ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der „Initiative Verschickungskinder“ (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2774 Einträge
Dieter Bourwieg aus 26835 Hesel schrieb am 19.11.2021
Ich habe in der Zeitung die vielen schrecklichen Erlebnisse verschickter Kinder gelesen, die ich auch für glaubhaft halte. Mir ist es aber anders ergangen, zumindest kann ich mich nicht mehr an Schlechtes erinnern, wohl aber daran, dass die Kuren mir zu einem gesunden Leben verholfen haben.
Ich (JG 1940) war 4 x verschickt: Nach Bad Salzuflen, Bad Rothenfelde und 2x nach Langeoog, da ich an einer schweren, chronischen Bronchitis litt. Wir wohnten damals in Lingen/Ems, und es ging mir wirklich schlecht.
Auf Langeoog waren wir (meiner Erinnerung nach) in den Baracken des ehemaligen Flugplatzes untergebracht. Ich lernte, über den Bauch zu atmen. Da ich auf der Insel absolut beschwerdefrei war, zogen meine Eltern nach Wilhelmshaven um und der Kinderarzt meinte, wenn ich bis 18 Jahre keine Beschwerden mehr bekäme, könnte die Krankheit überwunden sein. Ich habe keine mehr bekommen, welch ein Segen.
Ich kann mich an keinerlei Zwang erinnern, nur auf den obligatorischen Mittagsschlaf hätte ich wohl verzichten können.
D. Bourwieg
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Ulrike R. schrieb am 19.11.2021
Meine Verschickung durch die AWO erfolgte im April - Mai 1973. Ich sollte in diesen 6 Wochen zunehmen.
Die Anfahrt nach Braunlage erfolgte mit dem Zug. An diese Fahrt kann ich mich nur noch schemenhaft erinnern.

Die 6 folgenden Wochen waren ein reiner Alptraum.

Die verbotenen Toilettenbesuche nach der Bettruhe, mästen mit Essen, Abduschen mit eiskaltem Wasser im Keller - man wurde währenddessen festgehalten - ,zur Strafe in der Ecke stehen wenn man etwas falsch gemacht hatte, nie ein liebes Wort.

Es waren auch größere Kinder in dem Heim, die die Kleineren und auch mich drangsalierten.

Ich glaube auch, dass ich dem Heimleiter Herrn F. immer abends einen Kuss auf die Wange geben musste, da sind meine Erinnerungen aber total verschwommen.

Die Betreuerinnen - eine davon hieß Ramona - nahmen auch mein Geld, welches ich heimlich in unserem Schlafsaal versteckt hatte an sich und haben es einfach behalten.
Die Ein- und Ausgangspost wurde vom Personal gelesen, so dass ich heimlich einen Brief bei einem Ausflug ins Dorf in den Briefkasten schmuggelte, der total zerknittert war und meine Mutter musste auch noch Nachporto bezahlen, da ich nicht mehr genug Geld für eine ausreichende Frankierung hatte.

Mein ganzes Denken drehte sich nur noch darum, wie ich es schaffen konnte abzuhauen um nach Hause zu kommen.

Als ich dann endlich wieder zu Hause war, wurde ich sehr krank. Ca. 2 Wochen lang habe ich fast alles was ich zu mir nahm, wieder erbrochen. Ich sollte schon ins Krankenhaus um künstlich ernährt zu werden. Dann konnte ich jedoch langsam wieder etwas schwarzen Tee und Haferflocken mit Wasser bei mir behalten.

Der Erfolg der Verschickung war also, dass ich viele Kilos weniger wog als vor der Kur und ein gestörtes Verhältnis zum Essen entwickelte.

Ich konnte nach dieser Verschickung auch nirgend wo anders mehr Übernachten und habe auch an keinen Klassenfahrten teilgenommen. Mein Zuhause zu verlassen, war für mich ganz schrecklich, das war auch noch Jahrzehnte später so. Länger als ein paar Tage konnte ich nie von Zuhause fort sein.

Einige Jahre später entwickelte ich eine Angststörung, die mein Leben bis heute prägt.

Meine traumatischen Erfahrungen habe ich auf meine Söhne vererbt. Beide haben in Ihrer Kindheit nicht bei Freunden oder Verwandten übernachtet, obwohl ich Ihnen nie von meinen negativen Erfahrungen erzählt habe.

Ich hoffe, dass diese Dinge heutzutage keinen Kindern mehr angetan werden. Da ich aber auch bei meinem jüngeren Sohn im Kindergarten ähnliches erlebt habe und auch Lehrer/innen in den Schulen ähnlich handeln. Deshalb können wir nur unsere Kinder nur dazu ermutigen, immer alles erzählen zu können, was Sie erlebt haben und Sie vor allem Ernst zu nehmen.
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Heinz K. aus Friedrichsdorf schrieb am 19.11.2021
Ich bin 1947 geboren und mein Bruder 1950 wir waren beide an Ostern 1954 im Erholungsheim bei den Nonnen
in Bad Soden Saalmünster.Es war dort sehr streng.
Beispiel: zum Frühstück gab es oft Haferschleim und
Heilquellwasser man durfte nicht eher aufstehen und spielen bis man alles gegessen und getrunken hat und wenn es lange gedauert hat.Das schlimmste für mich
war die Abreise.Wir mussten unsre Koffer selber packen
ich war damals 6 Jahre und mein Bruder 3 Jahre.
Ich bekam meinen Koffer nicht zu alle andern Kinder
waren schon beim Frühstück da bad ich eine Nonne mir
zu helfen die bekam ihn auch nicht zu.Ich sah dann das Kleidung rausragte und er dadurch nicht zu ging.
ich probierte sie darauf aufmerksam zu machen aber sie
reagierte überhaupt nicht sondern gab mir eine feste
Ohrfeige und lies mich alleine. Ich machte dann mein Koffer zu und ging viel verspätet zum Frühstück.
Von dieser Aktion hatte ich ein blaues Auge und wurde
1 Woche später mit einem blauen Auge eingeschult.
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Henne aus Cuxhaven-Duhnen schrieb am 19.11.2021
Ich (63) wurde ab ca ab 1966 bis 1971/72
regelmäßig, zunächst alleine, später zusammen mit meinem 6 Jahre jüngeren Bruder für mehrere Wochen im Kinder Kurheim "Sonnenhof" abgeschoben. Es lag keine medizinische Indikation vor. Meine Eltern wollten uns wahrscheinlich temporär los sein obwohl ängstliche, brave und geknechtete Kinder. Mein Vater war ein elender Choleriker, meine Mutter immer auf oberflächliche Ruhe bedacht.
So wie man eben in den 60ern erzogen wurde.
Viel schlimmer war aber der Aufenthalt in diesem Heim:
-Schlafzwang auch mittags,absolutes Redeverbot!!! Toilettengang untersagt
-das gleiche zur Nacht. Hatte man. geredet oder getuschelt , müsste man aufstehen und im Stillgestanden vor der Zimmertür stehen
- ekelhaftes Essen, einmal die "Schweine"-Graupensuppe ausgekotzt gab's zur Belohnung einen fetten Nachschlag.
Das schlimmste aber waren Aussprüche wie: Ihr seid hier, weil Eure Eltern Euch nicht lieb habt(tat damals wie heute sehr weh, entsprach aber den Tatsachen)
oder :Ihr müsst immer hier bleiben.
Dieses Ausgeliefertsein und Hoffnungslosigkeit waren entsetzlich.
Ich habe mehrfach über Jahre versucht mit meinen Eltern dieses Geschehen aufzuarbeiten leider ohne Verständnis.
Sie waren der Meinung uns etwas gutes getan zu haben.
Ich habe für dieses Verhalten, das nur ein Teil unserer "Erziehung" war nur Verachtung über. Keine Einsicht, noch nicht mal im Angesicht seines Todes.
Der"Sonnenhof" war aber noch "Deluxe":
Das Kinderheim "Am Meer" war noch fieser.
Immerhin ich wohne mit meiner Frau und früher auch unserer mittlerweile erwachsenen Kinder in Cuxhaven.
Und beide Heime sind mittlerweile abgerissen. Eine kleine Genugtuung!!!
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Stefan Ebmeyer schrieb am 18.11.2021
Warum ich eigentlich verschickt wurde weiß ich nicht mehr. Ich war 9 oder 10 Jahre alt und meine Mutter war alleinerziehend.
Ich habe auch nur noch eine einzige Erinnerung an diese Zeit. Es geht um das Essen. Es gab Sauerkraut - heute wie damals mein größter Alptraum. Ich habe nichts gegessen. Das war ein NoGo dort. Mir wurde gesagt, dass ich erst aufstehen dürfe, wenn der Teller leer ist. Mir war es nicht möglich, das Sauerkraut zu essen ohne mich zu übergeben. Das kalte Sauerkraut war noch ekliger als das warme.
Ich weiß nicht mehr genau, wie lange ich als einziges Kind in einem leeren Essensraum vor meinem Teller saß. Gefühlt war es damals für mich eine Ewigkeit. Ab und zu kam eine Erzieherin rein und animierte mich zum essen. Ich weiß nicht mehr, wie die ganze Geschichte an dem Tag endete - gegessen habe ich auf jedem Fall nichts.
Ich habe keine weiteren guten oder schlechten Erinnerungen an die Zeit meiner Verschickung. Ich gehe davon aus, dass bis auf diese Sauerkrautgeschichte - an die ich bis heute immer wieder denken muss - eine gute Zeit dort hatte.
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Bischof Sabine schrieb am 17.11.2021
Hallo Martina Uhl,
Finde Deinen Beitrag leider nicht. War von Ende September. Du suchst mich, weil ich Dich suchte. schweinfurt.2021@web.de. Bitte kontaktiere mich bald. Ich freue mich, eine von den Mädchen gefunden zu haben, die damals mit mir in Wyk waren. Hier noch mal die anderen Namen: Gabriele und Brigitte Wittmann, Elke Gründer, Ellen Höfler, Eva-Maria Neumann, Sabine Stubner, Sabine Heindl.
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Martin M. aus Saarbrücken schrieb am 14.11.2021
Ich war 6 Wochen in der Asthma-Heil in der Kurfürstenstraße 26 in Bad Reichenhall von Mai - Juni 1967. Ich suche noch weitere Zeitzeugen, die auch sexuellen Missbrauch in diesem Haus durch Angestellte dieser Klinik und klinikfremden Personen erlitten haben. Ich habe einen Antrag nach dem OEG beim Landesamt für Soziales gestellt. Dazu brauche man weitere Zeitzeugen, um das uns zugeführte Leid beweisen zu können. Durch weitere Zeitzeugen wird eine Anerkennung nach dem OEG positiv beschieden. Ich spreche von schwerem wiederholtem sexuellem Missbrauch durch eine, zwei oder drei Tätern in einer Nacht mit anschließender Sedierung durch intravenöse Spritzungen, Körperverletzungen, Schlägen, Tritten, Fesselungen, Einsperren in eine Kiste, Drohungen mit dem Tod....
Weitere Einzelheiten finden Sie in meinen früheren Beiträgen. Auch beim Stadtarchiv Bad Reichenhall Herrn Dr. Johannes Lang findet man weitere Anhaltspunkte zu der Zeit. Die Kath. Jugendfürsorge hat damals dieses Haus mit dem Chefarzt Dr. Franz Braun geführt. Ich kann mich an weiter Jungen, die mit mir das Zimmer teilten oder mit mir am Tisch im Speisesaal saßen, erinnern.
Bitte melden Sie sich, dann könnten wir uns gemeinsam über die Heimortvernetzung austauschen .

Herzlichste Grüße
Martin
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Peter Masloch aus Koeln schrieb am 11.11.2021
Ich bin 1961 in Köln geboren und habe dort 37 Jahre gelebt, bin dann in 1997 in die USA ausgewandert und lebe immer noch dort. Ich habe erst vor einigen Monaten über die Geschichte der Verschickungskinder gelernt und begonnen mich damit auseinanderzusetzen was mir ziemlich schwer fällt.
Meine Eltern haben mich Anfang 1966 oder 1967 für 6 Wochen zur Kur nach Bad Nauheim geschickt weil ich kein Fleisch essen wollte. Ich kann mich nicht mehr an sehr viel erinnern. Die Zug fahrt, das ankommen, die grossen Schlafzimmer und der grosse Raum wo wir gegessen haben. Da gab es auch eine "Kranken Station" mit "Einzel Zimmern" wo ich auch eine Nacht verbracht hatte kann mich aber nicht erinnern warum. Ich kann mich daran erinnern, dass wir jeden Abend Medikamente bekommen. Wir habe da aufgereit in einer langen Schlange gestanden und dann die Medikamente bekommen haben. Ich kann mich noch daran erinnern, dass mir meine Eltern ein Paket geschickt haben mit einem Karnevals Kostüm (Ich war über die Karnevals Zeit in Bad Nauheim).
Vor rund 15 Jahren (2005 oder 2006) hat mein Doktor hier in den USA immer "Anxiety" (grob übersetzt bedeutet es Angst) in meine Akte unter Diagnose geschrieben. Ich habe damals nie viel darüber nach gedacht bis ich dann ende 2015 einen längeren Bericht über "Anxiety" (auch die neben form "social anxiety") gelesen habe. Ich habe mich (und mein verhalten) in dem Bericht 100% wiedergefunden. Ich habe dann auf mein Leben zurück geblickt und es ist mir klar geworden, dass ich mein ganzes Leben unter "Anxiety" und "Social Anxiety gelitten habe. Ich habe jetzt damit angefangen darüber nach zudenken ob meine "Anxiety" von der Kur in Bad Nauheim stammt.
Ich wünschte, ich hätte die Möglichkeit gehabt all das vor 30 oder 40 Jahren zu lernen. War aber leider nicht so. Jetzt hoffe ich, endlich mein Leben auf zu arbeiten und antworten zu finden.
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Peter Speck aus Kiel schrieb am 10.11.2021
nach weiteren Recherchen habe ich mit einiger Mühe diverse neue Aspekte hinsichtlich der Verschickung erinnert:
Zuerst ist es wichtig, zu erwähnen, dass ich aus meiner Sicht komischerweise innerhalb Schleswig-Holsteins verschickt wurde. Ich wurde zu meinem Leidwesen an der Westküste geboren und "sozialisiert". Der Landstrich war eine der frühen Nazi-Hochburgen. Dieses ganz besonders wegen der Idealisierung des Bauernvolks als Arier reinsten Kalibers und der dazu passenden Blut und Boden-Ideologie. In der Nachkriegszeit lebten hier überdurchschnittlich viele Flüchtlinge aus den östlichen Regionen des ehemaligen Deutschen Reiches wie z.B. Pommern oder Ostpreußen. Viele dieser Menschen hatten auf der Flucht Traumatisierungen erlebt, waren so manches mal Täter und Opfer in "Personalunion" und wurden in den "asylgewährenden" Regionen alles andere als freundlich empfangen, wie es hierzulande bei Refugees ja schon Normalität ist. Traumatisierte Flüchtlinge wurden auch keineswegs damals therapeutisch oder psychiatrisch behandelt , was wohl sicherlich auch kaum möglich gewesen wäre sondern ihrem Schicksal überlassen. Die Strukturen in diesen Landstrichen (ich verweise hier auf den Begriff "Rattenlinie Nord- bitte nachschlagen) waren gegenüber der Nazizeit fast unverändert und das Gedankengut sowie die Erziehungsmethoden waren dem angemessen. Leider: denn in dieses "Ambiente" wurde ich 1955 hineingeboren. Meine Schwester war 5 Jahre älter als ich und wir erlebten in dieser Region (Nähe Heide/Holstein) eine klassische (post)faschistische Erziehung. In der Volksschule des 600-Seelendorfes wurden die Kids noch mit herkömmlichen Methoden traktiert :Stockschläge mit 6 Jahren vom Lehrer , Backpfeifen vom Zahnarzt, diffuses und nicht berechenbares Verhalten der Eltern und anderer Dorfbewohner. Mutter mit spät erkannter aber nur mit Valium (hohes Abhängigkeitspotential) medikamentierter Borderlinepersönlichkeits- sowie Zwangsstörung sowie Vater mit Kriegsverletzungen aus britischer Gefangenschaft heimgekehrt spielten Kleinfamilie, was aus meiner Sicht gründlich misslang.
Als Kind hatten wir trotz durchaus vorhandener emotionaler Zuwendungen aber auch hoher Ambivalenz sowie weiter wirkender versuchter Nazifizierung durch das Umfeld keinerlei klare Leitlinien für unsere Primärsozialisation und auch keine Skills für das Leben mitbekommen.
Wik auf Föhr war meine erste Verschickungsstation ; danach bin ich jährlich mit Jugendgruppen unterwegs gewesen, was ich ab 1967 gar nicht so schlecht fand.
Obwohl ich schon 11 Jahre alt war, fühlte ich mich eher wie 8, war ziemlich mangelernährt und unruhig. Mir fiel später auf, dass ich wohl auch früh vom Links- zum Rechtshänder "umgeschult" wurde; bedeutet, dass hier eine weitere Entwicklungsverzögerung wahrscheinlich war. Auch hier fehlt mir die klare Erinnerung, aber ich konnte feststellen, dass im Sport weiterhin z.B. beim Werfen und beim Fußball (wie auch im Leben) links orientiert war.
Diesen Prolog habe ich angeführt, um erschreckenderweise zu dokumentieren, dass mir die extrem rigide "Pädagogik" im Heim gar nicht so normabweichend vorkam;, sondern die Unberechenbarkeit in den Handlungen des Personals mir durch meine Herkunftsumgebung vertraut war.
Heute weiß ich durch meinen Beruf als Pädagoge in der sozialen Psychiatrie ja wesentlich mehr über die multiplen und transgenerationalen Traumata- ein sehr ernstes Thema. Nicht umsonst kamen traurige Momente mit diffusen Suizidgedanken . Weinen half: Aber ich entwickelte auch eigene Methoden zur Überwindung solcher Situationen.
Ich erinnere, dass ich ein Foto meiner Mutter unter dem Kopfkissen versteckt hatte und einen Stoffhund. Gedanken an meine Eltern waren trotz alledem positiv.
Dazu hatte ich ja noch John Lennon als Seelentröster (früher Fan populärer Musik, bis zum heutigen Tage) sowie die legendäre WM in England (remember Wembley). Wer spurte ,durfte abends länger aufbleiben, der Rest: ab in die Koje- Augen zu und Schlaf befohlen. Jawoll!
Ich kann mich nicht an Schläge erinnern, auch nicht an Zwangsernährung und-medikation.
Hier bleiben Fragen offen (das Fotomaterial, das ich habe , sagt da nicht viel aus): Wurden wir zwangsmedikamentiert und wenn ja, womit?
Wie war die personelle Struktur des Heimes, wer Kostenträger usw.
Nach besagten Sommerferien kam ich direkt auf das Gymnasium in Heide (heute Heisenberggymnasium- alter Parteigenosse) und ich litt stärker als je zuvor unter starken Konzentrationsstörungen und schnellem Leistungsabfall trotz verbriefter hoher kognitiver Fähigkeiten.
1974 absolvierte ich ein über 4-monatiges Vorpraktikum (später Studium an der FH Kiel sowie der evangelischen
Fachhochschule Berlin-Schöneberg) im Kinderheim Seeschloß in St-Peter-Ording. Hell on earth! wie ich heute weiß. Damals aber auch die erste Zeit außerhalb des Elternhauses (für immer) und insofern Praktikum und Partysommer zugleich.
Die Strukturen und Essensrituale waren wohl ähnlich wie in den anderen Berichten beschrieben; allerdings fiel mir die"spezielle Essenskultut" auf, die ich schon in dem Heim auf Föhr erlebt hatte: Adipositas und Anorexie in einem Raum- das war absurd und ultrafies , Die Qualität der Nahrung auch nach damaligen Standards ziemlich schlecht (ich erinnere das nicht so genau). Bei Erwähnungen der Probleme wurde auf die räumlichen Bedingungen verwiesen.


Das Heim selbst wurde von einem Mitglied der Leibstandarte Adolf Hitler und seiner Frau , einer BDM-Lehrerin geleitet (bitte Wikipedia unter Hugo und Sünne Kraas- das ist realer Horror)In der Nähe wohnte übrigens der letzte Lagerkommandant von Auschwitz; es ist abartig aber es war die Norm oder zumindest die Spitze des Eisberges.
Da ich der Zeit ultralange Haare hatte und insofern nicht besonders SS- kompatibel wirkte (heute gibts auch langhaarige Rechte)`musste ich von vorn herein draußen in einem Zelt kampieren (ich bin nicht sicher, aber es war die überwiegende Zeit (Praktikum Mai bis September).
Da ich mit Sicherheit mit dem Personal und mit Kraas über meine Einstellung sprach, wurde ich in anderen brisanten Bereichen , in denen es ja laut der Beschreibungen von vielen Verschickungskindern zu Zwang und Gewalt kam, gar nicht eingesetzt. Ich war häufig bei Außenaktivitäten, Spielen und bei Mahlzeiten anwesend. Ob ich Nachtbereitschaft machen musste, kann ich nicht erinnern.
Mit Sicherheit war ich aber wegen des Zeltaufenthaltes und eines monatlich ausgezahlten Taschengeldes eine billige Hilfe. das Praktikum endete mit der Zulassung zum Studium in Kiel im Nachrückverfahren.
Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis, wundere mich deshalb aber sehr, wie bruchstückhaft(vielleicht unbewußt selektiv meine Wahrnehmung war und ist)
und wie viele dunkle Flecken auf der ganzen Phase meiner kindlichen und schulischen Sozialisation liegen und wie mich die Beschäftigung damit in echte Ängste stürzt (auch jetzt), wenn ich zugleich die große Sturmflut, die uns in Lebensgefahr brachte und die Übertragungen meiner Eltern z.B. während der Kubakrise(ich erlebte während der Krimbesetzung einen Retraumatisierungseffekt) denke, läuft es mir den Rücken runter.
Für alle Heimkinder war der Aufenthalt bittere Kosequenz einer nie vollzogenen Entnazifizierung. Hilflos den alten Peinigern ausgeliefert. das war`s Puh!
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Susanne schrieb am 10.11.2021
Susanne aus Baden-Baden
Verschickungsheim Bad Dürrheim
Zeitraum Oktober bis Dezember 1963

Mit 3 ½ Jahren wurde ich wegen Asthma bronchiale auf ärztliches Anraten über die Caritas nach Bad Dürrheim verschickt.
Ich erinnere mich, wie wir vorher extra ein Kuscheltier für die Kur kauften, das ich aussuchen durfte. Ein kleines Kätzchen namens Schnuckiputzi , welches meine Mutter samt Kleidungsstücken mit Namensetiketten versah. Ich begriff, dass ich wegen des Asthmas irgendwo hinfahren müsste und bis das Christkind käme wieder zu Hause sein würde. Ich erinnere mich an das Einsteigen in den Zug und die freudige Aufregung- war es doch meine erste Zugreise. Ein weiterer Junge aus meinem Wohnort und eine Frau von der Caritas saßen mit mir im Abteil. Merkwürdigerweise habe ich an die restliche Fahrt und die Ankunft, das Haus, die Umgebung keinerlei Erinnerungen. Wie mir meine Mutter später sagte – sie lebt noch – hatte ich während der Kur den Mumps, ebenso mein Bruder zur selben Zeit zu Hause. Wahrscheinlich befand ich mich zumindest zeitweise auf der Isolierstation.
Folgende Momente sind mir in Erinnerung:
Ich liege am Tag ganz allein in einem abgedunkelten Schlafsaal mit vielen Gitterbetten.
Ein andere Szene: Wir wurden gebadet. In einem Baderaum standen mehrere emaillierte und eine Badewanne aus Holz, in welcher ich mit einem weiteren Kind saß. Es passierte mir, dass ich Pippi ins Wasser machte. Das war mir schrecklich peinlich und ich schrie fürchterlich. Es kamen mindestens zwei „Tanten“ und fragten was ich hätte. Ich gestand schluchzend, was mir passiert war und dass das andere Kind jetzt in meinem Pippi sitzen müsste. Ich hatte große Angst und war sehr überrascht, dass die „Tanten“ das rührend fanden und erinnere mich an keine Strafe.
Ein weiteres Erinnerungsblitzlicht war eine gemeinsame Brotmahlzeit in einem Flur. Wir saßen auf Holzbänken, die entlang der Wände standen und hatten Brot mit Ei in der Hand.
Dann erinnere ich erst wieder die letzte Phase der Heimfahrt im überhitzten Zug und draußen war es schon dunkel. Mein Vater und mein Bruder holten mich ab. Alle erinnern sich, dass ich unbeschreiblich glücklich war, wieder zu Hause zu sein, ein dickes Lippenherpes hatte, plötzlich Hochdeutsch sprach und mein erster Satz war: „das hat aber sehr lange gedauert, bis das Christkind kommt!“ Ich konnte ein lateinisches Lied singen:“ Santa, santa Maria virgo…“

Soweit die Erinnerungen, doch schon lange vermute ich, dass es psychsomatische Zusammenhänge und Folgen dieser so frühkindlichen Trennung und „Behandlungen“ gibt, die nicht unerheblich sind und sich bis jetzt auswirken. Ich bin in einem sehr behüteten Elternhaus aufgewachsen.
Z. B. ging ich als Kind viele Jahre nur 2xtägl. zum Wasserlassen auf die Toilette, hatte bis vor wenigen Jahren auf Reisen schlimme Verstopfung. Autoimmunerkrankung, Erschöpfungssyndom, Schlafstörungen, kaum belastbar, so dass ich seit 10 Jahren meinen geliebten Beruf nur noch minimal ausüben kann.

Als ich Anfang dieses Jahres (2021)durch einen Bericht in der Presse und durch Videos auf ihre Internetseite und Initiative stieß, schienen sich Puzzlesteine zu finden und Ahnungen wurden zu aufwühlenden Emotionen. Dass solche Einrichtungen besonders bei so kleinen völlig schutzlosen Kindern mit Beruhigungs-, Schlaf- und Schmerzmitteln arbeiten mussten liegt auf der Hand. Es graust mir bei diesem Gedanken und all den Berichten.

Vielen herzlichen Dank für Ihr großes Engagement dies alles ans Licht zu bringen!
Mir liegt sehr an Aufarbeitung und vor allem an Erkenntnissen zu den psychosomatischen Folgen und Spätfolgen, die man sicher im Bereich der posttraumatischen Belastung ansiedeln kann, wie Depressionen, Ängste, Fatigue, Erschöpfungszustände, hormon. Dysbalancen, Autoimmunerkrankungen, Nebennierenschwäche etc. Hier ist uns meines Erachtens der Staat schuldig, Verantwortung zu übernehmen, bei unabhängigen Studien unterstützend mitzuwirken, damit wir mit den offensichtlich weitreichenden Folgeschäden ernstgenommen werden und angemessene Hilfestellung erhalten.

Unsere Eltern, die damaligen Tanten, Ärzte und Betreuer waren ebenso wie wir Kinder und Opfer ihrer schrecklichen Zeit und Verirrungen. Auch in den Schulen, Krankenhäusern, Entbindungsstationen, Kinderheimen, waren die Auswirkungen der Ideologie des dritten Reiches z.T. noch bis in die 80er Jahre wirksam.
Hoffen wir, dass wir die Gefahren der Ideologien unserer gegenwärtigen Zeit einzuschätzen lernen und nicht wieder finanzielle, wirtschaftliche, technische und ideologische Zwänge die physische und psychische Gesundheit unserer Kinder nachhaltig gefährden. Ich beobachte u.a. den rasanten Druck, die frühkindliche Fremdbetreuung immer mehr auszubauen, mit großer Sorge.
Ich glaube die Wahrheit wird letztlich ans Licht kommen.
Ich hoffe dass aufrichtige Bekenntnisse, Vergebung und Heilung stattfinden können!
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Janine aus Altmark schrieb am 09.11.2021
Hi! Mein Name ist Janine und bin 1982 geboren. Im Alter von ca. 5 Jahren wurde ich am Bahnhof Stendal (Altmark) gebracht, um von dort an mit dem Bus nach Tarnewitz zu fahren. Dort war ich in der Kureinrichtung >>Neues Leben<< untergebracht. Das muss ca. 1987 von bis...es war warm. Ich war wohl wegen meiner Neurodermitis da. An so viel kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Heimweh hatten wohl viele. Ich kann mich noch waage an der Aussenansicht des Gebäudes erinnern. In der Nähe oder vor dem Gebäude stand ein Boot. Womöglich zum drauf rum klettern. Im Gebäude standen auf dem Flur Spinnte. Dort habe ich auch eine Tüte mit mehreren Nuckels versteckt, denn diese wahren für mich immernoch aktuell. In dem Schlafraum standen mehrere Betten. Meins stand gleich rechts vorne an der Wand. In einem Aufenthaltsraum stand ein Fernseher und es war ein Puppentheater aufgebaut. Beim Abendprogramm durften wir den Sandmann sehen. Ich kniff am Ende der Sendung immer meine Augen zusammen, da ich den Schlafsand vom Sandmann nicht in meinen Augen haben wollte. Ich wurde dabei ermahnt, die Äuglein auf zu lassen. Das schlimmste Erlebnis war bei einem Ausflug an dem Strand. Ein paar ältere Kinder wollten mir meine Nunnis wegnehmen und haben mich am Strand hin und her gehetzt, da ich davon lief, um die Nunnis zu verteidigen. Letztendlich habe ich sie wieder im Spinnt versteckt. Aus gnatz am Abend bei der Bettruhe, hatte ich an der Wand die Tapete abgerissen. Unbemerkt kam die Nachtschwester und schlug mir ins Gesicht. Am nächsten morgen war eine andere Aufseherin. Sie fragte mich, warum mein Kopfkissen voller Blut war. Ich hatte wohl Nasenbluten durch den Schlag der Nachtschwester. Ich hatte mir nicht getraut was zu sagen. An einem anderen Tag, auch bei einem Ausflug, flog mir eine Biene ins Auge. Ich kam dann zur Beobachtung auf die Krankenstation. Ein paar Kinder kamen mich besuchen und durften von aussen durch die Scheibe schauen. Und dann weiß ich nur noch, dass ich endlich wieder nach Hause ging. Wieder mit dem Bus nach Stendal. Als der Bus hielt und ich Ausstieg, kam eine ältere nette Dame auf mich zu und fragte, ob ich Janine sei. Sie nahm mich an der Hand und wir gingen in einem Laden wo ich mir eine Süssigkeit aussuchen durfte. Anschließend fuhren wir mit dem Zug in meinem Heimatort, wo ich dann von meiner Mutter abgeholt wurde. Als wir zu Hause waren, sagte ich zu ihr, dass ich meine Nunnis nicht mehr brauche. Ich hatte es zwar bereut, aber hatte es durchgezogen. Meine Mutter fragte, warum Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich wollte dort nie wieder hin.
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Martina aus Norderney, Marienheim schrieb am 07.11.2021
Erst in den letzten Tagen bin ich auf diese Seiten gestoßen...
Auch ich war einst für 6 Wochen im Marienheim, und zwar von Mitte Januar bis Ende Februar 1968. Damals war ich 9 Jahre alt.
Daheim wurden zuerst noch Namensetiketten in all meine Kleider genäht, dann wurde ich gemeinsam mit einem Mädchen aus unserem Nachbardorf (Zufall!) in den Zug gesetzt, der die 7 Stunden bis Norddeich-Mole durchfuhr. Dort ging es auf die Fähre, und auf Norderney direkt ins Marienheim. Mein Bett in dem großen Schlafsaal stand mittendrin. An den Waschraum mit den nebeneinander liegenden Waschbecken habe ich zwar Erinnerung, nicht aber an die Toiletten, Badewannen oder Duschen.
Die dicke Oberin hat mir immer sehr große Angst bereitet. Sie überwachte alle Mahlzeiten im Speisesaal und achtete darauf, dass die Teller leergegessen wurden. Wer tatsächlich einmal eine zweite Portion wollte, musste mit seinem Teller vor sie hintreten und um Nachschlag bitten. Dies ist bei mir nur ein einziges Mal vorgekommen: ich hatte aber solche Angst, dass ich die von ihr aufgefüllte Suppe prompt über ihre Ordenstracht geschüttet habe. Was dann geschah, weiß ich nicht mehr.
Richtig eklig war für mich die immer nur lauwarme Milch mit der dicken Hautschicht obendrauf. Manchmal gab es aber auch Tee, der war okay, irgendwie halt Wasser mit Geschmack.
Ansonsten war es so, wie es auch die Anderen beschreiben: mittags 2 Stunden Zwangsruhe im Bett, davon die erste Stunde schlafen (oder sich schlafend stellen), nur dann durfte man in der 2. Stunde lesen. Alles natürlich völlig mucksmäuschenstill und mit Bewachung. Wer sich in der 1. Stunde bemerkbar gemacht hatte, durfte nicht lesen und musste "weiterschlafen". Auch eine Nachtwache gab es, die saß immer auf einem Stuhl neben der Saaltür.
Wegen der eisigen Jahreszeit waren wir kaum draußen, aber der Kirchgang am Sonntag war obligatorisch, und einige wenige Besuche im Wellenbad wurden auch gemacht. Nur einmal waren wir am Strand - daran erinnere ich mich gut, weil die Landschaft aus Schnee und verwehtem Sand so aussah wie Milchreis mit Zimt und mich fasziniert hat. Die jungen "Tanten" waren zwar recht nett, aber wenig ideenreich, auch was die Beschäftigung der Mädchen anging. Meist haben wir uns deshalb selbst was ausgedacht, vor allem habe ich sehr viel gezeichnet.
Ausgehende Post wurde von der Oberin diktiert bzw. zensiert, eingehende Post und Päckchen geöffnet. Mein Heimweh war grässlich und musste von mir stets geheim gehalten werden. Aber viele liebevolle Briefe meines Vaters haben mich durch die Zeit gerettet...
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Elisabeth schrieb am 06.11.2021
Mein Name ist Elisabeth und ich bin im November 1944 geboren.
Es muss 1949 gewesen sein.
Ich war so 4 ¾ Jahre alt, als ich zur Kur in Bad Sachsa im Harz war.
Mein Vater, zweifach in Hannover's Innenstadt ausgebombt, war im Nachbarort, in Bad Lauterberg zur Kur geschickt worden.
Von den zwei Läden, die meine Eltern vor dem Kriege hatten, war jetzt nur ein Blech-Kiosk geworden, wo sie nun verkauften.
In der Zeit, wo wir beide zur Kur waren, hielt meine Mutter alles mit dem Geschäft am Laufen.
Mir war gesagt worden, ich könnte dort im Harz mit Kindern schön spielen und Papa wäre gleich nebenan, um gesund zu werden.
Ich war sehr, sehr dünn und schüchtern, als mich mein Vater am Glaseberg 3 bei Camilla Böttcher-Ramdohr ab gab.
Und nun begann das, was von so vielen beschrieben wird.
Viele schlimme Bilder habe ich, wie kurze Blitze, vor Augen.
Kaltes Wasser aus einem dicken Schlauch auf meinen Körper, falle um, Ohrfeige.
Böse knappe Ansagen.
Durst ohne Ende.
Lange in der Ecke stehen, mit dem Kopf zur Wand, schwindelig.
Nicht auf die Toilette dürfen.
Fieses klebriges Essen.
…........
Ich sehnte mich nach einem Briefkasten und dachte, ich würde so von meinem Vater geholt werden, wenn ich mein gemaltes Bild einwerfe.
Ich war Nachzügler,hatte zwei große Brüder, die 20 und 14 Jahre älter waren.
Die hatten mir etwas Schreiben beigebracht.
Einmal waren wir nun vom Heim zu einem Bäcker eingeladen, wo es eine so leckere Rosinenschnecke gab.
Und da sah ich einen Briefkasten!
Aber ich wurde entdeckt und mein zusammen geknicktes Bild musste in meiner Jackentasche bleiben.
Es wurde für mich im Heim immer schlimmer und mein Vater kam, weil er nicht durfte,überhaupt nicht zu Besuch.
Viele Kinder haben nach ihren Eltern geweint.
Irgendwann bin ich dann weggelaufen.
Den Namen Bad Lauterberg konnte ich ja lesen.
Das muss schief gegangen sein.
Ich sehe mich dann in einem Gitterbett im Büro von der „Tante“ Camilla, böse Stimmung, mein Vater ruft plötzlich an.
Sie sagen, es ginge mir sehr gut, ich wäre fröhlich und spielte schön im Garten.
Ich wollte schreien, bekam aber nichts heraus.
Fort an sehe ich mich alleine beim Essen, irgendwas ist mit meiner Hand, habe einen Verband um....
Gebrochenes muss ich nochmal essen.
Bin am Stuhl festgebunden.
Will zu meinem Papa.
Habe Angst nie wieder nach Hause zu kommen.
Habe Zuhause dann gesagt, ich will nie wieder weg.
Brauchte ich dann auch nie wieder.
Seit dem Horror habe ich, mein ganzes Leben, diese Zeit nicht vergessen können.
Bin vor allem Neuen erst mal sehr vorsichtig und ängstlich.
Habe mit 18 Jahren geheiratet und bin 1963 mit meinem Wolfgang und meinen Eltern noch einmal nach Bad Sachsa gefahren.
Mein Mann wollte denen wohl mal sagen, wie man mit Kindern umgeht.
War aber keiner mehr da....,soll 1951 ein Ende gehabt haben.
Wir sind seit 58 Jahren verheiratet, haben Kinder, aber diese nie in eine Kinderkur schicken wollen.
Warum wohl?
Eine schöne Erinnerung habe ich doch noch:
Mittagszeit, wir Kinder liegen im Garten und ein junges Mädchen liest uns vor.
Eine warme Stimme und nicht so ein Geschrei wie von den „Tanten“.


P.S.: Habe mich einmal mit einem Nachbarn unterhalten.
Er war auch ein „Verschickungskind“ und musste eine halbe Nacht über seinem Fischbrot sitzen, was er nicht herunter bekam.
Er hat es gegen Mitternacht hinter dem dort stehenden Schrank geklebt.
Ein schöner Gedanke, finde ich....
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Britta aus Köln schrieb am 05.11.2021
Ich war im Sommer 1974 für sechs Wochen im Kindersanatorium Hochwald wegen spastischer Bronchitis. Ich war 5 Jahre alt und hatte meinen sechsten Geburtstag in der Kur.
An diesen Geburtstag habe ich keine Erinnerung.

Ich erinnere mich an folgendes:
Meine Mutter brachte mich zur Kur, wir saßen bei der Chefin im Arbeitszimmer vor ihrem großen Schreibtisch. Meine Mutter erklärte, dass ich ab und zu noch ein wenig in die Hose pinkelte. (War also doch nicht so trocken: siehe mein Bericht über Bad Sachsa)

Ich hatte sechs Wochen lang das schrecklichste Heimweh.

Wenn es nachts im Schlafsaal nicht sofort still war, dann mussten die "Ruhestörer" raus.
Man saß dann allein im Schlafanzug in einem der dunklen Aufenthaltsräume. Ein Stuhl wurde vom Tisch herunter genommen. Darauf saß man im Dunkel bis im Schlafsaal alle schliefen. Eine Ewigkeit später öffnete sich die Tür und man durfte frierend in sein Bett.

Gemeinsame Toilettengänge nach den Mahlzeiten. Immer bei offener Tür. Ich habe mich geschämt. Irgendwann der genervte Ton der Aufpasserin: habt ihr endlich ausgeschissen?

Entwürdigendes gemeinsames Duschen. Alle Kinder standen in zweier Reihe, nackt nebeneinander. Es gab zwei frei stehende Duschtassen. An jeder eine der Frauen. Wenn man an der Reihe war, trat man vor in die Duschtasse und wurde von einer Frau gewaschen. Die Frauen feixten miteinander über die Köpfe der Kinder hinweg. Machten sich lustig über Körper, "wackelten" an den Kinderpopos.

Schlimme Momente im Esssaal. Brötchen mit Margarine. Ich ekel mich stark vor Margarine.
Immer sitzen und kauen. Kauen, kauen, kauen. Angst vorm Schlucken.

Regelmäßige Besuche beim Arzt. Blutentnahme. Dabei gab es wohl ein Bonbon. Erinnere mich daran, dass wir das Bonbonpapier zum Drücken auf die Einpiksstelle benutzten.

Ein Junge der Gruppe war so renitent und schrie viel, das er nach Hause geschickt wurde. Ich habe ihn so schrecklich beneidet. War selbst aber immer höchst angepasst.
Der Junge schrie unter anderem immer, dass er auf den Spielplatz wolle, den man vom unserem Flur aus sehen konnte.
An dem Tag als er fort war, gingen wir zum ersten Mal auf diesen Spielplatz.
Ich wusste damals schon und weiß es bis heute, was für eine Gemeinheit das war.

Bei einem Spaziergang verletzten ein Junge und ich uns ein wenig an einer unfallenden Sitzbank. Zum "Trost" durften wir diese Chefin in ihrem Arbeitszimmer besuchen und sie tat sehr nett mit uns.

Nach Abschluss der Kur fuhr ich mit Zettel um den Hals mit der Bahn wieder zurück nach Hause.

Ich konnte meinen Eltern meine insgesamt vier Kuren nicht wirklich verzeihen. Habe nie verstanden warum ich eigentlich weg musste. Es hieß ich sei krank gewesen, aber ich erinnere mich nicht daran. Ich glaube die Praxis dieser Verschickungen hat weit mehr damit zu tun, dass unsere Eltern in dieser Zeit, selbst durch Krieg und Nazis traumatisiert waren. Am Mythos Wiederaufbau wurde gearbeitet und die Eltern hatten genug mit sich selbst zu tun.
Dass immer so getan wurde, dass es ja an mir lag, dass ich weg musste und mich niemand beschützt hat, tut mir bis heute weh.
("...und wir hoffen, daß du ganz gesund einmal nach Hause zurück kommen kannst zu deinem lieben Vati und zu deiner lieben Mutti" Zitat aus einem Brief meines Vaters an mich als dreijährige in der Kur.) Zur Erinnerung, ich hatte Husten. Aber darf man nur ganz gesund bei Mutti und Vati sein?

Nicht ich war krank, sondern die Idee kleine Kinder von den Eltern zu trennen ist krank.
Britta
I
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Britta aus Köln schrieb am 05.11.2021
Ich wurde in den Jahren 1969 bis 1973 dreimal nach Bad Sachsa zu den Diakonissen im Borntal verschickt. Man hatte mir eine spastische Bronchitis diagnostiziert.
Ich erinnere mich selbst an keine der drei Kuren. Dafür war ich zu jung. Erst meine letzte Kur im Hunsrück (siehe anderer Bericht) ist mir in schlimmer Erinnerung.

Beim ersten Mal in Bad Sachsa war ich etwa 1 einhalb Jahre alt und trug noch eine Windel.
Wie meine Mutter immer stolz erzählte, kam ich trocken und ohne Schnuller aus der ersten Kur zurück. Nach den drei Monaten holten mich meine Eltern und mein älterer Bruder in Bad Sachsa ab. Ich erkannte meine Eltern nicht und wollte mit diesem Paar nicht mitgehen. Nur zu meinem Bruder fasste ich Vertrauen und ging schlussendlich ohne Weinen mit.
Es existieren ein paar Fotos aus diesen Aufenthalten, welche die Diakonissen meinen Eltern schickten, sowie zwei Briefe.
Ich habe meinen Eltern das unbekümmerte Erzählen über meine Angst vor ihnen beim Wiedersehen immer übel genommen. Ich kann bis heute nicht verstehen wie es allgemeiner Brauch sein konnte, sein Baby vollkommen fremden Menschen an einem Bahnhof in die Hand zu drücken.

Ich habe Bad Sachsa vor drei Jahren besucht und mich an den mittlerweile leerstehenden und teilweise abgerissenen Häusern aufgehalten. Diese deutsche 'Märchenwald-Architektur' löst immer vertrauten Kummer in mir aus.
Wie himmelschreiend traurig, dass so viele Kinder dieses deutsche Elend ertragen mussten (gab es diese Verschickungstradition eigentlich auch in anderen Ländern?).
Auch in meinem Elternhaus herrschte diese Vorstellung von Erziehung: kleine Kinder sind irgendwie noch wie Tiere. Man weiß nicht was in deren Köpfen vorgeht. Müssen erst erzogen werden um ein richtiger Mensch sein zu können.
Britta
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Joachim Ratzel aus Wissembourg schrieb am 05.11.2021
Im Dezember 2019 habe ich, bedingt durch die Reportage im "Report Mainz", begonnen mich mit meiner Situation als ehemaliges Verschickungskind tiefergehend auseinanderzusetzen. Woher kommen meine grossen Verlassenheitsängste? Warum bin ich so wenig konfliktfähig? Warum bin ich so oft traurig? Warum tue ich mich so schwer in Beziehungen und kann mich nur schwerlich öffnen und anderen vertrauen? Langsam nur mache ich in einer begonnenen Therapie Fortschritte. Das heisst, ich kann mich selbst inzwischen besser verstehen und habe Achtung vor mir. Der Schmerz sitzt aber soooo unendlich tief.... Gerne wäre ich zum Kongress nach Borkum gekommen. Ich traue mir das Ganze aber noch nicht zu. Ich habe Angst davor, dass es mich zu sehr "verspulen" würde.
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Karl-Heinz H König aus Sulzbach Rosenberg schrieb am 04.11.2021
Ich wurde im August 1966 für 4 Wochen ins Kloster Metten bei Degendorf gebracht. Am Bahnhof Sulzbach durften wir uns für 4 Wochen von unseren Eltern verabschieden. Ich bin damals 7 Jahre gewesen. Unser Pfarrer hat meinen Eltern gesagt, der Karl Heinz ist Unterernährt. Der muss auf Kur, damit er das Essen lernt. Wenn ich heute Bilder von mir, von damals anschaue, sage ich. Ich habe ein normales Gewicht gehabt. Ich kann mich nur mehr ans Essen erinnern. Große Portionen die Aufgegessen werden mussten. Sonst gab es ärger. Und das Nachts in unseren Schlafsaal ältere Jugendliche gekommen sind. Und den einen oder anderen Unsittlich berührt haben. Mich nicht. Wo die hergekommen sind weiß ich nicht. Dazu kommt noch das es nicht leicht für einen 7 jährigen gewesen ist. Von den Eltern weg zu kommen. Mehr weiß ich über diese Zeit nicht mehr. Muss aber oft negativ über diese Zeit denken. Hat es im Kloster Metten solche Fälle gegeben? Sie können gerne per Email mit mir Kontakt aufnehmen. Glück Auf KH König
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Ursel Lechtenberg aus Braunschweig schrieb am 04.11.2021
Hallo Armin,
danke für all die Informationen!
Ich würde auch gern Kontakt aufnehmen
zu "Ehemaligen", fürchte aber, dass es ist zu spät ist.
Ich war 1943/44 in Katzenelnbogen im Tbc
Kindererholungsheim und erinnere mich an
die "Braunen Schwestern".
Ein Ort des Grauens.
Vor vielen Jahren bin ich nach K. gefahren und habe
das Haus gesucht, leider nicht gefunden.
Ich habe an das Haus nur wenige Erinnerungen,
aber dafür um so mehr erinnere ich,
was da Schlimmes täglich passiert ist.
Gern bleibe ich im Kontakt mit Ihnen.
Herzliche Grüße
Ursula Lechtenberg
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Eva Fröhlich aus Sondheim Rhön schrieb am 03.11.2021
Ich bin durch Zufall auf den Artikel gestoßen. In diesem Moment dachte ich ebenfalls an meinen "Kuraufenthalt" als 7jährige zurück und musste lesen, dass die Einrichtung in Pelzerhagen "dazu gehört". Meine Erfahrungen sind glücklicherweise sehr positiv und ich denke gerne an die Zeit zurück. Ich - und alle weiteren Kinder im engen Umfeld - wurden dort jederzeit gut betreut. Vielleicht hatte ich einfach Glück oder Mitte der 80er hat bereits teilweise ein Umdenken stattgefunden. Mein Mitgefühl gilt allen Kindern der vergangenen Zeit, die heute noch traumatisiert sind , aufgrund ihrer Erfahrungen.
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Nadine schrieb am 03.11.2021
Ich war 1988 mit 7 Jahren für 6 Wochen zur Kur in Gaißach bei Bad Tölz.
Es sind nur Bruchstücke an die ich mich erinnere. Wir schliefen mit 4 Mädchen in einem Zimmer, wenn man sich nach der Nachtruhe unterhielt wurde man ausquartiert und musste mit seiner Matratze auf dem Flur schlafen.
Einmal hab ich mir Nachts in die Hose gemacht, weil ich Angst hatte bei Nachtruhe zur Toilette zu gehen. Auch danach wurde ich ausquartiert. Päckchen die von Zuhause kamen und Süßigkeiten enthielten, mussten geteilt werden. Es durfte nur Montags telefoniert werden, da konnten die Eltern für 5 Minuten anrufen. Auch wenn man Heimweh hatte, gab es keine Ausnahmen. Wenn es was zu Essen oder zu trinken gab was man nicht mochte musste man so lange sitzen bis es aufgegessen war, ansonsten dürfte man an Veranstaltungen, wie Ausflüge, nicht teilnehmen.
An körperliche Sachen erinnere ich mich nicht, nur an psychische.
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Manu schrieb am 02.11.2021
Liebe Sabine Callsen,
bitte melde Dich bei mir (Heimortkoordinatorin Tegernsee-Region) unter verschickungsheime-tegernsee@gmx.de. Es gibt noch weitere ehemalige Verschickungskinder aus diesem Heim.

Herzliche Grüße,
Manuela
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Thomas Schläger aus Magdeburg schrieb am 02.11.2021
Ich war im Frühjahr 1983 für 6 Wochen im Kinderkurheim Ettersverg bei Weimar. Es war sehr schön, vormittags Schule, Mittagsschlaf, nachmittags Ausflüge. Viele Wanderungen in die schöne Natur, auch mal zu Goethe und Schiller nach Weimar.
Natürlich auch viele Geschichten aus dem nahegelegenen KZ Buchenwald erzählt bekommen, wobei es dabei politisch motiviert natürlich immer nur um Kommunisten, Antifaschisten und Ernst Thälmann ging. Judenverfolgung wurde nie auch nur ansatzweise erwähnt.

Die Erzieherinnen waren DDR-typisch streng, aber nicht ungerecht. Ich war einer von den Flegeln, der Soohn einer Kollegin meiner Mutter war ein Jahr nach mir dort und die Erzieherinnen konnten sich noch an mich erinnern "der war ein lauter Rabauke"
Die einzige Strafe: Ich und ein paar andere Rabauken durften nicht mit zum Besuch ins KZ Buchenwald, was uns mit unserer mangelhaften Disziplin begründet wurde. Das kann ich auch heute noch sehr gut nachvollziehen. Eine KZ Gedenkstätte ist kein Ort an dem man 8-10 jährige Kinder rumtoben lassen möchte die nicht hören können.

In meiner Erinnerung war es eine schöne Zeit, wir haben dort viel Blödsinn gemacht. Alle Kinder und auch die Erzieherinnen sind fair mit uns umgegangen.
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Christine Eschbach aus Köln schrieb am 01.11.2021
Liebe Frau Röhl,
vorerst möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie die Initiative
für uns Verschickungskinder übernommen haben und ein  Forum bieten,
das Schweigen zu durchbrechen.
Auch ich war nach diesem sechswöchigen Kuraufenthalt für Jahre verstummt.
Mein ganzes Leben lang habe ich versucht möglichst den Aufenthalt im
Krankenhäusern oder Institutionen zu vermeiden.
Als mir meine Ärztin mir mit 46 Jahren einen Kuraufenthalt ans Herz
legte, veranlasste ich alles Notwendige.
Zwei Tage vor der Abreise überkam mich Panik und ich thematisierte mit
meiner Ärztin die Erfahrungen , die ich als Fünfjährige in Bad Buchau
gemacht hatte.
Sie reagierte wunderbar und sagte, dass ich nun eine erwachsene Frau
sei, die sich zu wehren wüsste, und ich konnte erleichtert die Kur
annehmen und geniessen.
Meine Eltern hatten mich 1970 in Kur geschickt, da ich sehr schmächtig
war und regelmässig ins Bett machte.
Meine Mutter war sehr fürsorglich und liebevoll, mein Vater jedoch
sehr autoritär.
Also eine ständige Anspannung in einer Familie mit fünf Kindern.
Alle Kinder wurden von der DAK in Kur geschickt.
Wir alle haben unter der Trennung von unserer Mutter sehr gelitten.

Meine Erinnerung:

In Oktober 1970 wurde ich von Köln aus für sechs Wochen in die
Kinderkur geschickt. Meine Schwester und meine Mutter brachten mich an den
Bahnhof nach Deutz. Ein langer Zug mit Kindern die winkten ist mir
in Erinnerung geblieben,mein kleiner karrierter Kulturbeutel, und der
Mittagsschlaf im Zug auf ausgezogenen Samtpolstern.
Das Kurheim befand sich in einem Schloss mit vielen Gängen.
Vorerst war ich mit grösseren Kindern in einem Schlafraum untergebracht.
Es war immer recht kalt und nachts rasselte die  Nachtschwester mit
ihrem grossen Schlüsselbund.
Zum Essen wurde ich gezwungen, die Erbsen habe ich einmal auf der
Toilette ausgekotzt(sorry).
Einmal habe ich mich in der Toilette eingesperrt und kam nicht alleine
raus. Ein älteres Mädchen kletterte über die Toilettenwand und
befreite mich.
Dann kam ich zu den kleineren Kindern im Souterain, dort waren weniger Kinder.
Die Holzstühlchen hatten eine Herzform und sahen aus wie im Märchen.
Zu Beginn der Kur waren uns die Süssigkeiten abgenommen worden, jedoch lag jeden Sonntag ein Katjeskätzchen auf dem Tellerrand. Wir haben im Park gespielt, Kastanien gesammelt und ich habe meine erste Laterne gebastelt.
Es gab einen Laternenumzug im Park.
Wir habe auch den Wackelwald besucht( Moor).
Ich bekam Tabletten und Lebertran.
Von dem Paket meiner Mutter durfte ich die Postkarte und das Papier
( Schuhreklame von Ara ) behalten.
Gymnastikstunden fanden in einem grossen Raum unter dem Dach statt.
Zum Ende hin wurden wir durch viele Gänge und Treppen zu Badezimmern
geführt. Dort badete ich das erste und einzigemal in sechs Wochen.
Meine Mutter liess mich nie alleine im Badezimmer- hier war ich
alleine!
Als ich wieder in Köln am Bahnhof ankam holten mich meine Schwester und meine Mutter wieder ab. Meine Schwester
erzählte, dass meine Mutter bei meinen Anblick sehr weinte! Ich sagte
zu ihr:" Mutti, du musst nicht weinen, der Koffer ist im Gepäckwagen...!"
Das ganze ist nun 51 Jahre her.
Die Worte meiner Ärztin haben mir geholfen diese Leere, Hilflosigkeit,
Lähmung und Angst zu überwinden.
Heute kann ich NEIN sagen!
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RPetzinger aus Bad Camberg schrieb am 01.11.2021
Hallo guten Tag,
ich wusste bis heute nicht, dass es eine Initiative Verschickungskinder gibt.
Durch Zufall habe ich den Hinweis im Programmheft gelesen und mir die
TV Sendung im NDR angeschaut.
Ich bin 1952 geboren und wurde im Oktober 1955, also mit 3 Jahren, für 6 Wochen in den Schwarzwald geschickt.
Es war für mich ein einziger Horrortrip. !
Schläge, Zwangsessen, Schlafen im Waschraum auf dem blanken Fußboden ohne Bettzeug.... war normale Tagesordnung.
Ich glaube es war ein Heim "am Tittisee". Unterlagen darüber habe ich keine. Meine Eltern haben mir darüber nie Auskunft gegeben. Erst mit ca 30 Jahren kam ich mit meinen Eltern eines Abends auf dieses Thema zu sprechen. Sie sagten mir nur: "... stell dich nicht so an, du warst ja nicht alleine in Kur"
Ich habe dort gelernt, "die Klappe zu halten und nur das zu machen was verlangt wurde" - dann war alles gut.
Die Bilder dieser "Kur" haben mich mein ganzes Leben lang verfolgt. Bis heute.
Ich hatte immer das Gefühl, ... ich bin nichts... ich kann nichts... die Großen können alles besser als ich.... ich brauch nicht selbst zu denken....
Diese Gefühle konnte ich teilweise mit Freunden besprechen und eine selbstbewusstere Haltung entwickeln.
Aber es blieb immer ein Rest übrig, den ich mir nicht erklären konnte. Es war alles sehr anstrengend und die Erinnerungen klebten wie Blei an mir.
Durch die TV Sendung, waren die "Bilder vom Schwarzwald" in meinem Kopf direkt wieder aktiv und erzeugten ein unangenehmes Kribbeln am ganzen Körper.
Viele Grüße Rudolf Petzinger
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Sabine Callsen aus Norderstedt schrieb am 31.10.2021
ich wurde im Sommer 1966 verschickt in das Kinderkurheim von Siemens, mein Vater arbeitete bei Siemens. Ich war fünf Jahre alt. Ich erinnere mich an mein schreckliches Heimweh. Meine Mutter schrieb mir Karten mit dem Mecki Igel, die wurden dann laut vorgelesen beim Essen vor allem anderen Kindern, es war mir schrecklich peinlich, die nur für mich gedachten Kosenamen und Worte meiner Mama, die ich so schlimm vermisste, vor allen anderen vorgelesen, die anderen haben gelacht...Ich war immer hungrig, andere auch, wir haben die Teller abgeleckt...als ich das dann zuhause auch gemacht habe, hieß das scherzhaft "der Tegernsee-Teller"...Es gab wenige Toiletten, vor denen alle Kinder abends Schlange standen, ich konnte da mit den schon an die Tür hämmernden KIndern nichts machen und lag dann in meinem nassen Bett. Ich war krank und hatte eine Mittelohrentzündung, ich erinnere mich an den gelben Eiter auf dem Kissen. Bei den Spaziergängen an rauschenden Bächen habe ich festgestellt, dass ich den Bach auch dem einen Ohr gar nicht hören konnte. Eine Zeit lag ich dann in einer Krankenstube, dort war auch eine anderes Mädchen und es war die beste Zeit, ich hatte meine Ruhe und ein wenig Gesellschaft. Die stärkste Erinnerung ist das heftige Heimweh und immer traurig zu sein.
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Annette H schrieb am 31.10.2021
Ich war mit 7 Jahren in der Kinderfachklinik Satteldüne auf Amrum. Ich habe keine schönen Erinnerungen an diese Zeit. Ich kann mich noch genau an diese Kälte von den Betreuern erinnern. Ich war komplett auf mich alleine gestellt und hatte auch dort keine Freunde gefunden. Ich kann mich an kein Gesicht der Betreuer erinnern, sondern nur das mit mir nicht liebevoll umgegangen wurde.

Am ersten Tag habe ich ein Blatt Papier von einer Frau in die Hand gedrückt bekommen mit der Aufforderung ich soll zum Arzt gehen. Dann verschwand sie wieder. Sie hat mir nicht gesagt wohin ich gehen soll und hat mich nicht begleitet. Ich war total verloren und hatte Angst. Ich habe dann meinen Mut zusammengefasst und eine weitere Person gefragt. Diese erklärte mir kurz den Weg. Irgendwann habe ich den Behandlungsraum gefunden, kann mich aber an die Untersuchung nicht erinnern.

Wenn ich mich versuche zurück zu erinnern, dann fällt mir der Speiseraum als negative Erinnerung ein. Ich weiß, dass ich morgens nur eine Wahl zwischen Brot mit Käse oder Brot mit Schinken hatte. Das Essen hatte mir nicht geschmeckt und getrunken habe ich auch nicht viel, da mir nur Tee in Erinnerung geblieben ist.

Meine Eltern haben mich persönlich hingefahren und mir Süßigkeiten da gelassen. Die wurden aber von den Betreuern weggenommen. Ich konnte aber ein paar Süßigkeiten in meinem Bett verstecken und habe meiner Bettnachbarin ein paar geschenkt. Das verschickte Paket von meinen Eltern mit den vielen Süßigkeiten und Geschenken hat die Betreuung auch einbehalten und mich erst gar nicht darüber informiert.

Im Waschsaal hatte ein Junge Seife auf dem Boden verteilt und mich geschubst. Ich bin ausgerutscht und mit den Kopf gegen das Waschbecken gestoßen und hatte dadurch eine Beule erlitten. Die Betreuer haben meine Eltern nicht informiert.

Ich habe fast täglich Abends ins Bett gemacht. Ich verstehe nicht, wieso ich das gemacht habe. Es muss was passiert sein, dass ich nicht auf die Toilette konnte/durfte.

Was ich am schlimmsten fand, war halbnackt im Badeanzug früh morgens in der Kälte eine Runde laufen.
Ich hatte telefonischen Kontakt zu meinen Eltern. Allerdings nur unter Aufsicht der Betreuer. Ich muss wohl am Telefon viel geweint haben und habe die negativen Geschehnisse auch erzählt. Ich musste auch ständig den Betreuern den Hörer geben, weil meine Mutter nachfragte, ob das alles tatsächlich passiert ist.
Als die Betreuerin meinte, dass meine Beule ja nicht so schlimm ist und sie deswegen meine Eltern nicht angerufen hat, ist meine Mutter ausgeflippt und hatte gesagt, dass sie mich am nächsten Tag holen kommt. Ich hatte das Glück und wurde von meinen Eltern eine Woche nach Anreise wieder abgeholt. Die Zustände waren katastrophal. Ich wurde mit meinen ganzen Sachen am Eingang abgeladen und sollte dort auf meine Eltern warten. Als sie ankamen, haben sie ein verwahrlostes Kind aufgefunden. Ich war dreckig und habe gestunken. Von dem Aufenthalt Satteldüne habe ich mit 7 Jahren eine Blasenentzündung bekommen. Meine Eltern hatten danach einen Beschwerdebrief an die AOK geschickt. Es kam ein böser und uneinsichtiger Brief zurück. Den Brief sucht meine Mutter noch.
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Birgit Lehne aus Celle schrieb am 30.10.2021
Nach dem Fernsehbericht fing meine Mutter, 87 Jahre, plötzlich an zu erzählen! Sie war vor der Einschulung mit ihrem kleinen Bruder irgendwohin verschickt. Das Haus lag auf einem Hügel, unten flossen die Aller und irgendein anderer Fluss. Die Tanten haben immer gesagt sieh mal, da ist die Aller, Du bist doch aus Celle, da fließt sie auch durch. Sie wurde von ihrem Bruder getrennt. Beide hatten dort Keuchhusten. Sie erinnert sich an ein Bett mit Gittern wie ein Zaun aus dem sie nicht heraus konnte. Sie hat die ganze Nacht gehustet und erbrochen. Irgendwann kam eine Tante, hat sie ins Bad getragen und gewaschen. Als sie da zurückkamen war das Bett frisch bezogen, darüber hat sie sich dann wohl sehr gefreut. Am nächsten Morgen wurde sie nach draußen geholt, da war ein Krankenwagen. Sie sollte sich von ihrem Bruder verabschieden der ins Krankenhaus musste. Mehr weiß sie nicht mehr und mein Onkel erinnert sich an gar nicht mehr. Das Ganze ist ca 83 Jahre her und nun durch diesen Bericht im Fernsehen ist es wieder da. Diesen Bericht hat sie sich angesehen weil ich ein Verschickungskind bin und wir schon viel darüber gesprochen hatten.
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Hain-Hermann Weede aus Hildesheim schrieb am 30.10.2021
Mein Name ist Hain-Hermann Weede, Jahrgang 1960 und ich hatte vergangenen Donnerstag bereits über meinen dreiwöchigen Aufenthalt in einem Lüneburger Kinderheim im Jahr 1962 berichtet. Bitte erlaubt mir ein paar Ergänzungen. Meine acht Jahre ältere Schwester erzählte mir folgendes: Die Eltern hatten ein quiteschvergnügtes zweijähriges Kind in die Obhut des Kleinkinderheimes gegeben. Als sie mich später wieder abholten, schlich ein total verängstigtes, eingeschüchtertes und blasses Kind wie ein Gespenst langsam die Treppe herunter. Besonders erschütternd sei mein stumm-vorwurfsvoller Blick gewesen als ob ich sagen wollte, ach euch gibt es auch noch? Offensichtlich hatte ich resigniert und mich ganz meiner Situation überlassen. Offensichtlich hatte ich schwere Verhaltensauffälligkeiten erlitten, möglicherweise durch eine Traumatisierung. Auffallend war noch dass ich nach dem Heimaufenthalt schlagartig trocken war, obwohl es eine Binsenweisheit ist, dass ein dreijähriges Kind sauberer als ein zweijähriges ist. Wurde ich etwa gewaltsam zur Sauberkeit gezwungen? Mir fehlt an diese Zeit jegliche Erinnerung und alles was ich berichte, weiß ich nur aus Erzählungen, wie z.B. die schlagartige Sauberkeit und die deutlichen Verhaltensauffälligkeiten- und veränderungen durch Schüchternheit und Überängstlichkeit. Woran an mich deutlich erinnere ist ein quälender und bedrückender Albtraum: Ich sehe mich in einem großen Raum mit weißen hohen Wänden. Gegen meinen Willen schiebt mich eine unsichtbare Kraft gegen die gegenüberliegende Wand. Verzweifelt und vergeblich stemme ich mich die unsichtbaren Hände die mich erbarmungslos vorwärtsschieben, erst langsam und dann immer schneller werdend. Die Wand wird größer und kommt bedrohlich immer näher. Verzweifelt und vergeblich versuche ich mich die Kraft zu stemmen. Die Wand kommt noch und schließlich werde ich gewaltsam an die Wand gedrückt und zerdrückt. Jahre später, erzählte mir meine inzwischen verstorbene Mutter dass der Schlafsaal ein großer hoher Raum mit weißen Wänden war. Waren die unsichtbaren Hände in meinem Rücken, die Hände einer überforderten Mutter die ein Kleinkind von sich wegschiebt? Natürlich ist meine Frage Spekulation. Allerdings zerbreche ich mir schon seit langem den Kopf darüber, was ich möglicherweise gesehen oder erlebt hatte, dass zu den gravierenden auffallend Verhaltensänderungen kam. Wurde ich möglicherweise gar traumatisiert, z.B. dadurch dass icg Gewaltanwendungen am eigenen Leib oder bei anderen Kindern gesehen habe? Ist es denkbar, dass ich im Unterbewusstsein "gelernt" dass alles im grünen Bereich ist wenn ich mich korrekt benehme und alles "richtig" mache? Fakt ist, dass ich bis heute unter einer schweren Zwangsneurose leide und nach wie vor zwanghaft bemüht bin es anderen soweit möglich recht zu machen, bloss nicht anezuecken und keinesfalls negativ aufzufallen. Fakt ist ebenfalls, dass ich im späteren Kindesalter und während meiner gesamten Teenagerzeit den Spitznamen "der Musterknabe" hatte, da ich stets ein ungewöhnliches braves, stets höfliches und zuvorkommendes Kind und Jugendlicher war, der stets bemüht war sich korrekt und richtig zu verhalten. Auch heute noch trage ich noch den Spitznamen "der Musterknabe" da ich mich stets höflich, zuvorkommend, aufmerksam und stets korrekt verhalte und weiterhin zwanghaft bemüht bin auf gar keinen Fall negativ aufzufallen. Meine Fragen sind selbstverständlich Spekulation aber meine Verhaltensauffälligkeiten müssen doch irgendwo eine Ursache haben. Ist es denkbar, dass neurotische Störungen "erlerntes" Fehlverhalten sind, die eventuell durch eine Verhaltenstherapie wieder "verlernt" werden können. Ich wäre sehr dankbar wenn ich von einem Fachmann Antworten auf meine spekulativen Fragen bekommen könnte
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Gordian aus Oftringen (CH) schrieb am 29.10.2021
Ich habe den Beitrag im NDR gesehen und meine Erinnerungen kamen langsam wieder. Schrecklich, dass ich das so verdrängt habe. Mir standen sofort die Tränen in den Augen, als ich sah dass es anderen genau so ergangen ist wie mir.

Wir waren in einem alten grossen Haus, Schloss ähnlich, mit grossem Speisesaal oberhalb oder in der Nähe der Loreley. Vielleicht war es das Jagdhaus Dr. Staeckel in Weisel, bin mir aber nicht sicher. Bilder davon kann man ja im Internet ansehen. Als Kind hat man eine andere Wahrnehmung. Es muss 1965 gewesen sein, ich war da 6 Jahre alt und sollte bald in Bad Salzuflen eingeschult werden. Ich weiss nicht mehr wie lange ich dort war, aber es müssen 4-6 Wochen im Frühjahr gewesen sein. Wir waren ca. 50-60 Kinder. Es ging vor allem darum uns das Essen hinein zu würgen oder hinein gewürgt zu bekommen. Und das Essen war schlecht und wurde auf billigen Plastiktellern serviert. Wer das Essen nicht essen wollte, morgens gab es Haferschleim, wurde vor der versammelten Mannschaft runter geputzt und als „Krank im Kopf“ bezeichnet und man musst sich wieder ins Bett legen. Man war ja „krank“ weil man nichts essen wollte, da musste man im Bett bleiben. Die anderen machten bei schönem Wetter Ausflüge und Wanderungen. Das passierte mir mehrmals. Später kamen dann drei Frauen zu mir in den Schlafsaal, zwei hielten mich rechts und links fest und die Dritte stopfte mir den Haferschleim in den Mund. Das was ich ausspuckte, weil ich gar nicht so schnell essen konnte, landete wieder auf dem Teller, den ich leer essen musste. Wenn was auf die Decke fiel, wurde der Teller noch einmal voll gemacht, weil, ich sollte ja die richtige Menge essen. Erbrach ich mich, wurde das auch wieder auf den Teller geklatscht. Den Rest des Tages musst ich wieder im Schlafsaal verbringen. Ich hatte am nächsten Tag blaue Flecken an Armen und dem Körper vom Festhalten der drei Frauen. Ich fühle mich heute noch vergewaltigt. Wie kann man einem kleinen Jungen so etwas antun? Dazu muss man wissen, dass ich gekappte, entzündete Mandeln hatte, die bei leichtester Berührung einen Brechreiz auslösten. Aber das haben weder die Ärzte damals noch die Aufsicht bemerkt und auch niemanden interessiert.
Abends dann wurde ich wieder den anderen vorgeführt. Nach dem Motto, hier kommt der Abtrünnige, er darf jetzt mit uns Abendesse, aber dann wieder ins Bett, er ist ja krank. Anderen ging es auch so, aber die wurden von mir getrennt gequält. Nachts durften wir nicht auf die Toilette. Ich konnte das aushalten, aber andere nicht. Die machten dann ins Bett. Die Bettwäsche wurde nur einmal die Woche oder so gewechselt, also lagen sie mehrere Tage im dreckigen Bett. Generell war der Ton der Frauen, Männer habe ich keine wahrgenommen, sehr brutal bis militärisch. Mittleid, Zuneigung, Herzlichkeit, Freundlichkeit all das gab es nicht. Ich hatte das Gefühl von meinem Zuhause in eine Hölle gekommen zu sein und verlor da wohl das erste mal das Vertrauen zu Erwachsenen und anderen Menschen. Ich habe heute noch und die letzten zwanzig Jahre mit psychischen Problemen zu kämpfen, die mich mein ganze Leben am Erfolg, einem erfüllten und einem freien Leben gehindert haben. Ich wünsche den Verantwortlichen von Damals alles erdenklich Schlechte! Ich hoffe ihnen sind ihre Taten auf dem Sterbebett durch den Kopf und das Herz gegangen. Meinen Eltern mache ich keinen Vorwurf, denn die wurden ja in dem Glauben gelassen, dass sie mir was Gutes getan hätten. Tiere behandeln ihre Jungen besser.
Einmal bekam ich einen Brief von meinen Eltern, da wurde mir die gesamte Tragweite erst richtig bewusst. Mein Heimweh und meine Situation wurde dadurch noch schlimmer und ich heulte den ganzen Tag. Viele andere heulten auch regelmässig, das interessiert keinen von den Aufseherinnen im Gegenteil, die wurden dann erst richtig grob. Stell Dich nicht so an, etc. Ich kam nach der Heimkehr zu meinen Eltern garnicht auf die Idee etwas darüber zu erzählen, da ich glaubte, so müsse die Welt eben sein. Erst viel später habe ich meinen Eltern von den Erlebnissen erzählt, die dann masslos erschüttert waren. Am schlimmsten war eigentlich, dass man den Erwachsenen dort hilflos ausgeliefert war. Man kam sich hilflos, klein, minderwertig und unnütz vor. Im Nachhinein habe ich meine ganze restliche Jugend in solch einem Licht betrachtet gesehen. Wir sollten gebrochen und klein gemacht werden. Mir tun alle die das mitmachen mussten schrecklich leid und freue mich auf Kontakt zu ihnen.
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Wolfdieter Wedekind aus 38518 Gifhorn schrieb am 28.10.2021
Hallo zusammen,
habe am 27.10,21 die NDR 3-TV-Sendung zum Thema Kinderverschickung mit dem Titel "Was ist damals passiert" gesehen. Dabei kamen bittere Erinnerungen an meinem Aufenthalt von Juni bis ca. Ende August 1960 im Kinderheim "Haus Hapke" in mir hoch. Ich weiss nicht, ob sie bei mir tramatische Langzeifolgen wie Entwicklungsstörungen oder soziale Defizite ausgelöst haben. Ich bekam damals aber zu spüren, welche inhumanen bis zerstörerischen Auswirkungen dieses jahrzentelang lukrative Geschäftsmodell der Gesundheitsindustrie names"Kinderverschickung" auf dessen wehrlose Opfer (geschätze 10 Millionen) hatte, die diesen Horror igendwie durchstehen mussten.
Meine Erfahrungen decken sich in velen Punkten mit denen anderer Betroffener, die sich hier dazu schon geäußert haben: In Erinnerung bleiben ekliger Haferbrei, der unter Androhung von Gewalt restlos verzehrt werden musste, der Zwang, verschmutzte Unterhosen und Bettwäsche selbst mit kaltem Wasser zu reinigen, die total repessiven Disziplinierungsmehoden, der menschenverachtende Nazi-Kasernenhofton, die systematische Unterdrückung persönlicher Bedürfnisse und Gefühlsregungen zu Gunsten des Profits.
Was ist mit Verantwortung und Wedergutmachung?
Zurück zu Hause musste meine Mutter mit mir Enlisch pauken, weil das neue Schuljahr (5. Klasse) schon längst ohne mich begonnen hatte und ich erst wieder Anschluss finden musste, was dann aber ganz gut gelang und gefühlt ohne Dauerschäden gelang.
Ich erntete damals im Familienkreis übrigens viel Beifall für meine Parodien über Frau Hapke . . .
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Hain-Hermann Weede aus Hildesheim schrieb am 28.10.2021
Mein Name ist Hain-Hermann Weede und ich bin 1960 in Hildesheim geboren. Von 1962 bis 1966 lebten meine acht Jahre ältere Schwester und ich mit unseren Eltern in Lüneburg weil mein Vater als Beamter von Hildesheim nach Lüneburg versetzt wurde. 1966 zogen wir wieder zurück in meine Geburtsstadt wo ich heute noch lebe. Im Jahre 1962 kam ich auf Anraten eines Lüneburger Kinderarztes in einer Lüneburger Kinderheim wo ich dann drei Wochen blieb, während meine Eltern in den Urlaub fuhren. An die Zeit im Heim habe ich keine Erinnerung mehr. Meine Schwester erzählte mir später, dass ich nach dem Heimaufenthalt deutliche Verhaltensauffälligkeiten zeigte. Aus einem quietschvergnügten 2-Jährigen Jungen der ins Kinderheim gekommen war wurde ein schüchterner, überängstlicher Junge, der nachts nicht mehr im dunkeln schlafen und nicht mehr allein im Kinderzimmer schlafen konnte. Auch wurde mir von nächtlichem Schaukeln und von unruhigem Schlaf mit wiederholten schweren Albträumen erzählt. Auffallend waren auch Kontaktstörungen gegenüber Gleichaltrigen. Soviel konnte ich den Erzählungen entnehmen. Angst, Depressionen, Schlafstörungen, Kontaktstörungen habe ich bis heute noch. Mir fällt es auch jetzt noch schwer, Vertrauen zu anderen aufzubauen. Ich weiß nicht ob meine Geschichte von Interesse sein wird. In diesem Fall bitte ich um Löschung. Mich würde allerdings interessieren, was möglicherweise in der Zeit passiert sein könnte, denn die Verhaltensauffälligkeiten die nach dem Heimaufenthalt auftraten haben mich mein ganzes Leben lang begleitet und auch heute noch sind Ängste, Depressionen, Schlafstörungen und Albträume aktuell. An die drei Wochen selbst habe ich keinerlei Erinnerung mehr. Könnte es sich eventuell bei mir um eine Traumatasierung handeln?
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Ralf Kunstein aus Kiel schrieb am 28.10.2021
Ich wurde mit ca 9 Jahren wegen Übergewicht nach Sylt verschickt. Obwohl ich bereits Jahre vorher in Skt.Peter Ording gelitten hatte. Aber meine Eltern meinten es gut. Ich bekam kaum zu essen, musste aber mit den Kindern zusammen essen, die zunehmen sollten. Beratung oder gar Unterstützung gab es nicht. Nur zotige Sprüche von den Heimdamen. Als es Abends mal laut im Zimmer wurde, kam die Heimtante rein, schnappte mich und sperrte mich im dunklen , feuchten Waschraum ein. Ich durfte kein Licht machen und wusste nicht wann und ob ich wieder raus durfte. Ich traue heute noch fast niemandem und habe Ängste eingesperrt oder fremdbestimmt zu werden. Ich war doch sowieso unglücklich dort. Die großen Kinder klüngelten mit den Wärterinnen. Wir Kleinen Sensiblen hatten keine Rechte.
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Annika aus Steinhude schrieb am 28.10.2021
Auch ich gehören zu der Generation der Verschickungskinder und leide noch heute unter den traumatischen Erlebnisse auf diesen "Kuren"....ich verstehe nicht wieso die Bundesregierung dies bis hin in die 90ziger geduldet hat....echt unglaublich...
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Ingrid aus Berlin schrieb am 27.10.2021
Im Foyer gab es einen Käfig mit Affen. Meine beiden älteren Schwestern waren mit mir zusammen verschickt. Die Älteste kam in eine andere Gruppe. Ohne meine drei Jahre ältere Schwester hätte ich das nicht überlebt, so ist mein Gefühl. Ich bekam Panik, als sie von einem stärkeren Kind mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen wurde. Ich war fünf Jahre alt. Ein Mädchen aus unserer Gruppe wurde besonders gequält, weil sie sich öfter „weigerte“. Sie wurde an einen Stuhl gefesselt und musste das Essen und ihr Erbrochenes aufessen. Das erschütterte mich sehr. Die Briefe meiner Schwester an unsere Mutter wurden zensiert. Mein Heulen half nichts, ich musste ein stinkendes Ei essen, welches ich (zum Glück!) ins Klo erbrochen habe. Ich brauchte fast 15 Jahre, um wieder Eier essen zu können. Ich habe sehr oft nachts ins Bett gemacht. Ich sah bei den anderen Kindern, was mir blühen wird und deshalb drehte ich die Matratze einfach auf die andere Seite und ließ die verpinkelten Unterhosen an. Ich hatte danach eine ganze Weile schlimme Essstörungen und das Verhältnis zur Mutter war gestört und sehr schwierig. Auch machte ich einen großen Bogen um Nonnen!
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Gabriele Franke schrieb am 27.10.2021
Durch einen TV-Bereicht im NDR wurde ich darauf aufmerksam, dass nicht nur ich gelitten habe, sondern viele Kinder neben mir auch, teilweise noch sehr viel schlimmer als ich selbst. Viel habe ich vergessen oder sollte ich schreiben verdrängt, aber einiges ist mir immer in Erinnerung geblieben, aus diesem Kuraufenthalt, der dazu gedacht war, dass meine Schwester und ich etwas zunehmen sollten. Aus unserem Blickwinkel kamen wir in die Hölle und die Hölle sollte 6 Wochen dauern. Die Verzweiflung kann man nicht in Worten ausdrücken, die ein Kind empfindet, wenn es weiß, dass es dieser Schikane und Willkür sechs Wochen ohne Schutz ausgesetzt sein wird. Ich bin mir nicht sicher, wie das Heim hieß. Sollte sich hier jemand auch in dem Kinderheim in Hirschegg aufgehalten haben und er den genauen Namen, wäre ich daran sehr interessiert. Vielleicht weiß der oder diejenige sogar noch den Namen der Heimleiterin und von der netten Praktikantin oder Mitarbeiterin. Ich glaube, dass ich mich erinnern könnte, wenn ich die Namen hören würde. Nun zu meinem Bericht, der sicher sehr lückenhaft ist, denn tief in meinem Innern habe ich das Gefühl, nicht alles gesagt zu haben, aber es will nicht an die Oberfläche. Da meine Mutter inzwischen an Alzheimer erkrankt und mein Vater tot ist, kann ich nur schätzen, wann meine Schwester ich in Hirschegg waren, ich vermute dass es ca. 1970 war und ich ungefähr 8 Jahre alt: Direkt nach unserer Ankunft bekamen wir von der Heimleitung (eine für uns damals älteren Frau, ich schätze vielleicht um die 50 Jahre) alle Süßigkeiten, die uns unsere Eltern mitgegeben hatten, abgenommen. Das war für uns Kinder gleich zu Beginn der erste Schock. Am ersten Morgen nach unserer Ankunft gab es zum Frühstück, wie - ich meine es so zu erinnern - jeden anderen Morgen auch - Haferflocken, eine saure Milch (Buttermilch oder etwas Ähnliches) und Honig. Für mich - wie für fast alle Kinder - war dies ein furchtbares Frühstück, die saure Milch war kaum herunterzubekommen, aber man musste es aufessen, man bekam auch nichts anderes. Ich erinnere mich daran, dass Kinder, die nicht gerade am Tisch saßen, unter jeden Arm eine zusammengerollte Zeitung geschoben bekamen, die sie mit Druck der Arme dann während des Frühstückens festhalten mussten. Meine Schwester und ich hatten sofort großes Heimweh, ich erinnere, dass ich während einer Malstunde eine Art Kalender malte, von dem ich jeden Abend ein Kästchen, für einen vergangenen Tag, durchstrich.
Wir schliefen mit mehreren Mädchen (ca. 5, genau weiß ich es nicht mehr) in einem Zimmer. Da wir im Winter verschickt wurden, war es immer sehr kalt in diesem Zimmer. An folgende einschneidende Dinge erinnere ich mich bis heute:
An einem Nachmittag hatten wir in einem Zimmer mit Bauklötzen spielen dürfen, dann ging es ans Aufräumen und ich hatte versehentlich Bauklötze, die in bestimmte Kästen verteilt werden sollten, falsch sortiert. Die Heimleiterin kam auf mich zu und schlug mir ins Gesicht.
In einer Nacht litt ich unter furchtbarem Durst, nach langem Ringen, weil ich große Angst hatte, erwischt zu werden, stieg ich doch aus meinem Bett, ich schlief oben in einem Hochbett und ging zum Waschbecken in unserem Zimmer und trank einen Schluck Wasser. Ich lag gerade wieder im Bett als die Tür aufschlug und die Heimleiterin im Zimmer stand. Sie bestand darauf, sofort zu erfahren, wer hier eben am Wasserhahn war. Da sich keiner, ich auch nicht, freiwillig meldete, zog sie meine Schwester, die unter mir schlief und am nächsten zum Wasserhahn lag aus dem Bett , schrie auf sie ein und wollte sie mitnehmen. Ich meldete mich dann und gab zu, dass ich es gewesen sei. Sie ließ von meiner Schwester ab, riss mich aus dem Bett und nahm mich mit. Sie schloss mich für Stunden in eine Besenkammer unter einer Treppe ein, besonders schlimm war diese Bestrafung, da in dieser Nacht ein Gewitter in den Bergen niederging und von überall her warfen die Berge den Schall des Donners zurück. Ich hatte schreckliche Angst. ich glaube, dass mich dort Stunden später eine Mitarbeiterin oder Praktikantin herausholte und ins Zimmer zurückbrachte. Diese junge Frau war unser einziger Lichtblick, sie war immer freundlich zu uns und versuchte uns vor der Heimleiterin zu beschützen. Da sie aber selbst in großer Angst vor ihrer Vorgesetzen lebte, funktionierte dieses Beschützen nur in geringem Maße.
Wenn wir Kinder Pakete von unseren Eltern bekamen, wurden diese geöffnet und alle Süßigkeiten herausgenommen. Es wäre ungerecht, dass einige Pakete bekämen und andere nicht, das war die Erklärung. Ich erinnere mich an ein Mädchen in unserem Zimmer, dass fürchterlich weinte, als man ihr ihr Paket wegnahm. Ich schenkte ihr dann etwas von den Süßigkeiten, die ich an dem Tag gewonnen hatte. Die Post unserer Eltern an uns war geöffnet und gelesen worden.
Wir wurden von der Heimleiterin aufs Schärfste darüber informiert, dass wir nichts Negatives in ausgehende Post schreiben dürfen, alles soll sich positiv anhören, damit sich unsere Eltern nicht beunruhigen. Ansonsten drohten Strafen, aber ich weiß nicht mehr, mit was sie uns drohte, auf jeden FAll wirkte es, denn niemand traute sich, die Wahrheit nach Hause zu schreiben. Es wäre ja auch vergeblich gewesen. Die Post musste geöffnet bei ihr abgegeben werden. Ich weiß noch, dass ich über einen Plan nachsann, wie es mir gelingen könnte, einen Brief an ihr vorbeizuschmuggeln und ihn dann evtl. Einwohnern von Hirschegg während eines Spazierganges zuzustecken mit der Bitte, diesen Brief auf den Weg zu bringen, aber das gelang leider nie. Ich war überzeugt, dass uns mein Vater sofort nach Hause geholt hätte., aber ich war einfach zu klein und hilflos.
Weiter erinnere ich einen Ausflug mit der Heimleiterin an einem sonnigen Tag im Schnee. Wir Kinder hatten keine Sonnenbrillen und so stellte sich nach einiger Zeit eine Schneeblindheit (damals wussten wir nicht, was los war) ein, wir hatten starke Schmerzen in den Augen, unsere Augen tränten und wir konnten sie gar nicht mehr öffnen. Die Heimleiterin befahl uns dann, uns alle gegenseitig an die Hand zu nehmen und sie, die eine Sonnenbrille trug, führte die Gruppe dann unter Geschimpfe zurück ins Heim. Einen Arzt haben wir nicht gesehen.
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Rüdiger Grewer aus Hamburg schrieb am 27.10.2021
Durch der NDR-Sendung 'Meine Kinderverschickung' am 27.10.2021 um 21 Uhr bin ich auf diese Seite aufmerksam geworden.
Ich bin mit etwa 6 Jahren für einige Wochen in ein Heim auf Norderney verschickt worden, weil ich untergewichtig war und aufgepäppelt werden sollte.
Das Einzige, woran ich mich erinnere, sind die täglichen Quarkbrote, die ich essen sollte, aber nicht mochte (Brechreiz), so dass ich so lange am Tisch sitzen bleiben musste, bis ich sie aufgegessen hatte. Ich bin dann schnell auf die Idee gekommen, eine dicke Schicht Zucker auf den Quark zu streuen, um ihn herunter zu bekommen.
Seit dem mag ich überhaupt keine Milchprodukte, insbesondere, wenn sie weiß sind!
Ansonsten kann ich mich nur schwach daran erinnern, dass ich immer sehr auf Post von zu Hause gewartet habe (die auch kam).
Ich vermute mal, dass meine lebenslange 'Fähigkeit', Unangenehmes in den Hintergrund zu schieben, damals seinen Ursprung hatte...
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Anne Völker aus Braunschweig schrieb am 27.10.2021
Im Sommer 1965 wurde ich, damals fünf Jahre alt, von Braunschweig aus für sechs Wochen nach Borkum verschickt. Ich hatte eine schwere chronische Bronchitis, die durch das Reizklima geheilt werden sollte.
Für mich war das Schlimmste daran, dass ich dachte, ich hätte etwas verkehrt gemacht und wäre von meiner Familie weggegeben, also verstoßen worden.
Ich hatte die ganze Zeit schreckliches Heimweh und Schuldgefühle und panische Angst, dass meinen Eltern etwas Schlimmes passiert, wenn ich nicht bei ihnen bin.
An Borkum habe ich nur sehr verschwommene Erinnerungen. Die schlimmste Zeit war, als ich nachts aufwachte; ich hatte mich erbrochen, und das Erbrochene war in meinen Haaren. Darum hat sich wohl mehrere Tage lang niemand gekümmert. Ich war ab dieser Nacht lange krank, durfte nicht hinaus und lag allein in einem Bett. Da mir die Zeit endlos schien, kann ich schlecht einschätzen, ob ich eine oder zwei Wochen oder sogar noch länger allein in dem Zimmer liegen musste.
Daraus schloss ich, dass ich auch hier nicht gut genug, sondern wiederum ausgestoßen war.
Das Elendsgefühl dieser Tage ist unbeschreiblich intensiv und immer noch in mir abrufbar.
Von der sonstigen Zeit im Heim sind nur einige vage Bilder und Eindrücke geblieben, vom Muschelsammeln am Strand, dem Schreiben einer Karte an die Eltern und einem Wechselbad von einigen schönen Augenblicken beim gemeinsamen Singen zu vielen schrecklichen Momenten, die jedoch nicht mit konkreten Erinnerungen verknüpft sind.
Als ich von Eltern und Großeltern am Bahnhof abgeholt wurde, konnte ich es nicht fassen, wieder daheim sein zu dürfen. Zwei Fotos zeigen meine ungläubige Freude in diesen Augenblicken.
Ich habe es meine ganze Kindheit hindurch nicht verstanden, wofür ich eigentlich so hart bestraft worden war und was genau dazu geführt hatte, dass mir meine "Strafe" erlassen wurde. Ab da und bis ins Teenageralter habe ich immer versucht, alles richtig zu machen, was schwierig ist, wenn man den Fehler nicht herausgefunden hat.
Ich war nachhaltig eingeschüchtert und lebte immer in der Angst, neuerlich verstoßen zu werden.
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Martina Wegener aus Rostock damals Siebenbäumen schrieb am 27.10.2021
War noch jemand in Klappholttal? Ich glaube Sommer 1970. Über einen Austausch würde ich mich freuen.
Ich habe mich mein Leben lang gefragt, warum ich auf der Grundschule eine aufgeweckte, aktive Schülerin war und auf der Realschule plötzlich bockig und in mich gekehrt. Ich wäre nie darauf gekommen, dass die Verschickung und der Essenszwang die Ursache waren. Erst als ich einen Artikel gelesen habe, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich erinnere mich, dass ich wie gelähmt im Speisesaal 3 Stunden am Tisch saß und erst aufstehen durfte, als ich die gebratene Leber aufgegessen hatte, auch das Stück, was ich ausgespuckt hatte. Andere Kinder fegten um mich herum, alle anderen waren in der Mittagsruhe, nur ich saß alleine vor meinem Teller, fühlte mich hilflos und ausgeliefert. Als keiner im Raum war, habe ich mir die Leberstücke in den Mund gestopft, bin ganz schnell auf Toilette gerannt und habe es ausgespuckt. Dann habe ich mich wieder auf meinen Platz gesetzt. Bis heute ertrage ich den Geruch von Leber nicht. Um 15 Uhr kam die Tante und sagte: geht doch.
Ansonsten erinnere ich, dass wir nie gelacht haben, eher geflüstert und im Hof gab es einen hohen Bretterzaun, da konnte man nicht drübergucken. Ich erinnere nur ein einziges Mal wo wir kurz in die Dünen durften, ein wenig spazieren, unter Aufsicht. Ein Stück weiter war das Jungenheim, da war einer aus meinem Dorf, aber ich durfte ihn nicht sehen. Vielleicht habe ich Ereignisse ausgeblendet, da ich mich nicht erinnere, dass wir Spiele gespielt, gesungen oder im Meer gebadet haben.
Meine Mutter war geschockt, als ihr vor Kurzem von dem Artikel und den Dokus erzählte. Sie hat mir jetzt erst erzählt, dass sie sich damals gewundert hat, weil ich so still zurückgekommen bin und gar nicht auf ihre Fragen geantwortet habe, wie es mir gefallen hat und wie das Essen war. Sie meint, damals kam eine Frau in unser Haus und meinte vorwurfsvoll, ich wäre in der Schule untersucht worden und wäre ja völlig unterernährt, ob sie mir nicht genug zu essen geben würde. Ich war normalgewichtig. Weil meine Eltern dachten, es wäre wie Urlaub, willigten sie ein. Ich weiß jetzt, dass diese Demütigung mich mein ganzes Leben verfolgt hat, bis heute.
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Rita Schüttler aus Kiel schrieb am 26.10.2021
Ich war 2x verschickt, mit 6 Jahren an der Ostsee in Schönhagen und mit 7 Jahren in der Satteldüne auf Amrum. An beide Verschickungen habe ich diverse Erinnerungen.
In Schönhagen wurden Kinder gequält, indem sie Erbrochenes wieder aufessen mussten und Bettnässer wurden vorgeführt und angeprangert.
Die Toiletten hatten keine Türen, diese Albträume verfolgen mich bis heute noch nach fast 60 Jahren.
Wir wurden fast nackt in Reihe untersucht, was endlos lange dauerte. Morgens und abends mussten wir in der Reihe stehen um Zahnpasta auf die Zahnbürsten zu bekommen.
Es gab keinerlei Zuneigung und Mitgefühl für Kinder, die unglücklich waren.
Auf Amrum wurden 2x täglich Versuche mit Sonnencreme durchgeführt. Später habe ich entdeckt, dass es ein Produkt der Firma Nivea war, da ich den Geruch wieder erkannt hatte.
Weinen wurde nicht geduldet und Freundschaften durften auch nicht aufgebaut werden.
Wir wurden gezwungen, nachts mit dem Kopf zur Wand zu schlafen und weinen wurde bestraft.
Ich kann noch 1000 Erinnerungen wiedergeben. Die Zeit hat mich für mein Leben geprägt durch Verlustängste und anderem.
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Ebeling schrieb am 26.10.2021
Hallo,
ich habe gestern im TV von dieser Seite erfahren. Ich selbst war - vermutlich Mitte - Ende der 1960er in der Verschickung - auf Langeoog. Ich würde gerne wissen, welche der Erinnerungen wohl war sind, und vielleicht auch einige Dinge, welche ich wohl verdränge.
Da gibt es zum Beispiel noch eine Erinnerung daran, dass wir unsere Oberkörper mit dem kalten Meerwasser einreiben mußten. Man zum Essen gezwungen wurde, Briefe diktiert wurden.
Über einen Austausch würde ich mich freuen.
Schöne Grüße
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Thorsten aus Emden schrieb am 25.10.2021
Mein Name ist Thorsten, ich war Anfang der 70er Jahre wahrscheinlich 1972 in Verschickung. Es muss das Haus Warteberg in Bad Sachsa gewesen sein ( war schon da, habe mir alles genau angesehen, - passt !!! ). Leider habe ich nur sehr wenige Erinnerungen. Ich erinnere mich an Waldspaziergänge, das einzige Highlight. An Milchsuppe die ich heute noch absolut ekelig finde, ebenso Kirschkaltschale. Seitdem esse ich - bis heute - keine Kirschen mehr.
Unsere Postkarten wurden gegengelesen, wir durften nur schreiben wie toll und schön alles ist. Aus lauter Angst und Heimweh habe ich Nachts eingenässt. Konnte es aber irgendwie die ganze Zeit über geheimhalten. Jeden Tag geweint und immer diese Ungewissheit nie wieder nach Hause zu kommen.
Es war unerträglich !
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Alexandra Mozelewski aus Freising schrieb am 25.10.2021
Ich wurde damals als 2- oder 3-jähriges Kind (Jahrgang 1966) aus West-Berlin verschickt, weil ich ständig starken Husten hatte. Mein älterer Bruder wurde mit mir verschickt, damit ich nicht so alleine wäre. Tatsächlich hat man uns aber sofort getrennt (ich glaube schon im Zug) und in unterschiedlichen Häusern untergebracht. In den 6 Wochen habe ich ihn einmal zufällig bei einem Spaziergang durch die Dünen von Weitem gesehen, weil auch er mit seiner Gruppe unterwegs war. Ich wollte zu ihm, habe fürchterlich geweint, aber ich durfte nicht hin und wurde sehr geschimpft. Wir Kinder mussten uns an einem Seil mit Knoten in Reih und Glied festhalten und ich hielt mit meinem Weinen den Ablauf auf. Ich kann mich nicht mehr an Vieles erinnern, aber das Winken meines Bruders an dem Tag habe ich noch heute vor Augen.
Auch weiß ich noch, wie der Speisesaal aussah und dass die meisten Kinder laut weinend an den Tischen saßen, so wie ich. Wir bekamen Suppen und Brei und mussten immer alles aufessen. Die Tanten stopften uns die Löffel in den Mund und hielten diesen dann zu, wenn wir nicht mehr konnten. Noch heute habe ich eine Abneigung gegen Suppen und Honig (wir bekamen auch täglich einen Löffel Honig in den Mund gestopft).
Was ich auch noch vor Augen habe, ist der Schlafraum mit Gitterbetten und dass es dort immer nach verpieselter Wäsche roch und sehr kalt war. Ich glaube, wir haben uns viel in dem Schlafraum aufgehalten und geweint und gespielt.
Der Waschraum mit seinem typischen Geruch, den ich auch noch förmlich in der Nase spüre und vor dem wir uns in Unterwäsche anstellen mussten, ist mir auch in Erinnerung. Jedes Mal wurde in die Unterhosen geschaut und es gab großen Ärger, wenn sich dort auch nur eine "Bremsspur" befand.
Da ich noch so klein war, habe ich sonst nicht mehr viel in Erinnerung, aber ich weiß, dass ich wochenlang einfach nur Heimweh hatte, ganz viel geweint habe, ausgeschimpft wurde, in der Ecke mit dem Gesicht zur Wand stehen musste und panische Angst vor den Tanten und dem Arzt hatte, der uns oft untersucht hat.
Durch das Buch "Das Elend der Verschickungskinder" bin ich auf diese Seite aufmerksam geworden und je mehr ich darüber lese, desto mehr kommen in mir ganz schreckliche Erinnerungen hoch.
Ich arbeite heute als Sonderpädagogin mit Kindern und der Wunsch nach einem solchen Beruf entstand bei mir bereits im Kindesalter, etwa mit 12 oder 13 Jahren. Vielleicht hat das ja mit meinen Kindheitserlebnissen zu tun...
Meine Eltern gehören leider zu der Kategorie "das war eben damals so, es kann also nicht schlimm gewesen sein". Ich bekomme von Ihnen leider nicht sehr viele Informationen, weshalb ich den Namen des Heimes nicht sicher weiß und auch der Zeitraum nicht ganz sicher ist. Es muss aber um meinen 3. Geburtstag am 15. November 1969 gewesen sein.

Kurz darauf hatte ich nochmal ein ähnlich traumatisches Erlebnis: Mir wurden kurz nach dem Heimaufenthalt die Mandeln operativ entfernt, ich war dafür für 3 Wochen in einem Berliner Krankenhaus, natürlich ohne Eltern. Sie durften mich auch nicht in direktem Kontakt besuchen, sondern mich nur durch eine Glastür sehen. Auf beiden Seiten waren je ein Telefonhörer, über die wir sprechen konnten. Da ich die ganze Zeit nur geweint habe, sollten meine Eltern lieber gar nicht mehr kommen, was sie dann auch so gemacht haben. Ich fühlte mich einfach nur verlassen und verzweifelt, so wie auch schon kurz zuvor bei der Verschickung.
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Monika Theby schrieb am 24.10.2021
Nachdem ich ein Hörbuch beendet habe mit dem Titel....die Schweigende...ein Geschwisterpaar in einem Erziehungsheim, kamen die Erinnerungen vom Aufenthalt im Erholungsheim in Bühl am Alpsee Nähe Immenstadt, wieder hoch.
3x war ich dort. Der erste Aufenthalt war der Schlimmste. 4 Jahre alt war ich wohl. Nach dem Zu Bett gehen, durfte kein Kind mehr aufstehen. Ich musste aber dringend zur Toilette.
Aber ich sagte nichts und versuchte meinen Stuhlgang einzuhalten. Das misslang. Der Geruch hat mich natürlich verraten und ich wurde beschimpft, aus dem Bett gezerrt. Meinen Schlüpfer unter Tränen ausgeleert und per Hand ausgewaschen. Danach viele Stunden im Flur stehend verharren müssen.
Bis heute habe ich mit Verstopfung zu tun. Auf Reisen ist es immer ein Thema....wann ich,vor allem ungestört, zur Toilette gehen kann.
Auch das Päckchen zum Geburtstag wurde verteilt.
Der 2. Aufenthalt nicht mehr in Erinnerung. Beim 3. Aufenthalt war ich 12. Mein Bruder war auch mit. Meine Mutter war damals schon krank und viel im Krankenhaus. Da mussten die Kinder verteilt werden.
Mein Bruder, 8 Jahre alt, hatte dermaßen viel Heimweh, dass die "Weiber " dort ein Erbarmen hatten und ihn tagsüber zu mir in die Gruppe gebracht haben.
Ich kann mit dieser Gegend und dem Ort überhaupt nichts mehr anfangen. Nie eine Reise oder ein Urlaub dort.
Doch noch eine Erinnerung....beim zweiten Aufenthalt war meine Schwester mit. Sie wurde krank mit irgendwas Ansteckendem. Kam ins Krankenhaus nach Immenstadt. Ich durfte sie nicht besuchen! 🙁
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Silke Ottersbach aus 53842 Troisdorf schrieb am 22.10.2021
Auch ich sah, wie viele von Euch, am Dienstag, den 10 September 2019 die Sendung Report Mainz mit dem Thema Verschickung. Das war kurz vor meinem 50. Geburtstag.
Danach hat sich sehr viel in meinem Leben verändert. Ich bekam Flashbacks, Schlafstörungen, litt oft an Lethargie und depressiven Episoden. Ich beantragte gemeinsam mit meinem Hausarzt eine psychosomatische Reha, die innerhalb weniger Tage bewilligt wurde. Daran anschließend besuchte ich die Rehanachsorgegruppe Psyrena und befinde mich zur Zeit in einer Traumatherapiebehandlung, um mit den Erlebnissen von meiner Verschickung zurecht zukommen.
Kurz vor meinem 10. Geburtstag, in den NRW Sommerferien 21.06.-29.08.1079 wurde ich gemeinsam mit meiner Schwester Heike, damals 12 Jahre alt, nach Borkum verschickt.
Unsere Reise begann in Deutz. Durch den Austausch in der Kölner Selbsthilfegruppe Verschickungskids, weiß ich heute, dass die Verschickungen von Deutz-Tief stattgefunden haben. Dort erhielten meine Schwester und ich die rosafarbenen Umhängekarten. Den Abschied von meinen Eltern habe ich als nicht so traurig in Erinnerung. Ich war neugierig und aufgeregt und fühlte mich an der Seite meiner Schwester sicher.
An die weitere Fahrt habe ich wenig Erinnerung, ich erinnere mich an einen alten Zug und Holzbänke, meine Schwester erinnert sich an furchtbare Übelkeit während der Fährfahrt.
Bei unserer Ankunft auf Borkum am Adolfinenheim, wurden meine Schwester und ich getrennt. Ich musste mit anderen Kindern und zwei Nonnen (Schwester Lina oder Schwester Ilse, trug eine weiß-graue Diakonissentracht, hatte eine Gehbehinderung und benutzte einen Stock, Schwester Johanna trug eine braune Tracht und war in ihrer ganzen Art und im Wesen viel „milder“) in einen Altbautrakt, meine Schwester ging mit einer jungen Gruppenleiterin und anderen Kindern in eine andere Richtung zu einem Neubau. Wir haben uns in der ganzen Zeit nur einmal sehen dürfen, als Belohnung für „artiges Aufessen“. Immer wurde ich hingehalten, habe viel geweint und bin vertröstet worden meine Schwester treffen zu können.
Die gesamte Essenssituation im Speiseraum erlebte ich als sehr angsteinflößend. Die Nonne mit dem Stock schlug auf Hände, wenn ich Brot nahm, bevor ich die Schokoladensuppe gegessen hatte, sie schlug auf den Rücken, wenn ich auf der Holzbank nicht gerade gesessen hatte. So erging es vielen Kindern.
Die Sammelduschen, in meiner Erinnerung im Keller, waren riesig mit Brauseköpfen an den Decken. Wir mussten uns vor mehreren Erwachsenen ausziehen und gesammelt unter den Brauseköpfen stehen, aus denen dann irgendwann eiskaltes Wasser kam. Es wurde laut kommandiert und wir wurden immer zur Eile angetrieben.
Ich erinnere mich an einen Inhalationsraum. Dort drin war es sehr nebelig. Wenn ich drin war, wurde die Tür zugeschlagen und ich musste mich vor die Wand setzen, wo aus einem Rohr Dampf austrat. Ich hatte immer Angst zu ersticken und nicht mehr rauszukommen.
Mittags mussten wir ins Bett zum Mittagsschlaf. Immer mussten wir mit dem Gesicht zur Wand schlafen. Die Betten waren aus Metall und die dünne Matratze lag auf Metallfedern. Durch Recherche weiß ich heute, dass das Adolfinenheim früher Achilleion hieß und eine Kaserne war. Es war taghell, ich erinnere mich nicht an Gardinen. Als beruhigend habe ich den Lichtkegel des nahen Leuchtturmes in der Nacht empfunden. Der hat mich abgelenkt, wenn ich zur Toilette musste, das war nicht erlaubt.
Abends, nachdem wir schon unsere Schlafsachen angezogen haben, standen wir in einer Reihe vor dem „Schwesternzimmer“. Dort hielten wir entweder die Hand auf oder sollten den Mund öffnen. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was genau wir dort einnehmen mussten.

Zusätzlich zu den Nonnen gab es eine Gruppenleiterin, die hieß Frl. Wollmann. Sie schrieb meinen Eltern einen Brief, dass ich an einer Gastritis erkrankt sei. Ich hatte immer Bauchschmerzen, ich musste mich häufig übergeben.
Wenn wir Spaziergänge gemacht haben, sind wir wie Zwerge losmarschiert. Auf der rechten Schulter lag eine Metallschaufel mit Holzgriff. Erst sind wir durch den Ort, dann zum Strand.
Wir waren auch im Wellenbad. Ich glaube das war ganz schön.
Als befreiend habe ich die Lieder empfunden die wir gesungen haben. „Wir lagen vor Madagaskar….“ „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“…sind mir noch in Erinnerung. Singen hat mir manchmal gegen Weinen geholfen.

42 Jahre später bin ich dankbar mit Verschickungskindern im Austausch sein zu können. Es ist sehr hilfreich zu wissen, dass ich mit dem Geschehenen nicht alleine bin.

Viele werde ich im nächsten Monat auf Borkum zum Kongress das erste Mal „live“ treffen. Ich bin aufgeregt und neugierig. Immer mehr Zusammenhänge werden klar, zwischen den Erlebnissen während der Kinderkur und meinem späteren Leben, bis heute…….
Silke
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Sabine Ollech-Zietelmann aus Bremerhaven schrieb am 19.10.2021
Ich war in den Sommerferien im Kinderkurheim Langeoog. Es war 1973 oder 1974 und ich sollte mal wieder abnehmen. Jede Individualität wurde unterdrückt, man sollte gehorchen, Briefe wurden zensiert oder nicht abgeschickt. Der „Mittagsschlaf“ musste gehalten werden; Lesen oder auch nur Flüstern war verboten. Mir machte entsetzliches Heimweh zu schaffen, aber ich habe die meisten Geschehnisse vergessen x und/oder verdrängt. Ich meine, unsere Gruppenleiterin hieß Fräulein(!) Gollasch und die Heimleiterin Maria?!
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Waltraud Schürmeyer aus Hamburg schrieb am 11.10.2021
Leider habe ich eben gerade das Jahr nicht genannt. Es war im Sommer 1966.
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Waltraud Schürmeyer aus Hamburg schrieb am 11.10.2021
Bevor die „Verschickung“ losging, hatte ich einen Wackelzahn. Ich wollte ihn unbedingt ziehen und zuhause lassen, was mir aber nicht gelang. Er war einfach noch nicht so weit. Meine Mutter gab mir eine mit Watte ausgekleidete Streichholzschachtel mit. Sie sagte mir, dass ich den Zahn hineinlegen, in meinen Nachtschrank oder Koffer aufbewahren und mit nach Hause bringen sollte. Das tat ich dann auch. Es muss relativ zu Beginn der Kur gewesen sein, denn mein Vertrauen in die Menschen war noch nicht gebrochen, als der Zahn fiel, den ich dann stolz präsentierte. Sogar der Koch musste ihn begutachten. Er nahm ihn, wollte ihn allen anderen in der Küche zeigen, sagte er. Ich wartete vor der Küche, keine Ahnung, wie lange, sehr lange jedenfalls. Als er dann herauskam sah er mich stutzend an und antwortete auf meine Frage nach dem Zahn, den habe er doch längst in den Abfalleimer geworfen, wer wolle schon so einen alten Zahn behalten? Hahaha... Vielleicht war das die erste traumatische Erfahrung für mich.
Schreiben konnte ich noch nicht. Gelegentlich wurde uns die Post, die für uns angekommen war, vorgelesen. Ich war immer so aufgeregt, etwas von zuhause zu hören. Leider konnte ich kaum etwas verstehen, da der Raum sehr voll und die Kinder laut am Reden waren. Diese Briefe wurden mir nicht ausgehändigt, ich habe sie nie gesehen.
Mittags mussten wir alle in unseren großen Schlafsälen (ich teilte mir mit sieben-acht Mädchen den Saal) "ruhen", also schlafen, mindestens liegen, auf keinen Fall durften wir reden. Wir durften nicht auf die Toilette gehen. Natürlich mussten wir alle dringend und hielten es kaum aus, bis es schmerzte. Einige nässten sich ein und wurden dafür bestraft, also gedemütigt vor den anderen Kindern. Das trieb uns alle an, es auszuhalten. Gut, wenn es geklappt hatte.
Nachts stand ein Nachttopf in der Mitte des Schlafsaals, den wir gemeinsam nutzen mussten. Morgens war der immer randvoll. Einmal haben wir ihn überlaufen lassen, das war eine heimliche Freude für uns alle. Keine hat gepetzt, sodass wir tatsächlich nicht bestraft wurden, jedenfalls erinnere ich mich nicht daran. Und ich weiß noch sehr gut, dass die verschworene Gemeinschaft viel bewegt hat. Am nächsten Abend bekamen wir zwei Nachttöpfe - immerhin.
Zu gefühlt jeder Mahlzeit gab es "Grieß mit Apfelmus". Ungesüßte Nachspeise, selbst unter leckerem Vanillepudding verbarg sich diese fiese zähe Pampe. Mit der Zeit war ich so verunsichert, dass ich nichts mehr essen wollte und mich über gar nichts gefreut habe, was irgendwie lecker aussah. Diese Pampe grinste mich ebenso an, wie die "Tanten", die uns mit Argusaugen beobachteten. Wir mussten alles aufessen. Ich erinnere mich, dass ich keine Mahlzeit mit Freude gegessen habe, dabei war ich eigentlich das, was eine "gute Esserin" genannt wurde. Von Zuhause nicht verwöhnt, aß ich erst einmal alles. Es gab wenig, wogegen ich wirklich nicht ankam und es zuhause nicht aufessen musste. - Dort in St. Peter aber musste ich essen und habe einige Male gewürgt und erbrochen. Andere Kinder mussten selbst das Erbrochene aufessen. Warum ich das nicht musste, weiß ich nicht mehr. Die Hauptsache war, ich war davongekommen.
Überhaupt ist mir irgendwann aufgefallen, dass ich besser davonkam, wenn ich mich unauffällig verhielt. Also war ich ruhig, passte mich bestmöglich an. Das fiel mir sehr schwer, denn schon immer war ich ein impulsives Kind, habe mich gern mitgeteilt. Gerechtigkeit war mir wichtig und ich habe meinen Mund aufgemacht. Offensichtlich ist es mir gut gelungen, mich "in Deckung" zu halten, denn ich kann mich an keine körperliche Strafe erinnern. Ein- oder zweimal bekam ich Arrest, musste im Bett bleiben. Das kam bei anderen Kindern viel häufiger vor. Die Jungen wurden auch geschlagen.
An keines der anderen Kinder kann ich mich erinnern, an keinen Namen, keine Geschichte, alle waren irgendwie gleich. Es gab zwei größere Mädchen, etwa 15 Jahre alt, die mir wichtig waren. Sie hatten einen Blick auf uns Kleinen, aber wirklich beschützen konnten sie uns nicht. Aber ihr Mitgefühl tat gut. Ich erinnere mich, dass ich mir überlegt hatte, sie anzusprechen und die Telefonnummer von Nachbarn, am Anfang unserer Straße für mich zu wählen. Es gab in der Nähe eine Telefonzelle. Aber ich hatte weder Geld noch eine Idee, wie ich die Telefonnummer herausbekommen sollte, also gab ich diesen Gedanken wieder auf.
Einmal bekam ich eine Karte von meinem Freund Josef. Er war damals 16 Jahre alt, und natürlich wollte ich ihn später heiraten! Er hatte mir eine Karte geschrieben und ich habe sie auch ausgehändigt bekommen! Die älteren Mädchen wurden nicht müde, sie mir immer wieder vorzulesen, bis ich den Text auswendig konnte. Die Karte hatte ich immer bei mir. Auf einem Spaziergang wurde ich von der "Tante" darauf angesprochen. Stolz erzählte ich ihr, wer Josef war. Sie nahm die Karte, las sie und sagte sehr verächtlich: "Ein Freund? Das ist aber noch nichts für ein Mädchen wie dich!" Ihren selbstgefälligen, zynischen und verächtlichen Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen, als sie die Karte in kleine Fetzen riss und diese in den Wind warf. Noch heute kann ich Menschen, die so gucken, nicht ausstehen. Hilflos und wütend fühle ich mich heute nicht mehr.
Der Strand, die Nordsee sowie Ebbe und Flut haben mich sehr fasziniert, Ausflüge dorthin haben mir Trost gegeben. Im Sand zu buddeln bis das Wasser kam, hat mich angetrieben. Eines Tages durften wir baden. Ich konnte noch nicht schwimmen, wollte lieber im seichten Wasser bleiben. Zwei "Tanten", sie waren noch jung, kamen zu mir, nahmen mich in ihre Mitte und wollten mir das Schwimmen beibringen. Mein Magen rebellierte, aber ich hatte keine Wahl, ich musste mitgehen, ahnend, dass mich etwas Schreckliches erwartete. Sie gingen weiter mit mir ins tiefe Wasser. Die Wellen erreichten meinen Mund, wir gingen weiter. Ich konnte nicht mehr stehen, musste im Takt der Wellen hüpfen, sie ließen mich los. Die Nordsee, die mich so fasziniert hatte, war plötzlich lebensfeindlich geworden. Ich schluckte Wasser, bekam Panik, schluckte weiter Wasser, hatte keinen Einfluss mehr auf meine Bewegungen und verlor die Orientierung. Die Tanten waren zurückgeblieben, lachten laut, das hörte ich. Ich konnte nicht glauben, dass sie mich einfach so der Nordsee überlassen wollten, dachte an meine Mutter, die ich nicht mehr wiedersehen würde. Gefühlt kurz vorm Tod nahmen die Frauen mich hoch und trugen mich zurück an den Strand. Noch heute wundere ich mich, dass mir die Nordsee und das Meer allgemein nach wie vor so tröstlich erscheinen und ich das Meer so sehr liebe.
Ein anderes Mädchen hatte keinen Mantel von Zuhause mitbekommen. Also musste jedes Mädchen, das etwa ihre Größe hatte, einmal ihren Mantel ausleihen. Im Grunde eine gute Sache, fand ich schon damals. An einem meiner letzten Tage dort musste ich ihr meinen borgen. Nun hatte ich bis dahin im Auftrag meines Bruders fleißig Muscheln gesammelt und diese in jede Tasche des Mantels aufbewahrt. Zugegeben, heute weiß ich, dass Muscheln besser nicht in Manteltaschen in einem Kleiderschrank aufbewahrt werden sollten. Damals wusste ich das nicht. Nachdem meine Kleingruppe vom Spaziergang zurückgekommen war, war die Straße vor dem Heim mit weißen Splittern übersäht. Wir wunderten uns, ich sah das Mädchen in meinem Mantel, wie es weiter die Muscheln verteilte und zertrat. Mein Mantel würde stinken, rief sie. Sie hatte viel Spaß dabei, die Kinder in ihrer Nähe auch. Ich dachte an meinen Bruder, der nun keine Muscheln von mir bekommen sollte. Nicht einmal das habe ich hinbekommen, warf ich mir vor.
Es gab einen Jungen aus unserem Dorf, der gleichzeitig mit mir dort war. Er war gegen Ende unserer Zeit krank geworden, musste in Quarantäne und noch eine Woche länger bleiben. Er hat mir so leidgetan! Später sind wir gemeinsam eingeschult worden, waren in einer Klasse. Wir haben nie über unsere Erfahrungen gesprochen. Aber er hatte immer einen Bonus bei mir, obwohl er eigentlich nicht besonders nett war.
Auch ich bin am Ende meines Aufenthaltes krank geworden, hatte hohes Fieber, lag allein in meinem Bett und dachte -wie immer- an zuhause. Eine „Tante“ kam und maß Fieber. Sie sagte, dass ich meine Heimreise wohl vergessen könne, bei dem hohen Fieber müsse ich wohl noch eine Woche bleiben. Ihr ging es damit sehr gut und sie verließ den Saal. Meine Zeit dort war also wirklich begrenzt, das hatte ich gehört. Aber wie lange dauerte nochmal eine Woche? Ich schwor mir, dass ich wie vorgesehen nach Hause fahren würde und entwickelte eine irrsinnige Energie gegen das Fieber. Es musste unbedingt sinken - und das tat es auch. Am Morgen darauf kam die „Tante“ wieder zum Fiebermessen. Es war verschwunden, was bei Kindern ja auch normal sein kann. Das wusste ich bis dahin aber noch nicht. Sie glaubte mir nicht, ließ die Temperatur erneut messen und blieb bei mir stehen, damit ich nicht schummeln konnte. Das hätte ich mich sowieso nie getraut. Meine Hände musste ich auf die Bettdecke legen und ich durfte mich nicht bewegen. Nach dem Messen verließ sie den Saal, ließ mich im Ungewissen. Erst am Abend vor der Heimreise -ich weiß nicht, ob es derselbe oder der nächste oder irgendein anderer Abend war- erfuhr ich, dass es für mich „morgen“ nach Hause gehen sollte. Ich konnte es nicht erwarten, glaubte es erst, als ich im Zug saß, und auch dann befielen mich immer wieder Zweifel.
Meine Eltern waren überrascht, mich von einer Krankheit gezeichnet zu sehen. Ich war kraftlos, und meine Lippen waren aufgesprungen. Trotzdem, alle freuten sich, es gab eine kleine Wiedersehens-feier für mich. Das alles habe ich nur durch eine Nebelwolke wahrgenommen, den Kuchen nicht genießen können. Ich fühlte mich vollkommen erschöpft, aber heilfroh, wieder zuhause sein zu dürfen.
Erzählt habe ich zunächst kaum etwas, eigentlich gar nichts, obwohl ich immer wieder gefragt wurde. „Da will ich niemals wieder hin“, war das einzige, was ich antwortete.
Später hat mein Opa mich zu sich genommen und mir den Mund und das Herz für das Thema geöffnet. Dann habe ich ihm erzählt, und erzählt und erzählt. Seine Reaktion auf meine Erzählungen war es, die mir Sicherheit gegeben hat, dass mir Unrecht widerfahren war. Er nahm mich einfach, drückte mich an sich und sagte nichts. Das passte nicht zu Opa, er hatte sonst immer einen lustigen Spruch auf den Lippen und wollte damit trösten. In dieser Situation, in der er ernst und nachdenklich schaute, fühlte ich mich verstanden, das allein hat mir schon geholfen. Danach habe ich wohl auch mit meinen Eltern gesprochen. Oder Opa hat es ihnen erzählt. Auf jeden Fall hat es gut getan zu reden und mich verstanden zu fühlen.
Noch heute denke ich daran sowie darüber nach, wie gut ich trotz allem davongekommen war. Immerhin hatte ich ein intaktes Zuhause, war dort behütet und meine Seele konnte heilen. Viele Kinder hatten das nicht.
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Britta aus Hamburg schrieb am 10.10.2021
Ich lese gerade die Einträge aus Bad Salzuflen. Im Gegensatz zu allen anderen, habe ich kaum eine Erinnerung, ausser an diesen beängstigenden Schlafsaal und es muss einen Keller gegeben haben, da muss mir was Schlimmes passiert sein, aber ich weiß leider nicht was? Ich bin in einer Traumatherapie, weil ich oft umkippe d.h.ich kann nicht sprechen und mich nicht bewegen, so wie Tod. Es nennt sich dissoziativer Stupor. Wie gesagt, ich weiß nur es war 1977 weil Elvis gestorben ist. Ich muss sehr alleine gewesen sein und große Angst gehabt haben.Vielleicht war ja jemand zu diesem Zeitpunkt auch da. Ich habe große Angst, was immer auch passiert ist. Aber es muss sehr schlimm gewesen sein. Ich bin heute 55 Jahre alt und Eure ganzen Beiträge zerreißen mir das Herz
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Tinchen aus Hessen schrieb am 08.10.2021
Hallo ihr Lieben, ich bin jetzt mit 44 Jahren bei der Aufarbeitung meiner Verschickung. Ich leide unter einer Angststörung seit der Kindheit und mit war bis heute nicht klar das die Ursache so tief liegt. Ich habe jetzt einen Versuch bei einer Therapeutin gestartet und möchte versuchen mehr über dieses Erlebnis statt fand. Meine Mutter sagte mir das ich gesagt habe, das die Betreuerin sagte: Wenn du deine Schuhe nicht binden kannst , kommst du nie nach Hause! Sicherlich ist dort mehr vorgefallen. Und ich hoffe das ich da auch einfach weiter komme. Lg Tina
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Conni Kuhlmann aus Hamburg schrieb am 07.10.2021
Ich war 1972 oder 1973 (im Alter von 5 oder 6 Jahren) für 6 Wochen über die Caritas auf Sylt (Westerland). Leider habe ich das Heim noch nicht wiedergefunden.
Es waren schreckliche Erlebnisse. Wir wurden durchweg unfreundlich und lieblos behandelt. Erbrochenes essen, nicht auf die Toilette gehen dürfen, beim Einnässen dann öffentliche Demütigung, ständiges Androhen von Strafen, es gab eigentlich nur Angst.
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Ulrich aus Nolden schrieb am 07.10.2021
Hallo Thomas Eßer,
das Kindererholungsheim Stetten am kalten Mark war meines Wissens nach von der evangelischen Diakonie betrieben. Ich war 56/57 dort. Im Netz gibt es noch ein paar alte Fotos vom Haus aus der Zeit. Ich habe einen Bericht geschrieben, den man unter meinem Namen lesen kann oder ich schicke ihn Dir gerne zu.
Wir sind offenbar zu einer ähnlichen Zeit dort gewesen.
Freundliche Grüße aus dem Rheinland
Ulrich Nolden
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"Kur" mit der DAK aus NRW schrieb am 06.10.2021
Dauerhaft also 6 Wochen unter (zur Vorsorge mitgebrachte) Notfallmedikamente gesetzt worden. Dadurch Dauermedikation mit Cortison (Rectodelt) und Antihistaminikum (Atosil).

Dann zu den Älteren verlegt worden. Dort legten sich dann 15 jährige neben die 8 Jährigen und befummelten sie.

Wer abends nicht ruhig im Bett lag, bekam einen kleinen Eimer Wasser von den Betreuerinnen ins Gesicht / Bett und lag den Rest der Nacht im Feuchten. Wie als hätte man ins Bett gemacht.
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Gerd Müller aus Breisach schrieb am 05.10.2021
Nach einer schweren, gerade noch überstandenen Grippe haben mich meine Eltern zur Erholung in das Kinderkurhaus Schwoerer in Saig geschickt. Es muss wohl für ca. 4 Wochen gewesen sein im Winter 1951 oder 1952. Genauer weiß ich es nicht.

Meine Erinnerungen nach gut 70 Jahren sind verblasst und nicht mehr so detailliert wie die anderen, die zu diesem Heim geschildert werden. Haften geblieben sind die Spaziergänge oder kurze Wanderungen Hand in Hand und zu zweit in der Gruppe - wir waren ja alle unter 10 Jahre alt - sowie die Mittagsruhe, eingewickelt in Decken auf der offenen Veranda. Beides war ich von zu Hause gewohnt und somit für mich nichts besonderes.

Interessant ist die Beschreibung der Anfangszeit des Heimes (ca. 1936) und seiner Gründerin Erika Schwoerer, die sich in dem Buch "Meine Schwester starb in Auschwitz" von Richard Zahlten findet. Die Schwester war Dr. Johann Geissmar, eine jüdische Ärztin, die nach dem Berufsverbot durch die Nazis für wenige Jahre in Saig Zuflucht suchte und bei Erika Schwoerer menschlichen Trost fand. Richard Zahlten schreibt über Erika Schwoerer: "Erika Schwoerer war eine resolute Frau. Mit fester Hand führte sie die Kinder bei Spaziergängen über die Feldwege, wobei die Mädchen aus dem Dorf verwundert auf die bunten Kleider der Stadtkinder schauten ..."

Eines aber werde ich bis zu meiner letzten Stunde nicht vergessen. Es spielt in vielen, vielen schlimmen Erlebnissen in Kindererholungsheimen, die man hier lesen kann, eine zentrale Rolle: Der unerbittliche Zwang beim Essen und die nachfolgende Züchtigung, wenn man nicht den Erwartungen entsprechen konnte. Bei mir war es der unausweichliche Ekel und Brechreiz, wenn ich Fleisch mit dem damals immer vorhandenen, schwabbelnden Speckrand essen sollte. Ich konnte es einfach nicht.

Ich saß also allein als letzter am Tisch, für wie lange weiß ich nicht, denn aufstehen durfte man erst, wenn der Teller leer war. Beim ersten Mal gelang es mir, in einem unbemerkten Augenblick das Fleisch mit dem Speck in meiner Hosentasche verschwinden zu lassen. Auf der Toilette habe ich es anschließend hinunter gespült. Beim zweiten Mal wurde ich ertappt. Vielleicht hatten die Betreuerinnen auch schon Verdacht geschöpft und mich die ganze Zeit intensiv beobachtet. Ich wurde zur Heimleitung gebracht. Die Frau hörte sich alles an, erhob sich von ihrem Schreibtischstuhl und befahl mir, die Hose und Unterhose auszuziehen. Dann schlug sie mich mit einem Stock auf den nackten Hintern. Wie oft, weiß ich nicht.

Zu Hause wurde ich nie geschlagen. Das damals im Heim zu erfahren war in meiner Erinnerung aber noch nicht einmal das Schlimme. Es war vielmehr die von mir so empfundene unermessliche Demütigung, vor dieser Frau und all den anderen, die Hose herunterlassen zu müssen.

Ich habe meinen Eltern erst mehr als zwei Jahrzehnte danach davon erzählen können. Mein Vater war empört aber ohnmächtig, nach so langer Zeit das Heim noch belangen zu können.

Das Kinderkurheim Schwoerer bestand bis 1981. An seiner Stelle steht heute der "Schindelhof", der an den Stil Schwarzwälder Höfe erinnert und mehrere einzelne Wohnungen beherbergt.
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Bischof Sabine schrieb am 05.10.2021
Habe einen EIntrag weiter unten, vergaß leider die mail-adresse: Schweinfurt.2021@web.de. Wer war dort, suche Kontakte. Danke. Kann mich an ganz wenig erinnern, das macht mich stutzig.
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Prautzsch aus Recklinghausen schrieb am 03.10.2021
Hallo leute ich kämpfe mein ganzes leben schon damit niemand glaubt mir oder Ärtzte saden sows gibt es nicht .nun zu meiner geschichte die sich fast identisch mit den erlebnissen von detlef lichtrauter decken ich habe es immer verdrängt die sachen die mir noch eingefallen sind wie spritzen erbrochenes essen und abgestellte wasserhähne und ins bett machen .aber nun weiss ich warum ich so bin 1 mutter hat immer gesagt waumm ich nicht alles esse Bzw einen ekel vor manchen gerichten hab bis heute bekomme ich brechreiz wenn ich sie nur rieche 2angst einzuschlafen aus angst ins bett zumahen ,was sied über35 jahren nicht mehr passiert ist nachts werd ich wach und fühl erst ob mein bett trocken ist,3entwickelte ich mich zum schläger weil ich auch tagsüber unkontrollierten harndrang hatte und ich gehänselt wurde 4 ich habe angst gegen über vergesetzten (tanten aus der kurzeit) weil ich mir hilflos vorkomme wie in der .kur .ich hoffe jemand liest das und schreibt mir. mir geht es im moment nicht gut ,da nicht weiss ob ich die kraft habe diesen weg zugehen und nicht sicher bin ob ich den rest lieber dort lassen sollte wo er ist nämlich in der vergangenheit ,scheisse ich brauche hilfe
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Rudi aus Erfurt schrieb am 01.10.2021
Die Kur war in den Sommerferien, deshalb waren auch Aushilfskräfte als Erzieherinnen tätig.
Manche Erzieherinnen waren freundlich, andere sehr streng. Man wußte nie, woran man war.

Allgemeine Drohungen waren z.B. „Wenn … dann wirst du nach Hause geschickt, und deine Eltern müssen die ganze Kur bezahlen.“ Oder „Wenn ... , dann bleibst du noch den nächsten Durchgang hier.“ Letzteres bekam ich beim (Nicht-richtig-)Essen oder Wiegen öfter zu hören. Zum Wiegen habe ich mir immer Sachen in die Schlafanzugtasche gesteckt, um schwerer zu sein. Das Essen war meistens gut. Aber es gab 2 mal Frühstück, dabei einmal immer einen Brei oder Puddingsuppe. Manche Erzieherinnen achteten darauf, wirklich alles aufzuessen, auch die Milchhaut (die ekelt mich). Vor-dem Teller-sitzen-bleiben, bis alles aufgegessen, oder aber alle am Tisch mußten den gesamten Tischdienst übernehmen.

Alle Kinder, ich war 11 und manche deutlich älter, mußten Mittagsschlaf machen. Bei Nichtschlafen drohte die Verlegung in den Schlafraum der kleinen Kinder, welcher an der Flurseite ein durchgehendes Fenster hatte und gegenüber dem Erzieherzimmer lag. Wir mittleren und die größeren hatten normale 4- oder 6-Bettzimmer. Ob man in der Schlafenszeit auf die Toilette durfte hing auch von den Erzieherinnen ab. "Du bist groß genug und kannst vorher gehen oder dich jetzt zusammenreißen. Wenn nicht, dann kannst du jetzt gehen, bekommst dann aber eine Gummihose." Da ich bei Bettenmachen bemerkt hatte, daß auf der Matratze ein großes rotes Gummituch lag (ich schämte mich deswegen, aber das war sicher in allen Betten so; und ich fand es eklig) nahm ich die Drohung ernst. Ein anderer Junge hat sogar mal aus dem Fenster gepinkelt.

Insgesamt habe ich die Kur trotzdem nicht "schrecklich" in Erinnerung.“

Auf dem Fragebogen hatte meine Mutter „schlechter Esser“ angekreuzt und so etwas wie „unruhiges“ oder „zappeliges Kind“. Beides war sicher richtig, und vielleicht nahm ich deshalb an, dass „es so sein soll“ bei einer Kur.
Das Sanatorium hatte einen Teil für Erwachsene, der Seitenflügel war für Kinder. In dem Durchgang waren Kinder im Alter von etwa 6 bis 16, nur Jungen.
War deshalb das Essen besser, als ich es hier in anderen Berichten lese? Und vielleicht konnte man mit größeren Kindern auch nicht ganz so umspringen wie mit (nur) kleinen Kindern?
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Peter Speck aus Kiel schrieb am 30.09.2021
Habe im Sommer 1966 als 11- jähriger eine "Verschickung" nach Wyk auf Föhr erlebt. Natürlich unangenehm- autoritäre Strukturen; Medikation?
1974 im Kinderheim Seeschloß Vorpraktikum (Studium Sozialwesen) absolviert. Leiter war Mitglied der Waffen SS (Leibstandarte A.H.), seine Frau ehemalige BDM- Lehrerin. Gruselig.
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Yvonne aus Berlin schrieb am 30.09.2021
Ich war Mitte der 80er im Kinderkurheim "Morgenröthe Rautenkranz". War noch jemand dort und kann mit mir in den Austausch gehen? Ich habe schlechte, aber auch gute Erinnerungen. Ich war dort, weil ich zunehmen sollte, bin aber oft abends mit Hunger ins Bett. Große Schlafsäle mit Gitterbetten, morgens Gymnastik und harte Bürstenmassagen, kaltes Duschen, Wassertreten, Wanderungen etc.. Komischerweise kann ich mich an keine der Erzieherinnen erinnern. Ich habe noch ein Gruppenfoto. Die Zeit war mit viel Heimweh verbunden. Ich finde es immer noch schrecklich, dass meine Eltern mich allein losgeschickt haben, nur weil es irgendein Dorfarzt angeordnet hat. Das würde ich meinen Kindern nie antun.
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Beatrix Hötger-Schiffers aus Geilenkirchen schrieb am 30.09.2021
Aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung bin ich nach einem sechsmonatigen Klinikaufenthalt in der Kinderklinik Viersen mit ca. 1 Jahr Anfang 1964 in die Klinik Aprath gekommen. Pfingsten 1965 wurde ich entlassen. Ich möchte Menschen finden, die ebenfalls in Viersen und/ oder Aprath waren.
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Silvia Kröplien aus Hamburg schrieb am 30.09.2021
An Siglinde / Kinderheim Duhnen
Ich war 1957 in Duhnen
Gebe auf google auf Druidenkinderheim ein.
Das Heim ist durch mehrere Hände gegangen
und steht jetzt nicht mehr.
Aber die Seite hat auch Fotos.
Ich selbst habe nur bruchstückhafte Erinnerungen an das Heim selbst - siehe meinen Bericht vom 29.07.2021. - Ich war mit fünf Jahren zu klein oder ich habe notwendigerweise alles
verdrängen müssen.
Ich hoffe, dass Dir damit fürs erste geholfen
ist....
Ich wünsche Dir alles Gute
Liebe Grüße von Silvia
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Norbert schrieb am 29.09.2021
War als 10 jähriger für 6 Wochen auf Amrum. Erinnerlich ist mir die „Froscheiersuppe“, die man immer wieder auslöffeln musste. Ich besitze noch zwei Fotos (Gruppe mit Betreuerin) und (Gruppe mit Betreuerin und DRK-Schwester im Ornat).
Die geschilderten Zustände in anderen Berichten kann ich bestätigen.
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Jutta Nermerich aus 56112 Lahnstein schrieb am 29.09.2021
Ich war 1971 vor meiner Einschulung in einem Heim in Winterberg im Sauerland, den Namen weiß ich leider nicht mehr. Vielleicht finde ich hier auf diesem Weg Leidensgenossen, die mir helfen können meine Gedächtnislücken zu füllen
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Ruth Bodenmiller aus Köln schrieb am 29.09.2021
Hallo, ich suche Leidensgenossen, die 1954 oder 1955 nach Neckarsteinach verschickt wurden. Bisher habe ich niemanden gefunden.
Gruß, Ruth Bodenmiller
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Monique Klein aus Dresden schrieb am 29.09.2021
Ich suche Menschen die in der Zeit zwischen 1980 und 1986 in der "Markower Mühle" in Parchim bei Schwerin waren. Ich habe keine schönen Erinnerungen an diese Zeit. Denn irgendwie hat man mich jedes Jahr dorthin geschickt.angeblich war ich zu dünn. Einmal waren meine Schwester und mein Bruder mit. Ich war insgesamt 4 mal dort. Warum bekommen Verschickungsklnder keine Entschädigungen für diese ganzen Qualen? Kinder die in Heimen waren oder um Jugendwerkhof bekommen ein Leben lang Abfindungen. Und was ist mir uns? Hat uns jemand gefragt ob wir das wollten? Wir wurden einfach in Züge und Busse gesetzt und mussten alles hinnehmen und konnten uns nicht wehren. Ich habe so geweint jedes Jahr aufs Neue. Viele Jahre habe ich ins Bett gemacht. Bin heute psychisch krank. Habe enorme Verlustängste..... so viel gibt es zu sagen, aber vieles auch verdrängt, vergessen damit man nicht noch mehr weg bricht
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Petra aus Leo schrieb am 28.09.2021
Ich war im Sommer 1972 oder 1973 zur Verschickung im St. Ursula-Haus bei Nonnen in Winterberg. Damals muss ich etwa 6 Jahre alt gewesen sein, ich war jedenfalls noch nicht in der Schule.
Es war meine zweite Verschickung, nachdem ich im Jahr zuvor auf Borkum war. An die Zeit auf Borkum kann ich mich allerdings gar nicht mehr erinnern, außer daran, dass das Haus auf Borkum von außen sehr dunkel aussah. Die Erinnerung daran ist wohl sehr tief in meinem Kopf vergraben.

Nach Winterberg kam ich im Jahr darauf mit dem Zug, zusammen mit vielen anderen Kindern. Ich weiß noch, dass viel geweint wurde unter den anwesenden Kindern, was mich unglaublich verunsichert hatte, weil ich nicht wusste, was da jetzt gerade passiert und was uns bevorsteht. An den Abschied auf dem Bahnsteig in Krefeld erinnere ich mich auch nur noch dunkel.
Im Heim selber kam ich dann in die Gruppe von „Schwester Vita“. Sie war, nach meiner Erinnerung, recht ruppig, aber insgesamt noch die Zugänglichste von allen.
Da ich als Kind im Kindergarten immer die Kleinste und Schmächtigste von allen war, wurde ich über meine Kinderärztin und die Familienfürsorge Krefeld, bei der meine Oma damals arbeitete, in die Verschickung gelotst.

Und ab hier melden sich meine Erinnerungen sehr deutlich. An Dinge, die ich essen musste, ob ich wollte oder nicht. Auch, wenn sie schon kalt geworden waren. Und bis zum Erbrechen und dann nochmal. Es gab damals einen „Dornröschenpudding“. Irgendein warmes, rosafarbenes, extrem süsses Zeug. Der wurde mir immer und immer wieder reingezwungen. Dazu Erbsen- und Linsensuppen, die ich sowieso auch vorher schon nie runterbekommen hatte. Solche Suppen kann ich auch heute noch nicht riechen, ohne dass mich sofort eine heftige Übelkeit an diese „Zwangsernährung“ erinnert. Auch das total fette Fleisch dort mit Schwarte war und ist für mich eine absolute Horrorerinnerung.

Hatte ich nachts Heimweh und deswegen im Bett gelegen und geweint, wurde ich barfuß in das große, dunkle Gemeinschaftsbad eingeschlossen, das nachts sowieso immer abgeschlossen war, denn außer der Reihe auf die Toilette gehen war uns untersagt. Ich erinnere mich, dass ich einmal nachts, als ich dort eingeschlossen war, durch das vergitterte Fenster des Badezimmers ein Feuerwerk gesehen habe. Das hat meine Angst im Dunkeln aber auch nicht wirklich abgeschwächt. In dem kalten Badezimmer roch es nachts abgestanden und nach Zahnpasta und die teils nur halb geschlossenen Türen der einzelnen Toilettenzellen haben mich total geängstigt. Noch heute wird mir übel, wenn ich in ein kaltes Bad komme, in dem es deutlich nach Zahncreme riecht.

In unserer gemischten Gruppe gab es einen Jungen, der nachts ins Bett gemacht hat. Ich erinnere mich daran, dass es mehrere Nächte gab, in dem die Betreuerinnen bei vollem Licht den Jungen aus dem Bett holten und kontrollierten, ob er wieder eingenässt hatte. Wenn ja, war das Geschrei groß und wir anderen hatten unglaubliche Angst. Es hat uns ja auch keiner getröstet.

An den Wochenenden fand meist eine Art „Party“ statt. Da gab es zur Abwechslung dann Kuchen und Limonade für alle, außerdem lief ein Kassettenrekorder oder ein Radio mit Musik, zu der wir durch den Raum hüpfen und springen durften. Hatte der oben genannte Junge aber unter der Woche ins Bett gemacht, wurde unserer ganzen Gruppe verboten, an diesem Partynachmittag teilzunehmen und wir mussten in unserem Schlafsaal bleiben. Für den betreffenden Jungen muss das furchtbar gewesen sein. Die Scham, ins Bett gemacht zu haben und wahrscheinlich auch die Schuldgefühle, dass die ganze Gruppe wegen ihm im Kollektiv dafür bestraft wurde. Ein schlimmer Gedanke, was dem Jungen widerfahren war, dass er überhaupt ins Bett gemacht hat. Psychologisch hatte das damals ja leider keiner hinterfragt, sondern den Druck auf den Jungen nur noch viel mehr aufgebaut.

An den Wochenenden durften wir Karten nachhause schicken. Da ich noch nicht schreiben und lesen konnte, musste ich notgedrungen der Betreuerin diktieren, was ich meinen Eltern mitteilen wollte. Ich weiß noch sehr genau, dass ich in den Karten darum gebettelt habe, dass man mich heimholt, dass ich Heimweh hätte, dass es in dem Heim ganz furchtbar sei, dass meine Mama mich bitte-bitte besuchen kommen sollte. Viele Jahre später habe ich mit meiner Mutter mal über den Aufenthalt in Winterberg gesprochen. Sie erinnerte sich, dass sie die alten Postkarten tatsächlich noch hätte. Wir haben sie dann gemeinsam gelesen und gemeinsam geweint, denn auf den Karten stand drauf, „dass das Wetter schön, die Betreuer sehr nett und der Ausflug auf den Kahlen Asten mit seinen vielen leckeren Blaubeeren ganz toll gewesen war!“ Seitdem fühlt sich meine Mutter bodenlos schuldig, dass sie sich von meiner Oma, die ja bei der Familienfürsorge an der Quelle für meine Verschickung saß, hat bequatschen lassen, weil „mir so eine Kur sicher nicht schaden würde“ und sich meine Mutter „mal nicht so anstellen sollte, weil sie mal ein paar Wochen auf mich verzichten müsse“. Meine Oma gehört noch der Generation an, die sich keine Gedanken darüber gemacht hat, ob es einem Kleinkind vielleicht schaden könnte, wenn es wochenlang allein und ohne seine Eltern von seinem Zuhause weg ist, drangsaliert wird und vor Heimweh und Angst eine komplette Wesensänderung durchmacht.

Meine Mutter hatte mir in dieser Zeit, die ich dort war, mal ein Paket geschickt, mit Süßigkeiten drin. Ich weiß noch, dass mein Mund wohl ein großes O geformt hat, als der Inhalt an alle Anwesenden verteilt wurde, noch bevor ich das Paket selber aufmachen durfte. In meiner Erinnerung „schwebt“ das Paket einfach von mir weg und die Kinder um mich herum waren selig, weil es außer der Reihe Schokolade für alle gab.

Ganz fies in Erinnerung sind mir auch die Spielenachmittage geblieben. Diese waren – rückblickend – einfach nur traumatisch und entwürdigend. Wohlgemerkt: ich war rund 6 Jahre alt! Das erste Spiel hieß oder war etwas in der Art von „Stühle schnüffeln“. Alle Kinder saßen draußen auf dem Gang oder standen herum. Man (ich) wurde nacheinander in einen Raum gerufen, die Tür wurde geschlossen und man (ich) musste sich auf einen von mehreren, nebeneinanderstehenden Stühlen setzen, den man sich aussuchen durfte. Dann wurde man aufgefordert, wieder aufzustehen und sich zu den Betreuerinnen zu stellen. Danach wurde eine weitere Betreuerin von draußen reingerufen („Kannst reinkommen“), die sich vor den ersten Stuhl kniete, daran tief und intensiv schnüffelte und nach und nach jeden weiteren Stuhl mit der Nase absuchte. Am Ende stand sie auf und zeigte zielstrebig auf den Stuhl Nummer 2, auf dem ich kurz vorher gesessen war. „Hier hat sie gesessen!“ – Ich war völlig beschämt, weil ich in dem Moment wirklich panisch dachte, ich würde stinken! Wie konnte diese Frau erschnüffeln, wo ich gesessen hatte??? Erst Jahre später habe ich das System dieses Spieles durchschaut, aber ich erinnere mich immer noch mit Grausen an meine Angst, dass ich „müffeln“ könnte. Das hat bis heute Spuren hinterlassen.

Ein weiteres, für mich sehr schlimmes Spiel war das mit den Schaumküssen. Auch hier standen und saßen wir alle wieder in einem Gang vor einer verschlossenen Tür und wurden nacheinander reingerufen. Keines von uns Kindern wusste, was uns hinter der geschlossenen Tür erwartete. Jedes Mal, wenn ein Kind in den Raum gerufen und dann die Tür geschlossen wurde, erscholl umgehend ein furchtbarer Schrei. Die meisten von uns haben sich wahrscheinlich in dem Moment in die Hose gemacht, vermute ich. Als ich an der Reihe war, kam ich in einen komplett dunklen Raum und die Tür schloss sich sofort hinter mir. Im selben Moment drückte mir jemand ziemlich feste einen Schaumkuss mitten ins Gesicht und raunte mir ins Ohr: „Los, jetzt schrei mal ganz laut!“ – Natürlich habe ich das gemacht, und sicher nicht nur, um der Aufforderung nachzukommen. Ich war ja völlig überrascht und hatte immer noch die Panik von der Warterei vor der Tür in den Knochen. Der einzige positive Effekt aus diesem Spiel ist, dass ich mir das Sterben heutzutage ähnlich wünsche. Keine Ahnung zu haben, was einen erwartet, aber dann hinterher – wenn es ein „Hinterher“ gibt – denken zu können: „Wie, das war alles?“. Denn wie Sterben fühlte sich die Angst in dem Moment garantiert an. Warum tat man kleinen Kindern sowas an?

Der schlimmste Albtraum für mich persönlich war der Kinderspielplatz, links hinter dem Haus, ein bisschen abseits gelegen am Hang. Dort gab es eine Holztrommel, so ein Laufrad, in dem die Kinder wie die Hamster rennen konnten. Während meiner Zeit dort hatten sich zwei größere Kinder – ich weiß nicht mehr, ob Junge oder Mädchen – einige Finger gebrochen, weil sie mit den Fingern zwischen die einzelnen Holz-Spalten geraten waren und dann in der Rolle einen Überschlag gemacht hatten.
Ich selber hatte in der 3. oder 4. Woche meines Aufenthalts dann final auch einen sehr schweren Unfall. Es gab dort auf dem Spielplatz einen Kletterbogen aus Metall, auf dem ich eines nachmittags saß, während es geregnet hatte. Ich war ganz allein dort! Von Betreuerinnen keine Spur. Das weiß ich, weil es nach dem Unfall längere Zeit gedauert hatte, bis ich gefunden wurde und man eine Betreuerin herangeholt hatte. Als ich jedenfalls oben auf einer der höchsten Stangen saß, die Füße auf der nächsten, rutschte ich durch die Nässe ab, schlug in der Luft wohl einen Purzelbaum und landete mit dem Gesicht auf den Steinplatten darunter. Damals war man leider noch nicht so schlau, Gras unter ein Klettergerüst zu pflanzen. Jedenfalls habe ich mir mit den Schneidezähnen an 2 Stellen die Unterlippe komplett durchbissen und dabei die Schneide- und einige weitere Zähne unwiederbringlich eingebüßt. Damit war für mich zumindest diese Kur dort abrupt vorbei. Durch die komplett vernähte und verpflasterte Schnute konnte ich monatelang keine feste Nahrung mehr zu mir nehmen und hatte durch den Unfall später einen so extremen Zahn- und Kieferschiefstand, dass ich bereits zu meinen frühesten Schulzeiten ein fast komplett neues Gebiss bekommen musste, welches über die Jahre dann natürlich auch mehrfach erneuert werden musste. Für meine Mutter war es eine Tortur, mich immer wieder zum Fädenziehen und Nachoperieren zum Kinderarzt zu begleiten und mehr als einmal ist sie dabei umgefallen.

Nach dem Aufenthalt in Winterberg fingen dann die Verhaltensauffälligkeiten an. Ich stand nachts zuhause in meinem Bett und zog bahnenweise die Tapeten von der Wand. Ich konnte an keiner Vereinsfahrt vom Kinderturnen teilnehmen, ohne als heulendes Elend zu enden, weil ich so Heimweh hatte. Ich schämte mich jahrelang für meine große Narbe an der Lippe und meine teils schiefen Zähne. Vor Jahren hat mir meine Mutter erzählt, dass sie mich aus psychologischen Gründen kurz nach der Kur in einem Malkurs angemeldet hatte, um von Fachleuten einschätzen zu lassen, warum ich so „komisch düstere“ Bilder malte. Egal, wo meine Eltern mich „nach der Zeit in Winterberg“ allein lassen wollten: ich war sofort durch den Wind und wollte nicht ohne zumindest einen Elternteil sein. Auch heute ist Alleinsein für mich die schlimmste Strafe, so dass ich zwischen früheren Partnerschaften so gut wie nie einen Tag mal allein sein konnte. Und das Alleinsein auch bis heute nie genießen kann.

Da ich in meiner Jugend mit meinen Eltern nach Bayern und mit Mitte 30 wieder zurück nach NRW gezogen bin, habe ich etwa vor 15 bis 20 Jahren Winterberg wieder mal besucht, weil ich die Gelegenheit nutzen wollte, wenn schon in der Nähe zu wohnen, dann auch gleich mit der Vergangenheit abschließen, denn ich hatte bis dato immer wieder schlimme flashbacks. Also fuhr ich nach Winterberg.
Zuerst habe ich das Gebäude gar nicht gefunden. Als Kind hatte ich eine lange Zufahrt in Erinnerung. Als ich jetzt wieder dort war, war die Siedlungsbebauung schon recht nah an das Gelände der Kurklinik rangekommen. Die Klinik lag gefühlt einfach mittendrin. An den Eingangsbereich erinnerte ich mich aber sofort. Inzwischen war aus dem Kinderkurheim ein Mutter-Kind-Kurheim geworden. Ich wusste auch noch, dass sich der Eingang zur Kapelle im Eingangsbereich befand. Also bin ich ins Gebäude gegangen, auf der Suche nach jemandem, dem ich erzählen konnte, dass ich Anfang der 70er dort zur Kinderkur war und einfach mal schauen wollte, wie das alles inzwischen aussah.
In der Eingangshalle traf ich auf eine uralte Nonne, der ich von Schwester Vita erzählte. Sie sagte, ja, Schwester Vita gäbe es tatsächlich noch, aber sie läge leider aktuell im Sterben, es könne sich leider nur noch um wenige Tage handeln, deswegen wäre es leider auch nicht möglich, dass ich sie besuche. Ich war total erstaunt, dass sie immer noch lebte. Damals Anfang der 70er kam sie mir schon steinalt vor.

Als ich von dem Spielplatz erzählte, auf dem ich diesen schrecklichen Unfall hatte, hat mich die Schwester gefragt: „Wollen Sie ihn sehen?“ Und ich: „ES GIBT IHN NOCH????“ – Da meinte sie: „Ja, den gibt es noch. Sie haben Glück, er soll in der nächsten Woche komplett abgebaut werden. Wir haben ja jetzt einen schönen neuen Spielplatz hier.“ Der Moment war und ist bis heute Gänsehaut pur.
Ich war total fassungslos! Wir gingen hinten aus dem Gebäude raus in den hinteren Teil und dann leicht bergab links Richtung ehemaligem Spielplatz. Weiter unten konnte man viele Kinder mit ihren Müttern ausgelassen lachen hören und spielen sehen. Was für ein Unterschied gegenüber damals!

Als wir zu dem alten Spielplatz kamen, konnte ich sehen, dass die einstmaligen Geräte fast im hohen Gras verschwunden waren. Als Erwachsene kamen mir die Geräte so winzig vor. Auch das Klettergerüst war noch da und ich wusste nicht, ob ich Lachen oder Brechen sollte. Die alte Nonne, die mich netterweise dorthin geführt hatte, hatte dann wohl gemerkt, dass mir die Erinnerungen unglaublich zu Schaffen machen und hat mich mit meinen Emotionen allein gelassen, was ich sehr nett fand. Ich habe mir ein paar Minuten Zeit gelassen, um mich endgültig von diesem Ort zu verabschieden, der jetzt, als ein Heim, wo Kinder mit ihren Müttern ausgelassen toben können, so völlig seinen Schrecken verloren hatte. Ich dachte wirklich, das war´s jetzt, jetzt kann ich endlich mit dem Thema abschließen und loslassen.

Pustekuchen!

Vor 2 Jahren bin ich schwer krank geworden. Erst körperlich, dann psychisch. Mit der Depression kamen plötzlich, wie kleine, fiese Unkrautpflanzen, viele Erinnerungen sehr deutlich wieder in mein Gedächtnis zurück gewuchert. Meine Unsicherheit von früher vor fremden Menschen und Orten meldet sich auf einmal wieder sehr deutlich. Meine Anhänglichkeit an meinen Partner wird immer schlimmer und panischer. Für 2022 steht bei mir die erste psychosomatische Reha in meinem Leben an. Leicht vorstellbar, was es jetzt schon für ein Stress für mich ist, daran zu denken, dass ich dann 5 Wochen allein bin. Wieder in einer Einrichtung, unter völlig fremden und sicher teils auch kranken und verunsicherten Menschen, wie ich oft einer bin. Ich werde mit zunehmendem Alter empfindlicher, was Gerüche angeht, denn bestimmte Gerüche lösen sofort unglaublich beklemmende Erinnerungen an Alleinsein, Zwang, Angst und psychische Gewalt aus. Ich habe nie daran gezweifelt, ob mich meine Erinnerungen vielleicht trügen, ob ich mir vieles vielleicht eingebildet habe, das möchte ich unbedingt dazu erwähnen. Auch wenn ich vieles vergessen habe – was sicher auch gut ist – so bin ich doch davon überzeugt, dass alles so passiert ist, wie ich oben beschrieben habe. Umso wichtiger finde ich es, dass alle Betroffenen die Möglichkeit haben, ihre Erinnerungen mit anderen Betroffenen zu teilen, zu vergleichen, zu verarbeiten. Mir, in meinem Fall, tut es gut, das alles mal aufzuschreiben, denn es schmerzt wesentlich weniger, als wenn es im Kopf bleibt und vielleicht macht es bei dem einen oder anderen "klick" und längst verschüttet geglaubte Erinnerungen kommen wieder zutage, die dann hoffentlich gut zu verarbeiten sind und nicht alte Wunden wieder aufreißen.

Und danke an alle, die bei der Aufarbeitung helfen und die, die sich trauen, ihre Geschichten zu erzählen. Es ist für mich auch beruhigend zu wissen, dass es heute gang und gäbe ist, Kinder MIT ihren Müttern zusammen in Kur zu schicken, um zu vermeiden, dass die zarten Seelen dieser kleinen Kinder durch Fremde gebrochen werden! Danke für eure Geduld beim Lesen meiner Erinnerungen!
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Siglinde schrieb am 18.09.2021
Suche nach weiteren Leidensgenoss*innen aus Verschickung zwischen 1957 und 1959 nach Cuxhaven-Duhnen.
Weiß leider nur noch den Ort, finde aber bisher keinerlei Infos zu einem Kinderverschickungsheim.
War dort vor meiner Einschulung ca. zw. 1957 und 1958 als 5-6jährige zusammen mit meiner 4jährigen Schwester. Wurden mit einem Sammelzug in Hamburg eingesammelt und ohne Bezugspersonen verschickt. Meine Schwester und ich haben die ganze Zeit geweint.
Im Kinderheim angekommen wurden wir sofort getrennt. Ich habe meine Schwester nur manchmal von weitem in einem großen Saal beim Mittagessen gesehen.
An die Verpflegung kann ich mich nicht erinnern. Alle Kinder mussten immer so lange sitzen bleiben, bis der Teller leer war. Bei mir waren das manchmal gefühlte Stunden. Ich saß oft noch zusammen mit einer Betreuerin allein im Speisesaal. Selbst Erbrochenes musste ich wieder essen.

Mit meiner Schwester durfte ich nicht zusammen sein. Einmal habe ich sie nach Suchen allein im hohen Gitterbett gefunden. Ich konnte sie da nicht rausholen.

Alle meine Erinnerungen sind bruchstückhaft. Meine Schwester und meine Eltern sind inzwischen verstorben, so dass ich auch niemanden mehr fragen kann.
Deshalb meine Bitte an alle, die ähnliche Erfahrungen in Cuxhaven in dieser Zeit gemacht haben, mir ein paar Zeilen zu antworten. Danke im Voraus!
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Jan Weiler schrieb am 14.09.2021
Ich war 1976 im Alter von 10 Jahren fuer 6 Wochen im Haus Hamburg in Sassendorf (ueber die DAK): Diagnose Untergewicht und Hang zu Atemwegserkrankungen. Erst einige Jahre spaeter stellte sich heraus, dass ich an Hausstaub und Pollenallergien litt. Die 6 Wochen in Sassendorf waren schlimm fuer mich, vor allem wegen des permanenten Heimwehs. Meine Mutter schrieb mir fast jeden Tag einen Brief. Meine eigenen Briefe durfte ich nur ungeoeffnet abgeben, und sie wurden zensiert. Einmal wurde ich von Schwester Helga (?) gefragt, ob ich mir das auch "gut ueberlegt haette" diesen Brief (in dem ich mich ueber starkes Heimweh beklagte) wirklich so abzuschicken, und ob ich nicht einige Passagen abaendern wollte. Ich habe nie erfahren, welche meiner Briefe und Karten an meine Eltern abgeschickt wurden und welche nicht. Was fuer mich fuerchterlich war, war dass uebergewichtige und Kinder mit Untergewicht zusammen in einem grossen Ess-Saal Ihre Mahlzeiten einnahmen. Die Uebergewichtigen, die u.a. eine Grapefruit zum Fruehstueck bekamen und die duennen Kinder wie ich, die viele Marmeladenbrote, suessen Griesbrei und Erdbeermilch erhielten. Seit dieser Zeit habe ich nie wieder Milch trinken koennen. Eines Abends bekam ich mit wie eines der uebergewichtigen Kinder von den Schwestern vor uns anderen Kindern ausgeschimpft und laecherlich gemacht wurde, weil er ins Bett gemacht hatte. Ich hatte grosse Angst, und habe jeden Abend gebetet, dass mir das nicht auch passieren wuerde. Meinen Teddy, den ich beim Beten umklammert hielt, habe ich heute noch. Die Inhalationskammern und das Solebergwerk waren gruselig. Zugenommen hatte ich am Ende der „Kur“ nur 1 Pfund. Als mich meine Mutter nach 6 Wochen abholte, konnte ich nur noch "Mama" sagen, ich glaube, ich habe dabei geweint. Ich erinnere mich noch an die Namen einiger meiner Mitschueler: Reinhard Muech, mein bester Freund in dieser Zeit, Ulrich Gabel, Stefan Wendel (aus Stuttgart?), Dirk Merkisch (?). Gegen Ende des Aufenthaltes wurde ich zumnehmend aggressiver und schlug bei einer Gelegenheit Dirk ohne Grund die Nase blutig. Es tat mir spaeter sehr leid. In Verena Stolzenhain aus Hamburg Rahlstedt war ich sehr verliebt und hatte nach Sassendorf noch einige Male Briefkontakt mit ihr. Vielleicht kennt zufaellig jemand aus diesem Forum diese und weiss ob es Ihnen gut geht.
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Doris Bechstein aus Bath schrieb am 14.09.2021
Meine Eltwrn wollten mich unbedingt einschulen, obwohl ich noch nicht ganz 6 Jahre war - und zu klein und zu dünn! Ich war im Haus Bielefield auf der Insel Wangerooge in der Nordsee, weil wir in Hannover wohnten. Das Essen war furchtbar, die Disziplin streng, und ich habe meine Eltern vermisst. Es war kalt, und wir waren fast den ganzen Tag draussen - als Grossstadtkind war ich das nicht gewohnt. Am 16. Februar wurde dann die Hälfte der Insel durch die grosse Sturmflut 1962 weggerissen - wir Kinder mussten die ganze Nacht mit Schwimmwesten aufbleiben, und eine der Schwestern spielte die ganze Nacht Klavier für uns. Am nächsten Morgen gab es eine Inseltour - fast die Hälfte der Insel war im Meer verschwunden!
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Klaus Böcher aus Siegen schrieb am 12.09.2021
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist mir ein Anliegen und offensichtlich auch nötig, gute Seiten der Kindererholung zu schildern. Über den Sozialdienst des Arbeitgebers meines Vaters (SIEMAG Feinmech. Werke GmbH) konnte ich im Alter von 12 Jahren ein weiteres Mal an der "Verschickung" teilnehmen. Es war ebenfalls ein beglückender Aufenthalt: Fürsorgliche begleitete Bahnreisen, im Haus gut versorgt und behütet, "aufgepäppelt", mit Empathie von den Betreuerinnen behandelt, mit Chorgesang und Gitarrenbegleitung der "Tanten" zum Zubettgehen bedacht. Ich denke sehr gerne daran zurück! Gruppenbilder kann ich gerne beisteuern!
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Böcher
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Thomas Eßer aus Binzen schrieb am 11.09.2021
Ich kann mich an keine nennenswerten Details erinnern, aber das Heim war in Stetten am kalten Markt. Ob sich dort ein Kinderheim (evtl. der ev. Kirche) befand, würde ich gerne wissen.
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Kerstin schrieb am 10.09.2021
Ich war mit 6 in St. Hedwig in Kladow, als meine Mama im Krankenhaus war. Es war die Hölle. Es gab einen "Klopferkeller", die "Besenkammer" wo wir nachts eingesperrt wurden, wenn wir nach dem Zubett gehen gesprochen hatten. Ich durfte dort nicht mit links schreiben oder malen. Gab einen Schlag auf die Hand "Nimm das schöne Händchen". Wurde zwangsumgewöhnt auf rechts. Zum Glück erbrach ich nie auf meinen Teller, aber anderen ist das passiert und sie mussten ihr Erbrochenes essen. Ich werde das nie vergessen. Ich wurde grob zwangsgewaschen, was sehr unangenehm war. 2 Betreuer versuchten mich in einen Kartoffelsack zu stecken. Das ist bei weitem nicht alles. Und das Anfang der 90er. Es ist zivilrechtlich noch nicht verjährt, aber ich weis nicht was ich da machen kann. Und ob das in Deutschland überhaupt etwas bringt... Geglaubt wurde mir nicht. Die Nonnen würden soetwas doch nie machen.
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Torsten B schrieb am 10.09.2021
Im Sommer 1984 wurde ich, gerade 10 Jahre alt geworden, für 4 Wochen ins Kinderkurheim "Seeschloss" nach St.Peter Ording verschickt.

Angeblich um mein Asthma zu kurieren - dort angekommen stellte sich aber schnell heraus, dass ich von dem dortigen Arzt (?) für übergewichtig erklärt wurde. Dies bedeutete 4 Wochen spezielle Diät-Kost.
Davon hatte man mir und meinen Eltern vorher nichts erzählt.

Wenn ich an die Zeit dort zurück denke, habe ich überwiegend schlechte und schlimme Erinnerungen.
Die "ErzieherInnen" zensierten unsere Briefe nach Hause - wenn da etwas "falsches" drin stand, musste man den Brief nochmal schreiben. Die ganze Atmosphäre dort war von Zwang, Unterdrückung und Bevormundung geprägt.
Keine lachenden und spielenden Kinder, sondern eher "Zucht und Ordnung" der "alten Schule".
Gehorsam und Pflichterfüllung waren hier wichtiger als Individualität und Freiheit.

Ich erinnere mich an einen Vorfall beim täglichen Essensritual im Essraum: Da schon beim Frühstück das Brot dermaßen rationiert war, leckte ein Kind alle Weißbrotscheiben ab und steckte sie danach wieder in den Brotkorb (man durfte sich nur immer jeweils 1 Scheibe auf den Teller legen).
Die verantwortlichen "ErzieherInnen" ließen sie gewähren.

3 von den 4 Wochen dort goss es in Strömen und wir waren überwiegend im Haus, da wir wegen des Wetters nicht rauskonnten. Ich erinnere mich an unsympathische und unempathische "ErzieherInnen" .

Ich habe nicht mehr viele Erinnerungen an diese Zeit - was mich wundert, da ich mich an andere Ereignisse in diesem Lebensjahr noch sehr gut erinnere.

Ich befürchte, dass ich dort traumatisiert wurde und mich meine Seele durch das "Vergessen lassen" geschützt hat.
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Barbara Westfahl aus Bad Segeberg schrieb am 09.09.2021
Bin durch einen Podcast des Deutschlandfunk Nova auf diese Seite aufmerksam geworden. Ich war 1965 oder 1966 im Alter von 6 oder 7 Jahren nach mehreren Erkrankungen Blase/Nieren und Krankenhausaufenthalten in Bad Wildungen zur Kur. Meinen Eltern wurde damals dieser Aufenthalt vom Hausarzt dringend empfohlen und sie wollten mir etwas Gutes tun. Ich habe nur noch ein paar verschwommene Erinnerungen, Bäder in großen Badewannen, Frühstück mit Müsli oder Haferflocken die ich essen musste, obwohl es mich ekelte, Einsamkeit und großes Heimweh. Das Warten auf Nachrichten/Post von zu Hause. Und die unbändige Freude, als mein Großvater mich abgeholt hat. Alles andere ist weg. Vielleicht auch besser so.
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Hans-Jürgen Neumeister aus Nordrhein-Westfalen - Beckum schrieb am 07.09.2021
Auch, oder gerade weil ich nicht schlimmes während meiner beiden Verschickungen erlebte, sondern eher schöne Dinge, möchte ich mich bei den Machern dieser Website und denjenigen bedanken, die sie füllten. Denn ich war froh, mich mit dem Thema nach den langen Jahren befassen zu können. Schließlich hatte die Zeit alles mehr oder weniger unter sich begraben. Daher ein Namaste an alle, die sich hier beteiligen.

Hallo, Ihr alle,
als ich in das Buch „Die Akte Verschickungskinder“ entdeckte, bestellte ich es, wie unter Zwang. Denn mir fiel wieder ein, dass auch ich zweimal verschickt wurde. Einmal 1950 (ich bin Baujahr 1943) nach Reinhardshausen bei Wildungen, und 1959 mit 16 in den Schwarzwald, nach Todtmoos ins Haus Waldfrieden. Dass ich jedoch meine dazugehörenden Erinnerungen niederschreiben würde, hätte ich nie gedacht. Und da ich inzwischen 78 bin, gehöre ich
hier wohl zu den Oldies, denn ich habe nur wenige gefunden, die um 1950 herum verschickt wurden.
Hier das Beweisfoto:
Der zweite von rechts unterhalb der „Tante“, das bin ich.

HIER SOLLTE SICH JETZT EIGENTLICH EIN FOTO DES HEIMS UND DAS DES BUCHES BEFINDEN, ABER BEIDES WURDE NICHT ÜBERNOMMEN.

Bisher dachte ich immer, dass ich nur schöne und keine negativen Erfahrungen gemacht hätte. Ins Grübeln kam ich jedoch, als ich folgenden Satz in o.gen. Buch auf Seite 246 las. »Kinder machen Dinge immer lieber selbst mit sich allein aus. Sie ziehen andere Menschen nicht gern ins Vertrauen.« Hat doch auch mich diese Einstellung fast mein ganzes Leben begleitet. Erst Ende der 1990er begann ich, mich in diversen Selbsterfahrungsseminaren in mühsamer Kleinarbeit davon zu befreien. Zuvor vermochte ich nicht zu sagen, was mit mir los war oder wie es mir wirklich ging. Und in diesem Moment, in dem ich das schreibe, läuft es mir kalt den Rücken runter, und die Augen werden feucht.

War da doch mehr in meiner ersten Verschickung, als ich mir je eingestehen wollte oder konnte? Nur was?

Allerdings schien mir bisher alles zu meinen Verschickungen mehr oder weniger stimmig, sodass ich nie daran zweifelte. Zumal meine Mutter erzählte, dass ich, sobald ich laufen konnte, auf das Stichwort „Teita“, selbst an der Hand eines Fremden mitging, um die Welt zu erkunden. Und dazu passt auch, dass ich mit 9 oder 10 immer wieder mutterseelenallein stundenlang durch Wiesen und Wälder streifte, ohne dass ich jemandem davon erzählte.
Hinzu kommt, dass ich weder als Kind, Jugendlicher oder Erwachsener Heimweh kannte, und nie wusste, was das ist – egal wohin ich fuhr und wie lange die Reise dauerte. Und so war es kein Wunder, dass ich, als ich als 64jähriger zu meiner zweijährigen Reise per Bahn, Bus & Schiff nach Australien aufbrach, nie Heimweh verspürte. Aber da hatte ich mich ja quasi selber verschickt.  Heimweh habe ich damals nur bei anderen Travellern erlebt, besonders zu Weihnachten, weiß also zumindest, wie es aussieht.

Meine Eltern haben mich insgesamt zweimal verschickt. Wobei ich beim ersten Mal 7 Jahre alt gewesen sein dürfte, denn ich ging schon eine Weile in die Volksschule, und Herrmann, ein Mitschüler, wurde ebenfalls verschickt. Seltsamerweise befindet er sich nicht auf dem Beweisfoto meines Aufenthalts.
Doch wenn ich an damals denke, habe ich sofort das Bild vor Augen, wie er und ich mit unseren Koffern, mit meinen und seinen Eltern und weiteren Familienmitgliedern neben unserer Schule und der Kirche trafen, da sie von dort aus zum nahegelegenen Bahnhof und zum Zug bringen wollten. Und ich weiß auch noch, dass ich aufgeregt zwischen den Erwachsenen herumlief, voller Vorfreude auf das Abenteuer einer Zugfahrt in die Ferien. Und so war ich weder traurig, noch hatte ich Angst. Was allerdings nicht auf Herrmann zutraf, denn er weinte und wollte nicht weg.
Wer und ob uns jemand im Zug begleitete, weiß ich nicht mehr – auch nicht, ob weitere Kinder im Laufe der Fahrt dazu kamen – nur dass Landschaften und Orte an mir vorbeizogen und stets ein neues Bild boten, schließlich hatte ich einen Fensterplatz.
Dass wir nach Reinhardshausen fahren würden, hatte ich zwar immer wieder gehört, auch dass es bei Bad Wildungen liegen sollte, doch tangierte mich das erst einmal noch nicht. Erst als man uns an der Endstation abholte, realisierte ich, dass wir jetzt zum Kinderheim Reinhardsquelle fuhren. Noch heute findet man eine Klinik Reinhardsquelle im Internet, mit dem Zusatz: »Die Klinik für Körper und Seele.«

In einer meiner ersten Erinnerungen sehe ich einen Speisesaal mit dem gleichen Bild, wie auf dem Cover des Buches, und glaubte mich selber vor Kopf des Tisches zu sehen. Aber auch der Schlafsaal fiel mir sofort wieder ein. Er erschien mir damals riesig und es standen unzählige weiße Betten aus Metall darin. Und da der Raum weiß gestrichen war, machte es eher den Eindruck eines Krankenhauses, in dem ich ein Bett zugewiesen bekam, und zwar mittendrin. Wo Herrmanns Bett war, weiß ich nicht mehr, auch nicht, ob und wie oft wir uns im Haus oder draußen gesehen oder getroffen haben. Womöglich wurden wir getrennt, wie es in den Berichten oft heißt, auch wenn wir nicht befreundet waren.
In jenem Saal hatte man immer zwei Betten der Länge nach mit dem Kopf- oder Fußende aneinander gestellt. Und dazwischen gab es schmale Kreuz- und Quergänge, in denen Laufen und Rennen verboten war, auch laut sein durften wir hier nicht.
Vom Bett aus schaute ich auf eine lange, hohe Wand und sah links hinten in der Ecke der seitlichen Wand den Durchgang zum Wasch- / Duschraum und Toiletten.
In der rechten Wand befanden sich die Fenster, so hoch angeordnet, dass ich nur den Himmel und Baumwipfel sehen konnte. Und wenn abends Licht brannte, war es trotzdem nicht hell, eher dämmerig, und nachts brannten nur einige Lampen, sodass immer eine gewisse Grundhelligkeit herrschte. Da ich als Kriegskind schon ganz andere Schlafplätze kennen gelernt hatte, fand ich es hier durchaus als angenehm, denn alles machte einen sauberen, ordentlichen Eindruck.
Ich wurde auf Anraten unseres Hausarztes Dr. Urbisch verschickt, wegen Bettnässen und weil ich ihm zu mager war. Ich erinnere mich jedoch nicht daran, jemals im Kinderheim ins Bett gemacht zu haben, gar dafür bestraft worden zu sein. Dabei war ich ein Kind, das – solange wir in unseren zwei Nachkriegszimmern hausten – jede Nacht ins Bett machte.
Dass es aber noch einen dritten Grund gab, erfuhr ich erst jetzt von meiner Schwester, die sich an ein Gespräch zwischen Dr. Urbisch und unseren Eltern erinnerte. Darin sagte er u.a., dass es gut für ihre Beziehung sei, wenn eins der Kinder – die Wahl fiel auf mich – mal eine Weile nicht da sei, damit unsere Mutter etwas mehr Ruhe bekäme, und unsere Eltern mehr für sich sein könnten. Schließlich war unser Vater 1950 noch nicht lange aus der Gefangenschaft zurück und unser Bruder, das Nesthäkchen, war erst seit kurzem auf der Welt.
Was das Essen betrifft, das oft als ungenießbar beschrieben wird, gab es für mich als besagtes Kriegskind nichts zu beklagen, schließlich hatte ich gelernt, alles zu essen. Hauptsache es füllte den Magen. Es gab nur ein Gericht, dass ich nicht mochte und kaum durch den Hals bekam: Die Graupensuppe der Nachkriegszeit. Aber die hat man uns im Kinderheim nie serviert, also dachte ich nicht einmal daran.
Aber als ich mir jetzt das o.a. Beweisfoto mal wieder anschaute, stellte ich fest, dass bis auf die Tante nur Jungens abgebildet waren, und dass wir alle einen fröhlichen Eindruck machen. Auf Befehl unter Androhung von Strafen? Und wo waren die Mädchen? Hat man von ihnen ein eigenes Gruppenfoto gemacht?
Schade, denn zu gern hätte ich mir das Mädchen mit den lockigen schwarzen Haaren angeschaut, in das ich mich damals verguckte. Ob sie mich auch mochte, weiß ich allerdings nicht, denn es gab ja kaum Gelegenheit, miteinander in Kontakt zu kommen. Wir schauten uns nur an, wenn wir uns begegneten.
Doch einmal, bei einer Veranstaltung oder Versammlung in einem Saal, saß ich direkt hinter ihr und schenkte ihr ein Stück Stoff in Postkartengröße, auf das ich – da ich damals schon gut zeichnen konnte – ein Bild mit Motiven gemalt hatte, die mich zu der Zeit begeisterten: einen Indianerkopf mit Federschmuck und ein Indianerkanu. Ob sie sich darüber freute, es womöglich als Andenken behielt, weiß ich jedoch nicht, zumal sie es eher erschrocken entgegennahm.
Auch daran, dass wir zum Blaubeersammeln in den Wald gingen, der direkt am Heim an einem Hang begann, erinnere ich mich gern. Dazu bekam jeder ein Gefäß, das voll werden sollte, wie es hieß. Man erlaubte uns aber auch, die Beeren zu essen, sodass niemand ein volles Gefäß ablieferte und die Tante scherzhaft mit uns schimpfte. Jedenfalls habe ich immer gerne Beeren gesammelt, da wir sie später auf einem Kuchen oder in einer Quarkspeise zurückbekamen.
Aber auch zwischendurch kraxelte ich immer mal wieder ein Stück weit den Hang hinauf in den Wald mit seinen Büschen und Lichtungen und dachte dabei an Hänsel und Gretel. Dabei bemühte ich mich, dass mich keine der Tanten sah, sonst hätten sie es sicher verboten.
Woran ich mich ebenfalls lebhaft erinnere, ist ein Spaziergang durch den Zauberwald mit umgestürzten Bäumen, undurchdringbaren, ineinander verwachsenen Büschen und dazwischen liegenden Felsen. Es sah wie der Urwald aus, den ich von Bildern kannte.
Von den verfaulenden Bäumen durften wir ein Stückchen mitnehmen, denn man hatte uns gesagt, dass es nachts im Dunkeln leuchtet. Doch ob es das auch wirklich tat, weiß ich nicht mehr.
Ich habe also nur schöne Erinnerungen an meinen Kurlaub, denn daran, dass wir ausgeschimpft, gar geschlagen wurden, erinnere ich mich nicht. Nur an Tanten, die freundlich mit uns umgingen, wie zuvor die im Kindergarten. Also völlig anders, als in den Berichten über Reinhardshausen in den 1980er Jahren.
Wie kann ein derartiger Absturz erfolgen? Wahrscheinlich durch Heimleiter- und Personalwechsel und übergeordnete Instanzen, wie Jugendamt, Kirche und die jeweilige Stadt, oder?

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Es gab aber noch eine weitere Ausquartierung zwischen den Verschickungen, und zwar, als meine Mutter eine Kur genehmigt bekam. Ich kam zu meiner Tante und meinem Onkel und ihren beiden Kindern, und meine Schwester zu einer anderen Tante und ihrer Familie. Diese ausgedehnten Wochen der Kur hätten für mich fast ein Sitzenbleiben in der Schule zur Folge gehabt, da ich stets behaupte, meine Schulaufgaben gemacht zu haben, was niemand kontrollierte, und ich derweil die Zeit nutzte, um durch Wiesen und Wälder zu stromern. Nur gezielter und intensiver Nachhilfeunterricht in Englisch und Mathe verschonten mich vor dem Paptus. Ob ich meinen Vater und meine Schwester in der Zeit sah, weiß ich nicht mehr. Auch nicht, ob ich mich freute, als unsere Mutter wieder da war, es schien mir eher, als wäre es mir egal.

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Meine zweite Verschickung erfolgte mit 16 in den Schwarzwald nach Todtmoos ins Kinderheim Haus Waldfrieden, das mitten in der Pampa lag.

HIER SOLLTE SICH EINE SKIZZE VON DEM HAUS WALDFRIEDEN BEFINDEN, ABER AUCH SIE WURDE NICHT ÜBERNOMMEN:

Später schrieb ich in mein Fotoalbum: „Meine Schwarzwaldfahrt 1959“. Daher habe ich das wohl mehr als Urlaub empfunden. Ich, dessen Eltern, und damit auch ich, noch nie Urlaub gemacht hatten. Aber wieso sie mich in dem Alter ein zweites Mal verschickten, entzieht sich meiner Kenntnis, schließlich pieselte ich schon lange nicht mehr ins Bett, und zu mager war auch nicht mehr. Womöglich brauchten sie einfach mal ’ne Auszeit von ihrem pubertierenden Sohn.
An die lange Zugfahrt, und wie sie ablief, die Ankunft in Todtmoos, und ob es eine Begleitperson gab, erinnere ich mich auch nicht mehr. Nur daran, dass die ganze Landschaft um das Heim aus grasbewachsenen Hügeln bestand, und dass es in der Ferne dunkel bewaldete Hügel gab. War das der Schwarzwald?
Jedenfalls musste ich, wenn ich in die Stadt wollte, gefühlte zwei Stunden hügelrauf und hügelrunter laufen, bis ich endlich im Ort war. Diese Strapazen sorgten wohl dafür, dass ich bergige Landschaften später mied und die See, das Meer bevorzugte.
Trotzdem nahm ich diesen Marsch, auch wenn ich es anstrengend fand, gerne und oft inkauf, da Todtmoos so anders aussah, als alle Städte die ich kannte. Bis man es mir verbot. Was ich ausgefressen hatte, weiß ich nicht mehr, zumal ich längst ein Autoritätsproblem hatte, das sich allerding hier eher selten zeigte. Ich war eher als Guerilla-Kämper unterwegs, der gelernt hatte, Verbote geschickt zu umgehen, statt zu provozieren. Was aber nicht bedeutete, zum Einzelgänger geworden zu sein, denn ich wollte die Mitbewohner des Kinderheims durchaus kennenlernen. Es gab kleine Kinder, nur wenige Jahre alt, bis hin zu 18jährigen. Ich lag mit meine 16 Lenzen dazwischen und gehörte weder zu den Kleinen, noch zu den Großen, die mich einfach ignorierten. Ich erinnere mich aber an den gleichaltrigen Schorsch, mit dem ich immer wieder etwas unternahm, heute würde man sagen, abhing.
Ich vergesse aber auch nicht, dass die 18jährigen im Treppenhaus einmal einen Tumult verursachten, bei dem sie eine der Helferinnen – die auch nicht älter als 18 gewesen sein dürfte – in eine Ecke drängten und unter Gegröhle betatschten, wie ich aus der Retrospektive annahm. Drumherum wimmelte es von uns Jüngeren, die ebenfalls schrien, ohne zu wissen, was da ablief.
Ob sich das Mädchen wehrte, konnte ich nicht sehen und ob sie schrie, hörte ich bei dem Radau nicht. Auf jeden Fall aber ging der Leiter der Gruppe schreiend dazwischen, und ich kriegte Schiss und sah zu, dass ich wegkam.
Einmal fuhren wir nach Freiburg, und ein andermal in die Schweiz nach Luzern, an den Vierwaldtstättersee. In Freiburg beeindruckten mich die künstlichen Bachläufe. Schmale Kanäle, die überall durch die Stadt liefen, und stellte Jahrzehnte später, bei einem erneuten Besuch der Stadt fest, dass es sie immer noch gab.
Auf der Fahrt zum Vierwaldtstättersee staunte ich über die in den Felsen gehauenen Straßen, und über die Postkarten-Idylle des Sees mit den Bergen und Luzern. Dort klauten wir in einem Devotinalienladen überlange Zigaretten, die einzeln in verschiedenen Farben in einem Korb lagen. Für uns quasi der erste Selbstbedienungsladen. Ob und wo wir sie geraucht haben, oder an die Großen verschenkten, weiß ich nicht mehr, weiß aber noch, dass mir das Herz bei unserer Diebestat so laut klopfte, dass ich annahm, jeder könne es hören.

Etwa in der Mitte meines Aufenthalts bekam ich Besuch von den Pfadfindern aus meiner Heimatstadt, zu denen auch ich damals gehörte. Sie wollten durch den Schwarzwald wandern und hatten versprochen, dass sie vorbeikämen. Und normalerweise, wenn man mich nicht verschickt hätte, wäre ich mit ihnen gefahren. Daher fand ich es schön, dass sie mich besuchten.
Und dann gingen die sechs Wochen auch schon dem Ende zu, und der Leiter unserer Gruppe lud alle, die alt genug waren, zu einem Abschlussgespräch in sein Büro ein. In diesem Gespräch sagte er, dass er von jedem einzelnen wüsste, was mit ihm los ist und dass er ihn einschätzen könne. Doch bei mir hätte er keine Ahnung, wer ich sei und wüsste es auch nach den sechs Wochen nicht. Daher bat er mich, ihm zum Schluss ein wenig von mir zu erzählen. Ich wusste jedoch nicht was und stotterte irgendwas vor mich hin, Dabei wäre ich vor Stolz fast geplatzt, weil ich es geschafft hatte, selbst einem Fachmann ein X für ein U vorgemacht zu haben. Zu gründlich hatte ich gelernt, mich keinem Erwachsenen mehr anzuvertrauen.
Erst Jahrzehnte später begriff ich in meinen Selbsterfahrungsseminaren, welche Chance ich da vertan hatte.
An den Rückweg, die Ankunft zu Hause, ob man mich am Bahnhof abholte oder ob ich allein nach Haus marschierte, und ob und was ich erzählte, erinnere ich mich nicht. Auch nicht, ob die Verschickung irgendwelche Nachwirkungen hatte – wie schon zuvor bei der ersten. Der Alltag hatte mich wieder.
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Martina Uhl aus Nürnber/Meppen schrieb am 07.09.2021
Hallo, ich war zweimal zur „ Kindererholung“ Auf Burg Hoheneck hatte ich furchtbar Heimweh, die Postkatern nach Hause wurden diktiert, die Süssigkeiten konfisziert und unter allen aufgeteilt. In Unterwäsche im Rittersaal anstehen zur Untersuchung. Furchtbar.
In Wyk auf Föhr hab ich die anderen Kinder getröstet, da war ich schon 12. Nach dem Essen in der Liegehalle mit Pferdedecken und Staubwolken eine std schlafen. Strandspaziergänge. Aber es war auszuhalten. Sabine Bischoff hat mich in ihrem Tweed erwähnt, würde mich gerne austauschen. Bin über FB mit diesem Namen zu finden. ( Pferdefrau). Hab auch noch ein Gruppenbild von damals.
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René Schröer aus Bautzen schrieb am 04.09.2021
Guten Tag, über eine Facebook Gruppe bin ich auf Ihren Verein gestoßen und möchte so lange wie ich noch kann einen kurzen Tatsachenbericht über meinen Heimaufenthalt abgeben. Mit 10 Jahren wurde ich in das Spezial Kinderheim Geschwister Scholl in Karl-Marx-Stadt Zwangseingewiesen. An diesen Tag als mich meine Eltern dort hinbrachten und letztendlich auch da ließen kann ich mich als ob es gestern war noch sehr lebhaft erinnern. Tagelanges fast ununterbrochenes Weinen ließ meinen damaligen Erzieher Herr Kruppa wohl ziemlich sauer auf mich werden und dies spürte ich sodann zwei unendlich erscheinende Jahre fast täglich im Wechsel mit noch einem anderen Erzieher im Wechsel. Wenn man als 10 jähriger kleiner, dünner Junge Mittags schon Angst und Zittern bekommt vor dem Dienstantritt des Erzieher das soll schon etwas heißen.Täglich erlebte Gewalt sei es an mir oder anderen Kindern gehörten zum völlig normalen Alltag. Einmal bin ich so derart angegriffen worden von dem Erzieher das ich aus Mund und Nase blutete und mir auch noch in die Hosen machte wofür ich gleich noch extra Schläge dafür bekam. Was hat dieses sehr prägende Martyrium aus mir gemacht? Ich bin im Erwachsenen Alter selbst straffällig geworden, mit einer Gewaltstraft wofür ich sehr lange im Gefängnis gesessen habe. Mit zwei abgeschlossen Ausbildungen und mehreren Weiterbildungen bin ich nicht mehr auf die Beine gekommen. Ich bin völlig verarmt und einsam und möchte eigentlich nicht mehr auf dieser Welt sein. Mehrere Menschen haben mir unabhängig voneinander gesagt das wohl alles irgendwie auch mit meinen so vielen gemachten negativen Erlebnissen in diesem Heim in Zusammenhang steht, was mir natürlich auch nicht weiterhelfen tut.
Dieser Erzieher Herr Kruppa hat auch andere, größere Jungs sexuell missbraucht was mir später von einem Jungen der selbst betroffen ist erzählt wurde.
Nach mehr als 40 Jahren ist diese Geschichte für mich nach wie vor aktuell und werde so auch mit ins Grab nehmen.
Vielen Dank für die Gelegenheit mal etwas darüber zu schreiben.
Liebe Grüße
René Schröer
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Gabi Woiwode aus München schrieb am 03.09.2021
Über dieses Heim habe ich hier bisher nichts gefunden. Und leider erinnere ich mich an so gut wie nichts mehr, allerdings war ich auch noch sehr (!) klein.
Wie in meine anderen Heime auch, wurde ich nach einem KH-Aufenthalt wegen Masern und Scharlach dort "zur Erholung" hingeschickt.
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Christin Hermenau aus Jena schrieb am 02.09.2021
Ich wohnte im betreffeden Zeitraum mit meinen Eltern in Leipzig - damals eine Stadt mit durchgehend bedrohlich schlechter Luft. Wie die meisten Kinder litt ich unter schweren Atemwegsbeschwerden, wogegen mir vor dem Beginn meiner Schulzeit eine 6wöchige Kur verordnet wurde. Soweit ich mich erinnern kann, wurde ich mit einer Vielzahl weiterer Kinder Ende Oktober in einem großen Ikarus-Bus vom Leipziger Hauptbahnhof aus nach Bad Frankenhausen gekarrt. Das Kurhaus liegt auf einer Anhöhe abseits der Stadt, auf mich wirkte es kalt und bedrohlich - letztlich wie das Völkerschlachtdenkmal - und hatte außer der Begrünung nichts einladendes. Zögerlich und desorientiert stand ich allein im Gelände, ein älterer Junger (der in der Abreise begriffen war) half mir ins Gebäude. Weder kann ich mich an nette Erzieherinnen oder andere Fürsorgekräfte erinnern, genausowenig wie an die vielen anderen Kinder - alle sind gesichtslos. Die Atmosphäre war beständig rau und pragmatisch. Ich fand Freude an den Kuranwendungen: Solebäder - jeder kleine Patient in einer eigenen Wanne mit ganz warmer Sole, Spazieren in der Sole-Verdampfer Halle Spaziergänge draußen. Im Gebäude selbst fand ich es sehr kalt, speziell im Bad bzw. Waschraum. Ein riesiger Essenssaal, ein rumpelnder Küchenaufzug, das Essen war halt das was es war. Kein freundliches Wort, Einsamkeit, Verlorenheit - ohne konkret schlechte Behandlung. Im November hatte ich Geburtstag und ich bekam ein Päckchen - mit einem schönen neuen Kleid, Wollstrümpfen, einem Baumkuchen und einer Kuscheltier-Schildkröte und einer Karte. Das Kleid durfte ich an diesem Tag tragen. Stolz und etwas getröstet saß ich am Frühstückstisch, bis man feststellte, dass man mir meine Geschenke wohl zwei Tage zu früh überreicht hatte. Ich musste vor aller Augen alles wieder abgeben und das Kleid musste ich auch wieder ausziehen. Wir Kinder schliefen zudem in der Dachkammer in einem Schlafsaal. Wir machten uns einen Jux daraus uns gegenseitig an den Händen zu fassen und zu versuchen, uns aus dem Bett zu ziehen. Ich plumpste regelmäßig aus meinem Bett, weil ich an der Wand lag und keinen Gegenpart auf der anderen sete hatte. Den Erzieherinnen war das zu bunt. Ich wurde aus dem Raum geschickt, mit meinem Bettzeug und in eine abgelegene Dachkammer beordert, in der ich dann allein lag. Ich sah aus dem Fenster, es war dunkel draußen, es regnete. Eine Frau lief auf der Straße in Richtung Stadt - ich war so verwirrt, dass ich dachte, es sei meine Mutter und sie geht für immer weg. Dann wurde ich krankt und musste ins örtliche Krankenhaus unten in der Stadt. Ein Schlafsaal mit 4/ 5 Kinder-Betten - alle belegt. Ich wurde in ein Gitterbett gesteckt, das Gitter hochgezogen - wenn ich mich nicht täusche sogar ein Gitter über dem Kopf (ich bin aber nicht sicher) - kurzum: ein Käfig. Ich kann nicht sagen, wie lange ich dort bleiben musste. Ich hatte dann noch etliche Zeit im Kurheim und ich weiß noch den letzten Spaziergang im dortigen Gelände - vor der Heimreise und wie unendlich erleichtert ich war. Daheim - so erzählen meine Eltern noch heute - sei ich mutistisch gewesen, habe ich mehrere Wochen kein Wort gesprochen, höchstens ein leises "ja" oder "nein". Es sei nichts aus mir heraus zu kriegen gewesen.
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Silke Kröger-Fröhlich aus Möhnesee schrieb am 02.09.2021
1973 bin ich als achtjährige zusammen mit meinem Bruder (7 Jahre) nach Baiersbronn, Röt im Schwarzwald geschickt worden, weil wir "unterernährt" waren. Das Haus hieß "Haus am Berg".
Bei einer kürzlich stattgefundenen Familienfeier kam das Thema "Verschickungskinder" auf und ich wurde wieder schmerzlich an diesen Heimaufenthalt erinnert. Der Aufenthalt dort war die Hölle. Meinen Bruder hab ich in der ganzen Zeit nur auf den gemeinsamen Spielplatz- Aufenthalten gesehen, der Spielplatz befand sich hinterm Haus. Ansonsten war jeder auf sich allein gestellt.
Vergammeltes Essen, Schläge, unbegründete Bestrafungen, Postzensur, Herabwürdigungen und Demütigungen begleiteten uns quasi täglich. Ich glaube, dass ich hier nicht näher auf Details eingehen muss, weil sich die ausführlichen Zustände mit allen anderen Heimen offensichtlich decken.
Wir würden gezwungen, in unseren Briefen nach Hause alles schön zu reden, ansonsten sind die Briefe nicht rausgegangen.
Mein Bruder und ich haben das Thema ziemlich verdrängt, wir waren nur froh und glücklich wieder zu Hause zu sein. Wie sehr auch mein Bruder gelitten hat, habe ich erst Jahre später erfahren. Wir glaubten allerdings beide, dass es sich um Einzelschicksale gehandelt hat.
Nach unserer Familienfeier haben wir dann beide mal gegoogelt und waren erschrocken, wie viele Heime so "gearbeitet" haben und vieviele Schicksale da dran hängen. Unsere Eltern haben in gutem Glauben und Vertrauen gehandelt. Das Thema wurde sicherlich viele Jahre tot geschwiegen.
Ich bitte um Infos und Links, die dazu beitragen, diese Missstände öffentlichen zu machen.
Vielen Dank, mfG, Silke
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Reinhold Nichau aus Minden schrieb am 31.08.2021
Bis zur aktuellen Aufarbeitung dieses Themas dachte auch ich an Einzelschicksale. Bei der Einschulungsuntersuchung wurde "Untergewicht" festgestellt und eine 6 wöchige Kur angeordnet. Zum Glück habe ich nur wenige Erinnerungen, die vornehmlich aus Heimwehgefühlen, Weinkrämpfen und Ekel vor rotem Früchtetee bestehen. Gewichtsmäßig hat es glücklicherweise nichts gebracht und ich bin mit mehr oder weniger Normalfigur aufgewachsen. Durch zufälliges Treffen mit einem anderen Betroffenen weiß ich von Rückkehr mit Übergewicht.
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