ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2741 Einträge
Rosemarie aus Gescher schrieb am 18.01.2022
Oh-Gott, ich habe erst jetzt gelesen dass es dieses Forum gibt. Es ist schrecklich was ich damals im Kinderverschickungsheim(Juist) mit 9 Jahren erlebt habe. Es wurde mit einer Brutalitaet mit uns umgegangen die noch heute, nach 59 Jahren, unvergessen geblieben ist. Zudem kam 1962 noch die grosse Sturmflut die das Grauen noch vertiefte Vielleicht findet sich jemand hier, der das Schicksal mit mir teilt.....?!
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Uwe Kleinemas aus Bonn schrieb am 18.01.2022
Hallo zusammen,
auf Anraten der Gütersloher Hausärztin Frau Dr. S. wurde ich 1971 zur Abmagerungskur in das Sanatorium Ide auf Amrum verschickt. Am Tag nach der Ankunft wurde die Untersuchung durch den leitenden Arzt Dr. Ide durchgeführt. Er hatte dabei die Angewohnheit, die zu untersuchenden Kinder an der Haut unterhalb des Kinns zu greifen und zu sich heranzuziehen. Der allgemeine Umgang war militärisch streng und wir Kinder mussten zu verschiedenen Anlässen in Reihen "antreten". Als Abnehmkind wurde ich mit anderen Kindern, die "gemästet" werden sollten, an einen Tisch gesetzt. Da ich offenbar im Schlaf gesprochen hatte, wurde ich mehrfach aus dem Bett geholt und stundenlang in eine Decke gehüllt auf den Dachboden gestellt. Die verordnete "Diät" war grauenhaft - so gab es zum Frühstück sechs Wochen lang eine dünn bestrichene Vollkornbrotscheibe und ein hartgekochtes Ei, das im Inneren grün war. Ich habe diese Eier in die Tasche gesteckt und an die Möwen verfüttert. Als das herauskam, musste ich unter Aufsicht frühstücken. Meine Briefe nach Hause wurden vor Absendung gelesen, angeblich um "Lügen" vorzubeugen. Päckchen wurden gefilzt und "ungesunder" Inhalt konfisziert. Zwei Mal pro Woche mussten die Abnehmkinder im Keller antreten und aus einem Tank gefiltertes Seewasser trinken, was das Abnehmen fördern sollte. Jegliche (vermeintliche) Verstöße wurden durch die "Tanten" (Gruppenleiterinnen) der Heimleitung gemeldet, worauf wir beim Heimleiter (Bruder des Chefarztes) antreten mussten und streng zurechtgewiesen wurden. Als Abnehmkind musste ich Mittags, während die "Mastkinder" zwangsweise Mittagsschlaf hielten, alleine spazierengehen. Ich habe in dieser Zeit Grabsteininschriften auf dem Friedhof in Nebel gelesen oder auf einem großen Stein im Watt in die Ferne gestarrt. Ein Halt war mir mein Schulfreund Rupert, der mir Briefe schrieb und Päckchen mit Comic-Heften schickte. Über die Erlebnisse im Sanatorium Ide konnte ich lange nicht sprechen. Sechs Jahre später war ich mit meiner Eltern und Geschwistern auf Föhr, wo wir eine Familienfreizeit verbrachten. Gemeinsam mit meinem Ferienfreund Peer habe ich einen Ausflug nach Amrum unternommen (da war ich 16 Jahre alt) und bei der Gelegenheit auch das Sanatorium Ide aufgesucht. Wir haben das Gelände betreten und sind gleich in den großen Speisesaal vorgedrungen. Dort kam gerade eine Gruppe von Kindern an, und weil das wohl nicht so recht klappte, wurden sie von der zuständigen "Tante" im Kasernenhofton angeschriehen. Da bin ich dann ebenfalls laut geworden und gerufen "Das ist ja immer noch der reinste Kinderknast hier!". Wir wurden dann des Geländes verwiesen, aber es war mir eine echte Genugtuung, ebenso wie die Beobachtung, dass der verhasste Chefarzt inzwischen auf den mir wohlbekannten Friedhof bei der Inselkirche Nebel "verzogen" war. Bei der Rückkehr nach Föhr habe ich dann mit meiner Mutter ausführlich über meinen Kuraufenthalt und natürlich den just zurückliegenden Besuch des Sanatoriums gesprochen. Sie war entsetzt und hat beteuert, dass sie von den Zuständen nichts gewusst und "nur das Beste" für mich gewollt habe. Ich hege gegenüber meiner inzwischen verstorbenen Mutter keinen Groll, finde aber, dass ihre übersteigerte Autoritätsgläubigkeit entscheidend dazu beigetragen hat, Beschädigungen ihres Kindes durch diese Art von "Kur" schlicht zu übersehen.
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Ina schrieb am 17.01.2022
Hallo zusammen,
mit fünf Jahren, im Herbst 1975, kam ich nach Freudenstadt. Dort gab es ein „Kindererholungsheim“ von der Post. Ich sollte sechs Wochen bleiben. Ich war zusammen mit der Tochter einer Kollegin meiner Mutter mit dem Zug angekommen. Von meinen Eltern war mir versprochen worden, dass wir zu zweit die „Kur“ machen würden. Nach der Ankunft wurden wir aber ganz bewusst getrennt und der Kontakt wurde unterbunden.
In dem Zimmer in das ich kam mussten wir uns in der Nacht zu zehnt einen Nachttopf teilen. Am Morgen war er aber oft voll bis zum Rand und die Türe wurde am Abend abgeschlossen. Deshalb geriet ich eines frühen Morgens in die Verlegenheit mich daneben setzen zu müssen. Von den Tanten wurde ich geschimpft und als Schmutzfink dargestellt. Fortan wurde ich von den Kindern verspottet und wo es ging gequält. Jeden Morgen sah ich beim Erwachen, dass meiner Puppe der Kopf abgerissen worden war und musste weinen (zum Glück konnte ich ihn selbst wieder aufstecken). Das Zwillingspärchen, das im Nebenbett schlief, lachte mich dann aus. Ich wusste, dass sie es waren, und ich traute mich natürlich nicht etwas zu sagen. Ich hatte großes Heimweh aber es dauerte einige Zeit bis ich den Mut zusammen hatte dies den Tanten zu sagen und darum zu bitten nach Hause zu dürfen. Meine Bitte wurde mit einer Handbewegung weggewischt. Bei meiner Familie kamen nur gute Berichte über meinen Aufenthalt an. Das Päckchen, das mir geschickt wurde bekam ich nicht. Auch über meine Zeit auf der Krankenstation wurden meine Eltern falsch informiert. All dies las ich viele Jahre später im Tagebuch meiner Großmutter.
Auch die Essenszeiten waren schrecklich. Nicht nur, dass ich, wie alle Kinder, Dinge essen musste vor denen ich mich ekelte oder die mir gesundheitliche Beschwerden verursachten. Es war für mich fast noch schlimmer meine sprachliche Identität verleugnen zu müssen. Uns wurden Wörter verboten, die nicht dem Sprachgebrauch der Tanten entsprachen. Ich wurde zum Beispiel immer wieder verhöhnt wenn ich statt „Rapunzel“ „Feldsalat“ sagte, wie ich es von zu Hause gewöhnt war.
Es war an einem Abend in der großen Halle mit den hohen Fenstern. Nach dem Abendessen (ich glaube es war Erntedank) sang ein Chor von älteren Kindern „He-Jo spann den Wagen an“ im Kanon. Dieses Leid traf mich zutiefst, weil es meine Sehnsucht nach Freiheit und Gemeinschaft im gleichen Maße ausdrückte. Das kann ich heute so beschreiben. Damals war es nur ein diffuses sehnen nach etwas, das mir verwehrt wurde. Ich dachte, wenn ich mit den älteren Kindern singen dürfte, wäre ich frei. Als Erwachsene entdeckte ich die englische Version dieses Liedes, die mein damaliges Gefühl noch genauer auszudrücken vermag:
Heiho – nobody at home!
Meat nor drink, nor money have I none.
Yet will I be merry.
Yet will I be merry.
Als sehr beschämend habe ich auch die Rotlichtbehandlungen empfunden bei denen wir Kinder splitternackt (nur mit einer Schutzbrille bekleidet) in den Rotlichtraum gehen mussten.
Nach drei Wochen in diesem Erholungsheim wurde ich krank und kam auf die Krankenstation. Ich hatte hohes Fieber. Es kam immer wieder, wenn ich zurück in den Alltag des Heims sollte. Auf der Krankenstation war ich sehr isoliert. Aber das Fieber half ein wenig um die Schrecken dieses Ortes, das Heimweh, die Scham und die Lügen hinter einer Nebelwand verschwinden zu lassen. Ich vermute eher zum Ende meines Aufenthaltes kam ein Junge in mein Zimmer, der auch krank war. Vielleicht ging es ihm aber körperlich ein wenig besser als mir. Er war wohl etwas älter als ich, denn: er konnte lesen! Es geschah das Unglaubliche - er las mir vor! Es war für mich wie ein Wunder. Dieser fremde Junge, der nicht viel älter war als ich, schenkte mir die Nähe und Zuneigung, die mir von all den Erwachsenen verwehrt worden war. Ich werde ihm mein Leben lang dankbar sein für sein tätiges Mitgefühl, das mir damals half psychisch zu überleben. Und ich habe in all den Jahren immer wieder an ihn gedacht. Hoffend, dass er selbst so viel Hilfe erfahren möge, wie er sie mir geschenkt hat.
Ich weiß nicht, ob ich selbst jemals einem Menschen so hilfreich zur Seite gestanden habe, wie dieser unbekannte Junge es für mich getan hat. Ich würde mich sehr freuen ihn auf diesem Weg zu finden. Auch wenn das sehr unwahrscheinlich ist.
Als meine Eltern mich abholten nahm mein Vater mich auf seinen Arm. Ich spüre heute noch diesen Zwang mich von ihm wegdrehen zu müssen, obwohl ich mir all die Wochen nichts sehnlicher gewünscht hatte, als dass sie mich abholen würden. Ich verstand mich selbst nicht, es war schrecklich mich nicht zu meinem Vater flüchten zu können, sondern mich nur seltsam fremd zu fühlen.
Bis zu meinem 18. Lebensjahr hatte ich Albträume die sich um die Zeit in Freudenstadt drehten. Ich hatte es bald aufgegeben meiner Familie von meinen erlebten Schrecken zu erzählen, denn meine Mutter unterband meine Erzählungen damit, dass sie mir erklärte, das sei alles nicht wahr. Ich hätte mir das alles nur ausgedacht. Also schwieg ich.
Mit Anfang 30 machte ich mich auf die Suche nach dem Ort dieses Schreckens. Ich bat meine Mutter mir die Adresse zu geben. Aber sie verwehrte mir ihre Hilfe. Ich fand das Haus indem ich im Touristenbüro danach fragte. Es war ganz einfach. Und es war sehr heilsam diesen Ort zu besuchen. Es gab ihn wirklich. Ich erkannte das Fenster wieder, hinter dem unser Schlafraum war, den Park, die Säulen vor dem großen Speisesaal. Und dieses Haus war alt und drohte zu verfallen. Ich spürte ganz direkt: „Dieser Ort kann mir nichts mehr antun!“. Seither besuche ich das Haus jedes Mal, wenn ich durch Freudenstadt fahre. Und es ist interessant zu beobachten wie wir beide uns mit den Jahren verändern.
Mein Aufenthalt im Posterholungsheim in Freudenstadt (Landhausstr. 69) war zwischen dem 14.10. und 25.11.1975. Von der Mitarbeiterin im Touristenbüro wurde mir mitgeteilt, dass dieses Haus nur sehr kurz als Kindererholungsheim diente. Die meiste Zeit waren hier Erwachsene zur Kur. Wer sich Bilder des Hauses ansehen möchte findet unter dem Stichwort „Posterholungsheim Freudenstadt“ auf der Internetseite „oldthings“ alte Postkarten.
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Ulrike Bergmann-Seifert aus Bremen schrieb am 17.01.2022
Ich wurde mit gerade 6 Jahren ins Adolfinenheim verschickt, um für die Einschulung ins Winterkurzschuljahr "aufgepäppelt" zu werden. Ich habe diese Zeit in grausamer Erinnerung. Niemand war da, mich mit meinem entsetzlichen Heimweh zu trösten. Zuwendung bekam ich keine - ich erinnere mich daran, dass ich mich morgens zum Kämmen in die Reihe stellte und von der Erzieherin nur ein verächtliches "ach du mit deinen 5 Haaren" zu hören bekam. Ich hab's heute noch im Ohr. Für alle möglichen "Vergehen" musste ich am helllichten Tag zur Strafe ins
Bett und durfte noch nicht mal meine Puppe, das einzig vertraute, was ich hatte, mitnehmen. Ich sehe sie noch auf der Fensterbank sitzen. Die Betten waren mit durchgelegenen dünnen Matratzen ausgestattet. Viele meiner Zimmergenossinnen haben eingenässt, mir ist es nur einmal passiert, was ich irgendwie vertuschen konnte.
Das Essen war grauenhaft. Wie oft habe ich in einem düsteren Essensraum vor vollen Tellern mit süßlicher Milchsuppe, in der Nudeln schwammen, sitzen müssen, bis ich sie irgendwie heruntergewürgt habe. Noch heute wird mir beim Geruch von warmer Milch schlecht. Ich kann mich daran erinnern, dass es mal eine Kugel Vanilleeis zum Nachtisch gab, das war ein absolutes Highlight.
An Spiele mit anderen Kindern oder Basteleien habe ich keine Erinnerung. Irgendwie sehe ich mich immer nur herumstehen oder -sitzen. Ob wir oft an den Strand gegangen sind? Ich weiß es nicht...
Eine der Erzieherinnen hieß Tante Barbara. Sie betreute eine Jungengruppe und ich habe einmal gesehen, dass sie mit ihren Jungs abends gesungen hat und alle einen Becher Tee zu trinken bekamen. So etwas gab es bei uns Mädchen nicht.
Als endlich die verordneten 6 Wochen herum waren, erkrankte ich an Windpocken und musste noch 2 Wochen länger bleiben. Auf der Krankenstation war es etwas besser, ich glaube, es waren nur vier Betten in einem Zimmer. Außerdem gab es hier etwas Spielzeug und wir durften Weißbrot essen. Ich bekam während meiner Windpockenzeit einmal ein Paket von meinen Eltern, darin befanden sich nur 2 selbstgenähte Blusen "aus kühlendem Stoff". Keine Schokolade, kein Bonbon, keine Kleinigkeit zum Spielen, über das sich ein 6-jähriges Mädchen gefreut hätte... Das war eben von vornherein verboten und die Eltern hielten sich, autoritätshörig wie sie waren, daran. Das habe ich ihnen irgendwie übel genommen. Als diese ganz Zeit überstanden war, gingen wir in einen Andenkenladen und ich habe einen drehbaren Leuchtturm, eine große Muschel und einen stinkenden Seestern ausgesucht.
Ich war nie ganz sicher, ob ich auf Borkum tatsächlich im Adolfinenheim gewesen bin, bis ich vor einigen Jahren ein paar Tage im November auf der Insel verbracht habe, um mein Trauma zu verarbeiten. Im kleinen Heimatmuseum ließ man mir sehr viel Zeit, viele Ordner über dieses Heim zu durchforsten. Anhand der Fotos war mich mir dann ganz sicher, dass ich im Adolfinenheim war.
Das Haus existiert schon lange nicht mehr, das Grundstück wurde zu einem Teil mit einem Kindergarten bebaut. Da dort die Freiwillige Feuerwehr einen Bau plante, wurde neben dem Kindergarten das ganze Grundstück ausgebaggert. Schutt und Scherben des alten Adolfinenheims kamen wieder zu Vorschein und ein Stück einer gelben Waschsaal-Fliese ging als "Trophäe" mit nach Hause.... Nach Borkum werde ich sicher nie wieder zurückkehren.
Ich bin interessiert an Erinnerungen von LeidensgenossInnen, die vielleicht auch Mitte der 60er Jahre ins Adolfinenheim verschickt wurden.
Gräßlich, was man damals uns Kindern angetan hat.
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Dörte Fristedt aus Ängelholm schrieb am 17.01.2022
Hallo!
Ich kam mit meiner älteren Schwester das erste Mal auf den Seehof, der von der Heilsarmee geleitet wurde. Ich war damals 5 Jahre. Meine Mutter war 2 Jahre zuvor gestorben und ich wohnte mit 4 Geschwistern beim Opa. Klar, dass die ersten Tage schwer waren aber ich habe meine Zeit dort in guter Erinnerung. Badewiese, toller Spielplatz, der Heimleiter hat mit uns täglich gesungen und mit seinem Akkordeon begleitet, es gab Esel und Wildschweine auf dem Gelände. Klar es war streng aber trotzdem freundlich. Für mich eine humane Einrichtung. 40 Jahre später habe ich den Seehof wieder besucht. Ich wollte meiner Familie den Ort, der mir so gut getan hat, unbedingt zeigen.
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Karin S. aus Unterschleißheim schrieb am 17.01.2022
Hallo in die Runde.
Ich werde dieses Jahr 60 Jahre alt und Zeit meines Lebens habe ich Erinnerungen an diesen Kuraufenthalt und bin bis heute wütend, dass ich so behandelt wurde. Ich war sehr dünn und meiner Großmutter ( bei der ich aufgewachsen bin) wurde nahe gelegt, mich zur Kur zu schicken. 1. Erinnerung: viele Kinder am Bahnhof und eine Frau nimmt mich in Empfang mit den Worten " Du bist ja niedlich. Dich behalte ich mal". Ich hatte panische Angst nicht mehr zu meiner Oma zu kommen und habe auf der Zugfahrt viel geweint. Bis heute habe ich Schwierigkeiten mit dem Zug zu verreisen. Angekommen ( ich erinnere mich an Berge) bin ich in einem Kloster oder ähnliches. Da waren Nonnen, große Schlafsäle und ein strenges Regime. Nachts saß eine Nonne vor der Tür und passte auf dass kein Kind auf die Toilette geht und Ruhe herrscht. Essen musste aufgegessen werden. Ich war eine schlechte Esserin und habe bis dahin nie Zwang beim Essen gekannt. Ich kann mich erinnern erbrochen zu haben und wie ich dann vor dem Teller saß da man mir sagte ich müsste es auf esse. Ich kann mich nicht erinnern das ich das gemacht habe.
Aber an die Verzweiflung kann ich mich erinnern. Auf einem Spaziergang habe ich einen meiner neuen Handschuhe verloren habe( es lag Schnee). Daraufhin wurde ich ins Gesicht geschlagen. Das war schrecklich für mich, da ich über den Verlust schon so traurig war. Statt Trost Schläge. Körperpflege wurde an langen Waschtrögen durchgeführt. Ich habe mich dabei sehr unwohl gefühlt da alle geschaut haben. Dann bin schwer erkrankt ( es könnten die Windpocken gewesen sein). Mir ging es zunehmend schlechter, so das ich frühzeitig nach Hause geschickt wurde. Ich würde heute noch am liebsten jeder Nonne eine runter hauen. Leider weiß ich nicht wo dieser Aufenthalt war. Das Bild von dem Haus, die Berge, dem Schnee und den Nonnen werde ich aber nie mehr vergessen. Danke das ich hier die Möglichkeit bekommen habe, mich endlich nicht mehr so alleine damit zu fühlen und sage Danke für diese Platform.
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Barbara Balk aus Winsen/Aller schrieb am 17.01.2022
Ich habe nicht viele Erinnerungen an den Heimaufenthalt. Hingekommen bin ich, weil "aus dem Kind nichts wird". Einzige konkrete Erinnerung: Ich wurde morgens, mittags und abends mit Milchbrei und Haferschleim vollgestopft. Und ich mochte das Zeug nicht. Ich musste solange vor dem Teller sitzen, bis er leer war. Seitdem kann ich warme Milchsuppen nicht mehr sehen und riechen. Kommt mir sofort der Magen hoch. Und ich bin während des Aufenthalts 10 Jahre alt geworden. Mein Geburtstagspäckchen habe ich nie zu Gesicht bekommen. Mir wurde nur gesagt: "Du hast ein Päckchen gekriegt. Das wird auf alle aufgeteilt." Gesehen habe ich nie was. Und es herrschte ein fürchterlichen Ton. Wir auf dem Kasernrnhof.
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Thomas Müller aus Neu Isenburg schrieb am 17.01.2022
Das erstemal war ichmit 5 Jahren in Berchdesgaden im Kurheim, da kann ich mich aber nicht mehr so daran erinnern.
Das zweitemal ich war als 6 jahriger Junge, in einer Kuranstalt in Buhlbron im Schwarzwald geschickt worden, für 6 Wochen und es war die Hölle auf Erden.
Es war eine Tortur beim Essen, bei der Freizeit - gestaltung und Abends ins Bett gehen. Beim Essen mußte man so lange am Tisch sitzen bleiben bis man aufgegessen oder gekotzt hatte. Die Freizeitbeschäftigung war meistens spazieren gehen oder auf dem Gelände war ein na sagen wir mal so eine Art Spielplatz. Abends war sehr früh Bettruhe, es war ein sehr großer Schlafsaal mit ca 15-20 Betten ( Zeit kann ich nicht nennen) aber es war sehr früh, mit der Androhung wer Nachts nicht schläft bekommt Schläge (AUCH WENN MAN AUF TOILETTE MUSSTE )und so machten viele Kinder in ihr Bett, was wiederum dazu führte, daß man sein Bett selber frisch machen mußte. Mein Bettnachbar hatte Rückratverkrümmung und wurde Nachts in so eine Gipsform gelegt und fixsiert ich mußte Nächte lang mit anhörern wie jemmerlich er geweint hatte und sehr oft ins Bett gemacht hatte, da er Angst hatte jemand zu rufen. (ich muß weinen wenn ich hier schreibe). Hatte jemand ein Päckchen bekommen, so ist das einfach aufgemacht worden und was die Heimleitung für nicht gut hielt wurde einbehalten oder unter allen Kindern aufgeteilt, egal ob das Geburtstag war oder einfach so. Meine Mutter schickte mir 2x in der Woche einen Brief mit einem streifen Kaugummi drinn, den durfte ich behalten. Ich wünsche allen Betroffenen, daß sie diese Ereignise gut verkraften aber niemals vergessen sollen, denn sowas sollte keinem Kind der Welt passieren.
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Sascha schrieb am 17.01.2022
Ich habe leider nur einige Erinnerungsfetzen an die Zeit, die mich aber doch sehr nachhaltig geprägt hat.
Ich wurde zu Hause beim Kinderarzt ständig geröngt, weil ich Asthma und Allergien hatte und mir damals keiner so richtig helfen konnte.
Dieser hat dann irgendwann die Einweisung in die Spezialkinderklinik veranlasst.

Per Bus ging es 1980 vom Schweinfurt Hauptbahnhof nach Bad Reichenhall in die Spezialkinderklinik für Asthma und Bronchitis in der Kurfürstenstraße 26.

Der Bus war voll mit Kindern von ganz klein bis ca. 14 Jahren (lt. meiner Mutter).

Meinem Teddy wurde gleich in der ersten Nacht der Kopf abgerissen von älteren Jungs.
Diesen älteren Jungs waren wir Kleinen schutzlos ausgeliefert.
Die Älteren Jungs befriedigten sich ganz offen vor allen Kindern...

Zum Frühstück gab es Marmelade und Malzkaffee was ich vorher noch nie gegessen hatte zu Hause. (Beides bis heute ein absolutes NO GO)

Ich musste im Federbett schlafen (Ich war damals hochgradig allergisch darauf und es wurde extra drauf hingewiesen)
Das ging natürlich nicht gut und ich hatte viele Anfälle...

Es gab keinen Kontakt per Telefon oder Besuch.

Die Karten wurden von Erzieherin geschrieben - natürlich nur Gutes. Leider hat Sie meine Mutter nicht mehr.

Ich kann mich vage daran erinnern, das ich irgendwo in einer Druckkammer war, im Solebad, im Inhalierraum, in einem nebligen Raum, oder auch unter der Höhensonne.

Beim Schwimmen, wurde ich in ein Becken gestoßen wo ich nicht stehen konnte als Nichtschwimmer (Bis heute habe ich Angst im Wasser und schwimme nur in reichweite vom Beckenrand)

Ich bin aus Scham Tagelang/Wochenlang (Weiß nicht mehr wie lange - es war sehr lange) nicht auf Toilette, weil die Türen offen bleiben mussten, bzw keine Türen dran waren (das weiß ich nicht mehr genau) Ich hatte dann natürlich eine extrem schlimme Verstopfung...

Ich wurde lt. meiner Mutter sehr Krank (Welche Krankheit ist nicht mehr bekannt) und war 14 Tage auf einer Krankenstation (Meine Eltern wurden darüber erst nach der Kur informiert)

Meine Zähne waren wohl 6 Wochen kaum geputzt worden, meine Mutter sagte dass meine Zähne sehr schlimm/schwarz aussahen.

Das einprägsamste war die Ankunft in Schweinfurt.
Ich blicke erwartungsvoll und voller Sehnsucht aus dem Busfenster und konnte meine Eltern nicht am Bahnhof entdecken und geriet in Panik...
Als ich ausgestiegen war, sah ich mich panisch um und mir liefen die Tränen übers Gesicht. Ich glaubt in dem Moment fest daran, dass mich wirklich niemand mehr abholt. - Absolute Panik -
Plötzlich kam ein Mann und eine Frau freudestrahlend auf mich zu, es waren meine Eltern! Sie standen nur ein paar Meter entfernt von dem Bus und ich konnte Sie nach 6 Wochen nicht mehr erkennen. Ich fühlte mich völlig entwurzelt, fremd und leer...
Meine Mutter war völlig entsetzt und erschrocken über meinen Gesundheitszustand :

Ich war kränker nach den 6 Wochen wie vorher - und nicht mehr das gleiche Kind...

Bis heute plagen mich Verlustängste, Angstzustände im Dunkeln, Minderwertigkeitskomplexe, Gewichtsprobleme, Magen- Darm Probleme usw.

Es ist eine Schande für dieses Land, dass so lange diese Zustände gebilligt wurden und wir Kinder der ganzen Heimmaschinerie schutzlos ausgeliefert waren.

Ich würde meine Tochter NIEMALS alleine auf eine Kur verschicken...
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Sascha aus Schweinfurt schrieb am 15.01.2022
Ich habe leider nur einige Erinnerungsfetzen an die Zeit, die mich aber doch sehr nachhaltig geprägt hat.
Ich wurde zu Hause beim Kinderarzt ständig geröngt, weil ich Asthma und Allergien hatte und mir damals keiner so richtig helfen konnte.
Dieser hat dann irgendwann die Einweisung in die Spezialkinderklinik veranlasst.

Per Bus ging es 1980 vom Schweinfurt Hauptbahnhof nach Bad Reichenhall in die Spezialkinderklinik für Asthma und Bronchitis in der Kurfürstenstraße 26.

Der Bus war voll mit Kindern von ganz klein bis ca. 14 Jahren (lt. meiner Mutter).

Meinem Teddy wurde gleich in der ersten Nacht der Kopf abgerissen von älteren Jungs.
Diesen älteren Jungs waren wir Kleinen schutzlos ausgeliefert.
Die Älteren Jungs befriedigten sich ganz offen vor allen Kindern...

Zum Frühstück gab es Marmelade und Malzkaffee was ich vorher noch nie gegessen hatte zu Hause. (Beides bis heute ein absolutes NO GO)

Ich musste im Federbett schlafen (Ich war damals hochgradig allergisch darauf und es wurde extra drauf hingewiesen)
Das ging natürlich nicht gut und ich hatte viele Anfälle...

Es gab keinen Kontakt per Telefon oder Besuch.

Die Karten wurden von Erzieherin geschrieben - natürlich nur Gutes. Leider hat Sie meine Mutter nicht mehr.

Ich kann mich vage daran erinnern, das ich irgendwo in einer Druckkammer war, im Solebad, im Inhalierraum, in einem nebligen Raum, oder auch unter der Höhensonne.

Beim Schwimmen, wurde ich in ein Becken gestoßen wo ich nicht stehen konnte als Nichtschwimmer (Bis heute habe ich Angst im Wasser und schwimme nur in reichweite vom Beckenrand)

Ich bin aus Scham Tagelang/Wochenlang (Weiß nicht mehr wie lange - es war sehr lange) nicht auf Toilette, weil die Türen offen bleiben mussten, bzw keine Türen dran waren (das weiß ich nicht mehr genau) Ich hatte dann natürlich eine extrem schlimme Verstopfung...

Ich wurde lt. meiner Mutter sehr Krank (Welche Krankheit ist nicht mehr bekannt) und war 14 Tage auf einer Krankenstation (Meine Eltern wurden darüber erst nach der Kur informiert)

Meine Zähne waren wohl 6 Wochen kaum geputzt worden, meine Mutter sagte dass meine Zähne sehr schlimm/schwarz aussahen.

Das einprägsamste war die Ankunft in Schweinfurt.
Ich blicke erwartungsvoll und voller Sehnsucht aus dem Busfenster und konnte meine Eltern nicht am Bahnhof entdecken und geriet in Panik...
Als ich ausgestiegen war, sah ich mich panisch um und mir liefen die Tränen übers Gesicht. Ich glaubt in dem Moment fest daran, dass mich wirklich niemand mehr abholt. - Absolute Panik -
Plötzlich kam ein Mann und eine Frau freudestrahlend auf mich zu, es waren meine Eltern! Sie standen nur ein paar Meter entfernt von dem Bus und ich konnte Sie nach 6 Wochen nicht mehr erkennen. Ich fühlte mich völlig entwurzelt, fremd und leer...
Meine Mutter war völlig entsetzt und erschrocken über meinen Gesundheitszustand :

Ich war kränker nach den 6 Wochen wie vorher - und nicht mehr das gleiche Kind...

Bis heute plagen mich Verlustängste, Angstzustände im Dunkeln, Minderwertigkeitskomplexe, Gewichtsprobleme, Magen- Darm Probleme usw.

Es ist eine Schande für dieses Land, dass so lange diese Zustände gebilligt wurden und wir Kinder der ganzen Heimmaschinerie schutzlos ausgeliefert waren.

Ich würde meine Tochter NIEMALS alleine auf eine Kur verschicken...
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Martin M. aus Saarbrücken schrieb am 09.01.2022
Wer von den folgenden Personen war mit mir in dieser Einrichtung, kann sich erinnern und möchte sich mit mir austauschen?

Die möglichen Patienten, die während dem Essen mit mir an meinem Tisch saßen, waren:
Udo Meier, ca. 6 Jahre und kräftig
Stefan Wagner, ca. 5 Jahre und blond
Achim Hans ca. 7 J. und braun

Die möglichen Jungen, die mit mir in einem Zimmer untergebracht wurden, waren:
Stefen Schmitt/ Schmidt, ca. 7 Jahre
Jürgen Schreiner, ca. 9 Jahre
Andreas Hof, ca. 5 Jahre

Viele Grüße
Martin M.
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Kerstin aus Mittweida schrieb am 09.01.2022
Ich war auch in einem *Kurheim*. Leider weiß ich nicht mehr wo. Irgendwo in der Berliner oder Brandenburger Ecke. Ich war 5 Jahre alt. Angeblich war ich zu dünn und ich müsste diese sogenannte Erholungskurs antreten.
Viele Erinnerungen habe ich nicht,ich war zu klein.
Ich weiß noch das da die Windpocken waren und ich mich abgesteckt habe. Den ganzen Tag saß ich allein in meinem Bett, während die anderen draußen spielten. Um mich hat sich keiner gekümmert und ich habe viel geweint. Der Essenszwang war auch furchtbar. Jeden zweiten morgen gab es Haferflockensuppe mit Rosinen. Der Geruch von Milchreis, Grießbrei und Haferflocken löst bei mir immer noch einen Würgereiz aus.
Egal ob fettes Fleisch in der Suppe, der Teller musste leer sein.
Vielleicht weiß jemand wo das war. Meine Erinnerung sind kleine bunte Holzhütten im Garten, in denen wir gespielt haben
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Lisa schrieb am 09.01.2022
Ich wurde 1980 mit 8 Jahren nach St. Peter Ording verschickt. Es war keine angenehme Erfahrung (wenn ich mich - zum Glück- auch nicht traumatisiert fühle).
Vor mir war ein Junge aus unserer Nachbarschaft im selben (?) Kurheim verschickt. Meine Mutter hat mir erzählt, dass dessen Eltern meine Eltern im Vorfeld gewarnt hatten, mich nicht zu verschicken, weil die Zustände im Heim so katastrophal seien. Daraufhin haben sich meine Eltern nochmal bei der Krankenkasse vergewissert, die ihnen zugesichert hat, dass das Heim super wäre. Da haben viele Stellen lange Zeit die Augen verschlossen.

Mir sind einige Dinge in Erinnerung geblieben, von denen ich schon damals dachte "das geht nicht/das dürfen die nicht". Das waren einfach Dinge, die in einem vollkommenen Widerspruch zu dem standen, was ich aus meinem Umfeld, aus meiner Grundschule etc, kannte. (Ich schreibe dies, um zu verdeutlichen, dass diese Erziehungsmethoden auch damals nicht "normal" oder "akzeptiert" waren.)

-Die Standardbestrafung (auch für Nichtigkeiten) war über Nacht in den Keller eingesperrt zu werden. Mir selber ist das nie passiert. Es gab aber Kinder, denen es während meines Aufenthalts zu passieren schien. D.h. denen es angedroht wurde und die dann zur Schlafenszeit tatsächlich nicht da waren.
Bestrafungen und Demütigungen vor der Gruppe waren relativ häufig. Ich kann mich an keinen konkreten Fall erinnern, vermute aber, dass es häufig um Bettnässen ging.

- Die Toilettenzeiten waren streng reglementiert und wir durften insbesondere nachts und während des Mittagsschlafs die Toiletten nicht nutzen. Eines Nachts hatte sich eins der Kinder rausgeschlichen, die Toilette benutzt, sich aber wohl nicht getraut, die Spülung zu betätigen, um niemanden zu wecken. Die Toilette wurde dementsprechend am nächsten Morgen dreckig vorgefunden. Daraufhin mussten wir als ganze Gruppe in den Toilettenraum kommen, wurden gemaßregelt und der/die "Schuldige" wurde aufgefordert, sich zu stellen. Als dies nicht geschah, musste die ganze Gruppe stundenlang die Toiletten putzen.

- Auch wir mussten alles aufessen. Ich aß damals schon kein Fleisch und musste daher nach dem Mittagessen oft lange alleine (unter Aufsicht) im Esssaal bleiben, bis ich alles aufgegessen hatte. Ich habe mir oft Fleisch in die Hosentasche gestopft und später entsorgt, weil ich es einfach nicht runter bekam. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, mich jemals übergeben zu haben oder Erbrochenes essen zu müssen. Und ich wurde manchmal nach einer Stunde oder so "erlöst", selbst wenn ich nicht alles aufgegessen hatte. Zudem ersparte mir das Nachsitzen im Speisesaal zumindest den verhassten Mittagsschlaf.

- Die Post wurde auch bei uns überwacht. Die jüngeren Kinder durften ihre Briefe nicht selber schreiben, selbst, wenn sie schon schreiben konnten. Ich durfte selber schreiben, das Geschriebene wurde aber kontrolliert, offiziell, um Rechtschreibfehler etc. zu beseitigen. Es war aber allen klar, dass es nicht erwünscht war, Negatives zu schreiben und, dass das auch zensiert werden würde. Wir mussten die Briefe in einen Korb auf dem Flur legen, wo sie dann von den Betreuern (ich kann mich an den Ausdruck "Tanten" nicht erinnern, es ist aber gut möglich, dass auch wir diesen verwendet haben) eingesammelt und zur Post gebracht wurden. Ich schrieb neben meinen Eltern auch regelmäßig einer guten Freundin, die aber keinen einzigen Brief bekommen hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass alle Briefe, die nicht an die Eltern adressiert waren, von den "Tanten" aussortiert und weggeworfen wurden. (Der Grund war, glaube ich, dass sie sich nicht die Mühe machen wollten, diese auch zu zensieren.)

- In einer anderen Kindergruppe brachen während meiner Zeit im Heim die Windpocken aus. Zunächst wurde diese Gruppe isoliert, kam nicht mehr zu den Essenszeiten in den Speisesaal etc. Nach 1-2 Tagen gab es aber offenbar ein Umdenken und meine Gruppe musste einen Nachmittag lang mit dieser Gruppe zusammen drinnen spielen (wir hatten vorher nie etwas mit der anderen Gruppe zu tun gehabt). Prompt hatten wir natürlich fast alle die Windpocken. Das war sozusagen eine Windpocken-Party. Dass wir die Windpocken hatten, kümmerte dann aber keinen mehr und wir wurden auch mit Windpocken auf die Menschheit losgelassen.

- Während des Mittagsschlafs mussten wir die Augen geschlossen halten und durften uns nicht bewegen. Eine Betreuerin patroullierte ständig auf und ab, um das zu kontrollieren, und man wurde bestraft, wenn man sich nicht dran hielt. Wir mussten sogar ein Lied lernen, in dem das erwünschte Verhalten beim Mittagsschlaf und die Bestrafung bei Nichtbeachten besungen wurde. Einmal hatte ich mir ein Comic von einem anderen Kind ausgeliehen. Ich musste relativ lange darauf warten, weil alle es haben wollten. Ich bekam es schließlich eines Mittags. Es lag beim Mittagsschlaf auf meinem Nachttisch und weil ich so neugierig war, habe ich --ohne den Kopf zu heben-- kurz die Seiten durchgeblättert, als ich dachte, es schaut niemand. Die Aufseherin hat es mir sofort weggenommen und ich war wahnsinnig enttäuscht, habe mich aber nicht getraut, es nochmal auszuleihen.

- Ich bin ziemlich sicher, dass auch bei uns der Inhalt von Paketen der Eltern an alle Kinder verteilt wurde, kann mich aber nur noch vage erinnern.

Leider kann ich mich nicht konkret an Personen erinnern, weder an "Tanten" noch an andere Kinder. Ich glaube, das liegt daran, dass mein gesamter Fokus in der Zeit darauf lag, nicht aufzufallen und nicht anzuecken, und kein Platz für irgendwas anderes war. Ich kann mich allerdings auch erinnern, dass wir Kinder uns manchmal untereinander solidarisiert haben, aber nur im Geheimen.

Nach meiner Rückkehr wollte mir niemand glauben, wenn ich von der Zeit im Kurheim erzählt habe, was mich geärgert hat. Ich habe dann ziemlich schnell aufgehört, davon zu erzählen. Ich war meinen Eltern nicht böse, dass sie mich verschickt hatten, habe mich aber immer gefragt, wofür das Ganze gut sein sollte. Tatsächlich habe ich keine einzige positive Erinnerung und St. Peter Ording wird für mich immer negativ konnotiert sein.

Ich habe immer gedacht, ich hätte einfach ein besonders schlechtes Kurheim erwischt. All die Jahre habe ich immer damit gerechnet, dass das irgendwann auffliegt, und dass ich irgendwann in den Nachrichten lese "Skandal im Kinderkurheim Köhlbrand: Kinder im Keller eingesperrt!". Ich habe regelmäßig gegoogelt, aber nichts gefunden, und immer gedacht, "dass kann doch nicht sein, dass da nichts über diese Zustände raussickert". Ich habe schon fast an meiner Erinnerung gezweifelt. Dann habe ich den Bericht von Report Mainz gesehen und realisiert, dass meine Erfahrungen nur die Spitze des Eisbergs waren und das "mein" Heim (zumindest zu der Zeit als ich da war), vielleicht sogar eins der besseren war.

Herzlichen Dank an alle, die mithelfen dies Kapitel aufzuarbeiten!
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Alexandra aus Kaiserslautern schrieb am 07.01.2022
Vor ein paar Tagen hatte ich die spontane Idee (vielleicht Intuition) zu googlen ob ich ein Bild der Kurklinik finden kann, in welcher ich im Frühjahr 1984 für 6 Wochen untergebracht war.
Die Klinik hieß Haus Hamburg, Bad Sassendorf.

Kaum in Google eingegeben springen mir einige Einträge entgegen mit den Titeln “Kinderqualen im Kurheim”, “das Leid der Verschickungskinder” etc. entgegen.
Seit ich diese Einträge und Berichte gelesen habe, ist mir eiskalt. Seit Tagen kann ich gar nicht mehr warm kriegen. Ich bin total im Schock und habe keine Worte, die Spirale an Emotionen, die an mir zieht, zu beschreiben. Mir brennt die Seele und es tut mir so unendlich leid zu lesen, was Ihr teilweise aushalten musstet. Das ist so furchtbar.
Es gehen mir soviele Gedanken durch den Kopf, und ich habe das Bedürfnis mich zu melden und auszutauschen, auch wenn ich vielleicht eine “der Glücklichen” bin, die im Vergleich mit all den schrecklichen Berichten hier noch mit relativ harmlosen Methoden “davon gekommen” bin und zumindest bis eben noch der Meinung war, dass meine Erlebnisse in der Kur keine dauerhaften negativen Folgen für mich hatte.
Irgendwie bin ich jetzt aber nicht mehr so sicher und schaue zurück auf Momente, Fetzen der Erinnerung, bei denen ich denke: “das ist es also, was da passiert ist und was die da gemacht haben” und so weiter.

Ich habe gesehen, dass darum gebeten wird, so viele Details wie möglich zu beschreiben, da auch der Alltag in den Kliniken nachvollzogen werden möchte. Daher schreibe ich so ausführlich wie möglich und bitte die Länge zu entschuldigen 🙂

Gerne ist hier mein Zeitzeugnis:
Als Kind war ich sehr aktiv und dünn. Ich war oft krank. Ende 1983 war ich an Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt und damals wusste man noch nicht viel davon. Es ware eine “Neuerscheinung”. Heute wissen wir, wie wir damit umgehen: Quarantäne.
Ich lag also ganze sechs Wochen im Krankenhaus in Quarantäne. Damals war ich 9.

Danach fand meine Mutter es eine gute Idee mich, in Zusammenarbeit mit dem Kinderarzt, in eine Kur zu schicken, damit ich wieder auf die Beine komme. Meine Mutter war selbst eine überzeugte Kurgängerin.
Ich war gerade 6 Wochen weg und fand es eine Zumutung, dass ich nochmal solange weg musste. Ich habe mehrfach gesagt, dass ich nicht weg möchte. Aber meine Mutter hat entschieden, dass es besser für mich ist.
Bereits an der Stelle fühlte ich mich irgendwie “entmündigt”, habe als Kind nicht über mein eigenes Leben bestimmen können. Sie hat entschieden und hat mich nicht mit einbezogen in die Diskussion was ich denke, was das richtige für mich ist. Das hat in der Nachsicht etwas mein Verhältnis zu meiner Mutter getrübt. Man kann sagen, dass mein Urvertrauen sowohl in sie als auch in meine Autonomie etwas gelitten hat.

Das erste Anzeichen dafür dass ich nicht drumherum kommen würde war, dass ein Satz Stofffetzen mit meinem Namen ankamen, die meine Mutter in alle Kleidungsstücke genäht hat (für die Wäsche, damit man wusste wem was gehört).
Auch hat sie mir einen silbernen Kugelschreiber geschenkt, extra für die Briefe von der Kur nach Hause - diesen habe ich heute noch, die Briefe nicht mehr.
Ein paar Wochen später dann stand ich am Bahnhof mit meiner Mutter, mit einer Karte um den Hals. Ein Zug fährt ein, eine Frau steigt aus, stellt sich als Beauftragte der DAK vor, und ich muss mit ihr einsteigen. Ich habe mich an meiner Mutter festgekrallt und habe so geheult, ich wollte nicht weg und hatte Angst vor der Fremde und dem Unbekannten. Im Zug saß noch ein Mädchen, das auch ganz verheulte Augen hatte. Die Begleitperson habe ich eigentlich noch in ganz guter Erinnerung, die war verständnisvoll, hat mich ausheulen lassen und uns versucht mit einem Gespräch abzulenken.
Auf dem Weg zum Kinderheim haben wir an diversen Bahnhöfen noch mehr Kinder abgeholt. Alle hatten den gleichen Gesichtsausdruck. Trauer und Angst.

Bei der eigentlichen Ankunft hat uns die Begleitdame “übergeben”, es waren viele Kinder im Hof. Die Kinder vorm Haus waren noch fröhlich und sind rumgerannt. Es war laut und hektisch. Wir wurden schließlich beim Namen gerufen, in Gruppen geteilt und ins Haus geführt.

Wir waren im zweiten Stock (glaube ich), ein langer Gang, eine lange Fensterfront auf der einen Seite, lange Einbauschränke (ich glaube die waren orange) auf der anderen Seite und die Türen zu den Schlafräumen.
Mir wurde ein Schrank zugewiesen und mein Schlafraum gezeigt. Ich war positiv überrascht davon, dass der Schlafraum kein steriles Krankenhauszimmer war, sondern dass es eher wie in einer Jugendherberge aussah. Einfach Holzbetten und rote Vorhänge. Es waren 6-8 Betten in einem Zimmer. Eigentlich fand ich es ganz gemütlich.

Wir konnten unsere Koffer auspacken und uns dann im Aufenthaltsraum treffen. Ich erinnere mich noch daran, dass fast kein Kind gesprochen hat. An diesem Teil war es ganz still. Wir waren alle total verunsichert, traurig und nervös, und die Erwachsenen wirkten sehr mechanisch, beschäftigt und unnahbar.
Da saßen wir in dem Zimmer und sahen uns alle mehr oder weniger hilflos und unsicher an. Das änderte sich auch später beim ersten Essen nicht.

Nach dem Essen wurden wir in den Keller (ich glaube dass es der Keller war) geführt und waren in einer Art Badeanstalt - es roch nach Chlor - da waren Bottiche an denen wir vorbeigelaufen sind und sind an eine Art Umkleidekabine gekommen wo wir angewiesen wurden, einen Gummimantel, ich glaube es war ein Cape mit Mütze, anzuziehen. Dann sollten wir auf der Treppe warten. Ich erinnere mich, dass ein Mädchen so bitterlich geweint hat, sie war auch sehr laut dabei und hat fast geschrieen. Die Erzieherin hat nur auf sie geschaut und sie komplett ignoriert. Wir anderen Kinder haben uns um sie gekümmert und versucht sie zu beruhigen.
Einige Momente später wurden wir in einen riesigen “Duschraum” geführt und angewiesen uns auf die Bänke, die an der Wand entlang liefen, zu setzen. Das sah fast aus wie eine Gaskammer und ich bekam richtig Panik (das Thema hatten wir gerade in der Grundschule durchgenommen, daher hat meine kindliche Vorstellungskraft leider spontan diese unglückliche Assoziation hergestellt). Ich habe eine Erwachsene sehr ängstlich gefragt was wir hier machen und sie meinte nur “Wart’s ab und setz dich hin” und hat mich mit meiner Angst stehen lassen. Auch wenn mein Verstand wusste, dass die uns doch eher nicht umbringen werden, fand ich es sehr schwierig meine Panik zu beruhigen, ich hatte eine kleine Version von Todesangst in dem Raum.
Als sie die Tür zu machten war es dann dunkel (aber nicht ganz, mit Nachtlicht), einige Kinder haben sich laut erschrocken, und dann kam was aus den Düsen. Es war eine Salzlösung, die wir ab dem Tag zwei- bis dreimal die Woche einatmen sollten.

Die erste Nacht war sehr herausfordernd. Fast alle Kinder haben geweint und so haben wir alle angefangen uns zu unterhalten und gegenseitig, auch mit kleinen Späßen, zu beruhigen. Wir wurden dafür nicht beschimpft oder bestraft, einfach nur ignoriert.
An einigen Abenden saß die Erzieherin zwischen unseren Schlafräumen auf dem Boden und hat noch was vorgelesen.

Dann begann eigentlich schon der Alltag, begleitet von, so wie ich mich deutlich erinnere, dem täglichen mehrfachen “Gedudel” des Schlagers “Jenseits von Eden” von Nino de Angelo (das ist schon im nachhinein betrachtet eine grausame Ironie), aus dem Radio, das auf der Fensterbank stand und fast den ganzen Tag lief.

Alle zwei Tage war Frühsport,
zweimal die Woche Schwimmen (ich erinnere mich, dass ich das mochte. Ich habe dort auch mein Seepferdchen gemacht hat.)
Einmal die Woche Arztbesuch und Wiegen (habe keine Erinnerung mehr an Arzt oder Umstände, nur dass ich es immer kalt fand)
Zwei- bis dreimal die Woche in den Sole - Raum
täglicher Mittagsschlaf in dem berühmten Schlafraum.
tägliches Spazierengehen - immer züchtig in Zweierreihen marschiert, wir sind immer in der Umgebung vom Kurhaus geblieben oder in die Saline in der Stadt

Besonders in Erinnerung ist mir der Einsatz der bereits erwähnten Sanduhr geblieben.
Die kam vor allem zum Einsatz beim Zähneputzen (man musste solange schrubben bis die abgelaufen war) und beim Telefonieren mit zuhause.

Einmal die Woche, ich glaube bei uns war es Montags, zwischen 19-20 Uhr. Wir standen alle vor einem Büro im Warteraum. In diesem Zeitpunkt durften unsere Eltern anrufen und versuchen durchzukommen.
Alle paar Minuten kam sie raus und holte ein Mädchen dessen Vater oder Mutter es geschafft hatte ins Büro. Dann konntest du mit Mama oder Papa reden, für genau 3 Minuten, die Sanduhr stand daneben, und die Erzieherin ebenfalls. Sie hörte mit. Ich erinnere mich, dass ich mich davon total gestört gefühlt habe. Ich fand das unverschämt, dass ich nur drei Minuten mit meiner Mama reden durfte und dann auch noch unter “Bewachung”. So konnte ich gar nicht frei sein und damit auch nicht den sehr nötigen Trost oder Mut Zusprache von Mama bekommen.
Sobald die Sanduhr abgelaufen war, wurde das Telefonat beendet.
Wenn ein Elternteil es nicht geschafft hatte durchzukommen, hat das Kind Pech gehabt und musste auf die folgende Woche hoffen, denn nach uns kam bereits die nächste Gruppe.
Wenn das betreffende Kind dann geweint hat, wurde nur kühl reagiert mit einem “dann hätten sich deine Eltern halt beeilen sollen”.

Was Briefe angeht, so wurden diese ungeöffnet abgegeben, und ich erinnere mich, dass einmal eine Erzieherin kam und mich fragte ob ich denn sicher sei, dass ich das so meiner Mutter schicken wolle, da ich sie damit doch sehr traurig machen würde. Ich solle doch schönere Sachen schreiben um meine Mutter zu schonen. Ich habe das umgeschrieben, da ich natürlich meiner Mutter nie Kummer machen wollte.

Ich selbst kann mich nicht daran erinnern, dass ich “gemästet” wurde, obwohl ich zur Gewichtszunahme da war. Aber…ich erinnere mich, dass sie mir Margarine servierten und ich mochte die nicht. Ich habe einmal gefragt, ob ich Butter haben könnte, die Antwort war “es wird gegessen was auf den Tisch kommt”. Ich war ein sehr schüchternes und gehorsames Kind, daher habe ich es einfach gegessen, habe aber seit der Kur einen Ekel vor Margarine, bis heute.
Ich erinnere mich daran, dass wir des öfteren den Speisesaal verlassen haben und ich gesehen habe, dass einige Kinder nicht mitgekommen sind. Auf die Frage warum die nicht mitkommen, wurde nur geantwortet “die müssen erst den Teller leer essen”.
Ich weiß nicht was mit ihnen gemacht wurde als wir weg waren oder wie lange sie da sitzen mussten. Nur einmal betraf es ein Mädchen von unserer Gruppe und mir war aufgefallen, dass sie erst so ca. 5 Minuten vorm Schlafengehen zurückkam, mit verheulten Augen und dann ohne weitere Worte ins Bett ging und sich die Decke über die Ohren gezogen hat.

Auch ist mir aufgefallen, dass fast jeden Tag von der Gruppe der kleineren Kinder - unter 6 - (die ein Stockwerk unter uns wohnten, aber noch im gleichen Speisesaal saßen) mindest ein bis zwei verheulte Augen hatten.

In unserem Stockwerk war ein Junge, der war etwas geistig zurückgeblieben und kam auch offensichtlich aus einer ärmeren Schicht. Die Erzieherinnen waren oft sehr ungeduldig mit ihm, haben ihn mehrfach laut angeschrien und ihm gesagt wie dreckig er ist und waren physisch und psychisch sehr grob mit ihm.
Sie haben ihn oft vor uns bloß gestellt, haben die schmutzigen Kleidungsstücke hochgehoben und uns gezeigt und ihn gezwungen unter diesem Schimpfen “Stellung zu nehmen”. Der arme Junge hat immer beschämt unter sich geguckt und hat die ganze Kur über fast nicht gesprochen.

Eines Tages bin auch ich negativ aufgefallen: Ich musste mich nachts übergeben und die Nachtschwester hat mich auf dem Weg zurück abgefangen und gesagt ich solle sie in Zukunft rufen bevor ich abspüle. Am nächsten Tag durfte ich nicht mitschwimmen, aus Vorsicht. Das fand ich schlimm, weil Schwimmen das einzige war, was mir dem ganzen System wenigstens etwas Freude gemacht hat.
Zum Mittagessen saß ich zunächst alleine im Esszimmer an unserem Gruppentisch. Ich musste auf die anderen warten. Ich war ein sehr schüchternes Kind, das sich schnell geschämt hat und dass ich da alleine saß war mir total unangenehm. Meine Gruppe kam etwas später vom Schwimmen und als sie dann reinkamen ist mir deswegen auch ein leises “endlich” über die Lippen gerutscht. Die eine Erzieherin saß auf der Fensterbank, von wo aus sie immer das Essen bewachten, und fing auf einmal an, mich anzuschreien. Vor dem gesamten Speisesaal schrie sie mich an, was mir einfiele, und ich sei doch so anstrengend und nervend und mein Kleiderschrank wäre immer ein Schweinestall (ich war unordentlich, das stimmte wohl). Sie hat sich bestimmt 5 Minuten über mich “ergossen”, vor dem gesamten Saal. Ich habe mich so geschämt und auch geweint vor Scham und Angst, und ich habe überhaupt nicht verstanden, was passiert ist.
Die anderen Erzieherinnen haben nichts getan. Sie haben sie einfach wüten lassen und mich dabei amüsiert und verurteilend angesehen.

Als wir später am Nachmittag spazieren waren, hat die Frau mich angehalten, in letzter Reihe zu laufen, mit dem oben besagten Jungen. Als sie gesehen hat, dass ich das aber mehr oder weniger so hinnahm, hat sie alle mit eiskaltem Lächeln aufgefordert, dass wir “heute” alle Hand in Hand laufen müssen. Sie war erst dann zufrieden als sie meinen Widerwillen gesehen hat und ihre Macht zur Genüge demonstriert hat.
Das war demütigend, sowohl für mich als für den armen Jungen, der sehr wohl verstanden hatte, dass er als “Strafmittel” missbraucht wurde.
Nach diesem Tag wurde ich ganz still. Ich hatte so viel Angst etwas falsch zu machen, ich hatte Angst vor der Frau und ihren Launen. Ich wollte nur nach Hause. Ich bin ihr aus dem Weg wo es ging und habe mich total in mich zurückgezogen und habe darauf gewartet, dass es vorbei ist.

An Details war es das an was ich mich erinnere. Wie auch andere berichtet haben, erinnere ich mich kaum an Momente in denen wir spielten und wenn ja, was. Ich kann mich nicht erinnern ob wir einen Fernseher hatten oder ob wir längere Ausflüge gemacht haben. Nur einmal an eine Gruppentherapiestunde in der wir gespielt haben, da haben wir auch viel gelacht.
Aber von den Stunden im Aufenthaltsraum habe ich keine Erinnerung ausser an das Briefeschreiben.
Wir waren nie alleine. Es war immer irgendjemand im Raum dabei. Es haben sich nicht wirklich gute Freundschaften entwickeln können, da du ja nie mit jemandem alleine reden konntest. Du hattest keine Privatsphäre. Die haben alles mitbekommen und sie haben auch über uns geredet, gelästert und gekichert. Sie haben sich untereinander über uns lustig gemacht und nicht mal versucht das zu verstecken.

Alles in allem war es für mich keine gute Erfahrung. Ich bin nicht per se gequält worden, aber die Erzieherinnen haben durch ihre schroffe, abgeklärte und absolut uninteressierte Art keinen Zweifel daran gelassen, dass wir ein Job sind. Die Atmosphäre war abgeklärt, durchkalkuliert, kalt, raubauzig und herzlos, fast militärisch.
Und auch ich verbinde Gefühle von Eingeschüchtert Sein, Alleinsein, Angst und Ausgeliefertsein mit diesem Aufenthalt und schaue nicht gerne zurück.
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Ilona aus Seligenstadt schrieb am 07.01.2022
Ich war ca.1973 in Berchtesgaden auf dem bichlhof der hof stand ganz alleine auf einem Berg ein Swimmingpool war irgendwie mit Bäume umrandet es gab ein Pferd Ponys ein cockerspaniel und Katzen ich kann mich nur mit Freude daran erinnern.
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Claudia aus Berlin schrieb am 06.01.2022
Ich war mit meiner Schwester an der Rhön, ich meine, es war im Taunus. Es erinnere eine Tagestour zum Rhönbob und der ist in Gersfeld. Meine 2 Jahre ältere Schwester hatte ein furchtbares Heimweh und ich hatte Angst. Eines nachts flüsterten wir im großen Schlafsaal, weil sie weinte. Dann kam so eine Heimleiterin und zerrte mich aus dem Bett. Sie führte mich ohne eine Wort aus dem Saal und setze mich auf eine Holzpritsche. Sie hat mir zur Strafe den Schlaf verboten und so saß ich die ganze Nacht auf dieser Pritsche. Ich wusste, dass meine Schwester noch mehr Angst hatte. Meine Schwester versuchte sich, in wenigen Telefonaten mit meiner Mutter, geheim zu verständigen, durch Umschreibungen. Das funktionierte aber nicht wirklich. Schlimm waren wirklich die Erinnerung an den Ess-Drill. Man musste als Kind genau überlegen, wie voll der Teller sein durfte, denn man musste alles aufessen. Einmal kotzte ein Junge, weil er gezwungen wurde, den zu vollen Teller komplett zu leeren. Er musste dann das Erbrochene essen. Vorher durfte er nicht den Saal verlassen. Ich weiß noch, dass mir diese "Wärterinnen" meine Kleidung herauslegten. Meine Mutter legte uns zum Beispiel weiße Kniestrümpfe zu unseren blauen Sommerkleidern. Die Leiterin wollte, dass ich braune Kniestrümpfe zum Kleid trug. Sie mich und wohl auch meine Mutter lächerlich machen. Jedenfalls hatte Angst davor, dass ich dort nicht mehr rauskomme. Also verhielten meine Schwester und ich uns ruhig, weil wir auch Angst hatten, dass man uns trennt. Ich kann seither keine Touren oder Pilgertouren mit Freunden machen, die in diesen Pilgerhütten schlafen.
Es ist so lange her, aber diesen Scheiß vergisst man einfach nicht. Ich bin heute wütend, weil ich damals zu klein war, um mich zu wehren. Eigenartig. Naja, ich grüße alle Leidensgenossen.
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Sabrina aus Wetter schrieb am 05.01.2022
Erstmal jin ich sehr froh das es endlich alles ans Licht kommt

Ich wurde nach Samaberg mit meiner Zwillingsschwester geschickt .
Wenn es so meine erinnern wieder zeigt war es ein kinderheim laut der alten Postkarten und bilder dort drauf
Ich kann mich sehr gut erinnern das es sehr schlimm für uns war .
Ein langer Flur mit stockbetten waren dort und auf der andren Seite des langen flures waren die Toiletten
Aber wehe wir mussten auf clo kahm die nonnen und wir mußten für lange Zeit mit nackten Hintern auf der im Flur stehende Truhe sitzen.
Die Treppe hatte ein dunkles eisengelende ich vergesse die nie wegen der Angst die Nonne kommt jeden Moment wieder...
Ich wurde dort sehr krank (mums,das wurde ert zu hause behandelt den Geruch der grauen paste vergessen ich auch nicht ) aber niemand nicht mal ein artz war dort um mir zu helfen
Mein Schwester brachte mir einmal was zu essen
Es war schlimm für sie sie musste sich beilen sonst gab es Bestrafung
Sie hat oft betrafungen erfahren welche weis ich aber ich konnte sie oft nicht finden eine nonne hat sie weggeholt weil sie auf Toilette musste aber nicht durfte ,ich versuchte ihr zu helfen aber es wurde nur schlimmer
Ich erinnere mich sehr gut was ihr passiert war bis heute mache ich mir Vorwürfe selbst
Obwohl ich nichts dazu konnte
Details lasse ich aus
Ich kann mich an eine rote Brühe oder sowas erinnern und das widert mich an
Die Altersunterschied waren groß es war auch ein kleines Kind dabei vieleicht um die 3 Jahre etwa
Am Schwimmbad das direkt am Haus war mittig von dem hausausgang
Wurde mal eine Ausführung gemacht wo sich welche als Babys verkleidet hatten und sagen das,,Baby wugi Lied ,,
Meine Schwester währe fast ertrinken darin
Jedeb morgen wurden wir nackt gewogen auch von Nonnen

Warum wir dort waren ind mit wehm weiß ich nicht mehr nur Nonnen das weiß ich sehr genau
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Deutz Gerda aus Lindlar schrieb am 04.01.2022
Auch ich war 1952 oder 1953 in der Heilstätte Maria Helferin in Kaldenkirchen. Es hieß ich hätte einen Schatten auf der Lunge, später stellte sich heraus dass das garnicht stimmte. 9 Jahre war ich alt.
Wir mussten unbedingt zunehmen, wer bei der wöchentliche Gewichtskontrolle nicht zugenommen hatte durfte den einzigen Nachmittagsspaziergang nicht mitmachen und durfte nicht laufen sondern nur gehen.
Kinder neben mir im Speisesaal erbrachen in den eigenen Teller und mussten trotzdem weiteressen.
Klarer Speck ist mir bis heute ein Gräuel.
Nachmittags mussten wir 2 Stunden draußen in einem länglichen carportähnlichen Schlafsaal auf der rechten Seite ohne uns zu bewegen liegen mit einer grauen Filzdecke und das im November.
Erinnern kann ich mich auch dass einem Kind das uringetränktes Nachthemd um die Ohren geschlagen wurde weil beim Putzen die Ordensschwestern nicht gesehen hatten, dass der Nachttopf im Nachtschränkchen stand und sie diesen aufs Bett gehoben hatten.
Wer nicht brav war, musste eine Nacht auf einem eiskalten dunklen Speicher nur mit einer Filzdecke schlafen.
Ich kann bis heute niemand neben mir seinen lockeren Husten abhusten hören, ich halte mir immer noch die Ohren zu weil es mich fürchterlich ekelt. Der Grund sind diese weissen Emailletassen mit Schnappdeckel die wir wenn wir erkältet waren mitführen mussten und das abgehustete hineinspucken mussten.
Die Ordensschwestern verströmten nicht das leiseste Gefühl von Wärme sondern waren unerbittlich streng.
Meine Briefe nach Hause mit dem Flehen mich abzuholen sind nie angekommen.
Furchtbar leid taten mir die noch jüngeren Kinder die sich an mein Bein klammerten vor Angst.
Besuch durften wir haben, das ging jedoch bei mir nicht aus finanziellen Gründen.
Bis heute kann ich nicht begreifen wie man Kinder in solche Einrichtungen bringen konnte, heute wäre sowas gottseidank nicht mehr möglich.
Jetzt habe ich mir alles was mir spontan einfiel von der Seele geredet. Das hat mir nach der langen Zeit trotzdem noch gutgetan.
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Sven aus Lamstedt schrieb am 02.01.2022
Eigentlich hat mir es dort ganz gut gefallen. Ich muss aber auch sagen, dass ich damals ein sehr introvertiertes Kind war und somit wahrscheinlich sehr Pflegeleicht der nie widersprochen hat. Ich hatte nie Probleme mit Heimweh oder so.
Aber auch bei mir waren einige Vorgehensweisen meiner Meinung nach nicht OK.

Auch ich habe zum Beispiel 2 Nächte (von 8 Wochen) ohne Decke auf einem Stuhl sitzend verbringen müssen weil ich mich Nachts aufs Klo geschlichen habe und dabei "erwischt" worden bin.

Ich kann mich noch daran erinnern dass "nicht so brave!" Kinder von z.B. Ausflügen ausgeschlossen wurden.

Briefe wurden gelesen und wenn Sie es nicht positiv genug fanden, musste man es Umschreiben. (Ich war damals 11 Jahre alt, da habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht.)

Ich muss aber auch sagen, geschlagen wurde ich nie, kann mich auch nicht erinnern das andere Kinder geschlagen wurden.

Die Leiterin (?) Hiess damals Tante Marlies
ein typischer Hausdrache und es gab noch eine Tante Gugu (?) Die war wesentlich jünger aber ganz nett. An die anderen "Erzieherin" kann ich mich nicht mehr erinnern.

Soviel erinnerungen an die Zeit habe ich leider (oder zum Glück) nicht mehr. Habe es scheinbar erfolgreich verdrängt.
Ich würde aber meine Kinder niemals in so einem Heim schicken. Ich habe meinen Entlassungsbericht von dort, in dem steht wie toll ich mich doch entwickelt habe. Ich weiß das ich nach dem Aufenthalt im Erholungsheim noch introvertierter war. Was für ein Quatsch, aber was sollen die auch sonst schreiben.

Vielleicht gibt es ja jemand der auch 1982 dort war. Kannst mich gerne kontaktieren wenn du magst. Einige Namen habe ich noch im Kopf.
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Inge Stoffers aus Kiel schrieb am 01.01.2022
Ich habe den Fernsehbericht über das Leid der Verschickungskinder gesehen und war erschüttert von den Berichten. So kam bei mir auch alles wieder hoch. Jetzt habe ich mich entschieden, meine Geschichte auch aufzuschreiben, soweit ich mich noch erinnern kann.

Im 1. Schuljahr wurde bei der Schuluntersuchung festgestellt, dass ich zu dünn sei und in eine Verschickung müsse. So kam ich im Februar/März 1962 mit 7 Jahren von Wilhelmshaven aus in das Oldenburger Kinderheim in Bad Rothenfelde. Ich erinnerte mich nicht mehr an den Namen des Heims, habe es jedoch auf den Bildern im Internet anhand des düsteren Gemäldes im Speisesaal wiedererkannt, welches sich über die eine ganze Wand entlangzog.

Kurz nach der Ankunft wurden wir versammelt, und jeder bekam eine Nummer zugewiesen, unter der wir dann später aufgerufen und auf unsere Schlafsäle verteilt wurden. Ich hatte vor lauter Aufregung meine Nummer wieder vergessen und mich bei Aufruf nicht gemeldet, woraufhin ich den ersten Anschiss bekam.
Ich erinnere mich nicht mehr, ob wir die ganze Zeit nur mit der Nummer angesprochen wurden, oder ob dies nur der Zimmerzuordnung diente.
Im Schlafsaal waren wir mindestens mit 10 Kindern. Die Kleiderschränke befanden sich außerhalb der Zimmer. Wegen meines jungen Alters durfte ich nie selber an meinen Schrank, nicht mal ein Taschentuch durfte ich mir rausholen, als ich stark erkältet war.
Mein Bett stand nahe an der Tür. Abends saß eine „Tante“ solange neben meinem Bett, bis vermutlich alle eingeschlafen waren. Wir durften uns im Bett nicht bewegen, was bei mir dazu führte, dass ich mich erst recht bewegen musste, mich jedoch nicht traute, so dass ich meist erst nach ihrem Verlassen des Zimmers einschlafen konnte.
Nachmittags mussten wir für 2 Stunden ins Bett, mussten die Augen schließen und durften uns nicht bewegen. Ich glaube, ich habe nicht ein einziges Mal schlafen können.

Ich erinnere mich an lange Spaziergänge, bei denen wir in Zweierreihen marschieren und uns an die Hand fassen mussten. Wir hatten immer denselben Partner. Die Hand des anderen Kindes durfte nicht losgelassen werden, was ich sehr unangenehm fand, weil die Hände dann immer sehr schwitzig wurden. Wir durften auch weder reden noch etwas aus der Reihe treten, sofort wurden wir angeschnauzt. Ich hatte das Pech, mit einem sehr zappeligen Mädchen laufen zu müssen, was zu häufiger Ermahnung führte. Wie ich diese Spaziergänge gehasst habe!

Die Mahlzeiten waren das Schlimmste. Es mussten immer 2 Portionen gegessen werden. Alles musste aufgegessen werden. Manches kriegte man einfach nicht runter. Einmal konnte ich nicht mehr und musste mich am Tisch übergeben. Ich fand das so furchtbar, dass ich in Tränen ausbrach. Daraufhin wurde ich in eine Toilette eingeschlossen. „Hier kannst du dich auskotzen du Heulsuse“. Ich schätzte, dass ich dort ca. 1 Stunde ausharren musste. Danach wurde ich raus geholt und in die Küche gebracht, wo ich im Stehen nochmal einen Teller voll des Essens hinein gewürgt bekam.

Einmal pro Woche wurden uns die Fingernägel geschnitten. Die schnitten so weit runter, dass man hinterher vor Schmerzen kaum noch etwas anfassen konnte. Nach einer Woche war natürlich kaum etwas nachgewachsen. Es nützte nichts, die Nägel wurden wieder bis zur Schmerzgrenze runter- geschnitten.

Auf die Toilette durften wir auch nicht gehen, wenn wir mussten, sondern wir gingen alle gemeinsam zu vorgegebenen Zeiten. Solange musste man eben einhalten.

Ich weiß nicht mehr, wie oft das war, aber ich erinnere mich, dass wir in den Kureinrichtungen von Bad Rothenfelde in ein Solebad gingen. Dort mussten wir in einer Badewanne mit Salzwasser ca. 1 Stunde sitzen, uns nicht bewegen und die Arme gerade ausgestreckt halten. Ich weiß nicht, womit sie uns gedroht haben, aber ich habe mich die ganze Zeit nicht getraut, die Arme unter Wasser zu tauchen, warum auch immer.

Einmal haben meine Eltern mir ein Paket mit Süßigkeiten und Obst geschickt. Dies wurde mir nicht ausgehändigt, sondern der Inhalt wurde verteilt. Für mich blieb nur eine braune Banane. Das war sehr enttäuschend.

Ich erinnere mich auch, dass wir ein paarmal abends mit einem eiskalten Wasserschlauch abgespritzt wurden, wobei ich nicht mehr weiß, ob das in Bad Rohenfelde war oder evtl. auf Wangerooge, wo ich später auch nochmal zur Verschickung war. An den dortigen Aufenthalt habe ich nicht so viele negative Erinnerungen. Aus dem Oldenburger Kinderheim In Bad Rothenfelde kann ich jedoch keine einzige positive Begebenheit erinnern.
Meine Mutter erzählte mir später, dass ich völlig verstört wieder zuhause angekommen sei. Ich hätte nur geweint und konnte zunächst gar nicht sprechen.
Würde heutzutage so etwas passiere, würden die Eltern sicher Alarm schlagen. Zu der Zeit wurde das anscheinend alles so hingenommen.
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Frank Neumann aus Essen schrieb am 30.12.2021
Ich war im Sommer 1971 im Kinderkurheim Haus Sonnenhang in Niedersfeld bei Winterberg untergebracht. Der Aufenthalt dort dauerte sechs Wochen. Soweit ich mich erinnere waren mit mir noch viele andere Kinder (etwa. 50) im Alter von 6 bis ca. 14 Jahren dort. Ich habe sehr gemischte Erinnerungen an die Zeit dort. Die guten Erinnerungen:
Wir waren fast jefen Tag draussen. Es wurde viel gewandert und gesungn. Auch wurde oft und viel gesungen.
Das sind aber auch schon fast alle positi en Erinnrrungen.
Wir wurden in Gruppen zu ca. 10 - 12 Kindern aufgeteilt - Jungs und Mädchen voneinander getrennt. Geleitet wurden diese Gruppen xon Fraurn, die wir "Tante" nennen mussten. Das waren durchweg sehr strenge Damen mittleren Alters. Nur meine "Tante" war noch sehr jung - schätzungsweise Anfang 20 (Frl. Michael). Sie war sehr freundlich und human im Umgang mit uns - im Gegensatz zu den anderen Gruppenleiterinnen. Irgendwann wurde ihr dann eine Helferin an die Seite gestellt - wahrscheinlich war sie zu nachsichtig und zu lasch mit uns.
Die Leitung - eine sehr gestrenge Dame im Alter von etwa 50 Jahren war von allen gefürchtet. Wir sind ihr so gut es ging aus dem Weg gegangrn.
Das Essen wurde in einem riesigen Speiseraum eingenommen. Dieses Essrn bestand zum großen Teil aus Speisen, die mir völlig unbekannt waren und die mir oft nicht schmeckten.Das half mir aber bicht - es musste aufgegessen werden.
Für viele Kunder war das sehr schlimm.
In diesem Speiseraum wurde auch nach Hause geschrieben - unter Aufsicht!!!
Wir durften nichts Negatives schreiben - das wurde kontrolliert! Jedes Wort wurde mitgelesen.
Nach dem Mittagessen mussten wir uns für zwei Stunden zum Mittagschlaf ins Bett legen.Während dieser Zeit durfte niemand aufstehen - auch nicht, um auf die Toilette zu benutzen. Im Flur saß eine dieser Tanten und überwachte das. Während des gesamten Aufenthaltes durfte ich einmal ein Telrfongespräch mit meiner Mutter führen. Natürlich wurde auch das überwacht und mitgehört.
Ich bin dort nie geschlagen worden. Auch Misshandlungen hat es - was mich betrifft nicht gegeben.
Aber ich hatte ständig großevAngst vor diesen "Tanten". Es gab auch Strafen. Ich musste z.B. wegen einer Bagatelle 150 mal den Satz schreiben, dass ich das nie wieder tun werde.
Zusammenfassend muss ich sagen,, dass sich der Erholungsfaktor, der eigentlich im Vordergrund stehen sollte, leider nicht eingestellt hat. Aufgrund der Umstände war das wohl auch kaum zu erwarten.
Zu Hause habe ich nie etwas davon erzählt. Natürlich hatte man uns eingeschärft, den Mund zu halten.
Das sind meine Erinnerungen an meinen Aufenthalt dort.
Ich war damals 11 Jahre alt.

F. Neumann
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Sindt Ingrid aus Lübtheen schrieb am 29.12.2021
Hallo, ich war vor meiner Einschulung 1958 in Bad Elster wegen „ zu dünn“ und Haltungsschwächen.
Nach meiner Erinnerung war ich aus den gleichen Gründen in der 4. Klasse nochmal, bin mir aber nicht sicher und kann meine Eltern nicht mehr fragen. Ich habe an den Aufenthalt kaum Erinnerungen, ich weiß jedoch dass wir immer aufessen mussten, sehr viel Gymnastik gemacht haben, auch mit Zwang ( ich war immer unsportlich) . In Erinnerung ist mir , dass ich erst verspätet eingeschult wurde, wahrscheinlich wegen Krankheit. Ich erinnere mich auch, dass ich während eines Aufenthaltes Windpocken hatte und deshalb allein in einem Zimmer war, und das bei einem kleinen Kind. Ich erinnere mich noch, dass ich anfangs riesiges Heimweh hatte und sehr viel geweint habe. Woran sich meine 2 Jahre jüngere Schwester erinnert sind Gebete , die ich ständig nach der Rückkehr gesprochen habe. Das hat meine Mutter auch meiner 12 Jahre jüngeren Schwester erzählt , es muss sie sehr belastet haben. Sie sagte , wir mussten sie ja hinschicken, weil die so dünn war. Ich habe mit meiner Mutter über dieses Thema kaum gesprochen.
Ich bin jetzt Rentner und man versucht sich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen. Und da beginnt mein Problem. Ich habe nicht nur sehr wenige Erinnerungen an den/die Kuraufenthalte sondern an meine gesamte Vergangenheit einschließlich Ausbildung, Studium und dem Aufwachsen meiner Kinder. Wenn ich Verwandten, Freunden über diese Zeiten spreche, merke ich immer wieder, was ich alles nicht weiß. Das empfinde ich allmählich als sehr belastend. Ich frage mich, ob meine Erinnerungslücken diesem Kuraufenthalt geschuldet sind und würde gern erfahren, ob andere ähnliche Beschwerden/Erfahrungen haben.
Ich würde mich gern mit anderen austauschen.
Ingrid
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Ulrike Schmitz aus Euskirchen schrieb am 29.12.2021
Ich war damals 9 Jahre alt, kränklich, schwach und unterernährt und sensibel. Meine Eltern glaubten, mir mit dieser Kur etwas Gutes zu tun. An den Namen des Kurhauses kann ich mich nicht mehr erinnern. Das Ergebnis nach diesem Aufenthalt war, dass ich psychisch und körperlich noch schlechter dran war, als vorher; die Erlebnisse waren für eine Kinderseele entsetzlich; bin jetzt 68 Jahre alt und zur Zeit wieder in Therapie wegen PTBS mit Angst und Panikattacken. Durch meine ständigen , von Kind an beginnenden körperlichen Krankheiten und vielen Krankenhausaufenthalten und schließlich dieser Verschickungskur, bin ich dauerhaft psychisch krank geworden. War auch noch in der Kur akut krank geworden und bekam schmerzhafte Spritzen...........auf weitere Quälereien möchte ich nicht eingehen; vieles weiß ich nur noch verschwommen. Ich wünsche allen anderen hier, die in solchen Heimen Qual erlebt haben, alles alles Liebe und ein gutes Jahr 2022.
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Kalkstein aus Hildesheim schrieb am 29.12.2021
Hallo, wir Zwillinge sind 1988 geboren.Meine Schwester meint,dass wir vor der Einschulung auf ,,Kur” waren. Obwohl wie viel später geboren sind als andere hier,haben ähnliche Erfahrungen erlebt.wie kann das sein?
Damals waren wir unterernährt und blass.
Im Kurheim mussten wir uns jeden morgen mit Unterwäsche anstellen.Uns wurde jeden Morgen in den Finger gestochen und wir mussten uns auf die Waage stellen. Dort haben wir auch eine Lichttherapie bekommen und waren regelmäßig im Solebad baden. Es war wichtig die Mahlzeiten ordentlich zu essen! Wir haben in einem Schlafsaal mit Trennwänden geschlafen.Toilettengänge waren nachts verboten. Beim einnässen gab es Ärger.Für uns war es kein schöner Aufenthalt.
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Gerlinde schrieb am 29.12.2021
Ich war als 8-Jährige in Bad Münster am Stein (Kinderkurheim St. Antonius).
Zunächst hatte ich mich auf den Aufenthalt gefreut, es wurden jedoch die schlimmsten 6 Wochen meiner Kindheit.
Bei jedem Mittagessen wurde ich gezwungen alles aufzuessen, oft auch in der Form, dass eine der Betreuerinnen sich neben mich setzte und mir den gut gefüllten Löffel immer wieder in den Mund schob. Jeden Tag musste ich mich deshalb übergeben, manchmal auch das mit dem restlichen Essen vermischte Erbrochene noch einmal essen.
Abwertende Behandlung, Ausgrenzung, Heimweh und Tränen bestimmten diese Wochen.
Kontakt zu meiner Familie gab es nur in der Form, dass wir von einer Tafel vorformulierte Texte abschreiben mussten, die meine Eltern glauben ließen, dass es mir dort gefiel und ich mich wohl fühlte.
Das Verhalten der Betreuerinnen (ausnahmslos junge Frauen) war an Lieblosigkeit und Gleichgültigkeit kaum zu überbieten.
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Katrin schrieb am 28.12.2021
Ich war ca 1980 mit 3 Jahren in Bad Salzungen und 1983 in Luisenthal bei Suhl. Meine PTBS wurde so gravierend, dass ich nun diese Teile meines Lebens aufarbeiten muss. War jemand ebenfalls an diesen Orten? Würde gerne in einem Austausch gehen.
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Ingrid aus Olfen schrieb am 27.12.2021
Norderney: Ende 1968 oder Anfang 1969 Alter: 5 Jahre
Amrum (Wittdün): November/Dezember 1971 Alter: (gerade) 8 Jahre

Im Alter von 5 und 8 Jahren wurde ich jeweils für 6 Wochen wegen Bronchitis zur "Kur" an die Nordsee geschickt. Das Wort "Verschickung" ist bei uns nie gefallen. Meine Mutter hatte die Angewohnheit, alles freundlich zu umschreiben. Wenn es bei uns beispielsweise Kaninchenbraten (mein Vater züchtete Kaninchen) gab wurde uns gesagt, es sei Hähnchen. Wir Kinder sollten nicht merken, dass die niedlichen Tiere aus dem Kaninchenstall auf unseren Tellern landeten...... Ansonsten war mein Elternhaus liebevoll, der Vater verdiente den Lebensunterhalt und die Mutter kümmerte sich um Kinder, Haus und Garten. Die klassische Rollenverteilung zu dieser Zeit. An den Wochenenden haben meine Eltern viel mit uns unternommen. Wir wohnen ländlich und ich würde mein Elternhaus durchaus als liebevoll bezeichnen.
An den Aufenthalt auf Norderney kann ich mich so gut wie gar nicht erinnern. Meine Mutter ist verstorben, die kann ich nicht mehr fragen. Als ich meinen 87jährigen Vater kürzlich fragte, ob er sich erinnere, meinte er: "da hattest du doch Krieg mit den Nonnen". Heißt, es muss etwas vorgefallen sein, woran ich mich nicht erinnern kann. Genaueres hätte eventuell meine Mutter gewusst. Leider wurde in all den Jahren dieses Thema, wie bei so vielen anderen auch, nicht angesprochen. Ich selbst hatte die Erfahrungen größtenteils verdrängt, bin jedoch im Besitz eines Gruppenfotos, auf dem hinten sämtliche Namen meiner Gruppe vermerkt sind, auch die von den Gruppenfräuleins: Fräulein Anita und Fräulein Regine, die ebenfalls auf dem Foto zu sehen sind.
Durch einen Artikel im Internet auf diese Seite aufmerksam geworden beschäftige ich mich momenten sehr intensiv mit dem Thema. Tatsächlich ist mir von dem Aufenthalt auf Amrum noch einiges in Erinnerung, nach und nach kommt immer mehr dazu. Ich erinnere mich an:
die Vorabuntersuchung beim Vertrauensarzt der Krankenkasse
das Einnähen der Namensetiketten in Kleidung etc.
die Zugfahrt mit einer Begleitperson,
den Schlafsaal,
Mittagsschlaf mit absoluter Ruhe, sonst Strafe,
Erniedrigung und Bestrafung von Bettnässern,
Essenszwang,
das Aufteilen eines erhaltenen Nikolauspäckchens,
zensierte Post,
Bestrafungen durch Isolation,
die insgesamt sehr kalte Atmosphäre, aber leider an nichts Schönes.
Meine Mutter meinte einmal, andere Kinder hätten meine Kleidung getragen (vielleicht habe ich das aber auch nur behauptet, um beispielsweise stark verdreckte Unterwäsche zu erklären).
Es gab eine junge Praktikantin, die sehr nett zu uns war, wenn es die Heimleitung nicht mitbekam. Sie ging mit uns zu einem Krabbenkutter, wir haben Krabben gepuhlt und diese gegessen. In meinem ganzen Leben habe ich keine Schalentiere und Meeresfrüchte mehr gegessen, ob ein Zusammenhang besteht weiß ich nicht, könnte es mir aber durchaus vorstellen.
Die schlimmste Erfahrung war jedoch folgende: die Leiterin hatte der Praktikantin hinter dem Rücken einen Vogel (vielleicht auch Scheibenwischer) gezeigt und ich hatte das gesehen. Da ich die Praktikantin angehimmelt habe, habe ich es ihr erzählt, also sozusagen "gepetzt". Kurze Zeit später mussten wir uns alle im großen Saal im Kreis aufstellen und die Leiterin wollte wissen, wer zu der Praktikantin gesagt hätte, sie habe ihr einen Vogel (o.ä.) gezeigt. Aus Angst vor Bestrafung habe ich mich nicht gemeldet. Natürlich wusste die Leiterin, wer es gewesen war, und ließ mich vortreten. Vor allen anderen wurde ich beschimpft und gedemütigt, als Lügnerin bezeichnet. Danach wurde ich für mehrere Stunden in eine kleine dunkle Kammer gesperrt. Es war einfach nur grausam. Trotzdem habe ich mich völlig verheult in die Arme der Praktikantin geworfen, als diese mich endlich befreite. Ich habe die Zusammenhänge nicht verstanden und sie weiterhin angehimmelt, obwohl ja eigentlich sie mich verraten haben musste...... Vermutlich war das so eine Art Schutzfunktion meines Gehirns, da ich sonst völlig ohne Bezugsperson gewesen wäre.
Seitdem bin ich als Kind nur ungern von Zuhause weggefahren, einige Tage bei Verwandten war okay, Urlaube mit den Eltern ebenfalls, Klassenfahrten trat ich mit ungutem Gefühl an, Ferienlager o.ä. kam für mich gar nicht in Frage. Ich habe ein extrem ausgeprägtes Bedürfnis nach Harmonie und große Probleme, mich auf fremde Personen und Situationen einzulassen, bin oft unsicher und versuche, dieses möglichst zu überspielen. Weiterhin habe ich Zeit meines Lebens mit Übergewicht zu kämpfen, mal ab- und dann aber auch wieder zugenommen........... Für meine Eltern war ich auch nie so perfekt wie meine kleine Schwester (die nicht zur Kur musste), bin immer angeeckt und habe vieles nicht recht gemacht.
Mein verstorbener Mann war als kleiner Junge ebenfalls verschickt an die Nordsee, er konnte sich nicht erinnern, weil er zu klein war. Er litt Zeit seines Lebens an Angstzuständen, traute sich als Kind nicht alleine in den Keller und hatte als Erwachsener noch extreme Platz- und Höhenangst. Die Ursachen hierfür wurden leider nie erforscht.
Bereits als Jugendliche, bevor ich selbst Kinder hatte, habe ich immer gesagt, dass ich niemals ein Kind alleine zur "Kur" schicken würde, was ich dann auch nicht getan habe.
Froh, dass dieses Thema endlich öffentlich gemacht wurde, danke ich ganz herzlich für die Möglichkeit der Erinnerung und Aufarbeitung und wünsche allen die nötige Kraft. Wie so viele andere habe ich lange an Einzelschicksale geglaubt und hätte nicht gedacht, welches Ausmaß das alles hat.
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Joachim Siller aus Schwäbisch Gmünd schrieb am 25.12.2021
Hallo, ich wurde 1975/76 vom Bahnhof in Schwäbisch Gmünd in ein Verschickungsheim irgendwo in die Berge ,ländliche Umgebung verschickt. Vielleicht ist ja auch jemand aus Schwäbisch Gmünd, Aalen, Göppingen , Schorndorf oder Umgebung dort hin verschickt worden, oder kennt jemand der da war oder sogar einen Ort oder eine Adresse hat. Vielen Dank.
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Katrin Sperrle aus Krefeld schrieb am 25.12.2021
Ich bin von Berlin aus nach Glücksburg verschickt worden. Mit meinem Cousin. Ich glaube ich war so 5 oder 6 Jahre. Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern. Aber ich musst auch in einem Gitterbett schlafen.
Ich weiß noch , das ich mal die halbe Nacht auf der Toilette verbracht habe, weil ich seit ein paar Tagen kein „Groß „ gemacht habe.
Meinen Cousin haben sie auch nach ein paar Tagen nach Hause geschickt, weil er wohl frech war.
Ich habe lange überlegt, ob ich hier schreiben soll. Ich kann mich ja nicht mehr so viel erinnern. Aber ich hab viele Sachen gelesen und einiges kam wieder hoch.
Meine Mutter war mit drei Kindern alleinerziehend. Ich war die jüngste. Ich weiß nur noch das ich mich sehr einsam und alleine gefühlt habe. Mit meiner Mutter kann ich darüber nicht reden. Sie hat es ja nur gut gemeint. Ich mache ihr auch keine Vorwürfe.
Aber ich würde gerne wissen, wieso ich so bin wie ich bin
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Peter schrieb am 23.12.2021
Ich war im Alter von 4 Jahren in einem Kindererholungsheim auf Juist. Ich habe nur noch wage Bilder im Kopf, riesige Schlafsäle, Essenszwang, Zwang sich nackt zu Waschen. Höhensonne nackt in einem eiskalten Raum. Strenge und Psychoterror.
Meine gesamte Schulzeit hatte ich Angst vor Gewalt und Autoritäten, konnte mich nicht wehren. Ich habe das Thema nie aufarbeiten können, zu unkonkret sind meine Erinnerungen.
Selbst nach 60 Jahren kommen mir noch Bilder aus dieser Zeit hoch. Es war so schlimm, dass diese alten Wunden immer noch nicht verheilt sind.
Ich finde es gut und wichtig, dass dieses Thema endlich in die Öffentlichkeit gebracht wird.
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Silvia Janze aus Petershagen schrieb am 22.12.2021
Silvia Janze

Auch ich habe mich entschieden, nachdem ich die Sendung im NDR am 27.10.2021 mit Anja Röhl, gesehen habe und auch in der örtlichen Presse Berichte über Verschickungskinder in den 70er Jahren gelesen habe, mein Erlebnis (Geschichte) zu veröffentlichen.
Im Sommer (Sommerferien) 1970 wurden meine Schwester Martina, 7 Jahre und ich, Silvia 9 Jahre, vom Träger Preußen Elektra/Kraftwerk Heyden für 6 Wochen nach Kinderheim “Wenzelhof”, Westmarken 41, St. Peter-Ording geschickt. Meine Schwester hat nur sehr verblasste Erinnerungen an diese schreckliche Zeit.
Wir wurden am Bahnhof Minden/Westf. von Nonnen in Empfang genommen und unsere Reise begann tränenreich.
Am Kinderheim angekommen mussten sich alle Kinder bis auf die Unterhose ausziehen und die im Koffer mitgebrachte Kleidung wurde uns abgenommen und haben diese auch die ganzen 6 Wochen nicht wiedergesehen. In wirklich ekeliger Erinnerung ist mir geblieben, dass ich mir gleich am ersten Tag die Unterhose beim Spielen beschmutzt habe, diese aber in der gesamten Zeit nicht wechseln durfte. War nur eklig.
Auf der Rückfahrt nach Hause durften wir dann wieder Kleidung anziehen.
Das eigentliche Trauma, was mich bis heute begleitet ist aber Folgendes:
gleich im Anfang der Kurzzeit bekam ich die Windpocken und wurde
wegen der Ansteckungsgefahr 14 Tage von allen Kindern und Betreuern
isoliert. Ich wurde in ein kleines Zimmer (ein Bett, Waschbecken, Kleiderschrank, kleines Fenster, keine Toilette), welches ich heute noch vor mir sehe, gebracht und mir wurde strikt unter Strafe
verboten, dieses zu verlassen. Aus dem Fenster konnte ich den anderen Kindern beim Spielen zuschauen und ab und an kam eine der Betreuerinnen in mein Zimmer, um nach mir zu schauen. Irgendwann in diesen 14 Tagen, wollte ich meine immer noch verdreckte Unterhose
gegen eine neue tauschen und bin aus dem Zimmer zu den Schlafräumen im Dachgeschoss geschlichen. Prompt wurde ich von einer Betreuerin erwischt und habe ordentlich Prügel bezogen, die Unterhose durfte ich immer noch nicht wechseln. Sofort wurde ich wieder in meine Isolation gebracht und die Zimmertür hinter mir verschlossen. Übrigens, meine Eltern wussten davon und haben nichts dagegen unternommen.
Seit dieser Zeit bin ich traumatisiert was Krankenhäuser und REHA Einrichtungen betrifft.
Ich kann mich dort nur einen sehr kurzen Zeitraum aufhalten oder aber verweigerte mich diese zu betreten. Da ich aus gesundheitlichen Gründen, vermehrt stationäre Behandlungen gehabt habe und noch habe, gerate ich dort sehr schnell in Panik und versuche so schnell wie möglich diese auf eigene Verantwortung zu verlassen. REHA Einrichtungen trete ich ausschließlich nur ambulant an.-
Zum Essen im Kinderheim ist mir lediglich in Erinnerung, dass es morgens immer den gleichen Haferbrei gab, der komplett aufgegessen werden musste.
Als dann endlich die 6 Wochen vorüber waren und wir endlich nach Hause durften, natürlich hatten wir ordentlich zugenommen, was ja das Ziel dieses Aufenthaltes war, kam die zweite große Enttäuschung. Unsere Mutter beschimpfte uns, warum wir alle Kleidungsstücke ungebraucht wieder mit nach Hause brachten, wo sie doch in mühevoller Arbeit alle mit Namen versehen hatte.
Als wir ihr erzählten, dass wir die Kleidung nicht anziehen durften, glaubte sie uns nicht, was mich sehr enttäuschte. Und auch nicht, dass ich 14 Tage eingesperrt war.
Die Bindung zu meinen Eltern leidet bis heute, ich kann ihnen nicht verzeihen.
In meinen Unterlagen (Briefe) habe ich Namen herausgefunden, die mit mir zur gleichen Zeit in St. Peter Ording waren.


Namen: Heike Emrich
Elke, Sabina, Heidi, Christel, Marion, Gelinde Es wäre schön, wenn sich diese Personen erinnern können, und evtl. Kontakt entstehen könnte. Sommerferien NRW 1970).
Jetzt bin ich etwas erleichtert, meine Geschichte, die mich bis heute negativ begleitet öffentlich machen zu können. Ich kann nur hoffen, dass Kindern so etwas nie wieder angetan wird.
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M. schrieb am 21.12.2021
Hallo, das Thema treibt mich seit Jahrzehnten um, allerdings glaubte ich bis vor kurzem, nur einfach Pech gehabt zu haben.
Meine Mutter wich Fragen immer aus, bis sie im Jahr 2006 Farbkopien zweier Ansichtsbilder mit folgenden Zeilen schickte: "Dies ist die Asthma-Klinik in Scheidegg/Allgäu 1964. Knapp 4 Jahre ist M. alt, sie mußte 6 Wochen dort bleiben. Doch genutzt hat es nichts. Sie wollte weder essen noch spielen, die Nonnen ignorierten sie deswegen. Ganz apathisch holte ich sie von dort wieder ab. Ein ganzes Jahr dauerte es, bis M. überwunden hatte, was wir ahnungslos mit ihr gemacht hatten. Der nächste schlimme Anfall ..."
Eben erst fällt mir auf, welch spezielle Bedeutung die später oft wiederholte väterliche Drohung für mich hatte: „Wenn … dann stecken wir dich ins Heim!“
Meine Erinnerungsbruchstücke:
Niederdrückende Stimmung, dunkle Räume, die riesigen Flügelhauben der Nonnen, oft wird jemand geschlagen und weint ...
Fremde Kinder reißen meiner Puppe Arme, Beine und Kopf ab, werfen die Teile ins Klo; eine Nonne beschuldigt mich, das selbst gewesen zu sein, und schlägt zu ... (Ich wollte und besaß nie wieder eine Puppe.)
Die Kinder müssen in zwei Reihen vor einem Kreuz stehen und beten, eine Reihe mit gefalteten Händen, eine Reihe mit verschränkten Fingern; da ich das von zu Hause nicht kenne, stehe ich mal in jener Reihe, mal in der anderen und mache es mal so, mal so: das gibt richtig Prügel!
Sehe den Kindern aus weiter Ferne beim Spielen zu: "Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann ..."
Schleiche allein durch das gewaltige, düstere Treppenhaus ...
Ich sollte abgeholt werden, aber es kommt niemand, es folgt eine ewig lange, eiskalte Nacht in der Badewanne in einem verschlossenen Badezimmer ohne geringste Lichtzufuhr ...
Anders als auf den frühlingshaften Ansichtsbildern habe ich Dunkelheit in Erinnerung, es herrschte ein Angstregiment, es gab keinen Zusammenhalt zwischen den Kindern.
Heute bin ich 61, chronisch soziophob und chronisch depressiv.
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Petra schrieb am 20.12.2021
Tatsächlich habe ich lange überlegt, ob ich meine bruchstückhaften Erinnerungen hier teilen soll: Ich hielt diese Episode meines Lebens für mein Einzelschicksal, das ich halt, als ich es konnte, bearbeitet habe. Es hat etwas gedauert zu begreifen, dass ich diese einschneidenden und prägenden Erfahrungen aus einer Zeit von vor über 50 Jahren mit anderen, mit euch, teile. Die Vereinzelung, wir waren ja Kinder, die sich damals nicht mitteilen oder vernetzen konnten, endet durch diese Art des Öffentlichmachens, zusätzlich öffnet sich eine gesamtgesellschaftliche und politische Dimension, an die ich noch nie gedacht habe.
Beim weiteren Nachdenken kam mir auch der Gedanke, bestimmte Strukturen aus einer schrecklichen Zeit können in verschiedenen Institutionen unbemerkt weiterbestehen, oft auch, weil es noch keine neuen gibt. So wird dann einer nachkommenden Generation etwas in ihr Leben mitgegeben, was eigentlich überholt ist (sein sollte) und was ja etwas mit uns Menschen und unserem weiteren Leben macht, gemacht hat. Es ist mir wichtig, dafür ein Bewusstsein zu schaffen.
Deshalb also erzähle ich:
Ich war vier Jahre alt, als meine Mutter mir eine Kur beim hiesigen Gesundheitsamt "besorgte". Es wurden Vorbereitungen getroffen, wie kleine Etiketten mit Zahlen zu versehen und in die Kleidung und sogar in meine Brille zu kleben, damit später alles mir zugeordnet werden konnte. Als ich begriff, dass eine Kur bedeutete längere Zeit von der Familie getrennt zu sein, bat ich meine Mutter NICHT fahren zu müssen. Ich erinnere mich deutlich, wie sie mir erklärte, es wäre gut für mich, weil ich Keuchhusten hätte. (Das glaubte ich vierzig Jahre lang, bis ich auf Nachfrage von meiner Mutter zu hören bekam: "Du hattest doch keinen Keuchhusten!" Ich wurde also aus einem mir unbekannten Grund verschickt.) An die Eisenbahnfahrt mit einer der Tanten und weiteren Kindern erinnere ich mich vage, Auch die Ankunft im Heim in Bad Sooden-Allendorf ist eher undeutlich und ich kenne den Namen des Heims auch nicht. Meine Erinnerungssplitter von dort sehen so aus:
Ein Mädchen sitzt beim Essen vor einem Vanillepudding und hat Nasenbluten. Ein Tropfen fällt genau auf den Pudding und sieht aus, wie eine rote Kirsche. Es riecht nach Gulasch. Die Wände sind weiß.
Wir sind in einem Mehrbettzimmer untergebracht. Im meinem Bett liegt eine Art Leder, als Schutz für das Bett falls ich einnässen sollte, was ich tat. Ein Mädchen hat dieselbe Brille wie ich. Wenn sie ihre nicht findet, nimmt sie meine. Ich hole sie mir zurück und erkläre ihr, dass ja meine Nummer innen am Nasenbügel klebt. Sie versteht das aber nicht, weshalb ich die Brille öfter bei ihr einfordern muss, was mich sehr verzweifeln lässt. Wir gehen viel im Wald spazieren, ich habe ein "Hänsel-und-Gretel"-Gefühl. Auf einem Spielplatz gibt es ein Spielgerät, an das man sich hängen und drehen kann, es sieht aus, wie ein Fliegenpilz. Wir sitzen in riesigen Holzbottichen beim Baden, es schwimmt ein Köddel an der Oberfläche. Es riecht nach süßlicher Kinder-Zahnpasta. Ich bekomme Windpocken und muss zwei Wochen länger auf Kur bleiben. Ich werde in Quarantäne zu den Nonnen in einem Nebenhaus gesteckt und liege später mit mehreren älteren Jungen in einem Zimmer. Wir hören jeden Tag Lieder von Heintje. Es strengt mich mit Fieber alles sehr an. Mein fünfter Geburtstag fällt in diese Zeit – es muss also Sommer 1967 gewesen sein. Eine Glückwunschkarte meiner Eltern steht auf dem Nachttisch, die Süßigkeiten aus ihrem Päckchen werden geteilt. Ich finde das ungerecht. Eine Nonne wäscht mir die Haare, ich sitze in einer Wanne. Die Nonne wäscht mich, weil ich endlich nach Hause darf. Bei der Ankunft an meinem Heimatbahnhof erlebe ich eine große Ernüchterung: Ich hatte mir meine Rückkehr in meiner Sehnsucht in schillernden Farben ausgemalt, ein warmes Willkommen und das Gefühl wieder geborgen zu sein, bleiben aber aus. Wir gehen durch die Bahnhofsunterführung, wo sich eine große Pfütze gesammelt hat. Und ich denke, das sind all die Tränen, die wir nicht weinen können … Meine Mutter erzählte, ich wäre sehr verschlossen und seit der Kur ihr gegenüber ablehnend gewesen. Mein eigenes Gefühl war, nicht mehr wirklich in die Familie zurückfinden zu können, seither einen Außenblick auf sie zu haben und ein Außenleben zu führen. Diese Abseits-Stellung hat mich später wiederum vor vielen anderen Dingen in der Familie bewahrt.
Da ich vor der Kur mehrere hochtraumatische Erlebnisse mit Ärzten und bei Operationen hatte, habe ich klaustrophobische Attacken in engen Räumen, das Gefühl von Gefangenschaft, sobald ich in fremden Wohnungen schlafe, immer dorthin verortet, Anders Alpträume in denen Nonnen eine Rolle spielen …
Diese und weitere Erfahrungen haben im meinem Erwachsenenleben zu einem Interesse daran geführt, wie Traumata sich körperlich auswirken, im Körper gespeichert werden und der Körper aus diesem Grund oft nicht "ganz bewohnt" wird. Mir hat – nach langem Suchen und ausprobieren – Atemarbeit sehr geholfen wieder leiblich zu werden und ich habe mich zur Atemlehrerin ausbilden lassen.
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Michael aus Düsseldorf schrieb am 20.12.2021
Ich wurde im Alter von ca. 7 Jahren zusammen mit einer Schulfreundin zur "Kur" in ein Heim nach Berchtesgaden geschickt. An das Heim selbst kann ich mich kaum noch erinnern, nur nach an relativ vieol dunkles Holz, einen Schlafsaal und den großen Esssaal. Es gab Esszwang und wer nicht aufaß musste so lange alleine vor seinem Teller ausharren bis er das Essen heruntergewürgt hatte. Meine Mutter schreib mir täglich eine Postkarte oder einen Brief. Die Post wurde mir häufig vorenthalten. Wenn ich zurückschrieb wurde dies auch kontrolliert. Ein Päckchen mit Süssigkeiten wurde mir bis auf einen Schokoriegel vorenthalten. Als ich mich eines Nachts erbrach wurde ich in dem Erbrochenen liegengelassen und musste es selbst wegmachen. Die Schwestern waren alle sehr streng, unfreundlich und hart. Es gab eine nette Schwester die den Kindern auch mal half und liebevoll mit ihnen umging wenn die anderen Schwestern nicht dabei waren. Sie hieß Rita. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Es wäre toll, wenn sich weitere Betroffene aus dem Heim finden würden, die evtl. zur gleichen Zeit dort waren und sich eventuell auch an Schwester Rita erinnern.
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Gabi E schrieb am 20.12.2021
Ich war für 6 Wochen im Sept/Okt 1962 im Erholungsheim Dr. Ewald in Wüstensachsen/Röhn. Unsere Krankenkasse war die Barmer Ersatzkasse BEK. Eigentlich mußte ich nur dort hin, weil meine Mutter für 4 Wochen zur Kur kam und mein Vater arbeitete und nicht einen Erstklässler versorgen konnte. Daß ich zu dünn war, wurde als offizieller Grund genannt.
Das Essen war unheimlich viel: 1 Teller Suppe und 2 Teller Hauptgericht am Mittag. Das war natürlich viel zu viel und so erbrach ich Vieles, mußte aber alles aufessen und so lange am Tisch sitzen bleiben, bis der Teller leer war. Das Erbrochene mußte ich selber aus meiner Kleidung waschen, was mir mit dem kalten Wasser wohl nicht gut gelang, denn mein Koffer stank noch sehr danach, wie mir meine Mutter später erzählte. Gut schmeckte mir das Bircher Müsli und der Zwiebel-Quark, schrecklich war die Schokoladen Suppe und die Buttermilch, die es nachmittags im Garten gab. Einmal wagte ich es, die Tasse mit Buttermilch in den Bach zu kippen und kam mir ganz großartig vor, daß es keiner gemerkt hatte.
Mr. King, ein Engländer, der eigentlich für die Jungen zuständig war, kam immer wieder zu uns Mädchen und drohte, wir müßten zu den Jungen auf die Etage zum Schlafen, wenn wir nicht mucksmäuschenstill blieben. Das hat mir große Angst gemacht und ich überlegte mir, wie ich mich wehren könnte, wenn ich geholt würde. Einmal war es so weit und ich schrie aus Leibeskräften, so daß ich in meinem Zimmer bei den anderen Mädchen bleiben durfte.
Ich meine auch, daß wir im Waschraum mit einem Schlauch kalt abgespritzt wurden, was für ein dünnes Kind nicht gerade schön ist.
Zu meinem 7. Geburtstag kam ein Päckchen von meinen Eltern, aus dem mir nur Einzelnes zugeteilt wurde. Ob ich alles bekommen habe, weiß ich nicht. Einmal in der Woche wurde nach Hause geschrieben, nicht immer gefiel dem Personal was ich schrieb und so mußte ich mehrfach neu schreiben. Trotzdem kamen meine Briefe mit Anmerkungen vom Personal an, wie meine Mutter später erzählte. Es wurden viele größere Spaziergänge gemacht, die mir Freude machten, da ich eine Freundin in der Zeit gewonnen hatte mit der ich Spaß hatte.
Weitere Erinnerungen habe ich nicht an diese Zeit. Ich weiß nicht, ob mich diese Zeit geprägt hat, aber vielleicht bin ich dadurch aufmüpfig geworden und lasse mir nicht alles gefallen.
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Tanja aus München schrieb am 19.12.2021
Ich war im Jahr 1972 oder 1973 für 6 Wochen im Winter im Kinderkurheim Lorenzen. Ich war 6 oder 7 Jahre alt. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, allerdings wirklich nur positiv. Die Anreise war lang, aber auch von sehr netten Betreuerinnen begleitet (ich weiß nicht mehr, ob das auch die selben Damen waren, die dann im Kurhaus für uns da waren). Wir hatten sehr nette und lustige "Tanten" (Namen weiß ich nicht mehr), die größeren Mädchen, die auch in der Kur waren, haben uns keinere Kinder auch verwöhnt und ich habe mich sehr wohl gefühlt. Wir hatten sehr gutes Essen. Ich war eine schlechte Esserin (Kurgrund) und habe dort zum ersten mal wirklich sehr gerne und ausreichend gegessen. Man durfte immer nachnehmen, ich habe nie hungern müssen dort. Wir wurden nicht zum Essen gezwungen und ich kann mich auch nicht erinnern, dass ein anderes Kind in meiner Gegenwart, wie auch immer, misshandelt wurde. Der Umgangston war sehr freundlich und lieb. Ein paar mal hatte ich Heimweh, dann durfte ich auch daheim anrufen und wir durften auch telefonieren, wenn die Eltern/ Großeltern uns angerufen hatten. Wenn Post von daheim kam wurde sie den Kleineren vorgelesen und wenn wir nach Hause schreiben wollten, hat man uns dabei geholfen, denn es waren viele Erst- und Zweitklässler dabei. Ich habe noch meine Briefe und Karten, die allesamt sehr froh klingen. Die Zimmer waren hübsch. Das Wasser zum Waschen und duschen war zwar kalt, aber wir hatten Spaß und lachten, wenn wir uns duschten. Niemand wurde zwangsweise unter kaltes Wasser gehalten. Es sollte wohl der Abhärtung dienen, kalt zu duschen, also das wäre vielleicht das einzige, wo ich sagen könnte, es könnte in Richtung Misshandlung gehen, aber wie gesagt, eigentlich war es eine lustige Stimmung im Bad. Mein Taschengeld durfte ich ausgeben. Ich weiß zwar nicht mehr, was ich gekauft hatte, aber ich weiß sicher, dass wir alle zusammen beim "shoppen" waren, in den Läden und am Markt in St. Peter Ording. Als nach 6 Wochen die Kur zu Ende war, war ich wehmütig, weil ich mich dort so wohl gefühlt hatte. Natürlich freute ich mich auch auf zu Hause. Auch heute noch denke ich gerne an die Zeit dort zurück, an die tollen Ausflüge ans Meer, durch Wälder und den Ort. Also, zumindest zu dieser Zeit war das Haus Lorenzen spitze! Es tut mir für alle Kinder, die vor oder nach mir dort waren leid, die evtl. auch dort schlimme Erfahrungen machen mussten. Ich bin sehr froh darüber, dass es mir dort sehr gut erging, denn ich war ein sehr unsicheres und schüchternes Kind. Eine schlechte Behandlung wäre für mich bestimmt sehr schlimm gewesen.
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Jo aus Schwäbisch Gmünd schrieb am 19.12.2021
Ich wurde 1975 oder 1976 vom Bahnhof in Schwäbisch Gmünd mit einem Bus, in ein Heim verschickt .Denke das die fahrt nach Berchtesgadener Land ging. Wahrscheinlich damals über die Arbeiterwohlfahrt. In meiner Erinnerung war das Haus alleine auf einer Wiese gestanden sehr ländlich. Abends hatten wir mal um ein Feuer herum gesessen und das Lied gesungen :Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad. Vielleicht ist ja auch jemand von Schwäbisch Gmünd oder Umgebung mit dem Bus in ein Heim verschickt worden. Hoffe es findet sich jemand der mehr über den Aufenthalt oder das Haus berichten kann. Vielen Dank
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Michael Di aus Fulda schrieb am 19.12.2021
Meine Erfahrung mit Karlshafens Kuraufenthalt 1961/62. Da war ich 6 Jahre alt.

Ich sollte unbedingt zur Kur so hatte es meine Mutter gewünscht, denn ich war nach ihrer Meinung einfach zu dünn und wog nicht viel für mein Alter. Was man mir oben reinstopfte blieb einfach nicht in den Hosen drin, wie man so sagte. Da meine Mutters Eltern damals damit gute Erfahrungen gesammelt hatten an solch einer Aufpeppelkur, tat man sich’s einfach und fragte nach wo denn in der Nähe von Sontra ein solche wäre. Karlshafen wurde so für mich 4 Wochen die Hölle auf Erden. Es sollten ursprünglich 6 Wochen werden, die dann aber wegen meines Naturells sehr Fettes Fleisch auszubrechen. Dabei stromerte ich zu Hause den ganzen Tag im Wald herum. Hatte einen mächtigen Hunger aber es nutzte nix. Die Kalorien die ich oben rein stopfte blieben nicht bei mir. Also, wurde hier nachgeholfen, auch weil es der damalige Arzt so betrachtete denke ich. 4 Wochen Erbsensuppe mit Speckzulage. Fettes Essen was es an Masse scheinbar jeden Tag in Karlshafen gab. Ich konnte diese Erbsensuppe schon von weitem riechen. Selbst draußen auf dem Exerzierplatz vor dem wir immer antreten mußten vor dem weißen großen Haus. Ich ekelte mich einfach zu sehr an der Schwabbelmasse, am Speck, an dem man noch hin und wieder die Haare zählen konnte. Einfach nur ekelhaft! Zum Frühstück schon Leberwurst zum Abwinken und dann immer und immer wieder diese erbärmliche Erbsensuppe, die ich massig wieder rausbrach sobald ich nur ein wenig von aß. Irgendwann ging dann gar nix mehr. Ich kotzte mich fast zu tode. Den Flur zur Toilette war voll vom Gebrochenen das ich dann auch noch aufputzen mußte und mich garantiert nochmals erbrach. Zur Strafe gab es am nächsten Tag wenig bis nüscht. Nur zu trinken, so viel ich mich noch erinnern kann. Irgendwann knipste ich mein Bewußtsein hierfür aus. Ich wurde nach ca. 4 Wochen untherapierbar wieder nach Hause geschickt. Dort machte mein Vater meiner Mutter schwere Vorwürfe wegen meines Zustandes und wir besuchten erst mal unseren Hausarzt. Der war ebenfalls entsetzt und wollte mich in ein nahegelegendes Krankenhaus einweisen, weil man dachte ich würde sterben, so dünn muß ich damals wohl gewesen sein. Durchs Mutter’s Hausmannskost und intensives Handeln meiner Oma, die auf mich mit Argusaugen aufpasste, dass ich immer was zu futtern bekam ging’s dann mit der Zeit. Viele Einträge die ich hier lese decken sich mit denen die ich auch gemacht habe deswegen möchte ich nicht nochmals drauf eingehen. Ich verdränge diese Zeit immer noch und es ist auch gut so!!! Dunkelkammer lernte ich auch kennen! Einmal in der Woche gab es diesen Badetag. In Holzfässern ähnliches Bad in dem man geschruppt wurde. Ich fand es damals als sehr unangenehm so nackig mit zig anderen sich die Haut zu schruppen. Mehr weiß ich leider oder gottseidank nicht mehr. Die Ordensschwester waren nicht gerade zugänglich, eher eiskalt, sympathisch wie ein Stein. Das alles machte mir als 6 Jähriger doch recht viel Angst. Ich glaube auch öffters in die Hose gemacht zu haben. Dafür wurde man natürlich bestraft. Ich war froh wieder zu Hause zu sein!
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Viney aus Bad Kreuznach schrieb am 19.12.2021
Es war das Jahr 1972 als ich wegen meines Bronchialasthmas nach Bad Kreuznach verschickt wurde. Ich war 7 Jahre alt. Teils erinnere ich mich an die Hin- und Rückfahrt der Verschickung und an das Salamibrot, was als Proviant mitgegeben wurde.
Am meisten aber erinnere ich mich in bestimmten Momenten an die Grausamkeiten, die mir durch die Schwestern widerfuhren.
Als ich z.B. wegen Heimweh weinte, wurde mir mit Schlägen gedroht. Aber das war nur der Anfang am ersten Tag meiner Ankunft abends. Als ich beim Essen vor Angst erbrach, weil ich in dem Speisesaal dem Jungen, der mit seinem Rücken zu mir saß und sich fröhlich zu mir drehte und plötzlich von einer Schwester aus Wut, weil er offenbar für sie nicht still genug da saß, an den Haaren gezogen und auf seinen Kopf gehauen wurde bis er heftigst zu weinen anfing, musste ich zugleich als Strafe mein Erbrochenes aufessen, sonst drohten weitere Strafen, auch mit Schlägen. Allerdings gab es eine Schwester an der ich mich „festhielt“ und die, wenn sie Dienst hatte sich um mich schützend kümmerte. Jeder Tag an dem diese Schwester nicht anwesend war, war ein Tag voller Angst.
Diese Traumatischen Erlebnisse deckten sich in meiner Ausbildung zum Kurzzeit Therapeuten auf. Einen Teil dieser Kur konnte ich mittlerweile verarbeiten, aber es gibt immer noch Momente aus dieser Zeit, selbst nach knapp 50 Jahren, die mich mit ihrer entsprechenden Wirkung heimsuchen. Vielleicht gibt es hier noch andere, die auch in Bad Kreuznach in diesem Jahr waren. Und die auch noch mit ihren Erinnerungen zu tun haben. Über einen Austausch würde ich mich freuen.
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Jana aus Potsdam schrieb am 19.12.2021
Bisher dachte ich, meine mittlerweile über 40 Jahre zurückliegenden Kur-Erinnerungen seien eine Einzelwahrnehmung. Durch einen Artikel über „Verschickungskinder“ wurde ich darauf aufmerksam, dass meine Erfahrungen alles andere als ein Einzelschicksal sind.
Mir bzw. meinen Eltern wurde vor meiner Einschulung zweimal aufgrund einer chronischen Bronchitis von der Kinderärztin eine Kur empfohlen. Die zweite Kur war vom 25.06. bis 20.07.1979 (ich war 6 Jahre alt). Es existiert sogar noch ein Gruppenbild aus dieser Zeit - die darauf zu sehende „Betreuerin“ ruft noch heute ein großes Unbehagen in mir hervor.
Ich erinnere mich an schreckliche Nächte voller Heimweh mit vielen Kindern in einem großen Schlafsaal, in dem wir uns absolut still zu verhalten hatten. Sogar weinen war untersagt. Keine persönlichen Worte, keinerlei Zuwendung. Wir mussten unsere Bettdecken in Form einer offene Halbkugel über den Kopf ziehen, damit wir die beiden jeweils in den Betten neben uns liegenden Kinder nicht sehen und mit ihnen reden konnten. Die gesamte Nacht saß eine Aufsichtsperson im Saal, die regelmäßig Kontrollgänge zwischen den Betten durchführte.

Gegessen wurde in einem großen Speisesaal und es musste IMMER alles aufgegessen werden. Nie werde ich vergessen, dass ich gefühlt unendlich lange allein am Tisch sitzen bleiben musste, weil ich keine Tomaten aß, meine Eltern dies aber angeblich nicht vorab mitgeteilt hatten. Mir wurde wortwörtlich gesagt, dass ich erst aufstehen dürfe, wenn ich die auf dem Teller befindliche Tomate gegessen hätte.
Insgesamt erinnere ich mich an ein extrem starkes Heimweh, viel Angst und insgesamt das Gefühl, dass die Kur nicht Hilfe bei einer Erkrankung, sondern „Bestrafung“ war.
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Silvia aus Stuttgart schrieb am 18.12.2021
War jemand aus Baden-Württemberg dort.
Ich lebte damals in Rottenburg am Neckar.
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Christoph schrieb am 18.12.2021
Das Leben ist kein Ponyhof!
Viel ist mir nicht in Erinnerung geblieben von damals. Einzelne Begebenheiten sind gestochen scharf und so präsent, als wären sie gestern passiert. Vieles bleibt als vages Gefühl, sehr vieles ist verschwunden, vielleicht verdrängt?
Außer der Erinnerung bleiben vier gestellte Fotos und zwei von den „Tanten“ geschriebene Postkarten. Das, und ein lebenslanges Gefühl, dass ich irgendwie anders bin, ist das, was mir von diesen sechs Wochen im Februar und März 1972 im Kindererholungsheim Ponyhof in Schönau im Berchtesgadener Land geblieben ist. Mein einziger Kommentar zu den wenigen Fotos und Postkarten war fast 50 Jahre lang, dass es in dieser Kur ganz schrecklich war. Mehr habe ich nie erzählen wollen.
Aber der Reihe nach. Eine Ahnung ist noch da, dass ich aufgeregt und voller Vorfreude war, als meine Eltern mir die 6 Wochen auf dem Ponyhof ankündigten. Die Idee 6 Wochen ohne Eltern oder Geschwister zu sein, hat mir wahrscheinlich keine große Sorge gemacht. Pferde und Ponys waren meine erklärten Lieblingstiere. So wie andere Kinder ihren Stoffteddy mit sich herumschleppen, hatte ich ein kleines und ziemlich abgewetztes Stoffpferdchen.
Die lange Reise von NRW bis nach Berchtesgaden, die Ankunft im Kinderheim, die anderen Kinder, die „Tanten“, die Schlaf- und Essenssäle, an all das habe ich keine Erinnerung mehr. Es fehlt auch jede Erinnerung an gemeinsames Spielen mit anderen Kindern. In der ersten Nacht hatte ich mich eingenässt und wurde am Morgen dafür laut von der „Tante“ beschimpft und vor allen Kindern bloßgestellt. Das passierte leider noch öfter und ich wurde immer wieder bloßgestellt und immer weiter isoliert. 
Irgendwann bin ich wohl krank geworden, Mumps hieß es später. Tatsächlich hatte ich einige Jahre später nochmals Mumps und wäre damit eines der wenigen Kinder, die diese Krankheit zweimal bekamen. Das habe ich bis vor Kurzem auch nie angezweifelt, mir fehlt aber jede Erinnerung ans krank sein. In einer der Postkarten schrieb die „Tante“ allerdings, dass ich jetzt wieder gesund sei.
Die anderen Erinnerungen sind schnell erzählt. Ein Ausflug auf dem Königssee zum Watzmann ist mir in Erinnerung, ein Trompeter und das Echo seiner Trompete . Diese Momente habe ich genossen, still für mich und komplett alleine. Keine Erinnerung an ein anderes Kind, mit dem ich Gedanken darüber ausgetauscht hätte.
Dann erinnere ich mich an ein Paket von meinen Eltern und Geschwistern. Süßigkeiten waren darin und auch 10 DM Taschengeld. Beides wurde aber gleich von den „Tanten“ eingezogen. Ich erinnere mich an einen Spaziergang durch einen Ort, bei dem wir an einer Bäckerei vorbei kamen. Es ging auf Ostern zu und die Auslage im Schaufenster war voll mit Ostergebäck. Ein knallroter Osterhase ist mir in Erinnerung geblieben. Den hätte ich mir mit meinen 10 DM Taschengeld kaufen können und ich habe mich sehr geärgert, dass ich an dieses Geld nicht ran kam. Das Geld habe ich natürlich nie wieder gesehen, den Inhalt des Päckchens auch nicht. Auf einer der mir verbliebenen Postkarten bestätigt die „Tante“ trotzdem, dass ich das Paket und das Geld erhalten habe und mich sehr darüber gefreut habe. Kein Wort, wie diese Freude gleich zerstört wurde indem beides konfisziert wurde.
Sehr klar erinnere ich mich noch an die gestellten Fotos, die aus heutiger Sicht den Eltern zu Hause wohl vorspielen sollten, dass alles in Ordnung war. Es hieß, wir gehen zum Fotografieren, Farbfotos sogar, und jeder solle sich etwas Rotes anziehen, weil das besonders gut auf Farbfotos wirke. Zum Foto auf dem Schlitten habe ich dann meinen blauen Lieblingspullover mit rotem Muster angezogen. Beim Fotografieren wurde ich ausgeschimpft, weil es zu wenig rot sei und bekam kurzerhand die rote Pudelmütze eines anderen Kinds aufgesetzt.
Für die drei Fotos mit dem/den Pony(s) habe ich dann einen eigenen knallroten Pullover getragen, den ich eigentlich nicht mochte. Alle Fotos wurden nach dem selben Schema fotografiert, außerhalb des Sichtbereiches eine lange Schlange Kinder, auf dem Foto dann nur ein Kind, das ein Pony hält, auf ihm sitzt, oder auf einer Kutsche sitzt. Das waren in 6 Wochen die einzigen Kontakte mit einem Pony auf dem „Ponyhof“. Trotzdem erinnere ich mich an diese Momente, so nah bei meinem Lieblingstier war ich vorher noch nie und auch lange danach nicht mehr. Auf den Fotos wirke ich glücklich und war es in diesem einen kurzen Moment tatsächlich.
Rückblickend und in dem neuen Wissen, dass ich die Verschickung nicht alleine so erlebt habe, sehe ich heute, wie mich dieses Erlebnis meinen Eltern entfremdet hat und in mir dieses Gefühl verursacht hat, anders zu sein, nicht richtig zu funktionieren, selber schuld an meiner Situation zu sein.
Das Leben ist halt kein Ponyhof, aber vielleicht war der Ponyhof eine Weichenstellung fürs Leben...
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Annie aus Sylt schrieb am 18.12.2021
Ich war mit 10 Jahren auf Sylt. An sich erinnere ich sehr viele gute Sachen daran, aber es gibt Dinge die mir jetzt im nachinein aufgefallen sind, die mich als jetzt junge Erwachsene schockieren.

Wir hatten sehr strenge Betruer, in einer Gruppe die nur aus Mädchen bestand. Von zu Hause kannte ich es zar angeschriehen zu werden, aber diese strenge war ich nicht gewohnt. Wir mussten uns exact zu verhalten wie man es uns sagte, sonst wurden wir vor der Gruppe Angebrüllt.

Beim Essen durfte es keine Reste geben, wir mussten so lange sitzen bleiben bis alles gegessen war. Was auch immer wir erzählten wurde ins lächerliche gezogen. Wir mussten in Gruppen in der selben Dusche duschen, während wir dabei beobachtet wurden. Lange zeit hielt ich das für normal, wir waren ja alle weiblich. Das stößt mir erst jetzt sauer auf.

Dazu drei sachen an die ich mich erinnere als wären sie gestern passiert. Wir hatten einen Wanderweg, in den dünen, der, so hat man es uns erzählt, ob es stimmt weiß ich nicht, an einem Minenfeld vorbei ging. Um das Gelände war ein Zaun, und ich erinnere mich bis heute an diese panische angst die in mir aufstieg. Ich wollte dort nicht hingehen, also wurde ich gezwungen.

Das zweite: Ich hatte ein Zeckenschutzmittel mit welchem ich mich natürlich eingeschmiert hatte damit ich keine Zecken bekomme. Dieses wurde als "zu stark riechend" empfunden und mir dann weggenommen. Ich meide bis heute hohes Gras und Bebüsche, da ich in den Wochen wo ich mich nicht darauf verlassen konnte geschützt zu sein, konstant auf der Hut war nicht in irgendwelche Gebüsche zu gehen, mich nicht ins Gras zu setzten, etc.

Das was ich bis heute am schlimmstem empfinde, jedoch: Eines der Mädchen mit denen ich befreundet war bekam Fieber und durfte deswegen nicht an einem Ausflug teilnehmen. An stelle einen Erwachenen da zu lassen, wurde darum gebeten das eines der Kinder auf sie aufpasst. Durch das oben genannte war ich diejenige die sich meldete. Wir waren alleine im Gebäude, ohne anlaufstelle, niemanden den man hätte rufen können falls etwas passiert wäre. Wir waren 10 und 11. Die zeit haven wir damit verbracht gesellschafst spiele zu spielen, und bis heute habe ich furchtbare angst davor mit jemandem alleine zu sein der krank ist.

Und jetzt wo ich es so lese, unsere Postkarten wurden uns auch diktiert. Wir mussten sie alle vorlegen damit sie kontrolliert werden konnten. Wenn dort etwas "schlechtes" drauf stand mussten wir sie neu schreiben.
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Ernst aus Osnabrück schrieb am 18.12.2021
Ich war mit 9 Jahren in von Osnabrück aus in dem o. g. Verschickungsheim. Mit mir war damals zufällig (!) ein Mitschüler aus der Grundschulzeit (Björn W. - den Nachnamen möchte ich hier besser (noch) nicht nennen). Vielleicht meldet er sich ja bei mir, denn ich habe leider keinen Kontakt zu ihm.

Leider weiß ich auch nicht, wie das Heim hieß. Ich meine mich daran zu erinnern, dass es in einem Ortsteil (?) Mittelstadt in der Nähe oder eben in Freudenstadt lag. Wer hier weiter ließt und eine Idee hat, wo der genaue Ort gewesen ist, mag mir gerne schreiben.

Ich kann mich noch an eine schöne Zugfahrt dorthin erinnern. Auch war in dieser Zeit sicher nicht alles grauenhaft. Im Gegenteil, ich habe sehr wohl auch, vielleicht überwiegend, positive Erinnerungen. Grauenhaft war ein Erlebnis dahingehend, dass wir bei einer Mahlzeit gezwungen wurden eine Suppe zu essen, in der offensichtlich Maden (!) in großer Menge waren. Nachdem erste Kinder davon tatsächlich gegessen hatten und der erste sich queer über den Tisch hinweg übergeben hatte, wurde uns erlaubt nicht weiter zu essen.

An den Vornamen einer der "Erzieher", der dabei war, kann ich mich (ganz sicher bin ich mir nicht) erinnern, weil es ein französisch klingender Name war. Nach meinem Wissen von heute, würde man den Namen wohl "Henry", oder ähnlich schreiben. Ausgesprochen haben wir den Namen damals ungefähr wie folgt "Aunrie"! Wir haben uns nämlich einen Spaß aus dem Namen gemacht und wenn wir unter uns waren gesagt: Aunrie, Aunrie, kauf dir einen Baggie, Baggie (wie gesagt, hier so die Lautsprache!).

Grauenhaft waren auch die Bestrafungen, wenn wir nachts nicht ruhig waren. Ich kann mich daran erinnern, dass ich selbst mindestens einmal (der o. g. Björn häufiger) mit Schlägen ins Gesicht aus dem Bett geholt wurde und ich dann im Flur mit meiner Bettdecke über dem Kopf sehr lange dort stehen musste. Nach gefühlten Stunden durfte man dann irgendwann wieder zurück in sein Bett.

Auch ich würde mich gerne austauschen, mit Menschen, die sich hier angesprochen fühlen.
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E. Steiner aus Müllheim / Baden schrieb am 18.12.2021
Ich kam zusammen in einem Zug voller hustender, schniefender Jungs mit meinem um 4 Jahre älteren Bruder in das Kinderheim nach Norderney, wurde aber sofort von ihm getrennt. Nach drei Wochen kam ich in das gleiche Haus wie er, war aber in einer anderen Gruppe und sah ihn aus der Ferne dreimal am Tag beim Essen.
Zunächst weinte ich sehr und so lange, wie nie wieder seitdem und bekam so hohes Fieber, dass der Notarzt kommen musste. Ich war aber offensichtlich in einem Haus für "schwere Fälle", aus dem ich drei Wochen (oder zwei?) später in eine "normale", größere Gruppe verlegt wurde. Ich durfte nicht mit meinen Eltern telefonieren, weil ich dann ja noch größeres Heimweh bekommen würde. So sagte man mir.
In meiner Gruppe war ich der einzige Viert- unter Drittklässlern. Die Heimschule war ca. an zwei Vormittagen/Woche. Ich bearbeitete langweilige Arbeitsblätter, weil die Lehrerin sich um die anderen Jungs kümmerte. Immerhin behandelte sie mich - ich würde heute sagen - lieb und respektvoll. Ich gab ja auch Ruhe. Das war dort etwas Besonderes. Ich fehlte meistens, weil ich minimal Fieber hatte. (Über 37,2°C - in meiner Erinnerung - mussten wir den ganzen Tag im Bett bleiben, wo sich niemand um uns kümmerte. Hier lernte ich ganze Asterix-Hefte von anderen Jungs auswendig. Bücher, geschweige denn Fernsehen, gab es nicht. Die Comics kursierten unter den Jungs, wurden aber recht heimlich aufbewahrt, weil wir nicht wussten, was die Schwestern zu Blueberry usw. sagen würden. Wir hatten Sorge, dass man sie wegnehmen würde. Ich - aus "gutem Hause" - hatte natürlich keine und bekam keine geschickt. Auch keine Haribos.)
In meinem Zimmer, dem hausbekannten Lieblingszimmer der Oberschwester, deren Büro nebenan war, lagen nur 6 bis 8 Jungen. Die anderen Zimmer waren sehr viel größer.
In dem Heim waren lauter Kinder aus dem Rheinland, niemand aus Nordwestdeutschland, wie ich. Die meisten kamen wegen Krupphustens und Asthma einmal im Jahr, für etwa 6 bis 8 Wochen. Sie waren alle alt-erfahren. Ich war 13 Wochen am Stück da. Als ich nach Hause kam, sprach ich Kölsch: "Dat jibbet doch jarnich!" Meine Familie lachte mich aus. Ich traute mich tagelang nicht zu reden.
Ich erinnere mich nicht an Freunde, wohl aber zumindest an einen Jungen aus unserem Zimmer, den wir anderen mobbten (Johann Neesen, wenn ich mich richtig erinnere). Das schien niemand zu bemerken, wir anderen hatten unseren "Spaß", Johann dienerte sich uns an. Auf dem Zimmer ging es, aber in der Schule oder dem großen Saal (Essen u. "Spielen" mit kaum vorhandenem Spielzeug) fühlte ich mich einsam. Von meinem wenigen "Taschengeld" kaufte ich mir einen Liter Apfelsaft, den ich so sparsam trank, dass er zu zwei Dritteln verschimmelte. Die Flasche lag in meinem kleinen privaten Fach. Ich dachte viel nach, kam aber zu keinen Ergebnissen. In meiner Erinnerung hielt ich den ganzen Tag den Mund. Wir mussten alle zwei Wochen nach Hause schreiben. Ich wusste nie was. Ich bekam auch Briefe meiner Eltern, kann mich aber nicht an Inhalte oder Emotionen erinnern. Es war ein komisches Gefühl Briefe zu bekommen. Das war etwas für Erwachsene.
Die Schwestern waren streng und autoritär, zu uns aber lieb und lustig, weil wir ja auf dem Lieblingszimmer waren. Alle anderen hatten Furcht, wir aber lebten in der Sonne des glücklichen Schicksals und durften uns mehr erlauben (Vor dem Einschlafen bei ausgeschaltetem Licht noch etwas schwatzen und kichern, morgens als letzte geweckt werden, aber bei der Medikamentenausgabe vorne in der Schlange stehen.
Ich erinnere mich an Unmengen von Medikamenten, Inhalationen und vielen Spritzen.
Wenn es irgend ging, (Aufenthalt von Neujahr bis in den März hinein), gingen wir in Reih und Glied jeden Tag am Strand entlang und durch die Dünen zurück. Ich liebte den Strand und das wilde Meer, durfte aber oft wegen Fiebers nicht mit. Noch heute liegen in meinem Elternhaus die Austernschalen, die ich für die Familie sammelte. Manchmal spielten wir Völkerball. Auch das liebte ich, weil ich so gut war, dass ich mit den Großen mithalten konnte. Die kleinen Jungs wurden sofort abgeworfen und verbrachten das Spiel frierend und oft nass am Rand. Ich war bis zum Schluss drin und stolz darauf.
Nach 9 Wochen fuhr mein Bruder nach Hause. Ich bekam eine Verlängerung von zwei Wochen, weil ich noch nicht gesund wäre. Nun war ich ganz alleine. Nach 11 Wochen wurde beschlossen, dass ich noch zwei Wochen dableiben solle. Die Oberschwester teilte mir das in ihrem "Büro" mit. Und weil man antizipierte, dass ich weinen würde, durfte ich gleich mit meiner Mutter telefonieren. Das war eine absolute Ausnahme, wie mir beteuert wurde. Nun wurde mir hoch und heilig versprochen, dass ich dann nach Hause dürfe (gerade rechtzeitig zu meinem Geburtstag) Ich beschloss, die letzten 14 Tage auch noch zu überstehen. An meinem letzten Tag wurde ich von einem Arzt untersucht. Mein Entlassungsformular lag auf dem Schreibtisch. Niemand ahnte wohl, dass ich auch recht gut kleine Buchstaben auf dem Kopf lesen konnte. Auf dem Formular gab es fünf Kategorien zum Ankreuzen: geheilt, verbessert, gleichbleibend, verschlechtert, verstorben. Bei mir war "verschlechtert" angekreuzt. Ich dachte, dass ich ja noch Glück gehabt hätte, wenn man auch sterben könnte. Ich hatte nicht geahnt, dass ich so kurz davor gewesen bin, erinnerte mich aber an mein Fieber zu Beginn der Zeit.
Bei meiner Abreise, - von den Jungs konnte ich mich nicht verabschieden - , war ich wie benebelt. Ich fühlte nichts, vor allem keine Dankbarkeit, aber irgendwie auch keine Freude auf zu Hause. Ich konnte mir irgendwie gar nicht mehr richtig vorstellen, wie es da war und was mich erwartete und ob ich auch wieder im nächsten Jahr nach Norderney müsse. Man brachte mich auf den Zug, in dem ich alleine fuhr. Ich musste allerdings nicht umsteigen, nur richtig aussteigen.
Ich musste dann nie wieder nach Norderney, weil sich ja glücklicherweise mein Zustand dort angeblich verschlechtert hatte. Tatsächlich ließen meine Beschwerden dann nach etwa 1,5 Jahren von alleine nach. Das war die Zeit, als ich begann in Kaufhäusern Spielzeug und Schokolade zu klauen...
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Marcel schrieb am 18.12.2021
Am prägnantesten und gruseligsten ist eine Erinnerung an die Zeit dort die mir vorkommt als hätte man mit meinem Gehirn und meiner Sexualität experimentiert. Wir mussten den gesamten Zeitraum unseres Aufenthaltes dort uns täglich im Gemeinschaftsraum auf den Boden vor eine große Leinwand setzen. Dann hat man uns ein Musikvideo mit nackten Menschen gezeigt. Wenn ich heute das Lied im Radio höre durchschießt mich ein wahnsinnig schlimmes Gefühl. Es handelte sich dabei um das Lied von „The Beloved - Sweet harmony“. Täglich mussten wir und das ansehen und ich weiß bis heute nicht was das mit meinem angeblichen Asthma zu tun gehabt haben soll.
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Christina aus Niederbayern schrieb am 18.12.2021
Einarmig - das erste woran ich mich erinnere… die Erzieherin mit nur einem Arm… hier als Suchbegriff eingegeben sehe ich sofort zwei Berichte: ja Ute hieß sie, ja Lorenzen war das Kinderheim - ich erinnere mich - noch nicht an alles, aber alles was ich lese, stimmt! Ein Kind hat nachts im Schlafsaal geweint - die einarmige Erzieherin kam herein, konnte das weinende Kind nicht ausmachen - mein Bett war das nächste an der Türe… ich wurde von ihr auf den Flur gezerrt und mußte mich auf die Stufen im Treppenhaus setzen. Es war eiskalt, zugig… die ganze Nacht… ich durfte nicht aufstehen, nicht zur Toilette. Erst als am Morgen am die anderen geweckt wurden, durfte ich aufstehen. Die Duschen waren eiskalt. Ich hatte lange Haare, die nicht schnell genug trockneten - wenn ich etwas sagte, drohte man mir die Haare abzuschneiden. Dann mit nassen Haaren nach dem Frühstück spazieren gehen… In Unterwäsche im kalten Flur in der Schlange anstehen zum regelmäßigen Check, messen und wiegen - Tabletten Einnahme (wofür? Ich hatte zuhause nie regelmäßig Medikamente bekommen…?) … Meine erste Mittelohrentzündung… der Arzt war nett, gab mir Ohrentropfen und einen Wattebausch (aber es gab wohl keine Nachuntersuchung, denn ich erinnere mich noch gut dass ich panisch Angst vor Strafe hatte, als ich nach zwei Wochen den schon leicht angegrauten Watte-Pfropfen irgendwo verloren habe). Ostern - Päckchen von zuhause - was es war weiß ich nicht, denn es wurde unter den Kindern aufgeteilt. Zwangspostkarten nach Hause schreiben - man musste solange Schreiben, bis der Text positiv genug war, damit man sie verschicken durfte… Permanente Angst vor Strafen, physische Gewalt…
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Michael aus Fulda schrieb am 18.12.2021
Karlshafen meine Odyssee mit 6 Jahren

Ich sollte unbedingt zur Kur so hatte es mehr meine Mutter gewünscht, denn ich war nach ihrer Meinung rappeldürr und was man mir oben reinstopfte blieb einfach nicht in den Hosen drin, wie man so sagte. Da meine Mutters Eltern damals im Jandtjalager gute Erfahrungen gesammelt haben, damals noch unter der Reichsflagge, tat man sich’s einfach und fragte nach wo denn in der Nähe ein solche wäre. Karlshafen wurde so für mich 4 Wochen die Hölle auf Erden. Es sollten ursprünglich 6 Wochen werden, die dann aber wegen meines Naturells alles auszubrechen was einfach zu fett und zu wabbelig ausschaute man mir trotzdem versuchte einflößen zu wollen. Dabei stromerte ich den ganzen Tag im Wald herum. Hatte einen mächtigen Hunger aber es nutzte nix. Die Kalorien die ich oben rein stopfte blieben nicht in den Klamotten hängen. Also, wurde hier nachgeholfen, weil man sich vielleicht auch schämte für so ein mageres Kind. 4 Wochen Erbsensuppe mit Speckzulage. Fettes Essen was es an Masse scheinbar jeden Tag gab. Ich konnte diese Erbsenmaschine schon von weitem riechen. Selbst draußen auf dem Exerzierplatz vor dem weißen großen Haus. Ich ekelte mich einfach zu sehr an der Schwabbelmasse am Speck, an dem man noch die Haare zählen konnte die nicht richtig abgebrannt waren. Einfach nur ekelhaft! Zum Frühstück schon Leberwurst zum Abwinken und dann immer und immer wieder diese erbärmliche Erbsensuppe, die ich massig wieder rausbrach sobald ich nur ein wenig von aß. Irgendwann ging dann gar nix mehr. Dann sollte ich zur Strafe auch noch diese ausgebrochene Masse aufessen. Grausam! Ich kotzte mich fast zu tode. Den Flur zur Toilette war voll vom Gebrochenen den ich dann auch noch mühsam aufputzen mußte. Zur Strafe gab es am nächsten Tag nüscht. Nur zu trinken, so viel ich mich noch erinnern kann. Irgendwann knipste ich mein Hirn aus. Ich wurde nach ca. 4 Wochen nicht therapierbar wieder entlassen. Kehrte nach Hause zurück und dort machte mein Vater meiner Mutter schwere Vorwürfe wegen meines Zustandes. Zuerst wollte man mich in ein Klinik stecken, weil man dachte ich würde sterben, so dünn muß ich damals gewesen sein. Durchs Mutter’s Hausmannskost und intensives Handel meiner Oma die aufpasste auf, dass ich immer was zu kauen bekam ging’s dann mit der Zeit. Viele Einträge die ich hier lese decken sich mit denen die ich auch gemacht habe deswegen möchte ich nicht nochmals drauf eingehen. Ich verdränge diese Zeit immer noch und es ist auch gut so!!! Dunkelkammer lernte ich auch kennen!
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Christian aus Hattingen schrieb am 18.12.2021
Ich war als Fünfjähriger im Dezember 68 im "Kinderkurheim Gutermann" weil ich bei der Schultauglichkeitsuntersuchung im Kindergarten als zu schmächtig beurteilt wurde und "Daumenlutscher" war . 6 Wochen weg von zu Hause und nieh wieder in der Familie angekommen.
Abgewöhnen konnten sie mir das Daumenlutschen nicht, auch wenn sie es mit allen Mitteln versucht haben. Bittere Salbe, Fäustlinge bis zu mit beiden Händen am Bett fixiert im Einzelzimmer - stockdunkel. Da war ich dann auch wieder "Bettnässer".
Es gibt blitzartige Bilder und wenige davon sind schön.
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Marianne Schmidt aus Düsseldorf schrieb am 18.12.2021
Ich komme aus Mannheim und wurde im Frühjahr 1958 in das Kindersolebad Haus Hohenbaden in Bad Dürrheim verschickt. Ich habe sehr unschöne Erinnerungen an diesen Aufenthalt, der von Angst und Drill geprägt war. Es war wie ein Kindergefängnis. Wie sollte man da gesund werden. Besonders eine "Schwester" habe ich in Erinnerung wie eine KZ-Aufseherin. Natürlich wusste ich damals noch nicht, was das ist, aber heute steht sie für mich als eine solche, voller Kälte und Hass. Wir waren dem Heimpersonal völlig ausgeliefert. Die Post nach Hause durfte nicht zugeklebt werden - aus gutem Grund! Bin froh, diese Seite gefunden zu haben.
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Michael Dierl aus Fulda schrieb am 18.12.2021
Karlshafen meine Odyssee mit 6 Jahren

Ich sollte unbedingt zur Kur so hatte es mehr meine Mutter gewünscht, denn ich war nach ihrer Meinung rappeldürr und was man mir oben reinstopfte blieb einfach nicht in den Hosen drin, wie man so sagte. Da meine Mutters Eltern damals im Jandtjalager gute Erfahrungen gesammelt haben, damals noch unter der Reichsflagge, tat man sich’s einfach und fragte nach wo denn in der Nähe ein solche wäre. Karlshafen wurde so für mich 4 Wochen die Hölle auf Erden. Es sollten ursprünglich 6 Wochen werden, die dann aber wegen meinem Naturell alles auszubrechen was einfach zu fett und zu wabbelig ausschaute man mir trotzdem versuchte einflößen zu wollen und das mit Gewalt. Ich sollte ein Wonneproppen werden, so, wie das damalige Abbild eines jungen Mädchens auf einer Apfelsaftflasche mit dicken, fetten Backen, so, dass sich meine Eltern sich nicht schämen müßten wenn ich draußen zu gange war. Denn ich würde ja nie richtig was werden, weil ich so ungesund und mager ausschaute und in der kommenden Schulzeit bestimmt auch gehänselt weden. Dabei stromerte ich den ganzen Tag im Wald herum. Hatte einen mächtigen Hunger aber es nutzte nix. Die Kalorien die ich oben rein stopfte blieben nicht in den Klamotten hängen. Also, wurde hier nachgeholfen, weil man sich vielleicht auch schämte so ein abgehungertes Kind zu haben. 4 Wochen Erbsensuppe mit Speckzulage. Fettes Essen was es an Masse scheinbar jeden Tag gab. Ich konnte diese Erbsenfressmaschine schon von weitem riechen. Selbst draußen auf dem Exerzierplatz. Für Andere war das sicherlich was nur für mich eben leider nicht. Ich ekelte mich einfach zu sehr an der Schwabbelmasse am Spreck, an dem man noch die Haare zählen konnte die nicht richtig abgebrannt wurden. Einfach nur ekelhaft! Und zum Frühstück schon Leberwurst zum Abwinken und dann immer und immer wieder diese erbärmliche Erbsensuppe, die ich massig wieder rausbrach sobald ich nur ein wenig von aß. Irgendwann ging dann gar nix mehr. Dann sollte ich auch noch diese ausgebrochene zu meiner Schuld wieder aufessen. Grausam! Ich kotzte mich fast zu tode. Den Flug zur Toilette war voll von meinem Unrat den ich dann auch noch mühsam aufputzen mußte. Zur Strafe gab es am nächsten Tag nüscht. Nur zu trinken, so viel ich mich noch erinnern kann. Irgendwann knipste ich mein Gehirn aus. Ich wurde nach ca. 4 Wochen nicht therapierbar wieder entlassen. Kehrte nach Hause zurück und dort machte mein Vater meiner Mutter schwere Vorwürfe wegen meines Zustandes. Zuerst wollte man mich in ein Klinik stecken, weil man dachte ich würde sterben, so dünn bin ich gewesen. Dann aber gab’s Mutter’s Hausmann’skost und das nicht zu knapp und Oma hatte Argusaugen und passte auf, dass ich immer was zu kauen bekam. Bald schon kam ich wieder zu Kräften. Viele Einträge die ich hier lese decken sich mit denen die ich auch gemacht habe deswegen möchte ich nicht nochmals drauf eingehen. Ich verdränge diese Zeit immer noch und es ist auch gut so!!! Dunkelkammer lernte ich auch kennen!
lg Michael Di
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Michaela aus Kempten schrieb am 17.12.2021
Ich war mit 5 jahren und dann nochmal mit 7 Jahren in einem Heim auf Norderney (großes rotes Backsteingebäude). Ich mochte nie Milchreis oder Grießbrei (hatte ich in der Kur erbrochen). einmal war ich ohnmächtig geworden, lag dann bei der Oberschwester im Büro auf dem Boden, warum weiß ich nicht, denke aber dass es nicht normal ist für ein Kind ohnmächtig zu werden.Ich hatte schreckliches Heimweh. Ich war wohl zu blass und zu dünn und litt an Bronchialasthma, deshalb hat man mich dort fett gefüttert. Ich habe heute noch Ess-störungen und Gewichtsprobleme. Die Erinnerungen sind nur bruchteilhaft.Wenn ich hier Einträge lese kommen kleine Erinnerungen wieder, wie an den Schlafsaal, Speisesaal, die Ordensschwestern....
Ich würde mich gerne austauschen mit Menschen, die vielleicht (ca.) zur gleichen Zeit auf Norderney waren. Habe keinerlei Namen in Erinnerung.
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Manuela aus Forthweg 3 schrieb am 17.12.2021
Liebe Beate,
Ich bin die Heimortkoordinatorin für die Region Tegernsee. Bitte melde Dich bei mir, wenn Du Infos und Austausch zu Gmund am Tegernsee suchst. Es gibt bereits einige Berichte zum Tegernsee von anderen ehemaligen Verschickungskindern. Dir vorerst alles Gute! Manu
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Herfurth-Schällig, Anke aus 42579 Heiligenhaus schrieb am 17.12.2021
Hallo, gibt es jemanden, der auch in diesem Heim untergebracht war? Auch ich hatte schlimmes Heimweh und habe mich vor dem Essen immer sehr geekelt, aber ansonsten sind die Erinnerungen eher diffus. Ich erinnere, dass ich eine "Tante" namens Rosemarie sehr mochte.
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Michael schrieb am 17.12.2021
Ich war im oben angegebenen Zeitraum im Sommer in so einem Kinderheim auf Norderney, für 6 Wochen glaube ich. Meine Mutter war Alleinerziehende und ich hatte lange geglaubt, dass sie mich da hin geschickt hat, weil ich etwas Ungezogenes gemacht habe, denn das Ganze passierte recht plötzlich für mich, ohne Vorwarnung. Ich hatte wahnsinniges Heimweh, schon auf der langen Zugfahrt dahin. In dem Heim passierte vieles, was mir nicht gefallen hat, z.B. das Teller leer essen von Dingen die ich nicht mochte. Wir hatten aber auch viele nette Ausflüge an den Strand, zum Leuchtturm, etc. Zwei sehr schlechte Vorfälle blieben mir in Erinnerung:
1. wir mussten Mittagsschlaf machen. Ich musste groß auf das Klo, hatte aber Angst, mich zu melden. Da beschloss ich, einfach in die Unterhose zu machen und es später auszuleeren. Das hat aber die Aufsichtsperson offensichtlich gerochen - was für mich total verwunderlich war, denn wie sich mir später offenbarte habe ich keinen Geruchssinn (!) - , mich aus dem Bett gezerrt, in die Dusche gestellt und mit einem Schlauch von oben bis unten abgespritzt. Kann gut sein, dass es auch ein paar - nennen wir es mal vorsichtig - Klapse gab.
2. Es gab eine Frau als Aufsichtsperson, die hatte an einer Hand nur drei Finger. Sie hat uns erzählt, dass ihr Vater die anderen abgehackt hat, weil sie ungezogen war ... das hat mich natürlich total geschockt.
Soweit mein Bericht, diktierte Postkarten gab es übrigens auch.
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Katja schrieb am 17.12.2021
Ich war, zusammen mit meiner Zwillingsschwester in Greiz, 1991, da wir zu dünn waren für die Schule. Uns kam es beiden vor, als wären wir nur 1 Tag dort gewesen. Unsere gemeinsame Erinnerung ist nur, dass wir eingenäßt haben und dann vor Heimweh geweint haben und wieder nach Hause durften. Meine Erinnerung ist schwarzweiß, obwohl ich andere Erinnerungen aus diesem Alter alle in bunt habe, wir waren 6 Jahre alt und ich erinnere mich an viele lange Szenen sogar von Jahren davor ... also wieso denken wir, dass es nur 1 Tag war und warum ist es nur ein schwarzweiß Bild in unserer Erinnerung. Meine Mutter weiß nur, dass wir nicht -wie geplant- zugenommen, sondern abgenommen haben und mit vielen uringetränkten Strumpfhosen wieder zurück kamen. Außerdem las ich nun schon in einigen Berichten von Milchreis, den man zu Hauf essen musste und ich habe einen ganz schlimmen Ekel vor diesem Gericht und mag auch sonst nichts mit Milch, am schlimmsten warme Milchspeisen. Ich habe noch den Geruch in der Nase, manchmal erinnere ich mich an das gruselige Gefühl dort, wenn ich ihn in alten Krankenhäusern rieche zum Beispiel. Vielleicht war es in dieser Zeit nicht mehr so heftig, wie in den Jahren davor, traumatisiert hat es aber sicher. Ich bin ein Mensch mit gravierenden Angststörungen und war auch schon in Therapie deswegen. Bisher hatte ich es eher auf meine frühkindlichen Operationen mit Krankenhausaufenthalten 1990 und 1992 geschoben. Doch nach den vielen Berichten glaube ich, dass es auch mit diesem Erlebnis zusammen hängen könnte. Mit Verlustängsten habe ich auch stark zu kämpfen, als Partnerin uns Mutter. Ich erinnere mich fast immer an meine Träume und habe mindestens 1 mal die Woche Albträume mit Gewalt oder Verlust als zentrales Thema. Vielleicht findet sich jemand mit mehr Erinnerungen an diese Zeit an diesem Ort...
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Geg schrieb am 17.12.2021
Danke Frau Röhl für die Möglichkeit, dass ich mir von der Seele schreiben kann, was ich schon fast ein Leben lang mit mir rumschleppe. Ich habe einige Zeit gezögert alles aufzuschreiben.

Meine Eltern sind verstorben und ich bin allein auf meine Erinnerung angewiesen, die teils sehr klar, teils auch verschwommen ist.

Es war etwa 1963 und ich war 10 Jahre alt, ein normaler Junge mit normalem Elternhaus. Seit mehreren Jahren litt ich an einem juckenden Hautekzem, im Winter an Hals, Armbeugen und Handgelenken, im Sommer an den Kniekehlen durch Wiesengräser. Häufig kratzte ich mich blutig. Heute würde man es vielleicht als Neurodermitis diagnostizieren. Unser Hausarzt riet schließlich zur Kur in einem Reizklima, entweder in den Alpen oder an der Nordsee. Die Wahl, auch meine, fiel auf die See.

Ich kam ins Christliche Seehospiz Norderney, etwa sechs Monate, einen gesamten Winter, eine gefühlte Ewigkeit. Meine Mutter brachte mich hin. Anfangs ging es nur um zwei oder drei Monate.

Das Seehospiz lag an einer Straße, die längs über die Insel führte, östlich außerhalb der kleinen Stadt. Die Wohngebäude, links von der Straße zum Meer hin, waren zweigeschossige Backsteinbauten. Die Fenster im Erdgeschoss waren vergittert.

Als erstes bekam ich meine Fix-und-Foxi-Hefte abgenommen. Comic-Hefte waren strikt verboten. Die Betreuerinnen musste ich „Tante“ nennen, ziemlich übergriffig wenn ich an meine liebe Tante zu Hause denke. Die ranghöheren Aufseherinnen wollten Schwester genannt werden.

Der Speisesaal war im Erdgeschoss. An das Essen kann ich mich nicht erinnern. Es muss wohl weder besonders ekelhaft noch besonders lecker gewesen sein. Während der Mahlzeiten herrschte Sprechverbot. Wer beim Plappern erwischt wurde, musste zur Strafe stundenlang Kirchenlieder auswendig lernen während die anderen Abendfreizeit hatten. Während meiner Zeit habe ich keine Prügelstrafen beobachtet oder ich kann mich nicht daran erinnern.

Die Schlafsäle waren im Obergeschoss, entlang eines Mittelgangs an dessen Ende sich das Aufsichtsbüro befand. Alle Zimmer waren nachts offen. Die Aufsichtstante konnte so die Kinder kontrollieren, wenn sie verbotenerweise nachts auf die Toilette schleichen wollten. Gepinkelt wurde in Nachttöpfe. Jeder hatte seinen eigenen unter dem Bett. Ich lag anfangs in einem Sechsbettzimmer. Alle hatten Heimweh, die Älteren weinten nachts nur manchmal. Mein Bettnachbar war etwa vier Jahre jünger, weinte nachts stundenlang und pinkelte häufig ins Bett. Er sagte auch mal, dass er nicht mehr leben wolle. Er tat mir herzzerreißend leid. Ich versuchte ihn zu trösten.

Die Fenster im Schlafgeschoss ließen sich nachts nicht öffnen. Wohl damit niemand auf die Idee käme nachts auszubüxen, also sich irgendwie abzuseilen. In Stadtrichtung links gegenüber dem Jungentrakt war der Mädchentrakt. Sie waren ebenso eingeschlossen wie wir. Manchmal winkten wir uns abends zu. Auf dem Gelände wurden wir strikt getrennt gehalten.

Es gab nur eine Ausnahme. Das war die Klippschule, die in einem kleinen Haus zwischen den Quartieren und den Dünen lag. Dort wurden wir mit den Mädchen gemeinsam unterrichtet. Es gab nur eine Schulklasse für alle Altersstufen, etwa zwei Stunden lang am Vormittag. Vielleicht täglich, vielleicht zwei Mal pro Woche, ich weiß es nicht mehr. Die Lehrerin war nett, anders als die Aufseherinnen. Gelernt habe ich fast nichts. Sie beschäftigte sich hauptsächlich mit den Jüngeren und Zurückgebliebenen. Schulisch für mich reine Zeitverschwendung. Ich machte mir Sorgen um meine Versetzung nach der Rückkehr. Hat aber dennoch geklappt. Ich war halt schon vorher gut in der Schule.

Täglich wurden wir in Zweierreihen zu Fußmärschen ausgeführt, bei jedem Wetter, gemeinsam mit den Mädchen. Wenn es in die Stadt ging wurde die Route so gelegt, dass wir nicht nahe an Briefkästen vorbeikamen. Es war strengstens verboten Briefe einzuwerfen. Wer dabei erwischt wurde, musste abends Kirchenlieder auswendig lernen. Es herrschte praktisch Kontaktverbot mit der Außenwelt. Wir durften nur von der Anstaltsleitung zensierte Briefe verschicken und empfangen. Jede JVA ist heute nachrichtendurchlässiger als damals diese Kinderinternierung!

Die Einheimischen im Städtchen konnten beobachten wie Kinder beim verbotenen Posteinwurf gemaßregelt wurden. Von ihnen konnten wir keine Hilfe erwarten. Ihr Schweigen ist für mich eine Mittäterschaft. Mein Groll auf diese „braven Bürger“ begleitet mich nun schon seit Jahrzehnten.

Vor einigen Jahren lernte ich unfreiwillig eine Gruppe älterer Norderneyer näher kennen. Sie fragten mich, warum ich denn nicht mal auf ihre schöne Insel kommen wolle. Ich sagte ihnen, dass ich schon mal da war, in meiner Kindheit und erzählte ihnen von meinem schlimmen Heimweh damals und wie ich inhaftiert war. Sie taten das als belanglos ab, es sei ja schon so lange her. Vielleicht sind heute nicht alle Norderneyer so kaltherzig, jene die ich kenne aber schon.

Die (pseudo?)medizinische Versorgung fand täglich durch Eincremen statt. Wir wurden einzeln nackt auf einen Hocker gestellt und mit einer Salbe behandelt, möglicherweise Zinksalbe. Die aufgekratzten Stellen wurden verbunden. Nach etwa drei Monaten zeigte sich bei mir kaum Besserung. Mein Aufenthalt wurde um drei Monate verlängert. Meine Mutter durfte mich besuchen. Sie konnte mir aber nicht helfen. Dazu war sie zu autoritätsgläubig. Später zu Hause plagte sie offenbar ein schlechtes Gewissen. Ich wurde ziemlich verhätschelt.

In der zweiten „Halbzeit“ wurde ich auf ein Siebenbettzimmer am Ende des Aufsichtsflurs verlegt, zu den etwas älteren Jungs. Wir konnten dort nachts ungehört miteinander tuscheln und Schabernack treiben. Manchmal lagen wir zu dritt in einem Bett und rieben uns aneinander. Der Körperkontakt tat uns gut in dieser kalten Einöde.

Fairerweise berichte ich auch von zwei positiven Dingen. Im Salzwasser-Wellenbad, das wir etwa wöchentlich besuchten, bin ich das erste Mal geschwommen. Die Bewegungen konnte ich schon vorher, war aber zu Hause im Süßwasser-Schwimmbad immer untergegangen.
Mein Hautausschlag war nach einem halben Jahr geheilt. Ich durfte nach Hause. Vor meiner Zeit im Heim war ich ein fröhlicher, herumtollender Junge, danach eher ein vorsichtiger Duckmäuser, der Auseinandersetzungen aus dem Weg ging.

So früh wie möglich, nämlich mit 14 Jahren, bin ich aus der Kirche ausgetreten. Mein persönlicher Protest dagegen, dass eine grausame Kinderhaftanstalt sich „christlich“ nennen durfte. Wäre ich religiös, wäre das für mich Gotteslästerung. Manchmal stelle ich mir vor, dass ein Orkan die Teufelsinsel in zwei Teile teilt, genau an der Stelle vom Seehospiz. Ja, so kalt kann es einem im Herzen werden, wenn man sich an diese grausamen Menschen erinnert.
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Anne schrieb am 17.12.2021
Hallo, ich war in meiner Grundschulzeit mit Gewalt nach Berchtesgaden in eine graue Burg / auf einem Berg verschickt worden. Ich weiß keinen Namen. Es war so furchtbar wie die meisten hier schreiben, dass ich einfach nur schreien könnte. Wer war auch in Berchtesgaden auf einem Berg weg gesperrt? Ich erinnere mich nur, dass es auswärts war, oben, wie eine Burg. Es waren haufenweise Kinder dort gefangen, Terror, Angst, Schläge, Schreien, Wegsperren etc. Traumata den ganzen Tag und die ganze Nacht. Es war ca. 1986, ich war ca. 7 Jahre alt. Wem sagt dieses Heim etwas? Ich habe so viel Schlimmes dort gesehen als Kind.
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Aksel Brandt aus Kiel schrieb am 17.12.2021
Durch Zufall las ich im web von dieser Initiative. Bis dato dachte ich, das würde nur mich betreffen - aber es gibt mehr von uns ...
1979 fand in unserer Dorfschule eine schulärztliche Untersuchung statt. Die alte Schulärztin fertigte uns im Akkord ab, ich war ihr zu dünn ->ab nach Weilheim.

Ich war 11 Jahre alt und der Wechsel aufs Gymnasium stand bevor, als ich meiner Sommerferien und -schlimmer- meiner Menschenwürde beraubt wurde.
Die Aufseherinnen mußten wir mit "Tante" anreden. Mein skandinavischer Vorname wurde 6 Wochen lang verhohnepipelt. Die Briefe nach Hause wurden erzwungen, aber zensiert. Las die "Tante" etwas, was ihr ehrenrührig erschient, so wurde man zur Anstaltsleiterin geprügelt. Die schlug zwar nicht, hatte aber andere Methoden kleine Kinder unbarmherzig unter Druck zu setzen.
Es gab auch eine Art Nachtwächterin, die alles hasste, was nicht katholisch war. Schlechte Aussichten für einen norddeutschen Jung. Diverse (unzählige?) Nächte, die ich im Schlafanzug frierend auf einer Holzbank hockend neben ihr verbringen mußte. Schlafentzug. Fielen mir doch die Augen zu, so schlug sie ohne Vorwarnung zu.
Und für das richtig Grobe gab es noch Toni, einen jungen Jugoslawen (<- der Ausdruck war damals noch politisch korrekt) der auf dem ehemaligen Gutshof arbeitete.
Eine "Tante" mußte bloß Toni rufen und auf ein Kind zeigen und er schlug mit einer Mischung aus Karateschlag und Ohrfeige zu, daß man das Gefühl hatte, es würde einem der Kopf abgerissen. häufig war man minutenlang besinnungslos und nicht ansprechbar. Ich war von zu Hause aus die typische familiäre Gewalt der 70er Jahre gewöhnt - Weilheim toppte alles!
Wir wurden kaserniert in Schlafsälen untergebracht, mußten in 2er Reihen marschieren und dazu im Takt alberne bayrische Volkslieder singen. Freie Zeit, freie Bewegung oder gar freies Reden mit den "Mitgefangenen" war nicht vorgesehen und wurde bestraft.
Bayern ist für mich eine No-Go-Area, wenn ich bayrischen Dialekt hören muß, schrillen alle Alarmglocken, ich verlasse fluchtartig den Raum - wenn es geht ...
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Efried schrieb am 17.12.2021
Gibt es zu diesem Heim Erfahrungsberichte? Anscheind erfolgte dort eine Maserninfektion und die Trennung von den Eltern war traumatisch.
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Melanie aus Berlin schrieb am 17.12.2021
Ergänzung:
Ich habe bis heute kein Sättigungsgefühl. Vielleicht hängt es mit der Zeit als Fünfjährige im Schwarzwald zusammen.
Eine weitere Erinnerung ist, dass dort ein Mädchen war, das ebenfalls 5 war, von den anderen Kindern als Hexe bezeichnet und immer geärgert wurde, keine Ahnung, warum. Ich wüsste so gerne, wie es ihr heute geht, weil ich damals dachte, sie ist egtl. wie ich, nur dass es sie schlechter als mich getroffen hat. Dieses Mädchen geistert immer noch in meinem Kopf. Und ich weiß, dass ich sehr, sehr viel, nachdem meine Mutter mich am Zug abgegeben hatte, geweint hatte, die großen Mädchen sich aber um mich kümmerten. Namen? Alle weg!
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Anja aus Hamburg schrieb am 17.12.2021
Ich bin mit 6 Jahren nach Sylt verschickt worden, an den Namen des Heimes erinnere ich mich nicht mehr. Irgendwo gibt es, glaube ich sogar noch ein paar Fotos. An manche Dinge erinnere ich mich nur noch sehr schwach, aber ein paar Situationen sind mir sehr lebhaft in Erinnerung geblieben. Bis jetzt habe ich das unter "so-war-das-halt-damals" abgetan. Erst die aktuelle Berichterstattung macht mir klar, dass auch ich irgendwie ein Opfer bin.

Angefangen hat es eigentlich mit Kleinigkeiten. Bei der Ankunft packten die Betreuerinnen meinen Koffer aus und amüsierten sich lauthals über die Art und Weise, wie meine Mutter den Koffer gepackt hatte. Als Kind hat mich das durchaus getroffen. Immerhin wurde in meinem Beisein meine Mutter lauthals ausgelacht.

Vom Ankleideraum (den ich ähnlich einem Grossankleideraum im Schwimmbad mit Spinden in Erinnerung habe), gingen die Schlafräume ab. In jedem Schlafraum standen mehrere Betten. Sobald das Licht ausging, durften wir nicht mehr reden oder uns sonstwie bemerkbar machen. Überwacht wurden wir von einer älteren Betreuerin (ich erinnere noch immer an ihren Gipsarm). Wurden wir beim reden erwischt oder hatte wir gar aus Spaß unsere Betten getauscht und wurden erwischt, mussten wir zur Strafe im Schlafanzug alleine auf der Holzbank im Ankleideraum sitzen. Meist solange, bis jemand anderes "erwischt" wurde und die "Deliquenten" quasi gegeneinader ausgetauscht wurden. Wir saßen dort nie zu zweit, immer einer alleine.

Wir mussten mit 6 Jahren Mittagsschalf halten. In einem großem Raum waren diverse Pritschen untergebracht. Jeden Tag habe ich auf einer dieser Pritschen gelegen und versucht mich nicht zu bewegen (am liebsten nicht mal Luft holen). Die ganze Zeit habe ich auf das Geräusch geachtet, dass die Schlaghosen der Betreuerinnen machte, das durch den aneinander reibenden Stoff entstand, während sie zwischen den Pritschen ihren Kontrollgang machten. Sobald das Geräusch näher kam, habe ich krampfhaft die Augen verschlossen und so getan, als ob ich schlafen würde. Als ich neulich im Damen Gambit die Anfangsszene im Schlafsaal des Heims gesehn habe, kam bei mir sofort diese düstere Atmosphäre wieder hoch, die meine Erinnerung an diesem Schlafsaal beiwohnt. Noch heute kann ich mich in Perfektion schlafend stellen.

Das Essen wurde in einem großen Raum ausgegeben. Ich erinnere vor allem an eine Situation mit einem Jungen an meinem Tisch. An dem Tag gab es eine Fruchtkaltschale. Wir alle saßen am Tisch und zuerst wurden die Teller mit dem Essen ausgeteilt. Das Besteck war noch nicht ausgeteilt. Ein Junge an meinem Tisch wollte die Kaltschale aber schon probieren, er beugte sich vor und leckte mit seiner Zunge drüber. Ich erinnere mich nicht mehr an den genauen Wortlaut, aber die Betreuerin, die dies bemerkte meinte, wenn er schon wie ein Hund essen würde, dann müssse er das auch draussen vor der Tür machen. Ich meine mich zu erinnern, dass die Betreuerin ihm zwar noch einen Löffel gab, aber nichts destotrotz musste dieser Junge, auf dem Boden im Flur, vor der verschlossenen Tür des Speisesaals alleine essen und durfte erst wieder reinkommen, als er aufgegessen hatte. Mich hat das als Kind unglaublich schockiert.

An einem anderen Tag hatte ein Mädchen in meiner Gruppe massive Zahnschmerzen und wohl auch schon etwas Fieber. Sie traute sich nicht, das einer Betreuerin zu erzählen. Ich wollte ihr helfen, fand aber so schnell keine der Betreuerinnen. Aber ich wusste dass der Zahnarzt ein oder zwei Stockwerke über uns war. Also habe ich meine damalige "Freundin" an die Hand genommen und selber zum Zahnarzt gebracht. Weil ich keiner Betreuerin bescheid gesagt hatte, bekam ich für die Aktion richtig Ärger. Es interessierte auch keinen, dass ich keine Betreuerin gefunden hatte und dass ich die Situation als Notlage empfunden habe. Ich wurde vor allen heruntergeputzt. Zur Strafe durfte die gesamte Truppe, an diesem Tag weder Schaufeln noch Eimer zum Strandspaziergang mitnehmen. Damit war ich für alle anderen Kinder ganz klar der Ar*** der ihnen den Tag versaut hatte. Meinetwegen durften sie nicht am Strand spielen und das haben sie mich natürlich auch merken lassen. Ich wurde für eine Weile komplett von allen ausgegrenzt und zum Teil auch beschimpft. Diese Gruppenbestrafung habe ich als unfassbar ungerecht empfunden, vor allem, weil ich nur einem anderen Kind in einer Notlage helfen wollte.

Natürlich bekamen wir auch irgendwann Post von unseren Eltern. Da wir selber noch nicht lesen konnten, wurden uns die Briefe von den Betreuerinnen öffentlich vorgelesen. Mir ist nur ein einziger Brief in Erinnerung geblieben. In diesem Brief fragt meine Mutter mich, wie mir der gestiefelte Stoffkater gefallen hätte, den sie in einem Paket an mich verschickt hatte. Ich war total schockiert. Niemand hatte mir ein Päckchen ausgehändigt, das Stofftier habe ich nie erhalten und es hat sich auch keine der Betreuerinnen dafür interessiert, wo dieses Paket geblieben sein könnte, obwohl ich natürlich unbedingt wissen wollte, wo mein Paket geblieben ist. Ich hatte auch keine Chance irgendwo nachzufragen oder meine Eltern kurzfristig zu informieren. Bis heute glaube ich, dass jemand von den Betreuerinnen oder der Poststelle, dieses Stofftier mitsamt Paket gestohlen hat. In unserem Familienalbum gibt es ein Foto davon, wie meine Mutter dieses Paket packt. Wenn immer ich dieses Foto sehe, habe ich auch heute noch das diffuse Bedürfnis, nach dem Verbleib des Pakets zu forschen.
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Melanie aus Berlin schrieb am 17.12.2021
Tja, ich wurde mit fünf Jahren wegen meiner damaligen Sprachbehinderung in den Schwarzwald verschickt und war eine der Kleinsten. Weil ich am Esstisch lachen musste, sollte ich gefühlt stundenlang alleine im Schlafzimmer bleiben, ohne Nachtisch und ohne, dass ich mein Mittag fertig gegessen hatte. Bis heute esse ich am liebsten zuerst den Nachtisch, damit man ihn mir nicht wegnehmen kann... Ich habe auch in Erinnerung, dass man 1x entweder eine Nachtwanderung oder einen Vorleseabend haben durfte. Ich entschied mich für das Vorlesenbekommen. Leider war das nicht einfach ein Zuhören, sondern ein Drill des Nacherzählens. Wir wurden böse beschimpft, wie, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall ist es für mich bis heute kein Vergnügen, Leuten beim Vorlesen zuzuhören und Nacherzählungen sowie Inhaltsangaben sind mir bis heute verhasst. Ich glaube, unsere Verschickung wurde vorzeitig abgebrochen, weil Scharlach/Mumps ausgebrochen ist.
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Joachim Kick schrieb am 17.12.2021
Hallo,
ich war nicht in Engelsbrand. Allerdings ist Engelsbrand jetzt eine geschlossene gerontopsychiatrische Einrichtung. Ich habe dort meine Ausbildung gemacht von 2006-2009.
In der Verwaltung werden noch die ganzen Belegungsbücher der Patienten aufbewahrt die in Heilklinik waren. Ich hatte selbst Einblick in diese.
Ich denke, dass man dort bezüglich weiterer Infos bestimmt Einblick bekommt.
Liebe Grüße
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Joachim Kick schrieb am 17.12.2021
Ich war als Kind Asthma gefährdet und ein starker Allergiker. So wurde ich im Winter 1971 nach Lenggries zur Kur geschickt. Es war das Georgi Haus. 6 Wochen von Zuhause weg bis kurz vor Weihnachten. Dort herrschte ein sehr strenges Regiment. Nachts Toilettenverbot! Wer sich nicht daran hielt, musste in der Strafecke die ganze Nacht verbringen. Was es zu Essen gab weiß ich nicht mehr, ich kann mich lediglich an so eine Grütze erinnern, die widerlich schmeckte. Die musste ich aufessen, auf Teufel komm raus. Ansonsten gabs Strafecke. Kontakt mit zuhause war erlaubt, schriftlich und telefonisch. Die geschriebenen Briefe und Karten wurden kontrolliert und mussten auch noch mal neu geschrieben werden, wenn sie nicht den Vorschriften des Hauses entsprachen. Telefongespräche wurden nur unter Bewachung erlaubt, nach vorheriger Instruktion was zu sagen ist und was nicht. Eingehende Post wurde vorher gelesen. Ob ich alle Briefe bekam weiß ich nicht. Auf jeden Fall ging aus einem Brief hervor, dass ich zu Nikolaus ein großes Paket bekomme mit ganz vielen süßen Sachen, die ich dann mit meinen Mitinsassen teilen sollte. Ich bekam aus dem Paket, soweit ich mich erinnere, nur einen kleinen Weihnachtsmann. Der Rest wurde fürs Personal in einem abgesperrten Raum aufbewahrt. Ein Mitinsasse, er kam aus der Nähe meines Heimatortes, war auch gierig auf Süßes. So haben wir alles ausspioniert und uns unerlaubten Zugang zu diesem Raum verschafft. Dort haben wir uns die Taschen voll gemacht und sind dann auf die Toilette gegangen.
In der Nacht, soweit ich mich da noch erinnere, gab es eine Person, die nicht immer dort war. Sie war sehr nett, hat mir auch mal für meine verklebten Augen Tropfen gegeben. Sie sagte uns auch immer, dass wir nichts sagen sollen über ihr freundliches Verhalten uns gegenüber.
Da ich nicht so dünnhäutig war, ist dieser Aufenthalt doch ziemlich spurlos an mir vorbeigegangen, aber halt nur ziemlich. Immer wieder kommen die Gedanken an diesen Aufenthalt in mir hoch. Ich versuche zu rekonsturieren, mich an mehr zu erinnern. Es wäre toll hier noch mehr Leidensgenossen/innen zu finden um sich auszutauschen.. Meldet euch einfach bei mir wenn ihr auch dort wart.
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Elke schrieb am 17.12.2021
Ich war 10 Jahre alt und wurde wegen Untergewicht von meinen Eltern in Wittgenstein mit einem Schild/Zielort um den Hals ganz alleine in den Zug Richtung Niendorf/Ostsee gesetzt. Der Schaffner/Kontrolleur wurde gebeten, ein "Auge auf mich" zu haben. Es waren sonst keine anderen Verschickungskinder im Zug, jedenfalls keine, an die ich mich noch erinnere. Angekommen in Niendorf fand ich es erst spannend und toll; ich hatte ja noch nie das Meer gesehen. Die anfängliche Begeisterung wich schnell dem brennenden Heimweh, das mir täglich die Brust zuschnürte. Dieses bohrend schmerzhafte Gefühl hatte ich während der fast gesamten 6 Wochen dort, irgendwann zum Ende hörte es jedoch einfach auf...Während der Zeit wurde ich nicht geschlagen oder körperlich mißhandelt, musste jedoch auch vor dem Teller sitzen bleiben. Ich musste kein Erbrochenes und hatte mich auch nicht erbrochen. Ich saß nur den ganzen Tag vor diesem Teller; gegessen habe ich aber trotzdem nichts. Zum Wiegen hatten wir alle unsere Unterhosen an. Um es für uns Kinder etwas leichter zu machen, spielten die Betreuerinnen nachts Märchenplatten in den Fluren ab. Das hat das schreckliche Heimweh etwas abgemildert. Wir haben viele Spaziergänge am Stand unternommen und dabei Robben beobachtet. Viele Erinnerungen sind auch nicht mehr da - einfach gelöscht. Ich wurde während dieser Zeit sehr krank (es stellte sich heraus, dass es Windpocken waren) und isoliert. Ich dachte damals, noch schlimmer kann es nicht mehr kommen und dass alles irgendwie egal sei! Ich hatte hohes Fieber und habe phatasiert. Plötzlich konnte ich mich nicht mehr an das Gesicht meiner Mutter erinnern und wurde panisch. Danach habe ich sehr lange geschlafen - vermutlich habe ich ein Medikament zur Ruhigstellung bekommen. Als ich dann nach 6 Wochen vom Bahnhof zu Hause abgeholt wurde, hatte ich nichts zugenommen, aber mein Leben war dadurch geprägt worden und ich hatte mich verändert. Erstaunt bin ich, wie viel ich verdrängen konnte! So etwas hätte ich meinen eigenen Kindern niemals angetan - das steht für mich fest. Oft wird das Verhalten der Eltern mit "ach, das war eine andere Zeit" zu rechtfertigen versucht. Das kann ich nicht gelten lassen!
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Ingrid Mages schrieb am 17.12.2021
Ich war 8 Jahre alt, als ich nach St.Peter Ording verschickt wurde. Mit dem Zug ging es von meinem Heimatort unter Aufsicht einer "Tante" nach Stuttgart. Es waren mehrere Kinder, die verschickt wurden, es war halt damals die große Lösung für Neurodermitiker wie mich. Salzluft wurde verordnet. In Stuttgart wurden wir in einen anderen Zug gebracht, der nach Hamburg Altona fuhr. Ich weiß noch, dass ich mit den anderen Kindern in einem Abteil war. Allerdings weiß ich nicht mehr, wie wir von Hamburg anch St. Peter Ordning kamen. Ich war in der Gruppe der Meerkatzen; ich habe heute noch die Karte mit dem Foto der Mädchen, mit denen ich im Haus zusammen war; auf dem Rücken der Karte habe ich auch damals alle Namen geschrieben. Die 3 Betreuerinnen sind ebenso darauf und ich habe eine Postkarte, die mir von einer Betreuerin (Studentin der Hochschule) geschickt wurde, und darauf ist zu sehen, wie Köhlbrand damals aussah. Im Mai diesen Jahres war ich wieder dort und habe das Haus, in dem ich gewohnt habe, sofort wieder erkannt. Es sind einige Gebäude dazu gekommen, aber mir liefen die Tränen, denn ich habe eine gute Erinnerung an die 6 Wochen. Es kann auch sein, dass ich die bösen Einnerungen verdrängt habe, denn das, was viele hier als Erfahrungen im Heim erzählen, hatte ich zuhause mit meiner Familie. Eingesperrt im Dunkeln, stundenlanges Sitzen am Tisch mit Essen, das ich nicht mochte, verprügelt zu werden wegen kleiner Vergehen, war bei mir der Alltag und vielleicht habe ich meinen Kuraufenthalt deshalb als etwas Gutes in Erinnerung. Ich habe Rock 'n Roll gelernt mit Lieder der Flower Power "If you'r going to San Francisco" , habe meinen ersten Kuss beim "Abschiedsball" bekommen, viel Zeit mit Völkerball, Volleyball und anderen Spielen verbracht. Allerdings kann ich mich auch noch an den grünen Wackelpudding erinnern, den mochte ich nicht. Obwohl ich auch zu dünn war, wurde ich nur angehalten, mal zu probieren und nach einem Löffel, gab ich meist wieder auf. Auch ich habe meiner Mutter ein Muschelkästchen gekauft, das sie heute noch besitzt. Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich viel Post von meiner Oma bekommen habe, die in Sütterlin geschrieben hat, das ausser mir niemand lesen konnte. Ob meine Briefe gelesen und korrigiert wurden, weiß ich nicht mehr. An den Mittagsschlaf kann ich mich auch noch erinnern. Die meisten von uns konnten nicht schlafen, aber wir mussten still in den Betten liegen. An das wöchentliche Wieden im Flur, an die Namensschildchen in den Kleidern, auch an meinen Wäscheschrank draußen im Flur kann ich mich erinnern und wie der Schlafsaal ausgesehen hat. In der Mitte am Fenster stand ein Tisch mit 3 Stühlen. Ich glaube, es waren 8 Betten, vielleicht auch 9. Zum Essen sind wir immer in 2er Reihen zum Haupthaus gelaufen. An den Strand von St.Peter, an die Dünen und das Baden in der Therme kann ich auch noch erinnern. Und dass meine Eltern in St.Peter warten mussten, bis sie mich abholen durften. Mit Monika habe ich viele Jahre noch Briefe ausgetauscht, ich wüßte gerne, was ihr und den anderen Mädchen wie Nicole, Marion, Edith, Sylvia, Dagmar und Eva geworden ist. Vielleicht wird mein Beitrag erkannt und es meldet sich eine von euch.
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Silke schrieb am 17.12.2021
Meine Eltern hatten Angst ich sei zu dünn. Zudem war ich sehr gross, deshalb wurde ich auf eine Kinderkur geschickt. Die Schwestern waren streng, ich kann mich an lange Tische im Speisesaal erinnern. Hier wurde aufgegessen. Nach dem Essen mussten alle Bettruhe halten. Dazu hatte ich keine Lust, aber ich blieb im Bett liegen. Die Schwestern kontrollierten. Die schon länger da waren, hatten die Augen zu, auch wenn sie zwei Sekunden zuvor noch getuschelt hatten. Meine Augen war auf, daraufhin erhielt ich von der Schwester eine Backenschelle, die sich gewaschen hatte. Meine Lektion hatte ich gelernt, anpassen und Augen zu. Nach 14 Tagen bekam ich Scharlach. Daran erinnere ich mich besonders deutlich. Die Schwester zerrte mich hinter sich her und brachte mich ins Kinderkrankenhaus. Da ich zuerst in Quarantäne musste, lag ich allein in einer Art Abstellkammer (um mich rum nur abgedeckte Krankenbetten), sonst niemand.v Das war gruselig, alles grau. Die Ärzte kamen einmal morgens, hielten mich zu viert fest und nahmen Blut ab. Die einzige dic sich mit mir kurz unterhalten hat, war die Putzfrau. Die war nett. Meine Eltern durften mich nicht besuchen, nur aussen am Fenster hochwinken. Das sehe ich heute noch vor mir. Ich weiss noch, dass ich in meiner Verzweiflung alles anstellte, damit nur jemand kam. Einmal hat mir eine Schwester etwas vorgelesen. An die Geschichte erinnere ich mich nicht mehr, nur an das Gefühl. Dunkel, düster, angstmachend. Irgendwann durfte ich aus der Quarantäne raus und lag mit anderen im Zimmer. Alle meine Kuscheltiere die ich von zu Hause mitgenommen hatte, waren vernichtet worden, aus Angst vor Ansteckung.
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Siegfried Maier aus Stuttgart schrieb am 17.12.2021
Ich war mit meinerasthmakranken Schwester als "Beilage" 1966 im Wigwam in Kampen/Sylt.An Zwei Erlebnisse kann ich mich noch heute erinnern: Das Erbrochene wieder zu Essen war an der Tagesordnung. Wenn ein Kind unangenehm aufgefallen ist, wurde es von der Betreuerin mit den Fingernägeln so fest in den Oberarm gezwickt dass tagelang ein Bluterguss zu sehen war. Ich habe es nicht so schlimm in Erinnerung da ich zu dieser Zeit schon abgehärtet war durch einige Jahre in einem katholischen Kloster in Bayern, heute würde man Gulag zu so einer Einrichtung sagen. Als "Belohnung" durfte ich dann mit 15 eine Metzgerlehre machen, da ging es gerade so weiter. Volles Programm also, aber ich habe immer versucht, mit Optimismus durchs Leben zu gehen. Ich denke, für unsere Elterngeneration, die in der NS Zeit aufgewachsen ist, war das nichts besonderes, die kannten es ja auch nicht besser. Trotzdem Gruß an alle "Geschädigten" und immer dran denken, es gibt ja auch so viele positive Dinge im Leben und die machen es lebenswert.
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Gaby schrieb am 17.12.2021
Ich war 7 Jahre alt als ich wegen immer mit hohem Fieber auftretender "schwerer Bronchitis" vom Kinderarzt in eine sechswöchige Kur nach Borkum ins Adolphinenheim geschickt wurde. Vieles ist natürlich verblasst. Aber erinnern kann ich mich noch an unsere Betreuerin "Tante Gisela", an die alle zwei Tage stattfindenden "Salzbäder" und ich immer Angst hatte in der Badewanne zu ertrinken. Alle 2 Tage wurden die Haare nach Läusen abgesucht. Die bis heute andauernde große Abneigung gegen Milch, weil es entweder Milchsuppe mit Nudeln, Milchsuppe mit Pflaumen, Grießbrei etc. etc. gab. Und wofür es einen Eßlöffel mit Lebertran gab, weiß ich bis heute nicht.
Das ist im Vergleich zu den anderen Berichten nichts Schlimmes - dennoch hat mich diese Zeit auch "geformt".
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Thomas aus Hamburg schrieb am 17.12.2021
Ich wurde auf Grund einen chronischen Bronchitis als Kind bzw. Jugendlicher 3 x verschickt, da wir in Hamburg-Bahrenfeld direkt neben den Phönixhöfen wohnten, wo zu der damaligen Zeit noch die Schwerindustrie sass und die Schornsteine qualmten. Ich wurde Ende der 60'er-Jahre im Alter von 5 Jahren zunächst nach Bad Sooden-Allendorf verschickt - da führten Nonnen ein strenges Regiment und ich erinnere mich nur schwach - woran ich mich allerdings erinnere ist, dass es, wie damals nicht unüblich, Toiletten in den Zwischnetagen gab, die nicht abgeschlossen werden konnten, was zu allerlei unerfreuclichen Störungen bei der Verrichtung der Notdurft führte. Und dass einmal ein Junge, der sich ins Essen erbrochen hatte, tatsächlich von den Nonnen genötigt wurde, sein Erbrochenes aufzuessen. Da meine ältere Schwester auch mit von der Partie war, war dass aber alles für nicht so schlimm - allerdings war ab diesen Zeitpunkt die Kirche für mich erledigt. Ganz andere und sehr positive Erfahrungen habe ich einige Jahre später bei der Verschickung in das Jugendheim Vogelkoje auf Sylt gemacht, da war ich ungefähr 10 oder 11 Jahre alt und es hat mir wesentlich mehr Freude bereitet - den ganzen Tag im Freien, Fussball spielen und das Essen war nach meiner Erinnerung auch in Ordnung bzw. ist mir nicht negativ im Gedächtnis verhaftet geblieben - zudem hat mir die gute seeluft gut. Ich war allerdings irritiert, als irgendwann Kinderdiso angesagt war und auf einmal 3 'ältere' Mädchen mich bestürmten und ich mit ihnen tanzen sollte. Ein paar Jahre später war ich wieder an gleicher Stelle und während des zweiten Aufenthalts hatte ich irgendwann Heimweh - aber ein junges Mädchen hat mir darüber hinweg geholfen.
Ingesamt fällt somit mein Fazit positiv aus!
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Dr. Martin Rosebrock aus Friedberg schrieb am 17.12.2021
Hallo zusammen,
erschütternd, was man da liest ... aber ich habe in zwei Verschickungen gute Erfahrungen gemacht. Ok, die Erinnerung ist nicht mehr richtig da, aber so Momente, bspw. gemeinsam Blaubeerensammeln (und essen) im Schwarzwald, leckeren Blumenkohl, den ich mir nachgeholt habe, so ein paar Dinge sind noch ein bisschen präsent. Also es war nicht überall schlimm.
Grüße Martin Rosebrock
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Markus schrieb am 17.12.2021
Ich wurde dreimal wegen Asthma auf Kur geschickt.
In meiner ersten Kur als 3 oder 4-jähriger in Gaißach war es streng verboten, nachts das Zimmer zu verlassen um die Toilette aufzusuchen. Eine Nachtschwester hat den Gang wütend bewacht. Ein Kind hat sich Verzweiflung in die Ecke unseres Zimmers erleichtert.

Meine Aufenthalte in Norderney waren überwiegend positiv. Beim zweiten Aufenthalt in Norderney waren wir mit ein paar wesentlich älteren Kindern untergebracht.

Ein Jugendlicher vergriff sich mehrfach an den Genitalien anderer männlicher Kinder. Beschwerden an die Schwesternschaft blieben ohne Reaktion: Man könne nichts machen, "normalerweise" würde der Jugendliche heimgeschickt, aber da der Vater des Jugendlichen die Kurz privat bezahlt, seien ihnen gegenüber der Klinikleitung die Hände gebunden.
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Silvia schrieb am 17.12.2021
Mein Mann mag unheimlich gerne Germknödel mit Vanillesoße. Was das mit meiner Kur als Bettnässerin zu tun hat? Mir wurde regelmäßig schlecht und teilweise wurde ich völlig überraschend zornig, wenn ich den Geruch in die Nase bekam.
Und dann kam mir die Erkenntnis, dass mich dieser Geruch an die Frühstückssuppe im Kinderkurheim Reinhardshausen erinnerte.
So nach und nach kamen aus meinen Hinwindungen die Erinnerungen ans Tageslicht:
Ganz besonders der Durst, der mir in den 6 Wochen abtrainiert wurde (bis heute habe ich große Probleme mit ausreichendem Trinken),
mein Geburtstagspaket (ich wurde 7), das ich zwar öffnen durfte, aber weder vom selbstgebackenen Lieblingskuchen noch von den Süßigkeiten, die mir meine Mutter einpackte, anschließend etwas essen durfte,
wie wir Bettnässer von der Heilquelle zurückgedrängt wurden (nach einem Fußmarsch nach Bad Wildungen) und zusahen, wie die Nierenkranken ein ums andere Glas Wasser im Hochsommer trinken durften,
die Scham, wenn es abends für uns, die wir wieder das Bett eingenässt haben, nur ein halbes Glas Tee bekamen mit dem wohlmeinden Rat: Einfach drei Nächte hintereinander trocken, dann gibt es ein volles Glas.
Wenn ich das hier schreibe, spüre ich meiner damaligen Verzweiflung nach.
ABER: Ich lernte dort auch meine langjährige Brieffreundin kennen. Wir hielten zusammen und tauschten unser Wissen über Beeren und Sauerampfer aus. Sauerampfer lässt einen den Durst vergessen.
Was mir geblieben ist: Meine Abneigung zu trinken, die ich immer noch nach fast 50 Jahren bekämpfe.
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Regina aus Bochum schrieb am 17.12.2021
Ich wurde als sechsjährige allein wegen Heuschnupfen zur Kinderkur geschickt. 2 Jahre später ging es wieder weg. Trennung von den Eltern, von Zuhause....., kaltes Klima, unendliches Heimweh, das aber auf keinen Fall mitgeteilt werden durfte und beide Male schreckliche Erlebnisse, die ich noch nie aussprechen konnte (unendliche Scham).
Ich dachte immer, das seien individuelle Erfahrungen gewesen... und bin erstaunt, erschreckt, dass es vielen damals ähnlich ergangen ist. Deshalb schreibe ich ...
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Marion Nutz aus Nürnberg schrieb am 17.12.2021
Ich war damals auf Amrum, ich weiß nicht mehr wie alt ich war, doch an nichts kann ich mich mehr erinnern, nur das Essen musste ich aufessen. Ich war viel zu dünn. 6 Wochen sollten es sein. Ich weiß nur noch, dass ich so schreckliches Heimweh hatte. Und wieder kommen mir die Tränen. Heute bin ich 54 Jahre und habe gerade durch Zufall diese Seite entdeckt. Vielen Dank dafür. Ich weiß jetzt das ich nicht alleine bin.
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Markus schrieb am 17.12.2021
Ich war damals im Jahr 1984 auch in solch einer Kinderkur.Und es macht mich betroffen,daß es solche Berichte gibt.Denn ich habe ganz andere Erfahrungen gemacht.Ich war damals in Wyk auf Föhr wegen meiner Bronchitis.Wir haben dort tolle Wattwanderungen gemacht,Ausflüge zu Robbenbänken und auf Krabbenkuttern.Schnitzeljagden und Lagerfeuer mit Stockbrotessen.Wir haben Museen und Teestuben besucht und Fahrten mit der Fähre zu den umliegenden Inseln gemacht.Tagsüber haben wir viel Fußball oder Tischtennis gespielt und sind in die Nordsee schwimmen gegangen.An das Essen kann ich mich gar nicht mehr erinnern,was wahrscheinlich positiv ist,denn an schlimme Dinge erinnert man sich wahrscheinlich auch nach so vielen Jahren noch.Ich fand es insgesamt klasse!Ich kann mich sogar noch an die nette und liebevolle Betreuerin unserer Gruppe erinnern.Sie hieß Frauke und dürfte heute um die 70 sein.Ich möchte ihr an dieser Stelle für das schöne Erlebnis danken.
Ich denke,daß diese Berichte eher von Ausnahmen erzählen,aus Häusern in denen "gute katholische" Nonnen gehaust haben,die ähnlich wie in manchen Krankenhäusern noch der spanischen Inquisition nachgetrauert haben.
Meine Bronchitis hatte sich übrigens nach den 6 Wochen erledigt.Dazu dürften die Inhalationskuren erheblich beigetragen haben.Es tut mir leid für alle,die andere und schlechte Erfahrungen gemacht haben.
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Sonja schrieb am 17.12.2021
Sehe heute rein zufällig diese Seite!
Ich glaube, ich war 1958 und 1962 in der Kinderkur auf Borkum.
Meine erste Kur war in "Marienhof" auf Borkum. Das Haus war die Hölle!!!
Erinnere mich ganz genau, dass im "Marienhof" auf Borkum Kinder wahnsinnig Heimweh hatten, beim Essen erbrochen haben und das auch wieder aufessen mussten!! DAS sehe ich heute noch lupenrein vor mir! In diesem Haus gab es Nonnen, stimmt. Von denen waren einige unerbittlich!! Millitärisch, kaltes Regime!
Später war ich in "Haus Ruhreck", das der Stadt Essen gehörte. Dort war es viel, viel besser! Die "Tanten" waren zwar auch sehr verschieden.... aber doch recht erträglich. Es gab in "Marienhof" und auch in "Haus Ruhreck" freitags häufig Walfischfleisch. Außerdem täglich 1 Esslöffel echten Lebertran (Pfuiteufel!!). Jedes Kind musste seinen Kopf nach hinten beugen, die "Tante" ging hinter den Stuhlreihen her und ließ in jeden Mund 1 Löffel Lebertran laufen.
Erinnert sich jemand an "Tante Christel" von Haus Ruhreck? Die war doch ganz okay!
Stimmt auch, dass die Schlafsäle nachts abgeschlossen waren bzw. man nicht zur Toilette gehen durfte. Komme, was da wolle...
JAAA, das war echt schlimm.
Stimmt auch, dass die "Tanten" für die kleineren Kinder die Postkarten geschrieben haben. Die älteren durften selber schreiben, aber den Brief nicht zukleben..... und manchmal neu schreiben!
Aber ich habe auch schöne Erinnerungen an Borkum und an Haus Ruhreck.
Ich glaube nicht, dass ich Schaden genommen habe, aber es war schon schräg, jetzt im Nachhinein gesehen. Das Beste war, möglichst unauffällig und angepasst zu sein. Dann vergingen die 6 Wochen ganz passabel.

Ich liebe aber seitdem die Insel, war schon öfter dort und habe die positiven Erinnerungen aufgefrischt.

Heute denke ich, was Borkum angeht, die meisten Betreuerinnen haben ihren Job gerne gemacht. Es war eine andere Zeit mit einem völlig anderen Umgangsverständnis mit Kindern! Man wusste es vielleicht nicht besser und dachte, man müsse Kindern Räson beibringen??

Mal ehrlich, heute gibt es auch Lehrer, Erzieher, Erwachsene überhaupt, die ihre Macht über Kinder ausspielen, mobben, verletzen usw. OBWOHL sie heute eine entsprechende pädagogische Ausbildung haben!
Als Eltern muss man seine Kinder von klein auf stärken und schützen, Dazu gehört bedingungslose Liebe zum Kind und Mut!
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Siegmund Heimann aus Köln schrieb am 17.12.2021
Meine Erfahrungen sind durchweg positiv.
In den Zug im Nachbardorf (Südniedersachsen) gesetzt, abgeholt und das gleiche bei der Rücktour.
Das Wetter spielte keine Rolle. Man war immer draussen, hat gespielt (auch unter Anleitung).
Im Sozialkontakt musste man sich einfügen, oder hat selbst die Gruppe beeinflusst.
Zu jeden Teller Linsensuppe gab´s ein Würstchen. Einmal schaffte ich derer sieben. Im Kreis, mit freiem Oberkörper und den dicken Brillen um die "Höhensonne" laufen. Ein riesiges Aquarium trennte zwei Säale voneinander. Die Jungs hingen vor dem Glas, um die Mädels bei "Höhensonnengang" zu beobachten. Alles kindlich normal und mit klaren Direktiven durch das Personal.
Würde heute dem einen oder anderen wohlstandsverwöhnten Fridayshüpfer auch gut tun.
Hat´s mir geschadet? Eher nicht! Habe einen Handwerksberuf gelernt, mit Auszeichnung, Psychologie mit Note 1 und auch ansonsten, mit jetzt 70 Jahren, ganz "gut drauf.
Ach so! Bei der Sturmflut 1962 (Norderney) wurden wir mit den letzten Schiff (Ich glaube "Frisia 6") ans Festland gebracht. Der Keller stand schon unter Wasser. Für uns schon dramatisch aber man hat sich verantwortungsbewusst um uns gekümmert.
Bei meinem zweiten Einsatz auf Spiekeroog traf ich einige Jungs vom Vorjahr wieder. Großes Hallo und ab gings sofort zu Räuber und Gendarm in die Dünen.
Negativ: Die dicken Bandnudeln in einer Milchsoße.
Aber - man muss ja nicht alles mögen.
Bleibt normal und sozial.
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Rüdiger aus MeckPom schrieb am 16.12.2021
Weil ich angeblich zu dünn war wurde ich später eingeschult und hatte das zweifelhafte Vergnügen Büsum kennenzulernen. Wie ich viel später erfahren habe, gibt es eine Anomalie, ich habe Gallengänge die es sonst nicht gibt. Ich konnte als Kind nur unter großen Schmerzen essen und habe fette Nahrung nicht vertragen. Das Sättigungsgefühl und Ekelgefühl wurde damals abtrainiert, im Ergebnis führte das zu Adipositas und auch wahrscheinlich zu meinem Crohn. Die Entscheidung später eingeschult und in die Kinderverschickung zu gehen kam von dem Amstarzt, ein bekannter Nazi mit sehr zweifelhafter Vegangenheit, ein Stengel von Rutkowski. Meine Eltern fragten nochmal nach, als ich weinend von einem 6 Wochenaufenthalt ohne Eltern erfuhr. Man solle sich nicht aufregen, wir wären doch nicht an der Rampe. erst später habe ich die Bedeutung verstanden...
Im Büsum angekommen wurde ich als einer der Jüngsten permanent unterdrückt, ich musste täglich fette Suppe mit fettem Fleisch essen, Nachmittags wurde ich bei den Spaziergängen nach dem angeordneten Mittagschlaf am Deich spazieren gehen. Regelmäßig wurde ich von den Größeren in die Schafsch... geworfen und angemessen dafür bestraft, weil ich angeblich nicht gut laufen könnte. ich erinnere mich an vieles Essen, wie Fisch in Senfsoße, ich musste ständig Dinge essen die ich nicht mochte. einmal wöchentlich schrieb eine tante einen Brief, der nicht meinen Worten entsprach. ich bekam nur einmal ein Paket, ich glaube zum Geburtstag. Die Eltern sollten nichts schicken wegen der Gleichheit angeblich. Ich erinnere mich noch, das die wenigen Süßigkeiten zu 90% an andere verteilt wurden. Die anderen kinder erhielten oft Pakete, auch das wurde verteilt. Ich erhielt manchmal etwas davon, das wurde von den älteren einkassiert. Unterdrückt wurde ich ständig. Ich konnte nichts mehr, warf die fettigen Fleischbrocken unter den Tisch, oder sammelte sie im Mund und tat sie in mein Taschentuch. ich wurde immer erwischt, oder verpetzt. Das gab dann Strafen, so bekam ich weniger Süßigkeiten, keinen Pudding und auch nichts zu trinken wenn ich Durst hatte. Alle mussten auf mich warten und mir beim essen zusehen. Sie wurden zu Spitzeln gemacht um zu kontrollieren ob ich alles Fette esse. erst dann gab es für die anderen Süßigkeiten. Ich war sehr starkem Druck ausgesetzt. Meine Eltern glaubten mir nicht. Als ich nach Hause kam, war ich sehr krank und tramatisiert. Ob ich daher bleibende gesundheitliche Probleme davon getragen habe könnte verneinten alle Ärzte, ich bin mir da aber nicht so sicher. Es ist lange her, aber ich hätte Interesse am Austausch mit anderen. ich war der Junge mit dem roten Parka von meiner Schwester, den ich auftragen musste 😉
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