Zeugnis ablegen
ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN
Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung.
Wir bauen außerdem ein öffentlich zugängliches digitales Dokumentationszentrum auf, dort ist es möglich seinen Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild zu versehen und zusammen mit der Redaktion einen Beitrag zu erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einzustellen, der für zukünftige Ausstellungen und Dokumentationen benutzt werden kann. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel
Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr drei Möglichkeiten:
- Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei der Buko Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selber einer.
- Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
- Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen
Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!
Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.
Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.
Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen
Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.: IBAN: DE704306 09671042049800 Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de
Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen
Das Trafohäuschen war damals nicht allzu weit weg vom Kinderheim und war meist der Ausgangspunkt für die Folter durch die älteren, stärkeren und größeren Kinder, die immer mindestens zu Dritt waren. Der nasse Schnee blieb mir besonders in Erinnerung, weil mir an einem Tag bei solch einem Wetter der Mund mit Schnee so voll gestopft worden war und ich zusätzlich mit dem Gesicht in den Schnee gedrückt wurde und sich die Kinder auf mich setzten, so dass ich keine Luft mehr bekam und echte Todesangst hatte.
Ob ich mich befreien konnte oder evtl. nur bewußtlos geworden war weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich kurz danach um Hilfe flehend die Betreuerinnen ansprach und Ärger bekam und aufgefordert wurde, mich halt zu wehren. Ich könne die anderen doch auch einseifen oder mit der Faust zuschlagen... Zur Erinnerung: Es waren stets mindestens drei Jungen, alle 2 bis 3 Jahre älter und einen Kopf größer als ich. Ich war zur Kur, weil ich zu klein und zu schwächlich war.
Ich hatte an dem Tag noch mehrere Stunden Probleme mit vorher mir unbekannten Kopfschmerzen und Schwindel. Ich gehe davon aus, tatsächlich aus Mangel an Sauerstoff ohnmächtig gewesen zu sein. Deshalb sehe ich bis heute hinter jedem Trafohäuschen einen mit nassem Schnee bedeckten Hügel.
Alle an diesen übergriffen beteiligten Jungen wurden auf der Weinachtsfeier vom Weihnachtsmann gelobt und bekamen Süssigkeiten und Geschenke, während ich als eines der ganz wenigen Kinder die Rute bekam (von über 100 waren es maximal 5). Ich war ja so ungezogen, einen Jungen mit Heimweh zu trösten, außerdem kam ich von den Jungenwanderungen über Wochen stets durchnässt und verdreckt zurück...
daß ich weiteressen mußte, obwohl ich mich erbrochen habe. Von den sechs Wochen dort sind mir nur diese zwei Situationen in Erinnerung geblieben- die restliche Zeit scheint nicht mehr zu existieren. Nach dem Aufenthalt dort, hat sich bei mir ein ausgeprägtes Hospitalismussyndrom gezeigt, wobei dieses nie benannt, geschweige denn behandelt wurde.
Im Rückblick muß ich sagen:
Menschenverachtende Zustände, direkt ableitbar aus einer nicht aufgearbeiteten Geschichte!
Und wieder einmal ist die Kirche der Täter....
Und noch ein Nachtrag zu meinem Bericht: An das Essen selbst habe ich wenig Erinnerung, aber an mehrere Dinge, die mit dem Essen zu tun hatten:
Es gab in dem Heim Kinder, die abnehmen sollten, andere sollten wie ich zunehmen und ein Junge hatte vermutlich Diabetes. Er bekam eine Sonderkost - immer die gleiche! Sechs Wochen lang! Der tat uns allen leid. Wir saßen bunt gemischt, aber immer am selben Platz. Der Diabetiker saß links von mir, an meinem Tisch saßen mehrere dicke Kinder, die tatsächlich regelmäßig Hunger hatten, weil sie für mich unvorstellbar kleine Portionen bekamen. Die wie ich dünnen Kinder hatten das Privileg, beliebig viel Nachschlag holen zu können. Das habe ich teilweise sogar für mich gemacht. Ich weiß nicht mehr, was es dort so alles gab, aber das Essen wird ganz normal gewesen sein, nur der Kamillentee war für mich untrinkbar.
Da ich wie ich bereits schrieb deshalb den Tag über sehr viel Durst hatte, tauschte ich fast jeden Morgen: Ich holte Nachschlag, also Brote o. ä., die ich gegen die Kindertassen mit geschätzt maximal 100 ml Kakao eintauschte.
Der starke Durst hat dabei vermutlich bis heute Folgen: Seit meiner Kindheit trinke ich sehr viel, es gab Zeiten, da trank ich täglich teilweise bis zu 5 oder 6 Liter. Inzwischen sind es meist nur noch zwischen 3 und 4 Liter, teilweise auch mehr und ich werde seit Jahrzehnten regelmäßig von meinen Ärzten gescholten, weil das ungesund ist. Aber ich habe halt immer Durst. Es kommt häufig vor, dass ich eine 1,5 Liter Flasche Cola Zero in wenigen Minuten austrinke. Meist sind das pro Tag 2 Flaschen, dazu kommt dann noch locker ein Liter Milch oder Saft. Wenn ich viel Stress habe, trinke ich mehr! Ich denke, das ist eine der Spätfolgen der Kur, die über 46 Jahren her ist.
Meinen Speiseplan konnte ich dagegen sehr gut an meine Wünsche anpassen. Gab es etwas, das ich widerlich fand oder nicht mochte, wie z. B. Leber, dann gab ich diese an die dicken Kinder am Tisch und holte mir vom Kartoffelbrei und der Beilage Nachschlag. Als Kohlliebhaber (Grünkohl, Rosenkohl und alle anderen Arten) gab es oft etwas, das mir sehr schmeckte, was aber - zugegeben - von vielen anderen Kindern als widerlich angesehen wurde. Für mich muss ich sagen: Das Essen war gut, ich habe keine negative Erinnerung daran.
Natürlich durften wir uns nicht erwischen lassen, es gab massive Strafen, wenn wir nicht ausschließlich von unseren Tellern aßen. Die gängigen Strafen waren langes In-der-Ecke-Stehen, Ausschluß von Gemeinschaftsaktivitäten u. ä. m..
Post nach Hause wurde kontrolliert und von Heimweh durfte man nichts schreiben. Es gab dann eine Karte, die schon vorgeschrieben war, da durfte ich meinen Namen drunterschreiben.
Ich war in dieser Zeit eh schon sehr verstört, da mein Bruder kurz zuvor druch eine Unfall ums Leben gekommen war. Dieses völlige Alleingelassensein in erniedrigenden Situationen hat mir einen seelischen Schaden zugefügt, den ich nicht ermessen kann.
Vor der Einschulung war ich schon einmal für 6 Wochen auf Spickeroog und später nochmal auf Föhr doch diese Aufenthalte haben keine so negativen Eindrücke hinterlassen.
Zuerstmal möchte ich aber gerne noch loswerden, wie erschreckend und gleichzeitig irgendwie auch erleichternd/befreiend (ich finde keine besseren Worte) es ist, daß so viele Kinder ähnliches erlebt haben wie meine Brüder und ich. Ich dachte damals, wir hätten einfach Pech gehabt, im „Haus Sonnenschein“ wäre es bestimmt besser gewesen... Niemals hätte ich gedacht, daß das ganze eine groß angelegte, systematische Kindesmisshandlungsindustrie sein könnte, von u.a. Krankenkassen und KIRCHEN unterstützt und finanziert.
Nun aber zu meinem Bericht.
Vermutlich 1980 wurden meine drei jüngeren Brüder und ich zur Kinderkur nach Langeoog geschickt, ins Flinthörnhaus. Wir kannten Langeoog, haben auch einige Verwandte dort, und da meine Mutter uns von ihren schönen Erlebnissen in ihrer eigenen Kur erzählt hatte, habe ich mich trotz der Aussicht, so lange von zu Hause weg zu sein, auch ein bißchen auf die Zeit auf der schönen Insel gefreut. Ich war damals 12 Jahre alt, meine Brüder waren 11, 9 und 7 Jahre alt. Wir hatte eine eher problematische Situation zu Hause und waren alle vier von der psychosozialen Entwicklung her nicht unserem Alter entsprechend, also gefühlt jünger. Mein jüngster Bruder war auch noch nicht in der Schule.
Unser Aufenthalt muss im Herbst gewesen sein; ich erinnere mich an eher wärmere Jacken und daran, daß ich Sanddornbeeren gegessen habe.
Ich weiß nicht mehr, wie wir zum Kurheim gekommen sind, aber ich bin mir sicher, daß wir ohne unsere Eltern mit der Fähre nach Langeoog übergesetzt sind und am Anleger von irgendjemandem „eingesammelt“ wurden.
Eingesammelt wurden dann, im Kurhaus angekommen, auch unsere mitgebrachten Süßigkeiten und persönlichen Dinge sowie unser mitgebrachtes Taschengeld. Ein Kuscheltier durfte man behalten. Die Süßigkeiten haben wir nie wieder gesehen. Ich hatte es irgendwie geschafft, meinem Teddy den Rücken aufzumachen und heimlich eine Hand voll Gummibärchen hineinzustecken, so konnte ich in der ersten Zeit ab und zu mal ein Gummibärchen mit dranklebenden Schaumstoff-Flöckchen essen, natürlich nicht ohne Angst, erwischt zu werden...
Mein Bruder erinnert sich an Angst vor der ärztlichen Eingangsuntersuchung, bei der alle Kinder erstmal nackt bis auf den Schlüpfer auf dem Flur warten mussten, bis sie von einer älteren Ordensschwester einzeln ins Zimmer gerufen wurden. Besagte Schwester Elfriede war zum Glück sehr nett. Zu ihr durfte ich dann aufgrund meiner Neurodermitis auch jeden Morgen gehen und mich am ganzen Körper eincremen lassen. Das hätte ich zwar mit meinen 12 Jahren durchaus auch schon selbst gekonnt, war aber ganz dankbar für diese kleinen friedvollen Momente des Umsorgtwerdens. Es waren so ziemlich die einzigen dort.
Es wurde, wie bei so vielen anderen, vor allem mit Angst, Drohungen, Strafen, Psychoterror und auch körperlicher Gewalt gearbeitet.
Ich erinnere mich an zwei Aufsichtspersonen?Erzieherinnen?, Schwester Annegret und Schwester Jutta. Vor allem Schwester Jutta war schrecklich. Von der Beschreibung her könnte sie die gleiche Person sein wie in einem Bericht ein Stückchen weiter unten vom Dünenhaus in 1968.
Meine Brüder und ich wurden bald nach der Ankunft voneinander getrennt, wir hatten kaum Kontakt, durften auch bei den Mahlzeiten nicht zusammen sitzen, nur wenn ich beim Rausgehen den Kleineren beim Jacke anziehen geholfen habe, war manchmal auch mein jüngster Bruder dabei. Bei einer solchen Gelegenheit stand plötzlich Schwester Jutta hinter mir, verpasste meinem kleinen Bruder eine deftige Ohrfeige und schnauzte in an, er solle gefälligst den Mund zumachen.
Mein kleiner Bruder hatte Polypen und konnte durch die Nase keine Luft bekommen. Als ich Schwester Jutta darauf hinwies, fing auch ich mir eine Backpfeife ein.
Wenn wir nach draußen gingen, war es immer eine Wanderung oder eher ein Marsch in Zweierreihen durch die Dünen. Am Strand waren wir in den ganzen vier Wochen nicht ein einziges mal. Ganz selten sind wir auch durch den Ort marschiert, bei solchen Gelegenheiten habe ich mir immer gewünscht, daß eine von unseren Verwandten uns doch bitte sehen möge.
An irgendwelche anderen Aktivitäten, Spiele oder ähnliches erinnere ich mich nicht.
Auch nicht, was es zu essen gab, aber ich erinnere mich an die Angst bei den Mahlzeiten an den langen Tischen. Mein damals 11jähriger Bruder erinnert sich an Hagebuttentee am Morgen und Pfefferminztee am Abend und schrieb mir: „Ich hatte noch lange nach Langeoog große Probleme mit Quarkspeise und Angst, daß die Spaghetti nach Kotze schmecken“
Ja, auch bei uns musste Erbrochenes aufgegessen werden. Ich erinnere mich an den kleinen Jens, der mit seinen zwei Jahren der Kleinste dort war und einmal seine Suppe oder Haferschleim nicht vertragen konnte, sich auf den Teller übergeben hat und gezwungen wurde, das ganze aufzulöffeln. Was er natürlich nicht konnte, er hat furchtbar geweint, und wurde dann festgehalten, bekam den Mund aufgedrückt und bekam die ganze eklige Portion dann zwangsweise eingeflößt.
Aber natürlich vor den Mahlzeiten alle schön die Hände falten, und wer spricht heute das Tischgebet?
Der gleiche kleine Jens musste, nachdem er einmal eingekotet hatte, im Gruppenwaschraum alleine mit der Hand seine Wäsche waschen. Mein 9jähriger Bruder hat im dann geholfen, da der Kleine weinend vor ihm stand und damit völlig überfordert war.
Dann war da der fünfjährige Markus, der nachts eingenäßt hat und jeden Tag im Waschraum sein Laken auswaschen musste. Außerdem mußte er fast täglich die Toilette schrubben, da ihm öfter mal Stuhlgang daneben ging.
Ich bin mir nicht sicher, aber meine, mich zu erinnern, daß ich eine Nacht auf dem Fußboden neben dem Bett schlafen musste, weil auch meiner Blase die Nacht zu lang war und ich im Schlaf ins Bett gemacht hatte.
Es gab zwei große Schlafsäle, einen für die Mädchen, einen für die Jungs. Nach dem Licht ausmachen durfte man nicht mehr auf die Toilette (Schwester Annegret hat einen manchmal gelassen, wenn keine Gefahr bestand, daß es jemand mitbekommt), reden ja sowieso nicht.
Die Nachtwache saß im Flur zwischen den Schlafsälen und hat aufgepaßt, ab und zu ging sie rum und leuchtete uns mit der Taschenlampe ins Gesicht um zu kontrollieren, ob wir auch wirklich schlafen.
Ich habe damals noch am Daumen gelutscht und hatte eine Heidenangst, erwischt zu werden, oder daß ich mit dem Daumen im Mund einschlafen könnte und es dann die Nachtwache sieht.
Mein damals 9jähriger Bruder ist nachts davon aufgewacht, daß Schwester Jutta ihn an den Haaren gerade gezogen hatte, weil er wohl „zu schräg im Bett lag“.
Kinder, die während der Mittagsruhe im Bett heimlich lasen, wurden ebenfalls von der lieben Jutta an den Haaren aus dem Bett gezogen.
Gebadet, geduscht oder auch nur die Haare gewaschen haben wir uns in den vier Wochen nicht, es gab nur die großen, weiß gekachelten Gruppenwaschräume mit Waschbeckenreihen, wo wir uns mit kaltem Wasser waschen durften.
Es waren auch drei vierzehnjährige Kinder da, obwohl laut meiner Mutter die „Kur“ nur für Kinder bis zwölf sein sollte. Ein Mädchen, Carmen, und ein Zwillingspaar, Christian und seine Schwester, ich glaube, sie hieß Petra oder so. Christian kam manchmal zu uns in den Mädchenschlafsaal und hat sich auf mich gelegt. Ich habe das damals gar nicht verstanden. Heute frage ich mich, wie er es überhaupt geschafft hat, in unseren Schlafsaal zu kommen, ohne daß die Schwestern es gemerkt haben.
Einmal durften wir Briefe nach Hause schreiben, die aber natürlich auch vor dem Zukleben kontrolliert wurden, damit auch ja nichts schlechtes drin stand.
Und wer, wie auch wir einmal, ein Päckchen von zu Hause bekam, hat davon auch nicht viel gesehen. Die beiliegenden Briefe/Karten wurden vorgelesen, der Inhalt wurde einkassiert. Und auch nicht an alle verteilt, sondern von den Schwestern behalten.
Wir hatten Glück und waren nur vier Wochen in dieser Kinderhölle, aber die waren auch lang genug, um uns kräftig zu traumatisieren.
Als wir nach Hause kamen, habe ich unseren Eltern erzählt, was uns dort passiert ist.
Meine Mutter hat mir nicht so richtig geglaubt und es abgetan „so schlimm kann‘s doch nicht gewesen sein“. Heute sagt sie „ich dachte, wir tun euch was gutes“.
Mein Vater, der als Kind während des Krieges übrigens in Kinderlandverschickung war, hingegen hat sich furchtbar aufgeregt und ich glaube, er hat auch einen Beschwerdebrief geschrieben, auf den aber nie eine Antwort kam.
Meine beiden Schulfreundinnen und ich gehören definitiv nicht dazu. Wir hatten die schönsten 6 Wochen in dem Kinderheim "Marienhof", Wyk a. Föhr. Wir waren viel an der frischen Luft am Südstrand und haben die Zeit genossen. Es ist zu keinerlei Strafen o.Ä. gekommen. Mittagsschlaf fand zwar statt, empfanden wir aber nicht als schlimm. Ich habe geweint, als es wieder nach Hause ging.....
Ich besuche die Insel 1x im Jahr und mein erster Weg führt immer in das Kinderheim, heute "Friesenhof".
Im Okt. 1962 war ich zusammen mit 3 Schulfreundinnen in Clausthal-Zellerfeld im Kinderheim "Voigtslust". Auch hier haben wir 6 herrliche Wochen verbracht. Viel an der frisch Luft, Pilze sammeln o.ä. Es wurden kleine Theaterstücke aufgeführt. Es ging uns rundum gut.
Dass wir nachts nicht auf die Toilette durften, sondern auf einen Topf gehen mussten, fanden wir amüsant aber nicht schlimm. Wir hatten alle unseren Spaß.
Wir hatten dann wohl großes Glück .....
Es war Ende 1974, als ich für 6 Wochen von November bis Dezember zur Kur sollte. Meiner Eltern und ich erwarteten einen Urlaub im (wenn ich mich recht entsinne) Schwarzwald. Ich war noch keine 9 Jahre alt, war aber ein selbstbewußt erzogenes Kind. Ich war nicht ängstlich. Darum hatten sich meine Eltern immer bemüht. Für mich war die Kur tatsächlich ein Urlaub. Da ich einer der kleinsten und schwächsten Jungen in der Klasse war, lautete die Begründung für die Kur: Schwächlich, also Aufpeppeln.
Die erste Zeit begann ganz nett, auch wenn ich einiges sehr traurig fand und nicht verstand: Es wurde im Kurheim jeder Kontakt zu den Mädchen unterbunden. Für mich waren Jungen und Mädchen aber immer gleichwertige Spielkameraden, ich kannte da keinen Unterschied, mein bester Freund zuhause war auch ein Mädchen. Kontakt zum anderen Geschlecht gab es nur auf den mehrstündigen Märschen (Wandern würde ich das Marschieren in Zweierreihen nicht nennen).
Vorne liefen die Jungen, dahinter die Mädchen. Weil ich keinen der als Partner geeigneten Jungen fand, war ich zufällig der letzte der Jungen und traf dort ein Mädchen gleichen Alters, mit dem ich mich wunderbar unterhalten konnte. Sie war zufällig bei den Mädchen ganz vorn. Wir beide waren dort wohl die einzigen Kinder, die Spaß an den Gewalltmärschen hatten, weil wir mit viel Phantasie Geschichten erfanden, miteinander lachten und die Zeit so wie im Fluge verging. Obwohl die Kontakte zwischen Jungen und Mädchen nicht gern gesehen waren, ließ man uns gewähren. Wir gingen jeden gemeinsamen Marsch von Jungen und Mädchen gemeinsam.
Das Mädchen brach sich relativ früh einen Unterarm beim Sport. Sie bekam einen dicken Gips, der später noch wichtig werden sollte.
In der Jungengruppe hatten wir Zimmer mit 6 oder 8 Betten, das weiß ich nicht mehr genau. Ich hatte vom Flur ins Zimmer kommend links das erste Bett und auf der linken Seite am Fenster hatte ein Junge mit viel Heimweh sein Bett. Die ersten Tage ging es noch, aber sein Heimweh wuchs. Zu allen Schlafenszeiten beruhigte ich ihn, redete auf ihn ein, so dass er nicht nächtelang weinend im Bett liegen musste und er (und alle anderen im Zimmer) etwas Schlaf bekam(en). Ich hatte mit der Zeit tatsächlich Erfolg, es ging dem Jungen merklich besser. Ich flog allerdings regelmäßig raus. Nach dem Zubettgehen war unabhängig von der Uhrzeit jegliches Gespräch verboten. Kam eine Aufsicht den Flur herunter, war ich immer am besten zu hören, die weiter am Fenster liegenden Jungen meist nicht, da sie weiter von der Tür weg waren.
Die Standardstrafe war, dass man im Schlafanzug barfuß und ohne Bettzeug oder etwas in der Art in den ungeheizten Waschraum musste. Zuerst meist 1/4 Stunde, im Wiederholungsfall 1/2 Stunde. Ich musste dort stehen, hinsetzen oder hinlegen war verboten. Das habe ich trotzdem oft gemacht, die Aufsicht kam ja nur mit längeren Pausen. Wurde ich erwischt, wurde die Strafe halt verlängert. Kurz und gut: Ich musste sehr viel frieren, ich war über längere Zeit meist mehrmals täglich kaum bekleidet im Waschraum.
Weil ich so mickrig war und mich stets so schön wehrte, hatten mich mehrere ältere Jungen als Lieblingsopfer auserkoren. Es handelte sich um einen harten Kern von drei Jungen, mehr als einen Kopf größer und alle zwei bis drei Jahre älter als ich. Einige andere Jungen kamen im Wechsel hinzu. Da wir November/Dezember hatten, lag häufiger Schnee, meist war es aber eher nass, weil die Temperaturen über längere Zeit um den Gefrierpunkt lagen. Die Jungen quälten mich nach Kräften, dazu gehörte, dass mir die Stiefel weggenommen wurden (Moonboots), ich diese auf Socken aus dem Bach fischen musste oder die Jungen die Stiefel irgendwo in größerer Entfernung in den Schnee warfen, vorher mit Schnee füllten o. ä.. Zusätzlich wurde ich regelmäßig "eingeseift", dabei wurde mir Schnee den ganzen Rücken herunter in die Jacke und die Hose gestopft, aber mir wurde auch häufiger der Mund mit Schnee vollgestopft, so dass ich keine Luft mehr bekam und wurde dann gerne bäuchlings mit dem Gesicht voran in den Schnee geworfen, während die Kinder sich auf mich setzten um zu verhindern, dass ich aufstehen konnte.
Diese Übergriffe waren häufig, fanden regelmäßig auf den reinen Jungenspaziergängen oft im direkten Sichtfeld der Betreuerinnen statt, die mich nicht schützen wollten. Ich wurde stattdessen mit Strafen bedroht, bekam teilweise auch Strafen wegen meiner nassen Sachen und wurde ansonsten nur aufgefordert, mich gefälligst zu wehren. Wie sich das Problem nach einiger Zeit gelöst hat? Meine Freundin mit dem Gips hat dem harten Kern der Folterknechte einige Male mit dem Gips ein paar solide Nackenschläge verpasst - die schissigen großen Jungs hatten sehr schnell eine Heidenangst vor dem kleinen Mädchen! Die Schläge mit dem Gips hatten übrigens nachhaltige Wirkung, die Jungen ließen mich auch auf den reinen Jungenspaziergängen in Ruhe.
Nach einiger Zeit hielt ich mich recht gerne im Waschraum auf: Es war für mich eine Nottoilette (wir durften zu den Schlafenszeiten natürlich nicht auf Toilette) und ein unerschöpflicher Brunnen! Ich habe schon seit ich denken kann eine Art Phobie vor Kamillentee. Wahrscheinlich habe ich mich daran mal als Kleinkind schwer verschluckt o. ä.. Kamillentee verursachte mir als Kind Brechreiz und Krämpfe, ich konnte das Zeug einfach nicht schlucken. Leider war das das häufigste Getränk. Am Tag und Abend gab es nur Kamillentee. Es war aber verboten, etwas anderes zu trinken und es gab abgesehen vom morgendlichen Kakao in so kleinen Tassen mit 100 ml Inhalt auch nichts. Der Kakao war rationiert, eine Tasse pro Kopf und Tag, mehr gab es nicht. Um nicht zu verdursten fing ich sehr früh an, mich in meinen zahlreichen Strafzeiten kräftig aus der Wasserleitung zu bedienen.
Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich inzwischen fast dauererkältet war oder man erkannte, dass ich mich längst mit meinen täglichen Strafen arrangiert hatte, aber ich wurde in ein Einzelzimmer strafverlegt. Auf die Krankenstation. Die älteren Jungen waren nicht mehr so ein Problem, ich fing an, mich in dem Laden fast schon wohl zu fühlen.
Meine alten Zimmergenossen beklagten sich allerdings bei mir, weil mit meinem Auszug das Heimweh des einen Jungen wieder ausbrach. Er weinte wieder ganze Nächte durch, was die anderen um ihren Schlaf brachte. Mein Einzelzimmer auf der Krankenstation besaß ein kleines Waschbecken, so dass ich stets genug zu trinken hatte, ich brauchte auch niemandem mehr zureden, damit er sein Heimweh aushielt, ich kam auch nicht mehr mit verdreckter und nasser Kleidung von den Spaziergängen zurück, ich war ein braves Kind wie aus dem Buche geworden.
Nach zwei, drei oder auch vier Wochen, wo ich brav ohne Ende war, endete die ganze Kur, es waren sechs Wochen rum. Da es inzwischen Dezember war, gab es als Abschluss eine Weihnachtsfeier. Es kamen ein Weihnachtsmann und Knecht Ruprecht. Alle Kinder in dem Kurheim wurden einzeln aufgerufen und durften sich nach viel Lob wie brav sie doch seien aus dem Sack des Weihnachtsmanns ein Geschenk nehmen. Darin waren durchweg kleine Spielzeuge und natürlich Süssigkeiten. Auch meine früheren Folterknechte bekamen Spielzeuge und Süssigkeiten. Ich nicht. Ich gehörte zu den ganz wenigen Kindern, die kein Geschenk erhielten (nach meiner Erinnerung gab es vier Gruppen zu je 25 bis 30 Kinder, also insgesamt über 100, von denen drei oder vier oder fünf kein Geschenk bekamen). Wir wurden gerügt und bekamen vor allen Kindern die Rute. Das hat mich so verletzt, dass ich gar nicht sagen kann, ob das körperlich sehr schmerzhaft war, es hat mich gedemütigt und ich habe dieses Unrecht einfach nicht begreifen können. Mir wurde ernsthaft vorgeworfen, dass ich mich trotz aller Verbote und Strafen um den Jungen mit Heimweh gekümmert hatte und viel zu oft nass und verschmutzt von den Spaziergängen wieder gekommen war!
Ich ertrage es bis heute nicht, wenn irgendetwas unfair ist. Das ist ein Trauma, das ich nie überwunden habe.
Bereits bei der Ankunft mussten wir uns in Reih und Glied aufstellen und wurden auf die Betreuerinnen verteilt. Hier habe ich schon mitbekommen wie die fuer meine Gruppe zuständige Betreuerin zu einer Kollegin sagte die habe ich schon gefressen. Gemeint war ein etwas übergewichtiges Mädchen, das dann auch nicht allzu viel Freude hatte. Bei einer Gruppenwanderung im Schnee der uns Kindern immerhin bis zu den Knien ging ist die Betreuerin einfach losmarschiert und hat die kleine Dicke hinter sich gelassen. Ich bin dann mit dem Mädchen wesentlich spaeter nachgekommen. Zum Glueck hatten wir den Weg gefunden. Aufgrund dieser Exkursion hatte ich mich erkältet und prompt ins Bett gemacht. Das wurde dann im Fruehstuecksraum thematisiert mit zur Schaustellung des Lakens und ohne Frühstück in die Ecke stellen. An Ostern haben wir Kinder von unseren Eltern Paeckchen bekommen... Davon bekam ich lediglich eine Tuete Bonbons weil man den Rest an Kinder verteilen wollte die nichts bekamen. Abends konnte man die Betreuerin beobachten wie sie sich selbst bedient hat.
Als der Alptraum begann,war ich 7 Jahre alt.
Meine Eltern erzählten mir vom Skifahren,Bergen und Schnee,-wie schön es wäre,wenn ich dort in einem Sanatorium etwas zunehmen und mich in der guten Luft erholen könnte.
Es gab eine sehr lange Liste mit Dingen, die ich mitbringen musste,auch u.a.Schuhputzzeug und Skihose.
Ich wurde alleine in einen Zug gesetzt, wahrscheinlich mit Pappschild ,und sollte in Oberstorf umsteigen.
Irgendwie bin ich in diesem riesigen Haus gelandet, in dem es keine netten Worte gab,nur Vorwürfe und Anweisungen im Befehlston gab.Mir wurde sofort klar,wie schwer es wird,diese 6 Wochen durchzustehen.
In dem Schlafraum ,zu sechst,wurde mir wurde ein Bett hinter der Tür zugewiesen.Es wirkte,wie ein düsteres ,altes Krankenhaus.
Dunkle lange Flure,kahle Wände .
Am nächsten Morgen gab es eine lange Schlange,wir mussten zum wiegen ,vielleicht gab es auch Tabletten .Ich wog angeblich viel zu wenig.
Ich war einfach nur ein dünnes Kind.ZumFrühstück gab es riesige Marmeladenbrote und Hagebuttentee.
Ich hasste beides.Alleine von den Gerüchen drehte sich mein Magen um.Beides kann ich bis heute nicht essen.
Ich versuchte mein Brot an meine Tischnachbarn abzugeben.Das hat öfter geklappt.Zum Glück konnte ich auch mittags heimlich mein Essen am Tisch verteilen,da ich auch Grießbrei auf keinen Fall essen konnte.Leider gab es den sehr viel,und so musste ich oft bis nachmittags vor meinem Teller sitzen bleiben,bis ich das ungenießbare Essen runtergewürgt habe.Begleitend dazu hämische ,boshafte Kommentare von den Schwestern.
Der Mittagsschlaf fand auf einer großen Holzterasse statt.
Natürlich ohne Worte und mit Schlafzwang.Die Augen wurden überprüft,sonst gab es drastische Strafen .
Die schlimmste Erinnerung aber,hat nach dem Zubettgehen stattgefunden,als eine Schwester plötzlich die Zimmertür aufreißt und mich in den großen unheimlichen Waschraum beförderte.
Ich wurde dort auf eine gerippte Holzbank gefesselt, und musste dort die ganze Nacht auf der harten Bank ,alleine verbringen.
Es war kalt und düster ,ich hatte Todesangst und wusste nicht,was ich verbrochen haben sollte.
Vielleicht noch etwas geflüstert.
Dieses Bild von mir,ausgeliefert und einsam an diesem unglaublich herzlosen und grausamen Ort ,begleitet mich mein ganzes Leben.
Dazu der unbarmherzige Esszwang von ,für mich ungenießbarem Essen ,machte die 6 Wochen für mich zu einer endlosen Tortur.
Es gab jeden Morgen eine lange Schlange zum wiegen,in Unterhose auf dem Flur .Es war März oder April,es war kalt .
Ich wog immer weniger und musste mir deswegen auch Vorwürfe anhören.
Nach ca.3 Wochen habe ich nur noch das Essen ausgebrochen,ich konnte es nichts mehr bei mir behalten,und kam in eine Krankenstation.
Dort habe ich ca.10 oder 14 Tage verbracht ,-meine Rettung .Dort war es einigermaßen erträglich,und es gab einen freundlichen Arzt ,der merkte,dass ich total unglücklich war,und diese Grausamkeiten nicht mehr ertragen konnte.Trotzdem konnte ich auch dort kaum etwas essen.
Als ich wieder zurück in das normale Zimmer kam,gab es dort noch den Zwischenfall,das ca.13 jährige Jungen aus einem benachbarten Kinderheim in unser Zimmer stürmten.Kein Aufpasser auf dem Flur hatte ewas bemerkt ,und so durchsuchten die Jungs unsere Sachen und legten sich zu uns ins Bett .
Wir waren 6 Mädchen im Alter von ca.6-8jahren in diesem Zimmer .
Ich glaube ,mir blieb fast das Herz stehen,als ein 13 jähriger Junge plötzlich in meinem Bett lag .Ich konnte keinen Ton von mir geben vor Angst .
Nach ca.5 min. kam endlich ein Aufpasser und zerrte die Jungs aus dem Zimmer .
Da ich über Ostern dort war,bekam ich von meinen Eltern und Oma 4 Päckchen geschickt ,die mir kurz gezeigt wurden,dann wurde der Inhalt verteilt .
Briefe,die für mich ankamen ,waren bereits geöffnet.
In meinem Koffer ,den ich wieder mit nach Hause nahm,waren nur kaputte und verwaschene Kleidungsstücke ,die mir nicht gehörten.
Als ich zu meinen Eltern zurückkam,war ich nicht mehr das Kind wie vorher.Ich bin verstummt und ängstlich geworden .
Es kam nicht nicht nur vom Heimweh ,und ganz alleine so weit weg von zu Hause ,zu sein,sondern vom erleben grausamer ,böser Menschen ,und der willkürlichen Gewalttätigkeit ,der man dort täglich ausgeliefert war.
Meinen Eltern habe ich damals davon erzählt,aber sie wollten mir nicht glauben.oder konnten sich nicht vorstellen,dass diese Ereignisse wirklich passiert sind .
Für mich blieb diese Zeit als düsterstes Kapitel meiner Kindheit ,immer abrufbar und traumatisch.
Ich bin froh,dass diese Thema jetzt von unglaublich vielen Betroffenen aufgearbeitet wird,und endlich ans Licht kommt.Vielen dank dafür.
Nur die ,damals ausführenden Schwestern ,Tanten ,Betreuer kann man wohl leider nicht mehr zur Verantwortung ziehen.
Mein abgrundtiefer Ekel gegen dieses Lebensmittel Butter hat bei mir keinen Leberschaden hinterlassen. Das habe ich untersuchen lassen. Ich glaube, dass die Schläge und das stundenlange Erbrechen (ich war 2 J. alt), das Weinen meiner Mutter (sie hat ihren letzten Schmuck verhamstert) dazu geführt haben, dass ich das nie mehr essen konnte. Schon beim Riechen wird mir schlecht.
Danke für Deine Nachfrage
Da der Arzt mich als zu dünn befand, als ich zehn Jahre alt war, wurde ich von meiner Mutter ins Heim "Goldene Schlüssel" geschickt. Vieles von dem, was ich in den Einträgen gelesen habe, habe ich auch erlebt. Damals war ich nach wenigen Tagen fest entschlossen, mir ein Fahrrad zu stehlen und nach Hause zu radeln. Natürlich hab ich das nicht umgesetzt. Schlimm war für mich, dass die Briefe zensiert worden und man unter Aufsicht einen neuen schreiben musste. Auch mochte ich es nicht, dass die Päckchen geteilt werden mussten. Es herrschte Drill.
Die "Tanten" kontrollierten, ob im Schlafraum (6 Kinder) gesprochen wurde. Einmal wurde ich deswegen auf eine Liege außerhalb des Hauses geschickt in eine Art Glasveranda. Als ich die Frage "willst du das noch einmal tun?" aus Versehen und Angst mit "ja" beantwortete, musste ich in der Verbannung bleiben. Mich hat sehr gestört, dass die pubertierenden Mädchen, die ja schon Brüste hatten, gegen ihren Willen gezwungen worden, durch die Dünen mit nacktem Oberkörper zu laufen. Ich beobachtete Männer, die eifrig zuschauten. Das Essen kann ich mich nicht erinnern. Damals schon hatte ich das Gefühl, dass die so genannten Tanten ehemalige Nazihelferinnen waren, nach meiner Heimkehr habe ich jahrelang Nacht für Nacht fantasiert, dass ich mit einem Tross von Polizisten dorthin fahre und den Laden auffliegen lasse. Bis jetzt staune ich noch, dass ich damals solche Fantasien hatte. Ich glaube, sie haben mir geholfen das traumatische Erlebnis dort zu verarbeiten. Denn es war traumatisch aufgrund der Atmosphäre obwohl ich keine Mißhandlung im engeren Sinne erlebt habe
Ich habe noch ein Foto von dem Haus.
Nach meiner Rückkehr herrschte leider Zuhause die Ansicht "Stell dich nicht so an.". Ich habe noch lange ins Bett und in die Hose gemacht. Meine Mutter weckte mich dann regelmässig Nachts um dies zu verhindern. Bis heute muss ich sofort auf die Toilette, wenn ich alleine gelassen werde. Geht also mein Partner aus dem Haus, oder bin ich die letzte im Büro, muss ich in dem Moment auf die Toilette, wo die Tür zufällt.
Das Finden dieser Seite hier hat mir Mut gemacht, die Sache noch einmal anzugehen. Mein Größter Wunsch ist es, einmal im Leben jemandem zu glauben, dass er mich liebt. Ich möchte dieses Gefühl los werden, dass sowieso alle wieder gehen, keiner wirklich um meinetwegen bleibt. Danke für diese Seite.
Wenn ihn jemand liest, der auch im Bergheim Rechtis war, auch zu einer anderen Zeit als Juni 1971, darf er oder sie mir gerne schreiben! Gemeinsam müssen wir versuchen, das Erlebte von damals zu verarbeiten! ?
als ich den Bericht sah, stiegen in mir mit jeder Minute mehr eigene Erinnerungen hoch. Am Schluß saß ich wie betäubt da und wußte nicht mehr, wo ich anfangen soll, zu denken.
Meine zwei Brüder und ich wurden im Juni 1971 ins "Bergheim Rechtis" in Rechtis / Allgäu verschickt.
Ganz so extrem wie in dm Bericht, mit Medikamentenversuchen und sexuellen
Mißhandlungen, erging es uns zwar nicht, aber das Erlebte hat trotzdem für ein lebenslanges Trauma ausgereicht.
Was mir ganz extrem negativ in Erinnerung ist, war daß wir tagsüber nichts zu trinken bekamen. Es war ein sehr heißer Juni und daseinzige, was wir bekamen, war 1 Apfel. Das wurde anscheinend als genug Flüssigkeit angesehen. Wir wussten manchmal nicht mehr, was wir tun sollten vor Durst, denn Wasser aus dem Wasserhahn zu trinken war verboten. Natürlich haben wir es trotzdem getan. Wer erwischt wurde,
bekam eine Abreibung oder sonst eine Strafe.
Dann hieß es auf einmal, (als Warnung), wer Wasser aus dem Hahn
trinken würde, werde krank. Und wirklich - einer nach dem anderen hat sich irgendwann mal in der Zeit, wo wir da waren, erbrochen. Jeden Tag waren einige der Kinder am Erbrechen, und immer wenn sie Wasser vom
Wasserhahn getrunken hatten. Auch mir ging es so. Am Ende der „Kur“ war wirklich kein Kind, das nicht irgendwann erbrochen hätte.
Der Grund für diese Flüssigkeitseinschränkung war vermutlich, damit wir nicht zu Zeiten, wo es verboten war, auf die Toilette gingen. (Beim Mittagsschlaf und nachts). Wie gesagt, beim Mittagsschlaf war es ausdrücklich verboten, auf die Toilette zu gehen. Wer erwischt wurde, durfte den Rest des Tages nicht
mehr aus dem Bett, wurde vom Nachmittagstee, (nach dem Mittagsschlaf) und auch von Spielen und Spaziergängen ausgeschlossen. Das Zimmer
wurde abgedunkelt durch die Fensterläden. (Die Fenster nach hinten waren übrigens vergittert, das sieht man auf keiner Karte).
Mein jüngster Bruder litt so sehr darunter, daß er als 8-jähriger wieder anfing, ins Bett zu nässen. Daß in seinem kleinen Körper überhaupt noch Flüssigkeit war, ist ein Wunder.
Ich glaube, er hat am meisten gelitten. Einmal machte er in die Hose und wurde aufgefordert, die schmutzige Hose der "Tante" zu bringen. Diese Tante befand sich gerade im Speisesaal. Also ging mein Bruder stracks dorthin. Da brüllte ihn die "Tante" an, warum er die
schmutzige Hose nicht gleich auf die Butter lege. Er machte es, aber nicht aus Bosheit, sondern aus Naivität, denn er wollte verzweifelt alles richtig machen.
Mein Bruder berichtete mir im Zuge der Recherche, er habe erlebt, daß ein Junge voll in die Hose gemacht hatte. Die „Tante“ nahm die schmutzige Hose und schlug sie dem Jungen einige male um die Ohren und
ins Gesicht.
Einmal gab es zu irgendeinem Anlaß Quark. Einer der Jungs (keiner meiner Brüder) sagte nur: "Iiiiih Quark". Eine der "Tanten" hörte es, packte ihn im Genick und tunkte ihn mit dem Gesicht in die Quarkschüssel.
Jeden Morgen gab es zum Frühstück ein Schöpflöffel warmen Pudding, sonst nichts.
Was wir zu trinken bekamen, weiß ich nicht mehr. Kann sein, daß wir
gar nichts bekamen. Aber wie gesagt, das weiß ich nicht mehr. Aber ist das ein Frühstück?
Die sog. „Tanten“ saßen an einem Extratisch und ließen sich Brötchen, Butter, Marmelade schmecken – kurz alles, wovon wir nicht einmal zu träumen wagten.
Ein Mal pro Woche wurden alle Kinder gewogen. Und wehe, man hatte nicht zugenommen! Leider hatte ich sogar noch abgenommen, wurde dafür angebrüllt und verdächtigt, nicht immer leergegessen zu haben. Dabei
hatte ich immer Hunger und war froh um jeden Löffel Essen. Das aber glaubte man mir nicht und es hieß, ich solle es ja nicht wagen, gegenüber irgendjemand zu behaupten, daß ich hungere.
Als ich heim kam stürzte ich mich erstmal in einen Freßrausch und nahm innerhalb kurzer Zeit 10 kg zu, ein Gewicht, das ich jahrelang mit mir rumtrug.
Natürlich durften die Kinder auch nach Hause schreiben. Aber alle Briefe und Karten mußten abgegeben werden und wurden kontrolliert und
zensiert. Ich habe es ein paarmal erlebt, daß jüngere Kinder angebrüllt wurden oder eine Ohrfeige bekamen, ob der angeblichen „Lügen“, die sie geschrieben hatten.
So kommt es, daß im Internet unter „Bergheim Rechtis“ nur brave Karten in krakeliger Kinderschrift abgebildet sind, die von den „netten Tanten“, den Spielen, der Wiese und dem Wäldchen hinter dem Haus, oder sogar von einer Waldhütte erzählen. Ich habe nie eine
gesehen.
Dieses Haus, die ehemalige Villa von Erwin Rommel, lag idyllisch im Wald. Man hatte nicht lange vorher ein Schwimbecken im Freien gebaut. Damit wurde auch geworben. Bei meinem Aufenthalt im Hochsommer, war kein Wasser im Becken und es lag noch der Laub vom letzten Herbst darin. Ich war sehr enttäuscht.Dafür durften wir, direkt in Sichtweite des Schwimmbeckens, im Freien aber überdacht, unsere alltägliche Mittagsruhe, stumm, mit geschlossene Augen und unter schweren Decken, verbringen. Diese Erinnerung ist ja noch harmlos. Ich wurde auch sehr unangenehm krank. Dies war leider auch Anlaß für Demütigungen von Seite der sog. "Tanten".
dein Erlebnis mit der Butter hat mich an meine Kindheit erinnert, weil ich 1950 als 2-jährige auch mit einer Packung Butter unter den Tisch gekrabbelt bin und diese nicht mehr hergeben wollte, doch meine Mutter konnte sie mir zum Glück noch entreißen, bevor ich zu viel davon abbekam!
Bei so einer Menge Fett, die du zu dir genommen hast, hat deine Leber mit Sicherheit revoltiert ohne dass du davon wusstest und deswegen dein Ekel vor Butter! Hast du nie eine Blutanalyse gemacht? Die Leber regeneriert sich jedoch. Ich weiß von Leuten, die nach einer Fisch-oder Meeresfrüchtenvergiftung nie mehr derartiges essen können.
Ich finde hier leider keine Berichte über "Felicitas" und "Schönhäusl" in Berchtesgaden ! Vielleicht ist es ein gutes Zeichen und ich sorge mich umsonst, was meine Vergangenheit betrifft, an die ich mich nur bruchstückhaft erinnere.
Ich war 1985 oder 86 in Salzwedel in einem Heim. Angeblich war ich zu dünn und zu klein. Ich kann mich leider an nichts erinnern, da ich eibe postthraumatische Belastungsstörung habe. Ich weiß nur noch, dass wir mit dem Bus abgeholt wurden. Neben mir saß ein Mädchen, das hieß mit Nachnamen glaube ich Erfurt. Sie war auch eingeschüchtert, so wie ich. Ich finde dazu leider nicht viel, außer das es ein Heim gab in Drewitz.
Vielleicht kennt es jemand?!
Liebe Grüße
Ich habe schon den Fragebogen ausgefüllt und sehr viele Berichte gelesen. Ich möchte nicht mehr wiederholen, denn eure Geschichten decken sich mit meiner.
Mein ganzes Leben, jetzt 61, habe ich mich anders gefühlt. All die schlimmen Vorkommnisse in dem Heim aber auch die Misshandlungen meiner Eltern, habe ich als Normalität empfunden. Ich kannte nichts anderes. Meine ganze Kindheit war verloren. Einfach ausgelöscht durch Erwachsene. Als Jugendliche habe ich mir meine Freiheit erkämpft und war recht schnell unabhängig. Ich war in einer Mädchenschule, niemals hätte ich mit jemandem reden können. Geglaubt hätte mir eh keiner.
Autoritäten, überhaupt Erwachsenen die meinten mir sagen zu müssen was ich zu tun und zu lassen hätte
habe ich kein bisschen über den Weg getraut. Mir hat damals niemand geholfen, danach brauchte ich auch niemand mehr. Mit den Jahren hatte ich öfter lange Lebensphasen in denen ich mich orientierungslos und verloren fühlte. Der Ursprung und die Quelle allen Übels nahm seinen Anfang in Bad Reichenhall, zog sich fort in meinem Elternhaus und prägte mich nachhaltig.
Doch aus all der Tragik habe ich auch etwas mitgenommen.
Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn,
Wachsamkeit,
tiefste Verachtung jeglicher Gewalt,
Einfühlungsvermögen.
Es tut gut zu wissen, dass ich nicht allein war. Ihr wart auch alle da. Auch wenn ich nie jemand kennengelernt habe, der Ähnliches ertragen musste. Wie ist das bloß möglich, wenn es doch Tausende waren.
Auch ich bin damals in ein Verschickungsheim nach Norderney gekommen. Ich wurde ständig von meinen Eltern belogen und betrogen. Also verschickt wurde ich mit dem Namen Schnaars obwohl mein Name „Kopens“ was. Für mich war der Vater mein Papa (Alkoholiker), leider nicht der leibliche Vater, was ich auf keinen Fall erfahren sollte. Man lernt früh sich zu schützen auch geistig und Verzicht auf schöne Sachen, war für mich nichts Neues. Meine Geschwister bekamen von den Verwandten, die uns besuchten was Süßes, ich leider nichts. Ich war unehelich geboren und unterlag der Willkür des Jugendamtes. Von denen wurde angeordnet, da ich so klein und dünn war, zum Aufpäppeln zur Kur muss. Leider habe ich nicht so viele Erinnerungen daran. Ich weiß nur, dass es nicht angenehm war. Wie dieses Heim hieß, weiß ich leider nicht mehr. Ich weiß nur, dass es im Oktober 1965 oder 1966 gewesen sein musste. Es war immer sehr kalt und ungemütlich in den Räumen. Am liebsten habe ich mich untern aufgehalten, da gab es warme Räume. Eines Nachts ging es mir nicht gut und ich musste dringen auf die Toilette. Diese befanden sich im 1. Stock. Auf dem Weg nach untern wurde ich abgefangen und mit Drohungen wieder ins Bett geschickt. Wir durften das große Geschäft nicht auf dem Topf erledigen aber mir blieb nichts Anderes übrig und erledigte es dann eben auf dem Topf. Auch dafür wurde man bestraft (wieder keine Schokolade). Natürlich hatten die Tanten auch ihre Lieblinge. Ich mochte als Kind immer gerne die Babyseife und da wir noch ein Baby (meine Schwester) Zuhause hatten, gab mir meine Mutter diese Seife mit. Aber die durfte ich gleich an eines der Lieblinge abgeben und ich bekam so eine abartige rissige Seife. Das machte mich sehr traurig. Da ich zu Hause immer Stress gab, wurde ich zum Nagelbeißer (ich denke, dass es daher rührt). Ich bekam in den 6 Wochen keine Schokolade, da ich das Nagelbeißen nicht abstellen konnte und groß in das Töpfchen gemacht hatte. Es gab irgendwann Spinat zu essen, was ich noch nie mochte und hatte nur Kartoffelmus gegessen. Ich musste bis abends vor diesem Teller sitzen und durfte erst aufstehen, wenn ich den Spinat aufgegessen habe. Also blieb ich bis zum Abendbrot vor dem Teller sitzen. Danach nahm man ihn weg und dann gab es schimmeliges, gebogenes, altes Brot zu essen. Auch nicht schlimm, ich tauchte es in den Tee, dann schmeckte man das nicht so. Mehr weiß ich leider nicht von der Zeit. Freundschaften sind leider nicht entstanden, wie den auch, man musste immer auf der Hut sein. Ich habe noch mitbekommen, dass ich sehr viel abgenommen hatte und die Stellungnahme vom Jugendamt war, „das Mädchen hätte in die Berge gemusst, da das Klima am Meer ein Reizklima sei und das dazu geführt hätte, dass ich noch dünner wurde. Ein Schwachsinn! Und so weiter, und so weiter. Gerne würde ich noch ein paar Mädchen aus der Zeit kennenlernen, um mich auszutauschen um noch eine andere Sicht der Dinge zu hören. Leider weiß ich nicht genau wann ich in Kur war.
ich werde wahrscheinlich wenn es Corona dieses Jahr noch zulässt meine
genehmigte REHA Kur in 78073 Bad-Dürrheim beginnen. Bad-Buchau liegt
auf meiner Anreisestrecke. Ich plane einen Ortsbesuch des ehemaligen
Kindergenesungsheim Caritasstift Bad-Buchau bis 1980, heute dort eine Klinik. Es wäre auch gut wenn bei meiner Ortsbesichtigung die Presse oder Fernsehen dabei wäre!
Ich werde auch intensiv nachforschen ob noch Unterlagen in Archiven über
mich oder die sogenannten Kindererholungsheime (Kinderzuchtanstalten) vorhanden sind. Den zuständigen Caritasverband gibt es ja heute noch. Dieser ist auch rechtlicher Ansprechpartner und nach geldenten Gesetzen Nachfolger in Sachen Strafrecht? Die noch relevanten Heimträger arbeiten auf Zeit und sind nach meinen mehrtägigen intensiven Nachforschungen nicht sonderlich interessiert an einer Aufarbeitung der Kindes Misshandlungen. Ich bin überzeugt das noch Unterlagen in Archiven vorhanden sind! Wurde schon geprüft ob diese Strafhandlungen an Kindern noch nicht nach dem Gesetz verjährt sind? (Ehemalige Heimkinder werden ja schon teilweise entschädigt) Vielleicht sollten alle ehemaligen bekannten misshandelten Verschickungskinder wenn möglich eine Sammelklage über die zuständigen Gerichte erwirken? z.B. Jugendamt, Caritas usw.
Ich würde mich freuen über weitere Kontakte zu ehemaligen Verschickungskindern
die in Bad-Buchau verschickt waren!
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Merten
Dort sind Sie als Heimatverantwortliche angegeben. Ich wollte mich auf der Plattform
Verschickungsheime registrieren, aber irgendwie funktionierte es heute nicht?
Ich habe diese Woche eine Doku Fernsehsendung über Verschickungskinder (Verschickungsheime)
gesehen und war sehr schockiert! Ich habe geglaubt bei handelt es sich um Einzelfälle wie bei mir?
Ich möchte aktiv an der Aufarbeitung und Aufklärung dieser Misshandlungen an mir und weiteren Kindern
mitwirken. Habe die Video Konferenz mit Frau Anja Röhl in YouTube auch heute aufmerksam angesehen!
Ich bin 1959 geboren und war auch als Kind in 88422 Bad-Buchau zu einer sogenannten
6-wöchigen Erholungskur.
Es muss wohl so in der Zeit zwischen 1966 und 1969 gewesen sein. Es war schrecklich! Meine Eltern
leben noch sind 87 Jahre alt. Möchte meine Eltern heute aber nicht mehr über diese Verschickungszeit
fragen! Habe ich in der Vergangenheit schon versucht mit meinen Eltern darüber zu reden! Zwecklos
auch aus dem Grund: Wie können Eltern Ihre Kinder in einem Zeitraum von ca. 30 Jahren fremden
Personen anvertrauen, ohne sich vorher zu erkundigen über die Gegebenheiten vor Ort! Oder andere
Eltern vorher befragen die Ihre Kinder schon zu solchen Quall Erholungen geschickt hatten? Ich kam
abgemagert und krank aus der Kinderverschickung zurück! An den Spätfolgen leite ich heute noch!
Dies hat unser Staat, Ärzte, Kirchen und die Heimträger zu verantworten!
Wohl damals ein lukratives Geschäftsmodell womit man viel Geld mit Verschickungskindern verdient hat!
Meine Eltern waren angeblich nach Rückkehr über meinen Zustand schockiert, unternahmen
für eine Aufklärung aber nichts! Über folgende Erlebnisse kann ich mich noch zur Zeit erinnern:
Ich wohnte damals noch in 56841 Traben-Trarbach(Mosel) und wurde mit einem Deutsche-Bahn
Sammeltransport über Koblenz nach Bad-Buchau transportiert. Über die Sammeltransport
Begleitpersonen (Frauen) kann ich sagen, dass diese schon unfreundlich und beängstigend für mich waren!
Der Transport kam wahrscheinlich aus dem Ruhrgebiet, auch ältere Kinder (Jugendliche) waren dabei.
Diese belästigten mich schon während der Bahnfahrt zum Kurort. Die Betreuerinnen unternahmen nichts
sondern machten sich noch über mich lustig! Während meines Kuraufenthaltes wurde ich überwiegend
von Nonnen der katholischen Kirche betreut, von denen ich auch Gewalt an mir erfuhr und Schläge erhielt.
Mir wurden auch Privatsachen gestohlen! Vielleicht durch andere Kinder oder die schrecklichen Nonnen!
Ich erhielt ein Paket von meinen Eltern mit Inhalt von Süßigkeiten usw.: Die Nonnen haben in meinem Beisein
die Geschenke meiner Eltern unter sich aufgeteilt und aufgegessen!
Ich habe nichts davon bekommen, und habe dabei zugesehen. Ich war auch während des vorgenannten
schrecklichen Erlebnis krank, und mit anderen Kindern auf einer Krankenstadion isoliert. Vielleicht habe ich
auch Medikamente zu Versuchszwecken erhalten? Es herrschte in dem sogenannten Kindergenesungsheim
eine unmenschliche Behandlungsweise für uns Kinder den ganzen Tag! Es gab aus meiner Erinnerung in einem
Nebenbau des Heimes einzelne Badezimmer mit jeweils einer Badewanne. Dort musste ich im Beisein einer
Nonne baden was mir sehr unangenehm war! Sexuelle Übergriffe kann ich nach heutiger Sicht nicht
ausschließen? Ich wurde während des Aufenthaltes immer schwächer! Vielleicht durch Strafen der Heimleitung?
Wir mussten täglich sparzieren gehen was mich auch Zusehens mehr anstrengte. Die Heimanlage war wie
ein Gefängnis ohne die Möglichkeit zu entkommen. (Bewachtes Rund Tor) Es kann auch sein dass der Kuraufenthalt
bei mir vorzeitig abgebrochen wurde. Für mich ist wichtig mich mit ebenfalls geschädigten Verschickungskindern
die ebenfalls in Bad-Buchau waren aus zu tauschen, und wenn möglich noch lebendes ehemaliges Personal/Verantwortliche
aus diesem Kindergenesungsheim noch haftbar zu machen. Weiterhin gibt es noch Unterlagen von meiner Person
von der Kinderkur in Archiven? Wo kann ich nachforschen? Über eine Nachricht würde ich mich freuen!
Weitere Betroffene von Bad-Buchau können sich gerne bei mir melden.
E-Mail: hartmut.merten@t-online.de
Mit 10 Jahren, Oktober-November 1963, wurde ich für 6 Wochen nach Bad Sooden-Allendorf in das Kinderkurheim Werraland in Hessen verschickt. Für mich war es grauenhaft. Gerne hätte ich Kontakt zu jemanden, der dort zeitgleich in der Kinderverschickung war.
Mein Mädchenname: Ursula Pokrant geb. 22.04.1953 in Hartum, Kreis Minden-Lübbecke, NRW.
An die Zugfahrt habe ich keine bewusste Erinnerung, nur ein schlechtes Gefühl. Bis heute fahre ich nur sehr ungern weg und bin lieber zu Hause. Schlaflose Nächte und Albträume sind lange geblieben. erinnern kann ich mich, dass ich den Film "Der Schatz im Silbersee" irgendwo dort gesehen habe. Wenn der Film im Fernsehen gezeigt wird oder ich etwas über ihn in der Zeitung lese, bekomme ich heute noch ganz unangenehme Gefühle.
Ganz stark habe ich gestottert und ich war sehr schüchtern. Meine Mutter zu Hause war schwer krank, ohne Aussicht auf Besserung, daher hatte ich so viel Angst. Ich musste jeden Morgen auf die Waage: zu wenig Gewicht. Weil ich nicht zunahm, musste ich morgens 2 Teller Haferschleim essen.
Es gab einen großen Schlafsaal, nur schlafen konnte ich dort nicht. Diese Geräusche aus der Zeit lassen mich auch heute nicht los. Daher kann ich nicht gut mit vielen Menschen zusammen sein und Nähe sowie manche Geräusche und Gerüche nicht ertragen. Auch heute habe ich immer noch ein Problem, wenn ich zur Toilette muss und andere Menschen in der Nähe sind, daher meide ich öffentliche Toiletten.
Die Post an meine Eltern wurde kontrolliert und nur abgeschickt, wenn ich geschrieben habe, dass es mir in dem Heim gut geht. Päckchen von zu Hause kamen offen bei mir an und die Post wurde gelesen. Der Umgang der sogenannten „Tanten“ mit uns Kindern war unfreundlich, erniedrigend und strafend. Die Räume und das Wasser waren dauerhaft sehr kalt. Mein Heimweh war unendlich groß. Das setzte sich in den weiteren Schuljahren fort, Schulausflüge mit Übernachtung waren ein Albtraum und ich habe immer nur geweint.
Durch den Tod von John F. Kennedy am 22.11.1963 weiß ich, dass ich zu der Zeit in dem Heim war. Dieser Mordanschlag wurde uns Kindern ganz entsetzlich und angstbesetzt mitgeteilt. Ich hatte große Angst, nicht mehr nach Hause zu kommen, diese Panik ist bis heute in vielen Situationen geblieben.
Ich erinnere mich heute noch an einen Jungen aus Braunschweig: Gerd Schmidt. Er hat mir oft geholfen, wenn es mir so schlecht ging, den Namen habe ich nicht vergessen, viele Jahre hatte ich zu ihm keinen Kontakt. 2020 habe ich Gerd Schmidt wiedergefunden, ein positiver Aspekt.
Ursula Laschewski
Aber ich konnte mich an nichts erfreuen und hatte ständiges Heimweh und ich fühlte mich einsam und verlassen.Ich weinte sehr viel und wollte nach Hause. In diesem Haus gab es Nonnen aber ich habe
gar keine Erinnerungen mehr, wie sie mit uns umgingen. Ich sehe mich aber immer in diesem Speisesaal an einem Tisch sitzend, es gab Honigbrote mit Butter, es gab Spinat und Kohlrouladen (das alles kann ich bis zum heutigen Tag noch nicht essen) andere Gerichte sind in meiner Erinnerung nicht hängen geblieben...! Es kamen viele Briefe von meiner Mutter (sie hat mich wahnsinnig vermisst) und zu Ostern sogar ein Päckchen aber was mit diesem Paket passierte weiss ich auch nicht mehr. Aber was mir dieser Tage einfiel, ich saß auf einem Bett mit dem Päcken und hatte ein Gespräch mit der Mutter Oberin. Meine Schwester und ihr Freund kamen mich sogar besuchen aber sie durften nicht ins Haus und ich konnte nur kurz mir ihnen reden!!! Danach war das Heimweh noch schlimmer. Ich habe keinerlei Bilder vom Schlafsaal oder den Duschen oder Toiletten, das ist alles wie ausgelöscht. Seit ich diese Woche den Bericht im Fernsehen gesehen habe, rattert es in meinem Kopf. Es ist unfassbar, ich dachte immer ich war zur Erholung und jetzt bin ich ein Verschickungskind. Ich war mein Leben lang ein anhängliches Mutterkind und hatte immer mit Verlustängsten, die meine Mutter betreffen, zu tun. Meine Eltern waren immer für uns da, ich habe noch zwei Schwestern und einen Bruder aber warum hatte nur ich diese schrecklichen Ängste. Es kann mit diesem Aufenthalt zusammen hängen. Als ich diesen Bericht sah, musste ich so weinen...aber wo waren diese Gefühle diese ganzen Jahre vergraben? Was ist in diesem Haus mit mir geschehen. Keinerlei Erinnerungen an Ärzte oder Medikamente. Ich weiß auch nicht mehr wie ich nach Hause kam...nichts alles weg.
Im Internet findet man auch nicht mehr viel über dieses Haus, welches heute ein Wellness Hotel ist. Wo könnte ich mehr erfahren, auch hier im Forum gibt es nur einen Erfahrungsbericht.
Herzliche Grüsse an alle Verschickungskinder
Sabine
Zeitraum (Jahr): 1981
Welche Arten von Misshandlungen/Missbrauch gab es?: psychische Gewalt
Hallo Zusammen,
seit gestern weiß ich, dass ich ein Verschickungskind bin. Ich muss vorweg sagen, dass ich 1981 mit sechs Jahren am Feldberg im Haus Schuppenhörnle war, zwar keinerlei positive Erinnerungen daran habe, aber an den Erinnerungen auch nicht leide.
Ich kam im Januar für sechs Wochen dorthin, da ich im November eine Mandelentfernung hatte und meinen Eltern eingeredet wurde, ich müsse mich dort erholen. Auch ich wurde in Karlsruhe am Bahnhof von meinen Eltern abgegeben. Dort lernte ich ein ein anderes Mädchen kennen: Astrid.
Mit dem Zug wurden wir an den Feldberg gebracht. Noch nie in meinem Leben, hatte ich mich so verlassen gefühlt!
Meine schlimmsten Erinnerungen sind das Duschen: wir mussten uns alle nackt ausziehen (Jungen wie Mädchen) und mussten in eine Großraumdusche - ich habe mich geschämt, es gehasst, mich erniedrigt gefühlt. Als ich später in der Schule etwas über Vergasung und KZ gelernt habe, habe ich mir immer diese Dusche vorgestellt.
Ich glaube das damalige Erziehungskonzept war: "kein Eigentum!", das heisst eine Zahnpasta wurde erstmal für alle Kinder aufgebraucht und dann die nächste. Ich hatte einen tollen Nicki Schlafanzug, den ein anderes Mädchen so kuschelig fand, also durfte sie ihn eine Nacht hat anziehen. Pakete von den Eltern wurden an alle Kinder aufgeteilt. Meine Mutter hatte mir ein selbst genähtes Kissen geschickt. Weil ein Junge dies toll fand, bekam er es in der ersten Nacht. Meine Schneehose, auf die ich extra aufpasste, weil ich es so eklig fand am nächsten Tag in eine noch nasse Hose zu steigen, bekam Astrid, da Astrids nass war! Mittags haben wir immer gebastel. Das Gebastelte durften wir aber nicht behalten, sondern mussten es immer einem anderen Kind schenken. Irgendwann gab ich mir keine Mühe mehr.
Beim Essen war ich schwierig. Ich wollte keinen Honig, das trockene Brötchen hätte mir gereicht. Aber ich wurde gezwungen den Honig zu essen. Nachdem ich regelmäßig würgte und mich auch leicht erbrach, haben sie es nach zwei Wochen sein lassen mich zum, Essen zu zwingen. Ungewollt kam ich mit 18 kg nach Hause und war mit 23 kg dorthin verschickt worden. Mittags gab es Studentenfutter. Da ich keine Rosinen mag, habe ich sie immer in Pflanzenkübeln in der Erde versteckt, denn einfach nur zu sagen "ich will die nicht essen" wäre inakzeptabel gewesen.
Mittags mussten auch wir schlafen. Jedes Kind, das nicht schlief hat Minusstriche in einem Schlafpass bekommen. Mein Pass war voller Minusstriche und so bekam ich am Ende der Woche keine Süßigkeit. Telefonate waren ab der dritten Woche einmal wöchentlich am Sonntag für drei Minuten erlaubt. Ich habe nur geweint und konnte garnicht sprechen. Meine Mutter wollte mich abholen, aber die DAK sagte ihr, sie müsse dann die kompletten Kurkosten bezahlen. Genau, bis gestern habe ich jedem erzählt, dass ich mit sechs auf Kur war und es schrecklich war - jetzt weiss ich, ich wurde verschickt. Die Erzieherinnen waren alle kalt und das Motto war Kinder zu brechen bis sie ruhig und still sind. Körperliche Gewalt gab es keine und ich trage auch kein Trauma davon, jedoch hasse ich noch heute autoritäre Personen und Ungerechtigkeit! Niemals würde ich meine Kinder (mein Sohn ist jetzt 9 und meine Tochter 6 Jahre) sechs Wochen in eine Heim verschicken! Was hat unsere Eltern da nur getrieben so etwas zu tun? Ich bin froh, dass es wohl ab der 80iger Jahre etwas humaner in den Heimen zuging und ich nicht zu viel grausames erlebt habe. Aber ich kann mich an kein schönes Erlebnis, kein Lachen erinnern.
War noch jemand im Schuüppenhörnle und wie sind eure Erinnerungen daran?
Briefe und Karten wurden zensiert und teilweise Texte vorgegeben. Es gab ein Punktesystem für positives und negatives Verhalten.
Im Heim sollte ich zunehmen und wurde gezwungen, morgens und abends ein Butterbrot zu essen, ich habe aber jedesmal alles gebrochen. Das Erbrochene musste dann aber gegessen werden, wieder ein Butterbrot essen, wieder gebrochen, wieder essen .... so ging das die ganze Zeit. Ich war ein "böses und undankbares Kind, eine Schande für meine Eltern, bockig und nicht liebenswert". Aber ich habe dort nicht ein einziges Mal ei Butterbrot gegessen und mich wahrscheinlich nur von "Gekotztem" ernährt.
Eimal stand ich am Fenster und habe am Zaun meine Eltern gesehen, die sich möglicherweise Sorgen gemacht haben, aber sie wurden sofort weggeschickt. Ich weiß noch, dass ich fürchterlich geschrien habe.
Aber trotzdem wurde wurde noch einmal dorthin "verschickt" und das war genauso wie beim ersten Mal. Meinen Eltern wurde dann gesagt, dass sie nur mit Strenge und Härte dieses Problem lösen könnten - was dann auch lange so gehandhabt wurde aber ohne positivem Ergebnis. Nach meiner Rückkehr war ich bis zu meinem 12 oder 13. Lebensjahr Bettnässer und habe -auch in der Schule- immer wenn ich Angst hatte, in die Hose gemacht. Bei den damaligen Lehrern kam das nicht gut an, ich wurde vor der ganzen Klasse ausgelacht und habe sehr gelitten.
Mit 12 oder 13 Jahren kam ich in die Diakonissenanstalt (Solbad) nach Schwäb. Hall.
Das "Butterproblem" war noch nicht gelöst (und ist es bis heute nicht) und beides, natürlich auch das Bettnässen, wurde mit harten Strafen geahndet. Die Diakonissen waren alt und streng, und keinem auch nicht dem Arzt ist der Gedanke gekommen, woran es liegen könnte.
Ich habe mein ganzes Leben lang Schwierigkeiten mit Autoritäten, Ungerechtigkeiten und Unverständnis, bis heute, Ich dachte immer, es liegt an mir, dass ich so bin wie ich bin, dass ich häufig aggressiv reagiere, mich vehement gegen unsinnige Vorschriften wehre usw.
Auch der Vertrauensverlust und die Angst vor Verlassenwerden schlagen sich in meiner Lebensgeschichte nieder. Auch dachte ich, es sei nur mir so ergangen und lese nun, dass ich nicht das einzige Kind war, das so gelitten hat.
Irgendwie hat es mich getröstet.
An dieses Heim habe ich nicht eine einzige schöne Erinnerung. Schon beim Eintreffen wurde uns alles, außer Kleidung weggenommen. Nicht einmal meine Haarspangen durfte ich behalten. Wurde auf alle Kinder verteilt. Das Essen war der größte Horror. Es schmeckte nicht und wir mussten gefühlt stundenlang vor dem Teller sitzen und würgten. Manche erbrachten auch. Abends standen unendlich viele Kinder vor der Toilette Schlange, wer schnell musste, hatte Pech. Wer nicht musste auch, denn danach war es verboten zur Toilette zu gehen. Die Folge war, einige machten ins Bett. Diese Kinder wurden beschimpft, geschlagen und vor allen gedehmütigt. Aus lauter Angst trank ich nachmittags kaum noch etwas. Wir lebten nur in Angst, wurden gedrillt, durften weder reden noch lachen. Wir bekamen Medikamente und spritzen, angeblich alles Vitamine. Man schickte uns in einen großen Raum mit Höhensonne. Alle mussten sich nackt ausziehen, nicht einmal die Unterhose durften wir anbehalten. Die wurde uns einfach runtergerissen. Wir mussten Postkarten nach Hause schreiben, aber nur mit Bleistift und man gab uns den Text vor. Ich schrieb trotzdem "bitte holt mich ab" später sah ich zu Hause, dass sie das ausradiert hatten. Meine Eltern hatten das nie gelesen. Manche von uns bekamen Pakete von zu Hause, unter anderem waren Süßigkeiten darin. Das packten die Betreuerinnen im Schlafsaal vor unseren Augen aus und sagten uns hämisch, dass sie das selbst essen werden und nahmen es mit. Abends saß der Nachtdienst direkt vor unserem Schlafsaal und wir konnten sehen, wie sie unsere Süßigkeiten aß, manche kommentierten aus welchem Paket sie diese genommen hatten. Einfach nur sadistisch. Wenn wir weinten, selbst lautlos, wurden wir beschimpft und bestraft. Selbst das ging nur heimlich im Bett. Damit es niemand sah. Wir hatten eine einzige nette Betreuerin. Diese gab mir sogar heimlich ein Stück von meiner Schokolade, bat mich aber eindringlich es niemand zu sagen, da sie selbst vor den Kolleginnen Angst hatte. Nie gab es ein freundliches Wort, wir wurden herumgeschubst, bekamen Befehle, wurden zu allem gezwungen. Das schlimmste war allerdings nicht auf die Toilette zu dürfen. Manchmal trauten wir uns nicht zu schlafen, weil die Blase voll war und wir Angst hatten ins Bett zu machen.
Ich kam völlig traumatisiert zurück, stotterte von da an bis ins Erwachsenenalter und hatte trotz des Essenzwang abgenommen. Meine Mutter merkte zwar,dass ich schlechter aussah als vorher, glaubte aber das läge am Heimweh. Niemand wollte mir glauben,was dort wirklich passierte, was für mich nochmal eine schlimme Erfahrung war. Ich glaubte lange Zeit, wir seien die einzigen Kinder, denen das passierte. Wenn das in solchen Massen geschah, warum ist es niemandem aufgefallen? Warum hat niemand etwas dagegen unternommen? Hab gerade eine Doku mit Zeitzeugen gesehen. Mir ist jetzt übel, ich spüre noch die Angst, mein Puls ist erhöht. Es fühlt sich an, als wäre es erst gestern gewesen.
Ich war 9 Jahre alt, meine Schwester 7 Jahre. Hamburg Damtor ging es los. Kuscheltiere und Süßigkeiten wurden eingesammelt. Meine Schwester wurde in einer anderen Gruppe untergebracht und wir durften uns nicht sehen, was sehr schlimm für uns war. Ich erinnere mich an kaltes Duschen und brutales Bauchnabel säubern und Nägelschneiden und an die Turnhalle, die Taue, an Höhensonne und den Mittagsschlaf. Mit dem Essen verbinde ich keine negativen Erinnerungen. Es gab viel Milchsuppen, mit Sago; die sogenannte Froschaugensuppe. Nachmittags gab es Rosinenbrötchen und Kakao. Ich erinnere mich, dass in meiner Gruppe zwei Geschwister waren, die stark sehbehindert waren. (Sabine? und Renate/Beate?) Die beiden Mädchen hätten oft Hilfe gebraucht, wurden aber von den Schwestern oft drangsaliert. In einem Fall wurde das Mädchen sogar mehrfach mit Füßen getreten, weil sie ihre Schuhe nicht finden konnte und nicht schnell genug angezogen war. Ich wollte ihr beim Schuhe zubinden helfen, durfte es aber nicht. Die Wanderungen waren für die Mädchen eine Tortur und sie haben oft geweint. Das habe ich bis heute nicht vergessen. Ich selber war wohl anpassungsfähig genug, ich kann mich nicht erinnern bestraft wurden zu sein ...
Meine Schwester und Ich waren 1975 in Wallgau und ich hatte sie nochmal per Email kontaktiert und gefragt, ob sie noch Erinnerung an diese Zeit hat und ob es evtl. negative Ereignisse gab.
Sie hat mir geantwortet und meinte, das sie entgegen meiner Vermutung von Anfang an ins Jungenhaus mußte, weil wir beide ja Zwillinge sind und man uns nicht trennen wollte.
Für sie war das wie man sich vorstellen kann nicht so angenehm und sie konnte sich noch erinnern, das sie ihren Haferbrei aufessen mußte und es sie geekelt hat und sie mußte solange am Tisch sitzen bleiben bis der Teller leer war.
Das hat bei ihr eine Aversion ausgelößt und sie mag bis Heute keine Haferflocken / Haferbrei !
Lieben gruß an alle !
Christian
P.S. Ich würde mich über andere Erfahrungsberichte aus dieser (fürchterlichen) Einrichtung aus dieser Zeit freuen. Vielen Dank!
An List auf Sylt habe ich nur eine einzige Erinnerung, dass der Zug damals durch das Meer gefahren ist. Ich weiß auch nicht wie alt ich war damals. Ich war ein zartes Kind und wurde deshalb auf kindererholung geschickt.
Viel schlimmer was mir vielleicht passiert ist, ist die Tatsache dass mein Sohn damals ca. 5 Jahre alt nach einem schweren Autounfall auch verschickt wurde auf Anraten der Ärzte. Er hatte schwere Kopfverletzungen damals erlitten musste auch noch nach dem Krankenhausaufenthalt nach Tübingen zu Untersuchungen mindestens 1 Woche wo ich ihn auch nicht besuchen durfte. Anschließend kam die Erholung an die Nordsee. Ich zermarterte mir den Kopf aber ich weiß es nicht mehr wohin er kam.
Als die Scheidung mit seinem Vater war wollte das Jugendamt ihn und seine Schwester zur Erholung schicken. Ich hatte mich erfolgreich dagegen gewehrt (war auch inzwischen einige Jahre älter)
Vor ca. 18 Jahren hatten mein Sohn und ich auch starke Probleme er machte mich für alles verantwortlich, auch das die Ehe zwischen seinem Vater und mir geschieden wurde usw. Heute fiel mir ein dass er sagte er hätte verschiedene Bilder vor seinen Augen dass er in einem Zimmer eingeschlossen war, die Fenster seien vergittert gewesen und er hätte geweint.
Es war eine schlimme Zeit für ihn und auch für mich. Nachdem ich nun den Bericht im Fernsehen gesehen habe finde ich keine Ruhe ob meinem Sohn damals in dem Kindererholungsheim etwas schlimmes passiert ist. Ich finde im Moment keine Ruhe. Leider spricht mein Sohn schon seid fast 3 Jahren nicht mit mir. Ich bin verzweifelt.
Eine weitere Erinnerung ist das Singen in einem großen kahlen Saal. Dort sollten wir „lustige“ Lieder singen. Ich habe immer gerne gesungen, schon als kleines Kind, dort aber brachte ich keinen Ton heraus, da ich jedes Mal weinen musste.
Es hat höchstwahrscheinlich noch viele weitere, für mich schlimme Erlebnisse gegeben, die mein bis heute vorhandenes extremes Unbehagen, wenn ich an die Zeit in Langenoog denke, rechtfertigen. Ich kam mit ein paar Pfunden mehr auf den Rippen nach Hause und hatte wohl auch länger keinen Husten mehr, was meine Eltern als Kurerfolg deuteten, meine Seele aber war verletzt. Ab dem Zeitpunkt der Kur kannte ich auch meinen Sättigungsgrad beim Essen nicht mehr richtig und die Freude daran habe ich erst im Erwachsenenalter entwickeln können.
Gibt es vielleicht jemanden, der ähnliche Erfahrungen in diesem Heim gemacht hat und der sich an die besagte Erzieherin erinnern kann? Für einen Austausch wäre ich sehr dankbar, um nach so vielen Jahren das Erlebte zu verarbeiten.
Ich muss revidieren - ich war Zeugin und bin mittlerweile nicht sicher ob es mich auch selbst betrifft.
Es drängen sich mir Bilder aus dem Unterbewusstsein auf.
Ich kann mich noch errinnern, das mir jeden Morgen Tabletten verabreicht wurden.Das es Jedes mal wenn ein Kind Geburtstag hatte einander mich ekelhaft riechenden Brei gab,den ich dann auch erbrochen habe,zur Strafe musste ich noch einen Teller davon essen.Von den Ganzen wurden Briefe und Postkarten an meine Verwandten geschickt mit der Bemerkung, dass alles gut ist.Es müssen auch Kinder aus Berlin dagewesen sein. Weil einmal hieß es es kommen Kinder von der Insel Berlin.Diese Kinder sind dann Nachts im Schein der Taschenlampen in den Schlafsaal gebracht worden.
Eines Tages bekam ich Schuhputzzeug. Da hieß es, meine Eltern wären da gewesen und hätten es gebracht. Ich wollte sofort los, und sie suchen. Sie wären schon wieder weg, mussten weiter... Vor einigen Jahren erfuhr ich von meiner Mutter, dass sie gesagt bekommen hätten, dass mir das Treffen schaden würde. Ich war völlig fertig, denn meine Eltern wollten mich nicht sehen... liebten mich nicht mehr. Dieses Gefühl blieb.
Wir sollten Karten für unsere Eltern basteln. Meine Mutter ist heute noch stolz auf die Karte. Ich hatte mit einer Kerze Wachstropfen auf die Karte gelassen. Und intensiv gehofft, dass meine Eltern kommen und mich holen. Dann lasen sie mir den Text vor: mir gefällt es hier sehr gut. Ich war völlig ohnmächtig und verzweifelt. Es stimmte nicht.
Ich wurde krank, bekam Windpocken und danach Masern, und verbrachte die meiste Zeit der Kur allein im Bett. Es gab einen jungen Mann, der Gitarre spielte. Der war zu Beginn meine emotionale Rettung. Leider war er nur kurz da. Ich denke oft an das, was er mir gegeben hat.
was sonst noch war, weiß ich nicht mehr. Ich hatte bis als Erwachsene Angst zu verhungern. Zudem habe ich Körpersypmtome, deren Ursache mir unklar sind.
Deshalb bin ich froh, hier Berichte zu lesen. Da kommen dann verborgene Erinnerungen hoch.
Ich glaub dass ich auch ne Zahl war.
Danke für die Arbeit hier
Andrea Sam
Durch eine Seitentür im Keller gingen alle Kinder in das Haus hinein. Dort wurden die Schuhe ausgezogen und jedem gezeigt, wie genau und wo die Schuhe zu stehen hatten. Zimmeraufteilung, Schrank- und Bettzuweisung. Großes Zimmer, viele Bette. Ich erinnere mich nicht an die genaue Anzahl. Eigentlich könnte ich jetzt einen Roman schreiben, aber ich halte mich mal (hoffentlich kurz) an die für mich schlimmsten Ereignisse. Das begann schon am ersten Abend vor dem Zubettgehen. Alle hintereinander, also in einer Schlange stehen, vor den Waschbecken. Du wäscht dich und putzt die Zähne, alle anderen schauen zu. Ging ja noch, war unangenehm, aber erträglich. Dann auf Klo. Die Tür stand immer offen, durfte nicht geschlossen werden. Du sitzt auf dem Klo und schaust in die Gesichter, die davor stehen und warten und dir zuschauen. Das hat in mir einen Schaden für immer verursacht. Muss ich nicht genauer erklären, oder? Ich kann stundenlang und unter enormen Schmerzen "einhalten", wenn ich das Gefühl habe, "dabei" nicht ganz alleine zu sein. Macht es schwer, Freunde oder Veranstaltungen zu besuchen. Wurde mit Sicherheit noch gesteigert durch die nächtliche Schikane, die wir über uns ergehen lassen mussten. Ich schreibe "wir", aber damals habe ich nicht gewusst, dass die anderen Kinder auch leiden. Ich dachte ja, nur ich sei so doof und nicht anpassungsfähig. Nachts wurden wir geweckt. In der Mitte des Raumes stand ein Topf. Nacheinander mussten wir darauf Platz nehmen und pinkeln. Und wehe, es war nichts zu hören. Wir durften nicht vom Topf aufstehen, bevor wir "Erfolg" hatten. Wenn der Topf voll war, musste das letzte Kind ihn in der Toilette ausleeren. Ich wollte auf keinen Fall das letzte Kind sein, denn das bedeutete auch, dass du die "Pisse" der anderen an deinem Hintern gespürt hast. Und mit dieser Pisse am Hintern musstest du das Nachthemd wieder runterziehen und den vollen Topf ohne zu kleckern im WC entleeren, dann wieder mit nassem Po und Nachthemd ins Bett. Frisches Nachthemd gab es, glaube ich, nur einmal während der sechs Wochen. So wurden auch die anderen Klamotten nie gewechselt. Meine Eltern hatten mir so liebevoll den Koffer gepackt, mit Lieblingskleidung und neuen Stücken extra für diese Reise. Aber wir trugen tagein tagaus die gleichen Klamotten. Mein Wunsch, einmal das neue blau-weiße Kleid tragen zu dürfen, wurde verhöhnt und verlacht. Dazu später noch mal mehr.
Frühstück. Gries. Das Geschirr in diesem Heim kennt sicher jeder, es ist auch heute noch bei einigen beliebt. Es ist so ein gelbes Geschirr mit einem schwarzen Huhn darauf. Das ist mir seither so verhasst. Geht sogar so weit, dass ich Räume verlasse, in denen das Geschirr steht. Liegt sicher auch daran, dass wir alles aufessen mussten. ALLES! Mein Tischnachbar hat ins Essen gekotzt und leider auch meinen Teller erwischt. Wir mussten beide aufessen. Iss mal die Kotze von einem Anderen! Aber nicht nur das Essen zu den normalen Mahlzeiten war eine Qual. Wir bekamen jeder einen Apfel in die Hand gedrückt und ich musste an den Apfel mit Fell von der Bahnfahrt denken, den mein Papa mir gekauft hatte. So weich, so lecker. Dies war ein normaler Apfel, wie ich ihn kannte. Also biss ich fröhlich hinein, aß ihn gern und wollte dann das kernige Innenleben mit Stiel entsorgen. Ich wurde sofort angeschrien: ALLES essen! Also auch die Kerne, den Grützen und den Stiel. Äpfel esse ich heute nur noch geschält, in Stücke geschnitten und ohne Kerngehäuse, ganz penibel. Ich konnte nie wieder in einen Apfel beißen.
Ich hatte Geburtstag, wurde sieben Jahre alt. Noch immer zu klein, noch immer zu schmächtig und noch immer in diesem schrecklichen Heim. Mir "zu Ehren" wurde ein nasser Blumenkranz auf den Kopf gesetzt, das Wasser rann mir am Kopf herunter. Ich durfte nicht mit den anderen essen, sondern wurde auf ein Sofa gesetzt, das so hoch war, dass ich nicht allein rauf und runter kam. Wurde also darauf gesetzt, mit dem nassen Kranz auf dem Kopf, und alle Kinder gingen an mir vorbei in den Essensraum und gratulierten mir gefühlslos (ich glaube, zu dieser Zeit hatte einfach jeder Angst vor irgendwelchen Gefühlen, alle waren gefühlslos) zum Geburtstag. Mein einziges Highlight an diesem Tag war die Köchin des Heims. Sie war die einzige liebe Person dort, ähnlich wie ich sehr klein, wenn auch bestimmt einen Meter größer als ich. Aber sie kam und brachte mir auf das riesige Sofa ein Glas warme Milch mit den Worten "Beeile dich, das muss niemand sehen". Meine Eltern hatten ein Geburtstagspäckchen geschickt. Ich durfte es öffnen und war in dem Moment sehr glücklich. Lieblingsnaschis. Ich weiß noch, dass diese Knabberperlenketten darin lagen, die man auf der Kirmes kaufen konnte. Also du hast sie am Arm oder um den Hals und kannst immer mal ein Bonbon abknabbern. Und es war ein wunderschöner Ball am Gummiband darin, in meinen Lieblingszauberfarben. Noch andere Dinge, an die ich mich nicht erinnere. Ich bekam sowieso nichts davon. Alles wurde unter den anderen Kindern geteilt, weil ich lernen sollte, nicht so egoistisch zu sein. War ich noch nie und bin ich bis heute nicht. Aber das war so schmerzhaft, daran habe ich lange geknustert. Besonders schmerzhaft war für mich der Gedanke, dass meine Eltern dies liebevoll für mich gepackt hatten und sie nicht wussten, dass andere Kinder die Geschenke bekamen. Ich habe übrigens, zumindest gefühlt, meinen gesamten 7.ten Geburtstag auf diesem großen Sofa sitzend verbracht. Der Kranz um meinen Kopf wurde des Öfteren in kaltes Wasser gelegt, damit er lange hält. Es war ein "nasser" Tag. Nun war ich also sieben Jahre alt und ich wusste, das alles musste bald vorbei sein, denn Mama hatte ja gesagt, wenn ich sieben Jahre alt bin, komme ich wieder nach Hause. Aber es war noch lange nicht vorbei! Ich habe viele Briefe geschrieben an Mama und Papa. Ich habe jeden Tag darauf gewartet, dass sie kommen und mich abholen. Ich habe ihnen doch geschrieben, wie schrecklich alles ist. Sie mussten mich doch holen. Aber sie kamen nicht. Ich habe erst später erfahren, dass keiner meiner Briefe je zu Hause angekommen ist. Aber mit jedem "Briefeschreibertag" wurden die Schwestern böser zu mir. Dabei hatte ich ihnen doch gar nichts getan. Ich versuchte, mich leise und still zu verhalten. Aber sie schikanierten mich bei jeder Kleinigkeit. Angeblich standen meine Schuhe nicht richtig. Oder ich hatte die Regenjacke nicht rechtzeitig ausgezogen und nur wegen mir war der ganze Fußboden nass, weswegen jetzt ALLE leiden mussten. "Beschwert euch bei Jutta, Jutta hat Schuld." Spieletag auf der Wiese, aber niemand wollte mit Jutta spielen, weil sie war ja SCHULD!
Viele, nicht alle, Kinder bekamen abends Medizin, entweder Saft oder eine Tablette. Sollte uns gesund machen, weil wir ja alle wegen der Gesundheit da waren. Was willst du machen als Kind? Du schluckst das einfach. So wie das Apfelinnere, die Kerne, das Gehäuse, alles. Wenn ich jetzt hier so einige Berichte lese, erklärt sich mir einiges. Bis dato war der folgende Vorfall für mich unerklärlich.
Schon beim Zubettgehen dachte ich, ich kann nicht richtig denken. Alles ist wie in Watte. Ich bin so gern und so erleichtert ins Bett gegangen. Und wohl auch gleich eingeschlafen. Am Tag vorher war darüber gesprochen worden, dass wir eine Schifffahrt machen würden. Ich freute mich darauf. Also ab ins Bett, morgen Schifffahrt. Es durften zwar nur die lieben Kinder mit, wie uns gesagt wurde, aber ich war wirklich lieb und leise. Unauffällig. Nachts wurde ich wach, weil Kinder gesungen haben. Nein, sie haben "gegrölt". Ich wurde also wach und wusste nicht, wie mir geschah, denn sie standen um mein Bett herum. Ich solle mittanzen und singen. Und diese Watte in meinem Kopf. Alles so unwirklich. Nein, nur nicht aufstehen, nur nicht tanzen und singen. Morgen ist die Schifffahrt, ich bin ein liebes Mädchen, ich fahre mit dem Schiff. Ich solle mein Lieblingskleid anziehen, das schöne in blau-weiß. Los, zieh es an. Nachthemd aus, Kleid an, aber ohne Unterhose. Mach schon, los. Ist ein Traum, ist ein böser Traum. Niemals ohne Unterhose!
Am nächsten Morgen wurde ich wach, konnte mich an nichts erinnern, nur an diesen verrückten Traum. Aber die Schwester schrie mich an: "Du bist ein böses Mädchen! Du bist so böse, dass du heute nicht mit zur Schifffahrt darfst! Du bist so böse, so böse, das böseste Mädchen hier überhaupt!"
Sie fuhren alle los, nur ich nicht. Es war der einsamste Tag in meinem Leben und ich weiß bis heute nicht, warum.
Gelernt habe ich bis heute, dass vor dem Duschen die Unterhose als letztes ausgezogen wird und danach als erstes wieder an. Ein so penibler Tick! Wenn ich aus Versehen das U-Hemd zuerst ausziehe, ziehe ich es schnell wieder an.
Meine Mama und ich haben bis heute ein so inniges Verhältnis, dass wir genau spüren, wenn es dem anderen nicht gut geht, auch damals schon. Obwohl meine Briefe nicht ankamen. Es fühlt sich an wie Gedankenübertragung. Meine Mama hat in dieser schrecklichen Zeit, von der sie eigentlich nichts wissen konnte, vor lauter Kummer um mich meinen ungeborenen Bruder verloren. Es fühlte sich mein Leben lang so an, als sei es meine Schuld. Auch heute, mit fast sechzig, fühle ich mich nicht frei von dieser Schuld.
Meine Eltern und unser damaliger Hausarzt haben mir jedes Wort geglaubt und versucht, alles aufzuklären. Das war nicht möglich!
Ich dachte, ich hätte das alles vergessen, bis ich den Bericht am 5. Februar diesen Jahres gelesen habe. So viele Jahre sind vergangen, aber vergessen und verkraftet wird das nie! Heute bin ich 59 Jahre alt, sitze hier und heule und heule und heule und verstehe so vieles, was für mich immer unverständlich war. Danke fürs Lesen!
Für heutige Eltern undenkbar - nämlich ein Kleinkind für zwei Monate in die Obhut eines Kurheimes abzugeben - und auch unterschreiben zu müssen, keinen Kontakt in der Zeit mit dem Kind aufzunehmen !
Ich habe von dieser traurigen "Episode" meines frühen Lebens erst sehr spät erfahren, meine Mutter erzählte es mir, als wir einmal abends nach dem Abendbrot zusammensaßen. Vllt war ich 12 Jahre alt, ich weiss nicht mehr genau.
Sie berichtete, dass unser Kinderarzt gemeint hätte, die frische Seeluft würde meinen roten, juckenden Stellen am Körper guttun, und es wäre wichtig, dass Eltern sich während der Kuraufenthalts zurückhielten, was den Kontakt
anginge...keine Post, keine Anrufe.
Sie als Mutter hätte das schwer ausgehalten, ich wäre ja noch so klein gewesen...
An den eigentlichen Aufenthalt habe ich selbst kaum Erinnerungen, habe nur ein einziges Foto aus dieser Zeit, eines, in dem ich mit Kopftuch Händchen haltend in einer Gruppe von ähnlich alten Kindern in der ersten Reihe stehe, und verkniffen in die Gegend schaue.
Immer wieder habe ich dieses Foto angesehen, denn es ist das einzige, was ich habe.
Die einzige "echte" Erinnerung ist die, dass ich nach der Ankunft mit dem Zug in Oldenburg, meiner Heimatstadt, von meinen Eltern am Bahnsteig empfangen wurde... und kein einziges Wort gesprochen habe.
Mein einziges Kuscheltier, ein Hase mit langen Ohren und langen Schlenkerbeinen hatte ich fest an mich gedrückt - ein Junge hatte ihm vor der Abfahrt in Norderney ein Bein ausgerissen.
Meine Mutter erzählte, es sei schlimm für sie als Eltern gewesen, dass ich tagelang nicht gesprochen hätte. Hätte mit dem Schlenkerhasen in meinem Zimmer still auf einem Stuhl gesessen- sie hätten mich so nicht gekannt. Hatten Angst, irgendwas sei "nicht in Ordnung".
Meine Haut war bei der Ankunft in OL ganz "glatt" gewesen, keine Ausschläge- aber man sah noch die frische Einstichstelle einer Spritze (im Nachinein denke ich, es war entweder eine Cortison- Spritze oder eine Beruhigungsspritze- keins von beiden würde mich wundern).
Als ich 2012 eine Mütterkur machte, stellte ich einer Psychologin die Frage, welche Auswirkungen diese frühen Erlebnisse auf mein späteres und erwachsenes Leben gehabt hätten (und noch haben könnten).
Sie sagte, dass es nicht unweigerlich zu Bindungsängsten und Vertrauensverlusten u.ä kommen müsste, wenn ich als so kleines Kind vielleicht das "Glück" gehabt hätte, eine der etwas zugewandteren Diakonissen als Bezugsperson gehabt zu haben. Eine, die sich mal gekümmert hat, wenn ich geweint oder unter Heimweh gelitten hätte.
Aber wer weiss, ob das so war.
Ich habe keine Erinnerung.
Dann sagte sie noch- was ich persönlich für wahrscheinlicher halte- dass ich womöglich nicht gesprochen hätte, nach der Rückkehr in OL, weil es in dem Heim eben kaum einzelne, individuelle Ansprache gegeben hätte, weil am Tisch strenge Regeln galten und die Kinder still und brav ihre Mahlzeiten einnehmen mussten.
Da wurde kein Quatsch gemacht oder laut gelacht- nein, da wurde man sofort streng gemaßregelt. D.h. es wurde uns beigebracht, hübsch still zu sein.
Aber wie gesagt, ich weiss es nicht.
Es fühlt sich nur so an.
In dem jungen Alter MUSS ich meine Eltern für tot oder auf ewig verschollen gehalten haben, denn Zeitgefühl hat ein 2- jähriges Kind noch nicht. Vielleicht war das Schweigen dann meine Art der Kompensation. Ich war still und durfte meine Trauer nicht "rauslassen".
Von daher kann ich nicht beurteilen, ob mein junges Alter mit dem fehlenden Erinnerungsvermögen nun ein Fluch oder Segen ist...
Ich habe sehr interessiert und berührt eure vorherigen Erlebnis- Berichte gelesen, und sah heute morgen den Film über die "Verschickungskinder" im Fernsehen.
Nun möchte ich zwar unbedingt diese dunklen Kapitel im Deutschland der 60er Jahre beleuchten, aber auch nach vorne gerichtet schauen, und leben.
Meinen Eltern habe ich übrigens nie Vorwürfe gemacht, auch wenn ich damals mit 12 Jahren fassungslos über das Erzählte war.
Ich spürte, dass zumindest meine Mutter sehr unter der Situation gelitten hatte, mein Vater sprach nicht viel darüber.
Ich lebe heute - nach vielen Phasen des Allein- Lebens im Wechsel mit unterschiedlich lang-andauernden Beziehungen- als Single und glückliche Mutter von zwei Töchtern, bin auffallend harmoniebedürftig, besitze einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.
Kann schlecht "loslassen", schlecht entspannen, habe Sorge vorm Verlassen- Werden. Mache mir ständig um- irgendwas Sorgen, aber ... ich bin auf einem guten Weg, habe Therapieerfahrung, und zum Glück eine gute Portion Resilienz (gelernt), und ein stabiles soziales Netz um mich herum.
Ich würde zu gern genau wissen, was damals auf Norderney passierte, aber vielleicht ist es meine Aufgabe im Leben, mit einer Ungewissheit klar zu kommen, und sie anzunehmen zu lernen.
Und nach vorne zu schauen, um nicht an alten Erfahrungen zu verbittern.
Das Leben ist zu kurz, zu schade, es nicht fröhlich, laut und quicklebendig zu feiern!
Alles alles Gute für euch anderen "Betroffenen", und ..bleibt gesund!
(Nicht nur an Corona...;)
Esther
Verschickungskindern gehört und im Fernsehen einen Bericht darüber gesehen und ich fand das absolut schlimm, was dort zu sehen und zu hören war!
Dann wurde mir erst bewußt, das meine Schwester und Ich ( Beide Jhg. 1968 / Zwillinge ) selbst mal zu diesen Verschickungskindern gehörten und kurz vor unserer Einschulung im Sommer 1975 schickten uns unsere Eltern nach Wallgau in Österreich.
Es war damals aus gesundheitlichen Gründen, aber das war uns nicht so ganz bewußt und es sollte eine Art Kururlaub/Aufenthalt werden und so setzte man uns gemeinsam in den Zug, zusammen mit anderen Kindern.
Der Abschied war nicht einfach und ich kann mich erinnern, das wir geheult haben und gar nicht weg wollten, aber unsere Eltern haben uns am Bahnsteig getröstet und es sollte ja nicht für immer sein.
An den Aufenthalt im Heim hab ich leider nicht mehr so viele Erinnerungen und weiß nur, das wir öffter Ausflüge in die natur unternommen haben und das dort eben viele Kinder waren in unserem Alter.
Es gab sicherlich eine gewisse strenge Ordnung, aber an Übergriffe von Seiten der Betreuer hab ich keine Erinnerung, oder das wir geschlagen wurden etc.
Ich hatte eines Nachts einen Pseudokrupp-Anfall und dachte ich müsse ersticken und das war ganz schlimm
und es kam mir fast wie eine Ewigkeit vor, bis dann jemand zu Hilfe kam.
Wenn ich so die anderen Erfahrungsberichte lese, dann denke ich das wir evtl Glück gehabt haben und es uns besser gegangen ist als so vielen anderen, die so leidvolle Erfahrung gemacht haben.
Lieben Gruß an alle !
Christian ( ein Verschickungskind )
Zum Essen wurde man gezwungen, es gab etwas, das wurde einem als "Quallensalat" verkauft, was für den Appetit nicht gerade förderlich war.
Für jedes kleine Vergehen wurde man bestraft, mit Prügel oder man wurde mit kaltem Wasser aus einem Schlauch geduscht.
Auf den Spaziergängen mussten wir brav in Zweierreihen gehen, und es durfte nicht gelacht und nicht laut gesprochen werden.
Zur Mittagsruhe und nachts durften wir nicht auf die Toilette gehen, die meisten haben dann ins Bett gemacht.
Die Postkarten nach Hause wurden kontrolliert, es wurde uns vorgegeben, was wir zu schreiben hatten. Päckchen von zu Hause wurden geöffnet, damit die Süßigkeiten angeblich an alle verteilt würden.
Im Nachlass meiner Mutter habe ich noch alte Unterlagen gefunden, aus denen hervorging, dass meine Eltern 600,-DM für diese "Kur" selbst bezahlen mussten, das war damals schon sehr viel Geld.
Ich hasse noch heute diese Frau von Herzen.
Ihre Methoden waren mehr als fragwürdig. Aufrecht hielt uns nur der ständige Gedanke an Flucht.
Selbst unsere Briefe nach Hause wurden gelesen und korrigiert.
Demütigungen waren an der Tagesordnung.
Kinder wurden trotz Würgereiz zum Essen gezwungen. Ein Junge, der in die Hose gepinkelt hatte, musste vor aller Augen seine Unterhosen waschen.
Denunzieren wurde belohnt und Päckchen von Zuhause weggeschlossen.
Wir waren 50 Kinder und es war so gut wie kein Spielzeug vorhanden.
Ich habe 6 Wochen jeden Abend vor Heimweh geweint.
Besonders befremdlich war, als uns einmal die noble Wohnung von Frau Dr. gezeigt wurde. Die gediegene Ausstattung stand im krassen Gegensatz zu unseren kargen und spartanischen Aufenthaltsräumen.
Ein Trost waren die Mitgefangenen und der kleine Spielplatz hinter dem Haus.
Verstehe dieses ganze Tamtam nicht - überall gibt es schwarze Schafe!
Im Beitrag war die Rede davon, dass Gewichtszunahme an 1. Stelle stand. So war es auch bei Tante Inge. Unter allen Umständen musste das Essen aufgegessen werden, danach gab es Lebertran. In meiner Gruppe war ein Geschwisterpaar (Mädchen von 5 und 3 Jahren). Ich war Zeuge, als die 3-jährige das Erbrochene wieder aufessen musste. Da das zu lange gedauert hat, wurden wir anderen weggeschickt. Nach 6 Wochen hatte ich 1/2 kg zugenommen. Ich weiß noch, dass meine Mutter das als wenig empfand.
Nachts durften wir nicht zur Toilette gehen. 1 x ging es nicht anders, ich bin aufgestanden und über den halbdunklen Flur gelaufen. Schon stand eine der Tanten neben mir und hat mich nach einem Donnerwetter ins Zimmer zurück geschickt. An den weiteren Verlauf kann ich mich nicht mehr erinnern, aber das Bild des Flures und meine Angst habe ich immer noch deutlich vor Augen. Ich weiß, dass andere Kinder verprügelt wurden, wenn sie ins Bett gemacht hatten.
Das Geschwisterpaar wurde noch vor meinem Aussteigebahnhof Minden auf einem anderen Bahnhof von ihren Eltern abgeholt und liebevoll in den Arm genommen. Ich erinnere mich noch an die blonden Locken der Mutter und wie ich sie durch die Zugscheibe beobachtet habe. Und wie ich gedacht habe, ob sie wohl von den Gemeinheiten von Tante Inge erfahren würden.
Ich habe zu Hause davon erzählt, meine Mutter hat sich fürchterlich aufgeregt und meine jüngeren Geschwister wurden nicht verschickt. Ich glaube nicht, dass ich bleibende Schäden davon getragen habe, aber die negativen Erinnerungen und die Bilder dazu habe ich noch deutlich vor Augen. Das schrecklichste Haus in meinem ganzen Leben war das Oberlinhaus in Freudenstadt.
Es war nach meiner Erinnerung eine sehr strenges Regiment, denn ich wurde gezwungen Haferschleim Suppe zu essen, und das ich erst aufzustehen darf, wenn ich alles aufgegessen hätte, ich habe immer wieder gewürgt und gewürgt, dann kam die Aufseherin, und drohte mir, Du sitzt hier so lange bis Du das alles aufgegessen hast!!
Ich versuchte den Haferschleim runter zu schlucken, und zum Schluss kam der Brei wieder hoch und habe auf den Tisch erbrochen.
Was dann passierte, da habe ich eine Erinnerung Lücke!!
Ich weiß nicht mehr ob ich das Erbrochene wieder essen musste, das ist bei mir alles ausgeblendet!!
Ich habe seitdem ein Ekel davor
und konnte jedenfalls nie wieder Haferschleim Suppe essen!!
Ich hatte dort häufig Alpträume und habe ins Bett gemacht, dadurch aufgewacht es war stockdunkel und bin dann Nachts eine Treppe zu den Toiletten runter gelaufen und die Hinterlassenschaft bemerkte ich überhaupt nicht!
Am nächsten Morgen wurden alle irgendwie zum Appell aufgerufen, wer das war, und ich hatte große Angst, und deshalb nichts gesagt!!
Dann wurde jedes Bett durchsucht!!
Und ich wurde genötigt, als kleines Mädchen den Gang und die ganze Treppe bis unten zu reinigen, das war damals ziemlich erniedrigend.
Und das demütigende war, es wurde vor den anderen Kindern irgendwie zur Schau gestellt!
Zuhause habe ich nichts erzählt warum weiß ich bis heute nicht.
Nur wenn es hieß Du wirst bald wieder verschickt habe ich einen Aufstand gemacht!
Ich wollte nie wieder zu einer Verschickung das war für mich ein absolutes traumatisches und bleibendes Erlebnis.
War morgens diese erste Hürde genommen, ging es in den großen Speisesaal. Und da begann das Grauen. Es gab jeden Morgen Griessbrei oder Haferschleim. Beides fand ich ganz furchtbar. Ich mochte es nicht! Aber ich sollte ja zunehmen. Also rückten fast jeden Morgen zwei Betreuerinnen mit einem Teller Pampe an. Ich sagte mehrmals, dass ich es nicht mag, aber das interessierte sie nicht. Die Eine hielt meinen Kopf umklammert und drückte mir mit Gewalt den Mund auf und die Andere zwang mir wieder und wieder einen Löffel Pampe in den Mund. Ich werde nie vergessen, was sie dazu sagte: "Guck mal, Kind, wir nehmen schon nur einen Eierlöffel. Dann hast du nicht soviel davon im Mund." Wenn ich zu würgen begann, drückte man mir schnell den Mund zu. Ich kann bis heute nichts essen, das eine breiige Konsistenz hat: Keine Cremes, keinen Pudding, keine Sahne, keinen Quark, keinen Joghurt, keine Torten, keinen Kartoffelbrei.
Einmal in der Woche gab es Post von unseren Eltern. Viele schickten kleine Kuscheltiere, Püppchen oder sonstiges Spielzeug. Wir durften unsere Sendungen vor dem Essen in Empfang nehmen. Danach wurden uns alle Geschenke der Eltern wieder weggenommen und auf ein Regal verfrachtet, das so hoch war, dass wir Kinder nicht heran kamen. Lies sich eines der Kinder auch nur irgendetwas "zuschulden kommen", wurde das Geschenk vor den Augen aller Kinder von den Betreuern in einen großen Mülleimer befördert. Klappe zu, Affe tot, buchstäblich.
Mein kleiner Bruder war damals ein ziemlich aufmüpfiger, kleiner Bengel, schlau, gewitzt und trotz seiner erst vier Lebensjährchen nicht auf den Mund gefallen. Wie oft er wegen lächerlicher "Vergehen" und weil er sich nichts gefallen ließ, stundenlang mit dem Gesicht in der Ecke stehen musste, während die anderen Kinder etwas zu Essen bekamen, habe ich leider nicht gezählt.
Einmal sollte er etwas essen, was er nicht mochte. In einem winzigen, unbeobachteten Moment schleuderte er den gefüllten Teller wie eine Frisbeescheibe quer durch den Speisesaal. Daraufhin bekam er eine Tracht Prügel und für den Rest des Tages nichts mehr zu essen.
Irgendwann während meines Aufenthaltes wurde eine neue Betreuerin eingestellt, eine warmherzige, engagierte und sehr nette junge Frau, der wirklich an uns Kindern gelegen war. Sie war die erste Betreuerin, die sich um meine langen Haare kümmerte und sie tagsüber zu einem langen Zopf flechtete. Wenn sie kam, ging jedesmal die Sonne auf und wir Kinder scharten uns um sie herum. Aber die anderen Betreuer sahen es nicht gern, wenn sie sich um uns Kinder kümmerte.
Einmal haben wir einen Spaziergang durch den Wald gemacht. Links vom Wegrand ging es steil und tief hinunter. Die Betreuer schärften uns ein, ja nicht vom Weg anzukommen. Natürlich passierte es trotzdem. Eines der Kinder trat daneben und rutschte den ganzen Abhang hinunter durch den Wald, bis ein Baum die gefährliche Rutschpartie unsanft beendete. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob das "abtrünnige" Kind bestraft wurde. Aber ich glaube, der Schrecken bei den Betreuern war zu groß.
An unserem letzten Tag vor der Rückreise lagen wir zum Mittagsschlaf in unseren Betten. Plötzlich kam eines der Kinder schreiend in den Schlafsaal gerannt. "Die haben Spritzen", brüllte es laut. "Die geben uns Spritzen!" Das total verschreckte, panische Kind kroch in sein Bett unter die Decke und hielt diese krampfhaft rundherum fest. Dann kamen sie auch schon. Ohne irgendeine Vorankündigung oder gar Erklärung wurde ein Kind nach dem anderen mit Gewalt unter der Bettdecke hervorgezerrt. Zwei Betreuer hielten es fest, der dritte jagte dem schreienden und weinenden Kind die Spritze in den Hintern. Ich hatte vor Spritzen glücklicherweise keine Angst, weil mir schon unzählige Male von der Kinderärztin zu Hause Blut abgenommen worden war. Aber die meisten Kinder waren - zum krönenden Abschluss ihres Kuraufenthaltes - in Todesangst. Als alle Kinder durch gespritzt waren, ließen die Betreuer sie völlig verstört in ihren Betten zurück.
seit Kurzem sind mir die Erlebnisse die ich während zweier Kuraufenthalte in der DDR hatte, wieder ins Bewusstsein gekommen. Vieles habe ich verdrängt, besonders von meinem ersten Kuraufenthalt mit 5 Jahren in Osterburg, woran ich nur wenig Erinnerungen habe. Aber ich weiß noch, dass dort in sehr großen Schlafsälen in Gitterbetten geschlafen wurde und ich mich nachts gefürchtet habe und nicht schlafen konnte. Auch kann ich mich noch erinnern, das man nackt unter der Höhensonne tanzen musste, gezwungen wurde aufzuessen und das es Strafen gab. Welche , kann ich mich nicht mehr erinnern. Würde es aber gern, um es besser zu verarbeiten.
An den zweiten Kuraufenthalt in Bad Muskau Nähe der polnischen Grenze kann ich mich dafür sehr gut erinnern. Zu beiden Kuren wurde ich geschickt, weil ich zierlich und zu dünn war. Gemein fand ich, dass bei der Kur gleichzeitig Kinder zum Zunehmen und zum Abnehmen waren. Auch die Essenszeiten waren gleich. Während die Kinder die Abnehmen mussten Ihr Essen in winzigen Portionen eingeteilt auf ihren Tellern hatten, mussten sie gleichzeitig mit zusehen, wie die anderen (zu denen ich auch zählte) regelrecht mit Essen vollgestopft wurden. Es gab für uns 6 Mahlzeiten am Tag. Regelmäßig mussten wir uns in Unterwäsche im Gang aufreihen zum Wiegen. Wir haben uns manchmal kleine Sachen in die Socken gestopft, um ein paar Gramm mehr zu wiegen. Aber die größte Folter war für mich folgendes: Jeden morgen musste ich um 5 Uhr aufstehen und in den Keller. Dort gab es Stachelbrause oder Wechseldusche. Die Stachelbrause bestand aus einem Aufsatz aus dem mehrere harte Wasstrahle herauskamen und damit wurde man erst kalt dann heiß abgespritzt. Dafür musste man sich nackt in eine Ecke stellen.
Wechseldusche war dasselbe, nur nicht mit so hartem Wasser. Für mich war es eine Folter. Die nächste Folter war, dass man in die Sauna eingesperrt wurde. Ich hielt es nicht so lange aus und wollte eher raus und habe darum gebettelt. Aber ich musste solange drinn bleiben, bis die Zeit um war. Danach musste sich jedes Kind in eine Badewanne mit eiskaltem Wasser legen, bis zum Kinn und nur danach durfte man gehen. Das hat definitiv ein Trauma bei mir hinterlassen. Ich ertrage keine Hitze über 30 Grad und habe das Gefühl von Panik und ersticken zu müssen und ich meide kaltes Wasser wie die Pest, gehe seit dem fast nie ins Schwimmbad oder in einen See. Nur in warmes Wasser.
Ich würde gerne meine Erinnerungen auch an die erste Kur wieder hervorholen. Da ich hoffe, wenn ich es erinnern kann, es auch besser zu bewältigen und damit umgehen zu können.
Ich bin noch neu hier und froh diese Seite gefunden zu haben. Wenn jemand einen Rat hat, wo ich mehr Hilfe bekommen kann, bin ich dankbar. Das Gefühl, damit nicht allein zu sein, tut jedenfalls gut.
LG Nadja
Meine Hände wurden mehrmals täglich mit Nivea-Crème "behandelt", wodurch sich nach und nach lange blutige Risse bildeten die sich entzündeten, was widerum zur Folge hatte, dass mir noch öfter die Hände mit der gleichen Salbe eingecremt wurden und der Zustand sich weiter verschlechterte. Als ich pünktlich zum Schuljahresbeginn (2. Klasse) wieder zuhause war, konnte ich die erste Woche gar nicht, und in der zweiten Woche nur mit immer noch komplett bandagierten Händen am Unterricht teilnehmen.
Meinen Bruder habe ich während der gesamten Zeit nur zweimal bewusst wahrgenommen. Er war dort um zuzunehmen und lag an dem Tag, an den ich mich erinnere, nach dem Zwangsmittagsschlaf zugedeckt auf einer Liege neben der Wiese, auf der die anderen Kinder nach der Mittagsruhe spielen durften. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mitgespielt habe. Vielleicht durfte oder konnte ich auch nix anfassen.
Die zweite Erinnerung habe ich an einen Ausflug. Ich weiß noch, dass ich mich für die Schieferplättchen, die überall rumlagen, begeisterte. Als wir wieder im Heim ankamen, sprach mich mein Bruder, der in Gesellschaft von zwei der älteren Jungen (ca. 15-16 Jahre) war, an, und überredete mich mitzukommen, weil sie mir etwas zeigen wollten. Ich folgte den fremden Jungs dann in einen Hühnerstall (?). Mein Bruder war glaube ich draußen geblieben. Mehr weiß ich nicht mehr, nur, dass mich diese Szene bis heute nicht loslässt.
Erübrigt sich wohl zu erwähnen, dass die Post nachhause zensiert wurde.
Die Heimleiterin hieß Frau Netz und war wohl durch den BDM geschult worden. Anders kann ich mir heute jedenfalls nicht erklären, wie es einem Menschen möglich ist, Kinder in einer permanenten Atmosphäre der Einschüchterung, Vernachlässigung und Angst, nachhaltig zu traumatisieren. Ich will nicht behaupten, dass diese "Kur" der alleinige Grund dafür ist, dass ich seit Jahrzehnten immer mal wieder wegen Depressionen in Behandlung bin, da es auch noch andere Brüche in meinem Leben gab, aber einen maßgeblichen Anteil an meinen seelischen Verwerfungen wird sie mit Sicherheit haben.
Mein Bruder und ich haben niemals miteinander über diese unendlich langen 6 Wochen gesprochen.
ich musste gleich zweimal in die Kur fahren, denn ich war zu klein und zu dünn um eingeschult zu werden. Genau kann ich nicht mehr sagen, wann ich wo gewesen bin und was ich wo genau erlebt habe. Ich war erst 5 und dann 6 Jahre alt. Bestimmt habe ich viel verdrängt oder vergessen und das ist wahrscheinlich auch besser so. Wie in der DDR so üblich, ging es sehr militärisch zu. Antreten zum Apell und in Zweierreihe, still stehen. Aber das war ja in der DDR auch an den Schulen so. Obwohl so viele Kinder da waren, habe ich mich sehr einsam gefühlt. Ich kann mich nicht daran erinnern Freundschaften geschlossen zu haben. Wahrscheinlich hatte jeder mit sich selber zu tun.
Wir durften nachts nicht auf Toilette und meine Bettnachbarin hat häufig ins Bett gemacht und nicht nur Urin, sondern Stuhlgang. Sie musste die ganze Nacht in ihrem Haufen liegen und im Schlafsaal hat es furchtbar gestunken. Morgens wurde sie dann ganz schrecklich angeschrien. Sie hat entsetzlich gelitten.
Mein Vater hat mir Süßigkeiten geschickt, die ich nie bekommen habe. Das haben hier ja viele beschrieben. Ich habe es schrecklich empfunden nackt in einer Reihe anzustehen und morgens eiskalt mit abends viel zu heiß mit einem Wasserschlach abgespritzt zu werden. Auch der Gang nackt um die Höhensonne war gruselig. Wir haben uns gefürchtet und ein Mädchen ist umgefallen.
Beim Essen musste aufgegessen werden oder man saß stundenlang vor dem Teller. Im meiner Suppe war ein Knorpel. Den konnte man gar nicht runter bekommen. Ich habe ihn mir in den Mund gestopft ihn im Klo wieder ausgespuckt und mich dabei so geekelt, dass ich mich erbrochen habe. Wenn man die viele Butter nicht aufs Brot geschmiert bekam, musste man sie im Nachgang so essen.
In meiner Erinnerung waren die Erzieher sehr unterkühlt.
Meine Eltern glaubten mir das nicht. Ich habe dann auch einfach nicht mehr darüber nachgedacht und verdrängt, bis mir ein Freund ähnliche Sachen erzählt hat. Niemals würde ich meine Kinder alleine in eine Kur schicken.
Die jetzige Miteigentümerin der Villa Didié, wie das Hau früher auch genannt wurde, hat noch gestern Recherchen zu meinen Fragen angestellt und mich angerufen.
Ich dachte immer die "Heimleiterin" sei eine Generalstochter gewesen.
So schlecht bin ich nicht gelegen.
Es war Maria Hetzel-Dedié, eine adoptiertes Dienstmädchen des kinderlosen Oberleutnants Ferdinand Dedié und seiner Gattin.
Nun bin ich mal gespannt ob es über das Landesarchiv respektive Gemeindearchiv Königsfeld noch Unterlagen dazu gibt.
meine Narbe an der rechten Handobfläch erinnert mich schon mein ganzes Leben an die Panik, Verzweiflung und Angst, mit der ich die Glasverandatür als 5-Jähriges Mädchen eingeschlagen habe, um aus dem Raum rauszukommen. Irgendwas hat der "Tanta" nicht gepasst und ich wurde in der Veranda eingesperrt.
Ebenso erinnere ich mich an Kasernenhof-Drill und erbrochenem Heidelbeerquark/Joghurt, in welchem ich liegen bleiben musste.
Nach unserer Rückkehr nach Stuttgart, so meine Mutter, hatte sie Bedenken, ob wir überhaupt ihre Kinder seine, da uns der schwäbische Dialekt wohl ausgetrieben wurde.
ich berichte mal, wie es mir 1967 im Alter von 9 Jahren in Hochried erging.
Ich war übrigens nicht krank sondern galt eher als robustes Kind. Ich freute mich im Vorfeld auf die Berge, den Schnee...Ferien während der Schulzeit...
Schon auf der Fahrt von Hannover Hauptbahnhof aus im gräßlichen Transportzug habe ich mich verletzt - ich habe mir den Finger am Klappsitz auf dem Gang blutig gequetscht. Da wurde ich grob behandelt und geschimpft.
In Hochried wurde uns der persönliche Besitz abgenommen, Geld, Süßigkeiten, mein Fotoapparat. Weil ich klein gewachsen war kam ich in den Schlafsaal zu den jüngeren Kindern . Das fand ich sehr ungerecht. Ich wurde geschimpft, wenn die Kleinen Nachts unruhig waren, da ich die älteste im Schlafsaal war. Ich war so froh, dass meine kleine Schwester 2 Tage vor Abfahrt nicht mehr mit wollte und meine Eltern sie nicht dazu zwangen. Ich hätte sie bestimmt nicht trösten können/ dürfen.
Ich war autoritäre und grobe Behandlung nicht gewöhnt. Man durfte nichts selbst entscheiden. Es gab kein freies Spiel. Ich erinnere keine Freizeitangebote. Es war wie im Gefängnis.
Es gab jeden Tag Ärger wegen des Essens. Im „ Eulenzimmer“ mussten die Kinder, die nicht alles aßen stundenlang vor ihren Tellern sitzen. Ich war immer bis nachmittags dort. Immerhin kam ich so um die verhaßte Mittagsruhe rum.
Es gab nur eine freundliche „ Tante“: die bewachte die Mittagsruhe und sang mit uns. Abends ist sie mit einer kleinen Gruppe Kinder ins Dorf zum Bäcker oder Senioren gegangen, um Adventslieder vorzusingen. Ein Junge und ich haben zweistimmig gesungen oder Solo. Wir bekamen Limonade, Gebäck und manchmal ein paar Groschen. Alles heimlich. Das war mein Lichtblick während der Kur. Bestimmt war das Image- Pflege der Einrichtung.
Morgens mussten wir uns versammeln und Kirchenlieder singen. Viele Kinder mochten das nicht. Für mich war es ein Lichtblick, wenngleich ich lieber weltliche Lieder gesungen hätte.
Eines der Lieder wurde meine Hymne:
Die Nacht ist vorgedrungen
Der Tag ist nicht mehr fern
So sei nun Lob gesungen
Dem hellen Morgenstern
Auch wer zur Nacht geweinet
Der stimme froh mit ein:
Der Morgenstern bescheinet (bescheinigt sang ich)
Auch deine Angst und Pein!
Es gab 1 Adventskalender für alle Kinder zusammen und das bravste Kind des Tages bekam etwas davon. Ich bekam nie was.
Es gab so eine Art Reihenuntersuchung bei einem groben Doktor. Ich fand, das war wie auf dem Sklavenmarkt. Wir wurden wie Vieh behandelt, gewogen, rumkommandiert ... und alles in Unterwäsche. Das war sehr beschämend. Ich sollte zunehmen, obwohl ich gar nicht zu dünn war.
Die „ Tanten“ kuschten vor ihm.
5 Wochen lang wurde ich damit erpresst, dass ich an meinem Geburtstag während der Kur nicht das in Aussicht gestellte Wunschessen bekommen würde, wenn ich nicht brav sei.
Ich durfte keine Geschenke zum Geburtstag geschickt bekommen, auch keine Süßigkeiten. Meine Eltern schickten manchmal was, das durfte ich nicht behalten.
Einmal habe ich, als ich mich unbeobachtet fühlte, alle Kinderschuhe, die sorgfältig in einer Reihe standen, durcheinander gekickt. Ich wurde dabei von einer „Tante“ erwischt, die mich übers Knie legte und schlug. Ich war zuvor noch nie geschlagen worden. Ich glaube, ich musste dann auch zur Leiterin.
Ständig wurden die Wäschefächer kontrolliert. Wenn es nicht ordentlich genug darin war, wurde alles von der„ Tante“ herausgezerrt. Ich musste oft alles neu zusammen legen, wie beim Militär. Wehe, es war etwas nicht korrekt gefaltet.
Weil ich mich in einem Brief an meine Eltern über das schlechte Essen beschwerte, durfte ich den Brief nicht abschicken. Ich war darüber sehr empört und wollte dann gar nicht mehr schreiben. Da hat man mich sehr unter Druck gesetzt. Ich sei gemein zu meiner Familie.
Ich habe mich eine Weile geweigert... leider konnte ich keine Briefmarken beschaffen, dann hätte ich heimlich geschrieben. Irgendwann habe ich dann doch geschrieben, aber nur nach der Familie gefragt, nichts über das Heim berichtet. Ich wollte nicht lügen und kam mir doch so vor als hätte ich das getan.
Ich wollte doch so gerne in die Berge ( also hatte ich mir das selber eingebrockt? ) da meine Oma dort aufgewachsen war. Sie lebte schon lange in Norddeutschland und schwärmte von der Landschaft. Ich wollte das erleben - die Berge, den Bergsee und den Schnee. Und habe nichts davon erleben dürfen. Statt dessen in Zweierreihen wandern ohne reden, ohne Schneeballschlacht... Ich finde es gruselig, dass ich mich noch nicht einmal an die anderen Kinder erinnern kann. Ich war ein kontaktfreudiges Mädchen- wie kann das sein? Ein Foto vom Kuraufenthalt habe ich nicht.
Ich kann mich überhaupt nur wenig an Details erinnern. Aber ich weiß noch genau, dass ich dort mehrmals Robinson Crusoe gelesen habe. Immer wieder von vorn. Ich habe eher innere Bilder.
1968 wechselte ich als gute Schülerin auf die weiterführende Schule, eine Mädchenschule. Auch dort waren die Strukturen autoritär bis grausam.
1969 bekam ich ein unerklärliches Fieber, über lange Zeit. Meine Leistungen verschlechterten sich.
1970 bekam ich meinen ersten Krampfanfall. Bis heute habe ich keine Epilepsie- typischen Abweichungen im EEG, ich gehe davon aus, dass es dissoziative Anfälle waren.
Ab 1971 hielt ich es immer weniger in der Schule aus. Ich konnte mich nicht mehr ducken und bin nicht mehr hin gegangen. Ich habe komplett dicht gemacht.
Erst 1974 nahmen meine Eltern mich von der Schule ... ich hatte dann einen Neustart an einer anderen.
Dort fand ich Verständnis und konnte nach einem weiteren Wechsel bis zum Abitur die Schule besuchen.
Die Kur liegt wie ein Schatten über meinen Kindheitserinnerungen. Fast alles, was vor der Kur war, ist nebulös. Vom Aufenthalt selbst weiß ich kaum Details. Die katholischen „ Tanten“ waren ohne Empathie. Kommando-Ton und Bibelsprüche ( Gott als Angstmacher) von morgens bis abends. Immer unter strenger Aufsicht. Es herrschte eine Atmosphäre der Angst. Ich spüre sie heute noch, wenn ich daran denke.
Es war die einsamste Zeit meines Lebens. Ich fühlte mich ganz auf mich allein gestellt in einer komplett anderen Welt als ich sie kannte.
Ich fuhr als neugieriges und fröhliches Kind hin und kam als ernste kleine „Erwachsene“ nach Hause. Von da an habe ich mir immer selber geholfen, vertraute mich niemandem mehr wirklich an.
Ich habe meinen Eltern nicht erzählen können, wie schlimm das alles war. Sie hatten sich im Vorfeld für mich gefreut. Wir konnten nicht in Urlaub fahren. Ich wollte Sie nicht enttäuschen oder belasten.
Ich weiß, sie hätten mich sofort abgeholt, wenn sie die Zustände dort gekannt hätten.
Die Kur hat mich traumatisiert.
Sie hat mich geprägt.
Ich bin früh ein sozial engagierter Mensch geworden, der aber leider selbst Schwierigkeiten mit Nähe hat.
Zum Glück hat die Kur bei mir nicht nur zerstört, sondern auch Ressourcen geweckt.
Ich recherchiere seit 2010.
- Langeoog -Nordsee- 1964/65
- Niendorf -Ostsee, Timmendorf- 1966
Ich habe schmerzliche Erinnerungen an diese Zeit, ein Kuraufenthalt mit vielen Zwängen, Bestrafungen und Verboten. Ich war mit 8 Jahren in Bad Sachsa und habe dort eine grauseme Tortur durchlebt. Festgebunden am Stuhl wurde ich gezwungen mein Mittagessen (Spinat) ganz aufzuessen. Danach erbrach ich alles und ich mußte dann mein Erbrochenes wieder und wieder essen bis der Teller leer war, das zog sich bis in den Nachmittag. Die Milch wurde mir eingeflöst. Ich bekomme heute noch Würgereiz bei Spinat und Milch.
Einmal bin ich nachts unerlaubt auf die Toilette und konnte im Dunkel mein Zimmer nicht finden, zur Strafe mußte ich im dunklen kalten Treppenhaus die Nacht auf der Treppe sitzend Barfuß und ohne Decke verbringen, es war Winter.
Ein anderes mal wurde ich für mehrere Stunden in eine dunkle Kammer ohne Fenster eingeschlossen. Das löst bei mir heute noch Panik in geschlosseen Räumen aus. Eine Strafe war auch, ich mußte stundenlang knieend in der Ecke im Speisesaal verbringen. Stubenarrest für zwei Tage im Bett liegend gab es auch.
Post an die Eltern wurde kontrolliert geschrieben.
Diese Geschehnisse sind ein Alptraum, quälend und traumatisch, sie belasten mich heute noch.
Hannelore
Dort angekommen,wurde mir mein Kuscheltier abgenommen,mein Bruder komplett von mir getrennt.
Die älteren Kinder waren in der unteren Etage untergebracht.Ich habe meinen Bruder die ganzen 4 Wochen nicht gesehen.
Ich sollte Gewicht zunehmen,also wurde ich gemästet.Es durfte nichts auf dem Teller zurückbleiben.
Ich habe viel geweint,aber nur heimlich - da es sonst Strafen gab.
Öfters musste ich in einem fast leeren Raum auf einem Holzstuhl sitzen - Arme hinter der Lehne verkreuzt.Ich durfte nicht aufstehen,da in unregelmäsigen Abständen kontolliert wurde.Dieses Wegsperren dauerte manchmal mehrere Stunden,auch Nachts - entweder weil ich beim weinen erwischt wurde,oder nicht schlafen konnte und mit meiner Bettnachbarin geflüstert hatte.
Wenn Duschtag war,mussten wir uns in unseren Zimmern nackt ausziehen und ohne ein Handtuch umzubinden,nach unten in die Sammeldusche gehen.Genau die Etage,wo die älteren Kinder untergebracht waren.Es war sehr demütigend.
In meinem Zimmer war ein etwas jüngeres Mädel,deren Mutter wohl kurz vorher gestorben war.Sie war fast nur am weinen.Selten,dass sie am streng geregelten Tagesablauf richtig teilnehmen konnte.Oftmals war sie für mehrere Stunden verschwunden.Sie hat nie erzählt,wo sie in dieser Zeit war.
Wir hatten uns später zu Hause noch Briefe geschickt,aber nie wieder von unseren dortigen Erlebnissen gesprochen.
Auch mein Bruder hat nie irgendetwas erzählt.
Die Mahlzeiten habe ich auch in schlechter Erinnerung: es waren riesige Portionen an Beilagen (Kartoffeln, Spinat) und dazu zum Beispiel ein Ei. Es mußte aufgegessen werden, und wer dies nicht schaffte, bekam massiven Druck. Ein Junge, der etwas älter war als ich, erbrach sich einmal in seinen Teller. Er mußte vor uns allen sein Erbrochenes wieder aufessen. Ich konnte nicht hinsehen, weil mir allein von der Vorstellung schon selber übel wurde. Ich war solche Portionen nicht gewöhnt und konnte das nicht. Darum bekam ich am Ende mehrfach die Strafe, die schon vor Beginn der Mahlzeit immer wieder erklärt wurde: wer nicht aufißt, bekommt keinen Nachtisch. Nicht der Verzicht auf den süßen, wohlschmeckenden Joghurt war daran das Schlimmste, sondern die soziale Ausgrenzung. Man wurde von der Heimmutter dann auch gesondert spöttisch vorgeführt: "Schaut her, die S. bekommt heute keinen Nachtisch, weil sie nicht aufgegessen hat!". Dies alles fand immer vor aller Augen statt. Da ich unbedingt zunehmen sollte, fühlte ich mich dann als Versagerin und war beschämt.
Merkwürdigerweise meine ich mich auch zu erinnern, daß wir einmal alle gemeinsam aufgefordert wurden, einen Brief nach Hause zu schreiben, der aber kurz und sehr allgemein ausfiel, weil er ja von der Heimfrau mitgelesen und abgeschickt wurde. Falls dies so war, muß ich doch ein Jahr älter, also 7, gewesen sein, ich bin mir einfach über mein Alter nicht ganz sicher.
Es wurde wohl irgendwie Buch geführt über unser Gewicht, jedenfalls stellte sich nachher heraus, daß ich etwas zugenommen hatte, auch wenn ich das selber nicht so empfand. Es kann auch nicht viel gewesen sein.
An körperliche Züchtigung kann ich mich nicht erinnern, mir bleibt vor allem ein Gefühl von Herzlosigkeit, fehlendem Ansprechpartner, Einsamkeitsgefühl, Übergriffigkeit und Langeweile, die ich vorher noch nie empfunden hatte. Die Zeit des Durchhaltens schien schier endlos, und ich fragte mich immer wieder, warum ich wohl in Wahrheit dort war.
Zum Glück blieb es mein einziger Aufenthalt dieser Art.
Heute habe ich Fotos sortiert und da waren sie: ich als Fünfjährige, zaghaft und bange lächelnd vorm Schönhäusl, am Königsee mit meinem Bruder (der wieder mit unserer Mutter heimfahren durfte), mit Schwester Friedel usw. Wollte sehen, ob das Erholungsheim noch existiert und so stieß ich auch auf diese Seite. Dass es so vielen wie mir ergangen ist, war mir nicht bekannt, traurig. Die Berichte der anderen sind erschütternd!
Eines gab es aber reichlich: Jede Menge Sport stand auf dem Programm - mehr Drill als Therapie. All dies war dennoch relativ leicht zu verkraften - leichter als Heimweh und die Angst vor Übergriffen größerer Kinder, die schreckliche Nachtschwester, ...Angst war da ein häufiger Begleiter. Nach all den Jahren ist mir zum Glück nicht mehr jedes Detail in Erinnerung. Geblieben sind aber einige besonders einprägsame Erlebnisse:
Nachtschwester:
Die Nachtschwester patrouillierte bewaffnet mit einer Taschenlampe alle Schlafunterkünfte. Ich war in einem großen Schlafsaal untergebracht, der durch zwei Glaswände mit offenem Durchgang eine gewisse Aufteilung bot. In meinem Bereich waren wir ca. 6 Kinder, in den anderen beiden Bereichen etwa ebenso viele. Wenn die Nachtschwester kam, musste man sich schlafend stellen - keinen Laut von sich geben. Wer wach war oder gar noch sprach musste sein Bettzeug nehmen und wurde in der Kapelle oder im Heizungskeller eingeschlossen. Sie können sich sicherlich vorstellen, wie verängstigt die Kinder waren. In einer Nacht hatte ich mal Fieber und sehr starke Kopfschmerzen - aber noch mehr Angst, die Nachtschwester anzusprechen. Ich weiß noch, dass ein Junge aus meinem Schlafbereich "todesmutig" zweimal in den Waschraum gegangen ist und mir einen mit kaltem Wasser getränkten Waschlappen zu bringen. In einer anderen Nacht bekam ein Kind aus einem anderen Schlafbereich einen schweren Asthmaanfall und drohte zu ersticken. Wir hatten schreckliche Angst - Angst, dass der Junge stirbt aber auch Angst vor der Nachtschwester. Letztlich siegte die Angst, dass der Junge sterben könnte und wir riefen die Nachtschwester. In dieser Nacht musste dann auch noch ein Arzt kommen.
Päckchen von zu Hause:
Einmal bekam ich ein kleines Päckchen von zu Hause - ein paar Kaugummis und - soweit ich mich erinnere - Salzstangen (eben das, was man einem "dicken Kind" so senden darf). Die Sachen wurden mir abgenommen - angeblich sollte es rationiert werden - ich habe davon nichts mehr gesehen.
Karten nach Hause:
Meine Mutter war damals zeitgleich selbst in einer Kur. Sie schrieb mir fast täglich und beklagte sich einmal bei mir, dass ich so gar nicht schreiben würde. Der Grund hierfür war ziemlich einfach: Die Texte an die Eltern waren bereits auf einer Tafel vorgeschrieben - weil doch die Kinder nie wüssten, was sie so schreiben sollten. Ich hatte dazu dann keine Lust mehr. Einmal schrieb ich wohl einen Brief an meine Mutter, in dem ich mich etwas über die Situation beklagte. Die Aufsicht hat diesen Brief "aus Korrekturgründen" gelesen und meinte, dass das aber kein schöner Brief sei und ich doch lieber wieder das schreiben sollte, was auf der Tafel steht.
"Wandern um die Höhensonne":
Alle Jungs mussten nur mit einem Augenschutz ausgestattet und völlig nackt um so eine Höhensonne herumlaufen um etwas gesunde Farbe zu bekommen. Ich fand das eher peinlich.
Meine Erlebnisse sind bestimmt nicht sensationell - aber vielleicht ein Baustein in Ihrer Sammlung. Inspiriert durch Ihre Artikel habe ich mich nach 47 Jahren nochmals mit der Vergangenheit auseinandergesetzt und weiß einmal mehr: Meine Kinder durften nie in so eine Anstalt - und zwar aus gutem Grund.
Es gab einige traumatische Erlebnisse, die bis heute gegenwärtig sind. Nach dieser Kur kam ich, nach den Erzählungen meiner Eltern, verändert, vor allem äußerlich verwahrlost zurück.
Ich bin in den Jahren 1955/56/57 in der TBC-Kinderheilstätte Schöneberg in Wyk auf Föhr gewesen, die hier auch schon erwähnt wurde. Die negativen Erlebnisse kann ich durchaus bestätigen, wenngleich der Aufenthalt in dieser Klinik entscheidend für mein ganzes späteres Leben war. Dazu muss ich leider kurz meine Krankheitsgeschichte erwähnen.
Die Stadt Berlin bewilligte für mich eine Erholungskur in der landeseigenen Klinik in Wyk/Föhr. Ich hatte eine TBC-Erkrankung hinter mir, in deren Folge mein linkes Hüftgelenk stark geschädigt war. 18 Monate Krankenhaus-Aufenthalt mit Gipsbett-Lagerung hatten keine Besserung bewirkt. Man hatte mich mit einer kompletten Beinschiene (steif) entlassen und meinen Eltern mitgeteilt, dass ich wohl nie ohne technische Hilfsmittel würde laufen können. Da war ich fünf und sah aus wie drei. Ein wirklich kümmerliches Würmchen! Sechs Wochen verordnete man mir, um an der frischen Luft zu regenerieren und zu Kräften zu kommen.
Am Ende waren es fast zwei Jahre. Erst 1957 kehrte ich heim, zwar auf unsicheren Beinen, aber mit der Schiene im Gepäck. Es blieb ein Handicap, dass mein Leben in mancherlei Hinsicht prägte, aber es wurde ein normales und selbstbestimmtes Leben. Und: Ärzte dieser Klinik haben mit viel Geduld und Engagement geschafft, was Fachärzte des renommierten Oskar-Helene-Heims in Berlin nicht für möglich gehalten hatten.
Was genau dort mit mir gemacht wurde, erinnere ich nicht. Offenbar gab es keinerlei Absprachen darüber mit meinen Eltern. Kommuniziert wurde nur zwischen Klinik und Kostenträger. Schriftwechsel gab es nicht. Nach sechs Wochen hieß es, ich sollte besser noch bleiben, dann sagte man, es bestünde begründete Aussicht auf Erfolg, und schließlich wollte man mich erst dann entlassen, wenn ich meine Gehfähigkeit wieder erlangt hätte. Die Ärzte waren überzeugt davon. Aber wie kommt ein Kind damit klar?
In dieser Zeit wurde ich dort auch „eingeschult“. Unterricht gab es zweimal die Woche, auch Zeugnisse. Nach Hause zurückgekehrt, kam ich in die zweite Klasse, konnte mit zusätzlicher Unterstützung den Anschluss finden und habe kein Schuljahr verloren. Folglich muss ich auch was gelernt haben. Darüber hinaus hatte ich mich in dieser Zeit körperlich auffallend gut entwickelt, ein fast normales Mädchen.
Soweit der eine Teil, was leider nicht bedeutet Ende gut, alles gut. Ich habe viel, fast alles aus dieser Zeit komplett verdrängt. Erst jetzt, wo ich die Berichte lese, lasse ich Erinnerung wieder zu. Die Sache mit dem Lebertran habe ich auch erlebt. Es hing davon ab, auf welcher Station man war. Es gab Bereiche, wo die Schwestern nett und fürsorglich waren. Da bekamen wir auch Sanostol, wenn wir den Lebertran nicht mochten. Dann wurde ich in einen anderen Bereich verlegt, wo ich den Lebertran ausgespuckt habe und danach die Suppe sprichwörtlich auslöffeln musste. Die Lebertranschwester beanstandete auch, dass ich offenbar nicht gelernt hatte, „bitte“ und „danke“ zu sagen. Als das nicht klappte wie sie wollte, packte sie mich einmal ganz dick ein und schob mein Bett zur Strafe in den Keller in einen weit abgelegenen Raum. Es könnte auch ein OP-Saal gewesen sein. Es wirkte bedrohlich und darin war es viel zu warm. Da ich mich nicht aus dem Schwitzkasten befreien konnte, war ich vielleicht sogar fixiert. Jedenfalls habe ich mir so die Seele aus dem Leib gebrüllt, dass mich gefühlte Stunden später ein Arzt dort fand und befreite. Für die Schwester gab das Ärger. Ansonsten habe ich nur einzelne Bruchstücke vor Augen, die sich noch zu keinem Bild formen wollen.
Das alles – was sich nicht ausschließlich nur auf diese Heimzeit beschränkt - habe ich seit Jahren nicht mehr reflektiert. Was mir dagegen geblieben ist, ist dieses unglückliche Kind, das sich immer dann meldet, wenn mehrere ganz bestimmte Umstände zusammentreffen; Dieses Kind ist mir vertraut, aber ich schäme mich dafür, weil es einfach nur heult und rationalen Argumenten nicht zugänglich ist. Ich halte es verborgen, nur ganz wenige Menschen in meinem Umfeld kennen es oder wissen davon. Wenn mir eine heikle Situation bevorsteht, habe ich es auch schon sediert; aber wenn es ganz unvermittelt ausbricht, ist es mir einfach nur peinlich. So eine Situation ist nicht mehr zu retten.
Gerade jetzt geht es dem Kind besser. Es bekommt viel Aufmerksamkeit und wird einmal ernst genommen. Nach drei Tagen intensiver Beschäftigung mit unserer gemeinsamen Vergangenheit hat es sich tatsächlich beruhigt, und mir ist klar geworden: Unterdrücken hilft nicht. Wer soll eigentlich dieses Kind in den Arm nehmen, wenn ich es nicht tue?
Meine Geschichte ereignete sich in den 50er Jahren, als „Schwarze Pädagogik“ auch an Schulen und in vielen Elternhäusern noch allgegenwärtig war. Aber dass derlei Dinge noch bis in die 80er systematisch praktiziert wurden, macht mich fassungslos.
Ihnen, Frau Röhl, bin ich sehr dankbar dafür, dass sie dieses Thema öffentlich machen und die Betroffenen aus ihrer Anonymität herausholen. Mir waren diese Erkenntnis und die Auseinandersetzung damit schon jetzt hilfreich.
Es würde mich sehr interessieren, ob es noch weitere Zeitzeugen dieses "Geschäftsmodells" gibt und werde unabhängig davon, die Erlebnisse aufschreiben, die übrigens fast identisch sind, mit den von vielen "Verschickten" beschriebenen. Bis gestern wußte ich gar nichts von diesem flächendeckenden Phänomen der Kleinkindermißhandlung.
Am schlimmsten war es in Wiek:
Ich hatte viele Jahre ein Trauma, da man uns fast täglich erklärt hat, dass der "böse Westen" Atombomben werfen würde und wir alle sofort tot wären. Danach hatte ich jedesmal panische Angst vor Flugzeugen am Himmel und habe lange geweint und geschrien, weil ich dachte, jetzt kommen sie und werfen die Bomben ab. Wir mussten auch jeden Morgen kalt duschen und wer nicht wollte, wurde nackt vor die Haustür gestellt (es war Herbst!), bis man "freiwillig" duschte. Jeden Tag musste man auch ein rohes Ei trinken, dies sollte zur Abhärtung des Immunsystems sein. Wenn man nicht wollte, musste man so lange vor dem Ei sitzen, bis man es getrunken hatte. Wir haben oft und lange geweint und uns total geekelt. Kinder, die der Meinung der Erzieher nach, zu zappelig waren, mussten jeden Tag eine Stunde "stillliegen". Die Nachtwache ging abends immer durch und hat jedem mit einer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet. Ich wurde mal erwischt, als ich noch wach war und wurde darauf hin für den Rest der Nacht in die Besenkammer gesperrt. Lange bis ins Erwachsenenalter, konnte ich nur mit einer Lichtquelle einschlafen!
Viele von uns haben geweint und wollten nur nach Hause, aber uns wurde bei Ankunft alles abgenommen was wir hatten....Taschengeld, Briefmarken etc. Ausserdem konnten wir ja noch nicht richtig schreiben mit 6 Jahren.
Das hier sind nur die Hightlights, ich könnte noch viel mehr schreiben. Aber es gibt auch eine positive Erinnerung: Ich habe damals dort die Mathe-Olympiade gewonnen!
Heute ist das damalige Kinderkurheim ein Mutter-Kind-Kurheim oder so ähnlich.
In Grünheide war es soweit ok, dass Einzige was echt widerlich war, war dass die männlichen alten Säcke von Erziehern uns Teenie-Mädels jeden Morgen beim Duschen zugeschaut haben! Es gab nur offene Gemeinschaftsduschen...
Durch die Barmer Ersatzkasse kam ich dort 6 Wochen zur Kur, da ich so ein schlechter Esser war. Dass das einen seelischen Ursprung hatte (meine Mutter starb als ich 3 war und mit 6 bekam ich eine hartherzige Stiefmutter); das hat damals keiner gesehen.
Also ich war 11 Jahre und gehörte damit schon zu den "Großen". Leider sind meine Erinnerungen nur bruchstückhaft, aber
die morgendliche Haferschleimsuppe, die an Fäden hing - muss jetzt noch würgen. Mir gegenüber saß ein kleines Mädchen, unter 6 Jahren, die immer nur geweint hat und die gezwungen wurde, die erbrochene Suppe zu essen.
Mittagsschlaf: Es wurde einem mit der Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet, ob man auch schlief... wehe, man blinzelte (ich hab keine Ahnung mehr wie, aber dann wurde man bestraft. Die Mitarbeiterin, die für diese Kontrollen verantwortlich war, sehe ich noch vor mir: dunkler Pagenschnitt, schiefe Zähne und ein rollendes "R" und ein muffiger Geruch.
Schlimm war die Heimleitung (Korpulente, dunkelhaarige, wirklich bösartige Frau) bei jeder Gelegenheit wurden Kinder gedemütigt und sollten von uns dann gemeinschaftlich ausgelacht werden. Dabei habe ich nie mitgemacht. Auch hatte ich "die Kleine" unter meinem Schutz und habe heimlich geholfen, ihr Essen zu vernichten. Ich habe sie oft auf dem Schoß gehabt und ihr etwas vorgelesen. Das hatte immer beißenden Spott der Heimleiterin zur Folge, bin trotzdem dabei geblieben. Ich war schon sehr traurig, aber dieses kleine Mädchen, die war regelrecht gebrochen! Beim Spazierengehen hatte ich sie immer an meiner Hand. Ich hoffe, das hat ihr wenigstens ein bisschen geholfen. Ich wünschte, ich könnte ihr sagen, wie sehr ich mit ihr gefühlt habe!!
Briefe an die Eltern wurden öffentlich vorgelesen und der Lächerlichkeit preisgegeben. "Mama hol mich hier weg, hier ist es ganz schlimm" hat danach nie wieder jemand geschrieben.
Im Heim brachen die Windpocken aus. Ich bekam sie auch. Ich hatte hohes Fieber. Ich kann mich an keine liebevolle Pflegegeste erinnern. Ich bekam an einem Mittwoch die Windpocken. Der Arzt kam aber immer nur Dienstags. Also lag ich 1 Woche ohne jegliche juckreiz-stillende Salbe oder einem Fieberzäpfchen da, völlig mir selbst überlassen. Ich erinnere mich an schrecklichen Durst und dass mir niemand etwas zu trinken brachte. Darüber könnte ich jetzt noch weinen.
Als ich zurück nach Hause kam, wunderten sich meine Eltern, dass ich so verwahrlost (ich kann mich an keinmal Duschen erinnern, nur Waschen im kalten Waschraum) und magerer denn je zurück kam. Als ich alles erzählt hatte, hat meine Mutter sich vehement und schriftlich bei der BEK beschwert. Hatte das Konsequenzen? Ich glaube, es gab einen ganz laschen Entschuldigungsbrief seitens der Krankenkasse...
Zum ersten Mal innerhalb der Stadt in das Jagdschloss Glienicke. Das war mit 4 oder 5 Jahren, jedenfalls noch vor der Schulzeit. Meine Erinnerungen: Klopapier wurde knapp zugeteilt, eine Wand zwischen den Toiletten gab es nicht oder kaum. Einem Jungen, der im Bett erzählte, er würde gerne Kartoffelsalat essen, wurde der Hintern
versohlt mit den Worten „Da haste deinen Kartoffelsalat!“. Als es an die Heimfahrt ging und alle anderen Kinder schon im Bus und teilweise schon abgefahren waren, waren nur ich und noch ein Junge übrig und sie wussten nicht, wohin mit uns. Das Gefühl der Verlorenheit, dort bleiben zu müssen …
Das zweite Mal war viel schlimmer. Es wird mit 7 gewesen sein. Verschickung nach Bad Waldliesborn bei Lippstadt in ein katholisches Heim: Mir fremdes Beten vor dem Essen war da noch das Wenigste. Taschengeld und „Sonntagssachen“ waren und blieben weggeschlossen, Briefe nach Hause, wie gut doch alles sei, wurden diktiert.
Aber diese beiden Ereignisse waren die krassesten: Wir wurden für ein Kabarett-Stück missbraucht. Mit Boxhandschuhen musste ich einen Kampf mimen und dabei für mich natürlich völlig unverständlichen Text von mir geben, in dem Adenauer vorkam. Nach dem Stück konnten wir sehen, wie wir wieder aus den Boxhandschuhen kamen, niemand half. Das zweite war, dass wir in eine „Gaskammer“ (vielleicht im Kurhaus) kamen, in der ein Inhalationsgemisch aus Düsen an der Decke kam. Niemand wusste, was das ist und wofür das sein sollte.
Auch die Mitkinder taten das Ihre: Auf einer sumpfigen Wiese des Geländes schmissen sie Frösche durch die Gegend.
Und diese traumatisierenden Horrortrips bedeuteten ja schon ohne all diese Vorkommnisse eine ungewohnte, lange, völlige und teilweise weit entfernte Trennung von der Mutter und den Großeltern, lediglich durch erhaltene Post abgemildert. Bis ins Alter schleppt man diesen prägenden Mist mit sich rum,
weit davon entfernt, die Verantwortlichen und Verursacher zur Rede stellen oder anzeigen zu können, die ja längst nicht mehr leben.