ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2741 Einträge
Gudrun Kniep aus Grevenbroich schrieb am 15.11.2022
Ich war mit 4/5 Jahren etwa im Kinderheim in Bad Sooden-Allendorf für 6 Wochen aufgrund einer Herzkrankheit. 50 Jahre später kam ich durch Zufall mit meinem Mann nach Bad Sooden-Allendorf und wir speisten in einem schönen Restaurant dort in der Stadt. Anschließend führte uns ein kleiner Spaziergang an wunderschönen alten Fachwerkhäusern vorbei. Plötzlich hatte ich einen sog. Tunnelblick, in meinen Ohren rauschte es und Bilder tauchten vor mir auf und ohne etwas zu sagen rannte ich los. Mein Mann irritiert hinter mir her. Ich rannte und rannte, am Ende der Häuserzeile ging es nach links, gerade aus, dann nach rechts und immer weiter und dann stand ich am Ziel. Ich stand vor dem Kinderkurheim - genau so wie ich es in Erinnerung hatte. Es lag still vor mir und war wohl zu diesem Zeitpunkt ohne Funktion. Danach habe ich von all den Dingen erzählt, die ich auch meiner Mutter nicht erzählt habe, da ich sie nach meiner Rückkehr nicht glücklich machen konnte: sie hatte gehofft ich käme gesund und fröhlich wieder, sie hatte mich durch die Herzkrankheit eingeschränkt aber fröhlich und viel zu dünn einer Zugbegleiterin am Bahnhof Wilhelmshöhe in Kassel übergeben und hoffte auf "dicke Bäckchen", sie bekam ein noch dünneres blasses stilles kleines Mädchen zurück. Ein kleines Mädchen, dass viele Jahre lang glaubte etwas Schlechtes zu sein, ein schwarzer Zigeuner wie sie von einer Diakonissenschwester beschimpft wurde, die die 30er Jahre in Deutschland wohl noch nicht überwunden hatte. Und selbst wenn man als Erwachsener das alles klar analysieren kann, bleibt etwas hängen, denn DU bist schlecht. Von all den Schikanen, die ich durchaus wieder erinnerte, blieb ein wunderbarer Triumph meinerseits. Ich hatte als Kind wenig Hunger, Essen war eine Last, was ich gar nicht mochte waren Brötchen. Eines Tages gab es zum Frühstück Brötchen und Kakao. Kakao mochte ich und es wäre alles gut gegangen, hätte es mehrere Tassen Kakao pro Kind gegeben. Es gab nur eine. Und das Brötchen wollte sich nicht herunterschlucken lassen. Die von dieser Diakonisse betreute Kindergruppe war für einen Ausflug vorgesehen. Also beeilen mit dem Frühstück. 5 Kinder hatten ebenfalls Probleme, das Brötchen "trocken" hinunter zu würgen. Wir mussten in einer Reihe vor der Diakonisse antreten und mussten uns Kommentare anhören wie los kauen, schlucken, ihr seid schuld, wenn wir den Ausflug nicht machen können. Und ein Kind nach dem anderen schaffte das mit dem Runterschlucken. Ich blieb übrig. Ich kaute und kaute, doch das verdammte Brötchen wollte ohne Kakao nicht rutschen, und all das unter den Augen aller Kinder und der Diakonisse mit Lachen und Gejohle. Und dann passierte es. Ich erbrach den gesamten Brötchenbrei mit Kakao direkt auf den Schoß der vor mir auf einem Stuhl sitzenden Diakonisse, mitten zwischen die Beine in eine Kuhle der Kutte. Stille im Saal, nur die größeren Mädchen kicherten, ich denke mal die mochten die Diakonisse auch nicht. Diese raffte ihren schwarzen Rock über dem Erbrochenen zusammen, und griff mich im Nacken und zerrte mich ins Obergeschoss, von evtl. Blicken der anderen fort. Bereits während wir die Treppe erstiegen wurde ich an meinen Zöpfen gezerrt und geschlagen. Oben angekommen musste ich einen Eimer mit Wasser holen und ein Tuch und dann musste ich den Rock säubern unter ständigen Schlägen. Das war der Beginn eines ständigen Martyriums, wann immer irgendwo etwas schief lief, es war "der schwarze Zigeuner"
Einer meiner späteren Lehrer meinte irgendwann einmal in einer Unterrichtsstunde, in meine Richtung ein Kompliment machen zu müssen und bezeichnete mich als "schwarze Rose unter all den blühenden", ich habe mit ihm nie wieder ein Wort gewechselt, wie auch immer er das meinte, er war für mich erledigt. Heute bin ich ein weißer Zigeuner und kann durchaus auch über all das lachen, es ist so lange her und was gibt es für ein schöneres Kompliment als wodurch auch immer aus einer Vielfalt heraus zu leuchten. Könnte man Bilder hier veröffentlichen? Ich hätte zwei Beweisfotos!
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Birgit aus Essen schrieb am 14.11.2022
Im März 1972 bin ich im Alter von 8 Jahren für 6 Wochen in dieses Kurheim gekommen. Spastische Bronchitis und leichtes Untergewicht. 2 Erlebnisse waren für mich besonders schlimm. Wir schliefen in einem Saal mit ca 10 -15 Kindern. So genau erinnere ich mich nicht. Zu Anfang der Kur, hatte ich in den ersten Nächten schwere Hustenanfälle. In der 2. Nacht erschien die Heimleiterin (Sah aus wie Fräulein Krottenmüller) in der Nacht an meinem Bett. Wortlos nahm sie mein Bettzeug und bedeutete mir, mitzukommen. Wir sind dann auf den Riesigen,mit allerlei Gerümpel, nicht ausgebauten Dachboden gestiegen. Dort führte nur eine Stiege hoch. Dann wurde mein Bettzeug auf ein altes Eisenbett gelegt und ich durfte dann alleine auf diesem kalten, dunklen Dachboden verbringen. 3, 4 Nächte. Aber was einen nicht umbringt, macht einen hart. Das nächste Erlebnis war das Essen. Wir mussten solange am Tisch bleiben, bis alles aufgegessen war. Unter anderem abends einmal Butterbrote mit rohem Schinken, der einen üblen Fettrand hatte. Anschließend musste ich mich übergeben. Da habe ich mir geschworen, dass weder ich, noch mein Kind, wenn ich eins bekommen sollte, etwas isst, was es nicht möchte. Das habe ich bei meinem Kind dann auch so gehandhabt. Ohrfeigen gehörten ebenfalls zu erzieherischen Maßnahmen. Kalte Duschräume und Schlafräume. Es gab damals auch nur die Möglichkeit einmal die Woche mit meinen Eltern zu telefonieren. Die mussten dann bei der Heimleiterin in der priv. Wohnung anrufen und Fräulein Krottenmüller wohnte diesen Gesprächen dann bei. Ich habe wohl keinen Schaden davon getragen und habe diese Geschichten dann schon verschiedenen Leuten erzählt. Manch einer konnte es kaum glauben. Meine Eltern waren damals auch schockiert, vor allem, weil sie mir ja eigentlich etwas Gutes tun wollten. Durch den Artikel in der Zeitung, ist mir erst einmal klar geworden, dass ich keine Ausnahme war, sondern viele ähnliche Erlebnisse hatten.
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Ingo aus Ludwigsfelde schrieb am 07.11.2022
Ich war als sechsjähriger im Zeitraum 1974 im Kinderkurheim Sachsengrund in Morgenröthe-Rautenkranz. Später erfuhr ich den Grund meines Kuraufenthaltes, dass ich wohl angeblich zu wenig gegessen hätte. Die Fotos aus meiner Kindheit sehen aber nicht so aus, dass diese Kur notwendig gewesen wäre. Jedenfalls hält die Wirkung der Kur bis heute an, ich muss mich beim Essen eher bremsen.
Die Kurzeit betrug 4 Wochen, Rückreise war 1-2 Tage vor Heiligabend. Ich kann mich noch sehr gut an diesen Tag erinnern.
Gegen Mittag musste unserer Bus eine Werkstatt in Zwickau ansteuern weil irgendwas nicht in Ordnung war. Dort saßen wir dann stundenlang in einer Art Betriebshof-Kantine, bis es dann gegen Einbruch der Dunkelheit endlich weiter ging. Zum späten Abend hin wurde es nebelig, der im Verlauf immer dichter wurde. Zwischenzeitlich hatte der Bus immer wieder die Autobahn verlassen, da einige Kinder an weiteren Sammelpunkten abgesetzt wurden. Leider war ich einer der letzten, die gegen 23:00 Uhr endlich den Bahnhof in Zossen als letzten Sammelpunkt erreichten, wo unsere Eltern schon sehnsüchtig auf uns warteten. Es gab ja kein Telefon, lediglich per Telegramm wurden unsere Eltern über die Verzögerung informiert.
Für meine Eltern war es der Horror, da sie nun auch noch Mitternacht 20km im dichten Nebel (Sichtweite ca. 2m) mit mir und meiner bis dahin durchgefrorenen 1-jährigen Schwester weiter bis nach Hause mussten.

Nun zum Kurheim.
Bei der Anreise mit dem Robur-Bus hatten wir schon ab Zwickau den ersten Schnee. In Morgenröthe lagen ca. 15cm. Im Kurhaus wurden wir in Schlafsälen untergebracht. Da standen 10 Betten, 5 an der Fensterseite, 5 an der Wand gegenüber. Anders als in Ferienlagern mit Doppelstockbetten, waren das hier ganz normale Betten. Meines stand hinten links unter einem Fenster mit Blick auf den Markersbach, der fast vollständig mit Schnee bedeckt war. Dahinter standen große verschneite Fichten oder Tannen. Den Anblick konnte ich aber nicht genießen, da ich heftig von Heimweh geplagt wurde. Mein kleiner Löwe (ca. 8cm groß aus Kunstleder mit Fellmähne) hatte schwer zu tun, meine Sorgen in sich aufzunehmen. Bis auf einen anderen Jungen aus meinem Wohnort kannte ich sonst niemanden in meiner Gruppe.
Der Tagesablauf war geprägt von morgendlichem Massieren der Arme, Beine und Gelenke unter Anleitung mit einer gelben Plastikbürste, Wassertreten, Schulunterricht und Schlitten fahren. Die Bürste und andere persönlichen Sachen hatten wir mit Pflasterband beklebt und unseren Namen darauf geschrieben. Das Essen scheint in Ordnung gewesen zu sein, jedenfalls war ich nie der mäkelige Typ. An mehr kann ich mich nach über 40 Jahren nicht mehr erinnern. Beim Essen und Unterricht saßen wir jeweils an 4-er Tischen.
Das an uns Handlungen vorgenommen wurden, die heutzutage einer Aufklärung bedurften, kann ich mich nicht mehr erinnern.
2008 hatte ich das Kurheim noch einmal aufgesucht. Ich war zu der Zeit in der Nähe im Winterurlaub. Glücklicherweise traf ich vor Ort auf den Gebäude-Verwalter, den ich von meiner Erinnerung an die Zeit erzählte. Freundlicherweise nahm er sich die Zeit, mich noch einmal durch das Gebäude zu führen. Ich hatte dabei auch einige Fotos gemacht, es hat sich in den ganzen Jahren nicht viel verändert. Alles wirkte nur viel kleiner als aus der damaligen Blickposition eines 6-jährigen. Lediglich die Betten in den Schlafräumen fehlten und in einigen Räumen wurde was an der Aufteilung verändert. Wie diese früher aussahen, weis ich heute nicht mehr.
Es fühlte sich aber fast wieder so an wie damals, draußen war die Landschaft tief verschneit. Negative oder traumatisierte Erinnerungen kamen aber nicht hoch.
Im Vergleich zu Erlebnisberichten anderer Leute hatte ich dort offensichtlich eine Menge Glück gehabt.
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Jennifer Thomas aus Wyk auf Föhr schrieb am 06.11.2022
Ich war 1982/83 in Wyk auf der Insel Föhr, 4-5 Jahre alt. Ich hatte Bronchitis uns sollte mich dort 6 Wochen "erholen"! Geschickt wurde ich über die Barmer Ersatzkasse.
Was als Urlaub deklariert war, war leider der blanke Horror.
Misshandlung, Zwang und Demütigungen, bis hin zur versuchten Tötung.

- Essenszwang
- Erbrochenes wurde einem wieder eingelöffelt.

-Verbot auf die Toilette zu gehen, was zwangsläufig dazu führte, dass man ins Bett gemacht hat. Die Demütigungen folgte am nächsten Morgen. Mann musste sich im Waschraum so verschmutzt wie man war vor allen Anderen waschen uns seinen Kot aus Kleidung und Bettwäsche selbst herauswaschen.

-Schlafzwang , jeden Mittag ca.2 Stunden Mittagschlaf ob man wollte oder nicht. Ich lag oft einfach regungslos da, weil ich Angst vor Bestrafung hatte.

-Jeden Tag wurden wir auf Läuse untersucht und extrem grob mit dem Kamm bearbeiten, ich hatte langes Haar und unerträgliche Schmerzen bei der ganzen Prozedur.

Ich habe viel geweint und unsägliches Heimweh gehabt.

Todesangst hatte ich, als ich mit einen Gruppe älterer Kinder im Meer war und ins tiefe Wasser geworfen wurde. Ich konnte nicht schwimmen und sollte es wohl auf diese Art lernen. Die Wellen umspühlten mich wieder und wieder, ich hatte Angst zu ertrinken. Ich weiss noch, dass ich zu mir selbst sagte : " Jetzt ist es vorbei, ich werde sterben!" ,als mich eine Erzieherin doch noch aus dem Wasser zog.

Das schlimmste allerdings war, dass mir jahrzehntelang eingeredet wurde, ich hätte das nur geträumt oder erfunden. Richtig begriffen, dass meine Erinnerungen wahr sind habe ich vor etwa 12 Jahren, als ich im Internet auf einen sehr ähnlichen Erfahrungsbericht einer Frau in einem Urlaubsforum der Insel Föhr stieß.
Ich zitterte am ganzen Leib und weinte hysterisch als mir klar wurde, dass ich alles genau so erlebt hatte.

Meine eigene Familie wollte mit damals nicht glauben und Antworten auf meine Fragen habe ich bis heute nicht erhalten.
Ich wurde auch als Erwachsene mit dem Satz:
"das hat man halt damals so gemacht" abgefertigt.
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Martin S. aus dem Ruhrgebiet schrieb am 01.11.2022
Ich wurde aufgrund des Befundes "Untergewicht/Blutarmut" im Rahmen der Einschulungsuntersuchung für sechs Wochen in das Heim unter der Leitung von Dr. Selter in Brilon-Möhneburg geschickt. Ich kann die Lage meines dortigen Aufenthalts einigermaßen gut eingrenzen, da ich mich vor Ort zu Ostern übergeben habe, außerdem verbrachte ich dort meinen 6. Geburtstag. Es gibt noch Glückwunschkarten, die mir ins Heim geschickt wurden.
Verlässliche Erinnerungen habe ich schon an die Anreise mit einem Sonderzug vom Dortmunder Hbf aus. Ich habe aus Angst wegen der bevorstehenden langen Trennung vom Elternhaus ganz fürchterlich geweint, woraufhin mein Vater, der mich begleitet hatte, von den Kinder-Begleitpersonen im Zug sehr energisch weggeschickt wurde.
Im Heim angekommen mussten sich alle Kinder bis auf die Unterwäsche ausziehen und darauf warten, gebadet zu werden. Auch wurden die Finger- und Zehennägel geschnitten. Ich hatte am Vorabend der Abreise schon zu Hause gebadet und die Nägel waren bereits kurz. Von dem Mann, der für das Baden der Jungen zuständig war, wurde ich aufgefordert, zu klatschen. Dem kam ich nach, wurde dann aber sofort angeschrien: "Du bist wohl blöd! Unter Wasser natürlich!". Da sollte wohl simuliert werden, dass er mich wäscht, obwohl er es gar nicht getan hat.
Es gab große Schlafsäle (zumindest kam es mir damals so vor) für unterschiedliche Altersstufen. Zu jedem Bett gab es nur einen sehr kleinen Schrank oder Regal, was dazu führte, dass ich meinen Koffer nicht vollständig auspacken konnte. Der wurde in einem anderen Raum untergebracht und mir wurde gesagt, dass ich mich an eine Betreuerin wenden soll, wenn ich etwas daraus brauche. Das war dann auch irgendwann der Fall, aber die Bitte nach Aushändigung frischer (Unter-)Wäsche wurde abgelehnt. Es wurde mir nicht geglaubt, dass der Koffer an anderer Stelle lagert (dann wurde ich der Lüge bezichtigt und es gab deswegen Ärger), oder es war nie jemand zuständig oder bereit, sich darum zu kümmern.
An das Essen habe ich noch die Erinnerung, dass alles, was in Schüsseln/auf Tabletts auf die Gruppentische kam, aufgegessen werden musste. Ostersonntag oder Ostermontag 1970 habe ich vier weichgekochte Eier gegessen und musste mich daraufhin übergeben. Das Erbrochene hat sich großflächig auf dem Boden verteilt. Ich hatte nämlich - allerdings vergeblich - versucht, die Toilette zu erreichen. Ich wurde angeschrien, dass ich das extra gemacht hätte, und durfte eine längere Zeit nicht am Tagesprogramm teilnehmen.
Das von den Eltern mitgegebene Taschengeld wurde einbehalten und am Ende des Aufenthalts wurde ein Basar veranstaltet, auf dem man Souvenirs für sich selbst und die Familie kaufen konnte. Ich weiß noch, dass ich nur zwei Artikel haben wollte (eine Kuckucksuhr und einen kleinen grauen Porzellan-Seehund) und mehrfach nachgefragt wurde, ob ich wirklich nicht mehr kaufen will. Letztlich war meine Kaufzurückhaltung dann aber okay.
An den Tagesablauf kann ich mich nur noch vage erinnern. Es gab täglich einen längeren Mittagsschlaf. Einmal gab es einen Ausflug zum Schlitten fahren.

Außer, dass ich es die ganze Zeit schrecklich fand, weil ich keine Freunde vor Ort hatte, einsam war und deswegen schreckliches Heimweh litt, kann ich mich an keine Beschäftigungen, Spiele etc. erinnern. Ich habe viel geweint. Ob ich getröstet wurde, weiß ich nicht.

Zu Beginn einer Mittagsruhe musste ich zur Toilette. Um diese aufzusuchen, war einer der Gruppenräume zu durchqueren. Ein Mädchen meldete am Abend, ihr Lippenpflegestift sei nicht mehr da. Sie (oder ein anderes Kind) habe mich jedoch beim Herumschleichen im Gruppenraum gesehen. Wegen des "angeblich woanders abgestellten Koffers" galt ich bei den Betreuerinnen ja schon als Lügner. Nun aber wurde ich vor vielen anderen Kindern bloßgestellt und musste mich rechtfertigen. Ich war verzweifelt, da ich mit der Situation völlig überfordert war. "Hilflos und allein gelassen" beschreibt nur unzureichend, was ich damals gefühlt habe. Der Lippenpflegestift fand sich übrigens ein paar Tage später unter einem Schrank, wohin er wohl unbeabsichtigt gerollt war. Ich glaube, dass ich seit der "Anklage" von vielen der anderen Kinder gemieden worden war. Seit dem Zeitpunkt fühlte ich mich jedenfalls völlig isoliert.

Als ganz besonders schlimm habe ich empfunden, dass man gezwungen wurde, in der Post nach Hause zu lügen. In regelmäßigen Abständen war man angehalten, einen Brief oder eine Postkarte zu verfassen. Aufgrund meines Alters (5 J.) konnte ich noch nicht selber schreiben, sondern war darauf angewiesen, den "Tanten" zu diktieren. Ich wollte, dass sie schreiben, dass ich es ganz schlimm in Brilon finde und dass ich sofort nach Hause will. Dies wurde schlichtweg verweigert, stattdessen gab es Formulierungsvorschläge, die keine Kritik enthielten. Und man hatte keine andere Chance, als sie zu akzeptieren, da massiv Druck ausgeübt wurde.

An körperliche Züchtigung habe ich keine Erinnerung. Auch nicht daran, dass Erbrochenes wieder aufgegessen werden musste, dass es Essigwasser zu trinken gab oder täglich einen Löffel Honig - wovon in anderen Berichten zu lesen ist.

Es sind vielmehr seelische Grausamkeiten und/oder plötzlich wieder hochkommende Gefühle der Demütigung und Hilflosigkeit, die bei mir noch immer mit dem Ort verknüpft sind. An manchen Tagen reicht dafür ein Blick auf ein Verkehrsschild/einen Wegweiser nach Brilon oder auf eine Landkarte.

Die geschilderten Erinnerungen mögen jeweils für sich genommen gar nicht so schrecklich klingen, der Vorfall beim Baden ist sogar zum Schmunzeln. Dennoch: nach Brilon war ich kein fröhliches, unbeschwertes Kind mehr. Ich fing nachweislich danach an, mich aus dem sozialen Leben zurückzuziehen, wurde kontaktscheu, still und in mich gekehrt. Bei Ungerechtigkeiten habe ich, auch wenn ich im Recht war, kaum noch aufbegehrt, sondern vielmehr schnell resigniert. Eine gute Kindheit und Jugend hatte ich nicht. Ich war immer ein Außenseiter; jemand, der sich nicht wehren konnte und auf dem man (deswegen) gerne herumgehackt hat. Es hat mich einige Jahre Therapie gekostet, das wieder hinzubekommen.

Ausdrücklich weise ich die "Schuld" für die Schwierigkeiten in meinem Leben nicht nur dem Aufenthalt in Brilon zu. Auch mein Elternhaus war sicher nicht hilfreich für eine günstigere Entwicklung. Aber das ist eine andere Geschichte, die nicht hierher gehört.
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Kontakt Wunsch: Kontakt: Über die Initiative
P.Becker aus Bonn schrieb am 01.11.2022
Mit 8Jahren entschied ein Arzt HNO mich aufgrund meiner ständigen Infektkrankheiten um mein Immunsystem zu stärken 1984 in eine sogenannte"sechswöchige Kinderkur" zu verschicken.Das Schreckliche war, dass ich zuvor einen jahrelangen manipulativen Scheidungskrieg zwischen meinen Eltern miterlebt hatte und dann so zeitnah noch obendrein "in Kur geschickt wurde".
Ich habe dort schreckliches Heimweh gehabt.
Meine Eltern haben mir jeden Tag einen Brief geschrieben.
In dem Heim (Haus Meerstern) war es grauenhaft Viele Kinder waren traumatisiert kamen aus Kinderheimen auf dem Festland wo sie auch schon die schwarze Pädagogik erfahren mussten und diese dann auf Spiekeroog an den Kindern, die sie aus ihrer Sicht als aus vermeintlich "besser" gestellten Familien sahen, massiv mobbten und sadistisch quälten.
Ich kann mich an eine Betreuerin erinnern die abends immer vorlas aus mitgebrachten Büchern.Das war sehr tröstend.Ich erinnere mich auch an Drill und Zwang in die Inselkirche gehen zu müssen.Zu der damaligen Zeit war es gesellschaftlich so gewünscht.
Leider hielten die Kinder nicht zusammen, das war gewünscht Die "fest angestellten Betreuer des Hauses Meerstern die die Kinderkurmaßnahmen begleiten sollten handelten nicht zum Wohl der Kinder.
Es gab für alle Kinder Küchenarbeit und Strafmaßnahmen waren reinigen der Küche und Klo statt Ausflüge mitmachen zu dürfen, Auch die Prügel auf den Po erinnere ich dass sie anderen geschahen und wie mir die Betreuerin S. (die als Studentin mitgefahren war als "Ferienfreizeitbetreuerin")wie sie mir die damals die Ohren einmal zuhielt als das Kind schrie dabei.
Auch die Briefe die ich an meine Eltern schrieb wurden gegengelesen und mir wurde gesagt dass ich bestimmte Passagen rausnehmen soll.Es wurde gedroht und eingeschüchtert.Es wurde mir einmal auch gesagt von einer verhärmten schrecklichen alten weißhaarigen kleineren stämmigen Betreuerin in weißem Kittel" ob ich auch im Kinderheim landen wolle wie der Peter, dann würde ich meine Eltern sehr traurig machen und sie bekämen dann ein lieberes Kind als mich" das gehorcht und ein dankbarereres.""Ich wisse nicht wie gut ich es habe,"
Ich bin daraufhin aus dem Heim weggelaufen zum Hafen und hab gefragt wann die nächste Fähre nach B. geht.....
Ich hatte Glück im Unglück.
Ein älterer Kapitän? Matrose? von der Fähre nahm mich an die Hand und brachte mich zurück zum Haus Meerstern mit dem Versprechen, dass ich dort gut behandelt würde ab sofort.
Wir hatten eingetrichtert bekommen wenn wir uns mal " verlaufen" sollten sollten wir sagen wir gehören zum Haus "Meerstern".
Als ich wieder im Haus Meerstern war hatte ich Angst vor Bestrafung.Doch die Betreuerin S beschützte mich und sagte mir sie würde hier selbst auch nicht mehr mitfahren sie sei nicht einverstanden mit den "Methoden" so dürfe man mit Kindern nicht umgehen, jedes Kind habe eine schwierige Vergangenheit".Man hätte sie beauftragt sie solle mich ausfragen ob ich weggelaufen sei und dann bestrafen was sie aber nicht tun würde.Sie vertrete eine andere Meinung.Sie und Ich spürten das Unrecht in dem Haus und ich verstand vieles einfach(noch) nicht.
Zum Beispiel dass es auch Erwachsene gibt die mit Freude Kinder missbrauchen und quälen.
Ich hatte eine Strichliste gemacht das war S Idee und ich strich jeden Tag vor Freude weg wenn es näher an die Abreise ging.
Als ich wieder Zuhause war habe ich stundenlang geweint.Ich war ziemlich verstört danach und als derselbe Arzt mich mit 15 noch einmal in Kur schicken wollte wollte ich keinesfalls mehr nach Spiekeroog.
Mit meinem Mann war ich vor zwei Jahren als Tagesgast dort um zu gucken ob mir Erinnerungen kommen weil ich Spiekeroog nie wieder besuchen wollte und es waren dunkle keine schönen Erinnerungen.Das ehemalige "KindererholungsHaus"Meerstern steht noch mit den alten Fenstern dort.Die Wiese hinter dem Haus habe ich betreten und mir kamen die Tränen und wir mussten schnell wieder gehen.So eine schöne Insel und so eine schreckliche Erinnerung an das Haus, das kein "KindererholungsHaus mehr ist und nie wirklich war"
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Elisabeth Dieckmann aus Möhnesee schrieb am 30.10.2022
Ich habe keine guten Erinnerungen an das Heim.Frau Dr. Selters war ein Teufel.Wenn wir nicht essen wollten,was es gab,bekamen wir gekochte Nudeln ohne Sauce und mussten so lange auf dem Stuhl sitzen bleiben, bis wir alles aufgegessen haben.Pakete von zu Hause wurden nicht ausgehändigt.Ich leide noch heute unter dem negativen Erlebnis.Morgens 6 Uhr bürstenmassagen und Molke,das war echt ätzend.
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Michaela aus Wiek schrieb am 29.10.2022
Ich war ein Verschickungskind im Kindergenesungsheim in Oy Mittelberg 1964

Der Beginn

Ich, Michaela und meine Schwester Eva kamen im Herbst 1964 für ca. 8 Wochen in das Kindergenesungsheim Oy Mittelberg im Allgäu. Bei meiner Schwester Eva gibt es nur noch wenig Erinnerung an unseren Aufenthalt; ich erinnere mich sehr gut.

Wir kamen aus München-Perlach. Meine Schwester Eva war 5 Jahre und ich 7,5 Jahre. Ich war ein dünnes Kind und, wie die Lehrer sagten, schlecht in der Schule und langweilig. Meine Schwester war lebhaft und eher „fester“ aber nicht dick. Wir waren gute Esser. Meine Schwester und ich hatten die letzten 1,5 Jahr mit Keuchhusten und Masern zu tun, so dass ein regelmäßiger Schulbesuch oft nicht statt fand.

Am 27. September 1964 kam unsere kleine Schwester Erika zur Welt. Es ging ihr sehr schlecht und meine Eltern mussten sie in München in der Klinik lassen und konnten das Baby erst nach ca. 3 Wochen nach Hause holen. Das müsse dann so zwischen 15. und 20. Oktober 1964 gewesen sein. Meine Schwester Eva und ich bekamen das Baby nicht zu sehen, da wir kurz vor der Klinikentlassung des Babys nach Oy geschickt wurden.

Um unsere Mutter mit dem neuen Baby zu entlasten, gaben die Eltern dem Hausarzt ihr Einverständnis zu unserer „Kur“. Eingewiesen hat uns unser Hausarzt Dr. Kampa in Perlach über das Müttergenesungswerk. Das hat uns unsere Mutter später erzählt.

Die Vorbereitungen

Ein Besuch im Heim durch unsere Eltern war verboten.
Es wurde uns Briefpost zum beschreiben von den Eltern eingepackt. Schon fertig mit der Heimatadresse und einer Briefmarke versehen. Unsere Kleider und Schürzen, die wir tragen sollten, waren alle mit Wäscheetiketten und unseren Namen benäht. Spielzeug oder Kuscheltier durfte nicht mitreisen.

Reise

Die Eltern brachten uns zum Hauptbahnhof München. Von dort ging der Zug mit vielen Kindern ins Allgäu. Mit Zwischenstationen in mehreren Kurorten, wo ebenfalls Kinder ausstiegen, kamen wir in Oy an. Dort wurden wir abgeholt. Wie, weiß ich nicht mehr.

Ankunft

In Oy Mittelberg gab es eine große Kinderkurklinik und ein oder mehrere angeschlossene Kindergenesungsheime.

Schon als ich unser Genesungsheim von außen sah und die vielen Kinder wurde mir Angst und ich hatte Heimweh.

Mädchen und Buben wurden erst mal vor dem Heim auseinandersortiert und wir durften nicht reden. Die Jungs, die mit uns gereist waren, wurden abgezweigt und von einem Lehrer weggebracht. Ich vermute, in ein weiteres Gebäude. Wir haben die Buben dann nur noch vereinzelt bei den ärztlichen Untersuchungen gesehen, bei denen wir auch nicht mehr miteinander sprechen durften.

Personal

Das Heim wurde von katholischen Nonnen geführt. Nachträglich konnte ich recherchieren: Die Schwestern kamen aus dem Kloster Mallersdorf – Mutterhaus der Armen Franziskanerinnen.

Zusammenhängend ist dazu zu sagen: Ich und meine Schwester Eva wurden in Mallersdorf geboren und lebten nun in München Perlach. Meine Lehrer dort und die Frauen im Kindergarten meiner Schwester waren ebenfalls Klosterschwestern. Mir flößten diese Schwestern stets Angst und Entsetzen ein. Meine Schwester ging allerdings gerne in diesen Kindergarten.

Aufteilung

Im Flur im Innenbereich angekommen, wurden meine Schwester Eva und ich „aufgeteilt“. Eva kam in eine andere Gruppe als ich und sollte zu den „Kleinen“. Ich kam in die Gruppe der „Großen“. Lange wurde von den Schwestern diskutiert, ob ich altersgemäß überhaupt in diese Gruppe passen könnte. Man hielt mich für zu jung, entschied sich dann aber doch für die „große“ Gruppe.

Wir mussten uns also sofort trennen. Unser Gepäck wurde von den Schwestern in unsere Schlafräume gebracht. Meine Schwester Eva weinte.

Was später mit meiner Schwester in ihrer Gruppe passierte, konnte ich oft nur durch lautes Weinen erahnen, da wir ständig durch Türen getrennt waren.

Im Zimmer der „Großen“ habe ich bemerkt, dass es anscheinend im Heim mehrere größere Mädchen gab, die ständig dort lebten.

Tagesablauf

Frühes aufstehen, ein paar mal wöchentlich frühmorgens ein langer Marsch in eine Bergkirche in dem dann ein Frühgottesdienst abgehalten wurde. Waschen. Frühstück. Briefe schreiben. Spielen. Mittagessen. Mittagsruhe. Spielen. Abendessen. Waschen. Schlafengehen. Die „größeren“ Mädchen, die ständig dort wohnten, gingen vormittags zur Schule. Ich kann mich an keine Ausflüge erinnern. Einmal waren wir nachmittags zum Schlitten fahren.

Das Essen

Das Essen fand an langen Tischen statt. Für jede Gruppe in deren Aufenthaltsraum. Jedes Kind hatte einen festen Platz mit einer Schublade unter der Tischplatte. Dort hinein kamen die vorgefertigten, mitgebrachten Briefkarten.

Es gab sehr fettes Fleisch, das ich als Kind nicht essen konnte. Mir graute einfach davor und ich würgte es ständig heraus. Ich musste es aber aufessen. Ich musste solange vor dem Teller sitzen, bis ich aufgegessen hatte. Es ging noch weiteren Kindern so.

Ich konnte das nicht essen und habe erbrochen. Um diese Tortur nicht weiter mitmachen zu müssen, habe ich das restliche Essen mit dem Fett in die Schublade unter mir geschüttet. Um das Briefpapier zu schützen habe ich mit Brot eine Barriere gebaut.

Als der Kuraufenthalt endete, war die Schublade voll, das Briefpapier leer und alles schimmelig. Aber dieses Essen brauchte ich wenigstens nicht mehr essen.

Meine Schwester Eva hatte solchen Hunger, dass sie einmal den Essenslift im Vorraum abwartete und anfing, die Suppen für das Mittagessen schon aus dem Lift zu löffeln. Sie war 5. Dann hörte ich nur noch Geschrei und es wurde nach mir gerufen. Ich sollte kommen und mir das Balg ansehen, das so sträflich gehandelt hatte. Meine Schwester wurde vor allen anderen Kindern verprügelt bis sie sich einnässte. Ich musste mit meiner weinenden Schwester dann zur Strafe mit ihr in die Schlafräume und sie umziehen. Wir durften erst zum Abendessen wieder in die Aufenthaltsräume. Wir mussten uns gegenseitig trösten. Niemand durfte dort an diesem Abend mehr mit uns sprechen.

Wir bekamen zu den jeweiligen Essen mehrere Tabletten auf den Tellerrand gelegt. Was das für Tabletten waren, kann ich natürlich nicht mehr sagen.

Manchmal kullerten die Tabletten in die Suppe und haben das Essen verbittert. Wir mussten trotzdem Essen. Es ist mir ein Mädchen in Erinnerung, das nicht die Suppe essen wollte und der die Suppe von einer Schwester regelrecht gewaltsam mit dem Löffel verabreicht wurde.

Einmal gab es einen Apfel zur Nachspeise. Mein Apfel war wurmig und auf einer Seite faulig. Aber ich musste abbeißen. Als die Schwester nicht mehr guckte, steckte ich den Apfel in meine Schürzentasche. Beim nächsten Toilettengang dachte ich mir aus, könnte ich den Apfel in der Toilette entsorgen. Das tat ich auch. Ich wusste nicht, dass Äpfel im Wasser schwimmen. Eine Klosterschwester riss die Toilettentür auf, guckte ins Klo, sah den Apfel. Ich musste ihn herausholen und sollte den Apfel vor allen Kindern essen. Ich versuchte es und musste wieder erbrechen. Die Strafe war, ich sollte den Apfel im Laufe des Tages essen, mein Erbrochenes aufwischen und die Strafe der „großen“ Mädchen abwarten. Das tat ich.

Ich steckte den Apfel wieder in die Schürzentasche. Dort gammelte er und wuchs sozusagen durch den Stoff durch bis wir wieder nach Hause kamen.

Ich kann mich nicht an gute und entspannte Essen dort erinnern.

Körperhygiene

Wir mussten 1 x in der Woche duschen. Dazu wurden wir alle in einen großen Raum im Keller gebracht. Der Raum war mit Holzpaletten ausgelegt und die Duschköpfe waren an der Raumdecke angebracht. Wir mussten unsere Unterwäsche anlassen und durften uns nicht am Unterleib berühren. Auch durften wir uns gegenseitig nicht anfassen, nicht lachen.
Dann wurde die Raumtüre geschlossen und von außen die Dusche aufgedreht. Das ging über Heiß- bis Kaltwasser. Es gab für uns keinen Schutz im Raum. Ein großes Kind machte uns vor, wie wir uns mit dem Waschlappen wo waschen sollten. Heiß- oder Kaltwasser kam willkürlich und wir konnten nicht aus. Eine Schwester stand vor der Tür und beobachtete die Prozedur durch eine Glasscheibe. Manche Kinder schützten sich, indem sie die Hände vor ihr Gesicht hielten. Manche weinten andere standen einfach total erstarrt da. Ich durfte meiner kleinen Schwester nicht helfen.

Toilettengänge durften nur zu angegebenen, bestimmten Zeiten statt finden. Sollte man das nicht aushalten, folgten Strafen. Eckestehen. Auslachen. Kein Nachmittagskaffee.

Spielzeug

Meiner Meinung nach gab es kein altersgerechtes Spielzeug in meiner Gruppe. Ich klebte Wochenlang nur kleine Tiere aus Plastikfolie auf eine Plastikunterlage. Gesellschaftsspiele durfte ich nicht mitspielen oder nur dann, wenn man mich auch bestrafen konnte. Wie es bei den „Kleinen“ aussah, weiß ich nicht und meine Schwester Eva erinnert sich auch nicht mehr.


Arztbesuche und Medikamente

Einmal wöchentlich kam ein Arzt und auch der Pfarrer. Die Schwestern waren an diesem Tag immer sehr aufgeregt. Pfarrer und Arzt wurden hofiert. Wir mussten uns gut und sauber anziehen und durften nicht sprechen. Der Arzt schlug uns mit einem Hämmerchen aufs Knie und hörte die Lunge ab. Weiter passierte meiner Ansicht nach nichts. An diesem Tag bekamen wir manche von den Jungs die mit uns ankamen wieder zu sehen, durften aber nicht mit ihnen sprechen.

Tabletten bekamen wir in größeren Mengen täglich auf den Tellerrand gelegt. Ich kann mich erinnern, dass ich einmal eine Spritze bekam.

Feste

Am Nikolaustag bekamen Eva und ich von unseren Eltern einen Nikolaussack zugeschickt. Wir freuten uns so sehr. Jedes Jahr brachte uns der Nikolaus ja etwas. Damals waren es Äpfel, Nüsse, Orangen, Lebkuchen und einen Schokoladennikolaus.

Es wurde am Nikolaustag nach dem Abendessen die Kinder alle einberufen. Vor unseren Augen wurde dann der Inhalt unseres Nikolaussackes an alle verteilt. Eva und ich bekamen nichts. Mit den Worten einer Schwester: Da kann man mal sehen, was Kinder hier bekommen, die sonst alles haben. Wir waren nicht reich.

Wir hatten einmal ein Geburtstagskind, die etwas Süßes von den Eltern bekam, dort wurde es genauso gehandhabt.

Eine Strafe für Kinder, deren Eltern ihnen ein kleines Geschenk andachten.

Briefe

Die mitgebrachten Briefkarten wurden ein- oder zweimal wöchentlich an die Eltern geschrieben. Meine erste Karte enthielt wahrheitsgemäß den Satz, dass es uns Kindern hier nicht gefällt, Heimweh hatten und wir wieder nach Hause möchten. Dieser Brief wurde von den Schwestern abgefangen, gelesen. Daraufhin wurde der Brief vor meinen Augen und allen anderen Kindern zerrissen und ich musste schreiben: „Liebe Mama, lieber Papa, wie geht es Euch? Uns geht es gut. Liebe Grüße, Eure Eva und Michaela.“ Diese Briefe hatte meine Mutter aufgehoben bis sie verstarb.

Mir wurde gedroht, dass meine Eltern uns nicht mehr zurück haben wollten, wenn ich nicht das schreibe, was die Schwestern sagten.

Nachtruhe

Ich schlief in einem kleineren Schlafraum mit hohen Decken mit weiteren 3 Mädchen aus der großen Gruppe, die auch zur Kur dort waren.

Meine Schwester musste in einem sehr großen Schlafsaal schlafen in dem viele kleinere Mädchen schliefen.

Der Schlafraum war durch eine Tür mit unserem Zimmer verbunden. Wir durften die Tür aber nicht öffnen. Wir taten es aber doch. Mehrer „größere“ Mädchen hatten ja ein Geschwisterkind mitgebracht. Es war gut zu sehen, dass unsere Geschwister ja sozusagen neben uns lagen.

Das Licht wurde durch die Schwestern ausgeschaltet und durfte nicht mehr angeschaltet werden. Es durfte Nachts nicht mehr zur Toilette gegangen werden. Es durfte nicht mehr miteinander gesprochen werden.

Oft weinten wir größeren Mädchen leise in unseren Betten.

In den Nächten wurden die Schlafraumtüren willkürlich aufgerissen. Licht angeschaltet und kontrolliert, ob wir großen Mädchen im Bett waren.

Bei den „Kleinen“ wurden die Bettdecken weggerissen, die Kinder aus dem Bett gezogen und die Laken kontrolliert. Manche von den Kleinen hatten eingenässt. Die Laken wurden herausgerissen aus den Betten, die Kinder am Arm gepackt und durch anschreien und Schläge bestraft. Es wurde jedesmal ein Kind ausgesucht, das dann im Keller in einen kleinen, fensterlosen Raum gesperrt. Dort musste es die Nacht verbringen. Ob es am Tage noch dort war, kann ich nicht sagen, da ich tagsüber nicht in die Räumlichkeiten der „Kleinen“ kam.

Das Einsperren der „Kleinen“ haben wir „Größeren“ nur herausgefunden, weil manche von uns Nachts an dieser Tür im Keller barfuß, im Schlafanzug und mit dem Gesicht zur Wand im Dunkeln auf den kalten Fliesen „stehen“ musste. Wenn wir zum Beispiel Nachts noch miteinander sprachen oder auf die Toilette huschten.. Wenn man auf Grund der Kälte zur Toilette musste, musste man einnässen, durfte sich nicht wegbewegen und handelte sich wieder eine Strafe für den nächsten Tag ein.

Wir Größeren haben dann beschlossen, dass wir jede Nacht nach den Kleinen schauen müssten. Die Kinder sollten sagen, ob sie eingenässt hätten. Dann haben wir Großen die Laken im Dunkeln abgezogen und haben unsere eigenen Laken eingelegt. Die eingenässten Laken versuchten wir Großen über unserer Heizung zu trocknen, wenn die „Kontrolle“ vorüber war.

Also hatten wir Nachts viel zu tun. An viel Schlaf war nicht zu denken. Wir mussten leise damit umgehen und ständig auf der Hut vor Kontrolle sein.

Einmal kam die Schwesternkontrolle und wir sprangen alle in unsere Betten. Mein Bein war noch nicht unter der Bettdecke verschwunden. Also musste ich diese Nacht das „stehen“ übernehmen und sah die Tür des „Gefängnisses“ und hörte darin ein Kind. Wir konnten und durften nicht durch die Tür miteinander sprechen. So haben wir nur leise an die Tür geklopft und haben versucht, etwas durchs Schlüsselloch zu sehen. Das war aber bei der Dunkelheit nicht möglich.

Wir Großen wussten also was geschah mit den Kleinen und damit auch mit unserern Geschwistern und wir konnten nicht helfen, da wir so schlimm bestraft wurden.

Strafen durch „größere“ Kinder

Die Schwestern wiesen die Mädchen an, die anscheinend ständig dort lebten, sich Strafen für mich auszudenken und diese an mir zu vollziehen. Dann sollten die Mädchen etwas „gut“ haben.

Meine Strafen waren:

Mir wurden die Augen verbunden, dann wurde ich um mich selbst gedreht, angehalten, dann wurde meine Hand genommen und auf einen stacheligen Kaktus geschlagen. Die Stacheln musste ich mir selber herausmachen. Meine Handfläche war entzündet.

Ich wurde gekniffen indem mir die Haut gedreht wurde, bis ein blauer Fleck entstand.
Es wurde an meinen Haaren gezogen, Haare ausgerissen und auf die Zehen getreten.

Nach meinen Bestrafungen durch die größeren Mädchen wurden diese von den Schwestern offen hervorgehoben und gelobt.

Strafen durch die Schwestern

Prügel, Essenszwang, Sitzstrafen, Stehstrafen, Haftstrafen, Redeverbot, Lachverbot, Weinverbot, Erniedrigung vor allen anderen Kindern und Schwestern und auslachen in der Gruppe mit Fingerzeigen. Drohungen, dass wir nicht mehr nach Hause dürften und unsere Eltern uns nicht mehr haben wollten.

Wieder Zuhause

Wir haben zuhause nichts davon unseren Eltern erzählt. Wir hatten Angst, wieder in das Heim zu müssen.
Ich hatte Angst vor Erwachsenen. Sogar noch, als ich eine junge Frau war und selbst schon Mama war..
Ich hatte Angst vor Strafe. Ich hatte Angst, ich könnte keine Toilette in der Nähe haben.
Ich hatte Angst vor der Schule und den Lehrern. Dort waren ja auch Schwestern.
Ich war schlecht in der Schule. Ich war still. Ab und an nässte ich ein.

Ich hatte einen starken Gerechtigkeitssinn entwickelt und verspürte Zorn, Enttäuschung und Wut wenn Gerechtigkeit nicht statt fand und ich nichts gegen Ungerechtigkeit tun konnte.

Ich kam nicht mit mehr Gewicht zurück, meine Schwester hatte auch nicht abgenommen. Wir waren auch nicht gesünder als vorher. Wir bekamen weiterhin Kinderkrankheiten und hatten ständig mit Husten zu tun.

Wie es meiner Schwester seelisch und erging kann ich nur erahnen, da wir vor lauter Angst nicht darüber sprachen.

Im Laufe der Jugendjahre entwickelten meine Schwester und ich die Krankheit Morbus-Crohn.

Aufarbeitung

Ich wurde 2011 sehr krank und die Erinnerung an diese Verschickungszeit ließ mich nicht los.

Ich schrieb damals auf, an was ich mich an unseren Aufenthalt im Heim erinnerte und erschrak fürchterlich über diese Misshandlungen.

Ich befragte ich meine Mutter, ob sie von den Zuständen in dem Kindergenesungsheim in Oy Mittelberg gewusst hatte oder etwas geahnt hätte. Sie hatte davon keine Ahnung und nichts bemerkt.
Meine Schwester Eva konnte sich nur an ganz wenig dort erinnern. Aber an das „Loch“, wie sie es nannte, wo die Kinder eingesperrt wurden, an das konnte sie sich erinnern.
Sie machte sich mit meiner Mutter auf den Weg nach Oy Mittelberg und fand auch das ehemalige Kindergenesungshaus dort wieder. Sie konnte es nicht betreten, da dort wieder eine Einrichtung für Kinder darin ist. Aber von außen fand sie den Kellerzugang zu dem dunklen Flur, wo das „Loch“ für die Kleinen war, sofort wieder.

Ich schrieb daraufhin einen Brief an das Mutterhaus der Mallersdorfer Schwestern und bekam da auch Antwort. Mir wurde gesagt, dass die Erziehungsmethoden damals halt so waren, dass ihnen das alles sehr leid täte und ich gerne einmal in das Mutterhaus kommen könnte, um mein Gewissen zu erleichtern. Leider ging mein Brief an das Schwesternhaus sowie die Antwort verloren. Ich bin auf der Suche danach, denn es kann eigentlich nicht sein, dass ich das alles weggeworfen hätte.

Ich lebe nicht mehr in Bayern. Ich betreibe zwei Ferienwohnung auf der Insel Rügen. Auch dort gibt es immer noch eine Mutter-Kind-Klinik. Während DDR-Zeiten war es das Kindergenesungsheim Frohe Zukunft. Bereits zwei mal hatte ich Gäste (Männer) in meinem Haus, die mit Ihrer Mutter kamen um den Ort ihrer Misshandlung zu besuchen und ihren völlig ahnungslosen Müttern alles zu erzählen und das Heim wenigstens von außen zu zeigen.

Durch einen Besuch bei unserem Trauzeugen habe ich erfahren, dass auch er in so ein Genesungsheim verschickt wurde und Erinnerungen durch meine Erzählung bei ihm wieder aufkommen. Er wird seine Mutter fragen, wo er hin verschickt wurde.

Ich bin im Internet darauf gestoßen, dass ein NS-Arzt Dr. Hensel bis ins Jahr 1965 in der Kinderkurklinik Oy-Mittelberg als Arzt tätig war. Dieser Arzt hat in Kaufbeuren in einer Kinderkurklinik während der NS-Zeit Versuche an kranken Kindern und behinderten Kindern zur TBC-Erkrankung vorgenommen und wechselte dann nach Oy Mittelberg. Von diesen „minderwertigen Versuchskindern“ verstarben mehrere. Es gab auch einen Prozess in dem er freigesprochen wurde und seine Arbeit als Arzt fortsetzen durfte.

Zitat Wikipedia: Georg Hensel, Pulmologe, 1939 Oberarzt Kinderheilstätte Mittelberg, führte dort tödliche TBC-Versuche an behinderten Kindern durch. 1946 Freispruch, 1960 neues Verfahren eingestellt.[18]

Für mich hat das alles schon Zusammenhänge und Methode.

Jetzt habe ich diese wunderbare Seite gefunden. Ich bin zutiefst entsetzt über das Leid so vieler Kinder, die jetzt alle schon erwachsen sind.

Alle erworbenen Ängste, alle erworbenen Erkrankungen, alle Misshandlungen an den Verschickungskindern müssen sofort offengelegt werden.


28.10.2022, Michaela Seliga


Ich war ein Verschickungskind im Kindergenesungsheim in Oy Mittelberg 1964

Der Beginn

Ich, Michaela und meine Schwester Eva kamen im Herbst 1964 für ca. 8 Wochen in das Kindergenesungsheim Oy Mittelberg im Allgäu. Bei meiner Schwester Eva gibt es nur noch wenig Erinnerung an unseren Aufenthalt; ich erinnere mich sehr gut.

Wir kamen aus München-Perlach. Meine Schwester Eva war 5 Jahre und ich 7,5 Jahre. Ich war ein dünnes Kind und, wie die Lehrer sagten, schlecht in der Schule und langweilig. Meine Schwester war lebhaft und eher „fester“ aber nicht dick. Wir waren gute Esser. Meine Schwester und ich hatten die letzten 1,5 Jahr mit Keuchhusten und Masern zu tun, so dass ein regelmäßiger Schulbesuch oft nicht statt fand.

Am 27. September 1964 kam unsere kleine Schwester Erika zur Welt. Es ging ihr sehr schlecht und meine Eltern mussten sie in München in der Klinik lassen und konnten das Baby erst nach ca. 3 Wochen nach Hause holen. Das müsse dann so zwischen 15. und 20. Oktober 1964 gewesen sein. Meine Schwester Eva und ich bekamen das Baby nicht zu sehen, da wir kurz vor der Klinikentlassung des Babys nach Oy geschickt wurden.

Um unsere Mutter mit dem neuen Baby zu entlasten, gaben die Eltern dem Hausarzt ihr Einverständnis zu unserer „Kur“. Eingewiesen hat uns unser Hausarzt Dr. Kampa in Perlach über das Müttergenesungswerk. Das hat uns unsere Mutter später erzählt.

Die Vorbereitungen

Ein Besuch im Heim durch unsere Eltern war verboten.
Es wurde uns Briefpost zum beschreiben von den Eltern eingepackt. Schon fertig mit der Heimatadresse und einer Briefmarke versehen. Unsere Kleider und Schürzen, die wir tragen sollten, waren alle mit Wäscheetiketten und unseren Namen benäht. Spielzeug oder Kuscheltier durfte nicht mitreisen.

Reise

Die Eltern brachten uns zum Hauptbahnhof München. Von dort ging der Zug mit vielen Kindern ins Allgäu. Mit Zwischenstationen in mehreren Kurorten, wo ebenfalls Kinder ausstiegen, kamen wir in Oy an. Dort wurden wir abgeholt. Wie, weiß ich nicht mehr.

Ankunft

In Oy Mittelberg gab es eine große Kinderkurklinik und ein oder mehrere angeschlossene Kindergenesungsheime.

Schon als ich unser Genesungsheim von außen sah und die vielen Kinder wurde mir Angst und ich hatte Heimweh.

Mädchen und Buben wurden erst mal vor dem Heim auseinandersortiert und wir durften nicht reden. Die Jungs, die mit uns gereist waren, wurden abgezweigt und von einem Lehrer weggebracht. Ich vermute, in ein weiteres Gebäude. Wir haben die Buben dann nur noch vereinzelt bei den ärztlichen Untersuchungen gesehen, bei denen wir auch nicht mehr miteinander sprechen durften.

Personal

Das Heim wurde von katholischen Nonnen geführt. Nachträglich konnte ich recherchieren: Die Schwestern kamen aus dem Kloster Mallersdorf – Mutterhaus der Armen Franziskanerinnen.

Zusammenhängend ist dazu zu sagen: Ich und meine Schwester Eva wurden in Mallersdorf geboren und lebten nun in München Perlach. Meine Lehrer dort und die Frauen im Kindergarten meiner Schwester waren ebenfalls Klosterschwestern. Mir flößten diese Schwestern stets Angst und Entsetzen ein. Meine Schwester ging allerdings gerne in diesen Kindergarten.

Aufteilung

Im Flur im Innenbereich angekommen, wurden meine Schwester Eva und ich „aufgeteilt“. Eva kam in eine andere Gruppe als ich und sollte zu den „Kleinen“. Ich kam in die Gruppe der „Großen“. Lange wurde von den Schwestern diskutiert, ob ich altersgemäß überhaupt in diese Gruppe passen könnte. Man hielt mich für zu jung, entschied sich dann aber doch für die „große“ Gruppe.

Wir mussten uns also sofort trennen. Unser Gepäck wurde von den Schwestern in unsere Schlafräume gebracht. Meine Schwester Eva weinte.

Was später mit meiner Schwester in ihrer Gruppe passierte, konnte ich oft nur durch lautes Weinen erahnen, da wir ständig durch Türen getrennt waren.

Im Zimmer der „Großen“ habe ich bemerkt, dass es anscheinend im Heim mehrere größere Mädchen gab, die ständig dort lebten.

Tagesablauf

Frühes aufstehen, ein paar mal wöchentlich frühmorgens ein langer Marsch in eine Bergkirche in dem dann ein Frühgottesdienst abgehalten wurde. Waschen. Frühstück. Briefe schreiben. Spielen. Mittagessen. Mittagsruhe. Spielen. Abendessen. Waschen. Schlafengehen. Die „größeren“ Mädchen, die ständig dort wohnten, gingen vormittags zur Schule. Ich kann mich an keine Ausflüge erinnern. Einmal waren wir nachmittags zum Schlitten fahren.

Das Essen

Das Essen fand an langen Tischen statt. Für jede Gruppe in deren Aufenthaltsraum. Jedes Kind hatte einen festen Platz mit einer Schublade unter der Tischplatte. Dort hinein kamen die vorgefertigten, mitgebrachten Briefkarten.

Es gab sehr fettes Fleisch, das ich als Kind nicht essen konnte. Mir graute einfach davor und ich würgte es ständig heraus. Ich musste es aber aufessen. Ich musste solange vor dem Teller sitzen, bis ich aufgegessen hatte. Es ging noch weiteren Kindern so.

Ich konnte das nicht essen und habe erbrochen. Um diese Tortur nicht weiter mitmachen zu müssen, habe ich das restliche Essen mit dem Fett in die Schublade unter mir geschüttet. Um das Briefpapier zu schützen habe ich mit Brot eine Barriere gebaut.

Als der Kuraufenthalt endete, war die Schublade voll, das Briefpapier leer und alles schimmelig. Aber dieses Essen brauchte ich wenigstens nicht mehr essen.

Meine Schwester Eva hatte solchen Hunger, dass sie einmal den Essenslift im Vorraum abwartete und anfing, die Suppen für das Mittagessen schon aus dem Lift zu löffeln. Sie war 5. Dann hörte ich nur noch Geschrei und es wurde nach mir gerufen. Ich sollte kommen und mir das Balg ansehen, das so sträflich gehandelt hatte. Meine Schwester wurde vor allen anderen Kindern verprügelt bis sie sich einnässte. Ich musste mit meiner weinenden Schwester dann zur Strafe mit ihr in die Schlafräume und sie umziehen. Wir durften erst zum Abendessen wieder in die Aufenthaltsräume. Wir mussten uns gegenseitig trösten. Niemand durfte dort an diesem Abend mehr mit uns sprechen.

Wir bekamen zu den jeweiligen Essen mehrere Tabletten auf den Tellerrand gelegt. Was das für Tabletten waren, kann ich natürlich nicht mehr sagen.

Manchmal kullerten die Tabletten in die Suppe und haben das Essen verbittert. Wir mussten trotzdem Essen. Es ist mir ein Mädchen in Erinnerung, das nicht die Suppe essen wollte und der die Suppe von einer Schwester regelrecht gewaltsam mit dem Löffel verabreicht wurde.

Einmal gab es einen Apfel zur Nachspeise. Mein Apfel war wurmig und auf einer Seite faulig. Aber ich musste abbeißen. Als die Schwester nicht mehr guckte, steckte ich den Apfel in meine Schürzentasche. Beim nächsten Toilettengang dachte ich mir aus, könnte ich den Apfel in der Toilette entsorgen. Das tat ich auch. Ich wusste nicht, dass Äpfel im Wasser schwimmen. Eine Klosterschwester riss die Toilettentür auf, guckte ins Klo, sah den Apfel. Ich musste ihn herausholen und sollte den Apfel vor allen Kindern essen. Ich versuchte es und musste wieder erbrechen. Die Strafe war, ich sollte den Apfel im Laufe des Tages essen, mein Erbrochenes aufwischen und die Strafe der „großen“ Mädchen abwarten. Das tat ich.

Ich steckte den Apfel wieder in die Schürzentasche. Dort gammelte er und wuchs sozusagen durch den Stoff durch bis wir wieder nach Hause kamen.

Ich kann mich nicht an gute und entspannte Essen dort erinnern.

Körperhygiene

Wir mussten 1 x in der Woche duschen. Dazu wurden wir alle in einen großen Raum im Keller gebracht. Der Raum war mit Holzpaletten ausgelegt und die Duschköpfe waren an der Raumdecke angebracht. Wir mussten unsere Unterwäsche anlassen und durften uns nicht am Unterleib berühren. Auch durften wir uns gegenseitig nicht anfassen, nicht lachen.
Dann wurde die Raumtüre geschlossen und von außen die Dusche aufgedreht. Das ging über Heiß- bis Kaltwasser. Es gab für uns keinen Schutz im Raum. Ein großes Kind machte uns vor, wie wir uns mit dem Waschlappen wo waschen sollten. Heiß- oder Kaltwasser kam willkürlich und wir konnten nicht aus. Eine Schwester stand vor der Tür und beobachtete die Prozedur durch eine Glasscheibe. Manche Kinder schützten sich, indem sie die Hände vor ihr Gesicht hielten. Manche weinten andere standen einfach total erstarrt da. Ich durfte meiner kleinen Schwester nicht helfen.

Toilettengänge durften nur zu angegebenen, bestimmten Zeiten statt finden. Sollte man das nicht aushalten, folgten Strafen. Eckestehen. Auslachen. Kein Nachmittagskaffee.

Spielzeug

Meiner Meinung nach gab es kein altersgerechtes Spielzeug in meiner Gruppe. Ich klebte Wochenlang nur kleine Tiere aus Plastikfolie auf eine Plastikunterlage. Gesellschaftsspiele durfte ich nicht mitspielen oder nur dann, wenn man mich auch bestrafen konnte. Wie es bei den „Kleinen“ aussah, weiß ich nicht und meine Schwester Eva erinnert sich auch nicht mehr.


Arztbesuche und Medikamente

Einmal wöchentlich kam ein Arzt und auch der Pfarrer. Die Schwestern waren an diesem Tag immer sehr aufgeregt. Pfarrer und Arzt wurden hofiert. Wir mussten uns gut und sauber anziehen und durften nicht sprechen. Der Arzt schlug uns mit einem Hämmerchen aufs Knie und hörte die Lunge ab. Weiter passierte meiner Ansicht nach nichts. An diesem Tag bekamen wir manche von den Jungs die mit uns ankamen wieder zu sehen, durften aber nicht mit ihnen sprechen.

Tabletten bekamen wir in größeren Mengen täglich auf den Tellerrand gelegt. Ich kann mich erinnern, dass ich einmal eine Spritze bekam.

Feste

Am Nikolaustag bekamen Eva und ich von unseren Eltern einen Nikolaussack zugeschickt. Wir freuten uns so sehr. Jedes Jahr brachte uns der Nikolaus ja etwas. Damals waren es Äpfel, Nüsse, Orangen, Lebkuchen und einen Schokoladennikolaus.

Es wurde am Nikolaustag nach dem Abendessen die Kinder alle einberufen. Vor unseren Augen wurde dann der Inhalt unseres Nikolaussackes an alle verteilt. Eva und ich bekamen nichts. Mit den Worten einer Schwester: Da kann man mal sehen, was Kinder hier bekommen, die sonst alles haben. Wir waren nicht reich.

Wir hatten einmal ein Geburtstagskind, die etwas Süßes von den Eltern bekam, dort wurde es genauso gehandhabt.

Eine Strafe für Kinder, deren Eltern ihnen ein kleines Geschenk andachten.

Briefe

Die mitgebrachten Briefkarten wurden ein- oder zweimal wöchentlich an die Eltern geschrieben. Meine erste Karte enthielt wahrheitsgemäß den Satz, dass es uns Kindern hier nicht gefällt, Heimweh hatten und wir wieder nach Hause möchten. Dieser Brief wurde von den Schwestern abgefangen, gelesen. Daraufhin wurde der Brief vor meinen Augen und allen anderen Kindern zerrissen und ich musste schreiben: „Liebe Mama, lieber Papa, wie geht es Euch? Uns geht es gut. Liebe Grüße, Eure Eva und Michaela.“ Diese Briefe hatte meine Mutter aufgehoben bis sie verstarb.

Mir wurde gedroht, dass meine Eltern uns nicht mehr zurück haben wollten, wenn ich nicht das schreibe, was die Schwestern sagten.

Nachtruhe

Ich schlief in einem kleineren Schlafraum mit hohen Decken mit weiteren 3 Mädchen aus der großen Gruppe, die auch zur Kur dort waren.

Meine Schwester musste in einem sehr großen Schlafsaal schlafen in dem viele kleinere Mädchen schliefen.

Der Schlafraum war durch eine Tür mit unserem Zimmer verbunden. Wir durften die Tür aber nicht öffnen. Wir taten es aber doch. Mehrer „größere“ Mädchen hatten ja ein Geschwisterkind mitgebracht. Es war gut zu sehen, dass unsere Geschwister ja sozusagen neben uns lagen.

Das Licht wurde durch die Schwestern ausgeschaltet und durfte nicht mehr angeschaltet werden. Es durfte Nachts nicht mehr zur Toilette gegangen werden. Es durfte nicht mehr miteinander gesprochen werden.

Oft weinten wir größeren Mädchen leise in unseren Betten.

In den Nächten wurden die Schlafraumtüren willkürlich aufgerissen. Licht angeschaltet und kontrolliert, ob wir großen Mädchen im Bett waren.

Bei den „Kleinen“ wurden die Bettdecken weggerissen, die Kinder aus dem Bett gezogen und die Laken kontrolliert. Manche von den Kleinen hatten eingenässt. Die Laken wurden herausgerissen aus den Betten, die Kinder am Arm gepackt und durch anschreien und Schläge bestraft. Es wurde jedesmal ein Kind ausgesucht, das dann im Keller in einen kleinen, fensterlosen Raum gesperrt. Dort musste es die Nacht verbringen. Ob es am Tage noch dort war, kann ich nicht sagen, da ich tagsüber nicht in die Räumlichkeiten der „Kleinen“ kam.

Das Einsperren der „Kleinen“ haben wir „Größeren“ nur herausgefunden, weil manche von uns Nachts an dieser Tür im Keller barfuß, im Schlafanzug und mit dem Gesicht zur Wand im Dunkeln auf den kalten Fliesen „stehen“ musste. Wenn wir zum Beispiel Nachts noch miteinander sprachen oder auf die Toilette huschten.. Wenn man auf Grund der Kälte zur Toilette musste, musste man einnässen, durfte sich nicht wegbewegen und handelte sich wieder eine Strafe für den nächsten Tag ein.

Wir Größeren haben dann beschlossen, dass wir jede Nacht nach den Kleinen schauen müssten. Die Kinder sollten sagen, ob sie eingenässt hätten. Dann haben wir Großen die Laken im Dunkeln abgezogen und haben unsere eigenen Laken eingelegt. Die eingenässten Laken versuchten wir Großen über unserer Heizung zu trocknen, wenn die „Kontrolle“ vorüber war.

Also hatten wir Nachts viel zu tun. An viel Schlaf war nicht zu denken. Wir mussten leise damit umgehen und ständig auf der Hut vor Kontrolle sein.

Einmal kam die Schwesternkontrolle und wir sprangen alle in unsere Betten. Mein Bein war noch nicht unter der Bettdecke verschwunden. Also musste ich diese Nacht das „stehen“ übernehmen und sah die Tür des „Gefängnisses“ und hörte darin ein Kind. Wir konnten und durften nicht durch die Tür miteinander sprechen. So haben wir nur leise an die Tür geklopft und haben versucht, etwas durchs Schlüsselloch zu sehen. Das war aber bei der Dunkelheit nicht möglich.

Wir Großen wussten also was geschah mit den Kleinen und damit auch mit unserern Geschwistern und wir konnten nicht helfen, da wir so schlimm bestraft wurden.

Strafen durch „größere“ Kinder

Die Schwestern wiesen die Mädchen an, die anscheinend ständig dort lebten, sich Strafen für mich auszudenken und diese an mir zu vollziehen. Dann sollten die Mädchen etwas „gut“ haben.

Meine Strafen waren:

Mir wurden die Augen verbunden, dann wurde ich um mich selbst gedreht, angehalten, dann wurde meine Hand genommen und auf einen stacheligen Kaktus geschlagen. Die Stacheln musste ich mir selber herausmachen. Meine Handfläche war entzündet.

Ich wurde gekniffen indem mir die Haut gedreht wurde, bis ein blauer Fleck entstand.
Es wurde an meinen Haaren gezogen, Haare ausgerissen und auf die Zehen getreten.

Nach meinen Bestrafungen durch die größeren Mädchen wurden diese von den Schwestern offen hervorgehoben und gelobt.

Strafen durch die Schwestern

Prügel, Essenszwang, Sitzstrafen, Stehstrafen, Haftstrafen, Redeverbot, Lachverbot, Weinverbot, Erniedrigung vor allen anderen Kindern und Schwestern und auslachen in der Gruppe mit Fingerzeigen. Drohungen, dass wir nicht mehr nach Hause dürften und unsere Eltern uns nicht mehr haben wollten.

Wieder Zuhause

Wir haben zuhause nichts davon unseren Eltern erzählt. Wir hatten Angst, wieder in das Heim zu müssen.
Ich hatte Angst vor Erwachsenen. Sogar noch, als ich eine junge Frau war und selbst schon Mama war..
Ich hatte Angst vor Strafe. Ich hatte Angst, ich könnte keine Toilette in der Nähe haben.
Ich hatte Angst vor der Schule und den Lehrern. Dort waren ja auch Schwestern.
Ich war schlecht in der Schule. Ich war still. Ab und an nässte ich ein.

Ich hatte einen starken Gerechtigkeitssinn entwickelt und verspürte Zorn, Enttäuschung und Wut wenn Gerechtigkeit nicht statt fand und ich nichts gegen Ungerechtigkeit tun konnte.

Ich kam nicht mit mehr Gewicht zurück, meine Schwester hatte auch nicht abgenommen. Wir waren auch nicht gesünder als vorher. Wir bekamen weiterhin Kinderkrankheiten und hatten ständig mit Husten zu tun.

Wie es meiner Schwester seelisch und erging kann ich nur erahnen, da wir vor lauter Angst nicht darüber sprachen.

Im Laufe der Jugendjahre entwickelten meine Schwester und ich die Krankheit Morbus-Crohn.

Aufarbeitung

Ich wurde 2011 sehr krank und die Erinnerung an diese Verschickungszeit ließ mich nicht los.

Ich schrieb damals auf, an was ich mich an unseren Aufenthalt im Heim erinnerte und erschrak fürchterlich über diese Misshandlungen.

Ich befragte ich meine Mutter, ob sie von den Zuständen in dem Kindergenesungsheim in Oy Mittelberg gewusst hatte oder etwas geahnt hätte. Sie hatte davon keine Ahnung und nichts bemerkt.
Meine Schwester Eva konnte sich nur an ganz wenig dort erinnern. Aber an das „Loch“, wie sie es nannte, wo die Kinder eingesperrt wurden, an das konnte sie sich erinnern.
Sie machte sich mit meiner Mutter auf den Weg nach Oy Mittelberg und fand auch das ehemalige Kindergenesungshaus dort wieder. Sie konnte es nicht betreten, da dort wieder eine Einrichtung für Kinder darin ist. Aber von außen fand sie den Kellerzugang zu dem dunklen Flur, wo das „Loch“ für die Kleinen war, sofort wieder.

Ich schrieb daraufhin einen Brief an das Mutterhaus der Mallersdorfer Schwestern und bekam da auch Antwort. Mir wurde gesagt, dass die Erziehungsmethoden damals halt so waren, dass ihnen das alles sehr leid täte und ich gerne einmal in das Mutterhaus kommen könnte, um mein Gewissen zu erleichtern. Leider ging mein Brief an das Schwesternhaus sowie die Antwort verloren. Ich bin auf der Suche danach, denn es kann eigentlich nicht sein, dass ich das alles weggeworfen hätte.

Ich lebe nicht mehr in Bayern. Ich betreibe zwei Ferienwohnung auf der Insel Rügen. Auch dort gibt es immer noch eine Mutter-Kind-Klinik. Während DDR-Zeiten war es das Kindergenesungsheim Frohe Zukunft. Bereits zwei mal hatte ich Gäste (Männer) in meinem Haus, die mit Ihrer Mutter kamen um den Ort ihrer Misshandlung zu besuchen und ihren völlig ahnungslosen Müttern alles zu erzählen und das Heim wenigstens von außen zu zeigen.

Durch einen Besuch bei unserem Trauzeugen habe ich erfahren, dass auch er in so ein Genesungsheim verschickt wurde und Erinnerungen durch meine Erzählung bei ihm wieder aufkommen. Er wird seine Mutter fragen, wo er hin verschickt wurde.

Ich bin im Internet darauf gestoßen, dass ein NS-Arzt Dr. Hensel bis ins Jahr 1965 in der Kinderkurklinik Oy-Mittelberg als Arzt tätig war. Dieser Arzt hat in Kaufbeuren in einer Kinderkurklinik während der NS-Zeit Versuche an kranken Kindern und behinderten Kindern zur TBC-Erkrankung vorgenommen und wechselte dann nach Oy Mittelberg. Von diesen „minderwertigen Versuchskindern“ verstarben mehrere. Es gab auch einen Prozess in dem er freigesprochen wurde und seine Arbeit als Arzt fortsetzen durfte.

Zitat Wikipedia: Georg Hensel, Pulmologe, 1939 Oberarzt Kinderheilstätte Mittelberg, führte dort tödliche TBC-Versuche an behinderten Kindern durch. 1946 Freispruch, 1960 neues Verfahren eingestellt.[18]

Für mich hat das alles schon Zusammenhänge und Methode.

Jetzt habe ich diese wunderbare Seite gefunden. Ich bin zutiefst entsetzt über das Leid so vieler Kinder, die jetzt alle schon erwachsen sind.

Alle erworbenen Ängste, alle erworbenen Erkrankungen, alle Misshandlungen an den Verschickungskindern müssen sofort offengelegt werden.


28.10.2022, Michaela Seliga
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PeterK. aus Fröndenberg schrieb am 25.10.2022
Mein vermutliches Verschickungsjahr war wahrscheinlich 1969, Juli/ August. 6 wöchiger Heimaufenthalt in Bad Reichenhall, Heim nicht mehr bekannt. (Kinderverschickung). Ich weiß nichts mehr von der Zugfahrt, Ankunft, überwiegendem Aufenthalt, Personal dort, usw. Alles scheint wie ausgelöscht.
Ich war zu dieser Zeit 12 Jahre alt. Der Grund der Verschickung war wohl: zu dünn und Bronchitis.
Ich habe fast gar keine Erinnerung daran. Meine Aufmerksamkeit wurde erst ca. Anfang Oktober `22 im Rahmen einer Fernsehsendung „Planet-Wissen“ mit Frau Anja Röhl aktiviert. Seitdem informiere ich mich in entsprechenden Foren und Literatur. Ich bin nun 65 Jahre alt und fand lange Zeit keine Erklärung zu bestimmten Verhaltensweisen in Bezug auf Essen, Schlafen und Urinieren. Auf Grund der vielen Schilderungen anderer Betroffener, eigentlich egal in welchem Heim sie waren, bin ich heute der Meinung, dass Vieles davon vielleicht auch bei mir zutreffend war. Überwiegende Erinnerung ist jedoch wie ausgelöscht. Wenn ich jedoch die Schilderungen auf mich übertrage, erklärt das „für mich“ Verhaltensweisen, die sich zumindest seit den Jahren nach `69 durch mein Leben bis heute ziehen.
Bestimmtes Essen (z.B. Hirnsuppe (?), Milchsuppe, warmer Milchreis, Haferflocken mit warmer Milch, warme Milch allgemein mit oder ohne „Haut“ oben auf, warmer Pudding mit schwabbeliger „Haut“) kann ich nicht essen oder riechen.
Soweit ich bis in meine frühe Jugendzeit zurückdenken kann, wurde ich zur Mittagszeit immer sehr müde. Soweit möglich brauchte ich bis heute stets eine Art Mittagsschlaf, wobei ich danach aber auch nicht wirklich fit war.
Ich habe mich immer gewundert, dass es mir nicht möglich war mich vor einem Urinal zu stellen um zu urinieren, wenn Andere sich ebenfalls dort aufhielten. Da klappt gar nichts, ob es in der Schule war oder später bei der Arbeit, in Restaurants oder bei Veranstaltungen. Der Hang dabei, „vorsorglich“ eine Toilette aufzusuchen, z.B. in Pausen bei Veranstaltungen, ist bis heute geblieben. Mache ich das nicht, fühle ich mich nach den Pausen unwohl.
Nach meinen ersten Recherchen und Lesen der Schilderungen anderer Betroffener kann ich mir nun eine Verbindung zu meinem früheren Kuraufenthalt vorstellen.

Sommer `69 (?). Ich habe anhand von 2 Fotos meiner Zeit in Bad Reichenhall und eines hohen Krankheitstandes in meiner damaligen Schule mein Verschickungsjahr recherchiert. Weitere Unterlagen habe ich nicht:
- Abfahrt, vermutlich mit Zug (gemeinschaftlich mit anderen Kindern) ab Dortmund , Ankunft in Bad Reichenhall (keinerlei Erinnerung).

Schlafraum: Stahlrohrbetten, Vielbettzimmer (wie damals auch in Krankenhäusern üblich).
Schöne Natur, vor allem Berge durch Blick aus dem Fenster des Schlafraumes.
Essens-/ Aufenthaltsraum mit Spielmöglichkeiten:
- Raum kann nicht beschrieben werden. Essen zusammen mit anderen Kindern. Keine konkreten Erinnerungen bezüglich Frühstück und Abendessen. Hier habe ich mit anderen Kindern gespielt, vor allem Schach. Das Brettspiel hat mir ein anderer Junge beigebracht.

Inhalierraum:
An den Inhalierraum habe ich auch keinerlei Erinnerung. Ich weiß aber dass ich da mehrmals drin war aus Therapiegründen (?), falls es ein Inhalierraum war….
Solebad:
Das Solebad habe ich in Erinnerung. Aber nur insoweit als das ich weiß, das wir gelegentlich darin waren und das es sehr salzig war.
Personal/ Aktivitäten:
Bis auf eine Mitarbeiterin „Null Erinnerung“. Besagte Frau war jung. Vom Typ her eine sehr liebe und nette Person. Sie hat häufig mit uns im Aufenthaltsraum gesungen und dabei mit einer Gitarre begleitet. Aus einem kleinen Textbuch wurden Lieder gesungen. Ich meine überwiegend Gospelsongs. „Kumbahya, my lord“ habe ich ganz konkret in Erinnerung. Das Zusammensein mit anderen Kindern und dieser Frau mit der Hausmusik habe ich wohlwollend in Erinnerung. Es scheint heute, als ob diese Frau für eine kleinere Gruppe Jungen zuständig war, der ich auch angehörte.
Eine Bergtour habe ich in Erinnerung. Hiervon habe ich 2 Schwarz/ Weiß Fotos im Kleinformat leider nur. Ich habe sie zur besseren Kenntlichmachung mit dem Smarthphone fotografiert und so auf DIN A-4 vergrößert. Ein Foto ist brauchbar geworden dadurch. Ich meine mich darauf erkannt zu haben. Die Frau auf dem Bild könnte die zuvor genannte sein. Fast alle lachen darauf und machten einen glücklichen Eindruck (?).
Die Bergtour ging auf einen Gipfel, vermutlich Zennokopf/ Zwieselberg. Das habe ich anhand von Fotos recherchieren können. Konkrete Erinnerung daran habe ich nicht.
Kurz vor Ende des Aufenthaltes durften einige Kinder in die Stadt,z.B. um Mitbringsel einzukaufen. Ich durfte dabei sein. Andere Kinder nicht.
Ich war gehorsam, gab keine Widerworte, machte alles was von mir verlangt wurde. Dadurch hatte ich wohl keinerlei Probleme. Ich war ein Kind, was man wohl unter „lieb und gehorsam“ verstand. So wurde ich bei meinen Großeltern von meiner Großmutter erzogen, leider aber mit körperlicher und verbaler Gewalt (Züchtigungen und Bestrafungen).
Als letztes erinnere ich mich an einen Vorfall beim Mittagessen (die einzige Erinnerung). Komischerweise kreisen da zwei Erinnerungen in meinem Kopf. Kann sein, dass ich das eine mit dem anderen verwechsle oder ob das vielleicht zwei verschiedene Vorfälle waren:
Es gab Hirnsuppe……..mir wurde schlecht als der Teller vor mir stand. Der Geruch und das Wissen, es war Hirn von einem Tier, war fürchterlich. Ich traute mich nicht etwas zu sagen, konnte aber auch nicht einen Bissen davon in den Mund nehmen. Ich hatte Glück im Unglück. Einer der anderen Kinder mochte Hirnsuppe so gerne, das er seinen Teller schnell leerte und wir tauschten unseren dann aus………...gerettet! Ich hatte dann zwar nichts gegessen, aber das war in dem Moment egal.
Meine zweite Erinnerung: Ich habe die Hirnsuppe probiert. Mir wurde schlecht. Ob ich das übel riechende Hirn wieder ausspuckte oder auf den Teller erbrach, weiß ich nicht mehr. Ob das Kosequenzen hatte für mich weiß ich auch nicht. Eine vage Erinnerung ist aber da.

Eigentlich erinnere ich mich bis auf die geschilderten Ausnahmen an gar nichts.
Auch an die Heimfahrt hab ich keine Erinnerung mehr. Ich weiß aber das ich kurioserweise gerne in dem Heim in Bad Reichenhall geblieben wäre. Ich war eigentlich traurig wieder nach Hause zu müssen…………...
Ich wollte mich nach der Zeit in Bad Reichenhall nicht mehr wirklich an Regeln halten und hielt gegen alles was mich bevormunden wollte. Ich weiß nicht ob das Ausflüsse aus der Kurzeit waren oder einfach das Ergebnis meiner vorherige Erziehung. Eine positive Entwicklung begann erst mit dem Kennenlernen meiner heutigen Frau. Wir sind seit dem 16. Lebensjahr ein Ehepaar.
Da ich an meinen Kuraufenthalt in Bad Reichenhall so gut wie überhaupt keine Erinnerung habe, wäre es schön, vielleicht von anderen Betroffenen die in etwa zur selben Zeit in eine der beiden in Frage kommenden Einrichtungen waren, mehr zu erfahren. Es wird auch oft von Misshandlungen gesprochen. Das kann ich weder bestätigen noch dementieren. Auch Tests wie z.B. mit Tabletten an Kindern habe ich nicht in Erinnerung, kann aber natürlich nicht ausschließen, dass wir Tabletten einnehmen mussten. Es würde mich brennend interessieren, ob so etwas statt fand und um welche Medikamente es sich da handelte und was die bewirkten. Und es wurde hin und wieder von einem „Drucksimulationsraum“ gesprochen (?).
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G.S. aus NRW schrieb am 23.10.2022
Hallo zusammen,

ich bin 1957 geboren und war im Januar/Februar 1967 in der Frieda-Klimsch Stiftung in Königsfeld und wurde während der Kur 10 Jahre alt.
Im Gegensatz zu vielen anderen habe ich ausschließlich gute Erinnerungen an diese Zeit. Sicher herrschte ein strenges Regiment und bestimmte Regeln, aber die kannte ich aus meinem strengen Elternhaus mit mehreren Geschwistern schon, also fiel es mir nicht schwer, mich unterzuordnen, zu essen, was auf den Tisch kam (bis auf einmal eine gelbe übel riechende Kohlsuppe, ob ich gezwungen wurde, diese zu essen, weiß ich nicht mehr) und zu gehorchen.
Morgens gab es Haferflocken mit wahlweise Kakao mit kalter oder warmer Milch. Insgesamt muss das Essen wohl in Ordnung gewesen sein, ich nahm 4 Kilo zu. An Duschräume erinnere ich mich gar nicht mehr aber dass man nachts und bei der Mittagsruhe nicht aufstehen und auf die Toilette gehen durfte.

Da alles schon 55 Jahre her ist, habe ich nach Bildern, Dokumenten und Nachweisen gesucht und wurde fündig in meinem Poesiealbum! Dazu später mehr.

An die Hinfahrt im Zug und das Ankommen im Heim kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich war auch eines der schmächtigen Kinder, das aufgepäppelt werden sollte. Ich lag mit mehreren anderen Mädchen, in etwa in meinem Alter, in einem Schlafsaal mit diesen weißen Metallbetten.
Wir verstanden uns alle sehr gut und als ich 10 Jahre alt wurde, standen die Mädchen vor meinem Bett und sangen mir ein Ständchen und hatten am Metallbett, während ich schlief, viele Blumen aus Tempos gebastelt und an die Stäbe des Bettes gebunden. Ich war total gerührt und musste weinen. Meine Mutter schickte mir ein Geburtstagspaket mit vielen Süßigkeiten und Haselnüssen für die Eichhörnchen. Diese Süßigkeiten wurden unter allen aufgeteilt, was ich in Ordnung fand, ich war teilen gewohnt.

Es lag viel Schnee und einmal gingen wir zum rodeln und soweit ich mich erinnere hatten wir große Schlitten, wo 3 Kinder drauf passten. Mittag mussten wir in warme Decken eingerollt draußen auf einer überdachten Terrasse Mittagsschlaf halten, es durfte nicht gesprochen oder gelesen werden. Abends nach dem Abendbrot saß unsere Gruppe zusammen und wir sangen, es wurde gelesen und erzählt.

Ich kann mich nicht an Schläge, Demütigungen, Strafen oder ähnliches erinnern. Ich habe mich dort wohlgefühlt und frage mich, ob ich Glück hatte und/oder ich vieles nicht mitbekommen habe, was evtl. anderen passiert sein könnte?

In meinem Poesiealbum haben sich Schwester, Tanten und einige der Mädchen verewigt.
Schwester Lieselore (die u.a. schrieb: "...Was wir brauchen in guten und bösen Tagen, das sind Menschen, die mit uns lieben, leiden und tragen...!" Ein Bild ist mit eingeklebt, auf dem das "Waldhaus" zu sehen ist. Ob ich in diesem Gebäude war, weiß ich nicht mehr. "Tante" Petra und "Tante" Claudia sowie aus meiner Gruppe Ursula G. aus Darmstadt, Gabriele B., Gerda A., Ursula Oe., Karin, Eva.
Auf der Heimfahrt mit dem Zug wurde ich von einer Schwester begleitet.

Vielleicht will es der Zufall, dass hier jemand liest, der in der Zeit auch dort war!

Liebe Grüße an Alle!
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Heinz-Theo Jopen aus Grevenbroich schrieb am 23.10.2022
Im Jahr 1972, während der Olympischen Spiele in München, war ich auf solch einer Kur. Das Heim in Bad Kreuznach war ein Altbau, Die Gruppennamen wurden mit Vogelnamen betitelt. Ich kam in die Gruppe der Spechte. Das Heim wurde von Nonnen geleitet, denen man wohl jede Menschlichkeit genommen hatte. Misshandlungen durch Schläge, Demütigungen und zum Zwang erbrochenes zu essen. Briefe nach Hause wurden auf einer Tafel vorgeschrieben und kontrolliert. Bis heute leide ich unter dem was mir in dieser Zeit widerfahren ist. Ich hoffe auf diesem Portal jemanden zu finden, der eine Erinnerung an dieses Heim hat und vielleicht auch bei den Spechten und Finken oder Spatzen war. Ich könnte noch mehr Details schildern, jedoch gehts mir grad nicht so toll, kommt wieder vieles hoch. Bitte meldet euch,
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Marita aus Kalkar schrieb am 22.10.2022
Sechs Wochen lang wurde ich als 4 jähriges Kleinkind in das Kindersanatorium Höhenklinik der Schwester Frieda-Klimsch-Stiftung in Königsfeld im Schwarzwald verschickt. Der Grund waren häufige Atemwegserkrankungen und wenig Gewicht.
Am Bahnhof in Duisburg musste ich mit einer fremden "Tante" gehen. Ich habe geweint weil ich nicht gehen wollte. An die Fahrt selber habe ich nur die Erinnerung das es ganz lange war.
Im Sanatorium waren dann noch weitere drei Mädchen und sieben Jungen. Bei den Mädchen war ein Geschwisterpaar. An einige, für mich bis heute traumatische, Ereignisse erinnere ich mich sehr gut.
So musste ich mich bei jeder Untersuchung beim Arzt nackt ausziehen, auf die Waage, kontrollieren ob ich zugenommen habe,dann Untersuchung durch den Doktor.
Beim Essen gab es große Portionen die ich auch immer aufessen musste, egal wie lange es gedauert hat. Nach dem Essen mussten alle Mittagsschlaf halten. Zwei Stunden lang. Die Augen müssten zu sein. Das wurde kontrolliert.
Danach gab es den Spaziergang im Wald. Wir durften aber nur auf dem Weg laufen. Einmal habe ich mich hingehockt, da ich ein Eichhörnchen gesehen habe, da wurde ich sehr unsanft von der Schwester weggezogen. Der Geruch von Waldboden im Herbst verursacht seitdem bei mir das Gefühl zu ersticken.
Zwei Situationen sind mir als besonders grausam in Erinnerung geblieben. Zum Einen durfte aus dem Schlafraum kein Laut zu hören sein sonst gab es Strafe. Einmal hatte ich so großes Heimweh das ich geweint und geweint habe. Die Schwester kam reingestürmt, zog mich aus dem Bett und stellte mich hinter einen dicken Vorhang auf dem Flur. Da musste ich muchsmäuschenstill stehen bleiben bis sie mich wieder abgeholt hat.
Ein anderes Mal haben die Geschwister ganz ganz leise miteinander geredet. Die Schwester dachte wohl ich war die, die geredet hat und zerrte mich aus dem Bett und sperrte mich in einen kleinen Raum. Ich musste mich auf einen Klavierstuhl zwischen Klavier und Kleiderschrank setzen. In diesem Raum waren so unglaubliche Geräusche. Gefühlt saß ich dort die ganze Nacht.
Am 13.10. hatte ich Geburtstag und wurde fünf Jahre alt. Auf diesen Tag habe ich mich gefreut, da mir gesagt wurde meine Eltern hätten Geschenke geschickt. Mein Platz wurde mit ein paar Blüten und Blättern geschmückt. Dann bekam ich von den Geschenken meiner Eltern eines. Alles andere wurde auf alle aufgeteilt.
Irgendwann durfte ich endlich nach Hause fahren.
Meine Mutter hat mich dann in Duisburg am Bahnhof wieder in Empfang genommen.
Viele Jahre später sagte sie mir sie hätte noch nie ein Kind gesehen das so verwahrlost und verdreckt nach Hause gekommen wäre.
Als ich mit meiner Schwester mal über den Aufenthalt geredet habe, sagte sie mir das sie sich nur daran erinnert das ich mit kaputtem Rock und Löchern in der Strumpfhose wie ein armes Würmchen auf dem Bahnhof angekommen bin und ein Schild um den Hals hatte wie ein Gepäckstück.
Bis heute, 55 Jahre nach diesem Aufenthalt sind viele Erinnerungen sehr präsent. 2020 musste ich zur Reha und hatte ziemliche Panik. Mein Mann, der bereits eine bewilligte Reha hatte, hat dann mit mir gemeinsam gekämpft das wir zur gleichen Zeit in die gleiche Klinik fahren konnten.
Im nächsten Frühjahr wollen wir nach Königsfeld fahren, da ich das Gefühl habe, ich muss den Ort,an den ich so grausame Erinnerungen habe nochmal aufsuchen.
Es tut mir Leid wenn ich zu viel geschrieben habe, aber es gibt noch unendlich vieles, was ich im Nachgang mit den Ereignissen im Sanatorium in Zusammenhang bringen würde.
Vielen Dank für die Möglichkeit hier zu schreiben.
Ganz liebe Grüße
Marita
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Ursula Wünsch aus Berlin Biesdorf schrieb am 22.10.2022
Im Kurier in Berlin las ich den Artikel über Heimweh und Schikane in Kinderkurheimen in der DDR. Mir kommt das Kotzen beim Lesen. Ich war dreimal verschickt und ich habe total andere Erfahrungen gemacht. Mir geht die verdammte Hetze gegen alles, was aus der DDR kommt, so auf den Geist und ich finde die Profilierungssucht mancher
" Wissenschaftler " unerträglich. Ich stelle mich gern einem seriösen Gespräch, falls es einen interessiert. Ich komme aus einem einfachen Haushalt, bin die älteste von 8 Kindern. Habe bis zum 68. Lebensjahr als Diplom Formgestalter gearbeitet - immer freischafend in der DDR und fürs westliche Ausland. Ich werde morgen 76 und ich lasse mir von niemanden ein X vors U machen.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Wünsch
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Norbert Zipper aus Bonn schrieb am 18.10.2022
Hallo und Guten Morgen, in dem o.g. Zeitraum war ich ein Berliner Verschickungskind von der Bundespost. Leider habe ich an diese Zeit keine Erinnerung mehr und würde mich freuen, wenn ich ein Person finden würde, die in demselben Heim zu dieser Zeit war. Mir ist es wichtig zu wissen, es dort auch Übergriffe auf die Kinder gab. Alle Recherchen die ich bisher führte haben mir keine Auskunft geben können. Eine Antwort bitte per E-Mail oder telefonisch: 0228 54 86 52 92. Vielen Dank im voraus. Norbert Zipper aus Bonn
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Elke aus Augusta schrieb am 18.10.2022
Das erste Mal das ich ins Kinderheim verschickt wurde, war vor meiner Einschulung. Wie das Kinderheim geheissen hat, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Aber das ich mit fast 6 Jahren (geb. 1959) in ein Gitterbett gesteckt wurde. Einen Abend waren die anderen Kinder laut, aber sie haben mich beziechigt. Ich musste dann im Schlafanzug barfuss im Keller in einer Ecke stehen. Ich habe bitterlich geweint, als ich wieder nach Hause kam. Trotzdem haben mich meine Eltern oefters in Kinderheime geschickt. So war ich auch in Borkum, im Haus Blinkfuer. Da hat man mich gewungen einen Teller Kirschsuppe zu essen. An das Jahr kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Ich mag keine Kirschen. Ich dachte diese Vorkommnisse waeren ein Einzelfall. Nun weiss ich es besser und bin froh, das es nicht noch schlimmer gewesen ist.
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Maria Katharina aus Karlsruhe schrieb am 16.10.2022
Ich war in den 1980er auf Borkum, habe heute zum ersten Mal von den Verschickungskindern gelesen. Wenn ich daran zurückdenke, dann war ich bisher der Meinung, dass es an mir lag, dass ich mich während dieser Zeit unwohl fühlte, es lag an mir, weil ich so bin wie ich bin. Es ist meine Schuld gewesen, so zu empfinden. Mit mir ist etwas nicht richtig.
Wir mussten uns jeden Abend im Waschsaal gemeinsam ausziehen und waschen und wir wurden auf Läuse und Zecken am ganzen Körper untersucht, ich habe mich dabei so sehr geschämt, bis heute habe ich ein Gefühl von Scham in mir. Der Teller musste leer gegessen werden, wer das nicht tat wurde bloßgestellt und musste so lange sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war, auch wenn es Stunden gedauert hat, wir mussten alles probieren, was auf dem Speiseplan stand, alles, ob man es mochte oder nicht. Ich habe mir schnell angewöhnt zu schlucken, nicht zu kauen. Wir waren mehrmals in der Woche zum inhalieren an Inhalationsgeräten, obwohl es keinen medizinischen Grund dafür gab. In den Schlafräumen gab es ca 30 Betten, ich hatte Angst herauszufallen, weil sie so schmal gewesen sind, auch hatte ich Angst nachts zur Toilette zu gehen, es durfte kein Licht angemacht werden, ich hielt dann die ganze Nacht den Urin zurück. Mit anderen Kindern hatte ich keinen Kontakt, ich war alleine, das fiel anscheinend keinem Pädagogen auf. Ich bin bis heute traumatisiert, bis heute habe ich Angst zu sagen, wenn mich von meinem Gefühl, meiner Intuition her etwas stört, etwas nicht stimmig ist, sich falsch anfühlt, dann unterdrücke ich dieses Gefühl, halte einfach aus, verlasse die Situation nicht, obwohl sie mir nicht gut tut, ich gegen mich arbeite, das konnte ich auf Borkum ja auch nicht, ich konnte nicht weg, mich niemanden anvertrauen, ich musste einfach nur durchhalten und nicht auffallen. Sicherlich kann ich mich nicht mehr an alles erinnern, vielleicht gab es viel mehr und ich will und kann noch nich hinschauen. Ich habe mich ganz oft gefragt, woran dass es liegt, dass ich mich so sehr verbiege, immer und immer wieder, woher nur diese Angst und Selbstverleugnung kommen mag.
Vor 6 Jahren hatte ich einen Burnout, ich stehe nun wieder kurz davor, weil ich es nicht schaffe, eine schlechte Situation zu verlassen, ich fürchte mich vor Konsequenzen und halte aus.
Ich wurde als Kind gebrochen.
Ein Muster, dass sich unbewusst seit vielen Jahren wiederholt.
Danke für die Berichterstattung und meine Erkenntnis ?.
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Dominique Bridstrup aus Kiel schrieb am 16.10.2022
Hallo, ich bin 1974 mit 6 Jahren vor der Einschulung nach Fischen verschickt worden, um abzunehmen. Mittags sollten wir immer Mittagsschlaf machen, das konnte ich aber nicht. Zur Strafe musste ich im Flur stehen während der gesamten Mittagsruhe mit dem Gesicht zur Wand.
Ich hatte ein Stoff-Taschentuch dabei, an dem ich mich während der ganzen sechs Wochen festgehalten habe als Kuscheltier bzw. Schnuffeltuch.
Ohne dieses Tuch wäre ich dort vielleicht verzweifelt, das Tuch hat mich gehalten und beschützt.
Dieses Tuch hatte ich noch als junge Erwachsene und konnte ohne das mittlerweile ziemlich zerfetzte Tuch nicht einschlafen.
Meine Mutter hatte mir Naschipakete geschickt, die wurden dann unter allen Kindern aufgeteilt.
Das tat mir auch weh, da diese Pakete der einzige Bezug nach Hause waren.
Ich konnte noch nicht schreiben, nur Bildern und mich nicht nach Hause mitteilen, dass es mir schlecht ging.
Auf dem Rückweg von Bayern nach Norddeutschland habe ich während der ganzen Zugfahrt gespuckt vor lauter Heimweh wieder nach Hause zu kommen.
Meine Mutter hat erzählt, dass ich bei Ankunft tagelang nicht mit ihr gesprochen habe.
Dieser Aufenthalt war höchst traumatisierend für mich, da meine Lebendigkeit unterdrückt wurde und ich mich total einsam gefühlt habe.
Als ich dann eingeschult wurde, haben mich ein Jahr lang meine Mitschüler/innen gemieden. Ich weiß nicht, ob das miteinander im Zusammenhang steht.
Das fällt mir jetzt gerade noch dazu ein, wo ich das hier niederschreibe.
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Manja schrieb am 13.10.2022
Ich kann mich erinnern, mit einem Bus gereist zu sein.
Ich war das erste Mal weg von zu Hause.
Heimweh war an der Tagesordnung.
Ich würde nach Kröchlendorff verschickt.
Epilepsie und viel zu dünn.... Noch vor Schulbeginn.
Schreiben und etwas lesen konnte ich dennoch damals schon. Ich war etwa 7.
Ich erinnere mich an Schlafsäle, Altersgemischt aber Geschlechtergetrennt.
Morgens musste man sich, egal wie alt, im Schlüpfen auf dem Flur aufreihen und sich gegenseitig mit einer Bürste den Rücken abbürsten. Den älteren Mädchen würden die Arme vor den Brüsten weggeschlagen, die sie dort aus Scham hielten.
Wir mussten vor dem Frühstück Wechselduschen. Oder wurden einfach mit kaltem Wasser abgespritzt weil wir so schwach seien. Wassertreten war auch immer schön. Andere Kinder würden aufgefordert den kleinen Schwächen dabei die Beine zu stellen.
Essen war eine Qual.
Ich saß oft stundenlang im Speisesaal und mir wurde gedroht das ich nie wieder nach Hause dürfte, sollte ich nicht essen.
Es haben sich reihenweise Kinder übergeben.
Weiteressen musste man dennoch.
Einmal saß ich vom Frühstück an, bis weit nach dem Abendessen. Allein das die sogenannte Erzieherin zu Toilette musste rettete mich, das die Frau aus der Küche Mitleid mit mir hatte und es wegwarf. Ich musste natürlich behaupten ich hätte es gegessen.
Niemand durfte Nachts zur Toilette, machte man es dennoch und Würde erwischt wurde man bestraft, in den Wäschekeller gebracht.
Hat man ins Bett gemacht, weil man es nicht mehr ausgehalten hat wurde man daran festgebunden und lag dort den halben Tag.
Wir mussten in unsere Kleidung Wäschetiketten einnägen, waren diese ab und man vermisste etwas wurde man auch den ganzen Tag in den Wäschekeller gesperrt und musste sämtliche Wäsche sortieren.
Ich erinnere mich an ein Mädchen aus Halle, sie war bestimmt 8-9 Jahre älter als ich. Sie erzählte viel. Wie schön ihr Leben sei, ihre Eltern seien reich und sie kaufen nur im Intershop.
Sie lachte immer, egal was sie ihr antaten.
Es wurden mit uns Freizeitaktivitäten unternommen. U. A. Ein jagdspiel...
Kinder in besseren körperlichen Verfassungen, die eher wegen angeblicher sozialer Auffälligkeiten dort waren, wurden als Jäger eingeteilt. Der Rest als Flüchtende. Ja so wurde es genannt.
Sie sollten uns im Wald jagen, finden und rausbringen, wo wir uns hinknien mussten mit den Armen hinterm Rücken und als "gefasst" galten. Sie sollten schreien, laut rufen, mit Ästen klopfen um uns aufzuscheuchen, das war ihr Auftrag.
Eine Erzieherin war nett, sie erzählte uns auf einem Spaziergang einmal das sie dort nicht arbeiten möchte, aber müsse, sie lebte im Nachbarort.
Post nach Hause durfte auch geschrieben werden. Ich konnte ein paar Worte schreiben und habe die anderen gefragt wie man das schreibt.... "bitte holt mich ab, ich möchte nach Hause".
Die Karte wurde gelesen, or allen anderen zerrissen u D ich musste eine neue schreiben. Der Text wurde mir aufgeschrieben und ich musste es abschreiben. Wie schön es sei.... Ich habe geheult, die Tränen waren auf der Karte... Aber so durfte sie abgesendet werden.
Ein Junge wurde zwischendurch abgeholt. Wir waren alle neidisch.
Ich war u. A. Dort um vor der Schule meine Epilepsie Medikamente zu reduzieren. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals dort Tabletten erhalten zu haben. Deshalb nehme ich an, verbrachte ich auch einen Tag auf der Krankenstation. Dort war es wie Erholung.
Heute stelle ich mir immer wieder die Frage wieso wir dort hin mussten.
In der DDR sicher nochmal aus anderen Gründen, politischen Gründen.
Ich bin fest davon überzeugt, daß wir gebrochen werden sollten um erst gar nicht Republikuntreu zu werden.
Ich habe viele Theorien warum das so sein könnte.
Ich habe lange verdrängt was ich dort erlebt oder gesehen habe. Erst vor ein paar Tagen lernte ich den Begriff "Verschickung" kennen.
Und plötzlich sind die Erinnerungen wieder präsent.
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Christine schrieb am 12.10.2022
Ich war sieben Jahre alt, da musste ich 1978 zu einer Kinderkur nach Sinnershausen bei Meiningen. Diese Zeit wird mir ewig in Erinnerung bleiben, denn es war keine gute.
Aufgewachsen bin ich in einem liebevollen Elternhaus und ich hatte eine unbeschwerte und fröhliche Kindheit. Bis auf den Fakt, dass ich wohl etwas zu dünn war, war mit mir alles in Ordnung. Ja, ich war extrem mäkelig, was fettiges Essen anging. Na und? Mäkelig zu sein ist doch kein Makel, sondern gehört meist bei jedem Menschen, ob jung oder alt, zum Leben dazu. Meine Mutti hat immer lecker gekocht und niemand hat mir zuhause Essen reingezwungen, das ich nicht möchte. Und ja, ich habe die ein oder andere Kinderkrankheit nicht so leicht weggesteckt, wie andere Kinder. Dennoch war ich in meiner Entwicklung nicht zurückgeblieben. Die Idee eines Arztes, meine allgemeine Konstitution in Kombination mit einer Gewichtszunahme durch eine Kinderkur zu stärken, haben meine Eltern unterstützt. Und schon mal vorweg, das habe ich ihnen niemals zum Vorwurf gemacht.
An vieles kann ich mich nicht mehr erinnern oder ich habe es verdrängt. So zum Beispiel, dass die An- und Abreise mit einem Bus erfolgte. Erinnerungen an die Ankunft selbst sind präsent. Der Bus hielt vor einem großen Haus, das ziemlich isoliert umgeben von bergigen Wiesen mit Kühen und Bäumen in der Landschaft stand. Das Haus selbst erschien mir riesig, verwinkelt mit Treppen, vielen Räumen und dunklen Treppenaufgängen. Wir wurden nach Jungen und Mädchen in Gruppen aufgeteilt. Geschlafen haben wir dann in der oberen Etage in einem Zimmer, dass mit vielen Betten zugestellt war. Wir hatten auch jeder einen kleinen Schrank für unsere Sachen.
Plötzlich umgaben mich fremde Kinder und Erwachsene. Ich hatte furchtbares Heimweh und habe mich dort nicht wohl gefühlt. Zum einen war es für mich eine neue Erfahrung, dass Kinder mich nicht mochten. Sie nannten mich Brillenschlange und ich war in kürzester Zeit eine Außenseiterin. Von Kindern abgekanzelt und schikaniert zu werden, kannte ich nicht und das tat schrecklich weh. Zum anderen wurde diese Isolation noch extremer, weil die Erzieherinnen dem keinen Riegel vorgeschoben haben. Ganz im Gegenteil, sie haben dabei noch mitgemacht und die anderen Kinder dadurch noch bestärkt. Ich habe an die Erzieher nicht eine gute Erinnerung. Es gibt aus der Zeit zwei Fotos. Ein Einzelfoto von mir an einem Tisch im Speiseraum und ein Gruppenfoto auf einer geschwungenen Treppe mit den anderen Kindern und einer Erzieherin. Die Fotos waren für unsere Eltern und wir mussten dafür in die Kamera lachen. Zum Lachen war mir nicht zumute, aber was hätte es gebracht, es nicht zu tun. Der Gesichtsausdruck der Erzieherin auf dem Foto spricht Bände. Sie schaut streng ohne einen Hauch von Freundlichkeit, geschweige denn einem Lächeln. Da war nur Kälte. So habe ich es jedenfalls empfunden.
Das Heimweh war allgegenwärtig und ich weiß nicht wie oft ich geweint habe. Ich wollte nur nach Hause und habe mich so verlassen gefühlt. Einmal hatte ich Hoffnung, dass sich an der Situation etwas ändern würde. Dass meine Eltern kommen würden, um mich abzuholen. Denn wir durften nach Hause schreiben. Wir bekamen alle eine Postkarte und ich weiß bis heute, was ich geschrieben habe: „Liebe Mutti, lieber Vati, die Kinder und die Erzieher sind gemein zu mir. Das Essen schmeckt nicht. Könnt ihr mich abholen kommen?“ Der Blick der Erzieherin hat sich bei mir eingebrannt, als sie las was ich geschrieben hatte. Ich bekam eine neue Karte und musste unter Aufsicht schreiben: „Liebe Mutti, lieber Vati, die Kinder und Erzieher sind alle lieb. Das Essen schmeckt gut und es gefällt mir hier.“ Damit erlosch jede Hoffnung, nach Hause zu kommen. Und beliebter hat mich das leider auch nicht gemacht.
Besonders schlimm ist eine Erinnerung an den dunklen Keller. Ich weiß nicht wie oft es war, aber ich kann mich noch genau daran erinnern, dass es dort einen gefliesten Raum gab. Wir mussten uns alle nackig ausziehen und uns mit dem Gesicht zur Wand aufreihen. Ich weiß noch, dass mir furchtbar kalt war und dass ich Angst hatte. Plötzlich schoss ein kalter harter Wasserstrahl von hinten auf mich. Der Druck war so extrem, dass ich mit voller Wucht an die Wand gedrückt wurde. Es war schrecklich. Manchmal frage ich mich, ob ich mir diese Erinnerung nur einbilde. Kann man wirklich so brutal mit wehrlosen Kindern umgehen? Ja, sie konnten es wohl.
Besondere Angst hatte ich auch vor den Mahlzeiten. Das viele Essen empfand ich als Last und hat mich den ganzen Tag über begleitet. Aufstehen, frühstücken, raus an die frische Luft, bewegen und schon gab es wieder zu essen. Es nannte sich zweites Frühstück und bestand aus klebrig süßem Saft oder einer Fruchtschnitte. Irgendwann Mittagessen und die Portionen waren nicht klein. Unter dem strengen Blick der Erzieherin musste immer aufgegessen werden. Würgereize, Tränen und Protest spielten keine Rolle. Sie ließ sich nicht erweichen und hatte uns fest im Blick. Ich saß an einer Säule an einem Vierertisch mit einer Wachsdecke. Und je länger ich dort saß, umso mehr verschwamm das Muster auf ihr. Es gab einfach kein Entrinnen. Besonders schlimm waren fettige Sachen oder Wurst zum Abendessen. Ich habe mich so sehr davor geekelt. Das Gefühl etwas zu essen war nicht mehr positiv belegt. Essen ging nur noch mit puren negativen Stress einher.
Von meiner Mutti weiß ich, dass ich mit weniger Gewicht nach Hause gekommen bin. Beim Kofferauspacken fand sie Scheiben von alter vergammelter Wurst und konnte sich das damals nicht erklären. Ich habe aber wohl auch nichts erzählt. Erst viele Jahre später. So auch die Geschichte mit der Wurst im Koffer. In meinem Schränkchen im Schlafsaal hatte ich ein Versteckt von Essen angelegt, dass ich aus dem Speisesaal schmuggeln konnte.
Die Zeit in Sinnershausen hat mich definitiv geprägt und mich in meiner charakterlichen Entwicklung beeinflusst. Aber das ist eine andere Geschichte.
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Karin aus Willing schrieb am 12.10.2022
Hallo,
ich suche andere Verschickungskinder die auch in Bad Sachsa waren. Ich habe keine Erinnerungen
wenn etwas ganz schrecklich ist verdrängt der Geist ja alles um weiterzuleben. ich war 6,7,8 Jahre alt.und angeblich zu dünn. Welches Heim weiß ich nicht. Ich weiß garnichts.Ich komme aus Kiel und es war wahrscheinlich von der Barmer.
Viele liebe Grüße
Karin Willing
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Karin Grund geb Würfl aus Marktredwitz schrieb am 11.10.2022
Ich war mehrmals mit meiner Zwillingsschwester in verschiedenen Kurheimen. Ich kann mich noch erinnern dass es auf Borkum und im Schwarzwald gewesen sein muss. Aufenthalt war ca 6 Wochen im Sommer. Wegen Übergewicht und Asthma waren wir dort. Ich kann mich an nicht viel erinnern. An viele Tränen und Heimweh, vorgefertigte Briefe die man abschreiben musste für die Eltern, die Kinder mit den Übergewicht waren seperat an Tischen gesessen. Als Süßigkeit gab es Lakritzschnecken. An Fahrradtouren durch die Dünen. Salzkammern zum inhalieren. Habe leider keine Unterlagen und meine Eltern sind schon verstorben.
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Merle M aus Gelnhausen schrieb am 11.10.2022
Als Kind wurde ich in den 70gern ins Kinderkurheim St. Peter Ording geschickt. Wir mussten auf Betten schlafen, die nicht mal eine Matratze hatten. Zu essen gab es Schleimsuppe, da kann ich mich noch genau dran erinnern. In der Zeit des sogenannten Kuraufenthaltes hatte ich Geburtstag. Meine Eltern hatten mir ein Paket mit einem Geschenk und Leckereien geschickt, doch davon habe ich nichts bekommen. Es würde aufgeteilt werden. Doch keiner bekam etwas. Ein Klassenkameraden aus der Grundschule war mit mir dort. Seine Eltern kamen zu Besuch, als sie die Umstände dort sahen haben sie ihren Sohn rausgeholt. Lange Telefonate mit meinen Eltern und der Heimleitung, sie wollten mich auch mitnehmen, brachten nichts. Meine Eltern sollten mich selber abholen. Morgens wurde man mit kaltem Wasser geweckt. Wollte man das Essen nicht, wurde man bestraft. Bei Urin im Bett gab es auch mal Hiebe. Wenn meine Eltern anriefen, dann durfte ich nicht mit ihnen telefonieren. Außer ganz kurz an meinem Geburtstag, da stand jemand dabei. Meinen Schulfreund durfte ich während dem Aufenthalt nur beim Essen sehen.
Meine Mutter hatte für den Aufenthalt neue Unterwäsche, Strumpfhosen, Pullis und vieles mehr gekauft. Es wurde mir alles abgenommen. Zurück kam ich mit alten, kaputten Sachen. Ich sollte damals zunehmend und kam verängstigt und abgemagert zurück.
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Julia aus Dinslaken schrieb am 11.10.2022
Ich wohnte in Bottrop und meine Mutter war Beamtin bei der Stadt Bottrop und die Verschickung lief ihrer Angabe zufolge über die Stadtverwaltung.
Eine Kinderkur der Stadtverwaltung. Organisiert über das Gesundheitsamt der Stadt.

Meine Mutter hat damals den Transport von Bottrop bis Freiburg per Zug begleitet und ab Freiburg ging es im Bus nach Bad Rippoldsau.

Das Ganze hat im Frühjahr oder Sommer 1975 (oder 1976) stattgefunden, ich versuche gerade noch herauszubekommen, wann genau. Ich war jedenfalls erst 5 (oder 6) und konnte noch nicht schreiben. Karten an meine Mutter wurden für mich geschrieben.

Ich habe noch zu einem anderen ehemaligen Verschickungskind Kontakt. Sie war mit mir in Bad Rippoldsau. Sie musste damals wegen einer Windpocken-Erkrankung sogar noch länger bleiben und ist nach eigenen Angaben krank vor Heimweh geworden, da sich niemand um sie gekümmert hat.

Wir erinnern uns beide an Nonnen, waren aber auch gemeinsam zu einer Verschickung in Küstelberg und können nicht mehr sagen, ob die dort oder in dem anderen Heim waren.

Ich würde gern mehr Informationen über die Operation, Medikamentengaben oder ähnliches finden. Mir wurde der Daumennagel gezogen. Meine Mutter wurde damals nicht über die Operation informiert und wurde auch vorher nicht um Erlaubnis gefragt. Ich erinnere mich daran, dass ich eine Vollnarkose bekommen habe und mit dick verbundenem Daumen erwacht bin. Ich erinnere mich, dass mir gesagt wurde, dass meine Mutter das erlaubt hat. Das hat meine Mutter verneint. Mir wurde keine Begründung für diese Operation gegeben. Mir wurde nicht erklärt, was ich habe und warum so etwas nötig ist. Ich erinnere mich an große Hilflosigkeit und Angst. Meine Mutter hat leider nach meiner Ankunft nichts unternommen, um die Verantwortlichen zu befragen.

Darüber hinaus erinnere ich mich an viel Zwang, was Essen angeht. Es gab Stapel mit Broten und eine Belohnung, wenn man möglichst viele davon gegessen hat. Ich musste Dinge essen, die ich nicht mochte und stundenlang allein im Schlafsaal vor einem Teller Rote Bete sitzen. Ich hatte noch jahrelang eine krasse Abneigung gegen dieses Essen.

Ich erinnere mich daran, zum Mittagsschlaf gezwungen worden zu sein. Und an große Angst, entdeckt zu werden, wenn ich nicht geschlafen habe.
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Monika Linn aus St.Ingbert schrieb am 10.10.2022
Ich war 1956 oder 1957 mit 6/7 Jahren für 6 Wochen durch die Kinderverschickung der Deutschen Bahn im Viktoriastift in Bad Kreuznach. Eigentlich habe ich es positiv in Erinnerung. Auch Die Betreuerin „Tante Ellen“ habe ich als nett in Erinnerung. Ich habe nur aus Heimweh damals Nägel gekaut. Später war ich nochmal weg in Bad Tölz im Prinzregenten Kinderheim. Dort gab es für sensible Kinder furchtbare Regeln. Ich war damals schon 13 und weiss noch ganz genau, dass Mädchen ihr Erbrochenes gefüttert bekamen. Grausam, aber dort sollte man in den 6 Wochen zunehmen, warum auch immer. Wie gemästetes Vieh.
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Martha schrieb am 10.10.2022
Gestern erfuhr ich in der Sendung planet wissen in ARD alpha vom Schicksal der Verschickungskinder. Ich war eines davon, denn meine Eltern machten sich Sorgen um ich, weil ich sehr dünn und häufig krank war.
Ich habe weder besonders gute, noch besonders schlechte, Erinnerungen an meinen Aufenthalt in SPO im Heim Quisisana. Ich erinnere Traurigkeit und Heimweh und mein Bemühen möglichst unauffällig im Getriebe des Heimes zu sein.
Nach der Sendung war mir jedoch so schlagartig klar, dass diese Zeit Wunden hinterlassen hat: Nach mich tief berührenden Ängsten habe ich jedes Mal mit nächtlichem Bettnässen reagiert, dessen Auftreten ich mir bisher noch nicht erklären konnte.
Jetzt, plötzlich, kann ich weinen und hoffentlich auch heilen.
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Nadja Hantschel aus Berlin schrieb am 10.10.2022
Ich war wegen Untergewichts 3 Wochen in Berlin-Buch zur Kur und sollte dort zunehmen. Meiner Mutter kann ich das nicht verübeln, sie wusste ja nicht wie schlimm die Heime waren und sie war froh, dass sie als alleinerziehende Witwe mit 3 Kinden mal für 3 Wochen eins abgeben konnte. Ihr mache ich keine Vorwürfe. Ich kann mich noch sehr gut an diese Kur erinnern. Ich war 4 oder 5, das muss also 1986 oder 1987 gewesen sein.
Ich wollte da nicht hin, welches Kind möchte schon in dem Alter 3 Wochen lang von der Familie getrennt werden. Ich habe bei Abreise fürchterlich geweint. Ich war ein gesundes Kind und kam vestört und traumatisiert nach Hause, habe aber meiner Mutter (mein Vater war 1983 verstorben) allerdings nicht erzählt wie es dort war. Vermutlich habe ich mich geschämt.
Die Zeit dort war geprägt von Angst und Traurigkeit. Im Rückblick verstehe ich jetzt warum ich ein Problem habe mit Autorität und mit Vertrauen und warum ich nicht gern gegessen habe.
Wir wurden zum Essen gezwungen, mussten doppelte Portionen essen und das Essen hineinzwingen. Wir durften nachts nicht auf Toilette, was dazu führte, dass mal ein Malheur passierte. Diese Scham, schrecklich. Ich habe in einem Gitterbett geschlafen, das viel zu klein war für mich, ich war ja schon 4 oder 5. Nachts habe ich vor Verzweiflung geweint und wurde dafür bestraft, eine Erzieherin hat mich mit ihren langen Fingernägeln gekniffen und mir gedroht. Man wurde überhaupt ständig bestraft.
Beim abendlichen Sandmannschauen im Fernsehzimmer hatte ich nach draußen geschaut, die Tür stand offen und dort stand ein Aquarium, ich hatte so etwas noch nie sehen und habe den bunten Fischen zugeschaut. Die Erzieherin hat mich daraufhin bestraft und ich musste mich neben sie stellen, die Tür wurde geschlossen und ich wurde zum Fernsehen gezwungen.
Diese 3 Wochen waren sehr prägend für mich und haben nicht dazu beigetragen, dass ich besser gegessen habe und dass ich mich gut entwickelt hätte.
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Katharina aus Bremen schrieb am 10.10.2022
Hallo,
zweimal wurde ich nach St. Peter-Ording in das Frisia (wenn ich das richtig erinnere) verschickt. Es war gruselig. Ich wurde zum Glück nicht so sehr schikaniert, weil ich es von zu Hause gewohnt war, möglichst nicht aufzufallen. Für mich war es einfach nur eine sehr unangenehme Zeit. Aber was ich dort erlebt habe, was an anderen Kindern "verbrochen" wurde, treibt mir heute noch die Tränen in die Augen. Nach dem 2. Aufenthalt habe ich einen derartigen "Zirkus" zu Hause veranstaltet, dass sogar meine sehr autoritären Eltern aufgegeben haben. Im krassen Gegensatz dazu stand das Erholungsheim in Willingen im Sauerland, an das ich nur gute Erinnerungen habe. Also auch damals hat es schon mal ein aus meiner Sicht gutes Erholungsheim gegeben.
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Katharina aus Bremen schrieb am 10.10.2022
Hallo,
in Willingen im Sauerland war ich 1964 und nochmal 1972. Die Heimleitung hatte eine Frau Nolte (wenn ich das recht erinnere). Dort habe ich mich außerodentlich wohl gefühlt! Das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt sein. Das war für mich ein vorbildliches Kindererholungsheim. Im Gegensatz zu anderen Erfahrungen, die ich leider in St. Peter-Ording machen musste.
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Harald Blank geb. Karlsch aus Berlin schrieb am 09.10.2022
Hallo,
als ca 5/6-Jähriger wurde ich nach Bad Salzdetfurth verschickt, vermutlich zum Aufpäppeln. Leider konnte ich nicht mit meinen Bruder verschickt werden, der kam nach Wyk auf Föhr. Das war eher entäuschend. Nun war ich alleine dort und es passierte mitten in der Nacht ( Ich werde es nie vergessen )..ich nässte ein, die Nachtaufsicht bekam dies mit. Sie hetzte die anderen Kinder in diesem großen Schlafsaal nun dazu auf, mir wegen der nächtlichen Störung eine Lektion zu erteilen. Ich lag in dem nassen Bett um mich herum ein Bettgitter..und nun um mich herum alle Kinder, die mit allem auf mich einschlugen. Nach der Lektion musste ich noch zur Strafe geraume Zeit im Flur auf einen Holzstuhl sitzen bis, ich wieder ins Bett durfte. Von da an stand ich jeden Tag bis zum Ende der Reise am Fenster und wartete auf meine Mutter. Seitdem ist dieser Vorfall Teil meines Lebens.
Gruß Harry aus Berlin
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MonikaD schrieb am 09.10.2022
Eigentlich hätte der Fernsehbeitrag über die Verschickungskinder vom 7.Okt. 2022 mit einer Triggerwarnung versehen werden müssen, denn ich reagierte augenblicklich mit Herzrasen und massiver Übelkeit darauf. Vom Begriff selbst hatte ich noch nie etwas gehört.

Wegen Neurodermitis an beiden Armen wurde ich 1974 als Achtjährige nach Norderney in Kinderkur geschickt. Beim Anblick des Heimes, dessen Namen ich nicht mehr weiß, dachte ich, es sei ein Dornröschenschloss, innen herrschte aber der blanke Horror.
Ich kann mich nur bruchstückhaft erinnern, mutmaßlich ist noch viel mehr geschehen: Es herrschte ein empathieloses Unterdrückungssystem mit ganz viel Angst und fürchterlichem Heimweh.
Im Schlafsaal und im Speisesaal hatte Ruhe zu herrschen. Wer aus der Reihe tanzte, wurde reglementiert und bloßgestellt. Der Nachtisch war in der Tischmitte in Glasschälchen ungleichmäßig abgefüllt, wer mit der Hauptspeise zuerst fertig war, durfte sich das größte Schälchen nehmen. Als vormals nörgeliger Esser stopfte ich alles widerwillig in mich hinein, um etwas mehr Nachspeise zu ergattern, denn der Teller musste leergegessen werden, da gab es keinen Verhandlungsspielraum.
Ersehnte Briefe aus der Heimat – Schreiben, die nur für mich persönlich waren - wurden öffentlich im Speisesaal vorgelesen, ausgehende Briefe korrigiert und zensiert. Jede Nacht weinte ich lautlos unter der Bettdecke und las mit der Taschenlampe die geliebten Zeilen meiner Familie tausende Male.

Der erzwungene Mittagsschlaf musste ohne einen Mucks vonstatten gehen. Aus Langeweile warfen wir uns meinen Teddy von Stockbett zu Stockbett zu und kicherten so leise wie möglich. Er landete dummerweise in einem mit Wasser gefüllten Kotzeimer und ich zur Strafe für ein paar Stunden in einem Extraraum für Störenfriede, wo ich auf einem Stuhl sitzend auf Erlösung warten musste.

Das nächtliche Toilettenverbot war für mich die schlimmste aller Regeln, denn dadurch musste ich erst recht aufs Klo und mich entscheiden, entweder ins Bett zu machen oder den heimlichen Weg aufs Örtchen zu riskieren. Beides wurde bestraft, so landete ich des öfteren im separaten Raum.

Ungefähr zur Halbzeit wurde von Seiten des Kinderheimes dem Wunsch der Schwester meines Opas nach einem Treffen stattgegeben. Diese kurte gerade auf Norderney, wir trafen uns im Wellenbad, das wir einmal wöchentlich besuchten. Aus Freude über ein bekanntes, vertrautes Gesicht bekam ich kaum einen Ton heraus. Ich hätte nur äußern müssen: „Hol' mich hier raus!“, aber ich war wie versteinert und schwieg, riesengroß war meine Angst. Warum zur Hölle hatte ich ihr nichts gesagt, fragte ich mich bis zum Ende des Aufenthaltes jeden einzelnen Tag.

Nach sechs Wochen kehrte ich ohne Hautekzeme zurück, dafür aber mit völlig abgekauten Fingernägeln und einer demolierten Kinderseele. Ich habe mich jahrelang geweigert, darüber zu reden, alles wurde verdrängt. Lebenslang zurückgeblieben sind eine Toilettenmacke, ein Autoritätsproblem und weitere Verhaltensweisen, die ich erst noch ergründen muss.
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Holger aus Peissenberg schrieb am 09.10.2022
6 Wochen mit 5 Jahren… klingt aus heutiger Sicht etwas schräg, aber: es war eine wundervolle Zeit. Die Anwendungen ( Wandelhallen mit Solenebel, Bäder, Atemgymnastik usw) waren sehr wohltuend. Wir waren alle Freunde und spielten gern draußen. Wir gruben Löcher in die Wiese in welche wir Schnecken, Ameisen, Brennnesseln und spitze Stöcke stopften, in der Hoffnung das irgendeiner in unsere gut getarnten Fallen tritt und sich maximal verletzt. Leider mussten wir vor dem Reingehen alle Internierten Lebewesen befreien und die Gruben zurückbauen.
Bei schlechtem Wetter bastelten wir, spielten Skat oder Brettspiele oder malten.
Ich war sehr glücklich über das gute Essen und kannte viele Dinge die es da gab vorher nicht. (Blattsalate, rote Beete, Gemüse in Aspik)
Damals hatten wir daheim noch kein Badezimmer und nur ein Plumsklo, da war das ständig verfügbare Warmwasser und die Tatsache, nachts nicht übern Hof zu rennen um die Toilette zu besuchen für mich ein Stück vom Paradies. Wir bekamen Unmengen Post, die Kindergärten aller Kinder schickten Massen an gemalten Bildern und jede Post wurde vor allen geöffnet und vorgelesen damit sich alle über die lieben Worte freuen konnten. Da war es schon fast egal wenn man selbst mal keine Post bekommen hat. Ich möchte mich an dieser Stelle bei unserer Erzieherin Frl. Tausche und Herrn Senf bedanken für die schöne Zeit die wir in Bad Sulza verbringen durften.
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Bernd Kalla aus FULDA schrieb am 09.10.2022
1966 hieß es von meinen Eltern, dass es diesmal (nachdem ich davor in Bad Sooden-Allendorf war)„in die Berge“ geht, das kannte ich noch nicht. Und dass es weiter weg ist. Da ich immer noch rappeldürr war, dachte ich wohl, dass das in Ordnung ist. Hierzu habe ich 2 Postkarten, beide vom Juni 1966, da war ich also 8 Jahre alt und es war diesmal Sommer. Auch diese Postkarten wurden vom Heim geschrieben, eine davon ist sehr undeutlich und kaum lesbar – kein Wunder, wenn man für so viele Kinder schreiben muss. Auf der einen Postkarte steht: „Orthopädisches Kinderkurheim Sonnhalde, Wallgau/Obb.“ Auf der Webseite www.verschickungskind.de findet man weitere Infos wie auch zu vielen anderen Kinderkurheimen. Aber warum heißt es „Orthopädisches“? Meine Füße waren doch in Ordnung – glaube ich. Hier war auch meine 6 ½-jährige Schwester dabei und darüber war ich froh. Wir hatten aber getrennte Zimmer, wie auf der Postkarte vermerkt. Sie hatte vorne einen Balkon und mein Zimmer lag weiter hinten mit 2 Fenstern (war also ein größerer Raum). Ihr Raum hieß „Schwalbennest“ und mein Raum „Märchenland“. Es existiert auch ein Foto von uns Kindern, was dort an einem Waldrand gemacht wurde – es zeigt 13 Kinder, keine Erwachsenen. Vielleicht kann ich es hochladen. Meine Mutter hatte mir vor kurzem berichtet, dass die ganze Gruppe wegen Grippe oder so noch eine Woche länger bleiben mussten, wovon wir Kinder vermutlich nichts mitbekommen haben. Das passte meinen Eltern sehr gut, denn sie bereiteten insgeheim den Umzug in ein neues Haus vor und brauchten noch etwas Zeit, weil einige Möbel noch nicht geliefert wurden, da alle Möbel neu gekauft wurden. Die Überraschung, plötzlich ein neues Zimmer in einem nagelneuen Haus (so roch es auch) zu haben, ist Ihnen gelungen und unvergessen.
1968 waren wir zum letzten Mal „zur Erholung“. Ich war 10 und meine Schwester 8 ½. Davon gibt es auch 2 Postkarten. Diesmal habe ich die beiden existierenden Postkarten selber geschrieben. Interessant ist das Datum der Postkarten: 19.05.68; u.a. schreibe ich „Wir sind gut angekommen.“ Das Datum der 2. Postkarte lautet: 18.06.68 und hier schreibe ich u.a. „Das ist die letzte Karte von mir.“ Von den beiden Zeiten in Wallgau habe ich wenig Erinnerungen – vielleicht ist mein „Gedächtnisspeicher“ nicht so groß und es wurde vieles gelöscht. Lediglich 2 Erinnerungen habe ich: Zum einen gab es an einem Tag plötzlich und völlig unerwartet ein so heftiges Gewitter, wie ich es in dieser Lautstärke noch nie erlebt hatte. Dagegen sind die zuhause in Hessen „Gewitterchen“. Ich stand an einem großen Glasfenster (so hat es meine Erinnerung für immer abgespeichert) und zuckte bei jedem Donnerkrachen erschrocken zusammen. Und ich glaube, es gab dann immer das mehrmalige Echo von den Bergen. Die 2. Erinnerung war, als wir beim Mittagessen waren. Meine Schwester saß mir gegenüber, wir alberten herum (keinerlei Bestrafung!) und ich warf ein Bröckchen Essen zu ihr hinüber. Das sah die Aufsicht, schimpfte mit mir und zur Strafe musste ich hoch in mein Zimmer und es gab keinen Nachtisch! Das war besonders schlimm, denn heute gab es wieder meinen Lieblingsnachtisch – eine Quarkcreme. Diese Creme hatte einen Geschmack, den ich nie wieder woanders gefunden habe. Die Creme war unbeschreiblich lecker. Da meine Schwester dies wusste, hat sie es irgendwie geschafft, mir eine Portion aufs Zimmer zu bringen – herrlich! Ich habe sie mal danach gefragt, aber sie konnte sich daran nicht mehr erinnern.
Heute bin ich 64, in meinem Kopf schwirren (wenn ich in mich gehe) viele, viele Erinnerungen kreuz und quer durch alle Jahre herum und manchmal denke ich, dass das alles jemand anderes erlebt und mir erzählt hat – so weit weg sind manche Erinnerungen. Aber dann sage ich mir: Das bin alles ich, das habe ich wirklich alles selbst erlebt.
Ich wünsche allen, die in den Heimen „die Hölle“ erlebt haben (anders kann man es nicht sagen), ganz viel Kraft und Mut, sich anderen anzuvertrauen und hier ebenfalls ihre Erlebnisse niederzuschreiben – denn Schreiben ist auch Therapie – sich alles von der Seele schreiben. Damit die Seele – und damit der Mensch – wieder gesund wird. Soweit dies möglich ist. Die Seele hat Narben davongetragen, die gehen nicht weg. Aber es gibt Hilfe zur Selbsthilfe – es gibt Therapien. Machen Sie den ersten Schritt.
Bernd
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Bernd Kalla aus FULDA schrieb am 09.10.2022
Zum Thema „Verschickungskinder“ kam ich durch Zufall, als ich bei Google fragte: „Darf man Kinder verschicken?“ (Antwort: ja. Das gab es früher tatsächlich bis 1920!). Dann kam ich zu der Seite „www.verschickungskind.de“ (vielleicht findet jemand hier auch Informationen). Übrigens sollte man die Seiten gegenseitig verlinken. Und nachdem ich nun 2 Berichte im Fernsehen über das Thema gesehen habe, bin ich schon den ganzen Tag „neben der Spur“, das viele Leid, das die Kinder erfahren mussten und bis heute nachwirkt, machen mich sehr traurig. Und gleichzeitig bin ich im Nachhinein wahnsinnig froh, dass mir und meiner Schwester dieses Schicksal erspart geblieben ist! Das ganze Ausmaß, was gewesen wäre, wenn… mein Leben wäre anders verlaufen.
Nun zu meinen Erlebnissen: Ich war 3x (für das angebliche 4. Mal gibt es keinen Beleg) „zur Erholung“, wie es bei uns zuhause immer hieß zum Teil auch mit meiner Schwester. Wir waren beide so dünn, dass man, wenn wir uns streckten, die Rippen zählen konnte (dazu gibt es ein Bild, wo wir uns am holländischen Strand strecken). Trotz Kuchen und Süßigkeiten essen, kam „nichts auf die Rippen“. Und um es gleich vorneweg zu sagen: wir hatten 3x Glück, dass uns nichts Schlimmes widerfahren ist! Beide Heime (Bad Sooden-Allendorf und Wallgau) waren in diesem Zeitraum „in Ordnung“, jedenfalls was ich als Kind mitbekommen habe. Und in Bad Sooden-Allendorf war ich genau in dem Heim, an deren Namen sich Christa und Ute (Zitat „…relativ kleines, Villen ähnliches Gebäude…“) nicht mehr erinnern können. Und ich war 1965 dort! Das Gebäude gibt es heute noch fast unverändert: damals hieß es wie auf meiner Postkarte steht: „Caritas Kinderheim Haus Elisabeth“, heute heißt es „Pfarrzentrum Haus Elisabeth“, Am Haintor 24. Wohlgemerkt: ein Heim der Caritas. An den Aufenthalt habe ich nur wenige, aber gute Erinnerungen: Ich erinnere mich an einen Bahnübergang in der Nähe, der mir sagte, dass wir gleich da sind (wichtig, wenn man mal dringend muss und ich ging immer „auf den letzten Drücker“) und an den dunkelbraunen Holzzaun mit einem kleinen Türchen. Und es gab ein großes Treppenhaus in der Mitte des Hauses. Eines Abends mussten wir uns alle ganz oben rundherum am Treppengeländer versammeln. Draußen war es schon dunkel und das Treppenhaus war nur wenig beleuchtet. Wir schauten hinunter. Dann sangen wir alle zusammen „Kein schöner Land in dieser Zeit“ (was grammatikalisch eigentlich falsch ist, aber deutsches Liedgut). Wenn es 1965 gewesen ist (der Poststempel ist leider nicht lesbar), war ich zu diesem Zeitpunkt 7. Natürlich wurde die Postkarte, die ich nun wiedergefunden habe, nicht von mir geschrieben. Darin standen nur wenige Zeilen: „Liebe Eltern! Ich bin gut in Bad Sooden-Allendorf angekommen. Hier liegt viel Schnee. Für heute diesen Kartengruß von Eurem Bernd.“ Wie ich dorthin gekommen bin und wieder zurück, weiß ich nicht mehr. Ich dachte immer, dass mein Papa mich hingefahren und abgeholt hat. Auf jeden Fall war es im Winter.
Heute bin ich 64, in meinem Kopf schwirren (wenn ich in mich gehe) viele, viele Erinnerungen kreuz und quer durch alle Jahre herum und manchmal denke ich, dass das alles jemand anderes erlebt und mir erzählt hat – so weit weg sind manche Erinnerungen. Aber dann sage ich mir: Das war und bin alles ich, das habe ich wirklich alles selbst erlebt. Und es gibt manchmal so kleine „Filmchen“ über ein bestimmtes Erlebnis – aus guten und aus schlechten Zeiten. Das ist das Leben eben.
Ich wünsche allen, die in den Heimen „die Hölle“ erlebt haben (anders kann man es nicht sagen), ganz viel Kraft und Mut, sich anderen anzuvertrauen und hier ebenfalls ihre Erlebnisse niederzuschreiben – denn Schreiben ist auch Therapie – sich alles von der Seele schreiben. Damit die Seele – und damit der Mensch – wieder gesund wird. Soweit dies möglich ist. Die Seele hat Narben davongetragen, die gehen nicht weg. Aber es gibt Hilfe zur Selbsthilfe – es gibt Therapien. Machen Sie den ersten Schritt.
Bernd
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Martin aus Gelsenkirchen schrieb am 09.10.2022
Ich war 1985 mit 6 Jahren in tarnewitz gewesen. Ich kann mich an Situationen erinnern das ich nackt war und auf der Toilette glaube ich unsanft angefasst worden bin. Es war mehrmals täglich gewesen. Ich würde sagen. Es war auch hin bis zur Vergewaltigung. Es wurde auch jetzt nachgewiesen das ich nicht nur unter Depressionen sondern auch unter einer PTBS leide.
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Kerstin Sörbom aus Stockholm schrieb am 09.10.2022
Bin wegen Bronchitis 2 mal im Heim gewesen, 7 und 9 Jahre und habe durch die Separation von meiner Familie furchtbar darunter gelitten. Vor allem beim zweiten Mal, kann mich genau auf die Fahrt ins Heim erinnern, die völlige Panik, ich wusste ja was mich etwartet. Meine Eltern denen mei Geschrei auf die Nerven ging.
Völlig unverstehende Eltern, es war ja wegen der Gesundheit. Sie folgten blind dem Rat der Experten. Das Heim lag am Watzmann.
Kontrollierte Briefe, Essen, Toilettenbesuche, Zwangsimpfung, alles Zwang, kein weiches Wort, kein Trost. Am deutlichsten kann ich mich erinnern an das Zwangsduschen, wir standen nackig nebeneinander und wurden mit einem Schlauch mit eiskalltem Wasser abgebraust. Ohne Ruecksicht. die Sauna, das Eiskallte Becken in dem wir uns abkuehlen mussten.
Wiederstand gabs nicht, der wurde ruecksichtslos bestraft.
Furchtbare Erinnerungen die ich im Terapizimmer bearbeitet habe. Was wurde mir damals alles geraubt.
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Hans-Dieter Otto aus Münster schrieb am 09.10.2022
1961 war ich für 6 Wochen (April/Mai) im Kinderheim Marianne in Obermaiselstein im Allgäu. Da ich sehr dünn und schmächtig war, sollte ich "aufgepeppelt" werden. Es wurde also darauf Wert gelegt, dass alles, was auf den Tisch kam, auch aufgegessen wurde. Häufig gab es dicke, sämige Suppen, die ich überhaupt nicht mochte. Einen Teller habe ich ich meistens mit viel Überwindung geschafft. Das reichte aber nicht! Es musste noch ein zweiter Teller voll sein. Den habe ich nie geschafft, sondern habe regelmäßig erbrochen. Bis zum heutigen Tag kann ich keine Suppen essen, die eine ähnliche Konsistenz aufweisen,wie die in Obermaiselstein. Damals war ich neun Jahre alt.
Briefe, die wir an unsere Eltern schrieben, wurden alle gelesen. Stand etwas darin, was der Heimleitung nicht passte, musste das von uns Kindern korrigiert werden.
Während der Mittagsruhe durfte man nicht zur Toilette gehen. Wer es trotzdem tat, weil er "musste", wurde aufgeschrieben und bekam weniger zu trinken.
Der Aufenthalt in Obermaiselstein wurde meinen Eltern von der Krankenkasse (BEK) empfohlen und auch großzügig bezuschusst. Meine Eltern handelten in der tiefen Überzeugung, daß beste für mich zu tun. Dass dem nicht so war, habe ich Ihnen erst viel später erzählt.
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Stefanie Geiler aus Berlin schrieb am 09.10.2022
Hallo, ich war in den Sommerferien 1978 für 6 Wochen in Sankt Peter Ording im Goldenen Schlüssel. Mit meinem damaligen Schulkameraden wurde ich zusammen aufgrund des Anratens meiner damaligen Kinderärztin dorthin verschickt, weil ich zu dünn war. Dort hatte ich unheimliches Heimweh, auch weil ich wenig Kontakt zu meinem Freund hatte, denn Mädchen und Jungen waren ja getrennt. Ich kann mich auch nur an den Inhalationskeller erinnern und ich wusste eigentlich nicht, wieso ich dort rein sollte. An das Essen kann ich mich kaum erinnern, nur an den Apfelmus mit Sahne, den die unterernährten Kinder als Nachspeise erhalten haben und die traurigen Blicke der Kinder, die das nicht essen durften. Ich kann mich auch an Spaziergänge ins Watt durch die Priele erinnern. Ansonsten habe ich alles verdrängt und weiß nur, dass das für mich keine schöne Zeit war. Der Kontakt zu meinem Schulkameraden lief irgendwie immer nur heimlich ab, so meine Erinnerung. Ich weiß nicht, ob mir Schlimmes wiederverfahren ist. Da ich Jahre vorher bereits mit 7 über 4 Wochen im Krankenhaus gelegen habe, wo mich Krankenschwestern ans Bett gebunden haben, damit ich mir die Schläuche nicht wieder rausziehe, mich andere Kinder beklaut haben, ich Studenten in der Vorlesung einfach mal so vorgeführt wurde und insgesamt keine guten Erlebnisse dort hatte, ausser der, dass ich überlebt habe, wird mir der Aufenthalt im Goldenen Schlüssel wahrscheinlich nichts Schlimmeres zugemutet haben, was ich nicht bereits kannte. Ich weiß nur, dass ich heute öfter daran denken muss und mich rückwirkend sehr allein gelassen gefühlt habe.
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Schäfer Karin - Maria (geb. Leisegang) aus Bayerisch-Eisrnstein schrieb am 08.10.2022
Hallo, ich möchte mich auch ins Gästebuch eintragen, da ich glaube, dass wir Verschickungskinder nur so öffentlich erhört werden.
Ich war mit 5 Jahren im April 1963 oder 1964 nach St. Peter Ording in das Kinderkurheim Köhlbrand, durch einen Amtsarzt in Frankfurt am Main, wegen Kränklichkeit und mangels an Größe, verschickt. Meinen Eltern würde glaubhaft gemacht, dass ich nur so wieder gesünder werden würde, wenn ich zur Erholung führe. Auf der Fahrt vom Frankfurter Bahnhof bis nach St. Peter Ording, habe ich nur geweint. Am Ort angekommen wurde uns das Gepäck weg genommen. Was damit geschah weiß ich nicht. Meine Puppe Maria, durfte ich bis auf Weiteres behalten. Am Abend gab es Brot mit Tee. Ich kaute auf dem Brot herum und trank meinen Tee und dann mussten wir ins Bett. Die Schuhe mussten akkurat vor dem Bett stehen und wir sollten mit dem Gesicht zur Wand liegen und schlafen. Am Morgen gab es komisches Frühstück, eine Schale mit Kaba, Zucker und Haferflocken und eine Tasse warme Milch mit Haut. Ich habe noch nie Milch getrunken und ich musste. Ich musste aufstehen, zu der Wärter kommen und unter Drohung mit der Peitsche, die Milch austrinken. Vor Ekel habe ich mich übergeben und genau über die schöne weiße Schürze, der Wärterin. Dafür bekam ich die kleine Peitsche ins Gesicht geschlagen und musste für den Rest des Tages ins Bett. Ich war oft über den Tag im Bett. Die nächsten Tage haben meine Tischnachbarinnen heimlich mein Essen genommen und ihre leeren Teller und Tassen zu mir gestellt, damit es aussah, als das ich essen würde. So aß ich nichts und trank nur den Tee am Mittag und Abend. In der Nacht wurde ich oft wach, weil mir gegenüber ein Mädel weinte und schrie. Sie wurde fast jede Nacht verprügelt, weil sie ins Bett machte und musste auf dem nackten Fußboden mit nur einer Decke schlafen. Oder im Waschraum, oder stehend im Flur. Den Waschraum habe ich auch böse kennen gelernt. Weil ich klein war, haben sie mir ein kleines Schemelchen vor das Waschbecken gestellt, damit ich meine Zähne putzen konnte und so, aber ich kippte damit um und würde in die de Dusche gezerrt, wo man mich unter die Brause stellte. Es war egal, ob ich schrie und weinte. Die Schläge gingen wieder von Nacht zu Nacht weiter. Als ich einmal mit dem Mädel weinte, bekam ich meine Puppe abgenommen, sie wurde auf das Fensterbrett gesetzt und ich musste am Fussende schlafen. Ich versuchte heimlich meine Puppe zu holen, dafür bekam ich Schläge und die Puppe weggenommen. Wir durften nicht reden und nicht weinen. Auf einem Ausflug ans Meer, sollten wir Muscheln sammeln und diese den Wärterinnen geben. Das Meer war nicht da. Ich fand eine Art Traube mit lauter Muscheln dran und wollte es meiner Mutter mitbringen. Als ich sie aber abgeben sollte, bin ich weggelaufen. Eine Strafe dafür bekam ich später, denn die andere Wärterin schrie, dass das Meer käme und wir sofort zurück gehen sollen. Ich dachte, dass das Meer in einer riesengroßen Welle käme und rannte um mein Leben. Die Muscheltraube verlor ich dabei. Ab da, kann ich mich kaum erinnern. Es war alles schwarz, kalt und unwirklich. Ich erwachte irgendwann dann im Krankenhaus in Heide, wo mich meine Eltern abholten und ich in die Uniklinik Frankfurt kam. Nach Recherchen war ich ungefähr 10 Tage im Heim und 5 Tage im Krankenhaus. Nach vielen Unterhaltungen mit Leidensgenossen und den Sendungen, die man sehen darf, wurde mir klar, dass ich wohl auf einem Dachboden gesperrt wurde. Mein ganzes Leben träume ich, dass ich über altes Sofa und Möbel auf dem Dachboden steige/kletterte und weine. Es ist dunkel, modrig und kalt. Seither war ich ängstlich, noch kränklicher. In der Schule habe ich Konzentrationsprobleme. Angst eher Panik vor Prüfungen und Versagen, ebenfalls vor Obrigkeiten und eine tiefe Abneigung gegen Rehakliniken, Heime und ähnlichen Häusern. Es ist der Geruch dort. Ein Geruch der mich erinnern lässt, obwohl ich das Erlebte tief in mich begraben habe. Nach jedem Reden mit Leidensgenossen, habe ich mehr und mehr Erinnerungen, doch es sind noch viele in mir begraben. Ich möchte so gerne wissen, was mit dem Mädel damals geschah, sie hieß glaube ich, Liane, oder Christiane. Sie hat so gelitten. Ich will kein Geld, auch nicht so viel Beachtung, aber ich will, dass diese schlimmen Taten in ganz Deutschland Puplik gemacht werden, dass man uns erhört und von unserem Schicksal wissen.
P. S. Die Heimleitung wurde nach meiner Verlegung in eine Klinik, von der Polizei verhaftet, es hieß wegen Betruges
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Ingrid B. aus Berlin schrieb am 08.10.2022
Meine ältere Schwester und ich waren 1979 im Haus Nordmark in Westerland auf Sylt. Ohne meine Schwester hätte ich den Aufenthalt dort nicht überlebt. Danach hatte ich schreckliche Esstörungen.
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Schäfer Karin-Maria aus Bayerisch Eisenstein schrieb am 08.10.2022
Nordsee.... St. Peter Ording....Kinderkurheim Köhlbrand, Strandweg 32 in St. Peter Ording.

Ich war 1964 auf Kur für 6 Wochen, im Alter von 5 Jahren, an die Nordsee verschickt worden, nach St. Peter Ording in ein Kurheim, wo ich aufgebaut und kräftiger und gesünder, werden sollte.
Da wollte ich mit 5 Jahren nicht hin. Es war wie ein Schock. Also weinte ich die ganze Zugfahrt und ging den anderen Kindern mächtig auf die Nerven damit. Aber ich habe nur noch weinen können. Weil ich als Kind so klein und schwächlich und kränklich war, hatte man mich dahin gezwungen, das wurde von der Krankenkasse und dem Amt so befohlen. Man nannte das/uns Verschickungskinder. So kam ich da an. Ein großes dunkles Gebäude. Kinderkurheim Köhlbrand. Innen war es halt, wie so Einrichtungen in den 50er und 60er Jahren waren. Meine Mutter hat dort eine Unmenge Haferflocken, Zucker und Kakao mitgesendet und hat denen gesagt, dass ich das mit Milch als Haferflockenbrei esse, was anderes habe ich nicht gegessen. (d. h. Milch wärmen, Haferflocken rein, bissel Zucker und darüber Kakao. So war mein Grundnahrungsmittel, dass ich noch bis 22 Jahre gegessen habe, bevor ich es jetzt nicht mehr sehen kann.) Morgens jedoch gab es dort trockenen Haferflockenmix mit Zucker und Kaba. Die haben eine kleine Schüssel mit etwas Haferflocken, Zucker und Kakao, ganz trocken einem jedem Kind hingestellt und ein Glas kalte, oder eher lauwarme Milch mit Haut, dazu gestellt. Das war jetzt jedem sein Frühstück. Gefühlt waren es ungefähr 30 Kinder. (Wenn ein Paket von den Eltern an das eigene Kind gesendet wurde, war es für alle. Besuchen durften sie auch nicht.) Ich konnte das nicht essen und sollte die Milch trinken, sonst bekäme ich die kleine Rute zu spüren, die die Aufseherin (so nenne ich die Kindertanten, denn lieb waren die nicht, schrien und keiften nur herum.)  in der Hand hatte. Also vor Angst trank ich die Milch und übergab mich gleich darauf über sie und ihrem weißen Kittel (ich trinke ja keine Milch, Heute noch nicht. )  da bekam ich das Ding zu spüren, aber nicht auf den Po, sondern ins Gesicht und ich musste den ganzen Tag ins Bett, ohne Essen und Trinken, was ich nicht schlimm fand, denn das Essen war gruselig. Am Abend, wenn alle ins Bett mussten, war da ein Mädel, ich glaube Liane oder so ähnlich, hieß sie, die musste immer vorm Bett auf dem Boden schlafen, weil sie angeblich ins Bett gemacht hatte und wenn sie weinte, wurde sie verprügelt solange bis sie nur noch wimmerte, das war jeden Abend und Nacht so. Wir würden von dem Krach, wo die Aufseherin dabei machte, wach. Doch wir durften nichts sagen, weinen, oder ähnliches. Weil ich mit ihr weinte, bekam ich meine Puppe abgenommen, wurde auch verprügelt und musste am Fußende schlafen und kein Mucks von mir geben, sonst würde ich auch weiter verprügelt werden, das wurde ich auch, weil ich heimlich meine Puppe holte. Eines Tages haben wir dann einen Ausflug ans Meer gemacht und durften Muscheln sammeln. Ich fand eine Art Traube mit vielen stinkenden Muscheln dran. Das wollte ich meiner Mum mitbringen. Aber die Wärterinnen nahmen den Kindern die Muscheln ab und wollten auch meine Traube. Ich bin weggerannt. Dann sagte eine der Wärterin, dass das Meer käme und wir müssten schnell zurück. Ich dachte das Meer kommt als riesige Welle und ließ die Muscheln fallen und rannte um mein Leben. Dort im Heim bekam ich die Rute zu spüren, weil ich die Traube nicht mitgenommen habe, aber wir hätten das sowieso nicht behalten dürfen. Ich aß nichts, sprach nichts, gab meinen Essensnachbarn mein Essen und die Milch, heimlich, wenn die Wärterin nicht guckte und wurde krank. Wie ich in das Krkh nach Heide kam, weiß ich noch Heute nicht. Plötzlich wachte ich dort auf und man päppelte mich auf. Länger als 10 Tage war ich nicht in dem Heim. Dafür fast 4 oder 5 Tage im Krkh Heide. Meine Eltern erfuhren nun endlich was mit mir geschah (ich war 5 j. und konnte nicht schreiben, bzw telefonieren, hatten das ja nicht) und an meinem Geburtstag, den 15.04.1964 haben Mum, Papa, meine Oma und mein Onkel, dort mich mit dem Auto abgeholt und mit nach Hause genommen, ob es denen Recht war, oder nicht. Ich wusste zwar nicht, dass es mein Geburtstag war, aber an diesem Tag habe ich meine Sachen gepackt, mich angezogen und aufs Bett gesetzt und sagte der Krankenschwester, dass ich jetzt abgeholt werde von meiner Mum. Die sagte nein das wäre nicht so, aber ich berharrte darauf, sie ließ mich in Ruhe und dann kam meine Mum. Es war wie eine Gedankenübertragung. Am nächsten Tag fuhr ich mit nach Hause, in Frankfurt musste ich nochmals ins Krkh, aber seit dem fahre ich in keine Kurklinik/Reha und so ähnliches und meine Kinder, mussten das auch nicht, wenn sie nicht wollten. Selbst solche Ferienlager mied ich, auch für meine Kinder. Nur alleine die Kinder dort, die Aufseher dort und der Geruch in dem Gebäude, war/ist für mich Horror. Nie vergesse ich das Mädel Liane. Lebt sie noch? Was ist aus ihr geworden? Ich hatte dort viele Misshandlungen gesehen, die die Wärterinnen an an den Kindern vollbracht haben. Ich kam ins Krkh nach Heide und würde dort wohl mehr tot, wie lebendig aufgepäppelt. Was ich im Kinderkurheim Köhlbrand  sah, und selbst erlebte ist tief in meinem Unterbewusstsein vergraben, nur bruchstückhaft, kommt da mal was hervor. Nun habe ich mit St Peter Ording nie Frieden geschlossen und würde mir gerne das alles nochmal anschauen. War letztens mit Uli meinem jetzigen Ehemann, im Internet und wir haben etwas aufgestöbert das unglaublich ist. Dort wurden in 50 Kinderkurheimen, Misshandlungen im Sinne von Nazimethoden an den Kindern durchgeführt, man nennt uns, Verschickungskinder. Man wollte den Kindern, den Willen brechen und entweder, verdünnen, oder mästen. Damit man sieht, wie gut es uns ginge, hat man uns hinter Höhensonnen gesetzt. Geglaubt hat den Kindern keiner, oder wenige. Viele schwiegen aus Angst, oder wie ich, die glaubten sie seien eben nur schwierig, oder es ginge nur ihnen so, weil sie es alleine erlebten. Es ist schwer es da aus dem Unterbewußtsein etwas  raus zu holen und ich habe Angst davor, vor dem was ich erlebt habe. Als Mum mich abholte, musste sie ja nochmal ins Heim, meine Sachen holen. Da  wurde ihr mitgeteilt, dass die gesamte Heimführung verhaftet und abgeführt wurde, angeblich wegen Betruges, den wahren Grund sagten die natürlich nicht. Ich sage, die wurden wegen Misshandlungen abgeführt, vlt haben sie Liane totgeschlagen. Vlt war ich der Auslöser, die im Krkh Heide, haben doch gesehen, was mit mir los war.  Musste ja im Gesicht und am Körper die Striemen, der Peitsche gehabt haben. Jetzt möchte ich gerne mal dort, oder in der Nähe, Urlaub machen und das furchtbare Köhlbrand sehen, das jetzt ein Hotelresort ist. Vlt habe ich durch diese Gruppe hier, dann bald Frieden mit St. Peter Ording und kann verzeihen. Aber es kommen weitere Erinnerungen, wie Hausschuhe mit den Fersen an die Seite des Bettes, oder vor das Bett stellen und den Schlafanzug zusammengelegt unters Kopfkissen stecken. Weil ich kaum an Waschbecken reichte, gab man mir ein Schemelchen. Da bin ich heruntergerutscht und würde dafür geschlagen und weil ich nicht duschen wollte (ich kannte das nicht, wir hatten keine Dusche, wuschen uns mit Waschlappen zu Hause, am Becken ab, der saßen in der Badewanne) wurde ich unter die Dusche gestellt und kalt abgeduscht. Im April, darin war die Heizung entweder aus, oder sie hatten keine. Ich bekam durch das Wasser keine Luft  und schrie, wofür ich geschlagen wurde. Es werden mit der Zeit immer mehr Erinnerungen kommen und ich aktualisiere es immer wieder. Dort waren Teufel am Werk, man nennt es auch schwarze Pädagogik. Doch niemand tat etwas dagegen. Die Eltern wurden nicht erhört und Ärzte, Krankenkassen und andere Einrichtungen, nebst die FDP, waren schweigsam. Das dürfte nicht an die Öffentlichkeit kommen. Das Geld war wichtiger.
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Jutta Staudenmayer aus Bei München schrieb am 08.10.2022
Hallo, liebe Mitwisser‘innen, ich war in den 60ern 6 Wochen in Hirsau bei Calw im Schwarzwald und habe dort unerhörtes erfahren. Auch ich dachte damals, ich sei kein gutes Kind, weil ich weine und Heimweh hatte, ich bekam Strafen, weil ich nachts weinte ( ein Mädchen im Nachbarbett hatte mich verraten, aber sie kann ja nichts dafür, sie hatte ja Anweisungen und wollte alle richtig machen) und tagsüber auf der Pritsche zum Mittagsschlaf meine Augen öffnete. Erlebnisse, die Schuldgefühle entwickeln. Es waren dort Schwestern (Kloster oder Kirchenschwestern), die uns sagten was wir wie tun müssen und die uns bestraften. Ich habe aber leider kaum noch Erinnerung über den Rest meines Aufenthalts und hoffe, daß ich nicht mit Medikamenten ruhig gestellt worden bin. Was mir aber in tiefer Erinnerung geblieben ist sind die dunklen Gefühle, die Angst und der Vertrauensverlust, sowie das Schuldgefühl das unartige, weinende Mädchen zu sein, daß seine Gefühle nicht im Zaum halten kann. Ich hab aber andererseits und wahrscheinlich „Zum Glück“ wohl einiges heilsam verdrängen können. Dieser Aufenthalt hat mein Leben geprägt und ich finde es so furchtbar, daß Menschen so mit Kindern umgegangen sind. Ich habe damals wohl aufgehört Kind zu sein und fühle mit all meinen Leidensgefährten‘innen. Danke für die Möglichkeit der Aufklärung. Ich hätte nie gedacht, daß ich nicht in Kur, sonder ein Verschickungskind war.
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Klaus Walbrecht aus Wesseling schrieb am 08.10.2022
Hallo, ich war insgesamt 4 mal im Zeitraum von 1959 bis 1970 in sogenannten Kinder Kurheime. Erinnerungen habe ich nur ganz schwach an die Zeit in Triberg, Murnau, und Bad Wildungen. Ich weiß nicht mehr die Namen der Kurheime, Die schlechtesten Erinnerungen habe ich an Triberg.
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Astrid Förster geb. Köster aus Gmund am Tegernsee schrieb am 08.10.2022
Ich war 8 Jahre alt als ich nach Bad Rothenfelde geschickt wurde. Leider weiß ich den Namen des sogenannten Kinderkurheims nicht mehr. Ich wurde in gut gemeintem Sinne meiner Eltern für sechs Wochen dort untergebracht, weil ich ein Einzelkind bin und unter Kinder sollte, war wirklich gut gemeint von meinen Eltern. Ich kann so viele Erfahrungen was Strafen angeht in diesem Heim mit den Berichten hier absolut bestätigen. Aber das Schlimmste war, dass ich in den sechs Wochen 26 Mal nachts aus meinem Bett gerissen wurde und mit dem Erzieher in sein privates Schlafgemach kommen musste. Es erschüttert mich noch heute...ich bin jetzt 57 Jahre alt. Ich habe es als Kind mitgezählt und weiß es noch ganz genau. Ich habe mit über 30 Jahren eine bipolare Störung entwickelt habe Panikattacken seit ich damals wieder zuhause war und kann schlecht schlafen. Manchmal gar nicht vor lauter Angst im Dunkeln. Wenn ich wieder morgens im Heim in meinen Schlafsaal geschickt wurde, musste ich im Schlafanzug durch den Jungentrackt gehen und wurde von allen Jungen schrecklich ausgelacht. Ich erinnere mich genau an all das, als wenn es vor fünf Minuten passiert wäre. Angekommen im Schlafsaal habe ich jeden Tag vor lauter Einsamkeit und Verzweiflung und Heimweh mit meiner Spucke die Blümchen auf der Blümchentapete neben meinem Bett weggerieben, so dass nach sechs Wochen ein Riesenfleck auf der Tapete war. Ich wurde auch oft bestraft und musste im Dunkeln allein in der Speisekammer sitzen, ich hatte fürchterliche Angst. Ich mache seit etlichen Jahren Therapie um den sexuellen Missbrauch an meiner damaligen Kinderseele zu verkraften. Ich bin froh den Bericht heute morgen auf planet-wissen gesehen zu haben und endlich erhört zu werden. So habe ich endlich das Gefühl, dass ich nicht mehr alleine damit bin. Ich wünsche allen Opfern alles Liebe....
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Ingrid Waldvogel aus St Blasien schrieb am 07.10.2022
Ich war ca. Mitte der 60 Jahre in einem Erholungsheim am Starnberger See. Der Aufenthalt dort habe ich bis heute nicht vergessen. Kinder mussten ihr Erbrochenes wieder essen. Ich selbst musste stundenlang nachts auf dem Flur mit ausgestreckten Armen stehen. Wenn ich die Arme nicht mehr hoch halten konnte wurde darauf geschlagen. Das Essen war nur auf hohen Fettgehalt ausgerichtet, damit schnell zugenommen wird. Mir wird heute nochschlecht wenn ich an das dortige Essen denke. Das Personal war sehr böse.
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Beate S. aus Sprockhövel schrieb am 07.10.2022
Ich war mit ca 5 Jahren, wegen familiärer Schwierigkeiten der Eltern und "Blässe" ca 1972/73 in Bad Wörishofen. Es gibt keine guten Erinnerungen. Wenn ich im Wäscheschrank der Mutter das eine oder andere alte Handtuch mit der roten eingenähten Nummer "5" finde, bekomme ich sofort einen Knoten im Magen. Wir mussten damals Mittagschlaf machen, durften nicht sprechen, nachts saß eine Nonne auf dem Flur. Mir gegenüber am Tisch im Esssaal saß ein Mädchen, welches jede Mahlzeit erbrach und dieses Erbrochene wieder essen musste. Ich war dermaßen verängstigt, dass ich mich in einer Nacht einkotete und versuchte, den Kot im Pyjama zu verstecken. Natürlich flog ich auf und wurde vor allen beschimpft und erniedrigt. Das Sonntagskleid, welches bei Ankunft zu bestimmen war, wurde in den ganzen Wochen nicht gewaschen, trotz Essensfleck vom ersten Sonntagsmittagessen (ich war im Vorschulalter!). Ich habe Erinnerung an lange, schmucklose Flure, einen Schlafsaal mit vielen Liegen für den erzwungenen Mittagschlaf, strenge Ordensschwestern, Angst, Heimweh und das entsetzte Gesicht meiner Mutter bei der Heimkehr. Die "Blässe" hatte sich nicht gebessert, im Gegenteil.
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Silke Balsser aus Pohlheim schrieb am 04.10.2022
Diese Zeit war furchtbar für mich meine Eltern durften mich nicht besuchen kommen jeden Therapie war 6 Jahre alt musste Sonntags in die katholische Kirche obwohl ich evangelisch bin warum das es so war keine Ahnung Mittagszeit musste man den mittagsschaf machen damit diese Tanten mal ihre Ruhe hatten danach immer spazieren gehen das Essen musste mal den Teller leer machen
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Monika Siebold aus Schwalmstadt schrieb am 03.10.2022
Ich war gerade 6 Jahre alt und bei der Untersuchung für meine Einschulung, befand man mich zu schwach und untergewichtig.
Das Gesundheitsamt riet meinen Eltern zu einer 6 wöchigen Erholungskurs.Ihnen war nicht klar, was sie mir damit antun würden, sie glaubten wirklich es wurde meiner Gesundheit gut tun.
Also würde ich an einem Morgen zum Bahnhof gebracht, wo eine Dame vom Kreis oder Jugendamt mich in Empfang nahm und es ging nach Nussdorf am Inn
Ich war bis dahin noch niemals von zu Hause getrennt. Schon im Zug bekam ich Heimweh und ich sagte der Dame ich wolle wieder mit nach Hause, aber das hat niemand interessiert.
Ein ungefähr 4 Jahre älteres Mädchen hat sich schon im Zug meiner angenommen und auch dort im Heim sich um mich gekümmert.
Das Heim, für mich auch wenn ich heute daran denke, das ist jetzt 60 Jahre her, war eine einzige Katastrophe in meinem Leben.
Ich konnte weder lesen noch schreiben noch konnte ich irgendwie sonst mit meinen Eltern in Kontakt treten und das lange 6 Wochen, ich habe ganz viel geweint und immer wieder gesagt, dass ich nach Hause möchte, das hat niemand interessiert. Erst wie geplant durfte ich nach Hause.
Wir mussten 2 mal in der Woche in 2er Reihen anstehen für die Höhensonne, damit wir gesund aussahen.
Meine Kleidung wurde einfach einem anderen Kind, das nicht genug zum Anziehen mit hatte, angezogen.
Gegessen habe ich wenig bis gar nichts und dadurch auch abgenommen statt zugenommen.
Ich bin nicht missbraucht worden aber die psychischen und seelischen Schäden die man mir zugefügt hat, sind nicht zu verzeihen.
Meine Eltern wollten nur das Beste für mich, wenn sie gewusst hätten wie sehr ich gelitten habe, hätten sie dem nie zugestimmt.
In der heutigen Zeit wäre so eine Kur für ein Kind ohne Elternteil undenkbar.
Warum hat man mir das angetan??
Heute darf ein Kind ohne Vater oder Mutter noch nicht mal eine Nacht ins Krankenhaus, wenn es das nicht will.
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Stefanie Gross aus ehemals Wanne-Eickel schrieb am 03.10.2022
Ich wurde in 1971 als Fünfjährige zu 6 Wochen Heimaufenthalt verdonnert. Grund: angebliches Untergewicht, das Städtische Kinderheim musste damals dringend amortisiert werden. Ich war neugierig, auch wenn mir die Trennung von meinen Eltern sehr weh tat. Der erste Aufenthalt am Meer! Heutzutage würde niemand mehr sein Kind sechs Wochen lang "verschicken" lassen, aber damals orientierten sich die Eltern noch stark an Autoritäten und befolgten brav deren Anordnungen. Die sechs Wochen waren eine Hölle. Als sensibles und schüchternes Kind hatte ich keine guten Karten und die "Tanten" tobten sich an mir aus. Von den ekelhaften Proteinschleudern (vor allem viel zu viel Milch), dem Sitzenbleiben bis man aufgegessen hatte, bis zur Zwangsernährung. Ich hatte Angst vor der nächtlichen Dunkelheit, den Erzieherinnen, dem Essen, einfach vor allem. Die versprochenen Strandspaziergänge beschränkten sich auf 2 mal 1 Stunden im Exerzierschritt, Muschelnsammeln verboten. Der Rest: vor allem ruhig sitzen, endlose Langeweile und Furcht vor dem Kommenden. Das Verbot, nachts zur Toilette zu gehen machte mich zur Bettnässerin und damit begann ein Teufelskreis: Unfall, mein Bettzeug waschen, Angst vor der kommenden Nacht, erneuter Unfall etc. Der einzige Effekt war übrigens keine Gewichtszunahme sondern ein Trauma, dass mich eigentlich bis heute begleitet. Erstaunlich, dass die Erinnerungen noch so wach sind und noch erstaunlicher, dass so viele Kinder betroffen waren. Ich hatte mich immer für eine Einzelgängerin gehalten.
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Sascha Hentschel aus Köln schrieb am 24.09.2022
Hallo,

also ich 80er Baujahr war als Kind mit meimer Schweater zweimal dort ca. 1987 & 1988 jeweils 6 Wochen da unsere Eltern auf dem weg zur Scheidung waren und habe sehr schöne Erinnerungen, natürlich auch Regeln hehe aber im Ganzen alles Super.

Ich erinnere mich z.b. an die langen Wandergänge schön ordentlich nebeneinander, durch den Meter Hohen Schnee.. Die Zäune mit Strom am weg zur Österreich, Lang Lauf Ski, Besuch auf der Ski Sprungschanze, die Räume mit dem Nebel bevor es raus ging, schön Vaseline aufs Gesicht geschmiert bekommen..
Warm Kalt Wasser Becken..
Die Spiel Olympiade im Ganzen Haus (Die ich nach Punkten tatsächlich gewann da ich alles zweimal machte hehe) der Auftritt als Vampir im Foyer unten, der Zauberer auf der Bühne in der Halle, der mir das Ei auf dem Kopf zerschlug, und ich nen selten Schein dafür bekam..

Die Besuche in den kleinen Kapellen wo gemeinsam Gesungen wurde..

Die Frische Milch vom Bauern..
Geschlafen wurde in Hochbetten, 4 Kinder ich oben und ich erinnere mich vor dem Schlafen gehen das ich ein Mädchen geküsst habe die sich rübed beugte vom andere Hochbetten.
Das falten unsere Wäsche mit der Betreuerin, Namens Schilder in der Wäschs..

Da gabs Postkarten zum verschicken die wir kauften von unserem Taschengeld, und auch Briefe von zuhause..
Man hatte auch Heimweh aber es war schön, viel uns hoher Schnee...

Der Pudding war dies, den musste man auch tatsächlich auf Essen, und das waren Regeln ohne Hauen o.ä. hehe..

Ich würde sehr gerne diesen Ort nochmals sehen und Erleben..
Leider besitze ich kein Führerschein und habe auch keine eigenen Kinder.


Schade das ich hier so negative Erfahrungen lese..


Grüße aus Köln
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MiriamT schrieb am 23.09.2022
Hallo,
Ich war im Sommer 87 ein Verschickungskind in Berchtesgarden.
Ich war 10 Jahre alt, meine Mutter wollte mir was guten Tun und schickte mich auf diese Kinderverschickung der Barmer Ersatzkasse.
Ich kam nach 6 Wochen Aufenthalt als ein Kind mit einer Angststörung zurück was unter Ticks und wahnsinnigen Angst vorm Schlafen gehen litt.
Meine Erinnerungen an diesen Aufenthalt sind furchtbar:
Wir Kinder wurden auf Bänke und Stühle gefesselt als Bestrafung, nur weil man z.B eine Wiese betrat die man nicht betreten sollte.
Man musste sich in einen Kreis stellen und laut singen oder Gedichte aufsagen um seine Post von Zuhause zu erhalten (ich hatte immer gehofft ich bekomme keine Post).
Als die Magen-Darm-Grippe ausbrach und ich mich als Kind in das Bett übergab, musste ich in meinem Erbrochenen als Bestrafung schlafen.
Das Duschen, Waschen, Zähneputzen erfolgte nur gemeinschaftlich und unter strenger Aufsicht.
Die Mahlzeitenaufnahme war sehr streng, es musste aufgegessen werden ansonsten musste man solange sitzen bleiben bis der Teller leer war.
In einer Nacht wurde ich sexuell Missbraucht. Ich habe Dies nächsten Tag einer Betreuerin erzählt, darauf wurde mir eingeredet ich hätte alles nur geträumt. Ich habe danach eingenässt und wollte nicht mehr in diesem Zimmer schlafen. Ich durfte nach langem Theater das Zimmer wechseln und habe mich versucht mit meiner neuen Zimmernachbarin tagtäglich Nachts einzuschliessen indem wir den Stuhl unter die Türklinke schoben. Dieses Mädchen hatte genauso Angst wie ich, dass ist mir heute bewusst geworden.
Meiner Mutter konnte ich mich nicht mitteilen, die Post die man schrieb wurde streng kontrolliert und man musste positive Sachen in die Karte schreiben.
Ich war wochenlang einer fürchterlichen Angst ausgesetzt.
Ich wurde als glückliches Kind auf diese Kur geschickt und kam als verstörtes und ängstliches Kind nach Hause. Ich habe Jahrzehnte gebraucht um über das erlebte zu reden. Ich leide heute noch unter einer Angststörung und unter Zwängen die sich dadurch bildeten.
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Joseph Siegfried aus Albstadt schrieb am 19.09.2022
Ich wurde 1963 bis 68 nach Scheidegg wegen Lungen Tuperkolose gebracht.Für mich war Die Klinik ein Glücksfall.Mein Bruder war ebenfalls 6 Jahre dort.Wir wurden beide als gesund Entlassen.Wir haben uns in Das Buch Die Kinder von Scheidegg eingetragen.Bin heute 61 Jahre und so was von gesund.Meine Mutter hatte nicht Das Glück und verstarb 1968 da war Die Klinik nicht so gut.Also ich kann nur gute berichten von Scheidegg und mache jedes Jahr eine Wanderung als Erinnerung an diesen Ort.M.F.G. S.Joeph
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Christine B. aus Heiligenstadt (Eisenach/Erfurt) schrieb am 10.09.2022
Hallo,
Auch ich hatte eine heilbehandlung bzw Kur im März und Dezember 1987.
Meine Mutter verstarb.
Alles an was ich mich erinner ist ein großer Waschraum und das ich mir mein Zimmer teilte mit einem Mädchen. Sie war traurig. Sie hatte ein Kuscheltier bzw eine Mond Spieluhr.
Ich weiß nicht warum ich dort war. Evtl weil meine Mutter verstarb in dem Jahr.
Leider fehlen mir weitere Erinnerungen.
Habe aber alles im Impf- bzw. Sozialausweis (DDR) als Eintrag belegt.
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AnjaM schrieb am 07.09.2022
auch ich war ein verschicktes Kind und war in Bad Sassendorf gelandet. Wie ich angereist bin, weiß ich nicht mehr. Es gab auch keinen Abschied in meiner Erinnerung, aber sehr viel Angst. Als sogenanntes Bettnässerkind war die Verschickung mehr eine Bestrafung. So paßte es natürlich auch, dass ich in einem von Nonnen, streng geführtes Haus landete.

Ich war 6 oder 7 Jahre alt, schreiben und lesen konnte ich noch nicht. Es gab 3 oder 4 weitere Kinder mit den Namen Anja (ich war die jüngste).

Ich erinnere mich an Holzwannen, mit salzigen Wasser, mein Aufenthalt war im Winter. So regelmäßig wie diese Wannen sich wiederholten, waren auch die Zeiten, in denen wir mit kleinen Schutzbrillen vor Lampen sitzen mussten. Neben der Kirche mussten wir regelmäßig zu Konzerten. Einmal haben wir übermütig geklatscht, so dass wir unsere Handrücken berührten. Wir durften anschließend, zur Strafe, nicht mehr raus und viel schlimmer, nicht mit den anderen zum schwimmen.
Wer an den Konzerttagen Geburtstag hatte, der bekam von den Musikern ein Plakat/Poster geschenkt.
Ich wusste meinen Geburtstag nicht, wollte aber auch so ein Geschenk. Also hatte ich mich einfach gemeldet, als nach einem Geburtstagskind gefragt wurde. Das war eindeutig nicht meine beste Idee…

Die Mahlzeiten waren sehr streng. In meiner Erinnerung durften wir nicht reden, alles musste aufgegessen werden. Zur Strafe wurde man auch schon einmal auf die Terrasse (oder war es ein Balkon?) geschickt, ohne Jacke, mit der Stulle in der Hand, in die Kälte, bis alle fertig waren. Fertig war man erst, wenn alles aufgegessen wurde.

Die Bettnässerkinder hatten einen Wochenplan, wenn das Bett trocken blieb, dann gab es einen Aufkleber. 1x in der Woche musste man mit diesen Plan zur Oberschwester. In meiner Erinnerung, eine alte und strenge Nonne. Ich bin mir nicht sicher, ob mich meine Erinnerungen da täuschen, oder ob sie tatsächlich 1 großen (oder sogar 2) Hund hatte. Vielleicht haben mir die anderen Kinder es erzählt, weil ich eine große Angst vor Hunden hatte.

Auf jeden Fall gab es von dieser Oberschwester entweder eine Belohnung (in Form von Süßigkeiten), oder eben Strafe/Schimpfe, je nachdem wie viele Aufkleber man hatte.

Ich hatte immer große Angst vor diesen Tagen und viel Süßes gab es für mich nicht.

Strafen waren allgegenwärtig. Einmal hatten die anderen Kinder meinen Teddy geklaut und auf dem Flur geworfen, es war Schlafenszeit. Der dunkle und sehr lange Flur machte mir nicht nur Angst, er durfte natürlich auch nicht, zur Schlafenszeit, betreten werden. Aber ohne Teddy ging auch nicht. Also schlich ich irgendwann raus und wurde natürlich prompt erwischt. Zur Strafe wurde ich ohne Teddy und ohne Decke, in einen Raum gesteckt, der in meiner Erinnerung sehr klein war und nur eine Matratze auf den Boden hatte. Dort musste ich die Nacht verbringen und war am nächsten Tag, für alle die unartige Anja.

Wir mussten regelmäßig spazieren, immer schön ordentlich in 2er Reihe.

Meine einzige schöne Erinnerung war eine liebe Nachtschwester. Diese nähte meinem Teddy neue Augen (mit gelben Stopfgarn). Der Teddy ist heute noch in meinem Besitz. Ich glaube, mein Aufenthalt dauerte 6-9 Wochen.

Sehr lange hatte ich Angst erneut dorthin zu müssen und alleine die Androhung (die es leider gab) reichte aus.

Ich glaube, es gab sicherlich positive Erlebnisse in Bad Sassendorf, leider brennen sich in kleine Kinderseelen die negativen Erinnerungen.
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Susanne Grünbeck aus München schrieb am 04.09.2022
Ich war im Frühjahr 1975 mit 9 Jahren für 6 Wochen im Kindererholungsheim in Glücksburg. Der Kinderarzt hatte die Kur verschrieben, weil ich unter starker Bronchitis litt. Ich fuhr fröhlich dorthin, weil ich noch nie am Meer gewesen war und neugierig und offen war. Ich komme aus der Nähe von Karlsruhe und das war für mich schon eine halbe Weltreise.
Dort aber litt ich unter unvorstellbarem Heimweh.
Ich bekam dort Windpocken und war sehr krank, aber die Betreuerinnen sagten, man sei nach drei Tagen wieder gesund. Also musste ich nach drei Tagen wieder alles mitmachen und durfte nicht länger im Bett liegen. Ich schleppte mich durch die Gegend und traute mich nicht, jemandem zu sagen, wie elend ich mich fühlte, aus Angst, dann am Ende nicht heim zu dürfen, denn es war in der 4. oder 5. Woche meines Aufenthaltes.
Als ich dann wieder Zuhause ankam, fieberte ich stark. Meine Mutter musste mir die Strumpfhosen vorsichtig von den Beinen schneiden, denn die Windpocken waren offen und alles war verklebt. Ich war in einem furchtbaren Zustand. Ich fehlte noch zwei weitere Wochen in meiner Schule, bis ich wieder genesen war.
Es ist mir heute völlig unverständlich, was für eine Atmosphäre von Angst in dem Heim verbreitet wurde, dass man seine Krankheit und sein Elend lieber versteckte, als sich einer Betreuerin anzuvertrauen. Auch mit Heimweh ging man nicht zu eine der Erzieherinnen. Dass mich dort ältere Kinder aufzogen und meiner Barbiepuppe die Kleider zerschnitten, hätte ich nie einer der Damen dort anvertraut!
Ich hoffe sehr, dass solche Kinderverschickungen heute nicht mehr existieren bzw. dass Erzieherinnen in solchen Einrichtungen besser ausgebildet und Kinder ihnen wirklich am Herzen liegen...
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Nils aus 45259 Essen schrieb am 01.09.2022
Nun,
es liegt lang zurück, in Erinnerung blieben gewaltige Erinnerungen.
Ich war bei der Verschickung 5 Jahre alt, und war kurz zuvor erst in den Kindergarten gekommen, ich war also nicht wirklich viele Kinder gewohnt.
In Erinnerung blieb, dass ich mich am Morgen der Abfahrt gewehrt habe, und es nicht wollte. Die Fahrt ging vom Rheinland nach Dagebüll per gecharterten Intercity, voller Kinder, und ich mittendrin, ohne Bezugsperson.
Bei der Ankunft dort herrschte Sturmflut. Als der Busfahrer, es war schon dunkel, am Fähranleger die Tür öffnete, schwappte das Wasser um den Bus.
Ich war in einem mutmasslich Sechsbettzimmer, und ich erinnere mich, dass ich im Dunkeln den Lichtern der ersten ankommenden Fähren zugesehen habe.
Die "bösen" Kinder, die abends auf den Zimmern Unruhe stifteten, mussten eine Etage tiefer auf dem Flur auf einer Matratze vor dem Betreuerzimmer liegen.
Was blieb noch in Erinnerung: Das erkennbare Desinteresse der Betreuerin an den Kindern.
Die gestickten Namensschildchen in allen klamotten, die noch jahrelang später zum Teil im Leben waren.
Das Postkartenschreiben war ein stumpfes Ritual. Einmal bekamen meine Eltern eine Karte auf der Stand schlicht: Nils hat heute keine Lust, eine Karte zu schreiben.

Gegen Ende der sechs Wochen, war soetwas wie Selbstsicherheit gewonnen, denn ich durfte nun auch einmal im Flur auf der Matratze liegen.
Schlimm für meine Mutter war bei der Wiederkehr am Bahnhof, dass ich meine eigene Familie nicht erkannte. Und was den Erholungseffekt anging, ich wer schwer erkältet, mit einer heftigen Mittelohrentzündung.
Alles in allem eine mehr traumatisierende als erholende Erfahrung. ohne Bezugsperson, unter Unmengen fremder Kinder, habe ich schwer gefremdelt.
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Elke schrieb am 30.08.2022
Auch ich bin eine Betroffene und war 1966 im Kinderheim „Frisia“ in St. Peter Ording.
Eigentlich sollte ich dort ein wenig zunehmen und die Seeluft sollte meiner chronischen Bronchitis helfen. Doch das Ganze entwickelte sich zu einem Albtraum für mich.

Ich wurde von meinen Eltern gebracht und wieder abgeholt. Die Trennung war erst in Ordnung. Ich wusste ja, bald bin ich wieder zu Hause. Doch es müssen dort Dinge geschehen sein, die mir fürchterliches Heimweh machten. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Doch einige Bruchstücke sind noch da.

Ich empfand das Haus als sehr dunkel, fast düster. Der Schlafsaal waren ein Graus für mich. Dieser große Raum war für mich mit fürchterlichem Zwang behaftet. Man durfte nicht weinen. Viele taten es heimlich unter der Bettdecke, wenn nicht mehr eine der Tanten dort herumschlich.

Man durfte, wenn man im schon im Bett war, nicht mehr zur Toilette. Wenn dann jemand aufgrund dessen in sein Bett machte, wurde er im Waschraum abgeduscht oder aber auf einen „Pipi-Topf“ mitten in den Schlafsaal gesetzt, so dass alle anderen es sehen konnten. Eine fürchterliche Demütigung. Auch haben mir dort andere Kinder erzählt, dass sie statt abgeduscht zu werden, mit nassen Handtüchern geschlagen wurden.
Jahre später, als mir dies einmal wieder in den Sinn kam, habe ich einmal nachgeschlagen, warum man so etwas tut. Ergebnis: Schlagen mit einem nassen Handtuch hinterlässt keine Spuren.

Ich kann mich auch daran erinnern, dass alles immer ordentlich im Schrank/Regal sein musste. Schuhe mussten auch geputzt werden, auf einer langen Bank in einem langen Flur.

Essen… dieses Thema verfolgt mich noch heute. Es musste immer alles aufgegessen werden, was auf dem Teller war, egal, ob man es mochte oder nicht. Für mich sind für immer und ewig Rote Beete und Rhabarber von meinem Speiseplan gestrichen. Die allerschlimmste Erinnerung ist für mich das Rhabarberkompott, dass ich überhaupt nicht mochte. Erstens einmal sah es für mich aus, wie schon einmal gegessen und zweitens war es vom Geschmack her ganz schrecklich. Ich musste es essen. Ich wurde damit nicht zur Essenszeit fertig und somit in einen extra Raum gesperrt und saß dort so lange vor meinem Kompott bis das Schälchen alle war. Ich musste immer wieder würgen. Ich habe es aber irgendwie geschafft, mich nicht zu übergeben. Das tat ich dann „heimlich“ später auf der Toilette. Andere hatten mir erzählt, dass es ihnen ähnlich und schlimmer ergangen war, so wie viele es hier mit dem Erbrochenen schon beschrieben haben.

Es wurden auch Postkarten nach Hause geschrieben. Mit 5 Jahren konnte ich noch nicht schreiben, also schrieb eine der „Tanten“. Und zwar immer nur positiv. Eine Karte habe ich davon noch. Ich weiß, dass es noch mehr gab, aber Sie sind irgendwann bei meiner Mutter abhandengekommen. Ich kann mich erinnern, dass auf einer dieser Karten stand, dass ich nun nicht mehr so viel weine und mein Heimweh fast weg ist. Von wegen… Ich wollte lieber heute als morgen wieder nach Hause.

Alles in allem war das Fazit für mich und meine entsetzten Eltern, als sie mich wieder in Empfang nahmen: Ziel der Kur absolut verfehlt. Die Fotos (siehe Forum/Regionalgruppe), die gemacht wurden auf der Fahrt dorthin – noch „freudestrahlend“, während der Kur – man sieht schon mein gequältes/erzwungenes Lächeln und auf der Heimfahrt – völlig verstört, verängstigt und mit dunklen Ringen unter den Augen, belegen das oben beschriebene Fazit.
Ich bin froh, dass meine Eltern mich hinterher entsprechend „aufgefangen“ und versucht haben, das Geschehene vergessen zu machen. Mein Misstrauen bestimmtem Essen gegenüber ist jedoch bis heute geblieben.
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Oliver Reinhardt aus Beverstedt schrieb am 28.08.2022
Ich wurde im Alter von 9 und 13 Jahren verschickt. 1972 kam ich mit meiner Schwester ins Kinderkurheim der Freien Hansestadt Bremen auf Wangerooge.
Dort waren Behandlung und Umgangston ganz okay, nur die Belegung mit um die 200 Kinder war für mich traumatisch. Immerhin gab es aber recht kleine Zimmer mit nur vier oder fünf Betten. Da ich zu den unterernährten Kindern gehörte (meine fast 90jährige Mutter schämt sich heute noch), musste ich mit wenigen anderen an einem separaten Tisch essen. Diese Exponiertheit war unangenehm und man wurde gehänselt.
Schlimmer aber war, dass es zum Frühstück zwangsweise Leberwurst und andere Dinge gab, die ich verabscheute. Alles in allem aber war der Aufenthalt in Ordnung.
Deshalb stimmte meine Mutter zu, als ich 1976 noch einmal verschickt werden sollte. Ich kam 6 Wochen nach Boffzen, in das Kinderkurheim das -wie ich mittlerweile weiß- schon von den Nazis betrieben wurde.
Uns Kindern wurde gesagt, das Haus sei privat, die Besitzerin wohne in der 50er Jahre Villa auf dem selben Gelände. Von der sah man nur ab und an einen großen, silbernen Mercedes.
Wir Kinder waren untergebracht in einem schlossähnlichen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert (es gibt noch Bilder im Netz). Ich denke, wir waren vielleicht 20 oder 30 in meiner Jungs-Gruppe und genauso viele in der abgetrennten Mädchen-Gruppe. Alle Jungs waren untergebracht in zwei miteinander verbundenen Schlafsälen. Nur neben dem Zimmer der Betreuerin (Name vergessen), die offenbar dort wohnte, gab es ein 3er-Zimmer. Da kam ich nach ein paar Tagen rein, weil ich mit dem Schlafsaal nicht klarkam und dort gehänselt wurde. Die beiden anderen Bewohner meines Zimmers waren wegen Ungehorsam aussortiert worden, weshalb wir unter ständiger Beobachtung standen. Es herrschte ein Klima latenter Angst und Bedrohung. Unter den Kindern bildeten sich Hackordnungen. Da stand ich weit unten. Ich wurde später noch jahrelang von Anrufen eines der Jungen verfolgt, der dann immer seinen Namen nannte und danach auflegte.
Die Tagesbeschäftigung bestand in Zeiten, in den wir auf dem Gelände spielen durften, auf einer Wiese, aber ohne Anleitung, Anregungen oder Spielgeräte. Ich glaube auch, dass es täglichen Frühsport auf dem Hof vor dem Haus gab. Außerdem gab es nahezu täglich Wanderungen. Es ging in die immer selbe Richtung. Zunächst eine steil ansteigende, gerade Straße hinauf, von den Betreuern Himmelsleiter genannt. Mir kam sie unendlich anstrengend und lang vor. Vermutlich war sie das nicht.
In Wald und Feld mussten wir dann Beerenfrüchte sammeln. Die gab's dann auf Pfannkuchen zum Abendbrot.
Das Essen war ausgesprochen mager und eklig. Als ich nach sechs Wochen heimkam, hatte ich mehrere Kilo abgenommen und hatte in der ganzen Zeit nur 2mal Fleisch bekommen.
Ich war als 13jähriger durchaus in der Lage, mal von daheim weg zu sein. Aber die Situation im Kinderheim war so bedrückend und beängstigend, dass ich recht bald einen Hilferuf an meine Mutter schrieb. Den trug ich immer mit mir herum, wurde ihn aber nicht los, weil die ausgehende Post zensiert wurde.
Das für mich schlimmste Erlebnis, dem ich bis heute einige "merkwürdige" Verhaltensweisen verdanke, war das gemeinsame Duschen. Es fand in einem Kellerraum eines benachbarten Remisen-Gebäudes statt. Dazu muss ich erklären, dass ich in einem streng antinazistischen Haushalt aufgewachsen bin und früh mit entsprechenden Bildern und Texten in Berührung kam.
Der Duschraum dort entsprach meinem Wissen von KZ-Ausstattungen. Ein großer, dunkler Raum mit Leitungen unter der Decke, an denen Duschköpfe hingen. Wir wurden zum gemeinsamen Duschen gezwungen. Für mich total belastend, weil ich sehr schamhaft war und immer Angst hatte, wieder wegen irgendwas gehänselt zu werden. (Wegen meiner abstehenden Ohren sowieso) Der Raum machte mir unendlich Angst, zumal die Betreuer einen sehr herrischen Ton drauf hatten und uns immer durch die Gegend scheuchten. Es ist wohl nichts wirklich schlimmes passiert, aber 6 Wochen in einem Klima von Angst, Befehlen und Ungerechtigkeiten waren für einen Heranwachsenden schwer zu ertragen und leider träume ich heute, mit fast 60 Jahren, noch regelmäßig davon.
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Andreas Almstedt aus 37136 Waake schrieb am 27.08.2022
1955 wurde ich im Alter von 5 Jahren in eine „christliche“ Einrichtung im Schwarzwald (Freudenstadt) verschickt.
Mein Vater war wenige Monate zuvor nach einem langen Leidensweg gestorben. Danach hatte ich keinen Appetit mehr, nahm ab und kam zur Erholung.
Gleich nach der Anreise wurde ich von meiner Schwester getrennt, da Mädchen in einem anderen Teil des Hauses getrennt untergebracht wurden.
Ich sollte essen, aber weil ich keinen Appetit und einen riesigen Heimwehklos im Hals hatte, ging gar nichts mehr.
Das mir auf den Teller gelegte musste aufgegessen werden. Ich konnte nichts runter kriegen.
Am ersten Abend waren die Aufseherinnen noch relativ gnädig. "Nur" verbales Drängen galt e.auszuhalten.
Die anderen Kinder hatten schon aufgegessen und waren aufgestanden und gegangen.
So blieb ich schließlich lange allein in dem großen Raum. Ab und zu wurde nachgesehen, ob ich endlich artig gegessen hätte. Schließlich galt ich als bockig und böse. Und sowas zu brechen hatte man ja Methoden.
Vielleicht wollten sie Feierabend machen. Jedenfalls blieben mir weitere pädagogische Bemühungen an diesem Abend erspart .
Ich hatte nicht nur Heimweh, ich war Heimweh. Ich schluchste und schluchste . Ich war vater- und mutterseelen allein.
Weinen (Heimweh) war abends verboten. Wer erwischt wurde, wurde in den kalten Duschraum abgeführt, wo er u.U. Stunden im Kalten verbringen musste. Manche Kinder, die so widerspenstig und ungezogen-böse waren, daß sie mit Weinen und Schluchzen einfach nicht aufhörten, wurden kalt abgeduscht . Das half .......nach einer gewissen Zeit.
In einer religiösen Unterweisung wurde Angst vor der Hölle für unartige Kinder geschürt. Auf welchem Weg, dem guten, steilen , beschwerlichen, oder schlechten, bequemen, nach unten gehenden befindest Du dich ?
Die Wege wurden auf der Tafel veranschaulicht .
Auf dem schlechten Weg wurde ein Punkt eingezeichnet, bei dem eine Umkehr nicht mehr möglich ist. Hat man den erst erreicht, ist man für immer verloren, dann geht es schnurstracks in das Höllenfeuer ewiglich.
Ihr wisst doch , wie es sich anfühlt, wenn man einen Finger in eine Kerze hält? Und nun den ganzen Körper für immer und niemand ist da, der helfen kann !
Böse waren wir ja wirklich:
Abendliches Weinen und nicht aufessen oder gar abnehmen ( ich wurde gewogen und zu leicht befunden ) waren die Hauptsünden.
Bei jedem Wiegen meines Gewichtes wurde auch meine Schuld, mein Ungehorsam mit gewogen. Wieder Gewichtszunahme verweigert. 
Doch für solche Fälle gab es die Methode der Mästung, die zum Gück nur einmal an mir praktiziert wurde. Vermutlich weil es bei mir vermutlich zu zeitaufwendig war und auch diese pädagogischen Massnahmen bei mir nichts fruchteten.
Wieder mal saß ich lange noch nach dem Frühstück allein vor einem für mich ekligen Käsebrot, das ich unbedingt essen sollte.  Schimpfen und Drängen der Aufseherinnen führten zu nicht mehr Appetit.
Diesmal war es nicht nur der Klos im Hals, sondern auch Widerstand, der natürlich gewaltsam gebrochen werden musste.
Ein herrisches ;"Mund auf ! " hatte keinen Erfolg. Es wurde eine zweite Kraft dazu geholt.  
Eine der Aufseherinnen drückte daraufhin meinen Mund auf, indem sie in die Wangen drückte und so den Kiefer gewaltsam öffnete.
Die andere schob mir ein Stück Brot in den Mund. "Kauen! , Schlucken !" Die Befehle hatten nicht den gewünschten Erfolg. Ich kaute und schluckte nicht. Die Prozedur wurde unter verschärften Bedingungen wiederholt. Nun wurden zusätzlich Mund und Nase zu- und ich fest gehalten. Das führte zum Erfolg. Unter Tränen, ein Brocken nach dem anderen.  Sie waren ein eingespieltes Team. Sie hatten es geschafft. Das Brot war drin. Danach war mir der Appetit gänzlich vergangen. Vor diesen Bestien hatte ich nur noch Angst.
Iimmerhin wußte ich nun, wer böse war. Von ihnen nahm ich nichts mehr an.

Was können wir daraus lernen ?
Auch diese Hexen waren Kinder ihrer Zeit. Es herrschte die schwarze Pädagogik über sie.
Unter Ausblendung von Mitgefühl hielten sie sich daran, was allgemein angesagt war, was Mainstream der Pädagogik war, was als richtig und förderlich für die Kinder galt. Die so zu Aufseherinnen gewordenen Frauen waren Täter und und Opfer zugleich . Sie opferten gegenüber den Kindern ihr Mitgefühl.ihre Seele, die den ihnen anvertrauten Kindern verrohte.
So auch wie wir heute verrohen, wenn auch in anderen Zusammenhängen:
Aus heutiger Perspektive kann rückblickend deutlich werden, wie der Zeitgeist, der Mainstream, über Empathie, Mitmenschlichkeit dominieren kann. Es braucht nur "gute", gesellschaftlich getragene Gründe, um Unmenschlichkeit, Gewalt um eines höheren Zieles willen, zu rechtfertigen. Schließlich heiligt der Zweck ja die Mittel. Alles ist gut , wenn es nur einem guten Zweck dient.
Mit dieser Haltung können wir überhaupt das "Böse" bzw. das, was nicht unseren Interessen entspricht, mit bestem Gewissen austreiben, bzw. vernichten.
Eigene moralische Massstäbe, so vorhanden, werden obsolet, wenn sie nicht mit dem Mainstream konform gehen. Und unser Interesse ist es natürlich, auf Teufel komm raus, immer dazu zu gehören.
Dem propagierten Mainstream folgend werden z-B. auch entgegen der ursprünglichen Überzeugung, Tötungsmittel Mit-Morden (damals wie heute mit dem Segnen von Waffen, bzw. mit dem Absegnen der Verschickung von Kindern und "guten" Waffen zum gefälligen Gebrauch. Mit guten Gründen lässt es sich gut morden, seien es Kinderseelen oder die zu Feinden erklärten Menschen.
Das kann man doch nicht miteinander vergleichen?
Doch, muss man sogar !
Der gemeinsame Nenner heißt:
Unterdrückung von Mitmenschlichkeit durch Interessen geleitete Erkenntnis /Ideologien.
 
 

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Christiane aus Göttingen schrieb am 27.08.2022
Ich war fünf Jahre alt, als man befand, dass ich zu dünn sei und meine Mutter mit drei Kindern eine Auszeit zumindest von einem, dem mittleren, haben sollte.

Ich war für sechs Wochen in einem Heim, wo ich an einem Tisch mittig in einem großen Speisesaal Essen immer wieder bekam, das ich nicht essen konnte, bis ich es aß und herunterzuwürgen versuchte.

Ich durfte nachts nicht auf Toilette, nässte deshalb ins Bett ein, es gab Gewalt und sogar Schläge mit der Hand, man nahm mir meinen Bär weg, dem einzigen, woran ich mich festzuhalten versuchte und bekam als einzigen Kontakt die Päckchen von zu Hause nicht, weil ich nicht funktionierte. Diese Päckchen mit bestimmten Süßigkeiten wurden vor meinen Augen an andere Kinder verteilt, weil ich sie nicht verdient hatte.

Man schrieb Karten an die Eltern, dass es mir blendend ginge, weil ich mit fünf Jahren noch nicht schreiben konnte.

Ich kam nach sechs Wochen als gebrochenes Kind mit Alpträumen und abgekauten Fingernägeln zurück. Ich kämpfe bis heute mit den Folgen.

Als ich ca. 10 war, war ich mit den Eltern in der Gegend und meine Mutter wollte das Heim sehen. Sie fanden es und ein verschrecktes Kind tauchte hinter den Gitterfenstern im Erdgeschoss auf. Meine Mutter weinte den gesamten Weg zurück zum Ferienort und entschuldigte sich immer wieder bei mir. Sie hatte mir meine kindlichen Schilderungen nicht abgenommen und war entsetzt zu sehen, dass alles, was ich erzählt hatte, stimmte. Das führte dazu, dass sie mir (erstmals) auch den Rest, den sie nicht überprüfen konnte, glaubte. Bis dahin war man zu Hause der Meinung, dass ich lüge und Aufmerksamkeit wollte.

Während ich das schreibe, habe ich Tränen in den Augen. Ich wünsche mir seit vielen Jahren, es vergessen zu können.

Wenn diese Aktion auch nicht zum Vergessen beiträgt, so ist sie doch trotzdem gut. Danke dafür
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Winfried aus WW schrieb am 25.08.2022
Ich war 1966 mit 8J. zur Erholung im Kinderheim Richardsen in St.Peter Ording. (Auf der Seite der AG OrtsChronik e.V. St.PO ist das Haus abgebildet. Als ich das Bild sah und den Namen laß, wußte ich: hier war ich). Ich hatte immer wieder Bronchitis, war ein schmächtiges Kind und sollte dort abgehärtet werden. Nun ja.
Vorher hatte ich schon mehrere traumatische Erlebnisse in Krankenhäusern: als Frühchen in den 50gern im Brutkasten einer Uniklinik, mit 3J. eine Blindarm OP (bei der die Narkose nicht richtig wirkte), mit 6J. eine Mandel OP ( bei vollem Bewußtsein wurden wir an die Stühle geschnallt, dann den Ätherlappen vors Gesicht, und alles brüllte…). Besuchsverbot für die Eltern.
Nun also St.Peter Ording. Währendessen lag meine Mutter mit Krebs im Krankenhaus (Kinder unter 12J. haben keinen Zutritt. Ich konnte sie also vor Abreise nicht mehr sehen.
Ich wollte nur nach Hause, hatte füchterliches Heimweh. Unter den Kindern ging das Gerücht um, wer ständig weint, wird nach Hause geschickt. Also habe ich die ersten Tage nur geweint, es half nichts.
Morgens der Haferbrei ging noch, das Mittagessen war viel zuviel, ich mußte mit einigen anderen immer solange sitzen bleiben bis ich alles hineingewürgt hatte. Das Abendessen war das schlimmste.
Es gab 5 halbe Brotscheiben, jeweils eine mit Quark m. Schnittlauch (bäh), Wurst, Käse, Bananenscheiben, Schokoraspeln. Ich konnte einfach nicht soviel essen. Andere schon, und noch viel mehr. Also bot ich meine Brote zum Tausch an, wenn du mein Brot isst…Die anderen Jungs wollten natürlich nur das Schoko- o. Bananenbrot. Das hätte ich auch mal gerne gegessen, würgte statt dessen das Quarkbrot hinunter. Natürlich alles heimlich, wer erwischt wurde, daß er nicht seinen Teller leer aß, wurde bestraft. Das klappte nur kurze Zeit, ich habe dann die Brote in die Hosentasche gesteckt und später im Clo entsorgt. Das viel natürlich auf, wurde verpetzt und ich wurde bestraft.
Ohrfeigen waren damals was völlig normales und auch der Lehrer in der Schule wurde nicht müde zu betonen: die Prügelstrafe ist noch nicht abgeschafft.
Briefe nach Hause wurden zensiert, Päckchen von Zuhause wurden geöffnet: Obst kam sofort in die Küche, Süßigkeiten (wenn mehr als 1 Teil) kamen in den Gemeinschaftspool, Briefe und anderes an das Kind.
Dann bekam ich Mumps und mußte auf die Krankenstation. Hier gab es kleine Portionen und ich war froh krank zu sein. Währendessen ist meine Mutter verstorben, was mir nicht mitgeteilt wurde.
Schlimm waren auch die wöchentlichen Untersuchungen beim Haus-Doktor,der in Ermangelung oder aus Sparsamkeit keine Holzspatel sondern Eßlöffel aus der Kücheverwendete und jeden „zur Sau“ machte, der dabei hustete. Manche zitterten schon vorher.
Nach der Mumps-Zeit wurde ich als Langsam-Esser eingestuft und mußte mein Mittagesse alleine im Speisesaal eine halbe Std. vor allen anderen einnehmen. Wie das dann mit den Broten war, weiß ich nicht mehr.
Dann wurden Andenken gekauft (die Händler kamen ins Haus), eine Kleinigkeit für Vater und Mutter, und ab gings nach Hause. Noch auf dem Bahnsteig habe ich gefragt, ob ich endlich meine Mutter besuchen darf, die Antwort: die ist doch schon im Himmel.
Das wars, die Kindheit war vorbei. Verständnis, Gefühle, Reden, das gab es nicht.
Ich habe angefangen zu stottern, Atemwegserkrankungen waren ständige Begleiter.
Folgerichtig kamen in den Folgejahren noch 3 Asthmakuren in Bad Reichenhall hinzu. Manchmal kam ich kränker zurück, als ich losgefahren war.
Im späteren Leben kamen noch Allergien und Süchte und Tinnitus hinzu. Verschiedene Therapien halfen nicht. Ich habe bis heute keine stabile Beziehung aufbauen können. Jetzt mit 65J. ist noch eine Neurodermitis hinzugekommen.
Ich bin nur noch müde, müde, traurig und wütend.
P.S.
Wie ich gehört habe, steht das Haus Richardsen noch. Lange Zeit als Gästehaus etc. genutzt (?)
Ich versuche mal hinzufahren und es mir anzusehen. Vielleicht passiert was.
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Petra Safferthal aus Berlin schrieb am 19.08.2022
Hallo, ich bin gestern auf diese Webseite gelandet und auf die Initiative aufmerksam geworden. Und ich bin froh, dass es sie gibt. Ich bin im Sommer 1969 mit 4 , fast 5 Jahren, auf eine vom Amt gut gemeinte Kur geschickt worden, ich kam aus zerrütteten Familienverhätnissen. Ich weiß nicht mehr, wie der Kurort hieß, bzw. lag. Vor 30 Jahren, als mein Sohn in diesem Alter war, kam mein Leben aus der Bahn. Ich hatte meinen fast ersten 6 Jahre völlig verdrängt. Aber nach und nach kamen Bider, Gefühle aus dieser Zeit wieder hoch. Und es waren sehr schreckliche, traumatiesierende Erinnerungen. Von Schlaf-, Essensverbot und mit dem Kopf in der Wanne unter Wasser gestugt zu werden. Ich bin selber gelernte Erzieherin, aber trotz mehrer Versuche in ein Arbeitsleben zurückzufinden sind gescheitert. Ich habe überhaubt nicht mehr in ein Lebenswertes Leben zurückgefunden. Ich finde sehr gut, dass es diese Initative gibt und ich davon erfahren habe. Ich finde es mehr als an der Zeit, das Schweigen zu brechen und das mir und anderen zugefügten Schmerz und Leid publik zu machen. Es wird keine Wunde heilen, aber ich hoffe Antworten, wie: warum ist das mit mir passiert, was habe ich falsch gemacht? Scham- und Schuldgefühle, Verzweiflung und die ständige Angst, sind Teil meines Leben geworden. Auch wenn der Verstand sagt, ich kann nichts dafür, was mir dort angetan wurde, die leidvollen Gefühle und Selbstzweifel werde ich nicht mehr los.
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Renate Link aus Unterhammer im Karlstal schrieb am 18.08.2022
Ich bin selbst keine Betroffene, möchte aber ehrenamtlich die Geschichte an meinem neuen Wohnort aufarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Wir sind gerade bei der Recherche und dankbar für weitere Infos.
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Manuela Litts aus Plön schrieb am 16.08.2022
Ich habe nur gute Erinnerungen an diesen Aufenthalt, Es war sehr nett , bin zwei mal da gewesen das schlimmste war als der Dackel von den Heimleitern auf einem Schäferhund attackiert wurde auf einem Spaziergang
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Wolfgang Hanke schrieb am 16.08.2022
Ich wurde als Eisenbahnerkind mit Kindern weiterer Berufskollegen meines Vaters im Winter 1965 5-jährig nach Schulenberg verschickt. Sicherlich ist nach fast 6 Jahrzehnten nicht alles present, daher beschränke ich mich auf 3 Vorkommnisse, die über die Jahre nicht aus dem Sinn gekommen sind:
1.) Es gab einen Jungen, der nach Angaben der Erzieherinnen ein böser Junge war. Nachdem die üblichen Methoden, in erster Linie Ohrfeigen, bei ihm nicht den gewünschten Erfolg brachten, wurde er in den Keller gesperrt. Wir hörten ihn, wenn wir über die Gänge gingen, unaufhörlich brüllen. Das flößte mächtig Angst ein. Uns wurde gesagt, dass dies mit allen unartigen Kindern geschieht - es waren eindeutige Drohungen. Der Junge war dann eines Tages nicht mehr da.
2.) Es gab Lieblingskinder. Hierzu gehörte ein Junge aus meinem Schlafsaal, vielleicht 3-jährig, der, während wir anderen uns keine Unachtsamkeit erlauben durften, während der Schlafzeiten durch den Saal sprang, hüpfte, turnte und die Erzieherinnen lachten über den süßen Fratz. Eigentlich war strenge Bettruhe verordnet. Auch in der Mittagszeit mussten wir schlafen, auch wenn jemand nicht schlafen konnte. Bei einer Kontrolle mittags versuchte ich, mich schlafend zu stellen. Ich hatte alles versucht, doch ich musste zwinkern und bekam sofort Ohrfeigen, während der kleine süße Junge herumjauchzte.
3.) Beim Mittagessen saß der kleine süße Junge neben mir und spuckte mir plötzlich auf den Teller (Braten mit Rotkohl und Kartoffeln). Ich meldete dies der Erzieherin, die mich dann zwang, meinen Teller inklusive fremder Spucke aufzusessen.
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Doreen Götze aus Berlin (geb. Finsterwalde) schrieb am 15.08.2022
Ich habe erst letzte Woche von der Seite Verschickungsheime erfahren und bin jetzt auf der Suche nach Antworten. Ich habe leider keine Ansprechpartner mehr (Mutter verstorben), um Details zu erfahren. Ich weiß nur noch, dass ich vor der Einschulung (es müsste das Jahr 1989 im Sommer vor der Einschulung gewesen sein) auf der Kur in Rügen (wahrscheinlich Wieck) war. Ich war zu dem Zeitpunkt 5/6 Jahre alt und mein Vater war das Jahr davor, 1988, plötzlich verstorben. Laut meiner Mutter, woran ich mich noch erinnern kann, war ich auf dieser Kur auch, um mich von ihr abzunabeln, da es sonst nicht möglich gewesen wäre, mich einzuschulen. Der Tod meines Vaters hat ein Trauma hinterlassen. Meine Tante, die noch lebt, sagt, ich wäre dort wegen häufig auftretender Bronchitis gewesen. Bei meiner Recherche kam mir der Name Wieck sehr gekannt vor. Ich hatte auch jahrelang ein Gruppenfoto im Album meiner Mutter, aber mit ihrem Tod ist das Foto verschwunden. Ich bin seit geraumer Zeit bei einer Heilpraktikern, um meine Traumata aufzuarbeiten und immer wieder kommt diese Kur in meinen Kopf. Ich habe aber leider keine Erinnerung daran. Das Einzige, was ich weiß: Es war ein Dreibettzimmer (zwei Mädchen, ein Junge), es gab Milchnudeln und jede Woche wurden Briefe von den Eltern vorgelesen. Ebenso kann ich mich an viele Tränen erinnern, die geflossen sind.

Wie gesagt, schätze ich, dass es der Sommer vor der Einschulung gewesen sein muss, 1989. Es kann aber auch sein, dass es 1988. Ich hoffe, dass es noch alte Datensätze gibt und mein Name und Aufenthalt dort irgendwo niedergeschrieben ist. 🙂

Auf dieser Internetseite habe ich ein Foto von 1979 gesehen von Wieck und es sieht mir sehr danach aus, dass es das Kurheim war, wo ich war.
Vielleicht findet sich jemand, der zur gleichen Zeit dort war und ich kann das Mysterium klären.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Martina schrieb am 13.08.2022
Ich (geb. 1967) wurde im März 1979 für sechs Wochen in das Kinderkurheim des BSW nach Lindenberg im Allgäu geschickt. Vor Ort wurde ich meiner Altersgruppe (mittlere Mädchen, ca. 10-14 Jahre) zugeteilt. Es gab je drei Gruppen für beide Geschlechter. Unsere Gruppe bestand aus 20 Mädchen und nannte sich zeitgeistgemäß "Discoqueens". Die altersgleiche Jungengruppe nannte sich nach einer bekannten TV-Serie die „PS-Feuerreiter“. Wir hatten zwei Betreuerinnen, die wir duzen durften/sollten. Alle Kräfte waren entsprechend ausgebildet und qualifiziert. Am Tag nach der Ankunft wurden wir von einem freundlichen Arzt medizinisch untersucht. Da ich Übergewicht hatte, sollte ich abnehmen. Im Speisesaal gab es dann aus organisatorischen Gründen drei oder vier separate „Diät-Tische“. Unser Essen war den Plänen entsprechend kalorienreduziert. Nach sechs Wochen hatte ich sieben Kilo verloren. Es gab natürlich auch Kinder, bei denen eine Gewichtszunahme wünschenswert gewesen wäre. Dennoch wurde niemals jemand zum Essen gezwungen. Da ich keine Erinnerung an die Gerichte habe, muss die Küche wohl durchschnittlich gewesen sein. Dagegen erinnere ich mich an den für alle Einrichtungen dieser Art typischen furchtbaren Hagebutten- und Pfefferminztee. Bei einer Führung durch das Haus wurden wir auf den riesigen Teeboiler in der Küche hingewiesen, an den wir uns bei Durst jederzeit bedienen durften. Die Betten waren, wie damals noch allgemein üblich, in Schlafsälen untergebracht. In unserem befanden sich 10 Betten, durch Sichtschutzwände getrennt, auf denen wir Autogrammkarten unserer Idole aufhängten. WCs und Waschräume befanden sich auf dem Gang genau gegenüber. Geweckt wurden wir um sieben oder acht durch Lichteinschalten. Abends um neun oder zehn Uhr wurde das Licht gelöscht. Ein für Gemeinschaften aller Art typisches Verfahren. Aber niemals wurde jemand daran gehindert, nachts zur Toilette zu gehen. Im Gegenteil: nachts war auf dem Gang für diese Fälle immer die Notbeleuchtung an. Der Vormittag war gemeinsamen Aktivitäten gewidmet: Sport, Spiel, Basteln, Spaziergänge, Besichtigungen. Nach dem Mittagsessen hatten wir in der sogenannten Ich-Zeit drei Stunden zur freien Verfügung. Wer wollte, konnte Mittagsschlaf machen. Ansonsten standen zur Verfügung: eine Minigolfanlage, Tischtennisplätze, ein Bolzplatz, ein Hallenbad, eine Bibliothek, ein Musikzimmer mit Instrumenten und Noten, ein Fernsehraum, eine Turn- und Veranstaltungshalle mit Bühne. Darüber hinaus wurden Ausflüge in die Umgebung organisiert, z. B. an den Bodensee oder nach Füssen. Auch waren wir im Zirkus und natürlich im Ort, wohin der Weg leider etwas weit war. Sonntags und Ostern durfte man die katholische Messe in der örtlichen Kirche besuchen. Jedes Wochenende wurde die Turnhalle zur Disco mit Musik- und Lichtanlage. Dann tanzten wir zu den Village People, Leif Garrett, Blondie oder den Teens. Auch führten wir auf der Bühne dort Theaterstücke und Sketche auf. Ab und zu wurde die Halle abgedunkelt, eine große Leinwand entrollt, und Filme wurden gezeigt. Ich erinnere mich, dort zum ersten Mal die „West-Side-Story“ gesehen zu haben. An Ostern durften wir im Fernsehraum Franco Zeffirellis Monumentalwerk „Jesus von Nazareth“ anschauen. Zwang gab es bei alldem nicht. Wir schrieben viele Briefe und bekamen viele Briefe. Zu Ostern auch Päckchen. Weder unsere Eingangs- noch unsere Ausgangspost wurde jemals kontrolliert oder zensiert. Einmal war mein Vater zu Besuch. Er verband eine Wandertour im Allgäu mit einem kurzen Abstecher zu uns, übernachtete aber natürlich im Ort. Elternbesuch war grundsätzlich nicht verboten. Unsere Betreuerinnen, allesamt Erzieherinnen oder Sozialpädagoginnen, die schon die Liberalisierung und Reformen der späten 60er und frühen 70er Jahre in Ausbildung oder Studium durchlaufen hatten (und das im konservativen Bayern!), waren allesamt empathisch und einfühlsam. Wer Heimweh hatte (und das kam trotz allem häufiger vor) wurde getröstet. Während unseres Aufenthalts erfuhr meine Bettnachbarin vom Tod ihres Opas und war den ganzen Tag in Tränen aufgelöst. Unsere Betreuerin (sie hieß Anneliese) saß lange an ihrem Bett und hielt ihre Hand. Mir wurde ähnliches Mitgefühl zuteil, als ich einmal wegen schwerer Verstopfung zur Ärztin in den Ort gefahren werden musste. Gab es Negatives? Ja. Neben dem schon erwähnten Heimweh gab es kleinere Diebstähle, wie sie leider in solchen Einrichtungen immer wieder vorkommen: kleinere Geldsummen, Briefmarken, Süßigkeiten, Stifte. Natürlich gab es auch die üblichen Hänseleien und die Cliquenbildung in der Gruppe. So habe ich mit der schon erwähnten Bettnachbarin eine Kameradin gemobbt, indem wir ihr Stofftier entwendeten, versteckten und behaupteten, es wäre die Toilette heruntergespült. Aus Rache landete dann der Teddy meiner Freundin tatsächlich in der Toilette. Außerdem bekamen einige Idole auf den Autogrammkarten heimlich Bärte, Brillen und schwarze Zähne aufgemalt, was ihre harten Fans in die Verzweiflung trieb. Der Hausmeister beklagte sich lautstark, dass regelmäßig Klopapierrollen aus dem Toilettenfenster der mittleren Mädchen flogen und das Papier den ganzen Hof bedeckte. Gab es Strafen? Ja. Meine Freundin und ich wurden für unseren Schabernack getrennt, d. h. für die letzten zwei Wochen bettentechnisch auseinandergelegt, was wir natürlich furchtbar ungerecht fanden. Dabei war dort wirklich alles okay. Manche von uns waren sogar auf eigenen Wunsch dort. Für einige war es bereits die zweite (freiwillige) Kur. Bei vielen gab es nach den sechs Wochen Tränen und Trennungsschmerz. Im Gegensatz zur Grundschule, die ich einige Wochen nach dieser Kur im Sommer 1979 beendete, erinnere ich mich an keine einzige demütigende Strafe oder Situation.
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Anja aus Aschersleben schrieb am 08.08.2022
Januar/Februar 1980
Ich war damals 10 Jahre alt. Wurde zur Kur geschickt, weil ich zu dünn war.
Viel ist mir nicht mehr in Erinnerung geblieben- nur Fragmente (wie fast alles aus meiner Kindheit. Wahrscheinlich- nein sicherlich ein Schutz meiner Psyche- den Schutz des Vergessens. Denn das ist überlebensnotwendig. Und Erinnerungen sind eh subjektiv

Sorry- ich schweife ab: Wenn ich an Volkersdorf denke, fällt mir Weniges ein, beim Schreiben vielleicht mehr: Daher kann ich nur aus Fragmenten meiner Erinnerung schreiben- mehr hab ich momentan nicht….
Busfahrt: Meine Mutter hat mir zur Abreise eine Tafel Schokolade gegeben (mit Waffelsplitter)- die hab ich nach den 6 Wochen völlig unbrauchbar wieder erhalten… Es gab da einen Raum zur Aufbewahrung (eine Baracke?)
Ich weiß noch: Es gab keine Namen- ich war Nummer 21.
Essen: Es musste gegessen werden, was auf den Tisch kam. Ein Kind hat auf dem Teller erbrochen und wurde gezwungen ihn aufzuessen.
Mittagschlaf musste sein, ich hab mich unter der Decke gewälzt und wurde mit etwas bestraft, von dem ich nicht mehr genau sagen kann womit. (Pittiplatsch- Tafel)
Ausflug nach Dresden- mehr weiß ich nicht.
Morgengymnastik und barfuß laufen im Schnee- mach ich heute noch gerne
Höhnsonne und Laufen im Kreis.
Apfelessen mit samt Griepsch- es durfte nur der Stiel übrig bleiben.
Ich war krank- meine Mutter hat mir Taschentücher per Brief geschickt.
Fasching: Mein „Schwarm“ hat sich beim Tanzen von mir abgewendet, weil ich eine Warze am Finger hatte.
Heimweh.
Briefe schreiben- festes, programmiertes Ritual- und deren Kontrolle.

Ich glaub, für heute reicht's erst mal. Vielleicht gibt es ja Gleichgesinnte? Würde mich freuen
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Silke aus Halle Saale schrieb am 07.08.2022
Ich war 6 Jahre alt und sollte vor der Einschulung wohl aufgepäppelt werden und war "gefühlt" den ganzen Sommer dort.
Ich mag seitdem keine süßen Speisen mehr und warme Milch oder Kakao (schon der Geruch) ekelt mich an.
Meine Mama hat mir, am Tag der Heimkehr, eine Freude machen wollen und Griesbrei gekocht, ich habe mich sofort übergeben und es nie wieder gegessen.
Ich erinnere mich an einen Speisesaal der geteilt war und die dünnen Kinder von den vermeintlich dicken Kindern getrennt hat.
Essen war problematisch, weil immer ein Zwang zum Aufessen bestand und es gab für uns Z.T. nur süße Speisen (Pudding, Milchreis etc.)
Einige Kinder waren oder wurden dort zu Bettnässern und das wurde damit bestraft, daß sie nicht an den Aktivitäten teilnehmen durften und die Post der Familie nicht vorgelesen bekamen.
Ach ja und zugenommen hatte ich nur minimal, habe aber gebettelt, das ich da nicht mehr hin möchte. Musste ich dann auch Gott sei Dank nicht.
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Nadine aus Saarland schrieb am 07.08.2022
Damals kam das gesundheitsamt in die Schule und meinte zu unseren Eltern wir würden doch ein wenig dicklich sein wir müssten sechs Wochen mal in Kur gehen was auch danach geschah meine zwillingsschwester und ich wurden sechs Wochen in den Schwarzwald geschickt der Horror begann es ist heute noch ein Trauma für uns beide wir hatten nichts zu essen bekommen wenn ich sage nichts dann war es auch nichts eine Schüssel voll Quark mit Petersilie oben drauf zum Mittagessen die dicklichen Kinder wurden rechts gehalten und die wo zunehmen sollten Links die bekam Pommes Schnitzel Salat alles was das Herz begehrt nur wir durften nichts essen unsere Päckchen wo wir geschickt bekommen haben von unseren Eltern wurden uns nicht ausgehändigt so vergingen Wochen aus lauter Hunger pflückten wir wenn wir unterwegs waren Sauerampfer und Asen sogar noch Zahnpasta dass der Hunger etwas gestillt war . Man wurde auch mit Schlägen bestraft ich kann mich noch erinnern ich bin die Treppe runter gelaufen und über den Teppich gestolpert mit Fransen und zack hatte ich eine backpfeife musste mit dem Kamm dann die Fransen wieder gerade machen und bin hoch auf mein Zimmer geschickt worden meine zwillingsschwester weinte bitterlich die durfte nicht bei mich wenn wir die Telefonate nach Hause durften führen durften wir nicht sagen was hier passiert ist wenn wir was schlechtes äußerten wurden wir mit dem telefonhörer geschlagen Post nach Hause ist so abgelaufen das was wir auf die grußkarten sollten Schreiben wurde an die Tafel geschrieben und das wurde abgeschrieben meine Schwester und ich war nachher zu dünn richtig abgemagert dass sie uns nach fünf Wochen eine große Schüssel Pommes frites vor die Nase stellten und sagten die ist ihr jetzt unser kleiner Magen konnte das ja gar nicht verkraften unsere Kleider passten uns nicht mehr um unsere Hüften wurden dann Seile gespannt und die Hose drin festgemacht schulisch wurde uns auch nichts beigebracht also waren sechs Wochen kein Unterricht gehalten worden was ja unseren Eltern alles versprochen wurde dass alles gemacht wird die haben Unterricht die werden beschäftigt nichts ist passiert ich weiß nur dass wir nur wandern waren sonst wurde nichts gemacht mit uns außer immer das Schwarzwälder Lied gesungen ich würde mich freuen wenn sich hier drauf jemand melden würde
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Anke schrieb am 06.08.2022
Habe gerade von Verschickung s Kindern in Facebook gelesen! Neugierig kucke ich was das für ein Buch ist und bin wie elektrisiert!!! Selber 3x betroffen!!! ( erste mal mit 5 Jahren)
Ich heule und heule. Obwohl ich soviel wie nix mehr weiß. Meine spontane, nicht endende Reaktion (Heulen) sagt mir Alles!!! Es ist wie eine innere Explosion, endlich darf ich trauern!!! Ich bin 61 Jahre……
Ob sich unter dem Nebel und der Trauer noch Bilder zeigen werden, außer: Unterdrückung, Strenge, Luft anhalten, still sein, verwahrlosen, Postkarte schreiben, strenger bewegungsloser Mittagsschlaf, getrennt werden, freudlos, besonderer Raum mit Sonnenbrille und Licht, Bestrafung,- wird sich zeigen. Das Schlimme ist wahrscheinlich: das Verdrängte, die Ahnung, die verschüttete Trauer, Angst und zurückgehaltenen Tränen Ozeane!!!
Sei lieb, ruhig, nicht vorhanden!!!
So ging es in der Familie dann weiter.
Was für ein Wahnsinn?
Ich muss mich jetzt erst mal wieder beruhigen und schlafen.
Für alle Beteiligten mein tiefes Mitgefühl.
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Mona schrieb am 06.08.2022
Hallo in diesen heißen Sommer hinein, und ich frage mich... war es damals in Rechtis-Weitnau im Allgäu auch so heiß.
An das Wetter so Erinnern kann ich mich nicht mehr.
Ursprünglich stamme ich aus der Goldschlägerstadt Schwabach/Mfr. Wer stand noch mit mir damals am Schwabacher Bahnhof?
Lebe jetzt jedoch im Ldkr. Paf.
Meine Frage nochmalig nach einem 1/2 Jahr war niemand sonst noch in diesem Heim?
Meine letzte Anfrage hatte ich am 23.2. hier geschrieben.
Die Hoffnung stirbt nie, vielleich findet sich doch noch eine oder einer der auch dort gewesen ist.
Alles gute. Namsthe
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Ivonne aus 96247 Michelau schrieb am 06.08.2022
Laut meinem Impfpass war ich im Kinderkurheim "August Berger" Jessen. Ich habe nur noch sehr wenig Erinnerung und würde mich über Austausch freuen. Wir waren wohl zu zweit im Zimmer. An der Wand war ein Pferdebild.
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Nicole aus Hünfeld schrieb am 04.08.2022
Ich bin vor kurzem von meiner Mutter gefragt worden, "aber dir ist nichts Schlimmes passiert?!“. Mit dieser Frage habe ich mich zum ersten Mal mit dem Thema beschäftigt. Und es ist erschreckend, ich erinnere mich an so gut wie gar nichts. Wie ich hinkam, wie die Tage dort waren, was ich gemacht oder getan habe. Ich kann mich nur an eine Sache erinnern, der Tisch für die Dünnen (meiner) und der für die Übergewichtigen. Ich musste immer sitzen bis ich aufgegessen hatte, das dauerte in meiner Erinnerung ein paar Stunden. Aber sonst nicht eine Erinnerung, faszinierend.. Jetzt stellt sich mir die Frage, ich hatte bis ich selbst Mutter wurde, ein ungesundes Verhältnis zum Essen (Ana und Mia lassen grüßen), kommt das daher...
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Lutz aus Ribnitz schrieb am 01.08.2022
Ich bin Jahrgang 58 und war 3 mal in den 60 er Jahren in der DDR auf Kur. Trautenstein, Zinnowitz und Strausberg. Leider vermengen sich Erinnerungen. Es waren die traurigsten Wochen jeweils in meiner Kindheit, Ich bin allein bei meiner Mutter aufgewachsen. In der Diagnose des Arztes stand zu mir: ..."magerer Knabe...". So war die Begründung für eine Kur gegeben. Alle Heime unterschieden sich nicht wesentlich. Ich kann mich an militärische Disziplinierung, unheimliche menschliche Kälte und Erniedrigungen erinnen. Tätliche oder sexuelle Übergriffe gab es nicht. Es gab wenig zu essen. Mich hätte mein Endgewicht interessiert. Gleichzeitig mussten in gemeinschaftlichen, riesigen Speisesräumen kollektiv Tischsprüche aufgesagt werden. Norden, Süden, Osten; Westen doch in Strausberg schmeck's am besten. Ich habe vor mich hin immer ..."zu Hause schmeckt's am besten" gemurmelt. Im Kurheim in Zinnowitz ist beim Spielen ein Puppenkinderwagen zerbrochen. Dieser war nicht für die darin überschwenglich transportierten Kinder ausgelegt. Als der Schaden aufflog, hat ein Erzieher vom Typ Glatzeder ein riesen Fass aufgemacht und die ganze Gruppe tyrannisiert. Uns schwante Polizei, Gefängnis, riesen Schadenersatz vor. Ich hatte Ängste ausgestanden ohne Ende. Einziger Trost waren Mosikcomics mit den Digedags, welche ich Nachts unter der Decke mit der Taschenlampe las. An das Mosaikcover zu der Zeit und Umgebung kann ich mich noch heute erinnern. Gelitten danach habe ich eigentlich nie. Ich konnte die Zeit schnell vergessen. Auch wenn es schwer war und vielleicht selbst die sogenannte "schwarze" Pädagogik vielleicht überbewertet wird, sind vielleicht auch derartige Erinnerungen und Erfahrungen wichtig. Letzlich waren diese auch von Solidarität Gleichaltriger und Zuversicht geprägt, dass die Zeit irgendwann zu Ende geht. Meine Mutter (Jahrgang 30 / in der NS Zeit BDM Führerin) hat sich wirklich nie danach für die Zeit in den Heimen interessiert. Sicher war sie mal froh auch ein wenig Zeit für sich damit gehabt zu haben. Ich denke es muss auch alles immer im Zeitkontext gesehen werden. Die heutige, ich nenne es mal rein "weiße Pädagogik" ist auch nicht unbedingt das Wahre. Disziplin, Wertschätzung von elementaren Dingen kommt heutzutage offenkundig bei Heranwachsenden in einer Blase sozialer Medien nicht vor. Ich sehe (in der Masse )eine entfremdete, allgemeinindividualisierte Generationsmasse junger Menschen vor mir.
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Harald aus Essen schrieb am 30.07.2022
Ich war 1976 vor der Einschulung für 6 Wochen im Haus Ruhreck auf Borkum. Es war eine furchtbare Zeit, die mein Vertrauen in "staatliche Fürsorge aller Art", besonders aber "Jugendamt" und vor allem "Jugendamt der Stadt Essen" sehr nachhaltig zerstört hat.
Es sollte wohl eine "Erholungsmaßnahme" sein, das war es aber natürlich nicht:
* Die Kinder wurden bei geringster Aufmüpfigkeit gerne mal mit Ohrfeigen diszipliniert
* Beliebt (beim Personal...) war auch, vor der Kindergruppe Ewigkeiten rumzustehen und über seine "Vergehen" nachzudenken und dann demütig um Verzeihung zu bitten
* Zu trinken gab es ausschließlich (in der warmen Sommerzeit) heiße Milch und heißen Kakao, Durstgefühl war durchgehend gegeben. Ich weiß noch deutlich, dass ich über dne dauernden Durst in den Postkarten nach Hause, die unsere Betreuer angeblich nach "Diktat" geschrieben haben, geklagt hatte. Jahre später habe ich die Karten gefunden, da stand in höchsten Tönen jubelnd, wie toll es mir gefallen würde- alles gelogen.
* Wir mussten bei Einzug unsere Betten selber beziehen. Soweit kein Problem. Mir kam aber komisch vor, dass alle Kinder eine Gummimatte unter das Laken legen mussten, weil wir Bettnässer seien. War ich (mit 7...) nicht. Wurde ich aber schlagartig in dem Heim, danach hörte es wieder auf.
Ich habe per Zufall Jahrzehnte später gelesen, dass das Personal Valium benutzt hat, damit die Kinder Mittagschlaf halten und Nachts durchschlafen, Einnässen beim Schlafen ist da wohl Nebenwirkung.
* Das Essen war unter aller Sau und die "Tischregeln" rigoros. Ich mochte noch nie fettige Suppen. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem es Hühnersuppe gab, auf der Fettaugen schwammen. Einige Kinder, ich auch, wollten das nicht essen. Mit Nackenschlägen und Haare ziehen wurden wir gezwungen. Wer sich (wie ich) in die Suppenschüssel übergeben musste, musste das dann eben mit aufessen

Ich hatte als Kind lange die Phantasiel, als Erwachsener zurückzukehren und mich beim dann anwesenden Personal in einer möglicherweise justitiablen Art zu "bedanken". Darüber sprach ich in der Oberstufe mit einem sehr guten Lehrer, der nur kommentierte: "Ruhreck? Den Laden haben sie zugemacht, da triffst Du keinen mehr an. Da haben wohl Altnazi-Weiber Kinder gequält."
Da fühlte ich mich erstmals verstanden, weil bis dahin die Elternmeinung war "Ach, so schlimm wird es nicht gewesen sein, Du hast ja auch nie darüber gesprochen."

Weiter geholfen hat dann, dass es inzwischen viele Berichte gibt, so auch hier.
Ich habe das Glück, zumindest subjektiv keine allzu großen Schäden mitgenommen zu haben (außer, dass ich weder mich selber noch mein Kind in irgendeiner Form städtischer oder staatlicher Obhut freiwillig aussetze, dazu hätte auch Wehrdienst gezählt), aber es tat dann schon gut zu lesen, dass ich mich offenbar nicht "anstelle" oder "viel zu schlecht" erinnere; es war, wie es war.

Mit bleibt das Bild zurück, dass das Jugendamt (und sicher nicht "einzelne Mitarbeiter ohne Wissen der Amtsleitung", dafür ist der Umfang zu groß!) mit zwielichtigen Firmen kooperiert hat und manche Menschen durch organisierte Kindesmißhandlung viel Geld verdient haben.

Danke für nichts, Jugendamt Stadt Essen.
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Wolfgang aus Tirol schrieb am 28.07.2022
Ich war 3 Jahre alt. 6 Wochen weg, die wie unendlich wirkten. Hände über der Decke lassen, Klosterschwestern kontrollierten und weckten einen sogar auf; nachts nicht aufstehen und was trinken dürfen, Essen notdürftig wie auf einer Hütte, in der Früh eine Scheibe Brot und Marmelade, Hagebuttentee.

Ich hatte Angst vor einer bestimmten Klosterschwester und weiß nicht mehr warum. Ich sah sie später wieder bei einem Ausflug mit meinen Eltern und duckte mich vor ihr in eine Kirchenbank. Meine Eltern lachten. Meine Mutter glaubt bis heute, die Kur war gut, notwendig und erfolgreich, weil ich so nette Lieder sang.

Das Schlimmste war das Gefühl des Verlassenseins.
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Christian Kaiser aus Giesen schrieb am 26.07.2022
Ich hatte hier schon vor ein paar Tagen einen Beitrag über meine Erfahrungen auf Borkum geschrieben. In der Zwischenzeit habe ich hier viele weitere Beiträge gelesen und erlebe das es tatsächlich offensichtlich unendlich viele weitere "Kinder" gibt, die Ähnliches / Gleiches wie ich erlebt haben. Es kommen in mir wieder Erinnerungen, die ich fast alle bis bis heute vergessen/ verdrängt hatte.
Insbesondere sein Erbrochenes wieder auf essen zu müssen, das Verbot von nächtlichen Toilettengängen, den Durst als Druckmittel einzusetzen schien damals wohl "gängige / pädagogische" praxis zu sein.
Heute bin ich bei einem Spaziergang mal wieder mit meiner Frau an einem weiß blühendem Busch vorbei gegangen. Meine Frau schwärmte von dem schönen Sommerduft dieser Pflanze und das er sie an ihre schöne Kindheit erinnern würde. Ich kann diesen "Sommerduft" dieser weißen Blume seit meiner Kindheit/ meinem Aufenthalt auf Borkum nicht mehr ertragen... er erinnert mich nun seit über 50 Jahren an Borkum und dieses Kinderheim und ist für mich unerttäglich.
Aber wie schon im letzten Beitrag geschrieben: Es war eine andere Zeit, aber ob ich das als Entschuldigung gelten lassen kann..... ??? ...
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Michaela Classen aus 45239 Essen schrieb am 24.07.2022
Ich kam mit gerade 5 Jahren, im Februar 1953 in das Kinderheim Vossfänger, für circa drei Monate. Der Aufenthalt begann mit Strafen und Prügel und endete auch so. Toilettenverbot , Zwangsessen, den ganzen Tag mit dem Gesicht zur Wand liegend ohne Essen, bei kleinen Vergehen. Das schlimmste war für mich mitanzusehen wie Kinder nackt verprügelt wurden. Es war nicht mein letzter Heim Aufenthalt, aber der schlimmste.
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Beatrix aus Vorwerk schrieb am 24.07.2022
Hallo
Vertrauen verloren , Ängste um Existenz, Bindungsangst. Toilettengänge können heute noch zum Horrortrip werden.
Es ist peinlich, ich bin inzwischen Inkontinent. Und habe furchtbare Angst alt zu werden ins Heim zu kommen und wieder entblößt zu werden von z.B. Personal aus Pflegeheimen.
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Stefan aus Berlin schrieb am 23.07.2022
Mit 8 Jahren wurde ich zusammen mit meinem drei Jahre jüngeren Bruder als Kinder eines Postbeamten über die Postbeamtenkrankenkasse nach Sankt Peter Ording verschickt. Gleich nach der Ankunft wurden wir getrennt. Ich kann mich an den großen Schlafsaal erinnern, im vorderen Teil gab es vier Betten, im hinteren nochmal ca. zehn. Die "Tanten" führten ein hartes Regime. Besonders krass war der Durst, den ich dort erlitten habe. Wir durften erst nach dem Essen etwas trinken, wobei die verlockenden Becher mit kaltem Tee in der Tischmitte standen. Es war eine Qual. In den Toilettenräumen standen die Tanten Wache, um zu verhindern, dass wir beim Händewaschen "heimlich" Wasser tranken. Wir sollten uns nicht "satt" trinken und dann nichts mehr essen - so die perverse Idee. Schließlich sollte beim regelmäßigen Wiegen unsere Gewichtszunahme bestätigt werden. Das Essen habe ich als fad bis ungenießbar in Erinnerung. Am schlimmsten war der Restetag, wo alle Reste der Woche zu einem braunen, ekligen Matsch zusammengekippt wurden. Wir wurden gezwungen, alles aufzuessen - sonst durften wir nicht an den begehrten Becher in der Tischmitte. Abends habe ich regelmäßig von dünnen Schläuchen fantasiert, die ich heimlich an mein Bett legen würde, um dann in der Nacht unbeobachtet endlich Wasser trinken zu können. Auch andere Aktivitäten waren von Bestrafungen und Belohnungen begleitet - das war "schwarze Pädagogik" wie ich später lernte, durchaus üblich in Postnazi-Deutschland.

Die schönen Erinnerungen verbinde ich mit der Solidarität der Kinder untereinander. Wir hatten Freude beim gemeinsamen Spielen am Strand, beim Spielen von Quartetten mit Autos oder Schiffen, beim nächtlichen Herumschleichen mit Angst vor den Tanten. Und gemeinsam erzählten wir uns, wieviel Tage wir jeweils noch im Heim verbringen mussten und beneideten jene, die endlich frei kamen und nach Hause fahren durften. Als wir in Berlin ankommend aus dem Zug stiegen, fiel ich meiner Mutter weinend in die Arme. Es war eine weitere Kränkung für mich, dass meine Eltern mein Leid nicht hören wollten: Ich solle mich nicht so haben, so schlimm wird es nicht gewesen sein. Doch, das war es. Erst Jahrzehnte später konnte ich wieder darüber sprechen. Wenn ich die Geschichten der anderen lese, bin ich noch gut durchgekommen. Dennoch war es auch für mich das schlimmste Kindheitserlebnis.
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