Zeugnis ablegen

ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung.

Wir bauen außerdem ein öffentlich zugängliches digitales Dokumentationszentrum auf, dort ist es möglich seinen Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild zu versehen und zusammen mit der Redaktion einen Beitrag zu erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einzustellen, der für zukünftige Ausstellungen und Dokumentationen benutzt werden kann. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr drei Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei der Buko Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selber einer.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2673 Einträge
Jutta, 61 Jahre aus Krefeld schrieb am 13.08.2021
Hallo,
auch ich war 1965 auf Initiative des Jugendamtes
als 6-Jährige in Melle, Sauerland in Kur.
Ich war durch den Aufenthalt im Kinderheim
1962 - 1964 so ausgemergelt, daß man mich
dort hingeschickt hat.
Der 6-wöchige Aufenthalt in der Kur
war auch nicht besser als im Kinderheim,
wurden geprügelt, bekamen Läuse, durften
nachts nicht auf die Toiletten.
Zu essen bekamen wir aber genug.
Sie waren aber lieblos und gleichgültig.
Die Kur hätte ich mir sparen können.
Aus dem Heimkinderfonds wurde ich
2014 entschädigt, weil man mich schon
als Kleinkind nervlich zerstört hat.
Bis heute leide ich darunter.
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Kontakt Wunsch: Keine Angaben
Manfred Oheimer aus Darmstadt schrieb am 11.08.2021
Im Alter von 6 Jahren (geboren im April), wurde ich im Mai-Juni 1967 für 6 Wochen zu einer Kinder-Kur ins Haus „Schmiedhof“ in Kreuth a. Tegernsee geschickt.

Anlass war, dass ich seit einiger Zeit immer trotziger wurde und schließlich über längere Zeit zu Essen verweigerte. Der Hausarzt empfahl meinen Eltern, mich auf Kur zu schicken.

Ich kann mich tatsächlich an die Kur kaum erinnern. Ich weiß nicht genau, wie ich dort hin gekommen bin - ja, mit dem Zug. Aber ob meine Eltern mich begleiteten oder ob ich am Bahnhof „übergeben“ wurde, kann ich nicht sagen.

Ich erinnere mich an ein Haus im Bayern-/Alpen-Stil (Es gibt ein Bilder davon - es sieht in meiner Erinnerung auch so aus). Hinter der Haustür lag ein Vorraum. Viel Holz. Nach links ging es in das Esszimmer der „kleinen Kinder“ und nach rechts in das Esszimmer der „großen Kinder“. Von diesem Vorraum aus konnte man auch auf eine kleine Toilette gehen (weiß aber nicht mehr genau, wo sie lag).
Gegenüber der Haustür führte eine breite Holztreppe nach Oben. Im 1. OG waren, glaube ich, die Zimmer der großen Kinder (und der Betreuer?).
Ich erinnere ich mich an den „Dachboden“. Es war ein großer „Saal“ mit Dachschrägen, wo wir Kleinen alle zusammen schliefen. Ich meine, es wären Matratzen-Lager gewesen, bin aber nicht sicher.
Jedenfalls …

… ich liege auf meiner Matratze, trotze und weine … ich bin alleine, die anderen Kinder sind unten.
Ich weiß nicht, ob ich nicht mit nach unten wollte, oder ob ich zur Strafe alleine oben bleiben musste.
Ich höre die anderen Kinder unten lärmen - es war Essenszeit.
Ob ich Hunger hatte, weiß ich nicht mehr.
Irgendwann gehe ich dann doch runter, im Schlafanzug. Ob ich „aufgegeben“ habe oder ob ich herunter befohlen werde, weiß ich nicht mehr.
Ich erinnere mich große Scham.
Ich gehe in das Esszimmer der Kleinen. Die anderen Kinder sitzen um die Tische und essen und schauen mich an. Sie lachen mich aus, hänseln und verspotten mich.
Ich will an meine Platz, aber da ist nicht (mehr) gedeckt.
Ich bekomme die Ansage/Strafe, mir mein Geschirr und Besteck zur Strafe selbst holen zu müssen. Allerdings ist der Schrank mit Geschirr und Besteck im Esszimmer der „großen Kinder“. Ich weigere mich im Schlafanzug dorthin zu gehen.
Ich muss in der Ecke stehen - Blick zur Wand.
Irgendwann gehe ich dann doch zu den Großen.
Ich werde von den Betreuern gehänselt und den Großen angekündigt. „Da kommt ja der Bettnässer/die Heulsuse“ - ich weiß nicht mehr genau, mit welchen Worten.
Die Tatsache, dass ich im Schlafanzug und barfuß erscheinen muss, sorgt für Gejohle, Hohn und Spott von allen.
Unter Tränen und dem Hänseln/Spotten der Großen suche ich zitternd mein Geschirr/Besteck zusammen. Da ich nicht genau weiß, wo die Sachen sind (ich war vorher noch nie im Esszimmer der Großen), ernte ich weitere Häme und Spott von den Großen und den Betreuern.
Ich bestehe nur aus Scham, Tränen und Wut.
Zurück im Esszimmer der Kleinen setze ich mich zitternd und schniefend an meinen Platz …
Die Scham erstickt mich fast.
Ich fühle mich verlassen, ausgestoßen.
Ich will mich am liebsten in Luft auflösen, weg von hier. Aber wohin. Es gibt keinen Ort an dem ich mich sicher/geborgen fühlen könnte.

Darüber hinaus erinnere ich mich an fast nichts. Nur daran, dass ich auf einem Spaziergang über Wiesen und Felder versuchte zu lernen, wie ich mit einem Grashalm zwischen den Fingern quäkende Geräusche machen kann (das kann ich noch heute).

Viele der Schilderungen im Forum kommen mir mehr oder weniger vage bekannt vor
- nicht alleine auf die Toilette dürfen/Tür immer offen
- gezwungen so lange - notfalls auch alleine - am Tisch sitzen müssen, bis alles aufgegessen ist. Oder - noch schlimmer - alle müssen warten, bis der letzte (ich) aufgegessen hat (Gruppenzwang)
- kein Kontakt zur Aussenwelt/Eltern (ich konnte ja noch nicht schreiben, und Telefon hatten meine Eltern damals noch nicht, Besuche waren verboten)
- heftiges Heimweh mit Tränen und Trotz
- Beschimpfungen, Beschämungen und Demütigungen durch das Personal und auch unter Einbeziehung der anderen Kinder (Bloßstellen Ausgrenzen, Gruppenzwang)
- Sehr rigide und strenge Methoden
Es fühlt sich so an, als hätte ich das auch erlebt, aber da ich (noch) keine weiteren, konkreten Erinnerungen daran habe, kann und will ich nicht mehr sagen, als „kommt mir sehr bekannt vor“

Meine Eltern (mittlerweile beide gestorben, kann also auch nicht mehr nachfragen) haben mir gelegentlich von dieser Kur erzählt. Sie sagten, dass ich danach sehr verändert gewesen sei. Ein „braver Bub“, der folgsam war und immer seinen Teller leer gegessen habe. Ich soll danach sogar eher zuviel gegessen haben und deutlich zugenommen haben.
Ziel also „erreicht“
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Kontakt Wunsch: Kontakt Erwünscht
Katrin Mistele aus Marbach schrieb am 05.08.2021
Ich hatte als Kind immer im Herbst und Winter eine chronische Bronchitis, Der Arzt empfahl meinen Eltern eine Höhenluftkur für mich. Mit 4 Jahren kam ich daraufhin das erste Mal gleich für 3 Monate von Januar bis März nach Bad Dürrheim. Meine Mutter fuhr mit mir mit dem Zug dorthin. Ich kann mich noch an den großen Torbogen am Eingangsgebäude erinnern. Alles war fremd und ich glaube, meine Mutter musste mich am Eingang abgeben. Ich kann mich an keinen Abschied erinnern. Vieles ist aus meinem Gedächtnis verschwunden. Einige Bilder und Ereignisse sind noch da: beim Essen musste man ganz aufrecht sitzen, sonst bekam man von der Schwester einen Stoß von hinten in den Rücken. Wenn Päckchen von zuhause kamen, wurde alles verteilt, man bekam selbst nur einen Bruchteil davon. Was ich sehr unangenehm und peinlich fand, war der Aufenthalt im fensterlosen, dunklen holzvertäfelten Raum mit der Höhensonne: man war nackt (vielleicht noch in Unterhose), hatte eine rote Brille auf und musste im Kreis um die Höhensonne laufen. Der Geruch des Holzes durch die Höhensonne war charakteristisch.
Auch Schwimmen wurde für mich angstbesetzt, als mir die Schwimmflügel weggenommen wurden, weil ich nun ohne Flügel schwimmen sollte. Ich hatte Angst vor Strafe und tat so als ob ich schwimmen würde, lief aber auf den Zehenspitzen und hoffte, dass es keiner bemerkte. Vor dem Temperaturmessen hatte ich auch Angst, weil erhöhte Temperatur bedeutete, dass man allein im Bett bleiben musste. Ich kann mich erinnern, dass ich immer versucht hab, meine Hände an den kühlen Gitterbettstäben abzukühlen, weil ich hoffte, so keine Fieber zu haben. Meine Eltern durften mich nicht besuchen und auch nicht anrufen, weil ich danach immer so viel geweint habe. Nur Briefe mit vielen selbstgemalten Bildern haben sie geschrieben, jede Woche einen, so dass ich mitzählen konnte, wenn 11 Briefe da waren, dann würden sie mich bald darauf abholen. Ich weiß nicht, was oder womit wir gespielt haben. An den Winter mit Schlittenfahren kann ich mich noch erinnern, das war schön. Und einmal sind wir zum Faschingsumzug in den Ort gelaufen. Im nächsten Jahr wurde meine 1 1/2 Jahre jüngere Schwester mit ins Kinderheim geschickt, obwohl sie nicht krank war. Sie hofften wohl, dass es mir dann leichter fallen würde. Wieder waren es 3 Monate. Ich weiß nicht, ob ich mit meiner Schwester zusammen sein durfte. Eigentlich hätten meine Eltern die zweite Kur nicht mehr machen müssen, weil sie schon wegen meiner Gesundheit einen Umzug in den Schwarzwald im Sommer des Jahres 1969 geplant hatten. Aber wir waren nun schon mal angemeldet und als arzthörige Eltern, machte man was der Arzt sagte. Das ist es auch, was ich meinen Eltern vorwerfe, sie haben das zweimal mitgemacht, obwohl ich schreckliches Heimweh hatte und sie wohl auch. Angeblich hat mir der Aufenthalt gegen die Bronchitis geholfen. Aber gleichzeitig hat mich das lange Getrenntsein von meinen Eltern doch sehr verstört: ich wollte danach mehr als 10 Jahre nicht mehr von meinen Eltern weg, keine Übernachtung bei Tante, Oma Freundin usw. Es hat meine Persönlichkeit geprägt: Ich habe gelernt, mich zusammenzureißen, Gefühle zu unterdrücken weil es sowieso nichts geändert hätte, ich wollte möglichst unsichtbar und unauffällig zu sein. Ich kann mir meine emotionale Distanz zu meinen Eltern vor allem jetzt, wo sie alt sind und meine empathische Fürsorge bräuchten nur mit der Zeit im Kinderheim erklären. Laut Psychologen stört so eine lange Trennung die Bindung zu den Eltern.
An wirklich schlechte, gewaltsame Erfahrungen kann ich mich zwar nicht erinnern, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto unverständlicher ist mir, dass man damals so eine lange Trennung von Kindern und Eltern für gut oder tolerabel gehalten hat.
Dieses Jahr bin ich in Bad Dürrheim auf dem Rückweg vom Bodensee vorbei gefahren. Es hat mir Genugtuung bereitet zu sehen, wie das DRK Kinderheim seit 17 Jahren leer steht und zunehmend verfällt! Dass der 35 jährige Bürgermeister von Bad Dürrheim Jonathan Berggötz heute um Entschuldigung bittet, für das was Kinder in diesem Ort erleiden mussten, hat mich sehr berührt.
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Kontakt Wunsch: Kontakt nur über den Verein
Sylke Möller aus Stralsund schrieb am 03.08.2021
Ich war ein sehr zierliches Mädchen in einer Familie mit 3 Brüdern. 6 Familienmitglieder in einer 2-Raumwohnung...also musste Erholung her. So hat man es sich gedacht...und schickte mich als 12 jährige auf Kur für 4 Wochen. An die lange Anreise kann ich mich nicht erinnern, nur das es ein Bus war. Das Heim war riesig und erschien mir wie ein Schloss. Großer Saal und 2 Etagen mit vielen Zimmern. Ich erinnere mich, dass der regelmäßigen Stuhlgang über die Bitte nach Toilettenpapier kontrolliert wurde. Viele Kinder hatten Heimweh und weinten in ihren Bettchen. Mir ging es auch nicht gut, habe aber mit albernen Späßen die kleineren Kinder zum lachen gebracht. Eine Erinnerung, auf die ich gern verzichtet hätte, hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich hatte während der Kur Geburtstag. Ich hoffte, so wie andere Geburtstagskinder auch, ein Päckchen zu erhalten. Ich erhielt nicht mal eine Karte. Auch nach der Ankunft wieder zu Hause, war es kein Thema. Ich konnte es verzeihen, aber nie vergessen. Ich habe dafür im Gegenzug und zu meiner eigenen Zufriedenheit und meinem Gemüt ganz viel Liebe ausgeteilt, bis zu den Enkeln, ob sie wollen oder nicht. 🙂 Die Kur selber war kein Trauma.
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Kontakt Wunsch: Kontakt Unerwünscht
Wolfgang Halmich schrieb am 02.08.2021
Ich wurde im Alter von 5-6 Jahren von Karlsruhe nach Polling in das Kloster Heilig Kreuz verschickt. Auf Grund einer Fehldiagnose meines Hausarztes kam ich zur Erholung in dieses Heim für 3 Wochen. Nach diesen 3 Wochen stellte es sich heraus, dass ich eine Blinddarmreizung hatte.
Durch diesen Aufenthalt kam ich traumatisiert zu meinen Eltern zurück. Seit dieser Zeit bin ich Psychotiker und hatte mehrere Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis.
Das meiste, was in dieser Zeit geschehen ist, habe ich verdrängt. Ich kann mich noch erinnern, dass ich nichts zu essen bekam, weil ich mich geweigert habe zu beten. Ich habe mich nachts eingenässt, vermutlich, weil mir sexuelle Gewalt angetan wurde. Daraufhin wurde ich zu den Babys verfrachtet. Die "Tanten" haben dann behauptet, ich wäre noch nicht sauber und haben sich vor allen anderen Kindern über mich lustig gemacht.
Ich werde diese Erinnerungen einfach nicht los, trotz Psychotherapie und Gesprächen.
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Christel Plata aus 51674 Wiehl schrieb am 28.07.2021
Hallo,
bin zufällig auf diese Seite gestossen.
Ich weiß bis heute nicht was sich meine Eltern dabei gedacht hatten,dass ich als Einzelkind, 4mal zur Kur musste.
Ich bin Jahrgang 1951 und war 1957 das erstemal zur Kur nach Bad Münstereifel.Leider ist mir nur noch in Erinnerung der entsetzliche Mittagsschlaf.Ich kannte dieses von zu Hause nicht und konnte auch nicht schlafen.
An meine zweite Kur erinnere ich mich nur das alle Kinder Durchfall hatten und zwar zu Ende hin.Die beschmutzten Unterhosen wurden einfach in den Koffer gesteckt und meine Mutter höre ich heute noch schimpfen.Es war eine grosse Sauerrei und es roch fürchterlich.
Und wieder der grässliche Mittagsschlaf.Ich stand öfters im Flur mit Decke über den Kopf und die Kinder aus meiner Gruppe lachten mich aus.Das war für mich der Anfang des Mobbings.

Dann fuhr ich am 5.1.1961 nach Allerheiligen mitten in der Schulzeit.Warum weiss ich bis heute nicht.
An diese Kur kann ich mich gut erinnern.
Es war Januar,überall hoher Schnee und wir gingen wenigstens einmal am Tag sparzieren es war herrlich.
Das Essen war schrecklich aber ich habe es gegessen,denn ich wollte nicht den ausgekotzten Brei nochmal einmal essen.Dann ging es wieder zum Mittagsschlaf.Für mich waren die 2 Stunden schrecklich.Ich drehte mich von eine auf die andere Seite und man merkte das ich nicht schlief. Ich entwickelte eine Schlaf-Phobi und dann kam die Angst um entdeckt zu werden.Wenn man nicht schlief bekam an dem Tag keine Post ausgehändigt.
Wenn der Schlaf dann vorbei war,dachte ich schon an den nächsten Tag.
Des Sonntags mussten die katholischen Kinder zur Messe.Es war eine kleine Kapelle die in dieser Zeit sehr kalt war. An den Wänden liefen Heizungsrohre entlang in einer Höhe von 0,80cm.
Ich war die erste die in den vorgesehenden Bänken
Platz nahm.Nach einer Weile wurde es mir komisch und als ich wieder bei Bewusstsein war hatte ich eine 0,10cm grosse Blase auf dem linken Handrücken.Während meine Ohnmacht hatte keiner gesehen das meine Hand am Heizungsrohr lag.
Ich hatte höllische Schnerzen.Im Kurheim angekommen wurde mir ein Verband angelegt mit den Worten"morgen ist Montag dann kann die Ärztin draufschauen".
Ich bekam in der Nacht zu Montag fürchterliche Schmerzen und es hatte sich eine grosse Blase gebildet.Wir wurden jeden Montagmorgen gewogen und die Ärztin war da und schaute auch auf meine Hand.Sie sagte nur"wir müssen warten bis die Blase aufgeht und schauen nächsten Montag wieder".
Ich schlug mich mehr schlecht als recht in dieser Woche.Ich durfte auch nicht nach Hause schreiben was passiert war.Es wurde auch nicht reagiert als es wieder schmerzte.Es wurde gesagt "wir schauen am Montag"
Der Montag kam und in meiner Blase war alles entzündet und es eiterte.Die Ärztin meinte ich müsste täglich die Hand in irgendeiner Flüssigkeit baden das es eilt.
Als ich nach Hause fuhr war es noch nicht verheilt.Meine Mutter bekam einen Schreck denn sie wusste immer noch nichts.Das hielt sie aber nicht ab,mich noch ein weiteres Mal in Kur zu schicken.Es war ja alles zu meiner Gesundheit.
Dann fuhr ich 1963 nach Garatshausen an den Starnbergersee.
Es war Sommer, ich war 12Jahre alt und meine Erinnerung ist als war es gestern.
Wir fuhren mit dem Zug ab Düsseldorf mit einigen Kindern dort hin.Alle hatten wir unsere Pappkarten um damit wir nicht verloren gingen.Nach ca. 8Std. waren wir an Ort und Stelle.Wir sollten unsere Taschen leeren und alles essbare wurde eigesammelt für den nächsten Tag.Furchtbar!!
Das Kindersanatorium lag auf einem Seegrundstückes war herrlich.Durch meine vorherigen Kuren wusste ich ja wie alles ablief.Wir wurden auf die Zimmer verteilt und ich bekam ein Einzelzimmer mit Fenstervergitterung.Also konnte mir nicht passieren mit anderen Kindern zu quatschen.
Das Essen schmeckte wieder nicht aber ich scheffelte
es in mich rein denn ich wollte es ja nicht auskotzen.
Ich weiss nicht mehr wie meine Gruppe hiess aber unsere Aufpasserin war Schwester Hanni.Sie war keine Schwester aber wir mussten sie so nennen.An sie kann ich mich gut erinneren.Sie war sehr lustig und drückte auch schon mal ein Auge zu.
Dann wieder dieser Mittagsschlaf der mich quälte.Da wir schon 12Jahre waren,waren wir die Grossen und durften sonntags in der Mittagsruhe lesen.Das hat mir sehr gefallen und meine Lektüre war "der Trotzkopf".
Dieses passte sehr gut in die Zeit und auch Tränen flossen wie in jeder Kur.Dieses Heimweh!!!
Da wir Mädchen uns mit Schwester Hanni gut verstanden durften wir mit ihr morgens das Frühstück
herrichten. Es wurden Graubrot mit Magarine und Marmelade geschmiert.So konnte sie länger schlafen denn wir Mädchen waren wach und halfen ihr.
Ich habe an meine letzte Kur auch schöne Erinnerungen
und machten auch eine schöne Fahrt mit dem Bus nach Kloster Ettal,Wieskiche und Oberammergau.

Diese Sehenswürdigkeiten habe ich als Erwachsener noch mal besucht und bin auch in Garatshausen gewesen aber leider steht dieses Heim nicht mehr.
Heute stehen dort Wohnhäuser.Desweiteren habe ich mich bei der Stadt Tutzing gemeldet aber dort war nichts zu erfahren.
Auch hier im Netz ist nichts zu erfahren.Man darf mich gerne anschreiben zum Austausch.

Dieses hat mich sehr geprägt und stelle mir immer die gleiche Frage: warum musste ich als Einzelkind so oft zur Kur???
Da meine Eltern nicht mehr leben werde ich es nie erfahren.
Ich habe dies lange als Strafe gedacht für mich,man wollte mich einfach los werden.
Nach meiner letzten Kur trennten sich meine Eltern und ich blieb beim Vater.
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Daniel schrieb am 27.07.2021
Hallo.
Ich war damals, Anfang 1990, mit 5 Jahren in der „Pullerburg“ Neu Hirschstein / Sachsen.
Ich verstehe nicht warum ich nicht mehr von diesem Ort lese?! War es doch keine schöne Zeit, für mich und viele andere dort.
Aber zum Anfang. Zur Wende 89 Starb mein Opa, für mich kleinen Jungen so ein Schock das ich wieder begann zu Bettnässen.
Nachdem meine Eltern mit mir offensichtlich den ein oder anderen „Facharzt“ besuchten schickte einer dieser Herren mich für 6 Wochen in diese Einrichtung.
Meine Erinnerungen waren wenige, ich habe immer versucht zu verdrängen was geschah. Jetzt wo allerdings mehr und mehr hochkommt und viele daraus resultierende psychische Probleme meinen Alltag bestimmen begab ich mich in Behandlung. Im Alltag und in der Therapie kam immer mehr hoch, so das sich das Puzzle allmählich füllt.
Schlimme Sequenzen von Gewalt, sexuellen Übergriffen, Zwangsernährung, Schlafentzug, Katastrophalen Therapieansätzen und mehr als harten Bestrafungen bestimmen mittlerweile meine Erinnerungen an diesen Ort.
Meine Eltern, streng erzogen vom System, hinterfragten auch nicht warum ihr 5 Jähriger Sohn, bei ihrem einzigen erlaubten Besuch, auf dem Fenster steht und droht herunterzuspringen wenn sie ihn nicht mit nach Hause nehmen würden. Bis heute ist es für sie nicht nachvollziehbar was damals geschah.
Ich werde wohl noch viele Jahre therapieren müssen ehe ich mit den Gedanken und den Erinnerungen umgehen kann.

Vielleicht treffe ich hier Menschen die auch da waren? Bis in die 80ger soll es wohl verhältnismäßig Human zugegangen sein?!
Also vielleicht jemanden der zur Wendezeit dort war?

Ansonsten ist es schön auf dieses Forum gestoßen zu sein. Zu wissen das man nicht allein ist mit diesem Thema, es hilft ungemein. Danke ??

Lg Daniel
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Nicole Kirchmer schrieb am 27.07.2021
Ich war mit 3,5 Jahren für 6 Wochen 1969 in Dausenau wg. chronischem Asthma (BKK BASF). Lt. Aussagen meiner Eltern wurde der Aufenthalt als alternativlos vom Lungenfacharzt Ertlenbruch in Ludwigshafen/Rhein angeordnet ..
Ich wurde mit einem großen Pappschild um den Hals in Ludwigshafen von meinem Vater in den Zug gesetzt und mir wurde versichert, dass mich meine Eltern dort wieder abholen würden, was ich zunächst relativ gelassen als unabdingbar so hinnahm ..
Ich lag in einem schmalen kleinen Zimmer mit 2 Betten und einen wesentlich älteren Mädchen. Ich kenne keinen Namen und auch kein Alter (etwa 8-12 ?), da wir kaum oder nichts miteinander gesprochen haben und auch sonst kein Kontakt bestand. Wir hatten aber auch keine Probleme, es war für mich einfach die bestehende Vorgabe, dass wir beide diesem Zimmer zugeteilt wurden ..
Ich hatte Probleme mit dem Essen, vor allem mit der Haferschleimsuppe, die es täglich vor der Hauptmahlzeit gab. Ich ekelte mich so sehr davor, dass ich sie von Anfang an unter den Tisch mit langer weißer Tischdecke kippte, in der Annahme, dass die Sache damit für mich erledigt sei 🙂 dem war aber leider nicht so. Nach ein paar Tagen wurde ich darauf angesprochen und ich streng daraufhin gewiesen, dass ich ohne diese Suppe, als "Medizin" bezeichnet, keine Hauptspeise bekommen würde. Ich weiß nicht mehr wie lange, einige Tage auf jeden Fall, vtl. auch länger, habe ich dennoch keine Suppe gegessen und daher auch kein Essen mehr zu dieser Mahlzeit bekommen. Abends im Bett habe ich im Dunkeln vor Hunger meine Blendi Erdbeerzahnpasta gegessen. Irgendwann musste ich nur noch einen Löffel Suppe essen, um die Hauptmahlzeit zu bekommen. Was für mich dann auch ok war ..
Schlimm war es auch für mich, dass ich mir selbst mit kaltem Wasser die Haare waschen musste. Das hatte ich zu Hause nicht gelernt. Die normale Körperpflege hat mich vor keine großen Herausforderungen gestellt.
Nach einiger Zeit mit Heimweh und Verwirrung, was der Aufenthalt denn jetzt für mich bedeutete, wurde ich zunehmend entschlossener, mich irgendwie dort durchzubringen, damit ich dann eben ohne Eltern mein weiteres Leben leben konnte. Für mich stand irgendwann fest, dass meine Eltern mich nicht mehr abholen würden, warum auch immer ..
Nachdem sie mich wieder Erwarten dann doch abgeholt hatten, war ich wie versteinert. Meine Überlebensstrategie wurde über den Haufen geworfen und ich konnte oder wollte es nicht glauben, wahrscheinlich aus Angst wieder weggeschickt zu werden. Ich hatte für eine gewisse Zeit Sprechstörungen, so eine Art Kiefersperre und musste ständig weinen.
Nachts hatte ich sehr lange Zeit, etwa einige Jahre, Alpträume und nässte fortan auch nachts ein, was mich sehr unglücklich machte.
Aber am schlimmsten quälten mich bestimmt 5 Jahre ärzlich attestierte Frostbeulen an beiden Füßen, die ich mir in dieser Zeit, ein kalter Winter mit Schnee, zugezog, da ich nur mit Gummistiefeln als Winterschuhe ausgerüstet war und mir diese auch noch ohne Strümpfe selbst angezogen hatte. Diese juckenden Schmerzen (Frühling/Herbst) kann ich heute noch spüren und mich daran erinnern, dass ich mir nur Erleichterung verschaffen konnte, indem ich auf meinen Füßen herumbiss.
Was dieser Aufenthalt mit mir als Person und meiner Entwicklung gemacht hat, kann ich nur erahnen. Mein Verhältnis zu meinen Eltern ist dadurch sicherlich erheblich belastet und mein Lebensweg gezeichnet .. ich hatte allerdings nie Schulprobleme, im Gegenteil erschien mir hinterher keine Schwierigkeit oder Problem zu groß, als dass ich es nicht hätte selbst lösen können.
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Andreas Homolla aus Hamburg schrieb am 27.07.2021
Ich wurde durch einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf die Initiative Verschickungskinder aufmerksam und hatte bis dahin fast keinerlei Erinnerung an diese Zeit. Ich wurde 1964 im Alter von 6 Jahren vom Schwarzwald aus nach Flensburg/Glückstadt für 6 Wochen verschickt. Das Einzige, an das ich mich erinnere war die Zugfahrt von Villingen im Schwarzwald nach Flensburg. Wir waren den ganzen Tag und Nachts unterwegs und ich erinnere mich an die Nacht als wir durch Hamburg fuhren. Ich konnte nicht schlafen und habe dreimal die Ansage vom Bahnhof Hamburg gehört. Das war für mich als Kind eine Sensation in einer Stadt „drei“ Bahnhöfe zu haben. Gleichzeitig war das aber auch meine letzte Erinnerung an diese Zeit. Danach weiß ich gar nichts mehr und ich weiß auch nicht wie ich zurück gekommen bin.
Als ich dann den Artikel in der FAZ und einige der Geschichten im Forum gelesen hatte, kamen bei mir „unangenehme“ Ahnungen hoch. Ich glaube oder ahne, dass ich auch viele der Quälereien ertragen musste, kann mich aber an nichts mehr erinnern. Ich konnte lediglich einige der geschilderten Symptome nachvollziehen und stelle an mir fest, dass ich nach wie vor ein Problem mit dem Gefühl habe für längere Zeit eingesperrt zu sein und deshalb öfters das Bedürfnis habe den Ort zu wechseln – was sich jetzt während des Corona-Lockdowns noch verstärkt hat. Oder auch beim Umgang mit „unfreundlichen“ Autoritäten und ein Gefühl „Immer alles richtig und anderen Recht machen zu müssen“.
Alles das ist zwar nur eine Vermutung aber sicher ist, dass ich die Zeit im Verschickungsheim komplett verdrängt hatte und durch das Lesen der Erfahrungsberichte ein eher unangenehmes Gefühl der Ahnung entstanden ist, dass es mir während der Zeit ähnlich schlimm ergangen ist wie vielen Anderen und dass traumatische Spätfolgen übrig geblieben sind.
An dieser Stelle schon mal vielen Dank an Alle, die Ihre Geschichten erzählt haben und an alle die das Forum ins Leben gerufen haben.
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Ute Störmer aus Grevenbroich schrieb am 27.07.2021
Mein Name ist Ute Störmer,
geboren wurde ich 11/ 1956 und wurde als kleines Kind im Alter von 4 und 5 Jahren mit meinem 2 Jahre älteren Bruder in ein Heim nach Norderney geschickt. Ich empfand es als Abschiebung. Wir waren lästig.
Wir wurden in die Bahn mit vielen anderen Kindern gesetzt und fuhren auf die Insel. Ich erinnere mich an Begleitpersonal.
Ich erinnere mich an riesige Schlafsäle, ich schlief auf einer tief gelegenen Pritsche. Ein Bett war es nicht.
Ob mein Bruder mit in dem Schlafsaal war, daran kann ich mich nicht mehr erinnern.
Morgens wurde das Licht von weiblichen Personen angeschmissen!! Ein lautes Rufen ertönte. Die Frauen hatten weiße Schürzen an.
Mein Nachbarkind wurde nicht wach. Es kam eine weibliche Person mit einem Zahnbecher und goss den Inhalt, Wasser, in das Gesicht des Kindes. Das habe ich mehrfach beobachtet.
Beim Essen saßen mehrere Kinder an einem runden Tisch.
Ich erinnere mich, dass es bei der Mahlzeit "Erbsensuppe" ein Kind in den Teller erbrochen hatte. Eine weibliche Person stand hinter ihr und zwang das Kind, das Erbrochene zu essen.
Ich erinnere mich insgesamt an einen sehr strengen Tonfall der Frauen, die uns "betreuten".
Wenn wir an den Strand, bzw. auf der Promenade spazieren gingen, mussten wir zu zweit in "Reih und Glied" gehen.
Bis heute habe ich nicht verstanden, warum mein Bruder und ich in dieses Heim fahren mussten.
Es wurde aus der Erinnerung heraus einfach entschieden, wir wurden in den Zug gesetzt.
Es ist sehr erleichternd für mich, das nieder schreiben zu können und damit einen Beitrag zur Aufarbeitung dieser Ereignisse zu leisten. Ich empfinde Dankbarkeit, dass wir Kinder von damals gesehen werden, die Ereignisse als Gewalt an der Kinderseele eingestuft werden.
Danke!
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Frank Gnegel aus Frankfurt schrieb am 26.07.2021
Ich war insgesamt drei Mal in den Jahren 1970 bis 1972 im "Kinderheim Kratz" in Bad Rothenfelde. Die Aufenthalte waren keine Kuren, sondern Ferienaufenthalte, die vom Arbeitgeber meines Vaters, der Fima Uhde in Dortmund (einen großen internationalen Ingenieurbüro) organisiert wurden. Man verstand es wohl als soziale Tat oder wollte den Eltern einen Urlaub ohne Kinder ermöglichen. Bad Rothenfelde galt als Kinderkurort, ob aber das sogenannte "Kinderheim Kratz" wirklich ein solches war, kann ich heute nicht sagen. Viele Jahre später bin ich an dem Gebäude vorbeigekommen, da nannte es sich "Pension Kratz", war aber geschlossen.
Ich habe die Heimleitung als drakonisch und streng erlebt; die Aufenthalte waren wenig freudvoll und von Verboten, Regeln und willkürlichen Bevorzugungen geprägt. Kindgerechte Aktivitäten sind mir nicht in Erinnerung geblieben. Stattdessen mussten wir Gartenarbeiten verrichten, etwa stundenlang Obst ernten, insbesondere Stachelbeeren. Die jüngeren Betreuerinnen - heute würde ich sie für Studentinnen halten - waren im Prinzip freundlich, tonangebend war aber die Heimleitung und sie mussten sich fügen und etwa Bestrafungen umsetzen, selbst wenn sie sie für überzogen oder unangebracht hielten.
Das Essen war grauenhaft und bestand oft aus dem, was im Garten geerntet wurde - Pflaumensuppe mit Backerbsen oder eingekochte Birnen aus dem Vorjahr. Es musste aufgegessen werden. Ich mochte etwa bestimmte Dinge - etwa Birnen - nicht und musste dann stundenlang alleine im Speiseraum sitzen und durfte nicht aufstehen, bevor ich nicht aufgegessen hätte. Meiner Schwester, die mich im letzten Jahr begleitete, erging es genauso. Wir aber waren willensstärker, aßen nicht und saßen stundenlang allein vor unseren Tellern. Wir wurden dann irgendwann von einer mitfühlenden Betreuerin erlöst; mussten dann aber Gartenarbeit leisten. Die älteren Kinder (Jungen) genossen Privilegien, ich würde sagen, es ging darum, die Kinder in möglichst kleine Gruppen zu spalten. Freunde habe ich dort nicht gefunden.
Man musste sehr früh zu Bett - gegen 18.00 Uhr - durfte dann nicht mehr aufstehen. Selbst ein Toilettengang war dann mit Angst verbunden. Karten nach Hause wurden kontrolliert bzw. es wurde vorgeschrieben, worüber man schreiben sollte. Ich habe keine positiven Erinnerungen an diese Zeit.
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Dieter T. aus Wilhelmshaven schrieb am 26.07.2021
Durch einen Bericht im ZDF-Magazin „Volle Kanne“ wurde ich (Jahrgang 1954) auf das Problem der sog. „Verschickungskinder“ aufmerksam. Auch ich gehöre in diese Kategorie gehöre, auch wenn ich nur 1x verschickt wurde und auch nur für 4 Wochen. Ich habe deshalb in den letzten Tagen viel in meinem Gedächtnis gekramt und möchte hier einige Zeilen schreiben. Insgesamt muss ich aber sagen – nachdem ich viele Berichte hier gelesen habe- dass ich mit „meinem“ Heim noch Glück gehabt habe und mich nicht nur negativ und keinesweg traumatisch erinnere.

Ich versuche einmal, meine wichtigsten Erinnerungen zusammenzufassen. Zu der Zeit gehörten diese Verschickungen – man nannte es „zur Erholung fahren“ - für uns zur Kindheit ganz normal dazu. Ich wollte auch fahren, auf jeden Fall mussten meine Eltern keinen Druck machen, um mich dort hinzuschicken.
Das Heim, in das ich fuhr, gehörte der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Weser-Ems. Es lag in Holterberg in der Nähe von Osnabrück, ziemlich „am Ende der Welt“. Da meine Mutter Mitglied der AWO war, stand dies wohl von vorneherein fest. Dass die Erholung einen medizinischen Hintergrund hatte, wusste ich nicht, außer, dass ich zunehmen sollte. Ein Freund und eine Klassenkameradin fuhren auch mit, die hatten – wenn überhaupt – sicher nicht die gleichen Gesundheitsprobleme wie ich.
Wenn ich an diese vier Wochen im März/April 1964 zurückdenke, kommen mir zuerst das Essen, das mir selten schmeckte, dann eine große Langeweile in den Sinn. Dass es ziemlich streng zuging, war ich so auch nicht gewöhnt, ich schaffte es aber, mich schnell anzupassen. Am ersten Tag bekam ich eine Ohrfeige, weil ich den Betreuer mit einer oder mehreren dummen Bemerkungen genervt hatte, und dann wusste ich, wo es langging. Außer Ohrfeigen, die damals gesellschaftlich noch akzeptiert waren, wurde aber nach meiner Erinnerung nicht geschlagen, auch an andere Strafmaßnahmen, wie sie in vielen Berichten dargestellt wurden, kann ich mich nicht erinnern. Der Betreuer unserer Gruppe – ca. 17 Jungen von 7 – 14 Jahren – war Student und machte diese Arbeit als Praktikum. Die „Tanten“, die die Mädchen und die kleinen Kinder betreuten, waren nach meiner Erinnerung unangenehmer.
Furchtbar waren die Milchsuppen, die es jeden Morgen gab – selten gut schmeckend, manchmal fast ungenießbar – und die als erstes zu essen waren. Was es danach gab, weiß ich nicht mehr. Mittags gab es oft Kartoffeln, die in irgendeiner Weise verdorben waren, jedenfalls waren sie hart und glasig. Ich war froh, wenn es Suppe gab, die keine oder wenig Kartoffeln enthielt. Es gab wohl das, was man damals „Hausmannskost“ nannte, Details werden aber bei mir durch die Erinnerung an die verdorbenen Kartoffeln überlagert. Dass „gegessen wird, was auf den Tisch kommt“ und die Teller leer zu essen waren, war damals allgemein üblich und in unseren Köpfen ziemlich verankert, dazu brauchte es keine Strafen. Was mit Kindern passierte, die ihr Essen absolut nicht schafften, weiß ich nicht mehr. Das Aufessen von Erbrochenem oder Zwangsfütterungen gab es jedenfalls nicht, auch nicht, dass Kinder stundenlang vor ihrem Teller sitzen mussten, es kann aber sein, dass solche Maßnahmen angedroht wurden. Es gab dann nach dem „Mittagsschlaf“ und abends noch je eine Mahlzeit, aber davon habe ich nichts zu berichten.
Den „Mittagsschlaf“ fanden wir wohl alle schrecklich. Wie es durchgesetzt wurde, dass wir in dieser Zeit tatsächlich ruhig waren, weiß ich nicht mehr, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es ohne Strafen ging.
Womit wir die übrigen Zeiten des Tages verbrachten weiß ich nur noch bruchstückhaft. Einige Male durften wir Jungen an einer großen Windmühle weiterarbeiten, die irgendwann draußen aufgestellt werden sollte. Das machte mir großen Spaß, war aber nur selten. Auch im Wald waren wir oft und Spiele haben wir auch gemacht. Einmal haben wir mit den Mädchen unter Anleitung der „Tanten“ gebastelt. Ich meine, wir hätten auch Holz für ein Osterfeuer gesammelt, aber an ein Feuer kann ich mich nicht erinnern. Auf jeden Fall war zwischendurch immer viel Zeit, in der ich mich gelangweilt habe.
Die Postzensur machte mir keine Probleme, deshalb habe ich sie nicht wahrgenommen. Auch ohne Zensur hätte ich meinen Eltern nicht geschrieben, dass mir das Essen oft nicht schmeckt und schon gar nicht, dass ich auch mal eine Ohrfeige bekommen habe. Und Heimweh hatte ich ja – trotz einiger Negativerlebnisse – tatsächlich nicht und abgeholt werden wollte ich auch nicht. (Meine Eltern hätten ein solches Ansinnen, jedenfalls wegen solcher Kinkerlitzchen, auch abgelehnt.)
Der Erfolg einer solchen Erholungsmaßnahme wurde auch bei uns ausschließlich an der Gewichtszunahme gemessen. Bei mir kam eine Gewichtszunahme von 1kg (bei rund 30kg Körpergewicht) heraus. Ob damit die „Erholung“ als erfolgreich galt, weiß ich nicht mehr.
Alles in Allem war diese „Erholung“ für mich eine Enttäuschung, hat mich aber in keiner Weise traumatisiert. Es stand allerdings für mich fest, nicht noch einmal in eine solche Einrichtung fahren zu wollen.
Das ich das ganze hier poste hat seinen Grund darin, dass ich in diesen Seiten das Problem sehe, dass diese Maßnahmen hier zu sehr in einem negativen Licht gesehen werden und der Eindruck erweckt wird, der größte Teil der Kinder, die an solchen Maßnahmen teilgenommen haben, seien dadurch traumatisiert worden. Ich denke, vielen Kindern wird es ähnlich gegangen sein wie mir, d.h. ich habe mich nicht besonders wohl gefühlt, aber es war auch nicht die schrecklichste Zeit der Kindheit. Auch die Betreuer*innen waren wohl oft gutwillig, hatten den Umgang mit den Kindern aber nicht anders gelernt. Und die Leiter dieser Einrichtungen waren ja alle durch die Nazi-Zeit gegangen.
Ein Problem war wohl auch darin begründet, dass viele Kinder viel zu jung verschickt wurden, nicht vorbereitet waren und sich abgeschoben fühlten. Ich war ja immerhin schon fast 10, wusste, dass (fast) jedes Kind einmal zu Erholung fährt und wollte das auch. Ich wusste auch (und konnte die Zeit abschätzen) dass ich nach vier Wochen wieder nach Hause fahren würde und dass dann wieder alles beim alten wäre. So war es dann auch, und besondere negative Spuren hat dieser Aufenthalt bei mir nicht hinterlassen, allerdings auch keine positiven.
Ich habe jetzt viel mehr geschrieben als ich eigentlich wollte (weil mich das Thema eben doch bewegt) und dies ist schon die kurze Fassung. Eine noch etwas umfangreiche Fassung stelle ich wahrscheinlich in den nächsten Tagen in meinen persönlichen Blog, der unter diti-whv.de/wordpress im Internet zu finden ist.
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Cornelia Krück aus Hofgeismar schrieb am 23.07.2021
Im Jahr 1969 war ich wegen chronischer Bronchitis im Eisenbahn- Waisenhort Lindenberg/ Allgäu. Neben Kurkindern lebten dort, wie der Name schon sagt, auch Waisen oder Kinder, die vom Jugendamt aus der Familie genommen wurden. Zudem gab es eine geschlossene Abteilung für Kinder, die dort nach überstandener Tbc kurten. Das Heim selbst erlebte ich als sehr gross mit vielen Kindern, die in einem grossen Saal gemeinsam das Essen einnahmen. Es musste alles aufgegessen werden, auch wenn es nicht schmeckte. Ich erinnere mich an widerlich schmeckenden Brathering und dünnen Hagebuttentee. Geschlafen wurde in relativ grossen Mehrbettzimmern. Es gab regelmässige Untersuchungen, dazu Inhalationen. Spaziergänge mit der Gruppe waren obligatorisch. Als eher schüchternes und ängstliches Kind fühlte ich mich dort recht verloren, weinte viel und zog mich zurück. Schutz vor Schlägen durch ältere Kinder gab es nicht. An körperliche Misshandlungen durch das Personal kann ich mich nicht erinnern. Eher wirkten die Erzieherinnen unpersönlich und wenig empathisch. Auf die Ängste der Kinder, ihr Heimweh und andere Besorgnisse wurde überhaupt nicht eingegangen. Eher musste man damit rechnen, ausgelacht oder vor den anderen Kindern verspottet zu werden.Ausnahme war eine sehr einfühlsame Krankenschwester auf der Krankenstation, wo ich mich wegen einer Rötelnerkrankung die letzten Kurtage aufhalten musste. Bis heute habe ich eine Abneigung gegen Heimeinrichtungen jeder Art oder Krankenhäuser. Ich arbeite heute als Sozialpädagogin und versuche, den mir anvertrauten Kindern und Jugendlichen ein Höchstmass an Verständnis und Einfühlsamkeit entgegen zu bringen. Bisher ist mir das ganz gut gelungen, glaube ich.
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Georg Söder aus Nürnberg schrieb am 23.07.2021
Hallo,
ich war ein völlig normal gebauter, sich ständig in Bewegung befindlicher schmaler Junge, den sie in diesem Heim dicker machen sollten. Wer auch immer das veranlasst hat, ob Hausarzt oder Gesundheitsamt in Bad Neustadt an der Saale, hat jedenfalls das Falsche getan. Ich war 2 Wochen vor den Osterferien, während der zweiwöchigen Osterferien und zwei Wochen nach den Osterferien in Hafenpreppach „auf Kur“. Es war eine der schlimmsten Perioden meines Lebens. Geleitet wurde das Heim von einem katholischen Schwesternregimes der übelsten Sorte. Mir sind noch zwei der übelsten namentlich in Erinnerung. Es waren Geschwister und sie hießen mit Nachnamen Leuthäuser. Wir waren zu zehnt oder zu zwölft auf einem Zimmer mit Stockbetten. Bettnässen war an der Tagesordnung und Pech hatten die, die unten schlafen mussten. Ich hatte Pech. Das Essen war eine Katastrophe. Aufessen war unumgänglich. Als ich mich weigerte, die reinen Fettbrocken in der Kartoffelsuppe aufzuessen, wurde ich alleine im Speisesaal zurück gelassen mit der Maßgabe da so lange bleiben zu müssen, bis der Teller leer war. Nach einiger Zeit und mit panischem Ekel raffte ich mich auf und warf die Fettbrocken aus dem Fenster an der Wand hinunter, die glücklicherweise mit Wein berankt war, so dass der Aufprall der Fettbrocken abgemildert wurde. Nachdem ich mit dem Essen „fertig“ war, begab ich mich so bald es mir möglich war nach draußen, um die Fettbrocken in einen Kanaldeckel zu werfen. Züchtigungen jeglicher Art waren an der Tagesordnung im Unterricht wie auch im sonstigen Tagesverlauf. An Ostern hatten wir Besuch von unseren Eltern und mussten auf der Treppe stehend ein zuvor eingebläutes Lied „Das Wandern ist des Müllers Lust“ schmettern. So ziemlich alle Jungs heulten wie die Schlosshunde, die Holztreppenstufen wurden nass und dunkel. Das Zusammentreffen mit den Eltern war ein Drama. Zur Belohnung, dass ich da bleibe ins mich noch 3 Wochen „zusammenreiße“, wurden mir ein Paar Rollschuhe in Aussicht gestellt, die ich dann auch bekommen habe. Ich habe mir damals geschworen, dass ich das meinen Kindern, falls ich jemals welche haben sollte, nie antun werde. Ich habe zwei erwachsene Söhne und weder ein Heim- oder Internatsaufenthalt kamen infrage. Es ist eigentlich unglaublich, welch Leid Kindern sogar unter staatlicher Aufsicht in solchen Heimen, die ihren Namen nicht verdienen, angetan wurde. Ich war mittlerweile zweimal dort in Hafenpreppach, aber leider kommt man nicht mehr hinein, da es nun in Privatbesitz ist. Da sind jetzt 51 Jahre vergangen und das lässt mich nicht mehr los und ich weiß gar nicht, ob es mich psychisch geschädigt hat und wenn, wie oder nicht. Schön war es keinesfalls dort und für viele traumatisierend. ??
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Reuschling aus Ditzingen schrieb am 19.07.2021
Ich wurde im Alter von sechs Jahren für
Sechs Wochen, in ein solches Erholungsheim von meinen Eltern gebracht. Warum weiß ich nicht mehr, ich glaube wegen Keuchhusten und zu mager. Briefe, die ich natürlich nur bedingt schreiben konnte, wurden zensiert und nicht verschickt. Ich musste essen, was ich nicht mochte, damals Erbsen und Karotten Gemüse, und so lange am Tisch alleine sitzen bleiben, bis ich aufgegessen hatte. Und zur Not wurde nachgelegt. Danach ins Bett. Dort habe ich das erbrochen. Das Bett wurde nie frisch bezogen.
Man musste Mittagsschlaf machen, und liegen bleiben, bis eine Schwester kam. In diesem Alter natürlich nicht mehr notwendig. Auf die Toilette durfte man nachts nicht und auch nicht während dem Mittagsschlaf.
Ich wurde zur Strafe immer an meinen Zöpfen gezogen, und zwar nach oben, WAs besonders schmerzhaft ist. Es waren katholische Schwestern. Nach drei Wochen kamen meine Eltern zu Besuch. Da durfte ich fast nichts sagen. Ich hatte gebettelt mich nach Hause zu nehmen. Entweder ging das nicht, oder meine Eltern wollten es nicht.
Ich werde das alles nie vergessen! Ich bin jetzt 61!
Nach Hause kam ich dann mit Kopfläusen.
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Alfons Siepert aus 86825 Bad Wörishofen schrieb am 18.07.2021
Mit 5 und mit 8 Jahren war ich wegen asthmatischer Beschwerden im selben Kinderheim der Caritas.
Die Post wurde zensiert, sowohl eingehende, als auch ausgehende. Es wurde erheblicher Zwang zur Essensaufnahme ausgeübt. Erfolgskriterium war die Gewichtszunahme der Kinder in der Zeit der Verschickung.
Mochte jemand sein Essen nicht, wurde er gezwungen, den Teller leer zu machen.
Ich konnte und kann keine rohen Zwiebeln essen. Der aufgetischte Salat war gespickt damit.
Ich musste diesen Salat essen und musste ihn immer wieder auswürgen. Man gab mir immer wieder neuen Salat und ich musste das Erbrochene auch wieder aufessen. Manchmal hielten mich zwei „Schwestern“ fest, eine dritte hielt mir die Nase zu und die vierte stopfte mir den Salat in den Mund.
Es war eine oft praktizierte Prozedur, ich habe in meiner Gruppe innerhalb von 6 Wochen pro Verschickung mindestens 8-10 mal so eine Behandlung gesehen.
Insgesamt war Autorität, Gehorsam und Unterordnung kennzeichnend. Der Umgang mit den Kindern war rau, herablassend und konfrontativ.
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Ulrich Rodon schrieb am 18.07.2021
Ich war damals 6 Jahre alt und schon immer ein kränkliches Kind gewesen. Auf Anraten des Hausarztes kam ich in die Landverschickung nach Sylt. Es ging abends mit dem Zug aus Süddeutschland (BW) zusammen mit anderen Kindern los, obwohl ich noch an einer Zeckeninfektion kurierte. Eine karierte Decke zum Schlafen im Zug hatte ich mitbekommen. Da ich in dieser Zeit meinen Geburtstag haben würde, hatte ich auch schon mein Geburtstagsgeschenk, einen Steiff-Pinguin, dabei. Ich erinnere mich noch daran, dass das Erste, was in Klappholttal passierte, die Wegnahme der Kuscheltiere war, die im Gemeinschaftsraum sozialisiert wurden (was das Schlimmste ist, das ich der Einrichtung vorwerfen kann). Mein Kuscheltier bekam ich aber offensichtlich für nach Hause wieder zurück. Für mich als Kind war es furchtbar, dass man Joghurt (in Plastikbechern) essen musste, das ich nicht kannte. Immerhin durfte ich haufenweise Zucker reinpacken, um es überhaupt runterzubekommen. An Sanktionen oder Strafen kann ich mich nicht erinnern. Aber daran, dass ich jede Nacht bettnässte, Heimweh?, oder andere Gründe? (mein goldgesteifter Schlafanzug hing folglich jeden Tag auf der Leine). Ganz schlimm war, dass im Vorfeld meines Geburtstags andere Kinder schon Geschenke (ich erinnere mich an Süßigkeiten) von zuhause zugeschickt bekommen hatten (diese dann unter den Kindern verteilen konnten) und ich dies nun auch für meinen Geburtstag erwartet hatte. Es kamen zwei Postkarten: eine von meinen Eltern und eine von meinen Geschwistern. Da kommen mir noch heute die Tränen, mit 61 Jahren.

Was ich der Institution also ernsthaft vorwerfen kann: Das Wegsozialisieren meines Kuscheltiers.

Was waren generelle Probleme für mein Alter:
Mit aggressiven Jungs-Gruppen hatte ich schon damals wenig am Hut und natürlich das Heimweh.

Was habe ich Positives zu erzählen:
Ich habe dort sehr viel über die Sylter Umwelt und biologische und meeresbiologische Zusammenhänge gelernt. Ich studierte später dann auch Biologie. Weiterhin habe ich von meinen Mitschützlingen gelernt, wie man Knoten macht und wie man mit Gürteln schnalzt.
Die innere Sicherheit, dass man überall hin reisen kann, das bleibt mir bis heute.
Nachwirkungen:
Ich kam total fertig zurück nach Hause. Das Willkommensfoto von mir vor dem Haus meiner Großeltern spricht Bände.
Und: In der Folge machte meine Familie einen Urlaub in Italien. Wie meine Mutter erzählt, gab es dort auch solche Kindergruppen am Strand. Und ich wich diesen immer aus, was meine Eltern total irritierte.
In den 70ern wollten meine Eltern meine Nachzügler-Schwester auch in die Landverschickung geben. Da muss ich damals massiv protestiert haben.

Zum Thema: das wird erst jetzt aufgearbeitet.
Es muss schon in den 70ern, 80ern Presseartikel - ich vermute im Stern - zum Thema Klappholttal gegeben haben, da meine Mutter immer wieder davon erzählt, dass sie erschrocken sei, als sie von den Zuständen dort erfahren habe und was sie mir zugemutet hätte.
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Irmgard Manntz aus Berlin schrieb am 16.07.2021
Ich bin 1956 als Fünfjährige zu einer sechswöchigen Kur vom Kinderarzt nach Wyk auf Föhr wegen Unterernährung verschickt worden. Dort sollte ich aufgepäppelt und aufgebaut werden. Leider stellte sich vom ersten Tage an heraus, dass es hier nicht um Wohlfühlen, Erholung und Aufbau ging, sondern ein extrem autoritäres Regime von Tanten uns Kinder in jeglicher Hinsicht gängelte. Bei mir ging es täglich darum, dass ich alle Mahlzeiten komplett aufzuessen hatte, was ich aber nicht einhalten konnte, wenn es mir nicht geschmeckt hatte. Dann kam umgehend eine Strafmaßnahme: Einsperren im Badesaal. Wenn ich mich gegen andere "Regeln" auflehnte, weil ich sie nicht verstehen konnte, kam ich für viele Stunden in eine dunkle, fensterlose Kammer. Wenn wir im Schlafsaal noch gesprochen oder gesungen haben, wurde das ebenfalls mit Strafmaßnahmen belegt: man musste einzeln im Gang liegen, damit alle sehen konnten, dass man etwas "verbrochen" hatte... ich kann mich gar nicht mehr an alles erinnern (über die Jahre erfolgreich verdrängt), aber insgesamt war diese Kur eine Tortour mit Gefängnischarakter. Eine Erinnerung an Ausflüge oder Stranderlebnisse an der frischen Seeluft habe ich überhaupt nicht. Das hatte zur Folge, dass ich später mit meiner Familie zwar sehr gern an die Nordsee gereist bin, aber ausdrücklich niemals nach Föhr !!!
Ich habe diese Erlebnisse vor ein paar Jahren erstmalig meinem Mann erzählt, er war fassungslos und konnte verstehen, warum ich um Föhr einen großen Bogen geschlagen habe.
Ich habe erst heute durch den Tagesspiegel-Newsletter von dem Schicksal der "Verschickungskinder" gelesen und da ist alles wieder hochgekocht. Ich hoffe sehr, dass es heutzutage nicht mehr möglich ist, Kinder in einer Kur dermaßen zu drangsalieren!!!
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Michael schrieb am 16.07.2021
Ich war zu einer Kinderkur in den 70-er Jahre in Bad Dürrheim. Briefe der Eltern wurden allen Kindern öffentlich vorgelesen. Ich wurde gezwungen, einen Apfel und eine Tomate zu essen. Seither habe ich nie mehr einen Apfel und eine Tomate gegessen.
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Norbert schrieb am 10.07.2021
Ich war bei mit 12 Jahren bei den ältesten Teilnehmern, war schon ausgewachsen und wegen der Rückenprobleme als Kind eines Postbeamten über die Postbeamtenkrankenkasse auf Kindererholung in St. Peter Ording. Wir waren dort in Mehrbettzimmern untergebracht. Es gab durchaus in St. Peter Ording auch schöne Erlebnisse, aber das Meiste, dass ich dort erlebt habe, ist weg. Schön waren Strandgänge, das Fußballschauen und ähnliches. Ich kann mich auch an eine Sturmflut und gesammelte Muscheln erinnern.

Schon lange bewusste und bekannte Belastungssituationen: Obwohl mir Fisch und bestimmte Gemüsesorten nie geschmeckt haben musste ich täglich mindestens einmal Fisch und Gemüse essen, wer nicht gegessen hat wurde vor versammelter Mannschaft öffentlich gedemütigt, beschimpft und bestraft. Auch wir Jungs mussten täglich nackt unter Aufsicht von Frauen duschen.

Und dann der Sexueller Missbrauch: Weil ich wegen meiner im Alter von 6-7 Jahren Operation keine Vorhaut mehr hatte und somit von Klassenkameraden gehänselt wurde habe ich alle Situationen vermieden, in denen ich nackt war bzw. mein Glied sichtbar war. In Sankt Peter Ording habe ich also erst versucht in Badehose zu duschen, nachdem dies mir verboten wurde habe ich erst mit dem Rücken zu den Betreuerinnen geduscht, später wurde ich gezwungen mich mit dem Gesicht zu den Betreuerinnen hin zu duschen und alle Stellen des Körpers wahrnehmbar vor den Augen der Betreuerin zu waschen. Scheinbar war das nicht „ordentlich“ genug, weil ich dann in den besonderen Fokus geraten bin und im Bett regelmäßig „Sand-Kontrollen“ gemacht wurden. Da im Bett „Sand gefunden“ wurde bei mir regelmäßig kontrolliert. Der konkrete Mißbrauch erfolgte so: Eine Betreuerin hat mich im Bett „kontrolliert“ und solange an meinem Glied rumgemacht bis ich einen Orgasmus hatte, danach hat sie gesagt „So jetzt bist Du ein Mann“. Das Ganze hat in einem vollbelegten Mehrbettzimmer bei Verdunkelung stattgefunden. Ich musste stillhalten und schweigen. Dabei fühlte ich mich hilflos und ohnmächtig und lag mit der „Sauerei“ im Bett. Ich konnte mit Niemanden über dieses Ereignis sprechen, weder dort noch später mit meinen Eltern und habe es tief in mir vergraben, verdrängt und vergessen bis es 2020 wieder da war. Trotzdem hatte ich jahrelang Albträume, ekele mich seitdem vor Fisch und dem Geruch von Samen und habe über die Jahre PBTS und andere psychische Probleme entwickelt.
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Günther Beirle aus Fürstenfeldbruck schrieb am 09.07.2021
Ich war im Sommer oder Herbst 1975 im Alter von 6 Jahren für 6 Wochen in Neustift/Passau zur „Kur“. Das Haus wurde von Orden der Benedikterinnen der fortwährenden Anbetung (damaliger Name) geleitet, und war bis 1965 eine TBC-Kinderheilstätte. Das Haus wurde 1988 abgerissen.
Vorangegangen war eine Schulvoruntersuchung, bei der meine Reife für die Einschulung begutachtet wurde, weil ich erst kurz vor Schuleintritt 6 Jahre alt wurde. Ein Mann mit mir unbekannter Profession legte dazu meinen Arm über den Kopf, da meine Hand das Ohr nicht erreichte, empfahl er eine Rückstellung und eine 6wöchige Erholungskur. Meine Mutter brachte auch mein nächtliches Verlangen, ins elterliche Bett zu krabbeln, ins Gespräch. „Das gibt sich dann“ sagte der Mann.
Vorangegangene Traumatisierungen kamen leider nicht zur Sprache, wie beispielsweise der Unfall meines Vaters 2 Monate vor meiner Geburt, die ihn durch schwere Gehirnblutungen schwer geistig behindert zurückließen. Oder die Umzüge von Ulm nach Koblenz, und von dort nach München, bei denen ich jeweils Umfeld, Freunde und Umgebung aufgeben musste.
Die Wochen vor der Verschickung bekam ich zunehmend immer mehr Angst, und weinte und bettelte darum, daheim bleiben zu können. Meine Mutter war jedoch in Ihrer eigenen (Nachkriegs-)Kindheit selbst auf Erholung gewesen, irgendwo am Meer, und hatte nur positive Erinnerungen daran. (Das muss man vielleicht auch im Kontrast zu Ihren Erlebnissen im Elternhaus und später in diversen Heimunterbringungen sehen, die gleichermaßen geprägt von Gewalterlebnissen waren)
Ich kann mich noch gut an den Reisebus erinnern, in dem ich dann zusammen mit anderen Kindern saß. Der fuhr irgendwo in München ab. Draußen vor dem Fenster stand meine Mutter und winkte, ich hörte irgendwann zu weinen auf.
Obwohl ich über ein gutes und detailliertes Erinnerungsvermögen verfüge, habe ich an die folgenden 6 Wochen ab diesem Punkt so gut wie keine Erinnerung, nur ganz wenige Bilder und Szenen sind für mich greifbar.
Ich wurde krank vor Heimweh, hatte Bauchschmerzen und Durchfall. Im Speisesaal sitze ich an einem runden Tisch mit etwa 6 anderen Kindern. Eine Nonne tritt hinter mich und sagt: „Hier stinkst. Hast Du wieder in die Hose geschissen?“. Ich nicke, und sie führt mich aus dem Raum in ein kleines Bad. Das Bad liegt direkt an dem Korridor, der aus dem Speisesaal zurückführt. Bei offener Tür werde ich abgeduscht, die anderen Kinder sehen beim zurückgehen vom Speisesaal zu mir herein.
Zur Mittagsruhe lagen wir auf unbequemen Decken auf dem Boden eines großen Raumes, die wie eine Tabelle ordentlich ausgelegt waren. In der Mitte stand ein Schreibtisch, an dem eine Nonne saß und uns überwachte. Wir mussten lange Zeit dort liegen, ohne Sprechen, und mit geschlossenen Augen. Ich erinnere mich, die Angst entwickelt zu haben, irgendwo hinzublicken, wo auch die Nonne hinsah, weil sie meinen Blick dann bemerken könnte.
Ich erinnere mich an einen Spaziergang im Wald.
Baden und Haarewaschen fand in einem seltsamen Bad statt, ein großer Raum mit mehreren Badewannen hintereinander, alles weiß gekachelt. Ich erinnere mich an eine grobe Nonne, die mir den Kopf nach hinten hielt und sagte, ich solle mich nicht so anstellen, da ich wegen des Wassers in den Augen weinte.
Ich erinnere mich an einen Versuch, nachts auf Klo zu gehen, und die Angst dabei. Ich wurde von einer Nonne im Gang erwischt, weiß aber nicht, was daraufhin geschah.
Es gab wohl ein Telefonat zwischen dem Heim und meiner Mutter und Stiefvater, die eigentlich wegen der Nähe (München/Passau) einen Besuch versprochen hatten. Das Heim empfahl, darauf zu verzichten, sonst würde es schlimmer werden mit dem Heimweh.
Ich erinnere mich an ein Hallenbad, da war dann auch mal ein Mann dabei statt den Nonnen. Ich wollte nicht ins Wasser springen und wurde hineingeworfen.
Da ich nicht untertags in der Schule war wie die meisten anderen, war ich immer bei ein paar Nonnen in der Stube. Ich musste basteln, Holzkreisel verzieren und Bastbienen flechten. Das durfte ich aber nicht behalten, das wurde als Andenken verkauft.
Im Schlafsaal waren etwa 10 Betten, ich erinnere mich an nächtliches Weinen, und dass mir die älteren immer meine Sachen weggenommen haben. Das ließ mich endgültig verzweifeln, meine Mutter legte doch sehr Wert darauf, daß man ordentlich mit seinen Dingen umgeht. Es ging um ein Nagelpflegeetui und einen Gürtel, die ich nicht zurückbekam. Tatsächlich schrieb meine Mutter das Heim später noch an, und ließ nach dem Gürtel nachforschen.
Ich habe noch ein Bild von Beten und Singen in einer kleinen Kirche oder Kapelle, das war wohl ein Raum im Haus.

An Spielen oder interagieren mit anderen Kindern kann ich mich nicht erinnern, an kein Lachen, kein Frühstück, kein Anziehen oder Ausziehen, kein Aufstehen, kein Trösten. Was habe ich den ganzen Tag gemacht? Ich weiß es nicht. Ich kann mich auch nicht erinnern, wie ich nach Hause kam.
Ich glaubte irgendwann nicht mehr, daß ich wieder nach Hause komme. Ich war schon nach wenigen so verloren und verzweifelt, daß ich mich selbst völlig aufgab. Ich hatte mein Zuhause irgendwie vergessen. Wie es dort weiterging, ob ich meiner Mutter je erzählt habe, wie es dort war, ob sie hat ahnen können, was mit mir passiert ist? Ich weiß es nicht. Meine Erinnerung fängt erst Monate nach der Rückkehr wieder an. Die Beziehung zu meiner Mutter war nie wieder wie vorher.
Im späteren Leben fiel Vieles schwer: Schwimmen lernen, meinen Eltern vertrauen, Wegfahren, vor Menschen sprechen, Menschen vertrauen, mich selbst mögen, Glauben geliebt zu werden, Gott nicht zu fürchten, Essen in größerer Gesellschaft, Trennungsangst ertragen, Freunde finden, Autorität ertragen, Menschen hinter Schreibtischen ertragen. Um nur einiges zu nennen.
Mit 25 Jahren begannen Panikattacken und anhaltende Angstzustände, wenn ich verreiste. Bis heute ist das immer schlimmer geworden, Urlaub ohne Angst ist nur mit Medikamenten übrig. Angst, Selbstzweifel, Konzentrationsstörungen, Schwindel, Beklemmung, Durchfall, Panikattacken, Zwänge und Depression begleiten mein Leben ebenso wie therapeutische Behandlungen. Aber erst jetzt, durch meine später Vaterschaft und einem Sohn, der bald in das Alter kommt, in dem ich damals war, wurde mir unangenehm heftig bewusst, welches Trauma mir bislang mein Leben vehunzt hat. Erst kurz danach entdeckte ich, dass es nicht nur ein „böses“ Heim gab.

Und jetzt steh ich hier, im Bewusstsein, das ganze Generationen habgieriger Akteure, Mitarbeiter und Betreiber, Träger und Ämter im Wohlfahrtswesen - gleich einer Industrie - ganze Generationen Schutzbefohlener aus finanziellem Interesse, vielleicht gelegentlich gespickt mit Lust am Sadismus, vermarktet und ausgebeutet haben. Und dabei die Kindheit und Zukunft von Millionen deformierten oder zerstörten.
Alles was bleibt, ist, lückenlos, bedingungslos und ausnahmslos die Zusammenhänge aufzuklären, damit alle beteiligten Institutionen ihren heute tadellosen Leumund und ich prächtiges (und gewinnträchtiges) Erscheinungsbild nur behalten können, wenn sie sich zu Ihrer Verantwortung bekennen.
Wer auch in Passau war und Interesse am Austausch hat: es gibt eine Passauer Gruppe im Forum.
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Helmut Althaus aus Simmern/Hunsrück schrieb am 08.07.2021
Ich wurde von meiner Mutter zum nächsten Bahnhof gebracht. Dort war bereits eine andere Mutter aus unserem Dorf mit ihrer ca. achtjährigen Tochter, die ebenfalls verschickt werden sollte. Ich habe dieses Mädchen später in Bad Rappenau niemals gesehen. Mädchen waren wohl in einem anderen Bereich des Heimes untergebracht. Jedenfalls ging es mit dem Zug von Tanten begleitet weiter. Bis Bad Rappenau war die Zahl der Kinder, die unterwegs zustiegen, zu einer stattlichen Gruppe angewachsen. Vom Bahnhof ging es per Fußmarsch ins Kinderheim.

Wenn ich nun, natürlich ohne Belastungseifer und um Objektivität bemüht, meine Eindrücke schildere, so muss die Zeit berücksichtigt werden. Als Kind war man einiges gewohnt und abgehärtet. In der Schule wurde noch geprügelt. Selbst der Ortsgeistliche, der auch als evangelischer Religionslehrer fungierte, hatte mich Monate vorher mit einer Drachenlatte (vom Werkuntericht übriggeblieben, weil zu schwer) geprügelt. Dass ich sechs Wochen vorher am Blinddarm operiert worden bin, spielte da keine Rolle. Der Grund für die Strafe war das Vergehen, am vergangenen Sonntag seinen Kindergottesdienst „geschwänzt“ zu haben. Perfide war auch das installierte Spitzelsystem des Seelsorgers. Ein Schüler seines Vertrauens, ein eifriger Kirchgänger, musste zu Beginn der Unterrichtsstunde vor der Klasse die Namen laut verlesen, damit Pfarrer Dr. Rieger (Jahrgang 1913) wusste, wen er über die Bank zu legen hatte. Eben Methoden der Denunziation, wie sie in der NS-Zeit üblich waren. Man hatte es in den ersten drei Jahrzehnten nach dem Krieg mit Erwachsenen zu tun, die selbst im Nationalsozialismus erzogen worden waren und diesen Zeitgeist noch lange mehr oder weniger verinnerlicht hatten.

Ich war ein guter Esser und hatte hier  keine Probleme. Die Küche war natürlich. Im Grunde war das Essen so schlecht nicht. Ich kann mich noch gut an den Joghurt im Glas erinnern, Naturjoghurt und nicht der heute oft gereichte Fruchtjoghurt mit allerlei Chemiezusatz. Gerne gesehen wurde es, wenn er mit einem oder zwei Löffeln Zucker kalorienreicher gemacht wurde. Das konnte man aber selbst entscheiden. Geschlafen wurde im kargen Jungen-Schlafsaal. Die etwas betagten Eisenbetten, vielleicht noch aus Wehrmachtsbeständen, hatten keinen Lattenrost, sondern lediglich eine Drahtbespannung. Nachmittags war in einer offenen, überdachten Halle aus Holz im Grünen die gut überwachte Mittagsruhe zu halten. Das bedeutete stundenlang still zu liegen. Vorher wurde noch die Post verteilt. Das Heimweh war auch für einen Zehnjährigen ein gewaltiges Problem. Kam mal mehrere Tage keine Post, war das für die kindliche Psyche eine Katastrophe. Ein- und besonders ausgehende Post wurde selbstverständlich kontrolliert, wahrscheinlich auch mal zurückgehalten. Als Kind war man von zu Hause abgeschnitten. Ein Telefon gab es in normalen Haushalten damals nicht. Anrufe von zu Hause wären sicher unterdrückt worden. Der Sommer 1957 war sehr heiß. Das Fußballspielen auf der Wiese untersagte man uns. Wir sollten ja an Gewicht zunehmen. Wir wurden oft gewogen und das Ergebnis in eine Kladde eingetragen. Erinnern kann ich mich an begleitete Spaziergänge, auch in den Wald. Wir bauten dann mit Steinen kleine Dämme in den Bach. Nach dem Abendessen wurden meist Volkslieder gesungen. Es wurde auch ein kleines Theaterstück einstudiert. Ich hatte eine unbedeutende Nebenrolle. Andere waren wohl talentierter, was von den Tanten durchaus wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Einmal wurde ich zur Oberin gerufen. Mein Vater stand im Eingangsbereich, daneben mit strengem Blick und Regiment die Oberin des Diakonissenhauses. Der Abstand war ca. 5 Meter. Es wurde kaum etwas gesprochen, Nach gefühlt einer oder zwei Minuten wurde ich wieder zurückgeführt. Mein Vater konnte seine Gefühle nicht gut ausdrücken. Traumatisiert aus dem Kriege heimgekehrt, gab es damals keine Hilfen in Form von therapeutischer Betreuung. Jeder, und es gab sehr viele, musste mit seiner posttraumatischen Belastungsstörung allein zurechtkommen. Viele sind dem Alkohol und/oder anderen Süchten verfallen. Hintergrund war wohl, dass meine Mutter gedrängt hatte, den Jungen (sehr wahrscheinlich unangemeldet) spontan zu besuchen, auch wenn es eigentlich verboten war. So musste mein Vater mit dem Moped (ein Auto hatten wir damals noch nicht) im 40 Km/h Tempo vom Landkreis Mannheim, wo wir wohnten, über rund 48 Km Landstraßen nach Bad Rappenau zuckeln.

Vielleicht gibt es Personen, die als Kind auch in Bad Rappenau waren und zu einem Gedankenaustausch bereit wären. Ich würde mich freuen. Mein Bettnachbar Harry ist mir unter anderen noch gut in Erinnerung. Ebenso ein Dieter Rettig.
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Gabi aus München schrieb am 06.07.2021
Ich war öfter in verschiedenen Heimen, zur "Erholung" nach Kinderkrankheiten und weil ich lt. Hausärztin "zu dünn" war. Mein letzter Heimaufenthalt war mit 13 in Neustift /Passau. Das wurde damals von Nonnen geführt.
Auch ich wurde zum Essen gezwungen - jeden Morgen, weil ich generell eigentlich nie etwas zum Frühstück aß. Ich zwang mir selbst eine halbe Semmel mit Marmelade runter, wurde aber regelmäßig gezwungen die zweite Hälfte auch zu essen. Was regelmäßig dazu führte, dass ich dann ALLES wieder erbrechen musste (heimlich natürlich, sonst hätte ich ja wieder alles neu essen müssen).
Wenn man etwas nicht aß, musste man so lange sitzen bleiben, bis man es eben doch gegessen hatte. Als ich spät abends immer noch alleine im Dunkeln im Speisesaal saß, löste ich das Problem, in dem ich den verhassten Brathering auf den Boden warf. Eine der Nonnen (eine einzige!) war sehr lieb und brachte mir dann mitten in der Nacht heimlich noch ein Brot mit Teewurst.
Post wurde kontrolliert, Pakete von zuhause konfisziert und der Inhalt - angeblich - an alle Kinder verteilt.
Es wurde viel gebastelt, aber nur mit den Kindern, deren Eltern ausreichend Geld mitgegeben hatte (bei mir ging es leider nach einer Weile zur Neige); der Rest musste zugucken.
An konkrete körperliche Strafen kann ich mich nicht erinnern, aber angedroht wurden wirklich pervese Strafen (mit Brennesseln unter den Po schlagen), zB für das Tragen von in den Augen der Nonnen "nicht angemessener" Kleidung.
Gefallen haben mir aber die häufigen Wanderungen, bei denen auch immer gesungen wurde. Da war man auch freier und nicht so massiv "beaufsichtigt".
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Christina Sonnenschein aus Leer schrieb am 06.07.2021
Ich schreibe hier für meine Mutter Ursula Anneliese Hojenski. Sie ist 1948 geboren und verstarb leider 2015. Meine Mutter hat mir immer wieder von ihrem schlimmen Kuraufenthalt auf Norderney erzählt.
Als besonders schlimm waren mir die Essensituationen in Erinnerung geblieben, von denen sie erzählte. Kinder mussten ihr Essen essen, egal ob sie das Essen nicht mochten oder satt waren, man blieb so lange sitzen, bis man auf gegessen hatte.
Manche wurden bestraft. Manche erbrachen sich. Meine Mutter konnte kein Wirsing- oder Porreegemüse mit weißer Soße essen, weil sie sich im Heim so davor geekelt hat und das trotzdem mehrfach essen musste, bis zum würgen, bis zum erbrechen.
Es gab noch andere Erzählungen, jedoch ist mir diese besonders in Erinnerung geblieben, als Kind.
Ich weiß, das es noch Fotos von dem Aufenthalt gibt und werde diese raus suchen.

Viele Grüße
Christina
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Frank Heine aus 58332 Schwelm schrieb am 05.07.2021
Ich war 1965 im Alter von 7 Jahren für 6 Wochen auf Borkum, und keine Erinnerung mehr an das Heim, ich weiß nur noch das ich sehr viel Heimweh hatte und sehr viel geweint habe, eine schlimme Zeit.....
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Regine u. Birgit Tummascheit aus Seligenstadt schrieb am 05.07.2021
Meine Schwester und ich sind in den 70er Jahren von den Eltern nach St.Peter Ording geschickt worden.Ich glaube das Heim hies Haus Lorenzen. Es war eine traumatisierende Zeit. Es wurde geschlagen, wir durften auch nicht auf die Toilette, nur in bestimmten Zeitabschnitten, Nachts saßen die Aufsehrinnen in den Gängen und wehe man schlief nicht, man wurde geschlagen. Morgens musste jeder sein Bett stramm Ziehen und Fachgerecht legen und wehe man tat es nicht. Gab es wieder schläge. Das Essen war oft nicht so doll. Es gab schlimme Szenen am Tisch, ein junge Erbrach sein essen und musste auch dies aufessen, was uns alle erschrak, alle hatten Angst. Die Post wurde überprüft, die Päckchen die unsere Mutter sand wurden uns weggenommen und unter allen verteilt. Mittags mussten wir am Essenstisch im sitzen Schlafen, danach Wandern, was für mich das schönste war. Morgens mussten wir uns mit eiskaltem Wasser abduschen, es war eine schreckliche Zeit. Die sechs Wochen waren ein Alptraum. Ich war froh das meine Schwaster bei mir war. Ich vergesse bis heute nicht, das unsere Mutter fragte was wir uns zu essen wünschen wenn wir Heim kommen. Wir wünschten uns Pommes und Curry Wurst, ich war erst 9 Jahre jung und bekam vor meinem Teller einen Nervenzusammenbruch und heulte Rotz und Wasser, konnte vor lauter weinen nicht essen. So schlimm waren die 6 Wochen. Das vergesse ich nie.
Auch meine Brüder und meine kl. Schwester waren Verschickungskinder und haben schreckliches erlebt. Eine schlimme Zeit war es. Schade das die sogenannten Erzieherinnen nie zur rechenschaft gezogen wurden. Ich hoffe sie bekommen wo immer sie auch sind ihre Strafe.
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Ellen aus Berlin schrieb am 05.07.2021
Nach einem 6 monatigen Krankenhausaufenthalt wegen einer Hilusdrüsen TBC wurde ich im Dezember 1952 ins Allgäu verschickt. Die erneute Trennung von meiner Familie ist mir damals sehr schwer gefallen. An das Haus und die Furcht einflößenden Nonnen mit ihren großen Hauben kann ich mich heute noch gut erinnen. Gerade 7 Jahre alt geworden hatte ich schreckliches Heimweh, das durch die extreme Strenge und eine Athmosphäre ohne jegliche Empathie noch verstärkt wurde. Einmal gab es zum Mittag Sülze. Ich biß auf ein Stück Knorpel und mußte würgen. Unter Strafandrohung wollte man mich zwingen alles aufzuessen, aber ich habe mich konstant geweigert. Nach einer Tracht Prügel musste ich dann "Stramme liegen": Auf einer Pritsche auf dem Rücken, Hände seitlich an den Körper und Augen zu. Ich kann micht nicht erinnern wie lange, aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor, zumal bei der geringsten Bewegung oder dem Öffnen der Augen eine strenge Ermahnung erfolgte. Meine Rettung damals war eine junge Praktikantin, die mich in ihr Herz geschlossen hatte. Sie half mir, nach Hause zu schreiben - ich war gerade 4 Wochen in der Schule, als die TBC ausbrach - und las mir die Post und kleine Büchlein vor, die ich von Eltern und Geschwistern geschickt bekam. Ich kam dennoch gut erholt aber vor allem überglücklich nach der Kur wieder nach Hause. Es ist lange her, aber bis heute habe ich extreme Trennungsängste und eine Aversion gegen alles, was auch nur nach Knorpel oder Fett aussieht.
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Friedrich aus Hessen schrieb am 05.07.2021
Ich war mit ca 5/6 Jahren in Bad Sachsa mehrere Wochen in einem Heim (vielleicht im Borntal?) und im glaube im nächsten Jahr auf Norderney für 6 Wochen.
Ich habe nur vage Erinnerungen an die Heime und suche andere, die dort waren als Insassen oder Praktikanten.
Soweit ich mich erinnern kann, waren es in Bad Sachsa aussen dunkle Gebäude, vielleicht Holz Fassade. Danach war ich nochmal für 6 Wochen in einem Kinderheim in Norderney.
An Bad Sachsa kann ich mich nur ganz vage erinnern, an Norderney etwas mehr. Dort gab es nicht viel zu trinken, ich hatte immer Durst. Einige Zeit war ich auch krank mit Mittelohrentzündung. Wenn man Nachts laut war, wurde man in den Waschraum gesperrt und musste auf einer Liege schlafen. Das nutze ich aus, um heimlich Wasser aus dem Hahn zu trinken. Nach dem zweiten Heim hab ich meinen Eltern mit Selbstmord gedroht, wenn sie mich nochmal weg bringen.
Noch heute lösen einige Eindrücke, wie zb das Lied "kein schöner Land" intensive Gefühle von Trauer und Schmerz aus und ich habe mich immer gefragt warum, ich glaube es wurde in Bad Sachsa oft gespielt. Nach diesen Heimen war das Verhältnis zu meinen Eltern nicht mehr wie vorher.
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Bodo Behrens aus Berlin schrieb am 05.07.2021
Ich war im Januar/Februar 1959 im Alter von 10 Jahren für 6 Wochen zur Erholung im Kinderheim Dr. Ewald in Wüstensachsen/Rhön.
Einige Dinge sind mir in lebendiger Erinnerung geblieben. Erst einmal das absolut strenge Regiment. Es gab überhaupt keine Empathie seitens der Erzieherinnen, was bei dem fürchterlichen Heimweh, das einen bewegte, unbedingt nötig gewesen wäre. Es gab ausschließlich das Prinzip von Befehl und Gehorsam. Das entsprach wohl dem Erziehungsstil vieler in den 50er Jahren. Die Post nach Hause wurde strengstens zensiert. Es war absolut verboten, heimlich eine Postkarte nach Hause zu schicken. Davor wurde ständig gewarnt.
Jeder Tag war bestimmt durch ausgedehnte Wanderungen durch die Rhön. Das Essen war ein besonderes Thema. Ständig gab es Quark mit Kartoffeln und ein Fruchtmüsli. Man wurde regelrecht gemästet. Natürlich musste man seinen Teller leer essen. Konnte man nicht mehr essen, musste man trotzdem weiter essen. Im Extremfall erbrachen sich Kinder und mussten dann das Erbrochene essen. Der Grad der Erholung wurde an der Gewichtszunahme gemessen. „Du hast dich ja gar nicht erholt“, sagte Dr. Ewald bei der Abschlussuntersuchung zu mir. „Du hast ja gar nicht zugenommen.“
Es ist zwar nicht so, dass ich bleibende Schäden durch die Verschickung entwickelte, aber die Zeit ist mir in äußerst negativer Erinnerung geblieben, obwohl man mich eigentlich überwiegend in Ruhe gelassen hatte. Aber ich erinnere mich mit Grausen daran, wie andere Kinder behandelt wurden.
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Gabi Talavera aus Lüdenscheid schrieb am 05.07.2021
Ich war damals 5 oder 6 Jahre alt und musste wegen einer chronischen Bronchitis für 6 Wochen zur "Kur". In Wahrheit war es dir Katastrophe. Wir schliefen zu vielen in einem Saal und durften nicht auf die Toilette. Wer es nicht schaffte bis zum nächsten Morgen anzuhalten, wurde bestraft. Nicht nur, dass das Heimweh in dem Alter furchtbar ist, es kam noch eine permanente Angst dazu. Ich kam völlig traumatisiert nach Hause zurück.
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Andrea Oeden aus Amorbach schrieb am 05.07.2021
Auch ich war für 6 Wochen in Kur wegen Untergewicht. Dies wurde über die Schuluntersuchung des Gesundheitsamtes festgestellt. Ich hatte dort schreckliche 6 Wochen, unendliches Heimweh kam dazu. Ich war damals 10 Jahre alt und wurde so erzogen die Erwachsene haben immer recht und was diese sagen muss gemacht werden. Die Betreuerin waren junge unqualifizierte Mädels die nachts feierten und Spass daran hatten uns Nachts Angst ein zu jagen indem sie stets behaupteten in dem Schloss würde im Keller ein Geist wohnen. Dies war das schlimmste für mich konnte kaum schlafen vor Angst. Außerdem wurden alle Briefe, einmal wöchentlich, zentriert. Päckchen von den Eltern wurde einbehalten und an die Gemeinschaft aufgeteilt. Zu
Trinken war uns nur zu den Essenszeiten erlaubt, es gab stets Tee, trank man heimlich Wasser aus dem Wasserhahn auf der Toilette und wurde erwischt gab es Ärger und Sanktionen. Zum Frühstück gab es Müsli und Dies musste immer aufgegessen werden obwohl ich keine Milch mag. Hat jemand erbrechen musste er dies mit dem Rest des Müsli aufessen.
Ich sollte vom Gesundheitsamt das darauf folgende Jahr wieder für 6 Wochen nach Hafenpreppach. Ich drohte daraufhin meiner Mutter mich umzubringen welche daraufhin Abstand nahm.
Meine Mutter erzählte der Dame des Gesundheitsamt meine Ängste und Erlebnisse und diese meinte sie hätte noch keine Beschwerde und Aussagen wie ich sie machte, gehört. Geglaubt wurde mir zwar nicht aber ich musste nicht mehr hinfahren.
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Jürgen aus Kernen schrieb am 05.07.2021
Hallo, ich war Anfang der 70er Jahre 2x in St. Peter Ording wegen Bronchitis und kann, wenn mich meine Erinnerungen nicht täuschen, nichts nachteiliges sagen. Wir hatten viel Sport, waren oft im Wellenbad und strandspatziergaenge.
Was nachteiliges habe ich nicht im Gedächtnis.
Wie das Essen war und die Unterbringung ist mir nicht mehr im Sinn. Ich habe eigentlich nur gute Erinnerungen, vielleicht auch die schlechten verdrängt
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Monika Beer aus Köln schrieb am 05.07.2021
Ich habe den Beitrag gerade in "VOLLE KANNE" gesehen. Leider habe ich nur sehr schwache Erinnerungen. Bin ca 1964/65 im Schwarzwald zur "KUR" geschickt worden um zuzunehmen. An Kellereisperrungen kann ich mich erinnern. An "TELLER LEERESSEN" (incl. Erbrochenes) kann ich mich erinnern. Leider weiß ich nicht mehr.
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Rüdiger aus Bruchmühlbach schrieb am 04.07.2021
Mein Name ist Rüdiger.
Ich bin das erste mal mit 6 Jahren wegen meines Asthmas "Verschickt"worden. In Oberstdorf, im Algäu lagen wir in großen Zimmern mit uralten Eisenbetten. Ein anderes Kind, etwa in mienem Alter hatte hohes Fieber und schrie unaufhörlich nach seiner Mutter. Er wurde dann von den Betreuerinen auf eine nicht nette Art "Zurechtgewiesen". Meine Eltern hatten sich damals gewundert, dass ich die ersten 14 Tage nach dem Aufenthalt fast nicht geredet habe. Wenn ich davon erzählen wollte was da los war, sagten sie mir in meinen Briefen hätte ich doch immer Geschrieben wie schön es dort ist und wie gut das Essen war. Diese Zeilen musste ich in jeder Verschickungskur unter Androhnung von Strafe schreiben!! Das letzte mal, das ich "Verschickt "wurde war 1977 nach Langeoog,Diese sogenannte Kur hätte ich um ein Haar nicht überlebt. Nach dem ich fast 6 Wochen am Stück Leber zum Essen bekam, auch unter Zwang ,war ich froh endlich wieder zu Hause zu sein,Ich kam direckt nach der Kur als Notfallpatient ins Krankenhaus mit einer Doppelseitigen Lungenentzündung, über 40 Grad Fieber und meine Mutter sagte mir, ich hätte 4 Tage lang Blut gebrochen. Meine Lungenentzündung war ein Resultat der Schlechten Betreuung von uns Kindern. beispielsweise, wenn wir im Watt waren und sich keiner dafür interressiert hat, dass unsere Gummistiefel randvoll mit eiskaltem Wasser waren. Ich dachte, dass ich mit meinen Erfahrungen alleine bin, bis ich diese Seite erst vor kurzem entdedckt habe. Daduch ist vieles wieder hoch Gekommen, aber man muss immer nach vorne schauen. Ich bin froh, dass ich die Geschichte Überlebt habe!
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Birgit aus Köln schrieb am 04.07.2021
Ich wurde im Mai 1971 nach Langweiler im Hunsrück, nahe Idar-Oberstein verschickt. Wurde wohl als Vorbereitung zur vorzeitigen Einschulung und weil ich dünn war dorthin geschickt. Ich war sehr schüchtern und habe mich relativ vegetarisch ernährt ("sogut wie kein Fleisch, was zu den Zeiten ungewöhnlich war"). Kann mich leider an sogut wie nichts erinnern ("Ich liege im Schlafsaal ? und die Tür ist einen Spalt geöffnet, wo Licht rein kommt"). Habe noch 1-2 Bilder von dem Aufenthalt , allerdings fehlen mir Unterlagen zur Einweisung o.ä. Wer war in dieser Zeit auch in Langweiler ??? Ich mag z.B. keinen Sellerie, allein der Geruch und die gekochte Konsistenz ist für mich ekelig
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Britta aus Ulm schrieb am 04.07.2021
Ich wurde wahrscheinlich 1969, oder früher verschickt. Ich hatte Untergewicht und somit ging es alleine mit dem Zug nach wyk auf Föhr. Ich habe mich noch nie zuvor so verlassen und einsam gefühlt. Ich konnte meine Gefühle nicht einordnen und eine Welt brach zusammen. Auf der Fähre dachte ich hier endet die Welt und was hab ich getan , das ich hier alleine sein muss. Ich kann mich noch an folgendes erinnern :
Nur in eine Richtung schlafen
Augen mussten geschlossen sein.
Erbrochenes mehrfach essen müssen
Nicht aufs Klo dürfen
Zur Strafe im Flur auf einer Bank schlafen , ohne Decke oder Kissen
Bei nasser Hose kein Wechsel der Kleidung, sondern vorführen bei den anderen Kindern
Kalt baden
Paket nicht behalten dürfen
Schläge
Bei weinen Strafe
Es war eine schreckliche Zeit und viele Dinge begleiten mich noch heute in meinem Alltag
Was mir aus dieser Zeit geblieben ist , ist ein Seepferdchen und eine Karte aus donaueschingen, dort war ich wohl auch mal verschickt. Konnte zu diesem Zeitpunkt schon schreiben, mich aber überhaupt nicht erinnern
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Nicole aus Frankfurt schrieb am 04.07.2021
Auf alten Fotos ist auf der Rückseite das Datum 18.04.77 und auf anderen der 15.05.77 aufgedruckt, sowie der Ort, somit muss ich mindestens in dem Zeitraum in der Bergklause Maria Frieden in 7861 Mambach gewesen sein. Nur fehlen mir jegliche Erinnerungen an diese Zeit, einfach nichts. Womöglich ist das mit 4,5 Jahren normal. Vor ein paar Wochen fing ich an zu googeln und bin recht schnell bei dem Thema Verschickungskinder gelandet und war entsetzt. Also fragte ich meine Mutter, warum sie mich in dem Alter weggegeben hatte und sie sagte das hätte sie nicht. Aber es gibt doch Fotos ich muss da gewesen sein. Eine Mutter kann das doch nicht vergessen. Ich war doch noch so klein, da schickt man sein Kind doch nicht einfach weg und erinnert sich nicht mehr daran. Dann erzählte ich ihr was ich über die Verschickungskinder gelesen hatte. Nach vielen Stunden reden und noch viel mehr Tränen von uns beiden hatte ich Antworten, die dennoch nur für Vermutungen über das wieso, weshalb und warum reichen. Aber noch immer wusste ich nichts über meine Zeit dort. Sie erzählte wie sie mich am Bahnhof abholte und ich als letzte im Zug saß und nicht aussteigen wollte. Mein Verhalten und mein Wesen hatte sich verändert zu sehr ruhig, verschlossen und verängstigt. Wobei sich das nach einer gewissen Zeit wieder normalisiert haben soll. "Normal" bin ich bis heute nicht wirklich. Ich habe keine Erinnerungen an die Zeit und vielleicht ist das etwas zu einfach gedacht, kann es folglich auch kein Trauma bei mir verursacht haben, versuchte ich sie und mich zu beruhigen. Sich nicht erinnern zu können, muss ja nicht automatisch etwas schlechtes sein.
Ich habe die Hoffnung, dass ich hier vielleicht Antworten oder Erfahrungsberichte finde, wie es zu dieser Zeit in dieser Einrichtung war.
Gerne kann ich hier die Bilder einstellen, vielleicht erkennt sich ja jemand.
Gruss. Nicole
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Anne Woywod aus Hamburg schrieb am 03.07.2021
Habe gerade erst vor ein paar Tagen eine Rückführung erlebt, die mir die traumatisierende Erfahrung meiner Verschickung nach Sylt 1976 klar gemacht hat. Bis heute kann ich nicht nach Sylt fahren und unterdrücke Emotionen, habe Kontrollzwang, da ich mit fünf Jahren hilflos wochenlang vollkommen unangemessener Gewalt und emotionaler Erpressung ausgesetzt gewesen bin.
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Sabine aus Kassel schrieb am 01.07.2021
Kein Ereignis meiner Kindheit hat mein Leben so beeinflusst wie der 6-wöchige Aufenthalt im Kloster Wessobrunn. Ich war 6 Jahre alt, stand vor meiner Einschulung und da ich ein "Pummelchen" war, sollte ich "fit" für die Schule gemacht werden - so die Ärztin bei der Einschulungsuntersuchung. Der Aufenthalt in Wessobrunn war ein Trauma. Permanente Angst, Züchtigung, Demütigung, Drohungen, Flüssigkeits- und Nahrungsentzug sowie Schlafen auf dem kalten Klostergang waren Abscheulichkeiten, mit denen dort gearbeitet wurde. An vieles kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich erinnere mich an die vielen herumhängenden Kreuze. Ich erinnere mich an die Nonnen, die mir durch Ihre schwarze Kleidung und ihrer Strenge Angst machten und ich erinnere mich an die weltliche Betreuerin "Tante Ingrid", die mir sagte, dass ich mich nicht so anstellen und mein Heulkonzert beenden soll. Ich bin vor Heimweh fast gestorben und habe deshalb viel geweint. Ein total lieb- und herzloses, feindliches Umfeld, kein Kontakt zur Familie, kein Trost, Angst, Zwang, Züchtigung - wie ich diese 6 Wochen überstanden haben, weiß ich nicht. Irgendwann ließ man mich wieder nach Hause und ich bin dann auch lange Jahre nicht mehr von zu Hause fort. Selbst ein Wochenendbesuch bei meiner lieben Oma, die gerade mal 15 km von meinem Wohnort entfernt wohnte, war nicht mehr möglich. An Klassenfahrten konnte ich teilweise nicht teilnehmen. Erst als ich um die 20 Jahre alt war und selbst entscheiden konnte wohin und mit wem ich reisen möchte, wurde es besser. Mein Verhältnis zum Kreuz und zur Kirche (lange Jahre auch zu Gott) hat mir mein Aufenthalt in Wessobrunn zeitlebens vermasselt. Arztbesuche und vor allem Krankenhausaufenthalte erzeugen bei mir teilweise heute noch Angst und Panik.
Jahrzehnte ging ich davon aus, dass ich einfach Pech hatte und Wessobrunn ein Einzelfall ist. Das es aber so viele Betroffene gibt und hinter der jahrzehntelangen Kinderverschickung ein System und eine "Industrie" steckte, dass habe ich erst vor relativ kurzer Zeit mit größtem Entsetzen erfahren. Umso mehr sollte es für uns alle Auftrag und Verpflichtung sein, dafür zu sorgen, dass solches Kinderleid heute nicht mehr passiert.
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Katrin aus Delitzsch schrieb am 30.06.2021
Ich war Anfang 1976 im Kinderkurheim in Haindorf-Schmalkalden. Ich erinnere mich daran, dass wir mit dem Bus von Leipzig nach Schmalkalden gefahren sind. Unterwegs wurde eine Pause eingelegt. Alle mußten raus um auszutreten,ob man musste oder nicht. Es war draußen, nicht auf Toiletten. Die Erzieherinnen brüllten uns an, dass jeder auszutreten hat. Dann ging es zurück in den Bus. Meiner Erinnerung nach lag dieses Kurheim auf einem Berg,welchen wir hinauflaufen mussten. Dort angekommen,wurde uns der Schlafraum zugewiesen. Ein Schlafsaal. Die Koffer wurden ausgepackt, aber nicht von uns. Wir durften nie an die Schränke. Kleidung für den nächsten Tag rausgelegt, oben auf den Schrank. Dabei wurden Sachen anderer Kinder einfach für Kinder zurechtgelegt, obwohl diese Ihnen nicht gehörten. Im Heim war es immer sehr dunkel. Wenn es rausging mussten wir in den Keller. Dort standen Regale mit Gummistiefeln und Stiefelsocken. Die Stiefelsocken waren sehr eklig und schmutzig. Wer sich weigerte,diese anzuziehen musste in die Ecke.
Jeden Tag gab es Puddingsuppe und Kakao mit einer ekligen Hautschicht. Einmal hatte die Küchenhilfe die Suppe anbrennen lassen. Wir haben gehört wie Sie angebrüllt würde. Auch hörten wir es klatschen und daraufhin weinte Sie ganz laut. Die abgebrannte Puddingsuppe mussten wir essen. Seit dem ekle ich mich vor Pudding und Kakao.
Wenn Posttag war,mussten wir in den Speiseraum und uns wurden die Karten vorgelesen. Danach bekamen wir die Karten. Ich erinnere mich, dass bei mir immer Puppen drauf waren. Mittagschlaf war Pflicht unter Aufsicht. Wer nicht schlief wurde bestraft,in dem er von der Gruppe ausgeschlossen wurde,in der Ecke stand und keiner durfte mit demjenigen reden.
Es war täglich eine Abfolge von Handlungen, welche sich immer wiederholt haben. Viele von uns hatten Heimweh. Wenn man geweint hat und wurde erwischt,wurde man vor den anderen Kindern runter gemacht. Also weinte man Nachts leise in seinem Bett.
Die 6 Wochen schienen endlos zu sein.
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Thomas aus Hamburg schrieb am 29.06.2021
Ich erinnere mich an eine Verschickung ganz blass. Es kann durchaus in St. Peter Ording gewesen sein. Ich kann mich an eine Szene erinnern, in der ich in einen kleinen Kleiderschrank eingeschlossen worden bin - dann hat man Zigarettenrauch durch das Schlüsselloch gepustet - es war fruchtbar! Des Weiteren kann ich mich erinnern, dass ich ohne Matratze geschlafen habe nur auf den komischen Metallfedern. Schuhe wurden entwendet und mit vielen anderen fast "unlösbar" (aus meiner Sicht) zusammengebunden. Ich kann mich aber nicht mehr daran erinnern "wer" die "Täter" waren... ich vermute eher andere (ältere) Kinder/Jugendliche. Es war aber insgesamt wirklich eine sehr einschüchternde Atmosphäre ohne Raum für (unerwünschte) Gefühle wie Heimweh oder Ähnliches. Gut, dass hier noch mal Aufarbeitungs- /Aufklärungsarbeit geleistet wird.
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Joachim aus Obernkirchen schrieb am 28.06.2021
Hallo zusammen, mit 7 Jahren wurde ich aufgrund meiner schwachen körperlichen Verfassung (Asthma, Herzschwäche) zur 6 wöchigen Kur nach Borkum geschickt. Die Betreuung dort war, berücksichtigt man die Zeit, sehr liebevoll und fürsorglich. Körperliche Züchtigung ist mir nicht bekannt oder bewusst, war aber 1965 noch völlig
normal. Für mich persönlich hat sich diese Zeit dennoch sehr eingeprägt. Ich fahre seit
dem sehr ungern alleine irgendwo hin. Meine Kinder habe ich nie alleine gelassen. Bei einer Geschäftsreise nach Wien bin ich Abends nach Hannover zurückgeflogen, weil ich meine damals 7 und 4 Jahre alten Kinder unbedingt ins Bett bringen wollte, da sie es nicht anders kannten. Insoweit war es im Nachhinein doch positiv, da auch meine Söhne ihre Kinder so erziehen.
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Mareike aus Berlin schrieb am 27.06.2021
Ich bin erst gestern auf diese Seite gestoßen, als mir im Zusammenhang mit den hunderten toter indigener Kinder der Residential Schools in Kanada bewusst wurde, dass ich ja auch eine Zeitlang unter einem solchen System gelitten habe, und mir Gedanken mache, welche Folgen dies für mich gehabt haben könnte, wenngleich es sicherlich mit den kanadischen Verhältnissen nicht vergleichbar ist und ich selbst im Vergleich mit anderen damaligen Verschickungskindern auf dieser Seite wohl etwas besseres berichten kann. Der Grad der Traumatisierung reichte jedoch aus, dass von meinen T-Shirts kein einziges mehr heil war. Ich hatte als damals Sechsjähriger in St. Peter-Ording angefangen, an den Schultern beidseitig wie ein Baby herumzusuckeln, wodurch alle T-Shirts nach den sechs Wochen beidseitig an den Schultern durchgebissen waren und große Löcher hatten. Zuvor und später ist das bei mir nie wieder vorgekommen.
Aber der Reihe nach: Die Gelegenheit zu diesem "Kuraufenthalt" ergab sich aufgrund großzügiger Förderung der damaligen Bundespost, da mein Vater damals Postbeamter war - "Postkinder" waren übrigens neben "Bahnkindern" die größte Gruppe, vielleicht findet sich über diese Info ein Anhaltspunkt, um welches Heim es sich gehandelt haben könnte. Ich wurde am Bahnhof in Süddeutschland an einen sehr netten Mann übergeben, später kam noch ein anderes Kind dazu und so fuhren wir mit dem Zug durch ganz Deutschland bis nach St. Peter-Ording. Dunkel erinnere ich mich, dass der Mann wohl nicht bis St. Peter-Ording bei mir war, sondern ich anderswo (Stuttgart, Hamburg?) evtl. an eine andere Gruppe übergeben wurde. Ich war damals ein schmächtiger Junge und jedes Jahr häufig krank gewesen; Grippe, einige Male Bronchitis usw., so dass mir eine Kur an der frischen Luft in Aussicht gestellt wurde. Im Heim kamen wir in einem großen Schlafraum unter, ich glaube mit über 10 anderen Kindern drin, von denen einige zwar nicht viel älter, aber doch wesentlich stärker waren als ich. Insbesondere einer von denen hatte so eine Art Capo-Funktion, die er auch körperlich gegenüber uns anderen ausübte. Ich ließ mir jedoch nichts gefallen, und so kam es, dass ich mich an diverse in Prügeleien ausartende Schikanen erinnere.
Vielleicht weil ich von zu Hause aus gewohnt war, dass "gegessen wird, was auf den Tisch kommt", ist das Essensthema für mich nicht so einschneidend gewesen und Horrorgeschichten, Erbrochenes wieder aufessen zu müssen, kamen meines Wissens nicht vor. Ich kann mich nur daran erinnern, dass es nicht besonders gut gewesen sein kann. Kulinarischer Höhepunkt des Tages war nämlich der tägliche Nachmittagskaffee, wir Kinder bekamen natürlich keinen Kaffee, aber entweder Mohrenköpfe bzw. Schaumküsse oder eine längliche Waffel mit Erdbeer- oder Vanille-Schaumfüllung. Davor fanden stundenlange Deichwanderungen statt, bei denen die Erzieherinnen sich permanent unterwegs etwas zu trinken kauften, während wir Kinder durstig blieben und ich meine in bestimmter Formation zu laufen hatten (Zweierreihen?). Der Sommer 74' war schön und seeehr heiß. Es regnete die sechs Wochen vielleicht ein oder zwei Tage, ansonsten hatten wir herrlichstes Wetter mit den zugehörigen hohen Temperaturen, so dass wir selbst an der See in St. Peter-Ording mindestens so ähnlich schwitzten wie die damaligen Fußball-Weltmeister. Direkte Mißhandlungen der Erzieherinnen sind mir nicht erinnerlich, aber die völlige Empathielosigkeit gegenüber uns alle an Heimweh schwer leidenden Kindern. Der Kontakt mit den Eltern beschränkte sich auf Briefe und Postkarten, die wir einmal pro Woche ausgehändigt bekamen. Dieses sich dadurch einstellende Gefühl des Ausgeliefertseins, der Verlassenheit und völligen Hilflosigkeit in einem zwar durch wenige aber tonangebende Capo-Kinder als drangsalierend empfundenen Umfeld, werde ich nie vergessen. Die sich aufdrängende Schlussfolgerung, im Zweifel auf sich selbst gestellt zu sein, hat, wenn ich die Kommentare hier lese, nicht nur mich wohl nachhaltig geprägt, mit allen hier in den Erfahrungsberichten gezeichneten Vorteilen (innere Stärke) und Nachteilen (Introvertiertheit, Verschlossenheit selbst den Eltern gegenüber, Rückzug in Traumwelt - oft der Bücher, fehlendes Grundvertrauen in andere Menschen, Verlustängste bis hin zum Festhalten an toxischen Beziehungen). Die Briefe, die wir erhielten, waren zwar verschlossen, die Päckchen jedoch wurden geöffnet und wir selbst durften meiner Erinnerung nach nur 1-2x in dieser Zeit Postkarten schreiben (man selbst hatte ja kein Geld, keine Postkarten, keine Briefmarken, keine Stifte), inwieweit diese zensiert wurden, weiß ich nicht, aber es war jedem in diesem Kasernenhofklima klar, dass man besser nichts "Schlechtes" über die Einrichtung schreiben sollte. Als ich einmal eine Postkarte meiner Eltern bekommen habe, der Capo aber keine, riß er mir mit einem schnellen Griff die Postkarte aus der Hand und zerriss sie, ehe ich reagieren konnte. In der darauffolgenden Prügelei unterlag ich zwar am Ende und lag unter ihm, aber ich habe es immerhin geschafft, dass er mir gegenüber danach nie wieder übergriffig wurde und sich für seine Schikanen andere aussuchen musste. Bestraft wurde er für seine Tat jedenfalls nicht, ich dafür heulte den ganzen Abend lang bis in den Schlaf und hatte später permanent Angst, dass er sich wieder an meinen Sachen vergreift. Ich wundere mich, wieso so viele auf dieser Seite berichten, ausgerechnet in diesen 6 Wochen die Windpocken bekommen zu haben. Ob das auch seelisch bedingte Ursachen hat? Immerhin kam ich so von dem Gemeinschaftsschlafraum und dem Capo-Jungen weg und hatte meine Ruhe. Während der Betreuung der Windpocken erfuhr ich dann sogar so etwas wie menschliche Wärme durch das Personal. Diese zwei Wochen waren mit die schönste Zeit in St. Peter-Ording und nach Rückkehr in einen Gemeinschaftsschlafraum war der Capo-Junge weg und es wurde erträglich.
Am letzten Tag wurde die Abreise drillmäßig vorbereitet und durchgeführt. Im letzten Augenblick, wir standen schon in Reih' und Glied vor der Einrichtung, fiel mir ein, dass ich mein Stofftier, einen Hund namens Bimbas, vergessen hatte, rannte nochmal rein und holte es mir. Dafür bekam ich statt einer aufmunternden Bemerkung nur den bissigen Kommentar, "das hätte mir auch eher einfallen können".
Seit ich die vielen Berichte hier gelesen habe, denke ich, es kommt nicht von ungefähr, dass ich meine Eltern über Schulisches nie eingeweiht, Ihnen über mich nur wenig erzählt, mich in hunderte Bücher verkrochen und die von mir gesuchte Geborgenheit vorrangig bei meinen Großeltern gefunden habe. Im Zuge der Aufarbeitung meiner 24-jährigen ehelichen Beziehung mit einer von mir als solche leider nicht erkannten notorischen Narzißtin, meines transsexuellen Outings und diverser begleitender Umstände bin ich froh und dankbar, mit dieser Seite ein weiteres Kapitel meines Lebens aufarbeiten zu können. Insgesamt sind wir meist sechswöchigen Verschickungskinder in Deutschland im Vergleich zu den indianischen Umerziehungskindern in Kanada (wie auch vielen ähnlichen "Modellen" weltweit) wohl noch einigermaßen davongekommen. Nicht auszudenken, wenn sich die sechs Wochen solcher Zustände auf Monate und dann viele Jahre ausdehnen und in ihrer Intensität dann bis dahin gehen, dass vom Tod der Opfer seitens der Behörden nicht einmal Notiz genommen geschweige dies strafrechtlich verfolgt wird. Das sind dann keine schools oder Verschickungsheime mehr, sondern "Lager" mit allen Konsequenzen, die wir aus der deutschen Geschichte hinreichend kennen.
Wer also auch als Postkind in St.Peter-Ording war, Erinnerungen an die Nachmittags-Waffeln hat und/oder weiß, in welchem Heim das war, darf mich gerne kontaktieren!
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Horst Dieter Lothar Kapphahn aus Havelsee OT Pritzerbe schrieb am 25.06.2021
Auf die Seite der Verschickungskinder bin ich zufällig gestoßen.Es ist jetzt zehn Tage her das ich angefangen habe diese e-Mail zu schreiben, und hoffe ich kann durchschreiben ohne ständig in Tränen auszubrechen.Das meiste Negative was schon beschrieben wurde kann ich bestätigen. Mit 7 Jahren wurde ich 1960 in die Lungenheilstätte nach Wattenscheid-Höntrop verschickt. Ich wohnte damals in Dortmund Wickede. Es waren drei Monate die mich trotz einiger Therapien bis heute verfolgen. Immer in Angst etwas falsch zu machen und dafür zur Rede gestellt werden und Schelte zu beziehen. Erbrochenes beim Essen musste unter Androhung wieder gegessen werden. Raus in die Sonne durfte man gar nicht, und wenn man erwischt wurde musste man sich für eine Stunde in die Ecke stellen. Gebadet wurde man mit sechs Kindern in einer Wanne und dabei sehr grob behandelt. Pakete hatte ich auch mehrere bekommen die mir aber nicht ausgehändigt  wurden. Es wurde alles an "bevorzugte " Kinder verteilt. Ich selber hatte nie etwas abbekommen. Meine Eltern hatten mich in der Zeit einmal besucht und waren mit mir spazieren gegangen. Als die wieder weg waren wurde ich ganz böse angeranzt, weil ich ja auch verbotenerweise in der Sonne war. Mittagsschlaf war obligatorisch. Eine der Schwestern hatte aufgepasst das auch alle die Augen geschlossen hatten, sonst war man wieder irgendwelchen Repressalien ausgesetzt.Vieles habe ich aber auch vergessen/verdrängt. Aber das was ich noch weiß reicht um mich immer wieder in Tränen ausbrechen zu lassen wenn dieses Thema an mich ran kommt. Schlimm ist es auch noch heute wenn ich mal davon berichte...es wird nicht für voll genommen, oder auch, ich habe mir das alles zusammen gesponnen. Vielleicht gibt es ja noch ehemalige aus der Zeit in Wattenscheid Höntrop die sich trauen sich zu melden. Ich lebe heute in Brandenburg/HavelDiese Mail darf gerne veröffentlicht werden.
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Christina schrieb am 24.06.2021
Hallo, ich bin Christina und mittlerweile 55 Jahre als. 1973, vor meiner Einschulung, ich war 6 Jahre alt, wurde ich wegen meines Asthmas zu einer 6 wöchigen Kur nach Bad Soodeny Allendorf geschickt. Damit ich nicht so alleine war , wurde meine kleine Schwester, 5 Jahre alt gleich mitgeschickt. Ich kann mich an nicht viel erinnern, aber an einiges schon: Wir haben bei der Ankunft schreckliche Angst gehabt, geweint und nach unseren Eltern gerufen. Dafür wurden wir angeschrieen und danach ignoriert. Wir schliefen in einem großen Saal, welcher einen Vorraum hatte in dem jeden Abend ein Stuhlkreis gebildet wurde. Hier wurden jeden Abend Kinder, die z.B. ins Bett gemacht hatten,vor allen anderen bloßgestellt, so auch einmal meine kleine Schwester. Sie musste alleine das Bett sauber machen, ich durfte ihr nicht helfen und dann wurde sie an den Ohren hochgehoben, bis Blut geflossen ist. Ich mochte keinen Schokoladenpudding, das hatte meine Mutter wohl vorher der Leitung mitgeteilt. Ich musste ihn trotzdem essen, habe erbrochen und musste solange im Speisesaal sitzen bis ich mein Erbrochenes wieder aufgegessen habe. Diese Erlebnisse waren so schlimm, dass ich sie nicht vergessen kann, denn normalerweise bleibt von dem Alter glaube ich nicht so viel haften. Ich habe keine Gesichter mehr vor Augen, im Nachhinein Gott sei Dank, nur die Grausamkeiten bleiben da und poppen immer wieder auf. Meine Schwester hat keinerlei Erinnerungen mehr, hat aber bis heute Angst vor Bloßstellung und alleine gelassen zu werden. Das Schlimmste für mich war, dass ich nicht verstehen konnte, warum ich meine Eltern nicht sehen durfte und wir mit einer solchen Härte und Brutalität behandelt und bestraft wurden. Mich hat das Ausfüllen des Fragebogens und nun das Mitteilen meiner Erlebnisse sehr aufgewühlt und ich merke, dass ich noch einiges aufarbeiten muss . Ich bin dankbar für diese Initiative hier, denn sie gibt mir die Möglichkeit das Gefühl zu haben was loszuwerden, was mich lange unbewusst belastet hat. DANKE
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Kerstin aus Mittelangeln schrieb am 24.06.2021
Hallo! Ich heiße Kerstin und habe erst heute von Euch erfahren. Es war für mich sehr befreiend, hier Erfahrungsberichte über das "Lenzheim" in Amrum zu lesen!
6 Wochen Hölle. Von der ersten Sekunde an.
Ich war 8 Jahre alt.
Trauma pur. Gebrochenes Kind.

Das Schlimmste war, dass sie den Kontakt zu den Eltern so erfolgreich unterbrechen konnten. Ich erinnere mich an einen Brief, den ich meinen Eltern schrieb..."Wenn ihr mich liebhabt, holt mich hier raus!" Diesen Brief haben meine Eltern nie erhalten.
Sadismus war in dieser Einrichtung normal.
Ich musste zur Strafe immer wieder nachts auf einem Stuhl sitzen. Von dort konnte ich auf den Hafen und das Meer blicken durch die Scheiben des Speiseraumes. Hatte viele Fluchtfantasien. Sonntags mussten Sonntagsschuhe getragen werden. Auch wenn die nicht eingelaufen waren und schmerzlichste Blasen verursachten. Bequeme Kinder-Gummistiefel waren verpönt bei den heiligen Tanten .
Essen wurde absichtlich so gestaltet, dass es ungenießbar war ( in meinem Fall haben sie mir kalte Butterflocken auf die Suppe gelegt, obgleich meine Mutter bei der Anmeldung extra darauf hingewiesen hatte, dass das Kind keine Butter isst), ich wurde dort geschlagen von der Heimleiterin höchstpersönlich, man hat uns gedemütigt, unsere Pakete konfisziert, den Rest an Trost (Kuscheltiere) weggenommen, man hat Schamgrenzen durchbrochen ( erinnere mich an diese Heiß-Kalt-Duschgänge im Keller. Mit den Füßen im Wasser. Wir Mädchen mussten da nackt durch und die Jungs in unserem Alter durften zugucken.
Es war wie eine einzige riesige Strafe.
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Nicole Macht aus Barsbüttel schrieb am 24.06.2021
Hallo, ich heiße Nicole und ich wurde 1972 mit 6 Jahren nach Sylt verschickt! Ich habe keine guten Erinnerungen an diese Zeit. Einmal habe ich mir rote Beete auf den Teller getan. Ich kannte es nicht und ich mochte es absolut nicht. Ich musste sitzen bleiben und aufessen. Ganz alleine saß ich im riesigen Speisesaal.Am Ende musste ich mich übergeben. Zur Strafe musste ich sofort ins Bett und durfte nicht mehr zu den anderen Kindern. Wir hatten ein 4 oder 5 Bett Zimmer. Wir durften nicht mehr sprechen wenn Bettruhe war. Ein Mädchen hielt sich nicht daran und kicherte. Sofort ging die Tür auf und ich musste die restliche Nacht im Abstellraum schlafen. Es Interessierte niemanden, das ich es nicht war. Im Abstellraum lagen alte Lattenroste und Matratzen. Einmal wurde ein kleiner Junge in einen Schrank gesperrt. 1978 musste ich für 6 Wochen nach Föhr. Dort war es nicht ganz so schlimm aber auch nicht wirklich schön. Die inselumwanderung ist keine schöne Erinnerung und auch die Mahlzeiten waren ein Horror für mich. Ich war dort zum Abnehmen und musste mit allen Kindern zusammen im Saal essen. Es gab eine Kartoffel zb.und etwas Gemüse und ein kleines Stück Fleisch. Es waren wirklich sehr kleine Portionen. Eigentlich hatte ich nur Hunger. Auf der Inselumwanderung gab es 4 kleine Scheiben Brot und zwei kleine Äpfel. Es waren 42 Kilometer zu bewältigten. Ich bin mit einem anderen Mädchen vorgelaufen und wir waren am Ende ganz alleine. Päckchen von zu Hause wurden erstmal gescheckt und Süßigkeiten entfernt. Wir mussten in die Sauna oder im Meer bis zur Boje schwimmen obwohl es wirklich kalt war. Ich habe mir geschworen meine Kinder niemals zu verschicken.War jemand von euch auch 1978 in Wyk am Sandwall?
Liebe Grüße
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Engelbert aus Neuss schrieb am 23.06.2021
Ich war im Herbst/Winter 1965 siebenjährig im Kinderkurheim Dr. Selter. Obwohl ich sechs Wochen dort gewesen sein soll, habe ich nur wenige Erinnerungen. Nach meiner gefühlsmäßigen Erinnerung war das eine sehr schwierige Zeit. So habe ich das Gefühl, in den sechs Wochen mit niemand gesprochen zu haben.

Erinnern kann ich mich an den Speisesaal bzw. die Situation des gemeinsamen Essens mit vielen Kindern. Ich denke, ich hatte einen festen Platz. Das Essen fand ich nicht lecker. Morgens gab es Haferschleim. Falls es mittags Fleisch gab, so war das durch den Fleischwolf gedreht und in die Soße gemengt. Ich meine mich einmal auch am Tisch erbrochen zu haben. Ein großes Mädchen, vielleicht 14 oder 15 Jahre alt, lief häufig zwischen den Tischen herum und forderte die anderen, kleineren Kinder zum Essen auf mit dem Wort „Ess!“. In meiner Not fühlte ich mich damals dem Mädchen überlegen, weil es offenbar nicht wusste, dass es „Iss!“ heißt. Schon damals kam mir das Mädchen wie ferngesteuert vor. Aber sie fühlte sich offenbar gut dabei.

Gelegentlich sah ich auch eine Frau mit grauen Haaren und einem Knoten im Haar. Sie schien mir damals etwa 60 Jahre alt, wirkte auf mich streng, unnahbar und freudlos. Wahrscheinlich war sie jünger, schätze ich aus heutiger Perspektive. Sie ist die einzige Person, deren Erscheinung und deren Gesicht mir genau in Erinnerung ist. Ich vermutete damals schon, dass diese Frau dort das Sagen hatte.

Womit wir die Tage verbracht haben, weiß ich beim besten Willen nicht mehr. Das einzige „Erlebnis“ war eine Wanderung, die ich ziemlich normal fand, außer dass sie nach Einbruch der Dunkelheit zu Ende ging. Zwei Begleiterinnen, in meiner Erinnerung nette und freundliche junge Frauen, hatten sich, so kriegte ich das nach der Rückkehr mit, mit uns im Wald verlaufen. Die beiden bekamen richtig Ärger mit der Heimleitung und ich sah später, dass die Beiden geweint hatten.

Geschlafen wurde in einem Schlafsaal, von dessen Größe ich keine Vorstellung mehr habe. Wahrscheinlich mehr als zehn Kinder in einem Saal. Obwohl ich eigentlich schon lange darüber hinweg war, habe ich nachts mehrfach in die Hose gepinkelt. Ob ich es verbergen konnte oder wie das Personal regiert hat, weiß ich nicht mehr.

Sehr konkret ist mir allerdings die Situation, als ich dann auch noch einmal nachts den Darm gründlich in die Hose entleert hatte. In meiner Not schlich ich nachts mit meinem Paket in der Hose durch die Flure und stieß irgendwann auf die Frau mit dem Knoten. Sie bugsierte mich in einen Waschraum und hat mir tatsächlich vor der Reinigung den Hintern verhauen. Schon damals kam mir das, um es mit heute überholten Begriffen zu sagen, abartig und pervers vor.

Alles was anderen Kindern in diesem Heim angetan worden ist, ist heute verjährt, die Menschen, die das gemacht haben, mutmaßlich tot. In meiner Erinnerung gibt es auch nichts, was justiziabel gewesen wäre. Aber es war trotz der wagen Erinnerung eine richtig, richtig beschissene Zeit.
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Burkhard aus Olfen schrieb am 23.06.2021
Ich war im Winter 1964 im Haus Westfalia in Sankt Blasien, Es herrschte ein strenges Regiment und wir wurden für jede Kleinigkeit bestraft, bzw. in ein dunkles Kämmerchen eingesperrt. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich ehemalige aus diesem Jahrgang zwecks Austausch und Aufarbeitung melden würden.
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Edith Mattissen schrieb am 23.06.2021
Ich kam, im Alter von ca. 3 Jahren, 1959 wegen Tuberkulose, für über 1,5 Jahre in die Kinderheilstätte Aprath. Meine Eltern durften nur alle 2 Monate zu Besuch kommen. Mir wurden danach alle Geschenke weggenommen, weil ich weinte wurde ich geschlagen und sie drohten , dass ich nie mehr nachhause komme, weil meine Eltern mich nicht mehr mögen, weil ich böse sei, da ich dort wieder eingenässt habe und nicht viel essen wollte bez. konnte ect. Als ich entlassen wurde erkannte ich meine Eltern nicht mehr. Ich war sehr ängstlich und habe kaum gesprochen. Hatte Panikanfälle bei Arztbesuchen und wenn meine Mutter für kurze Zeit nicht da war. Ich glaubte, dass sie dann nie wieder kommt, weil sie sterben würde...Es wurde nie darüber gesprochen und meine 14 Jahre ältere Halbschwester glaubte mir nicht, wenn ich einige Erlebnisse schilderte. Sie sagt auch jetzt noch, dass sie dass alles nicht glaubt und dass sie kein Interesse hat, sich zu informieren. Sie will darüber nichts hören, es sei Spinnerei ect. Das war wie ein Messerstich ins Herz für mich. Ich bin sehr dankbar für diese Initiative. Mir hilft die Gewissheit, dass ich nicht allein bin mit diesen Erfahrungen und kann mit Hilfe meiner Therapeutin lernen, besser damit zu leben..
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Günther Ahner aus Ludwigsburg schrieb am 22.06.2021
Da ich als Kind ziemlich klein und dünn war, wurde ich mehrfach verschickt. Der Horror war allerdings das Kindersolbad Bethesda in Bad Friedrichshall Jagstfeld.
Gleich nach der Ankunft mussten wir uns vor allen ausziehen und wurden von einer Schwester gebadet. Die dünnen Kinder mussten immer doppelte Portionen essen und mussten so lange am Tisch sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war. Ich kann mich noch an ein anderes Kind erinnern, das alles wieder ausgekotzt hat und das Erbrochene wieder aufessen musste. Am Abend durfte ein Junge der Bettnässer war nichts mehr trinken. Und ich weiß noch wie er heimlich an einen Wasserhahn ging und jede Menge trank. Bei dem Abendgesang im Freien stand er neben mir und kotzte dann einen kräftigen Wasserstrahl in die Botanik. Da bekam er natürlich richtig Ärger. Beim Mittagsschlaf musste es immer mucksmäuschenstill sein und die Schwestern haben auch immer wieder nachgeschaut und kontrolliert. Ich wurde auch einmal erwischt und konnte zwischen zwei Bestrafungen wählen, entweder eine Ohrfeige mit Anlauf oder 50 x an- und ausziehen. Ich entschied mich für die zweite Variante und musste es dann unter Aufsicht machen. Allerdings gab es auch eine pikante Situation, denn wir Jungs waren natürlich neugierig und interessierten uns schon ein wenig für das andere Geschlecht. In unserem Zimmer gab es 4 (?) Jungs und als einmal eine Schwester Anfang 20 zu uns kam, haben wir sie ausgefragt wie das mit dem küssen so ist und was ein Zungenkuss ist und wie das funktioniert. Sie war da völlig unkompliziert und hat es jedem von uns, der es wollte, in der Praxis beigebracht.
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Birte aus Hamburg schrieb am 21.06.2021
Ich war auf Norderney im Seehospiz,
Ein Schlüsselerlebnis war für mich das Wegsperren in eine Besenkammer am Ende des Ganges.
Wer hat Ähnliches erlebt dort.
Ich würde mich gerne über die Vorfälle austauschen.
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L.Wegener aus Hamburg schrieb am 21.06.2021
Ich bin im Sommer 1972 mit 8 Jahren für 6 Wochen dort gewesen, ohne ersichtlichen Grund. Im März d.J. bin ich auf die Seite „verschickungsheime“ gestoßen. Erst seitdem weiß ich, dass ich mir alles nicht nur eingebildet habe: Schläge, zensierte Briefe (ich weiß noch, dass ich unendlich irritiert war, dass es mir dort „so gut ging“, obwohl ich eigentlich nur eines wollte – weg, und zwar sofort. Aber „Mutti sollte ja nicht traurig sein“. Meine Süßigkeiten wurden bei der Ankunft einkassiert, jemand mußte Erbrochenes essen …..........
Es war und ist eigentlich immer noch ein Schock für mich, welche Dimensionen das alles hatte.
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Gudrun Stratmann aus Wuppertal schrieb am 21.06.2021
3- monatigem Aufenthalt 1957 oder 1958 in der Lungenheilstätte Aprath.

Angeblich hatte ich eine Lungenreaktion , die sich bei der Einschulungsuntersuchung zeigte, ausserdem war ich viel zu dünn. Meinen Eltern wurde deshalb ein Aufenthalt an der See vorgeschlagen, sie entschieden sich aber für einen Aufenthalt in der Nähe, wo man mich wenigstens 1 x pro Monat für zwei Stunden besuchen durfte. Die Wahl fiel auf die Lungenheilstätte in Aprath Düssel.

Der Aufenthalt war eine Katastrophe :

Post wurde geöffnet, Pakete ebenfalls , Inhalt wurde eingezogen, Süssigkeiten an alle verteilt, jeden Tag ein Bonbon, Spielsachen wurden bis auf ein Teil, ebenfalls für alle eingesammelt.
Bin mir nicht mehr sicher, ob Jungen und Mädchen getrennt waren, ich glaube aber es war so.
Kleinere Kinder bis ca 6 Jahren ,lagen in einem Schlafsaal mit ca 30 Betten.
Einmal im Bett, durfte man nicht mehr raus, ab 20 Uhr war Nachtruhe, man durfte auch nicht mehr reden. Wurde man erwischt , mussten sich alle vor die Betten stellen und man bekam mit einem langen Holzlineal was auf den nackten Po. Alle hatten auch nur das gleiche lange ,weisse Nachthemd an.
Tagesablauf : Aufstehen, Waschen, Anziehen-teils mit Hilfe Älterer, in Zweierreihen im Gang aufstellen-dann bekam man Tabletten oder Medikamentensaft ( zum Ruhigstellen ? ) anschließend ein Bonbon, Frühstücken, Liegehalle 4 Stunden im Freien, still auf dem Rücken liegen-Mittagessn, Mittagsschlaf auf dem Zimmer oder bei schönem Wetter auf dem Balkon,danach wieder 3 Stunden auf den Liegestühlen, Abendbrot,danach Spielzeit, dann ab ins Bett.
Gemeinschaftstoiletten 12 Schüsseln ohne Trennwände oder Türen
Gemeinschaftsbad – Kinder in der Schlange hintereinander, immer mehrere hintereinander in einen Zuber , 1 x pro Woche, dann gab's frische Sachen zum Anziehen. Die Spinde mit den Sachen standen vor den Zimmern, hatte man sich in der Woche schmutzig gemacht , oder eingenässt, musste man warten, bis es am Wochenende frische Sachen gab.
Zum Essen und zu den Liegezeiten gings in Zweierreihen. Es musste alles gegessen werden , vertrug man was nicht oder musste brechen, musste das Erbrochene wieder aufgegessen werden, bzw. man musste so lange am Tisch sitzen bleiben, bis der Teller leer war und wenn es Stunden dauerte.
Brach man auf den Boden, musste man den Boden selber sauber machen
Die größeren Kinder mussten bei den Kleineren helfen, waschen, anziehen Haare kämmen. Da ich Zöpfe trug, war das für die größeren Kinder zu schwierig sie zu flechten, deshalb wurden sie mir , ohne Rücksprache mit meinen Eltern kurzerhand abgeschnitten.
Ich denke 1 x pro Woche wurde man medizinisch untersucht,gewogen, öfters bekam man Spritzen in den Po oder Tabletten, worum es sich dabei handelte , weiss ich nicht ,wurde wahrscheinlich auch den Eltern nicht mitgeteilt. (Conterganversuche ? ) Ein Dr. Simon hatte die ärtztliche Leitung .
Die Eltern durften 1 x im Monat , sonntags für zwei Stunden zu Besuch kommen, das war jedesmal mit Heimweh verbunden.
Am Abholtag hat meine Mutter den Bus verpasst, der nur alle paar Stunden fuhr und ich sass von 9 Unh bis 12 Uhr auf gepacktem Koffer, mit der Angst nicht abgeholt zu werden. Vor allem auch deshalb, da meine Eltern in der Zeit meines Heimaufenthalts zum 1 x mit meinem Bruder nach Hilchenbach in Urlaub gefahren sind, ich bekam eine Postkarte mit sw Ansichten als Leparello in einem Rucksach von einem kleinen Jungen auf Wanderschaft , was mich sehr traurig machte.
Als fröhliches , an allem interessiertes Kind wurde ich verschickt und als trauriges und agressives Kind kam ich wieder nach Hause. Von da an hatte ich kein Vetrauen mehr zu den Erwachsenen. Ich hatte immer das Gefühl nirgendwo dazuzugehören, das ging soweit , dass ich dachte , ich wäre adoptiert.
Ob meine chronischen Erkrankungen - Morbus Chron u.a. auf die erhaltenen Medikamente zurückzuführen sind kann ich nicht sagen, aber möglich wäre es. Meine Psychischen Probleme hängen garantiert damit zusammen.
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Monika Pienkoss aus Leichlingen schrieb am 20.06.2021
Mein Name ist Monika Pienkoss und ich bin 1951 in Schwelm geboren. Von dort wurde ich im Winter 1961 für sechs Wochen nach Wangerooge ins Haus Sonnenschein zur Kur„ verschickt“. Der Grund für meine „Verschickung" ist mir bis heute unklar. Krank oder unterernährt war ich nicht. Hier nun meine Erlebnisse, kurz geschildert:

Meine Mutter brachte mich mit dem Zug nach Hagen. Sie fragte dort eine andere Mutter, die mit ihrer etwa zwei Jahre älteren Tochter auch dort wartete, ob sie vielleicht ein wenig auf mich aufpassen könne, während der Zugfahrt und dem Aufenthalt in Wangerooge. Leider hat sich dieses Mädchen nicht für mich interessiert und die ganzen sechs Wochen kein Wort mit mir gesprochen. So war schon die Zugfahrt von Angst und Verunsicherung geprägt. Auf der Fähre wurde es mir schlecht und ich musste mich übergeben. Hilfe gab es nicht. Im „Haus Sonnenschein“ teilte ich mir ein sehr kleines Zimmer mit zwei anderen Mädchen, die sich kannten, da sie aus einem Kinderheim kamen. Ich hatte fürchterliches Heimweh und musste die ganze Zeit heulen. Einmal in der Woche war Schreibtag und ich schrieb eine Karte an meine Eltern, dass es hier schrecklich sei. Die Karte wurde von den Aufpassern zerrissen und ich musste eine neue schreiben, aus der hervorging, wie schön doch alles hier sei. Ein Mädchen aus einem Berliner Waisenhaus, namens Elke, meinte, sie wüsste, wo der Briefkasten sei und ich sollte eine neue Karte schreiben. Leider wurde sie erwischt und was genau folgte weiß ich nicht mehr. Im Hallenbad mussten wir uns vor allen nackt ausziehen und wurden in Holzbottiche gesteckt. Danach Gesicht zur Wand und wir wurden von einem Mann mit einem Schlauch kalt abgespritzt. An Nikolaus bekam ich ein Päckchen mit einer großen Puppe aus Schokolade. Die Puppe wurde mir abgenommen und alle brachen sich ein Teil ab. Mir wurde nichts gegeben. An weitere Details kann ich mich nicht mehr erinnern. Als ich wieder zu Hause war habe ich nur geweint und geklagt. Meine Mutter ging aber nicht darauf ein. Als ich wieder in die Schule ging, las der Lehrer eine Karte von mir vor, die ich Wangerooge an meine Klasse schreiben musste. Ich schrieb“ morgens um 7 gehe ich ins Bett und abends um 7 stehe ich auf“. Von der ganzen Klasse wurde ich wegen dieser Verwechselung ausgelacht. Obwohl es viel schlimmere Erlebnisse gibt, so kann ich doch sagen, dass diese Erlebnisse meiner persönlichen Entwicklung sehr geschadet haben. Sollte jemand in dieser Zeit ebenfalls in Wangerooge gewesen sein, würde ich mich über eine Kontaktaufnahme freuen.
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Ariane Blumenau aus Meddewade schrieb am 19.06.2021
Ich hatte Haare bis Mitte Oberschenkel, meine Mutter sagte, dass ich sie in der Zeit dort nicht waschen müsste, da es sehr aufwendig war. Tante Irma wusch sie mir, kämmte sie danach und riss mir dabei gut die Hälfte meiner Haare aus. Bis heute darf niemand meine Haare anfassen.
Ich sollte in der Kur zunehmen, das Essen war so schlecht, dass ich angenommen habe.
In meinem Zimmer war eine Bettnässerin, die Räume ließen sich nicht richtig lüften, daher stank es erbärmlich.
Für das Frühstück nahm ich immer 2 Scheiben Billigwurst mit aufs stinkende, viel zu warme Zimmer, damit ich am Morgen nicht Pflaumenmus essen musste ( ich kann das bis heute nicht essen).
Im Mittagessen waren oft undefinierbare Dinge evtl. Erbrochenes.
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Helga aus Rheinbreitbach schrieb am 18.06.2021
Hallo ich war mit meiner Schwester dort. Ich war 6 und sie 10. Da meine Schwester zu den größeren gehörte haben wir uns immer nur im Speisesaal oder im Schlafsaal gesehen. Ich musste mein Essen immer aufessen und wenn ich Erbrochen hatte musste ich es aufwischen und bekam an diesem Tag nichts mehr zu essen. Einmal hat man mich im Schlafsaal dabei erwischt wie ich unter der Decke leise gesungen habe was ich aus Heimweh tat ,ich musste zur Strafe die ganze Nacht im dunklen Waschraum auf den kalten Fliesen schlafen. Hatte Jahre danach noch Probleme ohne Licht zu schlafen und Essstörungen. Durch die Strenge Art der Nonnen die dort in dem Hause waren habe ich mich auch ganz lange im Leben immer still untergeordnet, Arbeit, Beziehungen. ?
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Rosi aus Köln schrieb am 18.06.2021
Ich war von mitte November bis 20 Dezember 1966, in Bad Kreuznach,weil ich zu dünn war. Villeicht war noch jemand zu dem Zeitpunkt in Bad Kreuznach.Aufgrund der schlechten erinnerungen , habe ich Bad Kreuznach nie wieder besucht.Ich hasse diesen Ort.
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Petra aus Wuppertal schrieb am 17.06.2021
Der Aufenthalt war mit Höhen und Tiefen verbunden. Das erste Mal allein von den Eltern getrennt. Es herrschte ein rüder Ton - vor allem bei den Mahlzeiten wurden wir gezwungen, den Teller leer zu essen jeweils eine Tortur , wenn du als untergewichtig eingestuft wurdest. Nachts wurden wir von der Nachtschwester reglementiert, wenn wir nicht schlafen konnten, mußten wir uns zur Wand drehen und stillsein selbst wenn wir vor Heimweh und Kummer weinten. In der Tagesbetreuung konnten wir etwas Luft holen, aber insgesamt war das eine traumatische Erfahrung. Unmittelbar nach Rückkehr bin ich 6 Wochen mit schweren Atemwegsbeschwerden, die der eigentliche Kuranlass waren , wieder erkrankt.
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Astrid aus Münster schrieb am 17.06.2021
Mit 9 Jahren war ich 6 Wochen zur Kur auf Juist. Vieles von dem, was ich hier lesen konnte, habe ich ebenfalls in Erinnerung: Am ersten Tag wurden Postkarten ausgeteilt und der zugehörige Text diktiert, u.a. sollten wir schreiben, dass es uns gut gefällt. Das schien mir nicht zutreffend, weil ich ja gerade erst angekommen war und das noch nicht wusste. Ob ich das laut ausgesprochen habe oder eines der anderen Kinder, weiß ich nicht mehr. Die Antwort darauf war jedenfalls so, dass schlagartig alle Kinder im Raum wussten, es ist nicht die Zeit und der Ort für Fragen oder gar Widerworte :-), und alle haben wir die Karten dem Diktat entsprechend verfasst. Mittagsschlaf, genau, jeden Tag 2 Stunden, in denen das Zimmer auch nicht zum Toilettengang verlassen werden durfte. Am Strand waren wir in den 6 Wochen nur ein einziges Mal, dafür stand täglich ein Marsch über die Insel auf dem Programm: Wir mussten im Chor die Schritte bis 10 zählen, dann kam irgendwas mit Stock und Regenschirm, dabei musste man seitlich gehen, und dann ging es mit 1 wieder los... Aber am meisten in Erinnerung geblieben ist mir das Duschen am ersten Tag. Das ging zimmerweise vor sich, also 6 oder 8 (?) Mädchen, und wir haben mit Wasser gespritzt und Spaß gehabt. In der Ecke stand die Nonne, sagte nichts, lachte nicht, ließ uns aber erstaunlicherweise gewähren. Wir hörten dann im Nebenraum ein Kind aufschreien und anschließend bitterlich weinen, und wurden ein bisschen unsicher, haben aber erst einmal, gedämpfter, weiter gespielt. Dann zeigte die Nonne auf einen von uns und machte eine Geste zur Tür. Wir hatten vorher nicht mitbekommen, dass eine raus musste, und haben bei der nächsten dann vorsichtig abgewartet, was passiert - das Gleiche: Schrei, Weinen. Da war klar, dass hinter der Tür nichts Gutes wartet, und entsprechend haben wir auch schon mal alle geweint, aus Angst. Die Nonne zeigte wieder einen, es ging dem Alter nach, die Jüngsten zum Schluß. Ich war die Vorletzte, und das Schlimmste war eigentlich die Ungewissheit, was denn eigentlich passieren wird. Letztlich saß hinter der Tür die Mutter Oberin auf einem Stuhl, zog einen beim Rauskommen blitzschnell zu sich und klemmte einen zwischen die Beine. Weil man nicht wusste, was los war, hat man gezappelt und mit dem Kopf nach hinten geschaut - und bekam dann Spiritus in die Augen, mit dem die Haare (als Schutz vor Läusen?) gewaschen wurden. Das brannte und stank, und war sehr unangenehm, aber ich weiß noch, dass ich froh war, weil - zumindest wußte ich jetzt, was passiert... Nach der Rückkehr muß ich oft geweint haben. Ich kann mich nur an einmal erinnern, da gab es abends ein Nachtlied und die Gute-Nacht-Geschichte, und meine kleine Schwester lag im Etagenbett über mir, und ich war in dem Moment so froh und erleichtert, dass einfach die Tränen liefen. Meine Oma hat mich dann etwas später ermahnt, nicht immer zu heulen, weil es meine Eltern traurig machen würde, und außerdem wäre die Kur sehr teuer gewesen, sie haben 800 Mark zuzahlen müssen (das war für meine Eltern damals mit Sicherheit sehr viel Geld). Danach habe ich dann aufgepaßt, nicht mehr zu weinen, und habe auch glaube ich nie groß davon erzählt. Aber ich kann mich nach all den Jahren noch so gut an einzelne Szenen erinnern. Für mich war das Kinderknast.
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Regina aus Eschwege schrieb am 15.06.2021
Ich glaube ich war 8 Jahre alt, als ich „verschickt“ wurde. Damit ich nicht so allein bin, wurde mein Bruder, knapp 2 Jahre älter als ich, mitgeschickt! Meinen Bruder habe ich während dieser 6 Wochen nur einmal kurz von Weitem gesehen. Der Kasernendrill wurde auch bei Freigängen konsequent betrieben. Wenn die Jungs „auf Ausgang“ waren, mussten wir Mädchen uns umdrehen mit dem Gesicht zur Wand oder Hecke je nachdem, was gerade da war. Das Heim bestand aus mehreren Häusern, nach Geschlecht und Alter sortiert, mit einer „Tante“ als Aufseher. Meine hieß Brigitte und sie war grausam! Nachts lief sie Patrouillen durch den Flur, denn es war strengstens verboten auf die Toilette zu gehen, da oft morgens Urinproben abgegeben werden mussten und man da keine Geduld hatte ggf. warten zu müssen… Einmal hatte ein Mädchen im Schlafsaal „rumgealbert“ und gruselige Sachen erzählt, eines der Mädchen hatte entweder wirklich Angst oder war einfach nur albern und sich der Konsequenzen nicht bewusst. Jedenfalls ist sie aus ihrem Bett gehüpft und in meins rein! Tante Brigitte stand sofort im Schlafraum und leuchtete mit ihrer Taschenlampe in mein Gesicht, das andere Mädchen war komplett unter meiner Decke! Noch kam Gekicher unter der Decke hervor. Wir mussten beide aufstehen und uns vor unser Bett stellen und unser Hinterteil frei machen, dann uns mit dem Oberkörper auf das Bett legen und das nackte Hinterteil hochhalten. Tante Brigitte hatte ein feines Stöckchen dabei, wie viele Schläge es waren, weiß ich nicht mehr, auch an den Schmerz erinnere ich mich nicht mehr, aber an das Gefühl ausgeliefert zu sein und die Erniedrigung vor aller Augen… Eines der Mädchen hatte eine ältere Schwester in einem anderen Haus, die sie auch treffen durfte, weil ja Geschlechtsgenossin und kein Bruder, der sie von diesem Vorfall erzählte. Es gab eine Zusammenkunft im Speisesaal mit mehreren Tanten und alle Kinder des Hauses mussten sich aufstellen, die ältere Schwester war auch anwesend… Tante Brigitte ist die Reihe der Mädchen entlang geschritten und hat gefragt „wer ist hier angeblich geschlagen worden? Keine Angst, einfach vortreten, dann können wir das klären!“ und hin und her ist sie die Reihe „abgeschritten“! „Na? Wer war denn das? Hat hier keiner was zu erzählen?“ Ich dachte mein letztes Stündchen hätte geschlagen! Ich habe nichts gesagt! Und die Versammlung wurde aufgelöst mit dem Hinweis, dass irgendein „dummes Ding Blödsinn erzählt hat um sich wichtig zu machen“! Ich hatte schreckliche Angst, dass das Konsequenzen hätte, aber nein, es wurde nie mehr darüber geredet. Nach 3 Wochen wollten meine Eltern zu Besuch kommen, da mein Onkel in Freiburg wohnte und Geburtstag hatte, das wollten sie mit einem Besuch verbinden. Ich hoffte, dann könnte ich erzählen, was da passiert war und sie würden mich mitnehmen. Denn Briefe wurden diktiert, man durfte nicht schreiben, was man wollte und so war man einfach ausgeliefert! Meine Mutter hat einmal angerufen und da stand Tante Brigitte neben mir und hat mitgehört, also auch keine Chance. Nach dem nächtlichen Vorfall war ich so eingeschüchtert, dass es reichte, mir zu sagen, dass ich brav sein müsste, sonst würde ich mich wundern, was für Möglichkeiten sie hätte. Was sie meinte, wurde mir klar, als meine Mutter mir mitteilte, dass sie nicht kommen würden, wie geplant, weil Tante Brigitte gesagt hatte, dass ich mich gut eingewöhnt hätte und ein Besuch nur das Heimweh wieder bringen würde. In meinem Interesse sollten sie doch darauf verzichten. Das war der Moment an dem ich dachte, da nie mehr raus zu kommen. Bei vielen wurde der Aufenthalt verlängert und da hatte ich totale Panik! Ich habe selbst nach meiner Rückkehr nach Hause erst viel später davon erzählt. Ich habe nur gesagt, dass ich es nicht schön fand…mein Bruder fand es super! Er wollte da gern wieder hin! Ich wäre eher gestorben! Ich habe viele Jahre noch unter diesen traumatischen Erlebnissen zu leiden gehabt. Ich konnte nicht mit auf Klassenfahrt fahren und bin lieber in eine andere Klasse während dieser Zeit gegangen. Erst viel später konnte ich das überwinden. Einige haben mich bestimmt für einen Sonderling gehalten, aber es war nicht möglich, auch bei Freundinnen zu übernachten war unmöglich, ich hatte echte Panik davor. Mit 15 oder 16 Jahren habe ich mich selbst davon befreit, heute weiß ich, dass ich psychologische Hilfe gebraucht hätte, aber damals hat da niemand dran gedacht. Ich habe ein gestörtes Verhältnis zu meiner Mutter, dieses und vieles andere kann ich ihr nicht verzeihen. Das ist sehr traurig, aber ich habe damals verinnerlicht, dass ich offenbar nicht viel wert bin und das hat mich mein Leben lang verfolgt. Heute bin ich 55 und wenn ich mich schlecht behandelt fühle, sage ich das sofort, also dass mich das stört und bitte darum, das zu unterlassen, freundlich aber bestimmt! Denn ich bin es mir wert und lasse mich von niemandem klein machen! Obwohl ich nur 1,60 m groß bin, trete ich immer auch für andere ein, mein Gerechtigkeitssinn ist besonders ausgeprägt und heute denke ich, dass gerade diese Erlebnisse mich stark gemacht haben! Heutzutage gibt es sowas ja Gott sei Dank nicht mehr, aber ich hätte meine Kinder auch niemals „verschickt“! Heute gibt es Mutter-Kind-Kuren, das ist auch sicher besser so!
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Jo aus Landkreis Ludwigsburg schrieb am 15.06.2021
Im Alter von 10 und 12 Jahren kam ich in Erholung. Ich meine, dass der Schularzt erstmals in der 4. Klasse die Erholung, weil ich zu dünn war, empfohlen hat und ich dann im Gesundheitsamt Ludwigsburg untersucht und die Erholung in die Wege geleitet wurde.
Aufenthalte: 1970 in Wiesensteig, Kinderkurheim Bläsiberg und 1972 in Brissago, Lago Maggiore, Kinderkurheim Miralago
Ich vermute, das war beide Male in den Sommerferien.
Meine Mama hat vor der Erholung Namensschilder in meine Kleidung genäht.
Die meisten Erinnerungen an die Heime habe ich wohl tief vergraben oder verdrängt.

Zu Wiesensteig:
Ich war das erste Mal alleine von zuhause weg. Ich hatte Heimweh, Kontakt nach Hause durfte ich nicht haben. In einer Postkarte habe ich meinen Eltern geschrieben „Ich bringe viele Briefmarken mit nach Hause. Evi und Micki in meinem Zimmer sind sehr frech zu mir. Uns geht es gut“. Wer Post von zuhause bekommen hat wurde im Speisesaal aufgerufen. Ich habe auch einmal ein Päckchen mit Süßigkeiten von Zuhause bekommen, ob das aufgeteilt wurde kann ich mich nicht erinnern.
Zum Frühstück gab es manchmal Schokopuddingsuppe und als Getränk Hagebuttentee.
Beim Essen musste ich solange vor meinem Teller sitzen bleiben bis er leer gegessen war, egal ob ich es nicht mochte oder satt war. Dies hat sich bei mir eingebrannt und ich habe mir geschworen niemals ein Kind zum Essen zu zwingen.
Wir mussten jeden Tag Mittagschlaf machen. Ich kann mich noch gut an die Liegen mit den Decken an der Turnhalle erinnern.
Im Garten war eine Schaukel und ein Drehkarussel. Vom Drehkarussel wurde ich runterkatapultiert und habe mir das Handgelenk verstaucht. Eine „Tante“ ist mit mir zum Arzt gefahren, dort habe ich eine Gipsschiene bekommen. Meine Eltern wurden nicht informiert. Als die Heimreise anstand wurde mir die Schiene abgenommen, damit ich „heil“ daheim ankomme. Es folgten 15 Jahre erhebliche Schmerzen im Gelenk, erst mit Homöopathie konnte ich das ausheilen.
Schön war jedenfalls, dass ein Nachbar uns Kinder mit seinem Traktor und Heuwagen mal mitgenommen hat.

Zu Brissago:
Die Anreise war mit dem Zug ab Stuttgart bis Locarno. Vermutlich von dort aus mit dem Bus bis Brissago.
In Brissago hatten wir junge, heute würde man sagen „coole“ Erzieherinnen. Wir sind oft in der Gruppe an das Ufer am Lago Maggiore gelaufen. Ich hatte dort einen Freund, Frank S. aus Sindelfingen. Wir haben uns noch eine Zeitlang geschrieben als wir wieder daheim waren. An die Namen der anderen Kinder kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich kann mich noch an ein Mädchen erinnern das eine Perücke trug, warum das so war weiß ich nicht mehr (sie ist auch auf meinem Gruppenbild).

Mittagschlaf machten wir auch hier, im Matratzenlager vom Pavillon.
In einer Karte an zuhause habe ich geschrieben „Jeden Montag ist Schreibtag, wir sind zu acht im Zimmer und müssen jede Woche duschen“. In den Waschsaal gingen wir in Unterhose und mit einem kleinen Handtuch, das zeigen meine Bilder.
Bei der Ankunft musste ich ein Lieblingskleidungsstück zur Seite hängen für die Heimreise. Ich habe mich für meinen nagelneuen Hosenanzug entschieden. Leider habe ich in den 6 Wochen mehr als 4 Kilo zugenommen und der Hosenanzug war zu eng.
Mein Bruder wollte mich damals besuchen (er hatte schon den Führerschein). Er hatte ein Paket mit Kleidung gebracht, das wurde mir auch gleich übergeben. Er wurde aber nicht vorgelassen zu mir. Dass ich meinen Bruder nicht sehen durfte, obwohl ich erfuhr, dass er vor der Tür stand, tat mir sehr, sehr weh. Das Argument war Heimweh.
Das Highlight war einmal abends, da wurde ein halber Raclette Käselaib im offenen Kamin vom Speisesaal erwärmt, das war sehr lecker und ich denke gerne daran.

Seit vielen Jahren leide ich unter Ängsten. Die meisten Probleme machen mir Trennungsängste, Verlustängste, Druck, Bevormundung, hilflos, ausgeliefert, alleine zu sein.
Mir wurde immer wieder empfohlen doch eine Reha zu machen, aber ich wollte nie von zuhause weg.
Durch einen emotionalen Ausnahmezustand mit einigen somatischen Beschwerden wurde ich hellhörig als im Fernseher ein Bericht über „Verschickungskinder“ kam. Vielleicht habe ich nun noch Erklärungen gefunden für Teile meiner Verhaltensweisen. Dass auch die „Erholungen“ dazu beigetragen haben.
Zum Beispiel warum ich immer für meine Kinder da sein wollte und bin! Warum ich keinen Druck, Bevormundung und Ungerechtigkeiten ertrage! Warum es mir sehr schwer fällt alleine aus meinem gesicherten Umfeld zu gehen, warum allein sein oft mit Angst verbunden ist, warum ich immer Harmonie suche.
Vielleicht findet sich jemand, der auch zu der Zeit in den beiden Heimen war, vielleicht kann ich mit deren Berichten mein Gedächtnis wecken.
Die Initiatoren dieser Seite möchte ich meinen Dank aussprechen und hoffe, dass wir Verschickungskinder gesehen werden.
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Ursula Kocke aus Wuppertal schrieb am 15.06.2021
Als 7jährige wurde ich ,für 6 Wochen ,in obiges Heim verschickt.Es war die Hölle die ich dort ertragen mußte.Weil ich den ,täglichen,Haferschleim nicht aufgegessen habe ,mußte ich allein ,in dem riesigen Speisesaal sitzen bleiben während die anderen Kinder raus durften.Weil mein Teller,auch am Abend,nicht leer war,bekam ich den am nächsten Tag wieder vorgesetzt,so oft bis er endlich leer war.Ich hatte großes Heimweh und habe jeden Abend geweint,was zur Folge hatte,dass ich in eine Kammer gesperrt wurde weil ich die anderen Kinder gestört habe.Die Kammer war kalt und dunkel.Als ich nach 4 Wochen krank wurde ,versprach man mir ,mich früher nach Hause zu schicken,darauf habe ich gewartet aber als der Zeitpunkt da war ,wurde mir gesagt ,dass das nicht geht weil meine Mutter mich nicht mehr haben wollte.Danach habe ich mehrmals ins Bett gemacht,wurde als Schwein beschimpft und bekam keine Bettwäsche mehr sondern mußte auf einer Plastikplane ohne Bettzeug schlafen ohne Schlafanzughose weil die ja auch nass wurde.Ich kann mich an einen Jürgen aus Köln -Phingst erinnern dem es genauso erging.Am schlimmsten war eine Tante Wilma,ich sehe sie ,noch heute,vor mir ,riesen groß mit schwarzen Haaren.Sie war ein Teufel.Heute ,mit 78 Jahren,erzähle ich das erste Mal über diese Zeit,sie hat mich geprägt und trotzdem habe etwas daraus mitgenommen,ich habe meine Kinder nie zum Essen gezwungen ,ich habe sie nie ausgeschimpft wenn sie mal ins Bett gemacht hatten ,ich habe sie nie,zur Strafe eingesperrt,ich habe sie einfach nur geliebt.
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EineRose schrieb am 15.06.2021
Ich war im Herbst 1975 als 8-jähriger für 6 Wochen im Verschickungsheim Brilon gewesen. Unter den 8-12-jährigen dort war ich einer der jüngsten. Meine Eltern sagten mir, danach wäre ich ein ganz anderer Mensch gewesen als davor: viel blasser, stiller und weniger lebhaft.
An ein paar Dinge erinnere ich mich: Einmal war ich "widerspenstig" und wurde unten im Waschraum von Frau Selter geschlagen. Das war nach einer Wanderung, nach der ich einfach nicht mehr konnte. Die ging bestimmt über 20 km oder mehr.
Abends nach den Schlägen habe ich ins Bett gemacht, was ich schon lange nicht mehr getan hatte. Ich habe mich nicht getraut, etwas zu sagen und in der Pfütze weitergeschlafen, bis es irgendwann wieder trocken war.
Auch an das Gurgeln von Salzwasser erinnere ich mich. Schrecklich! Und irgendwann im Laufe des Tages gab es diesen furchtaren Brottrunk, der schmeckte wie Essigwasser. Mag ja vielleicht gesund gewesen sein für Erwachsene, aber für uns Kinder war er eine Folter. Wir haben uns alle davor geekelt. Briefe wurden kontrolliert und alle schrieben natürlich, wie toll es dort doch angeblich war. Wehe, man hätte etwas anderes geschrieben.
Frau Selter war wirklich ein furchtbarer Drachen, schon von ihrem matronenhaften Äußeren her. Ich erinnere mich noch daran, dass sie sogar einen Kinnbart hatte. Das machte sie für uns Kinder nicht sympathischer.
Während der Zeit wurde ich krank und bekam wohl Scharlach, wie man später zuhause an den Symptomen erkannte. In Brilon selbst wurde nichts dagegen getan. Ich musste weitermachen wie die anderen. Ich war erschöpft und froh, als es vorbei war. Auch meinen Eltern fiel auf, dass ich in viel schlimmerem Zustand nach Hause kam als ich abgereist war.
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Steffi aus Brilon schrieb am 15.06.2021
Nach dem Lesen des o.g. Buches konnte ich eine Veränderung bei mir feststellen: Ich fühle mich
in diesem Punkt zum ersten Mal ernst genommen und ich habe nie gelogen in Bezug auf meine
Erinnerungen.
Und ich war nicht die Einzige.
Aber es hat mich auch erschüttert, aufgewühlt. Das Begreifen, „ich war dabei, es ist alles wahr“,
hat mich auch erst einmal sprachlos gemacht und still werden lassen. Nachdenklich, meine Gedanken
und Gefühle erst einmal ankommen lassen und überhaupt zuzulassen.
Und ich hatte plötzlich keinen Hunger mehr, nur Durst.
Die Erkenntnis, das heim- und zeitunabhängig über ganz Deutschland diese grauenhaften Taten
belegt worden sind (und hoffentlich noch weiter belegt werden), beweist: Das hatte System! Und
war nur möglich, weil alle weggeschaut habe: Familien, Ärzte, Krankenkassen, Gesundheits- und
Jugendämter, Träger, Kirchen, Lehrer, Staat… Und es bis heute weiterhin tun.
Ich war ca. ½ Jahr alt, als ich an Asthma und Neurodermitis erkrankte und mein Kinderarzt, Dr.
Götting (Paderborn), den ich als mit-leidenden, freundlichen Mann erinnere, alles versucht hat,
um mir zu helfen. Vermutlich hat er meinen Eltern zu dieser „Kur“ geraten, was damals ja offenbar
durchaus üblich war.
Aufgewachsen bin ich mit zwei Schwestern (*1966 und *1967) in einem liebevollen, fürsorglichen
Elternhaus, das katholisch geprägt war und in dem die christlichen Werte gelebt wurden. Die
Familie habe ich immer als Schutzraum empfunden gegen „Feinde“ von außen. Auch meine
Schwestern waren immer meine Verteidiger, wenn andere Kinder aufgrund meiner „kaputten“
Haut gegen mich waren. Echte Freunde / Freundinnen hatte ich aber nicht. Wir wohnten damals
außerhalb von Stadt und Dorf und Mobilität gab es nicht. Meine Mutter war zuhause und für sie
war das Mutter-Sein eine echte Berufung, die sie selbst für sich frei gewählt hatte und bis heute
lebt. Mein Vater war zwar der klassische Versorger, aber immer für uns da, liebevoll, fürsorglich
und weitblickend, fantasievoll und humorvoll. Meine Mutter war, so vermute ich heute, mit drei
Kindern, davon einem sehr kranken, trotz all ihrer Mühe oft am Ende ihrer Kräfte. Mein Vater hat
sie unterstützt, wo er konnte und immer darauf geachtet, dass sie selbst nicht zu kurz kommt.
Vor diesem Hintergrund ist wahrscheinlich auch die Entscheidung, mich in eine „Kur“ zu schicken,
damit es mir besser geht, gefällt worden.

Interessanterweise bringe ich meinen Vater überhaupt nicht mit den Erlebnissen um das Thema
Borkum in Verbindung, vermutlich, weil er bei Abfahrt und Rückkehr nicht dabei war. Was ich
erinnere, ist seine Umarmung, als ich wieder zu Hause war und das Gefühl: „Ich bin in Sicherheit!“
Meine Mutter vermutet, die „Kur“ könnte über die Barmer Ersatzkasse oder auch über die Caritas
gelaufen sein, an den Namen des Heims und ob es ein kirchlicher Träger war, erinnert sie sich
nicht.
Ich war gerade 6 Jahre alt geworden, als ich von Paderborn aus in ein Heim auf Borkum verschickt
wurde. Meine Mutter erzählt, dass sie einige Zeit vor der Abfahrt noch ein Foto hat machen lassen,
auf dem sie vermerkt hat, dass ich 6 Jahre alt war. Damit müsste es Oktober / November
1970 gewesen sein. Dazu passen auch meine Erinnerungen an Borkum: draußen kalt und grau,
es gab keine Sonne, Blumen oder grüne Bäume; drinnen immer nur spärlich beleuchtet und viele
graue Farbtöne.
Auch die Rückfahrt nach der „Kur“ passt zur diesem Zeitfenster: Meine Mutter, meine Oma und
ich sind mit dem Bahnbus gefahren, da war es schon dunkel. Meine Mutter weiß noch, dass der
letzte Bus von Paderborn in unseren Ort entweder um 16:30 oder 17:30 fuhr, damit kann es nicht
im Sommer gewesen sein. Ich erinnere mich an das Licht im Bus und die Sitze: sie waren aus
einem dunkleren roten Plastik und durchzogen mit bräunlichen Äderungen und sahen aus wie
Blut.
Zur Abfahrt hatten mich meine Mutter und meine Oma gebracht. Ich erinnere mich noch an die
Karte um den Hals und dass die Bänke im Zug aus Holz waren und der Po vom langen Sitzen
wehtat. Der Rest ist weg, ebenso die Fährfahrt und die Ankunft. Auch an das Haus habe ich keine
Erinnerung. Trotz Sichten alter Bilder und einem Besuch auf der Insel vor ein paar Jahren kam da
nichts wieder.
Die Erinnerung an den Aufenthalt auf Borkum kann ich in keine Zeitachse packen; ich kann nur
einzelne Situationen erinnern, aber nicht, was zuerst oder was zuletzt war.
Ich habe auch keine Erinnerung, dass ich je in einem riesigen Schlafsaal war, auch nicht an andere
Mädchen (außer einer) und schon gar nicht an Jungen. Daher kann ich nur die einzelnen Bruchstücke
aufschreiben, die mir aber noch absolut präsent sind:
Bruchstück 1:
Ich war allein in einem Zimmer und saß in einem Gitterbett. Gegenüber auf einem hohen Schrank
saß hoch oben mein Teddybär, den mir Pater Sonntag von der Mission Mariental in Süd-West-
Afrika (heute Namibia) extra für diese „Kur“ geschickt hatte. Der Teddy war unerreichbar für mich
und ich habe ihn danach auch nie wieder gesehen oder gar zurückbekommen. Das Bettlaken war
nass und voller Blutflecken und -streifen, weil ich mich offenbar gekratzt hatte. Jemand in weißer
Kleidung saß neben mir und zeigte mir eine Postkarte mit Teddybären darauf und hatte ein Päckchen
von meinen Eltern dabei. Was darin war, durfte ich nicht sehen und habe den Inhalt auch
nie bekommen. Nur die Karte durfte ich kurz anschauen, aber nicht anfassen oder gar behalten.
Auch sie war danach weg. Vorgelesen wurde sie nicht. Weil das Bett so schmutzig war, musste
ich es abziehen und mit der Schwester (ich vermute, es war eine wegen der weißen Kleidung) im
Waschraum waschen. Die braunen Flecken vom Blut hab ich nicht wegbekommen, deshalb
musste ich solange waschen, bis sie ganz blass waren. Der Boden war eiskalt und ich durfte keine
Schuhe tragen. Und es brannte nur ganz wenig Licht. Irgendwann waren dann viele hohe Stimmen
da, die mich ausgelacht haben, es gibt aber keine Körper oder Gesichter dazu.
Diese Prozedur musste ich immer wieder machen, weil ich oft ins Bett gemacht habe und mich
blutig gekratzt habe. Vielleicht war ich auch immer nur in diesem Einzelzimmer. An Medizin oder
Salben kann ich mich nicht erinnern, auch nicht an einen Arzt.
Bruchstück 2:
Ich erinnere mich an den Waschraum mit ganz vielen Waschbecken in einer langen Reihe mit
Spiegeln darüber, aber die waren zu hoch, ich kannte mich nie sehen. Der Raum war ganz kalt
und dunkelgrau gestrichen. Es gab kein helles Licht, nur eine einzige Leuchte unter der Decke.
Auf den Waschbecken lagen Zahnbürsten und Zahnpasta. Ganz viele Kinder hatten diese rosafarbene
Blendi-Kinderzahnpasta, die es auch heute noch unverändert gibt. Ich bin immer wieder in
diesen Waschraum geschlichen und habe diese Zahnpasta gegessen, die war lecker und
schmeckte nach Himbeeren. Ich erinnere außer mir kein einziges Kind in diesem Raum, auch kein
gemeinsames Waschen oder Zähneputzen. Auch dass ich dort hinschleichen konnte, legt die Vermutung
nahe, dass ich in einem Einzelzimmer untergebracht war, vielleicht, weil ich keinen anstecken
sollte.
Den Geruch und den Geschmack dieser Zahnpasta finde ich heute noch angenehm.
Bruchstück 3:
Ich erinnere mich an einen endlos langen, kalten und dunklen Flur, der wie alles nur spärlich
beleuchtet war. Auf beiden Seiten waren viele Türen, aber alle geschlossen. Und es war ganz still.
Am Ende des Flurs gab es kein Fenster, dafür aber eine dunkle Ecke. Die Wände waren dunkelgrau
und ganz glatt und kalt, so wie der Fußboden. In dieser Ecke musste ich immer wieder stehen,
wieso, kann ich nicht sagen. Vielleicht wegen dem verschmutzen Bett, weil es nie besser wurde
mit dem Ins-Bett-Machen und sich-blutig-kratzen. Ich war immer barfuß und hatte ein
Nachthemd an, aber keine Unterhose und keine Decke. Ich musste immer auf die Wand schauen
und durfte mich nicht umdrehen. Wie lange das jeweils gedauert hat, weiß ich nicht, es fühlte ich
an wie eine Ewigkeit. Manchmal war auch dort das Gelächter der hohen Stimmen, auch an die
Worte „kaputte Haut“ erinnere ich mich. An Schläge erinnere ich mich dagegen nicht. Aber daran,
dass ich mir in dieser Ecke immer das kleine Mädchen aus dem Märchen „Das kleine Mädchen
mit den Schwefelhölzchen“ vorgestellt habe. Es ist bis heute mein Lieblingsmärchen und wenn
ich es vorlese, wird meine Stimme immer ganz brüchig, manchmal kommen auch Tränen.
Bruchstück 4:
Ich erinnere mich, dass es eine Nachtschwester gab. Aber sie sah nicht aus wie eine Schwester
oder Nonne, sie hatte keine Haube. Sie hatte dunkelgraue Haare, ein graues Kleid an und der
Stoff war etwas rau. Sie saß auf einem Stuhl bei den Toiletten. Sie sah aus wie meine Kindergärtnerin
Tante Lisbeth. Bei ihr war ich einmal (vielleicht auch öfter) in der Nacht. Dazu musste ich
eine Treppe hoch. Mit ihr verbinde ich die Worte gütig und tröstend. Erlaubt war das nicht, wir
durften nachts nicht zur Toilette gehen. Wieso ich trotzdem da war, kann ich nicht sagen, vielleicht
auch das ein Hinweis auf das Einzelzimmer. Diese Nachtschwester war jedenfalls die einzige
Person, die so etwas wie ein Gesicht hatte.
Bruchstück 5:
Von meiner Betreuerin erinnere ich nur die Rückenansicht. Sie hieß Fräulein Niederegger (ich
denke, es wird so geschrieben), den Begriff „Tante“ erinnere ich nicht.
Sie hatte lange schwarze glatte Haare bis zur Mitte des Rückens, sie waren strähnig und fettig.
Sie hatte einen extrem breiten Hintern und dicke Oberschenkel. Sie trug immer schwarz und
hatte eine schwarze Feincord-Hose mit dem braunen Wrangler-Etikett. Wenn sie lief, gab es immer
das typische Geräusch, das Cordhosen machen, wenn die Beine aneinander reiben. Dieses
Geräusch erzeugt bei mir bis heute ein ungutes Gefühl. Ich habe nie diese Cordhosen und schon
gar nicht die Marke Wrangler getragen oder tragen wollen.
Bruchstück 6:
Der Speisesaal war ein riesiger Raum in einem vergilbten beige, aber genau wie alle Räume immer
kalt. Der Tisch war ziemlich hoch, so dass ich fast mit dem Kinn an die Platte kam. Es gab
keine Blumen oder Tischdecken. Auch kein Besteck, nur einen Löffel. Der Teller immer so voll,
dass er fast überlief. Auch hier erinnere ich keine anderen Kinder oder Stimmen. Gefühlt war es
total still.
Ich erinnere mich nicht, dass das Essen farbig war, nur an graue oder grau-beige Farben. Es gab
auch keinen Geschmack. Alles war irgendwie gleich, eher pampig und sehr fettig. Ekelig war das
Fleisch: meist zäh, mit dicken Fettbrocken, sehnig und mit viel Knorpel. „Schneiden“ musste ich
das mit dem Löffel, was nie gelang. Das Brot schmeckte immer staubig, offenbar war es alt und /
oder schimmelig. Noch heute kann ich Schimmel sofort riechen und esse nur absolut mageres
Fleisch.
Ich musste immer alles aufessen und mir war immer schlecht danach, weil es einfach zu viel war.
An einmal kann ich mich erinnern, dass ich alles wieder ausgebrochen habe. Dann hat mich jemand
ohne Gesicht in den Nacken gepackt und mir alles wieder eingelöffelt, bis endlich alles leer
war. Ich hab mich mehrmals übergeben, weil das einfach so ekelig war und so hat das ziemlich
lange gedauert, bis ich fertig war.
Bis heute kann ich es nicht haben, wenn mich jemand im Nacken packt oder durch die Haare
wuselt. Und bis heute muss ich würgen, wenn im Fleisch mal eine Sehne auftaucht, die ich übersehen
habe. Auch sobald ich sehe oder höre, dass sich jemand übergibt, löst das Würgereiz bis
hin zum tatsächlichen Erbrechen aus, selbst bei geruchs- und geräuschlosen Szenen in Filmen
muss ich rausgehen oder die Augen und Ohren schließen. Ich bin ausgebildeter Ersthelfer und
habe schon viele schlimme Verletzungen gesehen, aber wenn sich da jemand übergeben hat,
kann ich nichts mehr tun.
Einmal gab es Grießbrei mit Kirschen (da war dann doch Farbe). Der Brei war wie Beton und völlig
ohne Geschmack, aber die Kirschen waren lecker. Die Kirschkerne hab ich geschluckt, vor lauter
Angst, sie auf den Teller zu legen. Und ich hatte Angst, dass sie im Bauch werden wie die Wackersteine
und ich daran sterbe. Aber das ist zum Glück nicht passiert.
Kirschen liebe ich heute noch, Grießbrei würde ich freiwillig nie wählen, ob wohl ich auch schon
leckeren gegessen habe und nicht würgen musste.
Außerdem erinnere ich mich, dass ich ständig Durst hatte. Es gab ganz wenig zu Trinken und dann
nur roten Tee mit einem üblen Nachgeschmack, der noch mehr Durst machte. Manchmal hab ich
heute noch echte Durstattacken, in denen ich dann sofort trinken muss. Das ist wie eine Art
Zwang. Roten Tee verabscheue ich heute noch.
Bruchstück 7:
An Borkum als Insel oder an das Meer habe ich so gut wie keine Erinnerungen. Ich glaube, wir
waren so gut wie nie draußen. Aber ich erinnere mich auch drinnen an keinen Raum, wo wir
gespielt hätten oder gebastelt. Auch nicht an Gruppen mit anderen Kindern. Da ist einfach nichts.
Einmal waren wir in einem Wellenbad. Die Halle war riesig und es roch eigenartig, vielleicht nach
Salz, weil auch das Wasser salzig war. Wenn ich Wasser geschluckt hatte, musste ich würgen. Die
Wellen waren riesig und ich hatte Angst, unterzugehen. Es waren noch andere Menschen im Bad,
aber die waren immer weit weg und sahen ganz winzig aus. Meine Haut hat höllisch gebrannt,
weil das Salz in die aufgekratzten Wunden kam. Zum Abtrocknen gab es Handtücher, die ganz
steif und hart waren und nicht richtig getrocknet haben. Hinterher war meine Haut ganz trocken
und ist immer wieder aufgeplatzt. Und dann war das Bett wieder blutig und die Waschprozedur
kam. Noch heute meide ich Schwimmbäder und Meerwasser.
Bruchstück 8:
Ähnliches erinnere ich auch von den Duschräumern. Duschen kannte ich nicht, wir hatten zu
Hause nur eine Badewanne. Hier erinnere ich auch andere Kinder, vermutlich Mädchen, aber alle
ohne Gesichter. Wir mussten uns zum Duschen alle nebeneinander nackt aufstellen. Das Wasser
kam aber nicht von oben, sondern aus einem Gartenschlauch. Es war ein ganz harter Strahl und
eiskalt. Es brannte auf meiner Haut und der harte Strahl tat weh. Seife gab es nicht. Einmal hab
die Arme um mich gelegt als Schutz: Da musste ich nach vorne kommen und wurde noch mal
„abgeduscht“. Und wieder mussten alle anderen mich auslachen. Wieder diese hohen Stimmen
und die Worte „kaputte Haut“.
Bruchstück 9:
Einmal waren wir in den Dünen. Ich bin mit einem Mädchen (an weitere Kinder erinnere ich mich
nicht) zusammen eine Düne hochgelaufen. Das Mädchen hatte einen roten Hut auf, ähnlich einem
Fes, nur die Quaste war eher ein schwarzer, dickerer Faden. Kurz bevor wir oben waren,
stand oben am Rand der Düne ein Mann, der sich gegen den grauen Himmel abhob und aussah
wie Zorro: mit dem Hut und einem schwarzem wehenden Umhang, der sich aufgebläht hatte.
Alles an dem Mann war schwarz, auch er hatte kein Gesicht. Er kam auf uns zu und wir sind
umgedreht und gefühlt um unser Leben gerannt. Diese Angst kann ich sogar jetzt wieder fühlen,
während ich dies schreibe.
Nach dem „Kuraufenthalt“ bin ich in die 5. Klasse auf’s Gymnasium gekommen. Ich war die einzige
aus der Grundschule, die auf das Mädchengymnasium kam, kannte dort also niemanden. Die
erste, die mir auffiel, war Anke W.. Ich bis heute zu 100 % sicher, dass sie das Mädchen mit dem
roten Hut war. Ich fragte sie, aber sie hatte es verneint. Später, ich war 17. oder 18 Jahre alt,
habe ich sie noch einmal darauf angesprochen: auch da hat sie behauptet, nie auf Borkum gewesen
zu sein. Diesmal allerdings mit einer ziemlichen Aggressivität und Wut in ihrer Stimme. Ich
habe sie danach nie wieder gefragt. Und bis heute begegne ich ihr mit einem gewissen Argwohn,
ich traue ihr irgendwie nicht.
Interessanterweise hatte ich in der Zeit in Pädagogik das Thema „vernachlässigte Kinder“. Mein
damaliger Lehrer sagte mir später einmal: „ich war sicher, Du würdest Pädagogik oder irgendetwas
Soziales studieren.“
Bruchstück 10:
Vermutlich eher zum Ende des Aufenthaltes müssen wir in der Stadt gewesen sein. Ich hatte ein
Leporello mit Bildern von Borkum mit nach Hause gebracht. Darauf war auch ein Foto vom berühmten
Wal-Knochenzaun in der Kirchenallee zu sehen. Den Zaun habe ich beim Besuch auf der
Insel wiedererkannt. Das Leporello hatte ich lange, irgendwann ist es verschwunden. Geblieben
ist nur das Bild vom Wal-Knochenzaun, alle anderen sind verschwunden oder basieren auf den
Bildern vom Besuch auf der Insel.
Besonders mögen tue ich Borkum nicht.
Als ich wieder zu Hause war, sagte meine Mutter: „Das ist nicht mehr das Kind, das wir losgeschickt
hatten! Nie wieder gebe ich ein Kind weg !“ Ich glaube, sie leidet bis heute unter dieser
Entscheidung, obwohl sie wirklich nur das Beste wollte.
Ich war trotz meiner Erkrankung den Erzählungen nach ein fröhliches, aufgewecktes und positives
Kind. Als ich zurückkam, war ich nur noch still und unauffällig, fast unterwürfig. Vieles davon
ist geblieben: ich mag auch heute noch keine Feiern oder Ereignisse, in denen ich der Mittelpunkt
bin. Immer noch habe ich diese Angst, ich könnte nicht gut genug sein, es geht etwas schief, weil
ich nicht alles bedacht habe, oder es kommen keine Leute, weil man mich doch nicht mag.
Ganz früh nach dieser „Kur“ wusste ich sicher und klar, dass ich niemals Kinder haben will.
Obwohl meine Mutter und meine ganze Familie alles getan haben, um mich wieder aufzubauen,
hat das Verhältnis zu meiner Mutter einen Knacks bekommen, der erst seit 2016 (Herzinfarkt
meines Vaters), also nach 50 Jahren, so langsam zu heilen beginnt. Was für eine Zeitspanne!
Mein Selbstvertrauen und Selbstsicherheit waren verschwunden. Statt dessen war das Gefühl,
nicht den Anforderungen zu genügen, ein permanenter Begleiter. Selbst wenn es belegbar war,
z.B. durch gute Zeugnisnoten, habe ich es nicht geglaubt.
Auch bedingt durch meine „kaputte“ Haut hatte ich jahrelang keine echten Freunde oder Freundinnen.
Ich habe lange versucht, durch lauter Unfug Freunde zu kaufen. Das konnte natürlich
nicht gelingen. Ich war der Klassenclown, aber nicht wirklich lustig. Lustig gemacht haben sich die
anderen über mich - Geschichte wiederholt sich halt. Irgendwann war ich dann nur noch still und
angepasst. Die Erfahrung zeigt: das läuft gut, ich war nicht mehr angreifbar. Die ersten Freunde
waren eine Gruppe von Jungen, da war ich fast 17 Jahre alt. Wenn etwas nicht so lief, haben sie
es mir direkt ins Gesicht gesagt und dann war es gut. Sie haben nie nachgetreten oder nachgetragen.
Bei den Mädels war das anders, denen konnte ich nie wirklich vertrauen. Das ist bis heute
so geblieben. Frauen gegenüber bin ich sehr vorsichtig und zurückhaltend. Wenn überhaupt, erfahren
sie erst nach langer Zeit etwas über mich.
Dafür begann ich, mich zu Hause anders zu verhalten: ich habe mit meinen “Heldentaten“ draußen
geprahlt, die es aber tatsächlich nie gab. Ich behauptete, die Größte zu sein, in Wahrheit war
ich ganz klein und unsichtbar. Ich wollte einfach nur Anerkennung dafür, dass es mich gab. Hatte
ich das Gefühl, sie nicht zu bekommen, wurde ich sauer, es folgen die Türen, zu argumentieren
hatte ich nie gelernt. Dieses Verhalten habe ich nur meiner Mutter gegenüber an den Tag gelegt.
Als ich einmal beim Ladendiebstahl einer Packung Kaugummi erwischt worden wird, brach für
meine Mutter eine Welt zusammen. Die Frage nach dem Warum oder nach Hintergründen
konnte sie nicht stellen und hat mir dieses Vergehen jahrelang immer wieder vorgehalten: sie
konnte mir nicht mehr vertrauen, ich hatte wieder einmal enttäuscht. Anders mein Vater: er hat
mit mir darüber gesprochen und mir das nie wieder vorgehalten. Von ihm habe ich das Verzeihen
gelernt.

Eine wichtige Folge der Borkum-Erfahrung war, dass ich ein sehr feines Gespür für Ungerechtigkeit,
benachteiligte und ausgegrenzte Kinder und Erwachsene entwickelt habe. Auch dafür bin
und werde ich bis heute oft belächelt und ausgegrenzt: dass ich immer den Schwachen in der
Klasse geholfen habe. Bei Lehrern, die keiner mochte, habe ich Kurse belegt. Und von all diesen
Menschen bin ich belohnt wurden: mit echtem Lächeln und Dankbarkeit. Das ist wahrscheinlich
das positivste, das bei dieser „Kur“ herausgekommen ist.
Heute erkenne ich sehr schnell, wohin die modernen Forderungen aus Politik und Gesellschaft
führen werden, nämlich hin zum Missachten der Rechte der Schwachen, egal ob Kinder, Behinderte
oder alte Menschen.
Um es modern auszudrücken:
Das wird ein Borkum 2.0, all diese Forderungen zum Kinderschutz im Grundgesetz inkl. Entziehung
der Erziehungshoheit der Eltern, nach dem Abstillen in die Horte und Kitas, bloß keine enge
Bindung an die Eltern, Abschaffung der Familie als Basis der Gesellschaft und als Schutzzone,
Leihmutterschaft, Abtreibungsfreigabe inkl. der Freigabe für die Forschung an Embryonen, assistierter
Suizid. Da ist der Schritt zur Euthanasie nicht weit.
All das hatten wir in den Auswirkungen in diesem System, dem wir Verschickungskinder hilflos
ausgeliefert waren.
Auch heute bekomme ich massiven Gegenwind, wenn ich das versuche klarzumachen. Dann
werde ich in die rechte braune Ecke verortet. Und dann falle ich oft in das alte Schema zurück
und werde still. Obwohl ich weiß, dass es falsch ist, bin ich dann wie gelähmt und kann nicht
dagegen angehen.
Aber trotz allem: ich komme gut zurecht in meinem Leben, habe einen wunderbaren Ehemann
und eine tolle Familie, die zusammensteht, wenn es eng wird.
Und auch einige echte Freunde mittlerweile.
Alles in allem ist es gut gelaufen, man hat es nicht geschafft, mich komplett zu brechen. Eine
kleine Genugtuung, immerhin.
Manchmal würde ich mich gerne an mehr erinnern. Vor allem interessiert mich, wieso ich mich
an keine anderen Kinder und an keine Gesichter erinnern kann. War ich vielleicht in einer Art
Einzelhaft, überwiegend isoliert und konnte ich deshalb die nächtlichen „Ausflüge“ machen?
Aber ich habe kein Vertrauen in Psychologen und Psychiater, um es aufzuklären und eigentlich
reicht der Dreck an Erinnerungen auch so.
Ich will auch kein Entschädigungsgeld, das gibt mir nichts. Wichtig ist mir, dass das Thema öffentlich
an Fahrt gewinnt und dass niemand jemals Menschen, insbesondere Kindern so etwas wieder
antun kann!
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Ariane aus Remscheid schrieb am 14.06.2021
Hallo, ich war im März 1969 über mein 6 Geburtstag verschickt worden.
Ich habe lange gesucht um endlich diese Seite zu finden. Wie das Heim hieß weiß ich nich , es stellte sich mit einem Lied vor. Kinder wollt ihr den ponyhof sehen Faria faria ho, müsst ihr zur Barmer Ersatz Kasse gehen.., und so weiter. Bei der Barmer hatte ich mal angefragt, aber keine Auskunft bekommen. Das Heim...
Es war der Alptraum..
Ich weiß das mein Vater mich in Wuppertal zum Bahnhof brachte. Ich war sehr klein und dünn, hatte vorher lange wegen eines komplizierten Armbruchs im Krankenhaus gelegen. Ich wurde in den Zug gesetzt und als wir ankamen war mein Koffer nicht da. Man sagte mir meine Eltern wären schuld. Er kam etwas später und endlicher etwas von zuhause!
Ich wurde beschimpft, da ich keine Schuhbürste mit hatte, die aber auf der Liste stand! Jetzt sollte ich zusehen wie ich meine Schuhe jeden Tag! putzen soll! Ich wurde Abends aus dem Bett geholt, weil die Aufpasser dachten ich hätte gesprochen, hatte ich nicht, hatte schon geschlafen, ich soll doch nicht so tuen wurde mir gesagt, musst dann im Flur auf einem Stuhl sitzen und durfte nicht zur Toilette. Als ich an zu weinen fing wurde ich in den Duschraum gesperrt! Ich musste aber mal, man sagte ich könnte ja in die Badewanne machen, das habe ich dann getan. Sooo schlimm.
Wir wurde morgens nackt hintereinander aufgestellt, mit unseren Handtüchern und mussten zum Waschen und Zähneputzen, ohne Ton!!! Zu Essen gab es fast jeden Tag Quarksuppe..,ich kann bis heute keinen Quark essen! Manche mussten sich übergeben und wurden bestraft! Wir haben immer geflüstert...Komm iss es , sie werden sonst böse.. in die Ecke stellen war an der Tagesordnung! Da ich dort Geburtstag hatte, bekam ich ein Päckchen, das ich aber nicht selber auspacken durfte. Alles wurde reglementiert. Die Süßigkeiten meiner Eltern musste ich teilen und nur wenige behalten, es war auch ein Brief dabei, er wurde vorgelesen, ich habe ihn nie bekommen. Allerdings durfte ich an diesem Tag telefonieren. Ich hatte vor alles zu erzählen, aber eine Frau stand die ganze Zeit neben mir und sagte. Du willst doch nicht das deine Mama traurig ist... ich habe gesagt das alles gut ist. Einige Tage vor der Abfahrt nach Hause bekam ein Kind die Röteln. Wir durften nur nach Hause wenn wir fieberfrei waren. Also habe ich das Thermometer immer nur ein bisschen in den Mund genommen, weil es mir schon schlecht ging ich aber keinem Tag länger dableiben wollt! Es hat funktioniert! Auf dem Nachhauseweg im Zug in der Nacht, bekam ich die Röteln. Aber ich war aus dem Heim!
Fotos waren gestellt für die Eltern und wir wurdrn unter die Höhensonne gebracht.. in einen Kreis gestellt und mit Brille auf!
Ich kann mich an einem Zauberer erinnern, ein schöner Moment.
Ich hatte nicht zugenommen, hatte die Röteln und fünf entzündete Fingernägel!
Habe meine Familie nicht erkannt und kam mir verlassen vor!
Ich muss immer noch daran denken.
Ariane
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Renate48 aus Nähe Braunschweig schrieb am 14.06.2021
Guten Tag alle zusammen. Ich wurde zum ersten Mal 1957 oder 1958 für 6 Wochen in das Kinderschwalbenheim nach Bad Sooden-Allendorf verschickt. Mein Vater war im damaligen Walzwerk in Peine beschäftigt und bei der Knappschaft versichert. Wir sind mit dem Bus dort hingebracht worden. Ich war angeblich zu dünn und sollte zunehmen. In vielen eurer Berichte auch über die Zwangsernährung, finde ich mich wieder. Ich wurde dort zum Bettnässer und Nägelkauer. War wieder ein Urinfleck im Bettlaken, musste ich am Morgen im Flur in der Ecke stehen. Die anderen Kinder wurden dazugeholt und mussten mich auslachen. Das sollte wohl der Abschreckung dienen. Einmal bin ich auf dem gebohnerten Flur ausgerutscht und habe mir den Finger gebrochen. Ich hatte Schmerzen, wurde aber nur ausgeschimpft, ich solle mich nicht so anstellen. Der Finger ist unbehandelt krumm angewachsen und erinnert mich heute noch an diese schreckliche Zeit. Zurückgekehrt bin ich mit Narben auf der Seele, blutig abgekauten Fingernägeln ,einem juckendem roten Ausschlag am ganzen Körper und schmutziger Kleidung. Der Geruch von Milchsuppen erzeugt noch heute Übelkeit. 2 Jahre später kam ich nach Wyk auf Föhr, wieder für 6 Wochen. Daran habe ich komischerweise gar keine Erinnerung mehr.
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Karin Büttner-Heil aus Fulda schrieb am 14.06.2021
Ich war im Sommer 1964, kurz vor meiner Einschulung, in Hallwangen im Schwarzwald. Ich erinnere mich genau daran, dass wir unheimlich viel essen und mittags lang schlafen mussten. Mir schmeckte das Essen meistens nicht und ich spuckte oft in ein Taschentuch, das ich heimlich auf der Toilette verschwinden ließ. Jeden Freitag kam ein Arzt und meckerte herum, wenn man nicht zugenommen hatte. Wir wurden nachts geweckt um auf die Toilette zu gehen, damit kein Malheur geschieht. Als ich einem kranken Kind, das neben mir im Schlafsaal lag, meinen Teddy ausborgte, wurde ich ausgeschimpft, wahrscheinlich wegen der Ansteckungsgefahr. Als wir bei der Mittagsruhe leise flüsterten, musste sich jedes Kind im Bett auf den Bauch legen und die Schlafanzughose runterziehen. Dann kam eine Erzieherin und drosch jedem Kind auf den Po, dass es brannte. Wenn die Briefe nach Hause verfasst wurden, sagte ich immer, dass es mir nicht gefällt und ich weg will. Leider konnte ich noch nicht lesen. Meine Eltern waren ahnungslos, denn in den Briefen standen lauter Unwahrheiten. Von einem Päckchen meiner Oma habe ich nie etwas gesehen. Es wurde sofort einkassiert.
Als ich zu Hause meinen Eltern von den Zuständen erzählte, beschwerte sich mein Vater bei dem Träger. Ihm wurde gesagt, ich sei verlogen und egozentrisch und damit sind niemals Konsequenzen gezogen worden.
Als ich letztes Jahr eine Reha machen musste, kamen plötzlich Erinnerungen an diese Kur und noch einen Krankenhausaufenthalt mit zwei Jahren in mir hoch. Ich hatte rasendes Herzklopfen, Schwindel und sehr hohen Blutdruck an den ersten zwei Tagen. Ich bin mir inzwischen sicher , nach einem Gespräch mit der Psychologin, dass das mit diesen traumatischen Erfahrungen damals zu tun hat.
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Daniel aus 07318 Saalfeld schrieb am 14.06.2021
Guten Tag,

mein Bruder und ich wurden 1986, im Alter von 5 Jahren, ins Kinderkurheim Pausa geschickt. Wir waren zu dieser Zeit keine guten Esser und
unsere Mama war in dem Glauben, dass es uns in den 4 Wochen Kur gut gehen würde.
Mit einem Ikarusbus wurden wir in Gera abgeholt und in das Kinderkurheim gefahren.
Alle Kinder mussten in 2 Gruppen in den 2 Schlafräumen warten, während die Namen geprüft wurden.
Dann wurde jedes Kind aufgerufen, musste zuerst mitgebrachte Getränke in ein Waschbecken schütten und dann durfte es sich max. ein Kuscheltier aussuchen,
während das restliche mitgebrachte Spielzeug im Koffer bleiben musste.
Die „Erzieherinnen“ waren sehr unfreundlich. Danach wurde die Gruppe rumgeführt, in den Waschraum, Hof, Essensraum und Spielzimmer.
Als Abendbrot gab es trockenes Brot, mit winzigen Mengen an Butter, fetter Wurst und einem Eierbecher! voll Gurkensalat.
Dann durften wir noch spielen, wobei das vorhandene Spielzeug schon defekt war. Zum Waschen ging es in den Waschraum, wobei wir uns
vor dem Waschen am Waschbecken mit einer Bürste kräftig „striegeln“ mussten, zur Durchblutung.
Schlafen erfolgte unter Aufsicht, wobei die Kinder, die Keine Ruhe halten wollten angebrüllt wurden, eng mit Bettzeug eingewickelt, oder zur Strafe in der
Tür stehen mussten. Tagsüber gab es kurze Wanderungen, Spielen und Beschäftigungstherapie. Kinder, die Heimweh hatten, wurden nicht getröstet.
Eines Tage wurde ein Schaf vor den Augen der Kinder geschlachtet – dies gab es zum Mittag. Meinem Bruder und mir wurde es schlecht, aber die
Erzieherinnen haben uns das Fleisch mit der Gabel reingezwungen. Heimlich haben wir es ausgespuckt und in den Taschen der Schürze versteckt.
Nachts hat sich ein Junge eingekackt – dieser musste so dann lange zur Strafe in der Tür stehen.
Nach der Halbzeit wurde ein Brief von zuhause vorgelesen und für jedes Kind ein „vom Personal“ verfasser Brief an die Eltern geschickt.
Alles in allem war es eine schlimme Zeit in der Kur, die mir deutlich bis heute in Erinnerung geblieben ist.
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Thomas Meyer aus Hamburg schrieb am 13.06.2021
Bei Durchsicht alter Briefe bin ich auf Postkarten an mich gestossen, die mir Familie und Verwandte nach Sylt geschickt haben. Das war also nicht 1967, wie in meinem Beitrag geschrieben, sondern September Oktober 1969. Ich war da also schon fast 7 und ging schon in der 2. Klasse zur Schule.
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Anja aus Dresden schrieb am 11.06.2021
Ich bin Anja.
Ich bin in der DDR aufgewachsen und wurde 1986 im Alter von 9Jahren in das Kinderkurheim Dahmshöhe, im Ort Altthymen geschickt. In meinem SV Ausweis ist ein Vermerk darüber. Meine Mutter hat die Postkarte aufgehoben die ich von dort geschrieben habe.
Der Hauptsatz lautete,, ich bin die Bett Nummer 18,,
Das sagt schon was aus.
Leider habe ich große Erinnerungslücken...
Wenn ich die ganzen anderen Berichte lese, dann bin ich schockiert und mir wird übel. Ich fürchte ich habe schlimmes erlebt und stark verdrängt...
Es gibt so viele Probleme in meinem Leben und so viel was ich mir nicht erklären kann, wahrscheinlich hängt es mit dieser Kur zusammen.
Meine Mutter sagte mir ich war zum zunehmen dort und als ich zurück gekommen bin habe ich sie abgewiesen, nicht mehr gesprochen und war wesensverändert.
Wer von euch war auch in Dahmshöhe und kann mir weiterhelfen was da vll. Passiert sein könnte?
Wie jeder von uns befinde ich mich in einem Bereich der Aufarbeitung und Heilung....
Vll. Hilft es ja wieder einfach glücklich werden..

Danke
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Claudia aus Münster schrieb am 11.06.2021
Für meine Eltern in Hamm (Ruhrgebiet) war dies die einzige Möglichkeit, uns einen "Urlaub" in gesunder Luft zu ermöglichen, und somit wurden mein jüngerer Bruder und ich alle 2 Jahre verschickt. Mein Vater hatte sehr schweres Asthma, wir litten häufig unter Erkältungen, dies war offensichtlich Grund genug.
Bonndorf im Schwarzwald: Dort war ich im Winter zu Beginn oder vor meiner Einschulung. Die Tanten waren Schwestern, welche ein strenges Regiment führten: Toilettengänge in Mittagspausen waren nicht gestattet, so daß die jüngeren Kinder (wozu ich auch gehörte) oft einnässten und Sanktionen folgten. Alle Bilder sind in meiner Erinnerung fetzenhaft und durchweg schwarzweiß. Ich habe nur eine einzige positive Erinnerung an den Aufenthalt (auch dieses Erinnerungsbild ist schwarzweiß): Es hatte geschneit und wir durften im Wald spazierengehen, natürlich in 2er-Reihen geordnet. Meine Eltern haben uns nach 6 Wochen in Tränen aufgelöst am Bahnhof in Empfang genommen und mussten uns versprechen, daß wir dort niemals wieder hinmüssen.
St.Peter-Ording: auch im Winter, das weiß ich nur, weil ich Geburtstag (im Januar) hatte und mein Süßigkeiten-Paket nicht behalten durfte. Ich erinnere mich sonst nur, daß wir Unterricht und viel Langeweile in Nebelkammern hatten, aufgrund des Winterwetters nicht viel draußen waren, und wenn, dann oft auf dem Ponderosa-Spielplatz (paradiesischer Ort).
Bayrisch Gmain: im Sommer, trotz all der langweiligen Anwendungen war es schön, (wir haben Skat in der Nebelkammer gespielt), wir waren sehr viel draußen, es wurde gebastelt, gespielt, getanzt, gesungen, alle waren nett.
Winterberg: im Sommer, ich war schon 14 und die Älteste. Die betreuenden Schwestern waren suuuperlieb und hatten trotzdem alles im Griff - oder gerade deswegen?. Ich sollte zunehmen, weil ich spindeldürr war. Bei den Mahlzeiten stand immer eine Schwester neben mir und hat mir noch einen Schlag Müsli oder Kartoffeln aufgetan, was ich Aufessen sollte - zwar ohne Zwang, aber solange, bis der Arzt zufrieden war. Die Freizeitaktivitäten waren eher für Jüngere - inclusive Biene Maja gucken. Wir waren sehr oft Wandern im Wald - herrlich.
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Louise Serong aus Essen schrieb am 11.06.2021
Meine Eltern glaubten, mir etwas Gutes zu tun: 6 Wochen Borkum während der Schulzeit, was ein letztes Mal möglich sein könnte, denn im Schuljahr darauf wäre ich auf dem Gymnasium und da könnte man ja nicht einfach zwischendurch mal eben 6 Wochen fehlen; Sonne also, Strand, andere Kinder, das Meer- ich war begeistert von dieser Idee, die sich auch daraus ergab, dass ich so dünn war, also zunehmen sollte. Was folgte war ein Martyrium. Ich erbrach das ungenießbare Essen und musste vom Teller mit dem Erbrochenen weiter essen. Ich erbrach auf der Treppe und musste sie säubern, während die Betreuungsperson daneben stand und mich beschimpfte. Ich konnte nicht aufessen und musste ganze Nachmittage im Speisesaal vor meinem Teller sitzen bleiben. Nachts wurden wir geweckt, um in langer Schlange auf dem zugigen Gang an der Toilette anzustehen. Dies sollte das Bettnässen verhindern. Das Mädchen in unserem Schlafsaal, das tatsächlich Bettnässerin war, machte natürlich dennoch ins Bett, wofür sie öffentlich gedemütigt wurde. Unsere Briefe nach Hause wurden gelesen, zensiert, zerrissen. Wir durften nur schreiben, dass es uns gut geht und das Essen uns schmeckte. Als ich Geburtstag hatte, ich wurde dort 10 Jahre alt, bekam ich ein Päckchen von zuhause. Die darin enthaltenen Süßigkeiten wurden entnommen und verteilt, die Bücher wurden zurück gehalten, ich erhielt lediglich eines zum dort lesen, was für mich als "Leseratte" natürlich nicht ausreichte. Das Meer sahen wir nur von Weitem, man ging mit uns nicht dorthin. Ich war kraftlos, traurig, fühlte mich einsam und hatte zwischendurch das Gefühl, meine Eltern und Freundinnen, mein Zuhause niemals wieder zu sehen; 6 Wochen können endlos sein. Als ich später davon erzählte sah ich zum ersten Mal meinen Vater weinen. Meine Eltern bereuten, mich dorthin geschickt zu haben. Dennoch war diese Art des Umgehens mit Kindern in der Zeit nicht unüblich. In der Schule wurde ja sogar noch geschlagen. Dies zu wissen, es also in einen zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext zu setzen macht es dennoch nicht schöner. Es war ein traumatisches Erlebnis mit Langzeitfolgen.
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Ralf schrieb am 09.06.2021
Ich wurde Mitte der 60er Jahre mit ca. 4 Jahren zum Aufpäppeln für 6 Wochen mit der Arbeiterwohlfahrt "zur Erholung" geschickt. Zuerst war die Rede von Norderney ("du kommst an die See"), dann ging es aber nach Meinerzhagen, ins Kinderkur- und Genesungsheim Schürfelde.
Nur ein paar einzelne Ereignisse sind mir tatsächlich bis heute in Erinnerung geblieben:
Ein rot-weißer VW Scheiben-Bulli brachte mich vom Bahnhof zum Kinderheim. Es herrschte ein strenges Regiment der "Tanten". Ich hatte mindestens einmal wegen irgendwas "Stubenarrest", musste also stundenlang ganz allein im abgedunkelten Schlafraum im oder auf dem Bett bleiben während die anderen Kinder draußen in der Sonne waren. Ich habe dabei wohl auch geweint.
Als ich dort wieder das Einnässen anfing musste ich einmal einen halben Tag im nassen Bett liegen bleiben. Es wurde auch so getan, als wäre ich der einzige und so wurde ich vor den anderen Kindern bloßgestellt. Dann gab es eine Gummiunterlage.
Mittags gab‘s oft Milchreis mit Zimt und Zucker, das mochte ich gar nicht, wegen dem Zimt, aber es musste immer alles aufgegessen werden. (Wahrscheinlich kommt es daher, dass ich Zimt-Geruch und Geschmack nicht ertrage.)
Einmal hat ein etwas älteres Kind an unserem Tisch (ich glaube er hieß Ansgar) den Brei wieder auf seinen Teller erbrochen. Als er sofort ängstlich das Zeug zu löffeln begann haben wir eine Tante gerufen und die hat ihm den Teller weggenommen.
Ab und zu wurde Post von Zuhause verteilt. Meine Eltern hatten mir einmal eine große Tüte Bonbons geschickt. Es wurde dann am Abend von der Tante mit großer Geste an jedes Kind in unserem Schlafraum aus der Tüte heraus genau 1 Bonbon verteilt. Und zwei Tage später sahen wir den Sohn der Chefin mit der fast leeren Tüte draußen vor dem Haus herumsitzen.
Wenn wir zum Spielen draußen waren (auf einer Wiese am Haus oder im angrenzenden Wald) bestimmten die Größeren immer über die Kleinen wie mich und wir kamen auch nie an den Ball.
Ich war wohl froh, als nach 6 langen Wochen endlich der rot-weiße VW-Bulli wieder kam und ich einsteigen konnte. Der Rentner, der mich im Zug begleitete übergab meinen Eltern dann am heimischen Hbf aus seiner braunen Leder-Aktentasche eine Tüte mit meiner letzten eingepissten Unterhose.
Ein paar Jahre später hat mir meine Mutter mal erzählt dass sie sich erschrocken hatte, als sie mich damals wieder in Empfang nahm: Die Haare waren gewachsen, ich hatte Schatten unter den Augen und war noch dünner als vorher.
Übrigens: Im Internet lassen sich bei Alt-Ansichtskartenhändlern heute noch original Nachhause-Karten der Kinder aus dem Heim finden.
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Arro aus Hamburg schrieb am 09.06.2021
ca. 4-5 mal verschickt aus Hamburg nach
  • Detmold-Berlebeck (ca. 1964, 6 Jahre alt)
  • Cuxhaven-Dunen (ca. 1965, 7 Jahre alt)
  • Vogelkoje Sylt (1969, 11 Jahre alt)
  • Wenningstedt Sylt (1970, 12 Jahre alt)
Am schlimmsten waren auf der ersten Verschickung das Graubrot mit Marmelade und die Sagosuppe. Meine Kotze musste ich selber aufwischen, aber, glaube ich, nicht essen. Trotzdem empfand ich es als entwürdigend und habe darauf bestanden, sofort nach Hause zu fahren. Der traumatische Augenblick kam, als mir meine Mutter am Telefon erklärte, dass das nicht möglich sei und ich artig sein solle. Spätestens da wusste ich, dass ich ganz alleine auf der Welt bin und ich vom Leben nichts Gutes mehr zu erwarten haben würde, was auch stimmte.
Ansonsten erinnere ich mich an die quälend langen Mittagsschlafzeiten. Ich sehe noch eine dünne grüne Raupe vor mir, die im Hof in Dunen am Feldbett vorbeiraupte. Einmal habe aus Wut ich fast ein Kind mit mit einem Eisenhocker getötet, woraufhin man erwog, mich vorzeitig nach Hause zu schicken. Ich fand mich im Recht, denn der andere war frech geworden. Verhaltensauffälligkeiten wurden bloß als Disziplinlosigkeit wahrgenommen, nicht als Problem. 1969 durften wir nicht die Mondlandung gucken. Das hatte uns empört. Ebenfalls 1969 brannte bei der Rückkehr des Sonderzuges aus Sylt mit 1000 V-Kindern der Altonaer Bahnhof. Die Autoritäten haben trotzdem die Einfahrt des Zuges in den brennenden Bahnhof erlaubt, weil sie nicht wussten, wie sie die Sache hätten sonst abwickeln sollen, denn immerhin warteten ja vor Ort ebenso viele Eltern auf ihre Kinder, die sie seit Wochen nicht gesehen hatten. Ich erinnere mich, dass meine Mutter halb in Panik war. 1970 war dann schon voll die antiautoritäre (=darwinistische) Erziehung durchgeschlagen und auf Sylt interessierten wir uns nur noch die Nackten, die wir von unseren Verstecken in den Dünen aus beobachten konnten. Heißen Dünensand finde ich nach wie vor erregend und Sylt ist immer noch einer meiner Lieblingsorte. Alleine schon der Geruch der Dünen und die Seeluft. Herrlich.
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Arno aus Mühltal schrieb am 08.06.2021
Mit 11 Jahren bin ich im Sommer für sechs Wochen nach Büsumer Deichhausen verschickt worden. Ich war zu dünn und sollte an der Nordsee zunehmen. Aber wie kann man zunehmen, wenn man die ganze Zeit nur Heimweh hat?
Man musste Briefe an die Eltern schreiben einmal in der Woche. Wenn da etwas drinstand, das den Betreuerinnen, die die Briefe kontrollierten, nicht gefallen hat, musste man den Brief vollständig neu schreiben. Alles, was man erlebt hatte, musste im Brief beschönigt beschrieben werden. Keinesfalls durfte man schreiben, dass man Heimweh hatte.
Im Nachhinein beurteile ich die jungen Betreuerinnen als pädagogisch unausgebildet und mit der Menge der Kinder überfordert. Manche gaben sich Mühe mit den Kindern etwas zu unternehmen, anderen waren die zu betreuenden Kinder eher lästig. An meine Gruppenleiterin habe ich keine negativen Erinnerungen. Erfahrungen sexuellen Übergriffes habe ich nicht gemacht. Eher wurde ich psychisch unter Druck gesetzt, z.B. den Teller leer essen auch wenn ich keinen Hunger hatte. Den Zustand der Unterbringung im Seeschlösschen war meiner Erinnerung nach primitiv, sehr spartanisch, provisorisch, für Jugendliche und Kinder ungeeignet. Das ganze Haus machte auf mich einen eher baufälligen Charakter.

Als ich nach langer Bahnfahrt zurück kam, war ich froh, dass ich nach sechs Wochen wieder im Kreise meiner Familie sein konnte. Andererseits habe ich im Nachgang den Eindruck, meine Eltern hatten sich nicht so wirklich interessiert wie es mir im Heim ergangen ist. Ich weiß, dass meine Eltern mir in den Ferien mal etwas "bieten" wollten. Sie selbst hatten nicht die finanziellen Möglichkeiten mit der ganzen Familie in Urlaub zu fahren. Sie waren mit der großen Familie und beruflich stark gefordert.
Ich brauchte eine Zeit, um mich zuhause wieder in die üblichen Abläufe einzugewöhnen und den Anschluss in der Schule zu finden, die schon mehrere Wochen vor meiner Rückkehr begonnen hatte. Ich war dankbar, dass meine Mutter mir mehrmals ein Päckchen ins Heim geschickt hatte mit Essenssachen und Erinnerungsstücken ans Zuhause und ein paar Zeilen auf einer Postkarte. Telefon hatten wir damals noch nicht.Das belegen auch zwei Fotos, die ich noch besitze.

Der Heimaufenthalt im Sommer 1968 hatte eigentlich keinen weiteren Einfluss auf mein Leben. Die Gemeinschaft mit den Jungs in meiner Gruppe im Heim fand ich sehr gut. Wir hatten viel Spaß miteinander. Das hat mir gefallen. Auch hatte und habe ich gute Gefühle, wenn ich an den Ferienort zurückkomme, in dem das Ferienheim war. Aber ich wollte nie wieder in ein Heim dieser Art. Die Unfreiheit und Bevormundung, die ich dort erlebte war ich weder von Zuhause gewohnt noch von meiner weitverzweigten Familie, bei der ich als Kind und Jugendlicher meine sonstigen Ferienaufenthalte erlebte. Dies und das immense Heimweh wollte in nicht noch einmal erleben.
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Ingrid Fleck aus Radevormwald schrieb am 08.06.2021
Ich bin 1956 geboren und war einmal in meinem Leben in einem Kindererziehungsheim in Norderney. Alle Daten habe ich völlig verdrängt,vor allem, da man mir nach zu Hause meine Erzählungen nicht geglaubt hat. Bei Urlaubsplanungen sind alle erstaunt, wenn ich bei dem Vorschlag "Norderney" vehement blockiere, ich habe auch niemandem davon erzählt, weil ich auch glaubte, das habe ich mir alles nur eingebildet. Ich habe heute den Zeitungsartikel "Verschickungskinder fordern Anerkennung" gelesen und bin auf eure Seite und den Blog "Zeugnis ablegen" gestoßen. Ich muss jetzt mit dem Lesen aufhören, da ich Herzrasen und Magenschmerzen bekommen habe und nicht mehr aufhören kann zu heulen; viele, viele Erlebnisse habe ich auch gemacht, seelische Grausamkeiten, Essstörungen, die ich heute noch habe und vor allem die absolute Hilflosigkeit und Einsamkeit - alles kommt wieder hoch.
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Sabine Müller-Reinecke aus 28857 Syke schrieb am 08.06.2021
Ich wurde über Continental Hannover nach Boffzen verschickt. Ebenfalls schickte die Vulkan Werft aus Bremen Kinder.
Ich kann mich an viele entwürdigende Situationen erinnern.
Eingehende und ausgehende Briefe wurden zensiert. Telefonate waren nicht möglich bzw kann ich mich nicht erinnern. Kinder, die nicht zugenommen haben, mussten aufessen. Ich erinnere mich an ein dünnes rothaariges Mädchen, neben der eine Erzieherin saß, als alle schon fertig waren mit Essen. Sie erbrach und musste trotzdem aufessen.
Nachmittags gab es in der Hitze fertigen Tee aus großen Gebinden, in dem manchmal Ameisen schwammen. Anderes gab es dann nicht.
Die Kinder von der Vulkan Werft kamen etwas später als die Conti Kinder an. Es wurde uns erzählt, es käme auch ein Bettnässer. Das Kind war natürlich von Anfang an stigmatisiert. Es war erst 6 Jahre alt!
Die Schlafsäle mit bei mir 11 Betten führten alle auf einen zentralen Flur, in dem die Aufseherin saß. Wer sich muckte, musste sich mit bloßen Füßen auf den Flur in die Ecke stellen mit dem Gesicht zur Wand.
Mittags mussten wir ins Bett. Es durfte nicht gelesen werden. Ich war 10 Jahre alt!
Ich habe aus Kummer abgenommen und bin krank geworden. Die entwüdigendste Situation für mich war, dass ich zum Fieber messen zur Leiterin in ihr Zimmer musste. Ich musste mich bäuchlings auf eine Liege mitten im Zimmer legen und mir wurde im Po Fieber gemessrn. Ständig gingen Leute rein und raus.
Wenn ich gekonnt hätte,wäre ich zum Bahnhof gegangen und nach Hause gefahren. Aber das Geld war uns abgenommen worden.
Ich war traumatisiert und habe mich jahrelang nicht gemuckt zuhause. Ich wollte nie wieder weggeschickt werden! Letztlich habe ich diese Erlebnisse mit 50 Jahren in einer Therapie aufgearbeitet.
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Mechthild schrieb am 08.06.2021
Im Frühjahr, Winter, des Jahres 1967 mit gerade 8 Jahren war ich in Friedenweiler. Ich konnte mich kaum noch erinnern. Die Geschichten hier rufen ganz ähnliche schreckliche Erinnerungen wach und machen mich sehr betroffen. Es war eine schlimme Zeit für mich, die sicherlich auch nachhaltig negative Folgen für mein Leben hatte. Die Kunst des Verdrängens ist/war ein wichtiger Wegbegleiter.
Wie konnten diese "Kuren" nur den Familien empfohlen werden und warum ließen die Eltern sich darauf ein??? Ich kann sie leider nicht mehr fragen.
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Jürgen schrieb am 08.06.2021
Es fühlt sich wie ein dunkler Fleck auf meinen sonst schönen Erinnerungen an meine Kindheit an. Um meinen 5. Geburtstag wurde ich nach Mittelberg im Allgäu verschickt. Die Erinnerungen sind nur ganz schwach - aber sehr negativ. Ich weiß noch dass das ein von der katholischen Kirche geführtes Heim war, wo man von Nonnen erzogen wurde. Ich kann mich noch an einen kalten Schlafsaal mit vielen Betten erinnern - und das mit mir geschimpft wurde. Soweit ich mich erinnere, wollte ich die unsaubere Toilette oder das Töpfchen im Schlafsaal (so genau weiß ich das nicht mehr) nicht nutzen. Ich kann mich noch erinnern, an "Bestechungsversuche" mit Schokolade. Mein Heimweh von damals spüre ich noch heute. Da keine Kommunikation nach Hause möglich war, war nach der Kur meine Mutter überrascht, das ich nicht wie andere Kinder euphorisch von der Kur erzählt habe und stattdessen verängstigt war. Zur Dokumentation habe ich nur ein Gruppenfoto im Schnee. Auf diese Seite bin ich durch einen Bericht in einer Zeitung in NRW aufmerksam geworden.
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