ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN
Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel
Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:
- Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
- Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
- Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen
Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!
Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.
Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.
Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen
Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.: IBAN: DE704306 09671042049800 Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de
Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen
die bleibendste erinnerung ist die angst, dass ich meine eltern nie wieder sehen würde - sie erzählten uns von der großen flut, dem deichbruch in hamburg. wir erfuhren davon - und es machte die unsicherheit der ganzen situation nur noch größer. was sollte aus mir werden,, wenn es meine familie nicht mehr gab???
allein unter lauter fremden - krank und schwach, hilflos ausgeliefert.
der wildfang in mir zerbrach dort ziemlich, war absolut unerwünscht.
ich war dort krank - und hinterher, endlich wieder zuhause war ich auch wieder krank - die zeit meiner masern- und windpockenerkrankung.
es wird mich sicherlich noch weiter beschäftigen - gerade fühlt es sich an, als wären die erinnerungen hinter einer wand verborgen.
alles gute uns allen - möge so etwas nicht wieder passieren.
renate
ich habe über die Medien die aktuellen Berichte über die Kinder Verschickungen verfolgt. Durch Erzählungen meiner Mutter die auch mindestens zwei Mal Ende der 50er Jahre bzw. Anfang der 60er Jahre verschickt wurde hatte ich auch persönlich einen Hintergrund hierzu.
Jedoch fühle ich mich auch selber persönlich betroffen obwohl ich aus einer anderen Generation komme.
Meine Eltern, streng katholisch, schickten mich mit 10 Jahren auf ein Mädchen Internat in der Nähe von Bonn welches bis heute von der in der Kritik stehenden Piusbruderschaft von Nonnen geleitet wird. Ich musste dort ohne jeden Besuch meiner Eltern ein halbes Jahr dort bleiben bis ich zum Glück aufgrund meiner dann schlechter werdenden schulischen Leistungen wieder zurück nach Hause ziehen durfte. Das Gefühl als kleines Kind diesem Ort ganz alleine total ausgeliefert gewesen zu sein ist für mich bis heute immer noch schmerzhaft.
Viele Berichte von Betroffenen aus den damaligen Kinder Verschickungen erinnern mich sehr an das halbe Jahr was ich damals in diesem Internat verbringen musste.
Es gab dort eine sehr strenge Führung die schon fast an eine Kaserne oder ein strenges Klosterleben erinnert. Der Tagesablauf war geprägt durch häufiges angeleitetes Beten und vorgeschriebenen Gottesdienstbesuche. Briefe nach Hause wurden nur unter Aufsicht geschrieben. Die Freizeit war auf eine Stunde pro Tag beschränkt. Wenn man in den Augen der Erzieherinnen ungehorsam war oder nicht die gewünschten Schulischen Leistungen brachte wurde man auf ihre Weise bestraft. Einmal wurde ich von einer Erzieherin in ihr privates Schlafzimmer eingesperrt und nicht mehr heraus gelassen. Wie es dann weiterging habe ich verdrängt... Das erschreckende an der Geschichte ist, dass dieses private Internat bis auf den heutigen Tag staatlich zugelassen ist und weiter arbeiten darf.
Im Infobrief der Einrichtung, der mir auch noch vorliegt, steht ausdrücklich, dass Besuch durch die Eltern während des gesamten Aufenthaltes unerwünscht sei. Unter solchen Bedingungen wurde Übergriffigkeit fast schon gefördert.
Erinnern kann ich mich hauptsächlich an die traumatischen Teile der Aufenthalte in Scheidegg: ich wurde gezwungen Erbrochenes zu essen, das Fieberthermometer wurde mir gewaltsam in den Körper gerammt, die tägliche Blutzuckerkontrolle war eine Qual, da beim "Stechen" sehr grob vorgegangen wurde. Außerdem wurden wir bei jeder Gelegenheit von den Schwestern erniedrigt, gequält und eingeschüchtert. Ich weiß noch, dass ich oft schlaflos im Bett lag und mir völlig verloren vorgekommen bin. Auch, das Kruzifix im Schlafsaal sehe ich noch vor mir, dass in manchen Nächten mein Trostspender war. Vieles liegt aber im Dunklen, vermutlich weil es für eine Kinderseele einfach zu viel war.
Sehr groß war meine Angst vorab, als ich zum zweiten und zum dritten Mal verschickt wurde, und ich glaube, dass ich irgendwann abgeschaltet und mich dissoziiert habe.
Über St. Peter Ording kann ich nichts Schlechtes berichten, außer dass es aufgrund der Vorerfahrungen die Traumatisierung wohl verfestigt hat.
Mit den Auswirkungen dieser "Kur"-Aufenthalte habe ich heute noch zu kämpfen: chronische Schlaflosigkeit, rezidivierende schwere Depressionen, eine PTBS, die zwar diagnostiziert ist, zu der ich aber bisher keinen Zugang finde. Dazu kommen alte Bekannte wie Einsamkeits- und Verlassenheitsgefühle.
Als ich die Reportage in SWR 2 gehört habe, sind mir die Tränen gekommen, denn vieles was dort geschildert wurde kam mir so bekannt vor. Dass so viele Menschen
davon betroffen sind, war mir nicht bewusst, ich hatte mich immer für einen Einzelfall gehalten.
Vorher, so sagte man mir, war ich ein fröhliches Kind, hinterher galt ich als schwierig, aufsässig und aggressiv. Es wundert mich heute immer noch, dass damals niemand einen Zusammenhang sehen wollte.
Wenn ich daran denke, dass es für Seniorenpflegeheime die Heimaufsicht als Kontrollinstanz gibt, frage ich mich, warum uns Kinder damals niemand geschützt hat oder schützen wollte.
1959 wurde ich für als Neunjähriger von April bis Mai 6 Wochen zur Erholung in den Schwarzwald verschickt (Haus Rosenlund in Dobel bei Bad Herrenalb).
Warum? Ich war spindeldürr, zappelig, von ständigen, teils heftigen Bauchschmerzen geplagt, überängstlich und wollte einfach nicht zunehmen. Also beschlossen der Kinderarzt und meine Eltern, mich auf Kosten der Krankenkasse zum Zunehmen zu verschicken.
Ich hatte als Jüngster von 3 Brüdern ein behütetes Zuhause und war niemals alleine.
Die Verschickung alleine mit dem Zug von der Ostsee in den Schwarzwald war schon eine echte „Herausforderung“.
Jedoch fand ich mich schnell in der Gruppe zurecht und hatte wohl, wenn ich heute die Briefe lese, die ich nach Hause schickte, durchaus Spaß im Kinderheim.
Allerdings war es sicher nicht so wunderbar, wie in meinen Briefen und dem Statusbericht der Betreuerin beschrieben.
Als meine Eltern mich nach der Ankunft in der Heimat fragten, ob ich mich gut erholt habe, obwohl ich noch immer klapperdürr war, sagte ich nur: „Mutti, ich bin gar nicht mehr innervös“. Großes Gelächter! Sie fragte mich dann auch, was denn die kahle Stelle auf meinem Kopf zu bedeuten habe. Eine plausible Antwort gab ich ihr nicht, aber damit war das Thema „Erholung“ in der Familie erledigt.
Tatsächlich habe ich dermaßen unter der strengen Herrschaft der Betreuerinnen gelitten, dass ich anfing, mir die Haare auszudrehen und auszureißen. Schmerz empfand ich wohl nicht.
Und dann erinnere ich mich, dass ich bei der zweistündigen Mittagsruhe nicht auf Befehl schlafen wollte und konnte, zu laut war und deshalb auf der harten Holzbank in der Küche ohne Decke und Kissen stundenlang mucksmäuschenstill unter Aufsicht „schlafen“ musste.
Am schlimmsten aber war, dass irgendeine Kleinigkeit vermisst wurde, ich weiß nicht mehr, was es war, und dass ich in Verdacht geriet. Es wurde schlimmster Druck ausgeübt, dass ich doch zugeben solle, gestohlen zu haben. Das konnte ich natürlich nicht und wurde daraufhin vor den anderen Kindern immer wieder als Dieb hingestellt. Da habe ich gelitten.
Sogar auf der Fahrt zum Bahnhof hieß es noch „Nun gib doch endlich zu, dass du es gestohlen hast!“ Reiner Psychoterror!
War ich froh, als ich wieder zu Hause war, überhaupt nicht „erholt“, sondern traumatisiert.
Aber ich hatte ja meine Zwillingsfreunde Hanni und Christian wieder zum Fußballspielen und bald war die Welt wieder heil für den schmächtigen Armin.
Doch die Erinnerung bleibt.
Aufgezeichnet von Armin Kleinschmidt, geb. 16.3.1950
Ich wurde für 6 Wochen ins Heim nach Brilon geschickt. Die schlimmste Erinnerung beim ersten Aufenthalt war, dass ich und andere Protestanten morgens in der katholischen Kirche permanent knien mussten!
Beim 2. Aufenthalt erinnere ich mich daran, dass ein kleines Kind mehrfach gezwungen wurde das erbrochene Essen wieder aufzuessen!
Als 10jähriger war ich 6 Wochen auf Borkum. Nach wenigen Tagen erkrankte ich an einer Infektion und war mehr als 3 Wochen im Krankenzimmer im Bett!
Mit 12 kam ich ins Heim nach Rottach-Egern, geleitet von einer älteren Nonne. Zwischen 13 und 15 Uhr war Mittagsruhe. Wir mussten still im abgedunkelten Raum in unseren Betten liegen. Wenn das Bett beim umdrehen knarrte, musste der Täter für die restliche Mittagsruhe in der Ecke stehen oder knien! Oft waren Bekannte der Mitarbeiterinnen am Mittag da und aßen auch. So reichte immer wieder das Essen nicht, um alle Kinder satt zu bekommen!
Dies alles berichtete ich meinen Eltern!
Mit 14 sollte ich dann nochmals nach Rottach-Egern. Zuvor wurde ich zu einem vertraulichen Gespräch zum Chef meines Vaters gebeten! Er bat mich Augen und Ohren offen zu halten und ihm nach meiner Rückkehr zu berichten. Dies alles vertraulich und ich sollte im Heim kein Wort dazu sagen! Irgendetwas musste durchgesickert sein, denn im Heim waren sie netter zu mir als 2 Jahre zuvor! Trotzdem gab es wieder viele negative Erlebnisse in den 6 Wochen. Im Prinzip hatte sich für die anderen Kinder nichts positiv verändert!
Nach meiner Rückkehr wurde ich im Beisein meines Vaters und in Anwesenheit zweier anderer Personen über meine Erlebnisse befragt. Wie ich erfuhr, gab es das gleiche Prozedere mit dem Sohn eines Kollegen meines Vaters, der vor mir in der Verschickung war.
Fazit: Das Heim in Rottach-Egern wurde im Hebst 1963 vom Landschaftsverband Rheinland, als zuständiger Träger, geschlossen!
In den späteren Jahren, als viele der Erlebnisse, auch beruflich bedingt, mir wieder in den Sinn kamen, war dies für mich eine besondere Genugtuung!
Als junger Mann war ich mit meiner Frau nochmals in der Region des Tegernsees. Aus dem Kinderheim war ein Hotel geworden!?
Anfang der 60er Jahre wurde ich auf dringendes Anraten meines Kinderarztes zweimal zu sog. Kinderkuren verschickt, da mein Vater starker Asthmatiker war und mir dieses Schicksal unbedingt erspart bleiben sollte. Gut gedacht, aber leider nicht auch gut gemacht! Denn anders als bei heutigen Eltern-Kindkuren, bin ich damals als 3,5 und nochmals als 5-Jähriger, im wahrsten Sinne des Wortes, mutterseelen-alleine ver- bzw. weggeschickt worden. Dabei dürfte ich, als Kind diesen Alters, die jeweiligen sechs Wochen sicherlich als unübersehbaren Zeitraum, eher als endgültige und finale Trennung von meiner Familie und sämtlichem Liebgewonnen empfunden haben.
Seit jeher war ich ein durchaus quirlliges und lebensfrohes Kind und habe mir dies glücklicherweise auch während dieser Leidenszeit nicht ´nehmen lassen´! Dies allerdings mit fatalen Folgen, die meinen Lebensweg bis zum heutigen Tage grundlegend - oder sollte ich zutreffender formulieren - ´grund-nehmend´ beeinflusst und belastet haben!
So erwartete uns damals, nach der radikalen Trennung von unseren Familien vermeindlich allein gelassen, in den Kinderheimen ein rigoroses, ja gnadenloses Regime der sog. `lieben Fräuleins´. Überwiegend Damen mittleren Alters mit fragwürdigstem Hang zu unverantwortlichen, ja menschenverachtenden `Erziehungs´-Methoden.
Da ich mir meine Lebendigkeit trotz allem nicht `aberziehen` lassen wollte, kam es, wie es kommen musste: So war in dem Heim u.a. nach dem Zubettgehen absolute Bettruhe angeordnet! Als in unserem Schlafsaal dennoch einmal leises Getuschel festgestellt wurde, bin prompt ich als `Rädelsführer`ausgemacht worden, was für mich fatale Konsequenzen nach sich ziehen sollte: So wurde ich in der Nacht rigoros aus meinem Bettchen gerissen, durfte fluchtartig nur mein Kopfkissen mitnehmen und musste der `lieben Tante´ barfüßig auf einen kalten, stockdunklen Dachspeicher folgen, innerhalb dessen ich, in einen beengten Holzverschlag gesperrt, auf einer kargen Pritsche mucksmäuschenstill die Nacht verbringen musste.
Mein einziger Halt in dieser ´finsteren Hölle` war mein kleiner Löwe, den ich - streng verbotener Weise - dennoch in meinem Kopfkissen mitgeschmuggelt und an den ich mich in meiner Verzweiflung geklammert habe, so winzig klein dieser auch war. Nur wenige Zentimeter groß, war Leon für mich dennoch der Größte, mein einziger Begleiter durch diese grausame und nicht enden wollende Nacht in meinem hölzernen Verlies.
Nach Rückkehr aus der zweiten Verschickungskur habe ich jahrelang wieder eingenässt und schleichend einen Sprechfehler entwickelt, der mich - mal mehr, mal weniger - bis zum heutigen Tage durch mein gesamtes Leben begleitet.
Glücklicherweise haben meine Eltern schon damals therapeutischen Rat bei einer Familienberatung gesucht, so dass ich die Aufarbeitung meiner traumatischen Erlebnisse dieser `Erholungskuren´aufnehmen konnte. Negativste Prägungen, wie z.B. eine grds. Skepsis hinsichtlich meines Vertrauens in die `Verlässigkeit und eines Gehörtwerdens` von handelnden Personen, kann ich dennoch bis zum heutigen Tage bei mir in Tendenzen immer wieder feststellen.
Aufgrund der erfolgten Aufarbeitung meines Kindheitstraumas liegt mein primäres Augenmerk heute, anders als bei vielen anderen der Verschickungskinder-Initiative ( `www.verschickungsheime.de´ ), nicht mehr auf Selbstreflektion und Aufklärung von Verantwortlichkeiten und der menschenverachtenden Strukturen, sondern vielmehr darauf, Kindern und anderen Schutzbedürftigen eine Stimme zu geben! Darauf, mehr Achtsamkeit auf deren ganz individuellen Erlebniswelten zu lenken, da meines Erachtens nach wie vor Schutzbefohlenen, die ihren Bedürfnissen nicht den entsprechend Aus- bzw. Nachdruck verleihen können, auch heute noch viel zu wenig ´Einfühlung´-svermögen und Achtsamkeit entgegen gebracht wird. Sei es am Anfang des Lebenszylus als Kinder, oder auch an dessen Ende, als hochbetagte Senioren.
Sicherlich geprägt durch meine eigenen Erlebnisse und bestätigt auch während meiner späteren Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie, habe ich mich schon immer vehement für die Bedürfnisse von Kindern eingesetzt, am stärksten natürlich in Bezug auf meine eigene Tochter. Dies übrigens meist belächelt und sogar gegen den Widerstand ihrer eigenen Mutter, denn ´...Kinder kriegen doch noch gar nicht so viel mit`. M.E. eine fatale Fehleinschätzung, und das noch Anfang der 90er.
Obwohl sich mittlerweile Vieles bereits zum Positiven hin ´ent-wickelt´ hat, werden allerdings weiterhin - teils zwar in subtilerer Form - Bedürfnisse von Kindern oft eher nachrangig behandelt, sondern primär das Empfinden, die Einschätzung und die eigene Zielsetzung der Erwachsenen in den Vordergrund gestellt.
Beispielhaft sei hier etwa die lapidar erscheinende Aufforderung angeführt, `...als Kind lieb zu sein und der Oma ein Küsschen zu geben´. Oder auch `....stell Dich nicht so an, andere Kinder üben auch jeden Tag Klavierspielen, gehen zum Tennisclub, lernen Einradfahren`.
Oder, wie gesagt, am anderen Ende des Lebenszyklus, `...na komm, der Opa versteht das sowieso nicht mehr`. Oft vordergründig gar gut gemeint; aber auch gut ge- bzw. bedacht?
Das für mein Empfinden einzig Richtige z.B. an der `Opa`-Aussage ist das `Verstehen`. Denn ´verstehen´ können ganz junge, oder auch hochbetagte Menschen vieles kognitiv wohl tatsächlich noch nicht, bzw. nicht mehr; erleben, empfinden und sehr wohl wahrnehmen allerdings sicherlich Vieles mehr, als uns in unserer oftmals unbedachten, vllt. sogar anmaßenden Sichtweise bewusst sein dürfte.
Zum Wohle v.a. der Kinder wäre es äußerst wünschenswert, wenn sich das Handeln von uns Erwachsenen primär an deren ganz individuellen Bedürfnissen und Erlebniswelten ausrichten würde, und nicht an unseren eigenen Sichtweisen, Einschätzungen und Interessen. Sei es bei der Begleitung während der Findung eines Hobbies, bis hin z.B. auch im Zusammenhang mit Scheidungen, wobei gerade auch in diesen, für Kinder äußerst belastenden Zeiten, viel zu oft Kinder teilweise auch als Werkzeuge der eigenen Empfindlichkeiten der Erwachsenen `missbraucht´, und viel zu wenig deren berechtigte, kindgerechten Bedürfnisse als maßgeblich berücksichtigt werden. Denn nicht nur damals bei den `lieben Tanten´, sondern oftmals auch noch in den heutigen, fraglos aufgeklärteren Zeiten, scheinen Überlegenheit, Manipulation und Macht - ob bewusst, oder unbewusst - weiterhin nicht unwesentliche Triebfedern menschlichen Handelns zu sein. Dies nach wie vor mit teils fatalen Prägungen und Auswirkungen auf so manchem Lebensweg.
Wie heißt es in einem Lied von H.Grönemeyer: ´Kinder an die Macht´. Soweit braucht man/frau ja nicht unbedingt zu gehen, aber ein Mehr an Achtsamkeit, an Verständnis und Einbeziehung, im kindgerechten und bestgemeinten Sinne, wäre meines Erachtens ´Not-wendig´, auch - und immer noch - in unserer fraglos positiv weiterentwickelten Zeit!
Ganz im Sinne der durchaus tiefgründigen Botschaft des Hollywood-Blockbuster Avatar: `Ich sehe Dich! Ich sehe Deine wahre Natur, wer Du wirklich bist`.
Jetzt bin ich bald 74 Jahre und habe das alles nicht vergessen. Schöne Grüße Elfriede
ich war etwa im Frühjahr 1970 auf der Insel Amrum im Sanatorium Dr.Ide auf Amrum. Da war ich 8 Jahre. Ich erinnere mich, das ich während der Zeit Geburtstag hatte. Es war entsetzlich. Das Heimweh, Post von den Eltern war nicht erlaubt. Eines Nachts wurde ich aus dem Bett geholt. Nachdem ich im Dunkeln Ohrfeigen bekam wurde ich mit Bettzeug in den Flur in eine Ecke gestellt und habe dort die Nacht verbringen müssen. Beim Essen musste aufgegessen werden, wenn nicht wurden wir mit dem Gesicht in den Teller gedrückt..! Auf diesem Weg möchte ich Schluss mit der Heimlichkeit machen und mir die Scham nehmen, die ich noch immer habe...! Viele Grüße, Michael
Hallo alle zusammen.
Ich war im Spätherbst 1965 auf der Insel Anrum, Heimleiterin Frau Zillas, Gruppenleiterin Frau
Handschuh, um 7 Uhr 45 war wecken, die Türen der
Schlafsääle wurden geöffnet, und es erklang Musik
eines Mädchenchores, Live oder Band das weiß ic nicht.
Nach dem Wecken mußte ich immer dringend aufs Klo
Pippi machen. Ich durfte immer nur um 8 Uhr, wenn das Gedudel zu Ende war, Dies hielt ich nicht aus und machte öfter ins Bett. Ich bekam Windel an und wurde im Speisesaal vorgeführt und mußte mich in die Ecke stellen. Da ich mich für schlau hielt, krabbelte ich am nächsten Tag unters Bett und verrichtete da meine Notdurft. Mein einziger Halt war in dieser Zeit, es war ein Nachbarsjunge von meiner Heimaf dabei, der 3 -4 Jahre alter war. Ich bin am 03.01.1961 geboren und konnte nach der Kur perfekt Hochdeutsch sprechen.
Es war eine schlimme Zeit als Kleinkind und ich wünsche Niemanden ein solches Erlebnis.
Ich bin auf der Suche nach einem Teil meiner Vergangenheit. 1971 hat man mich, mit 4 Jahren, für 6 Wochen zur Kur geschickt. Ich war in Pelzerhaken. Ich kann mich erinnern, dass mich mein Bruder zum Bahnhof brachte. Dort wurde ich von einer Nonne empfangen, die mich später im Zug anschrie und schüttelte, weil ich weinte....dann erlischt meine Erinnerung komplett.
Meine zahlreichen Psycho Therapien führen mich immer wieder zu der Kur zurück. Vielleicht ist es Zufall und dort war gar nichts. Vielleicht aber auch nicht.
War zufällig jemand auch dort und hat Erinnerungen wie man dort mit Kindern umgegangen ist?
Ich danke euch
auch ich bin ein „gebranntes „ Kind! Mit damals 10 Jahre alt ist mir leider auch nur schreckliches in Erinnerung
6 Wochen Horror in sg. Kurklinik!
Ich habe die teils schlimmen Erlebnisse bis heute nicht
vergessen.
Die Lektüre von Anja Röhls Buch „Das Elend der Verschickungskinder“ hat mich sehr schockiert. Dies lag nicht so sehr in der Kenntnisnahme dessen, was sich in den diversen Heimen abgespielt hat. Das kannte ich großenteils bereits aus eigenem Erleben, denn ich war selbst ein Verschickungskind. Und mir war immer auch sehr präsent, wie die Zustände damals waren. Allerdings war ich bis jetzt der Meinung, ich hätte sozusagen die Arschkarte gezogen und sei unglücklicherweise mit den anderen Kindern in unserem Heim besonders rigiden „Tanten“ in die Hände gefallen, während alle anderen verschickten Kinder fröhlich am Meer geplanscht hätten. Aber nein, diesem mehrwöchigen Martyrium waren unzählige Kinder republikweit und über Jahrzehnte ausgesetzt. Diese Erkenntnis hat den eigentlichen Schock ausgelöst.
Wie sehr sich die Geschichten gleichen, möchte ich gerne auch an meiner verdeutlichen. Ich war im August und September 1960 im Alter von neun Jahren zu einem sechswöchigen Kuraufenthalt in Bad Orb. „Ich war noch niemals in Bad Orb“ kann ich also nicht singen, aber mir ging es wie vielen anderen Verschickungskindern: Sie haben die Schlangengrube fortan gemieden. Es blieb auch bei mir bei dem einen Mal.
Auch bei uns in Bad Orb: Anfahrt mit dem Zug aus ganz Deutschland, nach der Ankunft im Heim Einteilung in Gruppen. In dem Haus, in welchem ich untergebracht war, gab es einen Flur mit etlichen Gruppenräumen für Jungen. In meiner Gruppe waren fünfzehn Jungen im Alter von 7 bis 13 Jahren. Ich erinnere mich noch an einige Namen, allerdings wurden wir von den „Tanten“ in Schwesterntracht mit der Nummer unseres Bettes angesprochen. Ich war die Nummer 9. Die Betten standen u-förmig mit dem Kopfende zur Wand, und in der Mitte stand ein großer Tisch, an dem man in der Freizeit spielen, lesen oder schreiben konnte.
Mehrere Begleitumstände der „Kur“ sind mir noch in unangenehmer Erinnerung, aber zwei Dinge waren besonders schlimm.
1. Unsere Intimsphäre wurde gröblichst verletzt, und zwar ständig.
2. Wir wurden häufig geschlagen bzw. verdroschen.
Und die „Tanten“ wussten auch beides geschickt zu kombinieren: Schläge gab es meist mit dem Hausschuh auf den nackten Hintern. Abends wurden wir – 15 Jungs, wie gesagt – gezwungen, uns nackt vor den Waschbecken stehend zu waschen. Und es war auch immer eine „Tante“ zugegen, die das überwacht hat. Unser Ältester, Christian aus Berlin, kam mit einem Tag Verspätung und hat einen Versuch gemacht, die Hosenbeine seiner Schlafanzugshose nur nach oben zu schlagen, er wurde aber gezwungen, diese auszuziehen. Ich habe mich selbst sehr geschämt, fand aber die Zumutung für ihn noch einmal größer. Er hatte bereits Schamhaare, und die hauptsächlich für uns zuständige „Tante“ Beate war gerade mal 19 Jahre alt, wenn ich mich recht erinnere.
Überhaupt: Entblößen war Programm, nicht nur beim abendlichen Waschen. Dreimal wöchentlich war Badekur, das hieß, wir wurden für 20 Minuten in eine lauwarme, unangenehm riechende, pissgelbe Brühe gesetzt. Wir wurden auch mehrfach (unbekleidet) in der Woche gewogen. Und schließlich wurde zweimal (oder dreimal?) täglich bei völlig gesunden Kindern Fieber gemessen. Dies geschah rektal. Ein Novum für mich. Zu Hause haben wir Fieber immer unter dem Arm gemessen.
Wann wurden wir geschlagen? Bei Regelverletzungen aller Art, und die Regeln waren strikt. Von 13 bis 15 Uhr war Mittagsruhe, ab 20 Uhr Nachtruhe. Beides wurde streng kontrolliert. Die Türen der Gruppenräume blieben geöffnet und eine „Tante“ patroullierte auf und ab, um sicherzustellen, dass absolute Ruhe herrschte. Wurde jemand beim Reden erwischt oder war erkennbar, dass er nicht schlief, konnte dies bedeuten, dass man in der beschriebenen Weise bestraft wurde. Also, auf den Bauch drehen, Hose runter…
Mir ist das tatsächlich mehrfach passiert, denn Ich war ein unruhiger Geist, aber definitiv nicht boshaft. Einmal wurde ich auch nachts allein auf den Flur gesetzt als Strafe. Wie lange ich dort saß, weiß ich nicht mehr. Irgendwann sah mich eine für die Nachtstunden zuständige „Tante“ in der Dunkelheit sitzen, erschrak und schickte mich wieder ins Bett. Ich war allerdings nicht nur unruhig, sondern wohl auch ein bisschen verträumt, denn mein Spitzname unter den Jungs meines Zimmers war „Schlafhaub“‘, und einmal fing ich eine kräftige Ohrfeige von Tante Beate, weil sie mir offenbar angesehen hatte, dass ich ihren Ausführungen nicht mit der gebotenen Aufmerksamkeit gefolgt war. Auch an diesen Schlag erinnere ich mich noch lebhaft.
Die schlimmste Erfahrung im Zusammenhang mit Prügelstrafen war aber die folgende: Ein Junge in unserem Zimmer, offenbar ein noch unruhigerer Geist als ich, war „Tante“ Beate wohl besonders unangenehm aufgefallen. Sie entschied daher, dass der betreffende Junge „Gruppendresche“ erhalten würde. Jeder durfte mal zuschlagen, natürlich auf den nackten Hintern. Sehr bildhaft steht mir vor Augen, dass mein Stubenkamerad Frieder der Aufforderung, da mitzutun, nicht Folge leistete, sondern nur den Kopf schüttelte. Ich selbst habe mich dem Gruppenzwang unterworfen und dem armen Kerl auch mit dem Hausschuh eine verpasst. Ich hätte es besser wissen können. Im Kindergottesdienst wurde durchaus vermittelt, dass man seinen Nächsten lieben und ihn nicht piesacken soll. Aber obwohl ich das Empfinden hatte, dass Frieder mit seinem Verhalten eigentlich richtig lag und ich auch selbst nur zu gut wusste, wie sich Schläge mit dem Hausschuh auf den nackten Hintern anfühlen, bin ich dennoch mit dem Strom geschwommen. Das war der unangenehmste Moment der sechswöchigen „Kur“.
Er ist mir im Lauf meines Lebens immer wieder sehr plastisch vor Augen getreten. Einmal war das während meines Studiums, als ich zum ersten Mal den Film über das Milgram-Experiment („Abraham“) sah, in welchem sich in einer Versuchsreihe ein Proband weigert, mit der Bestrafung fortzufahren, die übrigen sich aber daran kein Beispiel nehmen. Äußerst unangenehm war das für mich, hier mein eigenes Verhalten von damals gespiegelt zu bekommen.
Vor etwa zehn Jahren hatte ich die Idee, nach Frieder zu suchen, zumal er neben seinem eher ungewöhnlichen Vornamen auch einen ungewöhnlichen Nachnamen hatte. Nach wenigen Momenten legte mir meine Frau eine Telefonnummer hin, und nach einer weiteren kurzen Frist meldete sich eine Frauenstimme am anderen Ende. Ich sagte, ich wisse nicht, ob ich richtig sei, aber die von mir gesuchte Person müsse etwa 58 Jahre alt sein. „Ja, da sind Sie richtig. Ich gebe Ihnen mal meinen Mann“, antwortete die Dame am anderen Ende der Leitung. Es entwickelte sich dann ein sehr nettes Gespräch mit Frieder. Ihm waren die sechs Wochen in Bad Orb auch noch präsent, er hatte sie aber nicht so negativ in Erinnerung wie ich. Auch an die besagte Episode erinnerte er sich nicht. „Tante“ Beate habe ihm sogar mal, vermutlich wegen eines Sonnenbrands, die Schultern eingecremt. Wir haben dann vereinbart, wir sollten versuchen, auch andere Jungs aus unserer Gruppe ausfindig zu machen. Leider ist es dann dabei geblieben. Vielleicht mache ich jetzt einen Versuch.
Der malträtierte Junge hat übrigens einige Tage später noch einen „Nachschlag“ bekommen. Als wir Briefe an die Eltern schrieben, hat er berichtet, er sei verhauen worden und sein Hintern sei jetzt grün und blau. Das ging natürlich nicht durch „Tante“ Beates Zensur, wie andernorts war es bei uns streng verboten, etwas Negatives nach Hause schreiben. Sie hat den Brief vor seinen Augen zerrissen, und er durfte von vorne anfangen. Auch diesmal brach er in Tränen aus, denn er war mit seinen sieben Jahren erneut für eine Weile schreibend an den Tisch gefesselt.
Gab es auch Positives? Der Tagesablauf war ganz stark reglementiert. Mittagsschlaf, Bettruhe, Fieber messen, Wannenbäder, Gewichtskontrolle, Andachten, Spaziergänge in Zweierreihen und der Zwang, bei den Mahlzeiten den Teller leer zu essen, waren schon sehr unangenehm. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass sich ein Kind bei Tisch übergeben hätte und dann gezwungen worden wäre, das Erbrochene aufzuessen, wie es in zahlreichen Berichten zu lesen ist. Grießbrei, Zucker und Zimt waren definitiv keine Gegner für mich. Dennoch: Es ist mir bisweilen schwergefallen, den Teller zu leeren, obwohl es auch zu Hause üblich war, zu essen, was der Herr Jesus bescheret hatte. Unangenehm in Erinnerung ist mir das Sauerkraut, damals eigentlich mein Lieblingsgemüse, was aber mit Kümmel kontaminiert war und damit für mich ungenießbar. Auch Nudeln mit Kompott fand ich sehr gewöhnungsbedürftig. Mein Wunsch, beides getrennt essen zu dürfen, wurde rundweg abgelehnt. Die beiden genannten Mahlzeiten bei mir zu behalten, stellte dann nach meiner Erinnerung schon eine Herausforderung dar. Überhaupt fällt mir jetzt nach der Lektüre der „Verschickungskinder“ auf, dass der Herr Jesus auch in Bad Orb vermehrt zucker- und weißmehlhaltige Speisen bescheret hat, damit dort ebenfalls die Rendite stimmte.
Daran, dass Toilettengänge stark reglementiert gewesen seien, kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß noch, dass bei einigen Jungs meiner Gruppe Gummimatten auf die Matratze gelegt worden sind, aber das geschah relativ diskret und ohne die Betreffenden bloßzustellen. Nur einmal war es für mich sehr unangenehm. Nach dem Mittagsschlaf musste ich dringend auf die Toilette. Das wurde mir nicht gestattet. Denn erst musste ja – wie immer völlig sinnfrei - Fieber gemessen werden. Das Thermometer war dann sichtbar verschmutzt mit Kot, wofür ich mich sehr geschämt habe.
Welche Freizeitaktivitäten gab es? Wir sind zweimal täglich spazieren gegangen. Das konnte eine langweilige Runde im Kurpark sein, aber manchmal gab es auch längere Ausflüge. Bisweilen haben wir Rindenstücke gesammelt, aus denen wir Schiffchen gebastelt haben. Und mindestens zweimal haben wir Pilze gesucht, die dann von der Küche verarbeitet wurden. Was ich in diesem Zusammenhang über Röhrenpilze gelernt habe, hilft mir heute noch bei der Pilzsuche. Immerhin.
Noch ein Wort zur Gesangskultur, begleitet von einer „Tante“ auf dem Akkordeon. Wir Jungs haben gerne einen damals aktuellen Schlager gesungen: „Charlie Brown, der ist ein Clown!“ Er gehörte allerdings nicht zum offiziellen Repertoire. Stattdessen gab es den üblichen Singsang, oft recht martialischen Inhalts („Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord“, „Die einen wünschten ihn zu braten, die andern ihn, ihn, ihn als Frikassee, ohe ohe!“, „Das linke Auge fehlte, das rechte war poliert, aber dennoch hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert!“).
Tante Beate hat mir einmal für einen Brief an meinen Vater zu seinem Geburtstag etwas basteln helfen, allerdings nicht ohne mich dann den Satz schreiben zu lassen: Das hat Tante Beate gebastelt! Das gute Stück existiert noch in einem Briefkonvolut unserer Familie. Tante Beate hat uns auch mal ein Foto ihres Freundes gezeigt. Es war dies ein gutaussehender junger Mann mit Namen Freddy. Eines Abends hat sie uns informiert, dass sie Freddy heimlich zu treffen wünsche und wir, wenn wir gefragt würden, sagen sollten, wir wüssten nicht, wo sie sei. Ich erinnere mich noch, wie sie ihr an unseren Gruppenraum angrenzendes Zimmer verließ, „lieblich schleichend“, wie Thomas Mann formuliert hätte. Ihren Hintern hatte sie in eine hautenge Jeans verpackt. Später dachte ich in Erinnerung dieser Szene, dass „Tante“ Beate für den feuchtfröhlichen Abend mit Freddy vielleicht mit den nackten Buben vorher ein wenig vorgeglüht hat. Aber das ist Spekulation.
Die Obertante, eine dicke Mamsell mit lautem Organ und großem Vorbau, ist „Tante“ Beate aber dann, wie wir mitbekommen haben, auf die „Schliche“ gekommen, weshalb sie am folgenden Tag ein wenig sediert gewirkt hat.
Der Kuraufenthalt fand seinen Abschluss in einer Theateraufführung für alle Anwesenden durch ältere Jungen. Es wurde der „Doktor Allwissend“ gegeben nach den Brüdern Grimm. Das war definitiv nicht schlecht gemacht, auch die Botschaft des Märchens ist ja in Ordnung. Die Jungs hatten zudem viel Text gelernt. Allerdings waren die allermeisten Jungs dem Märchenalter bereits entwachsen, so dass wir das damals doch als ein etwas kindisches Spektakel empfanden. Zur Lektüre in unserer Gruppe gehörten Fußballgeschichten und Astrid Lindgren, wie ich mich noch erinnere, Märchen waren passé. Wahrscheinlich endete unser Kuraufenthalt auch deshalb so, damit wir am nächsten Tag zu Hause was Nettes zu erzählen hatten.
Nach meiner Rückkehr habe ich aber wenig erzählt. Aus heutiger Sicht erscheint das unbegreiflich. Man muss sich aber klarmachen, dass in dieser Zeit in vielen Elternhäusern und den meisten Erziehungseinrichtungen noch geschlagen wurde und ein strenges Regiment herrschte. Sowohl in der Grundschule als auch in den ersten Jahren auf der weiterführenden Schule gab es körperliche Züchtigungen. Ich habe das so weit als normal empfunden. Aber an das Gefühl der wiedergewonnenen Freiheit nach sechs Wochen „Kur“ erinnere ich mich noch ganz deutlich.
Nachdem mein Opa an Tbc verstorben war wurde bei mir, im Rahmen einer Reihenuntersuchung, ein Schatten auf der Lunge festgestellt. Ich wurde also zu einem 6-wöchigen Aufenthalt nach Berchtesgaden geschickt (was den Namen der Einrichtung betrifft bin ich mir nicht ganz sicher wie der korrekte Name war). Aus den vorgehsehenen 6 Wochen wurden am Ende 10 Monate!! Meine Eltern bekamen in regelmäßigen Abständen kurze Notizen mit dem Wortlaut "Ihrer Tochter geht es gut aber aus gesundheitlichen Gründen ist eine Verlängerung des Aufenthaltes erforderlich.." manchmal hieß es auch "Ihrem Sohn..."
Kann mich auch dran erinnern dass, falls man das Essen mal nicht drinnen behalten hatte (mehr Fett- als Fleischbrocken im Bohneneintopf), der Tisch abgewischt wurde und man musste das Essen fortsetzen. Honig (gab es fast jeden Morgen, so verklumpt und zuckrig) kann ich bis heute nach all den Jahren weder essen noch riechen.
Was viel schlimmer war, ist, dass ich 10 Monate lang weder Mutter noch Vater (und meinen kleineren Bruder) zu Gesicht bekommen habe. Meine Mutter hat mir regelmäßig Päckchen geschickt, aber alles was an Lebensmitteln geschickt wurde, wurde unter den anderen Kindern mit aufgeteilt. Ich durfte das Paket auspacken und dann wurde es mir weggenommen und mir wurde die Hand geführt beim Schreiben der Dankeskarte. Als ich nach 10 Monaten nach Hause entlassen wurde, habe ich bei der Abholung meine Mutter nicht mehr erkannt (man hatte mir erzählt eine Tante würde mich abholen), im Zug habe ich ununterbrochen die eingetrichterten Lieder gesungen und zuhause habe ich meinem Vater ins Ohr geflüstert "Darf ich bitte mal aufs Klo gehen"..
Ich bin extrem harmoniesüchtig und versuche es jedem Recht zu machen und auf keinen Fall irgendwo anzuecken und weiß dass diese 10 Monate mich fürs Leben geprägt haben!
Meine Mutter wollte mir etwas Gutes tun und wandte sich an die Barmer Ersatzkrankenkasse, weil ich zu dünn war. Sie war selbst im Krieg mit ihrer Schwester für ein Jahr von Schleswig-Holstein nach Bayern verschickt worden und hatte daher keine Bedenken, mich für die 6 Wochen ins Sauerland zu schicken. Im Ergebnis kam ich zwar mit Pausbäckchen wieder nach Hause (heutzutage überhaupt nicht mehr erstrebenswert), der Weg dahin bestand jedoch aus Zwang und Psychoterror. Alles aufessen zu müssen, selbst wann man, wie ich, keine Milch mochte – Milchsuppen, Kakao mit dicker Haut, ekligen Quark. Vorher durfte man nicht vom Tisch aufstehen! Das war für mich wirklich schlimm. Es gab auch Kinder, die abnehmen sollten, diese durften nur hungrig zuschauen, wenn es doch mal Bratkartoffeln gab. Sehr pädagogisch. Dazu die merkwürdigen „Kuren“: Apfelessigkur, Honig aus einem Riesentopf (ich dachte wenigstens, es sei echter Honig, in den Berichten hier wurde auch schon Kunsthonig erwähnt), dazu die Algenkur mit den widerlichen Tabletten, die ich aber nicht einnahm, sondern sammelte und beim morgendlichen Zwangsdauerlauf heimlich im Wald verteilte. Überhaupt der Dauerlauf vor dem Frühstück: wenn die Luft im Frühjahr oder im Herbst feucht-kalt ist und nach Waldboden riecht, fühle ich mich immer noch sofort zurückversetzt; Proust lässt grüßen … die Erinnerung ist aber alles andere als angenehm. Hatte man im Schlafsaal geredet, so wurde man aus dem Bett geholt und musste erst mal im Nachthemd im kalten Speisesaal sitzen, bevor man irgendwann wieder nach oben durfte. Gut erinnern kann ich mich an die Heimleiterin mit dem grauen Dutt, wie sie uns zum Wassersparen auf dem Klo anhielt: “ein Tropfen Pippi, neun Liter Wasser“, wir sollten nicht ziehen. Mit dem Ergebnis, dass die Toiletten verstopften. Das alles führte dazu, dass ich einen Brief nach Hause schrieb und erzählte, wie unglücklich ich dort war. Meine Mutter hat diesen Brief übrigens lange Jahre aufbewahrt und hat ihn, glaube ich, immer noch. Im Brief hatte ich noch explizit darauf hingewiesen, dass meine Mutter sich bloß nicht an die Heimleitung wenden sollte, ich befürchtete Repressalien. Und so kam es dann leider auch, ich wurde vor allen anderen, nach meiner Erinnerung im Schlafsaal, vorgeführt. Die Heimleiterin kam wütend mit dem Brief wedelnd in den Raum und las meinen O-Ton daraus vor (meine Mutter hatte wohl eine Kopie beigefügt) und machte mich dabei total lächerlich. Keine meiner Mitleidenden hat sich natürlich für mich eingesetzt, bei diesem Drachen hätte das womöglich Konsequenzen gehabt und das verstand ich schon damals. Ich glaube wirklich, das war der schlimmste Moment in meinem Leben, bis zu dem Zeitpunkt auf jeden Fall. Irgendwann dann hatte die Heimleiterin andere Kinder im Visier und ich konnte mich erleichtert in die Anonymität zurückziehen. Das einzige schöne Erlebnis möchte ich der Vollständigkeit halber nicht unterschlagen: wir haben die Karl-May-Festspiele in Elspe besucht und ich habe Pierre Brice als Winnetou erleben dürfen. Ansonsten mussten wir unser Geld wie hier schon geschildert bei einem Basar ausgeben, wo wir unter Druck gesetzt wurden, angebliche Arbeiten aus Entwicklungsländern zu kaufen. Die Cord-Stofftiere – einen Fuchs und einen Hund, meine ich – habe ich noch jahrelang aufbewahrt.
Eigentlich dachte ich, darüber hinweg zu sein, aber nachdem ich vorhin einen Beitrag im Deutschlandfunk über eine dies betreffende Initiative und geschilderte Schicksale hörte, konnte ich erstmal eine ganze Weile nicht aufhören zu weinen.
Im Alter von neun oder zehn Jahren wurde ich wg. Atemwegserkrankungen in das "Krankenhaus Schöneberg", in Wyk auf Föhr, verschickt; das war ca. 1963/64 und hatte nachhaltigen Einfluß auf meine seelische Gesundheit. Erst eine achtjährige Psychoanalyse, vor 20 Jahren beendet, brachte einiges ans Licht und konnte mir meine Albträume von leeren, gefliesten, dunklen, kalten Räumen nehmen - allerdings bekomme ich noch heute grausende Beklemmungen, wenn ich kalte Waschräume mit aneinandergereihten Becken und Wasserhähnen sehe.
Das Ausgeliefertsein war eigentlich das Schlimmste. Die eigenen Eltern, die eigentlich dazu da sind, uns als ihre Kinder zu beschützen, konnten dies nicht tun, denn Briefe an sie wurden zensiert; ich weiß noch nicht mal, ob sie die überhaupt bekamen. Mir wurde tatsächlich mitgeteilt, daß zensiert wird und Negatives nicht hinausgelangt. Päckchen von daheim wurden nur in geöffnetem Zustand übergeben und jede Mittags- oder Nachtruhe hatte in absoluter Stille zu geschehen.
Mein erstes Aufbegehren äußerte sich darin, daß ich - keine Katholikin! - im Bett kniend vorgab zu beten (ich wollte einfach nur irgendwas machen), in der Annahme, das religiöses Verhalten respektiert würde - was ein Trugschluß war und ich angewiesen wurde, daß man auch im Liegen Beten könne.
Meine zweite Auflehnung bestand in einem Streich: jeweils Samstagabends wurden die, sich vor den Betten befindlichen, Hocker mit neuer Unterwäsche bestückt. In meinem Zimmer schliefen, glaube ich, sechs oder sieben Mädchen unterschiedlichsten Alters. Sehr früh morgens wachte ich auf und vertauschte heimlich die Wäschestapel, wurde aber von einer kleinen Kröte dabei beobachtet und - als nach dem Aufwachen das Chaos perfekt war und keine mehr sein Leibchen gefunden hatte - von ebendieser Kröte verpetzt. Schwester Luitgard hieß die knochentrockene, autoritäre und gefühllose Person, die mit ihrer Bestrafungsentscheidung für dieses schwere Vergehen, für Jahrzehnte von Albträumen verantwortlich ist: dunkle, kalte, geflieste Räume, unendlich in ihrer Ausdehnung - furchteinflößende Leere! Ich wurde verdonnert in einem Waschraum ohne Licht, auf einer Holzbank zu nächtigen; ob ich eine Decke bekam, weiß ich nicht mehr.
Weniger bedrohlich, aber ebenso erinnerungsnachhaltig, war das Frühstück dort: es gab jeden Tag Marmeladenstulle und Sonntags Stulle mit Pflaumenmus. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß ich bis heute keine Marmeladenbrote esse.
Nach Ende des Martyriums holte mich mein Vater vom Busbahnhof ab; eigentlich habe ich kaum vollständige Erinnerung an diesen Abend, aber ich weiß, daß ich sofort im Auto heftig anfing zu weinen. Auch vom Nachhausekommen habe ich keine verläßliche Erinnerung - alles nur diffus und von Betroffenheit geprägt, so glaube ich wenigstens.
Nach dem Aufkommen des inzwischen allgemeingebräuchlichen Internets Ende der 1990er Jahre, machte ich mich auf die Suche nach Schwester Luitgard - und - ganz ehrlich - ich weiß nicht, was ich unternommen hätte, wäre ich fündig geworden - ist vermutlich auch besser so.
Ich wünsche allen von Ihnen, die ähnliches erlebten: weinen Sie es sich von der Seele. Auch wenn wir wissen, daß es etliche gibt, die diese Pein erlebten - jeder Schmerz ist neu und einzig, und es ist gut diesen mit anderen teilen zu können.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlicher Gruß
Gabriele Diebel
Ich war als noch fünfjährige, 6 Wochen im Barmer Haus auf Wyk auf Föhr in Asthma Kur.
Die Anreise habe ich in Erinnerung, das dort Versprochen wurde, ich dürfe sofort zurück, wenn es mir nicht gefällt.es war eine lange Anreise. Zum Abend kamen wir im Haus an. Es gefiel mir nicht. ich wollte sofort wieder nach Hause. Das hat natürlich nicht geklappt, stattdessen gab es Abendessen und in Reih und Glied ein Stück Würfelzucker mit bitteren Tropfen, für jeden. Bisher bin ich von Hustenstiller (Codein) ausgegangen. Nach dem Fernsehbericht bin ich da nicht mehr so sicher. Die eventuelle Tatsache, an Medikamentenexperimenten teilgenommen zu haben, hat mich tief schockiert.
Ich bin seit 25 Jahren Schmerzpatient, ohne wirkliche Hilfe. gibt es da einen Zusammenhang?
Ich erinnere nicht die komplette Zeit. Es war über Karneval. Daran habe ich nicht teilgenommen, da ich die Windpocken von zu Hause mit ins Kurheim gebracht hatte. Ich schätze 3 Wochen war ich ziemlich alleine auf der Krankenstation isoliert. Die Zeit war auch ganz in Ordnung. Danach aber zurück, ließ man mich spüren, was sie davon gehalten haben, das ich so Viele angesteckt hatte. Meine Station und mein Zimmer war relativ leer. Ich war nicht mit am Strand, kein Karneval. Nachts durften wir nicht auf die Toilette.
Es gab eine große Treppe mit massiven, blickdichten Treppengeländer. Die bin ich Nachts zur Toilette heruntergeschlichen. Reden im Zimmer war nicht erlaubt. Eine Nacht haben die zwei Anderen gequatscht und gekichert. Ich war nicht beteiligt. Als die Aufsicht reinstürmte, wurde es mir in die Schuhe geschoben. Ich wurde äußerst unsanft aus dem Bett gezerrt. Wurde über den Flur gestoßen. Immer wenn ich versuchte wieder aufzustehen, bin ich mit Fußtritten zurück auf den Boden geschickt worden. In dieser Manier ging es bis zu einem abgelegenen Einzelzimmer weiter. Dort musste ich die Nacht alleine, körperlich misshandelt, in einem Bett voller kleiner, spitzer Legosteine verbringen.
Ich durfte die Steine nicht raus legen und auch nicht daneben liegen. Man machte mir brüllend und drohend klar, das ich zur Strafe auf den Steinen zu schlafen habe.
Eine weitere Erinnerung ist in dem Wellenbad von Wyk.
Ich konnte mit 5 Jahren schon einigermaßen gut schwimmen. Ich erinnere mich, ganz alleine und ohne Aufsicht oder Begleitung zu sein. Was sicher nur meine Wahrnehmung war. Der Hupton für die nahenden Wellen erklang, und ich schaffte es nicht schnell genug in seichteres Wasser. Ich drohte zu ertrinken, hatte Panik und schon aufgegeben, als ein nettes älteres Ehepaar mich griff und zum Beckenrand brachte. die Beiden waren sehr um mich bemüht, und mir war bewußt, das ich ohne sie ertrunken wäre. keine Ahnung wo jemand von der Kur war.
Wie ich nach Hause gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Warum mir zu Hause keiner glaubte, weiß ich auch nicht. Danach hatte ich ein nächtliches Problem mit häufigen auf Toilette müssen. So stark, das mein Vater mir Nachts auch den "Toiletten-Gang " verbot.
Nach der Kur bin ich durch exzessives Lügen aufgefallen. Alles was Strafen hätte nach sich ziehen können, wurde mit lügen versucht, abzubiegen.
Bis zur Kur war ich ein selbstbewusstes Mädchen, kurz nach der Kur, hatte ich meine ersten Missbrauchserfahrungen, die mich seit dem mein Lebenlang begleiten. Das ist ein Puzzelteil meines Lebens, das plötzlich passt und Sinn ergibt. Ich bin überzeugt, das die Erfahrung in dieser Kur ursächlich ist, für meine Missbräuche. Wenn meine chronischen Schmerzen psychosomatischen Ursprungs sind, ist es eine weitere Erklärung ,die plötzlich passt. Oder sind meine Ärzte ratlos, weil Spätfolgen der Medikamentenexperimente keiner berücksichtigt?
Ich bin auf jeden Fall froh, durch diesen Fernsehbericht ein wenig mehr zu verstehen, warum einige Dinge in meinem Leben sind, wie sie sind.
Nun, es war eine harte und qualvolle Zeit, nichts Schlimmeres dabei, als all die anderen hier berichten.
Zweimal konnten meine Eltern zu Besuch kommen. Der muntere und aufgeweckte Knabe, den sie dort abgegeben hatten, hatte sich in ein menschliches Häufchen Elend verwandelt. Sie waren so schockiert, dass sie alle Hebel in Bewegung setzten, mich vorzeitig aus den Fängen der Heimleiterin und ihrere Truppe zu befreien.
Glücklicherweise konnte ich dann bereits nach zehn Wochen wieder zurück nach hause.
Dennoch - gezeichnet für das ganze weitere Leben.
Hier war es üblich, Kinder zu schlagen, die gegen die Hausordnung verstießen. Dazu zählte auch das Einnässen ins Bett. Ich erinnere mich daran, dass ein Zwillingspaar jeden Tag "dran" war. Wir Kinder hingen dann an der Heizung, die war so gebaut, dass man Geräusche aus anderen Zimmern deutlich hören konnte. Mittlerweile bin ich sicher, dass das Zuhören gewollt war, weil es die Angst vor dem "Herbergsvater" (der nannte sich tatsächlich so) verstärkte und wir demzufolge besser "parierten". Ich habe vor lauter Angst mal eingekotet und hatte das Glück, dass meine Betreuerin so viel Verständnis aufbrachte, dass sie mir half, alles zu reinigen und vor allem, machte sie keine Meldung. Von da an war ich weniger verängstigt.
Ich war mit einem meiner Brüder da, der Kontakt zu ihm wurde in den ersten Wochen konsequent unterbunden, "damit das Heimweh schneller weggeht". Wir durften uns nicht treffen, das fand ich richtig schrecklich.
Jeden Nachmittag wanderte der Lebertranlöffel von Mund und Mund. In der 2. Woche begann ich schon in Erwartung dieser ekligen Masse zu würgen und habe dann die Marmeladenbrote mit meiner lebertrangetränkten Spucke überzogen, da war richtig was los, ich wurde vor den Teller gesetzt und sollte alle Brote aufessen und bekam zur Strafe kein Abendessen.
Über unsere Erlebnisse haben wir unseren Eltern nach der "Kur" berichtet, auf diese Weise bliebt unserem jüngeren Bruder ein Aufenthalt erspart.
Ich war mit 9 Jahren 6 Wochen in Berchtesgaden im Marta Hübner Haus. Wir hatten für 6 Wochen nur eine Unterhose, wurden in gute und böse Kinder unterteilt, wurden nachts im Wald in einen dunklen Holzschuppen eingesperrt, Essen wurde über den Kopf geschüttet und Post wurde kontrolliert und und und. Am Ende der „Kinderkur“ war ich voller Ekszeme und krank. Körperlich und seelisch. Es war die Ruhr ausgebrochen und einige Kinder sind glaube ich sogar verstorben. Noch heute leide ich, auch nach der Psychotherapie unter diesen traumatischen Erlebnissen.
Da gibt es Gruppenfoto's, traurige Kinderblicke, und noch andere Foto's die ich jetzt erst zuordnen kann.
Ich sah nicht so aus als hätte ich zu wenig Gewicht, war auch nicht oft krank.
Vielleicht gab es auch andere Gründe, weshalb wir zur Kur geschickt wurden.
Ich hatte im Sommer 1973 einen schweren Verkehrsunfall, das ich deswegen zur "Erholung" in die Kur geschickt worden bin.
Jedenfalls war ich zusammen mit meinem Bruder da. Er war gerade 3Jahre, und ich 4Jahre alt.
Einige Bilder/Erinnerungen habe ich noch im Kopf. Wie die Hirschstatue im Park, der Kamin, die dunkle Holztreppe, und das knarksen der Dielen.
Vor der Nachtruhe mussten wir Kinder uns in Unterwäsche, alle in einer Reihe stellen, unsere Schlüpfer runter ziehen, die auf Sauberkeit kontrolliert wurden. War der Schlüpfer nicht sauber wurden wir bestraft... WIR WAREN DOCH KINDER...
Ich wollte nicht das mein Bruder bestraft wird?. Irgendwie schaffte ich es, sein Schlüpfer vorher zu wechseln, und die schmutzigen versteckte ich, hinter Schränke, unter Matratzen. Ob ich dabei vielleicht mal erwischt wurde, oder ob sie die während unseren Aufenthalt doch noch gefunden haben, das weiß ich nicht mehr.
Ich sah in den Medien wie über Kurkinder berichtet wurde, recherchierte im Internet-Monate lang.
Auf der Suche nach jemanden der/die auch in Krumke gewesen sein könnte.
Nun freue ich mich, gleich 4 Frauen gefunden zu haben?.
Vielen Dank, das es die Möglichkeit gibt sich mitzuteilen?.
für 6 Wochen im Kinderheim St.Elisabeth in Berchtesgaden-Schönau. Ich sollte zunehmen, obwohl ich durchaus normalgewichtig war. Dementsprechend hatte das Essen eine große Bedeutung. Es musste IMMER ALLES aufgegessen werden, egal, wie groß die Abneigung, der Widerwille oder der EKEL auch war. Wenn ich mich dann übergeben hatte, musste das Erbrochene eben mitgegessen werden. Schreckliche Szenen haben sich dort abgespielt, sowohl bei mir als auch bei anderen. Letztlich habe ich in den 6 Wochen abgenommen. An die Postzensur erinnere ich mich noch gut. Alles, was man schrieb, wurde kontrolliert und ggf auch zensiert, selbst leichte Kritik wurde nicht geduldet. Die "Schwestern" kannten kein Pardon. Auf diesem Weg konnte man die Verhältnisse also nicht nach draußen tragen. An eine Beschränkung der Toilettengänge kann ich mich nicht erinnern, aber ich konnte schon damals sehr gut "einhalten", weshalb ich vielleicht keine Probleme damit hatte. Die schlimmste Erinnerung betrifft einen 14-jährigen Jungen, der mich während der gesamten Zeit drangsaliert und gequält hat, auch körperlich. Er war erheblich größer und stärker als ich und ich fühlte mich ihm völlig ausgeliefert. Von den Betreuerinnen habe ich keinerlei Hilfe erhalten. Das war eine tief negative Erfahrung. Die letzte Zeit dort verbrachte ich auf der Krankenstation, weil ich mich mit Röteln infiziert hatte und isoliert werden musste. Zum Glück blieb dies meine einzige "Verschickung". Ob und wie ich meinen Eltern von meinen Erlebnissen erzählt habe, weiß ich leider nicht mehr.
Ich bin sehr froh, dass es diese Initiative gibt und die schlimmen Erfahrungen endlich öffentlich gemacht werden. Auch wenn manches schon lange zurück liegt und es keine wirkliche Wiedergutmachung geben kann, darf nichts unversucht bleiben, um diese unrühmliche Vergangenheit aufzuarbeiten und die Verantwortlichen - sofern noch möglich - zur Rechenschaft zu ziehen.
Erholungsheim und Indikationen
Ich war 4 Jahre alt und wurde im Nov/Dez 1971 für 6 Wochen von Herford (NRW) aus in ein Kindererholungsheim der Inneren Mission nach Rehe/Rennerod in den Westerwald (Rheinland-Pfalz) verschickt. Laut der Heimliste von Sepp Folberth (1964) wurden in diesem Kindererholungsheim 40 Kinder im Alter von 5-14 Jahren aufgenommen sowie 105 Jugendliche ab 14 Jahren. Die Jugendlichen wurden in einem nahegelegenen Haus auf demselben Gelände untergebracht.
Ich entsprach mit meinen 4 Jahren also altersmäßig nicht der Aufnahmeanforderung. Ich kann mich nicht daran erinnern, ein anderes Kind in meinem Alter während meines Aufenthaltes dort gesehen zu haben. Von meinem persönlichen Empfinden ausgehend, hatte ich den Eindruck, dass ich mit Abstand das jüngste und körperlich gesehen, auch das schwächste Kind war. Ich sollte zunehmen, war aber nicht bedrohlich untergewichtig. Ich hatte noch kein Zeitgefühl, konnte mich nicht verorten und auch nicht den riesigen und weit abgelegenen Heimgebäudekomplex überblicken. Ich fühlte mich von Anfang an verloren, einsam und heimatlos - von meiner Familie abrupt abgeschnitten, was für mich als Vierjährige nicht nachvollziehbarer war und einen völlig unvorhersehbaren Bindungsabbruch bedeutete.
Ich wurde zusammen mit meinem Nachbarsjungen, der damals „schon“ 5 Jahre alt war, verschickt. Ich sah ihn aber nur einmal in den ganzen 6 Wochen wieder, da wir schon im Zug getrennt wurden und er in der abgetrennten Jungenabteilung, in einen anderen Haus untergebracht wurde.
Reise:
An die weitere Hinfahrt im Zug kann ich mich nicht mehr erinnern. Wer uns begleitet hat oder ob es etwas zu Essen gab. An die Rückfahrt schon eher, weil mir diese endlos lang vorkam. Ich trug eine karierte Stoffwollhose, die sehr kratzig war und auch nicht sauber. Ich hatte mir Tage zuvor in die Hose uriniert. Gefühlt war es die einzige Hose, die ich dabei hatte. Sie scheuerte furchtbar zwischen den Beinen, es fühlte sich wund, heiß und beschämend „schmutzig“ an. Während der Rückfahrt hatte ich diffuse Gefühle von Angst , Scham und Schuld. Angst, weil ich nicht wusste, ob es wirklich nach Hause ging und Scham, weil ich meine Unbedarfheit und irgendwie auch meine Unschuld als Kind verloren hatte. Und Schuld, weil ich das Gefühl hatte, „falsch“ zu sein und deshalb Strafe erwartete. Ich erinnere mich auch daran, dass mein Koffer im Abteil stand und dass das wohl ein Zeichen dafür war, dass ich den Ort wechselte. Eine Vorstellung von nach Hause fahren, stellte sich definitiv nicht ein – ich war total entfremdet.
Ich habe einige traumatische Erlebnisse während meiner Verschickung im Erholungsheim erlitten: zahlreiche Demütigungen durch die „Tanten“, die überwiegend Diakonissinnen waren, wie Wegsperren, Ausgrenzen, Sachen/Kleidung/Pakete wegnehmen, Essenszwang, körperliche Übergriffe und Grobheiten beim Waschen und bei den Toilettengängen.
Auch die älteren Mädchen, mit denen ich in einem Schlafraum untergebracht war, haben mich ständig geärgert, mir mein einziges Kuscheltier weggenommen und dieses zerstört, mich verhöhnt und mir ständig angedroht, dass ich nie wieder nach Hause komme! Das führte in der gesamten Zeit zu massiven Schlafstörungen, sprich, ich hielt mich nachts wach, weil ich Angst vor Übergriffen meiner Zimmergenossinnen hatte. Ich erinnere mich daran, dass ich die Wand anstarrte und aus den kleinen Löchern darin den Kalk pulte und ihn aß. Das wurde eine Art stimulierendes Ritual, um mich selbst zu spüren und mich irgendwie zu verorten. Eine Art Überlebensstrategie. Heute würde ich sagen, dass ich hospitalisiert habe.
Mein schlimmstes Trauma war jedoch eine „Zuführung“! Auf diesen Begriff bin beim Hören eines Radioberichts gestoßen, in dem davon berichtet wurde, dass eine [b]„Zuführung“ eine häufig eingesetzte, institutionelle Sanktionierung in den (Verschickungs-)Heimen war. So auch in meinem Fall:
Ich hatte mir auf einer langen und kalten Schneewanderung in die Hose uriniert. Ich vermute, dass das der Grund war, um bestraft zu werden, womöglich bringe ich aber auch einzelne Szenen in der Erinnerung durcheinander! Eine Diakonisse und 2 ältere Mädchen aus meinem Schlafraum brachten mich in einen Schlafraum des Jungentrakts im Haus der Jugendlichen. Dort wurde ich mit mehreren älteren Jungen (ca. 14- 16 Jahre alt) zurück gelassen. Auch mein Nachbarsjunge befand sich in diesem Schlafraum. In meiner Erinnerung wirkte er verängstigt und wir konnten auch nicht miteinander sprechen. Er saß mit überkreuzten Armen, die seinen Intimbereich schützen, auf einem Bett. Ob er auch dort schlief oder so wie ich den älteren Jungs „zugeführt“ wurde, weiß ich nicht genau.
Ich wurde Opfer eines gewalttätigen und sexualisierten Übergriffs in diesem Raum. Es war kein Erwachsener anwesend oder irgendwer, der mir hätte helfen können. 3, 4 geschlechtsreife Jugendliche sind scheinbar zuvor veranlasst worden uns Kleinen mächtig Angst einzujagen. Ob jemand etwas davon etwas mitgekriegt hat, was sich abgespielte, weiß ich auch nicht. Aber ich vermute, dass es nicht der einzige Vorfall in der Art war.
So haben mich mehrere Jungs festgehalten, mir ein Kissen auf den Kopf gedrückt und mich sexuell missbraucht. Ich kann mich nur noch an einzelne Details erinnern, wie das Kissen, was mir fest auf den Kopf gedrückt wurde und die Beine und Arme der Jungen die meinen Bauch sowie meine Beine niederdrückten und auch auf meinen Intimbereich Druck ausübten und sich an meinem Körper zu schaffen machten. Da war kein Entkommen möglich. Ich hatte Todesangst, irgendwann blieb mir durch das Kissen, was meine Atemwege fest verschloss und durch den heftigen Druck auf meinem Körper sowie das Gezerre an mir die Luft weg. Ich dachte, ich müsse jetzt sterben und bin dann ohnmächtig geworden!
Ich habe ein schweres Erstickungstrauma erlitten, aber eben auch einen Übergriff von sexualisierter, sadistischer Gewalt von Mitverschickungskindern im Jugendalter. In meinem Gedächtnis blieb mir auch der „Spaß“, den die Jungen hatten, als sie mich quälten. Der Übergriff „artete wohl aus“ und mir wurde im Alter von vier Jahren die „Würde“ genommen. Ich war schutzlos, ausgeliefert, hatte Schmerzen und fühlte mich schmutzig. Als kleines Kind konnte ich das natürlich noch gar nicht verbalisieren, verstehen oder gar verarbeiten, was da gerade mit mir passierte, aber in meinem Körpergedächtnis hat sich diese tiefe Verletzung nachhaltig „gespeichert“. Seelisch habe ich das Erlebt viele Jahre abgespalten, ich konnte es einfach nicht zusammenbringen das körperlich Erlebte und das seelisch Erinnerte.
An den Rest dieses Übergriffes habe ich keine Erinnerung mehr, also wie ich
wieder in meinen Schlafraum zurückgekommen bin, ob mir jemand geholfen hat, ob ich gewaschen wurde oder ärztlich versorgt wurde.
[Arztkonsultation- erste Dissoziation
Die nächste übergriffige Erinnerung, die ich habe, war eine mit Angst und Scham besetzte Arztkonsultation. Ich musste allein, gefühlt stundelang in der Ecke eines sehr großen und dunklen Raumes mit heruntergelassener Hose und nacktem Po, dem Arzt und der mitanwesenden Diakonisse den Rücken zugewandt, stehen. Es war am Nikolaustag 1971 daran erinnere ich mich deshalb, weil die anderen Kinder nebenan Weihnachtslieder sangen und der Weihnachtsbaum aufgebaut war!
Wenn ich daran denke, überkommt mich auch heute noch ein Gefühl von Scham, Schande, ausgeliefert und gebrochen zu sein!
Ich wurde zum Objekt, wie ein Gegenstand der begutachtet, der „ausgepackt“, „beglotzt“ und „begrabscht“ werden konnte, wann immer wer anderes es wollte. Ich hatte keine „Hülle“, keinen Schutz aber auch keinen Willen mehr mich zu wehren oder gar aus dem Raum zu laufen. Ich habe mich in eine Art „Blase“, in einen „Zwischenraum“ zurückgezogen: um mich herum begehrten die Täter und Dämonen darauf, in diesen Raum vorzudringen. Das war wohl meine erste Dissoziation!
Seit meiner Verschickung löst alles was hinter meinem Rücken körperlich, wie auch emotional-atmosphärisch passiert, ein großes Unbehagen sowie Kontrollverlust bei mir aus.
Kindheit:
Ambivalente Erziehungmuster - gewaltätige Übergriffe, Scham u. Schuld
Die Traumata meiner Verschickung haben mich in meiner persönlichen und gesundheitlichen Entwicklung zeitlebens geprägt und auch in einigen Phasen sehr stark beeinträchtigt. Daneben war meine Kindheit geprägt von einem groben und ambivalenten Erziehungsverhalten meiner Eltern. Vor allem meine Mutter erzog mich mit ähnlichen Mustern, wie ich sie im Kindererholungsheim erleben musste. Mein Kindheitserleben und unsere Beziehung war geprägt durch ihre unberechenbaren Gefühlsausbrüche, verbale und körperliche Demütigung, zwanghafter Reinlichkeitserziehung, sadistische Wut- u. Gewaltausbrüche sowie von ihr erzwungene (Liebes-) Zuwendung. Sie wollte nur das „Beste“ für mich. Der Bindungsabbruch, den ich als Vierjährige erlebt habe durch die Verschickung, wurde durch die ambivalente und gewalttätige Erziehung nochmal mehr verstärkt. Was die Verschickungszeit angeht, so habe ich sehr lange an meiner eigenen Glaubwürdigkeit und dem Ausmaß der Erlebnisse gezweifelt, auch aufgrund des fehlenden Vertrauens vor allem zu meiner Mutter. Auf spätere Gesprächsversuche hin reagierte sie verschlossen, schambesetzt als wollte sie etwas verbergen. Ich denke, ihr war es sehr wohl bewusst, dass dort etwas Schlimmes mit mir passiert sein musste. Sie hat dann immer gesagt, dass mein Vater so erschrocken gewesen sei über meinen Zustand, als ich nach Hause kam. Sie selbst neigte zur Verharmlosung und Vertuschung: „naja, so schlimm kann es ja nicht gewesen sein, du hast es ja überlebt“, auch um aufkommende Schuldgefühle von sich zu weisen. „Wir wollten doch nur das Beste“ – Ende des Gespräches! Das hat sich sehr lange in mir verankert und mich auch „mit“ krank gemacht.
Therapie und Aufarbeitung
Ich bin seit vielen Jahren in therapeutischer Behandlung, habe 2 Klinikaufenthalte hinter mir und versuche über das Mit-Teilhaben der Aufarbeitungsbemühungen der „Initiative Verschickungskinder“ und durch meine persönliche Recherche sowie einer langjährigen Traumatherapie, eine erneute Konfrontation mit meinen „Verschickungstraumata“.
Ich möchte verstehen, welche Auswirkungen die schwerwiegenden und traumatischen Erlebnisse im Verschickungsheim, vor allem auch die sexualisierten Gewalterlebnisse auf mein Leben Einfluss hatten.
Meine beiden aktuellen therapeutischen Begleiter bestätigten mir schon lange, dass sie keinen Zweifel an meinen Schilderungen, dem Erinnerten und an meiner Glaubwürdigkeit haben. Sie haben mich auch ermutigt, das Erlebte hier zu berichten. Ich erhoffe mir auch durch das Niederlegen „meiner Geschichte“ den verlorenen Anteil an Glaubwürdigkeit und Würde wieder zurück zu erlangen. Einen Zugang zu dem Kind, was ich vor der Verschickung war, wiederzufinden.
Heute bin ich zuversichtlich, weil immer mehr Licht ins Dunkel kommt! So langsam setzt sich ein immer vollständiger werdendes Lebens-Puzzle zusammen, auch deshalb, weil es die „Initiative Verschickungskinder“ gibt. Das Gefühl, mich in dem vielen Berichteten wieder zu finden, bestätigt mich als Opfer eines schlimmen Verbrechens, aber auch als individuellen Mensch, der sich verbinden möchte.
In Verbundenheit Heike Fi-Na
Auch ich möchte Zeugnis ablegen, nachdem ich sehr dankbar bin, diesen Verein gefunden zu haben.
Ich erinnere mich daran, dass ich ekliges Fleisch mit viel Fett zu essen bekam, dass ich wieder herausgebrochen habe, weil es mich so geekelt hat. Ich sollte dass dann wieder essen, ich habe keine Erinnerung daran wie es ausgegangen ist.
Wir durften nicht auf Toilette, so passierte es dass sich Kinder eingemacht haben. Ich musste in meinen Exkrementen liegen bleiben. Frühs wurden alle Übeltäter vor versammelter Mannschaft kalt abgeduscht und massiv und sehr demütigend beschimpft...
Morgens und abends wurde sehr unsanft Fieber gemessen, dabei wurde uns die Geschichte erzählt, dass einem Jungen das Fieberthermometer im Hintern abgebrochen ist. Dadurch hatte ich panische Angst dass das bei mir auch passiert. Wahrscheinlich eine Methode, die Verhindern sollte das wir das Poloch zukneifen.... keine Ahnung.
Außerdem habe ich das Gefühl dass ich dort mal eingesperrt war, vielleicht auch öfter. Zum Geburtstag schickten mir meine Eltern eine Päckchen mit Naschen, einer Puppe und einem Plüschtier - ist nie bei mir angekommen und war auch nicht in meinen Sachen zu finden. Meine Mutter versuchte auch anzurufen, wurde aber abgewimmelt, mir ginge es gut und hier könnten nicht ständig Eltern anrufen.
Zu meinem Geburtstag wurde ich auf einen Stuhl gesetzt und von großen Kindern und Erziehern mit dem Stuhl weit hoch gehoben und dreimal hoch gesungen - ich hatte totale Angst herunterzufallen, da ich mich kaum halten konnte.
Nach dieser Kur war ich wohl mehrere Wochen total apathisch und war bis zur Einschulung nur noch 4 Stunden im Kiga.
Lange Zeit habe ich das weggedrückt, doch jetzt kamen Erinnerungen wieder und nach einigen Tagen entschied ich mich zu googeln, ob es Berichte gibt. So entdeckte ich diesen Verein. Ein großes Dankeschön für alle die sich hier zeigen und damit auch anderen helfen, das ganze aufzuarbeiten und vor allem zu wissen, dass es keine Einbildung war, sondern wirklich geschehen ist.
Die Anfahrt erfolgte ohne meine Eltern. Ich war mit mehreren Kindern auf dem Zimmer. Beim Essen kam immer der Spruch "Bitte nachnehmen". Ich musste immer zwei Portionen essen, da ich zunehmen musste, auch wenn ich nicht mehr konnte und mir schlecht war.
Ich kann mich an eine große Angst erinnern, vor allem abends. Es war still, man hörte nur leises Wimmern.
Meine Mutter erzählte mir, dass sie eine Postkarte von dort bekam (nicht von mir geschrieben) und sonst keinen Kontakt aufnehmen durfte. Ausserdem war meine Kleidung bei der Ankunft zu Hause nass und völlig durchnässt von Urin.
Ich habe leider fast keine Erinnerung, nur schlimme Körpergefühle, wenn ich an diese Zeit denke. Bei mir hat sich eine PTBS entwickelt.
Ich würde gerne wissen, ob andere auch zu dieser Zeit dort waren.
W. Meyer-Mierzwa
Ich war von September bis Oktober für 6 Wochen in Berchtesgaden - den Namen des Heimes weiß ich nicht mehr. Meine Schwester (zu diesem Zeitpunkt 4jährig) und ich (6 Jahre) wurden in Köln in einen Zug verfrachtet. Begleitet wurden wir nicht - zumindest nicht von der Familie. Wir haben beide geschrien und geweint weil wir nicht weg wollten.
In Berchtesgaden angekommen wurde meine Schwester von mir getrennt. Sie wurde anderswo untergebracht. Nach ein paar Tagen ist sie jedoch zu mir gekommen, weil sie nur geweint hat und zu mir wollte.
Ich erinnere mich nicht an viele Dinge, aber es sind sowohl negative als auch ein paar positive Erinnerungen dabei. Wir haben schöne Ausflüge gemacht und viel gesungen. Das hat mir immer viel Spaß gemacht. Negativ habe ich die Zensur der Briefe in Erinnerung, wir durften nichts negatives schreiben und mussten alles beschönigen. Briefe und Karten von daheim wurden laut vorgelesen. Der Inhalt von Päckchen oder Paketen wurde unter allen Kindern geteilt.
Bei Nachtruhe war absolute Stille zu halten, ansonsten stand man stundenlang auf dem kalten Flur nur im Nachthemd und barfuß in einer Ecke.
Ganz furchtbar habe ich in Erinnerung, dass sich (gegen Ende der Kur) viele Kinder mit Brechdurchfall infiziert hatten. Die Toiletten waren entweder besetzt oder verdreckt dadurch dass es Kinder nicht mehr rechtzeitig geschafft haben. Betten wurden dadurch beschmutzt, weil man einfach nicht mehr wusste wohin.
Als wir wieder zuhause waren, wurden Stuhlproben meiner Schwester und mir entnommen und es stellte sich heraus, dass wir die Erkrankung Ruhr hatten.
Ich habe meine Mutter mehrfach gefragt warum sie uns weg geschickt hat. Die Antwort war immer nur, dass das ein Angebot von der Krankenkasse (DAK) war.
Vielleicht findet sich ja jemand, der sich an Dinge die ich geschildert habe, ebenfalls erinnert. Es ist schön zu wissen, dass man nicht alleine damit ist.
LG Kirstin
Irgendwann später wurde mir erzählt, das Kinderheim sei wegen Kindesmissbrauch geschlossen worden. Wer weiß etwas darüber?
Ich bin durch die Fernsehsendung auf diese Initiative und diese Internetseite aufmerksam geworden. Vielen Dank für Euer Engagement und den Mut, diese Zeit immer wieder, bewusst oder unbewusst, zu durchleben.
Ich habe, trotz meines jungen Alters damals, ein paar gruselige Erinnerungen. Tägliches Fiebermessen, bei dem wir minutenlang mit dem Quecksilber- Thermometer im Po allein liegengelassen wurden. Eines Tages sagte eine "Wächterin" ,dass bei einem Jungen, der inzwischen nicht mehr in der Gruppe war, das Thermometer im Po kaputt gegangen ist. Wir lagen während des Messens in Gitterbetten in einem großen Schlafraum. Nach meiner Erinnerung waren es viele Betten. Das Schlafen fiel mir, aus Sehnsucht nach Mama, sehr schwer. Ich weinte oft nachts. Eines nachts kam die "Nachtwächterin" und nahm mir , weil ich mich nicht beruhigte, meine Plüschgiraffe weg , legte sie so auf den großen Schrank am Kopfteil meines Bettes, dass der Kopf noch runter hing, ich sie sehen konnte. Das machte mich noch trauriger. Dann kam die Frau wieder und sperrte mich in einen Raum, von dem eine Treppe hinunter führte. Wenn ich nicht aufhören würde, zu weinen, würde der Weihnachtsmann hoch kommen und mich mitnehmen. Ich war nicht mal 3 Jahre. Ich erinnere mich auch noch an einen weiteren Saal, in dem wir ab und zu spielen durften. Ein Kaufmannsladen war dabei. Von den Erzählungen meiner Mutter erfuhr ich, dass meine Haare nach der Kur komplett verfilzt waren und in meinem Rucksack die Brotdose noch mit dem Brot von vor 6 Wochen gefüllt war, welches sie mir mitgegeben hatte.
Bei mir wurde meine Neurodermitis und häufige Atemwegserkrankungen als Grund für die Kur genannt.
An an den Aufenthalt selbst kann ich mich kaum erinnern.
Vielen Dank für diese Seite und vor allem die separate Betrachtung West- und Ostdeutscher Kuraufenthalte.
die 30 Kinder gross. Ich kann mich an wenig erinnern, körperlich misshandelt wurden wir nicht. Das Essen war schlecht, es gab den Zwang zum Mittagsschlaf, geschlafen wurde generell in einem grossen Schlafsaal. Das Heimweh war das Schlimmste, sechs Wochen als 4/5- jähriger war mehr als eine Ewigkeit. Retrospektivisch war das alles keine positive Erfahrung.
Ich wurde als Begleitung für meine 5 jähr. Schwester mitgeschickt und weil wir angebl. zu dünn waren. Wurden aber gleich nach Ankunft in verschiedene Altersgruppen getrennt. Essen war meist furchtbar. Wer den Teller nicht leer essen wollte, mußte sich im Flur auf die Treppe setzen und eine Stunde schweigen. Das war Glück!!! Oft gab es auch Schläge z. Bsp. reden beim essen, oder man mußte nachts aufs Klo. Nachtruhe war ab 19:00 Uhr und vor dem Schlafsaal saßen immer Bewacher. Meist konnte ich mich unbemerkt zur Toilette schleichen, aber wehe man wurde erwischt: Hatte nur einmal Pech und mußte die halbe Nacht barfuß im Besenschrank stehen, nicht ohne die obligatorische Trachtprügel vorher. Dabei kam mir zugute, daß die meisten "Schwestern" echt alt waren und nicht wirklich fest zuschlagen konnten. Ich denke die meisten Kinder damals kannten durchaus solche Erziehungsmethoden...Ich erinnere mich an den erzwungenen Mittagsschlaf bei tollem Wetter, wer sich auf den Rasen raus schlich zum spielen bekam auch wieder Schläge. Postkarten nach Hause wurden diktiert, oh ja es war toll! Auch dass die Päckchen einkassiert wurden, weiß ich noch, wobei ich nicht mal schlimm fand die Süßigkeiten mit anderen zu teilen. Das war o,k. Gemein war, daß einige "Tanten" sich ungeniert daraus bedienten und uns als verzogene Blagen beschimpften.
Wochenlang trugen wir die schmutzige Kleidung und einiges, was vorher neu gekauft wurde verschwand.
Gebadet wurde nur nackt und wer Angst vorm Wasser hatte war übel dran. Da ich schon etwas schwimmen konnte war ich auf der Sonnenseite und mich traf dort keine Gehässigkeit. Die haben sich immer die ängstlichsten Kinder rausgesucht! Immerhin gab es auch zwei sehr nette (junge) Betreuerinnen und so kamen wir immerhin halbwegs ungeschädigt durch die langen 6 Wochen. Jedenfalls wurde mein Widerstandsgeist geweckt und ein gewisses Mißtrauen gegen Erwachsene blieb. Widerworte traute ich mich kaum zu geben, denn dann hats geschallert. Und wir mußten vor Abreise schwören zuhause nur das beste zu erzählen, sonst würden wir geholt und dürften dann nie mehr nach Hause. Zuhause hatte ich 2 Wochen Schule verpasst und mußte nachsitzen, aber die Lehrerin glaubte meinen Erzählungen. Meine Mutter zuerst nicht, erst als mein Vater und die Großeltern mir glaubten, tat sie es auch, aber es dauerte Jahre bis meine Eltern mit anderen recherchierten und andere Kinder den Mund aufmachten. Vom Amt kam keine Unterstützung, da war man der Meinung wir seien halt freche, vorlaute Kinder.
Irgendwan hat mein Vater erfahren, daß das Heim geschlossen wurde. Positiv an der Sache war, daß mir letztendlich doch geglaubt wurde und ich schneller lernte mir selbst zu vertrauen und selbstständiger wurde.? Zwei Mädchen erinnere ich noch gut Eine hieß Evi, kam aus Wien und hatte ein Glasauge. Sie war super nett und die kleine 4 jähr. Bettina aus Berlin. Die bekam oft Schläge, weil sie die halbe Nacht wimmerte und weinte und weil sie rötliche Haare hatte. Die tat mir immer sehr leid und niemand half ihr und ich traute mich auch nicht, echt schlimm.
Falls sich jemand findet, der auch in den 1975-1980 in Graal Müritz war, kann sich gern melden.
Vielen Dank an Alle, die diese Seite ins Leben gerufen haben!
und bin sehr berührt, was sich mir hier auftut. Schon einmal hatte ich kurz in der Presse etwas gelesen, ich war erschrocken und gleichzeitig wie eine innere Befreiung, dass es zum Thema gemacht wird. Es hatte meine Wunde rasch aufgerissen und ich habe es nochmal zur Seite geschoben, da so viel anderes anstand...ich war noch nicht bereit, habe mich geschützt.
Gestern schickte mir eine Freundin einen Link von einem Coach ( Roland Kopp-Wichmann ) und jetzt ist klar gewesen,...
jetzt bin ich da und schreibe und erzähle und will mit dabei sein, in dem Verein, in der Verbindung mit all den Betroffenen. Es ist wie eine neue Familie die ich finde.
Ich bin 1964 in Waldkirch geboren.
Ich wurde April/ Mai 1970 wegen Asthma nach Bad Sassendorf verschickt und
Sept./Okt 1971 nach Oberstdorf.
Da sah ich gestern auch ein Foto von dem Heim. Es hat mich total geflasht und so sehr aufgewühlt. Wie das Meer...bei uns vor der Haustüre.
Ich habe unendlich gelitten, ich hatte so unglaubliches Heimweh, habe mich verlassen gefühlt, einsam, nicht verstanden ( das Asthma, war rein psychisch...ein psychosomatischer Ausdruck, was Zuhause bei uns lief ...)
Ich habe unendlich gelitten, es war eine Ewigkeit. Und es ist für mich erschütternd, dass ich nach 1,5 Jahren !!! obwohl ich vollkommen verstört nach Hause kam und lange gebraucht habe, bis ich wieder aufgetaut war...noch einmal verschickt wurde.
Ich war total scheu, eingeschüchtert, fremd in der eigenen Familie.
Sie ist mir fremd geblieben. Ich habe nie wieder wirklich einen Zugang zu meiner Herkunftsfamilie bekommen und ich blieb die sensible, eigenartige, Regina...
Bis heute arbeite ich daran. Habe viele Therapien gemacht und immer wieder so gute Wegbegleiter gefunden. Dafür bin ich sehr dankbar.
Diese Not alleine im Bett, weinend, diese Ungeduld der Schwestern, Tanten, das Unverständnis mit einer Kinderssele umzugehen. Der Schlafraum, die Anwendungen. Das schlimme Essen. Kotze auf dem Boden wurde länger nicht weggewischt, ein paar Kinder sind darin ausgerutscht...vieles habe ich verdrängt, kann ich nur so in Puzzletielen sehen. Die Post die weggenommen wurde. Die Briefe die beeinflußt wurden oder korrigiert. Die Falschaussagen die den Eltern gemacht wurden. Eine unglaubliche Lüge. Ein Mißbrauch an Macht. Und diese unglaubliche Ohnmacht als Kind. Freundschaft wurde schnell getrennt, damit andere nicht traurig sind. Päckchen von Zuhause wurden geöffnet und an die anderen Kinder verteilt, es wurde alles weggenommen. Es gab nur den Rückzugsort in mir selbst. Und heute weiß ich, oder ahne ich, mein Engel war immer an meiner Seite. Ja, in dem Film sagt eine Frau , auch 57 Jahre,, wir sind Überlebende.
Ja, so sehe ich es auch. Ich habe es überlebt, vieles überlebt, auch Zuhause ging es heftig weiter...und heute kann ich auch so stolz auf mich sein, dass ich es überlebt habe, wie stark doch mein Wesenskern ist, und dass ich heute die bin, so wie ich bin. Nach wie vor spüre ich starke Ängste in Liebesbezeihungen, die Angst Verlassen zu werden, die Angst vor Verlust, Angst vor tiefer Nähe. Angst verletzt zu werden. Eine tiefe Bindungsstörung die ich in mir trage. Ich versuche immer liebevoller mit mir zu sein. und ich habe trotz einiger Trennungen, zwei wundervolle Söhne geboren, wo ich bedingungslose Liebe gelernt habe und seit 13 Jahren ist ein liebevoller Mann an meiner Seite. Ich spüre wie ich mich häute, die Zwiebelschälen sich lösen.
Es ist gut so wie es ist.
Und doch bleibt diese Erinnerung ein Horror für mich, ein tiefes Leid, absolut grausam und eine Wunde die gerade jetzt wieder wund ist und weh tut.
Doch ich bin stark und gehe meinen Weg Schritt für Schritt. Und ich will gerne dabei sein, in dieser Gemeinschaft. Weil es heilt und es berührt so sehr, verstanden zu werden, endlich einmal verstanden zu werden. Mitgefühl zu spüren, zu lesen, zu erfahren von all den unendlich vielen Verschickungskindern...von soviel Leid und Trauer.
Was so schrecklich war und auch heute immer noch ist, wenn es Menschen gibt die dies wegreden, oder schön reden usw, so wie mit Mißbrauch häufig noch umgegangen wird. " Ach du warst halt schon immer so sensibel , das bildest du dir ein , so schlimm war es doch nicht...." das empfinde ich bis heute immer noch als ein Messerstich ins Herz.
Das heißt, es gibt noch viel zu heilen.
Nicht Betroffene können es sich einfach nicht vorstellen, was das anrichten kann. In der Persönlichkeitsentwicklung, in Verhaltensmustern , Tricks und Vermeidungsstrukturen.
Ich würde mich unendlich freuen, wenn es zu liebevollen, achtsamen Begegnungen kommmt.
Das wäre eine großes Geschenk.
Von ganzem Herzen,
Regina Gräbner
Als wir im Kinderheim ankamen waren die meisten Kinder auf einem Ausflug. Man hatte gerade zwei oder drei Kinder hiergelassen, damit ich mich „eingewöhnen“ kann. Vertrauensvoll ging ich sofort in den Sandkasten um mit diesen Kindern zu spielen. Da wurde meinen Eltern nahe gelegt ohne Verabschiedung zu fahren damit es kein Theater gibt. Als ich irgendwann meine Eltern vermisste und lauthals schrie, sagte eine Erzieherin zu mir: „Wenn du brav bist, kommt die Mama wieder!“ (diesen Satz habe ich in der Therapie noch einmal gehört) Wenn man den Briefen des Kinderheims glauben darf, gab ich mein Bestes. „Brigitte singt und lacht den ganzen Tag“ wurde dort verlautet.
Als meine Eltern ich abholen kamen, erkannte ich sie nicht wieder und ich nannte meine Mutter Tante, wie eben alle Frauen dort.
Ich habe dieses Bindungsabbruchtrauma inzwischen mit Therapien bearbeitet. Es hat mich mein ganzes Leben lang begleitet, dieses Gefühl „ich gehöre nicht wirklich dazu“. Meine Schwestern verstärkten dieses Gefühl noch indem sie, wenn sie mich ärgern wollten behauptet hatten, mich hätte man vor die Türe gelegt und ich sei gar nicht ihre richtige Schwester.
Als mein Mann mich verließ als gerade unser drittes Kind geboren war rutschte ich in die erste Depression gerade dreißig Jahre alt. Ca. zwanzig Jahre später 2007 dann der „burn out“ mit allem was dazu gehört (Psychopharmaka, Klinikaufenthalt mit Unterscheiben eines Lebensvertrags, Verlängerung und anschließender Frühberentung nach einer Retraumatisierung durch den Amtsarzt).
Ich habe Therapie gemacht, kenne meine Frühwarnzeichen und bin meinen ganz eigenen spirituellen, sehr selbstverantwortlichen Weg gegangen. Ich weiß heute, dass meine Eltern es damals einfach nicht besser gewusst haben und die Erzieherinnen auch noch nicht das Wissen von heute hatten. Diese Gedanken helfen mir ihnen zu verzeihen und Frieden mit der Situation zu machen. Was mich allerdings immer noch beschäftigt, ist wie ich dieses Trauma an meine Söhne weitergegeben habe. Was macht es mit einem Kind, das unter Tränen gestillt wird? Was macht es mit Kindern, wenn sie eine Mutter haben, die zwei Stunden lang weint um sich dann eine Stunde lang bemüht ihre Bedürfnisse zu befriedigen, wo sich gerade der Vater aus der Familie verabschiedet hat. Ich konnte auch nur so eine gute Mutter sein wie ich es geschafft habe. Das habe ich mir immer noch nicht ganz verziehen und nicht wegen der Angst, wenn ich nicht gut genug bin nicht dazu zu gehören, sondern weil ich meinen Kindern eine entspannte, gesunde Mutter gewünscht hätte, denn sie sind mein ganzer Reichtum in diesem Leben.
Dauernde Bestrafungen per in der Ecke stehen, Essen sehr schlecht, aber Kotze essen kann ich nicht erinnern, mundvoll machen und in der Toilette ausspucken war meine Taktik, Übelkeit wegen des Essens erinnere ich.
Einziges Licht war die Bibliothek, da gab es Krimis von Enid Blyton. Allerdings nach 3 Wochen war ich morgens früher aufgewacht und hatte mir das spannende Buch unter die Decke geholt: Erwischt und Leseverbot für die verbleibenden 3 Wochen. Das war für mich damals unglaublich schlimm.
Meine ältere Schwester war mit mir zusammen dort, hatte aber keinerlei Kontakt zu mir, kaum, daß ich sie überhaupt mal zu Gesicht bekam.
Träger war die DAK. Gute Erinnerungen habe ich keine.
Ich vermute, daß meine Vergeßlichkeit und meine Gefühlosigkeit gegenüber meiner Mutter in dieser Verschickung wurzeln. Ich kann nichts aus meiner Kindheit von vor dieser Verschickung erinnern. Auch an die Verschickung erinnere ich mich nur ganz schemenhaft. Eigentlich bin ich ein sehr empathischer Mensch, nur bei meiner inzwischen schon länger verstorbenen Mutter war das anders. Wäre durchaus plausibel, daß diese Horrortour der Grund dafür ist.
Brechen konnten sie mich nicht, obwohl ich wohl schon damals dies als Ziel der Maßnahme erkannte. Daher wohl auch mein unendlicher Haß auf Faschisten.
Wüßte zu gern die Namen der Heimleitung, daß man weiterkommt in der Erforschung. Meines Erachtens müßte die Erforschung von der DAK finanziert werden.
Ich habe nicht mehr so viele Erinnerungen, und ich weiss auch nicht mehr wo ich genau in Kur war.
Ich bin 1977er Jahrgang in Cottbus geboren und hatte 1986 eine sehr schwere Bauch- OP. Es war ein Darmverschluss der notoperiert wurde und bei dem ich fast gestorben wäre. Ich war sehr lange im Krankenhaus. Besuch von den Eltern hab ich kaum bekommen. Ich erinnere mich wie ich oft mit einem Stuhl vor meinem Zimmer sass und wartete das mich jemand besuchte.
Als ich wieder gesund war, aus dem Krankenhaus entlassen wurde, wurde ich zur Genesungskur geschickt für 4 Wochen.
Ich kann mich nicht mehr erinnern wohin.
Ich weiss nur das es schrecklich war.
Wir müssten bei bitterer Kälte morgens halbnackt im Garten ( oder Hof) stehen und uns gegenseitig abbürsten- uns wurde erklärt das dies gut für uns sei, uns abhärtete. Diese Bürstenmassagen fanden wie in einem Morgenkreis statt - erst bürstete sich jeder selbst ab, anschliessend drehte sich jeder so, das er ein Kind vor sich stehen hatte, dessen rücken es selbst abbürstete. Meine Narbe am Bauch war noch Recht frisch, und sie tat jedes Mal weh, wenn ich sie abbürsten sollte. So oder so hätte man nach dem bürsten ständig Striemen am ganzen Körper- es waren bürsten ähnlich solcher womit man einen Boden schrubbt. Nach diesem Bürsten ging man in den Waschraum, wir müssten uns in die Dusche stellen, wo die Erzieherin uns mit einem Duschschlauch eiskalt abduschte. Ich hab es gehasst, aber mir blieb nichts übrig als mitzumachen, denn sonst wurde man bestraft. Man durfte sonst nicht an einer Freizeit teilnehmen, oder den Eltern keinen Brief schreiben.
Wir Kinder waren in unterschiedliche Altersklassen eingeteilt. Eigentlich geh9rte ich zu den kleineren, wir würden aber genauso behandelt wie die grossen.
Einmal wöchentlich traf man sich im Gemeinschaftssaal, dort konnte man sich eine Ansichtskarte aussuchen, die man auch bezahlen musste. Wir sollten unseren Eltern eine Postkarte schicken. Aber den Text konnten wir nicht frei wählen, er war vorgegeben und stand auf einer grossen Tafel zum abschreiben für uns. Die Erzieherin ging herum und schaute ob auch alles so richtig sei.
Unsere Eltern könnten uns einmal pro Woche zurückschreiben.
Für uns war um 19 Uhr Nachtruhe, daran habe ich keine Erinnerung mehr. Ich weiss nicht wie ich zu Bett kam.
Ich erinnere lediglich die morgendlichen, halbnackten körperbürstungen. Denn ich hatte Probleme damit mich vor anderen frei zu machen, weshalb ich oft getadelt würde vor den anderen Kindern.
Ich war froh wieder zu Hause zu sein.
Ich war 1969 mit 6 Jahren für 6 Wochen im "Schifflein Sausewind" auf Norderney. Da ich oft krank war, wurde dies meinen Eltern empfohlen.
Die 6 Wochen in diesem Heim waren schrecklich. Ich habe erlebt, was viele hier schon beschrieben haben: Ich habe mit 6 Jahren nachts wieder ins Bett gemacht und musste in einem dunklen Raum nackt ohne Decke auf einer Holzbank schlafen. Vorher wurde ich in einem Zuber mit kaltem Wasser übergossen und mit einer Wurzelbürste abgeschrubbt. Morgens im Essenssaal wurde ich vor allen Kindern bloßgestellt: "Seht wer wieder ins Bett gemacht hat!"
Wir mussten alles aufessen, auch wenn es uns anekelte, wie mich z.B. die Rosinen. Ich habe sie heimlich in der Hand gesammelt und beim Händewaschen in den Abfluss gestopft. Kam natürlich raus und wurde mit Schlägen bestraft.
Als ich an Windpocken erkrankte, lag ich mit einem Jungen in einem Isolierzimmer. Wir durften nicht auf die Toilette, sondern mussten im Zimmer auf den Topf. Ich habe mich so geschämt, dass ich das nur unter der Bettdecke gemacht habe.
Es war die schrecklichste Zeit meines Lebens, voller Angst, sie hat mich für mein Leben geprägt.
Ich war beim Schauen der Doku echt erschrocken, wie viele Menschen unter diesen Verschickungen leiden mussten!
Ich bin sehr betroffen, daß so viele Menschen in den Verschickungsheimen so schlimme Erfahrungen gemacht haben und schätze mich glücklich, daß es bei mir völlig ok war.
(gegen den Heuschnupfen hat das natürlich nur geholfen, so lange ich dort war)
Eine zu diesem Bericht in etwa gleichlautende Erzählung hat mir immer wieder meine Mutter aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts gegeben.
Meine Mutter Helga Köhler, geb. Kleige wurde am 24.3.1929 und ist im März 2004 verstorben. Sie ist in Berlin-Friedrichshagen aufgewachsen und wurde in den dreißiger Jahren nach Borkum verschickt.
In ihrem Schulzeugnis aus Friedrichshagen fand ich den Vermerk, dass sie vom 10.6. bis 29.7.1937 verschickt war. Ein Foto dieses Dokumentes lege ich bei (gelingt mir leider nicht, ich schicke es an den Verein).
Sie hat beschrieben Erbrochenes selber wegwischen, kein Wechsel der Bettwäsche, Nicht-an den Strand dürfen bis alles gegessen wurde, alleine essen. Erbrochenes aufzuessen ist ihr nicht selbst passiert, aber sie hat es bei anderen Kindern gesehen und beschrieben, dass es für sie wichtig war auf den Boden zu brechen, damit ihr nicht das gleiche passiert.
Wir haben das in unserer Familie immer als schlimme Zustände in der NS-Zeit angesehen. Die Fortführung noch Jahrzehnte hindurch weiter ist unfassbar. Vielleicht hilft ihnen diese Erinnerungs-Aussage einer Tochter in ihren Forschungen zu belegen, dass die Zustände in den Verschickungsheimen der Bundesrepublik ihre Wurzeln im Dritten Reich hatten. Es hat anscheinend nach dem Krieg niemand gefragt, was damals passiert ist und so konnten diese Ungeheuerlichkeiten fortgeführt werden.
Gabriele Köhler
Söbrigener Str.7
01326 Dresden
Als 8-jährige war ich eine von beiden Jüngsten in einer Gruppe von Mädchen bis 12 Jahre!
Ich hatte 4 Astma-Anfälle hinter mir, bei denen ich ohnmächtig wurde und in Aurich unters Sauerstoffzelt musste. Der letzte war 1 1/2 Jahre her. Ausserdem war ich chronisch erkältet. Das "Reizklima" und das Autoverbot auf Langeoog sollten meine Atemwege heilen!
Ich war in Langeoog kreuzunglücklich, dachte aber bis zur Ausstrahlung der Lokalzeit Düsseldorf Ende Oktober '20, dass das meine Schuld wäre!
Ich kam mit der strengen Taktung des Tagesablaufs nicht klar, und auch nicht mit dem ganztägigen Verbleib in Gruppen, war eine verträumte Einzelgängerin, die nicht ständig mit anderen Kindern spielen und auf sie eingehen konnte. Von Anfang an hatte ich Heimweh und Schwierigkeiten mit den Kindern und Erzieherinnen!
Der Tag begann um 7 Uhr morgens mit dem Wecken! Meiner Erinnerung nach waren wir 6 Mädchen auf dem Zimmer und meine Gruppe von etwa 26 Mädchen teilte sich Toilette und Waschraum. Zu Hause lagen meine Kleider morgens für mich bereit und ich hatte ausreichend Zeit mich anzuziehen! Hier sollte man für Waschen und Anziehen nur 30 Min. brauchen und um 7.30 Uhr im Frühstücksraum sein.Das schaffte ich nie ! Ich konnte meine Kleider nicht schnell genug zusammenstellen und anziehen, suchte immer ein Kleidungsstück zuviel oder zuwenig raus und "kombinierte" Sommersachen zu Gummistiefeln und nichts passend zum Wetter! Fast immer vergass ich irgendein Teil der Unterkleidung anzuziehen, Strümpfe, Unterhose oder Unterhemd! Wenn um ca. 7.25 Uhr die Erzieherin kontrollieren kam, war ich noch nicht ansatzweise mit dem Anziehen fertig. Sie schimpfte dann, dass ich endlich lernen müsste, mich zu beeilen, und dass später alle auf mich warten müssten! Nach ein paar Tagen rief sie alle Kinder, die pünktlich fertig waren (fast alle), vor unser Zimmer, stellte mich halb bekleidet in den Gang und sagte "Guckt mal, wer hier fast nichts anhat!"
Die anderen Kinder grölten vor Lachen, tagelang jeden Morgen!
Nach sehr langer Zeit hatte eines der älteren Kinder, mit kleinen Geschwistern zu Hause, mit mir Erbarmen und verriet mir das Geheimnis: "Wir kriegen abends gesagt, wie morgen das Wetter etwa wird. Du stellst dich abends vor deinen Kleiderschrank, denkst nach welche Sachen am besten dazu passen würden, und faltest sie umgekehrt auf deinen Stuhl neben dir, zuerst die Jacke, zuletzt Unterwäsche und Strümpfe. Dann ziehst du morgens alles so schnell wie möglich nacheinander an!" -
Danach war ich nur noch leicht verspätet, weil etwas zu langsam beim Anziehen!
Von 7.30 Uhr bis 8.00 Uhr war Frühstück. Unser Essen wurde uns zugeteilt, wir kriegten fertige Rationen auf den Teller, mussten essen was da drauf war, kriegten aber auch nichts nach wenn wir mehr wollten! Einige Kinder waren wegen Untergewicht da .Sie wurden gezwungen, alles aufzuessen, und kriegten zu jeder Mahlzeit eine Extra-Ration. Die Erzieherinnen stellten sich ab 7.50 Uhr vor sie hin und drängten sie barsch, im Eiltempo die letzten Nahrungsmittel in sich rein zu schlingen! Die "Mageren" wollten nie essen und heulten und würgten! Wir anderen waren neidisch und hätten liebend gern ihre Extra-Ration verschlungen, denn unsere Portionen waren knapp bemessen.
Wir hatten zwar nach Tisch nie Hunger, waren aber auch nie richtig satt! Ich hatte ein zusätzliches Problem, weil mir um Punkt 8 der Teller unter der Nase weggezogen wurde und ich, wegen meiner Verspätung nach dem Antiehen, noch nicht fertig war!
Der Tag teilte sich in zwei Hälften, vor und nach dem Mittag. Morgens 8 bis kurz vor 12 Uhr und nachmittags bis 17.30 Uhr Programm. Jeden Tag gab es eine grössere Wanderung! Am Meer entlang, in die Dünen, zum grünen Gürtel der Insel, und zweimal sogar durch den Stadtkern! Ich hatte schlechte Füsse (Plattfüsse u.a) und am Ziel taten mir die Füsse weh. Dort wurde meistens irgendein Gruppenspiel gespielt (kriegen, goldener Wagen, bockspringen). Ich wurde von den Erzieherinnen zum Mitmachen ermahnt, setzte mich aber immer an den Rand, um meine Füsse auszuruhen. Ich sagte auch " Mir tun die Füsse weh". Die Erzieherinnen duldeten das aber nicht lange, sie wandten sich an die Gruppe: "Schaut mal, das Fräulein ist sich zu fein um mit uns zu spielen!" , oder " Die Dame braucht mal wieder eine Extra-Wurst! Findet ihr das gut Kinder?" "Nein!" riefen die Kinder, lachten mich aus und mieden mich auf dem Rückweg!
Auf dem Rückweg wollte ich mich immer an den Rand setzen und ausruhen, weil mir die Füsse weh taten! Es gab aber für die ganze Gruppe , etwa Klassenstärke, nur zwei Erzieherinnen. Eine lief vor der Gruppe und passte auf, dass niemand sie überholte, also zu schnell lief. Eine ging kurz vor Schluss und achtete auf alle Kinder Gruppe. Zwei ältere, zügig laufende Kinder mussten ganz hinten laufen und aufpassen, dass niemand hinter ihnen zurück blieb. Falls dich riefen sie die Erzieherin! Mit letzteren beiden geriet ich häufig aneinander, weil ich den Rückweg nicht schnell genug schaffte! Sie schupsten mich nach vorne, zogen mich an beiden Armen oder Ohren hinter sich her - oder riefen eben die Erzieherin! Die schimpfte lautstark auf mich ein: " Du kannst nicht allein nach Hause laufen, würdest nicht mal den Rückweg finden, das weisst du selbst! Willst du jetzt also, dass die ganze Gruppe stehen bleiben muss, nur weil du ein paar Wehwehchen an den Füssen hast?"
Mich zu schlagen hatte sie nicht nötig- die Schlusswachen-Kinder stiessen mich heim!
Beim Mittagessen dasselbe wie beim Frühstück : zugeteilte Portionen, alle das gleiche Essen, nicht zu wenig aber auch nicht reichlich! Ich konnte zwar irgendwie mit Messer und Gabel ans Essen kommen, hatte aber noch keine richtigen "Tischmanieren"!
Niemand wollte neben mir sitzen, meine Gruppe hatte mich ja sowieso nicht allzu gern!
Darum musste ich allein an einem Einzeltisch sitzen! Später, als rauskam, dass ich abreisen wollte, wurde die Gruppe noch weiter gehen mich aufgewiegelt und mein Tisch in die Mitte des Gruppenraums gestellt! Hier konnte mich jeder jederzeit beoachten und mit höhnischen Kommentaren belegen! Beim Anblick vom Zusatznachtisch für die mageren Kinder fragte ich mich schon damals, ob man von einem Pudding oder einer Banane mehr wirklich mehrere Kilo pro Mobat zunehmen könnte! Für die Mageren war es trotzdem Horror auf Tellern! Ein Mädchen in meiner Gruppe war zu dick und in meinen Augen noch schlimmer dran! Sie bekam nur wenige Bissen pro Mahlzeit auf ihren Teller und weinte den ganzen Tag, dass sie solchen Hunger hätte!
Sie wurde auch oft von den anderen Kindern wegen ihrer Figur verlacht und verspottet! Nur am Anfang mussten hier die Erzieherinnen nachhelfen: "Kinder, ist es richtig dass man sich sooo dick frisst?" "Nein!!!" - danach lief das Mobbing von allein und sie brauchten es micht mehr weiter an zu stossen!
In der zweiten Tageshälfte spielten wir auf dem Spielplatz, gingen Muschelsuchen am nahen Strand oder spielten im Gruppenraum. Wir bastelten oder malten oder spielten Spiele wie "ich sehe was, was du nicht siehst" oder "Teekesselchen" oder "Kofferpacken" oder Brettspiele wie "Mensch ärger dich nicht!"
Es spielte immer die ganze Gruppe dasselbe. Ob und was uns gefiel wirden wir nicht gefragt!
Ich selbst mochte die meisten drinnen stattfindenden Aktivitäten gern. Hier lernte ich Mobilees basteln und-von einer Tischnachbarin- Mainzelmännchen malen!
Für diese Fähigkeit wurde ich noch mehrere Schuljahr von meinen Klasdenkameraden beneidet! Dass das Mädchen sich mit mir beschäftigt hat, wundert mich heute, denn auch beim Gruppenspiel zeigte sich meist dass keiner mit mir spielen wollte! Trotzdem mochte ich alle Innen-Aktivitäten gern- sie schonten meine Füsse!
Um 17.30 Uhr war das Abendessen, um 18 Uhr gingen wir hoch auf die Zimmer, ausziehen, waschen, eine Stunde zur freien Verfügung, ab 19 Uhr musste man im Bett liegen und ruhen, nicht mehr reden, nichts mehr tun, obwohl es noch nicht dunkel war! Leider durfte man auch nicht mehr lesen, und ich liebte lesen! Ich hatte "Trotzkopf 1-3" mitgenommen, einen Riesenwälzer, der erst endete, als Trotzkopf Grossmutter war! "Du Angeberin, du kannst das mit 8 doch noch gar nicht lesen!" höhnten meine Zimmergenossinnen. Tasächlich hatten sie selbst nur Gross-Schrift-Bücher für ihte eigene Altersstufe dabei, aber ich komnte und wollte möglichst viel lesen! Unsere Taschenlampen waren im Voraus konfisziert worden, und frühabends bewachten uns die Erzieherinnen wie die Schiesshunde! Das führte dazu, dass ich abends so früh wie möglich an mein Buch wollte, und kaum mit den anderen Mädchen auf meinem Zimmer redete! Die hielten mich deshalb für eine "eingebildete Pute", haben auch einmal mein Buch versteckt, aber mich Gott sei Dank nie körperluch angegriffen! Die Jungen im Heim werden sicher Schlimmeres mitgemacht haben!
Auch wir durften nachts "nicht aufstehen", aber mir kam gar nicht die Idee dass das auch für Toilettengänge gelten könne!
2-3 mal während des Aufenthaltes war ich in tiefer Nacht auf der Toilette, ohne dass eine Aufsicht vor Ort gewesen wäre!
Meine Zimmergenossinen fanden den Aufenthalt toll! Aufgeregt erzählten sie von den Erlebnissen des Tages und malten sich aus, was sie morgen alles Schönes erleben würden. Ich hatte Sorgen vor jedem neuen Tag!
Einmal in der Woche hatten wir Briefschreibstunde, in der wir unseren Eltern schrieben! Schon beim ersten Mal versuchte ich meinen Eltern zu schreiben, dass ich mich schrecklich fühlte und sie mich sofort nach Hause holen sollten. Die Erzieherinnen lasen meinen Brief, beschimpften mich (wieder mal) lauthals vor der ganzen Gruppe, als ungezogen und undankbar! Von dort aus wurde ich zur Direktorin gerufen, und die tobte noch lauter, dass ihr noch nie rin Kind wie ich untergekommen wäre! Was ich wohl glaube ,dass meine Eltern mit mir machen, wenn
s i e i h n en erzählte, dass ich mich hier ständig absondern und ein Gesicht wie 3 Tage Regenwetter zu Schau tragen würde?-
Es half nichts, ich musste diesen Brief noch einmal schreiben, Tenor "Oh wie schön ist Langeoog"! Ich wusste auch damals schon, dass man die Briefe anderer Leute nicht lesen durfte, aber die Erzieherinnen sagten zuerst, dass sie auf Rechtschreibfehler kontrollierten.
Später lasen sie sofort im Gruppenraum:" Nur zu deinem Besten!"
Nach der Rückkehr fiel ich noch am Hafen meiner Mutter weinend um den Hals und erzählte ihr, wie schlimm es dort war!
Die meinte erschrocken:"Warum hast du denn nichts geschrieben?- Wir hätten dich doch sofort nach Hause geholt!"
Meine Eltern haben danach auch mit der Heimleitung telefoniert, aber die gaben mir allein die Schuld an meinem Unglück! -
Ich glaube, so dachten sie auch wirklich!Die schönen Fotos von Feiern und Ausflügenwaren in ihren Augen nicht gestellt, denn die Feiern und Ausflüge gab es ja wirklich! Dass man jedes 3.Kind unter lauten Ermahnungen zum Lächeln zwingen musste, war auf das Ungeschick der Kinder vor der Kamera zurückzuführen!
Man war überzeugt, uns zu unserem Wohl Ordnung und Disziplin beizubringen, und dass man letztlich uns alle glücklich gemacht habe!
Es gab auch hier schöne Momente! Besonderes das gemeinsame Singen, dass im Heim Freitag abends stattfand, liebe ich bis heute! Ich bin im einem Chor und einer Nachbarschafts-Singruppe! Viele Wandereime und Lieder habe ich auf Langeoog gelernt und werde sie bald an meinen neugeborenen Enkel weitergeben!
Von Missbrauch und Misshandlung habe ich nichts bemerkt!- Wie gesagt:
Bis vor einem halben Jahr dachte ich, ich sei Schuld! ?
auch ich finde diese Webseite sehr gut
Ich war 1968 für mehrere Wochen im Kinderheim Gutermann. Der Grund war, dass meine Hände damals fast immer zitterten, wenn ich sie ruhig halten sollte.
Im Heim habe ich damals eigentlich keine wirklich schlimmen Erfahrungen gemacht, obwohl es dort recht streng zuging. Alles war genau getimt. Auch die Toilettenzeiten. Dort musste man in Reih und Glied warten, bis man dran ist, bekam für den Stuhlgang abgezählte Blätter Klopapier. Es wurde auch kontrolliert, ob man sauber abgewischt hat. Das Essen war ok. Es gab allerdings mehrfach Schwarzwurzeln, die ich ekelig fand. Essen musste ich sie trotzdem. Das fand ich doof, aber erträglich.
Ansonsten war der Umgangston ok, die Mitarbeiter des Hauses freundlich. Es gab abwechslungsreiche Aktivitäten im Haus und Spaziergänge in der Natur. Ausgiebige Mittagsschlafzeiten.
Tatsächlich hatten mir die Wochen gutgetan. Auch wenn das Zittern der Hände zwei Wochen nachdem ich zurückgekommen war, wieder da war. Die Zeit dort hat mir eine Wiederholung der Schulklasse eingebracht, was mir in der Schule, bei der sozialen Einbindung erstmal nicht geholfen hat.
Für mich also keine schlechte oder gar traumatische Erfahrung. Immerhin gab es auch solche.
Ihre Arbeit unterstütze ich jedenfalls!
MfG
Natürlich sah ich in der 14 tägigen Zeit rein nichts mehr von den Geld.
Das war das erste negative Ereignis unter noch sehr vielen in dieser Zeit.
Wir mussten als Kinder auch ein Mittagsschlaf halten.
Draußen vor die Zimmertüren lauschte der sogenannte Hausmeister, ob auch alle mucksmäuschen still waren.
Beim kleinsten flüstern kam dieser Unmensch hereingeplatzt, zog die Bettdecken den Kindern weg und hielt die Kinder mit einer Hand an ein Bein hoch und mit der anderen Hand schlug er ohne Rücksicht zu, so das einige dabei vor Todesangst den Urin verloren.
Auch platzte diese Herr damals einfach so hinein in die Zimmer und riss uns im Schlaf die Decke weg, zog uns die Unterhosen runter, schaute dabei angeblich nach, ob jemand eventuell sich eigemacht hatte.
Beim kleinsten Rallystreifen Schlug er wieder genauso erstmal zu und musste dann das nur weibliche Pflegepersonal verständigt haben.
Jungs und Mädchen wurden dann von ein Zimmer zum nächsten ohne Unterhosen durch die teils kalten Gänge geschickt und mussten - angeblich zur Strafe - zusammen in mit Salzwasser gefüllte kleine Zinkwannen baden, bis das Wasser kalt wurde.
Das weibliche Personal saß davor und beobachtete jede Bewegung.
Ausflüge fanden auch statt. man hatte Durst, man hatte auch mal Appetit auf ein Eis, oder Ähnliches. Dieses wurde uns ständig verweigert mit der Begründung, dass man in Heim etwas bekommen würde.
An einige Sachen kann ich mich leider nun nicht mehr so erinnern, aber das was ich hier geschildert habe, blieb mein ganzes Leben in Erinnerung.
Als ich nach der Rückkehr dieses meine Eltern erzählte, da hatten diese mir nicht Glauben geschenkt.
Und andere mitreisende Kinder schilderten unmittelbar nach Ankunft am Berliner Rathaus Reinickendorf auch ihren Eltern ihr Leid. Verständnislos fand niemand von uns Kinder bei den jeweiligen Eltern Gehör.
Wäre dieses geschehen, so hätten eventuell die verstorbenen Kinder von 1969 jetzt noch leben können.
Auch ich erlebte als 6 jähriges Mädchen eine 6 Wochen andauernde Hölle in Bad Reichenhall. Kann mich Gott sei Dank an nicht mehr all so viel erinnern, allerdings an manches noch sehr deutlich. So wurden mir bei meiner Ankunft meine Süßigkeiten weggenommen, die meine Eltern für mich abgegeben hatten. Sie wurden in einen Wandschrank weggesperrt, habe nur ein mal eine Kleinigkeit davon bekommen, den Rest habe ich nie wieder gesehen. An das Solebad kann ich mich auch erinnern, ich wurde einfach ins Wasser geschmissen, habe geschrien wie am Spieß vor Angst, denn ich konnte sehen, dass das Wasser ziemlich tief war und ich da nicht stehen konnte. Dass es sich um Salzwasser handelte und man nicht untergehen konnte, wusste ich in dem Alter ja noch nicht. Ich hielt mich krampfhaft am Rand fest, bis mich wieder jemand rauszog. Essensmäßig kann ich mich an Haschee mit Kartoffelbrei erinnern, das roch und schmeckte süßlich-bitter, den Geruch habe ich noch heute in der Nase. Könnte mir vorstellen, dass es sich dabei um ein Schlafmittel handelte, denn ich wurde oft sehr müde. Hatte fürchterliches Heimweh, und habe wohl deshalb nachts oft ins Bett gepinkelt. Zur Strafe haben die BetreuerInnen mir büschelweise die Haare ausgerissen. Dann sperrten sie mich in einen kalten, stockdunklen Raum, wo ich mich mucksmäuschenstill auf ein Metallbett legen musste. Was dann geschah, weiß ich nicht. Jedenfalls fühlte es sich wund an und brannte. Im Waschraum wurden mehrere Kinder mit einem einzigen Waschlappen gewaschen. Singen mussten wir auch jeden Morgen, den Text und die Melodie kenne ich heute noch: "Und morgens früh um Sieben, da werden wir geweckt, dann kommt das liebe Fräulein und schmeißt uns aus dem Bett. Heidi Heida, Heidi Heida, wir Reichenhaller Bummler wir sind da....."
Ich war dort wegen Asthma und Neurodermitis, meine Eltern haben es gut gemeint und auf Hilfe gehofft. Was ich dort jedoch erlebt habe, war die Hölle. Sechs entsetzliche Wochen lang. Damals dachte ich, meine Eltern holen mich nie mehr heim. Dass mir die Haare ausgerissen wurden, wurde erst später von meinen Eltern entdeckt, da ich ein Käppi aufgesetzt bekam. Ich schämte mich außerdem fürchterlich. Ich habe mich damals nicht getraut, irgendwem zu erzählen, was dort passiert ist. Ich war sehr eingeschüchtert.
Ich hoffe, dass alle Betroffenen den Kontakt hierher finden. Vielen Dank denjenigen, die diese Seite ins Leben gerufen haben und uns damit die Möglichkeit geben, sich mitzuteilen und der Sache nachzugehen. Bin durch Zufall auf diese Seite gestoßen, dem Internet sei Dank!
Also setzten sie mich in Darmstadt mit anderen Kindern in die DB 2. Klasse einfachster Art und fuhren uns über mehrere Sammelstationen ich erinnere mich noch an Wiesbaden Biebrich Richtung Dagebüll / Wyk auf Föhr .
Die Fahrt war schon schlimm genug, an Schlaf war bei dem Krach und der schreienden Kinder nicht zu denken.
Als ich dann doch etwas schlief und erwachte hatte ich den Fuß der Begleitoma im Gesicht die gegenüber auf der Bank sitzend schlief. Somit begann der ganze Ekel.
Mit der Fähre nach Wyk war für mich damals aber ein Highlight. Die alte Fähre schaukelte bei starker Brise und alle Kinder kotzten, nur mir hat Seefahrt nie etwas ausgemacht, ich glücklich.
Angekommen im Haus Tannenberg dem Erholungsheim der Bundesbahn wurden wir sortiert, kleine Kinder und große Kinder. Ich mit 10 Jahren war großes Kind.
Ein großer Schlafsaal ca. 20 - 25 Betten. Die Betreuerinnen auch Tanten genannt hatten da nicht viel Mitgefühl. Gegessen wurde zum Frühstück 2 Brote fertig belegt Minimum jeder. Ob man das mochte oder nicht egal, wer nicht wollte wurde beschimpft, beleidigt vor den anderen und musste solange sitzen bis gegessen war. Das gleiche Mittags und abends. Eines Tages musste ich mich dann übergeben da nichts mehr rein ging und ich zur Toilette rannte. Kein Mitgefühl nur schimpfen und Anschuldigungen was man doch für ein böser Junge war. Eines Nacht macht ich ins Bett und wurde vor dem gesamten Schlafsaal bloßgestellt.
Morgens duschen, alle Nackt, es waren Jungs mit 14 Jahren dabei und selbst bei mir regte sich schon das Schamgefühl. Eine Junge "Tante" überwachte uns ob wir uns auch richtig wuschen, anschließend wurden wir von ihr mit einem Schlauch kaltem Wasser abgespritzt.
Das alles hat sich bei mir festgesetzt und ich könnte hier noch einiges mehr schreiben, aber es soll ja kein Buch werden. Jedenfalls habe ich den Tag der Abreise herbei gesehnt und das alles wegen 2 Kilo die ich zugenommen hatte und 6 Wochen Schule verloren dazu.
gez. Lutz Kuemmel 19.3.2021
Kann mich daran noch erinnern, da wir dort Fasching gefeiert hatten, ich war ein kleines Teufelchen.
Wir hatten Sport im Trainingsanzug.
Im Nachhinein denke ich, ich war dort um zuzunehmen, da mir Nusstorte vorgesetzt wurde, die ich auch aufessen musste, wobei ich überhaupt keine Nüsse möchte. Die Nuss-Sahne Torte bekam mir auch nicht. Abendprogramm: Sandmännchen, alle Kinder auf dem Boden in einem großen Raum. Als wir nach dem Sandmännchen ins Bett mussten (alle hatten ein Gitterbett in dem Alter) versuchte ich mich raus auf die Toilette zu schleichen, um dann die Torte wieder auszubrechen. Ein anderes Kind übergab sich einmal im Bett, kein Erzieher mit Mitleid, das Kind bekam Ärger. Ich habe mich, soweit ich weiß 2x übergeben müssen...
Ich habe in meinem Elternhaus glaube auch noch ein paar Briefe bzw. Bilder o.ä. aus der Kur.
Draußen bauten wir ein Tippi aus Ästen, daran kann ich mich auch noch wohl erinnern. Die Decken der Räume waren hoch. Beim abendlichen duschen, gingen wir Kinder im Kreis unter den Duschen, damit alle Wasser abbekamen und keiner warten musste. Wir hatten Spaß, und die Erzieher waren meist streng und korrekt.
An mehr habe ich leider keine Erinnerungen.
Bereits am ersten Tag erklärte ich, dass ich Heimweh habe und wieder nach Hause will. Dafür gab es dann am Abend Milchsuppe. Diese mochte ich nicht, wurde jedoch gezwungen den Teller zu leeren. Zur Strafe bekam ich aus dem grossen Kessel eine Kelle extra. In der Folgezeit erbrach ich diese Suppe, welche es jeden Abend gab. Mal erbach ich meine Suppe bereits im Speisesaal, worauf ich einen neuen Teller vorgesetzt bekam.
Oft erbrach ich mich Nachts. Nachdem ich dann gewaschen und umgezogen war, musste ich mich barfuß im dunklen Flur auf eine Fußmatte vor der Küche stellen. Mir war kalt und ich hatte Angst.....nach der Küche folgte am anderen Flurende eine grosse Tür zur Kapelle. Hier sangen die Nonnen.....
Wenn ich Glück hatte, bekam ich von Küchenpersonal ein Stück Schokolade.
Wach wurde ich immer in meinem Bett.
Obwohl es zwischenzeitlich geschneit hatte, gingen wir nie nach draussen.
Nach 6 langen Wochen hieß es plötzlich, dass wir zum Bahnhof gehen. Als wir in Köln aus dem Zug stiegen mussten wir in 2er Reihe die Treppe zur Halle gehen. Erst nach Erlaubnis durften wir zu unseren Eltern. Meine Mutter war alleine gekommen, da mein Vater gearbeitet hat. Ich muss wohl meine Mutter festgehalten haben als sie meinen Koffer gesucht hat und später in der Straßenbahn.
Wenn ich vorher unter Heimweh litt, wurde dieses auf Jahre verstärkt.
Und warme Milch trinke ich bis heute nicht.
Kurz nach der Geburt unseres kleinen Bruders wurden meine Schwester, 4, und ich, 2 1/2 Jahre alt, nach Lenggries verschickt, damit meine Mutter Zeit für das Baby hatte. An dieses Heim und die Zeit dort habe ich keine Erinnerung. Aus den Erzählungen meiner Eltern und Verwandten weiß ich nur, daß ich vorher Schnee sehr gerne mochte, seitdem gehe ich bei Schnee ungern aus dem Haus.
Die 2. Verschickung nach St.Peter Ording war schon mit unserem kleinen Bruder zusammen, da unsere Mutter völlig überfordert war. Da ich zu der Zeit erst 5 Jahre alt war, habe ich auch daran wenig Erinnerungen. Mädchen und Jungen wurden streng getrennt. Auf einem Spaziergang bin ich aus der Reihe gelaufen, da ich auf dem Nebenweg meinen kleinen Bruder gesehen habe, der mir auch gleich entgegen rannte. Dafür wurden wir beide beschimpft und geschlagen. Schwierigkeiten gab es auch beim Essen, da wir nicht immer die Teller leer essen konnten. Und irgendwann hat eine der Tanten entdeckt, daß ich die Vitaminpillen einer Zimmerpflanze in die Erde gesteckt habe. Daraufhin mußte ich so lange am Tisch unter Aufsicht sitzen bleiben, bis ich die Pillen geschluckt hatte. Da ich sie während des Schluckens immer wieder erbrochen hatte, dauerte dies natürlich sehr lange. Die von den Eltern vorfrankierten Karten wurden mit an der Tafel geschriebenen Texten versehen (entweder von den Kindern selbst oder von den "Tanten") und abgeschickt. Also hatten unsere Eltern ständig 3 Karten gleichen Inhalts in der Post.
Schlimm waren die Nächte in den Schlafräumen. Mehrmals wurde ich von den größeren Mädchen angegriffen, bis ich heulend im Bett lag - inklusive mindestens einer rektalen "Vergewaltigung" mittels eines Bürstenstiels - danach wurde ich als Störenfried aus dem Zimmer geholt und mußte den Rest der Nacht auf einer Truhe im Flur verbringen, nur im Nachthemd, ohne Decke. Besonders schlimm war, das meine Eltern der Meinung waren, eine Strafe hätten wir uns immer selbst verdient. Zu Hause wurde über die Zeit im Kinderheim nicht gesprochen.
Wie ich aus den anderen Berichten gesehen habe, bin ich nicht die Einzige, die bis heute unter den Folgen der Verschickung leidet. Allerdings haben natürlich auch andere traumatische Kindheitserlebnisse (Eltern, Krankenhausaufenthalte, ...) Spuren hinterlassen, die ich nicht alle trennen kann.
Das Heim ist in meiner Erinnerung von Nonnen geleitet worden. Ich war im tiefsten Winter da und habe ständig gefroren. Die viele Kleidung die ich dabei hatte, wurde weg gesperrt. Bei der Ankunft wurde ich gefragt welche der beiden Winterjacken ich behalten möchte. Als Kind habe ich mich natürlich für die schönere und nicht für die wärmere entschieden. Das hieß 6 Wochen frieren. Ich habe mich damals nicht getraut das zu artikulieren. Ich kann mich an sehr lange Spaziergänge im Schnee erinnern, bei denen ich vor lauter Kälte regelmäßig in die Hose machte. Das interessierte keinen. Frische Wäsche bekam ich nicht. In meiner Erinnerung stand bei den Toilettengängen immer eine Nonne daneben.
Badetag war einmal in den ganzen 6 Wochen.
An das Essen habe ich nicht viel Erinnerung, ich glaube man musste immer aufessen. Tat man das nicht, musste man sofort ins Bett. Die Nächte waren fürchterlich, ich hatte immer Angst.
Meine Mutter war schockiert als ich nach Hause kam, weil ich so dreckig war.
Diese Kinderkur hat mich mein ganzes Leben verfolgt. Ich war sehr introvertiert als Kind und Jugendliche. Alles in allem war es die schrecklichste Erfahrung die ich in meinem Leben hatte und das als Kind.
Da sie jetzt gerade ihr Trauma aufarbeitet und sich überhaupt nicht mehr an diese Kur erinnern kann. Wer hat Erinnerungen und kann zu dieser Einrichtung etwas sagen? Uns wäre damit sehr geholfen. Marina Proske
1972 war ich im Alter von 9 Jahren in den Sommerferien 6 Wochen zur Kinderkur in Bad Sooden Allendorf. Ich war nicht kränklich, aber meine Eltern hatten wenig Geld und wollten mir "etwas Gutes tun". Durch die Sendung im SWR habe ich (mal wieder) über diesen Aufenthalt nachgedacht.
Es gab in dem Kurheim mehrere Gruppen, nach Geschlecht und Alter getrennt. Ich war trotz meiner 9 Jahr in der älteren Gruppe, 10-17 Jahre untergebracht (vielleicht war die jüngere Gruppe schon voll...).
An schlimme Dinge oder Übergriffe durch die Betreuer kann ich mich nicht erinnern, oder ich habe davon nichts mitbekommen - ich möchte behaupten, so etwas gab es dort nicht.
Auf jeden Fall empfand ich es alles sehr streng und fühlte mich eingesperrt. Briefe, die ich schrieb und bekam wurden geöffnet und daher vermutlich auch gelesen. Wenn man bedenkt, dass dies damals der einzige Kontakt zu meiner Familien war.... eine sehr lange Zeit, mit viel Heimweh - heutzutage fast undenkbar. Pakete von zu Hause wurden geöffnet, die Süßigkeiten einbehalten (und an alle verteilt??).
Seltsamerweise kann ich mich kein bisschen mehr daran erinnern, wie wir Kinder den Tag verbracht haben. Ob gespielt oder gebastelt wurde o.ä. - dazu fällt mir gar nichts mehr ein, auch keinerlei Namen der Betreuer oder anderer Kinder.
Wenige Dinge sind mir in Erinnerung geblieben:
- morgens gab es immer einen Haferbrei
- ich hatte einige Anwendungen in Form von Solebädern, Inhalationen und Gruppengymnastik
- im Ort gab/gibt es ein Gradierwerk mit salziger Luft, das müssen wir wohl besucht haben
- eine von den anderen Mädchen hat mir ständig erzählt, dass sie nach dem Trinken von kalter Milch einen Herzinfarkt erlitten hatte
- alle Kinder, auch die Ältesten mussten Mittagsschlaf halten, was ich damals blöd fand.
- und ich weiß noch, dass ich froh war, trotz meiner erst 9 Jahre in der älteren Gruppe untergebracht war, denn die jüngere Gruppe hat noch weniger Freiheiten und ich habe die Kleineren bedauert. Ich weiß nicht mehr, warum ich das so empfand. Aber es muss ja einen Grund für meine Gedanken gegeben haben.....
Mehr fällt mir zu dieser Kur nicht ein, wie eine Gedächtnislücke. Zum Glück sind meine Erinnerungen, im Vergleich zum Bericht im SWR relativ undramatisch.
Da ich erst nicht mehr wusste, wie das Kurheim hieß, habe ich die Begriffe "Bad Sooden-Allendorf und Kinderkurheim" im Internet eingegeben. Bei den dabei angezeigten Bildern sieht man alte Postkarten und ich habe die Klinik sofort wiedererkannt. Auf der einen Postkarte ist ein Aufenthaltsraum mit einer Kommode, bei dem Foto bin ich ein wenig zusammengezuckt - warum auch immer.
Schon damals habe ich gespürt, dass mir das Ganze nicht gut tut, weil ich mich dort überhaupt nicht wohl - sondern eher inhaftiert gefühlt habe. Konkrete Gründe kann ich nach 50 Jahren nicht mehr nennen. Selbst wenn die Erinnerungen verblasst sind, weiß ich folgendes ganz genau:
Meine Persönlichkeit hat sich nach diesem Kuraufenthalt dauerhaft verändert. Unmittelbar danach haben sich meine durchschnittlichen Zensuren in der Schule von einer 2 auf eine 4 verschlechtert, was sich bis zum Ende meiner Schulzeit nicht mehr gebessert hat. Ich bin von einer aufgeweckten Schülerin, zu einer introvertierten Schülerin geworden, die zu einer mündliche Beteiligung am Unterricht nicht mehr in der Lage war. Entsprechende Hinweise sind in jedem meiner Schulzeugnisse dokumentiert.
Auch konnte ich aus Angstgründen an keiner Klassenfahrt, Konfirmandenfreizeit usw. mehr teilnehmen. Selbst eine Gruppenreise während meiner Berufsausbildung sagte ich ab. Bis heute fühle ich mich auf Gruppenreisen auch mit Arbeitskollegen, sei es zu Seminaren oder Betriebsausflügen unwohl bzw. ich fahre unter einem Vorwand gar nicht mit. Eigenartigerweise ist das bei Privatreisen nicht so, auch reise ich problemlos alleine.
Im Dezember 2019 habe ich wegen starker Erschöpfungssymptome eine Reha beantragt, die auch genehmigt wurde. Als der Termin feststand und näher rückte, wurde mir immer unwohler und ich empfand regelrechte Ängste, so dass ich unter einem Vorwand eine Verschiebung beantragt habe. Ich habe mich erst so auf die Reha gefreut, aber irgendwie mag ich nicht fahren.
Es erschreckt mich fast, dass ich so empfinde. Ich habe Angst, fremdbestimmt und eingesperrt zu sein.
Was mir auch noch gerade einfällt, aber irgendwie in den Zusammenhang passt: ich hasse und vermeide Arztbesuche, weil ich das Gefühl habe, dem Arzt "ausgeliefert" zu sein.
Ich kann nicht sagen, ob während dieser Kinderkur 1972 etwas vorgefallen ist oder ob mich die Trennung und das Heimweh so nachhaltig beeinflusst haben.
Ich finde es sehr wichtig, dass mit dieser Initiative und den vielen Erlebnisberichten auf der unglaubliche Schicksal der Verschickungskinder hingewiesen wird.
Am Bahnhof in kaiserslautern haben mich meine Eltern einer Tante übergeben,die dann mit mir zusammen mit dem Zug nach muggendorf fuhr...kann sein dass noch andere kinder zustimmen aber das weiss ich nicht mehr.
Am Bahnhof muggendorf stiegen wir aus und liefen zum heim. Eine Tante zeigte mir von weitem das Haus...und ich fragte wo das Schwimmbad ist,welches sich auf dem Dach des Hauses befinden sollte...... Ich war schon mit 5 Jahren eine gute schwimmerin und meine Mutter hat mir den Aufenthalt dort wohl so schmackhaft machen wollen d mir sogar einen neuen Badeanzug gekauft.
Die Tante sagte mir dass sie kein Schwimmbad haben und ganz und gar ich eins auf dem dach!
ICH HABE MICH SO BELOGEN UND BETROGEN GEFÜHLT!
MEINE MUTTER HAT MICH BELOGEN
Ich habe dieses Gefühl nie vergessen und weiss dass 5 jährige Kinder schon genau wissen,was recht und Unrecht ist!
Es waren schlimme Wochen und ich habe mich verstoßen gefühlt von meinen eltern! Das Gefühl ist auch nie wieder weggegangen,bis heute.
Mittagsschlaf,ohne sich rühren zu dürfen!, kann mich erinnern wie ich mal in meiner Qual mit voller blase unter der liege durchgekommen bin,auf der eine Tante lag und schlief. Sie blockierte die Tür zum Schlafraum damit keiner rauskam. Wie in Zeitlupe bin ich unter ihr durchgekommen und mein Herz hat so laut geklopft....aber ich habe es bis zum Klo geschafft und wieder zurück in mein Bett ohne dass sie was gemerkt hat!
Vor dem Essen mussten wir einen Teelöffel puren Meerrettich essen....das sei appetitsteigerung.
Mir wird heute noch von dem Geruch schlecht!
Und die lügen,die per Postkarte zuhause ankamen!
DINGE,DIE ICH NIE DIKTIERT HABE. Ich konnte ja noch nicht schreiben.
Muggendorf ist jetzt ein Altersheim
An meinem 55 steh Geburtstag wollte ich da nochmal hin,irgendwie abschließen. 50 Jahre später
Im eingangsbereich des altersheimes haben Sie Bilder aufgehängt aus der Zeit als Kinderheim.
Eine altenpflegerin wollte mich durchs Haus führen,aber ich habe das nicht geschafft,habe überall angefangen zu zittern und Tränen sind geflossen.
Es war dann doch noch ein sehr schöner Urlaub in muggendorf....es liegt so schön im Tal an der wiesent.
Als Kind hatte ich da keine Augen für.
Meinen teddy und meinen affi wollten sie mir wegnehmen,wenn ich nicht aufhöre zu ? weinen.
Lauter solche Methoden....wie bei den nazis
Vieles,was mir im Leben passiert ist,geht irgendwie auf diese Zeit zurück! Die haben viel kaputt gemacht!
Und das schlimmste ist,
Keiner hat mir geglaubt!