ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der „Initiative Verschickungskinder“ (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2774 Einträge
Sandra aus Schwerin schrieb am 09.04.2022
Ich war 1987 10 Jahre alt und habe eine Nierenerkrankung.Aufgrund dessen bot man eine Kur an.Ich war 3 Wochen auf Rügen im Kinderkurheim und immer wenn ich daran denke,löst es unangenehme Gefühle aus.

Ich habe nur Sequenzen ,erinnere mich daran aber sehr gut.Wir waren im Obergeschoss untergebracht,ich teilte mir ein kleines Zimmer mit einem anderen Mädchen.

Wir mussten jeden Morgen nackt antreten und uns dann komplett mit kaltem Wasser mit dem Schlauch abspringen lassen. Obwohl ich normalgewichtig war,wurde ich auf Diät gesetzt.Alles war abgezählt,ich kann mich an schlimmen Hunger erinnern.Einmal am Sonntag gab es einen Lutscher,das wars.Die Äpfel MUSSTEN wir komplett essen,es durfte nur der Stiel abgegeben werden als,Abfall .Eine Karte dürften wir zwar schreiben, diese wurde Felsen und man musste korrigieren. Tenor musste sein:alles gut.
Ich fand es schrecklich und habe schreckliche Erinnerungen an diese 3 Wochen.Ich habe sehr viel abgenommen und meine Eltern waren sehr erschrocken, als sie mich vom Bus abhalten.

Ich glaube,diese schlimmen Erlebnisse sind tief in mir drin.Ich war 2005 nochmal da,als erwachsene Frau Ich habe es dort nicht ausgehalten.All das wiederzusehen.Es war gruselig dort.
Ich fahre in 1 Woche in den Urlaub und will nochmal dorthin, mir alles anschauen und endlich abschließen.
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Diana Bauer aus Hainichen schrieb am 08.04.2022
Lange habe ich überlegt, wie ich hier am besten schildere was mir passiert/widerfahren ist – wie ich es am besten in Worte fassen kann ohne mir weiterhin einzureden „Du bist bestimmt selbst daran schuld“! Ich hoffe heute kann ich die richtigen Worte finden.
Ich war 1976 8 Jahre alt, meine Eltern, meine Schwester und ich wollten endlich in die langersehnte neue Wohnung umziehen. Dies bedeutete für mich zwar einen Schulwechsel, aber ich war mir sicher auch dort bald neue Freunde finden zu können.
Kurz vor dem Umzug offenbarte mir meine Mutter, dass ich zu krank/zu dünn wäre und ich erst mal für 6 Wochen zur Kur müsste – dass wäre besser so für mich. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei gesundheitliche Probleme – noch war ich zu dünn! Ich war ein völlig normal gebautes 8jähriges Mädchen.
Der Tag der Abreise kam schnell, meine Mutter nur brachte mich zum Busbahnhof – winkte kurz und ich fuhr ins Ungewisse, für wie man mir noch sagte lange 6 Wochen!
Wir waren nur Mädchen alle zwischen 6 – 12 Jahre alt. Es war still während der Fahrt und man sah viele traurige Gesichter.
Im Heim in Trautenstein „Harzland“ angekommen wurden wir empfangen als wären wir schon Wochenlang dagewesen. Jacke aus – Zimmerzuweisung – Koffer auf den Boden bringen, wo man einen kleinen Spind zugewiesen bekam. Man durfte aus seinem Koffer Bekleidung für 1 Woche mit nach unten nehmen. Ich packte also Wechselwäsche für 7 Tage zusammen (wie ich es von zu Hause gewohnt war Unterwäsche also 7mal), als ich damit an der Tür der Bodenkammer ankam, standen dort zwei „Erzieherinnen“ die die Sachen kontrollierten. Kurz gesagt ich musste 6x Wäsche zurückbringen, da ich diese nicht brauchen würde.
Die übriggebliebene Wäsche (nicht viel) wurde vor dem Zimmer an einer kleinen Garderobe abgelegt. Im Zimmer – ein Vierbettzimmer gab es außer 4 Betten nichts – keinen Schrank – keinen Nachttisch – einfach nichts!
Wir durften auch während dieser Zeit nicht sprechen oder uns miteinander bekannt machen – Namen waren nicht wichtig.
Wir wurden dann eingewiesen was wir zu tun und zu lassen hätten und es ging zum Essen. Essen kann man es nicht bezeichnen – es lag immer irgendwie ein Scheußlicher Geruch im gesamten Gebäude – jetzt wusste ich warum!
Ich war eigentlich ein sehr aufgewecktes Kind, hatte nie Probleme damit mit fremden Menschen zu reden und auch zu sagen was mir nicht gefiel oder was mir nicht schmeckte. Ein „Glück“ für mich, dass ich nicht die erste war die dies tat! Nein, ein kleines vielleicht 6 Jahre altes Mädchen sagte „ich esse das nicht“ - ich weiß bis heute nicht ob sie es jemals gegessen hat, denn als wir anderen gingen saß sie noch alleine im Speisesaal und wir sahen sie erst am nächsten Tag wieder.
Wir wurden um 6 Uhr geweckt und mussten uns nur mit Schlüpfer bekleidet im Gang aufstellen – jeder von uns bekam eine Bürste und wir mussten Bürstenmassage machen – Gegenseitig. Es war so peinlich, vor allem ja auch da wir nur eine Schlüpfer für eine ganze lange Woche hatten und jeder sich schämte. Während wir das tun mussten standen „Erzieherinnen um uns herum und schauten zu. Danach durften wir zur Toilette, was wir nur ab und zu durften und nicht wann wir wirklich mussten. Dann ging es in die Waschräume, die ich aus heutiger Sicht nicht als so etwas bezeichnen würde – kaltes Wasser – alles immer unter Beobachtung.
Kämmte man sich nur einmal die Haare zu lange wurde man angeschnauzt, weil man wäre angeblich zu eitel und da man eh ein nichts wäre, sollte man sofort damit aufhören. Worte und Taten die ich mit 8 Jahren nicht verstand.
Jeden Tag das gleiche!
Danach zum Frühstück – danach in den „Schulraum“ es gab noch nicht einmal Lehrer, aber wir mussten alle an einer Holzbank sitzen und irgendeiner „Tante“ vorne zuhören – manchmal schrieben wir etwas von der Tafel ab – manchmal sollten wir rechnen, da wir alle nicht im gleichen Alter waren – aus heutiger Sicht völlig sinnlos. Dann ging es wieder zur Toilette und zum Mittagessen! Das Mittagessen war wie ich finde das schlimmste – es gab Zeug was ich vorher nie gesehen hatte – es roch übel, aber man musste aufessen. Wieder sah ich das kleine Mädchen sich sträuben, diesmal nahmen zwei „Erzieherinnen sie und zerrten sie in eine Tür die sich am Speisesaal befand – ich sah sie auch an diesem Tag nicht wieder.
Nachdem Mittagessen schlafen, dass kannte ich mit 8 von zu Hause nicht, aber irgendwie war man seitdem man dort war irgendwie immer Müde – lag es an dem Tee den man uns verabreichte oder woran sonst? Ich weiß es nicht – ausgepowert waren wir nun wirklich nicht. Nachdem schlafen durften manche Kinder sich anziehen und spazieren gehen – andere nicht. Wir mussten uns jeden Abend nachdem Abendbrot im „Schulraum“ einfinden, dort wurde von einer „Erzieherin“ der Tag von jedem einzelnen ausgewertet und bewertet. An einer großen Pinnwand hing eine große Tabelle wo jedes Kind jeden Tag Punkte verliehen bekam. Rote Punkte waren gut und Du durftest am nächsten Tag mit spazieren gehen und hattest Du die ganze Woche rote Punkte, so durften diese Kinder am Sonntag die Sendung „Telelotto“ im Fernsehen anschauen. Hattest Du das nicht, weil Du eventuell zu oft nach der Toilette gefragt hast, weil Du überhaupt gesprochen hast, weil Du nicht „essen wolltest“ oder ähnliches, dann waren die schlechten Punkte vorprogrammiert. In den 6 Wochen meiner „Kur“ durfte ich lediglich 1x mit spazieren gehen!
1x die Woche gab es für uns auch „Therapie“! Uns wurde dort dann entweder eine Gesangsstunde (wir sollten Jodeln lernen – wer das nicht konnte, bekam abends gleich wieder einen blauen Punkt) oder wir durften ein Geschenk eine „Brockenhexe“ für unsere Eltern basteln – einmal durften wir eine Karte für unsere Eltern schreiben – leider stand der vorgeschriebene Text an der Tafel und wir mussten ihn abschreiben und so wurde die Karte dann an unsere Eltern geschickt.
Lange habe ich beim Mittagessen dieses arme kleine Mädchen (von der ich leider nie den Namen erfahren habe) beobachtet! Um so länger wir da waren, um so seltener sah man sie – man hörte sie auch nicht mehr weinen! Ich wollte es „besser“ machen! Es gab Leber zum Mittag – schon der Geruch war pervers – ich legte mir in Gedanken einen Plan zurecht und hoffte auf Erfolg. Ich aß etwas von dem Kartoffelbrei, passte genau auf das die „Erzieherinnen“ weit genug von meinem Tisch weg waren und rannte zwei Stufen auf einmal nehmend los – um im ersten Stock die Toilette zu erreichen – so zu tun als müsste ich mich übergeben – es ging schief – sie holten mich ein und brachten mich an den Tisch zurück. Resultat ich aß Leber – übergab mich und aß danach das Erbrochene!
Ich hab es nie wieder versucht!
Dann kam der Tag an dem ich dort meinen 9. Geburtstag hatte.
Welches Kind freut sich nicht darauf.
Ich hatte also die Woche vorher beim „Wäschewechsel“ der immer Sonntags in der Bodenkammer stattfand bereits das einzigste Kleid was ich mit hatte mit nach unten genommen und war guter Laune.
Der Tag verlief tatsächlich anders.
Ich wurde nachdem Anziehen in das Zimmer der Heimleitung geführt – also kein Frühstück!
Dort stand ein bereits geöffnetes Paket für mich.
Als erstes wurde mir gesagt, dass dies nicht erlaubt sei und meine Eltern dies scheinbar nicht wüssten.
Als zweites sagte man mir, ich bräuchte mir nichts einbilden, ein Geburtstag sei ein völlig normaler Tag und ich sei nicht wichtiger wie andere an diesem Tag.
Als drittes schickte man mich wieder hinaus und befahl mir das Kleid ausziehen!
Danach musste ich wieder hinein und man zeigte auf das Paket – dies enthielt Süßigkeiten und ein paar Winterstiefel. Die Winterstiefel durfte ich mir nehmen, weil ich ja eh kein ordentliches Schuhwerk dabei hätte – alles andere bliebe im Büro der Heimleitung.
Als ich wieder hinausgehen wollte, kam ein Anruf meiner Mutter (heute empfinde ich diesen als abgesprochen), unter dem mehrmaligen Hinweis, dass ich so absolut nichts besonderes wäre und nichts schlechtes über das Heim sagen dürfte gab man mir den Telefonhörer. Mutter gratulierte – stellte keine Fragen!
Ich nahm meine Schuhe – die ich lediglich auf der Heimfahrt getragen habe und ging.
Für mich als nun mittlerweile 9jährige – war das der schlimmste Tag meines Lebens!
Endlich der Tag der Abreise – alle Kinder waren aufgeregt, dass sah man – reden durften wir nicht!
Im Bus – anders als auf der Hinfahrt – waren wir etwas gesprächiger, aber nicht mehr wie Kinder! Meine Mutter holte mich auch diesmal alleine vom Bahnhof ab – keine Freude – kalt wie immer.
Endlich zu Hause (neues zu Hause – sie waren ja ohne mich umgezogen) wurde der Koffer ausgepackt. Keiner fragte wie war es – hasst Du zugenommen (man war ja angeblich zu dünn vorher), nichts! Das einzigste war „warum stinkt Deine Wäsche so“ - hast Du noch nicht einmal die Unterwäsche gewechselt........ - ich habe mich so geschämt und immer wieder gesagt „ich durfte das nur 1x die Woche“, aber keiner hat mir geglaubt!! Ich verstehe das bis heute nicht.
Zwei Tage später in die neue Schule – neue Klasse!
Eingeschüchtert – Verstört und Wortlos stand ich da, konnte mich nicht vorstellen (man durfte doch nicht reden), ich wünschte mir so sehr im Erdboden zu versinken.
Ich weiß es nicht mehr genau, seit meiner Rückkehr von der „Kur“ hatte ich Durchfall, plötzlich bekam ich auch während des Unterrichts diese Bauchschmerzen konnte mich aber nicht melden um zu fragen ob ich auf die Toilette gehen darf – den dafür bekam man ja 6 Wochen lang einen blauen Punkt – das Resultat behalte ich für mich – Ihr könnt es Euch denken.
Heute bin ich 55 Jahre alt!
Habe Ängste (die ich mir beigebracht habe, gut zu überspielen) es ist soviel Traurigkeit in mir.
Ich kann niemanden sagen „ich habe Dich lieb“ - ich kann es niemanden zeigen.
Tief in mir bin ich ein sehr einsamer Mensch geworden, ich habe Mauern aufgebaut die ich nicht mag, aber zu meinem Schutz dienen.
Ich habe so viele Fragen, die keiner beantworten will.
Ich fühle mich als wäre ich 8 und frage mich anfangs „Warum“ und am Ende sage ich mir „Du hast es nicht besser verdient – warum auch immer“!
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Kathi schrieb am 07.04.2022
Auch ich war im Haus Gutermann in Oberstdorf, und zwar im Januar/Februar 1960 für sechs Wochen. Ich war damals acht Jahre alt.
An viel kann ich mich nicht erinnern, ist ja immerhin 62 Jahre her.
Von den näheren Umstände der Zugfahrt weiß ich nur noch, dass sie wohl nachts gewesen sein muss, denn morgens sah ich aus dem Fenster des Abteils zum ersten Mal in meinem Leben die Berge, schneebedeckt. Ich war überwältigt, wie schön das war.
An das Heim habe ich weder eine gute noch eine besonders schlechte Erinnerung.
Jeden Morgen gab es Haferschleimsuppe, die wir alle essen mussten. An besondere Vorkommnisse bei den Mahlzeiten erinnere ich mich nicht. Kein stundenlanges Sitzen, bis der Teller leer war, oder Erbrochenes aufessen müssen. Nicht bei mir, auch nicht bei anderen.
Auch keine Strafen wegen Fehlverhaltens.
Es war halt eine Zeit, in der die Kinder alle recht brav waren und gehorchten.
An die Betreuerinnen kann ich mich überhaupt nicht erinnern. Kein Name oder ihr Verhalten uns gegenüber- ich weiß es einfach nicht. Ich erinnere mich auch nicht an andere Kinder oder evt. Freundschaften.
Negativ für war nur, dass ich wie immer in meiner Kindheit und Jugend altersmäßig unterschätzt und mir nichts zugetraut wurde.
So sollten die älteren Kinder uns Kleinen beim Waschen helfen, was ich natürlich längst allein konnte. Zum Beweis meiner Fähigkeiten habe ich mir dann die dicksten Bücher zum Lesen genommen.
Die ganzen sechs Wochen lang lag Schnee. Wegen unpassender Kleidung habe ich draußen ständig gefroren.
Heimweh habe ich mir nicht erlaubt, war aber natürlich froh, als es wieder nach Hause ging.
Ob der Erholungsaufenthalt mir gesundheitlich genutzt hat, weiß ich nicht.
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Martina aus Oberstdorf schrieb am 05.04.2022
Ich war als 5- jährige im Heim Gutermann, Oberstdorf.
Ich habe nur unzusammenhängende Bilder aus dieser Zeit im Kopf, Fragmente. Keine meiner Erinnerungen ist positiv.
Ich erinnere mich an den Bahnhof und wie ich anfing zu weinen, als mir klar wurde, dass ich jetzt alleine abfahren muss.
Ich erinnere mich an das Mehrbettzimmer und das wir eine „ Bettnässerin“ im Zimmer hatten, die nachts im Zimmer umherirrte- aber wie die tatsächliche Toiletten-Situation nachts war, weiß ich nicht.
Ich erinnere mich an eine Situation beim Essen, da ich sehr,sehr lange sitzen bleiben musste, bis ich auch das fettige, ekelhafte Stück Fleisch heruntergewürgt hatte und postwendend wieder erbrach. Es beunruhigt mich, dass meine Erinnerung genau an der Stelle aufhört.
Ich erinnere mich, dass ich viel Zeit allein im Bett lag.
Ich hatte laut Abschlussbefund Masern während des Aufenthaltes, was zu der Erinnerung an die Abdunkelung passt. Oder war ich doch nur „schwierig“ und durfte daher nicht an Ausflügen teilnehmen? Ich habe mittlerweile recherchiert und stelle alles in Frage, was meinen Aufenthalt dort betrifft. Warum wurden wir von einem praktischen Arzt untersucht, und nicht von einem Kinderarzt?

Ich erinnere mich, dass in diesem Abschluss Bericht davon die Rede ist, mich nochmals zu einer Kur zu verschicken, was bei mir zu einer Panikreaktion führte.
Lange Zeit „traute“ ich diesen Erinnerungen nicht und fragte mich, ob der Fehler nicht bei mir und meiner Phanatasie/Empfindlichkeit lägen.
Einerseits tut es gut zu erfahren, dass man nicht allein ist, andererseits bin ich erschüttert, wenn ich jetzt lernen muss, welch ein System dahintersteckt und wie wir missbraucht wurden, damit gewissenlose Menschen sich über Jahrzehnte eine goldene Nase verdienen können.

Wenn jmd. meine Erinnerungen im Haus Gutermann ergänzen kann, wäre ich um Kontaktaufnahme sehr dankbar.
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Sonja Graßmann geb.Bobsien aus Furtwangen ehemals Erfurt schrieb am 04.04.2022
Hallo,
ich wurde im Jahr 1960 in Erfurt geboren, wohnte im Dorf Gispersleben und kam ca im Jahr 1966 vor meiner Einschulung in ein Heim nach Bad Frankenhausen. Ich musste ganz alleine ohne Eltern in einem Bus dorthin fahren. Ich weiss noch dass ich sehr geweint habe .
Vom Leben im Heim weiss ich noch dass ich das Essen dort nicht mochte und es erbrach, aber gezwungen wurde das Erbrochene vom Teller wieder aufzulöffeln und nochmals zu essen. Ich sass im Dunklen dort und sollte das essen während die anderen Kinder schon schliefen.
Oft gab es eine Art Milchbrei, sehr eklig.
Ich musste dort auch am Tag viel schlafen, dazu wickelte man alle Kinder in Decken. Meine Eltern haben mich nie besucht. Ich kann mich nicht mehr an vieles erinnern, aber die paar Dinge weiss ich noch. Meinen Eltern war ich Zeit meines Lebens böse dass sie mich einfach so weggegeben haben und das Verhältnis war dauerhaft getrübt. Mein Bruder, 4 Jahre jünger und genauso dünn wie ich musste nie zur Kur.
Wie kann man so kleine Kinder ganz alleine wegschicken und fremden Menschen ausliefern. Das hat mein Leben für immer verändert
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Thomas Rensing aus Duisburg schrieb am 04.04.2022
Thomas Rensing
Brückenstr 90
47053 Duisburg


Duisburg, den 19.2.2022

Nach Lektüre des taz-Artikels von 11./12.Dez.2021 darf ich hier meine Erlebnisse beisteuern.
Ich habe kein Problem damit, an anderer Stelle namentlich erwähnt zu werden. Auch die Weitergabe meines Namens im Rahmen der Aufarbeitung der Verschickungen gestatte ich.

Ich kam im Sommer 1962 in den Genuss der Verschickung. Meinen achten Geburtstag werde ich wohl auf Borkum „gefeiert“ haben.
Ich nehme an, dass die Mannesmann-Werke in Duisburg die Reise für die Kinder ihrer Beschäftigten (Zeit des „Rheinischen Kapitalismus“) organisiert hatten. Jedenfalls wurden wir mit einem Werksbus nach Emden zur Fähre gefahren und ich hatte mich sehr gefreut, ans Meer zu dürfen. Ebenso an Bord mein vier Jahre älterer Bruder, den ich aber auf Borkum nicht so oft gesehen habe, da er in eine andere Gruppe kam.
Wir kamen ins Dünenhaus, in dem „Schwester Allmuth“ Regime führte. (Wieso hieß die eigentlich „Schwester“?)
Gepäck und Geld mussten wir abgeben; das wurde „von oben“ eingeteilt. Da hatte ich zwischenzeitlich ein großes Problem, weiland mich ein Durchfall quälte und ich nicht an eine saubere Unterhose kam.
Nach der Ankunft wurde ich gefragt, ob ich zum zu- oder abnehmen dort sei. Als ich das nicht wusste kam ich in die Zunehmgruppe. Unterkunft war ein Zimmer mit etwa 10 Betten (es könne auch 8 oder 12 gewesen sein). Darin waren 12 (14?)Jungen untergebracht, sodass des Abends noch zwei Feldbetten dazwischen geschoben wurden. Für persönliche Dinge gab es einen Hocker mit einem Fach von der Größe zweier Schuhkartons. Alles andere war unter Verschluss.
Geduscht wurde auf Komanndo von oben; wir mussten je zu viert splitternackt unter den Augen einer Erzieherin duschen, was mich sehr mitgenommen hat.
Schwester A. ging man am Besten aus dem Weg; die Leiterin meiner Gruppe war ein sechszehnjähriges Mädchen, das auf der Insel lebte. Manchmal saß es tränenüberströmt da und musste von uns Kindern getröstet werden – Schwester A. hat…
Manchmal mussten wir Gymnastik machen. Irgendeine weibliche Person kommandierte dann militärisch. Wir mussten antreten und wenn wir nicht ihren Vorstellungen entsprechend gerade standen, ergriff sie von hinten die Schultern und brach einem fast die Schlüsselbeine.
Zweimal muss ich wohl sehr böse gewesen sein. Ich durfte zur Strafe nicht am Besuch des Feuerwerks und an der Wattwanderung teilnehmen.
Ob der nächtliche Gang zum WC reglementiert war, weiß ich nicht mehr. Dass jemand drangsaliert wurde, seinen Teller leer zu essen, erinnere ich ebenso wenig.
Als ich ein Päckchen von meinen Großeltern bekam, vermutlich anlässlich meines Geburtstages, wurde die darin befindliche Schokolade sozialisiert; jeder in der Gruppe bekam ein Stück, ich den Rest. Juristisch natürlich ein Skandal. Hier bin ich aber in meiner sozialen Einstellung hin und hergerissen. Ich genehmige das im Nachhinein – den anderen hätte ja sonst das Herzchen geblutet.
Es hat aber auch nette Augenblicke gegeben, am Strand z.B. oder bei einer Schifffahrt zu den Seehundsbänken oder beim abendlichen Singen zur Gitarre auf der Terrasse.

Ob ich einen bleibenden Schaden davon getragen habe? Ich weiß nicht.
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Tanja Städter aus Hannover schrieb am 04.04.2022
ich war Ende der 70er, Anfang der 80er, ich weiß es nicht mehr genau, im Kinderkurheim Asental, verschickt über VW.
Nachts Toilettenverbot, ein Topf stand im Zimmer. Die Treppe nach oben mit Podest in der Mitte, auf der Nachts der Schäferhund Rex untergebracht war, damit wir nicht weglaufen. Essenszwang, ich habe mich vor Ekel mehrfach erbrochen.
Jeden Morgen zwei Teller Haferscheimsuppe.
BRIEFZENSUR.
Einige Mädchen, darunter ich, mussten uns mit entblößtem Oberkörper auf Gartenstühlen in die Sonne vor das Haus setzen, weil wir Stadtkinder so blass seien. Einwände, dass ich vom Dorf komme und draußen quasi den ganzen Tag verbringe, galten nicht. Wir hatten schon ein wenig Brust und ich habe es sehr demütigend empfunden. Auch starrte ins der Gärtner währenddessen unentwegt an.
Frau Schelper, die Leiterin, hinkte, wohl nach einem Zusammenstoß mit einem Schafsbock. An eine Frau Kaufhold erinnere ich mich auch.
Einige Jungen sperrte man nachts in die Sanitärräume.
Jeden Tag entlose Wanderungen durch den Wald, keine Chance, sich Hilfe zu suchen. Christine Zimmer schrieb heimlich einen Brief nach Hause, sie hatte nie die Gelegenheit, diesen irgendwo in einen Briefkasten zu werfen.
Christine Zimmer, Kerstin Broska, Britta und Margitta John. Doris Ehrlich... Namen anderer Mädchen, die mir in Erinnerung geblieben sind.
Das Gebäude Villenartig, ein Reitstall in unmittelbarer Nähe. Ein langer Kiesweg zum Eingang, hoch gezäunt mit Schmiedeeisen.
Alles in allem noch immer traumatisch, geglaubt hat mir zuhause niemand.
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R.Beck aus Deidesheim schrieb am 04.04.2022
Mein Name ist R.Beck,
ich dachte immer ich sei ein Einzelfall, bis ich diese Seite vor kurzem entdeckt hatte,,,,,,
Ich war mit 12 Jahren 1977 im August im Verschickungsheim Dünenheim in Langeoog,meine Eltern hatten mich hin gefahren weil sie dachten mir was Gutes zu tun,der Skipper der das Boot zur Überfahrt fuhr, wurde von 2 Damen total Besoffen zum Boot gebracht,dem entsprechend war auch die Unvergessliche Überfahrt.In der Pension auf Langeoog ;wo meine eltern 1. nacht blieben sagten mir meine Eltern später hätte die hausherrin gesagt wenn der junge hunger hat soll er zu mir kommen ich gebe ihm was zu essen,ich bekam überwiegend 6 wochen lang Leber mit einem ekelhaften pürre und einer noch schlimmeren sauce zu essen weil damals die Mediziner irrtümlicher weise glaubten, das Leber gut für Asthma sei,ein kind wollte nach den ersten tagen durchs Fenster flüchten, weil es so Heimweh hatte,Besuch war ja verboten,als ich nach Hause kam, hatte ich eine doppelseitige Lungenentzündung, hatte 5 tage lang Blut gebrochen und 41 crad fieber,laut unserem Arzt war ich nicht mehr transportfähig und lag im sterben !der arzt sagte zu meinen Etern jetzt wörtlich"wenn derJunge noch einen Zug bekommt ist er tot"im nachhinein macht es mich richtig sauer was diese "Menschen"mit uns Kindern gemacht haben,was man auch so liest, haben diese Leute auch mit manchen von uns Tablettentests gemacht,,Ich wurde mit 5 Jahren 1970 das 1. mal Verschickt,,,viel zu Jung viel zu lange alleine,,,,,,
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Werner Hein aus 45968 Gladbeck schrieb am 03.04.2022
Ich war im o.a. Zeitraum 6 Wochen im angegebenem
Kinderkurheim als 12Jähriger untergebracht .
---sehr negative Erlebnisse---
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Werner Hein aus 45968 Gladbeck schrieb am 03.04.2022
Ich war im o.a. Zeitraum 6 Wochen im angegebenem
Kinderkurheim als 12Jähriger untergebracht .
---sehr negative Erlebnisse---
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Nadine Müller aus Baesweiler schrieb am 03.04.2022
Ja , was soll man dazu sagen , man wurde jeden Morgen mit Haferflockensuppe gemästet , Briefe und Pakete gab es vorm schlafen gehen und danach blieb man mit seinen Tränen alleine und wurde ausgeschimpft, wenn man zu laut weinte , zur Toilette gehen während der Mittagsruhe oder sobald Bettzeit war , ein No -Go , aber im Gegensatz zu anderen Schicksalen, habe ich wirklich Glück gehabt . Es war die Zeit in der wir vom Elternhaus gelernt hatten zu funktionieren und je nach Alter des Kindes und das Ausmaß der Misshandlung , hat dieser Aufenthalt unterschiedliche Auswirkungen auf das spätere Leben gehabt.
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Iris schrieb am 02.04.2022
Ich wurde damals zwei Mal in den Schwarzwald und einmal in ein Kurheim ins Sauerland geschickt. Diese Zeit dort hat mich geprägt. In erster Linie und vor allem die Zeit in dem Kurhaus im Schwarzwald. Ich war damals zu jung um ich zu wehren, heute würde ich mir das nicht mehr gefallen lassen. Den Namen von demjenigen der damals in charge war, bzw. verantwortlich für dieses Heim war habe ich bis heute nicht vergessen.
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Mona schrieb am 01.04.2022
Hallo hier ist Mona nochmal,
soll ich sagen leider oder Gott sei Dank, habe ich noch keinen weiteren Bericht in Bezug dem AWO - Kinderheim in Rechtis-Weitnau im Allgäu gefunden.
Ich kann mir jedoch kaum vorstellen dass ich dort die einzige gewesen bin. Falls sich jemand doch noch erinnert würde ich mich über den eventuellen Kontakt-Austausch doch freuen. Auch um zu hören ob es denn gesamt in dem Kinderheim genau so ablief wie ich es hier in all - den "zeugnis-berichten" lese.
Weiterhin euch allen, alles Gute und Gesundheit.
Viele Grüße Mona
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Kontakt Wunsch: Kontakt: Erwünscht
Katrin Siggelkow aus Werneuchen schrieb am 31.03.2022
Ich war im Alter von 6 Jahren im Kinderkurheim Clara Zetkin in Halle und habe in den 4 Wochen die Hölle auf Erden erlebt. Ich habe mir viele Erfahrungsberichte angeschaut und bin erschüttert, wie vielen Kindern Ähnliches widerfahren ist. Auch ich möchte meine Erfahrungen öffentlich machen, um bei der Aufklärungsarbeit beizutragen und bin nach so vielen Jahren dazu in der Lage.

Die Erinnerungen an diese Zeit sind eher bruchstückhaft. Ich weiß, dass es eine Kur sein sollte, in der ich zunehme, da ich schon immer untergewichtig war. An Mahlzeiten kann ich mich gar nicht erinnern, was wohl auf Verdrängung hinweisen kann. Allerdings sind die anderen Erinnerungen, die ich noch habe, eher schockierend und decken sich in großen Teilen mit Erfahrungen anderer in diesem Forum. Zum Beispiel durften wir nachts nicht zur Toilette und wer ins Bett machte, wurde bestraft und vor allen Kindern bloßgestellt. Auch an das eiskalte Duschen mit Wasserschlauch kann ich mich lebhaft erinnern. Leider existiert die Postkarte nicht mehr, diese wurde von den Betreuern geschrieben und nach Hause gesendet.

An einem Tag hatte ich etwas wie Kaugummi im Haar und die "Betreuerin" hat mir daraufhin die Haare in großen Teilen abrasiert. Das war sehr schlimm, ich weinte und musste vor allen Kindern zeigen, was passiert war.

Die sogenannte Kur war in der Vorweihnachtszeit und über Nikolaus. Am Abend des 5.12. besuchte der Nikolaus die Schlafsäle mit den Worten "Wer jetzt noch wach ist, bekommt die Rute zu spüren". Wir waren etwa 20-30 Kinder und er ist an jedes Bett gegangen und hat jedem Kind mit einer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet. Ich war wach, habe vor Angst die Augen zugekniffen und ins Bett gemacht. Der Nikolaus hat die Bettdecke weggezogen um mich mit der Rute zu schlagen und hat gesehen, dass ich ins Bett gemacht habe. Am nächsten Morgen gab es für mich kein Pfefferkuchenhaus wie für andere Kinder, mein Platz war leer. Ich wurde zusätzlich wieder vor allen bloßgestellt, weil ich ja ins Bett machte.

Ich kann mich auch noch an eine Situation erinnern, in der mir gesagt wurde, dass ich Spielsteine aus Holz gestohlen hätte. Meine ganzen Sachen wurden durchwühlt, obwohl ich das nicht gemacht habe.

Ich weiß, dass ich mich in der Zeit sehr einsam und allein gefühlt habe, kann mich auch kaum an andere Kinder erinnern. Ich denke, dass ich dort sehr introvertiert war, weil ich auch mehrfach vor den anderen bloßgestellt wurde und Gewalt an der Tagesordnung war.

Nach Hause ging es mit dem Bus. Ich kann mich erinnern, dass ich mich nicht freuen konnte, nach Hause zu kommen. Ich war wohl viel dünner als zuvor, weshalb ich auch denke, dass ich dort eine schlechte Esserin war und die Erinnerungen daran verdrängt habe.
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Kontakt Wunsch: Kontakt: Erwünscht
Heiko Lukait-Beer aus Bremerhaven schrieb am 31.03.2022
Es hieß ja Kinderkur damals und meine Mutter (alleinerziehend mit 4 Söhnen) dachte sicherlich, dass es ihrem kleinsten, mickrigsten Sohn gut tun würde. Die Verschickung ging übers Gesundheitsamt Bremerhaven damals. Ich war gerade 9 geworden, zu klein, zu asthmatisch, zu neurodermitisch.
Dass ich dort nicht ganz allein wäre, wurde meine etwas ältere Cousine mitgeschickt, nur waren Jungs und Mädchen strikt voneinander getrennt. Ich sah sie nur zu den Mahlzeiten hinter einer Glasscheibe.
Ich war zuerst im 'Eselzimmer' untergebracht, dass ich dann aber mit einem älteren tauschen musste, mein neues Bett lag in einem Mehrbettzimmer direkt unter einem permanent offenstehenden Fenster, es war Winter. Morgens standen wir alle nackt um ein rundes Steinwaschbecken herum, dort wurden wir eiskalt abgeduscht und mussten ständig mit Salzwasser gurgeln oder dieses sogar trinken. Ständig musste ich 2 Portionen essen, dem Haferflockenbrei wurde dann noch Kakaopulver untergemischt, dass er noch schwerer war und ich mich eigentlich nur noch übergeben musste. Dieses Wellenbad mit dem höhenverstellbaren Boden habe ich in sehr schlechter Erinnerung, ich konnte noch nicht gut schwimmen und Hilfe war weit und breit keine. Mir war eigentlich permanent kalt. Die Erzieherinnen waren, bis auf eine junge blonde Frau, ziemlich garstig und die Heimleiterin ließ sich 'Tante' Maria nennen. Jahre später fiel mir auf, dass wir mit ihr ständig Nazilieder singen mussten, leider kann ich mich bis heute an diese schrecklichen Texte erinnern.
Wir sind am 20. Dezember nach 6 Wochen dort, wieder nach Hause geschickt worden, es war somit die Vorweihnachtszeit und ich kam als übergewichtiges Kind, ziemlich traumatisiert wieder nach Hause, wurde dann durch das Übergewicht zur besten Zielscheibe von Mobbing in der Schule. Diese Erfahrungen haben mein Leben nachhaltig negativ beeinflusst.
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F.K. aus Schweiz schrieb am 31.03.2022
„Verschickungserfahrung“

Das ging damals – im Jahr 1955 – voraus:
Krankenhaus 1955 (Spitalhaft)
Ich habe wohl von Natur aus sehr trockene Schleimhäute. Und so litt ich schon als Kind sehr oft unter Nasenbluten. Im Spätsommer des Jahres 1955 war das wieder einmal so stark, dass man es nicht mehr stoppen konnte. Inzwischen war wohl fast das ganze Nachttöpfchen voll Blut und man wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als mich notfallmässig ins Krankenhaus Remscheid zu befördern. Hier hat man das Nasenbluten irgendwie zum Stillen gebracht. Anstatt mich nachher wieder nach Hause zu entlassen, fanden es die Ärzte wohl interessanter, an meinem Asthma herum zu doktern. „Die Mandeln sind im Weg, die müssen raus, dann kann er viel freier atmen“, so behaupteten die Ärzte. Und sie haben meine Eltern überzeugt, diesen Eingriff bei mir vornehmen zu lassen. Die Meinung der Männer im weissen Kittel traute man sich dazumal nicht in Frage zu stellen...
Ich weiss bis heute noch, wie man mir diese eklige Ätherkappe auf die Nase drückte, ja, wie es roch und man mir nachher die Mandeln, die der Schöpfer doch aus irgendeinem guten Grund auch für mich eingeplant hatte, heraus schnitt.
Was das Asthma betraf, hatte es nicht den erhofften Erfolg – und so probierte man noch eine Massnahme aus. Ich wurde mit Penicillin vollgepumpt (das war damals gerade die Zeit, in der man die Wirkung von Penicillin entdeckt hatte).
Jeden Tag mehrere Spritzen, mein Oberschenkel und mein Arm waren nach einigen Wochen ziemlich lädiert von den vielen Einstichen. Und mein Seelenzustand war auch lädiert, weil Besuch im Krankenzimmer damals noch untersagt war. Am Sonntag-Nachmittag standen dann jeweils für 1 bis 1.1/2 Stunden verschiedene Elternpaare vor einem kleinen ovalen Fensterchen in der Eingangstür und durften uns Kindern im Krankenzimmer winken. Die Türe blieb geschlossen und so konnte man sich nur mit mehr oder weniger gut gemeinten Gesten unterhalten. Und wir Kinder hätten eine Umarmung und ein beruhigendes Wort unserer Eltern so dringend gebraucht. Diese Spitalhaft dauerte volle 6 Wochen. Weil auch das noch nicht den erhofften Erfolg brachte, dachten sich die Ärzte noch etwas aus: der Junge muss an die See.

3 Monate auf Norderney („Erholungshaft“)
- ein Hospiz, das von den ehemaligen pommerschen Krankenschwestern geleitet wurde.
Und so wurde ich entlassen, um die Reise an die See anzutreten. Eine knappe Woche liess man uns, um zuhause die Reise vorzubereiten. Bei alledem wusste ich als 11-jähriger nicht so recht, wie mir geschah. Irgendwie muss es den Eltern wohl gelungen sein, mich zu überreden, so dass ich brav mitgemacht habe. Niemand aus der Familie war jemals am Meer gewesen und so sei ich der Erste, der dieses Vorrecht haben würde. Und dann noch dieses „Privileg“: unser Hausarzt Dr. Neudörfer habe doch dafür gesorgt, dass die Krankenkasse die Kosten übernehme – und so solle ich schön mitmachen und aushalten. Wenn man das Ganze abbrechen müsse, dann müssten die Eltern die Kosten selbst übernehmen und das Geld hätten sie nicht.

Ich habe nur den Abschied auf dem Wuppertaler Hauptbahnhof noch vor Augen – Tante Mariechen (Vaters Schwester) aus Barmen war extra gekommen, um mir Adieu zu sagen – und dann wurde ich von einer Krankenschwester, die ein spezielles weisses Häubchen trug, unter die Fittiche genommen. Wenn man mir damals gesagt hätte, dass dieser Aufenthalt volle 14 Wochen dauern werde, wäre ich wahrscheinlich fortgelaufen. Mit der Dauer des Krankenhauses waren es dann zusammen 20 Wochen, die ich von Daheim fort war. Je näher wir der Nordseeküste kamen, umso mehr Kinder stiegen in den Zug ein.

Und dann kam die eindrucksvolle Überfahrt mit der Fähre Friesia IV.
Und am Hafen in Norderney der geordnete Gang in Reih und Glied zum Seehospiz. Dieses Hospiz bestand aus mehreren Gebäuden, in denen an die 500 Kinder untergebracht waren. In einem riesigen Schlafsaal mit ca. 100 Betten wurde mir irgendwo mittendrin ein Bett zugewiesen, d.h. eher eine Pritsche mit magerem Bettinhalt.

Schläge
Den ersten Abend werde ich für mein ganzes Leben nicht mehr vergessen, denn hier wurde an mir ein Exempel statuiert. Es wurde uns unmissverständlich eingeschärft, dass absolute Ruhe im Schlafsaal zu herrschen habe. Am Schlafsaal angrenzend gab es eine Türe mit einem Fensterchen ins Schwesternzimmer. Dass hinter dem Fensterchen die Spähaugen der Aufsichtsschwester alles mitbekamen, was im Schlafsaal vor sich ging, wurde uns später eindrücklich vor Augen geführt. Jedenfalls war es so, dass ich meinte, irgendjemand von uns Buben verursache Lärm, indem er gegen das Bett schlage. Und so erhob ich mich ein wenig, um zu sehen, wer das sei und rief wohl etwas zu laut: Ruhe.
Ich wusste nicht, dass diese Geräusche Warngeräusche der Aufsichtsschwester waren, die dieses Signal an ihrer Türe an uns weitergeben wollte. Und dann geschah es: nachdem ich es gewagt hatte, umher zu sehen und „Ruhe“ zu rufen, ging diese Tür mit einem Mal auf und spukte eine wütende Krankenschwester aus. Diese kam schnurstracks (d.h. auf direktem Weg) zu mir und verprügelte mich derart, wie es noch niemand in meinem kurzen Leben jemals getan hatte. Sie hat mich an den Haaren aufgezogen und die Schläge prasselten von allen Seiten auf mich – mein Bett sah aus, als hätte man eine Schlacht veranstaltet und überall lagen meine Haare als stumme Zeugen dieser Prügelveranstaltung herum, die übrigens von eindeutigen Drohungen begleitet war.
Ich weiss nicht mehr, wie ich diese Nacht überstanden habe und ob ich überhaupt noch in der Lage war, Tränen zu vergiessen – so sehr war ich geschockt.
Irgendwie muss sich doch mein Heiland über mich erbarmt haben, denn ich bin
erschöpft von der Prügel eingeschlafen. Am nächsten Morgen mussten wir alle neben dem Bett Aufstellung nehmen und dann wurde uns das „Bettmachen“ gezeigt. Zusammenlegen des Pyjamas, quadratisch als Häufchen auf den neben dem Bett platzierten Hocker, glatt ziehen des Leintuches, Einstecken der Bettdecke mit Wolldecke und 20 oder 30 cm aufschlagen etc. Jeden Tag wurde unser Werk begutachtet und wenn irgendwo Falten auf der Bettdecke zu sehen waren, wurde das ganze Bett bis auf die Matratze auseinander gerissen und das Werk durfte von vorne beginnen.
Für den gemeinsamen Waschsaal gab es klare Anweisungen und eine Aufsicht, die alles kontrollierte. Ebenso wurden uns militärische Tischmanieren andressiert und unmissverständlich klar gemacht, dass man alles zu essen hatte, was serviert wurde.
Das war ein Problem für mich, weil ich damals keine Tomaten und demzufolge auch keine Tomatensuppe essen konnte. Und weil ich das dann eben doch musste, fand diese Suppe wieder den Weg nach oben... und das hatte natürlich Folgen, die ich hier aber nicht mehr im Detail beschreiben will.

Der Leser merkt bereits, dass dieser Aufenthalt, der ja als so genannte Erholung bezeichnet wurde (so hiess das damals. Man sagte: er ist zur Erholung fort), für mich keine Erholung war, sondern eher eine Tortur. Ich litt unter starkem Heimweh. Briefe von daheim und unsere Post nach daheim wurde alle gelesen (zensiert). Im Nachhinein bin ich auch überzeugt, dass meine Hinweise, mich hier weg zu nehmen, meine Eltern nie erreicht haben. Ich habe keinen einzigen ungeöffneten Brief bekommen. Päckchen mit gut gemeintem Inhalt wurden für alle verteilt. Ich habe kein einziges Päckchen von daheim selbst in die Hand bekommen – nur einmal wurde mir ein Quartett ausgehändigt, weil eine Tante so clever war, darauf zu schreiben „Eigentum von Friedhelm Kesper“.

Etwas hat sich mir aber damals ganz stark eingeprägt: ich habe nicht nur Heimweh nach daheim gehabt, ich hatte auch Heimweh nach der christlichen Versammlung (so nannte man damals die evangelische Freikirche).
Was hätte ich dafür gegeben, wieder einmal in der Versammlung still sitzen zu dürfen und diese Atmosphäre zu fühlen. Das war nichts Oberflächliches. Ich habe immer und immer wieder darüber nachgedacht und fand es damals schon recht erstaunlich. Denn Versammlung, das hiess zu dieser Zeit: Sonntag-Vormittag und Nachmittag. Das war der normale Sonntag. Am Abend lud man Gäste ein oder war selbst von jemand eingeladen.
Für uns Kinder war es eine ziemliche Herausforderung, so lange still zu sitzen und doch habe ich diese Atmosphäre schmerzlich vermisst.
Ich denke: hier hat mir Gott eine tiefe Liebe zur Gemeinde geschenkt, die mein Leben so stark geprägt hat, die bis heute geblieben ist.

Neben all dem Schweren aus dieser Zeit in Norderney, gab es auch viel Schönes: die Wanderungen am Strand oder in den Dünen, der wöchentliche Besuch im Wellenbad oder der Hafenrundgang. Spannend war auch, mitzuerleben, wie es Sturmfluten oder einmal sogar eine Hochflut gab, wie Teile der Insel überschwemmt waren und so weiter.
Aber auch in jener Zeit hatte ich Asthma-Anfälle. Dann wurde ich im Saal auf eine Pritsche im hinteren Teil verwiesen, wo man mich einfach liegen liess und nach geraumer Zeit wieder holte. Einmal hat man mich total vergessen und ich bin dann wohl eingeschlafen, weil ich mich nicht getraute, einfach alleine aufzustehen.
Jede Woche war Arztvisite, man wurde gewogen und weil ich nach den ursprünglich vorgesehenen 11 Wochen noch nicht zugenommen hatte, wurden mir 3 Wochen Verlängerung aufgebrummt. Das war eine ziemliche Enttäuschung für mich.
Irgendwann kam dann doch das Ende jener „Rekrutenzeit“ und wir durften endlich nach Hause. Ich wusste aber nicht mehr so recht, wie es zuhause in meiner Familie war und so kam ich mit gemischten Gefühlen zurück. Am Abend habe ich meine Kleider (wie in Norderney eingetrichtert) auf einem Hocker als quadratischen Stapel wohlgeordnet gelegt, und alleine dies löste bei Mutter und er älteren Schwester Schwester ziemliches Staunen aus. Daneben muss ich wohl auch einen eingeschüchterten Eindruck hinterlassen haben.
Die Freude, wieder zuhause zu sein, war noch nicht bei mir angekommen.
Als alles still in der Wohnung war, und ich in meinem Bettchen lag, hat man sich am Familientisch noch unterhalten und meinte wahrscheinlich, dass ich schon schlafe.
Aber alles war so ungewohnt für mich, das ich eben noch lange wach lag und dann hörte, wie einer zum anderen sagte, er ist nicht mehr derselbe, was hat man wohl mit ihm gemacht? Ja, ich weiss nicht so recht, wie ich das als 11jähriger alles verarbeitet habe. Jedenfalls habe ich mich sehr auf den nächsten Sonntag und die Gemeinde gefreut.

Aufarbeitung / Vergebung
Die Norderney-Erfahrung war im Jahr 1955. – 47 Jahre danach, also im Jahr 2002 habe ich mit meiner Frau, Louise zusammen eine Ferienwohnung auf Norderney gemietet. Es hatte mich nicht mehr losgelassen. Ich musste nochmals dahin und diesen Ort, das Seehospiz aufsuchen. Und wie es der „Zufall“ will: unsere Ferienwohnung lag schräg gegenüber dieses Heimes, das damals ein Heim für Mütter und Kinder geworden ist.
Ich habe es mir von aussen betrachtet, die Backsteinfassaden waren noch genau wie früher. Wir sind hinein gegangen und ich meinte, den Geruch von damals zu riechen. Ich habe dann jemand gefragt, ob ich mal kurz durch das Gebäude gehen dürfte - aus eben jenen Gründen. Leider hat man es mir nicht gestattet, was mich schon sehr befremdet hat.
Ich wollte das Kapitel jedoch abschliessen und habe dann in einer ruhigen Stunde ganz bewusst den damaligen Schwestern im Gebet Vergebung zugesprochen.
Damit ist Norderney und die Heimerfahrung zwar beendet – doch vergessen kannst du so etwas nicht. Noch Jahre später – wenn ich auf Reisen in Deutschland Schwestern in jener Tracht begegnete wie auf Norderney – lief es mir eiskalt den Rücken hinunter – und wie ein Film lief alles vor meinen Augen wieder ab.
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Claudia Brückner aus Erftstadt schrieb am 31.03.2022
Hallo,
Mein Name ist Claudia Brückner.
Ich wurde im Alter von ca. 5 Jahren für 6 Wochen nach Bad Dürrheim geschickt, weil ich blass und zu "mager" war. Der Kunderarzt hatte es angeordnet. Leider weiss ich nicht mehr, ob ich in Haus Hohenbaden oder im Luisenheim war. Ich erinner mich an Nonnen oder Schwestern . Ich durfte kein Spielzeug mitnehmen, mein Vater kaufte mir am Bahnhof einen Hasen, das war das Einzigste.
Das Essen musste immer aufgegessen werden, manchmal sahs ich bis spät noch alleine am Tisch. Ich erinnere mich an ein Zwillingsgeschwisterpaar...die eine zu dick, die andere zu dünn. Beim Mittagessen, hat die der anderen heimlich beim Essen geholfen, damit die Schwester keinen Ärger bekommt, bis sie sich übergeben musste. Ich glaube sie musste es säubern oder wurde bestraft.
Ich erinner mich an Schlafensräume und einen langen Flur, an den Türen hielten die Schwestern Wache, weil wir nicht sprechen durften. Einmal musste ich lachen und ich wurde in eine Besenkammer gesperrt, mein Hase wurde mir weggenommen, weil ich ihn aus dem Koffer holte.
Ich sehe uns Kinder noch schweigend, in 2-er Reihe zum Sandkasten laufen....
Ich weiss noch, dass es eine kleine Turnhalle gab mit Frühsport.
Ich kann mich nicht an Spielen erinnern, auch nicht an Bäder. Ich möchte meine Lücken füllen und suche Menschen, die zur gleichen Zeit da waren.
Ich habe schon so lange eine tiefe Traurigkeit in mir und Verlustangst, ich habe Angst vor kleinen Räumen und vor unter Wasser getaucht zu werden.
Wenn ihr auch in dem Zeitraum in Bad Dürrheim wart, dann bitte meldet euch....
Und allen Anderen wünsche ich abschließen zu können, durch Aufarbeitung und einen grossen Dank an alle Menschen, die daran mitarbeiten, dass das möglich ist.
Danke, Claudia Brückner
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Patrick Preussen aus Frankfurt am Main schrieb am 29.03.2022
Im März und April 1973 war ich in Mambach mit fünf Jahren zur allgemeinen Erholung und wegen Atemwegserkrankungen. Die Zeit war schrecklich und ich habe mich jeden Tag auf die Rückfahrt gefreut. Allerdings gab es auch Leute – vor allem ältere – die ordentlich Spaß hatten.

Viele litten wie ich unter Heimweh und Einsamkeit. Besonders schlimm fand ich, dass keine Telefonate mit den Eltern erlaubt waren. Die Begründung: Das würde das Heimweh noch verschlimmern. Immerhin durften an meinem sechsten Geburtstag die Eltern mich anrufen.

Die Zimmer waren mit drei oder vier Stockbetten ausgestattet. Auf dem Flur gab es einen Ganglautsprecher. Was dort verkündet wurde, habe ich mit einer Ausnahme vergessen. Eines Abends erzählte der Pfarrer der auf dem Berg gegenüber liegenden Kapelle von Flugzeugen, die Bomben abwarfen und anderen Grausamkeiten. So erfuhr ich - im Kinderheim allein im Bett - völlig unvorbereitet vom Zweiten Weltkrieg.

Irgendwann hatte ich den Bettbezug an den Knöpfen geöffnet und mich darin verkrochen, weil es sich geborgener anfühlte. Dazu lutschte ich mit dem Daumen die Ecken des Textils auf. Die Erzieherinnen – Tante Waltraud und Tante Gudrun – müssen das wohl entdeckt haben. Jedenfalls präsentierte die Heimleiterin den Bettbezug vor allen anderen beim Frühstücksraum und ich musste vor die Gruppe treten. Tränen, Schimpfe und keinen Trost!

Wir mussten viel wandern. Eigentlich keine schlechte Sache, aber die Großen erzählten immer von Blasen und durften dann im Heim bleiben. Ich wusste nicht, was eine Blase war. Nach Frankfurt zurückgekehrt, stellte mein Vater fest, dass ich auch eine hatte. Vielleicht wäre es an den Erzieherinnen gewesen, besser nach den Kindern zu schauen.

Ich erinnere mich noch daran, dass viele Kinder aus dem Ruhrpott kamen. Es gab Leute, die mussten immer zum Wiegen. Am Tag vor der Heimreise mussten wir unsere Pullover linksherum tragen, damit sie nicht schmutzig werden können.
Nach allem was ich gelesen habe, muss es in den Jahren davor noch schlimmer zugegangen sein. Mir bleibt jedoch unklar, wie so etwas noch in den siebziger Jahren existieren konnte nach aller gesellschaftlicher Gegenbewegung in dieser Zeit. Auch würde mich interessieren, was in den Köpfen der jungen Erzieherinnen vorgegangen ist.
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ulla aus nürnberg schrieb am 25.03.2022
Hallo, ich war 1967 im Alter von 3 Jahren für sechs Wochen in der Villa Dürkopp in Bad Salzuflen.
Dann im Dezember 1971 im Alter von 7 Jahren für sechs Wochen in einem Kinderkurheim, von dem ich leider nur Fotos habe.
Ich wüsste anhand der Fotos gerne, wo das gewesen ist 1971.
Hoffe ihr könnt mir helfen. War eine sehr schlimme Zeit für mich (Heimweh, nur "liebe" Briefe schreiben, Psychopharmaka, Esszwang, Wegsperren in den Keller u.a.
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Monika aus Duisburg schrieb am 24.03.2022
Im Alter von 5 Jahren war ich vor Ostern 1963 für 6 Wochen in Mülheim im Kloster Saarn. Wenn ich hier die Geschichten lese, die ich so oder ähnlich auch erlebt habe, frage ich mich, wie unsere Eltern das zulassen konnten. Selbst doch erst gerade dem Krieg entronnen. Meine Mutter hatte immer erzählt, wie sehr sie selbst im Pflichtjahr gelitten hatte. War aber ein großes Mädchen zu dieser Zeit. Und da schickt meine Mutter ihr kleines fünfjähriges Mädchen zur "Kur". Unverständlich.
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Wolfgang Fürstner aus Berlin schrieb am 23.03.2022
Da mein Vater im Juli 1944 gefallen ist, ist meine Mutter nach der Flucht aus Breslau in Mpnchen gelandet. Ich war von 1945 bis 1949 in einem Kinderheim in Greinau (?) oder Oberammergau. Das katholische Kinderheim wurde angeblich vom schlesischen Nonnen geleitet. Wer hat Informationen darüber? Wolfgang Fürstner
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Kallenbach aus Berlin schrieb am 23.03.2022
Wie kann man man herausfinden in welchem Heim man gewesen ist?
Meine Schwester und Cousine waren 1971 auf Kur dort. Beide waren vier Jahre alt und sollten dort aufgepäppelte werden weil beide sehr dünn waren

Wir wohnten damals in Bensberg und Bergisch Gladbach
Welches Heim könnte es gewesen sein.
Krankenkasse war die Barmer

Beide kamen ziemlich traumatisierte zurück und haben sich nicht davon erholt
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Jan aus Hamburg schrieb am 20.03.2022
Hallo ich war ca 1987 im Hochwald Sanatorium, ich habe schreckliche Erinnerungen an die Trennung von meinen Eltern, den Vertrauensbruch, die Bestrafung allein zu sein und ausgeschlossen zu werden, wenn man nicht machte was gesagt wurde, dass Ausgeliefertsein bei Untersuchungen ohne Erklärung was grade gemacht wird. Nur eine Frau dort war nett zu mir, ich tat ihr wohl leid wegen meinem schlimmen Heimweh, bis heute habe ich mit den psychischen Folgen zu kämpfen, LG Jan
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Stefanie Schilling aus Offenbach schrieb am 19.03.2022
Ich Stefanie Schilling war 4 Jahre alt als ich verschickt wurde meine erste Erfahrung hatte ich gleich am 1 Tag einem Montag meine Eltern gaben mich ab und versprachen mir mich Donnerstags wieder abzuholen wären ja nur 3 Tage Donnerstags saß ich dort i. Heim am Fenster und wartete auf meine Eltern sie kamen nicht statt dessen bekam ich eine Puppe Aneliese hatte ich sie genann
Danach 4 Tage später war es abends die Höhle
Ich ging selbstständig aufs Klo und zog natürlich auch ab das hätte ich aber nich gedurft weil man es sich ansehen wollte ich sag einfach nur abartig
Ich wurde ins Bett gesetzt auf einen Topf gestzt mußte natürlich nicht was die Erzieherinnen dann auch merkten man sagte mich mach nicht ins Bett
Sonst versohlen wir dir den Hintern 5 Std. War es passiert hatte vor lauter Kummer ins Bett gemacht
Man versohlte mir den Hintern ich schrie ich geh zur Heimleitung wo ich Nachmittags auch war eine sehr nette Dame sie versprach mir in einer anderen Gruppe wohnen zu dürfen was dann auch am gleichen Abend noch war
Dies war mein Bericht zum Hochlandhaus in Freudenstadt
Würde mich freun über Nachrichten wer soetwas ähnliches dort erlebt
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Regina Goertz aus Ennepetal schrieb am 17.03.2022
Ich war 6 Jahre alt und meinen 7. Geburtstag "erlebte" ich dort in diesem Heim, von dem ich nicht weiss, wie es hiess. Ich kann auch Niemanden mehr fragen. Die Erlebnisse aber sind bis heute präsent an diese schrecklichen 6 Wochen. Ich war zu mager, deshalb wurde ich dorthin geschickt. Aber zugenommen habe ich dort nicht: Zum Frühstück gab es Brötchen, Sardellenpaste oder Buttercreme. Letztere kann ich bis heute nicht mehr essen, genauso wie den Schokopudding mit der dicken Haut. Den Würgereiz spüre ich immer noch in der Erinnerung und auch die Haut vom Geflügel. Alles musste aufgegessen werden, sonst sass man so lange am Tisch, bis der Teller leer war. Ich sah immer wieder ein Kind vor seinem in das Essen Erbrochenen auch noch am Nachmittag da sitzen und ich hatte schreckliche Angst. Deshalb hab ich die dicke Haut immer in die Backen geschoben und wenn man zur Toilette durfte, hab ich sie ausgespuckt. Ein Mädchen hiess Ursula und war, wie ich, aus Wuppertal. An meinem Geburtstag zeigte man mir ein Päckchen, das mir eine Tante geschickt hatte. Da waren Süssigkeiten drin - aber bekommen habe ich Nichts davon. Nach dem Mittagessen in dem riesigen Speisesaal, ich sass immer an der Wand mit vielen anderen Kindern auf einer Holzbank, musste der " Mittagsschlaf " eingehalten werden. Auf dem Rücken still liegen und man durfte nicht sprechen. Und auch nicht aufs Klo! Ein Mädchen machte oft ins Bett und wurde bloßgestellt, als Bettpisser beschimpft und mit nacktem Po musste sie still auf dem kalten Boden stehen, bis sie sich anziehen durfte. Ich war starr vor Angst und Weinen war verboten. Und immer hatte ich schreckliches Heimweh, aber es gab kein Telefon und die eine Postkarte, die in der Woche geschrieben werden durfte, wurde streng zensiert und bei Nichtgefallen zerrissen. Die "Flintenweiber", so habe ich die Wachen in den Fluren bezeichnet später, waren zur Mittagsruhe und am Abend und in der Nacht allgegenwärtig. Man hatte keine Chance unbemerkt zur Toilette zu kommen und es gab kein Pardon: Die Toilettenbesuchszeiten waren streng geregelt. Diese und noch viele, viele schlimme Erlebnisse habe ich erst so richtig realisiert, als ich einige Jahre älter war. Meinen Eltern habe ich all das auch erst erzählt, als ich erwachsen war. Als 7jährige nach diesen 6 Wochen habe ich von diesen Schrecken Zuhause nichts erzählt. Ich war danach noch schüchterner und dünner als vorher.?
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Miriam aus Schwerte schrieb am 10.03.2022
Ich bin dankbar, dass es diese Initiative gibt und hoffe, dass nun endlich hingesehen und verstanden wird, welch furchtbarer Missbrauch da an unschuldigen Kindern von inkompetenten und empathielosen "Erwachsenen" an Schutzbefohlenen ausgeübt wurde.

Ich komme aus Hagen / Westf. und wurde im Alter von 4 Jahren und erneut mit 6 Jahren zur Kur geschickt.
1981 nach Bad Salzufflen und
1983 nach Bayern.
Ich war ein "schlechter Esser" und sollte zunehmen.
Mir geht es wie den meisten hier, hatte meine Erlebnisse für einen Einzelfall gehalten, es gab irgendwie nie den Rahmen sich über das auszutauschen, was passiert ist.
Ich fuhr als aufgewecktes, quirliges Mädchen vom Hagener Bahnhof ab, wollte auf der Bahnfahrt mit allen Freundschaft schließen, teilte fröhlich meine Bonbons und kam nach 6 Wochen verstummt, eingeschüchtert und von mir selbst und meinen Gefühlen getrennt zurück. Ganze vier Jahre alt.

Ich erinnere mich auch an bitteres Heimweh, heiße Tränen und dass ich nicht weinen durfte.
Ich erinnere mich auch an den Tischdienst, Lätzchen, Teller und Becher wurden von den Kindern, die Dienst hatten verteilt, ich konnte mein Lätzchen noch nicht binden, machte einen Knoten und bekam das Ding nicht mehr alleine ab und versuchte verzeifelt das Bindeband abzureißen, mehr weiß ich dann nicht mehr...
Dann der Essenszwang, wir mussten Riesenportionen aufessen, bis zum Erbrechen. Ob ich dann weiteressen musste, weiß ich nicht mehr... Ständig hat ein Kind sich übergeben, das Essen war ekelhaft, komische Suppen mit Klumpen, doch "es gibt kein aber, aufessen!" war eine Pflicht. Wenn wir fertig waren bekamen wir einen Nachtisch, wenn wir einen leeren Teller vorzeigen konnten, ich musste oft bis zum Abedessen vor meinem Teller sitzen und spielte mit den Bindfäden am Lätzchen.
Ich erinnere mich an Trinkverbote, ich sollte mich "satt essen und nicht satt trinken"...die durstige Verzweiflung hat mich dann dazu verleitetet, heimlich beim Zähneputzen, das ebenfalls verbotene Leitungswasser zu schlucken. Mein Mund war so trocken, die Lippen aufgesprungen und geschwollen. Danach habe ich mich ebenfalls tagelang übergeben... Wir wurden regelmäßig gewogen auf einer großen alten Waage nur im Schlüppi, wartend und frierend, bis man an der Reihe war.
Schreiben konnte ich noch nicht, versuchte dennoch alles von der Tafel abzumalen, wie alle anderen auch, nur nicht auffallen.
Nachts musste man auf einer kalten Stufe hocken, wenn man beim heimlichen Klogang erwischt wurde.
Wir wurden verbal erniedrigt und eiskalt abgeduscht und im Keller gab es sehr heiße Bäder, ich sprang immer wieder raus, die Badefrau war aber lieb und hat schnell etwas kaltes Wasser zugefügt.
Mittagsschlaf war pflicht, regungslose Bettruhe und kein nächtlicher Toilettengang.
Es gab so viele Verbote und ich fühlte mich so verloren, so hilflos, so ausgeliefert. Auch die anderen Kinder waren nicht alle nett. Es gab keinen Schutz, keine Gewissheit, ob man die Eltern je wieder sah, nur pure Verzweiflung.
Als ich nach 6 Wochen endlich wieder zu Hause war, hab ich nicht viel erzählt, der Hölle entkommen mit gebrochener Kinderseele. Von meinen Handfächen und Fußsohlen löste sich großflächig meine Haut, ich konnte sie regelrecht wegklappen, darunter lag frische rosa, teilweise rote Haut, was ist da passiert? Allergie auf Sole? Zu heiß gebadet? Kennt das noch Jemand? Ich erinnere mich noch an den entsetzten Blick meines Opas, als ich ihm meine "Klapphand präsentierte. Ansonsten schien meine Veränderung nicht groß aufgefallen zu sein, die Haut wurde als Unverträglichkeit abgetan.

Ich hoffe, dass mit jedem Hinsehen und jedem ehrlichen Mitgefühl endlich Heilung in allen so unnötig verletzten ehemaligen Kinderseelen entstehen kann.
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Andrea aus REutlingen schrieb am 28.02.2022
Ich muss im Spätherbst des Jahres 1967 ins Allgäu verschickt worden sein, weil ich zu mager war.
Ich war auf alle Fälle über den Nikolaustag in der Verschickung, da ich, weil ich "nicht brav" war, nur eine leere Rute bekommen habe.
Ich war wenig zuvor erst eingeschult worden und konnte so gut wie noch nicht schreiben. Bis vor wenigen Jahren existierte eine Postkarte von mir, die nicht zu entziffern war. Leider hat meine Mutter diese inzwischen weggeschmissen. Ich erinnere mich an einen Brief, den ich diktieren sollte, und meine Angabe "ich habe Heimweh" wurde nicht geschrieben. Von diesem Brief weiß ich allerdings auch nicht, ob er jemals meine Eltern erreicht hat. Ich erinnere auch, dass andere Kinder ihre geschriebenen Briefe nach der Korrektur wieder zurück bekamen, weil sie "falsche Dinge" drin geschrieben hatten, wie z.b. Heimweh oder das Essen schmeckt nicht.
Ich weiß auch noch, dass wir Pakete von den Eltern erhalten haben, aber der Inhalt wurde sicher durchgesucht und dezimiert. Vom Nikolaus Paket habe ich dann nachträglich etwas erhalten.
Neben unserem Heim war ein Heim für adipöse Kinder, die uns über den Zaun hinweg um Essen angebettelt haben. Ich erinnere mich noch, das diese Kinder ihre Äpfel gegen unsere Nikolausschokolade eintauschen wollten.
Meine Mutter hat mich auf den Bahnhof in Reutlingen gebracht, von dort aus wurde ich dann mit dem Zug verschickt. Ich erinnere mich noch daran, dass mein Koffer nicht zusammen mit mir angekommen ist und ich zunächst einmal Notkleidung tragen musste, die mich angeekelt hat.
Ich meine mich auch zu erinnern, dass Schnee lag als wir ankamen, und es furchtbar kalt war.
Zur gleichen Zeit war ein Mädchen mit einer relativ frischen Blinddarmoperation mit mir untergebracht. Das weiß ich noch, weil sie einmal auf der Treppe nach oben in den Schlafsaal direkt vor mir zusammengebrochen oder gestolpert ist, und man mir die Schuld daran gegeben hat. Am Abend wurde mir daraufhin der nackte Hintern öffentlich versohlt.
Im Bett neben mir schlief ein Mädchen namens "Cordula" oder mit einem ähnlich klingenden Namen, die "im Balett war" und mir deswegen immer ihren Fuß ins Gesicht gestreckt hat, weil sie Spagat konnte. Ich habe natürlich versucht mich zu wehren, und wurde wiederum bestraft....
Wenn ich an diese Zeit denke, habe ich nicht viel mehr, als die hier geschilderten Erinnerungen, aber ein Gefühl der Angst, des Ausgeliefert und Verlassen-seins legt sich wie ein dunkler Mantel über mich. Jedes Detail, das an die Oberfläche steigt löst Übelkeit und Trauer aus.
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Silke b.... aus Pohlheim schrieb am 27.02.2022
War mit 6 Jahre in Dehrn Hessen ein halbes Jahr dort wegen meinem Spachfehler es hat nicht viel gebracht meine Eltern dürften mich nicht besuchen wegen angeblich dem Heimweh die mitgebrachte Spielsachen wurde mir entzogen und bei Entlassung nicht wieder heraus gegeben frechheit finde ich man musste Mittagschlaf halten da mit diesen gestressten Tanten mal ruhe hatten jeden Tag Therapie furchtbar u Sonntags in die Kirche musste in die katholische obwohl ich evangelisch bin warum weiß ich heute noch nicht warum
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Joachim Finger aus Löhningen schrieb am 27.02.2022
Beim Recherchieren für ein berufliches Treffen in Norddeutschland ging ich mit Google – wie es manchmal so geht – auf die Ostfriesischen Inseln, um mich an schöne Ferienaufenthalte zu erinnern. Ich bin dabei auch ganz nach Westen gerutscht: Borkum. Ungute Erinnerungen. Undeutlich – wo war das noch? Wie hiess das Heim? Kinder mit blau-weiss gestreiften Strickkäppchen. Sprechen verboten. «Ihr sollt ruhig werden». Vorgeschriebene Texte auf Postkarten «alles ist sehr sauber und ordentlich». Und dann stiess ich auf dieses Foto: Kinderheim Concordia – da war es wieder. 1967 schickten mich meine Eltern dorthin, zusammen mit anderen Kindern aus der Firma. Damit es nicht hiesse, «die haben es nicht nötig». Sie selber verbrachten die Zeit auf einer anderen ostfriesischen Insel.
Als ich die Berichte anderer Menschen hier las, kam es wieder hoch. Die Nummer, die man immer sagen musste, ja die man ein Stück weit war. Immer wieder Milchreis mit Dörrobst, den ich zum Glück mochte. Aber dann dieser Linsenbrei! «Jetzt nimmst du auch zweimal, beim Milchreis nimmst du auch immer noch mal!» Das Stehen in Reihen vor den Toiletten. «Fräulein x, ich hab Gross gemacht.» Nachkontrolle mit der Strichliste. Bei mangelndem «Erfolg» gab es Meerwasser zum Trinken.
Oder der erste Abend im Schlafraum, 1 Stock: Ich sprach meinen Bettnachbarn an (der nicht aus unserer Gruppe war) und sofort legte er seinen Finger auf den Mund. (Er sagte übrigens vor seiner Abreise – für mich bis heute unverständlich – «ich freu mich schon auf nächstes Jahr».) Liegeposition auf dem Rücken, Hände auf die Bettdecke, hiess die Anweisung zum Einschlafen. Die Zwickel der Schlafanzughosen wurden morgens kontrolliert, ob sie etwa feucht waren. Ein Knabe, der auf der Nachttoilette kein Papier mehr gefunden hatte, wurde wegen seiner verschmutzten Unterhosen blossgestellt. Ich wurde blossgestellt, weil ich eine Heimwehphase hatte und weinen musste. Das hämische Lachen von Frl. x, begleitet vom Ausschluss vom Amt des Vorlesens (das ich liebte, weil es mich in eine andere Welt brachte – «Die rote Zora und ihre Bande» hiess das Buch) tat weh.
Dann ständig der Druck der angeblichen Berichte, die sie an unsere Eltern schreiben würden. Die Fräuleins unterhielten sich darüber, so dass wir es hörten. «Hast du schon angefangen? Hast du gute Berichte?» «Ja, aber bei mir sind es fast alles schlechte.» (Meine Eltern haben nie ein Wort über einen solchen «Bericht» verloren.)
Anstehen zum Kämmen. Jeden Tag dasselbe Sprüchlein. «Nummer xy – ich heisse nn, wohne in (Ort), bin z Jahre alt und (Konfession)». Abtreten, der Nächste.
Spaziergang. Immer Hand in Hand mit dem Nachbarn, Zweierreihe, Käppchen auf dem Kopf – und ja nicht reden! Nur an einem recht einsamen Strandabschnitt durften wir reden. «Ihr sollt ruhig werden.» An ein Bad im Meer kann ich mich nicht erinnern. Dafür an einen obligatorischen Besuch in einem Souvenirladen mit einem obligatorischen Kauf von etwas. Das Taschengeld musste schliesslich ausgegeben werden, ein Eis oder etwas Ähnliches lag ja nicht drin.
Für mich – ich war etwas rundlich – war es auch demütigend, immer vor dem Mittagessen fragen zu müssen «kann ich bitte meinen Apfel haben?» Der war mir verordnet, damit ich etwas abnehmen sollte. Ich war der einzige. Genützt hat es, glaube ich, nicht so viel – bei so viel Milchreis mit Dörrobst.
Ein Bub begehrte auf. «Das erzähl ich alles meinem Vater, dann kommt hier sooon dicker Brief an.» Wie wurde der vor allen blossgestellt und heruntergemacht! Und natürlich mit dem «Bericht» gedroht!
Das Schlimmste am Schluss war, dass weder die Sozialarbeiterin der Firma noch meine Eltern unsere/meine Erzählungen ernst nahmen. Meine Eltern lachten.
Später hiess es mal, der Leiter des Kinderheims sei halt so ein Oberst aus der Wehrmacht gewesen …..
Borkum ist ja vielleicht eine schöne Insel. Aber mir löst nur schon der Name Abneigung aus.
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Richard Mitschke aus Berlin schrieb am 27.02.2022
Anfang der 50ger Jahre war ich von Hamburg aus im Kinderheim Cuxhaven-Duhnen. An dieses vermutliche Roto-Kreuz-Kinderheim habe nur gute Erfahrungen.
Im Winter 1954 war ich noch einemal in Pollind, OBB. Auch hieran habe ich nur gute Erfahrungen. Wir waren im Olympia-Stadion Garmisch und in der Partnachklamm.
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Dagmar schrieb am 26.02.2022
Ich war untergewichtig, hatte oft Atemwegsinfekte. Heute weiß ich, dass ich schon damals unter Asthma litt.
Ich erinnere mich gut, dass ich fröhlich in den Zug stieg, auf Ausreise in die Kur. Alle hatte mir vorher gesagt, es werde schön mit den vielen Kindern - für mich als Einzelkind klang es nach einem paradiesischen Urlaub. Irritiert war ich über die anderen Kinder, die weinend in Bremen in den Zug stiegen. Ich war ja schon groß, stand mit 8 Jahren "darüber". So dachte ich.
Danach hört meine Erinnerung auf. Sie beginnt mit Vorlesen auf einem langen, kalten Flur, da saß ich im Schlafzeug frierend auf dem Fußboden, links und rechts von kleinern Mädchen gewärmt.
Mitten im Aufenthalt durften wir in neue Zimmer umziehen, mit neuen orangenen Spinden und je zwei nebeneinander stehenden Betten. Die Räume waren wärmer, geschützter vor den Tanten.
Nachts tröstete ich das Mädchen im Bett neben mir, wir hielten uns an den Händen, bis wir die Nachtwache mit ihrer Taschenlampe herankommen hörten - sie durfte die Tränen nicht sehen, die Hände schon gar nicht, wir stellten uns schlafend.
Ich hatte einmal erbrochen und Durchfall. Mein Lieblingsrock wurde kurzerhand weggeworfen. Das Bettzeug abgezogen, ich auf dem kalten Flur abgestellt bis ich Bauchkrämpfe bekam. Ich habe mich niemals vorher so verlassen gefühlt. Grob wurde ich gewaschen, selbst durfte ich es nicht, kontrolliert ob ich sauber war (kein Recht auf Intimsphäre) - das Abtrocknen überließen sie zum Glück mir. Ich kam dann alleine in ein eiskaltes Zimmer, hin und wieder kamm eine Tante zur Kontrolle. Ich hatte Fieber und furchtbaren Durst. Habe Farbe von den gekalkten Wänden gekratzt bis meine Fingernägel ab waren und die Fingerkuppen wehtaten.
Taschentücher gab es nicht, so habe ich nachts Schnotten in das Bettlagen geschmiert. Dafür wurde ich mehrmals vor allen Kindern runtergeputzt.
Dann die Mahlzeiten. Das Essen war fettig und einseitig. Milchreis, eklige Suppen mit widerlicher Kochwurst drin, Erbsensuppe mit dicken wabbeligen Fettstücken aber Fleischfrei, Nachtisch, künstlicher roter Pudding.
Am Nebentisch die Dicken bekamen Salat und Obst, Tauschen war natürlich streng verboten (ein Theater, als ich den Versuch unternahm. Die Schuld bekam die arme Dicke - sie wurde angeprangert. Dass ich gerne Obst/Gemüse bekommen hätte, versuchte ich zu sagen, wurde aber ignoriert.
Wer nicht aufaß, musste sitzenbleiben bis alles aufgegessen war. Ich lernte, schnell zu essen - das Überessen war dann leichter.
Beim Basteln wollte ich mir die Fingernägel schneiden, weil sie zu lang waren. Dafür bekam ich Schläge auf die Hände. Dann habe ich sie abgekaut - das wurde vor der ganzen Gruppe lächerlich gemacht.
Einmal die Woche mussten wir Briefe an die Eltern schreiben lassen. Ich konnte schon ein bisschen schreiben und tat das selbst. Der Brief wurde zerrissen, von der Tante neu geschrieben - mit völlig verändertem Inhalt. Natürlich durften meine Eltern nicht wissen, dass (und warum!) ich unbedingt nach Hause wollte.
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Sylvia aus Bad Königshofen schrieb am 26.02.2022
Hallo,
Ich hatte mich bereits 15.02.22 nach der Sendung auf SWR hier gemeldet.
War noch jemand in Bad Dürrheim, Solebad?
Wohin kann man sich wenden um mehr über die dortige Zeit zu erfahren?
Am schlechtesten sind mir die Zeiten vom Essen in Erinnerung.
Schon fand ich die Spaziergänge durch den Wald, auch wenn es kalt, Maß und regnerisch war, außerdem war es im November oft neblig
Bitte bei mir melden
Freundliche Grüße
Sylvia
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Thomas schrieb am 24.02.2022
Kleine Korrektur meines vorherigen Eintrags: Ich habe eine alte Postkarte meiner Eltern gefunden und gesehen, dass ich im November 1971 dort war.
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Sabine Stiel aus Wuppertal schrieb am 24.02.2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
Gerade sehe ich im ZDF ihren Bericht.
Ich war 10 Jahre alt und mein Bruder 8 Jahre.
Wir wurden beide nach Bad Sooden Allendorf verschickt. Unsere Mutter
war im festen glauben uns was gutes zu tun. Mein Bruder und ich
würden nach der Ankunft sofort getrennt und durften keinen Kontakt
zueinander aufnehmen. Ich kann einen Tag nicht vergessen. Ich habe
keine Milch gemocht und bekam zum Frühstück Haferschleimsuppe, da
ich das nicht essen wollte, hat man mich bis nach dem Abendessen vor
dem Teller sitzen lassen. Ich bekam nichts anderes zu essen oder
trinken. Dann wurde ich ins Bett gesteckt. Im Bett durfte Mann nicht
mit anderen Kindern Reden, sonst musste man für Stunden im Flur in
der Ecke stehen. Briefe an zu Hause wurden zensiert, stand was
negatives drin musste man einen neuen schreiben. Es gab noch so vieles
an kleinen Gemeinheiten, das kann man gar nicht alles aufzählen. Mein
Bruder und ich sind als Kinder nie wieder in Kur gefahren.
Als ich mit 42 Jahren eine Reha machen musste war mir ganz komisch.
Als der Brief vom Rentenamt kam wo ich hin sollte, stockte mir der
Atem "Bad Sooden Allendorf".
Das Kinderheim gab es nicht mehr.
Aber es war noch immer ein Schock.
Das musste ich mal eben schreiben.
Mit freundlichen Grüßen Sabine Stiel
--
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Mona schrieb am 23.02.2022
Seit Tagen lese ich nun diese Berichte, und mir stellen sich die Haare zu Berg.
Dennoch, vielleicht findet sich noch jemand anderer, der auch in meiner zeit -siehe Eintrag vom 15.2. 22- in diesem AWO - Kinderheim in Rechtis-Weitnau gewesen ist.
Ich wünsche - uns allen - dass wir weiterhin die Kraft haben, das ganze mit den Jahren unseres gelebten Lebens nun doch auf eine Art und Weise ablegen zu können um unser Leben zu leben, mit all dem was uns erfreut.
Grüße Mona
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Uta Klose geb.Heinz aus Biskirchen schrieb am 22.02.2022
Hallo,
im August 1956 war ich " zur Erholung" nach Bad Reichenhall in den Staufenhof geschickt worden .
Durch eine Fernsehsendung heute wurde ich daran erinnert, was ich seit damals verdrängt
habe. Es war eine schreckliche Zeit - für mich entsetzlich die sogenannten Abhärtungsmassnahmen : nackt in einem gekachelten großen Kellerraum wurden wir mit kaltem Wasser aus Gartenschläuchen kalt abgeduscht und dann mit Zweigen von Birken abgeschlagen. Schreckliches Porridgezum Frühstück. Die Liste ließe sich lang fortsetzen wie z. B.barfuß im Nachthemd in der Ecke stehen, wenn man nach dem Hinlegen abends noch ein Wort gesprochen hat.
Ich habe das alles offensichtlich erfolgreich verdrängt, aber es hatte Auswirkungen auf die Zeit danach!
Leider sind meine Eltern schon vor über 30 Jahren verstorben, ich hätte viele Fragen! Nach langem Suchen habe ich noch ein Foto von dort gefunden. Es würde mich interessieren , ob dich noch jemand aus dieserZeit daran erinnern kann.Ich war damals 9 Jahre alt.
Mit freundlichen Grüßen
Uta Klose ( geb.Heinz)
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Angelika Sroka schrieb am 22.02.2022
Ich war ca.1961/62 im Haus Seestern in Grömitz . Für 6 Wochen ,an die ich mich so gut wie nicht erinnern kann .Nicht an die Fahrt dorthin , nicht an die Heimreise .
Was ich über die Jahre allerdings nie vergessen habe ,war ein Schlag ins Gesicht ,weil ich während der Mittagsruhe auf der Toilette war . Das Erbrechen von einem Abendbrot , hatte es geschafft vom Tisch zu flüchten , bis in unser Zimmer , da kam alles hoch und ich musste es alles wieder sauber machen . Dann an ein Spiel in der Ostsee : Montag , Dienstag....bei Sonntag sollten wir Abtauchen . Ich kann bis heute nicht mit dem Kopf unter Wasser .
Es irritiert mich schon , daß ich mich an so wenig erinnere . Immerhin war ich ca . 10 Jahre alt .
Es wäre schön , wenn sich jemand zumindest an das Haus Seestern erinnern könnte .
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Barbara Blöcker aus Norderstedt schrieb am 22.02.2022
Auch ich war dabei. Damals mit unter meinem Mädchen Namen Barbara Schiweck.
Durch die N3Sendung 45 Min. kam bei mir die Erinnerung an die Zeit auf Langeoog.
Ich war 10 Jahre alt und wegen chronischer Bronchitis zur Verschickung gekommen.
In schlechter Erinnerung habe ich das Essen, besonders die Milchsuppen, die ich bis heute nicht mag. Der Mittagsschlaf war eine Strafe,
militärisch, ich durfte nicht auf Toilette mit Folgen. Das war schlimm. Post an zu Hause wurde kontrolliert, es durfte nichts negatives drin stehen. Dort kam ich kein zweites mal hin.
Dafür 61 und 62 in den Schwarzwald. Ein Heim hieß Heimbachhof. Daran habe ich keine großen Erinnerungen, offenbar war es dort nicht so streng. Ich fühle mich nicht traumatisiert. Der Verschickungsträger war jeweils das DRK Niedersachsen.
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Birgit Hey aus Seeheim-Jugenheim schrieb am 22.02.2022
Liebe Frau Röhl,
seit 3 Tagen lese ich auf dieser Internetseite.
Ich bin sprachlos, welche Dimension dieses Verschickungskinderleid hat. Ich glaubte, wie wohl wir alle, mein Kurheim sei eben Pech gewesen...
Nein, wir alle wurden gequält und mißbraucht. Ich konnte gar nicht alle Berichte von den Betroffenen lesen, soviel Kinderelend verkraftet man gar nicht.
Vor allem haben mich auch die Zusammenhänge mit Nazi Größen erschüttert.
Das es sogar Jahrzehnte möglich war, das diese Unmenschen Positionen innhatten, wo sie sich massgeblich an den Verschickungskindern bereichern konnten und uns schreckliche, traumatische Kuraufenthalte bescheren...
Unfassbar
Ich finde es großartig, das sie diese Zusammenhänge recherschiert und aufgedeckt haben, herzlichen Dank dafür!
Für ein Kind ist es doch das allerschlimmste, so lange Wochen von den Eltern getrennt zu sein.
Dieses bestialische Kontaktverbot und die Briefzensur, wie
konnte man nur so herzlos sein?
Nachdem man ganuer Bescheid weiß, über die Zahlen des Leids, man fragt sich, wie das soooo lange im Dunkeln bleiben konnte....aber Kindern wird eben nicht geglaubt....
Man muß sich auch mal vor Augen führen, wie viele Betreuer (Tanten) da tatkräftig an dem Mißbrauch beteiligt waren.
Haben diese Einrichtungen geziehlt nach sadistisch veranlagtem Personal gesucht???
Auf jeden Fall bin ich froh, das ich die Kur einigermaßen verkraftet habe und ich meine Eltern überzeugen konnte, das ich das niemals wieder machen muß!
Ich hatte recht schnell begriffen, das es besser ist, sich in der Kur zu fügen, sonst wird es nur noch unerträglicher.
Ich erinnere mich an eine Nacht, wo ich mich heimlich zur Toilette schleichen wollte und ein etwa 4 Jähriges Mädchen halbnackt barfuss vor dem geöffneten Flurfenster stehen sah.
Sie hatte ins Bett gepinkelt.... Ich nahm sie mit in mein Bett und hab sie später im Morgengrauen in ihr Bett zurück getragen. Unsere Nachtschwester hat gott sei Dank auch gerne mal gepennt....
Gemästet wurden wir alle auf jeden FALL, ich hasste das Hühnerfrikassee mit wabbeliger Haut, man mußte ja aufessen, egal wie lange es dauerte...
Also lernte ich, schluck, ohne zu kauen, dann haste es schnell hinter dir...

Nachdem ich den Fragebogen gelesen hatte, stellte ich mir selbst die Frage, ob es wohl ausnahmslos "Arbeiterkinder" waren, die verschickt wurden??
Weil nach den Berufen und der Ausbildung der Eltern gefragt wurde??? Sicher hätten gutbetuchte Akademiker einen riesen Wirbel gemacht, hätte man ihre Kinder derartig misshandelt, oder irre ich mich da????
Meine Eltern waren zwar überrascht, über meine Erzählungen und auch empört, aber das wars dann auch.
Sie hatten schließlich den Krieg überlebt! Was ist dagegen so ein bischen "Ärger" in der KUR....
Hoffentlich schmoren die Verantwortlichen für all dieses überflüssige Kinderleid in der HÖLLE!
Ich wünsche allen Leidensgenossen von Herzen alles Gute
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Thomas schrieb am 22.02.2022
Ich war im Alter von 8 Jahren in Neustift. Weil ich so dünn war, bin ich auf Anraten der Klassenlehrerin dorthin geschickt worden.

Weil sich Erinnerungen im Laufe des Lebens verändern/verfälschen können, möchte ich meine mit Hilfe der Erinnerungen anderer auffrischen/ergänzen/korrigieren und im Gegenzug meine Erinnerungen anderen Betroffenen zur Verfügung stellen.

Abfahrt war in einem Bus vom Bahnhof in München. Ich hatte schreckliches Heimweh und habe daher gleich in der ersten Nacht eingenässt und riesige Angst vor den möglichen Folgen. Die zuständige Nonne ging jedoch sehr freundlich mit mir um. Ich habe die meisten Nonnen zwar als pragmatisch und wenig empathisch erlebt, aber nur eine als ausgesprochen bösartig. Diese hat mich immer beschimpft, was für ein schlechter Mensch ich doch sei, obwohl ich mir meines Wissens nichts hatte zu Schulden kommen lassen. Mein Kuscheltier hatte ich im Nachtkästchen versteckt. Nach der ersten Nacht in einem größeren Schlafsaal mit hohen Glasfenstern war ich dann in einem Zimmer mit 3 oder 4 Betten. Ich erinnere mich, dass ich uns alle abends immer in den Schlaf gesummt habe mit von mir erfundenen Melodien, womit die anderen einverstanden gewesen waren. Bzgl. Essen erinnere ich mich nur, dass die schnellsten Esser sich die größte Portion selbst gemachtes Vanilleeis aussuchen durften. Wir saßen in einem großen Saal, die Mädchen saßen an extra Tischen am anderen Ende. Wir haben ein Liedertextheft "Die Mundorgel" geschenkt bekommen und viel gesungen.
Es gab auch kneipp'sche Güsse (warm/kalt) mit einem Schlauch in einer Wanne stehen. Desweiteren gab es Spaziergänge und Schlittenfahrten im Wald. Tagsüber wurden wir beschult, dazu mussten wir eine Treppe ins Dachgeschoss hinauf steigen. Die Lehrerin war, glaube ich, weltlich.
Wenn ich von anderen geärgert wurde, haben die Nonnen nie eingegriffen. Die regelmäßigen Briefe an die Eltern wurden uns diktiert. Ich habe auch Postkarten von Zuhause bekommen, die für mich emotionale Rettungsanker waren. Wie gerne hätte ich meinen Eltern geschrieben, wie es mir wirklich geht.
An Basteln kann ich mich nicht sicher erinnern, aber ich hatte später jahrelang ein Mobile zuhause, wo Bienen aus Bast um einen Bienenkorb flogen, das wahrscheinlich aus dieser Zeit stammt.
Wir studierten ein Krippenspiel ein, wo ich den Adam spielen musste. Die wurde am Schluss vor den abhlenden Eltern aufgeführt. Ich glaube aber, dass nicht alle von ihren Eltern abgeholt wurden. Ich durfte mir dann als Abschiedsgeschenk einen kleinen Teddy aussuchen, der von den Nonnen gestrickt worden war. Geliebt habe ich ihn nicht.
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Hans-Richard Sliwka aus Trondheim (Norwegen) schrieb am 22.02.2022
verschickt – verdrängt – vergessen

1 warum dieser text?
Vor etwa 2 jahren hatte ich im radioprogramm den titel „verschickungskinder“ gelesen. Ich dachte dabei sogleich an eine neue übeltatvariation der priester, pastoren, lehrer, regisseure und trainer. Wegen der frage: ‚was kommt jetzt neues zum tema‘ habe ich mir die sendung angehört und alsbald überrascht erkannt: man spricht über mich. Die bezeichnung „verschickungskind“ war mir allerdings fremd; ich habe mich deshalb nicht unter dieser indizierung identifiziert. Meine eltern hatten mich seinerzeit 6 wochen zur kur geschickt. „Zur kur gehen“ verband man, damals wie heute, mit einem heilenden aufenthalt. Meine kur-zeit hatte allerdings keinen kurierenden charakter. Das zur kur geschickte kind kam als ein verschicktes kind zurück. Eine bestätigung dieser klassifikation fand ich in den berichten, die die schriftstellerin Anja Röhl gesammelt hat. Anja Röhl hat sich zum ziel gesetzt, die erlebnisse und langzeitschäden von verschickungskindern aufzuzeigen. Auf ihrer webseite appelliert Anja Röhl zum einsenden eigener erlebnisse.[1] Durch Anja Röhls initiative habe ich neue startpunkte für den verlauf meines lebens finden können. Zufällig fragte mich einige wochen nach der entdeckung meiner neuen kindlichen einordnung eine 20 jahre jüngere bekannte, ob ich einst verschickt war.[2] Ich war somit doppelt sensibilisiert, meine ins unterbewusste versunkene vergangenheit hervorzuholen.

2 geschichtlich, persönlicher hintergrund
Mein väterlicher grossvater hatte den sicheren tod in den schützengräben des 1. weltkriegs
mit seelischen verletzungen überlebt. Der mütterliche grossvater amputierte als sanitäts-soldat zerschossene gliedmasse. Die mütterliche grossmutter beobachte die vertreibung einer jüdischen nachbarsfamilie. Mein vater nahm als sanitäter in Amsterdam die deportation der juden wahr. Meine mutter war im arbeitsdienst erfolgreich aktiv und sah in ihrer helfenden tätigkeit einen positiven sinn.
Die grosse synagoge in der innenstadt von Essen, dem wohnort meiner eltern und gross-eltern, wurde gut sichtbar von den einwohnern am 9.11.1938 in brand gesteckt. Die mieter vieler Essener wohnungen bemerkten stumm oder allenfalls mit leisem protest die gewaltsame vertreibung von 2500 juden aus Essen.
Essen erhielt während des krieges von der Royal Air Force den label “primary target area for bombing”. Im märz 1943 begannen die bombardierungen. 242 bombenangriffe zerstörten
90% der innenstadt und 60% des übrigen stadtgebietes. Die explodierenden brandbomben bei nacht, später auch bei tag, deprimierten die bewohner. Die letzten bomben 1945 auf Essen töteten Hedwig, meine grossmutter väterlicherseits. Sie hatte alle hoffnung verloren und war nicht mehr zu bewegen, schutz in einem bunker zu suchen.
Die todesängste der grossväter im 1. krieg, die gestapo und die denunziationen ab 1933, der 2. krieg ab 1939 mit erschossenen ehemännern und brüdern, vergewaltigten müttern und schwestern, flucht und vertreibungen, kriegsgrausamkeiten und bombardierungen schafften ein alltägliches leben, in der gewalt, unsicherheit und lebensgefahr normal war.
Angst und schrecken verschwanden für die überlebenden einwohner Essens am 10.5.1945. Das bemühen brot, wasser, unterkunft und arbeit zu finden bestimmten hinfort den tag. Ein politiker wies den deutschen den weiteren weg: „Wer noch einmal eine Waffe in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfallen.“ 85% der deutschen bekräftigten in meinungsumfragen und volksentscheiden diese aussage.[3] Doch trotz des deutlich demonstrierten militärischen pazifismus: gewalt gegen kinder galt weiterhin als eine probate erziehungsmetode.
Die im gedächtnis verankerten gewaltsamen erfahrungen der grosseltern, eltern, lehrer und pädagogen blieben lebendig und wurden weitergetragen auf die nun geborenen töchter und söhne.

3 verschickt
Ich bin am 24.10.1948 in Essen geboren, 3 jahre und 5 monate nach kriegsende.
Die versorgungslage war immer noch kompliziert. Die freuden an ihren mahlzeiten, die meine eltern nach den entbehrungen erlebten, konnte ich nicht mitempfinden. Heisshunger oder bevorzugte lieblingsspeisen sind bei mir kaum aufgetreten. Ich blieb im verständnis der elterngeneration ein dünnes kind. Im frühjahr 1955 wurde ich volksschüler in einer klasse von 45-50 kindern. Wie zu hause so auch in der schule erlebte ich gewaltsames vorgehen gegen kinder mittels körperlicher strafen. In den gesprächen mit spielkameraden hörten wir, wie gewaltig es in anderen familien zu ging. Bekannte und kollegen meiner eltern beschrieben lachend und voller stolz, wie sie ihre kinder verprügelten bis sie nicht mehr sitzen konnten. Schlug man in einer familie weniger, so schlug man in einer anderen familie häufiger. Prügelten einige eltern gar nicht, so prügelten manche um so massloser. Das gewaltniveau gegen kinder war in der nachkriegszeit lange konstant.
Als ich 8 jahre alt war, stellte man endgültig fest, ich wäre zu dünn. Man diagnostizierte zwar keine unterernährung, trotzdem empfahl der hausarzt den aufenthalt in einem heim um mich zu mästen. Die kosten der terapie übernahm die krankenkasse. Krankenkasse? Ich fühlte mich mit meinem gewicht nicht krank. Das beabsichtigte ziel und der wohlwollende wunsch, mich selbstständiger werden zu lassen, veranlassten meine eltern mich „zur kur zu schicken“. Meine meinung zur beunruhigenden trennung von mutter, vater, bruder, spiel- und klassenkameraden war nicht gefragt. Ich erinnere mich, das meine mutter begann, namensetiketten in die kleider einzunähen.
Dann kam der tag der abreise. An die sonderzugfahrt mit vielen kindern von Essen bis Dagebüll kann ich mich nicht entsinnen. Ich war zwar bereits oft mit dem zug gereist, aber nicht so weit. Ein so grosses schiff wie die fähre nach Wyk auf Föhr hatte ich noch nie gesehen; die seereise ist mir völlig entfallen. Ich sah auch zum ersten mal das weite meer. Diese entdeckung hat ebenso keine spuren im gedächtnis hinterlassen. (Den überraschenden, erstaunten weitblick mit dem freudigen ausruf „das meer“ höre ich in meiner erinnerung erst 4 jahre später bei ferien auf Walcheren in Holland). Die ankunft auf Föhr und der empfang im kinderheim Schloss am Meer sind mir ebenso nicht gegenwärtig. Der heimname ist mir erst wieder eingefallen durch berichte von verschickten schloss-bewohnern.
Bei der ankunft wurden mädchen und jungen getrennt einquartiert. Ich teilte meinen raum mit 8-10 anderen jungs, möglicherweise einige mehr. Ich erinnere mich nur schemenhaft an eine kurze untersuchung bei einem onkel doktor, der danach nicht wieder erschien. Im speisesal mussten wir an vorbestimmen tischen platz nehmen, wieder jungen und mädchen getrennt. Ein oder zwei kleinere tische fielen auf, vorgesehen für die kalorienarme diät dicker mädchen. Mir fallen keine dicken jungen ein, denen diese ehre zuteil wurde. Dann kam man bald zum wichtigsten punkt des tages: der namentliche aufruf der anwesenden zur zentral platzierten waage. Das gewicht eines jeden kindes notierte man sorgfältig.
An mahlzeiten war ich nicht sonderlich interessiert. Sie waren wohl meist geniessbar, bei einigen gerichten musste ich erbrechen. Ich erreichte aber stets die toilette ohne vomitale spuren zu hinterlassen. Ob ich darauf einen nachschlag des emeticums bekam, das ich als mittagessen verzehrt hatte, daran kann ich mich nicht erinnern. Später wurde ein tisch in der nähe der toilettentür aufgestellt. Hier sassen nun die nausealen hyperemetiker. Ein mädchen werde ich nie vergessen; es regurgitierte in ihren teller und erhielt darauf den befehl zum verschlingen der kotze. Ich empfand das damals zwar als sauerei, es wunderte mich aber nicht. Es war lediglich eine innovative variation bekannter bestrafungen. Das mädchen mit dem teller voll erbrochenem hat zu meiner grossen bewunderung ihr hervorgewürgtes mahl mit grosser ruhe vertilgen können. Ich kann meine erinnerungsfetzen an weitere vomitale verspeisungsvorfälle nicht zusammensetzen. Es wäre möglich, das solche fälle mit heulen und zähneklappern geendet haben. Das souveräne verhalten des mädchens war allerdings einzigartig und beeindruckte mich sehr; in ihr haben sich in meinem gedächtnis möglicherweise andere kotzereien kondensiert.
An zwei zeitpunkte im täglichen stundenplan kann ich mich gut erinnern. Morgens mussten wir uns im waschraum halbnackt waschen unter distanzierter beobachtung einer einzigen tante. Abends war nacktwaschen vorgeschrieben. Im grossen waschraum standen viele kleine nackte jungs, nun beaufsichtigt von mehreren glotzenden tanten, die auch durch die reihen gingen. War ein kind zu laut, bekam die geräuschquelle einen klaps auf das nackte gesäss. Ich habe mich damals gefragt, warum man abends mehr aufsichtspersonal benötigte als morgens. Erst viel später erriet ich den grund: die zahlreichen tanten eilten freiwillig zum jungenwaschraum. Die sicht auf die vorpubertären unterleibsregionen der jungs erfreute die tanten, wie wir aus ihrem lebhaften gekicher und geflüster hätten feststellen können, wenn wir bereits sinn für solche zusammenhänge gehabt hätten.
Vom übrigen tagesablauf habe ich nur verschwommene anhaltspunkte. Das vorgeschriebene schlafen nach dem mittagessen erlebte ich als zumutung. Ich war hellwach und hatte wie alle 8-jährigen, den drang mich zu bewegen. Ich ruhte also gezwungenermassen auf der liege und schaute umher. Eine tante befahl dann strengstens die augen zu schliessen, was ein sehverbot darstellte. Ich möchte das als ersten übergriff mir gegenüber definieren. In gewissen abständen postkarten oder briefe nach hause zu schreiben war für mich als ein noch schreibenlernender schwierig. Ich war den tanten deshalb dankbar für vorformulierte sätze, selbst wenn sie meine wahrnehmungen nicht wahrheitsgemäss darstellten.
Prügelnde und ohrfeigende tanten habe ich nicht beobachtet. Die strafen waren gemeiner. Mein schlafsaal lag gegenüber der toilettentür. Neben der toilette befand sich der wohn-raum einer tante. Der lokus alten stils wirkte mit einer sehr effektiven wasserspülung, die von grosser höhe mit lautem getöse die hinterlassenschaften verschwinden liess. Die benutzung der toilette und der anschliessende wasserfall störte verständlicherweise die nachtruhe der im zimmer nebenan schlafenden tante. Wir erhielten daher striktes toiletten-benutzungsverbot. Ein eimer wurde notgedrungen als urinoir ins zimmer gestellt. Es gab zwei nächte während unserer heimzeit, in denen wir aussergewöhnlich grosse mengen urin abgaben. Der eimer war also bald vollgepisst. Um ihn nicht überlaufen zu lassen gingen wir zur toilette und benutzten danach intuitiv die wasserspülung. Die schlafgestörte tante kam wutentbrannt aus dem zimmer. Die kollektivpissenden übeltäter mussten sich nun mit dem gesicht zur gangwand aufstellen mit "hände hoch". Demjeningen, dem die erhobenen hände absackten, bekam von der tante einen schlag auf den arsch. Dadurch qualifizierte sich der pisser für eine decke, die die tante dem deliquenten, nun "hände runter", überlegen konnte, denn es war kalt im gang. Das ergebnis dieser pädagogischen massnahme war vor-programmiert. Bei der nächsten polyurie pinkelten wir den eimer voll bis zum rand und darüber hinaus. Die überlaufenden renalen exkretionen verteilte sich gelblich-grossflächig auf dem zimmerboden. Diese sauerei kritisierte indigniert am nächsten morgen die dienst-habende tante. Ich möchte dies als zweiten persönlichen übergriff definieren. Ein 8-jähriger kann rational entscheiden, hat durchaus einen begriff von ursache und wirkung. Das resultat unseres dilemmas (was wir auch tun ist falsch) konnten wir allerdings intellektuell nicht verarbeiten. Von Antigone hörten wir erst später in der schule. Der übervolle eimer und die verbotene toilette verdeutlichen das pädagogische ungeschick der tanten. Ich habe leider vergessen, wie der konflikt zwischen der zürnenden diensttante, der unausgeschlafenen latrinentante und uns jungen mit imperativem harndrang aufgearbeitet wurde. Ich frage mich heute, wie die nächtlichen faeces verschwanden. Der einzig zulässige ort war das WC, denn einen behälter für skatologische gebilde hatte man uns wohl aus olfaktorischen gründen erspart. Da die benutzung der wasserspülung verboten war, müssten sich im laufe der nacht allerlei exkremente im scheisshaus angesammelt haben, was zusammen mit dem lokuspapier sicher zu verstopfungen geführt hat. Ich kann mich aber weder an solche anrüchigen schandtaten noch an folgende bizarre strafaktionen erinnern.
Während eines ausgangs mit versteckspielen zwischen bäumen und büschen packten mich plötzlich zwei heimjungen und führten mich zu einer abgelegenen lichtung. Hier befahl mir eine grossschnauze gegen einen ausgewählten jungen zu kämpfen zur feststellung des stärksten im schloss. Ich protestiere mit dem argument, das bestimmen des stärksten interessiere mich nicht. Kampfverweigerung oder flucht war jedoch nicht möglich. Ich bekämpfte deshalb den mir angewiesenen gegner und verlor. Mit dem ablegen eines gelübdes, nichts über den mannhaft-muskulösen unsinn zu erzählen, entliess man mich aus dem kreis der starken jungs. Ich hielt leider mein versprechen. Irgendein verrückter kerl im heim hetzte andere jungs gegeneinander auf und die tanten ignorierten dieses inhaltslose männlichkeitssritual.
Einer der letzten tage im schloss begann feierlich. Vor versammelter gesellschaft betrat jedes mädchen und jeder junge die waagschale. Lautstark wurde darauf anfangs- und endgewicht des probanden proklamiert und die gewichtszunahme beurteilt, je zahlreicher die kg, desto grösser die fröhlichkeit. Das am meisten zugenommene kind erklärte man mit tösendem applaus zum sieger. Die verkündigung meiner kläglichen zunahme von 50 g[4] notierte man mit verdruss. Ich aber war begeistert. Instinktiv hatte ich mich den zwängen und vorschriften der schlosstanten verweigern können durch unbewusste beschränkung der ohnehin unschmackhaften mahlzeiten. Die öffentlich bekundete minimalzunahme war mein protest gegen das schloss, gegen arzt, eltern und krankenkasse, die mich dorthin verschickt hatten. Diese interpretation habe ich damals als 8-jähriger sicher nicht ausdrücken können. Erinnerungsfragmente lassen jedoch diese schlussfolgerung zu. Die gewichtsabnahme der anfangs zu dicken mädchen vermerkten die dicker gewordenen jungs mit geringem applaus.
Der letzte tag im schloss, die rückfahrt mit schiff und zug nach Essen, die freude zu hause zu sein, eltern und bruder zu sehen, wieder in den klassenverband aufgenommen zu werden, von alledem hat sich nichts eingeprägt. Habe ich meinen eltern, meinem bruder, den klassenkameraden von meinen bedrängnissen erzählt? Ich vermute, ich habe sehr zurückhaltend und wortkarg berichtet.

4 konklusion
Die 6-wöchige, 42 tage lange residenz im Schloss am Meer hat kein angenehmes andenken hinterlassen. Allerdings registriere ich beim nachsinnen 65 jahre später auch keine mich traumatisierenden vorfälle im Schloss am Meer.
Im nachhinein ist mir das fehlen von männern im heim aufgefallen. Wir kinder hatten nur mit frauen zu tun. Ob man sie tanten nannte oder nennen musste ist mir entfallen. Wenn es onkel gegeben haben sollte, so blieben sie unregistriert im hintergrund. Die tanten begegnen mir im rückblick als gesichts- und namenslose wesen. Sympatie oder antipatie konnte sich deshalb nicht entwickeln. Bis auf eine ausnahme: tante Siegrid war etwas älter als die anderen. Mit ihr war es angenehmer, sie zeigte uns eine gewisse zuneigung. Aber auch sie war keine verschweigungspflichtige vertrauensperson, keine ombudsfrau, der man probleme hätte mitteilen können. Hatten die jungen tanten damals eine pädagogische ausbildung? Reichte als qualifikation zum umgang mit kindern möglicherweise nur ihre fertilen fähigkeiten als künftige mütter?
Ich habe keine royale hierarchie im schloss bemerkt. Eine majestätische obertante, verantwortlich für die vorgänge, hat sich nicht offenbart.
Ich schliesse für meine periode im schloss die in anderen berichten vermuteten medikamententests aus. Solche untersuchungen erfordern genaue protokollierung. Ich konnte das nicht beobachten. Gerade das erbrechen hätte genau aufgezeichnet werden müssen als unverträglicheitsindikator eines arzneimittels.
Im rückblick hatte die verschickung einige durchaus wünschenswerte wirkungen auf mein leben. Ich habe gelernt in einer gruppe fysisch anwesend zu sein ohne psychisch dazu-zugehören. Dies hat mir später geholfen, bei langweiligen konferenzen und besprechungen mich von den rednern abzukoppeln und mich gedanklich mit interessanteren dingen zu beschäftigen. Der ringkampf zur bestimmung des stärksten jungen hat in mir eine geringschätzung jeder korporation ausgebildet. An mannschaftssportarten habe ich nie gefallen finden können. Gegen die allergrösste, seinerzeit obligatorische nationale männergemeinschaft entwickelte ich eine starke abneigung. Meine kriegsdienst-verweigerung hat wahrscheinlich zu einem teil mit der kasernierten kur auf Föhr zu tun. Ich habe vermutlich im schloss eine erste vage antwort zur frage gefunden: Ist das, was alle tun, unbedingt richtig? Ist es richtig für mich?[5]
Für den norddeutschen tourismus resultierte meine vorübergehende anwesenheit auf Föhr in einer darauffolgenden fortwährenden abwesenheit. Wenn mir freunde erzählen, sie wollen ferien auf Föhr machen, so reagiere ich instinktiv mit dem gedanken: da fahr ich nicht hin. Föhr hat mir auch die ostfriesischen inseln versperrt. Die westfriesischen inseln Texel, Vlieland und Ameland habe ich dagegen oft besucht. Mit diesen inseln verbinde ich schöne erfahrungen. Als die direktflüge von Trondheim nach Amsterdam eingeführt wurden, sass ich bevorzugt auf der rechten seite und erfreute mich im anflug auf Amsterdam bei klarem wetter im westen Schiermonnikoog, Ameland, Terschelling und etwas weiter entfernt Vlieland zu erkennen. Die direkt unter mir liegenden deutschen inseln von Wangerooge bis Borkum nahm ich nicht wahr. Bei anderen flügen nach Amsterdam, auf der linken seite des flugzeugs sitzend, schaute ich interessiert auf die dänische küste, auf die inseln Fanø und Rømø bis zum gut zu erkennenden Sylt. Meine geografischen beobachtungen waren damit abgeschlossen; Föhr und die nachbarinsel Amrum bemerkte ich nicht.
Als unangenehmer langzeitschaden des heimaufenthalts vermute ich den 6-wöchigen ausfall des rechenunterrichts. Ich habe den fehlenden stoff zwar den regeln entsprechend aufholen können. Es ist aber möglich, das mir die lange unterrichtspause einen ganzheitlichen zugang zur matematik verwehrt hat.
Mein jüngerer bruder ist 1 oder 2 jahre später ebenfalls verschickt worden, nach Bayern.
Ihm haben die 6 wochen als verschickungskind gefallen. Es ging also damals auch anders.
Wir brüder haben allerdings untereinander nie wieder unsere heimaufenthalte erwähnt.
Erstaunlicherweise habe ich, das verschickte kind, aus der unangenehmen residenz im Schloss am Meer einiges positiv prägende mitnehmen können für den darauffolgenden lebenslauf.

5 epilog
Was ist aus dem kleinen mädchen geworden, das gefasst ihre kotze verschlang? Hat sie emotionelle langzeitschäden davongetragen? Sie verhielt sich aussergewöhnlich; ich vermute, sie hat die brechreizeregende dummheit der tanten nicht in ihre seele eindringen lassen. Warum haben wir kinder unser gemeinsames leiden individualisiert? Warum habe ich als 8-jähriger nicht dem gleichaltrigen mädchen geholfen? Ich war zu unterstützender solidarität nicht fähig.
Gewalt gegen kinder hat die kinderbuchautorin Astrid Lindgren (1907-2002) unmiss-verständlich kritisiert. Warum war es eine bewohnerin aus dem vom krieg verschonten Schweden, die gewalt gegen kinder als frevel bezeichnete? Warum entsprang aus dem leidzufügenden und leidenden volk der dichter und denker nach dem krieg nicht sofort eine gewaltfreie pädagogik? Warum gaben deutsche juristen ihren kindern keine besonderen rechte? Die UN-kinderrechtskonvention trat 1990 in kraft. In Deutschland wurden körperstrafen eine generation nach mir, ab etwa 1968 verpönt, dann 2000 unzulässig und 2001 strafbar.[6]
Hätten die tanten im Schloss am Meer wegen "schwarzer pädagogig"[7] angeklagt werden können? Hätten deutsche juristen, die nach dem krieg die beihilfe zum massenmord mit milden strafen verurteilten,[8] erzwungene emetofagie als justiziabel angesehen?
Die naziführer und nazitäter nannten in den gerichten als motivation für ihre mörderischen untaten den befehlsnotstand. Man hätte nach 1970 eltern, erzieher, lehrer und pädgogen nach ihren beweggründen zur gewalt gegen ihre kinder befragen müssen. Ein befehl lag nicht vor. Eine darlegung der gründe hätte die moralische schuld der täter und tanten aufgedeckt, reue und auch die bitte um verzeihung ermöglicht.


[1] https://verschickungsheime.de/ https://anjaroehl.de/ abgerufen am 18.2.22
[2] Ich danke Nike Knoblach für diskussionen, anmerkungen und korrekturen mit einem soziologisch-
pädagogischen blickwinkel.
[3] Jürgen Kuczynski, So war es wirklich - Ein Rückblick auf 20 Jahre Bundesrepublik, Staatssekretariat für westdeutsche Fragen, Berlin 1969, p. 113
[4] Ich kann mich an die genaue gewichtszunahme nicht erinnern. Es war aber sehr wenig im vergleich zu den anderen.
[5] Die beantwortung der frage „Ist das, was alle tun, richtig für mich?“ hat mir früh ermöglicht, gruppenzwängen auszuweichen. Alle rauchten zu meiner jugendzeit. Ich nicht. Einige soffen. Ich
war nie besoffen. Alle trugen bei feierlichkeiten anzug + krawatte. Ich sah keine praktische funktion dieser textilien. Alle assen alles. Ich kaute ab einem bestimmten zeitpunkt keine kadaver mehr. Ein relikt aus dem mittelalter, die deutsche unrechtschreibung, ersetzte ich mit der reformierten, gemässigten kleinschreibung. Die ausgrenzenden konsequenzen, manchmal auch die ermutigende anerkennung als aussenseiter nahm ich in kauf. Bemerkenswert ist eine
beobachtung, die mir während des schreibens zum ersten mal deutlich wurde. Alle machten zu meiner jugendzeit möglichst schnell den führerschein und kauften ein auto. Sie erlebten die neue mobilität als zunahme der persönlichen freiheit. Ich zögerte diese wünsche hinaus, folgte dann aber doch dem trend der altersgenossen. Ich erhielt problemlos meinen führerschein. Ich kaufte ein auto. Wollte es dann aber zu meiner überraschung gar nicht fahren. Ich überwand erfolgreich den fahrwiderstand und bin dann viel gefahren. Von Essen zum studienort Fribourg (Schweiz) und zurück mehrmals im jahr; lange autofahrurlaube führten wiederholt bis Rumänien und Griechenland. Gute erinnerungen mit dem auto haben sich nicht eingeprägt; die lebensgefährlichen episoden sind jedoch präsent. Allmählich verursachte mir das fahren auch von kürzeren strecken eine ungeheuere langweiligkeit. Es erhöhten sich zunehmend die sekundenschlaf-momente. Nachdem ich 10 jahre am steuer sass, beschloss ich eine autopause einzulegen. Auf 10 gute jahre sollten nun 10 schlechte jahre kommen (in anlehnung an die alttestamentliche weisheit: nach 7
reichen jahren folgen 7 hungerjahre). Ich fuhr das fahrzeug zum schrottplatz und erlebe nun seitdem ohne auto die umweltfreundliche unabhängigkeit. Ich habe keine autofobi. Ich fahre gern mit. Doch für mich ist autofahren einfach nicht mein ding. Ich vermute, die verschickung ins Schloss am Meer hat mir den keim gegeben, unannehmlichkeiten und unverträglichkeiten zu erkennen und zu vermeiden.
[6] Bundesgesetzblatt 2000 Teil 1 nr. 48, s. 1479; § 1631 Abs. 2, Bürgerlichen Gesetzbuches 2001
[7] Unter schwarzer pädagogik wird erziehung verstanden, die gewalt, einschüchterung und
erniedrigung verwendet.
[8] Frankfurter Ausschwitzprozesse 1963-1968 und spätere vernichtungslagerprozesse

Trondheim 18.2.2022

Zur person
Hans-Richard Sliwka, deutscher und schweizer staatsbürger, verheiratet mit einer griechin, die ebenfalls schweizerin ist, lebt in Trondheim (Norwegen). Die nachnamensgebenden vorfahren stammen aus Östereich-Ungarn, aus einer gegend, die heute in Polen, Tschechien und der Slowakei liegt. Geboren am 24.10.1948 in Essen, einschulung 1955, dann 1 jahr gymnasium, 6 jahre realschule, 3 jahre ausbildung als chemielaborant (chemieindustrie, berufsschule), arbeit als chemielaborant, danach abiturklassen. Seit november 1972 studium der chemie in Fribourg (CH), abschluss als diplomchemiker, anschliessend promotion. 1984 post-doc in Trondheim (Norwegen), darauf in Trondheim industriechemiker, dann universitätsangestellter mit aufgaben in forschung, lehre und administration. Seit november 2018 rentner.


Hans-Richard Sliwka
Skansegata 26A
7014 Trondheim
Norwegen

richard.sliwka@ntnu.no
0047 73525538
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Brigitte Wagner schrieb am 21.02.2022
Ich habe mit Interesse den Beitrag über die Verschickungskinder am 14.2.22 im TV verfolgt.

Nach Recherchen auf Ihrer Liste der Heime bin ich bisher nicht fündig geworden.
Ich erinnere, dass ich als Kind scheinbar auf Grund von häufiger Bronchitis verschickt wurde. Nach Beratung mit dem Hausarzt ( in Hamburg, Feldstr. oder Karolinenstr.) vermittelte das Bieberhaus (Hamburg / Hauptbahnhof) die Verschickung.

An Hand meiner Postkarten, die ich ins Heim bekommen habe, war ich ca.vom 20.2.1960. - 29.3.1960 letzte Postkarte im Haus Nordmark, Duhnen/ Cuxhaven.

Ich entsinne ebenso wie andere Kinder Schikanen in der Form, dass ich auf den Treppenstufen ( 2-3 kleiner Absatz) vor dem Schlafsaal sitzen musste bis alle anderen eingeschlafen waren, weil ich die Nachtruhe mit reden oder weinen gestört habe. Es war kalt im Treppenhaus und ich bin während der Kur erkrankt (mehrere Tage Fieber/ nachgelesen auf Karten an mich) und durfte nicht mit den anderen Kindern spielen.

Auch erinnere ich selber, dass mein Bett aus der Reihe genommen und an die andere Wand gestellt wurde.( weil ich störte)  Damit fühlte ich mich bestraft, aber es hatte den Vorteil, dass mein Bett nun so stand, dass wir alle von dort rückwärts gehockt ins Waschbecken uriniert haben, da wir nachts nicht zur Toilette durften.

Was das Essen anbelangt steht auf meinen Karten, dass ich nun wohl auch Milchsuppen und Pudding essen mag…. ich hasse diese Gerichte seit Jahrzehnten!

An Hand der Postkarten kann ich eine Tante Und eine Schwester als fürsorglich um unser „Wohlergehen bemüht“ benennen.
Als ich aus der Kur zurück kam hatte ich dann gleich Keuchhusten mitgebracht.

Ich fühle mich nicht traumatisiert, würde aber doch gerne wissen, ob auch dieses Heim dazu gehört und Ihnen evtl. von anderen ehemaligen Kindern bekannt ist.

Zu meiner Person : Mein Name war Brigitte Böbs,
geb. Nov. 1954 - also zur Zeit des Aufenthaltes 5 Jahre und 3 Monate alt.
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Christian aus Düseldorf schrieb am 21.02.2022
Mein kleines Auto hab ich so geliebt. Als Flüchtlingskind, mit den Eltern ein Jahr vorher aus Polen ausgesiedelt, gab es wenig Spielsachen. Dieses kleine Auto war ein Geburtstagsgeschenk zum 7. und ich wollte es unbedingt zur "Erholung" mitnehmen. Mit meiner zwei Jahre älteren Schwester und einer Karte um den Hals haben uns die Eltern in einen Zug gesetzt. In Buchau angekommen, wurden wir von lautem Personal getrennt, Mädels zu Mädels, Jungen zu Jungen (Kontakt während der "Erholungszeit" war nicht möglich). Wir mussten unsere Taschen leeren und durften nichts Persönliches behalten, das kleine Auto auch nicht.
Danach begann ein liebloser Befehl- und Gehorsam-Terror: Reden (und spielen mit anderen Kindern) nur, wenn es ausdrücklich erlaubt war. Essenzwang, egal ob man auf die eklige Puddingsuppe Appetit oder Hunger hatte. Schlafen im Schlafsaal, wenn es angeordnet wurde. Wer nicht sofort parierte wurde durch öffentliche Erniedrigung bestraft. Davor hatte jeder Angst Diese Angst begleitete einen vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Denn jede Kleinigkeit wurde geahndet. Nahezu militärisch durchgetaktet waren die Tagesabläufe. Viele sind dadurch Bettnässer geworden, die einen Socken an das Bettgestell knoten mussten, nächtens rau aus dem Schlaf gerissen wurden und so lange auf der Toilette verbringen mussten, bis das kleine Geschäft erledigt war. Die Zeit war alles andere als erholsam und kam mir wie ein nicht enden wollender böser Traum vor. Nur in der Nacht, in den Träumen, gab es noch eine gute Welt - und mein kleines Auto.
Dann nach sechs Wochen durften wir endlich unsere Sachen packen. Keiner konnte oder wollte mir sagen, wo mein kleines Auto war. Ich sah es nie wieder. Dennoch war ich heilfroh, Buchau auch ohne mein kleines Auto zu verlassen.
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Michelle schrieb am 21.02.2022
Ich war im Jahr 1978 mit sechs Jahren im Kinderheim Waldrennach. Wenn ich heute danach suche finde ich nicht wirklich etwas über das Heim. Aber ich habe den Bescheid des Sozialamtes, den meine Eltern damals erhalten haben. Bei meiner Einschulungsuntersuchung hat man festgestellt, dass ich etwas nervös war. Aufgrund dessen haben mich meine Eltern als Sechsjährige zum Bahnhof gebracht und in den Zug gesetzt. Danach habe ich sechs Wochen von Ihnen nichts gehört und kam zu Nonnen. Ich weiß zwar nicht mehr wie wir sie angesprochen haben aber optisch waren es Nonnen. Jungen und Mädchen waren getrennt. In meiner Erinnerung gab es zwei Haushälften. So war auch der Speisesaal getrennt, so dass sich Jungen und Mädchen nie begegnen (Einmal habe ich mich kurz mit einem im Speiseraum unterhalten können).Wir durften uns nicht unterhalten, durften nur zu bestimmten Zeiten auf die Toilette, mussten alles auf Essen, mussten gegebenfalls stundenlang am Tisch sitzen, wenn wir gebrochen haben mussten wir es entweder aufessen oder wegwischen, wenn wir nachts auf die Toilette mussten und erwischt wurden wurden wir eingesperrt und wenn man Pech hatte musste man dann immer noch. Ich kann mich erinnern dass ich im Duschraum eingesperrt wurde für die ganze Nacht und mein großes Geschäft nicht mehr halten konnte. Am nächsten Morgen musste ich es aufwischen während die anderen Kinder zugeschaut haben. Die Briefe wurden zensiert oder wir bekamen gar keine. Ich kann mich erinnern dass wir einmal bei der Schlachtung eines Schweines zuschauen mussten, dem die Kehle durchgeschnitten wurde und es elendig verbluten musste. Mir wurde der Kopf festgehalten. Wir hatten immer Angst vor Bestrafung und teilweise wurde auch Gewalt angewandt. Von meinem sechs Wochen Aufenthalt kann ich mich nur an kleine Bruchstücke erinnern und weiß, dass ich danach total traumatisiert war. Ich habe jahrelang Albträume gehabt.
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Birgit Hey aus Seeheim-Jugenheim schrieb am 21.02.2022
71/72 Durch Zufall habe ich den TV Beitrag im NDR gesehen und bin so auf diese Internetseite gestossen . Bis heute hab ich gedacht , das es nur in meinem Kinderkurheim so zugegangegangen ist, wie schrecklich, das es allen Verschickungskindern so ergangen ist! Auch ich erinnere mich an das Zwangsessen und das nächtliche Toilettenverbot. Seit damals bekomme ich sofort Kopfschmerzen, wenn ich pinkeln muß und keine Toilette ins der Nähe ist...Ja, viele Berichte sind sich in der Sache ähnlich .
Ich habe seither oft von diesen Erlebnissen erzählt , sogar im Urlaub 2 MAL Menschen getroffen, die im selben Kurheim gewesen sind.
Zwar lange später, aber da hatte sich noch nichts gebessert.
Ich habe sehr darunter gelitten, das ich meinen Eltern nicht "echt" schreiben durfte, sondern man mir jeweils wöchentlich einen Brief diktiert hat.
Pakete von Daheim wurden geplündert, die Sachen mir nicht ausgehändigt.
Nach ca. 3 Wochen habe ich mal geholfen, beim Koffer auspacken der Neuankömmlinge.
Ich durfte Süßigkeiten behalten und andere Dinge, die in den Koffern waren.
Nun wußte ich, wie meine eigenen Sachen verschwunden sind! Die "Tante hat hauptsächlich das Geld an sich genommen....Allerdings muß ich sagen, das dort auch Betreuerinnen waren, die sehr lieb mit uns Kindern umgegangen sind. Aber es gab eben auch die BÖSARTIGEN.
Auch ich wurde in dem Kurheim gemästet, nur dicke Kinder sind ein Kurerfolg....Das täglich ein Kind erbrochen hat, war der blanke Horor
Nachts bloß nicht weinen und um Gottes Willen nicht aufs Klo müssen, das wurde mit Ohrfeigen betraft!
Ich glaube, ich hab 6 Wohen lang Nachts still ins Kissen geweint und gedacht, ich sehe meine Eltern nie wieder...Ich bezeichne diese Zeit immer als "Kinderknast".
Es ist furchtbar traurig, das alles so spät ans Tageslicht kommt, die Verantwortlichen kann man sicher nicht mehr zur Rechenschaft ziehen, weil wohl kaum noch jemand von damals lebt....
Alles was ich aus den ganzen Erfahrungsberichten lesen konnte, es war ein Albtraum für uns Verschickungskinder
Viele haben lebenslang damit zu kämpfen, was sie in dieser Kinderkur erleben mußten. Die Nordsee ist seitdem für mich kein Ort, um einen Urlaub zu verbringen, weil mit viel zu düsteren Erinnerungen verbunden. Im TV Beitrag wird sogar erwöhnt, das in vielen Heimen Medikamentenversuche mit den Kindern gemaht wurden, das ist grauenvoll. Ich war jedenfalls mit 10 also ein Jahr nach meiner Kur bereits schlagartig "Erwachsen" bekam meine Periode, das ist doch nicht normal???? Wüßte heut gerne , ob es da einen Zusammenhang mit dieser Kur gibt????
Nach meiner Rückkehr hatte ich auch ein anderes Verhältnis zu meinen Eltern. Ich konnte es ihnen nicht verzeihen, das sie mir zugemutet haben, 6 Wochen alleine solchen Menschen/Zuständen ausgeliefert zu sein und das ohne jeden Heimatkontakt .
Zuerst haben mir meine Eltern diese "Schauermärchen" gar nicht geglaubt.
Die "Tanten" hatten ja nur positives zu berichten....und Kinder phantasieren sich nur was zusammen....
Erst als wir "Leidensgenossen" besucht haben, wurde klar, das ich mir nichts ausgedacht habe.
Mein Vater hat beim Axel -Springer Verlag gearbeitet und ich wurde von der dazugehöhrigen BKK verschickt.
Vater hat später beim zuständigen "Chef " vorgesprochen und die Zustände geschildert . Angeblich wurde damals dafür gesorgt, das kein Kind eines Betriebsangehöhrigen mehr dort hingeschickt wurde.
Nur traurig zu lesen, das es sozusagen überall in den VERSCHICKUNGSHEIMEN so zugegangen ist und ich nicht nur in einem bedauernswerten "Einzelfall" untergebracht war.
Ich wünsche all den Verantwortlichen von damals , sofern sie noch leben, das sie hoffentlich noch irgendwo und irgendwann eine Strafe erhalten! Schade, das siese Intitiative so lange gebraucht hat, um zu wachsen, wir alle hätten viel früher inseren Mund aufmachen sollen....
Warum haben wir ALLE solange gewartet???
KINDER leiden scheinbar STILL UND STUMM und alles wird Ewigkeiten verdrängt.
Vielleicht finden sich Leidensgenossen aus meiner Zeit, die auch im gleich Heim untergebracht waren???
ALLES GUTE
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Angela aus Bad Dürrheim schrieb am 21.02.2022
Hallo, Dagmar, ich habe deinen Bericht gelesen und mich gefreut, dass du so positiven Bericht geschrieben hast. Natürlich kann man das alles im zeitlichen Zusammenhang sehen. Und viele haben das auch gemacht. Stell dich nicht an, Andere haben schlimmere Erlebnisse gehabt, es war die Zeit, Kindheit wie heute gibt es nicht. So haben wir das Jahre lang gemacht, und vieles ist in Versenkung gelandet. Trotzdem hatten wir eine Seele, trotzdem hatten wir schlimme Dinge erlebt, die , ich spreche von mir, die mich geprägt haben. Einseimkeit, Isolation, kein Vertrauen, immer krank, selbstmordgedanken. Heute, besser seit 2 Jahren, verstehe ich die Zusammenhänge, und mache eine Traumatherapie. Höre auf, alles schön zu reden. Und meiner Familie und Umwelt und mir! tut es gut, zu diesem kleinen verletzten Kind zu schauen. Es war schrecklich. Und es tut gut, dass man nicht allein ist. LG Angela
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Huefler, Christina aus Hamburg schrieb am 20.02.2022
Während des Essens gesprochen. Wurde daraufhin in Unterwäsche mit zugeklebtem Mund zum Schlafappell vor die Tür der Schlafräume plaziert. Nur um ein Vergehen zu nennen. Müsste ich nicht wieder haben und hat mich ich als Kind bestimmt traurig gemacht. Aber nun 50 Jahre später ist mal Schluss. Bis zu Ihrem Bericht habe ich nicht ein einziges Mal dran gedacht und werde es auch so beibehalten. Es tut mir leid für die, die unter den Umständen noch immer leiden. Ich wünsche Ihnen alles Gute
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Sabine aus NRW schrieb am 20.02.2022
Ich bin Sabine, geboren im Mai 1963. Im Frühjahr 68 war ich in Sylt, da war gerade 5 geworden. Ich war immer klein und dünn und verschnupft, da gab man meinen Eltern den Rat mich auf eine Kinderkur zu schicken. Ich kann mich an eine lange Bahnfahrt von BW nach Sylt erinnern und dass ich entsetzlich Heimweh hatte und viel geweint habe, was ich nicht durfte. Ich erinnere mich an ein Gitterbett und dass ich ständig ausgeschimpft wurde, weil ich nachts nicht trocken war. Noch heute fühle ich mich entsetzlich, wenn ich daran denke. Irgendwann durfte ich zum Strand und mit den anderen Kindern essen. Das war fast noch schlimmer. Ich sollte riesige Portionen Grießbrei und Hafrebrei essen, was ich verabscheue und stundenlang am Tisch sitzen, um zu essen. Das mit dem Erbrochenen aufessen kommt mir bekannt vor, hab den Geruch in der Nase. Ob ich das gemacht habe, weiß ich nicht mehr. Meine Eltern haben mir wohl Süßigkeiten und Kleidung geschickt, die ich nie bekam. Nur die Karten, die mir mein Vater geschrieben hat. Daher weiß ich auch das Datum. Vieles ist wie im Nebel und es kommen nur Bruchstücke…es ist, als ob sich etwas in mir an das Erinnern wehrt. Als ich wieder zu Hause war, habe ich meine Eltern und Geschwister nicht erkannt und war teilnahmslos. Eingenässt habe ich zu Hause auch noch. Ich sollte mich deswegen schämen, und das tue ich glaube ich heute noch…Ein Jahr später war ich dann im Schwarzwald zur Kur, ich weiß nicht wo, nur dass es Inhalationen gab. Daran habe ich sehr wenig Erinnerungen. Die Aufenthalte waren jeweils 6 Wochen.
Es tut sehr gut, darüber zu schreiben und sich hoffentlich mit anderen ehemaligen Verschickungskindern auszutauschen zu können um endlich alles aufzuarbeiten.
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Karin schrieb am 18.02.2022
Ich war als 11jährige für 6 Wochen wegen Untergewichts dort und kann Postzensur, Einbehalten von Geschenkpaketen und Zwangsessen (einen großen Teller gewürfelte Möhren nach vorherigem nächtlichen Erbrechen) erinnern. Es gab auch nette junge Tanten, die trotzdem unwürdige bis traumatisierende Umgangsweisen mitgetragen haben. Alles in allem keine besonders schöne Zeit.
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Vicky schrieb am 18.02.2022
Ich war mit 4 Jahren im Kraushübel im Morgenröthe Rautenkranz. Ich habe einige Bruchteile an Erinnerungen. Eher negativer Art. Bürstenmassagen in der Reihe stehend, essen bis zum umfallen. Ich war zu dünn,durfte mehr essen und wurde durch andere Kinder mit kleineren Portionen gemobbt. Nachts war es am schlimmsten. Ich hatte starkes Heimweh. Gefühle von klein sen,allein sein und au h wertlos sein begleiten mich.

Gibt es jemanden,der in dieser Zeit ebenfalls dort war?!
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Monika Dombrink aus Rietberg schrieb am 17.02.2022
Eigndlich liebe ich die Insel und bin Immer wieder von der Insel begeistert. Dennoch wünsche ich mir einfach das ich mich besser an die Zeit erinnern kann. Ich war mit meinem Bruder zur Erholung da. Er wohl in einem Schlafzimmer mit 8 jungen und ich war erst 5 Jahre alt mit zwei kleinen Mädchen. Speiseraum waschkeller lange Spaziergänge nonnen und Erzieher. Bestrafung gab es auch müsste in der Mittagspause in der Ecke stehen im Schlafzimmer der oberin. Nachdem ich mal eingenaesst habe wurde ich nackt auf einem Stuhl gesetzt im Flur bis mein Bett fertig war. Ich durfte erst raus zum Spielen wenn ich es geschafft habe meine Schuhe zu binden. Und da ich zunehmen sollte bekam ich Schmalz Brote zu den Mahlzeiten, die ich essen musste. Ein Päckchen von Oma mussten wir mit allen t eilen...
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Carola Wolff aus Berlin schrieb am 17.02.2022
Aufgrund der Berichterstattung bin ich im Zuge meiner Zraumatherapie auf dieses Thema gestoßen.
Ich muss etwa 8 oder 9 Jahre alt gewesen sein, als ich zur 6wöchigen Kur nach Juist verschickt worden bin. Meine Grundschule war die Zürich- Grundschule in Berlin Neukölln.
Wer war noch mit? Wer kann sich erinnern? Was haben die dort mit uns gemacht?
Seit Jahrzehnten quäle ich mich mit Verlustängsten und absoluter Leere und Traurigkeit.
Ganz kleine Erinnerungen:
Süßigkeiten wurden geklaut
Briefe zensiert

Ich danke für Rückmeldungen
Carola Wolff
aus Rudow
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Elisabeth aus Sehnde schrieb am 16.02.2022
An was ich mich erinnere: Es muss im Jahre 71 oder 72 gewesen sein. Ich kam aus Bergisch Gladbach. Der Kinderarzt hatte meinen Eltern empfohlen, mich in
eine Kur zu schicken, da ich Untergewicht hatte. Ich war ein sehr mutiges, lustiges und intelligentes Kind, dennoch wollte ich nicht alleine fahren. So wurde auch meine gleichaltrige Kousine mitgeschickt.
Wir freuten uns darauf, weil wir sehr befreundet waren. Wir waren 4-5 Jahre alt.
Das Haus war in meiner Erinnerung direkt am Strand, es gab einen Holz-Steg am Meer entlang, auf dem wir spazieren gegangen wurden (wir durften nicht ans
Meer, obwohl so nah). In dem Haus gab es mehrere große Schlafsääle mit Betten in ca 1, 5 m Abstand an einer Seite in dem Saal, wo ich mein Bett hatte. Auf der anderen Seite waren eine Art Wickeltische. Es muss einen weiteren Schlafsaal gegeben haben, denn meine Kousine habe ich die 6 Wochen meines Aufenthaltes nicht gesehen, wir wurden bewußt getrennt. Es gab einen lichten Raum mit großen Fenstern, wo wir Kinderlieder sangen.
In meinem Gehirn ist das Lied, "Es war ein kleines Segelschiffchen" eingebrannt.
Es gab einen Essaal, aber daran erinnere ich mich nicht mehr so genau, nur dass ich dort Stunden über Stunden sitzen musste, bis ich mein Essen aufgegessen hatte.
Dann gab es ein Zimmer mit einem Schrank, in dem die Spielsachen weggeschlossen waren. Einige wenige auserwählte Kinder durften damit spielen, ich war leider nie dabei. Und es gab Toiletten mit mehreren Toilletten nebeneinander abgetrennt
durch Zwischenwände, aber in meiner Erinnerung ohne Türen. Diese
Toilettenanlage war direkt neben den Schlafsäälen, ich konnte sie von meinem Bett aus sehen, das Licht war immer an und nachts wurden Kinder, die einen Strumpf ans Bett gebunden hatten (als Zeichen, dass sie ins Bett machen könnten) mehrfach geweckt und mussten dort unter Aufsicht pinkeln. Kinder, die dennoch ins Bett machten, mussten am Morgen mit
ihrer Bettwäsche an die Wickeltische treten und wurden bestraft (Schläge und Beschimpfungen). Ich hatte große Angst vor den Aufseherinnen, die sehr viel schimpften und schlugen.
Ich konnte bereits ganz gut lesen und schreiben (meine Schwester kam in die Schule,als ich 4 war und ich habe es einfach mitgelernt) Ich hatte mit meiner Mutter verabredet, dass ich ihr jeden Tag schreibe und male, was ich sehe und erlebe und sie mir. Ich habe das getan, ich bat sie, mich abzuholen. Schrieb, dass man uns schlägt und ich nur den ganzen Tag
zum Essen gezwungen werde. Die Briefe gab ich den Aufseherinnen. Diese wurden aber nie abgeschickt. Die Briefe meiner Mutter wurden mir nicht
ausgehändigt. Andere Kinder bekamen Briefe und Pakete von den Eltern, aber ich erhielt nichts. So hörte ich nichts von ihr 6 Wochen lang, sah meine Kousine nicht und habe gedacht, dass ich nie wieder nach Haus komme. Ich dachte, meine Eltern hätten beschlossen, mich für immer in ein Heim zu geben und mich nur angelogen, dass das eine schöne Kur am Meer sei. Ich
fragte nach meiner Kousine, bekam aber keine Antwort. Überhaupt gab es wenig Gesprächsmöglichkeit mit anderen Kindern oder Erwachsenen. Es wurde nicht gewünscht und so verstummte ich mehr und mehr. Nur die
Singstunden sind mir als schön in Erinnerung geblieben, weil ich da einfach singen durfte.
Bei den Spaziergängen mussten wir in Reih und Glied auf den Holzstegen gehen, an Mützen kann ich mich nicht erinnern. Nur das wir komplett angezogen waren und an das Meer in Reichweite, die Muscheln, die ich so gerne angefasst oder gesammelt hätte. Aber wir durften uns nicht aus der Reihe bewegen. Stattdessen wurden wir aufgefordert "Ein Hut ein Stock ein Regenschirm und vorwärts rückwärts seitwärts ran zu sprechen und in diesem Rhythmus zu marschieren.
Am Ende der Kur erhielten wir als Geschenk einen Plastikleuchtturm und gefärbte Muscheln und einem Säckchen. Ich habe das sofort weggeschmissen. Ich hatte mindestens sehr zugenommen, sprach nicht
mehr und wollte auch gar nicht mehr essen (die Kilos waren in Kürze wieder runter. Ich hatte dann Jahre Land ständig Blasenentzündung (psychosomatisch vermute ich, weil ich dort immer einhalten musste und daher so gut wie nichts mehr trank, um nicht ins Bett oder in die Hose zu machen, da ja die Toilettengänge stark eingeschränkt waren und ich mich vor den offenen Toiletten fürchtete. Meine Kousine konnte sich an nicht erinnern, auch sie war stumm, traurig und fett gefüttert worden. Was ihr
passiert ist, weiß ich nicht, als Jugendliche ist sie krank psychisch erkrankt, sprach davon vergewaltigt worden zu sein (wo das sagte sie nicht) und starb mit 40 in der geschlossenen Psychatrie.
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Wilfried Prins aus München schrieb am 16.02.2022
Abspecken im Kinderheim
ei uns Kindern aus´m Kohlenpott bestand ja immer der
Verdacht einer gesundheitlichen Fehlentwicklung, von
Lungenkrankheit über Hautunreinheiten und anderen
allergischen Auffälligkeiten bis zur Mangelernährung. Der Arzt
beim Gesundheitsamt, der meine Schulreife feststellen sollte,
fand aber nur ein Loch in meinem Herzen. So sagte er es
jedenfalls wörtlich meinen Eltern. Die rannten natürlich total
besorgt sofort zu unserem Hausarzt Dr. Spieker. „Der Junge hat
ein Loch im Herz!“ Dr. Spieker setzte sein eiskaltes Stethoskop
auf meine junge Brust und klopfte und horchte das ganze zarte
Oberkörperchen ab, aber so viel er auch horchte und klopfte,
von Loch keine Spur. Statt Lochbehandlung empfahl er aber
ganz dringend einen 6wöchigen Aufenthalt in gesunder
Nordseeluft. So eine Kurmaßnahme bezahlte zum Glück die
Gesundheitsfürsorge der Zeche, bei der mein Vater malochte.
Die wollte ein wenig gutmachen für all die Sauerei, die sie mit
Abgasen aus Gruben und Kokereien anrichtete.
So stand ich dann – bald nach der Einschulung - an einem
trüben Vorsommertag an einem Nebengleis des Essener
Hauptbahnhofs - ein Schild mit meinem Namen um den Hals,
ein Köfferchen aus Karton ins feuchte Händchen geklammert -
und wurde in einen Waggon verfrachtet. Mit 200 anderen
Kohlenpottblagen. Noch nie war ich weiter als mit der
Straßenbahn nach Duisburg gekommen – und jetzt gleich an die
Nordsee! Ans Meer! Vorne pfiff die Dampflok und schleuderte
kleine schwarze Brocken und diesen unvergesslichen Duft nach
verbranntem Koks ins Abteil, wo ich heulend mit vielen
anderen Pimpfen einem ungewissen Schicksal entgegensah.
Tief durchatmen! Es begann ein mich heute noch belastender,
ein alptraumhafter Aufenthalt im „Kinderheim Bremen“ auf der
B
Insel Norderney!
Mein Bett, ein quietschendes Metallgestell, stand in einem
Riesenschlafsaal, zusammen mit zwanzig oder dreißig
weiteren. Meines war rechts vom Eingang aus, gleich das erste.
Das war sehr praktisch für die allabendlich hereinstürmende
Nachtschwester. Die brauchte dann nicht lange nachzuforschen
oder an der Tür zu horchen, wer vielleicht nicht sofort die
Klappe gehalten oder den Witzbold oder Quertreiber abgegeben
hatte. Die diensthabende Tante konnte reinrauschen, mir immer
ganz schnell die Schlafanzughose runterziehen und den nackten
Hintern versohlen, wenn nicht sofort nach dem Zubettgehen
absolute Stille einkehrte. Auf den bloßen Hintern. Mit meinem
eigenen Pantoffel! Der stand praktischerweise gleich unterm
Bett. Immer ich! Fand ich ganz schwer ungerecht, denn nicht
immer ich hatte komische Geräusche gemacht oder dumme
Sachen in den dunklen Schlafsaal gerufen. Da gab es auch
andere. Aber mein Hintern war der nächstliegende. So ist es nun
mal im Leben, lernte ich: Irgendein Arsch muss immer dran
glauben.
Zur Vorbeugung vor Rachitis mussten jeden Abend, vor dem
Abendessen, alle Kinder antreten und einen Löffel mit
Lebertran - purem, reinem Lebertran – schlucken. Nicht dieses
verfeinerte Zeug mit Apfelsinengeschmack und den
strahlenden pausbäckigen Kindchen auf der Flasche, das später
in allen Drogerien auftauchte - nein, reiner unverfälschter
stinkender Tran. Es gab dann zwar ein Eckchen Schwarzbrot
dazu, damit man nicht gleich erbrach, nicht direkt auf den
Löffel. Aber eine Tortur war es dennoch. Ich glaub, die
Walfangflotte lag direkt vor Norderney und lieferte dieses
gelbe, ekelhafte dickflüssige Öl schnurstracks und fangfrisch
per pipeline ins Kinderheim Bremen. Sich vor der Einnahme zu
drücken war schier unmöglich. Auf ewig in meiner Erinnerung
verankert ist, dass sich ein Kind auf einen Teller übergab und
dennoch gezwungen wurde, das Eingebrockte auszulöffeln.
Im Gegenzug zu diesen hartherzigen Kleinkinderquälereien hab
ich die Tanten auf einem anderen Gebiet mit meiner kindlichen
Finesse ausgetrickst. Und zwar so: Alle Mahlzeiten wurden
gemeinsam in dem großen Speisesaal eingenommen und man
saß immer am selben Platz. Meiner war ganz außen an der Ecke.
Zu meinem großen Abscheu gab es häufig eine Eintopfsuppe
mit ekligen dicken fetten Speckstücken drin. Noch heute, als
Erwachsener, puhle ich sorgfältig jedes erkennbare kleinste
Fisselchen Speck aus jedem Essen heraus, schneide bei
Schinken und Wurst jeden Fettrand ab. Keine Ahnung, woher
diese Abneigung schon im zarten Kindesalter kam, denn
eigentlich war es in der ersten Nachkriegszeit bis weit in die
Fünfziger hinein, geradezu erstrebenswert, möglichst fett zu
essen. Da saß ich armer Knirps nun, die barschen Tanten im
Nacken. Die peilten wie die Erdmännchen in der Kalahari und
wachten wie die Geier in den Anden, dass jedes Essen an den
Ort kam, für den es bestimmt war. Und die Speckstückchen in
der Suppe blickten mich an. Und es schüttelt mich vor
Widerwillen.... Ich bin stolz darauf, dass ich gleich zwei Tricks
gefunden habe, den Speck an einen Ort zu befördern, den die
geiernden Schwestern nicht kannten.
Für die erste Trickserei hab ich meine Hosentasche benutzt. Da
hinein ließ ich die kleinen Speckwürfel gleiten. Wenn die
wachsamen Augen der Schwestern mal nicht auf mir ruhten,
flutschte der Speck in meine Hose. Das nenn ich Abspecken!
Wenn das nicht mal raffiniert war! Das ging natürlich nur in
begrenzter Menge, denn irgendwann fetteten die Dinger durch
oder fingen an zu stinken oder zu schimmeln. Das war dann
doch etwas zu verräterisch in der Hose. Also musste ein
weiterer Zaubertrick her.
Das „Kinderheim Bremen“ war ja nun nicht das allerneuste.
Meine heutige Recherche lieferte mir den Nachweis, dass es
bereits in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als
„Kinderheim Dresden“ und sogar schon 30 Jahre vorher als
„Gasthof Frisia“ auf Norderney geführt wurde. Erst 1954
pachtete es das Land Bremen. Wie da die Drähte zu den
Ruhrgebietszechen gezogen wurden, ist nicht mehr
nachvollziehbar. Wegen dieses Alters war die Bausubstanz
entsprechend ein wenig marode – gerade richtig für meinen
Speck-weg-Trick. Ganz einfach hinter die nächst erreichbare
Fußleiste schieben! Die stand ein Stück von der Wand ab und
nahm bereitwillig alles auf, was mir nicht schmeckte. Dafür den
Ratten um so besser.
Das war´s: Ein neues Abspeckprogramm! Einige Zeit später
wurde das Heim abgerissen: Abspecken in letzter Konsequenz.
Die letzte Stufe meiner Rache

Diese Geschichte wurde entnommen meinem Buch "Bevor ich mich vergesse" von
Wilfried Prins
Boxberger Str. 20            80939 München
Tel. 089 32667725   oder   0178 1562436
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Irene Müller aus Lippetal schrieb am 16.02.2022
Ich war 3 Monate in diesem, von einem Ehepaar geführten Haus, die Familie wohnte mit einer Tochter auf dem Grundstück. Ich war wegen Allergien unanschaulich einer Gürtelrose dort, 3 Monate waren für mich eine schier unfassbare Zeit und ich litt unter entsetzlichen Heimweh! Briefe nach Hause wurden zensiert. Die Frau hatte, nach meiner rückblickenden Einschätzung massive psychische Probleme, die sie an den Kindern ausließ. Beim Essen gab es Kniffe und Kopfnüsse für falsches Verhalten, z. B. Nicht gerade sitzen, Quatsch machen usw. Sämtliches „ Felverhalten „wurde mit Ausgrenzung, Bloßstellung und Entzug von Privilegien ( z. B. Sportlichen Aktivitäten, bestraft und es gab körperliche Züchtigung. Häufig musste ich vor dem Schlafraum alleine auf einer Pritsche schlafen, da ich den anderen Kindern im Dunkeln Geschichten erzählt habe. Mir selbst wurde häufig so stark an den Haaren gezogen, dass ich die büschelweise herausziehen konnte, diese habe ich in einem „gedchmuggelten“ Briefnach Hause geschickt, darauf wurde mir meine Kleidung weggenommen und ich bekam nur einmal die Woche die Gelegenheit mich neu anzuziehen. Das abendliche , gemeinsame Singen wurde mir untersagt, nachdem meine Mutter in dem Heim angerufen hatte.
Ich musste in dieser Zeit dort die Schule besuchen, was eine ziemliche Katastrophe war, da ich das bayrisch kaum verstand.
An meinem 11 Geburtstag bekam ich ein Päckchen und außer derKleidung wurde alles verteilt.
Diese 3 Monate haben mich sehr verunsichert und ich habe , wieder zu Hause vor allem an meinen Eltern gezweifelt, ich konnte nicht glauben, dass Eltern ihrem Kind so etwas antun unshaven nach Hinweisen gesucht, dass sie gar nicht meine Eltern sind… es hat mein Grundvertrauen massiv erschüttert und hatte auch schulische Probleme zur Folge.
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Murzik schrieb am 15.02.2022
Hallo Christoph,
wie alt warst du damals, als du im Ponyhof warst?
Als wir mit dem Zug in Berchtesgaden ankamen, wurden wir selektiert. Alle unter zehn Jahren sollten zum Ponyhof und alle über zehn Jahre an den Königssee. Keine Ahnung, wie, aber ich als 9 10/12 Jahre alter Junge stellte mich einfach für den Königssee an. Und es klappte. Ob das nun gut oder schlecht war, weiß ich nicht. Irgendwie waren die beiden Häuser auch unter einem Dach, jedenfalls haben wir den Ponyhof bei einer Wanderung auch mal besucht, In der Nähe war wohl auch eine Forellenzucht. Jedenfalls hat Herr Hübner dort ein paar Forellen gekauft.
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Jochen schrieb am 15.02.2022
Hallo,
auch ich war für sechs Wochen in diesem Heim, das damals von einem Ehepaar mit dem Namen Hübner geleitet wurde.

Viele Grüße
Jochen
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Thorsten Pfau schrieb am 15.02.2022
Ich war im Alter von 9 Jahren ebenfalls in den Sommerferien 1972 zur Kur im "Haus Lieselotte" in Braunlage. Den Heimleiter, einen Herrn Ramm habe ich noch als feundlich und zugewandt in Erinnerung, anders als die "Tanten", deren Willkür man sich tagsüber ausgeliefert fühlte. An das "Zwangsessen" kann ich mich auch noch erinnern, insbesondere anm eine furchtbar schmeckende Milchsuppe. Ich esse sowas bis heute nicht mehr. Besonders belastend empfand ich die Kontaktsperre zu den Eltern. Wir durften zwar schreiben, aber nur Postkarten, die von den Tanten gelesen wurden. Gefiel ihnen der Inhalt nicht, z.B. weil man sich über die Zustände oder einfach über das Heimweh beklagte, wurden sie nicht abgeschickt. Mir gelang es, eine Postkarte raus zu schmuggeln, auf der ich meinen Eltern schrieb, sie sollen mir keine Pakete mehr schicken, weil diese von den "Tanten" geöffnet und der Inhalt unter allen Kindern verteilt wurde. Darauf hin rief mein Vater den Heimleiter an und beschwerte sich darüber. Es gab einen riesen Ärger für mich.
Die Ausflüge und Wanderungen habe ich allerdings noch positiv in Erinnerung. Auch wenn das Konzept dieser Einrichtung sicher Lichtjahre vom pädagogischen Standard selbst der 70er Jahre entfernt war, kann für mich trotz der negativen Eindrücke nicht sagen, dort in einer Weise traumatisiert worden zu sein, wie dieses andere Kinder schildern. Aber ich hatte wohl nur Glück. Ich kann mich an ein Kind erinnern, dass furchtbar unter Heimweh litt und häufig ins Bett machte. Der Junge wurde von dem Personal beschimpft und erniedrigt, ebenso ein anderesKind, das stotterte. Die dürften den Aufenthalt wohl in ganz anderer Erinnerung behalten haben. Wie falsch und ungerecht das war, habe ich selbst in meinem Alter schon gespürt. Ich war froh, dass man mich in Ruhe ließ.
Das Haus existiert heute nicht mehr, dort steht jetzt eine Wohnanlage mit Ferienwohnungen.
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Bine H. aus München schrieb am 15.02.2022
Ich lese nun schon so lange mit - und denke mir immer, wieso erinnere ich mich nicht an die Zeit im Kurheim Quisisana. Ich war 11 Jahre jung und es war 1978. Es gibt nur Bruchstücke an Erinnerung. Einzelne Szenen.
Ich erinnere mich an die Hinfahrt, die ich sehr aufregend fand. Ich war nicht schüchtern und hatte auch keine Angst für einige Wochen von zu Hause weg zu sein. Ich war begeistert, wir hatten ein Abteil für uns, waren vier oder fünf Kinder und eine Frau als Betreuerin. Vom Münchner Hauptbahnhof ging es nach Hamburg Altona. Dort stiegen wir um und bekamen neue Betreuer.
Verschickt wurde ich über die Postbeamtenkrankenkasse, denn Papa war Postbeamter.
Und ich war angeblich zu dick, ich sollte abspecken. Ich erinnere mich, dass ich zu dieser Zeit das erste Mal überhaupt merkte, dass ich zu dick sei. Und ich erinnere mich, dass mein Abnehmen nicht sehr von Erfolg gekrönt war. Ich nahm gerade mal 3 Kilo ab in diesen 6 Wochen und das war nicht zufriedenstellend. Von wem das nicht zufriedenstellend war, weiß ich leider nicht mehr. Ich finde es heute auch echt interessant, dass ich mich genau daran so sehr erinnern kann.
Aber dieser Gedanke, nicht gut genug an mir zu arbeiten und deswegen zu dick zu sein, der zieht sich durch mein Leben. Heute bin ich sicher, dass ich wegen dieser KUR damals erst meine zeitweise schlimme Adipositas und meine Essensproblematik her habe. Bis heute... immer extrem, entweder extrem viel am Essen mit viel, viel schlechtem Gewissen und Hass auf mich selbst, oder mit überhaupt keinem Essen mehr und schneller Abnahme.
Ich erinnere mich dann aber nicht mehr, wie wir am Bahnhof St.Peter Ording ankamen. Einzige Erinnerung ist das wunderschöne Reetdachhaus, das damals der Inhaberin des Hauses Quisisana gehörte und bewohnte. Dieses Haus fand ich ganz toll und machte schon in den ersten Tagen ein Foto davon.
Und nun hört es schlagartig auf mit Erinnerungen. Es gibt eine, da geht es um Kürbiskompott. Ich dachte, das ist Aprikosenkompott was ich von Zuhause her kannte und mochte und nahm mir davon eine kleine Schüssel. Beim ersten Bissen allerdings war mir klar, dass es etwas ganz anderes sein muss. Es schmeckte widerlich. Ich musste dieses ekelhafte Kürbiskompott aufessen. Seitdem habe ich nie wieder Kürbis gegessen.
Dann erinnere ich mich an eine Krankenphase - wieso weshalb warum weiß ich nicht mehr. Ich weiss aber noch, dass wir zu dritt zu den Dünen durften, was ich genial fand und nahm meine alte Kamera mit, die nur Schwarz/Weiß Bilder machte und auf die ich total stolz war. Ich fotografierte damals dann die beiden anderen. Dieses Bild klebte ich zu Hause dann in mein eigenes Fotoalbum und schrieb die Namen von Beiden dazu. Ich erinnere mich nur anhand dieses Bildes an diese Szene und weiß noch, dass mir dann meine Kamera weggenommen wurde. Man verbot mir auch, das Reetdachhaus zu fotografieren. Komisch finde ich heute, da ich ja mehrere Filmrollen dabei hatte, dass nur drei Bilder etwas geworden waren. Rest war schwarz.
Dann gibt es eine Erinnerung des Zimmers. Denn mein Bett stand nicht wie die anderen in Reihe sondern stand quer, da die Heizung im Weg war. Ich fand, als ich mich mit dem Thema Verschickungskinder auseinandersetzte ein Bild im Netz, was genau dieses Bett zeigt.
Dann erinnere ich mich an eine Plage mit fliegenden Ameisen. Es waren Tausende, gefühlt Millionen von fliegenden Ameisen in unserem Zimmer. Der Boden war übersät damit, die Wände waren voll, unsere Betten - alles. Bis heute weiss ich nicht, war das nur ein Albtraum oder Real. Seitdem habe ich aber Panik, wenn ich ein Insektensummen höre.
Ansonsten ist nichts da an wirklicher Erinnerung. Immer wieder, besonders wenn ich andere Geschichten höre/lese, habe ich das Gefühl da möchte etwas hoch, aber es ist wie hinter einer Nebelwand versteckt.
Ich habe meine Mutter mit dem Thema konfrontiert, die das alles einfach nur abtut. Auch hat sie keine Unterlagen mehr von damals. Sie selbst war allerdings in den 60er Jahren auch in einem Lungensanatorium für fast 2 Jahre und hatte auch dort keine schönen Erinnerungen. Aber bei mir waren es ja nur 6 Wochen. Sie meint, ich würde mich jetzt davon anstecken lassen, weil ich von anderen gelesen habe. Es verletzt mich. Obwohl ich heute 55 Jahre bin und mir eigentlich die Meinung meiner Mutter total egal sein könnte. Ist es aber nicht. Es ist ein Stich mitten ins Herz der kleinen Bine. Denn genau so fühlt es sich an. Ich wieder klein, jung und muss das so hinnehmen.
Ich war nie schüchtern und hatte nie wirklich Selbstwertprobleme als Kind. Meine Mutter erzählt bis heute, dass ich schon immer ein sehr schwieriges Kind war, mit dem sie nicht klar kam.
Schon mit 17 bin ich ausgezogen. Habe früh mit Süchten begonnen... Mein Leben war immer extrem. Was ich auch machte, es war extrem. Bis heute kämpfe ich damit. Es wird besser... vielleicht auch, weil ich heute fast sicher bin, dass mir damals etwas gegeben wurde, damit ich gut zu händeln war. Wieso sonst erinnere ich mich an kaum etwas aus dieser Zeit. Ich war ja auch schon fast 12 Jahre alt und kann mich sonst schon ganz gut an vieles erinnern aus meiner Kinder- und Jugendzeit.
Wieso erinnere ich mich nicht an die Heimfahrt? Ans Heimkommen ?
Ach ja - ich erinnere mich noch an eine Sache: an dieses Reetdachhaus. Ich war darin. Wegen einer Untersuchung beim Arzt. Beim Wiegen. Es ging eine Holztreppe hoch, ein rundlicher Vorraum mit mehreren Türen. Ich erinnere mich nicht genau, es ist wie im Nebel, aber ich erinnere mich an eine Szene, bei der Mann mir in meine Unterhose (sonst trug ich nichts) schaute. Auch wurden die Achseln untersucht. Diese Erinnerung ist - als möchte sie noch weiteres erzählen, kann aber nicht. Ja und an eine Waage erinnere ich mich, eine, die man selbst einstellen musste, so eine alte.
Das sind so meine Erinnerungen... wenige. Ich würde gerne mehr erfahren, denn heute denke ich, dass sich vieles aus meiner Lebensgeschichte danach erklären lässt.
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Monika Hauschild aus Wilhelmshaven schrieb am 15.02.2022
Hallo, ich war 1964 als 6jährige für 6 Wochen zur Kur im Kinderheim Elisabeth Braunlage. Leider habe ich kaum noch Erinnerungen, vielleicht habe ich sie auch verdrängt. Kann mich aber erinnern, das ein Kind mir gegenüber sich beim Essen übergeben hat und es aufessen mußte. Ich mußte mich dann auch übergeben und wir haben eine Ohrfeige bekommen. Die Teller mußten leergegessen werden. Alles andere ist sehr nebulös. Ich mußte zur Kur vom Arzt aus, weil ich oft Mandelentzündungen hatte und nach der Op. wieder zunehmen sollte. Ich habe irgendwann Besuch von meinen Großeltern bekommen, und als sie wieder wegfahren und mich dort zurück ließen, dachte ich, ich sehe meine Familie nie wieder. Ich habe mir immer vorgenommen, das ich das meinem eigenen Kind niemals antun würde. Ich habe mein ganzes Leben darunter gelitten, war immer nervös und puhle bis heute an den Fingern. Es würde mich interessieren, ob ich von Jemandem noch Informationen bekommen kann, der auch dort war. Es würde mich auch interessieren, ob evtl. Medikamente gegeben wurden.
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Mona schrieb am 15.02.2022
Nachtrag zu meinem Eintrag von Die. 15. 2. 2022
Ich denke das ist jetzt doch noch Relevant - der Grund warum ich wohl in dieses Kinderheim ge-verschickt wurde ist der Tatbestand, dass ich mit einer K-L-G- Spalte geboren wurde und Notoperiert wurde nach der Geburt um überhaupt Nahrung aufnehmen zu können.
Und ich zudem doch auf vieles Allergisch reagierte z B. keine Erdbeeren oder Pfirsiche Essen durfte und eben auch kein Hühnereiweiß - - diese Info hatten dann auch meine Eltern in einem Begleitbrief mir mitgegeben. Ich wurde auch mit dem Zug verschickt.
Es war wohl dann auch der damalige Kinderarzt der meinen Eltern das angeraten hatte, da ich sehr blass gewesen bin- man sprach damals von Blutarmut- und auch untergewicht hatte.
Es ist für mich aus meinem heutigen Wissen und Leben das ich gelebt habe, unfassbar was hier uns Kindern angetan wurde.
Und auch in der heutigen Zeit nimmt es ja leider kein Ende.
Mit Dank
Mona
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Mona schrieb am 15.02.2022
Sehr geehrte Frau Röhl,
nun habe ich innerhalb der letzten 5 Monate wiederholt diese Doku gesehen. Und mir ist nun wieder eingfallen ich war ja auch ein "Verschickungskind" . Habe sogar vor ein paar Jahren das Heim selbst nochmal aufgesucht.
Kurz zu mir Jahrgang 1955 - und ich war wohl zwischen 1959 und 1961 - 1x weg für einige Wochen.
Ich bin mir nicht sicher ob meine wenigen Erinnerungen daran, auch relevant sind.
Es ist in Rechtis Weitnau gewesen und wurde von der AWO betrieben soweit ich erinnere, seit einigen Jahren ist es ein Altenwohnheim, das habe ich damals vor Ort dann erfahren, von der Heimleiterin, das ehemalige Kinderheim wurde wohl so um die70ziger Jahre geschlossen, doch genau weiß ich es nicht.
2 Erinnerungen sind mir jedoch geblieben, - einmal dass es wohl irgendwann mal Spinat zu Mittag gegeben hatte mit Spiegelei und Kartoffel, und ich jedoch damals eine Eiweißallergie hatte, was wohl auch von meinen Eltern dann bei meiner Ankunft gesagt wurde. >>Dennoch musste ich das Essen, was ich dann erbrach und ich dann vor diesem Teller bis spät in die Nacht sitzen musste alleine in dem Speisesaal. Ich bekam dann auch kein normales Abendessen wie die anderen Kinder sondern saß nach wie vor vor diesem Teller. Und die anderen Kinder um mich herum, ärgerten mich zudem als ich da so saß.
Das 2. ist dass ich wohl doch öfters in den angrenzenden Wald gelaufen bin und mich dort irgendwie verstecken wollte oder hatte, so dass das personal mich suchen musste. Da ich scheint oft Stunden weg gewesen bin.<<

Vielen Dank -und ihre Arbeit ist immens wichtig.
Mit freundlichen Grüßen Frau M. Detzel
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Sylvia schrieb am 15.02.2022
Das schlimmste war der Zwang die Portionen zu essen die man aufgeladen bekam.
Ich bat auf Toilette gehen zu dürfen und würgte wieder alles heraus, entwickelte eine Essstörung heute sagt man Bulimie dazu, oder so ähnlich.
Zuhause war ich oft erkältet und Halsschmerzen.
Da meine Schwester und ich beide zu dünn waren kam vom Gesundheitsamt und der Krankenkasse die Aufforderung zur Kur.
Wer war 1979 noch in Solebad oder Luisenheim und weiß mehr was damals getan wurde und welche Medikamente man bekam?
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Nicola schrieb am 15.02.2022
Hallo,

ich war Anfang der 80 er Jahre in Polling und vielleicht 7 oder 8 Jahre alt.
Ein Erholungsheim/Kur welches von Nonnen geführt wurde. Mein Vater war bei der Post. Darum lief es auch über die Post. Ich musste mit einer fremden Person den weiten Weg mit dem Zug nach Bayern alleine ohne Eltern fahren. Dort im Heim wurden wir dann abgeliefert. Von strengen Nonnen geführtes Heim.
Ich kann mich noch sehr gut an das Haus und den Spielplatz, Schlafraum und Speisesaal erinnern. Auch die Kirche nebenan wo wir immer hin mussten. In der Kirche war ein durchsichtiger Sarg mit einen Skelett. Gruselig. Ich hoffe es erinnern sich andere und treten mit mir in Kontakt.
Es waren verschiedene Altersgruppen dort. Ich glaube nur Mädchen. Sicher bin ich nicht mehr.
Ich hielt mich gerne an 2 älteren Mädchen. Die haben das häkeln beigebracht bekommen und saßen draußen und häkelten mit Nonnen Kissen.
Wir durften nur positives nach Hause schreiben und es wurde gelesen was wir geschrieben haben. Wenn es nicht in Ordnung war, musste man es neu schreiben.
Ich bat eines der älteren Mädchen, sie durften Post weg bringen, glaube ich, meinen Brief heimlich mitzunehmen. Dort stand drin, das ich nach Hause möchte und es schrecklich ist. Der Brief ist nicht angekommen.
Mir wurde gedroht das meine Eltern die Kur bezahlen müssen wenn ich nach Hause fahre.
Ich war zum abnehmen dort. Musste mit Kindern am Tisch sitzen die normal essen durften. Ich bekam andere Kost. Zum Beispiel haben sie Nutella oder Marmeladenbrote bekommen und ich Beeren . Es war natürlich schrecklich für mich. Die Nonnen haben alles beobachtet. Heimlich gaben mir andere unter dem Tisch etwas von Ihren Broten ab.
Ich war in einen 4 er Zimmer. Die Räume waren recht groß und sauber. Eines der Mädchen aus meinen Zimmer laß Tiergeschichten vor. Ich weinte jeden Abend.
Draußen auf dem Flur waren die Schränke mit unseren Sachen.
Einmal die Woche war wiegen angesagt. Hände zeigen und mein Handgelenk wurde gemessen.
Ich durfte nicht zu Hause anrufen.
Ich bin der Meinung das manche schwimmen gefahren sind und andere mussten aufs Erdbeerfeld Erdbeeren pflücken. Ich auch.
Kann sich jemand daran erinnern und war auch dort?
Alles Gute für Euch, Gruß Nicola
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Bettina Warzecha aus Walsrode schrieb am 14.02.2022
ich war - da hatte ich so viel Glück - schon 10 Jahre alt als ich im Kinderkurheim Wetzel war. Ja, auch hier wurden wir Kinder zum Essen gezwungen. Für die meist sehr kleinen Kinder war das Horror, sie mussten stundenlang sitzenbleiben, bis sie eine eklige milchschleimige Suppe aufgegessen hatten. Besonders furchtbar, in diesem Heim lebten auch 3 elternlose sogenannte "Dauerkinder", 2 Mädchen, ich glaube Irene und Monika, und ein kleiner Junge, Michael, der oft hart bestraft wurde. Als er einmal im Bett gemalt hatte, wurde er mit seinen 4 Jahren unter die eiskalte Dusche gestellt. Besonders brutal der Gegensatz: die Heimleiterin hatte selbst einen Sohn, der wie ein Prinz dort behandelt wurde. Gerne wäre ich bereit, für diese drei Kinder, die hart gequält wurden, auch auszusagen. Aber in der Regel wird sich wohl niemand verantwortlich fühlen
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Uwe Harter aus Raum Offenburg schrieb am 14.02.2022
Bis vor drei Wochen hatte ich keine inhaltliche Erinnerungen. Im Bewusstsein war eigentlich nur dass ich im Alter von 5 Jahren für 6 Wochen in St. Peter Ording war. Als Heimname hatte ich mir „Goldener Schlüssel“ gemerkt.

Die Erinnerungen kamen am helllichten Tag, völlig aus dem Nichts. Als Auslöser habe ich den Tod meiner Mutter vor einem Jahr, eine aktuell bevorstehende Kur und einen Film über „Colonia Dignidad“, den ich einige Tage vorher geschaut habe,im Verdacht.

Es sind nur drei Situationen an die ich mich konkret erinnern kann. Zwei Situationen sind mittlerweile deutlich präsent, eine dritte ist ziemlich undeutlich.

In der ersten Situation habe ich ins Bett gemacht (kleines Geschäft). Es wird entdeckt, ich werde von einer „bösen Frau“ vor den anderen Kindern beschimpft und niedergemacht. Nach meiner Erinnerung waren es ausschließlich Jungen, die meisten älter als ich. Die Frau hetzt die andern Kinder auf mich zu bestrafen, ich werde auf mein Bett gedrückt und verprügelt. Zumindest einer der Jungen benutzt dazu einen Gürtel und ist mit großem Eifer bei der Sache, ich kann sein Grinsen oder Lachen sehen.
Ich empfinde absolutes Entsetzen, weiß gar nicht was mit mir passiert und warum alle so böse zu mir sind.

Die zweite Situation ist zeitgleich mit der ersten ins Bewusstsein gekommen. Es geht wieder um ein Geschäft, diesmal ein Großes. Ich stehe vor der verschlossenen Toilettentüre und versuche einer der „Tanten“ begreiflich zu machen dass ich dringend auf Toilette muss. Weil ich aus einer ländlichen Gegend in Süddeutschland komme kann ich mein Bedürfnis irgendwie nicht so in Worte fassen wie es die Tante gerne gehabt hätte, ich bitte, flehe und gestikuliere, aber es geht in die Hose.

Die Erinnerung an die dritte Situation ist undeutlich. Ich liege in einem Bett mit einem Metallrahmen auf der Seite. Mein linkes Handgelenk steckt in einem Ledergurt und ist am Rahmen befestigt. Im meinem Blickfeld ist nur mein linker Arm. Ich bin nicht panisch, eher gleichgültig.

In welcher zeitlichen Abfolge sich die Situationen abgespielt haben weiß ich nicht und es fehlt auch alles drumherum, also was z.B. nach dem Prügeln passiert ist, wie ich jeweils wieder sauber gemacht wurde, ob das große Geschäft in die Hose eine Strafe nach sich zog usw.

An den Schlafraum in dem sich das Prügeln abspielte kann ich mich einigermaßen erinnern. Ich glaube es war in einem oberen Stockwerk eines Gebäudes, nicht ebenerdig. Es waren ca. 10 Betten und sie waren so angeordnet dass man mit dem Kopf Richtung Wand lag, immer zwei Betten gegenüber, so dass es quasi einen Mittelhang zwischen den Fußsohlen gab. Im Türbogen zum Gebäudeinneren hin war entweder ein Absatz oder es gab ein paar Stufen nach oben und ich glaube da ging es über einen kleinen Gang auch zu der Toilette die mir verschlossen blieb.

Sonst ist da nicht mehr viel habe noch eine ganz schwache Erinnerungen an die Zug-Hinfahrt im Schlafabteil und an einen Spaziergang.
Es gab einen Raum für Inhalationen. Man musste eine Treppe runter gehen, dann war das so ein Vorraum wo man sich um- oder ausziehen musste. Dann ist da noch ein einziger Name: „Udo“. Er war ein bisschen älter als ich, damals vielleicht 7 Jahre alt. Wahrscheinlich auch aus Baden-Württemberg. Dieser Name ist das einzige positive was mir aus St. Peter Ording im Gedächtnis geblieben ist. Ich denke er hat mich ab und zu getröstet oder irgendwie versucht mir zu helfen so gut er konnte.

Diesen Udo hier zu finden wage ich gar nicht zu hoffen, aber vielleicht liest dies jemand der zu der Zeit dort war und sich an den kleinen, verängstigten Uwe mit schwarzen lockigen Haaren erinnert, der vermutlich kein Wort hochdeutsch konnte. Es gibt hier eine Gruppe zum Goldene Schlüssel der ich beigetreten bin und über die man Kontakt mit mir aufnehmen kann. Bin auch an anderem Material interessiert das mir helfen könnte meine Erinnerungen aufzufrischen, alte Fotos, Berichte etc.

Das alles ist jetzt 46 Jahre her und ich fange gerade erst an zu begreifen welche Auswirkungen diese 6 Wochen auf mein weiteres Leben hatten und was da alles in mir kaputt gemacht wurde. Da ist so viel Trauer um den fröhlichen kleinen Jungen der so nicht mehr nach Hause zurückkam. Die Momente in denen die Tränen kommen sind eigentlich noch die guten.

Da ist auch viel Wut in mir. Auf die Täter/Täterinnen, auf das ganze lebensverachtende System in dem so etwas in diesem Ausmaß überhaupt entstehen, gedeihen und über Jahrzehnte durchgezogen und größtenteils vertuscht werden kann. Es hat ja offensichtlich keinen der Träger, Behörden oder sonstigen Verantwortlichen ernsthaft interessiert wie es den Kindern geht. Einfach nur abstoßend dieses Geschmeiß und nicht besser sind diejenigen die heute das Leid der Kinder herunterspielen, das Thema verwässern, bei der Aufarbeitung auf Zeit spielen und nicht mal bei klarer Sachlage so etwas ähnliches wie ein Schuldeingeständnis über die Lippen kriegen.

Auf der Jubiläumsfeier 2013 zu 100 Jahre Goldene Schlüssel wurde dem „guten Geist des Hauses“, der symbolisch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steht, für 100 Jahre Treue und immerwährenden Einsatz zum Wohle der ihm anvertrauten Menschen gedankt. Dem kann ich mich ausdrücklich NICHT anschließen.

Vielen Dank an alle die mitgeholfen haben und weiter mithelfen das Thema ans Tageslicht zu bringen.
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Karin Hinterleitner aus Stuttgart schrieb am 14.02.2022
Da ich als 9 jährige seit Jahren chronisch erkältet war, entschied mein Hausarzt, mich in Kinderkur an die Nordsee zu schicken. Die DAK machte Bad Sassendorf, Haus Hamburg, daraus. Da ich von Geburt an regelmäßig isoliert von der Familie wochenlange Kinderkrankenhaus Aufenthalte absolvieren musste, kannte ich kein Heimweh. Die Fahrt mit dem Zug begann mit einem freudigen Abschied von der Familie. Ich freute mich einfach mal mit vielen anderen Kindern zusammen zu sein, statt wochenlang allein im Krankenhausbett liegen zu müssen. Nun die Euphorie der Zugfahrt, wir tobten die ganze Fahrt und zerfetzten alle Bahn Prospekte im Abteil und bei Halt pflaumten die Passanten auf den Bahnsteigen an, verflog als wir im Heim ankamen. Spartanische Kasernenhof Atmosphäre. Seltsam gezuckertes Essen, so gut wie nie Salat. Ich bekam am Ende den Preis, weil ich am meisten zugenommen hatte in daten 6 Wochen. 
Ich empfand die Atmosphäre im Haus immer als bedrückend. Nachts kontrollierte immer eine Erzieherin mit Taschenlampe, ob man auch wirklich schlief. Ich bekam stundenlang kein Auge zu, erst nach diesen Kontrollgängen. Ein paar mal wurde ich auch ermahnt: ""Schläfst du auch wirklich?"Nun die meisten Erzieherinnen bemühten sich, nett zu uns zu sein. Das Küchenpersonal und vor allem die Heimleiterin und die Ärzte schienen mir aus einer anderen Zeit, Großvaters Zeit, humorbefreit, autoritär. Wir mussten einfach funktionieren und uns total der Heimordnung unterwerfen. Klar bei einem Betreuungsschlüssel von ca. 2:40. Gefreut haben mich immer die Spaziergänge, da durften wir Mädchen uns hemmungslos unterhalten und Spaß machen. Auch die Völkerball Spiele Abends waren ein Highlight. An den Rest erinnere ich mich lieber nicht so gerne. Z. B. Die Inhalationsbehandlungen im Keller. Da wurde von der Decke Solewasser verdampft und wir sollten das einatmen - brrr. Auch wurden wir mit Kalt-Warm Bädern in alten Holzbottichen im Solewasser gebadet und kalt abgespritzt - zweimal die Woche ca. - auch im Keller. Und ich hatte mich auf das Meer und Sonne gefreut. 
Richtig wütend machte mich der "Mittagsschlaf": Da wurden wir streng angehalten gefühlte 2 Stunden brettsteif und ruhig zu liegen - mucksmäuschen still, Augen geschlossen halten.Die Post an die Eltern wurde diktiert und kontrolliert. Ich tauschte keine Adressen aus bei der Heimfahrt. Ich war einfach nur froh, endlich wieder wegzukommen und mich wieder frei und ungezwungen bewegen und sprechen zu  können. 
Meine Mutter war betroffen von meinen Erzählungen, aber noch mehr davon, wie ich gemästet worden war, nichts passte mir mehr. Eine zweite "Kur" wäre für mich nicht mehr in Frage gekommen. Ich habe danach allen Kindern von einer "Kur" abgeraten, meine Eltern anderen Eltern ebenso.
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Roswitha B. aus Wiesbaden schrieb am 14.02.2022
Meine Eltern schickten mich zur "Erholung" weil ich zu dünn und zu klein war, 6 Wochen allein ohne Besuch (über die Krankenkasse AOK)in den Schwarzwald. An die Zugfahrt dahin kann ich mich nicht erinnern, wohl aber an das Zwangsessen, alles aufzuessen. Weil ich beim Essen redete, musste ich vor der Tür stehen, Nachts meine Unterwäsche ausziehen und ein mir fremdes Nachthemd tragen. Ich schlief immer im Schlafanzug Zuhause.
Die Post nach Hause wurde diktiert und als ein Paket kam mit Süssigkeiten, wurde das unter den Kindern aufgeteilt. In diesem Paket war auch meine Puppe, meine Eltern wurden aufgefordert sie zu schicken,
es war eine Sprechpuppe und sie war kaputt als ich Sie erhielt. Ich hatte großes Heimweh. Bei einem Ausflug hat sich ein Mädchen, das mit mir zur Kur geschickt wurde (aus dem gleichen Kindergarten Zuhause aus dem ich kam), den Arm gebrochen. Ich habe Sie so beneidet, sie durfte nach Hause fahren, ist alles bruchstückhaft aber den Namen des Mädchens: Nicole Hundsberger habe ich niemals vergessen. Wie man den Namen richtig schreibt weiss ich leider nicht. Für meine Mutter habe ich einen kleine Schwarzwaldpuppe an einem Kiosk gekauft, mit Kirschen auf dem Hut..
Ich bin froh das Erlebte jetzt aufarbeiten zu können, es belastet mich sehr, dass ich mich nicht an alles erinnern kann, gern wüsste ich was mit dort angetan wurde, habe alles böse und dunkel empfunden, fühlte mich so alleingelassen. Es hat mich für mein Leben geprägt. Zuhause habe ich danach lange bei anderen Menschen nichts gegessen, nur Zuhause oder wenn meine Eltern dabei waren. Mit 10 Jahren wusste ich, dass ich Kinderkrankenschwester werde. Damals unbewusst eine Fürsorge für Kinder zu haben, sie zu beschützen, als Anwalt der Kinder.
Wie ein Puzzle setzen sich jetzt die Dinge für mich zusammen. Es gibt eine Karte mit Bild des Hauses in Farbe, mit Schreibmaschine der Text:
Ihre Tochter Roswitha ist am Donnerstag gut bei uns eingetroffen. Wir hoffen, daß es ihr bei uns gefallen wird und daß sie sich gut erholt. In Zukunft wird Ihnen die Betreuerin, Fräulein Waltraud Schuler, direkt schreiben. Mit freundlichem Gruß,
Gläser
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Dorothea H. schrieb am 12.02.2022
Ich war im Sommer 1968 im Kurheim auf Norderney und suche Menschen, die auch zu dieser Zeit dort waren.
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Dagmar aus Viersen schrieb am 12.02.2022
Wer kann sich noch an das Heim erinnern ?
Ich war erst 4 und die Wochen erschienen mir unendlich
lang. Als mich meine Eltern dort abholten, habe ich sie nicht mehr erkannt. Zu dem Zeitpunkt kam es mir vor, als würde ich schon immer im Kurheim gelebt haben.
Offenbar war ich die Jüngste, war immer zu langsam.
Meine Eltern leben heute noch und berichteten ich habe dann wieder zu Hause fürchterlich geschlungen(wohl weil ich das Tempo der anderen einholen musste) .
Heute gibt es Mutter/Vater Kind Kuren. So ein kleines Geschöpf schickt man nicht alleine weg. Natürlich haben die Eltern es damals nicht besser gewusst, sie wollten uns helfen. Ich sollte zunehmen und hatte schweres Asthma.
In einem großen Schlafsaal stand mein Bett Der Schlafsaal hatte 25 Betten oder mehr und eine Tante saß auf einem Stuhl an der Tür.
Wir wanderten im Winter in der Gruppe am Strand entlang, die Sandkörner peitschten mir ins Gesicht. Eine liebe Tante (Heidrun ? ) nahm mich unter ihren langen Mantel. Die anderen Tanten waren nicht freundlich. Besonders streng war eine Tante Marlies.
Unsanft wurde ich behandelt, als ich wegen Erbrechens die Toilette nicht mehr erreicht habe. Ausgeschimpft und geschüttelt wurde ich.
Laut Kurbericht den ich noch habe, waren es die Röteln.
Nun lag ich in einem anderen Zimmer und wurde im Bett gefüttert mit irgendeinem Brei, das weiß ich noch heute, musste erbrechen und musste den Teller mit Erbrochenem leeren.
Wie wir sonst den Tag verbracht haben kann ich nicht berichten. Haben wir da jemals gespielt ?
Und an einer Tür mit Klappe stand manchmal eine Tante und hat Briefe verteilt. Sie hat die großen Kinder aufgerufen ,die durften nach vorne kommen und ihre Post abholen. Ich wurde nicht nach vorne gerufen.
Im Kurbericht finde ich die Medikamente Soledum Amid Saft und Ditonal-Z. Wogegen genau wurde das verordnet ?
Wenn mir noch etwas einfällt kann ich es später ergänzen.
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Peter B. aus Winkelhaid/Bayern schrieb am 11.02.2022
Hallo,
aufgrund meiner Neurodermitis und meines Asthma "durfte" ich auf Anraten der Ärzte in der Zeit von 1961 - 1967 gleich fünfmal in ein Verschickungsheim. Natürlich musste ich als kleines Kind dieselben negativen Erfahrungen machen wie alle, die im Forum ihre Erlebnisse teils detailliert schilderten. Exemplarisch seien in diesem Zusammenhang der Essenszwang, die Demütigungen durch die autoritären, lieblosen "Tanten"/Schwestern, die Postzensur und die strenge Mittagsruhe genannt, die allesamt mein Heimweh verstärkten. Selbst wenn man die Geschehnisse von damals unter dem Lichte des seinerzeitigen Zeitgeistes betrachtet, wurde an uns m.E. großes Leid verursacht. Ich denke, dass die Erlebnisse durchaus charakterprägend waren und auch noch bis heute (60 Jahre später) ihre Spuren hinterlassen haben. Wenn man rückblickend irgend etwas Positives in den damaligen traumatischen Erlebnissen finden will, vielleicht dass sie (zumindest bei mir) zu einigen positiven Eigenschaften wie stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, gutes Einfühlungsvermögen oder Verachtung von jeglicher Gewalt führten. Mit den negativen Auswirkungen auf meine persönliche Entwicklung möchte ich mich gar nicht mehr auseinandersetzen, weil es sich eh nicht mehr ändern lässt. Hoffen wir zusammen, dass künftigen Generationen ähnliche Erlebnisse erspart bleiben.
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Sabine aus Schweinfurt schrieb am 09.02.2022
Ich war vom Anfang Nov. bis Mitte Dezember dort und suchen Kinder, die auch (ungefähr) zu dem Zeitraum dort waren. Bei mir war es die Barmer Ersatzkasse in Schweinfurt, bei der wir versichert waren. Von dort wird gemauert, keine Unterstützung. Da ich mich an kaum was erinnern kann bin ich für jeden Hinweis an schweinfurt.2021@web.de dankbar. Es waren einige Kinder aus dem Großraum Nürnberg dabei.
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Gaby Meyer aus Walsrode schrieb am 08.02.2022
1971...Ich war mit meinem 2 Jahre älteren Bruder in Bad Orb für sechs Wochen. Wir sind mit dem Zug dorthin gefahren. Ab Bahnhof Hannover kann ich mich an nichts mehr erinnern. Meinen Bruder habe ich nur einmal während der 6 Wochen von weitem gesehen.
Ich kann mich nur an ein paar Fetzen erinnern: Einmal die Woche war Kleidungswechsel auf dem Dachboden. An das Salzwasser tropfen Heugebaeude. Angst vorm Wiegen. Ekel vor Nahrung. Vielleicht wurde ich für 6 Wochen innerlich abgestellt ....PsychoTerror Medikamente Trauma Todesangst...
Einige Jahre später war ich mit meinem 1 Jahr jüngeren Bruder für 6 Wochen in Bonndorf. Auch daran habe ich kaum Erinnerungen.

Vor ein paar Tagen googelte ich einfach so nach "Bad Orb Kinderkur" und stieß auf diese Internetseite. Bei YouTube guckte ich ein paar Dokus zu dem Thema.
Jetzt weiß ich endlich wo die Wurzel des Übels liegt. Schwerst-Trauma-geplagtes Leben.....
Danke Gott für diese wunderbare Internetseite
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Frank Heinrich aus Remscheid schrieb am 08.02.2022
Ich war im Sommer 1976 in Bad Buchau. Ich war damals 14 Jahre alt und leicht untergewichtig. Meine Eltern waren wohl ganz froh, mich über den Sommer loszuwerden. Obwohl es sich um eine Kurheim der Caritas handelte, gab es da, nach meiner Erinnerung, keine Nonnen. Alle Kinder wurden in Gruppen von gleichalterigen unterteilt. Ich war damals in der Gruppe "Sankt Michael". Wir waren etwa 20 Jungs. Das Essen war eigentlich ganz OK (jedenfalls besser als zuhause), nur einmal haben wir Fußnägel im Essen gefunden und unsere Erzieherin (eine Frau Häringer oder so ähnlich) hat dann einen ziemlichen Wirbel in der Verwaltung veranstaltet. Danach gab es keine vergleichbaren Ereignisse mehr.
Was mich damals gestört hatte, war die obligatorische Mittagsruhe. Natürlich schlafen Jungs in diesem Alter nicht um die Mittagszeit, so dass es eher eine Lesestunde wurde. Wir haben uns gegenseitig Bücher und Heftromane ausgeliehen, so dass uns der Lesestoff nicht ausging.
Die Mittagsruhe war auch eine gute Gelegenheit für eine ausgiebige Kissenschlacht oder den gemeinsamen Verzehr der Süßigkeiten, die einige von uns zugeschickt bekamen. Mit einigen Jungs habe ich damals Freundschaften geschlossen, und tatsächlich noch einige Jahre durch Briefwechsel am Leben gehalten.
Wir konnten auch jederzeit, auch nachts, zur Toilette. Auch die wöchentlichen "Badetage" verbinde ich nicht mit dem hier vielfach geschilderten Schrecken. Tatsächlich gab es ein Badehaus mit Badewannen, die allerdings zumindest einen Sichtschutz hatten, möglicherweise aber auch einzeln in geschlossenen Räumen standen. Ich erinnere mich dunkel, dass wir nach dem Baden gewogen und ab und zu ärztlich untersucht wurden.
Ich habe keine Ahnung, ob es in meiner Gruppe auch Bettnässer gab. Sollte dies der Fall gewesen sein, wurde es wohl diskret behandelt.
Gelegentlich gab es organisierte Freizeitaktivitäten aber die meiste Zeit waren wir uns selbst überlassen. Einmal sind wir abends eine längere Strecke zu Fuß gegangen um in einem Kino den Film "Bonnie und Clyde" anzusehen. Damals war man im Allgemeinen der Ansicht, dass Filme in denen Menschen gut sichtbar erschossen werden, nicht so ganz kindegerecht sind. Das war wohl auch unseren Erziehern auf dem Heimweg in den Sinn gekommen, denn wir kriegten dann vor dem Schlafen alle noch einen Löffel Baldrian mit Zucker.

Ansonsten war es schon ziemlich langweilig. Unsere spontanen nächtlichen Exkursionen im Gebäude waren dagegen recht spannend, allerdings glückte es uns nie, in den Schlafsaal einer anderen Gruppe zu gelangen.
Zusammenfassend waren das langweilige aber in keiner Hinsicht traumatische sechs Wochen.
Wahrscheinlich hatte ich einfach Glück.
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Yvonne3012 aus Weilerswist schrieb am 06.02.2022
Durch Zufall habe ich diese Seite im Internet gefunden und weiss seit ein paar Tagen dass es für mein Erlebtes einen Namen gibt. " Verschickungskind ". Prinzregent Luipolt in Scheidegg.
Da ich zum Zunehmen dort war, wurde mir jeden Tag nicht kindgerechtes Essen vorgesetzt. Dieses musste ich unter Aufsicht aufessen , was nicht einfach war und ich mich oft geekelt habe.
Vor dem Essen musste ich eine Tablette schlucken. Ich kann mich erinnern , dass sie sehr gross und weiss war. Ich bekam sie nicht durch den Hals. Ich wurde gezwungen dazu und es stand so lange jemand hinter mir, bis ich dieses Teil ( oft zerbrochen ) durch den Hals hatte. Noch heute habe ich dieses schreckliche Gefühl, wenn ich Tabletten schlucken muss.
Ich hatte keinen Kontakt zu meinen Eltern. Meine Briefe wurden aufgerissen , und da den Nonnen das Geschriebene nicht passte musste ich in einem kleinen Zimmer, nach viel Schreierei, unter Tränen meinen Brief unter Aufsicht neu schreiben. Ein Ostergeschenk von meinen Eltern wurde mir nicht ausgehändigt.
Meine Hände waren als Kind schon immer sehr rauh. Jeden Morgen musste ich in einer Reihe stehen, und die Hände wurden nachgeguckt . Wenn sie rauh waren, wurde darauf gehauen und laut gesagt wie hässlich sie sind. Das war bei mir jeden Morgen.
Über meinem Bett hing ein Kreuz, jemand sagte zu mir, dass es alles sieht, und ich verflucht sei wenn ich mich nicht an alles halte. Ich hatte jeden Abend im Bett sehr große Angst, konnte nicht schlafen, hatte Heimweh. Man durfte nicht mehr aus dem Bett aufstehen. Die Toilette war auf dem Flur. Sobald man den Flur betrat kam die Nachtschwester und hat einen an den Haaren oder Ohren zurück ins Bett gezogen.
Sie gaben mir 6 Wochen mit Bemerkungen das Gefühl, dass meine Eltern mich nicht vermissen und wer weiss ob sie mich so wiederhaben möchten.
Einmal haben sie uns einen Film gezeigt über ein Kind, das Kinderlähmung bekam. Ich habe mir tagelang eingebildet, dass meine Beine schmerzen und ich gelähmt sein werde.
Es wurde sich oft über einen lächerlich gemacht. Die Anziehsachen waren in einem kleinen Fach auf dem Flur. Einmal wollten die Schwestern dass ich ein Kleid trage. Aber ich habe keine Strumpfhosen ertragen, die jucken so schrecklich an den Beinen. Die Schwestern durchwühlten mein Fach bis sie Erfolg hatten. Ich musste auf dem Flur vor allen Kindern meine Anziehsachen wechseln, und musste eine dieser Strumpfhosen anziehen mit Kleid. Danach musste ich das Chaos in meinem Fach beseitigen. Alles unter Aufsicht der sich lächerlich machenden Schwestern. Heute tragen meine Kinder im Winter unter der Kleidung Leggins.
Ich war zum Zunehmen dort und habe über 6 Kilo abgenommen. Ich wog nur noch um die 20 Kilo und wurde nach 6 Wochen total geschwächt und voller Tränen von meiner Mutter in Empfang genommen. Eine schreckliche Zeit , die mich den Rest meiner Kindheit immer verfolgt hat. Die Erinnerungen werden von Tag zu mehr und erklärt so manches , das mich noch im Erwachsenenalter verfolgt.
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Herrmann, Kirsten schrieb am 06.02.2022
Ich kann es gar nicht fassen, dass sich jemand für diese Ereignisse interessiert, dass es dafür einen Namen gibt.

Ich war vom 12.04.1966 bis 24.05.1966 im Kindersanatorium "Waldesruh" in Dausenau an der Lahn. Der Zeitraum müsste stimmen, da ich noch ein paar Briefe von mir aus dieser Zeit habe, 2 davon enthalten Zusatzschreiben an meine Mutter unterschrieben von einer Anne Vogt. Ich war damals 8 Jahre alt und hatte die ganze Zeit fürchterliches Heimweh, worüber ich auch krank wurde. Ich wurde dorthin geschickt, weil ich zu dünn war.

Diese schreckliche Zeit hat Auswirkungen bis heute, hat mein Leben geprägt.

Ich habe viele Jahre Therapie hinter mir, zuletzt während meines Burn Outs. Im Sommer vergangenen Jahres schloss ich sie ab. Es ging mir viel besser und ich dachte, ich hätte es endlich geschafft, aber ich habe weiter zu kämpfen.

Und als ich dann über die Suche nach einem Hörspiel oder einer Dokumentation (ich kann so besser einschlafen) auf den SWR2-Beitrag "Was habt ihr mit uns gemacht? Ehemalige Verschickungskinder fordern Aufklärung" in der "ardaudiothek" stieß, hat es mich wieder gepackt. Meine Arme und Beine wurden eiskalt und ich verspürte wieder eine so große Schwäche in den Beinen. Genau eines der Hauptsymptome während meines Burn Outs. Ich glaube, da sitzt noch was, was unbedingt endlich heraus will.

Einiges erinnere ich noch, anderes liegt unter schwarzen Flecken. Wie schon gesagt, ich hatte fürchterliches Heimweh, was in keiner Weise von den sog. Schwestern aufgefangen wurde. Im Gegenteil, ich wurde unter Druck gesetzt. Man sagte mir, dass ich mich nicht so anstellen solle. Auch sollte ich meinen Eltern davon nichts schreiben, ich wolle sie doch nicht etwa traurig machen. Besonders dramatisch wurde es, als ich Nachricht erhielt, dass mein geliebter Großvater im Krankenhaus war. Und ich durfte nicht zu ihm. Das Gefühl von Hilflosigkeit, das Gefühl gefangen zu sein war übermächtig.

Beim Essen ist mir besonders die eklige Milchsuppe und die große Tasse Kakao in Erinnerung, die wir ja noch vor den Hauptmahlzeiten essen mussten, was für mich regelmäßig zu viel war. Aber es gab kein Erbarmen, es musste aufgegessen werden. Irgendwann habe ich ihnen auf den Tisch gekotzt.

Durch das Heimweh wurde ich krank und musste im Bett bleiben. Mein Bett stand im Gemeinschaftsschlafsaal. Da lag ich krank und fühlte mich verloren. Ich erinnere nicht, ob jemand kam und sich um mich kümmerte. Wird wohl so gewesen sein, dass ich Essen bekam. Aber den Zusammenhang zwischen Heimweh und Erkrankung bemerkte sicher niemand.

Ich weiß noch, dass ich dann irgendwann mal aufstand und durch das stille, verlassene Haus wanderte, es war niemand da, die Türen nach draußen verschlossen. Zu der Zeit waren Jugendliche aus Berlin da, die in einem anderen Trakt ihre Zimmer hatten. Bei ihnen brach ich dann in Tränen aus, weil ich so froh war, jemanden zu finden. Ich hab so sehr geweint und von meinem Heimweh erzählt, dass die Jugendlichen sich rührend um mich kümmerten. Ich kann mich an ihre Betroffenheit noch erinnern.

Es gibt 11 Briefe und Postkarten aus dieser Zeit, die ich nach Hause geschrieben hatte. Sie wurden vor dem Versenden kontrolliert. Bei zwei Briefen finden sich handschriftliche Kommentare von Anne Vogt. Darin beruhigt sie meine Eltern und beschreibt mein Heimweh als „Umstellungsschwierigkeiten“, die sich in den nächsten Tagen legen werden. Später lügt sie einfach und behauptet, ich sei sehr froh und würde gut erholt zurückkommen.

Dieser Aufenthalt hatte definitiv Auswirkungen auf mein Leben. Bis heute habe ich Schwierigkeiten wegzufahren. Es kam und kommt vor, dass ich eine Reise oder einen Ausflug verabrede und kurz vorher überfällt mich Todesangst, dass mir etwas Schreckliches passieren wird, wenn ich die Reise oder den Ausflug antrete. Ich kann dann nicht anders, als abzusagen.

Sogenannte Autoritäten machen keinen Eindruck auf mich. Im Gegenteil, Titel und Ämter erfüllen mich mit großem Misstrauen. Ich habe einen unbändigen Freiheitsdrang und kriege Beklemmungen, wenn ich in geschlossenen Räumen bin. Geschlossene Räume bedeuten für mich auch gedankliche Räume. Ich entwickelte ein feines Gespür für Manipulation und für die Stimmungen meines Gegenübers. Heute weiß ich, dass es meine Überlebensstrategie war und heute noch ist. Ungerechtigkeiten ertrage ich nicht und wo ich nichts daran ändern kann, leide ich darunter.

Von meinen Eltern fühlte ich mich verraten und verkauft. Nach meiner Rückkehr reagierte meine Mutter auf das Thema Heimweh abschließend mit den Worten ab: „Du bist selbst daran Schuld, Du wolltest ja unbedingt dahin. Also stell Dich nicht so an“. Das war es.
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Michael R. aus Bremen schrieb am 06.02.2022
Hallo, ich bin auf der Suche nach dem Heim, in das mich meine Eltern Anfang der 1970er Jahre von Bremen aus verschickt haben.
Ich bin Jahrgang 1964 und muss damals 7 Jahre alt gewesen sein.
Leider habe ich mich erst als Erwachsener mit diesem unschönen Kapitel meiner Kindheit befasst, meine Eltern hatten keinerlei Unterlagen mehr zu dem Heim.
Ich weiß nur noch, dass ich mit dem Zug hin und wieder zurück nach Bremen gefahren bin.
An Einzelheiten des Alltages kann ich mich aber noch gut erinnern. Bei der Ankunft mussten wir alle mitgebrachten Comichefte und Süßigkeiten abgeben. Untergebracht waren wir Jungs in einem großen Schlafsaal. Zwischen meinem und dem Bett meines Nachbarn war ein kleiner Stuhl / Tisch.
Ich erinnere mich an einen Jungen, der mal auf seinem Bett stand und in den Saal gepinkelt hat. Ein anderes Mal hat er ein Lustiges Taschenbuch von mir zerrissen.
Ich erinnere mich, mit anderen Jungs Eimer mit Marmelade aus der Küche geholt zu haben, dass wir für Postkarten nach Hause vorgefertigte Texte von einer Tafel abschreiben mussten, dass wir ekeligen Griesbrei vorgesetzt bekamen - und zwar den selben Teller immer wieder, wenn er nicht aufgegessen wurde.
Ich hatte mich damals mit dem Jungen angefreundet, der im Bett neben mir schlief und meine, dass dieser Junge auch im Zug mit mir zurück nach Bremen gefahren ist. Leider habe ich keine Erinnerung mehr an seinen Namen.
An das Aussehen des Heimgebäudes kann ich mich leider auch nicht mehr erinnern, es lag aber nicht an der See. Ich weiß aber noch, dass ich das Areal mit meinem Heimfreund mal erkundet habe und wir erstaunt waren, dass es dort auch Unterbringungen in Zwei-Bett-Zimmern gab. Wir dachten damals, dass dort wohl die Mädchen wohnten.
Noch eines ist mir in Erinnerung geblieben: Am Tag vor der Abreise wurde bei uns Fieber gemessen, verbunden mit dem Hinweis, dass noch bleiben müsse, wer erhöhte Temperatur habe.
Ich würde mich sehr über jeden Hinweis freuen bei meiner Suche nach dem Heim. Vielleicht gab es ja Heime, in die Kinder aus Bremen bevorzugt geschickt wurden damals. Das würde die Suche eingrenzen.
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Christa Aumiller, ehemals Jansen aus 85253 Kleinberghofen (Bayern) schrieb am 05.02.2022
Ich war damals 5 Jahre, fast 6 (hatte während des Aufenthaltes am 12.03.1956 Geburtstag) Mein mir geschicktes Päckchen mit Inhalt wurde an alle verteilt. Morgens gab es immer dicke Haferflockensuppe. Da ich keine Milch mochte, habe ich mich so geekelt, dass ich immer in die Suppe erbrochenen habe, aber ich musste immer weiteressen bis ich nicht mehr konnte. Nachts waren wir in einem großen Schlafsaal untergebracht, in dem in der Mitte ein großer Ofen stand, der den Raum beheizte. Da ich nachts immer so großes Heimweh hatte, habe ich ins Bett eingenässt. Ich versuchte deshalb an dem Ofen meine nasse Schlafanzugshose zu trocknen. Dabei wurde ich erwischt und musste als Strafe die restliche Nacht mit der nassen Hose neben dem Bett stehen. Ich habe in dieser Zeit angefangen an den Fingernägeln zu kauen, damit habe ich bis heute (71) nicht aufhören können. Nach meiner Ankunft Zu Hause nach 6 Wochen aus Bad Neuenahr waren meine Eltern nur noch entsetzt, wie zerlumpt und verstört ich war. Meine Mutter hatte damals auch Beschwerde bei der Behörde eingelegt, diese diese Verschickungen veranlasste, aber ich kann mich leider nicht mehr erinnern, was dabei heraus gekommen war.
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Bernd aus Hückeswagen schrieb am 04.02.2022
Ich war nach den Osterferien 1958 als 7-jähriger für 6 Wochen auf Amrum. Organisiert wurde die Verschickung durch den damaligen Rhein-Wupper-Kreis (NRW). Viel weiß ich nicht mehr, hängen geblieben sind nur schlechte Erinnerungen. Gibt es jemand, der auch zu dieser Zeit dort war? Angeblich ist das Heim nicht lange nach meinem Aufenthalt geschlossen worden.
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Eva-Maria Kötter aus Münster schrieb am 04.02.2022
ich war in Essen in Schloß Landsberg, ein Haus von der Thyssen AG.
Meine Eltern sind an das Heim gekommen, weil sie Bekannte hatten, die bei der Thyssen AG gearbeitet haben, Ich bin mit 2 weiteren älteren Schwestern in dieses Heim für 6 Wochen gekommen. Ich war 3 Jahre, meine Schwestern waren 4 und 5 Jahre alt.
Schloß Landsberg ist wirklich ein Schloß gewesen, mit den alten dicken Gemäuern.
Ich kann mich erinnern, das man uns sehr viel Angst eingejagt hat, wir waren über Nikolaus dort, da haben die sog. Tanten am Nikolausabend an den heruntergelassenen Rollen mit Stöcken gerappelt, damit wir Angst vor Knecht Ruprecht bekommen sollten. Kleine Koffer, die meine Eltern uns mit Süßigkeiten gefüllt hatten, wurden an alle verteilt. Briefe wurden nicht vorgelesen,
ich hatte große Probleme mit dem Essen, meine Schwester durfte mir nicht helfen beim Essen, sie wollte mich füttern, damit ich das scheußliche Essen aufesse, weil sie wusste, dass es wieder Schimpfe gab. Erbrochenes musste wieder aufgegessen werden. Des weiteren wurden wir in den kalten Waschraum gesperrt, wenn wir beim Einschlafen noch gesprochen haben, meine Schwester war Bettnässerin, sie musste in ihren nassen Sachen in der kalten Badewanne ohne eine Decke schlafen, ansonsten mussten wir auf einen Metalleimer nachts Pippi machen. Als 3 jährige weiß ich nicht mehr so viel, weiß aber, dass man uns in einem sehr ungepflegten Zustand nach 6 Wochen wieder nach Hause schickte, bzw. meine Eltern uns abgeholt haben, meine Mutter hat später erzählt, dass sie über unseren Zustand so entsetzt war, dass sie geweint hat.
Ich muss allerdings sagen, dass wir zu Hause auch schlimme Dinge erlebt haben, wie unter die kalte Duschen gestellt zu werden, mit dem Gummiknuppel geschlagen werden, so lange am Tisch sitzen, bis man das Schlimmste, rohen Speck, und das einen ganzen Haufen, aufgegessen hatte. Also nicht viel weniger schlimme Dinge.
Ich kann heute nichts essen, was mir auch nur im Kleinsten nicht schmeckt, ekel mich vor vielen Gerüchen, die ich in Schloß Landsberg zuhauf gerochen habe. Habe bis heute kein Vertrauen in irgendeinen Menschen, habe deswegen große Bindungsschwierigkeiten.
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