ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2741 Einträge
Sabine Stiel aus Wuppertal schrieb am 24.02.2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
Gerade sehe ich im ZDF ihren Bericht.
Ich war 10 Jahre alt und mein Bruder 8 Jahre.
Wir wurden beide nach Bad Sooden Allendorf verschickt. Unsere Mutter
war im festen glauben uns was gutes zu tun. Mein Bruder und ich
würden nach der Ankunft sofort getrennt und durften keinen Kontakt
zueinander aufnehmen. Ich kann einen Tag nicht vergessen. Ich habe
keine Milch gemocht und bekam zum Frühstück Haferschleimsuppe, da
ich das nicht essen wollte, hat man mich bis nach dem Abendessen vor
dem Teller sitzen lassen. Ich bekam nichts anderes zu essen oder
trinken. Dann wurde ich ins Bett gesteckt. Im Bett durfte Mann nicht
mit anderen Kindern Reden, sonst musste man für Stunden im Flur in
der Ecke stehen. Briefe an zu Hause wurden zensiert, stand was
negatives drin musste man einen neuen schreiben. Es gab noch so vieles
an kleinen Gemeinheiten, das kann man gar nicht alles aufzählen. Mein
Bruder und ich sind als Kinder nie wieder in Kur gefahren.
Als ich mit 42 Jahren eine Reha machen musste war mir ganz komisch.
Als der Brief vom Rentenamt kam wo ich hin sollte, stockte mir der
Atem "Bad Sooden Allendorf".
Das Kinderheim gab es nicht mehr.
Aber es war noch immer ein Schock.
Das musste ich mal eben schreiben.
Mit freundlichen Grüßen Sabine Stiel
--
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Mona schrieb am 23.02.2022
Seit Tagen lese ich nun diese Berichte, und mir stellen sich die Haare zu Berg.
Dennoch, vielleicht findet sich noch jemand anderer, der auch in meiner zeit -siehe Eintrag vom 15.2. 22- in diesem AWO - Kinderheim in Rechtis-Weitnau gewesen ist.
Ich wünsche - uns allen - dass wir weiterhin die Kraft haben, das ganze mit den Jahren unseres gelebten Lebens nun doch auf eine Art und Weise ablegen zu können um unser Leben zu leben, mit all dem was uns erfreut.
Grüße Mona
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Uta Klose geb.Heinz aus Biskirchen schrieb am 22.02.2022
Hallo,
im August 1956 war ich " zur Erholung" nach Bad Reichenhall in den Staufenhof geschickt worden .
Durch eine Fernsehsendung heute wurde ich daran erinnert, was ich seit damals verdrängt
habe. Es war eine schreckliche Zeit - für mich entsetzlich die sogenannten Abhärtungsmassnahmen : nackt in einem gekachelten großen Kellerraum wurden wir mit kaltem Wasser aus Gartenschläuchen kalt abgeduscht und dann mit Zweigen von Birken abgeschlagen. Schreckliches Porridgezum Frühstück. Die Liste ließe sich lang fortsetzen wie z. B.barfuß im Nachthemd in der Ecke stehen, wenn man nach dem Hinlegen abends noch ein Wort gesprochen hat.
Ich habe das alles offensichtlich erfolgreich verdrängt, aber es hatte Auswirkungen auf die Zeit danach!
Leider sind meine Eltern schon vor über 30 Jahren verstorben, ich hätte viele Fragen! Nach langem Suchen habe ich noch ein Foto von dort gefunden. Es würde mich interessieren , ob dich noch jemand aus dieserZeit daran erinnern kann.Ich war damals 9 Jahre alt.
Mit freundlichen Grüßen
Uta Klose ( geb.Heinz)
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Angelika Sroka schrieb am 22.02.2022
Ich war ca.1961/62 im Haus Seestern in Grömitz . Für 6 Wochen ,an die ich mich so gut wie nicht erinnern kann .Nicht an die Fahrt dorthin , nicht an die Heimreise .
Was ich über die Jahre allerdings nie vergessen habe ,war ein Schlag ins Gesicht ,weil ich während der Mittagsruhe auf der Toilette war . Das Erbrechen von einem Abendbrot , hatte es geschafft vom Tisch zu flüchten , bis in unser Zimmer , da kam alles hoch und ich musste es alles wieder sauber machen . Dann an ein Spiel in der Ostsee : Montag , Dienstag....bei Sonntag sollten wir Abtauchen . Ich kann bis heute nicht mit dem Kopf unter Wasser .
Es irritiert mich schon , daß ich mich an so wenig erinnere . Immerhin war ich ca . 10 Jahre alt .
Es wäre schön , wenn sich jemand zumindest an das Haus Seestern erinnern könnte .
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Barbara Blöcker aus Norderstedt schrieb am 22.02.2022
Auch ich war dabei. Damals mit unter meinem Mädchen Namen Barbara Schiweck.
Durch die N3Sendung 45 Min. kam bei mir die Erinnerung an die Zeit auf Langeoog.
Ich war 10 Jahre alt und wegen chronischer Bronchitis zur Verschickung gekommen.
In schlechter Erinnerung habe ich das Essen, besonders die Milchsuppen, die ich bis heute nicht mag. Der Mittagsschlaf war eine Strafe,
militärisch, ich durfte nicht auf Toilette mit Folgen. Das war schlimm. Post an zu Hause wurde kontrolliert, es durfte nichts negatives drin stehen. Dort kam ich kein zweites mal hin.
Dafür 61 und 62 in den Schwarzwald. Ein Heim hieß Heimbachhof. Daran habe ich keine großen Erinnerungen, offenbar war es dort nicht so streng. Ich fühle mich nicht traumatisiert. Der Verschickungsträger war jeweils das DRK Niedersachsen.
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Birgit Hey aus Seeheim-Jugenheim schrieb am 22.02.2022
Liebe Frau Röhl,
seit 3 Tagen lese ich auf dieser Internetseite.
Ich bin sprachlos, welche Dimension dieses Verschickungskinderleid hat. Ich glaubte, wie wohl wir alle, mein Kurheim sei eben Pech gewesen...
Nein, wir alle wurden gequält und mißbraucht. Ich konnte gar nicht alle Berichte von den Betroffenen lesen, soviel Kinderelend verkraftet man gar nicht.
Vor allem haben mich auch die Zusammenhänge mit Nazi Größen erschüttert.
Das es sogar Jahrzehnte möglich war, das diese Unmenschen Positionen innhatten, wo sie sich massgeblich an den Verschickungskindern bereichern konnten und uns schreckliche, traumatische Kuraufenthalte bescheren...
Unfassbar
Ich finde es großartig, das sie diese Zusammenhänge recherschiert und aufgedeckt haben, herzlichen Dank dafür!
Für ein Kind ist es doch das allerschlimmste, so lange Wochen von den Eltern getrennt zu sein.
Dieses bestialische Kontaktverbot und die Briefzensur, wie
konnte man nur so herzlos sein?
Nachdem man ganuer Bescheid weiß, über die Zahlen des Leids, man fragt sich, wie das soooo lange im Dunkeln bleiben konnte....aber Kindern wird eben nicht geglaubt....
Man muß sich auch mal vor Augen führen, wie viele Betreuer (Tanten) da tatkräftig an dem Mißbrauch beteiligt waren.
Haben diese Einrichtungen geziehlt nach sadistisch veranlagtem Personal gesucht???
Auf jeden Fall bin ich froh, das ich die Kur einigermaßen verkraftet habe und ich meine Eltern überzeugen konnte, das ich das niemals wieder machen muß!
Ich hatte recht schnell begriffen, das es besser ist, sich in der Kur zu fügen, sonst wird es nur noch unerträglicher.
Ich erinnere mich an eine Nacht, wo ich mich heimlich zur Toilette schleichen wollte und ein etwa 4 Jähriges Mädchen halbnackt barfuss vor dem geöffneten Flurfenster stehen sah.
Sie hatte ins Bett gepinkelt.... Ich nahm sie mit in mein Bett und hab sie später im Morgengrauen in ihr Bett zurück getragen. Unsere Nachtschwester hat gott sei Dank auch gerne mal gepennt....
Gemästet wurden wir alle auf jeden FALL, ich hasste das Hühnerfrikassee mit wabbeliger Haut, man mußte ja aufessen, egal wie lange es dauerte...
Also lernte ich, schluck, ohne zu kauen, dann haste es schnell hinter dir...

Nachdem ich den Fragebogen gelesen hatte, stellte ich mir selbst die Frage, ob es wohl ausnahmslos "Arbeiterkinder" waren, die verschickt wurden??
Weil nach den Berufen und der Ausbildung der Eltern gefragt wurde??? Sicher hätten gutbetuchte Akademiker einen riesen Wirbel gemacht, hätte man ihre Kinder derartig misshandelt, oder irre ich mich da????
Meine Eltern waren zwar überrascht, über meine Erzählungen und auch empört, aber das wars dann auch.
Sie hatten schließlich den Krieg überlebt! Was ist dagegen so ein bischen "Ärger" in der KUR....
Hoffentlich schmoren die Verantwortlichen für all dieses überflüssige Kinderleid in der HÖLLE!
Ich wünsche allen Leidensgenossen von Herzen alles Gute
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Thomas schrieb am 22.02.2022
Ich war im Alter von 8 Jahren in Neustift. Weil ich so dünn war, bin ich auf Anraten der Klassenlehrerin dorthin geschickt worden.

Weil sich Erinnerungen im Laufe des Lebens verändern/verfälschen können, möchte ich meine mit Hilfe der Erinnerungen anderer auffrischen/ergänzen/korrigieren und im Gegenzug meine Erinnerungen anderen Betroffenen zur Verfügung stellen.

Abfahrt war in einem Bus vom Bahnhof in München. Ich hatte schreckliches Heimweh und habe daher gleich in der ersten Nacht eingenässt und riesige Angst vor den möglichen Folgen. Die zuständige Nonne ging jedoch sehr freundlich mit mir um. Ich habe die meisten Nonnen zwar als pragmatisch und wenig empathisch erlebt, aber nur eine als ausgesprochen bösartig. Diese hat mich immer beschimpft, was für ein schlechter Mensch ich doch sei, obwohl ich mir meines Wissens nichts hatte zu Schulden kommen lassen. Mein Kuscheltier hatte ich im Nachtkästchen versteckt. Nach der ersten Nacht in einem größeren Schlafsaal mit hohen Glasfenstern war ich dann in einem Zimmer mit 3 oder 4 Betten. Ich erinnere mich, dass ich uns alle abends immer in den Schlaf gesummt habe mit von mir erfundenen Melodien, womit die anderen einverstanden gewesen waren. Bzgl. Essen erinnere ich mich nur, dass die schnellsten Esser sich die größte Portion selbst gemachtes Vanilleeis aussuchen durften. Wir saßen in einem großen Saal, die Mädchen saßen an extra Tischen am anderen Ende. Wir haben ein Liedertextheft "Die Mundorgel" geschenkt bekommen und viel gesungen.
Es gab auch kneipp'sche Güsse (warm/kalt) mit einem Schlauch in einer Wanne stehen. Desweiteren gab es Spaziergänge und Schlittenfahrten im Wald. Tagsüber wurden wir beschult, dazu mussten wir eine Treppe ins Dachgeschoss hinauf steigen. Die Lehrerin war, glaube ich, weltlich.
Wenn ich von anderen geärgert wurde, haben die Nonnen nie eingegriffen. Die regelmäßigen Briefe an die Eltern wurden uns diktiert. Ich habe auch Postkarten von Zuhause bekommen, die für mich emotionale Rettungsanker waren. Wie gerne hätte ich meinen Eltern geschrieben, wie es mir wirklich geht.
An Basteln kann ich mich nicht sicher erinnern, aber ich hatte später jahrelang ein Mobile zuhause, wo Bienen aus Bast um einen Bienenkorb flogen, das wahrscheinlich aus dieser Zeit stammt.
Wir studierten ein Krippenspiel ein, wo ich den Adam spielen musste. Die wurde am Schluss vor den abhlenden Eltern aufgeführt. Ich glaube aber, dass nicht alle von ihren Eltern abgeholt wurden. Ich durfte mir dann als Abschiedsgeschenk einen kleinen Teddy aussuchen, der von den Nonnen gestrickt worden war. Geliebt habe ich ihn nicht.
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Hans-Richard Sliwka aus Trondheim (Norwegen) schrieb am 22.02.2022
verschickt – verdrängt – vergessen

1 warum dieser text?
Vor etwa 2 jahren hatte ich im radioprogramm den titel „verschickungskinder“ gelesen. Ich dachte dabei sogleich an eine neue übeltatvariation der priester, pastoren, lehrer, regisseure und trainer. Wegen der frage: ‚was kommt jetzt neues zum tema‘ habe ich mir die sendung angehört und alsbald überrascht erkannt: man spricht über mich. Die bezeichnung „verschickungskind“ war mir allerdings fremd; ich habe mich deshalb nicht unter dieser indizierung identifiziert. Meine eltern hatten mich seinerzeit 6 wochen zur kur geschickt. „Zur kur gehen“ verband man, damals wie heute, mit einem heilenden aufenthalt. Meine kur-zeit hatte allerdings keinen kurierenden charakter. Das zur kur geschickte kind kam als ein verschicktes kind zurück. Eine bestätigung dieser klassifikation fand ich in den berichten, die die schriftstellerin Anja Röhl gesammelt hat. Anja Röhl hat sich zum ziel gesetzt, die erlebnisse und langzeitschäden von verschickungskindern aufzuzeigen. Auf ihrer webseite appelliert Anja Röhl zum einsenden eigener erlebnisse.[1] Durch Anja Röhls initiative habe ich neue startpunkte für den verlauf meines lebens finden können. Zufällig fragte mich einige wochen nach der entdeckung meiner neuen kindlichen einordnung eine 20 jahre jüngere bekannte, ob ich einst verschickt war.[2] Ich war somit doppelt sensibilisiert, meine ins unterbewusste versunkene vergangenheit hervorzuholen.

2 geschichtlich, persönlicher hintergrund
Mein väterlicher grossvater hatte den sicheren tod in den schützengräben des 1. weltkriegs
mit seelischen verletzungen überlebt. Der mütterliche grossvater amputierte als sanitäts-soldat zerschossene gliedmasse. Die mütterliche grossmutter beobachte die vertreibung einer jüdischen nachbarsfamilie. Mein vater nahm als sanitäter in Amsterdam die deportation der juden wahr. Meine mutter war im arbeitsdienst erfolgreich aktiv und sah in ihrer helfenden tätigkeit einen positiven sinn.
Die grosse synagoge in der innenstadt von Essen, dem wohnort meiner eltern und gross-eltern, wurde gut sichtbar von den einwohnern am 9.11.1938 in brand gesteckt. Die mieter vieler Essener wohnungen bemerkten stumm oder allenfalls mit leisem protest die gewaltsame vertreibung von 2500 juden aus Essen.
Essen erhielt während des krieges von der Royal Air Force den label “primary target area for bombing”. Im märz 1943 begannen die bombardierungen. 242 bombenangriffe zerstörten
90% der innenstadt und 60% des übrigen stadtgebietes. Die explodierenden brandbomben bei nacht, später auch bei tag, deprimierten die bewohner. Die letzten bomben 1945 auf Essen töteten Hedwig, meine grossmutter väterlicherseits. Sie hatte alle hoffnung verloren und war nicht mehr zu bewegen, schutz in einem bunker zu suchen.
Die todesängste der grossväter im 1. krieg, die gestapo und die denunziationen ab 1933, der 2. krieg ab 1939 mit erschossenen ehemännern und brüdern, vergewaltigten müttern und schwestern, flucht und vertreibungen, kriegsgrausamkeiten und bombardierungen schafften ein alltägliches leben, in der gewalt, unsicherheit und lebensgefahr normal war.
Angst und schrecken verschwanden für die überlebenden einwohner Essens am 10.5.1945. Das bemühen brot, wasser, unterkunft und arbeit zu finden bestimmten hinfort den tag. Ein politiker wies den deutschen den weiteren weg: „Wer noch einmal eine Waffe in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfallen.“ 85% der deutschen bekräftigten in meinungsumfragen und volksentscheiden diese aussage.[3] Doch trotz des deutlich demonstrierten militärischen pazifismus: gewalt gegen kinder galt weiterhin als eine probate erziehungsmetode.
Die im gedächtnis verankerten gewaltsamen erfahrungen der grosseltern, eltern, lehrer und pädagogen blieben lebendig und wurden weitergetragen auf die nun geborenen töchter und söhne.

3 verschickt
Ich bin am 24.10.1948 in Essen geboren, 3 jahre und 5 monate nach kriegsende.
Die versorgungslage war immer noch kompliziert. Die freuden an ihren mahlzeiten, die meine eltern nach den entbehrungen erlebten, konnte ich nicht mitempfinden. Heisshunger oder bevorzugte lieblingsspeisen sind bei mir kaum aufgetreten. Ich blieb im verständnis der elterngeneration ein dünnes kind. Im frühjahr 1955 wurde ich volksschüler in einer klasse von 45-50 kindern. Wie zu hause so auch in der schule erlebte ich gewaltsames vorgehen gegen kinder mittels körperlicher strafen. In den gesprächen mit spielkameraden hörten wir, wie gewaltig es in anderen familien zu ging. Bekannte und kollegen meiner eltern beschrieben lachend und voller stolz, wie sie ihre kinder verprügelten bis sie nicht mehr sitzen konnten. Schlug man in einer familie weniger, so schlug man in einer anderen familie häufiger. Prügelten einige eltern gar nicht, so prügelten manche um so massloser. Das gewaltniveau gegen kinder war in der nachkriegszeit lange konstant.
Als ich 8 jahre alt war, stellte man endgültig fest, ich wäre zu dünn. Man diagnostizierte zwar keine unterernährung, trotzdem empfahl der hausarzt den aufenthalt in einem heim um mich zu mästen. Die kosten der terapie übernahm die krankenkasse. Krankenkasse? Ich fühlte mich mit meinem gewicht nicht krank. Das beabsichtigte ziel und der wohlwollende wunsch, mich selbstständiger werden zu lassen, veranlassten meine eltern mich „zur kur zu schicken“. Meine meinung zur beunruhigenden trennung von mutter, vater, bruder, spiel- und klassenkameraden war nicht gefragt. Ich erinnere mich, das meine mutter begann, namensetiketten in die kleider einzunähen.
Dann kam der tag der abreise. An die sonderzugfahrt mit vielen kindern von Essen bis Dagebüll kann ich mich nicht entsinnen. Ich war zwar bereits oft mit dem zug gereist, aber nicht so weit. Ein so grosses schiff wie die fähre nach Wyk auf Föhr hatte ich noch nie gesehen; die seereise ist mir völlig entfallen. Ich sah auch zum ersten mal das weite meer. Diese entdeckung hat ebenso keine spuren im gedächtnis hinterlassen. (Den überraschenden, erstaunten weitblick mit dem freudigen ausruf „das meer“ höre ich in meiner erinnerung erst 4 jahre später bei ferien auf Walcheren in Holland). Die ankunft auf Föhr und der empfang im kinderheim Schloss am Meer sind mir ebenso nicht gegenwärtig. Der heimname ist mir erst wieder eingefallen durch berichte von verschickten schloss-bewohnern.
Bei der ankunft wurden mädchen und jungen getrennt einquartiert. Ich teilte meinen raum mit 8-10 anderen jungs, möglicherweise einige mehr. Ich erinnere mich nur schemenhaft an eine kurze untersuchung bei einem onkel doktor, der danach nicht wieder erschien. Im speisesal mussten wir an vorbestimmen tischen platz nehmen, wieder jungen und mädchen getrennt. Ein oder zwei kleinere tische fielen auf, vorgesehen für die kalorienarme diät dicker mädchen. Mir fallen keine dicken jungen ein, denen diese ehre zuteil wurde. Dann kam man bald zum wichtigsten punkt des tages: der namentliche aufruf der anwesenden zur zentral platzierten waage. Das gewicht eines jeden kindes notierte man sorgfältig.
An mahlzeiten war ich nicht sonderlich interessiert. Sie waren wohl meist geniessbar, bei einigen gerichten musste ich erbrechen. Ich erreichte aber stets die toilette ohne vomitale spuren zu hinterlassen. Ob ich darauf einen nachschlag des emeticums bekam, das ich als mittagessen verzehrt hatte, daran kann ich mich nicht erinnern. Später wurde ein tisch in der nähe der toilettentür aufgestellt. Hier sassen nun die nausealen hyperemetiker. Ein mädchen werde ich nie vergessen; es regurgitierte in ihren teller und erhielt darauf den befehl zum verschlingen der kotze. Ich empfand das damals zwar als sauerei, es wunderte mich aber nicht. Es war lediglich eine innovative variation bekannter bestrafungen. Das mädchen mit dem teller voll erbrochenem hat zu meiner grossen bewunderung ihr hervorgewürgtes mahl mit grosser ruhe vertilgen können. Ich kann meine erinnerungsfetzen an weitere vomitale verspeisungsvorfälle nicht zusammensetzen. Es wäre möglich, das solche fälle mit heulen und zähneklappern geendet haben. Das souveräne verhalten des mädchens war allerdings einzigartig und beeindruckte mich sehr; in ihr haben sich in meinem gedächtnis möglicherweise andere kotzereien kondensiert.
An zwei zeitpunkte im täglichen stundenplan kann ich mich gut erinnern. Morgens mussten wir uns im waschraum halbnackt waschen unter distanzierter beobachtung einer einzigen tante. Abends war nacktwaschen vorgeschrieben. Im grossen waschraum standen viele kleine nackte jungs, nun beaufsichtigt von mehreren glotzenden tanten, die auch durch die reihen gingen. War ein kind zu laut, bekam die geräuschquelle einen klaps auf das nackte gesäss. Ich habe mich damals gefragt, warum man abends mehr aufsichtspersonal benötigte als morgens. Erst viel später erriet ich den grund: die zahlreichen tanten eilten freiwillig zum jungenwaschraum. Die sicht auf die vorpubertären unterleibsregionen der jungs erfreute die tanten, wie wir aus ihrem lebhaften gekicher und geflüster hätten feststellen können, wenn wir bereits sinn für solche zusammenhänge gehabt hätten.
Vom übrigen tagesablauf habe ich nur verschwommene anhaltspunkte. Das vorgeschriebene schlafen nach dem mittagessen erlebte ich als zumutung. Ich war hellwach und hatte wie alle 8-jährigen, den drang mich zu bewegen. Ich ruhte also gezwungenermassen auf der liege und schaute umher. Eine tante befahl dann strengstens die augen zu schliessen, was ein sehverbot darstellte. Ich möchte das als ersten übergriff mir gegenüber definieren. In gewissen abständen postkarten oder briefe nach hause zu schreiben war für mich als ein noch schreibenlernender schwierig. Ich war den tanten deshalb dankbar für vorformulierte sätze, selbst wenn sie meine wahrnehmungen nicht wahrheitsgemäss darstellten.
Prügelnde und ohrfeigende tanten habe ich nicht beobachtet. Die strafen waren gemeiner. Mein schlafsaal lag gegenüber der toilettentür. Neben der toilette befand sich der wohn-raum einer tante. Der lokus alten stils wirkte mit einer sehr effektiven wasserspülung, die von grosser höhe mit lautem getöse die hinterlassenschaften verschwinden liess. Die benutzung der toilette und der anschliessende wasserfall störte verständlicherweise die nachtruhe der im zimmer nebenan schlafenden tante. Wir erhielten daher striktes toiletten-benutzungsverbot. Ein eimer wurde notgedrungen als urinoir ins zimmer gestellt. Es gab zwei nächte während unserer heimzeit, in denen wir aussergewöhnlich grosse mengen urin abgaben. Der eimer war also bald vollgepisst. Um ihn nicht überlaufen zu lassen gingen wir zur toilette und benutzten danach intuitiv die wasserspülung. Die schlafgestörte tante kam wutentbrannt aus dem zimmer. Die kollektivpissenden übeltäter mussten sich nun mit dem gesicht zur gangwand aufstellen mit "hände hoch". Demjeningen, dem die erhobenen hände absackten, bekam von der tante einen schlag auf den arsch. Dadurch qualifizierte sich der pisser für eine decke, die die tante dem deliquenten, nun "hände runter", überlegen konnte, denn es war kalt im gang. Das ergebnis dieser pädagogischen massnahme war vor-programmiert. Bei der nächsten polyurie pinkelten wir den eimer voll bis zum rand und darüber hinaus. Die überlaufenden renalen exkretionen verteilte sich gelblich-grossflächig auf dem zimmerboden. Diese sauerei kritisierte indigniert am nächsten morgen die dienst-habende tante. Ich möchte dies als zweiten persönlichen übergriff definieren. Ein 8-jähriger kann rational entscheiden, hat durchaus einen begriff von ursache und wirkung. Das resultat unseres dilemmas (was wir auch tun ist falsch) konnten wir allerdings intellektuell nicht verarbeiten. Von Antigone hörten wir erst später in der schule. Der übervolle eimer und die verbotene toilette verdeutlichen das pädagogische ungeschick der tanten. Ich habe leider vergessen, wie der konflikt zwischen der zürnenden diensttante, der unausgeschlafenen latrinentante und uns jungen mit imperativem harndrang aufgearbeitet wurde. Ich frage mich heute, wie die nächtlichen faeces verschwanden. Der einzig zulässige ort war das WC, denn einen behälter für skatologische gebilde hatte man uns wohl aus olfaktorischen gründen erspart. Da die benutzung der wasserspülung verboten war, müssten sich im laufe der nacht allerlei exkremente im scheisshaus angesammelt haben, was zusammen mit dem lokuspapier sicher zu verstopfungen geführt hat. Ich kann mich aber weder an solche anrüchigen schandtaten noch an folgende bizarre strafaktionen erinnern.
Während eines ausgangs mit versteckspielen zwischen bäumen und büschen packten mich plötzlich zwei heimjungen und führten mich zu einer abgelegenen lichtung. Hier befahl mir eine grossschnauze gegen einen ausgewählten jungen zu kämpfen zur feststellung des stärksten im schloss. Ich protestiere mit dem argument, das bestimmen des stärksten interessiere mich nicht. Kampfverweigerung oder flucht war jedoch nicht möglich. Ich bekämpfte deshalb den mir angewiesenen gegner und verlor. Mit dem ablegen eines gelübdes, nichts über den mannhaft-muskulösen unsinn zu erzählen, entliess man mich aus dem kreis der starken jungs. Ich hielt leider mein versprechen. Irgendein verrückter kerl im heim hetzte andere jungs gegeneinander auf und die tanten ignorierten dieses inhaltslose männlichkeitssritual.
Einer der letzten tage im schloss begann feierlich. Vor versammelter gesellschaft betrat jedes mädchen und jeder junge die waagschale. Lautstark wurde darauf anfangs- und endgewicht des probanden proklamiert und die gewichtszunahme beurteilt, je zahlreicher die kg, desto grösser die fröhlichkeit. Das am meisten zugenommene kind erklärte man mit tösendem applaus zum sieger. Die verkündigung meiner kläglichen zunahme von 50 g[4] notierte man mit verdruss. Ich aber war begeistert. Instinktiv hatte ich mich den zwängen und vorschriften der schlosstanten verweigern können durch unbewusste beschränkung der ohnehin unschmackhaften mahlzeiten. Die öffentlich bekundete minimalzunahme war mein protest gegen das schloss, gegen arzt, eltern und krankenkasse, die mich dorthin verschickt hatten. Diese interpretation habe ich damals als 8-jähriger sicher nicht ausdrücken können. Erinnerungsfragmente lassen jedoch diese schlussfolgerung zu. Die gewichtsabnahme der anfangs zu dicken mädchen vermerkten die dicker gewordenen jungs mit geringem applaus.
Der letzte tag im schloss, die rückfahrt mit schiff und zug nach Essen, die freude zu hause zu sein, eltern und bruder zu sehen, wieder in den klassenverband aufgenommen zu werden, von alledem hat sich nichts eingeprägt. Habe ich meinen eltern, meinem bruder, den klassenkameraden von meinen bedrängnissen erzählt? Ich vermute, ich habe sehr zurückhaltend und wortkarg berichtet.

4 konklusion
Die 6-wöchige, 42 tage lange residenz im Schloss am Meer hat kein angenehmes andenken hinterlassen. Allerdings registriere ich beim nachsinnen 65 jahre später auch keine mich traumatisierenden vorfälle im Schloss am Meer.
Im nachhinein ist mir das fehlen von männern im heim aufgefallen. Wir kinder hatten nur mit frauen zu tun. Ob man sie tanten nannte oder nennen musste ist mir entfallen. Wenn es onkel gegeben haben sollte, so blieben sie unregistriert im hintergrund. Die tanten begegnen mir im rückblick als gesichts- und namenslose wesen. Sympatie oder antipatie konnte sich deshalb nicht entwickeln. Bis auf eine ausnahme: tante Siegrid war etwas älter als die anderen. Mit ihr war es angenehmer, sie zeigte uns eine gewisse zuneigung. Aber auch sie war keine verschweigungspflichtige vertrauensperson, keine ombudsfrau, der man probleme hätte mitteilen können. Hatten die jungen tanten damals eine pädagogische ausbildung? Reichte als qualifikation zum umgang mit kindern möglicherweise nur ihre fertilen fähigkeiten als künftige mütter?
Ich habe keine royale hierarchie im schloss bemerkt. Eine majestätische obertante, verantwortlich für die vorgänge, hat sich nicht offenbart.
Ich schliesse für meine periode im schloss die in anderen berichten vermuteten medikamententests aus. Solche untersuchungen erfordern genaue protokollierung. Ich konnte das nicht beobachten. Gerade das erbrechen hätte genau aufgezeichnet werden müssen als unverträglicheitsindikator eines arzneimittels.
Im rückblick hatte die verschickung einige durchaus wünschenswerte wirkungen auf mein leben. Ich habe gelernt in einer gruppe fysisch anwesend zu sein ohne psychisch dazu-zugehören. Dies hat mir später geholfen, bei langweiligen konferenzen und besprechungen mich von den rednern abzukoppeln und mich gedanklich mit interessanteren dingen zu beschäftigen. Der ringkampf zur bestimmung des stärksten jungen hat in mir eine geringschätzung jeder korporation ausgebildet. An mannschaftssportarten habe ich nie gefallen finden können. Gegen die allergrösste, seinerzeit obligatorische nationale männergemeinschaft entwickelte ich eine starke abneigung. Meine kriegsdienst-verweigerung hat wahrscheinlich zu einem teil mit der kasernierten kur auf Föhr zu tun. Ich habe vermutlich im schloss eine erste vage antwort zur frage gefunden: Ist das, was alle tun, unbedingt richtig? Ist es richtig für mich?[5]
Für den norddeutschen tourismus resultierte meine vorübergehende anwesenheit auf Föhr in einer darauffolgenden fortwährenden abwesenheit. Wenn mir freunde erzählen, sie wollen ferien auf Föhr machen, so reagiere ich instinktiv mit dem gedanken: da fahr ich nicht hin. Föhr hat mir auch die ostfriesischen inseln versperrt. Die westfriesischen inseln Texel, Vlieland und Ameland habe ich dagegen oft besucht. Mit diesen inseln verbinde ich schöne erfahrungen. Als die direktflüge von Trondheim nach Amsterdam eingeführt wurden, sass ich bevorzugt auf der rechten seite und erfreute mich im anflug auf Amsterdam bei klarem wetter im westen Schiermonnikoog, Ameland, Terschelling und etwas weiter entfernt Vlieland zu erkennen. Die direkt unter mir liegenden deutschen inseln von Wangerooge bis Borkum nahm ich nicht wahr. Bei anderen flügen nach Amsterdam, auf der linken seite des flugzeugs sitzend, schaute ich interessiert auf die dänische küste, auf die inseln Fanø und Rømø bis zum gut zu erkennenden Sylt. Meine geografischen beobachtungen waren damit abgeschlossen; Föhr und die nachbarinsel Amrum bemerkte ich nicht.
Als unangenehmer langzeitschaden des heimaufenthalts vermute ich den 6-wöchigen ausfall des rechenunterrichts. Ich habe den fehlenden stoff zwar den regeln entsprechend aufholen können. Es ist aber möglich, das mir die lange unterrichtspause einen ganzheitlichen zugang zur matematik verwehrt hat.
Mein jüngerer bruder ist 1 oder 2 jahre später ebenfalls verschickt worden, nach Bayern.
Ihm haben die 6 wochen als verschickungskind gefallen. Es ging also damals auch anders.
Wir brüder haben allerdings untereinander nie wieder unsere heimaufenthalte erwähnt.
Erstaunlicherweise habe ich, das verschickte kind, aus der unangenehmen residenz im Schloss am Meer einiges positiv prägende mitnehmen können für den darauffolgenden lebenslauf.

5 epilog
Was ist aus dem kleinen mädchen geworden, das gefasst ihre kotze verschlang? Hat sie emotionelle langzeitschäden davongetragen? Sie verhielt sich aussergewöhnlich; ich vermute, sie hat die brechreizeregende dummheit der tanten nicht in ihre seele eindringen lassen. Warum haben wir kinder unser gemeinsames leiden individualisiert? Warum habe ich als 8-jähriger nicht dem gleichaltrigen mädchen geholfen? Ich war zu unterstützender solidarität nicht fähig.
Gewalt gegen kinder hat die kinderbuchautorin Astrid Lindgren (1907-2002) unmiss-verständlich kritisiert. Warum war es eine bewohnerin aus dem vom krieg verschonten Schweden, die gewalt gegen kinder als frevel bezeichnete? Warum entsprang aus dem leidzufügenden und leidenden volk der dichter und denker nach dem krieg nicht sofort eine gewaltfreie pädagogik? Warum gaben deutsche juristen ihren kindern keine besonderen rechte? Die UN-kinderrechtskonvention trat 1990 in kraft. In Deutschland wurden körperstrafen eine generation nach mir, ab etwa 1968 verpönt, dann 2000 unzulässig und 2001 strafbar.[6]
Hätten die tanten im Schloss am Meer wegen "schwarzer pädagogig"[7] angeklagt werden können? Hätten deutsche juristen, die nach dem krieg die beihilfe zum massenmord mit milden strafen verurteilten,[8] erzwungene emetofagie als justiziabel angesehen?
Die naziführer und nazitäter nannten in den gerichten als motivation für ihre mörderischen untaten den befehlsnotstand. Man hätte nach 1970 eltern, erzieher, lehrer und pädgogen nach ihren beweggründen zur gewalt gegen ihre kinder befragen müssen. Ein befehl lag nicht vor. Eine darlegung der gründe hätte die moralische schuld der täter und tanten aufgedeckt, reue und auch die bitte um verzeihung ermöglicht.


[1] https://verschickungsheime.de/ https://anjaroehl.de/ abgerufen am 18.2.22
[2] Ich danke Nike Knoblach für diskussionen, anmerkungen und korrekturen mit einem soziologisch-
pädagogischen blickwinkel.
[3] Jürgen Kuczynski, So war es wirklich - Ein Rückblick auf 20 Jahre Bundesrepublik, Staatssekretariat für westdeutsche Fragen, Berlin 1969, p. 113
[4] Ich kann mich an die genaue gewichtszunahme nicht erinnern. Es war aber sehr wenig im vergleich zu den anderen.
[5] Die beantwortung der frage „Ist das, was alle tun, richtig für mich?“ hat mir früh ermöglicht, gruppenzwängen auszuweichen. Alle rauchten zu meiner jugendzeit. Ich nicht. Einige soffen. Ich
war nie besoffen. Alle trugen bei feierlichkeiten anzug + krawatte. Ich sah keine praktische funktion dieser textilien. Alle assen alles. Ich kaute ab einem bestimmten zeitpunkt keine kadaver mehr. Ein relikt aus dem mittelalter, die deutsche unrechtschreibung, ersetzte ich mit der reformierten, gemässigten kleinschreibung. Die ausgrenzenden konsequenzen, manchmal auch die ermutigende anerkennung als aussenseiter nahm ich in kauf. Bemerkenswert ist eine
beobachtung, die mir während des schreibens zum ersten mal deutlich wurde. Alle machten zu meiner jugendzeit möglichst schnell den führerschein und kauften ein auto. Sie erlebten die neue mobilität als zunahme der persönlichen freiheit. Ich zögerte diese wünsche hinaus, folgte dann aber doch dem trend der altersgenossen. Ich erhielt problemlos meinen führerschein. Ich kaufte ein auto. Wollte es dann aber zu meiner überraschung gar nicht fahren. Ich überwand erfolgreich den fahrwiderstand und bin dann viel gefahren. Von Essen zum studienort Fribourg (Schweiz) und zurück mehrmals im jahr; lange autofahrurlaube führten wiederholt bis Rumänien und Griechenland. Gute erinnerungen mit dem auto haben sich nicht eingeprägt; die lebensgefährlichen episoden sind jedoch präsent. Allmählich verursachte mir das fahren auch von kürzeren strecken eine ungeheuere langweiligkeit. Es erhöhten sich zunehmend die sekundenschlaf-momente. Nachdem ich 10 jahre am steuer sass, beschloss ich eine autopause einzulegen. Auf 10 gute jahre sollten nun 10 schlechte jahre kommen (in anlehnung an die alttestamentliche weisheit: nach 7
reichen jahren folgen 7 hungerjahre). Ich fuhr das fahrzeug zum schrottplatz und erlebe nun seitdem ohne auto die umweltfreundliche unabhängigkeit. Ich habe keine autofobi. Ich fahre gern mit. Doch für mich ist autofahren einfach nicht mein ding. Ich vermute, die verschickung ins Schloss am Meer hat mir den keim gegeben, unannehmlichkeiten und unverträglichkeiten zu erkennen und zu vermeiden.
[6] Bundesgesetzblatt 2000 Teil 1 nr. 48, s. 1479; § 1631 Abs. 2, Bürgerlichen Gesetzbuches 2001
[7] Unter schwarzer pädagogik wird erziehung verstanden, die gewalt, einschüchterung und
erniedrigung verwendet.
[8] Frankfurter Ausschwitzprozesse 1963-1968 und spätere vernichtungslagerprozesse

Trondheim 18.2.2022

Zur person
Hans-Richard Sliwka, deutscher und schweizer staatsbürger, verheiratet mit einer griechin, die ebenfalls schweizerin ist, lebt in Trondheim (Norwegen). Die nachnamensgebenden vorfahren stammen aus Östereich-Ungarn, aus einer gegend, die heute in Polen, Tschechien und der Slowakei liegt. Geboren am 24.10.1948 in Essen, einschulung 1955, dann 1 jahr gymnasium, 6 jahre realschule, 3 jahre ausbildung als chemielaborant (chemieindustrie, berufsschule), arbeit als chemielaborant, danach abiturklassen. Seit november 1972 studium der chemie in Fribourg (CH), abschluss als diplomchemiker, anschliessend promotion. 1984 post-doc in Trondheim (Norwegen), darauf in Trondheim industriechemiker, dann universitätsangestellter mit aufgaben in forschung, lehre und administration. Seit november 2018 rentner.


Hans-Richard Sliwka
Skansegata 26A
7014 Trondheim
Norwegen

richard.sliwka@ntnu.no
0047 73525538
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Brigitte Wagner schrieb am 21.02.2022
Ich habe mit Interesse den Beitrag über die Verschickungskinder am 14.2.22 im TV verfolgt.

Nach Recherchen auf Ihrer Liste der Heime bin ich bisher nicht fündig geworden.
Ich erinnere, dass ich als Kind scheinbar auf Grund von häufiger Bronchitis verschickt wurde. Nach Beratung mit dem Hausarzt ( in Hamburg, Feldstr. oder Karolinenstr.) vermittelte das Bieberhaus (Hamburg / Hauptbahnhof) die Verschickung.

An Hand meiner Postkarten, die ich ins Heim bekommen habe, war ich ca.vom 20.2.1960. - 29.3.1960 letzte Postkarte im Haus Nordmark, Duhnen/ Cuxhaven.

Ich entsinne ebenso wie andere Kinder Schikanen in der Form, dass ich auf den Treppenstufen ( 2-3 kleiner Absatz) vor dem Schlafsaal sitzen musste bis alle anderen eingeschlafen waren, weil ich die Nachtruhe mit reden oder weinen gestört habe. Es war kalt im Treppenhaus und ich bin während der Kur erkrankt (mehrere Tage Fieber/ nachgelesen auf Karten an mich) und durfte nicht mit den anderen Kindern spielen.

Auch erinnere ich selber, dass mein Bett aus der Reihe genommen und an die andere Wand gestellt wurde.( weil ich störte)  Damit fühlte ich mich bestraft, aber es hatte den Vorteil, dass mein Bett nun so stand, dass wir alle von dort rückwärts gehockt ins Waschbecken uriniert haben, da wir nachts nicht zur Toilette durften.

Was das Essen anbelangt steht auf meinen Karten, dass ich nun wohl auch Milchsuppen und Pudding essen mag…. ich hasse diese Gerichte seit Jahrzehnten!

An Hand der Postkarten kann ich eine Tante Und eine Schwester als fürsorglich um unser „Wohlergehen bemüht“ benennen.
Als ich aus der Kur zurück kam hatte ich dann gleich Keuchhusten mitgebracht.

Ich fühle mich nicht traumatisiert, würde aber doch gerne wissen, ob auch dieses Heim dazu gehört und Ihnen evtl. von anderen ehemaligen Kindern bekannt ist.

Zu meiner Person : Mein Name war Brigitte Böbs,
geb. Nov. 1954 - also zur Zeit des Aufenthaltes 5 Jahre und 3 Monate alt.
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Christian aus Düseldorf schrieb am 21.02.2022
Mein kleines Auto hab ich so geliebt. Als Flüchtlingskind, mit den Eltern ein Jahr vorher aus Polen ausgesiedelt, gab es wenig Spielsachen. Dieses kleine Auto war ein Geburtstagsgeschenk zum 7. und ich wollte es unbedingt zur "Erholung" mitnehmen. Mit meiner zwei Jahre älteren Schwester und einer Karte um den Hals haben uns die Eltern in einen Zug gesetzt. In Buchau angekommen, wurden wir von lautem Personal getrennt, Mädels zu Mädels, Jungen zu Jungen (Kontakt während der "Erholungszeit" war nicht möglich). Wir mussten unsere Taschen leeren und durften nichts Persönliches behalten, das kleine Auto auch nicht.
Danach begann ein liebloser Befehl- und Gehorsam-Terror: Reden (und spielen mit anderen Kindern) nur, wenn es ausdrücklich erlaubt war. Essenzwang, egal ob man auf die eklige Puddingsuppe Appetit oder Hunger hatte. Schlafen im Schlafsaal, wenn es angeordnet wurde. Wer nicht sofort parierte wurde durch öffentliche Erniedrigung bestraft. Davor hatte jeder Angst Diese Angst begleitete einen vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Denn jede Kleinigkeit wurde geahndet. Nahezu militärisch durchgetaktet waren die Tagesabläufe. Viele sind dadurch Bettnässer geworden, die einen Socken an das Bettgestell knoten mussten, nächtens rau aus dem Schlaf gerissen wurden und so lange auf der Toilette verbringen mussten, bis das kleine Geschäft erledigt war. Die Zeit war alles andere als erholsam und kam mir wie ein nicht enden wollender böser Traum vor. Nur in der Nacht, in den Träumen, gab es noch eine gute Welt - und mein kleines Auto.
Dann nach sechs Wochen durften wir endlich unsere Sachen packen. Keiner konnte oder wollte mir sagen, wo mein kleines Auto war. Ich sah es nie wieder. Dennoch war ich heilfroh, Buchau auch ohne mein kleines Auto zu verlassen.
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Michelle schrieb am 21.02.2022
Ich war im Jahr 1978 mit sechs Jahren im Kinderheim Waldrennach. Wenn ich heute danach suche finde ich nicht wirklich etwas über das Heim. Aber ich habe den Bescheid des Sozialamtes, den meine Eltern damals erhalten haben. Bei meiner Einschulungsuntersuchung hat man festgestellt, dass ich etwas nervös war. Aufgrund dessen haben mich meine Eltern als Sechsjährige zum Bahnhof gebracht und in den Zug gesetzt. Danach habe ich sechs Wochen von Ihnen nichts gehört und kam zu Nonnen. Ich weiß zwar nicht mehr wie wir sie angesprochen haben aber optisch waren es Nonnen. Jungen und Mädchen waren getrennt. In meiner Erinnerung gab es zwei Haushälften. So war auch der Speisesaal getrennt, so dass sich Jungen und Mädchen nie begegnen (Einmal habe ich mich kurz mit einem im Speiseraum unterhalten können).Wir durften uns nicht unterhalten, durften nur zu bestimmten Zeiten auf die Toilette, mussten alles auf Essen, mussten gegebenfalls stundenlang am Tisch sitzen, wenn wir gebrochen haben mussten wir es entweder aufessen oder wegwischen, wenn wir nachts auf die Toilette mussten und erwischt wurden wurden wir eingesperrt und wenn man Pech hatte musste man dann immer noch. Ich kann mich erinnern dass ich im Duschraum eingesperrt wurde für die ganze Nacht und mein großes Geschäft nicht mehr halten konnte. Am nächsten Morgen musste ich es aufwischen während die anderen Kinder zugeschaut haben. Die Briefe wurden zensiert oder wir bekamen gar keine. Ich kann mich erinnern dass wir einmal bei der Schlachtung eines Schweines zuschauen mussten, dem die Kehle durchgeschnitten wurde und es elendig verbluten musste. Mir wurde der Kopf festgehalten. Wir hatten immer Angst vor Bestrafung und teilweise wurde auch Gewalt angewandt. Von meinem sechs Wochen Aufenthalt kann ich mich nur an kleine Bruchstücke erinnern und weiß, dass ich danach total traumatisiert war. Ich habe jahrelang Albträume gehabt.
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Birgit Hey aus Seeheim-Jugenheim schrieb am 21.02.2022
71/72 Durch Zufall habe ich den TV Beitrag im NDR gesehen und bin so auf diese Internetseite gestossen . Bis heute hab ich gedacht , das es nur in meinem Kinderkurheim so zugegangegangen ist, wie schrecklich, das es allen Verschickungskindern so ergangen ist! Auch ich erinnere mich an das Zwangsessen und das nächtliche Toilettenverbot. Seit damals bekomme ich sofort Kopfschmerzen, wenn ich pinkeln muß und keine Toilette ins der Nähe ist...Ja, viele Berichte sind sich in der Sache ähnlich .
Ich habe seither oft von diesen Erlebnissen erzählt , sogar im Urlaub 2 MAL Menschen getroffen, die im selben Kurheim gewesen sind.
Zwar lange später, aber da hatte sich noch nichts gebessert.
Ich habe sehr darunter gelitten, das ich meinen Eltern nicht "echt" schreiben durfte, sondern man mir jeweils wöchentlich einen Brief diktiert hat.
Pakete von Daheim wurden geplündert, die Sachen mir nicht ausgehändigt.
Nach ca. 3 Wochen habe ich mal geholfen, beim Koffer auspacken der Neuankömmlinge.
Ich durfte Süßigkeiten behalten und andere Dinge, die in den Koffern waren.
Nun wußte ich, wie meine eigenen Sachen verschwunden sind! Die "Tante hat hauptsächlich das Geld an sich genommen....Allerdings muß ich sagen, das dort auch Betreuerinnen waren, die sehr lieb mit uns Kindern umgegangen sind. Aber es gab eben auch die BÖSARTIGEN.
Auch ich wurde in dem Kurheim gemästet, nur dicke Kinder sind ein Kurerfolg....Das täglich ein Kind erbrochen hat, war der blanke Horor
Nachts bloß nicht weinen und um Gottes Willen nicht aufs Klo müssen, das wurde mit Ohrfeigen betraft!
Ich glaube, ich hab 6 Wohen lang Nachts still ins Kissen geweint und gedacht, ich sehe meine Eltern nie wieder...Ich bezeichne diese Zeit immer als "Kinderknast".
Es ist furchtbar traurig, das alles so spät ans Tageslicht kommt, die Verantwortlichen kann man sicher nicht mehr zur Rechenschaft ziehen, weil wohl kaum noch jemand von damals lebt....
Alles was ich aus den ganzen Erfahrungsberichten lesen konnte, es war ein Albtraum für uns Verschickungskinder
Viele haben lebenslang damit zu kämpfen, was sie in dieser Kinderkur erleben mußten. Die Nordsee ist seitdem für mich kein Ort, um einen Urlaub zu verbringen, weil mit viel zu düsteren Erinnerungen verbunden. Im TV Beitrag wird sogar erwöhnt, das in vielen Heimen Medikamentenversuche mit den Kindern gemaht wurden, das ist grauenvoll. Ich war jedenfalls mit 10 also ein Jahr nach meiner Kur bereits schlagartig "Erwachsen" bekam meine Periode, das ist doch nicht normal???? Wüßte heut gerne , ob es da einen Zusammenhang mit dieser Kur gibt????
Nach meiner Rückkehr hatte ich auch ein anderes Verhältnis zu meinen Eltern. Ich konnte es ihnen nicht verzeihen, das sie mir zugemutet haben, 6 Wochen alleine solchen Menschen/Zuständen ausgeliefert zu sein und das ohne jeden Heimatkontakt .
Zuerst haben mir meine Eltern diese "Schauermärchen" gar nicht geglaubt.
Die "Tanten" hatten ja nur positives zu berichten....und Kinder phantasieren sich nur was zusammen....
Erst als wir "Leidensgenossen" besucht haben, wurde klar, das ich mir nichts ausgedacht habe.
Mein Vater hat beim Axel -Springer Verlag gearbeitet und ich wurde von der dazugehöhrigen BKK verschickt.
Vater hat später beim zuständigen "Chef " vorgesprochen und die Zustände geschildert . Angeblich wurde damals dafür gesorgt, das kein Kind eines Betriebsangehöhrigen mehr dort hingeschickt wurde.
Nur traurig zu lesen, das es sozusagen überall in den VERSCHICKUNGSHEIMEN so zugegangen ist und ich nicht nur in einem bedauernswerten "Einzelfall" untergebracht war.
Ich wünsche all den Verantwortlichen von damals , sofern sie noch leben, das sie hoffentlich noch irgendwo und irgendwann eine Strafe erhalten! Schade, das siese Intitiative so lange gebraucht hat, um zu wachsen, wir alle hätten viel früher inseren Mund aufmachen sollen....
Warum haben wir ALLE solange gewartet???
KINDER leiden scheinbar STILL UND STUMM und alles wird Ewigkeiten verdrängt.
Vielleicht finden sich Leidensgenossen aus meiner Zeit, die auch im gleich Heim untergebracht waren???
ALLES GUTE
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Angela aus Bad Dürrheim schrieb am 21.02.2022
Hallo, Dagmar, ich habe deinen Bericht gelesen und mich gefreut, dass du so positiven Bericht geschrieben hast. Natürlich kann man das alles im zeitlichen Zusammenhang sehen. Und viele haben das auch gemacht. Stell dich nicht an, Andere haben schlimmere Erlebnisse gehabt, es war die Zeit, Kindheit wie heute gibt es nicht. So haben wir das Jahre lang gemacht, und vieles ist in Versenkung gelandet. Trotzdem hatten wir eine Seele, trotzdem hatten wir schlimme Dinge erlebt, die , ich spreche von mir, die mich geprägt haben. Einseimkeit, Isolation, kein Vertrauen, immer krank, selbstmordgedanken. Heute, besser seit 2 Jahren, verstehe ich die Zusammenhänge, und mache eine Traumatherapie. Höre auf, alles schön zu reden. Und meiner Familie und Umwelt und mir! tut es gut, zu diesem kleinen verletzten Kind zu schauen. Es war schrecklich. Und es tut gut, dass man nicht allein ist. LG Angela
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Huefler, Christina aus Hamburg schrieb am 20.02.2022
Während des Essens gesprochen. Wurde daraufhin in Unterwäsche mit zugeklebtem Mund zum Schlafappell vor die Tür der Schlafräume plaziert. Nur um ein Vergehen zu nennen. Müsste ich nicht wieder haben und hat mich ich als Kind bestimmt traurig gemacht. Aber nun 50 Jahre später ist mal Schluss. Bis zu Ihrem Bericht habe ich nicht ein einziges Mal dran gedacht und werde es auch so beibehalten. Es tut mir leid für die, die unter den Umständen noch immer leiden. Ich wünsche Ihnen alles Gute
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Sabine aus NRW schrieb am 20.02.2022
Ich bin Sabine, geboren im Mai 1963. Im Frühjahr 68 war ich in Sylt, da war gerade 5 geworden. Ich war immer klein und dünn und verschnupft, da gab man meinen Eltern den Rat mich auf eine Kinderkur zu schicken. Ich kann mich an eine lange Bahnfahrt von BW nach Sylt erinnern und dass ich entsetzlich Heimweh hatte und viel geweint habe, was ich nicht durfte. Ich erinnere mich an ein Gitterbett und dass ich ständig ausgeschimpft wurde, weil ich nachts nicht trocken war. Noch heute fühle ich mich entsetzlich, wenn ich daran denke. Irgendwann durfte ich zum Strand und mit den anderen Kindern essen. Das war fast noch schlimmer. Ich sollte riesige Portionen Grießbrei und Hafrebrei essen, was ich verabscheue und stundenlang am Tisch sitzen, um zu essen. Das mit dem Erbrochenen aufessen kommt mir bekannt vor, hab den Geruch in der Nase. Ob ich das gemacht habe, weiß ich nicht mehr. Meine Eltern haben mir wohl Süßigkeiten und Kleidung geschickt, die ich nie bekam. Nur die Karten, die mir mein Vater geschrieben hat. Daher weiß ich auch das Datum. Vieles ist wie im Nebel und es kommen nur Bruchstücke…es ist, als ob sich etwas in mir an das Erinnern wehrt. Als ich wieder zu Hause war, habe ich meine Eltern und Geschwister nicht erkannt und war teilnahmslos. Eingenässt habe ich zu Hause auch noch. Ich sollte mich deswegen schämen, und das tue ich glaube ich heute noch…Ein Jahr später war ich dann im Schwarzwald zur Kur, ich weiß nicht wo, nur dass es Inhalationen gab. Daran habe ich sehr wenig Erinnerungen. Die Aufenthalte waren jeweils 6 Wochen.
Es tut sehr gut, darüber zu schreiben und sich hoffentlich mit anderen ehemaligen Verschickungskindern auszutauschen zu können um endlich alles aufzuarbeiten.
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Karin schrieb am 18.02.2022
Ich war als 11jährige für 6 Wochen wegen Untergewichts dort und kann Postzensur, Einbehalten von Geschenkpaketen und Zwangsessen (einen großen Teller gewürfelte Möhren nach vorherigem nächtlichen Erbrechen) erinnern. Es gab auch nette junge Tanten, die trotzdem unwürdige bis traumatisierende Umgangsweisen mitgetragen haben. Alles in allem keine besonders schöne Zeit.
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Vicky schrieb am 18.02.2022
Ich war mit 4 Jahren im Kraushübel im Morgenröthe Rautenkranz. Ich habe einige Bruchteile an Erinnerungen. Eher negativer Art. Bürstenmassagen in der Reihe stehend, essen bis zum umfallen. Ich war zu dünn,durfte mehr essen und wurde durch andere Kinder mit kleineren Portionen gemobbt. Nachts war es am schlimmsten. Ich hatte starkes Heimweh. Gefühle von klein sen,allein sein und au h wertlos sein begleiten mich.

Gibt es jemanden,der in dieser Zeit ebenfalls dort war?!
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Monika Dombrink aus Rietberg schrieb am 17.02.2022
Eigndlich liebe ich die Insel und bin Immer wieder von der Insel begeistert. Dennoch wünsche ich mir einfach das ich mich besser an die Zeit erinnern kann. Ich war mit meinem Bruder zur Erholung da. Er wohl in einem Schlafzimmer mit 8 jungen und ich war erst 5 Jahre alt mit zwei kleinen Mädchen. Speiseraum waschkeller lange Spaziergänge nonnen und Erzieher. Bestrafung gab es auch müsste in der Mittagspause in der Ecke stehen im Schlafzimmer der oberin. Nachdem ich mal eingenaesst habe wurde ich nackt auf einem Stuhl gesetzt im Flur bis mein Bett fertig war. Ich durfte erst raus zum Spielen wenn ich es geschafft habe meine Schuhe zu binden. Und da ich zunehmen sollte bekam ich Schmalz Brote zu den Mahlzeiten, die ich essen musste. Ein Päckchen von Oma mussten wir mit allen t eilen...
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Carola Wolff aus Berlin schrieb am 17.02.2022
Aufgrund der Berichterstattung bin ich im Zuge meiner Zraumatherapie auf dieses Thema gestoßen.
Ich muss etwa 8 oder 9 Jahre alt gewesen sein, als ich zur 6wöchigen Kur nach Juist verschickt worden bin. Meine Grundschule war die Zürich- Grundschule in Berlin Neukölln.
Wer war noch mit? Wer kann sich erinnern? Was haben die dort mit uns gemacht?
Seit Jahrzehnten quäle ich mich mit Verlustängsten und absoluter Leere und Traurigkeit.
Ganz kleine Erinnerungen:
Süßigkeiten wurden geklaut
Briefe zensiert

Ich danke für Rückmeldungen
Carola Wolff
aus Rudow
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Elisabeth aus Sehnde schrieb am 16.02.2022
An was ich mich erinnere: Es muss im Jahre 71 oder 72 gewesen sein. Ich kam aus Bergisch Gladbach. Der Kinderarzt hatte meinen Eltern empfohlen, mich in
eine Kur zu schicken, da ich Untergewicht hatte. Ich war ein sehr mutiges, lustiges und intelligentes Kind, dennoch wollte ich nicht alleine fahren. So wurde auch meine gleichaltrige Kousine mitgeschickt.
Wir freuten uns darauf, weil wir sehr befreundet waren. Wir waren 4-5 Jahre alt.
Das Haus war in meiner Erinnerung direkt am Strand, es gab einen Holz-Steg am Meer entlang, auf dem wir spazieren gegangen wurden (wir durften nicht ans
Meer, obwohl so nah). In dem Haus gab es mehrere große Schlafsääle mit Betten in ca 1, 5 m Abstand an einer Seite in dem Saal, wo ich mein Bett hatte. Auf der anderen Seite waren eine Art Wickeltische. Es muss einen weiteren Schlafsaal gegeben haben, denn meine Kousine habe ich die 6 Wochen meines Aufenthaltes nicht gesehen, wir wurden bewußt getrennt. Es gab einen lichten Raum mit großen Fenstern, wo wir Kinderlieder sangen.
In meinem Gehirn ist das Lied, "Es war ein kleines Segelschiffchen" eingebrannt.
Es gab einen Essaal, aber daran erinnere ich mich nicht mehr so genau, nur dass ich dort Stunden über Stunden sitzen musste, bis ich mein Essen aufgegessen hatte.
Dann gab es ein Zimmer mit einem Schrank, in dem die Spielsachen weggeschlossen waren. Einige wenige auserwählte Kinder durften damit spielen, ich war leider nie dabei. Und es gab Toiletten mit mehreren Toilletten nebeneinander abgetrennt
durch Zwischenwände, aber in meiner Erinnerung ohne Türen. Diese
Toilettenanlage war direkt neben den Schlafsäälen, ich konnte sie von meinem Bett aus sehen, das Licht war immer an und nachts wurden Kinder, die einen Strumpf ans Bett gebunden hatten (als Zeichen, dass sie ins Bett machen könnten) mehrfach geweckt und mussten dort unter Aufsicht pinkeln. Kinder, die dennoch ins Bett machten, mussten am Morgen mit
ihrer Bettwäsche an die Wickeltische treten und wurden bestraft (Schläge und Beschimpfungen). Ich hatte große Angst vor den Aufseherinnen, die sehr viel schimpften und schlugen.
Ich konnte bereits ganz gut lesen und schreiben (meine Schwester kam in die Schule,als ich 4 war und ich habe es einfach mitgelernt) Ich hatte mit meiner Mutter verabredet, dass ich ihr jeden Tag schreibe und male, was ich sehe und erlebe und sie mir. Ich habe das getan, ich bat sie, mich abzuholen. Schrieb, dass man uns schlägt und ich nur den ganzen Tag
zum Essen gezwungen werde. Die Briefe gab ich den Aufseherinnen. Diese wurden aber nie abgeschickt. Die Briefe meiner Mutter wurden mir nicht
ausgehändigt. Andere Kinder bekamen Briefe und Pakete von den Eltern, aber ich erhielt nichts. So hörte ich nichts von ihr 6 Wochen lang, sah meine Kousine nicht und habe gedacht, dass ich nie wieder nach Haus komme. Ich dachte, meine Eltern hätten beschlossen, mich für immer in ein Heim zu geben und mich nur angelogen, dass das eine schöne Kur am Meer sei. Ich
fragte nach meiner Kousine, bekam aber keine Antwort. Überhaupt gab es wenig Gesprächsmöglichkeit mit anderen Kindern oder Erwachsenen. Es wurde nicht gewünscht und so verstummte ich mehr und mehr. Nur die
Singstunden sind mir als schön in Erinnerung geblieben, weil ich da einfach singen durfte.
Bei den Spaziergängen mussten wir in Reih und Glied auf den Holzstegen gehen, an Mützen kann ich mich nicht erinnern. Nur das wir komplett angezogen waren und an das Meer in Reichweite, die Muscheln, die ich so gerne angefasst oder gesammelt hätte. Aber wir durften uns nicht aus der Reihe bewegen. Stattdessen wurden wir aufgefordert "Ein Hut ein Stock ein Regenschirm und vorwärts rückwärts seitwärts ran zu sprechen und in diesem Rhythmus zu marschieren.
Am Ende der Kur erhielten wir als Geschenk einen Plastikleuchtturm und gefärbte Muscheln und einem Säckchen. Ich habe das sofort weggeschmissen. Ich hatte mindestens sehr zugenommen, sprach nicht
mehr und wollte auch gar nicht mehr essen (die Kilos waren in Kürze wieder runter. Ich hatte dann Jahre Land ständig Blasenentzündung (psychosomatisch vermute ich, weil ich dort immer einhalten musste und daher so gut wie nichts mehr trank, um nicht ins Bett oder in die Hose zu machen, da ja die Toilettengänge stark eingeschränkt waren und ich mich vor den offenen Toiletten fürchtete. Meine Kousine konnte sich an nicht erinnern, auch sie war stumm, traurig und fett gefüttert worden. Was ihr
passiert ist, weiß ich nicht, als Jugendliche ist sie krank psychisch erkrankt, sprach davon vergewaltigt worden zu sein (wo das sagte sie nicht) und starb mit 40 in der geschlossenen Psychatrie.
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Wilfried Prins aus München schrieb am 16.02.2022
Abspecken im Kinderheim
ei uns Kindern aus´m Kohlenpott bestand ja immer der
Verdacht einer gesundheitlichen Fehlentwicklung, von
Lungenkrankheit über Hautunreinheiten und anderen
allergischen Auffälligkeiten bis zur Mangelernährung. Der Arzt
beim Gesundheitsamt, der meine Schulreife feststellen sollte,
fand aber nur ein Loch in meinem Herzen. So sagte er es
jedenfalls wörtlich meinen Eltern. Die rannten natürlich total
besorgt sofort zu unserem Hausarzt Dr. Spieker. „Der Junge hat
ein Loch im Herz!“ Dr. Spieker setzte sein eiskaltes Stethoskop
auf meine junge Brust und klopfte und horchte das ganze zarte
Oberkörperchen ab, aber so viel er auch horchte und klopfte,
von Loch keine Spur. Statt Lochbehandlung empfahl er aber
ganz dringend einen 6wöchigen Aufenthalt in gesunder
Nordseeluft. So eine Kurmaßnahme bezahlte zum Glück die
Gesundheitsfürsorge der Zeche, bei der mein Vater malochte.
Die wollte ein wenig gutmachen für all die Sauerei, die sie mit
Abgasen aus Gruben und Kokereien anrichtete.
So stand ich dann – bald nach der Einschulung - an einem
trüben Vorsommertag an einem Nebengleis des Essener
Hauptbahnhofs - ein Schild mit meinem Namen um den Hals,
ein Köfferchen aus Karton ins feuchte Händchen geklammert -
und wurde in einen Waggon verfrachtet. Mit 200 anderen
Kohlenpottblagen. Noch nie war ich weiter als mit der
Straßenbahn nach Duisburg gekommen – und jetzt gleich an die
Nordsee! Ans Meer! Vorne pfiff die Dampflok und schleuderte
kleine schwarze Brocken und diesen unvergesslichen Duft nach
verbranntem Koks ins Abteil, wo ich heulend mit vielen
anderen Pimpfen einem ungewissen Schicksal entgegensah.
Tief durchatmen! Es begann ein mich heute noch belastender,
ein alptraumhafter Aufenthalt im „Kinderheim Bremen“ auf der
B
Insel Norderney!
Mein Bett, ein quietschendes Metallgestell, stand in einem
Riesenschlafsaal, zusammen mit zwanzig oder dreißig
weiteren. Meines war rechts vom Eingang aus, gleich das erste.
Das war sehr praktisch für die allabendlich hereinstürmende
Nachtschwester. Die brauchte dann nicht lange nachzuforschen
oder an der Tür zu horchen, wer vielleicht nicht sofort die
Klappe gehalten oder den Witzbold oder Quertreiber abgegeben
hatte. Die diensthabende Tante konnte reinrauschen, mir immer
ganz schnell die Schlafanzughose runterziehen und den nackten
Hintern versohlen, wenn nicht sofort nach dem Zubettgehen
absolute Stille einkehrte. Auf den bloßen Hintern. Mit meinem
eigenen Pantoffel! Der stand praktischerweise gleich unterm
Bett. Immer ich! Fand ich ganz schwer ungerecht, denn nicht
immer ich hatte komische Geräusche gemacht oder dumme
Sachen in den dunklen Schlafsaal gerufen. Da gab es auch
andere. Aber mein Hintern war der nächstliegende. So ist es nun
mal im Leben, lernte ich: Irgendein Arsch muss immer dran
glauben.
Zur Vorbeugung vor Rachitis mussten jeden Abend, vor dem
Abendessen, alle Kinder antreten und einen Löffel mit
Lebertran - purem, reinem Lebertran – schlucken. Nicht dieses
verfeinerte Zeug mit Apfelsinengeschmack und den
strahlenden pausbäckigen Kindchen auf der Flasche, das später
in allen Drogerien auftauchte - nein, reiner unverfälschter
stinkender Tran. Es gab dann zwar ein Eckchen Schwarzbrot
dazu, damit man nicht gleich erbrach, nicht direkt auf den
Löffel. Aber eine Tortur war es dennoch. Ich glaub, die
Walfangflotte lag direkt vor Norderney und lieferte dieses
gelbe, ekelhafte dickflüssige Öl schnurstracks und fangfrisch
per pipeline ins Kinderheim Bremen. Sich vor der Einnahme zu
drücken war schier unmöglich. Auf ewig in meiner Erinnerung
verankert ist, dass sich ein Kind auf einen Teller übergab und
dennoch gezwungen wurde, das Eingebrockte auszulöffeln.
Im Gegenzug zu diesen hartherzigen Kleinkinderquälereien hab
ich die Tanten auf einem anderen Gebiet mit meiner kindlichen
Finesse ausgetrickst. Und zwar so: Alle Mahlzeiten wurden
gemeinsam in dem großen Speisesaal eingenommen und man
saß immer am selben Platz. Meiner war ganz außen an der Ecke.
Zu meinem großen Abscheu gab es häufig eine Eintopfsuppe
mit ekligen dicken fetten Speckstücken drin. Noch heute, als
Erwachsener, puhle ich sorgfältig jedes erkennbare kleinste
Fisselchen Speck aus jedem Essen heraus, schneide bei
Schinken und Wurst jeden Fettrand ab. Keine Ahnung, woher
diese Abneigung schon im zarten Kindesalter kam, denn
eigentlich war es in der ersten Nachkriegszeit bis weit in die
Fünfziger hinein, geradezu erstrebenswert, möglichst fett zu
essen. Da saß ich armer Knirps nun, die barschen Tanten im
Nacken. Die peilten wie die Erdmännchen in der Kalahari und
wachten wie die Geier in den Anden, dass jedes Essen an den
Ort kam, für den es bestimmt war. Und die Speckstückchen in
der Suppe blickten mich an. Und es schüttelt mich vor
Widerwillen.... Ich bin stolz darauf, dass ich gleich zwei Tricks
gefunden habe, den Speck an einen Ort zu befördern, den die
geiernden Schwestern nicht kannten.
Für die erste Trickserei hab ich meine Hosentasche benutzt. Da
hinein ließ ich die kleinen Speckwürfel gleiten. Wenn die
wachsamen Augen der Schwestern mal nicht auf mir ruhten,
flutschte der Speck in meine Hose. Das nenn ich Abspecken!
Wenn das nicht mal raffiniert war! Das ging natürlich nur in
begrenzter Menge, denn irgendwann fetteten die Dinger durch
oder fingen an zu stinken oder zu schimmeln. Das war dann
doch etwas zu verräterisch in der Hose. Also musste ein
weiterer Zaubertrick her.
Das „Kinderheim Bremen“ war ja nun nicht das allerneuste.
Meine heutige Recherche lieferte mir den Nachweis, dass es
bereits in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als
„Kinderheim Dresden“ und sogar schon 30 Jahre vorher als
„Gasthof Frisia“ auf Norderney geführt wurde. Erst 1954
pachtete es das Land Bremen. Wie da die Drähte zu den
Ruhrgebietszechen gezogen wurden, ist nicht mehr
nachvollziehbar. Wegen dieses Alters war die Bausubstanz
entsprechend ein wenig marode – gerade richtig für meinen
Speck-weg-Trick. Ganz einfach hinter die nächst erreichbare
Fußleiste schieben! Die stand ein Stück von der Wand ab und
nahm bereitwillig alles auf, was mir nicht schmeckte. Dafür den
Ratten um so besser.
Das war´s: Ein neues Abspeckprogramm! Einige Zeit später
wurde das Heim abgerissen: Abspecken in letzter Konsequenz.
Die letzte Stufe meiner Rache

Diese Geschichte wurde entnommen meinem Buch "Bevor ich mich vergesse" von
Wilfried Prins
Boxberger Str. 20            80939 München
Tel. 089 32667725   oder   0178 1562436
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Irene Müller aus Lippetal schrieb am 16.02.2022
Ich war 3 Monate in diesem, von einem Ehepaar geführten Haus, die Familie wohnte mit einer Tochter auf dem Grundstück. Ich war wegen Allergien unanschaulich einer Gürtelrose dort, 3 Monate waren für mich eine schier unfassbare Zeit und ich litt unter entsetzlichen Heimweh! Briefe nach Hause wurden zensiert. Die Frau hatte, nach meiner rückblickenden Einschätzung massive psychische Probleme, die sie an den Kindern ausließ. Beim Essen gab es Kniffe und Kopfnüsse für falsches Verhalten, z. B. Nicht gerade sitzen, Quatsch machen usw. Sämtliches „ Felverhalten „wurde mit Ausgrenzung, Bloßstellung und Entzug von Privilegien ( z. B. Sportlichen Aktivitäten, bestraft und es gab körperliche Züchtigung. Häufig musste ich vor dem Schlafraum alleine auf einer Pritsche schlafen, da ich den anderen Kindern im Dunkeln Geschichten erzählt habe. Mir selbst wurde häufig so stark an den Haaren gezogen, dass ich die büschelweise herausziehen konnte, diese habe ich in einem „gedchmuggelten“ Briefnach Hause geschickt, darauf wurde mir meine Kleidung weggenommen und ich bekam nur einmal die Woche die Gelegenheit mich neu anzuziehen. Das abendliche , gemeinsame Singen wurde mir untersagt, nachdem meine Mutter in dem Heim angerufen hatte.
Ich musste in dieser Zeit dort die Schule besuchen, was eine ziemliche Katastrophe war, da ich das bayrisch kaum verstand.
An meinem 11 Geburtstag bekam ich ein Päckchen und außer derKleidung wurde alles verteilt.
Diese 3 Monate haben mich sehr verunsichert und ich habe , wieder zu Hause vor allem an meinen Eltern gezweifelt, ich konnte nicht glauben, dass Eltern ihrem Kind so etwas antun unshaven nach Hinweisen gesucht, dass sie gar nicht meine Eltern sind… es hat mein Grundvertrauen massiv erschüttert und hatte auch schulische Probleme zur Folge.
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Murzik schrieb am 15.02.2022
Hallo Christoph,
wie alt warst du damals, als du im Ponyhof warst?
Als wir mit dem Zug in Berchtesgaden ankamen, wurden wir selektiert. Alle unter zehn Jahren sollten zum Ponyhof und alle über zehn Jahre an den Königssee. Keine Ahnung, wie, aber ich als 9 10/12 Jahre alter Junge stellte mich einfach für den Königssee an. Und es klappte. Ob das nun gut oder schlecht war, weiß ich nicht. Irgendwie waren die beiden Häuser auch unter einem Dach, jedenfalls haben wir den Ponyhof bei einer Wanderung auch mal besucht, In der Nähe war wohl auch eine Forellenzucht. Jedenfalls hat Herr Hübner dort ein paar Forellen gekauft.
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Jochen schrieb am 15.02.2022
Hallo,
auch ich war für sechs Wochen in diesem Heim, das damals von einem Ehepaar mit dem Namen Hübner geleitet wurde.

Viele Grüße
Jochen
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Thorsten Pfau schrieb am 15.02.2022
Ich war im Alter von 9 Jahren ebenfalls in den Sommerferien 1972 zur Kur im "Haus Lieselotte" in Braunlage. Den Heimleiter, einen Herrn Ramm habe ich noch als feundlich und zugewandt in Erinnerung, anders als die "Tanten", deren Willkür man sich tagsüber ausgeliefert fühlte. An das "Zwangsessen" kann ich mich auch noch erinnern, insbesondere anm eine furchtbar schmeckende Milchsuppe. Ich esse sowas bis heute nicht mehr. Besonders belastend empfand ich die Kontaktsperre zu den Eltern. Wir durften zwar schreiben, aber nur Postkarten, die von den Tanten gelesen wurden. Gefiel ihnen der Inhalt nicht, z.B. weil man sich über die Zustände oder einfach über das Heimweh beklagte, wurden sie nicht abgeschickt. Mir gelang es, eine Postkarte raus zu schmuggeln, auf der ich meinen Eltern schrieb, sie sollen mir keine Pakete mehr schicken, weil diese von den "Tanten" geöffnet und der Inhalt unter allen Kindern verteilt wurde. Darauf hin rief mein Vater den Heimleiter an und beschwerte sich darüber. Es gab einen riesen Ärger für mich.
Die Ausflüge und Wanderungen habe ich allerdings noch positiv in Erinnerung. Auch wenn das Konzept dieser Einrichtung sicher Lichtjahre vom pädagogischen Standard selbst der 70er Jahre entfernt war, kann für mich trotz der negativen Eindrücke nicht sagen, dort in einer Weise traumatisiert worden zu sein, wie dieses andere Kinder schildern. Aber ich hatte wohl nur Glück. Ich kann mich an ein Kind erinnern, dass furchtbar unter Heimweh litt und häufig ins Bett machte. Der Junge wurde von dem Personal beschimpft und erniedrigt, ebenso ein anderesKind, das stotterte. Die dürften den Aufenthalt wohl in ganz anderer Erinnerung behalten haben. Wie falsch und ungerecht das war, habe ich selbst in meinem Alter schon gespürt. Ich war froh, dass man mich in Ruhe ließ.
Das Haus existiert heute nicht mehr, dort steht jetzt eine Wohnanlage mit Ferienwohnungen.
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Bine H. aus München schrieb am 15.02.2022
Ich lese nun schon so lange mit - und denke mir immer, wieso erinnere ich mich nicht an die Zeit im Kurheim Quisisana. Ich war 11 Jahre jung und es war 1978. Es gibt nur Bruchstücke an Erinnerung. Einzelne Szenen.
Ich erinnere mich an die Hinfahrt, die ich sehr aufregend fand. Ich war nicht schüchtern und hatte auch keine Angst für einige Wochen von zu Hause weg zu sein. Ich war begeistert, wir hatten ein Abteil für uns, waren vier oder fünf Kinder und eine Frau als Betreuerin. Vom Münchner Hauptbahnhof ging es nach Hamburg Altona. Dort stiegen wir um und bekamen neue Betreuer.
Verschickt wurde ich über die Postbeamtenkrankenkasse, denn Papa war Postbeamter.
Und ich war angeblich zu dick, ich sollte abspecken. Ich erinnere mich, dass ich zu dieser Zeit das erste Mal überhaupt merkte, dass ich zu dick sei. Und ich erinnere mich, dass mein Abnehmen nicht sehr von Erfolg gekrönt war. Ich nahm gerade mal 3 Kilo ab in diesen 6 Wochen und das war nicht zufriedenstellend. Von wem das nicht zufriedenstellend war, weiß ich leider nicht mehr. Ich finde es heute auch echt interessant, dass ich mich genau daran so sehr erinnern kann.
Aber dieser Gedanke, nicht gut genug an mir zu arbeiten und deswegen zu dick zu sein, der zieht sich durch mein Leben. Heute bin ich sicher, dass ich wegen dieser KUR damals erst meine zeitweise schlimme Adipositas und meine Essensproblematik her habe. Bis heute... immer extrem, entweder extrem viel am Essen mit viel, viel schlechtem Gewissen und Hass auf mich selbst, oder mit überhaupt keinem Essen mehr und schneller Abnahme.
Ich erinnere mich dann aber nicht mehr, wie wir am Bahnhof St.Peter Ording ankamen. Einzige Erinnerung ist das wunderschöne Reetdachhaus, das damals der Inhaberin des Hauses Quisisana gehörte und bewohnte. Dieses Haus fand ich ganz toll und machte schon in den ersten Tagen ein Foto davon.
Und nun hört es schlagartig auf mit Erinnerungen. Es gibt eine, da geht es um Kürbiskompott. Ich dachte, das ist Aprikosenkompott was ich von Zuhause her kannte und mochte und nahm mir davon eine kleine Schüssel. Beim ersten Bissen allerdings war mir klar, dass es etwas ganz anderes sein muss. Es schmeckte widerlich. Ich musste dieses ekelhafte Kürbiskompott aufessen. Seitdem habe ich nie wieder Kürbis gegessen.
Dann erinnere ich mich an eine Krankenphase - wieso weshalb warum weiß ich nicht mehr. Ich weiss aber noch, dass wir zu dritt zu den Dünen durften, was ich genial fand und nahm meine alte Kamera mit, die nur Schwarz/Weiß Bilder machte und auf die ich total stolz war. Ich fotografierte damals dann die beiden anderen. Dieses Bild klebte ich zu Hause dann in mein eigenes Fotoalbum und schrieb die Namen von Beiden dazu. Ich erinnere mich nur anhand dieses Bildes an diese Szene und weiß noch, dass mir dann meine Kamera weggenommen wurde. Man verbot mir auch, das Reetdachhaus zu fotografieren. Komisch finde ich heute, da ich ja mehrere Filmrollen dabei hatte, dass nur drei Bilder etwas geworden waren. Rest war schwarz.
Dann gibt es eine Erinnerung des Zimmers. Denn mein Bett stand nicht wie die anderen in Reihe sondern stand quer, da die Heizung im Weg war. Ich fand, als ich mich mit dem Thema Verschickungskinder auseinandersetzte ein Bild im Netz, was genau dieses Bett zeigt.
Dann erinnere ich mich an eine Plage mit fliegenden Ameisen. Es waren Tausende, gefühlt Millionen von fliegenden Ameisen in unserem Zimmer. Der Boden war übersät damit, die Wände waren voll, unsere Betten - alles. Bis heute weiss ich nicht, war das nur ein Albtraum oder Real. Seitdem habe ich aber Panik, wenn ich ein Insektensummen höre.
Ansonsten ist nichts da an wirklicher Erinnerung. Immer wieder, besonders wenn ich andere Geschichten höre/lese, habe ich das Gefühl da möchte etwas hoch, aber es ist wie hinter einer Nebelwand versteckt.
Ich habe meine Mutter mit dem Thema konfrontiert, die das alles einfach nur abtut. Auch hat sie keine Unterlagen mehr von damals. Sie selbst war allerdings in den 60er Jahren auch in einem Lungensanatorium für fast 2 Jahre und hatte auch dort keine schönen Erinnerungen. Aber bei mir waren es ja nur 6 Wochen. Sie meint, ich würde mich jetzt davon anstecken lassen, weil ich von anderen gelesen habe. Es verletzt mich. Obwohl ich heute 55 Jahre bin und mir eigentlich die Meinung meiner Mutter total egal sein könnte. Ist es aber nicht. Es ist ein Stich mitten ins Herz der kleinen Bine. Denn genau so fühlt es sich an. Ich wieder klein, jung und muss das so hinnehmen.
Ich war nie schüchtern und hatte nie wirklich Selbstwertprobleme als Kind. Meine Mutter erzählt bis heute, dass ich schon immer ein sehr schwieriges Kind war, mit dem sie nicht klar kam.
Schon mit 17 bin ich ausgezogen. Habe früh mit Süchten begonnen... Mein Leben war immer extrem. Was ich auch machte, es war extrem. Bis heute kämpfe ich damit. Es wird besser... vielleicht auch, weil ich heute fast sicher bin, dass mir damals etwas gegeben wurde, damit ich gut zu händeln war. Wieso sonst erinnere ich mich an kaum etwas aus dieser Zeit. Ich war ja auch schon fast 12 Jahre alt und kann mich sonst schon ganz gut an vieles erinnern aus meiner Kinder- und Jugendzeit.
Wieso erinnere ich mich nicht an die Heimfahrt? Ans Heimkommen ?
Ach ja - ich erinnere mich noch an eine Sache: an dieses Reetdachhaus. Ich war darin. Wegen einer Untersuchung beim Arzt. Beim Wiegen. Es ging eine Holztreppe hoch, ein rundlicher Vorraum mit mehreren Türen. Ich erinnere mich nicht genau, es ist wie im Nebel, aber ich erinnere mich an eine Szene, bei der Mann mir in meine Unterhose (sonst trug ich nichts) schaute. Auch wurden die Achseln untersucht. Diese Erinnerung ist - als möchte sie noch weiteres erzählen, kann aber nicht. Ja und an eine Waage erinnere ich mich, eine, die man selbst einstellen musste, so eine alte.
Das sind so meine Erinnerungen... wenige. Ich würde gerne mehr erfahren, denn heute denke ich, dass sich vieles aus meiner Lebensgeschichte danach erklären lässt.
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Monika Hauschild aus Wilhelmshaven schrieb am 15.02.2022
Hallo, ich war 1964 als 6jährige für 6 Wochen zur Kur im Kinderheim Elisabeth Braunlage. Leider habe ich kaum noch Erinnerungen, vielleicht habe ich sie auch verdrängt. Kann mich aber erinnern, das ein Kind mir gegenüber sich beim Essen übergeben hat und es aufessen mußte. Ich mußte mich dann auch übergeben und wir haben eine Ohrfeige bekommen. Die Teller mußten leergegessen werden. Alles andere ist sehr nebulös. Ich mußte zur Kur vom Arzt aus, weil ich oft Mandelentzündungen hatte und nach der Op. wieder zunehmen sollte. Ich habe irgendwann Besuch von meinen Großeltern bekommen, und als sie wieder wegfahren und mich dort zurück ließen, dachte ich, ich sehe meine Familie nie wieder. Ich habe mir immer vorgenommen, das ich das meinem eigenen Kind niemals antun würde. Ich habe mein ganzes Leben darunter gelitten, war immer nervös und puhle bis heute an den Fingern. Es würde mich interessieren, ob ich von Jemandem noch Informationen bekommen kann, der auch dort war. Es würde mich auch interessieren, ob evtl. Medikamente gegeben wurden.
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Mona schrieb am 15.02.2022
Nachtrag zu meinem Eintrag von Die. 15. 2. 2022
Ich denke das ist jetzt doch noch Relevant - der Grund warum ich wohl in dieses Kinderheim ge-verschickt wurde ist der Tatbestand, dass ich mit einer K-L-G- Spalte geboren wurde und Notoperiert wurde nach der Geburt um überhaupt Nahrung aufnehmen zu können.
Und ich zudem doch auf vieles Allergisch reagierte z B. keine Erdbeeren oder Pfirsiche Essen durfte und eben auch kein Hühnereiweiß - - diese Info hatten dann auch meine Eltern in einem Begleitbrief mir mitgegeben. Ich wurde auch mit dem Zug verschickt.
Es war wohl dann auch der damalige Kinderarzt der meinen Eltern das angeraten hatte, da ich sehr blass gewesen bin- man sprach damals von Blutarmut- und auch untergewicht hatte.
Es ist für mich aus meinem heutigen Wissen und Leben das ich gelebt habe, unfassbar was hier uns Kindern angetan wurde.
Und auch in der heutigen Zeit nimmt es ja leider kein Ende.
Mit Dank
Mona
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Mona schrieb am 15.02.2022
Sehr geehrte Frau Röhl,
nun habe ich innerhalb der letzten 5 Monate wiederholt diese Doku gesehen. Und mir ist nun wieder eingfallen ich war ja auch ein "Verschickungskind" . Habe sogar vor ein paar Jahren das Heim selbst nochmal aufgesucht.
Kurz zu mir Jahrgang 1955 - und ich war wohl zwischen 1959 und 1961 - 1x weg für einige Wochen.
Ich bin mir nicht sicher ob meine wenigen Erinnerungen daran, auch relevant sind.
Es ist in Rechtis Weitnau gewesen und wurde von der AWO betrieben soweit ich erinnere, seit einigen Jahren ist es ein Altenwohnheim, das habe ich damals vor Ort dann erfahren, von der Heimleiterin, das ehemalige Kinderheim wurde wohl so um die70ziger Jahre geschlossen, doch genau weiß ich es nicht.
2 Erinnerungen sind mir jedoch geblieben, - einmal dass es wohl irgendwann mal Spinat zu Mittag gegeben hatte mit Spiegelei und Kartoffel, und ich jedoch damals eine Eiweißallergie hatte, was wohl auch von meinen Eltern dann bei meiner Ankunft gesagt wurde. >>Dennoch musste ich das Essen, was ich dann erbrach und ich dann vor diesem Teller bis spät in die Nacht sitzen musste alleine in dem Speisesaal. Ich bekam dann auch kein normales Abendessen wie die anderen Kinder sondern saß nach wie vor vor diesem Teller. Und die anderen Kinder um mich herum, ärgerten mich zudem als ich da so saß.
Das 2. ist dass ich wohl doch öfters in den angrenzenden Wald gelaufen bin und mich dort irgendwie verstecken wollte oder hatte, so dass das personal mich suchen musste. Da ich scheint oft Stunden weg gewesen bin.<<

Vielen Dank -und ihre Arbeit ist immens wichtig.
Mit freundlichen Grüßen Frau M. Detzel
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Sylvia schrieb am 15.02.2022
Das schlimmste war der Zwang die Portionen zu essen die man aufgeladen bekam.
Ich bat auf Toilette gehen zu dürfen und würgte wieder alles heraus, entwickelte eine Essstörung heute sagt man Bulimie dazu, oder so ähnlich.
Zuhause war ich oft erkältet und Halsschmerzen.
Da meine Schwester und ich beide zu dünn waren kam vom Gesundheitsamt und der Krankenkasse die Aufforderung zur Kur.
Wer war 1979 noch in Solebad oder Luisenheim und weiß mehr was damals getan wurde und welche Medikamente man bekam?
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Nicola schrieb am 15.02.2022
Hallo,

ich war Anfang der 80 er Jahre in Polling und vielleicht 7 oder 8 Jahre alt.
Ein Erholungsheim/Kur welches von Nonnen geführt wurde. Mein Vater war bei der Post. Darum lief es auch über die Post. Ich musste mit einer fremden Person den weiten Weg mit dem Zug nach Bayern alleine ohne Eltern fahren. Dort im Heim wurden wir dann abgeliefert. Von strengen Nonnen geführtes Heim.
Ich kann mich noch sehr gut an das Haus und den Spielplatz, Schlafraum und Speisesaal erinnern. Auch die Kirche nebenan wo wir immer hin mussten. In der Kirche war ein durchsichtiger Sarg mit einen Skelett. Gruselig. Ich hoffe es erinnern sich andere und treten mit mir in Kontakt.
Es waren verschiedene Altersgruppen dort. Ich glaube nur Mädchen. Sicher bin ich nicht mehr.
Ich hielt mich gerne an 2 älteren Mädchen. Die haben das häkeln beigebracht bekommen und saßen draußen und häkelten mit Nonnen Kissen.
Wir durften nur positives nach Hause schreiben und es wurde gelesen was wir geschrieben haben. Wenn es nicht in Ordnung war, musste man es neu schreiben.
Ich bat eines der älteren Mädchen, sie durften Post weg bringen, glaube ich, meinen Brief heimlich mitzunehmen. Dort stand drin, das ich nach Hause möchte und es schrecklich ist. Der Brief ist nicht angekommen.
Mir wurde gedroht das meine Eltern die Kur bezahlen müssen wenn ich nach Hause fahre.
Ich war zum abnehmen dort. Musste mit Kindern am Tisch sitzen die normal essen durften. Ich bekam andere Kost. Zum Beispiel haben sie Nutella oder Marmeladenbrote bekommen und ich Beeren . Es war natürlich schrecklich für mich. Die Nonnen haben alles beobachtet. Heimlich gaben mir andere unter dem Tisch etwas von Ihren Broten ab.
Ich war in einen 4 er Zimmer. Die Räume waren recht groß und sauber. Eines der Mädchen aus meinen Zimmer laß Tiergeschichten vor. Ich weinte jeden Abend.
Draußen auf dem Flur waren die Schränke mit unseren Sachen.
Einmal die Woche war wiegen angesagt. Hände zeigen und mein Handgelenk wurde gemessen.
Ich durfte nicht zu Hause anrufen.
Ich bin der Meinung das manche schwimmen gefahren sind und andere mussten aufs Erdbeerfeld Erdbeeren pflücken. Ich auch.
Kann sich jemand daran erinnern und war auch dort?
Alles Gute für Euch, Gruß Nicola
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Bettina Warzecha aus Walsrode schrieb am 14.02.2022
ich war - da hatte ich so viel Glück - schon 10 Jahre alt als ich im Kinderkurheim Wetzel war. Ja, auch hier wurden wir Kinder zum Essen gezwungen. Für die meist sehr kleinen Kinder war das Horror, sie mussten stundenlang sitzenbleiben, bis sie eine eklige milchschleimige Suppe aufgegessen hatten. Besonders furchtbar, in diesem Heim lebten auch 3 elternlose sogenannte "Dauerkinder", 2 Mädchen, ich glaube Irene und Monika, und ein kleiner Junge, Michael, der oft hart bestraft wurde. Als er einmal im Bett gemalt hatte, wurde er mit seinen 4 Jahren unter die eiskalte Dusche gestellt. Besonders brutal der Gegensatz: die Heimleiterin hatte selbst einen Sohn, der wie ein Prinz dort behandelt wurde. Gerne wäre ich bereit, für diese drei Kinder, die hart gequält wurden, auch auszusagen. Aber in der Regel wird sich wohl niemand verantwortlich fühlen
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Uwe Harter aus Raum Offenburg schrieb am 14.02.2022
Bis vor drei Wochen hatte ich keine inhaltliche Erinnerungen. Im Bewusstsein war eigentlich nur dass ich im Alter von 5 Jahren für 6 Wochen in St. Peter Ording war. Als Heimname hatte ich mir „Goldener Schlüssel“ gemerkt.

Die Erinnerungen kamen am helllichten Tag, völlig aus dem Nichts. Als Auslöser habe ich den Tod meiner Mutter vor einem Jahr, eine aktuell bevorstehende Kur und einen Film über „Colonia Dignidad“, den ich einige Tage vorher geschaut habe,im Verdacht.

Es sind nur drei Situationen an die ich mich konkret erinnern kann. Zwei Situationen sind mittlerweile deutlich präsent, eine dritte ist ziemlich undeutlich.

In der ersten Situation habe ich ins Bett gemacht (kleines Geschäft). Es wird entdeckt, ich werde von einer „bösen Frau“ vor den anderen Kindern beschimpft und niedergemacht. Nach meiner Erinnerung waren es ausschließlich Jungen, die meisten älter als ich. Die Frau hetzt die andern Kinder auf mich zu bestrafen, ich werde auf mein Bett gedrückt und verprügelt. Zumindest einer der Jungen benutzt dazu einen Gürtel und ist mit großem Eifer bei der Sache, ich kann sein Grinsen oder Lachen sehen.
Ich empfinde absolutes Entsetzen, weiß gar nicht was mit mir passiert und warum alle so böse zu mir sind.

Die zweite Situation ist zeitgleich mit der ersten ins Bewusstsein gekommen. Es geht wieder um ein Geschäft, diesmal ein Großes. Ich stehe vor der verschlossenen Toilettentüre und versuche einer der „Tanten“ begreiflich zu machen dass ich dringend auf Toilette muss. Weil ich aus einer ländlichen Gegend in Süddeutschland komme kann ich mein Bedürfnis irgendwie nicht so in Worte fassen wie es die Tante gerne gehabt hätte, ich bitte, flehe und gestikuliere, aber es geht in die Hose.

Die Erinnerung an die dritte Situation ist undeutlich. Ich liege in einem Bett mit einem Metallrahmen auf der Seite. Mein linkes Handgelenk steckt in einem Ledergurt und ist am Rahmen befestigt. Im meinem Blickfeld ist nur mein linker Arm. Ich bin nicht panisch, eher gleichgültig.

In welcher zeitlichen Abfolge sich die Situationen abgespielt haben weiß ich nicht und es fehlt auch alles drumherum, also was z.B. nach dem Prügeln passiert ist, wie ich jeweils wieder sauber gemacht wurde, ob das große Geschäft in die Hose eine Strafe nach sich zog usw.

An den Schlafraum in dem sich das Prügeln abspielte kann ich mich einigermaßen erinnern. Ich glaube es war in einem oberen Stockwerk eines Gebäudes, nicht ebenerdig. Es waren ca. 10 Betten und sie waren so angeordnet dass man mit dem Kopf Richtung Wand lag, immer zwei Betten gegenüber, so dass es quasi einen Mittelhang zwischen den Fußsohlen gab. Im Türbogen zum Gebäudeinneren hin war entweder ein Absatz oder es gab ein paar Stufen nach oben und ich glaube da ging es über einen kleinen Gang auch zu der Toilette die mir verschlossen blieb.

Sonst ist da nicht mehr viel habe noch eine ganz schwache Erinnerungen an die Zug-Hinfahrt im Schlafabteil und an einen Spaziergang.
Es gab einen Raum für Inhalationen. Man musste eine Treppe runter gehen, dann war das so ein Vorraum wo man sich um- oder ausziehen musste. Dann ist da noch ein einziger Name: „Udo“. Er war ein bisschen älter als ich, damals vielleicht 7 Jahre alt. Wahrscheinlich auch aus Baden-Württemberg. Dieser Name ist das einzige positive was mir aus St. Peter Ording im Gedächtnis geblieben ist. Ich denke er hat mich ab und zu getröstet oder irgendwie versucht mir zu helfen so gut er konnte.

Diesen Udo hier zu finden wage ich gar nicht zu hoffen, aber vielleicht liest dies jemand der zu der Zeit dort war und sich an den kleinen, verängstigten Uwe mit schwarzen lockigen Haaren erinnert, der vermutlich kein Wort hochdeutsch konnte. Es gibt hier eine Gruppe zum Goldene Schlüssel der ich beigetreten bin und über die man Kontakt mit mir aufnehmen kann. Bin auch an anderem Material interessiert das mir helfen könnte meine Erinnerungen aufzufrischen, alte Fotos, Berichte etc.

Das alles ist jetzt 46 Jahre her und ich fange gerade erst an zu begreifen welche Auswirkungen diese 6 Wochen auf mein weiteres Leben hatten und was da alles in mir kaputt gemacht wurde. Da ist so viel Trauer um den fröhlichen kleinen Jungen der so nicht mehr nach Hause zurückkam. Die Momente in denen die Tränen kommen sind eigentlich noch die guten.

Da ist auch viel Wut in mir. Auf die Täter/Täterinnen, auf das ganze lebensverachtende System in dem so etwas in diesem Ausmaß überhaupt entstehen, gedeihen und über Jahrzehnte durchgezogen und größtenteils vertuscht werden kann. Es hat ja offensichtlich keinen der Träger, Behörden oder sonstigen Verantwortlichen ernsthaft interessiert wie es den Kindern geht. Einfach nur abstoßend dieses Geschmeiß und nicht besser sind diejenigen die heute das Leid der Kinder herunterspielen, das Thema verwässern, bei der Aufarbeitung auf Zeit spielen und nicht mal bei klarer Sachlage so etwas ähnliches wie ein Schuldeingeständnis über die Lippen kriegen.

Auf der Jubiläumsfeier 2013 zu 100 Jahre Goldene Schlüssel wurde dem „guten Geist des Hauses“, der symbolisch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steht, für 100 Jahre Treue und immerwährenden Einsatz zum Wohle der ihm anvertrauten Menschen gedankt. Dem kann ich mich ausdrücklich NICHT anschließen.

Vielen Dank an alle die mitgeholfen haben und weiter mithelfen das Thema ans Tageslicht zu bringen.
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Karin Hinterleitner aus Stuttgart schrieb am 14.02.2022
Da ich als 9 jährige seit Jahren chronisch erkältet war, entschied mein Hausarzt, mich in Kinderkur an die Nordsee zu schicken. Die DAK machte Bad Sassendorf, Haus Hamburg, daraus. Da ich von Geburt an regelmäßig isoliert von der Familie wochenlange Kinderkrankenhaus Aufenthalte absolvieren musste, kannte ich kein Heimweh. Die Fahrt mit dem Zug begann mit einem freudigen Abschied von der Familie. Ich freute mich einfach mal mit vielen anderen Kindern zusammen zu sein, statt wochenlang allein im Krankenhausbett liegen zu müssen. Nun die Euphorie der Zugfahrt, wir tobten die ganze Fahrt und zerfetzten alle Bahn Prospekte im Abteil und bei Halt pflaumten die Passanten auf den Bahnsteigen an, verflog als wir im Heim ankamen. Spartanische Kasernenhof Atmosphäre. Seltsam gezuckertes Essen, so gut wie nie Salat. Ich bekam am Ende den Preis, weil ich am meisten zugenommen hatte in daten 6 Wochen. 
Ich empfand die Atmosphäre im Haus immer als bedrückend. Nachts kontrollierte immer eine Erzieherin mit Taschenlampe, ob man auch wirklich schlief. Ich bekam stundenlang kein Auge zu, erst nach diesen Kontrollgängen. Ein paar mal wurde ich auch ermahnt: ""Schläfst du auch wirklich?"Nun die meisten Erzieherinnen bemühten sich, nett zu uns zu sein. Das Küchenpersonal und vor allem die Heimleiterin und die Ärzte schienen mir aus einer anderen Zeit, Großvaters Zeit, humorbefreit, autoritär. Wir mussten einfach funktionieren und uns total der Heimordnung unterwerfen. Klar bei einem Betreuungsschlüssel von ca. 2:40. Gefreut haben mich immer die Spaziergänge, da durften wir Mädchen uns hemmungslos unterhalten und Spaß machen. Auch die Völkerball Spiele Abends waren ein Highlight. An den Rest erinnere ich mich lieber nicht so gerne. Z. B. Die Inhalationsbehandlungen im Keller. Da wurde von der Decke Solewasser verdampft und wir sollten das einatmen - brrr. Auch wurden wir mit Kalt-Warm Bädern in alten Holzbottichen im Solewasser gebadet und kalt abgespritzt - zweimal die Woche ca. - auch im Keller. Und ich hatte mich auf das Meer und Sonne gefreut. 
Richtig wütend machte mich der "Mittagsschlaf": Da wurden wir streng angehalten gefühlte 2 Stunden brettsteif und ruhig zu liegen - mucksmäuschen still, Augen geschlossen halten.Die Post an die Eltern wurde diktiert und kontrolliert. Ich tauschte keine Adressen aus bei der Heimfahrt. Ich war einfach nur froh, endlich wieder wegzukommen und mich wieder frei und ungezwungen bewegen und sprechen zu  können. 
Meine Mutter war betroffen von meinen Erzählungen, aber noch mehr davon, wie ich gemästet worden war, nichts passte mir mehr. Eine zweite "Kur" wäre für mich nicht mehr in Frage gekommen. Ich habe danach allen Kindern von einer "Kur" abgeraten, meine Eltern anderen Eltern ebenso.
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Roswitha B. aus Wiesbaden schrieb am 14.02.2022
Meine Eltern schickten mich zur "Erholung" weil ich zu dünn und zu klein war, 6 Wochen allein ohne Besuch (über die Krankenkasse AOK)in den Schwarzwald. An die Zugfahrt dahin kann ich mich nicht erinnern, wohl aber an das Zwangsessen, alles aufzuessen. Weil ich beim Essen redete, musste ich vor der Tür stehen, Nachts meine Unterwäsche ausziehen und ein mir fremdes Nachthemd tragen. Ich schlief immer im Schlafanzug Zuhause.
Die Post nach Hause wurde diktiert und als ein Paket kam mit Süssigkeiten, wurde das unter den Kindern aufgeteilt. In diesem Paket war auch meine Puppe, meine Eltern wurden aufgefordert sie zu schicken,
es war eine Sprechpuppe und sie war kaputt als ich Sie erhielt. Ich hatte großes Heimweh. Bei einem Ausflug hat sich ein Mädchen, das mit mir zur Kur geschickt wurde (aus dem gleichen Kindergarten Zuhause aus dem ich kam), den Arm gebrochen. Ich habe Sie so beneidet, sie durfte nach Hause fahren, ist alles bruchstückhaft aber den Namen des Mädchens: Nicole Hundsberger habe ich niemals vergessen. Wie man den Namen richtig schreibt weiss ich leider nicht. Für meine Mutter habe ich einen kleine Schwarzwaldpuppe an einem Kiosk gekauft, mit Kirschen auf dem Hut..
Ich bin froh das Erlebte jetzt aufarbeiten zu können, es belastet mich sehr, dass ich mich nicht an alles erinnern kann, gern wüsste ich was mit dort angetan wurde, habe alles böse und dunkel empfunden, fühlte mich so alleingelassen. Es hat mich für mein Leben geprägt. Zuhause habe ich danach lange bei anderen Menschen nichts gegessen, nur Zuhause oder wenn meine Eltern dabei waren. Mit 10 Jahren wusste ich, dass ich Kinderkrankenschwester werde. Damals unbewusst eine Fürsorge für Kinder zu haben, sie zu beschützen, als Anwalt der Kinder.
Wie ein Puzzle setzen sich jetzt die Dinge für mich zusammen. Es gibt eine Karte mit Bild des Hauses in Farbe, mit Schreibmaschine der Text:
Ihre Tochter Roswitha ist am Donnerstag gut bei uns eingetroffen. Wir hoffen, daß es ihr bei uns gefallen wird und daß sie sich gut erholt. In Zukunft wird Ihnen die Betreuerin, Fräulein Waltraud Schuler, direkt schreiben. Mit freundlichem Gruß,
Gläser
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Dorothea H. schrieb am 12.02.2022
Ich war im Sommer 1968 im Kurheim auf Norderney und suche Menschen, die auch zu dieser Zeit dort waren.
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Dagmar aus Viersen schrieb am 12.02.2022
Wer kann sich noch an das Heim erinnern ?
Ich war erst 4 und die Wochen erschienen mir unendlich
lang. Als mich meine Eltern dort abholten, habe ich sie nicht mehr erkannt. Zu dem Zeitpunkt kam es mir vor, als würde ich schon immer im Kurheim gelebt haben.
Offenbar war ich die Jüngste, war immer zu langsam.
Meine Eltern leben heute noch und berichteten ich habe dann wieder zu Hause fürchterlich geschlungen(wohl weil ich das Tempo der anderen einholen musste) .
Heute gibt es Mutter/Vater Kind Kuren. So ein kleines Geschöpf schickt man nicht alleine weg. Natürlich haben die Eltern es damals nicht besser gewusst, sie wollten uns helfen. Ich sollte zunehmen und hatte schweres Asthma.
In einem großen Schlafsaal stand mein Bett Der Schlafsaal hatte 25 Betten oder mehr und eine Tante saß auf einem Stuhl an der Tür.
Wir wanderten im Winter in der Gruppe am Strand entlang, die Sandkörner peitschten mir ins Gesicht. Eine liebe Tante (Heidrun ? ) nahm mich unter ihren langen Mantel. Die anderen Tanten waren nicht freundlich. Besonders streng war eine Tante Marlies.
Unsanft wurde ich behandelt, als ich wegen Erbrechens die Toilette nicht mehr erreicht habe. Ausgeschimpft und geschüttelt wurde ich.
Laut Kurbericht den ich noch habe, waren es die Röteln.
Nun lag ich in einem anderen Zimmer und wurde im Bett gefüttert mit irgendeinem Brei, das weiß ich noch heute, musste erbrechen und musste den Teller mit Erbrochenem leeren.
Wie wir sonst den Tag verbracht haben kann ich nicht berichten. Haben wir da jemals gespielt ?
Und an einer Tür mit Klappe stand manchmal eine Tante und hat Briefe verteilt. Sie hat die großen Kinder aufgerufen ,die durften nach vorne kommen und ihre Post abholen. Ich wurde nicht nach vorne gerufen.
Im Kurbericht finde ich die Medikamente Soledum Amid Saft und Ditonal-Z. Wogegen genau wurde das verordnet ?
Wenn mir noch etwas einfällt kann ich es später ergänzen.
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Peter B. aus Winkelhaid/Bayern schrieb am 11.02.2022
Hallo,
aufgrund meiner Neurodermitis und meines Asthma "durfte" ich auf Anraten der Ärzte in der Zeit von 1961 - 1967 gleich fünfmal in ein Verschickungsheim. Natürlich musste ich als kleines Kind dieselben negativen Erfahrungen machen wie alle, die im Forum ihre Erlebnisse teils detailliert schilderten. Exemplarisch seien in diesem Zusammenhang der Essenszwang, die Demütigungen durch die autoritären, lieblosen "Tanten"/Schwestern, die Postzensur und die strenge Mittagsruhe genannt, die allesamt mein Heimweh verstärkten. Selbst wenn man die Geschehnisse von damals unter dem Lichte des seinerzeitigen Zeitgeistes betrachtet, wurde an uns m.E. großes Leid verursacht. Ich denke, dass die Erlebnisse durchaus charakterprägend waren und auch noch bis heute (60 Jahre später) ihre Spuren hinterlassen haben. Wenn man rückblickend irgend etwas Positives in den damaligen traumatischen Erlebnissen finden will, vielleicht dass sie (zumindest bei mir) zu einigen positiven Eigenschaften wie stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, gutes Einfühlungsvermögen oder Verachtung von jeglicher Gewalt führten. Mit den negativen Auswirkungen auf meine persönliche Entwicklung möchte ich mich gar nicht mehr auseinandersetzen, weil es sich eh nicht mehr ändern lässt. Hoffen wir zusammen, dass künftigen Generationen ähnliche Erlebnisse erspart bleiben.
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Sabine aus Schweinfurt schrieb am 09.02.2022
Ich war vom Anfang Nov. bis Mitte Dezember dort und suchen Kinder, die auch (ungefähr) zu dem Zeitraum dort waren. Bei mir war es die Barmer Ersatzkasse in Schweinfurt, bei der wir versichert waren. Von dort wird gemauert, keine Unterstützung. Da ich mich an kaum was erinnern kann bin ich für jeden Hinweis an schweinfurt.2021@web.de dankbar. Es waren einige Kinder aus dem Großraum Nürnberg dabei.
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Gaby Meyer aus Walsrode schrieb am 08.02.2022
1971...Ich war mit meinem 2 Jahre älteren Bruder in Bad Orb für sechs Wochen. Wir sind mit dem Zug dorthin gefahren. Ab Bahnhof Hannover kann ich mich an nichts mehr erinnern. Meinen Bruder habe ich nur einmal während der 6 Wochen von weitem gesehen.
Ich kann mich nur an ein paar Fetzen erinnern: Einmal die Woche war Kleidungswechsel auf dem Dachboden. An das Salzwasser tropfen Heugebaeude. Angst vorm Wiegen. Ekel vor Nahrung. Vielleicht wurde ich für 6 Wochen innerlich abgestellt ....PsychoTerror Medikamente Trauma Todesangst...
Einige Jahre später war ich mit meinem 1 Jahr jüngeren Bruder für 6 Wochen in Bonndorf. Auch daran habe ich kaum Erinnerungen.

Vor ein paar Tagen googelte ich einfach so nach "Bad Orb Kinderkur" und stieß auf diese Internetseite. Bei YouTube guckte ich ein paar Dokus zu dem Thema.
Jetzt weiß ich endlich wo die Wurzel des Übels liegt. Schwerst-Trauma-geplagtes Leben.....
Danke Gott für diese wunderbare Internetseite
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Frank Heinrich aus Remscheid schrieb am 08.02.2022
Ich war im Sommer 1976 in Bad Buchau. Ich war damals 14 Jahre alt und leicht untergewichtig. Meine Eltern waren wohl ganz froh, mich über den Sommer loszuwerden. Obwohl es sich um eine Kurheim der Caritas handelte, gab es da, nach meiner Erinnerung, keine Nonnen. Alle Kinder wurden in Gruppen von gleichalterigen unterteilt. Ich war damals in der Gruppe "Sankt Michael". Wir waren etwa 20 Jungs. Das Essen war eigentlich ganz OK (jedenfalls besser als zuhause), nur einmal haben wir Fußnägel im Essen gefunden und unsere Erzieherin (eine Frau Häringer oder so ähnlich) hat dann einen ziemlichen Wirbel in der Verwaltung veranstaltet. Danach gab es keine vergleichbaren Ereignisse mehr.
Was mich damals gestört hatte, war die obligatorische Mittagsruhe. Natürlich schlafen Jungs in diesem Alter nicht um die Mittagszeit, so dass es eher eine Lesestunde wurde. Wir haben uns gegenseitig Bücher und Heftromane ausgeliehen, so dass uns der Lesestoff nicht ausging.
Die Mittagsruhe war auch eine gute Gelegenheit für eine ausgiebige Kissenschlacht oder den gemeinsamen Verzehr der Süßigkeiten, die einige von uns zugeschickt bekamen. Mit einigen Jungs habe ich damals Freundschaften geschlossen, und tatsächlich noch einige Jahre durch Briefwechsel am Leben gehalten.
Wir konnten auch jederzeit, auch nachts, zur Toilette. Auch die wöchentlichen "Badetage" verbinde ich nicht mit dem hier vielfach geschilderten Schrecken. Tatsächlich gab es ein Badehaus mit Badewannen, die allerdings zumindest einen Sichtschutz hatten, möglicherweise aber auch einzeln in geschlossenen Räumen standen. Ich erinnere mich dunkel, dass wir nach dem Baden gewogen und ab und zu ärztlich untersucht wurden.
Ich habe keine Ahnung, ob es in meiner Gruppe auch Bettnässer gab. Sollte dies der Fall gewesen sein, wurde es wohl diskret behandelt.
Gelegentlich gab es organisierte Freizeitaktivitäten aber die meiste Zeit waren wir uns selbst überlassen. Einmal sind wir abends eine längere Strecke zu Fuß gegangen um in einem Kino den Film "Bonnie und Clyde" anzusehen. Damals war man im Allgemeinen der Ansicht, dass Filme in denen Menschen gut sichtbar erschossen werden, nicht so ganz kindegerecht sind. Das war wohl auch unseren Erziehern auf dem Heimweg in den Sinn gekommen, denn wir kriegten dann vor dem Schlafen alle noch einen Löffel Baldrian mit Zucker.

Ansonsten war es schon ziemlich langweilig. Unsere spontanen nächtlichen Exkursionen im Gebäude waren dagegen recht spannend, allerdings glückte es uns nie, in den Schlafsaal einer anderen Gruppe zu gelangen.
Zusammenfassend waren das langweilige aber in keiner Hinsicht traumatische sechs Wochen.
Wahrscheinlich hatte ich einfach Glück.
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Yvonne3012 aus Weilerswist schrieb am 06.02.2022
Durch Zufall habe ich diese Seite im Internet gefunden und weiss seit ein paar Tagen dass es für mein Erlebtes einen Namen gibt. " Verschickungskind ". Prinzregent Luipolt in Scheidegg.
Da ich zum Zunehmen dort war, wurde mir jeden Tag nicht kindgerechtes Essen vorgesetzt. Dieses musste ich unter Aufsicht aufessen , was nicht einfach war und ich mich oft geekelt habe.
Vor dem Essen musste ich eine Tablette schlucken. Ich kann mich erinnern , dass sie sehr gross und weiss war. Ich bekam sie nicht durch den Hals. Ich wurde gezwungen dazu und es stand so lange jemand hinter mir, bis ich dieses Teil ( oft zerbrochen ) durch den Hals hatte. Noch heute habe ich dieses schreckliche Gefühl, wenn ich Tabletten schlucken muss.
Ich hatte keinen Kontakt zu meinen Eltern. Meine Briefe wurden aufgerissen , und da den Nonnen das Geschriebene nicht passte musste ich in einem kleinen Zimmer, nach viel Schreierei, unter Tränen meinen Brief unter Aufsicht neu schreiben. Ein Ostergeschenk von meinen Eltern wurde mir nicht ausgehändigt.
Meine Hände waren als Kind schon immer sehr rauh. Jeden Morgen musste ich in einer Reihe stehen, und die Hände wurden nachgeguckt . Wenn sie rauh waren, wurde darauf gehauen und laut gesagt wie hässlich sie sind. Das war bei mir jeden Morgen.
Über meinem Bett hing ein Kreuz, jemand sagte zu mir, dass es alles sieht, und ich verflucht sei wenn ich mich nicht an alles halte. Ich hatte jeden Abend im Bett sehr große Angst, konnte nicht schlafen, hatte Heimweh. Man durfte nicht mehr aus dem Bett aufstehen. Die Toilette war auf dem Flur. Sobald man den Flur betrat kam die Nachtschwester und hat einen an den Haaren oder Ohren zurück ins Bett gezogen.
Sie gaben mir 6 Wochen mit Bemerkungen das Gefühl, dass meine Eltern mich nicht vermissen und wer weiss ob sie mich so wiederhaben möchten.
Einmal haben sie uns einen Film gezeigt über ein Kind, das Kinderlähmung bekam. Ich habe mir tagelang eingebildet, dass meine Beine schmerzen und ich gelähmt sein werde.
Es wurde sich oft über einen lächerlich gemacht. Die Anziehsachen waren in einem kleinen Fach auf dem Flur. Einmal wollten die Schwestern dass ich ein Kleid trage. Aber ich habe keine Strumpfhosen ertragen, die jucken so schrecklich an den Beinen. Die Schwestern durchwühlten mein Fach bis sie Erfolg hatten. Ich musste auf dem Flur vor allen Kindern meine Anziehsachen wechseln, und musste eine dieser Strumpfhosen anziehen mit Kleid. Danach musste ich das Chaos in meinem Fach beseitigen. Alles unter Aufsicht der sich lächerlich machenden Schwestern. Heute tragen meine Kinder im Winter unter der Kleidung Leggins.
Ich war zum Zunehmen dort und habe über 6 Kilo abgenommen. Ich wog nur noch um die 20 Kilo und wurde nach 6 Wochen total geschwächt und voller Tränen von meiner Mutter in Empfang genommen. Eine schreckliche Zeit , die mich den Rest meiner Kindheit immer verfolgt hat. Die Erinnerungen werden von Tag zu mehr und erklärt so manches , das mich noch im Erwachsenenalter verfolgt.
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Herrmann, Kirsten schrieb am 06.02.2022
Ich kann es gar nicht fassen, dass sich jemand für diese Ereignisse interessiert, dass es dafür einen Namen gibt.

Ich war vom 12.04.1966 bis 24.05.1966 im Kindersanatorium "Waldesruh" in Dausenau an der Lahn. Der Zeitraum müsste stimmen, da ich noch ein paar Briefe von mir aus dieser Zeit habe, 2 davon enthalten Zusatzschreiben an meine Mutter unterschrieben von einer Anne Vogt. Ich war damals 8 Jahre alt und hatte die ganze Zeit fürchterliches Heimweh, worüber ich auch krank wurde. Ich wurde dorthin geschickt, weil ich zu dünn war.

Diese schreckliche Zeit hat Auswirkungen bis heute, hat mein Leben geprägt.

Ich habe viele Jahre Therapie hinter mir, zuletzt während meines Burn Outs. Im Sommer vergangenen Jahres schloss ich sie ab. Es ging mir viel besser und ich dachte, ich hätte es endlich geschafft, aber ich habe weiter zu kämpfen.

Und als ich dann über die Suche nach einem Hörspiel oder einer Dokumentation (ich kann so besser einschlafen) auf den SWR2-Beitrag "Was habt ihr mit uns gemacht? Ehemalige Verschickungskinder fordern Aufklärung" in der "ardaudiothek" stieß, hat es mich wieder gepackt. Meine Arme und Beine wurden eiskalt und ich verspürte wieder eine so große Schwäche in den Beinen. Genau eines der Hauptsymptome während meines Burn Outs. Ich glaube, da sitzt noch was, was unbedingt endlich heraus will.

Einiges erinnere ich noch, anderes liegt unter schwarzen Flecken. Wie schon gesagt, ich hatte fürchterliches Heimweh, was in keiner Weise von den sog. Schwestern aufgefangen wurde. Im Gegenteil, ich wurde unter Druck gesetzt. Man sagte mir, dass ich mich nicht so anstellen solle. Auch sollte ich meinen Eltern davon nichts schreiben, ich wolle sie doch nicht etwa traurig machen. Besonders dramatisch wurde es, als ich Nachricht erhielt, dass mein geliebter Großvater im Krankenhaus war. Und ich durfte nicht zu ihm. Das Gefühl von Hilflosigkeit, das Gefühl gefangen zu sein war übermächtig.

Beim Essen ist mir besonders die eklige Milchsuppe und die große Tasse Kakao in Erinnerung, die wir ja noch vor den Hauptmahlzeiten essen mussten, was für mich regelmäßig zu viel war. Aber es gab kein Erbarmen, es musste aufgegessen werden. Irgendwann habe ich ihnen auf den Tisch gekotzt.

Durch das Heimweh wurde ich krank und musste im Bett bleiben. Mein Bett stand im Gemeinschaftsschlafsaal. Da lag ich krank und fühlte mich verloren. Ich erinnere nicht, ob jemand kam und sich um mich kümmerte. Wird wohl so gewesen sein, dass ich Essen bekam. Aber den Zusammenhang zwischen Heimweh und Erkrankung bemerkte sicher niemand.

Ich weiß noch, dass ich dann irgendwann mal aufstand und durch das stille, verlassene Haus wanderte, es war niemand da, die Türen nach draußen verschlossen. Zu der Zeit waren Jugendliche aus Berlin da, die in einem anderen Trakt ihre Zimmer hatten. Bei ihnen brach ich dann in Tränen aus, weil ich so froh war, jemanden zu finden. Ich hab so sehr geweint und von meinem Heimweh erzählt, dass die Jugendlichen sich rührend um mich kümmerten. Ich kann mich an ihre Betroffenheit noch erinnern.

Es gibt 11 Briefe und Postkarten aus dieser Zeit, die ich nach Hause geschrieben hatte. Sie wurden vor dem Versenden kontrolliert. Bei zwei Briefen finden sich handschriftliche Kommentare von Anne Vogt. Darin beruhigt sie meine Eltern und beschreibt mein Heimweh als „Umstellungsschwierigkeiten“, die sich in den nächsten Tagen legen werden. Später lügt sie einfach und behauptet, ich sei sehr froh und würde gut erholt zurückkommen.

Dieser Aufenthalt hatte definitiv Auswirkungen auf mein Leben. Bis heute habe ich Schwierigkeiten wegzufahren. Es kam und kommt vor, dass ich eine Reise oder einen Ausflug verabrede und kurz vorher überfällt mich Todesangst, dass mir etwas Schreckliches passieren wird, wenn ich die Reise oder den Ausflug antrete. Ich kann dann nicht anders, als abzusagen.

Sogenannte Autoritäten machen keinen Eindruck auf mich. Im Gegenteil, Titel und Ämter erfüllen mich mit großem Misstrauen. Ich habe einen unbändigen Freiheitsdrang und kriege Beklemmungen, wenn ich in geschlossenen Räumen bin. Geschlossene Räume bedeuten für mich auch gedankliche Räume. Ich entwickelte ein feines Gespür für Manipulation und für die Stimmungen meines Gegenübers. Heute weiß ich, dass es meine Überlebensstrategie war und heute noch ist. Ungerechtigkeiten ertrage ich nicht und wo ich nichts daran ändern kann, leide ich darunter.

Von meinen Eltern fühlte ich mich verraten und verkauft. Nach meiner Rückkehr reagierte meine Mutter auf das Thema Heimweh abschließend mit den Worten ab: „Du bist selbst daran Schuld, Du wolltest ja unbedingt dahin. Also stell Dich nicht so an“. Das war es.
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Michael R. aus Bremen schrieb am 06.02.2022
Hallo, ich bin auf der Suche nach dem Heim, in das mich meine Eltern Anfang der 1970er Jahre von Bremen aus verschickt haben.
Ich bin Jahrgang 1964 und muss damals 7 Jahre alt gewesen sein.
Leider habe ich mich erst als Erwachsener mit diesem unschönen Kapitel meiner Kindheit befasst, meine Eltern hatten keinerlei Unterlagen mehr zu dem Heim.
Ich weiß nur noch, dass ich mit dem Zug hin und wieder zurück nach Bremen gefahren bin.
An Einzelheiten des Alltages kann ich mich aber noch gut erinnern. Bei der Ankunft mussten wir alle mitgebrachten Comichefte und Süßigkeiten abgeben. Untergebracht waren wir Jungs in einem großen Schlafsaal. Zwischen meinem und dem Bett meines Nachbarn war ein kleiner Stuhl / Tisch.
Ich erinnere mich an einen Jungen, der mal auf seinem Bett stand und in den Saal gepinkelt hat. Ein anderes Mal hat er ein Lustiges Taschenbuch von mir zerrissen.
Ich erinnere mich, mit anderen Jungs Eimer mit Marmelade aus der Küche geholt zu haben, dass wir für Postkarten nach Hause vorgefertigte Texte von einer Tafel abschreiben mussten, dass wir ekeligen Griesbrei vorgesetzt bekamen - und zwar den selben Teller immer wieder, wenn er nicht aufgegessen wurde.
Ich hatte mich damals mit dem Jungen angefreundet, der im Bett neben mir schlief und meine, dass dieser Junge auch im Zug mit mir zurück nach Bremen gefahren ist. Leider habe ich keine Erinnerung mehr an seinen Namen.
An das Aussehen des Heimgebäudes kann ich mich leider auch nicht mehr erinnern, es lag aber nicht an der See. Ich weiß aber noch, dass ich das Areal mit meinem Heimfreund mal erkundet habe und wir erstaunt waren, dass es dort auch Unterbringungen in Zwei-Bett-Zimmern gab. Wir dachten damals, dass dort wohl die Mädchen wohnten.
Noch eines ist mir in Erinnerung geblieben: Am Tag vor der Abreise wurde bei uns Fieber gemessen, verbunden mit dem Hinweis, dass noch bleiben müsse, wer erhöhte Temperatur habe.
Ich würde mich sehr über jeden Hinweis freuen bei meiner Suche nach dem Heim. Vielleicht gab es ja Heime, in die Kinder aus Bremen bevorzugt geschickt wurden damals. Das würde die Suche eingrenzen.
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Christa Aumiller, ehemals Jansen aus 85253 Kleinberghofen (Bayern) schrieb am 05.02.2022
Ich war damals 5 Jahre, fast 6 (hatte während des Aufenthaltes am 12.03.1956 Geburtstag) Mein mir geschicktes Päckchen mit Inhalt wurde an alle verteilt. Morgens gab es immer dicke Haferflockensuppe. Da ich keine Milch mochte, habe ich mich so geekelt, dass ich immer in die Suppe erbrochenen habe, aber ich musste immer weiteressen bis ich nicht mehr konnte. Nachts waren wir in einem großen Schlafsaal untergebracht, in dem in der Mitte ein großer Ofen stand, der den Raum beheizte. Da ich nachts immer so großes Heimweh hatte, habe ich ins Bett eingenässt. Ich versuchte deshalb an dem Ofen meine nasse Schlafanzugshose zu trocknen. Dabei wurde ich erwischt und musste als Strafe die restliche Nacht mit der nassen Hose neben dem Bett stehen. Ich habe in dieser Zeit angefangen an den Fingernägeln zu kauen, damit habe ich bis heute (71) nicht aufhören können. Nach meiner Ankunft Zu Hause nach 6 Wochen aus Bad Neuenahr waren meine Eltern nur noch entsetzt, wie zerlumpt und verstört ich war. Meine Mutter hatte damals auch Beschwerde bei der Behörde eingelegt, diese diese Verschickungen veranlasste, aber ich kann mich leider nicht mehr erinnern, was dabei heraus gekommen war.
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Bernd aus Hückeswagen schrieb am 04.02.2022
Ich war nach den Osterferien 1958 als 7-jähriger für 6 Wochen auf Amrum. Organisiert wurde die Verschickung durch den damaligen Rhein-Wupper-Kreis (NRW). Viel weiß ich nicht mehr, hängen geblieben sind nur schlechte Erinnerungen. Gibt es jemand, der auch zu dieser Zeit dort war? Angeblich ist das Heim nicht lange nach meinem Aufenthalt geschlossen worden.
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Eva-Maria Kötter aus Münster schrieb am 04.02.2022
ich war in Essen in Schloß Landsberg, ein Haus von der Thyssen AG.
Meine Eltern sind an das Heim gekommen, weil sie Bekannte hatten, die bei der Thyssen AG gearbeitet haben, Ich bin mit 2 weiteren älteren Schwestern in dieses Heim für 6 Wochen gekommen. Ich war 3 Jahre, meine Schwestern waren 4 und 5 Jahre alt.
Schloß Landsberg ist wirklich ein Schloß gewesen, mit den alten dicken Gemäuern.
Ich kann mich erinnern, das man uns sehr viel Angst eingejagt hat, wir waren über Nikolaus dort, da haben die sog. Tanten am Nikolausabend an den heruntergelassenen Rollen mit Stöcken gerappelt, damit wir Angst vor Knecht Ruprecht bekommen sollten. Kleine Koffer, die meine Eltern uns mit Süßigkeiten gefüllt hatten, wurden an alle verteilt. Briefe wurden nicht vorgelesen,
ich hatte große Probleme mit dem Essen, meine Schwester durfte mir nicht helfen beim Essen, sie wollte mich füttern, damit ich das scheußliche Essen aufesse, weil sie wusste, dass es wieder Schimpfe gab. Erbrochenes musste wieder aufgegessen werden. Des weiteren wurden wir in den kalten Waschraum gesperrt, wenn wir beim Einschlafen noch gesprochen haben, meine Schwester war Bettnässerin, sie musste in ihren nassen Sachen in der kalten Badewanne ohne eine Decke schlafen, ansonsten mussten wir auf einen Metalleimer nachts Pippi machen. Als 3 jährige weiß ich nicht mehr so viel, weiß aber, dass man uns in einem sehr ungepflegten Zustand nach 6 Wochen wieder nach Hause schickte, bzw. meine Eltern uns abgeholt haben, meine Mutter hat später erzählt, dass sie über unseren Zustand so entsetzt war, dass sie geweint hat.
Ich muss allerdings sagen, dass wir zu Hause auch schlimme Dinge erlebt haben, wie unter die kalte Duschen gestellt zu werden, mit dem Gummiknuppel geschlagen werden, so lange am Tisch sitzen, bis man das Schlimmste, rohen Speck, und das einen ganzen Haufen, aufgegessen hatte. Also nicht viel weniger schlimme Dinge.
Ich kann heute nichts essen, was mir auch nur im Kleinsten nicht schmeckt, ekel mich vor vielen Gerüchen, die ich in Schloß Landsberg zuhauf gerochen habe. Habe bis heute kein Vertrauen in irgendeinen Menschen, habe deswegen große Bindungsschwierigkeiten.
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Heinz B. aus Kreis Recklinghausen schrieb am 04.02.2022
Hallo zusammen!

Zuerst einmal vielen Dank an Frau Röhl für ihre Initiative in Sachen Verschickungsheime. Ich bin per Zufall auf die Internetseite gestossen und war einfach nur entsetzt über die #Dinge, die ich da gelesen habe. Es hat mir aber auch gezeigt, dass meine Erlebnisse im DRK-Kinderheim auf Amrum kein Einzelfall waren und es wohl in vielen Einrichtungen so aussah.

Ich hatte als Kind häufig Bronchitis, war zu dünn und immer blass. Da schien meinen Eltern die Nordsee gerade richtig zu sein. Obwohl ich damals bereits 12 Jahr alt war, habe ich nur noch wenige Erinnerungen an diese schrecklichen 6 Wochen.

Wir wurden als Kinder zentral gesammelt und in einen Zug gesetzt. Alle hatten eine Pappkarte um den Hals mit Heimatadresse und Zielort. Ich kann mich noch daran erinnern, dass es fürchterlich warm war im Zug und wir bei Zwischenhalten oft von der Bahnhofsmission mit Tee versorgt wurden. Das DRK-Heim lag in Wittün direkt am Strand, eigentlich schön gelegen. Wie vielen anderen ist mir noch die Tortur des Essens im Gedächtnis geblieben, d.h. Teller leer essen bis zum Erbrechen. Immer roten Tee, häufig Froschaugensuppe und Zwieback mit warmem Vanillepudding. Da ich ja zunehmen sollte, war auch immer reichlich Brot auf dem Teller, was ich alles gar nicht essen konnte. Ich habe es mir dann so manches mal heimlich in die Hosentasche gesteckt und versucht es auf den Spaziergängen wieder wegzuwerfen. Als es der Tante einmal aufviel, wurde ich als "Brotmörder" beschimpft. Ich hatte selbst ein schlechtes Gewissen, da ich so erzogen wurde, dass man kein Brot wegwirft.

Abends war der Toilettengang angesagt! In Reih´und Glied aufgestellt, abgezähltes (und limitiertes) Toilettenpapier und eine ganze Reihe von nach vorne hin offenen Toilettenboxen. Eigentlich waren es keine Boxen, sondern mehr Trennwände. Alles stand unter strenger Aufsicht der Tanten. Geradezu tragisch war es , wenn man in der Nacht zur Toilette musste. Heimlich konnte man nicht dorthin gelangen, ohne entdeckt zu werden. Wir Jungens halfen uns damit, in eine Plastiktüte zu pinkeln und dann in die Dachrinne unterhalb des Fensters zu schütten.

Eine Briefzensur gab es auch bei uns. Sie wurde damit begründet, dass viele Schilderungen übertrieben würden und das den Eltern dann unnötig Angst machen würde. Manche Kinder versuchten, Kurzmitteilungen über die Art und Weise wie die Briefmarke aufgeklebt wurde, an die Eltern zu übermitteln. Briefmarke auf dem Kopf hieß "es ist schrecklich hier" oder schräg links geneigt hieß " es geht so". Diese Tricks waren bei den Tanten aber alle bekannt und funktionierten am Ende dann doch nicht.

Ich besitze noch ein Abschiedfoto, wo wir alle mit einer Matrosenmütze auf dem Foto zu sehen sind. Am 6.6.1966 habe ich einen Brief nach Hause geschrieben, wegen des besonderen Datums. Über 30 Jahre später war ich noch einmal auf Amrum. Zu einem Tagesausflug von Föhr aus. Das Haus gab es immer noch, aber es stand leer. Ich habe eine Gänsehaut bekommen und war seitdem nie wieder auf Amrum.
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Katrin Hebestreit aus Koeln schrieb am 03.02.2022
r Lieben,
es ist erschreckend die ganzen Geschichten durchzulesen. Dadurch fühle ich mich bestärkt auch meine Geschichte anzureihen. Ich war 1975 im Alter von 5 Jahren im Heim Marianne in Obermaiselstein und hatte bisher nur zwei bruchstückhafte Erinnerungen, da ich so jung war. Das waren keine guten, es ging um Erbrechen und auf einem harten Boden sitzen und frieren….und natürlich HEIMWEH ohne Ende. Jetzt, da ich Eure Geschichten durchgelesen habe, schließen sich langsam einige Lücken. Nun kann ich mich erinnern, daß es sich bei dem Erbrochenen um Rosenkohl handelte, den ich unbedingt aufessen mußte, und aufessen mußte, und aufessen mußte.
Ich möchte mich so gerne mit jemandem austauschen, der 1975 auch in diesem Heim gewesen ist und bin auf der Suche nach Gleichgesinnten. Liebe Grüße, Katrin
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Ulrich Breitbach schrieb am 02.02.2022
Ich suche Kontakt zu Personen, die wie ich Anfang der 60er Jahre ins Heim "Knabenheilstätte St. Marienwörth“ verschickt worden sind.
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Bernd schrieb am 02.02.2022
Ich erinnere mich daran mit meiner älteren Schwester in Bad Reichenhall gewesen zu sein. Ich stamme aus einer sozial schwachen Familie und unsere Teilnahme wurde von der Stadt finanziert. Woran ich heute noch denke und deutlich vor mir habe, war eine Bestrafung, weil mir der Nachtisch gut geschmeckt hat. Ich kannte sowas gar nicht und hab gefragt, ob ich noch etwas haben dürfte. Die Aufsicht hat dann alle Portionen, die von anderen Kindern nicht aufgegessen waren, einsammeln und vor mich hinstellen lassen. Ich sollte das alles aufessen, weil ich gierig sei. Und ich wurde gezwungen in dem Essensaal zu bleiben und durfte ihn über Stunden nicht verlassen. Meine Schwester hat sich darüber beschwert und dafür einige Ohrfeigen bekommen, so wie ich, weil ich völlig aufgelöst war. Das war das letzte Mal, dass unsere Mutter uns bei solchen ferienfreizeiten angemeldet hat.
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Mabel aus Braunschweig schrieb am 02.02.2022
1954/55 ? wurde ich (Jahrgang 1946) über die Caritas in ein katholisches Kinderheim in Villingen verschickt, fußläufig war es von Bahnhof und Kirche nicht weit entfernt. Es waren katholische Schwestern dort im Einsatz. Ich erinnere mich, daß am Giebel des (modernen) Heimes ein riesiges Christopherus-Bild (evtl. Mosaik) war. 
Meine Frage/Bitte: Kann jemand etwas zu diesem Haus sagen oder evtl. ein Foto beibringen? 
Auch ich habe dort 4 Wochen lang "gelitten" und so einige Erlebnisse gehabt, die man nie vergißt. Es gab auch Gutes durch einen Jungen (evtl. Nähe Hildesheim), der sich mir gegenüber wie ein großer, lieber Bruder verhielt. 
Vielleicht kann jemand etwas dazu sagen. Dank im Voraus, bleibt schön gesund und herzliche Grüße.
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Hank aus Berlin schrieb am 30.01.2022
Ich war als 3! Jähriger, mit meiner 3 Jahre älteren Schwester, für 6 Wochen in Bad Sassendorf und kann mich an so gut wie nichts erinnern. Wenn ich jedoch lese was den vielen Kindern in dieser Zeit (1969) widerfahren ist, wird mir so manches, heutiges Problem im Leben etwas klarer!
Eine nachhaltige Erinnerung, die mich jahrelang begleitet hat und den Gesamteindruck meines Aufenthaltes als positiv verklärt haben könnte, ist die Musikkassette die wir mit unseren Eltern aufgenommen hatten, nach unsrer Rückkehr aus Bad Sassendorf. Zumindest hatten wir sämtliche Kinderlieder gelernt und konnten dies zum besten geben!
Leberwurst, Salatgurke und Tomate war mir bis zum 35. Lebensjahr ein Gräuel. Die kleinen Plastikschiffchen ind den riesigen Holzbottichen erinnere ich noch. Die Tatsache, dass ich sofort nach Ankunft im Heim von meiner Schwester getrennt und separiert wurde, ist ein begleitendes Trauma. Würde gerne weitere Bilder aus der zaghaften Erinnerung zurück rufen, um mehr zu verstehen im hier und jetzt.
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Ursula Löhe aus Overath schrieb am 29.01.2022
Ich war 1965 auch in Bad Sassendorf ! Ich habe wenig Erinnerungen - nur dass ich ständig meinen kleinen Bruder (4) beschützt habe und einmal jeden Tag mein nicht aufgegessenes Brot mit ekelhafter Blutwurst immer wieder und jeden Tag vorgesetzt bekam …. ich aß es aber nicht - bis die Wurst schimmelte ! Pakete von Zuhause wurden an alle anderen verteilt - man fühlte sich als 5jährige total verlassen und meine Eltern waren nach 6 Wochen sehr erschrocken, dass wir anstatt zuzunehmen , wesentlich dünner und kranker nach Hause kamen …. es war grausam ?
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Bianca aus Dachau schrieb am 28.01.2022
Mein Trauma Pausa - 672 Stunden ANGST

Erst durch die Medien bin ich auf Verschickungskinder aufmerksam geworden. Ich war schockiert. Es gibt einen Namen für mich.
Nachdem ich die anderen Berichte über Pausa gelesen habe sind bei mir schlagartig alle verdrängten schrecklichen Erlebnisse hochgekommen. Über 40 Jahre hatte ich keinen Zugang zu diesen Emotionen. Danke, das das jetzt geschehen ist und endlich eine Verarbeitung stattfinden kann.
Auch ich möchte hier meine Geschichte erzählen:

Es war 1981 und ich 7 Jahre alt. Ich war gesund, hab lediglich nicht so gerne gegessen. Das war der Anlass für eine 4-wöchige Kur in Pausa. Im Bus hab ich mich mit einem Mädchen, Kirsten Z. angefreundet. Ich war aufgeregt - vielleicht kommen wir in eine Gruppe.
Gleich am Anfang haben uns die Erzieherinnen alle persönlichen Dinge außer Kleidung weggenommen, die ihnen gefallen haben. Sie haben alles behalten. Wir haben nichts wiederbekommen.
Es war leider kein Platz für mich in der passenden Mädchengruppe. So haben sie mich in die kleinere Jungengruppe gesteckt. Das hieß kein altersgerechtes Spielen für mich und auch, im Jungenschlafsaal zu schlafen! Allein unter ca. 15 Jungen. Warum ich? Ich sehe mich noch im Doppelstockbett liegen. Ich fühlte mich allein und unbehaglich. Keine Freundin, keine Kirsten Z..

Nun das Schlimmste. Um uns Kinder zum Essen zu zwingen ließen sich die Erzieherinnen folgende unaussprechliche Grausamkeit einfallen:

Wir alle wurden am 1. Tag gewogen, das Gewicht notiert. Eine weitere Wiegung wurde für den Tag der Abreise angekündigt. Nun wurde uns tatsächlich erzählt, dass wir nur wieder nach Hause dürfen, wenn wir zunehmen. Wörtlich: „Wenn ihr abnehmt oder das Gewicht gleich bleibt dürft ihr nicht wieder nach Hause zurück. Ihr werdet Eure Eltern 10 Jahre nicht mehr wiedersehen bis Ihr 18 Jahre alt seid. Ihr kommt in ein Lager, wo ihr ununterbrochen essen müßt. Sowie der eine Teller leer ist kommt eine Erzieherin durch die Tür und bringt Euch einen neuen vollen Teller. Am Abreisetag stehen 2 Busse vor der Tür. Der eine bringt die Kinder, die zugenommen haben nach Hause, der andere Bus bringt die anderen Kinder in das beschriebene Heim.“ Ich habe es geglaubt. Wir alle.
Zu jeder Mahlzeit diese Aussage, egal welche Erzieherin! Es hatte System. Wir hatten die ganzen 4 Wochen keine Kontrolle, ob wir zugenommen haben. Die Ungewissheit, die Angst waren unerträglich. Einmal hab ich dünnes Mädchen mittags 9 Teller Bohnensuppe gegessen. Ich habe aus Angst immer weiter und weiter gegessen und mich dann schließlich in einem riesigen Schwall über mehrere Tische hinweg übergeben. AUS ANGST GEGESSEN BIS ZU KOTZEN. DAS WAR PAUSA. Danach hab ich noch den Vanillepudding gegessen, denn ich war verzweifelt, da mein Magen jetzt leer war und ich an diesem Tag nicht zunehmen konnte.
Die Angst vor dem Wiegen am letzten Tag kann ich nicht in Worte fassen.

Nachts durften wir nicht auf Toilette. Es war strikt verboten unter Strafe. Am Abend gab es immer nur einen kleinen Schluck Tee. Ich hatte Durst. Wir bekamen ja fast nichts zu trinken. Unsere Erzieherin Frau Gaumitz, sie war die Schlimmste, hatte aber gern ihre Tochter am Abend da. Diese bekam Tee soviel sie wollte. Sie schnitzte ihr Apfelmännchen vor unseren Augen. Ihre Tochter aß ihn genüßlich. Wir bekamen kein Obst.
Ja, Frau Gaumitz hatte Lust am Quälen und wir waren ihr und den anderen Erzieherinnen hilflos ausgeliefert.

Ein Junge, René, hat fast jede Nacht ins Bett gemacht. Morgen packten ihn dann jedesmal 2 Erzieherinnen, hielten ihn fest, und brüllten ihn an. Er schrie furchtbar, eine dritte drückte ihn mit voller Kraft und Wut das nasse Laken ins Gesicht bis er ruhig war. Wir alle mußten zusehen. Immer wieder. - Nackte Angst vor der Gewalt und dem Zorn der Erzieherinnen, insbesondere Frau Gaumitz.

Eisduschen: Im Keller gab es einen riesigen Waschraum mit meterlangen Waschbecken und mindestens 10 Duschen in einer Reihe. Hier mußten wir jeden Morgen unter allen eiskalt aufgedrehten Duschen auf und ablaufen. Manchmal nur viel mal, manchmal 10 mal. Je nach Belieben der Erzieherin. War man nachts doch mal auf Toilette (um nicht ins Bett zu machen) mußte man hier länger laufen. Es war Januar/Februar, der Waschraum ungeheizt. Normales Duschen mit warmen Wasser und Haare waschen gab es die ganzen 4 Wochen nicht. Ich hatte Angst vor diesem Waschraum.
Alle unsere Briefe wurden von den Erzieherinnen gelesen, so dass eine Schilderung der katastrophalen Zustände an die Eltern unmöglich war.

In den kommenden 6 Jahren mußte ich jeden Sommer 2 Wochen ins Ferienlager. Kein anderes Kind dort hatte solch extremes Heimweh, ständige starke Übelkeit und mußte sogar 2 Mal abgeholt werden.
Ich wundere mich seit 40 Jahren, wo meine tiefe, tiefe Angst in vielen Lebenssituationen und teilweise eigenartige Krankheiten, für die kein Arzt eine Erklärung hat, herkommen. Die Antwort heißt Pausa und die sadistischen Erzieherinnen.

Ich habe noch ein Foto von allen Kindern und den Erzieherinnen in der „Drachenhöhle“ in Syrau, einschließlich Frau Gaumitz.

Bianca
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Angela aus Pfullingen schrieb am 28.01.2022
Ich bin mit 4 Jahren nach Bad Dürrheim geschickt worden, warum, weiß ich nicht genau. Ich hatte Allergien und war klein und zart. Uns hat man in Ludwigshafen/Rhein in einen Bus gebracht, meine Mutter gab mich in Händen eines großen Jungen, der auf mich aufpassen sollte, wir kannten ihn. Als wir ankamen, wurde ich von ihm getrennt und ich weinte fürchterlich.
Wir kamen dann in einen Saal mit Wannen, mussten uns ausziehen und baden, was ich nicht verstand, da ich zu Hause schon gebadet hatte . Man untersuchte auch unsere Haare auf Läuse. Ich war 6 Wochen da, und sehr einsam. Ich dachte, falls ich jemals da raus komme, sind meine Eltern bestimmt tot.
Ich kann mich an fürchterliche Esskultur erinnern, sehr harsch und im Befehlston. Ich weiß nicht viel, aber ich sollte 1 Apfel ganz aufessen, mit allem und Stil, und ich weigerte mich. Ich kann mich noch an eine Kammer mit Nebel erinnern, in der wir sangen. Und an eine Kindergärtnerin, die mit uns draußen Gruppenspiele machte.
Am 1. Tag sollten alle ein Mittagsschlaf halten, es war ein Saal mit Stahlbetten, und ich sollte mit 4 Jahren die Aufsicht machen. Ich hatte 1 rotes Kleid an und helle Strumpfhosen. Ein Kind weinte, es mußte Pipi, also ging ich zu den Schwestern und klopfte, und niemand meldete sich, ich hörte aber jemand, nach erneutem lautem klopfen, öffnete ich die Türe, und bat um Hilfe. Ich wurde sofort barsch von Schwester Ursel? angepflaumt, sofort zu gehen und nicht zu stören. Worauf ich laut schrie: das Kind muß Pipi! Sie muß kommen, und niemand kam, sie tranken Kaffee und aßen Kuchen! Was aus dem Kind wurde, weiß ich nicht.
Ich kann mich dunkel an einen Flur erinnern, nachts, in dem ich stehen musste, ganz allein im Dunkeln, weiß aber nicht, ob das stimmt, eher eine Erinnerung.
Ich hatte dort Geburtstag, und Schwester Ursula, Ursel? las den Brief meiner Eltern vor, dass sie sehr enttäuscht sind von mir, weil ich nicht brav bin, und sie nichts mehr von mir wissen wollten. Das war während eines Essens vor allen Kindern. Ich war wütend. Wie können meine Eltern so was schreiben, wenn sie nicht wissen, wie es hier ist?
Es gab ein Paket. Meine Mutter fragte mich, als ich heim kam, nach den Geschenken. Es waren auch Schuhe drin. Und Süßes und einen lieben Brief. Ob sie reagiert hat, weiß ich nicht.
Meine Mutter holte mich vom Zug ab, und wollte mich in den Arm nehmen. Ich drehte mich weg und wollte nie wieder Körperkontakt mit ihr haben. Wir hatten bis zu ihrem Lebensende eine sehr schwierige Beziehung .
Zeitlebens bin ich ein sehr schlechter Esser, und bei Problemen wird mir übel und kann nichts essen.
Ich hospitalisiere, ich wackle mich in den Schlaf, seit Kindheit. Ich habe kein Vertrauen, nehme alles selbst in die Hand. Und zeitlebens habe ich immer mal wieder verlassenheitsängste, dass ich schreie. Nicht einfach für meine Familie, für Kinder und Mann.
Jetzt mache ich eine Traumatherapie, und bin dankbar, für die tolle Therapeutin, und den Verein für Verschickungskinder. Ich will mich begreifen und das bewältigen, und nicht mit dieser Einsamkeit leben, vertrauen lernen.
Ich wache jeden Morgen mit Tränen und selten mit Schluchzen auf.
Und ich weiß, das hat mit Bad Dürrheim zu tun. Dass die Nazizeit so lange regiert hat, erschüttert mich, so grausame Erziehungsmethoden.
Ich weine
Angela
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Ulrike Götz-Suzuki aus Mönchweiler schrieb am 28.01.2022
Ich wurde im November 1971 für 6Wochen nach
St.Peter-Ording in den goldenen Schlüssel verschickt.
Als ich eure Reportage gesehen habe, hat mich das sehr berührt, eigentlich war das alles keine Thema für mich.
Und nach und nach kommen auch die Erinnerungen wieder, es scheint ich war ein Meister des verdrängenden.
Ja das Thema Essen war auch bei mir das Problem, ich wurde zur Gewichtszunahme dahin geschickt, aber vor Heimweh konnte ich nichts Essen, und irgendwie ist da etwas gründlich schief gegangen, denn seither kann ich keine Bananen und nichts undefinierbares Essen (Suppen usw. Smothies) gut damit kann man Leben.
Ich kann mich noch an den großen Schlafsaal erinnern, ein Kleinkind im Gitterbett hat jede Nacht unendlich lange geweint, und da war ein Mädchen ungefähr 11/12 Jahre alt, sie hat sich immer gekümmert.
Auch musste ich immer in einen Gruppeninhalationsraum,
da hing eine Art Lampe an der Decke und ein kleines Tuch/Lumpen hing herunter.
Am liebsten habe ich mich in einem kleinen Wäldchen aufgehalten, der Boden war ganz sandig, da war es schön.
Zu Nikolaus gab es dann ein Packet von meiner Tante, leider wurde es konfisziert, gut später wurden die Inhalte mit allen geteilt. An eine Kontaktaufnahme mit meinen Eltern, kann ich mich nicht erinnern.
Aber für mich war immer klar, das ich so etwas niemals meinen Kindern antun werde!
Ich bin heute Familien-Gesundheits-Kinderkrankenpflegerin und gehe in belastete Familien, vermutlich hat mich dieser Aufenthalt mehr geprägt als ich dachte.
Ich begrüße diese Homepage, und hätte nie gedacht was es in mir auslöst diese Zeilen zu schreiben, ich habe wohl eine Überlebensstrategie der Verdrängung entwickelt,
Es wäre interessant ob sich jemand findet der zur gleichen Zeit im goldenen Schlüssel war, ein Austausch würde mich freuen.
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Christine Buchmann aus Bielefeld schrieb am 28.01.2022
Im Alter von 6 Jahren wurde ich wegen Neurodermitis "zur Kur" geschickt. Von Anfang an war die Vorstellung beängstigend für mich, 6 Wochen alleine von zu Hause weg zu sollen. Es wurde mir schmackhaft gemacht: Mensch, du kannst ans Meer. Dennoch wurde die Zeit am Meer schrecklicher, als ich es mir vorstellen konnte:
Es begann damit, dass die nette, zugewandte Begleiterin aus dem Zug (Heidelberg - Husum) nicht mit ins
Heim kam - hier war der Beziehungsabbruch schon komplett, die letzte Verbindung zu meinen Eltern (mein Vater
hatte mit dieser freundlichen Diakonisse ja noch selbst gesprochen, sie kannte ihn und war damit noch eine
Verbindung nach Zuhause). Ab jetzt war ich alleine, ich erinnere das als einen Schock. Meine nächste
Erinnerung ist, dass ich die ersten 2 Tage weinend im Bett verbracht habe, im gleichen Zimmer war noch
ein Mädchen, dass ebenso lange durchweinte - in dieser Zeit hat niemand versucht, echten Kontakt zu uns
aufzunehmen. Von Zeit zu Zeit kam eine Betreuerin, schaute nach, ob wir aufgehört hatten zu weinen. Ich
erinnere , dass es bei diesen "Besuchen" nur darum ging, ob wir jetzt endlich bereit waren, zu den anderen
zu kommen. Trost, Ansprache, Zuwendung gab es nicht. Das war ich nicht gewöhnt; ich empfinde im
Nachspüren heute noch meine damalige bodenlose Verwunderung, mein tiefes Entsetzen über das
distanzierte Verhalten der Betreuerinnen. So empfand ich mich von Stunde zu Stunde einsamer, verlorener,
verlassener. Ab dann habe ich nur Erinnerungen an einzelne Begebenheiten, kurze Momente: ein
Strandspaziergang in 2-er Reihen, die Kinder durften dann ins Wasser, ich habe ich unter meiner Jacke
versteckt. Ein Spiel im Garten, bei dem eines der größeren Mädchen mich einmal in den Arm nahm - ich
glaube, das war der einzige freundliche Körperkontakt während der ganzen 6 Wochen. Der erste Posttag:
Briefeschreiben gab es für alle zu bestimmten Zeiten. Meine Eltern hatten mir ein Schreibheft mit
Erstklässler-Linien mitgegeben, darauf konnte ich schon ganz gut schreiben. Abgesprochen war: ich
Seite 16 / 30
schreibe da hinein, reiße dann die Seite aus dem Heft und stecke sie in einen Umschlag. Ich schrieb: "ich
habe Heimweh...". Das musste ich vorzeigen. Und durfte es natürlich nicht so verschicken. Begründung
war: ich könne doch keine rausgerissene Seite als Brief verschicken - meine Absprache mit meinen Eltern
wurde also weggewischt. Außerdem solle ich nicht von Heimweh schreiben, die Eltern sollten sich doch
keine Sorgen machen. Also bekam ich Linien auf ein weißes Blatt und einen diktierten Brief, dass ich mich
gut einlebe und Spaß habe. Ich belog bewusst meine Eltern - das hatte ich vorher nie gemacht, ich hatte
das bei meinen Eltern nicht nötig (nach der Kur konnte ich das übrigens ganz gut, auch wenn es weiterhin
nicht nötig gewesen wäre, meine Eltern konnten für diese Zeit ziemlich gut mit ihren Kindern über alles
reden). Das schlimmste Erlebnis passierte eines Nachts: ich musste zur Toilette, hatte dringenden Bedarf,
meinen Darm zu entleeren. Ich weiß nicht mehr genau, warum das so schwierig war, ich erinnere mich an
Not, entweder ich suchte und fand die Toilette zuerst nicht, dann war ich aber dort, ich vermute, ich wurde
"erwischt" und musste sofort zurück ins Bett, vielleicht hab ich auch nur geträumt ... jedenfalls entleerte ich
mich ins Bett. Das war dann morgens natürlich verschmutzt. Es gab ein Riesentheater, ich wurde
beschimpft, mit dem Bettzeug nackt im Waschraum an ein niedriges Becken gesetzt, wo ich ohne
Hilfsmittel das Laken reinigen sollte. Ich weinte die ganze Zeit, ich fühlte mich verlassen, hatte Angst, fühlte
mich auch ungerecht behandelt. Ich wurde weiter beschimpft, weil ich ins Bett gemacht hatte, weil ich das
Laken nicht sauber bekam. Währenddessen wuschen sich zunächst die Mädchen in dem gleichen großen
Waschraum, sie wurden wiederholt durch die Betreuerin darauf hingewiesen, was passiert, wenn man das
Bett beschmutzt. Dann waren die Mädchen fertig, die Jungen kamen, mir wurde gesagt, dass ich weiter
machen muss (normalerweise war es streng untersagt, dass Mädchen und Jungen gleichzeitig im
Waschraum waren), auch den Jungen wurde erklärt, dass ich ins Bett gemacht hatte und nun meinen
angerichteten Schaden wieder gut machen musste. Die Kinder wurden angestiftet, sich lustig zu machen
und mich auszulachen, Da ich an dem niedrigen Wasserhahn auf dem Boden saß, nackt, schauten alle auf
mich herunter. Das war die am schlimmsten erniedrigende Situation in meinem ganzen Leben. Kurz
nachdem die Jungen dann den Waschraum verlassen hatten, wurde ich weggeschickt und durfte mich
anziehen. Insgesamt erinnere ich mich an diese Zeit als eine Phase, in der ich von meinen Gefühlen
letztlich sehr abgeschnitten war, vielleicht, weil sie im Außen auf keine Resonanz gestoßen sind. Wenn ich
weinte, Angst hatte oder unsicher war, bekam ich keine Aufmerksamkeit, keine Zuwendung, keinen Trost.
So zog ich mich immer mehr in mich zurück. Bei der Rückreise wurde noch eins drauf gesetzt: die
Begleiterin diesmal war nicht so freundlich. Es gab eine klare Aufforderung, auf dem Bahnsteig bei Ankunft
auf keinen Fall los zu rennen, wenn wir unsere Eltern sahen. Ich stieg aus, sah meine Eltern und meinen
Bruder, ging langsam auf sie zu, reichte ihnen die Hand und sagte: Guten Tag. Ich empfinde heute diese
Szene als ein für sich sprechendes Bild für das, was in mir passiert war. Keine spontane Freude, kein
Widerstand, keine Äußerungen von Emotionen, Verhalten wie ferngesteuert.
Meine Eltern konnten in der folgenden Zeit zum Glück ganz gut zuhören, die Bindung verheilte, wenn auch mit langwierigen Narben. Eine ganz eindeutige Veränderung an mir jedoch war, dass ich kurz nach dem Aufenthalt in St. Peter Ording wieder zur
Bettnässerin geworden war, was etwa 2 Jahre angehalten hat. Meine Neurodermitis war übrigens nach der
"Kur" schlimmer als jemals vorher - ein Naturheilkundler, zu dem ich dann mit 9 Jahren gemeinsam mit
meinen Eltern gefahren war, dessen Salbe meine Mutter mir über 2 Monate liebevoll täglich aufgetragen
hat, hat das Abklingen aller Symptome erreicht.
Es hat mich lange beschäftigt, dass ich eine Zeit erlebt habe, die für mich absolut schrecklich war - von
anderen dafür oft wenig Verständnis zu bekommen war. Ich habe als Kind und Jugendliche davon wenig
erzählt, weil es dafür keinen Rahmen gab, es war einfach nirgends Thema. Ich vermute, es hat sich ein
Muster eingeprägt, das es mir schwer gemacht hat, meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse ernst zu
nehmen, ihnen zu trauen. Im Studium stieß ich auf einen Artikel von Terre des Hommes: Das Kind im
Krankenhaus. Das war 1980. Da habe ich zum ersten Mal beginnen können, mir selbst zu glauben, WAS ich
und WIE ich es erlebt hatte.
Zusammengefasst kann ich sagen: der Heimaufenthalt hat dazu geführt, dass meine Bindungen lange von
Verlustangst geprägt waren. Und er hat dazu geführt, dass ich nur schwer Zugang zu meinen Gefühlen
bekommen habe. Und ich habe lange daran gearbeitet, für meine Gefühle und Bedürfnisse einstehen zu
können.
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Ingrid schrieb am 26.01.2022
Im Oktober 1973 wurde ich mit 5 Jahren von der Barmer für 4 Wochen nach Lenggries in das Kindererholungsheim Sankt Georgi Haus verschickt.
Die Reise nach Bayern ging vom Stuttgarter Hauptbahnhof aus mit vielen anderen Kindern, die alle einen orangefarbenen Rucksack tragen mussten, los.
Die schlimmste Erfahrung war das Heimweh. Im Kindergarten hatte ich viele Freunde, dort fühlte ich mich mutterseelenallein. Ich erinnere mich an wöchentliche Telefonate mit meiner Mutter, die von einer Betreuerin mitgehört wurden. Ich durfte nur Positives berichten, nicht wie es mir wirklich ging...
Es gab Berge von Nutellabroten zu essen, beim Essen war mir immer schlecht, weil es mir nicht schmeckte.
Als meine Erzieherin aus dem Kindergarten mir eine Tafel Schokolade schickte, wurde sie mir weggenommen.
Ich erinnere mich an Spielenachmittage im Speisesaal, wo ich immer verlor, weil ich noch so klein war, an Hänseleien der anderen Kinder und an organisierte Toilettengänge.
Irgendwie war ich danach eine andere, ich hatte meine Unbefangenheit und das Vertrauen in meine Mitmenschen ein Stück weit verloren.
Landschulheimaufenthalte und Ferienfreizeiten waren mir in meiner Schulzeit ein Greuel.
Auch ich war der Meinung ein Einzelfall zu sein und völlig überrascht von der Tatsache, dass es noch so viele andere Verschickungskinder gibt.
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Bettina Bracht aus Nentershausen-Süß schrieb am 25.01.2022
Hallo zusammen, als ich den Bericht "Kinderkur wurde zum Trauma" in der Zeitung las, wurde mir bewusst, dass es ganz viele Betroffene gibt, denen es genauso ging wie mir. So habe auch ich endlich den Mut gefunden, mich hier zu melden. Ich war klein und ziemlich dünn, worauf die damalige Kinderärztin(Frau Dr. Holzapfel aus Rotenburg a d Fukda)meinen Eltern vorschlug mich zur Kur zu schicken, dass ich etwas zunehmen sollte, weil ich 1971 eingeschult werden sollte. Meine Eltern wollten ja auch nur das Beste für mich...verständlich...also wurde der Koffer gepackt und ich von meinen Eltern nach Bebra zum Bahnhof gefahren. Dort waren ganz viele Kinder...wir wurden von Ordensschwestern mit dem Zug nach Bad Karlshafen gebracht....Es war einfach nur schrecklich... und in einem großen Saal mit ca 30 Kindern zusammen schlafen zu müssen. Ich hatte schreckliches Heimweh und war sehr verängstigt. Der Kontakt zu den Eltern war verboten. Ich war damals 6 Jahre alt. Ich weiß noch, mein Papa war damals LKW Fahrer und viel unterwegs..So kam er einmal vorbei um mich dort zu besuchen...und er hatte Glück, wir waren gerade draußen zum spazieren gehen..Ich sah Papa und lief zu Ihm hin...das war fatal für mich...ich wurde sofort von einer Ordensschwester ins Heim gebracht und bekam meine Strafe. Ich war zur Kur, weil ich zunehmen sollte, und nun wurde ic hauch noch seelisch misshandelt...habe kaum was Essen können...also habe ich Strafen bekommen, nicht mit zum Eis essen, oder zum Ausflug auf die Weser...musste alleine im Schlaafsaal bleiben usw.. Nach ca 1 Woche musste ich dann zur Mutter Oberin... und diese Worte klingen mir heute noch im Ohr..."Mein liebes Kind, wenn du jetzt nicht langsam mal anfängst zu Essen, dann kommst du nicht nach Hause." Ich bin eingeschüchtert und seelisch misshandelt worden. Deshalb habe ich aus Frust sämtliches Essen, was ich bekommen habe in mich reingeschlungen. Nur dass ich wieder nach Hause komme. Dann waren die scheiß 6 Wochen um, und wir wurden wieder mit dem Zug nach Hause gebracht....Das allerschlimmste ist, dass du das alles mit dir alleine ausmachen musst...du hast Angst kannst dich aber keinem anvertrauen, weil dir vermutlich eh nicht geglaubt wird. Ich habe mich halt durchgekämpft...ich bin Löwin...Ich kann meinen Eltern keinen Vorwurf machen. Es war damals eine andere Zeit..Meine Mama hat oft erzählt, dass ich früher sehr schwierig war....Ich habe es Ihnen erzählt, da war ich schon fast 40...solange hatte ich geschwiegen...meine Eltern sind aus allen Wolken gefallen..und ich bin froh, dass ich endlich den Mut gefunden hatte, es Ihnen zu erzählen..
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R aus Berlin schrieb am 25.01.2022
Im Sommer 1971 wurde ich auf Anraten einer Kinderärztin in die Obhut eines sogenannten Kindererholungsheims gegeben. Die Intention meiner Eltern war, mich vor der Einschulung körperlich zu stärken. Ich war gerade sechs Jahre alt geworden. Gegen Ende des Aufenthaltes, der fünf oder zehn Wochen dauerte, wurden Fotos gemacht - ein Gruppenfoto sowie von jedem Kind ein Portrait. Tatsächlich sehe ich auf dieser Aufnahme fröhlich und gut erholt aus. Dieser Eindruck war gewünscht. Aber trügerisch. Wie von anderen Ehemaligen beschrieben, waren die "Erholungswochen" für mich ein Martyrium. Kinder haben ein anderes Zeitempfinden als erwachsene Menschen. Entsprechend erinnere ich, dass dieser Aufenthalt seinerzeit nie zu enden schien.

Da meine Familie nur etwa eineinhalb Autostunden entfernt von St.Peter-Ording lebte, waren es meine Eltern, die mich dorthin chauffierten. Die Institution erinnere ich als zweigeschossiges Nachkriegsgebäude, bevölkert von einer Schar von Kindern. Nach Ankunft wurde ich unter dem Vorwand eines Aufnahmegesprächs mit meinen Eltern von selbigen getrennt. Schon diese Wartezeit erschien mir unbehaglich. Als ich schließlich nach meinen Eltern fragte, wurde mir mitgeteilt, dass sie schon abgereist seien - den Abschied von ihnen hatte man bewusst unterbunden. Für mich war dies ein Schock. Ein Jahr zuvor hatte ich mehrere Wochen im Krankenhaus verbringen müssen, die Erinnerungen an Gefühle starker Einsamkeit und Verlassenheit hatten sich mir eingeprägt. Ich musste gehofft haben, so etwas nie wieder zu erleben. Nun wiederholte es sich. Als dann zwischenzeitlich (aufgrund eines Unfalls meiner Mutter) mein Aufenthalt in St.Peter noch verlängert wurde, brach eine Welt für mich zusammen, so unglücklich war ich. Kinder, deren Gesundheit weniger stabil als erwartet gewesen sein mochte, hätten besonderer Achtsamkeit und Zuwendung bedurft. Was wir damals stattdessen erfuhren, war autoritäre Härte und Drill. Diesen Zuständen mit sechs Jahren ausgeliefert und jeder Möglichkeit beraubt, den Eltern zu berichten, war - genau genommen - grausam. Wem die Schilderungen Einzelner im Nachgang lapidar erscheinen mögen, der vergisst, wie zerbechlich Kinderseelen sind.

Die Entscheidung, mich in Obhut zu geben, war primär auf das Votum meines Vater zurückzuführen, der in seiner im Nationalsozialismus verbrachten Kindheit selbst in ein "Erholungsheim" im Schwarzwald verschickt worden war. Gemäß seiner Erfahrung war eine Verschickung sehr zu befürworten. Da die Region Schwarzwald meiner Mutter aber als zu weit entfernt erschien und das ärztliche Anraten auf "Luftkurort" lautete, wurde für das näher gelegene St.Peter entschieden.

Mein Gefühl aus der Zeit der Anbahnung dieser Entscheidung - die Tatsache, dass über mich "beratschlagt" wurde - erinnere ich als eine Form von Entmündigung, denn zu meiner eigenen Haltung betreffs einer Verschickung befragt wurde ich nicht. "Folgsam und tapfer" zeigen wollte ich mich dennoch, im guten Glauben daran, dass über mein Wohlergehen entschieden werde. Dieses Gefühl manifesterte sich in mir und hielt sich beständig: Die Eltern nicht enttäuschen zu dürfen, weil sie mir vermeintlich Gutes angedeihen lassen würden - dieser Eindruck lenkte mich. Erst Jahre später, nach wiederkehrenden nächtlichen Alpträumen und zeitweiligen Angstzuständen teilte ich meinen Eltern
Andeutuungen dessen, was ich in St. Peter tatsächlich erlebt hatte, mit. Ihre Verwunderung darüber überraschte mich nicht - mir war längst klar geworden, dass sie nicht im Entferntesten in Betracht gezogen hatten, dass mein Aufenthalt ihre Intentionen komplett verfehlte. Genau genommen verstärkte diese Tatsache in mir die Fortsetzung eines Gefühls von Vereinsamung. Hätten sie nachgefragt, sich interessiert, mein Leid mit mir geteilt, offenes Bedauern bekundet, wäre die dunkle Erinnerung weniger nachwirksam für mich gewesen. Weitere Jahre vergingen, ehe mir bewusst wurde, dass es unmittelbare Bezüge zu den Kindheitsmustern meiner Eltern geben musste - zur schwarzen Pädagogik der NS-Zeit, die beide erfahren hatten, meine Mutter unter anderem während mehrerer Jahre in der sogenannten Kinder-Landverschickung.

Manche der Schilderungen Ehemaliger ähneln dem von mir Erlebten, doch ich war erst sechs Jahr alt, daher sind meine faktischen Erinnerungen rudimentär. Zurückgeblieben aus jenem Sommer sind vor allem Eindrücke von Ohnmacht, Beklemmung und Düsternis. Übereinstimmend mit den Erinnerungen anderer Ehemaliger hatten wir die Betreuer und Betreuerinnen mit "Tante" oder "Onkel" sowie deren jeweiligen Vornamen anzureden - erwachsene Personen im Alter von Mitte zwanzig bis etwa fünfzig Jahren, die mit großer Strenge über uns wachten, jede unserer Regung reglementierten, Fehlverhalten sanktionierten.

Jungen und Mädchen waren voneinander getrennt untergebracht. Nachts schliefen wir in Sälen, die Tür zum Gang blieb weit offen stehen. Wenn ich nicht zur Ruhe kommen oder regungslos in meinem Bett verharren konnte, wie es verlangt wurde, musste ich stundenlang, nur mit Nachtwäsche bekleidet, auf kaltem Steinboden, ganz allein, barfuß und schweigend draußen auf dem Gang stehen. Keines der Pakete, die mir regelmäßig geschickt wurden, erhielt ich. Darin waren Geschenke, Süßigkeiten und etwas Geld für mich verpackt worden, waren, wie meine Mutter mir später berichtete. Briefe wurden nicht ausgehändigt, sondern im Beisein anderer Kindern verlesen. Selber schreiben konnte ich noch nicht, und so wurde wöchentlich von einer der "Tanten" ein sonniger Bericht an meine Eltern verfasst und verschickt, von mir mit meinem Vornamen, den ich immerhin schon zu Papier bringen konnte, unterschrieben. Wie andere Ehemalige erinnere ich einen viel zu langen, täglich verordneten Mittagsschlaf (ein bis zwei Stunden), meist im Schlafsaal, vereinzelt auch im Hof des Hauses, wenn die Sonne schien. Selbstverständlich durfte auch hier nicht gesprochen werden, jegliche Aktivität in dieser Zeit der totalen Ruhigstellung wurde unterbunden. Überhaupt habe ich die Wochen in St.Peter-Ording insgesamt wie eine Freiheitsberaubung erlebt: Marschieren in Zweierreihen, beim Essen den Teller leeren, ob es einem schmeckte oder nicht, Folgsamkeit als oberstes Gebot in jeder Hinsicht.

Während eines Sommerfestes, das mir als einziges Ereignis deutlich erinnerlich ist, wollte ich von einer der Speisen, die aufgetischt worden waren, probieren und wurde dafür von "Onkel Eduard", einem sehr groß gewachsenen Menschen, dessen Kopf und Gesicht ich noch andeutungsweise erinnere, mit einer Orfeige bestraft, die so heftig war, dass mir schwarz vor Augen wurde. Ich entsinne, dass ich nicht nur nach diesem Vorfall, sondern häufig während meines Aufenthalts des Nachts in mein Kissen weinte. Das Gefühle von Verlassenheit war schier grenzenlos, zumal es niemanden gab, der uns Kindern liebevoll oder spürbar fürsorglich begegnete. Erholung war hier lediglich als Pflichtprogramm deklariert, die Kinder kamen und gingen allwöchentlich - kleine Menschen ohne Emotionen oder Identität, deren einzige Aufgabe vom ersten bis zum letzten Tag darin bestand, sich in die Heim-Maschinerie einzureihen und zu fügen.

Als nach vielen Wochen meine Eltern kamen, um mich abzuholen, war etwas in mir zerbrochen. Genauer ausdeuten kann und möchte ich es an dieser Stelle nicht. Aber der Aufenthalt in jenem "Heim" war eine seelische Zäsur in meinem noch so jungen Leben. Ich erinnere, dass wir vor der Rückfahrt in die Stadt meiner Kindheit noch gemeinsam im "Wellenbad" von St.Peter-Ording schwimmen gingen. Nicht gefasst auf die tatsächliche Wucht der dort künstlich erzeugten Wellen und noch nicht imstande, allein zu schwimmen, rang ich plötzlich um Luft, verlor den Halt und sank in die Fluten. Meine ältere Schwester bemerkte es und zog mich zurück an die Wasseroberfläche. Für mich unvergesslich, weil es mich eigenartig und sehr stark berührte: Aus Lautsprechern erklang durch die Schwimmhalle Musik - ein Song von Daliah Lavi: "Wer hat mein Lied so zerstört?". Mit seinen rätselhaften Metaphern sprach dieser Song zu mir, so als wurde er - in seiner seltsamen Mischung aus Trauer und Fassungslosigkeit über unerwartetes Entborgensein - nur für mich gesungen.
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bert schrieb am 24.01.2022
Durch einen Artikel in der heimischen Tageszeitung über das Buch, das Elend der Verschickungskinder von Anja Röhl, wurde ich als selbst Betroffener auf das Thema aufmerksam.

Ich bin als sechs Jahre alter Junge im Sommer 1962 für mehrere Wochen zur Erholung nach Cuxhaven geschickt worden.

Bei der Internetsuche nach dem Heim, in dem ich war, wurde ich auf der Seite cuxpedia.de fündig.
http://cuxpedia.de/index.php?title=Druiden-Kinderheim_Duhnen
Sofort war bei mir diese riesige Verärgerung über diesen Aufenthalt wieder da.
Dort waren einige Fotos von dieser Einrichtung veröffentlicht. Eins davon zeigte die Liegehalle, einen Raum auf der Sonnenseite hinter großen Glasflächen, die viel Sonnenschein rein lassen.

An Hand des Fotos konnte ich nun endlich das Kinderheim in Cuxhaven ausfindig machen, in dem ich diese Horrorwochen verbringen musste. Die Adresse ist: Kindersanatorium Am Meer, Wehrbergsweg 63, 27476 Cuxhaven (Duhnen). Genauso steht es noch in einem Onlinetelefonverzeichnis, obwohl es nach langem Leerstand vollständig abgerissen wurde.

Das war der Raum in dem ich wegen ein paar Unartigkeiten einen ganzen Tag, allein bei voller Sonne und Hitze, eingeschlossen wurde.

Unartig war man in diesem Heim ganz schnell: reden beim Essen, reden bei der Mittagsruhe im Schlafraum, wenn man seine Suppe nicht fertig essen wollte oder konnte, wenn man außerhalb der festgelegten Zeiten auf die Toilette musste und während der Nachtruhe auf das Klo zu müssen, das war Gipfel der Unartigkeit.

Beim morgendlichen Toilettengang mussten wir schön in der Reihe stehen und uns zwei Blatt Klopapier abholen, mehr gab es grundsätzlich nicht, und abwarten bis eine Kabine frei geworden ist.
Als besonders ekelhaft empfand ich es, wenn am wöchentlichen Badetag,
Unterhosen die „Bremsspuren“ hatten, von den Tanten wie Trophäen in die Höhe gehalten wurden, um sie allen im Raum zu zeigen.

Alles was da geschah, war extrem nach dem Prinzip Bestrafen und Belohnen aufgebaut, um Kinder abzurichten wie Hunde.
Alles was von den Eltern mit auf die Reise gegeben wurde, wurde eingezogen und belohnend verteilt. Das ging so weit, dass einige nie sommergerecht eine kurze Hose oder ihre mitgebrachten Sommerschuhe anziehen durften oder etwas von ihren eigenen Mitbringsel abbekamen, sogar das Sammeln von Muscheln war nur den immer Artigen zum Ende des Aufenthalts erlaubt. Von mitgegebenen Geldmünzen haben wir Kleinen keinen Groschen bekommen. Hin und wieder gab es mal ein Eis, bezahlt von unserem eingesammelten Taschengeld, aber niemals für jeden. Ich musste während des ganzen Aufenthalts mit langer Lederhose, Socken bis zu den Knien und Seitenbindern, wie beim Herbsturlaub in den Bergen, rumlaufen.

Nie im ganzen Leben habe ich mich so ausgeliefert und gedemütigt gefühlt wie in diesem Kinderknast!

An etwas Positives, das man so am Meer und mit andern Kindern gemeinsam erleben kann, kann ich mich nicht erinnern. Mädchen und Jungen hatten keinen Kontakt und junge und ältere Kinder auch nicht.
Die Gruppen waren nach Altersgrenze streng getrennt.

Das waren schreckliche Wochen, an die ich oft in den letzten fast 60 Jahren denken musste. Zum Glück aber meine erste und letzte Kinderkur.
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Petra Hollstein aus Lohmar schrieb am 23.01.2022
Mit 5 Jahren wurde ich, völlig gesund, aber angeblich zu dünn und blass, vom Kinderarzt nach Bad Herrenalb zur "Erholung" geschickt. Dort erwartete mich eine kasernenartige Atmosphäre, in der jedes Kind zu funktionieren hatte. Pampige Breis wurden solange in die Kindermünder gestopft, bis sie wieder erbrochen wurden. Gitterbetten, an die man uns, wenn wir nicht brav darin liegen blieben, festgebunden hat. Ständige Drohungen, dass böse Kinder der "schwarze Mann oder die Nachtmuhme" holt. Nachdem ich eines morgens meinen Frühstücksbrei wieder erbrochen hatte, wurde mir der Mund kreuzweise mit Leukoplast zugeklebt, so dass ich an diesem Tag gar nichts mehr essen konnte. Einziges Spielzeug waren Säcke voller Holzröllchen, die Abfall bei der Nutzung von Rollfilmen waren. Man schrieb Karten nach Hause, die ich nicht lesen konnte, aber ungelenk mit Blockbuchstaben unterschreiben musste. Jahre später las ich darauf, wie wohl ich mich gefühlt haben sollte. Ich kam nach 6 Wochen klapperdürr und total verunsichert wieder nach Hause. Einziges Ergebnis des Horroraufenthaltes waren jahrlange Alpträume und die Weigerung ohne meine Mama irgendwo alleine hinzugehen
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Roswitha Janning-Mackenberg schrieb am 22.01.2022
Vor einigen Wochen wurde über die Aufarbeitungsbemühungen in unserem "Blättchen" geschrieben. Ich war baff, wie umfassend die Problematik war und habe seitdem mit mir gerungen, ob ich etwas schreiben soll, denn anderen scheint es noch viel schlechter gegangen zu sein als mir.

Im Sommer 1970 wurden meine 2 Jahre jüngere Schwester und ich für die letzten 3 Wochen der Sommerferien und die ersten 3 Wochen des Folgeschuljahres nach Juist in Kur geschickt. Bei einer Vorstellung im Gesundheitsamt der Stadt Münster hatte man wohl gemeint, wir seien zu dünn. Ich war damals fast 12 und mit meinen 38kg eigentlich ganz zufrieden.

Da meine Mutter uns vor der Abreise eingeschärft hatte, dass unsere Familie, sollte es zu einem Abbruch des Kuraufenthaltes kommen, die gesamten Kosten selbst zu tragen hätte, war ich entsprechend eingeschüchtert, was meine Verhaltenalternativen auf Juist grundsätzlich stark einschränkte.
Dem, was hier bereits andere über das Heim berichtet haben, kann ich mich nur anschließen. Ich weiß von keinen direkten körperlichen Misshandlungen, aber von vielen diffusen Drohungen. Allerdings halte ich 14 Stunden "Bettruhe" am Tag eigentlich für ein bewegungsfreudiges sportliches Kind auch für eine Art von Misshandlung. Zudem herrschte Leseverbot, außer für das "älteste" Mädchenzimmer, wo das Lesen in der "Mittagsruhe" dann allerdings auch verboten wurde, nachdem sich einmal auf dem Fußboden benutzte Taschentücher befunden hatten. Leider konnte ich aber ohnehin nicht in dieses Zimmer, weil ich mit meiner jüngeren Schwester zusammenbleiben sollte.
Das passive Daliegen war schwer zu ertragen. Als ich einmal zur Abwechslung meine Brille trug, um mir wenigstens die Strukturen an der Decke anschauen zu können, wurde mir diese mit Gewalt von einer aufsichtsführenden Nonne aus dem Gesicht gerissen. Das übermäßige Zubettliegen war auch eine Gelegenheit, den eigenen Körper etwas besser kennenzulernen. Glücklicherweise kam dabei keine Aufsicht.

Der Begriff Mastkur ist sehr treffend. Einmal die Woche mussten wir uns auf der langen Treppe hintereinanderstellen und wurden gewogen. Dass ich in den 6 Wochen so gut wie nicht zunahm empfand ich dabei als sehr befriedigend. Und, ja, das Essen war miserabel, insbesondere wegen des Schwerpunkts Milchreis und "Oppst". Wenn danach Singzwang herrschte, wurde die Sache noch schlimmer, geade auch in Hinsicht auf den klebrigen Milchreis im Hals. Es wurde auch aus der Nähe kontrollierr, dass wir wirklich Töne von uns gaben Auch war es ärgerlich und scheinheilig, wenn uns etwas von dem gutenesunden Essen erzählt wurde, das uns angeblich gegeben wurde, während im Híntergrund ansehnliche Gemüseplatten für die Hausherrinnen vorbeigetragen wurden. Auch bei einem Kontrollbesuch eines Mitarbeiters aus Münster schien die Merkwürdigkeit der Situation nicht aufzufallen. Wir waren lediglich angewiesen, uns noch braver als sonst zu verhalten, und, natürlich, kräftig zu singen. Kinder, die nicht zu- sondern abnehmen sollten, bekamen übrigens statt des dauernden Milchreis klare Suppe.
Auch das Kloverbot kann ich bestätigen. Das wurde bei uns so dargestellt, dass man nichts hören dürfe, wegen der angesagten Ruhezeit. Falls etwas zu hören sei, komme sofort jemand. Was dann passieren sollte blieb unklar, aber die Einschüchterung funktionierte. Wer also mutig war, ging mit beträchtlicher Angst aufs Klo
ohne abzuziehen.

Der Heimaufenthalt hatte wohl bereits früheren Teilnehmern nicht gefallen. Im Rahmen eines Bildervortrags über die Kureinrichtung wurde uns unter anderem erklärt, dass es den Fall gegeben habe, dass ein Junge versucht habe zu fliehen und dabei ertrunken sei. Es wurde eindringlich klargemacht, dass man einfach nicht abhauen konnte.
Und, ja, Briefe nach Hause wurden kontrolliert. Ich versuchte mir dadurch zu helfen, dass ich auf Englisch schrieb, was das nütze weiß ich nicht.

Allerdings war nicht alles schlecht. Die für uns zuständigen Erzieherinnen machten mit uns Spaziergänge; als in diesem Rahmen eine "Mitbewohnerin" beim Bockspringen an einem Pfahl hängenblieb und sich wehtat, wurde das hernach von einer der Nonnen aufgebauscht, dass da etwas was ganz Wichtiges kaputtgegangen sei, Also gab es gleich ein weiteres Verbot.
Ab und zu ging es ins Wellenbad oder auch an den Strand. In dem Zusammenhang konnten wir auch die Bekanntschaft einer humorvollen und freundlichen Nonne machen, die zu unserem Leidwesen aber nur im Jungenhaus tätig war. Umso erstaunter war ich, nach der Kur zu hören, dass meiner Mutter von der Mutter eines Jungen erzählt wurde, die schrecklich das war. Sie hatte das, was wir erzählten, nicht geglaubt, und wir hatten eigentlich den Eindruck, im Mädchenhaus war es schlimmer.
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Maria aus Bonn schrieb am 21.01.2022
Wir , zwei Verschickungskinder: 2 Schwestern aus dem Altkreis Schleiden Ort : Caritas Haus Nordmark Westerland/ Sylt Zeitraum : Sommer 1961 oder 62, 6 Wochen

Anfang der 1960 iger Jahre wurden meine 6 jährige Schwester und ich, 8 jährig für mehrere Wochen in das Heim Westerland auf Sylt geschickt. Aufgrund familiärer Situationen ging es uns zu dieser Zeit nicht gut, wir waren zu dünn, d.h. wir hatten zu wenig Gewicht dem Alter gemäß. Uns verging beim gemeinsamen Essen n der Familie jeweils der Appetit, so dass wir nicht zunahmen. So sollten wir also „gemästet“ werden bei einer „Erholung“ am Meer. So waren wir zum ersten Mal in unserem Leben wochenlang ohne unsere Eltern. Nach einer langen Zugfahrt kamen wir auf Sylt an. Das erste, was uns präsentiert wurde, war eine dicke, graue Graupelsuppe, die die meisten von uns nicht essen wollten. Wir mussten es aber tun. So begann eine ungute Zeit. Für meine Schwester war sie traumatisch. Uns wurde erklärt, es gäbe nur Nudeln zu essen. Kartoffeln könnten mangels Zügen nach Sylt nicht geliefert werden. So bekamen wir täglich Nudeln vorgesetzt. Das Essen schmeckte vielen von uns nicht, es war nicht ansprechend, oder lecker zubereitet. Meine Schwester mochte keine Nudeln, sie wurde gezwungen, sie zu essen, sie musste sich danach jeweils übergeben. Auch andere Kinder wurden beim Essen, was sie erbrachen, gezwungen, dies wieder zu essen. Es war also grauenhaft. Wir sollten nur über das Wetter an unsere Eltern schreiben. Wir durften nichts über das Heim schreiben. Unsere Briefe , oder Karten wurden gelesen. Wenn sie nicht den Anforderungen entsprachen, bekamen wir Kinder sie zurück, und mussten neu schreiben. So konnten wir nicht mit unseren Eltern korrespondieren. Telefonieren war unmöglich. In dieser Zeit gab es für uns beide nur eine Freude: es kam einmal ein Päckchen mit Handstofftieren und ein wenig Süßigkeiten von unseren Eltern. Diese wurden uns rationiert einmal am Tag ausgeteilt. Auch die Zeit am Meer , oder in den Kindergruppen habe ich in eher düsterer Erinnerung. Das Leid meiner Schwester lastete sehr auf mir Älteren. Aber auch meine Bitten, dass ihr anstelle von Nudeln ein Butterbrot gegeben werden könnte, wurde harsch zurückgewiesen. Natürlich nahmen wir nicht zu, sondern wir fühlten uns auch darüber hinaus so von unseren Eltern im Stich gelassen. Als wir ihnen nach unserer Rückkehr von unseren Qualen berichten wollten, hörten sie uns nicht zu, oder wollten es nicht glauben. Sie konnten sich unsere Nöte in dieser „doch finanziell geförderten Situation“ nicht vorstellen.
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Petra Fechner, 57 Jahre schrieb am 21.01.2022
Guten Tag, zur Überraschung meinerseits habe ich festgestellt, dass ich nicht die Einzige bin, die solch üble Erfahrungen während dieser 'Kinder-Kur' gemacht hat. Meine Mutter ging damals in Kur und ich wurde nach Bad Dürrheim geschickt, angeblich um zuzunehmen. Ich konnte mit 6 Jahren noch nicht richtig lesen und schreiben und aufgrunddessen wurde mir der Aufenthalt im Heim schon schwer gemacht. Kaum Unterstützung, unfreundliches Personal (eine Nachtschwester mit einem Hund, die aufgepasst hat, dass nachts Niemand aufgestanden ist, sodass ich irgendwann anfing, nachts ins Bett zu machen. Was mir zu Hause schon lange fremd war.) und unendliches Heimweh, da kein Kontakt zu den Eltern (meine Mutter hatte keien Ahnung und hat geglaubt, mir würde es gut gehen - mit all den anderen Kindern.) Das Essen war eine Zumutung. Brei aus einem großen Kessel für mehrere hundert Kinder. Einmal durften wir für eine Woche das Haus nicht verlassen, da in einem anderen Haus eine Krankheit ausgebrochen war. Ich war dort für 6 Wochen und noch etwas länger, da ich zum Schluss selber noch krank geworden bin. Zum Glück hat mich mein Vater irgendwann abgeholt. Diese Erfahrungen wünsche ich keinem Kind.
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Manfred Hinz aus I-50129 Firenze/Italien schrieb am 21.01.2022
Ich wohnte Anfang der 60er Jahre mit meiner Mutter in Hagen/Westf. und war extrem mager. Daher wurde ich im Winter 1963 (oder 64) in das Heim Luginsland im Schwarzwald (den Ort habe ich vergessen) geschickt, die Anreise erfolgte per Bahn.
Ich habe an diese Zeit nach wie vor schreckliche Erinnerungen: die Kinder wurden "zwangsernaehrt", muessten u.U. ihr eigenes Erbrochenes ausloeffeln (was mir zum Glueck nicht passiert ist) und wurden systematisch erniedrigt (was auch mir passiert ist). Bei meiner Mutter befinden sich noch einige Fotos aus dieser Zeit, die ich heraussuchen koennte.
Ich freue mich, dass dieser ganz offenbar systematische Missbrauch jetzt endlich aufgearbeitet wird und moechte diese Initiative gerne unterstuetzen.
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Lotte schrieb am 21.01.2022
Mein Name ist Lotte und ich bin im März 1939 geboren.
Es muss 1950 gewesen sein, als ich zur Kur in Bad Sachsa war.
Mit den jüngeren Kindern in meinem Haus habe ich gerne gespielt und ihnen aus Büchern vorgelesen.
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Angelika Bäumer-Schumacher aus 50735 Köln schrieb am 20.01.2022
Bettnässer-Kinder wurden öffentlich gedehmütigt
Wie ich jetzt erst von meiner jüngeren Schwester erfuhr, wurden 2 unserer jüngsten Geschwister, ein Bruder und eine Schwester, regelmäßig morgens vor ihrer ganzen Gruppe vorgeführt und gedehmütigt, weil sie Bettnässer waren. Das bepinkelte Bettzeug wurde ausgebreitet und öffentlich gezeigt. Wir waren mit 5 Geschwistern dort. Ich war 10, meine Schwester, die mir von diesen Dehmütigungen berichtete, war 8,5 Jahre alt. Die beiden gequälten Geschwister waren demnach 6,5 und 4,5 Jahre alt. Ich selbst habe davon nichts mitbekommen, ich war in einer ganz anderen Gruppe unter dem Dach untergebracht. Im Nachhinein finde ich es auffällig, dass man Geschwister so auseinandergerissen hat. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich in diesen Wochen irgendetwas mit meinen jüngeren Geschwistern zu tun hatte. Die beiden schikanierten Geschwister waren beide noch vor dem 20 Lebensjahr in Therapie, sprachen aber nie darüber. Die betroffene Schwester brach später den Kontakt zu der gesamten Familie ab. Das ist bis heute so. Mein Bruder ist auf solche Themen nicht ansprechbar, er würde wahrscheinlich mit massiven Aggressionen reagieren. Aber an Traumata soll man bekanntlich auch nicht rühren. Ich habe in Erinnerung, dass etliche der sogen. Erzieherinnen sehr jung waren, wahrscheinlich dann um die 20 Jahre alt. Wenn ich damals 10 war, dann sind diese ehemaligen sogen. Erzieherinnen jetzt Mitte bis Ende 70. Viele leben also noch. Einen sehr unfreundlichen Gruß von mir an diese Damen und: "Schämen Sie sich dafür, was Sie vielen Kindern angetan haben. Es war menschlich widerlich!"
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Annegret Schindler geb. Schade. 07.02.53 aus 58089 Hagen schrieb am 19.01.2022
Ich war im Winter 57/58 dort und es war die Hölle. Jeden Tag mussten wir das Mittagessen aufessen. Wenn wir brechen mussten, wurde es vom Teller geschippt und wieder wurde der Teller vor uns hingestellt. Nachts durften wir keinen Ton von uns geben anderenfalls wurden wir vor die Tür gesetzt. Morgens mussten wir unser Bett ganz glatt ziehen, beim Mittagsschlaf auch. Wenn wir aufgestanden sind, mussten wir unsere Schuhe anziehen. Leider konnte ich mit meinen 4 Jahren noch keine Schleife binden. Sofort wurde wieder lauthals geschimpft. Manchmal hat eine Mitbewohnerin die Schleife bei mir gebunden. Da war ich ganz glücklich. Spielzeug war nur sehr wenig vorhanden. Es interessierte ich auch nicht, weil ich nur an zu Hause dachte. Nach 4 Wochen bekam ich dann eine starke Erkältung und musste im Bett bleiben. Es befand sich auf der Krankenstation. Ich habe jeden Tag gehofft, dass die Tage bald vorüber gehen und ich wieder nach Hause komme. Dort mit dem Zug nach 6 Wochen angekommen, musste ich meiner Mutter wohl in die Arme gefallen sein. Ich war sehr abgemagert und noch sehr krank. Meine Mutter hat danach keines ihrer Kinder mehr in die Kinderlandverschickung gegeben. Und die Frau Dr. Pellengahr, die diese Verschickung befürwortet hat, musste sich von meiner Mutter einiges anhören. und wurde später vom Dienst in der Behörde enthoben. Ich würde gern die Elke, die mit in Bad Sassendorf war, sprechen.
Liebe Grüße
Annegret Schindler
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Bodo Jakob aus Burscheid schrieb am 19.01.2022
Bereits als damals 10jähriger konnte ich es nicht ertragen, dass meine Post kontrolliert und zensiert wurde. Postkarten und Briefe wurden zerissen, wenn sie nicht den Vorstellungen der Erzieherinnen entsprachen. Ich musste dann eine neue Karte schreiben, deren Text mir vorgegeben wurde.
Wir Kinder bekamen die Suppe zugeteilt, nachdem sich die Erzieherinnen das Fleisch zuvor für sich selbst raus gefischt hatten. Manche mussten so lange vor ihrem Teller sitzen, bis der leer gegessen war.
Nachdem ich mehrfach nachts eingenässt hatte, musste ich einen ganzen Tag allein im Schlafsaal verbringen, während die anderen Kinder eine Wattwanderung machten.
Positiv bleibt mir in Erinnerung, dass ich mit dem DRK-Einsatzwagen zum Zahnarzt nach Wilhelmshafen gebracht wurde, der Sonntagsdienst hatte. Der Name Schillig ist bei mir noch heute negativ besetzt.
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Sabine Müller-Ebbers aus 58332 Schwelm schrieb am 19.01.2022
Ich wurde im Vorfeld der Schule wegen meines Untergewichtes zur Kur dorthin geschickt. Der Aufenthalt ist bis heute im Gedächtnis verblieben, weil ich verschiedene Dinge erleben musste, die ich als Kind gar nicht fassen konnte, im Einzelnen:
- Übermäßiges Nahrungsangebot, das aufgegessen werden musste,
-Erbrochenes musste gegessen werden (meine Tischnachbarin)
-Briefe wurden kontrolliert und korrigiert an die Eltern verschickt.
-Persönliche Wäsche wurde an die KInder verteilt, die keine mitgebracht oder aber zu wenig hatten.
-Wenn das bett eingenässt war, mussten die Kinder es morgens selbst abziehen und säubern.
-Es gab wenig bis kein Spielzeug.
-Es herrschte eine autoritäre Atmosphäre. Ich war von Gewalt verschont , war aber auch ein fügsames und an Autorität gewöhntes Kind. Ich musste erleben, wie widerspenstige Kinder bestraft wurden, z.B. beim Essen. Einmal habe ich erlebt, dass ein Kind geschlagen wurde. Es waren große Schlafräume, in die man sich tagsüber nicht zurückziehen konnte. Insgesamt habe ich diesen Aufenthalt nicht vergessen können.Das Heimweh, das ich hatte, wurde überhaupt nicht gesehen . Ich kam zurück als extrem untergewichtiges Kind und habe den Teuteburger Wald bis heute vermieden.
Ich bin froh, dass ich das jetzt einmal aufschreiben konnte.
Sabine Müller-Ebbers
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Nadine Chotrov aus Unna schrieb am 19.01.2022
Hallo, ich heiße Nadine und bin im Alter von 6 Jahren in Bad Sassendorf zur Kur gewesen. Ich bin schon mein Leben lang sogenannte Bettnässerin. 6 Wochen waren geplant, 9 Wochen waten es dann.Ich habe leider auch viel verdrängt. Ich erinnere mich das meine Mutter am Bahnhof ganz schlimm geweint hat. Auf der Fahrt musste ich zur Toilette und habe mich nicht getraut was zu sagen. Das ist dann in die Hose gegangen. Konsequenz war dann das ich jeden Tag nach dem Mittagessen solange auf der Toilette sitzen musste bis ich was gemacht hatte. Das wurde natürlich kontrolliert. Wäsche war eingeschlossen, auch Süßigkeiten die meine Mutter mir mitgegeben hatte. Jeden Morgen bekam ich einen Aufkleber wenn ich nicht ins Bett gemacht hatte. Noch heute erinnern mich bestimmte Gerüche, z.B. von Fa Seife an die Kur. Aber die meisten Erinnerungen sind weg.
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Birgit Schneider schrieb am 19.01.2022
Meine jüngere Schwester und ich - damals 7 und 6 Jahre alt - wurden wegen Infekten der Luftwege zur Kur geschickt. Gleich bei der Ankunft bekamen wir farbige Karten ausgeteilt und dauerhaft getrennt. Sie kam in die Krankenstation, obwohl sie gesund war. Mir wurden alle persönlichen Gegenstände abgenommen und eingeschlossen. Ich durfte nur einmal in der Woche meine Kleidung, incl. Unterwäsche wechseln, was mir sehr fremd und unangehm war. Zum Mittagessen gab es oft Suppen mit Ölaugen, die ich fast nicht herunterbekam. Ich musste solange davor sitzen, bis ich sie gegessen hatte. Nach dem Mittagessen mussten wir ruhig "Mittagsschlaf" halten. Das empfand ich als eine Qual, da ich als 7-Jährige lieber aktiv etwas gemacht hätte. So kam es wie es kommen musste, ich lag nicht still im Bett, sondern war außerhalb des Bettes. Am Ende der Mittagsruhe wurde uns allen unangenehm Fieber gemessen und wer auffiel - wie auch immer sie dies feststellten - hatte mit Strafen zu rechnen.
Wir wurden dazu verpflichtet, nette Karten nach hause zu schreiben und hatten keine Chance, der Familie zu sagen, wie elend wir uns fühlten.
Abends musste ich einige Male alleine im Dunkeln im kalten Waschraum hinter der Tür als Strafe ausharren, bevor ich auch ins Bett durfte.Warum, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern.
Die Betreuerinnen brachten uns ein positives Lied über die Kur bei. Ich hatte aber immer das Gefühl, dass es falsch ist. Musste es aber trotzdem lernen.
Am Ende der Kur durften wir mit unserem Taschengeld zu einem Kiosk gehen und uns ein Erinnerungsstück kaufen. Ich kaufte mir ein Eichhörnchen. Die Erzieherinnen bekamen etwas dafür geschenkt.
Am Heimreisetag kam meine Schwester mit über 40 Grad Fieber und ich mit über 38 Grad Temperatur zuhause an. Meine Mutter empörte sich darüber, wir man uns so reisen lassen konnte. Sie informierte unseren Kinderarzt darüber. Leider glaube ich nicht, dass sie unsere Erfahrungen erfragte und entsprechend weitergab.
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Sybille Jünger aus 63667 Nidda schrieb am 18.01.2022
Ich war erst vier Jahre, als ich wegen Husten und „zu dünn „ für sechs Wochen nach Berchtesgaden kam. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich nur geweint habe. Das Essen war entsetzlich und ich habe wieder eingenässt. Die Erzieherinnen haben uns nur gedemütigt.

Ich wünsche allen Anderen alles Gute
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Klaus Heidorn aus Berlin schrieb am 18.01.2022
Betr.: Asthma-Kindersanatorium von Dr. Braun in Bad Reichenhall (1954)
Ich bin erstaunt über die vielen Zuschriften, in denen über die Klinik von Dr. Braun in Bad Reichenhall berichtet wird. Auch ich habe Erinnerungen daran, die trotz der inzwischen vergangenen 67 Jahre noch sehr präsent sind. In meiner frühen Kindheit habe ich unter starkem Asthma gelitten. Aufgrund meines Gesundheitszustands empfahl man meinen Eltern, mich zur Behandlung für sechs Wochen in ein Kindersanatorium zu schicken. Ich war damals erst 7 Jahre alt.
Anfang Juli 1954 wartete ich am späten Abend mit meinen Eltern am Bonner Bahnhof auf den Zug, der mich und andere Kinder nach Bayern bringen sollte. Ich war aufgeregt, aber auch ein wenig neugierig. Schließlich fuhr der Zug in den Bahnhof ein, vorne eine mächtige Dampflok. Ich sehe noch die riesigen Räder der Lokomotive vor mir und den weißen Dampf zwischen den großen Rädern, der mit lautem Zischen entwich. Nachdem meine Eltern mich mit einigen Ermahnungen verabschiedet und einer Betreuerin übergeben hatten, stieg ich in angstvoller Erwartung in den Zug. Ich wurde zu einem Abteil geführt und nahm dort meinen Platz ein. Mit mir saßen mehrere Kinder und eine ältere Frau im Abteil, einige Kinder weinten, manche heftig. In den anderen Abteilen war es wohl ähnlich, denn wenn ich mich richtig erinnere, handelte es sich um einen Sonderzug, sozusagen den „Zug der Tränen“. Die ganze lange Nacht über dauerte die Fahrt.
Ich erinnere auch noch schemenhaft unsere Ankunft am nächsten Morgen in der Klinik von Dr. Braun in Bad Reichenhall, vor allem das Hauptgebäude der Klinik, eine ansehnliche alte Villa, aber auch das schicke Mercedes Cabriolet davor, das wohl Dr. Braun gehörte. Selbst die in den Kotflügeln eingelassenen Scheinwerfer erinnere ich noch. Ältere Modelle hatten nämlich aufgesetzte Scheinwerfer. Es muss also ein neues Modell gewesen sein. Hinter der Villa gab es einen größeren freien Platz mit einigen Bäumen und ein längeres, relativ schmuckloses Gebäude gab, in dem wir untergebracht wurden. Vielleicht waren es auch zwei Häuser. Die Schlafräume befanden sich im Obergeschoss. Jeder Raum hatte 6 oder 8 Betten.
Ferner erinnere ich, dass es zum Frühstück oftmals eine Art Haferschleim mit Früchten gab, öfter mit matschigen Erdbeeren. Die halb verdorbenen Früchte schmeckten schrecklich, aber wir wurden gezwungen, die uns vorgesetzten Gerichte aufzuessen.
Die Vormittage verbrachten wir mit Gymnastik und einer Inhalationstherapie, die zunächst so beängstigend war, dass sie sich fest in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Der Inhalationsraum muss sich im Untergeschoss befunden haben. Zu ihm führten eine oder zwei Flügeltüren. Dahinter befand sich ein riesiger weiß gekachelter Raum ohne Fenster oder nur mit sehr kleinen Kellerfenstern. Überall an der Decke waren Duschköpfe installiert. Der erste Anblick dieses riesigen kalten Raums war unheimlich und bedrohlich. Wenn alle Kinder sich im Raum befanden, wurden die Türen geschlossen; nur zwei Betreuerinnen blieben bei uns. Kurz darauf strömte weißer Rauch aus den Duschköpfen und wenig später war der ganze Raum vernebelt. Die Prozedur wirkte auf mich bedrohlich, zumal der Rauch einen Hustenreiz bei mir auslöste.Nach einer längeren Zeit wurden die Türen wieder geöffnet und wir durften den Raum verlassen. Wenn ich mich später daran erinnerte, kamen mir immer die Gaskammern in den Vernichtungslagern im dritten Reich in den Sinn. Dieser Vergleich war natürlich unfair gegenüber den Therapeuten in der Klinik, die sicherlich alles taten, um unser Asthma zu heilen, aber man muss sich einmal vor Augen halten, wie diese Prozedur auf ein kleines Kind wirkte.
Weiter erinnere ich mich, dass wir unseren Eltern nur mit Bleistift schreiben durften, dass unsere Korrespondenz also „zensiert“ wurde. Ich besitze noch eine Karte an meine Eltern aus der Zeit, auf der in ungelenker fehlerhafter Kinderschrift zu lesen ist: „Es gefält mir hier............“. Das „nicht“ hatten die Betreuerinnen ausradiert, aber der auffällige Zwischenraum spricht Bände.
Eine weitere sehr unschöne Erinnerung hat sich mir in besonderem Maße eingeprägt. Im Verlauf meines sechswöchigen Aufenthalts in der Klinik erkrankte ich an Masern, musste also zwingend von den anderen Kindern getrennt werden. Hierfür habe ich heute volles Verständnis. Allerdings war die Art und Weise, wie dies geschah, wenig einfühlsam, um nicht grausam zu sagen. Für derartige Fälle hatte die Klinik zwei Räume vorgesehen, eine „Akut-Zelle“ und eine Zelle für Rekonvaleszenten. Eigentlich handelte es sich nur um ein Zimmer, das mit rohen Stroh-Zement-Platten, den Vorgängern der heutigen Rigips-Platten, in zwei kleine geschlossene Zellen unterteilt war. Die rechten Zelle in der zwei Pritschen für die Rekonvaleszenten standen, verfügte über ein reguläres Fenster. Mich steckte man die ersten Tage in die linke Zelle für akute Fälle. Diese hatte kein Fenster, nur ein Loch in etwa zwei Meter Höhe in der Außenwand, für mich unerreichbar. Im Raum stand nur eine alte klappbare Militärpritsche, wohl noch aus dem zweiten Weltkrieg. Daneben stand ein kleiner Kasten mit Bauklötzen aus Holz. Das war alles! Die Zelle war ständig abgeschlossen, wohl um meine Flucht zu verhindern (hahaha)!! Dreimal am Tag schloss eine Beschließerin (Betreuerin) die Zellentür auf, stellte mir mein Essen in den Raum und verschloss anschließend wieder die Tür. Einmal am Tag schaute auch ein Arzt vorbei. Was tut man also in solch' einem Fall vor lauter Einsamkeit und Langeweile? Man sucht den Kontakt zu den Zellennachbarn. So nahm ich also einen schmalen Holzklotz und bohrte mühsam ein Loch in die Trennwand zur Rekonvaleszenten-Zelle. Durch dieses Loch konnten wir uns wenigstens unterhalten. Damit wurde die“Infektionshaft“ erträglicher. Nach einigen Tagen wechselte ich in die Nachbarzelle und fand dort einen Zimmernachbarn, mit dem ich mein Schicksal teilen konnte. Nach etwa 8 – 10 Tagen durfte ich schließlich mein „Gefängnis“ wieder verlassen.
Ich muss aber zugeben, es gab auch schöne Momente in den sechs Wochen in Bad Reichenhall. Ich denke da an unsere Ausflüge, die wir gelegentlich unternahmen. So fuhren wir mit der Seilbahn auf den Predigtstuhl und besuchten eine Alm, außerdem haben wir den Königssee und den Hintersee besucht.
Allerdings hatten meine Erlebnisse in der Asthma-Klinik zur Folge, dass ich über viele Jahre eine Aversion gegen Bayern hatte. Erst ein erneuter Besuch ca. 20 Jahre später mit meiner Frau hat dies geändert.
Abschließend möchte ich fairerweise erwähnen, dass ich nach 6 Wochen geheilt aus der Asthma-Klinik entlassen wurde. Mein Zustand hatte sich dort so verbessert, dass ich später einen Beruf ergreifen konnte, für den eine gute gesundheitliche Verfassung eine Grundvoraussetzung ist. Der allgemeine Gesundheitszustand musste so gut sein, dass auch ein mehrjähriger Aufenthalt in schwierigen Ländern mit unzureichender medizinischer Versorgung problemlos möglich war. Das verdanke ich letztlich auch der erfolgreichen Asthma-Therapie in Bad Reichenhall.
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Klaus schrieb am 18.01.2022
Auch ich war im Jahr der Sturmflut auf Borkum, da war ich sechs. Ich erinnere mich nur noch, dass das Wasser über die Promenade bis ans Fenster gekommen ist. Die lange Mittagsruhe mit kratzenden grauen/braunen Decken sind mir ebenso in Erinnerung, wie das kleine Mädchen, dass bis spät nachmittags an ihrem Teller voll Hühnerfrikassee saß, sich über die gekochte Hühnchenpelle geekelt hatte und dann kam das, was nicht kommen sollte: Sie hat sich soweit geekelt, dass das Mittagessen wieder herauskam, sie musste solange sitzen bleiben, bis der Teller leergegessen war. Ich habe meine Portion mit Widerwillen aufgegessen, Seit dem mag ich kein Hühnerfrikassee mehr. Ach ja, Briefe wurden selbstverständlich geschönt, es war immer alles in bester Ordnung. Ja so waren die lieben „Schwestern“ eines städtischen Essener Kinderheimes. Gut, dass das Heim dann irgendwann geschlossen wurde.
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Renate R. aus Bielefeld schrieb am 18.01.2022
Hallo, meine 2 Jahre jüngere Schwester (ca. 6 Jahre alt) und ich wurden in den frühen 60er Jahren für mehrere Wochen ins Kinderheim Lensterhof geschickt. Meine Eltern hatten noch 2 weitere jüngere Kinder und wollten wohl mal in Ruhe Urlaub machen. Böse Absicht möchte ich nicht unterstellen. Da meine Schwester untergewichtig und eine schlechte Esserin war, war schnell ein passender Grund gefunden, den der Hausarzt auch attestierte. Da sie nicht alleine fahren sollte wurde auch für mich ein Grund gesucht. Ich war zu der Zeit völlig gesund und hatte Normalgewicht, der Arzt hat aber Übergewicht als Grund angegeben. Ich kann mich nicht an viele Situationen erinnern, aber einige sind bis heute voll gegenwärtig. Obwohl wir so völlig gegensätzliche Gründe für den Aufenthalt hatten, haben wir immer das gleiche Essen bekommen, auf unsere „Krankheiten“ wurde nie eingegangen. Meine Schwester hat sehr lange am Essen rumgekaut und wurde erst erlöst, wenn der Teller leer war. Später stellte sich raus, dass sie diese Probleme nur aufgrund einer starken Fehlstellung der Zähne hatte. Ich erinnere mich, dass wir alles mit dem Löffel essen mussten, so auch eine dickhäutige Bockwurst, die sich nicht zerteilen ließ und nicht angefasst werden durfte. In diesen Wochen sind jeden Tag viele Tränen geflossen, nicht nur wegen der Wurst. So wurde uns das Klopapier zugeteilt, für „klein“ gab es 1 Blatt, für“ groß“ 2 Blatt. Es gab feste Klozeiten . In meiner Erinnerung befanden sich die Plumpsklos in einem Gebäude gegenüber. Da wir aus einem Elternhaus kamen, in dem wir den Umgang mit Besteck und Klopapier durchaus kannten, waren wir beide sehr geschockt. Meine kleine Schwester habe ich oft trösten müssen, weil sie sehr viel weinte. Telefonate nach Hause gab es nicht und unsere Briefe wurden nur freigegeben, wenn nichts Schlechtes drin stand. Morgens mussten wir mit Salzwasser Gurgeln, was ich bis heute nicht beherrsche und mich täglich verschluckt habe. Obwohl das Haus so dicht an der Ostsee lag, beschränkten sich unsere Besuche auf wenige Spaziergänge, bei denen wir uns alle an den Händen halten mussten und manchmal durften wir auch nur so für 2—3 Minuten ins Wasser. An schwimmen oder spielen war nicht zu denken. Insgesamt waren diese Wochen für uns die schrecklichsten in unserem Leben. Es herrschte dort eine Eiseskälte, es gab keine tröstenden Worte und es wurde mit Angst regiert. Zuhause hat uns keiner geglaubt und es wurde belächelt, wenn wir davon berichteten, nach dem Motto: da seht ihr mal, wie schlecht es anderen Kindern geht und wie gut ihr es hier habt. Bisher hat nur meine Schwester meine Erfahrungen geteilt und ich kann mich nur bruchstückhaft erinnern, aber es war grauenvoll und hat uns beiden bis heute geschadet. Völliger Vertrauensverlust und Essstörungen halten bis heute an. Habe vor einigen Jahren bei einem Besuch an der Ostsee den Hof noch gefunden. Das Haus stand schon leer, beim Anblick kamen alle schlimmen Gefühle wieder hoch.
Ich hoffe, dass es so etwas nicht mehr gibt, und wünsche allen Mitleidenden viel Glück beim Verarbeiten des Erlebten
Renate
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Angelika Bäumer-Schumacher aus 50735 Köln schrieb am 18.01.2022
DER SCHNEE HAT UNS VOR DEM ERDURSTEN GERETTET
Ich war mit meinen Geschwistern im Allgäu, von denen ich getrennt untergebracht wurde. Ich war entweder 9, 10 oder 11, also muss es zwischen 1964 - 1966 gewesen sein. Wir waren im Winter dort. Wir Geschwister wurden getrennt untergebracht. Was richtig schlimm war: DURST! 24 Stunden jeden Tag! Die sogen. Erzieherinnen wollten nicht, dass wir ins Bett machten (was bei mir Empörung auslöste, denn ich war keine Bettnässerin). Aber vorsichtshalber bekamen wir alle kaum etwas zu trinken.... morgens 1 Glas Milch und abends 1 Tasse Tee. Das Wasser auf den Fluren war kein Trinkwasser (was ich sehr ernst nahm, denn am Land hatten wir auch solche Anschlüsse und einige Kinder sind krank geworden, die trotzdem aus diesen Hähnen tranken). Wir Mädchen waren ganz oben unterm Dach untergebracht und ich kletterte fast jeden Abend auf das Vordach und reichte den Schnee ins Zimmer. Wir haben Berge von Schnee gegessen vor lauter Durst. Das Dach ging schräg abwärts. Ein Wunder, dass ich nicht abgestürzt bin. Allerdings habe ich daran als Kind keinen großen Gedanken verschwendet, der Durst war ja auch drängend. Ich erinnere mich noch, dass ich die Mädchen auf dem Zimmer drängte, dass wir alle an den Wanderungen teilnahmen. Dafür wurden wir sogar gelobt. Allerdings war das alleinige Motiv, dass wir Schnee essen konnten soviel wir wollten. Keine der "Erzieherinnen" hat überhaupt richtig hingeschaut, was wir machten, niemand von denen hat das durchschaut. Auch hat niemand je aus dem Zimmerfenster geschaut, sonst hätten meine Schnee-Ernten auffallen müssen. Noch heute MUSS IMMER eine Flasche Wasser an meinem Bett stehen, denn sonst kann ich nicht einschlafen. Trinken muss ich allerdings selten nachts. Das 2. Übel von dem ich berichten kann ist die Folter mit der Milch. Ich habe schon als kleines Kind wohl keine Milch getrunken. Heute weiß ich, dass ich eine Milchunverträglichkeit habe und mir das Enzym Laktase fehlt. Auf jeden Fall wurden wir gezwungen morgens das Glas Milch zu trinken. Nach wenigen Tagen war ich richtig krank und konnte gar nichts mehr bei mir behalten. Ich habe mich ständig erbrochen. Als in der Mitte dieser Folter-"Kur" ein Arzt vorbeikam und uns untersuchte wurde festgestellt, dass ich erheblich abgenommen hatte. Ich kann mich noch daran erinnern, dass er eine Schreierei mit den sogen. Erzieherinnen anfing. Diese hatten nicht einmal bemerkt, dass ich so viel abgenommen hatte. Danach durfte ich mir morgens das Getränk aussuchen, meistens Caro-Kaffee. Allerdings war es zu spät: Ich kam rappeldünn zu Hause an und hatte statt einer Milchunverträglichkeit ein Milchtrauma! Bei mir ging das so weit, dass ich mein Kind mit Wasser großgezogen habe. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, meinem Sohn Milch zu geben. Ich bin also mit 2 handfesten Traumata wieder aus dieser sogen. "Kur" zurückgekommen. Übrigens waren ich oder meine Geschwister nie mehr im Allgäu. Manchmal sehe ich im Fernsehen, wie schön die Landschaft ist, allerdings möchte ich dort nie mehr sein....... Ich weiß nicht was passiert wäre, wenn wir den Schnee nicht gehabt hätten......
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karl Werner aus Vellmar schrieb am 18.01.2022
Der Schmerz sitzt tief..fast vergessen..nach über 60 Jahren..aber wenn man dran denkt ist er wieder da..
Diese unmenschliche Behandlung..von Menschen..Erziehern und sogenannten Kinderschwestern.
In allen drei Heimen war es fast gleich..sicherlich wusste man es nicht besser..Essen wurde reingezwungen.. wenn es wieder raus kam.mußte man es wieder essen..bis der Teller leer war und wenn es 2 Std dauerte..
Nachts mussten wir im Treppenhaus mit einer umgegangen Wolldecke und barfuß 2 Std Strafe stehen.wenn wir beim zubettgehen geredet haben..beim Mittagsschlaf ..2 Std..durften wir nicht auf die Toilette..dann haben wir in unsere Socken gepinkelt..beim Mittagsschlaf auf der Gartenwiese haben wir uns ins Gras gerollt und laufen lassen.Und dabei alles ohne einen Laut zu machen..dann wurde man richtig bestraft..Briefe wurden geschrieben.aber nicht versendet..auch bekam man keine Post..
Da waren dann die kleinen Stockschläge noch das erträglichste.
Aber am schlimmsten war dann die Heimkehr..Unsere Erzählungen bei den Eltern..keiner hat uns geglaubt..wir sollten uns nicht so anstellen..schließlich hatten wir eine schöne Zeit..
Wenn ich dies alles meinen Enkeln erzähle ist es für sie unverständlich..
Wir mußten ja harte Männer werden..
Ein Trauma bis heute
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