Verschickungskinder legen hier ZEUGNIS ab
Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH schmerzhafte Erfahrung mit der Verschickung in Kindererholungsheime, Kinderkurheime und Kinderheilstätten eingetragen, die in der Regel 6 Wochen Alleinunterbringung in einem weit entfernten Kurort zur Luftveränderung bedeuteten. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil einer Selbsthilfe von ehemaligen Verschickungskindern, die die Verschickungen in diese Kureinrichtungen schmerzhaft, angstvoll und gewalttätig erlebt haben. Die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Auch positive Erinnerungen können geschildert werden, es ist wichtig zu wissen, was den Kindern und wer ihnen mglw. geholfen hat. Auch diejenigen, die im Gebiet der „neuen Bundesländer“ (einschließlich DDR-Zeit) in die bisher 130 Kinderkurheime (Liste bisher noch unvollständig) verbracht worden sind, haben die Möglichkeit hier Zeugnis abzulegen.
Alle Geschichten dienen der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel
Diejenigen, die uns kontaktieren und Teil unseres Selbsthilfe-Netzwerks werden wollen: Wir organisieren uns in HEIMORTGRUPPEN zum Erinnerungsaustausch, und sind dann den Bundesländern zugeordnet. Gern könnt ihr mit anderne Heimortgruppen aufmachen oder in eine schon bstehende eintreten. Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch proaktiv selbst zuzugehen, deshalb hier die folgenden Möglichkeiten:
- Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei vorstandsmitglied-fuer-vernetzung@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
- Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
- Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen
Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!
Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.
Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.
Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der „Initiative Verschickungskinder“ (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und Genehmigung der Initiative Verschickungskinder e.V. oder des AEKV e.V. zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen
Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.: IBAN: DE704306 09671042049800 Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de
Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen
Ich hoffe einen kleinen Beitrag zu dem Thema "Verschickungskinder " geleistet zu haben und bin auf das Ergebnis der Aktion gespannt.
Ich erinnere mich bildhaft an Situationen, Menschen, Gefühle.
- Ich stehe gefühlt stundenlang vor dem Indianer-Schrank und schaue mir die kleinen Figuren hinter der Glasscheibe an. Ein anderes Kind packt mich und stößt mich zu Boden, drückt mich in eine Ecke. Ob dies regelmäßig passiert ist oder nur einmal, weiß ich nicht. Ich war kleiner als die meisten Kinder und hatte Angst.
- Ich erinnere mich an hohe Fenster und hohe Türen und an das weiße Gitter vor meinem Bett, an die Schwester mit orangenen Haaren, die mir eine dicke orangene Strumpfhose brachte, wenn ich in die Hosen gemacht habe.
- Ich sehe mich noch in der Sauna stehen und von innen an die Tür klopfen. "Es ist heiß, ich will hier raus". Ich hatte Angst, große Angst. Als ich in diesem Jahr wieder in dieser Sauna stand (bei einer Hausführung) erinnerte ich mich an die Antwort von den Betreuerinnen vor Ort: "Zehn Minuten!" Es war schrecklich und ich wusste nichts mit dieser Sauna anzufangen. Dampfbäder kannte ich, auch die wurden gemacht. Als meine Eltern mit nach vier Wochen einmal besuchen durften, waren meine Hände und Unterarme wegen einer versehentlichen Verbrühung verbunden. Erst mit Ende Zwanzig habe ich mich nocheinmal in eine Sauna getraut, nach langer Überredung meiner Freundinnen.
Sollte noch jemand in Harzgerode gewesen sein, würde ich mich sehr über ein Kommentar oder die Kontaktaufnahme freuen.
Ich kann mich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern, aber was ich nie habe vergessen koennen war die Angast "nicht genug an Gewicht zuzunehmen, um nach Hause zurueckkehren zu koennen." Diese Furcht wurde uns tagtaeglich bewusst gemacht. Ich habe oftmals vor Furcht soviel gegessen, dass ich mich nachts uebergeben musste und dann versucht habe das Bettzeug zu reinigen und Angst hatte, dass man dies entdeckt. Auch hatten ich so oft Durst und es gab nur Milch, was mich schon immer angekelte. Obwohl ich Geld hatte, um ein anderes Getraenk zu kaufen, wurden uns das nicht gestattet.
Andere Kinder wurden geschlagen oder beschaemt.
Mein einziger Lichtblick war eine junge Amerikanerin, die damals als Praktikantin arbeitete. Sie war unheimlich lieb und hat sich mir angenommen. Das habe ich nie vergessen.
Ueber Jahre hinaus habe ich mit niemandem darueber gesprochen, mich aber so oft gefragt, wie es in einem Land wie Deutschland moeglich war solche Heime ueberhaupt anzubieten.
Ein so jungen Kind sollte einfach nicht 6 Wochen von den Eltern getrennt sein und dann noch zu Leuten kommen, die sich nicht ernsthaft für Kinder interessieren und sich das leben mit deren militärischen Drill so einfach wie möglich machen wollen.
Ein prägendes Erlebnis:
Ich war da, weil ich Asthma hatte und die salzige Meerluft helfen sollte. Eine Nachts hatte ich einen Astmaanfall, da kam die genervte Nachtaufsichtnach ca. einer halben Stunde und nahm mich wortlos in den "Schwitzkasten" und schleifte mich , nur die Zehenspitzen hatten Fußbodenkontakt,
über den Flur in ein Zimmer dort bekam ich ein Asthmaspray wortlos in den Mund gestopft. Ich hatte panische Angst, da ich weder wusste wer das war, noch was passierte. ich hatte vorher noch nie ein Asthmaspray bekommen und hatte panische Angst, dass ich ersticke. Danach wurde ich auf gleiche Weise zurück geschleift und mit den Worten "So und jetzt ist aber Ruhe" aufs Bett geworfen und wieder allein gelassen.
Liebe Grüße
Claudia
Im Mai 1965 verstarb mein Vater nach einem Autounfall. Um meine Mutter zu entlasten wurde ich damals "verschickt".
Es waren schlimme Wochen, aus denen ich einzelne Bilder und Gerüche bis heute im Kopf habe.
Ich musste in einem Gitterbett schlafen, was mir zuhause fremd war und es gab abends regelmäßig Prügel mit den Worten "Kinder die heulen schlafen schneller ein".
Griff diese Maßnahme nicht musste ich entweder alleine im großen Manschaftsbad auf der kalten Holzbank liegen, ohne Decke und Kissen, oder die ganze Nacht schweigend mit anderen Kindern ganz leise rechts die Treppen rauf- und links die Treppen hinuntergehen. Schlafen durfte man nach dieser Prozedur erst wieder in der nächsten Nacht.
Im Speisesaal durfte nicht gesprochen werden. Es musste alles aufgegessen werden, notfalls unter Zwang. Man durfte nicht aufstehen bevor der Teller leer war.
Eingesperrt in einen kleinen Raum wurde ich wenn ich nicht brav war, bis heute bekomme ich Panik wenn z.B. eine Türe in einer öff. Toilette klemmt.
Obwohl ich erst 3 1/2 Jahre alt war, habe ich die Bilder und Gerüche noch im Kopf.
Als ich nach, ich glaube 6 Wochen, wieder zuhause ankam und meine Mutter mich abholte, war sie völlig entsetzt. Ich war total verwahrlost, meine schönen hüftlangen Haare waren so verfilzt das sie abgeschnitten werden mussten und ich war sehr dick geworden.
Angst war das stets vorherrschende Grundgefühl
Ich wurde als 8-Jährige im Oktober 1967 für 6 Wochen in die "Kur" geschickt, auf Empfehlung des Arztes, da ich ständig unter Nebenhöhlenentzündungen litt. Auch hatte ich kurz vorher eine durch Mumps ausgelöste Gehirnhautentzündung hinter mir. Ich vermute, der Arzt wollte meine Mutter entlasten, ich war das 2. von 4 Kindern wir waren alle im Abstand von nicht einmal 2 Jahren zur Welt gekommen. Wie ich aus alten Fotoalben nun entnehmen kann, war mein Vater zur gleichen Zeit wie ich zur Kur und da dachten meine Eltern wohl, es wäre ganz gut, wenn wenigstens ein Kind weniger zuhause zu versorgen ist. Meine jüngste Schwester war damals 4 Jahre alt.
Ich freute mich auf das Meer, denn die Kur sollte auf Amrum sein und ich war schon häufiger mit den Eltern im Urlaub an der See gewesen. Auch waren wir Kinder zu viel Selbständigkeit erzogen worden und kannten Übernachtungen ohne Eltern bei Freunden oder in der Verwandtschaft. Heimweh hatte ich dabei nie. Übernachtungen woanders empfand ich immer als spannendes Abenteuer. Dieses versprach auch ein Abenteuer zu werden. Zur Vorbereitung auf die Reise half ich meiner Mutter beim Kennzeichnen meiner Kleidung und der persönlichen Gegenstände. Heute besitze ich tatsächlich noch Kleiderbügel und das Schuhputzzeug aus der Zeit. Ich war Nummer 55.
Leider weiß ich nicht mehr den Namen des Heims. Ich dachte immer, es hieße „Haus Nebel" aber ich finde bei Internetrecherchen kein solches Haus. Ich habe noch zwei Fotos, einmal im Speisesaal und ein Gruppenfoto draußen. Es könnte die "Kindererholungsstätte Lenzheim" in Wittduen sein.
Schon der erste Tag war ein Schock, dem viele gefühlte unendliche Tage mit fürchterlichem Heimweh folgten.
Ich wurde in einem Zimmer mit 3 weiteren Mädchen untergebracht, die Jüngste war 4 Jahre alt. Wir sollten unsere Betten beziehen. Damals gab es noch keine Spannbettlaken, also kämpften wir mit, für uns, riesigen Bettlaken und dem Bettzeug. Als ich sah, dass die Kleinen das Bett nicht beziehen konnten, half ich ihnen. Alle Betten waren bezogen, so gut, wie es eben kleine Kinder vermochten, als die „Tante" reinkommt. Sie kontrolliert, sieht ein paar Falten auf den Laken und - ich kann es bis heute nicht fassen - reißt alle Laken von den Betten und auch das ganze Bettzeug wieder runter. Es sei nicht ordentlich und wir hätten alles wieder neu zu machen. Schon an diesem ersten Abend weinte ich mich mit Heimweh in den Schlaf. Ich verstand nicht, wie ein Erwachsener so etwas machen konnte.
Weitere Drangsalierungen folgten:
- Zum Frühstück gab es ein Stück Schwarzbrot, Pfefferminztee und unsäglich ekelhafte Milchsuppe mit entweder dicken salzigen Mehlklumpen oder Sago, das so glibberig wie Froscheier in der Suppe schwamm. Schon lange mochte ich keine warme Milch mehr. Also aß ich nur das Stück Schwarzbrot, zeigte auf und bat höflich um ein zweites Brot. Oh nein, wie konnte ich nur. Ich solle die „gute“ Milchsuppe essen. Doch mir kam jedes Mal, wenn ich nur den Löffel zum Mund führte, der Würgereiz. Nach einiger Zeit, alle Kinder waren schon aufgestanden und fertig mit dem Frühstück, saß ich alleine im Speisesaal vor meiner inzwischen erkalteten Milchsuppe. Da kommt die „Tante", setzt sich neben mich, fasst mir in den Nacken, hält meinen Kopf fest und stopft mir in Sekundenschnelle das unsägliche Essen in den Mund, so dass mir nichts anderes übrig bleibt, als zu schlucken. Nachdem der Teller leer war, überkam mich so ein Ekel, dass ich mich umdrehte und mich übergab. Ich bekam einen Lappen musste das Erbrochene aufwischen. Als ich vom Boden wieder hochkam und auf den Tisch blickte, stand erneut ein Teller mit der ekelhaften Pampe vor mir. Das ging so lange, bis ich das Essen bei mir behalten habe. Ab da entwickelte ich für morgens folgende Strategie: Luft anhalten, die Pampe so schnell es geht in mich hineinzwingen und danach ganz lange an dem Schwarzbrot kauen, damit der Geschmack neutralisiert wurde. Noch heute bekomme ich einen Würgereiz, wenn ich an warme Milch denke.
- Vor Heimweh krank, schrieb ich meiner Mutter, sie möge mir meine Babypuppe, die ich innig liebte und immer meine Trösterin war, zu schicken. Die „Tante“ kommt in das Zimmer, sagt: „Hier ist ein Päckchen für dich“, dann reißt sie es auf. Erblickt die Puppe, lacht höhnisch, reißt die Puppe an einem Bein aus dem Päckchen und schmeißt sie mit voller Kraft und verachtendem Blick auf mein Bett. Meine geliebte Puppe… Ich war doch noch ein kleines Mädchen! Ich verstand die Welt nicht mehr. Die mitgeschickten Süßigkeiten wurden von der „Tante“ konfisziert.
- Nach dem Mittagessen gab es immer eine 2-stündige Mittagsruhe, in der wir regungslos in unseren Betten liegen mussten, denn jede Bewegung wurde von den „Tanten“, die draußen im Treppenhaus auf einem Stuhl saßen und Wache hielten, registriert und sanktioniert. Jetzt war es aber so, dass ich meistens nach dem Mittagessen auf die Toilette musste. Selbständig wie ich war und auch selbstverständlich, wie ich fand, stand ich auf und ging zur Toilette. Die wachhabende „Tante“ war gerade in einem anderen Zimmer zur Kontrolle. Auf dem Rückweg von der Toilette in mein Zimmer, fing sie mich jedoch ab und fragte, was ich außerhalb des Bettes gemacht habe. Wahrheitsgemäß antwortete ich ihr. Daraufhin schlug sie mich und verbot mir, jemals wieder in der Mittagspause auf die Toilette zu gehen. Die Folgen waren Dauerverstopfung und ständige Bauchschmerzen während der 6 Wochen.
Überhaupt, nach Hause schreiben ging zwar, allerdings wurden unsere Briefe und Postkarten zensiert. Während der ganzen 6 Wochen überlegte ich krampfhaft, wie ich meiner Mutter mitteilen könnte, dass sie mich abholen soll, überlegte Organisationspläne, wer in der Zeit auf meine Geschwister aufpassen kann und welcher Bus wohl bis an die Küste fährt und mit welchem Schiff meine Mutter mich abholen kommt. Aber ich wusste, eine Nachricht per Brief konnte ich ihr nicht schicken. Denn folgendes Grausame ereignete sich:
Eines Tages kam der Heimleiter, vor dem alle am meisten Angst hatten, in den Speisesaal. Er ging zu einem Mädchen, das ein Jahr älter als ich war und befahl ihr, aufzustehen. Nun stand sie vor ihm, er hatte einen Brief in der Hand und las vor allen im Saal laut vor: „Liebe Eltern, hier ist es ganz schlimm, bitte holt mich ab… Mir geht es schlecht..." Nachdem er den Brief zu Ende gelesen hatte, fragte er sie ob sie das geschrieben habe. Sie bejahte, daraufhin nahm er den Brief und schlug ihr damit mehrmals rechts und links ins Gesicht, dabei schrie er sie schrecklich an, wie sie nur solche Lügen verbreiten könne. Sie musste sich dann hinsetzen und vor allen Kindern einen von ihm diktierten Brief an ihre Eltern schreiben. Natürlich hat kein Kind mehr wahrheitsgemäß an seine Eltern geschrieben.
Mehr Erinnerungen:
- stundenlange Gewaltmärsche durch Heidelandschaften
- die älteren Mädchen mussten den "Tanten" abends die Haare auf Lockenwickler drehen
- Morgengymnastik vor dem Frühstück, wobei die weniger sportlichen Kinder von der „Tante“ gehänselt und ausgelacht wurden
- Die Jungen wurden mehr geschlagen als die Mädchen
- Schuhe putzen und dabei auch die von den „Tanten“ und die schrecklichen schwarzen Reitstiefel von dem Heimleiter, der übrigens immer so rumlief, mit aufgeplusterter Reiterhose und diesen schwarzen Stiefeln
- Verzweifeltes Heimweh
- Fluchtpläne entwickeln, z.B. wie kann ich auf einem der Spaziergänge eine unzensierte Postkarte nach Hause auf den Weg bringen, damit man mich aus dieser Hölle abholt. Entweder einem Spaziergänger, der uns entgegenkommt, unbemerkt zustecken oder - wie bekomme ich sie unbemerkt in einen Briefkasten
- Möglichst nicht auffallen, dann haben mich die „Tanten“ nicht im Blick, ständig wachsam sein, keine Fehler machen, permanentes Angstgefühl
Und die ganze Zeit dieses schreckliche Heimweh und ein Gefühl des Ausgeliefertseins
Meine Eltern erzählten, als die Kinder mit dem Bus zuhause wieder ankamen, seien alle Kinder ihren Eltern weinend in die Arme gefallen. Mein erster Satz zu meiner Mutter war: „Schick bloß Uschi (meine kleine Schwester) niemals dorthin.“ Meine Mutter erzählt auch, dass ich immer wieder gesagt habe, dass ich weglaufen wollte, mich aber das große Wasser (Meer) gehindert habe zu entkommen.
Nach dem Aufenthalt verschlechterten sich meine Schulleistungen. Ich hatte immer schwere Alpträume, bis heute träume ich von Flucht und Angstzuständen.
Lange hatte ich in meiner kindlichen Fantasie die Rache-Vorstellung, als Erwachsene dorthin zu reisen und die „Tanten“ und den Heimleiter zu erschießen. (krass, dass man mit 8 Jahren so etwas denken kann)
Mein Vater hat einmal erzählt, er hätte sich mit anderen Eltern zusammengetan und sie seien gegen das Heim und die Leitung rechtlich vorgegangen. Deshalb hätte das Haus schließen müssen. Da er leider verstorben ist, weiß ich nicht, ob er die Geschichte nur für mich als Trost erzählt hat oder ob es wirklich geschehen ist. Meine Mutter kann sich daran nicht erinnern. Sie weiß nur, dass sie und mein Vater es absolut bereut haben, eines ihrer Kinder dorthin geschickt zu haben.
Jetzt, mit 61 Jahren, im Rahmen einer Psychotherapie und einer langen psychischen Erkrankung, muss ich mich den Erinnerungen und damit verbundenen schmerzlichen Gefühlen stellen. Mir wurde erst im Rahmen der Therapie bewußt, dass ich traumatisiert wurde. Mir wird nun klarer warum ich auf bestimmte Verhaltensweisen von Menschen in manchen Situationen so und nicht anders reagiere, zum Beispiel wenn ich vor Angst erstarre, unsicher werde und sofort in Tränen ausbreche oder nur noch die Flucht ergreifen will.
Es ist gut, dass das Thema der sogenannten "Kindererholungskuren" mehr Aufmerksamtkeit und Aufarbeitung bekommt.
Mein Vater hat mich nach der Rückreise vom Bahnhof abgeholt und meine nach seiner Hand greifende Hand zurückgeweisen.
Zu Hause angekommen habe ich aus Angst vor weiterer Bestrafung durch meinen schlagenden Vater nichs davon erzählt.
Erst sehr viel später habe ich mich einmal meiner Mutter anvertraut, die entsetzt war, und damit endlich zuordnen konnte, warum ich und die vielen anderen Kinder in der "Kur" abgenommen hatten anstatt - wie erwartet - zugenommen hatten.
Das Erlebnis in der Kur und das damals vielfach verbreitete Eltern-Kind-Verhältnis ging bei mir mit einem großen Vertrauensverlust in die Umwelt einher. Ich habe mich als Kind lange mit der Frage beschäftigt, warum meine Eltern mich weggeschickt hatten, ohne eine Antwort darauf erhalten zu können.
Ich bin sehr froh und dankbar, das diese dunklen Zeiten der sehr jungen Gesellschaftsgeschichte in Deutschland endlich ans Tageslicht und zur Aufarbeitung kommen.
Danke an die Initiatoren!
Unsere familiäre Situation war damals folgende: 1969 ließen sich meine Eltern scheiden, meine damals gerade 23-jährige Mutter zog mit mir und meinen beiden Brüdern (wir waren 2, 3 und 5 Jahre alt) in das Haus ihrer Eltern, also meiner Großeltern. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt, was ich jedoch nach allen Äußerungen über ihn nie als besonderen Verlust empfunden habe. Er hatte meine Mutter misshandelt und betrogen. Umso unbegreiflicher war es, dass sie von ebendiesem Mann im Jahre 1971 noch ein weiteres Kind bekam. Trotz der Unterstützung meiner Großeltern war meine Mutter in so mancherlei Hinsicht mit uns vier Kindern überfordert, und so war es wohl für sie eine willkommene Möglichkeit, uns jeweils in den Sommerferien in verschiedenen Erholungsheimen unterzubringen. Alljährlich schleppte sie uns zum Bielefelder Gesundheitsamt, wo nach entsprechender Untersuchung unsere angebliche Unterernährung festgestellt wurde. Hiervon konnte in Wahrheit gar keine Rede sein: Essen gab es bei uns immer regelmäßig, meine Oma kochte täglich gut und mehr als reichlich, und selbst Süßkram gab es in Hülle und Fülle. Wir Kinder waren eben von Haus aus sehr schlank, ebenso wie unsere Mutter und unser Erzeuger, und dies hat sich bis heute nicht geändert.
Nun trat ich also 1971 im Alter von vier (!) Jahren zusammen mit meinem damals fünfjährigen Bruder meine erste Reise an: Wir wurden mit einer Begleiterin und weiteren gleichaltrigen Kindern in den Zug gesetzt – das Ziel war ein Kinderkurheim in Bad Sassendorf. Ich erinnere mich, dass ein Großteil der Kinder, ich eingeschlossen, sehr weinten und überhaupt nicht begriffen, was mit uns geschah. Vermutlich aus der situativen Hilflosigkeit heraus versprachen uns unsere Mutter und unsere Großeltern, wenn uns das Heim nicht gefallen sollte, könnten wir sofort wieder nach Hause fahren. An diesen Gedanken klammerten wir uns fest.
In dem Kinderkurheim angekommen, mussten wir uns in einem dunklen Flur jeweils zu zweit in einer Reihe aufstellen. Mit meinem weinenden Bruder an der Hand nutzte ich gleich die Gelegenheit, die anwesende „Tante“ mit dem Versprechen unserer Mutter zu konfrontieren, also jetzt wieder nach Hause fahren zu wollen. Die Frau antwortete in einem sehr rüden Ton, dies sei erst wieder in einigen Wochen möglich, da habe unsere Mutter wohl nicht die Wahrheit gesagt. Für uns beide brach komplett die Welt zusammen, wir hatten ja keine Ahnung, wie lange „einige Wochen“ dauern würden. Auch die Lüge unserer Mutter und unserer Großeltern mussten wir erst mal verarbeiten.
Merkwürdigerweise, aber in Anbetracht der Ereignisse wohl verständlich, habe ich in Bezug auf die folgenden sechs Wochen in diesem Heim ausschließlich negative Erinnerungen. Ein paar dieser Ereignisse haben sich derartig in mein Gehirn eingebrannt, als wären sie erst wenige Jahre her:
Nach jeder kleinen „Unartigkeit“ musste man sich in die nächstbeste Ecke stellen, immer mit dem Gesicht zur Wand. Da es jede Menge zum Teil unsinnige Regeln gab und sich die Schmerzgrenze der Erzieherinnen auf einem sehr niedrigen Niveau befand, habe auch ich häufig gefühlte Stunden in irgendwelchen Ecken verbracht, wo ich über meine Unartigkeit nachdenken sollte. Nach einer gewissen Zeit und einer Entschuldigung für das begangene Vergehen durfte man wieder aus der Ecke herauskommen. Weil ich aber oft nicht wusste, wofür ich mich entschuldigen sollte, konnte solch ein Ecken-Aufenthalt sehr lang werden.
Meine linke Tischnachbarin im Speisesaal erbrach sich oft. Ich erinnere mich nicht an den Grund, vermutlich war sie einfach eine schlechte Esserin. An die Qualität des Essens habe ich kaum Erinnerungen, ich weiß nur, dass es oft pampige Breie gab. Das Mädchen musste aber, wie wir alle, immer die gesamte Portion auf ihrem Teller aufessen. Sie erbrach sich also, entweder direkt auf ihrem Teller oder unter dem Tisch, denn aufstehen durften wir nicht. Nun gab es für sie zwei Möglichkeiten: War das Erbrochene auf dem Teller gelandet, musste sie dieses aufessen. Immer wieder, auch bei mehrfachem Erbrechen, bis der Teller leer war. Hatte sie sich für die Variante unter dem Tisch entschieden, wurden ihr Eimer und Lappen hingeknallt, womit sie das Erbrochene zu entfernen hatte. Das Ganze immer unter lautem Gezeter und Geschimpfe, das ich wohl nie vergessen werde. Da die Tischordnung während der gesamten 6 Wochen nicht geändert wurde, bekam ich dieses schreckliche Schauspiel fast täglich vorgesetzt.
Nun zu einer vollkommen sinnfreien, folgenschweren und für mich am wenigsten nachvollziehbaren Regel: Nach dem Abendessen durften wir nur noch in dem kurzen Zeitraum bis zum Schlafengehen die Toiletten aufsuchen. Sobald wir in den Betten lagen, waren diese für uns Kinder Tabu. Die Flure wurden gut bewacht, und wenn wir in unserer Not trotzdem losschlichen, wurden wir fast immer erwischt. Obligatorische Strafe: In einer Flur-Ecke stehen, mit dem Gesicht zur Wand, barfuß und im Schlafanzug oder Nachthemd. Es war kalt, Urin und andere Extremente liefen uns die Beine herunter. Alle vier Ecken waren immer „belegt“. Bevor wir gefühlte Stunden später wieder ins Bett durften, mussten wir unseren „Dreck wegmachen“. Um dieses unwürdige Prozedere zu umgehen, kamen besonders findige Kinder bald auf die Idee, unter den Betten von jeweils anderen Kindern, die gerade in den Flur-Ecken standen oder bereits schliefen, ihre Geschäfte zu verrichten. Morgens nach dem Wecken musste dann jeder von uns auf allen vieren unter seinem eigenen Bett die Hinterlassenschaften eines anderen Kindes beseitigen. Der Gestank in unserem Schlafsaal war unerträglich. Ich selbst gehörte zu den „Eckenstehern“, und diese häufigen nächtlichen Episoden sorgten bei mir für eine dicke fiebrige Erkältung. Ich musste in der Krankenstation behandelt werden und hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen meinem Bruder gegenüber, den ich nun allein lassen musste. Wie lange, weiß ich nicht mehr. Nach diesem „gelungenen“ Kuraufenthalt kam ich als regelmäße Bettnässerin wieder nach Hause. Meine Mutter zeterte und verstand die Welt nicht mehr, und ich schämte mich in Grund und Boden.
Dies sind so ziemlich meine frühesten Kindheits-Erinnerungen, was mich noch heute sehr traurig macht. Meinem Bruder geht es ähnlich, wir haben oft darüber geredet und tun es manchmal noch heute. Ich glaube, für ihn war das alles noch viel schlimmer. Er war sehr schüchtern und introvertiert, ich eigentlich das Gegenteil – aufgeschlossen und verspielt. Obwohl er der Ältere war, habe ich damals auf ihn „aufgepasst“. Nach unserer Heimreise erzählten uns unsere Mutter und die Großeltern, sie hätten sich bei ihrem einzigen Besuch nicht zu erkennen geben dürfen, sich also am Heimgelände hinter Büschen versteckt und uns beobachtet. Ich hätte mit anderen Kindern gespielt, wäre aber zwischendurch immer wieder zu einer Bank gelaufen, auf der mein Bruder traurig und untätig herumgesessen habe. Ich hätte mich dann neben ihn gesetzt, ihn umarmt und sei dann wieder kurze Zeit spielen gegangen, um dann wieder nach meinem traurigen Bruder zu schauen.
Dies alles ist ja jetzt viele Jahr her, heute einigermaßen gedanklich sortiert und verarbeitet, aber eben nicht vergessen. Damals waren wir jedoch traumatisiert, was meine Mutter aber nicht davon abhalten konnte, uns weiterhin alljährlich in weitere Kurheime oder später in Ferienlager zu verschicken. Glücklicherweise ist es mir in den Folgejahren nie wieder so ergangen wie in Bad Sassendorf. Im Gegenteil: In allen darauffolgenden Heimen und Lagern habe ich mich sehr wohl gefühlt. Aus diesen Erfahrungen heraus nehme ich an, dass in den 70er Jahren nicht mehr in allen Kinderkurheimen das autoritäre Zepter geschwungen wurde. Umso schlimmer für diejenigen Kinder, die das Pech hatten, in einem dieser entsetzlichen Häuser gelandet zu sein, um dort ihre Ferien zu verbringen, auf die sich doch eigentlich jedes Kind sehr freut.
Dass dieses Thema endlich hier und in den Medien zur Sprache kommt und Betroffenen die Möglichkeit zur Aufarbeitung sowie zum Erfahrungsaustausch gegeben wird, ist sicher eine gute Sache. Mir selbst hat es jedenfalls gutgetan, meine Erlebnisse hier einmal zu schildern.
Ich musste stundenlang sitzen, wenn ich die Graupensuppe nicht gegessen habe. Die Graupen piekten immer in meinem Hals. Kann mich an zweimal erinnern... Esse bis heute keine Graupensuppe!!!
Desweiteren wurden auch hier Kinder beim Schlafen angebrüllt und geschlagen. Einmal habe ich Geräusche gemacht und das Kind neben mir wurde dafür bestraft. Das tut mir noch heute sehr leid!
Es war ein riesiger Schlafsaal unter dem Dach einer alten Villa.
Meine Eltern taten dies mit guter Intention, sie wussten nicht, dass wir dort schlimmes erleben würden - Telefonieren oder Briefe schreiben wurde uns ja dort untersagt.
Von Strafen, die einer Isolationshaft glichen, nachts nicht zur Toilette dürfen, Essen bis zum Erbrechen war alles dabei. Ich kann hier gar nicht alles aufzählen.
Als unsere Eltern uns abholten, sagte meine Schwester, sie war vier Jahre alt, kein einziges Wort. Erst als wir außer Sichtweite des Donnersbergs waren, platzte alles aus mir heraus - Mein Vater war außer sich. Er wollte sofort umdrehen, um die Verantwortlichen zur Rede zu stellen. Ich bat ihn weiterzufahren, da wir auf keinen Fall mehr dorthin zurückkehren wollten.
Meiner Schwester ging es nach diesem Aufenthalt nicht gut, sie kaute an ihren Fingernägeln und versteckte sich, sobald unsere Mutter ein lautes Wort einlegte.
Es war ein unvergessliches Erlebnis - im negativen Sinne.
Es würde mich freuen, wenn sich noch andere Betroffene melden würden, die auch an diesem Ort waren. Und sie gibt es mit Sicherheit, wir waren nicht allein....
Das zweite Mal war ich mit etwa 3 oder 4 Jahren in Obersdorf im Allgau (sorry, meine Tastatur hat keine Umlaute). Ich kann mich nur daran erinnern, dass jeden Mittag auf einer Terrasse geschlafen wurde und wir die meiste Zeit mit Wandern verbrachten.
An das dritte Mal kann ich mich besser erinnern. Ich muss etwa 6 Jahre alt gewesen sein. Diesmal kam meine juengere Schwester mit. Wir waren im Kinderheim Johnen in Bonndorf im Schwarzwald. Das Heim wurde von einem Ehepaar geleitet, dass einen Dackel namens Moritz hatte. Die Betreuerinnen waren junge Frauen. Bei der Ankunft wurden meine Schwester und ich getrennt.
Alle Kinder wurden zum Essen gezwungen. Es gab oft Milchsuppe oder Brotsuppe als Vorspeise. Abends gab es belegte Brote und Fruechtetee. Ein mal pro Woche kam ein Arzt, der alle Kinder wog. Wer nicht zugenommen hatte, bekam eine Medizin verschrieben, die taeglich zu einer Mahlzeit eingenommen werden musste. Zum Essen wurde man gezwungen. Ein Maedchen musste sich uebergeben und wurde zur Strafe mindestens 1 Tag lang eingesperrt.
Mittagsschlaf wurde exzessiv gehalten. Ich glaube, es waren 2 Stunden, es koennte aber auch 1 Std. gewesen sein. Eine Betreuerin, die von den Kindern Leuchtturm genannt wurde, passte auf, dass niemand den Schlafsaal verliess, auch nicht, um aufs Klo zu gehen. Ein kleines Kind hat regelmaessig eingenaesst und eingekotet.
Die meiste Zeit haben wir mit Wandern verbracht. Ich erinnere mich, dass die Jungen im Wald eine Huette aus Tannenzweigen bauten. Diese Huette war eines Tages beschaedigt und man munkelte, dass die Kinder vom benachbarten Kinderheim Luginsland dahinter steckten.
Wenn es regnete, wurden wir drin beschaeftigt. Uns wurden bei der Gelegenheit Briefe nach Hause diktiert oder Geschriebenes zensiert.
Eine Freundin, die in der Nachbarschaft lebte, war zu einer anderen Zeit auch im Kinderheim Johnen. Wir koennen uns beide an ein Kind namens Martina Schleifer erinnen. Sie war wohl oefters dort und hatte einen besseren Stand bei den Betreuerinnen.
Pakete von zuhause wurden geoeffnet und der Inhalt an alle Kinder verteilt.
Ich kann mich auch erinnern, dass wir und oefters in Reih und Glied aufstellen mussten, wenn es nach draussen ging. Das koennte aber auch der Sicherheit gedient haben, und um einen besseren Ueberblick ueber die Gruppe zu haben. Ich kann mich an zwei eher nette Betraueerinnen erinnern, die sich ab und zu mit mir unterhielten. Die eine fragte mich, ob ich einen Fuss mit 4 oder 5 Zehen interessanter finde. Als ich darauf keine Antwort wusste, teilte sie mir mit, dass der anderen ein Zeh fehlte.
Soweit ich weiss, wurden die Heimaufenthalte von der DAK finanziert oder bezuschusst.
Ein Freund aus der Nachbarschaft, der an Neurodermitis litt, wurde mindestens ein mal an die Nordsee verschickt. An seinen Erfahrungsbericht, oder ob wir ueberhaupt darueber gesprochen haben, kann ich mich nicht erinnern.
Eine andere Freundin aus dem Ruhrgebiet wurde an die Nordsee verschickt. Sie war zu der Zeit wahrscheinlich aelter und hat wohl eher gute Erfahrungen gemacht.
Ich kann mich nicht erinnern, koerperlich mishandelt worden zu sein, bis auf das erzwungene Essen und die Medizin zum dick werden. Die Misshandlung war wohl eher psychischer Natur und in der langen (6 woechigen ?) Trennung vom Elternhaus begruendet.
Ich habe bis heute ein gestoertes Verhaeltnis zum Essen in dem Sinn, dass ich mich nur schlecht beherrschen kann. Ich habe es aber immer geschafft, durch staendige Diaeten ein halbwegs normales Gewicht zu halten.
Ich bin heute durch Zufall auf den Begriff " Verschickungskinder " gestoßen und meine verborgenen Erinnerungen sind aufeinmal da.
Ich kann es garnicht glauben das es sooo vielen Menschen ebenso erging.
Ich wurde zur Kur geschickt weil wir fünf Kinder waren und kaum die Möglichkeit hatten gemeinsam Urlaub zu machen
Vor etwa 10 Jahren war ich noch einmal da um es mir mal anzuschauen und hatte dort ein ganz komisches Gefühl und wollte einfach nur weg aber mir fiel sofort der Name von der " Bösen" Erzieherin ein
Frau Schwaabe
Und heute kommen auch die Schandtaten von dieser Frau zum vorscheinen
Eiskalt duschen
Aufessen bis zum erbrechen
Anschreien bei Heimweh
Bloßstellen vor allen Kindern
Beim Mittagsschlaf sich nicht bewegen
Usw
Zum Glück hatte ich mir nach der zweiten Woche den Fuß aufgeschnitten und musste ( durtfe) für die nächsten zwei Wochen ins Krankenhaus welches sich meiner Erinnerung auch auf dem Gelände befand
Dort war es sehr schön die Krankenschwestern waren so lieb
Naja den Rest habe ich dann irgendwie überstanden
Ich habe noch ein Gruppenbild von dieser Zeit und da ist ein Mädchen mit drauf das so mutig war und sich von allen vier Mädels den Käse den keiner mochte aufs Brot legte und zur Toilette gelaufen war
Nur die " Böse" ist hinterher und das arme Mädchen musste dann das Brot vor uns allen essen
Einfach nur schlimm
Vielleicht meldet sich ja jemand der auch zu dieser Zeit da war
Mit lieben Grüßen Cordula
Jetzt nach etlichen Jahren und vielen anderen Herausforderungen ( u.a. über 15 Jahre Versorgung/Pflege beider Elternteile) habe ich gesundheitliche Einschränkungen, hatte einen Burnout, krampfe nachts etc. . Viele Leute in meinem Umfeld sagen mir immer , ich sollte doch zur Kur fahren. Doch sobald ich mit diesen Äußerungen konfrontiert werde, sträuben sich mir - auch schon früher - die Nackenhaare. Ich vermute stark, dass sich tief im Unterbewusstsein diese Aversion aufgebaut hat ( genauso habe ich Ängste vor Krankenhäusern - ich habe mit 5 Jahren meinen Blinddarm entfernt bekommen und kann mich auch hier nur noch vage erinnern, dass meine Eltern nur durch einen Scheibe an der Tür gucken durften und ich mächtig Heimweh hatte).
Auf jeden Fall versuche ich nun schon seit geraumer Zeit eine Art von Vergangenheitsbewältigung und suche nach Antworten, was mich bewogen hat zu „vergessen“.
Vielleicht finde ich hier noch mehr Infos zum Kurheim Quisisana, um einen Teil meiner Kindheit und meiner Ängste zu verstehen.
Euch/Ihnen allen wünsche ich alles Liebe
Gruß Bea
draufgesteckt. Das Kind der Erzieherin (oder vllt. war es auch die Heimleiterin, in jedem Fall beste "BDM Manier") aber hatte die Finger voller Ringe. Wir bekamen keine. Immerhin wurde die Süßigkeit an uns verteilt. An lange Schlangen vor dem Klo egal wie nötig man musste und an Kinder in Unterhosen vor der Arzt Tür kann ich mich erinnern und an Kinder in Unterhosen die um die Höhensonne liefen. Und an eine Woche, in der es nur rote Beete gab. Alle mochten die nicht, alle haben gespuckt. Ich habe erst wieder im Erwachsenenalter rote Beete essen können, so lange war das nicht möglich. Ich kann mich an das Gefühl erinnern, dass einem ewig schlecht war und man immer zu viel im Bauch hatte. Kein Wunder, musste man doch diese Mengen essen. Hat übrigens nichts gebracht. Die paar Pfunde waren schnell wieder weg. Ich bin nicht so sehr gequält worden, musste nicht immer 2 Teller verhasste Milchsuppe essen und wurde auch mal gelobt, wenn ich mehr als sonst gesessen habe. Und ich kann mich an diese wunderschöne Landschaft erinnern, wir waren ja viel draußen. Aber letztendlich war das eine unvorstellbare Zeit. Und Amrum wird bis zu meinem Lebensende mit den 6 Wochen Verschickung zusammengehören. Keiner, der das nicht selbst erlebt hat kann es sich vorstellen.
Ich weiß nicht, ob die Betreuer dort wussten, dass meine Eltern mir die Geburt meines Bruders Mitte Dezember 1965 bewusst verschwiegen hatten, weil bei den 3 vorangegangenen Fehlgeburten hatte ich mich immer so sehr auf ein Geschwisterkind gefreut und war jedesmal Wochenlang tottraurig, wenn meine Mutter ohne ein Baby nach Hause kam. 1965 entschieden sich meine Eltern, mir die Schwangerschaft quasi zu verheimlichen, damit ich nicht wieder so traurig wäre. Dieses Mal überlebte mein Bruder, kaum war er eingezogen, musste ich auf diese Insel. Alle Versprechen wurden vermeintlich gebrochen. Ich habe bei meiner Rückkehr lange nicht gesprochen und ich hasste meinen Bruder. Vielleicht war es nur ein Zufall, lange konnte ich nicht glauben, dass die Betreuer das wussten und es bewusst einsetzten. Aber nach den Erzählungen hier, bin ich nicht mehr sicher. "Natürlich" wurden fast täglich Ohrfeigen verteilt, mit nassen Tüchern geschlagen, man wurde angebrüllt, musste stundenlang ruhig auf einem Holzstuhl beinahe nackt sitzen ... oh Mann ... ich hab so viel davon verdrängt ...
LG Frank Dittrich
Nach allem, was ich gelesen habe und was mich erschüttert hat, komme ich zu der Erkenntnis, dass ich es wohl "gut" getroffen hatte...
Mit sechs Jahren war ich dort, in Ühlingen in einem wohl eher kleinen privaten "Kindersanatorium", "feierte" meinen siebten Geburtstag im Schwarzwald ( - selbstverständlich wurden die Katzenzungen aus dem Päckchen an alle Kinder verteilt) und kam durchängstigt wieder nach Haus.
In erster Linie hatte ich Angst vor den vielen anderen Kindern, die sich oftmals deutlich besser durchsetzen konnten als ich. Die mich teilweise schlugen ohne ersichtlichen Grund. Zum Beispiel, wenn ich abends bereits im Bett lag - von hinten auf den Hinterkopf.
Angst vor allem Fremden: Fremden Feier-Sitten (Fasching mit dem senfgefüllten Berliner), fremde Speisen (Milchnudeln), die für mich als Norddeutsche so fremde Sprache im Schwarzwald.
Angst, etwas falsch zu machen, die Regeln aus Unkenntnis nicht zu befolgen.
Eingeengt durch feste Abläufe (Liegekuren, Haltungsturnen, Fußgymnastik, ärztliche Untersuchungen, Mittagsruhen, reglementierte Ausflüge) und ohne den mütterlichen oder väterlichen Schutz.
Ganz ohne Zeitgefühl. Für immer?!
Die Hoffnung verloren.
Wie gern wäre ich bei den "Großen" mit in der Schulklasse gewesen, das hätte Abwechslung und Struktur gegeben...keine Ahnung, warum man mich nicht beschulte, obwohl ich doch schon eine stolze und leistungsfreudige Erstklässlerin war.
Mir hat das Trauma des sechs Wochen lang "Allein-gelassen-Werdens" ausgereicht. Wie ginge es mir heute, wenn ich auch all die anderen Sachen erlebt hätte?
Ihr alle habt mein größtes Mitgefühl!
Meine Mutter habe ich nach sechs Wochen - sie holte mich ab - nicht mehr erkannt. Ich war sieben.
Zitat Werbeschrift:
"Aufnahme finden Kinder vom Säuglingsalter (!) bis zu 14 Jahren, Knaben nicht über 13 Jahre"
Täglicher Pensionssatz: 17,00 DM plus 10% Bedienung
Ärztliche Überwachung: 49,00 DM / Woche pauschal
Aufnahme- und Schlussuntersuchung: je 20,00 DM
Wäsche: 10,50 DM / Woche (Kleinkinder evtl. mehr)
Heizungszuschlag: 0,50 - 1,00 DM / Tag
Versicherungen: 1,50 DM einmalig
Beschulung: 45,00 DM / Monat
Kurz nach dem "Kuraufenthalt" bekam ich ein schwere Bronchitis.
Meine Mutter sagte mir, dass ich zur Kur dürfte, weil ich so zart und dünn bin. Also zur Erholung. Ich hatte damals gar keine Ahnung, warum ich Erholung brauchte und dafür auch noch von zuhause wegmusste. Es ging mir nirgends besser als bei meiner Mami.
Wer den Aufenthalt empfohlen oder organisiert hatte, weiss ich nicht. Aber ich weiss, dass unser Krankenversicherer die Barmer Ersatzkasse war.
Wir mussten ein Glas Essig Wasser vor dem Mittagessen trinken. Das sollte den Appetit fördern. Das Mittagessen wurde erst aufgetischt, wenn alle Kinder ihr Glas leergetrunken hatten.
Alle Kinder standen in der Reihe und mussten vor dem Schlafengehen einen Esslöffel Honig essen. Die Betreuerin hat den Löffel in den Mund eingeführt.
Sonntagabend kam die "grosse Tante Selter" und las den Kindern in einem grossen Raum Märchen vor. Ich erinnere mich, dass es einerseits schön war, aber auch mit Angst verbunden … Ich komme aber nicht drauf, was das Beängstigende war.
Alle Kinder wurden in einem grossen, kalten Duschraum gebracht. Der ganze nackte Körper wurde mit einer harten Bürste abgeschrubbt und danach kalt abgeduscht. Es war grausam. Es tat so weh. Und alles war so erniedrigend. Man war hilflos und wehrlos ausgeliefert.
Es wurden lange Spaziergänge durch den Wald gemacht. Ich fand das ganz toll. Aber die Spaziergänge waren für mich einfach zu lang, sodass ich dachte, ich würde bald zusammenbrechen. Aber jammern durfte man gar nicht.
Ich war krank, musste tagelang von morgens bis abends allein im Zimmer sein. Es wurde mir nur zu essen und zu trinken hingestellt. Es gab Märchen Kassetten zum Hören. Ich erinnere mich an "Aristocats". Ich hatte Halsschmerzen und Fieber und weinte den ganzen Tag vor lauter Heimweh. Fragte ich abends nach, ob ich am nächsten Tag wieder runter zu den anderen dürfte, sagte die Betreuerin, dass ich wieder runter darf, wenn das Fieber am Abend weniger ist. (Was natürlich Quatsch war, da Fieber am Abend immer steigt)
Als ich wieder gesund war, lag noch eine Woche vor mir. Das war die Hölle, da ich jeden Tag bitterlich wegen Heimweh weinte. Niemand spendete Trost.
Mir fehlten meine Eltern grausam. Ich war ein sehr, sehr zartes Kind, das ganz viel Liebe und Zuwendung brauchte, was ich auch zuhause bekam. In dem Kurhaus war ich plötzlich von 100 auf 0 gesetzt worden.
Ein Junge und ich wurden dabei erwischt, wie wir uns ein Küsschen gaben. Das hatte schlimme Konsequenzen. Aber ich weiss nicht mehr, was genau geschah. Es ist einfach nur die Erinnerung da, dass es Konsequenzen hatte und ich mich schlimm geschämt hatte. Daraufhin trauten der Junge und ich uns nicht einmal mehr miteinander zu reden.
Es herrschte immer ein sachlicher und strenger Tonfall. Keine Empathie wurde uns entgegengebracht. Kein liebes, beruhigendes Wort.
Wir durften Karten schreiben. Ich wollte unbedingt schreiben, wie doll Heimweh ich hatte, wie traurig ich war, wie krank ich war, dass das Essen schlecht war und ich Essig-Wasser trinken musste. Die Betreuerinnen liessen das aber nicht zu und zerrissen die Karten, bis ich eine Karte schrieb, wo nur Positives draufstand. Ich fühlte mich gefangen, ohne Chance darauf, dass irgendwer mein Leid erkennen würde und mich dort wegholen würde. Einmal schaffte ich es, auf einer Karte das zu schreiben, was ich wirklich fühlte. Und diese wurde nicht zerrissen. Ich hatte Hoffnung und wartete ewig darauf, dass meine Eltern mich retten würden. Aber die Karte kam zuhause nie an.
Meine Mutter hatte mir ein Taschengeld mitgegeben. Darauf war ich unglaublich stolz. Das Taschengeld wurde allen Kindern am ersten Tag weggenommen und wir sahen es erst kurz vor der Abreise wieder. Das Taschengeld durften wir für den Kauf von irgendwelchen Strohkörbchen oder anderen Krimskrams ausgeben, die wir den Eltern als Souvenir mitbringen sollten. Die Gegenstände wurden im Kurhaus bei einem "Basar" verkauft. Das wurde als grosses Event dargestellt. Die Sachen waren sehr teuer. Also haben sie daran gut verdient.
Einmal standen meine Eltern abends, es war schon dunkel, vor der Türe. Das ganz geschah ganz heimlich, wie sie mir sagten. Ich durfte sie einmal kurz drücken und flehte sie an, mich mitzunehmen. aber sie sagten, ich müsse ein grosses Mädchen sein und es dauere ja nicht mehr lang.
Ich weiss ganz, ganz vieles nicht mehr von den 6 Wochen. Ich weiss keinen einzigen Namen einer Betreuerin, sehe vor dem Inneren Auge keine Gesichter. Die einzigen Räume, an den ich mich vage erinnern kann, ist der Schlafraum unter dem Dach, der Duschraum, ein Teil des Raumes, wo wir vorgelesen bekamen. Das finde ich komisch. denn ich weiss sooo viel aus all den Jahren vorher.
Ich kann mich an drei Kinder erinnern. Ein blonder Junge und ein braunhaariges Mädchen in etwa meinem Alter, namens Frank und Iris. Ein kleiner Junge, vielleicht 4 Jahre, namens Nils.
Ich habe erst gestern Abend entdeckt, dass die Erinnerungen an meinen Kuraufenthalt in Brilon im Zusammenhang mit Verschickungskindern stehen. Ich wusste bis gestern Abend nichts davon. Seit Stunden befasse ich mich nun mit diesem Thema. Es kommt sehr viel in mir hoch.
Ich erinnere mich an ekliges Essen, an viele Kinder, die erbrochen haben und dann gezwungen wurden, das wieder zu essen. Zu trinken bekamen wir wenig, Kuscheltiere und später auch das Foto meiner Familie wurde mir weg genommen, es machte mir angeblich Heimweh.
Wenn man nachts im Bett weinte, kam die Nachtwache und kniff schmerzhaft ins Gesicht oder den Oberarm.
Nachts durften wir nicht zur Toilette, einmal konnte ich es nicht mehr aushalten und schlich mich hin, als ich die Schritte der "Aufsicht" hörte, bekam ich eine unglaubliche Angst, zog die Füße hoch und hoffte, dass sie mich nicht entdeckt, glaubte, dass sie mein Herzklopfen hören könnte - es ist zum Glück gut gegangen!
Dann wurden wir in so Holzbadewannen gesteckt, das war gruselig, wir waren alleine in diesem Raum (6-8 Kinder) und durften weder reden noch lachen....
Ostern bekam ich ein Paket, der Inhalt wurde unter allen Kindern aufgeteilt, das fand ich aber ok.
Eine junge Betreuerin las uns abends vom Flur aus Bücher vor, das habe ich geliebt und mir sooo gewünscht, sie nähme mich einfach mit nach Hause, ich hatte das Gefühl, von meiner Familie verlassen worden zu sein und war sehr, sehr einsam.
Ein Junge, Markus, war schon 7 Jahre alt, ging in die 1. Klasse und ich konnte einfach nicht glauben, dass er mir nicht helfen konnte, einen Brief an meine Mutter zu schreiben: damals traf ich die Entscheidung, sofort lesen und schreiben lernen zu wollen, um mich unabhängig zu machen und wurde irgendwie "hart", hatte das Gefühl, mich nur auf mich selbst verlassen zu können...
Ich wurde kurz vor Abreise krank, meinen Eltern sagte man nichts davon, sie haben regelmäßig angerufen und immer die Auskunft bekommen, es ginge mir gut - ich hatte sehr hohes Fieber....
Eine der Betreuerinnen hatte ein Feuermal im Gesicht-die ganze Kindheit über habe ich Angst vor Frauen mit einem ähnlichen Mal im Gesicht gehabt.
Wieder zu Hause hat sich meine Mutter beschwert, meinen Aussagen wurde nicht geglaubt!
Ich habe noch heute Albträume von dieser furchtbaren Zeit!
ich bin als Kind zwei mal zu einer "Kur" wegen Asthma verschickt worden. Das erste mal war ich in Bad Reichenhall, im Alter von ca. 4 Jahren, daran habe ich noch einige Erinnerungen.
Mit 7 Jahren wurde ich dann ein zweites Mal in Kur geschickt. Bis zum heutigen Tag wusste ich nur, das ich in Kur war, habe überhaupt keine Erinnerung an die Verschickung, rein gar nichts.
Heute hat meine Mutter mir eine alte Postkarte gezeigt, die am mich adressiert war, daher ist mir nun Ort und Zeitpunkt bekannt, Erinnerungen kommen jedoch nicht wieder!
Da ich überhaupt keine Erinnerung an diese Klinik und den Ereignissen Vorort habe, frage ich mich schon seit einiger Zeit, was da wohl vorgefallen ist.
Würde mich freuen, wenn sich jemand meldet der ungefähr zur gleichen Zeit Vorort war, eventuell kommen im Gespräch Erinnerungen wieder hoch.
Mein Bruder hatte nicht so viel Glück, ihm wurde von anderen Kindern übel mitgespielt und die Erzieher haben ihm einen Zahn ausgeschlagen, als er sich hinter einer Tür vor den anderen Kindern versteckt hat. Danach sind wir nicht mehr verschickt worden.
Da ich als Kind untergewichtig war wurde meinen Eltern vom Arzt angeraten mich zur Kur zu schicken. Ein weiteres Kind (Jörg) aus meinem Kindergarten sollte ebenfalls nach Bad Karlshafen kommen. Wir wurden zusammen in den Zug gesetzt und von einer Betreuerin begleitet. Ich dachte es würde für mich ein riesiges Abenteuer werden. Jörg und ich wurden nach der Ankunft natürlich sofort getrennt da Jungen und Mädchen natürlich nicht zusammen bleiben durften.
Dann begann der blanke Horror. Ich kann mich leider nur noch bruchstückmässig erinnern aber ich weiß noch das wir gezwungen wurden immer alles komplett auf zu essen.
Viele Kinder hatten damit richtig Probleme und mussten dann sogar teilweise ihr Erbrochenes essen. Andere mussten stundenlang mit dem Gesicht zur Wand stehen.
Ich habe einmal Nachts vor Heimweh etwas lauter geweint und wurde dann zur Strafe die Nacht über in den Waschraum gesperrt der aber leider kein WC hatte. Ich machte mir in die Hose und wurde am nächsten Morgen vor den Augen aller Kinder sauber gemacht. Diese Demütigung habe ich niemals vergessen.
Es gab eine nette Nachtschwester..... Wenn die Dienst hatte konnte ich entspannt schlafen. Das Mädel im Nachbarbett hat sich nachts immer die Lippen blutig gebissen. Die nette Schwester versprach ihr eine Puppe wenn sie es sein ließe. Ich weiß noch das ich so eifersüchtig auf das Mädel war das ich selbst versuchte mir die Lippen blutig zu beißen (hat aber zum Glück nicht funktioniert)
Weiterhin kann ich mich an die Wanderungen erinnern. In Formation wie beim Militär..........
Die Schwestern schrieben für mich Postkarten..... in denen natürlich nicht das stand was ich meinen Eltern sagen wollte!
Als ich am Zug von meinen Eltern abgeholt wurde hatte ich das Sprechen
eingestellt. Ich weiß noch wie ich meinen Vater dafür gehasst habe das er darüber
gelacht hat und das niedlich fand das ich
scheinbar vor Heimweh das Sprechen
eingestellt hatte.
Danach habe ich das alles jahrzehntelang verdrängt bis ich zufällig im Internet auf dieses Thema gestoßen bin.
Im Moment bin ich eigentlich nur froh das das was ich erlebt habe endlich mal geglaubt wird!
Ich wurde immer als Kind mit einer blühenden Phantasie abgetan und habe später selber schon gedacht ich hätte das alles nur geträumt.
Ich erinnere mich noch daran,dass meine Eltern mich zum Zug nach Rendsburg gebracht haben, dort bekam ich eine Karte um den Hals wo alle Daten von mir bzw mein Reiseziel draufstanden.Eine Zugbegleiterin hat während der Fahrt nach mir geschaut.
Im Heim wurde ich dann in ein Jungen-Zimmer gesteckt, da mein Vorname Eike sowohl männlich als auch weiblich verwendet wird.Zudem hatte ich einen Kurzhaarschnitt.Da ich sehr schüchtern war,traute ich mich nicht,dass Mißverständnis aufzuklären.Wie sich die Sache aufgeklärt hat, weiß ich nicht mehr.
Ich erinnere mich noch an einen Vanillepudding mit Zwieback,den wir Abend essen mussten. Nachts habe ich dann die Toilette vollgespuckt.
Wir durften die Fußball-WM 1972 sogar im Fernsehen verfolgen. Gewandert wurde ebenfalls und nach "Katzengold"gesucht.
Leider wurde ich während meines Aufenthalts von einem älteren Jungen mißbraucht. Es wurde nicht bemerkt und ich hatte es verdrängt. Wir durften nicht telefonieren, damit das Heimweh nicht noch größer wird. Eine der "Tanten" kam nach einiger Zeit zu mir,da meine Mutter angerufen und gefragt hatte, warum ich noch keine Karte geschrieben hätte. Danach musste ich regelmäßig Karten/Briefe schreiben.
Ich kam nach den Sommerferien mit 2-wöchiger Verspätung in die 3.Klasse. Das war schlimm,neue Mitschüler und Lehrer.Ich habe übrigens nicht zugenommen in den 6 Wochen.
Eine Begebenheit hat sich bei mir eingebrannt:
ich lag in einem Gitterbett. An einem Morgen hatte ich ins Bett gesch... Da kam die "Erzieherin" mit allen Kindern. Alle stellten sich um mein Bett und die Erzieherin zeigte auf mich: "schaut, die macht immer noch ins Bett!". Es war grausam. Ich schämte mich fürchterlich.
Ansonsten erinnere ich mich nur noch an Milchsuppe mit Rosinen, die ich gar nicht schlecht fand. Und an ein großes Mädchen, was mit mir das Zimmer teilte und sich ein bißchen meiner annahm.
Auf den wenigen Fotos, die in meinem Album kleben, sehe ich unglücklich aus.
Interessant zu lesen ist der Hausprospekt, den ich auch noch habe. Der klingt nicht unsympathisch. In derzeitigen Pandemiezeiten sehr spannend die Bemerkung, daß man die Kleinkinder mindestens 14 Tage vor der Anreise aus dem Kindergarten nehmen soll, wegen möglicher Infektionsgefahr.
Auf Anraten des Hausarztes wurde eine Kur in einem Kinderheim in Bad Karlshafen beantragt, die ich im Sommer 1965 antrat. Mein Cousin, der ein Jahr älter war als ich und eigentlich keinerlei Beschwerden hatte, wurde mir mitgegeben, damit ich dort nicht so allein war. Ich nahm auch einen Stoffhund und zwei meiner Lieblings-Cowboyfiguren mit.
Unsere Eltern durften uns nicht direkt dort hinbringen. Es war auch verboten, uns während der 6 Wochen zu besuchen.
Ich und mein Cousin wurden am Heimat-Bahnhof an eine Betreuerin übergeben, welche mit uns im Zug nach Karlshafen fuhr und uns dort im Foyer an irgendwelche Frauen übergab.
Die Begrüßung war unpersönlich und kalt, als wären wir eine Ware.
Man stellte dann sofort fest, dass wir zwei verschiedene Jahrgänge waren, was zur Folge hatte, dass eine der Frauen mit meinem Cousin sofort eine Etage höher ging, wo er in seine Jahrgangsgruppe kam.
Ich wurde in meine Jahrgangsgruppe gebracht, nachdem man mir mein Spielzeug abgenommen und gesagt hatte, dass dies weggeschlossen würde und ich es erst am Abreisetag wiederbekäme.
Meinen Cousin sah ich während der ganzen Zeit von 6 Wochen nur ein einziges Mal wieder, als mir nämlich seine Gruppe im Gänsemarsch meiner Gruppe in gleicher Formation auf dem Heimgelände entgegenkam. Er sah mich kaum an oder bemerkte mich nicht; als ich ihn rief und er herübersah, bekam ich von der „Gruppenführerin“ einen „Anschiß“, dass ich Ruhe zu halten hätte.
Erst am Entlassungstag sah ich ihn wieder.
Diese Formation war im übrigen die Regel beim Fortbewegen im Gruppenrahmen.
Das Personal – ich erinnere mich bis auf einen Mann nur an weibliches – war mit Schwester und Vornamen anzusprechen.
Die Chefin war eine ältere, grauhaarige Frau, „Schwester Marianne“. Die war ein Teufel, immer unfreundlich und laut. Sie hatte ihre Freude daran, uns zu schikanieren.
Es gab kaum etwas zu trinken; wir hatten sieben Tage die Woche von morgens bis abends Durst. Wer zum Frühstück seine Milch, seinen Kakao oder Tee nicht trinken wollte, wurde beschimpft und musste bis zum Abendbrot auf die nächste Gelegenheit zum Trinken warten. Deshalb an Wasserhähne zu gehen, war verboten und wurde bestraft. War das Personal – insbesondere die Marianne - der Meinung, man hätte sich während des Tages oder bei den Mahlzeiten nicht benommen, erhielt man weder Essen noch Trinken, sondern wurde für die Dauer der Mittagspause mit dem Gesicht zur Wand in eine Ecke des Speisesaals gestellt.
Ich musste des Öfteren durstig den Tag beginnen, weil ich die Haut, die sich auf der Milch oder dem Kakao bildete, eklig fand und ich es nicht fertigbrachte, das zu trinken.
Obwohl schon anfangs mehrfach deutlich erkennbar war, dass ich einen Ekel davor hatte, wurde mir immer wieder Kakao oder Milch mit Haut hingestellt.
Ein-, manchmal auch zweimal mal die Woche erschienen zur Schlafenszeit auf den Stuben, auf denen wir zu mehreren (ca. 6-8?) lagen, zwei jüngere Schwestern mit einem 10-liter-Eimer voller Tee. Wir konnten dann „antreten“ und man füllte uns dann daraus unsere Zahnputzbecher und wir konnten so lange trinken, bis er leer war. Das war das Paradies. Dann war Bettruhe angeordnet. Bis zum Wecken hatte niemand das Bett zu verlassen. Auf den Fluren schoben Schwestern Wache. Wurde jemand erwischt, der auf die Toilette wollte oder gar im Waschraum Wasser trinken, setzte es an Ort und Stelle Prügel. Das Geschrei hörte man bis auf die Stube. Besonders „schön“ war es dann, wenn es jemand von er eigenen Stube erwischt hatte. Der „Verbrecher“ wurde dann heulend und mit entsprechenden Ermahnungen, Ruhe zu geben und aufzuhören mit Heulen, ins Zimmer gebracht, wo er sich sofort wieder hinlegen musste. Natürlich hörte der nicht auf zu heulen, sondern unterhielt alle anderen noch eine Weile mit seinem Geschluchze. Ich hatte dermaßen Angst vor dieser Behandlung, dass ich 5 Wochen lang den nächtlichen Durst aushielt und mir jeden Toilettengang nach der befohlenen Nachtruhe verkniff. Gott sei Dank machte ich auch dabei nicht in die Hose, denn dann wären wieder Prügel fällig gewesen, was bei anderen auch vorkam. Aber mancher hatte auch Glück und wurde nicht beim heimlichen Wassertrinken erwischt.
Eine Woche lang hatte ich überhaupt nichts auszustehen, im Gegenteil. Ich wurde – wie so oft damals – krank und bekam Fieber und eine Mandelentzündung. Daraufhin wurde ich in die Krankenabteilung des Kinderheims eingewiesen. Dort kümmerte sich eine ältere Schwester sehr liebevoll um mich. Ich hatte das Gefühl, sie sei nur für mich da, so oft war sie bei mir und so oft ich Durst oder Hunger hatte, bekam ich es sofort.
Bei der Einnahme des Mittagessens saßen wir mit einer ganzen Gruppe rings um einen eckigen Tisch im Speisesaal, genau wie andere Gruppen dort auch. Einmal gab es Suppe mit Stücken einer großen Kochwurst darin, wo noch Schale dran war. Diese brachte ich wieder nicht herunter. Die Schwestern setzten mir vergeblich zu, diese Wurststücke zu essen. Ich versuchte zu erklären, dass ich die mit der Schale nicht essen kann, weil ich dann wieder das Erstickungsgefühl bekomme, aber das hat insbesondere die Marianne überhaupt nicht interessiert. Nachdem alles Drohen und Schimpfen nichts brachte, durfte ich mich in die Ecke stellen wie schon beschrieben. Ein anderes Mal wollte ein Leidens- und Tischgenosse von mir –ich weiß heute noch seinen Namen: Max – seine Tomatensuppe nicht essen. Diesem wurde dann der Kopf bzw. mit dem Gesicht in die Tomatensuppe getaucht. Für mich war das ein schrecklicher Anblick, wie ihm die blutähnliche Flüssigkeit über das ganze Gesicht lief und er heulte wie ein Schlosshund.
Auf Wünsche wurde keine Rücksicht genommen. So gingen wir z. B. mit vielen Kindern in die Stadt zu einem Kiosk, wo es eine Menge an Souvenirs zu kaufen gab und wo wir auch etwas kaufen durften oder sogar kaufen sollten. Meine Eltern hatten mir ein kleines hellblaues Portemonnaie mitgegeben, das sie aber schon der Begleiterin am Bahnhof aushändigten. Ich selbst wusste gar nicht, wie viel Geld darin war. Ich kann mich auch nicht erinnern, es danach – bis auf diesen Kioskbesuch – noch einmal gesehen zu haben. Eine Schwester hatte es bei diesem Ausflug in Verwahrung. Nachdem wir uns die Souvenirs angesehen hatten, entschied ich mich für zwei kleine Ziegenbockfiguren, einer schwarz, einer weiß, welche – wenn man sie nahe genug aneinanderkommen ließ - (mittels Magneten) mit den Köpfen zusammenstießen. Das faszinierte mich und ich fand es lustig. Als ich das der Schwester, welche mein Geld aufbewahrte, sagte, kaufte sie mir – ein kleines Hexenhäuschen aus Kunststoff, wo man durch ein Sichtfenster Bilder von Bad Karlshafen betrachten konnte und mittels Druck auf den Schornstein immer ein neues Bild aufrufen konnte. Das Ding interessierte mich nun überhaupt nicht und ich war enttäuscht, aber meine Bitte auf Umtausch wurde ignoriert.
Weiter erinnere ich mich noch an einen Ausflug, bei dem wir mit ca 20 – 25 Kindern durch Wald und Flur marschierten. Dabei stolperte der schon erwähnte kleine Max auf einem geschotterten Feldweg und schlug sich beide Knie auf, so dass es blutete und er erbärmlich anfing zu weinen. Sofort war eine Schwester da und forderte ihn auf, aufzustehen und weiterzumarschieren. Er blieb hocken, brüllte vor sich hin und jammerte, dass er so nicht weitergehen könne. Ohne sich überhaupt um die Verletzung groß zu kümmern, wurde ihm gesagt, dass alle anderen jetzt weitergehen und er es sich aussuchen könne, ob er mitkommt oder liegenbleibt. Das wurde dann auch so durchgeführt und die Kolonne setzte sich wieder in Bewegung. Ich verstand die Angst vom Max recht gut, denn wir wussten ja überhaupt nicht, wo wir waren und wie wir zurückfinden sollten, wenn man den Anschluss verliert. Trotzdem blieb ich reichlich hilflos bei ihm stehen, während die anderen sich langsam entfernten. Ich war hin und hergerissen zwischen meinem Freund, den ich nicht im Stich lassen wollte und der sein Geheul noch steigerte, als er sah, dass die anderen tatsächlich weitergehen und meiner Angst, auch den Anschluss zu verlieren und nicht mehr zurückzufinden. Als die Gruppe schon recht weit weg war, ließ ich Max Max sein und rannte hinterher. Ich drehte mich aber noch ein paarmal um. Dann sah ich plötzlich, dass auch er angerannt kam, heulend, humpelnd und mit blutigen Knien. Er hielt dann durch, bis wir wieder in der Anstalt waren.
Nach 6 Wochen sollte es dann (endlich) wieder nach Hause gehen. Als ich kurz vor der Abreise eine Schwester an mein Spielzeug erinnerte, das ich wiederhaben wollte, wurde mir gesagt, davon wisse man nichts. Man machte sich noch nicht mal die Mühe, nachzusehen.
Wir wurden wieder in Begleitung mit dem Zug nach Hause gefahren, wo wir am Bahnhof von unseren Eltern in Empfang genommen wurden. Ich erinnere mich da an keine Einzelheiten mehr; nur an das, was mir meine Eltern mehrfach in den folgenden Jahren, wenn mal das Thema darauf kam, erzählten:
Ich sei abgemagert gewesen und hätte noch mehr an Gewicht verloren, obwohl ich schon vor Beginn untergewichtig war. Zudem hätte ich die Krätze gehabt. Meine Mutter soll bei meinem Anblick geheult haben. Mein Vater fühlte sich an ausgemergelte Kriegsheimkehrer erinnert.
Mein Cousin (bereits 1994 durch Suizid nach psychischer Krankheit verstorben) erzählte nach der Kur seinen Eltern, er habe auch sein Erbrochenes essen müssen.
Ich wurde in der 2. Klasse Grundschule für 6 Wochen auf "Erhohlung" geschickt. Der Schularzt hatte gemeint, Ich wäre untergewichtig.
Meine Mutter war geschieden und musste arbeiten. Sie hatte einen neuen Partner und war vermutlich froh, mich loszuwerden. Wir schliefen in 8 Bett Zimmern und ich war der Jüngste mit knapp 8 Jahren. Es war wie im Gefängnis. Man durfte nachts nicht das Zimmer verlassen. Besuch war verboten. Man musste vorfrankierte Kuverts mit Heimatadresse mitbringen. 1xwöchentlich musste man einen vorgeschriebenen Text von der Tafel abschreiben, der dann nach Hause verschickt wurde. Post von daheim wurde geöffnet und zensiert. Täglich wurde einer von jeder Stube zum Putzdienst verdonnert, meine Mitbewohner zwangen mich, das zu machen weil ich der Jüngste war und schlugen mich täglich. Man glaubte mir nicht und es wurde immer schlimmer. Sie zwangen mich, den ekelhaften Frass, den man uns dort vorsetzte, zu essen. Wer sich weigerte, wurde von 2 Pflegern festgehalten und mit zugehaltener Nase zwangs gefüttert. Als ich mich danach übergab, kam ich in Einzelhaft. Wurde eingesperrt in ein Zimmer mit vergitterten Fenstern und ich durfte nur zum Essen raus. Meinen 8. Geburtstag musste ich dort allein "feiern".
Es war eine einzige Qual und nachdem es mir schlecht ging, wurde eine Ausnahme gemacht und meine Mutter durfte mich 1x besuchen. Sie kam mit ihrem neuen Partner und die beiden erzählten mir, wie schön es doch hier wäre. Ich wäre ja schon ein großer Junge und soll durchhalten.
Nach für mich ewigen 6 Wochen kam ich heim und hatte 1 Kilo abgenommen. Bis heute denke ich mit Schrecken zurück.
Ich war 1975 oder 1976 ,also 5 oder 6 Jahre alt ,in Königsfeld im Kindersanatorium Luisenruhe , auch bekannt als Kinderheim Luisental .
Ich wurde wegen einer Lungenentzündung und Untergewicht dort hingeschickt .
Ich kann mich an die Umstände dort noch gut erinnern .
Es war Menschenunwürdig !!!
Ich musste Erbrochenes essen , barfüssig nachts hinter der Tür stehen, auf dem kalten Boden . Man durfte sich im Bett nicht drehen u.s.w.
Ich komme aus einem sehr schwierigen Elternhaus .
Also von einer Hölle in die andere .
Ich habe noch Bilder von Ausflügen , also wo auch die Kinder drauf sind , die in der Zeit mit mir dort wahren .
Auch eine Postkarte die mir meine Geschwister geschickt haben.
Ich versuche schon seit 2008 etwas mehr über die Zeit dort heraus zu finden .
Ich weis das es heute ein Hotel ist und von außen noch so aussieht wie früher .
Vielen vielen Dank
Dank an alle
Vor allem an Frau Röhl
Schlimm war es in St. Peter Ording. Mit dem Zug ohne Eltern so weit weg, alles unbekannt, keiner verstand mein Pfälzisch, Hochdeutsch war nicht meine Sprache, der seltsame Tee am Bahnhof in Hamburg. Im Heim war ich schließlich die meiste Zeit krank, schlimmer als zu Hause. Das Essen war gruselig. Wenn ich Hunger hatte, nahm ich schon mal einen Happen von der Himbeer-Zahncreme. Und man brachte mich zum Arzt wegen der Bronchitis. Da bekam ich eine Spritze und anschließend konnte ich nicht mehr laufen, wurde von den anderen Kindern separiert, musste Wochen länger bleiben. Meine Eltern waren schockiert, als sie mich dann zu Hause am Bahnhof in Landau abholten, mein Zustand war elend. Es hieß hinterher, ich hätte versehentlich eine Spritze für Erwachsene bekommen. Vor ein paar Jahren bin ich im Urlaub mit der Familie nach St. Peter Ording gefahren. Das Heim habe ich ohne lange Suche sofort gefunden, so sehr hatte sich das dem kleinen Kind eingebrannt. Was war das für eine Spritze, was haben die da gemacht? Ich weiß noch nicht, wie ich weiter damit umgehen soll.
Ich war gerade 7 Jahre alt geworden, hatte ganz schrecklich Heimweh und wurde regelmäßig geschlagen. Sie haben versucht, mir zu viert Blumenkohlsuppe einzuflößen. 3 hielten mich fest, eine stopfte mehrere Löffel voll in meinen Mund. Ich habe alle vollgekotzt. Dann haben sie mich wenigstens mit dem Essen in Ruhe gelassen.
Ich musste in einem Gitterbett schlafen. Mit 7 Jahren! Das war so hoch, dass man nur mit Anstrengungen raus klettern konnte. Die Erzieherinnen kamen aber immer kontrollieren, ob alle drin sind.
Es gab einen Ausflug zum Strand. Dort waren Quallen im Wasser. Ich ekelte mich. Die anderen Kinder bewarfen mich mit Quallen und die Erzieherinnen machten nichts dagegen.
Es gab Post von den Eltern und man konnte zurück schreiben, wenn man genug Taschengeld für die Briefmarken hatte.
Ich habe keine einzige GUTE Erinnerung daran.
Das Heim befand sich in Sandwig, einem Stadtteil von Glücksburg. Es wurde noch in den 80er Jahren abgerissen, wie mir die Stadtverwaltung Glücksburg mitgeteilt hat.
Ich bin heute noch extrem, was Essen betrifft und ich kann nicht alleine sein.
Bis auf negative Erfahrungen bzgl. des Essens (Ich möchte zu dem Zeitpunkt vieles nicht) musste es dann aber doch essen, habe ich selbst keine Gewalt erfahren. Aber andere Kinder, z.B. diejenigen, die aus Angst angefangen hatten, wieder ins Bett zumachen, müssten ihr Frühstück auf der sogenannten,,Pisserbank" einnehmen. Mussten sich hinstellen und wurden ausgelacht. Das fand ich sehr schlimm. Nachts durften wir nicht zur Toilette und ich war jeden Morgen froh, dass es mir nicht passiert ist. Da ich aber immer sehr lange gebraucht habe, bis ich mit dem Essen fertig war, auch was nicht schmeckte, musste aufgegessen werden, bekamen alle Mädchen aus meinem Zimmer oft kein Betthupferl. Ich war öfter die letzte im Speisesaal und wenn ich dann ins Zimmer kam, bekam ich öfter von meinen Zimmergenossinnen eine Backpfeife. Dann habe ich geweint. Auch in diesem Heim gab es freundliche und strenge ,,Tanten". Ich habe meinen 8.Geburtstag dort gefeiert, eine ,,Tante"hatte am gleichen Tag Geburtstag. Sie war immer lieb zu mir. Ich würde dem Heim die Note 3 geben.
Wir bekamen oft seltsame Milchsuppe zu essen. Das Essen ist mir als fürchterlich in Erinnerung. Ich wurde gezwungen versalzenen Kartoffelbrei zu essen. Mir war danach schlecht, so dass ich mich erbrach. Wir wurden gezwungen zu essen, der Teller musste leer sein. Zu trinken gab es kaum etwas, wahrscheinlich, weil viele Kinder in die Stahlbetten nässten. Die meisten weinten vor lauter Heimweh abends in die Kissen. Ich erinnere mich an den ständigen Durst den ich hatte.
Auch wurde ich bestohlen: Taschengeld, dass ich von zu Hause mitbekam, Kleider, Gummistiefel. Es wurde einer nach dem anderen krank: Fieber. Auch ich würde lieblos ins Bett gesteckt und den ganzen Tag kümmerte sich niemand um mich. Auch wurden wir regelmäßig gewogen und es wurde geschimpft, wenn man nicht zugenommen hatte. Sechs lange, ewig lange Wochen war ich dort. Es war schrecklich. Eine Kinderaufseherin hieß Frauke.
Mit Erstaunen stelle ich fest, dass ich damit nicht allein bin, offenbar wurden viele in den 1960er und 1970er Jahren verschickt.
Ich wurde Zeuge von Kindesmisshandlungen durch die sogenannten Erzieherinnen, wir haben sie Hexen getauft.
Immer gab es die verhasste Milchsuppe vor dem Mittagessen, die wollten aus uns Stopfgänse machen. Wer sein Mittagessen nicht geschafft hat, wurde so lange am Tisch gelassen, bis man alles, irgendwie musste es ja gehen, aufgegessen hatte. Unterdessen waren alle anderen schon draußen. Einmal habe ich gesehen, wie ein Kind die Blaubeeren-Suppe nicht essen wollte. Da hat eine Erzieherin den kleinen Jungen auf den Schoß gesetzt und ihn gefüttert. Der Junge erbrach sich, das wurde trotzdem reingeschaufelt! Es war schlimm, das mit anzusehen. Wir waren durch solche Methoden gezwungen, auf jeden Fall alles aufzuessen, was serviert wurde.
Es gab nur eine Erzieherin, die freundlich war, an dieser hingen die Kleinen wie die Trauben. Unfassbar, dass sogar Vierjährige dort waren! Ich habe ihnen in der Mittagspause, weil ich nicht schlafen musste, Kinderbücher vorgelesen, das war der Saal der Vierjährigen, die Masern hatten. Überhaupt brachen dort verschiedene Krankheiten aus, zum Beispiel bin ich mit Windpocken nach Hause gekommen. Auch mit Alpträumen und Problemen beim Einschlafen. Diese Probleme habe ich bis heute.
Bei Ankunft musste alles Essen was als Proviant mitgegeben wurde abgegeben werden.
Es gab einheitliche Kleidung für alle Kinder dort.
Einmal während der Nacht eingenässt und Bescheid gegeben deswegen-Folge war, dass ich ohne Unterhose auf dem kalten Flur stehen musste in meiner Erinnerung ziemlich lange. Irgendwann wurde mir eine Bettdecke hingeschmissen dort und ich durfte mich setzen. Musste trotzdem die ganze Nacht auf dem kalten Flur verbringen.
Spaziergänge fanden ausschließlich in der für mich sehr bergigen Umgebung statt. Vll. daher meine Höhenangst heute.
Irgendein Fest gab es auch im Garten.
Kaltes Abduschen gehörte zur Kur.
Postkarten wurden von den Erzieherinnen geschrieben.
Meine Erinnerungen geben mir aber nichts klares her. Nur die Gefühle toben. Das macht es zusätzlich schwer, das jemand einem glaubt.
Das Einzige was ich klar weiß:
Ich wurde mit ca 9 Jahren in ein Kinderheim auf Westerland Sylt verschickt. Für eine Ewigkeit von sechs Wochen. Begründung: ich war zu klein und dünn. Die Kindergruppen hatten Namen von Farben. Ich war in der braunen Gruppe. Die Ältesten Gold, Silber und Bronze.
Am Abend von der Abfahrt (ich hatte große Angst) ging es mir so schlecht, dass sogar ein Notarzt kam. Weder Arzt, noch meine Eltern ließen von der Entscheidung ab und so musste ich fahren.
Ich weiß, es ging /erging mir dort nicht gut, habe nur Fragmente der Erinnerung und die Sicherheit meiner panischen Gefühle an diese Zeit. Bin ich ein Opfer? Gehöre ich zu euch? Ich weiß es nicht.
Ort: Amrum
Name der Einrichtung: keine Erinnerung
Dauer: 6 Wochen
Hallo, ich habe diese Seite und die Aktion dahinter erst kürzlich entdeckt und möchte dies mit meinem kleinen Beitrag unterstützen.
Ich war im Jahr 1977 auf Amrum, keine 7 Jahre alt. An die Zeit habe ich nur bruchstückhafte Erinnerungen - überwiegend negativer Art. Ohne dies jetzt romanartig runterzuschreiben, hier folgende Erinnerungen...
Es gab Essenszwang: wer nicht aufgegessen hat, musste sitzen bleiben, bis der Teller leer war. In Reih und Glied ging es wieder aufs Zimmer und wer nicht ordentlich in der Reihe stand, dem wurde der Kopf gegen die Wand geschlagen - dies durfte ich erfahren. Es gab eine "Betreuerin", die da besonders "intensiv" unterwegs war.
Zum Duschen wurden Mädchen und Jungs gemeinsam in den Waschraum gesteckt, mussten sich dort freimachen und duschen/waschen. Alles ziemlich ruppig und lieblos. Keine Ausnahmen.
Ich erinnere mich aber auch an eine sehr nette Heimleiterin, bei der ich mir alle paar Tage eine Glasampulle mit Vitaminen (so hieß es zumindest) abgeholt habe, die ich direkt bei ihr trinken musste.
Eine andere eher positive Erinnerung war das "Comiczimmer", in dem man sich mit Comics eindecken konnte. Bücher gab es dort wohl auch.
Weitere Erinnerungen habe ich nicht, würde mich aber über andere Leute freuen, die in der Zeit auch dort waren und sich austauschen möchten.
Liebe Grüße
Ralf
Ich erinnere mich auch, mit kleinen Holzfiguren gespielt zu haben, kleine Holztierchen, Bauernhoftiere. Zum Mittagsschlaf mussten wir auf Holzklappliegen auf den typischen Balkonen/Galerien liegen, die die Häuser dort heute immer noch haben. Soweit ich mich richtig erinnere, war das Bettzeug blaukariert. Den Rest habe ich vergessen oder verdrängt. Meine Mutter sagt heute, ich wäre dort etwa vier Wochen gewesen. Sie hätte mich vorzeitig abgeholt. Ich hätte an dem Tag in die Hose gemacht, es hätte aber niemanden dort interessiert, ich wäre mit nassen Klamotten herumgelaufen. Der damalige Besitzer des Hauses war laut Gemeinde ein Professor, der in der Nazi-Zeit bei der SA war. Ob er sich tatsächlich selbst um das Heim gekümmert hat, weiß ich nicht.
Aber ich habe erlebt, dass andere schon mal Nackenschläge bekamen, damit sie weiter essen und es kam auch vor, dass Kinder gezwungen wurden, in den Teller Erbrochenes mit aufzuessen.
Soweit mein Bericht. Ich wünsche euch viel Erfolg bei der Aufarbeitung.
Mit 6/7 (Herbst 1978) Jahren war ich auf Borkum im Adolfinenheim. Es war so traumatisch. Fahren sollte ich, weil ich schon immer zu dick war und schlimme Allergien hatte. Leider ist die meiste Zeit in einem schwarzen Loch, aber einzelne Dinge haben sich in meinen Kopf gebrannt.
Als wir ankamen, haben die Erzieherinnen die Kleidung sortiert und haben meinen neuen Lieblingspullover, den meine Mutter extra für die Kur gekauft hatte einfach wegsortiert, für die Rückfahrt in 6 Wochen. Dann haben sie sich über meine Kuscheldecke lustig gemacht und diese auch wegsortiert, so dass ich sie nicht hatte.
Wir mussten bei der Ankunft alle Süßigkeiten abgeben, die wir mitbekommen hatten. An den Gemeinschaftsabenden wurden die Süßigkeiten verteilt, da ich aber am Biomaristisch saß (Tisch der Fetten) - bekam ich ein Kaugummi. Dazu gab es oft Hering in Gelee (etwas, das ich heute noch nicht essen kann) und so komische Dinge wie Cornflakes mit Orangensaft. Wir mussten vor der Hauptmahlzeit in irgendeinem Büro immer einen Becher mit Glaubersalz trinken. Wir sind immer hingerannt und haben gerangelt, wer den Becher bekommt, in dem auch nur ein Milliliter weniger drin ist.
Die Toiletten haben furchtbar gerochen. Dazu immer der Durchfall von dem Glaubersalz.
Wir haben auch Ausflüge zum Strand gemacht - nachdem einer aus unserer Gruppe in die Hose gepieselt hatte (was bei Kindern ja durchaus mal vorkommen kann), bekamen wir aber ab nachmittags auf den Ausflügen nichts mehr zu trinken, sondern nur noch einen Apfel.
Wir hatten in der Gruppe einen dreijährigen Jungen, der sollte sich immer alleine anziehen, scheiterte aber an diesen schrecklichen Strumpfhosen, die wir in den 70ern alle hatten - und er durfte so lange nicht zum Frühstück, bis er sich angezogen hatte. Wir kamen vom Frühstück zurück und er saß immer noch heulend auf dem Bett.
In der Dusche habe ich die Bebe-Creme genutzt, die meine Eltern mir mitgegeben hatten. Die hat man mir aus der Hand geschlagen, weil ich nicht gefragt habe, ob ich sie nutzen darf.
Während des Aufenthalts sollten wir einen Mittagsschlaf machen. Das kannte ich von Zuhause nicht, daher habe ich nur ruhig im Bett gelegen und den Schlaf vorgetäuscht. Irgendwann kam eine Erzieherin ins Zimmer, hat festgestellt, dass ich nicht schlafe und hat mir eine Ohrfeige gegeben. Ich bin Zuhause nie geschlagen worden und war echt verstört.
Die Karten nach Hause wurden von den Erzieherinnen geschrieben, ich habe noch welche gefunden - ausschließlich positiv, ich kann mich an nichts davon erinnern.
Krank bin ich dort auch geworden und habe übel viel gebrochen, kann mich daran aber auch nicht erinnern, nur, dass mich mal eine Erzieherin ausgeschimpft hat, weil ich wohl im Halbschlaf ins Bett gebrochen habe und das einfach umgedreht habe (das vollgebrochene Ende ans Fußende gedreht.
Es war eine schreckliche Zeit.
Die Leiterin unsrerer Gruppe ( ich weiß übrigens den Nachnamen noch ) war unnahbar - sie kümmerte sich lieber um ihr eigenes Kleinkind - und achtete streng darauf, dass alle abstrusen Regeln eingehalten wurden, beispielsweise dass die Post an Zuhause vorgelegt werden musste, dass alles Essen aufgegessen werden musste etc.
Am schlimmsten empfand ich die emotionale Kälte seitens der Erwachsenen.
Auch die unüberschaubare Menge an Kindern machte mir zu schaffen. Es wurden oft Wettspiele gespielt statt Spiele, die Gemeinschaft stifteten.
Zu meinem Glück konnte ich mich mit einem jüngeren Mädchen ( aus dem Bayerischen Wald ) anfreunden, ihre Herzenswärme hat mich davor bewahrt, vor Heimweh krank zu werden.
Kinder gemeinsam diesselbe Kost. Wer etwas nicht mochte oder wem nicht wohl war, wurde zum essen gezwungen. Ich selbst habe bei Tisch erlebt, das ein Kind die Quarkspeise nicht mochte, weil es sich krank fühlte. Es wurde schimpfend gezwungen zu essen. Es übergab sich und musste das Erbrochene essen. Daraufhin übergaben sich noch mehr Kinder an unserem Tisch. Wir mussten sitzen bleiben und abwarten, bis der Befehl zum allgemeinen Aufstehen vom Platz gegeben wurde. Ich selbst mochte keine Kellogs und wurde ebenfalls immer wieder schimpfend stundenlang aufgefordert, die immer unappetitlichere Masse auf meinem Teller zu essen. Ich durfte nicht von meinem Platz aufstehen und musste dort mehrere Stunden allein im Saal sitzen bleiben. Nur eine wechselnde Aufsicht war ausser mir selbst anwesend. Ich weigerte mich dennoch hartnäckig trotz vielfältiger Drohungen der Aufsichtspersonen. Schließlich wurde ich ins Büro der Heimleiterin gebracht. Dort stellte diese mich vor einen Bodenspiegel. Nach einem langen, mich verunsichernden Schweigen, fragte sie mich mit drohendem Tonfall, ob ich, mich im Spiegel betrachtend, meiner Ansicht nach, so aussähe, als ob mir so dermaßen übel sei, sodass ich Kellogs nicht esse könne. Die Art der Fragestellung verunsicherte und verängstigte mich zutiefst. Ich hatte Angst, das sie mich schlagen würde. Ich stammelte, das mir wirklich schlecht sei. Daraufhin ließ sie mich gehen, nachdem sie feststellte, das ich für mein bockiges Verhalten kein gutes Essen verdiene. Ich würde, ab jenem Zeitpunkt an jedem Tag an dem es Kellogs gäbe, nur Pfefferminztee und zwei trockene Zwiebacke erhalten. Mir war das recht, aber das wagte ich nicht laut zu sagen. Ich wagte es ausserdem nicht mehr irgendeine Mahlzeit zu verweigern, sodass ich statt wie verordnet abzunehmen, direkt nach der Kur gewogen, mehrere Kilos zugenommen hatte. Meine Eltern sollten eine Zuzahlung zur Kur leisten, was sie rigoros ablehnten, da ich massiv zugenommen hatte aufgrund von erzwungenem Essen. Dies erfuhren sie nach meiner Heimkehr aus meinem Munde. Viele Kinder litten unter großem Heimweh und manche dachten, das sie nie mehr nach Hause dürften. Wir mussten altersunabhängig allesamt Mittagsschlaf halten. Der Schlafsaal war erfüllt von unterdrücktem Weinen und Schluchzen. Wer zu laut weinte, wurde ausgeschimpft oder bestraft. Auch ich hatte Heimweh, aber mir war damals schon klar, das ich nicht so heftig daran litt wie manch anderer. Kinder wurden nicht beruhigt oder getröstet und wir durften uns auch nicht gegenseitig trösten. Sich entwickelnde Freundschaften unter den Kindern wurden unterbunden. Gemeinsame Spielzeiten wurde nicht angeboten. Ausflüge und lange Fußmärsche waren an der Tagesordnung. Still sein und im Gänsemarsch laufen wurde gefordert. Ich erinnere einen allgemein gebräuchlichen Befehlston des Personals. Einmal in der Woche wurde im Saal vorgelesen. Manch einer wurde wegen angeblichem Fehlverhalten zur Strafe davon ausgeschlossen. Es war ein einsamer und eintöniger Aufenthalt geprägt von täglichen Repressalien. Man versuchte, nicht aufzufallen und sehnte den Tag der Heimreise herbei. Einmal wöchentlich mussten wir je eine Briefseite für die Eltern schreiben. Es wurde uns gesagt, wieviel wir zu schreiben hätten und das wir nur Gutes zuschreiben hätten, damit sich die Eltern keine Sorgen machen müssten. Ausserdem sollten wir vorrangig schreiben, ob die Eltern noch benötigte Kleidung zu schicken hätten und wie das Wetter auf Sylt sei. Die Briefe durften nicht heschlossen werden, sodass ich heute denke, das das Geschriebene gelesen und zensiert wurde. Die Vorkommnisse in diesem Heim sind mir bis heute äusserst unangenehme und präsente Erinnerungen.
Ich erinnere mich - so gut es nach fast 70 Jahren geht - an meinen Aufenthalt in einem Kinderheim zur Erholung.
Der Anlass dazu ist, dass ich in diesen Tagen lese, dass die früher übliche Kindererholung industriemäßig gesteuert wurde und vielfach extremes Leid für die Kinder gebracht hat, während die Veranstalter üppige Einnahmen verbuchen konnten. Dieser Überbau der damaligen Kindererholung, der auf Vorläufe bis in die 20er Jahre zurück geht und bis in die 80er Jahre andauerte, war mir bisher unbekannt, passt aber doch sehr gut zu meinen Erlebnissen. Deshalb berichte ich nun darüber, damit die Dokumente aus der Zeit mit Vielfalt gefüllt werden können und Erkenntnisse ermöglichen. Mir ist diese Zeit noch sehr gut in Erinnerung, aber nur episodenhaft. Offenbar ist vieles nicht erinnerungswürdig. Die skizzierten Episoden sind es aber schon.
* Der Kontext
Ich war noch nicht in der Schule. Die Kindererholung müsste also 1953 am Beginn oder Ende des Jahres gewesen sein. Sie dauerte mehrere Wochen in einer sehr kalten Jahreszeit. Ich war ein folgsames und braves Kind und habe mir immer ziemlich viel geduldig gefallen lassen. Das passte damals so in den Zeitgeist. Dass meine Eltern mich zu so einer Erholung schicken wollten, habe ich dann auch so einfach mitgemacht. Ich war - das wusste ich ja - ziemlich anfällig für Erkältungen. Wenn der Hals oder sonst etwas weh tat, musste ich meist ins Bett. Auf der Bettdecke habe ich ausrangierte Wecker zum Leben erweckt und nannte das reparieren oder ich habe einen kleinen Panzer aus Blech aufgezogen und über die Hügel der Bettdecke fahren lassen. Aus der Kanone kamen kleine Funken. Und ab und zu brachte mir meine Oma alte Wecker und Traubenzucker zum Lutschen vorbei. Ich schmücke das hier nur etwas aus, um auf den Zeitgeist einzustimmen. An besondere Emotionen kann ich mich zumindest nicht erinnern, als meine Eltern die Kindererholung ankündigten. Ich konnte es aber nachvollziehen. Meine Eltern hatten vorab ein ausführliches Merkblatt bekommen, das detailliert vorgab, was von den Eltern erwartet wurde, damit sich die Kinder erholen. Ob zu der Entscheidung ein Arzt oder eine Krankenkasse beigetragen haben, das weiß ich nicht.
Ich nehme an, dass ich mit den anderen Kindern mit dem Zug von Essen ins Sauerland gefahren bin. Es war das Sauerland, weil meine Mutter in Garbeck im Sauerland eine Freundin hatte und das Kinderheim soll dort in der Nähe gewesen sein. Ich erinnere mich nicht an den durchlaufenden Alltag im Kinderheim, ich habe eben nur solche Episoden in Erinnerung, die mich bis heute beeindrucken.
Episode 1 • Als die Päckchen kamen
Ein Punkt des Merkblattes zur Kindererholung war: Dem Kind keine Päckchen schicken. Das mit den Päckchen weiß ich deshalb so genau, weil nach meinem Eindruck alle Kinder ein Päckchen bekamen, nur ich nicht. Meine Eltern hielten sich an Vorgaben sehr genau. Solche Päckchen wurden dann im einzigen großen Raum in der Parterre, der auch Speisesaal war, offen hingestellt. Das Kind, dass das Päckchen bekommen hatte, durfte sich daraus mit Beratung des Personals etwas für sich selbst aussuchen. Alles andere wurde nach und nach gleichmäßig an alle Kinder verteilt. Ab und zu gab es also mal ein Stück Schokolade oder einen Keks.
Episode 2 • Die erste Mahlzeit
Als wir ankamen wurden wir in Gruppen aufgeteilt. Alle Kinder lieferten die Reste ihrer von zu Hause mitgebrachten Wegzehrung im Speisesaal ab. Daraus wurde das erste Abendessen zusammengestellt. Ich habe weder vorher noch nachher Butterbrote von anderen Kindern angerührt. Aber unter solchen unerwarteten Situationen bei einer Mahlzeit habe ich nie gelitten. Ich konnte zwar eine Menge essen, war aber trotzdem so genügsam, dass mir eine ausgefallene Mahlzeit überhaupt nichts ausmachte.
Episode 3 • Der Spaziergang
Einmal ging es in die gesunde Luft und damit tatsächlich ins Sauerland, denn im Kinderheimalltag gab es sonst nichts, was mit dem Sauerland zu tun hatte. Draußen ging es aber nicht zum Kinderspiel, sondern in einer disziplinierten Wanderung in aufgestellten Reihen über Hügel auf angelegten Wegen am Waldesrand. Es war bitterkalt. Kälte hat mir nie etwas ausgemacht. Sie gehört zum Winter und ich mag sie bis heute. Als es ein Stück über die Landstraße ging, sah ich plötzlich das Auto meiner Eltern. Es kam uns entgegen. Freudig berührt rief ich dann: "Da kommt mein Vater!" Aber das Auto fuhr weiter. Ich drehte den Kopf dem Auto hinterher und war bitter enttäuscht. Ich kannte das Auto und konnte mich nicht geirrt haben. Es war ein kleiner schwarzer Renault. Kurze Zeit später kam das Auto aber zurück und hielt an unserer Wandertruppe. Ich war glücklich, wenn auch die Begegnung in meiner Erinnerung nur ein paar Minuten dauerte. In den nächsten Jahren erzählte meine Mutter gern davon. Das erklärte dann auch mir das Szenario: Meine Eltern hatten den Besuch einer Freundin meiner Mutter damit verbunden, einmal zu gucken, wie das Kinderheim von außen aussieht. Laut dem Merkblatt waren Besuche der Kinder ausgeschlossen. Daran dachten meine Eltern wohl, als sie zufällig der Spaziergruppe begegneten. Meine Mutter hatte mich wohl an meiner Mütze sofort erkannt und dann gesehen, wie ich dem Auto hinterher geguckt habe. Man habe sich dann entschlossen, zu wenden.
Episode 4 • Das Bergfest
Zur Halbzeit des Aufenthalts gab es ein Fest in dem großen Zentralraum des Hauses. Alle Kinder wurden verkleidet. Wie das organisiert war, weiß ich nicht. Jedenfalls war schnell klar, dass ich den Moritzpart von Max und Moritz übernehmen würde. Ich war dünn und hatte Haare, die sich zu so einem aufrechten Pferdeschwanz in der Mitte des Kopfes gestalten ließen. Das waren die besten Voraussetzungen für die Rolle. Ich saß dann neben einem Max und habe den Tag in angenehmer Erinnerung. Was ich mit der Rolle anfangen sollte, wusste ich nicht so recht.
Episode 5 • Die Höhensonne
Eines Tages wurde die damals gern benutzte Höhensonne aufgebaut. Das war ebenfalls in diesem großen Raum, in dem alles stattfand. So ein Gerät erzeugt ultraviolettes Licht, wie es im Hochgebirge anzutreffen ist. Diese Geräte wurden damals vorbeugend gegen Rachitis eingesetzt und unterstütze die Bildung von Vitamin D. Wir saßen mit Schutzbrillen und nacktem Oberkörper davor, bis die Uhr abgelaufen war. Es roch nach Ozon und ich dachte für einen Moment, dass es so im Hochgebirge riechen muss. Das Prozedere sollte der Gesundheit dienen. Das sagte man damals so. Nicht ohne Grund gab es diese Lampen bald schon nicht mehr. Das Sonnenbaden wurde später ja anders kultiviert und kommerzialisiert, ohne dass es unbedingt gesunder wurde.
Episode 6 • Die Milchsuppe
Ich weiß nicht mehr, wie die Suppe hieß, es war so eine dickliche braune Milchsuppe mit Schokoladengeschmack. Diese Suppe gab es ziemlich oft. Wir waren aufgefordert, so viel wie möglich davon zu essen. Es war so eine Suppe, die sich beim regelmäßigen Wiegen gewichtssteigernd bemerkbar macht. Eines Tages sagte eine der Frauen vom Personal, wir sollten doch alle mal schnell die Teller leer essen, denn gleich käme die andere Mitarbeiterin, die wahrscheinlich nichtsahnend fragen würde, wer denn noch Suppe haben will. Dann sollten wir doch alle aufzeigen und ihr dadurch mächtig viel Arbeit machen. Das haben wir dann auch mit Freude getan. Jedenfalls saßen wir plötzlich alle vor einem Teller Suppe, den wir eigentlich nicht haben wollten, aber auch nicht mehr ablehnen konnten. Ich wusste also, dass man auch der Freundlichkeit des Personals nicht trauen konnte.
Episode 7 • Die Schuppen
Eines Tages wurden wir auf der Jagd nach Läusen und Schuppen ausführlich gekämmt. Es gab also am Ende drei Gruppen. Ich war fest davon überzeugt, dass man bei mir nichts findet, was nicht auf den Kopf gehört. Aber ich gehörte dann in die bemakelte Gruppe derer, die Schuppen haben. Ich wusste allerdings gar nicht, was Schuppen sind, nahm die niederschmetternde Diagnose aber mit Haltung an.
Episode 8 • Das Schlafprozedere
Wir waren in Gruppen eingeteilt, die jeweils bestimmte Schlafräume belegten. Wohl mangels ausreichender Waschräume wurde ich mit meiner Gruppe bevorzugt, wobei ich diese Bevorzugung auch im Nachhinein nicht ausmachen kann. Wir durften mit Abstand als erste in den Waschraum und dann ins Bett. Dort wurde uns bereits etwas vorgelesen, als die andern Gruppen noch in den Waschraum mussten. Die Nachtruhe begann für alle Gruppen gleich.
Episode 9 • Der Kriminalfall
Im Schlafraum stand ein Spezialeimer für den Notfall. Er war ausdrücklich nur für das kleine Geschäft ausgewiesen. Ich war - auch wenn es manchmal etwas qualvoll war - darauf eingestellt, auf keinen Fall in der Nacht aufzustehen. Eines Morgens fand das Personal in dem Eimer einen dicken Haufen. Das hatte zur Folge, dass die Heimleiterin ihren Auftritt hatte. Alle Kinder meiner Gruppe wurden in kriminalistischer Manier einzeln befragt und mit höchsten ethischen Anforderungen konfrontiert. Als Mitglied der Delinquentengruppe fühlte ich mich gleich wie ein Outlaw. Ich fand das äußerst unangenehm. Die Details habe ich verdrängt. Verdächtig waren alle und das ganze Kinderheim nahm das Thema mit Entrüstung auf.
• Kleine Zusammenfassung und Ausblick
Wahrscheinlich habe ich bis zum Ende des Aufenthalts ein halbes Pfund zugenommen. Meine Eltern bekamen Belege darüber. Das war eine schmale Ausbeute. Ansonsten war das Kinderheim irgendwie auszuhalten. Aber es gab ja keinen Grund dafür, es auszuhalten. Ansonsten war ich ja auch nur als Objekt dort geparkt. Wer ich war, das spielte keine Rolle. Bleibende Schäden hat das alles bei mir wohl nicht hinterlassen, aber meinen Blick als Kind im Wirkungsfeld von Erwachsenen geschärft. Ein intendiertes Wohlbefinden mit messbarer Erholungswirkung gab es sicherlich nicht.
Dass das, wie ich heute über solche Verschickungsheime lese, ein gutes Geschäft war, mag ich glauben. Vorstellen könnte ich mir auch, dass man zum Nachweis der Wirksamkeit solcher Kuren auch nur die Gewichtszunahme der Kinder als Kriterium genommen hat. Gerade in einer Zeit des noch nicht so weit entwickelten Wohlstandes im Eindruck der gerade überwundenen Kriegszeit, war das wahrscheinlich das Maß aller Dinge und läutete über die Mast von Kindern die Fresswelle ein.
1. es gab nur 1x täglich eine Tasse Tee am nachmittag (damit die Kinder nicht ins Bett machen)
2. morgens gab es Brot, das sparsamst nur einseitig mit Margarine und Marmelade versehen wurde, also trocken ohne Ende. Dazu eine Kelle Milchsuppe (Haferflockenschleim). Sagte man, ich möchte nur wenig, gab es doppelt so viel. Es MUSSTE aufgegessen werden, solange mussten sie anderen Kinder warten. Ein Mädchen erbrach sich in ihrem Teller, auch das musste aufgegessen werden. Ein Junge schaffte die Brote nicht - dann musste er sich in die Mitte stellen und alle mussten zuschauen und warten, bis er das Brot heruntergewürgt hatte.
3. Taschengeld wurde eingestrichen - am Ende durften wir nur vom Kinderheim Marianne bereit gestellte Souvenirs kaufen, um es zuhause zu verschenken. Mein Rest-Taschengeld habe ich nie wiedergesehen.
4. Einmal die Woche durften wir einen Brief schreiben, der zensiert wurde.
5. Mein zugeschicktes Geburtstagsgeschenk (Süßigkeiten) sollte ich an alle Kinder verteilen, fand ich in Ordnung - es war noch ganz viel übrig. Der Karton war am nächsten Tag weg.
6. Ich habe dort derart abgenommen in den 6 Wochen (da ich ständig Magenkrämpfe hatte) ich glaube von 42 auf 36 Kilo....man schickte mich fast die gesamten 6 Wochen nach dem Frühstück ins Bett. Da lag ich dann alleine und unbeschäftigt....eine grauenvolle Zeit.
7. Als ich nach 6 Wochen nachhause kam, hatten sich meine Eltern auf ein gut erholtes Kind, dass ein paar Kilos mehr auf den Rippen mitbrachte, gefreut und waren entsetzt. Zur damaligen Zeit war es leider noch nicht üblich, sich bei den Krankenkassen/Institutionen zu beschweren.
8. Ich habe mich vor 2 Jahren in 2018 (habe erst in 2020 von diesem Thema im TV gehört) mit dem Kinderheim Marianne, das mittlerweile von der Enkelin geführt wird, in Verbindung gesetzt. Ich wollte diese Geschichte loswerden, wenn gleich die verantwortlichen Personen nicht mehr leben.....sie räumte ein, von den "Geschehnissen" gehört zu haben und bot mir eine Entschädigung in Form eines Wiedergutmachungs-Urlaubs an. Dieses habe ich nicht angenommen, da sie ja nicht persönlich für diesen Alptraum verantwortlich ist/war. (Heute ist das komplett modernisierte Haus eine Mutter/Kind-Erholungs-Einrichtung).
Nach dem TV-Bericht in 10/2020 im WDR war ich schockiert und aufgewühlt, wieviel armen Kinderseelen dieser HORROR angetan wurde.
Noch heute meine ich, immer alles aufessen zu müssen und werde mein Übergewicht wohl nicht mehr los.
Gegen Ende des Aufenthaltes bekam ich Mumps. Dann ließ man mich in Ruhe, weil man Angst vor Ansteckung hatte.
Verzeifelt weil niemand kam um mich zu trösten.
Weil ich ja so braungebrannt und wohlgenährt zurück nach Hause kam, wurde ich jedes Jahr in den Ferien wieder dorthin geschickt bis zu meinem 7. Lebensjahr. Dann für ein ganzes Jahr.
Das war besonders schlimm, da ich dann mit "Tante Lisa" alleine war. Nur in den Ferien waren auch andere Kinder da.
Ich erinnere, das ich bei Regen nackt über die Brücke in St Peter laufen mußte zur Abhärtung, das ich jeden Abend mit ihr Gesellschaftsspiele spielen mußte (seitdem spiele ich nicht mehr). Ich wurde mit dem Kochlöffel durch das Haus geprügelt wenn ich mich nicht angemessen verhielt und so weiter.
Es ist alles in anderen Beiträgen schon beschrieben.
Bevor es wieder nach Hause ging wurden meine Haare auf Papierlockenwickler gedreht damit ich/wir hübsch aussahen und in gestärkte weiße Kleidchen gesteckt (nein ich trage seitdem NIE mehr weiße Kleider) und am Tag vorher gabs reichlich und besonders leckeres essen, damit wir gute Erinnerungen für zuhause abrufbar hatten...
Nachdem ich nach der 4. Klasse die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium nicht geschafft hatte wurde ich wieder für ein Jahr zu Tante Lisa geschickt, die würde es schon richten. Es war grauenhaft, aber das glaubten meine Eltern ja nicht, weil ich immer so `gesund`nach Hause kam...
Weil ich dann tatsächlich aufs Gymnasium wechseln konnte, kam ich dann für einige Jahre in St Peter ins Internat. Mein Vater war auf Spiekeroog im Internat gewesen und hatte daran beste Erinnerungen - er wurde von da kurz vor der Abi Prüfung in den Krieg geschickt, kam in russiche Gefangenschaft. Verständlich das er nur gute Erinnerungen hatte.
Ich weiß, meine Eltern meinten es nur gut, aber das nütze mir natürlich nichts.
Viele Jahre bin ich danach nicht mehr an die Nordsee und nach St Peter gefahren.
Heute noch gibt es Ängste, Schlafstörungen, etc trotz intensiver Therapiejahre.
Wie gut das es diese Seite gibt und ich sehe, das es nicht nur meine Erfahrung ist.
Danke dafür!
PS: War noch jemand bei `Tante Lisa`in St Peter??
Es war und ist ein Trauma. Auch wenn es hier nicht passt.
Ein Kind wegsperren in ein winziges Zimmer, allein, war 3-4 J. Jung, Bett mit Glaskuppel, konnte nicht weg,, war sicher ein Sauerstoffzelt, aber damals ........
Dann eine Punktion Rückenmark, ohne Eltern, es war schrecklich und noch mehr, viele hielten mich fest, blanker Horror!!! Später irgendwann Zimmer mit vielen Betten in Reih und Glied (Krankensaal). In der Tür ein kleines Fenster, zu Besuchszeiten durften ein Mal am Tag die Besucher durch dieses Fenster sehen. Es war einfach schrecklich, sah meine Ma, drehte mich um und weinte. Auch jetzt sind meine Augen feucht, wenn das kein Trauma war und ist.
Sorry , vielleicht hört es hier nicht hin, aber es gibt sicher auch viele andere die im Krankenhaus einiges erlebt haben. Wie schön das es das hoffentlich nicht mehr gibt.
Aber was ich hier so gelesen habe, da hatte ich es wohl noch ganz gut.
Ich erinnere mich, dass wir mit ca. 12 Mädchen gleichzeitig ein Mal pro Woche in den kalten dunklen Keller geführt wurden, wo wir unter 3 Duschen alle gleichzeitig duschen mussten. Da ich hüftlange Zöpfe trug und mir niemand beim Haarewaschen half, wurden meine Haare vermutlich 6 Wochen lang nicht richtig gewaschen. Während der Kur erkrankte ich an Mumps. Deswegen blieb ich mehrere Tage ausschließlich in meinem Bett im Schlafraum, bekam nur schwarzen Tee und Zwieback, den ich wegen der Halsschmerzen nicht essen konnte. Ich blieb mehrere Tage mir selbst überlassen, während die anderen Kinder ihr Tagesprogramm durchführten. Eine Absonderung, damit die anderen Kinder nicht angesteckt wurden, fand nicht statt.
Eigentlich sollten meinBruder und ich in der Kur Gewicht zunehmen, weil wir zuvor zuhause an Scharlach erkrankt waren. Tatsächlich haben wir Beide an Gewicht in der Kur verloren
Unsere Eltern setzten uns in einen Zug nach Melle, mit dem eine ganze Gruppe von Kindern fuhr.
Als wir im Kurheim ankamen, wurden mein Bruder und ich sofort getrennt. Auf unsere entsetzte Frage nach dem Grund ernteten wir von den anderen Kindern Spott und mein Bruder Häme (weil "mit einem Mädchen" zusammenbleiben wollte). Die Tante, deren Gruppe ich zugewiesen worden war, keifte mich an, dass ich meinen Bruder schon wiedersehen würde. Aber bis auf wenige zufällige Begegnungen wurde daraus nichts.
Ich erinnere mich, dass ich vom ersten bis zum letzten Augenblick in diesem Heim nur Angst hatte und irgendwie "zu überleben" versuchte. Es herrschte ein gnadenloses Regiment und ich machte die Erfahrung, dass man sich besser fügte, wenn man nicht angeschrien, vor der ganzen Gruppe verhöhnt und am Arm irgendwohin gezerrt werden wollte. Weinen half nicht. Sogar ganz kleine Kinder, die sauber werden sollten, wurden am Arm geschüttelt, beschimpft und schreiend weggezerrt. Alles war so gefährlich. Ich beschloss schon früh, mich unsichtbar zu machen.
Ich begriff, wie wichtig das Essen war, denn jede Woche kam ein Arzt und in einem großen Saal wurden wir versammelt und der Reihe nach gewogen. Ich hatte immer Angst, nicht zugenommen zu haben, es drehte sich alles darum und es war eine Niederlage, wenn man kein Gewicht zugelegt hatte. Ich stopfte immer alles irgendwie in mich hinein, so ekelhaft es auch war, z. B. die Milchsuppe mit Bananen, bei der ich immer würgen musste. Ich bemühte mich, dass ich mich nicht erbrach, denn ich hatte gesehen, dass Kinder, die erbrachen, nach dem Essen im Saal zurückbleiben und die ganze Portion noch einmal essen mussten.
Alles geschah immer in Reih und Glied und unter Kommandos wie beim Militär. Das Kämmen, das Baden, das Nägelschneiden, die Spaziergänge, die Solbäder, die Toilettengänge. Von einer Tante wurden mir immer die langen Haare ins Gesicht gekämmt, so dass ich überhaupt nichts mehr sehen konnte. Es war mir verboten, mir das Haar aus dem Gesicht zu streichen, solange ich in ihrer Nähe war. Ich war erschrocken, weil es doch überhaupt keinen Grund dafür gab, ich wusste nicht, warum sie so etwas machte.
Die Solbäder waren immer viel zu heiß. Wir mussten in diesem Waschraum hintereinander stehen, uns vor allen ausziehen (beim Zögern wurde ich angeschrien: "Runter mit den Klamotten!") und dann in hölzerne Wannen steigen. Schmerzäußerungen, weil das Wasser zu heiß war, wurden ignoriert: "Runter!" Mir wurde in der Wanne immer schlecht und ich hatte Herzrasen wegen des heißen Wassers. Eine Tante las aus Pippi Langstrumpf vor, während wir im Wasser lagen. Ich war so erleichtert, wenn es vorbei war.
Beim wöchentlichen Nägelschneiden wurden die Kinder gelobt, die nicht an den Nägeln kauten. Ich kaute unentwegt an den Nägeln und wurde von der "Tante" vor den anderen bloßgestellt. Um es auch einmal zu schaffen, dass von meinen Nägeln etwas abgeschnitten werden konnte, versuchte ich eine ganze Woche lang, mit den Zähnen die Nägel an den oberen Rändern ein bisschen freizulegen. Und dann klappte es endlich.
Nachts durften wir nicht auf die Toilette. Für mich war das ein Problem, weil ich tagsüber oft nicht konnte, denn die ganze Kindergruppe wurde vor dem Klo aufgestellt, die Tür war offen und alle sahen zu. Man hatte nur eine abgemessene Zeit und durfte am Ende auch nur 1 Blatt Toilettenpapier benutzen. Ich lag nachts oft wach, weil ich musste, aber auf dem Flur saß eine Tante bei einem Nachtlicht und passte auf, dass kein Kind rausging. Auch hatten die größeren Mädchen die Erlaubnis, nachts im Schlafsaal Patrouille zu gehen und die Kinder, die nicht schliefen, mit einem Schuh zu schlagen. Um zu sehen, ob man schlief, leuchteten sie einem in die Augen. Ich drehte mich vor dem Schlafen immer zur Wand, weil ich Angst hatte, dass meine Augen zittern, wenn ich angeleuchtet werde. In der letzten Nacht, als ich es wirklich nicht mehr aushalten konnte, machte ich unter der Decke einen Haufen in mein Taschentuch, verknotete es und warf es ganz weit unters Bett, in der großen Hoffnung, dass es vor der Abfahrt am nächsten Tag nicht entdeckt würde. Ich hatte Glück.
Irgendwann wurde ich krank und kam auf die Krankenstation, wo ich allein war. Dort wurde ich meist mir selbst überlassen, nur die Körperfunktionen wurden gemessen und das Essen gebracht. Trost fand ich beim Beobachten der Stubenfliegen, die um die Milchglasscheibe der Lampe an der Decke kreisten. Und dann gab es da noch eine ältere Frau, die zum Personal gehörte - und die so ganz anders war. Manchmal kam sie und redete mit mir. Sie mochte mich, weil ich so ein liebes Kind war, wie sie sagte, und so schöne Goldlöckchen hätte. Sie brachte mir sogar Süßigkeiten. Sie hieß Frau Büscher - ihr Name hat sich mir auf ewig eingeprägt. Sie erschien mir wie ein Engel.
Und einmal lugte das Gesicht meines Bruders um die Ecke - er besuchte mich heimlich! Die paar Minuten, die er sich das traute, werde ich nie vergessen. Er erzählte mir, wie viele Tage es noch seien und dass wir es bald geschafft hätten.
Manchmal durften wir Briefe schreiben. Aber nur Gutes, denn die Briefe wurden kontrolliert und laut vorgelesen. Als mein Bruder und ich uns einmal zufällig draußen mit unseren Gruppen auf einem Wandertag begegneten, nutzten wir einen unbeobachteten Moment, um miteinander zu reden. Wir sahen einen Briefkasten und überlegten, ob wir es schaffen würden, einen "echten" Brief da einzuwerfen. Aber woher die Marken nehmen? Wir verwarfen das.
Am letzten Tag gab es eine Abschiedsfeier, bei der die "Tanten" plötzlich so merkwürdig aufgekratzt und fröhlich waren. Es gab auch zum ersten Mal ein "richtiges" Essen, ich erinnere mich an Kartoffeln und Erbsen und ein Stück Fleisch - mal endlich keine Pampe. Mein Bruder sagte auf der Rückfahrt: "Das haben sie gemacht, damit wir was Schönes erzählen."
Die ganze Rückfahrt über lag ich im Zugabteil auf dem Schoß meines Bruders und weinte und er tröstete mich. Als meine Eltern mich am Bahnhof in Empfang nahmen,
weinte ich immer noch. Ich weiß noch, dass sie gekränkt waren, und dass ich mir undankbar vorkam. Sie hatten ja gedacht, uns etwas Gutes zu tun, und unsere Briefe waren doch so positiv gewesen ...
Ich glaube, es war diese Reaktion unserer Eltern, die es meinem Bruder und mir unmöglich machte, über das Erlittene zu sprechen. Als wir es nach vielen Jahren nachholten, sagten unsere Eltern, wenn sie das gewusst hätten, hätten sie uns sofort da weggeholt.
Unser Hausarzt sagte übrigens, als er uns wiedersah: "Hm, das sieht nicht nach 'gesund' aus, sondern nach Wasser." Ich hatte 6 Pfund zugenommen, die ich aber schnell wieder verlor.
Viele Jahre später, schon als Erwachsene, bin ich mit meinem Freund nach Melle gefahren und habe diesen Ort noch einmal aufgesucht. Außer diffusen Angstgefühlen habe ich nichts mehr wiedererkannt. Das Gebäude wird heute anderweitig genutzt.
Täglich Milchsuppe mit Mittagsschlaf war angesagt.
Die Fenstersitzseite war zum Zunehmen und die gegenüberliegende Seite zum Abnehmen dort.
Abgenommen wurde mit Obst und Weintrauben. Ich schielte immer zur anderen Reihe rüber. Wie gerne hätte ich getauscht.
Ansonsten auch schöne Erinnerungen von dort. Ich hatte meine erste Freundin beim spielen dort kennengelernt. Der Strand war schön und die Spaziergänge über die Insel auch.
Zuhause hatte ich die Pfunde schnell wieder abgehungert.
Ich habe keine schlechten Erinnerungen an Amrum.
Fakt ist aber das ich zuhause meine kleine Schwester mit meinem Durchfall angesteckt habe. Diese wurde in der Kinder-Klinik Düsseldorf gerettet.
Mein Kinderarzt wurde von meiner Mutter wegen den Zuständen unterrichtet. Selbst andere Eltern bestätigten Ihm diese Aussagen das erbrochenes wieder aufgegessen werden musste.
Trotzdem verschickte er weiter Kinder in diesem Heim.
Meine Erinnerungen:
Zunächst fuhren mein Vater und ich mit dem Zug nach Bad Cannstadt zu meiner Tante zum Übernachten, da der Zug zum Kurort sehr früh von Stuttgart fuhr.
Dann erinnere ich mich noch an eine sehr sehr lange Zugfahrt mit anschliessender kurviger Busfahrt bei der es mir übel wurde, da ich das Autofahren nicht vertrug.
In der Dunkelheit kamen wir an und es gab Abendessen. Ein riesiger Speisesaal und es gab Griesbrei mit Kirschen, was mir überhaupt nicht schmeckte. Entweder hat mich das Essen angewidert oder ich musste mich von der Busfahrt erbrechen. Das landete im Teller und ich wurde gezwungen es zu essen. Andere Kinder, die mit ihren Beinen schauckelten wurden an den Stuhl angebunden.
Nachts waren wir in einem Schlafsaal und wenn jemand weinte oder nicht schlief, dann gab es Schläge oder er musste auf einer harten Bank im Waschsaal schlafen.
Ich hatte grosses Heimweh. Ich weinte jeden Abend im Bett und legte meine gebrauchten Taschentücher in meine Tasche. Eines Tages wurden sie gefunden und ich wurde dafür geschlagen.
Es wurden Briefe nach Hause geschickt, die gar nicht der Wahrheit entsprachen. Man fragte mich, was ich mitteilen möchte, aber ich machte keine Angaben, weil ich dachte, das schreiben sie sowieso nicht, vor allem , dass ich Heimweh hab.
Dann ging Scharlach um und wir wurden getestet. Alle die den Virus trugen mussten in Isolation.
Auch ich. Ich erinnere mich nur, dass ich tagelang allein im Zimmer im Bett lag und dass nachmittags jemand kam und ein paar Spielsachen brachte. Nachdem wir wieder gesund waren hat man uns in einen Duschraum gebracht und ich habe mich geschämt, weil ein Mann Aufsicht hatte.
Ich war von 1954 bis 1959 insgesamt fünf mal für meistens drei bis vier Wochen verschickt worden. An die Namen der Heime erinnere ich mich nicht, doch die Orte waren Wyk auf Föhr, Husum oder St.Peter Ording, Tegernsee und im Siebengebirge. Von vier Aufenthalten existieren noch jeweils Fotos, zwei Gruppenfotos und zwei gestellte Einzelfotos, weil man den Eltern einen Nachweis vom "ach so schönen Erholungsurlaub" vorweisen wollte. Ich litt bei allen Aufenthalten unter schwerstem Heimweh. Die Reiseorganisatorin in Köln hieß Frau Schubmehl und war wohl noch aus der Nazizeit übriggeblieben. Den Namen werde ich nie vergessen. Wir fuhren vom Kölner Hauptbahnhof mit dem Dampflockzug zu den jeweiligen Orten. Immer ging die Fahrt am Abend los und dann über Nacht. Die kleineren Kinder konnten sich im Gepäcknetz hinlegen. In Hamburg war meistens ein Aufenthalt in der Bahnhofsmission bis es weiterging. An die Heime habe ich nur negative Erinnerungen mit Zwangsmaßnahmen und Drangsalierungen.
Einmal hatte ich 50 Pfennige von meiner Mutter mitbekommen, die wurden mir gleich abgenommen. In einem Heim (Husum oder St. Peter Ording) musste ich meine in den Teller erbrochene Blumenkohlsuppe weiter aufessen. Mein restliches Leben lang habe ich keinen Blumenkohl mehr gemocht. In einem Heim am Tegernsee nahm man mir ein Stofftier, meine einzige emotionelle Verbindung nach Hause, für den ganzen Aufenthalt ab. In einem anderen Heim, eine Art Bauernhof, lief in den Schlafräumen Wasser an der Wand herunter. Eltern haben ihr Kind dort wegen der Verhältnisse vorzeitig abgeholt, da gab es auch nach der Ankunft im Kölner Hauptbahnhof auf dem Bahnsteig noch lautstarke Vorwürfe seitens einiger Eltern. Wenn Frau Schubmehl einmal die Woche zur Inspektion kam wurden die Kinder zwangsweise einzeln in eine Badewanne mit kaltem Wasser gesteckt und mussten anschließend im Freien mit nackten Füßen im Gras herumlaufen, bzw. sich dann feucht ins Bett legen. Denn die Frau war eine Anhängerin des Pfarrers Kneipp. Die älteren Betreuerinnen waren meist sehr streng mit den Kindern, manchmal waren auch zeitweise junge Studentinnen dabei, die mit im Schlafraum untergebracht waren, zu diesen hatte man einen angenehmeren Kontakt.
Die älteren Jungen drangsalierten natürlich auch die kleinen Jungen, was zu vermehrtem Heimweh und auch Bettnässen führte. Dafür gab es dann kein Verständnis, sondern es wurde als Schwäche angesehen und man wurde wegen der Mehrarbeit beschimpft. Einmal bin ich sogar vom Heim weggelaufen und man musste mich suchen. In dieser Zeit glaubten die Eltern den Klagen ihrer Kinder nicht, der hat eben immer Heimweh hieß es dann. Meine Eltern meinten mir etwas Gutes zu tun, dass ich aus der Trümmerstadt Köln mal herauskam. Erst nach dem Eklat auf dem Bahnsteig 1959 gingen ihnen die Augen auf und sie waren danach sehr betroffen. Leider habe ich keinerlei positive Erinnerung an diese Aufenthalte, von fünf Wochen Sommerferien musste ich drei Wochen dort sein. Der Stress führte auch zu einem anschließenden schulischen Absacken, das sich dann bis zum nächsten Sommer wieder erholte.
Mit besten Grüßen aus der Eifel K.E.
Im Dezember 1965 bin ich zu einer Klinik in Bad Wildungen von meinen Eltern gebracht worden. Ich habe so geschrien als meine Eltern mich verlassen haben und ich habe gedacht, dass sie mich weggegeben hätten.
Die Zeit war schrecklich. Ich hatte niemanden zum spielen, weil die anderen Kinder alle älter waren. Fühlte mich alleine gelassen.
Mit 4 Jahren musste ich meine Schuhe selber putzen. Ich hatte Fellschuhe und das flüssige Mittel kippte mir um, die Erzieherin schrie mich fürchterlich an.
Wir mussten in ein Badehaus, dort musste ich mich lange Zeit (gefühlt) in eine vollgefüllte Badewanne ohne Aufsicht setzen. Gar nicht vorzustellen, wenn ich ausgerutscht wäre...
Wir mussten immer das Lied "Macht hoch die Tür" singen.
Ich kann es bis heute nicht mehr hören.
Nach der Kur habe ich nur noch gestottert und konnte keine zwei Wörter sprechen. Was sich aber Gott sei Dank gelegt hat.
Ich habe mir geschworen, diesen Ort nie wieder zu besuchen, weil es für mich ein Trauma war.
Den Namen der Klinik weiß ich nicht.
Ich habe gerade bei Frau TV den Bericht über die Verschickungskinder gesehen und mich gewundert, dass es so etwas gibt und ich nicht alleine dastehe, so eine Erfahrung gemacht zu haben.
Viele Grüße
Vera
Ich habe keine und wirklich keine schlechten Erinnerungen, im Gegenteil fand ich es Klasse.
Ich habe viel von der Natur gelernt und über dire Natur
In der Einrichtung gab es nach meiner Erinnerung mehrere Gruppen, jeweils zu einer "Tante" gehörig und nach Geschlecht und Alter getrennt. Jene ausschließlich weiblichen Angestellten, also die sogenannten Tanten, waren unterschiedlichen Alters und Gemütes. Es gab eine herrische Befehlshaberin, eine schwermütige deutlich Ältere und eine Jüngere mit nicht heimkonformen Vorstellungen.
Eine Atmosphäre des Schreckens verbreiten und Gewalt ausüben und den immer noch gängigen - keineswegs kindergemäßen Erziehungsstil - kannte ich von zuhause und aus der Volksschule, insofern war ich "gut vorbereitet". Erlebnisse wie scheußliches Essen aufessen müssen, Uhren und Süßigkeiten als Entrée abgenommen zu bekommen, in dunkle Kämmerchen gesperrt zu werden, in furchteinflößenden Kellerräumlichkeiten zu dritt mit dem Wasserschlauch kalt (!) abegespritzt zu werden, mitz erleben, wie heimwehkranke Kinder vor der Gesamtgruppe lächerlich gemacht wurden u.v.m. waren auch hier an der Tagesordnung - die Zensur des wöchentlich angeordeten Karte-nach-Hause-Schreibens ebenfalls.
Ich habe nach einer Weile mit häufigem Brechen reagiert, magerte ab und bekam vom regelmäßig erscheinenden Arzt eine morgendliche Banane-Apfel-Haferflockenspeise verordnet - ein Lichtblick. Half aber nicht, ich brach weiterhin das Mittagessen aus.
Obgleich nächtens stets eine Patrouille unterwegs war - jeweils eine der Tanten - sind zwei ältere Mädchen getürmt. Bei der Einrichtung handelte es sich um ein altes Holzhaus mit knarrenden Treppen, sodaß wir in unserem Vierbettzimmer frühzeitig gewarnt waren, unsere gewisperte Unterhaltung im Dunklen einstellen und uns schlafend stellen konnten ... Der herrischen Befehlshaberin paßte selbst meine Schlafstellung nicht => "Dreh' Dich zur Wand !!" ist mir bis heute mühelos erinnerlich. Anders die schwermütige Ältere: Sie versah schweren Schrittes ihren Abend-Wachdienst, ließ sich stets aufseufzend auf das Fußende meines Bettes sinken und berichtete mir im leisen Tonfall von ihrem Kummer hinsichtlich ihres gefallenen Sohnes. DAS waren meine angstvollsten Minuten.
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P.S.
Falls für Recherche der Initiative nützlich: Ich habe noch eine Ansichtskarte [NICHT von der Einrichung], auf deren Rückseite die Vor- und Zunamen der Mädchen meiner Gruppe und die Namen von drei "Tanten" zu lesen sind.
Das hat mich lange lange verfolgt. Glücklicherweise für mich, brach Scharlach aus und wir mußten nach 5 Wochen nach Hause . Meiner Mutter fiel auf, wie ruhig ich war und ich habe Dinge gegessen, die ich vorher gar nicht mochte, überwiegend eingekochtes Gemüse. Das war 5 Wochen minimale Einheitsernährung. Positiv in Erinnerung habe ich eine Tante, die noch jung war, sie war fürsorglich und verständnissvoll, hatte aber leider nicht viel zu sagen.
1. Meine Mutter sagte, dort gäbe es sicherlich schönes Spielzeug. Es gab aber gar kein Spielzeug und meinen Teddy, in den ich am ersten Abend geweint habe, hat man mir weggenommen. Offenbar fragte ich mehrfach nach Spielsachen, da nahm mich eine Schwester an der Hand und führte mich in einen sehr großen Raum mit sehr großen Schränken an einer Wand. (In Fotos habe ich diesen Raum wieder erkannt, er wird wohl als Schul- oder Unterrichtsraum bezeichnet.) Sie stellte eine Kiste auf den Boden, verließ den Raum und schloss hinter sich ab. Ich – alleine – mit einer Kiste Holzbausteinen – und (so dachte ich damals) nicht einmal farbig! Keine anderen Kinder waren da und ich hatte Angst, weil ich eingeschlossen war. Offenbar wurde ich wütend, ich erinnere mich, wie ich die Bausteine gegen die Schrankwand geworfen habe. Da öffnete sich die Tür – Hoffnung! Jedoch kam die Schwester mit dem Arzt und der gefürchteten Spritze in der Hand. Ich glaube, ich schrie, ich lief weg. Die Schwester bewarf mich mit den Bauklötzen was mich erstarren ließ. --- Erinnerungslücke --- Ich wachte in meinem Bett auf, alleine in dem riesigen Schlafsaal. Und wunderte mich, mitten am Tag geschlafen zu haben. – Dass mich eine Schwester mit Bauklötzen beworfen haben soll, kann ich selbst eigentlich nicht glauben, aber diese Erinnerung kam in der letzten Zeit hoch. Ob das der Grund eines Alptraums ist, den ich bis ins Erwachsenenalter immer wieder hatte? Dort fallen von oben Steine auf mich herab, ich kann nicht weg. Ich denke, ich sterbe. Wundere mich aber, dass ich am Leben bleibe. Dann wache ich mit Angstschweiß auf.
2. Es gab die Drohung, dass wir, wenn wir nicht lieb seien, in den Keller zu den Hühnern kämen. Als Tierfreundin hatte ich Sehnsucht und wollte unbedingt die Hühner besuchen. (Es war mir vertraut, bestimmte Pferde, Schweine, Hühner etc. auf den Höfen unseres Dorfes zu besuchen.) Ich überredete zwei Mädchen, mich zu begleiten. Wir schlichen nachts in den Keller. Dort gab es einen langen, dunklen Gang mit vielen Türen – doch leider alle verschlossen. Eine Tür ließ sich öffenen – und dort saßen in einem hellen Raum Erwachsene um einen Tisch. Sie verstummten, als sie uns sahen. Freundlich sprach uns ein Herr an und wir erzählten mutig, dass wir die Hühner suchen. (Und schwärzten somit die Schwester an, die uns das androhte.) In meiner Erinnerung war insbesondere der Herr sehr erschrocken, er war – oh wunder! – freundlich. Und brachte uns ins Bett zurück. Und deckte mich sogar zu! Ich wunderte mich, dass es außer den bösen Schwestern hier auch nette Menschen gab.
3. Von den 6 Kurwochen verbrachte ich 3 Wochen im Krankenhaus (in Isolation?) wg. Masern. Von diesen 3 Wochen erinnere ich mich an sehr wenige Momente: Allein in einem Krankenzimmer – die Rollläden waren geschlossen. Warum dufte ich nicht an die frische Luft? Würde ich jemals hier wieder rauskommen? – Vielleicht hatte ich Fieber, vielleicht wurde ich sediert. Vielleicht sind mir durch die Krankheit, so denke ich in den letzten Wochen, weitere schlimme Kurerlebnisse erspart geblieben. Meine jungen Eltern waren besorgt und wollten mich besuchen, anrufen, mir ein Päckchen schicken. Alles wurde ihnen verboten! Sie schrieben sehr viele Postkarten, das war ihnen offenbar erlaubt, die jedoch nie bei mir ankamen. Ich war 6 Jahre alt und konnte schon lesen.
Ich glaube übrigens, dass nicht nur ich, sondern auch meine Mutter und meine damals knapp dreijährige Schwester durch meinen damaligen Kuraufenthalt traumatisiert wurden!
Alles fing gut an, nette Betreuer, eine schöne Zugfahrt und dann noch eine Überfahrt mit der Fähre- als wir dann auf die verschiedene Heime verteilt wurden, war auch noch alles in Ordnung. Am nächsten Tag wurden wir unseren Gruppen zugeteilt. Ich bekam eine Schwester, die mit eiserner Hand ihre Gruppe führte. Manches Essen schmeckte mir einfach nicht, aber ich musste es essen und wenn ich mich dann erbrach, musste ich weiter essen bis dass der Teller leer war. Natürlich bekam man Heimweh, aber das war in ihren Augen nur ein Zeichen der Schwäche und wurde nicht toleriert.
Bei den Untersuchungen war es auch nicht besser. Man stand nur mit den Unterhosen bekleidet auf dem kalten Flur. Die Ärzte waren auch nicht einfühlsam, sie hatten einen Befehlston. Bei der Blutabnahme wurde mir aus beiden Armen Blut abgenommen, was ja auch sein musste. Doch ich hatte damals schon Problemvenen, findet man auch heute noch sehr schlecht. Man hat dann einfach drauf losgestochen bis man was gefunden hatte. Die Schmerzen hatte ich noch jahrelang in den Armbeugen, weil sie bei dieser Prozedur bis auf die Knochen stießen. Vermutlich hat sich bei mir eine Phobie entwickelt, denn ich scheue es bis heute zur Blutabnahme zu gehen, allein der Gedanke daran bewirkt bei mir Schweißausbrüche und nervöse Unruhe.
Meine Verzweiflung damals als 9-jähriger Junge war sehr groß.
Ich erinnere mich auch an eine junge Schwester, die mich irgendwann dann in ihre Gruppe nahm und mit uns wunderbare Ausflüge machte. Darüber vergaß man ein wenig das Heimweh.
Zuhause erzählte ich meinen Eltern davon. Mein Vater beschwerte sich daraufhin bei den dafür zuständigen Stellen, doch in dieser Zeit wurde den Kindern ja nicht zugehört, geschweige denn geglaubt, dass diese Vorgänge tatsächlich stattgefunden haben.
Viel später habe ich in Halbtrance deutliche Bilder bekommen: Die kalten Umschläge als Therapie, als Kneippsche Anwendung bestimmt sehr förderlich, für mich eine Quälerei.
Die Bürstenmassagen, bei denen ich das Gefühl hatte, dass gleich Blut aus den Kratzern kommen würde. Die Höhensonne-Behandlung mit den Brillen war für mich nichts Besonderes, aber für manche Kinder beängstigend. Gymnastik habe ich in Erinnerung, Spiele im Freien, Wanderungen.
Als Folge der Bauch-OP hatte ich eine kleine, gelegentliche Blasenschwäche. Dafür wurde ich von mindestens einer Schwester sehr erniedrigend gescholten. Sie droht mir immer wieder mit "Gummihosen" und hat - in einem extra Zimmer - mich in ein rotbraunes Gummilaken gewickelt, dann irgendwie an mir herumgespielt, zwischen Auslachen und Schimpfen mich in einen inneren Ausnahmezustand versetzt.
Dort zieht mein Gedächtnis den Vorhang zu...
Das Essen war nicht so mein Problem, obwohl ich seitdem Milchreis nicht mehr mag. Ich kann mich jedoch erinnern, dass Kinder drangsaliert (erzieherisch behandelt) wurden, die nicht ("genügend") essen wollten oder mäklig waren.
Von speziellen Maßnahmen um die betnässenden Kinder habe ich nur am Rande einiges mitbekommen.
Eine Schwester namens Ruth - sehr groß, ernst und in ihrer steifen "Uniform" furchteinflößend, hat in mir ein Trauma hinterlassen, welches ich nicht genau beschreiben kann, das ist alles unscharf, verschwommen. Es greift aber so tief hinein, wie eben die Verletzung von Grundannahmen, Vertrauen und Intimität wirkt, dass ich es körperlich spüre.
Ich denke, neben der individuell negativen Wahrnehmung eines Kindes sind dort tatsächlich Dingen geschehen, die die Grenzen zwischen Recht und Unrecht deutlich überschreiten.
Ich arbeite gerade an diesen frühen Traumata und die Bauchnarbe meldet sich mit enormen Schmerzen.
Allerdings ist der Gesamteindruck eher positiv, fröhliche Spiele, Singen und Lachen waren an der Tagesordnung.
Ein dort gelerntes Lied singe ich noch heute.
Wenn ich an diese Ereignisse zurückdenke, kommt es mir bis heute vor, als hätte ich all das nur geträumt.
Wir wohnten damals in einem Einfamilien-Reihenhaus im Norden Duisburgs, ich bin der mittlere von drei Söhnen, mein Vater arbeitete als kaufmännischer Angestellter bei der August Thyssen Hütte (ATH). Der Kohlenpott machte seinem Namen noch alle Ehre, die Luft war zum Schneiden, die Fische trieben mehrmals bauchoben auf dem Rhein, ich war schlank, aber nicht dürr, spielte viel draußen, hatte einen gesegneten Appetit und eigentlich gab es außer der willkommenen Frischluftverordnung keine dringenden medizinischen Gründe, mich zur Kur zu schicken. Mit meinen mittlerweile verstorbenen Eltern habe ich erst viel später über die Ereignisse gesprochen. Sie wollten mir etwas Gutes tun und anstelle des Familienurlaubs, den wir uns damals nicht leisten konnten, wenigstens einen ihrer Söhne in die Sommerfrische schicken. Ich meine zu erinnern, dass mein Vater durch ein Programm der Betriebskrankenkasse auf die Idee kam, mir eine Erholung an der Nordsee zu ermöglichen.
Von der ganzen Bahnreise, die am Duisburger Hauptbahnhof im Rudel startete und die ich voll froher Erwartungen begann, blieb mir außer meiner guten Stimmung vor allem die Seltsamkeit in Erinnerung, dass wir trotz der sommerlichen Temperaturen als Erkennungszeichen mit hellblauen Pudelmützen ausstaffiert wurden.
Das Heim selbst ist mir lediglich als Ort ausgewählter Freudlosigkeit in Erinnerung, es gab ausschließlich weibliche Aufseherinnen und das Regiment führte eine sehr strenge, bittere und verhärtete ältere Dame.
Alles, was wir im Gepäck hatten, wurde in große Wandschränke verbracht und eingeschlossen. Nur die Aufseherinnen bestimmten bei der täglichen Kleiderausgabe, was wir anziehen durften. Meine Eltern hatten mir zur Reise meine erste, lange Jeanshose gekauft. Ich freute mich, wie ein Schneekönig, sie endlich tragen zu können und bat jeden Tag aufs Neue, sie anziehen zu dürfen. Es wurde mir nie erlaubt! Und das genau war beispielhaft für den in dieser Einrichtung herrschenden Geist, nämlich, grundsätzlich alles zu verbieten, was uns Kindern offensichtlich zur Freude gereichte, uns stattdessen zu erniedrigen, zu verängstigen, zum Denunziantentum zu verleiten und uns klein zu halten. Meine neue Jeans brachte ich nach den sechs Wochen ungetragen wieder nach Hause zurück. Das war aber nur der harmloseste Teil meiner Kuranwendungen.
Das Essen, insbesondere als warme Zubereitung, war ohne jede Umschweife der miserabelste und billigste Kantinenfraß, den ich je in meinem Leben zu mir nehmen musste. Ich danke Gott aufrichtig dafür, dass ich ein Zuhause ohne Essensdramen erleben durfte und es mir prinzipiell vor nichts ekelt, was als Lebensmittel taugt. Für nicht wenige meiner Leidensgenossen dagegen waren die Mahlzeiten eine höllische Tortur. Sie würgten unter Tränen am Spinat, oder an den allseits gefürchteten Nudeln mit Tomatensoße, welche immer bis kurz vor den Zerfallspunkt matschig gekocht und in einer Tunke gereicht wurden, die genauso schmeckte, als hätte jemand das (immerhin gesalzene) Nudelwasser mit einer homöopathischen Dosis Tomatenmark eingefärbt. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich beim Mittagessen heimlich die Teller mit meinen heulenden Tischnachbarn tauschte und zusätzlich ihre Restportion aß, damit sie nicht zum Aufessen gezwungen wurden. Mir selbst machte das Essen nichts aus; mein Appetit war immer größer, als die Abneigung gegen das lieblos zusammen gepanschte Futter. Das Schlimmste war, die anderen leiden zu sehen und nichts gegen diese Umstände unternehmen zu können.
Es herrschte bald eine allgegenwärtige Trostlosigkeit, ich war immer froh, wenn wir wenigstens draußen sein konnten und der wirklich einzige Lichtblick in diesem ganzen, jämmerlichen Trauerspiel war ein Ausflug, auf dem ich zum ersten Mal frische Nordseekrabben probieren durfte. Diesen Geschmack liebe ich noch heute!
Was uns im Kinderheim selbst wiederfuhr, war weniger erfreulich. Es gab immer eine strikte Nachtruhe. Wir lagen uns in den Schlafsälen gegenüber und tauschten uns flüsternd aus. Ich lag mit dem Rücken zur Tür. Mein Satz war noch nicht zu Ende, als mein Bettnachbar plötzlich die Augen schloss und keine Regung mehr zeigte. Als ich mich gerade verwundert aufrichten und zu ihm beugen wollte, wurde ich auch schon am Ohr aus dem Bett gezogen, auf den Flur verbracht, um dort barfuß, mit dem Gesicht zur Wand hinter die Tür gestellt zu werden. Nach einer gefühlten Ewigkeit tönten die harten Absätze der Oberaufseherin über den Flur, ich hörte, wie eine Schlafsaaltür nach der anderen geschlossen wurde, bis unsere an der Reihe war. Wortlos wurde ich von der Wand weggedreht und bekam zur Strafe keine „Ohrfeige“, sondern derart heftig eine gescheuert, dass ich beinahe mein Gleichgewicht verlor. Danach deutete sie auf mein Bett und schloss hinter mir die Tür. Meine Eltern haben mich niemals so hart angefasst, wie diese Frau.
Von dieser Nacht an wollte ich nur noch heim und zählte nur noch die verbleibenden Tage. Doch das Schlimmste stand mir noch bevor, nämlich die Gesundheitsuntersuchung, genauer gesagt ein kollektiver Vorführtermin im Büro der Oberaufseherin. Wir mussten dazu splitternackt in einer Reihe auf dem Flur antreten und durften uns nicht mucksen oder rühren, bis wir im Büro ankamen. Wieder barfuß auf dem kalten Flurboden merkte ich bald, dass ich pinkeln musste. Wir durften die reihe aber nicht verlassen. Ich biss also die Zähne zusammen und versuchte krampfhaft, meine Blase unter Kontrolle zu halten. Als ich endlich im Büro angekommen war und nur noch zwei weitere Jungen vor mir waren, verlor ich für einen Augenblick die Kontrolle und zu meinem Entsetzen zwei Tropfen Urin auf den Teppich. Wieder bekam ich eine geschossen, diesmal von einer Aufseherin und wurde anschließend zur Toilette geführt.
Das war mit Abstand der erniedrigendste Augenblick meines Lebens.
Mein Taschengeld wurde verwaltet, wir wurden genötigt immer die teuersten Ansichtskarten zu kaufen, wir wurden genau instruiert, was wir schreiben durften, Briefe mussten offenbleiben, damit keine Wahrheiten nach außen drangen und zum guten Schluss wurde mir als Mitbringsel für meine Mutter der Kauf eines Bernsteinanhängers aufgezwungen. Ich gehorchte, wie alle anderen auch.
Wieder zu Hause, sagte ich zu niemandem etwas. Diese ganze Reise erschien mir, wie ein böser Traum. Ich war einfach nur quietschfroh wieder zurück zu sein, mit meinen Freunden um die Häuser stromern zu können, Buden zu bauen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen.
Lese ich heute Berichte, wie jenen in den Husumer Nachrichten [1], in dem von der Schließung des Kinderkurheims Tannenblick im Dezember 2008 im Stile einer harmlosen Sonntagsteeneuigkeit geschrieben wird, oder wenn ich feststellen muss, dass in der gesamten Chronik St. Peter-Ording [2] kein einziges Wort erscheint, aus dem man auch nur ansatzweise den hier von vielen erlebten Horror erahnen würde, dann könnte ich wirklich kotzen vor Wut! Umso dankbarer bin ich dafür, diese Seite hier gefunden zu haben.
Hat mich all das traumatisiert? Ich weiß es nicht. Schwer zu sagen, welchen Einfluss das auf mich hatte. Ich bin Lehrer, habe viel und nah mit Menschen zu tun und ich glaube, das ist deshalb, weil mir eine intrinsische Neigung zur Sorge für meine Mitmenschen, insbesondere für deren Entwicklung, in die Wiege gelegt wurde. Dennoch würde ich einem streunenden Pitbull vermutlich eher vertrauen, als einem wildfremden Menschen. Vielleicht bin ich vorsichtig geworden, seit ich das Kinderheim Tannenblick besuchen durfte. Vielleicht hat es in mir ein grundsätzliches Misstrauen in Bezug auf die Verlässlichkeit menschlicher Beziehungen hervorgerufen. Ich lebe jedenfalls heute allein und verlasse mich lieber auf mich selbst.
Was die Menschen anbetrifft, die das damals an uns verbrochen haben, muss ich mir eingestehen, dass es mir bei der Verarbeitung nicht weiterhilft, sie als seelenlose Kinderschänder anzusehen, denn das wäre keinen Deut besser, als die Gewalt, die mir angetan wurde. Mehr Trost spendet mir hier Erich Fromm, der mir nahelegt, nichts für unmenschlich zu halten, was nicht menschenmöglich ist.
Ich kann einfach nicht glauben, dass diese geschundenen Seelen von ihren Taten unbefleckt anschließend einfach ein glückliches Leben gelebt haben sollen. Es hilft mir bedeutend mehr, ihnen zu vergeben und so viel Mitgefühl zukommen zu lassen, wie ich nur aufbringen kann. Denn ich bin zutiefst überzeugt, dass sie das wirklich bitter nötig haben.
Links:
[1]
https://www.shz.de/lokales/husumer-nachrichten/eine-lange-aera-ist-zu-ende-gegangen-id907806.html
[2]
https://www.chronik-spo.de/bildergalerie/kinderheime/
