ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


Einen neuen Eintrag schreiben

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Mit * gekennzeichnete Felder sind erforderlich.

Deine E-Mail-Adresse ist durch diverse Mechanismen vor Spam geschützt. Falls Besucher mit dir Kontakt aufnehmen möchten, ist die durch eine verschlüsselte Email über unser System möglich!!!

Es ist möglich, dass dein Eintrag erst sichtbar ist, nachdem wir ihn überprüft haben.

Wir behalten uns vor, Einträge zu bearbeiten, zu löschen oder nicht zu veröffentlichen.

Antworten auf Einträge werden NICHT veröffentlicht! - Dazu ist das Forum gedacht!
2741 Einträge
Britta M. aus Köln schrieb am 24.02.2021
Hirschegg,Marienhöhe,Kleinwalsertal
Als der Alptraum begann,war ich 7 Jahre alt.
Meine Eltern erzählten mir vom Skifahren,Bergen und Schnee,-wie schön es wäre,wenn ich dort in einem Sanatorium etwas zunehmen und mich in der guten Luft erholen könnte.
Es gab eine sehr lange Liste mit Dingen, die ich mitbringen musste,auch u.a.Schuhputzzeug und Skihose.
Ich wurde alleine in einen Zug gesetzt, wahrscheinlich mit Pappschild ,und sollte in Oberstorf umsteigen.
Irgendwie bin ich in diesem riesigen Haus gelandet, in dem es keine netten Worte gab,nur Vorwürfe und Anweisungen im Befehlston gab.Mir wurde sofort klar,wie schwer es wird,diese 6 Wochen durchzustehen.
In dem Schlafraum ,zu sechst,wurde mir wurde ein Bett hinter der Tür zugewiesen.Es wirkte,wie ein düsteres ,altes Krankenhaus.
Dunkle lange Flure,kahle Wände .
Am nächsten Morgen gab es eine lange Schlange,wir mussten zum wiegen ,vielleicht gab es auch Tabletten .Ich wog angeblich viel zu wenig.
Ich war einfach nur ein dünnes Kind.ZumFrühstück gab es riesige Marmeladenbrote und Hagebuttentee.
Ich hasste beides.Alleine von den Gerüchen drehte sich mein Magen um.Beides kann ich bis heute nicht essen.
Ich versuchte mein Brot an meine Tischnachbarn abzugeben.Das hat öfter geklappt.Zum Glück konnte ich auch mittags heimlich mein Essen am Tisch verteilen,da ich auch Grießbrei auf keinen Fall essen konnte.Leider gab es den sehr viel,und so musste ich oft bis nachmittags vor meinem Teller sitzen bleiben,bis ich das ungenießbare Essen runtergewürgt habe.Begleitend dazu hämische ,boshafte Kommentare von den Schwestern.
Der Mittagsschlaf fand auf einer großen Holzterasse statt.
Natürlich ohne Worte und mit Schlafzwang.Die Augen wurden überprüft,sonst gab es drastische Strafen .
Die schlimmste Erinnerung aber,hat nach dem Zubettgehen stattgefunden,als eine Schwester plötzlich die Zimmertür aufreißt und mich in den großen unheimlichen Waschraum beförderte.
Ich wurde dort auf eine gerippte Holzbank gefesselt, und musste dort die ganze Nacht auf der harten Bank ,alleine verbringen.
Es war kalt und düster ,ich hatte Todesangst und wusste nicht,was ich verbrochen haben sollte.
Vielleicht noch etwas geflüstert.
Dieses Bild von mir,ausgeliefert und einsam an diesem unglaublich herzlosen und grausamen Ort ,begleitet mich mein ganzes Leben.
Dazu der unbarmherzige Esszwang von ,für mich ungenießbarem Essen ,machte die 6 Wochen für mich zu einer endlosen Tortur.
Es gab jeden Morgen eine lange Schlange zum wiegen,in Unterhose auf dem Flur .Es war März oder April,es war kalt .
Ich wog immer weniger und musste mir deswegen auch Vorwürfe anhören.
Nach ca.3 Wochen habe ich nur noch das Essen ausgebrochen,ich konnte es nichts mehr bei mir behalten,und kam in eine Krankenstation.
Dort habe ich ca.10 oder 14 Tage verbracht ,-meine Rettung .Dort war es einigermaßen erträglich,und es gab einen freundlichen Arzt ,der merkte,dass ich total unglücklich war,und diese Grausamkeiten nicht mehr ertragen konnte.Trotzdem konnte ich auch dort kaum etwas essen.
Als ich wieder zurück in das normale Zimmer kam,gab es dort noch den Zwischenfall,das ca.13 jährige Jungen aus einem benachbarten Kinderheim in unser Zimmer stürmten.Kein Aufpasser auf dem Flur hatte ewas bemerkt ,und so durchsuchten die Jungs unsere Sachen und legten sich zu uns ins Bett .
Wir waren 6 Mädchen im Alter von ca.6-8jahren in diesem Zimmer .
Ich glaube ,mir blieb fast das Herz stehen,als ein 13 jähriger Junge plötzlich in meinem Bett lag .Ich konnte keinen Ton von mir geben vor Angst .
Nach ca.5 min. kam endlich ein Aufpasser und zerrte die Jungs aus dem Zimmer .
Da ich über Ostern dort war,bekam ich von meinen Eltern und Oma 4 Päckchen geschickt ,die mir kurz gezeigt wurden,dann wurde der Inhalt verteilt .
Briefe,die für mich ankamen ,waren bereits geöffnet.
In meinem Koffer ,den ich wieder mit nach Hause nahm,waren nur kaputte und verwaschene Kleidungsstücke ,die mir nicht gehörten.
Als ich zu meinen Eltern zurückkam,war ich nicht mehr das Kind wie vorher.Ich bin verstummt und ängstlich geworden .
Es kam nicht nicht nur vom Heimweh ,und ganz alleine so weit weg von zu Hause ,zu sein,sondern vom erleben grausamer ,böser Menschen ,und der willkürlichen Gewalttätigkeit ,der man dort täglich ausgeliefert war.
Meinen Eltern habe ich damals davon erzählt,aber sie wollten mir nicht glauben.oder konnten sich nicht vorstellen,dass diese Ereignisse wirklich passiert sind .
Für mich blieb diese Zeit als düsterstes Kapitel meiner Kindheit ,immer abrufbar und traumatisch.
Ich bin froh,dass diese Thema jetzt von unglaublich vielen Betroffenen aufgearbeitet wird,und endlich ans Licht kommt.Vielen dank dafür.
Nur die ,damals ausführenden Schwestern ,Tanten ,Betreuer kann man wohl leider nicht mehr zur Verantwortung ziehen.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Hilde G. aus Ludwigsburg /Baden-Württemberg schrieb am 24.02.2021
Liebe Marion K.
Mein abgrundtiefer Ekel gegen dieses Lebensmittel Butter hat bei mir keinen Leberschaden hinterlassen. Das habe ich untersuchen lassen. Ich glaube, dass die Schläge und das stundenlange Erbrechen (ich war 2 J. alt), das Weinen meiner Mutter (sie hat ihren letzten Schmuck verhamstert) dazu geführt haben, dass ich das nie mehr essen konnte. Schon beim Riechen wird mir schlecht.
Danke für Deine Nachfrage
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Gisela Ries aus Bonn schrieb am 24.02.2021
Guten Tag,
Da der Arzt mich als zu dünn befand, als ich zehn Jahre alt war, wurde ich von meiner Mutter ins Heim "Goldene Schlüssel" geschickt. Vieles von dem, was ich in den Einträgen gelesen habe, habe ich auch erlebt. Damals war ich nach wenigen Tagen fest entschlossen, mir ein Fahrrad zu stehlen und nach Hause zu radeln. Natürlich hab ich das nicht umgesetzt. Schlimm war für mich, dass die Briefe zensiert worden und man unter Aufsicht einen neuen schreiben musste. Auch mochte ich es nicht, dass die Päckchen geteilt werden mussten. Es herrschte Drill.
Die "Tanten" kontrollierten, ob im Schlafraum (6 Kinder) gesprochen wurde. Einmal wurde ich deswegen auf eine Liege außerhalb des Hauses geschickt in eine Art Glasveranda. Als ich die Frage "willst du das noch einmal tun?" aus Versehen und Angst mit "ja" beantwortete, musste ich in der Verbannung bleiben. Mich hat sehr gestört, dass die pubertierenden Mädchen, die ja schon Brüste hatten, gegen ihren Willen gezwungen worden, durch die Dünen mit nacktem Oberkörper zu laufen. Ich beobachtete Männer, die eifrig zuschauten. Das Essen kann ich mich nicht erinnern. Damals schon hatte ich das Gefühl, dass die so genannten Tanten ehemalige Nazihelferinnen waren, nach meiner Heimkehr habe ich jahrelang Nacht für Nacht fantasiert, dass ich mit einem Tross von Polizisten dorthin fahre und den Laden auffliegen lasse. Bis jetzt staune ich noch, dass ich damals solche Fantasien hatte. Ich glaube, sie haben mir geholfen das traumatische Erlebnis dort zu verarbeiten. Denn es war traumatisch aufgrund der Atmosphäre obwohl ich keine Mißhandlung im engeren Sinne erlebt habe
Ich habe noch ein Foto von dem Haus.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Susanne Köppl aus Bonn schrieb am 24.02.2021
Die Erlebnisse in dem Heim im Schwarzwald mit Nonnen, dessen genauen Namen ich leider nicht weiss, haben mich mein Leben lang geprägt. Das weiss ich. Aber niemanden sonst hat es interessiert, weder meine Mutter und meinen Vater und auch diverse Psychologen nicht, an die ich mich im Laufe meines Lebens gewandt habe. Meine Geschichte: Ich wurde im Alter von 6 Jahren zusammen mit meinem Bruder, 5 Jahre, in eines dieser Heime verschickt. Ich habe sehr gelitten und habe angefangen ins Bett und in die Hose zu machen. Man hat mir Brei mit Salz, statt mit Zucker, zu Essen gegeben. Ich musste ohne Matratze auf dem blanken Bettgitter schlafen. Die anderen machten einen Ausflug, ich wurde zur Strafe im Zimmer eingesperrt. Ohne Toilette. Ich habe in meiner Verzweiflung in den Zahnputzbecher gemacht. Ich weiss noch, wie ich am Fenster stand, weinte und völlig einsam und verzweifelt war. Dieses Bild begleitet mich bis heute. Einmal gab es Kartoffelpuffer. Ich musste brechen. Man brachte mir einen Eimer und ich musste alles selbst aufwischen und dann weiter essen. Bis heute kann ich Kartoffelpuffer noch nicht einmal riechen. Es gab auch mal eine Rosinenschnecke und dazu einen Apfel. Das war wohl ein schöner Moment, denn bis heute erzeugt diese Kombination in mir ein gutes Gefühl. Mein Bruder ist Schlafgewandelt und in mein Zimmer gekommen. Das wurde unterbunden, indem man beide Zimmer abschloss. Ich glaube, dass ich noch viel mehr verdrängt habe, denn wir durften diesen Ort vorzeitig verlassen. Anscheindend kamen die Nonnen mit uns gar nicht zurecht. Und ich weiss noch, wie ich ins Büro gerufen wurde und meine Mutter am Telefon war, ob sie uns holen sollten. Ich konnte gar nicht sprechen, sondern habe nur geweint. Leider kann ich mich mit meinem Bruder nicht darüber austauschen, da er seit mehr als 20 Jahren den Kontakt zu uns abgebrochen hat.
Nach meiner Rückkehr herrschte leider Zuhause die Ansicht "Stell dich nicht so an.". Ich habe noch lange ins Bett und in die Hose gemacht. Meine Mutter weckte mich dann regelmässig Nachts um dies zu verhindern. Bis heute muss ich sofort auf die Toilette, wenn ich alleine gelassen werde. Geht also mein Partner aus dem Haus, oder bin ich die letzte im Büro, muss ich in dem Moment auf die Toilette, wo die Tür zufällt.
Das Finden dieser Seite hier hat mir Mut gemacht, die Sache noch einmal anzugehen. Mein Größter Wunsch ist es, einmal im Leben jemandem zu glauben, dass er mich liebt. Ich möchte dieses Gefühl los werden, dass sowieso alle wieder gehen, keiner wirklich um meinetwegen bleibt. Danke für diese Seite.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Karin Bay, geb. Braun schrieb am 23.02.2021
Ich möchte meinem Bericht noch etwas anfügen.
Wenn ihn jemand liest, der auch im Bergheim Rechtis war, auch zu einer anderen Zeit als Juni 1971, darf er oder sie mir gerne schreiben! Gemeinsam müssen wir versuchen, das Erlebte von damals zu verarbeiten! ?
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Karin Bay, geb. Braun aus Albstadt schrieb am 23.02.2021
Ich habe am 18.2.21 im Fernsehen den Bericht über die Verschickungskinder gesehen.
als ich den Bericht sah, stiegen in mir mit jeder Minute mehr eigene Erinnerungen hoch. Am Schluß saß ich wie betäubt da und wußte nicht mehr, wo ich anfangen soll, zu denken.
Meine zwei Brüder und ich wurden im Juni 1971 ins "Bergheim Rechtis" in Rechtis / Allgäu verschickt.
Ganz so extrem wie in dm Bericht, mit Medikamentenversuchen und sexuellen
Mißhandlungen, erging es uns zwar nicht, aber das Erlebte hat trotzdem für ein lebenslanges Trauma ausgereicht.
Was mir ganz extrem negativ in Erinnerung ist, war daß wir tagsüber nichts zu trinken bekamen. Es war ein sehr heißer Juni und daseinzige, was wir bekamen, war 1 Apfel. Das wurde anscheinend als genug Flüssigkeit angesehen. Wir wussten manchmal nicht mehr, was wir tun sollten vor Durst, denn Wasser aus dem Wasserhahn zu trinken war verboten. Natürlich haben wir es trotzdem getan. Wer erwischt wurde,
bekam eine Abreibung oder sonst eine Strafe.
Dann hieß es auf einmal, (als Warnung), wer Wasser aus dem Hahn
trinken würde, werde krank. Und wirklich - einer nach dem anderen hat sich irgendwann mal in der Zeit, wo wir da waren, erbrochen. Jeden Tag waren einige der Kinder am Erbrechen, und immer wenn sie Wasser vom
Wasserhahn getrunken hatten. Auch mir ging es so. Am Ende der „Kur“ war wirklich kein Kind, das nicht irgendwann erbrochen hätte.
Der Grund für diese Flüssigkeitseinschränkung war vermutlich, damit wir nicht zu Zeiten, wo es verboten war, auf die Toilette gingen. (Beim Mittagsschlaf und nachts). Wie gesagt, beim Mittagsschlaf war es ausdrücklich verboten, auf die Toilette zu gehen. Wer erwischt wurde, durfte den Rest des Tages nicht
mehr aus dem Bett, wurde vom Nachmittagstee, (nach dem Mittagsschlaf) und auch von Spielen und Spaziergängen ausgeschlossen. Das Zimmer
wurde abgedunkelt durch die Fensterläden. (Die Fenster nach hinten waren übrigens vergittert, das sieht man auf keiner Karte).
Mein jüngster Bruder litt so sehr darunter, daß er als 8-jähriger wieder anfing, ins Bett zu nässen. Daß in seinem kleinen Körper überhaupt noch Flüssigkeit war, ist ein Wunder.
Ich glaube, er hat am meisten gelitten. Einmal machte er in die Hose und wurde aufgefordert, die schmutzige Hose der "Tante" zu bringen. Diese Tante befand sich gerade im Speisesaal. Also ging mein Bruder stracks dorthin. Da brüllte ihn die "Tante" an, warum er die
schmutzige Hose nicht gleich auf die Butter lege. Er machte es, aber nicht aus Bosheit, sondern aus Naivität, denn er wollte verzweifelt alles richtig machen.

Mein Bruder berichtete mir im Zuge der Recherche, er habe erlebt, daß ein Junge voll in die Hose gemacht hatte. Die „Tante“ nahm die schmutzige Hose und schlug sie dem Jungen einige male um die Ohren und
ins Gesicht.
Einmal gab es zu irgendeinem Anlaß Quark. Einer der Jungs (keiner meiner Brüder) sagte nur: "Iiiiih Quark". Eine der "Tanten" hörte es, packte ihn im Genick und tunkte ihn mit dem Gesicht in die Quarkschüssel.
Jeden Morgen gab es zum Frühstück ein Schöpflöffel warmen Pudding, sonst nichts.
Was wir zu trinken bekamen, weiß ich nicht mehr. Kann sein, daß wir
gar nichts bekamen. Aber wie gesagt, das weiß ich nicht mehr. Aber ist das ein Frühstück?
Die sog. „Tanten“ saßen an einem Extratisch und ließen sich Brötchen, Butter, Marmelade schmecken – kurz alles, wovon wir nicht einmal zu träumen wagten.
Ein Mal pro Woche wurden alle Kinder gewogen. Und wehe, man hatte nicht zugenommen! Leider hatte ich sogar noch abgenommen, wurde dafür angebrüllt und verdächtigt, nicht immer leergegessen zu haben. Dabei
hatte ich immer Hunger und war froh um jeden Löffel Essen. Das aber glaubte man mir nicht und es hieß, ich solle es ja nicht wagen, gegenüber irgendjemand zu behaupten, daß ich hungere.
Als ich heim kam stürzte ich mich erstmal in einen Freßrausch und nahm innerhalb kurzer Zeit 10 kg zu, ein Gewicht, das ich jahrelang mit mir rumtrug.
Natürlich durften die Kinder auch nach Hause schreiben. Aber alle Briefe und Karten mußten abgegeben werden und wurden kontrolliert und
zensiert. Ich habe es ein paarmal erlebt, daß jüngere Kinder angebrüllt wurden oder eine Ohrfeige bekamen, ob der angeblichen „Lügen“, die sie geschrieben hatten.
So kommt es, daß im Internet unter „Bergheim Rechtis“ nur brave Karten in krakeliger Kinderschrift abgebildet sind, die von den „netten Tanten“, den Spielen, der Wiese und dem Wäldchen hinter dem Haus, oder sogar von einer Waldhütte erzählen. Ich habe nie eine
gesehen.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Andrea Schweikert aus Neckargemünd schrieb am 23.02.2021
Ich war 6 Jahre alt, als ich im Sommer 1967 in das Kinderkurheim in Herrlingen kam. Der Träger dieser Einrichtung (Lindenhof ?) war die AWO.
Dieses Haus, die ehemalige Villa von Erwin Rommel, lag idyllisch im Wald. Man hatte nicht lange vorher ein Schwimbecken im Freien gebaut. Damit wurde auch geworben. Bei meinem Aufenthalt im Hochsommer, war kein Wasser im Becken und es lag noch der Laub vom letzten Herbst darin. Ich war sehr enttäuscht.Dafür durften wir, direkt in Sichtweite des Schwimmbeckens, im Freien aber überdacht, unsere alltägliche Mittagsruhe, stumm, mit geschlossene Augen und unter schweren Decken, verbringen. Diese Erinnerung ist ja noch harmlos. Ich wurde auch sehr unangenehm krank. Dies war leider auch Anlaß für Demütigungen von Seite der sog. "Tanten".
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Peter Michaelis aus Bremen schrieb am 23.02.2021
Ich war als 10 Jähriger vor 55 Jhr.auf Wangerooge in einen Verschickungsheim für 5 Wochen. Ich mußte fast täglich ein Glas Salzwasser trinken-angeblich für die Haut-.Ich mußte in einer kalten Badewanne baden für 10 Minuten.Ich mußte den Teller mit Leber aufessen bis zum erbrechen.Kann bis heute keine Leber essen/zubereiten. Hölle!
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Marion K. schrieb am 23.02.2021
Hallo liebe Hildegard Glave geb. Blum aus Ludwigsburg /Baden-Württemberg

dein Erlebnis mit der Butter hat mich an meine Kindheit erinnert, weil ich 1950 als 2-jährige auch mit einer Packung Butter unter den Tisch gekrabbelt bin und diese nicht mehr hergeben wollte, doch meine Mutter konnte sie mir zum Glück noch entreißen, bevor ich zu viel davon abbekam!
Bei so einer Menge Fett, die du zu dir genommen hast, hat deine Leber mit Sicherheit revoltiert ohne dass du davon wusstest und deswegen dein Ekel vor Butter! Hast du nie eine Blutanalyse gemacht? Die Leber regeneriert sich jedoch. Ich weiß von Leuten, die nach einer Fisch-oder Meeresfrüchtenvergiftung nie mehr derartiges essen können.

Ich finde hier leider keine Berichte über "Felicitas" und "Schönhäusl" in Berchtesgaden ! Vielleicht ist es ein gutes Zeichen und ich sorge mich umsonst, was meine Vergangenheit betrifft, an die ich mich nur bruchstückhaft erinnere.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Claudia Jacob aus Bremen schrieb am 23.02.2021
Im Alter von 5 Jahren wurde ich von meinen Eltern mit dem Auto nach Bad Lippspringe gebracht. Meine Erinnerung an diese Zeit war lange Zeit vergraben, ich denke erst durch eine Psychoanalyse vor einigen Jahren konnte ich die traumatischen Erlebnisse sichtbar machen. Die Erinnerung ist mittlerweile sehr klar, ich kann mich auch gut an das alte Gebäude erinnern was aus meiner damaligen Perspektive wie eine Burg gewirkt hat. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob es das Cäcilienstift war oder eine andere "Klinik". Die Bilder auf den Postkarten ähneln sich und ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Der Aufenthalt wurde mir durch meine Kinderärztin verordnet, meine Mutter war sehr Obrigkeitshörig and dachte wohl es wäre gut für mich, ich hatte als Kleinkind öfters Hustenanfälle und ein 6-wöchiger Aufenthalt in Bad Lippspringe wurde mir somit "verordnet". Als wir damals dort ankamen war ich hauptsächlich verwirrt. Meinen Eltern und mir wurde ein Zimmer mit 2 Betten und bunten Vorhängen gezeigt. Dies wurde uns als mein Kinderzimmer, welches ich mit einem anderen Mädchen teilen würde, vorgestellt. Ich fand das irgendwie sogar aufregend, das Zimmer war auch freundlich und meine Eltern schienen erleichtert zu sein. Der Abschied war merkwürdig, auch da ich keine Ahnung hatte, was 6 Wochen bedeuten. Als meine Eltern vom Hof fuhren kam eine der Tanten (weiße gestärkte Klinikkleidung & Haube) und griff mich und meine Sachen. Ich wurde mit ca. 8 anderen Kindern in einem Schlafsaal mit Gitterbetten untergebracht. Das Zimmer was meinen Eltern gezeigt wurde, war als nur der "Showroom". Es war sehr krass in einem Bett zu schlafen aus dem wir nicht rauskramen, die Gitter waren sehr hoch und wurden jeden Abend hochgezogen. Viele Kinder haben leise geweint (lautes weinen war verboten). Im Speisesaal wurden wir in Gruppen aufgeteilt, in die kleinen Kinder und die großen Kinder. Die Älteren (Jugendliche) bekamen Aufgaben, sie sollten uns kleinen z.b.Lätzchen umbinden. D.h. die Älteren wurden als Assistent*innen benutzt. Es war fürchterlich da auch einige echt fies waren und die Lätzchen zu fest zugeknotet haben, ich bekam teilweise kaum Luft und konnte nicht richtig schlucken. Beschwerde war jedoch tabu. Ich hatte vor den Älteren jedenfalls richtig Angst. Meine Mutter hat auch mal ein Paket geschickt, das wurde mir von einer der Tanten erzählt. Sehen durfte ich das Paket nicht, mir wurde gesagt der Inhalt sei für alle da und würde verteilt werden. Ich glaube, ich bekam einen Bonbon. Mit meinen Eltern durfte ich nicht telefonieren, schreiben konnte ich noch nicht. Briefe habe ich auch nicht erhalten. Die Frauen die dort gearbeitet haben, waren alle durchweg schroff, ich erinnere mich an eine Mitarbeiterin in der Küche, die nett war. Abends kam manchmal eine Frau mit einen Renault 4 (meine Eltern hatten auch einen, daher kannte ich das Motorengeräusch), sie trug Cordhosen und Pullover (keine Klinikkleidung) und sie kam zu uns ans Bett und hat etwas vorgelesen (Ich nehme an, dass sie Studentin war). Richtig schlimm wurde es als wir Kinder alle an Windpocken erkrankt sind. Ab dem Zeitpunkt standen wir unter Quarantäne, ich erinnere mich auch, dass ich trotz Pusteln am Körper in der Badewanne "geschrubbt" wurde. Ich hatte Schmerzen musste aber da durch, ich konnte mich nicht wehren. Irgendwann waren die 6 Wochen wohl vorbei und meine Eltern haben mich wieder abgeholt. Ich war sehr froh, aber ich muss sagen, meine Eltern trifft auch eine Mitschuld, warum haben sie mich 6 Wochen als Kind einfach weggegeben? Als ich wieder zu Hause war haben sie niemals mit mir darüber gesprochen, was mir passiert ist. Ich hatte keine andere Chance als die traumatischen Erlebnisse zu verdrängen....
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Evelin Carius aus München schrieb am 22.02.2021
Ich war ungefähr im Jahr 1970 etwa im Alter von 4 oder 5 Jahren vier Wochen lang in einem Kindererholungsheim in Neustift/Passau. Ich war deswegen dort, weil meine Mutter ins Krankenhaus und auf Reha musste. Meine Eltern hatten wohl mit dem Arzt besprochen, dass ich während dieser Zeit mangels anderer Kinderbetreuungsalternative dort "zur Erholung" hingeschickt werden sollte. Dort gab es katholische Nonnen. Ich habe dort erlebt, dass ich den ganzen Nachmittag vor dem Essen sitzen musste, das mir nicht geschmeckt hat (Nudelsuppe mit Kümmel drin, Rote Beete, etc.), bis ich es aufgegessen hatte. Mich hat es z.B. beim Kümmel regelrecht gewürgt, was den Schwestern allerdings egal war. Die Kleidung durfte nur einmal wöchentlich gewechselt werden, unabhängig davon, wieviel Kleidung ein Kind dabei hatte. Diese Regel wurde auch dann nicht gebrochen, wenn z.B. der Gummi an der Strumpfhose gerissen ist. Einem Kind rutschte die Stumpfhose beim Spazierengehen ständig bis an die Knöchel runter. Dennoch durfte sie erst am Sonntag, dem Umziehtag, eine neue Strumpfhose anziehen. Ich gehörte zu den kleineren Kindern dort. Das bedeutete, dass ich nicht jeden Sonntag in die Kriche gehen durfte. Dort betete ich als nicht katholisches Kind intensiv mit der Bitte, dass meine Mutter mich abholen möge. Unsere Fingernägel wurden so kurz geschnitten, dass die Fingerkuppen stark schmerzten. Wir wurden Nachts aufgeweckt und mussten aufstehen, um uns in einer Schlange anzustellen. Wir bekamen dann alle nacheinander ein Zäpfchen (ohne erkrankt zu sein). Ich habe diese Zeit niemals vergessen.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Bianca schrieb am 22.02.2021
Hallo ,
Ich war 1985 oder 86 in Salzwedel in einem Heim. Angeblich war ich zu dünn und zu klein. Ich kann mich leider an nichts erinnern, da ich eibe postthraumatische Belastungsstörung habe. Ich weiß nur noch, dass wir mit dem Bus abgeholt wurden. Neben mir saß ein Mädchen, das hieß mit Nachnamen glaube ich Erfurt. Sie war auch eingeschüchtert, so wie ich. Ich finde dazu leider nicht viel, außer das es ein Heim gab in Drewitz.
Vielleicht kennt es jemand?!
Liebe Grüße
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Gabriele Abbott aus Bielefeld schrieb am 22.02.2021
Herzliches Hallo an Alle ,
Ich habe schon den Fragebogen ausgefüllt und sehr viele Berichte gelesen. Ich möchte nicht mehr wiederholen, denn eure Geschichten decken sich mit meiner.
Mein ganzes Leben, jetzt 61, habe ich mich anders gefühlt. All die schlimmen Vorkommnisse in dem Heim aber auch die Misshandlungen meiner Eltern, habe ich als Normalität empfunden. Ich kannte nichts anderes. Meine ganze Kindheit war verloren. Einfach ausgelöscht durch Erwachsene. Als Jugendliche habe ich mir meine Freiheit erkämpft und war recht schnell unabhängig. Ich war in einer Mädchenschule, niemals hätte ich mit jemandem reden können. Geglaubt hätte mir eh keiner.
Autoritäten, überhaupt Erwachsenen die meinten mir sagen zu müssen was ich zu tun und zu lassen hätte
habe ich kein bisschen über den Weg getraut. Mir hat damals niemand geholfen, danach brauchte ich auch niemand mehr. Mit den Jahren hatte ich öfter lange Lebensphasen in denen ich mich orientierungslos und verloren fühlte. Der Ursprung und die Quelle allen Übels nahm seinen Anfang in Bad Reichenhall, zog sich fort in meinem Elternhaus und prägte mich nachhaltig.
Doch aus all der Tragik habe ich auch etwas mitgenommen.
Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn,
Wachsamkeit,
tiefste Verachtung jeglicher Gewalt,
Einfühlungsvermögen.
Es tut gut zu wissen, dass ich nicht allein war. Ihr wart auch alle da. Auch wenn ich nie jemand kennengelernt habe, der Ähnliches ertragen musste. Wie ist das bloß möglich, wenn es doch Tausende waren.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Doris Lenz aus Blockwinkel 47 schrieb am 22.02.2021
Viele haben hier eigentlich schon alles erzählt, was die damaligen Pädagogen an verbrannte Erde hinterlassen haben. Auch ich hatte ein paar Erlebnisse, die ich noch dazu legen möchte. Einige dieser Erlebnisse begleiten mich noch heute.
Auch ich bin damals in ein Verschickungsheim nach Norderney gekommen. Ich wurde ständig von meinen Eltern belogen und betrogen. Also verschickt wurde ich mit dem Namen Schnaars obwohl mein Name „Kopens“ was. Für mich war der Vater mein Papa (Alkoholiker), leider nicht der leibliche Vater, was ich auf keinen Fall erfahren sollte. Man lernt früh sich zu schützen auch geistig und Verzicht auf schöne Sachen, war für mich nichts Neues. Meine Geschwister bekamen von den Verwandten, die uns besuchten was Süßes, ich leider nichts. Ich war unehelich geboren und unterlag der Willkür des Jugendamtes. Von denen wurde angeordnet, da ich so klein und dünn war, zum Aufpäppeln zur Kur muss. Leider habe ich nicht so viele Erinnerungen daran. Ich weiß nur, dass es nicht angenehm war. Wie dieses Heim hieß, weiß ich leider nicht mehr. Ich weiß nur, dass es im Oktober 1965 oder 1966 gewesen sein musste. Es war immer sehr kalt und ungemütlich in den Räumen. Am liebsten habe ich mich untern aufgehalten, da gab es warme Räume. Eines Nachts ging es mir nicht gut und ich musste dringen auf die Toilette. Diese befanden sich im 1. Stock. Auf dem Weg nach untern wurde ich abgefangen und mit Drohungen wieder ins Bett geschickt. Wir durften das große Geschäft nicht auf dem Topf erledigen aber mir blieb nichts Anderes übrig und erledigte es dann eben auf dem Topf. Auch dafür wurde man bestraft (wieder keine Schokolade). Natürlich hatten die Tanten auch ihre Lieblinge. Ich mochte als Kind immer gerne die Babyseife und da wir noch ein Baby (meine Schwester) Zuhause hatten, gab mir meine Mutter diese Seife mit. Aber die durfte ich gleich an eines der Lieblinge abgeben und ich bekam so eine abartige rissige Seife. Das machte mich sehr traurig. Da ich zu Hause immer Stress gab, wurde ich zum Nagelbeißer (ich denke, dass es daher rührt). Ich bekam in den 6 Wochen keine Schokolade, da ich das Nagelbeißen nicht abstellen konnte und groß in das Töpfchen gemacht hatte. Es gab irgendwann Spinat zu essen, was ich noch nie mochte und hatte nur Kartoffelmus gegessen. Ich musste bis abends vor diesem Teller sitzen und durfte erst aufstehen, wenn ich den Spinat aufgegessen habe. Also blieb ich bis zum Abendbrot vor dem Teller sitzen. Danach nahm man ihn weg und dann gab es schimmeliges, gebogenes, altes Brot zu essen. Auch nicht schlimm, ich tauchte es in den Tee, dann schmeckte man das nicht so. Mehr weiß ich leider nicht von der Zeit. Freundschaften sind leider nicht entstanden, wie den auch, man musste immer auf der Hut sein. Ich habe noch mitbekommen, dass ich sehr viel abgenommen hatte und die Stellungnahme vom Jugendamt war, „das Mädchen hätte in die Berge gemusst, da das Klima am Meer ein Reizklima sei und das dazu geführt hätte, dass ich noch dünner wurde. Ein Schwachsinn! Und so weiter, und so weiter. Gerne würde ich noch ein paar Mädchen aus der Zeit kennenlernen, um mich auszutauschen um noch eine andere Sicht der Dinge zu hören. Leider weiß ich nicht genau wann ich in Kur war.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Hartmut Merten aus 85465 Langenpreising schrieb am 22.02.2021
nachstehend Info über meine Kinderverschickungszeit in Bad-Buchau zur Info.
ich werde wahrscheinlich wenn es Corona dieses Jahr noch zulässt meine
genehmigte REHA Kur in 78073 Bad-Dürrheim beginnen. Bad-Buchau liegt
auf meiner Anreisestrecke. Ich plane einen Ortsbesuch des ehemaligen
Kindergenesungsheim Caritasstift Bad-Buchau bis 1980, heute dort eine Klinik. Es wäre auch gut wenn bei meiner Ortsbesichtigung die Presse oder Fernsehen dabei wäre!
Ich werde auch intensiv nachforschen ob noch Unterlagen in Archiven über
mich oder die sogenannten Kindererholungsheime (Kinderzuchtanstalten) vorhanden sind. Den zuständigen Caritasverband gibt es ja heute noch. Dieser ist auch rechtlicher Ansprechpartner und nach geldenten Gesetzen Nachfolger in Sachen Strafrecht? Die noch relevanten Heimträger arbeiten auf Zeit und sind nach meinen mehrtägigen intensiven Nachforschungen nicht sonderlich interessiert an einer Aufarbeitung der Kindes Misshandlungen. Ich bin überzeugt das noch Unterlagen in Archiven vorhanden sind! Wurde schon geprüft ob diese Strafhandlungen an Kindern noch nicht nach dem Gesetz verjährt sind? (Ehemalige Heimkinder werden ja schon teilweise entschädigt) Vielleicht sollten alle ehemaligen bekannten misshandelten Verschickungskinder wenn möglich eine Sammelklage über die zuständigen Gerichte erwirken? z.B. Jugendamt, Caritas usw.
Ich würde mich freuen über weitere Kontakte zu ehemaligen Verschickungskindern
die in Bad-Buchau verschickt waren!
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Merten
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Hartmut Merten aus 85465 Langenpreising schrieb am 22.02.2021
ich habe Ihren Namen mit E-Mailadresse aus der Internetadresse www.verschickungsheime.de
Dort sind Sie als Heimatverantwortliche angegeben. Ich wollte mich auf der Plattform
Verschickungsheime registrieren, aber irgendwie funktionierte es heute nicht?
Ich habe diese Woche eine Doku Fernsehsendung über Verschickungskinder (Verschickungsheime)
gesehen und war sehr schockiert! Ich habe geglaubt bei handelt es sich um Einzelfälle wie bei mir?
Ich möchte aktiv an der Aufarbeitung und Aufklärung dieser Misshandlungen an mir und weiteren Kindern
mitwirken. Habe die Video Konferenz mit Frau Anja Röhl in YouTube auch heute aufmerksam angesehen!
Ich bin 1959 geboren und war auch als Kind in 88422 Bad-Buchau zu einer sogenannten
6-wöchigen Erholungskur.
Es muss wohl so in der Zeit zwischen 1966 und 1969 gewesen sein. Es war schrecklich! Meine Eltern
leben noch sind 87 Jahre alt. Möchte meine Eltern heute aber nicht mehr über diese Verschickungszeit
fragen! Habe ich in der Vergangenheit schon versucht mit meinen Eltern darüber zu reden! Zwecklos
auch aus dem Grund: Wie können Eltern Ihre Kinder in einem Zeitraum von ca. 30 Jahren fremden
Personen anvertrauen, ohne sich vorher zu erkundigen über die Gegebenheiten vor Ort! Oder andere
Eltern vorher befragen die Ihre Kinder schon zu solchen Quall Erholungen geschickt hatten? Ich kam
abgemagert und krank aus der Kinderverschickung zurück! An den Spätfolgen leite ich heute noch!
Dies hat unser Staat, Ärzte, Kirchen und die Heimträger zu verantworten!
Wohl damals ein lukratives Geschäftsmodell womit man viel Geld mit Verschickungskindern verdient hat!
Meine Eltern waren angeblich nach Rückkehr über meinen Zustand schockiert, unternahmen
für eine Aufklärung aber nichts! Über folgende Erlebnisse kann ich mich noch zur Zeit erinnern:

Ich wohnte damals noch in 56841 Traben-Trarbach(Mosel) und wurde mit einem Deutsche-Bahn
Sammeltransport über Koblenz nach Bad-Buchau transportiert. Über die Sammeltransport
Begleitpersonen (Frauen) kann ich sagen, dass diese schon unfreundlich und beängstigend für mich waren!
Der Transport kam wahrscheinlich aus dem Ruhrgebiet, auch ältere Kinder (Jugendliche) waren dabei.
Diese belästigten mich schon während der Bahnfahrt zum Kurort. Die Betreuerinnen unternahmen nichts
sondern machten sich noch über mich lustig! Während meines Kuraufenthaltes wurde ich überwiegend
von Nonnen der katholischen Kirche betreut, von denen ich auch Gewalt an mir erfuhr und Schläge erhielt.
Mir wurden auch Privatsachen gestohlen! Vielleicht durch andere Kinder oder die schrecklichen Nonnen!
Ich erhielt ein Paket von meinen Eltern mit Inhalt von Süßigkeiten usw.: Die Nonnen haben in meinem Beisein
die Geschenke meiner Eltern unter sich aufgeteilt und aufgegessen!
Ich habe nichts davon bekommen, und habe dabei zugesehen. Ich war auch während des vorgenannten
schrecklichen Erlebnis krank, und mit anderen Kindern auf einer Krankenstadion isoliert. Vielleicht habe ich
auch Medikamente zu Versuchszwecken erhalten? Es herrschte in dem sogenannten Kindergenesungsheim
eine unmenschliche Behandlungsweise für uns Kinder den ganzen Tag! Es gab aus meiner Erinnerung in einem
Nebenbau des Heimes einzelne Badezimmer mit jeweils einer Badewanne. Dort musste ich im Beisein einer
Nonne baden was mir sehr unangenehm war! Sexuelle Übergriffe kann ich nach heutiger Sicht nicht
ausschließen? Ich wurde während des Aufenthaltes immer schwächer! Vielleicht durch Strafen der Heimleitung?
Wir mussten täglich sparzieren gehen was mich auch Zusehens mehr anstrengte. Die Heimanlage war wie
ein Gefängnis ohne die Möglichkeit zu entkommen. (Bewachtes Rund Tor) Es kann auch sein dass der Kuraufenthalt
bei mir vorzeitig abgebrochen wurde. Für mich ist wichtig mich mit ebenfalls geschädigten Verschickungskindern
die ebenfalls in Bad-Buchau waren aus zu tauschen, und wenn möglich noch lebendes ehemaliges Personal/Verantwortliche
aus diesem Kindergenesungsheim noch haftbar zu machen. Weiterhin gibt es noch Unterlagen von meiner Person
von der Kinderkur in Archiven? Wo kann ich nachforschen? Über eine Nachricht würde ich mich freuen!
Weitere Betroffene von Bad-Buchau können sich gerne bei mir melden.
E-Mail: hartmut.merten@t-online.de
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Ursula Laschewski aus Minden/Hille schrieb am 22.02.2021
Hallo hier schreibt Ursula.
Mit 10 Jahren, Oktober-November 1963, wurde ich für 6 Wochen nach Bad Sooden-Allendorf in das Kinderkurheim Werraland in Hessen verschickt. Für mich war es grauenhaft. Gerne hätte ich Kontakt zu jemanden, der dort zeitgleich in der Kinderverschickung war.
Mein Mädchenname: Ursula Pokrant geb. 22.04.1953 in Hartum, Kreis Minden-Lübbecke, NRW.
An die Zugfahrt habe ich keine bewusste Erinnerung, nur ein schlechtes Gefühl. Bis heute fahre ich nur sehr ungern weg und bin lieber zu Hause. Schlaflose Nächte und Albträume sind lange geblieben. erinnern kann ich mich, dass ich den Film "Der Schatz im Silbersee" irgendwo dort gesehen habe. Wenn der Film im Fernsehen gezeigt wird oder ich etwas über ihn in der Zeitung lese, bekomme ich heute noch ganz unangenehme Gefühle.
Ganz stark habe ich gestottert und ich war sehr schüchtern. Meine Mutter zu Hause war schwer krank, ohne Aussicht auf Besserung, daher hatte ich so viel Angst. Ich musste jeden Morgen auf die Waage: zu wenig Gewicht. Weil ich nicht zunahm, musste ich morgens 2 Teller Haferschleim essen.
Es gab einen großen Schlafsaal, nur schlafen konnte ich dort nicht. Diese Geräusche aus der Zeit lassen mich auch heute nicht los. Daher kann ich nicht gut mit vielen Menschen zusammen sein und Nähe sowie manche Geräusche und Gerüche nicht ertragen. Auch heute habe ich immer noch ein Problem, wenn ich zur Toilette muss und andere Menschen in der Nähe sind, daher meide ich öffentliche Toiletten.
Die Post an meine Eltern wurde kontrolliert und nur abgeschickt, wenn ich geschrieben habe, dass es mir in dem Heim gut geht. Päckchen von zu Hause kamen offen bei mir an und die Post wurde gelesen. Der Umgang der sogenannten „Tanten“ mit uns Kindern war unfreundlich, erniedrigend und strafend. Die Räume und das Wasser waren dauerhaft sehr kalt. Mein Heimweh war unendlich groß. Das setzte sich in den weiteren Schuljahren fort, Schulausflüge mit Übernachtung waren ein Albtraum und ich habe immer nur geweint.
Durch den Tod von John F. Kennedy am 22.11.1963 weiß ich, dass ich zu der Zeit in dem Heim war. Dieser Mordanschlag wurde uns Kindern ganz entsetzlich und angstbesetzt mitgeteilt. Ich hatte große Angst, nicht mehr nach Hause zu kommen, diese Panik ist bis heute in vielen Situationen geblieben.
Ich erinnere mich heute noch an einen Jungen aus Braunschweig: Gerd Schmidt. Er hat mir oft geholfen, wenn es mir so schlecht ging, den Namen habe ich nicht vergessen, viele Jahre hatte ich zu ihm keinen Kontakt. 2020 habe ich Gerd Schmidt wiedergefunden, ein positiver Aspekt.
Ursula Laschewski
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Sascha Dienst aus Dortmund schrieb am 22.02.2021
 Ich wurde 1985, als 5 jähriger, vor der Einschulung, für 6 Wochen nach Borkum geschickt. Leider fehlen mir viele Erinnerungen an diese Zeit, und ich habe Angst, sie verdrängt zu haben. Aber ich werde versuchen, mir mit Hilfe, diese wieder ins Gedächtnis zu rufen.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Bärbel Wetzel-Irmert aus Leipzig schrieb am 21.02.2021
Ich wurde im Alter von 10 Jahren nach Schöneck im Voigtland zur Kur geschickt. Folgend auf eine Epilepsieerkrankung und Aufenthalt in der Uni Kinderklinik Leipzig. Es ist bis heute ein Trauma für mich aber Erinnerungen daran kamen erst 2005-8 wieder.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Sabine Philippi aus Ensdorf schrieb am 21.02.2021
Ich wurde im Alter von 10 Jahren für 6 Wochen nach Langweiler verschickt. Ich war ein ruhiges und schüchternes Kind, nach Diagnose des Gesundheitsamtes, welches in die Schule zur Untersuchung kam, zu klein und zu schmächtig. Ich kann mich an lange Spaziergänge und Edelsteine suchen erinnern.
Aber ich konnte mich an nichts erfreuen und hatte ständiges Heimweh und ich fühlte mich einsam und verlassen.Ich weinte sehr viel und wollte nach Hause. In diesem Haus gab es Nonnen aber ich habe
gar keine Erinnerungen mehr, wie sie mit uns umgingen. Ich sehe mich aber immer in diesem Speisesaal an einem Tisch sitzend, es gab Honigbrote mit Butter, es gab Spinat und Kohlrouladen (das alles kann ich bis zum heutigen Tag noch nicht essen) andere Gerichte sind in meiner Erinnerung nicht hängen geblieben...! Es kamen viele Briefe von meiner Mutter (sie hat mich wahnsinnig vermisst) und zu Ostern sogar ein Päckchen aber was mit diesem Paket passierte weiss ich auch nicht mehr. Aber was mir dieser Tage einfiel, ich saß auf einem Bett mit dem Päcken und hatte ein Gespräch mit der Mutter Oberin. Meine Schwester und ihr Freund kamen mich sogar besuchen aber sie durften nicht ins Haus und ich konnte nur kurz mir ihnen reden!!! Danach war das Heimweh noch schlimmer. Ich habe keinerlei Bilder vom Schlafsaal oder den Duschen oder Toiletten, das ist alles wie ausgelöscht. Seit ich diese Woche den Bericht im Fernsehen gesehen habe, rattert es in meinem Kopf. Es ist unfassbar, ich dachte immer ich war zur Erholung und jetzt bin ich ein Verschickungskind. Ich war mein Leben lang ein anhängliches Mutterkind und hatte immer mit Verlustängsten, die meine Mutter betreffen, zu tun. Meine Eltern waren immer für uns da, ich habe noch zwei Schwestern und einen Bruder aber warum hatte nur ich diese schrecklichen Ängste. Es kann mit diesem Aufenthalt zusammen hängen. Als ich diesen Bericht sah, musste ich so weinen...aber wo waren diese Gefühle diese ganzen Jahre vergraben? Was ist in diesem Haus mit mir geschehen. Keinerlei Erinnerungen an Ärzte oder Medikamente. Ich weiß auch nicht mehr wie ich nach Hause kam...nichts alles weg.
Im Internet findet man auch nicht mehr viel über dieses Haus, welches heute ein Wellness Hotel ist. Wo könnte ich mehr erfahren, auch hier im Forum gibt es nur einen Erfahrungsbericht.
Herzliche Grüsse an alle Verschickungskinder
Sabine
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Katharina aus Karlsruhe schrieb am 21.02.2021
Verschickungsheim: Schuppenhörnle Feldberg
Zeitraum (Jahr): 1981
Welche Arten von Misshandlungen/Missbrauch gab es?: psychische Gewalt
Hallo Zusammen,
seit gestern weiß ich, dass ich ein Verschickungskind bin. Ich muss vorweg sagen, dass ich 1981 mit sechs Jahren am Feldberg im Haus Schuppenhörnle war, zwar keinerlei positive Erinnerungen daran habe, aber an den Erinnerungen auch nicht leide.
Ich kam im Januar für sechs Wochen dorthin, da ich im November eine Mandelentfernung hatte und meinen Eltern eingeredet wurde, ich müsse mich dort erholen. Auch ich wurde in Karlsruhe am Bahnhof von meinen Eltern abgegeben. Dort lernte ich ein ein anderes Mädchen kennen: Astrid.
Mit dem Zug wurden wir an den Feldberg gebracht. Noch nie in meinem Leben, hatte ich mich so verlassen gefühlt!
Meine schlimmsten Erinnerungen sind das Duschen: wir mussten uns alle nackt ausziehen (Jungen wie Mädchen) und mussten in eine Großraumdusche - ich habe mich geschämt, es gehasst, mich erniedrigt gefühlt. Als ich später in der Schule etwas über Vergasung und KZ gelernt habe, habe ich mir immer diese Dusche vorgestellt.
Ich glaube das damalige Erziehungskonzept war: "kein Eigentum!", das heisst eine Zahnpasta wurde erstmal für alle Kinder aufgebraucht und dann die nächste. Ich hatte einen tollen Nicki Schlafanzug, den ein anderes Mädchen so kuschelig fand, also durfte sie ihn eine Nacht hat anziehen. Pakete von den Eltern wurden an alle Kinder aufgeteilt. Meine Mutter hatte mir ein selbst genähtes Kissen geschickt. Weil ein Junge dies toll fand, bekam er es in der ersten Nacht. Meine Schneehose, auf die ich extra aufpasste, weil ich es so eklig fand am nächsten Tag in eine noch nasse Hose zu steigen, bekam Astrid, da Astrids nass war! Mittags haben wir immer gebastel. Das Gebastelte durften wir aber nicht behalten, sondern mussten es immer einem anderen Kind schenken. Irgendwann gab ich mir keine Mühe mehr.
Beim Essen war ich schwierig. Ich wollte keinen Honig, das trockene Brötchen hätte mir gereicht. Aber ich wurde gezwungen den Honig zu essen. Nachdem ich regelmäßig würgte und mich auch leicht erbrach, haben sie es nach zwei Wochen sein lassen mich zum, Essen zu zwingen. Ungewollt kam ich mit 18 kg nach Hause und war mit 23 kg dorthin verschickt worden. Mittags gab es Studentenfutter. Da ich keine Rosinen mag, habe ich sie immer in Pflanzenkübeln in der Erde versteckt, denn einfach nur zu sagen "ich will die nicht essen" wäre inakzeptabel gewesen.
Mittags mussten auch wir schlafen. Jedes Kind, das nicht schlief hat Minusstriche in einem Schlafpass bekommen. Mein Pass war voller Minusstriche und so bekam ich am Ende der Woche keine Süßigkeit. Telefonate waren ab der dritten Woche einmal wöchentlich am Sonntag für drei Minuten erlaubt. Ich habe nur geweint und konnte garnicht sprechen. Meine Mutter wollte mich abholen, aber die DAK sagte ihr, sie müsse dann die kompletten Kurkosten bezahlen. Genau, bis gestern habe ich jedem erzählt, dass ich mit sechs auf Kur war und es schrecklich war - jetzt weiss ich, ich wurde verschickt. Die Erzieherinnen waren alle kalt und das Motto war Kinder zu brechen bis sie ruhig und still sind. Körperliche Gewalt gab es keine und ich trage auch kein Trauma davon, jedoch hasse ich noch heute autoritäre Personen und Ungerechtigkeit! Niemals würde ich meine Kinder (mein Sohn ist jetzt 9 und meine Tochter 6 Jahre) sechs Wochen in eine Heim verschicken! Was hat unsere Eltern da nur getrieben so etwas zu tun? Ich bin froh, dass es wohl ab der 80iger Jahre etwas humaner in den Heimen zuging und ich nicht zu viel grausames erlebt habe. Aber ich kann mich an kein schönes Erlebnis, kein Lachen erinnern.
War noch jemand im Schuüppenhörnle und wie sind eure Erinnerungen daran?
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Thomas aus Oranienburg schrieb am 21.02.2021
1980 und 1985 war ich im Kurheim in Ruhla. Wir mussten vorgegebene Mengen an Essen zu uns nehmen. einmal musste ich den ganzen Nachmittag am Mittagstisch sitzen, um ein Essen aufzuessen, vor dem ich mich sehr ekelte. Ich übergab mich im Anschluss. selbstverständlich musste ich das selbst säubern. ich war 8Jahre alt. Wer nicht in der Spur lief, wurde sanktioniert. Ich durfte nicht einen Ausflug mitmachen. Im Schlafsaal zum Mittagsschlaf liefen die Erzieherinnen Patroullie. Wehe wenn jemand die Augen auf hatte.
Briefe und Karten wurden zensiert und teilweise Texte vorgegeben. Es gab ein Punktesystem für positives und negatives Verhalten.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Hildegard Glave geb. Blum aus Ludwigsburg /Baden-Württemberg schrieb am 21.02.2021
Ich habe zwar bereits den Fragebogen ausgesfüllt, aber nach dem Lesen der vielen Zuschriften und dadurch wieder hochgekommenen Erinnerungen ist es mir ein Bedürfnis, auch hier noch etwas zu schreiben. Ich habe stundenlang geweint, es haben sich Schleusen geöffnet, die mich erschreckt haben, ich habe sicher das meiste verdrängt, weil ich nun so heftig reagiere. Heute bin ich 77 Jahre alt und habe mein Leben lang gedacht, dass etwas mit mir nicht stimmt. Im Alter von 4 und 5 Jahren wurde ich nach Stuttgart-Plieningen geschickt, da ich unterernährt und schwierig war. Das lag vor allem an meinem "Butterproblem". Ich habe im Alter von 2 Jahren nach einer Hamsterfahrt meiner Mutter fast ein halbes Pfund der mitgebrachten wertvollen Butter aufgegessen und anschließend nicht nur Schläge bekommen, sondern auch stundenlang gebrochen. Das hat mir meine Mutter sehr viele Jahre später erzählt, als ich sie danach gefragt habe.
Im Heim sollte ich zunehmen und wurde gezwungen, morgens und abends ein Butterbrot zu essen, ich habe aber jedesmal alles gebrochen. Das Erbrochene musste dann aber gegessen werden, wieder ein Butterbrot essen, wieder gebrochen, wieder essen .... so ging das die ganze Zeit. Ich war ein "böses und undankbares Kind, eine Schande für meine Eltern, bockig und nicht liebenswert". Aber ich habe dort nicht ein einziges Mal ei Butterbrot gegessen und mich wahrscheinlich nur von "Gekotztem" ernährt.
Eimal stand ich am Fenster und habe am Zaun meine Eltern gesehen, die sich möglicherweise Sorgen gemacht haben, aber sie wurden sofort weggeschickt. Ich weiß noch, dass ich fürchterlich geschrien habe.
Aber trotzdem wurde wurde noch einmal dorthin "verschickt" und das war genauso wie beim ersten Mal. Meinen Eltern wurde dann gesagt, dass sie nur mit Strenge und Härte dieses Problem lösen könnten - was dann auch lange so gehandhabt wurde aber ohne positivem Ergebnis. Nach meiner Rückkehr war ich bis zu meinem 12 oder 13. Lebensjahr Bettnässer und habe -auch in der Schule- immer wenn ich Angst hatte, in die Hose gemacht. Bei den damaligen Lehrern kam das nicht gut an, ich wurde vor der ganzen Klasse ausgelacht und habe sehr gelitten.
Mit 12 oder 13 Jahren kam ich in die Diakonissenanstalt (Solbad) nach Schwäb. Hall.
Das "Butterproblem" war noch nicht gelöst (und ist es bis heute nicht) und beides, natürlich auch das Bettnässen, wurde mit harten Strafen geahndet. Die Diakonissen waren alt und streng, und keinem auch nicht dem Arzt ist der Gedanke gekommen, woran es liegen könnte.
Ich habe mein ganzes Leben lang Schwierigkeiten mit Autoritäten, Ungerechtigkeiten und Unverständnis, bis heute, Ich dachte immer, es liegt an mir, dass ich so bin wie ich bin, dass ich häufig aggressiv reagiere, mich vehement gegen unsinnige Vorschriften wehre usw.
Auch der Vertrauensverlust und die Angst vor Verlassenwerden schlagen sich in meiner Lebensgeschichte nieder. Auch dachte ich, es sei nur mir so ergangen und lese nun, dass ich nicht das einzige Kind war, das so gelitten hat.
Irgendwie hat es mich getröstet.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Elisabeth Germroth aus 63571 Gelnhausen schrieb am 21.02.2021
Ich kenne den Namen des Heimes nicht mehr. Es war in der Nähe von Wiesbaden. Ich war ja erst 7 Jahre.
An dieses Heim habe ich nicht eine einzige schöne Erinnerung. Schon beim Eintreffen wurde uns alles, außer Kleidung weggenommen. Nicht einmal meine Haarspangen durfte ich behalten. Wurde auf alle Kinder verteilt. Das Essen war der größte Horror. Es schmeckte nicht und wir mussten gefühlt stundenlang vor dem Teller sitzen und würgten. Manche erbrachten auch. Abends standen unendlich viele Kinder vor der Toilette Schlange, wer schnell musste, hatte Pech. Wer nicht musste auch, denn danach war es verboten zur Toilette zu gehen. Die Folge war, einige machten ins Bett. Diese Kinder wurden beschimpft, geschlagen und vor allen gedehmütigt. Aus lauter Angst trank ich nachmittags kaum noch etwas. Wir lebten nur in Angst, wurden gedrillt, durften weder reden noch lachen. Wir bekamen Medikamente und spritzen, angeblich alles Vitamine. Man schickte uns in einen großen Raum mit Höhensonne. Alle mussten sich nackt ausziehen, nicht einmal die Unterhose durften wir anbehalten. Die wurde uns einfach runtergerissen. Wir mussten Postkarten nach Hause schreiben, aber nur mit Bleistift und man gab uns den Text vor. Ich schrieb trotzdem "bitte holt mich ab" später sah ich zu Hause, dass sie das ausradiert hatten. Meine Eltern hatten das nie gelesen. Manche von uns bekamen Pakete von zu Hause, unter anderem waren Süßigkeiten darin. Das packten die Betreuerinnen im Schlafsaal vor unseren Augen aus und sagten uns hämisch, dass sie das selbst essen werden und nahmen es mit. Abends saß der Nachtdienst direkt vor unserem Schlafsaal und wir konnten sehen, wie sie unsere Süßigkeiten aß, manche kommentierten aus welchem Paket sie diese genommen hatten. Einfach nur sadistisch. Wenn wir weinten, selbst lautlos, wurden wir beschimpft und bestraft. Selbst das ging nur heimlich im Bett. Damit es niemand sah. Wir hatten eine einzige nette Betreuerin. Diese gab mir sogar heimlich ein Stück von meiner Schokolade, bat mich aber eindringlich es niemand zu sagen, da sie selbst vor den Kolleginnen Angst hatte. Nie gab es ein freundliches Wort, wir wurden herumgeschubst, bekamen Befehle, wurden zu allem gezwungen. Das schlimmste war allerdings nicht auf die Toilette zu dürfen. Manchmal trauten wir uns nicht zu schlafen, weil die Blase voll war und wir Angst hatten ins Bett zu machen.
Ich kam völlig traumatisiert zurück, stotterte von da an bis ins Erwachsenenalter und hatte trotz des Essenzwang abgenommen. Meine Mutter merkte zwar,dass ich schlechter aussah als vorher, glaubte aber das läge am Heimweh. Niemand wollte mir glauben,was dort wirklich passierte, was für mich nochmal eine schlimme Erfahrung war. Ich glaubte lange Zeit, wir seien die einzigen Kinder, denen das passierte. Wenn das in solchen Massen geschah, warum ist es niemandem aufgefallen? Warum hat niemand etwas dagegen unternommen? Hab gerade eine Doku mit Zeitzeugen gesehen. Mir ist jetzt übel, ich spüre noch die Angst, mein Puls ist erhöht. Es fühlt sich an, als wäre es erst gestern gewesen.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Helga Dierichs MA aus 80802 München schrieb am 21.02.2021
Auch ich erinnere mich mit Entsetzen an das Essen an riesenlangen Tischen, das streng überwacht wurde, und wenn ein Kind sich übergab, es das Erbrochene aufessen und wir alle solange zuschauen mussten. Ich habe nicht die geringste Erinnerung an fröhliche Stunden, nur an die bedrohlichen Haubenflügel der entsetzlich strengen Nonnen und das Grau von Zucht und Ordnung. Aber auch zuhause wurden wir wahnsinnig streng gehalten. Schwarze Pädagogik, das weiss ich heute. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich nicht auf Wunsch meiner Eltern von der Schulärztin mit einer Diagnos bedacht und deswegen verschickt wurde: ich soll irgendetwas an der Hilusdrüse gehabt haben. Das wurde dort nicht behoben so dass ich im Jahr darauf wieder verschickt wurde. Nach Bayern. Daran erinnere ich mich in hellen Farben.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Carmen Duelli aus Konstanz schrieb am 20.02.2021
Über die Deutsche Bundespost wurde ich im Sommer 1979 mit dem Zug von einer Betreuerin 4 Wochen ins "Kinderheim" Haus Detmold, Norderney gebracht. Ich erinnere mich nur an Bruchstücke. Vermutlich gab es keine so grausamen Erziehungsmethoden dort. Trotzdem litt ich unter unerträglichem Heimweh und die 4 Wochen waren endlos für mich. Gleich zu Beginn wurden persönliche Sachen abgenommen, Schampoos und Cremes wurden nach und nach aufgebraucht und an alle verteilt. Ich erinnere mich an entsprechendes Schlangestehen für die Portion Schampoo beim Duschen und an unangenehme Waschräume mit Steintrögen. Das Essen schmeckte oft nicht, ich gab oft von meinem Essen an zwei Mädchen heimlich ab, die eigentlich abnehmen sollten. Dadurch verlor ich in der Zeit etwas an Gewicht. Leider waren wir fast nie am Strand, darüber war ich enttäuscht. Regelmässig dafür im Inhalierraum, in welchem wir immer singen mussten. Die meisten Erzieherinnen waren sehr jung, soweit ich mich erinnere zwischen 16 und 21 Jahren. Wir mussten zwei Stunden Mittagschlaf halten. Da dabei keiner schlafen konnte, haben wir manchmal eine Erzieherin vom Fenster aus beobachtet wie sie unten im Hof Jungs traf und küsste. Wir waren zu siebt im Zimmer, ein Mädchen wurde gemobbt und manchmal genötigt sich auszuziehen. Soweit ich mich erinnere haben sich die Erziehrinnen nicht besonders viel um uns gekümmert. Ich erinnere mich aber vage an einen Nachtspaziergang und einen Spaziergang im Watt sowie einen Ausflug mit dem Krabbenkutter. Als ich wieder nachhause kam war ich jedenfalls nicht mehr dieselbe. Es kann aber auch einfach daran liegen, dass ich die für mich vielen fremdartige Eindrücke und Abläufe einfach nicht allein verarbeiten konnte und mit der langen Trennung von zuhause nicht klar kam. Unsere Gruppe hiess "Meernixen" und ich erinnere mich an drei Mädchen "Andrea, Anette und Ulrike". Würde mich über entsprechende Kontakte freuen.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Martina schrieb am 20.02.2021
Ich war am 17,02.1974 auf Wyk auf Föhr, Haupthaus, Gruppe 2. Wie das Haus genau hieß, weiß ich leider nicht.

Ich war 9 Jahre alt, meine Schwester 7 Jahre. Hamburg Damtor ging es los. Kuscheltiere und Süßigkeiten wurden eingesammelt. Meine Schwester wurde in einer anderen Gruppe untergebracht und wir durften uns nicht sehen, was sehr schlimm für uns war. Ich erinnere mich an kaltes Duschen und brutales Bauchnabel säubern und Nägelschneiden und an die Turnhalle, die Taue, an Höhensonne und den Mittagsschlaf. Mit dem Essen verbinde ich keine negativen Erinnerungen. Es gab viel Milchsuppen, mit Sago; die sogenannte Froschaugensuppe. Nachmittags gab es Rosinenbrötchen und Kakao. Ich erinnere mich, dass in meiner Gruppe zwei Geschwister waren, die stark sehbehindert waren. (Sabine? und Renate/Beate?) Die beiden Mädchen hätten oft Hilfe gebraucht, wurden aber von den Schwestern oft drangsaliert. In einem Fall wurde das Mädchen sogar mehrfach mit Füßen getreten, weil sie ihre Schuhe nicht finden konnte und nicht schnell genug angezogen war. Ich wollte ihr beim Schuhe zubinden helfen, durfte es aber nicht. Die Wanderungen waren für die Mädchen eine Tortur und sie haben oft geweint. Das habe ich bis heute nicht vergessen. Ich selber war wohl anpassungsfähig genug, ich kann mich nicht erinnern bestraft wurden zu sein ...
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Regina aus Essen schrieb am 20.02.2021
Mit sechs Jahren wurde ich wegen chronischer Bronchitis in den "Viktoriastift" nach Bad Kreuznach geschickt. Die Erlebnisse in dieser sechswöchigen "Kur" decken sich mit vielen der hier geschilderten. Ich glaubte lange, dass meine Erfahrungen eine Ausnahme gewesen seien und es ist irgendwie tröstlich, aber auch entsetzlich, zu lesen, wie viele Menschen die gleichen traumatisierenden Misshandlungen über sich ergehen lassen mussten. Da ist vor allem die "Zwangsernährung", auch ich musste mein eigenes Erbrochenes wieder vom Teller löffeln. Da gab es handfeste Schläge von den "Tanten" wegen geringster Vergehen - ich wurde von einer Tante derart geschlagen, dass ich mit dem Gesicht an einen Bettpfosten schlug und am nächsten Tag ein blaues Auge hatte. Gut erinnern kann ich mich auch noch daran, dass ich nicht trinken durfte, wenn ich durstig war. Da ich weder den dort angebotenen Muckefuck noch Kakao mochte - es gab auch immer nur warme Getränke, nie was zum Durstlöschen - ging ich an ein Waschbecken, um vom Wasserhahn zu trinken. Eine der Tanten folgte mir und hinderte mich daran. Auch im Ausüben seelischer Grausamkeiten war das Personal geübt: Gleich zu Beginn wurden einem alle persönlichen Gegenstände abgenommen, auch Kuscheltiere, die Trostspender hätten sein können. Wenn man während der erzwungenen Mittagsruhe nicht schlafen konnte und mit offenen Augen erwischt wurde, folgte eine Bestrafung, in meinem Fall der Ausschluss von Ausflügen oder dem Fernsehabend. Ständig wurde betont, wie "böse" man sei (wobei die böse Tat darin bestand, nicht schlafen zu können). Es gab unangenehme therapeutische Behandlungen z.B. ein medizinisches Bad in Bottichen mit viel zu heißem Wasser oder sehr ruppige Spritzen und Blutabnahmen, und danach gern die Drohung "wenn du nicht ruhig ruhig bist, gehen wir wieder zur Blutabnahme". Ich habe noch zwei Postkarten gefunden, die ich damals an meine Eltern schreiben durfte, der Text war vorgegeben, ich musste ihn abschreiben: "Liebe Eltern, wie geht es euch, mir geht es gut usw... ". Es gab während der sechs Wochen keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme, kein Telefonat und natürlich keine Möglichkeit zu sagen, wie es einem wirklich ging. Nach den sechs Wochen war ich jahrelang nicht in der Lage, meinen Eltern von den Geschehnissen zu berichten, ich fürchtete, dass sie mir nicht glauben würden. Die Erfahrungen in Bad Kreuznach haben mich nachhaltig geprägt und einen bleibenden, folgenreichen Einfluss gehabt.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Christian Würsig aus Limburg an der lahn schrieb am 20.02.2021
Ich möchte noch etwas nachtragen zu meinem ersten Eintrag vom 18.02.
Meine Schwester und Ich waren 1975 in Wallgau und ich hatte sie nochmal per Email kontaktiert und gefragt, ob sie noch Erinnerung an diese Zeit hat und ob es evtl. negative Ereignisse gab.
Sie hat mir geantwortet und meinte, das sie entgegen meiner Vermutung von Anfang an ins Jungenhaus mußte, weil wir beide ja Zwillinge sind und man uns nicht trennen wollte.
Für sie war das wie man sich vorstellen kann nicht so angenehm und sie konnte sich noch erinnern, das sie ihren Haferbrei aufessen mußte und es sie geekelt hat und sie mußte solange am Tisch sitzen bleiben bis der Teller leer war.
Das hat bei ihr eine Aversion ausgelößt und sie mag bis Heute keine Haferflocken / Haferbrei !
Lieben gruß an alle !
Christian
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Ralf aus Berlin schrieb am 20.02.2021
Diese 6 Wochen haben bei mir (nunmehr 63 Jahre alt) Narben hinterlassen. Die Auswüchse an Demütigungen und Misshandlungen waren (und sind bis heute teilweise) nur möglich , weil nach 1945 die NS-Strukturen nicht vollständig zerschlagen wurden, da bin ich mir sicher. Es fing schon bei der Anreise an, als wir direkt vom Bahnsteig ohne Abendverpflegung direkt in die in einem langen Trakt seitlich vom Hauptgebäude belegenen Schlafsäle verbracht wurde. Die Mägen knurrten, doch dafür gab es laute Drohungen der Oberin, die die langen Gänge auf und ab ging. Die vielen Parallelen zu anderen Erfahrungsberichten kann ich nur bestätigen: Absolute Ruhe in den Betten, Toilettengang nur bei Erlaubnis, Zwangsernährung (das Essen war wirklich grottenschlecht). Ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass zwei "Schwestern" einen kleinen Jungen festhielten, damit die dritte ihm eine ekelerregende Pampe einflößen konnte. Wer nur einen Haarspalt von der Norm abwich, wurde entweder in die Ecke gestellt und wurde von den Mahlzeiten ausgeschlossen. Ansonsten hagelte es Ohrfeigen, ich war auch mehrfach dran. Gerade die älteren Jungen wurde vom Personal quasi animiert, die jüngeren und schwächeren Jungen zu drangsalieren, das war deutlich zu merken. Pakete und Post von zu Hause wurde von den "Schwestern" konfisziert oder selber verbraucht, während wir in den Wald geschickt wurden, um Beeren und dergleichen für das Personal aufzutreiben. Statt in das Freibad zu gehen wurden wir willkürlich mit dem Gummischlauch abgespritzt, das musste reichen. Weil ich lt. meiner Mutter angeblich zu schmächtig war, sollte ich unbedingt zunehmen und deshalb zu Kur fahren, was sie auch offensiv vertrat. Jahrzehntelang konnte ich meiner Mutter nicht verzeihen, aber heute denke ich, dass sie diese Entscheidung in guter Absicht getroffen hat und die Konsequenzen nicht absehen konnte. Ich hingegen habe bis heute noch immer das Bedürfnis, den Verantwortlichen von damals , sofern sie noch leben, gegenüberzutreten und ihnen die kürzeste aller Fragen zu stellen: Warum?
P.S. Ich würde mich über andere Erfahrungsberichte aus dieser (fürchterlichen) Einrichtung aus dieser Zeit freuen. Vielen Dank!
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Rita aus Rot schrieb am 20.02.2021
Seid ich die Sendung letzte Woche gesehen habe bin ich nur noch am grübeln und es beschäftigen mich viele Dinge. Ich war einmal im Schwarzwald in Schwenningen ich muss 5 oder 6 Jahre alt gewesen sein. Ich kann mich nicht mehr an vieles erinnern nur mit dem Essen das man essen musste was auf den Tisch. Ich mochte Tomatensoße sehr gerne hab sie aber als Kind nicht vertragen musste diese trotzdem essen und das Erbrochene selbst wieder aufputzen. Habe dann nochmal erbrochen was dann passiert ist weiß ich nicht mehr. Ich habe gestern in meinem Fotoalbum ein Bild davon gefunden wir sehen alle glücklich und zufrieden aus, so wie es unsere Eltern sehen sollten. es war sehr streng dort und ich mochte die Mittagsruhe überhaupt nicht. Vielleicht ist es gut dass ich nicht mehr soviel Dinge weiß aber in meinem inneren spüre ich dass da mehr war.
An List auf Sylt habe ich nur eine einzige Erinnerung, dass der Zug damals durch das Meer gefahren ist. Ich weiß auch nicht wie alt ich war damals. Ich war ein zartes Kind und wurde deshalb auf kindererholung geschickt.
Viel schlimmer was mir vielleicht passiert ist, ist die Tatsache dass mein Sohn damals ca. 5 Jahre alt nach einem schweren Autounfall auch verschickt wurde auf Anraten der Ärzte. Er hatte schwere Kopfverletzungen damals erlitten musste auch noch nach dem Krankenhausaufenthalt nach Tübingen zu Untersuchungen mindestens 1 Woche wo ich ihn auch nicht besuchen durfte. Anschließend kam die Erholung an die Nordsee. Ich zermarterte mir den Kopf aber ich weiß es nicht mehr wohin er kam.
Als die Scheidung mit seinem Vater war wollte das Jugendamt ihn und seine Schwester zur Erholung schicken. Ich hatte mich erfolgreich dagegen gewehrt (war auch inzwischen einige Jahre älter)
Vor ca. 18 Jahren hatten mein Sohn und ich auch starke Probleme er machte mich für alles verantwortlich, auch das die Ehe zwischen seinem Vater und mir geschieden wurde usw. Heute fiel mir ein dass er sagte er hätte verschiedene Bilder vor seinen Augen dass er in einem Zimmer eingeschlossen war, die Fenster seien vergittert gewesen und er hätte geweint.
Es war eine schlimme Zeit für ihn und auch für mich. Nachdem ich nun den Bericht im Fernsehen gesehen habe finde ich keine Ruhe ob meinem Sohn damals in dem Kindererholungsheim etwas schlimmes passiert ist. Ich finde im Moment keine Ruhe. Leider spricht mein Sohn schon seid fast 3 Jahren nicht mit mir. Ich bin verzweifelt.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Miriam aus München schrieb am 20.02.2021
Ich wurde im Jahr vor meiner Einschulung nach einer längeren Keuchhustenerkrankung zur Erholung auf die Insel Langeoog in das DRK Dünenheim geschickt. Lt. meiner Mutter war ich dort in der Seepferdchen-Gruppe. Leider habe ich konkrete Erlebnisse größtenteils verdrängt. Doch bis heute ist die Erinnerung an diesen (6wöchigen?) Aufenthalt traumatisch. Ich hatte furchtbares Heimweh und große Angst vor einer Erzieherin. Sie hieß in meiner Erinnerung so ähnlich wie "Schorlemmer", war kräftig, hatte kurze, blonde Haare und trug Hosen. Sie trat wie ein „Dragoner“ auf, schrie, schimpfte und zwang mich zum Essen. Ich mußte in dem großen Speisesaal so lange sitzen bleiben, bis ich eine vorgegebene Portion aufgegessen hatte. Das war mir fast nie möglich (ich war sehr dünn und konnte keine größeren Portionen auf einmal essen). Das führte dazu, dass ich Spreisereste in meinen Backentaschen und teilweise auch in meiner Handinnenfläche versteckte und beim anschließenden Toilettengang entsorgte. Dann erinnere ich mich noch einen Strandspaziergang, der sehr anstrengend war, da ich bei dem Tempo kaum mithalten konnte. Ich mußte dringend auf Toilette, hatte aber keinen Mut zu fragen und machte daraufhin in die Hose. Ich erinnere mich noch mit Grausen an den eiskalten Wind und dass ich noch lange mit meiner nassen Hose marschieren musste. Ob ich später für dieses Malheur bestraft wurde, weiss ich nicht mehr. Da ich noch nicht Schreiben konnte, schrieb "Fräulein Schorlemmer" eine Karte an meine Eltern. Den Inhalt bestimmte sie. Mit meiner Mutter hatte ich vereinbart, dass ich ihr ein Bild vom Strand schicke mit einer Sonne darauf. Wenn die Sonne einen lachenden Mund hätte, dann ginge es mir gut, bei einem geraden Mund mittelgut und bei einer weinenden Sonne schlecht. Da Frau Schorlemmer beim Malen hinter mir stand, hatte ich solche Angst, dass ich der Sonne einen graden Strich als Mund malte, obwohl ich eigentlich den weinenden Mund zeichnen wollte. Dieses Bild hat meine Mutter bis heute aufgehoben.
Eine weitere Erinnerung ist das Singen in einem großen kahlen Saal. Dort sollten wir „lustige“ Lieder singen. Ich habe immer gerne gesungen, schon als kleines Kind, dort aber brachte ich keinen Ton heraus, da ich jedes Mal weinen musste.
Es hat höchstwahrscheinlich noch viele weitere, für mich schlimme Erlebnisse gegeben, die mein bis heute vorhandenes extremes Unbehagen, wenn ich an die Zeit in Langenoog denke, rechtfertigen. Ich kam mit ein paar Pfunden mehr auf den Rippen nach Hause und hatte wohl auch länger keinen Husten mehr, was meine Eltern als Kurerfolg deuteten, meine Seele aber war verletzt. Ab dem Zeitpunkt der Kur kannte ich auch meinen Sättigungsgrad beim Essen nicht mehr richtig und die Freude daran habe ich erst im Erwachsenenalter entwickeln können.
Gibt es vielleicht jemanden, der ähnliche Erfahrungen in diesem Heim gemacht hat und der sich an die besagte Erzieherin erinnern kann? Für einen Austausch wäre ich sehr dankbar, um nach so vielen Jahren das Erlebte zu verarbeiten.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Viola Ehlers aus Ammersbek schrieb am 20.02.2021
Habe gerade mit meinem Mann die Doku im Fernsehen gesehen. Die Erinnerungen kommen alle hoch, vor allem bei meinem Mann, welcher vier mal verschickt war, in anderen Heimen. In Bad Wörishofen war ich sechs Wochen, die schlimmste Zeit in meinem Leben. Eingesperrt, zum Essen gezwungen, eine Nonne schnitt uns immer die Fingernägel bis in die Haut weg, eine weitere prügelte regelmäßig, die Masseurin schlug mich auf die Wirbelsäule. Briefe wurden kontrolliert und konfisziert, einzig positiv empfand ich den Lehrer. Jahrzehnte Alpträume und das Wort “Kur“ als Trigger, Ängste und Panikattacken waren zu bewältigen. Ich bin vor allem entsetzt, dass es meinem Mann noch viel schlechter erging.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Daniela schrieb am 20.02.2021
Vor ein paar Tagen habe ich hier einen Kommentar gegeben.
Ich muss revidieren - ich war Zeugin und bin mittlerweile nicht sicher ob es mich auch selbst betrifft.
Es drängen sich mir Bilder aus dem Unterbewusstsein auf.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Anja Schüßler aus 55743 Idar-Oberstein schrieb am 19.02.2021
Da ich angeblich "nicht genug" gegessen habe, hat mich meine Mutter im Alter von 4 Jahren für 6 Wochen in ein "Kindergenesungsheim" geschickt. Ich kann mich erinnern, dass ich die ersten Tage vor Heimweh nur geweint habe. Eine der Erzieherinnen hat mich im Esssaal dann vor allen Kindern blosgestellt, indem sie mein Weinen nachgeäfft hat. Danach hat sie ihren Schuh (mit dickem Holzabsatz) ausgezogen und gesagt, wenn ich jetzt nicht endlich mit dem Weinen aufhöre, schlägt sie mir den Schuh auf den Kopf. Zum Essen bekam ich als 4-jährige immer 2 Teller vollgeknallt, die ich leer essen mußte. Wenn ich nicht mehr konnte, hat man mich mit meinem Essen in ein Zimmer eingesperrt, bis der Teller leer war. Ich habe mich nach dem Essen oft übergeben und mußte dann meine eigene Kotze aufwischen. Ich kann mich auch noch daran erinnern dass mein Bett nachts immer nass war und ich daher immer sehr gefroren habe. An die letzten Wochen meines Aufenthaltes kann ich mich so gut wie überhaupt nicht mehr erinnern. Meine Erinnerung setzte erst wieder ein, als ich plötzlich wieder zu Hause am Bahnhof stand, wo meine Eltern mich abholten. Eines weiß ich aber ganz sicher, nämlich, dass ich in den ganzen 6 Wochen nicht ein einziges mal in den Arm genommen wurde! Daran hätte ich mich hundertprozentig erinnert, weil ich dies schon in den ersten Tage sehr vermisst habe... Nach meinem Aufenthalt dort konnte ich nachts nicht mehr alleine schlafen. Mein halbes Leben litt ich unter Todesängsten, Essstörungen, Depressionen und Beziehungsunfähigkeit. Seit 7 Jahren (ich bin heute 54) nehme ich Antidepressiva und führe endlich ein Leben mit Partner und ohne Angst. Ich würde mich freuen, wenn ich jemanden über dieses Forum kennenlernen würde, der vielleicht mehr Erinnerungen an dieses Heim hat als ich. Ich war vor ca. 25 Jahren mal wieder dort gewesen, aber es war in dieser Zeit ein Jugend- und Kulturzentrum, und die Begegnung mit dem Leiter dort, war mehr als merkwürdig. Ich konnte keine näheren Informationen über das Heim erhalten.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Angelika Hawlitzky aus Althütte schrieb am 19.02.2021
Ich war 5 Jahre alt, kurz vor der Einschulung und laut Kinderarzt angeblich zu dünn. Die Bilder in meinen Kopf beschränken sich auf den Essensaal und den Schlafsaal. Im Essensaal wurde ich gezwungen eine zweite Portion zu essen obwohl ich schon gewürgt habe. Im Schlafsaal wurde ich eines Nachts aus dem Schlaf gerissen und mit einem Holzschlappen geschlagen, weil irgendjemand im Saal anscheinend laut war. Ich sehe immer noch das Licht in der offenen Tür und die dunkle Gestalt, die die Bettdecke hochhebt. Ansonsten bin ich die ganzen 4 Wochen vor lauter Angst mit gesenktem Blick herumgeschlichen. Meine Eltern erhielten Briefe, in denen stand, wie gut ich mich entwickeln würde. Als ich zurückkam war ich allerdings krank und dünner als vorher. Das alles hatte ich verdrängt, bis ich selber Mutter wurde. Bis heute habe ich Probleme mit Autoritäten und Ungerechtigkeit.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Marlene Clauss aus Murr schrieb am 19.02.2021
Ich war ca 1966 in einem Heim in Herrlingen, den genauen Heimnamen kenne ich nicht.
Ich kann mich noch errinnern, das mir jeden Morgen Tabletten verabreicht wurden.Das es Jedes mal wenn ein Kind Geburtstag hatte einander mich ekelhaft riechenden Brei gab,den ich dann auch erbrochen habe,zur Strafe musste ich noch einen Teller davon essen.Von den Ganzen wurden Briefe und Postkarten an meine Verwandten geschickt mit der Bemerkung, dass alles gut ist.Es müssen auch Kinder aus Berlin dagewesen sein. Weil einmal hieß es es kommen Kinder von der Insel Berlin.Diese Kinder sind dann Nachts im Schein der Taschenlampen in den Schlafsaal gebracht worden.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Silke Balsser aus Pohlheim schrieb am 19.02.2021
Was ich vergessen habe war damals erst 5 Jahre alt und sehr schüchtern gewesen
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Silke Balsser aus Pohlheim schrieb am 19.02.2021
Runkel-Dehrn im Jahre 1968 Es müsste im Frühjahr dort hin gekommen sein weil ich einen Sprachfehler hatte angeblich sollte es eine Kur sein .War mindestens ein halbes Jahr wo ich da war und ich habe kaum noch Erinnerungen .Die Erinnerung die ich noch habe waren schrecklich. Nach dem Mittagessen musste ich schlafen. Das essen musste man alles aufessen ob man es wollte oder auch nicht .Meine Eltern dürften mich nicht Besuchen. Spazieren gehen mussten wir auch. Ich habe Sie öfters von weitem gesehen, konnte leider nichts tun.Hatte Heimweh u habe darunter sehr gelitten. Tabletten habe ich immer bekommen und dann begann die Therapie. Wer war auch dort um die Zeit und kann mir mehr da zu sagen??
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Katrin schrieb am 19.02.2021
Ich kann mich an die Schnurkarte um den Hals erinnern, mit unserem Namen und Sendeort, mit dem ich auf dem Bahnhof stand und weg geschickt wurden. Es war mir gar nicht bewusst was jetzt passiert, oder fuer wie lange. Ich kann mich erinnern dass jeder den eigenen,schweren Koffer alleine von der Bimmelbahn zu dem Gebaeude ziehen, bugsieren mussten, denn tragen konnte ich ihn nicht mit 5 und dann wieder mit 7. Ich hatte schon lange nicht mehr an die "Kur" gedacht. Die Nachfolgen sind jedoch mein ganzes Leben mit mir. Ich erinnere mich an idiotisch lange Wanderungen durch tiefen Sand, auf Duenen , am Strand, zur Vogelkoje , Oft mehrere male am Tag. Meine Mutter hatte ein Bild, wo ich am Wasser am Strand mit einem kleinen Eimer spielte. Ich fand das Bild Jahre spaeter und erklaerte ihr, dass dies das einzige mal war wo ich tatsaechlich am Wasser war. Mit 20 Kindern und 2 Erwachsenen, war es bestimmt zu gefaehrlich uns an das Meer zu lassen. Die Speisehalle war so gross, wie eine Bahnhofshalle. Ich kann mich nicht an das Essen erinnern, aber daran das Kinder oft gebrochen haben. Im Speisesaal, im Bad in den Schlafzimmern. Vielleicht mussten wir deshalb nach dem Mittags essen so still liegen, damit es nicht alles wieder hoch kam? Ich erinnere mich auch an die Kinder in unserem Gebaeude, die viel und oft bitterlich geweint haben. Ein kleines Maedchen in unserem Gruppenzimmer und ein Maedchen mit schlimmem Exzem. Sie wurdere mehrmals am Tag mit Meerwasser ueberschuttet von den Tanten. Eiskalt. Am Ende war die Haut sehr entzuendet. Egal , ob warmer oder kalter Tag, da stand sie wieder in Unterwaesche und es kam der grosse Eimer mit kaltem Meerwasser. Ich kann sie heute noch weinen, betteln und schreien hoeren. Im nach hinein kann ich mich eigentlich auch nicht an Spielzeug erinnern. Es wurde manchmal gebastelt. Auch an "Karten schreiben" kann ich mich erinnern. In Klappholtthal gab es eine grosse Sporthalle. Dort uebten wir bei kaltem und regnerischen Tagen Polonaise. Ein wunderbarer Tanz der 40 Kinder einfach beschaeftigen kann. Manche "Tanten" waren nett andere ueberfordert oder gemein. Ich kann mich nicht daran erinnern dass wir jemals Kleidung gewaschen haben. Fuer 6-8 Wochen. Geduscht wurde nur wenige Male dort. Ich glaube was diese "Reise" bei mir ausloeste, 3 mal fuer mehrere Monate in eine Anstalt, reglementiert, wo meine Person, meine Identitaet abgestellt werden musste um "ein liebes Maedchen" zu sein, da ist bei mir etwas abgebrochen. Als teenager und spaeter als junge Erwachsene, verkriecht sich die kleine Luise immer noch, fuehlt nichts, schliesst sich ab und kommt erst Monate spaeter wieder heraus. Seit dem bin ich wie ein Schlafwandler in meinem eigenen Leben wenn der Stress kommt. Ich bin mit 20 aus Europa ausgewandert und habe mich mit den Folgen erst 5 Jahre spaeter beschaeftigt, der Krankheit und demTod meines Vaters, der Mutter, meines Partners. Es ist als ob ich ein Zombie bin und total in Waende verschwinde, genau wie damals. Tue was erwartet wird und schalte mich total ab. Wieso brauchte es 55 Jahre bevor sich jemand damit beschaeftigt, dass man Kinder einfach so in einen kommerzielle Profit Kindertourismus under der Deckung von "Heilung und wellness" abschiebt ohne jegliche Ueberwachung fuer 6-8 Wochen. Unglaublich. Danke fuer diese Gruppe.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Andrea aus Stuttgart schrieb am 18.02.2021
Wegen Bronchitis musste ich zur Kur. Ich hatte sehr starkes Heimweh. Ich mochte kein Milchreis, hatte die Wahl auf Essen zu verzichten, oder ihn reinzuwürgen. Ich hatte Angst zu verhungern. (Tut man sicher nicht, wegen einer Mahlzeit. Aber das wusste ich mit 5 noch nicht).
Eines Tages bekam ich Schuhputzzeug. Da hieß es, meine Eltern wären da gewesen und hätten es gebracht. Ich wollte sofort los, und sie suchen. Sie wären schon wieder weg, mussten weiter... Vor einigen Jahren erfuhr ich von meiner Mutter, dass sie gesagt bekommen hätten, dass mir das Treffen schaden würde. Ich war völlig fertig, denn meine Eltern wollten mich nicht sehen... liebten mich nicht mehr. Dieses Gefühl blieb.
Wir sollten Karten für unsere Eltern basteln. Meine Mutter ist heute noch stolz auf die Karte. Ich hatte mit einer Kerze Wachstropfen auf die Karte gelassen. Und intensiv gehofft, dass meine Eltern kommen und mich holen. Dann lasen sie mir den Text vor: mir gefällt es hier sehr gut. Ich war völlig ohnmächtig und verzweifelt. Es stimmte nicht.
Ich wurde krank, bekam Windpocken und danach Masern, und verbrachte die meiste Zeit der Kur allein im Bett. Es gab einen jungen Mann, der Gitarre spielte. Der war zu Beginn meine emotionale Rettung. Leider war er nur kurz da. Ich denke oft an das, was er mir gegeben hat.
was sonst noch war, weiß ich nicht mehr. Ich hatte bis als Erwachsene Angst zu verhungern. Zudem habe ich Körpersypmtome, deren Ursache mir unklar sind.
Deshalb bin ich froh, hier Berichte zu lesen. Da kommen dann verborgene Erinnerungen hoch.
Ich glaub dass ich auch ne Zahl war.
Danke für die Arbeit hier
Andrea Sam
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Jutta-Katharina Bechlem aus damals Kreis Ziegenhain, Hessen schrieb am 18.02.2021
Zu klein, zu schwach, zu zierlich. Unser Hausarzt und meine Eltern meinten es sehr gut mit mir. Meine Eltern haben mir neue Kleidung gekauft, darunter ein wunderschönes Kleid in blau-weiß. Der Start der langen Reise mit der Bahn begann aufregend. Um meine Angst vor der Fahrt ins Ungewisse zu versüßen, hat mein Papa mir ein Obst gekauft, das ich noch nicht kannte. Es war wie ein Apfel mit Fell drum herum, er nannte es Pfirsich. Ich habe ihn die ganze Fahrt über ehrvoll in der Hand gehalten, manchmal daran geleckt, manchmal mein Gesicht damit gestreichelt. Erst kurz vor Ankunft habe ich ihn aufgegessen, und das war so lecker. Danach war sechs Wochen lang nichts mehr lecker. Ich war sechs Jahre alt.
Durch eine Seitentür im Keller gingen alle Kinder in das Haus hinein. Dort wurden die Schuhe ausgezogen und jedem gezeigt, wie genau und wo die Schuhe zu stehen hatten. Zimmeraufteilung, Schrank- und Bettzuweisung. Großes Zimmer, viele Bette. Ich erinnere mich nicht an die genaue Anzahl. Eigentlich könnte ich jetzt einen Roman schreiben, aber ich halte mich mal (hoffentlich kurz) an die für mich schlimmsten Ereignisse. Das begann schon am ersten Abend vor dem Zubettgehen. Alle hintereinander, also in einer Schlange stehen, vor den Waschbecken. Du wäscht dich und putzt die Zähne, alle anderen schauen zu. Ging ja noch, war unangenehm, aber erträglich. Dann auf Klo. Die Tür stand immer offen, durfte nicht geschlossen werden. Du sitzt auf dem Klo und schaust in die Gesichter, die davor stehen und warten und dir zuschauen. Das hat in mir einen Schaden für immer verursacht. Muss ich nicht genauer erklären, oder? Ich kann stundenlang und unter enormen Schmerzen "einhalten", wenn ich das Gefühl habe, "dabei" nicht ganz alleine zu sein. Macht es schwer, Freunde oder Veranstaltungen zu besuchen. Wurde mit Sicherheit noch gesteigert durch die nächtliche Schikane, die wir über uns ergehen lassen mussten. Ich schreibe "wir", aber damals habe ich nicht gewusst, dass die anderen Kinder auch leiden. Ich dachte ja, nur ich sei so doof und nicht anpassungsfähig. Nachts wurden wir geweckt. In der Mitte des Raumes stand ein Topf. Nacheinander mussten wir darauf Platz nehmen und pinkeln. Und wehe, es war nichts zu hören. Wir durften nicht vom Topf aufstehen, bevor wir "Erfolg" hatten. Wenn der Topf voll war, musste das letzte Kind ihn in der Toilette ausleeren. Ich wollte auf keinen Fall das letzte Kind sein, denn das bedeutete auch, dass du die "Pisse" der anderen an deinem Hintern gespürt hast. Und mit dieser Pisse am Hintern musstest du das Nachthemd wieder runterziehen und den vollen Topf ohne zu kleckern im WC entleeren, dann wieder mit nassem Po und Nachthemd ins Bett. Frisches Nachthemd gab es, glaube ich, nur einmal während der sechs Wochen. So wurden auch die anderen Klamotten nie gewechselt. Meine Eltern hatten mir so liebevoll den Koffer gepackt, mit Lieblingskleidung und neuen Stücken extra für diese Reise. Aber wir trugen tagein tagaus die gleichen Klamotten. Mein Wunsch, einmal das neue blau-weiße Kleid tragen zu dürfen, wurde verhöhnt und verlacht. Dazu später noch mal mehr.
Frühstück. Gries. Das Geschirr in diesem Heim kennt sicher jeder, es ist auch heute noch bei einigen beliebt. Es ist so ein gelbes Geschirr mit einem schwarzen Huhn darauf. Das ist mir seither so verhasst. Geht sogar so weit, dass ich Räume verlasse, in denen das Geschirr steht. Liegt sicher auch daran, dass wir alles aufessen mussten. ALLES! Mein Tischnachbar hat ins Essen gekotzt und leider auch meinen Teller erwischt. Wir mussten beide aufessen. Iss mal die Kotze von einem Anderen! Aber nicht nur das Essen zu den normalen Mahlzeiten war eine Qual. Wir bekamen jeder einen Apfel in die Hand gedrückt und ich musste an den Apfel mit Fell von der Bahnfahrt denken, den mein Papa mir gekauft hatte. So weich, so lecker. Dies war ein normaler Apfel, wie ich ihn kannte. Also biss ich fröhlich hinein, aß ihn gern und wollte dann das kernige Innenleben mit Stiel entsorgen. Ich wurde sofort angeschrien: ALLES essen! Also auch die Kerne, den Grützen und den Stiel. Äpfel esse ich heute nur noch geschält, in Stücke geschnitten und ohne Kerngehäuse, ganz penibel. Ich konnte nie wieder in einen Apfel beißen.
Ich hatte Geburtstag, wurde sieben Jahre alt. Noch immer zu klein, noch immer zu schmächtig und noch immer in diesem schrecklichen Heim. Mir "zu Ehren" wurde ein nasser Blumenkranz auf den Kopf gesetzt, das Wasser rann mir am Kopf herunter. Ich durfte nicht mit den anderen essen, sondern wurde auf ein Sofa gesetzt, das so hoch war, dass ich nicht allein rauf und runter kam. Wurde also darauf gesetzt, mit dem nassen Kranz auf dem Kopf, und alle Kinder gingen an mir vorbei in den Essensraum und gratulierten mir gefühlslos (ich glaube, zu dieser Zeit hatte einfach jeder Angst vor irgendwelchen Gefühlen, alle waren gefühlslos) zum Geburtstag. Mein einziges Highlight an diesem Tag war die Köchin des Heims. Sie war die einzige liebe Person dort, ähnlich wie ich sehr klein, wenn auch bestimmt einen Meter größer als ich. Aber sie kam und brachte mir auf das riesige Sofa ein Glas warme Milch mit den Worten "Beeile dich, das muss niemand sehen". Meine Eltern hatten ein Geburtstagspäckchen geschickt. Ich durfte es öffnen und war in dem Moment sehr glücklich. Lieblingsnaschis. Ich weiß noch, dass diese Knabberperlenketten darin lagen, die man auf der Kirmes kaufen konnte. Also du hast sie am Arm oder um den Hals und kannst immer mal ein Bonbon abknabbern. Und es war ein wunderschöner Ball am Gummiband darin, in meinen Lieblingszauberfarben. Noch andere Dinge, an die ich mich nicht erinnere. Ich bekam sowieso nichts davon. Alles wurde unter den anderen Kindern geteilt, weil ich lernen sollte, nicht so egoistisch zu sein. War ich noch nie und bin ich bis heute nicht. Aber das war so schmerzhaft, daran habe ich lange geknustert. Besonders schmerzhaft war für mich der Gedanke, dass meine Eltern dies liebevoll für mich gepackt hatten und sie nicht wussten, dass andere Kinder die Geschenke bekamen. Ich habe übrigens, zumindest gefühlt, meinen gesamten 7.ten Geburtstag auf diesem großen Sofa sitzend verbracht. Der Kranz um meinen Kopf wurde des Öfteren in kaltes Wasser gelegt, damit er lange hält. Es war ein "nasser" Tag. Nun war ich also sieben Jahre alt und ich wusste, das alles musste bald vorbei sein, denn Mama hatte ja gesagt, wenn ich sieben Jahre alt bin, komme ich wieder nach Hause. Aber es war noch lange nicht vorbei! Ich habe viele Briefe geschrieben an Mama und Papa. Ich habe jeden Tag darauf gewartet, dass sie kommen und mich abholen. Ich habe ihnen doch geschrieben, wie schrecklich alles ist. Sie mussten mich doch holen. Aber sie kamen nicht. Ich habe erst später erfahren, dass keiner meiner Briefe je zu Hause angekommen ist. Aber mit jedem "Briefeschreibertag" wurden die Schwestern böser zu mir. Dabei hatte ich ihnen doch gar nichts getan. Ich versuchte, mich leise und still zu verhalten. Aber sie schikanierten mich bei jeder Kleinigkeit. Angeblich standen meine Schuhe nicht richtig. Oder ich hatte die Regenjacke nicht rechtzeitig ausgezogen und nur wegen mir war der ganze Fußboden nass, weswegen jetzt ALLE leiden mussten. "Beschwert euch bei Jutta, Jutta hat Schuld." Spieletag auf der Wiese, aber niemand wollte mit Jutta spielen, weil sie war ja SCHULD!
Viele, nicht alle, Kinder bekamen abends Medizin, entweder Saft oder eine Tablette. Sollte uns gesund machen, weil wir ja alle wegen der Gesundheit da waren. Was willst du machen als Kind? Du schluckst das einfach. So wie das Apfelinnere, die Kerne, das Gehäuse, alles. Wenn ich jetzt hier so einige Berichte lese, erklärt sich mir einiges. Bis dato war der folgende Vorfall für mich unerklärlich.
Schon beim Zubettgehen dachte ich, ich kann nicht richtig denken. Alles ist wie in Watte. Ich bin so gern und so erleichtert ins Bett gegangen. Und wohl auch gleich eingeschlafen. Am Tag vorher war darüber gesprochen worden, dass wir eine Schifffahrt machen würden. Ich freute mich darauf. Also ab ins Bett, morgen Schifffahrt. Es durften zwar nur die lieben Kinder mit, wie uns gesagt wurde, aber ich war wirklich lieb und leise. Unauffällig. Nachts wurde ich wach, weil Kinder gesungen haben. Nein, sie haben "gegrölt". Ich wurde also wach und wusste nicht, wie mir geschah, denn sie standen um mein Bett herum. Ich solle mittanzen und singen. Und diese Watte in meinem Kopf. Alles so unwirklich. Nein, nur nicht aufstehen, nur nicht tanzen und singen. Morgen ist die Schifffahrt, ich bin ein liebes Mädchen, ich fahre mit dem Schiff. Ich solle mein Lieblingskleid anziehen, das schöne in blau-weiß. Los, zieh es an. Nachthemd aus, Kleid an, aber ohne Unterhose. Mach schon, los. Ist ein Traum, ist ein böser Traum. Niemals ohne Unterhose!
Am nächsten Morgen wurde ich wach, konnte mich an nichts erinnern, nur an diesen verrückten Traum. Aber die Schwester schrie mich an: "Du bist ein böses Mädchen! Du bist so böse, dass du heute nicht mit zur Schifffahrt darfst! Du bist so böse, so böse, das böseste Mädchen hier überhaupt!"
Sie fuhren alle los, nur ich nicht. Es war der einsamste Tag in meinem Leben und ich weiß bis heute nicht, warum.
Gelernt habe ich bis heute, dass vor dem Duschen die Unterhose als letztes ausgezogen wird und danach als erstes wieder an. Ein so penibler Tick! Wenn ich aus Versehen das U-Hemd zuerst ausziehe, ziehe ich es schnell wieder an.
Meine Mama und ich haben bis heute ein so inniges Verhältnis, dass wir genau spüren, wenn es dem anderen nicht gut geht, auch damals schon. Obwohl meine Briefe nicht ankamen. Es fühlt sich an wie Gedankenübertragung. Meine Mama hat in dieser schrecklichen Zeit, von der sie eigentlich nichts wissen konnte, vor lauter Kummer um mich meinen ungeborenen Bruder verloren. Es fühlte sich mein Leben lang so an, als sei es meine Schuld. Auch heute, mit fast sechzig, fühle ich mich nicht frei von dieser Schuld.
Meine Eltern und unser damaliger Hausarzt haben mir jedes Wort geglaubt und versucht, alles aufzuklären. Das war nicht möglich!
Ich dachte, ich hätte das alles vergessen, bis ich den Bericht am 5. Februar diesen Jahres gelesen habe. So viele Jahre sind vergangen, aber vergessen und verkraftet wird das nie! Heute bin ich 59 Jahre alt, sitze hier und heule und heule und heule und verstehe so vieles, was für mich immer unverständlich war. Danke fürs Lesen!
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Esther Sandersfeld aus Luebeck schrieb am 18.02.2021
Ich bin als 2 - Jährige für acht Wochen ins Seehospiz Norderney verschickt worden- damals im guten Glauben meiner Eltern, dort Heilung für meine aufgekratzte Neurodermitis- Haut zu finden...
Für heutige Eltern undenkbar - nämlich ein Kleinkind für zwei Monate in die Obhut eines Kurheimes abzugeben - und auch unterschreiben zu müssen, keinen Kontakt in der Zeit mit dem Kind aufzunehmen !

Ich habe von dieser traurigen "Episode" meines frühen Lebens erst sehr spät erfahren, meine Mutter erzählte es mir, als wir einmal abends nach dem Abendbrot zusammensaßen. Vllt war ich 12 Jahre alt, ich weiss nicht mehr genau.

Sie berichtete, dass unser Kinderarzt gemeint hätte, die frische Seeluft würde meinen roten, juckenden Stellen am Körper guttun, und es wäre wichtig, dass Eltern sich während der Kuraufenthalts zurückhielten, was den Kontakt
anginge...keine Post, keine Anrufe.
Sie als Mutter hätte das schwer ausgehalten, ich wäre ja noch so klein gewesen...

An den eigentlichen Aufenthalt habe ich selbst kaum Erinnerungen, habe nur ein einziges Foto aus dieser Zeit, eines, in dem ich mit Kopftuch Händchen haltend in einer Gruppe von ähnlich alten Kindern in der ersten Reihe stehe, und verkniffen in die Gegend schaue.

Immer wieder habe ich dieses Foto angesehen, denn es ist das einzige, was ich habe.
Die einzige "echte" Erinnerung ist die, dass ich nach der Ankunft mit dem Zug in Oldenburg, meiner Heimatstadt, von meinen Eltern am Bahnsteig empfangen wurde... und kein einziges Wort gesprochen habe.
Mein einziges Kuscheltier, ein Hase mit langen Ohren und langen Schlenkerbeinen hatte ich fest an mich gedrückt - ein Junge hatte ihm vor der Abfahrt in Norderney ein Bein ausgerissen.

Meine Mutter erzählte, es sei schlimm für sie als Eltern gewesen, dass ich tagelang nicht gesprochen hätte. Hätte mit dem Schlenkerhasen in meinem Zimmer still auf einem Stuhl gesessen- sie hätten mich so nicht gekannt. Hatten Angst, irgendwas sei "nicht in Ordnung".

Meine Haut war bei der Ankunft in OL ganz "glatt" gewesen, keine Ausschläge- aber man sah noch die frische Einstichstelle einer Spritze (im Nachinein denke ich, es war entweder eine Cortison- Spritze oder eine Beruhigungsspritze- keins von beiden würde mich wundern).

Als ich 2012 eine Mütterkur machte, stellte ich einer Psychologin die Frage, welche Auswirkungen diese frühen Erlebnisse auf mein späteres und erwachsenes Leben gehabt hätten (und noch haben könnten).
Sie sagte, dass es nicht unweigerlich zu Bindungsängsten und Vertrauensverlusten u.ä kommen müsste, wenn ich als so kleines Kind vielleicht das "Glück" gehabt hätte, eine der etwas zugewandteren Diakonissen als Bezugsperson gehabt zu haben. Eine, die sich mal gekümmert hat, wenn ich geweint oder unter Heimweh gelitten hätte.
Aber wer weiss, ob das so war.
Ich habe keine Erinnerung.

Dann sagte sie noch- was ich persönlich für wahrscheinlicher halte- dass ich womöglich nicht gesprochen hätte, nach der Rückkehr in OL, weil es in dem Heim eben kaum einzelne, individuelle Ansprache gegeben hätte, weil am Tisch strenge Regeln galten und die Kinder still und brav ihre Mahlzeiten einnehmen mussten.
Da wurde kein Quatsch gemacht oder laut gelacht- nein, da wurde man sofort streng gemaßregelt. D.h. es wurde uns beigebracht, hübsch still zu sein.

Aber wie gesagt, ich weiss es nicht.
Es fühlt sich nur so an.
In dem jungen Alter MUSS ich meine Eltern für tot oder auf ewig verschollen gehalten haben, denn Zeitgefühl hat ein 2- jähriges Kind noch nicht. Vielleicht war das Schweigen dann meine Art der Kompensation. Ich war still und durfte meine Trauer nicht "rauslassen".
Von daher kann ich nicht beurteilen, ob mein junges Alter mit dem fehlenden Erinnerungsvermögen nun ein Fluch oder Segen ist...

Ich habe sehr interessiert und berührt eure vorherigen Erlebnis- Berichte gelesen, und sah heute morgen den Film über die "Verschickungskinder" im Fernsehen.
Nun möchte ich zwar unbedingt diese dunklen Kapitel im Deutschland der 60er Jahre beleuchten, aber auch nach vorne gerichtet schauen, und leben.

Meinen Eltern habe ich übrigens nie Vorwürfe gemacht, auch wenn ich damals mit 12 Jahren fassungslos über das Erzählte war.
Ich spürte, dass zumindest meine Mutter sehr unter der Situation gelitten hatte, mein Vater sprach nicht viel darüber.

Ich lebe heute - nach vielen Phasen des Allein- Lebens im Wechsel mit unterschiedlich lang-andauernden Beziehungen- als Single und glückliche Mutter von zwei Töchtern, bin auffallend harmoniebedürftig, besitze einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.
Kann schlecht "loslassen", schlecht entspannen, habe Sorge vorm Verlassen- Werden. Mache mir ständig um- irgendwas Sorgen, aber ... ich bin auf einem guten Weg, habe Therapieerfahrung, und zum Glück eine gute Portion Resilienz (gelernt), und ein stabiles soziales Netz um mich herum.

Ich würde zu gern genau wissen, was damals auf Norderney passierte, aber vielleicht ist es meine Aufgabe im Leben, mit einer Ungewissheit klar zu kommen, und sie anzunehmen zu lernen.
Und nach vorne zu schauen, um nicht an alten Erfahrungen zu verbittern.

Das Leben ist zu kurz, zu schade, es nicht fröhlich, laut und quicklebendig zu feiern!

Alles alles Gute für euch anderen "Betroffenen", und ..bleibt gesund!
(Nicht nur an Corona...;)

Esther
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Birgit aus Frankfurt schrieb am 18.02.2021
Ich bin durch einen Fernsehbeitrag auf die Verschickungskinder aufmerksam geworden. Endlich hat das Grauen einen Namen! Mit 5 Jahren kam ich für 6 Wochen zur Kur nach Spiekeroog. Leider kann ich mich an den Heimnamen nicht erinnern. Schon die Überfahrt mit der Fähre war schrecklich. Ich fühlte mich alleine gelassen und mir war speiübel. Meine ganzen Erinnerungen an die Zeit im Heim sind sehr neblig. Heute habe ich gelesen, dass in den Heimen auch häufig mit Beruhigungsmitteln gearbeitet wurde.... Ich sollte unbedingt vor der Einschulung zunehmen. Aufessen war Pflicht. Ich erinnere mich an 2 Mahlzeiten an denen ich mich erbrechen musste. Es herrschte große Disziplin, die mit harten Strafen und Bloßstellen vor der Gruppe erreicht wurde. Einmal musste ich nachts einige Stunden draußen auf dem kalten Flur alleine sitzen bleiben, weil ich im Bett geredet hatte. Vor lauter Einsamkeit und Heimweh habe ich mir in der Zeit dort einen Finger wund "gesaugt". Die Eiterblase musste von einem Arzt aufgeschnitten und versorgt werden. Wenn ich jemanden von dieser Zeit erzählt habe, wurde immer mit Unglauben reagiert. Ich denke, dass mich diese Zeit sehr geprägt hat. Man kann keinem Kind erklären, warum es solche seelischen Misshandlungen ertragen muss. Meine Eltern wussten es anscheinend nicht besser. Die Kur wurde von der Hausärztin verordnet. Ich habe in den 6 Wochen auf Spiekeroog 5kg zugenommen..... DANKE, dass Sie diese Missstände aufdecken.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Christian Würsig aus Limburg an der lahn schrieb am 18.02.2021
Ich habe zum ersten mal vor kurzem von den sogenannten
Verschickungskindern gehört und im Fernsehen einen Bericht darüber gesehen und ich fand das absolut schlimm, was dort zu sehen und zu hören war!
Dann wurde mir erst bewußt, das meine Schwester und Ich ( Beide Jhg. 1968 / Zwillinge ) selbst mal zu diesen Verschickungskindern gehörten und kurz vor unserer Einschulung im Sommer 1975 schickten uns unsere Eltern nach Wallgau in Österreich.
Es war damals aus gesundheitlichen Gründen, aber das war uns nicht so ganz bewußt und es sollte eine Art Kururlaub/Aufenthalt werden und so setzte man uns gemeinsam in den Zug, zusammen mit anderen Kindern.
Der Abschied war nicht einfach und ich kann mich erinnern, das wir geheult haben und gar nicht weg wollten, aber unsere Eltern haben uns am Bahnsteig getröstet und es sollte ja nicht für immer sein.
An den Aufenthalt im Heim hab ich leider nicht mehr so viele Erinnerungen und weiß nur, das wir öffter Ausflüge in die natur unternommen haben und das dort eben viele Kinder waren in unserem Alter.
Es gab sicherlich eine gewisse strenge Ordnung, aber an Übergriffe von Seiten der Betreuer hab ich keine Erinnerung, oder das wir geschlagen wurden etc.
Ich hatte eines Nachts einen Pseudokrupp-Anfall und dachte ich müsse ersticken und das war ganz schlimm
und es kam mir fast wie eine Ewigkeit vor, bis dann jemand zu Hilfe kam.
Wenn ich so die anderen Erfahrungsberichte lese, dann denke ich das wir evtl Glück gehabt haben und es uns besser gegangen ist als so vielen anderen, die so leidvolle Erfahrung gemacht haben.
Lieben Gruß an alle !
Christian ( ein Verschickungskind )
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Silke schrieb am 18.02.2021
Im Alter von 8 Jahren wurde ich für 1 Monat auf Spiekeroog verschickt, weil ich zu dünn war.
Zum Essen wurde man gezwungen, es gab etwas, das wurde einem als "Quallensalat" verkauft, was für den Appetit nicht gerade förderlich war.
Für jedes kleine Vergehen wurde man bestraft, mit Prügel oder man wurde mit kaltem Wasser aus einem Schlauch geduscht.
Auf den Spaziergängen mussten wir brav in Zweierreihen gehen, und es durfte nicht gelacht und nicht laut gesprochen werden.
Zur Mittagsruhe und nachts durften wir nicht auf die Toilette gehen, die meisten haben dann ins Bett gemacht.
Die Postkarten nach Hause wurden kontrolliert, es wurde uns vorgegeben, was wir zu schreiben hatten. Päckchen von zu Hause wurden geöffnet, damit die Süßigkeiten angeblich an alle verteilt würden.
Im Nachlass meiner Mutter habe ich noch alte Unterlagen gefunden, aus denen hervorging, dass meine Eltern 600,-DM für diese "Kur" selbst bezahlen mussten, das war damals schon sehr viel Geld.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Elke aus Syke schrieb am 17.02.2021
Die Barmer Ersatzkasse hat mich im Alter von 9 Jahren im März 1967 sechs Wochen in das Kinder Erholungsheim Brilon Möhneburg zu Frau Dr. Selter geschickt.
Ich hasse noch heute diese Frau von Herzen.
Ihre Methoden waren mehr als fragwürdig. Aufrecht hielt uns nur der ständige Gedanke an Flucht.
Selbst unsere Briefe nach Hause wurden gelesen und korrigiert.
Demütigungen waren an der Tagesordnung.
Kinder wurden trotz Würgereiz zum Essen gezwungen. Ein Junge, der in die Hose gepinkelt hatte, musste vor aller Augen seine Unterhosen waschen.
Denunzieren wurde belohnt und Päckchen von Zuhause weggeschlossen.
Wir waren 50 Kinder und es war so gut wie kein Spielzeug vorhanden.
Ich habe 6 Wochen jeden Abend vor Heimweh geweint.
Besonders befremdlich war, als uns einmal die noble Wohnung von Frau Dr. gezeigt wurde. Die gediegene Ausstattung stand im krassen Gegensatz zu unseren kargen und spartanischen Aufenthaltsräumen.
Ein Trost waren die Mitgefangenen und der kleine Spielplatz hinter dem Haus.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Daniela schrieb am 17.02.2021
Ich habe nur gute Erinnerungen!
Verstehe dieses ganze Tamtam nicht - überall gibt es schwarze Schafe!
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Marion aus Bad Oeynhausen schrieb am 17.02.2021
Ich wurde im Februar 1949 in Bad Oeynhausen geboren. Ich war immer zu dünn, obwohl wir genug zu essen hatten. Irgendwann hörte meine Mutter von einer Verschickungskur durch die Mission und so wurde ich angemeldet. Ich muss wohl 6 Jahre alt gewesen sein. Natürlich hat meine Mutter im festen Glauben gehandelt, mir etwas Gutes zu tun, denn Geld für eine andere Reise hatten wir nicht. Meine Mutter hat mich im Zug von Bad Oeynhausen bis Minden begleitet. Dort habe ich bei der Bahnhofsmission geschlafen und am nächsten Morgen ging es mit einem Sammelzug nach Freudenstadt ins Oberlinhaus. Trotz der 67 Jahre, die seither vergangen sind, habe ich den Namen des Hauses, der Tante Inge und diese schrecklichen 6 Wochen nie vergessen.
Im Beitrag war die Rede davon, dass Gewichtszunahme an 1. Stelle stand. So war es auch bei Tante Inge. Unter allen Umständen musste das Essen aufgegessen werden, danach gab es Lebertran. In meiner Gruppe war ein Geschwisterpaar (Mädchen von 5 und 3 Jahren). Ich war Zeuge, als die 3-jährige das Erbrochene wieder aufessen musste. Da das zu lange gedauert hat, wurden wir anderen weggeschickt. Nach 6 Wochen hatte ich 1/2 kg zugenommen. Ich weiß noch, dass meine Mutter das als wenig empfand.
Nachts durften wir nicht zur Toilette gehen. 1 x ging es nicht anders, ich bin aufgestanden und über den halbdunklen Flur gelaufen. Schon stand eine der Tanten neben mir und hat mich nach einem Donnerwetter ins Zimmer zurück geschickt. An den weiteren Verlauf kann ich mich nicht mehr erinnern, aber das Bild des Flures und meine Angst habe ich immer noch deutlich vor Augen. Ich weiß, dass andere Kinder verprügelt wurden, wenn sie ins Bett gemacht hatten.
Das Geschwisterpaar wurde noch vor meinem Aussteigebahnhof Minden auf einem anderen Bahnhof von ihren Eltern abgeholt und liebevoll in den Arm genommen. Ich erinnere mich noch an die blonden Locken der Mutter und wie ich sie durch die Zugscheibe beobachtet habe. Und wie ich gedacht habe, ob sie wohl von den Gemeinheiten von Tante Inge erfahren würden.
Ich habe zu Hause davon erzählt, meine Mutter hat sich fürchterlich aufgeregt und meine jüngeren Geschwister wurden nicht verschickt. Ich glaube nicht, dass ich bleibende Schäden davon getragen habe, aber die negativen Erinnerungen und die Bilder dazu habe ich noch deutlich vor Augen. Das schrecklichste Haus in meinem ganzen Leben war das Oberlinhaus in Freudenstadt.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Marlies aus Hamburg schrieb am 17.02.2021
Da ich laut Kinderarzt unterernährt und für mein Alter zu klein war und ich unbedingt zunehmen sollte, hieß es, dass Kind muss zur Verschickung!

Es war nach meiner Erinnerung eine sehr strenges Regiment, denn ich wurde gezwungen Haferschleim Suppe zu essen, und das ich erst aufzustehen darf, wenn ich alles aufgegessen hätte, ich habe immer wieder gewürgt und gewürgt, dann kam die Aufseherin, und drohte mir, Du sitzt hier so lange bis Du das alles aufgegessen hast!!
Ich versuchte den Haferschleim runter zu schlucken, und zum Schluss kam der Brei wieder hoch und habe auf den Tisch erbrochen.
Was dann passierte, da habe ich eine Erinnerung Lücke!!
Ich weiß nicht mehr ob ich das Erbrochene wieder essen musste, das ist bei mir alles ausgeblendet!!
Ich habe seitdem ein Ekel davor
und konnte jedenfalls nie wieder Haferschleim Suppe essen!!

Ich hatte dort häufig Alpträume und habe ins Bett gemacht, dadurch aufgewacht es war stockdunkel und bin dann Nachts eine Treppe zu den Toiletten runter gelaufen und die Hinterlassenschaft bemerkte ich überhaupt nicht!

Am nächsten Morgen wurden alle irgendwie zum Appell aufgerufen, wer das war, und ich hatte große Angst, und deshalb nichts gesagt!!

Dann wurde jedes Bett durchsucht!!
Und ich wurde genötigt, als kleines Mädchen den Gang und die ganze Treppe bis unten zu reinigen, das war damals ziemlich erniedrigend.
Und das demütigende war, es wurde vor den anderen Kindern irgendwie zur Schau gestellt!

Zuhause habe ich nichts erzählt warum weiß ich bis heute nicht.
Nur wenn es hieß Du wirst bald wieder verschickt habe ich einen Aufstand gemacht!

Ich wollte nie wieder zu einer Verschickung das war für mich ein absolutes traumatisches und bleibendes Erlebnis.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Anne Essmann aus Herrfurthstraße 20a, 12049 Berlin schrieb am 17.02.2021
Ich war im Alter von 5 Jahren zusammen mit meinem 4-jährigen Bruder in einem Kinderkurheim in Bad Dürkheim, weil ich sehr blass und untergewichtig war. Wir Kinder wurden in einen Zug gesetzt und los gings. Ich weiß noch, dass ich auf der Fahrt versuchte, mir Mut zu machen, indem ich sang. Im "Kurheim" wurden wir auf große Schlafsääle verteilt. Mein Bruder und ich wurden getrennt. Ich hatte damals lange Haare, die fast bis zum Po reichten. Nachts verknoteten sie sich und waren dann am Morgen kaum mehr zu entwirren. Keiner der Betreuer kümmerte sich darum. Ein nur wenig älteres Mädchen aus meinem Schlafsaal erbarmte sich fast jeden Morgen und versuchte, die langen Haarsträhnen und -knoten zu entwirren. Ich weiß noch, dass ich ihr dafür wahnsinnig dankbar war, denn es schuf wenigstens ein bisschen das Gefühl von Geborgenheit. Da war jemand, der sich um mich kümmerte!
War morgens diese erste Hürde genommen, ging es in den großen Speisesaal. Und da begann das Grauen. Es gab jeden Morgen Griessbrei oder Haferschleim. Beides fand ich ganz furchtbar. Ich mochte es nicht! Aber ich sollte ja zunehmen. Also rückten fast jeden Morgen zwei Betreuerinnen mit einem Teller Pampe an. Ich sagte mehrmals, dass ich es nicht mag, aber das interessierte sie nicht. Die Eine hielt meinen Kopf umklammert und drückte mir mit Gewalt den Mund auf und die Andere zwang mir wieder und wieder einen Löffel Pampe in den Mund. Ich werde nie vergessen, was sie dazu sagte: "Guck mal, Kind, wir nehmen schon nur einen Eierlöffel. Dann hast du nicht soviel davon im Mund." Wenn ich zu würgen begann, drückte man mir schnell den Mund zu. Ich kann bis heute nichts essen, das eine breiige Konsistenz hat: Keine Cremes, keinen Pudding, keine Sahne, keinen Quark, keinen Joghurt, keine Torten, keinen Kartoffelbrei.
Einmal in der Woche gab es Post von unseren Eltern. Viele schickten kleine Kuscheltiere, Püppchen oder sonstiges Spielzeug. Wir durften unsere Sendungen vor dem Essen in Empfang nehmen. Danach wurden uns alle Geschenke der Eltern wieder weggenommen und auf ein Regal verfrachtet, das so hoch war, dass wir Kinder nicht heran kamen. Lies sich eines der Kinder auch nur irgendetwas "zuschulden kommen", wurde das Geschenk vor den Augen aller Kinder von den Betreuern in einen großen Mülleimer befördert. Klappe zu, Affe tot, buchstäblich.
Mein kleiner Bruder war damals ein ziemlich aufmüpfiger, kleiner Bengel, schlau, gewitzt und trotz seiner erst vier Lebensjährchen nicht auf den Mund gefallen. Wie oft er wegen lächerlicher "Vergehen" und weil er sich nichts gefallen ließ, stundenlang mit dem Gesicht in der Ecke stehen musste, während die anderen Kinder etwas zu Essen bekamen, habe ich leider nicht gezählt.
Einmal sollte er etwas essen, was er nicht mochte. In einem winzigen, unbeobachteten Moment schleuderte er den gefüllten Teller wie eine Frisbeescheibe quer durch den Speisesaal. Daraufhin bekam er eine Tracht Prügel und für den Rest des Tages nichts mehr zu essen.
Irgendwann während meines Aufenthaltes wurde eine neue Betreuerin eingestellt, eine warmherzige, engagierte und sehr nette junge Frau, der wirklich an uns Kindern gelegen war. Sie war die erste Betreuerin, die sich um meine langen Haare kümmerte und sie tagsüber zu einem langen Zopf flechtete. Wenn sie kam, ging jedesmal die Sonne auf und wir Kinder scharten uns um sie herum. Aber die anderen Betreuer sahen es nicht gern, wenn sie sich um uns Kinder kümmerte.
Einmal haben wir einen Spaziergang durch den Wald gemacht. Links vom Wegrand ging es steil und tief hinunter. Die Betreuer schärften uns ein, ja nicht vom Weg anzukommen. Natürlich passierte es trotzdem. Eines der Kinder trat daneben und rutschte den ganzen Abhang hinunter durch den Wald, bis ein Baum die gefährliche Rutschpartie unsanft beendete. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob das "abtrünnige" Kind bestraft wurde. Aber ich glaube, der Schrecken bei den Betreuern war zu groß.
An unserem letzten Tag vor der Rückreise lagen wir zum Mittagsschlaf in unseren Betten. Plötzlich kam eines der Kinder schreiend in den Schlafsaal gerannt. "Die haben Spritzen", brüllte es laut. "Die geben uns Spritzen!" Das total verschreckte, panische Kind kroch in sein Bett unter die Decke und hielt diese krampfhaft rundherum fest. Dann kamen sie auch schon. Ohne irgendeine Vorankündigung oder gar Erklärung wurde ein Kind nach dem anderen mit Gewalt unter der Bettdecke hervorgezerrt. Zwei Betreuer hielten es fest, der dritte jagte dem schreienden und weinenden Kind die Spritze in den Hintern. Ich hatte vor Spritzen glücklicherweise keine Angst, weil mir schon unzählige Male von der Kinderärztin zu Hause Blut abgenommen worden war. Aber die meisten Kinder waren - zum krönenden Abschluss ihres Kuraufenthaltes - in Todesangst. Als alle Kinder durch gespritzt waren, ließen die Betreuer sie völlig verstört in ihren Betten zurück.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Silke Balsser schrieb am 17.02.2021
1968 war ich in Runkel-Dehrn (Hessen) mit 5 Jahren dorthin geschickt worden.Ich hatte Heimweh und meine Eltern und Verwandte dürften mich nicht Besuchen.in weiter Ferne habe ich sie gesehen und konnte nichts unternehmen. Nach dem Mittagessen mussten wir uns schlafen legen danach später noch spazieren gehen viele Erinnerungen habe nicht mehr es war nicht schön dort wer war auch dort??
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Nadja aus Kirchheim schrieb am 17.02.2021
Hallo,
seit Kurzem sind mir die Erlebnisse die ich während zweier Kuraufenthalte in der DDR hatte, wieder ins Bewusstsein gekommen. Vieles habe ich verdrängt, besonders von meinem ersten Kuraufenthalt mit 5 Jahren in Osterburg, woran ich nur wenig Erinnerungen habe. Aber ich weiß noch, dass dort in sehr großen Schlafsälen in Gitterbetten geschlafen wurde und ich mich nachts gefürchtet habe und nicht schlafen konnte. Auch kann ich mich noch erinnern, das man nackt unter der Höhensonne tanzen musste, gezwungen wurde aufzuessen und das es Strafen gab. Welche , kann ich mich nicht mehr erinnern. Würde es aber gern, um es besser zu verarbeiten.
An den zweiten Kuraufenthalt in Bad Muskau Nähe der polnischen Grenze kann ich mich dafür sehr gut erinnern. Zu beiden Kuren wurde ich geschickt, weil ich zierlich und zu dünn war. Gemein fand ich, dass bei der Kur gleichzeitig Kinder zum Zunehmen und zum Abnehmen waren. Auch die Essenszeiten waren gleich. Während die Kinder die Abnehmen mussten Ihr Essen in winzigen Portionen eingeteilt auf ihren Tellern hatten, mussten sie gleichzeitig mit zusehen, wie die anderen (zu denen ich auch zählte) regelrecht mit Essen vollgestopft wurden. Es gab für uns 6 Mahlzeiten am Tag. Regelmäßig mussten wir uns in Unterwäsche im Gang aufreihen zum Wiegen. Wir haben uns manchmal kleine Sachen in die Socken gestopft, um ein paar Gramm mehr zu wiegen. Aber die größte Folter war für mich folgendes: Jeden morgen musste ich um 5 Uhr aufstehen und in den Keller. Dort gab es Stachelbrause oder Wechseldusche. Die Stachelbrause bestand aus einem Aufsatz aus dem mehrere harte Wasstrahle herauskamen und damit wurde man erst kalt dann heiß abgespritzt. Dafür musste man sich nackt in eine Ecke stellen.
Wechseldusche war dasselbe, nur nicht mit so hartem Wasser. Für mich war es eine Folter. Die nächste Folter war, dass man in die Sauna eingesperrt wurde. Ich hielt es nicht so lange aus und wollte eher raus und habe darum gebettelt. Aber ich musste solange drinn bleiben, bis die Zeit um war. Danach musste sich jedes Kind in eine Badewanne mit eiskaltem Wasser legen, bis zum Kinn und nur danach durfte man gehen. Das hat definitiv ein Trauma bei mir hinterlassen. Ich ertrage keine Hitze über 30 Grad und habe das Gefühl von Panik und ersticken zu müssen und ich meide kaltes Wasser wie die Pest, gehe seit dem fast nie ins Schwimmbad oder in einen See. Nur in warmes Wasser.
Ich würde gerne meine Erinnerungen auch an die erste Kur wieder hervorholen. Da ich hoffe, wenn ich es erinnern kann, es auch besser zu bewältigen und damit umgehen zu können.
Ich bin noch neu hier und froh diese Seite gefunden zu haben. Wenn jemand einen Rat hat, wo ich mehr Hilfe bekommen kann, bin ich dankbar. Das Gefühl, damit nicht allein zu sein, tut jedenfalls gut.
LG Nadja
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Michaela Semerak aus Köln schrieb am 15.02.2021
Ich war mit gut sechs Jahren, zusammen mit meinem 1 1/2 Jahre älteren Stiefbruder, für 6 Wochen irgendwo im Schwarzwald. An eine Kontaktaufnahme zu anderen Kindern, gemeinsame Spiele/Unternehmungen kann ich mich - mit einer Ausnahme - nicht erinnern. Da ich wegen endogener Exzeme, insbesondere an den Händen, dort war, bekam ich über die gesamte Aufenthaltsdauer morgens nur eine Scheibe Brot mit Butter und Tee, nachmittags gab es das gleiche nochmal für alle Kinder. Als ich nach ca. 3 Wochen ausflippte und verlangte, ich wolle zum Frühstück wenigstens ein einziges Mal das Gleiche haben wie alle anderen (Haferflocken mit Kakaopulver und Milch). An die Form der Bestrafung kann ich mich nicht erinnern, habe nur das undeutliche Gefühl, dass ich oft und lange alleine in einem Raum war. Am nächsten Morgen bekam ich Haferflocken mit Kakaopulver OHNE Milch, aber essen musste ich das natürlich trotzdem. Irgendwie.
Meine Hände wurden mehrmals täglich mit Nivea-Crème "behandelt", wodurch sich nach und nach lange blutige Risse bildeten die sich entzündeten, was widerum zur Folge hatte, dass mir noch öfter die Hände mit der gleichen Salbe eingecremt wurden und der Zustand sich weiter verschlechterte. Als ich pünktlich zum Schuljahresbeginn (2. Klasse) wieder zuhause war, konnte ich die erste Woche gar nicht, und in der zweiten Woche nur mit immer noch komplett bandagierten Händen am Unterricht teilnehmen.
Meinen Bruder habe ich während der gesamten Zeit nur zweimal bewusst wahrgenommen. Er war dort um zuzunehmen und lag an dem Tag, an den ich mich erinnere, nach dem Zwangsmittagsschlaf zugedeckt auf einer Liege neben der Wiese, auf der die anderen Kinder nach der Mittagsruhe spielen durften. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mitgespielt habe. Vielleicht durfte oder konnte ich auch nix anfassen.
Die zweite Erinnerung habe ich an einen Ausflug. Ich weiß noch, dass ich mich für die Schieferplättchen, die überall rumlagen, begeisterte. Als wir wieder im Heim ankamen, sprach mich mein Bruder, der in Gesellschaft von zwei der älteren Jungen (ca. 15-16 Jahre) war, an, und überredete mich mitzukommen, weil sie mir etwas zeigen wollten. Ich folgte den fremden Jungs dann in einen Hühnerstall (?). Mein Bruder war glaube ich draußen geblieben. Mehr weiß ich nicht mehr, nur, dass mich diese Szene bis heute nicht loslässt.
Erübrigt sich wohl zu erwähnen, dass die Post nachhause zensiert wurde.
Die Heimleiterin hieß Frau Netz und war wohl durch den BDM geschult worden. Anders kann ich mir heute jedenfalls nicht erklären, wie es einem Menschen möglich ist, Kinder in einer permanenten Atmosphäre der Einschüchterung, Vernachlässigung und Angst, nachhaltig zu traumatisieren. Ich will nicht behaupten, dass diese "Kur" der alleinige Grund dafür ist, dass ich seit Jahrzehnten immer mal wieder wegen Depressionen in Behandlung bin, da es auch noch andere Brüche in meinem Leben gab, aber einen maßgeblichen Anteil an meinen seelischen Verwerfungen wird sie mit Sicherheit haben.
Mein Bruder und ich haben niemals miteinander über diese unendlich langen 6 Wochen gesprochen.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Angela aus Berlin schrieb am 15.02.2021
Hallo an alle, die in den 60'ern in Bad Sachsa waren, ich war im Konsul-Albert-Heim,Träger war das Diakonische Werk/ Innere Mission. Es führten Steintreppen von der Straße hinauf, dann ein kurzer Plattenweg, dann extrem starker Schuhcremegeruch im Vorraum der großen, hoch liegenden Villa. Sie liegt nahe des Märchengrunds und dem Schmelzteich/Kurpark in der Gartenstr.. Ich erinnere mich an keine Kinder oder Betreuer, nur an Fräulein Stege, eine Praktikantin, sozusagen farbig herausleuchtend aus dem grauen, schweigenden Angsttunnel, in dem ich mich dort wochenlang befand. Sie führte eines Tages eine Schnitzeljagd (Schatzsuche) mit uns durch, aus kleinen Zweigen gebildete Pfeile lagen auf dem Waldboden Richtung Ziel, wir durften sogar rennen, wer die/der Erste war, der Schatz war ein Tuschkasten (oder zwei?), Wasser und Pinsel; das war spannend. Gerne ließen wir uns grüne und rote Striche ins Gesicht malen, denn nun waren wir Indianer. Ein krasses Leuchtturmerlebnis.-Diese fünf Wochen waren unbeschreiblich schrecklich: ständiges Heimweh, täglich Über-Anpassung an den Willen anderer. Das hat Vertrauen zerstört und mich lange im Leben nur funktionieren lassen. Alles Gute und Erfolge euch allen beim Aufarbeiten!
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Katrin aus Jena schrieb am 15.02.2021
Hallo,
ich musste gleich zweimal in die Kur fahren, denn ich war zu klein und zu dünn um eingeschult zu werden. Genau kann ich nicht mehr sagen, wann ich wo gewesen bin und was ich wo genau erlebt habe. Ich war erst 5 und dann 6 Jahre alt. Bestimmt habe ich viel verdrängt oder vergessen und das ist wahrscheinlich auch besser so. Wie in der DDR so üblich, ging es sehr militärisch zu. Antreten zum Apell und in Zweierreihe, still stehen. Aber das war ja in der DDR auch an den Schulen so. Obwohl so viele Kinder da waren, habe ich mich sehr einsam gefühlt. Ich kann mich nicht daran erinnern Freundschaften geschlossen zu haben. Wahrscheinlich hatte jeder mit sich selber zu tun.
Wir durften nachts nicht auf Toilette und meine Bettnachbarin hat häufig ins Bett gemacht und nicht nur Urin, sondern Stuhlgang. Sie musste die ganze Nacht in ihrem Haufen liegen und im Schlafsaal hat es furchtbar gestunken. Morgens wurde sie dann ganz schrecklich angeschrien. Sie hat entsetzlich gelitten.
Mein Vater hat mir Süßigkeiten geschickt, die ich nie bekommen habe. Das haben hier ja viele beschrieben. Ich habe es schrecklich empfunden nackt in einer Reihe anzustehen und morgens eiskalt mit abends viel zu heiß mit einem Wasserschlach abgespritzt zu werden. Auch der Gang nackt um die Höhensonne war gruselig. Wir haben uns gefürchtet und ein Mädchen ist umgefallen.
Beim Essen musste aufgegessen werden oder man saß stundenlang vor dem Teller. Im meiner Suppe war ein Knorpel. Den konnte man gar nicht runter bekommen. Ich habe ihn mir in den Mund gestopft ihn im Klo wieder ausgespuckt und mich dabei so geekelt, dass ich mich erbrochen habe. Wenn man die viele Butter nicht aufs Brot geschmiert bekam, musste man sie im Nachgang so essen.
In meiner Erinnerung waren die Erzieher sehr unterkühlt.
Meine Eltern glaubten mir das nicht. Ich habe dann auch einfach nicht mehr darüber nachgedacht und verdrängt, bis mir ein Freund ähnliche Sachen erzählt hat. Niemals würde ich meine Kinder alleine in eine Kur schicken.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Barbara Z. aus Stuttgart schrieb am 15.02.2021
Gestern bin ich in Königsfeld gewesen und habe sogar das Gebäder wieder gefunden in welchem ich mit meinem Bruder furchtbare Zeiten erlebt habe.
Die jetzige Miteigentümerin der Villa Didié, wie das Hau früher auch genannt wurde, hat noch gestern Recherchen zu meinen Fragen angestellt und mich angerufen.
Ich dachte immer die "Heimleiterin" sei eine Generalstochter gewesen.
So schlecht bin ich nicht gelegen.
Es war Maria Hetzel-Dedié, eine adoptiertes Dienstmädchen des kinderlosen Oberleutnants Ferdinand Dedié und seiner Gattin.
Nun bin ich mal gespannt ob es über das Landesarchiv respektive Gemeindearchiv Königsfeld noch Unterlagen dazu gibt.
meine Narbe an der rechten Handobfläch erinnert mich schon mein ganzes Leben an die Panik, Verzweiflung und Angst, mit der ich die Glasverandatür als 5-Jähriges Mädchen eingeschlagen habe, um aus dem Raum rauszukommen. Irgendwas hat der "Tanta" nicht gepasst und ich wurde in der Veranda eingesperrt.
Ebenso erinnere ich mich an Kasernenhof-Drill und erbrochenem Heidelbeerquark/Joghurt, in welchem ich liegen bleiben musste.
Nach unserer Rückkehr nach Stuttgart, so meine Mutter, hatte sie Bedenken, ob wir überhaupt ihre Kinder seine, da uns der schwäbische Dialekt wohl ausgetrieben wurde.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Renate schrieb am 15.02.2021
Hallo,
ich berichte mal, wie es mir 1967 im Alter von 9 Jahren in Hochried erging.
Ich war übrigens nicht krank sondern galt eher als robustes Kind. Ich freute mich im Vorfeld auf die Berge, den Schnee...Ferien während der Schulzeit...

Schon auf der Fahrt von Hannover Hauptbahnhof aus im gräßlichen Transportzug habe ich mich verletzt - ich habe mir den Finger am Klappsitz auf dem Gang blutig gequetscht. Da wurde ich grob behandelt und geschimpft.
In Hochried wurde uns der persönliche Besitz abgenommen, Geld, Süßigkeiten, mein Fotoapparat. Weil ich klein gewachsen war kam ich in den Schlafsaal zu den jüngeren Kindern . Das fand ich sehr ungerecht. Ich wurde geschimpft, wenn die Kleinen Nachts unruhig waren, da ich die älteste im Schlafsaal war. Ich war so froh, dass meine kleine Schwester 2 Tage vor Abfahrt nicht mehr mit wollte und meine Eltern sie nicht dazu zwangen. Ich hätte sie bestimmt nicht trösten können/ dürfen.
Ich war autoritäre und grobe Behandlung nicht gewöhnt. Man durfte nichts selbst entscheiden. Es gab kein freies Spiel. Ich erinnere keine Freizeitangebote. Es war wie im Gefängnis.
Es gab jeden Tag Ärger wegen des Essens. Im „ Eulenzimmer“ mussten die Kinder, die nicht alles aßen stundenlang vor ihren Tellern sitzen. Ich war immer bis nachmittags dort. Immerhin kam ich so um die verhaßte Mittagsruhe rum.
Es gab nur eine freundliche „ Tante“: die bewachte die Mittagsruhe und sang mit uns. Abends ist sie mit einer kleinen Gruppe Kinder ins Dorf zum Bäcker oder Senioren gegangen, um Adventslieder vorzusingen. Ein Junge und ich haben zweistimmig gesungen oder Solo. Wir bekamen Limonade, Gebäck und manchmal ein paar Groschen. Alles heimlich. Das war mein Lichtblick während der Kur. Bestimmt war das Image- Pflege der Einrichtung.

Morgens mussten wir uns versammeln und Kirchenlieder singen. Viele Kinder mochten das nicht. Für mich war es ein Lichtblick, wenngleich ich lieber weltliche Lieder gesungen hätte.

Eines der Lieder wurde meine Hymne:

Die Nacht ist vorgedrungen
Der Tag ist nicht mehr fern
So sei nun Lob gesungen
Dem hellen Morgenstern
Auch wer zur Nacht geweinet
Der stimme froh mit ein:
Der Morgenstern bescheinet (bescheinigt sang ich)
Auch deine Angst und Pein!

Es gab 1 Adventskalender für alle Kinder zusammen und das bravste Kind des Tages bekam etwas davon. Ich bekam nie was.

Es gab so eine Art Reihenuntersuchung bei einem groben Doktor. Ich fand, das war wie auf dem Sklavenmarkt. Wir wurden wie Vieh behandelt, gewogen, rumkommandiert ... und alles in Unterwäsche. Das war sehr beschämend. Ich sollte zunehmen, obwohl ich gar nicht zu dünn war.
Die „ Tanten“ kuschten vor ihm.

5 Wochen lang wurde ich damit erpresst, dass ich an meinem Geburtstag während der Kur nicht das in Aussicht gestellte Wunschessen bekommen würde, wenn ich nicht brav sei.
Ich durfte keine Geschenke zum Geburtstag geschickt bekommen, auch keine Süßigkeiten. Meine Eltern schickten manchmal was, das durfte ich nicht behalten.

Einmal habe ich, als ich mich unbeobachtet fühlte, alle Kinderschuhe, die sorgfältig in einer Reihe standen, durcheinander gekickt. Ich wurde dabei von einer „Tante“ erwischt, die mich übers Knie legte und schlug. Ich war zuvor noch nie geschlagen worden. Ich glaube, ich musste dann auch zur Leiterin.
Ständig wurden die Wäschefächer kontrolliert. Wenn es nicht ordentlich genug darin war, wurde alles von der„ Tante“ herausgezerrt. Ich musste oft alles neu zusammen legen, wie beim Militär. Wehe, es war etwas nicht korrekt gefaltet.

Weil ich mich in einem Brief an meine Eltern über das schlechte Essen beschwerte, durfte ich den Brief nicht abschicken. Ich war darüber sehr empört und wollte dann gar nicht mehr schreiben. Da hat man mich sehr unter Druck gesetzt. Ich sei gemein zu meiner Familie.
Ich habe mich eine Weile geweigert... leider konnte ich keine Briefmarken beschaffen, dann hätte ich heimlich geschrieben. Irgendwann habe ich dann doch geschrieben, aber nur nach der Familie gefragt, nichts über das Heim berichtet. Ich wollte nicht lügen und kam mir doch so vor als hätte ich das getan.
Ich wollte doch so gerne in die Berge ( also hatte ich mir das selber eingebrockt? ) da meine Oma dort aufgewachsen war. Sie lebte schon lange in Norddeutschland und schwärmte von der Landschaft. Ich wollte das erleben - die Berge, den Bergsee und den Schnee. Und habe nichts davon erleben dürfen. Statt dessen in Zweierreihen wandern ohne reden, ohne Schneeballschlacht... Ich finde es gruselig, dass ich mich noch nicht einmal an die anderen Kinder erinnern kann. Ich war ein kontaktfreudiges Mädchen- wie kann das sein? Ein Foto vom Kuraufenthalt habe ich nicht.

Ich kann mich überhaupt nur wenig an Details erinnern. Aber ich weiß noch genau, dass ich dort mehrmals Robinson Crusoe gelesen habe. Immer wieder von vorn. Ich habe eher innere Bilder.

1968 wechselte ich als gute Schülerin auf die weiterführende Schule, eine Mädchenschule. Auch dort waren die Strukturen autoritär bis grausam.
1969 bekam ich ein unerklärliches Fieber, über lange Zeit. Meine Leistungen verschlechterten sich.
1970 bekam ich meinen ersten Krampfanfall. Bis heute habe ich keine Epilepsie- typischen Abweichungen im EEG, ich gehe davon aus, dass es dissoziative Anfälle waren.
Ab 1971 hielt ich es immer weniger in der Schule aus. Ich konnte mich nicht mehr ducken und bin nicht mehr hin gegangen. Ich habe komplett dicht gemacht.
Erst 1974 nahmen meine Eltern mich von der Schule ... ich hatte dann einen Neustart an einer anderen.
Dort fand ich Verständnis und konnte nach einem weiteren Wechsel bis zum Abitur die Schule besuchen.

Die Kur liegt wie ein Schatten über meinen Kindheitserinnerungen. Fast alles, was vor der Kur war, ist nebulös. Vom Aufenthalt selbst weiß ich kaum Details. Die katholischen „ Tanten“ waren ohne Empathie. Kommando-Ton und Bibelsprüche ( Gott als Angstmacher) von morgens bis abends. Immer unter strenger Aufsicht. Es herrschte eine Atmosphäre der Angst. Ich spüre sie heute noch, wenn ich daran denke.

Es war die einsamste Zeit meines Lebens. Ich fühlte mich ganz auf mich allein gestellt in einer komplett anderen Welt als ich sie kannte.
Ich fuhr als neugieriges und fröhliches Kind hin und kam als ernste kleine „Erwachsene“ nach Hause. Von da an habe ich mir immer selber geholfen, vertraute mich niemandem mehr wirklich an.
Ich habe meinen Eltern nicht erzählen können, wie schlimm das alles war. Sie hatten sich im Vorfeld für mich gefreut. Wir konnten nicht in Urlaub fahren. Ich wollte Sie nicht enttäuschen oder belasten.
Ich weiß, sie hätten mich sofort abgeholt, wenn sie die Zustände dort gekannt hätten.

Die Kur hat mich traumatisiert.
Sie hat mich geprägt.
Ich bin früh ein sozial engagierter Mensch geworden, der aber leider selbst Schwierigkeiten mit Nähe hat.
Zum Glück hat die Kur bei mir nicht nur zerstört, sondern auch Ressourcen geweckt.

Ich recherchiere seit 2010.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Hannelore Speer schrieb am 14.02.2021
Auch ich war 3mal Verschickungskind in den 1960er Jahren. Es war eine schmerzliche, angsterregende und qualvolle Tortur. Diese Kuren waren immer 6 Wochen und ich kam traumatisiert, eingeschüchtert, verstummt und ängstlich zurück. - Bad Sachsa -Harz- "Bergfrieden" 1961
- Langeoog -Nordsee- 1964/65
- Niendorf -Ostsee, Timmendorf- 1966

Ich habe schmerzliche Erinnerungen an diese Zeit, ein Kuraufenthalt mit vielen Zwängen, Bestrafungen und Verboten. Ich war mit 8 Jahren in Bad Sachsa und habe dort eine grauseme Tortur durchlebt. Festgebunden am Stuhl wurde ich gezwungen mein Mittagessen (Spinat) ganz aufzuessen. Danach erbrach ich alles und ich mußte dann mein Erbrochenes wieder und wieder essen bis der Teller leer war, das zog sich bis in den Nachmittag. Die Milch wurde mir eingeflöst. Ich bekomme heute noch Würgereiz bei Spinat und Milch.

Einmal bin ich nachts unerlaubt auf die Toilette und konnte im Dunkel mein Zimmer nicht finden, zur Strafe mußte ich im dunklen kalten Treppenhaus die Nacht auf der Treppe sitzend Barfuß und ohne Decke verbringen, es war Winter.

Ein anderes mal wurde ich für mehrere Stunden in eine dunkle Kammer ohne Fenster eingeschlossen. Das löst bei mir heute noch Panik in geschlosseen Räumen aus. Eine Strafe war auch, ich mußte stundenlang knieend in der Ecke im Speisesaal verbringen. Stubenarrest für zwei Tage im Bett liegend gab es auch.

Post an die Eltern wurde kontrolliert geschrieben.

Diese Geschehnisse sind ein Alptraum, quälend und traumatisch, sie belasten mich heute noch.

Hannelore
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Sonja aus Schöffengrund schrieb am 12.02.2021
Je mehr ich mich mit dem Thema befasse,desto mehr Erinnerungen kommen.Ich war damals 10 J. und wurde mit meinem 3 Jahre älterem Bruder in Kur geschickt.Wir wurden bei unserer Krankenkasse abgegeben,von dort aus fuhren wir mit dem Zug.
Dort angekommen,wurde mir mein Kuscheltier abgenommen,mein Bruder komplett von mir getrennt.
Die älteren Kinder waren in der unteren Etage untergebracht.Ich habe meinen Bruder die ganzen 4 Wochen nicht gesehen.
Ich sollte Gewicht zunehmen,also wurde ich gemästet.Es durfte nichts auf dem Teller zurückbleiben.
Ich habe viel geweint,aber nur heimlich - da es sonst Strafen gab.
Öfters musste ich in einem fast leeren Raum auf einem Holzstuhl sitzen - Arme hinter der Lehne verkreuzt.Ich durfte nicht aufstehen,da in unregelmäsigen Abständen kontolliert wurde.Dieses Wegsperren dauerte manchmal mehrere Stunden,auch Nachts - entweder weil ich beim weinen erwischt wurde,oder nicht schlafen konnte und mit meiner Bettnachbarin geflüstert hatte.
Wenn Duschtag war,mussten wir uns in unseren Zimmern nackt ausziehen und ohne ein Handtuch umzubinden,nach unten in die Sammeldusche gehen.Genau die Etage,wo die älteren Kinder untergebracht waren.Es war sehr demütigend.
In meinem Zimmer war ein etwas jüngeres Mädel,deren Mutter wohl kurz vorher gestorben war.Sie war fast nur am weinen.Selten,dass sie am streng geregelten Tagesablauf richtig teilnehmen konnte.Oftmals war sie für mehrere Stunden verschwunden.Sie hat nie erzählt,wo sie in dieser Zeit war.
Wir hatten uns später zu Hause noch Briefe geschickt,aber nie wieder von unseren dortigen Erlebnissen gesprochen.
Auch mein Bruder hat nie irgendetwas erzählt.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Marie (damals Marita) Friese aus Leipzig (damals Hamburg) schrieb am 12.02.2021
Ich wurde Anfang 1972 als 8-jährige für 6 Wochen aus Hamburg in das Kinderheim "Linden-Au" nach Lüneburg verschickt. Dort erlebte ich die schlimmste Zeit meines Lebens. Eine sadistische Erzieherin, Fr. Sch., beschimpfte mich täglich. Im Speisesaal saß ich mit einem sehr aggressiven Mädchen an einem Tisch, das mich ebenfalls bei jeder Mahlzeit beschimpfte und beleidigte. Auch die meisten anderen Kinder in der Gruppe beschimpften und beleidigten mich täglich. Die ErzieherInnen hielten sich stets heraus. Das absolut schlimmste Erlebnis war ein Waldspaziergang mit den Kindern der Gruppe und Frau Sch. und mindestens einer weiteren Erzieherin. Als ich etwas abseits der Gruppe gedankenverloren spazieren ging, fielen die Kinder von hinten über mich her und schlugen mich zusammen. Außerdem rissen sie mir büschelweise Haare aus. Ich flehte die Erzieherinnen an, mir zu helfen, aber sie standen nur herum und grinsten. Mit Ausnahme eines Mädchens prügelten alle Kinder auf mich ein, hielten mir die ausgerissenen Haarbüschel unter meine Augen und lachten über meine Schmerzen und Tränen. Zurück im Heim kauerte ich stundenlang völlig verstört auf dem Boden des Schlafsaals. Das Mädchen, das sich als Einzige nicht an der Prügelorgie beteiligt hatte, kam zu mir und versuchte, mich zu trösten. Aber später beim Abendessen sagte meine aggressive Tischnachbarin zu mir: "Dir haben wir es heute mal so richtig gezeigt, du eingebildete Ziege." Wenige Tage später bekam ich ein Paket mit Süßigkeiten von meiner Mutter. Frau Sch. nahm mir alles bis auf den Traubenzucker weg und verteilte die ganzen Süßigkeiten an die Kinder, die mich zusammengeschlagen hatten. Diese Wochen in dem Heim waren die schlimmsten meines Lebens und traumatisierten mich nachhaltig. Noch heute habe ich häufig Albträume, in denen ich in einer Einrichtung den Anderen schutzlos ausgeliefert bin. Seit meiner Jugend leide ich unter Depressionen und schweren Ängsten. Mit 29 Jahren wurde ich erwerbsunfähig. Ein Leben, wie es für andere Menschen selbstverständlich ist, konnte ich nie führen. Mein Leben lässt sich so beschreiben: Keine Karriere, keine eigene Familie, keine echten Freundschaften, wenig Geld.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Dr. O. schrieb am 12.02.2021
Ich war mit ungefähr 6 Jahren für 6 Wochen in einem Kinderheim auf Borkum, weil ein Kinderarzt mich für untergewichtig und blass befunden hatte. Aus dem Bergischen Land brachten mich meine Mutter und eine Nachbarin zusammen mit deren Tochter dort hin. Am besten erinnere ich mich an die Situation im Schlafraum. Ich meine, er war unter dem Dach, und wir lagen alle dort in Feldbetten nebeneinander, außerdem ein noch kleineres Mädchen, ca. 3 Jahre alt (?) namens Eva in einem Kinderbettchen. Sie rief fast jedesmal etliche Male: "Muuß Pipi!", bis sie nur noch leise wimmerte und man sich denken konnte, was passiert war. Wir waren so eingeschüchtert, daß sich niemand traute, aufzustehen und irgendwo bescheid zu sagen. Man kannte sich im Haus auch nicht weiter aus und hätte gar nicht gewußt, wo sich die Heimbetreiber befinden. Wir hatten Sprechverbot und es mußte absolute Ruhe herrschen, es war stockfinster. Neben dem Schlafraum hatte der fast erwachsene Sohn des Hauses ein Zimmer. Wenn er Geräusche hörte, riß er die Tür auf, schrie uns an und stieß allgemeine Bedrohungen aus. Ich habe oft geweint oder es unterdrückt, jedenfalls tat ich immer, als ob ich schlief. Ein wenig Trost und Halt hatte ich nur durch ein Stoffäffchen mit Spieluhr, das die anderthalb Jahre jüngere Nachbarstochter dabei hatte. Sie ließ es manchmal heimlich unter der Decke laufen. An die Melodie erinnere ich mich bis heute. Wir waren auch mal am Strand, was ich aber nie erfreulich fand, denn wir bekamen bei Sommerhitze die Gesichter dick mit Niveacreme eingerieben, was recht grob vonstatten ging. Ob noch mehr eingecremt wurde, weiß ich nicht. Ich erinnere mich nur daran, daß ich es kaum aushielt, daß überall Sand festklebte, den ich nicht mehr los bekam. Wenn man mit irgendetwas mit schnell genug war, z.B. Sandalen anziehen, mußte man eben so mit, wie man gerade war, barfuß oder mit einer Sandale. Auch durfte einem nicht mehr einfallen, daß man vorher noch zur Toilette mußte oder andere Bedürfnisse hatte, die den hastigen Aufbruch verzögerten. An das Meer oder Spiele am Strand erinnere ich mich nicht, nur an den Gang dort hin in Zweierreihen und dieses Mithaltenmüssen. Ansonsten waren wir ohne Bewegungsfreiheit und mußten genau dot bleiben, wo man uns hin schickte. Am Haus war ein Garten mit Sandkasten, da haben wir wohl viel Zeit verbracht. Veranstaltet wurde sonst nichts weiter für uns, es waren endlose Stunden, die man irgendwie herumbrachte.
Die Mahlzeiten habe ich auch in schlechter Erinnerung: es waren riesige Portionen an Beilagen (Kartoffeln, Spinat) und dazu zum Beispiel ein Ei. Es mußte aufgegessen werden, und wer dies nicht schaffte, bekam massiven Druck. Ein Junge, der etwas älter war als ich, erbrach sich einmal in seinen Teller. Er mußte vor uns allen sein Erbrochenes wieder aufessen. Ich konnte nicht hinsehen, weil mir allein von der Vorstellung schon selber übel wurde. Ich war solche Portionen nicht gewöhnt und konnte das nicht. Darum bekam ich am Ende mehrfach die Strafe, die schon vor Beginn der Mahlzeit immer wieder erklärt wurde: wer nicht aufißt, bekommt keinen Nachtisch. Nicht der Verzicht auf den süßen, wohlschmeckenden Joghurt war daran das Schlimmste, sondern die soziale Ausgrenzung. Man wurde von der Heimmutter dann auch gesondert spöttisch vorgeführt: "Schaut her, die S. bekommt heute keinen Nachtisch, weil sie nicht aufgegessen hat!". Dies alles fand immer vor aller Augen statt. Da ich unbedingt zunehmen sollte, fühlte ich mich dann als Versagerin und war beschämt.
Merkwürdigerweise meine ich mich auch zu erinnern, daß wir einmal alle gemeinsam aufgefordert wurden, einen Brief nach Hause zu schreiben, der aber kurz und sehr allgemein ausfiel, weil er ja von der Heimfrau mitgelesen und abgeschickt wurde. Falls dies so war, muß ich doch ein Jahr älter, also 7, gewesen sein, ich bin mir einfach über mein Alter nicht ganz sicher.
Es wurde wohl irgendwie Buch geführt über unser Gewicht, jedenfalls stellte sich nachher heraus, daß ich etwas zugenommen hatte, auch wenn ich das selber nicht so empfand. Es kann auch nicht viel gewesen sein.
An körperliche Züchtigung kann ich mich nicht erinnern, mir bleibt vor allem ein Gefühl von Herzlosigkeit, fehlendem Ansprechpartner, Einsamkeitsgefühl, Übergriffigkeit und Langeweile, die ich vorher noch nie empfunden hatte. Die Zeit des Durchhaltens schien schier endlos, und ich fragte mich immer wieder, warum ich wohl in Wahrheit dort war.
Zum Glück blieb es mein einziger Aufenthalt dieser Art.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Marion K. schrieb am 11.02.2021
Ich war zwei mal sechs lange Monate wegen TBC in Berchtesgaden im Schönhäusl, sowie im Felicitas. Das erste Mal war ich drei, das zweite mal fünf Jahre alt. Meine Erinnerung bezieht sich wahrscheinlich auf das zweite Mal, außer der erste Abschied mit drei Jahren von meinem Vater, der mir das Herz zerriss: plötzlich weg - ich war allein bei Fremden und dementsprechend meine Angst, die ich lauthals brüllend raus schrie, aber nur kurz, denn mein Kopf wurde in ein Waschbecken gedrückt und eiskaltes Wasser so lange laufen gelassen, bis ich nach Luft schnappend aufhörte und nur noch wimmerte. Ich erinnere mich an einen Mittag, an einen Teller mit Karotten und Erbsen, der immer wieder mit heißem Nachschub aufgefüllt wurde - weil immer wieder kalt geworden - und so natürlich nie leer wurde, so sehr ich mich auch bemühte, das ungeliebte Essen runter zu würgen bis ich mich schlussendlich übergab und daraufhin gezwungen wurde, das Erbrochene zu essen. Auch Lebertran, bestimmt gut gemeint, gehört zur unangenehmen Erinnerung. Bis heute erinnere ich mich an den Geschmack von Magensaft. Ein anderes Mal bekam ich die Fußnägel geschnitten, so kurz, dass sie bluteten und ich vor Schmerzen aufschrie und weinte. Es hieß nur, ich solle mich nicht so anstellen. Klar, dass bei derartigen Vorkommnissen Besuch unerwünscht war, den ich aber sehr schmerzlich vermisste. Einmal kam ein Zauberer, den ich mit Inbrunst und voller Hoffnung am Ende seiner Vorstellung bat, mich heim zu zaubern. Eine ältere Schwester namens Friedel gab es da, ein beängstigendes Gewitter erlebte ich mal: "der Himmel-Papa schimpft mit euch, den bösen Kindern" und an einen Waldspaziergang, der zu einem schönen Souvenir zählt. Ansonsten viele Tränen und endlos Heimweh, mehr weiß ich trotz der langen Zeit, die ich dort verbrachte, nicht mehr. Wahrscheinlich viel verdrängt...
Heute habe ich Fotos sortiert und da waren sie: ich als Fünfjährige, zaghaft und bange lächelnd vorm Schönhäusl, am Königsee mit meinem Bruder (der wieder mit unserer Mutter heimfahren durfte), mit Schwester Friedel usw. Wollte sehen, ob das Erholungsheim noch existiert und so stieß ich auch auf diese Seite. Dass es so vielen wie mir ergangen ist, war mir nicht bekannt, traurig. Die Berichte der anderen sind erschütternd!
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
M. E. aus Niederkassel schrieb am 11.02.2021
Ich kam als neunjähriger Junge (damals noch in Baden-Württemberg wohnend) - so im November 1974 - für vier (?) Wochen in das DRK Heim in Bad Dürrheim. Ich erinnere mich noch genau, wie ich mit einem weiteren Jungen aus einem anderen Dorf und in Begleitung einer Amtsperson mit dem Zug nach Bad Dürrheim reiste. Ein kleiner Rucksack auf dem Rücken, den Stoffbären fest eingepackt. Der erste Zwischenstopp war der Hauptbahnhof in Stuttgart. Die Amtsperson kaufte an einem Kiosk Süßigkeiten und wir Jungs bekamen jeweils ein Bonbon geschenkt. Bei Ankunft in Bad Dürrheim mussten wir zunächst in einen großen Raum, voll mit Badewannen, und mussten baden. Ich selbst war als sog. "dickes Kind" vom Mittagsschlaf und auch gutem Essen "befreit". Wir "Dicken" behalfen uns damit, dass wir freiwillig das Essen vom Speiseaufzug in die Abteilung brachten - nicht ohne etwas Essen aus den Töpfen zu fischen.
Eines gab es aber reichlich: Jede Menge Sport stand auf dem Programm - mehr Drill als Therapie. All dies war dennoch relativ leicht zu verkraften - leichter als Heimweh und die Angst vor Übergriffen größerer Kinder, die schreckliche Nachtschwester, ...Angst war da ein häufiger Begleiter. Nach all den Jahren ist mir zum Glück nicht mehr jedes Detail in Erinnerung. Geblieben sind aber einige besonders einprägsame Erlebnisse:

Nachtschwester:
Die Nachtschwester patrouillierte bewaffnet mit einer Taschenlampe alle Schlafunterkünfte. Ich war in einem großen Schlafsaal untergebracht, der durch zwei Glaswände mit offenem Durchgang eine gewisse Aufteilung bot. In meinem Bereich waren wir ca. 6 Kinder, in den anderen beiden Bereichen etwa ebenso viele. Wenn die Nachtschwester kam, musste man sich schlafend stellen - keinen Laut von sich geben. Wer wach war oder gar noch sprach musste sein Bettzeug nehmen und wurde in der Kapelle oder im Heizungskeller eingeschlossen. Sie können sich sicherlich vorstellen, wie verängstigt die Kinder waren. In einer Nacht hatte ich mal Fieber und sehr starke Kopfschmerzen - aber noch mehr Angst, die Nachtschwester anzusprechen. Ich weiß noch, dass ein Junge aus meinem Schlafbereich "todesmutig" zweimal in den Waschraum gegangen ist und mir einen mit kaltem Wasser getränkten Waschlappen zu bringen. In einer anderen Nacht bekam ein Kind aus einem anderen Schlafbereich einen schweren Asthmaanfall und drohte zu ersticken. Wir hatten schreckliche Angst - Angst, dass der Junge stirbt aber auch Angst vor der Nachtschwester. Letztlich siegte die Angst, dass der Junge sterben könnte und wir riefen die Nachtschwester. In dieser Nacht musste dann auch noch ein Arzt kommen.

Päckchen von zu Hause:
Einmal bekam ich ein kleines Päckchen von zu Hause - ein paar Kaugummis und - soweit ich mich erinnere - Salzstangen (eben das, was man einem "dicken Kind" so senden darf). Die Sachen wurden mir abgenommen - angeblich sollte es rationiert werden - ich habe davon nichts mehr gesehen.

Karten nach Hause:
Meine Mutter war damals zeitgleich selbst in einer Kur. Sie schrieb mir fast täglich und beklagte sich einmal bei mir, dass ich so gar nicht schreiben würde. Der Grund hierfür war ziemlich einfach: Die Texte an die Eltern waren bereits auf einer Tafel vorgeschrieben - weil doch die Kinder nie wüssten, was sie so schreiben sollten. Ich hatte dazu dann keine Lust mehr. Einmal schrieb ich wohl einen Brief an meine Mutter, in dem ich mich etwas über die Situation beklagte. Die Aufsicht hat diesen Brief "aus Korrekturgründen" gelesen und meinte, dass das aber kein schöner Brief sei und ich doch lieber wieder das schreiben sollte, was auf der Tafel steht.

"Wandern um die Höhensonne":
Alle Jungs mussten nur mit einem Augenschutz ausgestattet und völlig nackt um so eine Höhensonne herumlaufen um etwas gesunde Farbe zu bekommen. Ich fand das eher peinlich.

Meine Erlebnisse sind bestimmt nicht sensationell - aber vielleicht ein Baustein in Ihrer Sammlung. Inspiriert durch Ihre Artikel habe ich mich nach 47 Jahren nochmals mit der Vergangenheit auseinandergesetzt und weiß einmal mehr: Meine Kinder durften nie in so eine Anstalt - und zwar aus gutem Grund.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Lothar Kleine aus Brühl schrieb am 10.02.2021
Damals bin ich von Minden (Geburtsort) aus 6 Wochen zur Kur wegen Untergewicht geschickt worden. Ich bin dort regelmäßig durch Nonnen körperlich und seelisch misshandelt worden.
Es gab einige traumatische Erlebnisse, die bis heute gegenwärtig sind. Nach dieser Kur kam ich, nach den Erzählungen meiner Eltern, verändert, vor allem äußerlich verwahrlost zurück.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Helga Götzloff aus Berlin schrieb am 09.02.2021
Erst jetzt bin ich durch das Interview von Frau Röhl im Tagesspiegel auf dieses Projekt aufmerksam geworden. Mir ging es wie ganz vielen hier, die plötzlich mit Erfahrungen Anderer konfrontiert sind, die sie bisher allein für ihre ganz persönlichen hielten.
Ich bin in den Jahren 1955/56/57 in der TBC-Kinderheilstätte Schöneberg in Wyk auf Föhr gewesen, die hier auch schon erwähnt wurde. Die negativen Erlebnisse kann ich durchaus bestätigen, wenngleich der Aufenthalt in dieser Klinik entscheidend für mein ganzes späteres Leben war. Dazu muss ich leider kurz meine Krankheitsgeschichte erwähnen.
Die Stadt Berlin bewilligte für mich eine Erholungskur in der landeseigenen Klinik in Wyk/Föhr. Ich hatte eine TBC-Erkrankung hinter mir, in deren Folge mein linkes Hüftgelenk stark geschädigt war. 18 Monate Krankenhaus-Aufenthalt mit Gipsbett-Lagerung hatten keine Besserung bewirkt. Man hatte mich mit einer kompletten Beinschiene (steif) entlassen und meinen Eltern mitgeteilt, dass ich wohl nie ohne technische Hilfsmittel würde laufen können. Da war ich fünf und sah aus wie drei. Ein wirklich kümmerliches Würmchen! Sechs Wochen verordnete man mir, um an der frischen Luft zu regenerieren und zu Kräften zu kommen.
Am Ende waren es fast zwei Jahre. Erst 1957 kehrte ich heim, zwar auf unsicheren Beinen, aber mit der Schiene im Gepäck. Es blieb ein Handicap, dass mein Leben in mancherlei Hinsicht prägte, aber es wurde ein normales und selbstbestimmtes Leben. Und: Ärzte dieser Klinik haben mit viel Geduld und Engagement geschafft, was Fachärzte des renommierten Oskar-Helene-Heims in Berlin nicht für möglich gehalten hatten.
Was genau dort mit mir gemacht wurde, erinnere ich nicht. Offenbar gab es keinerlei Absprachen darüber mit meinen Eltern. Kommuniziert wurde nur zwischen Klinik und Kostenträger. Schriftwechsel gab es nicht. Nach sechs Wochen hieß es, ich sollte besser noch bleiben, dann sagte man, es bestünde begründete Aussicht auf Erfolg, und schließlich wollte man mich erst dann entlassen, wenn ich meine Gehfähigkeit wieder erlangt hätte. Die Ärzte waren überzeugt davon. Aber wie kommt ein Kind damit klar?
In dieser Zeit wurde ich dort auch „eingeschult“. Unterricht gab es zweimal die Woche, auch Zeugnisse. Nach Hause zurückgekehrt, kam ich in die zweite Klasse, konnte mit zusätzlicher Unterstützung den Anschluss finden und habe kein Schuljahr verloren. Folglich muss ich auch was gelernt haben. Darüber hinaus hatte ich mich in dieser Zeit körperlich auffallend gut entwickelt, ein fast normales Mädchen.
Soweit der eine Teil, was leider nicht bedeutet Ende gut, alles gut. Ich habe viel, fast alles aus dieser Zeit komplett verdrängt. Erst jetzt, wo ich die Berichte lese, lasse ich Erinnerung wieder zu. Die Sache mit dem Lebertran habe ich auch erlebt. Es hing davon ab, auf welcher Station man war. Es gab Bereiche, wo die Schwestern nett und fürsorglich waren. Da bekamen wir auch Sanostol, wenn wir den Lebertran nicht mochten. Dann wurde ich in einen anderen Bereich verlegt, wo ich den Lebertran ausgespuckt habe und danach die Suppe sprichwörtlich auslöffeln musste. Die Lebertranschwester beanstandete auch, dass ich offenbar nicht gelernt hatte, „bitte“ und „danke“ zu sagen. Als das nicht klappte wie sie wollte, packte sie mich einmal ganz dick ein und schob mein Bett zur Strafe in den Keller in einen weit abgelegenen Raum. Es könnte auch ein OP-Saal gewesen sein. Es wirkte bedrohlich und darin war es viel zu warm. Da ich mich nicht aus dem Schwitzkasten befreien konnte, war ich vielleicht sogar fixiert. Jedenfalls habe ich mir so die Seele aus dem Leib gebrüllt, dass mich gefühlte Stunden später ein Arzt dort fand und befreite. Für die Schwester gab das Ärger. Ansonsten habe ich nur einzelne Bruchstücke vor Augen, die sich noch zu keinem Bild formen wollen.
Das alles – was sich nicht ausschließlich nur auf diese Heimzeit beschränkt - habe ich seit Jahren nicht mehr reflektiert. Was mir dagegen geblieben ist, ist dieses unglückliche Kind, das sich immer dann meldet, wenn mehrere ganz bestimmte Umstände zusammentreffen; Dieses Kind ist mir vertraut, aber ich schäme mich dafür, weil es einfach nur heult und rationalen Argumenten nicht zugänglich ist. Ich halte es verborgen, nur ganz wenige Menschen in meinem Umfeld kennen es oder wissen davon. Wenn mir eine heikle Situation bevorsteht, habe ich es auch schon sediert; aber wenn es ganz unvermittelt ausbricht, ist es mir einfach nur peinlich. So eine Situation ist nicht mehr zu retten.
Gerade jetzt geht es dem Kind besser. Es bekommt viel Aufmerksamkeit und wird einmal ernst genommen. Nach drei Tagen intensiver Beschäftigung mit unserer gemeinsamen Vergangenheit hat es sich tatsächlich beruhigt, und mir ist klar geworden: Unterdrücken hilft nicht. Wer soll eigentlich dieses Kind in den Arm nehmen, wenn ich es nicht tue?
Meine Geschichte ereignete sich in den 50er Jahren, als „Schwarze Pädagogik“ auch an Schulen und in vielen Elternhäusern noch allgegenwärtig war. Aber dass derlei Dinge noch bis in die 80er systematisch praktiziert wurden, macht mich fassungslos.
Ihnen, Frau Röhl, bin ich sehr dankbar dafür, dass sie dieses Thema öffentlich machen und die Betroffenen aus ihrer Anonymität herausholen. Mir waren diese Erkenntnis und die Auseinandersetzung damit schon jetzt hilfreich.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Eva Maria Limmer aus Königshorst schrieb am 09.02.2021
Mit meinem jüngeren Bruder wurde ich 4 mal in die grausamen Hände der "lieben Tante Löffler" verschickt für jeweils 6 Wochen.Es war grauenhaft.
Es würde mich sehr interessieren, ob es noch weitere Zeitzeugen dieses "Geschäftsmodells" gibt und werde unabhängig davon, die Erlebnisse aufschreiben, die übrigens fast identisch sind, mit den von vielen "Verschickten" beschriebenen. Bis gestern wußte ich gar nichts von diesem flächendeckenden Phänomen der Kleinkindermißhandlung.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Diana Trost aus Fürstenwalde schrieb am 09.02.2021
Ich war vier Wochen auf Rügen im Alter von 6 Jahren und mit 14 in Grünheide/Vogtland.
Am schlimmsten war es in Wiek:
Ich hatte viele Jahre ein Trauma, da man uns fast täglich erklärt hat, dass der "böse Westen" Atombomben werfen würde und wir alle sofort tot wären. Danach hatte ich jedesmal panische Angst vor Flugzeugen am Himmel und habe lange geweint und geschrien, weil ich dachte, jetzt kommen sie und werfen die Bomben ab. Wir mussten auch jeden Morgen kalt duschen und wer nicht wollte, wurde nackt vor die Haustür gestellt (es war Herbst!), bis man "freiwillig" duschte. Jeden Tag musste man auch ein rohes Ei trinken, dies sollte zur Abhärtung des Immunsystems sein. Wenn man nicht wollte, musste man so lange vor dem Ei sitzen, bis man es getrunken hatte. Wir haben oft und lange geweint und uns total geekelt. Kinder, die der Meinung der Erzieher nach, zu zappelig waren, mussten jeden Tag eine Stunde "stillliegen". Die Nachtwache ging abends immer durch und hat jedem mit einer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet. Ich wurde mal erwischt, als ich noch wach war und wurde darauf hin für den Rest der Nacht in die Besenkammer gesperrt. Lange bis ins Erwachsenenalter, konnte ich nur mit einer Lichtquelle einschlafen!
Viele von uns haben geweint und wollten nur nach Hause, aber uns wurde bei Ankunft alles abgenommen was wir hatten....Taschengeld, Briefmarken etc. Ausserdem konnten wir ja noch nicht richtig schreiben mit 6 Jahren.
Das hier sind nur die Hightlights, ich könnte noch viel mehr schreiben. Aber es gibt auch eine positive Erinnerung: Ich habe damals dort die Mathe-Olympiade gewonnen!
Heute ist das damalige Kinderkurheim ein Mutter-Kind-Kurheim oder so ähnlich.

In Grünheide war es soweit ok, dass Einzige was echt widerlich war, war dass die männlichen alten Säcke von Erziehern uns Teenie-Mädels jeden Morgen beim Duschen zugeschaut haben! Es gab nur offene Gemeinschaftsduschen...
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Ute Beining aus 32425 Minden schrieb am 08.02.2021
Bin gerade auf diese Seite gestoßen.Und schon nur beim Lesen bekomme ich Beklemmungen und ein ganz schlimmes Gefühl, Enge im Hals und bin total traurig und einsam.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Angela Uhlig aus 32545 Bad Oeynhausen schrieb am 08.02.2021
Ich bin so froh, diese Seite gefunden zu haben! Und auch andere Berichte aus St. Goarshausen gelesen zu haben! Da kommen eine Menge Erinnerungen hoch...
Durch die Barmer Ersatzkasse kam ich dort 6 Wochen zur Kur, da ich so ein schlechter Esser war. Dass das einen seelischen Ursprung hatte (meine Mutter starb als ich 3 war und mit 6 bekam ich eine hartherzige Stiefmutter); das hat damals keiner gesehen.
Also ich war 11 Jahre und gehörte damit schon zu den "Großen". Leider sind meine Erinnerungen nur bruchstückhaft, aber
die morgendliche Haferschleimsuppe, die an Fäden hing - muss jetzt noch würgen. Mir gegenüber saß ein kleines Mädchen, unter 6 Jahren, die immer nur geweint hat und die gezwungen wurde, die erbrochene Suppe zu essen.
Mittagsschlaf: Es wurde einem mit der Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet, ob man auch schlief... wehe, man blinzelte (ich hab keine Ahnung mehr wie, aber dann wurde man bestraft. Die Mitarbeiterin, die für diese Kontrollen verantwortlich war, sehe ich noch vor mir: dunkler Pagenschnitt, schiefe Zähne und ein rollendes "R" und ein muffiger Geruch.
Schlimm war die Heimleitung (Korpulente, dunkelhaarige, wirklich bösartige Frau) bei jeder Gelegenheit wurden Kinder gedemütigt und sollten von uns dann gemeinschaftlich ausgelacht werden. Dabei habe ich nie mitgemacht. Auch hatte ich "die Kleine" unter meinem Schutz und habe heimlich geholfen, ihr Essen zu vernichten. Ich habe sie oft auf dem Schoß gehabt und ihr etwas vorgelesen. Das hatte immer beißenden Spott der Heimleiterin zur Folge, bin trotzdem dabei geblieben. Ich war schon sehr traurig, aber dieses kleine Mädchen, die war regelrecht gebrochen! Beim Spazierengehen hatte ich sie immer an meiner Hand. Ich hoffe, das hat ihr wenigstens ein bisschen geholfen. Ich wünschte, ich könnte ihr sagen, wie sehr ich mit ihr gefühlt habe!!
Briefe an die Eltern wurden öffentlich vorgelesen und der Lächerlichkeit preisgegeben. "Mama hol mich hier weg, hier ist es ganz schlimm" hat danach nie wieder jemand geschrieben.
Im Heim brachen die Windpocken aus. Ich bekam sie auch. Ich hatte hohes Fieber. Ich kann mich an keine liebevolle Pflegegeste erinnern. Ich bekam an einem Mittwoch die Windpocken. Der Arzt kam aber immer nur Dienstags. Also lag ich 1 Woche ohne jegliche juckreiz-stillende Salbe oder einem Fieberzäpfchen da, völlig mir selbst überlassen. Ich erinnere mich an schrecklichen Durst und dass mir niemand etwas zu trinken brachte. Darüber könnte ich jetzt noch weinen.
Als ich zurück nach Hause kam, wunderten sich meine Eltern, dass ich so verwahrlost (ich kann mich an keinmal Duschen erinnern, nur Waschen im kalten Waschraum) und magerer denn je zurück kam. Als ich alles erzählt hatte, hat meine Mutter sich vehement und schriftlich bei der BEK beschwert. Hatte das Konsequenzen? Ich glaube, es gab einen ganz laschen Entschuldigungsbrief seitens der Krankenkasse...
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Sabine Scheer aus Wuppertal schrieb am 08.02.2021
Ich war 5 Jahre alt und kann mich an so gut wie nichts mehr erinnern. Nicht an Personen, nicht an das Haus und nicht an die Umgebung, nur an sehr großes Heimweh und daran, dass ich, weil ich wohl nachts keine Ruhe gab, aus dem Gemeinschaftsschlafraum ganz allein für mehrere Nächte in eine Dachkammer eingeschlossen wurde. Alles dort war aus Holz und es gab nur ein kleines Fenster, ein Bett und die betenden Hände von Dürer an der Wand. Als meine Eltern mich nach der Heimreise am Bahnhof abholten, muss ich wohl erbärmlich ausgesehen haben. Ich weinte, war braun gebrannt und dünn. Trotz sommerlicher Temperaturen trug ich meinen Wintermantel und an den Füßen zwei unterschiedliche Schuhe, die nicht mir gehörten. Danach war ich wochenlang sehr krank, der Kinderarzt sagte, das sei seelisch bedingt. Meine Eltern waren entsetzt und „verschickten“ mich nie wieder.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Holger Holzschuher schrieb am 08.02.2021
Als Berliner Kind war ich zweimal verschickt.

Zum ersten Mal innerhalb der Stadt in das Jagdschloss Glienicke. Das war mit 4 oder 5 Jahren, jedenfalls noch vor der Schulzeit. Meine Erinnerungen: Klopapier wurde knapp zugeteilt, eine Wand zwischen den Toiletten gab es nicht oder kaum. Einem Jungen, der im Bett erzählte, er würde gerne Kartoffelsalat essen, wurde der Hintern
versohlt mit den Worten „Da haste deinen Kartoffelsalat!“. Als es an die Heimfahrt ging und alle anderen Kinder schon im Bus und teilweise schon abgefahren waren, waren nur ich und noch ein Junge übrig und sie wussten nicht, wohin mit uns. Das Gefühl der Verlorenheit, dort bleiben zu müssen …

Das zweite Mal war viel schlimmer. Es wird mit 7 gewesen sein. Verschickung nach Bad Waldliesborn bei Lippstadt in ein katholisches Heim: Mir fremdes Beten vor dem Essen war da noch das Wenigste. Taschengeld und „Sonntagssachen“ waren und blieben weggeschlossen, Briefe nach Hause, wie gut doch alles sei, wurden diktiert.
Aber diese beiden Ereignisse waren die krassesten: Wir wurden für ein Kabarett-Stück missbraucht. Mit Boxhandschuhen musste ich einen Kampf mimen und dabei für mich natürlich völlig unverständlichen Text von mir geben, in dem Adenauer vorkam. Nach dem Stück konnten wir sehen, wie wir wieder aus den Boxhandschuhen kamen, niemand half. Das zweite war, dass wir in eine „Gaskammer“ (vielleicht im Kurhaus) kamen, in der ein Inhalationsgemisch aus Düsen an der Decke kam. Niemand wusste, was das ist und wofür das sein sollte.
Auch die Mitkinder taten das Ihre: Auf einer sumpfigen Wiese des Geländes schmissen sie Frösche durch die Gegend.

Und diese traumatisierenden Horrortrips bedeuteten ja schon ohne all diese Vorkommnisse eine ungewohnte, lange, völlige und teilweise weit entfernte Trennung von der Mutter und den Großeltern, lediglich durch erhaltene Post abgemildert. Bis ins Alter schleppt man diesen prägenden Mist mit sich rum,
weit davon entfernt, die Verantwortlichen und Verursacher zur Rede stellen oder anzeigen zu können, die ja längst nicht mehr leben.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Rogers Freund aus München schrieb am 08.02.2021
Hallo,
nach einem Gespräch über meine Kindheit gab ich jetzt "Achatswies Kinderkur" bei Google ein und staune nun über 18 Seiten mit meist üblen Berichten von Verschickungskindern in verschiedenste .... "Einrichtungen".

"Zeugnis ablegen" wie in einem Biebelkreis wollte ich eigentlich noch nie. Ich bilde mir auch ein, ich bin mit meinen Erlebnissen aus der Kindheit zu guter Letzt gut fertig geworden, was mich zu einem Realisten machte, was auf dieser Welt nicht schaden kann.
Daher wollte ich im Grunde nicht mal lesen, was hier alles berichtet wird, ........ aber dann war die Neugierde und Verlockung doch zu groß und ich begann zu lesen und und zu lesen und zu lesen....

Ich hätte nicht erwartet, dass ich dabei immer wieder identische Erlebnisse vorfinde, die man mir bisher vielleicht nie so ganz abgeommen hatte wenn ich diese ab und zu jemandem schilderte.

Wie kam es nur dazu, dass ich mit 5 Jahren allein, weg von den Eltern, für 6 Wochen in eine sogenannte Kinderkur geschickt wurde?

Bei mir war es der Schularzt der mich wegen Untergewicht (Schwächlichkeit) bei der Einschulung 1965 "ausgemustert" hatte.
Zudem hatte ich chronische Nebenhöhlenentzündung ..... erzählte mir meine Mutter.

Meine Eltern hatten es natürlich nur gut gemeint und auf den Arzt gehört, so dass es ihr heute natürlich weh tut wenn ich aus den 6 Wochen erzähle.

Wie die Reaktionskette von der missglückten Einschulung bis zur Einweisung in Achatswies verlief kann ich nicht mehr nachvollziehen.
Auf jeden Fall war ich irgendwann im Sommer 1965 als 5 Jähriger weit weg von Zuhause und den Eltern alleine bei fremden (angeblich Barmherzige) Klosterschwestern und ein paar .... gedungene ... Erzieherinnen und wohl auch einem Arzt ab den ich mich aber nicht erinnern kann.

Natürlich waren die ersten Nächte ein tränenreiches, schlafloses Erlebnis voll Angst und Heimweh.
Seit meinem 1 monatigen Krankenhausaufenthalt durch einen Blinddarmdurchbruch mit 3 Jahren war ich schließlich noch nie von meinen Eltern getrennt.

Einen großen Schlafsaal für die Nacht, wie viele hier berichten, gab es bei uns in Achatswies übrigens nicht, aber einen prfisorischen für die Mittagsruhe. Eben so wenig gab es einen Essenssaal. Zumindest habe ich den als schlechter Esser nie zu Gesicht bekommen, falls es einen gab.

Ich bilde mir sogar ein, dass die Neuankömmlinge wie ich, die erste(n) Nächte, (bis das große Heulen überstanden war), in Einzelzimmer lagen, aber beschwören könnte ich das heute nicht mehr, dass ich in dem Zimmer der Einzige war.

Damit das Heimweh nicht von vorne begann war meinen Eltern ausdrücklich verboten worden mich in den ersten 2 Wochen zu besuchen.
Da die Erziehung damals ganz anders als heute war, habe ich meinen Eltern am WE nach der dritten Woche auch nichts erzählt, denn wenn man eine Strafe von Erwachsenen bekam dann hatte man was angestellt und das sollte mein Vater lieber nicht wissen.

Nur mal als Beispiel:
In meinem Kindergarten gabs für das Kind das als letztens mit dem Mittagessen fertig wurde, von der Schwester Edelhild (eine Nonne die wir trotzdem sehr mochten) Tazen auf die Finger und wenn es nicht gerade Spaghetti gab was das meistens ich. Auch bekam es in meiner Schulklasse mit 44 Kindern, von meinem Lehrer, aber auch vom Hausmeister dort immer wieder mal kräftige Ohrfeigen, weil ich ein aufgewecktes Kind war ;-). Ich war vor Achatswies also auch schon ein bisschen was gewohnt.

Es gab in Achatswies für Mittags nach meiner Erinnerung einen 7 Gerichte Essensplan der sich jede Woche wiederholte. Morgens und Abends gab es Brot.
Gegessen wurde auf dem Zimmer.
Und nach dem Mittagsessen wie bei den meisten hier, war Mittagsschlaf "befohlen".
Ob 1 oder 2h .. keine Ahnung, aber man musste die Augen immer geschlossen halten, wenn man keinen Ärger wollte.

Nach der ersten oder zweiten Nacht kam ich nach meiner Erinnerung dann in ein Dreibettzimmer mit einem etwas größeren Jungen der im Vergleich zu mir ein besserer Esser war.
So kam es, dass Der in meiner erste Woche an einem Tag mein Mittagessen (braune dickflüssige extrem übelriechende Ochsenschwanzsuppe) verdrückte weil es mich bei dem Geruch sofort richtig würgte.

Leider wollte er in der Zweiten Woche meine Suppe nicht mehr essen und es kam zu einen Gerangel bei dem ich mit dem Kopf an die Heizung schlug und eine Platzwunde hatte die genäht werden musste.

Das hatte zur Folge dass es aufflog dass ich mindestens meine Ochsenschwanzsuppe nicht essen wollte (konnte).
So landete ich wieder in einem Einzelzimmer mit täglicher Essens-Aufsicht durch eine weltliche Schwester mit einer zylinderförmig hochgesteckter Frisur. Da musste man wie bei meiner Mutter natürlich essen was auf den Tisch kam, was ja noch ok war, nur dass manches wirklich übel schmeckte und roch.
Und als die sogenannte Ochsenschwanzsuppe wieder an die Reihe kam würgte es mich immer wieder bis ich mich in meinem Teller und auf den Tisch übergeben habe.
Danach mussste ich den Inhalt des Tellers mit dem Erbrochenen nochmal essen und zwar so lange bis es drinnen blieb !!
Dieser Frau würde ich noch heute gerne mal begegnen .... und solche Frisuren in alten Filmen stoßen mich noch heute stark ab.

Das zweite Horrorelebnis waren die sogenannten "Aufbauspritzen". Die es nach meiner Erinnerung mindestens jeden zweiten oder dritten Tag gab. Klar hatte ich mit 5 vor Spritzen noch ziemlich Angst und musste mich dort daran gewöhnen und ich frage mich noch heute was die uns für einen Dre.. gespritzt haben.

Einmal sollten die Mädchen Sonnenschirme aufstellen die zusammengeklappt in ein Eck auf der Terrasse gelehnt standen und es viel ein kleine Federmaus zu Boden die daran wohl hängend übernachtet hatte.
Die Mädchen kreischten und eine Klosterschwester die wie ich daneben stand hatte sie gleich zertreten und ich dünner Knirps versuchte sie in dem Moment noch schnell weg zu schupsen um die Fledermaus zu retten. Ich glaub das gab auch eine Ohrfeige aber vor allem durfte ich paar Tage nicht mehr zu den anderen Kindern. Als ich das beim nächsten mal meiner Mutter dann doch erzählte, haben sie behauptet ich hätte das erfunden und würde tote Insekten unter meiner Matratze sammeln. Was natürlich völliger Quatsch war, aber mein Mut war schon wieder verflogen und hatte schon Angst wenn meine Eltern wieder weg waren.

Es gab natürlich noch Vorfälle oder üble Regelmäßigkeiten bei denen ich mir aber nicht mehr ganz sicher bin, ob es ganz genau so wie in meiner Erinnerung war, dass ich das nicht alles nicht schilden möchte.

Jedenfalls war es für mich schlimm genug, dass ich mehrmals Nachts davonlaufen wollte, wozu mir mit 5 aber dann doch jedes mal der Mut fehlte und irgendwann waren die 6 Wochen dann doch überstanden und als mich meine Eltern abholten waren sie mir sehr fremd und ich fühlte mich auch nicht mehr zu ihnen hingezogen.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Irmtrd Bastian geborene Heithoff aus Düsseldorf schrieb am 07.02.2021
Sehr geehrte Damen und Herren,
im WDR 5 hörte ich gerade, 7.2.2021, 8:00, dass sich Frau Anja Röhl um die sehr schleckte Behandlung der Verschickungskinder kümmert.
Ich war als Kind, ca 9-jährig, in Obersdorf in dem dortigen Kinderheim für ca. 6 Wochen, damit ich zunehmen sollte.
Neben mir musste ein kleines Mädchen ihren erbrochenen Griesbrei unter Zwang essen.
Außerdem mussten alle kleinen Kinder an einem blaugeschlagenem Jungenpo, dem der Schlafanzug runtergezogen war, vorbeigehen, damit wir sehen, was uns passieren kann.
Uns wurden Skier angeboten, damit wir ohne je etwas gelernt zu haben, einen kleinen Berg runterfahren konnten. Ich kam zwar gut runter, finde es aber unverantwortlich. Aßerdem habe ich eher abgenommen als zugenommen bei dem angebotenen Essen. Als wir ankamen, wurde alle Butterbote eingesammelt mit Wurst, Marmelade usw., noch heute sehe ich die Wurstscheiben in der Suppe schwimmen, die wir alle essen mussten, einfach wiederlich. Dann schrieb ich nach Hause meiner Oma und wurde daraufhin ins Büro geholt, damit ich meinen Brief mit den Erlebnissenabändere und wusste gar nicht warum, denn ich habe meiner Oma ja nur geschrieben wie es mir dort geht.
Ich freue mich sehr, dass ich im WDR 5 hörte, dass sich um die damaligen Zustände gekümmert wird, ja es freut mich sehr das endlich aussprechen zu können und vorallen Dingen höre ich jetzt, dass es das tatsächlich gab, und ich mich richtig erinnere.

Ich danke Ihnen sehr für Ihr Engagement diesbezüglich. So wird klar, dass es mehreren Kindern so ging.
Mit freundlichen Grüßen
Irmtrud
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Reinhard Kobald schrieb am 06.02.2021
Es muss wohl so um 1960/61 gewesen sein. Ich war damals ca. 9 Jahre alt und im Sommer stand ein Aufenthalt in St. Peter-Ording im Haus Köhlbrand an. Der Abschied von zu Hause war ein Drama. Ich saß auf dem Schoß meiner Mutter und wir weinten uns die Augen aus bei der Vorstellung, dass wir nun 6 Wochen getrennt sein sollten. Aber alles Geheule half nicht. Es musste sein, denn ich war ein Hänfling und sollte während meiner Erholung etwas Gewicht zulegen. Ansonsten war ich gesund. Im Nachhinein denke ich, dass der Hauptgrund war für meine Verschickung war, dass sich meine Mutter etwas erholen konnte, die neben 2 Kindern (meine Schwester war 7 Jahre alt) noch ihren schwerbehinderten Ehemann (Kinderlähmung) versorgen musste.

Am Bahnhof angekommen erhielten wir einen Ausweis an einer Schnur umgehängt. Einmal im Zug kam ich gleich mit einem etwas älteren Jungen aus der Nachbarstadt ins Gespräch und wir freundeten uns an, was den Trennungsschmerz von meiner Mutter sehr linderte und uns gegenseitig etwas mehr Sicherheit gab bei unserer ersten größeren Reise ohne elterlicher Begleitung.

Im Haus Köhlbrand angekommen trennten sich aber unsere Wege. Mein neu gewonnener Kumpel wurde in einem anderen Haus einquartiert, weil der älter war. Wir haben uns anschließend nie mehr gesehen. Ich wurde in das Zimmer zugeteilt, wo die "Dünenzwerge" schliefen. Es gab u.a. noch die "Wildhasen" und die "Strandkrabben". Das fand ich sehr lustig und ich war stolz zu den Dünenzwergen zu gehören. Warum weiß ich nicht mehr. Bei mir im Zimmer waren noch ein paar Jungs, deren Eltern bei Osram in Berlin arbeiteten und für die die Firma den Erholungsurlaub organisierte. Die Jungs aus Berlin waren richtige Rabauken. Das gefiel mir. Wir waren für jeden Blödsinn zu haben und hatten viel Spaß miteinander, wenn wir das Zimmer verwüsteten. Leider wurde die Meute aus Berlin "aus organsatorischen Gründen" ins Wildhasenzimmer umgesiedelt, sodass wir uns nur noch im Speisesaal trafen. Schade. An die Qualität des Essens kann ich mich nicht erinnern. Es kann aber nicht soo schlecht gewesen sein, denn ich hatte nach den 6 Wochen tatsächlich 2 Kilo zugenommen. Ich habe mich besonders gefreut auf die Götterspeise, die bei uns Wackelpudding heißt. Wenn ich dann auch noch ein Schälchen mit Waldmeistergeschmack erwischte, war mein Glück perfekt. Tagüber standen je nach Wetter Spaziergänge in den Dünen oder am Strand an, was für mich immer spannend war, weil ich zum ersten Mal an der See war. Und es gab reichlich Zeit zum Spielen draußen oder drinnen oder zum Basteln unter Anleitung. Die Betreuung war einwandfrei. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, dass ich oder ein anderes Kind in irgendeiner Weise schikaniert wurde. Ich erinnere mich immer noch gerne an diese Zeit zurück, die mit vielen Tränen begann, aber letztlich tatsächlich eine Erholung für mich und meine Mutter war. Als Souvenir habe ich meiner Mutter eine Halskette aus vielen kleinen Müschelchen mitgebracht. Im Laufe der Zeit wurde die Kette zwar immer kürzer, weil die Muscheln zerbrachen. Meine Mutter hatte diese Kette ihr Leben lang wie einen Schatz gehütet....
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Werner Hor aus Esslingen schrieb am 06.02.2021
Sehr viel weiß ich nicht mehr.
Ich erinnere mich an unfreundliche Schwestern währen der Fahrt und im Heim.
Auf der Fahrt wurden wir Kinder in die Gepäcknetze des Wagens gelegt in furchtbar kratzige Wolldecken.
Ich erinnere an einen großen Schlafsaal. Und ich weiß, dass ein anderer Junge meinen geliebten Kuschelbären kaputt gemacht hat.
Ich wurde verschickt weil ich zu dünn war. Nach der Kur habe ich aus Frust so viel gegessen, dass ich bis in die Pupertät massives Übergewicht hatte. Mit der Insel Sylt habe ich erst 40 Jahre später meinen Frieden geschlossen. Wolldecken und Wollwäsche kann ich bis heute nicht tragen bzw. mich einwickeln.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Gudrun Baumann aus Sersheim schrieb am 06.02.2021
Hallo, durch Zufall bin ich auf Eure Seite gekommen und Erinnerungen wurden wach.
Ich war eines von 5 Kindern, mein Vater arbeitete bei Siemens. Vermutlich über die Betriebskrankenkasse wurde ich "verschickt". Als einziges von uns 5. Vermutlich habe ich ins Chema gepasst. Klein, zierlich und ein Kind aus kinderreicher Familie. Obwohl es uns sehr gut ging und wir in intaktem Umfeld und eigentlich behütet lebten. Ich kann mich vage an die Zugfahrt, den Namen der Frau, ( Frau Hase ) die uns zur Kur begleitet hat und einige für mich als Kind Horrorerlebnisse erinnern. Ich musste mit der Schürze allein am Tisch sitzen und meine trockenen geraspelten Karotten hinunterwürgen, mit Blick auf den Garten und die anderen spielenden Kinder. Meine Puppe musste ich abgeben an ein Kind einer Heimbetreuerin, die mit im Haus wohnte. Allein in der Fremde und dann wird einem noch die Puppe genommen. Ich möchte nicht behaupten, dass ich heute traumatisiert bin, doch diese Erinnerungen sind noch heute mit 57 Jahren sehr präsent.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Luitgard Leykauf aus Weinstadt schrieb am 06.02.2021
Ich kann mich an nicht mehr viel erinnern. Eine der Erzieherinnen, eine Frau bestimmt über vierzig, sie hieß Tante Barbara, war angsteinflößend. Einmal kam sie von hinten ich sah sie nicht und hat mir volle Kanne eine ins Gesicht geklatscht. Ich war am Strand etwas nah am Wasser. Ihre Erklärung hierzu, meine Schuhe würden kaputt gehen. Ich kann mich auch noch erinnern, dass ich zum Essen gezwungen wurde. Vom Arzt wurde ich wegen Nebenhöhlen-Entzündungen dorthin geschickt. Meinen 8. Geburtstag hatte ich im Februar dort verbracht. Ich kann mich auch noch an fürchterliches Heimweh erinnern.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Stephan Rothe aus Düsseldorf schrieb am 05.02.2021
Seit ich vor kurzem über Verschickungskinder und Verschickungsheime in den Medien gehört und gelesen habe, beschäftigt mich die Recherche über meinen „Kuraufenthalt“ fast täglich. Ich war immer der Meinung dass meine Erlebnisse in zwei Kurheimen Einzelfälle gewesen seien und ich nur Pech hatte. Es handelte sich ja aber anscheinend um eine ganze Verschickungsindustrie, die Jahrzehntelang mit dem Drangsalieren von Kindern Geld verdient hat.

Ich war 1968 vier Jahre alt und für sechs Wochen in der „Kinderheilanstalt Viktoriastift“ in Bad Kreuznach. Ich vermute es war während der Sommerferien. Warum meine Eltern mich dorthin geschickt haben weiß ich bis heute nicht, es hieß irgendwie wegen Heuschnupfen, sie sind mittlerweile tot.

Ich weiß noch dass ich mich von Tag zu Tag schlechter gefühlt habe, je näher der Abreisetag kam. Als es dann soweit war weckte meine Mutter mich morgens fröhlich mit den Worten die mir bis heute im Gedächtnis geblieben sind „Heute ist der große Tag, es geht los“, ich wollte nicht weg von zuhause und hatte nur Angst!
Das nächste Bild dass ich noch im Kopf habe ist, wie ich mit anderen Kindern in einem Zugabteil sitze und ich aus dem Fenster schaue, es ist schlechtes Wetter und es regnet.

Untergebracht war ich nicht in dem großen Haupthaus, dass wohl zu der Zeit umgebaut wurde, sondern in dem kleineren Nebengebäude das "Haus Rheinstahl" hieß wie ich auf der Internetseite herausgefunden habe. Es lag etwas tiefer und war über eine Art Brücke zu erreichen, es steht heute glaube ich nicht mehr. Es ist auf neueren Bildern nicht mehr zu erkennen.

Ich habe von der „Kur“ nur wenige Bilder, einige Vorfälle und ein ganz schreckliches, düsteres Gefühl in Erinnerung, ich hatte fürchterliches Heimweh.
Für mich war der Aufenthalt damals als vier jähriger und auch wenn ich heute mit den wenigen Erinnerungen zurückschaue, ein nicht enden wollender Horrortrip, der mein gesamtes Leben in gewisser Weise bis heute massiv negativ beeinflusst/geprägt hat.
Als ich zurück war und wieder in den Kindergarten ging war ich auf jeden Fall ein anderes Kind als vorher. Meine Fröhlichkeit, Freude, Zuversicht, Neugier schon morgens beim Aufstehen waren verschwunden, das war mir damals natürlich noch nicht klar, da habe ich mich nur schlecht gefühlt und massive Verlust und andere Ängste entwickelt und mich gewundert was mit mir los ist. Ich weiß noch sehr gut, dass ich von diesem Zeitpunkt an panische Angst hatte, von meiner Mutter mittags nicht aus dem Kindergarten abgeholt zu werden.
Später habe ich dann viel darüber nachgedacht was 1968 im Viktoriastift und bei einem weiteren „Kuraufenthalt“ 1974 mit 10 Jahren auf Borkum (der auch nicht besser gewesen sein muss und den ich anscheinend fast komplett aus meinem Gedächtnis verdrängt habe, bis auf die Erinnerung, dass ich ständig Hunger hatte weil es nicht genug zu essen gab) mit mir passiert ist.
Man hat in den Heimen mein Urvertrauen, Unvoreingenommenheit, Lebensfreude und meine Kindheit zerstört!

Ich erinnere mich wie das "Haus Rheinstahl", der Schlafsaal usw. aussahen, wie ich im Speiseraum saß und beim Essen immer durch ein großes Fenster auf die Brücke zum Haus schaute und dachte, irgendwann gehe ich über diese Brücke wieder in die Freiheit.

Das Personal bestand aus heutiger Sicht aus bösartigen, sadistischen Nonnen/Schwestern, die nur im Befehlston mit den Kindern sprachen oder brüllten. Ich habe nur eine Nonne in Erinnerung, ich glaube sie wurde „Schwester Ursula“ genannt, die freundlicher und emphatischer war und zu der ich, wenn sie kam ein gutes Gefühl hatte. Leider habe ich sie in den sechs Wochen nur zwei oder dreimal gesehen.
Ich erinnere mich an einen ernsten, steifen Mann mit Regenschirm, der glaube ich oft eine braune Jacke trug (bis vor ein paar Jahren wusste ich den Namen auch noch) der immer kam um mit uns in Zweierreihen, eine gefühlte Ewigkeit um das Gradierwerk zu laufen damit man die salzige Luft einatmet. An Holzbottiche in die man gesteckt wurde und ich glaube an einen gekachelten Raum indem man nachher mit einem Wasserschlauch kalt abgespritzt wurde.

Mir wurde einmal beim Essen von einer dieser Schwestern ein 1 KG Paket Zucker oder Mehl an den Kopf geschmissen, weil ich nicht still gesessen habe. Ich erinnere mich auch an einen Vorfall am Anfang der „Kur“, als ein älterer Junge beim Essen von diesen Schwestern und dem ernsten Mann regelrecht abgeführt (ich weiß nicht warum) und kurze Zeit später, weinend und mit zerrissener Kleidung zurück gebracht wurde und an Kinder, die ihr erbrochenes aufessen mussten. Das Ganze war ein absoluter Schock für mich! Ob mir ähnliches passiert ist weiß ich nicht mehr. Ich habe auch keinerlei Erinnerung an die anderen Kinder, an Namen oder wer meine Bettnachbarn waren. Ich glaube jeder war irgendwann nur noch mit sich selber und seinen Ängsten beschäftigt und damit, möglichst nicht aufzufallen.

Soweit ich noch weiß schliefen wir in einem kahlen düsteren Schlafsaal mit insgesamt 30 oder vierzig Kindern, ich kann mich bei der Zahl aber auch vertun. Angst hatte ich auch immer vor dem Fiebermessen! Jeden Morgen mussten wir uns alle nach dem Wecken auf Befehl in den Metallbetten die Hosen runterziehen, auf den Bauch legen und dann gingen die Schwestern rum und rammten jedem ohne jegliches Gefühl, Vorsicht oder Rücksichtnahme ein Glasthermometer in den Hintern. Das war jedes Mal so schmerzhaft, dass ich immer stocksteif mit zusammengekniffenen Arschbacken im Bett gelegen habe wenn die Tortur losging.

Ich werde Zeitnah nach Bad Kreuznach fahren und sehen wie ich mich fühle wenn ich das Gelände dieser Kinderheilanstalt betrete, vielleicht kommen mehr Erinnerungen zurück. Vielleicht gibt es dort mehr Informationen über diese Zeit als auf der Internetseite unter dem Punkt Historie.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.
Band, Winfried aus Berlin schrieb am 05.02.2021
Auf Anraten des Schularztes sollte ich, nach einer überstandenen Phimose-Erkrankung, eine Erholungskur in Rottach Egern, Kinderheim Felicitas antreten. Die winterliche Kur dauerte drei Monate. An traumatisierenden Erlebnissen erinnere ich noch einige: Tabletten erbrechen auf den Mittagessenteller, das Erbrochene aufessen. Fixieren im Bett während einer wohl fieberhaften Erkrankung. 10 Meter lange Schlangen an den Toiletten bei dringendem Stuhldrang. Anschnauzen wegen Einnässen und Einkoten. Inhalte des Geburtstagspaketes von den Eltern nicht ausgehändigt, nur kurz angesehen (eine heiß ersehnte rote Feuerwehr). Die von der Heimleitung an meine Eltern geschriebenen Postkarten erwähnen nur, es gehe mir gut und ich würde besser essen und rote Bäckchen bekommen. Das stimmte tatsächlich, von meiner schweren Erkrankung wussten sie aber nichts. Wir waren oft draußen im Schnee, das war gut. Nach drei Monaten war ich Ostern 1961 braungebrannt wieder in Berlin bei meiner Familie. Was eine so lange Trennung von den Eltern für einen knapp Sechsjährigen bedeutete, darüber hat sich damals niemand Gedanken gemacht, auch meine Eltern nicht.
... Diese Metabox ein-/ausblenden.