ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN
Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel
Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:
- Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
- Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
- Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen
Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!
Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.
Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.
Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen
Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.: IBAN: DE704306 09671042049800 Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de
Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen
Den Aussagen meiner Mutter zufolge wurde ich dorthin geschickt, auf Anweisung von irgendeiner Stelle.
Zahlreiche inzwischen gelesene Berichte erinnern mich doch an meine Kur.
Direkte Misshandlungen habe ich zwar keine in Erinnerung, wohl aber dass man nachts nicht aufs Klo durfte (ich hab da mal einen Mega-Anschiss kassiert, weil die beiden Erzieherinnen wohl lieber in Ruhe miteinander quatschen wollten).
Auch der Zwang, aufzuessen und “eklige Sachen“ zu essen kommt mir bekannt vor. Zudem gab es beim Essen immer einen Löffel mit ekligem klebrigem Saft, das war wohl Lebertran? Und es gab immer Malzkaffee zu trinken - widerlich!
Therapeutig fragwürdig ist auch, dass man ständig Salzwasser durch die Nase hoch ziehen musste, auch wenn es höllisch gebrannt hat und die Nase knallrot (fast wund) war.
Das Einschneidenste war jedoch, dass ich Mandelstollen essen musste, obwohl ich auf Mandeln allergisch bin und das auch mitteilte. Die Folge war eine Nacht auf der Krankenstation. Dort war ich kurze Zeit später mit einer Virusgrippe nochmal für zwei Wochen. Die Krankenstation war aber gut, dort waren alle immer nett und man durfte nachts sogar aufs Klo.
Ansonsten habe ich die Kur mit Ausnahme des Lehrers, der einen Hauch von Unterricht gab, als kalt und herzlos in Erinnerung. Man war einsam und allein, die Eltern durften einen nicht besuchen (meine waren wohl tatsächlich vor Ort und durften nicht zu mir), man war bis auf wenige Spaziergänge im Heim regelrecht "eingesperrt". Nur der Zusammenhalt unter uns Kindern hat einen irgendwie gerettet.
Nunja, zumindest wurde mein Asthma danach wirklich besser. Aber schön war's ganz sicher nicht...
Ich war ein sehr zartes Baby und Kleinkind und entsprach nicht der Norm des Wirtschaftswunderwonneproppens.
Nach Meinung meines primären und sekundären sozialen Umfelds war ich zu dünn und aß nicht genug. Also wurde ich auf Anraten unseres Haus- und Kinderarztes mit 3 ½ Jahren für acht (!) Wochen zur „Kur“ ins Kinderheim Kniebis im Schwarzwald geschickt, Februar/März 1959, über die Faschingszeit hinweg.
Es ist erstaunlich, dass ich mich immer noch an Einzelheiten erinnern kann, obwohl ich noch so klein war. Wir wurden zum Essen gezwungen und mussten immer alles aufessen. Auch musste das jeweils in einer für mich recht kurzen Zeitspanne erfolgen. Mochten wir etwas nicht, z.B. Blumenkohl, wurden wir in die Ecke gestellt und mussten uns schämen. Ich erinnere mich auch daran, dass wir Erbrochenes wieder aufessen mussten.
Ich muss große Angst, starkes Heimweh und ein Verlassenheitsgefühl entwickelt haben, denn ich habe wieder eingenässt. Die „Tante Lore“, eine der Erzieherinnen allerdings muss lieb zu uns gewesen sein, denn die mochten alle Kinder gern. Die anderen nicht. Nach den acht Wochen Kuraufenthalt habe ich meine Eltern nicht mehr erkannt und gefremdelt. Die haben sich nur gewundert.
Sechs Jahre später war es wieder so weit. Ich war sehr schnell gewachsen und sehr groß für mein Alter. Und viel zu dünn. Und ich aß immer noch zu wenig. Ich war aber keineswegs schwächlich was meine Kondition betraf. Das erwies sich beim Sportunterricht (Leichtathletik) und beim Toben im Freien. Aber mein soziales Umfeld meinte, eine Kur sei nötig. Diesmal wurde ich auf Anraten einer älteren Dame vom Gesundheitsamt oder Schulärztin („Fräulein“ Dr. L.) mit knapp zehn Jahren zu einer sechswöchigen „Kur“ geschickt, 23.02. bis 06.04.1965. Es ging nach Murnau am Staffelsee ins Kinderheim Hochried (heute Kinder- und Jugendpsychiatrie). Dort war man sehr fromm und sehr katholisch. Ich selbst bin evangelisch, wie die meisten Mädchen unserer Gruppe. Wir waren knapp 20 Kinder, die aus der ganzen damaligen Bundesrepublik zusammenkamen. Mitgebrachte Süßigkeiten bekamen wir gleich nach der Ankunft abgenommen.
Jeden Morgen im Frühstücksraum mussten wir vor dem Frühstück lange an unserem Platz stehen bleiben, uns bekreuzigen, katholisch die Hände falten und zum Jesuskreuz schauen, das im Raum hing. Die „Schwester“ sagte: „Wir schauen zum Kreuz!“ Und dann fing sie an zu beten. Und das dauerte! Und dauerte! Einmal bin ich umgekippt. Gebetet wurde vor allen Mahlzeiten. Es gab vier am Tag, nachmittags nochmal eine extra Portion Butterbrote bei einer anderen Betreuerin, die keinerlei Zugang zu uns Kindern hatte und sich auch nicht darum bemühte. Sie passte nur auf, dass wir aßen und unseren Tee tranken. Während der Zeit hatte die Schwester frei. Geschmeckt hat das Essen wohl nicht besonders. Ich hatte jedenfalls noch weniger Appetit als gewöhnlich, sicherlich auch bedingt durch das Heimweh und die Trauer darüber, im Stich gelassen und ausgeliefert zu sein. Einige Mädchen fingen bereits beim Abendessen vor Heimweh an zu weinen. Das war ansteckend. Dass wir zum Essen gezwungen wurden wie im Schwarzwald – daran kann ich mich nicht erinnern.
Die Tage verbrachten wir bei meist wunderschönem sonnigen Winterwetter überwiegend drinnen, machten Spiele, sangen, übten die „Vogelhochzeit“ ein (ich war die Lerche) und führten sie wohl auch auf. Das war alles ganz schön. Ich hätte aber viel lieber draußen im Schnee herumgetollt.
Natürlich schrieben wir auch Tagebuch, welches exakt diktiert wurde. „Im Kinderheim Hochried dürfen wir schöne Tage verbringen…“ Oder wir schrieben Briefe nach Hause. Die mussten wir vorschreiben, dann „korrigierte“ sie die Schwester und wir mussten sie nochmal sauber abschreiben. Wie es uns WIRKLICH ergangen ist und wie wir uns gefühlt haben, durften wir nicht schreiben. Das erfuhren unsere Eltern erst nach unserer Rückkehr („Hätten wir das gewusst, wir haben es doch nur gut gemeint…“).
Wir hatten auch orthopädisches Bodenturnen, was nicht angenehm war. Manchmal gingen wir auch spazieren. Während der langen sechs Winterwochen sind wir nur ein einziges Mal Schlitten gefahren. Das habe ich sehr bedauert.
An den zahlreichen Sonntagen wurden alle evangelischen Kinder des Heims in einem großen Raum zusammengepfercht und bekamen fromme Geschichten vorgelesen. Die Katholen mussten zum Gottesdienst. Auch an Werktagen hatten wir öfter Bibelstunden oder Andachten, die katholischen UND die evangelischen Kinder. Es war Passionszeit und wir hörten immer wieder vom Leiden Jesu und mussten beten.
Kurz vor dem Ende unserer Kur ging die Schwester für jede von uns Mitbringsel einkaufen. Derweil parkte sie uns in einer Kirche. Wir mussten die ganze Zeit in den Bänken knien (!), katholisch die Hände falten, den Blick starr nach vorn Richtung Altar gewandt und sollten beten. Wir durften uns nicht rühren bis die Schwester zurückkam. Das war für uns eine gefühlte Ewigkeit. Dass ich in meinem späteren Leben nicht mehr viel gebetet habe, versteht sich wohl von selbst.
Geschlagen wurden wir nur abends. Wenn wir in den Betten lagen und schlafen sollten, kam die Schwester immer noch einmal unverhofft in den Schlafsaal zur Kontrolle. Leise. Wer es nicht mitbekam und beim Reden erwischt wurde, wurde durchgehauen. „Dreh dich auf den Bauch!“ Dann ging es los. Es prasselten Schläge auf den Po, allerdings „nur“ mit den Händen, je nach Kind unterschiedlich fest – die Schwester hatte ihre Lieblinge.
Wie man sich denken kann, habe ich den Tag unserer Abreise herbeigesehnt und die Tage bis zum 6. April 1965 gezählt. Nach der Kur wog ich ein Kilo weniger als vorher. Ich habe mich in den nächsten Jahren zu einem ängstlichen, schüchternen, introvertierten, kontaktscheuen und unselbständigen jungen Mädchen entwickelt, das immer den Schutz der Eltern suchte. Essstörungen hatte ich bis weit ins Erwachsenenalter hinein.
Ich war jahrelang in Therapie wegen dissoziativer Symptome und bin befragt worden wegen möglicher Missbraucherfahrungen, die dafür die Ursache sein könnten (mir war allerdings nichts bekannt). Beim Lesen der anderen Beiträge frage ich mich, in welchem Umfang die Probleme, die mich jetzt begleiten, ihre Ursache in dieser Zeit hatten.
Dies ist mir in Erinnerung geblieben: Im Speisesaal vor dem Abendessen wurden die Namen des „bravsten“ und des „bösesten“ Kindes verkündet. Nach dem Essen, das schlecht aber kalorienreich war und in jedem Falle gegessen werden musste, las eine der Betreuerinnen Erbauungsgeschichten vor, die ich schon als Zehnjährige verdummend fand – Stichwort: „Kurzes Fädchen, faules Mädchen“ – Ich dachte: „ist doch gut, wenn sich eine Näherin die Arbeit erleichtert und so effizienter arbeitet“. Einmal aber ging es mir zu weit. In der Erzählung, die auf dem Programm stand, werden ein Edelmann und ein Bauer ein Jahr in den Kerker gesperrt. Jeder darf sich aussuchen, was er essen möchte, dies aber jeden Tag. Der Edelmann wählt Rotwein und Braten, der Bauer Wasser und Schwarzbrot. Nach einem Jahr ist der Edelmann wegen des ungesunden Essens gestorben, der Bauer aber verlässt fröhlich sein Gefängnis. „Und was ist die Moral der Geschichte?“ – Leider konnte ich mich nicht mehr an mich halten und sagte in genau diesen Worten: „Die Geschichte ist total unrealistisch. Der Bauer hätte Skorbut bekommen“. Totenstille. Ich wäre vorlaut, altklug und hätte die Geschichte wohl nicht verstanden… - Am nächsten Tag wurde ich zum „bösesten Kind“ erklärt.
Samstag nachmittags sollte man Briefe an die Eltern schreiben. Ich schrieb, wahrheitsgemäß, dass ich manchmal Heimweh hätte. Eine Betreuerin, Annemarie(?), rief mich zu ihrem Tisch. Das könne ich doch nicht schreiben, da würde ich meine Eltern aber traurig machen, ich solle etwas anderes schreiben, sonst werde mein Brief nicht abgeschickt. Ich war absolut entgeistert: Zensur? Sowas gab es wirklich? In einer Demokratie? – Glücklicherweise hatte ich mit meinen Eltern ein Codewort vereinbart, das ich benutzen sollte, wenn etwas nicht ganz koscher wäre. Das schmuggelte ich dann in den begeistert klingenden Brief, der die Zensur passierte.
Dennoch ließ mir die Sache keine Ruhe. Ich unterschlug einige Bögen Papier und schrieb einen echten Brief an meine Eltern. Er begann so: „Wie schlimm findet Ihr es, wenn man nicht die Wahrheit sagt? Schlimm genug. Aber wie findet Ihr es, wenn man nicht die Wahrheit sagen darf?“ – Dann erzählte ich alles. Nun musste ich den Brief nur noch absenden. Das war nicht leicht. Wir selbst hatten keine Briefmarken und mussten stets in Zweierreihen marschieren, flankiert von den Betreuerinnen. Wie hätte man da zu einem Briefkasten kommen können? Es war Zufall, dass uns – als wir an einem Briefkasten vorbeigingen – eine Passantin entgegenkam. Ich gab ihr meinen Brief und bat sie ihn einzuwerfen, was sie tat. Das Mädchen, das in der Reihe vor mir marschierte, drehte sich um und schaute mich grinsend an. Irgendwie war mir klar, dass sie mich verpetzen würde. Das wurde, soweit ich mich erinnern kann, belohnt.
Abends, nach dem Essen verließen alle den Speisesaal, nur ich musste zurückbleiben. Drei oder vier der Betreuerinnen stellten sich im Halbkreis um mich herum und begannen mich zu verhören. „Warum hast du einen Brief heimlich abgeschickt?“ - „Was stand in dem Brief?“ – „Hast du Lügen über uns erzählt?“ usw. Die Fragen kamen so schnell, dass ich gar keine Zeit hatte, auf jede einzelne zu antworten. Zum Schluss meinte ich nur: „Ich habe meinen Eltern geschrieben, was ich in meinem vorherigen Brief vergessen hatte“. Folgen hatte das Ganze für mich seltsamerweise nicht, man ließ mich nur spüren, dass ich ein schlechtes Mädchen wäre. Einige Tage später riefen meine Eltern an und fragten, ob sie „mich da morgen rausholen sollten“. Ob das jetzt ein Fall von Stockholm-Syndrom war, oder mir die Freundinnen, die noch vier weitere Wochen bleiben mussten, leidtaten, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls antwortete ich, dass ich die Zeit bis zum Ende der drei Wochen dort bleiben würde.
Für mich war es vielleicht auch nicht so schlimm wie für die von der Krankenkasse verschickten Kinder – viele davon aus Bayer Familien (Leverkusen, Monheim). Die wurden wesentlich schlechter behandelt. Wenn in den 6-8 Bett Zimmern abends keine Ruhe herrschte, kam „Schwester Rosemarie“, eine alte Frau, die ich als übel in Erinnerung habe. Mir tat sie nichts, aber ich meine mich zu erinnern, dass sie einige geschlagen hat. Musste man auf die Toilette, so stellte sie sich vor einen, um zu sehen, ob man wirklich „musste“. Sie ließ einige Kinder auch nachts zur Strafe auf dem Gang stehen.
Die Gruppe der Betreuerinnen war gemischt, die meisten zwischen 30-40 Jahre alt, nur Schwester Rosemarie war deutlich älter. Es gab eine, an deren Namen ich mich nicht erinnere, die sehr unterkühlt war, Annemarie?, eine andere eher sarkastisch. Eine war offensichtlich eine Praktikantin (Lotte?), die spielte Gitarre, was mich so bezauberte und tröstete, dass ich nach meiner Rückkehr das Gitarrespielen anfing. Lotte litt, das sah man. Ich glaube auch, dass einige andere der Betreuerinnen insgeheim angewidert waren von der Erziehungsphilosophie in diesem Heim, dass sie sie aber mittragen mussten. Betreuer sah ich selten, obwohl es welche gab. Die waren im Jungentrakt eingesetzt – die Geschlechter waren meistens getrennt. Nur draußen am Strand konnte man zusammen spielen. Das Wetter war aber größtenteils schlecht.
Was mich damals schon befremdete, war die Art des Heims, mit dem Taschengeld der Kinder umzugehen. Jedes Kind sollte so 30? 50? DM mitnehmen, vielleicht 10 DM pro Woche?. Das Geld wurde einem bei der Ankunft abgenommen, und man sah es nicht wieder – bis zum Tag vor der Abreise. Dann wurde im Speisesaal ein Basar mit völlig überteuerten Souvenirs aufgebaut und allen bald abreisenden Kindern das gesamte Taschengeld auf einmal in die Hand gedrückt. Die holten nach, was sie wochenlang versäumt hatten und gaben viel, manchmal alles für den angebotenen Tinnef aus.
Als mein Vater mich abholen kam und nur die Kurzversion meiner Erzählungen gehört hatte, das dauerte ca. 30 km, kehrte er um, fuhr die Strecke zurück, stürmte ins Büro der alten Frau Richardsen und brüllte sie zusammen. Ich selbst versuchte noch, ihn zu beschwichtigen, weil mir seine Wut so peinlich war und die alte Dame (die wir kaum zu Gesicht bekommen hatten) so zierlich aussah.
Ob ich traumatisiert wurde durch diesen Aufenthalt, weiß ich nicht, aber von Zeit zu Zeit beschäftigt mich die Episode, und ich bin froh, dass es eine Plattform gibt, auf der man seine Geschichte erzählen kann.
Ich habe Briefe meiner Mutter an mich gefunden, die an das Heim adressiert sind, darum kann ich genaue Angaben machen. Auch werden in den Briefen die Namen zweier Betreuerinnen/Nonnen genannt: Frau Wericke und Frau Hagemüller.
Das Heim wurde von Nonnen, sadistischen Nonnen, in Trachten geführt.
Es fällt mir sehr schwer das alles aufzuschreiben. Die Erlebnisse haben mich schwer traumatisiert und ich leide an einer schweren Posttraumatischen Belastungsstörung und Angststörung. Jahrzehnte war ich wie in einem Dämmerzustand, weil ich nicht wusste, ob es anderen auch genau so erging wie mir, OBWOHL ich genau erinnere, dass auch andere Kinder in dem Heim litten. Aber bei uns gab es keinen Zusammenhalt unter den Kindern, jeder versuchte zu überleben. Ein -Zwei Male bekam ich ein Lächeln von einem älteren Mädchen, das war zusammen mit dem Arzt, das einzige, das ich an menschlicher Wärme dort erfuhr.
Die Nonnen waren erbarmungslos, von absoluter Herzenskälte, Härte und Boshaftigkeit. Sie waren gewalttätig, sadistisch, ohne jegliche Empathie oder Menschlichkeit. Sie waren genauso, wie KZ-Aufseherinnen in Nazi-Filmen mit dem einzigen Unterschied, dass sie nicht schrien, sondern ihre seelische und körperliche Gewalt wortlos oder mit wenigen Silben ausführten. Sie schauten nicht auf uns, wie auf Kinder, sondern eher wie eine Art „Vieh“, dass es zu züchtigen galt, dass aber in ihren Augen keine menschlichen Lebewesen waren, denn mit Menschen müsste man eigentlich mitfühlen.
Ich bin Halbinderin und wurde von den Katholischen Nonnen besonders hart drangsaliert, sie nannten mich nie beim Namen, sondern immer nur „Mischlingsbrut“, „Negerkind“, „Schande“, „Teufelsbrut“, „Gesindel“ usw. Sie sagten, ich sei schmutzig und redeten untereinander, dass ich eine Schande sei.
Die 6 oder 8 Wochen, die ich dort versuchte zu überleben waren ein tägliches Horrorerleben der körperlichen und psychischen Misshandlungen, Erniedrigungen, seelischer und körperlicher Gewalt. Ich durfte keinen Kontakt zu meiner Familie haben, ich hatte nicht nur eine unendliche Traurigkeit in mir und Heimweh, sondern auch eine immense innere Verzweiflung und Todesangst.
Was mir und anderen angetan wurde:
-In der Nacht wurde ich mit harter Hand aus dem Schlaf gerissen oder an den Haaren aus dem Schlafsaal gerissen mit dem Vorwand „Du warst laut“ (Ich habe nie gesprochen, mit Niemandem, außer dem Arzt bei der Visite). Dann brachte mich die Nonne durch dunkle Flure in einen kleinen abgedunkelten Fernsehzimmerraum. Dort stand ein Ohrensessel, eine sehr kleine Couch eine Fernsehtruhe/Schrankwand mit TV und eine Stehlampe. Sie stellte mich mit den Kniekehlen vor den Sessel und sagte mit angsteinflößender, hasserfüllter Stimme „Wenn Du Dich auch nur einmal hinsetzt und ich komme rein und sehe, dass Du sitzt oder schläfst, dann Gnade Dir Gott“.
Damit waren Prügel gemeint.
In gewissen Zeitabständen kam sie oder eine andere Nonne zur Kontrolle. Ich schaffte es nie stehenzubleiben, ich war so müde, sackte immer in den Sessel. Dann preschte eine rein zog mich brutal hoch und schlug mir mit einem Stock oder Holzlöffel mehrmals in die Kniekehlen. Das wiederholte sich nachts mehrere Male. Ich litt unter ständigem Schlafmangel und Entkräftung, entweder schlief ich nicht, weil sie mich quälten oder weil ich vor Angst nicht einschlafen konnte. Im Schlaf entrissen zu werden gab mir ein noch stärkeres Gefühl von Ohnmacht.
Ich hatte auch Angst vor dem Einschlafen, weil ich dort anfing im Schlaf ins Bett zu machen.
Das wollte ich durch wachbleiben umgehen. Zuvor zu Hause habe ich nicht ins Bett gemacht.
Ich leide seitdem schon mein ganzes Leben an Schlafstörungen und vor allem an Einschlafstörungen. Ich zögere das Einschlafen noch heute heraus, bis ich vor Erschöpfung einschlafe. Seit geraumer Zeit nehme ich deshalb Schlaftabletten.
Diese Folter wurde auch tagsüber an mir vollzogen, aber dann in einem Toilettenabteil in den unteren Räumen, da musste ich mit den Kniekehlen vor einer Toilette stehen und durfte nicht auf Klo, obwohl ich musste, oder mich setzen. Wenn ich dann in die Hose machte, wurde ich als dreckiges Kind erniedrigt und beschimpft, auch vor anderen Kindern gezeigt, dass ich in die Hose gemacht hatte. Ich habe noch heute ein ausgeprägtes Schamgefühl, sei es wegen meines Körpers oder einfach wegen mir als Mensch.
-Schlafentzug, nicht auf Klo dürfen, nicht sprechen dürfen, nicht weinen dürfen, viel zu wenig zutrinken bekommen, ohne Grund bestraft werden, unter Zwang aufessen, Drohungen, stundenlanges stehen, aus der Gruppe ausgeschlossen werden (nicht mitspielen, nicht mit nach draußen dürfen), erniedrigt werden vor allen, einzelne Kinder wurden von den Nonnen schlecht gemacht und die anderen Kinder sollten diese meiden, ächten, ausstoßen usw., das alles gehörte zum täglichen Erleben.
-Bei den Mahlzeiten musste alles aufgegessen werden, egal wie sehr man weinte. Wenn ich (oder andere Kinder) mich übergab musste ich mein Erbrochenes essen, auch wenn ich alleine bis zum Abendessen im Speisesaal sitzen musste bis ich fertig war. Ich bekam meist Haferschleim und auch eine sehr fettige, sehr dicke Scheibe Speck die ich essen sollte. Dabei musste ich immer würgen und kaute so lange darauf, sie wurde einfach nicht klein. Wir durften beim Essen, aber auch sonst nirgends sprechen. Alle mussten stumm sein, nur antworten, wenn man etwas gefragt wurde. Aber eigentlich wurde nichts gefragt.
Die Nonnen sprachen nur in kurzem Befehlston „Iss auf!“, „Mundhalten!“, „Keiner geht auf die Toilette“, „Von niemandem ein Ton“ usw.
Es gab einen Jungen, der sich wehrte zu essen. Er war älter und gab anfangs Wiederworte. Vor unser aller Augen wurden der Junge von zwei Nonnen am Stuhl mit den Armen nach hinten festgehalten und die eine weitere stopfte ihm das Essen in den Mund, hielt ihm den Mund zu. Der Junge weinte, strampelte und würgte. Wir waren wie versteinert, es sah aus als ob er keine Luft bekam, ersticken könnte. Es war die pure Gewalt.
-Besonders schlimm empfand ich die wahllosen Bestrafungen, ohne dass es einen Grund gab. Man riss mich einfach aus dem heraus was gerade war und brachte mich in den Keller. Dort waren die Wände mit Kacheln versehen, Waschräume oder Kloräume, etwas in der Art. Dort wurde ich ausgezogen und auf eine Bare oder Brett gelegt, das sich bewegen ließ und festgemacht. Bei diesen Erinnerungen im Keller habe ich immer wieder große Lücken und Szenen brechen ab. Ich wurde mit so viel „Wut“ abgerieben, dass ich rote Schürfwunden am Körper hatte. Immer wieder war die Rede von „Dreck“, „verdreckt sein“, „Dreckiger Mischlingsbrut“. Ich habe damals nicht verstanden, was genau damit gemeint war, woran ich mich schuldig getan hatte. Aber ich verstand, dass es mit meinem anderen Aussehen zu tun hatte, meiner Herkunft und dass ich deshalb an etwas Schuld war.
Ich wurde mit einem Schlauch lange und eiskalt abgespritzt. Sie hielten einfach auf nur eine Stelle. Es waren Höllenschmerzen, ich durfte nicht weinen und schon gar nicht Schluchzen. Ich erinnere, dass ich bei diesen Misshandlungen im Keller immer wieder ohnmächtig wurde.
Ich habe auch Erinnerungen, dass ich dort lag auf dieser Art Bare und meine Füße festgebunden waren und da etwas gemacht wurde, aber diese Szenen brechen bei mir immer wieder an der Stelle ab.
Nach diesen Misshandlungen, aber auch jene in den Nächten im Fernsehzimmer, sagten sie mir immer „Wenn Du das erzählst, bringen wir Dich um“
-Ich empfand das von einer Nonne schweigend durch lange trostlose Gänge mit Jesuskreuzen und Christlichen dunklen Bildern geführt werden, als enorm beängstigend und erstickend. Nie wusste ich „wohin werde ich gebracht“, diese schlimme Ungewissheit. Unbedarft hatte ich anfangs noch gefragt, aber eine Nonne drückte mir den Hals zu und sagte „Du schweigst und sprichst nur wenn Du gefragt wirst“. In meinem Erwachsenenleben habe ich Panikattacken bekommen, wenn ich beruflich abgeholt wurde und einen wichtigen Termin vor mir hatte. Nicht zu Wissen „wo das hinführt“, konnte ich nicht mehr aushalten. Es waren zeitlebens Trigger die mich fühlen ließen, als ob ich zu einer Schlachtbank geführt werde. Ich konnte meinen ersten Beruf deswegen nicht mehr ausüben.
-Oft wurde ich auch an den Ohren gezogen aus einem Zimmer heraus, oder sitzend vom Klo weg, oder einfach so. Es brannte. Am Anfang habe ich so viel geweint. lautlos in mein Bett. Später war ich nur noch regungslos, das Gefühl von weinen war nur noch in mir drin.
Wir durften keinen Mux machen und so wurde aus unterdrückter Traurigkeit innere Isolation und eine schier alles ausfüllende Verzweiflung. Nach einer Misshandlungsattacke habe ich gedacht, dass sie mich zu Tode bringen. Ich hatte so viel Todesangst in diesen Wochen. Noch heute habe ich körperliche Todesangstflutungen, die mit dem älter werden immer mehr wurden, so dass ich dagegen heute ein Medikament einnehme.
Ein Therapieauftrag in meinen 20er Jahren war, dass ich lernen sollte „laut“ zu weinen, also nicht mehr geräuschlos. Bis heute fällt es mir schwer zu zeigen, wenn ich traurig bin, oft habe ich den Vorwurf gehört, dass ich unbeteiligt wirke, dabei war ich innerlich tief Traurig und konnte es nicht rausbringen.
-Ich gehörte zu den Kleinsten, die mit auf Wanderungen mussten. Wir liefen unglaubliche Strecken, Tageswanderungen in Zweierreihen und teilweise an den Händen. Trinkmangel war immer Thema. Wir haben kaum etwas zu trinken bekommen, oft war mir schwindelig in der Sonne. Ich sammelte Spucke im Mund, bis der Mund voll war und ich einen Schluck nehmen konnte. Manchmal biss ich mir in die Backen, damit sich dadurch im Mund Flüssigkeit sammelte.
Ich war körperlich völlig überfordert, entkräftet, weit über meiner Grenze, mir schmerzte der ganze Körper. Ich konzentrierte mich nur auf meine Füße und den Weg unter mir, ich blickte nicht auf, so konnte ich Energie sparen. Seit diesen Tagen habe ich Wandern und lange Spaziergänge zutiefst verabscheut. Auch Sport habe ich immer gehasst, dieses Gefühl den Schmerz des Körpers zu spüren beim Überschreiten von körperlichen Grenzen. Das löst noch heute bei mir ein Gefühl der Verzweiflung, Abwehr und Ohnmacht aus. 20 Jahre später gehörte es zu meinem Therapieauftrag zu üben beim Gehen nicht mehr auf den Boden zu schauen, sondern den Kopf zu heben und die Umgebung wahrzunehmen.
-Ich hatte auch vor den anderen Kindern Angst, denn die Gewalterfahrungen und Unterdrückung wurde nach „unten“ weitergetreten. Jüngere od. Schwächere waren Älteren oder gröberen Kindern ausgeliefert. In meinem großen Schlafsaal waren auch Babykinderbetten mit Stäben. Die Kleinkinder standen in ihren Betten und schrien so entsetzlich, sie taten mir so unendlich leid. Ich musste immer mitweinen. Niemand nahm sie auf den Arm um sie zu beruhigen, ich fühlte schon damals, dass das falsch ist und weh tut. Dann kam eine Nonne gab ihnen was in den Mund oder eine Spritze und dann waren sie still.
-Etwas Positives, an das ich mich klammerte war die Arztvisite. Es gab einen jungen Arzt (zumindest wirkte eher viel jünger als die Nonnen, vielleicht auch nur durch seine Güte),
der sehr freundlich, mild und liebevoll zugewandt war. Ich glaube, wir suchten ihn 1 Mal pro Woche im Arztzimmer auf, er kam dafür ins Heim. Er war wie ein rettender Anker, Niemand sonst sprach so lieb mit einem oder fragte „Na, wie geht es Dir denn?“
Er sprach mich sogar mit meinem Namen an, den ich sonst nicht mehr hörte.
Ich malte mir im Bett und auf dem Gang zu ihm aus, wie alles aus mir herausplatzt und ich ihm alles erzähle und mich an ihn klammere, dass er mich retten soll, mitnehmen zu meiner Mutter.
Doch auf dem Weg der langen Gänge sagte die Nonne so eindringlich böse: „Wehe Dir Du sagst was, wage es Dich...!“
Sie stand bei der Visite immer schräg hinter dem Arzt und blickte streng auf mich.
Auf die Frage des Arztes brachte ich nur ein „gut“ heraus, dann verstummte ich wieder.
Und ich verabscheute mich selbst dafür, dass ich mich nicht getraut hatte, um Rettung zu flehen.
Ich bekam bei der Visite immer mehrere Becher mit Flüssigkeiten, die ich trinken musste. Eine davon war dickflüssiger und rosa. Noch heute verspüre ich Widerwillen gegen ähnlich anmutendes.
Meine Mutter schrieb in einem ihrer Briefe an mich „Ist die Impfstelle an Deinem Arm angesehen worden?“.
Ich weiß nicht, was da geimpft wurde.
Das Highlight war, dass jedes Kind sich nach der Visite aus einem Glas so viel Bonbons mit einer Hand nehmen durfte, wie es greifen konnte. In meine Hand passten 3 und er gab mir noch eins dazu. Sie waren länglich und darauf waren die Früchte abgebildet, die die Geschmacksrichtung zeigten.
Da dort sehr Vieles von den Kindern geklaut wurde, habe ich die Bonbons, die für mich eine liebevolle Umarmung symbolisierten nicht gegessen, sondern wie Gold gehütet aufbewahrt und unter meinem Bett versteckt. Am nächsten Morgen waren sie weg, geklaut. Das hat mir sehr weh getan. Für mich war es Trost und Hoffnung, die man mir stahl.
Ich habe wochenlang nicht gesprochen, bin regelrecht verstummt.
Als ich wieder zu Hause war, bin ich ein verstummtes Kind gewesen über Jahre. Still, stumm, scheu, schüchtern, mit dem Gefühl, dass ich nicht richtig bin und schuldig, dreckig, weil ich anders bin. Zuvor hatte ich nie Rassismus erfahren. Nie, im Gegenteil, ich war exotisch und gern gesehen.
Durch die Geißelung der Nonnen nicht reden zu dürfen, habe ich darüber zu Hause nicht gesprochen.
Habe niemandem davon erzählt. Wollte meinen Eltern keinen Kummer machen.
So bin ich indoktriniert worden das perfekte Opfer zu sein, das schweigt, sich schuldig fühlt. Dieses Opferverhalten hat mich im weiteren Verlauf zu einem gefundenen Fressen für Täter gemacht.
-Eines Tages kamen meine geliebte Oma u. Opa auf der Durchreise in den Urlaub, um mich zu besuchen. Man sagte ihnen, dass ich auf einem Ausflug war, ob das stimmte, weiß ich nicht. Sie trafen mich nicht an und hinterließen mir einen riesigen Karton mit Süßigkeiten. Der Inhalt wurde mir gezeigt, aber mir nie gegeben, sondern es wurden daraus für jedes Kind EIN Weingummi verteilt, auch für mich, der Rest wurde einbehalten.
Diese Verzweiflung in mir, dass ich meine Fluchtmöglichkeit versäumt hatte, zerriss mich förmlich. Ich brannte innerlich vor Verzweiflung, stellte mir tage -und nächtelang vor, wie ich mich schreiend und weinend an meine Oma klammerte und schrie „nimm mich mit!!!“, oder wie ich auf der Straße hinter ihrem Auto her renne, um sie noch einzuholen. Zwecklos.
Das habe ich jahrzehntelang danach auch nachts immer wieder geträumt...zwecklos hinter dem Auto her rennen.
Von da an war meine Depression im Verschickungsheim noch tiefer. Mein weites Gefühl von Alleinsein auf der Welt. Verlassen, Vergessen, Verloren, Ausgeliefert.
Erst im Erwachsenenalter, als bei mir Depressionen diagnostiziert wurden, verstand ich, dass ich im Verschickungsheim meine erste Depression hatte. Nichts anderes war das.
Bei den Singspielen im Kreis auf der Wiese vor dem Heim habe ich starr gestanden, wie weggetreten und auch nicht mitgesungen. Auch erst Jahrzehnte später habe ich durch Therapie verstanden, dass ich mich dort als Traumatisierte in einem dissoziativen Zustand befand. Überfordert, „weggetreten“.
Ich erinnere die anderen Kinder bei den Singspielen ausgelassener und fröhlicher als ich es war, aber das kann auch an meinen inneren Isolationsgefühlen gelegen haben.
Erst mit 15 Jahren, als ich eine Essstörung mit Erbrechen bekam, Depressionen, Suizidgedanken und Wutanfälle, erzählte ich meiner Mutter von den Heimerfahrungen, die ich mit der Essstörung regelrecht „auskotzte“.
Ich litt in der Kindheit u. Jugendzeit und auch heute noch unter Alpträumen von den Ordensschwestern, vor allem von den besonders bösen mit diesen „Schwalbenflügeln“ auf dem Kopf. Meine Mutter war davon sehr betroffen und bereute mich dorthin geschickt zu haben, sie tat es im Glauben mir etwas Gutes zu tun. In Ihren Briefen an das Heim schrieb sie den Nonnen, dass sie Sehnsucht nach mir hätte, aber dass es wahrscheinlich besser sei, dass ich das nicht weiß.
Es gab ja vom Heim Kontaktverbot, „damit wir Kinder nicht leiden“.
Mutter schreibt in einem Brief die Frage an mich:
„Hast Du die letzten Briefe selber geschrieben?“
Was natürlich töricht war, da ich vor der Einschulung nicht schreiben konnte. Es zeigt aber, dass die Inhalte der Briefe nicht zu mir passten und das dies bei ihr Fragen aufwarf.
Natürlich wurde alles in den Briefen blendend beschrieben, z.B. auch, dass ich angeblich „so viele Freunde gefunden hätte“.
Bis heute mit fast 50 Jahren habe ich massive Probleme zu vertrauen. Die innere Isolation, das „innere Alleinsein-Gefühl“ zu anderen habe ich leider nie wirklich auflösen können, trotz Therapie. Mein Leben war durch die Misshandlungen immer eingeschränkt. Ich bin voller Trigger.
Ich kann nicht ohne Angst in Keller oder Gänge gehen. Ich habe eine Abscheu, Ekel, einen regelrechten Hass gegen alles was mit Kirche zu tun hat. Devotionalien, Nonnen, Pfarrer, Kirchen, Jesuskreuze usw.
Ich kann nicht nach Bayern fahren, weil mich ein ablehnendes und bedrohliches Gefühl in dieser Landschaft überkommt.
Wenn ich Gewalt an Kindern sehe oder Filme aus dem Nationalsozialismus, friere ich ein, werde steif und verstumme, wie gelähmt.
Erst 3 Jahrzehnte später, als ich eine Dokumentation über Foltermethoden im dritten Reich gesehen hatte, habe ich verstanden, dass auch ich in Teilen nach diesen Methoden drangsaliert und gefoltert wurde.
Alles was mit „Bett und Schlafengehen“ zu tun hat, ist für mich leider täglich schwierig.
Kaltes Wasser ist für mich unerträglich. Seit dieser Zeit erstarre ich, wenn kaltes Wasser an meinen Körper kommt oder ich werde aggressiv.
Kinderspiele wie „Nassspritzen“ kann ich bis heute nicht aushalten. Mein Kind hat nie verstanden, warum ich so extrem darauf reagierte, vieles, besonders unvorhersehbares, konnte ich mit ihm nicht unbeschwert machen.
Mein Kind durfte nie bei anderen schlafen oder mit auf Ferienfahrten, erst ab einem Alter von 12 Jahren ließ ich es bei Vertrauten unter eigener großer Anspannung übernachten.
Die seelischen Misshandlungen durch Nonnen im Jugendkurheim St.Michael in Immenstadt/Allgäu in Bühl am Alpsee, hat nicht nur mein Leben geprägt, sondern es hat mein ganzes Leben bis heute mitbestimmt und eingeschränkt. Es hat die Unbefangenheit meiner Kindheit, meines Lebens und einen großen Teil meiner Kinderseele zerstört.
Kinder wie wir, hätten im Anschluss in jungen Jahren therapiert werden MÜSSEN, damit wir eine Chance gehabt hätten, die Gräueltaten zumindest zeitnah und dadurch in Teilen zu verarbeiten.
Wer hatte und wer hat das Leid so vieler Kinder zu verantworten?
Ich will das wissen!
Wer hat mit dem Leid so vieler Kinder Geld verdient?
Wer hat sich der unterlassenen Hilfeleistung und fehlenden Kontrollen schuldig gemacht?
Wer hat diese Nazi-Nonnen sich an unschuldigen Kindern vergehen lassen?
Ich will Antworten!
Wer steht in der Verantwortung einen Teil dieser Kinderverbrechen „wieder gut zu machen“?
Wenn nicht akribisch aufgearbeitet wird, wenn so viel genommen und angetan wurde und nichts zurückfließt, dann kann nichts wirklich heilen und damit verwehrt man mir, meine Würde wiederherzustellen, die man mir genommen hat.
Ich fordere Aufklärung!! – Denn bei Trauma heilt Zeit keine Wunden!!!
Meine Vorstellungen von einer guten Zeit dort wurden unmittelbar mit Ankunft in dem prächtig anmutenden Gebäude zerstört. Unsere Reisegruppe wurde in dem schallenden Treppenhaus sofort mit harschem Befehlston zum Schweigen gebracht.
Geschlafen wurde in einem Saal mit rd. 30 Betten, es gab keinen Platz für persönliche Dinge. Nachts hörte ich andere wimmern und weinen. Bekam das die Aufsicht mit, wurde im Kommandoton sofort zur Ruhe gerufen. Tröstende Worte gab es nicht. Im Flur vor der Tür saß abends die wachhabende Schwester, die unsere Briefe las, man hörte das Rascheln des Papiers. Es war aussichtslos, Wünsche darin zu äußern. Anmerkungen der Schwestern informierten dahinein, dass Päckchen /Geschenke nicht an uns ausgehändigt würden. Ich versuchte es dennoch mit einer dringenden Bitte nach einer eigenen Schürze. Ich bekam keine.
Auf den Spaziergängen suchte ich vergeblich nach einem Briefkasten, um von den Schwestern unbemerkt und eine von ihnen ungelesene Nachricht nach Hause schicken zu können. Mangels Briefmarken oder Taschengeld blieb es bei der Phantasie.
Der Tagesablauf war fast immer derselbe; er begann mit Gebeten, oft in der eiskalten Kirche, wo man eigentlich nur damit beschäftigt war, gegen den Frost anzuzittern. Es kam vor, dass ein Kind dort bewusstlos wurde. Später wurde entweder spazieren gegangen und Handarbeit verrichtet, braune oder blaue Plastiksteile zu kleinen Tieren zusammenzunähen, ungeeignet sie zu mögen. Stillarbeit. Ständig unter Beobachtung. Meinen Bruder habe ich in den 6 langen Wochen 1mal hinter einer Gittertür kurz gesehen.
Wir wurden regelmäßig gewogen, bei mir ohne Veränderung. Drei -oder viermal wurden wir ärztlich untersucht. Angeblich hatte ich auffällige Herzgeräusche, was sich, wieder zu Hause, als unzutreffend herausstellen sollte.
Es waren mit die dunkelsten Wochen meiner Kindheit in einer Verwahranstalt und schwarzer Pädagogik. Nächstenliebe, Zuwendung und Vertrauen gab es in diesen Mauern für uns Kinder nicht. Stattdessen Drill, Kälte und verletzte Kinderseelen.
ich wurde mit meinem Bruder der 3 Jahre jünger ist als ich, damals in so ein Verschickungsheim geschickt. Ich kann mich nur noch an fetzten erinnern was sehr komisch ist, dafür kann sich mein kleiner Bruder an viel mehr erinnern an viele negativen Situationen. Vll verdränge ich es auch. Ich bitte die Leute die dieses lesen und auch zu diesem Zeitpunkt dort waren dazu mit Informationen zu geben Bilder, Erinnerungen egal was. Bitte schreibt mich an.
Erinnern kann ich mich daran, dass ich mich dort die ganze Zeit verängstigt und einsam gefühlt habe. Ich wurde von anderen Kindern im Schlafraum geärgert und meine zwei Stofftiere eines Nachts hin- und hergeworfen und dabei kaputtgemacht. Ich erwachte am nächsten Morgen allein in einem anderen Zimmer. Wie ich dorthin gekommen bin, weiß ich nicht. Meine Stofftiere hatten die Tanten in meinen Koffer auf dem Schrank getan, sodass ich nicht mehr drankam.
Ich erinnere mich außerdem daran, dass ein Junge sich von hinten an mich anschlich, als ich im Sand hockte, und mir eine Vogelbeere mit den Worten „Stirb!“ in den Mund drückte.
An Strafen von Seiten der Tanten erinnere ich mich nicht. Aber auch an nichts Herzliches, kein Kümmern, kein Gesicht ist mir in Erinnerung geblieben.
Woran ich mich noch erinnere, ist, dass die Post im Beisein aller Kinder vorgelesen wurde, die Pakete wurden ebenfalls vor allen geöffnet und Süßigkeiten verteilt. Man durfte nicht ungestört mit seinen Eltern telefonieren, immer stand eine Tante hinter einem und hörte zu.
Zu trinken gab es einen ekeligen Kakao mit Haut drauf.
Meine Eltern haben mir erzählt, dass sie mich, als sie mich vom Bahnhof Hamm abgeholt haben, kaum wiedererkannt hätten. Ich hätte zugenommen und seitdem viel „vernünftiger“ geredet, vorm Essen gebetet und meine Kleidung gefaltet. Daran kann ich selbst mich nicht mehr erinnern.
Auch, wenn vieles aus diesen elf Wochen im Dunkeln liegt, kann ich nur sagen, dass sie mich negativ geprägt haben. Seitdem habe ich oft Einschlafprobleme, starke Ängste und eine Zwangssymptomatik entwickelt.
Letztes Jahr waren mein Partner und ich in Norddeich und alleine das Wissen, dass Norderney an der gegenüberliegenden Küste lag, führte bei mir zu Übelkeit und Unruhe. Wir haben den Kurzurlaub dann vorzeitig beendet und sind nach Hause gefahren.
Das Kurheim (Norderney) wurde von Nonnen geleitet, den Namen weiß ich nicht mehr.
Auf jeden Fall sind die Erinnerungen daran traumatisch.
Beim Essen wurden alle gezwungen aufzuessen. Wenn ein Kind sich übergeben hatte, wurde das Erbrochene zur Seite gewischt und es musste weiteressen. In der Nacht im großen Schlafsaal saß in der Tür eine Nachtwache, die die Kinder bestraft hat wenn sie nicht geschlafen haben. Ich erinnere mich daran,dass ich eine Nacht hinter der Tür stehen musste, weil ich aufgestanden war um ein Stofftier aufzuheben, das einem kleineren Kind aus dem Gitterbettchen gefallen war.
Als meine Mutter mich nach 12 Wochen am Bahnhof abgeholt hat, habe ich meine Eltern nicht mehr erkannt. Aus Erzählungen weiß ich dass mein Großvater den Zugang dann zu mir gefunden hat.
Der Mensch ist gut in der Lage schlimme Erfahrungen tief zu vergraben. Aber einiges kommt doch wieder hoch.
Auf jeden Fall habe ich meine eigenen Kinder nicht alleine zur Kur geschickt, sondern die Variante Mutter/Kind Kur vorgezogen.
So grausam es klingen mag: ich bin fast erleichtert, die
teilweise erschütternden Berichte meiner Leidensgenoss*innen hier zu lesen, denn nun weiß ich, daß
ich mit meinen Erlebnissen nicht mehr alleine bin. Damals (1961) hat mir aus meinem Umfeld niemand gelaubt, und meine Eltern haben wütend auf meine Berichte reagiert- nach der bewährten Prämisse es Kann nicht sein, was nicht sein darf.
Erschreckend finde ich, daß die hier geschilderten Ungeheuerlichkeiten so lange vorborgen blieben, obwohl es doch viele Übereinstimmungen gibt, die darauf hinweisen, daß es sich nicht um vereinzelte Lügen oder Übertreibungen handeln kann.
Auch ich mußte Erbrochenes wieder essen und schon der Anblick von Griesbrei löst bei mir Ekel aus. Auch ich habe die Bestrafung durch Demütigung und Erniedriung erfahren, die für mich schlimmer war, als die körperliche Züchtigung- dafür gab es extra eine Rute, die gut sichtbar mahnend an der Wand hing.
Sehr schlimm, weil es so nachhaltige Spuren in den emfindsamen Kinderseelen hinterläßt, fand ich die Unterteilung der Kinder in Gute und Böse. Während die Guten belohnt wurden, z.B. mit extra Nachtisch wurden die Bösen, zu denen ich gehörte, permanent bestraft, mit Spielverbot, stundenlangem Stillsitzen ohne Anlehnen, auf einer Bank, die im Flur stand wo es zu dieser Jahreszeit eisig kalt war. Wir Bösen mußten abends besonders lang vor einem großen Kruzifix, das in einer Ecke hing, im Schlafanzug mit nackten Füßen stehen und beten. Ich erinnere mich, daß bei dieser Prozedur einmal ein Junge ohnmächtig zusammen brach, was von den "Schwestern" mit der Strafe Gottes begründet wurde. Damals habe ich meinen Glauben an den "lieben Gott" verloren.
In gruseliger Erinnerung sind mir auch noch die so genannten Krampusse, die zu dieser Zeit (Advent) durchs Berchdesgardener Land marodierten, um mit ihren Angst einflößenden Hörnermasken abends in die Fenster zu glotzen um die Kinder zu erschrecken.
Abschließen möchte ich meinen reduzierten Bericht mit der Mahnung- nicht nur an Eltern: nicht der Mensch ist
schlecht, böse, kriminell, sondern die Lebensumstände, die ihn dazu machen- niemand wird als Verbrecher oder Psychopath geboren. Nicht der ganze Konsumramsch, nicht die Karriere, sondern Kinder sind das wertvollste und schützenswerte was die Menschheit hervor bringt.
ich war 2 x 6 Wochen im karlsruher Kindersolbad Donaueschingen (Träger: Stadt Karlsruhe) zum ‚Auffüttern‘, da ich deutliches Untergewicht hatte, mit ca. 8 Jahre und 13 Jahre.
Mir ging es da im Grunde gut, hatte kein Heimweh, aber auch keine Schule (seltsam, wäre eigentlich sehr sinnvoll gewesen, den der Tag war lang.)
Ich erinnere mich daran, dass es immer um Gewichtszunahme ging, das wurde sehr beachtet und es gab da einen kleinen Wettbewerb, wer die meisten Kilo zunahm.
In diesem Zusammenhang habe ich eine schlechte Erinnerung, verbunden mit Zwang:
Es gab häufiger sogenannte ‚Arme Ritter‘: Brot geröstet in Fett, was wir nicht gerne aßen. Einige Jungen kamen auf die Idee, diese im WC zu entsorgen, was heraus kam.
Unter Druck und Aufsicht mussten die ‚Täter‘ dann eine neue Portion essen. War ekelig und sehr unangenehm, aber auch, bei einer Tat erwischt worden zu sein.
In Erinnerung habe ich auch, dass es Mädchengruppen gab.
Ich wurde später Sonderschullehrer, über diese Brille war außer diesem Vorfall die Aufenthalte für die meisten von uns Kriegs- und Nachkriegskinder (viele wie ich aus beengten und prekären Verhältnissen) ein Segen. Klare Struktur, viele Aufenthalte im Freien: Ausflüge, Wanderungen, Sport auf dem Gelände, gute medizinische Kontrolle und Versorgung. Geleitet von ‚Schwester Oberin‘, die uns jeden Abend zum Abendlied in ruhiger Atmosphäre ins Bett verabschiedete. (‚Keiner schöner Land in dieser Zeit...‘)
Geleitet wurden die Gruppen von Erzieherinnen aus der Stadt Karlsruhe. Eigentlich alles normal.
2 x pro Woche mussten wir in Holzwannen mit ‚Sole’ steigen, machten da geleitet Wortspiele. Danach 2 (!) Stunden ruhen im Bett. Sollte wohl der Gewichtszunahme dienen.
Als Ältere mussten wir den Kleineren morgens die Betten machen. Darüber bekam ich mit, dass es nicht für alle so gut verlief: Es gab Bettnässer. Wie mit diesen Kindern umgegangen wurde, kann ich nicht sagen.
Auch ich gehöre zu diesen Verschickungskindern. 1970 eher 1971 wurde ich im Alter von 8 Jahren ins Kloster Wessobrunn nach Bayern über Ostern für 6 Wochen zur „Erholung“ geschickt. Ich hatte es immer wieder mit den Bronchien.
Geführt und regiert wurde es von Nonnen.
Als 8jährige kam ich in einen großen Schlafsaal mit 20 bis 30 Kindern. Während der Mittagszeit (ruhen im Bett) und in der Nacht durften wir nicht zur Toilette. Ein Töpfchen für den Notfall stand im Raum. Aber wer setzt sich schon auf einen Topf, wo 20 bis 30 andere zugucken.
Ich durfte mir mein Brot nicht selber schmieren, weil ich kein Messer haben durfte. Ich wäre zu klein.
Beim Essen durfte nicht geredet werden.
Es musste alles gegessen werden, was auf den Tisch/Teller kam, ob man es mochte oder nicht.
Einmal, nach dem Sport bei warmem Wetter, hatten wir Durst und tranken aus dem Wasserhahn. Danach mussten die, die sie erwischt hatten, ihren Kuchen (und der war sehr trocken) und das Abendbrot ohne Getränk zu sich nehmen. Und man war erst fertig, wenn der Teller leer war.
Ein Osterpaket von meiner Patentante wurde geöffnet, der Brief vorgelesen und der Inhalt an alle Kinder verteilt. Ich glaube, ich habe nichts davon bekommen und kam mir wie ein Schwerverbrecher vor, weil ich ein Paket zu Ostern bekommen habe. Überhaupt war Post nicht erwünscht weder in die eine noch in die andere Richtung. Als Grund wurde vorgeschoben, dass wir sonst Heimweh kriegen würden. Alles was geschrieben wurde, wurde zensiert und auch die Post von zu Hause wurde vorher gelesen. Ein älteres Mädchen (15 oder 16 Jahre) hatte es geschafft, einen Brief rauszuschmuggeln. Ihre Eltern kamen zur Kontrolle und gingen wieder und danach wurde dieses Mädchen zu uns kleinen in den Schlafsaal verlegt mit der Begründung, sie hätte ihr Bett nass gemacht und dann gehört sie eben zu den kleinen.
Als es dann ans Kofferpacken ging für die Nachhausefahrt, haben mir die Nonnen den größeren meiner beiden Koffer so voll gepackt, dass der kleinere zur Hälfte leer blieb. Diese musste ich dann über 3 Etagen über die Treppen bis in den Keller zum passenden Buchstaben für den Wohnort bringen. Hier hat mir ein älteres Mädchen geholfen, aber nur bis zum letzten Absatz, damit die Nonnen nicht gesehen haben, dass sie mir geholfen hat. So musste ich nur die letzten Stufen und etwas mehr als das halbe Alphabet bis zum „P“ hinter mich bringen. Das Problem war dann nur, dass die Nonnen mir nicht glauben wollten, dass ich aus Paderborn bin und sie wollten mich nach Österreich schicken.
Jeden Tag Psychoterror, bloß nicht Auffallen war die Devise weder negativ noch positiv. 6 Wochen waren unendlich. Woran ich mich erinnere, ist, dass unter den Kindern ein guter Zusammenhalt war und das war auch das, was mich durchhalten ließ. Und ein Lichtblick war eine junge Betreuerin, die öfter mit uns spazieren ging. Die war immer sehr freundlich.
Fazit: Meine Kinder, obwohl erst nach diesen Jahren geboren, gingen nicht alleine ins Krankenhaus, sondern nur in meiner Begleitung und Kur ging nur über ambulante Vorsorgekur. Was anderes kam für mich nicht in Frage. Und auch für mich wäre eine Reha der Albtraum, ich hoffe, ich werde nie eine brauchen.
Ich war 6,bekamm einen Rucksack ,warme Jacke und man brachte mich nach Duisburg zum Hauptbahnhof.
Ich merkte das irgendwas nicht stimmt.
Ich weinte ,mein Bater wurde sauer.
"Ruhe jetzt,hör auf zu flennen"
Am Bahnhof angekommen klammerte ich mich am Vater fest.Mit Gewalt riss er mich los und schubste mich in den Zug.
Ein Abteil voller Kinder eine fremde Frau die mich entgegen nahm,ein Vater der ohne Abschied schnurstraks aus dem Zug ging und mich alleine ließ.
Einfach so.
Ich habe geschrien und bitterlich geweint.Ich wriss es noch so genau.
Der Zug fuhr los,und ich hatte fürchterliche Angst.
Ich setzte mich zu einem Jungen den ich aus meiner Stadt kannte, ich glaube es halfen mir ein bisschen ihn um mich zu haben.
Er war vertraut.
Im Kurgebäude angekommen,trennten sich unsere Wege,junge und Mädchen wurden getrennt
In meinem Zimmer waren wir zu dritt
Eine Maike war mit im Zimmer,sie ärgerte mich ständig,zog mir Nachts in den Haaren.
Den gesamten Aufenthalt war ich nur traurig,
Mir fehlten meine Eltern.
Ich kann mich an Dinge erinnern die schlimm waren,wie zb das man erbrochenes essen musste
An einsperren
An bloss Stellen
An Gefühlskälte
An Untersuchungen im Arzt Zimmer die komisch waren
Aber ich habe auch einige wenige schöne Erinnerungen, wie zb die schöne Landschaft,die schönen Lieder die gesungen wurden
Die Bastelarbeiten und die Geschichten die erzählt wurden
Zuhause angekommen hatte ich das Bertrauen zu meinen Eltern verloren.
Es blieb für immer.
Meine Psyche hat sich den erlebten gegenüber gesperrt
Kenne nur noch zwei Namen von den "Tanten" Eine hieß Marian war sehr berüchtigt und Maria war sehr nett für diese Verhältnisse dort. Was sich gut in mein Gedächtnis einprägte war die berüchtigte Haferflockensuppe zum Frühstück und furchtbares Heimweh in der Anfangszeit
Mein leiden wegen dem ich dort war hat sich leider nicht verbessert.
Das ist erst mit 7 Jahren besser geworden
Stattdessen hatte ich, als ich wieder daheim war, Minderwertigkeitsgefühle, Aufmerksamkeitssyndrom, einen leichten Sprachfehler, suchte immer Bestätigung, angst im Dunkeln und Verlust Ängste
Wurde quasi zum Einzelgänger vertraue fast niemanden
Dies hat sich zum Glück alles wieder ohne fremde Hilfe soweit gelegt das ich gut mit umgehen kann. Heute weiß ich das es Traumatische Erlebnissen von dem Heim sind. Den Namen Kinderparadies hat es bestimmt nicht verdient
Erstes Heim Schloß Heltorf bei Angemund. In Düsseldorf am Graf-Adolf-Platz wurden wir in die D-Bahn gesetzt, mit einem großen Koffer mit Zeug für zwei Monate. Die Bahn hielt in Angermund und wir Kinder durften unsere schweren Koffer über mehrere Kilometer zum Schloß schleppen. Beim Eintreffen im Schloß wurden wir von Nonnen empfangen und ich wurde mit schweren Bauchschmerzen in ein separates Zimmer gelegt, wo ich drei Wochen alleine das Bett hüten durfte. Nach drei Wochen durfte ich zu den anderen Kindern und wir wurden jeden Tag durch die frische Luft über die Felder getrieben. Dabei trugen wir schwere Wanderschuhe. Da die Schestern immer kontollierten, ob die Socken von den Aufseherinnen auch frisch gewaschen waren, wurden uns die Socken nach der Kontrolle direkt abgenommen und wir mussten mit nackten Füßen in den Schuhen wandern. Das Ergebnis: schwere Veriterungen an den Füßen, die am linken Fuß zu einem Überbein gewachsen sind, Mußte später operativ entfernt werden. Zu meinem Bauch hat ein Arzt später festgestellt, duch die Überlastung auf dem langen Trageweg, hatt ich einen Nabel- und Leistenbruch, der unversorgt verwachsen war. Nicht zugenommen, Gewicht verloren, genau so wie meine Gesundheit.
Zweites Heim: Bad Salzuffeln. Statt gutem Essen , jeden zweiten Tag in die Salzbäder. Ergebnis : nach vier Wochen zehn Kilo verloren.Soweit das Aufpäppelm.
Drittes Heim: In der Nähe von Hilden. Essen ganz ordentlich aber kaum Zuwendung und daher großes Heimweh. Jeden Tag nur der Gedanke, wie komme ich von hier weg. Briefe und Telefon alles verboten.
Meine Mutter war Kriegerwitwe und mußte arbeiten, daher kaum Zeit vür uns Kinder, da waren die Angebote der Stadt für sie hilfreich, für uns eine einzige Qual. Bis heute noch Folgeprobleme.
An was ich mich erinnere, war die Grausamkeiten und die "Zucht", die es dort gab.
Jedes, also wirklich Jedes, Essen musste man essen und zwar, den Teller leer essen.
Wer nicht konnte oder wollte oder die Mahlzeit nicht mochte, musste am Tisch sitzen bleiben, bis er/sie alles aufgegessen hatte. Egal, wie lange es dauerte.
Wer sich übergeben musste und sich ins Essen erbrach, "durfte" das Ganze aufessen. Wenn es sein musste, mit etwas "Hilfe". Die (ich schreibe mal) Schwestern haben unter Zuhilfenahme von Gewalt den Mund geöffnet und mit Gewalt den Löffel oder die Gabel mit der Speise eingegeben.
Wer "unartig" war, und Kinder sind nun mal nicht immer lieb und artig, wurde geschlagen oder in die Schuhkammer eingesperrt oder musste nachts alleine im riesigen Schlafsaal nächtigen.
Toilettengang war zum letzten Mal so ca. 19:00 h/20:00 h und wehe, man musste vl. später noch einmal zur Toilette.
Das wurde bestraft. Vor lauter Angst, meldete man sich nicht und nässte ein und DAS wurde dann auch bestraft.
Egal, was man machte, Strafen gab es täglich, stündlich, immer !
Ich habe oft die "Schwestern" vor meinem Auge. So adrett und in einem weissen, stark gestärktem Schürzchen und der weissen Haube.
So lieb und nett anzusehen. Aber sie waren der Teufel in persona.
Schläge mit allem, was man zu fassen bekam. Tennisschläger, Schuhe, Hände, Stöcker,.....
Einsperren in dunklen Räumen.
Die Gegend dort war wirklich schön und wenn man sich hätte so bewegen können, wie man wollte, wäre das eine schöne Zeit gewesen.
Spaziergänge in Viererreihe; vorne die kleinsten und hinten die grössten Kinder. Um diese Kinder ein Seil, welches am Ende von jeweils einer Schwester festgehalten wurde.
Vorwärts im Gleichschritt und ein gar "lustiges" Lied auf den Lippen. Also, Marschlieder; wie bei der Bundeswehr oder der Wehrmacht ?!
Wir bekamen auch Penicillin-Spritzen, während des Aufenthaltes. Täglich.
Wie das vor sich ging ?
Es wurde am Ende des Speisesaals ein Hocker aufgestellt. Man war in Reih' und Glied. Am Hocker, Hose, Strumpfhose oder dergl. herunter, über den Hocker beugen und WUMMS, wurde die Spritze gegeben. Das tat höllisch weh !
Hier war auch egal, ob Junge oder Mädchen. Es gab KEINE Trennung der Geschlechter.
NIE !
Dort hatte ich auch meine Mandel-OP.
Wenn man jetzt denkt oder meint, ach, das ist doch nicht so schlimm. DOCH, war es.
Ich wusste nicht, was da auf mich zukam.
Ein anderer Trakt; Krankenstation. Dort ein Gitterbett. Im gleichen Zimmer, also wo ich war, ein Junge, der auch operiert werden sollte.
Morgens gab es eine Tablette. Die beruhigte. Dann ging man in den OP. Dort war ein Stuhl. Man wurde angeschnallt an Füssen, Beinen Armen und Kopf. Der Mund wurde mit einer Art "Maulsperre" geöffnet und fixiert.
Dann bekam ich eine Spritze, die mir wohl die Schmerzen nehmen sollte und ich konnte mich nicht mehr wehren und schreien.
NIX VOLLNARKOSE !
ALLES IM VOLLEN BEWUSSTSEIN !
Ich habe immer noch das "Gerät", mit welchem die Mandeln entfernt wurden, genau vor meinen Augen.
Ich habe noch nie in meinem Leben so viel geweint, da ich ja nicht Schreien konnte !
Und dann dieses knirschende Geräusch, als die Mandel "abgeschnitten" (?) wurden.
Meine Albträume gingen jahrelang auch in diese Richtung.
Man hat mich angeschrien, ich solle nicht rumplärren und hat mich nach der OP recht unsanft in mein Bett verfrachtet; eher geschmissen.
EIN positives gab es dort auf dieser Station: 1. das Eis und 2. die einzig nette Schwester (sehr jung noch), die dem Jungen und mir Märchen vorlas.
Als ich dann von dort wieder auf die "normale" Station musste, habe ich Zeter und Mordio geschrien.
Es hat nichts genutzt......
Zu meinem 6. Geburtstag, den ich dort erleben durfte, haben meine Eltern mir ein Paket geschickt.
Man hat es mir gezeigt, auch was dort enthalten war. Lauter leckere Süssigkeiten und ein Brief.
Gezeigt, wohlmerklich !
Danach habe ich nichts mehr davon gesehen; geschweige denn, man hat mir den Brief vorgelesen.
Als uns unsere Eltern einmal besucht haben, erzählten wir drei ihnen, was da vor sich geht. Also, natürlich in kindlich naiver Sprache.
Sie haben uns NICHT geglaubt.
DAS war der grösste Verrat !
Ab da habe ich mich verändert und mein Leben war, ja, wie im Erholungsheim..........
Jetzt bin seit Jahren in Therapie, Frührentnerin, da mir nicht nur das Heim im Nacken hängt, sondern auch die folgenden Erlebnisse in meinem Leben; denn mein Leben ist so wie im Heim verlaufen.
Ich habe schwere PTBS mit schweren Depressiven Störungen, Angststörungen, chron. Schmerzsyndrome mit Somatischen und Psychischen Faktoren, usw usw
Ergo, ich bin fertig, kaputt.
Danke Unna-Königsborn !
Meine erste Kinderkur hatte ich wegen meines geringen Körpergewichtes bereits drei Jahre zuvor, im Jahr 1970 in Muggendorf in der fränkischen Schweiz. Hieran habe ich eigentlich nur positive bzw. überwiegend positive Erinnerungen, außer natürlich das für dieses Kindesalter typische Heimweh. Wahrscheinlich empfand ich es deswegen seinerzeit auch nicht als so schlimm, als ich im Jahr 1973 erneut in die Kur geschickt wurde. Diesmal ging es nach Bad Sassendorf in ein Kinderkurheim, dass nach meiner Erinnerung von katholischen Nonnen geleitet wurde. Hätte ich vorher gewußt, was mich hier erwarten würde, hätte ich mich wahrscheinlich mit Händen und Füßen gesträubt, um diesem Martyrium entgehen zu können!
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass wir in Bad Sassendorf genauso viele Jungs wie Mädchen waren. Das Altersspektrum reichte glaube ich von acht bis zwölf Jahren. Im gemeinsamen Speisesaal saßen wir an 6er-Tischen, wobei bei den Jungs und Mädchen je ein Tisch mit sechs übergewichtigen Kindern, der Rest der Tische (ich schätze, dass es jeweils fünf weitere Tische waren) mit untergewichtigen Kindern besetzt war. Heute dürfte das Verhältnis wohl eher umgekehrt sein. Den Jungs war es unter Androung strengster Strafe untersagt, die Hälfte des Speisesaals zu betreten, in dem sich die Mädchen befanden.
Damals habe ich die dicken Kinder beneidet, denn sie durften nach dem Frühstück draußen auf der Wiese Fußball spielen und sich austoben, während alle anderen Kinder sich im Haus mit Malen, Lesen oder Basteln die Zeit vertreiben mußten. Hauptsache, wir haben von unserem extrem hochkalorischen und fettig-süßen Frühstück nicht zu viele Kalorien verbraucht, denn wir sollten ja schließlich gemästet werden, um der Idealvorstellung der Zeit gerecht zu werden. Regelmäßig mußten wir uns auf die Waage stellen und uns böse Kommentare der Nonnen anhören, wenn sich unser Körpergewicht nicht wunschgemäß nach oben entwickelte.
Nach dem Mittagessen mußten wir leichtgewichtigen Kinder ganz strenge Mittagsruhe halten. Dies sah so aus, dass wir in einer Turnhalle auf Gymnastikmatten auf dem Rücken liegen mußten, mit nach unten liegenden Handflächen. Während eine Nonne aus der Bibel vorlas, liefen ein oder zwei andere Nonnen die Reihen ab und maßregelten jedes Kind, das auch nur die kleinste Bewegung wagte. Spätestens am dritten Tag waren dann alle Kinder auf strikte Bewegungslosigkeit konditioniert und keiner von uns wagte, sich auch nur an der Nase zu kratzen.
Das Mittagessen bestand sehr oft aus sehr süßen Sachen wie Dampfnudeln, Germknödeln, Kaiserschmarrn, Griesbrei mit Zucker und Zimt oder Ähnlichem, oft mit Vanillesoße oder Schokosoße drüber. Für Kinder ist dies natürlich toll aber nicht mehr, wenn es andauernd auf den Tisch kommt.
Freitags gab es - und hiermit fing für mich das Grauen an - Fisch. Heute weiß ich, dass ich kein Fischeiweis vertrage. Als Kind hat mir einfach mein Unterbewußtsein gesagt, dass ich Fisch nicht essen soll, was irgendwann auch meine Eltern akzeptierten.
Die Nonnen in Sassendorf akzeptierten dies jedoch nicht! Zu meinem großen Unglück wurde ich von einer Nonne erwischt, als ich meinem Tischnachbarn meinen Hering auf seinen Teller legte. Die Nonne packte mich am Ohrläppchen und zerrte mich in die Ecke des Speisesaales, wo ich so lange mit dem Rücken zu den anderen Kindern stehen bleiben musste, bis diese den Saal verlassen hatten. Als ich schließlich allein im Speisesaal zurück blieb, wurde die Heimleiterin gerufen. Anschließend hat mich dann eine Nonne festgehalten, während die Heimleiterin auf mich eingedroschen hat, wozu sie sich u.a. auch diverser Küchenutensilien bediente. Ich hatte das Gefühl, dass die Frau in ihrer Tobsucht bewusst mein Gesicht verschonte, da dies ja für andere Kinder sichtbare Zeichen der Misshandlung hinterlassen hätte und beim sonntäglichen Pflicht-Kirchgang aufgefallen wäre. Alle anderen Körperstellen wurden jedoch sorgsam mit Schlägen bedacht, so dass ich am Ende der Prügelorgie Schmerzen am ganzen Körper hatte. Immer wieder schrie mich die Heimleiterin an, während sie auf mich einschlug, dass in Afrika Kinder verhungern würden, während ich hier die "guten Gaben Gottes" verschmähen würde.
Nachdem die Heimleiterin eine gefühlte Ewigkeit auf mich eingeschlagen hat, wurde ich anschließend gezwungen, die doppelte Fischration zu essen. Natürlich habe ich diese sofort wieder erbrochen aber den Nonnen schien es zu genügen, dass sie mir ihren Willen aufgezwungen hatten. Für die übrigen fünf Wochen der Kur wurde ich immer, wenn es Fisch gab, an einen separaten Tisch gesetzt, wo ich eine extragroße Portion Fisch vorgesetzt bekam. Ab der zweiten oder dritten Woche saßen dann auch noch andere Kinder mit mir gemeinsam am Tisch, die genauso wie ich von der Heimleiterin zusammengeschlagen wurden, weil sie ihren Fisch nicht essen wollten.
Noch heute mache ich mir Vorwürfe, dass ich mit keinem dieser Kinder Adressen ausgetauscht habe, denn meine Eltern wollten mir diese Geschichte partout nicht glauben, als ich sie ihnen erzählte. Es ging schlicht und einfach über die Vorstellungskraft meiner Eltern hinaus, dass eine vermeintlich friedfertige Nonne ein Kind misshandeln könnte. Noch heute leide ich mehr am Mistrauen meiner Eltern, als an den Mishandlungen der Nonnen.
Erinnern kann ich mich auch noch daran, dass einer der Jungen mehrere Ausbruchversuche unternommen hatte. Nach seinem letzten Fluchtversuch wurden seine Eltern angerufen, die ihn dann abgeholt haben. Was haben wir Anderen diesen Jungen beneidet! Allein weil er zwischen den Fluchtversuchen von den Nonnen vor allen Kindern bloßgestellt und gedemütigt, sicher aber auch ohne Zeugen schwer mishandelt wurde, hat sich kein weiteres Kind zu einem Fluchtversuch hinreißen lassen.
Bis heute habe ich als Folge dieser Erlebnisse ein gestörtes Verhältnis zur katholischen Kirche und insbesondere zu Nonnen, denen ich niemals eines meiner eigenen Kinder anvertrauen würde.
Gibt es hier Jemanden mit Erfahrungen aus dem sogenannten Kinderkurheim Polling in Oberbayern ?
Ich war dort als Sechsjährige und kann viele der beschriebenen " Methoden" der Einschüchterung/ Kälte/ Missbrauch bestätigen.
Freue mich über eine Antwort !
Lg von Maike
Ich wusste schon, dass ich in meiner Kindheit in Kur war. Meine Mutter hatte sich jedoch nach Kur kaum geäußert. Ich kann mich nur erinnern, dass meine Mutter sagte, dass ich nach der Kur mit vielen Knoten im Haar zurückkam und dünn war. Außerdem fehlten im Gepäck gute Anziehsachen und der Rest sei verwaschen gewesen. Dann wurde hierüber nicht mehr gesprochen.
Auffälliger war jedoch mein Verhalten. Ich war nach der Kur nicht mehr das lebhafte Kind. In der Schule war ich sehr still und habe mich mündlich nicht am Unterricht beteiligt. Da zog sich durch meine ganze Schulzeit und universitäre Zeit. Im Mittelpunkt zu stehen oder Vorträge zu halten – das sind Situationen, die mich sehr stressen. Ich habe kein Vertrauen in Ärzte und hinterfrage jede Behandlung. Arztbesuche sind der Horror für mich. Verlustängste und Angst begleiten mich noch heute täglich.
Mein ganzes Leben lang haben mich Flashbacks aus der Kur verfolgt. Ich konnte diese jedoch nicht einordnen. Im Nachlass meiner Mutter habe ich dann eine Karte aus der Kinderkur n meine Eltern gefunden.
Als ich im August 2020 einen Artikel über Verschickungskinder gelesen hatte, kamen plötzlich viele Erinnerungen wieder hoch.
• Beschimpfungen und Demütigungen, weil ich als Kind eingenässt hatte. Ich erinnere mich daran, dass ich morgens das Bett abziehen musste und dann im kaltem Waschraum vor allen anderen Kindern das Laken und meine Unterwäsche im Handwaschbecken saubermachen musste. Ich stand im kalten Waschraum nur mit Unterhemd bekleidet und wurde ausgelacht.
• D a ich in den 6 Wochen wohl mehrfach eingenässt hatte, kam dies also öfter vor. Nachts durfte man nicht das Bett verlassen. Ich bekam von den Erzieherinnen wollene Unterhosen, die so kratzen, dass ich ganz wund war.
• Ich erinnere mich an die vielen Solebäder in Holzbottichen im Keller. Hinterher wurden wir kalt abgeduscht zur Abhärtung.
• Tägliches Anstehen in Unterwäsche zur Arztkontrolle. Ob es auch Medikamente gab, weiß ich nicht. Aber ich glaube meine Angst vor Ärzten kommt aus dieser Zeit.
• Es gab im Eingangsbereich, der sehr imposant war mit der großen Treppe in das Obergeschoss, einen Weihnachtsbaum
• Zu Nikolaus waren wir Kinder im Essensraum. Alle saßen im Kreis. Dann kam der Nkolaus mit seinem Gehilfen. Jedes Kind wurde nach vorne gerufen. Der Nikolaus wusste von jedem, was er gemacht hatte. Ich wurde ausgeschimpft wegen des Bettnässens. Andere Kinder wurden ebenfalls öffentlich bestraft.
• Ich erinnere mich an die große Angst und Einsamkeit. Besonders in der Nacht. Viele Kinder weinten.
Es tut gut zu wissen, dass ich mit meinen Erlebnissen aus dieser Zeit nicht alleine bin.
Wir wurden damals (zwischen 1972 und 1975) von der katholischen Kirche dort hin verschickt. Wir waren erst 7 und 8 Jahre alt. Sehr schüchtern und zurückgezogen. Ich bin meiner Schwester zuliebe mitgefahren, die unbedingt ihre beste DFreundin begleiten wollte. Die Kirchengemeinde hat das Angebot gemacht. Kinder, deren Eltern eine "Auszeit" brauchten, in die Schweiz zu verschicken.
Es war die Hölle. Von der kompletten Wegnahme persönlicher Gegenstände bis hin zu Mißbrauch war alles dabei.
Zunächst führen wir mit dem Bus in zwei Gruppen in die Schweiz. Bei der Ankunft mußten wir alle Koffer öffnen und den Inhalt auf dem bett auslegen. Die Betreuer gingen rum und sammelten alle persönlcihen Gegenstände ein. ALLLE. Stofftiere, Taschentücher, Süßigkeiten, BRIEFE der Eltern, Fotos, Bücher. Wirklich ALLES. Danach wurde ein Teil der persönlichen Dinge öffentlich zurückgegeben. Jedes Teil wurde kommentiert. "Wem gehört denn der häßliche Teddy? Wer grinst denn so blöd auf dem Foto? Wessen Mutter sieht denn so häßlich aus?" Dann gab es jeden Tag ein paar wenige der mitgebrachten Süßigkeiten, wobei alle Kinder das gleiche bekamen. Es wurde also alle (gerechterweise) geteilt. Uns kam es aber so vor, als wenn wir nur einen ganz geringen Teil der Süßigkeiten zurück bekamen. Persönliche Briefe wurden geöffnet und vor allen kindern vorgelesen und sich darüber amüsiert. Briefe, die die Kinder an Ihre Eltern schrieben, wurden zensiert. Schrieb man etwas über die Zustände dort, wurde der Brief zerrissen und man mußte ihn unter Aufsicht neu schreiben. Telefonieren durfte man EINMAL. Es stand jemand daneben mit dem Finger auf der Telefongabel. Sagte man etwas "falsches", wurde sofort aufgelegt. Es gab Schläge und danach wurde neu gewählt und der Betreuer entschuldigt sich für die schlechte Teklefonleitung, die wohl gerade zusammengebrochen war.
Wir Kinder mußten um 9 Uhr ins Bett und durften dieses bis 7 Uhr morgens nicht verlassen. Auch nicht für den Toilettengang. Wer ins Bett machte, mußte seine Matratze mit zum Frühstück nehmen, sich bei den anderen Kindern für seinen "Fehler" entschuldigen und stand ohne Frühstück die ganze Zeit mit der Matratze in der Ecke.
Mädchen und auch Jungs (ungefähr zwischen 6 und 12 Jahren) wurden von männlichen Betreuern am ganzen (!) Körper eingecremt, bevor sie das Nachthemd anziehen durften.
Ich persönlich wurde beim Cowboy und Indianer Spiel im Wald an einen Baum angebunden. Als alle Kinder weg waren, kam ein Betreuer, entblößte sich und mich, befriedigte sich und fasste mich dabei an.
Ich habe das alles verdrängt und meinen Eltern nichts davon erzählt. Sie merkten, dass etwas nicht stimmt (Bettnäßen beider Kinder und Zurückgezogenheit), aber sie haben nichts unternommen.
Heute erst, seit 10 Jahren, mit 45/50 Jahren verfolgen mich die Bilder. Gerne würde ich die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Leier sind die meisten wohl tot oder die Taten sind verjährt.
Das erste mal war ich 1965 , ich war 5 Jahre alt, mit meinem 4 Jahre alten Bruder für 6 Wochen in Melle zur Kur. Meiner Erinnerung nach müsste es im Herbst gewesen sein, da wir Blaubeeren gesammelt haben. Wie das Haus hieß, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich an den Geruch von Schwefel. In einem Raum waren ganz viele Holzbottiche. Von den Essensraum aus sah man in einem Park. Vielleicht weiß jemand wie das Haus hieß oder war zur selben Zeit dort. Meinen kleinen Bruder durfte ich nicht sehen, ausser als ich krank war. Ich habe weiß aber nicht mehr was ich hatte. Nachts durfte man den Schlafsaal nicht verlassen, auch nicht um zur Toilette zu gehen. Ich weiß, daß ich mindestens einmal erwischt wurde, die Bestraffung musste für mich schlimm gewesen sein, weil ich danach nachts immer Angst hatte. Aber am allerschlimmsten ist für mich bis heute, daß ich wenn ich nicht aufessen konnte, vor meinem Teller sitzen bleiben musste, gleichgültig ob ich in den Teller gebrochen habe oder nicht, bis der Teller leer war. Wenn dann noch wiegen war, bekam ich auch noch die doppelte Menge, man musste ja zunehmen. Ich hasse bis heute volle Teller.
Das zweite mal war ich über Ostern 1969 mit meiner 2 Jahre jüngeren Schwester in Westerland. Auch hier weiß ich nicht wie das Haus hieß, das einzige was ich noch weiß, das Haus hatte einen Dachboden und war am Deich. Ich meine es waren gefühlt 100 Stufen bis zum Strand. Meine Schwester und ich sollten uns dort von einem traumatischen Erlebnis erholen. Im nachhinein sind wir schlimmer gestört wieder nach Hause gekommen. Wir durften nicht zusammen sein. Bei manchen Mahlzeiten sahen wir unsure, durften aber nicht zusammen sein. Ich erinnere mich an unsere grosse traurigkeit. 1mal in den Woche musste man zum Arzt und jeder wurde gewogen. An diesem Tag musste ich wieder die doppelte Menge essen und musste solange sitzen bleiben bis der Teller leer war. Notfalls halt noch nach dem wiegen. Ich habe das Essen gehasst. Alles aus Blechtöpfe und der Tee aus Blechkannen. Die Briefs nach Hause wurden diktiert und mussten in Schönschrift geschrieben werden. Ansonsten wurde man bestraft. Nachts durfte man den Schlafsaal nicht verlassen und es durfte auch nicht gesprochen werden. Die Bestrafung war, man musste egal warum, die Nacht auf dem Dachboden schlafen. Ich habe auf dem Dachboden sehr viele Nächte verbracht. Seit dieser Zeit war ich niemals mehr auf einem Dachboden und ich habe Probleme im dunkeln. Eine Tante von uns kam uns dort besuchen, dass war die einzige Gelegenheit die ich mit meiner Schwester verbringen durfte. Da wir die ganze Zeit unter Beobachtung waren, konnten wir nicht offen sprechen. Unsere Tante und auch unsere Eltern haben uns Süssigkeiten geschickt bzw. gegeben. Diese wurden von den Erziehern einkasssiert.
Das dritte mal ging es mit meinem 5 Jahre jüngeren Bruder 1971 oder 1972 über St. Martin nach Allerheiligen.
Wir wurden sofort nach Ankunft getrennt. Ich durfte meinen Bruder nach der Trennung nicht trösten, da ich das ja schon alles kannte. Es war immer so. Die Elebnisse waren sich alle so ähnlich nur die Umgebung war anders. Die Erzieherinnen hatten alle die gleiche Ausbidung, denke ich. Alles wurde kontrolliert und ich kam mir ausgeliefert vor. Gehörte man zu den beliebten Kindern hatte man vorteile. Mobbing untereinader war normal. Das Essen war schlecht bis eklig. Die Briefe nach Hause wurden kontrolliert, keiner durfte die Wahrheit schreiben.
Vielleicht kennt irgendjemand ja ein Heim oder war zur selben Zeit dort, dann wäre es schön etwas über die Erfahrung zu hören.
Was ich noch weiß, in Westerland waren viele aus dem dem Raum Düsseldorf und in Allerheiligen war ich über die Stadt Düsseldorf
Ich habe mich bereits vor einem Jahr hier eingetragen, nun sind Erinnerungen dazugekommen und ich möchte meinen alten Eintrag gerne ergänzen, wenn das möglich ist.
Mit 5 Jahren,1985 kam ich für 6 Wochen in das Sanatorium Schönsicht in Oberkälberstein,ich habe noch zwei Briefe, von meiner Mutter und meiner Oma. In den Briefen werde ich ermahnt gut zu essen und zuzunehmen und nicht so ein Trotzkopf zu den Tanten zu sein. Meine Mutter wundert sich darüber, dass ich am Telefon so wenig gesagt hätte.
Zwei der Tanten werden namentlich erwähnt, es gab ein Fräulein Lehmann und eine Frau Raschke, die von meiner Mutter extra Geld erhielten für Ausflüge, die wir niemals machten.
Die Zugfahrt erinnere ich noch gut, ich wurde in ein Abteil mit anderen Kindern gesetzt, viele weinten bitterlich, auch ich. Eine Frau, sie sagte, wir sollen sie Tante nennen, sang Schlaf Kindlein Schlaf. Daraufhin bekam ich furchtbare Angst, dass meiner Mutter etwas in Pommerland zugestoßen war, und ich deshalb alleine sein mußte. Als ich die Tante fragte, wo Pommerland sei, bekam ich zur Antwort, dass ich dumm sei.
Meine Erinnerungen an das Heim sind spärlich. Es muß furchtbar gewesen sein und ich muss dort, zur Strafe, in einen dunklen Raum alleine eingesperrt gewesen sein. Bis heute habe ich schreckliche Platzangst, und meide dunkle Räume ohne Fenster.
Ich glaube auf den Postkarten die Besenkammer wiederentdeckt zu haben. Sie war an der Treppe, und immer wenn ein Kind dort eingesperrt wurde, wegen kleiner "Vergehen", klopften die anderen Kinder im vorbeigehen kurz von außen an die Türe, um dem Kind in der Besenkammer zu zeigen, dass sie an es dachten. Das gab natürlich Ärger. Erinnert sich irgendwer an die Besenkammer?
Ich erinnere mich ins Bett gemacht zu haben, und dafür schlimm bestraft und ausgeschimpft worden zu sein, dass es im Vertrag stehen, Bettnässser würden nicht aufgenommen werden. Ich wurde an den Haaren gezogen.
Ich wurde zum Essen gezwungen, ich musste so lange sitzenbleiben bis der Teller leer war. Ich weiß noch wie verzweifelt ich war. Ein größeres Mädchen half mir manchmal, und aß meinen Teller auf, sie bekam dafür meinen Nachttisch. Ich möchte mich bei diesem Mädchen bedanken, dafür, dass es mich gerettet hat, falls es hier mitliest.
Ich erinnere mich daran, dass ich oft mit Hut stundenlang Ecke stehen musste, abends im Gemeinschaftsraum, während die anderen spielten oder einen Film ansahen. Warum weiß ich nicht mehr.
Ich war nicht katholisch getauft, und ich erinnere mich, dass ich deshalb besonders ekelhaft behandelt wurde.
Ich konnte noch nicht schreiben, deshalb weiß ich nicht, wie das in diesem Kurheim mit der Post ablief, aber eine tiefe Wut über Ungerechtigkeiten bleibt als Erinnerung darüber zurück.
Ich kann mich nur an einen einzigen Ausflug erinnern. Wir mussten im Salzbergwerk eine riesige Rutsche runterrutschen und ich hatte wahnsinnige Angst davor und weigerte mich, dafür wurde ich angebrüllt, und die Rutsche runtergeschubst. Danach sollten wir Andenken für zu Hause kaufen. Ich kaufte einen kleinen Teelöffel mit dem Wappen von Berchtesgaden. Die Tante erklärte mir danach, dass nun mein Geld aufgebraucht wäre, und ich weiß noch, dass ich es ihr nicht glaubte, aber nichts tun konnte.
Als ich nach Hause kam, hatte sich meine Mutter gewundert, dass ich zugenommen hatte und dass ich sie nicht mehr aus den Augen ließ. Sie erzählte mir, dass ich sie nichteinmal alleine zur Toilette gehen ließ.
1986 kam ich für 4 Wochen in das Seehospiz.
ich besitze noch eine Postkarte meiner Oma, deshalb kann ich genau sagen wann und wo. Danach 1990 war ich nocheinmal auf Norderney, doch da habe ich keine Dokumente mehr darüber.
Im September 1986 war ich 4 Wochen im Seehospiz , Station 8 in 2982 Norderney.
Es war schrecklich dort, ich versuche meine Erinnerungen aufzuschreiben, und es werden später mehr dazu kommen.
Meine Familie besuchte mich dort, und meine Mutter holte mich dann für kleine Ausflüge manchmal ab. Sie erzählte mir, dass sie Schwierigkeiten hatte mich dort abzuholen, und dass sie runtergemacht wurde, wenn sie etwas zu spät war, beim zurückbringen.
Ich erinnere mich, dass wir zu den Schlafenszeiten nicht zur Toilette gehen durften, und nicht miteinander sprechen. Eine Tante ging den Flur auf und ab und rief dann immer : "Zimmer 12 , Ruhe!" Wenn sie etwas hörte. Ich hatte ein älteres Mädchen auf dem Zimmer, was sich irgendwie um mich kümmerte. Ich erinnere mich daran, dass ich froh war, weil sie nett war zu mir. Sie brachte mir Schuhebinden bei, und gab mir Tipps, wie ich es ertragen konnte, bei der Mittagsschlafzeit den Blasendruck auszuhalten. Sie sagte: " Wenn du ganz dolle die Beine zusammenpresst und dich nicht bewegst, und den ersten Ansturm von dem Druck der Blase überstehst, auch wenn es weh tut, dann hört es danach wieder auf, der Druck verschwindet für eine Weile, und du kannst es bis nach der Schlafenszeit durchhalten. Wenn der Druck aber ein zweites Mal wiederkommt, dann mußt du zur Toilette gehen, und hoffen, dass die Aufsichtstante dich nicht erwischt, weil du sonst keine Chance mehr hast es aufzuhalten und ins Bett machen wirst." Was eine noch viel schlimmere Strafe nach sich ziehen würde, als in der Mittagsschlafzeit beim heimlichen Gang aufs Klo erwischt zu werden.
Noch heute habe ich dieses "Training" verinnerlicht und kann lange ohne Toilette durchhalten. Ich muß mich dann immer bewußt dran erinnern, dass ich ja zur Toilette darf, wann ich möchte.
Wir bekamen zu wenig zu trinken, und hatten immer Durst. Es gab nur zum Essen diesen roten Tee, eine Tasse. Eine Tasse pro Mahlzeit. Er schmeckte schrecklich und wurde in orangen Plastikbechern serviert, die schon von den vielen Kurheimkindern ganz rauh und abgekaut waren. Wir tranken Wasser aus den Hähnen im Waschraum, wann immer wir konnten, aber die Strafen waren hart, wenn wir erwischt wurden. Außerdem war das Problem, dass ich dann zur Schlafenszeit Druck auf der Blase bekam.
Wir mussten mit dem Gesicht zur Wand schlafen. Selbst wenn ich mich im Schlaf Mal umgedreht hatte, wurde ich mit barschem Ton geweckt: "Umdrehen! " Oder "Gesicht zur Wand! "geweckt und ich musste mich wieder mit dem Gesicht zur Wand drehen.
Die Kinder, die einnässten oder sich übergeben mussten, wurden bloßgestellt, und mussten es mit ihren eigenen Sachen saubermachen.
Ich erinnere mich an lange Märsche mit Sprechverbot in 2 er Reihen ohne etwas zu trinken durch die Dünenlandschaft. Der Wind trieb uns den Regen und den Sand quer ins Gesicht, es schmerzte.
Ich erinnere mich, dass die Post nach Hause zensiert wurde. Es gab ein Schreibzimmer, in das man nur dürfte, wenn man schon schreiben konnte, sonst mußte man den Tanten einen Brief diktieren. Ich weiß noch, wie neidisch ich auf die Kinder war, die ins Schreibzimmer durften. Die Briefe von zu Hause wurden laut vor allen vorgelesen und kommentiert. Wenn wir ein Päckchen bekamen wurde der Inhalt enteignet und an alle Kinder nach dem Essen als Nachttisch verteilt. So bekam nach dem Essen dann jedes Kind ein Gummibärchen.
Da wir das ungerecht fanden, behielten wir irgendwie heimlich die Gummibärchen aus einem Päckchen, welches ich bekommen hatte, von zu Hause. Wie wir das anstellten, weiß ich nicht mehr. In der Mittagsschlafzeit schlichen wir uns in das Zimmer der Jungs, und aßen die Gummibärchen auf. Durch den plötzlichen Zuckerkick wurden wir aber übermütig und begannen auf den Betten rumzuhüpfen. Natürlich wurden wir erwischt, es gab Ohrfeigen und ich wurde in der Krankenstation isoliert, während die Anderen alle beim Essen meine restlichen Süßigkeiten bekamen.
Ich war irgendwie öfter auf dieser Krankenstation. Dort musste ich den ganzen Tag auf einer orangenen Arztliege liegen, unter einer grauen kratzigen Rot Kreuzdecke. Einmal war ein Mädchen dabei, sonst war ich dort alleine.
Ich musste zunehmen, also hatte ich immer riesen Portionen Grießbrei mit abgebrannter Milch vor mir stehen, die ich aufessen müsste. Ich saß Stunden vor diesem Teller und hatte Angst, das Essen würde mir mit Gewalt reingeschoben werden.
Das Fiebermessen war eine Qual, wir mussten auf dem Bauch liegen und die Thermometer wurden brutal und schmerzhaft in den Hintern gesteckt.
Ich erinnere mich noch frierend in langen Schlangen in Unterwäsche anzustehen, vor dem Arztzimmer, zum wiegen oder was auch immer dort gemacht wurde. Ich hatte und habe heute noch immer wahnsinnige Angst vor Ärzten.
Meine Erinnerungen an die Nordseekurheime verschwimmen miteinander. Ich war1988 oder 1989 auf Amrum im Lenzheim, da erinnere ich nicht mehr viel, nur: es gab wieder zu wenig zu trinken und lange Märsche um die ganze Insel.Die Zeit dort muss schlimm gewesen sein, ich habe noch eine sehr düstere Kinderzeichnung von mir über das Lenzheim und kaum Erinnerung.
Die nächste Erinnerung kann ich nicht klar zuordnen, ich denke, es war im Seehospiz, aber es könnte auch das Lenzheim gewesen sein. Sicher bin ich mir, dass es in einem der beiden Heime stattfand, sobald konkretere Erinnerung zurückkehrt, werde ich es zuordnen können, daran arbeite ich noch. Ein Besuch vor Ort könnte helfen.
**********"Triggerwarnung**********
Ich erinnere mich an sexuelle Gewalt von Seiten der Ärzte. Es waren mindestens 2 Täter. Sie baten mich in das Arztzimmer, sie trugen weiße Kittel. Sie sprachen über mich, einer sagte dem anderen, ich sei ja schon ganz gut "trainiert". Er sperrt die Türe ab. Danach wurde ich von ihm sexuell missbraucht.
****************************************
In St. Peter Ording, Haus Köhlbrand und wieder auf Norderney im Seehospiz war ich in den 90 ern zur Mutter Kind Kur. Die Zustände für mich hatten sich etwas gebessert.
Ich war auch auf Sylt im Kinderheim über die DAK 1957 oder 1956, das Haus hieß "Haus Quickborn".
Auch ich habe an meine Kinderheimverschickungen nicht sehr gute Erinnerungen, ich war in drei verschiedenen Kinderheimen und zwar in Bad Kreuznach, Bad Reichenhall und Sylt.
An das Heim in Bad Reichenhall (leider weiß ich hier nicht mehr den Namen des Hauses) habe ich die schlimmsten Erinnerungen. Ich wurde gezwungen den Teller leer zu essen, obwohl ich mich ekelte die gebratete Leber zu essen. Nachdem ich das Fleisch heruntergewürgt hatte (die Tante saß daneben und kontrollierte es) habe ich alles erbrochen. Hierfür wurde ich bestraft, indem ich den ganzen Nachmittag auf einer Pritsche liegen mußte, ohne mich zu bewegen.
Eine andere Strafe in dem Kinderheim war unter anderem, dass man im Schlafanzug nur mit einer rauen Decke umhüllt, stundenlang nachts im kalten Hausflur in einer Ecke stehen mußte. Ich war bei diesem Aufenthalt übrigens erst 5 Jahre alt. Die Geschenke, die ich zu Ostern von meinen Eltern geschickt bekommen hatte, wurde mir sofort fortgenommen. Eine schreckliche Zeit, die nachdem ich den heutigen Radiobeitrag gehört habe, wieder hoch kamen.
wurde gerade durch einen Bericht im WDR 5 darauf aufmerksam, dass es wohl mehr wie mich gibt.
Ich wurde aufgrund von Bronchitis nach Norderney verschickt. Heimname - leider keine Ahnung.
Wie einige andere wurde ich Mutterseelenallein zu fremden Menschen in den Zug gesetzt.
Außer wenigen Flashbacks habe ich leider (oder Gott sei Dank?) keine Erinnerungen - aber seit 50 Jahren ein beklemmendes Gefühl.
Wenig Erinnerunge:
- ich war in der Sonnenschein-Gruppe.
- da war ein großen Schlafraum mit Metallbetten
- es gab Schläge, wenn die Mittags-/Nachtruhe nicht lautlos eingehalten wurde. Es brauchte nicht lange bis alle lautlos waren.
- es waren irgend wie auch Ordensschwestern (zumindest beim Essen) anwesend.
- da war eine Art großer Erker/Wintergarten und nur da gab es Spielzeug, Malzeug, etc. Mußte man sich aber verdienen.
- leider kein Erinnerung an draußen.
Konnte leider noch nicht schreiben, was dann die Betreuerinnen für mich taten.
Bis heute lässt mich das Gefühl der übergroßen Einsamkeit und Angst nicht los. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass das Lesen der anderen Berichte sofort wieder diese Gefühle hochholt.
Danke, dass es so eine Website gibt!
Ich habe den Text ohne erneute Fehlerkorrektur abgesandt, da er mir schon einmal zerschossen wurde.
Deshalb möchte ich hier anfügen:
Es ist gut, dass " Erinnerungskultur " seit spätestens 1990 ein wichtiges Menschenrecht ist. Allzu oft erlebt man, dass einem gesagt wird, ach was sollen die alten Geschichten noch bewirken?
Sie sind nicht nur ein Mittel der persönlichen Lebensreflektion und -biografie, sondern auch ein gesellschaftlich stark prägender Umstand besonders in den Jahren 1950-1970 gewesen. Denn sie geschahen in einem Klima des allseitig verordneten Schweigens über die brutalen Folgen des Krieges und seiner Verwüstungen an den Seelen der Menschen, nicht nur des Materiellen. Aus diesen Zeiten gingen Menschen in maßgeblichen Positionen in der frühen BRD hervor, ob in der Politik Adenauers, der Obersten Gerichte, des Bundestages, der -Regierung, der Schulen etc. Sie schwiegen zwar - denn mit diesen Menschen sollte der Neuaufbau BRD gelingen und Schuld keine behindernde Rolle spielen - aber mit ihren Prägungen und Indoktrinierungen begegneten sie in ihrer Arbeit den Menschen, vor allem den unschuldigen Kindern.
Schwarze Pädagogik war an der Tagesordnung, Drill und Gehorsam und Ordnung.
Ich empfehle den Lesern dieses Forums die verinnerlichte und reflektierte Bearbeitung der Vergangenheit und die Wachsamkeit in der Gegenwart ohne sich darauf zu beschränken sich viktimisiert zu fühlen oder lassen.
Gute Literatur für eine kreative und wirkungsvolle Erinnerungskultur in jedweder gesellschaftlichen Beziehung finden Sie bei Aleida Assmann in " Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur ". Erschienen bei CH Beck.
Nicht das Rückbeziehen auf eine Opferrolle hilft uns und der Gesellschaft weiter, sondern das Identifizieren mit allen kulturellen Verwerfungen und Verhaltensmustern.
Gruß B. Schubert
Meine erste Begegnung mit der Nordsee 1965
Im Sommer 1965 wurden meine 3,5 Jahre jüngere Schwester und ich in das Kinderheim auf Borkum, Sancta Maria verschickt. Ja, verschickt, wie es mit Paketen und Transportern sprachlich/tatsächlich ebenfalls geschieht.
Dem war eine sehr traurige Zeit vorausgegangen. Meine Mutter war mit der " Verschickung " und einer ernsten längeren Trennung von den Kindern nicht einverstanden. Sie konnte sich gegenüber dem dominanten Vater und Familienvorstand aber nicht durchsetzen, denn damals gab es noch keine Gleichberechtigung. Mutter schwieg traurig und mich belastete es sehr. Ich kann mich erinnern, dass wir viele Tage zusammensaßen und gemeinsam Namensschilder in die Kleidung, die Wäsche und die Handtücher einnähen mussten.
Die Abreise stand ebenfalls unter großer Traurigkeit unserer Mutter, als wir am Hauptbahnhof Düsseldorf in den Zug gesetzt wurden. Die Eltern blieben beide dort zurück, wer uns die Fahrt über begleitete, weiß ich nicht.
Ich kann mich nur noch an die Überfahrt mit der Fähre erinnern, denn es war der erste Kontakt zum Meer und einem Schiff. Auf Borkum kamen gleichzeitig unheimlich viele Kinder an. Sie kamen aus allen Himmelsrichtungen und wurden dort von den Nonnen des/der Heime entgegengenommen und strikt nach Gruppen eingeteilt. Bereits hier wurde ich abrupt von meiner kleinen Schwester getrennt und sah sie die gesamten 6 Wochen bis auf eine kleine Begegnung nicht mehr wieder.
Mit den in schwarzen Kutten/Tuniken gewandeten Nonnen fuhren wir mit dem Inselbähnchen zum Heim Sancta Maria. Ob wir das letzte Stück liefen, weiß ich nicht mehr.
Es war ein großer dunkelgrauer Bau , der von Nonnen geleitet wurde, mit langen dunklen Fluren und damals zeitgemäßem schlichten Mobiliar. Wir hatten als Gruppe einen Gemeinschaftssaal, in dem wir aßen. Ebenso einen riesigen großen Schlafsaal voller Eisenbetten mit karger Ausstattung: Laken und graue Sanitätsdecken.
Uns wurde vermittelt, dass wir alles offenzulegen hatten. Nichts blieb unkontrolliert. Das fing mit einem gründlichen Ausfragen nach der Familie, den sozialen Belangen, dem Beruf von Vater und Mutter an und endete bei der Kleidung und dem Gepäck. Alles wurde vor der versammelten Gruppe verlautbart.
Sebalda, die für uns zuständige Nonne, war um die 60 Jahre alt, wobei das schwer zu schätzen war, da sie total in Schwarz gehüllt war, außer der weißen Stirnblende und ein sehr runzliges, strenges Gesicht zeigte. Ihre Haut wirkte gelblich fade und sie war streng , unnahbar und ständig ernst und mit Parolen zum Verhalten unterwegs. Ihrem Alter nach war sie eine aktive Schwester in der NS-Zeit in solchen bzw. diesem Heim gewesen, denn ihre Indoktrinierung und ihr Verhalten offenbarten das. Das Heim war im Krieg zuletzt ein Lazarett für Soldaten gewesen und Heime sprossen in der Nazizeit zur Landverschickung von Kindern und deren Infiltrierung.
Schwester Sebalda war für uns Kinder ein gefährlicher Drache; man musste dauernd Angst vor ihr haben und mit Strafen rechnen. Das fing bei persönlichen Schmähungen im Speisesaal an, wenn sie mit dem >Stock durch die Reihen ging. Sie kontrollierte, ob man gerade saß, alles aufaß und wie gekleidet war. Vor allem musste man bei jeder Gelegenheit gemeinsam beten und die katholischen Riten befolgen, obwohl ich evangelisch war und viele Inhalte gar nicht kannte.
Schwester Sebalda zeigte schon zu Beginn unseres Aufenthaltes, wo der Hammer hing. Wer nicht sein Essen aufaß, wurde von ihr dazu gezwungen und zwar so lange am Tisch zu sitzen, bis der Teller leer war. Ich kann mich erinnern, dass sich ein dickliches Mädchen mit krausen schwarzen Haaren erbrechen musste und schwer beschimpft wurde. Eine Roswitha wurde vom Tisch zitiert, weil Sebalda Locher in ihrem Strickpullover gesehen und das zum öffentlichen Blamage-Thema gemacht hatte. Roswitha weinte bitterlich, als sie als unsauber und mit Mottenlöchern in ihren Kleidern beschimpft wurde.
Im Schlafsaal waren mindestens 40 Personen untergebracht und zwar so, dass man sich nicht mit dem Gesicht zueinander hinlegen durfte. Die eine Reihe schaute zur Wand, die andere zu den abgewandten Rücken und die Grundregel lautete: Schweigen, kein Mucks. Zur Toilette durfte man nicht und wurde angehalten, sein Geschäft vor dem Zubettgehen zu verrichten. Auch wurde die Nachwäsche jeden Abend gründlich inspiziert und wehe, wenn Nachzeug oder Unterwäsche schmutzig waren. So war ein Mädchen Entdeckungsopfer einer verschmutzten Unterhose. Diese wurde unter lautstarken Abwertungen über die Köpfe im Schlafsaal hochgehalten und das Mädchen als schmutzig und unsauber beschimpft. Zur Strafe durfte es nicht in sein Bett sondern musste nun lange neben dem Bett stramm stehen und schweigen. Bis, ja bis ..... das weinende Mädchen in Ohnmacht fiel und mit seinem Kopf gegen das eiserne Bettgestell fiel. Die Schwester bugsierte es schimpfend in das Bett; wir alle schwiegen vor lauter Angst unter unseren Decken.
Ins Bett durften wir sowieso nur nach gemeinsamen Passieren eines langen Waschraums für viele Mädchen gleichzeitig. Dort wurde genauestens kontrolliert ob wir uns Hals und Ohren wuschen, wie es damals hieß und ob die Zähne gründlich geputzt wurden. Anschließend musste jede die Armarturen und ihr Waschbecken peinlich genau reinigen. Gab es noch Wasserspritzer oder einzelne Haare im Becken bekam man Schimpftiraden zu hören.
Duschen oder Baden geschah nie individuell, sondern immer einmal wöchentlich in einem separatem Waschhaus. Das war eine barackenähnliche düstere Einrichtung außerhalb des Haupthauses, die ich wie einen alten Schuppen in Erinnerung habe. Darin fand sich ein großes, betonartig eingefasstes großes Steinbassin mit den Ausmaßen 10 x 10 Meter wo viele Mädchen, auch aus anderen Gruppen gleichzeitig baden mussten. Und zwar immer in Anwesenheit von mehreren Nonnen, die um das Bassin herumsaßen. Den Mädchen die Köpfe heftig einseiften und alles genau beobachteten. Man schämte sich sehr, war man doch schon in der pubertären Entwicklung seines eigenen Körpers.
Spielen, Singen, Basteln etc. - eine Leerstelle. Es kam nicht im Haupthaus, auch nicht in den Nebengebäuden vor, sondern stets draußen an frischer Luft. Jeden Tag wurden nämlich gruppenweise lange und ausgedehnte Wanderungn zum Strand unternommen und auch im Meer gebadet wenn möglich. Das war ein herrliches Gefühl und völlig neu und vor allem es geschah mit einer freundlichen und jungen Nonne, die nichts von der Verbissenheit der Sebalda hatte. Das war ein richtiges Highlight und hat viel Freude verursacht.
Schlimm fand ich als evangelisches Kind, dass man mehrmals in der Woche die Kapelle aufsuchen und sich bekreuzigen musste wie im Katholischen Glauben mit Weihwasser Usus. Mir war das total fremd und ich fand es als Verrat an meinem eigenen evang. Glauben. Es wurde aber darauf bestanden. Vor allem zu knien und sich dauernd zu bekreuzigen. An Beichtzwang kann ich mich aber nicht erinnern.
Briefe nach Hause ohne Kontrolle durch Schwester Sebalda waren völlig undenkbar. Telefon stand schon gar nicht zur Verfügung. Sowohl die Eingangs- wie die Ausgangspost mussten durch die Zensur von Sebalda und wurden ausnahmslos vor dem gesamten Auditorium der eigenen Gruppe vorgelesen. Es gab keine Privatheit.
Ein einziges Mal in den 6 Wochen konnte ich meine kleine Schwester durch einen Türspalt zu unserem Schlafsaal sehen. Sie war klein und schüchtern mit einem Stofftier auf dem Arm der für sie zuständigen jüngeren Schwester. Sie sprach nicht, erschien mir unheimlich klein ( obwohl bald 9 Jahre) und sagte keinen Mucks. Die Schwester begleitete diese Szene mit den Worten, schau, da ist Beate. Es ist alles in Ordnung.
Dieser Heimaufenthalt hätte mich für immer verstört, hätte es nicht die ausgleichenden Gruppenwanderungen in den Dünen und am Meer gegeben. Die Gischt, der Salzgehalt der Luft, die Sonne und der Wind waren so neu und faszinierend, dass dies über die Qualen der Tagesabläufe im übrigen hinweghalf.
Später, nach 20 Jahren bin ich noch einmal nach Borkum, voller Wut und Zorn, um Leute im Heim zur Rede zu stellen. Natürlich waren alle Gespenster der Vergangenheit völlig verschwunden. Keine einzige Nonne, keine Betgrotten auf dem Außengelände, keine Baracken zum Schlafen oder Waschen mehr. Sondern frisch angestrichen ein schweigendes Haupthaus ohne jegliche christliche Insignien und hermetisch abgeriegelt.
1999 ist das gesamte Anwesen gründlich modernisiert worden und wurde zum Mutter-Kind-Kurheim. Es heißt dort vollmundig heute, es handele sich um ein traditionsreiches Haus. Ja, die Gespenster der Vergangenheit sind verschwunden und die Gemäuer schweigen.
Beate Schubert
Mein Name ist Kurt und ich bin auch in der sogenannten Kinderverschickung gewesen.
Ich war damals 7 oder 8 Jahre alt und man konnte mir "das Vater Unser durch die Backen blasen" wie man damals so scherzhaft sagte, wenn man extrem dünn war.
Ich würde seinerzeit nicht mit 6 Jahren eingeschult, sondern mit 7, weil ich einfach zu schmächtig gewesen war. (Das habe ich mittlerweile extrem gut aufgeholt.)
Ich wuchs mit vier Geschwistern auf, war der zweitälteste und durfte schon früh,wie damals wohl üblich, Verantwortung meinen kleineren Geschwistern gegenüber übernehmen.
Mein Vater hatte, aufgewachsen auf der Krim und mit 15 Jahren als Flak-Kanonierhelfer in die deutsche Wehrmacht eingezogen, sehr eigene Ansichten zu elterlicher Gewalt und Kindererziehung. Prügel waren mir sehr gut bekannt.
Meine Mutter schlug nicht häufig zu. Sie fand Liebesentzug ein probates Mittel der Erziehung.
Mit diesen Voraussetzungen wurde ich in den Sommerferien in die Kinderverschickung gesandt.
Meine Mutter brachte mich mit dem Koffer zum Bahnhof. Dort haben eine ältere und eine jüngere Frau uns in Empfang genommen und mit den anderen dreien aus meiner Heimatstadt in den Zug nach Siegen gesetzt.
Unterwegs sind noch andere Kinder und weitere Betreuerinnen eingestiegen.
In Siegen wurden wir dann verteilt auf die anderen Züge in die verschiedenen Richtungen.
Ich fuhr mit mir bis dahin unbekannten Kindern nach Laasphe, heute Bad Laasphe an der Lahn.
Dort angekommen wurden wir an die Betreuung durch das Heim übergeben. Unser Gepäck wurde in einen VW-Bully geladen, den ein junger Mann fuhr und wir mussten dann mit der "Tante" -ich weiß nicht mehr, wie sie hieß, zum Kurheim laufen. Gefühlt war das eine Ewigkeit.
Wir kamen dann irgendwann am frühen Abend dort an.
Wir bekamen noch kein Essen, da es noch nicht Essenszeit war, die Eingangsuntersuchung noch stattzufinden hatte und auch der Bezug der Zimmer noch anstand.
Ich hatte bis dahin lediglich meine beiden Stullen gegessen, denn morgens war es ja viel zu früh für ein ordentliches Frühstück und ich würde ja bald in dem Kurheim mein Mittagessen erhalten, so dachte jedenfalls meine Mutter.
Wir haben dann die Zimmer bezogen. Unsere Koffer mussten wir selbst vom Hof auf unsere Zimmer schleppen. Das war für viele eine fast unlösbare Aufgabe, aber warum hatten die auch so viel Zeugs dabei, wie wir von den uns antreibenden Betreuerinnen hörten.
Nachdem wir unsere Koffer nun endlich auf den Zimmern hatten, mussten wir uns bis auf die Unterhose ausziehen und in Reih und Glied auf dem Flur aufstellen.
Dann wurden unsere Namen und unsere Geburtstage verlesen. Dadurch wurde die Reihenfolge für diese und alle weiteren Untersuchungen festgelegt. Wir mussten uns diese Reihenfolge merken. Hatten wir unseren Platz in der Reihe vergessen, kamen wir ganz zum Schluss dran, nicht ohne den Spott aller über uns ergehen zu lassen. Es gab nicht wenige, die weinend auf dem Flur standen, weil sie sich dafür schämten. Viele machten sich auch aus Angst vor dieser Demütigung in die Hose, was zu noch viel mehr Spott und natürlich auch Strafen führte. Es gab dann an diesem Tag kein weiteres Essen und Trinken mehr, weil man ja seine Verdauung nicht unter Kontrolle hatte.
Den gesamten Flur dann nass aufzuwischen verstand sich ja von selbst, da man diesen ja auch verunreinigt hatte. Das Alter spielte für diese Maßnahme keine Rolle.
Der Tagesablauf war eigentlich immer ähnlich.
Morgens, kurz nach der Dämmerung hallten Rufe durch die Flure. Jetzt hieß es schnell aus dem Bett, denn wenn ein Betreuer in dein Zimmer kam und du lagst noch im Bett oder du steigst gerade erst aus deinem Bett - in unserem Zimmer waren drei Betten übereinander- dann hattest du schlechte Karten und würdest beim Frühsport einer besonderen Behandlung unterzogen, damit du demnächst schneller wach würdest.
Nach dem Frühsport ging es zum Waschen, anschließend zum Frühstück, es sei denn, an dem Morgen war wieder Untersuchung. Die gab es dreimal die Woche.
Nach dem Frühstück hatte man dann Küchen- oder Hausdienst und reinigte das Geschirr oder das Revier.
Danach wurden dann Brett- oder Kartenspiele als Gruppentherapie gespielt.
Mittagessen gab es dann um 11:30 Uhr, anschließend für zwei Stunden Bettruhe.
Ich kann mich daran erinnern, dass eine der "Tanten" immer zu einem älteren Jungen ins Bett ging, weil der nicht alleine schlafen konnte.
Manchmal kam die "Tante" auch nachts.
Ich fragte mal den Jungen, warum die "Tante" immer zu ihm kommen müsste. Da hatte er mir klargemacht, dass ich darüber bloß nicht reden sollte, sonst gäbe es Ärger.
Nachmittags sind wir dann bei Wind und Wetter spazieren gegangen, denn es gäbe ja kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.
Dazu mussten wir uns im Hof in Dreierreihen der Größe nach aufstellen. Die Kleinen vorne.
Und dann ging es im Gleichschritt, den wir sehr schnell von dem Mann, der sich der Oberst nannte, gelernt hatten, weil wir ja nicht dieses Spiel "Nach hinten weggetreten- Marsch, Marsch" spielen wollten.
Dann ging es mit einen schönen Lied - Oh du schöner Wehehesterwald - durch sie Landschaft rund um Laasphe.
Zurück im Heim, wurde sich erst einmal gründlich gereinigt, was vom Oberst von Fall zu Fall kontrolliert wurde und dann ging es in den Speisesaal.
Es gab Abendbrot.
Ich hatte eigentlich immer Hunger, aber abends gab es nur zwei Scheiben Brot mit Margarine und einer Scheibe Wurst.
Die Verpflegung war auch nicht immer gut.
Ich erinnere mich noch an ein Frühstück, an dem es zwei halbe Scheiben Brot gab, die sehr trocken waren und die Butter darauf roch ranzig.
Zu einem anderen Frühstück gab es Bircher Müsli, dass komisch aussah und nach Schimmel roch.
In beiden Fällen hieß es, das zu essen, oder man bekam an diesem Tag zu jeder Mahlzeit das verweigerte Essen vorgesetzt.
An einem Tag kam die Heimleiterin in unseren Aufenthaltsraum, um einen älteren Jungen zu maßregeln.
Er hatte versucht, einen Brief nach Hause zu schicken, ohne dass dieser Brief vorher "Korrektur gelesen" worden war.
Unsere Gruppe hatte deswegen für zwei Wochen Ausgangsverbot. Das hieß für uns, dass wir uns im Aufenthaltsraum still aufzuhalten hatten. Es wurden keine Spiele gespielt, man durfte nicht aufstehen sondern saß nur da und wartete, bis es das nächste Essen gab. Oder man durfte gerade noch einen Brief nach Diktat schreiben.
Kein Kind wagte es danach, einen Brief unkontrolliert zu verschicken.
Bei unseren Wanderungen bleibt mir noch ein Ereignis in Erinnerung.
Der "Oberst" ist mit uns auf einen der Berge marschiert und forderte uns auf, uns zu setzen und zu warten, bis er zurück sei.
Danach ist er mit seiner Freundin, die er dort getroffen hatte, im Wald verschwunden.
Ein kleinerer Junge hatte sich an einer Scherbe, auf die er sich gesetzt hatte, verletzt.
Die Versuche, unserem Betreuer das zu sagen, wurden aber in harschen Ton von diesem abgebrochen.
Erst, als seine Freundin gegangen war, erkannte er die Situation und bekam Panik.
Wir sind im Eilschritt zurück zum Heim.
Der "Oberst" war aber am nächsten Tag nicht mehr zu sehen.
Die Untersuchungen wurden von einem alten Arzt durchgeführt. Wir wurden gewogen und abgetastet und bekamen Kneippgüsse verordnet.
Als ich meiner Mutter unter Tränen das alles geschildert hatte, wurde sie beim zuständigen Gesundheitsamt vorstellig und hatte sich beschwert. Aber ich weiß aus einer Unterhaltung mit ihrer Schwester, die ich mitbekommen hatte, dass das alle als meine Hirngespinste abgetan wurde. Denn den einzigen Brief, den ich aus der Kur verschickt hatte, schilderte dich den ganzen Aufenthalt als sehr angenehm. Und da ich keinen weiteren Brief geschickt hatte, musste ich ja wohl keine Zeit gefunden haben, was auch für die Qualität dieser Maßnahme sprach.
Ob ich aus dem allen irgendwelche Schäden erhalten hatte, kann ich nicht beurteilen. Aber durch den Bericht bei Y-Kollektiv kam das alles wieder hoch. Vielleicht gibt es ja den einen oder anderen, der zur gleichen Zeit dort war und sich auch daran erinnert.
Gleich zum Ferienbeginn ging es mit dem Zug von Soltau nach Bad Salzuflen. Ich habe keinerlei Erinnerung mehr an die Fahrt dorthin. Nur noch das Bild unserer Mutter, die uns vom Bahnsteig aus winkte und noch ein paar Worte durch die geöffnete Scheibe mit uns sprach. Es waren weitere Kinder im Zug. Ich kann nicht mehr sagen, ob es eine Begleitung gab, glaube es aber nicht. Lange vor dieser Reise war ich gespannt und habe mich darauf gefreut. Wir hatten neue Koffer bekommen, die einen eigenartigen Chemiegeruch ausdünsteten. Der Geruch dieser Koffer hat mich noch viele Jahre verfolgt, genauso wie der Geruch von Haferschleimsuppe und vieles mehr.
Ich erinnere mich an einen Kies- oder Schotterweg, der zu einem Anwesen führte, in dem wir für die kommenden sechs Wochen unter Ausschluss der Öffentlichkeit erniedrigt und kleingemacht werden sollten.
Gleich bei der Ankunft wurden uns sämtliche Süßigkeiten, Geld, Briefmarken Papier und Stifte abgenommen. Meine Schwester und ich wurden getrennt. Ich kam in einen Schlafsaal mit sechs, acht oder mehr(?) fremden Mädchen. Abends mussten wir sehr früh ins Bett gehen (gefühlt 20 oder 21 Uhr, es war noch lange hell draußen). Nachts durften wir nicht auf die Toilette, sondern mussten stattdessen einen Nachttopf nutzen, der mitten im Raum stand. Einmal bin ich auf meiner Schlafwandlertour direkt hineingetreten. Sobald sich nachts jemand im Zimmer bewegte, war augenblicklich eine der beiden Aufpasserinnen da und es gab Ärger. Nach dem Mittagessen mussten wir einen Mittagsschlaf halten. Es war nicht erlaubt, in dieser Zeit das Bett zu verlassen oder wenigstens zu lesen geschweige denn sich zu unterhalten. In dieser Zeit musste ebenfalls der Nachttopf benutzt werden, auch für größere Geschäfte.
Jeden Nachmittag kam eine externe Frau, die mit der gesamten Gruppe (ich schätze mindestens 50 Kinder) Wanderungen unternommen hat. Mit meinen 7 Jahren habe ich diese Wanderungen als endlose Gewaltmärsche in Erinnerung. Körperlich anstrengend und langweilig. Zu trinken oder essen gab es unterwegs nichts. Auf einer dieser Touren bin ich mit voller Wucht gegen eine Laterne gelaufen. Das trug einerseits zur Belustigung bei, zeigt aber andererseits auch, dass ich auf diesen Märschen wohl in eine Art Trance-Modus geschaltet habe, um es aushalten zu können.
Sonntags war im großen Speisesaal Briefstunde. Alle Briefe, die wir unseren Eltern geschrieben hatten, wurden von der Heimleitung, Frau Schelper, geprüft. Meine Briefe hat sie grundsätzlich zerrissen und mir dann diktiert, was ich unter Tränen zu schreiben hatte.
Zu essen gab es morgens eine schleimige Milchsuppe mit Haferflocken, die ich überhaupt nicht mochte und von der ich regelmäßig einen Würgereiz bekam. Alternativen gab es nicht. Zwischen einem miserablen Mittagessen und dem Abendbrot gab es als Zwischenmahlzeit einen Schokokuss für jedes Kind und dazu lauwarmen bis kalten Tee. Anfangs konnte man Tee nachgeschenkt bekommen. Doch nach einiger Zeit wurde auf einen halben Becher Tee pro Kind rationiert. Auf diese Weise wollte man das Problem mit den Bettnässern lösen. Insgesamt wurde sämtliches Essen streng rationiert, wenn man bedenkt, dass die meisten Kinder zum „Aufpäppeln“ dort waren. Ich erinnere mich, dass wir irgendwann aus Verzweiflung Zahnpasta gegessen haben, um einmal etwas anderes zu schmecken. Außerdem gab es mehrere Vorfälle, bei denen Essen aus der abgeschlossenen Speisekammer im Keller gestohlen wurde. Die Diebe wurden erwischt und hart bestraft.
Bei einem Läuseausbruch wurde uns im großen Waschraum im Keller eine furchtbar aggressiv riechende Substanz ins Haar gekämmt. Einem Mädchen wurden die langen blonden Haare komplett kurz geschnitten. Ich erkrankte so sehr, dass ich tagelang in meinem Bett bleiben musste. Ich hatte Fieber und fühlte mich sehr schwach. Niemand hat mich versorgt oder nach mir gesehen. Tagelang lag ich alleingelassen in diesem Bett und es ging mir sehr schlecht. Ich erinnere mich nur, dass meine Schwester hin und wieder mit einem Teller Essen zu mir kam – Haferschleimsuppe.
Die schlimmste Begebenheit habe ich eingangs schon angedeutet: Eines morgens bin ich die Treppe zum Waschraum hinuntergegangen, um mich wie üblich in die Warteschlange zu stellen. Frau Schelper hat mich angesehen und mir unvermittelt mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen. Sie sagte, ich solle mir umgehend etwas Vernünftiges anziehen. Ich weiß bis heute nicht, was genau ihr an meiner kurzärmeligen Bluse nicht gefallen hat. Sie war außer sich vor Wut und hat mir noch Beleidigungen hinterhergebrüllt während ich weinend und seltsamerweise schuldbewusst die Treppe hochlief.
Dank absoluter Kontaktsperre zu den Eltern waren all diese Erniedrigungen Tag für Tag möglich. Ohne meine Schwester Heike wäre ich vielleicht noch kränker geworden.
Die Erlebnisse in Bad Salzuflen beschäftigen mich bis heute. In all den Jahren war es mir ein großes Anliegen, dieses Kapitel aufzuarbeiten. Wahrscheinlich der Bagatellisierung meines Umfeldes geschuldet, bin ich das Thema jedoch nie ernsthaft angegangen. Die wenigsten Menschen haben meinen Schilderungen über die systematische Demoralisierung in dieser Anstalt wirklich Gewicht beigemessen. Uns wurde bei jeder Gelegenheit sehr klar gemacht, dass wir nichts wert waren, keine Lobby hatten und froh sein durften, dass sich überhaupt jemand mit uns befasste. Sich dieser Herabwürdigung als Kind zu entziehen ist unmöglich. Selbst unter Beachtung der Tatsache, dass damals andere Zeiten waren, wurde uns dort großes Unrecht angetan.
Ich freue mich, dass das Thema Verschickungskinder nun gründlich aufgearbeitet wird und so angemessene Bedeutung erhält.
Ein Angsterlebnis kann ich besonders gut erinnern: in großen ovalen Holzfässern/Badewannen sollten wir sitzen und darin baden. Die Erzieherin sagte: Steh ja nicht auf! Unbedingt sitzen bleiben! Sie drehte den Wasserhahn auf, das Wasser lief und lief, ich sass sehr aufrecht, das Wasser stieg mir bis ans Kinn, ich bekam Angst, dass es mir übers Gesicht, über die Nase steigen würde, aber es hieß ja, man darf nicht aufstehen. Ich bekam Panik. Gott sei Dank kam grade noch rechtzeitig jemand um das Wasser abzudrehen. Weitere Erinnerungen habe ich leider nicht.
Ich war aber später noch in zwei weiteren Heimen, im Alter von 7 und im Alter von 9 Jahren. Dort bekam ich ab und zu mit, dass Kinder erbrachen und das Erbrochene wieder essen mussten. Oder überhaupt musste man am Tisch sitzen, bis man aufgegessen hatte.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ich auf diesem Weg jemand finde, der dort zur gleichen Zeit war wie ich und sich an mehr erinnert. Ich habe noch einige wenige Fotos davon.
Das große graue Gebäude
Der große Speisesaal mit der Holzbank und Tische an der Fensterseite, dazu Einzeltische = immer 4 Kinder
Das Frühstück: immer 2 Graubrotscheiben mit Honig
Der Junge, der durch ein Teil von außen im Hals atmete
Ich war dort weil ich angeblich zu wenig wog
Aber 2 Scheiben Graubrot schaffte ich und andere nicht.
Also warfen wir sie hinter die Holzbank. Da wir den Raum säubern mussten, war dies kein Problem.
Bis ich erwischt wurde. Ich wurde umgesetzt. Dort gab es ein Mädchen das jeden Morgen meine 2 Scheibe aß.
Ich würde diesem Mädchen heute soooo gerne DANKE sagen. Zum anderen gab es zum Nachttisch einmal Jogurt, den ich nicht mochte. Ich erbrach ihn und musste ihn (ausgekotzt) dann nochmal essen.
Bis heute kann ich den Geruch und Geschmack von Honig und Joghurt nicht ertragen. Ich esse fast keine Milchprodukte.
Wo 4 Jahren bin ich mit meinem Mann zu dem Heim gefahren. Ich war erstaunt dass es so idyllisch im Allgäu liegt. Ich konnte mich nicht an den Blick vom Haus aus erinnern. Zum anderen war es jetzt weiß gestrichen und hat einen bunten Spielplatz vorm Haus.
Ich habe mich im Sekretariat zu erkennen gegeben. Die nette Dame dort sagte mir das ich nicht die 1. Ehemalige wäre. Ich habe in den 8 Wochen so meine Mutter und Omma vermisst. Seit dem Besuch ist Geschichte meines Heimaufenthalts für mich abgeschlossenen!
Was folgte, waren sechs Wochen körperliche und seelische Folter, schwarze Pädagogik und sadistische Praktiken. All das verweist auf personelle und ideologische Kontinuität, die aus der Nazi- Zeit weit in die BRD hineinragt.
Ich war neun Jahre alt, durchgehende Erinnerung ist aus meinem Gedächtnis getilgt, was bleibt, sind einzeln aufscheinende Erlebnisse von brutaler Misshandlung, Demütigung, sinnloser Grausamkeit und sexueller Gewalt. Ich war diesen gnadenlosen Ordensschwestern und ihren männlichen Gehilfen zur Befriedigung ihrer sadistischen Bedürfnisse ohne jede Möglichkeit zur Gegenwehr ausgeliefert.
Einige der Erlebnisse, die mich bis in meine Träume verfolgen waren:
- die nach Inhalt und Zubereitung ekelerregenden Mahlzeiten musste ich zusammen mit einigen anderen Delinquenten auf einem Podest einnehmen, das in der Mitte des mit Kindern vollgestopften Speisesaals aufgebaut war. In der Mitte unseres Tisches stand ein beidseitig gut lesbar beschriftetes Schild mit der Aufschrift " Bettpisser". Dort habe ich acht Wochen, dreimal täglich, gesessen ( ich wurde zu zwei Wochen Nachkur verurteilt, weil ich nicht zugenommen hatte und immer noch einnässte). Ich wurde immer wieder schwer Misshandelt, Hämatome, Platzwunden, eingerissene Ohrläppchen, medizinische Hilfe, auch bei Fieber, Entzündungen, Durchfallerkrankungen gab es nicht, für verschmutzte Unterwäsche gab wieder Prügel. Erbrochenes wurde wieder auf einen Teller gescharrt und musste aufgegessen werden. Um für Regelverstöße im Schlafsaal verdroschen zu werden, musste man die Regeln weder kennen noch sie verstehen, verängstigt und schlaflos im Bett zu liegen ,wartend auf die nächsten Schläge, ohne zu wissen wofür, war die Regel.
mindestens einmal in der Woche wurden wir in verdreckte Holzbottiche gezwungen die mit einer unglaublich stinkenden schwefligen Brühe gefüllt waren, alle hatten Angst in dem Gestank zu ersticken.
Ich schrieb einen Brief an meine Eltern, in dem ich sie anflehte mich aus dieser Hölle zu befreien. Einen Tag später wurde ich in ein winziges Zimmer, in dem nur eine Pritsche stand, einige Stunden eingesperrt. Einer der männlichen Schergen trat ein und las mir laut und mit niederträchtigen Kommentaren meinen Hilferuf an meine Eltern vor. Dann nötigte er mich zu sexuellen Handlungen (das wiederholte sich von da an einige Male). Im Anschluss diktierte er mir einen Brief an meine Eltern, in dem ich schildern musste wie gut es mir gehe und schön der Aufenthalt in dem Heim sei.
Die Demütigung war vollkommen, von da an war ich gebrochen, jeder Widerstandswille war gebrochen.
Ich erinnere mich noch an Geländespiele im Wald, bei denen wir aufgefordert wurden mit Luftgewehren auf Vögel zu schießen. Gruppen von Jungen wurden gebildet, eine sollte einen Hügel gegen eine Andere verteidigen. Die Kinder wurden angewiesen sich ohne Nachsicht zu Prügeln. Jetzt, wo ich es aufschreibe, fällt mir auf, dass immer mehr Erinnerungen hochkommen und mich immer noch belasten. Ich will es dabei belassen
ich bin mittlerweile 62 Jahr alt und habe einen Beitrag zum Unerhörtem Leid in der NRZ vom 24.11.2020 gelesen.
Seit dem Tag geistern mir viele Erinnerungen durch den Kopf, vieles habe ich vermutlich vergessen oder verdrängt, allerdings kann ich micht auch an diverse schlimme Dinge erinnern.
Ich war dort mit meinem kleinem Bruder für 6 Wochen. Das Haus wurde damals von Nonnen geführt, die eine ziemlich rigorose und harte Führung an den Tag legten. Zu dem üblichen Heimweh mit ca. 8 Jahren war der Tagesablauf und der große Schlafsaal mit 10 - 12 Betten sehr unangenehm. Mein für mich schlimmstes Erlebnis verfolgt mich heute noch.....
Eines Mittags gab es Reis mit Hühnerfrikasse und Pilzen in einer sehr dicken Soße. Ich mochte dies überhaupt nicht, wurde aber gezwungen weiter zu essen. Nachdem ich mich mehrmals übergeben habe, musste ich bis spätabends vor meinem Teller sitzen bleiben und diesen leer essen. Ich kanne bis heute keine Pilze mehr essen........
Auch kann ich berichten, dass man mein Päckchen aus dem Elternhaus konfeziert hat und dies auf alle anderen Kinder verteilt hat. Dies ist m. M. nach eigentlich in Ordnung, allerdings für einen achtjährigen sehr schwer zu verstehen.
Auch habe ich heute noch das weinen der Kinder in Nacht in meinen Ohren....
Liebe Grüße
Rolf
Ich habe den Bericht über die Verschickungskinder gestern in Exclusiv gesehen...
Ich war sehr überrascht darüber,weil es immer runter gemacht wurde und als anstellerei abgetan wurde.
Ich war auch so ein Verschickungskind.
So 1962 oder 63...ich war in Bad Salzufflen bei den grausamen Nonnen dort.
Ich mochte mein Nachtisch nicht , war so sauer, es gab Rababermatsch...eklig! Ich musste bis am Abend am Tisch sitzen bleiben.
Andere Kinder mussten ihr Erbrochenes Essen.
Beim Haarewaschen wurde mit kaltem Wasser gewaschen. Als ich mit dem Kopf zuckte wurde er mir aufs Waschbecken geschlagen.
An eine Sache erinnere ich mich noch ganz genau. Ich musste zwischendurch mal aufs Klo, als ich über den Flur lief trat die Oberin mir heftig ins Gesäß.
Ich konnte lange nicht richtig sitzen.
Ein anderes Kind konnte ich mit ansehen wie die Oberin es an den Haaren aus dem Bett zog um schneller zur Toielett zukommenden....
Es war ein richtiges Trauma...
1968 war ich 5 Jahre alt, meine Schwester war damals 6 und wog zuwenig. Deshalb sollt sie aufgepeppelt werden und damit sie nicht allein ist, wurde ich
mitgeschickt. Entgegen der üblichen Praxis waren wir beiden jedoch nur 3 Wochen dort, alle anderen Kinder 6 Wochen.
Das Essen war zwar oft ekelig, aber in meiner Erinnerung nicht verdorben o.ä.
Milchsuppe hab ich gehasst, musste sie aber jeden morgen essen. Wer nicht aufißt, darf nicht aufstehen vom Tisch. Und wer kotzt (das kam ziehmlich oft vor),
bekommt mittags keinen Nachtisch. Dieser Nachtisch war suuuuuper: Wackelpudding mit einem Schokokringel darauf. Der war bei allen sehr gegehrt. Und sonntags gab's Eis zum Nachtisch... hmmmm! Also, möglichst nicht kotzen!
Die "Fräuleins" (Betreuerinnen) und die Nonne waren sehr streng. Als liebevoll habe ich sie überhaupt nicht in Erinnerung, eher kalt und hart, manchmal auch gemein.
Vor ca. 20 Jahren bin ich nochmal dahin gefahren. Hab das Haus von Weitem erkannt, obwohl ich weder Namen noch Adresse hatte. Hab unseren Gruppenraum direkt gefunden, wußte noch, wo wir immer gesessen haben. War alles noch sehr ähnlich wie damals, aber der Raum schien mir viel heller. Die
dunkle Holzvertäfelung war, glaube ich, nicht mehr da.
Als ich auf dem Hof unten eine Betreuerin fragte, wo die Gaskammer ist, wußte sie sofort, was ich meine: Den Duschraum vor dem Schwimmbad.
Einmal in der Woche war schwimmen, baden, planschen darin angesagt und das haben wir geliebt. Um ins Schwimmbad zu kommen, mussten wir uns umziehen. Dann wurden alle Kinder in einen kleinen schmalen Raum gesperrt dicht an dicht, Tür hinter uns geschlossen. Niemand konnte raus.
Der Raum hatte Oberlichter und war mit weißen Kacheln raumhoch gefliest. Unter der Decke waren in regelmäßigen Abständen Duschköpfe montiert.
Von außen wurde dann das Wasser aufgedreht und es war eiskalt! Alle schrien und drängelten möglichst weit weg von den Duschköpfen. Es war ohrenbetäubend, alle schubsten und drängelten, eiskaltes Wasser von
oben, Geschrei und Gekreische, keine Luft kriegen...
ich hatte Todesangst.
Ich war die Jüngste in unserer Gruppe, alle anderen waren 6 und 7 Jahre alt, ich war erst 5 und damit die Kleinste und Schwächste. Panik, blanke Panik! Ich dachte, ich ertrinke. Es war die Hölle.
Jahre später habe ich Fotos von Gaskammern in KZs gesehen und sie haben erschreckende Ähnlichkeit mit diesem Raum...
"Unsere Gaskammer" gibt's nicht mehr. Als ich damals in Niendorf war, war das Schwimmbad komplett gesperrt und es wurde gerade saniert.
Meine Schwester bekam Windpocken im Heim, einige Tage später ich auch und so folgten alle Kinder nach und nach. Man musste für 2-3 Tage ganz allein im großen Schlafsaal bleiben, durfte nicht aufstehen, nichts zum Spielen o.ä. und ich hatte unendliches Heimweh. Es war grauenhaft.
Ich hab damals oft in die Hose gemacht, besonders wenn ich Angst hatte. Am 2. Tag hatte ich schon zwei Schlüpfer gewechselt und brauchte gegen Mittag
schon den dritten. Die Erzieherin sagte nein. "Wenn du in die Hose machst, musst du das halt aushalten.
Die Unterwäsche wird nur einmal in der Woche gewechselt!" Und so lief ich total wund eine ganze Woche mit der selben nassen dreckigen Unterhose herum und hab wahrscheinlich unglaublich gestunken. Als die Nonne das am Ende der Woche gesehen hat, gab's richtig Ärger. Ab da durfte ich jeden Tag zumindest einmal die Wäsche wechseln (mehr
aber auch nicht!!!) und wenn die Nonne weg war, musste ich manchmal auch mit nasser Hose rumlaufen.
Wenn abends das Licht ausgemacht wurde, kam 10 Minuten später die Nonne rein und hat jedem Kind mit der Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet, um zu kontrollieren, ob wir auch schliefen. Wenn man die Augen ganz fest zusammengekniff, merkte sie nicht, dass man noch wach war (wie schön naiv!) Weinen war verboten, das weiß ich
noch und auch, dass auf dem Flur jemand Wache gehalten hat, damit niemand aufsteht.
Meine Mutter war selber als Kind in diesem Heim gewesen 1938. Warum sie uns dahin geschickt hat, verstehe ich bis heute nicht. Sie hat nach eigener Aussage damals pausenlos geweint und hatte Heimweh...
Und meine jünste Schwester (6 Jahre jünger als ich) war auch dort 1978, aber da war sie schon 10 Jahre alt und hat ganz wunderbare Erinnerungen daran. Dort war sie die Älteste und durft sich mit um die Kleinen kümmern. Endlich mal nicht die Kleine sein wie zuhause, sonder zu den Großen zählen, das hat sie sehr genossen...
So kommen viele Erinenrungen wieder hoch.
Ich fand es dort ganz schrecklich.
Mich hat gerettet, dass meine große Schwester dabei war. Somit waren wir wenigstens nicht alleine...
Erinnert sich jemand an die Gruppe im Eckraum 1.OG Sommer 1968 als wir alle nach und nach Windpocken bekamen???
Mit Christiane waren wir dort befreundet. Die war nett!
Hat jemand noch den Seestern, den wir am Ende geschenkt bekamen zum Abschied? Meiner könnte noch auf dem Dachboden bei meinen Eltern vergraben sein...
Viele Grüße,
Barbara
Leider kann ich mich nur an sehr wenige konkrete Bilder und Ereignisse erinnern, aber dafür umso besser an viele schreckliche Gefühle, die ich dort hatte.
Aus Erzählungen meiner älteren Schwester weiß ich, das ich nach Bonndorf wieder Bettnässer war, obwohl ich vorher „trocken“ war.
Seit 40 Jahren bin ich überzeugt, das mir dieser „Aufenthalt“ dort schweren Schaden zugefügt hat. Bisher glaubte ich aber damit allein zu sein. Und habe immer wieder sehr bedauert, dass ich ohne konkrete Erinnerungen nicht herausfinden könne, was dort mit mir gemacht wurde.
Dank Anja Röhl und verschickungsheime.org hat sich das endlich geändert.
Daher wäre ich wirklich sehr, sehr dankbar, wenn jemand, der vielleicht älter war, Erinnerungen an die „Behandlung“ der Kinder zu dieser Zeit 1967 hat und diese teilen kann.
Als wir mit vielen Kindern dort ankamen, wurden die älteren von den jüngeren getrennt. Das war das letzte Mal in den 6 Wochen das ich die kleineren gesehen habe, wir durften kein Kontakt zu anderen Gruppen haben.
Auch ich kann mich an grosse Schlafsäle erinnern. Mein Bett stand M Fensterhinten rechts.
Zum Essen gingen wir geschlossen in Reihe, vorher mussten wir alle die Toilette aufsuchen. Denn zwischendurch war es verboten. Auch Nachts nicht, man wurde zurück ins Bett geschickt, wo ich mich dann einmachte und so die Nacht darin verbringen musste.
Der Waschraum war auch gross, mit vielen kleinen Waschbecken.
Beim Essen durften wir nicht reden, mussten alles aufessen, egal wie.
Wer erbrechen hatte musste vorne an einem Tisch im stehen sein erbrochenes Essen. Ich erinne mich an ein Mädchen mit langen Zöpfen, sie stand sehr oft vorne, dieses Bild kann ich nicht vergessen, wie sie dort im weinen alles essen musste.
Es waren schlimme 6 Wochen, und es fällt schwer hier alles nieder zu schreiben.
Die Briefe die wir bekamen wurden aufgemacht, und Taschengeld was wir geschickt bekamen, wurde "in unsere" Kasse gelegt.
Geschenke zum Geburtstag wurden nicht ausgehändigt.
Was wir nach Hause zu schreiben hatten, wurde vorgegeben.
Es ist noch soviel, was es zu berichten gibt, und was hier beim Schreiben, wieder hochkommt.
Ich erinnere mich noch an die endlose Zugfahrt. Und an die vielen Kinder die dort im Heim waren. Und an die grossen Schlafsäle. Von meinem Bruder wurde ich bei Ankunft getrennt. Ich hatte furchtbares Heimweh und verstand nicht das meine Eltern mich dort nicht abholen wollten obwohl ich dort soviel Angst hatte. Sie hatten doch immer wieder versprochen auf mich aufzupassen.
Ich war zu diesem Zeitpunkt 4 Jahre und 8 Monate alt.
Ich erinnere mich an einen Kinderarzt,bei dem ich wohl öfter zur Untersuchung musste. Ich erinnere mich daran nicht aufs Klo zu dürfen,und das ich es deshalb nicht schnell genug auf die Toilette geschafft hatte und meinen Darm auf dem Flur entleeren musste.
Das war schlimm.
Als ich nach 6 Wochen das erste Mal meine Eltern wiedersah habe ich sie gesiezt....Ich war traumatisiert.
Es gibt 2 Fotos aus dieser Zeit in St. Johann,die ich gerne bereit bin zu veröffentlichen.
Ich würde mich freuen mich auf diesem Wege mit Kurkindern aus St. Johann auszutauschen um diese furchtbare Zeit dort aufzuarbeiten,die mir und meinen Eltern bis heute soviel Leid zugefügt hat.
so dass man Ihr eine Kur in einem Müttergenesungswerk nahelegte.
Für 3 Jungs im Alter zwischen knapp 3 und 6 Jahren musste jedoch eine Lösung her. Ich war damals ca. 4,5 Jahre alt und kam mit meinem älteren Bruder nach Bad Sassendorf, mein kleiner Bruder wurde völlig alleine in einer anderen Einrichtung untergebracht, deren Name ich nicht kenne. Grausamer geht es nicht.
Ihn hat es am schlimmsten getroffen. Als er zurückkam konnte er nicht mehr sprechen, hatte massiv zugelegt und war völlig traumatisiert, er hatte immer Angst zu ersticken. Ich hatte mehr
Glück und war nicht alleine, hatte ich doch in dieser dunklen Zeit meinen "grossen Bruder" gehabt der mir, ohne dass er es selbst wusste, geholfen hat die schlimmste Zeit meines Lebens irgendwie zu überstehen.
Es war der blanke Horror, wir wurden wie Insassen
einer Erziehungsanstalt behandelt. Toilettengänge nur zu bestimmten Uhrzeiten, wer z.B. vor Heimweh geweint hat, wurde in einem dunklen Raum weggesperrt.
2 Stunden Mittagsschlaf, Sprechverbot während der Mahlzeiten, wer sich nicht an die Regeln hielt wurde angeschrien und vor allen gedemütigt und drangsaliert. An direkte körperliche Züchtigung kann ich mich nicht erinnern.
Ich musste einmal im Schlafraum notgedrungen mein Geschäft verrichten, weil man mich nicht auf die Toilette lassen wollte. Danach brach die Hölle los. Es war ein System der totalen Kontrolle, der Wiilkür und Unterdrückung. Ich kann mich an kein Spielzeug erinnern und nur an wenige Aufenthalte im Freien. Am schlimmsten waren die Badetage, wir standen der Reihe nach nackt an der Wand und wurden nacheinander aufgerufen wenn wir an der Reihe waren. Im Internet gibt es eine Postkarte von damals die zeigt, wie diese Foltereinrichtung aussah. Das Wasser war viel zu heiß und es reichte einem bis an die Unterlippe, ich hatte Angst zu ertrinken. Wer jedoch seine Angst zeigte wurde angeschrien. Die Grausamkeit und Kälte des Personals war unbeschreiblich. Es gab keine angstfreien Momente in den 6 Wochen. Ich frage mich heute, wieviele Kinder ähnliche Erfahrungen in dieser Einrichtung gemacht haben und wie ich, erst heute den Mut gefunden haben darüber zu berichten. Meine Eltern mochten über diese dunkle Zeit nicht sprechen und haben es verdrängt, mein kleinster Bruder kann sich vermutlich an die schlimmste Zeit seines Lebens nicht erinnern und kann ebenso wie mein älterer Bruder nicht darüber sprechen.
Ich bin heute noch dankbar, dass ich mit dem Horror nicht alleine war und habe mich im fortgeschrittenen Erwachsenenalter bei Ihm einmal bedankt.
Dass hat er nur mit einem Schweigen beantwortet. Vielleicht gibt es auch keine
Worte für dass, was unsere kleinen Seelen alles ertragen mussten.
Als ich heute auf WDR 5 Frau Röhl im Interview hörte, durchfuhr es mich wie ein Blitz. Schlagartig kamen böse Erinnerungen an einen Verschickungsaufenthalt im Schwarzwald an die Oberfläche. Das Schlimme ist wohl, dass die Verdrängung ganze Arbeit geleistet hat. Erinnern kann ich mich an den Namen Freudenstadt. Auch muss es wohl in sehr früher Jugend passiert sein. Meine Schulzeit, meine ich, war nicht berührt.
Erinnern kann ich Nächte voller Tränen, voller Heimweh, voller Schläge mit einem Kehrbesen, weil ich im Schlafsaal nicht leise genug war. Erinnern kann ich Händevoll ausgerissener Haare, weil ich nicht schlafen konnte. Ich kann mich auch nicht an die Dauer der Verschickung erinnern, es war nur viel zu lang.
Ein zweites Mal wurde ich nicht verschickt. Offensichtlich waren meine Eltern doch wohl sehr geschockt über meine Berichte, als ich wieder zu Hause war. Auch müssen sie wohl sehr gut mit mir umgegangen sein, so dass ich die Erlebnisse doch wohl recht gut verarbeiten konnte.
Es muss so Mai/Juni 1966 gewesen sein, als ich von der Stadt Mülheim an der Ruhr ins Kinderheim Neu Astenberg bei Winterberg für 6 Wochen verschickt wurde.
Das waren meine schlimmsten 6 Wochen. Aufgrund des dort erlebten wollte ich später auch nicht mit den Schulklassen in Schullandheime fahren.
Ich war 5 Jahre alt und in diesem Alter kann man noch nicht alles perfekt alleine. Es fing schon morgens beim Frühstücken an, dass ich mir mein Brot nicht selber schmieren konnte. Zu meiner Linken vor Kopf am Tisch saß eine jüngere Frau, die mich ständig drangsalierte. ich wurde von ihr u. a. immer wieder in den Oberschenkel gekniffen, so dass mein linker Oberschenkel total blau war, als ich wieder zu Hause war.
Ich mochte noch nie Käse oder Tomaten. Ich wurde gezwungen das zu essen. Solange der Teller nicht leer gegessen war, durfte ich nicht aus dem Speisesaal. Egal, bei welchen Mahlzeiten.
Bis heute esse ich keinen Käse bzw. keine Tomaten.
Wenn wir abends ins Bett mussten, duften wir nachts nicht mehr zur Toilette. Und wehe man wurde erwischt! Dann wurde mir das Schmusetier weggenommen. So kam es, dass man auch nachts ins Bett machte. Am nächsten Tag musste man wieder ins nasse Bett.
Briefe wurden von den Erzieherinnen geschrieben, nach den Vorgaben von den Kindern. Ob das aber der Wahrheit entsprach, man weiß es nicht. Als 5jährige hat man ja noch nicht so den Überblick.
Als ich nach 6 Wochen wieder bei meinen Eltern war, war ich sowas von froh. Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie den kompletten Inhalt meines Koffers weggeworfen hat, da die gesamte Bekleidung gestunken hätte und total dreckig gewesen wäre.
Dieses Kinderheim existiert heute nicht mehr. An dieser Stelle befindet sich heute ein Skihotel. Auch im Internet findet man nur noch eine einzelne Postkarte.
Meine Tochter habe ich nicht "verschickt". Gut, sie wurde 1990 geboren, aber so etwas wollte ich ihr beim besten Willen nicht zumuten.
Ich habe stark überlegt, ob ich hier überhaupt etwas beitragen soll, weil ich, Gott sei Dank, so etwas Grausames nicht im Kindererholungsheim erleben brauchte. Aber vielleicht kann ich dennoch anderen helfen, um fehlende Informationen zuzufügen.
Da ich stets dünn und blaß war, wurde ich 1964 im Alter von 6 Jahren nach Borkum, Friesenhof und 1972 im Alter von 14 Jahren nach Heimenkirch, Herz-Jesu-Heim, in ein Kindererholungsheim geschickt .
Zu der damaligen Zeit war es wohl üblich, Kinder in ein Erholungsheim zu schicken, besonders in den Arbeiterklassen. Die Eltern wollten sicherlich nur das Beste für ihre Kinder. Die Schandtaten kamen schließlich nicht an die Öffentlichkeit. Ämter, Institutionen schwiegen dazu. Kindern glaubte man eh wenig, sie hatten nur zu folgen ohne zu nörgeln.
Borkum: Ich fuhr ganz sicher nicht gerne und freiwillig alleine weg, aber wie gesagt, man hatte nix zu melden. Da ich erst 6 Jahre alt war, habe ich nicht so viele Erinnerungen an den Aufenthalt. Morgens gab es warme Milch mit Haut drauf oder Milchsuppe, wovon ich mich auch einige Male übergeben musste, allerdings konnte,durfte, ich noch zur Toilette rennen. Im großen Speisesaal stand eine große Plüschgiraffe.
Zwischendurch bekam ich die Windpocken und musste einige Tage in einem Krankenzimmer bleiben während die anderen am Strand Muscheln sammeln gingen, jedenfalls an einem Tag.
Mittagsschlaf war Pflicht. Mehr weiß ich nicht aus der Zeit. Natürlich hatte ich Heimweh.
Ein Gefühle von Liebe habe ich dort aber nicht gespürt.
Wir waren nach wenigen Jahren noch mal mit der Familie auf Borkum im Urlaub.
Heimenkirch: Als ich im Sommer 1973 in Heimenkirch im Herz-Jesu-Heim zur Kindererholung war, war ich schon 14 Jahre, also Teenager;). Da hat man einen besseren Überblick über die Situation und lässt sich nicht mehr veräppeln. Ich war mit zwei Mädchen, Bettina?11 und Angelika 12 Jahre in einem Zimmer. Die kleineren Kinder schliefen in größeren Schlafsälen. Die gesamte Gruppe mit Kindern, Jungen und Mädchen, von 4-14 J.kam aus Bochum. Kleidereinbauschränke waren auf dem Flur, wo wir Älteren uns unsere Sachen aussuchen konnten. Leider musste man auch die schmutzige Wäsche in Tüten dort unterbringen, die dann durch Feuchtigkeit darin Stockflecken bekamen.
Es gab einen großen Speisesaal, über die Qualität des Essens kann ich nichts mehr sagen. Wird wohl essbar gewesen sein, denn ich war immer pingelig mit Essen. Wir Großen saßen außen am Tisch, um den Kleineren die Teller weiterzureichen. Beim Abräumen der Teller warfen wir auch mal einen Blick in die Küche.
Ausflüge wurden auch unternommen, meistens in näherer Umgebung zur „drei-Groschen-Wiese“. Einmal ging es zum Pfänder/Bregenz 25 km mit allen Kindern und den drei Betreuern. Ein kleines Stück fuhren wir mit einer Kleinbahn. Es war heiß, kann nicht mehr sagen, ob wir ein Lunchpaket mitbekommen haben, jedenfalls keine Wasserflaschen. Vor großem Durst habe ich Stadtmensch aus eine Kuhtränke Wasser getrunken;). Hoch zum Pfänder ging`s mit dem Sessellift, wo ich und andere Ältere die Kleinen beaufsichtigen mussten, wobei ich selbst auf dem Lift und beim Absteigen ein weinig ängstlich war.
Ob es Mittagsschlaf für uns Älteren gab, weiß ich nicht mehr. Öfters durften wir auf einer angrenzenden Wiese, Spielplatz den Nachmittag verbringen. Wir drei Mädchen 11,12,14 J., nutzten schon mal die Gelegenheit, uns wegzuschleichen und runter zum einzigen Laden zu laufen, um uns von unseren weinigen Groschen Bonbons zu kaufen.
Wir Älteren hatten auch das Privileg, ab und zu abends im Gemeinschaftsraum Spiele zu machen.
Päckchen und Briefe von zu Hause haben wir erhalten und Briefe oder Postkartenhaben wir auch nach Hause geschickt (habe noch welche). Wie gesagt mit 14 hat man die Möglichkeit seine Post selbst in den Briefkasten zu werfen.
Zu meiner Zeit gab es dort zwei nette Betreuerinnen, Christa 20J., Elke 36J. Heimleiter war Georg Danzer ca 46J. auch nett. Dann war ein netter junger Student aus Hamburg? als Praktikant zugegen.
Oberhaupt des Heimes war ein alter gewisser Dr.D. mit militärischem Ton und Auftreten, allzuoft sahen wir ihn nicht. Er bewohnte das anliegende Haus. Wir Großen nahmen ihn nicht ernst, nannten ihn DDD (den doofen Doktor). Wenn der das Kommando in den vielen Jahren davor hatte, möchte nicht wissen, was sich da ereignete.?
Vor ca.8 Jahren habe ich mich beim Gemeindebüro in Heimenkirch erkundigt, war aus dem Heim geworden sei. Die Antwort war, dass es vor einigen Jahren abgerissen wurde und eine Eigenheimsiedlung entstanden sei.
Hier ein link von einem Artikel vom 17.04.2010 in der WAZ:
https://www.waz.de/staedte/bochum/gewalt-im-ferienheim-in-den-50er-jahren-id3476974.html#community-anchor
https://www.waz.de/staedte/bochum/ferienkinder-fahrten-mit-langer-tradition-id3477009.html#community-anchor
Ich war entsetzt, ergriffen, schockiert über die Berichte in diesem Forum und habe ein tiefes Mitgefühl für die Menschen die sowas Grausamens in ihrer Kindheit erleben mussten. Unvorstellbar, unglaublich, widerlich, grausam, menschenunwürdig...ich finde keine Worte.
Mögen Sie alle von diesem Erlebten geheilt, befreit werden mit Gottes Hilfe. Und verzeihen können, denn im Verzeihen liegt die Heilung.
Ein Herz, das nicht verzeihen kann, wird keinen Frieden finden.
Albert Schweitzer
Der, der Böses tut, ist in seiner Seele unglücklicher,
als der, der Böses erleidet.
Leo Tolstoi
Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammet nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebet, so wird euch vergeben.
Lukas 6,37
Allen viel Kraft und Heilung
Esther R.
Mein Aufenthalt ein Jahr später in Bad Orb war ähnlich positiv. Bis auf einen Zwischenfall, als mein Tischnachbar sein in den Teller erbrochenes weiter essen mußte.
Erst im Zuge einer Psychotherapie entdeckte ich, dass mein Hang zu Traurigkeit, Depression und Melancholie in diesen Erlebnissen begründet lag. Wie man (sicher auch im Gefolge von Nazi-Ideologien wie „ein deutscher Junge weint nicht“ usw.) Kindern massenweise solche seelische Grausamkeit antun konnte, macht mich immer noch fassungslos.
Bemerkenswert ist dabei, dass ich das alles nur deshalb so genau weiß, weil meine Mutter viele Dokumente dazu (Bahnfahrkarten, Briefe, Postkarten, Wäschezettel, Abrechnungen, Infoblätter usw.) aufbewahrt hat. Wenn ich das heute anschaue, schaudert es mich. Ich habe zum Beispiel noch das Original-Infoblatt, das auf das strenge Besuchsverbot hinweist und es „medizinisch begründet“.
Ich finde es großartig, dass Eure Initiative sich dieses Themas annimmt und dass Menschen, die solches erlebt haben, Gehör finden. Danke.
ich war im Kindergarten alter 5-6 Jahre alt als ich ins Kurheim 1970-71 kam. Ich war kränklich und bleich und kleiner und dünner als andere. Bin immer noch dünn und klein. Der Arzt hat meine Eltern empfohlen mich für 3 Monate in die Bergluft zu schicken. Zur Stärkung und für gute Luft. Meine Eltern haben sich überreden lassen und so wurde ich angemeldet. ich kann mich noch an dieses schreckliche Bild auf der Broschüre erinnern. Mit den Frauen die eine Krankenschwestentracht hatten. Ich fragte mich wieso da ich ja nicht krank war ich in ein Krankenhaus muss. Meine Eltern brachten mich mit dem Auto und dann fing der Alptraum an. 3 Monate blieb ich in diesem Martyrium. Es gab 2 Leiterinnen Tante Rosa und Tante Lilli eine war hager und dünn die andere bummeliger. Die hagere war gemein und böse machte die Kinder fertig wo sie nur konnte. Die bummelige etwas lieber aber nur wenig den Sie verteilte auch gerne Ohrfeigen. Nur die jungen Betreuerinnen waren nett. Es war verboten zu weinen vor allem wegen Heimweh das war total VERBOTEN. Man wurde ausgelacht und gedemütigt wenn man deswegen tränen hatte. Ich hatte 3 Monate einen klotz im hals. Wurde eingenässt wurde man im Flur zum Esssaal auf einem Podest gestellt damit man ausgelacht wird. Für jede Kleinigkeit wurde man angeschrien und geohrfeigt. Fertiggemacht Ausgelacht Gedemütigt, Zwangsessen Zwangsschlaf. Ich könnte 100 Dinge erzählen. Gespielt wurde wenig Bestraft viel. Es war schrecklich und ich hatte angst für immer dort zu bleiben. Nie sagten Sie uns wenn wir nachhause gehen. Es musste uns gefallen und fertig. Das essen war echt scheusslich. Wer war auch im Kurheim Lenzerheide und kann Berichten.
Ich bin als 5 Jähriges Mädchen mit meiner Schwester für 6 Wochen nach Niendorf an die Ostsee verschickt worden.
Meine Erinnerungn daran, ich konnte aus lauter Heimweh keinen Bissen runter bringen und da wir zum zunehmen verschickt wurden,MUSSTE ich alles Essen, als das im hohen Bogen wieder auf dem Teller landete wurde ich gezwungen es noch mal zu essen. Ich kann mich NICHT erinnern mit meiner Schwester zusammen gewesen zu sein,ausser 1 mal als wir eine Karte für unsere Eltern schreiben wollten, (sie konnte schon schreiben) sie sollte schreiben das sie uns holen sollen,dass wir ganz schrecklich Heimweh hätten,aber diese Karte kam nie an zuhause.
Scheinbar wurden wir dann getrennt.
Das einzige was ich noch weiß ist, mir wurde damals gesagt das meine Schwester krank sei und sie wäre auf der Isoliersstation.
Sie hätte wohl Windpocken gehabt,kann sich aber nicht erinnern ob es der Wahrheit entsprach. Sie kann sich nur erinnern das sie tagelang allein in einem Raum lag,ohne Kontakt zu anderen Kinder. Keine Spielsachen,keine Bücher,nix.
Woran ich mich auch noch erinnern kann,ich sahs am Strand im Sand. Die Kinder bekamen jeder eine Rosinenschnecke und als ich an der Reihe war,sagte man mir" du bekommst nix,wer Mittags sein Essen ausspuckt,der hat auch keinen Hunger.
Ich war froh das ich nicht essen MUSSTE.
Ich seh mich auch noch in einem Raum sitzen mit sehr vielen Schuhen. Es roch nach Wachs und Leder. Ich hab Schuhe geputzt,kann aber nicht mehr sagen ob es meine waren oder alle anderen auch. Es ist ziemlich viel verschwommen in meiner Erinnerung.
Ich leide seit meiner Kindheit an Angstzuständen, Schlafstörungen und seit 2007 an Depressionen und eine Posttraumatische Belastungstörung. Bin seit 3 Jahren in therapeutischer Behandlung und weiß heute das es aus dem Trauma der damaligen Kur liegt. Die damals vom hiesingen Gesundheitsamt angeortnet wurde.
Das sind ein paar Bruchstücke aus meiner Vergangenheit,vielleicht findet sich ja hier noch jemand der 1966 ( muss im Sommer gewesen sein) auch in Niendorf St. Johann an der Ostsee war.
Es grüßt freundlich
Ute Seelbach geb. Kattwinkel
Gleich zu Beginn haben sie uns getrennt, ich erinnere mich an keinerlei Kontakt zu meinem Bruder während des gesamten Aufenthaltes. Eigentlich war uns zugesagt worden, dass wir zusammen bleiben. Meine Eltern wussten nichts von dieser Trennung. Ebenso nahm man mir mein Kuscheltier ab. Ich konnte meinen "Kater Mikesch" immer wieder mal oben auf dem Schrank sitzen sehen. Ich fühlte mich sehr alleine, einsam und verloren.
Wenn es "Schnippelbohnen" zum Mittagessen gab, konnte ich diese nicht essen. Ich wurde aber dazu gezwungen, ich erbrach die für mich so ekligen Bohnen in den Teller zurück und musste das Erbrochene zusammen mit dem Rest im Teller aufessen. Das war noch ekliger und ich erbrach es erneut. Ich wurde gezwungen auch dies zu essen. So saß ich oft bis es dunkel wurde vor meinem Teller, in den ich mich immer wieder erbrach. Es gab sehr oft "Schnippelbohnen", so dass ich die Prozedur von Erbrechen und wieder aufessen mehrmals durchleben musste. Da ich mich auch auf den Boden und über den Tisch erbrach, musste ich auch Tisch und Boden wischen.
Nachts schlief ich sehr unruhig und meine langen Haaren lösten sich aus dem Zopf. Aus diesem Grund wurde ich häufiger auch an den Haaren aus dem Schlafsaal geholt. Die Schwester stellte im kalten Flur 2 Stühle gegeneinander, an denen sie jeweils ein Stuhlbein entfernte, so dass jeder Stuhl nur 3 Beine hatte und sehr kippelig stand. Auf der Liegefläche, die diese beiden Stühle dann bildeten, musste ich jeweils die ganze Nacht ausharren. sobald ich mich rührte, drohte meine "Bett" zu zerbrechen und ich würde abstürzen. Ich hatte immer große Angst.
Ich erinnere mich nur an einen Aufenthalt im Freien bei dem wir in Reihen durch den Schnee und Matsch marschierten. Wir mussten sehr aufpassen, dass unsere Schuhe und Stiefel nicht schmutzig wurden. Ansonsten erinnere ich mich an keinerlei Aktivitäten oder Spiele im Freien.
Einmal mussten alle Kinder in Unterwäsche nacheinander eine gewisse Zeit vor eine Höhesonne stehen und sich bescheinen lassen. Das muss kurz vor unserer Heimreise gewesen sein.
Ich erinnere mich, wie eine Schwester uns Kindern der Reihe nach die Fingernägel schnitt. Ihr Daumen war von dem Einschnitt der engen Nagelschere ganz dunkel angelaufen. Sie muss dabei ziemliche Schmerzen gehabt haben.
Als unsere Eltern uns wieder in Empfang nahmen waren wir sehr blass und mager. Wir sahen sehr krank und mitgenommen aus.
Mein Vater hat sich daraufhin bei der Stelle beschwert, über die die Verschickung organisiert wurde und er meinte, dass das Heim daraufhin geschlossen wurde - die Konzession entzogen bekam oder keine weiteren Verschickungskinder mehr aufnehmen durfte. Leider leben meine Eltern nicht mehr und ich kann sie nicht befragen. Mit meinem Bruder kann ich über diese Zeit im Heim nicht reden. Er will davon nichts mehr wissen und will nicht daran erinnert werden. Auch für ihn war es die schlimmste Zeit seines Lebens.
Ich hoffe einen kleinen Beitrag zu dem Thema "Verschickungskinder " geleistet zu haben und bin auf das Ergebnis der Aktion gespannt.
Ich erinnere mich bildhaft an Situationen, Menschen, Gefühle.
- Ich stehe gefühlt stundenlang vor dem Indianer-Schrank und schaue mir die kleinen Figuren hinter der Glasscheibe an. Ein anderes Kind packt mich und stößt mich zu Boden, drückt mich in eine Ecke. Ob dies regelmäßig passiert ist oder nur einmal, weiß ich nicht. Ich war kleiner als die meisten Kinder und hatte Angst.
- Ich erinnere mich an hohe Fenster und hohe Türen und an das weiße Gitter vor meinem Bett, an die Schwester mit orangenen Haaren, die mir eine dicke orangene Strumpfhose brachte, wenn ich in die Hosen gemacht habe.
- Ich sehe mich noch in der Sauna stehen und von innen an die Tür klopfen. "Es ist heiß, ich will hier raus". Ich hatte Angst, große Angst. Als ich in diesem Jahr wieder in dieser Sauna stand (bei einer Hausführung) erinnerte ich mich an die Antwort von den Betreuerinnen vor Ort: "Zehn Minuten!" Es war schrecklich und ich wusste nichts mit dieser Sauna anzufangen. Dampfbäder kannte ich, auch die wurden gemacht. Als meine Eltern mit nach vier Wochen einmal besuchen durften, waren meine Hände und Unterarme wegen einer versehentlichen Verbrühung verbunden. Erst mit Ende Zwanzig habe ich mich nocheinmal in eine Sauna getraut, nach langer Überredung meiner Freundinnen.
Sollte noch jemand in Harzgerode gewesen sein, würde ich mich sehr über ein Kommentar oder die Kontaktaufnahme freuen.
Ich kann mich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern, aber was ich nie habe vergessen koennen war die Angast "nicht genug an Gewicht zuzunehmen, um nach Hause zurueckkehren zu koennen." Diese Furcht wurde uns tagtaeglich bewusst gemacht. Ich habe oftmals vor Furcht soviel gegessen, dass ich mich nachts uebergeben musste und dann versucht habe das Bettzeug zu reinigen und Angst hatte, dass man dies entdeckt. Auch hatten ich so oft Durst und es gab nur Milch, was mich schon immer angekelte. Obwohl ich Geld hatte, um ein anderes Getraenk zu kaufen, wurden uns das nicht gestattet.
Andere Kinder wurden geschlagen oder beschaemt.
Mein einziger Lichtblick war eine junge Amerikanerin, die damals als Praktikantin arbeitete. Sie war unheimlich lieb und hat sich mir angenommen. Das habe ich nie vergessen.
Ueber Jahre hinaus habe ich mit niemandem darueber gesprochen, mich aber so oft gefragt, wie es in einem Land wie Deutschland moeglich war solche Heime ueberhaupt anzubieten.
Ein so jungen Kind sollte einfach nicht 6 Wochen von den Eltern getrennt sein und dann noch zu Leuten kommen, die sich nicht ernsthaft für Kinder interessieren und sich das leben mit deren militärischen Drill so einfach wie möglich machen wollen.
Ein prägendes Erlebnis:
Ich war da, weil ich Asthma hatte und die salzige Meerluft helfen sollte. Eine Nachts hatte ich einen Astmaanfall, da kam die genervte Nachtaufsichtnach ca. einer halben Stunde und nahm mich wortlos in den "Schwitzkasten" und schleifte mich , nur die Zehenspitzen hatten Fußbodenkontakt,
über den Flur in ein Zimmer dort bekam ich ein Asthmaspray wortlos in den Mund gestopft. Ich hatte panische Angst, da ich weder wusste wer das war, noch was passierte. ich hatte vorher noch nie ein Asthmaspray bekommen und hatte panische Angst, dass ich ersticke. Danach wurde ich auf gleiche Weise zurück geschleift und mit den Worten "So und jetzt ist aber Ruhe" aufs Bett geworfen und wieder allein gelassen.
Liebe Grüße
Claudia
Im Mai 1965 verstarb mein Vater nach einem Autounfall. Um meine Mutter zu entlasten wurde ich damals "verschickt".
Es waren schlimme Wochen, aus denen ich einzelne Bilder und Gerüche bis heute im Kopf habe.
Ich musste in einem Gitterbett schlafen, was mir zuhause fremd war und es gab abends regelmäßig Prügel mit den Worten "Kinder die heulen schlafen schneller ein".
Griff diese Maßnahme nicht musste ich entweder alleine im großen Manschaftsbad auf der kalten Holzbank liegen, ohne Decke und Kissen, oder die ganze Nacht schweigend mit anderen Kindern ganz leise rechts die Treppen rauf- und links die Treppen hinuntergehen. Schlafen durfte man nach dieser Prozedur erst wieder in der nächsten Nacht.
Im Speisesaal durfte nicht gesprochen werden. Es musste alles aufgegessen werden, notfalls unter Zwang. Man durfte nicht aufstehen bevor der Teller leer war.
Eingesperrt in einen kleinen Raum wurde ich wenn ich nicht brav war, bis heute bekomme ich Panik wenn z.B. eine Türe in einer öff. Toilette klemmt.
Obwohl ich erst 3 1/2 Jahre alt war, habe ich die Bilder und Gerüche noch im Kopf.
Als ich nach, ich glaube 6 Wochen, wieder zuhause ankam und meine Mutter mich abholte, war sie völlig entsetzt. Ich war total verwahrlost, meine schönen hüftlangen Haare waren so verfilzt das sie abgeschnitten werden mussten und ich war sehr dick geworden.
Angst war das stets vorherrschende Grundgefühl
Ich wurde als 8-Jährige im Oktober 1967 für 6 Wochen in die "Kur" geschickt, auf Empfehlung des Arztes, da ich ständig unter Nebenhöhlenentzündungen litt. Auch hatte ich kurz vorher eine durch Mumps ausgelöste Gehirnhautentzündung hinter mir. Ich vermute, der Arzt wollte meine Mutter entlasten, ich war das 2. von 4 Kindern wir waren alle im Abstand von nicht einmal 2 Jahren zur Welt gekommen. Wie ich aus alten Fotoalben nun entnehmen kann, war mein Vater zur gleichen Zeit wie ich zur Kur und da dachten meine Eltern wohl, es wäre ganz gut, wenn wenigstens ein Kind weniger zuhause zu versorgen ist. Meine jüngste Schwester war damals 4 Jahre alt.
Ich freute mich auf das Meer, denn die Kur sollte auf Amrum sein und ich war schon häufiger mit den Eltern im Urlaub an der See gewesen. Auch waren wir Kinder zu viel Selbständigkeit erzogen worden und kannten Übernachtungen ohne Eltern bei Freunden oder in der Verwandtschaft. Heimweh hatte ich dabei nie. Übernachtungen woanders empfand ich immer als spannendes Abenteuer. Dieses versprach auch ein Abenteuer zu werden. Zur Vorbereitung auf die Reise half ich meiner Mutter beim Kennzeichnen meiner Kleidung und der persönlichen Gegenstände. Heute besitze ich tatsächlich noch Kleiderbügel und das Schuhputzzeug aus der Zeit. Ich war Nummer 55.
Leider weiß ich nicht mehr den Namen des Heims. Ich dachte immer, es hieße „Haus Nebel" aber ich finde bei Internetrecherchen kein solches Haus. Ich habe noch zwei Fotos, einmal im Speisesaal und ein Gruppenfoto draußen. Es könnte die "Kindererholungsstätte Lenzheim" in Wittduen sein.
Schon der erste Tag war ein Schock, dem viele gefühlte unendliche Tage mit fürchterlichem Heimweh folgten.
Ich wurde in einem Zimmer mit 3 weiteren Mädchen untergebracht, die Jüngste war 4 Jahre alt. Wir sollten unsere Betten beziehen. Damals gab es noch keine Spannbettlaken, also kämpften wir mit, für uns, riesigen Bettlaken und dem Bettzeug. Als ich sah, dass die Kleinen das Bett nicht beziehen konnten, half ich ihnen. Alle Betten waren bezogen, so gut, wie es eben kleine Kinder vermochten, als die „Tante" reinkommt. Sie kontrolliert, sieht ein paar Falten auf den Laken und - ich kann es bis heute nicht fassen - reißt alle Laken von den Betten und auch das ganze Bettzeug wieder runter. Es sei nicht ordentlich und wir hätten alles wieder neu zu machen. Schon an diesem ersten Abend weinte ich mich mit Heimweh in den Schlaf. Ich verstand nicht, wie ein Erwachsener so etwas machen konnte.
Weitere Drangsalierungen folgten:
- Zum Frühstück gab es ein Stück Schwarzbrot, Pfefferminztee und unsäglich ekelhafte Milchsuppe mit entweder dicken salzigen Mehlklumpen oder Sago, das so glibberig wie Froscheier in der Suppe schwamm. Schon lange mochte ich keine warme Milch mehr. Also aß ich nur das Stück Schwarzbrot, zeigte auf und bat höflich um ein zweites Brot. Oh nein, wie konnte ich nur. Ich solle die „gute“ Milchsuppe essen. Doch mir kam jedes Mal, wenn ich nur den Löffel zum Mund führte, der Würgereiz. Nach einiger Zeit, alle Kinder waren schon aufgestanden und fertig mit dem Frühstück, saß ich alleine im Speisesaal vor meiner inzwischen erkalteten Milchsuppe. Da kommt die „Tante", setzt sich neben mich, fasst mir in den Nacken, hält meinen Kopf fest und stopft mir in Sekundenschnelle das unsägliche Essen in den Mund, so dass mir nichts anderes übrig bleibt, als zu schlucken. Nachdem der Teller leer war, überkam mich so ein Ekel, dass ich mich umdrehte und mich übergab. Ich bekam einen Lappen musste das Erbrochene aufwischen. Als ich vom Boden wieder hochkam und auf den Tisch blickte, stand erneut ein Teller mit der ekelhaften Pampe vor mir. Das ging so lange, bis ich das Essen bei mir behalten habe. Ab da entwickelte ich für morgens folgende Strategie: Luft anhalten, die Pampe so schnell es geht in mich hineinzwingen und danach ganz lange an dem Schwarzbrot kauen, damit der Geschmack neutralisiert wurde. Noch heute bekomme ich einen Würgereiz, wenn ich an warme Milch denke.
- Vor Heimweh krank, schrieb ich meiner Mutter, sie möge mir meine Babypuppe, die ich innig liebte und immer meine Trösterin war, zu schicken. Die „Tante“ kommt in das Zimmer, sagt: „Hier ist ein Päckchen für dich“, dann reißt sie es auf. Erblickt die Puppe, lacht höhnisch, reißt die Puppe an einem Bein aus dem Päckchen und schmeißt sie mit voller Kraft und verachtendem Blick auf mein Bett. Meine geliebte Puppe… Ich war doch noch ein kleines Mädchen! Ich verstand die Welt nicht mehr. Die mitgeschickten Süßigkeiten wurden von der „Tante“ konfisziert.
- Nach dem Mittagessen gab es immer eine 2-stündige Mittagsruhe, in der wir regungslos in unseren Betten liegen mussten, denn jede Bewegung wurde von den „Tanten“, die draußen im Treppenhaus auf einem Stuhl saßen und Wache hielten, registriert und sanktioniert. Jetzt war es aber so, dass ich meistens nach dem Mittagessen auf die Toilette musste. Selbständig wie ich war und auch selbstverständlich, wie ich fand, stand ich auf und ging zur Toilette. Die wachhabende „Tante“ war gerade in einem anderen Zimmer zur Kontrolle. Auf dem Rückweg von der Toilette in mein Zimmer, fing sie mich jedoch ab und fragte, was ich außerhalb des Bettes gemacht habe. Wahrheitsgemäß antwortete ich ihr. Daraufhin schlug sie mich und verbot mir, jemals wieder in der Mittagspause auf die Toilette zu gehen. Die Folgen waren Dauerverstopfung und ständige Bauchschmerzen während der 6 Wochen.
Überhaupt, nach Hause schreiben ging zwar, allerdings wurden unsere Briefe und Postkarten zensiert. Während der ganzen 6 Wochen überlegte ich krampfhaft, wie ich meiner Mutter mitteilen könnte, dass sie mich abholen soll, überlegte Organisationspläne, wer in der Zeit auf meine Geschwister aufpassen kann und welcher Bus wohl bis an die Küste fährt und mit welchem Schiff meine Mutter mich abholen kommt. Aber ich wusste, eine Nachricht per Brief konnte ich ihr nicht schicken. Denn folgendes Grausame ereignete sich:
Eines Tages kam der Heimleiter, vor dem alle am meisten Angst hatten, in den Speisesaal. Er ging zu einem Mädchen, das ein Jahr älter als ich war und befahl ihr, aufzustehen. Nun stand sie vor ihm, er hatte einen Brief in der Hand und las vor allen im Saal laut vor: „Liebe Eltern, hier ist es ganz schlimm, bitte holt mich ab… Mir geht es schlecht..." Nachdem er den Brief zu Ende gelesen hatte, fragte er sie ob sie das geschrieben habe. Sie bejahte, daraufhin nahm er den Brief und schlug ihr damit mehrmals rechts und links ins Gesicht, dabei schrie er sie schrecklich an, wie sie nur solche Lügen verbreiten könne. Sie musste sich dann hinsetzen und vor allen Kindern einen von ihm diktierten Brief an ihre Eltern schreiben. Natürlich hat kein Kind mehr wahrheitsgemäß an seine Eltern geschrieben.
Mehr Erinnerungen:
- stundenlange Gewaltmärsche durch Heidelandschaften
- die älteren Mädchen mussten den "Tanten" abends die Haare auf Lockenwickler drehen
- Morgengymnastik vor dem Frühstück, wobei die weniger sportlichen Kinder von der „Tante“ gehänselt und ausgelacht wurden
- Die Jungen wurden mehr geschlagen als die Mädchen
- Schuhe putzen und dabei auch die von den „Tanten“ und die schrecklichen schwarzen Reitstiefel von dem Heimleiter, der übrigens immer so rumlief, mit aufgeplusterter Reiterhose und diesen schwarzen Stiefeln
- Verzweifeltes Heimweh
- Fluchtpläne entwickeln, z.B. wie kann ich auf einem der Spaziergänge eine unzensierte Postkarte nach Hause auf den Weg bringen, damit man mich aus dieser Hölle abholt. Entweder einem Spaziergänger, der uns entgegenkommt, unbemerkt zustecken oder - wie bekomme ich sie unbemerkt in einen Briefkasten
- Möglichst nicht auffallen, dann haben mich die „Tanten“ nicht im Blick, ständig wachsam sein, keine Fehler machen, permanentes Angstgefühl
Und die ganze Zeit dieses schreckliche Heimweh und ein Gefühl des Ausgeliefertseins
Meine Eltern erzählten, als die Kinder mit dem Bus zuhause wieder ankamen, seien alle Kinder ihren Eltern weinend in die Arme gefallen. Mein erster Satz zu meiner Mutter war: „Schick bloß Uschi (meine kleine Schwester) niemals dorthin.“ Meine Mutter erzählt auch, dass ich immer wieder gesagt habe, dass ich weglaufen wollte, mich aber das große Wasser (Meer) gehindert habe zu entkommen.
Nach dem Aufenthalt verschlechterten sich meine Schulleistungen. Ich hatte immer schwere Alpträume, bis heute träume ich von Flucht und Angstzuständen.
Lange hatte ich in meiner kindlichen Fantasie die Rache-Vorstellung, als Erwachsene dorthin zu reisen und die „Tanten“ und den Heimleiter zu erschießen. (krass, dass man mit 8 Jahren so etwas denken kann)
Mein Vater hat einmal erzählt, er hätte sich mit anderen Eltern zusammengetan und sie seien gegen das Heim und die Leitung rechtlich vorgegangen. Deshalb hätte das Haus schließen müssen. Da er leider verstorben ist, weiß ich nicht, ob er die Geschichte nur für mich als Trost erzählt hat oder ob es wirklich geschehen ist. Meine Mutter kann sich daran nicht erinnern. Sie weiß nur, dass sie und mein Vater es absolut bereut haben, eines ihrer Kinder dorthin geschickt zu haben.
Jetzt, mit 61 Jahren, im Rahmen einer Psychotherapie und einer langen psychischen Erkrankung, muss ich mich den Erinnerungen und damit verbundenen schmerzlichen Gefühlen stellen. Mir wurde erst im Rahmen der Therapie bewußt, dass ich traumatisiert wurde. Mir wird nun klarer warum ich auf bestimmte Verhaltensweisen von Menschen in manchen Situationen so und nicht anders reagiere, zum Beispiel wenn ich vor Angst erstarre, unsicher werde und sofort in Tränen ausbreche oder nur noch die Flucht ergreifen will.
Es ist gut, dass das Thema der sogenannten "Kindererholungskuren" mehr Aufmerksamtkeit und Aufarbeitung bekommt.
Mein Vater hat mich nach der Rückreise vom Bahnhof abgeholt und meine nach seiner Hand greifende Hand zurückgeweisen.
Zu Hause angekommen habe ich aus Angst vor weiterer Bestrafung durch meinen schlagenden Vater nichs davon erzählt.
Erst sehr viel später habe ich mich einmal meiner Mutter anvertraut, die entsetzt war, und damit endlich zuordnen konnte, warum ich und die vielen anderen Kinder in der "Kur" abgenommen hatten anstatt - wie erwartet - zugenommen hatten.
Das Erlebnis in der Kur und das damals vielfach verbreitete Eltern-Kind-Verhältnis ging bei mir mit einem großen Vertrauensverlust in die Umwelt einher. Ich habe mich als Kind lange mit der Frage beschäftigt, warum meine Eltern mich weggeschickt hatten, ohne eine Antwort darauf erhalten zu können.
Ich bin sehr froh und dankbar, das diese dunklen Zeiten der sehr jungen Gesellschaftsgeschichte in Deutschland endlich ans Tageslicht und zur Aufarbeitung kommen.
Danke an die Initiatoren!
Unsere familiäre Situation war damals folgende: 1969 ließen sich meine Eltern scheiden, meine damals gerade 23-jährige Mutter zog mit mir und meinen beiden Brüdern (wir waren 2, 3 und 5 Jahre alt) in das Haus ihrer Eltern, also meiner Großeltern. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt, was ich jedoch nach allen Äußerungen über ihn nie als besonderen Verlust empfunden habe. Er hatte meine Mutter misshandelt und betrogen. Umso unbegreiflicher war es, dass sie von ebendiesem Mann im Jahre 1971 noch ein weiteres Kind bekam. Trotz der Unterstützung meiner Großeltern war meine Mutter in so mancherlei Hinsicht mit uns vier Kindern überfordert, und so war es wohl für sie eine willkommene Möglichkeit, uns jeweils in den Sommerferien in verschiedenen Erholungsheimen unterzubringen. Alljährlich schleppte sie uns zum Bielefelder Gesundheitsamt, wo nach entsprechender Untersuchung unsere angebliche Unterernährung festgestellt wurde. Hiervon konnte in Wahrheit gar keine Rede sein: Essen gab es bei uns immer regelmäßig, meine Oma kochte täglich gut und mehr als reichlich, und selbst Süßkram gab es in Hülle und Fülle. Wir Kinder waren eben von Haus aus sehr schlank, ebenso wie unsere Mutter und unser Erzeuger, und dies hat sich bis heute nicht geändert.
Nun trat ich also 1971 im Alter von vier (!) Jahren zusammen mit meinem damals fünfjährigen Bruder meine erste Reise an: Wir wurden mit einer Begleiterin und weiteren gleichaltrigen Kindern in den Zug gesetzt – das Ziel war ein Kinderkurheim in Bad Sassendorf. Ich erinnere mich, dass ein Großteil der Kinder, ich eingeschlossen, sehr weinten und überhaupt nicht begriffen, was mit uns geschah. Vermutlich aus der situativen Hilflosigkeit heraus versprachen uns unsere Mutter und unsere Großeltern, wenn uns das Heim nicht gefallen sollte, könnten wir sofort wieder nach Hause fahren. An diesen Gedanken klammerten wir uns fest.
In dem Kinderkurheim angekommen, mussten wir uns in einem dunklen Flur jeweils zu zweit in einer Reihe aufstellen. Mit meinem weinenden Bruder an der Hand nutzte ich gleich die Gelegenheit, die anwesende „Tante“ mit dem Versprechen unserer Mutter zu konfrontieren, also jetzt wieder nach Hause fahren zu wollen. Die Frau antwortete in einem sehr rüden Ton, dies sei erst wieder in einigen Wochen möglich, da habe unsere Mutter wohl nicht die Wahrheit gesagt. Für uns beide brach komplett die Welt zusammen, wir hatten ja keine Ahnung, wie lange „einige Wochen“ dauern würden. Auch die Lüge unserer Mutter und unserer Großeltern mussten wir erst mal verarbeiten.
Merkwürdigerweise, aber in Anbetracht der Ereignisse wohl verständlich, habe ich in Bezug auf die folgenden sechs Wochen in diesem Heim ausschließlich negative Erinnerungen. Ein paar dieser Ereignisse haben sich derartig in mein Gehirn eingebrannt, als wären sie erst wenige Jahre her:
Nach jeder kleinen „Unartigkeit“ musste man sich in die nächstbeste Ecke stellen, immer mit dem Gesicht zur Wand. Da es jede Menge zum Teil unsinnige Regeln gab und sich die Schmerzgrenze der Erzieherinnen auf einem sehr niedrigen Niveau befand, habe auch ich häufig gefühlte Stunden in irgendwelchen Ecken verbracht, wo ich über meine Unartigkeit nachdenken sollte. Nach einer gewissen Zeit und einer Entschuldigung für das begangene Vergehen durfte man wieder aus der Ecke herauskommen. Weil ich aber oft nicht wusste, wofür ich mich entschuldigen sollte, konnte solch ein Ecken-Aufenthalt sehr lang werden.
Meine linke Tischnachbarin im Speisesaal erbrach sich oft. Ich erinnere mich nicht an den Grund, vermutlich war sie einfach eine schlechte Esserin. An die Qualität des Essens habe ich kaum Erinnerungen, ich weiß nur, dass es oft pampige Breie gab. Das Mädchen musste aber, wie wir alle, immer die gesamte Portion auf ihrem Teller aufessen. Sie erbrach sich also, entweder direkt auf ihrem Teller oder unter dem Tisch, denn aufstehen durften wir nicht. Nun gab es für sie zwei Möglichkeiten: War das Erbrochene auf dem Teller gelandet, musste sie dieses aufessen. Immer wieder, auch bei mehrfachem Erbrechen, bis der Teller leer war. Hatte sie sich für die Variante unter dem Tisch entschieden, wurden ihr Eimer und Lappen hingeknallt, womit sie das Erbrochene zu entfernen hatte. Das Ganze immer unter lautem Gezeter und Geschimpfe, das ich wohl nie vergessen werde. Da die Tischordnung während der gesamten 6 Wochen nicht geändert wurde, bekam ich dieses schreckliche Schauspiel fast täglich vorgesetzt.
Nun zu einer vollkommen sinnfreien, folgenschweren und für mich am wenigsten nachvollziehbaren Regel: Nach dem Abendessen durften wir nur noch in dem kurzen Zeitraum bis zum Schlafengehen die Toiletten aufsuchen. Sobald wir in den Betten lagen, waren diese für uns Kinder Tabu. Die Flure wurden gut bewacht, und wenn wir in unserer Not trotzdem losschlichen, wurden wir fast immer erwischt. Obligatorische Strafe: In einer Flur-Ecke stehen, mit dem Gesicht zur Wand, barfuß und im Schlafanzug oder Nachthemd. Es war kalt, Urin und andere Extremente liefen uns die Beine herunter. Alle vier Ecken waren immer „belegt“. Bevor wir gefühlte Stunden später wieder ins Bett durften, mussten wir unseren „Dreck wegmachen“. Um dieses unwürdige Prozedere zu umgehen, kamen besonders findige Kinder bald auf die Idee, unter den Betten von jeweils anderen Kindern, die gerade in den Flur-Ecken standen oder bereits schliefen, ihre Geschäfte zu verrichten. Morgens nach dem Wecken musste dann jeder von uns auf allen vieren unter seinem eigenen Bett die Hinterlassenschaften eines anderen Kindes beseitigen. Der Gestank in unserem Schlafsaal war unerträglich. Ich selbst gehörte zu den „Eckenstehern“, und diese häufigen nächtlichen Episoden sorgten bei mir für eine dicke fiebrige Erkältung. Ich musste in der Krankenstation behandelt werden und hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen meinem Bruder gegenüber, den ich nun allein lassen musste. Wie lange, weiß ich nicht mehr. Nach diesem „gelungenen“ Kuraufenthalt kam ich als regelmäße Bettnässerin wieder nach Hause. Meine Mutter zeterte und verstand die Welt nicht mehr, und ich schämte mich in Grund und Boden.
Dies sind so ziemlich meine frühesten Kindheits-Erinnerungen, was mich noch heute sehr traurig macht. Meinem Bruder geht es ähnlich, wir haben oft darüber geredet und tun es manchmal noch heute. Ich glaube, für ihn war das alles noch viel schlimmer. Er war sehr schüchtern und introvertiert, ich eigentlich das Gegenteil – aufgeschlossen und verspielt. Obwohl er der Ältere war, habe ich damals auf ihn „aufgepasst“. Nach unserer Heimreise erzählten uns unsere Mutter und die Großeltern, sie hätten sich bei ihrem einzigen Besuch nicht zu erkennen geben dürfen, sich also am Heimgelände hinter Büschen versteckt und uns beobachtet. Ich hätte mit anderen Kindern gespielt, wäre aber zwischendurch immer wieder zu einer Bank gelaufen, auf der mein Bruder traurig und untätig herumgesessen habe. Ich hätte mich dann neben ihn gesetzt, ihn umarmt und sei dann wieder kurze Zeit spielen gegangen, um dann wieder nach meinem traurigen Bruder zu schauen.
Dies alles ist ja jetzt viele Jahr her, heute einigermaßen gedanklich sortiert und verarbeitet, aber eben nicht vergessen. Damals waren wir jedoch traumatisiert, was meine Mutter aber nicht davon abhalten konnte, uns weiterhin alljährlich in weitere Kurheime oder später in Ferienlager zu verschicken. Glücklicherweise ist es mir in den Folgejahren nie wieder so ergangen wie in Bad Sassendorf. Im Gegenteil: In allen darauffolgenden Heimen und Lagern habe ich mich sehr wohl gefühlt. Aus diesen Erfahrungen heraus nehme ich an, dass in den 70er Jahren nicht mehr in allen Kinderkurheimen das autoritäre Zepter geschwungen wurde. Umso schlimmer für diejenigen Kinder, die das Pech hatten, in einem dieser entsetzlichen Häuser gelandet zu sein, um dort ihre Ferien zu verbringen, auf die sich doch eigentlich jedes Kind sehr freut.
Dass dieses Thema endlich hier und in den Medien zur Sprache kommt und Betroffenen die Möglichkeit zur Aufarbeitung sowie zum Erfahrungsaustausch gegeben wird, ist sicher eine gute Sache. Mir selbst hat es jedenfalls gutgetan, meine Erlebnisse hier einmal zu schildern.
Ich musste stundenlang sitzen, wenn ich die Graupensuppe nicht gegessen habe. Die Graupen piekten immer in meinem Hals. Kann mich an zweimal erinnern... Esse bis heute keine Graupensuppe!!!
Desweiteren wurden auch hier Kinder beim Schlafen angebrüllt und geschlagen. Einmal habe ich Geräusche gemacht und das Kind neben mir wurde dafür bestraft. Das tut mir noch heute sehr leid!
Es war ein riesiger Schlafsaal unter dem Dach einer alten Villa.
Meine Eltern taten dies mit guter Intention, sie wussten nicht, dass wir dort schlimmes erleben würden - Telefonieren oder Briefe schreiben wurde uns ja dort untersagt.
Von Strafen, die einer Isolationshaft glichen, nachts nicht zur Toilette dürfen, Essen bis zum Erbrechen war alles dabei. Ich kann hier gar nicht alles aufzählen.
Als unsere Eltern uns abholten, sagte meine Schwester, sie war vier Jahre alt, kein einziges Wort. Erst als wir außer Sichtweite des Donnersbergs waren, platzte alles aus mir heraus - Mein Vater war außer sich. Er wollte sofort umdrehen, um die Verantwortlichen zur Rede zu stellen. Ich bat ihn weiterzufahren, da wir auf keinen Fall mehr dorthin zurückkehren wollten.
Meiner Schwester ging es nach diesem Aufenthalt nicht gut, sie kaute an ihren Fingernägeln und versteckte sich, sobald unsere Mutter ein lautes Wort einlegte.
Es war ein unvergessliches Erlebnis - im negativen Sinne.
Es würde mich freuen, wenn sich noch andere Betroffene melden würden, die auch an diesem Ort waren. Und sie gibt es mit Sicherheit, wir waren nicht allein....
Das zweite Mal war ich mit etwa 3 oder 4 Jahren in Obersdorf im Allgau (sorry, meine Tastatur hat keine Umlaute). Ich kann mich nur daran erinnern, dass jeden Mittag auf einer Terrasse geschlafen wurde und wir die meiste Zeit mit Wandern verbrachten.
An das dritte Mal kann ich mich besser erinnern. Ich muss etwa 6 Jahre alt gewesen sein. Diesmal kam meine juengere Schwester mit. Wir waren im Kinderheim Johnen in Bonndorf im Schwarzwald. Das Heim wurde von einem Ehepaar geleitet, dass einen Dackel namens Moritz hatte. Die Betreuerinnen waren junge Frauen. Bei der Ankunft wurden meine Schwester und ich getrennt.
Alle Kinder wurden zum Essen gezwungen. Es gab oft Milchsuppe oder Brotsuppe als Vorspeise. Abends gab es belegte Brote und Fruechtetee. Ein mal pro Woche kam ein Arzt, der alle Kinder wog. Wer nicht zugenommen hatte, bekam eine Medizin verschrieben, die taeglich zu einer Mahlzeit eingenommen werden musste. Zum Essen wurde man gezwungen. Ein Maedchen musste sich uebergeben und wurde zur Strafe mindestens 1 Tag lang eingesperrt.
Mittagsschlaf wurde exzessiv gehalten. Ich glaube, es waren 2 Stunden, es koennte aber auch 1 Std. gewesen sein. Eine Betreuerin, die von den Kindern Leuchtturm genannt wurde, passte auf, dass niemand den Schlafsaal verliess, auch nicht, um aufs Klo zu gehen. Ein kleines Kind hat regelmaessig eingenaesst und eingekotet.
Die meiste Zeit haben wir mit Wandern verbracht. Ich erinnere mich, dass die Jungen im Wald eine Huette aus Tannenzweigen bauten. Diese Huette war eines Tages beschaedigt und man munkelte, dass die Kinder vom benachbarten Kinderheim Luginsland dahinter steckten.
Wenn es regnete, wurden wir drin beschaeftigt. Uns wurden bei der Gelegenheit Briefe nach Hause diktiert oder Geschriebenes zensiert.
Eine Freundin, die in der Nachbarschaft lebte, war zu einer anderen Zeit auch im Kinderheim Johnen. Wir koennen uns beide an ein Kind namens Martina Schleifer erinnen. Sie war wohl oefters dort und hatte einen besseren Stand bei den Betreuerinnen.
Pakete von zuhause wurden geoeffnet und der Inhalt an alle Kinder verteilt.
Ich kann mich auch erinnern, dass wir und oefters in Reih und Glied aufstellen mussten, wenn es nach draussen ging. Das koennte aber auch der Sicherheit gedient haben, und um einen besseren Ueberblick ueber die Gruppe zu haben. Ich kann mich an zwei eher nette Betraueerinnen erinnern, die sich ab und zu mit mir unterhielten. Die eine fragte mich, ob ich einen Fuss mit 4 oder 5 Zehen interessanter finde. Als ich darauf keine Antwort wusste, teilte sie mir mit, dass der anderen ein Zeh fehlte.
Soweit ich weiss, wurden die Heimaufenthalte von der DAK finanziert oder bezuschusst.
Ein Freund aus der Nachbarschaft, der an Neurodermitis litt, wurde mindestens ein mal an die Nordsee verschickt. An seinen Erfahrungsbericht, oder ob wir ueberhaupt darueber gesprochen haben, kann ich mich nicht erinnern.
Eine andere Freundin aus dem Ruhrgebiet wurde an die Nordsee verschickt. Sie war zu der Zeit wahrscheinlich aelter und hat wohl eher gute Erfahrungen gemacht.
Ich kann mich nicht erinnern, koerperlich mishandelt worden zu sein, bis auf das erzwungene Essen und die Medizin zum dick werden. Die Misshandlung war wohl eher psychischer Natur und in der langen (6 woechigen ?) Trennung vom Elternhaus begruendet.
Ich habe bis heute ein gestoertes Verhaeltnis zum Essen in dem Sinn, dass ich mich nur schlecht beherrschen kann. Ich habe es aber immer geschafft, durch staendige Diaeten ein halbwegs normales Gewicht zu halten.
Ich bin heute durch Zufall auf den Begriff " Verschickungskinder " gestoßen und meine verborgenen Erinnerungen sind aufeinmal da.
Ich kann es garnicht glauben das es sooo vielen Menschen ebenso erging.
Ich wurde zur Kur geschickt weil wir fünf Kinder waren und kaum die Möglichkeit hatten gemeinsam Urlaub zu machen
Vor etwa 10 Jahren war ich noch einmal da um es mir mal anzuschauen und hatte dort ein ganz komisches Gefühl und wollte einfach nur weg aber mir fiel sofort der Name von der " Bösen" Erzieherin ein
Frau Schwaabe
Und heute kommen auch die Schandtaten von dieser Frau zum vorscheinen
Eiskalt duschen
Aufessen bis zum erbrechen
Anschreien bei Heimweh
Bloßstellen vor allen Kindern
Beim Mittagsschlaf sich nicht bewegen
Usw
Zum Glück hatte ich mir nach der zweiten Woche den Fuß aufgeschnitten und musste ( durtfe) für die nächsten zwei Wochen ins Krankenhaus welches sich meiner Erinnerung auch auf dem Gelände befand
Dort war es sehr schön die Krankenschwestern waren so lieb
Naja den Rest habe ich dann irgendwie überstanden
Ich habe noch ein Gruppenbild von dieser Zeit und da ist ein Mädchen mit drauf das so mutig war und sich von allen vier Mädels den Käse den keiner mochte aufs Brot legte und zur Toilette gelaufen war
Nur die " Böse" ist hinterher und das arme Mädchen musste dann das Brot vor uns allen essen
Einfach nur schlimm
Vielleicht meldet sich ja jemand der auch zu dieser Zeit da war
Mit lieben Grüßen Cordula
Jetzt nach etlichen Jahren und vielen anderen Herausforderungen ( u.a. über 15 Jahre Versorgung/Pflege beider Elternteile) habe ich gesundheitliche Einschränkungen, hatte einen Burnout, krampfe nachts etc. . Viele Leute in meinem Umfeld sagen mir immer , ich sollte doch zur Kur fahren. Doch sobald ich mit diesen Äußerungen konfrontiert werde, sträuben sich mir - auch schon früher - die Nackenhaare. Ich vermute stark, dass sich tief im Unterbewusstsein diese Aversion aufgebaut hat ( genauso habe ich Ängste vor Krankenhäusern - ich habe mit 5 Jahren meinen Blinddarm entfernt bekommen und kann mich auch hier nur noch vage erinnern, dass meine Eltern nur durch einen Scheibe an der Tür gucken durften und ich mächtig Heimweh hatte).
Auf jeden Fall versuche ich nun schon seit geraumer Zeit eine Art von Vergangenheitsbewältigung und suche nach Antworten, was mich bewogen hat zu „vergessen“.
Vielleicht finde ich hier noch mehr Infos zum Kurheim Quisisana, um einen Teil meiner Kindheit und meiner Ängste zu verstehen.
Euch/Ihnen allen wünsche ich alles Liebe
Gruß Bea
draufgesteckt. Das Kind der Erzieherin (oder vllt. war es auch die Heimleiterin, in jedem Fall beste "BDM Manier") aber hatte die Finger voller Ringe. Wir bekamen keine. Immerhin wurde die Süßigkeit an uns verteilt. An lange Schlangen vor dem Klo egal wie nötig man musste und an Kinder in Unterhosen vor der Arzt Tür kann ich mich erinnern und an Kinder in Unterhosen die um die Höhensonne liefen. Und an eine Woche, in der es nur rote Beete gab. Alle mochten die nicht, alle haben gespuckt. Ich habe erst wieder im Erwachsenenalter rote Beete essen können, so lange war das nicht möglich. Ich kann mich an das Gefühl erinnern, dass einem ewig schlecht war und man immer zu viel im Bauch hatte. Kein Wunder, musste man doch diese Mengen essen. Hat übrigens nichts gebracht. Die paar Pfunde waren schnell wieder weg. Ich bin nicht so sehr gequält worden, musste nicht immer 2 Teller verhasste Milchsuppe essen und wurde auch mal gelobt, wenn ich mehr als sonst gesessen habe. Und ich kann mich an diese wunderschöne Landschaft erinnern, wir waren ja viel draußen. Aber letztendlich war das eine unvorstellbare Zeit. Und Amrum wird bis zu meinem Lebensende mit den 6 Wochen Verschickung zusammengehören. Keiner, der das nicht selbst erlebt hat kann es sich vorstellen.
Ich weiß nicht, ob die Betreuer dort wussten, dass meine Eltern mir die Geburt meines Bruders Mitte Dezember 1965 bewusst verschwiegen hatten, weil bei den 3 vorangegangenen Fehlgeburten hatte ich mich immer so sehr auf ein Geschwisterkind gefreut und war jedesmal Wochenlang tottraurig, wenn meine Mutter ohne ein Baby nach Hause kam. 1965 entschieden sich meine Eltern, mir die Schwangerschaft quasi zu verheimlichen, damit ich nicht wieder so traurig wäre. Dieses Mal überlebte mein Bruder, kaum war er eingezogen, musste ich auf diese Insel. Alle Versprechen wurden vermeintlich gebrochen. Ich habe bei meiner Rückkehr lange nicht gesprochen und ich hasste meinen Bruder. Vielleicht war es nur ein Zufall, lange konnte ich nicht glauben, dass die Betreuer das wussten und es bewusst einsetzten. Aber nach den Erzählungen hier, bin ich nicht mehr sicher. "Natürlich" wurden fast täglich Ohrfeigen verteilt, mit nassen Tüchern geschlagen, man wurde angebrüllt, musste stundenlang ruhig auf einem Holzstuhl beinahe nackt sitzen ... oh Mann ... ich hab so viel davon verdrängt ...
LG Frank Dittrich
Nach allem, was ich gelesen habe und was mich erschüttert hat, komme ich zu der Erkenntnis, dass ich es wohl "gut" getroffen hatte...
Mit sechs Jahren war ich dort, in Ühlingen in einem wohl eher kleinen privaten "Kindersanatorium", "feierte" meinen siebten Geburtstag im Schwarzwald ( - selbstverständlich wurden die Katzenzungen aus dem Päckchen an alle Kinder verteilt) und kam durchängstigt wieder nach Haus.
In erster Linie hatte ich Angst vor den vielen anderen Kindern, die sich oftmals deutlich besser durchsetzen konnten als ich. Die mich teilweise schlugen ohne ersichtlichen Grund. Zum Beispiel, wenn ich abends bereits im Bett lag - von hinten auf den Hinterkopf.
Angst vor allem Fremden: Fremden Feier-Sitten (Fasching mit dem senfgefüllten Berliner), fremde Speisen (Milchnudeln), die für mich als Norddeutsche so fremde Sprache im Schwarzwald.
Angst, etwas falsch zu machen, die Regeln aus Unkenntnis nicht zu befolgen.
Eingeengt durch feste Abläufe (Liegekuren, Haltungsturnen, Fußgymnastik, ärztliche Untersuchungen, Mittagsruhen, reglementierte Ausflüge) und ohne den mütterlichen oder väterlichen Schutz.
Ganz ohne Zeitgefühl. Für immer?!
Die Hoffnung verloren.
Wie gern wäre ich bei den "Großen" mit in der Schulklasse gewesen, das hätte Abwechslung und Struktur gegeben...keine Ahnung, warum man mich nicht beschulte, obwohl ich doch schon eine stolze und leistungsfreudige Erstklässlerin war.
Mir hat das Trauma des sechs Wochen lang "Allein-gelassen-Werdens" ausgereicht. Wie ginge es mir heute, wenn ich auch all die anderen Sachen erlebt hätte?
Ihr alle habt mein größtes Mitgefühl!
Meine Mutter habe ich nach sechs Wochen - sie holte mich ab - nicht mehr erkannt. Ich war sieben.
Zitat Werbeschrift:
"Aufnahme finden Kinder vom Säuglingsalter (!) bis zu 14 Jahren, Knaben nicht über 13 Jahre"
Täglicher Pensionssatz: 17,00 DM plus 10% Bedienung
Ärztliche Überwachung: 49,00 DM / Woche pauschal
Aufnahme- und Schlussuntersuchung: je 20,00 DM
Wäsche: 10,50 DM / Woche (Kleinkinder evtl. mehr)
Heizungszuschlag: 0,50 - 1,00 DM / Tag
Versicherungen: 1,50 DM einmalig
Beschulung: 45,00 DM / Monat
Kurz nach dem "Kuraufenthalt" bekam ich ein schwere Bronchitis.