ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2741 Einträge
Birgit Heller-Meyer aus Schweiz schrieb am 05.11.2020
Es war Mai 1979. Ich war 10.5 Jahre alt. das Kurhaus hiess "Dr. Selter" in Brilon. Ich war dort 6 quälende Wochen lang. Ich fühlte mich weggesperrt, allein gelassen, hilflos, machtlos und hatte nur einen Wunsch: nach Hause.
Meine Mutter sagte mir, dass ich zur Kur dürfte, weil ich so zart und dünn bin. Also zur Erholung. Ich hatte damals gar keine Ahnung, warum ich Erholung brauchte und dafür auch noch von zuhause wegmusste. Es ging mir nirgends besser als bei meiner Mami.
Wer den Aufenthalt empfohlen oder organisiert hatte, weiss ich nicht. Aber ich weiss, dass unser Krankenversicherer die Barmer Ersatzkasse war.
Wir mussten ein Glas Essig Wasser vor dem Mittagessen trinken. Das sollte den Appetit fördern. Das Mittagessen wurde erst aufgetischt, wenn alle Kinder ihr Glas leergetrunken hatten.
Alle Kinder standen in der Reihe und mussten vor dem Schlafengehen einen Esslöffel Honig essen. Die Betreuerin hat den Löffel in den Mund eingeführt.
Sonntagabend kam die "grosse Tante Selter" und las den Kindern in einem grossen Raum Märchen vor. Ich erinnere mich, dass es einerseits schön war, aber auch mit Angst verbunden … Ich komme aber nicht drauf, was das Beängstigende war.
Alle Kinder wurden in einem grossen, kalten Duschraum gebracht. Der ganze nackte Körper wurde mit einer harten Bürste abgeschrubbt und danach kalt abgeduscht. Es war grausam. Es tat so weh. Und alles war so erniedrigend. Man war hilflos und wehrlos ausgeliefert.
Es wurden lange Spaziergänge durch den Wald gemacht. Ich fand das ganz toll. Aber die Spaziergänge waren für mich einfach zu lang, sodass ich dachte, ich würde bald zusammenbrechen. Aber jammern durfte man gar nicht.
Ich war krank, musste tagelang von morgens bis abends allein im Zimmer sein. Es wurde mir nur zu essen und zu trinken hingestellt. Es gab Märchen Kassetten zum Hören. Ich erinnere mich an "Aristocats". Ich hatte Halsschmerzen und Fieber und weinte den ganzen Tag vor lauter Heimweh. Fragte ich abends nach, ob ich am nächsten Tag wieder runter zu den anderen dürfte, sagte die Betreuerin, dass ich wieder runter darf, wenn das Fieber am Abend weniger ist. (Was natürlich Quatsch war, da Fieber am Abend immer steigt)
Als ich wieder gesund war, lag noch eine Woche vor mir. Das war die Hölle, da ich jeden Tag bitterlich wegen Heimweh weinte. Niemand spendete Trost.
Mir fehlten meine Eltern grausam. Ich war ein sehr, sehr zartes Kind, das ganz viel Liebe und Zuwendung brauchte, was ich auch zuhause bekam. In dem Kurhaus war ich plötzlich von 100 auf 0 gesetzt worden.
Ein Junge und ich wurden dabei erwischt, wie wir uns ein Küsschen gaben. Das hatte schlimme Konsequenzen. Aber ich weiss nicht mehr, was genau geschah. Es ist einfach nur die Erinnerung da, dass es Konsequenzen hatte und ich mich schlimm geschämt hatte. Daraufhin trauten der Junge und ich uns nicht einmal mehr miteinander zu reden.
Es herrschte immer ein sachlicher und strenger Tonfall. Keine Empathie wurde uns entgegengebracht. Kein liebes, beruhigendes Wort.
Wir durften Karten schreiben. Ich wollte unbedingt schreiben, wie doll Heimweh ich hatte, wie traurig ich war, wie krank ich war, dass das Essen schlecht war und ich Essig-Wasser trinken musste. Die Betreuerinnen liessen das aber nicht zu und zerrissen die Karten, bis ich eine Karte schrieb, wo nur Positives draufstand. Ich fühlte mich gefangen, ohne Chance darauf, dass irgendwer mein Leid erkennen würde und mich dort wegholen würde. Einmal schaffte ich es, auf einer Karte das zu schreiben, was ich wirklich fühlte. Und diese wurde nicht zerrissen. Ich hatte Hoffnung und wartete ewig darauf, dass meine Eltern mich retten würden. Aber die Karte kam zuhause nie an.
Meine Mutter hatte mir ein Taschengeld mitgegeben. Darauf war ich unglaublich stolz. Das Taschengeld wurde allen Kindern am ersten Tag weggenommen und wir sahen es erst kurz vor der Abreise wieder. Das Taschengeld durften wir für den Kauf von irgendwelchen Strohkörbchen oder anderen Krimskrams ausgeben, die wir den Eltern als Souvenir mitbringen sollten. Die Gegenstände wurden im Kurhaus bei einem "Basar" verkauft. Das wurde als grosses Event dargestellt. Die Sachen waren sehr teuer. Also haben sie daran gut verdient.
Einmal standen meine Eltern abends, es war schon dunkel, vor der Türe. Das ganz geschah ganz heimlich, wie sie mir sagten. Ich durfte sie einmal kurz drücken und flehte sie an, mich mitzunehmen. aber sie sagten, ich müsse ein grosses Mädchen sein und es dauere ja nicht mehr lang.
Ich weiss ganz, ganz vieles nicht mehr von den 6 Wochen. Ich weiss keinen einzigen Namen einer Betreuerin, sehe vor dem Inneren Auge keine Gesichter. Die einzigen Räume, an den ich mich vage erinnern kann, ist der Schlafraum unter dem Dach, der Duschraum, ein Teil des Raumes, wo wir vorgelesen bekamen. Das finde ich komisch. denn ich weiss sooo viel aus all den Jahren vorher.
Ich kann mich an drei Kinder erinnern. Ein blonder Junge und ein braunhaariges Mädchen in etwa meinem Alter, namens Frank und Iris. Ein kleiner Junge, vielleicht 4 Jahre, namens Nils.
Ich habe erst gestern Abend entdeckt, dass die Erinnerungen an meinen Kuraufenthalt in Brilon im Zusammenhang mit Verschickungskindern stehen. Ich wusste bis gestern Abend nichts davon. Seit Stunden befasse ich mich nun mit diesem Thema. Es kommt sehr viel in mir hoch.
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Petra H. aus Menden schrieb am 04.11.2020
Vor meiner Einschulung kam ich, knapp 6 Jahrealt, nach Bad Sassendorf. In meiner Heimatstadt wurde mir eine Frau vorgestellt, die mich begleiten und für mich verantwortlich sein sollte - nach Ankunft in Bad Sassendorf habe ich sie nie wieder gesehen!
Ich erinnere mich an ekliges Essen, an viele Kinder, die erbrochen haben und dann gezwungen wurden, das wieder zu essen. Zu trinken bekamen wir wenig, Kuscheltiere und später auch das Foto meiner Familie wurde mir weg genommen, es machte mir angeblich Heimweh.
Wenn man nachts im Bett weinte, kam die Nachtwache und kniff schmerzhaft ins Gesicht oder den Oberarm.
Nachts durften wir nicht zur Toilette, einmal konnte ich es nicht mehr aushalten und schlich mich hin, als ich die Schritte der "Aufsicht" hörte, bekam ich eine unglaubliche Angst, zog die Füße hoch und hoffte, dass sie mich nicht entdeckt, glaubte, dass sie mein Herzklopfen hören könnte - es ist zum Glück gut gegangen!
Dann wurden wir in so Holzbadewannen gesteckt, das war gruselig, wir waren alleine in diesem Raum (6-8 Kinder) und durften weder reden noch lachen....
Ostern bekam ich ein Paket, der Inhalt wurde unter allen Kindern aufgeteilt, das fand ich aber ok.
Eine junge Betreuerin las uns abends vom Flur aus Bücher vor, das habe ich geliebt und mir sooo gewünscht, sie nähme mich einfach mit nach Hause, ich hatte das Gefühl, von meiner Familie verlassen worden zu sein und war sehr, sehr einsam.
Ein Junge, Markus, war schon 7 Jahre alt, ging in die 1. Klasse und ich konnte einfach nicht glauben, dass er mir nicht helfen konnte, einen Brief an meine Mutter zu schreiben: damals traf ich die Entscheidung, sofort lesen und schreiben lernen zu wollen, um mich unabhängig zu machen und wurde irgendwie "hart", hatte das Gefühl, mich nur auf mich selbst verlassen zu können...
Ich wurde kurz vor Abreise krank, meinen Eltern sagte man nichts davon, sie haben regelmäßig angerufen und immer die Auskunft bekommen, es ginge mir gut - ich hatte sehr hohes Fieber....
Eine der Betreuerinnen hatte ein Feuermal im Gesicht-die ganze Kindheit über habe ich Angst vor Frauen mit einem ähnlichen Mal im Gesicht gehabt.
Wieder zu Hause hat sich meine Mutter beschwert, meinen Aussagen wurde nicht geglaubt!
Ich habe noch heute Albträume von dieser furchtbaren Zeit!
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Alfred Walter aus Erkrath schrieb am 04.11.2020
Hallo,
ich bin als Kind zwei mal zu einer "Kur" wegen Asthma verschickt worden. Das erste mal war ich in Bad Reichenhall, im Alter von ca. 4 Jahren, daran habe ich noch einige Erinnerungen.
Mit 7 Jahren wurde ich dann ein zweites Mal in Kur geschickt. Bis zum heutigen Tag wusste ich nur, das ich in Kur war, habe überhaupt keine Erinnerung an die Verschickung, rein gar nichts.
Heute hat meine Mutter mir eine alte Postkarte gezeigt, die am mich adressiert war, daher ist mir nun Ort und Zeitpunkt bekannt, Erinnerungen kommen jedoch nicht wieder!
Da ich überhaupt keine Erinnerung an diese Klinik und den Ereignissen Vorort habe, frage ich mich schon seit einiger Zeit, was da wohl vorgefallen ist.

Würde mich freuen, wenn sich jemand meldet der ungefähr zur gleichen Zeit Vorort war, eventuell kommen im Gespräch Erinnerungen wieder hoch.
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Marita aus Berlin schrieb am 04.11.2020
Ich war zweimal "verschickt" und hatte großes Glück, weil ich Brotränder mochte und mir das Essen, Spielen, Wandern und Schlafen mit vielen Kindern gefallen hat. Allerdings erinnere ich mich an Kinder mit Heimweh oder Bettnässer, denen erging es sehr schlecht. Eine Vorliebe, Graubrot mit Pflaumenmus, habe ich bis heute.

Mein Bruder hatte nicht so viel Glück, ihm wurde von anderen Kindern übel mitgespielt und die Erzieher haben ihm einen Zahn ausgeschlagen, als er sich hinter einer Tür vor den anderen Kindern versteckt hat. Danach sind wir nicht mehr verschickt worden.
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Dagmar aus Hopsten schrieb am 03.11.2020
Hallo,
Da ich als Kind untergewichtig war wurde meinen Eltern vom Arzt angeraten mich zur Kur zu schicken. Ein weiteres Kind (Jörg) aus meinem Kindergarten sollte ebenfalls nach Bad Karlshafen kommen. Wir wurden zusammen in den Zug gesetzt und von einer Betreuerin begleitet. Ich dachte es würde für mich ein riesiges Abenteuer werden. Jörg und ich wurden nach der Ankunft natürlich sofort getrennt da Jungen und Mädchen natürlich nicht zusammen bleiben durften.
Dann begann der blanke Horror. Ich kann mich leider nur noch bruchstückmässig erinnern aber ich weiß noch das wir gezwungen wurden immer alles komplett auf zu essen.
Viele Kinder hatten damit richtig Probleme und mussten dann sogar teilweise ihr Erbrochenes essen. Andere mussten stundenlang mit dem Gesicht zur Wand stehen.
Ich habe einmal Nachts vor Heimweh etwas lauter geweint und wurde dann zur Strafe die Nacht über in den Waschraum gesperrt der aber leider kein WC hatte. Ich machte mir in die Hose und wurde am nächsten Morgen vor den Augen aller Kinder sauber gemacht. Diese Demütigung habe ich niemals vergessen.
Es gab eine nette Nachtschwester..... Wenn die Dienst hatte konnte ich entspannt schlafen. Das Mädel im Nachbarbett hat sich nachts immer die Lippen blutig gebissen. Die nette Schwester versprach ihr eine Puppe wenn sie es sein ließe. Ich weiß noch das ich so eifersüchtig auf das Mädel war das ich selbst versuchte mir die Lippen blutig zu beißen (hat aber zum Glück nicht funktioniert)
Weiterhin kann ich mich an die Wanderungen erinnern. In Formation wie beim Militär..........
Die Schwestern schrieben für mich Postkarten..... in denen natürlich nicht das stand was ich meinen Eltern sagen wollte!
Als ich am Zug von meinen Eltern abgeholt wurde hatte ich das Sprechen
eingestellt. Ich weiß noch wie ich meinen Vater dafür gehasst habe das er darüber
gelacht hat und das niedlich fand das ich
scheinbar vor Heimweh das Sprechen
eingestellt hatte.
Danach habe ich das alles jahrzehntelang verdrängt bis ich zufällig im Internet auf dieses Thema gestoßen bin.
Im Moment bin ich eigentlich nur froh das das was ich erlebt habe endlich mal geglaubt wird!
Ich wurde immer als Kind mit einer blühenden Phantasie abgetan und habe später selber schon gedacht ich hätte das alles nur geträumt.
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Eike Claudia schrieb am 02.11.2020
Im Alter von 8 Jahren wurde ich im Sommer 1972 für 6 Wochen nach Braunlage ins Kinderkurheim Haus Liselotte verschickt. Ich war sehr dünn und sollte wohl "aufgepäppelt"werden.
Ich erinnere mich noch daran,dass meine Eltern mich zum Zug nach Rendsburg gebracht haben, dort bekam ich eine Karte um den Hals wo alle Daten von mir bzw mein Reiseziel draufstanden.Eine Zugbegleiterin hat während der Fahrt nach mir geschaut.
Im Heim wurde ich dann in ein Jungen-Zimmer gesteckt, da mein Vorname Eike sowohl männlich als auch weiblich verwendet wird.Zudem hatte ich einen Kurzhaarschnitt.Da ich sehr schüchtern war,traute ich mich nicht,dass Mißverständnis aufzuklären.Wie sich die Sache aufgeklärt hat, weiß ich nicht mehr.
Ich erinnere mich noch an einen Vanillepudding mit Zwieback,den wir Abend essen mussten. Nachts habe ich dann die Toilette vollgespuckt.
Wir durften die Fußball-WM 1972 sogar im Fernsehen verfolgen. Gewandert wurde ebenfalls und nach "Katzengold"gesucht.
Leider wurde ich während meines Aufenthalts von einem älteren Jungen mißbraucht. Es wurde nicht bemerkt und ich hatte es verdrängt. Wir durften nicht telefonieren, damit das Heimweh nicht noch größer wird. Eine der "Tanten" kam nach einiger Zeit zu mir,da meine Mutter angerufen und gefragt hatte, warum ich noch keine Karte geschrieben hätte. Danach musste ich regelmäßig Karten/Briefe schreiben.
Ich kam nach den Sommerferien mit 2-wöchiger Verspätung in die 3.Klasse. Das war schlimm,neue Mitschüler und Lehrer.Ich habe übrigens nicht zugenommen in den 6 Wochen.
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E Gerwin aus Kiel schrieb am 02.11.2020
Meine Mutter berichtet dass Sie als 9 o. 10 jährige verschickt wurde mit dem zug von Kiel aus allein in den Schwarzwald in ein Zeltlager namens Stöckl oder Stöckellager. Vom Zug wurde sie von einem "Pfadfinderjungen" abgeholt. Im Lager angekommen wurde sie mit einer Art Soldatengeschirr ausgestattet. Danach hat sie erst wieder Erinnerungen vom letzten Tag . Keine Freundschaften keine Erlebnisse keine Betreuer sie erinnert sich an nichts was man in dem Alter eigentlich wissen müsste.Sie erinnert sich aber dass sie kaum laufen konnte und geschleppt werden musste . Und im Zug "geübt" hat wieder zu laufen. Abgeholt vom zug wurde sie direkt vom Jugendamt also müsste man ja eigentlich irgendwas darüber festgehalten haben. Sie ist bis geute vorsichtig Medikamenten gegenüber und ist der Meinung dass dies zusammenhängen könnte.
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Doris Wieler schrieb am 02.11.2020
Vom 06.Juni bis 04.Juli 1966 verbrachte ich - noch nicht einmal vierjährig - meine "Ferien" in Norddorf auf Amrum. Meine Eltern machten parallel auch auf Amrum Urlaub. Ohne mich. Das war damals nicht unüblich. Heute ist das nicht mehr vorstellbar. Sie dachten, daß sie mir damit etwas Gutes tun, daß ich dann unter Kindern bin, mit denen ich spielen kann. Ich erinnere mich an schlimmstes Heimweh, daran, daß ich Angst hatte, daß meine Eltern mich nicht mehr abholen.
Eine Begebenheit hat sich bei mir eingebrannt:
ich lag in einem Gitterbett. An einem Morgen hatte ich ins Bett gesch... Da kam die "Erzieherin" mit allen Kindern. Alle stellten sich um mein Bett und die Erzieherin zeigte auf mich: "schaut, die macht immer noch ins Bett!". Es war grausam. Ich schämte mich fürchterlich.
Ansonsten erinnere ich mich nur noch an Milchsuppe mit Rosinen, die ich gar nicht schlecht fand. Und an ein großes Mädchen, was mit mir das Zimmer teilte und sich ein bißchen meiner annahm.
Auf den wenigen Fotos, die in meinem Album kleben, sehe ich unglücklich aus.
Interessant zu lesen ist der Hausprospekt, den ich auch noch habe. Der klingt nicht unsympathisch. In derzeitigen Pandemiezeiten sehr spannend die Bemerkung, daß man die Kleinkinder mindestens 14 Tage vor der Anreise aus dem Kindergarten nehmen soll, wegen möglicher Infektionsgefahr.
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Uwe aus Eschwege schrieb am 01.11.2020
Als 5-Jähriger aß ich schlecht. Ich hatte immer das Gefühl, ich würde ersticken, wenn ich etwas Festes schlucken sollte. Meine Mutter verzweifelte fast; sie schlug mich einerseits manchmal, wenn ich so ein „Theater“ machte, andererseits versuchte sie sogar, mir mit einem Mixer das Essen zu zerkleinern. Selbst weiße Bohnensuppe kriegte ich unzerkleinert nicht herunter. Natürlich verlor ich auch an Gewicht. Außerdem war ich einmal im Monat krank mit Fieber und Mandelentzündung.

Auf Anraten des Hausarztes wurde eine Kur in einem Kinderheim in Bad Karlshafen beantragt, die ich im Sommer 1965 antrat. Mein Cousin, der ein Jahr älter war als ich und eigentlich keinerlei Beschwerden hatte, wurde mir mitgegeben, damit ich dort nicht so allein war. Ich nahm auch einen Stoffhund und zwei meiner Lieblings-Cowboyfiguren mit.
Unsere Eltern durften uns nicht direkt dort hinbringen. Es war auch verboten, uns während der 6 Wochen zu besuchen.
Ich und mein Cousin wurden am Heimat-Bahnhof an eine Betreuerin übergeben, welche mit uns im Zug nach Karlshafen fuhr und uns dort im Foyer an irgendwelche Frauen übergab.
Die Begrüßung war unpersönlich und kalt, als wären wir eine Ware.
Man stellte dann sofort fest, dass wir zwei verschiedene Jahrgänge waren, was zur Folge hatte, dass eine der Frauen mit meinem Cousin sofort eine Etage höher ging, wo er in seine Jahrgangsgruppe kam.
Ich wurde in meine Jahrgangsgruppe gebracht, nachdem man mir mein Spielzeug abgenommen und gesagt hatte, dass dies weggeschlossen würde und ich es erst am Abreisetag wiederbekäme.

Meinen Cousin sah ich während der ganzen Zeit von 6 Wochen nur ein einziges Mal wieder, als mir nämlich seine Gruppe im Gänsemarsch meiner Gruppe in gleicher Formation auf dem Heimgelände entgegenkam. Er sah mich kaum an oder bemerkte mich nicht; als ich ihn rief und er herübersah, bekam ich von der „Gruppenführerin“ einen „Anschiß“, dass ich Ruhe zu halten hätte.
Erst am Entlassungstag sah ich ihn wieder.
Diese Formation war im übrigen die Regel beim Fortbewegen im Gruppenrahmen.

Das Personal – ich erinnere mich bis auf einen Mann nur an weibliches – war mit Schwester und Vornamen anzusprechen.
Die Chefin war eine ältere, grauhaarige Frau, „Schwester Marianne“. Die war ein Teufel, immer unfreundlich und laut. Sie hatte ihre Freude daran, uns zu schikanieren.

Es gab kaum etwas zu trinken; wir hatten sieben Tage die Woche von morgens bis abends Durst. Wer zum Frühstück seine Milch, seinen Kakao oder Tee nicht trinken wollte, wurde beschimpft und musste bis zum Abendbrot auf die nächste Gelegenheit zum Trinken warten. Deshalb an Wasserhähne zu gehen, war verboten und wurde bestraft. War das Personal – insbesondere die Marianne - der Meinung, man hätte sich während des Tages oder bei den Mahlzeiten nicht benommen, erhielt man weder Essen noch Trinken, sondern wurde für die Dauer der Mittagspause mit dem Gesicht zur Wand in eine Ecke des Speisesaals gestellt.
Ich musste des Öfteren durstig den Tag beginnen, weil ich die Haut, die sich auf der Milch oder dem Kakao bildete, eklig fand und ich es nicht fertigbrachte, das zu trinken.
Obwohl schon anfangs mehrfach deutlich erkennbar war, dass ich einen Ekel davor hatte, wurde mir immer wieder Kakao oder Milch mit Haut hingestellt.

Ein-, manchmal auch zweimal mal die Woche erschienen zur Schlafenszeit auf den Stuben, auf denen wir zu mehreren (ca. 6-8?) lagen, zwei jüngere Schwestern mit einem 10-liter-Eimer voller Tee. Wir konnten dann „antreten“ und man füllte uns dann daraus unsere Zahnputzbecher und wir konnten so lange trinken, bis er leer war. Das war das Paradies. Dann war Bettruhe angeordnet. Bis zum Wecken hatte niemand das Bett zu verlassen. Auf den Fluren schoben Schwestern Wache. Wurde jemand erwischt, der auf die Toilette wollte oder gar im Waschraum Wasser trinken, setzte es an Ort und Stelle Prügel. Das Geschrei hörte man bis auf die Stube. Besonders „schön“ war es dann, wenn es jemand von er eigenen Stube erwischt hatte. Der „Verbrecher“ wurde dann heulend und mit entsprechenden Ermahnungen, Ruhe zu geben und aufzuhören mit Heulen, ins Zimmer gebracht, wo er sich sofort wieder hinlegen musste. Natürlich hörte der nicht auf zu heulen, sondern unterhielt alle anderen noch eine Weile mit seinem Geschluchze. Ich hatte dermaßen Angst vor dieser Behandlung, dass ich 5 Wochen lang den nächtlichen Durst aushielt und mir jeden Toilettengang nach der befohlenen Nachtruhe verkniff. Gott sei Dank machte ich auch dabei nicht in die Hose, denn dann wären wieder Prügel fällig gewesen, was bei anderen auch vorkam. Aber mancher hatte auch Glück und wurde nicht beim heimlichen Wassertrinken erwischt.

Eine Woche lang hatte ich überhaupt nichts auszustehen, im Gegenteil. Ich wurde – wie so oft damals – krank und bekam Fieber und eine Mandelentzündung. Daraufhin wurde ich in die Krankenabteilung des Kinderheims eingewiesen. Dort kümmerte sich eine ältere Schwester sehr liebevoll um mich. Ich hatte das Gefühl, sie sei nur für mich da, so oft war sie bei mir und so oft ich Durst oder Hunger hatte, bekam ich es sofort.

Bei der Einnahme des Mittagessens saßen wir mit einer ganzen Gruppe rings um einen eckigen Tisch im Speisesaal, genau wie andere Gruppen dort auch. Einmal gab es Suppe mit Stücken einer großen Kochwurst darin, wo noch Schale dran war. Diese brachte ich wieder nicht herunter. Die Schwestern setzten mir vergeblich zu, diese Wurststücke zu essen. Ich versuchte zu erklären, dass ich die mit der Schale nicht essen kann, weil ich dann wieder das Erstickungsgefühl bekomme, aber das hat insbesondere die Marianne überhaupt nicht interessiert. Nachdem alles Drohen und Schimpfen nichts brachte, durfte ich mich in die Ecke stellen wie schon beschrieben. Ein anderes Mal wollte ein Leidens- und Tischgenosse von mir –ich weiß heute noch seinen Namen: Max – seine Tomatensuppe nicht essen. Diesem wurde dann der Kopf bzw. mit dem Gesicht in die Tomatensuppe getaucht. Für mich war das ein schrecklicher Anblick, wie ihm die blutähnliche Flüssigkeit über das ganze Gesicht lief und er heulte wie ein Schlosshund.

Auf Wünsche wurde keine Rücksicht genommen. So gingen wir z. B. mit vielen Kindern in die Stadt zu einem Kiosk, wo es eine Menge an Souvenirs zu kaufen gab und wo wir auch etwas kaufen durften oder sogar kaufen sollten. Meine Eltern hatten mir ein kleines hellblaues Portemonnaie mitgegeben, das sie aber schon der Begleiterin am Bahnhof aushändigten. Ich selbst wusste gar nicht, wie viel Geld darin war. Ich kann mich auch nicht erinnern, es danach – bis auf diesen Kioskbesuch – noch einmal gesehen zu haben. Eine Schwester hatte es bei diesem Ausflug in Verwahrung. Nachdem wir uns die Souvenirs angesehen hatten, entschied ich mich für zwei kleine Ziegenbockfiguren, einer schwarz, einer weiß, welche – wenn man sie nahe genug aneinanderkommen ließ - (mittels Magneten) mit den Köpfen zusammenstießen. Das faszinierte mich und ich fand es lustig. Als ich das der Schwester, welche mein Geld aufbewahrte, sagte, kaufte sie mir – ein kleines Hexenhäuschen aus Kunststoff, wo man durch ein Sichtfenster Bilder von Bad Karlshafen betrachten konnte und mittels Druck auf den Schornstein immer ein neues Bild aufrufen konnte. Das Ding interessierte mich nun überhaupt nicht und ich war enttäuscht, aber meine Bitte auf Umtausch wurde ignoriert.

Weiter erinnere ich mich noch an einen Ausflug, bei dem wir mit ca 20 – 25 Kindern durch Wald und Flur marschierten. Dabei stolperte der schon erwähnte kleine Max auf einem geschotterten Feldweg und schlug sich beide Knie auf, so dass es blutete und er erbärmlich anfing zu weinen. Sofort war eine Schwester da und forderte ihn auf, aufzustehen und weiterzumarschieren. Er blieb hocken, brüllte vor sich hin und jammerte, dass er so nicht weitergehen könne. Ohne sich überhaupt um die Verletzung groß zu kümmern, wurde ihm gesagt, dass alle anderen jetzt weitergehen und er es sich aussuchen könne, ob er mitkommt oder liegenbleibt. Das wurde dann auch so durchgeführt und die Kolonne setzte sich wieder in Bewegung. Ich verstand die Angst vom Max recht gut, denn wir wussten ja überhaupt nicht, wo wir waren und wie wir zurückfinden sollten, wenn man den Anschluss verliert. Trotzdem blieb ich reichlich hilflos bei ihm stehen, während die anderen sich langsam entfernten. Ich war hin und hergerissen zwischen meinem Freund, den ich nicht im Stich lassen wollte und der sein Geheul noch steigerte, als er sah, dass die anderen tatsächlich weitergehen und meiner Angst, auch den Anschluss zu verlieren und nicht mehr zurückzufinden. Als die Gruppe schon recht weit weg war, ließ ich Max Max sein und rannte hinterher. Ich drehte mich aber noch ein paarmal um. Dann sah ich plötzlich, dass auch er angerannt kam, heulend, humpelnd und mit blutigen Knien. Er hielt dann durch, bis wir wieder in der Anstalt waren.
Nach 6 Wochen sollte es dann (endlich) wieder nach Hause gehen. Als ich kurz vor der Abreise eine Schwester an mein Spielzeug erinnerte, das ich wiederhaben wollte, wurde mir gesagt, davon wisse man nichts. Man machte sich noch nicht mal die Mühe, nachzusehen.
Wir wurden wieder in Begleitung mit dem Zug nach Hause gefahren, wo wir am Bahnhof von unseren Eltern in Empfang genommen wurden. Ich erinnere mich da an keine Einzelheiten mehr; nur an das, was mir meine Eltern mehrfach in den folgenden Jahren, wenn mal das Thema darauf kam, erzählten:
Ich sei abgemagert gewesen und hätte noch mehr an Gewicht verloren, obwohl ich schon vor Beginn untergewichtig war. Zudem hätte ich die Krätze gehabt. Meine Mutter soll bei meinem Anblick geheult haben. Mein Vater fühlte sich an ausgemergelte Kriegsheimkehrer erinnert.

Mein Cousin (bereits 1994 durch Suizid nach psychischer Krankheit verstorben) erzählte nach der Kur seinen Eltern, er habe auch sein Erbrochenes essen müssen.
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Bernhard aus Nürnberg schrieb am 01.11.2020
Hallo,
Ich wurde in der 2. Klasse Grundschule für 6 Wochen auf "Erhohlung" geschickt. Der Schularzt hatte gemeint, Ich wäre untergewichtig.
Meine Mutter war geschieden und musste arbeiten. Sie hatte einen neuen Partner und war vermutlich froh, mich loszuwerden. Wir schliefen in 8 Bett Zimmern und ich war der Jüngste mit knapp 8 Jahren. Es war wie im Gefängnis. Man durfte nachts nicht das Zimmer verlassen. Besuch war verboten. Man musste vorfrankierte Kuverts mit Heimatadresse mitbringen. 1xwöchentlich musste man einen vorgeschriebenen Text von der Tafel abschreiben, der dann nach Hause verschickt wurde. Post von daheim wurde geöffnet und zensiert. Täglich wurde einer von jeder Stube zum Putzdienst verdonnert, meine Mitbewohner zwangen mich, das zu machen weil ich der Jüngste war und schlugen mich täglich. Man glaubte mir nicht und es wurde immer schlimmer. Sie zwangen mich, den ekelhaften Frass, den man uns dort vorsetzte, zu essen. Wer sich weigerte, wurde von 2 Pflegern festgehalten und mit zugehaltener Nase zwangs gefüttert. Als ich mich danach übergab, kam ich in Einzelhaft. Wurde eingesperrt in ein Zimmer mit vergitterten Fenstern und ich durfte nur zum Essen raus. Meinen 8. Geburtstag musste ich dort allein "feiern".
Es war eine einzige Qual und nachdem es mir schlecht ging, wurde eine Ausnahme gemacht und meine Mutter durfte mich 1x besuchen. Sie kam mit ihrem neuen Partner und die beiden erzählten mir, wie schön es doch hier wäre. Ich wäre ja schon ein großer Junge und soll durchhalten.
Nach für mich ewigen 6 Wochen kam ich heim und hatte 1 Kilo abgenommen. Bis heute denke ich mit Schrecken zurück.
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Karina Schmidt aus Konstanz schrieb am 31.10.2020
Hallo alle zusammen ,
Ich war 1975 oder 1976 ,also 5 oder 6 Jahre alt ,in Königsfeld im Kindersanatorium Luisenruhe , auch bekannt als Kinderheim Luisental .
Ich wurde wegen einer Lungenentzündung und Untergewicht dort hingeschickt .
Ich kann mich an die Umstände dort noch gut erinnern .
Es war Menschenunwürdig !!!
Ich musste Erbrochenes essen , barfüssig nachts hinter der Tür stehen, auf dem kalten Boden . Man durfte sich im Bett nicht drehen u.s.w.
Ich komme aus einem sehr schwierigen Elternhaus .
Also von einer Hölle in die andere .
Ich habe noch Bilder von Ausflügen , also wo auch die Kinder drauf sind , die in der Zeit mit mir dort wahren .
Auch eine Postkarte die mir meine Geschwister geschickt haben.

Ich versuche schon seit 2008 etwas mehr über die Zeit dort heraus zu finden .
Ich weis das es heute ein Hotel ist und von außen noch so aussieht wie früher .

Vielen vielen Dank
Dank an alle
Vor allem an Frau Röhl
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Sabine aus Mittelberg/Oy schrieb am 30.10.2020
Ich war 6 Wochen lang in Mittelberg/Oy im Kindererholungsheim. Wir durften kein Besuch bekommen und wurden immer zum Aufessen gezwungen. Wir mussten so lange am Tisch sitzen bleiben, bis wir aufgegessen hatten. Ich konnte jahrelang keinen Kaiserschmarrn essen oder nur riechen, weil es mich daran erinnert hat. Nachts saßen die Nonnen auf dem Flur vor unseren Zimmern und haben uns nicht auf die Toilette gelassen. Meine liebe Mitbewohnerin und ich haben ins Waschbecken gemacht, weil Bettnässen streng bestraft wurde. Wir hatten großes Heimweh und haben viel geweint. Als ich zuhause war, habe ich es verdrängt und gedacht, es war nur ein Traum. Aber es gibt Fotos. Meine Zimmergenossin hatte eine Narbe in Spinnenform auf der Stirn.
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Volker P Andelfinger aus Annweiler am Trifels schrieb am 30.10.2020
Ich war zwei Mal in einem Verschickungsheim, weil ich chronische Bronchitis hatte. Meine Eltern wollten mir etwas Gutes tun, der Kirche hat man damals ohne viel Nachdenken vertraut. An den Aufenthalt im Kloster Gethsemani am Donnersberg habe ich kaum Erinnerungen, es gibt nur ein Foto. Wochenlang die Eltern nicht zu sehen war schlimm, ansonsten wusste ich nur von einem Turm auf dem Berg. Neulich bin ich mit dem Motorrad zum Donnersberg raufgefahren, habe nach dem Heim gesucht. Erst als ich die Straße wieder runtergefahren bin hatte ich so ein Bauchgefühl, das Kloster könnt es sein. Ich traf dort eine alte Nonne, die mir freundlich erklärte, dass das hier das Heim gewesen sei, aber die alten Gebäude seien größtenteils ersetzt oder abgerissen.
Schlimm war es in St. Peter Ording. Mit dem Zug ohne Eltern so weit weg, alles unbekannt, keiner verstand mein Pfälzisch, Hochdeutsch war nicht meine Sprache, der seltsame Tee am Bahnhof in Hamburg. Im Heim war ich schließlich die meiste Zeit krank, schlimmer als zu Hause. Das Essen war gruselig. Wenn ich Hunger hatte, nahm ich schon mal einen Happen von der Himbeer-Zahncreme. Und man brachte mich zum Arzt wegen der Bronchitis. Da bekam ich eine Spritze und anschließend konnte ich nicht mehr laufen, wurde von den anderen Kindern separiert, musste Wochen länger bleiben. Meine Eltern waren schockiert, als sie mich dann zu Hause am Bahnhof in Landau abholten, mein Zustand war elend. Es hieß hinterher, ich hätte versehentlich eine Spritze für Erwachsene bekommen. Vor ein paar Jahren bin ich im Urlaub mit der Familie nach St. Peter Ording gefahren. Das Heim habe ich ohne lange Suche sofort gefunden, so sehr hatte sich das dem kleinen Kind eingebrannt. Was war das für eine Spritze, was haben die da gemacht? Ich weiß noch nicht, wie ich weiter damit umgehen soll.
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Sabine schrieb am 30.10.2020
Ich war 1982 im Sommer 6 Wochen in Glücksburg. Ich wurde zum Bahnhof gebracht und musste wahnsinnig lange im Zug fahren mit fremden Kindern und einer Betreuerin vom DRK. Im Kinderheim gab es viele Strafen, u. a. Essenszwang, Kirchenzwang, Stehen, Schlafentzug, Schläge. Als sich ein Mädchen gewehrt hat und der Erzieherin das Gesicht zerkratzte, wurde es schlagartig entfernt und wir anderen haben es nicht mehr gesehen.

Ich war gerade 7 Jahre alt geworden, hatte ganz schrecklich Heimweh und wurde regelmäßig geschlagen. Sie haben versucht, mir zu viert Blumenkohlsuppe einzuflößen. 3 hielten mich fest, eine stopfte mehrere Löffel voll in meinen Mund. Ich habe alle vollgekotzt. Dann haben sie mich wenigstens mit dem Essen in Ruhe gelassen.

Ich musste in einem Gitterbett schlafen. Mit 7 Jahren! Das war so hoch, dass man nur mit Anstrengungen raus klettern konnte. Die Erzieherinnen kamen aber immer kontrollieren, ob alle drin sind.

Es gab einen Ausflug zum Strand. Dort waren Quallen im Wasser. Ich ekelte mich. Die anderen Kinder bewarfen mich mit Quallen und die Erzieherinnen machten nichts dagegen.

Es gab Post von den Eltern und man konnte zurück schreiben, wenn man genug Taschengeld für die Briefmarken hatte.

Ich habe keine einzige GUTE Erinnerung daran.

Das Heim befand sich in Sandwig, einem Stadtteil von Glücksburg. Es wurde noch in den 80er Jahren abgerissen, wie mir die Stadtverwaltung Glücksburg mitgeteilt hat.

Ich bin heute noch extrem, was Essen betrifft und ich kann nicht alleine sein.
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Angelika Wirtz aus Oberhausen schrieb am 29.10.2020
Im Sommer 1964 war ich für 6 Wochen im Haus Wunderland, Nähe Freudenstadt im Schwarzwald. Ich erinnere mich nicht mehr daran, ob ich Angst hatte alleine dort hin zu fahren.
Bis auf negative Erfahrungen bzgl. des Essens (Ich möchte zu dem Zeitpunkt vieles nicht) musste es dann aber doch essen, habe ich selbst keine Gewalt erfahren. Aber andere Kinder, z.B. diejenigen, die aus Angst angefangen hatten, wieder ins Bett zumachen, müssten ihr Frühstück auf der sogenannten,,Pisserbank" einnehmen. Mussten sich hinstellen und wurden ausgelacht. Das fand ich sehr schlimm. Nachts durften wir nicht zur Toilette und ich war jeden Morgen froh, dass es mir nicht passiert ist. Da ich aber immer sehr lange gebraucht habe, bis ich mit dem Essen fertig war, auch was nicht schmeckte, musste aufgegessen werden, bekamen alle Mädchen aus meinem Zimmer oft kein Betthupferl. Ich war öfter die letzte im Speisesaal und wenn ich dann ins Zimmer kam, bekam ich öfter von meinen Zimmergenossinnen eine Backpfeife. Dann habe ich geweint. Auch in diesem Heim gab es freundliche und strenge ,,Tanten". Ich habe meinen 8.Geburtstag dort gefeiert, eine ,,Tante"hatte am gleichen Tag Geburtstag. Sie war immer lieb zu mir. Ich würde dem Heim die Note 3 geben.
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Ingrid aus Tübingen schrieb am 29.10.2020
Ich wurde von meiner Mutter in den Zug gesetzt. Sie war der Meinung, dass ich zu dünn war. Die Ärztin empfahl aufgrund meiner Allergien Kinderheim Friedrichs an der Nordsee.
Wir bekamen oft seltsame Milchsuppe zu essen. Das Essen ist mir als fürchterlich in Erinnerung. Ich wurde gezwungen versalzenen Kartoffelbrei zu essen. Mir war danach schlecht, so dass ich mich erbrach. Wir wurden gezwungen zu essen, der Teller musste leer sein. Zu trinken gab es kaum etwas, wahrscheinlich, weil viele Kinder in die Stahlbetten nässten. Die meisten weinten vor lauter Heimweh abends in die Kissen. Ich erinnere mich an den ständigen Durst den ich hatte.
Auch wurde ich bestohlen: Taschengeld, dass ich von zu Hause mitbekam, Kleider, Gummistiefel. Es wurde einer nach dem anderen krank: Fieber. Auch ich würde lieblos ins Bett gesteckt und den ganzen Tag kümmerte sich niemand um mich. Auch wurden wir regelmäßig gewogen und es wurde geschimpft, wenn man nicht zugenommen hatte. Sechs lange, ewig lange Wochen war ich dort. Es war schrecklich. Eine Kinderaufseherin hieß Frauke.
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Felicitas Winter aus Köln schrieb am 29.10.2020
Ich wurde mit 5 Jahren zusammen mit meinem 1 Jahr jüngeren Bruder ins C,aritas-Waisenhaus am Kaltenberg in Wesel gebracht, wo wir ca. 6 Wochen verbringen mussten. Das Haus wurde von Ordensschwestern geführt. Wir durften uns nicht von unserer Mutter verabschieden und niemand hat ein persönliches Gespräch mit uns geführt. Man teilte uns nur den Tagesablauf und die Regeln mit, dann hielten wir etwa 6 Wochen fast die Luft an vor Angst, ob unsere Mutter jemals wiederkommen würde. Erst einen Tag vorher sagte man uns, dass unsere Mutter morgen kommen würde.
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Renate aus Warstein schrieb am 29.10.2020
Ich bin als Siebenjährige 6 Wochen ganz allein in einem sogenannten Erholungsheim auf Amrum gewesen.
Mit Erstaunen stelle ich fest, dass ich damit nicht allein bin, offenbar wurden viele in den 1960er und 1970er Jahren verschickt.
Ich wurde Zeuge von Kindesmisshandlungen durch die sogenannten Erzieherinnen, wir haben sie Hexen getauft.
Immer gab es die verhasste Milchsuppe vor dem Mittagessen, die wollten aus uns Stopfgänse machen. Wer sein Mittagessen nicht geschafft hat, wurde so lange am Tisch gelassen, bis man alles, irgendwie musste es ja gehen, aufgegessen hatte. Unterdessen waren alle anderen schon draußen. Einmal habe ich gesehen, wie ein Kind die Blaubeeren-Suppe nicht essen wollte. Da hat eine Erzieherin den kleinen Jungen auf den Schoß gesetzt und ihn gefüttert. Der Junge erbrach sich, das wurde trotzdem reingeschaufelt! Es war schlimm, das mit anzusehen. Wir waren durch solche Methoden gezwungen, auf jeden Fall alles aufzuessen, was serviert wurde.
Es gab nur eine Erzieherin, die freundlich war, an dieser hingen die Kleinen wie die Trauben. Unfassbar, dass sogar Vierjährige dort waren! Ich habe ihnen in der Mittagspause, weil ich nicht schlafen musste, Kinderbücher vorgelesen, das war der Saal der Vierjährigen, die Masern hatten. Überhaupt brachen dort verschiedene Krankheiten aus, zum Beispiel bin ich mit Windpocken nach Hause gekommen. Auch mit Alpträumen und Problemen beim Einschlafen. Diese Probleme habe ich bis heute.
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Jürgen R. schrieb am 29.10.2020
Ich habe vor ein paar Monaten in unsere Tageszeitung einen Bericht über Verschickungskinder gelesen und war wie vorm Kopf geschlagen, habe keine Luft mehr bekommen und musste den Frühstücksraum verlassen. Ich war ca. 9 Jahre alt, als ich für 6 Wochen nach Langeoog musste. Ich leide heute noch unter den Folgen der Bestrafungen für Kleinigkeiten (Papierflugzeuge aus dem Fenster fliegen lassen), was ich nie verstanden habe. Ich musste die ganze Nacht im Speiseraum in einer Ecke stehen, konnte nicht zur Toilette gehen, da der Aufgang zum ersten Stock mit einem Holzgitter verschlossen war. Ich habe versucht es so lange zu unterdrücken, bis ich vor Schmerzen es nicht mehr ausgehalten habe und es laufen ließ, auch dafür wurde ich am anderen Morgen wieder bestraft indem ich nicht mit zum Strand durfte und unten in der Küche helfen musste. Das Essen musste aufgegessen werden, selbst wenn man schon am Würgen war. Lange Spaziermärsche, selbst wenn man wegen Blasen an den Füßen nicht mehr laufen konnte. Dann wurden die Häutchen an den Fingernägeln immer unter starken Schmerzen hochgeschoben (der Halbmond musste immer zu sehen sein) keine Ahnung warum. Ich leide heute noch unter den Erlebnisse, konnte es damals auch niemanden erzählen, selbst meine Eltern nicht. Wache heute noch nachts auf, voller Panik, dass ich in der Dunkelheit die Toilette nicht finde und es dann nicht rechtzeitig schaffe. Ich bin froh dass ich nicht alleine mit dem Erlebnis bin und konnte jetzt mit meiner Frau darüber sprechen, warum ich öfter mich merkwürdig in gewisser Situationen verhalte. Wir waren im Sommer für einen Tag auf Langeoog, habe sehr mit mir gerungen es zu machen, habe das Heim sogar wieder gefunden es wurde zu einem Mutter/Kind Haus umgebaut. Ich stand davor und konnte die Tränen nicht zurückhalten und habe es heraus geschrien, es kamen noch viel mehr an Erinnerung hoch. Ich war froh, dass meine Frau dabei war, mich getröstet hat und mich darin bestärkt hat, dorthin zu fahren um mit der Vergangenheit abzuschließen. Ich versuche es zumindest.
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Sonja Meis aus Brühl schrieb am 29.10.2020
Ich bin mit 8 Jahren in den Schwarzwald verschickt worden, den Namen der Einrichtung weiß ich nicht, es war nahe am Feldberg. Ich war noch nie von meiner Familie weg und dann direkt 6 Wochen, ich war angeblich zu schmächtig. Mit dem Bummelzug dauerte die Fahrt 12 Stunden, die Tante, die uns begleitete war die einzige nette Person, die mir in den 6 Wochen begegnet ist. Bei Ankunft im Heim gab es nur ne Tasse ekligen Tee und nichts zu essen (ich hatte soo einen Hunger weil ich ja den ganzen Tag nichts vernünftiges gegessen hatte). Der Schlafsaal war riesig, sicher auf jeder Seite 5 oder 6 Betten, ich hatte das 2. auf der linken Seite. In der Nacht suchte ich ein Tempo und bin direkt angemeckert worden, das doch zu lassen. Gott sei Dank war es die erste Nacht, in den anderen Nächten musste der , der nicht schlief eine Stunde mit nackten Füßen auf dem Flur stehen. Die Schritte der Nachtwache habe ich heute noch im Kopf, die ging die ganze Nacht auf und ab. Das Mittagessen war furchtbar für mich, ich kannte und mochte auch viele Sachen nicht, die es da gab, wir mussten aber immer alles essen was auf dem Teller war. Tagsüber sind wir eigentlich nur gelaufen, ich erinnere mich an stundenlange Wanderungen, teilweise durch Schnee. 1x in der Woche gab es eine Mark Taschengeld, die wir dann direkt in Süßigkeiten umgesetzt haben. Wenn man nicht alles direkt aufgegessen hat, lief man immer Gefahr dass jemand anderes sich einfach aus dem Schrank, wo die Sachen "eingeschlossen" waren was nahm. Pakete von Zuhause wurden aufgeteilt. Briefe wurden kontrolliert, man durfte nichts negatives oder irgendwas von Heimweh schreiben. Ich habe sehr viele Briefe und Karten geschrieben, aber dass ich mal einen Brief von Zuhause bekommen hätte, daran erinnere ich mich nicht. Ich hatte immer sehr Angst vor den Untersuchungen, weil uns niemand im Vorfeld sagte, was da passiert. Ein Mädchen verschwand irgendwann auf die Krankenstation, wir haben nie wieder was von ihr gehört. Das war die schrecklichste Zeit meines Lebens, und ich hab mir damals schon geschworen, wenn ich mal Kinder habe tue ich ihnen so etwas nicht an. Vor einigen Wochen unterhielt ich mich mit einer Freundin und wir kamen zu dem Schluss, dass wir wohl in der selben Einrichtung gewesen sein mussten. Das einzig gute an der ganzen Sache war, dass die Sommerferien begannen, 2 Tage nachdem ich wieder zu hause war.
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Weber schrieb am 28.10.2020
Wurde mit 3 Jahren dorthin geschickt.
Bei Ankunft musste alles Essen was als Proviant mitgegeben wurde abgegeben werden.
Es gab einheitliche Kleidung für alle Kinder dort.
Einmal während der Nacht eingenässt und Bescheid gegeben deswegen-Folge war, dass ich ohne Unterhose auf dem kalten Flur stehen musste in meiner Erinnerung ziemlich lange. Irgendwann wurde mir eine Bettdecke hingeschmissen dort und ich durfte mich setzen. Musste trotzdem die ganze Nacht auf dem kalten Flur verbringen.
Spaziergänge fanden ausschließlich in der für mich sehr bergigen Umgebung statt. Vll. daher meine Höhenangst heute.
Irgendein Fest gab es auch im Garten.
Kaltes Abduschen gehörte zur Kur.
Postkarten wurden von den Erzieherinnen geschrieben.
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Emma G. schrieb am 28.10.2020
Zum ersten Mal erfahre ich heute, das ich damit gar nicht alleine bin. Und tatsächlich kostet es meinen Fingern gerade Überwindung, etwas zu tippen.
Meine Erinnerungen geben mir aber nichts klares her. Nur die Gefühle toben. Das macht es zusätzlich schwer, das jemand einem glaubt.
Das Einzige was ich klar weiß:
Ich wurde mit ca 9 Jahren in ein Kinderheim auf Westerland Sylt verschickt. Für eine Ewigkeit von sechs Wochen. Begründung: ich war zu klein und dünn. Die Kindergruppen hatten Namen von Farben. Ich war in der braunen Gruppe. Die Ältesten Gold, Silber und Bronze.
Am Abend von der Abfahrt (ich hatte große Angst) ging es mir so schlecht, dass sogar ein Notarzt kam. Weder Arzt, noch meine Eltern ließen von der Entscheidung ab und so musste ich fahren.
Ich weiß, es ging /erging mir dort nicht gut, habe nur Fragmente der Erinnerung und die Sicherheit meiner panischen Gefühle an diese Zeit. Bin ich ein Opfer? Gehöre ich zu euch? Ich weiß es nicht.
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Ralf Grunenberg aus Esslingen schrieb am 28.10.2020
Verschickungsjahr 1977
Ort: Amrum
Name der Einrichtung: keine Erinnerung
Dauer: 6 Wochen

Hallo, ich habe diese Seite und die Aktion dahinter erst kürzlich entdeckt und möchte dies mit meinem kleinen Beitrag unterstützen.

Ich war im Jahr 1977 auf Amrum, keine 7 Jahre alt. An die Zeit habe ich nur bruchstückhafte Erinnerungen - überwiegend negativer Art. Ohne dies jetzt romanartig runterzuschreiben, hier folgende Erinnerungen...

Es gab Essenszwang: wer nicht aufgegessen hat, musste sitzen bleiben, bis der Teller leer war. In Reih und Glied ging es wieder aufs Zimmer und wer nicht ordentlich in der Reihe stand, dem wurde der Kopf gegen die Wand geschlagen - dies durfte ich erfahren. Es gab eine "Betreuerin", die da besonders "intensiv" unterwegs war.
Zum Duschen wurden Mädchen und Jungs gemeinsam in den Waschraum gesteckt, mussten sich dort freimachen und duschen/waschen. Alles ziemlich ruppig und lieblos. Keine Ausnahmen.
Ich erinnere mich aber auch an eine sehr nette Heimleiterin, bei der ich mir alle paar Tage eine Glasampulle mit Vitaminen (so hieß es zumindest) abgeholt habe, die ich direkt bei ihr trinken musste.

Eine andere eher positive Erinnerung war das "Comiczimmer", in dem man sich mit Comics eindecken konnte. Bücher gab es dort wohl auch.

Weitere Erinnerungen habe ich nicht, würde mich aber über andere Leute freuen, die in der Zeit auch dort waren und sich austauschen möchten.

Liebe Grüße
Ralf
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Loki schrieb am 28.10.2020
Ich war wahrscheinlich im Haus Felicitas in Bad Wiessee am Tegernsee, in den Jahren 1963 oder 1964. Ich war damals erst 2 oder 3 Jahre alt, daher habe ich wenige Erinnerungen. Haus Felicitas war damals angeblich das einzige Kindererholungsheim in Bad Wiessee, dass so junge Kinder genommen hat. Ich habe nur so Blitzlichter im Kopf, was meine Erlebnisse betrifft. Einmal haben wir an kleinen Tischen und kleinen Stühlen Mandarinenstücke gegessen, die auf Tellern zu Kreisen gelegt waren.
Ich erinnere mich auch, mit kleinen Holzfiguren gespielt zu haben, kleine Holztierchen, Bauernhoftiere. Zum Mittagsschlaf mussten wir auf Holzklappliegen auf den typischen Balkonen/Galerien liegen, die die Häuser dort heute immer noch haben. Soweit ich mich richtig erinnere, war das Bettzeug blaukariert. Den Rest habe ich vergessen oder verdrängt. Meine Mutter sagt heute, ich wäre dort etwa vier Wochen gewesen. Sie hätte mich vorzeitig abgeholt. Ich hätte an dem Tag in die Hose gemacht, es hätte aber niemanden dort interessiert, ich wäre mit nassen Klamotten herumgelaufen. Der damalige Besitzer des Hauses war laut Gemeinde ein Professor, der in der Nazi-Zeit bei der SA war. Ob er sich tatsächlich selbst um das Heim gekümmert hat, weiß ich nicht.
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Erich schrieb am 27.10.2020
Ich war mit 5 Jahren für 6 Wochen auf Borkum. Habe nicht mehr oft daran gedacht, bis mein eigener Sohn 5 Jahre alt war und ich erkannt habe, wie zerbrechlich Kinder in dem Alter sind. Seit dem beschäftigt mich mein Aufenthalt dort und was er wohl aus mir gemacht hat. Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern. Das Heim hatte einen langen weisen Flachbau mit Schlafräumen zu einer Seite hin und Duschen über den Flur zur anderen. Der Essraum war größer und vermutlich in einem separaten Gebäude. Wenn ich mir Fotos im Internet anschaue kommen da mehrere Häuser in Frage, ohne dass ich es mit Bestimmtheit sagen kann. Ich würde am ehesten auf Haus Concordia tippen. Friesenhof wäre auch möglich. Oder Haus Tüskendör. Ich kann mich an Spaziergänge am Strand und an Bunkern vorbei erinnern. "What shall we do with the drunken Sailor..." wurde uns beigebracht, wobei ich Jahre später das Lied nur an der Melodie erkannt hatte, englisch konnte ich ja damals noch nicht. Beim Spaziergang kamen wir an ein altes großes Haus, in dessen Ecke ein Kiosk war, wo wir Lakritze gekauft (bekommen?) haben. Das muss am Ende der Spaziergänge gewesen sein, denn ich erinnere mich, mich darauf gefreut zu haben. Liederabende, bei denen "Ein Loch ist im Eimer, oh Henry, oh Henry..." gesungen wurde, gab es. Höhensonnen-Behandlungen, bei der ich diese schwarze Schwimmbrille aufgesetzt bekam. Zu Essen und Trinken weiss ich nichts mehr. Aber die Nächte... Ich kann mich erinnern aus dem Bett gezerrt und kalt geduscht worden zu sein. An unendliche Verzweiflung und Traurigkeit. Nach dem Aufenthalt hatte ich alle meine Spielsachen kaputt gemacht und mein Stofftier misshandelt. Das hat mich selbst an mir gestört, das weiss ich noch. Vor allem messe ich genau daran, wie sehr mich die 6 Wochen belastet und geprägt haben. Ich war schwierig danach. Ein vertrauensvolles Verhältnis zu meinen Eltern konnte ich nie mehr aufbauen.
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Martin aus Köln schrieb am 27.10.2020
Ich war im August 1961 im Alter von 7 - 8 Jahren in Braunlage, weil ich wohl als zu mager befunden wurde. Das war bei mir eher Veranlagung, denn ich war kein schlechter Esser. Ich hatte also kein Problem damit, das Essen, das uns vorgesetzt wurde (Hausmannskost), zu essen, und deshalb habe ich nicht groß zu klagen.
Aber ich habe erlebt, dass andere schon mal Nackenschläge bekamen, damit sie weiter essen und es kam auch vor, dass Kinder gezwungen wurden, in den Teller Erbrochenes mit aufzuessen.
Soweit mein Bericht. Ich wünsche euch viel Erfolg bei der Aufarbeitung.
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Daniela aus Duisburg schrieb am 26.10.2020
Ein Thema, das mich nicht los lässt - selbst mit fast 50 Jahren habe ich immer wieder ein komisches Gefühl in der Magengrube, wenn ich bestimmte Gerüche in der Nase habe (die ich nicht genau definieren kann).
Mit 6/7 (Herbst 1978) Jahren war ich auf Borkum im Adolfinenheim. Es war so traumatisch. Fahren sollte ich, weil ich schon immer zu dick war und schlimme Allergien hatte. Leider ist die meiste Zeit in einem schwarzen Loch, aber einzelne Dinge haben sich in meinen Kopf gebrannt.
Als wir ankamen, haben die Erzieherinnen die Kleidung sortiert und haben meinen neuen Lieblingspullover, den meine Mutter extra für die Kur gekauft hatte einfach wegsortiert, für die Rückfahrt in 6 Wochen. Dann haben sie sich über meine Kuscheldecke lustig gemacht und diese auch wegsortiert, so dass ich sie nicht hatte.
Wir mussten bei der Ankunft alle Süßigkeiten abgeben, die wir mitbekommen hatten. An den Gemeinschaftsabenden wurden die Süßigkeiten verteilt, da ich aber am Biomaristisch saß (Tisch der Fetten) - bekam ich ein Kaugummi. Dazu gab es oft Hering in Gelee (etwas, das ich heute noch nicht essen kann) und so komische Dinge wie Cornflakes mit Orangensaft. Wir mussten vor der Hauptmahlzeit in irgendeinem Büro immer einen Becher mit Glaubersalz trinken. Wir sind immer hingerannt und haben gerangelt, wer den Becher bekommt, in dem auch nur ein Milliliter weniger drin ist.
Die Toiletten haben furchtbar gerochen. Dazu immer der Durchfall von dem Glaubersalz.
Wir haben auch Ausflüge zum Strand gemacht - nachdem einer aus unserer Gruppe in die Hose gepieselt hatte (was bei Kindern ja durchaus mal vorkommen kann), bekamen wir aber ab nachmittags auf den Ausflügen nichts mehr zu trinken, sondern nur noch einen Apfel.
Wir hatten in der Gruppe einen dreijährigen Jungen, der sollte sich immer alleine anziehen, scheiterte aber an diesen schrecklichen Strumpfhosen, die wir in den 70ern alle hatten - und er durfte so lange nicht zum Frühstück, bis er sich angezogen hatte. Wir kamen vom Frühstück zurück und er saß immer noch heulend auf dem Bett.
In der Dusche habe ich die Bebe-Creme genutzt, die meine Eltern mir mitgegeben hatten. Die hat man mir aus der Hand geschlagen, weil ich nicht gefragt habe, ob ich sie nutzen darf.
Während des Aufenthalts sollten wir einen Mittagsschlaf machen. Das kannte ich von Zuhause nicht, daher habe ich nur ruhig im Bett gelegen und den Schlaf vorgetäuscht. Irgendwann kam eine Erzieherin ins Zimmer, hat festgestellt, dass ich nicht schlafe und hat mir eine Ohrfeige gegeben. Ich bin Zuhause nie geschlagen worden und war echt verstört.
Die Karten nach Hause wurden von den Erzieherinnen geschrieben, ich habe noch welche gefunden - ausschließlich positiv, ich kann mich an nichts davon erinnern.
Krank bin ich dort auch geworden und habe übel viel gebrochen, kann mich daran aber auch nicht erinnern, nur, dass mich mal eine Erzieherin ausgeschimpft hat, weil ich wohl im Halbschlaf ins Bett gebrochen habe und das einfach umgedreht habe (das vollgebrochene Ende ans Fußende gedreht.
Es war eine schreckliche Zeit.
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Eva Christine Heinloth aus 80634 schrieb am 25.10.2020
Obwohl ich schon 11 Jahre alt war, als ich ins "Erholungsheim" verschickt wurde, habe ich die 4 Wochen dort in sehr schlechter Erinnerung.

Die Leiterin unsrerer Gruppe ( ich weiß übrigens den Nachnamen noch ) war unnahbar - sie kümmerte sich lieber um ihr eigenes Kleinkind - und achtete streng darauf, dass alle abstrusen Regeln eingehalten wurden, beispielsweise dass die Post an Zuhause vorgelegt werden musste, dass alles Essen aufgegessen werden musste etc.

Am schlimmsten empfand ich die emotionale Kälte seitens der Erwachsenen.

Auch die unüberschaubare Menge an Kindern machte mir zu schaffen. Es wurden oft Wettspiele gespielt statt Spiele, die Gemeinschaft stifteten.

Zu meinem Glück konnte ich mich mit einem jüngeren Mädchen ( aus dem Bayerischen Wald ) anfreunden, ihre Herzenswärme hat mich davor bewahrt, vor Heimweh krank zu werden.
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S. Ibeneme schrieb am 25.10.2020
Ich war selbst ein Verschickungskind und habe psychische Gewalt der aufsichtführenden Personen an der eigenen Kinderseele erlebt. Der Umgang mit den Kindern allgemein war grob und lieblos. Verständnis für die Bedürfnisse der Kinder wurde nicht aufgebracht. Bezreuerinnen, die sich mehr um das Wohl der Kinder bemühten, wurden von der Heimleiterin zurück gepfiffen. Ich selbst stamme aus dem damals sehr ungesunden Ruhrgebiet, aber meine Verschickung wurde vom Schularzt wegen angeblichem Übergewicht initiiert. Im Heim aßen alle
Kinder gemeinsam diesselbe Kost. Wer etwas nicht mochte oder wem nicht wohl war, wurde zum essen gezwungen. Ich selbst habe bei Tisch erlebt, das ein Kind die Quarkspeise nicht mochte, weil es sich krank fühlte. Es wurde schimpfend gezwungen zu essen. Es übergab sich und musste das Erbrochene essen. Daraufhin übergaben sich noch mehr Kinder an unserem Tisch. Wir mussten sitzen bleiben und abwarten, bis der Befehl zum allgemeinen Aufstehen vom Platz gegeben wurde. Ich selbst mochte keine Kellogs und wurde ebenfalls immer wieder schimpfend stundenlang aufgefordert, die immer unappetitlichere Masse auf meinem Teller zu essen. Ich durfte nicht von meinem Platz aufstehen und musste dort mehrere Stunden allein im Saal sitzen bleiben. Nur eine wechselnde Aufsicht war ausser mir selbst anwesend. Ich weigerte mich dennoch hartnäckig trotz vielfältiger Drohungen der Aufsichtspersonen. Schließlich wurde ich ins Büro der Heimleiterin gebracht. Dort stellte diese mich vor einen Bodenspiegel. Nach einem langen, mich verunsichernden Schweigen, fragte sie mich mit drohendem Tonfall, ob ich, mich im Spiegel betrachtend, meiner Ansicht nach, so aussähe, als ob mir so dermaßen übel sei, sodass ich Kellogs nicht esse könne. Die Art der Fragestellung verunsicherte und verängstigte mich zutiefst. Ich hatte Angst, das sie mich schlagen würde. Ich stammelte, das mir wirklich schlecht sei. Daraufhin ließ sie mich gehen, nachdem sie feststellte, das ich für mein bockiges Verhalten kein gutes Essen verdiene. Ich würde, ab jenem Zeitpunkt an jedem Tag an dem es Kellogs gäbe, nur Pfefferminztee und zwei trockene Zwiebacke erhalten. Mir war das recht, aber das wagte ich nicht laut zu sagen. Ich wagte es ausserdem nicht mehr irgendeine Mahlzeit zu verweigern, sodass ich statt wie verordnet abzunehmen, direkt nach der Kur gewogen, mehrere Kilos zugenommen hatte. Meine Eltern sollten eine Zuzahlung zur Kur leisten, was sie rigoros ablehnten, da ich massiv zugenommen hatte aufgrund von erzwungenem Essen. Dies erfuhren sie nach meiner Heimkehr aus meinem Munde. Viele Kinder litten unter großem Heimweh und manche dachten, das sie nie mehr nach Hause dürften. Wir mussten altersunabhängig allesamt Mittagsschlaf halten. Der Schlafsaal war erfüllt von unterdrücktem Weinen und Schluchzen. Wer zu laut weinte, wurde ausgeschimpft oder bestraft. Auch ich hatte Heimweh, aber mir war damals schon klar, das ich nicht so heftig daran litt wie manch anderer. Kinder wurden nicht beruhigt oder getröstet und wir durften uns auch nicht gegenseitig trösten. Sich entwickelnde Freundschaften unter den Kindern wurden unterbunden. Gemeinsame Spielzeiten wurde nicht angeboten. Ausflüge und lange Fußmärsche waren an der Tagesordnung. Still sein und im Gänsemarsch laufen wurde gefordert. Ich erinnere einen allgemein gebräuchlichen Befehlston des Personals. Einmal in der Woche wurde im Saal vorgelesen. Manch einer wurde wegen angeblichem Fehlverhalten zur Strafe davon ausgeschlossen. Es war ein einsamer und eintöniger Aufenthalt geprägt von täglichen Repressalien. Man versuchte, nicht aufzufallen und sehnte den Tag der Heimreise herbei. Einmal wöchentlich mussten wir je eine Briefseite für die Eltern schreiben. Es wurde uns gesagt, wieviel wir zu schreiben hätten und das wir nur Gutes zuschreiben hätten, damit sich die Eltern keine Sorgen machen müssten. Ausserdem sollten wir vorrangig schreiben, ob die Eltern noch benötigte Kleidung zu schicken hätten und wie das Wetter auf Sylt sei. Die Briefe durften nicht heschlossen werden, sodass ich heute denke, das das Geschriebene gelesen und zensiert wurde. Die Vorkommnisse in diesem Heim sind mir bis heute äusserst unangenehme und präsente Erinnerungen.
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Norbert aus Mönchengladbach schrieb am 23.10.2020
Ich bin eines dieser Verschickungskinder

Ich erinnere mich - so gut es nach fast 70 Jahren geht - an meinen Aufenthalt in einem Kinderheim zur Erholung.
Der Anlass dazu ist, dass ich in diesen Tagen lese, dass die früher übliche Kindererholung industriemäßig gesteuert wurde und vielfach extremes Leid für die Kinder gebracht hat, während die Veranstalter üppige Einnahmen verbuchen konnten. Dieser Überbau der damaligen Kindererholung, der auf Vorläufe bis in die 20er Jahre zurück geht und bis in die 80er Jahre andauerte, war mir bisher unbekannt, passt aber doch sehr gut zu meinen Erlebnissen. Deshalb berichte ich nun darüber, damit die Dokumente aus der Zeit mit Vielfalt gefüllt werden können und Erkenntnisse ermöglichen. Mir ist diese Zeit noch sehr gut in Erinnerung, aber nur episodenhaft. Offenbar ist vieles nicht erinnerungswürdig. Die skizzierten Episoden sind es aber schon.
* Der Kontext
Ich war noch nicht in der Schule. Die Kindererholung müsste also 1953 am Beginn oder Ende des Jahres gewesen sein. Sie dauerte mehrere Wochen in einer sehr kalten Jahreszeit. Ich war ein folgsames und braves Kind und habe mir immer ziemlich viel geduldig gefallen lassen. Das passte damals so in den Zeitgeist. Dass meine Eltern mich zu so einer Erholung schicken wollten, habe ich dann auch so einfach mitgemacht. Ich war - das wusste ich ja - ziemlich anfällig für Erkältungen. Wenn der Hals oder sonst etwas weh tat, musste ich meist ins Bett. Auf der Bettdecke habe ich ausrangierte Wecker zum Leben erweckt und nannte das reparieren oder ich habe einen kleinen Panzer aus Blech aufgezogen und über die Hügel der Bettdecke fahren lassen. Aus der Kanone kamen kleine Funken. Und ab und zu brachte mir meine Oma alte Wecker und Traubenzucker zum Lutschen vorbei. Ich schmücke das hier nur etwas aus, um auf den Zeitgeist einzustimmen. An besondere Emotionen kann ich mich zumindest nicht erinnern, als meine Eltern die Kindererholung ankündigten. Ich konnte es aber nachvollziehen. Meine Eltern hatten vorab ein ausführliches Merkblatt bekommen, das detailliert vorgab, was von den Eltern erwartet wurde, damit sich die Kinder erholen. Ob zu der Entscheidung ein Arzt oder eine Krankenkasse beigetragen haben, das weiß ich nicht.
Ich nehme an, dass ich mit den anderen Kindern mit dem Zug von Essen ins Sauerland gefahren bin. Es war das Sauerland, weil meine Mutter in Garbeck im Sauerland eine Freundin hatte und das Kinderheim soll dort in der Nähe gewesen sein. Ich erinnere mich nicht an den durchlaufenden Alltag im Kinderheim, ich habe eben nur solche Episoden in Erinnerung, die mich bis heute beeindrucken.
Episode 1 • Als die Päckchen kamen
Ein Punkt des Merkblattes zur Kindererholung war: Dem Kind keine Päckchen schicken. Das mit den Päckchen weiß ich deshalb so genau, weil nach meinem Eindruck alle Kinder ein Päckchen bekamen, nur ich nicht. Meine Eltern hielten sich an Vorgaben sehr genau. Solche Päckchen wurden dann im einzigen großen Raum in der Parterre, der auch Speisesaal war, offen hingestellt. Das Kind, dass das Päckchen bekommen hatte, durfte sich daraus mit Beratung des Personals etwas für sich selbst aussuchen. Alles andere wurde nach und nach gleichmäßig an alle Kinder verteilt. Ab und zu gab es also mal ein Stück Schokolade oder einen Keks.
Episode 2 • Die erste Mahlzeit
Als wir ankamen wurden wir in Gruppen aufgeteilt. Alle Kinder lieferten die Reste ihrer von zu Hause mitgebrachten Wegzehrung im Speisesaal ab. Daraus wurde das erste Abendessen zusammengestellt. Ich habe weder vorher noch nachher Butterbrote von anderen Kindern angerührt. Aber unter solchen unerwarteten Situationen bei einer Mahlzeit habe ich nie gelitten. Ich konnte zwar eine Menge essen, war aber trotzdem so genügsam, dass mir eine ausgefallene Mahlzeit überhaupt nichts ausmachte.
Episode 3 • Der Spaziergang
Einmal ging es in die gesunde Luft und damit tatsächlich ins Sauerland, denn im Kinderheimalltag gab es sonst nichts, was mit dem Sauerland zu tun hatte. Draußen ging es aber nicht zum Kinderspiel, sondern in einer disziplinierten Wanderung in aufgestellten Reihen über Hügel auf angelegten Wegen am Waldesrand. Es war bitterkalt. Kälte hat mir nie etwas ausgemacht. Sie gehört zum Winter und ich mag sie bis heute. Als es ein Stück über die Landstraße ging, sah ich plötzlich das Auto meiner Eltern. Es kam uns entgegen. Freudig berührt rief ich dann: "Da kommt mein Vater!" Aber das Auto fuhr weiter. Ich drehte den Kopf dem Auto hinterher und war bitter enttäuscht. Ich kannte das Auto und konnte mich nicht geirrt haben. Es war ein kleiner schwarzer Renault. Kurze Zeit später kam das Auto aber zurück und hielt an unserer Wandertruppe. Ich war glücklich, wenn auch die Begegnung in meiner Erinnerung nur ein paar Minuten dauerte. In den nächsten Jahren erzählte meine Mutter gern davon. Das erklärte dann auch mir das Szenario: Meine Eltern hatten den Besuch einer Freundin meiner Mutter damit verbunden, einmal zu gucken, wie das Kinderheim von außen aussieht. Laut dem Merkblatt waren Besuche der Kinder ausgeschlossen. Daran dachten meine Eltern wohl, als sie zufällig der Spaziergruppe begegneten. Meine Mutter hatte mich wohl an meiner Mütze sofort erkannt und dann gesehen, wie ich dem Auto hinterher geguckt habe. Man habe sich dann entschlossen, zu wenden.
Episode 4 • Das Bergfest
Zur Halbzeit des Aufenthalts gab es ein Fest in dem großen Zentralraum des Hauses. Alle Kinder wurden verkleidet. Wie das organisiert war, weiß ich nicht. Jedenfalls war schnell klar, dass ich den Moritzpart von Max und Moritz übernehmen würde. Ich war dünn und hatte Haare, die sich zu so einem aufrechten Pferdeschwanz in der Mitte des Kopfes gestalten ließen. Das waren die besten Voraussetzungen für die Rolle. Ich saß dann neben einem Max und habe den Tag in angenehmer Erinnerung. Was ich mit der Rolle anfangen sollte, wusste ich nicht so recht.
Episode 5 • Die Höhensonne
Eines Tages wurde die damals gern benutzte Höhensonne aufgebaut. Das war ebenfalls in diesem großen Raum, in dem alles stattfand. So ein Gerät erzeugt ultraviolettes Licht, wie es im Hochgebirge anzutreffen ist. Diese Geräte wurden damals vorbeugend gegen Rachitis eingesetzt und unterstütze die Bildung von Vitamin D. Wir saßen mit Schutzbrillen und nacktem Oberkörper davor, bis die Uhr abgelaufen war. Es roch nach Ozon und ich dachte für einen Moment, dass es so im Hochgebirge riechen muss. Das Prozedere sollte der Gesundheit dienen. Das sagte man damals so. Nicht ohne Grund gab es diese Lampen bald schon nicht mehr. Das Sonnenbaden wurde später ja anders kultiviert und kommerzialisiert, ohne dass es unbedingt gesunder wurde.
Episode 6 • Die Milchsuppe
Ich weiß nicht mehr, wie die Suppe hieß, es war so eine dickliche braune Milchsuppe mit Schokoladengeschmack. Diese Suppe gab es ziemlich oft. Wir waren aufgefordert, so viel wie möglich davon zu essen. Es war so eine Suppe, die sich beim regelmäßigen Wiegen gewichtssteigernd bemerkbar macht. Eines Tages sagte eine der Frauen vom Personal, wir sollten doch alle mal schnell die Teller leer essen, denn gleich käme die andere Mitarbeiterin, die wahrscheinlich nichtsahnend fragen würde, wer denn noch Suppe haben will. Dann sollten wir doch alle aufzeigen und ihr dadurch mächtig viel Arbeit machen. Das haben wir dann auch mit Freude getan. Jedenfalls saßen wir plötzlich alle vor einem Teller Suppe, den wir eigentlich nicht haben wollten, aber auch nicht mehr ablehnen konnten. Ich wusste also, dass man auch der Freundlichkeit des Personals nicht trauen konnte.
Episode 7 • Die Schuppen
Eines Tages wurden wir auf der Jagd nach Läusen und Schuppen ausführlich gekämmt. Es gab also am Ende drei Gruppen. Ich war fest davon überzeugt, dass man bei mir nichts findet, was nicht auf den Kopf gehört. Aber ich gehörte dann in die bemakelte Gruppe derer, die Schuppen haben. Ich wusste allerdings gar nicht, was Schuppen sind, nahm die niederschmetternde Diagnose aber mit Haltung an.
Episode 8 • Das Schlafprozedere
Wir waren in Gruppen eingeteilt, die jeweils bestimmte Schlafräume belegten. Wohl mangels ausreichender Waschräume wurde ich mit meiner Gruppe bevorzugt, wobei ich diese Bevorzugung auch im Nachhinein nicht ausmachen kann. Wir durften mit Abstand als erste in den Waschraum und dann ins Bett. Dort wurde uns bereits etwas vorgelesen, als die andern Gruppen noch in den Waschraum mussten. Die Nachtruhe begann für alle Gruppen gleich.
Episode 9 • Der Kriminalfall
Im Schlafraum stand ein Spezialeimer für den Notfall. Er war ausdrücklich nur für das kleine Geschäft ausgewiesen. Ich war - auch wenn es manchmal etwas qualvoll war - darauf eingestellt, auf keinen Fall in der Nacht aufzustehen. Eines Morgens fand das Personal in dem Eimer einen dicken Haufen. Das hatte zur Folge, dass die Heimleiterin ihren Auftritt hatte. Alle Kinder meiner Gruppe wurden in kriminalistischer Manier einzeln befragt und mit höchsten ethischen Anforderungen konfrontiert. Als Mitglied der Delinquentengruppe fühlte ich mich gleich wie ein Outlaw. Ich fand das äußerst unangenehm. Die Details habe ich verdrängt. Verdächtig waren alle und das ganze Kinderheim nahm das Thema mit Entrüstung auf.
• Kleine Zusammenfassung und Ausblick
Wahrscheinlich habe ich bis zum Ende des Aufenthalts ein halbes Pfund zugenommen. Meine Eltern bekamen Belege darüber. Das war eine schmale Ausbeute. Ansonsten war das Kinderheim irgendwie auszuhalten. Aber es gab ja keinen Grund dafür, es auszuhalten. Ansonsten war ich ja auch nur als Objekt dort geparkt. Wer ich war, das spielte keine Rolle. Bleibende Schäden hat das alles bei mir wohl nicht hinterlassen, aber meinen Blick als Kind im Wirkungsfeld von Erwachsenen geschärft. Ein intendiertes Wohlbefinden mit messbarer Erholungswirkung gab es sicherlich nicht.
Dass das, wie ich heute über solche Verschickungsheime lese, ein gutes Geschäft war, mag ich glauben. Vorstellen könnte ich mir auch, dass man zum Nachweis der Wirksamkeit solcher Kuren auch nur die Gewichtszunahme der Kinder als Kriterium genommen hat. Gerade in einer Zeit des noch nicht so weit entwickelten Wohlstandes im Eindruck der gerade überwundenen Kriegszeit, war das wahrscheinlich das Maß aller Dinge und läutete über die Mast von Kindern die Fresswelle ein.
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I. Streich aus Straelen schrieb am 23.10.2020
Wegen Untergewicht wurde ich 1969 ins Kinderheim Marianne in Obermaiselstein, Allgäu verschickt. Es waren die schlimmsten 6 Wochen meines Lebens. Natürlich hatte ich Heimweh, das kam hinzu, aber hier einige Auszüge meiner Erinnerungen:
1. es gab nur 1x täglich eine Tasse Tee am nachmittag (damit die Kinder nicht ins Bett machen)
2. morgens gab es Brot, das sparsamst nur einseitig mit Margarine und Marmelade versehen wurde, also trocken ohne Ende. Dazu eine Kelle Milchsuppe (Haferflockenschleim). Sagte man, ich möchte nur wenig, gab es doppelt so viel. Es MUSSTE aufgegessen werden, solange mussten sie anderen Kinder warten. Ein Mädchen erbrach sich in ihrem Teller, auch das musste aufgegessen werden. Ein Junge schaffte die Brote nicht - dann musste er sich in die Mitte stellen und alle mussten zuschauen und warten, bis er das Brot heruntergewürgt hatte.
3. Taschengeld wurde eingestrichen - am Ende durften wir nur vom Kinderheim Marianne bereit gestellte Souvenirs kaufen, um es zuhause zu verschenken. Mein Rest-Taschengeld habe ich nie wiedergesehen.
4. Einmal die Woche durften wir einen Brief schreiben, der zensiert wurde.
5. Mein zugeschicktes Geburtstagsgeschenk (Süßigkeiten) sollte ich an alle Kinder verteilen, fand ich in Ordnung - es war noch ganz viel übrig. Der Karton war am nächsten Tag weg.
6. Ich habe dort derart abgenommen in den 6 Wochen (da ich ständig Magenkrämpfe hatte) ich glaube von 42 auf 36 Kilo....man schickte mich fast die gesamten 6 Wochen nach dem Frühstück ins Bett. Da lag ich dann alleine und unbeschäftigt....eine grauenvolle Zeit.
7. Als ich nach 6 Wochen nachhause kam, hatten sich meine Eltern auf ein gut erholtes Kind, dass ein paar Kilos mehr auf den Rippen mitbrachte, gefreut und waren entsetzt. Zur damaligen Zeit war es leider noch nicht üblich, sich bei den Krankenkassen/Institutionen zu beschweren.
8. Ich habe mich vor 2 Jahren in 2018 (habe erst in 2020 von diesem Thema im TV gehört) mit dem Kinderheim Marianne, das mittlerweile von der Enkelin geführt wird, in Verbindung gesetzt. Ich wollte diese Geschichte loswerden, wenn gleich die verantwortlichen Personen nicht mehr leben.....sie räumte ein, von den "Geschehnissen" gehört zu haben und bot mir eine Entschädigung in Form eines Wiedergutmachungs-Urlaubs an. Dieses habe ich nicht angenommen, da sie ja nicht persönlich für diesen Alptraum verantwortlich ist/war. (Heute ist das komplett modernisierte Haus eine Mutter/Kind-Erholungs-Einrichtung).
Nach dem TV-Bericht in 10/2020 im WDR war ich schockiert und aufgewühlt, wieviel armen Kinderseelen dieser HORROR angetan wurde.
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Anette Hartmann aus Fulda schrieb am 22.10.2020
Kinderheim Dr. Ewald, Wüstensachsen. Die älteren Mädchen (10-13 Jahre) wurden im Keller mit kaltem Wasser abgespritzt. Man wurde geohrfeigt, wenn man aus dem Mittagsschlaf aufschreckte, ein Mädchen wurde kollektiv von uns anderen bestraft, indem jeder von uns ihr eine Ohrfeige geben musste. Aufessen war Pflicht, ob man wollte oder nicht.
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Lilly aus Köln schrieb am 21.10.2020
Ich war 6 Jahre alt, wog 20 Kg und hatte chronische Bronchitis. In den Sommerferien 1957 wurde ich deshalb vom Gesundheitsamt der Stadt zur "Kindererholung" geschickt. Ich sollte dort wohl "gemästet" werden. Ich bekam 4 Mahlzeiten am Tag und wehe ich habe nicht alles aufgegessen. Es lief immer ein "Fräulein" mit kurzem Rohrstock in der Hand durch den Speisesaal. Eines Abends gab es Milchreis, den ich überhaupt nicht mochte. Als alle anderen Kinder schon aufgegessen hatten und der Saal leer war, saß ich immer noch vor dem vollen Teller Milchreis. Dann setzte sich das Fräulein mit dem Rohrstock neben mich und zwang mich aufzuessen. Mit dem letzten Löffel habe ich dann alles wieder ausgebrochen und der Teller war wieder voll. Dann sollte ich alles wieder aufessen. Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt und wurde dann ins Bett geprügelt.
Noch heute meine ich, immer alles aufessen zu müssen und werde mein Übergewicht wohl nicht mehr los.
Gegen Ende des Aufenthaltes bekam ich Mumps. Dann ließ man mich in Ruhe, weil man Angst vor Ansteckung hatte.
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Lisa schrieb am 21.10.2020
mit 2 Jahren wurde ich das erste mal nach St Peter geschickt, für vermutlich 6 Wochen in den Ferien. Es war ein privates Heim, die Besitzerin war eine Bekannte meiner Großmutter, diese wollte sie nach dem Krieg in ihrer Selbständigkeit unterstützen und hat meinen Eltern die Kosten des Aufenthalt geschenkt. Ich muß großes Heimweh gehabt haben, erinnere eine Szene weinend im Kinderbettchen gestanden zu haben und mit den Fingernägeln die Tapete abgekratzt zu haben.
Verzeifelt weil niemand kam um mich zu trösten.
Weil ich ja so braungebrannt und wohlgenährt zurück nach Hause kam, wurde ich jedes Jahr in den Ferien wieder dorthin geschickt bis zu meinem 7. Lebensjahr. Dann für ein ganzes Jahr.
Das war besonders schlimm, da ich dann mit "Tante Lisa" alleine war. Nur in den Ferien waren auch andere Kinder da.
Ich erinnere, das ich bei Regen nackt über die Brücke in St Peter laufen mußte zur Abhärtung, das ich jeden Abend mit ihr Gesellschaftsspiele spielen mußte (seitdem spiele ich nicht mehr). Ich wurde mit dem Kochlöffel durch das Haus geprügelt wenn ich mich nicht angemessen verhielt und so weiter.
Es ist alles in anderen Beiträgen schon beschrieben.
Bevor es wieder nach Hause ging wurden meine Haare auf Papierlockenwickler gedreht damit ich/wir hübsch aussahen und in gestärkte weiße Kleidchen gesteckt (nein ich trage seitdem NIE mehr weiße Kleider) und am Tag vorher gabs reichlich und besonders leckeres essen, damit wir gute Erinnerungen für zuhause abrufbar hatten...
Nachdem ich nach der 4. Klasse die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium nicht geschafft hatte wurde ich wieder für ein Jahr zu Tante Lisa geschickt, die würde es schon richten. Es war grauenhaft, aber das glaubten meine Eltern ja nicht, weil ich immer so `gesund`nach Hause kam...
Weil ich dann tatsächlich aufs Gymnasium wechseln konnte, kam ich dann für einige Jahre in St Peter ins Internat. Mein Vater war auf Spiekeroog im Internat gewesen und hatte daran beste Erinnerungen - er wurde von da kurz vor der Abi Prüfung in den Krieg geschickt, kam in russiche Gefangenschaft. Verständlich das er nur gute Erinnerungen hatte.
Ich weiß, meine Eltern meinten es nur gut, aber das nütze mir natürlich nichts.
Viele Jahre bin ich danach nicht mehr an die Nordsee und nach St Peter gefahren.
Heute noch gibt es Ängste, Schlafstörungen, etc trotz intensiver Therapiejahre.
Wie gut das es diese Seite gibt und ich sehe, das es nicht nur meine Erfahrung ist.
Danke dafür!
PS: War noch jemand bei `Tante Lisa`in St Peter??
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Giesela M. aus Minden schrieb am 21.10.2020
Es sollte ein Forum über Krankenhausaufenthalte für Kinder in früheren Jahren geben.
Es war und ist ein Trauma. Auch wenn es hier nicht passt.
Ein Kind wegsperren in ein winziges Zimmer, allein, war 3-4 J. Jung, Bett mit Glaskuppel, konnte nicht weg,, war sicher ein Sauerstoffzelt, aber damals ........
Dann eine Punktion Rückenmark, ohne Eltern, es war schrecklich und noch mehr, viele hielten mich fest, blanker Horror!!! Später irgendwann Zimmer mit vielen Betten in Reih und Glied (Krankensaal). In der Tür ein kleines Fenster, zu Besuchszeiten durften ein Mal am Tag die Besucher durch dieses Fenster sehen. Es war einfach schrecklich, sah meine Ma, drehte mich um und weinte. Auch jetzt sind meine Augen feucht, wenn das kein Trauma war und ist.
Sorry , vielleicht hört es hier nicht hin, aber es gibt sicher auch viele andere die im Krankenhaus einiges erlebt haben. Wie schön das es das hoffentlich nicht mehr gibt.
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Giesela M. aus Minden schrieb am 21.10.2020
Wenn der Teller nicht leer war, wurde man bestraft und bekam später nichts mehr zu essen. Wollte ein jüngeres Kind nachts trösten (Heimweh), war am weinen , musste ich mich nachts in den Waschraum stellen , weiß nicht wie lange.
Aber was ich hier so gelesen habe, da hatte ich es wohl noch ganz gut.
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Biggi schrieb am 20.10.2020
Auch ich habe nur schreckliche Erinnerungen an diese Zeit. Ich wurde vor meiner Einschulung im Jahre 1966 in “Erholung” nach Wilhelmshaven geschickt. Das Heim hieß St.Ursula. Im Vorgarten stand ein Klettergerüst, das weiß ich noch. Ich hatte vom ersten Tag an Heimweh, anscheinend ging mein Koffer verloren, sodass er erst 1 Woche später eintraf. Erinnern kann ich mich auch noch an diesen Haferschleim, den es täglich gab. Manchmal gab es einen Butterkeks dazu. Wir hatten dauernd Durchfall. Ich weiß noch wie ich mich mit beiden Händen auf die Stuhlsitzfläche gepresst habe, damit nichts rauskam. Klappte nicht immer. Einmal gab es Weißwurst, die ich auf meinen Teller erbrechen musste. Die Nonne sperrte mich in ein kleines Zimmer und sagte, ich dürfe erst wieder raus, wenn ich meinen Teller leerhätte. Ich habe das Zeug zwischen die Seiten irgendwelcher Bücher geschmiert und dann versucht, aus dem Fenster zu springen. In dem Moment kam die Nonne rein… Nur einmal waren wir am Strand und haben Muscheln gesucht. Ansonsten habe ich nur schlechte Gefühle, wenn ich Wilhelmshaven höre. Weißwürste kann ich bis heute nicht essen. Ich bin auf der Suche nach Leidensgenossen, die auch in Wilhelmshaven waren. Die meisten waren wohl in Wyk auf För.
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Heidi Lichtenstein schrieb am 20.10.2020
Ich war von Wuppertal aus mit knapp 6 Jahren Anfang 1964 in einem Kinderheim Hapke auf Langeoog. Mein knapp 4jähriger Bruder war in einer anderen Gruppe ebenfalls für 6 Wochen von Januar bis März 1964 dort. Ich habe ihn praktisch die ganzen Wochen nur im Vorbeigehen gesehen. Als ich einmal das Jungenzimmer aufsuchte, um nach meinem Bruder zu sehen, wurde ich ausgeschimpft.

Ich erinnere mich, dass wir mit ca. 12 Mädchen gleichzeitig ein Mal pro Woche in den kalten dunklen Keller geführt wurden, wo wir unter 3 Duschen alle gleichzeitig duschen mussten. Da ich hüftlange Zöpfe trug und mir niemand beim Haarewaschen half, wurden meine Haare vermutlich 6 Wochen lang nicht richtig gewaschen. Während der Kur erkrankte ich an Mumps. Deswegen blieb ich mehrere Tage ausschließlich in meinem Bett im Schlafraum, bekam nur schwarzen Tee und Zwieback, den ich wegen der Halsschmerzen nicht essen konnte. Ich blieb mehrere Tage mir selbst überlassen, während die anderen Kinder ihr Tagesprogramm durchführten. Eine Absonderung, damit die anderen Kinder nicht angesteckt wurden, fand nicht statt.

Eigentlich sollten meinBruder und ich in der Kur Gewicht zunehmen, weil wir zuvor zuhause an Scharlach erkrankt waren. Tatsächlich haben wir Beide an Gewicht in der Kur verloren
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Andrea S. aus Paderborn schrieb am 19.10.2020
Weil wir zu wenig Gewicht hatten, wurde meinen Eltern vom Hausarzt empfohlen, uns - meinen 9-jährigen Bruder und mich, 8 Jahre - in eine sechswöchige Kur zu schicken.

Unsere Eltern setzten uns in einen Zug nach Melle, mit dem eine ganze Gruppe von Kindern fuhr.
Als wir im Kurheim ankamen, wurden mein Bruder und ich sofort getrennt. Auf unsere entsetzte Frage nach dem Grund ernteten wir von den anderen Kindern Spott und mein Bruder Häme (weil "mit einem Mädchen" zusammenbleiben wollte). Die Tante, deren Gruppe ich zugewiesen worden war, keifte mich an, dass ich meinen Bruder schon wiedersehen würde. Aber bis auf wenige zufällige Begegnungen wurde daraus nichts.

Ich erinnere mich, dass ich vom ersten bis zum letzten Augenblick in diesem Heim nur Angst hatte und irgendwie "zu überleben" versuchte. Es herrschte ein gnadenloses Regiment und ich machte die Erfahrung, dass man sich besser fügte, wenn man nicht angeschrien, vor der ganzen Gruppe verhöhnt und am Arm irgendwohin gezerrt werden wollte. Weinen half nicht. Sogar ganz kleine Kinder, die sauber werden sollten, wurden am Arm geschüttelt, beschimpft und schreiend weggezerrt. Alles war so gefährlich. Ich beschloss schon früh, mich unsichtbar zu machen.

Ich begriff, wie wichtig das Essen war, denn jede Woche kam ein Arzt und in einem großen Saal wurden wir versammelt und der Reihe nach gewogen. Ich hatte immer Angst, nicht zugenommen zu haben, es drehte sich alles darum und es war eine Niederlage, wenn man kein Gewicht zugelegt hatte. Ich stopfte immer alles irgendwie in mich hinein, so ekelhaft es auch war, z. B. die Milchsuppe mit Bananen, bei der ich immer würgen musste. Ich bemühte mich, dass ich mich nicht erbrach, denn ich hatte gesehen, dass Kinder, die erbrachen, nach dem Essen im Saal zurückbleiben und die ganze Portion noch einmal essen mussten.

Alles geschah immer in Reih und Glied und unter Kommandos wie beim Militär. Das Kämmen, das Baden, das Nägelschneiden, die Spaziergänge, die Solbäder, die Toilettengänge. Von einer Tante wurden mir immer die langen Haare ins Gesicht gekämmt, so dass ich überhaupt nichts mehr sehen konnte. Es war mir verboten, mir das Haar aus dem Gesicht zu streichen, solange ich in ihrer Nähe war. Ich war erschrocken, weil es doch überhaupt keinen Grund dafür gab, ich wusste nicht, warum sie so etwas machte.

Die Solbäder waren immer viel zu heiß. Wir mussten in diesem Waschraum hintereinander stehen, uns vor allen ausziehen (beim Zögern wurde ich angeschrien: "Runter mit den Klamotten!") und dann in hölzerne Wannen steigen. Schmerzäußerungen, weil das Wasser zu heiß war, wurden ignoriert: "Runter!" Mir wurde in der Wanne immer schlecht und ich hatte Herzrasen wegen des heißen Wassers. Eine Tante las aus Pippi Langstrumpf vor, während wir im Wasser lagen. Ich war so erleichtert, wenn es vorbei war.

Beim wöchentlichen Nägelschneiden wurden die Kinder gelobt, die nicht an den Nägeln kauten. Ich kaute unentwegt an den Nägeln und wurde von der "Tante" vor den anderen bloßgestellt. Um es auch einmal zu schaffen, dass von meinen Nägeln etwas abgeschnitten werden konnte, versuchte ich eine ganze Woche lang, mit den Zähnen die Nägel an den oberen Rändern ein bisschen freizulegen. Und dann klappte es endlich.

Nachts durften wir nicht auf die Toilette. Für mich war das ein Problem, weil ich tagsüber oft nicht konnte, denn die ganze Kindergruppe wurde vor dem Klo aufgestellt, die Tür war offen und alle sahen zu. Man hatte nur eine abgemessene Zeit und durfte am Ende auch nur 1 Blatt Toilettenpapier benutzen. Ich lag nachts oft wach, weil ich musste, aber auf dem Flur saß eine Tante bei einem Nachtlicht und passte auf, dass kein Kind rausging. Auch hatten die größeren Mädchen die Erlaubnis, nachts im Schlafsaal Patrouille zu gehen und die Kinder, die nicht schliefen, mit einem Schuh zu schlagen. Um zu sehen, ob man schlief, leuchteten sie einem in die Augen. Ich drehte mich vor dem Schlafen immer zur Wand, weil ich Angst hatte, dass meine Augen zittern, wenn ich angeleuchtet werde. In der letzten Nacht, als ich es wirklich nicht mehr aushalten konnte, machte ich unter der Decke einen Haufen in mein Taschentuch, verknotete es und warf es ganz weit unters Bett, in der großen Hoffnung, dass es vor der Abfahrt am nächsten Tag nicht entdeckt würde. Ich hatte Glück.

Irgendwann wurde ich krank und kam auf die Krankenstation, wo ich allein war. Dort wurde ich meist mir selbst überlassen, nur die Körperfunktionen wurden gemessen und das Essen gebracht. Trost fand ich beim Beobachten der Stubenfliegen, die um die Milchglasscheibe der Lampe an der Decke kreisten. Und dann gab es da noch eine ältere Frau, die zum Personal gehörte - und die so ganz anders war. Manchmal kam sie und redete mit mir. Sie mochte mich, weil ich so ein liebes Kind war, wie sie sagte, und so schöne Goldlöckchen hätte. Sie brachte mir sogar Süßigkeiten. Sie hieß Frau Büscher - ihr Name hat sich mir auf ewig eingeprägt. Sie erschien mir wie ein Engel.

Und einmal lugte das Gesicht meines Bruders um die Ecke - er besuchte mich heimlich! Die paar Minuten, die er sich das traute, werde ich nie vergessen. Er erzählte mir, wie viele Tage es noch seien und dass wir es bald geschafft hätten.

Manchmal durften wir Briefe schreiben. Aber nur Gutes, denn die Briefe wurden kontrolliert und laut vorgelesen. Als mein Bruder und ich uns einmal zufällig draußen mit unseren Gruppen auf einem Wandertag begegneten, nutzten wir einen unbeobachteten Moment, um miteinander zu reden. Wir sahen einen Briefkasten und überlegten, ob wir es schaffen würden, einen "echten" Brief da einzuwerfen. Aber woher die Marken nehmen? Wir verwarfen das.

Am letzten Tag gab es eine Abschiedsfeier, bei der die "Tanten" plötzlich so merkwürdig aufgekratzt und fröhlich waren. Es gab auch zum ersten Mal ein "richtiges" Essen, ich erinnere mich an Kartoffeln und Erbsen und ein Stück Fleisch - mal endlich keine Pampe. Mein Bruder sagte auf der Rückfahrt: "Das haben sie gemacht, damit wir was Schönes erzählen."

Die ganze Rückfahrt über lag ich im Zugabteil auf dem Schoß meines Bruders und weinte und er tröstete mich. Als meine Eltern mich am Bahnhof in Empfang nahmen,
weinte ich immer noch. Ich weiß noch, dass sie gekränkt waren, und dass ich mir undankbar vorkam. Sie hatten ja gedacht, uns etwas Gutes zu tun, und unsere Briefe waren doch so positiv gewesen ...

Ich glaube, es war diese Reaktion unserer Eltern, die es meinem Bruder und mir unmöglich machte, über das Erlittene zu sprechen. Als wir es nach vielen Jahren nachholten, sagten unsere Eltern, wenn sie das gewusst hätten, hätten sie uns sofort da weggeholt.

Unser Hausarzt sagte übrigens, als er uns wiedersah: "Hm, das sieht nicht nach 'gesund' aus, sondern nach Wasser." Ich hatte 6 Pfund zugenommen, die ich aber schnell wieder verlor.

Viele Jahre später, schon als Erwachsene, bin ich mit meinem Freund nach Melle gefahren und habe diesen Ort noch einmal aufgesucht. Außer diffusen Angstgefühlen habe ich nichts mehr wiedererkannt. Das Gebäude wird heute anderweitig genutzt.
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Laxofalk aus Oberhausen Sterkrade schrieb am 17.10.2020
Amrum Haus Sonnenschein. Ich war ca. 8-9 Jahre alt und sollte dort an Gewicht zunehmen.

Täglich Milchsuppe mit Mittagsschlaf war angesagt.
Die Fenstersitzseite war zum Zunehmen und die gegenüberliegende Seite zum Abnehmen dort.
Abgenommen wurde mit Obst und Weintrauben. Ich schielte immer zur anderen Reihe rüber. Wie gerne hätte ich getauscht.

Ansonsten auch schöne Erinnerungen von dort. Ich hatte meine erste Freundin beim spielen dort kennengelernt. Der Strand war schön und die Spaziergänge über die Insel auch.

Zuhause hatte ich die Pfunde schnell wieder abgehungert.

Ich habe keine schlechten Erinnerungen an Amrum.
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Laxofalk aus Oberhausen Sterkrade schrieb am 17.10.2020
Über meinen Kinderarzt aus Oberhausen Sterkrade bin ich als 6 Jähriger nach Bad Kreuznach versendet worden. Das Kinderheim wurde von katholischen "Nonnen" geführt. Ich erinnere mich noch ganz genau wie am Esstisch mein Nebenkind in seinem Teller erbrach. Ich meinte dort auch Blut im erbrochene gesehen zu haben. Er musste alles wieder aufessen. Wir Kinder lagen in einem großen Schlafsaal und hatten alle ein Fieberthermometer im Po. Ich kam zurück mit einem Schriftstück in dem stand: "Norbert kommt mit einer leichten Ruhr (Typhus B) zurück".
Fakt ist aber das ich zuhause meine kleine Schwester mit meinem Durchfall angesteckt habe. Diese wurde in der Kinder-Klinik Düsseldorf gerettet.

Mein Kinderarzt wurde von meiner Mutter wegen den Zuständen unterrichtet. Selbst andere Eltern bestätigten Ihm diese Aussagen das erbrochenes wieder aufgegessen werden musste.

Trotzdem verschickte er weiter Kinder in diesem Heim.
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Anita Neumann aus 33689 Bielefeld schrieb am 17.10.2020
Ich war 9 Jahre alt, als ich nach Bad Laasphe in ein Kinderheim mußte. Ich habe mich gewehrt, aber bin letztendlich damit nicht durchgekommen. Ich war ein schlechter Esser und sehr dünn, daher hatte ich öfter Kreislaufprobleme. Ich wurde regelrecht gemästet, durfte erst aufstehen, wenn ich meine übergroßen Portionen aufgegessen hatte. Das hatte zur folge, daß ich oft stundenlang alleine vor meiner kalten Suppe im Speisesaal saß. Ich litt im Heim unter Überkeit und Verstopfung. Aber ich hatte so sehr zugenommen, daß ich bis heute Probleme mit meinem Übergewicht habe. Die haben damals ganze Arbeit geleistet. Zudem mußte ich eine Kneipkurbehandlung mit - z. Bsp. eiskalten Güssen ohne Vorwarnung - über mich ergehen lassen , wegen des Kreislaufes. Ich hatte furchtbar Heimweh. Ich wurde nicht geschlagen, nicht sexuell mißhandelt. Ich war einfach "nur" das Kind, das sich durch Essensverweigerung (übergr0ße Portionen) nicht einfügte und wurde dementsprechend verbal behandelt. Ich fand auch das gemeinsame Duschen in einem großen Duschbadezimmer ohne Trennwände schlimm. Mit 9 Jahren hat man schon Schamgefühle. Eigentlich hat niemand so richtig mit uns gesprochen. Es wurde nur angeordnet. In Zweierreihen auf zum Spaziergang usw. Ich denke oft an diese Zeit und weiß, daß sie mir nicht gut getan hat. Meine Mutter hatte mir einmal ein Päckchen geschickt. Die Süßigkeiten daraus mußte ich abgeben. Unser Taschengeld von zu Hause mußten wir abgeben. Als ich diese Seite gefunden habe, habe ich das erste Mal wieder geweint. Zugenommen habe ich in vier Wochen 4 Kilo und Eltern und weitere Verwandte haben sich gefreut. Wie es mir ging, hat eigentlich auch zu Hause niemanden interessiert.
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Marlene aus Düsseldorf schrieb am 16.10.2020
Zusammen mit meiner älteren Schwester für 6 Wochen per Sonderzug in die "Kur" und zum ersten Mal alleine ohne Eltern und Geschwister.Der Zug füllte sich ab Köln wo uns die Eltern verabschiedeten.Wohin und was komnt? Ich ziemlich mager, immer hungrig und ein lebhaftes Kind mit viel Fantasie und jetzt schon Heimweh.In Mannheim standen Frauen vom DRK am Zug und verpflegten uns von aussen mit Tee und dünn belegten Broten.Weiter gings bis Bonndorf.Dieersten Kinder weinten und wollten nach Hause.In Bonndorf abends spät angekommen gingen wir zu Zweit Hand in Hand den "Tanten"folgend zumHeim.Ichkippte vor Hunger und Müdigkeit bei der Begrüßung durch die Heimleiterin fast um.Zum Glück kamen meine Schwester und ich in 1 Zimmer mit 6 Betten.Am nächsten Morgen war ärztliche Untersuchung.Ich war ängstlich weil mein Gewicht niedrig war und ich nur in der Unterwäsche vor 1 fremden Mann(Arzt) hin und her gehen musste.DieseOflichtuntersuchung fand noch 5x statt.Das Essen schmeckte aber immer zu wenig und immer dasselbe.Einmal habe ich im großen Speisesaal Faxen gemacht um die vielen Kinder zum lachen zu bringen.Da kam ein Erzieher an gelaufen( er sass immer draussen vor der Tür und schob Wache) und beschimpfte mich und riss mir den Teller weg und beförderte mich nach draußen ..zu essen gabs erst wieder am nächsten Morgen.Ich hab ihn bei meiner "Tante" "angezeigt und ihn nie wieder gesehen.Ich hatte trotzdem all die Wochen Angst er stünde nachts vor mir um mich zu bestrafen für das petzen.Schlinm waren die Sonntage...ohne Frühstück morgens zu Fuss in die Kirche..ein weiter Weg.In der Kirche kippte ich fast immer um...keiner kümmerte sich darum.Post von Zuhause sahen wir 2x obwohl Mutter jede Woche schrieb.Die Zeit verging so langsam...wenig Programm fast immer wandern und 1x ins Freibad.Ich übte mit einem anderen an Heimweh erkrankten Mädchen Klavier- ein kleiner Freiraum.Es gab einen Minigolfplatz aber der war immer belegt.Ein Spielzeug von Zuhause nahm man mir schon in der 1.Woche weg..ich sag es nie wieder."Tante" Werle war nett und die Leiterin des Hauses Was wari ich froh als ich wieder Zuhause war .Zugenommen:2 kg.
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Brigitte Prokop aus Meerbusch schrieb am 16.10.2020
Im Dezember 1952 wurde ich über das Gesundheitsamt Köln für fünf Wochen nach Norderney verschickt. Wir bekamen u. A. warme Wannenbäder im Kurmittel- oder Badehaus. Danach hatte ich immer sehr viel Durst, bekam aber nur eine Tasse 'Tee zu trinken. An das Essen habe ich nur eine Erinnerung: eine Eintopfsuppe mit ausgelassenem Speck erzeugte bei mir Brechreiz, so daß ich alles ausbrach aber ich mußte diese Suppe nochmals essen. Ob jetzt mit dem Erbrochenen oder nicht, kann ich nicht mehr sagen. Es gab am Abend nur eine Tasse Tee zu trinken, weil wir nachts nicht auf die Toilette gehen durften. Oft weinte ich in meinem Bett, wenn ich mir aber eins von meinen Tempotüchern aus der damals noch knisternden Packung nehmen wollte, wurde ich ausgeschimpft. Briefe schreiben mussten wir nach Diktat. Im
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Gudrun Frank aus Lonsee schrieb am 16.10.2020
als Tochter eines Eisenbahners aus Ulm wurde auch ich angeblich aus gesundheitlichen Gründen mit 6 einhalb Jahren vor Schulbeginn im Januar 1965 für 6 Wochen zum Aufpäppeln in die Kur nach Schulenberg geschickt. Ich hatte bis dahin fast alle Kinderkrankheiten durchgemacht und war ein sehr schlankes Kind. Vielleicht war das Ganze ja von den Eltern gutgemeint vor der Einschulung im Frühjahr. (Kurzschuljahr)
Meine Erinnerungen:
Zunächst fuhren mein Vater und ich mit dem Zug nach Bad Cannstadt zu meiner Tante zum Übernachten, da der Zug zum Kurort sehr früh von Stuttgart fuhr.
Dann erinnere ich mich noch an eine sehr sehr lange Zugfahrt mit anschliessender kurviger Busfahrt bei der es mir übel wurde, da ich das Autofahren nicht vertrug.
In der Dunkelheit kamen wir an und es gab Abendessen. Ein riesiger Speisesaal und es gab Griesbrei mit Kirschen, was mir überhaupt nicht schmeckte. Entweder hat mich das Essen angewidert oder ich musste mich von der Busfahrt erbrechen. Das landete im Teller und ich wurde gezwungen es zu essen. Andere Kinder, die mit ihren Beinen schauckelten wurden an den Stuhl angebunden.
Nachts waren wir in einem Schlafsaal und wenn jemand weinte oder nicht schlief, dann gab es Schläge oder er musste auf einer harten Bank im Waschsaal schlafen.
Ich hatte grosses Heimweh. Ich weinte jeden Abend im Bett und legte meine gebrauchten Taschentücher in meine Tasche. Eines Tages wurden sie gefunden und ich wurde dafür geschlagen.
Es wurden Briefe nach Hause geschickt, die gar nicht der Wahrheit entsprachen. Man fragte mich, was ich mitteilen möchte, aber ich machte keine Angaben, weil ich dachte, das schreiben sie sowieso nicht, vor allem , dass ich Heimweh hab.
Dann ging Scharlach um und wir wurden getestet. Alle die den Virus trugen mussten in Isolation.
Auch ich. Ich erinnere mich nur, dass ich tagelang allein im Zimmer im Bett lag und dass nachmittags jemand kam und ein paar Spielsachen brachte. Nachdem wir wieder gesund waren hat man uns in einen Duschraum gebracht und ich habe mich geschämt, weil ein Mann Aufsicht hatte.
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Klaus Einig schrieb am 16.10.2020
Ich bin nun 72 Jahre alt (1948 in Köln geboren) und habe zufällig vom TV Bericht über die damalige Kinder-Verschickungspraxis erfahren und sehr ungute Erinnerungen kamen bei mir dadurch hoch.
Ich war von 1954 bis 1959 insgesamt fünf mal für meistens drei bis vier Wochen verschickt worden. An die Namen der Heime erinnere ich mich nicht, doch die Orte waren Wyk auf Föhr, Husum oder St.Peter Ording, Tegernsee und im Siebengebirge. Von vier Aufenthalten existieren noch jeweils Fotos, zwei Gruppenfotos und zwei gestellte Einzelfotos, weil man den Eltern einen Nachweis vom "ach so schönen Erholungsurlaub" vorweisen wollte. Ich litt bei allen Aufenthalten unter schwerstem Heimweh. Die Reiseorganisatorin in Köln hieß Frau Schubmehl und war wohl noch aus der Nazizeit übriggeblieben. Den Namen werde ich nie vergessen. Wir fuhren vom Kölner Hauptbahnhof mit dem Dampflockzug zu den jeweiligen Orten. Immer ging die Fahrt am Abend los und dann über Nacht. Die kleineren Kinder konnten sich im Gepäcknetz hinlegen. In Hamburg war meistens ein Aufenthalt in der Bahnhofsmission bis es weiterging. An die Heime habe ich nur negative Erinnerungen mit Zwangsmaßnahmen und Drangsalierungen.
Einmal hatte ich 50 Pfennige von meiner Mutter mitbekommen, die wurden mir gleich abgenommen. In einem Heim (Husum oder St. Peter Ording) musste ich meine in den Teller erbrochene Blumenkohlsuppe weiter aufessen. Mein restliches Leben lang habe ich keinen Blumenkohl mehr gemocht. In einem Heim am Tegernsee nahm man mir ein Stofftier, meine einzige emotionelle Verbindung nach Hause, für den ganzen Aufenthalt ab. In einem anderen Heim, eine Art Bauernhof, lief in den Schlafräumen Wasser an der Wand herunter. Eltern haben ihr Kind dort wegen der Verhältnisse vorzeitig abgeholt, da gab es auch nach der Ankunft im Kölner Hauptbahnhof auf dem Bahnsteig noch lautstarke Vorwürfe seitens einiger Eltern. Wenn Frau Schubmehl einmal die Woche zur Inspektion kam wurden die Kinder zwangsweise einzeln in eine Badewanne mit kaltem Wasser gesteckt und mussten anschließend im Freien mit nackten Füßen im Gras herumlaufen, bzw. sich dann feucht ins Bett legen. Denn die Frau war eine Anhängerin des Pfarrers Kneipp. Die älteren Betreuerinnen waren meist sehr streng mit den Kindern, manchmal waren auch zeitweise junge Studentinnen dabei, die mit im Schlafraum untergebracht waren, zu diesen hatte man einen angenehmeren Kontakt.
Die älteren Jungen drangsalierten natürlich auch die kleinen Jungen, was zu vermehrtem Heimweh und auch Bettnässen führte. Dafür gab es dann kein Verständnis, sondern es wurde als Schwäche angesehen und man wurde wegen der Mehrarbeit beschimpft. Einmal bin ich sogar vom Heim weggelaufen und man musste mich suchen. In dieser Zeit glaubten die Eltern den Klagen ihrer Kinder nicht, der hat eben immer Heimweh hieß es dann. Meine Eltern meinten mir etwas Gutes zu tun, dass ich aus der Trümmerstadt Köln mal herauskam. Erst nach dem Eklat auf dem Bahnsteig 1959 gingen ihnen die Augen auf und sie waren danach sehr betroffen. Leider habe ich keinerlei positive Erinnerung an diese Aufenthalte, von fünf Wochen Sommerferien musste ich drei Wochen dort sein. Der Stress führte auch zu einem anschließenden schulischen Absacken, das sich dann bis zum nächsten Sommer wieder erholte.
Mit besten Grüßen aus der Eifel K.E.
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Claudia P. aus Iserlohn schrieb am 15.10.2020
Hallo, habe gerade bei Frau TV (WDR) den Beitrag über Verschickungskinder gesehen. Jahrzehnte war ich im Glauben, dass es eine normale Kur war. Ich bin das siebte von acht Kindern und war unterernährt. Im Alter von fünf Jahren brachte mein Vater mich zum Bahnhof und setzte mich ganz alleine in den Zug. Für mich muss der Aufenthalt dort so schlimm gewesen sein, habe nur eine einzige Erinnerung. Ich sollte ein Zäpfchen bekommen. Habe mich geweigert. Mir wurde angedroht Schwester (den Namen habe ich vergessen), zu holen. Ich muss vor dieser Frau große Angst gehabt haben, denn ich habe das dann über mich ergehen lassen. Ansonsten weiss ich gar nichts mehr von dem sechswöchigen Aufenthalt. Als ich wieder zuhause bei meinen Eltern war, habe ich tagelang furchtbar geheult. Ich habe mich immer gefragt, was denn mit mir los ist , ,warum ich mich an nichts aus der Zeit erinnere. Nachdem ich nun den Hintergrund dieser Kuren kenne, vermute ich, dass es Selbstschutz aus einem Trauma heraus ist. Im Nachhinein wird mir nun auch einiges klar. Die Startschwierigkeiten in der Grundschule....habe am Anfang immer bockig unter dem Tisch gesessen, niemand konnte mich hervor locken. Bin erschüttert....
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Vera Egert aus Münster schrieb am 15.10.2020
Ich hatte im Alter von 3 Jahren Scharlach und danach Nierenbluten.
Im Dezember 1965 bin ich zu einer Klinik in Bad Wildungen von meinen Eltern gebracht worden. Ich habe so geschrien als meine Eltern mich verlassen haben und ich habe gedacht, dass sie mich weggegeben hätten.

Die Zeit war schrecklich. Ich hatte niemanden zum spielen, weil die anderen Kinder alle älter waren. Fühlte mich alleine gelassen.
Mit 4 Jahren musste ich meine Schuhe selber putzen. Ich hatte Fellschuhe und das flüssige Mittel kippte mir um, die Erzieherin schrie mich fürchterlich an.

Wir mussten in ein Badehaus, dort musste ich mich lange Zeit (gefühlt) in eine vollgefüllte Badewanne ohne Aufsicht setzen. Gar nicht vorzustellen, wenn ich ausgerutscht wäre...

Wir mussten immer das Lied "Macht hoch die Tür" singen.
Ich kann es bis heute nicht mehr hören.

Nach der Kur habe ich nur noch gestottert und konnte keine zwei Wörter sprechen. Was sich aber Gott sei Dank gelegt hat.

Ich habe mir geschworen, diesen Ort nie wieder zu besuchen, weil es für mich ein Trauma war.
Den Namen der Klinik weiß ich nicht.

Ich habe gerade bei Frau TV den Bericht über die Verschickungskinder gesehen und mich gewundert, dass es so etwas gibt und ich nicht alleine dastehe, so eine Erfahrung gemacht zu haben.

Viele Grüße
Vera
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Zauche aus Monheim schrieb am 15.10.2020
Ich hebe den heutigen Bericht im Fernsehen gesehen und frage mich, was da los gewesen sein soll. Ich selber war 3 mal auf spickeroge un Langerooge.
Ich habe keine und wirklich keine schlechten Erinnerungen, im Gegenteil fand ich es Klasse.
Ich habe viel von der Natur gelernt und über dire Natur
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Anne Köller aus Bad Sassendorf schrieb am 12.10.2020
Hallo, ich bin mit 8 Tagen in ein Kinderheim gekommen und bis zu meinem 18. Lebensjahr dort geblieben. Mit 11 Jahren meinte man, das ich in ein Kindererholungsheim müßte weil ich zu dünn war. Dort bin ich vom Regen in die Traufe gekommen. Ich wurde gedemütigt geschlagen und gemoppt. Die Nonnen und Erzieher waren mindestens genauso hart wie im Kinderheim. Wie wollen sie alle das Entschädigen. Seit Jahren kämpfe ich um eine Kinderheimentschädigung. Gutachten wurden erstellt die unter aller Sau sind. Vom Opferschutz braucht man nichts erwarten. Das Jugendamt geht mit einem um als wenn man noch ein Heimkind ist und die Akten wurden vernichtet und alle waschen sich die Hände in Unschuld. Es ist ja schön das sie Aufarbeitung machen wollen. Nur jahrelanges Aufarbeiten macht müde und resignierend und wird wahrscheinlich wieder im Sande verlaufen. Es wird auf Zeit gespielt in der Hoffnung das viele versterben werden. Gerechtigkeit wird es nicht geben.
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Brigitte aus Köln schrieb am 12.10.2020
Damals in Aachen lebend wurde auch ich - aus vermutlich wohlmeinenden Motiven - im Alter von 12;6 Jahren im Juli / August 1963 für sechs Wochen "verschickt" [welch' eine Begrifflichkeit!] und kam bleich und abgemagert aus dem sonnigen Schwarzwald zurück ...
In der Einrichtung gab es nach meiner Erinnerung mehrere Gruppen, jeweils zu einer "Tante" gehörig und nach Geschlecht und Alter getrennt. Jene ausschließlich weiblichen Angestellten, also die sogenannten Tanten, waren unterschiedlichen Alters und Gemütes. Es gab eine herrische Befehlshaberin, eine schwermütige deutlich Ältere und eine Jüngere mit nicht heimkonformen Vorstellungen.
Eine Atmosphäre des Schreckens verbreiten und Gewalt ausüben und den immer noch gängigen - keineswegs kindergemäßen Erziehungsstil - kannte ich von zuhause und aus der Volksschule, insofern war ich "gut vorbereitet". Erlebnisse wie scheußliches Essen aufessen müssen, Uhren und Süßigkeiten als Entrée abgenommen zu bekommen, in dunkle Kämmerchen gesperrt zu werden, in furchteinflößenden Kellerräumlichkeiten zu dritt mit dem Wasserschlauch kalt (!) abegespritzt zu werden, mitz erleben, wie heimwehkranke Kinder vor der Gesamtgruppe lächerlich gemacht wurden u.v.m. waren auch hier an der Tagesordnung - die Zensur des wöchentlich angeordeten Karte-nach-Hause-Schreibens ebenfalls.
Ich habe nach einer Weile mit häufigem Brechen reagiert, magerte ab und bekam vom regelmäßig erscheinenden Arzt eine morgendliche Banane-Apfel-Haferflockenspeise verordnet - ein Lichtblick. Half aber nicht, ich brach weiterhin das Mittagessen aus.
Obgleich nächtens stets eine Patrouille unterwegs war - jeweils eine der Tanten - sind zwei ältere Mädchen getürmt. Bei der Einrichtung handelte es sich um ein altes Holzhaus mit knarrenden Treppen, sodaß wir in unserem Vierbettzimmer frühzeitig gewarnt waren, unsere gewisperte Unterhaltung im Dunklen einstellen und uns schlafend stellen konnten ... Der herrischen Befehlshaberin paßte selbst meine Schlafstellung nicht => "Dreh' Dich zur Wand !!" ist mir bis heute mühelos erinnerlich. Anders die schwermütige Ältere: Sie versah schweren Schrittes ihren Abend-Wachdienst, ließ sich stets aufseufzend auf das Fußende meines Bettes sinken und berichtete mir im leisen Tonfall von ihrem Kummer hinsichtlich ihres gefallenen Sohnes. DAS waren meine angstvollsten Minuten.
_____________
P.S.
Falls für Recherche der Initiative nützlich: Ich habe noch eine Ansichtskarte [NICHT von der Einrichung], auf deren Rückseite die Vor- und Zunamen der Mädchen meiner Gruppe und die Namen von drei "Tanten" zu lesen sind.
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louisa schrieb am 10.10.2020
Im Mai 1967 kam ich für einen 6wöchigen Aufenthalt im "Seeschlösschen" in Büsum an. Koffer und Rucksack wurden nachgesehen auf Süßigkeiten und in einen großen Korb auf dem Flur im Eingangsbereich abgegeben und sie wurden nicht mehr gesehen. Unser Schlafsaal hatte 2 Reihen Metallbetten und nach dem Mittagessen warteten wir auf die Post, die wir eventuell bekamen und dann hier vorgelesen bekamen(ich war damals 6 und sollte ein paar Monate später eingeschult werden. Jeden Tag gab es 1 Rosinenbrötchen zur Kaffeezeit, die ganzen Wochen lang. Zu den Mahlzeiten saßen wir im Speisesaal. Auf festgelegten Plätzen, meiner war neben der Tante. Am Wochenende mußte ich mich, da eine Vertretungstante da war und sie meine Zöpfe nicht mochte,auf dem hintersten Stuhl sitzen. Milchsuppe mochte und vertrug ich nicht und das sagte ich der Tante auch. Es mußte immer und alles aufgegessen werden und ich erbrach mich einmal über den Tisch. Die Anderen mußten weiteressen und ich mich waschen gehen mit zornigen Kommentaren der Tante, danach hinlegen zur Strafe, Ruhig sein, für den Rest des Tages. Die drei langsamsten Esser kamen an den Betteltisch, die anderen Tische wurden schon abgeräumt und wer letzter Esser war, mußte von den anderen Kindern, die um die letzten herumstanden, ausgelacht werden und sie mußten mit dem Finger auf ihn zeigen. Natürlich wollte ich nach Hause schreiben und die Post wurde zensiert. Meine Mutter hat mir jeden Tag geschrieben, das war mein Rettungsanker und einen meiner Briefe hat sie aufgehoben. Die Tante hatte wieder einen Text verfasst, wie wohl ich mich fühle und wie gut es mir geht, dazu habe ich ein Bild gemalt: ein Strichmännchen mit langen Haaren steht vor einem Tisch. Die Buchstaben des Namens habe ich so gut ich konnte darunter geschrieben,bunt und krakelig aber den habe ich nie vergessen. Die Tante dachte, ich habe eine Freundin gefunden. Das war aber nicht der Grund, denn dieses Mädchen nässte sich Nachts manchmal ein (jeder reagiert anders auf solche Behandlung, denke ich) und sie mußte jedes Mal in diesem langen Waschsaal am Waschbecken stehen, nackt, und sich waschen während die anderen drunherumstehen mußten.
Das hat mich lange lange verfolgt. Glücklicherweise für mich, brach Scharlach aus und wir mußten nach 5 Wochen nach Hause . Meiner Mutter fiel auf, wie ruhig ich war und ich habe Dinge gegessen, die ich vorher gar nicht mochte, überwiegend eingekochtes Gemüse. Das war 5 Wochen minimale Einheitsernährung. Positiv in Erinnerung habe ich eine Tante, die noch jung war, sie war fürsorglich und verständnissvoll, hatte aber leider nicht viel zu sagen.
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Heike schrieb am 09.10.2020
Ich war 6 Jahre alt, als ich in Bad Dürrheim im DRK-Kinderkurheim war. Heute möchte ich drei Geschichten aus dieser schrecklichsten aller Zeiten erzählen:
1. Meine Mutter sagte, dort gäbe es sicherlich schönes Spielzeug. Es gab aber gar kein Spielzeug und meinen Teddy, in den ich am ersten Abend geweint habe, hat man mir weggenommen. Offenbar fragte ich mehrfach nach Spielsachen, da nahm mich eine Schwester an der Hand und führte mich in einen sehr großen Raum mit sehr großen Schränken an einer Wand. (In Fotos habe ich diesen Raum wieder erkannt, er wird wohl als Schul- oder Unterrichtsraum bezeichnet.) Sie stellte eine Kiste auf den Boden, verließ den Raum und schloss hinter sich ab. Ich – alleine – mit einer Kiste Holzbausteinen – und (so dachte ich damals) nicht einmal farbig! Keine anderen Kinder waren da und ich hatte Angst, weil ich eingeschlossen war. Offenbar wurde ich wütend, ich erinnere mich, wie ich die Bausteine gegen die Schrankwand geworfen habe. Da öffnete sich die Tür – Hoffnung! Jedoch kam die Schwester mit dem Arzt und der gefürchteten Spritze in der Hand. Ich glaube, ich schrie, ich lief weg. Die Schwester bewarf mich mit den Bauklötzen was mich erstarren ließ. --- Erinnerungslücke --- Ich wachte in meinem Bett auf, alleine in dem riesigen Schlafsaal. Und wunderte mich, mitten am Tag geschlafen zu haben. – Dass mich eine Schwester mit Bauklötzen beworfen haben soll, kann ich selbst eigentlich nicht glauben, aber diese Erinnerung kam in der letzten Zeit hoch. Ob das der Grund eines Alptraums ist, den ich bis ins Erwachsenenalter immer wieder hatte? Dort fallen von oben Steine auf mich herab, ich kann nicht weg. Ich denke, ich sterbe. Wundere mich aber, dass ich am Leben bleibe. Dann wache ich mit Angstschweiß auf.

2. Es gab die Drohung, dass wir, wenn wir nicht lieb seien, in den Keller zu den Hühnern kämen. Als Tierfreundin hatte ich Sehnsucht und wollte unbedingt die Hühner besuchen. (Es war mir vertraut, bestimmte Pferde, Schweine, Hühner etc. auf den Höfen unseres Dorfes zu besuchen.) Ich überredete zwei Mädchen, mich zu begleiten. Wir schlichen nachts in den Keller. Dort gab es einen langen, dunklen Gang mit vielen Türen – doch leider alle verschlossen. Eine Tür ließ sich öffenen – und dort saßen in einem hellen Raum Erwachsene um einen Tisch. Sie verstummten, als sie uns sahen. Freundlich sprach uns ein Herr an und wir erzählten mutig, dass wir die Hühner suchen. (Und schwärzten somit die Schwester an, die uns das androhte.) In meiner Erinnerung war insbesondere der Herr sehr erschrocken, er war – oh wunder! – freundlich. Und brachte uns ins Bett zurück. Und deckte mich sogar zu! Ich wunderte mich, dass es außer den bösen Schwestern hier auch nette Menschen gab.

3. Von den 6 Kurwochen verbrachte ich 3 Wochen im Krankenhaus (in Isolation?) wg. Masern. Von diesen 3 Wochen erinnere ich mich an sehr wenige Momente: Allein in einem Krankenzimmer – die Rollläden waren geschlossen. Warum dufte ich nicht an die frische Luft? Würde ich jemals hier wieder rauskommen? – Vielleicht hatte ich Fieber, vielleicht wurde ich sediert. Vielleicht sind mir durch die Krankheit, so denke ich in den letzten Wochen, weitere schlimme Kurerlebnisse erspart geblieben. Meine jungen Eltern waren besorgt und wollten mich besuchen, anrufen, mir ein Päckchen schicken. Alles wurde ihnen verboten! Sie schrieben sehr viele Postkarten, das war ihnen offenbar erlaubt, die jedoch nie bei mir ankamen. Ich war 6 Jahre alt und konnte schon lesen.

Ich glaube übrigens, dass nicht nur ich, sondern auch meine Mutter und meine damals knapp dreijährige Schwester durch meinen damaligen Kuraufenthalt traumatisiert wurden!
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Lothar Scherber aus Remscheid schrieb am 08.10.2020
Ich wurde zwecks meiner Bronchitis an die Nordsee geschickt in ein Kurheim auf Wyk auf Föhr.
Alles fing gut an, nette Betreuer, eine schöne Zugfahrt und dann noch eine Überfahrt mit der Fähre- als wir dann auf die verschiedene Heime verteilt wurden, war auch noch alles in Ordnung. Am nächsten Tag wurden wir unseren Gruppen zugeteilt. Ich bekam eine Schwester, die mit eiserner Hand ihre Gruppe führte. Manches Essen schmeckte mir einfach nicht, aber ich musste es essen und wenn ich mich dann erbrach, musste ich weiter essen bis dass der Teller leer war. Natürlich bekam man Heimweh, aber das war in ihren Augen nur ein Zeichen der Schwäche und wurde nicht toleriert.
Bei den Untersuchungen war es auch nicht besser. Man stand nur mit den Unterhosen bekleidet auf dem kalten Flur. Die Ärzte waren auch nicht einfühlsam, sie hatten einen Befehlston. Bei der Blutabnahme wurde mir aus beiden Armen Blut abgenommen, was ja auch sein musste. Doch ich hatte damals schon Problemvenen, findet man auch heute noch sehr schlecht. Man hat dann einfach drauf losgestochen bis man was gefunden hatte. Die Schmerzen hatte ich noch jahrelang in den Armbeugen, weil sie bei dieser Prozedur bis auf die Knochen stießen. Vermutlich hat sich bei mir eine Phobie entwickelt, denn ich scheue es bis heute zur Blutabnahme zu gehen, allein der Gedanke daran bewirkt bei mir Schweißausbrüche und nervöse Unruhe.
Meine Verzweiflung damals als 9-jähriger Junge war sehr groß.
Ich erinnere mich auch an eine junge Schwester, die mich irgendwann dann in ihre Gruppe nahm und mit uns wunderbare Ausflüge machte. Darüber vergaß man ein wenig das Heimweh.
Zuhause erzählte ich meinen Eltern davon. Mein Vater beschwerte sich daraufhin bei den dafür zuständigen Stellen, doch in dieser Zeit wurde den Kindern ja nicht zugehört, geschweige denn geglaubt, dass diese Vorgänge tatsächlich stattgefunden haben.
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Sven aus Dresden schrieb am 05.10.2020
Ca. 1971 war ich im Kinderkurheim Sonnenblick in Sohland, nach einer schweren Bauchoperation, also etw 6 Jahre alt. (Ich habe es in den 2008 wiederbesucht, da war es ein Schullandheim - aber die Erinnerungen kamen nur langsam).
Viel später habe ich in Halbtrance deutliche Bilder bekommen: Die kalten Umschläge als Therapie, als Kneippsche Anwendung bestimmt sehr förderlich, für mich eine Quälerei.
Die Bürstenmassagen, bei denen ich das Gefühl hatte, dass gleich Blut aus den Kratzern kommen würde. Die Höhensonne-Behandlung mit den Brillen war für mich nichts Besonderes, aber für manche Kinder beängstigend. Gymnastik habe ich in Erinnerung, Spiele im Freien, Wanderungen.
Als Folge der Bauch-OP hatte ich eine kleine, gelegentliche Blasenschwäche. Dafür wurde ich von mindestens einer Schwester sehr erniedrigend gescholten. Sie droht mir immer wieder mit "Gummihosen" und hat - in einem extra Zimmer - mich in ein rotbraunes Gummilaken gewickelt, dann irgendwie an mir herumgespielt, zwischen Auslachen und Schimpfen mich in einen inneren Ausnahmezustand versetzt.
Dort zieht mein Gedächtnis den Vorhang zu...
Das Essen war nicht so mein Problem, obwohl ich seitdem Milchreis nicht mehr mag. Ich kann mich jedoch erinnern, dass Kinder drangsaliert (erzieherisch behandelt) wurden, die nicht ("genügend") essen wollten oder mäklig waren.
Von speziellen Maßnahmen um die betnässenden Kinder habe ich nur am Rande einiges mitbekommen.
Eine Schwester namens Ruth - sehr groß, ernst und in ihrer steifen "Uniform" furchteinflößend, hat in mir ein Trauma hinterlassen, welches ich nicht genau beschreiben kann, das ist alles unscharf, verschwommen. Es greift aber so tief hinein, wie eben die Verletzung von Grundannahmen, Vertrauen und Intimität wirkt, dass ich es körperlich spüre.

Ich denke, neben der individuell negativen Wahrnehmung eines Kindes sind dort tatsächlich Dingen geschehen, die die Grenzen zwischen Recht und Unrecht deutlich überschreiten.
Ich arbeite gerade an diesen frühen Traumata und die Bauchnarbe meldet sich mit enormen Schmerzen.

Allerdings ist der Gesamteindruck eher positiv, fröhliche Spiele, Singen und Lachen waren an der Tagesordnung.
Ein dort gelerntes Lied singe ich noch heute.
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Tom schrieb am 04.10.2020
Ich heiße Tom, bin 1962 geboren, leider nicht mehr ganz sicher, in welchem Jahr genau meine Verschickung war, doch haben sich die erinnerten Bruchstücke dieser schlimmsten Erlebnisse meiner Kindheit förmlich ins Gedächtnis gebrannt. Meine Erinnerungen sind eher Momentaufnahmen anstatt zusammenhängender Schilderungen.
Wenn ich an diese Ereignisse zurückdenke, kommt es mir bis heute vor, als hätte ich all das nur geträumt.
Wir wohnten damals in einem Einfamilien-Reihenhaus im Norden Duisburgs, ich bin der mittlere von drei Söhnen, mein Vater arbeitete als kaufmännischer Angestellter bei der August Thyssen Hütte (ATH). Der Kohlenpott machte seinem Namen noch alle Ehre, die Luft war zum Schneiden, die Fische trieben mehrmals bauchoben auf dem Rhein, ich war schlank, aber nicht dürr, spielte viel draußen, hatte einen gesegneten Appetit und eigentlich gab es außer der willkommenen Frischluftverordnung keine dringenden medizinischen Gründe, mich zur Kur zu schicken. Mit meinen mittlerweile verstorbenen Eltern habe ich erst viel später über die Ereignisse gesprochen. Sie wollten mir etwas Gutes tun und anstelle des Familienurlaubs, den wir uns damals nicht leisten konnten, wenigstens einen ihrer Söhne in die Sommerfrische schicken. Ich meine zu erinnern, dass mein Vater durch ein Programm der Betriebskrankenkasse auf die Idee kam, mir eine Erholung an der Nordsee zu ermöglichen.
Von der ganzen Bahnreise, die am Duisburger Hauptbahnhof im Rudel startete und die ich voll froher Erwartungen begann, blieb mir außer meiner guten Stimmung vor allem die Seltsamkeit in Erinnerung, dass wir trotz der sommerlichen Temperaturen als Erkennungszeichen mit hellblauen Pudelmützen ausstaffiert wurden.
Das Heim selbst ist mir lediglich als Ort ausgewählter Freudlosigkeit in Erinnerung, es gab ausschließlich weibliche Aufseherinnen und das Regiment führte eine sehr strenge, bittere und verhärtete ältere Dame.
Alles, was wir im Gepäck hatten, wurde in große Wandschränke verbracht und eingeschlossen. Nur die Aufseherinnen bestimmten bei der täglichen Kleiderausgabe, was wir anziehen durften. Meine Eltern hatten mir zur Reise meine erste, lange Jeanshose gekauft. Ich freute mich, wie ein Schneekönig, sie endlich tragen zu können und bat jeden Tag aufs Neue, sie anziehen zu dürfen. Es wurde mir nie erlaubt! Und das genau war beispielhaft für den in dieser Einrichtung herrschenden Geist, nämlich, grundsätzlich alles zu verbieten, was uns Kindern offensichtlich zur Freude gereichte, uns stattdessen zu erniedrigen, zu verängstigen, zum Denunziantentum zu verleiten und uns klein zu halten. Meine neue Jeans brachte ich nach den sechs Wochen ungetragen wieder nach Hause zurück. Das war aber nur der harmloseste Teil meiner Kuranwendungen.
Das Essen, insbesondere als warme Zubereitung, war ohne jede Umschweife der miserabelste und billigste Kantinenfraß, den ich je in meinem Leben zu mir nehmen musste. Ich danke Gott aufrichtig dafür, dass ich ein Zuhause ohne Essensdramen erleben durfte und es mir prinzipiell vor nichts ekelt, was als Lebensmittel taugt. Für nicht wenige meiner Leidensgenossen dagegen waren die Mahlzeiten eine höllische Tortur. Sie würgten unter Tränen am Spinat, oder an den allseits gefürchteten Nudeln mit Tomatensoße, welche immer bis kurz vor den Zerfallspunkt matschig gekocht und in einer Tunke gereicht wurden, die genauso schmeckte, als hätte jemand das (immerhin gesalzene) Nudelwasser mit einer homöopathischen Dosis Tomatenmark eingefärbt. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich beim Mittagessen heimlich die Teller mit meinen heulenden Tischnachbarn tauschte und zusätzlich ihre Restportion aß, damit sie nicht zum Aufessen gezwungen wurden. Mir selbst machte das Essen nichts aus; mein Appetit war immer größer, als die Abneigung gegen das lieblos zusammen gepanschte Futter. Das Schlimmste war, die anderen leiden zu sehen und nichts gegen diese Umstände unternehmen zu können.
Es herrschte bald eine allgegenwärtige Trostlosigkeit, ich war immer froh, wenn wir wenigstens draußen sein konnten und der wirklich einzige Lichtblick in diesem ganzen, jämmerlichen Trauerspiel war ein Ausflug, auf dem ich zum ersten Mal frische Nordseekrabben probieren durfte. Diesen Geschmack liebe ich noch heute!
Was uns im Kinderheim selbst wiederfuhr, war weniger erfreulich. Es gab immer eine strikte Nachtruhe. Wir lagen uns in den Schlafsälen gegenüber und tauschten uns flüsternd aus. Ich lag mit dem Rücken zur Tür. Mein Satz war noch nicht zu Ende, als mein Bettnachbar plötzlich die Augen schloss und keine Regung mehr zeigte. Als ich mich gerade verwundert aufrichten und zu ihm beugen wollte, wurde ich auch schon am Ohr aus dem Bett gezogen, auf den Flur verbracht, um dort barfuß, mit dem Gesicht zur Wand hinter die Tür gestellt zu werden. Nach einer gefühlten Ewigkeit tönten die harten Absätze der Oberaufseherin über den Flur, ich hörte, wie eine Schlafsaaltür nach der anderen geschlossen wurde, bis unsere an der Reihe war. Wortlos wurde ich von der Wand weggedreht und bekam zur Strafe keine „Ohrfeige“, sondern derart heftig eine gescheuert, dass ich beinahe mein Gleichgewicht verlor. Danach deutete sie auf mein Bett und schloss hinter mir die Tür. Meine Eltern haben mich niemals so hart angefasst, wie diese Frau.
Von dieser Nacht an wollte ich nur noch heim und zählte nur noch die verbleibenden Tage. Doch das Schlimmste stand mir noch bevor, nämlich die Gesundheitsuntersuchung, genauer gesagt ein kollektiver Vorführtermin im Büro der Oberaufseherin. Wir mussten dazu splitternackt in einer Reihe auf dem Flur antreten und durften uns nicht mucksen oder rühren, bis wir im Büro ankamen. Wieder barfuß auf dem kalten Flurboden merkte ich bald, dass ich pinkeln musste. Wir durften die reihe aber nicht verlassen. Ich biss also die Zähne zusammen und versuchte krampfhaft, meine Blase unter Kontrolle zu halten. Als ich endlich im Büro angekommen war und nur noch zwei weitere Jungen vor mir waren, verlor ich für einen Augenblick die Kontrolle und zu meinem Entsetzen zwei Tropfen Urin auf den Teppich. Wieder bekam ich eine geschossen, diesmal von einer Aufseherin und wurde anschließend zur Toilette geführt.
Das war mit Abstand der erniedrigendste Augenblick meines Lebens.
Mein Taschengeld wurde verwaltet, wir wurden genötigt immer die teuersten Ansichtskarten zu kaufen, wir wurden genau instruiert, was wir schreiben durften, Briefe mussten offenbleiben, damit keine Wahrheiten nach außen drangen und zum guten Schluss wurde mir als Mitbringsel für meine Mutter der Kauf eines Bernsteinanhängers aufgezwungen. Ich gehorchte, wie alle anderen auch.
Wieder zu Hause, sagte ich zu niemandem etwas. Diese ganze Reise erschien mir, wie ein böser Traum. Ich war einfach nur quietschfroh wieder zurück zu sein, mit meinen Freunden um die Häuser stromern zu können, Buden zu bauen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen.
Lese ich heute Berichte, wie jenen in den Husumer Nachrichten [1], in dem von der Schließung des Kinderkurheims Tannenblick im Dezember 2008 im Stile einer harmlosen Sonntagsteeneuigkeit geschrieben wird, oder wenn ich feststellen muss, dass in der gesamten Chronik St. Peter-Ording [2] kein einziges Wort erscheint, aus dem man auch nur ansatzweise den hier von vielen erlebten Horror erahnen würde, dann könnte ich wirklich kotzen vor Wut! Umso dankbarer bin ich dafür, diese Seite hier gefunden zu haben.
Hat mich all das traumatisiert? Ich weiß es nicht. Schwer zu sagen, welchen Einfluss das auf mich hatte. Ich bin Lehrer, habe viel und nah mit Menschen zu tun und ich glaube, das ist deshalb, weil mir eine intrinsische Neigung zur Sorge für meine Mitmenschen, insbesondere für deren Entwicklung, in die Wiege gelegt wurde. Dennoch würde ich einem streunenden Pitbull vermutlich eher vertrauen, als einem wildfremden Menschen. Vielleicht bin ich vorsichtig geworden, seit ich das Kinderheim Tannenblick besuchen durfte. Vielleicht hat es in mir ein grundsätzliches Misstrauen in Bezug auf die Verlässlichkeit menschlicher Beziehungen hervorgerufen. Ich lebe jedenfalls heute allein und verlasse mich lieber auf mich selbst.
Was die Menschen anbetrifft, die das damals an uns verbrochen haben, muss ich mir eingestehen, dass es mir bei der Verarbeitung nicht weiterhilft, sie als seelenlose Kinderschänder anzusehen, denn das wäre keinen Deut besser, als die Gewalt, die mir angetan wurde. Mehr Trost spendet mir hier Erich Fromm, der mir nahelegt, nichts für unmenschlich zu halten, was nicht menschenmöglich ist.
Ich kann einfach nicht glauben, dass diese geschundenen Seelen von ihren Taten unbefleckt anschließend einfach ein glückliches Leben gelebt haben sollen. Es hilft mir bedeutend mehr, ihnen zu vergeben und so viel Mitgefühl zukommen zu lassen, wie ich nur aufbringen kann. Denn ich bin zutiefst überzeugt, dass sie das wirklich bitter nötig haben.

Links:
[1]
https://www.shz.de/lokales/husumer-nachrichten/eine-lange-aera-ist-zu-ende-gegangen-id907806.html
[2]
https://www.chronik-spo.de/bildergalerie/kinderheime/
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Petra Wellmann aus Dinslaken schrieb am 04.10.2020
Hallo, ich wurde im August 1959 geboren. Da ich als Kind an Asthma gelitten habe, bin ich auch verschickt worden. 1963 ging es nach Norderney und 1964 nach Bad Reichenhall. Jeweils für 6 Wochen. Obwohl ich noch sehr klein war, habe ich noch einige Erinnerungen. Sie haben mich auch allein mit einem Schild um den Hals in einen Zug gesetzt. Im Heim durfte ich nicht aufstehen, bis der Teller leer war. Wenn ich dann erbrochen habe, müsste ich trotzdem weiteressen. Ich weiss, dass ich ganz lang allein an dem Tisch gesessen habe. Das war in Norderney. In Bad Reichenhall wurde ich nachts an den Haaren aus dem Bett gezogen und musste die ganze Nacht auf dem Flur im Treppenhaus stehen. Ich habe gefroren und durfte mich nicht hinsetzen. Die Dunkelheit machte mir Angst. Ich weiss noch, das man vom Schlafsaal aus einige Treppen runtergehen müsste um zum Strafplatz zu kommen. Es war ein grosser Schlafsaal mit vielen Eisenbetten. Dort müssten wir auch den Mittagschlaf machen. Es durfte nicht geredet werden. Es hat sich fast niemand gemuckt und es war immer still. Die Zeit kam mir immer sehr lang vor. Mein Bett stand hinten. Ich habe nicht eine einzige positive Erinnerung. Als ich nach Hause kam war ich wund, habe meine Haare rausgerissen und meine Fingernägel waren bis aufs Fleisch abgekaut. Ich habe von Norderney einige Bilder und eine Postkarte, von Bad Reichenhall noch eine Postkarte.
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Hubert S. schrieb am 03.10.2020
Ich bin Jahrgang 1953 und mit knapp 9 Jahren von Anfang Januar bis Mitte Februar 1962 in das Pinneberger Kreiskinderheim "Heimattreue" in St. Peter Ording/Ortsteil Garding verschickt worden. Heute heißt das nach Verkauf und Umbau  "Hotel Strandhaus" .

Auch dort gab es noch Anwendung "schwarzer Pädagogik", aber zum einen nicht so extrem ausgeprägt, wie es hier im Forum wiederholt drastisch von anderen berüchtigten Heimen beschrieben wird.

Zum anderen war ich als Drittklässler doch schon etwas älter und allein schon durch die Fähigkeit des Lesens und Schreibens etwas unabhängiger als die ganz jungen Verschickungskinder. Schließlich kam für mich noch günstig hinzu, dass ich zusammen mit meinem gleichaltrigen Klassenkameraden Alwin F. verschickt wurde und wir auch während der ganzen Zeit unseres Heimaufenthaltes in der gleichen Gruppe "größerer Jungs" zusammen und z. B. im Schlafsaal Bettnachbarn waren.

Strenge Erziehung und sog. schwarze Pädagogik mit auch sogar körperlicher Züchtigung waren zumindest in der Erziehung von Jungs in den 50er und auch noch in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hier in Schleswig Holstein weit verbreitet und auch gesellschaftlich akzeptiert - sogar bis zu einem gewissen Grad von relativ brav-angepassten Kindern wie mir; es durfte nur nicht grob ungerecht und gar brutal dabei zugehen.

Ich denke, dass dieser ungemein harte, lieblose und auf Drill sowie unbedingten Gehorsam ausgerichtete Erziehungsstil nicht nur und ausschließlich auf die Nazizeit zurück geht, sondern noch weiter ins deutsch-wilhelminische Kaiserreich und zu den Preußen zurück reicht, wo ja bekanntlich ausgediente ehemalige Unteroffiziere, Feldwebel etc. in den Schuldienst übernommen und auf die Kinder losgelassen wurden.

Das alles hat die uns Kinder erziehende Generation ihrerseits wohl ebenfalls durchlaufen und mehr oder weniger am eigenen Leibe erfahren müssen, und das erklärt zumindest für mich manches, womit ich es aber keineswegs etwa entschuldigen will.

Schließlich muss und sollte man als denkender Erwachsener nicht alle Fehler, die an einem selbst begangen wurden, etwa an anderen einem anvertrauten schwachen und schutzbefohlenen Kindern selber wiederholen.

Besonders unverständlich und unentschuldbar erscheint mir als selbst bekennendem kath. Christen ein solch liebloses Vorgehen seitens christlicher Ordensleute, die es doch eigentlich innerhalb des Christentums ganz anders gelernt und erfahren haben sollten.

Zu mir und meiner Familie:

Meine Eltern sind Heimatvertriebene aus Niederschlesien, mein Vater war als ehemaliger Soldat bis 1945 in russ. Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg lebten die Eltern rd. 10 Jahre im Osten der DDR und sind mit uns beiden dort geborenen Kindern wg. der dortigen Perspektivlosigkeit für sie und uns Ende 1956 in den Westen "rübergemacht", wo mein Vater wieder wie vor dem Krieg in Schleswig Holstein eine Stellung im Staatsdienst fand. Wir lebten seit 1958 im Kreis Pinneberg nordwestlich von Hamburg.

Ich wurde 1959 mit 6 Jahren eingeschult und war außer in Sport und Musik ein guter bis sehr guter Schüler.

Wegen meiner schwächlichen körperlichen Konstitution und Untergewicht wurde ich dann Anfang Januar 1962 in besagtes Kinderkurheim des Kreises Pinneberg verschickt. Wir blieben dort ca. 6 Wochen bis nach der großen Sturmflut am 16./17. Februar 1962.

Wie schon erwähnt, habe ich dieses Heim zwar auch nicht in guter Erinnering; verglichen mit den Berichten aus anderen Einrichtungen hier im Forum dürfte es jedoch noch eines der weniger schlimmen Kinderverschickungsheime gewesen sein - zumindest zu der Zeit Anfang der 1960er Jahre. Allerdings waren sowohl ich selbst als gottlob auch meine Eltern nach meiner "Kur" dort ein für allemal vor einer etwaigen Wiederholung gründlichst "kuriert".

Wir wurden mit Omnibussen von unseren Wohnortes dorthin gefahren. Ich kann mich erinnern, dass ich bereits am Ankunftstag (eine Karte?) an meine Eltern schrieb, in der ich über Heimweh klagte und dass es mir dort nicht gefalle - dafür wurde ich zur Rede gestellt, denn sämtliche ausgehende Post wurde überprüft und zensiert, wenngleich ich mich nicht entsinne, dass etwas zerrissen wurde und neu geschrieben werden musste. Eher glaube ich, dass die Erzieherinnen, auch hier "Tanten" genannt, ggf. eigene relativierende bzw. beschwichtigende Kommentare zu ihres Erachtens "allzu krassen" Briefen einzelner Kinder verfassten. Ich kann mich gut erinnern, dass ein etwas älterer Junge (geschätzt ca. 14 Jahre) aus unserer Gruppe richtig massiv Ärger bekam, als er während eines unserer gemeinsamen Gruppen-Spaziergänge einmal einen von ihm verfassten Brief oder eine Karte, die von den "Tanten"  nicht prüfend gelesen worden war, selbstständig in einen öffentlichen Briefkasten am Wege steckte. Nach meiner Erinnerung gab's einen riesigen Bohei deswegen unter Hinzuziehung der Heimleitung und einen strengen öffentlichen Verweis - wahrscheinlich, um uns übrige einzuschüchtern, damit das Beispiel keine Schule machte.

Ich hab jedenfalls trotzdem von meinem Heimweh geschrieben - allerdings etwas vorsichtiger und allgemeiner, und vielleicht gab es dadurch zumindest für mich kleine Verbesserungen, wie z. B. dass ich Kinder- bzw. Jugendbücher lesen durfte, wenn ich mal dort krank war.

Ich kann mich an sich nur an weibliche Erzieherinnen in besagtem Heim erinnern, auch die Heimleiterin war eine Frau - geschätzt ca. 40 Jahre und übrigens von mir als nett und einfühlsam empfunden.

Unsere unserer Gruppe zugeteilte Tante hieß Ruth Noack oder Nowak, war ca. 60 Jahre alt und nicht mies oder gar gewalttätig aber m. E. recht bequem und zumindest bzgl. der täglichen Gruppenspaziergänge absolut ideenlos:

Wir gingen täglich vormittags nach dem Frühstück mit ihr den immer wieder ewig gleichen langweiligen Weg bis zum Ortskern von St. Peter Ording und da bis zu einem dortigen Andenkengeschäft, das sie dann allein betrat, um sich darin mit der mit ihr offenbar befreundeten Inhaberin bzw. Verkäuferin eine gefühlte kleine Ewigkeit lang ausgiebig zu unterhalten und aufzuwärmen, während wir draußen in der Januarkälte frierend herumstanden und warten mussten, bis es dann auf dem gleichen Weg wieder zurück ins Heim ging.

Spielen o. ä.: Fehlanzeige. So ging das die gesamten 6 Wochen lang tagein und tagaus. Ich erinnere  mich lediglich an 2 Strandbesuche während der gesamten Zeit von 6 Wochen - zumindest einem davon mit der o. gen. Heimleiterin und einem weiteren  wohl nach der Sturmflut vom 16/17. Februar - das war beide Male spannend und abwechslungsreich für uns Jungs und hat Spaß gemacht, war aber die absolute Ausnahme, obwohl das Heim und heutige Hotel nur ca. 200m vom Strand entfernt hinter einer Dünenkette liegt. Ansonsten sind wir nur höchstens eine Handvoll Male mit Vertretungen unserer "Tante" mal andere Wege spaziert, einmal fand dabei wohl auch so eine Art Geländespiel in einem lichten Kiefernwäldchen statt - sonst stets nur die immer gleichen unglaublich öden geschilderten Spaziergänge mit "Tante" Ruth.

Bei Regenwetter fielen die vormittäglichen Spaziergänge allerdings aus, dann konnten wir Gesellschaftsbrettspiele im Essensraum machen. Ich habe dort Monopoly kennen gelernt, das sehr viel Spaß machte.

Die übrigen Erzieherinnen dürften zwischen Anfang 20 und bis ca. Mitte 50 gewesen sein. Sie sind mir nicht als besonders freundlich in Erinnerung - eher verschlossen und unnahbar.

Von einer der jüngeren, die gelegentlich während der Mittagsruhestunde auch mal bei uns Aufsicht führten, fing ich mal eine Ohrfeige ein, weil sie mich mit offenen Augen im Bett liegend erwischte. Den Rest der betr. Mittagsstunde schlief ich darauf dann allerdings richtig tief.

Die täglich verordneten Mittagsschlafpausen waren für Kinder wie mich, die an so etwas nicht gewöhnt waren, im übrigen eine große Zumutung und Tortur.

Als unangenehm empfand ich, dass wir alle bis auf die 3 schon älteren Jungs unserer Gruppe uns zu bestimmten Gelegenheiten voreinander und den Erzieherinnen völlig nackt ausziehen mussten und so gemeinsam anzutreten hatten.

Das  haben - zumindest anfänglich - auch viele andere Jungs so empfunden, denn das waren wir weder von Zuhause noch etwa von der Schule (Sport) her gewohnt.

Die Anlässe, zu denen wir uns gemeinsam voreinander und vor den Erzieherinnen nackt ausziehen mussten, waren zum einen das wöchentliche Ganzbad bzw. gemeinsame Duschen Freitag nachmittags zum anderen das mehrfache Antreten zur Bestrahlung, die in Dreiergruppen in einem großen saalähnlichen Raum stattfand und schließlich bei der mindestens 2maligen Arztvisite. Dabei sehe ich das Nacktsein zum Baden/Duschen noch in gewisser Weise ein, obwohl die älteren nachpubertären Jungs ja schließlich auch davon ausgenommen waren, während zu den beiden übrigen Anlässen eine völlige Nacktheit mir keinesfalls zwingend notwendig erscheint. Da ich ein schwächliches und mageres Kind war und mich äußerlich nicht besonders attraktiv empfand, kam mir die hier verordnete Nacktheit wie eine öffentliche Bloßstellung vor.

In sehr unangenehmer Erinnerung habe ich zudem noch die Sonntagabende, wo im großen Eßsaal gemeinsame Gesellschaftsgruppenspiele unter Beteiligung aller Kindergruppen stattfanden. Da ist mir ein "Spiel" in besonders schlechter Erinnerung, bei dem es darum ging, dass ein hochkant stehender Teller von einem Kind in Drehbewegung gesetzt wurde und dieses Kind nun ein anderes Kind bezeichnen durfte, welches den sich drehenden Teller greifen musste, bevor er zu drehen aufhörte und somit zu Boden ging. Schaffte das aufgerufene Kind dies, so war es nun selbst an der Reihe, den Teller neu zum Drehen zu starten und ein weiteres Kind zu benennen, welches ihn ergreifen sollte. Schaffte das Kind es aber nicht, den Teller rechtzeitig zu ergreifen, bevor er zu drehen aufhörte, so musste es sich quasi "freikaufen", indem es vor allen Kindern im Saal ein Lied singen musste. Davor hatte ich immer eine Riesenangst zum einen wegen meiner Schüchternheit, so vor allen zur Schau gestellt zu werden und mich produzieren zu müssen und zum anderen, weil ich seit Kindesbeinen ziemlich unmusikslisch bin und ausgesprochen schlecht und falsch singe. Meist habe ich mich quasi irgendwie bei diesem mir verhassten "Spiel" drücken können oder den Teller noch rechtzeitig erwischt, einmal gelang es mir aber offenbar nicht, da ich relativ spät benannt wurde, als der Teller schon ins Trudeln kam. Ich sollte also singen, was für mich aber einer öffentlichen Blamage gleichgekommen wäre, und so blieb ich trotz wiederholter Aufforderung stumm. Darauf wurde ich dann auf Kommando der Erzieherinnen öffentlich von allen durch Auslachen verspottet. Eine tief sich ins Bewusstsein einprägende Erinnerung, die gewiss nicht zuträglich war für die eigene Weiterentwicklung und u.a. zur Ausprägung eines gesunden Selbstbewusstseins.

Neben diesen mir in besonders unangenehmer Erinnerung gebliebenen Ereignissen in diesem Heim sind mir noch das ungewohnt lieblose Frühstück mit Früchtetee aus Blechbechern und Fruchtaufstrich auf ungewohntem  dunklem Graubrot sowie der zwangsweise verordnete gemeinsame Mittagsschlaf in schlechter Erinnerung.

Ebenso das untersagte nächtliche Aufsuchen der Toilette. Als einziges Zugeständnis an unsere menschlichen Bedürfnisse waren des Nachts in unserem großen Schlafsaal vorne in Türnähe zwei 10Liter-Zinkeimer aufgestellt, in die man bei Bedarf urinieren durfte.

Auch ich habe dort in diesem Heim meinen 9. Geburtstag erlebt. Von den Eltern per Post zugeschickte Süßigkeiten sollte auch ich abgeben, damit sie "gerecht" verteilt würden.

Zum Schluss meines Heimaufenthaltes ereignete sich Mitte Februar 1962 noch die schwere Sturmflut, was u. a. zur Folge hatte, dass meine Eltern zu Hause in der Nähe Hamburgs wg. zeitweisen Stromausfalls und unterbrochener Telefonverbindungen bei noch keinem eigenen privaten Telefonanschluss tagelang nichts Sicheres über mein Schicksal in Erfahrung bringen konnten. Durch diesen Schrecken und die damit einhergehende Ungewissheit waren auch sie von einer etwaigen Wiederholung einer Verschickung ihres Kindes gründlichst kuriert.

Gewichtsmäßog hatte ich nach der Kur mit lediglich 1-2 Pfund nur wenig zugenommen.

Alles in allem war dieses Verschickungsheim, so wie ich es erlebt habe, jedoch noch deutlich weniger schrecklich als zahlreiche andere hier geschilderte Einrichtungen.

Mir hat's trotzdem gereicht - ich hätte da nicht noch einmal hingewollt.

Bemerkenswert finde ich übrigens beim Lesen der Berichte anderer ehemaliger Verschickungskinder, dass hier immer wieder gehäuft von Verschickung in der kalten Jahreszeit die Rede ist.

Wurden besagte Heime etwa in den warmen Monaten anders genutzt, oder ist das etwa nur ein zufälliger subjektiver Eindruck meinerseits, dass so viele Verschickung im Herbst und Winter erfolgten?
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Annette aus Düsseldorf schrieb am 03.10.2020
Ich war in Gemund am Tegernsee und Im Praktikum zur Erzieherin. Ich kann mich daran erinnern, das Kinder, die Nachts nicht schlafen konnten in den Waschraum gelegt wurden, damit sie die anderen nicht stören. Manche bekamen auch Melleretten-Saft zum einschlafen
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Taheri aus Bocholt schrieb am 02.10.2020
Ich wurde zur Kur geschickt, weil ich zu dünn war.
Mittags saßen etwa 8 Kinder an einem Tisch. Die Erzieherin gab uns das Essen auf unsere Teller. Mein Teller war so voll, dass ich Panik verspürte, das alles aufessen zu müssen. So hatte ich keinen Appetit mehr und das Essen wurde eine Qual.
Einmal bekamen wir Leberkäse. Diese mochte ich überhaupt nicht. Das Gefühl im Mund fand ich schrecklich. So kaute ich kaum und schluckte die Stücke schnell herunter bis mir alles wieder heraus kam auf dem Teller.
Kurze Zeit war keine Erzieherin im Raum. So wickelte ich das Erbrochene in ein Papier und warf es in den Papierkorb. Dann kam die Erzieherin Zeta zurück und fragte was los sei. Die anderen Kinder riefen: "Die hat Essen weggeworfen!" Sofort bekam ich eine Ohrfeige. Sie holte das Papier wieder heraus und sagte ich solle es aufessen. Meinem Einwand, das habe ich doch gebrochen, glaubte sie nicht. Sie sagte, das seien ja noch große Stücke. Weinend musste ich das essen bis eine Ordensschwester doch Mitleid bekam und ich es beenden konnte.
In den 6 Wochen habe ich 500 g zugenommen. Das erste, was ich meinen Eltern, die mich zu Hause am Bahnhof abholten sagte war: "Ich gehe nie mehr in Kur!"
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Jens Königsfeld schrieb am 01.10.2020
Ort: Königsfeld im Schwarzwald
Verschickungsheim: Frieda-Klimsch-Stiftung, Nebengebäude Haus Vogelsang
Termin: 1959 oder 1960
Ich wurde in die Frieda-Klimsch-Stiftung verschickt, weil ich an den Folgen einer Erkrankung litt und „zu dünn“ war.
Gibt es weitere Kinder, die in diesem Heim waren?

Im Haus Vogelsang herrschte ein strenges Regiment, nach meiner Erinnerung hauptsächlich verkörpert von Schwester Gerda. Für mich war unangenehm:
Man musste alles aufessen. Wenn man etwas nicht mochte, kam Schwester Gerda mit einem Kochlöffel herum und verpasste einem Schläge auf die Knöchelchen des Handrückens.
Man musste nach dem Mittagessen eine Ruhepause auf den Liegen an der frischen Luft einhalten. Es war streng verboten, in der Zeit aufzustehen. Ich habe deshalb zweimal lieber in die Hose gemacht, als beim Aufstehen erwischt zu werden. Bei einem dritten Mal habe ich mit einem anderen Jungen zusammen allen Mut zusammengenommen und mich über einen Balkon ins Haus geschlichen, um auf die Toilette zu gehen. Wir hatten aber entsetzliche Angst, dass wir erwischt und bestraft werden.
Einem Jungen in meinem Zimmer wurden eines abends die Fingernägel geschnitten und er kam mit einigen blutenden Fingern zurück.
Ich hatte sehr viel Angst vor dem regelmäßigen Wiegen, denn wenn man nicht genug zugenommen hatte, drohte die Verlängerung der Kur, und das war der größte Schrecken.
Überhaupt hatte man ständig Angst.
Einmal musste/durfte ich allein vom Nebenhaus zum Haupthaus gehen, um irgendetwas zu erledigen. Es waren nur ca. 100 m durch ein kleines Wäldchen, aber ich fühlte mich plötzlich frei und habe es genossen wie Weihnachten. Ich weiß noch, dass ich ein Eichhörnchen sah und es am liebsten umarmt hätte.
Es waren nicht alle Schwestern grausam. Wir hatten auch eine jüngere Schwester, die uns gut behandelt hat. Ich könnte mir eigentlich denken, dass auch diese Schwestern sich melden könnten, um zu berichten, dass sie damals zu einem Verhalten gezwungen wurden, dass sie eigentlich nicht richtig fanden.
Es wurden nicht alle gleich behandelt. Ein Junge hatte große Privilegien, allerdings weiß ich nicht warum. Jedenfalls durfte er an einem Sonntag im Fernsehen Fußball gucken. Ich glaube es war das Endspiel um die deutsche Meisterschaft 1959. Er durfte einen Freund mitnehmen, das war ich. Ich habe es genossen, 2 Stunden frei zu sein, obwohl mich der Fußball überhaupt nicht interessiert hat.
Wenn wir die Situation gerecht beurteilen wollen, müssen wir wohl versuchen, uns in die Lage des Jahres 1959 zu versetzen. Damals waren andere Verhaltensweisen verbreitet als heute. Es herrschte viel mehr als heute ein autoritärer Erziehungsstil. Es gab auch Schulen, an denen noch Schläge verabreicht wurden. Auch in den Familien wurde vielfach noch geschlagen. Das liest man ja auch in einigen Berichten. Für mich war das allerdings neu. In meiner Familie wurde nicht geschlagen und in meiner Grundschule auch nicht. Es war also durchaus nicht die Norm, dass geschlagen wurde. Meine Mutter hat danach mehrmals gesagt „Ich hätte Dich da nicht hinschicken dürfen“. Von Zu Haus hatte ich also Rücken-deckung und Verständnis. Überhaupt bin ich wohl trotz meiner Jugend mit einem einigermaßen stabilen Selbstwertgefühl dorthin gefahren. Ich bin an dieser Kur auch nicht zerbrochen, sie war nur eine der unangenehmsten Erfahrungen meines Lebens und die Erinnerung daran verursacht immer noch ein mit Angst verbundenes Gefühl.
Ungefähr 20 Jahre später war ich mit meiner Ehefrau in der Gegend und wir haben spontan beschlossen, zu dem Heim zu fahren. Am Empfang saß eine Schwester, die ich fragte, ob Schwester Gerda noch da sei. Ich wollte ihr berichten, wie sehr wir damals gelitten hatten. Ich bekam zur Antwort, dass Schwester Gerda leider nicht mehr da sei. Aber: „Sie war ja sooo beliebt!“ Das hat mich noch mal richtig entsetzt. Und das ärgert mich im Nachhinein genauso wie die schlechte Behandlung damals: Die Schwestern, die uns schlecht behandelt haben, waren im Ort wahrscheinlich die großen Helden. Ich finde, dass sollte man richtigstellen. Auch im Ort Königsfeld.
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Marion Gisbertz aus Wegberg schrieb am 01.10.2020
Ich wurde mehr oder weniger als Begleitperson für meine 3 Jahre jüngere Schwester mitgeschickt. Wir hatten uns eigentlich auf die Kur gefreut, wurden aber gleich am Abend der Anreise getrennt.Dies beruhte auf den einzelnen Altersgruppen. Meine Schwester kam nach den Sommerferien in die Schule, somit war ich für den Schriftverkehr zuständig. Wir wurden in den Speisesaal geführt, sollten unser Handgepäck? auf den Tisch legen und öffnen. Dann kamen zwei "Schwestern" mit einem Wäschekorb und leerten alles darin aus. Das empfand ich schon als grausam, da unsere Mutter uns extra, um uns die Zeit zu versüßen je eine Tüte "Nimm 2" und eine Tafel "Noveisa Goldnuss" mitgegeben hatte. Begründung hierfür: das werden wir nachmittags verteilen, damit alle etwas haben. Wir haben ein einziges Mal ein saures Bonbon bekommen. Für uns beide war das etwas so besonderes, mehr noch wie Weihnachtsleckereien und die hat man uns abgenommen.
Briefe nach Hause schreiben durfte ich erst nach 2 Wochen. Dieser wurde kontrolliert, fast alles durchgestrichen. Die Wahrheit durfte ich nicht schreiben, man diktierte mir dann die Briefe.
Es sollte ein Ausflug zur Zugspitze stattfinden, aber nur für brave Kinder. Ich durfte nicht mit, weil ich tags zuvor die Linsensuppe nicht aufgegessen hatte. Das war so eine Sache: im Speisesaal war es sehr laut, wenn weiter geschwätzt wird, der bekommt noch eine Kelle Suppe auf den Teller. Da ich schon 2 Teller hatte, wollte ich nicht antworten, als das Mädchen neben mir was sagte. Habe lediglich meinen Zeigefinger auf die Lippen gelegt und schon kam die nächste Kelle Linsensuppe, der Teller lief über, ich kriegte eins auf den Kopf und habe mich dann über die Ungerechtigkeit beschwert und dann ging es los. Die Oberschwester kam, eine Schwester hielt meine Arme auf den Rücken, eine meine Nase zu und die Oberschwester stopfte den Löffel mit der Linsensuppe imer und immer wieder in meinen Mund. So schnell konnte ich nicht schlucken, sammelte also alles in den Wangenund die Oberschwester schlug daruf. So bekam sie alles ins Gesicht, zerrte mich wütend auf die Toilette, steckte mir mehrfach die Finger in den Hals, damit ich erbrach und dann ging es weiter. Da ich aber nicht mehr essen konnte, wurde ein riesiger Pokal voll Suppe geholt, ich auf einer Bank festgebunden und sollte den während der Mittagsruhe leeren. Auch das ging nicht, sodass ich in ein Krankenzimmer eingesperrt wurde mit vergittertem Fenster und NACHTTOPF!!!!!!!!!!!!! Da musste ich 1 Woche drinbleiben, wurde ausgeschimpft, wenn ich den Nachttopf benutzen musste, als Schwein und Ferkel bezeichnet.
Ich kann bis heute noch nicht einmal Linsensuppe riechen, geschweige essen da wird mir schon übel. Man muss sich das mal vorstellen, sovieel <linsen im Bauch, wie das gebläht hat.

Morgens gab es immer 3 sehr große Schnitten Brot mit Rübenkraut. Während des Frühstücks mussten wir dann zur "Höhensonne" 15 Minuten stehen.1 Mädchen ist umgefallen und hat sich das Kinn aufgeschlagen, was genäht werden musste. Danach durften wir sitzen. Zurück im Frühstücksraum war der Telle wieder mit neuen Broten aufgefüllt. Viel zu viel für uns kleine Mädchen.
Ohrfeigen bekam ich, weil ich meine Brille nicht dabei hatte, obwohl ich gar keine besaß.
Beim Kofferpacken für die Rückreise, fehlten alle unsere neuen Kleidungsstücke und Sonnenbrillen. Wieder gab es Ohrfeigen und einen Tag ins Krankenzimmer. Dort wurde ich regelmäßig von Bremsen zerstochen.
Das schlimmste aber war, dass ich meine kleine Schwester nachts weinen hörte, nachschauen wollte, sie auf der Treppe in eine Decke gewickelt, m Hals zugebunden und ich durfte nicht hin.
Abends musste immer eine von uns in der Zimmertüre warten bis wir ins Bad gerufen wurden. die restlichen 9 Mädels drückten dann die Türe zu und meine beiden kleinen und Ringfinger steckten in der verschlossenen Tür. Für mein Geschrei gab es natürlich wieder Ohrfeigen, ich solle mich nicht so anstellen, solange die Finger nicht bleu sind ist auch nichts kaputt. Sie waren sofort lila und nach Monaten noch stark geschwollen. Ein Jahr später habe ich mir den linken Unterarm gebrochen, wobei die Brüche der beiden linken Finger zum Vorschein kamen Auf einer späteren Röntgenaufnahme sah man daann auch rechts die unversorgten Brüche. Meine Finger werden immer steifer, der rechte Ringfinger ist im mittleren Glied versteift und macht Probleme.
Alles in allem muss ich heute immmer wieder feststellen, dass mich diese Kur stark geprägt hat. Vor allem wurden wir immer wieder als Lügner bezeichnet, was mich bis heute verfolgt.
Über meine kaputten Finger habe ich zwischenzeitlich ein Gutachten.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich mich freuen würde, wenn sich eine meiner Mit-KurKinder hier melden würde.
Lg Marion
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Janine Beutler-Deckers aus Nettetal schrieb am 30.09.2020
Ich war 1968 für 6 Wochen in einem Heim in List auf Sylt. Zu essen gab es jeden Tag Haferbrei und Schmalzbrote und zu trinken immer nur Tee. Wer wie ich den Brei verweigerte, hatte nur Schmalzbrot zur Auswahl, und das sechs Wochen lang. Kinder, die nicht kerzengerade bei Tisch saßen, bekamen eine Holzlatte hinten in den Hosen- oder Rockbund gesteckt zum Geradesitzen, beide Hände mussten immer flach neben dem Teller liegen. Nach dem Mittagessen mussten wir in den Schlafräumen ins Bett und schlafen, abends war im Hellen Schlafenszeit (April). Telefonieren gegen das Heimweh war nicht erlaubt, Briefe meiner Mutter wurden vorgelesen, ich selbst konnte noch nicht schreiben und daher keine Post zurücksenden. Wanderungen wurden in Kniestrümpfen erledigt zur Abhärtung (April an der Nordsee), ich hatte immer blaugefrorene Beine. So sehr ich auch nachdenke, kann ich mich an keine Spiele oder sinnvolle Freizeitbeschäftigung erinnern, eher an Bewachung durch das Personal. Bei meiner Rückkehr war meine Mutter entsetzt: ich sah nicht wie erwartet gesund aus, sondern moppelig.
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C. M. Schwab aus Ludwigshafen schrieb am 27.09.2020
Die Behandlung dort kann man getrost als grundlegend lieblos und quälerisch beurteilen. Abgesehen von der Tatsache, dass ich nicht verstand, warum Eltern ihren Kindern so etwas antun können, erlebte ich in Saig die folgenden Erlebnisse: Stundenlanges Sitzenbleiben am Tisch, wenn man den Haferschleim, den man nicht essen konnte, weil er Brechreize auslöste, samt dem Erbrochenen wieder aufessen musste. Man fragte sich, warum man nicht einfach wie die 'Größeren' ein Marmeladenbrot essen durfte, wenn der Haferschleim Übelkeit auslöste. Tägliches Schafen in zu kurzen Betten unter dünnen Decken in kalten Mehrbettzimmern, verbunden mit dem Verbot, nachts auf die Toilette zu gehen. Wenn man trotzdem 'musste' musste man sich auf leisteten Sohlen am Schwesternzimmer auf dem knarrenden Parkett am Schwesternzimmer vorbeischleichen Richtung Toilette, dort dann sein GEschäft erledigen, möglichst ohne zu 'Spülen', denn das hätte Geräusche verursacht, die die Schwester auf den Plan gerufen hätten.
Die von den Eltern zugeschickten Pakete mit Süßigkeiten von daheim wurden kontrolliert und nicht herausgegeben. Von einem prall für meine Schwester und mich gefüllten Paket - bekamen wir jeden nur eine 'Katzenzunge'. Der Rest verschwand bei den Schwestern. Die Pakete und Briefe der Eltern waren stets bereits geöffnet, wurden vor Abgabe an uns bereits gelesen. Nach dem Mittagessen mussten wir stundenlang eine Liegekur auf einer überdachten Verwanda aushalten - bei Tageslicht mit geschlossen Augen - so tuend als würden wir schlafen - das Ganze unter den von den Eltern mitgegebenen Wolldecken. Am Nachmittag lange Wanderungen. Am Wochenende - meist Samstags mussten wir baden - und zwar alle im selbem Wasser einer Badewanne - ich war meist zuletzt dran, weil ich schon größer war und ekelte mich vor dem schmutzigen Wasser. Einmal pro Woche ein Termin mit dem Arzt, der Spritzen gab - wofür weiss ich bis heute nicht. Gegen das massive Heimweh das mich ob der Umstände befiel und die Trauer über die lieblosen Umstände, die mit häufigem versteckten nächtlichen Weinen unter der Bettdecke einherging, wurde nichts unternommen. Eine sehr unschöne Erinnerung die sich in meiner Kindheit zweimal wiederholte. Beim 2. Aufenthalt waren wir einem neuen Gebäude untergebracht. Derselbe Ablauf, wie beim ersten Aufenthalt, aber immerhin eine etwas nettere Heimleiterin / Erzieherin (?), die sich einmal meines Heimwehs am Abend freundlich annahm.
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Joachim Best aus Seevetal schrieb am 27.09.2020
Ich musste eine ganze Nacht auf dem kalten Flur stehen weil Ich von meinem Geburtstagsteller mit Süssigkeiten nichts abgegeben habe. Es wurde auch ständig kontrolliert ob Ich den auch noch stehe. Ansonsten auch die Erlebnisse wie Trennung von Geschwistern und sitzen bleiben bis man aufgegessen hat.
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Insa Harjes aus Lemgo schrieb am 26.09.2020
Meine Schwester erzählte mir, sie habe einen Bericht über die "Initiative Verschickungskinder" gelesen, bei dem sie sofort an meine Erinnerungen von meiner Kur auf Sylt denken musste.
Ich war tatsächlich überrascht und entsetzt, als ich nun einige Berichte gelesen habe, dachte ich doch immer, dass meine wenigen Erinnerungen doch nur einfach schlechte Erinnerungen waren, die eventuell einfach von Heimweh geprägt waren.
Ich war als 6-Jährige im Frühjahr 1977 für 6 Wochen in einem Heim in Hörnum auf Sylt. Wie das Heim hieß, weiß ich leider nicht mehr.
Ich habe nur wenige Erinnerungen an die 6 Wochen. Aber es sind intensive Erinnerungen.
Wir bekamen eine eklige braune Suppe zu essen, die wir aufessen mussten. Wie es den anderen Kindern damit ergangen ist, weiß ich nicht mehr, aber ich habe mich gebeugt und tapfer gegessen.
Zu trinken gab es nur während der Mahlzeiten. Ich hatte ständig Durst. Im Hof des Heimes waren Getränkekisten mit Leergut gestapelt. Einmal habe ich dort verzweifelt nach noch einer vollen Flasche gesucht. Warum ich kein Wasser aus dem Wasserhahn getrunken habe oder ob ich es vielleicht doch getan habe, weiß ich nicht mehr.
Die Postkarte an meine Eltern habe ich zusammen mit einer Erzieherin "geschrieben". Wir saßen dazu alleine im Speisesaal. Ich meine mich zu erinnern, dass ich einen Text "abschreiben" sollte, obwohl ich noch nicht schreiben konnte.
Das zumindest würde erklären, warum ich später in der Schule so gravierende Probleme beim Abschreiben von Texten hatte gebunden mit der Angst, Fehler zu machen.
Am Ende meiner "Kur" suchte eine Erzieherin für mich Sachen raus, die ich bei meiner Heimreise anziehen sollte. Es war eiskalt draußen und ich musste eine kurze Hose mit roten Kniestrümpfen anziehen. Meine Mutter war damals in Bremen am Bahnhof entsetzt beim Anblick meiner blaugefrorenen Beine. Selbst meine 5 Jahre ältere Schwester kann sich bis heute an diesen Anblick nur zu gut erinnern.
Wenn ich all die Berichte hier lese, dann denke ich mir, dass ich es anscheinend noch richtig gut gehabt habe.
Es ist entsetzlich, dass so mit Kindern umgegangen wurde und das für so lange Zeit. Da kann man nur hoffen, dass es heute anders ist. LG Insa
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Kirsten Ungerathen aus Bad Grönenbach schrieb am 26.09.2020
Im Herbst 1970 kurz nach meiner Einschulung wurde ich zusammen mit meinen 2 Schwestern mit dem Zug von Bonn nach St. Peter Ording verschickt. Wir sind im Bonner HBF in den Zug gestiegen, zusammen mit 4-5 anderen Kindern, darunter ein ca. elfjähriges Mädchen das Elfie hieß, sie hat dann die meiste Zeit im Bett neben mir geschlafen. Die Kur war traumatisch für uns, meine große Schwester war auch erst 8 meine kleine Schwester erst 4. Vorher hatten wir uns sehr darauf gefreut, das Meer zu sehen unser Vater hatte uns sehr lebhaft davon erzählt und wir hatten ein paar Tage vorher am Rhein "Ebbe und Flut" gespielt, das war das Schönste an der Kur. Im Zug hat uns eine Frau Heinrich betreut, vielleicht von der Caritas, wir kannten sie schon, weil sie nach der Geburt meines jüngsten Bruders bei uns im Haushalt geholfen hatte. Als wir im Heim ankamen, war es schon spät, es war dunkel und wir heulten vor Müdigkeit und Angst. Wir standen im Speisesaal und die eine Betreuerin hatte einen Brief (wahrscheinlich von meinem Vater) in der Hand, runzelte die Stirn und sagte, dass sie das normalerweise nicht machen. Mein Vater hatte darum gebeten, dass sie uns in eine Gruppe tun, damit wir einander haben. Zum Glück haben sie uns dann wirklich nicht getrennt und wir haben auch die ganze Zeit im selben Zimmer geschlafen. Die erste Zeit die Kinder aus Bonn zusammen (Jungen und Mädchen) vorne in einem Zimmer, nahe am Speisesaal, später, nach einem großen Wechsel, es war eine große Gruppe aus Hamburg da, oder vielleicht auch aus Hannover, ich habe 107 als Zahl im Kopf, das kommt mir jetzt aber sehr viel vor. Unser Zimmer war nicht sehr groß alles Einzelbetten, Nachttischchen und Schränke? Neben meinem Bett war ein Waschbecken, wo wir Zähne geputzt haben. Beim Schlafen war für mich sehr schlimm, dass die Seite, auf der man liegen durfte, vorgegeben war, es war in beiden Zimmern nicht meine normale Schlafseite. Die haben das auch nachts kontrolliert und man wurde angemeckert, wenn man sich nicht daran gehalten hatte.
Ziel davon war, keinen Kontakt zu den anderen Kindern aufnehmen zu können. Beim Frühstück am nächsten Tag gab es erst ein leckeres Butterbrot (es war ein Sonntag) aber ich und meine kleine Schwester sollten ein Lätzchen tragen, das fanden wir sehr demütigend, zu Hause hatten wir schließlich noch zwei kleinere Geschwister und konnten schon sauber essen, ich war empört, ich war schließlich schon ein Schulkind. Eine Erzieherin hat mich dann getröstet und ich musste das Lätzchen auch nicht mehr tragen. Mutig hatte ich gesagt, dass ich gerne noch ein Brot essen wollte, es kam aber kein Butterbrot sondern ein Brot mit einer übelriechenden, wiederlichen Masse drauf, soetwas hatte ich noch nie gesehen oder gegessen, nach dem ersten Probieren schüttelte es mich total, ich konnte das nicht essen. Meinen Schwester ging es genauso, schließlich saßen nur wir noch vor unserem Brot, alle anderen Kinder waren schon rausgegangen und die Betreuerinnen machten unmissverständlich klar, dass wir erst wieder aufstehen durften, wenn wir aufgegessen hatten. Auch wenn wir 6 Wochen vor den Broten sitzen, sie haben Zeit. Stunden später hatten wir es schließlich runtergewürgt. Das meiste Essen dort war für mich ok zu essen, es gab viel Schokoladensuppe, Milchsuppe mit Zimt und Öhrchennudeln, nachmittags gab es immer abwechselnd einen Schokokuss oder eine Cremwaffel, ich erinnere mich an Wurstbrote, die nicht zusammengeklappt war, das konnte ich erst nicht essen, da war die Betreuerin auch nett und hat für mich einfach 2 Hälften aufeinander gelegt, dann schmeckte es für mich mehr wie zu Hause.
Es gab etwas, dass hieß Müsli, war aber eine ganz zähe, unverdauliche Pampe ohne Obst. Obst bekam man nur, wenn man krank war, einen kleinen Teller mit Bananenstückchen, Apfelschnitzen und Weintrauben. Mittagessen war auch oft schlimm, besonders erinnere ich mich da an Fischstäbchen mit Kartoffeln, die ja eigentlich kein Problem waren, aber dann haben sie immer eine wiederlich völlig verbrannt schmeckende Soße darüber geschüttet, dann war alles verseucht und ich habe sehr lange gebraucht, um es zu essen.
Wir waren nur zweimal am Meer, gesammelte Muscheln wurden meiner kleinen Schwester wieder abgenommen, meine ältere Schwester und ich hatten sie wohl besser versteckt. Abends wurde öfter gesungen, das mochte ich sehr. Einmal gab es einen Gesangswettbewerb, ein kleiner Junge (höchstens 6) aus Hamburg hat gewonnen, er hatte das Lied " In einem kleinen Apfel, da sieht es lustig aus" gesungen, als Preis bekam er Süßigkeiten aus einem Paket von irgendwelchen Eltern. Leider kann ich nicht gut singen und hatte damit auch keine Chancen auf einen Preis und Süßigkeiten. Aber dieser kleine Junge hat wirklich sehr schön gesungen. Gespielt haben wir nicht , wir sind die meiste Zeit durch eine unendliche, langweilige Marschlandschaft mit Stacheldraht, Wassergräben Kühen und Wind gelaufen, immer in Dreierreihen, rechts und links ein Schulkind, in der Mitte ein Kindergartenkind, ich war das zweitjüngste Schulkind und musste deshalb mit dem zweitältesten Schulkind ein Team bilden, das gehörte wohl zu Isolation dazu, so konnten sich kaum Freundschaften bilden. An unser Kindergartenkind kann ich mich nicht erinnern, es war aber nicht meine Schwester. Das war unglaublich öde und langweilig. Einmal hat mir eine Betreuerin eine Ohrfeige gegeben, weil mein Schuh aufgegangen war. Meine Schuhe waren sowieso komplett ungeeignet, so kleine Halbschüchen, die gingen immer auf. Wir haben nichts besichtigt, nur einmal auf einem Sandplatz gespielt, nie Fernsehen geschaut, obwohl es uns versprochen worden war, es gab nicht viel, was uns von unserem unglaublichen Heimweh ablenken konnte. Einmal wurden dreckige Unterhosen zur Schau gestellt, ich war in Panik, dass ich gleich namentlich genannt werde, weil die Sachen ja alle mit Namenschild gekennzeichnet waren und ich überzeugt war, dass meine Unterhose auch nicht immer richtig sauber war. Später mit Anfang 20 hat mich mal eine Freundin ausgelacht, weil sie fand, dass ich mit meinen Unterhosen so komisch verschämt umgehe, das lag bestimmt noch an dieser Erfahrung. Im Flur standen wir oft dicht gedrängt und haben gewartet, bis wir runtergehen, Schuhe anziehen vielleicht dort oder im Keller? Da hat mit ein Junge einmal die Nase sehr schlimm umgedreht, die Betreuerinnen hat das nicht so interessiert. Einmal habe ich da gemerkt, dass ich eine Schwellung am Hals habe und mich elend fühlte, da habe ich mich zur Betreuerin durchgekämpft und es ihr gesagt, da hat sie mir eine kräftige Ohrfeige gegeben mit dem Satz : Warum hast du das nicht früher gesagt. Aber ich durfte mich dann wieder ins Bett legen und bekam Obst. Das Fiebermessen war schlimm, ich musste mich auf den Bauch legen, sie haben mir die Hose runtergezogen und mir das Fieberthermometer schmerzhaft in das Poloch gerammt. Das haben sie beim Fiebermessen immer so gemacht. Meine kleine Schwester wurde dann auch noch krank, so konnten wir zusammen im Zimmer liegen, das war ganz ok. Am letzten Tag durften wir in einen Laden gehen, dort gab es Andenken und Spielzeug. Wir hatten jeder 50 Mark, das Taschengeld von den Eltern, ich wollte mir dafür ein Konstruktionsspiel kaufen, das hatte mich schon lange interessiert, da hat die Betreuerin dann auf mich eingeredet, dass meine Eltern das bestimmt nicht ok finden, wenn ich das ganze Geld ausgebe, ich habe sie nur angeblinzelt und konnte das garnicht verstehen, für mich wäre das eine ganz kleine Wiedergutmachung für diese fürchterliche Zeit und das schreckliche Heimweh gewesen, eigentlich hätte ich mindestens so einen großen Sack mit Geschenken bekommen müssen wie die Männer in dem Märchen "Sechse kommen um die Welt" am Ende wegschleppen. Schließlich kaufte ich nur einen Seehundschlüsselanhänger für mich, meine kleine Schwester auch, meine große Schwester hat sich ein Muschelkästchen gekauft und für meine Mutter haben wir eine süße Seehundbrosche ausgesucht. Es gab also doch ein Ende und wir sind wieder mit dem Zug nach Hause gefahren, am Bahnhof haben wir uns alle drei an meinen Vater geklammert, ich hatte ein Bein fürchterlich geweint und geschworen ihn nie mehr loszulassen. Da ist ihm das erst bewusst geworden. Er hatte die Kur veranlasst, damit wir mal das Meer sehen und was schönes erleben, mit 4, 6 und 8!!!
Geblieben davon ist mir ein massives Panikgefühl, wenn ich etwas falsch gemacht habe, ich habe dann Todesangst und bin nicht mehr zu beruhigen.
Ein älterer Junge hat mal 8 Teller Schokoladensuppe gegessen, er wollte immer noch einen haben, wahrscheinlich hat es ihn nicht wirklich satt gemacht, diese dünne Pampe. Dann musste er sich übergeben, meine Schwester meint, er musste das Erbrochene aufessen, ich weiß nur, dass er fürchterlich geschrien und geweint hat. Einmal haben wir gedscht mit Haarewaschen, für mich und meine Schwestern zum Glück kein Problem aber ein Mädchen mit richtig langen Haaren mussten sie sehr dazu zwingen und sie hat sehr geschrien, das hat uns auch Angst gemacht. Einmal hat meine kleine Schwester es nicht mehr auf die Toilette geschafft, meine große Schwester sollte es dann wegmachen. Die Betreuerinnen haben sich das Leben schon sehr leicht gemacht, sie mussten so sehr wenig auf uns eingehen und haben uns so gut wie nichts angeboten, nur Gewaltmärsche, damit wir müde sind. Die Post wurde zensiert, als meine ältere Schwester geschrieben hat, dass wir krank sind, wurde das geschwärzt. Ich konnte noch nicht schreiben. Ich hatte unglaubliches Heimweh, es schien mir unmöglich, mich davon noch einmal zu erholen. Die Erinnerungen, die ich habe sind messerscharf, eingebrannnt. Leider erinnere ich mich nicht an den Namen des Heims, meine Geschwister können sich daran auch nicht mehr erinnern, mein Vater auch nicht, das Einwohnermeldeamt da sagt, dass es keine Unterlagen dazu hat. Vielleicht kennt jemand das Heim, in dem man in Dreierreihen laufen musste, es 2 Etagen gab, Zimmer mit Dachschrägen, Einzelbetten, Waschbecken im Zimmer, Obst, wenn man krank war, das Gebäude war verwinkelt, auf der anderen Seite des Speisesaals gab es einen gebogenen Gang, dort wohnte "die Familie" und auch 2 ältere Mädchen hatten dort ein Zweibettzimmer. Der Speisesaal hatte auf der einen Seite so etwas wie eine Bühne, auf der einen Toilette gab es eine langen Schacht nach oben. Ich meine, das Haus war mit Reet gedeckt, das kann aber auch falsch sein, lag eher allein in der Nähe war eine Bahnschiene. Wir sind durch das Grasland oder auch über die Deiche gelaufen, stundenlang.
ES belastet mich, dass ich den Namen nicht weiß, so als würde dann jemand kommen können und sagen können, dass das ja gar nicht wirklich passiert ist. Es gab auch eine Untersuchung in einem dunklen Arbeitszimmer, eine gepflegte Damen mit dunklen Haaren (Locken) hinter einem Schreibtisch, ich in weißer Unterhose davor. Fand ich aber ganz normal. Vielleicht war ja jemand da, der sich an den Namen erinnern kann. Ich habe wenig Hoffnung 8 Millionen Verschickungen, hier nur 1600 Einträge ca. 30 Kinderheime in St.Peter Ording, das sieht aus wie die Nadel im Heuhaufen. Vom rechten Ende des Speisesaals aus konnte man unten die Küche sehen, da war das Haus wohl etwas über Eck gebaut. Einmal haben wir Tomatenbrote gesehen, und uns schon gefreut, aber dann gab es doch wieder nur Schmalzbrote, die Tomatenbrote waren wohl für die Gruppe unten, Wir hatten den Verdacht, dass die das gute Essen bekommen und nur wir das schlechte, aber das stimmt wahrscheinlich nicht.
Har jemand noch eine Rechercheidee für mich? Im Forum hat mir keiner geantwortet und ich habe auch nirgendwo einen Bericht gelesen, wo ich das Heim wiedererkannt hätte. Liebe Grüße Kirsten
Ich finde die Seite ganz toll, es gibt mir ein warmes Gefühl mit diesen Erinnerungen nicht allein zu sein.
Meine Schwester hat noch eine alte Postkarte gefunden, es war Haus Blinkfüer in St. Peter Ording. Danke
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Manuela aus Weeze schrieb am 26.09.2020
Hallo!
Ich wurde auch verschickt,zum Kindererholungsheim Schliersee Fischhausen-Neuhausen im Jahr 1976
Ich war 6 Jahre alt
Für 6 Wochen
Ich habe Gewalt,Demütigung und Erniedrigung in meiner Kur erleben müssen. Ich war damals die einzige unter all den anderen Kinder mit einer Hauterkrankung am Schliersee. Früher nannte man diese Hauterkrankung (Fischhaut). Erst im laufe der Jahre benannte man es als NEURODERMITIS.
Als ich am Kurort angekommen war,mussten wir alle unsere Koffer und Taschen öffnen,und alles das was uns von zuhause aus mitgegeben wurde hatte man uns entzogen. Umschläge mit Geld,Süßigkeiten,Briefmarken,Schampo,Zahnpasta etc. Von meinen Sachen habe ich in meiner ganzen Kuraufenthalt nicht's mehr gesehen.
Wir wurden dann unseren Zimmer zugeordnet in Gruppen eingeteilt,dem alter entsprechend mit Jungen und Mädchen zusammen bewohnten wir das ein Zimmer. Es standen 10 bis 12 Betten,sich jeweils gegenüber. Die Betten hatten weiße Bettbezüge,wir trugen weiße Nachthemden auch die Jungens. Für Nachts wurden weiße Emalie-Töpfe mit Hänkel im Schlafraum gestellt,da wir nicht zur Toilette durften. Wir mussten uns auf diese Emalie Töpfe entleeren. Das Essen war miserabel einseitig es gab Graubrot Schmalz Wurst Suppe Haferbrei. In den ganzen 6 Wochen wurde nur gegessen Geschlafen,gegessen und Geschlafen wir durften nicht Spielen Singen oder toben. Meine Persönlich schlimmsten Erlebnisse in dieser langen Zeit waren.
Wir hatten einen Tagesausflug zum Spielplatz ein paar Km entfernt vom Kurhaus in einem Waldstück un Fotos zu machen. Es gab nur einen Tagesausflug in den ganzen 6 Wochen. Ich rannte eine langgezogene Steintreppe herunter,rutschte aus und zog mir eine Verletzung am rechten Daumenballen zu. Nach ein paar Tagen Entzündete sich die Wunde,und eine Schwester bemerkte das. Sie nahm mich an meinem Arm und zog mich hinter sich her, in das Büro der Oberschwester. Die an einem großen braunen Schreibtisch saß. Man zeigte ihr die Wunde und sie zog mich an meinem Arm über den kompletten Schreibtisch zu sich hin. Die andere Schwester sollte mich fest halten ,Ich schrie vor Angst weil sie mir sagte so jetzt schneide ich dir deinen Daumen ab , du Daumen lutscher,Sie nahm eine Pinzette und puhlte mir einen kleinen Stein aus meiner Wunde. Sie puhlte und puhlte ich hatte höllische Schmerzen und hatte mich eingenässt dafür bekam ich Schläge und tritte.
An manchen Tagen wurde Gebadet und somit bekam ich mein langersehntes Ölbad. Es waren fünf viereckige Badewannen. Es wurde immer zu zweit gebadet Junge und Mädchen zusammen,das war den Schwestern egal. Auf die richtige Dosierung meines Ölbades wurde auch nicht geachtet,und verursachte somit oftmals Rutschgefahr. Wir sollten die Wanne verlassen,und mit mir saß ein etwas korpulenter Junge mit in der Wanne . Wir beide hatte Probleme die Wanne zu verlassen,wir rutschten ständig aus. Die Schwestern schauten zu und lachten laut,wir wurden dann mit kalten Wasser abgespritzt. Ich fing an zu weihnen und hatte Schmerzen durch meine Neurodermitis. Ich bekam Ohrfeigen und tritte wurde verspottet von den Schwestern. Ich durfte sie nicht anschauen,Ich musste zum Boden schauen. Sie sagten "Guck weg du bist hässlich ", Ich hatte am ganzen Körper schmerzen,meine Haut spannte sich niemand Cremte meine Haut nach dem Baden ein. Zur schlafenszeit ob mittags oder Nachts,suchte ich Trost zu meinem Teddy. Ich erzählte ihm immer alles,Ich hatte ja sonst niemanden der mir zuhörte. Bemerkte dieses eine Schwester musste ich zur Strafe im Flur des Hauses schlafen, auf einer alten dunkelen Telefonbank. Oder im Waschraum auf eine Holzbank. Irgendwann fing ich an mich zu kratzen,weil die Hautpflege mir fehlte,Ich hatte viele offene blutige Stellen die mit Schmerzen verbunden waren. Meine Bettwäsche und Nachtwäsche waren oftmals versaut. Und somit wurde ich nochmehr von den Schwestern gehänselt,verspottet und geschlagen. Meine Hände wurden dan in Verbänden eingewickelt jede Nacht,und Mittags wurden meine Arme ans Bett befestigt. So das ich mich nicht mehr kratzen konnte. Und ich auch so nicht mehr an meinem Daumen kam. Dieses kontrollierten die Schwestern streng. Als ich dan mal wieder mit meinem Teddy redete,unter meiner Decke,und mein Kopfkissen immer nasser wurde von meinen heimlichen stillen Tränen mein Herz weinte,Ich wollte nach Hause. Mein ganzer Körper war wie gelähmt vor Schmerzen,und voller Heimweh nach meinen Eltern. Ich fühlte mich vom ersten Tag an sehr einsam und allein gelassen. Ich sagte zu meinem Teddy , die Mama soll mich holen ,ich schüttelte meinen Teddy "Hörst du," ich schüttelte und schüttelte meinen Teddy und wurde immer lauter meine Tränen wurden immer mehr "sag die Mama Bescheid sie soll mich endlich abholen kommen ". Dies bekam die Nachtschwester mit,Sie riss mich an meinen Haaren aus meinem Bett. Meine Füße berührten erst im langen Koridor außerhalb des Zimmers fen Boden. So verbrachte ich auch diese Nacht allein gelassen frierend ohne Decke und ohne Teddy keine tröstende Worte im Flur des Hauses. Ich hörte nur den Pendel einer großen schweren Standuhr und schlief irgendwann ein.
Nach unendlich langen Tagen und Wochen voller Heimweh nach zu Hause,kam die Anreise. Jeder musste sein Gepäck eigenständig tragen,auch die kleinsten. Draußen stand auch schon unser Abreisebus ,und wie ich so durch die große Türe nach draußen ging ,riss eine Schwester mir meinen Teddy aus meinem Arm, grinste und sagte ,und der bleibt hier . Durch das ganze gedrengel der anderen verlor ich sie aus dem Augen. Auch im Bus hilte ich Ausschau nach ihr, sie war nicht mehr zu sehen. Ich hatte sehr lange in meiner Kindheit um meinen Teddy getrauert das er nicht mehr bei mir war. Bis heute leide ich unter Verlustangst ich mag es nicht allein zu sein . Ich bin froh das ich mal meine Erinnerungen und Erlebnisse loslassen durfte in meinem Text. LG Manuela
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Annabell aus Hallungen schrieb am 26.09.2020
Nur vier Wochen...und doch ein ganzes Leben.
Ich bin 37 Jahre alt, Ergotherapeutin in einer Einrichtung für psychisch Kranke, ich versuche so gut es geht mit meiner Angsterkrankung und den Panikattacken durchs Leben zu kommen..... Ich lebe noch Zuhause bei meinem Onkel und meiner Mama....warum...weil ich dem kleinen Mädchen 1988 im Kinderkurheim Pausa versprochen habe, wenn wir hier lebend raus kommen verlassen wir unsere Familie und unser Zuhause niemals wieder!!!!

Ich war 5 Jahre alt als ich nach Pausa kam. Ein kleines, blasses, dünnes Mädchen. Zum ersten Mal weit weg von Mutti, Oma, Opa und dem Onkel. Die Reise war noch ein großes Abenteuer, viele Kinder mit Namenszetteln um den Hals die mit einer netten Dame Zug fahren durften. Als wir ankamen begann die Tortur. Ich wurde geschlagen, musste stundenlang vor meinem Teller sitzen bis ich alles aufgegessen hatte. Wenn ich es nicht schaffte steckte ich mir die Brotrinden in die Hosentasche. Als ich dabei erwischt wurde musste ich mich an den Tisch der Erzieherin setzen und ein Brot mit verschimmeltem Käse essen. Am nächsten Morgen übergab ich mich im Bett, zur Strafe wurde ich an den Ohren gezogen bis sie bluteten. Sonntags saßen wir den ganzen Nachmittag in einem dunklen Raum und schauten uns auf einer Leinwand, Paraden mit Erich Honecker an. Für jeden Fehler wurde ich an den Ohren gezogen. Nachts durften wir nicht zur Toilette gehen, ich hab mehrmals ins Bett gepullert, zur Strafe wurde ich geschlagen und mein Bettlaken tagelang nicht gewechselt. Ich erinnere mich auch an Massagen mit harten Bürsten, wir Kinder standen nackt im Kreis und massierten uns bis die Haut ganz rot und wund war. Jede Nacht weinte ich in mein Kuscheltier, ich wollte am liebsten Sterben, aber ich wusste nicht wie das geht.

"Du darfst nie wieder nach Hause wenn du den Teller nicht leer isst", ich hab es geglaubt aber ich konnte das Brot nicht mehr essen. Da hab ich es mir geschworen...sollte ich je wieder hier rauskommen... Zurück zu Mutti..dann geh ich nie mehr von ihr weg.

Seit dieser Kur habe ich eine generalisierte Angsterkrankung, Panikattacken und Depressionen entwickelt.
Manchmal träume ich das ich wieder im Doppelstockbett liege, es ist nicht mehr so schmerzhaft wie vor einigen Jahren. Meine Erlebnisse gehören zu mir, vielleicht haben sie mich auch zu dem gemacht was ich heute bin.

Ich bin froh mit all diesen furchtbaren Geschehnissen nicht mehr allein auf der Welt zu sein.
Administrator-Antwort von: Redaktion
Liebe Annabell,

Dein Beitrag ist sehr erschütternd und wichtig für uns, du gehörst zu den DDR-Kurkindern, diese waren bisher nur sehr selten mit Berichten auf unserer Seite, da gabs auch andere Bedingungen, die noch vergleichsweise wenig erkundet sind, ich würde gern in Kontakt mit Dir kommen für ein Vertiefungsgespräch, hättest du Lust mich mal anzurufen? Schreib mir unter :info@verschickungsheime.de und schreib dazu, dass Maria deinen Brief gleich an mich, Anja, weiterleiten soll, Danke!
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Andrea Nick aus Radevormwald schrieb am 25.09.2020
Ich wurde 1970 als sechsjährige durch die Krankenkasse der Bayer Werke Leverkusen dorthin verschickt. Leider haben mir meine Eltern nie erzählt , warum ich für sechs Wochen dorthin musste. Ich kann mich noch an die Untersuchungen im Vorhinein erinnern und dass mir versprochen wurde, ein mir bekanntes Mädchen aus der Nachbarschaft würde mich dorthin begleiten. Dies war aber leider nicht so, wie ich am Bus zur Abfahrt feststellte.
In der Zeit des Aufenthaltes habe ich viel geweint und hatte starkes Heimweh. Wir schliefen mit ca 6 - 8 Kindern in einem Raum. Zur Mittagsruhe durfte niemand auf die Toilette und ich weiß noch, wie ich mit starken Drang im Bett lag . da ich aber erlebt hatte, wie andere Kinder für Bettnässen und Melden, dass sie zur Toilette möchten, beschimpft wurden, habe ich mich nicht getraut , mich zu melden. Auch ich kann mich an vel Zeit im Bett oder auf Liegen im Garten erinnern.
Zum Frühstück gab es Haferschleim und erst wenn man diesen aufgegessen hatte, durfte man ein Marmeladenbrot bekommen.Das war furchtbar und sehr ungewohnt.
Päckchen von zu Hause wurden auf alle Kinder aufgeteilt und wenn man Glück hatte, bekam man etwas von seinen Lieblingsteilen von zu Hause. Schlimm war es auch am Nachmittag, wenn die Post von zu Hause verteilt wurde. Alle Kinder saßen im Gemeinschaftsraum und wenn man Post erhalten hatte, wurde man aufgerufen und sollte sich neben die Tante stellen. Sie las dann die Nachrichten von zu Hause laut vor und es war so schwer , nicht in Weinen auszubrechen. denn das kam nicht gut an.
Regelmäßig wurde auch Post an die Eltern verschickt. Da ich noch nicht zur Schule ging , schrieb ein älteres Kind für mich die Post und ich konnte nur unterschreiben. Der Inhalt der Karten war jedoch zensiert und vorgegeben. ( Eine Postkarte habe ich noch in meinem Fundus).
An den Waschraum kann ich mich noch gut erinnern: lange Waschbecken rings um den Raum im Keller , rinnenähnlich. Es war kalt und ungemütlich dort , mit vielen Insekten.
Kleidung suchten die Tanten aus den Schränken im Flur aus.
Spaziergänge gab es einige, in Reih und Glied. Einige Kinder bekamen Bäder. . An Spielen im Garten kann ich mich nicht erinnern. Aber wir saßen viel im Gruppenraum.
Ich kann bis heute nicht verstehen, was man uns kleinen Kindern angetan hat .
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Sisi aus Winterberg schrieb am 25.09.2020
Am 21.09.2020 las ich in unserem lokalem Zeitungsblatt den Artikel von Maximilian Plück „Bitte holt mich, sonst muss ich weinen“ . Der Artikel löste in mir dunkle Erinnerungen aus.
Auch ich war, wie „Carmen Müller“ in dem Artikel beschrieb im Winter 1969 vor meiner Einschulung auf Empfehlung der Schulärztin zu einer „Kinder-Kur“ nach Winterberg verschickt worden, weil ich so dünn war und ich vor meiner Einschulung zunehmen sollte.
In dem von Nonnen geführten Kinderheim war die Atmosphäre in meiner Erinnerung dunkel und unfreundlich. Die Oberin war streng und barsch. Ich habe vieles davon verdrängt. Erinnern kann ich mich aber ganz genau, dass man immer alles aufessen musste, egal ob es einem schmeckte oder nicht. Erst wenn man alles gegessen hatte konnte man den Saal verlassen. Ich musste öfter alleine lange sitzen bleiben und mir das Essen hineinzwingen. Einmal erbrach ich das soeben Gegessene im Essenssaal. Ich musste, trotzdem ich weinte einen Eimer mit Wasser und ein Tuch holen und das Erbrochene selbst vor allen Anwesenden Kindern wegwischen und wurde von der Aufseherin dabei beschimpft.
Ich hatte großes Heimweh und wurde auch krank. Ob ich eine Grippe oder einen Magen und Darminfekt katte weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich wie „Carmen“ auch die Zeit allein im Zimmer verbracht habe.
Ich war froh, als ich endlich wieder zuhause war. Meine Mutter hat mir später immer gesagt, wenn sie das alles vorher gewusst hätte, hätte sie mich nie dorthin gegeben, aber man hatte es ihr ja für mich empfohlen und sie wollte ja eigentlich nur mein Bestes.
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Mannek schrieb am 25.09.2020
Mit 10 Jahren war ich ein sehr dünnes, hoch aufgewachsenes Kind. Über die Mütterberatung wurde ich nach Bad Wildbad im Schwarzwald für 6 Wochen zum Aufpäppeln geschickt. Mein Kinderheim hieß „Tannenhof“. Gudrun Steinhöfer, sehr hart und streng, war die Leiterin und ihre Schwester, der gutmütige Ausgleich, für die Küche zuständig.
Die Anfahrt dauerte mit dem Zug Stunden. In Duisburg fuhren wir Kinder morgens alleine los und waren am späten Nachmittag da. Unsere Eltern hat uns mit belegten Broten versehen. Am Bahnhof hat man uns abgeholt und auf die Zimmer verteilt. Ich war in einem Extrahaus auf dem Hof untergebracht. Man zeigte uns die in jedem Zimmer oben in der Ecke angebrachten Abhörgeräte. Ihr werdet immer überwacht, hieß es. Dann wurden wir direkt zum Abendessen geleitet. Ein riesiger Topf mit Milchsuppe stand auf dem Tisch und die von unserem Reiseproviant übrig gebliebenen Schnitten. Jeder bekam einen Teller voll. Da die Suppe sauer roch, habe ich gesagt: Die esse ich nicht, die ist ja schlecht. Was ich nicht wissen konnte, es war eine Buttermilchsuppe. Es hieß aber: Hier wird alles gegessen. Der Gipfel war, die angebissenen beschmierten Schnitten sämtlicher Kinder wurden in die Suppe geschmissen.
Mir wurde dann die Suppe mit Gewalt eingeflößt. Ich konnte sie nicht bei mir behalten. Darauf wurde aber keine Rücksicht genommen und noch ein Versuch gestartet. Es brachte aber auch nichts. Ich war total verzweifelt und habe geschrien und gerufen:“ Hier bleibe ich nicht, ich will wieder nach Hause“.
Daraufhin wurde ich alleine in ein Zimmer gesperrt. Die Blenden geschlossen. Bei Wasser und Brot haben sie mich 2 Tage in Dunkelhaft gehalten. Danach war ich gebrochen und versuchte mich anzupassen.
Jeden Morgen mussten wir in Reih und Glied antreten. Die Zunge musste herausgestreckt werden und die Leiterin ging mit einer Tube Vitamincreme entlang um jedem Kind einen Spritzer davon auf dieselbe zu verabreichen. Danach ging es ans Frühstücken. Es gab immer Müsli (zähe Pampe). Für mich waren alle Milchspeisen Horror. Ich habe aber gelernt zu schlucken und langsam zu essen, damit mir nicht eine 2. Portion verabreicht wurde. Wir sollten ja schließlich dicker werden. Jeden Mittag wurden 2 Stunden Mittagschlaf gehalten. Konnte ich auch nicht. Ich konnte es aber aushalten zu ruhen. Bei Sonnenschein mussten wir draußen auf Sonnenliegen in der prallen Sonne schlafen. Ich weiß nicht mehr wieviel Tage ich es ausgehalten habe, bevor mir davon dermaßen übel wurde, dass ich erbrechen musste und ich Kopfschmerzen bekam. Mit einem kalten Waschlappen wurde ich dann wieder alleine auf einem Zimmer eingesperrt. Sonnenstich.
Ich habe gesehen, wie Kleinkinder beim Kämmen ihrer langen Haare durch das damals spiegelblank gebohnerte Zimmer geschleudert wurden, weil sie weinten und nicht still halten wollten. Wir bekamen manchmal Pakete von zu Hause. Sie wurden geöffnet, kontrolliert und auf alle aufgeteilt oder auch nicht aufgeteilt. Briefe mussten wir nach Hause schreiben. Sie wurden aber kontrolliert. Meine Mutter hatte mir gesagt, falls du es nicht aushalten kannst, unterstreichst du ein Wort im Brief. Davon bin ich aber abgekommen, weil ich dachte: deine Eltern haben nicht so viel Geld um dich hier mit dem Zug abholen zu kommen. Nachts, zumindest hatten wir schon geschlafen, schrie unsere Leiterin von unten aus dem Treppenhaus und befahl uns alle runter. Dann hat sie unsere Schuhe alle aus dem Schrank geschmissen und sie uns um die Ohren gehauen. Wir mussten dann anständig putzen. Die verloren gegangenen Socken etc. bekamen wir auch regelmäßig um die Ohren geschmissen. Mir war mal ein Knopf vom Rock abgegangen. Ich weiß, das ich wahnsinnige Angst hatte das ich Schläge bekäme. Ich konnte damals noch keinen Knopf annähen. Eine Leidensgenossin half mir.
2 mal die Woche gingen wir zum Schwimmen ins Hallenbad. Ich habe damals schwimmen gelernt. Das war ja gut, aber auch unter Zwang. Wir mussten immer reinspringen und schräg rüber zum Rand schwimmen. Ausflüge haben wir zu einem Hotel im Ort des öfteren gemacht. Dort wohnte damals die Königsfamilie von Saudi Arabien. Der kleine Prinz war zum Kuren dort. Manchmal kam Besuch von betuchten Familien, welche ihre kleineren Kinder dort auch für längere Zeit unterbringen wollten. Dann wurden wir vorher instruiert uns zurück zu halten, nicht dazwischen zu reden.
Ich hab bis zum Schluss durch gehalten. Meine Eltern waren erfreut, dass ich etwas zugenommen hatte. Sie staunten auch, wie ordentlich und aufmerksam ich geworden war. Meinen Eltern habe ich von meinen Erlebnissen nach und nach erzählt. Sie sind aber soviel ich weiß, nicht zur Mütterberatung gegangen um dort zu informieren.

2008 haben mein Mann und ich im Schwarzwald Urlaub gemacht und haben das Kinderheim aufgesucht. Es ist kein Heim mehr. Ein Nachbar erzählte auf mein Nachfragen, dass die Leiterin Frau Steinhöfer im Altenheim noch leben würde.
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Ilse-Marie aus Neuss schrieb am 24.09.2020
Ich bin erst kürzlich durch einen Zeitungsartikel auf das Schicksal der Verschickungskinder gestoßen und sofort waren alle Bilder und Gefühle wieder präsent.
1959 im Januar/Februar, ich war sechs Jahre alt (im ersten Schuljahr) ging es von Köln aus nach Wyk auf Föhr. Meine Eltern waren BEK-versichert, ich erinnere aber nicht das BEK-Haus "Schloss am Meer", sondern einen Backsteinbau. Ich war wegen häufiger Atemwegsinfekte für die "Kur" vorgesehen.
Schon die Reise war von einem unfreundlichen Befehlston geprägt und als wir ankamen, wurde mir zuallererst mein geliebtes Kuscheltier weggenommen und erst nach sechs Wochen wieder ausgehändigt. Ich fühlte mich total allein und ausgeliefert, war ich doch noch nie von Mama und Papa getrennt gewesen.
Das Essen war eine Katastrophe. Jeden, aber wirklich jeden Morgen gab es angebranntenHaferschleim, sechs Wochen lang !Diesen Geruch habe ich noch heute in der Nase. Abends, und zwar jeden Abend, gab es Grießbrei, auch der oft angebrannt. An ein schmackhaftes Mittagessen kann ich mich nicht erinnern. Jedenfalls habe ich eines Abends in meiner Verzweiflung den Grießbrei in den Teller erbrochen. Es wurde eine neue Kelle Brei dazugeklatscht und ich musste alles unter Heulen und Würgen aufessen, saß noch da, während die anderen Kinder längst zu Bett geschickt worden waren.
Schläge waren das Erziehungsmittel schlechthin: Sprach man während der Mittagsruhe - Schläge, benutzte man nachts die Toilette - Schläge (wegen der lauten Wasserspülung), machte man sein Pippi in den Nachttopf, der kurioserweise unter jedem Bett stand, - Schläge. Es hieß immer nur "umdrehen" und dann gab es auf den Po.
Postkarten wurden diktiert. Ich konnte ja noch nicht viel schreiben, aber "Hilfe" hätte ich wohl hingekriegt. Leider war das nicht möglich. Päckchen wurden zunächst konfisziert. Bonbons und Schokolade kamen in eine Schüssel und wurden an alle Kinder verteilt, so dass ich von einer Tüte vielleicht einen einzigen Bonbon bekommen habe. Die wirklich guten Stücke aber, wie z. B. Orangen, damals noch recht teuer, behielten die Tanten für sich und verzehrten sie auf unseren Märschen durch die nasskalte Witterung.
Die Spaziergänge waren nur Drill, marschieren in Zweierreihen, bis die Schuhe durchweicht waren. Hatte man das Pech und fiel mit seinem damals üblichen Trainingsanzug aus dicker Baumwolle (innen angeraut) in den Schneematsch, musste man mit den nassen, vollgesogenen Klamotten weiter mitlaufen. Dies hatte zur Folge, dass einige Kinder so krank wurden, dass acht von ihnen nicht auf den Rücktransport konnten. Auch ich kam mit Lungenentzündung zurück. Meine Mutter (Krankenschwester) war entsetzt und beschwerte sich bei der BEK, wo das Ganze aber im Sande verlaufen ist.
Ich besitze drei Postkarten, die uns für die Eltern mitgegeben wurden. Auf einer sind die vier "Erzieherinnen" gut gelaunt im Karnevalskostüm, auf einer bin ich mit anderen Kindern verkleidet (wir mussten immer lächeln oder lachen für den Fotografen), auf einer bin ich am Strand im Wintermäntelchen allein, ebenfalls zum Lächeln gezwungen. Und ich erinnere mich an eine "Erzieherin" namens Muschketat oder so ähnlich, die durch besondere Verstellungskunst und Falschheit auffiel, aber eine der Gemeinsten war und gerne schlug.
Ich habe mich nie mehr wieder in meinem späteren Leben so verlassen, hilflos und ausgeliefert gefühlt wie in diesem Heim.
Nachdem meine Lungenentzündung kuriert war, bin ich mit meiner Mutter nach Sylt gefahren, wo sich Lunge und Bronchien schnell und dauerhaft erholten.
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Dagmar schrieb am 24.09.2020
Ich war als 6-Jährige in 1970 auf Amrum, sehr wahrscheinlich im DRK Heim in Wittdün. Ich erinnere die Abreise ab VW Baunatal im Kleinbus nach Wolfsburg und den Moment, als meine mitreisende ältere Schwester und ich realisierten, dass wir in getrennte Zimmer und getrennte Gebäudeteile mussten. Ich glaube, dass ich in einem 6-Bett-Zimmer war. Dort mussten wir nach dem Mittagessen still und ohne Bewegung liegen, schweigen und durften nicht zur Toilette. Einmal war ich doch dort, meine Erinnerung reicht nur zu dem Schreckmoment, als jemand wutentbrannt die Toilettentür aufreist. Uns Kindern wurde gedroht, dass wir auf den Dachboden müssten, wenn wir sprechen und an irgendeinem Tag musste ich genau dorthin. Das wovor ich mich soo gefürchtet hatte, war letztlich ein guter Ort. Hier waren ein paar Kinder, die auf Liegen lagen und ohne Aufsicht miteinander sprechen konnten. Die Tanten kriegen es hier nicht mit, weil sie unten für Angst sorgten. Ich erinnere auch, dass wir am Strand waren und ins Wasser konnten und dass wir das nackt tun mussten. Das wollte ich damals um keinen Preis, ich wurde krank. Mehrfach in den Wochen konnte ich wegen Krankheit nicht mit den anderen baden. Die Post von und nach Hause wurde zensiert. Für mich war es ein Klima voller Angst und stets auf der Hut sein. Irgendwann landete ich auf der Krankenstation, das Gefühl dazu ist freundlicher. In mir entstand in dieser Zeit das Gefühl, das Krankheit Rettung sein kann. Ich erinnere mich an einen Speiseraum in den man wenige Stufen nach unten gehen musste. Dort mussten wir so lange sitzen, bis der Teller abgegessen war. Einmal saß ich dort so lange, das kein anderes Kind mehr im Raum war. Ich weiß, dass ich andauernd mit Brechreiz kämpfte und würgen musste. Irgendwann war alles runtergewürgt. Und die Tante sagte etwas wie, " Pech, jetzt hast du so lange gebraucht, dass du keinen Nachtisch mehr bekommst."

Ich war überzeugt, dass ich aus irgendeinem Grund bestraft würde mit diesen 6 Wochen. Ich erinnere mich nicht, ob ich in den Wochen nochmal meine Schwester gesehen hab oder wie ich überhaupt nach Haus gekommen bin und es mir direkt danach ging.
Ich weiß allerdings sehr sicher, dass diese Wochen für mich dramatisch waren, ich voller Heimweh war und es war so, als hätte ich dort meine Freude verloren.
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richard sellmaier aus 40764 langenfeld schrieb am 24.09.2020
Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund Ihres Artikels in der Rheinischen Post „Die Leiden der Verschickungskinder“ möchte ich Ihnen meine
Erlebnisse mitteilen. Mein Name: Heinz-Richard Sellmaier
geb. 1949
Im Jahre 1958 war ich zur Kur im heutigen „Viktoriastift Kinderkurklinik“ in Bad Kreuznach.
Es war für mich die reinste Horrorkur. Die Briefe wurden alle zensiert. Schrieb jemand etwas Negatives wurde er bestraft, indem er die Hose ausziehen mußte und alle Zimmergenossen „mußten“ ihm auf den nackten Po schlagen.
Das gleiche galt wenn man in der Mittagspause, wo man im Bett lag, auch nur ein Wort von sich gab.
Es wurde jeglicher Kontakt nach außen unterbunden.
Meine Mutter schickte eine Freundin aus Bad Dürkheim vorbei, um nach dem Rechten zu sehen.
Sie wurde abgewiesen, das Mitbringsel an alle verteilt.
Überhaupt wurden alle Pakete verteilt. Beim Mittagessen war ich Zeuge wie mein Nachbar das Essen auf seinem Teller erbrach. Er mußte das Erbrochene
aufessen. In der heutigen Zeit würde man für diese Züchtigungen m Gefängnis landen.
Es ist schon viele Jahre her, wahrscheinlich habe ich auch schon einiges vergessen was man mit uns gemacht hat. Ich bitte Sie die Angelegenheit zur Kenntnis zu nehmen und mich vielmals bedanken, daß Sie die das Thema
aufgenommen haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Heinz-Richard Sellmaier
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Andreas aus Wertheim schrieb am 24.09.2020
Hallo, in den Sommerferien, nach Abschluss der 4. Grundschulklasse, wurde ich für ,(glaube ich), für sechs Wochen zur Erholungskur nach Stetten am kalten Markt geschickt. Mein Vater starb ein Jahr davor und ich war eher ein magerer, schlechter Esser. Mit der Bahn ging es los, die Fahrt von Wertheim/M aus kam mir als Kind recht lange vor. Untergebracht waren wir in einem älteren Gebäude, der Zustand war gut. Die Unterbringung erfolgte in Mehrbettzimmern von ca. 6-8 Personen. Ich erinnere mich noch an die Stockbetten. Dass ich "oben" schlafen konnte war ein kleines Abenteuer für mich. Gegessen wurde im großen Speisesaal. An das Essen erinnere ich mich nicht mehr, schlechtes Essen ist mir nicht erinnerlich. Es gab Tee zu trinken, bei Außenaktivitäten eine Art Fruchtpunsch/Saft, der mir fremd war aber schmeckte. Das "Bad" war ein größerer Raum, wo man gemeinschaftlich duschte. Die Waschbecken waren sehr lang, ähnlich wie in einer Turnhalle. Ich erinnere mich an sehr viele Wanderungen durch die Schwäbische Alb, Wälder, Felsen und Höhlen. Ich habe im Grunde nur schöne Erinnerungen daran. Für die Abschlussfeier vor der Abreise sammelten wir Walderdbeeren, aus denen dann eine Fruchtbohle gemacht wurde. Ich glaube mich auch an eine Art Abschiedsparty zu erinnern. Die Betreuer waren nett, das mitgebrachte Taschengeld wurde verwaltet. Bei den täglichen Spaziergängen kamen wir immer an einer Bäckerei vorbei, an dessen Backstubenduft ich mich noch heute gut erinnern kann. Ebenso an Zimtschnecken, die es an und zu am Nachmittag gab. (Dazu Tee oder eine Art Saft). Der Leiter des Heims war nicht streng oder böse, er rief bei Lärm immer "Ihr Lorbasse, seid ein wenig leiser". Ich kann mich daran erinnern, dass ein Stubenkamerad mal nach ein paar Tagen Heimweh hatte und weinte, das ging vorbei. Ich hatte nie Heimweh, da ich diese Kinderkur als etwas Aufregendes empfand. Habe nur gute Erinnerungen daran. Es verwundert mich, dass so viele Kinder so schlechte Erfahrungen gemacht haben.
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Oliver Richmann aus Friolzheim schrieb am 22.09.2020
Hallo Zusammen,
mich hat der Bericht über die Verschickungsheime ermutigt auch mein Erlebtes zu schildern. Scheine nicht alleine gewesen zu sein. Ich wurde im Alter von 4 1/4 Jahren für 6 Wochen nach Bad Dürrheim geschickt. Dennoch weis ich noch recht viel. Meine Mutter brachte mich noch nach Karlsruhe auf den Bahnhof, die große Halle war damals beeindruckend. Ich bekam ein Schild um den Hals und dann bezog ich mit anderen Kindern ein Zugabteil, bei denen die Sitze zum Schlafen umgelegt waren. Ich fühlte mich schrecklich einsam und es war irgendwie dunkel. Ich hatte damals schon Bronchial Asthma und war recht dürr. Mir sind einige Sequenzen im Kopf geblieben.Vielleicht bin auch deshalb so überaus ängstlich. Im Speisesaal, saßen wir Kleinen direkt links neben der Tür auf einer Bank mit Holztisch. Dort sind immer kleine rote Spinnchen bzw. rote Insekten über den Tisch gekrabbelt. Der Schlafsaal war in einem oberen (1.?) Stock. Als ich Stuhlgang in die Hose machte wurde ich ausgeschimpft und wurde bestraft. Ich bin heulend eine breite Treppe runtergelaufen. Meine Teddy wurde mir weggenommen und auf einen Schrank im Schlafzimmer auf die Ecke gesetzt. Einmal wurde ich mit meinen Hosenträgern an die Heizung, die unterhalb vom Fenster war, festgebunden. Oft musste ich weinen. Als Anwendung mussten wir öfter in einen fensterlosen Raum, nur mit Unterhose bekleidet und mit einem Augenschutz. Dort war ein seltsamer Geruch, den ich heute nicht mehr zuordnen kann. Einmal hat es geschneit und wir haben abends aus dem Fenster Autos zugeschaut, die eine Straße runter fuhren. Meine Mutter erkannte mich kaum wieder, als sie mich abholte. Ich soll aufgequollen ausgesehen haben. Wäre toll, wenn ich lockerer werden könnte, da ich es mir von der Seele geschrieben habe.
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Sabine U.L. aus Mönchengladbach schrieb am 21.09.2020
Auch ich wurde 1977 als Elfjährige in Kur geschickt – nach St. Peter-Ording, zum Aufpäppeln, weil ich wohl ein kränkliches, recht dünnes Mädchen war. Ich kann mich erinnern, dass ich mich im Vorfeld auch durchaus darauf freute.

Aber schon als ich mich am Bahnhof in Kaiserslautern von meinen Eltern verabschiedete und einer Betreuerin übergeben wurde, bekam ich es mit der Angst zu tun. Eine Zugfahrt in den fernen Norden, 4 Wochen ohne Kontakt zu meiner Familie war das, was mich erwartete. In dem Alter hat man ja vorher keine Vorstellung davon, was so etwas mit einem macht.

Ich erinnere mich an eine Situation bei der Eingangsuntersuchung: Ich stand, nur mit der Unterhose begleitet, vor einem Arzt, der mich untersuchte. Eine Helferin dokumentierte. Er musterte mich von oben bis unten und ich hörte, wie er sagte: „Marmorierte Beine“. Da ich nicht wusste, was das bedeutete und ob es etwas Schlimmes war, verursachte diese Aussage ein so starkes Gefühl von und Angst und Scham, dass ich die beklemmende Situation heute noch spüren kann. Schlimm war für mich der Tagesablauf, der vor allem durch sehr viel Bettruhe bestimmt wurde: Bettzeit war zwischen 19 und 7 Uhr, sowie von 12 Uhr bis 15 Uhr. Wir mussten also insgesamt 15 Stunden täglich in unserem Schlafsaal im Bett liegen und Bettruhe halten, durften also nicht sprechen oder aufstehen. Da man als 11-jähriges Kind aber nicht 15 Stunden schlafen kann, lag ich viele Stunden im Bett und grübelte. Das Gefühl der Einsamkeit und das Heimweh waren unerträglich und ich weinte viel. Heute denke ich, dass das für die Erzieherinnen vor Ort die einfachste Möglichkeit war, sich die Arbeit mit uns Kindern so einfach und bequem wie möglich zu machen.

An viele Einzelheiten kann man sich nach so vielen Jahren natürlich nicht mehr erinnern, aber einige Dinge gehen mir bis heute nach:
1. Bei unseren Spaziergängen am Rand des Wattenmeers hörte ich regelmäßig die Feldlerche singen. Noch heute denke ich immer sofort an diesen für mich schrecklichen Kuraufenthalt in St. Peter-Ording, sobald ich eine Feldlerche höre.
2. Ich hatte in diesem Alter erste Dinge übers 3. Reich erfahren, z.B. dass die Juden vergast wurden. Als wir mit einer Gruppe zu einem Raum geführt wurden, der mit einem Schild „Inhalation“ gekennzeichnet war, stellte ich mir tatsächlich voller Angst vor, dass ich jetzt in eine Gaskammer geführt würde.
3. Einige Mädchen hatten damals bereits ihre Periode, was bei mir erst einige Jahre später kam. Aber in der Kur mit den gemeinsamen Schlaf- und Waschräumen bekam ich – damals noch völlig unbedarft – natürlich einiges mit, was mich verunsicherte und mir Angst machte.

Dafür, dass ich in der Kur damals so unglücklich und einsam war, gab ich mir selbst die Schuld. Ich empfand mein Heimweh und meine Tränen als Schwäche und dachte, mit mir sei etwas nicht in Ordnung, weil eine Kur doch etwas Gutes ist. Ich hatte damals das Gefühl, dass ich das einzige Kind war, für das die Kur eine Qual war. Ich habe ja nicht direkt etwas Schlimmes erlebt, doch meine empfindliche Kinderseele hat damals sehr gelitten. Und es war niemand da, der dies sah oder sich darum kümmerte. Die „Schwestern“ in der Anstalt empfand ich als kalt, lieblos und bequem.
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Tom Zielke aus Güstrow schrieb am 20.09.2020
Ich kann mich nur an wenige Details erinnern.
Weil ich Heimweh hatte wurde ich mit Schnallen ans Bett gefesselt und mir wurde der Mund zugeklebt.
Obwohl ich an vieles in meiner Kindheit Erinnerungen habe, kann ich mich kaum an mehr Details erinnern. Nur an das Gefühl, welches mir die Freude an Ostseebäder verdirbt. Bis heute ...
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Iris Junior aus Düsseldorf schrieb am 20.09.2020
Hallo ich war mit meiner Schwester 1969 auf Borkum im Adolfinenheim ...wir wurden direkt bei Ankunft getrennt und ich habe meine Schwester erst Wochen später wieder gesehen. Das Essen war entsetzlich immer Griesbrei Milchsuppe und ähnliches..habe mich erbrochen musste weiter essen...wurde dann auf eine Krankenstation gebracht und lag alleine und weinend im Bett..wie lange weiss ich nicht mehr.Alle Kinder waren immer am weinen. Vergessen hab ich und meine Schwester es nicht..lg
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