Abend gab es etwas, was ich in meiner Erinnerung einfach nur ekelhaft war - ebenso ging es allen anderen Kindern. Niemand wollte das essen, alle mussten es essen und es war ein offensichtliches Kräftemessen, um uns Kinder zu erniedrigen und zu demütigen. Erbrochenes musste mitgegessen werden.
Die "Tante" stellte sich vor uns hin, zeigte auf einen großen Teller mit knusprigem Geflügelfleisch, den sie in der Hand hielt, es roch köstlich und sie sagte: "Das habt ihr nicht verdient, esst euren Fraß. Und jammert nicht, das hat sowieso keinen Zweck".
Nach sechs Wochen war der Horror vorbei.
So wie auf der Hinfahrt war die Übelkeit auch auf der Rückfahrt da - nur die Gründe waren andere. Niemals davor und niemals danach hatte ich diese Probleme.
Meine Eltern holten mich am "Sammelpunkt" ab. Ich weinte und brach zusammen. Mein Vater war fassungslos und außer sich und ich werde nie vergessen, dass er schrie: "Wenn ich das gewusst hätte, ich hätte dich sofort abgeholt"
Wie hätte er wissen können, wenn doch jede negative Information eliminiert wurde?
Soweit ich weiß, hat er sich bei der Krankenkasse beschwert. Aber: der Horror war ja bereits geschehen und mehr als ein Schulterzucken wird es nicht gegeben haben.
Es tut weh, auch nach 50 Jahren noch. Diese Erfahrungen haben in vielen Situationen ihre dunklen Schatten hinterlassen.
Gut, dass es diese Initiative gibt!
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Vanessa B. schrieb am 10.09.2019
Hallo,

mein Name ist Vanessa ich bin 33 und war damals mit meinem 4./ 5. Lebensjahr von meinem Arzt in eine Kurklinik geschickt worden.
Das muss also 1991 gewesen sein.
Die Kur dauerte 6 Wochen und war für mich eine reine Qual.
Ich kann mich leider oder Gott sei dank nicht mehr an so viel erinnern aber das was immer in meinem Kopf bleibt sind Situationen die mich sehr geprägt haben.
Angefangen damit das ich dreimal täglich dort ins Medizin-Zimmer musste zum inhalieren und andere Dinge. Es wurden Tests gemacht und gefühlt täglich Blut abgenommen. Ob es so war weiß ich nicht aber ich hatte Angst vor dem Gang ins Medizin-Zimmer weil ich Angst vor Nadeln hatte. Da ich laut meiner Mutter die jüngste auf der Station war wurde ich auch von den anderen Mitpatienten gemobbt mit denen ich auf Zimmer lag und rundherum (Bettwäsche und Kuscheltiere aus dem Fenster werfen etc.). Der Kontakt zu meiner Mutter wurde mir verboten ich durfte 1-2 mal mit ihr telefonieren ausnahmsweise, aber als ich dann immer weinte hieß es "Keine Telefonate mehr" aus dem Grund das ich weinte. Meine Mama durfte mich weder besuchen noch anrufen. Sie durfte mir Briefe schreiben die ich aber noch nicht lesen konnte. Also lies mir die Schwester das immer vor und antwortete ihr wie gut es mir doch da gehen würde...
Ich durfte darunter immer ein kleines Bildchen malen für meine Mama.

Das schlimmste an dem ganzen Aufenthalt war aber nicht das mir mit 4-5 Jahren der Kontakt zu meiner Mutter verboten wurde sondern die Mahlzeiten.
Ich war ein Kind das so gut wie alles gegessen hatte es gab nur wenig Dinge die ich nicht mochte.
Körner oder so Saaten waren da eine Sache.
Ich weiß nur das es meist Müsli morgens gab und nur mit ganz viel Glück mal Cornflakes. Brötchen oder so waren meist auch voll mit Körnern weswegen ich selten morgens was essen konnte. Mittags hoffte ich darauf das es mal was leckeres gibt aber es gab fast immer das gleiche: Kartoffel mit Erbsen und Möhren. Ich bekam also meinen Teller vorgesetzt und sollte es essen, ich stocherte meist nur im Essen herum aber so richtig essen wollt ich es nicht. Ich bekam ständig zu hören "Du bleibst hier so lange sitzen bis der Teller leer ist" und dann saß ich da gefühlt eine Ewigkeit vor dem Teller Gemüse, welches eh schon ganz kalt war und war gezwungen das zu essen. Ich versuchte es aber es ging nicht es hat mir nicht geschmeckt.
Es endete meist damit das eine Schwester kam mit Löffel und es zwanghaft in mich reinkriegen wollte während sie mit mir schimpfte meist wurde dann noch eine 2. Schwester hinzugezogen die dafür sorgen sollte das ich meinen Mund aufmache und halte damit sie Ihren Löffel voller kalten Gemüse in mich rein schieben kann.
Als sie mich danach laufen ließen musst ich immer vor lauter Übelkeit aufs Klo und mich übergeben. Ich zog mich zurück und hoffte das ich das endlich alles überstehe.
Ein Lichtblick am Tag war das Abendessen da es oftmals da Graubrot gab ein Brot ohne Körner. Yeah. Eine Scheibe Graubrot, eine Scheibe Käse dazu und eine Tasse Tee täglich war etwas wovon ich mich 6 Wochen ernährt hab. Jeden Tag das gleiche Spiel bis ich nach 6 Wochen endlich in einen Zug gepackt wurde und nach Hause durfte.
Am Bahnhof angekommen rann ich auf meine Mutter zu, die mich erst gar nicht wieder erkannte weil ich eben sehr viel dort an Gewicht verloren habe und ich nicht mehr so aussah wie das Kind was sie dort hingeschickt hat.
Ich entwickelte durch dieses Trauma eine Essstörung.
Jeden Tag saß ich als Kind am Tisch bei meiner Mutter und Großeltern und erlebte Panikattacken. Ich hyperventilierte, schrie, weinte und würgte vor Angst. Bis meine Mutter und Großeltern schließlich nachgegeben haben und nur noch kochten was ich wollte.
Ich aß immer weniger Gemüse bis ich zum Schluss gar nichts mehr anpackte.
Ich bin nun 33 übergewichtig habe definitiv Probleme mich gesund zu ernähren da ich kein Gemüse mehr essen kann ohne mich zu übergeben und psychisch komplett zusammen zu brechen.
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Thomas B. schrieb am 10.09.2019
Heute lief in der Sendung Report ein Bericht über die Verschickungsheime, wodurch ich Hinweise zu Anja Röhl's Projekt bekam. Dort werden traumatische Erlebnisse junger Mädchen geschildert. Das ist auch der einzige Kritikpunkt an dem Fernsehbeitrag: Es waren nicht nur Mädchen, die gepeinigt wurden, es traf kleine Jungen genauso!
Ich wurde Ende der sechziger Jahre als 7 oder 8 jähriger Junge in ein "Erholungsheim" nach Seeg im Allgäu verschickt. Das Heim war offenbar mit zuwenig Personal ausgestattet. Daher übenahmen oft Jugendliche, sechzehn oder siebzehnjährige, die Aufsicht über die Kindergruppen. Diese Heranwachsenden haben das als tolle Gelegenheit angesehen, eigene Machtphantasien ausleben zu können. Ich (und andere Kinder) wurden regelmäßig geschlagen unter Androhung von weiteren Schlägen, wenn wir etwas davon weitergeben würden. Unser eigentlicher Gruppenleiter hatte englische Wurzeln. Er hieß Bob und genoss es, die vollständige Kontrolle über uns Kinder zu haben. In regelmäßigen Abstanden sollten wir Briefe an unsere Eltern schreiben. Diese Briefe wurden vorher gelesen, und wenn auch nur Ansatzweise was negatives geschrieben wurde, hat er den Brief zerrissen und wir mussten ihn neu schreiben. Ich erinnere mich sehr genau daran, das eines Tages ein Junge (unbekannt wer denn der "schuldige" war) mit Kot verschmiertes Toilettenpapier neben die Toilette auf den Boden geworfen hatte. Da sich der "Täter" nicht freiwillig meldete, musste jeder von uns zum Einzelgespräch zu Bob. So auch ich. Er beschuldigte mich sofort des "Verbrechens" und forderte mich auf, es doch endlich zuzugeben. Obwohl ich verneinte, bestimmte er mich zum "Täter". Als Konsequenz musste ich von da an die Toiletten putzen. Darüber hinaus durfte ich nicht mehr mit den anderen Kindern spielen, Sämtliche Spielgeräte wie Schaukel, Rutsche, Sandkasten etc. waren für mich tabu. Zusätzlich wurde ich vor der ganzen Gruppe als schuldiger präsentiert. Daraufhin wurde ich von allen ausgegrenzt und nur noch als der Kacka-Mann bezeichnet..... Ich weiss heute, das ich durch diese Erlebnisse ein Trauma erlitten habe, das dazu geführt hat, das ich Zeit meines Lebens nie in der Lage war, eine feste Beziehung mit einem anderen Menschen einzugehen, weil ich nicht fähig bin, einem anderen Menschen zu vertrauen. Daran gingen letzten Endes alle Beziehungen zugrunde. Ich lebe heute zurückgezogen als Single mit relativ wenig sozialen Kontakten und scheue mich davor, andere Menschen anzusprechen. Dies ist nach fünfzig Jahren das erste mal überhaupt, das ich über das erlebte spreche/schreibe. Mich packt jedesmal die kalte Wut, wenn Leute -selbst im Verwandtenkreis, Andeutungen machen, nur weil ich nie in einer festen Beziehung gelebt habe.
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Annette Eich schrieb am 10.09.2019
Meine Schwester durfte Anfang der 60er Jahre auf Anregung eines Arztes und über die Barmer Ersatzkasse in Kinderkur nach Berchtesgaden fahren und kam begeistert zurück. Sie ist deshalb vor einigen Jahren aus dem Rheinland in einen Nachbarort von Berchtesgaden gezogen und lebt heute dort.
Daraufhin wollte ich damals, rund und gesund, ein Jahr später, auch in Kur fahren, was mir von der Krankenkasse genehmigt wurde. Ich fuhr von Hannover aus nach St. Goarshausen an den Rhein. Ich glaube nicht, dass ich psychische Folgen davongetragen habe, aber ich wollte danach nie wieder in Kinderkur fahren.
Zum Frühstück gab es den leckeren Haferschleim, den wir nur in Verbindung mit den ergatterten Marmeladenbroten herunterwürgen konnten. Die Wäsche wurde in abgeschlossenen Schränken aufbewahrt und durfte nur einmal pro Woche gewechselt. Ich war kurz vor der Pubertät und habe mich vor meiner stinkenden Wäsche geekelt. Im Alter von 12 oder 13 Jahren musste ich noch einen Mittagsschlaf halten. Während der Schlafzeiten durfte nicht geredet werden. Wer erwischt wurde, musste sich mit der Bettdecke vor die Tür stellen. Die Tanten schlichen sich leise heran. Als wir, mehrere Mädels, aus Jux oder Angeberei, abends in ein Jungenzimmer geschlichen sind und erwischt wurden, mussten wir vor die Klinikleitung zum Appell antreten. Unsere Eltern wurden benachrichtigt, weil wir nach Hause geschickt werden sollten. Natürlich gab es noch ein Donnerwetter von ihnen, als wir nach Ablauf der regulären Zeit nach Hause fuhren.
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Andrea Bösch schrieb am 10.09.2019
Habe gerade einen Bericht über die Kinderheime gesehen und bin entsetzt. Mit 4 Jahren wurde ich 1968 nach Wyk auf Föhr geschickt. Zwei Jahre später mit meiner Schwester nach Scheidegg im Allgäu. Ich habe schon länger vermutet, dass dort schreckliche Dinge passiert sind, weil ich immer unter starken Ängsten gelitten habe und mich an nichts erinnern kann, ausser dass ich plötzlich alleine auf einer Fähre war und beim zweiten Mal zwei Wochen in Quarantäne lag alleine in einem kahlen Zimmer.
Im Moment bin ich noch total geschockt. Das erklärt vieles.
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H.I. schrieb am 10.09.2019
Im Grunde habe ich mit viel Aufwand therapeutischer Zuwendung und einer Reise nach Amrum diese Traumaerfahrung aufgearbeitet und bin in Frieden damit gekommen. Als ich aber heute Abend im ARD in Report Mainz die Sendung über Verschickungskinder gesehen habe, war mir klar, dass es gut ist, dieses Trauma noch einmal zu berühren. Ich habe allerdings so viele Details verdrängt dass nur die schlimmsten Situationen sich in meiner Seele festgesetzt haben. Leider wurden auch alle Zeugnisse, Namen und Adresse vernichtet aber ich bin sicher dass Sie noch mehr Berichte über dieses Heim bekommen, denn es wurde vollständig abgebaut und auch nichts anderes an dieser Stelle errichtet.

Ich bin 1952 geboren und wurde wohl mit ca. 8 Jahren nach Amrum in ein Heim geschickt. Die Eisenbahnfahrt war schon schrecklich weil sich niemand um uns kümmerte. Es war ein Mädchen aus Eningen/Achalm dabei, die mir lag und so fanden wir Trost aneinander. Sie war eine fröhliche Natur, dunkle Haare, das ist alles an was ich mich erinnere.
Bei Ankunft im Heim wurden wir sofort getrennt und ich wurde allein in ein Zimmer unter dem Dach gesperrt, Begründung: man sollte sich so besser einleben. Man brachte mir das Essen ins Zimmer, ich habe so viel geweint und meinen Eltern geschrieben, Briefe, die nie ankamen. Sie wurden durchgelesen, zensiert und nie verschickt. Auch meine Eltern schickten mir eine Sandschaufel und weitere Spielsachen, die ich nie bekam.
Das Essen war grausig, wir mussten so lange sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war. ich ging immer wieder zur Toilette um die vollen Backen auszuspucken, damit ich endlich fertig wurde.
Geduscht wurde nur kalt und mit allen Mädchen zusammen. Ich weiss noch wie die Älteren sich schämten, nackig zu sein.
Was ich am meisten verdrängt hatte, war ein AUsflug in die Pinienwäldchen, auf jeden Fall Nadelbäume, die um das Heim lagen. Zu zweit mussten wir laufen, durften nicht reden und dann wurde ich abgesondert und in die Bäume geschleppt. Es war ein fetter junger Mann (bis heute reagiere ich bei fetten Männern), er hat mir die Gurgel zugedrückt und mich vergewaltigt, ich bekam keine Luft mehr, ich weiss nur noch, dass nachher alles blutverschmiert war.
Ab da habe ich keine Erinnerung mehr, nicht einmal mehr wie ich zurück kam. Ich weiß noch wie entsetzt meine Mutter war, als sie den Koffer öffnete, dreckige und blutverschmierte Wäsche fand, aber alles hinnahm, weil das damals so üblich war. Ich weiß auch noch, dass ich mich über eine lange Zeit immer hinter dem Rücken meiner Mutter versteckte, alle haben sich gewundert, dass ich mich so seltsam verhalte. Ich habe auch nicht viel geredet. Fast gar nicht, es fühlt sich heute an, wie wenn der Kerl mir die Kehle gut zugeschnürt hatte.
Meine Eltern haben nie etwas unternommen und ich habe über viele Jahre die Nesthäkchenbände gelesen, die es mir erleichterten, dieses Traume komplett zu verdrängen. Ich lebte nur als Nesthäkchen in einer völlig heilen Welt. Es gibt da auch einen Band über ein Heim auf Amrum, das ist so positiv geschilert, dass ich es mir zu eigen machte und selbst zu Nesthäkchen wurde. Jede Nacht las ich unter dem Kopfkissen mit einer Taschenlampe. Mein Körper wurde pummelig, da ich anfing, viel zu essen, vor allem Süßzeug, der Frust muss wohl auf diese Weise rausgekommen sein. Meine Familie war glücklich über meine Zunahme, vorher war ich sehr schmächtig gewesen und schob das gute Resultat der Heimbehandlung zu. Daraufhin wurde auch meine Schwester verschickt, die Gott sei Dank im Allgäu gut behandelt wurde. Sie hat nur positive Erinnerungen daran.
Es wurde ein Verbrechen begangen, der Täter würde, wenn er zur Rechenschaft gezogen werden könnte, ins Gefängnis kommen. Dieses TRauma steckt heute noch in meinem System, ich habe nie geheiratet, war lieber allein und fühle mich dabei sehr wohl, denn in jungen Jahren passierte genau das, was bei vielen passiert, die durch Vergewaltigung traumatisiert sind: ich ging in die Sexsucht und bot mich überall an. Weil ich mich nicht spürte und wohl auf der Suche war nach mir selbst. Dieses ereignis hat also mein Leben insgesamt geprägt.
Eine Reise nach Amrum sollte KLarheit verschaffen, aber ich fand nur noch die Wäldchen vor, an der Stelle wo das Heim ungefähr gestanden hatte, war kein Haus mehr zu sehen. Es ist wohl komplett abgerissen worden, wenn ich mich nicht täusche. Aber vielleicht haben Sie ja noch andere Berichte über dieses Heim, es würde mich interessieren, denn es steht mir noch klar vor Augen. Ein Holzbau, hellblau und weiß gestrichen. Direkt am Strand.
Ich bin damals auf Amrum zu einem Pfarrer gegangen, der mir vertrauenswürdig erschien und er hat mir die Last dieser Bürde durch einige Gespräche abgenommen. Aber natürlich hatte ich vorher schon ca. 10 Jahre lang 2-wöchentliche Therapiestunden hinter mir, denn dieses Geschehen hatte ich komplett ins Unterbewusstsein verdrängt. Es musste erst wieder mit viel Mühe gehoben werden. Seither ist mir leichter.Aber immer wieder nachts kommen diese Träume zurück und ein unendlicher Ekel überfällt mich.

Ich wusste nicht mehr, dass man das Verschickungsheime nennt und wir Verschickungskinder sind. Ich bete für all die verwundeten Seelen und danke Ihnen für Ihre Mühe. Es tut mir gut, zu wissen, dass ich keine Halluzinationen hatte und so viele viele betroffen sind.
Wohl vor allem Frauen?
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Mona schrieb am 10.09.2019
Mona, 1961 geboren, Verschickungskur wegen zu wenig Gewicht und zur allgemeinen Erholung mit der AWO nach Langeoog - Langeoog werde ich nie wieder aufsuchen. Die Erinnerungen sind zu quälend, wenn auch lückenhaft, aber präsent.

Ich wurde seinerzeit zusammen mit meiner 2 1/2 Jahre älteren Schwester dorthin geschickt - sicherlich mit einer guten Absicht seitens der Eltern.

Der Tag begann mit der Aufstellung im Sanitärbereich und alle Kinder mussten ein Glas Salzwasser trinken. Wer sich erbrach, musste trotzdem ein ganzes Glas Salzwasser austrinken und so lange dort bleiben, bis das erledigt war. Sonst keine Frühstück.

Zum Frühstück gab es in der Regel Haferbrei , welcher auch eher eklig als geschmacklich war.
Wer sich erbrach musste trotzdem weiteressen.

Am Anfang der Woche wurden die Kleidungsstücke ausgewählt und diese mussten die ganze Woche getragen werden – egal wie warm oder kalt sich das Wetter im Laufe der Woche entwickelte.
So kam es dann dazu, dass bei strahlendem Sonnenschein ein dicker Pullover und lange Hose getragen werden musste, weil man es am Anfang der Woche bei etwas ruppigerem Wetter so ausgewählt hatte.

Ich war noch sehr klein (ca. 6) und wollte mit meiner Schwester zusammen in einem Zimmer schlafen, das wurde uns verwehrt. Das Heimweh war erdrückend und ich musste oft weinen.
Das wurde umgehend bestraft mit der Verbannung aus dem Schlafraum, raus auf den Flur auf einer Holzpritsche ohne Matratze. Dort war es kalt und einsam und für ein kleines Mädchen allein zudem gruselig – nach ein paar Tagen versiegten dann die Tränen...

Unsere Treffen mussten wir uns „erschleichen“ im Essraum oder draußen – wo immer möglich. Im Grunde stand dort aber das Verbot, sich zu treffen.
Das wurde auch streng überwacht und sanktioniert.

Wir haben schon recht kurz nach der Ankunft den Eltern diese Situation im Brief geschildert, allein die Post ist nie bei ihnen angekommen – sie wurde von den Betreuerinnen gelesen und aussortiert. Post wurde diktiert und an die Eltern gesendet.

Pakete von den Eltern wurden abgefangen und nicht an uns ausgehändigt. Ein Postgeheimnis existierte nicht.

Der Aufenthalt war für meine Schwester und mich traumatisch.
Gewicht haben wir natürlich auch nicht zugenommen - das Gegenteil ist der Fall gewesen. Dieser Aufenthalt auf Langeoog hat etwas in mir zerstört, das Trauma zu verarbeiten hat viel Zeit und Arbeit gebraucht.
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Marianne Beck-Albracht schrieb am 10.09.2019
Hallo und guten Abend, auch ich gehöre zu den Verschickungskindern. Ich war 1963 im Sommer für 6 Wochen auf Borkum in einem Kinderheim. Ich war 10,5 Jahre alt. Für mich war die Zeit schlimm, aber da ich mich schon immer sehr für andere eingesetzt habe, habe ich mir meine Strafen selbst zuzuschreiben. Ich habe den anderen Kindern, die ihr Erbrochenes mehrfach wieder essen sollten einfach die Teller weggenommen und in den Mülleimer entleert, was mir dann eine Woche Strandentzug einbrachte. Weil ich eine Postkarte an meine Mama rausgeschmuggelt hatte, musste ich einen Brief voller Lügen, wie schön es doch da sei, an meine Eltern schreiben, da natürlich die Eingangspost von den „Tanten“ gelesen wurde. Es war sehr unsauber da, viele Kinder hatten Läuse und ständig wurden wir mit Entlausungsmedikamenten Stunden lang behandelt. Es gab gemischte Schlafräume, die fürchterlich nach Schweiß und Schweißfüßen stanken.
Ich würde aus Nordhessen in den Sommerferien dahin verschickt und für mich war es nicht schön, für andere in meiner Gruppe aber noch schlimmer. Ich hoffe, dass diese Missstände aufgeklärt werden.
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Sigrid Bluschke schrieb am 10.09.2019
Sigrid B.
Ich war 1967 in Oberkassel - Haus Bernward
Wennman dort wärend der Mittagsruhe die Augen geöffnet hatte, gab es gleich ein paar mit dem Holzlatschen. Aufessen musste man immer!!!
Morgens beim Frühstück wurden immer einige Kinder von uns vor versammelter "Mannschaft" aufgerufen und bekamen eine Spritze. Bis heute weiß ich nicht, wofür diese Spritze überhaupt sein sollte.Anziehen durften wir nur das, was uns die Betreuerinnen raus legten.
Damals fand ein Trauerzug mit Militärschiffen auf dem Rhein anlässlich des Todes von Konrad Adenauer statt.
Wir Kinder sind mit den Betreuern an den Rhein, um uns diesen Zug anzusehen.Beinahe wäre eine Betreuern ins Wasser gefallen und wir Kinder lachten. Das gab natürlich eine Strafe.
Ein Mädchen hatte dort die Windpocken und musste natürlich im Bett bleiben. Mit ein paar Mädchen sind wir damals zu ihr ans Bett gegangen, haben ihre Pocken etwas aufgekratzt und die Flüüsigkeit daraus auf unsere Haut geschmiert. Wir wollten uns unbedingt anstecken, weil wir gemerkt hatten, dass es einem am besten geht, wenn man im Bett liegen musste.
In unseren Briefen an unsere Eltern durfte nichts von Heimweh oder krankheit stehen. Die wurden sofort zerrissen.Auf den Postkarten war ein dicker Stempel "Besuch nicht gestattet" angebracht.
Vier Jahre später sollte ich vom Gesundheitsamt aus nochmal zur Kur. Da habe ich mich geweigert, so gut ich konnte und musste dann auch nicht mehr zur Kur.
Mit Mitte zwanzig wollte mich mein Hausarzt zur Kur schicken, da habe ich sofort gesagt, dass ich nie wieder zu irgendeiner Kur möchte und habe aufgrund der schlechten Erfahrungen von damas darauf verzichtet. Positives von damas fällt mir heute nicht wirklich was ein.
Liebe Grüße und viel Erfolg bei den Recherchen.
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Sabine schrieb am 10.09.2019
Ich bin jetzt 62 Jahre und kann mich genau an diese Zeit meiner Verschickung nach Berchtesgarden mit 5 Jahren erinnern, weil ich laut Schularzt zu dünn für den anstehenden Schulweg war! An das Heim -mit Blick auf den Watzmann, daran erinnere ich mich- es war wohl in Schönau, habe ich keine guten Erinnerungen! Das Schlimmste war, dass man gezwungen wurde, den Inhalt des Tellers aufzuessen! Ich erinnere mich noch genau daran, dass ich keine Erbsen mochte und diese an den Rand meines Tellers legte, eine Nonne forderte mich auf, diese aufzuessen, worauf ich erwiderte, dass ich mich dann übergeben müsse, es nützte nichts, ich musste so lange sitzen bleiben, bis ich alles gegessen hatte, daran, ob ich mich wirklich übergeben musste, erinnere ich mich allerdings nicht! Bis heute wird mir beim Geruch von warmer Milch übel, es gab ständig Milchreis und Grießbrei, die ich bis heute nicht essen kann! Ich erinnere mich an viel Heimweh, Trost bekam man nur von den anderen Mädels nicht aber von den Nonnen! Schlimm war es auch, dass Pakete von zu Hause geöffnet wurden, behalten durfte ich nur eine Strumpfhose! die Süßigkeiten wurden an alle verteilt.
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Karl-Otto Kannapinn schrieb am 10.09.2019
Ich bin 1960 geboren und wurde mit 7 Jahren wegen Unterernährung in das Kurheim Bad Rothenfelde geschickt. Dies wurde überwiegend von Ordensschwestern und teilweise weltlichen Erzieherinnen geleitet. Reden und Weinen war verboten. Ich hatte große Mühe mit dem Essen, musste aber unter Androhung von Strafen alles aufessen, auch Erbrochenes. So musste ich in einer Situation stundenlang vor dem Esssaal sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war und wenn nicht, würden sie mich auf dem Dachboden zum "Buhmann" einsperren. Genau das ist passiert. Drei Bedienstete, darunter auch die schreckliche Nonne, zerrtem mich, ich händeringend, schrecklich weinend und vor Todesangst schreiend in den Dachboden und sperrten mich dort über mehrere Stunden ein. Völlig verängstigt und in die Hosen genässt, kam dann tatsächlich nach einer Stunde irgendein Buhmann in einem Nebenraum und machte fürchterliche Geräusche wie Kettenrascheln, ich bin fast gestorben vor Angst. Erst am Abend hat mich dann eine weltliche jüngere Erzieherin frei gelassen. Für die restlichen 5 Wochen der Kur war ich völlig apathisch und traumatisiert und habe kaum noch ein Wort gesprochen. Als ich endlich nach Haus kam viel ich bei der Ankunft meinen Eltern weinend in die Arme und erzählte ihnen die schrecklichen Erlebnisse. Sie wandten sich an das zuständige Amt, doch nichts geschah. Außer, dass ich für den Rest meines bisherigen Lebens immer noch traumatisiert bin, ein Wunder, dass ich trotz alledem Sonderschullehrer und Therapeut geworden bin oder gerade deswegen.
Mit freundlichen Grüßen, Karl-Otto Kannapinn
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Yvonne schrieb am 10.09.2019
Hallo an alle,

mich würde es freuen, jemanden zu finden, der auf dem Ponyhof in Schönau, Berchtesgaden war. Am liebsten spät, erst 1979, und der optimalerweise noch Erinnerungen hat... im Gegensatz zu mir. Ich würde einfach gern verstehen.... wissen, warum manche Dinge sind, wie sie sind.

Ich erinnere mich nur noch an ältere Kinder, die mich nicht zu den Ponys gelassen haben, an nachts (?) im Bett sitzen mit Erbrochenem auf der Bettdecke und jemand kommt und ist nicht begeistert und daran, dass ich nach einigen Tagen gefragt habe, ob die 6 Wochen jetzt dann um sind (ich war vier jahre und 10 Monate).

Und dann würde mich noch echt interessieren, wie das bei Euch allen mit Autoimmun-Erkrankungen aussieht - ich habe jetzt schon 2 davon.

Danke, ich bin gespannt!
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Mechthild Pohlhausen schrieb am 10.09.2019
Hier wird immer über die großen Kinderheime berichtet, aber mein Aufenthalt in einem privaten Kinderheim in Wyk auf Föhr war grausam, wenn auch vielleicht nicht ganz so schlimm wie in den großen Heimen. Gerne gebe ich auf Anfrage Details Und Namen zu der Einrichtung raus. Anfang September 1976 fuhren meine Eltern mich nach Wyk auf Föhr. Ich hatte im Mai des Jahres eine schwere Lungenentzündung hinter mich gebracht und ich sollte die gute Nordseeluft genießen, um wieder kräftiger zu werden. Meine Eltern hatten ein kleines privates Kinderheim ausgesucht. Von der Fähre brachten meine Eltern mich hin, wir durften uns kaum verabschieden und dann bekam ich mein Zimmer, zusammen mit 3 anderen Kindern. Ich hatte die nächsten Wochen keinerlei Kontakt zu meinen Eltern, weil das "schädlich" wäre. Wenn ich weinte, weil ich Heimweh hatte, wurde das lächerlich gemacht und gesagt, dass meine Eltern auch mal Ruhe von mir bräuchten. Es war wie im Knast. Meine Armbanduhr wurde mir weggenommen, ich wusste nie, wie spät es war. Sie erzählten uns, dass wir um 22 Uhr schlafen gehen würden, aber durch Zufall fand ich raus, dass das schon um 20 Uhr war. Jeden Tag Frühstück, Mittag, Abendessen, immer das Gleiche, große Portionen, die man aufessen musste, obwohl der Magen zugeschnürt war. Es gab Drohungen und Bloßstellungen, wenn man sich weigerte. Der Höhepunkt: Schokoladenbrei mit ekelig aufgeweichtem Zwieback zum Abendessen, ich übergab mich auf meinen Teller. Ich wurde angebrüllt, dass ich das essen sollte, aber ich stieß "aus Versehen" den Teller runter. Ich sollte das dann sauber machen, was ich auch tat, rannte dann aber, trotz Verbot, auf die Toilette, um mich erneut zu übergeben. Ich glaube, dass das der Grund war, dass ich später eine Essstörung entwickelte. Dass mein 10.er Geburtstag traurig war, trotz Ausflug in ein Café, in dem ein sprechender Vogel in einem Käfig saß, versteht sich von selbst. Wir gingen zwar jeden Tag an den Strand, aber mussten da Stunden mit buddeln verbringen, kein Programm. Bevor ich endlich abgeholt wurde, schmierten die "Tanten" mir Tönungscreme ins Gesicht, damit ich gesünder aussehen würde.
Als meine Eltern mich abholten, war ich total apathisch, aber froh, nach Hause zu kommen.
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Bernd schrieb am 10.09.2019
Ich habe gerade den Beitrag in Buten und Binnen gesehen und erinnere mich dunkel an eine Kur in Bad Sachsa. Ich (Jahrgang 65) muss damals vielleicht vier Jahre alt gewesen sein. Da wurde ein Kind zum Aufessen gezwungen, obwohl es sich erbrochen hatte. Viele Kinder hatten Heimweh und manche nässten sich ein. Dort herrschte eine brutale Strenge.

Alle Kinder waren in einer belastenden Drucksituation, aufessen zu müssen und auch sonst keine "Spirenzken" zu machen. Es gab täglich ungezuckerten Haferschleim und für mich anstrengende Wanderungen.

Klar, ich hatte starkes Untergewicht, weil ich zuhause starkem Stress (Alkoholmissbrauch der Eltern) ausgesetzt war. Die Ursachen dafür waren offenbar vollkomen egal. Für die war das Problem mein Untergewicht, welches behandelt werden musste. Die "Kur" hat mein Problem im Grunde nur verschärft. Bis zum 30. Lebensjahr habe ich auch harte Drogen konsumiert. Ich hatte Untergewicht, bis ich dann mit 35 Jahren aufhörte zu rauchen und diverse Therapien hinter mir hatte.

Vielleicht gibt es weitere Betroffene aus der Zeit und dem Heim? Dann wäre ich an einem Treffen in oder um Bremen interessiert.
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Heinz S. schrieb am 10.09.2019
Heute habe ich zum ersten Mal davon erfahren das ausser mir und meiner Schwester, viele andere Kinder im Kinderkurheim misshandelt wurden. Ich bin demenstprechend aufgewühlt.

In der 4. oder 5. Klasse (ca. 1974) begleitete ich meine 2 jahre jüngere Schwester in das Kinderkurheim in Ruhpolding, Bayern. Der Schularzt schickte uns wegen Untergewicht hin. Das Heim wurde von einer katholischen Ordensschwester geleitet. Die "Erzieherinnen" waren weltlich.

Meine Schwester und ich wurden von den Erzieherinnen schikaniert. In meinem Zimmer waren wir zwei die drangsaliert wurden. Wir beide waren nicht katholisch. Eine Erzieherin drohte mir mit dem Tod, falls ich den Eltern etwas erzählen würde. Weshalb ich weder beim Besuch der Eltern noch später von dieser Zeit erzählt hatte. Bei "Ruhpolding" schnürte sich danach immer mein Hals zu.
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Frederik schrieb am 10.09.2019
Erst als ich von dem Bericht gelesen habe, ist. alles wieder in mir hoch gekommen.
Ich wurde 1957 mit 7 Jahren ohne große Vorankündigung plötzlich verschickt. Der Grund ist für mich heute noch rätselhaft.
Morgens um 096.30 Uhr hat es mein toller Vater wenigstens noch geschafft mich zum Bahnhof zu fahren, wo schon eine streng dreinblickende Sozialtante mit einem Dutt auf uns gewartet hat.
Wir brauchten ein ganzes Abteil und die Dame war äußerst streng.
Es ging für 6 Wochen nach Segeten hoch oben auf einem Berg im Schwarzwald.
Der Ton war von Anfang an extrem streng. Die Erzieherinnen, zum Teil sogar noch recht jung, waren ziemlich robust und gut genährt, während das Essen für uns Kinder so scheußlich war, daß ich wie viele andere Kotzen musste.
Unter Salven von Ohrfeigen und Kopfnüssen musste man das Gekotzte aus dem Teller aufessen.
Widerspruch oder Unaufmerksamkeit wurde sofort bestraft.
Gröbere Verstöße wurden vor versammelter Mannschaft mit dem Rohrstock nicht zu knapp vollzogen.
Einmal in der Woche durften wir unter peinlich genauen Aufsicht der Erzieherinnen duschen.
Wer sich angeblich nicht gründlich geduscht hat, dem haben sie angedroht, ihn mit der Wurzelbürste zu saubern, was auch öfter geschah.
Angeblich schlechte Essmanieren wurden damit bestraft, dass man wie ein Hund unter denTisch kriechen musste und dort seinen Teller leer essen musste.

Ein Jahr später hatte ich das "Glück" nach Hirsau zu kommen. Das von Nonnen betriebene Heim war noch um einiges schlimmer.
Jeden Tag unzählige Male in die Kirche und hundert Mal beten.
Als ich mich darüber laut geärgert habe, bekam ich von den Nonnen die schlimmste Abreibung meines Lebens mit dem Rohrstock auf den nackten Hintern vor allen anderen Kindern.
Mehrere Nonnen haben mich im wahrsten Sinne grün und blau geprügelt und zur weitere Strafe musste ich beim Essen grundsätzlich knien.
Der Fraß war noch schlimmer als in Segeten und die Gemeinheit der Nonnen kannte keine Grenzen.
Auch hier musste man das Gekotzte wieder aufessen.
Zusätzliche Strafen bestanden darin, daß man die Schuhe der Nonnen und der Mädchen putzen musste.
Briefe oder Päckchen habe ich in dieser Zeit von zu Hause nie bekommen.
In den Nächten hörte man in den Schlafsälen das Schluchzen der anderen und man hat sich gefragt, warum man so etwas verdient hat.
Wir waren damals Kinder ohne irgendwelche Schuld aber man hat uns behandelt wie den letzten Dreck.
Ich wusste übrigens gar nicht, daß so viele Kinder das gleiche Schicksal erlitten haben.
Ganz nebenbei frage ich mich warum sich meine Eltern nicht dafür geschämt haben, daß ich als einziger aus meiner Klasse verschickt worden bin.
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Otto S. schrieb am 09.09.2019
Ergänzung meines Berichts:
Sicherlich waren noch weitere "Delinquenten" in dieser Asthma-Kinderheilstätte Mitte der sechziger Jahre "interniert". Wäre gut, wenn sich noch Weitere an diese düstere Zeit und an ihr Martyrium erinnern würden und dies hier protokollieren...

Übrigens: Bei einem Besuch in Bad Reichenhall im Jahre 2018 mit meiner Frau hatte ich die Örtlichkeit wieder aufgesucht.
Doch anstelle der Anstalt und des Gartens mit den alten Bäumen ist heute ein großer Pkw-Parkplatz. Anwohner sagten mir, dass diese Gebäude Anfang der 1980-er Jahre geschlossen und bald darauf abgebrochen wurden.
Daten darüber leider sind nirgends zu finden. Lediglich unter alten Ansichtskarten existiert ein Foto aus den späten 1950-er Jahren.
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Otto S. schrieb am 08.09.2019
1956 geboren und in Süddeutschland aufgewachsen wurde meinen Eltern von der AOK empfohlen, den immer sehr dünnen und kränklichen Buben in ein Erholungsheim zu schicken, da der Amtsarzt bei einer Reihenuntersuchung lapidar feststellte, "beginnendes Bronchialasthma".
Also wurden meine wenigen Kleidungsstücke mit Namensschildern versehen, in einen kleinen braunen Koffer verpackt und ich Ende August 1965 an einem warmen Samstagmorgen per Pkw durch AOK-Mitarbeiter abgeholt und nach Bad Reichenhall in die Asthma-Kinderheilstätte Kurfürstenstr. 26 verfrachtet.
Die nächsten 6 Wochen waren eine Katastrophe! Das ganze Umfeld war von militärischem Drill geprägt. Wir mussten in Reih und Glied antreten und in Zweierreihen durch die Stadt zum Solebad marschieren. Wenn dabei einer "Aus dem Tritt" kam, war dessen Prügelstrafe am Abend gewiss. Im Solebad, dem alten Kurhaus, mussten wir uns in einem per Dampfheizkörper auf über 42°C Raumtemperatur aufgeheizten Raum nackt ausziehen und wurden darauf in das Solebad gescheucht. Bei einer Wassertiefe von 1,50m war das für die meisten der blanke Horror, da diese Buben deutlich kleiner waren und noch nicht schwimmen konnten.
Ältere Buben, welche zur Aufsicht über uns abkommandiert waren, hatten dabei ihren größten Spass. Diese zogen die panisch um ihr Leben Strampelnden dann kurz vor dem Absaufen heraus und warfen die schreienden Buben wieder ins Becken zurück. So ging das 2 x die Woche über jeweils 45 Minuten. Anschließend durften wir zur Abhärtung durch ein Stufenbecken mit Süßwasser mit 8°C, dann wieder zum Abtrocknen in den Umkleideraum und zurück zur Kurfürstenstraße.
Die Schlafsäle mussten immer nach dem „Mittagsfraß“ zur Ruhe für 2 Stunden aufgesucht werden…Das Essen, Abfallfleisch aus der Freibank, Lungenhaschee, 3 x die Woche Innereinen, Kuttelsuppe, abartig stinkende Kohlsuppe, usw. Und jeden Abend Malventee aus irdenen dunkel rot-braunen Henkelbechern, in welchen der Grund nur mehr zu erahnen war, so schwarz waren die geworden. Lediglich Freitags konnte ich mich richtig sattessen, denn da gab es Milchreis mit Kompott, dieser war durchaus genießbar.
Ich kann bis heute keinen Malventee und keine roten Rüben mehr ausstehen – sobald ich diesen Geruch in die Nase bekomme, kommt mir das K…en. Wer sein Essen erbrochen hatte, dem wurde selbiges unter Zwang solange hineingestopft, bis es irgendwann drinnen blieb und wenn das den ganzen Abend gedauert hatte.
Wir schliefen in dem großen 4-stockigen Funktionsgebäude an der Kurfürstenstraße. Im ersten OG die jüngeren Buben bis etwa 7 Jahre. Die 8-10 Jährigen im zweiten OG und die älteren bis ca. 14 Jahren im dritten OG. Im EG waren Büro und medizinische Untersuchungsräume. Im UG die Lagerräume und der Schuhkeller, wo die Renitenten regelmäßig zum Stiefelschmieren verknackt wurden, sowie der mit Koks befeuerte Kessel zur Dampfversorgung der Anstalt.
Die Essensausgabe und der anschließende Küchentrakt hin gegen waren ostseitig davon in einem alten Garten dahinter angeordnet. Diese Gebäude aus der Zeit des 3. Reiches waren in einem desolaten Allgemeinzustand und in ihrem Inneren teilweise wie eine Baracke aufgebaut. Es hat dort permanent nach ranzigem Fett gestunken – das war grauslich. In den UG-Räumen liefen Kühlmaschinen, welche über eine betonierte Außentreppe für das Wartungspersonal zugänglich waren.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich einmal pro Woche für die abendliche Nachtwache das „Wache-Essen mit Sprudel“ (war, soweit ich noch weiß, Rührei mit Schnittlauch) bei dem stets übelgelaunten Kantinier bestellen musste.
Zweimal die Woche durften wir in Reichenhall zu einer alten Villa oberhalb der Kurfürstenstraße marschieren, bekamen dort von einer finsteren älteren Frau (Krankenschwester??) weiße Umhänge und Schutzbrillen auf, um eine Stunde lang in einem per UV-Brenner bläulich düster beleuchteten Raum Soleaerosol zu inhalieren, welches von einem Rotationszerstäuber unter der Decke versprüht wurde.
Natürlich gab es auch angenehme Seiten, wie zum Beispiel Sonntagsnachmittag Spaziergänge zum Müllnerberg, einen Omnibusausflug ins Salzbergwerk Berchtesgaden, zur Festung Hohen Salzburg und ein Mal ins Kino in Reichenhall.
An eine Sache jedoch kann ich mich noch gut entsinnen:
Ein blondgelockter Bub mit Sommersprossen aus dem Raum München war mehrmals unangenehm aufgefallen, so dass die „Tante Mechthild“, eine resolute bayrische Aufsichtsperson mit vielleicht 40 Jahren beschied, dass dieser Lausbub eine Sonderbehandlung bekommt. So haben sie den schreienden Buben zu Dritt oder Viert gepackt und mitgenommen. Anderntags ist der nur noch da gesessen und hat still vor sich hingeweint. Schwarz im Gesicht und an den Händen war er wieder aufgetaucht - den hatten sie die Nacht über ohne Licht im heißen Aschebunker unterhalb des Kokskessels im 2. UG der Anstalt eingesperrt – das Kind war schwerst traumatisiert!
Ich habe später meine Eltern oft gefragt, wie sie mir so etwas im Alter von 9 Jahren antun konnten…doch da hat es nur geheißen, das hätte der Doktor von der AOK angeordnet – das war GESETZ.
Und ein Doktor der AOK war für diese einfachen Leute anno 1965 ein Herrgott…
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Doris schrieb am 07.09.2019
An ein "Kinderkurheim" in Cuxhaven Duhnen kann ich mich,wenn auch schwach,erinnern.Ich muss 14 Jahre alt gewesen sein:Sommer/Spätsommer 1974. Warum ich dort war,und wie lange...?
Besonders negative Erinnerungen habe ich an einen Aufenthalt im "Haus Sonne",im Bergischen (Oberdüssel?) gelegen. 1965-ich muss etwa fünf Jahre alt gewesen sein. Es muss von Diakonissen geleitet worden sein.In meinen Erinnerungen sehe ich Frauen mit weißen Hauben,sog.Rüschenhauben (darunter das streng zurück gekämmte Haar zu einem „Dutt“ zusammen gebunden) und schwarzen langen Gewändern.Ich sehe mich nachts verängstigt in einem Zimmer mit Doppelstockbetten in einer Ecke stehen.Ich hatte „eingenässt“ und musste dort „zur Strafe“stehen.Die Diakonissen führten ein „hartes Regiment“.An die allmorgendliche Haferschleimsuppe erinnere ich mich auch noch gut... Auch ein anderer Aufenthalt ist mir bruchstückhaft in Erinnerung:Germersheim?/Schwarzwald...
So muss ich wohl,aus welchen Gründen auch immer,diese drei Mal "verschickt" worden sein.
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Annette Wirtz schrieb am 07.09.2019
1960 geboren, war ich insgesamt 3 mal in "Kinderkur"
1969 in Berchtesgaden, Königssee. Ich erinnere mich an Heimweh und ein Einzelzimmer mit rotweiss karierter Bettwäsche???
1971 gemeinsam mit meiner 2 Jahre jüngeren Schwester im "Adolphinenheim" auf Borkum. Meine Schwester hat sichtbar noch mehr gelitten als ich.
Besonders schlimm war hier das "Klappturnen" unter Anleitung einer alten Frau.
1973 dann noch einmal mit meiner Schwester im Schwarzwald, ganz abgelegen in Allerheiligen. Hier gab es einen Pater, der uns katholisch indoktriniert hat und ich fürchtete anschließend Strafe für all die schlimmen "Sünden" einer 13 Jährigen.
Aus alles Kuren gibt es Fotos.
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Marianne Kossack schrieb am 06.09.2019
Ich war zweimal zur Kur, angeblich wegen Untergewicht.
Mit ca. 7 Jahren auf Juist und mit ca.9 Jahren mit meinem Bruder auf Norderney. Ich mußte nach jeder Mahlzeit eine viertel Stunde im Bett liegen, damit ich zu nahm. Meinen Bruder durfte ich auf Norderney nicht sprechen, nur im Schwimmbad konnten wir uns sehen. Das Essen war schrecklich, jeden abend Hering in Gelee und Tee. Ich habe nach den Mahlzeiten meistens alles ausgebrochen. Zu Ostern bekam ich ein Päckchen, das ich mit allen Mädels teilen mußte. Die Zimmertür unseres Schlafsaals blieb nachts auf und wir hatten eine Nachtwache.Die Post wurde diktiert.Ich hatte mir daraufhin geschworen, das meine Kinder nie zur Kur kommen sollten. Auf Grund ihrer Allergien bin ich mit ihnen jahrelang auf eine Nordseeinsel gefahren. Minen Eltern habe ich nichts erzählt, sie hatten es Ja nur gut mit uns gemeint. Ich bin Jahrgang 1950 und habe schon oft im kleinen Kreis davon erzählt. Ich glaube das man mir diese Schilderungen nicht unbedingt geglaubt hat und finde es richtig , das auch darüber jetzt öffentlich gesprochen wird. Ich kann ganz schlecht alleine sein und habe Verlustängste, was auf Grund dieser Erlebnisse sicher entstandenist.
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Norbert schrieb am 02.09.2019
Mit knapp sieben Jahren wurde ich Anfang 72 für sechs Wochen ins Kinderkurheim Quisisana nach St.Peter Ording geschickt. Meine zehnjährige Schwester war mit von der Partie, was mir unter anderem als Vorteil gegen eventuelles Heimweh „verkauft“ wurde.
Gesehen haben wir uns dann in all den Wochen genau 2x und auch das nur im Vorbeigehen, da wir in streng voneinander getrennten Gruppen waren. Diese zwei Male fanden in Form eines schnellen Zuraunens statt – wer jetzt Bilder von Filmen über Gefängnisausbrecher im Kopf hat liegt nicht falsch, denn so fühlte ich mich.
Leider kann ich die meisten negativen Schilderungen anderer Verschickter wie lieb- bis herzlose Behandlung, fiese Strafen für Lächerlichkeiten wie z.B. Nichtschlafen undsoweiter bestätigen.
Beispiele: 1. Beim Wachliegen und quatschen mit dem Bettnachbarn erwischt zu werden, führte zu einer kalten und unbequemen Nacht barfuß im Schlafanzug auf einem Lattenrost in der Waschküche. Die unfreundliche Behandlung durch die Tagschicht nach dieser schlimmen Nacht war da nur noch das Sahnehäubchen auf dem schlechten Kuchen.
2. Das Zensieren der Post, die wir in die Heimat schickten, war Standard; zusätzlich zur Zensur gab es noch öffentliche Häme durch die Aufseherin, wenn man (als Erstklässler) noch nicht alle Buchstaben beherrschte. Ich spreche von Aufseherinnen; offizieller Jargon war „Tanten“, was aber aufgrund des Grundtons der dort herrschte ein Witz war (wie die wenigen männlichen Aufseher genannt wurden, weiß ich nicht mehr).
3. Wer im Speisesaal keinen Nachschlag nahm, wurde öffentlich geschmäht und musste sich während alle Anderen eilfertig ihre zweite Portion in sich reindrückten neben die Ausgabeklappe stellen und singen. Ich vergesse nie den elenden Anblick eines kleinen Mädchens, welches weinend dort stand und versuchte zu singen, weil man sie dazu zwang.
In diesen endlos scheinenden Wochen lernte ich zu schweigen, das Geforderte zu tun und niemandem vertrauen zu können, um nicht wieder wegen Irgendetwas bloßgestellt und bestraft zu werden.

Überblickend würde ich sagen, die Kinder“kur“ war mehr wie ein Straflager, nur dass ich leider nicht wusste, wofür ich verurteilt worden war.
Ich dachte lange Zeit, ich wäre mit meinen Empfindungen der Einzige un/oder ich sei als Kind vielleicht empfindlicher als Andere gewesen.
Heute weiß ich, dass das Unsinn ist und stattdessen bestimmte lebenslange Empfindlichkeiten damit zu tun haben, was man mit uns damals angestellt hat.
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Erika Mirbach schrieb am 01.09.2019
ich heisse Erika M., bin 63 Jahre alt und wurde vor kurzem schmerzhaft mit den Erfahrungen meiner Verschickungsaufenthalte konfrontiert, als ich auf meiner Wanderung durch den Westerwald im christlichen Erholungsheim in Rehe übernachtete. Als betroffene spüre ich an der Atmosphäre, ja auch im Speiseraum die Finsternis, die Beklemmung vergangener Zeiten. Dieses haus war tatsächlich eine Erholungsheim für Kinder gewesen. Ähnlich war es mir in einem ehemaligen Schullandheim auf Neuwerk gegangen.
Ich wurde zweimal im Alter von 5 und 7 Jahren nach Bondorf /Schwarzwald verschickt. Ich war "zu dünn" und sollte in der guten Schwarzwald Luft vor allem zunehmen. Ich fand mich ohne jegliche Vorbereitung plötzlich am Bahnhof mit einem Schild um den Hals, allein gelassen begleitet von meinem Vater in Gesellschaft meiner Schwester und später meines Bruders; meine Schwester beherzt und tüchtig wie immer, mein Bruder verstört wie ich selbst. An die Zugfahrt und die Ankunft erinnere ich mich nicht. Wohl aber an das strenge Regiment der "Tanten". Der Alltag im Erholungsheim war hart, Befehlston, Anherrschen, Gewalt gegen Widerspenstige Kinder und ihre Gefühle. Es fiel mir schwer, die Ordnung zu erkennen, an die ich mich anzupassen hatte, ich dachte wohl, dass etwas mit mir falsch war, ein Gefühl das ich zu Hause allerdings auch hatte. Ich wußte, ich soll zunehmen, ich soll brav sein, ich soll nicht weinen, ich soll bloss nichts falsch machen. Es gab strenge Regeln beim Essen, es musste aufgegessen werden, wehe wenn nicht! Ich musste sitzen bleiben bis ich aufgegessen hatte. ich habe stundenlang vor meinem kalten Essen gesessen und meinen Ekel niedergerungen. Ich lernte, mir so viel wie möglich auf einmal in den Munds stopfen, um aufstehen zu dürfen. Heute gehe ich davon aus dass ich ohnehin Essstörungen hatte. Mein Bruder schrie und weinte sehr viel, sie fragten mich zwar wieso er so schrie, liessen mich aber nicht zu ihm, diese Hilflosigkeit, ihn nicht trösten zu dürfen, das Gefühl, es sei falsch ihn trösten zu wollen, schliesslich schreit ein Junge nicht so....Schlimm die wöchentliche Duschen mit so vielen anderen Kindern zusammen, Schuld und Scham wegen der Nacktheit, der rüde Umgang, das ruppige Schneiden der Fingernägel, möglichst kurz, damit das nicht so oft wiederholt werden musste. Es schmerzte die ganze Zeit. Furchtbar der erzwungene Mittagsschlaf mit den Kontrollgängen der Tanten, Immer Gewaltandrohung, wenn wir beim nichtschlauen "erwischt" wurden. Wir seie die schlimmste Gruppe die jemals in die Heim war, wurde uns gesagt. Zur Strafe (für was auch immer) wurden Schweigemärsche durch Bondorf veranstaltet. Wir durften zwar Briefe nach Hause schreiben, diese mussten aber den Tanten vorlegt werden. Auch hatte ich ja keine Sehnsucht nach zu Hause, sie hatten mich ja weggeschickt, ich war dort eh zu viel, meine Mutter überlastet, also sollte ich wenigsten dicker wiederkommen als ich gefahren war.
Als ich selbst Mutter wurde, war ich mit Gewaltphantasien gegenüber meinem kleinen Sohn konfrontiert, die mich sehr erschreckten und derentwillen ich therapeutische Hilfe gesucht habe. Quälend auch die Vorstellung, dass ich ihn wegschicken muss, dass es für ihn besser sein würde, wenn er nicht bei mir wäre, sich nicht so an mich binden würde. Große Probleme mit Orientierung und Vertrauen im Verlauf meines Lebens. Es ist der erste Schritt, den eigenen Schmerz anzuerkennen und zu bewältigen, es gilt ebenso, die Auswirkungen auf das Beziehungsverhalten als Erwachsene betrachten und die Verantwortung zu übernehmen für das, was wir vor unserem Erfahrungshintergrund für unsere Kinder verursachen.
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Sabine Gajski schrieb am 23.08.2019
Ich heiße Sabine.G
bin 52 Jahre alt ,und bin sehr froh endlich eine Seite gefunden zu haben. Es quält mich schon lange mit den wissen ein versickungskind zu sein ! Meine Erinnerung sind auch lückenhaft ,aber mit vier Jahren ging es das erstmal von zuhause weg ohne Kontakt mit zuhause für 3-4 Wochen wo das war weiß ich nicht mehr aber ich besitze noch Fotos davon . ich leide heute noch unter Verlust Ängste.Und so ging ein Jahrzehnt los stäntige Aufenthalte in So genannte Kurheime oft 2mal im Jahr wegen Gewichtszunahme 6Wochen ohne Mutter und Erzeuger viel musste ich erleben Essen zwang Schlafentzug .ich kann das alles gar nicht alles aufschreiben .Viellleicht finden sich ja Menschen die das Kurheim Am Meer : in Cuxhafen Duhnen kennen ,so in den Zeitraum 1974 bis 1982:
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Gertrud Adrian schrieb am 19.08.2019
Im April 1950 wurde ich eingeschult und 1951/1952 kam ich ins Sylter Kinderheim (Westerland). Schon die Hinreise war für mich ein Horror ohne Betreuung. Ich wurde irgendwo in einen Zug gesetzt und an der Endstation Westerland wieder rausgeholt. An das Heim hatte ich immer die Erinnerung, dass es ein wunderschöner Klinkerbau mit Türmchen jeweils rechts und links. Meine Erinnerung an die Heimleitung: Tante Inge und Onkel Fritz ist bis heute negativ. Ich hatte schreckliches Heimweh und war oft am weinen. Zur Strafe wurde ich deshalb oben auf dem Dachboden eingesperrt. Ob diese "Strafe" nun wegen meiner Heulerei war oder aber auch weil ich die "Milchsuppe mit Nudeln" verweigerte, kann ich nicht mehr nachvollziehen. Ich weiß auch nicht mehr ob ich Schläge bekommen habe, aber irgendwas muss mir ja Angst eingeflößt haben, dass ich dieses eingesperrt sein bis heute nicht vergessen habe und Panik bekomme in engen Räumen. Ein weiteres gruseliges Erlebnis war das Südwäldchen. Dort habe ich mich während einer Schnitzeljagd verlaufen und konnte die anderen Kinder nicht wieder finden. Zu Ostern gab es für die anderen Post und Geschenke...ich bekam nichts. Es war den Eltern eigentlich untersagt Kontakt mit den Kindern aufzunehmen...aber an dieses Verbot haben sich scheinbar nur meine Elten gehalten. Die anderen Kinder saßen auf ihren Betten, packten ihre Geschenke aus und waren glücklich...und ich heulte. Also wieder auf den Dachboden!!! Jahrelang hatte ich keine Bedürfnis gehabt die Insel Sylt je wieder zu sehen. Irgendwann beschloss ich mein Sylt-Trauma zu bewältigen und fuhr 2004 das erste Mal auf die Insel. Die Enttäuschung war groß...wo war das Kinderheim? Niemand konnte mir genaueres darüber sagen. Erst im Sylter Stadtarchiv habe ich dann Fotos von dem Heim gefunden, aber keiner konnte mir niemand sagen, wo es gestanden hatte. Ich wusste nur, dass es oberhalb der Promenade (Luftlinie hinter der Konzertmuschel) war. Erst letztes Jahr 2018 hat mir jemand in etwa Auskunft über die Lage des Hauses geben können. Dieses Jahr im März 2019 bin ich nochmals ins Stadtarchiv gegangen und zufällig einen älteren Einheimischen getroffen, der mir genaueres sagen konnte. Nun bin ich beruhigt und muss nicht mehr weiter suchen. Das Sylt Trauma ist bewältigt und ich bin seit 2004 jedes Jahr auf der Insel. Schade, dass es die wunderbaren Gebäude nicht mehr gibt...sie sind dem riesigen Hotelklotz oberhalb der Promenade zum Opfer gefallen.
Ich würde gerne wissen, ob es noch weitere Personen auf diesem Forum gibt, die auch in diesem Kinderheim waren. Bitte melden! Danke und Tschüss...
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TiBi schrieb am 18.08.2019
Ich möchte hier an die Kommentare von http://www.anjaroehl.de/verschickungsheime/
anschließen:

Hallo zusammen, ich (m, 54) hatte im Juli 1971 das zweifelhafte 'Vergnügen', im Rahmen einer 'Erholungskur' vor der Einschulung 6 Wochen im Kinderheim St. Antonius in Ratzenried/Kreis Argenbühl gewesen zu sein.
https://oldthing.de/Ratzenried-Kinderheim-St-Antonius-Kat-Argenbuehl-0023655755
https://oldthing.de/AK-Ratzenried-Kinderheim-StAntonius-mit-Teich-0015909608
Meine Erinnerungen an den Aufenthalt dort sind sehr lückenhaft und rudimentär, aber Angst und Schrecken angesichts der 'Erziehungsmethoden', die dort vorherrschten, habe ich nur sehr schlecht verkraftet. Die schrecklichen Erinnerungen wabern quasi im Untergrund vor sich hin und sind für mich nicht wirklich greifbar, aber dennoch emotional stets präsent wie eine Art Lähmung.
Ich habe die vielen Kommentare hier gelesen und kann generell sagen, daß ich mich an die sadistischen Quälereien wie Essenszwang, Ruhezwang nach dem Essen, nicht-Pinkeln-dürfen und/oder nur unter Kontrolle pinkeln dürfen (Nonne als Wachposten vor der Tür) und drakonische Strafen bei 'abweichendem' Verhalten erinnern kann, natürlich auch an die große Einsamkeit und Ohnmacht angesichts der Hilflosigkeit gegenüber all diesen Zumutungen. Trotzdem habe ich stets das Gefühl, daß da noch mehr gewesen ist, das ganz tief verschüttet irgendwo im Unterbewußtsein schlummert, vielleicht weil die Erinnerung daran zu traumatisch ist.
Ich würde an dem Punkt gerne weiterkommen und erfahren wollen, was dort wirklich geschah. Gibt es jemanden unter euch, der auch dort untergebracht war, evtl. auch länger? Ihr könnt mich gerne unter der u.g. Mailadresse kontaktieren.
Vielen Dank für eure Rückmeldung! Viele Grüsse, TiBi
KontaktMail: TiBi.1964@posteo.de

P.S. Bei eBay kann man unter 'Sammeln und Seltenes - Ansichtskarten' einige alte Bilder von den bekloppten Heimen sehen, das hilft u.U. bei der Erinnerung. Ich habe vom Kinderheim Ratzenried selbst eine alte Postkarte, die ich damals an meine Eltern nachhause schickte, die kann ich Interessierten gerne einscannen und zusenden.
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