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124 Ergebnisse für: Norderney

Jürgen - 2025-03-21
Verschickungsheim: (Norderney Marienheim) Reinhardshausen
Zeitraum-Jahr: 1970, ca. 1973
Kontakt: Keine Angaben

Die jetzt geschilderten negativen Erfahrungen beziehen sich nur auf Reinhardshausen. In Norderney war ich jünger, und habe mich so gut ich konnte eingefügt und arrangiert. Die dortige Erzieherin Frau Stabbert hatte eine Gitarre, auf der sie abends spielte, wir haben Lieder einstudiert. Das war eine gute Erfahrung. Natürlich hatte ich auch da schon Heimweh, aber es gab genügend Ablenkung. Wir hatten auch eine Zwangs-Mittagspause und alle mussten die Augen zu machen. Wenn einem das gelang, lag am Ende ein Plätzchen auf dem Pfosten. Das war fair. An Bestrafung kann ich mich nicht erinnern. Wir waren auch zusammen im Meer, haben uns alle an den Händen festgehalten, das war auch eher positiv.

Bevor ich nach Reinhardshausen kam, hatte ich bereits zwei Aufenthalte bei Verwandten hinter mir, die eher positiv waren. Dort, und auch zuhause hatte ich eine weitgehende Freiheit, konnte überall mit dem Fahrrad hinfahren. In Reinhardshausen war es eher restriktiv, wenn wir irgendwo hingingen, mussten wir uns zu zweit an den Händen halten. Als ich aus der Reihe tanzte, kassierte ich eine Ohrfeige. (War aber für mich die einzige). Nun gut, mein Vater und ganz besonders meine Mutter verprügelten mich regelmäßig mit einem Kochlöffel oder auch mit dem Teppichklopfer, so war das jetzt nichts Besonderes für mich. Das hat erst wirklich aufgehört, als ich für meinen Vater zu stark wurde, und ihn mit 15 einfach hochgehoben habe, als er mich übers Knie legen wollte. Ich hatte in Reinhardshausen unglaubliches Heimweh, ich habe am Anfang gar nicht mehr aufgehört zu heulen, ich wusste ja, dass es auch ganz anders ging. Ich war nicht gewohnt, so eingesperrt zu sein.
Bei uns bestand die Bloßstellung daraus, das nach dem Waschen die Unterhosen vor versammelter Mannschaft kontrolliert wurden, ob sich darin Spuren von einem feuchten Pupser befanden. Das war uns allen schon sehr peinlich. Die Badeausflüge habe ich als eher positiv empfunden. Es gab auch die Ausflüge in die Blaubeerfelder. Was bei mir persönlich noch dazu kam, war, daß ich meinen Eltern das Versprechen abgenommen hatte, daß sie mich wieder nach Hause holten, wenn das Heim schrecklich war, was sie dann natürlich nicht taten, heute würde man sagen: LOL. Daß jemand sein Erbrochenes essen mußte, weiß ich nicht mehr, kann sein. Ich war nicht betroffen, und könnte das auch verdrängt haben. Im Vergleich zu anderen Traumata, war das in Reinhardshausen eher mittelgradig, denn ich kann mich noch relativ gut daran erinnern, während ich andere Dinge über Jahrzehnte völlig verdrängt hatte, und, selbst, als ich konkret darauf angesprochen wurde, absolut nichts mehr davon wusste. Die Hälfte meines Traumas in Reinhardshausen war die Enttäuschung über meine Eltern, die mich offensichtlich abschieben wollten. Später, mit 15, habe ich zum ersten Mal in den Sommerferien in der Fabrik gearbeitet, und war völlig erstaunt, wie hochzufrieden meine Mutter damit war. Ich konnte dadurch ja nicht im Garten helfen, über den sie immer jammerte. Es gab offensichtlich etwas noch besseres, nämlich mich einfach los zu sein. Ich habe danach jede Sommerferien am Fließband gearbeitet.

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Wilhelm Baurichter - 2025-03-06
Verschickungsheim: Haus Warburg Norderney
Zeitraum-Jahr: 1953
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Verschickung mit der Bahn nach Norderney 1953
in den Schulferien 30. Juli (Do) bis 03. September 1953 (Do)
Im April 1953 wurde ich in Altenbeken eingeschult. Vier Monate später, direkt zu Ferienbeginn schickten mich meine Eltern wegen meines Asthma`s zur Kur nach Norderney.
Wie ich heute weiß, es war das “Haus Warburg”.
Meine Erinnerung geht zurück auf die Zugabfahrt mit vielen anderen Kindern im Bahnhof Altenbeken (Kreis Paderborn).
Ich weiß auch noch, dass wir irgendwann mit dem Schiff gefahren sind.
An die Fahrt kann ich mich nicht näher erinnern.
Meine Mutter hatte mir für die Reise Butterbrote und Äpfel mitgegeben.
Den größten und schönsten Apfel habe ich mir verwahrt.
Wie ich mich genau erinnere ist, dass nach der Ankunft im Heim die Schwestern alles Essbare von den Kindern eingesammelt haben.
Auch meinen schönen und großen Apfel.
Am anderen Morgen wurden die eingesammelten Früchte wieder verteilt, aber ich bekam leider nicht meinen Apfel, sondern nur einen kleinen, schrumpeligen Apfel zurück.
Negative Erinnerungen an den Aufenthalt habe ich nicht, außer das bei den Toilettengängen, -eine Kabine reihte sich an die andere-, schon nach kurzer Zeit von den Schwestern heftig an die Türen geklopft wurde, sich zu beeilen.
Ich erinnere mich aber auch an die schönen Wanderungen durch die Dünen zum Strand, wo wir Kinder dann im Sand buddeln und bauen durften.
Und ich erinnere mich an ein nahe gelegenes Kiefernwäldchen, durch das wir oft gingen.
Der Kiefernwald neben dem ehem. Haus Warburg existiert noch.
Das einschneidenste Erlebnis für mich war, dass nach vier Wochen
bei mir Scharlach festgestellt wurde.
Ich wurde sofort isoliert und war drei Wochen “sozusagen” in Einzelhaft.
Meine Mahlzeiten wurden mir durch eine Klappe gereicht. Aber sonstige Erinnerungen habe ich nicht.
Nach drei Wochen durfte ich den Raum verlassen und wieder nach draußen gehen, war aber durch einen Zaun zu den anderen Kindern getrennt.
Allerdings waren die Kinder, die mit mir angekommen waren, nicht mehr da.
An meine Heimreise kann ich mich leider überhaupt nicht mehr erinnern.
Auch nicht, ob ich begleitet wurde und wenn ja, von wem.
Positiv für mich ist, dass es außer den geschilderten Erinnerungen vor allem keine negativen Missstände oder Übergriffe gab.
Als Trauma ist mir geblieben, dass man mich nach der Kur nirgendwo mehr hinschicken konnte, auch z. B. nicht in Zeltlager.
Das hat sich aber gelegt, spätestens als ich allein als 16-jähriger 1963 mit der Bahn in eine DAG-Jugendhaus nach Schliersee gefahren bin.
Insgesamt ist es so. dass ich gerne mehr
Erinnerungen an meinen Kur-Aufenthalt hätte.
Aber auch im Mai 1971 (unsere Hochzeitsreise) habe ich vor Ort keine Anhaltspunkte finden können, zumal ich auch damals überhaupt keine
Idee hatte, wo das Haus hätte sein können.


"Heute weiß ich nach langen Recherchen, dass das „Haus Warburg“ von Rote-Kreuz-Schwestern geleitet wurde und zu der Zeit wohl der Landschaftsverband Westfalen-Lippe neben dem Kreis Höxter die
Träger des Hauses waren".

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Wilhelm Baurichter - 2025-03-05
Verschickungsheim: Haus Warburg Norderney
Zeitraum-Jahr: 1953
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Verschickung mit der Bahn nach Norderney 1953
in den Schulferien 30. Juli (Do) bis 03. September 1953 (Do)

Im April 1953 wurde ich in Altenbeken eingeschult. Vier Monate später, direkt zu Ferienbeginn schickten mich meine Eltern wegen meines Asthma`s zur Kur nach Norderney.
Ich weiß heute, es war das “Haus Warburg”.
Meine Erinnerung geht zurück auf die Zugabfahrt mit vielen anderen Kindern im Bahnhof Altenbeken (Kreis Paderborn).
Ich weiß auch noch, dass wir irgendwann mit dem Schiff gefahren sind.
An die Fahrt kann ich mich nicht näher erinnern.
Meine Mutter hatte mir für die Reise Butterbrote und Äpfel mitgegeben.
Den größten und schönsten Apfel habe ich mir verwahrt.
Wie ich mich genau erinnere ist, dass nach der Ankunft im Heim die Schwestern alles Essbare von den Kindern eingesammelt haben.
Auch meinen schönen und großen Apfel.
Am anderen Morgen wurden die eingesammelten Früchte wieder verteilt, aber ich bekam leider nicht meinen Apfel, sondern nur einen kleinen, schrumpeligen Apfel zurück.
Negative Erinnerungen an den Aufenthalt habe ich nicht, außer das bei den Toilettengängen, -eine Kabine reihte sich an die andere-, schon nach kurzer Zeit von den Schwestern heftig an die Türen geklopft wurde, sich zu beeilen.
Ich erinnere mich aber auch an die schönen Wanderungen durch die Dünen zum Strand, wo wir Kinder dann im Sand buddeln und bauen durften.
Und ich erinnere mich an ein nahe gelegenes Kiefernwäldchen, durch das wir oft gingen.
Der Kiefernwald neben dem ehem.Haus Warburg existiert noch.
Das einschneidenste Erlebnis für mich war, dass nach vier Wochen
bei mir Scharlach festgestellt wurde.
Ich wurde sofort isoliert und war drei Wochen “sozusagen” in Einzelhaft.
Meine Mahlzeiten wurden mir durch eine Klappe gereicht. Aber sonstige Erinnerungen habe ich nicht.
Nach drei Wochen durfte ich den Raum verlassen und wieder nach draußen gehen, war aber durch einen Zaun zu den anderen Kindern getrennt.
Allerdings waren die Kinder, die mit mir angekommen waren, nicht mehr da.
An meine Heimreise kann ich mich leider überhaupt nicht mehr erinnern.
Auch nicht, ob ich begleitet wurde und wenn ja, von wem.
Positiv für mich ist, das es außer den geschilderten Erinnerungen vor allem keine negativen Missstände oder Übergriffe gab.
Als Trauma ist mir geblieben, das man mich nach der Kur nirgendwo mehr hinschicken konnte, auch z. B. nicht in Zeltlager.
Das hat sich aber gelegt, spätestens als ich allein als 16-jähriger 1963 mit der Bahn in eine DAG-Jugendhaus nach Schliersee gefahren bin.
Insgesamt ist es so. dass ich gerne mehr
Erinnerungen an meinen Kur-Aufenthalt hätte.
Aber auch im Mai 1971 (unsere Hochzeitsreise nach Norderney) habe ich vor Ort keine Anhaltspunkte finden können, zumal ich auch damals überhaupt keine Idee hatte, wo das Haus hätte sein können.

"Heute weiß ich nach langen Recherchen, dass das „Haus Warburg“ von Rote-Kreuz-Schwestern geleitet wurde und zu der Zeit wohl der Landschaftsverband Westfalen-Lippe neben dem Kreis Höxter die
Träger des Hauses waren".

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Wilhelm Baurichter - 2025-03-02
Verschickungsheim: Haus Warburg Norderney
Zeitraum-Jahr: 1953
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Verschickung mit der Bahn nach Norderney 1953
in den Schulferien 30. Juli (Do) bis 03. September 1953 (Do)
Ich wurde direkt zu Ferienbeginn wegen meines Astma`s zur Kur nach Norderney geschickt.
Wie ich heute weiß, ins Haus Warburg.
Meine Erinnerung geht zurück auf die Zugabfahrt mit vielen anderen Kindern im Bahnhof Altenbeken (Kreis Paderborn).
Ich weiss auch noch, da? Wir irgendwann mit dem Schiff gefahren sind.
An die Fahrt kann ich mich nicht näher erinnern. Meine Mutter hatte mit wohl Butterbrote und Äpfel mitgegeben. Den größten und schönsten Apfel habe ich mir verwahrt.
Wo ich mich genau dran erinnere ist, dass nach der Ankunft im Heim die Schwestern alles Essbare von den Kindern eingesammelt haben. Auch meinen schönen und großen Apfel.
Am anderen Morgen wurden die eingesammelten Früchte wieder verteilt, aber ich bekam leider nicht meinen Apfel, sondern nur einen kleinen, schrumpeligen Apfel zurück.
Negative Erinnerungen an den Aufenthalt hatte ich nicht, außer das bei den Toilettengängen, -eine Kabine reihte sich an die andere-, schon nach kurzer Zeit von den Schwestern heftig an die Türen geklopft wurde, sich zu beeilen.
Ich erinnere mich aber auch an die schönen Wanderungen durch die Dünen zum Strand, wo wir Kinder dann im Sand buddeln und bauen durften.
Und ich erinnere mich an ein nahegelegene Kiefernwäldchen, durch das wir oft gingen.
Der Kiefernwald neben dem ehem.Haus Warburg existiert noch.
Das einschneidenste Erlebnis für mich war, daas nach vier Wochen bei mir Scharlach festgestellt wurde.
Ich wurde sofort isloliert und war drei Wochen sozusagen in Einzelhaft.
Meine Mahlzeiten wurden mir durch eine Klappe gereicht. Aber sonstige Erinnerungen habe ich nicht.
Nach drei Wochen durfte ich den Raum verlassen und nach draußen, war aber getrennt durch einen Zaun zu den anderen Kindern.
Allerdings waren die Kinder, die mit mir angekommen waren, nicht mehr da.
An meine Heimreise kann ich mich leider überhaut nicht mehr  erinnern.
Ob ich begleitet wurde und wenn ja, von wem.
Positiv für mich ist, das es außer den geschilderten Erinnerungen vor allem keine negativen Missstände oder Übergriffe gab.
Als Trauma ist mir geblieben, das man mich nach der Kur nirgendwo mehr hinschicken konnte, auch z. B. nicht in Zeltlager.
Das hat sich aber gelegt, spätestens als ich alleine als 16-jähriger 1963 mit der Bahn in eine DAG-Jugendhaus nach Schliersee gefahren bin.
Insgesamt ist es so. dass ich gerne mehr Erinnerungen
an meinen Aufenthalt hätte.
Aber auch im Mai 1971 (unsere Hochzeitsreise) habe ich vor Ort keine Anhaltspunkte finden können, zumal ich auch damals überhaupt keine Idee hatte, wo das Haus hätte sein können.


"Heute weiß ich nach langen Recherchen, dass das Haus Warburg von Rote Kreuz-Schwestern geleitet wurde und zu der Zeit wohl der Landschaftverband Westfalen-Lippe neben dem Kreis Höxter Träger des Hauses waren".


So sieht das Haus heute aus:


Haus Klipper (Jann-Berghaus-Straße 40

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Angelika Schuh - 2024-11-24
Verschickungsheim: Haus Marion, Haffkrug (Scharbeutz)
Zeitraum-Jahr: 1975
Kontakt:

Angelika Schuh, ehemals Scheiber:
Vom 21.02. - 4.4.1975 wurde ich über die Barmer Ersatzkasse von Wiesbaden aus zur sogenannten "Kinderkur" nach Haffkrug in das Haus Marion (Privatkinderkurheim der Familie Ellenberger) geschickt.
Grund: ständig wiederauftretende Bronchitis und angeblich zu dünn
die Idee zur Kur wurde angestoßen von einem Freund meines Vaters, K.H.Grund, damals in der Barmer Ersatzkasse tätig, die Kinderärztin Frau Dr. Sommer stellte dann wohl den Antrag.
Die Abreiseuntersuchung fand genau an meinem achten Geburtstag statt, nur 3 Tage später ging es los. Bis dahin war ich ein glückliches und aufgewecktes Kind mit einer liebevollen Verbindung zur Familie und habe gerne draußen spielt. Zurück kam ich still, in mich gekehrt und verändert. Es gibt einiges, an das ich mich erinnere, aber auch noch viele Erinnerungslücken.
Trotz attestiertem angeblich "guten Kurerfolg" ist die Bronchitis bis ins junge Erwachsenenalter geblieben , zugenommen habe ich 300g, einhoher Preis, wie ich finde für das Getrenntsein von der Familie und die Verschickungsfolgen...
Ich erinnere mich an das Packen, die obligatorischen Namensschilder in allen Kleidern und dass der Koffer schon am Vortag am Hauptbahnhof aufgegeben wurde. Für die Abfahrt gab es dann noch einen Rucksack, gefüllt mit etwas zu Essen, einer Feldflasche, gefüllt mit Tee, einer Dose Limonade und Zahnbürste, Schalfanzug und Handtuch für den ersten Abend.
Bis zu dem Moment, als meine Eltern mich in den Zug setzten, habe ich nicht geglaubt, dass sie das wirklich tun. 11 Stunden dauerte die Reise damals, ich kann mich an kein anderes Kind, keine Betreuungsperson erinnern, nur an das Gefühl von unendlichem Alleinsein. Und irgendwie bestraft...wofür eigentlich.
Ab jetzt gibt es nur Erinnerungsfetzen:
- an die unendliche Fahrt, später durch die Dunkelheit...ich war noch alleine nie von zuhause weg, erst recht nicht im Dunkeln, das Heimweh war das schlimmste
- Habe noch nie zuvor eine Getränkedose benutzt und wußte nicht, dass sie ausläuft, wenn man sie geöffnet in den Rucksack stellt: Mein Schlafsanzug war pitschnass, als wir ankamen und ich mich bettfertigmachen sollte...ich habe mich niemandem anvertraut, kann mich auch an niemanden vertrauenswürdigen erinnern, der da war für mich...die eiskalte Nacht im nassen Schlafsack voller Angst vor den nächsten Wochen erinnere ich als eine der schlimmsten meines Lebens. Heute weiß ich: ab da habe ich mich verschlossen, um diese Zeit und das getrenntsein von der Familie Vater (Mutter und 2 Schwestern, mit denen ich sehr eng verbunden war) durchzustehen. Bis heute ist oft die erste Nacht an einem fremden Ort die schlimmste, selbst wenn z.B. der Anlass (Urlaub) ein selbstgewählter und schöner ist.
- Das Essen: Ich sollte ja zunehmen, also war "essen, was auf den Tisch kommt", Pflicht. Das Essen war ungewohnt, es gab viel Innereien (Leber, Nieren), vor den Gerüchen von Leber, von Karokaffee und auch Kaffee(duft damals aus der Küche) und aus Pulver angerührtem Kartoffelbrei oder nicht durchgegahrten kartoffeln im Kartoffelsalat ekle ich mich bis heute. Ich habe oft als letzte noch lange im Speisesal gesessen. Zum Glück durfte ich dann irgendwann aufstehen und wurde nicht gezwungen, auch den letzten Rest runterzuwürgen.
Karokaffee habe ich, wann immer heimlich möglich, in größtmöglichen Mengen im Mund zum Klo transportiert und hineingespuckt. Die Innereien, die ich auch essen musste, als ich krank war, habe ich einmal hinter den Schrank im Zimmer geworfen, zum Glück hats keiner gemerkt. Meinen Platz im Speisesal weiß ich heute noch, habe ihn auf einem Foto von Haus Marion wiederentdeckt...neben zwei Kindern eingequetscht an einer Wand, so dass man nicht einfach rauskonnte. Solche Situationen oder unerwartet lange Wartesituationen hasse ich bis heute, bekomme dann Panik....was ich jetzt endlich einordnen kann.
- ich kann mich nicht direkt an Strafen erinnern, aber daran, dass wir immer sehr leise sein mussten, v.a. beim Mittagsschlaf und nachts. Haben wir überhaupt jemals gesprochen?
- Morgens ging es auf lange Spaziergänge an den Strand (das war für mich, als ehemaliges Wanderkindergartenkind ein Glück und vielleich tein Rettungsanker und darum nicht so schlimm, wie für andere...das hies aber auch lange Einhalten ohne Toilette, hat nicht immer geklappt....das war mir sehr peinlich, denn ich musste dann jemand erwachsenen bitten, mir frische Kleidung zu geben, da mein Schrankfach im großen Flurschrank so weit oben wa, dass ich nicht alleine drann kam.
Bis heute bin ich sehr froh, wenn immer eine Toilette in der Nähe ist...
- Nachmittags malen oder Spielen) (etwas zusammenstecken o.ä. am Tisch, große und kleine, Jungen und Mädchen in getrennten Gruppen, manchmal draußen auf dem Klettergerüst im Garten. Haben wir uns da unterhalten? Ich erinnere mich an Stille.
- Ja genau, das allabendliche Singen aus der Mundorgel, für mich (im Gegensatz zu anderen) zum Glück auch ein Lichtblick vom Heimweh, da in Kindergarten und Schule viel gesungen wurde und auch meine Familie immer schon viel gesungen hat und ich dass schon immer geliebt habe
- Ich musste meine neue Brotdose...Geschenk meines Vaters für diese Fahrt... bei der Ankunft abgeben, zum spülen, habe sie nie wieder gesehen, das hat mir damals sehr weh getan
- Wellenbadbesuche, ich glaube 2x, war für mich als Nichtschwimmerin schon beängstigend, aber auch spannend
-einmal in der Woche, sehr unangenehm, mit Angst verbunden: Gang zur ärztlichen Untersuchung, ich glaube, die fand im Henry - Everling-Haus statt, damals ein großes Kinderkurheim in der Nähe, dort war auch ein kleines Süßigkeitenkiosk, wenn ich mich richtig erinnere
- ärztliche Untersuchungen, gruselig, ausgeliefert: halbnackt in Unterhose in Reihe warten, bis man dran kam, abgehört und gewogen wurde, erinnere nur unangenehme Gefühle, sonst weiß ich nichts mehr davon,
- keine Erinnerung an Gesichter, nur an gesichtslose große und kleine Personen
- meine Eltern und Geschwister feiern Ostern ohne mich...trotz liebem Päckchen erlebe ich das als Bestrafung..wofür eigentlich?
- Heimreise 4. März, ich kann mich an nichts erinnern, nicht ans Abfahren und die 11-Stündige Bahnreise, und nicht ans heimkommen oder die Begrüßung von den Eltern, irgendwie muss ich wieder zuhause gelandet sein, danach ist alles dunkel in meiner Erinnerung. Als hätten alle, da weiter gemacht, wo sie vor der Kur aufgehört hatten und als sei nichts geschehen...nur ich habe nicht mehr hineingepasst. Für mich fühlt sich diese Erinnerung an, wie ein dunkles schwarzes Loch. Erst ungefähr ein Jahr später ( Familienfest zur Erstkommunion) setzten die ersten Erinnerungen wieder ein.
- ab da bin ich ein schüchternes sehr ängstliches Kind, versuche möglichst nicht aufzufallen, heute würde ich sagen, ich hatte gelernt, mich tozustellen
Das Vertrauen in die Eltern ist - so weiß ich es heute - zutiefst erschüttert worden und die Angst blieb bis zu meinem Auszug aus dem Elternhaus, dass ich jederzeit wieder weggeschickt werden könnte...
- im folgenden Jahr 1976 wurde meine jüngere Schwester im Sommer nach St. Peter Ording verschickt, das habe ich dann noch weniger verstanden, das Gefühl ist bis heute, dass kann man doch nicht machen, die müssen doch wissen, dass das nicht gut ist....
-Über die Erlebnisse und vor allem die Folgen des Getrenntseins von der Familie in der Kur wurde bei uns nie wirklich offen gesprochen, denn schließlich war das ja nur zu Eurem Besten gedacht und wenn die Ärztin das sagt, dann muss das ja helfen, konnte ja keiner ahnen, " dass Du als verkorkstes Kind zurückkommst" Immerhin, vor ein paar Jahren habe ich meine noch vorhandenen Kurunterlagen von der Mutter bekommen, eine kleine Hilfe bei der Aufarbeitung
- Mit 14 sollte ich wieder zur Kur...ich war sofort wieder panisch, doch zum Glück sollte es "nur" eine ambulante Kur auf Norderney sein, während der Rest der Familie Urlaub macht. Ich habe mich falsch gefühlt und bestraft dafür, dass ich immer krank bin. Erinnere mich nur an einen unheimlichen Kurarzt, dunkle Räume zum Meerwasserinhalieren und irgendwelche Wannenbäder...ich war so voller Angst, dass ich nach der ersten Woche krank geworden bin, dann hatte ich zum Glück meine Ruhe.


Erste wirkliche Aufarbeitungen beginnen 1987/88mit dem eigenen Ausbildungsweg in die Pädagogik und später Heilpädagogik und Naturheilkunde, bis dahin dachte ich immer, ich war damals halt zu empfindlich, zu schwach, zu schüchtern und es war mein Fehler, dass es mir in Haffkrug nicht gut ging. Mindestens ein Einzelfall. Als Mit -Erzieherinnen in Ausbildung 1988 (!) berichten, sie machten ein Praktikum im Kinder -Kurheim, keine Mutter-Kind-Kur, bin ich innerlich zu Tode erschrocken, dass es sowas noch gibt....das hat etwas in mir wachgerüttelt, dass hier damals irgendwas nicht gestimmt hat, aber (damals meine Vermutung)scheinbar nur ich das wohl so erlebt habe.
1997 nach einem Skandinavienurlaub dann die erste geplante Stippvisite in Haffkrug, ich stehe vor dem Haus Marion, aber es ist ein Ferienhaus geworden, so dass ich zunächst nicht begreife, dass ich hier richtig bin....aber die Angst und der Ausnahmezustand ist zu spüren, als ich mich weiter in diesem Ort bewege, auch als Erwachsene. Zum Glück bin ich nicht alleine dort und habe liebevolle Begleitung. So richtig fassungslos bin ich dann , als ich Mutter werde und meine Tochter 2010 acht Jahre alt wird und mir nocheinmal bewußt wird, was das getrenntsein von der Familie über viele Wochen mit einem Kind dieses Alters anrichten kann. Irgendwann 2013 bekomme ich im Internet mit, dass das Haus Marion abgerissen wurde, die damals zu findenden Abrissbilder der Trümmer tun mir gut. Endlich gibt es diesen Ort nicht mehr.
2019 dann nach in den Wechseljahren verstärktem Aufbrechen diffuser Ängste, was das Reisen, Essen gehen, Aufenthalt in großen Menschenmassen und anstehende Arztbesuche/Wartezimersituationen anbelangt, endlich die Erleichterung und das entsprechende einsortieren:
Ich bin nicht schräg, unfähig oder zu schwach, zu empfindlich etc..., die Umstände waren schräg, wie mir geht es Millionen anderen, viele Reaktionen auf das Erlebte sind völlig gesund / normal und haben bei vielen bis heute Folgen! Ich bin Anja Röhl und allen Mitarbeitenden und Mit - Forschenden sehr dankbar!

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Thorsten Gerlach geb.Kinder - 2024-10-24
Verschickungsheim: Upstalsboom Norderney
Zeitraum-Jahr: Sommerferien 1978
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Hallo
Mein Name ist Thorsten Gerlach und ich schreibe hier zum ersten Male über die Erlebnisse in den "Erholungsheim Upstalsboom" in Norderney an die ich mich noch erinnere.
Ich war damals kurz vor meinem 8. Geburtstag und mein Bruder noch 4 Jahre als wir am von Uelzen unter der Aufsicht von zwei älteren Damen des Gesundheitsamtes in Uelzen in Empfang genommen und nach Norderney "verschickt" wurden.
Ein solches Verfahren wäre heute nicht mehr denkbar aber für die Kinder die aus der Nachkriegszeit kamen und selbst an körperlichen und geistlichen Misshandlungen erlebten war so etwas wohl völlig normal und vielleicht handelten sie aus dem Verlangen ihren Kindern etwas Gutes zu tun .
Wer weiß, wer weiß .
Nach einer Fahrt von mehreren Stunden mit der Bahn, damals D-Zug, und und einem Transfer auf einer Fähre, was natürlich für mich und meinem Bruder ein tolles Erlebnis war, kamen wir beide an einem Sammelpunkt zusammen wo alle Kinder auf die einzelnen Heime aufgeteilt wurden.
Am ersten Abend wurden wir eingeteilt in verschiedene Altersgruppen;
Kleine Jungs ( In diese Gruppe waren die Kleinsten Untergebracht)
Mittlere Jungs (Hier war ich untergekommen)
2.Jungs und große Jungs
So saßen wir nun in dieser Konstellation die 6 Wochen an unseren Tischen.
Meinen Bruder sah ich nur zu den Essenszeiten im großen Speisesaal aber ansonsten hatte ich keinen Kontakt zu ihm.
Die erste Nacht
An die erste Nacht an die ich mich noch mit der viel Schrecken erinnere und machten mir einen kleinen Vorgeschmack auf die restliche Zeit.
Das alle Kinder und für einige Kindern besonders nach einer sehr langen Reise aufgedreht waren, war doch eigentlich mehr als nur normal.
Aber wir machten alle sehr Schnell eine einschüchternde Erfahrung mit einer sehr brutalen weiblichen Aufsicht und Betreuerin, die jeden in den Haaren zog, in den Nacken kniff oder an den Ohren zog bis sie rot wurden.
Ich weiß noch, dass ich die halbe Nacht stehend in einem kleinen Schrank verbringen musste nur weil ich den Jungen im Nebenbett gefragt habe von wo er denn her was mir das o.g. "Privileg" im Schrank bescherte.
Diese Betreuerin war an Brutalität nicht zu übertreffen.
Außerdem kann ich mich noch sehr gut an ihre keifende Stimme und an das fiese Lachen erinnern wenn sie jemanden stundenlang in den Schrank oder in eine Ecke stellte.
Ich glaube, sie hatte sehr viel Spaß an ihrer Arbeit und hoffe inständig, dass
Sie selber keine Kinder hatte , den sie ihre "Werte" weitergeben konnte.
Zwar musste ich während der Nachtruhe nach dieser Nacht nie mehr in den Schrank aber gekniffen oder an den Ohren gezogen das kam schon des Öfteren vor.
Die Morgenwäsche
Vor einem langen Waschbecken wurden die Zähne geputzt und sich mit einem Waschlappen reinigte und das Nackt mit ca. 20 anderen Jungs in einer Reihe.
nach der morgendlichen Körperwäsche wurden dann auch die Unterwäsche für die Reinigung eingesammelt.
Auf die Unterwäsche komme ich aber später noch einmal zurück.
Das Frühstück
Da ich zu dieser Zeit ein kleines pummliges Kind war, musste ich in Regelmäßigen abständigen von einigen Tagen ein Glas mit Salzwasser trinken.
Diejenigen , die das auch trinken mussten wissen bestimmt noch wie "lecker" das war und wenn man es nicht zum Anfang auf Ex getrunken hatte musste solange sitzen bleiben bis das Glas alle war.
Hin und wieder klappte das auch aber meistens musste ich mich davon übergeben und dann gab es den ganzen Tag nur schwarzen Tee und Zwieback was nicht unbedingt satt machte.
Nach dem Frühstück ging man in der Gruppe bei gutem Wetter durch die Stadt oder an dem Strand wo man im Sand spielen durfte und der Besuch alle zwei Wochen im Wellenbad in der Zeit war für mich persönlich das Highlight schlechthin.
Aber ich möchte dazu sagen, dass solche sehr wenigen positiven Ereignisse mich nicht zu einer Aussage wie zum Beispiel:" Es war ja nicht alles so schlecht" hinreißen lasse.
Denn die wenigen gute Erinnerungen machen die vielen schlechten Dinge nicht besser oder ungeschehen.
Das Mittagessen
Man saß also am Tisch und wartete auf das Essen, was aber seinem Namen nicht gerecht wurde.
Es gab viel "Suppe" verkochten Fisch und faden Kartoffelpüree, die Kartoffeln waren tröge und die Nudeln klebrig und pappig.
Das Fleisch war so ungenießbar und unfassbar schlecht, das ich heute noch sehr ungern Fleisch als Beilage esse.
Beim Essen durfte Selb verständlich nicht gesprochen werden und wer es doch wagte, der wurde unter einer demütigenden Ansprache vor die Tür geschickt und bekam natürlich kein Mittagessen.
Der "Mittagsschlaf"
Nach dem Essen wurde Mittagsruhe gehalten.
Ob es nun 1,5 Stunden oder 2 Stunden oder länger waren weiß ich nicht mehr so genau aber da ich, wie die meisten Kinder zu Hause eine solche Ruhepause nicht kannten war es natürlich sehr ungewohnt sich hinzulegen und zu schlafen.
Aber meistens waren wir sehr Ruhig ,da die "nette" Betreuerin, heute würde ich sagen Aufseherin, mit der Brille auf ihre nicht unbedingt einfühlsamen Art und Weise für Ruhe sorgte,
War man selbst ruhig und im Zimmer wurde niemand sanktioniert ,dann durfte man die letzte halbe Stunde sich leise unterhalten.
Nach dem Mittagsschlaf ging man in das Gruppenzimmer wo man Spielen durfte und wo man mindestens einmal in der Woche Postkarten oder Briefe nach Hause schicken durfte oder besser geschrieben musste.
Als erstes wurde auf ein Blatt Papier vorgeschrieben und anschließend von den "Betreuern" korrigiert zurück gegeben.
Natürlich wurden die Passagen wo man im Schrank stand oder anderseits Misshandelt wurde weggestrichen mit der Begründung unsere Eltern wären traurig oder böse auf uns, da wir uns so "schlecht" benehmen würden und welches Kind in diesem Alter möchte es das ihre Eltern traurig oder böse sind.
Vor dem Abendbrot kam meistens die Heimleitung, eine ältere Frau vom Typ nette Omi, mit ihrer Gitarre und wir mussten Volkslieder bzw, und wie passend Seemannslieder singen nur wer nicht mitsingen wollte oder Faxen machte, musste vor die Tür und meistens auf Geheiß der Heimleitung, sie wissen noch...netter Omityp , gab es kein Abendessen und es war das Warten vor dem verschlossenen Essenssaal angesagt.
Vor dem Schlafen gehen
Bevor es ins Bett ging saß unser Zimmer mit einer Betreuerin zusammen und es wurden Geschichten erzählt, doch danach gab es eine Art Inquisition die berüchtigt und gefürchtet war unter uns.
Dort wurden wir gemaßregelt für die Fehler des Tages und lächerlich gemacht und gedemütigt für Unterhosen wo zum Beispiel eine kleine Bremsspur war was in diesem Alter doch einmal vorkommen kann.
Die Wäscherei wurde darauf angewiesen solche Unterwäsche nicht zu waschen und da in ALLEN Wäschestücken ein Namensschild war, war es auch kein Problem den "Übeltäter" dingfest zu machen.
Jetzt wurde die Hose mit spitzen Fingern hoch gehalten und es wurde jeden im Zimmer gezeigt wem diese Hose gehörte mit den Worten:" Diese vollgeschissene Hose gehört dem Dreckschwein, Schwein, der alten Sau oder wenn man sehr viel Glück hat gab es nur die Bezeichnung Schmutzfink" dann wurde der 7 oder 8 jährige vor dem kompletten Zimmer herunter gemacht , was wohl zu der Zeit eine therapeutische Maßnahme war um es nicht mehr zu machen.
Das waren die "Flashlights" an die mich erinnere zum Schluss möchte ich sagen, dass ich meinen Kindern ein solchen langen Zeitraum ohne Eltern und in diesem Alter NIEMALS angetan habe oder antun könnte.

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Stephan - 2024-09-09
Verschickungsheim: Seehospiz auf Norderney
Zeitraum-Jahr: 1968
Kontakt: Keine Angaben

1968 Seehospiz auf Norderney, ich war als Fünfjähriger dort zur Kur. Abhärtung erfolgte am Strand: ins Wasser gehen, Kopf untertauchen, danach stundenlange Fussmärsche im nasskalten Wind. Bekam eine Ohrenentzündung, nur hatten mir meine Eltern keine Mütze mitgegeben, es war ja Sommer. Für das Gejammer wegen dem Ohrenweh wurde ich noch bestraft. Kann heute noch Wind nicht ausstehen.

Hier ein guter Artikel auf Zeit Online:
https://www.zeit.de/zeit-wissen/2024/05/verschickungskinder-erholungsheime-kur-erinnerungen/komplettansicht

Erschreckend darin für mich:
"In zwei Studien untersucht Ilona Yim die Folgen von Verschickung: Verschickungskinder werden im Durchschnitt dreimal so häufig geschieden wie Kinder, die nicht verschickt wurden...

"Sie haben Schwierigkeiten, enge Partnerbeziehungen erfolgreich zu gestalten"..

"Die Studien zeigen, dass Menschen mit Verschickungserfahrung weniger gut mit Stress umgehen können",

"Sie empfinden weniger Nähe zu ihren Eltern als die Probanden der Vergleichsgruppe ohne Verschickungserfahrung."

... "Haben 10 bis 15 Prozent der Deutschen depressive Symptome, hat sie unter den Verschickungskindern jedes zweite."
- Stimmt alles, kann ich bestätigen.

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Gabriela Schwartbeck - 2024-07-14
Verschickungsheim: Wildeshausen, Norderney, Glücksburg und Westerland
Zeitraum-Jahr: 1959
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Hallo, bei mir würden durch einen Zeitungsartikel in der Münsterschen Zeitung wieder alle Erinnerungen wach gerufen. Ich bin mittlerweile 70 Jahre und Rentnerin.
Mit 5 Jahren wurde ich nach einer Masern Erkrankung zur Kur geschickt. Begründung: Zur Zunahme an Gewicht und da wirst du lernen Gemüse zu essen. In Lünen am Bahnhof war für uns die Sammelstelle. Dort nahm und die Begleitung in Empfang. Die Kur wurde von der Knappschaft bezahlt. Mit dem Zug ging es dann nach Wildeshausen. In Erinnerung blieb die schwarze Dampflok, die für mich riesengroß wirkte. Das sehr kleine Kurheim lag im ländlichen Bereich, umgeben von viel Wald. Sofort nach unserer Anfahrt ging es ins Badezimmer, 15 Kinder Jungen und Mädchen gemischt. Dort gab es eine Badewanne, in der wir im Schnelldurchgang gebadet wurden. Direkt mit Schlafanzug bekleidet ging es ins Bett. Dort bekamen wir unser Brot in die Hand gedrückt, etwas zu trinken und dann hieß es schlafen, mit der Warnung , wir wären alle zur Toilette gewesen. Geleitet wurde das Haus von zwei älteren Damen, eine die dickere Fame war für die Küche zuständig, und die andere , ich glaube sie hatte eine Kopfbedeckung ,wie eine Diakonissen auf. Sie war zumindestens recht Angst einflößend. Um das ganze zu verstärken schlug sie bevor sie ging mit einem Rohrstock auf jedes Bett. Ich selbst war voller Angst. Somit war am anderen Morgen mein Bett nass. Hier fehlt jede Erinnerung, wie sie damit umgegangen sind. Ich weiss nur noch, dass ich als Strafe abends nichts mehr zu trinken bekam. Zum Frühstück bekamen wir alle ein Lätzchen,welches wir nach Gebrauch an unserem Haken hängen mussten. Es gab morgens Haferflocken mit heißer Milch. Damit bin ich klar gekommen, mein Glück. Der Albtraum war das Mittagessen. Es war Pflicht, schliesslich sollten wir ja zunehmen,einen zweiten Nachschlag zu essen. Vor dem Essen war ein gemeinsamer Toilettengang, man hatte müssen zu müssen und das auch unter Aufsicht. Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich mal allein zur Toilette gegangen bin, immer nur in Zweierreihe. Bevor ich zum Essen meinen Platz einnahm, bestückt mit Lätzchen, stieg die Angst schon hoch, was ist in der Schüssel, war es etwas,was ich möchte, falls nicht, stieg die Panik schon wieder hoch. Warum, man müsste die Schüssel leer machen und dann noch ein zweites Mal. Pech für mich, es war gnadenlos. Hatte man dann erbrochen, musste man auch das weiter essen. Wenn auch das nicht geschah, war vor der Küche eine lange Anrichte. Dort wurde man hingeschleppt, draufgelegt, Hose runter und man erntete eine Tracht Prügel. Zum Abendbrot gab es fertige Brote. Ich mochte überhaupt keinen Käse, egal in welcher Form. Und stets war das Brot mit dick Schmierkaese, den ich heute nicht nicht essen kann, da steigt sofort der Ekel Faktor auf. Es musste gegessen werden. Auch am Abend wurde genauso widerfahren. Nach dem Abendessen würden wir jeweils zu zweit unter die Höhensonne gelegt, mit dick Nivea Creme und einer Schutzbrille. Auch hier dürfte nicht gesprochen werden. Danach wieder gemeinsamer Toilettengang und dann ins Bett. Von Glück kann ich sprechen, mein Körper reagierte, ich würde krank, mit hohem Fieber. Müssen wohl mehrere Tage gewesen sein. In dieser Zeit kein Essenszwang.
Während dieser Zeit ist meine kleine Schwester verstorben. Niemand redete mit mir, ich musste wieder in dem Gitterbett schlafen, indem sonst meine Schwester geschlafen hatte. Ich war so eingeschüchtert, habe nicht danach gefragt.
Mein Essverhalten war gestört, konnte nicht gut essen, auch des öfteren erbrochen. Somit würde wieder eine Kur von der Knappschaft bewilligt. Und ohne Schreck, wieder in das gleiche Kurheim mit den schrecklichen Tanten, nur dass ich jetzt zwei Jahre älter war. Es lief wieder alles so ab , wie bei der ersten Kur. Nur für abends mit dem Belag der Brote, bekam ich oft die Gelegenheit, diesen in meiner Bollerbuxe verschwinden zu lassen. Mein Bett stand nämlich dieses Mal direkt unter dem Fenster. Und darunter befand sich das Flachdach der Liegehalle, auf dem ich den Belag fallen ließ. Eine Begebenheit während der Mittagsruhe, über meinem Bett war eine Spinne. Ich bin aufgestanden und habe die mit meinem Hausschuh platt gemacht. Es dauerte nicht lange und die dicke Tante aus der Küche kam, zig mir die Hose runter und verprügelte mich. Ich habe geschrien. Nach der Mittagsruhe gab es immer Tee und Kuchen oder Kekse. Die Kids wurden aufgefordert über mich zu lachen und ich bekam keine Plätzchen zur Strafe. Auch während dieser Zeit war mir das Glück hold und ich würde krank. Wieder mit hohem Fieber, das Zahnfleisch war geschwollen und recht schmerzhaft. Kauen war nicht möglich. Danach bekam ich zum Essen meinen Platz vor der Küche,dort hat man mich gnädig behandelt ohne zwang, statt Brote mehr Pudding usw.
Das Ende der Zeit: und wieder nicht zugenommen.
Ich blieb ein schlechter Esser, somit nahm ich auch nicht an Gewicht zu.
Das ergab wieder , dass ich nach zwei Jahren zur Kur musste. Doch dieses Mal ging es auf die Insel Norderney Haus Heckenrose in der Mühlenstraße 22. Die Überfahrt von Norddeich dorthin war natürlich aufregend. Zwei aus meiner Schulklasse waren auch dabei. Dich Jungen und Mädchen wurden getrennt. Dort angekommen würden wir nach Alter eingeteilt. Dann wurde von unserer Betreuerin die Betten an uns verteilt. Leider hatte ich Pech. Ich blieb über und stand dann da ,wie ein begossener Pudel. Musste dann zum Schlafen in eine andere Gruppe, fühlte mich dadurch nirgendwo zugehörig. Ich ließ es über mich ergehen. Ich war traurig, in meiner Gruppe wurde vor dem Schlafen noch vorgelesen und durfte nicht dabei sein. Dort wo ich schlafen mußte passierte nichts.
Auch in diesem Kurheim durfte man nachts und in der Mittagsruhe nicht auf die Toilette. Nur , wenn die Nette Wache hatte, war es möglich. Die Not macht erfinderisch. Jeder hatte sein Handtuch zu über dem Bett hängen. In der Dunkelheit habe ich mir das zusammen geknuddelt und da hinein uriniert. Es wurde aber nur einmal in der Woche die gesamte Wäsche gewechselt. Bald schon beschwerten sich die Kinder aus diesem Schlafraum. Ich würde ins Bett machen. Mein Bett wurde kontrolliert, doch da waren keine Spuren. Das Handtuch hat niemand beachtet. Eine Begebenheit hat mir dann das Leben in diesem Schlafraum erschwert. Ein Mädchen bekam ein Päckchen mit Süßigkeiten von ihren Eltern. An alle hat sie verteilt. Ich musste zuschauen, gehörte ja nicht zu dieser Gruppe. Im Speisesaal durfte während des Essens nicht geredet werden. Es wurde in dieser Zeit vorgelesen. Ich würde beim Reden erwischt und musste dann zur Strafe in den Schlafraum. Die Versuchung dort war recht gross,mal in das Päckchen mit den Süßigkeiten zu schauen und habe mir zwei KitKat herausgenommen. Die betroffene Person hat es gemerkt. Alle aus diesem Schlafraum haben es mich spüren lassen, das war keine einfache Zeit.Ein kleiner Ausgleich war dann immer die Zeiten am Strand, die habe ich genossen, da war ich unbeschwert. Noch heute ist die Nordsee meins. Trotz allem hatte ich in den sechs Wochen gut zugenommen.
Glücksburg St. Ansgar ein größeres Kurheim mit ca.180- 200 Kindern. Jede Gruppe hatte einen Tiernamen. Hier wurde viel gebetet. Vor dem Frühstück Morgengebet und zu allen anderen Mahlzeiten vor und nach dem Essen und vor dem Schlafen gehenJeden Sonntag mussten wir in die Kirche. Morgens ,mittags und abends wurden wir bewacht, auch von Personen, die keine Betreuer waren. Sie waren auch schon teilweise älter. Abends wurde von der Wache vorgelesen. In der Mittagsruhe durfte nicht geredet werden. Zur Toilette gehen würde erst immer unterbunden, aber letztendlich könnte man doch gehen. Schlimm war das duschen. Diese befand sich unten im Keller, ein großer Becken mit vielen Duschköpfen. Wir hatten alle einen Badeanzug an. Die Dusche wurde angestellt,da müssten wir uns nass machen, Dusche wieder aus, auf Kommando einseifen wie die Schneemänner, Dusche an zum entseifen. Dieser Ort war erdrückend. Heute würde ich sagen verkörpert es für mich,wie damals die Gaskammern, ich hatte selbst noch Lehrer, die davon erzählt hatten.
Abends mussten wir schon um 20.00 ins Bett, obwohl draußen die Sonne schien und es auch in den Schlafräumen trotz Gardine nicht annähernd dunkel war.
Wir haben einiges an Ausflügen gemacht. Mit dem Schiff nach Flensburg ins Naturkundemuseum, nach Sonderborg, und mit dem Bus nach Romo, da könnte der Bus bis zum Strand fahren. Einmal in der Woche ging es ins Wellenbad, durften aber nur vorne bleiben, die Betreuerin konnte nicht schwimmen. Der Sonntag war außer dem Kirchgang etwas Besonderes. An dem Tag lag immer auf dem Frühstückssteller eine Süßigkeit. Jede Gruppe hat te passend zu einem gestellten Thema etwas vorbereitet. Alle Gruppen kamen dann zusammen und zeigten was sie vorbereitet hatten. Dreimal in der Kur wurden unsere Köpfe nach Läusen untersucht. Wer Läuse hatte bekam etwas auf dem Kopf mit einer Badekappe auf dem Kopf.
Schrecklich war immer der Tee, der in einer Blechkanne abgefüllt war.
Die schönste Zeit war am Strand.
Haus Nordmark Westerland auf Sylt
Wir mussten vom Bahnhof aus den Weg zum Kurheim laufen. Dort angekommen würden wir von der Heimleitung in die Alters entsprechende Gruppe eingeteilt. Bis alle da waren dauerte bis zum Abend, da Viele eine lange Anreise hatten. Jede Gruppe hatte einen Namen und zum größten Teil einen eigenen Gruppenraum. Als wir ins Haus kamen, könnten wir Fifi ein Kapuzineräffchen im großen Käfig begrüßen. Seine Pflegerin, die die Krankenstation unter sich hatte gab ihm ein Gummibärchen. Einmal durften wir sogar erleben,wie er gebadet wurde. Für den Anreisetag und den darauffolgenden Tag hatten wir eine Vertretung als Betreuerin, weil die Gruppenleiterin unsere Koffer auspackte. Auch hier fand Morgen und Abendgebet statt, sowie zu allen Mahlzeiten vor und nach dem Essen. Sonntags würden wir aufgeteilt in katholische und evangelische Kinder aufgeteilt und zu den Gottesdiensten geschleppt. Niemand konnte sich dem entziehen.
Heute weiß ich, dass die Häuser St. Ansgar in Glücksburg und Haus Nordmark in Westerland von einer religiösen Gemeinschaft geleitet wurde. Beide Häuser gibt es nicht mehr.
Jeden zweiten Tag gab es morgens Milchsuppe und Brot mit Marmelade, die auf einem Tablett waren. Während des Frühstücks wurde die Betreuerin manchmal abgelöst, sie ging dann zum Gottesdienst. Diese Ersatzpersonen kamen aus den Bereichen: Küche, Haus, Waschküche. Mittags das Essen möchte ich Vieles nicht. Einmal gab es Spinat ,wohl ein Fehlgriff : eine von uns sagte weinerlich : die Seile mag ich aber nicht, er war noch ganz.Zum Abend wenn wir wieder kamen befanden sich die fertigen Brote im Gruppenraum. Manchmal mit ekelhafter Streichwurst. Der gesamte Gruppenraum stank danach. Schlimm war es, wenn es dann auch noch Schwarzbrot war und der Blümchen Tee. Samstagsabends gab es Cornflakes mit warmer gesüßter Milch.
Wir haben viele Ausflüge gemacht. Dafür wurde Proviant mitgenommen. Leider auch wieder belegtes Schwarzbrot, für jeden einen Apfel und einen Kanister mit Sirup. Bei der ersten Raststätte wurde er mit Wasser aufgefüllt. Das Schönste war die Fahrt in die Wanderdünen. Da konnten wir den ganzen Tag toben.Mittags kam der Bulli mit einem riesen Topf mit Eintopf, den es dann im Blechteller gab, für 200 Kinder. Bei diesem Ausflug hatte eine von uns ihre Zahnspange im Sand verloren, wurde auch nicht wiedergefunden. Wir sind sogar auch im Meer schwimmen gewesen. Dazu hatten wir alle orange farbende Badekappen auf. Die Betreuer bildeten eine Grenze und am Flutsaum stand Jemand mit einer Trillerpfeife. Ich war nur mit den Füßen drin, hatte zuviel Angst vor den Wellen.
Die Wäsche wurde zweimal die Woche gewechselt. Die Betreuerinnen hatten die Möglichkeit, Unterwäsche und Strümpfe zu waschen.
Zum Schluss sind wir alle zum Souvenirladen gegangen, im dort Andenken zu kaufen für zu Hause.
Im Gegensatz zu den Kuren in Wildeshausen waren die letzten beiden Kuren, außer der vielen Beterei okay.
Die Insel Sylt ist zu meiner Insel geworden. Es war schon komisch zu sehen, dass das Haus platt gemacht wurde.

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Hella Kemper - 2024-07-03
Verschickungsheim: Seehospiz Norderney
Zeitraum-Jahr: 1972
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Suche Verschickungskinder, die August bis November 1972 im Seehospiz Norderney waren. Gern melden unter hella.kemper@zeit.de

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Steffi Seidensticker - 2024-04-19
Verschickungsheim: Haus Warburg, Norderney
Zeitraum-Jahr: 1970/71
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Als fünfjähriges Mädchen wurde ich von meinen Eltern verschickt, sicherlich in dem guten Glauben, dass ich für die Einschulung gestärkt werden sollte, weil ich unter vielen Atemwegserkrankungen in früher Kindheit gelitten habe. Dann schicken wir das Kind mal ans Meer. Mit dem Zug ging es nach Norderney, bei meiner Ankunft im Haus Warburg erinner ich mich als erstes an einige glatzköpfige Kinder, denen man wohl wegen Läusen die Haare abrasiert hatte. Meine Mama hatte mir viel Wäsche mitgegeben, die sie vorab mit der Nummer "4" bestickt hatte. Von dieser Wäsche wurde nach 6 Wochen fast alles sauber wieder mit nach Hause gegeben. Geschlafen habe ich in einem kleinen Raum mit 4 oder 6 anderen Kindern. Es gab eine kleine Ablage über dem Bett, wo man seine Tageskleidung ablegen konnte. Frische Wäsche gab es einmal in der Woche. Da die Toilettengänge sehr eingeschränkt wurden und man auch mit grösstem Drang nicht zur Toilette gelassen wurde, habe ich öfter in die Hose gemacht. Da gab es dann auch keine frische Wäsche. Ich weiss, dass ich kleinste Fusseln von den verdreckten Unterhosen und Schlafanzügen ausgefriemelt habe, damit es wieder sauber wurde. Einmal (ich habe nur einmal in Erinnerung) habe ich mich ins Essen erbrochen, das musste ich bis zum letzten Bissen aufessen, ich werde es nie vergessen. Ich bekam die Windpocken und musste auf die Krankenstation. Dort waren wir zu 4. in einem kleinen Zimmer, das wir nicht verlassen durften. Wir hatten einen Eimer in der Mitte des Zimmers stehen in welchem wir unsere Notdurft verrichten mussten. Nach langer Zeit auf der Krankenstation kam ich dann in den Waschsaal, wo mich eine Nonne mit einem kalten Wasserschlauch abgespritzt hat. Ich bekam eine Mittelohrentzündung, von deren Folgen sich meine Ohren nie wieder richtig erholt haben. Auf der Fahrt nach Hause band man mir Handtücher um den Kopf, weil so viel Eiter aus den Ohren lief. Es gibt ein Abschiedsfoto vorm Haus Warburg, dort trage ich meine damaligen Lieblingssachen. Speziell arrangiert für die Eltern. Ich glaube in der ganzen Zeit habe ich einmal das Meer gesehen. Die Erinnerungen kommen gerade in letzter Zeit vermehrt und intensiver denn je. Mit meinen Eltern konnte ich nie darüber reden, wenn überhaupt kam ein "stell dich nicht so an - so schlimm wars ja nicht. und wir wollten dir nur gut !"

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Britta Weber - 2024-03-18
Verschickungsheim: Seehospiz Kaiserin Friedrich Norderney
Zeitraum-Jahr: 1977
Kontakt: Keine Angaben

Ich war 1977 im "Seehospiz Kaiserin Friedrich", Norderney. Die Kur begann kurz nach meinem 8. Geburtstag.
Schon auf der endlosen Anreise hatte mir das Heimweh fast das Herz zerissen.
Gegen Mittag kamen wir an. Ich weiß noch das es geregnet hatte.
Der erste Schock war gleich nach der Ankunft, man nahm uns unsere Taschen und Plüschtiere weg! Keiner bekam seine eigene Kleidung, eine Tante warf jeden etwas zu, dass sie wahllos aus verschiedenen Taschen und Koffern herauskramte. Ich bekam einen Pullover der mir viel zu groß war und eine Hose die eigentlich einem Jungen gehörte. Es war ein heilloses Geschrei und Geheule, bis eine andere Tante dazu kam und uns dermaßen anbrüllte, dass wir eingeschüchtert mucksmäuschenstill waren. Dann wurden wir in Gruppen aufgeteilt und in verschiedene Zimmer gebracht. In unserem Zimmer waren acht Betten, zwei waren leer.
Glücklicherweise gelang es mir wenigstens den viel zu großen Pullover gegen meinen eigenen einzutauschen, den die Tante einem Mädchen gegeben hatte das ebenfalls in meiner Gruppe war. Das wurde zum Glück nicht bemerkt. Mittagessen gab es an dem Tag nicht, wir sollten gleich Mittagsruhe machen. Alle aus meinem Zimmer mussten nach der langen Anreise auf die Toilette, das wurde uns aber nicht erlaubt. Erst nach den zwei Stunden Mittagsschlaf durften wir "ausnahmsweise" gehen. Die offiziellen Klozeiten waren vor dem Frühstück gegen halb 8, nach dem Mittagessen gegen 12:30 Uhr und nochmal 18:50 Uhr vor dem Schlafengehen, also insgesamt nur dreimal am Tag.

Mahlzeiten gab es viermal am Tag, das Frühstück bestand entweder aus irgend einem undefinierbaren Brei oder einer Scheibe Brot mit einer mindestens drei Zentimeter dicken Schicht Butter und zusätzlich Marmelade darauf. Ich hatte extreme Schwierigkeiten diese viele Butter zu essen, öfters als einmal habe ich mich auf den Tisch und Teller übgergeben. Mittags gab es ebenfalls einen Brei oder Milchnudeln, beides extrem eklig. Nach dem Mittagsschlaf gab es ab und zu ein Stück Kuchen, der genießbar war, oder eine viel zu große Schale mit Milch und Haferflocken. Abends gab es Brot, wieder mit extrem viel Butter und Käse oder Teewurst. Teewurst war noch das kleinere Übel, der Käse war wie Gummi und schmeckte so widerlich dass ich schon vom Anblick einen Würgereiz bekam.
Alle Mahlzeiten waren immer viel zu viel, aber man musste aufessen, egal wie satt man war. Zu Trinken gab es nur Tee, die ganzen Wochen. Immer nur lauwarmen Zitronentee, der mir schon nach paar Tagen zum Hals raushing.

Geschlagen wurde ich nie, aber von den Tanten oft an den Haaren gezogen und in den Arm gezwickt. Oft wurde ich auch unsanft am Arm gezogen und mir wurde öfters gedroht meine Zöpfe abzuschneiden. Da ich einmal gedankenversunken an meinen Nägeln kaute bekam ich einen ganzen Tag lang Handschuhe über die Hände gezogen, was es mir unmöglich machte meine Schnürsenkel zuzubinden. Dafür wurde ich bestraft und statt mit den anderen Kindern raus zu dürfen, musste ich drei Stunden in einer Ecke stehen.

Einmal musste ich nach dem Mittagsschlaf dringend groß. Da Toilettengänge aber nur dreimal pro Tag erlaubt waren, hat mich die Tante nicht aufs Klo gelassen.
Ich bekam heftige Bauchschmerzen und schaffte es auch nicht das Stück Kuchen zu essen. Ich saß bis zum Abendessen unter Aufsicht einer Tante im Speisesaal vor dem Kuchen und litt Höllenqualen. Währenddessen habe ich in die Hose eingekotet und mich furchtbar geschämt. Wenigstens musste ich den Kuchen nicht mehr essen und auch Abendessen bekam ich keins.

Ein anderes Mal warf mir ein Junge während eines Spazierganges einen Stein an den Kopf. Der traf mich über dem Auge und ich hab heftig geblutet. Doch nicht der Junge wurde bestraft, sondern ich. Ich musste mich, wieder angekommen im Heim, in die Ecke stellen. Erst am nächsten Tag schaute es sich der Doktor an und meinte, das hätte eigentlich genäht werden müssen.

Ein paar Tage vor Ende der Kur wurde ich krank. Mir war ständig kalt, ich hatte Magenkrämpfe und Durchfall. Die Tanten drohten immer damit, wer krank ist, darf nicht nach Hause. Weil ich so schlapp war, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte, kam ich auf die Krankenstation.
Zum Glück kam ab dem zweiten Tag noch ein anderes Mädchen auf die Krankenstation und so konnten wir uns heimlich, flüsternd unterhalten. Das war strengstens verboten, aber es hat keiner mitbekommen. In der Krankenstation durfte man das Bett nicht verlassen, man bekam Windeln ran was mir unendlich peinlich war.

Ich war froh als die Horrorkur endlich zu ende war. Ich hatte bis zur letzten Minute Angst, ich dürfe nicht heimfahren.

Meinen Eltern habe ich jahrelang nichts erzählt, erst als ich schon fast erwachsen war. Sie waren schockiert und tief betroffen.

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Karsten Timm - 2023-12-27
Verschickungsheim: Seehospitz Norderney
Zeitraum-Jahr: Anfang/Mitte der 1970 Jahre drei bis viermal ,bis zu 12 Wochen
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative

Ich bin Anfang/Mitte der 70er Jahre mehrfach im Seehospitz Norderney gewesen und meine Erinnerungen sind nur negativ an diese Zeit ….alles was ich hier in den Foren gelesen habe lässt mich erinnern und meine negativen Gedanken an diese Zeit hochkommen….ich bin sehr dran interessiert das diese schlimme Zeit die zigtausende von Kindern geprägt hat aufgeklärt wird …..

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Vanessa - 2023-12-18
Verschickungsheim: Seehospiz Norderney
Zeitraum-Jahr: 1983-1991
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative

Ich bin hier im Forum noch eine junge Frau (*1979) Es wird u.a. mit meiner Geschichte hier deutlich, wie lange diese Verschickungen in ihrer Brutalität noch vollzogen worden. Ich selbst habe meine letzte Erfahrungen dort 1991 gemacht. Zu dieser Zeit hatte der Ort nichts an seinem Grauen eingebüsst.
Wegen schwerem Asthmas wurde ich mit drei Jahren zum ersten Mal für drei Monate nach Norderney geschickt. Dort schrie und weinte ich wegen Heimweh praktisch drei Monate durch. Ich verstand überhaupt nicht, was los war, dachte meine Eltern hätten mich abgegeben. Dort wurde ich nicht aufgefangen, sondern beschimpft und bestraft. Bis ich 12 Jahre alt war, kam ich ca 6 Mal dorthin, dann immer für 6 Wochen.
Wir wurden herzlos und streng behandelt. Die Kinder in meinem Heim waren tatsächlich sehr krank, die meisten Asthamtiker*innen, Neurodermitis oder beides, niemand nahm sich emotional unser an, obwohl wir diverse Leiden und Probleme hatten. Zum Beipiel wurden Kinder mit Neurodermitis nachts an Bet festegebunden, damit sie sich nicht kratzen konnten. Auf ihr Weinen und Rufen reagierte niemand.
Es gab einen strengen Drill, sehr frühes Aufstehn, dann Gymnastk, dann Sauna, dann Fürhstück, dann Abhärten und so weiter.
Wir wurden zur Abhärtung im Winter in die eisige Nordsee geschickt, wenn Schnee lag, mussten wir uns im Badeanzug im Schnee aufhalten und abreiben. Es war eine Tortur. Einmal bekam ich eine schwere Lungenentzündung davon. Die Symptome wurden zunächst trotz meiner Klage abgetan. Dann bekam ich schweres Fieber, ich wurde ins Bett gesteckt, aber immer, wenn das Fieber sank, musste ich wieder aufstehen und am Alltag teilnehmen, so kam es immer wieder und ich blieb wochenlang krank. Irgendwann kam ich endlich an den Tropf. Ich wurde auch während der Krankheit, halb im Delirium zum Essen gezwungen.
Kontakt zu meinen Eltern gab es kaum bis gar nicht, als ich wieder nach Hause kam, habe ich mit meinem Vater nicht mehr gesprochen.
Die schwere pädagosche Folter, die ich erfuhr, durch lieblosen, verachtenden, fast schon militärischen Umgang habe ich auch Anfang der 90er Jahre dort noch erlebt. Zudem erlebet ich vieles, was hier von anderen geschildert wird: Demütigung, Strafen, Essenszwang, emotionale Verwahrlosung, Verneinung und Abwertung meines Wesens, Trennung von Eltern, von andren Kindern. Zudem körperliche Folter durch die Abhärtungen, Falschbehandlung von ernstzunehmenden Erkrankungen. Lange dachte ich, ich wäre quasi alleine mit der Ehrfahrung, bis Anja Röhl bei uns in Marburg eine Lesung gab und mir bewusst machte, was neben dem Alleinsein mein größter Schmerz ist: Das Gefühl. das meine Eltern mich nicht davor beschützt haben. Meine Mutter leidet selbst darunter. Ärtzte drohten ihr, daß ich sterben würde, wenn sie mich nicht zur Kur gäbe. Jetzt darf die Aufarbeitung dank diese Initative hier endlich beginnen. Danke

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Möchte ich nicht mitteilen - 2023-11-25
Verschickungsheim: Norderney Seehospiz
Zeitraum-Jahr: 1976
Kontakt: Keine Angaben

Ich war 1976 in dem Seehospiz auf Norderney. Zufällig bin ich durch einen Bericht auf NTV auf Ihren Verein aufmerksam geworden. Ich hätte diesen Artikel nicht lesen dürfen. Er hat alte Wunden geöffnet. Sie waren nie verheilt und haben mein Leben im Unterbewusstsein gesteuert. Ich kann meine Tränen nicht zurückhalten. Es war so schlimm was den Kindern damals angetan wurde. So schlimm.

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Sabine - 2023-11-17
Verschickungsheim: ?
Zeitraum-Jahr: 1974
Kontakt: Kontakt: Unerwünscht

Sabine (54) aus Marburg, ich wurde mit 5 Jahren (1974) zur Kur für 6 Wochen als
„verwöhntes“ einzel- Kind nach Norderney geschickt.

Meine spastische Bronchitis sollte geheilt werden.

Ich bin wohl auch ein " Verschickungskind" und habe aus dem Fernsehen davon
gehört und war erstaunt, dass viele anderen Kinder auch negative Erlebnisse durch
ein angebliches Gesund werden erlebt haben!
Ich kann mich ein Glück kaum noch daran erinnern.
Es war für mich, wenn ich versuche mich darin zu erinnern > keine schöne Zeit!
Ich weiß nur noch, dass ich das Essen komplett auf essen musste, egal ob es
geschmeckt hat oder nicht, oder wie ich durch die Luft durch die bekannten Allergien. Ich habe nach meinem „Albtraum“ Butter, Käse und Milch essen bzw. trinken müssen erst mit ca. 40ig überwunden. Ich ekelte mich Jahre lang diese Dinge zu mir zu nehmen. Mittlerweile trinke ich Mandelmilch und essen pflanzliche Margarine sowie ein wenig Käse auf der Pizza.
Ich kam nach 6 Wochen völlig dick nach Haus, meine Hose ging nicht mehr zu und konnte nur noch durch den Gürtel gehalten werden. Meine Eltern hatten sich zwar gewundert, aber für meine Eltern war nur wichtig, dass meine spastische Bronchitis
besser war! Ich kann mich auch noch an total große Schlafsäle und Speise Säle erinnern wo ein Drill wie in der „Armee“ herrschte was mich als Kind durchaus eingeschüchtert hatte! Auch wie andere Kinder die in die Hose gemacht hatten > behandelt wurden.
Ich wollte nie wieder dahin zurück, aber ich sollte eigentlich noch einmal zur Kur…
ein Glück hatten meine Eltern ein Einsehen und fuhren mit mir zweimal im Jahr ans
Meer > nämlich in den warmen Süden…. dies hat mir auch sehr geholfen.
Was auch noch ganz schlimm für mich war > mir wurde mein Schnuller und mein Schnuffeltuch abgenommen, was zur Folge hatte, ich konnte kaum einschlafen….

Naja… ich habe es überlebt.. und erinnere mich ein Glück kaum noch an andere Dinge
die dort passiert sind und Postkarten oder Briefe habe ich zu dieser Zeit noch nicht
geschrieben, ich bin erst später nach der Rückkehr in die Schule gekommen….
Grüße

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Annedore Haerder - 2023-09-23
Verschickungsheim: Bad Soden Allendorf
Zeitraum-Jahr: 1972
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Hallo
Meine Mutter, geb. 1940, ist mit 6 Jahren nach Norderney verschickt worden.
Sie ist eine untherapierte Frau mit Mehrfachtraumatisierungen. Sie war ohne eine Impulskontrolle, lebte ihre Emotionen an ihren 7 Kindern und Ehemann aus.
An ihren Aufenthalt kann sie sich kaum erinnern ( Schuhe gab es neu und ihr Hautekzem heilte endlich, die 1. Klasse musste sie wiederholen).
Ich suchte immer nach einer Erklärung, wieso sie so war wie sie ist und durch einen Zufall bin ich auf diese Berichte hier auf dieser Seite gestoßen.
So langsam begreife ich, was meine Mutter so unberechenbar gemacht haben könnte denn ihre anderen 4 Geschwister sind gar nie so gewesen wie sie. Auch hatte meine Mutter eine irre Wut auf ihre Mutter, ihre Geschwister hatten diese gar nicht.
Jedenfalls organisierte meine Mutter für mich 1972 im Alter von 10 Jahren eine Kinderverschickung.
Meine Lehrerin versuchte alles, meine Mutter vom Gegenteil zu überzeugen, da die Versetzung in die 5. Klasse Anstand und 6 Wochen fehlen vom Unterricht Schwierigkeiten mit der Versetzung bedeuten würde.
Leider war es dann auch so gekommen, mein Wunsch auf die Realschule zu kommen war anschließend zunichte gemacht, nach der Rückkehr kam ich im Unterricht nicht mehr mit und in meinem Verschickungsheim Bad Soden Allendorf gab es keinen Unterricht leider.
Ich vermisste meine Schulklasse, meine Freundinnen und natürlich meine 9 köpfige Familie sehr.
Es war alles sehr kühl dort, weil ich schon mit negativen Gefühlen hinfuhr, gegen meinem Willen.
Ich sah, das andere Kinder auch auf dem Schoß von Betreuerinnen saßen. Ich konnte nicht auf mich aufmerksam machen und blieb darum auch einsam im Gefühl.
Ich fühlte mich sehr fremd bestimmt, zumal ich daheim viel Freiheiten hatte.
Die Bettruhezeit mittags war extrem befremdlich mit 10 Jahren für mich.
Das Wiegen fand ich grausig, mich bis auf die Unterwäsche ausziehen und wie eine Nummer behandelt zu werden von den Weisskitteln, es schüchterte mich ein und nie konnte ich genügen. Ich war lang und sehr dünn. Das gehört zu unserem Familientypus, das waren wir alle und da ich auch kaum zunahm, bekam ich ein Gefühl der Ablehnung zu mir in diesem Kuraufenthalt für die nächsten Jahrzehnte!
Vorher hab ich mir doch nie nur einen Gedanke gemacht wie ich aussehe!
Ich habe dann selber mit 19 Jahren angefangen Essdiäten über 6 Wochen zum zunehmen durchzuführen! Ich war ja deutlich nicht richtig, da zu dünn… das war jetzt eingeimpft bei mir.
Bei uns daheim gab es in meiner Kinderzeit diese “Schokoladensuppe” auch zu essen.
Am Familientisch fand ich es super lecker! Jetzt weiß ich auch, woher meine Mutter das Rezept her hatte 😜
Die Esssituation im Speisesaal empfand ich als Stress und somit auch als unangenehm. Warum genau, kann ich nicht mehr beschreiben.
Neben dem Wiegen empfand ich diese Szene, wie schon oft beschrieben, das Karte/Brief schreiben auch ganz schrecklich, denn ich wollte nur nach Hause, sobald und so schnell als möglich! Doch auch ich musste alle anlügen daheim, wie toll ich es habe und wie wohl ich mich fühlte im Kinderheim.
Das lesen meiner Briefe empfand ich als schweren Bruch und ich betrachtete die Betreuerinnen als meine Feinde. Folglich konnte ich mich auch nicht irgendjemandem zuwenden um meine Einsamkeit etwas zu mildern, wenn ich meinte, mein Heimweh nicht aushalten zu können.
Ich empfand auch diese heißen Solebäder in großen Bottichen als beängstigend, ich hab den Sinn nicht verstanden und traute mich auch nicht zu fragen.
Ich folgte einfach.
Die Spaziergänge im Park, Singspiele, tanzen in der Gruppe und bestimmt gab es noch andere Aktivitäten, machte ich begeistert mit.
Ganz schwierig war es für mich, als ich Zahnweh bekam. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich beim Zahnarzt. Mir wurde ein Backenzahn gezogen. Auch damit war ich anschließend allein, niemand setze sich zu mir, schaute mich an und nahm sich Zeit, meinen Kummer anzuhören.
Meine Heimkehr empfand ich als sehr belastend.
Alles und alle waren mir fremd, die 6 Wochen haben mich aus allem “rausgebracht” und erst jetzt, wo ich diese Webseite “Verschickungskinder” gefunden und viel gelesen hab, fange ich an zu begreifen, das viele meine negativen Gefühle die ich heute noch kenne von dieser Verschickung her kommen.
Für mich ist klar, das ich das mittels Therapie mir anschauen möchte!
Vielen Dank für diese Plattform!

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Birgit Lehne - 2023-08-11
Verschickungsheim: Seehospiz Norderney, Sanatorium Dr. Scheede Ühlingen Schwarzwald
Zeitraum-Jahr: 1965, 1967, 1969 Seehospiz, 1972 und 1973 Ühlingen
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Ich bekam im Alter von 11 Monaten Keuchhusten und wurde vom Kinderarzt noch auf die Schnelle gegen Keuchhusten geimpft. Da ich schon Neurodermitis hatte soll das der Auslöser für mein Asthma gewesen sein. Dauerhafte Atemnot und Hustenanfälle bei der kleinsten Anstrengung waren die Folge. Meine Mutter ist in ihrer Verzweiflung ständig mit mir beim Kinderarzt gewesen. Der empfahl ein weiteres Kind zu bekommen damit sie sich nicht immer so auf dieses eine kranke Kind konzentriert. Als meine Schwester dann geboren wurde war ich 3 1/2 Jahre alt. Mein Asthma war unverändert und dann auch noch ein Neugeborenes in der kleinen Wohnung. Meine Mutter war endgültig am Ende ihrer Kräfte. Der Kinderarzt empfahl für mich einen Aufenthalt an der See und meine Eltern glaubten es würde mir dort geholfen.
Ich wurde am 27. 8. 1965 zum ersten Mal nach Norderney in das Seehospiz verschickt. Ich hatte das Glück nicht mit einem Sammeltransport anreisen zu müssen. Meine Eltern brachten mich. Sie hatten sich auf der Insel eingemietet um mich in der ersten Woche besuchen zu können, das wurde ihnen verboten. Sie haben noch versucht am nächsten Morgen meine Gruppe beim Spaziergang zu finden, ich war aber nirgendwo zu sehen. Das deckt sich mit dem Arztbericht ich habe in der ersten Nacht Fieber bekommen und musste neben der Trennung auch noch mit einer Pneumonie klar kommen. Man hatte meinen Eltern auch verboten zu schreiben damit ich kein Heimweh bekomme. Daran haben sie sich gehalten. Jeden Mittag wurde die Post verteilt, ich bekam nichts daran erinnere ich mich. Nur an meinem Geburtstag bekam ich Post ein Paket mit Süßigkeiten die an alle verteilt wurden. Als mich meine Eltern am 1. Dezember wieder abholten habe ich nicht gesprochen bis wir auf der Fähre waren und diese abgelegt hatte. Meine ersten Worte waren dann "Ich habe geglaubt Ihr holt mich nie mehr wieder".

Diese Kur wurde vom Kinderarzt empfohlen und 1967 und 1970 wiederholt, jeweils 14 Wochen.

Einige Erlebnisse aus meinen 3 Aufenthalten im Seehospiz möchte ich hier schildern.

Essen und Gewicht zunehmen war sehr wichtig. Es wurde von den Nonnen aufgetan und das musste aufgegessen werden. Mann musste so lange am Tisch sitzen bis der Teller leer war. Ich erinnere mich mit Nachdruck gefüttert worden zu sein, mit einer Hand gefüttert, mit der anderen Hand wurde der Mund zu gehalten. Ein Mädchen neben mir am Tisch erbrach sich über den Teller. Sie musste weiter essen und auch das Erbrochene aufessen.

Einmal gelang es mir ein Stück Brot mit grober fettiger Leberwurst in die Rocktasche zu stecken. Als wir hinterher zur Toilette durften habe ich versucht dieses Stück zu "versenken" . Das klappte leider nicht. Es wurde später von den Nonnen entdeckt, ließ sich aber nicht mehr einem Kind zuordnen. Die Nonnen schimpften mit der ganzen Gruppe und zum Schluss sagten sie "der liebe Gott wird den Täter bestrafen " ... ich habe jahrelang Angst gehabt in eine Kirche zu gehen.

Zur Toilette gehen war nur zu bestimmten Zeiten erlaubt. Wenn ich in der Nacht musste, so musste ich lange allein im dunklen Flur stehen bis die Nonne dann irgendwann die Erlaubnis gab. Andererseits bekam man aber auch großen Ärger wenn man ins Bett machte.

Tagsüber gab es feste Zeiten für den Toilettengang, außerhalb dieser Zeiten war es nicht erlaubt. Da hab ich mich in die Puppenecke gesetzt und habe auf die Kissen gemacht. Da Mädchen immer Röcke tragen mussten hat das keiner bemerkt. Ich erinnere mich das mehr als einmal gemacht zu haben und dann bin ich mit der nassen Unterhose rumgelaufen bis sie wieder getrocknet war.

Mittags gab es Liegekuren draußen in einem langen Gang. Alle lagen nebeneinander auf Liegen und mussten in eine Richtung auf der Seite liegen damit wir nicht reden. Damit sich keiner dreht wurde eine Decke um den Körper gewickelt und stramm fest gesteckt - ich ertrage heute noch keine engen Kleidungsstücke.
Eine Nonne hat die Kinder beaufsichtigt, reden durften wir nicht.

Beim 2. und 3. Aufenthalt habe ich dann Post von meinen Eltern und Großeltern bekommen. Die erste Karte von meiner Mutter hat ganz rund gekaute Ecken.
Die Post wurde Mittags natürlich nur verteilt wenn alle Kinder aufgegessen hatten und ruhig waren. Sonst wurde sie bis zum nächsten Tag wieder mitgenommen.

Mittags wurden auch Pakete mit in den Speiseraum gebracht die man z. B. bekam wenn man Geburtstag hatte. Ich hatte 2x dort Geburtstag. Beim ersten Mal wurde ich dort 4. das Paket wurde vor allen geöffnet. Die Süßigkeiten wurden allen gezeigt und dann wurde ich gefragt ob sie verteilt werden sollen oder in meinen Koffer gelegt. Das zu entscheiden war wirklich schwer mit gerade einmal 4 Jahren.

Bei meinem 3. Aufenthalt war ich 8 Jahre alt. Als ich gebracht wurde musste ich im Speiseraum auf meine Gruppe warten. Da saß ein Kind das auf seine Eltern wartete. Mit diesem Kind habe ich gespielt. Dann stellte sich nach einer Woche heraus das dieses Kind eine Hepatitis hatte. Also wurden alle Kontaktkinder isoliert. Ein kleines Haus mit ca 10 Kindern, kein Garten, keine Spaziergänge an der See. Das habe ich meinen Eltern geschrieben. Mein Vater hat dann im Seehospiz angerufen und gesagt das es wichtig wäre wenn ich an die Seeluft komme und wenn ich in den Isohaus bin würde er mich abholen kommen. Da wurde ihm gesagt "Ihre Tochter hat gelogen" . Als ich dann nach 14 Wochen abgeholt wurde sagte man meinen Eltern die Wahrheit. Das war für meine Eltern der Grund mich nicht wieder dort hin zu schicken. Aus dem Isolations Haus wurden nach und nach alle Kinder entlassen sodass wir die letzte Woche nur noch zu zweit da waren.

An Medikamentengaben kann ich mich kaum erinnern, weiß natürlich auch nicht was ich bekommen habe. Eines lässt mich im Nachhinein aber stutzig werden. In meiner Ausbildung zur Kinderkrankenschwester habe ich den typischen Geruch von Atosil Tropfen als einen vertrauten Geruch wahrgenommen. Laut meinen Eltern habe ich aber nie Beruhigungsmittel bekommen.

An vieles aus den ersten Beiden Aufenthalten kann ich mich nur ganz wage erinnern. Ich habe zum Beispiel gelesen dass Kinder auf Dachböden gesperrt wurden. Das kann ich nicht beschwören, aber ich sehe immer mal wieder einen großen leeren Dachboden vor meinem inneren Auge und ich habe heute noch Angst über einen knackenden Holzboden zu gehen.
Nicht stören dürfen habe ich gelernt. Das sitzt tief. Jemanden nur mal so anrufen kann ich nicht.
Angst im Dunkeln, bekomme ich nicht weg, manchmal kann ich nur mit dem Gesicht zur Tür schlafen, liege ich mit dem Rücken zur Tür habe ich oft das Gefühl eine Hand auf die Schulter gelegt zu bekommen und das ist keine freundliche Hand.
Zur Toilette gehe ich in fremder Umgebung nicht selbst bei Besuchen in der Familie, oder aber wenn wir Besuch haben, dann kann ich auch nicht zur Toilette gehen.
Das sind alles Dinge die geblieben sind.

Eine Nonne habe ich als Kollegin wieder getroffen in der Hautklinik in Hannover. Ich habe ihr das Foto aus dem Seehospiz gezeigt und sie hat sich wieder erkannt. Um über die Geschehnisse zu sprechen war ich damals noch zu verschüchtert und wahrscheinlich auch zu jung.
Mein Asthma war mit den Aufenthalten im Seehospiz nicht besiegt und die Ärzte empfahlen weiterhin Verschickungen. So kam es, das ich 1972 mit 11 Jahren und 1973 mit fast 13 Jahren nach Ühlingen kam in das Kindersanatorium Dr. Scheede.

Meine Eltern fuhren gern Auto und so brachten sie mich hin. Die Fahrt von Celle bis Ühlingen dauerte lange, im Käfer mit 2 rauchenden Eltern (Kind wir wussten doch nicht das das nicht gut für Dein Asthma ist) .

Dort angekommen kamen wir in ein Arztzimmer zur Untersuchung und zum Gespräch. Dort musste und konnte ich mich dann auch von meinen Eltern verabschieden. Anschließend steckte man mich sofort in die Badewanne. Damals war ich empört darüber, heute denke ich ich muss unendlich nach Rauch gerochen haben.

Ich kam in ein 6 Bett Zimmer und wurde freundlich aufgenommen. Ich hatte sogar einen Schrank für meine Sachen, das war auf Norderney deutlich anders. Beim 2. Aufenthalt waren 2 Betten mehr in dem Zimmer weil Ferien waren und mehr Kinder zur Kur fuhren.

Das Essen wurde an den Tisch auf Platten und in Schüsseln gebracht. Man durfte sich die Menge nehmen die man wollte. Man konnte jederzeit nachnehmen. Was man sich genommen hatte das musste man aufessen. Ich hatte mehr als genug das Zwangsfüttern auf Norderney erlebt und fühlte mich wie im Paradies.

Auch sonst war es ganz anders als das was ich schon kannte. Wir durften jederzeit zur Toilette gehen, auch in der Nacht.

Mittags mussten wir in die Zimmer, wenn wir nicht schlafen wollten, dann durften wir uns leise beschäftigen, lesen oder Spiele spielen, nur die Anderen nicht stören. So hat mir z.B. ein Mädchen das Kontergam bedingt keine Arme hatte auf einem Reiseschachspiel das Schachspielen beigebracht.

Das Heim hatte eine Sporthalle im Keller in der wir in Kleingruppen Übungen machen mussten.

Ich hatte jeden 2. Tag Unterricht mit noch einem Mädchen in Englisch und Mathe. Da war ein Lehrer der ins Haus kam.

Es gab aber auch einen grossen Spielplatz hinter dem Haus auf dem wir gern gespielt haben.

An Ausflüge kann ich mich nur wenig erinnern.

Einmal in der Woche wurde nach Hause geschrieben. Die Briefe wurden von den Betreuerinnen gelesen, "damit keine Schreibfehler drin sind". Heute ist mir klar was das sollte, damals konnte ich das glauben.

Abends hatten wir einen großen Waschraum in dem wir uns alle gleichzeitig (nach Geschlechtern getrennt) bettfertig gemacht haben. Als ich im 2. Jahr kurz vor meinem 13. Geburtstag dort war wurde ich gefragt ob ich am Abend nach den Anderen lieber allein duschen möchte. Das fand ich sehr gut.

Im 2. Aufenthalt bekam ich Röteln. Das war eine tolle Krankheit. Ich fühlte mich nicht sonderlich schlecht, blieb im Bett und alle Mädchen durften mich besuchen. Wenn sie sich anstecken brauchten sie wenigstens nicht mehr geimpft zu werden war das Motto.

Vor Kurzem habe ich mit meiner Mutter noch einmal über meine Verschickungen gesprochen. Da erzählte sie mir das die Leiterin Frau Dr. Scheede von ihrem Liebhaber umgebracht worden ist. Das wäre sogar in Niedersachsen durch die Presse gegangen, das soll gewesen sein als ich das 2. Mal dort war. Da hat man uns Kinder wohl sehr gut abgeschirmt, denn das habe ich bis vor Kurzem nicht gewusst.

Alles in Allem blicke ich positiv auf die beiden Aufenthalte zurück. Sicher war nicht alles toll aber um Längen besser als das was ich in meiner Kleinkindzeit auf Norderney erlebt hatte.
2013 schickte mich mein Personalarzt zur "Kur" nach Borkum. Meine Verschickungen waren noch nicht so wirklich Thema aber mein Verhalten spricht im Nachhinein doch eine deutliche Sprache. Wir sollten möglichst mit dem Zug anreisen, ich nahm das Auto und nahm es auch mit auf die Insel, der Preis war mir egal. Am ersten Morgen sollten wir in Unterwäsche und Bademantel zum Wiegen kommen, ich kam voll angezogen und hab mich so auf die Waage gestellt. Eine Blutentnahme habe ich verweigert. Ebenso die Gewichtskontrolle am Ende des Aufenthaltes. Ich bekam Anwendungen in einer großen Badewanne mit warmen Wasser. Ich sollte nackt nur mit Bademantel bekleidet zur Anwendung kommen, mich anschließen schnell abtrocknen und so wieder zurück ins Zimmer. Ich kam voll bekleidet, zog zur Anwendung einen Badeanzug an und zog mich anschließen wieder vollständig an. Das machte die Therapeuten ärgerlich weil es Zeit kostete aber ich konnte nicht anders. Ich habe viel Heimweh gehabt, habe keine Kontakte zugelassen und jede freie Minute in meinem Zimmer gesessen. Die meiste Zeit hab ich geweint. Ein paar mal bin ich mit dem Auto zum Fähranleger gefahren. Am Abreise Tag war ich die erste an der Schranke zur Fähre. Ich habe dafür sogar das Frühstück sausen lassen und auf der Fähre gefrühstückt. Zu Hause hab ich dann vor Freude nur noch geheult.

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Maria - 2023-06-29
Verschickungsheim: Norderney,Oberstdorf und Manderscheid
Zeitraum-Jahr: 1963 bis Anfang der 70er Jahre
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Wir waren 5 Kinder zu Hause. Jahrgang 1948, 1952, 1958 1961 und1964. Und vier von uns einschließlich ich ,waren mehrfach in den sogenannten Kindererholungsheimen. Immer für ca. 6 Wochen
Das erste mal war ich mit zweieinhalb/ drei Jahren auf Norderney. 1963/64. Das letzte mal Anfang der 70 er Jahr. Insgesamt 5 mal.
Mein älterer Bruder meint es wäre jedes Jahr gewesen.
Leider oder vielleicht sogar Gott sei Dank kann ich mich nicht an mehr erinnern. Auch nicht wie die Kurheime hießen,

Ich selber bin ein sehr ernster Mensch. Ständig sehe ich in allem zuerst die Gefahr und das Böse. Es fällt mir schwer Nähe zu zu lassen und fühle mich mein leben lang minderwertig.
Positiv zu denken fällt mir schwer.

Norderney
Hier war ich das erste mal in Kinderkur zusammen mit meinen beiden Brüdern. Der älteste muss 11/12Jahre gewesen sein und der jüngere ca, 5-6Jahre. ich war ca. 2 oder 3Jahre alt.
Hier herrschten die Pinguine( Nonnen).
Es herrschte ein Befehlston und eisige Kälte.
Sie hatten ihre eigenen Regeln. Wir konnten gar nicht richtig machen!!! So habe ich es empfunden.
Dieses Ständige beten beim aufstehen und zu Bett gehen, vor jeder Mahlzeit.
Zu essen gab es nach meinen Erinnerungen immer einen dicken Klumpen Grießbrei mit Rosinen.
Weil es so viele Rosinen waren habe ich sie auf dem Teller an den Rand gelegt. Ich musste sie trotzdem alle essen. Und als ich erwischt wurde wie ich die Rosinen heimlich in meine Schürzentasche steckt und sie den Möwen beim Strandspaziergang verfütterte war der Teufel los. Ab da wurden mir die Rosinen öfter mal pur in den Mund gestopft.
Rosinen konnte ich Jahrelang nicht mehr essen oder riechen.

Mein Bruder meint er wäre mit mir 2 mal da gewesen. Ich weiß es nicht mehr.

Wenn ich Nonnen sehe bekomme ich Beklemmungen und es steigt eine Wut in mir hoch.
In der Kirche war ich das letzte mal vor 15 Jahren zur Taufe meines Großneffen. Ich habe die Kirche panikartig verlassen. Habe kaum Luft bekommen und musste mich übergeben.
Alles was mit Kirche zu tun hat, ist für mich ein rotes Tuch.



Oberstdorf In der Nähe von der Skisprunganlage ( wir mussten dann den Berg runter)
Ich erinnere mich an den täglichen ca. 2stündigen Mittagsschlaf (egal wie alt die Kinder waren) Wir lagen auf den langen Balkonen auf Liegestühlen im Sommer und auch im Winter ( ich war zweimal da) feste in Decken eingewickelt, so das wir uns nicht rühren konnten.
Es durfte nicht mehr gesprochen oder geflüstert geschweige denn gelacht werden. Dafür gab es dann Strafen.

Besonders hat es ein Mädchen getroffen, es war mit seiner älteren Schwester da. Die kleine war eine schlechte Esserin und machte ab und an noch ins Bett.

Ihr wurde abends vor versammelter Mannschaft eine Stoffwindel (mit Sicherheitsnadel) angezogen und dazu hat die „Tante“ sie ganz schlimm beleidigt. Morgens wurde sie sehr oft über das Knie gelegt und mit einem Schlappen wurde ihr auf den Hintern gehauen. Wir mussten zusehen.
Auch beim Essen hat sie immer wieder Probleme mit den „Tanten bekommen.
Beim Essen durfte man nicht aufstehen, auch nicht zur Toilette.

Eine Szene die mich bis heute verfolgt ist als sie nicht aufessen konnte und wir alle zusehen mussten wie sie das Essen hineingestopft bekam, sich dann übergeben hat und das Erbrochenen unter Androhung ihr eine Spritze zu geben ( die wurde aus dem Schrank geholt und auf den Tisch gelegt) wenn sie nicht ihre eigene Kotze aufisst.
Wir durften aufstehen und den Speisesaal verlassen, wenn alle Kinder mit Essen fertig waren.

Die Erzieherin öffneten die Pakete der Kinder im Speisesaal, der Inhalt wurde einbehalten und /oder an uns alle verteilt. Auch die Post die wir bekamen wurde im Speisesaal vorgelesen.
Briefe und Postkarten die wir geschrieben haben wurden gelesen und wenn der Inhalt nicht deren Wunsch entsprach, setzte es eine und wir mussten einen neuen schreiben der von den Tanten diktiert wurde.

Das erste mal war ich alleine dort. Beim zweiten mal wußte ich ja was auf mich zukommt. Diesmal fuhr meine 4 Jahre jüngere Schwester mit. Sie war eine schlechte Esserin hatte Rachitis und sah sehr mager aus. Ich nahm mir vor auf sie aufzupassen und sie zu beschützen!!!!!!

Ich war ständig in Habachtstellung. Bloß nicht auffallen. Unsichtbar machen.
Dies habe ich sehr lange Zeit meines Lebens so beibehalten.

Und dann war ich noch in Manderscheid. Da war ich schon älter. Meine Schwester war auch mit.
Dort habe ich mich mit einem Mädchen ( ich glaube sie hieß Birgit, Brigitteoder Barbara). Unsere Betten standen nebeneinander.
Auch hier waren Demütigungen an der Tagesordnung. Aber alles nicht zu vergleichen mit Norderney und Oberstdorf.

Mit 23/24 Jahren habe ich meine erste Therapie gemacht. Es folgten weitere. Doch erst vor einigen Jahren wurde mir Bewusst das einiges auch mit den Verschickungen zu tun hat.

Ich habe nur Negativ Erinnerungen - nichts, rein gar nichts Positives.

Gerne würde ich andere Betroffene kennenlernen die an den gleichen Orten waren, wie ich.

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Daniel Rothensee - 2023-05-01
Verschickungsheim: Borntal
Zeitraum-Jahr: 1981
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Ich war insgesamt 3x jeweils 6 Wochen in dieser Anstalt und 1x 6 Wochen auf Norderney. Insgesamt kam ich also 6 Monate in den Genuß von Kindererholungsheimen.
Wenn ich diese Geschichte in einem Buch verfassen müsste, dann würde ich ihm den Titel “Die Soziopathenfabrik, unschuldige Kinder rein, tickende Zeitbombe raus”, geben.
Entweder begehst du irgendwann in deinem Leben Suizid, oder aber du hast gelernt Schmerzen jeglicher Art zu verstoffwechseln. Du selbst, bleibst trotzdem gebrochen! Am einfachsten geht das, wenn man künftig sein Schmerzempfinden temporär abschaltet und agiert statt reagiert. Das heißt, anderen physische oder psychische Schmerzen zuzufügen, bevor sie es können. Parallel kann man Ängste abventilieren. Dabei aber objektiv und angemessen zu reagieren und die Kontrolle zu behalten ist fast unmöglich. Es gibt ja keinen Kurs oder eine Ausbildung, wie man unter diesen Voraussetzungen Sozialkompetenz behält. Grundlegende Voraussetzungen für soziales Verhalten existieren ja nicht mehr. Wie Vertrauen zu, oder in Menschen. Die Verhältnismäßigkeit ist der schmale Grad, der dich vom Soziopathen trennt!

Mit 4 Jahren, Anfang der 1980er, wurde ich das 1. Mal ins KKH Borntal verschleppt. Mir wurde schweres Asthma von meinem Kinderarzt, Dr. Appelmann aus Duderstadt, attestiert und eine Lungenkur dringend angeraten. Zur Info, ich bin jetzt 45 Jahre alt und ab meinem 16. Lebensjahr, habe ich die ersten verlässlichen Erinnerungen und ab dem Zeitpunkt bis heute, habe / hatte ich keine Asthmaanfälle! Ich habe sogar eine überaus derbe Konstitution. Kein Inhalator, keine Einschränkungen, oder Beeinträchtigungen, keine Allergien, keine regelmäßige Medikamente und ich kann sogar, ohne Sauerstoffzelt Berge hinaufklettern.
Die fragwürdige Diagnose ist der Beginn einer Kette fragwürdiger und mysteriöser Umstände der Kinderverschickung und dem systematischen Horror an sovielen Orten, mit sovielen Tätern! Zufall, oder geplant?

Ich habe letztes Jahr eine Doku über die “Kinder des 20. Juli” gesehen. Als die ersten Bilder von der Einrichtung im Borntal gezeigt wurden, habe ich wie ein Blitzeinschlag, ein so tiefes Gefühl von Panik, Hoffnungslosigkeit und Machtlosigkeit empfunden, daß ich mir nicht hätte vorstellen können. Mir kam es vor, als wenn ich im Vergleich zu diesem Gefühl zuvor niemals Angst gehabt hätte. So überwältigend und real war sie! Also der Begriff wurde neu definiert. Eine so fundamentale Angst, in dieser “Dreifaltigkeit” von Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und vollkommen Ohnmacht! Ich hatte keine Idee warum und war komplett starr, schwitzte und frierte gleichzeitig. Mich beschlich die Befürchtung, das mein Verstand gerade dabei ist, sich zu verabschieden. Immer mehr Bilder wurden im TV gezeigt und genauso blitzartig wusste ich, daß ich diese Gebäude im Fernsehen kannte und schon wußte, wie das Umfeld oder Zimmer aussahen, noch bevor sie gezeigt wurden, was meinen Zustand nicht gerade stabilisierte. Fast gleichzeitig wußte ich auch, daß ich dieser puren Urangst nicht zum 1. Mal begegnet bin. Vielmehr ist sie ein alter, bekannter Weggefährte, aus einer Zeit, an die ich absolut keine Erinnerung hatte!

Ich habe fast 60 Stunden, ohne Schlaf, das abebben dieses Gefühls ausgesessen und krampfhaft versucht mich zu erinnern. Wäre nicht Wochenende gewesen, wäre ich arbeitsunfähig im buchstäblichen Sinn gewesen. Aber ich konnte in dieser Zeit das Internet befragen und immer mehr Filmszenen wurden sichtbar… Der Chefarzt Dr. Kahk (o. Kaak, o. Caak) die Emaillebadewanne im Keller, die “Stirnfliese” im Duschraum, geschmackloser, lauwarmer Haferschleim, der wie Rotz im Mund war (aber nicht der eigene) und den man erst erbrach, um ihn nochmal essen zu müssen, die “Tanten” in ihren blauen Schürzen, die Medikamente, die Untersuchungen, die Schläge, die drakonischen Strafen, die Schmerzen, die Erniedrigungen, die Kinder, die allgegenwärtige Angst. Der Mißbrauch, den man erfuhr, wenn man gezwungen wurde, an einem anderen Kind eine Strafe zu vollziehen, daß diese so verdient hatte, wie man selbst, nämlich nicht ansatzweise.
Einem Kind wurden die Hosen runtergezogen, vor allen anderen erniedrigt und lächerlich gemacht, dann mußte es sich bauchlinks über den Schoß der Tante liegen und alle anderen Kinder mußten ihm der Reihe nach, so fest wie möglich auf den blanken Po hauen, bis alle durch waren und das Opfer weinte. Weinte Es nicht, ging es von vorne los… Manche konnten gar nicht mehr weinen und manche brachten es nicht fertig zuzuschlagen, die mußten dann den Platz mit dem anderen tauschen und der Vorgänger musste zuschlagen, bis der Verweigerer weinte. Weigerte sich derjenige auch, ging es barfuß in den kalten Keller, in die Duschräume. Manchmal wurde man zuvor kalt geduscht, bevor man sich auf zwei bestimmte Fliesen stellen und sich mit der Stirn an eine ebenfalls bestimmte Fliese, an die Wand lehnen musste. So stand der eine auf der einen Seite der Wand und das andere Kind auf der gegenüber liegenden Wand. Eine gefühlte Ewigkeit… Als Kind eine Zeit abzuschätzen ist fast unmöglich, aber danach waren die Füße fast nicht mehr zu spüren und blauweiß und oft mußte man an der Stelle auch an sich herunterurinieren, weil man nicht mehr aufhalten konnte. Wenn auch nur einer gewagt hat, dem anderen zuzuflüstern, wurde derjenige erneut kalt geduscht und ihm wurde erklärt, daß er das seinem Kameraden zu verdanken hat, der sich mit dieser leisen Kontaktaufnahme seelisch etwas wärmen wollte.

Das ist nur ein kleiner Auszug, aus dem pädagogischen Standart-Heilstättenrepartior. Die Familien-Tiefentherapie, ist da schon eher die Kür… Warum die Eltern ihr Kind dahinschickten… weil sie es nicht mehr leiden können, da es daran Schuld ist das Eltern sich streiten und womöglich Mama oder Papa die Familie verlassen, weil ihr Ableger nur Sorgen bereitet und Nerven kostet. Deswegen rufen sie auch nicht an schicken keine Pakete (beides würde zurückbehalten und abgelehnt, um den Heilerfolg nicht zu gefährden). Das wurde so den Kindern eingeredet. Manchmal wurde ein Paket aber doch, jedoch massiv geplündert, weitergegeben, um es als Instrument gegen das Kind zu pervertieren. Druckmittel, oder um Fehlverhalten zu provozieren, oder nur damit man es im nächsten Moment zur Erpressung wieder wegnehmen kann. Vermeintliche Briefe der Eltern wurden vorgelesen, um die Freude über liebe Worte von Mama und Papa in der Einsamkeit zu vernichten, indem der Lügenbrief beschreibt, daß man ein fürchterliches Kind ist, das wenn es nicht tut, was die Tanten sagen, als nächstes und endgültig direkt ins Kinderheim kommt und gar nicht mehr nach Hause.

Die Kreativität in dieser Folter auf allen Ebenen und systematischer Vernichtung des Kindes im Kinde, ist unerfaßbar und ist in keinem Horrorfilm gefühlsecht darstellbar! Selbst mir ringt es noch eine gewisse Bewunderung ab und ich staune immernoch über diese Effektivität in allen Bereichen der “spurlosen” Folter und Zerstörung des unsichtbaren, aber wichtigste, dem Kindergeist- und Seele. Mentale Zerfleischung, untermalt mit einer Sonate spurlosen, physischen Schmerzes. Totaler Verlust von Vertrauen und jedem Sicherheitsgefühl spielen im Duett dazu. Für mich ist es aber seid letztem Jahr eine Kette von Einsichten und Offenbarungen auf die Frage warum ich bin, wie ich bin und wieso ich wurde was ich war. Ein augenscheinlich normaler Mensch, mit einem versteckten Knopf… Wenn man einen entsprechenden Code eingegeben hatte, konnte man per Knopfdruck einen Sardisten, einen Mr. Hide, einen Soziopathen, oder Rachsüchtigen hervorholen, mit selektiver Befreiung von Reue und Empathie und mit einer sehr hohen Schmerztoleranz. Jemand, der auf emotionaler Ebene, je nach Bedarf blinde Flecken erzeugen kann. Wehe dem, der ausversehen auf diesen Knopf kam. Absichtlich hat ihn jedenfalls keiner gedrückt. Von den wenigen, die mich etwas genauer kannten.
Seid über 10 Jahren habe ich meine Traumfrau an meiner Seite und die zwei besten Töchter, die man sich nur wünschen kann, aus erster Ehe. Meine Frau hat mich in diesen Jahren, in so vielen Bereichen therapiert, ohne wahrscheinlich eine Ahnung von dessen Umfang zu haben. Dadurch konnte ich in den letzten Jahren auch ohne meine zurückkehrenden Erinnerungen, zu einem erträglichen Menschen werden. Zwar besteht immer noch eine latente Explosionsgefahr, aber der Zünder wurde viel sicherer verwahrt und eine positive Nutzung der freiwerdenden Energie ist auch möglich. Hätte ich die Erinnerungen zurückbekommen bevor ich meine Frau traf und hätten noch Folterknechte oder Tanten von damals gelebt, hätte ich ihnen sicherlich den Erfolg ihres Tatwerkes in allen Facetten vorgeführt und es ihnen in vollen Zügen erlebbar gemacht, ohne jeglichen Zeitdruck und eventuell Generationsübergreifend. Diese Wut, den Zorn, die Maßlosigkeit der Rachlust und das Verständnis von Schmerz, hätte sie vielleicht beeindruckt. Meiner Traumfrau, meinen Kindern und Jesus Christus verdanke ich es, daß das was restlos zerstört und verloren schien, auferstehen konnte. Vertrauen, Zuneigung, Liebe, Sicherheit, Geborgenheit und ein Weg aus der Einsam- und Hoffnungslosigkeit!

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Martina - 2023-04-30
Verschickungsheim: ? Norderney
Zeitraum-Jahr: 1977
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative

Mit 3 Jahren wurde ich für 10 Wochen zur Kur nach Norderney geschickt. Dort bin ich 4 Jahre alt geworden. Kann sich jemand an ein Heim erinnern, in dem abends gerufen wurde: "Ruhe im Karton und Köpfe zur Wand!"? So bin ich dort eingeschlafen und hatte furchtbare Angst vor der Nachtschwester. Ich glaube, sie wurde "Tante" genannt. Tagsüber habe ich mich vor den weiß bandagierten Kindern gegruselt, weil ich nicht wusste, was mit ihnen los war. Ich selbst war wegen meines Hustens dort. Es gab ein Mädchen, das immer "RRRR-Ripsband" gesagt hat. Sonst habe ich fast alles vergessen, weil ich so klein war oder weil es so furchtbar war, keinerlei Kontakt zu meinen Eltern haben zu dürfen. Bevor ich von der Verschickungskinder-Initiative erfuhr, habe ich in einem Anflug von Trauer und Frustration alle Karten weggeworfen, die mir von Verwandten an das Kinderheim geschrieben worden waren. Ich konnte sie damals alle nicht lesen und später war der Inhalt für mich der blanke Hohn. Jetzt wüsste ich gerne, wo ich war. Meine Mutter war 1978 noch einmal mit mir auf Norderney und wollte das Kinderkurheim besuchen. Ich soll gerufen haben: "Nein, nicht zu dem Haus mit dem grünen Zaun!". Das sind meine einzigen Hinweise. Meine Mutter sagt, sie habe ein ganz verändertes Kind nach Hause bekommen. Besonders auffällig ist meine für immer gebliebene, extreme Schreckhafitgkeit.

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Sven Kaulfuss - 2023-04-28
Zeitraum-Jahr: 1977-1979
Kontakt: Kontakt: Erwünscht
Verschickungsheim: Norderney

Hallo mein Name ist Sven geboren 1970. Ich wurde im Zeitraum 1977-1979 6 Wochen nach Norderney verschickt. Zusammen mit meinen beiden Klassenkameraden dachte meine alleinerziehende Mutter wohl das es mir gut tun würde. Habe sehr wenige bis keine guten Erinnerungen an die Zeit. Alles beschriebene bzgl. Essen, Schlafen, Ruhezeiten, Beten, Maßregelungen und Züchtigung, etc kann ich teilen. In Erinnerung blieb mir ein Mittagessen bei dem mir eine Gräte im Hals stecken blieb. Leider hatte ich mein Glas bereits ausgetrunken und es gab kein zweites. Da ich nach Luft hechelte schnappte ich mir irgendeines und wurde dann gemaßregelt. Meine Mutter schickte ein Paket mit meinem Lieblingsstofftier und Süßigkeiten nach. Dieses wurde in großer Runde mit Gelächter ausgepackt. Stofftier an mich Rest an die Gemeinschaft. Ein Spaziergang zum Leuchtturm war sicher ein Highlight - leider mußten wir dies in voller Montur erledigen während andere Kinder mit Ihren Eltern am Strand spielten und badeten. Nach 6 Wochen kam ich mit Scheitel und bis oben zugeknöpft nach Hause und als Begrüßung gab es ein „Guten Tag Mutter“. Das erlebte dort oben war nie positiv und meine Mutter hatte immer Gewissensbisse aber wir haben versucht das beste aus der Situation zu machen. Es verwundert mich allerdings bis heute das ich so wenige Erinnerungen an die Zeit und meine Kindheit habe. Ich freue mich sehr über diese Art der Aufarbeitung und vielleicht gibt es ja Leser die ebenfalls in der genannten Zeit aus dem Hochtaunuskreis nach Norderney verschickt wurden - wäre schön ein wenig Licht ins dunkle zu brigen.

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Anne - 2023-04-26
Zeitraum-Jahr: 1980
Kontakt:

Ich war im Winter 1980/81 auf Norderney. Ich war in der 1 Klasse, Schulunterricht gab es nur Mittwochs meistens fiel er aber aus, Die Lehrerin war sehr nett und jung. Spazieren in Zweierreihen, viel Warten nackt auf dem Flur, nackt ums Haus Laufen im Schnee, Blutwurst, gültige Geschichten aus Was ist Was Bücher Dinosaurier wurden vorgelesen man musste dableiben und zuhören im Dunkeln, zugeteilte Kleidung, eincremen mit Melkfett und dann den Schlafanzug an, kein Besuch, keine Telefonate, Buttermilchsuppe, meine Bettnachbarin Cordula mit dicken blonden Haaren und Bussi Bär ein kleiner dünner immer kranker Junge der ach da war als ich kam und noch immer da war als ich drei Monate später ging, das sind die Dinge die ich erinner.Man wartete nackt auf dem Flur um in einer riesigen Wanne zu baden die Zeit wurde gestoppt das Wasser war für alle Kinder das gleiche. Man musste ständig Fieber messen, eigens Spielzeug wurde in Schränke gepackt auch die Kleidung da kamen wir gar nicht dran. Nachts haben viele Kinder geweint. Ich habe keine schönen Erinnerungen außer vielleicht an Cordula die mich getröstet hat und die nette Lehrerin die ich viel zu selten sah.

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M.M.G. - 2023-04-26
Verschickungsheim: Nonnen geführtes Haus z.B. für Knappschaft
Zeitraum-Jahr: 1962/3
Kontakt: Keine Angaben

Ich war immer ein gesundes, agiles Kind. Als ich 8 Jahre war, meinten die Mitarbeiter*innen der „Werksfürsorge“, dass ich doch mal zur Kur müsse und überredeten meine Eltern zu einer 4-wöchigen Kur über die Knappschaft in Bad Rothenfelde. Das Haus wurde von [b]Nonnen[/b] geführt, deren Hauptanliegen es war, [b]Macht über Kinder [/b]auszuüben.
Wir mussten in einem großen Saal schlafen, dessen Tür abgeschlossen wurde, so dass wir nicht zur Toilette gehen konnten. Dafür gab es einen Nachttopf. Im Laufe der Zeit machten wir alle ins Bett, weil wir alle Probleme damit hatten, vor allen anderen auf den Topf zu gehen. Damit war das Ziel erreicht, eine konnte Bestrafung erfolgen. Ab dann gab es abends nichts mehr zu trinken, nur noch jeden Abend Zitronensuppe, 4 Wochen lang… irgendwann habe ich diese am Tisch wieder ausgebrochen mit der Folge, dass ich mein Erbrochenes vor allen anderen aufessen musste und zusätzlich geschlagen wurde.
Ich verlor an Gewicht und bekam zusätzlichen Druck, die Suppe zu essen. Am Ende wog ich nach 4 Wochen weniger als zu Beginn.
Zähneputzen nackend in der Gruppe, Unterwäsche durfte nur gewechselt werden, wenn die Nonne es wollte (sowas kannte ich von zu Hause nicht), wer beim Schuhe zubinden nicht schnell genug war, bekam eine Ohrfeige etc.
Bekamen Kinder zum Geburtstag ein Päckchen, wurde dies vor aller Augen konfisziert und verschwand. Post die wir nach Hause schrieben, durfte nur positives enthalten, sonst gab’s Schläge. Post von Zuhause wurde ebenfalls kontrolliert und nicht immer ausgehändigt.
Wieder zu Hause angekommen, wurde mir zunächst nicht geglaubt. Nachdem einem anderen Kind auf Norderney ähnliches widerfahren war, glaubten mir meine Eltern. Ein weiteres Mail musst Ich nicht zur Kur.

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Christine - 2023-04-16
Verschickungsheim: Kaiserin Seehospiz Norderney
Zeitraum-Jahr: Ca 1981/82
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Da ich schwere Neurodermitis und Asthma hatte ,kam ich 81/82 mit 6 Jahren nach Norderney ,Kaiserin Seehospiz.
Ich habe 6 Monate dort verbracht ....
Die Ordensschwestern haben und gedemütigt und gequält ... damit wir nicht kratzen wurden wir nachts ans Bett gebunden...Wer pipi musste hatte Pech gehabt und musste ins Bett machen.
Wenn man doch gekratzt hatte, dann musste man komplett nackt vor allen anderen Kindern und Schwestern stehen und wurde mit furchtbar brennender Tinktur " blau" gemacht... am Telefon und in Briefen mussten wir lügen , dass es uns ganz toll geht. Eingehende Post und Pakete wurden kontrolliert und einkassiert.
NNach6 Monaten sind meine Eltern gekommen, da sie gemerkt haben, dass was nicht stimmt ...vorgefunden haben sie eine 6 jährige, die am ganzen Körper vereitert war , kaum noch gesunde Haut am Körper.... Der Eiter lief aus meinen Ohren...es war schlimm... weitere 6 Monate hat man in Bremen um.mein Leben gekämpft ... und ich habe gewonnen ... nicht diese sadistischen Schwestern.... viele Jahrzehnte habe ich es verdrängt ... mich nur gewundert, warum ich Panik bekomme, wenn man mich an dek Händen festhält .... durch eine Therapie, die ich eigentlich wegen meinem.Exmann angefangen habe kamen diese Traumata vor ca 10 Jahren zum Vorschein ....

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Goodwill Speck - 2023-02-18
Verschickungsheim: Seehospiz Norderney
Zeitraum-Jahr: 1970 bis 1974
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Ich war zwischen 6 bis 8 Jahre alt als ich in so einem Seehospiz gelandet bin wg Asthma für 6 Monate. Bin ich geheilt zurück gekommen? Nein. Herzrasen hohes Fieber nachts während langer Zeit waren normale Reaktionen. Ich bin nachts stundenlang um unseren grossen Küchentisch gerast und meine Eltern haben mich laufen lassen. Sie hatten Angst ich würde sonst in der Klapse landen aber aus der kam ich ja eigentlich. Mein Vater ist später mit mir zum BKA Düsseldorf gegangen und daraufhin gab es eine Untersuchung. Ärzte die zugegeben haben das sie sich nicht getraut haben bei diesen sogenannten Schwestern etwas zu sagen, sie durften nie die Unterhosen von den Kindern runterziehen (der Teil war jedesmal grün und blau geschlagen).
Briefe welche man nach Hause geschickt hat wurden vorher kontrolliert und je nachdem was drin stand gab es eine ins Gesicht. Haben die Eltern angerufen stand immer einer als Kontrolle daneben.
Es gab eine kleine Lichtung mit ein Bäumen, ich wollte immer dahin. Ich wurde angeschrien weil ich nicht mit zu dem Strand wollte.
Für mich war es die Fortsetzung von 1940 alte frustrierte Naziweiber welche alle ihre perversen Fantasien an den Kindern ausgelebt haben. Es hat sie ja auch keiner daran gehindert. Selbst wenn man es zu Hause nachher erzählt hat es wurde erst einmal nicht ernst genommen und später auch nicht. Meine Mutter hat mich Jahre danach einmal gefragt warum ich nicht zulasse das sie mir hilft. Das Vertrauen ist mit dem 6 monatigen Aufenthalt in Norderney zerstört worden und wurde auch nie wieder hergestellt. Selbst jetzt mit fast 60 wache ich manchmal nachts auf und das Herz rast und da ist nur eine große schwarze Wand. Ich mache extrem viel Sport und Yoga das hilft. Kinder und Tiere haben keine Stimme. Da ist wirklich was dran.

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MonikaD - 2022-10-09
Verschickungsheim: Norderney - Name unbekannt
Zeitraum-Jahr: 1974
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Eigentlich hätte der Fernsehbeitrag über die Verschickungskinder vom 7.Okt. 2022 mit einer Triggerwarnung versehen werden müssen, denn ich reagierte augenblicklich mit Herzrasen und massiver Übelkeit darauf. Vom Begriff selbst hatte ich noch nie etwas gehört.

Wegen Neurodermitis an beiden Armen wurde ich 1974 als Achtjährige nach Norderney in Kinderkur geschickt. Beim Anblick des Heimes, dessen Namen ich nicht mehr weiß, dachte ich, es sei ein Dornröschenschloss, innen herrschte aber der blanke Horror.
Ich kann mich nur bruchstückhaft erinnern, mutmaßlich ist noch viel mehr geschehen: Es herrschte ein empathieloses Unterdrückungssystem mit ganz viel Angst und fürchterlichem Heimweh.
Im Schlafsaal und im Speisesaal hatte Ruhe zu herrschen. Wer aus der Reihe tanzte, wurde reglementiert und bloßgestellt. Der Nachtisch war in der Tischmitte in Glasschälchen ungleichmäßig abgefüllt, wer mit der Hauptspeise zuerst fertig war, durfte sich das größte Schälchen nehmen. Als vormals nörgeliger Esser stopfte ich alles widerwillig in mich hinein, um etwas mehr Nachspeise zu ergattern, denn der Teller musste leergegessen werden, da gab es keinen Verhandlungsspielraum.
Ersehnte Briefe aus der Heimat – Schreiben, die nur für mich persönlich waren - wurden öffentlich im Speisesaal vorgelesen, ausgehende Briefe korrigiert und zensiert. Jede Nacht weinte ich lautlos unter der Bettdecke und las mit der Taschenlampe die geliebten Zeilen meiner Familie tausende Male.

Der erzwungene Mittagsschlaf musste ohne einen Mucks vonstatten gehen. Aus Langeweile warfen wir uns meinen Teddy von Stockbett zu Stockbett zu und kicherten so leise wie möglich. Er landete dummerweise in einem mit Wasser gefüllten Kotzeimer und ich zur Strafe für ein paar Stunden in einem Extraraum für Störenfriede, wo ich auf einem Stuhl sitzend auf Erlösung warten musste.

Das nächtliche Toilettenverbot war für mich die schlimmste aller Regeln, denn dadurch musste ich erst recht aufs Klo und mich entscheiden, entweder ins Bett zu machen oder den heimlichen Weg aufs Örtchen zu riskieren. Beides wurde bestraft, so landete ich des öfteren im separaten Raum.

Ungefähr zur Halbzeit wurde von Seiten des Kinderheimes dem Wunsch der Schwester meines Opas nach einem Treffen stattgegeben. Diese kurte gerade auf Norderney, wir trafen uns im Wellenbad, das wir einmal wöchentlich besuchten. Aus Freude über ein bekanntes, vertrautes Gesicht bekam ich kaum einen Ton heraus. Ich hätte nur äußern müssen: „Hol' mich hier raus!“, aber ich war wie versteinert und schwieg, riesengroß war meine Angst. Warum zur Hölle hatte ich ihr nichts gesagt, fragte ich mich bis zum Ende des Aufenthaltes jeden einzelnen Tag.

Nach sechs Wochen kehrte ich ohne Hautekzeme zurück, dafür aber mit völlig abgekauten Fingernägeln und einer demolierten Kinderseele. Ich habe mich jahrelang geweigert, darüber zu reden, alles wurde verdrängt. Lebenslang zurückgeblieben sind eine Toilettenmacke, ein Autoritätsproblem und weitere Verhaltensweisen, die ich erst noch ergründen muss.

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Anette - 2022-06-26
Verschickungsheim: Kinderkurheim Waldeck, Kaiserstr. 21-22, Norderney
Zeitraum-Jahr: Mai/Juni 1974
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Kinderkurheim des Landkreises Waldeck
Ich dachte lange, meine Erinnerungen an diese Zeit sind wenige, unbedeutende, wenn auch keine schönen. Dass sie traumatisch sind, habe ich erst verstanden als die Erinnerungen nach und nach zu mir zurückkamen. Ich war gerade 6 geworden. Ich war zu dünn für die Einschulung, deshalb schickten mich meine Eltern zur Kur, weil sie soviel Gutes davon gehört hatten. Mein Bruder war ein Jahr alt und meine Mutter mit dem dritten Kind überfordert. Ihre eigene Mutter todkrank. Sie verstarb im folgenden Sommer.
Die familiäre Situation war schon belastend genug für ein sensibles Kind, was aber im Haus Waldeck auf Norderney passierte, verletzte traumatisch meine Kinderseele.


Dunkel erinnere ich mich an kalte, lange Flure. Wir mussten in der Schlange stehen und warten bis wir ins Bad konnten, ich glaube in Unterwäsche. Reden war nicht gestattet. Alle Betreuungspersonen waren angsteinflößend. Wir wurden zum Essen gezwungen. Ich kann bis heute keinen Salat mit Schmand (auf Norderney: Schmand mit 2–3 grünen Blättern) ertragen. Wir mussten alleine sitzen bleiben, bis wir alles aufgegessen hatten. Ich erinnere mich an nicht einen einzigen Aufenthalt am Strand von Norderney. Vielleicht gab es keinen, vielleicht hab ich aber auch nur alle schönen Erlebnisse aus den 6 Wochen gelöscht … Nachts war es besonders schlimm. Wir schliefen in einem großen Saal. Viele Kinder weinten, alle möglichst so, dass es niemand hörte. Leises Wimmern unter den Decken. Niemand tröstete uns. Wenn ein Kind ins Bett gemacht hatte, kam eine Betreuerin und es wurde laut. Ich hörte nicht hin, stellte mich tot und hoffte, dass mir das nicht passierte. Ich wollte immer den Kindern in diesen Situationen helfen, wie ich es zu Hause für meine kleinen Geschwister auch tat, aber es ging nicht. Mir taten die anderen Kinder fast mehr leid, als ich mir selbst. Dabei war es auch für mich echt schlimm. Ich hatte furchtbares Heimweh. Ich dachte, ich sehe meine Familie nie wieder. Fühlte mich verkauft oder weggegeben. Ich weiß noch ganz genau, dass wir Briefe an unsere Eltern diktieren durften. Auch hier wieder Schlange stehen. Endlich war ich dran, konnte die Chance auf einen Kontakt nach Hause nutzen. Eine jüngere, nettere Betreuerin schrieb ihn für mich. Diese Erinnerung ist ganz klar. Ich weiß sogar noch, wie der Schreibtisch stand und wie ich vor ihr stehen musste. Ich vertraute mich ihr an und sagte, sie solle schreiben, dass meine Eltern mich schnell abholen sollen. Dass ich nach Hause will und dass es hier schrecklich sei. Ich weinte fürchterlich. Ich erinnere mich, wie ich mit meinen Händen den Stoff meiner Kleidung zerdrückte. Nachdem ich fertig war mit meinem Bericht, las sie mir vor, was sie geschrieben hatte. Es war reine Folter. Es gibt ihn heute noch. Er lautete:


„Liebe Mama, lieber Papa
Ich habe Eure Karte erhalten und mich sehr gefreut. Oma und Opa haben mir auch geschrieben. Und dann habe ich noch eine riesige Karte von Tante Gundula bekommen. Wenn ich zu Hause bin soll ich meine Erlebnisse auf Tonband sprechen. Ich möchte mal wissen warum Kai und Laura sich immer zanken. Aber wir zanken uns hier auch schon mal. Wir essen hier gar nicht in einer großen Küche, sondern in unserem Gruppenraum.
Viele liebe Grüße sendet Euch (unterschreiben durften wir selbst!) ANETTE“


Danach schwieg ich. Ich gab auf. Es war vorbei. Es gab keine Hoffnung mehr auf ein Wiedersehen. Ich verfiel in Trance, glaube ich. So fühlt es sich jetzt in der Erinnerung auf jeden Fall an.


2003 bekam ich erste Angstzustände. Ich wurde lange Zeit mit Medikamenten behandelt. Heute geht es ohne, aber gut ist es nicht. Ob meine Erkrankung mit dem Kuraufenthalt 1974 zu tun hat, weiß ich noch nicht. Sollte mein Bericht darüber mich persönlich nicht weiterbringen, so hoffe ich, dass er mindestens dazu beiträgt, dass das Leid, welches „Verschickungskindern“ zugefügt wurde, ans Licht kommt. Danke für diese Plattform.

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F.K. - 2022-03-31
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: ca. 1950 und folgende
Kontakt:

„Verschickungserfahrung“

Das ging damals – im Jahr 1955 – voraus:
Krankenhaus 1955 (Spitalhaft)
Ich habe wohl von Natur aus sehr trockene Schleimhäute. Und so litt ich schon als Kind sehr oft unter Nasenbluten. Im Spätsommer des Jahres 1955 war das wieder einmal so stark, dass man es nicht mehr stoppen konnte. Inzwischen war wohl fast das ganze Nachttöpfchen voll Blut und man wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als mich notfallmässig ins Krankenhaus Remscheid zu befördern. Hier hat man das Nasenbluten irgendwie zum Stillen gebracht. Anstatt mich nachher wieder nach Hause zu entlassen, fanden es die Ärzte wohl interessanter, an meinem Asthma herum zu doktern. „Die Mandeln sind im Weg, die müssen raus, dann kann er viel freier atmen“, so behaupteten die Ärzte. Und sie haben meine Eltern überzeugt, diesen Eingriff bei mir vornehmen zu lassen. Die Meinung der Männer im weissen Kittel traute man sich dazumal nicht in Frage zu stellen...
Ich weiss bis heute noch, wie man mir diese eklige Ätherkappe auf die Nase drückte, ja, wie es roch und man mir nachher die Mandeln, die der Schöpfer doch aus irgendeinem guten Grund auch für mich eingeplant hatte, heraus schnitt.
Was das Asthma betraf, hatte es nicht den erhofften Erfolg – und so probierte man noch eine Massnahme aus. Ich wurde mit Penicillin vollgepumpt (das war damals gerade die Zeit, in der man die Wirkung von Penicillin entdeckt hatte).
Jeden Tag mehrere Spritzen, mein Oberschenkel und mein Arm waren nach einigen Wochen ziemlich lädiert von den vielen Einstichen. Und mein Seelenzustand war auch lädiert, weil Besuch im Krankenzimmer damals noch untersagt war. Am Sonntag-Nachmittag standen dann jeweils für 1 bis 1.1/2 Stunden verschiedene Elternpaare vor einem kleinen ovalen Fensterchen in der Eingangstür und durften uns Kindern im Krankenzimmer winken. Die Türe blieb geschlossen und so konnte man sich nur mit mehr oder weniger gut gemeinten Gesten unterhalten. Und wir Kinder hätten eine Umarmung und ein beruhigendes Wort unserer Eltern so dringend gebraucht. Diese Spitalhaft dauerte volle 6 Wochen. Weil auch das noch nicht den erhofften Erfolg brachte, dachten sich die Ärzte noch etwas aus: der Junge muss an die See.

3 Monate auf Norderney („Erholungshaft“)
- ein Hospiz, das von den ehemaligen pommerschen Krankenschwestern geleitet wurde.
Und so wurde ich entlassen, um die Reise an die See anzutreten. Eine knappe Woche liess man uns, um zuhause die Reise vorzubereiten. Bei alledem wusste ich als 11-jähriger nicht so recht, wie mir geschah. Irgendwie muss es den Eltern wohl gelungen sein, mich zu überreden, so dass ich brav mitgemacht habe. Niemand aus der Familie war jemals am Meer gewesen und so sei ich der Erste, der dieses Vorrecht haben würde. Und dann noch dieses „Privileg“: unser Hausarzt Dr. Neudörfer habe doch dafür gesorgt, dass die Krankenkasse die Kosten übernehme – und so solle ich schön mitmachen und aushalten. Wenn man das Ganze abbrechen müsse, dann müssten die Eltern die Kosten selbst übernehmen und das Geld hätten sie nicht.

Ich habe nur den Abschied auf dem Wuppertaler Hauptbahnhof noch vor Augen – Tante Mariechen (Vaters Schwester) aus Barmen war extra gekommen, um mir Adieu zu sagen – und dann wurde ich von einer Krankenschwester, die ein spezielles weisses Häubchen trug, unter die Fittiche genommen. Wenn man mir damals gesagt hätte, dass dieser Aufenthalt volle 14 Wochen dauern werde, wäre ich wahrscheinlich fortgelaufen. Mit der Dauer des Krankenhauses waren es dann zusammen 20 Wochen, die ich von Daheim fort war. Je näher wir der Nordseeküste kamen, umso mehr Kinder stiegen in den Zug ein.

Und dann kam die eindrucksvolle Überfahrt mit der Fähre Friesia IV.
Und am Hafen in Norderney der geordnete Gang in Reih und Glied zum Seehospiz. Dieses Hospiz bestand aus mehreren Gebäuden, in denen an die 500 Kinder untergebracht waren. In einem riesigen Schlafsaal mit ca. 100 Betten wurde mir irgendwo mittendrin ein Bett zugewiesen, d.h. eher eine Pritsche mit magerem Bettinhalt.

Schläge
Den ersten Abend werde ich für mein ganzes Leben nicht mehr vergessen, denn hier wurde an mir ein Exempel statuiert. Es wurde uns unmissverständlich eingeschärft, dass absolute Ruhe im Schlafsaal zu herrschen habe. Am Schlafsaal angrenzend gab es eine Türe mit einem Fensterchen ins Schwesternzimmer. Dass hinter dem Fensterchen die Spähaugen der Aufsichtsschwester alles mitbekamen, was im Schlafsaal vor sich ging, wurde uns später eindrücklich vor Augen geführt. Jedenfalls war es so, dass ich meinte, irgendjemand von uns Buben verursache Lärm, indem er gegen das Bett schlage. Und so erhob ich mich ein wenig, um zu sehen, wer das sei und rief wohl etwas zu laut: Ruhe.
Ich wusste nicht, dass diese Geräusche Warngeräusche der Aufsichtsschwester waren, die dieses Signal an ihrer Türe an uns weitergeben wollte. Und dann geschah es: nachdem ich es gewagt hatte, umher zu sehen und „Ruhe“ zu rufen, ging diese Tür mit einem Mal auf und spukte eine wütende Krankenschwester aus. Diese kam schnurstracks (d.h. auf direktem Weg) zu mir und verprügelte mich derart, wie es noch niemand in meinem kurzen Leben jemals getan hatte. Sie hat mich an den Haaren aufgezogen und die Schläge prasselten von allen Seiten auf mich – mein Bett sah aus, als hätte man eine Schlacht veranstaltet und überall lagen meine Haare als stumme Zeugen dieser Prügelveranstaltung herum, die übrigens von eindeutigen Drohungen begleitet war.
Ich weiss nicht mehr, wie ich diese Nacht überstanden habe und ob ich überhaupt noch in der Lage war, Tränen zu vergiessen – so sehr war ich geschockt.
Irgendwie muss sich doch mein Heiland über mich erbarmt haben, denn ich bin
erschöpft von der Prügel eingeschlafen. Am nächsten Morgen mussten wir alle neben dem Bett Aufstellung nehmen und dann wurde uns das „Bettmachen“ gezeigt. Zusammenlegen des Pyjamas, quadratisch als Häufchen auf den neben dem Bett platzierten Hocker, glatt ziehen des Leintuches, Einstecken der Bettdecke mit Wolldecke und 20 oder 30 cm aufschlagen etc. Jeden Tag wurde unser Werk begutachtet und wenn irgendwo Falten auf der Bettdecke zu sehen waren, wurde das ganze Bett bis auf die Matratze auseinander gerissen und das Werk durfte von vorne beginnen.
Für den gemeinsamen Waschsaal gab es klare Anweisungen und eine Aufsicht, die alles kontrollierte. Ebenso wurden uns militärische Tischmanieren andressiert und unmissverständlich klar gemacht, dass man alles zu essen hatte, was serviert wurde.
Das war ein Problem für mich, weil ich damals keine Tomaten und demzufolge auch keine Tomatensuppe essen konnte. Und weil ich das dann eben doch musste, fand diese Suppe wieder den Weg nach oben... und das hatte natürlich Folgen, die ich hier aber nicht mehr im Detail beschreiben will.

Der Leser merkt bereits, dass dieser Aufenthalt, der ja als so genannte Erholung bezeichnet wurde (so hiess das damals. Man sagte: er ist zur Erholung fort), für mich keine Erholung war, sondern eher eine Tortur. Ich litt unter starkem Heimweh. Briefe von daheim und unsere Post nach daheim wurde alle gelesen (zensiert). Im Nachhinein bin ich auch überzeugt, dass meine Hinweise, mich hier weg zu nehmen, meine Eltern nie erreicht haben. Ich habe keinen einzigen ungeöffneten Brief bekommen. Päckchen mit gut gemeintem Inhalt wurden für alle verteilt. Ich habe kein einziges Päckchen von daheim selbst in die Hand bekommen – nur einmal wurde mir ein Quartett ausgehändigt, weil eine Tante so clever war, darauf zu schreiben „Eigentum von Friedhelm Kesper“.

Etwas hat sich mir aber damals ganz stark eingeprägt: ich habe nicht nur Heimweh nach daheim gehabt, ich hatte auch Heimweh nach der christlichen Versammlung (so nannte man damals die evangelische Freikirche).
Was hätte ich dafür gegeben, wieder einmal in der Versammlung still sitzen zu dürfen und diese Atmosphäre zu fühlen. Das war nichts Oberflächliches. Ich habe immer und immer wieder darüber nachgedacht und fand es damals schon recht erstaunlich. Denn Versammlung, das hiess zu dieser Zeit: Sonntag-Vormittag und Nachmittag. Das war der normale Sonntag. Am Abend lud man Gäste ein oder war selbst von jemand eingeladen.
Für uns Kinder war es eine ziemliche Herausforderung, so lange still zu sitzen und doch habe ich diese Atmosphäre schmerzlich vermisst.
Ich denke: hier hat mir Gott eine tiefe Liebe zur Gemeinde geschenkt, die mein Leben so stark geprägt hat, die bis heute geblieben ist.

Neben all dem Schweren aus dieser Zeit in Norderney, gab es auch viel Schönes: die Wanderungen am Strand oder in den Dünen, der wöchentliche Besuch im Wellenbad oder der Hafenrundgang. Spannend war auch, mitzuerleben, wie es Sturmfluten oder einmal sogar eine Hochflut gab, wie Teile der Insel überschwemmt waren und so weiter.
Aber auch in jener Zeit hatte ich Asthma-Anfälle. Dann wurde ich im Saal auf eine Pritsche im hinteren Teil verwiesen, wo man mich einfach liegen liess und nach geraumer Zeit wieder holte. Einmal hat man mich total vergessen und ich bin dann wohl eingeschlafen, weil ich mich nicht getraute, einfach alleine aufzustehen.
Jede Woche war Arztvisite, man wurde gewogen und weil ich nach den ursprünglich vorgesehenen 11 Wochen noch nicht zugenommen hatte, wurden mir 3 Wochen Verlängerung aufgebrummt. Das war eine ziemliche Enttäuschung für mich.
Irgendwann kam dann doch das Ende jener „Rekrutenzeit“ und wir durften endlich nach Hause. Ich wusste aber nicht mehr so recht, wie es zuhause in meiner Familie war und so kam ich mit gemischten Gefühlen zurück. Am Abend habe ich meine Kleider (wie in Norderney eingetrichtert) auf einem Hocker als quadratischen Stapel wohlgeordnet gelegt, und alleine dies löste bei Mutter und er älteren Schwester Schwester ziemliches Staunen aus. Daneben muss ich wohl auch einen eingeschüchterten Eindruck hinterlassen haben.
Die Freude, wieder zuhause zu sein, war noch nicht bei mir angekommen.
Als alles still in der Wohnung war, und ich in meinem Bettchen lag, hat man sich am Familientisch noch unterhalten und meinte wahrscheinlich, dass ich schon schlafe.
Aber alles war so ungewohnt für mich, das ich eben noch lange wach lag und dann hörte, wie einer zum anderen sagte, er ist nicht mehr derselbe, was hat man wohl mit ihm gemacht? Ja, ich weiss nicht so recht, wie ich das als 11jähriger alles verarbeitet habe. Jedenfalls habe ich mich sehr auf den nächsten Sonntag und die Gemeinde gefreut.

Aufarbeitung / Vergebung
Die Norderney-Erfahrung war im Jahr 1955. – 47 Jahre danach, also im Jahr 2002 habe ich mit meiner Frau, Louise zusammen eine Ferienwohnung auf Norderney gemietet. Es hatte mich nicht mehr losgelassen. Ich musste nochmals dahin und diesen Ort, das Seehospiz aufsuchen. Und wie es der „Zufall“ will: unsere Ferienwohnung lag schräg gegenüber dieses Heimes, das damals ein Heim für Mütter und Kinder geworden ist.
Ich habe es mir von aussen betrachtet, die Backsteinfassaden waren noch genau wie früher. Wir sind hinein gegangen und ich meinte, den Geruch von damals zu riechen. Ich habe dann jemand gefragt, ob ich mal kurz durch das Gebäude gehen dürfte - aus eben jenen Gründen. Leider hat man es mir nicht gestattet, was mich schon sehr befremdet hat.
Ich wollte das Kapitel jedoch abschliessen und habe dann in einer ruhigen Stunde ganz bewusst den damaligen Schwestern im Gebet Vergebung zugesprochen.
Damit ist Norderney und die Heimerfahrung zwar beendet – doch vergessen kannst du so etwas nicht. Noch Jahre später – wenn ich auf Reisen in Deutschland Schwestern in jener Tracht begegnete wie auf Norderney – lief es mir eiskalt den Rücken hinunter – und wie ein Film lief alles vor meinen Augen wieder ab.

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Wilfried Prins - 2022-02-16
Verschickungsheim: Kinderheim "Bremen" auf Norderney
Zeitraum-Jahr: etwa 1953
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Abspecken im Kinderheim
ei uns Kindern aus´m Kohlenpott bestand ja immer der
Verdacht einer gesundheitlichen Fehlentwicklung, von
Lungenkrankheit über Hautunreinheiten und anderen
allergischen Auffälligkeiten bis zur Mangelernährung. Der Arzt
beim Gesundheitsamt, der meine Schulreife feststellen sollte,
fand aber nur ein Loch in meinem Herzen. So sagte er es
jedenfalls wörtlich meinen Eltern. Die rannten natürlich total
besorgt sofort zu unserem Hausarzt Dr. Spieker. „Der Junge hat
ein Loch im Herz!“ Dr. Spieker setzte sein eiskaltes Stethoskop
auf meine junge Brust und klopfte und horchte das ganze zarte
Oberkörperchen ab, aber so viel er auch horchte und klopfte,
von Loch keine Spur. Statt Lochbehandlung empfahl er aber
ganz dringend einen 6wöchigen Aufenthalt in gesunder
Nordseeluft. So eine Kurmaßnahme bezahlte zum Glück die
Gesundheitsfürsorge der Zeche, bei der mein Vater malochte.
Die wollte ein wenig gutmachen für all die Sauerei, die sie mit
Abgasen aus Gruben und Kokereien anrichtete.
So stand ich dann – bald nach der Einschulung - an einem
trüben Vorsommertag an einem Nebengleis des Essener
Hauptbahnhofs - ein Schild mit meinem Namen um den Hals,
ein Köfferchen aus Karton ins feuchte Händchen geklammert -
und wurde in einen Waggon verfrachtet. Mit 200 anderen
Kohlenpottblagen. Noch nie war ich weiter als mit der
Straßenbahn nach Duisburg gekommen – und jetzt gleich an die
Nordsee! Ans Meer! Vorne pfiff die Dampflok und schleuderte
kleine schwarze Brocken und diesen unvergesslichen Duft nach
verbranntem Koks ins Abteil, wo ich heulend mit vielen
anderen Pimpfen einem ungewissen Schicksal entgegensah.
Tief durchatmen! Es begann ein mich heute noch belastender,
ein alptraumhafter Aufenthalt im „Kinderheim Bremen“ auf der
B
Insel Norderney!
Mein Bett, ein quietschendes Metallgestell, stand in einem
Riesenschlafsaal, zusammen mit zwanzig oder dreißig
weiteren. Meines war rechts vom Eingang aus, gleich das erste.
Das war sehr praktisch für die allabendlich hereinstürmende
Nachtschwester. Die brauchte dann nicht lange nachzuforschen
oder an der Tür zu horchen, wer vielleicht nicht sofort die
Klappe gehalten oder den Witzbold oder Quertreiber abgegeben
hatte. Die diensthabende Tante konnte reinrauschen, mir immer
ganz schnell die Schlafanzughose runterziehen und den nackten
Hintern versohlen, wenn nicht sofort nach dem Zubettgehen
absolute Stille einkehrte. Auf den bloßen Hintern. Mit meinem
eigenen Pantoffel! Der stand praktischerweise gleich unterm
Bett. Immer ich! Fand ich ganz schwer ungerecht, denn nicht
immer ich hatte komische Geräusche gemacht oder dumme
Sachen in den dunklen Schlafsaal gerufen. Da gab es auch
andere. Aber mein Hintern war der nächstliegende. So ist es nun
mal im Leben, lernte ich: Irgendein Arsch muss immer dran
glauben.
Zur Vorbeugung vor Rachitis mussten jeden Abend, vor dem
Abendessen, alle Kinder antreten und einen Löffel mit
Lebertran - purem, reinem Lebertran – schlucken. Nicht dieses
verfeinerte Zeug mit Apfelsinengeschmack und den
strahlenden pausbäckigen Kindchen auf der Flasche, das später
in allen Drogerien auftauchte - nein, reiner unverfälschter
stinkender Tran. Es gab dann zwar ein Eckchen Schwarzbrot
dazu, damit man nicht gleich erbrach, nicht direkt auf den
Löffel. Aber eine Tortur war es dennoch. Ich glaub, die
Walfangflotte lag direkt vor Norderney und lieferte dieses
gelbe, ekelhafte dickflüssige Öl schnurstracks und fangfrisch
per pipeline ins Kinderheim Bremen. Sich vor der Einnahme zu
drücken war schier unmöglich. Auf ewig in meiner Erinnerung
verankert ist, dass sich ein Kind auf einen Teller übergab und
dennoch gezwungen wurde, das Eingebrockte auszulöffeln.
Im Gegenzug zu diesen hartherzigen Kleinkinderquälereien hab
ich die Tanten auf einem anderen Gebiet mit meiner kindlichen
Finesse ausgetrickst. Und zwar so: Alle Mahlzeiten wurden
gemeinsam in dem großen Speisesaal eingenommen und man
saß immer am selben Platz. Meiner war ganz außen an der Ecke.
Zu meinem großen Abscheu gab es häufig eine Eintopfsuppe
mit ekligen dicken fetten Speckstücken drin. Noch heute, als
Erwachsener, puhle ich sorgfältig jedes erkennbare kleinste
Fisselchen Speck aus jedem Essen heraus, schneide bei
Schinken und Wurst jeden Fettrand ab. Keine Ahnung, woher
diese Abneigung schon im zarten Kindesalter kam, denn
eigentlich war es in der ersten Nachkriegszeit bis weit in die
Fünfziger hinein, geradezu erstrebenswert, möglichst fett zu
essen. Da saß ich armer Knirps nun, die barschen Tanten im
Nacken. Die peilten wie die Erdmännchen in der Kalahari und
wachten wie die Geier in den Anden, dass jedes Essen an den
Ort kam, für den es bestimmt war. Und die Speckstückchen in
der Suppe blickten mich an. Und es schüttelt mich vor
Widerwillen.... Ich bin stolz darauf, dass ich gleich zwei Tricks
gefunden habe, den Speck an einen Ort zu befördern, den die
geiernden Schwestern nicht kannten.
Für die erste Trickserei hab ich meine Hosentasche benutzt. Da
hinein ließ ich die kleinen Speckwürfel gleiten. Wenn die
wachsamen Augen der Schwestern mal nicht auf mir ruhten,
flutschte der Speck in meine Hose. Das nenn ich Abspecken!
Wenn das nicht mal raffiniert war! Das ging natürlich nur in
begrenzter Menge, denn irgendwann fetteten die Dinger durch
oder fingen an zu stinken oder zu schimmeln. Das war dann
doch etwas zu verräterisch in der Hose. Also musste ein
weiterer Zaubertrick her.
Das „Kinderheim Bremen“ war ja nun nicht das allerneuste.
Meine heutige Recherche lieferte mir den Nachweis, dass es
bereits in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als
„Kinderheim Dresden“ und sogar schon 30 Jahre vorher als
„Gasthof Frisia“ auf Norderney geführt wurde. Erst 1954
pachtete es das Land Bremen. Wie da die Drähte zu den
Ruhrgebietszechen gezogen wurden, ist nicht mehr
nachvollziehbar. Wegen dieses Alters war die Bausubstanz
entsprechend ein wenig marode – gerade richtig für meinen
Speck-weg-Trick. Ganz einfach hinter die nächst erreichbare
Fußleiste schieben! Die stand ein Stück von der Wand ab und
nahm bereitwillig alles auf, was mir nicht schmeckte. Dafür den
Ratten um so besser.
Das war´s: Ein neues Abspeckprogramm! Einige Zeit später
wurde das Heim abgerissen: Abspecken in letzter Konsequenz.
Die letzte Stufe meiner Rache

Diese Geschichte wurde entnommen meinem Buch "Bevor ich mich vergesse" von
Wilfried Prins
Boxberger Str. 20            80939 München
Tel. 089 32667725   oder   0178 1562436

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Dorothea H. - 2022-02-12
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: Sommer 1968
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Ich war im Sommer 1968 im Kurheim auf Norderney und suche Menschen, die auch zu dieser Zeit dort waren.

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Ingrid - 2021-12-27
Verschickungsheim: Norderney und Amrum (Wittdün)
Zeitraum-Jahr: 1968/1969 und Ende 1971
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative

Norderney: Ende 1968 oder Anfang 1969 Alter: 5 Jahre
Amrum (Wittdün): November/Dezember 1971 Alter: (gerade) 8 Jahre

Im Alter von 5 und 8 Jahren wurde ich jeweils für 6 Wochen wegen Bronchitis zur "Kur" an die Nordsee geschickt. Das Wort "Verschickung" ist bei uns nie gefallen. Meine Mutter hatte die Angewohnheit, alles freundlich zu umschreiben. Wenn es bei uns beispielsweise Kaninchenbraten (mein Vater züchtete Kaninchen) gab wurde uns gesagt, es sei Hähnchen. Wir Kinder sollten nicht merken, dass die niedlichen Tiere aus dem Kaninchenstall auf unseren Tellern landeten...... Ansonsten war mein Elternhaus liebevoll, der Vater verdiente den Lebensunterhalt und die Mutter kümmerte sich um Kinder, Haus und Garten. Die klassische Rollenverteilung zu dieser Zeit. An den Wochenenden haben meine Eltern viel mit uns unternommen. Wir wohnen ländlich und ich würde mein Elternhaus durchaus als liebevoll bezeichnen.
An den Aufenthalt auf Norderney kann ich mich so gut wie gar nicht erinnern. Meine Mutter ist verstorben, die kann ich nicht mehr fragen. Als ich meinen 87jährigen Vater kürzlich fragte, ob er sich erinnere, meinte er: "da hattest du doch Krieg mit den Nonnen". Heißt, es muss etwas vorgefallen sein, woran ich mich nicht erinnern kann. Genaueres hätte eventuell meine Mutter gewusst. Leider wurde in all den Jahren dieses Thema, wie bei so vielen anderen auch, nicht angesprochen. Ich selbst hatte die Erfahrungen größtenteils verdrängt, bin jedoch im Besitz eines Gruppenfotos, auf dem hinten sämtliche Namen meiner Gruppe vermerkt sind, auch die von den Gruppenfräuleins: Fräulein Anita und Fräulein Regine, die ebenfalls auf dem Foto zu sehen sind.
Durch einen Artikel im Internet auf diese Seite aufmerksam geworden beschäftige ich mich momenten sehr intensiv mit dem Thema. Tatsächlich ist mir von dem Aufenthalt auf Amrum noch einiges in Erinnerung, nach und nach kommt immer mehr dazu. Ich erinnere mich an:
die Vorabuntersuchung beim Vertrauensarzt der Krankenkasse
das Einnähen der Namensetiketten in Kleidung etc.
die Zugfahrt mit einer Begleitperson,
den Schlafsaal,
Mittagsschlaf mit absoluter Ruhe, sonst Strafe,
Erniedrigung und Bestrafung von Bettnässern,
Essenszwang,
das Aufteilen eines erhaltenen Nikolauspäckchens,
zensierte Post,
Bestrafungen durch Isolation,
die insgesamt sehr kalte Atmosphäre, aber leider an nichts Schönes.
Meine Mutter meinte einmal, andere Kinder hätten meine Kleidung getragen (vielleicht habe ich das aber auch nur behauptet, um beispielsweise stark verdreckte Unterwäsche zu erklären).
Es gab eine junge Praktikantin, die sehr nett zu uns war, wenn es die Heimleitung nicht mitbekam. Sie ging mit uns zu einem Krabbenkutter, wir haben Krabben gepuhlt und diese gegessen. In meinem ganzen Leben habe ich keine Schalentiere und Meeresfrüchte mehr gegessen, ob ein Zusammenhang besteht weiß ich nicht, könnte es mir aber durchaus vorstellen.
Die schlimmste Erfahrung war jedoch folgende: die Leiterin hatte der Praktikantin hinter dem Rücken einen Vogel (vielleicht auch Scheibenwischer) gezeigt und ich hatte das gesehen. Da ich die Praktikantin angehimmelt habe, habe ich es ihr erzählt, also sozusagen "gepetzt". Kurze Zeit später mussten wir uns alle im großen Saal im Kreis aufstellen und die Leiterin wollte wissen, wer zu der Praktikantin gesagt hätte, sie habe ihr einen Vogel (o.ä.) gezeigt. Aus Angst vor Bestrafung habe ich mich nicht gemeldet. Natürlich wusste die Leiterin, wer es gewesen war, und ließ mich vortreten. Vor allen anderen wurde ich beschimpft und gedemütigt, als Lügnerin bezeichnet. Danach wurde ich für mehrere Stunden in eine kleine dunkle Kammer gesperrt. Es war einfach nur grausam. Trotzdem habe ich mich völlig verheult in die Arme der Praktikantin geworfen, als diese mich endlich befreite. Ich habe die Zusammenhänge nicht verstanden und sie weiterhin angehimmelt, obwohl ja eigentlich sie mich verraten haben musste...... Vermutlich war das so eine Art Schutzfunktion meines Gehirns, da ich sonst völlig ohne Bezugsperson gewesen wäre.
Seitdem bin ich als Kind nur ungern von Zuhause weggefahren, einige Tage bei Verwandten war okay, Urlaube mit den Eltern ebenfalls, Klassenfahrten trat ich mit ungutem Gefühl an, Ferienlager o.ä. kam für mich gar nicht in Frage. Ich habe ein extrem ausgeprägtes Bedürfnis nach Harmonie und große Probleme, mich auf fremde Personen und Situationen einzulassen, bin oft unsicher und versuche, dieses möglichst zu überspielen. Weiterhin habe ich Zeit meines Lebens mit Übergewicht zu kämpfen, mal ab- und dann aber auch wieder zugenommen........... Für meine Eltern war ich auch nie so perfekt wie meine kleine Schwester (die nicht zur Kur musste), bin immer angeeckt und habe vieles nicht recht gemacht.
Mein verstorbener Mann war als kleiner Junge ebenfalls verschickt an die Nordsee, er konnte sich nicht erinnern, weil er zu klein war. Er litt Zeit seines Lebens an Angstzuständen, traute sich als Kind nicht alleine in den Keller und hatte als Erwachsener noch extreme Platz- und Höhenangst. Die Ursachen hierfür wurden leider nie erforscht.
Bereits als Jugendliche, bevor ich selbst Kinder hatte, habe ich immer gesagt, dass ich niemals ein Kind alleine zur "Kur" schicken würde, was ich dann auch nicht getan habe.
Froh, dass dieses Thema endlich öffentlich gemacht wurde, danke ich ganz herzlich für die Möglichkeit der Erinnerung und Aufarbeitung und wünsche allen die nötige Kraft. Wie so viele andere habe ich lange an Einzelschicksale geglaubt und hätte nicht gedacht, welches Ausmaß das alles hat.

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E. Steiner - 2021-12-18
Verschickungsheim: Norderney (irgendwie christlich-katholisch)
Zeitraum-Jahr: Januar bis März 1973
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative

Ich kam zusammen in einem Zug voller hustender, schniefender Jungs mit meinem um 4 Jahre älteren Bruder in das Kinderheim nach Norderney, wurde aber sofort von ihm getrennt. Nach drei Wochen kam ich in das gleiche Haus wie er, war aber in einer anderen Gruppe und sah ihn aus der Ferne dreimal am Tag beim Essen.
Zunächst weinte ich sehr und so lange, wie nie wieder seitdem und bekam so hohes Fieber, dass der Notarzt kommen musste. Ich war aber offensichtlich in einem Haus für "schwere Fälle", aus dem ich drei Wochen (oder zwei?) später in eine "normale", größere Gruppe verlegt wurde. Ich durfte nicht mit meinen Eltern telefonieren, weil ich dann ja noch größeres Heimweh bekommen würde. So sagte man mir.
In meiner Gruppe war ich der einzige Viert- unter Drittklässlern. Die Heimschule war ca. an zwei Vormittagen/Woche. Ich bearbeitete langweilige Arbeitsblätter, weil die Lehrerin sich um die anderen Jungs kümmerte. Immerhin behandelte sie mich - ich würde heute sagen - lieb und respektvoll. Ich gab ja auch Ruhe. Das war dort etwas Besonderes. Ich fehlte meistens, weil ich minimal Fieber hatte. (Über 37,2°C - in meiner Erinnerung - mussten wir den ganzen Tag im Bett bleiben, wo sich niemand um uns kümmerte. Hier lernte ich ganze Asterix-Hefte von anderen Jungs auswendig. Bücher, geschweige denn Fernsehen, gab es nicht. Die Comics kursierten unter den Jungs, wurden aber recht heimlich aufbewahrt, weil wir nicht wussten, was die Schwestern zu Blueberry usw. sagen würden. Wir hatten Sorge, dass man sie wegnehmen würde. Ich - aus "gutem Hause" - hatte natürlich keine und bekam keine geschickt. Auch keine Haribos.)
In meinem Zimmer, dem hausbekannten Lieblingszimmer der Oberschwester, deren Büro nebenan war, lagen nur 6 bis 8 Jungen. Die anderen Zimmer waren sehr viel größer.
In dem Heim waren lauter Kinder aus dem Rheinland, niemand aus Nordwestdeutschland, wie ich. Die meisten kamen wegen Krupphustens und Asthma einmal im Jahr, für etwa 6 bis 8 Wochen. Sie waren alle alt-erfahren. Ich war 13 Wochen am Stück da. Als ich nach Hause kam, sprach ich Kölsch: "Dat jibbet doch jarnich!" Meine Familie lachte mich aus. Ich traute mich tagelang nicht zu reden.
Ich erinnere mich nicht an Freunde, wohl aber zumindest an einen Jungen aus unserem Zimmer, den wir anderen mobbten (Johann Neesen, wenn ich mich richtig erinnere). Das schien niemand zu bemerken, wir anderen hatten unseren "Spaß", Johann dienerte sich uns an. Auf dem Zimmer ging es, aber in der Schule oder dem großen Saal (Essen u. "Spielen" mit kaum vorhandenem Spielzeug) fühlte ich mich einsam. Von meinem wenigen "Taschengeld" kaufte ich mir einen Liter Apfelsaft, den ich so sparsam trank, dass er zu zwei Dritteln verschimmelte. Die Flasche lag in meinem kleinen privaten Fach. Ich dachte viel nach, kam aber zu keinen Ergebnissen. In meiner Erinnerung hielt ich den ganzen Tag den Mund. Wir mussten alle zwei Wochen nach Hause schreiben. Ich wusste nie was. Ich bekam auch Briefe meiner Eltern, kann mich aber nicht an Inhalte oder Emotionen erinnern. Es war ein komisches Gefühl Briefe zu bekommen. Das war etwas für Erwachsene.
Die Schwestern waren streng und autoritär, zu uns aber lieb und lustig, weil wir ja auf dem Lieblingszimmer waren. Alle anderen hatten Furcht, wir aber lebten in der Sonne des glücklichen Schicksals und durften uns mehr erlauben (Vor dem Einschlafen bei ausgeschaltetem Licht noch etwas schwatzen und kichern, morgens als letzte geweckt werden, aber bei der Medikamentenausgabe vorne in der Schlange stehen.
Ich erinnere mich an Unmengen von Medikamenten, Inhalationen und vielen Spritzen.
Wenn es irgend ging, (Aufenthalt von Neujahr bis in den März hinein), gingen wir in Reih und Glied jeden Tag am Strand entlang und durch die Dünen zurück. Ich liebte den Strand und das wilde Meer, durfte aber oft wegen Fiebers nicht mit. Noch heute liegen in meinem Elternhaus die Austernschalen, die ich für die Familie sammelte. Manchmal spielten wir Völkerball. Auch das liebte ich, weil ich so gut war, dass ich mit den Großen mithalten konnte. Die kleinen Jungs wurden sofort abgeworfen und verbrachten das Spiel frierend und oft nass am Rand. Ich war bis zum Schluss drin und stolz darauf.
Nach 9 Wochen fuhr mein Bruder nach Hause. Ich bekam eine Verlängerung von zwei Wochen, weil ich noch nicht gesund wäre. Nun war ich ganz alleine. Nach 11 Wochen wurde beschlossen, dass ich noch zwei Wochen dableiben solle. Die Oberschwester teilte mir das in ihrem "Büro" mit. Und weil man antizipierte, dass ich weinen würde, durfte ich gleich mit meiner Mutter telefonieren. Das war eine absolute Ausnahme, wie mir beteuert wurde. Nun wurde mir hoch und heilig versprochen, dass ich dann nach Hause dürfe (gerade rechtzeitig zu meinem Geburtstag) Ich beschloss, die letzten 14 Tage auch noch zu überstehen. An meinem letzten Tag wurde ich von einem Arzt untersucht. Mein Entlassungsformular lag auf dem Schreibtisch. Niemand ahnte wohl, dass ich auch recht gut kleine Buchstaben auf dem Kopf lesen konnte. Auf dem Formular gab es fünf Kategorien zum Ankreuzen: geheilt, verbessert, gleichbleibend, verschlechtert, verstorben. Bei mir war "verschlechtert" angekreuzt. Ich dachte, dass ich ja noch Glück gehabt hätte, wenn man auch sterben könnte. Ich hatte nicht geahnt, dass ich so kurz davor gewesen bin, erinnerte mich aber an mein Fieber zu Beginn der Zeit.
Bei meiner Abreise, - von den Jungs konnte ich mich nicht verabschieden - , war ich wie benebelt. Ich fühlte nichts, vor allem keine Dankbarkeit, aber irgendwie auch keine Freude auf zu Hause. Ich konnte mir irgendwie gar nicht mehr richtig vorstellen, wie es da war und was mich erwartete und ob ich auch wieder im nächsten Jahr nach Norderney müsse. Man brachte mich auf den Zug, in dem ich alleine fuhr. Ich musste allerdings nicht umsteigen, nur richtig aussteigen.
Ich musste dann nie wieder nach Norderney, weil sich ja glücklicherweise mein Zustand dort angeblich verschlechtert hatte. Tatsächlich ließen meine Beschwerden dann nach etwa 1,5 Jahren von alleine nach. Das war die Zeit, als ich begann in Kaufhäusern Spielzeug und Schokolade zu klauen...

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Michaela - 2021-12-17
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: 1972 und 1974
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Ich war mit 5 jahren und dann nochmal mit 7 Jahren in einem Heim auf Norderney (großes rotes Backsteingebäude). Ich mochte nie Milchreis oder Grießbrei (hatte ich in der Kur erbrochen). einmal war ich ohnmächtig geworden, lag dann bei der Oberschwester im Büro auf dem Boden, warum weiß ich nicht, denke aber dass es nicht normal ist für ein Kind ohnmächtig zu werden.Ich hatte schreckliches Heimweh. Ich war wohl zu blass und zu dünn und litt an Bronchialasthma, deshalb hat man mich dort fett gefüttert. Ich habe heute noch Ess-störungen und Gewichtsprobleme. Die Erinnerungen sind nur bruchteilhaft.Wenn ich hier Einträge lese kommen kleine Erinnerungen wieder, wie an den Schlafsaal, Speisesaal, die Ordensschwestern....
Ich würde mich gerne austauschen mit Menschen, die vielleicht (ca.) zur gleichen Zeit auf Norderney waren. Habe keinerlei Namen in Erinnerung.

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Michael - 2021-12-17
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: 1960 oder 1961
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative

Ich war im oben angegebenen Zeitraum im Sommer in so einem Kinderheim auf Norderney, für 6 Wochen glaube ich. Meine Mutter war Alleinerziehende und ich hatte lange geglaubt, dass sie mich da hin geschickt hat, weil ich etwas Ungezogenes gemacht habe, denn das Ganze passierte recht plötzlich für mich, ohne Vorwarnung. Ich hatte wahnsinniges Heimweh, schon auf der langen Zugfahrt dahin. In dem Heim passierte vieles, was mir nicht gefallen hat, z.B. das Teller leer essen von Dingen die ich nicht mochte. Wir hatten aber auch viele nette Ausflüge an den Strand, zum Leuchtturm, etc. Zwei sehr schlechte Vorfälle blieben mir in Erinnerung:
1. wir mussten Mittagsschlaf machen. Ich musste groß auf das Klo, hatte aber Angst, mich zu melden. Da beschloss ich, einfach in die Unterhose zu machen und es später auszuleeren. Das hat aber die Aufsichtsperson offensichtlich gerochen - was für mich total verwunderlich war, denn wie sich mir später offenbarte habe ich keinen Geruchssinn (!) - , mich aus dem Bett gezerrt, in die Dusche gestellt und mit einem Schlauch von oben bis unten abgespritzt. Kann gut sein, dass es auch ein paar - nennen wir es mal vorsichtig - Klapse gab.
2. Es gab eine Frau als Aufsichtsperson, die hatte an einer Hand nur drei Finger. Sie hat uns erzählt, dass ihr Vater die anderen abgehackt hat, weil sie ungezogen war ... das hat mich natürlich total geschockt.
Soweit mein Bericht, diktierte Postkarten gab es übrigens auch.

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Geg - 2021-12-17
Verschickungsheim: Christliches Seehospiz Norderney
Zeitraum-Jahr: 1963
Kontakt: Keine Angaben

Danke Frau Röhl für die Möglichkeit, dass ich mir von der Seele schreiben kann, was ich schon fast ein Leben lang mit mir rumschleppe. Ich habe einige Zeit gezögert alles aufzuschreiben.

Meine Eltern sind verstorben und ich bin allein auf meine Erinnerung angewiesen, die teils sehr klar, teils auch verschwommen ist.

Es war etwa 1963 und ich war 10 Jahre alt, ein normaler Junge mit normalem Elternhaus. Seit mehreren Jahren litt ich an einem juckenden Hautekzem, im Winter an Hals, Armbeugen und Handgelenken, im Sommer an den Kniekehlen durch Wiesengräser. Häufig kratzte ich mich blutig. Heute würde man es vielleicht als Neurodermitis diagnostizieren. Unser Hausarzt riet schließlich zur Kur in einem Reizklima, entweder in den Alpen oder an der Nordsee. Die Wahl, auch meine, fiel auf die See.

Ich kam ins Christliche Seehospiz Norderney, etwa sechs Monate, einen gesamten Winter, eine gefühlte Ewigkeit. Meine Mutter brachte mich hin. Anfangs ging es nur um zwei oder drei Monate.

Das Seehospiz lag an einer Straße, die längs über die Insel führte, östlich außerhalb der kleinen Stadt. Die Wohngebäude, links von der Straße zum Meer hin, waren zweigeschossige Backsteinbauten. Die Fenster im Erdgeschoss waren vergittert.

Als erstes bekam ich meine Fix-und-Foxi-Hefte abgenommen. Comic-Hefte waren strikt verboten. Die Betreuerinnen musste ich „Tante“ nennen, ziemlich übergriffig wenn ich an meine liebe Tante zu Hause denke. Die ranghöheren Aufseherinnen wollten Schwester genannt werden.

Der Speisesaal war im Erdgeschoss. An das Essen kann ich mich nicht erinnern. Es muss wohl weder besonders ekelhaft noch besonders lecker gewesen sein. Während der Mahlzeiten herrschte Sprechverbot. Wer beim Plappern erwischt wurde, musste zur Strafe stundenlang Kirchenlieder auswendig lernen während die anderen Abendfreizeit hatten. Während meiner Zeit habe ich keine Prügelstrafen beobachtet oder ich kann mich nicht daran erinnern.

Die Schlafsäle waren im Obergeschoss, entlang eines Mittelgangs an dessen Ende sich das Aufsichtsbüro befand. Alle Zimmer waren nachts offen. Die Aufsichtstante konnte so die Kinder kontrollieren, wenn sie verbotenerweise nachts auf die Toilette schleichen wollten. Gepinkelt wurde in Nachttöpfe. Jeder hatte seinen eigenen unter dem Bett. Ich lag anfangs in einem Sechsbettzimmer. Alle hatten Heimweh, die Älteren weinten nachts nur manchmal. Mein Bettnachbar war etwa vier Jahre jünger, weinte nachts stundenlang und pinkelte häufig ins Bett. Er sagte auch mal, dass er nicht mehr leben wolle. Er tat mir herzzerreißend leid. Ich versuchte ihn zu trösten.

Die Fenster im Schlafgeschoss ließen sich nachts nicht öffnen. Wohl damit niemand auf die Idee käme nachts auszubüxen, also sich irgendwie abzuseilen. In Stadtrichtung links gegenüber dem Jungentrakt war der Mädchentrakt. Sie waren ebenso eingeschlossen wie wir. Manchmal winkten wir uns abends zu. Auf dem Gelände wurden wir strikt getrennt gehalten.

Es gab nur eine Ausnahme. Das war die Klippschule, die in einem kleinen Haus zwischen den Quartieren und den Dünen lag. Dort wurden wir mit den Mädchen gemeinsam unterrichtet. Es gab nur eine Schulklasse für alle Altersstufen, etwa zwei Stunden lang am Vormittag. Vielleicht täglich, vielleicht zwei Mal pro Woche, ich weiß es nicht mehr. Die Lehrerin war nett, anders als die Aufseherinnen. Gelernt habe ich fast nichts. Sie beschäftigte sich hauptsächlich mit den Jüngeren und Zurückgebliebenen. Schulisch für mich reine Zeitverschwendung. Ich machte mir Sorgen um meine Versetzung nach der Rückkehr. Hat aber dennoch geklappt. Ich war halt schon vorher gut in der Schule.

Täglich wurden wir in Zweierreihen zu Fußmärschen ausgeführt, bei jedem Wetter, gemeinsam mit den Mädchen. Wenn es in die Stadt ging wurde die Route so gelegt, dass wir nicht nahe an Briefkästen vorbeikamen. Es war strengstens verboten Briefe einzuwerfen. Wer dabei erwischt wurde, musste abends Kirchenlieder auswendig lernen. Es herrschte praktisch Kontaktverbot mit der Außenwelt. Wir durften nur von der Anstaltsleitung zensierte Briefe verschicken und empfangen. Jede JVA ist heute nachrichtendurchlässiger als damals diese Kinderinternierung!

Die Einheimischen im Städtchen konnten beobachten wie Kinder beim verbotenen Posteinwurf gemaßregelt wurden. Von ihnen konnten wir keine Hilfe erwarten. Ihr Schweigen ist für mich eine Mittäterschaft. Mein Groll auf diese „braven Bürger“ begleitet mich nun schon seit Jahrzehnten.

Vor einigen Jahren lernte ich unfreiwillig eine Gruppe älterer Norderneyer näher kennen. Sie fragten mich, warum ich denn nicht mal auf ihre schöne Insel kommen wolle. Ich sagte ihnen, dass ich schon mal da war, in meiner Kindheit und erzählte ihnen von meinem schlimmen Heimweh damals und wie ich inhaftiert war. Sie taten das als belanglos ab, es sei ja schon so lange her. Vielleicht sind heute nicht alle Norderneyer so kaltherzig, jene die ich kenne aber schon.

Die (pseudo?)medizinische Versorgung fand täglich durch Eincremen statt. Wir wurden einzeln nackt auf einen Hocker gestellt und mit einer Salbe behandelt, möglicherweise Zinksalbe. Die aufgekratzten Stellen wurden verbunden. Nach etwa drei Monaten zeigte sich bei mir kaum Besserung. Mein Aufenthalt wurde um drei Monate verlängert. Meine Mutter durfte mich besuchen. Sie konnte mir aber nicht helfen. Dazu war sie zu autoritätsgläubig. Später zu Hause plagte sie offenbar ein schlechtes Gewissen. Ich wurde ziemlich verhätschelt.

In der zweiten „Halbzeit“ wurde ich auf ein Siebenbettzimmer am Ende des Aufsichtsflurs verlegt, zu den etwas älteren Jungs. Wir konnten dort nachts ungehört miteinander tuscheln und Schabernack treiben. Manchmal lagen wir zu dritt in einem Bett und rieben uns aneinander. Der Körperkontakt tat uns gut in dieser kalten Einöde.

Fairerweise berichte ich auch von zwei positiven Dingen. Im Salzwasser-Wellenbad, das wir etwa wöchentlich besuchten, bin ich das erste Mal geschwommen. Die Bewegungen konnte ich schon vorher, war aber zu Hause im Süßwasser-Schwimmbad immer untergegangen.
Mein Hautausschlag war nach einem halben Jahr geheilt. Ich durfte nach Hause. Vor meiner Zeit im Heim war ich ein fröhlicher, herumtollender Junge, danach eher ein vorsichtiger Duckmäuser, der Auseinandersetzungen aus dem Weg ging.

So früh wie möglich, nämlich mit 14 Jahren, bin ich aus der Kirche ausgetreten. Mein persönlicher Protest dagegen, dass eine grausame Kinderhaftanstalt sich „christlich“ nennen durfte. Wäre ich religiös, wäre das für mich Gotteslästerung. Manchmal stelle ich mir vor, dass ein Orkan die Teufelsinsel in zwei Teile teilt, genau an der Stelle vom Seehospiz. Ja, so kalt kann es einem im Herzen werden, wenn man sich an diese grausamen Menschen erinnert.

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Markus - 2021-12-17
Verschickungsheim: einmal Gaißach, zweimal Norderney
Zeitraum-Jahr: 1984, 1986, 1988
Kontakt: Kontakt: Unerwünscht

Ich wurde dreimal wegen Asthma auf Kur geschickt.
In meiner ersten Kur als 3 oder 4-jähriger in Gaißach war es streng verboten, nachts das Zimmer zu verlassen um die Toilette aufzusuchen. Eine Nachtschwester hat den Gang wütend bewacht. Ein Kind hat sich Verzweiflung in die Ecke unseres Zimmers erleichtert.

Meine Aufenthalte in Norderney waren überwiegend positiv. Beim zweiten Aufenthalt in Norderney waren wir mit ein paar wesentlich älteren Kindern untergebracht.

Ein Jugendlicher vergriff sich mehrfach an den Genitalien anderer männlicher Kinder. Beschwerden an die Schwesternschaft blieben ohne Reaktion: Man könne nichts machen, "normalerweise" würde der Jugendliche heimgeschickt, aber da der Vater des Jugendlichen die Kurz privat bezahlt, seien ihnen gegenüber der Klinikleitung die Hände gebunden.

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Siegmund Heimann - 2021-12-17
Verschickungsheim: Lüneburg, Norderney "Upstalsboom", Spiekeroog "Stranddistel"
Zeitraum-Jahr: 1960 1961 1962
Kontakt: Keine Angaben

Meine Erfahrungen sind durchweg positiv.
In den Zug im Nachbardorf (Südniedersachsen) gesetzt, abgeholt und das gleiche bei der Rücktour.
Das Wetter spielte keine Rolle. Man war immer draussen, hat gespielt (auch unter Anleitung).
Im Sozialkontakt musste man sich einfügen, oder hat selbst die Gruppe beeinflusst.
Zu jeden Teller Linsensuppe gab´s ein Würstchen. Einmal schaffte ich derer sieben. Im Kreis, mit freiem Oberkörper und den dicken Brillen um die "Höhensonne" laufen. Ein riesiges Aquarium trennte zwei Säale voneinander. Die Jungs hingen vor dem Glas, um die Mädels bei "Höhensonnengang" zu beobachten. Alles kindlich normal und mit klaren Direktiven durch das Personal.
Würde heute dem einen oder anderen wohlstandsverwöhnten Fridayshüpfer auch gut tun.
Hat´s mir geschadet? Eher nicht! Habe einen Handwerksberuf gelernt, mit Auszeichnung, Psychologie mit Note 1 und auch ansonsten, mit jetzt 70 Jahren, ganz "gut drauf.
Ach so! Bei der Sturmflut 1962 (Norderney) wurden wir mit den letzten Schiff (Ich glaube "Frisia 6") ans Festland gebracht. Der Keller stand schon unter Wasser. Für uns schon dramatisch aber man hat sich verantwortungsbewusst um uns gekümmert.
Bei meinem zweiten Einsatz auf Spiekeroog traf ich einige Jungs vom Vorjahr wieder. Großes Hallo und ab gings sofort zu Räuber und Gendarm in die Dünen.
Negativ: Die dicken Bandnudeln in einer Milchsoße.
Aber - man muss ja nicht alles mögen.
Bleibt normal und sozial.

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Udo Beckmann - 2021-12-12
Verschickungsheim: Kindersanatorium Sommersberg in Bad Rippoldsau, Kinderheim Ludgeristift in Norderney
Zeitraum-Jahr: 1967, 1968, 1971
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative

Ich wurde Ende 1961 geboren und bin als Kind dreimal in Verschickungsheimen gewesen. Dort sollte mein Bronchialasthma auskuriert werden. Die ärztlichen Gutachten von damals habe ich noch. Denen zufolge gab es folgende Aufenthalte

21.02.1967 – 04.04.1967 Kindersanatorium Sommersberg, Bad Rippoldsau
24.04.1968 – 02.07.1968 Kindersanatorium Sommersberg, Bad Rippoldsau
03.03.1971 – 16.04.1971 Kinderheim Ludgeristift, Norderney

Meine Eltern hatten Wert darauf gelegt, dass ich wegen der Kuraufenthalte die Schule nicht verpasse. Daher fanden die ersten beiden Aufenthalte statt, bevor ich überhaupt in die Schule kam. Ich hatte mich sogar auf die Fahrt in den Schwarzwald gefreut, denn das hieß, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben Zug fahren durfte. Von Rheine oder Münster aus startete die aufregende Fahrt – damals noch mit einer Dampflok. Meine Eltern hatten mir am Bahnhof sogar noch ein Micky-Maus-Heft gekauft. So etwas gab es sonst nie! Man kann sich jedoch vorstellen, dass die lange Fahrt dann doch meine kindliche Geduld überstrapaziert hat.

Ich erinnere die medizinischen Behandlungen in Bad Rippoldsau. Kurz nach der Ankunft mussten alle Kinder zum Allergietest. Das ging auch damals schon mit dem Pricktest. Dazu wurden kleine Wunden in die Haut geritzt und mögliche Allergene darauf geträufelt. Bei einer allergischen Reaktion schwillt die entsprechende Stelle an. Wir Kinder mussten uns mit freiem Oberkörper in mehreren parallelen Reihen aufstellen. So konnte man genau beobachten, wie dem Kind am Anfang der Reihe zahlreiche kleinere Wunden in den Rücken geritzt wurden. Selbstverständlich flossen dabei Tränen. Und die Tränen flossen nicht nur bei den Kindern, die gerade behandelt wurden, sondern auch bei denen, die genau wussten, dass sie diese Prozedur in wenigen Minuten auch über sich selbst ergehen lassen müssen.

Regelmäßig wurde ein Gruppe von Kindern abkommandiert, um neue „Krätzerchen“ zu bekommen. Wozu diese Behandlung gut war, weiß ich bis heute nicht. Dazu wurde ein Instrument ähnlich einer Gabel benutzt. Aber anstelle der Zinken hatte dieses mehrere scharfe Zähne, ähnlich wie bei einer Säge. Damit wurde die Haut am Arm aufgeritzt, so dass man aus mehreren parallelen Streifen blutete. Anschließend wurde an gleicher Stelle quer dazu nochmals geritzt. Es entstand so ein blutendes Schachbrettmuster in einer Größe von etwa 1,5cm x 1,5cm. Darauf wurde dann eine bräunliche Flüssigkeit geträufelt, die sehr unangenehm roch. Wenn man später zum Mittagessen ging, versuchte man den Arm möglichst weit von sich weg zu halten. Allerdings beschwerte sich dann der Nachbar über den Geruch. War so ein „Krätzerchen“ halbwegs verheilt, so gab es ein neues.

Im Ludgeristift wurden keine medizinischen Behandlungen durchgeführt. Ich habe sowohl positive, wie auch negative Erinnerungen. Dort habe ich etwas über das Inselleben und über Landgewinnung gelernt. Auch hatte ein Junge aus meiner Gruppe total spannende Geschichten über ein Schloss bei ihm zu Hause in Höxter zu berichten. Angeblich gebe es dort unsichtbare Wände, die man in einer Richtung (unbemerkt) durchschreiten kann. Anschließend sei man dahinter eingesperrt und müsse elendig verhungern. Er hatte versprochen, mich nach dem Kuraufenthalt mit seinem Kettcar zu Hause abzuholen, um mir das Schloss einmal zu zeigen. Er ist natürlich nie gekommen.

Weit hinten im großen Schlafsaal lag ein Junge, der nachts ins Bett machte. Ich sehe ihn noch heute mit Tränen in den Augen an allen Kindern vorbeilaufen, um den verkoteten Schlafanzug hinauszutragen. Eine andere Szene in diesem Schlafsaal: Ich lag nachts wach. Im Bett neben mir schlief ein Junge, der seinen Arm aus dem Bett heraus hängen ließ. Ich begann den Arm anzustupsen, hatte aber die Nachtschwester nicht bemerkt, welche mir daraufhin kräftig eine scheuerte. Damals war es auch üblich, dass ein Teller leer gegessen werden musste. Ich hatte mir zum Mittagessen – trotz Vorwarnung - zu viel auf den Teller geben lassen. Der Speisesaal war längst leer und alle Stühle hochgestellt. Ich musste den Rest des Essens in mich hineinstopfen.

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Martina - 2021-11-22
Zeitraum-Jahr: 1969:)
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Hallo Miteinander,
nach weiterer Recherche bin ich darauf gekommen dass ich mich in meinem früheren Beitrag bzgl. der Jahresangabe geirrt habe - ich war ein Jahr später als vormals angegeben, also tatsächlich im Jahr 1969 im Marienheim auf Norderney. Dass es aber um den Februar herum war, ist korrekt.
Über Zuschriften würde ich mich sehr freuen 🙂

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Martina - 2021-11-07
Verschickungsheim: Norderney, Marienheim
Zeitraum-Jahr: 1968
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Erst in den letzten Tagen bin ich auf diese Seiten gestoßen...
Auch ich war einst für 6 Wochen im Marienheim, und zwar von Mitte Januar bis Ende Februar 1968. Damals war ich 9 Jahre alt.
Daheim wurden zuerst noch Namensetiketten in all meine Kleider genäht, dann wurde ich gemeinsam mit einem Mädchen aus unserem Nachbardorf (Zufall!) in den Zug gesetzt, der die 7 Stunden bis Norddeich-Mole durchfuhr. Dort ging es auf die Fähre, und auf Norderney direkt ins Marienheim. Mein Bett in dem großen Schlafsaal stand mittendrin. An den Waschraum mit den nebeneinander liegenden Waschbecken habe ich zwar Erinnerung, nicht aber an die Toiletten, Badewannen oder Duschen.
Die dicke Oberin hat mir immer sehr große Angst bereitet. Sie überwachte alle Mahlzeiten im Speisesaal und achtete darauf, dass die Teller leergegessen wurden. Wer tatsächlich einmal eine zweite Portion wollte, musste mit seinem Teller vor sie hintreten und um Nachschlag bitten. Dies ist bei mir nur ein einziges Mal vorgekommen: ich hatte aber solche Angst, dass ich die von ihr aufgefüllte Suppe prompt über ihre Ordenstracht geschüttet habe. Was dann geschah, weiß ich nicht mehr.
Richtig eklig war für mich die immer nur lauwarme Milch mit der dicken Hautschicht obendrauf. Manchmal gab es aber auch Tee, der war okay, irgendwie halt Wasser mit Geschmack.
Ansonsten war es so, wie es auch die Anderen beschreiben: mittags 2 Stunden Zwangsruhe im Bett, davon die erste Stunde schlafen (oder sich schlafend stellen), nur dann durfte man in der 2. Stunde lesen. Alles natürlich völlig mucksmäuschenstill und mit Bewachung. Wer sich in der 1. Stunde bemerkbar gemacht hatte, durfte nicht lesen und musste "weiterschlafen". Auch eine Nachtwache gab es, die saß immer auf einem Stuhl neben der Saaltür.
Wegen der eisigen Jahreszeit waren wir kaum draußen, aber der Kirchgang am Sonntag war obligatorisch, und einige wenige Besuche im Wellenbad wurden auch gemacht. Nur einmal waren wir am Strand - daran erinnere ich mich gut, weil die Landschaft aus Schnee und verwehtem Sand so aussah wie Milchreis mit Zimt und mich fasziniert hat. Die jungen "Tanten" waren zwar recht nett, aber wenig ideenreich, auch was die Beschäftigung der Mädchen anging. Meist haben wir uns deshalb selbst was ausgedacht, vor allem habe ich sehr viel gezeichnet.
Ausgehende Post wurde von der Oberin diktiert bzw. zensiert, eingehende Post und Päckchen geöffnet. Mein Heimweh war grässlich und musste von mir stets geheim gehalten werden. Aber viele liebevolle Briefe meines Vaters haben mich durch die Zeit gerettet...

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Rüdiger Grewer - 2021-10-27
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: ca. 1958
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative

Durch der NDR-Sendung 'Meine Kinderverschickung' am 27.10.2021 um 21 Uhr bin ich auf diese Seite aufmerksam geworden.
Ich bin mit etwa 6 Jahren für einige Wochen in ein Heim auf Norderney verschickt worden, weil ich untergewichtig war und aufgepäppelt werden sollte.
Das Einzige, woran ich mich erinnere, sind die täglichen Quarkbrote, die ich essen sollte, aber nicht mochte (Brechreiz), so dass ich so lange am Tisch sitzen bleiben musste, bis ich sie aufgegessen hatte. Ich bin dann schnell auf die Idee gekommen, eine dicke Schicht Zucker auf den Quark zu streuen, um ihn herunter zu bekommen.
Seit dem mag ich überhaupt keine Milchprodukte, insbesondere, wenn sie weiß sind!
Ansonsten kann ich mich nur schwach daran erinnern, dass ich immer sehr auf Post von zu Hause gewartet habe (die auch kam).
Ich vermute mal, dass meine lebenslange 'Fähigkeit', Unangenehmes in den Hintergrund zu schieben, damals seinen Ursprung hatte...

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Ute Störmer - 2021-07-27
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: 1960 und 1961
Kontakt: Kontakt Erwünscht

Mein Name ist Ute Störmer,
geboren wurde ich 11/ 1956 und wurde als kleines Kind im Alter von 4 und 5 Jahren mit meinem 2 Jahre älteren Bruder in ein Heim nach Norderney geschickt. Ich empfand es als Abschiebung. Wir waren lästig.
Wir wurden in die Bahn mit vielen anderen Kindern gesetzt und fuhren auf die Insel. Ich erinnere mich an Begleitpersonal.
Ich erinnere mich an riesige Schlafsäle, ich schlief auf einer tief gelegenen Pritsche. Ein Bett war es nicht.
Ob mein Bruder mit in dem Schlafsaal war, daran kann ich mich nicht mehr erinnern.
Morgens wurde das Licht von weiblichen Personen angeschmissen!! Ein lautes Rufen ertönte. Die Frauen hatten weiße Schürzen an.
Mein Nachbarkind wurde nicht wach. Es kam eine weibliche Person mit einem Zahnbecher und goss den Inhalt, Wasser, in das Gesicht des Kindes. Das habe ich mehrfach beobachtet.
Beim Essen saßen mehrere Kinder an einem runden Tisch.
Ich erinnere mich, dass es bei der Mahlzeit "Erbsensuppe" ein Kind in den Teller erbrochen hatte. Eine weibliche Person stand hinter ihr und zwang das Kind, das Erbrochene zu essen.
Ich erinnere mich insgesamt an einen sehr strengen Tonfall der Frauen, die uns "betreuten".
Wenn wir an den Strand, bzw. auf der Promenade spazieren gingen, mussten wir zu zweit in "Reih und Glied" gehen.
Bis heute habe ich nicht verstanden, warum mein Bruder und ich in dieses Heim fahren mussten.
Es wurde aus der Erinnerung heraus einfach entschieden, wir wurden in den Zug gesetzt.
Es ist sehr erleichternd für mich, das nieder schreiben zu können und damit einen Beitrag zur Aufarbeitung dieser Ereignisse zu leisten. Ich empfinde Dankbarkeit, dass wir Kinder von damals gesehen werden, die Ereignisse als Gewalt an der Kinderseele eingestuft werden.
Danke!

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Christina Sonnenschein - 2021-07-06
Zeitraum-Jahr: 50er Jahre
Kontakt: Kontakt Erwünscht

Ich schreibe hier für meine Mutter Ursula Anneliese Hojenski. Sie ist 1948 geboren und verstarb leider 2015. Meine Mutter hat mir immer wieder von ihrem schlimmen Kuraufenthalt auf Norderney erzählt.
Als besonders schlimm waren mir die Essensituationen in Erinnerung geblieben, von denen sie erzählte. Kinder mussten ihr Essen essen, egal ob sie das Essen nicht mochten oder satt waren, man blieb so lange sitzen, bis man auf gegessen hatte.
Manche wurden bestraft. Manche erbrachen sich. Meine Mutter konnte kein Wirsing- oder Porreegemüse mit weißer Soße essen, weil sie sich im Heim so davor geekelt hat und das trotzdem mehrfach essen musste, bis zum würgen, bis zum erbrechen.
Es gab noch andere Erzählungen, jedoch ist mir diese besonders in Erinnerung geblieben, als Kind.
Ich weiß, das es noch Fotos von dem Aufenthalt gibt und werde diese raus suchen.

Viele Grüße
Christina

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Friedrich - 2021-07-05
Verschickungsheim: Bad Sachsa + Norderney
Zeitraum-Jahr: ca 1972-74
Kontakt: Kontakt Erwünscht

Ich war mit ca 5/6 Jahren in Bad Sachsa mehrere Wochen in einem Heim (vielleicht im Borntal?) und im glaube im nächsten Jahr auf Norderney für 6 Wochen.
Ich habe nur vage Erinnerungen an die Heime und suche andere, die dort waren als Insassen oder Praktikanten.
Soweit ich mich erinnern kann, waren es in Bad Sachsa aussen dunkle Gebäude, vielleicht Holz Fassade. Danach war ich nochmal für 6 Wochen in einem Kinderheim in Norderney.
An Bad Sachsa kann ich mich nur ganz vage erinnern, an Norderney etwas mehr. Dort gab es nicht viel zu trinken, ich hatte immer Durst. Einige Zeit war ich auch krank mit Mittelohrentzündung. Wenn man Nachts laut war, wurde man in den Waschraum gesperrt und musste auf einer Liege schlafen. Das nutze ich aus, um heimlich Wasser aus dem Hahn zu trinken. Nach dem zweiten Heim hab ich meinen Eltern mit Selbstmord gedroht, wenn sie mich nochmal weg bringen.
Noch heute lösen einige Eindrücke, wie zb das Lied "kein schöner Land" intensive Gefühle von Trauer und Schmerz aus und ich habe mich immer gefragt warum, ich glaube es wurde in Bad Sachsa oft gespielt. Nach diesen Heimen war das Verhältnis zu meinen Eltern nicht mehr wie vorher.

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Birte - 2021-06-21
Zeitraum-Jahr: April bis Juli 1974
Kontakt: Kontakt Erwünscht

Ich war auf Norderney im Seehospiz,
Ein Schlüsselerlebnis war für mich das Wegsperren in eine Besenkammer am Ende des Ganges.
Wer hat Ähnliches erlebt dort.
Ich würde mich gerne über die Vorfälle austauschen.

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Ralf - 2021-06-09
Verschickungsheim: Kinderkur- und Genesungsheim der Arbeiterwohlfahrt Schürfelde, Meinerzhagen
Zeitraum-Jahr: 6 Wochen im Sommer, Mitte 60er Jahre
Kontakt: Kontakt nur über den Verein

Ich wurde Mitte der 60er Jahre mit ca. 4 Jahren zum Aufpäppeln für 6 Wochen mit der Arbeiterwohlfahrt "zur Erholung" geschickt. Zuerst war die Rede von Norderney ("du kommst an die See"), dann ging es aber nach Meinerzhagen, ins Kinderkur- und Genesungsheim Schürfelde.
Nur ein paar einzelne Ereignisse sind mir tatsächlich bis heute in Erinnerung geblieben:
Ein rot-weißer VW Scheiben-Bulli brachte mich vom Bahnhof zum Kinderheim. Es herrschte ein strenges Regiment der "Tanten". Ich hatte mindestens einmal wegen irgendwas "Stubenarrest", musste also stundenlang ganz allein im abgedunkelten Schlafraum im oder auf dem Bett bleiben während die anderen Kinder draußen in der Sonne waren. Ich habe dabei wohl auch geweint.
Als ich dort wieder das Einnässen anfing musste ich einmal einen halben Tag im nassen Bett liegen bleiben. Es wurde auch so getan, als wäre ich der einzige und so wurde ich vor den anderen Kindern bloßgestellt. Dann gab es eine Gummiunterlage.
Mittags gab‘s oft Milchreis mit Zimt und Zucker, das mochte ich gar nicht, wegen dem Zimt, aber es musste immer alles aufgegessen werden. (Wahrscheinlich kommt es daher, dass ich Zimt-Geruch und Geschmack nicht ertrage.)
Einmal hat ein etwas älteres Kind an unserem Tisch (ich glaube er hieß Ansgar) den Brei wieder auf seinen Teller erbrochen. Als er sofort ängstlich das Zeug zu löffeln begann haben wir eine Tante gerufen und die hat ihm den Teller weggenommen.
Ab und zu wurde Post von Zuhause verteilt. Meine Eltern hatten mir einmal eine große Tüte Bonbons geschickt. Es wurde dann am Abend von der Tante mit großer Geste an jedes Kind in unserem Schlafraum aus der Tüte heraus genau 1 Bonbon verteilt. Und zwei Tage später sahen wir den Sohn der Chefin mit der fast leeren Tüte draußen vor dem Haus herumsitzen.
Wenn wir zum Spielen draußen waren (auf einer Wiese am Haus oder im angrenzenden Wald) bestimmten die Größeren immer über die Kleinen wie mich und wir kamen auch nie an den Ball.
Ich war wohl froh, als nach 6 langen Wochen endlich der rot-weiße VW-Bulli wieder kam und ich einsteigen konnte. Der Rentner, der mich im Zug begleitete übergab meinen Eltern dann am heimischen Hbf aus seiner braunen Leder-Aktentasche eine Tüte mit meiner letzten eingepissten Unterhose.
Ein paar Jahre später hat mir meine Mutter mal erzählt dass sie sich erschrocken hatte, als sie mich damals wieder in Empfang nahm: Die Haare waren gewachsen, ich hatte Schatten unter den Augen und war noch dünner als vorher.
Übrigens: Im Internet lassen sich bei Alt-Ansichtskartenhändlern heute noch original Nachhause-Karten der Kinder aus dem Heim finden.

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Ingrid Fleck - 2021-06-08
Verschickungsheim: Norderney
Kontakt: Kontakt Unerwünscht

Ich bin 1956 geboren und war einmal in meinem Leben in einem Kindererziehungsheim in Norderney. Alle Daten habe ich völlig verdrängt,vor allem, da man mir nach zu Hause meine Erzählungen nicht geglaubt hat. Bei Urlaubsplanungen sind alle erstaunt, wenn ich bei dem Vorschlag "Norderney" vehement blockiere, ich habe auch niemandem davon erzählt, weil ich auch glaubte, das habe ich mir alles nur eingebildet. Ich habe heute den Zeitungsartikel "Verschickungskinder fordern Anerkennung" gelesen und bin auf eure Seite und den Blog "Zeugnis ablegen" gestoßen. Ich muss jetzt mit dem Lesen aufhören, da ich Herzrasen und Magenschmerzen bekommen habe und nicht mehr aufhören kann zu heulen; viele, viele Erlebnisse habe ich auch gemacht, seelische Grausamkeiten, Essstörungen, die ich heute noch habe und vor allem die absolute Hilflosigkeit und Einsamkeit - alles kommt wieder hoch.

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Martina Fischer - 2021-03-21
Verschickungsheim: Schifflein Sausewind, Norderney
Zeitraum-Jahr: 1969
report-abuse: 1

Ich bin über die SWR Doku auf diese Webseite gestoßen und sehr dankbar dafür.
Ich war 1969 mit 6 Jahren für 6 Wochen im "Schifflein Sausewind" auf Norderney. Da ich oft krank war, wurde dies meinen Eltern empfohlen.
Die 6 Wochen in diesem Heim waren schrecklich. Ich habe erlebt, was viele hier schon beschrieben haben: Ich habe mit 6 Jahren nachts wieder ins Bett gemacht und musste in einem dunklen Raum nackt ohne Decke auf einer Holzbank schlafen. Vorher wurde ich in einem Zuber mit kaltem Wasser übergossen und mit einer Wurzelbürste abgeschrubbt. Morgens im Essenssaal wurde ich vor allen Kindern bloßgestellt: "Seht wer wieder ins Bett gemacht hat!"
Wir mussten alles aufessen, auch wenn es uns anekelte, wie mich z.B. die Rosinen. Ich habe sie heimlich in der Hand gesammelt und beim Händewaschen in den Abfluss gestopft. Kam natürlich raus und wurde mit Schlägen bestraft.
Als ich an Windpocken erkrankte, lag ich mit einem Jungen in einem Isolierzimmer. Wir durften nicht auf die Toilette, sondern mussten im Zimmer auf den Topf. Ich habe mich so geschämt, dass ich das nur unter der Bettdecke gemacht habe.
Es war die schrecklichste Zeit meines Lebens, voller Angst, sie hat mich für mein Leben geprägt.
Ich war beim Schauen der Doku echt erschrocken, wie viele Menschen unter diesen Verschickungen leiden mussten!

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Doris Lenz - 2021-02-22
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: 1965/1966

Viele haben hier eigentlich schon alles erzählt, was die damaligen Pädagogen an verbrannte Erde hinterlassen haben. Auch ich hatte ein paar Erlebnisse, die ich noch dazu legen möchte. Einige dieser Erlebnisse begleiten mich noch heute.
Auch ich bin damals in ein Verschickungsheim nach Norderney gekommen. Ich wurde ständig von meinen Eltern belogen und betrogen. Also verschickt wurde ich mit dem Namen Schnaars obwohl mein Name „Kopens“ was. Für mich war der Vater mein Papa (Alkoholiker), leider nicht der leibliche Vater, was ich auf keinen Fall erfahren sollte. Man lernt früh sich zu schützen auch geistig und Verzicht auf schöne Sachen, war für mich nichts Neues. Meine Geschwister bekamen von den Verwandten, die uns besuchten was Süßes, ich leider nichts. Ich war unehelich geboren und unterlag der Willkür des Jugendamtes. Von denen wurde angeordnet, da ich so klein und dünn war, zum Aufpäppeln zur Kur muss. Leider habe ich nicht so viele Erinnerungen daran. Ich weiß nur, dass es nicht angenehm war. Wie dieses Heim hieß, weiß ich leider nicht mehr. Ich weiß nur, dass es im Oktober 1965 oder 1966 gewesen sein musste. Es war immer sehr kalt und ungemütlich in den Räumen. Am liebsten habe ich mich untern aufgehalten, da gab es warme Räume. Eines Nachts ging es mir nicht gut und ich musste dringen auf die Toilette. Diese befanden sich im 1. Stock. Auf dem Weg nach untern wurde ich abgefangen und mit Drohungen wieder ins Bett geschickt. Wir durften das große Geschäft nicht auf dem Topf erledigen aber mir blieb nichts Anderes übrig und erledigte es dann eben auf dem Topf. Auch dafür wurde man bestraft (wieder keine Schokolade). Natürlich hatten die Tanten auch ihre Lieblinge. Ich mochte als Kind immer gerne die Babyseife und da wir noch ein Baby (meine Schwester) Zuhause hatten, gab mir meine Mutter diese Seife mit. Aber die durfte ich gleich an eines der Lieblinge abgeben und ich bekam so eine abartige rissige Seife. Das machte mich sehr traurig. Da ich zu Hause immer Stress gab, wurde ich zum Nagelbeißer (ich denke, dass es daher rührt). Ich bekam in den 6 Wochen keine Schokolade, da ich das Nagelbeißen nicht abstellen konnte und groß in das Töpfchen gemacht hatte. Es gab irgendwann Spinat zu essen, was ich noch nie mochte und hatte nur Kartoffelmus gegessen. Ich musste bis abends vor diesem Teller sitzen und durfte erst aufstehen, wenn ich den Spinat aufgegessen habe. Also blieb ich bis zum Abendbrot vor dem Teller sitzen. Danach nahm man ihn weg und dann gab es schimmeliges, gebogenes, altes Brot zu essen. Auch nicht schlimm, ich tauchte es in den Tee, dann schmeckte man das nicht so. Mehr weiß ich leider nicht von der Zeit. Freundschaften sind leider nicht entstanden, wie den auch, man musste immer auf der Hut sein. Ich habe noch mitbekommen, dass ich sehr viel abgenommen hatte und die Stellungnahme vom Jugendamt war, „das Mädchen hätte in die Berge gemusst, da das Klima am Meer ein Reizklima sei und das dazu geführt hätte, dass ich noch dünner wurde. Ein Schwachsinn! Und so weiter, und so weiter. Gerne würde ich noch ein paar Mädchen aus der Zeit kennenlernen, um mich auszutauschen um noch eine andere Sicht der Dinge zu hören. Leider weiß ich nicht genau wann ich in Kur war.

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Carmen Duelli - 2021-02-20
Verschickungsheim: Haus Detmold Norderney
Zeitraum-Jahr: 1979

Über die Deutsche Bundespost wurde ich im Sommer 1979 mit dem Zug von einer Betreuerin 4 Wochen ins "Kinderheim" Haus Detmold, Norderney gebracht. Ich erinnere mich nur an Bruchstücke. Vermutlich gab es keine so grausamen Erziehungsmethoden dort. Trotzdem litt ich unter unerträglichem Heimweh und die 4 Wochen waren endlos für mich. Gleich zu Beginn wurden persönliche Sachen abgenommen, Schampoos und Cremes wurden nach und nach aufgebraucht und an alle verteilt. Ich erinnere mich an entsprechendes Schlangestehen für die Portion Schampoo beim Duschen und an unangenehme Waschräume mit Steintrögen. Das Essen schmeckte oft nicht, ich gab oft von meinem Essen an zwei Mädchen heimlich ab, die eigentlich abnehmen sollten. Dadurch verlor ich in der Zeit etwas an Gewicht. Leider waren wir fast nie am Strand, darüber war ich enttäuscht. Regelmässig dafür im Inhalierraum, in welchem wir immer singen mussten. Die meisten Erzieherinnen waren sehr jung, soweit ich mich erinnere zwischen 16 und 21 Jahren. Wir mussten zwei Stunden Mittagschlaf halten. Da dabei keiner schlafen konnte, haben wir manchmal eine Erzieherin vom Fenster aus beobachtet wie sie unten im Hof Jungs traf und küsste. Wir waren zu siebt im Zimmer, ein Mädchen wurde gemobbt und manchmal genötigt sich auszuziehen. Soweit ich mich erinnere haben sich die Erziehrinnen nicht besonders viel um uns gekümmert. Ich erinnere mich aber vage an einen Nachtspaziergang und einen Spaziergang im Watt sowie einen Ausflug mit dem Krabbenkutter. Als ich wieder nachhause kam war ich jedenfalls nicht mehr dieselbe. Es kann aber auch einfach daran liegen, dass ich die für mich vielen fremdartige Eindrücke und Abläufe einfach nicht allein verarbeiten konnte und mit der langen Trennung von zuhause nicht klar kam. Unsere Gruppe hiess "Meernixen" und ich erinnere mich an drei Mädchen "Andrea, Anette und Ulrike". Würde mich über entsprechende Kontakte freuen.

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Esther Sandersfeld - 2021-02-18
Verschickungsheim: Seehospiz Norderney
Zeitraum-Jahr: 1966

Ich bin als 2 - Jährige für acht Wochen ins Seehospiz Norderney verschickt worden- damals im guten Glauben meiner Eltern, dort Heilung für meine aufgekratzte Neurodermitis- Haut zu finden...
Für heutige Eltern undenkbar - nämlich ein Kleinkind für zwei Monate in die Obhut eines Kurheimes abzugeben - und auch unterschreiben zu müssen, keinen Kontakt in der Zeit mit dem Kind aufzunehmen !

Ich habe von dieser traurigen "Episode" meines frühen Lebens erst sehr spät erfahren, meine Mutter erzählte es mir, als wir einmal abends nach dem Abendbrot zusammensaßen. Vllt war ich 12 Jahre alt, ich weiss nicht mehr genau.

Sie berichtete, dass unser Kinderarzt gemeint hätte, die frische Seeluft würde meinen roten, juckenden Stellen am Körper guttun, und es wäre wichtig, dass Eltern sich während der Kuraufenthalts zurückhielten, was den Kontakt
anginge...keine Post, keine Anrufe.
Sie als Mutter hätte das schwer ausgehalten, ich wäre ja noch so klein gewesen...

An den eigentlichen Aufenthalt habe ich selbst kaum Erinnerungen, habe nur ein einziges Foto aus dieser Zeit, eines, in dem ich mit Kopftuch Händchen haltend in einer Gruppe von ähnlich alten Kindern in der ersten Reihe stehe, und verkniffen in die Gegend schaue.

Immer wieder habe ich dieses Foto angesehen, denn es ist das einzige, was ich habe.
Die einzige "echte" Erinnerung ist die, dass ich nach der Ankunft mit dem Zug in Oldenburg, meiner Heimatstadt, von meinen Eltern am Bahnsteig empfangen wurde... und kein einziges Wort gesprochen habe.
Mein einziges Kuscheltier, ein Hase mit langen Ohren und langen Schlenkerbeinen hatte ich fest an mich gedrückt - ein Junge hatte ihm vor der Abfahrt in Norderney ein Bein ausgerissen.

Meine Mutter erzählte, es sei schlimm für sie als Eltern gewesen, dass ich tagelang nicht gesprochen hätte. Hätte mit dem Schlenkerhasen in meinem Zimmer still auf einem Stuhl gesessen- sie hätten mich so nicht gekannt. Hatten Angst, irgendwas sei "nicht in Ordnung".

Meine Haut war bei der Ankunft in OL ganz "glatt" gewesen, keine Ausschläge- aber man sah noch die frische Einstichstelle einer Spritze (im Nachinein denke ich, es war entweder eine Cortison- Spritze oder eine Beruhigungsspritze- keins von beiden würde mich wundern).

Als ich 2012 eine Mütterkur machte, stellte ich einer Psychologin die Frage, welche Auswirkungen diese frühen Erlebnisse auf mein späteres und erwachsenes Leben gehabt hätten (und noch haben könnten).
Sie sagte, dass es nicht unweigerlich zu Bindungsängsten und Vertrauensverlusten u.ä kommen müsste, wenn ich als so kleines Kind vielleicht das "Glück" gehabt hätte, eine der etwas zugewandteren Diakonissen als Bezugsperson gehabt zu haben. Eine, die sich mal gekümmert hat, wenn ich geweint oder unter Heimweh gelitten hätte.
Aber wer weiss, ob das so war.
Ich habe keine Erinnerung.

Dann sagte sie noch- was ich persönlich für wahrscheinlicher halte- dass ich womöglich nicht gesprochen hätte, nach der Rückkehr in OL, weil es in dem Heim eben kaum einzelne, individuelle Ansprache gegeben hätte, weil am Tisch strenge Regeln galten und die Kinder still und brav ihre Mahlzeiten einnehmen mussten.
Da wurde kein Quatsch gemacht oder laut gelacht- nein, da wurde man sofort streng gemaßregelt. D.h. es wurde uns beigebracht, hübsch still zu sein.

Aber wie gesagt, ich weiss es nicht.
Es fühlt sich nur so an.
In dem jungen Alter MUSS ich meine Eltern für tot oder auf ewig verschollen gehalten haben, denn Zeitgefühl hat ein 2- jähriges Kind noch nicht. Vielleicht war das Schweigen dann meine Art der Kompensation. Ich war still und durfte meine Trauer nicht "rauslassen".
Von daher kann ich nicht beurteilen, ob mein junges Alter mit dem fehlenden Erinnerungsvermögen nun ein Fluch oder Segen ist...

Ich habe sehr interessiert und berührt eure vorherigen Erlebnis- Berichte gelesen, und sah heute morgen den Film über die "Verschickungskinder" im Fernsehen.
Nun möchte ich zwar unbedingt diese dunklen Kapitel im Deutschland der 60er Jahre beleuchten, aber auch nach vorne gerichtet schauen, und leben.

Meinen Eltern habe ich übrigens nie Vorwürfe gemacht, auch wenn ich damals mit 12 Jahren fassungslos über das Erzählte war.
Ich spürte, dass zumindest meine Mutter sehr unter der Situation gelitten hatte, mein Vater sprach nicht viel darüber.

Ich lebe heute - nach vielen Phasen des Allein- Lebens im Wechsel mit unterschiedlich lang-andauernden Beziehungen- als Single und glückliche Mutter von zwei Töchtern, bin auffallend harmoniebedürftig, besitze einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.
Kann schlecht "loslassen", schlecht entspannen, habe Sorge vorm Verlassen- Werden. Mache mir ständig um- irgendwas Sorgen, aber ... ich bin auf einem guten Weg, habe Therapieerfahrung, und zum Glück eine gute Portion Resilienz (gelernt), und ein stabiles soziales Netz um mich herum.

Ich würde zu gern genau wissen, was damals auf Norderney passierte, aber vielleicht ist es meine Aufgabe im Leben, mit einer Ungewissheit klar zu kommen, und sie anzunehmen zu lernen.
Und nach vorne zu schauen, um nicht an alten Erfahrungen zu verbittern.

Das Leben ist zu kurz, zu schade, es nicht fröhlich, laut und quicklebendig zu feiern!

Alles alles Gute für euch anderen "Betroffenen", und ..bleibt gesund!
(Nicht nur an Corona...;)

Esther

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Hild Günter - 2021-01-31
Verschickungsheim: A.W.O. Kinderkurheim Norderney
Zeitraum-Jahr: Juli 1967

Ich will hier neu schreiben und einiges richtigstellen entgegen dem am 17. August 20 gegebenen Bericht

Hild Günter schrieb am 17.08.2020 um 5:22:
Ich war mit fast 10 oder 11 Jahren auf Norderney es muss 1965/6 gewesen sein und wir wurden einer genauen Tagesordnung ...........

also ich war fast 12 im Jahr 67 und ich kenne nun das Heim weil ich eine Postkarte fand die das Heim zeigt und bezeichnet.
wie die eigentliche Bahnfahrt vonstatten ging weiß ich nicht mehr nur das wir in Norddeich auf die Fähre Frisia 5 geführt wurden ( Schiffchen interessierten mich schon damals sehr -- bin dann als Wehrpflichtiger zur Bundesmarine als Heizer / Maschinist ) . in geringerer Form kenne ich die hier typisch vorgebrachten Behandlungen auch. Ich muss aber anbringen das ich wohl noch gut weggekommen bin. Das Highlight der 6 Wochen war eine Seefahrt mir der "Flipper" zu einer der Nachbarinseln von Norderney und eventuell mehrere Besuche des Seewasserwellenbades in Norderney. Das Haus existiert so nicht mehr -- an seiner stelle steht der Adresse gemäß das
Hus up Dün
Viktoriastraße 1 26548 Norderney
aber noch immer von AWO westl.-Westfalen mit Zentrale in Dortmund
es ist wohl nun ein Mutter und Kind Erholungsheim. eine Bilderstrecke ist in der Fotogalerie inzw. auf der 2. Seite - Frontbild ist die Jungengruppe - man kann mich von unten in 2. Reihe rechts entdecken / mein Kennbild ist da entnommen.

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DaGa - 2021-01-28
Verschickungsheim: Norderney aber wie das hieß?
Zeitraum-Jahr: ca. 1970-1971

Ich habe das hier gestern erst entdeckt .... ich bin total geschockt und viele Erinnerungen haben mich wieder angefallen. Im Moment bin ich so tieftraurig das ich kaum etwas zu der schrecklichen Zeit auf Norderney schreiben kann.
Meine Kinder -fast schon erwachsen- haben ihren Vater in diesem Zustand offensichtlich noch nicht gesehen....... Aber erst einmal Danke für Eure Arbeit und einen lieben Gruß an alle, die DAS auch erleben ”durften”.....

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Walburga Uppenkamp - 2021-01-17
Verschickungsheim: Allerheiligen Schwarzwald
Zeitraum-Jahr: 1966

Es muss vor meiner Einschulung gewesen sein, als meinen Eltern angeraten wurde, mich zur Kur zu schicken, damit ich an Gewicht zulege. Ich war fünf oder sechs Jahre alt und meine Erinnerungen sind sehr vage.

Ich sehe mich noch zu Hause hinter der Tür versteckt stehen und dem Gespräch meiner Mutter mit dem "Fräulein" vom Gesundheitsamt lauschen. Es ging um mich und ich sollte weggeschickt werden. Ich war überzeugt, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Zur Kontrolle meines Gewichtes wurde ich vor meiner Abreise auf die Waage einer Getreidemühle bei und im Dorf gestellt. An der Hand meines Vaters ging ich dorthin und fühlte mich von aller Welt verraten und verlassen. Genauso bei der Abbreise am Bahnhof in Ahaus. Ich wusste nicht, wie mir geschah, als ich mit dem Zug zusammen mit vielen anderen Kindern und einem "Fräulein" in den Schwarzwald verbracht wurde. Alle Kinder trugen ein Schild um den Hals.

Vieles habe ich vergessen. Ich erinnere mich an die Essenszeiten und daran, dass wir Kinder zum Essen gezwungen wurden. Da mir das Essen meistens nicht schmeckte, ich aber hungrig war, probierte ich abends beim Zähneputzen von meiner Blendi Kinderzahncreme, die nach Himbeeren schmeckte. Ein Päckchen mit Süßigkeiten, das ich von zu Hause geschickt bekam, wurde mir weggenommen.

Ich erinnere mich an den Schlafsaal und an eine schlimme Situation, als ich vor ein paar Jungen flüchtete, die mir meine Puppe wegnehmen wollten. Ich versteckte mich auf einer Toilette. Hier wurde ich von einer Betreuerin gefunden und mit Schlägen bestraft, weil ich nicht im Bett war.

Positiv erinnere ich die Spaziergänge zu den Allerheiligen-Wasserfällen und den Duft der Fichtenwälder.

Weil ich während der Kur meinen Zahnputzbecher verloren hatte, war ich während der gesamten Heimfahrt mit dem Zug in großer Angst, meine Eltern würden mich gleich wieder wegschicken, wenn sie das erführen. Unglaublich froh und erleichtert war ich dann, als sie mich nach meinem "Geständnis" in die Arme schlossen und offenbar froh waren, dass ich zurück war.

Mein Gewicht wurde auf der Getreidewaage kontrolliert. Der geringfügige Erfolg war jedoch, soweit ich mich erinnere, nach ein paar Wochen wieder dahin.

Ein Jahr später wurde mein kleiner Bruder für sechs Wochen in ein Kinderkurheim nach Norderney verschickt. Ich hatte großes Mitleid mit ihm, konnte aber wieder nichts dagegen tun.

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Petra Elisabeth Muhlberg geb. Wilkniß - 2021-01-16
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: 1967

Ich habe den Zeitungsbericht" Kinder-Kur in der Hölle" gelesen und möchte meine diesbezüglichen Erfahrungen mitteilen.
Im Sommer1967 wurde ich als 5 jährige für 6 Wochen nach Norderney zur " Erholung" geschickt. Ich hatte häufig Bronchitis und war zu dünn und sollte vor meinem Schulbeginn an der Nordsee aufgepäppelt werden.
Ich weiß nicht wie das Haus hieß aber es war sehr düster und ungemütlich .Die Aufsichtspersonen waren Nonnen .
Obwohl es Sommer war, war es im Haus immer kalt und wir durften auch nur immer für eine halbe Stunde draußen spielen, wobei ein Kind eine Schüppe bekam und ein anderes einen Eimer.
Beim Essen wurde ich immer gezwungen den Teller leer zu machen und wenn ich das Essen nicht mochte bekam ich extra noch einmal den Teller voll gemacht. Ich mußte dann solange sitzen bleiben bis alles aufgegessen war. Während dessen wurde mir gedroht, dass ich nicht nach Hause kommen würde wenn ich nicht essen würde.
Ich erkrankte dann an Windpocken, hatte Fieber und wurde isoliert in einem großen Schlafsaal - ganz alleine. Den ganzen Tag hat sich niemand um mich gekümmert, nur das Essen wurde mir gebracht. Ich habe nur geweint und wusste nicht warum meine Mama mich dahin gegeben hat und warum meine Eltern mich nicht mehr wollten.
Meine Eltern haben wohl öfter im Heim angerufen aber man hat ihnen immer gesagt,daß es mir gut geht.
Wenn der Arzt zur Untersuchung kam mussten wir immer in Unterwäsche, Barfuß auf den kalten Fliesen im Keller in Reih und Glied stehen. Manchmal sehr lange. Andere Kinder wurden auch geschlagen ,ich nicht .
Ich weiß noch,daß wir nicht einmal an den Strand gegangen sind, obwohl es ein schöner Sommer war.
Als ich nach 6 Wochen wieder in Dortmund ankam war ich statt gut erholt und aufgepäppelt abgemagert,blass und gebrochen, so das meine Mutter mich nicht wiedererkannt hat.
Noch heute träume ich davon.

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Elke Pannen - 2021-01-11
Verschickungsheim: Seehospiz Haus 3 a, Norderney
Zeitraum-Jahr: Mai 61 - November 61

Hallo Zusammen ,
Ich wurde als knapp 4-jähriges Mädchen nach Norderney geschickt.
Hier sind noch Erinnerungen und Gefühle aus dieser Zeit:
Ein zugiger Bahnhof, kalt, laut, viele Kinder, fremde Menschen, Geschrei, Weinen, Abschied.
Entsetzen. Angst. Panik. Schmerzen. Starre.

Ich denke, in dieser Starre habe ich die
6-monatige Trennung von meiner Familie überlebt.

Aus dieser Zeit sind mir noch Gerüche präsent.
Holzdielen im Essbereich ekeln mich.
Essen, bis der Teller leer ist. Solange sitzen bleiben.
Die schamhafteste Erinnerung ist das abendliche Fiebermessen. Alle Kinder mussten, nebeneinander in ihren Betten auf dem Bauch liegend, mit heruntergezogenen Schlafanzughosen diese Prozedur, die auch sehr schmerzhaft war, ertragen.

Mich interessieren die Auswirkungen dieses
6-monatigen Aufenthaltes als 4-jährige auf mein Leben.

Vielleicht gibt es ja noch Einige, die im Seehospiz auf Norderney in dieser Zeit
(5-11/1961) auch dort waren. Ich habe noch einige Fotos und einen Brief an meine Eltern, von Schwester Anni geschrieben.

Ich würde mich freuen, von Euch zu hören.
Liebe Grüße
Elke

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Bonnie Tristenheim - 2020-12-26
Verschickungsheim: Seehospiz Norderney
Zeitraum-Jahr: 1980

Mit vier Jahren war ich wegen meines Bronchialasthmas knapp elf Wochen im Seehospiz auf Norderney. In dieser Zeit bin ich fünf geworden.
Erinnern kann ich mich daran, dass ich mich dort die ganze Zeit verängstigt und einsam gefühlt habe. Ich wurde von anderen Kindern im Schlafraum geärgert und meine zwei Stofftiere eines Nachts hin- und hergeworfen und dabei kaputtgemacht. Ich erwachte am nächsten Morgen allein in einem anderen Zimmer. Wie ich dorthin gekommen bin, weiß ich nicht. Meine Stofftiere hatten die Tanten in meinen Koffer auf dem Schrank getan, sodass ich nicht mehr drankam.
Ich erinnere mich außerdem daran, dass ein Junge sich von hinten an mich anschlich, als ich im Sand hockte, und mir eine Vogelbeere mit den Worten „Stirb!“ in den Mund drückte.
An Strafen von Seiten der Tanten erinnere ich mich nicht. Aber auch an nichts Herzliches, kein Kümmern, kein Gesicht ist mir in Erinnerung geblieben.
Woran ich mich noch erinnere, ist, dass die Post im Beisein aller Kinder vorgelesen wurde, die Pakete wurden ebenfalls vor allen geöffnet und Süßigkeiten verteilt. Man durfte nicht ungestört mit seinen Eltern telefonieren, immer stand eine Tante hinter einem und hörte zu.
Zu trinken gab es einen ekeligen Kakao mit Haut drauf.
Meine Eltern haben mir erzählt, dass sie mich, als sie mich vom Bahnhof Hamm abgeholt haben, kaum wiedererkannt hätten. Ich hätte zugenommen und seitdem viel „vernünftiger“ geredet, vorm Essen gebetet und meine Kleidung gefaltet. Daran kann ich selbst mich nicht mehr erinnern.
Auch, wenn vieles aus diesen elf Wochen im Dunkeln liegt, kann ich nur sagen, dass sie mich negativ geprägt haben. Seitdem habe ich oft Einschlafprobleme, starke Ängste und eine Zwangssymptomatik entwickelt.
Letztes Jahr waren mein Partner und ich in Norddeich und alleine das Wissen, dass Norderney an der gegenüberliegenden Küste lag, führte bei mir zu Übelkeit und Unruhe. Wir haben den Kurzurlaub dann vorzeitig beendet und sind nach Hause gefahren.

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Patricia Behmüller - 2020-12-25
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: 12 Wochen irgendwann 1968

Meine Eltern haben meinen kleinen Bruder und mich zur Kur (Untergewicht) nach Norderney geschickt. Vor Ort wurden wir dann getrennt und wir haben uns nur manchmal beim Spaziergang gesehen. Nach 6 Wochen haben meine Eltern gesagt bekommen,dass ich noch 6 Wochen Verlängerung bekomme, da ich Neurodermitis habe.
Das Kurheim (Norderney) wurde von Nonnen geleitet, den Namen weiß ich nicht mehr.
Auf jeden Fall sind die Erinnerungen daran traumatisch.
Beim Essen wurden alle gezwungen aufzuessen. Wenn ein Kind sich übergeben hatte, wurde das Erbrochene zur Seite gewischt und es musste weiteressen. In der Nacht im großen Schlafsaal saß in der Tür eine Nachtwache, die die Kinder bestraft hat wenn sie nicht geschlafen haben. Ich erinnere mich daran,dass ich eine Nacht hinter der Tür stehen musste, weil ich aufgestanden war um ein Stofftier aufzuheben, das einem kleineren Kind aus dem Gitterbettchen gefallen war.
Als meine Mutter mich nach 12 Wochen am Bahnhof abgeholt hat, habe ich meine Eltern nicht mehr erkannt. Aus Erzählungen weiß ich dass mein Großvater den Zugang dann zu mir gefunden hat.
Der Mensch ist gut in der Lage schlimme Erfahrungen tief zu vergraben. Aber einiges kommt doch wieder hoch.
Auf jeden Fall habe ich meine eigenen Kinder nicht alleine zur Kur geschickt, sondern die Variante Mutter/Kind Kur vorgezogen.

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Evelyne Klein - 2020-12-18
Verschickungsheim: Nein

Ich bin ein Opfer der Heimerziehung. War in Waiblingen im ev.Säuglings.und und Kinderheim (Devizestr.)untergebracht. Mit ca.3 Monaten kam ich in diese Diakonissen Anstalt. Dort lernte mich eine Frau kennen, die damals eine Ausbildung zur Säuglings.und Kinderkrankenschwester absolvierte. Diese Schwester wurde ,als ich mit 10 Jahren getauft wurde,meine Patentante. In unregelmäßigen Abständen nahm mich diese Schwester zu sich nach hause in ihre Famillie. Dort erfuhr ich , das diese Schwester auch Einsätze hatte auf Norderney, möglicherweise auch Borkum oder so? Viel persönliches hatte diese Schwester von sich nie berichtet,als ich um die Schicksale der Verschickungskinder hörte, fiel mir dieser Umstand von dieser Schwester wieder ein. Bereits vor 30 Jahren hatte ich mich von dieser Frau abgewendet, da sie mir mein ganzes Leben ,neben den schrecklichen Erfahrungen während meiner Heimerziehung , zusätzlich zur Hölle machte. Da ich noch mitten in meiner Aufarbeitung meiner Heimerziehung stecke, gehört besagter Umstand um diese Schwester und ihre Einsätze in Erholungsheime im Norden dazu. Geschilderte Erfahrungen und Erlebnisse im Umgang von und mit Verschickungskindern durch Verschickungskinder decken sich mit den Erfahrungen im Umgang mit meiner Person durch diese Schwester ,bei der ich in unregelmäßigen Abständen in Fremdunterbringung war. Vielleicht kann man sich an die Schwester Gertrud Häffner erinnern, sie war ein Tyrann , unausstehlich, stammte aus Baden Württemberg, wohnte als ich noch Säugling war in Gerabronn (Hohenlohe) Kreis Schwäbisch Hall,hatte bis zu ihrer Pensionierung im Kinderhospital Olgäle in Stuttgart gearbeitet, eine Einrichtung der Diakonie. Bedanken möchte ich mich bei den Verschickungskindern und ihrem Mut, an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. Das Nachkriegsdeutschland wurde für viele Kinder und Jugendliche, zum Alptraum.Das muss beim Namen genannt werden, und es muss verhindert werden, das dies nie in Vergessenheit gerät. In diesem Sinne. Evelyne Klein

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Sarah - 2020-12-08
Verschickungsheim: Schönsicht in Berchtesgaden, Seehospiz Norderney, Lenzheim Amrum, Seehospiz Norderney, St.Peter Ording Haus Köhlbrandt
Zeitraum-Jahr: 1985…1986…1988 oder 1989...1990, 1991

Hallo,
Ich habe mich bereits vor einem Jahr hier eingetragen, nun sind Erinnerungen dazugekommen und ich möchte meinen alten Eintrag gerne ergänzen, wenn das möglich ist.

Mit 5 Jahren,1985 kam ich für 6 Wochen in das Sanatorium Schönsicht in Oberkälberstein,ich habe noch zwei Briefe, von meiner Mutter und meiner Oma. In den Briefen werde ich ermahnt gut zu essen und zuzunehmen und nicht so ein Trotzkopf zu den Tanten zu sein. Meine Mutter wundert sich darüber, dass ich am Telefon so wenig gesagt hätte.
Zwei der Tanten werden namentlich erwähnt, es gab ein Fräulein Lehmann und eine Frau Raschke, die von meiner Mutter extra Geld erhielten für Ausflüge, die wir niemals machten.
Die Zugfahrt erinnere ich noch gut, ich wurde in ein Abteil mit anderen Kindern gesetzt, viele weinten bitterlich, auch ich. Eine Frau, sie sagte, wir sollen sie Tante nennen, sang Schlaf Kindlein Schlaf. Daraufhin bekam ich furchtbare Angst, dass meiner Mutter etwas in Pommerland zugestoßen war, und ich deshalb alleine sein mußte. Als ich die Tante fragte, wo Pommerland sei, bekam ich zur Antwort, dass ich dumm sei.
Meine Erinnerungen an das Heim sind spärlich. Es muß furchtbar gewesen sein und ich muss dort, zur Strafe, in einen dunklen Raum alleine eingesperrt gewesen sein. Bis heute habe ich schreckliche Platzangst, und meide dunkle Räume ohne Fenster.
Ich glaube auf den Postkarten die Besenkammer wiederentdeckt zu haben. Sie war an der Treppe, und immer wenn ein Kind dort eingesperrt wurde, wegen kleiner "Vergehen", klopften die anderen Kinder im vorbeigehen kurz von außen an die Türe, um dem Kind in der Besenkammer zu zeigen, dass sie an es dachten. Das gab natürlich Ärger. Erinnert sich irgendwer an die Besenkammer?
Ich erinnere mich ins Bett gemacht zu haben, und dafür schlimm bestraft und ausgeschimpft worden zu sein, dass es im Vertrag stehen, Bettnässser würden nicht aufgenommen werden. Ich wurde an den Haaren gezogen.
Ich wurde zum Essen gezwungen, ich musste so lange sitzenbleiben bis der Teller leer war. Ich weiß noch wie verzweifelt ich war. Ein größeres Mädchen half mir manchmal, und aß meinen Teller auf, sie bekam dafür meinen Nachttisch. Ich möchte mich bei diesem Mädchen bedanken, dafür, dass es mich gerettet hat, falls es hier mitliest.
Ich erinnere mich daran, dass ich oft mit Hut stundenlang Ecke stehen musste, abends im Gemeinschaftsraum, während die anderen spielten oder einen Film ansahen. Warum weiß ich nicht mehr.
Ich war nicht katholisch getauft, und ich erinnere mich, dass ich deshalb besonders ekelhaft behandelt wurde.
Ich konnte noch nicht schreiben, deshalb weiß ich nicht, wie das in diesem Kurheim mit der Post ablief, aber eine tiefe Wut über Ungerechtigkeiten bleibt als Erinnerung darüber zurück.
Ich kann mich nur an einen einzigen Ausflug erinnern. Wir mussten im Salzbergwerk eine riesige Rutsche runterrutschen und ich hatte wahnsinnige Angst davor und weigerte mich, dafür wurde ich angebrüllt, und die Rutsche runtergeschubst. Danach sollten wir Andenken für zu Hause kaufen. Ich kaufte einen kleinen Teelöffel mit dem Wappen von Berchtesgaden. Die Tante erklärte mir danach, dass nun mein Geld aufgebraucht wäre, und ich weiß noch, dass ich es ihr nicht glaubte, aber nichts tun konnte.
Als ich nach Hause kam, hatte sich meine Mutter gewundert, dass ich zugenommen hatte und dass ich sie nicht mehr aus den Augen ließ. Sie erzählte mir, dass ich sie nichteinmal alleine zur Toilette gehen ließ.

1986 kam ich für 4 Wochen in das Seehospiz.
ich besitze noch eine Postkarte meiner Oma, deshalb kann ich genau sagen wann und wo. Danach 1990 war ich nocheinmal auf Norderney, doch da habe ich keine Dokumente mehr darüber.
Im September 1986 war ich 4 Wochen im Seehospiz , Station 8 in 2982 Norderney.
Es war schrecklich dort, ich versuche meine Erinnerungen aufzuschreiben, und es werden später mehr dazu kommen.
Meine Familie besuchte mich dort, und meine Mutter holte mich dann für kleine Ausflüge manchmal ab. Sie erzählte mir, dass sie Schwierigkeiten hatte mich dort abzuholen, und dass sie runtergemacht wurde, wenn sie etwas zu spät war, beim zurückbringen.

Ich erinnere mich, dass wir zu den Schlafenszeiten nicht zur Toilette gehen durften, und nicht miteinander sprechen. Eine Tante ging den Flur auf und ab und rief dann immer : "Zimmer 12 , Ruhe!" Wenn sie etwas hörte. Ich hatte ein älteres Mädchen auf dem Zimmer, was sich irgendwie um mich kümmerte. Ich erinnere mich daran, dass ich froh war, weil sie nett war zu mir. Sie brachte mir Schuhebinden bei, und gab mir Tipps, wie ich es ertragen konnte, bei der Mittagsschlafzeit den Blasendruck auszuhalten. Sie sagte: " Wenn du ganz dolle die Beine zusammenpresst und dich nicht bewegst, und den ersten Ansturm von dem Druck der Blase überstehst, auch wenn es weh tut, dann hört es danach wieder auf, der Druck verschwindet für eine Weile, und du kannst es bis nach der Schlafenszeit durchhalten. Wenn der Druck aber ein zweites Mal wiederkommt, dann mußt du zur Toilette gehen, und hoffen, dass die Aufsichtstante dich nicht erwischt, weil du sonst keine Chance mehr hast es aufzuhalten und ins Bett machen wirst." Was eine noch viel schlimmere Strafe nach sich ziehen würde, als in der Mittagsschlafzeit beim heimlichen Gang aufs Klo erwischt zu werden.

Noch heute habe ich dieses "Training" verinnerlicht und kann lange ohne Toilette durchhalten. Ich muß mich dann immer bewußt dran erinnern, dass ich ja zur Toilette darf, wann ich möchte.

Wir bekamen zu wenig zu trinken, und hatten immer Durst. Es gab nur zum Essen diesen roten Tee, eine Tasse. Eine Tasse pro Mahlzeit. Er schmeckte schrecklich und wurde in orangen Plastikbechern serviert, die schon von den vielen Kurheimkindern ganz rauh und abgekaut waren. Wir tranken Wasser aus den Hähnen im Waschraum, wann immer wir konnten, aber die Strafen waren hart, wenn wir erwischt wurden. Außerdem war das Problem, dass ich dann zur Schlafenszeit Druck auf der Blase bekam.

Wir mussten mit dem Gesicht zur Wand schlafen. Selbst wenn ich mich im Schlaf Mal umgedreht hatte, wurde ich mit barschem Ton geweckt: "Umdrehen! " Oder "Gesicht zur Wand! "geweckt und ich musste mich wieder mit dem Gesicht zur Wand drehen.

Die Kinder, die einnässten oder sich übergeben mussten, wurden bloßgestellt, und mussten es mit ihren eigenen Sachen saubermachen.

Ich erinnere mich an lange Märsche mit Sprechverbot in 2 er Reihen ohne etwas zu trinken durch die Dünenlandschaft. Der Wind trieb uns den Regen und den Sand quer ins Gesicht, es schmerzte.

Ich erinnere mich, dass die Post nach Hause zensiert wurde. Es gab ein Schreibzimmer, in das man nur dürfte, wenn man schon schreiben konnte, sonst mußte man den Tanten einen Brief diktieren. Ich weiß noch, wie neidisch ich auf die Kinder war, die ins Schreibzimmer durften. Die Briefe von zu Hause wurden laut vor allen vorgelesen und kommentiert. Wenn wir ein Päckchen bekamen wurde der Inhalt enteignet und an alle Kinder nach dem Essen als Nachttisch verteilt. So bekam nach dem Essen dann jedes Kind ein Gummibärchen.

Da wir das ungerecht fanden, behielten wir irgendwie heimlich die Gummibärchen aus einem Päckchen, welches ich bekommen hatte, von zu Hause. Wie wir das anstellten, weiß ich nicht mehr. In der Mittagsschlafzeit schlichen wir uns in das Zimmer der Jungs, und aßen die Gummibärchen auf. Durch den plötzlichen Zuckerkick wurden wir aber übermütig und begannen auf den Betten rumzuhüpfen. Natürlich wurden wir erwischt, es gab Ohrfeigen und ich wurde in der Krankenstation isoliert, während die Anderen alle beim Essen meine restlichen Süßigkeiten bekamen.

Ich war irgendwie öfter auf dieser Krankenstation. Dort musste ich den ganzen Tag auf einer orangenen Arztliege liegen, unter einer grauen kratzigen Rot Kreuzdecke. Einmal war ein Mädchen dabei, sonst war ich dort alleine.

Ich musste zunehmen, also hatte ich immer riesen Portionen Grießbrei mit abgebrannter Milch vor mir stehen, die ich aufessen müsste. Ich saß Stunden vor diesem Teller und hatte Angst, das Essen würde mir mit Gewalt reingeschoben werden.
Das Fiebermessen war eine Qual, wir mussten auf dem Bauch liegen und die Thermometer wurden brutal und schmerzhaft in den Hintern gesteckt.

Ich erinnere mich noch frierend in langen Schlangen in Unterwäsche anzustehen, vor dem Arztzimmer, zum wiegen oder was auch immer dort gemacht wurde. Ich hatte und habe heute noch immer wahnsinnige Angst vor Ärzten.
Meine Erinnerungen an die Nordseekurheime verschwimmen miteinander. Ich war1988 oder 1989 auf Amrum im Lenzheim, da erinnere ich nicht mehr viel, nur: es gab wieder zu wenig zu trinken und lange Märsche um die ganze Insel.Die Zeit dort muss schlimm gewesen sein, ich habe noch eine sehr düstere Kinderzeichnung von mir über das Lenzheim und kaum Erinnerung.
Die nächste Erinnerung kann ich nicht klar zuordnen, ich denke, es war im Seehospiz, aber es könnte auch das Lenzheim gewesen sein. Sicher bin ich mir, dass es in einem der beiden Heime stattfand, sobald konkretere Erinnerung zurückkehrt, werde ich es zuordnen können, daran arbeite ich noch. Ein Besuch vor Ort könnte helfen.


**********"Triggerwarnung**********

Ich erinnere mich an sexuelle Gewalt von Seiten der Ärzte. Es waren mindestens 2 Täter. Sie baten mich in das Arztzimmer, sie trugen weiße Kittel. Sie sprachen über mich, einer sagte dem anderen, ich sei ja schon ganz gut "trainiert". Er sperrt die Türe ab. Danach wurde ich von ihm sexuell missbraucht.
****************************************

In St. Peter Ording, Haus Köhlbrand und wieder auf Norderney im Seehospiz war ich in den 90 ern zur Mutter Kind Kur. Die Zustände für mich hatten sich etwas gebessert.

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Silke - 2020-12-08
Verschickungsheim: Norderney, Heim ?
Zeitraum-Jahr: 1968/1969

Einen schönen guten Tag,
wurde gerade durch einen Bericht im WDR 5 darauf aufmerksam, dass es wohl mehr wie mich gibt.
Ich wurde aufgrund von Bronchitis nach Norderney verschickt. Heimname - leider keine Ahnung.
Wie einige andere wurde ich Mutterseelenallein zu fremden Menschen in den Zug gesetzt.
Außer wenigen Flashbacks habe ich leider (oder Gott sei Dank?) keine Erinnerungen - aber seit 50 Jahren ein beklemmendes Gefühl.
Wenig Erinnerunge:
- ich war in der Sonnenschein-Gruppe.
- da war ein großen Schlafraum mit Metallbetten
- es gab Schläge, wenn die Mittags-/Nachtruhe nicht lautlos eingehalten wurde. Es brauchte nicht lange bis alle lautlos waren.
- es waren irgend wie auch Ordensschwestern (zumindest beim Essen) anwesend.
- da war eine Art großer Erker/Wintergarten und nur da gab es Spielzeug, Malzeug, etc. Mußte man sich aber verdienen.
- leider kein Erinnerung an draußen.
Konnte leider noch nicht schreiben, was dann die Betreuerinnen für mich taten.
Bis heute lässt mich das Gefühl der übergroßen Einsamkeit und Angst nicht los. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass das Lesen der anderen Berichte sofort wieder diese Gefühle hochholt.
Danke, dass es so eine Website gibt!

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Pele001 - 2020-11-20
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: 1968 bis 1976
starrating: 5

Ich bin schon als Baby das erste Mal wegen spastischer Bronchitis nach Norderney zur Kur gekommen. Meist zweimal im Jahr für 6 aber meistens für 8 Wochen. Das was da passiert ist hat mein Leben stark beeinträchtigt. Ich habe früh gelernt wie man sich da kleinmacht und anpasst ,damit mir die strafen erspart bleiben . Ich war früh trocken, denn das weinen der Kinder die in die Hose gemacht haben hörte man in den nächten. Sie wurden ins gitterbett gelegt und bekamen ab dem Mittag essen nichts mehr zu trinken. Auch ich musste einmal während des Mittagessen auf Toilette groß machen, ich meldete mich aber ich durfte nicht gehen. Ich hielt so stark ein das ich einen wahnsinnig schmerzhaften darmkrampf bekam. Mein ganzer Körper konnte sich nicht mehr bewegen und ich war Schweiß nass. Andere Kinder bemerkten das und darauf hin wurde ich von der Erzieherin immer wieder zur Toilette gebracht. Ich lag bis in der Nacht mit wahnsinnigen Schmerzen im Bett bis der Krampf sich endlich löste. Das Gesicht der Frau die mir das angetan hat, werde ich nie vergessen. Da lernte ich zu hassen. Zu Menschen habe ich nie wirklich freundschaftliche Beziehungen aufbauen können, ein Leben lang fühlte ich mich einsam, obwohl ich in zweiter Ehe verheiratet bin und drei Söhne habe. Vertrauen war und ist mir nicht möglich, anfassen und streicheln kann ich schlecht ertragen. Als Kind hatte ich schon Depressionen, als Jugendliche esstörungen, Magersucht. Um zu sein wie die anderen habe ich,als ich jung war, es eine Zeit mit Drogen versucht ( Kokain zum feiern und Gras um abzuschalten) . Ich habe aber selbst gemerkt das das alles noch schlimmer macht. Ich musste so damit fertig werden. Ich fühle mich nur wie seelisch verkrüppelt und so wird es wohl auch immer bleiben. Schön das man uns endlich anhört. Nie hat man mir geglaubt, bis auf einmal, da habe ich eine ehemalige Erzieherin aus dieser Zeit getroffen, sie sagte sie konnte nicht länger da arbeiten, es war zu grausam.

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Brigitte Prokop - 2020-10-16
Verschickungsheim: Kinderheim Norderne
Zeitraum-Jahr: Dezember 1952
Meine-Empfindung: es war schrecklich dort

Im Dezember 1952 wurde ich über das Gesundheitsamt Köln für fünf Wochen nach Norderney verschickt. Wir bekamen u. A. warme Wannenbäder im Kurmittel- oder Badehaus. Danach hatte ich immer sehr viel Durst, bekam aber nur eine Tasse 'Tee zu trinken. An das Essen habe ich nur eine Erinnerung: eine Eintopfsuppe mit ausgelassenem Speck erzeugte bei mir Brechreiz, so daß ich alles ausbrach aber ich mußte diese Suppe nochmals essen. Ob jetzt mit dem Erbrochenen oder nicht, kann ich nicht mehr sagen. Es gab am Abend nur eine Tasse Tee zu trinken, weil wir nachts nicht auf die Toilette gehen durften. Oft weinte ich in meinem Bett, wenn ich mir aber eins von meinen Tempotüchern aus der damals noch knisternden Packung nehmen wollte, wurde ich ausgeschimpft. Briefe schreiben mussten wir nach Diktat. Im

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Petra Wellmann - 2020-10-04
Verschickungsheim: Norderney und Bad Reichenhall
Zeitraum-Jahr: 1963 und 1964
Meine-Empfindung: es war schrecklich dort

Hallo, ich wurde im August 1959 geboren. Da ich als Kind an Asthma gelitten habe, bin ich auch verschickt worden. 1963 ging es nach Norderney und 1964 nach Bad Reichenhall. Jeweils für 6 Wochen. Obwohl ich noch sehr klein war, habe ich noch einige Erinnerungen. Sie haben mich auch allein mit einem Schild um den Hals in einen Zug gesetzt. Im Heim durfte ich nicht aufstehen, bis der Teller leer war. Wenn ich dann erbrochen habe, müsste ich trotzdem weiteressen. Ich weiss, dass ich ganz lang allein an dem Tisch gesessen habe. Das war in Norderney. In Bad Reichenhall wurde ich nachts an den Haaren aus dem Bett gezogen und musste die ganze Nacht auf dem Flur im Treppenhaus stehen. Ich habe gefroren und durfte mich nicht hinsetzen. Die Dunkelheit machte mir Angst. Ich weiss noch, das man vom Schlafsaal aus einige Treppen runtergehen müsste um zum Strafplatz zu kommen. Es war ein grosser Schlafsaal mit vielen Eisenbetten. Dort müssten wir auch den Mittagschlaf machen. Es durfte nicht geredet werden. Es hat sich fast niemand gemuckt und es war immer still. Die Zeit kam mir immer sehr lang vor. Mein Bett stand hinten. Ich habe nicht eine einzige positive Erinnerung. Als ich nach Hause kam war ich wund, habe meine Haare rausgerissen und meine Fingernägel waren bis aufs Fleisch abgekaut. Ich habe von Norderney einige Bilder und eine Postkarte, von Bad Reichenhall noch eine Postkarte.

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Ich war zweimal zur Kur, angeblich wegen Untergewicht.
Mit ca. 7 Jahren auf Juist und mit ca.9 Jahren mit meinem Bruder auf Norderney. Ich mußte nach jeder Mahlzeit eine viertel Stunde im Bett liegen, damit ich zu nahm. Meinen Bruder durfte ich auf Norderney nicht sprechen, nur im Schwimmbad konnten wir uns sehen. Das Essen war schrecklich, jeden abend Hering in Gelee und Tee. Ich habe nach den Mahlzeiten meistens alles ausgebrochen. Zu Ostern bekam ich ein Päckchen, das ich mit allen Mädels teilen mußte. Die Zimmertür unseres Schlafsaals blieb nachts auf und wir hatten eine Nachtwache.Die Post wurde diktiert.Ich hatte mir daraufhin geschworen, das meine Kinder nie zur Kur kommen sollten. Auf Grund ihrer Allergien bin ich mit ihnen jahrelang auf eine Nordseeinsel gefahren. Minen Eltern habe ich nichts erzählt, sie hatten es Ja nur gut mit uns gemeint. Ich bin Jahrgang 1950 und habe schon oft im kleinen Kreis davon erzählt. Ich glaube das man mir diese Schilderungen nicht unbedingt geglaubt hat und finde es richtig , das auch darüber jetzt öffentlich gesprochen wird. Ich kann ganz schlecht alleine sein und habe Verlustängste, was auf Grund dieser Erlebnisse sicher entstandenist.

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Norderney Haus Upstalsboom?
Ich Jahrgang 1950 und mit 9 Jahren auf Norderney

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War im Alter von 5 Jahren auf Borkum, als gerade
die große Flut über Hamburg kam. Daran kann ich
mich nicht mehr so genau erinnern.
Dann Norderney zum Jahreswechsel 64/65. Ich sollte dort sechs Wochen bleiben und es wurde
verlängert auf drei Monate über Weihnachten.
Alle Geschenke aus den Paketen mussten abgegeben werden. Es war eisig kalt und wir mussten zum Turnen in eine eisige Turnhalle.
Schlimm war das Heimweh, wenn man aus einem
behüteten Elternhaus kam. Alles bestand aus Schikanen und Demütigungen. Vor allem, dass man die Toiletten nicht aufsuchen konnte, wenn das Bedürfnis da war. Nächtelang musste ich auf dem Flur stehen, weil ich zur Toilette wollte. Der Grund, man hat so lange angehalten, weil man
morgens Urin abgeben musste und wer das nicht konnte, dem hat man einen Katheder reingejagt.
Demütigend war auch das tägliche Fiebermessen. Alle mussten sich mit nacktem Po aufs Bett legen, damit das schnell ging.
Habe nur am Katzentisch gesessen, weil ich keine Schmalzbrote mochte. Finde ich heute noch ekelig. Als ich nach Hause kam, habe ich am Bahnhof geweint und weiß jetzt, dass man auch vor Freude weinen kann.
Ich habe sehr genaue Erinnerungen, und das kann ein Fluch sein.

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Kathi ! wir müssen zur gleichen Zeit in dem Heim in Norderney gewesen sein. Ich war nachts auf dem Rücken liegend mit Händen und Beinen an die Bettpfosten gefesselt, damit ich nicht an den Nägeln kauen konnte. Zum täglichen Fiebermessen : s.o., Kathis Bericht. Nachts wurden wir aus dem mühsam erkämpften Schlaf gerissen, und aufs "Töpfchen" gesetzt - IM Bett. Wer umfiel war Demütigungen, Schlägen und Hohn ausgesetzt und musste sein Bettzeug waschen.
Das Schlimmste war am Strand: alle Kinder liefen in einer geordneten Gruppe am Strand entlang - ich durfte nicht in der Sicherheit der Gruppe mitgehen, sondern musste mindestens 20 Meter hinter her gehen, weil ich ja an den Nägeln gekaut habe. Das ist eine besondere Pein, weil für das Kind der neblige Strand, das bedrohliche Rauschen des Wassers und die fast nicht mehr sichtbare Gruppe einen Horror erzeugen. Weihnachtsgeschenke durften zwar ausgepackt, aber nicht behalten werden. Der Teddy, der in meinem Paket war, den hätte ich dringend als Seelentröster gebraucht. Die 3 Monate waren die schlimmste Zeit. 5 Jahre alt, allein, und den Nonnen ausgeliefert. Meine Mutter hat erzählt, ich sei schlimmer krank wieder gekommen, als ich es vor der "Kur" gewesen bin - und das Nägel kauen bin ich viele Jahre lang nicht los geworden.

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Hallo, ich bin Heike Kozel geb Weller,ich war mit dreieinhalb Jahren auf Norderney. Meine Eltern haben mich dort hingeschickt da ich eine Hauterkrankung hatte. Die Ankunft war schrecklich lieblos und beängstigend. Ich musste mich ausziehen und die Nonnen haben sich stumm meine Haut angesehen. Am Abend bekam ich Plastikschinen um beide Arme und wurde in einem riesigen Gitterbett festgebunden. Mir wurde oft Blut abgenommen, es war immer sehr schmerzhaft. Meine persönlichen Sachen wurden mir abgenommen, Bilder von meinen Eltern und meines Hundes. Die Mahlzeiten waren der Horror, ich wollte nicht essen, ich war voller Kummer und Traurigkeit. Beim Mittagessen setzte sich eine Nonne zu mir und hat mir den Löffel in den Mund geschoben, gezwängt. Ich hab mich übergeben, die Nonne hat mich gezwungen,das Erbrochene zu essn. Die täglichen Bäder in einer riesigen Wanne,mit einer blauen Flüssigkeit, hab ich in ganz schrecklicher Erinnerung. Eine Tante hat mich mehrmals unter Wasser gedrückt, weil ich weinte, sie sagt jetzt hätte ich einen Grund zu weinen. Mehr mag ich nicht mehr schreiben. Ich musste drei Monate diese Hölle aushalten

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Ich bin am 7.4,1957 geboren. Auf dem Foto von Norderney bin ich das Mädchen in der Mitte.

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Ich war 1960 oder 61 auf Norderney und wurde auch im Bett festgebunden. Ich habs genau so in Erinnerung, durfte mich nicht kratzen. Meine Eltern haben mir nichts geglaubt. Zur Zeit bin ich in einem emotionalen Ausnahmezustand ....

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ich war mehrfach zur Kinderverschcikung, weil ich zu dünn war.Das erste Mal mit knapp sechs Jahren bach Norderney. an diesen Aufenthalt habe ich gar keine Erinnerungen.
Ein Jahr später musste ich nach St. Blasien im Schwarzwald. Das muss ein echter Horroraufenthalt gewesen sein.
Ich erinnere mich daran, dass wir regelrecht gemästet
wurden, um dicker zu werden. Es gab Mindestportionen, die gegessen werden mussten. Vorher durfte man den Speisesaal nicht verlassen.
Briefe nach Hause duften nur geschrieben werden, wenn die "Tanten" uns den Inhalt diktierten:
Zum Mittagstisch musste immer ein Kind was Tolles vortragen. Weil ich das nicht wollte, wurde ich an Armen, Haaren usw in die Mitte gezogen und gezwungen ein Lied zu singen.
Wenn wir uns nicht angemessen verhalten haben, wurden wir in eine dunkle Besenkammer gesperrt.
Es wurde Mittagsschlaf gehalten, dazu mussten wir alle schweigend zwei Stunden im Bett liegen. Mehrfach musste ich mich erbrechen, das Erbrechen wurde bestraft.
Es war ein Horroraufentahlt in St Blasien.
Danach musste ich noch einmal nach Wallgau. Meine große Schwetser fuhr mit. Dieser Aufenthalt war galube ich schön

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Hallo liebe Anja, hallo alle Verschickungskinder
ich war mit 5 Jahren 1979 mit meiner Schwester 8 Wochen über die Sommerferien auf Norderney. (Wir wurden dort 6 Jahre alt - der schlimmste Geburtstag meines Lebens).Erst auf der Fähre, bei hohem Wellengang, wurde mir klar, dass dies hier kein Auflug ist und ich hatte ab diesem Moment bis zu unserer Rückkehr ohne Pause starkes Heimweh. Die Tanten in weiß waren unfreundlich, schrien, drohten! Abends schrien Sie in unser Zimmer, dass wir die Luft anhalten sollen, sonst kommen wir in den Keller oder auf den Flur. Ich verstand das damals nicht und warnte die anderen Kinder, dass wir dadurch ersticken würden. Wir mussten immer die Teller leer essen - immer auch Milchsuppe oder so einen komischer Brei. Ich hatte am Stück Bauchschmerzen. Einmal war mir schlecht und ich sagte dies einer Tante beim Essen - sie schrie mich an, rührte mein Essen um (ich glaube sowas wie Hackbraten und Brei) und zwang mich alles zu essen. Beim Schlafen mußten wir alle in eine andere Richtung schauen. Sie haben uns mit vielen absurden Regeln zu teilweise zwanghaften Menschen erzogen!
Das nackige Baden im Meer war mir unangenehm. Ich kann mich noch an das Gefühl erinnern.
Einmal telefonierte eine Tante im Flur mit meinen Eltern. Ich hatte das irgendwie bemerkt. Meine Schwester und ich schrien und heulten - sie hielt den Hörer in die Höhe und eine andere Tante "führte uns ab". Vorher biss ich ihr aber noch in den Fuß - ihr könnt Euch vorstellen, was dann folgte. Ich war nach diesem Aufenthalt ein verschüchtertes, sehr angepasstes Kind mit viel Heimweh. Habe stark daran gearbeitet. Allerdings - wenn ich heute einen Bericht zum Thema sehen laufen die Tränen - einfach so.
Liebe Grüße,
Yvonne

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Die Sendung von Report Mainz hat mir ein bis dato erfolgreich verdrängtes Trauma schlagartig ins Bewusstsein geholt. Ich bin im Haus Heckenrose auf Norderney gewesen, vom 19.2. - 1.4.65, von der Techniker KK bezahlt und der AWO organisiert. In dem Sommer wurde ich 6 und sollte meinen Dauerhusten als Ruhrpottkind loswerden, außerdem war ich etwas dünn. Ich hatte so viel Heimweh wie nie (obwohl ich öfters, auch für 2 - 3 Wochen schon allein bei meinen Großeltern gewesen war)
Dass mit dem aufpäppeln hat nicht geklappt durch Suppen, die mehr Wasser als Suppe waren, durch rohe, ungewaschene und ungeschälte Karotten, die mir den Bandwurm eingetragen haben, den ich mit nach Hause brachte. Haferschleimsuppe im Kinderheim hat dazu geführt, dass ich als Schulkind die Haferflocken, die ich mit Milch jeden Morgen essen sollte, mit viel Verachtung gegessen habe. Ich habe sie manches Mal, weil meine Eltern, mit recht, von der Nahrhaftigkeit überzeugt waren, ins Klo geschüttet und, als Mutti mir auf die Schliche kam und geschimpft hat, hab ich sie aus dem Fenster im 3. Stock geschüttet. Pech für mich, hatte die Nachbarin unten drunter in der Wohnung ihre Betten zum Lüften im Fenster liegen. Es gab mächtig Ärger, aber Haferflocken musste ich nur noch, wenn ich sie wollte essen! Nach der Kur war ich eher abgemagert und vor allen Dingen krank vor Heimweh und meinte auch vorzeitig wieder heim geschickt worden zu sein, aber ich denke, das war der Wunschgedanken der Kleinen.
Durch den Bericht war auf einmal die Szene wieder da, dass auch ich ein Pflaster über dem Mund hatte, damit ich nicht reden kann und heute Morgen wurde mir bewusst, dass ich noch heute lieber "den Mund halte, wenn es mir schlecht geht, oder ich mich beschweren müsste" als dass ich rede. Ich erinnerte mich an große Schlafsäle, in dem ich mich in den Schlaf weinte (zumal meine Puppe, die ich dabei hatte, weg gesperrt war in einen Schrank - auch das ist gestern Abend plötzlich als Erinnerung wieder da gewesen) und an unfreundliche "Tanten", die mit Strafen schnell dabei waren zum Beispiel ist mir eine Szene eingefallen, wo ich auf dem Boden knie in dem großen Waschraum und putze mit meinen nackten Kinderknien. Diese großen Steinwaschbecken, an denen wir uns morgens im ungeheizten Waschsaal in Reihe gewaschen haben mit eiskaltem Wasser und nur mit Höschen bekleidet sind mir wieder ins Bewusstsein gekommen und woher mein Ekel vor ungeputzten mit Zahnpastaschlieren verschmutzen Waschbecken noch heute kommt ist mir auch auf einmal klar. Ebenso habe ich jetzt das Gefühl, dass da noch was zu heilen ist, und ich dann nie mehr Gewichtsprobleme, „Lebensmittelallergien“ und Durchschlafprobleme haben werde – das macht gerade so viel Sinn, dass damals in diesem Kuraufenthalt die Trigger für das was ich heute noch habe liegen. Hagebuttentee mag ich bis heute noch nicht wieder. Überhaupt die Hagebutten (Haus Heckenrose!) die auf dem Weg zum Strandspaziergang wuchsen: das waren aber eher die Mit-Kur-Kinder-Jungs, die diese gepflückt und aufgemacht haben und das „Juckpulver“ überall im Bett verteilt und auch hinten in den Kragen gesteckt.
Die Insel Norderney hat es mir nicht verdorben. Ich war nie wieder in der Kinderlandverschickung. Meine Mutti ist ab 1966 mit mir immer privat in den Osterferien dorthin gefahren in ein privates Zimmer in der Nordhelm-Siedlung und sowohl sie, als auch ich, lieben Norderney bis heute. Die "Tanten" werden längst verstorben sein, das Haus Heckenrose gibt's nicht mehr, wem nutzt der Ruf nach Aufarbeitung noch? Meine Eltern, der Kinderarzt, alle haben es gut gemeint und wollten mir was Gutes tun. Okay, mir nutzt es die Aufarbeitung, die über 54 Jahre später angestoßen wird, mir, die weiß, sie war damals nicht allein und ist es heute nicht, es gibt Tausende davon und es ist wichtig darüber zu reden und sich den Schatten zu stellen.
Es gibt nicht nur böse Erinnerungen an jenen Kuraufenthalt: z. B. Matjes in Gelee, den manche als traumatisierend erlebt haben mag ich heute noch und auch Schwarzbrot hat man mir dort nicht verleiden können. Als Wasserratte, die ich schon lange bevor ich schwimmen konnte war, erinnere ich mich an das Wellenbad sehr gerne. Aus Erzählungen weiß ich, dass auch meine Eltern Heimweh nach mir hatten und einmal an einem Wochenende auf die Insel kamen, wo sie mich aus der Ferne am Strand beobachtet haben – gut heraus zu kennen aus all den Kindern mit meinem roten Mantel und Kopftuch. Irgendwie hab auch ich das Bild von ihnen, wie sie weit weit entfernt auf einer Düne stehen, meine Mutti im blauen Mantel, auch mit Kopftuch, und mein Papi. Besuchen durften sie mich selbstverständlich nicht, sie wurden am Eingang abgewiesen. Meine Mutter erzählte mir kürzlich, dass sie weiß, dass dieser Aufenthalt alles andere als erholsam für mich war, aber unternommen haben sie damals nichts.
Seit den 80er Jahren war ich nicht mehr auf Norderney. Im November 2009 zog es mich erstmals wieder hin, in die Pension, in die Mutti seit den 80er Jahren jedes Jahr ein- bis zweimal fuhr. Ich besuchte auch das Wrack am Ostende der Insel, was im Dezember 1967 dort gestrandet war und an das ich mich aus Kindertagen als hochaufragendes Schiff erinnern konnte.
Dort saß ich dann und weinte, als erwachsene Frau mit 50 Jahren, und wusste nicht warum. Ich sah mich als kleines trauriges Mädchen und wusste nicht, warum es so traurig war auf Norderney.
Jetzt weiß ich, was ich dort geheilt und aufgearbeitet habe, denn ich liebe diese Insel und die Nordsee bis heute, auch wenn mein erster Aufenthalt dort traumatisierend war.

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Seehospiz Kaiserin Friedrich, Norderney, ca. 3.monatige Kur im Frühling 1972, Barmer Ersatzkasse, Grund: Asthma, Neurodermitis
Ich war damals 7 Jahre alt, Sammelzug ab Hagen. Mein erstes negatives Erlebnis beim Kofferauspacken bei der Ankunft. Ein schöner Strandausgehanzug, den meine Mutter mir als Trostpflaster gekauft hatte, wurde direkt mit den Worten konfisziert, "so etwas tragen wir hier nicht". Auch die Schlüpfer wurden zugeteilt (eher 2 pro Woche denn pro Tag). Schlafen im Schlafsaal mit wimmernden Kindern. Morgens um 6 Uhr Fiebermessen. Das Thermometer musste man selbst einführen und saubermachen. Morgens stand man in Unterwäsche frierend in einer langen Schlange zur Medikamenten- und Cremeabholung. Duschen und Waschen nur unter Aufsicht. Ich kann mich an keinen heiteren Moment erinnern, keine Spiele, keine Bastelstunden. Ich hatte schmerzhaftes Heimweh. Zum Glück habe ich eine Freundin gefunden. Das prägendste Ereignis war, dass ich im März ins Büro der Oberin gerufen wurde. Drohend fragte sie mich, ob es mir denn etwa nicht gefalle. ich sagte daraufhin eingschüchtert, mir gefalle es. Daraufhin sie: Und warum schreibst Du dann böse Dinge nach Hause und willst an Deinem Geburtstag nicht mehr hier sein? Zur Strafe musste ich in der Ecke stehen. Nicht nur ausgehende Post wurde kontrolliert, sondern auch die eingehende. Päckchen von meiner Oma mit selbstgebackenen Plätzchen wurden geöffnet und in einem Spind verschlossen. An Telefonate mit zuhause kann ich mich nicht erinnern. Heutige Eltern würden ihre Kinder sofort abholen. Damals war noch so ein ungesunder Respekt vor medizinischem Personal und Kinderrechte wurden kleingeschrieben.
Im Zugabteil auf der Rückfahrt wurde ich Mitreisenden über meinen Kopf hinweg als besonders gelungene Heilung präsentiert, mit dem Verweis, ich sei so mager gewesen.
Danke für die Initiative!

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Es muss so 1956 oder 1957 gewesen sein, ich war vielleicht 8 oder 9, mein Bruder 6 oder 8 als wir in so ein "Verschickungsheim" auf Norderney kamen.

Von meinem kleinen Bruder wurde ich sofort nach der Ankunft getrennt . Ich habe ihn, wenn ich mich recht erinnere, in den 6 Wochen nur einmal wieder gesehen.

Ich kann mich erinnern an einen unglaublichen Druck, mich "anständig" benehmen zu müssen. Einmal habe ich ins Bett gepinkelt und daür gab es öffentliches Spießrutenlaufen. Das war schrecklich, schrecklich, schrecklich! Danach bin ich jede Nacht aufgewacht, auf einen Stuhl geklettert und habe ins Waschbecken gepinkelt. Immer in Angst, dabei erwischt zu werden. Allerdings habe ich nach ein paar Nächten mitbekommen, dass andere Mädels dasselbe machten.

Das Essen war eine Zumutung. Es gab jeden Tag eine Art Milchsuppe, die war fast immer angebrannt und klumpig. Aber das Schlimmste war der Vanillepudding, den es auch so ziemlich täglich gab und widerwärtig

schmeckte. Wir nannten ihn Eiter...

Allerdings erinnere ich mich auch an Spaziergänge am Strand, auch ans Schwimmen erinnere ich mich. Und ganz deutlich erinnere ich mich, dass ich den "Freischwimmer" dort gemacht habe. Mit einem Boot wurden wir rausgetuckert, schwammen dann um das Boot herum und mussten einmal vom Bootsrand springen. Das hat mich ziemlich stolz gemacht.

Ansonsten haben wir wohl die meiste Zeit auf so einer Glasveranda zugebracht und uns gelangweilt haben.

Es passiert mir sogar heute noch, dass ich ab und an schweißgebadet aufwache, weil ich das Gefühl habe, ich hätte ins Bett gepinkelt.

Und bei dem Geschmack von Vainille wird mir immer noch übel.

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Ich, geb. 1952 in Düsseldorf, bin fassungslos, plötzlich über meine eigene so schrecklichen Kindheitserfahrungen im Fernsehen zu hören, fassungslos und auf schreckliche Weise glücklich, dass endlich diese Erinnerungen, die ich ein Leben lang mit mir un-erhört mit mir herumgetragen habe, nun plötzlich thematisiert werden. Ich war in 3 Heimen, immer länger als 2 Monate, mit unendlichem Heimweh und voller Trauer und dem Gefühl entsetzlichen Ausgeliefertseins Tag und Nacht, während die Eltern uns "in Erholung" wähnten. Ja, die "Tanten" waren Bestien, manche, eine Schwester Ursula, schlug, wann immer sie dazu Lust zu haben schien, wenn sich ein Kind nicht so bewegte oder schaute, wie sie es erwartete. 2 Namen der Orte erinnere ich: Norderney und Rippoldsau, offenbar im Schwarzwald. Bei diesem Wort, höre oder denke ich es nur, überfällt mich noch heute gegen alle Widerstände ein Würgereiz und es drängen sich Tränen auf. Ja, unsere Münder wurden, ob laut oder nicht, zum Mittagsschlaf draußen auf Liegen in der Kälte mit Pflastern zugeklebt, der Schmerz beim Abreißen unvergeßlich, wir durften nicht auf Toilette, wenn wir mussten, ich litt stets unter brennenden Blasenentzündungen und entwickelte später eine chronische Nierenbeckenentzündung bis ins Jugendalter, wir froren immer, viel zu dünn angezogen die kleinen Mädchen mit diesen Strümpfen und Strapsen in eisiger Winterkälte und - ich fasse es nicht, dass JETZT auch andere das erinnern - - wir mussten Erbrochenes essen, was so entsetzlich war, dass es später niemand glauben wollte und ich über Jahre zum Essen ein gestörtes Verhältnis entwickelte, unterernährt blieb und ein Jahr später, also mit 7 Jahren eingeschult wurde, weil ich zu dünn war. Noch mit 12 Jahren sammelte ich das Essen im Mund und spuckte es später unbeobachtet aus, ich vermochte nur schwer zu schlucken. Als ich die Schilderungen soeben im Fernsehn hörte , traute ich meinen Ohren nicht - fast am Ende meines Lebens erfahre ich, dass ich "erhört" wurde, dass man mir glauben wird nun; denn meine Eltern lachten mich aus, ja schimpften mit mir ob solcher Unterstellungen, die sich bis heute bis in meine tiefsten Träume eingebrannt haben, und ich wache noch heute fast jede 2. Nacht schweissgebadet auf mit diesen unberechenbaren Bildern im Traumgedächtnis. Mit diesem unvorstellbaren Ausgeliefertsein scheinheiliger abgrundtief böser "Tanten" in endlosen kalten Gängen und unbeheizten Schlaf-und Esssälen, in denen die Gewalt gegen uns fast nur weinende Kinder überall plötzlich ausbrechen konnte, und wie es geschildert wurde, war das Weinen eine böse Tat, die wiederum mit Schlägen und Eckenstehen oder Essensverboten (was egal war, denn das Essen war Dreck oder wurde uns zu Dreck gemacht durch den Zwang, das Erbrochene zu essen) bestraft wurde. Elternpäckchen kamen nie bei uns Kindern an, und wir warteten vergeblich darauf, wenn sie uns einmal angekündigt worden waren. Alle Briefe oder Karten, die wir von dem 3. Heim aus schrieben (da war ich schon im 2. Schuljahr und dort mit meinem Bruder untergebracht) wurden vermutlich vernichtet, sie kamen nie an. Ich kann es noch gar nicht glauben, dass plötzlich so so spät dieses dunkle Kapitel meiner Kindheit, das mich lebenslang geprägt hat, aufbricht und mit Glaubwürdigkeit und Verständnis beleuchtet wird. Ich für meinen Teil kann sagen, dass diese Erlebnisse mein Leben entscheidend beeinflusst haben.

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Hallo,
ich bin Jahrgang 1961. Mit 5 Jahren hatte ich einen „ Kuraufenthalt“ auf Norderney.
Eine Kur war wohl auch gerechtfertigt damals. Ich war ein kränkliches Kind und hatte u.a. Krupphusten. Die Seeluft hat mir geholfen.
An den Aufenthalt selber erinnere ich mich nicht so gerne, hatte es zum größten Teil auch verdrängt, bis ich den Artikel las.
Es gibt Erinnerungen von Erbrechen und das regelmäßig. Bloßstellen vor den Anderen. Und da waren sehr viele andere Kinder. Demütigungen. Androhung von Spritzen in den Hals, wenn ich nicht aufhöre zu erbrechen. Ich glaube es gab auch Isolation. Ich habe auch ins Bett gemacht. Die Erinnerungen sind sehr verschwommen, ich habe vieles verdrängt. Ich kann mich aber erinnern, daß ich danach als Kind sehr verängstigt war. Jetzt beim schreiben kommen Bruchstücke wieder zurück. Die Tanten waren groß und übermächtig. Mit Schürze und hochgestecktem Haar. Streng.
Ich kann mich an einen großen Speisesaal erinnern, mit Holztischen. Das Heim selbst war wohl ein sehr altes Gebäude. Es gab doppelte Fenster. Ein Fenster außen und eins innen. Sehr dicke Mauern. Ich hätte zwischen diese Fenster gepaßt.
Eine gute Erinnerung ist der Strand. Muschelsuchen und mit angespülten Quallen Fußball spielen.
Obwohl es sehr wenige und verschwommene Erinnerungen sind, macht sich jetzt beim schreiben ein schlechtes Gefühl breit. Eine innere Unruhe. Als wenn da noch mehr gewesen ist.


Ich glaube, da gibt es etwas, das ich aufarbeiten muß. Vielleicht gibt es noch Briefe. Es muß auch noch min. ein Bild geben.
Was mich aber mein Leben lang begleitet hat, ist die Drohung, eine Spritze in den Hals zu bekommen.


Danke.
Ich habe immer geglaubt, ich wäre der Einzige.

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Hallo liebe Leidensgenossen, ich bin heute über den Spiegel-Online Artikel über die Verschickungskinder ("Macht was. Bitte! Bitte!") gestolpert. Daher auch hier mein Kommentar, vielleicht erkennt ja jemand die Einrichtung wieder (Ludgeri-Stift auf Norderney, ca.1965):


Ich bin Jahrgang 1960 und war als 5jähriger für eine "Kinderkur" in der oben genannten Einrichtung. Es war für ein kleines, unsicheres Kind wie mich eine verstörende und gewalttätige Erfahrung. Beim Lesen des Artikels kam alles wieder hoch. Und erstaunlich, wie viel Deckungsgleichheit es hier gibt.
Das Ludgeri-Stift (kirchlich-soziale Einrichtung, der reinste Hohn...) wurde von einem Hausdrachen und sadistischen, unreifen Erzieherinnen (Tanten) geführt. Das Taschengeld musste abgegeben werden, jeder Brief wurde zur Zensur der Heimleitung vorgelegt. An das Essen habe ich relativ wenig Erinnerung (nur dass es schlecht war), aber an die Kasernierung im Speiseraum unter absoluter Ruhe samt Strafen, wenn das Schweigen gebrochen wurde. Woran ich genaue Erinnerungen habe, war die willkürliche Gewalt. Ohrfeigen, barfuß Strafe stehen im dunklen Flur, Entwürdigungen. Ein Junge wurde besonders schikaniert, weil er sich wohl etwas sonderbar artikulierte und recht lebendig war. Die "Tante" sperrte ihn für eine halbe Stunde in eine engen Besenspind, in welchen sonst nur zwei Putzeimer und die Besen passten. Das unglaubliche Schreien und Weinen werde ich bis heute nicht vergessen, weil ihm gesagt wurde, dass er für immer dort eingesperrt bleiben würde. Ein anderes Mal musste er sich nackt ausziehen und an die Wand stellen, und dann befahl die nette Tante, dass JEDER von uns (Jungen und Mädchen) in einer Schlange an ihm vorbeigehen musste und ihn entweder einmal hauen oder treten sollte. Das war perfide gesteuerte, organisierte Massengewalttätigkeit mit unschuldigen Kindern...
Einmal in der Woche durften wir eine Stunde zu dritt in den kleinen Ort, um unsere Taschengeldration auszugeben. Wurde natürlich alles kontrolliert, manches musste auch wieder abgegeben werden. Da habe ich im Krämerladen einfach einen heimlich geschriebenen Brief an meine Eltern aufgegeben und damit die Zensur ausgetrickst. Und meine Mutter kam tatsächlich und hat mich vorzeitig abgeholt! Zu Hause gab es dann auch halbherzige Beschwerden und Gespräche mit dem Träger, das verlief aber schnell im Sande. Ja nicht auffallen und immer ducken, das war ihre Devise. Aber dass sie mich da herausgeholt hatte, vergaß ich nie...
Ein halbes Jahr später bin ich dann noch auf eine andere "Kinderfreizeit" geschickt worden. Wo das war, weiß ich allerdings nicht mehr. Herrische Tanten, Willkür, viel Heulen und Heimweh, fast das gleiche Spiel. Auf einmal wurde gesagt, ich hätte Besuch! Das war extrem selten, alles staunte, ich am meisten. Es war mein Vater, der nur mal kurz auf der Durchreise war und nach 10 Minuten wieder weg war. Da war das Heulen danach noch viel größer.
Meine Eltern haben sich übrigens kurz danach getrennt, als ich in die Schule kam. War schon eine tolle Kindheit, damals in den 60ern...

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Ich heiße Dieter Scheepers – bin Jahrgang 1945


Norderney – Vestisches Kinderheim – ca. 1953/4


Da ich als Kind recht dünn war, haben meine Eltern (wahrscheinlich über Zeche Rheinpreußen) einen 6-wöchigen Aufenthalt auf Norderney im Vestischen Kinderheim gebucht. Damals war ich ca. 8 oder 9 Jahre alt (Schätzung). Ich kann mich erinnern, dass meine Mutter mit einem Wäscheschreiber in alle meine Kleidungstücke meinen Namen schrieb bzw. einnähte.


Die Fahrt begann in Duisburg – mit einer riesigen Dampflok. Unterwegs konnte man nicht so viel sehen, weil der Qualm der Lok fast immer die Sicht versperrte. In Norden wurden wir aufs Schiff gebracht – Frisia 4 oder 6.


Wir wurden im Vestischen Kinderheim untergebracht, das von Nonnen geleitet wurde.
Im Vestischen Kinderheim kann ich mich an folgendes erinnern: Es war ein weißes kastenförmiges Gebäude. Innen war eine große Treppe in die oberen Stockwerke.


In den ersten Tagen haben wir nichts zu trinken bekommen, weil die Tanten und Schwestern besorgt waren, dass wir bettnässten. Ich habe damals mit einem anderen Jungen zusammen in einer Toilette aus der hohlen Hand das Spülwasser getrunken.


Beim Essen im Esssaal kann ich mich an eine Situation erinnern: ein Junge hatte sich in den Gang erbrochen. Daraufhin kam eine Schwester – stellte sich neben ihn und zwang ihn, das Erbrochene vom Boden zu verzehren. Ich weiß noch, dass in den Fleischgerichten kleine Stücke wie Gummi waren (wahrscheinlich Darmstücke) – widerlich. Der Pudding hatte eine dicke feste Oberhaut, die ich nur widerwillig hinunterbekam. Auch wurden Kinder zum Essen gezwungen – ich hatte etwas Glück, weil einige Speisen, die ich nicht mochte, mein Nachbar heimlich (es war streng verboten) nahm.


Wir schliefen alle in einem großen (für Kinder bleibt alles groß in Erinnerung) Schlafsaal, in dem regelmäßig der Lichtstrahl des Leuchtturms fiel. An bestimmten Tagen durften/mussten die katholischen Kinder in die Kapelle, die am anderen Ende des Gangs zum Schlafsaal lag. Wir, die evangelischen mussten aber ins Bett – hörten Teile des Gottesdienstes und rochen den Weihrauch bis in den Schlafsaal. Am Eingang stand eine Nonne und wachte über uns. Wenn dann unter den Kindern Gespräche begannen (es war schließlich noch früh und fast hell), kam die sie mit einem Holzstück (Rand einer Schiefertafel) und ging von Bett zu Bett und verprügelte jeden, egal ob er schon schlief oder wach war.


An die Toilettengänge kann ich mich noch gut erinnern: Am Eingang zum Toilettenraum saß eine Schwester, die jedem Kind ca. 2 – 3 Blatt kleingeschnittenes Zeitungspapier als Toilettenpapier gab . Nachfragen nach weiteren Blätter wurden stets barsch abgelehnt. Dazu ist wohl nicht mehr zu sagen?!


Es gibt auch schöne Erinnerungen: Wanderungen am Strand (dies mit jungen und freundlichen 'Tanten') – Muschelsuchen. Besuch des Wellenbades. Dort hatte ich mir aber ein Ekzem am Fuß zugezogen. Die Zehen nässten, juckten und die Haut ging ab.
Daraufhin wurde ich zur Krankenschwester geschickt – Den Namen werde ich nicht vergessen: Schwester Aloysia. Sie kochte Wasser und schüttete es in eine kleine Wanne, verrührte dann Schmierseife darin. Dann drückte sie meine Füße in das wirklich heiße Bad. Mein Schreien hat man bis unten gehört, wie mir ein anderer Junge sagte.


Diese Behandlung wurde mehrfach vorgenommen. Nach einer dieser Behandlungen sagte Schwester Aloysia – es war wenige Tage vor der Abreise – dass die Behandlung jetzt abgeschlossen sei und ich nicht wiederzukommen brauche. Tatsächlich war es aber nicht besser geworden. Ich lief nur noch auf den Hacken, weil das normale Laufen so weh tat. Eine von den wenigen jungen Frauen, die uns beim Spielen etc. beaufsichtigten nahm sich meiner an. Als sie meine Füße sah, ging sie zur Schwester Aloysia und bat sie, doch eine weitere Behandlung vorzunehmen. Die Schwester aber sagte: Dieter ist gestern nicht zu Behandlung gekommen – ich behandele ihn nicht mehr! Ich verstand die Welt nicht mehr.
Dann kam die Abreise. Wieder Frisia und Dampflok. In Duisburg angekommen (im Abteil des Zugschaffners) und Ansage am Bahnhof: Kind Dieter Scheepers – aussteigen!
Am Bahnhof warteten meine Eltern (und ich glaube auch meine Schwestern). Als meine Mutter mich auf Hacken ankommen sah, war ihre erste Frage: was ist los?


Zuhause haben mich meine Eltern dann zu einen Arzt gebracht: rohes Fleisch an den Zehen!
Der Arzt schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte (das weiß ich noch ganz genau): Da darf absolut kein Wasser dran, schon gar nicht heißes mit Schmierseife. Ich bekam Puder und Verbände und nach einiger Zeit waren die Füße dann auch verheilt.


Mir blieb eine besondere Erinnerung: Schwestern musst du meiden, die sind böse, bezichtigen dich der Lüge und sind nicht freundlich – fröhlich. Diese Einstellung konnte ich erst als junger Mann im Krankenhaus in Bremen korrigieren – dort war eine Nonne - immer fröhlich und hilfsbereit. Hat mir Briefmarken vom Professor besorgt und auch schon mal eine Flasche Bier rangeschmuggelt.

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Ich hatte im Radio von dem Kongress auf Sylt gehört und wurde aufmerksam. Ich wurde 1970 nach Norderney verschickt. Dort durften die Kinder Nachts nicht zur Toilette gehen, sondern mussten ein "Töpfchen" benutzen.Haben Kinder das Laken zerwühlt, so wurden sie angeschnallt. Ähnlich wie die Vorrichtungen für Kinderwagen, die damals noch üblich waren.Telefonieren mit den Eltern war nicht möglich, es wurden die Hände zum schreiben geführt, aber nicht das was man schreiben wollte. Nur "Liebe Mama mir geht es gut"!
Meine Mutter war über meine Veränderung nach diesem Aufenthalt so schockiert das wir einen Psychologen augesucht haben.

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Hallo,
ich bin so froh das ich diese Organisation hier entdeckt habe und endlich ebenfalls betroffene hier schreiben. Ich war als Kind mehrmals zur Kur wegen „schweres Asthma Bronchiale“ und (eine Form von) Neurodermitis. Unter anderem in Norderney Seehospitz jeweils 3 x 12 Wochen ab 1967. Ich kann euch sagen das war die Hölle auf Erden. Das schlimmste was man einem jungen Menschen antuen kann. Ich weiß noch alles ganz genau wie wenn es gestern gewesen wäre. Schläge ins Gesicht –Backpfeife nannte man das. Ich habe es mehrfach erlebt das andere Kinder ihr erbrochenes Essen mussten. Jegliches abweichen von irgendwelchen Regeln wurde sofort sehr hart bestraft. Im Essenssaal vor allen anderen in die Ecke stellen. Mit dem Gesicht zur Wand. Nachts wenn man mal unruhig war und nicht schlafen konnte mußte man sich mehrere Stunden auf einen Stuhl im kalten Gang der hell beleuchtet war mit dem Gesicht zur Wand setzen. Das habe ich mehrfach erlebt am eigenen Leib. Wie gesagt ich erlebte das mit 5 , 6 und 8 Jahren. Es war die Hölle auf Erden. Die schlimmsten waren die Pinguine (Nonnen) allesamt grauenhafte von Hass erfüllte Menschen die ihr unbefriedigtes Leben an den Kurkindern ausgelassen haben. Wenn man das alles zu Hause berichtet hat wurde das nicht ernst genommen. Man hat einem einfach nicht geglaubt. Das eigene Elternhaus hat einem kein vertrauen geschenkt. Man wollte es auch nicht hören. Die verantwortlichen sind bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen worden, das ist traurig.
Grüße
Frank

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1970, mit 2 1/2 Jahren war ich zum ersten Mal in Norderney, Seehospiz für die Dauer von 3 Monate. Es fehlt mir der Mut, an dieser Stelle aufzuschreiben, wie einschneidend nicht nur die Verschickung an sich sondern auch die markerschütternden Erlebnisse waren. Meine Kinderseele wusste schließlich nicht mehr, wem oder was sie vertrauen konnte und ein Teil hat eigentlich nicht wieder von der Insel zurückgefunden.

Ich hatte immer das Gefühl, als krankes Kind von meinen Eltern bewusst in eine Art Erziehungslager geschickt zu werden. Als wenn irgendein Zusammenhang bestehen würde zwischen Krankheit und mangelnder starker Hand. Auch die Diakonissen vor Ort waren frei von grundlegenden Instinkten, was ein Kind gesund macht und was es krank macht.

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Ich bin Jahrgang 1980 und war wegen schwerem Asthma war zweimal 1988 und dann wieder 1994 zur "Kur" in der Reihenfolge Wyk auf Föhr, Sylt und Norderney.
Und auch zu dieser Zeit war es noch traumatisch. Die Erlebnisse erinnere ich seit jeher als "Kinderknast" und Bestrafung und habe es auch so berichtet. Nur meinen Eltern nicht, da ich damals Angst vor deren Reaktion und erneuter Verschickung hatte. Wir haben viele Jahre nicht über die Ereignisse gesprochen. Die Trennung von meinen Eltern mit 8 Jahren über 6 Wochen, über die zuvor und danach nie gesprochen wurde, stellte viel mit meiner Kinderseele an. Hinzu kommen die dortigen Zustände, Essens-oder Diätzwang, nackt zum Wiegen aufstellen, wobei die Diät-Kinder, die zugenommen hatten (sowie die Zunehmkinder, die abgenommen haben) vor allen eine Standpauke und Strafen bekamen. Ich wusste nicht warum welche Therapien gemacht wurden und ich ewig nackt in einem entzündungshemmenden Sud sitzen musste, derweil alle an mir vorbei liefen. Nicht auf Kante einsortiert Wäsche wurde aus dem Schrank auf den Boden gefetzt. Bis heute lege ich meine Handtücher auf Kante...Auf Norderney mit 14 Jahren sollte ich mich vor einem wildfremden Arzt nackt ausziehen und mit gespreizten Beinen auf eine Bahre legen. Ich weigerte mich und rief meine Mutter an. Ich durfte nach ihrem Anruf dort die Unterhose anbehalten. Trotzdem wurde ich fast nackt Ganzkörper untersucht. Die Begründung für die "Intimuntersuchung" war, man wolle eine Pilzinfektion ausschließen. Hiernach bekam ich eine mega Standpauke von der Mutter Oberin, ich glaube sie hieß Jutta. Ab da hatte sie mich auf dem Kiecker. Zimmerkontrollen, Ausschuss bei Nachtisch, Gebäck oder Freizeitangeboten mit der Begründung der Überfüllung. Lieblosigkeit und Anbrüllen waren eh an der Tagesordnung. In Wyk auf Föhr auch noch Isolation.
War die Unterwäsche nicht richtig beschriftet, hatte man eben Pech und sie kam nicht aus der Wäscherei zurück. Man musste nehmen was übrig blieb. Und die Sache mit den Paketen ging genau so weiter, Kontrollieren und Einbehalten. Die Gewalt unter den Kinder war mitunter auch groß aber keiner tat etwas, wir waren auf uns allein gestellt. Es herrschte das Recht des Stärkeren. Die Geschichten von Grausamkeit und Demut sind endlos. Ich dachte immer, ich sei allein und würde halt etwas übertreiben. Ich bin völlig geplättet von dieser Initiative! Seit ich 25 Jahre alt bin mache ich Therapie zuerst wegen Angstzuständen. Mittlerweile wegen handfester Traumata und dies ist eines davon. Hilflosigkeit, Gewalt, Ausgeliefert sein, Demütigung, Isolation, Bestrafung. Ich habe mich lange Zeit gefragt, was ich getan habe, dass meine Eltern mich immer wieder fort schickten...
Danke für diese Aktion.

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Ja, auch ich war in Kurverschickung Mai 1968 auf Norderney 6 Wochenlang. Man hat mich zum Bahnhof gebracht und dann ging es in den Zug und über eine stürmische See ins Heim. Ich war klein und sehr zart. Ich hatte viel Heimweh, stand jeden Abend am Fenster. Bei Ankunft wurden wir durchsucht und die paar Süßigkeiten einkassiert. Ich mußte oft über Mittag sitzen bleiben, bis ich meine Mahlzeit eingenommen hatte. Ein Mädchen hat sich oft die Backen voll gestopft und auf der Toilette entleert. Ab und zu hat eine Küchenmitarbeiterin mich erlöst (aber die war ja nicht immer da). Gesundheitlich ging es mir schlecht, hatte mal eine heftige Magen/Darmerkrankung und sehr häufig Nasenbluten, dass ich mal einen Arzt vorgestellt wurde, daran kann ich mich nicht erinnern. Meine Post wurde gelesen, ich hatte gerade in der Verschickungszeit einen kleinen Bruder bekommen. Man hat mir vorgeworfen, dass ich mich beklage und meine Post wurden dann nicht mehr verschickt. Das Ergebnis dieser Kur war... ich hatte 4 Kilo abgenommen. Dieses Thema berührt mich nach über 50 Jahren immer noch sehr. Ich konnte jetzt nur einen kleinen Einblick geben. Vom Hausarzt her sollte ich mit 12 Jahren, nochmals zur Kur, meine Mutter hat da nicht zugestimmt und abgelehnt. Meine ältere Schwester war mal im Allgäu, sie hat mir mal berichtet, dass ein Kind sein Erbrochenes essen mußte, dass war Anfang der 60 Jahre. Ich finde es gut, dass dieses Thema mal angesprochen wird, ich denke es gibt viele heutige Erwachsenen die ein Kindheitstrauma mit sich tragen. Ich schreibe schnell, weil ich meine Emotionen freien lauf lasse und möchte diesen Kommentar auch nicht Korrekturlesen,
um evtl Tippfehler und Grammatik auszubessern.
Danke und mit freundlichen Grüßen Heidi Wollmer

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1974 im Alter von 5 Jahren war ich zur Kur im Kinderheim auf Norderney. Eigentlich sollte ich 6 Wochen fortbleiben, es wurden elf! Meine Eltern waren zweimal dort , ohne mich sehen zu dürfen . Nur durch heftige Auseinandersetzungen meines Vaters mit den Ärzten konnte ich dann nach hause. Bei einem langen Spaziergang ca. 3 std musste ich zur Toilette , es wurde ignoriert und ich machte in die Hose was mir sehr peinlich war. Wurde mit eiskalten Wasser abgespritzt und einer harten Wurzelbürste abgeschrubbt, was sehr schmerzhaft war. Danach bin ich in einem dunklen Speicher eingesperrt worden. Musste eiskalten widerlichen Kartoffelsalat essen, der wieder rauskam und ich ihn wieder essen musste! Noch heute meide ich diesen .Kehrpakete mit Überraschungen und Süßigkeiten von den Eltern wurden vom Personal einbehalten . Einige Kinder haben versucht an ihre Sachen zu kommen und sind böse bestraft und auf den Dachboden teilweise auch über Nacht eingesperrt worden. wenn ich heute noch diese Geschichten erzähle, entsteht immer noch Unglaube und erzeugt bei mir Traurigkeit, ich habe nie verstanden warum ich immer wieder mit Angst und Panikattacken zu tun habe. Durch den Bericht bei Report Mainz bin ich darauf gekommen! Danke das Sie sich angängigeren.

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Hallo,


ich war als 5 jährige im Jahr 1976, im Seehospiz Kaiserin Friedrich auf Norderney, für 8 Wochen zur "Erholung". Für meine Eltern galt Kontaktverbot.


Ich hatte Asthma und Allergien, die dort behandelt werden sollten und was von der Krankenkasse (Barmer) (gut) bezahlt wurde.


Es wurde der gepackte Koffer mit meiner Kleidung mir nicht zur Verfügung gestellt, sondern ich bekam Anstaltskleidung. Dieses nahm mir direkt kurz nach der Ankunft schon einen Identitätsaspekt. Ich war eher wie ein Junge und hatte früher nur Hosen an, nun wurde ich in Kleider gesteckt und in Strumpfhosen die kratzten....und nicht mir gehörten.


Es gab übermäßig strenge Regeln und Strafen:


Mahlzeiten: Eagl was und ob man es mochte oder vertrug, ich musste das Essen aufessen. Wenn ich mich weigerte, nicht mehr konnte, mich übergab,-egal, ich musste es aufessen.


Toilettengang: Ich durfte nur zu bestimmten Zeiten auf die Toilette. Egal ob ich musste oder nicht. Bzw. wenn ich musste und nicht diese bestimmte Zeit war, so durfte ich nicht auf die Toilette. Als 5 jährige sah ich nur den Ausweg, mich in Ecke des Zimmers zu kauern und heimlich in die Ecke zu machen. Zur Strafe durfte ich nicht auf Ausflüge (ständiges Laufen am Strand/ über die Insel, kein freies Spiel) oder musste im Zimmer bleiben.
Als diese Strafen nicht wirkten, bekam ich in meinem Alter Windeln an. Diese zog ich mir aus und machte erneut in die Ecke des Zimmers. Darauf hin wurde ich mit meinem eigenen Kot, am ganzen Körper eingerieben. Ich solle mich doch bitte an die Toilettenzeiten halten.


Post: Es war Ostern zu der Zeit, als ich da war. Das Päckchen, was meine Familie mir schicke, wurde von einer Schwester geöffnet, der Teddy der darin war herumgereicht bevor ich ihn haben durfte, der Brief von meiner Schwester vor allen vorgelesen und belacht, da sie Schreibfehler darin hatte. Auch hier hatte ich das Gefühl nichts Eigenes mehr zu haben, die kleine Verbindung zu meiner Familie wurde mir "weggenommen" und lächerlich gemacht.
Der letzte Anker war von Ihnen gelichtet. Ich glaubte nun, meine Familie wolle mich nicht mehr haben. Das Päckchen änderte nichts daran.


Hilflosigkeit/ kein Entrinnen: Einmal bin ich auf einem Ausflug weggelaufen und war bis zum Meer gekommen. Da verstand ich, dass ich nicht alleine hier wegkonnte, ich war auf einer Insel, die von Wasser umgeben war. Das machte die Hilflosigkeit noch stärker. Ich konnte ja noch niciht schreiben oder telefonieren.
Ich bekam als Strafe ein paar Backpfeifen und musste wieder im Haus, im Zimmer bleiben.
Nachts hörte ich auch anderen Kinder weinen, traute mich genausowenig wie sie selbst zu trösten.


sex. Übergriff: Morgens war das Fiebermessen pflichtritual. Wobei ich erinnere, dass es einmal definitiv zu einer sexuell motivierten Handlung kam. Ich sagte noch " Das ist doch nicht der Po". Meine Vagina wurde stimuliert. Ich drehte mich aus Angst nicht um und ließ es geschehen.


Eine Sprache finden/ nicht wirklich Gehörfinden: Eine Freundin meiner Mutter besuchte mich einen Tag und ich bettelte , dass sie mich wieder mitnahm. Sie dachte ich hätte Nur Heimweh und würde mir die Dinge, die ich Ihr schilderte, ausdenken.
Diese Freundin war selbst auf Norderney aufgewachsen und hatte einen Bruder, der dort arbeitete. Als ich sie später als Erwachsene fragte, ob Ihr Bruder davon etwas erzählt habe, verneinte Sie.


Zu Hause: Als ich nach Hause kam war ich hospitalisiert, wackelte mit meinem Oberkörper entsprechend hin und her, und wich meiner Mutter nicht mehr von der Seite. Sogar mit auf die Toilette begleitete ich sie ein halbes Jahr. Jegliche Trennung von ihr war für mich eine Katastrophe.
Ein Jahr später erst erzählte ich einen kleinen Teil von den Erlebnissen. Sie machte sich große Vorwürfe.


Die Folgen: Ich hatte ursprünglich Asthma und 2 Allergien. Die Jahre nach diesem Aufenthalt bekam ich Neurodermitis. Dieses ist im Rückblick und mit Fachwissen nicht verwunderlich. Haut ist ein Grenzorgan. Grenzen wurden mehrmals massiv überschritten. Das ich mit Kot auf der Haut eingerieben wurde, und nun diese Haut aufkratzte, ist für mich ein unmittelbarer Zusammenhang.
Mein Asthma wurd nicht besser, sondern schnell schlimmer. Jahrelang hatte ich Nachts Asthmaanfälle, die psychogen und nicht mehr allergisch ausgelöst waren.
Wenn mein Arzt und meine Eltern damals mich baten wieder zur Kur zu fahren, ging ich in massiven Wiederstand. Ich sagte ganz deutlich im Jugendalter: Wenn ich jemanden von den damals Verantwortliche treffen würde,ich würde für nichts garantieren können,- so groß war meine Wut. Erst mit 18 Jahren traute ich mich in eine Kur in Davos durchzuführen.


Durch mehrere Therapien und anderen Erfahrungen weiß ich, das auch meine Autoritätsakzeptanz-probleme mit der damaligen Situation zusammenhängen. Meine Krisen in Trennungssituationen sind davon geprägt und die Art Beziehungen zu gestalten. Mein Urvertrauen wurde damals komplett zerstört. Schließlich bin ich einmal an einer reaktiven Depression erkrankt.


Mittlerweile habe ich gelernt damit umzugehen. Ich bin nicht mehr überwältigt von den Gefühlen, Erinnerungen und Gedanken zu dem Kurheim.
Jedoch bin ich sehr daran interessiert, das Verantwortung für damalige Strukturen und Verfahrensweisen übernommen wird.
Ich frage mich, ob die Barmer nicht mehr hätte unternehmen können. Denn meine Eltern haben durch aus damals ihre Irritation geäußert.
Warum konnte das so lange Jahre und in so vielen Kurheimen so gehandhabt werden???
Das schlicht Geld (auf Heimseite) wahrscheinlich ein Grund und ein anderer das "nicht glauben können" (alle anderen Beteiligten, die davon hörten) war, frustriert immernoch.
Es hätte der Barmer viel Geld in Folge gespart, wenn sie mich nicht dorthin zur Kur geschickt hätten.


Hinweis auf die Internetseite der Betroffenen, des Kurheimes Seehospiz Kaiserin Friedrich auf Norderney: forumromanum.com

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Hallo Sabrina.
Ich bin auch Jahrgang 1980 und wurde sehr oft zur Kur geschickt, und ich kann deine Schilderungen nur bestätigen.
Es begann mit einer Zugfahrt, viele Kinder weinten, die erfahreren von den Kindern empfahlen uns alle mitgebrachten Süssigkeiten schnell aufzuessen, man würde sie uns abnehmen. Eine Tante sang " Schlaf Kindlein Schlaf..."um die weinenden zu beruhigen.
Ich erinnere mich an solange alleine im Speisesaal Sitzenbleiben müssen bis der Teller aufgegessen war, meistens Griesbrei. Ich erinnere mich, dass wir irgendwelche Deals mit den Kindern hatten, die zu wenig bekamen, weil sie abnehmen sollten, ich war bei den "Zunehmern" . Wie wir das genau anstellten weiß ich nicht mehr. Es gab sehr böse Tanten, Kinder wurden wegen Erbrechen und ins Bett machen vor allen bloßgestellt.Es wurden Kopfnüsse und Backpfeifen verteilt, eine Strafe war den ganzen Abend mit Hut in der Ecke stehen, im Raum mit allen anderen, die währendessen einen Film guckten. Aber auch liebe Tanten, die einen manchal getröstet hatten. Ich erinnere mich an lange Warteschlangen in Unterhose auf dem kalten Flur, anstehen zum Wiegen oder zum Arztzimmer.
Es gab zu wenig zu Trinken, nur eine rote Plastiktasse von diesem roten Tee, wir tranken immer heimlich so viel wir konnten, aus den Wasserhähnen im Waschraum, was dann aber zu Problemen führte, weil wir während der Schlafenszeiten nicht zur Toilette gehen durften. Wir tauschten Tipps aus, wie wir das Pippi wohl am längsten in uns behalten konnten, etwa der Art: ."Wenn es ganz schlimm drückt und wehtut, und du schon nicht mehr kannst, dann press die Zähne zusammen, es geht vorbei, danach geht es wieder für eine ganze Zeit, ohne zu drücken...wenn der Druck
sich entleeren zu müssen dann ein zweites Mal zurückkommt, dann gibt es kein Halten mehr, dann ist es besser von der Aufsichtstante
ausgeschimpft zu werden, wenn sie einen
erwischt, als nach der Schlafenspause in der
langen Warteschlange vor dem Klo einzunässen
und vor allen blossgestellt zu werden."Post von
zu Hause wurde vor allen vorgelesen, die die keine Plst bekamen wurden gedemütigt: "Sarah,
keine Post, " und sie durften dann auch nicht ins
Schreibzimmer, in dem die Karten nach Hause
zensiert wurden.
Endlich bekam ich auch mal ein Päckchen von zu Hause, der Inhalt wurde einbehalten und dann an die anderen verteilt, als ich auf der
Krankenstation war , als Strafe für Fehlverhalten meinerseits...
In einem Brief von meiner Mutter werde ich ermahnt nicht so ein Trotzkopf zu den Tanten zu sein, und sie wunderte sich, dass ich bei dem Telefonat so wenig gesagt hätte..auch warum ich ihr keine Zeichnungen schicken würde..


Ich erinnere mich, dass ich wahnsinnige Angst vor den Schwestern und Ärzten hatte..Es wurde viel rumgeschrien und kommandiert. Ewiglange Spaziergänge, in zweierReihen, ich hatte immer Durst. Wenn ein Kind vom Weg abwich oder träumte, langsam war, müde wurde, wurde es angebrüllt.Der Wind trieb uns den Regen und den Sand quer ins Gesicht, wir hatten Sprechverbot und sollten nur durch die Nase atmen, weil wir vom Wind sonst Halsweh bekommen würden.


Ich war1985 im Sanatorium Schönsicht in
Berchtesgaden,1986 in Norderney, Seehospiz Station 8, dann 1988/89 in Amrum,1990 in Sankt Peter Ording, dort zum allererstenmal mit meiner Mutter im selben Zimmer, was war ich froh, und
danach nur noch zur Mutter Kind Kur, das heißt
ich musste nur noch zu den Anwendungen in das Heim ,der
Umgangston dort aber war noch derselbe
geblieben. Bei der Atemtherapie wurde ich schlimm angeschrien und der Physiotherapeut
brach mir fast die Rippen, so drückte er mir auf
den Brustkorb, er war wütend, weil ich die
Bauchatmung nicht konnte.
Es gab aber auch Bastelangebote, das hatte mich sehr überrascht.
Irgendwie waren in der Mutter Kind Kur alle
etwas freundlicher, plötzlich..
Ich lernte einen Jungen am Strand kennen, er sagte er wäre aus dem Kurheim weggelaufen und würde in den Strandkörben übernachten, und das von den Touristen weggeworfene Zeug essen..ich bewunderte ihn für seinen Mut und hoffte er würde es schaffen. Ich hätte mich das nicht getraut.


Ich habe sicher viel verdrängt aus der Zeit, es gab viel Gewalt, es waren viele Heime, aber die Methoden alle ähnlich. Kinder wurden dort gebrochen und das systematisch, bis in die 90 er hinein..Wahrscheinlich haben sie erst damit aufgehört, als diese bösen " Tanten" in Rente gingen, irgendetwas aufgearbeitet oder reflektiert wurde da nicht.

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Ich war als 9jähriger etwa 1977 mit meiner kleinen Schwester nach Norderney geschickt worden, ich meine, die Einrichtung hieß Kinderkurheim Upsala. Die Berichte hier kann ich auch für diese Einrichtung nur bestätigen: wir durften nur Positives schreiben (die Post wurde explizit zensiert). Dass ich unglaublich Heimweh hatte, durfte darin ebensowenig auftauchen wie die handgreifliche Nachtwache. Wer nachts (oder während der zwangsweisen Mittagspause) den Schlafsaal in Richtung Toiletten verlassen wollte, musste das ganz leise und heimlich tun, andernfalls, wenn er erwischt wurde, gab es Schläge aufs Gesäß, ebenso wenn man nach angeordneter Bettruhe noch mit offenen Augen im Bett lag. Vollständiges Aufessen und kleine Hänseleien gehörten trotz „moderner“ Erzieher selbstverständlich mit dazu. Meine Oma schrieb immer noch teilweise in Sütterlin, was die meisten Erzieherinnen aber nicht lesen konnten. Aus „Boris“ wurde dann schnell „Loris“, auch mein Nachname beginnt mit „B“, was damit quittiert wurde, dass es so ein Kind ja nicht gebe. Meine Widerworte, das sei ein (Sütterlin-)“B“ und kein „L“, machten es nur noch schlimmer. Mir wurde Postentzug angedroht: ich (als Kind) solle gefälligst dafür sorgen, dass meine Oma leserlich schreibe! Sonst bekomme ich eben gar keine Briefe mehr. Neben der nächtlichen Angst vor Schläge und dem Heimweh kam dann auch noch die Angst, keine Briefe mehr von zu Hause zu bekommen. Insgesamt kann ich nur unterstreichen, dass es schreckliche sechs Wochen waren, die mich seither begleiten. Es tut gut zu erfahren, dass ich damit nicht allein bin. danke für diese Website!

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Guten Tag,


im Februar 1962 war ich im Alter von 5 Jahren verschickt nach Norderney ins Seehospiz Kaiserin Friedrich.


Noch heute habe ich - ausschließlich - negative Erinnerungen an meinen Aufenthalt dort und kann über Misshandlungen der "Tanten" berichten. Ich verfüge über Fotos von meinem Aufenthalt, der seine unrühmliche Krönung darin fand, dass wir Kinder während der Sturmflut, die in Hamburg zahlreiche Todesopfer forderte, des Nachts geweckt wurden und uns angezogen in einem Raum versammeln mussten (bei "blauem Licht"), weil die Sicherheit der Anwesenden wohl auf dem Spiel stand.


Gerne würde ich mich mit anderen austauschen, sehe aber mich aufgrund technischer Schwierigkeiten bei "forumromanum" daran gehindert.


Wer kann mich unterstützen?

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Ich war zwei Jahre alt, als ich 1976 von meinen Eltern im Seehospiz "Kaiserin Friedrich" auf Norderney abgeliefert wurde. Der Aufenthalt dauerte drei Monate lang (von Ende Juli bis Anfang November), erinnern kann ich mich naturgemäß an nichts. Als meine Eltern mich damals wieder abholten, habe ich sie (laut Überlieferung) zunächst nicht wiedererkannt.
Es ist bitter, dass so junge Kinder so lange fremdem Personal überlassen wurden...

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Ich bin 1977 in Arnsberg geboren und wurde vor meinem Schulantritt für 4 Wochen ins Kinderkurheim Norderney geschickt. Wie ich dorthin kam weiß ich leider nicht, nur dass meine Eltern mich abholten. Vorher wurde ich von der Schwester Oberin eingeschworen, den Eltern nur das Beste über den Aufenthalt zu erzählen. Leider habe ich ein excellentes Gedächtnis und ich erinnere mich an vieles. Sofort am Anfang wurde ich von einem Kind bei unserem ersten Ausflug ins Wasser geschubst. Folglich durften alle Kinder eine Woche nicht an die Nordsee. Die Stimmung war dementsprechend. Wir mussten unser Taschengeld für Süßes ausgeben, damit wir 'wohlgenährt' nach Hause kamen. Schaumküsse und Baiser erzeugen bei mir heute noch Brechreiz. Die ewigen Suppen und der Kartoffelmatsch haben scheinbar nicht genug Gewicht gebracht. Ich hatte Angst vor Wasser da ich noch nicht richtig schwimmen konnte. War im Lehrschwimmbecken aber kein Grund Rücksicht zu nehmen. Eines der schlimmsten Erlebnisse war der Griff einer Ordensschwester in meinen Nacken um mich aus dem Schlafsaal zu zerren. Ich musste den Rest der Mittagsruhe im abgeschlossenen Waschraum ohne Socken auf dem Klo hockend verbringen. Von anderen Kindern wurde ich leider meiner Geschenke beraubt und niemand dort hat mir geglaubt. Kurzum. Wenn man das alles überstanden hat, ist man deutlich erwachsener und hat einen unbeschwerten Teil der Kindheit hinter sich gelassen zumal ich lange nicht verstanden habe warum meine Eltern mir so etwas angetan haben.

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Im November / Dezember 1961 befand ich mich im Alter von 4 Jahren für 6 Wochen im „Kinderkurheim Bremen” auf Norderney. Diesen Aufenthalt habe ich als sehr traumatisch wahrgenommen und auch mein ganzes Leben mit mir „rumgeschleppt”. Vieles habe ich gefühlt verdrängt, aber kleine Details sind mir noch klar in Erinnerung. Der Abschied auf dem Bahnsteig und die Anfahrt mit der Bahn zur Küste, auf der ich gezwungen wurde, labberigen Kochschinken und Tomaten zu essen. Vor beidem habe ich mich geekelt.

Tägliches für mich unwürdiges Fiebermessen in überfüllten Schlafsälen. Wir Kinder mussten mit entblößtem Hinterteil, auf dem Bauch bereit liegend auf die Schwester warten, die irgendwann dann mit einem mit Fieberthermometern gefüllten Gefäß die Betten ablief und die Fieberthermometer am Fließband in die Po’s „versenkte …” und auf dem Rückweg kontrollierte und wieder entfernte. Sicher bin ich mir nicht mehr, aber ich glaube, das geschah jeden Abend!

Der Ton gegenüber uns Kindern war zumeist sehr streng und einschüchternd. Erinnern kann ich mich auch an die brachial (auch verbal) versuchte, erzwungene Nahrungsaufnahme durch stundenlanges einsames Sitzen vor dem gefüllten Teller im leeren Speisesaal. Ich kann mich erinnern, das eine Reinigungskraft oder Küchenhilfe Mitleid mit mir hatte und manchmal einen großenTeil meines Essen vom Teller nahm, um mich aus diesen Situationen zu befreien, in denen ich mich manchmal kurz vor dem Übergeben befand, vor Ekel und besonders vor Aufregung. Ganz furchtbar für ein Kind von gerade mal 4 Jahren.

Mitgenommen von diesem Aufenthalt jedoch hatte ich einen über viele Jahre wiederkehrenden Alptraum. Vor jedem zu Bett gehen hatte ich Angst, dass dieser Traum mich wieder quält und schweißgebadet und wimmernd wach werden lässt. Bis heute weiß ich nicht, was dieser Traum bedeutete. Diesen immer wiederkehrenden Traum habe ich bis ins Erwachsenenalter mit mir herumgeschleppt, bis er dann nach über 25 Jahren nicht mehr zurückkehrte: In diesem Traum musste ich in der Dämmerung allein über eine Brücke, vorbei an einem diagonal gelb-schwarz-gestreiften „Wachhäuschen”. Der Eingang des kleinen Wachhäuschen war finster und bedrohlich und ich konnte nichts darin entdecken, konnte nur spüren das dort etwas war, mir fürchterliche Angst machte und im Moment des Vorbeigehens mich völlig verängstigt wach werden ließ.

Es war für meine damals kleine Seele ein traumatisches Erlebnis, dass ich bis heute leider verschwommen und für mich unvollständig mit mir rumschleppe. Aber ich habe mit nun knapp 63 Jahren meinerseits damit abgeschlossen.

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Hallo,
ich begrüße alle ganz herzlich, die die gleichen Erfahrungen gemacht haben wie ich.
Ich habe diese Seite durch Zufall entdeckt und deshalb ist mir erst jetzt bewusst geworden, dass es viele andere gibt, die die gleiche Angst, Schmerzen und Ekel erfahren haben. Ich dachte bisher, nur mir sei so etwas widerfahren. Aber wenn kleine Kinder sich vor physischer und psychischer Gewalt schützen müssen, wird ihnen wohl auch die Fähigkeit der sozialen Kontaktaufnahme und des Mitleiden genommen. Um zu überleben, habe ich mich anscheinend emotional völlig zurückgezogen. Das ist heute für mich zusätzlich schmerzlich.
Ich hatte seit meinem zweiten Lebensjahr schweres Asthma, was wohl auch der Grund für die “Kuren” war, zumal wir im Ruhrgebiet lebten. Ich bin Jahrgang 1952, zu dieser Zeit war die Luft in diesem Industriegebiet das reinste Gift.
Ich wurde nach Sylt, Wangerooge, Bad Reichenhall, Norderney und in den Schwarzwald . Das erste Mal mit 4 Jahren. Eine besondere “Verschickung” habe ich wohl noch exclusiv erlebt. Mit elf Jahren verbrachte ich die sechs-wöchigen Sommerferien in der Kinderklinik in Essen, wo man feststellen wollte, ob- und wie man mein Asthma heilen könnte oder ob ich überhaupt Asthma habe.
Eine besonders quälende Erfahrung in meiner Jugend war nämlich der Vorwurf, ich habe keine Atemnot, sondern wolle mich nur interessant machen. Meine Eltern erzogen uns vier Kinder nach den damals üblichen Wertvorstellungen. Mein Vater vertrat die Ansicht- Zitat: “Wer sein Kind liebt der züchtigt es” oder “Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen die Intelligenz”. Das war wohl auch der Grund, dass ich nie den Versuch machte, ihnen meine “Kurerfahrungen” zu erzählen.
Im Klinikum Essen ließen sich meine Eltern auch davon überzeugen, dass es besser sei, ihr Kind ohne Verabschiedung dazulassen. So lag ich plötzlich ohne jede Erklärung in der Unterhose auf einer Behandlungsliege, umgeben von mehreren Ärzten und Krankenschwestern. Ich bekam einige Spritzen und mir wurde Blut abgenommen. Dann führte mich eine Schwester zu einem Zimmer und teilte mir auf dem Weg mit, meine Eltern liessen mich grüßen. In dem vorgesehene Vierbettzimmer war ein Bett von einem älteren Mädchen belegt. Ich könnte wählen, zwischen einem Bett an der Tür oder am Fenster. Das Bett am Fenster erschien mir die bessere Wahl. Als mir die Schwester aber erzählte, Besuche seien nur von den Eltern erlaubt und diese dürften den Raum nicht betreten, wählte ich das Bett an der Tür. Besuchszeiten waren nur sonntags und dann wurde die Türöffnung durch die Nachttische blockiert. Am nächsten Tag wurde ein Kleinkind aufgenommen, dass den ganzen Tag weinte und schrie und ich musste in das Bett am Fenster umziehen. Meine Eltern besuchten mich zwei- oder dreimal. Ich verbrachte die sechs Wochen Sommerferien in diesem Zimmer im Bett, erhielt täglich regelmäßig drei Spritzen und im Laufe der Wochen verschiedene Untersuchungen, teils schmerzhaft, teils angstbesetzt, da mir nie erklärt wurde, was mit mir geschah oder warum.
Die Erfahrungen in den Kinderheimen waren vielfach die gleichen, die auch andere Verschickungskinder gemacht haben. Der erste Aufenthalt mit vier Jahren wurde auf eine lange Zeit verlängert, da meine Mutter krank wurde, die genaue Zeit kann ich nicht sagen. Die Ordensschwester, die die Abteilung mit eiserner Hand leitete und der diese Hand oft ausrutsche, fühlte sich bemüßigt, für meine Mutter in der sonntäglichen Pflichtmesse öffentlich zu beten. Ich war während des Aufenthalts längere Zeit sehr krank, isoliert und völlig vereinsamt in einem Verschlag ( unten Holz, oben Fenster). Als ich wieder in der Gruppe sein konnte, bemühte sich die “Tante” freundlich zu sein, was mir bewusst machte, dass ich wohl schwer krank gewesen war, denn bisdahin war sie mir als eine Person in Erinnerung, die mich/uns ständig sehr stark und schmerzhaft an den Haaren riss. Ich kam auch, wie mir meine Eltern erzählten, sehr krank mit hohem Fieber nach Hause.
Die Erlebnisse in Wangerooge waren ähnlich schmerzlich und negativ. Allerdings kannte man hier noch eine besondere Form der Folter: es gab nur etwas zu essen und trinken, nachdem zwei Becher Meerwasser getrunken waren, zu jeder Mahlzeit. Das betraf aber nur die wenigen Kinder mit Asthma oder Bronchitis und sollte wohl eine Heilmethode sein. Auch in Bad Reichenhall gab es die bekannte “schwarze Pädagogik” mit all den schon hier im Forum geschilderten Praktiken. Norderney und das Heim im Schwarzwald waren ok, wenn auch nicht gerade ein Urlaubserlebnis.
Leider kann ich mich nicht mehr an die Namen der Heime erinnern. Da ich sonst eigentlich ein recht gutes Gedächtnis habe, vermute ich, das die Namen zu den vielen verdrängten “Nicht-Erinnerungen” gehören.
Ich grüße alle ehemaligen “Verschickungskinder” und hoffe, der Austausch hilft ein wenig, die Erlebnisse besser zu verkraften und das Selbstbewusstsein zu

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Ich war drei Montate auf Norderney,1961 war ich fast vier Jahre alt. Es war die Hölle ... wir wurden gedemütigt, ich musste mein Erbrochenes essen. Täglich wurde mir Blut abgenommen. Nachts wurde ich im Bett festgebunden, damit ich mich nicht kratze. Die täglichen Bäder haben mir Angst gemacht, es war eine riesige Badewanne mit einer blauen Flüssigkeit, die total gebrannt hat. Wenn ich geweint habe,wurde ich getaucht ... die Tante sagte dann,jetzt hast du einen Grund zu weinen. Ich bin immer noch traumatisiert. Ich leide unter einer Angstörung. Norderney hat mich gebrochen.

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Kinderkurheim der Stadt Wuppertal auf Norderney 1965: meine Eltern haben mich in den Zug gesetzt mit Tasche Koffer und Reiseproviant. Die Notwendigkeit der Verschickung wurde mir erklärt mit meiner schwächlichen Gesundheit. Ich sollte mich erholen, Gewicht zunehmen; Zeit am Meer verbringen. Ich war 6 Jahre alt und ohnehin schon sehr ängstlich und scheu. Den Bahnhof und die Abfahrt des Zuges kann ich noch klar erinnern. Danach gibt es über die gesamte Zeit von 6 Wochen nur einige wenige Erinnerungsfetzen. Aus den vielen Berichten hier auf dieser Seite kriecht mich nur die Atmosphäre blanken Entsetzens an, die ich ein Leben lang empfunden habe beim Gedanken an Norderney.
Einige der Berichte lösen vage Bilder aus: Postzensur; konfiszierte Pakete; regulierte Toilettengänge mit Schlange stehen vor den Toilettenkabinen ohne Türen. Schlafräume ohne Privatspäre. Viel erschreckender als die wenigen Momente die ich erinnern kann, ist die Tatsache dass ich mich an fast nichts erinnern kann aus 6 Wochen Aufenthalt am Meer. Am Meer bin ich mit Sicherheit nicht einmal gewesen. An einige Spaziergänge im Park an einem Teich erinnere mich sonst waren wir immer nur im Haus. Für einen Kuraufenthalt in einem Klima-Kurort etwas dürftig. Gruseliges Essen in Form von Brei oder Suppe (wahrscheinlich hauptsächlich billig).
6 lange Wochen Isolationsfolter mit permanenter Demütigung und ständiger Strafandrohung. Das ist der emotionale Inhalt der mir aus diesem Erlebnis verblieben ist. Die Inhalte hab ich fast vollständig aus meinem Gedächtnis getilgt. Das ist die eigentliche Last die ich bis heute ertrage wenn ich nur den Namen Norderney höre: ein kleines schwarzes Loch in meinem Kopf. Wie frühkindliche Demenz - da war war mal etwas aber ich weiß es nicht mehr. Die Gefühle die daraus entstanden sind pures Entsetzen; Einsamkeit, Wut und Empörung.
Kleine Kinder werden wie Gepäckstücke in Züge gestaut und durch das Land verschickt. Empathie-freie Elternteile machen kritiklos was der Arzt oder der Pastor sagt. ( Froh die Bälger mal los zu sein; oder: hat uns ja auch nicht geschadet; oder auch in echter Sorge um kränkliche untergewichtige KInder, aber ohne weiter nachzudenken wo das Kind eigentlich hin geschickt wird und wie das Kind damit fertig wird.
Für die Heime und Einrichtungen ein prima sicheres Geschäft (das erklärt die von fast allen Betroffenen berichtete Postzensur / die Einnahmequelle darf nicht durch Kindergejammer gefährdet werden) Die "Erzieher" können straffrei ihre in Nazi-Zeit erworben eigenen Traumata an hilflosen neuen Opfern abarbeiten. Die theoretischen Grundlagen der schwarzen Pädagogik wurden noch in den 90er Jahren an Hochschulen unterrichtet und wurden als Fachbücher herausgegeben.

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Ich kann Jochen Pfeifer nur beipflichten: War auf Norderney, Haus Nordstrand, Dezember 1968 bis Januar 1969, sechs lange Wochen, ich war acht Jahre alt. Schon die Bahnfahrt dahin war ein Marthyrium. Eine Aufsichtsperson, eine ältere Frau, verteilte als Proviant Honigkuchen, den mochte ich nicht, und schon gab es die erste Schelle, und nachfolgend für den Rest der Reise nichts zu essen. Die Überfahrt mit der Fähre von Wilhelmshafen - glaube ich jedenfalls zu erinnern - war eine Katastrophe: Beinahe alle Kinder waren seekrank, und keinen hat es interessiert... Angekommen auf Norderney ging es ins "Erholungsheim" Haus Nordstrand. Ich war ein sportliches, mageres Kins, angeblich hatte ich Haltungsschäden und war zu leicht. Meinen Eltern kam es recht, denn mein Papa arbeitete bei der Stadt, und die zahlte den Aufenthalt soweit ich weis. Meinen Eltern kann man keinen Vorwurf machen, die dachten ja, es wäre zu meinem Besten. Wir wurden in die Zimmer aufgeteilt, dabei handelte es sich um Schlafräume für jeweils 5 bis 6 Kinder, es gab aber auch noch größere Räume. In meinem Schlafraum war ein Mädchen mit Übergewicht eingeteilt, sie hatte schlimmes Heimweh schon vom ersten Tag an, vermisste ihre Oma sehr, denn die war wohl ihre einzige Bezugsperson. Wenn sie nachts weinte kam eine der sogenannten "Tanten" rein und schrie sie an, und befahl ihr, wenn sie schon rumheulen müsste, solle sie sich das Kissen auf den Kopf legen, damit sie nicht das ganze Haus zusammen plärrt. In den ersten Nächten konnte ich überhaupt nicht schlafen vor lauter Angst. Das Essen war widerlich, und wenn man es nicht aufaß, bekam man es zum Abendessen, zum Frühstück, zum Mittag... immer wieder vorgesetzt, bis es aufgegessen war. Besonders gemein war, dass die Kinder, die abnehmen sollten, mit denjenigen, die zunehmen sollten an einem Tisch saßen. Kamen "Care-Pakete" von zuhause wurden die konfisziert, und man bekam das nie zu gesicht. Angeblich wurde das in einem Schrank aufbewahrt, um es dann an alle Kinder gleichmäßig zu verteilen. Nach meiner Rückkehr fragten mich meine Eltern nach einem Päckchen, das sie mir zu Weihnachten geschickt hatten, das war bei mir nie angekommen. Wenn wir Postkarten oder Briefe schrieben, wurde die gelesen, und manchmal musste man eine neue Karte schreiben, wenn man den Eltern mitteilen wollte, dass man nach Hause wollte etc. Danach gab es Repressalien. Draußen am Strand waren wir in den sechs Wochen vielleicht drei oder vier Mal. Ganz schlimm war es auch, als eine Sturmflut war, und wir alle auf dem Dachboden eingepfercht wurden - zu unserer Sicherheit - wir alle hatte solche Angst. Die "Tanten" waren streng bis bösartig, bestraften scheinbar gerne, irgendwann ergriff auch mich das Heimweh, und ich musste weinen, und schwupps das Kissen auf den Kopf, natürlich nach einer gehörigen Standpauke. Abends mussten wir singen, wer nicht mitmachte wurde bestraft. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich gar nicht, dass ich überhaupt singen kann, da kann man sehen, dass man in der Angst über sich selbst hinaus wächst, mit dem Erfolg, dass ich dann die Solostimme singen musste, das war so fürchterlich, diesem Zwang untergeordnet zu sein, dass ich seit dem gar nicht mehr singe.Eine einzige "Tante" war lieb, das war die Tante Kling. Sie war eine junge Frau mit langen dunklen Haaren, und sie hat uns immer getröstet, wenn wir Angst hatten, Heimweh oder traurig waren. Tante Kling war dann plötzlich nicht mehr da. Ich habe mich Zeit meines Lebens bemüht, die Erlebnisse zu begraben, die Demütigungen, die Angst, der Ekel... Ich habe aus Angst damals meinen Eltern nichts erzählt, ich wusste ja nicht, dass sie mit den Geschehnissen auf Norderney nichts zu tun hatten, ja nicht einmal ahnten, was da passierte. Sie haben ja immer nur Postkarten bekommen: "Liebe Mama, lieber Papa, liebe Sabine, hier ist es schön und mir geht es gut."

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Heute lese ich in der Lippischen Landeszeitung, dass das Kinderkurheim, Haus Detmold des Kreises Lippe auf Norderney nicht in Verruf geraten sei. Das kann ich mir nicht vorstellen, da ich im Jahr 1958 nach einer MandelOP mit 9 Jahren dort für 6 Wochen zur Kur weilte. Ich habe die selben schlimmen Erfahrungen gemacht wie all die anderen, die hier berichten. Meine Tischnachbarin hatte jede Mahlzeit ausgebrochen und musste dieses "Essen" wieder "aufessen"! Manchmal flog von diesem Erbrochenen etwas auf meinen Teller. Meiner Tischnachbarin wurden dann irgendwelche Medikamente verabreicht.
Mittags mussten wir für 2 Stunden zum Mittagsschlaf . In dieser Zeit durften wir nicht zur Toilette. Wenn sich jemand einnässte, wurde er draußen im Gang, wo auch die Garderobenhaken waren, hingestellt und wir alle sind nach dem Mittagsschlaf an ihm vorbeigegangen um den "Bettnässer" zu sehen! Da flossen ganz oft Tränen. Des weiteren durften wir nur Briefe an die Eltern mit Bleistift schreiben, damit hinterher korrigiert werden konnte. Und das Schlimme an der Sache ist, dass die Eltern, denen man nach der Kur davon berichtete, alles nicht glauben wollten. Ich habe eine 6 Jahre jüngere Schwester, die auch im Alter von 9 Jahren in diesem Haus zur Kur war. Sie hat mir auch 6 Jahre danach von genau denselben Grausamkeiten berichtet. Ich kann diese Zeit nicht vergessen.

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Kinderkur 6 Wochen Norderney 1965. Ich war 4 einhalb Jahre alt. Auf meiner Bettdecke war ein Fleck von einem Karamellbonbon. Hatte ich nicht gemacht, ich hatte gar kein Bonbon bekommen. Aber die Strafe dafür bekam ich. Abends musste ich alleine sitzend auf einem Stuhl auf dem Dachboden verbringen die ganze Nacht hindurch. Und es war ein schweres Gewitter. Das werde ich nie vergessen. Ich kann bis heute nicht alleine auf Dachböden gehen. Ein ganz mulmiges Gefühl.
Das Gruppenbild am Anfang dieser Website mit den 2 Frauen und den Kindern, die Dame mit den schwarzen Haaren habe ich sofort wieder erkannt. Die muss 1965 noch da gewesen sein. Wir waren im Hallenbad und ich konnte nicht schwimmen. Bin wohl etwas ins tiefe Wasser geraten und dabei fast ertrunken. Sie hat es Gott sei Dank bemerkt und mich raus gefischt und mir quasi das Leben gerettet. Damals gab es keine Schwimmflügel. Weiß zufällig jemand, der auch in diesem Kinderkur heim auf Norderney war, wie diese Dame hieß? Ich wurde von Lünen/NRW aus verschickt. In Dortmund am Hauptbahnhof bekamen wir alle blaue Halstücher um.

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Guten Tag Herr Gobbetto,
ich bin eine Mutter eines Verschickungskind. Mein Sohn geb. 1972 war zweimal in Norderney 1976/1978 im Kinderheim um seine Bronchitis auszukurieren. Das mein Sohn dort einiges erlebt haben muß, bemerkte ich schon immer, da ich aber als Kind auch mehrmals in Kindererholungsheim war, machte ich mir keine großen Gedanken. Diese wurden in den letzten Jahren immer größer und ein Bericht im Fernseh gab mir Recht, mich darüber zu informieren. Mein Sohn wohnt in NRW und ich in Baden Württemberg. Kann ich ihm eine Mailadresse oder Anlaufstelle mitteilen um sich vielleicht auszutauschen. Ich habe ihn schon ein paarmal darauf angesprochen, aber er winkt ab. Er hat uns aber mal in einer feuchtfröhlichen Runde erzählt, daß er auch schon mal in einer Badewanne mit kaltem Wasser geschlafen habe. Ich winkte entsetzt ab und er meinte nicht zu Hause sondern in Norderney. Diese Aussage lässt mich nicht mehr los.
Ich hoffe Sie können mir weiterhelfen. Meine Mailadress lautet: hahaaf@gmx.de
Vielen Dank und ihnen alles Gute

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Ich war ab Anfang Dezember 1968 mit 6 Jahren wegen meines Astmas und zum Zunehmen für 12 Wochen im Seehospiz Norderney. Die Leiterin hieß Schwester Hedwig.

An folgende traumatische Erlebnisse erinnere ich mich noch:
Die Briefe wurden geöffnet und zensiert. Pakete wurden auch geöffnet und die enthaltenen Süßigkeiten entnommen.
Man musste das Brot mit links essen, sonst bekam man - meist von hinten ohne Vorwarnung -eine Ohrfeige (Grund? wurde nicht genannt).
Die kalte Suppe und die Leberknödelsuppe waren ekelerregend.
Wir hatten eine Zeichensprache, weil wir uns in den Schlafräumen nicht unterhalten durften. Die Zeichensprache kann ich bis heute.
Ich wurde wegen meiner Kleidung von den Nonnen verhöhnt. Die Schuhe waren schwer zu schnüren, das dauerte lange und deshalb haben sich mich "Oma" genannt.
Fast täglich haben wir bei Sturm und Eis mehrstündige Wanderungen machen müssen - teilweise auf der Strandpromenade bei Sturmflut. Ich war oft total entkräftet und bekam in der Kur eine schwere Lungenentzündung.
Wir mussten alle in einer Wanne die Füße mit Seifenstücken waschen. Ich bekam davon schrecklich juckenden Fußpilz. Um das zu verbergen, wollten die Nonnen meine "KUR" verlängern. Habe mich nachts zum Telefon geschlichen und meine Eltern angerufen, dass sie mich rausholen. Dabei wurde ich erwischt und bekam den schweren Hörer an den Kopf geknallt. Meine Eltern kamen.
Oft mussten wir bäuchlings quer auf einem Bett liegen und fast bis zum Erbrechen Sputum aushusten, Dabei wurde uns minutenlang auf den Rücken geschlagen. Es tat sehr weh und hat nichts geholfen.

Die Spätfolgen dieser "Kur" waren verheerend. Ich hatte kein Selbstbewusstsein im Hinblick auf mein Äußeres mehr, ich war total abgemagert, ich hasse die Nordsee, die Kirche und Wandern. Ich kann mich nur noch schwer unterordnen, kann nicht mehr mit mehreren Leuten in einem Raum schlafen und ich meide Gruppenaktivitäten.

Nach meiner Rückkehr haben mir meine Eltern nicht geglaubt. Erst jetzt mit 58 (mein Vater ist 82) tut zumindest mein Vater es. Leider ist meine Mutter schon tot. Es ist sehr wichtig, dass darüber gesprochen wird. Vielen Dank Frau Röhl!!!!

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Habe eben diese Seite entdeckt.
Ich war in den frühen 80er Jahren zur Kur in einem Heim auf Norderney. Ausrichter war die AOK.
Schläge bei vermeintlichen Fehlverhalten waren hier an der Tagesordnung. Wer nachts keine Ruhe hielt, musste teilweise eine Stunde auf den Flur in einer Ecke stehen.
Für mich das Schlimmste (da ich keine Milch mochte): warmen Kakao zum Frühstück, der getrunken werden musste - incl Haut! Es durfte nichts in den Tassen zurückbleiben.
Postkarten nach Hause wurden kontrolliert und wenn negative Dinge aufgeführt waren, wurden sie zerrissen und mussten neu geschrieben werden.
Telefonkontakt nach Hause während der sechs Wochen war nicht erlaubt. Zum Abschluss mussten alle gemeinschaftlich vom Taschengeld in einem Souvenier-Shop Andenken kaufen.

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Hallo Zusammen,
durch Zufall habe ich heute die Dokumentation "Gequält, erniedrigt, drangsaliert" gesehen und mich dabei (leider) an meinen eigenen Kuraufenthalt erinnert. Ich war 5 Jahre alt und bin 1972 alleine nach Norderney für mindestens 4 Wochen verschickt worden, wohl weil ich so blass war. Zum Glück kann ich mich nur an Bruchstücke der Kur erinnern, doch die sind allesamt negativ. So wurde ich beispielsweise von älteren Kindern extrem drangsaliert. Vom Frühstück (es gab nur Suppen-artiges Frühstück, wie Haferschleim mit Brocken oder manchmal, an guten Tagen, auch Cornflakes) wurde ich rasch ausgeschlossen, da ich den Löffel zu voll nahm und somit plörrte. Als Strafe musste ich dann abseits mit einem anderen Mädchen Brot essen. Das wäre eigentlich gut gewesen, wenn da nicht dieses "Du kannst nicht essen, deshalb bestrafen wir Dich jetzt und stellen Dich für alle gut sichtbar an den Pranger" gewesen wäre. Die Eltern durften nicht anrufen, da die Kinder sonst Heimweh bekommen hätten. Irgendwie hat es meine Mutter dann doch geschafft, mich an meinem Geburtstag dort anzurufen. Das Gespräch war natürlich sehr kurz und fand unter Aufsicht statt. Der ganze Aufenthalt war einfach nur furchtbar und ich habe lange Zeit danach auch als Erwachsener ab und zu einen wiederkehrenden Albtraum gehabt, nämlich, dass ich in einem Reisebus mit vielen anderen Kindern zur Kur fahre und dass ich verzweifelt versuche, den Busfahrer zu stoppen, weil ich umkehren und nach Hause will. Tatsächlich vermischt sich hier Erinnerung und Vorstellung und ich bin mir nicht sicher, ob ich damals nicht genau das versucht habe zu tun.

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Erst mal liebe Grüße von Andreas Rau. Ich freue mich über Ihre Initiative, denn ich merke, dass die Demütigungen und auch körperliche Gewalt keine Einzelfälle waren.
Ich war insgesamt 11 mal zur Kinderkur. In den Jahren 1970-1981.
Es gibt zum Teil schöne Erinnerungen an zwei Kinderheime. EInes auf Norderney, dass von der Awo betrieben wurde und mit deren Erzieherinnen mich heute noch freundschaftliche Kontakte verbinden. Das andere war in Hindelang/Oberjoch und hieß Santa Maria. Ich habe von Dingen gelesen, die ich dort so nicht erlebt habe. Die "Fräuleins" , an die ich mich erinnere, hatten wirklich was drauf und wir konnten neben sehr guten Kuranwendungen eine breite Pallette an freizeitpädagogischen Angeboten wahrnehmen. Das einzige, was überall wirklich gleich war, war die frühe Zeit, zu Bet zu gehen und ab dann nicht mehr sprechen zu dürfen. Das gleiche galt immer auch nach dem Mittagessen von 13- 15 Uhr.
 
Am meisten ist mir der Begriff "Wache" in Erinnerung, denn so nannte man tatsächlich die Erzieherinnen, die in diesen Zeiten Dienst hatte, während die anderen Pause machten - oder, wie ich irgendwann erfuhr - für Putzdienste abkommandiert wurden.
Meine Kurerfahrung begann im Herbst/Winter 1970 in Scheidegg. Es war eine "Lungenheilanstalt" mit Ordenschwestern aber auch "weltlichen" Schwestern. Die Ordensfrauen habe ich in guter Erinnerung. Geschlagen, weil ich ins Bett machte, wurden wir von einer Nachtschwester und in der Ecke stehen war für viele Kinder eine typische Strafe. Mit drei (!) Jahren.
Es gab dort kein Obst zu essen. Ein Gummibärchen bekamen wir zue Belohnung, wenn wir nicht ins Bett gemacht hatten. Wer es doch tat, bekam einen "Klaps" auf den nackten Po und musste sein schweres Bettzeug selbst wegtragen. Einmal nahm ich einen Apfel vom Teewagen, der aber nicht für uns Kinderwar, sondern Schwester Maria (eine Kinderkranenschwester) gehörte. Ich biss hinein und legte ihn wieder weg. DIe ganze Gruppe wurde dafür bestraft und bekam kein Abendessen.
 
Am Feldberg, in einem Kinderheim der Caritas mussten wir zur Strafe fürs Quatschen in den "Wachen" meistens auf dem Flur stehen. In Unterwäsche oder nackt, und die Hände dabei ausstrecken. Wir durften nur mit dem Gesicht zur Wand schlafen und durften eigentlich so gut wie nie sprechen. Dafür war das Essen dort klasse, Aber, wenn man es mal nicht mochte, konnte es passieren, dass zwei Erzieherinnen einen festhielten und die Nase zuhielten, während eine einem das Esen, wie bei einer Gans in den Hals stopfte. Wer erbrechen musste, schluckte es lieber gleich runter, damit man es nicht nachher vom Teller aufessen musste. Toilettengänge wurden in fast allen Heimen strengstens reglementiert. Meistens mussten wir als Gruppe gemeinsam gehen. Zeit, um den Popo abzuputzen, sofern man das überhaupt konnte, gab es nie ausreichend. So hatten wir alle immer schmutzige Unterwäsche, die nur einmal in der WOche gewchselt werden durfte - meistens, wenn man zum Arzt zur Untersuchung vorgeführt wurde.
Am Feldberg wurde uns immer angedroht, wenn wir nicht "horchen wollten", dass wir Verlängerung bekamen. In meinem Fall, wurde das - aus anderen Gründen - zwei mal wahr gemacht. 12 lange WOchen ohne meine Familiie und meine Freunde. Ich kam vom Bauernhof und war diese Art der "Gfangenschaft" nicht gewöhnt.
Ein JUnge, der recht "hyperaktiv" war, wurde regelmäßig mit Tropfen zum einschlafen gebracht.
Die größte Abwechslung war ein sonntäglicher Besuch zum Frühschoppen, wo der Freund einer der Erzieherinnen arbeitete. Während sie schmuste, durften wir Cola trinken oder Spezi. Hauptsache war halt, dass wir ruhih waren.
Ausgelacht wurden wir eigentlich ast immer. Nicht etwa von den anderen Kindern, klar, das gab es auch, nein von den Erziherinnen. Beim Duschen wurde nwir beschämt, beim Zu Bett gehen, wenn wir schmutzig waren... .eigentlich immer. Damit ich nicht am Daumen lutschte, wurde mir Senf auf den Daumen geschmiert und ein dickes Pflaster um jeden Daumen gebunden. Damit ich nicht quatschte, bekam ich ein dickes Leukoplat um den Mund.
Bei einer Kurverlängerung kam ich in eine andere Gruppe und stellte erstaunt fest, dass es auch wirklich freundliche Erzieherinnen gab, an die ich mich gerne erinnere und die niemals so grausam waren. Selbst die nicht, die als streng galten.
Auf Norderney musste ich 6 Wochen das Kinderkurheim des märkischen Kreises, " Haus Ierlohn" ertragen, dass von einer Frau Müller geleitet wurde, die dort mit ihrer Lebensgefährtin lebte und arbeitete. Zwei Biester ohne jede Empathie für Kinder. . Unsere Gruppenerzieherin war soweit ok, wie sie eben konnte, aber auch hier gab es herrische und streitsüchtige Erzieherinnen, die ihre Wut oft an uns Kindern ausließen. Und auch hier standen viele Kinder oft stundenlang in der Ecke oder mussten die Nacht iauf dem Fußboden des Ankleidezimmers verbrignen, weil sie gequatscht hatten.
Die letzten beiden Kuren fanden auf Norderney im AWO-Kinderkurheim statt. Und in Santa Maria in Oberjoch. Hier war alles lockerer, wahrscheinlich, weil wir auch älter waren und die Erzieherinnen einer anderen Generation anghörten. Das war die Zeit vor dem Wechsel in die 80ger Jahre.
1987 war ich dann in der Erzieherausbildung und arbeitete selbst während unserer Schulferien in einem Kinderkurheim der Stadt WUppertal. Auch hier: von den demütigenden Methoden oder Gewalt keine Spur..
 
Meine Erfahrungen mit Kinderkuren waren so unsäglich, dass ich die Ankündigung meines Hausarztes, ich solle zur Kur fahren, immer als Drohung empfand und große Angst davor hatte. Das letzte Mal sollte ich mit 15 Jahren noch einmal nach Oberjoch fahren. Dieses mal setzte ich mich aber durch, indem ich mich weigerte.
 
Ich habe mich oft gefragt, warum ich das nie meinen Eltern erzählt habe, die mich ja shcließlich jahrelang dort hin schickten. Nun, ich habe immer nur das Gute erzählt, weil ich immer noch den Klang von Fräulein Ingrid im Ohr hatte, die uns immer eintrichterte, dass meine Eltern sich etwas antun würden oder schlimm traurig würden, wenn sie ihnen erzählen würde, wie böse und verschlagen wir Kinder doch waren. Es bräche ihnen das Herz.
Ja. Und sowas glaubt man als Kind und verinnerlicht das.
Irgendwie gelang mir, meine Traumata zu überwinden, aber ich erkenne noch heute an mir einige Macken, die ich aus dieser Zeit zurückbehalten hatte. Heute kann ich meistens drüber schmunzeln. Über die Macken, nicht über die Demütigungen und Schmerzen.
Danke Ihnen für Ihren Einsatz, Frau Röhl, und wenn Sie Unterstützung brauchen, bitte melden Sie sich gerne bei mir.
 
Andreas Rau

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Ich bin 1974 zu einer 6-wöchigen Kur nach Norderney geschickt worden. Ich war damals kanpp 7 Jahre alt und bin noch nicht zur Schule gegangen, konnte also auch noch nicht Lesen und Schreiben. Ich weiß den Namen von dem Heim nicht mehr, nur noch, dass es ein rotes, großes recht rechteckiges Gebäude gewesen ist, drum herum gab es keine anderen Häuser. Kann mir jemand helfen?? Hingefahren bin ich mit einem Bus, der alle Kinder aus der Region an verschiedenen Bushaltestellen einsammelte und zur Insel brachte. Der Bericht gestern hat mich vollends verstört, es wird brauchen, bis ich das für mich verarbeitet habe, denn bisher dachte ich wirklich immer, dass das was mir passiert ist, halt normal gewesen ist. Ich freue mich, wenn sich über diese Plattform andere melden, die auch auf Norderney waren. Ich komme aus dem Kreis Lippe.

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Hallo an alle,
der gestrige Bericht über Verschickungskinder hat mich angerührt. Bin selbst Betroffene. Ich war 1957 als 6-jährige für 16 (!!) Wochen im Seehospiz Kaiserin Friedrich auf Norderney. Geleitet wurde das Haus von einer Diakonisse namens Schwester Gertrud. Der Aufenthalt dort war die Hölle!! Es ging schlimmer zu als in einer Kaserne. Nach einer harmlosen Kissenschlacht im Schlafsaal wurde ich erwischt und für den Rest der Nacht in einem eiskalten Waschraum mit offenem Oberlicht (konnte ich nicht schließen, da zu klein!) eingesperrt. Und das mit meiner diagnostizierten chronischen Bronchitis! Ich bekam eine Mitttelohrentzündung und musste auf die Krankenstation. Dort entfernte man mir meine echt goldenen Ohrringe, die ich niemals zurückbekam. Meinen Eltern schrieb man, ich sei auf einem Ausflug zum Leuchtturm dabei gewesen! Alles Lüge! Auch mussten wir ständig die Kleidung von anderen Kindern tragen. Ich habe lange gebraucht, um diese Erfahrung zu verarbeiten.

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Ich war 1957 auf Norderney. Seehospiz Kaiserin Friedrich.

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Nachtrag zu meinen früheren Eintrag hier: ich war nicht auf Norderney, sondern wohl auf Langeoog. Ich bin gleicher Jahrgang und war im gleichen Jahr dort, eben mit 5 Jahren. Allerdings konnte ich da noch nicht Lesen und Schreiben und kann mich nicht mehr an viel erinnern, außer dass es ganz schrecklich war. Meine Mutter hatte dort ein einziges Mal mit mir telefonieren können, wie sie mir später erzählte, hat sie wohl damit gedroht, mich persönlich abzuholen, wenn sie nicht mit mir sprechen könnte. Ich wünschte, sie hätte mich abgeholt...

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Vielleicht gibt es ja über diesen Weg eine Kontaktaufnahme zu damaligen, die auch im Marienheim in Norderney waren. Bin in 1969 dort im November gewesen. Erinnerungen sind zensierte Briefe nach Hause, kaum Ausgang und Bewegung, schreckliche Verpflegung sowie strenge Erzieherinnen, die auch mit körperlicher Züchtigung nicht zurückhaltend waren. Essen unter Zwang bis der Teller leer war usw. Viel habe ich vergessen, aber unterbewußt sind die Dinge noch da. Die Schwestern waren im Hintergrund und nur bei den Mahlzeiten zu sehen. Viel habe ich von damals einfach nur vergessen. Aber die Erinnerung an diese Zeit war nie eine Gute. An Ärzte oder Untersuchungen kann ich mich nicht erinnern, nur an den grausigen Uringestank des Toilettentraktes im Schlafraum der "Großen Jungs" ist mir noch in guter Erinnerung.

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Ich war mit fast 10 oder 11 Jahren auf Norderney es muss 1965/6 gewesen sein und wir wurden einer genauen Tagesordnung unterstellt, Bewegungsfreiheit war wenig. Einmal gab es so eine Glibbersuppe und ich setzte das mit den Quallen gleich und hab sie wieder ausgewürgt.
Die Tante wollte das ich die Suppe aß wogegen meine Tischgenossen aber protestierten. Daraufhin wurde auf Vollzug verzichtet. Wegen schlechter Körperhaltung musste ich auch zur Gymnastik und so war wieder eine Zeitspanne unter allgemeiner Kontrolle. Zwei Tanten, ich glaube eine war die Gymnastiktante diskutierten auch ob ich abartig sei.
In die See kamen wir nur in Begleitung, Händchenhalten der Tanten – aber im Wellenbad ging es freier zu. Wie gesagt Tagesablauf genau vorbestimmt mit Anstehen zum Toilettengang ( 1 funktionierende für 25 Jungs ) und zum Beispiel Mittagsschlaf reichlich lange. Zum Duschen mit circa 10 Jungs in einem Zug durchgeführt von einer der Tanten. Von direkten Misshandlungen wüsste ich nicht.

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Ich bin im Sommer 1974 auf Norderney im Haus Detmold, Lippestraße 12 - 15, 6 Wochen zur Kur gewesen. Träger des Hauses war damals der Kreis Detmold, jetzt der Kreis Lippe. Heute ist es ein Jugend- u. Gästehaus. In der Chronik der Insel ist nachzulesen, dass es 1977 insgesamt 25 (!) Kinderkurheime auf der Insel Norderney gab. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wieviele Kinder in diese 25 Heime verschickt worden sind.
 
Ich war mit meinen 6 Jahren (am Ende des Sommers wurde ich 7) das jüngste, kleinste Kind in der Gruppe. Alle anderen Kinder waren älter, gingen schon zur Schule und konnten schon Lesen und Schreiben. Sie erhielten viel Post von Ihren Eltern , Großeltern, Tanten etc. Ich bekam natürlich nie Post, denn ich konnte ja sowieso noch nicht Lesen, warum sollte man mir auch schreiben. Ich habe mich unendlich allein, abgeschoben und überfordert gefühlt. Schließlich war ich erst 6 Jahre alt. Irgendwann habe ich die Erzieherin gefragt, ob sie für mich einen Brief an meine Eltern schreiben könnte. Ich habe flehentlich in dem Brief gebeten, dass man mir doch bitte auch schreiben kann, denn alle anderen Kinder würden Post von zuhause bekommen, nur ich nicht. Tatsächlich hat meine Mutter mir dann geschrieben. Ich kann mich noch genau an diesen Moment erinnern. Wie glücklich ich gewesen bin, einen Brief von zuhause in Händen zu halten. Ich weiß nicht mehr, was sie geschrieben hat. Den Brief hat mir die Betreuerin auch nur ein Mal vorgelesen. Da war ich aber bestimmt auch schon gut 2 Wochen in Kur, und alle anderen Kinder hatten zu diesem Zeitpunkt schon mindestens 3 oder 4 oder mehrBriefe von zuhause bekommen. Die anderen Kinder erhielten auch Pakete von zuhause. Von dem Inhalt der Pakete, meistens Süßigkeiten, durften sie sich 3 Teile aussuchen und behalten, den Rest mussten sie abgeben. Die größeren Kinder schrieben diese Regelung dann nach Hause und erhielten dann Pakete nur mit drei ganz "großen" Sachen. Ich bekam kein einziges Paket, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, denn meine Eltern waren der Meinung, die verschickten Kinder sollten möglichst durch nichts an zuhause erinnert werden, das wäre besser, dann würden sie kein Heimweh bekommen. Überhaupt wurde mir im Vorfeld von meinen Eltern eingetrichtert, dass ich auf keinen Fall Heimweh haben dürfte, es müsste alles gut gehen mit diesem Aufenthalt, ich wäre ja schließlich schon groß, und alles würde nur zu meinem Besten sein. Außerdem ginge es auch nicht anders, denn ich würde mich ja immer kratzen (ich hatte Neurodermitis), wäre also schließlich selber Schuld an dieser Maßnahme. Der Hauptgrund war, dass meine Eltern mich loswerden wollten, denn sie hatten selber die letzten 3 Wochen meines Kuraufenthaltes ihren Sommerurlaub auf Norderney gebucht. Man muss sich das mal vorstellen: sie erholten sich auf der gleichen Insel zur gleichen Zeit, während man mich alleine verschickt hatte! Welche Mutter, welcher Vater bringt das übers Herz?? Gut, dass ich verschickt werden konnte, denn so konnte man sich die 3 Wochen Familienurlaub leisten. Wieder und wieder musste ich mir das in den Wochen vor der Kur mitanhören, wenn meine Mutter es stolz in der Nachbarschaft oder Verwandtschaft oder beim Einkaufen anderen erzählte und ich dabei war. Hätte ich auch nur irgendwie aufgemuckt, hätte das bedeutet, dass ich meinen Eltern den Sommerurlaub nicht hätte ermöglicht, denn so mussten meine Eltern nur den Urlaub für sich und meine noch sehr kleine Schwester bezahlen. Es wurde von mir erwartet, dass ich das so mache, man gab sich auch überhaupt keine Mühe, mir den Aufenthalt im Vorfeld irgendwie als schön zu beschreiben. Ganz im Gegenteil, auch das war wohl nur zu meinem Besten.
Für diesen Sachverhalt konnte die Verschickung an sich und das Heim auf Norderney nichts. Vielleicht ist in diesem Heim wirklich alles richtig und gut gewesen - ich kann mich ja leider nicht daran erinnern - und ich bin nur durch diesen Hintergrund schon vollends traumatisiert in diesem Aufenthalt angekommen. Die Tatsache, dass ich mich überhaupt nicht erinnern kann, sagt aber auch schon vieles. Ich war einfach viel zu klein um schon auf mich alleine aufpassen zu können. Ich erinnere mich noch, dass die ganze große Gruppe von Kindern nach unserer Ankunft in dem Heim sich in einem großen Raum versammeln musste. Dann wurden die Namen aufgerufen und die Kinder mussten vortreten. Da mein Nachname am Anfang des ABC s stand, wurde ich als erste aufgerufen. Ich konnte überhaupt nicht realisieren, was jetzt von mir erwartet werden würde.Irgendjemand hat mich dann nach vorne geschubst und mir gesagt, dass ich jetzt dorthin gehen müsste. Alle anderen Kinder haben leise gelacht als ich dann nach vorne ging. Die ganzen 6 Wochen habe ich wie im Trance über mich ergehen lassen. In Erinnerung geblieben sind mir ständige, lange Spaziergänge, auf denen ich immer Angst hatte, zu müde zu werden und es nicht mehr mit der Gruppe zurück zu schaffen. Sehr genau weiß ich auch noch, dass mittags von 13.00 bis 15.00 Uhr immer Mittagsruhe war. Auf den Zimmern hatte es komplett ruhig zu sein, wer störte, bekam eine Strafe, musste in der Ecke stehen. In dieser Zeit durfte auch niemand auf Toilette, denn dann hätte er ja über den Flur gemusst. Wer wirklich auf Toilette musste, - die absolute Ausnahme - musste vorher ganz leise zum Zimmer der Betreuer gehen und fragen, ob er ausnahmsweise zur Toilette gehen durfte. Wir haben mit 5 oder 6 Mädchen auf einem Zimmer gelegen. Als wir schon ein paar Wochen hinter uns hatten, kam in der Mittagszeit immer die kleine Tochter von einer Mitarbeiterin (Putzfrau oder Köchin??) mit auf unser Zimmer und musste reihum bei einer von uns im Bett mit liegend ihren Mittagsschlaf machen, denn in der Einrichtung konnte wohl sonst niemand auf dieses Kind in der Zeit aufpassen und es musste irgendwie abgestellt werden. Das Kind war natürlich bei uns allen total verhasst, denn wir mussten unser Bett damit teilen und konnten das Kind auch nicht weiter kennenlernen, denn Reden war ja in der Mittagszeit verboten.
Ich hoffe, dass ich mich über dieses Forum nach und nach wieder an mehr erinnern kann, was in dieser Zeit passiert ist. Denn diese 6 Wochen haben tiefe Wunden bei mir hinterlassen, dass weiß ich schon sehr genau. Es tut unheimlich gut, hier alles niederschreiben zu können, nicht alleine damit zu sein. In der Chronik des Hauses Detmold ist übrigens auch der Name des Heimleiters zu dieser Zeit damals genannt zusammen mit einem Foto. Die Kinderkuren wurden Anfang 1989 in diesem Haus eingestellt.

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Hatte ja bereits erwähnt das ich 1969 auf Norderney war. Nun las ich gerade, das es insgesamt 25 dieser Heime auf Norderney gab. Ich selbst war im Marienheim untergebracht. Wie auch von anderen geschildert klar durchgetackterer Tagesablauf, mit wenig Bewegung und viel Schlaf. Der Horror für mich als gerade 10 jähriger. Die Zeit geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Die Gerüche des fast immer gleichen Tees und des schrecklichen Mukefucks, den wir in Resten auch noch nachmittags nach dem Mittagsschlaf bekamen. Jeder bekam eine Portion auf den Teller und alles musste aufgegessen werden, sonst mußte man vor seinem Teller sitzen bleiben bis er leer war. War der kleinste im Schlafsaal der Großen, weil schon zu groß für die kleinen. Eine harte Schule für mich mit teilweise skurilen Erinnerungen. Einer hatte mich nachts geärgert bis ich mich mit ihm richtig angelegt habe. da kam die Aufsicht und ich musste nur mit Schlafanzug bekleidet auf einer Bank sitzend 2 Stunden ausharren, bis ich wieder ins Bett durfte. Was ich nie vergessen werde ich der grauenvolle Gestank auf der Toilette nach abgestandenen Urin. Dort habe ich mich oft heimlich zurückgezogen, wenn ich nachts nicht schlafen konnte und habe mir Gedanken gemacht, wie ich von dort weg komme. Schreiben wie es mir ging und das ich Heimweh hatte ging nicht. Unsere Post unterlag einer Zensur. Das kannst du nicht schreiben! Willst du das sich deine Eltern Sorgen machen und traurig sind weil es dir hier nicht gefällt?
Einziger Lichtblick der 6 Wochen waren die 2 Besuche des damals neuen Wellenbades. Ansonsten Tristes hinter Glas und kaum Ausgang. Gewichtszunahme war ja auch das Ziel der Kur. Darum war ich ja auch dort, weil von dem damaligen Hausarzt als zu leicht befunden.
Lese manchmal noch die Briefe die ich aus dieser Zeit geschrieben habe die noch vorhanden sind und es läuft mir kalt den Rücken runter.
Was für eine Zeit - Viel ist verschüttet und nicht mehr da - Einiges noch recht gut in meiner Erinnerung.

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Hallo, gibt es jemanden, der ins Haus Dünenrose auf Norderney verschickt wurde. Ich war dort mit knapp drei Jahren 1965 auf "Kur".

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Christina W. - 2024-07-03
Verschickungsheim: Seehospiz Norderney
Zeitraum-Jahr: Sommer 1980
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Hallo miteinander,
mein Name ist Christina und ich bin ein Verschickungskind... früher wusste ich das natürlich nicht, es hieß, mein Bruder und ich fahren im Sommer in Kur, ans Meer, ach, das wird toll! Ich hatte gleich nach dieser Mitteilung ein flaues Gefühl im Magen und sah sehr freudlos auf das auf mich zukriechende Abreisedatum, während meine Mutter fleißig Namensschildchen in unsere Kleidungsstücke nähte. Teddy bekam auch eins um den Arm genäht, denn ohne Teddy konnte ich nicht ans Meer, das war klar! Ich war 7 und hatte gerade die erste Klasse absolviert; ein kleines etwas pummliges Mädchen, das nicht verstand, warum es ohne die Mama an dieses doofe Meer reisen sollte. Ohne Mama ging ich außerhalb der Schule eigentlich nirgendwo hin. Ich war empört! Und ich hatte Angst! Aber alles Flehen, Heulen und auch kein Trotzanfall half... mein Bruder und ich wurden am besagten Tag am Bahnsteig letztmalig von den Eltern umarmt und in ein überfülltes Zugabteil gequetscht. Als sich die Türen schlossen wurde mein Herz mit aller Wucht von einem schrecklichen Trennungsschmerz getroffen, der die nächsten acht Wochen keine Sekunde innehalten sollte. Mein Bruder, zwei Jahre älter, zerrte mich ungeduldig beim Umsteigen in Hannover hinter diesem "großen Jungen" her, der zum Geleit abgeordert war. Der Rest der Reise und auch die Überfahrt mit der Fähre versank im Schleier meiner Tränen, die ich angestrengt zurückzudrücken versuchte. Ich war innerlich erstarrt. Das Kurheim war riesig! Rot verklinkerte Häuser, die wie aneinandergereihte Bauklötze auf dem großen Areal standen. Weil ich mit 7 zu groß für die sogenannte "Hosenscheißergruppe" bis 5 Jahre war, kam ich ins Haus 4 zu den Mädchen zwischen 9 und 13. Mein Bruder verschwand in einem der anderen Bauklötze. Als erstes musste ich meinen Koffer am Kleidungsraum abgeben. Meine Sachen wurden zu den übrigen Kleidungsstücken in große Regalfächer gestopft. Die mitgegebenen Pflegeprodukte wurden mir abgenommen und kamen in das obere Fach eines riesigen weiß lackierten Wandschranks. Nun war ich nicht mehr nur traurig sondern wiederum empört. Man hatte mich bestohlen! Mein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn schlug Alarm und ich beschloss, diesem System nicht zu ttrauen und in Zukunft ständig auf der Hut zu sein. Nach der Kofferplünderung kam ich in "mein" Zimmer, das ich mit sechs weiteren Mädchen teilte, es hieß Nordseezimmer. Ich bezog das Bett direkt an der Tür. Am Abend des Anreisetages bekam ich sehr hohes Fieber, das auch am Folgetag nicht verschwand. Deshalb durfte ich im Bett bleiben. Ich lag den ganzen Tag allein in diesem Zimmer, nur zwei oder dreimal schaute jemand kurz zur Tür hinein. Irgendwann musste ich mich übergeben und schaffte es gerade so, dass es nicht im sondern vor dem Bett landete. Ich war verzweifelt und weinte und wusste mir nicht zu helfen. So dusselte ich ein. Als das nächste Mal ein Kopf in der stückbreit geöffneten Tür auftauchte, flog diese plötzlich weit auf... eine Schimpftirade prasselte auf mich nieder und schreckte mich aus dem Fieberschlaf auf. Die schwarz gekleidete Schwester zerrte an meinem Arm, unablässig schimpfte sie weiter, was das für eine Sauerei sei, die ich verursacht hatte. Sie zog mich aus dem Bett und ich tappte barfüßig in mein Erbrochenes. Dafür erhielt ich einen Klaps auf den Hinterkopf. Damit ich mit meinen besudelten Füßen nicht den Flur zum Waschraum schmutzig mache, holte die Schwester selbst einen Eimer und Lappen lautstark aus dem Waschraum, während ich wartend im klammen Nachthemd schlotternd vor Schüttelfrost in der Kotze stand. Sie warf den Lappen auf meine Füße und stellte den Eimer daneben. "Aufwischen!" Ich tat es ohne Widerrede.
Es gab zwei oder drei ältere Mädchen, vielleicht Abiturientinnen, die anscheinend eine Art Praktikum absolvierten und Aufsichtspflichten übernahmen. Eins dieser Mädchen werde ich nie vergessen. Sie hatte einen ganz kalten Blick und offensichtlich überhaupt keine Lust, sich mit uns Bälgern abzuplagen. Sie nannte uns stets beim Nachnamen und hatte Freude daran, uns zu demütigen und zu quälen. Eines Tages kam ich nachmittags die Treppe von den Schlafräumen herunter in den Eingangsbereich und das grausame Mädchen stand im Flur und telefonierte: "Die Christina möchten Sie sprechen?" Kurze Pause, in der sie mich am Treppenabsatz stehend fixierte. Mein Gesicht hellte sich auf, mein Herz hüpfte freudig in meiner Brust. Meine Mama war am Telefon! "Tut mir leid, die Kinder sind allesamt am Strand." Ich stand wie erstarrt. Nachdem das böse Mädchen sich kurz von meiner enttäuschten Mutter verabschiedet hatte und den Hörer auflegte, sah sie mich hämisch grinsend an. Ich konnte nichts sagen, ein fetter Kloß saß in meiner Kehle. Ich lief heulend aus dem Haus. Da ich ja die Jüngste im ganzen Haus war, sozusagen gerade knapp altersmäßig an den Hosenscheißern vorbei, wie mir ständig gesagt wurde, bekam ich oft von den anderen Mädchen kräftig auf die Mütze. Das älteste Mädchen war schon 13 einhalb und gefühlte fünf Köpfe größer. Eigentlich verstanden wir uns gut, aber eines Nachmittags war ihr Frust und Heimweh so groß, dass sie mich am Strand schnappte, ins kniehohe Meer zerrte und unter Wasser drückte. Ich hatte Todesangst und zappelte wie verrückt. Sie ließ mich frei, als ich ihr in die Hand biss und bekam dafür einen Tritt in den Magen. Ich verstand das alles nicht. Warum war hier alles so gemein und böse? Die Aufsicht, der ich die Sache heulend petzte, zuckte nur mit den Schultern und meinte, ich solle mich nicht so anstellen, das Mädchen hätte nur Spaß gemacht. Von da an beschloss ich, mit der Heulerei aufzuhören und zu den Harten zu gehören. Nein, die Härteste wollte ich sein! Ich betrachtete das als absolut notwendige Strategie, um mein Überleben zu sichern. Ich wurde aufmüpfig, sehr vorlaut und stiftete die anderen Mädchen zu Streichen an. Eines Nachts erklomm ich auf der Räuberleiter das obere Fach des weiß lackierten Wandschranks und eroberte mir meine Pflegecreme zurück. Auch die versteckten Süßigkeiten aus den Päckchen von Eltern, die nie bei den Kindern angekommen waren, kramte ich aus dem Schrank. In der Nacht stopften wir uns mit Süßkram voll und fühlten uns wie die Königinnen. Mich hat niewieder eins der Mädchen attackiert. Ich war angenommen. Dafür mussten wir uns ständig vor den drakonischen Strafen der Schwestern in acht nehmen. Für nächtliches Gelächter oder gar Verlassen des Bettes wurde der Lärmverursacher bzw. Freiläufer unter die kalte Dusche gestellt. Das war Standard und passierte fast jede Nacht. Ein krebserkranktes Mädchen, das sich in der Kur von den Strapazen der Chemotherapie erholen sollte, bekam bei Fehlverhalten zur Strafe die Perücke abgenommen. Ich war empört! Auch das allmorgendliche nackte Anstehen im Flur zum Waschraum, wo jede einzelne mit einem kalten Schlauch abgeduscht wurde, empörte mich. Warum durfte ich nicht im Bademantel warten? Wenn das böse Mädchen morgens Dienst hatte, mussten wir zusätzlich noch im Schlüpfer mehrere Runden ums Haus herum laufen. Nur die älteren Mädchen, die schon einen Brustansatz hatten, durften ihr Unterhemd anziehen. Abends bei der Gebetsrunde betete ich insgeheim, dass ich bis zum nächsten Morgen einen Brustansatz bekomme, was aber nicht erhört wurde. Meine beste Freundin hieß auch Christina und sie ließ sich gar zu gern von mir zu kleinen Auflehnungen hinreißen. Zur Strafe wurden wir mal zusammen in den Keller gesperrt, der wie eine Umkleide eingerichtet war. Dort hingen unsere Jacken und standen die Schuhe. Diese sollten wir zur Strafe putzen. Stattdessen turnten wir auf den Bänken herum und fanden, dass wir großeartige Revoluzzer abgaben. Ich war mächtig stolz auf uns. Weil ich mittlerweile dermaßen aufrührerisch und vorlaut war, ertrotzte ich mir bei einer genervten gutmütigen Aufsicht einen Besuch in der Sauna, zu der eigentlich nur die älteren Mädchen ab 12 hin durften. Wir gingen in einer Gruppe von fünf Mädchen allein zu der Saunaeinrichtung. Während des Saunabesuchs wurden wir durch einen jungen Mann angeleitet. Er machte ständig dumme Witze und wendete sich mit auffälliger Hingabe den größeren Mädchen zu. Von mir vorlautem Zwerg war er total genervt. Zur Abkühlung gab es einen großen Holzbottich, in den wir nacheinander steigen sollten. Damit wir das auch richtig machten, sprang der Mann nackt mit in den Bottich und wusch die Mädchen von Kopf bis Fuß mit dem kalten Wasser ab. Ich wurde von dieser Prozedur verschont. Wahrscheinlich lag es daran, dass meine Gebete nicht erhört worden waren. Erst viele Jahre später wurde mir bewusst, dass dieses Verhalten tatsächlich sexuelle Übergriffe waren. Damals hatte ich das so nicht gesehen. Wir witzelten auf dem Nachhauseweg und neckten einander, wer sich wohl in den Typen verliebt hatte und sangen ständig das blöde "Liebeskummer lohnt sich nicht"-Lied. Ich war sogar etwas empört über diese Nichtbeachtung, obwohl ich mir doch solche Mühe mit meinem vorlauten Mundwerk gegeben hatte. Das Vorlaute war natürlich nur meine Fassade, nachts wenn endlich Ruhe im Zimmer war, heulte ich stundenlang in meinen Teddy hinein. Ich verstand nicht, warum mich meine Eltern hierher geschickt hatten... direkt in die Hölle. Die tat sich mir auch auf, als ich fünf Tage vor Ende der sechswöchigen Kur in das Büro der Heimleitung gerufen wurde. Dort sah ich auch meinen Bruder nach langer Zeit wieder. Sonstige Treffen wurden unterbunden. Uns wurde mitgeteilt, dass wir uns glücklich schätzen könnten weil unsere Aufenthaltsverlängerung um zwei Wochen bewilligt worden war. Ich war entsetzt und anschließend restlos davon überzeugt, dass uns unsere Eltern loswerden wollen. Ich heulte wieder. Unsere Eltern hatten diese Verlängerung jedoch nicht beantragt, die Verlängerung wurde vom Kurhaus empfohlen. Weil wir die Briefe und Karten nach Hause unter Aufsicht schreiben mussten und uns Sätze vorgegeben wurden, wie toll alles sei, hatten unsere Eltern keinen blassen Schimmer davon, wie es tatsächlich war. Mein Bruder hatte es in seinem Haus auch eigentlich ganz gut getroffen. Es gab dort keine nächtlichen kalten Duschen und auch keine Schläge auf den Hinterkopf. Lediglich das erzwungene Aufessen war gleich. Noch heute rieche ich diese eklige Obstsuppe, die ich über Stunden in mich hineingewürgt habe. Dass diese Kur sehr tiefe Wunden auf meiner Kinderseele hinterlassen hat, wurde mir erstmalig bei einem Krankenhausaufenthalt mit 17 bewusst. Ich sollte abends die Station nicht verlassen, wollte aber telefonieren. Das Telefon war im Flur ein Stockwerk tiefer. Da ich noch minderjährig war, untersagte mir die Schwester das Verlassen der Station und griff mich am Arm. Da bin ich ausgeflippt und geflüchtet. Der Arzt, der später mit mir sprach, fragte mich direkt, ob ich ein Verschickungskind sei. Damals hörte ich dieses Wort das erste Mal. Mittlerweile kenne ich die Triggerpunkte meines Traumas und kann besser damit umgehen. Ich träume bis heute von dem bösen Mädchen.

Jürgen Heuser - 2024-03-27
Verschickungsheim: Seehospiz Norderney
Zeitraum-Jahr: 1981 - 4 Jahre
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative

Ich bin 4 Jahren für eine Lange Zeit bei den Nonnen zu Besuch gewesen
- Essensenzug
- Nachts nicht auf die Toilette dürfen
- Ärger(Züchtigung) bekommen wenn man ins Bett macht
- Nur einmal die Woche Telefonieren und nicht frei sprechen dürfen (wer sich negativ äußert darf nicht mehr telefonieren)
- Haarschnitt Mangelware
- Spielzeug habe ich zum Abschluss anscheinend dem Haus geschenkt….

Bin zur Zeit mit meiner Tochter (6 Jahre) hier um auch für mich ein wenig Klarheit zu finden.
Aber der Text an der Wand sagt schon alles

Alexander Bieseke - 2024-02-17
Verschickungsheim: Haus Warburg Norderney
Zeitraum-Jahr: 1974/75?
Kontakt: Kontakt: Über die Initiative

Ich wurde 1974/75? als 6/7 jähriger in ein Kurheim mit dem Namen Haus Warburg verschickt. Meiner Erinnerung nach über mehrere Wochen. Ich erinnere mich, an eine damalige Zeitungsmeldung, wonach die ehemalige Heimleiterin ermordet worden war. Ich erinnere mich leider sehr negativ anbdie Aufenthalte. Ich wurde Sonntags von fremden Männern (Amtsträger Neuapostolische Kirche) in eine Kirche abgeholt, da meine Eltern darauf bestanden hatten.

Stefan - 2024-02-08
Verschickungsheim: Norderney (Heim noch unbekannt)
Zeitraum-Jahr: zwischen 81 und 83
Kontakt: Keine Angaben

Hallo,
obwohl ich heute viel geweint habe, nach der Wut, vielen Dank an diese Seite und alle Berichte. Ich werde recherchieren und hoffentlich das Jahr und das Heim raus finden. Dann werde ich auch Zeugnis ablegen.
Mir hat nie jemand geglaubt, es ist so gut und wichtig darüber zu reden!

Karin - 2024-01-24
Verschickungsheim: Haus Fortuna, Norderney
Zeitraum-Jahr: 1957
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Dieses Heim war für mich als sieben jährige der Horror. Ich war untergewichtig und sollte während dieser Kur zunehmen, das Gegenteil war der Fall. Es ging damit los, dass es morgens entweder heiße Milch (der Geruch der angebrannten zog durchs ganze Haus) oder Haferschleim mit dicken Brocken gab und natürlich durfte man nicht vom Tisch aufstehen wenn nicht alles aufgegessen war. Der einzige Lichtblick in Bezug auf Essen war das süße Teilchen nach dem Besuch des Hallenbades. Wir mussten außerhalb es Heims immer Hand in Hand gehen, das mir zugteilte Mädchen hatte beide Hände voller Warzen, ich hatte mich so geekelt, es gab keine entkommen. Das waren Viruswarzen und natürlich bekam ich sie auch. Auch musste ich während der Mittagsruhe einmal im Nachthemd im Treppenhaus in der Ecke stehen. Jegliche Post unterlag der Zensur und an mich gehende Päckchen wurden unter allen Kindern verteilt. Geschlagen wurde ich nicht, aber Liebe oder Zuneigung durfte man nicht erwarten, es war ein strengens Regiment. Das Ganze ist jetzt 67 Jahre her, aber die Erinnerung an diese sechs Wochen sind immer noch frisch. Ich habe seitdem nie wieder Milch pur getrunken noch war ich jemals wieder an der Nordsee.

Jutta Simowski - 2023-04-14
Verschickungsheim: Kinderheim Norderney
Zeitraum-Jahr: 1964
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

1964 in den Schulferien war mein Vater im Krankenhaus und meine Mutter musste unser Geschäft führen. Da gab ihr jemandvon der Diakonie den Rat, mich auf Kur zu schicken. Es war gruselig. Das meiste habe ich verdrängt. Nur am Enmde der 6 Wochen bekam ich eine Mündfäule, niemand brachte mich zum Arzt. Eine Schwester gab mir etwas zum Gurgeln. Trotzdem wurde ich gezwungen, Brot zu essen. Zu Hause angekommen war unser Hausarzt entsetzt, der ganze Mund entzündet und voll Blasen, hohes Fieber. 2 Wochen nur flüssige Kost und Antibiotika. Meine Eltern waren nahe dran, das Heim zu verklagen. Auch ich wurde dort gezwungen positive Ansichtskarten zu schreiben. Seitdem habe ich eine Antipathie gegenüber religiösen Institutionen.

Stefanie Gross - 2022-10-03
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: 1971
Kontakt: Keine Angaben

Ich wurde in 1971 als Fünfjährige zu 6 Wochen Heimaufenthalt verdonnert. Grund: angebliches Untergewicht, das Städtische Kinderheim musste damals dringend amortisiert werden. Ich war neugierig, auch wenn mir die Trennung von meinen Eltern sehr weh tat. Der erste Aufenthalt am Meer! Heutzutage würde niemand mehr sein Kind sechs Wochen lang "verschicken" lassen, aber damals orientierten sich die Eltern noch stark an Autoritäten und befolgten brav deren Anordnungen. Die sechs Wochen waren eine Hölle. Als sensibles und schüchternes Kind hatte ich keine guten Karten und die "Tanten" tobten sich an mir aus. Von den ekelhaften Proteinschleudern (vor allem viel zu viel Milch), dem Sitzenbleiben bis man aufgegessen hatte, bis zur Zwangsernährung. Ich hatte Angst vor der nächtlichen Dunkelheit, den Erzieherinnen, dem Essen, einfach vor allem. Die versprochenen Strandspaziergänge beschränkten sich auf 2 mal 1 Stunden im Exerzierschritt, Muschelnsammeln verboten. Der Rest: vor allem ruhig sitzen, endlose Langeweile und Furcht vor dem Kommenden. Das Verbot, nachts zur Toilette zu gehen machte mich zur Bettnässerin und damit begann ein Teufelskreis: Unfall, mein Bettzeug waschen, Angst vor der kommenden Nacht, erneuter Unfall etc. Der einzige Effekt war übrigens keine Gewichtszunahme sondern ein Trauma, dass mich eigentlich bis heute begleitet. Erstaunlich, dass die Erinnerungen noch so wach sind und noch erstaunlicher, dass so viele Kinder betroffen waren. Ich hatte mich immer für eine Einzelgängerin gehalten.

Marcel - 2021-12-18
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: Ca. 1993
Kontakt: Kontakt: Erwünscht

Am prägnantesten und gruseligsten ist eine Erinnerung an die Zeit dort die mir vorkommt als hätte man mit meinem Gehirn und meiner Sexualität experimentiert. Wir mussten den gesamten Zeitraum unseres Aufenthaltes dort uns täglich im Gemeinschaftsraum auf den Boden vor eine große Leinwand setzen. Dann hat man uns ein Musikvideo mit nackten Menschen gezeigt. Wenn ich heute das Lied im Radio höre durchschießt mich ein wahnsinnig schlimmes Gefühl. Es handelte sich dabei um das Lied von „The Beloved - Sweet harmony“. Täglich mussten wir und das ansehen und ich weiß bis heute nicht was das mit meinem angeblichen Asthma zu tun gehabt haben soll.

Elke - 2021-04-14
Verschickungsheim: Seehospiz Norderney , Schifflein Sausewind Norderney
Zeitraum-Jahr: 1961, 1964

Das Seehospiz war die Hölle. Barfuß mit Decke über dem Kopf auf dem Flur stehen, weil man als 6 Jährige vor Heimweh nachts geweint hatte.Wer eingenässt hatte, stand mit der nassen , kratzigen Decke überm Kopf auf dem Flur. Pferdedecken mit Meandermuster...ich hasse dieses Muster . Zu der Zeit wurde die Mauer gebaut...es wurde drüber gemunkelt..ich dachte, ich käme nie wieder nach Hause, weil sie zwischen der Insel und dem Festland gebaut würde. Der Schornstein der Wäscherei ? war in meiner Phantasie ein Verbrennungsofen..man hörte ja auch als Kind von den Nazi Verbrechen. Mein Asthma verstärkte ich . 3 Jahre später war ich im Schifflein Sausewind . Dort war es für mich wunderschön, mit liebevollen Erziehern. Den negativen Eintrag über dieses Heim kann ich nicht bestätigen ( vielleicht eine Verwechslung mit dem Seehospiz) dort wurden auch nur 3 Wochen angeboten. Der Aufenthalt dort hat mich bis heute mit der Insel versöhnt, obwohl ich bei meiner Wiederkehr als 40 Jährige beim Anblick des Seehospizes in Tränen ausgebrochen bin. Wut kam hoch, Erinnerungen kamen...Schläuche, die man schlucken musste..warum weiß ich bis heute nicht. Es war ein Previleg, wenn man die gewaschenen Binden der Neurodermitiker aufrollen durfte. Da wurde man gelobt. Immer wieder sehe ich das Bild der Diakonissin mit der Haube und der großen Schleife unterm Kinn in Albträumen vor mir. Der strenge Blick durch die Nickelbrille ... grausam. Wir waren Kinder , verletzliche Seelen. Ich bin Erzieherin geworden...bestimmt auch, damit ich etwas an Kindern wiedergut machen konnte. Das hab ich mir zumindest immer gesagt : So gehts du nie mit Kindern um.

Pele001 - 2020-11-20
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: 1968 bis 1976
starrating: 5

Nur zum Abschluss, ich habe spät noch kinderpflegerin gelernt ,konnte den Beruf aber nicht ausüben, da ich nicht mitansehen konnte wie manche Erzieherinnen gearbeitet haben. Ich habe trotzdem mit enormer Kraftanstrengung mein Leben geführt und drei Söhne groß gezogen . Ich bin verheiratet und mein Mann kommt mit mir klar. Leider kam die Depression wieder und diesmal nehme ich Tabletten und versuche wieder in die Bahn zu kommen. Danke das ich all das mal aufschreiben konnte. L. G. Petra

Pele001 - 2020-11-20
Verschickungsheim: Norderney
Zeitraum-Jahr: 1968 bis 1976
starrating: 5

Ich hab vergessen zu erwähnen, das ich als Jugendliche mehrmals Selbstmordversuche unternommen habe, wenn ich nicht klarkam. Das ich als eigenwilliges und schwer zu beherrschendes kind galtDas ich bei herbstlichen waldgeruch Depressionen bekomme, das ich nie in meinem Leben wieder in eine Kur fahren konnte und selbst im Urlaub Krank werde . Am schlimmsten waren die nicht eingelöstn Versprechen meiner Mutter, sie würde kommen und mich holen. Ich könnte nie wieder in eines dieser Heimen zu einem Treffen, ich kann bis heute nicht darüber sprechen und die Vorstellung dahin zu fahren, löst bei mir panikattacken aus.

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