ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN
Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel
Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:
- Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
- Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
- Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen
Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!
Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.
Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.
Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der „Initiative Verschickungskinder“ (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen
Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.: IBAN: DE704306 09671042049800 Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de
Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen
Ich sollte unbedingt zur Kur so hatte es mehr meine Mutter gewünscht, denn ich war nach ihrer Meinung rappeldürr und was man mir oben reinstopfte blieb einfach nicht in den Hosen drin, wie man so sagte. Da meine Mutters Eltern damals im Jandtjalager gute Erfahrungen gesammelt haben, damals noch unter der Reichsflagge, tat man sich’s einfach und fragte nach wo denn in der Nähe ein solche wäre. Karlshafen wurde so für mich 4 Wochen die Hölle auf Erden. Es sollten ursprünglich 6 Wochen werden, die dann aber wegen meines Naturells alles auszubrechen was einfach zu fett und zu wabbelig ausschaute man mir trotzdem versuchte einflößen zu wollen. Dabei stromerte ich den ganzen Tag im Wald herum. Hatte einen mächtigen Hunger aber es nutzte nix. Die Kalorien die ich oben rein stopfte blieben nicht in den Klamotten hängen. Also, wurde hier nachgeholfen, weil man sich vielleicht auch schämte für so ein mageres Kind. 4 Wochen Erbsensuppe mit Speckzulage. Fettes Essen was es an Masse scheinbar jeden Tag gab. Ich konnte diese Erbsenmaschine schon von weitem riechen. Selbst draußen auf dem Exerzierplatz vor dem weißen großen Haus. Ich ekelte mich einfach zu sehr an der Schwabbelmasse am Speck, an dem man noch die Haare zählen konnte die nicht richtig abgebrannt waren. Einfach nur ekelhaft! Zum Frühstück schon Leberwurst zum Abwinken und dann immer und immer wieder diese erbärmliche Erbsensuppe, die ich massig wieder rausbrach sobald ich nur ein wenig von aß. Irgendwann ging dann gar nix mehr. Dann sollte ich zur Strafe auch noch diese ausgebrochene Masse aufessen. Grausam! Ich kotzte mich fast zu tode. Den Flur zur Toilette war voll vom Gebrochenen den ich dann auch noch mühsam aufputzen mußte. Zur Strafe gab es am nächsten Tag nüscht. Nur zu trinken, so viel ich mich noch erinnern kann. Irgendwann knipste ich mein Hirn aus. Ich wurde nach ca. 4 Wochen nicht therapierbar wieder entlassen. Kehrte nach Hause zurück und dort machte mein Vater meiner Mutter schwere Vorwürfe wegen meines Zustandes. Zuerst wollte man mich in ein Klinik stecken, weil man dachte ich würde sterben, so dünn muß ich damals gewesen sein. Durchs Mutter’s Hausmannskost und intensives Handel meiner Oma die aufpasste auf, dass ich immer was zu kauen bekam ging’s dann mit der Zeit. Viele Einträge die ich hier lese decken sich mit denen die ich auch gemacht habe deswegen möchte ich nicht nochmals drauf eingehen. Ich verdränge diese Zeit immer noch und es ist auch gut so!!! Dunkelkammer lernte ich auch kennen!
Abgewöhnen konnten sie mir das Daumenlutschen nicht, auch wenn sie es mit allen Mitteln versucht haben. Bittere Salbe, Fäustlinge bis zu mit beiden Händen am Bett fixiert im Einzelzimmer - stockdunkel. Da war ich dann auch wieder "Bettnässer".
Es gibt blitzartige Bilder und wenige davon sind schön.
Ich sollte unbedingt zur Kur so hatte es mehr meine Mutter gewünscht, denn ich war nach ihrer Meinung rappeldürr und was man mir oben reinstopfte blieb einfach nicht in den Hosen drin, wie man so sagte. Da meine Mutters Eltern damals im Jandtjalager gute Erfahrungen gesammelt haben, damals noch unter der Reichsflagge, tat man sich’s einfach und fragte nach wo denn in der Nähe ein solche wäre. Karlshafen wurde so für mich 4 Wochen die Hölle auf Erden. Es sollten ursprünglich 6 Wochen werden, die dann aber wegen meinem Naturell alles auszubrechen was einfach zu fett und zu wabbelig ausschaute man mir trotzdem versuchte einflößen zu wollen und das mit Gewalt. Ich sollte ein Wonneproppen werden, so, wie das damalige Abbild eines jungen Mädchens auf einer Apfelsaftflasche mit dicken, fetten Backen, so, dass sich meine Eltern sich nicht schämen müßten wenn ich draußen zu gange war. Denn ich würde ja nie richtig was werden, weil ich so ungesund und mager ausschaute und in der kommenden Schulzeit bestimmt auch gehänselt weden. Dabei stromerte ich den ganzen Tag im Wald herum. Hatte einen mächtigen Hunger aber es nutzte nix. Die Kalorien die ich oben rein stopfte blieben nicht in den Klamotten hängen. Also, wurde hier nachgeholfen, weil man sich vielleicht auch schämte so ein abgehungertes Kind zu haben. 4 Wochen Erbsensuppe mit Speckzulage. Fettes Essen was es an Masse scheinbar jeden Tag gab. Ich konnte diese Erbsenfressmaschine schon von weitem riechen. Selbst draußen auf dem Exerzierplatz. Für Andere war das sicherlich was nur für mich eben leider nicht. Ich ekelte mich einfach zu sehr an der Schwabbelmasse am Spreck, an dem man noch die Haare zählen konnte die nicht richtig abgebrannt wurden. Einfach nur ekelhaft! Und zum Frühstück schon Leberwurst zum Abwinken und dann immer und immer wieder diese erbärmliche Erbsensuppe, die ich massig wieder rausbrach sobald ich nur ein wenig von aß. Irgendwann ging dann gar nix mehr. Dann sollte ich auch noch diese ausgebrochene zu meiner Schuld wieder aufessen. Grausam! Ich kotzte mich fast zu tode. Den Flug zur Toilette war voll von meinem Unrat den ich dann auch noch mühsam aufputzen mußte. Zur Strafe gab es am nächsten Tag nüscht. Nur zu trinken, so viel ich mich noch erinnern kann. Irgendwann knipste ich mein Gehirn aus. Ich wurde nach ca. 4 Wochen nicht therapierbar wieder entlassen. Kehrte nach Hause zurück und dort machte mein Vater meiner Mutter schwere Vorwürfe wegen meines Zustandes. Zuerst wollte man mich in ein Klinik stecken, weil man dachte ich würde sterben, so dünn bin ich gewesen. Dann aber gab’s Mutter’s Hausmann’skost und das nicht zu knapp und Oma hatte Argusaugen und passte auf, dass ich immer was zu kauen bekam. Bald schon kam ich wieder zu Kräften. Viele Einträge die ich hier lese decken sich mit denen die ich auch gemacht habe deswegen möchte ich nicht nochmals drauf eingehen. Ich verdränge diese Zeit immer noch und es ist auch gut so!!! Dunkelkammer lernte ich auch kennen!
lg Michael Di
Ich würde mich gerne austauschen mit Menschen, die vielleicht (ca.) zur gleichen Zeit auf Norderney waren. Habe keinerlei Namen in Erinnerung.
Ich bin die Heimortkoordinatorin für die Region Tegernsee. Bitte melde Dich bei mir, wenn Du Infos und Austausch zu Gmund am Tegernsee suchst. Es gibt bereits einige Berichte zum Tegernsee von anderen ehemaligen Verschickungskindern. Dir vorerst alles Gute! Manu
1. wir mussten Mittagsschlaf machen. Ich musste groß auf das Klo, hatte aber Angst, mich zu melden. Da beschloss ich, einfach in die Unterhose zu machen und es später auszuleeren. Das hat aber die Aufsichtsperson offensichtlich gerochen - was für mich total verwunderlich war, denn wie sich mir später offenbarte habe ich keinen Geruchssinn (!) - , mich aus dem Bett gezerrt, in die Dusche gestellt und mit einem Schlauch von oben bis unten abgespritzt. Kann gut sein, dass es auch ein paar - nennen wir es mal vorsichtig - Klapse gab.
2. Es gab eine Frau als Aufsichtsperson, die hatte an einer Hand nur drei Finger. Sie hat uns erzählt, dass ihr Vater die anderen abgehackt hat, weil sie ungezogen war ... das hat mich natürlich total geschockt.
Soweit mein Bericht, diktierte Postkarten gab es übrigens auch.
Meine Eltern sind verstorben und ich bin allein auf meine Erinnerung angewiesen, die teils sehr klar, teils auch verschwommen ist.
Es war etwa 1963 und ich war 10 Jahre alt, ein normaler Junge mit normalem Elternhaus. Seit mehreren Jahren litt ich an einem juckenden Hautekzem, im Winter an Hals, Armbeugen und Handgelenken, im Sommer an den Kniekehlen durch Wiesengräser. Häufig kratzte ich mich blutig. Heute würde man es vielleicht als Neurodermitis diagnostizieren. Unser Hausarzt riet schließlich zur Kur in einem Reizklima, entweder in den Alpen oder an der Nordsee. Die Wahl, auch meine, fiel auf die See.
Ich kam ins Christliche Seehospiz Norderney, etwa sechs Monate, einen gesamten Winter, eine gefühlte Ewigkeit. Meine Mutter brachte mich hin. Anfangs ging es nur um zwei oder drei Monate.
Das Seehospiz lag an einer Straße, die längs über die Insel führte, östlich außerhalb der kleinen Stadt. Die Wohngebäude, links von der Straße zum Meer hin, waren zweigeschossige Backsteinbauten. Die Fenster im Erdgeschoss waren vergittert.
Als erstes bekam ich meine Fix-und-Foxi-Hefte abgenommen. Comic-Hefte waren strikt verboten. Die Betreuerinnen musste ich „Tante“ nennen, ziemlich übergriffig wenn ich an meine liebe Tante zu Hause denke. Die ranghöheren Aufseherinnen wollten Schwester genannt werden.
Der Speisesaal war im Erdgeschoss. An das Essen kann ich mich nicht erinnern. Es muss wohl weder besonders ekelhaft noch besonders lecker gewesen sein. Während der Mahlzeiten herrschte Sprechverbot. Wer beim Plappern erwischt wurde, musste zur Strafe stundenlang Kirchenlieder auswendig lernen während die anderen Abendfreizeit hatten. Während meiner Zeit habe ich keine Prügelstrafen beobachtet oder ich kann mich nicht daran erinnern.
Die Schlafsäle waren im Obergeschoss, entlang eines Mittelgangs an dessen Ende sich das Aufsichtsbüro befand. Alle Zimmer waren nachts offen. Die Aufsichtstante konnte so die Kinder kontrollieren, wenn sie verbotenerweise nachts auf die Toilette schleichen wollten. Gepinkelt wurde in Nachttöpfe. Jeder hatte seinen eigenen unter dem Bett. Ich lag anfangs in einem Sechsbettzimmer. Alle hatten Heimweh, die Älteren weinten nachts nur manchmal. Mein Bettnachbar war etwa vier Jahre jünger, weinte nachts stundenlang und pinkelte häufig ins Bett. Er sagte auch mal, dass er nicht mehr leben wolle. Er tat mir herzzerreißend leid. Ich versuchte ihn zu trösten.
Die Fenster im Schlafgeschoss ließen sich nachts nicht öffnen. Wohl damit niemand auf die Idee käme nachts auszubüxen, also sich irgendwie abzuseilen. In Stadtrichtung links gegenüber dem Jungentrakt war der Mädchentrakt. Sie waren ebenso eingeschlossen wie wir. Manchmal winkten wir uns abends zu. Auf dem Gelände wurden wir strikt getrennt gehalten.
Es gab nur eine Ausnahme. Das war die Klippschule, die in einem kleinen Haus zwischen den Quartieren und den Dünen lag. Dort wurden wir mit den Mädchen gemeinsam unterrichtet. Es gab nur eine Schulklasse für alle Altersstufen, etwa zwei Stunden lang am Vormittag. Vielleicht täglich, vielleicht zwei Mal pro Woche, ich weiß es nicht mehr. Die Lehrerin war nett, anders als die Aufseherinnen. Gelernt habe ich fast nichts. Sie beschäftigte sich hauptsächlich mit den Jüngeren und Zurückgebliebenen. Schulisch für mich reine Zeitverschwendung. Ich machte mir Sorgen um meine Versetzung nach der Rückkehr. Hat aber dennoch geklappt. Ich war halt schon vorher gut in der Schule.
Täglich wurden wir in Zweierreihen zu Fußmärschen ausgeführt, bei jedem Wetter, gemeinsam mit den Mädchen. Wenn es in die Stadt ging wurde die Route so gelegt, dass wir nicht nahe an Briefkästen vorbeikamen. Es war strengstens verboten Briefe einzuwerfen. Wer dabei erwischt wurde, musste abends Kirchenlieder auswendig lernen. Es herrschte praktisch Kontaktverbot mit der Außenwelt. Wir durften nur von der Anstaltsleitung zensierte Briefe verschicken und empfangen. Jede JVA ist heute nachrichtendurchlässiger als damals diese Kinderinternierung!
Die Einheimischen im Städtchen konnten beobachten wie Kinder beim verbotenen Posteinwurf gemaßregelt wurden. Von ihnen konnten wir keine Hilfe erwarten. Ihr Schweigen ist für mich eine Mittäterschaft. Mein Groll auf diese „braven Bürger“ begleitet mich nun schon seit Jahrzehnten.
Vor einigen Jahren lernte ich unfreiwillig eine Gruppe älterer Norderneyer näher kennen. Sie fragten mich, warum ich denn nicht mal auf ihre schöne Insel kommen wolle. Ich sagte ihnen, dass ich schon mal da war, in meiner Kindheit und erzählte ihnen von meinem schlimmen Heimweh damals und wie ich inhaftiert war. Sie taten das als belanglos ab, es sei ja schon so lange her. Vielleicht sind heute nicht alle Norderneyer so kaltherzig, jene die ich kenne aber schon.
Die (pseudo?)medizinische Versorgung fand täglich durch Eincremen statt. Wir wurden einzeln nackt auf einen Hocker gestellt und mit einer Salbe behandelt, möglicherweise Zinksalbe. Die aufgekratzten Stellen wurden verbunden. Nach etwa drei Monaten zeigte sich bei mir kaum Besserung. Mein Aufenthalt wurde um drei Monate verlängert. Meine Mutter durfte mich besuchen. Sie konnte mir aber nicht helfen. Dazu war sie zu autoritätsgläubig. Später zu Hause plagte sie offenbar ein schlechtes Gewissen. Ich wurde ziemlich verhätschelt.
In der zweiten „Halbzeit“ wurde ich auf ein Siebenbettzimmer am Ende des Aufsichtsflurs verlegt, zu den etwas älteren Jungs. Wir konnten dort nachts ungehört miteinander tuscheln und Schabernack treiben. Manchmal lagen wir zu dritt in einem Bett und rieben uns aneinander. Der Körperkontakt tat uns gut in dieser kalten Einöde.
Fairerweise berichte ich auch von zwei positiven Dingen. Im Salzwasser-Wellenbad, das wir etwa wöchentlich besuchten, bin ich das erste Mal geschwommen. Die Bewegungen konnte ich schon vorher, war aber zu Hause im Süßwasser-Schwimmbad immer untergegangen.
Mein Hautausschlag war nach einem halben Jahr geheilt. Ich durfte nach Hause. Vor meiner Zeit im Heim war ich ein fröhlicher, herumtollender Junge, danach eher ein vorsichtiger Duckmäuser, der Auseinandersetzungen aus dem Weg ging.
So früh wie möglich, nämlich mit 14 Jahren, bin ich aus der Kirche ausgetreten. Mein persönlicher Protest dagegen, dass eine grausame Kinderhaftanstalt sich „christlich“ nennen durfte. Wäre ich religiös, wäre das für mich Gotteslästerung. Manchmal stelle ich mir vor, dass ein Orkan die Teufelsinsel in zwei Teile teilt, genau an der Stelle vom Seehospiz. Ja, so kalt kann es einem im Herzen werden, wenn man sich an diese grausamen Menschen erinnert.
1979 fand in unserer Dorfschule eine schulärztliche Untersuchung statt. Die alte Schulärztin fertigte uns im Akkord ab, ich war ihr zu dünn ->ab nach Weilheim.
Ich war 11 Jahre alt und der Wechsel aufs Gymnasium stand bevor, als ich meiner Sommerferien und -schlimmer- meiner Menschenwürde beraubt wurde.
Die Aufseherinnen mußten wir mit "Tante" anreden. Mein skandinavischer Vorname wurde 6 Wochen lang verhohnepipelt. Die Briefe nach Hause wurden erzwungen, aber zensiert. Las die "Tante" etwas, was ihr ehrenrührig erschient, so wurde man zur Anstaltsleiterin geprügelt. Die schlug zwar nicht, hatte aber andere Methoden kleine Kinder unbarmherzig unter Druck zu setzen.
Es gab auch eine Art Nachtwächterin, die alles hasste, was nicht katholisch war. Schlechte Aussichten für einen norddeutschen Jung. Diverse (unzählige?) Nächte, die ich im Schlafanzug frierend auf einer Holzbank hockend neben ihr verbringen mußte. Schlafentzug. Fielen mir doch die Augen zu, so schlug sie ohne Vorwarnung zu.
Und für das richtig Grobe gab es noch Toni, einen jungen Jugoslawen (<- der Ausdruck war damals noch politisch korrekt) der auf dem ehemaligen Gutshof arbeitete.
Eine "Tante" mußte bloß Toni rufen und auf ein Kind zeigen und er schlug mit einer Mischung aus Karateschlag und Ohrfeige zu, daß man das Gefühl hatte, es würde einem der Kopf abgerissen. häufig war man minutenlang besinnungslos und nicht ansprechbar. Ich war von zu Hause aus die typische familiäre Gewalt der 70er Jahre gewöhnt - Weilheim toppte alles!
Wir wurden kaserniert in Schlafsälen untergebracht, mußten in 2er Reihen marschieren und dazu im Takt alberne bayrische Volkslieder singen. Freie Zeit, freie Bewegung oder gar freies Reden mit den "Mitgefangenen" war nicht vorgesehen und wurde bestraft.
Bayern ist für mich eine No-Go-Area, wenn ich bayrischen Dialekt hören muß, schrillen alle Alarmglocken, ich verlasse fluchtartig den Raum - wenn es geht ...
Ich habe bis heute kein Sättigungsgefühl. Vielleicht hängt es mit der Zeit als Fünfjährige im Schwarzwald zusammen.
Eine weitere Erinnerung ist, dass dort ein Mädchen war, das ebenfalls 5 war, von den anderen Kindern als Hexe bezeichnet und immer geärgert wurde, keine Ahnung, warum. Ich wüsste so gerne, wie es ihr heute geht, weil ich damals dachte, sie ist egtl. wie ich, nur dass es sie schlechter als mich getroffen hat. Dieses Mädchen geistert immer noch in meinem Kopf. Und ich weiß, dass ich sehr, sehr viel, nachdem meine Mutter mich am Zug abgegeben hatte, geweint hatte, die großen Mädchen sich aber um mich kümmerten. Namen? Alle weg!
Angefangen hat es eigentlich mit Kleinigkeiten. Bei der Ankunft packten die Betreuerinnen meinen Koffer aus und amüsierten sich lauthals über die Art und Weise, wie meine Mutter den Koffer gepackt hatte. Als Kind hat mich das durchaus getroffen. Immerhin wurde in meinem Beisein meine Mutter lauthals ausgelacht.
Vom Ankleideraum (den ich ähnlich einem Grossankleideraum im Schwimmbad mit Spinden in Erinnerung habe), gingen die Schlafräume ab. In jedem Schlafraum standen mehrere Betten. Sobald das Licht ausging, durften wir nicht mehr reden oder uns sonstwie bemerkbar machen. Überwacht wurden wir von einer älteren Betreuerin (ich erinnere noch immer an ihren Gipsarm). Wurden wir beim reden erwischt oder hatte wir gar aus Spaß unsere Betten getauscht und wurden erwischt, mussten wir zur Strafe im Schlafanzug alleine auf der Holzbank im Ankleideraum sitzen. Meist solange, bis jemand anderes "erwischt" wurde und die "Deliquenten" quasi gegeneinader ausgetauscht wurden. Wir saßen dort nie zu zweit, immer einer alleine.
Wir mussten mit 6 Jahren Mittagsschalf halten. In einem großem Raum waren diverse Pritschen untergebracht. Jeden Tag habe ich auf einer dieser Pritschen gelegen und versucht mich nicht zu bewegen (am liebsten nicht mal Luft holen). Die ganze Zeit habe ich auf das Geräusch geachtet, dass die Schlaghosen der Betreuerinnen machte, das durch den aneinander reibenden Stoff entstand, während sie zwischen den Pritschen ihren Kontrollgang machten. Sobald das Geräusch näher kam, habe ich krampfhaft die Augen verschlossen und so getan, als ob ich schlafen würde. Als ich neulich im Damen Gambit die Anfangsszene im Schlafsaal des Heims gesehn habe, kam bei mir sofort diese düstere Atmosphäre wieder hoch, die meine Erinnerung an diesem Schlafsaal beiwohnt. Noch heute kann ich mich in Perfektion schlafend stellen.
Das Essen wurde in einem großen Raum ausgegeben. Ich erinnere vor allem an eine Situation mit einem Jungen an meinem Tisch. An dem Tag gab es eine Fruchtkaltschale. Wir alle saßen am Tisch und zuerst wurden die Teller mit dem Essen ausgeteilt. Das Besteck war noch nicht ausgeteilt. Ein Junge an meinem Tisch wollte die Kaltschale aber schon probieren, er beugte sich vor und leckte mit seiner Zunge drüber. Ich erinnere mich nicht mehr an den genauen Wortlaut, aber die Betreuerin, die dies bemerkte meinte, wenn er schon wie ein Hund essen würde, dann müssse er das auch draussen vor der Tür machen. Ich meine mich zu erinnern, dass die Betreuerin ihm zwar noch einen Löffel gab, aber nichts destotrotz musste dieser Junge, auf dem Boden im Flur, vor der verschlossenen Tür des Speisesaals alleine essen und durfte erst wieder reinkommen, als er aufgegessen hatte. Mich hat das als Kind unglaublich schockiert.
An einem anderen Tag hatte ein Mädchen in meiner Gruppe massive Zahnschmerzen und wohl auch schon etwas Fieber. Sie traute sich nicht, das einer Betreuerin zu erzählen. Ich wollte ihr helfen, fand aber so schnell keine der Betreuerinnen. Aber ich wusste dass der Zahnarzt ein oder zwei Stockwerke über uns war. Also habe ich meine damalige "Freundin" an die Hand genommen und selber zum Zahnarzt gebracht. Weil ich keiner Betreuerin bescheid gesagt hatte, bekam ich für die Aktion richtig Ärger. Es interessierte auch keinen, dass ich keine Betreuerin gefunden hatte und dass ich die Situation als Notlage empfunden habe. Ich wurde vor allen heruntergeputzt. Zur Strafe durfte die gesamte Truppe, an diesem Tag weder Schaufeln noch Eimer zum Strandspaziergang mitnehmen. Damit war ich für alle anderen Kinder ganz klar der Ar*** der ihnen den Tag versaut hatte. Meinetwegen durften sie nicht am Strand spielen und das haben sie mich natürlich auch merken lassen. Ich wurde für eine Weile komplett von allen ausgegrenzt und zum Teil auch beschimpft. Diese Gruppenbestrafung habe ich als unfassbar ungerecht empfunden, vor allem, weil ich nur einem anderen Kind in einer Notlage helfen wollte.
Natürlich bekamen wir auch irgendwann Post von unseren Eltern. Da wir selber noch nicht lesen konnten, wurden uns die Briefe von den Betreuerinnen öffentlich vorgelesen. Mir ist nur ein einziger Brief in Erinnerung geblieben. In diesem Brief fragt meine Mutter mich, wie mir der gestiefelte Stoffkater gefallen hätte, den sie in einem Paket an mich verschickt hatte. Ich war total schockiert. Niemand hatte mir ein Päckchen ausgehändigt, das Stofftier habe ich nie erhalten und es hat sich auch keine der Betreuerinnen dafür interessiert, wo dieses Paket geblieben sein könnte, obwohl ich natürlich unbedingt wissen wollte, wo mein Paket geblieben ist. Ich hatte auch keine Chance irgendwo nachzufragen oder meine Eltern kurzfristig zu informieren. Bis heute glaube ich, dass jemand von den Betreuerinnen oder der Poststelle, dieses Stofftier mitsamt Paket gestohlen hat. In unserem Familienalbum gibt es ein Foto davon, wie meine Mutter dieses Paket packt. Wenn immer ich dieses Foto sehe, habe ich auch heute noch das diffuse Bedürfnis, nach dem Verbleib des Pakets zu forschen.
ich war nicht in Engelsbrand. Allerdings ist Engelsbrand jetzt eine geschlossene gerontopsychiatrische Einrichtung. Ich habe dort meine Ausbildung gemacht von 2006-2009.
In der Verwaltung werden noch die ganzen Belegungsbücher der Patienten aufbewahrt die in Heilklinik waren. Ich hatte selbst Einblick in diese.
Ich denke, dass man dort bezüglich weiterer Infos bestimmt Einblick bekommt.
Liebe Grüße
In der Nacht, soweit ich mich da noch erinnere, gab es eine Person, die nicht immer dort war. Sie war sehr nett, hat mir auch mal für meine verklebten Augen Tropfen gegeben. Sie sagte uns auch immer, dass wir nichts sagen sollen über ihr freundliches Verhalten uns gegenüber.
Da ich nicht so dünnhäutig war, ist dieser Aufenthalt doch ziemlich spurlos an mir vorbeigegangen, aber halt nur ziemlich. Immer wieder kommen die Gedanken an diesen Aufenthalt in mir hoch. Ich versuche zu rekonsturieren, mich an mehr zu erinnern. Es wäre toll hier noch mehr Leidensgenossen/innen zu finden um sich auszutauschen.. Meldet euch einfach bei mir wenn ihr auch dort wart.
Das ist im Vergleich zu den anderen Berichten nichts Schlimmes - dennoch hat mich diese Zeit auch "geformt".
Ingesamt fällt somit mein Fazit positiv aus!
erschütternd, was man da liest ... aber ich habe in zwei Verschickungen gute Erfahrungen gemacht. Ok, die Erinnerung ist nicht mehr richtig da, aber so Momente, bspw. gemeinsam Blaubeerensammeln (und essen) im Schwarzwald, leckeren Blumenkohl, den ich mir nachgeholt habe, so ein paar Dinge sind noch ein bisschen präsent. Also es war nicht überall schlimm.
Grüße Martin Rosebrock
In meiner ersten Kur als 3 oder 4-jähriger in Gaißach war es streng verboten, nachts das Zimmer zu verlassen um die Toilette aufzusuchen. Eine Nachtschwester hat den Gang wütend bewacht. Ein Kind hat sich Verzweiflung in die Ecke unseres Zimmers erleichtert.
Meine Aufenthalte in Norderney waren überwiegend positiv. Beim zweiten Aufenthalt in Norderney waren wir mit ein paar wesentlich älteren Kindern untergebracht.
Ein Jugendlicher vergriff sich mehrfach an den Genitalien anderer männlicher Kinder. Beschwerden an die Schwesternschaft blieben ohne Reaktion: Man könne nichts machen, "normalerweise" würde der Jugendliche heimgeschickt, aber da der Vater des Jugendlichen die Kurz privat bezahlt, seien ihnen gegenüber der Klinikleitung die Hände gebunden.
Und dann kam mir die Erkenntnis, dass mich dieser Geruch an die Frühstückssuppe im Kinderkurheim Reinhardshausen erinnerte.
So nach und nach kamen aus meinen Hinwindungen die Erinnerungen ans Tageslicht:
Ganz besonders der Durst, der mir in den 6 Wochen abtrainiert wurde (bis heute habe ich große Probleme mit ausreichendem Trinken),
mein Geburtstagspaket (ich wurde 7), das ich zwar öffnen durfte, aber weder vom selbstgebackenen Lieblingskuchen noch von den Süßigkeiten, die mir meine Mutter einpackte, anschließend etwas essen durfte,
wie wir Bettnässer von der Heilquelle zurückgedrängt wurden (nach einem Fußmarsch nach Bad Wildungen) und zusahen, wie die Nierenkranken ein ums andere Glas Wasser im Hochsommer trinken durften,
die Scham, wenn es abends für uns, die wir wieder das Bett eingenässt haben, nur ein halbes Glas Tee bekamen mit dem wohlmeinden Rat: Einfach drei Nächte hintereinander trocken, dann gibt es ein volles Glas.
Wenn ich das hier schreibe, spüre ich meiner damaligen Verzweiflung nach.
ABER: Ich lernte dort auch meine langjährige Brieffreundin kennen. Wir hielten zusammen und tauschten unser Wissen über Beeren und Sauerampfer aus. Sauerampfer lässt einen den Durst vergessen.
Was mir geblieben ist: Meine Abneigung zu trinken, die ich immer noch nach fast 50 Jahren bekämpfe.
Ich dachte immer, das seien individuelle Erfahrungen gewesen... und bin erstaunt, erschreckt, dass es vielen damals ähnlich ergangen ist. Deshalb schreibe ich ...
Ich denke,daß diese Berichte eher von Ausnahmen erzählen,aus Häusern in denen "gute katholische" Nonnen gehaust haben,die ähnlich wie in manchen Krankenhäusern noch der spanischen Inquisition nachgetrauert haben.
Meine Bronchitis hatte sich übrigens nach den 6 Wochen erledigt.Dazu dürften die Inhalationskuren erheblich beigetragen haben.Es tut mir leid für alle,die andere und schlechte Erfahrungen gemacht haben.
Ich glaube, ich war 1958 und 1962 in der Kinderkur auf Borkum.
Meine erste Kur war in "Marienhof" auf Borkum. Das Haus war die Hölle!!!
Erinnere mich ganz genau, dass im "Marienhof" auf Borkum Kinder wahnsinnig Heimweh hatten, beim Essen erbrochen haben und das auch wieder aufessen mussten!! DAS sehe ich heute noch lupenrein vor mir! In diesem Haus gab es Nonnen, stimmt. Von denen waren einige unerbittlich!! Millitärisch, kaltes Regime!
Später war ich in "Haus Ruhreck", das der Stadt Essen gehörte. Dort war es viel, viel besser! Die "Tanten" waren zwar auch sehr verschieden.... aber doch recht erträglich. Es gab in "Marienhof" und auch in "Haus Ruhreck" freitags häufig Walfischfleisch. Außerdem täglich 1 Esslöffel echten Lebertran (Pfuiteufel!!). Jedes Kind musste seinen Kopf nach hinten beugen, die "Tante" ging hinter den Stuhlreihen her und ließ in jeden Mund 1 Löffel Lebertran laufen.
Erinnert sich jemand an "Tante Christel" von Haus Ruhreck? Die war doch ganz okay!
Stimmt auch, dass die Schlafsäle nachts abgeschlossen waren bzw. man nicht zur Toilette gehen durfte. Komme, was da wolle...
JAAA, das war echt schlimm.
Stimmt auch, dass die "Tanten" für die kleineren Kinder die Postkarten geschrieben haben. Die älteren durften selber schreiben, aber den Brief nicht zukleben..... und manchmal neu schreiben!
Aber ich habe auch schöne Erinnerungen an Borkum und an Haus Ruhreck.
Ich glaube nicht, dass ich Schaden genommen habe, aber es war schon schräg, jetzt im Nachhinein gesehen. Das Beste war, möglichst unauffällig und angepasst zu sein. Dann vergingen die 6 Wochen ganz passabel.
Ich liebe aber seitdem die Insel, war schon öfter dort und habe die positiven Erinnerungen aufgefrischt.
Heute denke ich, was Borkum angeht, die meisten Betreuerinnen haben ihren Job gerne gemacht. Es war eine andere Zeit mit einem völlig anderen Umgangsverständnis mit Kindern! Man wusste es vielleicht nicht besser und dachte, man müsse Kindern Räson beibringen??
Mal ehrlich, heute gibt es auch Lehrer, Erzieher, Erwachsene überhaupt, die ihre Macht über Kinder ausspielen, mobben, verletzen usw. OBWOHL sie heute eine entsprechende pädagogische Ausbildung haben!
Als Eltern muss man seine Kinder von klein auf stärken und schützen, Dazu gehört bedingungslose Liebe zum Kind und Mut!
In den Zug im Nachbardorf (Südniedersachsen) gesetzt, abgeholt und das gleiche bei der Rücktour.
Das Wetter spielte keine Rolle. Man war immer draussen, hat gespielt (auch unter Anleitung).
Im Sozialkontakt musste man sich einfügen, oder hat selbst die Gruppe beeinflusst.
Zu jeden Teller Linsensuppe gab´s ein Würstchen. Einmal schaffte ich derer sieben. Im Kreis, mit freiem Oberkörper und den dicken Brillen um die "Höhensonne" laufen. Ein riesiges Aquarium trennte zwei Säale voneinander. Die Jungs hingen vor dem Glas, um die Mädels bei "Höhensonnengang" zu beobachten. Alles kindlich normal und mit klaren Direktiven durch das Personal.
Würde heute dem einen oder anderen wohlstandsverwöhnten Fridayshüpfer auch gut tun.
Hat´s mir geschadet? Eher nicht! Habe einen Handwerksberuf gelernt, mit Auszeichnung, Psychologie mit Note 1 und auch ansonsten, mit jetzt 70 Jahren, ganz "gut drauf.
Ach so! Bei der Sturmflut 1962 (Norderney) wurden wir mit den letzten Schiff (Ich glaube "Frisia 6") ans Festland gebracht. Der Keller stand schon unter Wasser. Für uns schon dramatisch aber man hat sich verantwortungsbewusst um uns gekümmert.
Bei meinem zweiten Einsatz auf Spiekeroog traf ich einige Jungs vom Vorjahr wieder. Großes Hallo und ab gings sofort zu Räuber und Gendarm in die Dünen.
Negativ: Die dicken Bandnudeln in einer Milchsoße.
Aber - man muss ja nicht alles mögen.
Bleibt normal und sozial.
Im Büsum angekommen wurde ich als einer der Jüngsten permanent unterdrückt, ich musste täglich fette Suppe mit fettem Fleisch essen, Nachmittags wurde ich bei den Spaziergängen nach dem angeordneten Mittagschlaf am Deich spazieren gehen. Regelmäßig wurde ich von den Größeren in die Schafsch... geworfen und angemessen dafür bestraft, weil ich angeblich nicht gut laufen könnte. ich erinnere mich an vieles Essen, wie Fisch in Senfsoße, ich musste ständig Dinge essen die ich nicht mochte. einmal wöchentlich schrieb eine tante einen Brief, der nicht meinen Worten entsprach. ich bekam nur einmal ein Paket, ich glaube zum Geburtstag. Die Eltern sollten nichts schicken wegen der Gleichheit angeblich. Ich erinnere mich noch, das die wenigen Süßigkeiten zu 90% an andere verteilt wurden. Die anderen kinder erhielten oft Pakete, auch das wurde verteilt. Ich erhielt manchmal etwas davon, das wurde von den älteren einkassiert. Unterdrückt wurde ich ständig. Ich konnte nichts mehr, warf die fettigen Fleischbrocken unter den Tisch, oder sammelte sie im Mund und tat sie in mein Taschentuch. ich wurde immer erwischt, oder verpetzt. Das gab dann Strafen, so bekam ich weniger Süßigkeiten, keinen Pudding und auch nichts zu trinken wenn ich Durst hatte. Alle mussten auf mich warten und mir beim essen zusehen. Sie wurden zu Spitzeln gemacht um zu kontrollieren ob ich alles Fette esse. erst dann gab es für die anderen Süßigkeiten. Ich war sehr starkem Druck ausgesetzt. Meine Eltern glaubten mir nicht. Als ich nach Hause kam, war ich sehr krank und tramatisiert. Ob ich daher bleibende gesundheitliche Probleme davon getragen habe könnte verneinten alle Ärzte, ich bin mir da aber nicht so sicher. Es ist lange her, aber ich hätte Interesse am Austausch mit anderen. ich war der Junge mit dem roten Parka von meiner Schwester, den ich auftragen musste
Viele Grüße Linde
Ich kann mich genau an die Stunden vor Milchsuppe mit Polenta zum Frühstück erinnern. Noch heute wird mir übel wenn ich nur an Milch denke...
Man durfte nicht alleine duschen und wurde viel zu kalt abgebraust.
Ich erinnere mich, dass ich Hunger hatte und dass wir heimlich Tempotaschentücher aßen.
Wenn jemand ein Päckchen von zu Hause bekam, machten die Betreuerinnen es auf und nahmen die Süßigkeiten heraus. Die durfte man nicht essen.
Ich erinnere mich an das Holzkreuz über der Tür des Schlafsaales.
Gmund hat mir eine lebenslange Abscheu für Reisbrei und Religion beschert.
PS: beei Bedarf gerne ausführlicher
21.02.1967 – 04.04.1967 Kindersanatorium Sommersberg, Bad Rippoldsau
24.04.1968 – 02.07.1968 Kindersanatorium Sommersberg, Bad Rippoldsau
03.03.1971 – 16.04.1971 Kinderheim Ludgeristift, Norderney
Meine Eltern hatten Wert darauf gelegt, dass ich wegen der Kuraufenthalte die Schule nicht verpasse. Daher fanden die ersten beiden Aufenthalte statt, bevor ich überhaupt in die Schule kam. Ich hatte mich sogar auf die Fahrt in den Schwarzwald gefreut, denn das hieß, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben Zug fahren durfte. Von Rheine oder Münster aus startete die aufregende Fahrt – damals noch mit einer Dampflok. Meine Eltern hatten mir am Bahnhof sogar noch ein Micky-Maus-Heft gekauft. So etwas gab es sonst nie! Man kann sich jedoch vorstellen, dass die lange Fahrt dann doch meine kindliche Geduld überstrapaziert hat.
Ich erinnere die medizinischen Behandlungen in Bad Rippoldsau. Kurz nach der Ankunft mussten alle Kinder zum Allergietest. Das ging auch damals schon mit dem Pricktest. Dazu wurden kleine Wunden in die Haut geritzt und mögliche Allergene darauf geträufelt. Bei einer allergischen Reaktion schwillt die entsprechende Stelle an. Wir Kinder mussten uns mit freiem Oberkörper in mehreren parallelen Reihen aufstellen. So konnte man genau beobachten, wie dem Kind am Anfang der Reihe zahlreiche kleinere Wunden in den Rücken geritzt wurden. Selbstverständlich flossen dabei Tränen. Und die Tränen flossen nicht nur bei den Kindern, die gerade behandelt wurden, sondern auch bei denen, die genau wussten, dass sie diese Prozedur in wenigen Minuten auch über sich selbst ergehen lassen müssen.
Regelmäßig wurde ein Gruppe von Kindern abkommandiert, um neue „Krätzerchen“ zu bekommen. Wozu diese Behandlung gut war, weiß ich bis heute nicht. Dazu wurde ein Instrument ähnlich einer Gabel benutzt. Aber anstelle der Zinken hatte dieses mehrere scharfe Zähne, ähnlich wie bei einer Säge. Damit wurde die Haut am Arm aufgeritzt, so dass man aus mehreren parallelen Streifen blutete. Anschließend wurde an gleicher Stelle quer dazu nochmals geritzt. Es entstand so ein blutendes Schachbrettmuster in einer Größe von etwa 1,5cm x 1,5cm. Darauf wurde dann eine bräunliche Flüssigkeit geträufelt, die sehr unangenehm roch. Wenn man später zum Mittagessen ging, versuchte man den Arm möglichst weit von sich weg zu halten. Allerdings beschwerte sich dann der Nachbar über den Geruch. War so ein „Krätzerchen“ halbwegs verheilt, so gab es ein neues.
Im Ludgeristift wurden keine medizinischen Behandlungen durchgeführt. Ich habe sowohl positive, wie auch negative Erinnerungen. Dort habe ich etwas über das Inselleben und über Landgewinnung gelernt. Auch hatte ein Junge aus meiner Gruppe total spannende Geschichten über ein Schloss bei ihm zu Hause in Höxter zu berichten. Angeblich gebe es dort unsichtbare Wände, die man in einer Richtung (unbemerkt) durchschreiten kann. Anschließend sei man dahinter eingesperrt und müsse elendig verhungern. Er hatte versprochen, mich nach dem Kuraufenthalt mit seinem Kettcar zu Hause abzuholen, um mir das Schloss einmal zu zeigen. Er ist natürlich nie gekommen.
Weit hinten im großen Schlafsaal lag ein Junge, der nachts ins Bett machte. Ich sehe ihn noch heute mit Tränen in den Augen an allen Kindern vorbeilaufen, um den verkoteten Schlafanzug hinauszutragen. Eine andere Szene in diesem Schlafsaal: Ich lag nachts wach. Im Bett neben mir schlief ein Junge, der seinen Arm aus dem Bett heraus hängen ließ. Ich begann den Arm anzustupsen, hatte aber die Nachtschwester nicht bemerkt, welche mir daraufhin kräftig eine scheuerte. Damals war es auch üblich, dass ein Teller leer gegessen werden musste. Ich hatte mir zum Mittagessen – trotz Vorwarnung - zu viel auf den Teller geben lassen. Der Speisesaal war längst leer und alle Stühle hochgestellt. Ich musste den Rest des Essens in mich hineinstopfen.
ich bin am Wochenende durch Zufall auf diese Seite gestoßen und war erst einmal sehr ergriffen. Ergriffen von den Berichten der Anderen, von der Tatsache, dass es tatsächlich so viele Kinder gab, welche verschickt wurden und solches Leid ertragen mussten. Ich bin nicht allein!!
Ich war dreimal zur Kur, immer 8 Wochen, weil ich Untergewicht hatte:
1882 mit knapp 6 Jahren - in Pausa
1984 mit 8 Jahren - im Postkinderheim Blankenburg "Hanno Günther" Harz
1985 mit 9 Jahren - im Kinderkurheim Marienthal Eckartsberg
Ich mache zur Zeit (mal wieder) eine Therapie und kam dabei auf die 3 Verschickungen zu sprechen und habe gemerkt, dass diese Zeiten mich sehr geprägt haben. Ich habe schon immer gespürt, dass es etwas geben muss, etwas passiert sein muss, warum ich so bin, wie ich bin.
Ich kann mich nur wage an die Zeiten der Verschickungen erinnern. Es kommen immer vereinzelt Situationen hoch. Jedoch kann ich nicht genau zu jeder Erinnerung sagen, zu welcher Einrichtung sie gehört.
Ich kann mich an die großen, kalten Schlafsäle erinnern. Die Waschräume mit den meterlangen Waschbeckenreihen und den Essenssaal. Ich kann mich aber nicht mehr an Gesichter der anderen Kinder oder der Erzieherinnen erinnern. Alles weg.
Ich weiß noch genau, dass ich nachts immer im Schlafsaal die Kinder leise weinen gehört habe. Ich bin dann irgendwann unter dem Weinen eingeschlafen. Am nächsten Morgen waren viele Betten nass gepullert. Jede Nacht die Kinder weinen hören, hat mich ganz schön traurig gemacht. Furchtbar. Es gab keinen Trost von den Erwachsenen, im Gegenteil.
Zum Mittag gab es fast täglich Milchnudeln. Ich habe noch immer, nach fast 40 Jahren die Szene und die Stimmen vor mir, als wir mal wieder Milchnudeln essen mussten. Viele Kinder konnten nicht mehr und mussten es trotzdem aufessen. Danach sind sie zur Toilette gerannt, weil sie sich übergeben mussten.
Einem Mädchen wurden die Nudeln mit Gewalt rein gestopft. Ich sehe es deutlich vor mir. Sie saß am Nachbartisch und ihr Gesicht wurde von der Erzieherin zwischen ihren Fingern fest gehalten, sodass der Mund aufgedrückt wurde und sie ihn nicht wieder schließen konnte. Die Erzieherin hatte die Milchnudeln in ihrem Mund gestopft und alles lief ihr über das Gesicht. Das Mädchen weinte und schluchzte. Dann sagte sie unter Tränen " ich habe die Nase voll..", weil das Essen nicht nur in den Mund gestopft wurde, sondern auch in den Nasenlöchern . Die Erzieherin hörte nicht auf zu füttern, sondern antwortete in einem wütenden Ton nur" ICH AUCH!! "
Ich war so erschrocken und sehe das Bild mit dem Mädchen noch heute vor mir. Auch die Kinder, wie sie nach dem Essen zur Toilette rannten.
Wir mussten uns täglich nackt unter die kalte dusche stellen und uns anschließend gegenseitig mit einer Bürste abstriegeln. Es gab keine Privatsphäre. Wir standen in einer Reihe und schrubbten uns den Rücken ab. Nach einer Weile mussten wir uns umdrehen und das gleiche Spiel beginnt von vorn, damit auch der Letzte in der Reihe seine Abreibung erhielt.
Alle zwei, drei Tage wurden wir gewogen. Dazu mussten alle Kinder im Flur in reih und glied stehen. eine lange Schlange von Kindern. Jedes Kind wurde nacheinander gewogen und das Gewicht laut vorgelesen, dass es Jede/r hören konnte. Es wurde uns Angst gemacht, dass, wenn man nicht zugenommen hat, nicht wieder nach Hause kommt. Schreklich. Wir hatten immer Panik vor dem Wiegen, " Komme ich wieder nach Hause??"
Waschen mussten wir uns täglich in einem großen Waschraum. Alle Kinder nebeneinander, nackt, mit einem Waschlappen und vor den prüfenden Augen der Erzieherinnen.
Die Post wurde immer kontrolliert, dürfte nichts nach draußen gehen. In Pausa war ich noch zu jung, um selbst zu schreiben. Da wurde die Post von den Erzieherinnen geschrieben.
Kontakt nach Hause zur Familie gab es nicht.
Als kleines, hilfloses Kind, 8 Wochen allein, ohne Liebe und Bezugsperson.
Ich weiß nun, warum ich diese Ängste und Panikatacken entwickelt habe, warum ich depressiv bin und sehr schwer Vertrauen zu anderen Menschen habe. Ich sehne mich immer nach Harmonie und einer liebevollen Familie.
Ich bin so froh, dass es diese Seite/ diesen Verein gibt. Sich für uns "Verschickungskinder" eingesetzt wird und ich endlich meine Vergangenheit aufarbeiten kann.
Sandra
An was ich mich selbst erinnern kann ist das wir als Strafe wenn wir nicht artig waren uns nackt an die Wand stellen mussten und mit kaltem Wasser abgespritzt worden bis man angefangen hat zu frieren oder der Rücken anfing zu bluten aufgrund des Waserrstrahls. Zudem wurde jeglicher Versuch sich anders als gewünscht zu Verhalten, sofort mit körperlicher Strafe unterbunden. Ich kann mich auch daran erinnern das es sowas wie steh Strafen gab, wenn man nachts Geredet hat musste man wenn man erwischt worden war den Rest der Nacht neben seinem Bett stehen.
Meine Mutter hat mir unter Tränen, nachdem sie durch eine Dokumentation erfahren hat was den Kindern auf solchen kuren wieder fahren ist, erzählt das ich seit ich dort war keine emotionale Bindung zugelassen habe. Sachen die mir vorher Spaß gemacht haben wurden unwichtig und direkt nach dem Aufenthalt habe ich mich wohl wie ein Zinn Soldat benommen, Kleidung abends akkurat hingelegt, genau wie die Bettwäsche. Dazu kam eine panische Angst vor Wasser, Baden war laut meiner Mutter okay, aber soweit das Wasser aus der Dusche kam oder es geregnet hatte war ich sehr panisch. Dies zu überwinden hat wohl fast 3 Jahre gedauert. Meine ersten worte zu meiner Mutter waren "Sie haben mich nicht gebrochen".
Im Endeffekt haben sie es wohl doch. Ich bin wegen ads in Therapie und dabei kam die Theorie auf, nach dem ich ihr das mit der verschickung erzählt habe, das die Probleme der emotionalen Bindung, Vertrauen und auch andere emotionale Ausdrücke wie Freude, Wut usw für mich nicht möglich sind weil ich wohl aufgrund der Erfahrung dort einfach aufgehört habe emotionales zu zulassen. Mit 33, aber auch schon früher, merke ich es an meinem Umfeld das dieses irgendwie anders tickt.
Nachdem ich hier einige Berichte gelesen habe, bin ich froh das dies anscheinend endlich aufgehört hat kleine Kinder alleine auf die Kur zu schicken.
Danke für eure tollen Beiträge, den diese habe mir geholfen dies hier zu schreiben.
Durch ein Bild, dass ich neulich zufällig auf dieser Internetseite gesehen habe ( Forsthaus) und einen Bericht über Quarzsammeln glaube ich den Ort wiedererkannt zu haben.
Bisher war das Thema Verschickung eher Verdrängung oder dem nicht zu viel Gewicht geben. Tatsächlich sind in meinem Leben einige Dinge immer wieder zum Vorschein gekommen oder tief verwurzelt. Darunter der nicht endende Mittagsschlaf, das Essen von Erbrochenem, sitzen bleiben bis spät abends am Tisch wenn noch nicht aufgegessen wurde. Aufgemachte Pakete, Kalte Duschen mitten in der Nacht, wenn man ins Bett gemacht hat, Heimweh, Ängste. Quarzsuchen, wobei die Fundstücke einbehalten wurden,Äpfel essen samt Kerngehäuse und Stiel und anderes. Geblieben ist die Angst.
Ich habe nicht viele Erinnerungen.
Erste Kur:
Ich weiß noch, dass ich von Giessen aus mit einem Sammeltransport nach Bad Reichenhall kam. Im Heim sehe ich noch den großen Schlafsaal und den Essraum mit blanken Holztischen und -Stühlen vor mir. Da ich von Haus aus durch entsprechende Erziehung ein besonders angepasstes Kind war, kann ich mich nicht an besondere Erziehungsmassnahmen erinnern, von denen andere berichten. Eine Situation bleibt aber mit Scham verbunden auf ewig in mir. Aufgrund ererbter Schwerhörigkeit konnte ich die Texte der morgendlich gesungenen Volkslieder nicht verstehen. Beim Versuch das zu vertuschen und nur Mundbewegungen zu machen, fiel ich auf. So musste ich vor den vollbesetzten Saal treten und sollte allein vorsingen. Da das nicht klappte, wurde ich heruntergeputzt und lächerlich gemacht. Das hat sich eingebrannt, denn ich konnte ja nichts dafür. Mir wurde aber auch nicht geholfen. Ich hab mich unendlich geschämt und bloßgestellt gefühlt. Noch heute bin ich ein Gerechtigkeitsfanatiker. Ansonsten erinnere ich einen Gottesdienstbesuch in einer Kath. Kirche, wo eine von uns ohnmächtig wurde wegen dem Geruch des Weihrauches. Eine gute Erinnerung habe ich an einen Ausflug nach Salzburg. Ich besitze ein kleines Album mit gesammelten Ansichtskarten aus Bad Reichenhall und Fotos von Salzburg.
Was auch schlimm war, wenn man zu den ärztlichen Untersuchungen in Reih und Glied nackt im Flur warten musste auf die Untersuchung. Die ein-und ausgehende Post wurde kontrolliert.
Wenn ich heute lese, dass viele Heime von ehemaligen Stasioffizieren geleitet wurden, wundert mich das alles nicht.
Mein zweiter Kuraufenthalt in Nieblum auf Föhr, auch da erinnere ich mich an wenig. Aber ich habe keine so drastischen Bilder vor Augen wie von Bad Reichenhall. Es gab täglich Haferflocken mit Kakao, Zucker und Milch zum Frühstück. Einmal in der Woche musste es trocken gegessen werden, also ohne Milch. Wir haben viel Turnübungen gemacht, Bürstmassagen und waren wohl auch am Strand. Da es im Herbst war, erinnere ich mich an ein schweres Gewitter am Strand, wo man das Gefühl hatte, der Himmel bzw. die Wolken fallen ins Meer. Ich liebe heute noch die Nordsee und das ostfriesische Flair.
Ansonsten verstehe ich nicht, wieso ich keine anderen Erinnerungen habe, obwohl ich doch schon 13 Jahre alt war zur Zeit des Aufenthaltes.
Ein Mädchen aus einem Ort in der Nähe war zeitgleich mit mir dort. Wir haben uns jetzt mal ausgetauscht, da ich ihren Namen und Adresse wieder fand.
Was mir immer bewusst ist, ist meine früher schlechte Bindungsfähigkeit und Vertrauen in die Menschen.
Helga Hauschild
Der einzige Lichtblick war mein 6. Geburtstag. Ich fieberte hoffnungsvoll darauf hin. Ein anderes Kind hatte an seinem Geburtstag ein Geschenk bekommen. Als der Tag endlich kam, passierte einfach gar nichts. Keine Gratulation, kein Lied, kein Geschenk. Es war ein Tag wie alle anderen schrecklichen Tage auch. Diese, mit jedem Moment des Ausbleibens einer persönlichen Ansprache, wachsende Gewissheit, dass ich völlig bedeutungslos bin, war ein vernichtendes Gefühl und ich schämte mich sehr dafür, dass ich überhaupt etwas erwartet hatte. Es war mir unendlich peinlich. Bei einem Spaziergang blühte der Löwenzahn und dazwischen standen die Pusteblumen auf der grünen Wiese. Ich pustete eine Pusteblume in die Luft und freute mich, dass die kleinen Fallschirme durch die Luft segelten... bis eine Betreuerin auf mich zu kam und vehement schimpfte, sie müsse sich nun ihre schönen langen Haare abschneiden, weil die Samen in ihr Haar geflogen waren! Bis heute spüre ich die Schuldgefühle.
mit meinem Bruder in Bad Salzdetfurt.
Bei den Mahlzeiten wurde wir gezwungen auch das zu essen, was wir nicht mochten. Was übrig blieb bekam man im besten Fall später wieder vorgesetzt.
Wir haben mit Spaten stundenkang im Sand nach Grundwasser graben müssen. Außerdem sollten wir alles aufessen, weul man sonst unsere Hände mit der Gabel am Tisch befestigen würde. Habe mehrfach ins Vett genäßt, und wurde wochenlang unter Hausarrest gestellt. Hatt e einmal sehr hohes Fieber. Es gab eine Betreuerin die nett zu uns war. Wir nannten sie Tante Marianne.
Die erste Erinnerung ist die Zugfahrt vom Hamburger Hauptbahnhof ,wo meine Eltern mich hinbrachten und an die dort anwesenden Betreuungspersonen übergaben. Es war ein Sonderzug ausschließlich für Verschickungskinder . Aus heutiger Sicht fühlt es sich wie eine Deportation an.
Mir ist in Erinnerung geblieben, das ich ein fröhliches und aufgeschlossenes kleines Mädchen war. Obwohl ich
bis dahin nie Nägel gekaut habe, wurden mir einmal in der Woche die Nägel so kurz geschnitten, dass nichts weißes mehr an den Nägeln zu sehen war. Ich habe das nicht verstanden . Es tat sehr weh und die Nägel bluteten weil sie so kurz geschnitten wurden. Ich habe gefragt warum das gemacht werden muss, aber keine Antworten erhalten.
Täglich hat man mir abends einen eklig riechenden Nagellack auf die Nägel gestrichen damit man nicht an den Nägeln kaut. Ich habe aber bis dahin nie an denn Nägel gekaut. Einmal habe ich daran gerochen und den Finger in den Mund gesteckt und wurde erwischt und musste deshalb für viele Stunden in einen Isolierraum. Man sagte mir, dass ich dort wieder hinkommen werde, wenn ich nochmal die Finger in den Mund nehme.
Nach dem Mittagessen mussten wir täglich einen langen Mittagsschlaf in einem großen Schlafraum machen. Dort waren viele Etagenbetten aufgestellt. Man durfte nur mit dem Gesicht und Körper zur Wand liegen. Im Raum anwesend war eine " Schwester " , die uns beobachtete. Es war nicht erlaubt, sich umzudrehen und die Position zu wechseln. Als ich das einmal machte, wurde ich von der "Schwester" sofort aufgefordert, mich wieder zur Wand zu drehen. Sie fasste mich an und drehte mich grob wieder zur Wand. Ein anderes Mal musste ich dringend zur Toilette während des Mittagsschlafes und konnte deshalb nicht in Ruhe einschlafen. Es war mir nicht erlaubt auf die Toilette zu gehen, so dass ich ins Bett machen musste, was mir sehr unangenehm war. Jedenfalls hatte ich fürchterliche Bauchschmerzen weil ich Wasser lassen musste und nicht durfte bis es nicht anders ging und ich ins Bett machte. Ab dem Tag habe ich zum Mittagessen nichts mehr getrunken, damit ich die drei Stunden erzwungenen Mittagsschlaf durchhalte. Ich war ja auch gerade erst 5 Jahre alt und hatte noch nicht so eine Kontrolle über meinen Körper wie vielleicht ältere Kinder.
Ich erinnere mich daran, dass wir an einem Tag Bilder für unsere Eltern malen sollen. Ich habe mein gemaltes Bild noch visuell vor mir. Ich malte gelbe Küken und verzierte das Bild mit bunten Herzen, Sonnen, Monden und Sterne. Darunter schrieb ich in großen Druckbuchstaben meinen Namen. Ich war sehr stolz auf dieses Bild und fand, dass es mir gut gelungen war und freute mich , es meinen Eltern schicken zu können. Da ich noch nicht schreiben konnte mit gerade 5 Jahren, ich war gerade einen Monat zuvor 5 geworden, schrieb ich die Buchstaben B und G meines Vornamens unbeabsichtigt spiegelverkehrt. Die " Schwester" ging umher und sah sich die Bilder an. Zu mir sagte sie, ich müsste das Bild neu malen und meinen Namen richtig schreiben. Es gab so und so nie ein Lob und nie einen liebevollen oder anerkennenden Zuspruch. Die anderen Kinder durften rausgehen zum spielen. Ich musste bleiben und wusste nicht was ich verkehrt gemacht habe. Auch das zweite gemalte Bild sah genauso aus. Die " Schwester" wurde grob und ärgerlich und steckte mich in eine Besenkammer, in der ich das Bild nochmal malen sollte. Ich war völlig verzweifelt und musste dort mehrere Stunden isoliert von den anderen Kindern im Dunkeln verbringen. All diese " Behandlungen " haben dazu geführt, dass man sich als Kind nur noch möglichst unauffällig verhält um diese lange Zeit zu überstehen.
Die für mich allerdings schlimmsten Erlebnisse , die sich tief eingebrannt haben, waren das Baden gehen. Ich war im Sommer auf Sylt. Wir waren oft baden. Ich hatte gerade mein Seepferdchen kurz zuvor gemacht. Für die Verschickungskur hat meine Mutter mir einen neuen Bikini gekauft. Er war rot/weiß kariert und ich hatte ihn noch nie zuvor getragen . Auf meinen Wunsch nähte meine Mutter kurz vor der Kur noch das Seepferdchen-Abzeichen auf die Bikinihose. Ich durfte jedoch kein einziges Mal meinen Bikini am Strand und beim Baden anziehen. Wir kleinen Kinder mussten immer nackt sein ! Obwohl wir alle unser Badezeug dabei hatten. Obwohl ich mich selten getraut habe, Fragen zu stellen, habe ich am Strand gefragt, warum ich nicht wie die größeren Kinder mein Badezeug am Strand anziehen darf. Die Antwort war : Das musst du nicht, du bist noch klein. Alleine weil es mir verboten wurde, fühlte ich mich unwohl. Es fühlte sich nicht richtig an und es kam ein unnatürliches Schamgefühl in mir hoch. Ich war immer ein unbefangenes und natürliches Mädchen gewesen. Aber in diesem Falle wusste ich, dass das nicht richtig ist. Wir wurden von den Betreuern beguckt und auch vor den größeren Kinder war es kein schönes Gefühl am Strand und in Gegenwart der Betreuer und größeren Kinder nackt sein zu müssen.
Diese Verschickungskur nahm mir den natürlichen Umgang mit Nacktheit schon im Kindesalter. Außerdem kam ich als Nägelkauerin zurück nach Hamburg und habe das erst mit Anfang Zwanzig wieder ablegen können.
Jedoch sind mir meine Eigenarten und Probleme erst jetzt klar geworden, nachdem ich im Fernsehen den schockierenden Bericht über das Leid der Verschickungskinder gesehen habe. Die Erinnerung und Bedrückung war sofort zurück!
Es ist gut, dass wir Verschickungskinder durch unsere Berichte etwas zur Aufklärung beitragen können und ich möchte hiermit meinen Beitrag leisten.
ich hatte diese Verschickung jahrzehntelang nicht als Trauma im Blick. Lediglich mein Unfall dort (beim Fangenspielen aufs Gesicht gestürzt) der mich meine Schneidezähne gekostet hat, erinnert mich täglich daran, da ich die Kronen ständig spüre. Die Schwester (Herrmann Frieda?) hat mich vor allen Anwesenden ausgelacht, ob der fehlenden Zahnstücke...ich sehe ja nun aus, wie ihre Großmutter. Mein Körper hatte zudem viele Abschürfungen vom Sturz auf den sandbedeckten Betonboden.
Ich war 9 Jahre alt beim Aufenthalt im August und September 1977. Für 4 Wochen in 'St. Maria'. Erinnere mich an herzlose Schwestern und eine liebevolle Pflegerin, Frl. Helga. Durfte nicht mit auf eine Nachtwanderung, weil ich geweint hatte (Heimweh aufgrund eines Briefes meines großen Bruders). Ich kann mich darüber hinaus an so gut wie nichts erinnern, spüre aber, dass mich irgendetwas von damals bis heute - bin knapp 54 Jahre alt - blockiert. Ich irgendwie nicht in meine Lebenskraft komme. Ich lese die Berichte anderer Betroffener und spüre kaum, dass es auch mir ähnlich ergangen sein muss. Komplett verdrängt. Das erschreckt mich zutiefst.
Beim kürzlichen Aufräumen fand ich 2 Postkarten, die ich an meine Eltern schrieb. In recht fröhlichen Worten schildere ich, was wir so erleben. Z.B. Kinofilm geschaut (Onkel Toms Hütte). Wurden wir medikamentös ruhig gestellt?
Ich wäre sehr froh, wenn es Jemanden gibt der mit mir vll sogar zur gleichen Zeit da war und mir 'auf die Sprünge helfen' kann.
Liebe Grüße aus Hamburg.
ich hatte diese Verschickung jahrzehntelang nicht als Trauma im Blick. Lediglich mein Unfall dort (beim Fangenspielen aufs Gesicht gestürzt) der mich meine Schneidezähne gekostet hat, erinnert mich täglich daran, da ich die Kronen ständig spüre. Die Schwester (Herrmann Frieda?) hat mich vor allen Anwesenden ausgelacht, ob der fehlenden Zahnstücke...ich sehe ja nun aus, wie ihre Großmutter. Mein Körper hatte zudem viele Abschürfungen vom Sturz auf den sandbedeckten Betonboden.
Ich war 9 Jahre alt beim Aufenthalt im August und September 1977. Für 4 Wochen in 'St. Maria'. Erinnere mich an herzlose Schwestern und eine liebevolle Pflegerin, Frl. Helga. Durfte nicht mit auf eine Nachtwanderung, weil ich geweint hatte (Heimweh aufgrund eines Briefes meines großen Bruders). Ich kann mich darüber hinaus an so gut wie nichts erinnern, spüre aber, dass mich irgendetwas von damals bis heute - bin knapp 54 Jahre alt - blockiert. Ich irgendwie nicht in meine Lebenskraft komme. Ich lese die Berichte anderer Betroffener und spüre kaum, dass es auch mir ähnlich ergangen sein muss. Komplett verdrängt. Das erschreckt mich zutiefst.
Beim kürzlichen Aufräumen fand ich 2 Postkarten, die ich an meine Eltern schrieb. In recht fröhlichen Worten schildere ich, was wir so erleben. Z.B. Kinofilm geschaut (Onkel Toms Hütte). Wurden wir medikamentös ruhig gestellt?
Ich wäre sehr froh, wenn es Jemanden gibt der mit mir vll sogar zur gleichen Zeit da war und mir 'auf die Sprünge helfen' kann.
Liebe Grüße aus Hamburg.
Ich war 1973 mit 5 oder 6 Jahren auf Borkum.Ich habe fast keine Erinnerung doch meine Kindheit hatte wohl durch diese Ereignisse negative Auswirkungen.Kurzgefast ich war immer ein sehr ängstliches Kind hatte Angst vor Menschen mochte keine Kindergeburtstage weil man durch Spiele vorgeführt wurde habe mich vor Respektpersonen versteckt.....Später mit 14 begann ich dieses Problem mit Alkohol zu ertränken.Meine Mutter gab mir immer zu verstehen das ich unfähig bin mein eigenes Leben zu führen.Mit 18 bin ich ausgezogen "worden" versank ganz dem Alkohol....1986 lernte ich meinen Mann kennen gründete eine Familie aber die Ängste waren immer da vor allen Dingen Angst vor meiner Mutter.2016 der Zusammenbruch Psychosomatische Klinik Diagnose Postraumatische Belastungsstörung Ängste Panikattacken... durch Therapien fand ich dann heraus das dieser sechswöchige Kuraufenthalt auf Borkum wohl der Grund mitunter ist.Deshalb suche ich Gleichgesinnte die auch zur gleichen Zeit auf Borkum waren und noch Fotos haben auf denen ich mich vielleicht erkennen kann.Das alles ist mir sehr wichtig weil ich davon überzeugt bin das mein Leben anders verlaufen wäre.Meine Mutter weiß angeblich von nichts. LG Sabine aus Duisburg
Esszwang, Toilettenverbot und an kalte Flure, wo man nackt warten musste bis man an der Reihe war zur Untersuchung, duschen oder baden. Ich weiß es nicht mehr. Aber mir kommen jedesmal Tränen, wenn ich Berichte lese. Es ist soviel Zeit vergangen. Warum hat uns damals keiner geglaubt? Meine Eltern leben nicht mehr...ich hätte noch viele Fragen ?
Meine Erziehung bestand aus täglichem auspeitschen mit dem Rohrstock, einsperren ohne essen in der Gästetoilette im dunkeln (kein Fenster), einsperren bis zu drei Tagen im Keller, Kopf in die Toilette drücken und die Spülung betätigen, mental wurde ich nur als Idiot oder Missgeburt gerufen nicht beim Namen, ich bin nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln wert und lande in der Gosse. Das alles war täglich. Ca. 30 Selbstmordversuche hat niemand aufgerüttelt, auch nicht mehrfaches weglaufen. Immer wieder wurde ich zurück geführt da ich minderjährig war. Immer habe ich gedacht das ich doch irgendwas gemacht haben müsste, aber mein Fehler war nur geboren worden zu sein.
Bis heute habe ich gedacht das sie mir doch etwas gutes tun wollten als sie mich unter dem Vorwand Gesundheit nach Borkum und Bad Tölz verschickt haben. Jetzt weiß ich aber das es Heime für Schwererziehbare waren. Also vom Regen in die Traufe. Bis heute habe ich null Selbstwertgefühl oder Vertrauen, ich weiß nicht wie trauern geht oder lieben oder überhaupt Gefühle. Ich möchte einfach nur mein Leben hinter mich bringen..
LG Thomas
Viel ist mir nicht in Erinnerung geblieben von damals. Einzelne Begebenheiten sind gestochen scharf und so präsent, als wären sie gestern passiert. Vieles bleibt als vages Gefühl, sehr vieles ist verschwunden, vielleicht verdrängt?
Außer der Erinnerung bleiben vier gestellte Fotos und zwei von den „Tanten“ geschriebene Postkarten. Das, und ein lebenslanges Gefühl, dass ich irgendwie anders bin, ist das, was mir von diesen sechs Wochen im Februar und März 1972 im Kindererholungsheim Ponyhof in Schönau im Berchtesgadener Land geblieben ist. Mein einziger Kommentar zu den wenigen Fotos und Postkarten war fast 50 Jahre lang, dass es in dieser Kur ganz schrecklich war. Mehr habe ich nie erzählen wollen.
Aber der Reihe nach. Eine Ahnung ist noch da, dass ich aufgeregt und voller Vorfreude war, als meine Eltern mir die 6 Wochen auf dem Ponyhof ankündigten. Die Idee 6 Wochen ohne Eltern oder Geschwister zu sein, hat mir wahrscheinlich keine Sorge gemacht. Pferde und Ponys waren meine erklärten Lieblingstiere. So wie andere Kinder ihren Stoffteddy mit sich herumschleppen, hatte ich ein kleines und ziemlich abgewetztes Stoffpferdchen.
Die lange Reise von NRW bis nach Berchtesgaden, die Ankunft im Kinderheim, die anderen Kinder, die „Tanten“, die Schlaf- und Essenssäle, an all das habe ich keine Erinnerung mehr. Es fehlt auch jede Erinnerung an gemeinsames Spielen mit anderen Kindern. In der ersten Nacht hatte ich mich eingenässt und wurde am Morgen dafür laut von der „Tante“ beschimpft und vor allen Kindern bloßgestellt. Das passierte leider noch öfter und ich wurde immer wieder bloßgestellt und immer weiter ausgegrenzt.
Irgendwann bin ich wohl krank geworden, Mumps hieß es später. Tatsächlich hatte ich einige Jahre später nochmals Mumps und wäre damit eines der wenigen Kinder, die diese Krankheit zweimal bekamen. Das habe ich bis vor Kurzem auch nie angezweifelt, mir fehlt aber jede Erinnerung ans krank sein. In einer der Postkarten schrieb die „Tante“ allerdings, dass ich jetzt wieder gesund sei.
Die anderen Erinnerungen sind schnell erzählt. Ein Ausflug auf dem Königssee zum Watzmann ist mir in Erinnerung, ein Trompeter und das Echo seiner Trompete . Diese Momente habe ich genossen, still für mich und komplett alleine. Keine Erinnerung an ein anderes Kind, mit dem ich Gedanken darüber ausgetauscht hätte.
Dann erinnere ich mich an ein Paket von meinen Eltern und Geschwistern. Süßigkeiten waren darin und auch 10 DM Taschengeld. Beides wurde aber gleich von den „Tanten“ eingezogen. Ich erinnere mich an einen Spaziergang durch einen Ort, bei dem wir an einer Bäckerei vorbei kamen. Es ging auf Ostern zu und die Auslage im Schaufenster war voll mit Ostergebäck. Ein knallroter Osterhase ist mir in Erinnerung geblieben. Den hätte ich mir mit meinen 10 DM Taschengeld kaufen können und ich habe mich sehr geärgert, dass ich an dieses Geld nicht ran kam. Das Geld habe ich natürlich nie wieder gesehen, den Inhalt des Päckchens auch nicht. Auf einer der mir verbliebenen Postkarten bestätigt die „Tante“ trotzdem, dass ich das Paket und das Geld erhalten habe und mich sehr darüber gefreut habe. Kein Wort, wie diese Freude gleich zerstört wurde indem beides konfisziert wurde.
Sehr klar erinnere ich mich noch an die gestellten Fotos, die aus heutiger Sicht den Eltern zu Hause wohl vorspielen sollten, dass alles in Ordnung war. Es hieß, wir gehen zum Fotografieren, Farbfotos sogar, und jeder solle sich etwas Rotes anziehen, weil das besonders gut auf Farbfotos wirke. Zum Foto auf dem Schlitten habe ich dann meinen blauen Lieblingspullover mit rotem Muster angezogen. Beim Fotografieren wurde ich ausgeschimpft, weil es zu wenig rot sei und bekam kurzerhand die rote Pudelmütze eines anderen Kinds aufgesetzt. Dieses Kind war sicher nicht glücklich, dass der Ausgegrenzt seine Mütze auf hatte.
Für die drei Fotos mit dem/den Pony(s) habe ich dann einen eigenen knallroten Pullover getragen, den ich eigentlich nicht mochte. Alle Fotos wurden nach dem selben Schema fotografiert, außerhalb des Sichtbereiches eine lange Schlange Kinder, auf dem Foto dann nur ein Kind, das ein Pony hält, auf ihm sitzt, oder auf einer Kutsche fährt. Das waren in 6 Wochen die einzigen Kontakte mit einem Pony auf dem „Ponyhof“. Trotzdem erinnere ich mich an diese Momente, so nah bei meinem Lieblingstier war ich vorher noch nie und auch lange danach nicht mehr. Auf den Fotos wirke ich glücklich und war es in diesem einen kurzen Moment tatsächlich.
Rückblickend und in dem neuen Wissen, dass ich die Verschickung nicht alleine so erlebt habe, sehe ich heute, wie mich dieses Erlebnis meinen Eltern entfremdet hat und in mir dieses Gefühl verursacht hat, anders zu sein, nicht richtig zu funktionieren.
Das Leben ist halt kein Ponyhof, aber vielleicht war der Ponyhof eine Weichenstellung fürs Leben...
Das Telefon klingelt, …. Mama ist am anderen Ende, sie weint. Frägt ob ich den Bericht gestern
im BR gesehen habe.
Es ist ein herrlicher sonniger Herbsttag. Die helle Stimmung die mich durchflutet hat, stirbt abrupt ab. Seelenfensterläden die sich blitzschnell schliessen und mit festem Riegel sichern.
Nein, ihre Tränen werden dieses Schloss nicht öffnen, keinen Weg nach innen finden. Das ist zu spät, diese angebliche Reue wäre zu billig. Ich weiß genau von was sie spricht, antworte aber nicht.
Meine Mutter (82) merkt es nicht. „Ach, vielleicht ist es gut, dass du die Sendung nicht gesehen hast. Was diese Kinder mitgemacht haben. Davon hatte ja niemand eine Ahnung. Wir dachten euch geht es da gut.“ Ja, klar. Es müssen knapp 40 Jahre vergehen. Sie sieht eine Sendung über die Verschickungskinder, um tiefes Mitleid und Tränen für diese fremden Kinder zu vergiessen.
Da war nie Mitleid und Bedauern für mich. Nie. Das war und ist der größte Schmerz, die nachhaltigste Kränkung und Verletzung. Meinen Erzählungen haben sie nie geglaubt. Im Gegenteil. Papa hat immer hellauf gelacht. „Jaja, deine Kinderkur, die hat dich kuriert, hahahahahaha.“ Urkomisch.
Es ist noch alles da. Alle Unterlagen – Papa der Beamte hat alles aufgehoben. Papa war damals Sozialbetreuer bei der Post. Er hat die Kinderverschickungen organisiert. Oft begleitet.
Der Elternbrief, die Kinderverschickungsliste mit allen Namen der Kinder aus dem Bezirk , Kofferverzeichnis, Briefe, 2 Bilder, Kassenbuch-Abrechnungsliste usw. klebt in meinem Kinderalbum.
Alle meine Geschwister waren Jahre zuvor auf Kinderkur verschickt worden. Also mußte auch ich. Kamen ja alle so selten brav wieder davon zurück – klappte auch bei mir.
Interessanterweise wollte ich überhaupt nicht weg, egal in welch bunten Farben mir die Eltern davon vorschwärmten. Schon 1981 hätte ich die Reise antreten sollen, bekam einen fürchterlichen Ausschlag, konnte die Fahrt nicht antreten.
Aber ein Jahr später am 12.08.1982-09.09.1982 mit 11 Jahren war es dann so weit Zielort St.-Peter-Ording Haus Quisisana.
Als Begleitperson war mein Papa dienstlich auf der Zugfahrt mit dabei. An die aufregende Fahrt im Sonderzug mit all den vielen Kindern erinnere ich mich gerne. Die 14 Stunden Fahrt im Sonderzug kamen mir unglaublich lang vor.
Direkt am Bahnhof St. Peter Ording wurden wir von den Zugbegleitpersonen getrennt, in Kombies zur Unterkunft gebracht. Ich hatte keine Möglichkeit mich von meinem Vater zu verabschieden, dachte er käme in einem der nächsten Fahrzeuge zum Kurheim. Er sah sich das Heim nicht einmal an. Mit den anderen Betreuern war er in einem Hotel untergebracht. Keiner der Betreuer vergewisserte sich an welchem Ort wir untergebracht wurden. So weit reichte das Interesse an uns nicht.
Ich sah meinen Vater erst bei der Abreise im September wieder.
Am Kurheim angekommen mussten wir sofort mit einer Betreuerin in einer Gruppe loslaufen. Ohne etwas zu trinken, ohne zu essen – nach dieser langen Anfahrt. Es war ein warmer Tag – gefühlt der letzte Sonnentag von meinem Aufenthalt.
In meiner Erinnerung ist die Zeit dort nur regnerisch, grau in grau. Vielleicht war es so ein kalter verregneter Sommer?
An die Anlage und Häuser kann ich mich sehr gut erinnern. Am Eingang links stand das schöne Reetdachhäuschen. Das war im Katalog als Gasthaus abgebildet gewesen. Dort lebte die Leiterin Schwester Cilli Jeve. Ihr bin ich nur einmal begegnet.
Etwas hinter dem Reetdachhaus war ein Flachbau in dem ein großer Raum und im hinteren Teil der Speisesaal/Küche lagen. Vorn rechts war ein einstöckiger Bau. Und ein weiteres Haus im Innenhof.
Meine Unterbringung war in dem vorderen Haus zur Deichseite. Im Schlaftrackt im EG waren die Buben untergebracht. Oben die Mädchen. Es gab ein hübsches 2er Zimmer gleich vorn am Ende der Treppe. Dieses Zimmer hatte Irene P.mit einem anderen Mädchen zugeteilt bekommen. Ich war ganz hinten im großen Schlafsaal mit weiteren 10 Mädchen untergebracht. Ganz hinten gegenüber dem Stockbett. Ich hatte Glück - mein Bett war das letzte und stand an der Wand.
Die anderen Betten direkt neben mir waren Patrizia Sch. und Brigitte S. Im Stockbett war Tanja G. an das andere Mädchen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ganz vorne lag Tanja T. (sie hätte gar kein Bett gebraucht, sie saß die meisten Nächte weinend draußen auf dem kalten Flurboden) . In der Fünferbettenreihe kann ich mich nur noch an Cordula J. und Anja S. erinnern. Nur dass wir uns alle in den Schlaf weinten. In den Betten und auf dem Fußboden war immer überall Sand. Ich glaube im Keller waren die Waschräume und dort fand auch das wöchentliche wiegen statt. Der letzte Raum hinter uns war nur noch eine extrem stinkende 3er Kabinen Toilette.
An die anderen Zimmer vor uns habe ich keine Erinnerung mehr.
Nur an die kleinen Zimmer gegenüber. In denen waren viele, sehr kleine Kinder untergebracht. Die Kinder waren zwischen 3-5 Jahren. Früher haben mir alle widersprochen und gesagt es könne nicht sein, dass dort so kleine Kinder untergebracht waren. Das hätte ich mir eingebildet. Heute durch die Berichte weiß ich, dass ich mir die Qualen der Kinder nicht ausgedacht habe – wie auch. Noch heute kann ich mich an ihr weinen erinnern. Nächte in denen sie ohne Zudecke weinend und frierend auf dem kalten Gang sitzen mussten. Die Türen zum Flur waren ja immer geöffnet.
Jeden morgen standen die Kinder an die Wand gelehnt auf dem Flur. Wir halfen den kleinsten Kindern beim anziehen, kämmten ihre verfilzten Haare. Die Kinder waren dreckig im Gesicht und wir eckelten uns vor ihnen, weil wir Läuse in den Haaren vermuteten. Viele sprachen nicht. Weinten nur. Diese Bilder vergisst man nicht. Wo die Kinder untertags waren, weiß ich nicht. Ich vermute in dem Raum neben dem Speisesaal. Auch woher sie kamen weiß ich nicht. Damals sagte man uns aus dem Osten od. Berlin. Wir hatten alle selbst mit unserem eigenen Heimweh zu kämpfen, dass wir uns nicht weiter um diese Kinder kümmerten.
Die beiden Mädchen die mit mir im Abteil angereist waren hatten noch mehr Pech. Sie waren im Innenhofhaus untergebracht. Die Zimmerkolleginnen piesakten die Mädchen, beide wurden vor Heimweh sehr krank. Sie hingen furchtbar an mir. Ich wollte mich aber nicht immer um sie kümmern.
Eines Tages wurde ich abends von der gefürchteten Aufsicht Fr. Büssen abgeholt. Sie erklärte mir, dass am Telefon der besorgte Vater der Zechmädchen sei und was ich am Telefon zu sagen hätte. Ich wurde in das Reetdachhaus geführt. In einem unordentlichen Wohn-Arbeitszimmer saß eine ältere unsympatische Dame (Cilli Jeve) und gab mir den schweren Hörer. Hr. Z. war am Apparat und fragte mich was da vor Ort los sei. Hinter mir Fr. Büssen – ich konnte, traute mich nicht sagen was wirklich los war. Die einzige Chance vertan. Noch heute schäme ich mich den beiden Mädchen nicht geholfen zu haben.
Tagein tagaus liefen wir in 2er Reihe den Deich auf und ab. Einzige Abwechslung - ein entfernt gelegener alter Spielplatz mit einer Sitzbank.Ich bin die ganzen Wochen dem Meer kein einziges Mal näher als ein Blick aus der Ferne gekommen. Nicht ein einziges Mal wenigstens den Zeh in´s Wasser gehalten. Ich kann mich auch nur an einen einzigen Tag erinnern, an dem wir auf dem harten Strand den Strandseglern aus dern Nähe zusehen durften und dabei den Strand betraten.Wir liefen nur den ganzen Tag auf dem Deich entlang und sangen.
Ja, singen macht fröhlich hieß das Motto. Noch heute kann ich diese Lieder auswendig. „Der Globus quwietscht und eiert….., „Nehmt Abschied Brüder….“, .. .
Wenn ich Filme aus der NS Zeit mit der Hitlerjugend sehe muss ich umschalten, es erinnert mich an den Stil und die Art, wie wir behandelt wurden.
Wir begegneten oft Gruppen von Kindern aus anderen Kurhäusern, die fröhlich lachend aufgepackt mit Badesachen vom Strand kamen. Wir waren kein einziges Mal dort.
Auf der Kassenabrechnung wurden mir 3 Besuche im Wellenbad berechnet. Ich war nur 1x dort. Es war das erste Mal, dass ich in Salzwasser schwamm. Es wurde auch ein Zaubererbesuch abgerechnet und eine Fahrt nach Büsum. Daran habe ich keine Erinnerung ob das wirklich stattfand.
Wer Mittags- oder am Abends als Gruppe als erstes zurückkam, half beim aufdecken der Tische und hatte evtl. die Chance etwas vom guten Essen od. Saft abzubekommen. z.B. Spaghetti mit Hackfleischsoße. Denn wenn die Hackfleischsoße aufgebraucht war, gab es stattdessen Apfelmus auf die Nudeln drauf. Ich bin/war nie heikel, doch das Essen war grauenhaft. Pures Pflaumenmus zum Frühstück. Für jedes Kind je nur ein Glas Saft und das aus Zinnbechern. So ein Glück, wenn man vom guten roten Saft etwas abbekam. Kein Wasser. In einem Brief an meine Eltern schreibe ich, dass mein Papa beim Abholen doch bitte etwas zu trinken mitbringt.
Wir beneideten sogar oft die Kinder am „Dicken Tisch“, die in der Mitte an einem extra Tisch saßen – und die abnehmen sollten. Sie bekamen abends meist Knäckebrot mit Streichwurst und frischen Gurken drauf. Wir beneideten sie so darum. Manchmal gaben sie uns etwas ab.
Einmal hatte ich großes Glück und blickte freudig auf den Teller mit Hackfleisch Spaghetti vor mir.
Es saß eines der kleinen 3-4 Jährigen Mädchen mit am Tisch. Es erbrach sich fürchterlich im hohen Bogen über den ganzen Tisch. Ich wurde sofort aufgefordert das Kind in sein Zimmer zu bringen und auf es aufzupassen. Damit war auch mein Essen gelaufen. Dann ging man halt ohne Abendessen ins Bett. Niemand hat sich um das kleine Mädchen gekümmert. Ich weiß noch es war tagelang krank.
In der Mittagsruhe und nach Rückkehr vom Waschsaal abends durfte man nicht mehr auf die Toilette. Einmal in der Mittagsruhe war es soweit – ich musste einfach. Ich schlich auf die Toilette. Hielt die Türe, die nach außen aufging, mit Fingerspitzen zu. Kaum drauf, riß es fest an der Türe und Fr. Büssen zog mich von der Schüssel. Ich weiß heute noch, dass ich panische Angst hatte, bekomme noch immer Herzklopfen, wenn ich zurückdenke. Sehe diese große starke blode Frau über mir und ich „Entschuldigung, Entschuldigung , Entschuldigung“ stammelnd.
Sie war gnädig an diesem Tag und zur Strafe musste ich vor allen Kindern im Speisesaal ein Lied singen. Sie wußte ja nicht, dass das für mich keine Strafe war. Ich sang gerne und hatte keine Scheu. Zudem kam es täglich mehrfach vor, dass ein Kind gestraft wurde, ein Gedicht aufsagen, in die Ecke stehen musste usw. – nach kurzer Zeit nahm eh kaum jemand mehr davon Notiz.
Vor dem einschlafen schmiedeten wir Pläne, wie wir die Bettlaken aneinander knoten und uns daran abseilen könnten. Wir überlegten ob wir den Weg zum Bahnhof finden würden. Aber ohne Geld wie eine Fahrkarte kaufen? Flucht war unser einziger Gedanke. In einem Brief an meine Eltern, schreibe ich auf der letzten Seite an meine Schwester, sie soll Geld von meinem Sparbuch abheben und mich bitte holen.
Schreibt das ein Kin, das eine glückliche Zeit erlebt?
An einem der letzten Tage, den Deich auf und ab spazierend, treffe ich plötzlich Freunde meiner Eltern, die zufällig Urlaub im Ort machen. Sie fragen ganz erstaunt was ich hier mache, wo doch meine Eltern mit meinem Bruder in Urlaub gefahren sind. Bis zu diesem Tag hatte ich nur den Wunsch irgendwie alles auszuhalten und die Zeit zu überstehen, nach Hause zu kommen.
An diesem Tag ist in mir etwas zerbrochen. Dieses bittere Gefühl, die Klarheit - meine Eltern wollten mich loswerden. Die innere Verletzung, das Abgeschoben werden, eine plötzliche kalte innere Versteinerung. Das verlorene Vertrauen in alle die mir am nächsten stehenden Menschen. Keinem Menschen zu vertrauen ist mir zum Selbstschutz seit dieser Zeit geblieben.
Ob es wirklich an dieser damals durchlebten Zeit liegt, dass ich generell äußerst Mißtrauisch bin, weinenden Menschen oft nicht das gegebene Mitgefühl entgegen bringen kann, ich weiß es nicht.
Noch heute ist ein mir entgegengebrachter Vertrauensbruch eher eine Bestätigung als eine Enttäuschung.
Auf der Kassenauflistung ist ein Kinobesuch abgerechnet. Der Besuch bestand darin, dass wir im Speisezimmer einen Film vorgespielt bekamen. „Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“.
Keinem von uns gefiel dieser eigenartige Film und doch war es eine große Abwechslung.
Da ich keinen Pfennig Taschengeld dabei hatte, verdiente ich mir etwas dazu, in dem ich aus meinen mitgebrachten Perlen Armbänder knüpfte und an die anderen Mädchen verkaufte. So hatte ich die Möglichkeit mir auch mal ein Softeis od. eine Cola zu kaufen. Ich beneidete die Kinder die etwas Taschengeld mitbekommen hatten sehr. Ich kam mit allen Kindern gut aus und war noch jahrelang mit Brigitte aus Augsburg eng befreundet. Sie hatte in der Kur einen Waschzwang entwickelt, der sie jahrelang belastete.
Ich kenne seither kein Heimweh. Die von meiner Familie immer ins lächerliche gezogene, in St.-Peter-Ording erlebte Zeit, hat mich auch von meinen Eltern seelisch entfremdet. Ich fühlte mich bei der Rückkehr auch zu Hause nicht mehr wohl. Bin mit 16 Jahren ausgezogen.
Vielleicht spielt die Erinnerung mir einen Streich, es sind ja nur Bruchstücke aus dieser im Rückblick kurzen Zeit. Ich erinnere mich nur an schlechte beklemende Momente in der Kinderkur.
Auch heute, wenn ich meinen Vater auf diese Zeit anspreche, ist keinerlei Einsicht des Fehlverhaltens von seiner Seite als Betreuer erkennbar.
Zumindest hat mein Vater kein Kind mehr nach uns nach St.-Peter-Ording „verschickt“.
Man bekam zum Frühstück appetitanregende Tropfen, die man nehmen musste. Wir waren nur Mädchen und wurden ständig zum Essen genötigt.
Nach dem Mittagessen mussten wir auf einer überdachten Terrasse stundenlang unter einer Decke mucksmäuschenstill ruhen und stillhalten. Schläge gab es auch. Ich fiel einmal auf einen Nachttisch der zerbrach. Die wütende Nonne ergriff ein Holzbein und schlug auf mich ein. Ich schützte Kopf und Körper mit meinen Händen. Ein weiteres Mädchen aus ärmlichsten Verhältnissen kam verschmutzt und zerlumpt an. Sein Koffer wurde ausgeschüttet und der Inhalt vor unseren Augen kommentiert. Es war Bettnässer und wurde bei einem Malheur zwischen den Betbänken schreiend an den Haaren auf dem Boden aus der Kapelle gezogen, während wir beten mussten.
Die Briefe, die wir nach Hause schreiben mussten, wurden zensiert und bei Nichtgefallen einfach zerrissen. Alles musste fehlerfrei und schön beschrieben werden.
Ich habe viele schlimme Erinnerungen, und bin froh, dass es diese Aufklärungsaktion gibt.
Ich, ein Einzelkind, konnte mich gut anpassen, nahm zu und hatte dadurch wohl Nachsicht. Meinen Eltern habe ich nicht viel erzählt. Meine Mutter hatte sich in meiner Abwesenheit einer Gallenoperation unterziehen müssen und mich deshalb weggeschickt.
Ich besitze noch Postkarten und Photos, die die Nonnen machten, um zu zeigen, dass alles gut ist. So verlogen. Mit Erreichen des 14. Lebensjahres bin ich sofort aus der (evangelischen) Kirche ausgetreten.
Das Haus am Donnersberg wurde anscheinend abgerissen.
Danke für Deinen Eintrag zum Ponyhof. Ich war ebenfalls mit 5 Jahren in einem bayerischen Kinderkurheim, und habe dort erlebt, wie ein Junge - ähnlich wie Du - wegen Bettnässen ausgegrenzt und bestraft wurde. Damals wie heute bin ich völlig schockiert von dieser Brutalität der "Tanten" und Kinder. Meine Hochachtung an Dich, wie Du Dich durchgekämpft hast.
Der Aufenthalt fand im Winter statt, es lag Schnee und war kalt. Das Heim hatte Fensterläden aus Holz, was ich bis dahin noch nie gesehen hatte. Ich erinnere mich an Schlafräume mit vielen Betten und andere Kinder. An Gespräche, Spiele, Lachen oder Spaß kann ich mich allerdings nicht erinnern. Ich war zu dünn, sagte meine Mutter. Also sollte ich viel essen. Aber ich hatte einfach keinen Appetit. Grießbrei "ohne alles" brachte mich zum würgen und es war eine Tortur, den Teller leer zu essen. In einer Turnhalle mit Sprossenwand wurde geturnt und irgendwas war nicht richtig mit meinem Sportzeug (falsche Farbe oder so).
Besonders schlimm fand ich es, wenn wir ins Bett musste und uns nicht mehr bewegen durften. Die Betten hatten Sprungfedern, die schlimm quietschten, wenn man sich drehte. Das hörte das Fräulein nebenan und es gab Schimpfe, wenn sie jemanden erwischte. Ich weiß noch, dass ich nicht schlafen konnte, weil ich unbequem lag und Angst hatte, mich zu bewegen.
Angst und Heimweh sind die stärksten Gefühle, die aus dieser Zeit noch vorhanden sind.
Als ich nach 6 Wochen wieder nach Hause kam, waren mir die Eltern und Geschwister so fremd, aber ich habe die Kur weggesteckt und weitergemacht.
Viele Jahre habe ich nicht mehr an diese Erfahrungen gedacht. Jetzt tut mir das Kind von damals so leid. Ich war erst 5 Jahre! Was wurde uns damals zugemutet? Es ist gut, die anderen Lebensberichte zu lesen, von Menschen, die ähnliches erlebt haben. Es ist gut, dass wir nicht alleine sind.
habe heute einen Artikel in der ARD über die Heime gelesen und mir ist schlagartig
klar geworden das ich eines dieser Kinder war und das was ich erlebt habe keine
Halluzination oder verworrene Erinnerung war, sondern wahr. Wir wurden gequält.
In dem frühen 80ern (82 oder 83) hatte ich Keuchhusten und zu niedriges Gewicht und wurde
deshalb für sechs Wochen in eine Kur nach Samerberg/Bayern geschickt. An den genauen
Ort oder Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, ich muss 5 oder 6 Jahre alt
gewesen sein. Erinnern kann ich mich noch daran wie meine Mutter nachts Namensschildchen
in die Klamotten eingenäht hat und das ich große Angst hatte. Am Tag der Abreise, es
ging mit dem Zug nach Bayern, habe ich viel geweint und kaum war ich in einem der Waggons packte mich eine alte Betreuerin und erklärte mir das ich böse war und deshalb in ein Heim kommen würde und meine Mutter niemals wiedersehen würde. Das werde ich niemals vergessen und ich habe meiner Mutter, die inzwischen verstorben ist, nie etwas davon erzählt. Das ich in diesen sechs Wochen im Glauben gelassen wurde nie wieder nach Hause zu kommen nehme ich der Betreuerin persönlich übel.
Von diesem Erlebnis am ersten Tag wurde es eigentlich noch schlimmer, ich war permanent verängstigt und die Betreuer haben immer wieder mit mir geschimpft, aber ich wusste nie was ich falsch gemacht hatte und bis heute Morgen, im Jahr 2021, dachte ich das ich einfach ein verhaltensauffälliges Kind war oder sowas.
An das Essen erinnere ich mich nicht, nur an die vielen "Schläfchen", wir wurden oft ins Bett gesteckt. Dann gab es die Wanderungen wo große Kanister mit Wasser aus einem Brunnen und ein Pulver zu einer violetten Flüssigkeit zusammengemischt wurden und ich sah das erste mal Berge mit Schnee
auf den Gipfeln.
Nachts bin ich manchmal aufgewacht, weil ich mit schmerzendem Gesicht auf dem Boden lag, ich bin wohl aus dem Hochbett gefallen und weil ich alleine nicht mehr ins Bett klettern konnte und so Angst vor den Betreuern hatte bin ich einfach auf dem kalten Boden liegen geblieben und habe mich nicht mehr bewegt. Irgendwann kam dann aber doch einer und hat wieder geschimpft.
An ein Ritual erinnere ich mich noch. Es wurde ein Schokoweihnachtsmann in kleine Stücke zerbröselt und jedes Kind kam nach vorne und durfte sich ein Stück nehmen. Die braven Kinder ein größeres, die bösen Kinder ein kleines.
Da waren auch noch andere Dinge aber meine Erinnerung ist zu ungenau, um es sicher zu beschreiben. Aber es war schlimm.
Ich weiß nicht inwiefern dieses Erlebnis in dem bayrischen Horrorcamp meine späteren Probleme
beeinflusst hat, aber ich weiß mit Sicherheit das man so nicht mit Kindern umgehen darf.
Außerdem habe ich beschlossen im Alter niemals so ein hasszerfressener Mensch zu werden wie die alte Betreuerin. Die Hippies hatten recht, trau keinem über 30.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Freiwilligen bedanken die für das Forum und die
Initiative Verschickungskinder arbeiten. Vielen Dank.
Angstzustände und chronische Schmerzen begleiteten mich mein ganzes Leben, diverse Therapien konnten nur gelegentlich Linderung bringen.
nach weiterer Recherche bin ich darauf gekommen dass ich mich in meinem früheren Beitrag bzgl. der Jahresangabe geirrt habe - ich war ein Jahr später als vormals angegeben, also tatsächlich im Jahr 1969 im Marienheim auf Norderney. Dass es aber um den Februar herum war, ist korrekt.
Über Zuschriften würde ich mich sehr freuen
Die lange Busfahrt.
Ein Raum wo wir begrüßt wurden und uns alle mitgebrachte Süßigkeiten abgenommen wurden.
Der Schlafsaal der großen Mädchen, wo ca. 20 Betten standen und ich als einziges kleines Mädchen schlafen musste. Den Tag musste ich jedoch mit den Kleinen verbringen, so dass kein Mädchen wirklich etwas mit mir anfangen konnte und ich in der Zeit keinen Anschluss fand.
Nachts war das Aufstehen verboten und wenn ich weinte wurde mir mein einziger Freund, mein Teddy , von den Schwestern weggenommen.
Kalte Duschen mit harten Bürsten abgeschrubbt, bis die Haut heiß und rot war.
Reingezwungenes Essen.
Die Karten die wir schrieben wurden kontrolliert, damit sich auch ja niemand zu Hause beschwerte. Ankommende Briefe wurden laut vorgelesen und mein Geburtstagspaket verschwand. Ich durfte davon sogar einen Bonbon essen.
Ich kann mich an Winterwanderungen erinnern, aber an keine Spiele und an keinen Schneemann.
Wenn wir brav waren, durften wir ab und an Sandmännchen sehen.
Am letzten Abend wurde uns unser mitgebrachtes Taschengeld gegeben und wir mussten es für irgendwelche Souvenirs ausgeben, die die Schwestern (Nonnen?) aufgebaut hatten. Wechselgeld gab es nicht.
Ich wurde am nächsten Tag von meinen Eltern mit dem Schlitten vom Bahnhof abgeholt. Ich saß hinter meinem Koffer und hab irgendwann zu meiner Mutter gesagt : "Schau mich nicht an, sonst muss ich weinen." Ich habe lange weder ihren Blick, noch ihre Nähe ertragen können.
Ich war danach ein anderer Mensch. Immer bemüht nicht aufzufallen, immer im Hintergrund, ohne Selbstbewusstsein und ohne Vertrauen.
Jetzt weiß ich warum.
Was dann kam, war für mich ein absoluter Alptraum. Es ist immerhin nun schon 46 Jahre her, aber ich hab diese Demütigungen nie vergessen können. Ich wurde gezwungen, Rote Bete zu essen! Morgens mussten wir in einen grossen Waschraum mit Betonwaschbecken, und uns mit eiskaltem Wasser waschen. Mädchen und Jungs zusammen. Ich war damals schon ein bisschen schenant, und daher dauerte mein Waschen der Aufseherin zu lange .
...Wir mussten uns die Gesichter mit Creme einreiben, das Gesicht sollte nicht gewaschen werden, warum auch immer....Eine der Aufseherinnen nannte sich Schwester Margarete, die war besonders gemein....Ich erinnere mich, das es spätnachmittags vor den einzigen beiden Toiletten lange Warteschlangen gab. Als ich dann endlich an der Reihe war, hing kein Toilettenpapier mehr dort. Ich hatte Not, mich zu säubern und hab das an der Wand hängende Handtuch kurzerhand benutzt. Hab aber sofort Bescheid gesagt, es sei kein Klopapier mehr da.
Fräulein Margarete hat mir daraufhin kurzerhand das beschmutzte Handtuch im Beisein der anderen Kinder mehrmals um die Ohren geschlagen, das tat ganz schön weh! Ich dachte einfach nur, warum darf ich nicht nach Hause? Hatte furchtbares Heimweh. Zuhause hab ich alles erzählt, aber man hat mir nicht geglaubt. Ich hatte oft im Nachhinein Albträume und hab als Kind dann und wann auch ins Bett gemacht...und immer der Vorwurf meiner Mutter, ich sei an allem schuld...bis heute habe ich nicht das beste Verhältnis zu meiner Mutter, weil sie mir nicht geglaubt hat.
Warten auf die Fähre: 100e Kinder standen und saßen und warteten. Irgendwann wurde man aufgerufen und musste an Bord.
Ankunft im Kurhaus. Man stand in langen Reihen und wurde nacheinander aufgerufen. Wir waren kleine Kinder und das erste Mal allein unterwegs. Wir wussten nicht, wie wir uns verhalten sollten. So nervös bin ich nie wieder in meinem Leben gewesen.
Alle Kinder wurden von einem "Fräulein" abgeholt. Nur unsere Gruppe von ca 20 Kindern stand und stand dort auf der Wiese.
Bis dann mein Name aufgerufen wurde.
Ich wusste, ich muss nun nach vorne treten...meine Schwester fing an zu weinen. Da pfeift mich so ein Fräulein an: nimm gefälligst deine kleine Schwester mit!
Zum Glück kamen wir in eine Gruppe. Zum weiteren Glück noch ein Mädchen aus unserem Dorf. Wir 3 kamen sogar zusammen in den Schlafsaal. Insgesamt waren wir sicherlich 6 oder 7 Mädchen in dem Schlafsaal.
Es wurden viele Spaziergänge gemacht. Auch einzeln durfte man spielen. Das Haus lag irgendwie am "alten Flugplatz".
Morgens musste man ein Glas Salzwasser trinken (würg) wozu auch immer. Später dann kalt mit Salzwasser abreiben. Ich meine, sogar zweimal täglich.
Zwischendurch "musste" den Eltern geschrieben werden. Wir durften in den Briefen nicht jammern...da sonst die Eltern traurig wären.
Mittagsschlaf mit absoluter Ruhe. Ich meine von 12.00 bis 15.00 Uhr.
An ein einziges Mittagessen kann ich mich erinnern....ekelig! Irgendeine lila aussehende Suppe (Heidelbeeren/Fliederbeeren) die gegessen werden musste.
Mir war so schlecht. Ich konnte das nicht essen....ich musste aber! Bis nachmittags 17.00 Uhr war ich allein im Speisesaal und musste diese Suppe aufessen
Ich bin mit 26 kg Gewicht, ( 10 Jahre alt und ganz klein) in diese Kur gefahren und sollte zunehmen
Nach 6 Wochen 400 g zugenommen.
Aber seit dieser Zeit nur schnell und viel gegessen. Jahrelang! Irgendwann dann völlig übergewichtig....aber seit über 4 Jahren endlich Normalgewicht.
Aber Essen und Kontrolle darüber ist mir immer noch wichtig
Das " Fräulein" hieß übrigens Anneliese. Eigentlich war sie nett ....aber sie musste sich an die Vorgaben ihres Arbeitgebers halten.
Zu meinem Geburtstag erhielt ich ein Paket von meinen Eltern das mir auch gleich morgens an Bett gebracht wurde, es war voll mit Süßigkeiten die mir aber sofort mit den Worten das willst du doch nicht alleine essen weg nahm. Bis auf 2 Schokoriegel die man mir gab, verschwand der Rest im Schwesternzimmer. Wenn ich da nach fragte wurde ich an den Ohren in die Ecke gezogen wo ich dann lange stehen bleiben musste.
Aber das schlimmste was mir angetan wurde vergesse ich bis heute nicht! Zum Mittagessen gab es Rosenkohl, den ich noch nie mochte, diesen sollte ich aufessen, und wenn ich bis zur Heimfahrt am Tisch sitze den ist du auf. Nach ca. 2 Sud. habe ich diesen vom Tisch geschoben so das dieser auf den Boden viel. Da für bekam ich Schläge. Am Abend während die anderen Kinder Brot bekamen wurde mir der Rosenkohl wieder vorgesetzt. Dieses wiederholte sich drei Tage, Morgen, Mittags und Abends.. meine Rettung war der Kinderarzt der bemerkte das ich völlig neben mir stand vor lauter Angst.
Wenn ich heute noch Rosenkohl sehe bekomme ich noch ein mulmiges Gefühl.
ich war als 5-jährige für 6 Wochen im Kinderkurheim Gutermann in Oberstdorf. Ich habe leider keinerlei Erinnerungen an diesen Aufenthalt. Gibt es hier andere, die zu dieser Zeit dort waren und mir erzählen können, wie es dort zuging? Ich kämpfe mit diversen psychischen und physischen Schwierigkeiten und versuche dahinter zu kommen, ob dieser Aufenthalt vielleicht dazu beitragen konnte.
Viele Grüße
Susanne Sattler
Wie ich beim Aufenthalt erfuhr, kam meine Tante an einem Tag aus Ahe vorbei und brachte für mich ein Päckchen. Sie durfte mich aber nicht sehen und musste das Päckchen abgeben. Der Inhalt sollte an alle aufgeteilt werden. Aber nichts von den Sachen gab es für uns Kinder.
Nach meiner Rückkehr nach Hause beschwerte ich mich über den Aufenthalt in diesem Heim bei meiner Mutter (nie wieder wolle ich verschickt werden) und bei der Vorstellung / Nachsorge beim Arzt des Gesundheitsdienstes. Mein eindrücklichstes Erlebnis dort war halt der Umgang mit dem Mädchen nachts. Es tat mir so leid und ich konnte nicht helfen, war erst 6 Jahre alt.