ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der „Initiative Verschickungskinder“ (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2774 Einträge
Heinz B. aus Kreis Recklinghausen schrieb am 04.02.2022
Hallo zusammen!

Zuerst einmal vielen Dank an Frau Röhl für ihre Initiative in Sachen Verschickungsheime. Ich bin per Zufall auf die Internetseite gestossen und war einfach nur entsetzt über die #Dinge, die ich da gelesen habe. Es hat mir aber auch gezeigt, dass meine Erlebnisse im DRK-Kinderheim auf Amrum kein Einzelfall waren und es wohl in vielen Einrichtungen so aussah.

Ich hatte als Kind häufig Bronchitis, war zu dünn und immer blass. Da schien meinen Eltern die Nordsee gerade richtig zu sein. Obwohl ich damals bereits 12 Jahr alt war, habe ich nur noch wenige Erinnerungen an diese schrecklichen 6 Wochen.

Wir wurden als Kinder zentral gesammelt und in einen Zug gesetzt. Alle hatten eine Pappkarte um den Hals mit Heimatadresse und Zielort. Ich kann mich noch daran erinnern, dass es fürchterlich warm war im Zug und wir bei Zwischenhalten oft von der Bahnhofsmission mit Tee versorgt wurden. Das DRK-Heim lag in Wittün direkt am Strand, eigentlich schön gelegen. Wie vielen anderen ist mir noch die Tortur des Essens im Gedächtnis geblieben, d.h. Teller leer essen bis zum Erbrechen. Immer roten Tee, häufig Froschaugensuppe und Zwieback mit warmem Vanillepudding. Da ich ja zunehmen sollte, war auch immer reichlich Brot auf dem Teller, was ich alles gar nicht essen konnte. Ich habe es mir dann so manches mal heimlich in die Hosentasche gesteckt und versucht es auf den Spaziergängen wieder wegzuwerfen. Als es der Tante einmal aufviel, wurde ich als "Brotmörder" beschimpft. Ich hatte selbst ein schlechtes Gewissen, da ich so erzogen wurde, dass man kein Brot wegwirft.

Abends war der Toilettengang angesagt! In Reih´und Glied aufgestellt, abgezähltes (und limitiertes) Toilettenpapier und eine ganze Reihe von nach vorne hin offenen Toilettenboxen. Eigentlich waren es keine Boxen, sondern mehr Trennwände. Alles stand unter strenger Aufsicht der Tanten. Geradezu tragisch war es , wenn man in der Nacht zur Toilette musste. Heimlich konnte man nicht dorthin gelangen, ohne entdeckt zu werden. Wir Jungens halfen uns damit, in eine Plastiktüte zu pinkeln und dann in die Dachrinne unterhalb des Fensters zu schütten.

Eine Briefzensur gab es auch bei uns. Sie wurde damit begründet, dass viele Schilderungen übertrieben würden und das den Eltern dann unnötig Angst machen würde. Manche Kinder versuchten, Kurzmitteilungen über die Art und Weise wie die Briefmarke aufgeklebt wurde, an die Eltern zu übermitteln. Briefmarke auf dem Kopf hieß "es ist schrecklich hier" oder schräg links geneigt hieß " es geht so". Diese Tricks waren bei den Tanten aber alle bekannt und funktionierten am Ende dann doch nicht.

Ich besitze noch ein Abschiedfoto, wo wir alle mit einer Matrosenmütze auf dem Foto zu sehen sind. Am 6.6.1966 habe ich einen Brief nach Hause geschrieben, wegen des besonderen Datums. Über 30 Jahre später war ich noch einmal auf Amrum. Zu einem Tagesausflug von Föhr aus. Das Haus gab es immer noch, aber es stand leer. Ich habe eine Gänsehaut bekommen und war seitdem nie wieder auf Amrum.
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Katrin Hebestreit aus Koeln schrieb am 03.02.2022
r Lieben,
es ist erschreckend die ganzen Geschichten durchzulesen. Dadurch fühle ich mich bestärkt auch meine Geschichte anzureihen. Ich war 1975 im Alter von 5 Jahren im Heim Marianne in Obermaiselstein und hatte bisher nur zwei bruchstückhafte Erinnerungen, da ich so jung war. Das waren keine guten, es ging um Erbrechen und auf einem harten Boden sitzen und frieren….und natürlich HEIMWEH ohne Ende. Jetzt, da ich Eure Geschichten durchgelesen habe, schließen sich langsam einige Lücken. Nun kann ich mich erinnern, daß es sich bei dem Erbrochenen um Rosenkohl handelte, den ich unbedingt aufessen mußte, und aufessen mußte, und aufessen mußte.
Ich möchte mich so gerne mit jemandem austauschen, der 1975 auch in diesem Heim gewesen ist und bin auf der Suche nach Gleichgesinnten. Liebe Grüße, Katrin
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Ulrich Breitbach schrieb am 02.02.2022
Ich suche Kontakt zu Personen, die wie ich Anfang der 60er Jahre ins Heim "Knabenheilstätte St. Marienwörth“ verschickt worden sind.
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Bernd schrieb am 02.02.2022
Ich erinnere mich daran mit meiner älteren Schwester in Bad Reichenhall gewesen zu sein. Ich stamme aus einer sozial schwachen Familie und unsere Teilnahme wurde von der Stadt finanziert. Woran ich heute noch denke und deutlich vor mir habe, war eine Bestrafung, weil mir der Nachtisch gut geschmeckt hat. Ich kannte sowas gar nicht und hab gefragt, ob ich noch etwas haben dürfte. Die Aufsicht hat dann alle Portionen, die von anderen Kindern nicht aufgegessen waren, einsammeln und vor mich hinstellen lassen. Ich sollte das alles aufessen, weil ich gierig sei. Und ich wurde gezwungen in dem Essensaal zu bleiben und durfte ihn über Stunden nicht verlassen. Meine Schwester hat sich darüber beschwert und dafür einige Ohrfeigen bekommen, so wie ich, weil ich völlig aufgelöst war. Das war das letzte Mal, dass unsere Mutter uns bei solchen ferienfreizeiten angemeldet hat.
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Mabel aus Braunschweig schrieb am 02.02.2022
1954/55 ? wurde ich (Jahrgang 1946) über die Caritas in ein katholisches Kinderheim in Villingen verschickt, fußläufig war es von Bahnhof und Kirche nicht weit entfernt. Es waren katholische Schwestern dort im Einsatz. Ich erinnere mich, daß am Giebel des (modernen) Heimes ein riesiges Christopherus-Bild (evtl. Mosaik) war. 
Meine Frage/Bitte: Kann jemand etwas zu diesem Haus sagen oder evtl. ein Foto beibringen? 
Auch ich habe dort 4 Wochen lang "gelitten" und so einige Erlebnisse gehabt, die man nie vergißt. Es gab auch Gutes durch einen Jungen (evtl. Nähe Hildesheim), der sich mir gegenüber wie ein großer, lieber Bruder verhielt. 
Vielleicht kann jemand etwas dazu sagen. Dank im Voraus, bleibt schön gesund und herzliche Grüße.
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Hank aus Berlin schrieb am 30.01.2022
Ich war als 3! Jähriger, mit meiner 3 Jahre älteren Schwester, für 6 Wochen in Bad Sassendorf und kann mich an so gut wie nichts erinnern. Wenn ich jedoch lese was den vielen Kindern in dieser Zeit (1969) widerfahren ist, wird mir so manches, heutiges Problem im Leben etwas klarer!
Eine nachhaltige Erinnerung, die mich jahrelang begleitet hat und den Gesamteindruck meines Aufenthaltes als positiv verklärt haben könnte, ist die Musikkassette die wir mit unseren Eltern aufgenommen hatten, nach unsrer Rückkehr aus Bad Sassendorf. Zumindest hatten wir sämtliche Kinderlieder gelernt und konnten dies zum besten geben!
Leberwurst, Salatgurke und Tomate war mir bis zum 35. Lebensjahr ein Gräuel. Die kleinen Plastikschiffchen ind den riesigen Holzbottichen erinnere ich noch. Die Tatsache, dass ich sofort nach Ankunft im Heim von meiner Schwester getrennt und separiert wurde, ist ein begleitendes Trauma. Würde gerne weitere Bilder aus der zaghaften Erinnerung zurück rufen, um mehr zu verstehen im hier und jetzt.
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Ursula Löhe aus Overath schrieb am 29.01.2022
Ich war 1965 auch in Bad Sassendorf ! Ich habe wenig Erinnerungen - nur dass ich ständig meinen kleinen Bruder (4) beschützt habe und einmal jeden Tag mein nicht aufgegessenes Brot mit ekelhafter Blutwurst immer wieder und jeden Tag vorgesetzt bekam …. ich aß es aber nicht - bis die Wurst schimmelte ! Pakete von Zuhause wurden an alle anderen verteilt - man fühlte sich als 5jährige total verlassen und meine Eltern waren nach 6 Wochen sehr erschrocken, dass wir anstatt zuzunehmen , wesentlich dünner und kranker nach Hause kamen …. es war grausam ?
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Bianca aus Dachau schrieb am 28.01.2022
Mein Trauma Pausa - 672 Stunden ANGST

Erst durch die Medien bin ich auf Verschickungskinder aufmerksam geworden. Ich war schockiert. Es gibt einen Namen für mich.
Nachdem ich die anderen Berichte über Pausa gelesen habe sind bei mir schlagartig alle verdrängten schrecklichen Erlebnisse hochgekommen. Über 40 Jahre hatte ich keinen Zugang zu diesen Emotionen. Danke, das das jetzt geschehen ist und endlich eine Verarbeitung stattfinden kann.
Auch ich möchte hier meine Geschichte erzählen:

Es war 1981 und ich 7 Jahre alt. Ich war gesund, hab lediglich nicht so gerne gegessen. Das war der Anlass für eine 4-wöchige Kur in Pausa. Im Bus hab ich mich mit einem Mädchen, Kirsten Z. angefreundet. Ich war aufgeregt - vielleicht kommen wir in eine Gruppe.
Gleich am Anfang haben uns die Erzieherinnen alle persönlichen Dinge außer Kleidung weggenommen, die ihnen gefallen haben. Sie haben alles behalten. Wir haben nichts wiederbekommen.
Es war leider kein Platz für mich in der passenden Mädchengruppe. So haben sie mich in die kleinere Jungengruppe gesteckt. Das hieß kein altersgerechtes Spielen für mich und auch, im Jungenschlafsaal zu schlafen! Allein unter ca. 15 Jungen. Warum ich? Ich sehe mich noch im Doppelstockbett liegen. Ich fühlte mich allein und unbehaglich. Keine Freundin, keine Kirsten Z..

Nun das Schlimmste. Um uns Kinder zum Essen zu zwingen ließen sich die Erzieherinnen folgende unaussprechliche Grausamkeit einfallen:

Wir alle wurden am 1. Tag gewogen, das Gewicht notiert. Eine weitere Wiegung wurde für den Tag der Abreise angekündigt. Nun wurde uns tatsächlich erzählt, dass wir nur wieder nach Hause dürfen, wenn wir zunehmen. Wörtlich: „Wenn ihr abnehmt oder das Gewicht gleich bleibt dürft ihr nicht wieder nach Hause zurück. Ihr werdet Eure Eltern 10 Jahre nicht mehr wiedersehen bis Ihr 18 Jahre alt seid. Ihr kommt in ein Lager, wo ihr ununterbrochen essen müßt. Sowie der eine Teller leer ist kommt eine Erzieherin durch die Tür und bringt Euch einen neuen vollen Teller. Am Abreisetag stehen 2 Busse vor der Tür. Der eine bringt die Kinder, die zugenommen haben nach Hause, der andere Bus bringt die anderen Kinder in das beschriebene Heim.“ Ich habe es geglaubt. Wir alle.
Zu jeder Mahlzeit diese Aussage, egal welche Erzieherin! Es hatte System. Wir hatten die ganzen 4 Wochen keine Kontrolle, ob wir zugenommen haben. Die Ungewissheit, die Angst waren unerträglich. Einmal hab ich dünnes Mädchen mittags 9 Teller Bohnensuppe gegessen. Ich habe aus Angst immer weiter und weiter gegessen und mich dann schließlich in einem riesigen Schwall über mehrere Tische hinweg übergeben. AUS ANGST GEGESSEN BIS ZU KOTZEN. DAS WAR PAUSA. Danach hab ich noch den Vanillepudding gegessen, denn ich war verzweifelt, da mein Magen jetzt leer war und ich an diesem Tag nicht zunehmen konnte.
Die Angst vor dem Wiegen am letzten Tag kann ich nicht in Worte fassen.

Nachts durften wir nicht auf Toilette. Es war strikt verboten unter Strafe. Am Abend gab es immer nur einen kleinen Schluck Tee. Ich hatte Durst. Wir bekamen ja fast nichts zu trinken. Unsere Erzieherin Frau Gaumitz, sie war die Schlimmste, hatte aber gern ihre Tochter am Abend da. Diese bekam Tee soviel sie wollte. Sie schnitzte ihr Apfelmännchen vor unseren Augen. Ihre Tochter aß ihn genüßlich. Wir bekamen kein Obst.
Ja, Frau Gaumitz hatte Lust am Quälen und wir waren ihr und den anderen Erzieherinnen hilflos ausgeliefert.

Ein Junge, René, hat fast jede Nacht ins Bett gemacht. Morgen packten ihn dann jedesmal 2 Erzieherinnen, hielten ihn fest, und brüllten ihn an. Er schrie furchtbar, eine dritte drückte ihn mit voller Kraft und Wut das nasse Laken ins Gesicht bis er ruhig war. Wir alle mußten zusehen. Immer wieder. - Nackte Angst vor der Gewalt und dem Zorn der Erzieherinnen, insbesondere Frau Gaumitz.

Eisduschen: Im Keller gab es einen riesigen Waschraum mit meterlangen Waschbecken und mindestens 10 Duschen in einer Reihe. Hier mußten wir jeden Morgen unter allen eiskalt aufgedrehten Duschen auf und ablaufen. Manchmal nur viel mal, manchmal 10 mal. Je nach Belieben der Erzieherin. War man nachts doch mal auf Toilette (um nicht ins Bett zu machen) mußte man hier länger laufen. Es war Januar/Februar, der Waschraum ungeheizt. Normales Duschen mit warmen Wasser und Haare waschen gab es die ganzen 4 Wochen nicht. Ich hatte Angst vor diesem Waschraum.
Alle unsere Briefe wurden von den Erzieherinnen gelesen, so dass eine Schilderung der katastrophalen Zustände an die Eltern unmöglich war.

In den kommenden 6 Jahren mußte ich jeden Sommer 2 Wochen ins Ferienlager. Kein anderes Kind dort hatte solch extremes Heimweh, ständige starke Übelkeit und mußte sogar 2 Mal abgeholt werden.
Ich wundere mich seit 40 Jahren, wo meine tiefe, tiefe Angst in vielen Lebenssituationen und teilweise eigenartige Krankheiten, für die kein Arzt eine Erklärung hat, herkommen. Die Antwort heißt Pausa und die sadistischen Erzieherinnen.

Ich habe noch ein Foto von allen Kindern und den Erzieherinnen in der „Drachenhöhle“ in Syrau, einschließlich Frau Gaumitz.

Bianca
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Angela aus Pfullingen schrieb am 28.01.2022
Ich bin mit 4 Jahren nach Bad Dürrheim geschickt worden, warum, weiß ich nicht genau. Ich hatte Allergien und war klein und zart. Uns hat man in Ludwigshafen/Rhein in einen Bus gebracht, meine Mutter gab mich in Händen eines großen Jungen, der auf mich aufpassen sollte, wir kannten ihn. Als wir ankamen, wurde ich von ihm getrennt und ich weinte fürchterlich.
Wir kamen dann in einen Saal mit Wannen, mussten uns ausziehen und baden, was ich nicht verstand, da ich zu Hause schon gebadet hatte . Man untersuchte auch unsere Haare auf Läuse. Ich war 6 Wochen da, und sehr einsam. Ich dachte, falls ich jemals da raus komme, sind meine Eltern bestimmt tot.
Ich kann mich an fürchterliche Esskultur erinnern, sehr harsch und im Befehlston. Ich weiß nicht viel, aber ich sollte 1 Apfel ganz aufessen, mit allem und Stil, und ich weigerte mich. Ich kann mich noch an eine Kammer mit Nebel erinnern, in der wir sangen. Und an eine Kindergärtnerin, die mit uns draußen Gruppenspiele machte.
Am 1. Tag sollten alle ein Mittagsschlaf halten, es war ein Saal mit Stahlbetten, und ich sollte mit 4 Jahren die Aufsicht machen. Ich hatte 1 rotes Kleid an und helle Strumpfhosen. Ein Kind weinte, es mußte Pipi, also ging ich zu den Schwestern und klopfte, und niemand meldete sich, ich hörte aber jemand, nach erneutem lautem klopfen, öffnete ich die Türe, und bat um Hilfe. Ich wurde sofort barsch von Schwester Ursel? angepflaumt, sofort zu gehen und nicht zu stören. Worauf ich laut schrie: das Kind muß Pipi! Sie muß kommen, und niemand kam, sie tranken Kaffee und aßen Kuchen! Was aus dem Kind wurde, weiß ich nicht.
Ich kann mich dunkel an einen Flur erinnern, nachts, in dem ich stehen musste, ganz allein im Dunkeln, weiß aber nicht, ob das stimmt, eher eine Erinnerung.
Ich hatte dort Geburtstag, und Schwester Ursula, Ursel? las den Brief meiner Eltern vor, dass sie sehr enttäuscht sind von mir, weil ich nicht brav bin, und sie nichts mehr von mir wissen wollten. Das war während eines Essens vor allen Kindern. Ich war wütend. Wie können meine Eltern so was schreiben, wenn sie nicht wissen, wie es hier ist?
Es gab ein Paket. Meine Mutter fragte mich, als ich heim kam, nach den Geschenken. Es waren auch Schuhe drin. Und Süßes und einen lieben Brief. Ob sie reagiert hat, weiß ich nicht.
Meine Mutter holte mich vom Zug ab, und wollte mich in den Arm nehmen. Ich drehte mich weg und wollte nie wieder Körperkontakt mit ihr haben. Wir hatten bis zu ihrem Lebensende eine sehr schwierige Beziehung .
Zeitlebens bin ich ein sehr schlechter Esser, und bei Problemen wird mir übel und kann nichts essen.
Ich hospitalisiere, ich wackle mich in den Schlaf, seit Kindheit. Ich habe kein Vertrauen, nehme alles selbst in die Hand. Und zeitlebens habe ich immer mal wieder verlassenheitsängste, dass ich schreie. Nicht einfach für meine Familie, für Kinder und Mann.
Jetzt mache ich eine Traumatherapie, und bin dankbar, für die tolle Therapeutin, und den Verein für Verschickungskinder. Ich will mich begreifen und das bewältigen, und nicht mit dieser Einsamkeit leben, vertrauen lernen.
Ich wache jeden Morgen mit Tränen und selten mit Schluchzen auf.
Und ich weiß, das hat mit Bad Dürrheim zu tun. Dass die Nazizeit so lange regiert hat, erschüttert mich, so grausame Erziehungsmethoden.
Ich weine
Angela
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Ulrike Götz-Suzuki aus Mönchweiler schrieb am 28.01.2022
Ich wurde im November 1971 für 6Wochen nach
St.Peter-Ording in den goldenen Schlüssel verschickt.
Als ich eure Reportage gesehen habe, hat mich das sehr berührt, eigentlich war das alles keine Thema für mich.
Und nach und nach kommen auch die Erinnerungen wieder, es scheint ich war ein Meister des verdrängenden.
Ja das Thema Essen war auch bei mir das Problem, ich wurde zur Gewichtszunahme dahin geschickt, aber vor Heimweh konnte ich nichts Essen, und irgendwie ist da etwas gründlich schief gegangen, denn seither kann ich keine Bananen und nichts undefinierbares Essen (Suppen usw. Smothies) gut damit kann man Leben.
Ich kann mich noch an den großen Schlafsaal erinnern, ein Kleinkind im Gitterbett hat jede Nacht unendlich lange geweint, und da war ein Mädchen ungefähr 11/12 Jahre alt, sie hat sich immer gekümmert.
Auch musste ich immer in einen Gruppeninhalationsraum,
da hing eine Art Lampe an der Decke und ein kleines Tuch/Lumpen hing herunter.
Am liebsten habe ich mich in einem kleinen Wäldchen aufgehalten, der Boden war ganz sandig, da war es schön.
Zu Nikolaus gab es dann ein Packet von meiner Tante, leider wurde es konfisziert, gut später wurden die Inhalte mit allen geteilt. An eine Kontaktaufnahme mit meinen Eltern, kann ich mich nicht erinnern.
Aber für mich war immer klar, das ich so etwas niemals meinen Kindern antun werde!
Ich bin heute Familien-Gesundheits-Kinderkrankenpflegerin und gehe in belastete Familien, vermutlich hat mich dieser Aufenthalt mehr geprägt als ich dachte.
Ich begrüße diese Homepage, und hätte nie gedacht was es in mir auslöst diese Zeilen zu schreiben, ich habe wohl eine Überlebensstrategie der Verdrängung entwickelt,
Es wäre interessant ob sich jemand findet der zur gleichen Zeit im goldenen Schlüssel war, ein Austausch würde mich freuen.
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Christine Buchmann aus Bielefeld schrieb am 28.01.2022
Im Alter von 6 Jahren wurde ich wegen Neurodermitis "zur Kur" geschickt. Von Anfang an war die Vorstellung beängstigend für mich, 6 Wochen alleine von zu Hause weg zu sollen. Es wurde mir schmackhaft gemacht: Mensch, du kannst ans Meer. Dennoch wurde die Zeit am Meer schrecklicher, als ich es mir vorstellen konnte:
Es begann damit, dass die nette, zugewandte Begleiterin aus dem Zug (Heidelberg - Husum) nicht mit ins
Heim kam - hier war der Beziehungsabbruch schon komplett, die letzte Verbindung zu meinen Eltern (mein Vater
hatte mit dieser freundlichen Diakonisse ja noch selbst gesprochen, sie kannte ihn und war damit noch eine
Verbindung nach Zuhause). Ab jetzt war ich alleine, ich erinnere das als einen Schock. Meine nächste
Erinnerung ist, dass ich die ersten 2 Tage weinend im Bett verbracht habe, im gleichen Zimmer war noch
ein Mädchen, dass ebenso lange durchweinte - in dieser Zeit hat niemand versucht, echten Kontakt zu uns
aufzunehmen. Von Zeit zu Zeit kam eine Betreuerin, schaute nach, ob wir aufgehört hatten zu weinen. Ich
erinnere , dass es bei diesen "Besuchen" nur darum ging, ob wir jetzt endlich bereit waren, zu den anderen
zu kommen. Trost, Ansprache, Zuwendung gab es nicht. Das war ich nicht gewöhnt; ich empfinde im
Nachspüren heute noch meine damalige bodenlose Verwunderung, mein tiefes Entsetzen über das
distanzierte Verhalten der Betreuerinnen. So empfand ich mich von Stunde zu Stunde einsamer, verlorener,
verlassener. Ab dann habe ich nur Erinnerungen an einzelne Begebenheiten, kurze Momente: ein
Strandspaziergang in 2-er Reihen, die Kinder durften dann ins Wasser, ich habe ich unter meiner Jacke
versteckt. Ein Spiel im Garten, bei dem eines der größeren Mädchen mich einmal in den Arm nahm - ich
glaube, das war der einzige freundliche Körperkontakt während der ganzen 6 Wochen. Der erste Posttag:
Briefeschreiben gab es für alle zu bestimmten Zeiten. Meine Eltern hatten mir ein Schreibheft mit
Erstklässler-Linien mitgegeben, darauf konnte ich schon ganz gut schreiben. Abgesprochen war: ich
Seite 16 / 30
schreibe da hinein, reiße dann die Seite aus dem Heft und stecke sie in einen Umschlag. Ich schrieb: "ich
habe Heimweh...". Das musste ich vorzeigen. Und durfte es natürlich nicht so verschicken. Begründung
war: ich könne doch keine rausgerissene Seite als Brief verschicken - meine Absprache mit meinen Eltern
wurde also weggewischt. Außerdem solle ich nicht von Heimweh schreiben, die Eltern sollten sich doch
keine Sorgen machen. Also bekam ich Linien auf ein weißes Blatt und einen diktierten Brief, dass ich mich
gut einlebe und Spaß habe. Ich belog bewusst meine Eltern - das hatte ich vorher nie gemacht, ich hatte
das bei meinen Eltern nicht nötig (nach der Kur konnte ich das übrigens ganz gut, auch wenn es weiterhin
nicht nötig gewesen wäre, meine Eltern konnten für diese Zeit ziemlich gut mit ihren Kindern über alles
reden). Das schlimmste Erlebnis passierte eines Nachts: ich musste zur Toilette, hatte dringenden Bedarf,
meinen Darm zu entleeren. Ich weiß nicht mehr genau, warum das so schwierig war, ich erinnere mich an
Not, entweder ich suchte und fand die Toilette zuerst nicht, dann war ich aber dort, ich vermute, ich wurde
"erwischt" und musste sofort zurück ins Bett, vielleicht hab ich auch nur geträumt ... jedenfalls entleerte ich
mich ins Bett. Das war dann morgens natürlich verschmutzt. Es gab ein Riesentheater, ich wurde
beschimpft, mit dem Bettzeug nackt im Waschraum an ein niedriges Becken gesetzt, wo ich ohne
Hilfsmittel das Laken reinigen sollte. Ich weinte die ganze Zeit, ich fühlte mich verlassen, hatte Angst, fühlte
mich auch ungerecht behandelt. Ich wurde weiter beschimpft, weil ich ins Bett gemacht hatte, weil ich das
Laken nicht sauber bekam. Währenddessen wuschen sich zunächst die Mädchen in dem gleichen großen
Waschraum, sie wurden wiederholt durch die Betreuerin darauf hingewiesen, was passiert, wenn man das
Bett beschmutzt. Dann waren die Mädchen fertig, die Jungen kamen, mir wurde gesagt, dass ich weiter
machen muss (normalerweise war es streng untersagt, dass Mädchen und Jungen gleichzeitig im
Waschraum waren), auch den Jungen wurde erklärt, dass ich ins Bett gemacht hatte und nun meinen
angerichteten Schaden wieder gut machen musste. Die Kinder wurden angestiftet, sich lustig zu machen
und mich auszulachen, Da ich an dem niedrigen Wasserhahn auf dem Boden saß, nackt, schauten alle auf
mich herunter. Das war die am schlimmsten erniedrigende Situation in meinem ganzen Leben. Kurz
nachdem die Jungen dann den Waschraum verlassen hatten, wurde ich weggeschickt und durfte mich
anziehen. Insgesamt erinnere ich mich an diese Zeit als eine Phase, in der ich von meinen Gefühlen
letztlich sehr abgeschnitten war, vielleicht, weil sie im Außen auf keine Resonanz gestoßen sind. Wenn ich
weinte, Angst hatte oder unsicher war, bekam ich keine Aufmerksamkeit, keine Zuwendung, keinen Trost.
So zog ich mich immer mehr in mich zurück. Bei der Rückreise wurde noch eins drauf gesetzt: die
Begleiterin diesmal war nicht so freundlich. Es gab eine klare Aufforderung, auf dem Bahnsteig bei Ankunft
auf keinen Fall los zu rennen, wenn wir unsere Eltern sahen. Ich stieg aus, sah meine Eltern und meinen
Bruder, ging langsam auf sie zu, reichte ihnen die Hand und sagte: Guten Tag. Ich empfinde heute diese
Szene als ein für sich sprechendes Bild für das, was in mir passiert war. Keine spontane Freude, kein
Widerstand, keine Äußerungen von Emotionen, Verhalten wie ferngesteuert.
Meine Eltern konnten in der folgenden Zeit zum Glück ganz gut zuhören, die Bindung verheilte, wenn auch mit langwierigen Narben. Eine ganz eindeutige Veränderung an mir jedoch war, dass ich kurz nach dem Aufenthalt in St. Peter Ording wieder zur
Bettnässerin geworden war, was etwa 2 Jahre angehalten hat. Meine Neurodermitis war übrigens nach der
"Kur" schlimmer als jemals vorher - ein Naturheilkundler, zu dem ich dann mit 9 Jahren gemeinsam mit
meinen Eltern gefahren war, dessen Salbe meine Mutter mir über 2 Monate liebevoll täglich aufgetragen
hat, hat das Abklingen aller Symptome erreicht.
Es hat mich lange beschäftigt, dass ich eine Zeit erlebt habe, die für mich absolut schrecklich war - von
anderen dafür oft wenig Verständnis zu bekommen war. Ich habe als Kind und Jugendliche davon wenig
erzählt, weil es dafür keinen Rahmen gab, es war einfach nirgends Thema. Ich vermute, es hat sich ein
Muster eingeprägt, das es mir schwer gemacht hat, meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse ernst zu
nehmen, ihnen zu trauen. Im Studium stieß ich auf einen Artikel von Terre des Hommes: Das Kind im
Krankenhaus. Das war 1980. Da habe ich zum ersten Mal beginnen können, mir selbst zu glauben, WAS ich
und WIE ich es erlebt hatte.
Zusammengefasst kann ich sagen: der Heimaufenthalt hat dazu geführt, dass meine Bindungen lange von
Verlustangst geprägt waren. Und er hat dazu geführt, dass ich nur schwer Zugang zu meinen Gefühlen
bekommen habe. Und ich habe lange daran gearbeitet, für meine Gefühle und Bedürfnisse einstehen zu
können.
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Ingrid schrieb am 26.01.2022
Im Oktober 1973 wurde ich mit 5 Jahren von der Barmer für 4 Wochen nach Lenggries in das Kindererholungsheim Sankt Georgi Haus verschickt.
Die Reise nach Bayern ging vom Stuttgarter Hauptbahnhof aus mit vielen anderen Kindern, die alle einen orangefarbenen Rucksack tragen mussten, los.
Die schlimmste Erfahrung war das Heimweh. Im Kindergarten hatte ich viele Freunde, dort fühlte ich mich mutterseelenallein. Ich erinnere mich an wöchentliche Telefonate mit meiner Mutter, die von einer Betreuerin mitgehört wurden. Ich durfte nur Positives berichten, nicht wie es mir wirklich ging...
Es gab Berge von Nutellabroten zu essen, beim Essen war mir immer schlecht, weil es mir nicht schmeckte.
Als meine Erzieherin aus dem Kindergarten mir eine Tafel Schokolade schickte, wurde sie mir weggenommen.
Ich erinnere mich an Spielenachmittage im Speisesaal, wo ich immer verlor, weil ich noch so klein war, an Hänseleien der anderen Kinder und an organisierte Toilettengänge.
Irgendwie war ich danach eine andere, ich hatte meine Unbefangenheit und das Vertrauen in meine Mitmenschen ein Stück weit verloren.
Landschulheimaufenthalte und Ferienfreizeiten waren mir in meiner Schulzeit ein Greuel.
Auch ich war der Meinung ein Einzelfall zu sein und völlig überrascht von der Tatsache, dass es noch so viele andere Verschickungskinder gibt.
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Bettina Bracht aus Nentershausen-Süß schrieb am 25.01.2022
Hallo zusammen, als ich den Bericht "Kinderkur wurde zum Trauma" in der Zeitung las, wurde mir bewusst, dass es ganz viele Betroffene gibt, denen es genauso ging wie mir. So habe auch ich endlich den Mut gefunden, mich hier zu melden. Ich war klein und ziemlich dünn, worauf die damalige Kinderärztin(Frau Dr. Holzapfel aus Rotenburg a d Fukda)meinen Eltern vorschlug mich zur Kur zu schicken, dass ich etwas zunehmen sollte, weil ich 1971 eingeschult werden sollte. Meine Eltern wollten ja auch nur das Beste für mich...verständlich...also wurde der Koffer gepackt und ich von meinen Eltern nach Bebra zum Bahnhof gefahren. Dort waren ganz viele Kinder...wir wurden von Ordensschwestern mit dem Zug nach Bad Karlshafen gebracht....Es war einfach nur schrecklich... und in einem großen Saal mit ca 30 Kindern zusammen schlafen zu müssen. Ich hatte schreckliches Heimweh und war sehr verängstigt. Der Kontakt zu den Eltern war verboten. Ich war damals 6 Jahre alt. Ich weiß noch, mein Papa war damals LKW Fahrer und viel unterwegs..So kam er einmal vorbei um mich dort zu besuchen...und er hatte Glück, wir waren gerade draußen zum spazieren gehen..Ich sah Papa und lief zu Ihm hin...das war fatal für mich...ich wurde sofort von einer Ordensschwester ins Heim gebracht und bekam meine Strafe. Ich war zur Kur, weil ich zunehmen sollte, und nun wurde ic hauch noch seelisch misshandelt...habe kaum was Essen können...also habe ich Strafen bekommen, nicht mit zum Eis essen, oder zum Ausflug auf die Weser...musste alleine im Schlaafsaal bleiben usw.. Nach ca 1 Woche musste ich dann zur Mutter Oberin... und diese Worte klingen mir heute noch im Ohr..."Mein liebes Kind, wenn du jetzt nicht langsam mal anfängst zu Essen, dann kommst du nicht nach Hause." Ich bin eingeschüchtert und seelisch misshandelt worden. Deshalb habe ich aus Frust sämtliches Essen, was ich bekommen habe in mich reingeschlungen. Nur dass ich wieder nach Hause komme. Dann waren die scheiß 6 Wochen um, und wir wurden wieder mit dem Zug nach Hause gebracht....Das allerschlimmste ist, dass du das alles mit dir alleine ausmachen musst...du hast Angst kannst dich aber keinem anvertrauen, weil dir vermutlich eh nicht geglaubt wird. Ich habe mich halt durchgekämpft...ich bin Löwin...Ich kann meinen Eltern keinen Vorwurf machen. Es war damals eine andere Zeit..Meine Mama hat oft erzählt, dass ich früher sehr schwierig war....Ich habe es Ihnen erzählt, da war ich schon fast 40...solange hatte ich geschwiegen...meine Eltern sind aus allen Wolken gefallen..und ich bin froh, dass ich endlich den Mut gefunden hatte, es Ihnen zu erzählen..
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R aus Berlin schrieb am 25.01.2022
Im Sommer 1971 wurde ich auf Anraten einer Kinderärztin in die Obhut eines sogenannten Kindererholungsheims gegeben. Die Intention meiner Eltern war, mich vor der Einschulung körperlich zu stärken. Ich war gerade sechs Jahre alt geworden. Gegen Ende des Aufenthaltes, der fünf oder zehn Wochen dauerte, wurden Fotos gemacht - ein Gruppenfoto sowie von jedem Kind ein Portrait. Tatsächlich sehe ich auf dieser Aufnahme fröhlich und gut erholt aus. Dieser Eindruck war gewünscht. Aber trügerisch. Wie von anderen Ehemaligen beschrieben, waren die "Erholungswochen" für mich ein Martyrium. Kinder haben ein anderes Zeitempfinden als erwachsene Menschen. Entsprechend erinnere ich, dass dieser Aufenthalt seinerzeit nie zu enden schien.

Da meine Familie nur etwa eineinhalb Autostunden entfernt von St.Peter-Ording lebte, waren es meine Eltern, die mich dorthin chauffierten. Die Institution erinnere ich als zweigeschossiges Nachkriegsgebäude, bevölkert von einer Schar von Kindern. Nach Ankunft wurde ich unter dem Vorwand eines Aufnahmegesprächs mit meinen Eltern von selbigen getrennt. Schon diese Wartezeit erschien mir unbehaglich. Als ich schließlich nach meinen Eltern fragte, wurde mir mitgeteilt, dass sie schon abgereist seien - den Abschied von ihnen hatte man bewusst unterbunden. Für mich war dies ein Schock. Ein Jahr zuvor hatte ich mehrere Wochen im Krankenhaus verbringen müssen, die Erinnerungen an Gefühle starker Einsamkeit und Verlassenheit hatten sich mir eingeprägt. Ich musste gehofft haben, so etwas nie wieder zu erleben. Nun wiederholte es sich. Als dann zwischenzeitlich (aufgrund eines Unfalls meiner Mutter) mein Aufenthalt in St.Peter noch verlängert wurde, brach eine Welt für mich zusammen, so unglücklich war ich. Kinder, deren Gesundheit weniger stabil als erwartet gewesen sein mochte, hätten besonderer Achtsamkeit und Zuwendung bedurft. Was wir damals stattdessen erfuhren, war autoritäre Härte und Drill. Diesen Zuständen mit sechs Jahren ausgeliefert und jeder Möglichkeit beraubt, den Eltern zu berichten, war - genau genommen - grausam. Wem die Schilderungen Einzelner im Nachgang lapidar erscheinen mögen, der vergisst, wie zerbechlich Kinderseelen sind.

Die Entscheidung, mich in Obhut zu geben, war primär auf das Votum meines Vater zurückzuführen, der in seiner im Nationalsozialismus verbrachten Kindheit selbst in ein "Erholungsheim" im Schwarzwald verschickt worden war. Gemäß seiner Erfahrung war eine Verschickung sehr zu befürworten. Da die Region Schwarzwald meiner Mutter aber als zu weit entfernt erschien und das ärztliche Anraten auf "Luftkurort" lautete, wurde für das näher gelegene St.Peter entschieden.

Mein Gefühl aus der Zeit der Anbahnung dieser Entscheidung - die Tatsache, dass über mich "beratschlagt" wurde - erinnere ich als eine Form von Entmündigung, denn zu meiner eigenen Haltung betreffs einer Verschickung befragt wurde ich nicht. "Folgsam und tapfer" zeigen wollte ich mich dennoch, im guten Glauben daran, dass über mein Wohlergehen entschieden werde. Dieses Gefühl manifesterte sich in mir und hielt sich beständig: Die Eltern nicht enttäuschen zu dürfen, weil sie mir vermeintlich Gutes angedeihen lassen würden - dieser Eindruck lenkte mich. Erst Jahre später, nach wiederkehrenden nächtlichen Alpträumen und zeitweiligen Angstzuständen teilte ich meinen Eltern
Andeutuungen dessen, was ich in St. Peter tatsächlich erlebt hatte, mit. Ihre Verwunderung darüber überraschte mich nicht - mir war längst klar geworden, dass sie nicht im Entferntesten in Betracht gezogen hatten, dass mein Aufenthalt ihre Intentionen komplett verfehlte. Genau genommen verstärkte diese Tatsache in mir die Fortsetzung eines Gefühls von Vereinsamung. Hätten sie nachgefragt, sich interessiert, mein Leid mit mir geteilt, offenes Bedauern bekundet, wäre die dunkle Erinnerung weniger nachwirksam für mich gewesen. Weitere Jahre vergingen, ehe mir bewusst wurde, dass es unmittelbare Bezüge zu den Kindheitsmustern meiner Eltern geben musste - zur schwarzen Pädagogik der NS-Zeit, die beide erfahren hatten, meine Mutter unter anderem während mehrerer Jahre in der sogenannten Kinder-Landverschickung.

Manche der Schilderungen Ehemaliger ähneln dem von mir Erlebten, doch ich war erst sechs Jahr alt, daher sind meine faktischen Erinnerungen rudimentär. Zurückgeblieben aus jenem Sommer sind vor allem Eindrücke von Ohnmacht, Beklemmung und Düsternis. Übereinstimmend mit den Erinnerungen anderer Ehemaliger hatten wir die Betreuer und Betreuerinnen mit "Tante" oder "Onkel" sowie deren jeweiligen Vornamen anzureden - erwachsene Personen im Alter von Mitte zwanzig bis etwa fünfzig Jahren, die mit großer Strenge über uns wachten, jede unserer Regung reglementierten, Fehlverhalten sanktionierten.

Jungen und Mädchen waren voneinander getrennt untergebracht. Nachts schliefen wir in Sälen, die Tür zum Gang blieb weit offen stehen. Wenn ich nicht zur Ruhe kommen oder regungslos in meinem Bett verharren konnte, wie es verlangt wurde, musste ich stundenlang, nur mit Nachtwäsche bekleidet, auf kaltem Steinboden, ganz allein, barfuß und schweigend draußen auf dem Gang stehen. Keines der Pakete, die mir regelmäßig geschickt wurden, erhielt ich. Darin waren Geschenke, Süßigkeiten und etwas Geld für mich verpackt worden, waren, wie meine Mutter mir später berichtete. Briefe wurden nicht ausgehändigt, sondern im Beisein anderer Kindern verlesen. Selber schreiben konnte ich noch nicht, und so wurde wöchentlich von einer der "Tanten" ein sonniger Bericht an meine Eltern verfasst und verschickt, von mir mit meinem Vornamen, den ich immerhin schon zu Papier bringen konnte, unterschrieben. Wie andere Ehemalige erinnere ich einen viel zu langen, täglich verordneten Mittagsschlaf (ein bis zwei Stunden), meist im Schlafsaal, vereinzelt auch im Hof des Hauses, wenn die Sonne schien. Selbstverständlich durfte auch hier nicht gesprochen werden, jegliche Aktivität in dieser Zeit der totalen Ruhigstellung wurde unterbunden. Überhaupt habe ich die Wochen in St.Peter-Ording insgesamt wie eine Freiheitsberaubung erlebt: Marschieren in Zweierreihen, beim Essen den Teller leeren, ob es einem schmeckte oder nicht, Folgsamkeit als oberstes Gebot in jeder Hinsicht.

Während eines Sommerfestes, das mir als einziges Ereignis deutlich erinnerlich ist, wollte ich von einer der Speisen, die aufgetischt worden waren, probieren und wurde dafür von "Onkel Eduard", einem sehr groß gewachsenen Menschen, dessen Kopf und Gesicht ich noch andeutungsweise erinnere, mit einer Orfeige bestraft, die so heftig war, dass mir schwarz vor Augen wurde. Ich entsinne, dass ich nicht nur nach diesem Vorfall, sondern häufig während meines Aufenthalts des Nachts in mein Kissen weinte. Das Gefühle von Verlassenheit war schier grenzenlos, zumal es niemanden gab, der uns Kindern liebevoll oder spürbar fürsorglich begegnete. Erholung war hier lediglich als Pflichtprogramm deklariert, die Kinder kamen und gingen allwöchentlich - kleine Menschen ohne Emotionen oder Identität, deren einzige Aufgabe vom ersten bis zum letzten Tag darin bestand, sich in die Heim-Maschinerie einzureihen und zu fügen.

Als nach vielen Wochen meine Eltern kamen, um mich abzuholen, war etwas in mir zerbrochen. Genauer ausdeuten kann und möchte ich es an dieser Stelle nicht. Aber der Aufenthalt in jenem "Heim" war eine seelische Zäsur in meinem noch so jungen Leben. Ich erinnere, dass wir vor der Rückfahrt in die Stadt meiner Kindheit noch gemeinsam im "Wellenbad" von St.Peter-Ording schwimmen gingen. Nicht gefasst auf die tatsächliche Wucht der dort künstlich erzeugten Wellen und noch nicht imstande, allein zu schwimmen, rang ich plötzlich um Luft, verlor den Halt und sank in die Fluten. Meine ältere Schwester bemerkte es und zog mich zurück an die Wasseroberfläche. Für mich unvergesslich, weil es mich eigenartig und sehr stark berührte: Aus Lautsprechern erklang durch die Schwimmhalle Musik - ein Song von Daliah Lavi: "Wer hat mein Lied so zerstört?". Mit seinen rätselhaften Metaphern sprach dieser Song zu mir, so als wurde er - in seiner seltsamen Mischung aus Trauer und Fassungslosigkeit über unerwartetes Entborgensein - nur für mich gesungen.
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bert schrieb am 24.01.2022
Durch einen Artikel in der heimischen Tageszeitung über das Buch, das Elend der Verschickungskinder von Anja Röhl, wurde ich als selbst Betroffener auf das Thema aufmerksam.

Ich bin als sechs Jahre alter Junge im Sommer 1962 für mehrere Wochen zur Erholung nach Cuxhaven geschickt worden.

Bei der Internetsuche nach dem Heim, in dem ich war, wurde ich auf der Seite cuxpedia.de fündig.
http://cuxpedia.de/index.php?title=Druiden-Kinderheim_Duhnen
Sofort war bei mir diese riesige Verärgerung über diesen Aufenthalt wieder da.
Dort waren einige Fotos von dieser Einrichtung veröffentlicht. Eins davon zeigte die Liegehalle, einen Raum auf der Sonnenseite hinter großen Glasflächen, die viel Sonnenschein rein lassen.

An Hand des Fotos konnte ich nun endlich das Kinderheim in Cuxhaven ausfindig machen, in dem ich diese Horrorwochen verbringen musste. Die Adresse ist: Kindersanatorium Am Meer, Wehrbergsweg 63, 27476 Cuxhaven (Duhnen). Genauso steht es noch in einem Onlinetelefonverzeichnis, obwohl es nach langem Leerstand vollständig abgerissen wurde.

Das war der Raum in dem ich wegen ein paar Unartigkeiten einen ganzen Tag, allein bei voller Sonne und Hitze, eingeschlossen wurde.

Unartig war man in diesem Heim ganz schnell: reden beim Essen, reden bei der Mittagsruhe im Schlafraum, wenn man seine Suppe nicht fertig essen wollte oder konnte, wenn man außerhalb der festgelegten Zeiten auf die Toilette musste und während der Nachtruhe auf das Klo zu müssen, das war Gipfel der Unartigkeit.

Beim morgendlichen Toilettengang mussten wir schön in der Reihe stehen und uns zwei Blatt Klopapier abholen, mehr gab es grundsätzlich nicht, und abwarten bis eine Kabine frei geworden ist.
Als besonders ekelhaft empfand ich es, wenn am wöchentlichen Badetag,
Unterhosen die „Bremsspuren“ hatten, von den Tanten wie Trophäen in die Höhe gehalten wurden, um sie allen im Raum zu zeigen.

Alles was da geschah, war extrem nach dem Prinzip Bestrafen und Belohnen aufgebaut, um Kinder abzurichten wie Hunde.
Alles was von den Eltern mit auf die Reise gegeben wurde, wurde eingezogen und belohnend verteilt. Das ging so weit, dass einige nie sommergerecht eine kurze Hose oder ihre mitgebrachten Sommerschuhe anziehen durften oder etwas von ihren eigenen Mitbringsel abbekamen, sogar das Sammeln von Muscheln war nur den immer Artigen zum Ende des Aufenthalts erlaubt. Von mitgegebenen Geldmünzen haben wir Kleinen keinen Groschen bekommen. Hin und wieder gab es mal ein Eis, bezahlt von unserem eingesammelten Taschengeld, aber niemals für jeden. Ich musste während des ganzen Aufenthalts mit langer Lederhose, Socken bis zu den Knien und Seitenbindern, wie beim Herbsturlaub in den Bergen, rumlaufen.

Nie im ganzen Leben habe ich mich so ausgeliefert und gedemütigt gefühlt wie in diesem Kinderknast!

An etwas Positives, das man so am Meer und mit andern Kindern gemeinsam erleben kann, kann ich mich nicht erinnern. Mädchen und Jungen hatten keinen Kontakt und junge und ältere Kinder auch nicht.
Die Gruppen waren nach Altersgrenze streng getrennt.

Das waren schreckliche Wochen, an die ich oft in den letzten fast 60 Jahren denken musste. Zum Glück aber meine erste und letzte Kinderkur.
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Petra Hollstein aus Lohmar schrieb am 23.01.2022
Mit 5 Jahren wurde ich, völlig gesund, aber angeblich zu dünn und blass, vom Kinderarzt nach Bad Herrenalb zur "Erholung" geschickt. Dort erwartete mich eine kasernenartige Atmosphäre, in der jedes Kind zu funktionieren hatte. Pampige Breis wurden solange in die Kindermünder gestopft, bis sie wieder erbrochen wurden. Gitterbetten, an die man uns, wenn wir nicht brav darin liegen blieben, festgebunden hat. Ständige Drohungen, dass böse Kinder der "schwarze Mann oder die Nachtmuhme" holt. Nachdem ich eines morgens meinen Frühstücksbrei wieder erbrochen hatte, wurde mir der Mund kreuzweise mit Leukoplast zugeklebt, so dass ich an diesem Tag gar nichts mehr essen konnte. Einziges Spielzeug waren Säcke voller Holzröllchen, die Abfall bei der Nutzung von Rollfilmen waren. Man schrieb Karten nach Hause, die ich nicht lesen konnte, aber ungelenk mit Blockbuchstaben unterschreiben musste. Jahre später las ich darauf, wie wohl ich mich gefühlt haben sollte. Ich kam nach 6 Wochen klapperdürr und total verunsichert wieder nach Hause. Einziges Ergebnis des Horroraufenthaltes waren jahrlange Alpträume und die Weigerung ohne meine Mama irgendwo alleine hinzugehen
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Roswitha Janning-Mackenberg schrieb am 22.01.2022
Vor einigen Wochen wurde über die Aufarbeitungsbemühungen in unserem "Blättchen" geschrieben. Ich war baff, wie umfassend die Problematik war und habe seitdem mit mir gerungen, ob ich etwas schreiben soll, denn anderen scheint es noch viel schlechter gegangen zu sein als mir.

Im Sommer 1970 wurden meine 2 Jahre jüngere Schwester und ich für die letzten 3 Wochen der Sommerferien und die ersten 3 Wochen des Folgeschuljahres nach Juist in Kur geschickt. Bei einer Vorstellung im Gesundheitsamt der Stadt Münster hatte man wohl gemeint, wir seien zu dünn. Ich war damals fast 12 und mit meinen 38kg eigentlich ganz zufrieden.

Da meine Mutter uns vor der Abreise eingeschärft hatte, dass unsere Familie, sollte es zu einem Abbruch des Kuraufenthaltes kommen, die gesamten Kosten selbst zu tragen hätte, war ich entsprechend eingeschüchtert, was meine Verhaltenalternativen auf Juist grundsätzlich stark einschränkte.
Dem, was hier bereits andere über das Heim berichtet haben, kann ich mich nur anschließen. Ich weiß von keinen direkten körperlichen Misshandlungen, aber von vielen diffusen Drohungen. Allerdings halte ich 14 Stunden "Bettruhe" am Tag eigentlich für ein bewegungsfreudiges sportliches Kind auch für eine Art von Misshandlung. Zudem herrschte Leseverbot, außer für das "älteste" Mädchenzimmer, wo das Lesen in der "Mittagsruhe" dann allerdings auch verboten wurde, nachdem sich einmal auf dem Fußboden benutzte Taschentücher befunden hatten. Leider konnte ich aber ohnehin nicht in dieses Zimmer, weil ich mit meiner jüngeren Schwester zusammenbleiben sollte.
Das passive Daliegen war schwer zu ertragen. Als ich einmal zur Abwechslung meine Brille trug, um mir wenigstens die Strukturen an der Decke anschauen zu können, wurde mir diese mit Gewalt von einer aufsichtsführenden Nonne aus dem Gesicht gerissen. Das übermäßige Zubettliegen war auch eine Gelegenheit, den eigenen Körper etwas besser kennenzulernen. Glücklicherweise kam dabei keine Aufsicht.

Der Begriff Mastkur ist sehr treffend. Einmal die Woche mussten wir uns auf der langen Treppe hintereinanderstellen und wurden gewogen. Dass ich in den 6 Wochen so gut wie nicht zunahm empfand ich dabei als sehr befriedigend. Und, ja, das Essen war miserabel, insbesondere wegen des Schwerpunkts Milchreis und "Oppst". Wenn danach Singzwang herrschte, wurde die Sache noch schlimmer, geade auch in Hinsicht auf den klebrigen Milchreis im Hals. Es wurde auch aus der Nähe kontrollierr, dass wir wirklich Töne von uns gaben Auch war es ärgerlich und scheinheilig, wenn uns etwas von dem gutenesunden Essen erzählt wurde, das uns angeblich gegeben wurde, während im Híntergrund ansehnliche Gemüseplatten für die Hausherrinnen vorbeigetragen wurden. Auch bei einem Kontrollbesuch eines Mitarbeiters aus Münster schien die Merkwürdigkeit der Situation nicht aufzufallen. Wir waren lediglich angewiesen, uns noch braver als sonst zu verhalten, und, natürlich, kräftig zu singen. Kinder, die nicht zu- sondern abnehmen sollten, bekamen übrigens statt des dauernden Milchreis klare Suppe.
Auch das Kloverbot kann ich bestätigen. Das wurde bei uns so dargestellt, dass man nichts hören dürfe, wegen der angesagten Ruhezeit. Falls etwas zu hören sei, komme sofort jemand. Was dann passieren sollte blieb unklar, aber die Einschüchterung funktionierte. Wer also mutig war, ging mit beträchtlicher Angst aufs Klo
ohne abzuziehen.

Der Heimaufenthalt hatte wohl bereits früheren Teilnehmern nicht gefallen. Im Rahmen eines Bildervortrags über die Kureinrichtung wurde uns unter anderem erklärt, dass es den Fall gegeben habe, dass ein Junge versucht habe zu fliehen und dabei ertrunken sei. Es wurde eindringlich klargemacht, dass man einfach nicht abhauen konnte.
Und, ja, Briefe nach Hause wurden kontrolliert. Ich versuchte mir dadurch zu helfen, dass ich auf Englisch schrieb, was das nütze weiß ich nicht.

Allerdings war nicht alles schlecht. Die für uns zuständigen Erzieherinnen machten mit uns Spaziergänge; als in diesem Rahmen eine "Mitbewohnerin" beim Bockspringen an einem Pfahl hängenblieb und sich wehtat, wurde das hernach von einer der Nonnen aufgebauscht, dass da etwas was ganz Wichtiges kaputtgegangen sei, Also gab es gleich ein weiteres Verbot.
Ab und zu ging es ins Wellenbad oder auch an den Strand. In dem Zusammenhang konnten wir auch die Bekanntschaft einer humorvollen und freundlichen Nonne machen, die zu unserem Leidwesen aber nur im Jungenhaus tätig war. Umso erstaunter war ich, nach der Kur zu hören, dass meiner Mutter von der Mutter eines Jungen erzählt wurde, die schrecklich das war. Sie hatte das, was wir erzählten, nicht geglaubt, und wir hatten eigentlich den Eindruck, im Mädchenhaus war es schlimmer.
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Maria aus Bonn schrieb am 21.01.2022
Wir , zwei Verschickungskinder: 2 Schwestern aus dem Altkreis Schleiden Ort : Caritas Haus Nordmark Westerland/ Sylt Zeitraum : Sommer 1961 oder 62, 6 Wochen

Anfang der 1960 iger Jahre wurden meine 6 jährige Schwester und ich, 8 jährig für mehrere Wochen in das Heim Westerland auf Sylt geschickt. Aufgrund familiärer Situationen ging es uns zu dieser Zeit nicht gut, wir waren zu dünn, d.h. wir hatten zu wenig Gewicht dem Alter gemäß. Uns verging beim gemeinsamen Essen n der Familie jeweils der Appetit, so dass wir nicht zunahmen. So sollten wir also „gemästet“ werden bei einer „Erholung“ am Meer. So waren wir zum ersten Mal in unserem Leben wochenlang ohne unsere Eltern. Nach einer langen Zugfahrt kamen wir auf Sylt an. Das erste, was uns präsentiert wurde, war eine dicke, graue Graupelsuppe, die die meisten von uns nicht essen wollten. Wir mussten es aber tun. So begann eine ungute Zeit. Für meine Schwester war sie traumatisch. Uns wurde erklärt, es gäbe nur Nudeln zu essen. Kartoffeln könnten mangels Zügen nach Sylt nicht geliefert werden. So bekamen wir täglich Nudeln vorgesetzt. Das Essen schmeckte vielen von uns nicht, es war nicht ansprechend, oder lecker zubereitet. Meine Schwester mochte keine Nudeln, sie wurde gezwungen, sie zu essen, sie musste sich danach jeweils übergeben. Auch andere Kinder wurden beim Essen, was sie erbrachen, gezwungen, dies wieder zu essen. Es war also grauenhaft. Wir sollten nur über das Wetter an unsere Eltern schreiben. Wir durften nichts über das Heim schreiben. Unsere Briefe , oder Karten wurden gelesen. Wenn sie nicht den Anforderungen entsprachen, bekamen wir Kinder sie zurück, und mussten neu schreiben. So konnten wir nicht mit unseren Eltern korrespondieren. Telefonieren war unmöglich. In dieser Zeit gab es für uns beide nur eine Freude: es kam einmal ein Päckchen mit Handstofftieren und ein wenig Süßigkeiten von unseren Eltern. Diese wurden uns rationiert einmal am Tag ausgeteilt. Auch die Zeit am Meer , oder in den Kindergruppen habe ich in eher düsterer Erinnerung. Das Leid meiner Schwester lastete sehr auf mir Älteren. Aber auch meine Bitten, dass ihr anstelle von Nudeln ein Butterbrot gegeben werden könnte, wurde harsch zurückgewiesen. Natürlich nahmen wir nicht zu, sondern wir fühlten uns auch darüber hinaus so von unseren Eltern im Stich gelassen. Als wir ihnen nach unserer Rückkehr von unseren Qualen berichten wollten, hörten sie uns nicht zu, oder wollten es nicht glauben. Sie konnten sich unsere Nöte in dieser „doch finanziell geförderten Situation“ nicht vorstellen.
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Petra Fechner, 57 Jahre schrieb am 21.01.2022
Guten Tag, zur Überraschung meinerseits habe ich festgestellt, dass ich nicht die Einzige bin, die solch üble Erfahrungen während dieser 'Kinder-Kur' gemacht hat. Meine Mutter ging damals in Kur und ich wurde nach Bad Dürrheim geschickt, angeblich um zuzunehmen. Ich konnte mit 6 Jahren noch nicht richtig lesen und schreiben und aufgrunddessen wurde mir der Aufenthalt im Heim schon schwer gemacht. Kaum Unterstützung, unfreundliches Personal (eine Nachtschwester mit einem Hund, die aufgepasst hat, dass nachts Niemand aufgestanden ist, sodass ich irgendwann anfing, nachts ins Bett zu machen. Was mir zu Hause schon lange fremd war.) und unendliches Heimweh, da kein Kontakt zu den Eltern (meine Mutter hatte keien Ahnung und hat geglaubt, mir würde es gut gehen - mit all den anderen Kindern.) Das Essen war eine Zumutung. Brei aus einem großen Kessel für mehrere hundert Kinder. Einmal durften wir für eine Woche das Haus nicht verlassen, da in einem anderen Haus eine Krankheit ausgebrochen war. Ich war dort für 6 Wochen und noch etwas länger, da ich zum Schluss selber noch krank geworden bin. Zum Glück hat mich mein Vater irgendwann abgeholt. Diese Erfahrungen wünsche ich keinem Kind.
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Manfred Hinz aus I-50129 Firenze/Italien schrieb am 21.01.2022
Ich wohnte Anfang der 60er Jahre mit meiner Mutter in Hagen/Westf. und war extrem mager. Daher wurde ich im Winter 1963 (oder 64) in das Heim Luginsland im Schwarzwald (den Ort habe ich vergessen) geschickt, die Anreise erfolgte per Bahn.
Ich habe an diese Zeit nach wie vor schreckliche Erinnerungen: die Kinder wurden "zwangsernaehrt", muessten u.U. ihr eigenes Erbrochenes ausloeffeln (was mir zum Glueck nicht passiert ist) und wurden systematisch erniedrigt (was auch mir passiert ist). Bei meiner Mutter befinden sich noch einige Fotos aus dieser Zeit, die ich heraussuchen koennte.
Ich freue mich, dass dieser ganz offenbar systematische Missbrauch jetzt endlich aufgearbeitet wird und moechte diese Initiative gerne unterstuetzen.
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Lotte schrieb am 21.01.2022
Mein Name ist Lotte und ich bin im März 1939 geboren.
Es muss 1950 gewesen sein, als ich zur Kur in Bad Sachsa war.
Mit den jüngeren Kindern in meinem Haus habe ich gerne gespielt und ihnen aus Büchern vorgelesen.
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Angelika Bäumer-Schumacher aus 50735 Köln schrieb am 20.01.2022
Bettnässer-Kinder wurden öffentlich gedehmütigt
Wie ich jetzt erst von meiner jüngeren Schwester erfuhr, wurden 2 unserer jüngsten Geschwister, ein Bruder und eine Schwester, regelmäßig morgens vor ihrer ganzen Gruppe vorgeführt und gedehmütigt, weil sie Bettnässer waren. Das bepinkelte Bettzeug wurde ausgebreitet und öffentlich gezeigt. Wir waren mit 5 Geschwistern dort. Ich war 10, meine Schwester, die mir von diesen Dehmütigungen berichtete, war 8,5 Jahre alt. Die beiden gequälten Geschwister waren demnach 6,5 und 4,5 Jahre alt. Ich selbst habe davon nichts mitbekommen, ich war in einer ganz anderen Gruppe unter dem Dach untergebracht. Im Nachhinein finde ich es auffällig, dass man Geschwister so auseinandergerissen hat. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich in diesen Wochen irgendetwas mit meinen jüngeren Geschwistern zu tun hatte. Die beiden schikanierten Geschwister waren beide noch vor dem 20 Lebensjahr in Therapie, sprachen aber nie darüber. Die betroffene Schwester brach später den Kontakt zu der gesamten Familie ab. Das ist bis heute so. Mein Bruder ist auf solche Themen nicht ansprechbar, er würde wahrscheinlich mit massiven Aggressionen reagieren. Aber an Traumata soll man bekanntlich auch nicht rühren. Ich habe in Erinnerung, dass etliche der sogen. Erzieherinnen sehr jung waren, wahrscheinlich dann um die 20 Jahre alt. Wenn ich damals 10 war, dann sind diese ehemaligen sogen. Erzieherinnen jetzt Mitte bis Ende 70. Viele leben also noch. Einen sehr unfreundlichen Gruß von mir an diese Damen und: "Schämen Sie sich dafür, was Sie vielen Kindern angetan haben. Es war menschlich widerlich!"
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Annegret Schindler geb. Schade. 07.02.53 aus 58089 Hagen schrieb am 19.01.2022
Ich war im Winter 57/58 dort und es war die Hölle. Jeden Tag mussten wir das Mittagessen aufessen. Wenn wir brechen mussten, wurde es vom Teller geschippt und wieder wurde der Teller vor uns hingestellt. Nachts durften wir keinen Ton von uns geben anderenfalls wurden wir vor die Tür gesetzt. Morgens mussten wir unser Bett ganz glatt ziehen, beim Mittagsschlaf auch. Wenn wir aufgestanden sind, mussten wir unsere Schuhe anziehen. Leider konnte ich mit meinen 4 Jahren noch keine Schleife binden. Sofort wurde wieder lauthals geschimpft. Manchmal hat eine Mitbewohnerin die Schleife bei mir gebunden. Da war ich ganz glücklich. Spielzeug war nur sehr wenig vorhanden. Es interessierte ich auch nicht, weil ich nur an zu Hause dachte. Nach 4 Wochen bekam ich dann eine starke Erkältung und musste im Bett bleiben. Es befand sich auf der Krankenstation. Ich habe jeden Tag gehofft, dass die Tage bald vorüber gehen und ich wieder nach Hause komme. Dort mit dem Zug nach 6 Wochen angekommen, musste ich meiner Mutter wohl in die Arme gefallen sein. Ich war sehr abgemagert und noch sehr krank. Meine Mutter hat danach keines ihrer Kinder mehr in die Kinderlandverschickung gegeben. Und die Frau Dr. Pellengahr, die diese Verschickung befürwortet hat, musste sich von meiner Mutter einiges anhören. und wurde später vom Dienst in der Behörde enthoben. Ich würde gern die Elke, die mit in Bad Sassendorf war, sprechen.
Liebe Grüße
Annegret Schindler
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Bodo Jakob aus Burscheid schrieb am 19.01.2022
Bereits als damals 10jähriger konnte ich es nicht ertragen, dass meine Post kontrolliert und zensiert wurde. Postkarten und Briefe wurden zerissen, wenn sie nicht den Vorstellungen der Erzieherinnen entsprachen. Ich musste dann eine neue Karte schreiben, deren Text mir vorgegeben wurde.
Wir Kinder bekamen die Suppe zugeteilt, nachdem sich die Erzieherinnen das Fleisch zuvor für sich selbst raus gefischt hatten. Manche mussten so lange vor ihrem Teller sitzen, bis der leer gegessen war.
Nachdem ich mehrfach nachts eingenässt hatte, musste ich einen ganzen Tag allein im Schlafsaal verbringen, während die anderen Kinder eine Wattwanderung machten.
Positiv bleibt mir in Erinnerung, dass ich mit dem DRK-Einsatzwagen zum Zahnarzt nach Wilhelmshafen gebracht wurde, der Sonntagsdienst hatte. Der Name Schillig ist bei mir noch heute negativ besetzt.
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Sabine Müller-Ebbers aus 58332 Schwelm schrieb am 19.01.2022
Ich wurde im Vorfeld der Schule wegen meines Untergewichtes zur Kur dorthin geschickt. Der Aufenthalt ist bis heute im Gedächtnis verblieben, weil ich verschiedene Dinge erleben musste, die ich als Kind gar nicht fassen konnte, im Einzelnen:
- Übermäßiges Nahrungsangebot, das aufgegessen werden musste,
-Erbrochenes musste gegessen werden (meine Tischnachbarin)
-Briefe wurden kontrolliert und korrigiert an die Eltern verschickt.
-Persönliche Wäsche wurde an die KInder verteilt, die keine mitgebracht oder aber zu wenig hatten.
-Wenn das bett eingenässt war, mussten die Kinder es morgens selbst abziehen und säubern.
-Es gab wenig bis kein Spielzeug.
-Es herrschte eine autoritäre Atmosphäre. Ich war von Gewalt verschont , war aber auch ein fügsames und an Autorität gewöhntes Kind. Ich musste erleben, wie widerspenstige Kinder bestraft wurden, z.B. beim Essen. Einmal habe ich erlebt, dass ein Kind geschlagen wurde. Es waren große Schlafräume, in die man sich tagsüber nicht zurückziehen konnte. Insgesamt habe ich diesen Aufenthalt nicht vergessen können.Das Heimweh, das ich hatte, wurde überhaupt nicht gesehen . Ich kam zurück als extrem untergewichtiges Kind und habe den Teuteburger Wald bis heute vermieden.
Ich bin froh, dass ich das jetzt einmal aufschreiben konnte.
Sabine Müller-Ebbers
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Nadine Chotrov aus Unna schrieb am 19.01.2022
Hallo, ich heiße Nadine und bin im Alter von 6 Jahren in Bad Sassendorf zur Kur gewesen. Ich bin schon mein Leben lang sogenannte Bettnässerin. 6 Wochen waren geplant, 9 Wochen waten es dann.Ich habe leider auch viel verdrängt. Ich erinnere mich das meine Mutter am Bahnhof ganz schlimm geweint hat. Auf der Fahrt musste ich zur Toilette und habe mich nicht getraut was zu sagen. Das ist dann in die Hose gegangen. Konsequenz war dann das ich jeden Tag nach dem Mittagessen solange auf der Toilette sitzen musste bis ich was gemacht hatte. Das wurde natürlich kontrolliert. Wäsche war eingeschlossen, auch Süßigkeiten die meine Mutter mir mitgegeben hatte. Jeden Morgen bekam ich einen Aufkleber wenn ich nicht ins Bett gemacht hatte. Noch heute erinnern mich bestimmte Gerüche, z.B. von Fa Seife an die Kur. Aber die meisten Erinnerungen sind weg.
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Birgit Schneider schrieb am 19.01.2022
Meine jüngere Schwester und ich - damals 7 und 6 Jahre alt - wurden wegen Infekten der Luftwege zur Kur geschickt. Gleich bei der Ankunft bekamen wir farbige Karten ausgeteilt und dauerhaft getrennt. Sie kam in die Krankenstation, obwohl sie gesund war. Mir wurden alle persönlichen Gegenstände abgenommen und eingeschlossen. Ich durfte nur einmal in der Woche meine Kleidung, incl. Unterwäsche wechseln, was mir sehr fremd und unangehm war. Zum Mittagessen gab es oft Suppen mit Ölaugen, die ich fast nicht herunterbekam. Ich musste solange davor sitzen, bis ich sie gegessen hatte. Nach dem Mittagessen mussten wir ruhig "Mittagsschlaf" halten. Das empfand ich als eine Qual, da ich als 7-Jährige lieber aktiv etwas gemacht hätte. So kam es wie es kommen musste, ich lag nicht still im Bett, sondern war außerhalb des Bettes. Am Ende der Mittagsruhe wurde uns allen unangenehm Fieber gemessen und wer auffiel - wie auch immer sie dies feststellten - hatte mit Strafen zu rechnen.
Wir wurden dazu verpflichtet, nette Karten nach hause zu schreiben und hatten keine Chance, der Familie zu sagen, wie elend wir uns fühlten.
Abends musste ich einige Male alleine im Dunkeln im kalten Waschraum hinter der Tür als Strafe ausharren, bevor ich auch ins Bett durfte.Warum, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern.
Die Betreuerinnen brachten uns ein positives Lied über die Kur bei. Ich hatte aber immer das Gefühl, dass es falsch ist. Musste es aber trotzdem lernen.
Am Ende der Kur durften wir mit unserem Taschengeld zu einem Kiosk gehen und uns ein Erinnerungsstück kaufen. Ich kaufte mir ein Eichhörnchen. Die Erzieherinnen bekamen etwas dafür geschenkt.
Am Heimreisetag kam meine Schwester mit über 40 Grad Fieber und ich mit über 38 Grad Temperatur zuhause an. Meine Mutter empörte sich darüber, wir man uns so reisen lassen konnte. Sie informierte unseren Kinderarzt darüber. Leider glaube ich nicht, dass sie unsere Erfahrungen erfragte und entsprechend weitergab.
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Sybille Jünger aus 63667 Nidda schrieb am 18.01.2022
Ich war erst vier Jahre, als ich wegen Husten und „zu dünn „ für sechs Wochen nach Berchtesgaden kam. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich nur geweint habe. Das Essen war entsetzlich und ich habe wieder eingenässt. Die Erzieherinnen haben uns nur gedemütigt.

Ich wünsche allen Anderen alles Gute
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Klaus Heidorn aus Berlin schrieb am 18.01.2022
Betr.: Asthma-Kindersanatorium von Dr. Braun in Bad Reichenhall (1954)
Ich bin erstaunt über die vielen Zuschriften, in denen über die Klinik von Dr. Braun in Bad Reichenhall berichtet wird. Auch ich habe Erinnerungen daran, die trotz der inzwischen vergangenen 67 Jahre noch sehr präsent sind. In meiner frühen Kindheit habe ich unter starkem Asthma gelitten. Aufgrund meines Gesundheitszustands empfahl man meinen Eltern, mich zur Behandlung für sechs Wochen in ein Kindersanatorium zu schicken. Ich war damals erst 7 Jahre alt.
Anfang Juli 1954 wartete ich am späten Abend mit meinen Eltern am Bonner Bahnhof auf den Zug, der mich und andere Kinder nach Bayern bringen sollte. Ich war aufgeregt, aber auch ein wenig neugierig. Schließlich fuhr der Zug in den Bahnhof ein, vorne eine mächtige Dampflok. Ich sehe noch die riesigen Räder der Lokomotive vor mir und den weißen Dampf zwischen den großen Rädern, der mit lautem Zischen entwich. Nachdem meine Eltern mich mit einigen Ermahnungen verabschiedet und einer Betreuerin übergeben hatten, stieg ich in angstvoller Erwartung in den Zug. Ich wurde zu einem Abteil geführt und nahm dort meinen Platz ein. Mit mir saßen mehrere Kinder und eine ältere Frau im Abteil, einige Kinder weinten, manche heftig. In den anderen Abteilen war es wohl ähnlich, denn wenn ich mich richtig erinnere, handelte es sich um einen Sonderzug, sozusagen den „Zug der Tränen“. Die ganze lange Nacht über dauerte die Fahrt.
Ich erinnere auch noch schemenhaft unsere Ankunft am nächsten Morgen in der Klinik von Dr. Braun in Bad Reichenhall, vor allem das Hauptgebäude der Klinik, eine ansehnliche alte Villa, aber auch das schicke Mercedes Cabriolet davor, das wohl Dr. Braun gehörte. Selbst die in den Kotflügeln eingelassenen Scheinwerfer erinnere ich noch. Ältere Modelle hatten nämlich aufgesetzte Scheinwerfer. Es muss also ein neues Modell gewesen sein. Hinter der Villa gab es einen größeren freien Platz mit einigen Bäumen und ein längeres, relativ schmuckloses Gebäude gab, in dem wir untergebracht wurden. Vielleicht waren es auch zwei Häuser. Die Schlafräume befanden sich im Obergeschoss. Jeder Raum hatte 6 oder 8 Betten.
Ferner erinnere ich, dass es zum Frühstück oftmals eine Art Haferschleim mit Früchten gab, öfter mit matschigen Erdbeeren. Die halb verdorbenen Früchte schmeckten schrecklich, aber wir wurden gezwungen, die uns vorgesetzten Gerichte aufzuessen.
Die Vormittage verbrachten wir mit Gymnastik und einer Inhalationstherapie, die zunächst so beängstigend war, dass sie sich fest in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Der Inhalationsraum muss sich im Untergeschoss befunden haben. Zu ihm führten eine oder zwei Flügeltüren. Dahinter befand sich ein riesiger weiß gekachelter Raum ohne Fenster oder nur mit sehr kleinen Kellerfenstern. Überall an der Decke waren Duschköpfe installiert. Der erste Anblick dieses riesigen kalten Raums war unheimlich und bedrohlich. Wenn alle Kinder sich im Raum befanden, wurden die Türen geschlossen; nur zwei Betreuerinnen blieben bei uns. Kurz darauf strömte weißer Rauch aus den Duschköpfen und wenig später war der ganze Raum vernebelt. Die Prozedur wirkte auf mich bedrohlich, zumal der Rauch einen Hustenreiz bei mir auslöste.Nach einer längeren Zeit wurden die Türen wieder geöffnet und wir durften den Raum verlassen. Wenn ich mich später daran erinnerte, kamen mir immer die Gaskammern in den Vernichtungslagern im dritten Reich in den Sinn. Dieser Vergleich war natürlich unfair gegenüber den Therapeuten in der Klinik, die sicherlich alles taten, um unser Asthma zu heilen, aber man muss sich einmal vor Augen halten, wie diese Prozedur auf ein kleines Kind wirkte.
Weiter erinnere ich mich, dass wir unseren Eltern nur mit Bleistift schreiben durften, dass unsere Korrespondenz also „zensiert“ wurde. Ich besitze noch eine Karte an meine Eltern aus der Zeit, auf der in ungelenker fehlerhafter Kinderschrift zu lesen ist: „Es gefält mir hier............“. Das „nicht“ hatten die Betreuerinnen ausradiert, aber der auffällige Zwischenraum spricht Bände.
Eine weitere sehr unschöne Erinnerung hat sich mir in besonderem Maße eingeprägt. Im Verlauf meines sechswöchigen Aufenthalts in der Klinik erkrankte ich an Masern, musste also zwingend von den anderen Kindern getrennt werden. Hierfür habe ich heute volles Verständnis. Allerdings war die Art und Weise, wie dies geschah, wenig einfühlsam, um nicht grausam zu sagen. Für derartige Fälle hatte die Klinik zwei Räume vorgesehen, eine „Akut-Zelle“ und eine Zelle für Rekonvaleszenten. Eigentlich handelte es sich nur um ein Zimmer, das mit rohen Stroh-Zement-Platten, den Vorgängern der heutigen Rigips-Platten, in zwei kleine geschlossene Zellen unterteilt war. Die rechten Zelle in der zwei Pritschen für die Rekonvaleszenten standen, verfügte über ein reguläres Fenster. Mich steckte man die ersten Tage in die linke Zelle für akute Fälle. Diese hatte kein Fenster, nur ein Loch in etwa zwei Meter Höhe in der Außenwand, für mich unerreichbar. Im Raum stand nur eine alte klappbare Militärpritsche, wohl noch aus dem zweiten Weltkrieg. Daneben stand ein kleiner Kasten mit Bauklötzen aus Holz. Das war alles! Die Zelle war ständig abgeschlossen, wohl um meine Flucht zu verhindern (hahaha)!! Dreimal am Tag schloss eine Beschließerin (Betreuerin) die Zellentür auf, stellte mir mein Essen in den Raum und verschloss anschließend wieder die Tür. Einmal am Tag schaute auch ein Arzt vorbei. Was tut man also in solch' einem Fall vor lauter Einsamkeit und Langeweile? Man sucht den Kontakt zu den Zellennachbarn. So nahm ich also einen schmalen Holzklotz und bohrte mühsam ein Loch in die Trennwand zur Rekonvaleszenten-Zelle. Durch dieses Loch konnten wir uns wenigstens unterhalten. Damit wurde die“Infektionshaft“ erträglicher. Nach einigen Tagen wechselte ich in die Nachbarzelle und fand dort einen Zimmernachbarn, mit dem ich mein Schicksal teilen konnte. Nach etwa 8 – 10 Tagen durfte ich schließlich mein „Gefängnis“ wieder verlassen.
Ich muss aber zugeben, es gab auch schöne Momente in den sechs Wochen in Bad Reichenhall. Ich denke da an unsere Ausflüge, die wir gelegentlich unternahmen. So fuhren wir mit der Seilbahn auf den Predigtstuhl und besuchten eine Alm, außerdem haben wir den Königssee und den Hintersee besucht.
Allerdings hatten meine Erlebnisse in der Asthma-Klinik zur Folge, dass ich über viele Jahre eine Aversion gegen Bayern hatte. Erst ein erneuter Besuch ca. 20 Jahre später mit meiner Frau hat dies geändert.
Abschließend möchte ich fairerweise erwähnen, dass ich nach 6 Wochen geheilt aus der Asthma-Klinik entlassen wurde. Mein Zustand hatte sich dort so verbessert, dass ich später einen Beruf ergreifen konnte, für den eine gute gesundheitliche Verfassung eine Grundvoraussetzung ist. Der allgemeine Gesundheitszustand musste so gut sein, dass auch ein mehrjähriger Aufenthalt in schwierigen Ländern mit unzureichender medizinischer Versorgung problemlos möglich war. Das verdanke ich letztlich auch der erfolgreichen Asthma-Therapie in Bad Reichenhall.
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Klaus schrieb am 18.01.2022
Auch ich war im Jahr der Sturmflut auf Borkum, da war ich sechs. Ich erinnere mich nur noch, dass das Wasser über die Promenade bis ans Fenster gekommen ist. Die lange Mittagsruhe mit kratzenden grauen/braunen Decken sind mir ebenso in Erinnerung, wie das kleine Mädchen, dass bis spät nachmittags an ihrem Teller voll Hühnerfrikassee saß, sich über die gekochte Hühnchenpelle geekelt hatte und dann kam das, was nicht kommen sollte: Sie hat sich soweit geekelt, dass das Mittagessen wieder herauskam, sie musste solange sitzen bleiben, bis der Teller leergegessen war. Ich habe meine Portion mit Widerwillen aufgegessen, Seit dem mag ich kein Hühnerfrikassee mehr. Ach ja, Briefe wurden selbstverständlich geschönt, es war immer alles in bester Ordnung. Ja so waren die lieben „Schwestern“ eines städtischen Essener Kinderheimes. Gut, dass das Heim dann irgendwann geschlossen wurde.
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Renate R. aus Bielefeld schrieb am 18.01.2022
Hallo, meine 2 Jahre jüngere Schwester (ca. 6 Jahre alt) und ich wurden in den frühen 60er Jahren für mehrere Wochen ins Kinderheim Lensterhof geschickt. Meine Eltern hatten noch 2 weitere jüngere Kinder und wollten wohl mal in Ruhe Urlaub machen. Böse Absicht möchte ich nicht unterstellen. Da meine Schwester untergewichtig und eine schlechte Esserin war, war schnell ein passender Grund gefunden, den der Hausarzt auch attestierte. Da sie nicht alleine fahren sollte wurde auch für mich ein Grund gesucht. Ich war zu der Zeit völlig gesund und hatte Normalgewicht, der Arzt hat aber Übergewicht als Grund angegeben. Ich kann mich nicht an viele Situationen erinnern, aber einige sind bis heute voll gegenwärtig. Obwohl wir so völlig gegensätzliche Gründe für den Aufenthalt hatten, haben wir immer das gleiche Essen bekommen, auf unsere „Krankheiten“ wurde nie eingegangen. Meine Schwester hat sehr lange am Essen rumgekaut und wurde erst erlöst, wenn der Teller leer war. Später stellte sich raus, dass sie diese Probleme nur aufgrund einer starken Fehlstellung der Zähne hatte. Ich erinnere mich, dass wir alles mit dem Löffel essen mussten, so auch eine dickhäutige Bockwurst, die sich nicht zerteilen ließ und nicht angefasst werden durfte. In diesen Wochen sind jeden Tag viele Tränen geflossen, nicht nur wegen der Wurst. So wurde uns das Klopapier zugeteilt, für „klein“ gab es 1 Blatt, für“ groß“ 2 Blatt. Es gab feste Klozeiten . In meiner Erinnerung befanden sich die Plumpsklos in einem Gebäude gegenüber. Da wir aus einem Elternhaus kamen, in dem wir den Umgang mit Besteck und Klopapier durchaus kannten, waren wir beide sehr geschockt. Meine kleine Schwester habe ich oft trösten müssen, weil sie sehr viel weinte. Telefonate nach Hause gab es nicht und unsere Briefe wurden nur freigegeben, wenn nichts Schlechtes drin stand. Morgens mussten wir mit Salzwasser Gurgeln, was ich bis heute nicht beherrsche und mich täglich verschluckt habe. Obwohl das Haus so dicht an der Ostsee lag, beschränkten sich unsere Besuche auf wenige Spaziergänge, bei denen wir uns alle an den Händen halten mussten und manchmal durften wir auch nur so für 2—3 Minuten ins Wasser. An schwimmen oder spielen war nicht zu denken. Insgesamt waren diese Wochen für uns die schrecklichsten in unserem Leben. Es herrschte dort eine Eiseskälte, es gab keine tröstenden Worte und es wurde mit Angst regiert. Zuhause hat uns keiner geglaubt und es wurde belächelt, wenn wir davon berichteten, nach dem Motto: da seht ihr mal, wie schlecht es anderen Kindern geht und wie gut ihr es hier habt. Bisher hat nur meine Schwester meine Erfahrungen geteilt und ich kann mich nur bruchstückhaft erinnern, aber es war grauenvoll und hat uns beiden bis heute geschadet. Völliger Vertrauensverlust und Essstörungen halten bis heute an. Habe vor einigen Jahren bei einem Besuch an der Ostsee den Hof noch gefunden. Das Haus stand schon leer, beim Anblick kamen alle schlimmen Gefühle wieder hoch.
Ich hoffe, dass es so etwas nicht mehr gibt, und wünsche allen Mitleidenden viel Glück beim Verarbeiten des Erlebten
Renate
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Angelika Bäumer-Schumacher aus 50735 Köln schrieb am 18.01.2022
DER SCHNEE HAT UNS VOR DEM ERDURSTEN GERETTET
Ich war mit meinen Geschwistern im Allgäu, von denen ich getrennt untergebracht wurde. Ich war entweder 9, 10 oder 11, also muss es zwischen 1964 - 1966 gewesen sein. Wir waren im Winter dort. Wir Geschwister wurden getrennt untergebracht. Was richtig schlimm war: DURST! 24 Stunden jeden Tag! Die sogen. Erzieherinnen wollten nicht, dass wir ins Bett machten (was bei mir Empörung auslöste, denn ich war keine Bettnässerin). Aber vorsichtshalber bekamen wir alle kaum etwas zu trinken.... morgens 1 Glas Milch und abends 1 Tasse Tee. Das Wasser auf den Fluren war kein Trinkwasser (was ich sehr ernst nahm, denn am Land hatten wir auch solche Anschlüsse und einige Kinder sind krank geworden, die trotzdem aus diesen Hähnen tranken). Wir Mädchen waren ganz oben unterm Dach untergebracht und ich kletterte fast jeden Abend auf das Vordach und reichte den Schnee ins Zimmer. Wir haben Berge von Schnee gegessen vor lauter Durst. Das Dach ging schräg abwärts. Ein Wunder, dass ich nicht abgestürzt bin. Allerdings habe ich daran als Kind keinen großen Gedanken verschwendet, der Durst war ja auch drängend. Ich erinnere mich noch, dass ich die Mädchen auf dem Zimmer drängte, dass wir alle an den Wanderungen teilnahmen. Dafür wurden wir sogar gelobt. Allerdings war das alleinige Motiv, dass wir Schnee essen konnten soviel wir wollten. Keine der "Erzieherinnen" hat überhaupt richtig hingeschaut, was wir machten, niemand von denen hat das durchschaut. Auch hat niemand je aus dem Zimmerfenster geschaut, sonst hätten meine Schnee-Ernten auffallen müssen. Noch heute MUSS IMMER eine Flasche Wasser an meinem Bett stehen, denn sonst kann ich nicht einschlafen. Trinken muss ich allerdings selten nachts. Das 2. Übel von dem ich berichten kann ist die Folter mit der Milch. Ich habe schon als kleines Kind wohl keine Milch getrunken. Heute weiß ich, dass ich eine Milchunverträglichkeit habe und mir das Enzym Laktase fehlt. Auf jeden Fall wurden wir gezwungen morgens das Glas Milch zu trinken. Nach wenigen Tagen war ich richtig krank und konnte gar nichts mehr bei mir behalten. Ich habe mich ständig erbrochen. Als in der Mitte dieser Folter-"Kur" ein Arzt vorbeikam und uns untersuchte wurde festgestellt, dass ich erheblich abgenommen hatte. Ich kann mich noch daran erinnern, dass er eine Schreierei mit den sogen. Erzieherinnen anfing. Diese hatten nicht einmal bemerkt, dass ich so viel abgenommen hatte. Danach durfte ich mir morgens das Getränk aussuchen, meistens Caro-Kaffee. Allerdings war es zu spät: Ich kam rappeldünn zu Hause an und hatte statt einer Milchunverträglichkeit ein Milchtrauma! Bei mir ging das so weit, dass ich mein Kind mit Wasser großgezogen habe. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, meinem Sohn Milch zu geben. Ich bin also mit 2 handfesten Traumata wieder aus dieser sogen. "Kur" zurückgekommen. Übrigens waren ich oder meine Geschwister nie mehr im Allgäu. Manchmal sehe ich im Fernsehen, wie schön die Landschaft ist, allerdings möchte ich dort nie mehr sein....... Ich weiß nicht was passiert wäre, wenn wir den Schnee nicht gehabt hätten......
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karl Werner aus Vellmar schrieb am 18.01.2022
Der Schmerz sitzt tief..fast vergessen..nach über 60 Jahren..aber wenn man dran denkt ist er wieder da..
Diese unmenschliche Behandlung..von Menschen..Erziehern und sogenannten Kinderschwestern.
In allen drei Heimen war es fast gleich..sicherlich wusste man es nicht besser..Essen wurde reingezwungen.. wenn es wieder raus kam.mußte man es wieder essen..bis der Teller leer war und wenn es 2 Std dauerte..
Nachts mussten wir im Treppenhaus mit einer umgegangen Wolldecke und barfuß 2 Std Strafe stehen.wenn wir beim zubettgehen geredet haben..beim Mittagsschlaf ..2 Std..durften wir nicht auf die Toilette..dann haben wir in unsere Socken gepinkelt..beim Mittagsschlaf auf der Gartenwiese haben wir uns ins Gras gerollt und laufen lassen.Und dabei alles ohne einen Laut zu machen..dann wurde man richtig bestraft..Briefe wurden geschrieben.aber nicht versendet..auch bekam man keine Post..
Da waren dann die kleinen Stockschläge noch das erträglichste.
Aber am schlimmsten war dann die Heimkehr..Unsere Erzählungen bei den Eltern..keiner hat uns geglaubt..wir sollten uns nicht so anstellen..schließlich hatten wir eine schöne Zeit..
Wenn ich dies alles meinen Enkeln erzähle ist es für sie unverständlich..
Wir mußten ja harte Männer werden..
Ein Trauma bis heute
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Rosemarie aus Gescher schrieb am 18.01.2022
Oh-Gott, ich habe erst jetzt gelesen dass es dieses Forum gibt. Es ist schrecklich was ich damals im Kinderverschickungsheim(Juist) mit 9 Jahren erlebt habe. Es wurde mit einer Brutalitaet mit uns umgegangen die noch heute, nach 59 Jahren, unvergessen geblieben ist. Zudem kam 1962 noch die grosse Sturmflut die das Grauen noch vertiefte Vielleicht findet sich jemand hier, der das Schicksal mit mir teilt.....?!
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Uwe Kleinemas aus Bonn schrieb am 18.01.2022
Hallo zusammen,
auf Anraten der Gütersloher Hausärztin Frau Dr. S. wurde ich 1971 zur Abmagerungskur in das Sanatorium Ide auf Amrum verschickt. Am Tag nach der Ankunft wurde die Untersuchung durch den leitenden Arzt Dr. Ide durchgeführt. Er hatte dabei die Angewohnheit, die zu untersuchenden Kinder an der Haut unterhalb des Kinns zu greifen und zu sich heranzuziehen. Der allgemeine Umgang war militärisch streng und wir Kinder mussten zu verschiedenen Anlässen in Reihen "antreten". Als Abnehmkind wurde ich mit anderen Kindern, die "gemästet" werden sollten, an einen Tisch gesetzt. Da ich offenbar im Schlaf gesprochen hatte, wurde ich mehrfach aus dem Bett geholt und stundenlang in eine Decke gehüllt auf den Dachboden gestellt. Die verordnete "Diät" war grauenhaft - so gab es zum Frühstück sechs Wochen lang eine dünn bestrichene Vollkornbrotscheibe und ein hartgekochtes Ei, das im Inneren grün war. Ich habe diese Eier in die Tasche gesteckt und an die Möwen verfüttert. Als das herauskam, musste ich unter Aufsicht frühstücken. Meine Briefe nach Hause wurden vor Absendung gelesen, angeblich um "Lügen" vorzubeugen. Päckchen wurden gefilzt und "ungesunder" Inhalt konfisziert. Zwei Mal pro Woche mussten die Abnehmkinder im Keller antreten und aus einem Tank gefiltertes Seewasser trinken, was das Abnehmen fördern sollte. Jegliche (vermeintliche) Verstöße wurden durch die "Tanten" (Gruppenleiterinnen) der Heimleitung gemeldet, worauf wir beim Heimleiter (Bruder des Chefarztes) antreten mussten und streng zurechtgewiesen wurden. Als Abnehmkind musste ich Mittags, während die "Mastkinder" zwangsweise Mittagsschlaf hielten, alleine spazierengehen. Ich habe in dieser Zeit Grabsteininschriften auf dem Friedhof in Nebel gelesen oder auf einem großen Stein im Watt in die Ferne gestarrt. Ein Halt war mir mein Schulfreund Rupert, der mir Briefe schrieb und Päckchen mit Comic-Heften schickte. Über die Erlebnisse im Sanatorium Ide konnte ich lange nicht sprechen. Sechs Jahre später war ich mit meiner Eltern und Geschwistern auf Föhr, wo wir eine Familienfreizeit verbrachten. Gemeinsam mit meinem Ferienfreund Peer habe ich einen Ausflug nach Amrum unternommen (da war ich 16 Jahre alt) und bei der Gelegenheit auch das Sanatorium Ide aufgesucht. Wir haben das Gelände betreten und sind gleich in den großen Speisesaal vorgedrungen. Dort kam gerade eine Gruppe von Kindern an, und weil das wohl nicht so recht klappte, wurden sie von der zuständigen "Tante" im Kasernenhofton angeschriehen. Da bin ich dann ebenfalls laut geworden und gerufen "Das ist ja immer noch der reinste Kinderknast hier!". Wir wurden dann des Geländes verwiesen, aber es war mir eine echte Genugtuung, ebenso wie die Beobachtung, dass der verhasste Chefarzt inzwischen auf den mir wohlbekannten Friedhof bei der Inselkirche Nebel "verzogen" war. Bei der Rückkehr nach Föhr habe ich dann mit meiner Mutter ausführlich über meinen Kuraufenthalt und natürlich den just zurückliegenden Besuch des Sanatoriums gesprochen. Sie war entsetzt und hat beteuert, dass sie von den Zuständen nichts gewusst und "nur das Beste" für mich gewollt habe. Ich hege gegenüber meiner inzwischen verstorbenen Mutter keinen Groll, finde aber, dass ihre übersteigerte Autoritätsgläubigkeit entscheidend dazu beigetragen hat, Beschädigungen ihres Kindes durch diese Art von "Kur" schlicht zu übersehen.
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Ina schrieb am 17.01.2022
Hallo zusammen,
mit fünf Jahren, im Herbst 1975, kam ich nach Freudenstadt. Dort gab es ein „Kindererholungsheim“ von der Post. Ich sollte sechs Wochen bleiben. Ich war zusammen mit der Tochter einer Kollegin meiner Mutter mit dem Zug angekommen. Von meinen Eltern war mir versprochen worden, dass wir zu zweit die „Kur“ machen würden. Nach der Ankunft wurden wir aber ganz bewusst getrennt und der Kontakt wurde unterbunden.
In dem Zimmer in das ich kam mussten wir uns in der Nacht zu zehnt einen Nachttopf teilen. Am Morgen war er aber oft voll bis zum Rand und die Türe wurde am Abend abgeschlossen. Deshalb geriet ich eines frühen Morgens in die Verlegenheit mich daneben setzen zu müssen. Von den Tanten wurde ich geschimpft und als Schmutzfink dargestellt. Fortan wurde ich von den Kindern verspottet und wo es ging gequält. Jeden Morgen sah ich beim Erwachen, dass meiner Puppe der Kopf abgerissen worden war und musste weinen (zum Glück konnte ich ihn selbst wieder aufstecken). Das Zwillingspärchen, das im Nebenbett schlief, lachte mich dann aus. Ich wusste, dass sie es waren, und ich traute mich natürlich nicht etwas zu sagen. Ich hatte großes Heimweh aber es dauerte einige Zeit bis ich den Mut zusammen hatte dies den Tanten zu sagen und darum zu bitten nach Hause zu dürfen. Meine Bitte wurde mit einer Handbewegung weggewischt. Bei meiner Familie kamen nur gute Berichte über meinen Aufenthalt an. Das Päckchen, das mir geschickt wurde bekam ich nicht. Auch über meine Zeit auf der Krankenstation wurden meine Eltern falsch informiert. All dies las ich viele Jahre später im Tagebuch meiner Großmutter.
Auch die Essenszeiten waren schrecklich. Nicht nur, dass ich, wie alle Kinder, Dinge essen musste vor denen ich mich ekelte oder die mir gesundheitliche Beschwerden verursachten. Es war für mich fast noch schlimmer meine sprachliche Identität verleugnen zu müssen. Uns wurden Wörter verboten, die nicht dem Sprachgebrauch der Tanten entsprachen. Ich wurde zum Beispiel immer wieder verhöhnt wenn ich statt „Rapunzel“ „Feldsalat“ sagte, wie ich es von zu Hause gewöhnt war.
Es war an einem Abend in der großen Halle mit den hohen Fenstern. Nach dem Abendessen (ich glaube es war Erntedank) sang ein Chor von älteren Kindern „He-Jo spann den Wagen an“ im Kanon. Dieses Leid traf mich zutiefst, weil es meine Sehnsucht nach Freiheit und Gemeinschaft im gleichen Maße ausdrückte. Das kann ich heute so beschreiben. Damals war es nur ein diffuses sehnen nach etwas, das mir verwehrt wurde. Ich dachte, wenn ich mit den älteren Kindern singen dürfte, wäre ich frei. Als Erwachsene entdeckte ich die englische Version dieses Liedes, die mein damaliges Gefühl noch genauer auszudrücken vermag:
Heiho – nobody at home!
Meat nor drink, nor money have I none.
Yet will I be merry.
Yet will I be merry.
Als sehr beschämend habe ich auch die Rotlichtbehandlungen empfunden bei denen wir Kinder splitternackt (nur mit einer Schutzbrille bekleidet) in den Rotlichtraum gehen mussten.
Nach drei Wochen in diesem Erholungsheim wurde ich krank und kam auf die Krankenstation. Ich hatte hohes Fieber. Es kam immer wieder, wenn ich zurück in den Alltag des Heims sollte. Auf der Krankenstation war ich sehr isoliert. Aber das Fieber half ein wenig um die Schrecken dieses Ortes, das Heimweh, die Scham und die Lügen hinter einer Nebelwand verschwinden zu lassen. Ich vermute eher zum Ende meines Aufenthaltes kam ein Junge in mein Zimmer, der auch krank war. Vielleicht ging es ihm aber körperlich ein wenig besser als mir. Er war wohl etwas älter als ich, denn: er konnte lesen! Es geschah das Unglaubliche - er las mir vor! Es war für mich wie ein Wunder. Dieser fremde Junge, der nicht viel älter war als ich, schenkte mir die Nähe und Zuneigung, die mir von all den Erwachsenen verwehrt worden war. Ich werde ihm mein Leben lang dankbar sein für sein tätiges Mitgefühl, das mir damals half psychisch zu überleben. Und ich habe in all den Jahren immer wieder an ihn gedacht. Hoffend, dass er selbst so viel Hilfe erfahren möge, wie er sie mir geschenkt hat.
Ich weiß nicht, ob ich selbst jemals einem Menschen so hilfreich zur Seite gestanden habe, wie dieser unbekannte Junge es für mich getan hat. Ich würde mich sehr freuen ihn auf diesem Weg zu finden. Auch wenn das sehr unwahrscheinlich ist.
Als meine Eltern mich abholten nahm mein Vater mich auf seinen Arm. Ich spüre heute noch diesen Zwang mich von ihm wegdrehen zu müssen, obwohl ich mir all die Wochen nichts sehnlicher gewünscht hatte, als dass sie mich abholen würden. Ich verstand mich selbst nicht, es war schrecklich mich nicht zu meinem Vater flüchten zu können, sondern mich nur seltsam fremd zu fühlen.
Bis zu meinem 18. Lebensjahr hatte ich Albträume die sich um die Zeit in Freudenstadt drehten. Ich hatte es bald aufgegeben meiner Familie von meinen erlebten Schrecken zu erzählen, denn meine Mutter unterband meine Erzählungen damit, dass sie mir erklärte, das sei alles nicht wahr. Ich hätte mir das alles nur ausgedacht. Also schwieg ich.
Mit Anfang 30 machte ich mich auf die Suche nach dem Ort dieses Schreckens. Ich bat meine Mutter mir die Adresse zu geben. Aber sie verwehrte mir ihre Hilfe. Ich fand das Haus indem ich im Touristenbüro danach fragte. Es war ganz einfach. Und es war sehr heilsam diesen Ort zu besuchen. Es gab ihn wirklich. Ich erkannte das Fenster wieder, hinter dem unser Schlafraum war, den Park, die Säulen vor dem großen Speisesaal. Und dieses Haus war alt und drohte zu verfallen. Ich spürte ganz direkt: „Dieser Ort kann mir nichts mehr antun!“. Seither besuche ich das Haus jedes Mal, wenn ich durch Freudenstadt fahre. Und es ist interessant zu beobachten wie wir beide uns mit den Jahren verändern.
Mein Aufenthalt im Posterholungsheim in Freudenstadt (Landhausstr. 69) war zwischen dem 14.10. und 25.11.1975. Von der Mitarbeiterin im Touristenbüro wurde mir mitgeteilt, dass dieses Haus nur sehr kurz als Kindererholungsheim diente. Die meiste Zeit waren hier Erwachsene zur Kur. Wer sich Bilder des Hauses ansehen möchte findet unter dem Stichwort „Posterholungsheim Freudenstadt“ auf der Internetseite „oldthings“ alte Postkarten.
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Ulrike Bergmann-Seifert aus Bremen schrieb am 17.01.2022
Ich wurde mit gerade 6 Jahren ins Adolfinenheim verschickt, um für die Einschulung ins Winterkurzschuljahr "aufgepäppelt" zu werden. Ich habe diese Zeit in grausamer Erinnerung. Niemand war da, mich mit meinem entsetzlichen Heimweh zu trösten. Zuwendung bekam ich keine - ich erinnere mich daran, dass ich mich morgens zum Kämmen in die Reihe stellte und von der Erzieherin nur ein verächtliches "ach du mit deinen 5 Haaren" zu hören bekam. Ich hab's heute noch im Ohr. Für alle möglichen "Vergehen" musste ich am helllichten Tag zur Strafe ins
Bett und durfte noch nicht mal meine Puppe, das einzig vertraute, was ich hatte, mitnehmen. Ich sehe sie noch auf der Fensterbank sitzen. Die Betten waren mit durchgelegenen dünnen Matratzen ausgestattet. Viele meiner Zimmergenossinnen haben eingenässt, mir ist es nur einmal passiert, was ich irgendwie vertuschen konnte.
Das Essen war grauenhaft. Wie oft habe ich in einem düsteren Essensraum vor vollen Tellern mit süßlicher Milchsuppe, in der Nudeln schwammen, sitzen müssen, bis ich sie irgendwie heruntergewürgt habe. Noch heute wird mir beim Geruch von warmer Milch schlecht. Ich kann mich daran erinnern, dass es mal eine Kugel Vanilleeis zum Nachtisch gab, das war ein absolutes Highlight.
An Spiele mit anderen Kindern oder Basteleien habe ich keine Erinnerung. Irgendwie sehe ich mich immer nur herumstehen oder -sitzen. Ob wir oft an den Strand gegangen sind? Ich weiß es nicht...
Eine der Erzieherinnen hieß Tante Barbara. Sie betreute eine Jungengruppe und ich habe einmal gesehen, dass sie mit ihren Jungs abends gesungen hat und alle einen Becher Tee zu trinken bekamen. So etwas gab es bei uns Mädchen nicht.
Als endlich die verordneten 6 Wochen herum waren, erkrankte ich an Windpocken und musste noch 2 Wochen länger bleiben. Auf der Krankenstation war es etwas besser, ich glaube, es waren nur vier Betten in einem Zimmer. Außerdem gab es hier etwas Spielzeug und wir durften Weißbrot essen. Ich bekam während meiner Windpockenzeit einmal ein Paket von meinen Eltern, darin befanden sich nur 2 selbstgenähte Blusen "aus kühlendem Stoff". Keine Schokolade, kein Bonbon, keine Kleinigkeit zum Spielen, über das sich ein 6-jähriges Mädchen gefreut hätte... Das war eben von vornherein verboten und die Eltern hielten sich, autoritätshörig wie sie waren, daran. Das habe ich ihnen irgendwie übel genommen. Als diese ganz Zeit überstanden war, gingen wir in einen Andenkenladen und ich habe einen drehbaren Leuchtturm, eine große Muschel und einen stinkenden Seestern ausgesucht.
Ich war nie ganz sicher, ob ich auf Borkum tatsächlich im Adolfinenheim gewesen bin, bis ich vor einigen Jahren ein paar Tage im November auf der Insel verbracht habe, um mein Trauma zu verarbeiten. Im kleinen Heimatmuseum ließ man mir sehr viel Zeit, viele Ordner über dieses Heim zu durchforsten. Anhand der Fotos war mich mir dann ganz sicher, dass ich im Adolfinenheim war.
Das Haus existiert schon lange nicht mehr, das Grundstück wurde zu einem Teil mit einem Kindergarten bebaut. Da dort die Freiwillige Feuerwehr einen Bau plante, wurde neben dem Kindergarten das ganze Grundstück ausgebaggert. Schutt und Scherben des alten Adolfinenheims kamen wieder zu Vorschein und ein Stück einer gelben Waschsaal-Fliese ging als "Trophäe" mit nach Hause.... Nach Borkum werde ich sicher nie wieder zurückkehren.
Ich bin interessiert an Erinnerungen von LeidensgenossInnen, die vielleicht auch Mitte der 60er Jahre ins Adolfinenheim verschickt wurden.
Gräßlich, was man damals uns Kindern angetan hat.
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Dörte Fristedt aus Ängelholm schrieb am 17.01.2022
Hallo!
Ich kam mit meiner älteren Schwester das erste Mal auf den Seehof, der von der Heilsarmee geleitet wurde. Ich war damals 5 Jahre. Meine Mutter war 2 Jahre zuvor gestorben und ich wohnte mit 4 Geschwistern beim Opa. Klar, dass die ersten Tage schwer waren aber ich habe meine Zeit dort in guter Erinnerung. Badewiese, toller Spielplatz, der Heimleiter hat mit uns täglich gesungen und mit seinem Akkordeon begleitet, es gab Esel und Wildschweine auf dem Gelände. Klar es war streng aber trotzdem freundlich. Für mich eine humane Einrichtung. 40 Jahre später habe ich den Seehof wieder besucht. Ich wollte meiner Familie den Ort, der mir so gut getan hat, unbedingt zeigen.
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Karin S. aus Unterschleißheim schrieb am 17.01.2022
Hallo in die Runde.
Ich werde dieses Jahr 60 Jahre alt und Zeit meines Lebens habe ich Erinnerungen an diesen Kuraufenthalt und bin bis heute wütend, dass ich so behandelt wurde. Ich war sehr dünn und meiner Großmutter ( bei der ich aufgewachsen bin) wurde nahe gelegt, mich zur Kur zu schicken. 1. Erinnerung: viele Kinder am Bahnhof und eine Frau nimmt mich in Empfang mit den Worten " Du bist ja niedlich. Dich behalte ich mal". Ich hatte panische Angst nicht mehr zu meiner Oma zu kommen und habe auf der Zugfahrt viel geweint. Bis heute habe ich Schwierigkeiten mit dem Zug zu verreisen. Angekommen ( ich erinnere mich an Berge) bin ich in einem Kloster oder ähnliches. Da waren Nonnen, große Schlafsäle und ein strenges Regime. Nachts saß eine Nonne vor der Tür und passte auf dass kein Kind auf die Toilette geht und Ruhe herrscht. Essen musste aufgegessen werden. Ich war eine schlechte Esserin und habe bis dahin nie Zwang beim Essen gekannt. Ich kann mich erinnern erbrochen zu haben und wie ich dann vor dem Teller saß da man mir sagte ich müsste es auf esse. Ich kann mich nicht erinnern das ich das gemacht habe.
Aber an die Verzweiflung kann ich mich erinnern. Auf einem Spaziergang habe ich einen meiner neuen Handschuhe verloren habe( es lag Schnee). Daraufhin wurde ich ins Gesicht geschlagen. Das war schrecklich für mich, da ich über den Verlust schon so traurig war. Statt Trost Schläge. Körperpflege wurde an langen Waschtrögen durchgeführt. Ich habe mich dabei sehr unwohl gefühlt da alle geschaut haben. Dann bin schwer erkrankt ( es könnten die Windpocken gewesen sein). Mir ging es zunehmend schlechter, so das ich frühzeitig nach Hause geschickt wurde. Ich würde heute noch am liebsten jeder Nonne eine runter hauen. Leider weiß ich nicht wo dieser Aufenthalt war. Das Bild von dem Haus, die Berge, dem Schnee und den Nonnen werde ich aber nie mehr vergessen. Danke das ich hier die Möglichkeit bekommen habe, mich endlich nicht mehr so alleine damit zu fühlen und sage Danke für diese Platform.
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Barbara Balk aus Winsen/Aller schrieb am 17.01.2022
Ich habe nicht viele Erinnerungen an den Heimaufenthalt. Hingekommen bin ich, weil "aus dem Kind nichts wird". Einzige konkrete Erinnerung: Ich wurde morgens, mittags und abends mit Milchbrei und Haferschleim vollgestopft. Und ich mochte das Zeug nicht. Ich musste solange vor dem Teller sitzen, bis er leer war. Seitdem kann ich warme Milchsuppen nicht mehr sehen und riechen. Kommt mir sofort der Magen hoch. Und ich bin während des Aufenthalts 10 Jahre alt geworden. Mein Geburtstagspäckchen habe ich nie zu Gesicht bekommen. Mir wurde nur gesagt: "Du hast ein Päckchen gekriegt. Das wird auf alle aufgeteilt." Gesehen habe ich nie was. Und es herrschte ein fürchterlichen Ton. Wir auf dem Kasernrnhof.
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Thomas Müller aus Neu Isenburg schrieb am 17.01.2022
Das erstemal war ichmit 5 Jahren in Berchdesgaden im Kurheim, da kann ich mich aber nicht mehr so daran erinnern.
Das zweitemal ich war als 6 jahriger Junge, in einer Kuranstalt in Buhlbron im Schwarzwald geschickt worden, für 6 Wochen und es war die Hölle auf Erden.
Es war eine Tortur beim Essen, bei der Freizeit - gestaltung und Abends ins Bett gehen. Beim Essen mußte man so lange am Tisch sitzen bleiben bis man aufgegessen oder gekotzt hatte. Die Freizeitbeschäftigung war meistens spazieren gehen oder auf dem Gelände war ein na sagen wir mal so eine Art Spielplatz. Abends war sehr früh Bettruhe, es war ein sehr großer Schlafsaal mit ca 15-20 Betten ( Zeit kann ich nicht nennen) aber es war sehr früh, mit der Androhung wer Nachts nicht schläft bekommt Schläge (AUCH WENN MAN AUF TOILETTE MUSSTE )und so machten viele Kinder in ihr Bett, was wiederum dazu führte, daß man sein Bett selber frisch machen mußte. Mein Bettnachbar hatte Rückratverkrümmung und wurde Nachts in so eine Gipsform gelegt und fixsiert ich mußte Nächte lang mit anhörern wie jemmerlich er geweint hatte und sehr oft ins Bett gemacht hatte, da er Angst hatte jemand zu rufen. (ich muß weinen wenn ich hier schreibe). Hatte jemand ein Päckchen bekommen, so ist das einfach aufgemacht worden und was die Heimleitung für nicht gut hielt wurde einbehalten oder unter allen Kindern aufgeteilt, egal ob das Geburtstag war oder einfach so. Meine Mutter schickte mir 2x in der Woche einen Brief mit einem streifen Kaugummi drinn, den durfte ich behalten. Ich wünsche allen Betroffenen, daß sie diese Ereignise gut verkraften aber niemals vergessen sollen, denn sowas sollte keinem Kind der Welt passieren.
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Sascha schrieb am 17.01.2022
Ich habe leider nur einige Erinnerungsfetzen an die Zeit, die mich aber doch sehr nachhaltig geprägt hat.
Ich wurde zu Hause beim Kinderarzt ständig geröngt, weil ich Asthma und Allergien hatte und mir damals keiner so richtig helfen konnte.
Dieser hat dann irgendwann die Einweisung in die Spezialkinderklinik veranlasst.

Per Bus ging es 1980 vom Schweinfurt Hauptbahnhof nach Bad Reichenhall in die Spezialkinderklinik für Asthma und Bronchitis in der Kurfürstenstraße 26.

Der Bus war voll mit Kindern von ganz klein bis ca. 14 Jahren (lt. meiner Mutter).

Meinem Teddy wurde gleich in der ersten Nacht der Kopf abgerissen von älteren Jungs.
Diesen älteren Jungs waren wir Kleinen schutzlos ausgeliefert.
Die Älteren Jungs befriedigten sich ganz offen vor allen Kindern...

Zum Frühstück gab es Marmelade und Malzkaffee was ich vorher noch nie gegessen hatte zu Hause. (Beides bis heute ein absolutes NO GO)

Ich musste im Federbett schlafen (Ich war damals hochgradig allergisch darauf und es wurde extra drauf hingewiesen)
Das ging natürlich nicht gut und ich hatte viele Anfälle...

Es gab keinen Kontakt per Telefon oder Besuch.

Die Karten wurden von Erzieherin geschrieben - natürlich nur Gutes. Leider hat Sie meine Mutter nicht mehr.

Ich kann mich vage daran erinnern, das ich irgendwo in einer Druckkammer war, im Solebad, im Inhalierraum, in einem nebligen Raum, oder auch unter der Höhensonne.

Beim Schwimmen, wurde ich in ein Becken gestoßen wo ich nicht stehen konnte als Nichtschwimmer (Bis heute habe ich Angst im Wasser und schwimme nur in reichweite vom Beckenrand)

Ich bin aus Scham Tagelang/Wochenlang (Weiß nicht mehr wie lange - es war sehr lange) nicht auf Toilette, weil die Türen offen bleiben mussten, bzw keine Türen dran waren (das weiß ich nicht mehr genau) Ich hatte dann natürlich eine extrem schlimme Verstopfung...

Ich wurde lt. meiner Mutter sehr Krank (Welche Krankheit ist nicht mehr bekannt) und war 14 Tage auf einer Krankenstation (Meine Eltern wurden darüber erst nach der Kur informiert)

Meine Zähne waren wohl 6 Wochen kaum geputzt worden, meine Mutter sagte dass meine Zähne sehr schlimm/schwarz aussahen.

Das einprägsamste war die Ankunft in Schweinfurt.
Ich blicke erwartungsvoll und voller Sehnsucht aus dem Busfenster und konnte meine Eltern nicht am Bahnhof entdecken und geriet in Panik...
Als ich ausgestiegen war, sah ich mich panisch um und mir liefen die Tränen übers Gesicht. Ich glaubt in dem Moment fest daran, dass mich wirklich niemand mehr abholt. - Absolute Panik -
Plötzlich kam ein Mann und eine Frau freudestrahlend auf mich zu, es waren meine Eltern! Sie standen nur ein paar Meter entfernt von dem Bus und ich konnte Sie nach 6 Wochen nicht mehr erkennen. Ich fühlte mich völlig entwurzelt, fremd und leer...
Meine Mutter war völlig entsetzt und erschrocken über meinen Gesundheitszustand :

Ich war kränker nach den 6 Wochen wie vorher - und nicht mehr das gleiche Kind...

Bis heute plagen mich Verlustängste, Angstzustände im Dunkeln, Minderwertigkeitskomplexe, Gewichtsprobleme, Magen- Darm Probleme usw.

Es ist eine Schande für dieses Land, dass so lange diese Zustände gebilligt wurden und wir Kinder der ganzen Heimmaschinerie schutzlos ausgeliefert waren.

Ich würde meine Tochter NIEMALS alleine auf eine Kur verschicken...
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Sascha aus Schweinfurt schrieb am 15.01.2022
Ich habe leider nur einige Erinnerungsfetzen an die Zeit, die mich aber doch sehr nachhaltig geprägt hat.
Ich wurde zu Hause beim Kinderarzt ständig geröngt, weil ich Asthma und Allergien hatte und mir damals keiner so richtig helfen konnte.
Dieser hat dann irgendwann die Einweisung in die Spezialkinderklinik veranlasst.

Per Bus ging es 1980 vom Schweinfurt Hauptbahnhof nach Bad Reichenhall in die Spezialkinderklinik für Asthma und Bronchitis in der Kurfürstenstraße 26.

Der Bus war voll mit Kindern von ganz klein bis ca. 14 Jahren (lt. meiner Mutter).

Meinem Teddy wurde gleich in der ersten Nacht der Kopf abgerissen von älteren Jungs.
Diesen älteren Jungs waren wir Kleinen schutzlos ausgeliefert.
Die Älteren Jungs befriedigten sich ganz offen vor allen Kindern...

Zum Frühstück gab es Marmelade und Malzkaffee was ich vorher noch nie gegessen hatte zu Hause. (Beides bis heute ein absolutes NO GO)

Ich musste im Federbett schlafen (Ich war damals hochgradig allergisch darauf und es wurde extra drauf hingewiesen)
Das ging natürlich nicht gut und ich hatte viele Anfälle...

Es gab keinen Kontakt per Telefon oder Besuch.

Die Karten wurden von Erzieherin geschrieben - natürlich nur Gutes. Leider hat Sie meine Mutter nicht mehr.

Ich kann mich vage daran erinnern, das ich irgendwo in einer Druckkammer war, im Solebad, im Inhalierraum, in einem nebligen Raum, oder auch unter der Höhensonne.

Beim Schwimmen, wurde ich in ein Becken gestoßen wo ich nicht stehen konnte als Nichtschwimmer (Bis heute habe ich Angst im Wasser und schwimme nur in reichweite vom Beckenrand)

Ich bin aus Scham Tagelang/Wochenlang (Weiß nicht mehr wie lange - es war sehr lange) nicht auf Toilette, weil die Türen offen bleiben mussten, bzw keine Türen dran waren (das weiß ich nicht mehr genau) Ich hatte dann natürlich eine extrem schlimme Verstopfung...

Ich wurde lt. meiner Mutter sehr Krank (Welche Krankheit ist nicht mehr bekannt) und war 14 Tage auf einer Krankenstation (Meine Eltern wurden darüber erst nach der Kur informiert)

Meine Zähne waren wohl 6 Wochen kaum geputzt worden, meine Mutter sagte dass meine Zähne sehr schlimm/schwarz aussahen.

Das einprägsamste war die Ankunft in Schweinfurt.
Ich blicke erwartungsvoll und voller Sehnsucht aus dem Busfenster und konnte meine Eltern nicht am Bahnhof entdecken und geriet in Panik...
Als ich ausgestiegen war, sah ich mich panisch um und mir liefen die Tränen übers Gesicht. Ich glaubt in dem Moment fest daran, dass mich wirklich niemand mehr abholt. - Absolute Panik -
Plötzlich kam ein Mann und eine Frau freudestrahlend auf mich zu, es waren meine Eltern! Sie standen nur ein paar Meter entfernt von dem Bus und ich konnte Sie nach 6 Wochen nicht mehr erkennen. Ich fühlte mich völlig entwurzelt, fremd und leer...
Meine Mutter war völlig entsetzt und erschrocken über meinen Gesundheitszustand :

Ich war kränker nach den 6 Wochen wie vorher - und nicht mehr das gleiche Kind...

Bis heute plagen mich Verlustängste, Angstzustände im Dunkeln, Minderwertigkeitskomplexe, Gewichtsprobleme, Magen- Darm Probleme usw.

Es ist eine Schande für dieses Land, dass so lange diese Zustände gebilligt wurden und wir Kinder der ganzen Heimmaschinerie schutzlos ausgeliefert waren.

Ich würde meine Tochter NIEMALS alleine auf eine Kur verschicken...
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Martin M. aus Saarbrücken schrieb am 09.01.2022
Wer von den folgenden Personen war mit mir in dieser Einrichtung, kann sich erinnern und möchte sich mit mir austauschen?

Die möglichen Patienten, die während dem Essen mit mir an meinem Tisch saßen, waren:
Udo Meier, ca. 6 Jahre und kräftig
Stefan Wagner, ca. 5 Jahre und blond
Achim Hans ca. 7 J. und braun

Die möglichen Jungen, die mit mir in einem Zimmer untergebracht wurden, waren:
Stefen Schmitt/ Schmidt, ca. 7 Jahre
Jürgen Schreiner, ca. 9 Jahre
Andreas Hof, ca. 5 Jahre

Viele Grüße
Martin M.
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Kerstin aus Mittweida schrieb am 09.01.2022
Ich war auch in einem *Kurheim*. Leider weiß ich nicht mehr wo. Irgendwo in der Berliner oder Brandenburger Ecke. Ich war 5 Jahre alt. Angeblich war ich zu dünn und ich müsste diese sogenannte Erholungskurs antreten.
Viele Erinnerungen habe ich nicht,ich war zu klein.
Ich weiß noch das da die Windpocken waren und ich mich abgesteckt habe. Den ganzen Tag saß ich allein in meinem Bett, während die anderen draußen spielten. Um mich hat sich keiner gekümmert und ich habe viel geweint. Der Essenszwang war auch furchtbar. Jeden zweiten morgen gab es Haferflockensuppe mit Rosinen. Der Geruch von Milchreis, Grießbrei und Haferflocken löst bei mir immer noch einen Würgereiz aus.
Egal ob fettes Fleisch in der Suppe, der Teller musste leer sein.
Vielleicht weiß jemand wo das war. Meine Erinnerung sind kleine bunte Holzhütten im Garten, in denen wir gespielt haben
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Lisa schrieb am 09.01.2022
Ich wurde 1980 mit 8 Jahren nach St. Peter Ording verschickt. Es war keine angenehme Erfahrung (wenn ich mich - zum Glück- auch nicht traumatisiert fühle).
Vor mir war ein Junge aus unserer Nachbarschaft im selben (?) Kurheim verschickt. Meine Mutter hat mir erzählt, dass dessen Eltern meine Eltern im Vorfeld gewarnt hatten, mich nicht zu verschicken, weil die Zustände im Heim so katastrophal seien. Daraufhin haben sich meine Eltern nochmal bei der Krankenkasse vergewissert, die ihnen zugesichert hat, dass das Heim super wäre. Da haben viele Stellen lange Zeit die Augen verschlossen.

Mir sind einige Dinge in Erinnerung geblieben, von denen ich schon damals dachte "das geht nicht/das dürfen die nicht". Das waren einfach Dinge, die in einem vollkommenen Widerspruch zu dem standen, was ich aus meinem Umfeld, aus meiner Grundschule etc, kannte. (Ich schreibe dies, um zu verdeutlichen, dass diese Erziehungsmethoden auch damals nicht "normal" oder "akzeptiert" waren.)

-Die Standardbestrafung (auch für Nichtigkeiten) war über Nacht in den Keller eingesperrt zu werden. Mir selber ist das nie passiert. Es gab aber Kinder, denen es während meines Aufenthalts zu passieren schien. D.h. denen es angedroht wurde und die dann zur Schlafenszeit tatsächlich nicht da waren.
Bestrafungen und Demütigungen vor der Gruppe waren relativ häufig. Ich kann mich an keinen konkreten Fall erinnern, vermute aber, dass es häufig um Bettnässen ging.

- Die Toilettenzeiten waren streng reglementiert und wir durften insbesondere nachts und während des Mittagsschlafs die Toiletten nicht nutzen. Eines Nachts hatte sich eins der Kinder rausgeschlichen, die Toilette benutzt, sich aber wohl nicht getraut, die Spülung zu betätigen, um niemanden zu wecken. Die Toilette wurde dementsprechend am nächsten Morgen dreckig vorgefunden. Daraufhin mussten wir als ganze Gruppe in den Toilettenraum kommen, wurden gemaßregelt und der/die "Schuldige" wurde aufgefordert, sich zu stellen. Als dies nicht geschah, musste die ganze Gruppe stundenlang die Toiletten putzen.

- Auch wir mussten alles aufessen. Ich aß damals schon kein Fleisch und musste daher nach dem Mittagessen oft lange alleine (unter Aufsicht) im Esssaal bleiben, bis ich alles aufgegessen hatte. Ich habe mir oft Fleisch in die Hosentasche gestopft und später entsorgt, weil ich es einfach nicht runter bekam. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, mich jemals übergeben zu haben oder Erbrochenes essen zu müssen. Und ich wurde manchmal nach einer Stunde oder so "erlöst", selbst wenn ich nicht alles aufgegessen hatte. Zudem ersparte mir das Nachsitzen im Speisesaal zumindest den verhassten Mittagsschlaf.

- Die Post wurde auch bei uns überwacht. Die jüngeren Kinder durften ihre Briefe nicht selber schreiben, selbst, wenn sie schon schreiben konnten. Ich durfte selber schreiben, das Geschriebene wurde aber kontrolliert, offiziell, um Rechtschreibfehler etc. zu beseitigen. Es war aber allen klar, dass es nicht erwünscht war, Negatives zu schreiben und, dass das auch zensiert werden würde. Wir mussten die Briefe in einen Korb auf dem Flur legen, wo sie dann von den Betreuern (ich kann mich an den Ausdruck "Tanten" nicht erinnern, es ist aber gut möglich, dass auch wir diesen verwendet haben) eingesammelt und zur Post gebracht wurden. Ich schrieb neben meinen Eltern auch regelmäßig einer guten Freundin, die aber keinen einzigen Brief bekommen hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass alle Briefe, die nicht an die Eltern adressiert waren, von den "Tanten" aussortiert und weggeworfen wurden. (Der Grund war, glaube ich, dass sie sich nicht die Mühe machen wollten, diese auch zu zensieren.)

- In einer anderen Kindergruppe brachen während meiner Zeit im Heim die Windpocken aus. Zunächst wurde diese Gruppe isoliert, kam nicht mehr zu den Essenszeiten in den Speisesaal etc. Nach 1-2 Tagen gab es aber offenbar ein Umdenken und meine Gruppe musste einen Nachmittag lang mit dieser Gruppe zusammen drinnen spielen (wir hatten vorher nie etwas mit der anderen Gruppe zu tun gehabt). Prompt hatten wir natürlich fast alle die Windpocken. Das war sozusagen eine Windpocken-Party. Dass wir die Windpocken hatten, kümmerte dann aber keinen mehr und wir wurden auch mit Windpocken auf die Menschheit losgelassen.

- Während des Mittagsschlafs mussten wir die Augen geschlossen halten und durften uns nicht bewegen. Eine Betreuerin patroullierte ständig auf und ab, um das zu kontrollieren, und man wurde bestraft, wenn man sich nicht dran hielt. Wir mussten sogar ein Lied lernen, in dem das erwünschte Verhalten beim Mittagsschlaf und die Bestrafung bei Nichtbeachten besungen wurde. Einmal hatte ich mir ein Comic von einem anderen Kind ausgeliehen. Ich musste relativ lange darauf warten, weil alle es haben wollten. Ich bekam es schließlich eines Mittags. Es lag beim Mittagsschlaf auf meinem Nachttisch und weil ich so neugierig war, habe ich --ohne den Kopf zu heben-- kurz die Seiten durchgeblättert, als ich dachte, es schaut niemand. Die Aufseherin hat es mir sofort weggenommen und ich war wahnsinnig enttäuscht, habe mich aber nicht getraut, es nochmal auszuleihen.

- Ich bin ziemlich sicher, dass auch bei uns der Inhalt von Paketen der Eltern an alle Kinder verteilt wurde, kann mich aber nur noch vage erinnern.

Leider kann ich mich nicht konkret an Personen erinnern, weder an "Tanten" noch an andere Kinder. Ich glaube, das liegt daran, dass mein gesamter Fokus in der Zeit darauf lag, nicht aufzufallen und nicht anzuecken, und kein Platz für irgendwas anderes war. Ich kann mich allerdings auch erinnern, dass wir Kinder uns manchmal untereinander solidarisiert haben, aber nur im Geheimen.

Nach meiner Rückkehr wollte mir niemand glauben, wenn ich von der Zeit im Kurheim erzählt habe, was mich geärgert hat. Ich habe dann ziemlich schnell aufgehört, davon zu erzählen. Ich war meinen Eltern nicht böse, dass sie mich verschickt hatten, habe mich aber immer gefragt, wofür das Ganze gut sein sollte. Tatsächlich habe ich keine einzige positive Erinnerung und St. Peter Ording wird für mich immer negativ konnotiert sein.

Ich habe immer gedacht, ich hätte einfach ein besonders schlechtes Kurheim erwischt. All die Jahre habe ich immer damit gerechnet, dass das irgendwann auffliegt, und dass ich irgendwann in den Nachrichten lese "Skandal im Kinderkurheim Köhlbrand: Kinder im Keller eingesperrt!". Ich habe regelmäßig gegoogelt, aber nichts gefunden, und immer gedacht, "dass kann doch nicht sein, dass da nichts über diese Zustände raussickert". Ich habe schon fast an meiner Erinnerung gezweifelt. Dann habe ich den Bericht von Report Mainz gesehen und realisiert, dass meine Erfahrungen nur die Spitze des Eisbergs waren und das "mein" Heim (zumindest zu der Zeit als ich da war), vielleicht sogar eins der besseren war.

Herzlichen Dank an alle, die mithelfen dies Kapitel aufzuarbeiten!
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Alexandra aus Kaiserslautern schrieb am 07.01.2022
Vor ein paar Tagen hatte ich die spontane Idee (vielleicht Intuition) zu googlen ob ich ein Bild der Kurklinik finden kann, in welcher ich im Frühjahr 1984 für 6 Wochen untergebracht war.
Die Klinik hieß Haus Hamburg, Bad Sassendorf.

Kaum in Google eingegeben springen mir einige Einträge entgegen mit den Titeln “Kinderqualen im Kurheim”, “das Leid der Verschickungskinder” etc. entgegen.
Seit ich diese Einträge und Berichte gelesen habe, ist mir eiskalt. Seit Tagen kann ich gar nicht mehr warm kriegen. Ich bin total im Schock und habe keine Worte, die Spirale an Emotionen, die an mir zieht, zu beschreiben. Mir brennt die Seele und es tut mir so unendlich leid zu lesen, was Ihr teilweise aushalten musstet. Das ist so furchtbar.
Es gehen mir soviele Gedanken durch den Kopf, und ich habe das Bedürfnis mich zu melden und auszutauschen, auch wenn ich vielleicht eine “der Glücklichen” bin, die im Vergleich mit all den schrecklichen Berichten hier noch mit relativ harmlosen Methoden “davon gekommen” bin und zumindest bis eben noch der Meinung war, dass meine Erlebnisse in der Kur keine dauerhaften negativen Folgen für mich hatte.
Irgendwie bin ich jetzt aber nicht mehr so sicher und schaue zurück auf Momente, Fetzen der Erinnerung, bei denen ich denke: “das ist es also, was da passiert ist und was die da gemacht haben” und so weiter.

Ich habe gesehen, dass darum gebeten wird, so viele Details wie möglich zu beschreiben, da auch der Alltag in den Kliniken nachvollzogen werden möchte. Daher schreibe ich so ausführlich wie möglich und bitte die Länge zu entschuldigen 🙂

Gerne ist hier mein Zeitzeugnis:
Als Kind war ich sehr aktiv und dünn. Ich war oft krank. Ende 1983 war ich an Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt und damals wusste man noch nicht viel davon. Es ware eine “Neuerscheinung”. Heute wissen wir, wie wir damit umgehen: Quarantäne.
Ich lag also ganze sechs Wochen im Krankenhaus in Quarantäne. Damals war ich 9.

Danach fand meine Mutter es eine gute Idee mich, in Zusammenarbeit mit dem Kinderarzt, in eine Kur zu schicken, damit ich wieder auf die Beine komme. Meine Mutter war selbst eine überzeugte Kurgängerin.
Ich war gerade 6 Wochen weg und fand es eine Zumutung, dass ich nochmal solange weg musste. Ich habe mehrfach gesagt, dass ich nicht weg möchte. Aber meine Mutter hat entschieden, dass es besser für mich ist.
Bereits an der Stelle fühlte ich mich irgendwie “entmündigt”, habe als Kind nicht über mein eigenes Leben bestimmen können. Sie hat entschieden und hat mich nicht mit einbezogen in die Diskussion was ich denke, was das richtige für mich ist. Das hat in der Nachsicht etwas mein Verhältnis zu meiner Mutter getrübt. Man kann sagen, dass mein Urvertrauen sowohl in sie als auch in meine Autonomie etwas gelitten hat.

Das erste Anzeichen dafür dass ich nicht drumherum kommen würde war, dass ein Satz Stofffetzen mit meinem Namen ankamen, die meine Mutter in alle Kleidungsstücke genäht hat (für die Wäsche, damit man wusste wem was gehört).
Auch hat sie mir einen silbernen Kugelschreiber geschenkt, extra für die Briefe von der Kur nach Hause - diesen habe ich heute noch, die Briefe nicht mehr.
Ein paar Wochen später dann stand ich am Bahnhof mit meiner Mutter, mit einer Karte um den Hals. Ein Zug fährt ein, eine Frau steigt aus, stellt sich als Beauftragte der DAK vor, und ich muss mit ihr einsteigen. Ich habe mich an meiner Mutter festgekrallt und habe so geheult, ich wollte nicht weg und hatte Angst vor der Fremde und dem Unbekannten. Im Zug saß noch ein Mädchen, das auch ganz verheulte Augen hatte. Die Begleitperson habe ich eigentlich noch in ganz guter Erinnerung, die war verständnisvoll, hat mich ausheulen lassen und uns versucht mit einem Gespräch abzulenken.
Auf dem Weg zum Kinderheim haben wir an diversen Bahnhöfen noch mehr Kinder abgeholt. Alle hatten den gleichen Gesichtsausdruck. Trauer und Angst.

Bei der eigentlichen Ankunft hat uns die Begleitdame “übergeben”, es waren viele Kinder im Hof. Die Kinder vorm Haus waren noch fröhlich und sind rumgerannt. Es war laut und hektisch. Wir wurden schließlich beim Namen gerufen, in Gruppen geteilt und ins Haus geführt.

Wir waren im zweiten Stock (glaube ich), ein langer Gang, eine lange Fensterfront auf der einen Seite, lange Einbauschränke (ich glaube die waren orange) auf der anderen Seite und die Türen zu den Schlafräumen.
Mir wurde ein Schrank zugewiesen und mein Schlafraum gezeigt. Ich war positiv überrascht davon, dass der Schlafraum kein steriles Krankenhauszimmer war, sondern dass es eher wie in einer Jugendherberge aussah. Einfach Holzbetten und rote Vorhänge. Es waren 6-8 Betten in einem Zimmer. Eigentlich fand ich es ganz gemütlich.

Wir konnten unsere Koffer auspacken und uns dann im Aufenthaltsraum treffen. Ich erinnere mich noch daran, dass fast kein Kind gesprochen hat. An diesem Teil war es ganz still. Wir waren alle total verunsichert, traurig und nervös, und die Erwachsenen wirkten sehr mechanisch, beschäftigt und unnahbar.
Da saßen wir in dem Zimmer und sahen uns alle mehr oder weniger hilflos und unsicher an. Das änderte sich auch später beim ersten Essen nicht.

Nach dem Essen wurden wir in den Keller (ich glaube dass es der Keller war) geführt und waren in einer Art Badeanstalt - es roch nach Chlor - da waren Bottiche an denen wir vorbeigelaufen sind und sind an eine Art Umkleidekabine gekommen wo wir angewiesen wurden, einen Gummimantel, ich glaube es war ein Cape mit Mütze, anzuziehen. Dann sollten wir auf der Treppe warten. Ich erinnere mich, dass ein Mädchen so bitterlich geweint hat, sie war auch sehr laut dabei und hat fast geschrieen. Die Erzieherin hat nur auf sie geschaut und sie komplett ignoriert. Wir anderen Kinder haben uns um sie gekümmert und versucht sie zu beruhigen.
Einige Momente später wurden wir in einen riesigen “Duschraum” geführt und angewiesen uns auf die Bänke, die an der Wand entlang liefen, zu setzen. Das sah fast aus wie eine Gaskammer und ich bekam richtig Panik (das Thema hatten wir gerade in der Grundschule durchgenommen, daher hat meine kindliche Vorstellungskraft leider spontan diese unglückliche Assoziation hergestellt). Ich habe eine Erwachsene sehr ängstlich gefragt was wir hier machen und sie meinte nur “Wart’s ab und setz dich hin” und hat mich mit meiner Angst stehen lassen. Auch wenn mein Verstand wusste, dass die uns doch eher nicht umbringen werden, fand ich es sehr schwierig meine Panik zu beruhigen, ich hatte eine kleine Version von Todesangst in dem Raum.
Als sie die Tür zu machten war es dann dunkel (aber nicht ganz, mit Nachtlicht), einige Kinder haben sich laut erschrocken, und dann kam was aus den Düsen. Es war eine Salzlösung, die wir ab dem Tag zwei- bis dreimal die Woche einatmen sollten.

Die erste Nacht war sehr herausfordernd. Fast alle Kinder haben geweint und so haben wir alle angefangen uns zu unterhalten und gegenseitig, auch mit kleinen Späßen, zu beruhigen. Wir wurden dafür nicht beschimpft oder bestraft, einfach nur ignoriert.
An einigen Abenden saß die Erzieherin zwischen unseren Schlafräumen auf dem Boden und hat noch was vorgelesen.

Dann begann eigentlich schon der Alltag, begleitet von, so wie ich mich deutlich erinnere, dem täglichen mehrfachen “Gedudel” des Schlagers “Jenseits von Eden” von Nino de Angelo (das ist schon im nachhinein betrachtet eine grausame Ironie), aus dem Radio, das auf der Fensterbank stand und fast den ganzen Tag lief.

Alle zwei Tage war Frühsport,
zweimal die Woche Schwimmen (ich erinnere mich, dass ich das mochte. Ich habe dort auch mein Seepferdchen gemacht hat.)
Einmal die Woche Arztbesuch und Wiegen (habe keine Erinnerung mehr an Arzt oder Umstände, nur dass ich es immer kalt fand)
Zwei- bis dreimal die Woche in den Sole - Raum
täglicher Mittagsschlaf in dem berühmten Schlafraum.
tägliches Spazierengehen - immer züchtig in Zweierreihen marschiert, wir sind immer in der Umgebung vom Kurhaus geblieben oder in die Saline in der Stadt

Besonders in Erinnerung ist mir der Einsatz der bereits erwähnten Sanduhr geblieben.
Die kam vor allem zum Einsatz beim Zähneputzen (man musste solange schrubben bis die abgelaufen war) und beim Telefonieren mit zuhause.

Einmal die Woche, ich glaube bei uns war es Montags, zwischen 19-20 Uhr. Wir standen alle vor einem Büro im Warteraum. In diesem Zeitpunkt durften unsere Eltern anrufen und versuchen durchzukommen.
Alle paar Minuten kam sie raus und holte ein Mädchen dessen Vater oder Mutter es geschafft hatte ins Büro. Dann konntest du mit Mama oder Papa reden, für genau 3 Minuten, die Sanduhr stand daneben, und die Erzieherin ebenfalls. Sie hörte mit. Ich erinnere mich, dass ich mich davon total gestört gefühlt habe. Ich fand das unverschämt, dass ich nur drei Minuten mit meiner Mama reden durfte und dann auch noch unter “Bewachung”. So konnte ich gar nicht frei sein und damit auch nicht den sehr nötigen Trost oder Mut Zusprache von Mama bekommen.
Sobald die Sanduhr abgelaufen war, wurde das Telefonat beendet.
Wenn ein Elternteil es nicht geschafft hatte durchzukommen, hat das Kind Pech gehabt und musste auf die folgende Woche hoffen, denn nach uns kam bereits die nächste Gruppe.
Wenn das betreffende Kind dann geweint hat, wurde nur kühl reagiert mit einem “dann hätten sich deine Eltern halt beeilen sollen”.

Was Briefe angeht, so wurden diese ungeöffnet abgegeben, und ich erinnere mich, dass einmal eine Erzieherin kam und mich fragte ob ich denn sicher sei, dass ich das so meiner Mutter schicken wolle, da ich sie damit doch sehr traurig machen würde. Ich solle doch schönere Sachen schreiben um meine Mutter zu schonen. Ich habe das umgeschrieben, da ich natürlich meiner Mutter nie Kummer machen wollte.

Ich selbst kann mich nicht daran erinnern, dass ich “gemästet” wurde, obwohl ich zur Gewichtszunahme da war. Aber…ich erinnere mich, dass sie mir Margarine servierten und ich mochte die nicht. Ich habe einmal gefragt, ob ich Butter haben könnte, die Antwort war “es wird gegessen was auf den Tisch kommt”. Ich war ein sehr schüchternes und gehorsames Kind, daher habe ich es einfach gegessen, habe aber seit der Kur einen Ekel vor Margarine, bis heute.
Ich erinnere mich daran, dass wir des öfteren den Speisesaal verlassen haben und ich gesehen habe, dass einige Kinder nicht mitgekommen sind. Auf die Frage warum die nicht mitkommen, wurde nur geantwortet “die müssen erst den Teller leer essen”.
Ich weiß nicht was mit ihnen gemacht wurde als wir weg waren oder wie lange sie da sitzen mussten. Nur einmal betraf es ein Mädchen von unserer Gruppe und mir war aufgefallen, dass sie erst so ca. 5 Minuten vorm Schlafengehen zurückkam, mit verheulten Augen und dann ohne weitere Worte ins Bett ging und sich die Decke über die Ohren gezogen hat.

Auch ist mir aufgefallen, dass fast jeden Tag von der Gruppe der kleineren Kinder - unter 6 - (die ein Stockwerk unter uns wohnten, aber noch im gleichen Speisesaal saßen) mindest ein bis zwei verheulte Augen hatten.

In unserem Stockwerk war ein Junge, der war etwas geistig zurückgeblieben und kam auch offensichtlich aus einer ärmeren Schicht. Die Erzieherinnen waren oft sehr ungeduldig mit ihm, haben ihn mehrfach laut angeschrien und ihm gesagt wie dreckig er ist und waren physisch und psychisch sehr grob mit ihm.
Sie haben ihn oft vor uns bloß gestellt, haben die schmutzigen Kleidungsstücke hochgehoben und uns gezeigt und ihn gezwungen unter diesem Schimpfen “Stellung zu nehmen”. Der arme Junge hat immer beschämt unter sich geguckt und hat die ganze Kur über fast nicht gesprochen.

Eines Tages bin auch ich negativ aufgefallen: Ich musste mich nachts übergeben und die Nachtschwester hat mich auf dem Weg zurück abgefangen und gesagt ich solle sie in Zukunft rufen bevor ich abspüle. Am nächsten Tag durfte ich nicht mitschwimmen, aus Vorsicht. Das fand ich schlimm, weil Schwimmen das einzige war, was mir dem ganzen System wenigstens etwas Freude gemacht hat.
Zum Mittagessen saß ich zunächst alleine im Esszimmer an unserem Gruppentisch. Ich musste auf die anderen warten. Ich war ein sehr schüchternes Kind, das sich schnell geschämt hat und dass ich da alleine saß war mir total unangenehm. Meine Gruppe kam etwas später vom Schwimmen und als sie dann reinkamen ist mir deswegen auch ein leises “endlich” über die Lippen gerutscht. Die eine Erzieherin saß auf der Fensterbank, von wo aus sie immer das Essen bewachten, und fing auf einmal an, mich anzuschreien. Vor dem gesamten Speisesaal schrie sie mich an, was mir einfiele, und ich sei doch so anstrengend und nervend und mein Kleiderschrank wäre immer ein Schweinestall (ich war unordentlich, das stimmte wohl). Sie hat sich bestimmt 5 Minuten über mich “ergossen”, vor dem gesamten Saal. Ich habe mich so geschämt und auch geweint vor Scham und Angst, und ich habe überhaupt nicht verstanden, was passiert ist.
Die anderen Erzieherinnen haben nichts getan. Sie haben sie einfach wüten lassen und mich dabei amüsiert und verurteilend angesehen.

Als wir später am Nachmittag spazieren waren, hat die Frau mich angehalten, in letzter Reihe zu laufen, mit dem oben besagten Jungen. Als sie gesehen hat, dass ich das aber mehr oder weniger so hinnahm, hat sie alle mit eiskaltem Lächeln aufgefordert, dass wir “heute” alle Hand in Hand laufen müssen. Sie war erst dann zufrieden als sie meinen Widerwillen gesehen hat und ihre Macht zur Genüge demonstriert hat.
Das war demütigend, sowohl für mich als für den armen Jungen, der sehr wohl verstanden hatte, dass er als “Strafmittel” missbraucht wurde.
Nach diesem Tag wurde ich ganz still. Ich hatte so viel Angst etwas falsch zu machen, ich hatte Angst vor der Frau und ihren Launen. Ich wollte nur nach Hause. Ich bin ihr aus dem Weg wo es ging und habe mich total in mich zurückgezogen und habe darauf gewartet, dass es vorbei ist.

An Details war es das an was ich mich erinnere. Wie auch andere berichtet haben, erinnere ich mich kaum an Momente in denen wir spielten und wenn ja, was. Ich kann mich nicht erinnern ob wir einen Fernseher hatten oder ob wir längere Ausflüge gemacht haben. Nur einmal an eine Gruppentherapiestunde in der wir gespielt haben, da haben wir auch viel gelacht.
Aber von den Stunden im Aufenthaltsraum habe ich keine Erinnerung ausser an das Briefeschreiben.
Wir waren nie alleine. Es war immer irgendjemand im Raum dabei. Es haben sich nicht wirklich gute Freundschaften entwickeln können, da du ja nie mit jemandem alleine reden konntest. Du hattest keine Privatsphäre. Die haben alles mitbekommen und sie haben auch über uns geredet, gelästert und gekichert. Sie haben sich untereinander über uns lustig gemacht und nicht mal versucht das zu verstecken.

Alles in allem war es für mich keine gute Erfahrung. Ich bin nicht per se gequält worden, aber die Erzieherinnen haben durch ihre schroffe, abgeklärte und absolut uninteressierte Art keinen Zweifel daran gelassen, dass wir ein Job sind. Die Atmosphäre war abgeklärt, durchkalkuliert, kalt, raubauzig und herzlos, fast militärisch.
Und auch ich verbinde Gefühle von Eingeschüchtert Sein, Alleinsein, Angst und Ausgeliefertsein mit diesem Aufenthalt und schaue nicht gerne zurück.
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Ilona aus Seligenstadt schrieb am 07.01.2022
Ich war ca.1973 in Berchtesgaden auf dem bichlhof der hof stand ganz alleine auf einem Berg ein Swimmingpool war irgendwie mit Bäume umrandet es gab ein Pferd Ponys ein cockerspaniel und Katzen ich kann mich nur mit Freude daran erinnern.
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Claudia aus Berlin schrieb am 06.01.2022
Ich war mit meiner Schwester an der Rhön, ich meine, es war im Taunus. Es erinnere eine Tagestour zum Rhönbob und der ist in Gersfeld. Meine 2 Jahre ältere Schwester hatte ein furchtbares Heimweh und ich hatte Angst. Eines nachts flüsterten wir im großen Schlafsaal, weil sie weinte. Dann kam so eine Heimleiterin und zerrte mich aus dem Bett. Sie führte mich ohne eine Wort aus dem Saal und setze mich auf eine Holzpritsche. Sie hat mir zur Strafe den Schlaf verboten und so saß ich die ganze Nacht auf dieser Pritsche. Ich wusste, dass meine Schwester noch mehr Angst hatte. Meine Schwester versuchte sich, in wenigen Telefonaten mit meiner Mutter, geheim zu verständigen, durch Umschreibungen. Das funktionierte aber nicht wirklich. Schlimm waren wirklich die Erinnerung an den Ess-Drill. Man musste als Kind genau überlegen, wie voll der Teller sein durfte, denn man musste alles aufessen. Einmal kotzte ein Junge, weil er gezwungen wurde, den zu vollen Teller komplett zu leeren. Er musste dann das Erbrochene essen. Vorher durfte er nicht den Saal verlassen. Ich weiß noch, dass mir diese "Wärterinnen" meine Kleidung herauslegten. Meine Mutter legte uns zum Beispiel weiße Kniestrümpfe zu unseren blauen Sommerkleidern. Die Leiterin wollte, dass ich braune Kniestrümpfe zum Kleid trug. Sie mich und wohl auch meine Mutter lächerlich machen. Jedenfalls hatte Angst davor, dass ich dort nicht mehr rauskomme. Also verhielten meine Schwester und ich uns ruhig, weil wir auch Angst hatten, dass man uns trennt. Ich kann seither keine Touren oder Pilgertouren mit Freunden machen, die in diesen Pilgerhütten schlafen.
Es ist so lange her, aber diesen Scheiß vergisst man einfach nicht. Ich bin heute wütend, weil ich damals zu klein war, um mich zu wehren. Eigenartig. Naja, ich grüße alle Leidensgenossen.
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Sabrina aus Wetter schrieb am 05.01.2022
Erstmal jin ich sehr froh das es endlich alles ans Licht kommt

Ich wurde nach Samaberg mit meiner Zwillingsschwester geschickt .
Wenn es so meine erinnern wieder zeigt war es ein kinderheim laut der alten Postkarten und bilder dort drauf
Ich kann mich sehr gut erinnern das es sehr schlimm für uns war .
Ein langer Flur mit stockbetten waren dort und auf der andren Seite des langen flures waren die Toiletten
Aber wehe wir mussten auf clo kahm die nonnen und wir mußten für lange Zeit mit nackten Hintern auf der im Flur stehende Truhe sitzen.
Die Treppe hatte ein dunkles eisengelende ich vergesse die nie wegen der Angst die Nonne kommt jeden Moment wieder...
Ich wurde dort sehr krank (mums,das wurde ert zu hause behandelt den Geruch der grauen paste vergessen ich auch nicht ) aber niemand nicht mal ein artz war dort um mir zu helfen
Mein Schwester brachte mir einmal was zu essen
Es war schlimm für sie sie musste sich beilen sonst gab es Bestrafung
Sie hat oft betrafungen erfahren welche weis ich aber ich konnte sie oft nicht finden eine nonne hat sie weggeholt weil sie auf Toilette musste aber nicht durfte ,ich versuchte ihr zu helfen aber es wurde nur schlimmer
Ich erinnere mich sehr gut was ihr passiert war bis heute mache ich mir Vorwürfe selbst
Obwohl ich nichts dazu konnte
Details lasse ich aus
Ich kann mich an eine rote Brühe oder sowas erinnern und das widert mich an
Die Altersunterschied waren groß es war auch ein kleines Kind dabei vieleicht um die 3 Jahre etwa
Am Schwimmbad das direkt am Haus war mittig von dem hausausgang
Wurde mal eine Ausführung gemacht wo sich welche als Babys verkleidet hatten und sagen das,,Baby wugi Lied ,,
Meine Schwester währe fast ertrinken darin
Jedeb morgen wurden wir nackt gewogen auch von Nonnen

Warum wir dort waren ind mit wehm weiß ich nicht mehr nur Nonnen das weiß ich sehr genau
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Deutz Gerda aus Lindlar schrieb am 04.01.2022
Auch ich war 1952 oder 1953 in der Heilstätte Maria Helferin in Kaldenkirchen. Es hieß ich hätte einen Schatten auf der Lunge, später stellte sich heraus dass das garnicht stimmte. 9 Jahre war ich alt.
Wir mussten unbedingt zunehmen, wer bei der wöchentliche Gewichtskontrolle nicht zugenommen hatte durfte den einzigen Nachmittagsspaziergang nicht mitmachen und durfte nicht laufen sondern nur gehen.
Kinder neben mir im Speisesaal erbrachen in den eigenen Teller und mussten trotzdem weiteressen.
Klarer Speck ist mir bis heute ein Gräuel.
Nachmittags mussten wir 2 Stunden draußen in einem länglichen carportähnlichen Schlafsaal auf der rechten Seite ohne uns zu bewegen liegen mit einer grauen Filzdecke und das im November.
Erinnern kann ich mich auch dass einem Kind das uringetränktes Nachthemd um die Ohren geschlagen wurde weil beim Putzen die Ordensschwestern nicht gesehen hatten, dass der Nachttopf im Nachtschränkchen stand und sie diesen aufs Bett gehoben hatten.
Wer nicht brav war, musste eine Nacht auf einem eiskalten dunklen Speicher nur mit einer Filzdecke schlafen.
Ich kann bis heute niemand neben mir seinen lockeren Husten abhusten hören, ich halte mir immer noch die Ohren zu weil es mich fürchterlich ekelt. Der Grund sind diese weissen Emailletassen mit Schnappdeckel die wir wenn wir erkältet waren mitführen mussten und das abgehustete hineinspucken mussten.
Die Ordensschwestern verströmten nicht das leiseste Gefühl von Wärme sondern waren unerbittlich streng.
Meine Briefe nach Hause mit dem Flehen mich abzuholen sind nie angekommen.
Furchtbar leid taten mir die noch jüngeren Kinder die sich an mein Bein klammerten vor Angst.
Besuch durften wir haben, das ging jedoch bei mir nicht aus finanziellen Gründen.
Bis heute kann ich nicht begreifen wie man Kinder in solche Einrichtungen bringen konnte, heute wäre sowas gottseidank nicht mehr möglich.
Jetzt habe ich mir alles was mir spontan einfiel von der Seele geredet. Das hat mir nach der langen Zeit trotzdem noch gutgetan.
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Sven aus Lamstedt schrieb am 02.01.2022
Eigentlich hat mir es dort ganz gut gefallen. Ich muss aber auch sagen, dass ich damals ein sehr introvertiertes Kind war und somit wahrscheinlich sehr Pflegeleicht der nie widersprochen hat. Ich hatte nie Probleme mit Heimweh oder so.
Aber auch bei mir waren einige Vorgehensweisen meiner Meinung nach nicht OK.

Auch ich habe zum Beispiel 2 Nächte (von 8 Wochen) ohne Decke auf einem Stuhl sitzend verbringen müssen weil ich mich Nachts aufs Klo geschlichen habe und dabei "erwischt" worden bin.

Ich kann mich noch daran erinnern dass "nicht so brave!" Kinder von z.B. Ausflügen ausgeschlossen wurden.

Briefe wurden gelesen und wenn Sie es nicht positiv genug fanden, musste man es Umschreiben. (Ich war damals 11 Jahre alt, da habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht.)

Ich muss aber auch sagen, geschlagen wurde ich nie, kann mich auch nicht erinnern das andere Kinder geschlagen wurden.

Die Leiterin (?) Hiess damals Tante Marlies
ein typischer Hausdrache und es gab noch eine Tante Gugu (?) Die war wesentlich jünger aber ganz nett. An die anderen "Erzieherin" kann ich mich nicht mehr erinnern.

Soviel erinnerungen an die Zeit habe ich leider (oder zum Glück) nicht mehr. Habe es scheinbar erfolgreich verdrängt.
Ich würde aber meine Kinder niemals in so einem Heim schicken. Ich habe meinen Entlassungsbericht von dort, in dem steht wie toll ich mich doch entwickelt habe. Ich weiß das ich nach dem Aufenthalt im Erholungsheim noch introvertierter war. Was für ein Quatsch, aber was sollen die auch sonst schreiben.

Vielleicht gibt es ja jemand der auch 1982 dort war. Kannst mich gerne kontaktieren wenn du magst. Einige Namen habe ich noch im Kopf.
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Inge Stoffers aus Kiel schrieb am 01.01.2022
Ich habe den Fernsehbericht über das Leid der Verschickungskinder gesehen und war erschüttert von den Berichten. So kam bei mir auch alles wieder hoch. Jetzt habe ich mich entschieden, meine Geschichte auch aufzuschreiben, soweit ich mich noch erinnern kann.

Im 1. Schuljahr wurde bei der Schuluntersuchung festgestellt, dass ich zu dünn sei und in eine Verschickung müsse. So kam ich im Februar/März 1962 mit 7 Jahren von Wilhelmshaven aus in das Oldenburger Kinderheim in Bad Rothenfelde. Ich erinnerte mich nicht mehr an den Namen des Heims, habe es jedoch auf den Bildern im Internet anhand des düsteren Gemäldes im Speisesaal wiedererkannt, welches sich über die eine ganze Wand entlangzog.

Kurz nach der Ankunft wurden wir versammelt, und jeder bekam eine Nummer zugewiesen, unter der wir dann später aufgerufen und auf unsere Schlafsäle verteilt wurden. Ich hatte vor lauter Aufregung meine Nummer wieder vergessen und mich bei Aufruf nicht gemeldet, woraufhin ich den ersten Anschiss bekam.
Ich erinnere mich nicht mehr, ob wir die ganze Zeit nur mit der Nummer angesprochen wurden, oder ob dies nur der Zimmerzuordnung diente.
Im Schlafsaal waren wir mindestens mit 10 Kindern. Die Kleiderschränke befanden sich außerhalb der Zimmer. Wegen meines jungen Alters durfte ich nie selber an meinen Schrank, nicht mal ein Taschentuch durfte ich mir rausholen, als ich stark erkältet war.
Mein Bett stand nahe an der Tür. Abends saß eine „Tante“ solange neben meinem Bett, bis vermutlich alle eingeschlafen waren. Wir durften uns im Bett nicht bewegen, was bei mir dazu führte, dass ich mich erst recht bewegen musste, mich jedoch nicht traute, so dass ich meist erst nach ihrem Verlassen des Zimmers einschlafen konnte.
Nachmittags mussten wir für 2 Stunden ins Bett, mussten die Augen schließen und durften uns nicht bewegen. Ich glaube, ich habe nicht ein einziges Mal schlafen können.

Ich erinnere mich an lange Spaziergänge, bei denen wir in Zweierreihen marschieren und uns an die Hand fassen mussten. Wir hatten immer denselben Partner. Die Hand des anderen Kindes durfte nicht losgelassen werden, was ich sehr unangenehm fand, weil die Hände dann immer sehr schwitzig wurden. Wir durften auch weder reden noch etwas aus der Reihe treten, sofort wurden wir angeschnauzt. Ich hatte das Pech, mit einem sehr zappeligen Mädchen laufen zu müssen, was zu häufiger Ermahnung führte. Wie ich diese Spaziergänge gehasst habe!

Die Mahlzeiten waren das Schlimmste. Es mussten immer 2 Portionen gegessen werden. Alles musste aufgegessen werden. Manches kriegte man einfach nicht runter. Einmal konnte ich nicht mehr und musste mich am Tisch übergeben. Ich fand das so furchtbar, dass ich in Tränen ausbrach. Daraufhin wurde ich in eine Toilette eingeschlossen. „Hier kannst du dich auskotzen du Heulsuse“. Ich schätzte, dass ich dort ca. 1 Stunde ausharren musste. Danach wurde ich raus geholt und in die Küche gebracht, wo ich im Stehen nochmal einen Teller voll des Essens hinein gewürgt bekam.

Einmal pro Woche wurden uns die Fingernägel geschnitten. Die schnitten so weit runter, dass man hinterher vor Schmerzen kaum noch etwas anfassen konnte. Nach einer Woche war natürlich kaum etwas nachgewachsen. Es nützte nichts, die Nägel wurden wieder bis zur Schmerzgrenze runter- geschnitten.

Auf die Toilette durften wir auch nicht gehen, wenn wir mussten, sondern wir gingen alle gemeinsam zu vorgegebenen Zeiten. Solange musste man eben einhalten.

Ich weiß nicht mehr, wie oft das war, aber ich erinnere mich, dass wir in den Kureinrichtungen von Bad Rothenfelde in ein Solebad gingen. Dort mussten wir in einer Badewanne mit Salzwasser ca. 1 Stunde sitzen, uns nicht bewegen und die Arme gerade ausgestreckt halten. Ich weiß nicht, womit sie uns gedroht haben, aber ich habe mich die ganze Zeit nicht getraut, die Arme unter Wasser zu tauchen, warum auch immer.

Einmal haben meine Eltern mir ein Paket mit Süßigkeiten und Obst geschickt. Dies wurde mir nicht ausgehändigt, sondern der Inhalt wurde verteilt. Für mich blieb nur eine braune Banane. Das war sehr enttäuschend.

Ich erinnere mich auch, dass wir ein paarmal abends mit einem eiskalten Wasserschlauch abgespritzt wurden, wobei ich nicht mehr weiß, ob das in Bad Rohenfelde war oder evtl. auf Wangerooge, wo ich später auch nochmal zur Verschickung war. An den dortigen Aufenthalt habe ich nicht so viele negative Erinnerungen. Aus dem Oldenburger Kinderheim In Bad Rothenfelde kann ich jedoch keine einzige positive Begebenheit erinnern.
Meine Mutter erzählte mir später, dass ich völlig verstört wieder zuhause angekommen sei. Ich hätte nur geweint und konnte zunächst gar nicht sprechen.
Würde heutzutage so etwas passiere, würden die Eltern sicher Alarm schlagen. Zu der Zeit wurde das anscheinend alles so hingenommen.
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Frank Neumann aus Essen schrieb am 30.12.2021
Ich war im Sommer 1971 im Kinderkurheim Haus Sonnenhang in Niedersfeld bei Winterberg untergebracht. Der Aufenthalt dort dauerte sechs Wochen. Soweit ich mich erinnere waren mit mir noch viele andere Kinder (etwa. 50) im Alter von 6 bis ca. 14 Jahren dort. Ich habe sehr gemischte Erinnerungen an die Zeit dort. Die guten Erinnerungen:
Wir waren fast jefen Tag draussen. Es wurde viel gewandert und gesungn. Auch wurde oft und viel gesungen.
Das sind aber auch schon fast alle positi en Erinnrrungen.
Wir wurden in Gruppen zu ca. 10 - 12 Kindern aufgeteilt - Jungs und Mädchen voneinander getrennt. Geleitet wurden diese Gruppen xon Fraurn, die wir "Tante" nennen mussten. Das waren durchweg sehr strenge Damen mittleren Alters. Nur meine "Tante" war noch sehr jung - schätzungsweise Anfang 20 (Frl. Michael). Sie war sehr freundlich und human im Umgang mit uns - im Gegensatz zu den anderen Gruppenleiterinnen. Irgendwann wurde ihr dann eine Helferin an die Seite gestellt - wahrscheinlich war sie zu nachsichtig und zu lasch mit uns.
Die Leitung - eine sehr gestrenge Dame im Alter von etwa 50 Jahren war von allen gefürchtet. Wir sind ihr so gut es ging aus dem Weg gegangrn.
Das Essen wurde in einem riesigen Speiseraum eingenommen. Dieses Essrn bestand zum großen Teil aus Speisen, die mir völlig unbekannt waren und die mir oft nicht schmeckten.Das half mir aber bicht - es musste aufgegessen werden.
Für viele Kunder war das sehr schlimm.
In diesem Speiseraum wurde auch nach Hause geschrieben - unter Aufsicht!!!
Wir durften nichts Negatives schreiben - das wurde kontrolliert! Jedes Wort wurde mitgelesen.
Nach dem Mittagessen mussten wir uns für zwei Stunden zum Mittagschlaf ins Bett legen.Während dieser Zeit durfte niemand aufstehen - auch nicht, um auf die Toilette zu benutzen. Im Flur saß eine dieser Tanten und überwachte das. Während des gesamten Aufenthaltes durfte ich einmal ein Telrfongespräch mit meiner Mutter führen. Natürlich wurde auch das überwacht und mitgehört.
Ich bin dort nie geschlagen worden. Auch Misshandlungen hat es - was mich betrifft nicht gegeben.
Aber ich hatte ständig großevAngst vor diesen "Tanten". Es gab auch Strafen. Ich musste z.B. wegen einer Bagatelle 150 mal den Satz schreiben, dass ich das nie wieder tun werde.
Zusammenfassend muss ich sagen,, dass sich der Erholungsfaktor, der eigentlich im Vordergrund stehen sollte, leider nicht eingestellt hat. Aufgrund der Umstände war das wohl auch kaum zu erwarten.
Zu Hause habe ich nie etwas davon erzählt. Natürlich hatte man uns eingeschärft, den Mund zu halten.
Das sind meine Erinnerungen an meinen Aufenthalt dort.
Ich war damals 11 Jahre alt.

F. Neumann
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Sindt Ingrid aus Lübtheen schrieb am 29.12.2021
Hallo, ich war vor meiner Einschulung 1958 in Bad Elster wegen „ zu dünn“ und Haltungsschwächen.
Nach meiner Erinnerung war ich aus den gleichen Gründen in der 4. Klasse nochmal, bin mir aber nicht sicher und kann meine Eltern nicht mehr fragen. Ich habe an den Aufenthalt kaum Erinnerungen, ich weiß jedoch dass wir immer aufessen mussten, sehr viel Gymnastik gemacht haben, auch mit Zwang ( ich war immer unsportlich) . In Erinnerung ist mir , dass ich erst verspätet eingeschult wurde, wahrscheinlich wegen Krankheit. Ich erinnere mich auch, dass ich während eines Aufenthaltes Windpocken hatte und deshalb allein in einem Zimmer war, und das bei einem kleinen Kind. Ich erinnere mich noch, dass ich anfangs riesiges Heimweh hatte und sehr viel geweint habe. Woran sich meine 2 Jahre jüngere Schwester erinnert sind Gebete , die ich ständig nach der Rückkehr gesprochen habe. Das hat meine Mutter auch meiner 12 Jahre jüngeren Schwester erzählt , es muss sie sehr belastet haben. Sie sagte , wir mussten sie ja hinschicken, weil die so dünn war. Ich habe mit meiner Mutter über dieses Thema kaum gesprochen.
Ich bin jetzt Rentner und man versucht sich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen. Und da beginnt mein Problem. Ich habe nicht nur sehr wenige Erinnerungen an den/die Kuraufenthalte sondern an meine gesamte Vergangenheit einschließlich Ausbildung, Studium und dem Aufwachsen meiner Kinder. Wenn ich Verwandten, Freunden über diese Zeiten spreche, merke ich immer wieder, was ich alles nicht weiß. Das empfinde ich allmählich als sehr belastend. Ich frage mich, ob meine Erinnerungslücken diesem Kuraufenthalt geschuldet sind und würde gern erfahren, ob andere ähnliche Beschwerden/Erfahrungen haben.
Ich würde mich gern mit anderen austauschen.
Ingrid
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Ulrike Schmitz aus Euskirchen schrieb am 29.12.2021
Ich war damals 9 Jahre alt, kränklich, schwach und unterernährt und sensibel. Meine Eltern glaubten, mir mit dieser Kur etwas Gutes zu tun. An den Namen des Kurhauses kann ich mich nicht mehr erinnern. Das Ergebnis nach diesem Aufenthalt war, dass ich psychisch und körperlich noch schlechter dran war, als vorher; die Erlebnisse waren für eine Kinderseele entsetzlich; bin jetzt 68 Jahre alt und zur Zeit wieder in Therapie wegen PTBS mit Angst und Panikattacken. Durch meine ständigen , von Kind an beginnenden körperlichen Krankheiten und vielen Krankenhausaufenthalten und schließlich dieser Verschickungskur, bin ich dauerhaft psychisch krank geworden. War auch noch in der Kur akut krank geworden und bekam schmerzhafte Spritzen...........auf weitere Quälereien möchte ich nicht eingehen; vieles weiß ich nur noch verschwommen. Ich wünsche allen anderen hier, die in solchen Heimen Qual erlebt haben, alles alles Liebe und ein gutes Jahr 2022.
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Kalkstein aus Hildesheim schrieb am 29.12.2021
Hallo, wir Zwillinge sind 1988 geboren.Meine Schwester meint,dass wir vor der Einschulung auf ,,Kur” waren. Obwohl wie viel später geboren sind als andere hier,haben ähnliche Erfahrungen erlebt.wie kann das sein?
Damals waren wir unterernährt und blass.
Im Kurheim mussten wir uns jeden morgen mit Unterwäsche anstellen.Uns wurde jeden Morgen in den Finger gestochen und wir mussten uns auf die Waage stellen. Dort haben wir auch eine Lichttherapie bekommen und waren regelmäßig im Solebad baden. Es war wichtig die Mahlzeiten ordentlich zu essen! Wir haben in einem Schlafsaal mit Trennwänden geschlafen.Toilettengänge waren nachts verboten. Beim einnässen gab es Ärger.Für uns war es kein schöner Aufenthalt.
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Gerlinde schrieb am 29.12.2021
Ich war als 8-Jährige in Bad Münster am Stein (Kinderkurheim St. Antonius).
Zunächst hatte ich mich auf den Aufenthalt gefreut, es wurden jedoch die schlimmsten 6 Wochen meiner Kindheit.
Bei jedem Mittagessen wurde ich gezwungen alles aufzuessen, oft auch in der Form, dass eine der Betreuerinnen sich neben mich setzte und mir den gut gefüllten Löffel immer wieder in den Mund schob. Jeden Tag musste ich mich deshalb übergeben, manchmal auch das mit dem restlichen Essen vermischte Erbrochene noch einmal essen.
Abwertende Behandlung, Ausgrenzung, Heimweh und Tränen bestimmten diese Wochen.
Kontakt zu meiner Familie gab es nur in der Form, dass wir von einer Tafel vorformulierte Texte abschreiben mussten, die meine Eltern glauben ließen, dass es mir dort gefiel und ich mich wohl fühlte.
Das Verhalten der Betreuerinnen (ausnahmslos junge Frauen) war an Lieblosigkeit und Gleichgültigkeit kaum zu überbieten.
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Katrin schrieb am 28.12.2021
Ich war ca 1980 mit 3 Jahren in Bad Salzungen und 1983 in Luisenthal bei Suhl. Meine PTBS wurde so gravierend, dass ich nun diese Teile meines Lebens aufarbeiten muss. War jemand ebenfalls an diesen Orten? Würde gerne in einem Austausch gehen.
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Ingrid aus Olfen schrieb am 27.12.2021
Norderney: Ende 1968 oder Anfang 1969 Alter: 5 Jahre
Amrum (Wittdün): November/Dezember 1971 Alter: (gerade) 8 Jahre

Im Alter von 5 und 8 Jahren wurde ich jeweils für 6 Wochen wegen Bronchitis zur "Kur" an die Nordsee geschickt. Das Wort "Verschickung" ist bei uns nie gefallen. Meine Mutter hatte die Angewohnheit, alles freundlich zu umschreiben. Wenn es bei uns beispielsweise Kaninchenbraten (mein Vater züchtete Kaninchen) gab wurde uns gesagt, es sei Hähnchen. Wir Kinder sollten nicht merken, dass die niedlichen Tiere aus dem Kaninchenstall auf unseren Tellern landeten...... Ansonsten war mein Elternhaus liebevoll, der Vater verdiente den Lebensunterhalt und die Mutter kümmerte sich um Kinder, Haus und Garten. Die klassische Rollenverteilung zu dieser Zeit. An den Wochenenden haben meine Eltern viel mit uns unternommen. Wir wohnen ländlich und ich würde mein Elternhaus durchaus als liebevoll bezeichnen.
An den Aufenthalt auf Norderney kann ich mich so gut wie gar nicht erinnern. Meine Mutter ist verstorben, die kann ich nicht mehr fragen. Als ich meinen 87jährigen Vater kürzlich fragte, ob er sich erinnere, meinte er: "da hattest du doch Krieg mit den Nonnen". Heißt, es muss etwas vorgefallen sein, woran ich mich nicht erinnern kann. Genaueres hätte eventuell meine Mutter gewusst. Leider wurde in all den Jahren dieses Thema, wie bei so vielen anderen auch, nicht angesprochen. Ich selbst hatte die Erfahrungen größtenteils verdrängt, bin jedoch im Besitz eines Gruppenfotos, auf dem hinten sämtliche Namen meiner Gruppe vermerkt sind, auch die von den Gruppenfräuleins: Fräulein Anita und Fräulein Regine, die ebenfalls auf dem Foto zu sehen sind.
Durch einen Artikel im Internet auf diese Seite aufmerksam geworden beschäftige ich mich momenten sehr intensiv mit dem Thema. Tatsächlich ist mir von dem Aufenthalt auf Amrum noch einiges in Erinnerung, nach und nach kommt immer mehr dazu. Ich erinnere mich an:
die Vorabuntersuchung beim Vertrauensarzt der Krankenkasse
das Einnähen der Namensetiketten in Kleidung etc.
die Zugfahrt mit einer Begleitperson,
den Schlafsaal,
Mittagsschlaf mit absoluter Ruhe, sonst Strafe,
Erniedrigung und Bestrafung von Bettnässern,
Essenszwang,
das Aufteilen eines erhaltenen Nikolauspäckchens,
zensierte Post,
Bestrafungen durch Isolation,
die insgesamt sehr kalte Atmosphäre, aber leider an nichts Schönes.
Meine Mutter meinte einmal, andere Kinder hätten meine Kleidung getragen (vielleicht habe ich das aber auch nur behauptet, um beispielsweise stark verdreckte Unterwäsche zu erklären).
Es gab eine junge Praktikantin, die sehr nett zu uns war, wenn es die Heimleitung nicht mitbekam. Sie ging mit uns zu einem Krabbenkutter, wir haben Krabben gepuhlt und diese gegessen. In meinem ganzen Leben habe ich keine Schalentiere und Meeresfrüchte mehr gegessen, ob ein Zusammenhang besteht weiß ich nicht, könnte es mir aber durchaus vorstellen.
Die schlimmste Erfahrung war jedoch folgende: die Leiterin hatte der Praktikantin hinter dem Rücken einen Vogel (vielleicht auch Scheibenwischer) gezeigt und ich hatte das gesehen. Da ich die Praktikantin angehimmelt habe, habe ich es ihr erzählt, also sozusagen "gepetzt". Kurze Zeit später mussten wir uns alle im großen Saal im Kreis aufstellen und die Leiterin wollte wissen, wer zu der Praktikantin gesagt hätte, sie habe ihr einen Vogel (o.ä.) gezeigt. Aus Angst vor Bestrafung habe ich mich nicht gemeldet. Natürlich wusste die Leiterin, wer es gewesen war, und ließ mich vortreten. Vor allen anderen wurde ich beschimpft und gedemütigt, als Lügnerin bezeichnet. Danach wurde ich für mehrere Stunden in eine kleine dunkle Kammer gesperrt. Es war einfach nur grausam. Trotzdem habe ich mich völlig verheult in die Arme der Praktikantin geworfen, als diese mich endlich befreite. Ich habe die Zusammenhänge nicht verstanden und sie weiterhin angehimmelt, obwohl ja eigentlich sie mich verraten haben musste...... Vermutlich war das so eine Art Schutzfunktion meines Gehirns, da ich sonst völlig ohne Bezugsperson gewesen wäre.
Seitdem bin ich als Kind nur ungern von Zuhause weggefahren, einige Tage bei Verwandten war okay, Urlaube mit den Eltern ebenfalls, Klassenfahrten trat ich mit ungutem Gefühl an, Ferienlager o.ä. kam für mich gar nicht in Frage. Ich habe ein extrem ausgeprägtes Bedürfnis nach Harmonie und große Probleme, mich auf fremde Personen und Situationen einzulassen, bin oft unsicher und versuche, dieses möglichst zu überspielen. Weiterhin habe ich Zeit meines Lebens mit Übergewicht zu kämpfen, mal ab- und dann aber auch wieder zugenommen........... Für meine Eltern war ich auch nie so perfekt wie meine kleine Schwester (die nicht zur Kur musste), bin immer angeeckt und habe vieles nicht recht gemacht.
Mein verstorbener Mann war als kleiner Junge ebenfalls verschickt an die Nordsee, er konnte sich nicht erinnern, weil er zu klein war. Er litt Zeit seines Lebens an Angstzuständen, traute sich als Kind nicht alleine in den Keller und hatte als Erwachsener noch extreme Platz- und Höhenangst. Die Ursachen hierfür wurden leider nie erforscht.
Bereits als Jugendliche, bevor ich selbst Kinder hatte, habe ich immer gesagt, dass ich niemals ein Kind alleine zur "Kur" schicken würde, was ich dann auch nicht getan habe.
Froh, dass dieses Thema endlich öffentlich gemacht wurde, danke ich ganz herzlich für die Möglichkeit der Erinnerung und Aufarbeitung und wünsche allen die nötige Kraft. Wie so viele andere habe ich lange an Einzelschicksale geglaubt und hätte nicht gedacht, welches Ausmaß das alles hat.
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Joachim Siller aus Schwäbisch Gmünd schrieb am 25.12.2021
Hallo, ich wurde 1975/76 vom Bahnhof in Schwäbisch Gmünd in ein Verschickungsheim irgendwo in die Berge ,ländliche Umgebung verschickt. Vielleicht ist ja auch jemand aus Schwäbisch Gmünd, Aalen, Göppingen , Schorndorf oder Umgebung dort hin verschickt worden, oder kennt jemand der da war oder sogar einen Ort oder eine Adresse hat. Vielen Dank.
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Katrin Sperrle aus Krefeld schrieb am 25.12.2021
Ich bin von Berlin aus nach Glücksburg verschickt worden. Mit meinem Cousin. Ich glaube ich war so 5 oder 6 Jahre. Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern. Aber ich musst auch in einem Gitterbett schlafen.
Ich weiß noch , das ich mal die halbe Nacht auf der Toilette verbracht habe, weil ich seit ein paar Tagen kein „Groß „ gemacht habe.
Meinen Cousin haben sie auch nach ein paar Tagen nach Hause geschickt, weil er wohl frech war.
Ich habe lange überlegt, ob ich hier schreiben soll. Ich kann mich ja nicht mehr so viel erinnern. Aber ich hab viele Sachen gelesen und einiges kam wieder hoch.
Meine Mutter war mit drei Kindern alleinerziehend. Ich war die jüngste. Ich weiß nur noch das ich mich sehr einsam und alleine gefühlt habe. Mit meiner Mutter kann ich darüber nicht reden. Sie hat es ja nur gut gemeint. Ich mache ihr auch keine Vorwürfe.
Aber ich würde gerne wissen, wieso ich so bin wie ich bin
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Peter schrieb am 23.12.2021
Ich war im Alter von 4 Jahren in einem Kindererholungsheim auf Juist. Ich habe nur noch wage Bilder im Kopf, riesige Schlafsäle, Essenszwang, Zwang sich nackt zu Waschen. Höhensonne nackt in einem eiskalten Raum. Strenge und Psychoterror.
Meine gesamte Schulzeit hatte ich Angst vor Gewalt und Autoritäten, konnte mich nicht wehren. Ich habe das Thema nie aufarbeiten können, zu unkonkret sind meine Erinnerungen.
Selbst nach 60 Jahren kommen mir noch Bilder aus dieser Zeit hoch. Es war so schlimm, dass diese alten Wunden immer noch nicht verheilt sind.
Ich finde es gut und wichtig, dass dieses Thema endlich in die Öffentlichkeit gebracht wird.
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Silvia Janze aus Petershagen schrieb am 22.12.2021
Silvia Janze

Auch ich habe mich entschieden, nachdem ich die Sendung im NDR am 27.10.2021 mit Anja Röhl, gesehen habe und auch in der örtlichen Presse Berichte über Verschickungskinder in den 70er Jahren gelesen habe, mein Erlebnis (Geschichte) zu veröffentlichen.
Im Sommer (Sommerferien) 1970 wurden meine Schwester Martina, 7 Jahre und ich, Silvia 9 Jahre, vom Träger Preußen Elektra/Kraftwerk Heyden für 6 Wochen nach Kinderheim “Wenzelhof”, Westmarken 41, St. Peter-Ording geschickt. Meine Schwester hat nur sehr verblasste Erinnerungen an diese schreckliche Zeit.
Wir wurden am Bahnhof Minden/Westf. von Nonnen in Empfang genommen und unsere Reise begann tränenreich.
Am Kinderheim angekommen mussten sich alle Kinder bis auf die Unterhose ausziehen und die im Koffer mitgebrachte Kleidung wurde uns abgenommen und haben diese auch die ganzen 6 Wochen nicht wiedergesehen. In wirklich ekeliger Erinnerung ist mir geblieben, dass ich mir gleich am ersten Tag die Unterhose beim Spielen beschmutzt habe, diese aber in der gesamten Zeit nicht wechseln durfte. War nur eklig.
Auf der Rückfahrt nach Hause durften wir dann wieder Kleidung anziehen.
Das eigentliche Trauma, was mich bis heute begleitet ist aber Folgendes:
gleich im Anfang der Kurzzeit bekam ich die Windpocken und wurde
wegen der Ansteckungsgefahr 14 Tage von allen Kindern und Betreuern
isoliert. Ich wurde in ein kleines Zimmer (ein Bett, Waschbecken, Kleiderschrank, kleines Fenster, keine Toilette), welches ich heute noch vor mir sehe, gebracht und mir wurde strikt unter Strafe
verboten, dieses zu verlassen. Aus dem Fenster konnte ich den anderen Kindern beim Spielen zuschauen und ab und an kam eine der Betreuerinnen in mein Zimmer, um nach mir zu schauen. Irgendwann in diesen 14 Tagen, wollte ich meine immer noch verdreckte Unterhose
gegen eine neue tauschen und bin aus dem Zimmer zu den Schlafräumen im Dachgeschoss geschlichen. Prompt wurde ich von einer Betreuerin erwischt und habe ordentlich Prügel bezogen, die Unterhose durfte ich immer noch nicht wechseln. Sofort wurde ich wieder in meine Isolation gebracht und die Zimmertür hinter mir verschlossen. Übrigens, meine Eltern wussten davon und haben nichts dagegen unternommen.
Seit dieser Zeit bin ich traumatisiert was Krankenhäuser und REHA Einrichtungen betrifft.
Ich kann mich dort nur einen sehr kurzen Zeitraum aufhalten oder aber verweigerte mich diese zu betreten. Da ich aus gesundheitlichen Gründen, vermehrt stationäre Behandlungen gehabt habe und noch habe, gerate ich dort sehr schnell in Panik und versuche so schnell wie möglich diese auf eigene Verantwortung zu verlassen. REHA Einrichtungen trete ich ausschließlich nur ambulant an.-
Zum Essen im Kinderheim ist mir lediglich in Erinnerung, dass es morgens immer den gleichen Haferbrei gab, der komplett aufgegessen werden musste.
Als dann endlich die 6 Wochen vorüber waren und wir endlich nach Hause durften, natürlich hatten wir ordentlich zugenommen, was ja das Ziel dieses Aufenthaltes war, kam die zweite große Enttäuschung. Unsere Mutter beschimpfte uns, warum wir alle Kleidungsstücke ungebraucht wieder mit nach Hause brachten, wo sie doch in mühevoller Arbeit alle mit Namen versehen hatte.
Als wir ihr erzählten, dass wir die Kleidung nicht anziehen durften, glaubte sie uns nicht, was mich sehr enttäuschte. Und auch nicht, dass ich 14 Tage eingesperrt war.
Die Bindung zu meinen Eltern leidet bis heute, ich kann ihnen nicht verzeihen.
In meinen Unterlagen (Briefe) habe ich Namen herausgefunden, die mit mir zur gleichen Zeit in St. Peter Ording waren.


Namen: Heike Emrich
Elke, Sabina, Heidi, Christel, Marion, Gelinde Es wäre schön, wenn sich diese Personen erinnern können, und evtl. Kontakt entstehen könnte. Sommerferien NRW 1970).
Jetzt bin ich etwas erleichtert, meine Geschichte, die mich bis heute negativ begleitet öffentlich machen zu können. Ich kann nur hoffen, dass Kindern so etwas nie wieder angetan wird.
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M. schrieb am 21.12.2021
Hallo, das Thema treibt mich seit Jahrzehnten um, allerdings glaubte ich bis vor kurzem, nur einfach Pech gehabt zu haben.
Meine Mutter wich Fragen immer aus, bis sie im Jahr 2006 Farbkopien zweier Ansichtsbilder mit folgenden Zeilen schickte: "Dies ist die Asthma-Klinik in Scheidegg/Allgäu 1964. Knapp 4 Jahre ist M. alt, sie mußte 6 Wochen dort bleiben. Doch genutzt hat es nichts. Sie wollte weder essen noch spielen, die Nonnen ignorierten sie deswegen. Ganz apathisch holte ich sie von dort wieder ab. Ein ganzes Jahr dauerte es, bis M. überwunden hatte, was wir ahnungslos mit ihr gemacht hatten. Der nächste schlimme Anfall ..."
Eben erst fällt mir auf, welch spezielle Bedeutung die später oft wiederholte väterliche Drohung für mich hatte: „Wenn … dann stecken wir dich ins Heim!“
Meine Erinnerungsbruchstücke:
Niederdrückende Stimmung, dunkle Räume, die riesigen Flügelhauben der Nonnen, oft wird jemand geschlagen und weint ...
Fremde Kinder reißen meiner Puppe Arme, Beine und Kopf ab, werfen die Teile ins Klo; eine Nonne beschuldigt mich, das selbst gewesen zu sein, und schlägt zu ... (Ich wollte und besaß nie wieder eine Puppe.)
Die Kinder müssen in zwei Reihen vor einem Kreuz stehen und beten, eine Reihe mit gefalteten Händen, eine Reihe mit verschränkten Fingern; da ich das von zu Hause nicht kenne, stehe ich mal in jener Reihe, mal in der anderen und mache es mal so, mal so: das gibt richtig Prügel!
Sehe den Kindern aus weiter Ferne beim Spielen zu: "Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann ..."
Schleiche allein durch das gewaltige, düstere Treppenhaus ...
Ich sollte abgeholt werden, aber es kommt niemand, es folgt eine ewig lange, eiskalte Nacht in der Badewanne in einem verschlossenen Badezimmer ohne geringste Lichtzufuhr ...
Anders als auf den frühlingshaften Ansichtsbildern habe ich Dunkelheit in Erinnerung, es herrschte ein Angstregiment, es gab keinen Zusammenhalt zwischen den Kindern.
Heute bin ich 61, chronisch soziophob und chronisch depressiv.
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Petra schrieb am 20.12.2021
Tatsächlich habe ich lange überlegt, ob ich meine bruchstückhaften Erinnerungen hier teilen soll: Ich hielt diese Episode meines Lebens für mein Einzelschicksal, das ich halt, als ich es konnte, bearbeitet habe. Es hat etwas gedauert zu begreifen, dass ich diese einschneidenden und prägenden Erfahrungen aus einer Zeit von vor über 50 Jahren mit anderen, mit euch, teile. Die Vereinzelung, wir waren ja Kinder, die sich damals nicht mitteilen oder vernetzen konnten, endet durch diese Art des Öffentlichmachens, zusätzlich öffnet sich eine gesamtgesellschaftliche und politische Dimension, an die ich noch nie gedacht habe.
Beim weiteren Nachdenken kam mir auch der Gedanke, bestimmte Strukturen aus einer schrecklichen Zeit können in verschiedenen Institutionen unbemerkt weiterbestehen, oft auch, weil es noch keine neuen gibt. So wird dann einer nachkommenden Generation etwas in ihr Leben mitgegeben, was eigentlich überholt ist (sein sollte) und was ja etwas mit uns Menschen und unserem weiteren Leben macht, gemacht hat. Es ist mir wichtig, dafür ein Bewusstsein zu schaffen.
Deshalb also erzähle ich:
Ich war vier Jahre alt, als meine Mutter mir eine Kur beim hiesigen Gesundheitsamt "besorgte". Es wurden Vorbereitungen getroffen, wie kleine Etiketten mit Zahlen zu versehen und in die Kleidung und sogar in meine Brille zu kleben, damit später alles mir zugeordnet werden konnte. Als ich begriff, dass eine Kur bedeutete längere Zeit von der Familie getrennt zu sein, bat ich meine Mutter NICHT fahren zu müssen. Ich erinnere mich deutlich, wie sie mir erklärte, es wäre gut für mich, weil ich Keuchhusten hätte. (Das glaubte ich vierzig Jahre lang, bis ich auf Nachfrage von meiner Mutter zu hören bekam: "Du hattest doch keinen Keuchhusten!" Ich wurde also aus einem mir unbekannten Grund verschickt.) An die Eisenbahnfahrt mit einer der Tanten und weiteren Kindern erinnere ich mich vage, Auch die Ankunft im Heim in Bad Sooden-Allendorf ist eher undeutlich und ich kenne den Namen des Heims auch nicht. Meine Erinnerungssplitter von dort sehen so aus:
Ein Mädchen sitzt beim Essen vor einem Vanillepudding und hat Nasenbluten. Ein Tropfen fällt genau auf den Pudding und sieht aus, wie eine rote Kirsche. Es riecht nach Gulasch. Die Wände sind weiß.
Wir sind in einem Mehrbettzimmer untergebracht. Im meinem Bett liegt eine Art Leder, als Schutz für das Bett falls ich einnässen sollte, was ich tat. Ein Mädchen hat dieselbe Brille wie ich. Wenn sie ihre nicht findet, nimmt sie meine. Ich hole sie mir zurück und erkläre ihr, dass ja meine Nummer innen am Nasenbügel klebt. Sie versteht das aber nicht, weshalb ich die Brille öfter bei ihr einfordern muss, was mich sehr verzweifeln lässt. Wir gehen viel im Wald spazieren, ich habe ein "Hänsel-und-Gretel"-Gefühl. Auf einem Spielplatz gibt es ein Spielgerät, an das man sich hängen und drehen kann, es sieht aus, wie ein Fliegenpilz. Wir sitzen in riesigen Holzbottichen beim Baden, es schwimmt ein Köddel an der Oberfläche. Es riecht nach süßlicher Kinder-Zahnpasta. Ich bekomme Windpocken und muss zwei Wochen länger auf Kur bleiben. Ich werde in Quarantäne zu den Nonnen in einem Nebenhaus gesteckt und liege später mit mehreren älteren Jungen in einem Zimmer. Wir hören jeden Tag Lieder von Heintje. Es strengt mich mit Fieber alles sehr an. Mein fünfter Geburtstag fällt in diese Zeit – es muss also Sommer 1967 gewesen sein. Eine Glückwunschkarte meiner Eltern steht auf dem Nachttisch, die Süßigkeiten aus ihrem Päckchen werden geteilt. Ich finde das ungerecht. Eine Nonne wäscht mir die Haare, ich sitze in einer Wanne. Die Nonne wäscht mich, weil ich endlich nach Hause darf. Bei der Ankunft an meinem Heimatbahnhof erlebe ich eine große Ernüchterung: Ich hatte mir meine Rückkehr in meiner Sehnsucht in schillernden Farben ausgemalt, ein warmes Willkommen und das Gefühl wieder geborgen zu sein, bleiben aber aus. Wir gehen durch die Bahnhofsunterführung, wo sich eine große Pfütze gesammelt hat. Und ich denke, das sind all die Tränen, die wir nicht weinen können … Meine Mutter erzählte, ich wäre sehr verschlossen und seit der Kur ihr gegenüber ablehnend gewesen. Mein eigenes Gefühl war, nicht mehr wirklich in die Familie zurückfinden zu können, seither einen Außenblick auf sie zu haben und ein Außenleben zu führen. Diese Abseits-Stellung hat mich später wiederum vor vielen anderen Dingen in der Familie bewahrt.
Da ich vor der Kur mehrere hochtraumatische Erlebnisse mit Ärzten und bei Operationen hatte, habe ich klaustrophobische Attacken in engen Räumen, das Gefühl von Gefangenschaft, sobald ich in fremden Wohnungen schlafe, immer dorthin verortet, Anders Alpträume in denen Nonnen eine Rolle spielen …
Diese und weitere Erfahrungen haben im meinem Erwachsenenleben zu einem Interesse daran geführt, wie Traumata sich körperlich auswirken, im Körper gespeichert werden und der Körper aus diesem Grund oft nicht "ganz bewohnt" wird. Mir hat – nach langem Suchen und ausprobieren – Atemarbeit sehr geholfen wieder leiblich zu werden und ich habe mich zur Atemlehrerin ausbilden lassen.
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Michael aus Düsseldorf schrieb am 20.12.2021
Ich wurde im Alter von ca. 7 Jahren zusammen mit einer Schulfreundin zur "Kur" in ein Heim nach Berchtesgaden geschickt. An das Heim selbst kann ich mich kaum noch erinnern, nur nach an relativ vieol dunkles Holz, einen Schlafsaal und den großen Esssaal. Es gab Esszwang und wer nicht aufaß musste so lange alleine vor seinem Teller ausharren bis er das Essen heruntergewürgt hatte. Meine Mutter schreib mir täglich eine Postkarte oder einen Brief. Die Post wurde mir häufig vorenthalten. Wenn ich zurückschrieb wurde dies auch kontrolliert. Ein Päckchen mit Süssigkeiten wurde mir bis auf einen Schokoriegel vorenthalten. Als ich mich eines Nachts erbrach wurde ich in dem Erbrochenen liegengelassen und musste es selbst wegmachen. Die Schwestern waren alle sehr streng, unfreundlich und hart. Es gab eine nette Schwester die den Kindern auch mal half und liebevoll mit ihnen umging wenn die anderen Schwestern nicht dabei waren. Sie hieß Rita. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Es wäre toll, wenn sich weitere Betroffene aus dem Heim finden würden, die evtl. zur gleichen Zeit dort waren und sich eventuell auch an Schwester Rita erinnern.
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Gabi E schrieb am 20.12.2021
Ich war für 6 Wochen im Sept/Okt 1962 im Erholungsheim Dr. Ewald in Wüstensachsen/Röhn. Unsere Krankenkasse war die Barmer Ersatzkasse BEK. Eigentlich mußte ich nur dort hin, weil meine Mutter für 4 Wochen zur Kur kam und mein Vater arbeitete und nicht einen Erstklässler versorgen konnte. Daß ich zu dünn war, wurde als offizieller Grund genannt.
Das Essen war unheimlich viel: 1 Teller Suppe und 2 Teller Hauptgericht am Mittag. Das war natürlich viel zu viel und so erbrach ich Vieles, mußte aber alles aufessen und so lange am Tisch sitzen bleiben, bis der Teller leer war. Das Erbrochene mußte ich selber aus meiner Kleidung waschen, was mir mit dem kalten Wasser wohl nicht gut gelang, denn mein Koffer stank noch sehr danach, wie mir meine Mutter später erzählte. Gut schmeckte mir das Bircher Müsli und der Zwiebel-Quark, schrecklich war die Schokoladen Suppe und die Buttermilch, die es nachmittags im Garten gab. Einmal wagte ich es, die Tasse mit Buttermilch in den Bach zu kippen und kam mir ganz großartig vor, daß es keiner gemerkt hatte.
Mr. King, ein Engländer, der eigentlich für die Jungen zuständig war, kam immer wieder zu uns Mädchen und drohte, wir müßten zu den Jungen auf die Etage zum Schlafen, wenn wir nicht mucksmäuschenstill blieben. Das hat mir große Angst gemacht und ich überlegte mir, wie ich mich wehren könnte, wenn ich geholt würde. Einmal war es so weit und ich schrie aus Leibeskräften, so daß ich in meinem Zimmer bei den anderen Mädchen bleiben durfte.
Ich meine auch, daß wir im Waschraum mit einem Schlauch kalt abgespritzt wurden, was für ein dünnes Kind nicht gerade schön ist.
Zu meinem 7. Geburtstag kam ein Päckchen von meinen Eltern, aus dem mir nur Einzelnes zugeteilt wurde. Ob ich alles bekommen habe, weiß ich nicht. Einmal in der Woche wurde nach Hause geschrieben, nicht immer gefiel dem Personal was ich schrieb und so mußte ich mehrfach neu schreiben. Trotzdem kamen meine Briefe mit Anmerkungen vom Personal an, wie meine Mutter später erzählte. Es wurden viele größere Spaziergänge gemacht, die mir Freude machten, da ich eine Freundin in der Zeit gewonnen hatte mit der ich Spaß hatte.
Weitere Erinnerungen habe ich nicht an diese Zeit. Ich weiß nicht, ob mich diese Zeit geprägt hat, aber vielleicht bin ich dadurch aufmüpfig geworden und lasse mir nicht alles gefallen.
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Tanja aus München schrieb am 19.12.2021
Ich war im Jahr 1972 oder 1973 für 6 Wochen im Winter im Kinderkurheim Lorenzen. Ich war 6 oder 7 Jahre alt. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, allerdings wirklich nur positiv. Die Anreise war lang, aber auch von sehr netten Betreuerinnen begleitet (ich weiß nicht mehr, ob das auch die selben Damen waren, die dann im Kurhaus für uns da waren). Wir hatten sehr nette und lustige "Tanten" (Namen weiß ich nicht mehr), die größeren Mädchen, die auch in der Kur waren, haben uns keinere Kinder auch verwöhnt und ich habe mich sehr wohl gefühlt. Wir hatten sehr gutes Essen. Ich war eine schlechte Esserin (Kurgrund) und habe dort zum ersten mal wirklich sehr gerne und ausreichend gegessen. Man durfte immer nachnehmen, ich habe nie hungern müssen dort. Wir wurden nicht zum Essen gezwungen und ich kann mich auch nicht erinnern, dass ein anderes Kind in meiner Gegenwart, wie auch immer, misshandelt wurde. Der Umgangston war sehr freundlich und lieb. Ein paar mal hatte ich Heimweh, dann durfte ich auch daheim anrufen und wir durften auch telefonieren, wenn die Eltern/ Großeltern uns angerufen hatten. Wenn Post von daheim kam wurde sie den Kleineren vorgelesen und wenn wir nach Hause schreiben wollten, hat man uns dabei geholfen, denn es waren viele Erst- und Zweitklässler dabei. Ich habe noch meine Briefe und Karten, die allesamt sehr froh klingen. Die Zimmer waren hübsch. Das Wasser zum Waschen und duschen war zwar kalt, aber wir hatten Spaß und lachten, wenn wir uns duschten. Niemand wurde zwangsweise unter kaltes Wasser gehalten. Es sollte wohl der Abhärtung dienen, kalt zu duschen, also das wäre vielleicht das einzige, wo ich sagen könnte, es könnte in Richtung Misshandlung gehen, aber wie gesagt, eigentlich war es eine lustige Stimmung im Bad. Mein Taschengeld durfte ich ausgeben. Ich weiß zwar nicht mehr, was ich gekauft hatte, aber ich weiß sicher, dass wir alle zusammen beim "shoppen" waren, in den Läden und am Markt in St. Peter Ording. Als nach 6 Wochen die Kur zu Ende war, war ich wehmütig, weil ich mich dort so wohl gefühlt hatte. Natürlich freute ich mich auch auf zu Hause. Auch heute noch denke ich gerne an die Zeit dort zurück, an die tollen Ausflüge ans Meer, durch Wälder und den Ort. Also, zumindest zu dieser Zeit war das Haus Lorenzen spitze! Es tut mir für alle Kinder, die vor oder nach mir dort waren leid, die evtl. auch dort schlimme Erfahrungen machen mussten. Ich bin sehr froh darüber, dass es mir dort sehr gut erging, denn ich war ein sehr unsicheres und schüchternes Kind. Eine schlechte Behandlung wäre für mich bestimmt sehr schlimm gewesen.
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Jo aus Schwäbisch Gmünd schrieb am 19.12.2021
Ich wurde 1975 oder 1976 vom Bahnhof in Schwäbisch Gmünd mit einem Bus, in ein Heim verschickt .Denke das die fahrt nach Berchtesgadener Land ging. Wahrscheinlich damals über die Arbeiterwohlfahrt. In meiner Erinnerung war das Haus alleine auf einer Wiese gestanden sehr ländlich. Abends hatten wir mal um ein Feuer herum gesessen und das Lied gesungen :Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad. Vielleicht ist ja auch jemand von Schwäbisch Gmünd oder Umgebung mit dem Bus in ein Heim verschickt worden. Hoffe es findet sich jemand der mehr über den Aufenthalt oder das Haus berichten kann. Vielen Dank
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Michael Di aus Fulda schrieb am 19.12.2021
Meine Erfahrung mit Karlshafens Kuraufenthalt 1961/62. Da war ich 6 Jahre alt.

Ich sollte unbedingt zur Kur so hatte es meine Mutter gewünscht, denn ich war nach ihrer Meinung einfach zu dünn und wog nicht viel für mein Alter. Was man mir oben reinstopfte blieb einfach nicht in den Hosen drin, wie man so sagte. Da meine Mutters Eltern damals damit gute Erfahrungen gesammelt hatten an solch einer Aufpeppelkur, tat man sich’s einfach und fragte nach wo denn in der Nähe von Sontra ein solche wäre. Karlshafen wurde so für mich 4 Wochen die Hölle auf Erden. Es sollten ursprünglich 6 Wochen werden, die dann aber wegen meines Naturells sehr Fettes Fleisch auszubrechen. Dabei stromerte ich zu Hause den ganzen Tag im Wald herum. Hatte einen mächtigen Hunger aber es nutzte nix. Die Kalorien die ich oben rein stopfte blieben nicht bei mir. Also, wurde hier nachgeholfen, auch weil es der damalige Arzt so betrachtete denke ich. 4 Wochen Erbsensuppe mit Speckzulage. Fettes Essen was es an Masse scheinbar jeden Tag in Karlshafen gab. Ich konnte diese Erbsensuppe schon von weitem riechen. Selbst draußen auf dem Exerzierplatz vor dem wir immer antreten mußten vor dem weißen großen Haus. Ich ekelte mich einfach zu sehr an der Schwabbelmasse, am Speck, an dem man noch hin und wieder die Haare zählen konnte. Einfach nur ekelhaft! Zum Frühstück schon Leberwurst zum Abwinken und dann immer und immer wieder diese erbärmliche Erbsensuppe, die ich massig wieder rausbrach sobald ich nur ein wenig von aß. Irgendwann ging dann gar nix mehr. Ich kotzte mich fast zu tode. Den Flur zur Toilette war voll vom Gebrochenen das ich dann auch noch aufputzen mußte und mich garantiert nochmals erbrach. Zur Strafe gab es am nächsten Tag wenig bis nüscht. Nur zu trinken, so viel ich mich noch erinnern kann. Irgendwann knipste ich mein Bewußtsein hierfür aus. Ich wurde nach ca. 4 Wochen untherapierbar wieder nach Hause geschickt. Dort machte mein Vater meiner Mutter schwere Vorwürfe wegen meines Zustandes und wir besuchten erst mal unseren Hausarzt. Der war ebenfalls entsetzt und wollte mich in ein nahegelegendes Krankenhaus einweisen, weil man dachte ich würde sterben, so dünn muß ich damals wohl gewesen sein. Durchs Mutter’s Hausmannskost und intensives Handeln meiner Oma, die auf mich mit Argusaugen aufpasste, dass ich immer was zu futtern bekam ging’s dann mit der Zeit. Viele Einträge die ich hier lese decken sich mit denen die ich auch gemacht habe deswegen möchte ich nicht nochmals drauf eingehen. Ich verdränge diese Zeit immer noch und es ist auch gut so!!! Dunkelkammer lernte ich auch kennen! Einmal in der Woche gab es diesen Badetag. In Holzfässern ähnliches Bad in dem man geschruppt wurde. Ich fand es damals als sehr unangenehm so nackig mit zig anderen sich die Haut zu schruppen. Mehr weiß ich leider oder gottseidank nicht mehr. Die Ordensschwester waren nicht gerade zugänglich, eher eiskalt, sympathisch wie ein Stein. Das alles machte mir als 6 Jähriger doch recht viel Angst. Ich glaube auch öffters in die Hose gemacht zu haben. Dafür wurde man natürlich bestraft. Ich war froh wieder zu Hause zu sein!
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Viney aus Bad Kreuznach schrieb am 19.12.2021
Es war das Jahr 1972 als ich wegen meines Bronchialasthmas nach Bad Kreuznach verschickt wurde. Ich war 7 Jahre alt. Teils erinnere ich mich an die Hin- und Rückfahrt der Verschickung und an das Salamibrot, was als Proviant mitgegeben wurde.
Am meisten aber erinnere ich mich in bestimmten Momenten an die Grausamkeiten, die mir durch die Schwestern widerfuhren.
Als ich z.B. wegen Heimweh weinte, wurde mir mit Schlägen gedroht. Aber das war nur der Anfang am ersten Tag meiner Ankunft abends. Als ich beim Essen vor Angst erbrach, weil ich in dem Speisesaal dem Jungen, der mit seinem Rücken zu mir saß und sich fröhlich zu mir drehte und plötzlich von einer Schwester aus Wut, weil er offenbar für sie nicht still genug da saß, an den Haaren gezogen und auf seinen Kopf gehauen wurde bis er heftigst zu weinen anfing, musste ich zugleich als Strafe mein Erbrochenes aufessen, sonst drohten weitere Strafen, auch mit Schlägen. Allerdings gab es eine Schwester an der ich mich „festhielt“ und die, wenn sie Dienst hatte sich um mich schützend kümmerte. Jeder Tag an dem diese Schwester nicht anwesend war, war ein Tag voller Angst.
Diese Traumatischen Erlebnisse deckten sich in meiner Ausbildung zum Kurzzeit Therapeuten auf. Einen Teil dieser Kur konnte ich mittlerweile verarbeiten, aber es gibt immer noch Momente aus dieser Zeit, selbst nach knapp 50 Jahren, die mich mit ihrer entsprechenden Wirkung heimsuchen. Vielleicht gibt es hier noch andere, die auch in Bad Kreuznach in diesem Jahr waren. Und die auch noch mit ihren Erinnerungen zu tun haben. Über einen Austausch würde ich mich freuen.
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Jana aus Potsdam schrieb am 19.12.2021
Bisher dachte ich, meine mittlerweile über 40 Jahre zurückliegenden Kur-Erinnerungen seien eine Einzelwahrnehmung. Durch einen Artikel über „Verschickungskinder“ wurde ich darauf aufmerksam, dass meine Erfahrungen alles andere als ein Einzelschicksal sind.
Mir bzw. meinen Eltern wurde vor meiner Einschulung zweimal aufgrund einer chronischen Bronchitis von der Kinderärztin eine Kur empfohlen. Die zweite Kur war vom 25.06. bis 20.07.1979 (ich war 6 Jahre alt). Es existiert sogar noch ein Gruppenbild aus dieser Zeit - die darauf zu sehende „Betreuerin“ ruft noch heute ein großes Unbehagen in mir hervor.
Ich erinnere mich an schreckliche Nächte voller Heimweh mit vielen Kindern in einem großen Schlafsaal, in dem wir uns absolut still zu verhalten hatten. Sogar weinen war untersagt. Keine persönlichen Worte, keinerlei Zuwendung. Wir mussten unsere Bettdecken in Form einer offene Halbkugel über den Kopf ziehen, damit wir die beiden jeweils in den Betten neben uns liegenden Kinder nicht sehen und mit ihnen reden konnten. Die gesamte Nacht saß eine Aufsichtsperson im Saal, die regelmäßig Kontrollgänge zwischen den Betten durchführte.

Gegessen wurde in einem großen Speisesaal und es musste IMMER alles aufgegessen werden. Nie werde ich vergessen, dass ich gefühlt unendlich lange allein am Tisch sitzen bleiben musste, weil ich keine Tomaten aß, meine Eltern dies aber angeblich nicht vorab mitgeteilt hatten. Mir wurde wortwörtlich gesagt, dass ich erst aufstehen dürfe, wenn ich die auf dem Teller befindliche Tomate gegessen hätte.
Insgesamt erinnere ich mich an ein extrem starkes Heimweh, viel Angst und insgesamt das Gefühl, dass die Kur nicht Hilfe bei einer Erkrankung, sondern „Bestrafung“ war.
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Silvia aus Stuttgart schrieb am 18.12.2021
War jemand aus Baden-Württemberg dort.
Ich lebte damals in Rottenburg am Neckar.
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Christoph schrieb am 18.12.2021
Das Leben ist kein Ponyhof!
Viel ist mir nicht in Erinnerung geblieben von damals. Einzelne Begebenheiten sind gestochen scharf und so präsent, als wären sie gestern passiert. Vieles bleibt als vages Gefühl, sehr vieles ist verschwunden, vielleicht verdrängt?
Außer der Erinnerung bleiben vier gestellte Fotos und zwei von den „Tanten“ geschriebene Postkarten. Das, und ein lebenslanges Gefühl, dass ich irgendwie anders bin, ist das, was mir von diesen sechs Wochen im Februar und März 1972 im Kindererholungsheim Ponyhof in Schönau im Berchtesgadener Land geblieben ist. Mein einziger Kommentar zu den wenigen Fotos und Postkarten war fast 50 Jahre lang, dass es in dieser Kur ganz schrecklich war. Mehr habe ich nie erzählen wollen.
Aber der Reihe nach. Eine Ahnung ist noch da, dass ich aufgeregt und voller Vorfreude war, als meine Eltern mir die 6 Wochen auf dem Ponyhof ankündigten. Die Idee 6 Wochen ohne Eltern oder Geschwister zu sein, hat mir wahrscheinlich keine große Sorge gemacht. Pferde und Ponys waren meine erklärten Lieblingstiere. So wie andere Kinder ihren Stoffteddy mit sich herumschleppen, hatte ich ein kleines und ziemlich abgewetztes Stoffpferdchen.
Die lange Reise von NRW bis nach Berchtesgaden, die Ankunft im Kinderheim, die anderen Kinder, die „Tanten“, die Schlaf- und Essenssäle, an all das habe ich keine Erinnerung mehr. Es fehlt auch jede Erinnerung an gemeinsames Spielen mit anderen Kindern. In der ersten Nacht hatte ich mich eingenässt und wurde am Morgen dafür laut von der „Tante“ beschimpft und vor allen Kindern bloßgestellt. Das passierte leider noch öfter und ich wurde immer wieder bloßgestellt und immer weiter isoliert. 
Irgendwann bin ich wohl krank geworden, Mumps hieß es später. Tatsächlich hatte ich einige Jahre später nochmals Mumps und wäre damit eines der wenigen Kinder, die diese Krankheit zweimal bekamen. Das habe ich bis vor Kurzem auch nie angezweifelt, mir fehlt aber jede Erinnerung ans krank sein. In einer der Postkarten schrieb die „Tante“ allerdings, dass ich jetzt wieder gesund sei.
Die anderen Erinnerungen sind schnell erzählt. Ein Ausflug auf dem Königssee zum Watzmann ist mir in Erinnerung, ein Trompeter und das Echo seiner Trompete . Diese Momente habe ich genossen, still für mich und komplett alleine. Keine Erinnerung an ein anderes Kind, mit dem ich Gedanken darüber ausgetauscht hätte.
Dann erinnere ich mich an ein Paket von meinen Eltern und Geschwistern. Süßigkeiten waren darin und auch 10 DM Taschengeld. Beides wurde aber gleich von den „Tanten“ eingezogen. Ich erinnere mich an einen Spaziergang durch einen Ort, bei dem wir an einer Bäckerei vorbei kamen. Es ging auf Ostern zu und die Auslage im Schaufenster war voll mit Ostergebäck. Ein knallroter Osterhase ist mir in Erinnerung geblieben. Den hätte ich mir mit meinen 10 DM Taschengeld kaufen können und ich habe mich sehr geärgert, dass ich an dieses Geld nicht ran kam. Das Geld habe ich natürlich nie wieder gesehen, den Inhalt des Päckchens auch nicht. Auf einer der mir verbliebenen Postkarten bestätigt die „Tante“ trotzdem, dass ich das Paket und das Geld erhalten habe und mich sehr darüber gefreut habe. Kein Wort, wie diese Freude gleich zerstört wurde indem beides konfisziert wurde.
Sehr klar erinnere ich mich noch an die gestellten Fotos, die aus heutiger Sicht den Eltern zu Hause wohl vorspielen sollten, dass alles in Ordnung war. Es hieß, wir gehen zum Fotografieren, Farbfotos sogar, und jeder solle sich etwas Rotes anziehen, weil das besonders gut auf Farbfotos wirke. Zum Foto auf dem Schlitten habe ich dann meinen blauen Lieblingspullover mit rotem Muster angezogen. Beim Fotografieren wurde ich ausgeschimpft, weil es zu wenig rot sei und bekam kurzerhand die rote Pudelmütze eines anderen Kinds aufgesetzt.
Für die drei Fotos mit dem/den Pony(s) habe ich dann einen eigenen knallroten Pullover getragen, den ich eigentlich nicht mochte. Alle Fotos wurden nach dem selben Schema fotografiert, außerhalb des Sichtbereiches eine lange Schlange Kinder, auf dem Foto dann nur ein Kind, das ein Pony hält, auf ihm sitzt, oder auf einer Kutsche sitzt. Das waren in 6 Wochen die einzigen Kontakte mit einem Pony auf dem „Ponyhof“. Trotzdem erinnere ich mich an diese Momente, so nah bei meinem Lieblingstier war ich vorher noch nie und auch lange danach nicht mehr. Auf den Fotos wirke ich glücklich und war es in diesem einen kurzen Moment tatsächlich.
Rückblickend und in dem neuen Wissen, dass ich die Verschickung nicht alleine so erlebt habe, sehe ich heute, wie mich dieses Erlebnis meinen Eltern entfremdet hat und in mir dieses Gefühl verursacht hat, anders zu sein, nicht richtig zu funktionieren, selber schuld an meiner Situation zu sein.
Das Leben ist halt kein Ponyhof, aber vielleicht war der Ponyhof eine Weichenstellung fürs Leben...
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Annie aus Sylt schrieb am 18.12.2021
Ich war mit 10 Jahren auf Sylt. An sich erinnere ich sehr viele gute Sachen daran, aber es gibt Dinge die mir jetzt im nachinein aufgefallen sind, die mich als jetzt junge Erwachsene schockieren.

Wir hatten sehr strenge Betruer, in einer Gruppe die nur aus Mädchen bestand. Von zu Hause kannte ich es zar angeschriehen zu werden, aber diese strenge war ich nicht gewohnt. Wir mussten uns exact zu verhalten wie man es uns sagte, sonst wurden wir vor der Gruppe Angebrüllt.

Beim Essen durfte es keine Reste geben, wir mussten so lange sitzen bleiben bis alles gegessen war. Was auch immer wir erzählten wurde ins lächerliche gezogen. Wir mussten in Gruppen in der selben Dusche duschen, während wir dabei beobachtet wurden. Lange zeit hielt ich das für normal, wir waren ja alle weiblich. Das stößt mir erst jetzt sauer auf.

Dazu drei sachen an die ich mich erinnere als wären sie gestern passiert. Wir hatten einen Wanderweg, in den dünen, der, so hat man es uns erzählt, ob es stimmt weiß ich nicht, an einem Minenfeld vorbei ging. Um das Gelände war ein Zaun, und ich erinnere mich bis heute an diese panische angst die in mir aufstieg. Ich wollte dort nicht hingehen, also wurde ich gezwungen.

Das zweite: Ich hatte ein Zeckenschutzmittel mit welchem ich mich natürlich eingeschmiert hatte damit ich keine Zecken bekomme. Dieses wurde als "zu stark riechend" empfunden und mir dann weggenommen. Ich meide bis heute hohes Gras und Bebüsche, da ich in den Wochen wo ich mich nicht darauf verlassen konnte geschützt zu sein, konstant auf der Hut war nicht in irgendwelche Gebüsche zu gehen, mich nicht ins Gras zu setzten, etc.

Das was ich bis heute am schlimmstem empfinde, jedoch: Eines der Mädchen mit denen ich befreundet war bekam Fieber und durfte deswegen nicht an einem Ausflug teilnehmen. An stelle einen Erwachenen da zu lassen, wurde darum gebeten das eines der Kinder auf sie aufpasst. Durch das oben genannte war ich diejenige die sich meldete. Wir waren alleine im Gebäude, ohne anlaufstelle, niemanden den man hätte rufen können falls etwas passiert wäre. Wir waren 10 und 11. Die zeit haven wir damit verbracht gesellschafst spiele zu spielen, und bis heute habe ich furchtbare angst davor mit jemandem alleine zu sein der krank ist.

Und jetzt wo ich es so lese, unsere Postkarten wurden uns auch diktiert. Wir mussten sie alle vorlegen damit sie kontrolliert werden konnten. Wenn dort etwas "schlechtes" drauf stand mussten wir sie neu schreiben.
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Ernst aus Osnabrück schrieb am 18.12.2021
Ich war mit 9 Jahren in von Osnabrück aus in dem o. g. Verschickungsheim. Mit mir war damals zufällig (!) ein Mitschüler aus der Grundschulzeit (Björn W. - den Nachnamen möchte ich hier besser (noch) nicht nennen). Vielleicht meldet er sich ja bei mir, denn ich habe leider keinen Kontakt zu ihm.

Leider weiß ich auch nicht, wie das Heim hieß. Ich meine mich daran zu erinnern, dass es in einem Ortsteil (?) Mittelstadt in der Nähe oder eben in Freudenstadt lag. Wer hier weiter ließt und eine Idee hat, wo der genaue Ort gewesen ist, mag mir gerne schreiben.

Ich kann mich noch an eine schöne Zugfahrt dorthin erinnern. Auch war in dieser Zeit sicher nicht alles grauenhaft. Im Gegenteil, ich habe sehr wohl auch, vielleicht überwiegend, positive Erinnerungen. Grauenhaft war ein Erlebnis dahingehend, dass wir bei einer Mahlzeit gezwungen wurden eine Suppe zu essen, in der offensichtlich Maden (!) in großer Menge waren. Nachdem erste Kinder davon tatsächlich gegessen hatten und der erste sich queer über den Tisch hinweg übergeben hatte, wurde uns erlaubt nicht weiter zu essen.

An den Vornamen einer der "Erzieher", der dabei war, kann ich mich (ganz sicher bin ich mir nicht) erinnern, weil es ein französisch klingender Name war. Nach meinem Wissen von heute, würde man den Namen wohl "Henry", oder ähnlich schreiben. Ausgesprochen haben wir den Namen damals ungefähr wie folgt "Aunrie"! Wir haben uns nämlich einen Spaß aus dem Namen gemacht und wenn wir unter uns waren gesagt: Aunrie, Aunrie, kauf dir einen Baggie, Baggie (wie gesagt, hier so die Lautsprache!).

Grauenhaft waren auch die Bestrafungen, wenn wir nachts nicht ruhig waren. Ich kann mich daran erinnern, dass ich selbst mindestens einmal (der o. g. Björn häufiger) mit Schlägen ins Gesicht aus dem Bett geholt wurde und ich dann im Flur mit meiner Bettdecke über dem Kopf sehr lange dort stehen musste. Nach gefühlten Stunden durfte man dann irgendwann wieder zurück in sein Bett.

Auch ich würde mich gerne austauschen, mit Menschen, die sich hier angesprochen fühlen.
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E. Steiner aus Müllheim / Baden schrieb am 18.12.2021
Ich kam zusammen in einem Zug voller hustender, schniefender Jungs mit meinem um 4 Jahre älteren Bruder in das Kinderheim nach Norderney, wurde aber sofort von ihm getrennt. Nach drei Wochen kam ich in das gleiche Haus wie er, war aber in einer anderen Gruppe und sah ihn aus der Ferne dreimal am Tag beim Essen.
Zunächst weinte ich sehr und so lange, wie nie wieder seitdem und bekam so hohes Fieber, dass der Notarzt kommen musste. Ich war aber offensichtlich in einem Haus für "schwere Fälle", aus dem ich drei Wochen (oder zwei?) später in eine "normale", größere Gruppe verlegt wurde. Ich durfte nicht mit meinen Eltern telefonieren, weil ich dann ja noch größeres Heimweh bekommen würde. So sagte man mir.
In meiner Gruppe war ich der einzige Viert- unter Drittklässlern. Die Heimschule war ca. an zwei Vormittagen/Woche. Ich bearbeitete langweilige Arbeitsblätter, weil die Lehrerin sich um die anderen Jungs kümmerte. Immerhin behandelte sie mich - ich würde heute sagen - lieb und respektvoll. Ich gab ja auch Ruhe. Das war dort etwas Besonderes. Ich fehlte meistens, weil ich minimal Fieber hatte. (Über 37,2°C - in meiner Erinnerung - mussten wir den ganzen Tag im Bett bleiben, wo sich niemand um uns kümmerte. Hier lernte ich ganze Asterix-Hefte von anderen Jungs auswendig. Bücher, geschweige denn Fernsehen, gab es nicht. Die Comics kursierten unter den Jungs, wurden aber recht heimlich aufbewahrt, weil wir nicht wussten, was die Schwestern zu Blueberry usw. sagen würden. Wir hatten Sorge, dass man sie wegnehmen würde. Ich - aus "gutem Hause" - hatte natürlich keine und bekam keine geschickt. Auch keine Haribos.)
In meinem Zimmer, dem hausbekannten Lieblingszimmer der Oberschwester, deren Büro nebenan war, lagen nur 6 bis 8 Jungen. Die anderen Zimmer waren sehr viel größer.
In dem Heim waren lauter Kinder aus dem Rheinland, niemand aus Nordwestdeutschland, wie ich. Die meisten kamen wegen Krupphustens und Asthma einmal im Jahr, für etwa 6 bis 8 Wochen. Sie waren alle alt-erfahren. Ich war 13 Wochen am Stück da. Als ich nach Hause kam, sprach ich Kölsch: "Dat jibbet doch jarnich!" Meine Familie lachte mich aus. Ich traute mich tagelang nicht zu reden.
Ich erinnere mich nicht an Freunde, wohl aber zumindest an einen Jungen aus unserem Zimmer, den wir anderen mobbten (Johann Neesen, wenn ich mich richtig erinnere). Das schien niemand zu bemerken, wir anderen hatten unseren "Spaß", Johann dienerte sich uns an. Auf dem Zimmer ging es, aber in der Schule oder dem großen Saal (Essen u. "Spielen" mit kaum vorhandenem Spielzeug) fühlte ich mich einsam. Von meinem wenigen "Taschengeld" kaufte ich mir einen Liter Apfelsaft, den ich so sparsam trank, dass er zu zwei Dritteln verschimmelte. Die Flasche lag in meinem kleinen privaten Fach. Ich dachte viel nach, kam aber zu keinen Ergebnissen. In meiner Erinnerung hielt ich den ganzen Tag den Mund. Wir mussten alle zwei Wochen nach Hause schreiben. Ich wusste nie was. Ich bekam auch Briefe meiner Eltern, kann mich aber nicht an Inhalte oder Emotionen erinnern. Es war ein komisches Gefühl Briefe zu bekommen. Das war etwas für Erwachsene.
Die Schwestern waren streng und autoritär, zu uns aber lieb und lustig, weil wir ja auf dem Lieblingszimmer waren. Alle anderen hatten Furcht, wir aber lebten in der Sonne des glücklichen Schicksals und durften uns mehr erlauben (Vor dem Einschlafen bei ausgeschaltetem Licht noch etwas schwatzen und kichern, morgens als letzte geweckt werden, aber bei der Medikamentenausgabe vorne in der Schlange stehen.
Ich erinnere mich an Unmengen von Medikamenten, Inhalationen und vielen Spritzen.
Wenn es irgend ging, (Aufenthalt von Neujahr bis in den März hinein), gingen wir in Reih und Glied jeden Tag am Strand entlang und durch die Dünen zurück. Ich liebte den Strand und das wilde Meer, durfte aber oft wegen Fiebers nicht mit. Noch heute liegen in meinem Elternhaus die Austernschalen, die ich für die Familie sammelte. Manchmal spielten wir Völkerball. Auch das liebte ich, weil ich so gut war, dass ich mit den Großen mithalten konnte. Die kleinen Jungs wurden sofort abgeworfen und verbrachten das Spiel frierend und oft nass am Rand. Ich war bis zum Schluss drin und stolz darauf.
Nach 9 Wochen fuhr mein Bruder nach Hause. Ich bekam eine Verlängerung von zwei Wochen, weil ich noch nicht gesund wäre. Nun war ich ganz alleine. Nach 11 Wochen wurde beschlossen, dass ich noch zwei Wochen dableiben solle. Die Oberschwester teilte mir das in ihrem "Büro" mit. Und weil man antizipierte, dass ich weinen würde, durfte ich gleich mit meiner Mutter telefonieren. Das war eine absolute Ausnahme, wie mir beteuert wurde. Nun wurde mir hoch und heilig versprochen, dass ich dann nach Hause dürfe (gerade rechtzeitig zu meinem Geburtstag) Ich beschloss, die letzten 14 Tage auch noch zu überstehen. An meinem letzten Tag wurde ich von einem Arzt untersucht. Mein Entlassungsformular lag auf dem Schreibtisch. Niemand ahnte wohl, dass ich auch recht gut kleine Buchstaben auf dem Kopf lesen konnte. Auf dem Formular gab es fünf Kategorien zum Ankreuzen: geheilt, verbessert, gleichbleibend, verschlechtert, verstorben. Bei mir war "verschlechtert" angekreuzt. Ich dachte, dass ich ja noch Glück gehabt hätte, wenn man auch sterben könnte. Ich hatte nicht geahnt, dass ich so kurz davor gewesen bin, erinnerte mich aber an mein Fieber zu Beginn der Zeit.
Bei meiner Abreise, - von den Jungs konnte ich mich nicht verabschieden - , war ich wie benebelt. Ich fühlte nichts, vor allem keine Dankbarkeit, aber irgendwie auch keine Freude auf zu Hause. Ich konnte mir irgendwie gar nicht mehr richtig vorstellen, wie es da war und was mich erwartete und ob ich auch wieder im nächsten Jahr nach Norderney müsse. Man brachte mich auf den Zug, in dem ich alleine fuhr. Ich musste allerdings nicht umsteigen, nur richtig aussteigen.
Ich musste dann nie wieder nach Norderney, weil sich ja glücklicherweise mein Zustand dort angeblich verschlechtert hatte. Tatsächlich ließen meine Beschwerden dann nach etwa 1,5 Jahren von alleine nach. Das war die Zeit, als ich begann in Kaufhäusern Spielzeug und Schokolade zu klauen...
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Marcel schrieb am 18.12.2021
Am prägnantesten und gruseligsten ist eine Erinnerung an die Zeit dort die mir vorkommt als hätte man mit meinem Gehirn und meiner Sexualität experimentiert. Wir mussten den gesamten Zeitraum unseres Aufenthaltes dort uns täglich im Gemeinschaftsraum auf den Boden vor eine große Leinwand setzen. Dann hat man uns ein Musikvideo mit nackten Menschen gezeigt. Wenn ich heute das Lied im Radio höre durchschießt mich ein wahnsinnig schlimmes Gefühl. Es handelte sich dabei um das Lied von „The Beloved - Sweet harmony“. Täglich mussten wir und das ansehen und ich weiß bis heute nicht was das mit meinem angeblichen Asthma zu tun gehabt haben soll.
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Christina aus Niederbayern schrieb am 18.12.2021
Einarmig - das erste woran ich mich erinnere… die Erzieherin mit nur einem Arm… hier als Suchbegriff eingegeben sehe ich sofort zwei Berichte: ja Ute hieß sie, ja Lorenzen war das Kinderheim - ich erinnere mich - noch nicht an alles, aber alles was ich lese, stimmt! Ein Kind hat nachts im Schlafsaal geweint - die einarmige Erzieherin kam herein, konnte das weinende Kind nicht ausmachen - mein Bett war das nächste an der Türe… ich wurde von ihr auf den Flur gezerrt und mußte mich auf die Stufen im Treppenhaus setzen. Es war eiskalt, zugig… die ganze Nacht… ich durfte nicht aufstehen, nicht zur Toilette. Erst als am Morgen am die anderen geweckt wurden, durfte ich aufstehen. Die Duschen waren eiskalt. Ich hatte lange Haare, die nicht schnell genug trockneten - wenn ich etwas sagte, drohte man mir die Haare abzuschneiden. Dann mit nassen Haaren nach dem Frühstück spazieren gehen… In Unterwäsche im kalten Flur in der Schlange anstehen zum regelmäßigen Check, messen und wiegen - Tabletten Einnahme (wofür? Ich hatte zuhause nie regelmäßig Medikamente bekommen…?) … Meine erste Mittelohrentzündung… der Arzt war nett, gab mir Ohrentropfen und einen Wattebausch (aber es gab wohl keine Nachuntersuchung, denn ich erinnere mich noch gut dass ich panisch Angst vor Strafe hatte, als ich nach zwei Wochen den schon leicht angegrauten Watte-Pfropfen irgendwo verloren habe). Ostern - Päckchen von zuhause - was es war weiß ich nicht, denn es wurde unter den Kindern aufgeteilt. Zwangspostkarten nach Hause schreiben - man musste solange Schreiben, bis der Text positiv genug war, damit man sie verschicken durfte… Permanente Angst vor Strafen, physische Gewalt…
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