Zeugnis ablegen

ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung.

Wir bauen außerdem ein öffentlich zugängliches digitales Dokumentationszentrum auf, dort ist es möglich seinen Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild zu versehen und zusammen mit der Redaktion einen Beitrag zu erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einzustellen, der für zukünftige Ausstellungen und Dokumentationen benutzt werden kann. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr drei Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei der Buko Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selber einer.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2673 Einträge
Juergen Wuergensen schrieb am 23.11.2019
Ich verstehe diesen Äpfel-/Birnenvergleich mit Glückstadt und der katholischen Kirche nicht - nur weil Kinder auch anderswo misshandelt wurden, darf sich hier nicht untereinander ausgetauscht werden? Dass es in "ja soooo viel harmloseren" Verschickungsheimen sogar Todesfälle durch Misshandlungen gab, die juristisch nie aufgeklärt wurden und nahezu alle, die hier schreiben, heute teilweise schwere psychische Folgen davontragen, soll nicht thematisiert werden? Die Art der Mißhandlung spielt dabei überhaupt keine Rolle, wenn sie als traumatisch erlebt wird.

Niemand verallgemeinert hier, jeder beschreibt seine ganz persönliche Erfahrung. Niemand leugnet, dass es in der Zeit auch rühmliche Ausnahmen und gut geführte Heime gegeben haben mag; auch davon berichten hier Zeitzeugen, nur scheinen sie damals sehr selten gewesen zu sein.

Hier tauschen sich eben vorwiegend die aus, die nicht in "Bullerbü" waren und das sind scheinbar nicht wenige. Niemand leugnet hier Misshandlungen auf der Flucht, in der Schule, in den eigenen vier Wänden oder wiegt sie gegeneinander auf - auch das gehört aufgeklärt und aufgearbeitet. Es ändert aber nichts an meinen eigenen Erfahrungen und macht sie nicht besser.

Leute mit eher schlichtem Gemüt spielen das Erlebte halt gern herunter, sind abgestumpft oder machen jeden Abend "ein Fass auf" (und das nicht im übertragenen Sinn...). Aber auch dafür gibt es Therapieangebote Jürgen... :o)
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Matthias schrieb am 23.11.2019
Es muß 1966 in den Sommerferien gewesen sein, bzw. schon vor deren Beginn, als ich mit 10 J. nach Bad-Dürrheim in ein "Kindererholungsheim" verschickt wurde. Wie ich da hinkam, gebracht oder mit anderen Kindern zusammen, daran habe ich keine Erinnerung mehr. Auf jeden Fall mit dem Zug. Positive Erinnerungen habe ich an diese Zeit nicht eine Einzige. Es herrschte von den Ordensschwestern (Tanten) ein strenges, aber dafür umso weniger herzliches Regiment. Ein irgendwie geartetes "Aufmucken" gab es bei einem 10-jährigen damals ohnehin nicht, wir waren Gehorsam gewöhnt. Da ich in dieser Zeit Geburtstag hatte, bekam ich ein Paket von zuhause. Dieses wurde mir zwar ausgehändigt, aber wieder weggenommen, zwecks "Zuteilung". Meine Mutter -und daran erinnere ich mich genau- hatte das Zeugnis mit ins Paket gelegt, da ich ja schon kurz vor Ferienbeginn verschickt wurde und diesen nicht erhalten hatte. Wie bei jedem "anständigen" Jungen in diesem Alter, waren nicht alle Note zur vollsten Zufriedenheit. Aus irgend einem absolut nichtigen Anlaß, las dann eine der "Tanten" zur Strafe die Zeugnisnoten allen anderen Kindern vor. Man könnte das auch Anleitung und Aufstachelung zum Mobbing bezeichnen. Es gab Kinder (die etwas aufmüpfigeren), die auch geschlagen wurden. Mir selber ist das nicht passiert, außer einer Ohrfeige. Trotzden hatten solche Maßnahmen ihre verstörende Wirkung auf alle anderen.
Besonders in Erinnerung sind mir die "Inhalationsmaßnahmen" gelblieben. Gruppenweise kamen wir in gekachelte Räume (sie schienen die Bombenangriffe überstanden zu haben), so groß wie kleine Umkleidekabinen. Dort saßen wir dann auf Holzbänken in kurzen Lederhosen. Durch eine Rohröffnung wurde dann ein Solenebel eingeblasen, daß man die gegenüberliegende Wand nicht mehr sehen konnte. Beim ersten Mal, war eine der "Tanten" dabei, danach wurden wir dort alleine eingesperrt. Etliche Kinder fingen regelmäßig an zu weinen und wollten raus. Verfroren und an allen Gliedern schlotternd kamen wir danach aus diesem Raum dann immer raus. Heute würde man sowas wohl als "seelische Grausamkeit" bezeichnen - damals war das wohl noch normal.
Die Briefe, die wir nach Hause schreiben mußten (dafür gab es jede Woche einen festen Tag), wurden allesamt zensiert. Ich durfte meine immer mehrfach schreiben, bis sie "ordenskonform" waren. Meine Mutte hatte mir ein kleines Portemonait mitgegeben, mit etwas Taschengeld. Dieses bekamen wir nur zu "Ausgängen" ausgehändigt. Besagtes Portemonait hatte ein kleines, kaum sichtbares Seitenfach. Und dort hatte mir meine Mutter einige Briefmarken reingetan. Während sich die anderen Kinder bei einem dieser Ausflüge Eis oder Süßigkeiten kaufte, erstand ich eine Postkarte. Irgendwo hatte ich dann heimlich nach Hause geschrieben, was wirklich los war - und, daß ich sofort nach hause wollte.
Fazit: ich kam von dieser "Erholungstortour" krank und abgemagert wieder zurück. Bis zum heutigen Tag habe ich eine tiefe Abneigung gegen alle Ordenschwestern....
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Uschi Pietzsch schrieb am 23.11.2019
Hallo Kurt schaue mal es gibt zu Bad Reichenhall schon eine Heimortvernetzung. Armin: armin.prauser@t-online.de
Ich selbst war im Januar 1966 mit 5 Jahren in Bad Reichenhall.
Herzliche Grüße
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Noll schrieb am 23.11.2019
Wilhelmshaven,den 20.11.2019

Hallo,
am 19.11. sah ich in der Sendung, "Hallo Niedersachsen", den Bericht über die schlechte Behandlung der Kurkinder.

Ich war 1963 9 Jahre alt und von Ende August bis Ende September im Oldenburger Kinderheim, in Bad Rothenfelde, im Teutoburger Wald. Meine Erinnerungen an diese Zeit sind schlecht.
Vor der Kur wurde der Koffer von meiner Mutter liebevoll gepackt. Hübsche Kleider und persönliche Sachen kamen hinein. Auch Proviant für die Fahrt war dabei. Sehr stolz war ich auf die 8X4 Seife zum Waschen.
Bei der Ankunft wurden wir Kinder auf die Terrasse des Hauses gebracht, und wir mußten unsere übrig gebliebenen Lebensmittel in Körbe legen. Auch die Seife mußte ich abgeben. Beim Kofferauspacken, was die "Tanten" machten, wurde mir gleich gesagt, daß ich die Kleider nicht anziehen dürfte, weil die anderen Mädchen sonst neidisch würden. Ich hatte in den 4 Wochen 2 Kleider an, die Tante Gudrun für geeignet hielt.
An die Abläufe beim Frühstück und Abendbrot kann ich mich nicht erinnern.
Aber die Mittagessen sind noch sehr präsent. Wir mußten drei Teller, die uns vom Personal gebracht wurden , leeressen. Wenn wir das geschafft hatten, durften wir uns den vierten Teller selber holen.
Bei der Linsensuppe, die es 4x in den Wochen gab, habe ich es tatsächlich geschafft, vor dem Essen zu erbrechen.
Meine Seife habe ich auf der Gemeinschaftstoilette wiedergefunden.
Das Briefeschreiben wurde kontrolliert und die, die ankamen, wurden geöffnet und vorab gelesen. Mir ist meine Post erst später ausgehändigt worden. Die Briefe, die von uns nach Hause geschickt wurden, duften nur Positives beinhalten.
Um 7 Uhr morgens sind wir geweckt worden. Aber die Augen mußten noch geschlossen sein.
Am 13.09. hatte ich Geburtstag und war etwas aufgeregt und öffnete die Augen früher. Ich bin angewiesen worden, die Augen wieder zu schließen, um 15 Minuten "nachzuschlafen".
Ich habe die ganze Zeit geweint und geschluchzt. Es war eine Strafe und das an meinem Tag.
Ein Mädchen näßte jede Nacht ein. Sie durfte nicht mit uns aufstehen. Jeden Morgen, wenn ich aufwachte, war ich schweißgebadet, weil ich Angst hatte, daß mir das auch passiert wäre.
Gott sei Dank blieb alles trocken.
Den Herbergsvater habe ich als schreienden und colerischen Mann in Erinnerung. Einmal brüllte er mich an, weil ich einen Blick auf die Seite der Jungen warf.
Mit freundlichen Gruß
Heidi

P.S. Ich war danach noch einige Male zur Kinderverschickung. Dort habe ich positive Erlebnisse
gehabt.
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Doris Stober schrieb am 23.11.2019
Hallo Thomas, da war ich auch, s.mein Zeugnis. Ja, nur Erlebtes in der Vergangenheit generiert Erinnerung. Mir hat Jesus geholfen das kinderfeindliche Erleben zu meistern und überwinden. Reden sie einfach mal mit IHM. Bitte Ihn nicht mit Kirche gleichsetzen!
Gruß Doris
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Gisela Ehrhardt schrieb am 23.11.2019
Mit elf Jahren, dürr wie eine Spindel, wurden meine 3 Jahre jüngere Schwester und ich vom BRK nach Muggendorf / Ofr. in ein Kurheim verschickt. Im Prinzip ähneln sich solche Berichte, und wir sind kollektive Opfer. Dennoch ist jeder für sich alleine, um diesen Teil der Vergangenheit aufzuarbeiten.
Die vermeintliche Harmonie durch die idyllische Lage der Häuser (Muggendorf liegt wunderschön am Wald) täuscht gewaltig. Das Essen war immer eine Katasthrophe. Ich wollte am liebsten unsichtbar sein, nicht auffallen. Aber nun hatte mich beim Mittagessen - es gab Zwetschendatschi! - eine Wespe oder Biene gestochen. Leise weinte ich vor mich hin, denn es tat weh. Da kam die Aufseherin, zog mich am Arm nach oben (ob ich eine Ohrfeige bekam, weiß ich nicht mehr) und schrie mich an, warum ich weine. Ich wolle bloß die Zwetschendatschi nicht essen, meinte sie. Ein Mädchen an meinem Tisch sagte, dass ich von einer Wespe/Biene gestochen wurde. Da zog sie mich in die Toilette, ich musste meinen Unterarm frei machen, denn der Stich war unter der Achselhöhle. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass es stimmte mit dem Stich, wurde sie etwas kleinlauter und brachte mich an den Tisch zurück. Ich musste weiter essen, keine Entschuldigung oder so.
Ein anderes Mädchen konnte keinen Fisch essen. Nachdem alle fertig waren mit Essen, musste sie vor uns allen den Teller leeressen - und kotzte über den ganzen Tisch! Eine kleine gehässige Genugtuung blieb uns da, denn sie wurde dann tatsächlich vom Tisch entlassen (musste, entgegen anderen Berichten von Verschickungsopfern, ihre Kotze wenigsten nicht ..... und auch nicht selber sauber machen).
Mittags mussten wir schlafen! Ich konnte aber oft nicht richtig schlafen, sondern phantasierte mit offenen Augen vor mich hin. Einmal wurde ich dabei erwischt (ich war aber nur eine von vielen!) und musste vor die Tür stehen, bis die anderen Mädchen mit Schlafen fertig waren und zum Spielen geschickt wurden. Ich musste dann nochmal eine Stunde hinliegen. Das war für mich eine der härtesten Strafen, denn ich konnte und kann auch heute tagsüber nicht schlafen.

Meine Lieblingstante schickte mir einmal ein Päckle mit vielen besonderen Süßigkeiten. Da wir eine große Familie waren (9 Kinder, Vater und Mutter), war ich es gewöhnt zu teilen. Ich hätte garantiert mit meiner Schwester und mit den anderen in meinem Schlafraum geteilt. Aber ich bekam außer dem Brief meiner Tante den gleichen Anteil wie alle anderen, und das war natürlich nicht viel. Es wäre eine für mich außergewöhnliche Situation gewesen, wenn ich mal für mich alleine etwas gehabt hätte. Aber das wurde mir von dem Betreuungspersonal nicht vergönnt.
Es gibt sicher noch einiges, das ich vergessen habe - aus dem Gedächtnis radiert habe. Wenn ich das Gruppenfoto anschaue mit den beiden BRK-Schwestern, sehe ich eine harmonisch lächelnde Freizeitgruppe, die freundlich von den Betreuerinnen umarmt werden. Wie der Schein trügt!
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Daniel schrieb am 23.11.2019
Liebe Kerstin, Danke Dir für die Antwort ! Wahrscheinlich sind wir uns da über den Weg gelaufen. Verrückt, vor 46 Jahren ! Ich war wohl so um Juli/August 73 herum als 5/6-jähriger in Timmendorf. Warum zu dieser Zeit ? Das genaue Datum weiß ich nicht mehr, aber wir haben im nahen Wäldchen bei den organisierten Ausmärschen reife Himbeeren gesammelt und es gab ziemlich viele Weinbergschnecken, was für einen knapp 6-jährigen aus HH schon eine ziemliche Attraktion ist. Klingt erstmal toll, aber man wird unbeteiligten Dritten wohl nie vermitteln können, wie verlassen sich alle Kinder damals fühlten. Elternbesuch gab es nicht. Im Saal, in dem ich damals schlief, standen nach meiner Erinnerung ca. 10-12 einfache Betten für sowohl Mädchen als auch Jungs. Wie ich gesehen habe steht das Haus heute noch und wird auch heute noch für dieselben Zwecke - nur hoffentlich moderner - genutzt. Ich könnte wahrscheinlich heute noch auf den Platz zeigen, wo mein Bett stand. Mensch, ich könnte noch einiges erzählen. Bis zu den aktuellen Berichten war das bei mir alles längst beerdigt.
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May-Britt schrieb am 23.11.2019
Ich war ca. 1969 mit 5 Jahren in Muggendorf. Ich habe nur wenige Erinnerungen. Meine Mutter hatte in alle meine Kleidungsstücke meinen Namen eingenäht. Kontakt mit meinen Eltern gab es während des Aufenthaltes nicht, man hatte sie wohl aufgefordert, den Kontakt zu unterlassen, damit ich kein Heimweh bekäme. Einmal kam eine Postkarte und einmal ein Päckchen, dessen Inhalt ich aber abgeben musste. Eine Situation ist mir aber bis heute in Erinnerung geblieben. Ich musste etwas aufessen, obwohl mir schon schlecht war. Anschließend im Bett musste ich mich übergeben, wofür ich nichts konnte. Zur Strafe musste ich die Nacht alleine auf dem Dachboden verbringen. Als Kind habe ich das irgendwie verarbeitet, denn die Erziehungsmethoden waren ja allgemein üblich. Durch das Buch „geprügelte Generation“ bin ich darauf aufmerksam geworden, wie verbreitet diese Methoden, die ich ja selber zu Hause auch erlebt hatte, waren und erst in den letzten Jahren ist mir in Gesprächen klar geworden, dass viele Kinder meiner Generation in solchen „Kuren“ ähnlich üble Erfahrungen gemacht haben. Gut, wenn das mal an die Öffentlichkeit kommt.
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Romana Klein schrieb am 23.11.2019
Kleine Ergänzung zu meinem gestrigen Eintrag, nachdem ich noch meine alte Post an meine Mutter aus dem Heim gefunden habe und ein paar Bilder: Sommer 1979, Katholisches Kindererholungsheim Haus Nordmark, Träger Caritas Verband,, Bismarckstraße 17 in Westerland/ Sylt, Gruppenleiterin Frau Kwoll, das Äffchen hieß Fiffi... . Erschütternd: in einem Brief an meine Mutter hat Frau Kwoll genau wie schon so oft hier beschrieben, mit hinzugefügt: „Romana geht es gut, sie hat sich sehr gut eingelebt, sie hat noch ab und zu mal Heimweh...“ So falsch, so gelogen! Bin ganz schön aufgewühlt, ich bin aber auch sehr dankbar, endlich hat diese Sache einen Namen! Misshandlung und Demütigung, und so kann ich mich jetzt auf einen Weg der Klarheit begeben. So vieles fügt sich jetzt, mein Bild komplettiert sich. Und etwas Gutes konnte ich auch feststellen: In gewisser Weise war ich nicht ohnmächtig, sondern ich hatte zumindest die Idee, zu handeln, in dem ich mir überlegte, die Kasse mit meiner Freundin zu stehlen, um von dem Geld für uns beide Zugtickets nach Hause zu kaufen. Okay, wir haben diese Kasse nicht gefunden, aber wir waren auch nicht starr vor Ohnmacht. Dennoch, unterm Strich bleibt es eine riesige Sauerei mit verherrenden Folgen, und es bleibt verwirrend... mal sehen, ob ich ohne professionelle Hilfe auskomme.
Danke an ALLE, die sich hier reinhängen! Das ist so wichtig!
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Sabine schrieb am 23.11.2019
Hallo zusammen,
ich war ca. 1974 gemeinsam mit meinem Bruder für 6 Wochen auf Borkum. Ich glaube, es war das Haus Concordia.
Vieles was ich hier lese ist uns und den anderen Kindern auch geschehen. Mein schlimmstes Erlebnis: Ein mit einer Zwangsjacke ans Bett gefesseltes Kind. In einem seperaten Raum. Warum, wie lange usw., daran kann ich mich nicht erinnern. ???
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Tina schrieb am 23.11.2019
Ich bin fassungslos über diese Aussage. Wie kann man nur so dreist sein? Bis zu diesem Tag der Verschickung war meine Welt in Ordnung und nach 6 Wochen Qualen war nichts mehr, wie vorher. 6 Wochen Alptraum!!! Und 30 Jahre danach sind die Erinnerungen und das Verdrängte noch präsent. Und da maßt sich jemand an zu behaupten es in Frage zu stellen, dass bei psychische und körperliche Gewalt gegen Kinder kein Aufarbeitungsbedarf besteht?! Unglaublich diese Aussage!!!!!!
Ebenso zu behaupten, dass die Kinder aus Elternhäusern kamen, wo seelische und körperliche Misshandlungen an der Tagesordnung waren( wobei gerade diese Kinder ein Recht auf therapeutische Hilfe und liebevolle Unterstützung haben!).
Woher möchten Sie das bitte wissen?
Zu meiner Schulzeit gab es keine Rohrstockschläge mehr durch Lehrer- und auch diese Kinder,welche Gewalt durch Lehrer erleben mussten, haben das Recht der Aufarbeitung. Ebenso Kinder durch Mobbing, Misshandlungen, etc. dieses Recht haben.
Da kann man sich doch nicht hinstellen und behaupten- aber diese "Verschickungskinder" brauchen keine Aufarbeitung. Ich verstehe den Unterschied nicht? Seelische und körperliche Gewalt gegen Kinder( egal wo oder in welcher Hinsicht) Bedarf immer Aufarbeitungsbedarf.
Sind Sie lieber froh darüber, nicht solch ein Leid durchlebt zu haben.
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Barbara schrieb am 23.11.2019
Auch ich habe solche Erfahrungen gemacht. Das war im Frühjahr 1972 in Badenweiler (Südschwarzwald). Ich war dort kurz vor meiner Einschulung und während meines 6. Geburtstags zu einer sechswöchigen "Kur", um mich fit für die Schule zu machen. Ich war untergewichtig und schmächtig und sehr schüchtern.
Im "Erholungsheim" der Diakonie bekam ich im Schlafsaal ein vergittertes Kleinkinderbett zugewiesen, weil ich da noch reinpasste. Das war ich nicht gewohnt und das engte mich sehr ein. Oft lag ich nachts wach und konnte nicht einschlafen wegen der eingeschränkten Bewegungsfreiheit.
Zum Aufpäppeln musste ich - was mich total ekelte - heiße Schokolade zum Wurstbrot trinken. Nachts musste ich mich übergeben, weil ich diese Kombination nicht vertragen habe. Nur: ich kam nicht aus meinem vergitterten Bett raus und habe mich im Bett übergeben. Da musste ich dann liegen bleiben, damit nur ja die anderen im Schlafsaal nicht geweckt werden. Ich habe kein Auge zugemacht und auch danach wollte ich nur noch raus aus diesem Bett. Ging aber nicht. Ich lag an der Durchgangstür zum benachbarten Schlafsaal und hatte in einer Nacht mal leise flüsternd mit dem Kind im Nachbarraum gesprochen. Dazu stand ich im Gitterbett und habe mich weit rüber gelehnt, um ganz leise zu sein. Da kam plötzlich von hinten eine Hand und griff in meine Haar und zerrte mich ins Bett zurück. Ganz leise hatte sich die wachsame "Tante" von hinten angeschlichen und mir den Schrecken meines Lebens eingejagt!
Während der täglichen Gymnastikübungen habe ich Nasenbluten bekommen. Das war während der Wachstumsschüben bei mir normal. Nicht normal war, dass ich den Saal nicht verlassen durfte, um die Blutzung zu stillen. Ich konnte damals schon gut damit umgehen und wusste, was zu tun ist, aber ich durfte nicht. Zur "Strafe" musste ich den Rest der Woche mit dem blutverschmierten Pullover rumlaufen, obwohl genügend frische Wäsche für mich eingepackt worden war.
Üblich war, dass wir einmal in der Woche im Waschraum nackt Schlange stehen mussten und von den "Tanten" mal kurz abgeduscht wurden. Es war kalt und ring auch recht ruppig zu.
Es gab allerdings auch die "schöneren" Momente, wenn wir als Gute-Nacht-Geschichte "Die kleine Hexe" vorgelesen bekamen. Wir haben auch mit Klötzchen Figuren für den Dominoeffekt gelegt. Das hat dann mal Spaß gemacht und wir wurden immer kreativer.
Trotzdem überwog die permamente Einschüchterung, Zwangsmaßnahmen und Strafen für alles mögliche. Als ich wieder zu Hause war, wollte meine Familie nochmals mit mir dorthin fahren, damit ich ihnen alles zeige. Ich war total verstört. Bis heute ist Badenweiler für mich mit diesen Erinnerungen verbunden.
Die "Kur" hatte nicht den gewünschten Erfolg eingebracht: weder hatte ich zugenommen, noch war ich "aufgeweckter" - im Gegenteil: Ich hatte weiter abgenommen und war verschreckter und ängstlicher als zuvor. Zu Ostern, nach meiner Rückkehr hatte ich ein Paar Rollschuhe geschenkt bekommen. Als ich mir die Strumpfhose beim Spielen aufriss, habe ich mich fast nicht nach Hause getraut. Denn im Heim hätte das üble Folgen gehabt. Erst dann haben meine Eltern begriffen, dass die schönen Karten, die sie "von mir" bekommen hatten, nicht mit der erlebten Realität übereinstimmten - zu spät.
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Ralf Mamerow schrieb am 23.11.2019
Moin, ich bin Jahrgang 1955 und war, soweit ich es nachvollziehen kann, 1961 in einem Kinderheim in Grömitz, Ich meine erinnern zu können, dass das Heim Seestern hieß. Verschickt wurde ich, weil aufgepäppelt werden sollte. Ich war zu dünn.
An den Aufenthalt kann ich mich kaum noch erinnern. Habe ich wohl verdrängt.
An zwei Dinge kann ich mich aber gut erinnern. Ich wurde über einen Zeitraum von zwei oder drei Stunden unter Schlägen in den Nacken und gegen den Kopf, gezwungen, meinen Teller mit Fisch und Kartoffelsalat zu leeren. Jedem Bissen folgte ein heftiges würgen. Ob ich mich auch erbrochen habe, weiß ich nicht mehr.
Nach diesem Tag wurde ich krank, bekam Fieber und kam nicht mehr aus dem Bett heraus. Meine Mutter musste mich vorzeitig aus dem Heim abholen. Ich weiß nicht mehr, ob ich meinen Eltern von diesem für mich schrecklichen Erlebnis erzählt habe. Fragen kann ich sie nicht mehr.
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ute Schroeter-Bongaerts schrieb am 23.11.2019
Hi, ich bin die Ute, die 1958 zur Erholung nach diversen Kinderkrankheiten mit 5 Jahren allein nach Borkum in das Heim MÖWENNEST verschickt wurde. Im Winter 1958 und über meinen Geburtstag am 15.2. Dieser Aufenthalt hat mich anfangs unbewusst, später bewusst mein Leben lang traumatisiert. Dort holte ich mir die Grundlage für meine späteren Blaseninfektionen und heutige Nierenerkrankung. Mit 5 Jahren nächtelang barfuß auf dem kalten Steinfußboden auf dem Flur stehen zu müssen, weil beim "Schlaftest" angeblich festgestellt wurde, dass ich nur so tat als ob ich schliefe...….Es folgten Blasenerkältungen mit Bettnässen und anschließendem Bloßstellen mit Herumtragen und Demonstrieren der nassen Schlafanzughose.Die Zeit war geprägt von Angst, was sich in meinem späten Leben als Angst- und Panikerkrankung manifestierte.
Ich wurde gezwungen trotz Panik und Atemnot die "angemessene " zeit in einer verriegelten Sauna zu verbringen trotz Weinens. Geblieben ist mir davon mit 67 J. heute eine Panik vor jeglicher Form von geschlossenen Räumen besonders im Sommer. Ich kann Sommer nur mit Klimaanlage verbringen und gehe bei Temperaturen ab 26 Grad nicht ins Freie. Meine therapeutische Aufarbeitung ergab, dass die Wurzeln hierfür in dem Heimaufenthalt im Möwenheim liegen. Es gäbe noch eine Menge von schlechten Erinnerungen zu schildern. Für heute reicht es.
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Christiane schrieb am 23.11.2019
Ich hab' wohl viel verdrängt von den 6 Wochen Kinderheim Marianne in Obermaiselstein, Allgäu, aber einiges kann ich gar nicht vergessen. Ich kann seitdem (1962- ich war fast 6) keinen Rotkohl mehr essen, denn der gehörte zur Abteilung Erbrochenens, das man erneut essen musste. Alle Süßigkeiten, die meine Eltern zur Weihnachtszeit speziell für mich ausgesucht und geschickt hatten, kamen gar nicht erst zu mir durch (meine Mutter erzählte später, wie liebevoll sie Teil für Teil ausgesucht hatte). Die Tanten schrieben dann Briefe nach Hause und erzählten, wie wohl ich mich fühlte, dass alles wunderbar sei. Ich habe viel geweint, das weiß ich noch, und als ich nach Hause kam und vom Bahnhof abgeholt wurde, habe ich total gefremdelt und eine Zeitlang kaum gesprochen und niemandem getraut. Bei uns zuhause ging es immer sehr herzlich zu, daher war das damals für alle erschreckend.
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N. Becker schrieb am 23.11.2019
Ich bin als Begleitung für meinen Bruder Anfang der 70er für 6 Wochen in den Taunus verschickt worden. Das Erbrochene essen zu müssen kann ich voll bestätigen. Dazu die Mittagspause von 2 Stunden, in der wir im Bett liegen mussten und nicht zur Toilette durften. Und die Nächte waren besonders schlimm. Auch hier durften wir nicht zur Toilette. Außerdem waren die alten Metallbetten bei jeder Bewegung so laut, dass die Nachtwache, die auf dem Gang patrouillierte, bei stets offenen Türen jedes Quietschen mitbekam. Wenn man nun zu laut war oder trotz des Verbotes zur Toilette ging, musste man den Rest der Nacht auf dem kalten Flur mit dem Gesicht zur Wand in einer Ecke stehen.
Auch die Prügeleien unter den Kindern wurden nicht unterbunden. Die Heimfahrt in den Zügen war auch schlimm, weil ich
keine Kontrolle mehr über meine Blase hatte. Mein Bruder hat in dieser Zeit besonders gelitten, weil er insgesamt nicht so robust war wie ich. Mit Folgen für sein Leben bis heute.
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Heidi Wolter schrieb am 23.11.2019
Ich heisse Heidi, Jahrgang 1960. Ich weiss nicht mehr genau, ob es jeden Sommer oder alle 2Jahre hieß, am Hamburger Dammtor Bahnhof mit Namensschild um Hals und hunderten von Kindern( so kam es mir damals vor) auf die "Verschickung" zu warten. Ich war bei der ersten 4Jahre alt und bis zum 12. wiederholte sich dieses grauenhafte Bild zigfach. Es ging jedesmal über die LVA nach Westerland. Meine Brüder mussten auch fahren,später auch meine kleine Schwester.....so hatten meine Eltern (???) 6 Wochen Ruhe Zuhause ?....so sehe ich das heute.Meine Brüder sind nur ein Lebensjahr auseinander und durften immer zusammen bleiben.Meine Schwester ist 4 Jahre jünger....ich habe meine Geschwister diese 6 Wochen nur bei der An-und Abfahrt sehen dürfen. Vieles habe ich verdrängt...? Dies hier ist grad irgendwie schwer und unangenehme, schmerzhafte Bilder tauchen auf. Ich habe es nie wieder geschafft, auf diese Insel zu fahren und wenn ich an meine Tochter in dem Alter denke oder meine Enkel sehe,muss schon die 6wöchige Verschickung und Trennung vom gewohnten Lebensumfeld damals unerträglich gewesen sein. Von den Umständen in den Heimen ganz zu schweigen. Ich hatte eine sehr strenge Kindheit und war sicher einiges gewohnt, aber nach Westerland verschickt zu werden, bedeutete, 6Wochen bestraft zu werden...... wofür, habe ich nie verstanden?Mein Teddy hat bis heute ein kleines Schild mit meinen Initialen auf dem Bauch.
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Uwe Schmauder schrieb am 23.11.2019
Nächste, Mitmenschen,
so ca. mitte der 60er war ich im Erholungsheim Bad Sachsa da wo wohl die Kinder der AntifaschistInnen inhaftiert worden waren.
Es war für mich emotional furchtbar !!!
Kotze fraß ich vergefreiwilligt.
Ich war dort täglich seelisch verängstigt.
Einmal spürte das ein auch dort einsitzender Junge und sprang mich am Oberkörper an um mich niederzuringen wovon ich in der unteren Wirbelsäule geschwächt schmerzhaft zusammensackte und das als Schwächling zu verbergen übte.
Glaub, es war wie ein Banscheibenvorfall.
Ich hatte unten doch Morbus Scheuermann.
Dort sollte ich zu essen lernen wie ein Vieh.
Gruß Euch.
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Christel Pink schrieb am 23.11.2019
Hallo, bin zufällig auf das Thema gestoßen dass mich auch betrifft. Ich bin Jahrgang 1954 und war wegen einer Tuberkuloseerkrankung vor meiner Einschulung 3 Mal in sogenannten Erholungsheimen, zweimal im Schwarzwald und einmal am Bodensee. Man wurde als Kind von 4 Jahren alleine ohne Eltern mit anderen Kindern in den Zug gesetzt und los ging es. Meine Art damit umzugehen war eine Schockstarre und ein renitentes Verhalten gegenüber den Betreuern. Schlimm war die Unterbringung in riesigen Schlafsälen, militärischer Drill und auch Strafen wenn man diesen nicht so mitmachte. Was ich auch noch gut in Erinnerung habe,dass die katholischen Kinder bevorzugt behandelt wurden. Jeden Tag gab es Lebertran,eine furchtbare Sache ,ich weigerte mich und würde bestraft,ich bekam Hausarrest. Ich sollte zunehmen, doch ich kam immer mit Untergewicht aus den Kuren zurück. Beim letzten Mal fragte ich meine Mutter dann ,warum schickst du mich immer weg hast du mich nicht lieb. Sie erzählte mir später,dass sie danach zuhause fürchterlich geweint hat. Ab diesem Zeitpunkt musste ich nicht mehr in Kur. Die Problematik die durch diese Traumas entstand sind vielfältig: ich bin ein sehr misstrauischer Mensch, fahre nicht gerne in Urlaub weil ich dann mein Zuhause verlassen muss, bin auch sehr introvertiert und kann Gefühle nur sehr schlecht zeigen.
Vielmehr bin ich ziemlich pragmatisch in diesen Dingen und habe das auch teilweise an meine Kinder weitergegeben. Wenn ein Kind in diesem Alter diese Erlebnisse hat verliert es sein Urvertrauen und der Schaden ist nicht mehr zu reparieren. So habe ich durch diese Erfahrung schon früh gelernt mich zu behaupten und bin immer kampfbereit durchs Leben, dass aufgrund dieser frühkindlichen Erfahrung und noch anderer negativen Erfahrungen nicht immer leicht war. Ich habe jedoch durch meine Ehe und meine 3 Kinder die Sonnenseite des Lebens erlangt und habe die Devise,schau nach vorn und nicht zurück denn das bringt dir dann auch Glück.
Meine Eltern wollten nur das Beste für mich und daher mache ich Ihnen auch keine Vorwürfe.
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Nicole schrieb am 22.11.2019
Gerade erst in der Tageszeitung hier in Süddeutschland auf das Thema aufmerksam geworden. Auch ich war betroffen, Jahrgang 1968 schicke man mich wegen chronischer Bronchitis, schlechtem Eisenwert vor der Einschulung im Frühjahr 1974 für 6 Wochen auf die Insel Sylt, Kinderheim in Wenningstedt Braderup. Auch dort gab es die erzwungene Regel der Mittagsruhe in der man nicht auf die Toilette durfte. Ich erinnere mich dass ich einmal so sehr auf die Toilette musste, der Weg zu den Toiletten aber überwacht wurde und ich mir somit behalf indem ich in einem an den Schlafsaal angrenzenden Waschraum ins Waschbecken pinkelte. Ich wurde in meiner Not erwischt. Mir wurde vermittelt dass ich darüber stille zu schweigen hätte "und wenn es heraus käme" meine Eltern davon erfuhren, dass ich etwas Verbotenes gemacht hatte und bestraft würde. Ich erinnere mich auch an den Begriff "Tanten".
Mindestens genauso aber erinnere ich mich wie die Ankunft zurück zuhause am Bahnhof war. Ich rannte meinen Eltern in die Arme, weinend und sagte "Gell Mama, jetzt muss ich nie wieder weg" - Meine Mutter hat meine Erzählung schon oft gehört und fühlt sich immer sehr schlecht dabei. "Das habe man damals halt so gemacht...das haben alle so gemacht."

Ich selbst war mit meinem damals 9-jährigen Sohn vor Jahren in der Mutter Kind Kur. Wir hatten so eine gute Zeit zusammen und kamen gestärkt und erholt zurück.
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Brennecke käte schrieb am 22.11.2019
Ich war im winter 1955 als 6-jährige in Bad Rothenfelde zur "Mastkur". Ein heim des roten kreuzes. auch ich durfte Erbrochenes so lange essen, bis der Teller leer war. als ich dann auch noch krank wurde, riss man mich wutschnaubend aus dem Bett, das gesamte Bettzeug wurde entfernt und ich wurde nackt wieder auf die Matratze gelegt. ich habe die ganze Nacht geweint und fürchterlich gefroren. ich kam mir so verlassen vor, so fürchterlich verlassen!!! am nächsten Tag musste ich fiebrig, nur mit unterwäsche bekleidet in einem Vorraum, der ganz kalt war, den halben Tag in der Ecke stehen und mich "schämen". Als mir vom fieber immer wieder die Beine weg gingen, wurde ich jedesmal fürchterlich geschlagen. mittags dann wieder die gleiche Prozedur mit dem erbrochenen - nachmittags wieder in der Ecke stehen. es gab noch andere diverse Erlebnisse in diesem Heim, aber das war so das schlimmste. Dort habe ich begonnen, meine nägel abzunagen. Auch habe ich mich ab meinem 20. Lebensjahr immer, wenn ich alleine war, betrunken. um vom Alkohol herunterzukommen, habe ich dann mit 25 Jahren eine Therapie begonnen und es ist mir dadurch gelungen, diese sucht zu besiegen. aber noch heute kann ich mit dem Alleinsein nicht besonders gut umgehen.
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Daniel schrieb am 22.11.2019
Dies ist für mich eine unglaubliche Rückreise und eine Offenbarung in den Teil meiner Kindheit, den ich sicher vergraben glaubte. Mit knapp 6 Jahren wurde ich ( Jg. 1967 ) 1973 von meiner Mutter 1 Jahr vor meiner Einschulung in die Grundschule für 8 Wochen von HH nach Timmendorf ( nicht Niendorf ! ) an die Ostsee verschickt. Bei Ankunft im Essraum traf ich bei Kakao mit Haut zuerst auf meine in etwa gleichaltrigen, auch so verteufelt jungen Leidensgenossen. Einige von ihnen heulten wie die Schlosshunde, andere nicht. Wir machten uns schnell miteinander bekannt. Das Heimweh aller Kinder verging die ganzen 8 Wochen nicht. An die Erzieherinnen habe ich kaum Erinnerungen, bis darauf, dass eine von ihnen uns vor dem Einschlafen im gemischten Schlafsaal mit "Drei Chinesen mit dem Kontrabass" zum Singen zu animieren versuchte. Irgend jemand hat im Schlafsaal neben mir ständig in sein Bett genässt. Die weitere Kur bestand aus Ausmärschen entweder zum Strand, in den Ort oder in ein nahes Wäldchen in militärisch geordneten Zweierreihen Hand-in-Hand mit dem Absingen von Liedern, bei denen sich meine jungen 6-jährigen Kameraden gegenseitig an den Händen hielten, was gewiss für Umstehende sehr possierlich aussah. Post habe ich selbst kaum bekommen. Ich habe furchtbar an Heimweh gelitten. Damals kamen diese Postkarten mit 3D-Effekt auf, ich erinnere mich dunkel dass ich so eine mal erhielt. Irgendein Tier in einer bunten Umgebung bewegte sich, wenn man die Karte neigte und dann wieder hoch hielt. Ich weiß bis heute übrigens nicht, weshalb ich da in Timmendorf war, ich war weder über- noch untergewichtig noch anderweitig krank. Meine mich allein erziehende Mutter wollte aber wohl nicht, dass meine Großeltern, bei denen ich mich so über alles wohlfühlte, das Zepter der Erziehung übernahmen. Ich wurde viele Jahre später nach dem Abitur übrigens mit der höchsten Tauglichkeitsstufe T1 gemustert und trat als Zeitsoldat vorübergehend in die Marine ein, bei der mich im Kasernenablauf manches an die Erlebnisse des 6-jährigen erinnerte, der ich mal war und der ich irgendwie bis heute auch geblieben bin.
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Cornelia Rietveld schrieb am 22.11.2019
Ich war 1959 6 Jahre alt und kam zur "Erholung" nach Freudenstadt im Schwarzwald. Ich erfuhr quälende Behandlungen, Essen nach Erbrechen, Verbot, nachts aufs WC zu gehen. Der Pisspott war früh übervoll, 12 Kinder und mehr im Schlafsaal. Wäsche wurde nicht gewechselt. Ich wurde sehr krank, Masern und Mumps. Zugeschickte Pakete mit Obst und Kuchen wurden von anderen aufgegessen, Taschengeld durfte ich auf einer Wanderung nicht ausgeben, ich wollte eine kl. Schneekugel kaufen. Ständiges Heimweh, Zwang zu Essen. Diese Erfahrung möchte ich auch weitergeben. Die kalte, lieblose Art der Erzieherinnen hat mich krank werden lassen, Schreiben konnte ich nicht da ich noch nicht in der Schule war.
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Rena Mirbach schrieb am 22.11.2019
Hallo, ich möchte hier meine Erfahrungen mal aus einer anderen Perspektive schildern. Ich war15 Jahre alt und wollte Erzieherin werden. Das Vorpraktikum machte ich 1970 in einem kleinen Kinderkurheim in St. Peter-Ording. Es hieß Kinderheim Frisia. Alle 6 Wochen kamen unsere Kinder in St. Peter am Bahnhof an. Das Haus war auf Kinder aus dem Ruhrgebiet mit asthmatischen Problemen spezialisiert. Die Heimleiterin, Freifrau Mara Storck von Freyhold, damals schon recht betagt, hatte ein besonderes Augenmerk auf die Bettnässer. Kinder, die zu Anfang ins Bett machten wurden daraufhin gegen Mitternacht aus dem Bett geholt, neben einem Wasserhahn auf den Topf gesetzt. Der Wasserhahn wurde aufgedreht, die Hand daruntergehalten bis sich der „Erfolg“ einstellte. Sollte es trotzdem passieren, dass ein Kind einnässte waren wir gezwungen das Kind aus dem Bett zu nehmen und zur Strafe eiskalt abzuduschen. Ein Schock für die Kinder, die sich noch im Halbschlaf befanden. Mir war unwohl dabei, aber ich traute mich nicht mich zu wehren. Zum Glück kam eine Sozialpädagogikpraktikantin zu uns, die sich sofort weigerte diese Praktik auszuführen. Wir solidarisierten uns und traten gemeinsam in den Streik. Mit Erfolg, diese Praktiken wurden sofort abgeschafft. Dieses Erlebnis hat mich für mein weiters Berufsleben nachhaltig geprägt. Ich habe nie wieder Anweisungen von Vorgesetzten ausgeführt bei, die für falsch erachtete.
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Thomas schrieb am 22.11.2019
Die Große Angst kam für mich schon Monate vorher, meine Eltern kündigten an das sie mich in eine Kur schicken werden, wegen meiner Bronchitis außerdem war ich Bettnässer. Zu dieser Zeit war ich als jüngstes Kind noch sehr dicht am Rockzipfel meiner Mutter.
Meine Angst war so groß das ich den Kurantrag aus der Schreibklappe meines Vaters stahl und in einem Sitzkissen versteckte. Mit dem Ergebnis das meine Mutter Ärger von meinem Vater bekam, also lies ich die Unterlagen wieder “auftauchen“.

Ich war noch nie alleine von zuhause weg, der Zeitpunkt der Abreise kam immer näher bis dahin hatte ich bereits sehr viele Angst - Tränen vergossen. Ich werde die meisten Sachen hier nicht wiederholen, es bleibt ein Martyrium das wir erlebt haben.

Es ist alles wirklich geschehen, es sind nicht nur Erinnerungen !

Wie man Kinder dazu zwingen kann sich nachts im Bett nicht zu bewegen ( ich hatte die Erfahrung gemacht wenn ich es getan habe war eine Tante vor Ort, im dunkeln Zimmer, und es gab Ärger, dann erschreckst du dich so sehr das du dich Tod stellst, so liege ich heute noch oft im Halbschlaf nachts im Bett und frage mich immer wieder warum ich nicht einfach zu Klo gehe.) und den Gang zur Toilette zu verwehren. Wenn das Bett nass ist gibt es nachts bei der Kontrolle Ohrfeigen.
Und jeden Morgen mussten Wir Singen : “Danke für jeden Guten Morgen“. Für mich als Kind war das wirklich schrecklich – traurig, heute sage ich das war Folter !!!! - in der Kinderheilstätte - Stieg, der Caritas, in Unteralpfen - Albbruck im Sommer 1978.

Gruß

Thomas
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Heinz-Dieter Scheepers schrieb am 22.11.2019
Ich heiße Dieter Scheepers – bin Jahrgang 1945

Norderney – Vestisches Kinderheim – ca. 1953/4

Da ich als Kind recht dünn war, haben meine Eltern (wahrscheinlich über Zeche Rheinpreußen) einen 6-wöchigen Aufenthalt auf Norderney im Vestischen Kinderheim gebucht. Damals war ich ca. 8 oder 9 Jahre alt (Schätzung). Ich kann mich erinnern, dass meine Mutter mit einem Wäscheschreiber in alle meine Kleidungstücke meinen Namen schrieb bzw. einnähte.

Die Fahrt begann in Duisburg – mit einer riesigen Dampflok. Unterwegs konnte man nicht so viel sehen, weil der Qualm der Lok fast immer die Sicht versperrte. In Norden wurden wir aufs Schiff gebracht – Frisia 4 oder 6.

Wir wurden im Vestischen Kinderheim untergebracht, das von Nonnen geleitet wurde.
Im Vestischen Kinderheim kann ich mich an folgendes erinnern: Es war ein weißes kastenförmiges Gebäude. Innen war eine große Treppe in die oberen Stockwerke.

In den ersten Tagen haben wir nichts zu trinken bekommen, weil die Tanten und Schwestern besorgt waren, dass wir bettnässten. Ich habe damals mit einem anderen Jungen zusammen in einer Toilette aus der hohlen Hand das Spülwasser getrunken.

Beim Essen im Esssaal kann ich mich an eine Situation erinnern: ein Junge hatte sich in den Gang erbrochen. Daraufhin kam eine Schwester – stellte sich neben ihn und zwang ihn, das Erbrochene vom Boden zu verzehren. Ich weiß noch, dass in den Fleischgerichten kleine Stücke wie Gummi waren (wahrscheinlich Darmstücke) – widerlich. Der Pudding hatte eine dicke feste Oberhaut, die ich nur widerwillig hinunterbekam. Auch wurden Kinder zum Essen gezwungen – ich hatte etwas Glück, weil einige Speisen, die ich nicht mochte, mein Nachbar heimlich (es war streng verboten) nahm.

Wir schliefen alle in einem großen (für Kinder bleibt alles groß in Erinnerung) Schlafsaal, in dem regelmäßig der Lichtstrahl des Leuchtturms fiel. An bestimmten Tagen durften/mussten die katholischen Kinder in die Kapelle, die am anderen Ende des Gangs zum Schlafsaal lag. Wir, die evangelischen mussten aber ins Bett – hörten Teile des Gottesdienstes und rochen den Weihrauch bis in den Schlafsaal. Am Eingang stand eine Nonne und wachte über uns. Wenn dann unter den Kindern Gespräche begannen (es war schließlich noch früh und fast hell), kam die sie mit einem Holzstück (Rand einer Schiefertafel) und ging von Bett zu Bett und verprügelte jeden, egal ob er schon schlief oder wach war.

An die Toilettengänge kann ich mich noch gut erinnern: Am Eingang zum Toilettenraum saß eine Schwester, die jedem Kind ca. 2 – 3 Blatt kleingeschnittenes Zeitungspapier als Toilettenpapier gab . Nachfragen nach weiteren Blätter wurden stets barsch abgelehnt. Dazu ist wohl nicht mehr zu sagen?!

Es gibt auch schöne Erinnerungen: Wanderungen am Strand (dies mit jungen und freundlichen 'Tanten') – Muschelsuchen. Besuch des Wellenbades. Dort hatte ich mir aber ein Ekzem am Fuß zugezogen. Die Zehen nässten, juckten und die Haut ging ab.
Daraufhin wurde ich zur Krankenschwester geschickt – Den Namen werde ich nicht vergessen: Schwester Aloysia. Sie kochte Wasser und schüttete es in eine kleine Wanne, verrührte dann Schmierseife darin. Dann drückte sie meine Füße in das wirklich heiße Bad. Mein Schreien hat man bis unten gehört, wie mir ein anderer Junge sagte.

Diese Behandlung wurde mehrfach vorgenommen. Nach einer dieser Behandlungen sagte Schwester Aloysia – es war wenige Tage vor der Abreise – dass die Behandlung jetzt abgeschlossen sei und ich nicht wiederzukommen brauche. Tatsächlich war es aber nicht besser geworden. Ich lief nur noch auf den Hacken, weil das normale Laufen so weh tat. Eine von den wenigen jungen Frauen, die uns beim Spielen etc. beaufsichtigten nahm sich meiner an. Als sie meine Füße sah, ging sie zur Schwester Aloysia und bat sie, doch eine weitere Behandlung vorzunehmen. Die Schwester aber sagte: Dieter ist gestern nicht zu Behandlung gekommen – ich behandele ihn nicht mehr! Ich verstand die Welt nicht mehr.
Dann kam die Abreise. Wieder Frisia und Dampflok. In Duisburg angekommen (im Abteil des Zugschaffners) und Ansage am Bahnhof: Kind Dieter Scheepers – aussteigen!
Am Bahnhof warteten meine Eltern (und ich glaube auch meine Schwestern). Als meine Mutter mich auf Hacken ankommen sah, war ihre erste Frage: was ist los?

Zuhause haben mich meine Eltern dann zu einen Arzt gebracht: rohes Fleisch an den Zehen!
Der Arzt schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte (das weiß ich noch ganz genau): Da darf absolut kein Wasser dran, schon gar nicht heißes mit Schmierseife. Ich bekam Puder und Verbände und nach einiger Zeit waren die Füße dann auch verheilt.

Mir blieb eine besondere Erinnerung: Schwestern musst du meiden, die sind böse, bezichtigen dich der Lüge und sind nicht freundlich – fröhlich. Diese Einstellung konnte ich erst als junger Mann im Krankenhaus in Bremen korrigieren – dort war eine Nonne - immer fröhlich und hilfsbereit. Hat mir Briefmarken vom Professor besorgt und auch schon mal eine Flasche Bier rangeschmuggelt.
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Frank schrieb am 22.11.2019
Ich bin Jahrgang 1963. Wann es genau war, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich war aber sicher nicht älter als fünf, eher jünger. Weil ich häufig krank war wurde ich zu Kinderkur nach Bayrisch Gmain zur Kinderheilstätte Sonnleiten geschickt.

Das Heim wurde von "kirchlichen Schwestern" geleitet. Viele der in andren Berichten geschilderten Erlebnisse kann ich für dieses Heim auch bestätigen. Aus heutiger Erinnerung besonders bedrückend empfand ich die Hilflosigkeit gegenüber den Schwestern und auch gegenüber älteren Kindern. Es gab falsche Anschuldigungen und daraus folgende Bestrafungen. Gegen Quälereien (heute würde man Mobbing sagen) der Älteren gab es keine Unterstützung, im Gegenteil.

Habe beim Surfen heute Abend schon mehrere Berichte über dieses Heim gelesen. Es muss dort Methode gewesen sein und nicht die Fantasie eine kleinen Kindes.

Auch von meiner Seite Dank dafür, dass dieses Thema aufgegriffen wird.
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Gabriele L.-Andresen schrieb am 22.11.2019
Hallo, ich heiße Gabi Andresen, bin Jahrgang 1958 und kam im Januar/ Februar 1964 (also mit 5 1/2 Jahren) nach Wyk auf Föhr in das Kinderheim "Marienhof" in die Gruppe XI. Warum ich das so genau weiß? Ich besitze noch eine Postkarte, die meine Mutter mir dorthin schrieb. Der Grund für die Verschickung war, dass ich zu wenig aß, Kindergärtnerin und Arzt empfahlen diese Kur. Wir fuhren per Bahn ab Flensburg (man hatte uns Karten um den Hals gehängt, auf denen unsere Personalien vermerkt waren). In Niebüll hieß es umsteigen, einige von uns gingen kurzzeitig verloren. Dann ging's aufs Schiff. Im Heim Marienhof angekommen, mussten wir in einem langen Flur warten. Man sprach von einer Aufenthaltsdauer von 6 Wochen. Da ich mir darunter nichts vorstellen konnte, dachte ich mir einen Zeitraum von 6 Tagen, und das wäre dann ja nicht so schlimm. Einige Kinder weinten. Ich erinnere mich an eine Toilette im Flur (war es die einzige?), einen Waschraum (ein anderes Kind hatte mir gleich zu Beginn meinen Waschlappen wegggenommen), einen Tagesraum mit großen Fenstern, vor denen manchmal die Gardinen vorgezogen waren. Eine Treppe führte in den Keller. Hier standen unsere Winterschuhe, vielleicht war dort auch die Garderobe. 3-mal am Tag hieß es anziehen und an der Nordsee spazieren gehen. (Einmal war dort ein Wal angespült worden).
Im Tagesraum wurde gegessen, häufig gab es Suppe (Schokoladensuppe). Mehrmals wurden wir gewogen. Nachmittags wurde manchmal etwas vorgelesen. Im 1. Stock lagen die Schlafsäle.
In meinem Schlafsaal befanden sich ca. 15 Betten. Es wurde täglich Mittagsschlaf gehalten.
Während dieser Zeit und natürlich auch nachts musste man ganz still sein und durfte sich kaum bewegen. Die Strafe: lauten Kindern wurde ein Pflaster auf den Mund geklebt, unruhige Kinder wurden mit Bändern ans Bett gefesselt. Ob auch geschlagen wurde, weiß ich nicht. Die "Tante", die mich betreute hieß "Tante Ingke". Sie berichtete den Eltern schriftlich über das Verhalten und den Entwicklungsstand der Kinder. Meine Mutter war insofern der Meinung, dass es mir dort gut gefiele. Ich erhielt im Heim 2 Postkarten meiner Mutter, die vor der ganzen Gruppe laut vorgelesen wurden. Nur eine Karte erhielt ich bei der Abreise ausgehändigt. In Flensburg angekommen, mussten wir Kinder noch sehr lange im Wartesaal des Bahnhofes warten, weil die Eltern nicht über unsere Ankunftszeit informiert worden waren. Zuhause berichtete ich meiner Mutter über die Zustände im Heim, was zunächst ungläubig aufgenommen wurde. Als jedoch mein Koffer mit der teilweise stark verschmutzten Unterwäsche eintraf, waren meine Eltern doch etwas skeptisch geworden. Übrigens wurde bei der ärztlichen Nachuntersuchung festgestellt, dass ich weder zu- noch abgenommen hatte. - Die Tatsache, dass ich mich noch so genau an diesen Heimaufenthalt erinnere, zeigt doch, wie stark die Eindrücke waren, die die Kinder in dieser Zeit verarbeiten mussten.
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TinaT schrieb am 22.11.2019
Hallo.
Heute habe ich bei der Autofahrt vom Kongress an diesem Wochenende erfahren - ja mehr noch - davon dass es offensichtlich anderen so ging wie mir!
Ich habe hier eine Originaldokumentation über meine "ERFOLGE" von der AOK liegen - 0,7 Kilo Gewichtszunahme...von 1981. Ein Jahr vorher war ich aber auch dort, also 1980, jeweils für 6 Wochen, im Kinderkurheim Marienhof...
1. Aufenthalt 1980, ich 6 Jahre alt:
6 Bettzimmer, Jumgs und Mädels gemischt. Ein Junge, ein etwas dunkelhäutigerer Lockenkopf, hatte es irgendwie auf mich abgesehen. Das Spiel ging dann folgendermaßen:
Heiratest Du mich? Ich: nein! Daraufhin rollte er den über Tage getrockneten Kot, der nicht aus seinem Bett entfernt wurde, zwischen den Fingern und bewarf mich und mein Bett damit. Solange, bis mein Ekel mich rufen lies: Ja, ich heirate dich...Dummerweise musste ich das Ganze aufgrund meiner Ehrlichkeit kurze Zeit später wieder zurücknehmen, und wurde wieder mit Scheiße beworfen..Ich habe mich furchtbar geekelt, das Bett wurde tagelang nicht gesäubert, die Prozedur wiederholte sich Abend für Abend.
Traurig war das Abschlussfest, Mannschaften mussten gegeneinander antreten, ich war bei den Losern, die im Seilziehen etc. versagten. Während die Gewinner große Naschitüten bekamen gingen wir leer aus, zumindest erinnere ich das so, was auch zu meiner Erinnerung beim 2. Aufenthalt passt...
2. Aufenthalt
Jede Nacht falle ich aus dem Bett, es tut furchtbar weh, jedesmal der Solarpklexus, Es gibt am Bett keine seitliche Begrenzung dieses Mal, ich weiß nicht, ob ich damals um Hilfe bat...wohl eher nicht: Ich erinnere mich den Aufseherinnen gegenüber stumm, gehorsam und ängstlich.
Beim Essen im großen Saal komme ich endlich auf den Trick, mir die Nase dabei zuzuhalten, weil ich mich so geekelt habe. Ich war eine schwierige Esserin... umso glücklicher war ich nun, mit dem Nasezuhalten alles runterwürgen zu können, auch den penetranten, verhassten Nachschlag. Als die Aufsivht das sah, wurde ich vor den gefühlten 300 Kindern mittig in den großen Saal gesetzt. Sie nannten ihn den Katzentisch (ich weiß nicht, wie viele Kinder es waren, gefühlt waren es viele!)Dort durfte ich dann alleine hocken und meinen Teller leeren...
Zum Glück bekam ich Mumps. Auf der Krankenstation war ich diverser Drangsal nimmer ausgesetzt, und bekam zum Abschiedsfest ganz automatisch eine Naschitüte - ich weiß noch, wie ich mich gefreut habe, mich nicht wieder messen zu müssen, wieder leer ausgehen zu müssen.

Wahrscheinlich hasse ich seit dem jegliche Art von Wettstreit,
Ich habe mich im KKHMarienhof furchtbar einsam und verloren gefühlt, und habe viel geweint. Mit Erholung hatte das wohl nichts zu tun, und das im Jahre 1980 / 81....
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Joerg Lanker schrieb am 22.11.2019
Hallo mein Name ist Jörg, und ich war mit ca. 4 Jahren in Feldberg. Sie nahmen mir meine ganzen Persönlichen Sachen ab, ich bekam ein Gitter bett und schlief oben....wenn man denn schlief...keiner von uns kindern wusste was schreckliches auf ein zu kam... Im Schlafsaal wurde viel geweint...und ich weiß endlich warum ich kinder nicht weinen hören kann... ich habe alles verdrängt... doch dank das Anja es in das Leben gerufen hat...bin ich mir nun sicher woher meine ganzen Lebens leiden kommen. Wir wurden gedemütigt...durften untereinander keine Freundschaften aufbauen und nicht reden...ganz besonders beim Essen in einem großen Saal war es Totenstill... denn wer was sagte musste sich ohne zu Essen in die Ecke setzen... andere Kinder erbrachen in Ihrem Essen und wurden gezwungen dieses wider zu Essen... und das alles in dem Alter...was hat man uns angetan... Nachts herrschte ein generelles Toiletten verbot, aber wer aus der reihe Tanzte durfte gar nicht mehr auf Toilette...Es sind mehr als diese dinge vorgefallen, die mein Leben bis heute umlebbar machen!!! Ich bin Bettnässer bis 20 Gewesen, ich habe 15 Jahre erfolglose Psychotherapie hinter mir und von Depressionen und sogar Suizid ganz zu Schweigen... die Ständigen Ängste vor irgendwas was du nicht weißt und nicht für dich greifen kannst, Quälen sich mit dir durch das Leben. An eine Beziehung ist auch gar nicht zu denken, ich versuche es immer wider, aber leider kann ich kein vertrauen zu Menschen aufbauen... immer wider bin ich zum scheitern gezwungen worden. Durch dieses alles das was dich mit 4 Jahren geprägt hat. Ich habe weder eine Kindheit noch ein heranwachsen gehabt... das Leben was ich heute für, ist für mich ein gerade mal erträgliches Dasein... Ich habe mich immer gefragt was macht andere Menschen so glücklich..,. nun habe ich die Antwort... Sie haben das nicht erlebt. Was haben Sie all diesen kleinen Seelen angetan... Ich hoffe für uns alle das wir noch ein kleines stück vom Leben bekommen können... Irgendeiner muss hierfür verantwortlich gemacht werden und das gibt mir Mut...
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Helma schrieb am 22.11.2019
Hallo,
auch ich gehöre zu den Verschickungskindern und war 1970 auf Wangerooge.
Ich erinnere mich daran, dass ich jeden Mittag im Solebad liegen mußte.
Ob es meiner Neurodermitis half, weswegen ich dort war,weiß ich nicht.
Aber das ich wahnsinniges Heimweh hatte, weiß ich sehr wohl!
Ich habe keine guten Erinnerungen und als Pädagogin weiß ich heute, dass sehr viel falsch gelaufen ist. Gut, dass dies heute vorbei ist!
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Daniel schrieb am 22.11.2019
Liebe Kerstin, 1973 war ich im Alter von 6 Jahren wie Du auch in Timmendorf, für sage und schreibe 8 Wochen. Ich erinnere mich an einen Schlafsaal, Kakao mit Haut und tägliche Ausmärsche in Zweierreihen mit einem Lied an den Strand oder in ein nahes Wäldchen. Ich und meine Mitinsassen sind beinahe gestorben vor Heimweh. Was wurde da geweint ! Werde ich nie vergessen und werfe ich meiner mittlerweile verstorbenen Mutter heute noch vor, dass sie mir das angetan hat. Denn ich war kerngesund und weder über- noch untergewichtig.
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Rolf schrieb am 22.11.2019
Ich kam im Winter 1971/72 als knapp Neunjähriger für 6 Wochen in ein Kinderkurheim nach Berchtesgaden. Nach bisherigen Berichten und Fotos im Internet muss es Haus Schönau gewesen sein. Es gibt hier (http://www.ansichtskarten-center.de/berchtesgadener-land-lkr-weitere/koenigsee-berchtesgaden-kinderkurheim-schoenau-am-koenigssee) eine alte Postkarte, Ich bin sicher dass es das war. Ich kann mich noch an den Gemeinschaftsraum mit der durchgehenden Sitzbank (wie auf der Postkarte zu sehen) und den Speisesaal erinnern. Ich glaube auch es war ein Ponyhof, gegen Ende der 6 Wochen wurde von allen Kindern ein Foto mit Pony gemacht.

Mit 9 Jahren war ich kein ganz kleines Kind mehr, dennoch erinnere ich mich an eine größtenteils schlimme Zeit. Furchtbares Heimweh. Oft ekelhaftes Essen, das aufgegessen werden musste (ich habe zum Glück immer geschafft es runterzuwürgen ohne zu kotzen, das gelang aber nicht jedem Kind). Bettnässer wurden vor allen blossgestellt. Ausgehende Briefe an Eltern wurden zensiert. Eine "Tante" (eine junge Frau von höchstens 20 Jahren) habe ich als besonders übergriffig in Erinnerung. Einmal schlug sie einem Jungen so heftig ins Gesicht, dass seine Wange aufplatzte. Mich knallte sie einmal mit dem Kopf gegen den Kopf eines anderen Jungen weil wir uns gezankt hatten. Es war so heftig. dass wir beide noch tagelang danach Kopfschmerzen hatten. Es gab aber auch nette und verständnisvolle Betreuerinnen.

Die 6 Wochen kamen mir damals wie eine Ewigkeit vor. Die zweite Hälfte der Zeit war etwas erträglicher. Man hatte sich mit anderen Kindern angefreundet, und es gab teilweise schöne Ausflüge an/auf den Königssee.
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Remi schrieb am 22.11.2019
Ich gehörte zu den Zunehmkindern, war aber schon 16. Ich erinnerte mich, dass mich die Abnehmkinder baten, ihnen in der Apotheke Abführmittel zu besorgen , weil ich schon erwachsen aussah, würden sie die mir verkaufen. So Angst hatten sie, das Gleiche zu wiegen oder gar zuzunehmen. Ich habe es nicht getan, weil ich Angst hatte, anderen Medikamente zu geben.
Ich bin mir sicher, wenn der Grund für Übergewicht keine Essstörung war, hatten sie die spätestens bei ihrer Entlassung.
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Sylvia schrieb am 22.11.2019
Ich bin entsetzt zu sehen, dass so viele andere Kinder ebenso schreckliche Erfahrungen machen mussten und düstere Erinnerungen haben wie ich! Ich musste 1966 als 4-jährige für 6 Wochen in ein Heim nach Saig am Feldberg in den Schwarzwald im Januar/Februar, zum Aufpäppeln, weil ich angeblich so schlecht gegessen habe. In Wirklichkeit war es wohl, weil meine Mutter zur gleichen Zeit in der Nähe zur Kur war und sonst niemand auf mich hätte aufpassen konnte. So blieb mir wenigstens die Anreise mit dem Zug erspart, da mich meine Eltern mit dem Auto hingebracht haben. Ich habe keine Erinnerungen mehr, was wir dort eigentlich den ganzen Tag gemacht haben, nur, dass ich kreuzunglücklich war, fürchterliches Heimweh hatte, mich unendlich alleine gelassen gefühlt habe und ich nicht wusste, ob ich jemals wieder zurück zu meinen Eltern komme. Die Schwestern waren alle sehr streng und böse, das Haus war ein düsterer Schwarzwaldhof mit knarzenden Dielen, kalten Schlafsälen und hallenden Waschräumen. Draußen lag viel Schnee und wir mussten spaßfreie Spaziergänge in braven Zweiergruppen unternehmen, wohl um unseren Appetit anzuregen. Beim Toben im Schnee wären wir ja sonst alle nass geworden! Das Essen schmeckte aber furchtbar und ich war immer die Letzte, die alleine würgend vor ihrem Teller sitzen musste, bis alles aufgegessen war, während die anderen Kinder schon aufgestanden und verschwunden waren. Der einzige Hoffnungsschimmer war für mich die wöchentliche Gewichtskontrolle, obwohl wir uns bis auf die Unterhose ausziehen und lange im Kalten warten mussten bis wir an der Reihe waren, um von einem strengen Weißkittel auf eine Waage gestellt zu werden. Hatte man nämlich an Gewicht etwas zugenommen, gab es zur Belohnung ein, wohlbemerkt EIN, für mich damals sehr leckeres „Fischli“, das Salzgebäck, das es heute noch als Knabbermischung zu kaufen gibt und ich heute nicht mehr anrühre. Leider hatte ich nicht immer zugenommen und oft ging ich leer aus, was mich unendlich enttäuscht hat. Es gab auch sonst keinerlei Süßigkeiten, keine Päckchen und keine Post, nicht mal zu meinem Geburtstag, ich konnte ja auch noch nicht lesen und schreiben. Die Nächte im großen Schlafsaal waren eine Tortur, kalt und Angst einflößend, wir mussten mucksmäuschenstill sein und durften nicht auf die Toilette gehen, dafür gab es nur einen Emaille-Nachttopf für alle. Ausgerechnet zu dieser Zeit war meine Verdauung (wahrscheinlich stressbedingt) so durcheinander, dass ich regelmäßig Nachts mein Geschäft in den schon halbvollen Topf erledigen musste – voller Ekel, ohne Papier zu haben – bis ich irgendwann auf die glorreiche Idee kam, zum Abwischen die großen Gardinen zu benutzen….Zum Glück wurde ich nicht ertappt, aber ich schüttle mich heute noch bei dem Gedanken daran. Als mich meine Eltern zwischenzeitlich einmal besuchten, war ich überglücklich und dachte, sie nehmen mich endlich wieder mit nach Hause. Sie haben es aber nicht geschafft, mir die Wahrheit zu sagen, sondern waren dann plötzlich wieder verschwunden ohne sich verabschiedet zu haben, wohl auf Anraten der Schwestern, die mich kurz abgelenkt hatten. Ich weiß nicht, wie lange ich danach geheult habe, aber zum Schluss war ich wie versteinert vor Enttäuschung. Kinder wurden damals unmenschlich, würde- und lieblos behandelt, es wurden ihnen keinerlei Bedürfnisse und Gefühle zugestanden und sie hatten nur nach dem Willen der Großen zu spuren. Zum Glück hat sich heute Vieles geändert und ich hoffe, dass meine Kinder später nie unter solchen Erinnerungen zu leiden haben!
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Remi schrieb am 22.11.2019
Ich bin Jahrgang 1963., und würde sagen, die Misshandlungen gingen noch bis in die 70er Jahre. 1974 kam ich wegen chronischer Bronchitis in das DLRG Kurheim Goldener Schlüssel in St. Peter Ording. Die Erziehung war grauenvoll - wer nachts sprach, musste sich im Nachthemd auf den Kellerboden knien - die ganze Nacht. Alles musste gegesssen weren, auch die Haut von der Milch, es war verboten, sie wegzumachen. Eine mildtätige Küchenhelferin schmuggelte einen Löffel heraus , um die Haut zu entfernen, der wurde gehütet wie ein Schatz. Das Schlimmste war, dass eine der "Tanten" die anderen Kinder aufhetzte, mich zu schlagen und zu quälen. Einmal warfen sie mich einen Abhang herunter. Ich glaube, sie wollten mich umbringen.
Ich habe als Erwachsene erst die Diagnose Aspergerautismus bekommen, das heisst, ich war ziemlich wehrlos und verstand nicht so recht, was geschah. Die Welt war vorher schon bedrohlich gewedsen, im Kurheim wurde sie eine Hölle. Es dauete sehr lange, bis ich mich erholte, und ich glaube, ich wurde als Kind schon schwer depressiv.
Als ich nach Hause kam, habe ich nur geweint, doch meine Eltern haben nicht groß reagiert und auch nie Beschwerde eingelegt.
Als ich 6 Jahre später aber in ein anderes Kurheim kam , sind sie mitgefahren und haben mich hingebracht, daher glaube ich, dass sie mich doch ernst genommen haben.
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Andrea Kehrer schrieb am 22.11.2019
Mit großem Interesse habe ich den Beitrag vom 20. November 2019 in der Stuttgarter Zeitung zum Thema "Verschickungskinder" gelesen. Auch ich bin eine Betroffene. Bereits ab dem Alter von 5 Jahren wurde ich mehrmals in unterschiedliche Heime in Süddeutschland verschickt und kann die im Beitrag geschilderte Praxis aus eigener bitterer Erfahrung bestätigen.
Ich finde es sehr erfreulich, dass es Menschen gibt, die sich um die Aufarbeitung der missbräuchlichen Handlungen bemühen. Herzlichen Dank dafür !!!
Andrea
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Romana Klein schrieb am 22.11.2019
6 Wochen Westerland auf Sylt im katolischen Kindererholungsheim HAUS NORDMARK in der Bismarckstraße in Westerland auf Sylt. Hört sich erstmal ganz nett an...

Es war Ende der 70er Jahre, als es hieß, das Kind muss sich mal richtig von allen familiären Strapazen (Scheidung der Eltern) erholen, allgemeine Roborierung heißt der Fachausdruck. Der Kontakt zum Heim kam über unsere Nachbarin, die beim Caritas Verband gearbeitet hat, ein anderes Mädchen aus unserem Haus durfte auch mit.

Wir waren um die 10 Jahre alt, als wir in den Zug gesetzt wurden. Im Heim angekommen kann ich mich an einen Käfig im Flur erinnern, in dem ein kleines Äffchen lebte. Es gab mehrere, kleine Schlafsääle mit alten, quietschenden Metallbetten. Beim Schlafen wurde uns befohlen, uns nicht zu bewegen, damit wir niemanden stören. Somit trauten wir uns alle nicht, fest einzuschlafen aus Angst, wir könnten das Bett zum Quietschen bringen.

Es gab eine Gruppe von Mädchen dort, eine ältere und eine jüngere Erzieherin und andere Angestellte. Die alte Erzieherin war schroff, streng und brutal, die jüngere etwas milder.
In der Gruppe waren alle Mädchen ziemlich dünn und sollten zunehmen, ich war (schon immer) etwas kompakter und sollte abnehmen. Beim Frühstück gab es für die dünnen Mädchen Brötchen mit Butter und Schokostreußeln mit Kakao, für mich Schwarzbrot mit Margarine (als hätte Margarine weniger Fett!!!) mit Marmelade und Tee.
Wenn die Eltern Naschpakete geschickt haben, wurden diese geöffnet und an alle, außer, Sie ahnen es schon, mich, verteilt.

Ab und zu ging es an den Strand zum Baden, und wenn die Zeit vorbei war, wurden die Kinder mit einem Megaphon aus dem Wasser befohlen: "Alle raus aus dem Wasser, nur Romana bleibt noch länger im Wasser, die muss abnehmen!" Danke, jetzt weiß der ganze Strand Bescheid.... . Es war mehr als nur peinlich!

Und ich kann mich noch einen Ausflug in die Dünen erinnern, eigentlich ganz lustig, doch wenn man ausserhalb der terminierten Pausenzeiten um etwas zu Trinken bat, wurde dieses barsch abgewiesen. Warte, bis alle trinken!

Mein Freundin und ich waren so unglücklich, wussten, dass wir von unseren Eltern keine Unterstützung erwarten konnten, und so haben wir den Plan geschmiedet, die Kasse zu stehlen, um uns dann Zugtickets nach Hause kaufen und abhauen zu können. Wir haben nur leider die Kasse nicht gefunden.

Mein einziger Lichtblick in dieser Zeit war die Tochter des Hausmeisters, die das Down-Syndrom hatte und einfach nur aufmerksam und liebevoll war.
Wenn es hier heißt, man möchte keine Entschuldigung, keine Entschädigung sondern nur Gewissheit, dass alles so stimmte, kann ich das teilweise gut nachvollziehen. Dennoch: Ich möchte eine Entschuldigung des Caritas Verbandes für so eine grausame Einrichtung unter dem Deckmantel der katolischen Kirche.

Klasse, dass es diesen Kongress gibt, ich hoffe auf viel Aufklärung auch seitens der Träger dieser sog. Kindererholungsheime! Ich bin dabei....
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Stephan schrieb am 22.11.2019
Hallo, mein Name ist Stephan und ich wurde 1957 geboren. Nachdem mein Großvater an TBC verstorben war, wurde das gesamte Familienumfeld untersucht. Bei mir und bei 2 Cousins wurden ein Schatten auf der Lunge gefunden, woraufhin wir in unterschiedliche, sogenannte Lungenheilstätten, eingewiesen wurden.
Im Jahr 1964 kam ich in die Lungenheilstätte Kutzenberg im Landkreis Lichtenfels.
Vieles habe ich im Laufe der Jahrzehnte vergessen oder verdrängt. Nachfolgendes werde ich aber nie vergessen können.
Die ersten 6 Wochen (oder war es noch länger?) durften mich weder Eltern oder Geschwister besuchen, um mir das „Eingewöhnen zu erleichtern“. Auch Briefe oder Päckchen wurden in dieser Zeit nicht ausgereicht.
Das Personal bestand aus Nonnen, deren Orden ich nicht mehr mit Bestimmtheit benennen kann.
Im Schlafsaal waren ca. 12 Kinder untergebracht. Wieviele solcher Säle es gab kann ich nicht mehr sagen.
Es gab streng geregelte Zeiten. So durfte man nach dem Zubettgehen nicht mehr aufstehen, auch nicht um zur Toilette zu gehen.
Eines Abends verspürte ich einen starken Harndrang. Da ich mich nicht einnässen wollte, habe ich Taschentücher als Windel benutzt und unter das Bett entsorgt. Dies blieb natürlich nicht unentdeckt. Zur Strafe hat man mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und ich musste nackt, für eine Stunde, im kalten Badesaal, frierend über einem Bodenablauf stehen.
Zum Mittagessen bekamen wir jeweils einen Esslöffel mit Lebertran in den Mund verabreicht. Einmal konnte ich den Geschmack nicht mehr ertragen und habe mich erbrochen. Das Erbrochene musste ich dann aufessen.
Im Speisesaal durfte auch nicht gesprochen werden. Wurde das Schweigen gebrochen, wurde mit Züchtigungen reagiert. Bestraft wurde auch, wenn nicht aufgegessen wurde.

Briefe an die Eltern wurden zensiert. Wir mussten Passagen die nicht passend erschienen, nach Diktat abändern. Unsere Eltern dachten deshalb, uns geht es super und waren beruhigt.

Insgesamt war ich über 6 Monate in dieser Hölle.
Ich wünsche allen, die ähnliches erleben mussten, alles erdenklich Gute.
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Lili schrieb am 22.11.2019
Hallo,
erst heute bin ich durch einen Artikel in unserer Zeitung auf diese Seite aufmerksam geworden. Ich kann kaum glauben, dass diese Vorfälle fast normal waren und jetzt ans Licht kommen. Als Kind traut man sich nicht, so etwas zu erzählen.
Mit etwa 5 Jahren war ich in einem Kinderheim im Schwarzwald, Königsfeld (wenn ich mich richtig erinnere. Das ist jetzt fast 60 Jahre her, aber bis heute kann ich den Geruch von gekochtem Valiiepudding nicht ertragen. Die Erlebnisse, dass Kinder verprügelt wurden, die beim Frühstück nicht schnell genug ihren Suppenteller voll von diesem schnittfesten Vanillepudding aufaßen, ebenso wie an Kinder, die ihr Erbrochenes wieder essen mussten, verfolgen mich bis heute.
Obwohl ich schon lesen und schreiben konnte, durfte ich weder die Post meiner Eltern selbst lesen und schon garnicht an sie schreiben.
Wer beim Mittagsschlaf kicherte (was bei kleinen Mädchen nun eben so ist), wurde an den Haaren oder den Ohren gezogen...
Kennt jemand diese Heim?
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Sabine Koopmann schrieb am 22.11.2019
Vor einigen Tagen habe ich im Radio auf Bremen 2 einen Bericht über Verschickungskinder gehört. Die Informationen darüber waren für mich sehr vertraut. Ich war 1963 fünf Jahre alt und wurde nach Bad Harzburg geschickt. Für 6 Wochen . Meinen 6. Geburtstag feierte (hatte) ich am 31.01. in diesem Heim. Ich weiß nicht warum ich dort war. Viele Erinnerungen habe ich nicht. Da es mir eigentlich gesundheitlich gut ging, gehe ich davon aus, dass meine Mutter, die schwer krank war, eine Auszeit benötigte. Ich hatte noch 2 ältere Brüder. Es war kalt, meine Süßigkeiten wurden mir am Anfang weggenommen, ich konnte das Essen nicht essen, musste immer sitzenbleiben, bis ich es gegessen habe. Bohnensuppe mit Fleisch und Knöchelchen drin und andere Suppen. Es wurde mir eingeflößt und ich musste mich immer übergeben. Ich habe 6 Wochen lang nur geweint und nicht gesprochen. Mein Geburtstagspäckchen mit Süßigkeiten, war am nächsten Tag verschwunden. Nach den 6 Wochen war von Erholung keine Spur, ich wurde zu Ostern 1963 mit 6 Jahren nicht eingeschult, da ich nach der Kur nur krank war und abgemagert war. Da fühlte ivh mich doppelt bestraft, da ich mich auf die Schule gefreut hatte. Einschulung mit 7 Jahren Ich war zu schweigsam und schüchtern und zu schwach......

Meine Mutter ist kurz darauf gestorben, mein Vater auch. Ich habe immer Probleme mit Essen, kann nur kleine Portionen essen, beim Zahnarzt musste ich mich schon immer übergeben, wenn er zu tief in den Rachen kam.

Ich habe immer zuviel gearbeitet, habe aber drei fröhliche erwachsene Kinder mit dem Herzen auf dem rechten Fleck und guter Ausbildung. Leider war ich trotzdem mein ganzes Leben als Alkoholiker (Pegeltrinker) unterwegs, als Pegeltrinker kann das alltägliche Leben gut funktionieren. Es merkt niemand. Jetzt bin ich seit 5 Jahren trocken, dafür sind die Depressionen gekommen, die ich vorher weggetrunken hatte.

Ich bin am liebsten alleine und nicht gerne mit Menschen zusammen.

Meine psychischen Probleme sind sicher auch durch den frühen Tod meiner Eltern hervorgerufen, aber ein Trauma war Bad Harzburg sicherlich. Ich habe ein Foto von kleinen Mädels vor dem Heim, mit "Tante Heidi" und ich bin ein kleines süßes Mädchen, das muss ich mir immer sagen. Ein kleines verletzliches Wesen. Meine Mutter hat auf die Rückseite alle Namen notiert, mit dem Zusatz: zur lieben Erinnerung an meinen Kuraufenthalt in Bad Harzburg, den 5.02.63. !!!

Den Namen des Hauses weiß ich leider nicht mehr.

Sabine Koopmann
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Rosi Büthe schrieb am 22.11.2019
Hallo,
ich war 1950 9 Jahre alt. Gerade war ein Brüderchen bei uns angekommen. Da verschickten mich meine Eltern in ein Kinderkurheim auf die Insel Spiekeroog. Das war schon schlimm, allein weil nun ein Baby in der Familie war, wurde ich weg geschickt....dachte ich. Auch dort musste das Erbrochene noch einmal gegessen werden. Was wir Kinder damals als völlig normal ansahen. Zuhause war sowas ja noch nicht passiert....also konnten wir doch das nicht als widerwärtig empfinden. Wir Kinder hielten das für normal.
Ich hatte Asthma und wenn ich stark hustete, dann wurde ich auf den Dachboden verfrachtet. Dort lag ich dann auf einem Heusack und konnte mich im Höchstfall mit einem nicht bezogenen dünnen Federbett zudecken. Im schlimmsten Fall hatte ich gar keine Zudecke.
Hat man sich mal eingenässt...aus Angst...dann wurde das Höschen als Trophäe an einem Pfeiler aufgehängt, damit das alle sehen konnten. Ein sauberes Höschen gabs nicht, dann liefen wir eben unten rum nackend durch die Gegend. Für uns Kinder war das alles völlig normal.
Ich habe dort nicht viel geweint, weil ich alles hinnahm, was geschah. Ich dachte doch immer, das alles völlig normal war. Zuhause erzählt, wurde mir später nicht geglaubt. Es konnte doch nicht sein, was nicht sein durfte.
Dieses Martyrium MUSSTE ich und auch die Anderen, 6 Wochen aushalten. Danach wurde mein Asthma immer schlimmer. Inzwischen ist aus dem Asthma COPD geworden.
Erst mit 50 habe ich das alles in einer Therapie aufarbeiten können. Auch als Erwachsene habe ich alles hingenommen, was andere als ungerecht oder unzumutbar empfanden, hielt ich für völlig normal. Auch später in meiner Ehe. Ich war eine stille Dulderin.
Ich bin nun 76 Jahre und seit über 20 Jahren frei von dem Gedanken, alles ertragen zu müssen. Ich habe in der Therapie gelernt mich zu wehren.
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Heike Heine schrieb am 22.11.2019
Ich war im Sommer 1967 in St. Peter Ording zur Kur.Damals war ich 7 Jahre alt.Wenn abends im Schlafraum noch gesprochen wurde, geschah folgendes: eine Betreuerin kam rein und sagte,
Du kannst dir schon mal die Schlafanzughose runterziehen. Du auch und du und alle die gesprochen hatten.Dann gab es Schläge mit einem Badelatschen auf den nackten Hintern.Dabei ist auch mal ein Latschen gerissen! Das verfolgt mich noch heute.
Liebe Grüße Heike Heine
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Doris Stober schrieb am 22.11.2019
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin Jahrgang 1951, aus dem Südwesten Deutschlands und mußte 1958/59 über Winter als evang.Kind wg.Tuberkulose in ein Lungensanatorium für Kinder in den kathol.Hotzenwald. Das Sanatorium in Stieg/ Oberalpfen bei Waldshut wurde geführt von Nonnen mit freien Erzieherinnen,Tanten genannt. Ich habe dort schöne Dinge erlebt und grausame, besonders die mit Pädagogik zu tun hatten. Um der Wahrheit willen hier erst die schönen Dinge.
Das Heim lag abseits vom nächsten Dorf, ein wunderschöner Wald ums Haus ( dort entstand meine Liebe zum Wald) Wir wurden von einem nahen Bauernhaus mit versch.Essen versorgt, das ich als gut u.abwechslungsreich in Erinnerung habe. Auch zum Hausmeister mit seinem Hund hatte ich eine gute, quasi ausgleichende Beziehung. Er war sehr verständnisvoll. Wir haben oft auch schöne Wanderungen im verschneiten Wald gemacht ( frische Luft) und hatten auf der offenen Veranda unsere "Liegekuren" bei denen uns Märchen vorgelesen wurden. Dieses große Märchenbuch aus einem österr.Verlag habe ich in den 90ern gesucht und dann per Zufall bei einer angeheirateten Verwandten gefunden und abgekauft. Es hat etliche unbekanntere Märchen in denen der auf zwei Seiten geschriebene Text umrahmt war mit wunderschönen Illustrationen.
Auch hatten wir dort Schulunterricht ( 2 Klassen zusammen) und als wißbegieriges Kind mußte ich so kein Schuljahr nachholen. Auch haben wir dort " freche" Lieder gelernt.
Jede Medaille hat zwei Seiten.
Nun zu den perfiden, grausamen, unchristlichen Geschichten, die geschahen, und für die ich hier NUR Zeugin sein will, keine Anklägerin mehr. Ich habe kein Traumata zurückbehalten, habe den Personen auch mittlerweile verziehen.

Ich will nur zur Glaubwürdigkeit beitragen, denn auch mir wurde von meiner geliebten Mutter zuerst nicht geglaubt. Das schreibe ich der Autoritätshörigkeit zu, zu der die Generation meiner Eltern erzogen wurden.

In kurzen Zügen die "schwarze Pädagogik" ( Buch Alice Miller Schweizer Kinderpsychologin) des von kathol.Nonnen geführten Haus:
- bei den Liegekuren auf der offenen Veranda im Winter wurden wir bis zum Hals, die Arme am Körper in eine Wolldecke eingewickelt und lagen auf wie Feldbetten aussehenden Liegen hingelegt und mussten still sein, ein Märchen wurde vorgelesen u.dann auf Kommando schlafen. Redete ein Kind mit dem Nachbarkind, wurde ihm das Kopfkissen entzogen und auf das Gesicht gelegt.
Was aber schlimmer war, war das, daß Kinder die Wasserlassen mußten gezwungen wurden in die Hose zu machen, man kann sich vorstellen was das nicht nur seel.sondern auch physisch bedeudete bei Kälte.
-jeden Montag war ein Brief an die Eltern zu schreiben, natürlich zensiert. Als Kind mit stark ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn, schrieb ich natürlich über die unsäglichen Vorkommnisse und mein Heimweh u.diese Briefe wurden solange zerrissen, bis sie den Tanten gefielen.Verlogenes Blablabla.
- Besuch war wochenlang verboten, als aber meine Mutter mit ihrer Freundin, die ein Auto hatte, mich besuchen kam vor der Zeit, hat man mich im Schlafsaal eingesperrt, die Fenster verriegelt und ich weinte und schrie nach ihnen hinter den verschlossenen Fenstern. Sie liesen mich nicht zu ihnen, wenigstens konnte ich noch winken, aber meine Mutter weinte und ihre Freundin gestikulierte empört gegen die Nonne.
-Da bei Tuberkulose Appetitlosigkeit u.Gewichtsverlust einhergeht, wurde natürlich immer auf Teller leer essen geachtet.
Hat ein Kind sich geweigert wurde es gezwungen allein weiter nach der gemeinsamen Mahlzeit am Tisch vor einem vollen Teller zu sitzen bis der leer war.
- was noch schlimmer war, wenn ein Kind erbrochen hatte, mußte es das Erbrochene wieder aufessen! Immer und immer wieder bis der Teller mit Erbrochenem überlief, dann holte man die Heimleiterin um das Kind noch mehr bloßzustellen.Aber die war wenigstens so human, den Teller ausleeren zu lassen und einen mit frisch gefülltem Essen hinzustellen.
-Einmal, ich vergesse es nie, kann seitdem auch kein Tafelspitz und Rote Beete mehr essen, erbrach sich ein Kind, das mir gegenüber saß so stark, daß es auch in meinen Teller fiel. Mir wurde ein frischer Teller gereicht dem erbrechenden Kind nicht.Ich reagierte empört und wurde dafür bestraft.
-Nur einmal erlebte ich eine wirklich christl.Nächstenliebe als ich selbst, nur wg. einer verschluckten Wursthaut erbrechen mußte...
Als einziges evang. Kind mußte ich nicht mit in die Messe ( so ca. 17 Uhr) und durfte im Speisesaal alleine abendessen. Es gab Schwarzwurst und an deren Haut verschluckte ich mich und erbrach. Das junge Küchenmädchen das mich beaufsichtigen mußte, hat sofort den Teller entsorgt u.mir auch kein neues Essen mehr aufgenötigt u.bat mich nur ängstlich, diesen Vorfall nicht der Nonne zu erzählen, klar das ich das auch nicht wollte. Ich danke Gott heute für diese menschl.fürsorgliche Küchenhilfe und erbitte Segen für sie wo immer sie heute auch ist.

In den 80ern wollte ich mit einem Teil meiner Familie nochmal dort hin einen Ausflug machen. Als wir dort waren, mittlerweile wurde aus dem Haus ein Aussiedlerheim, erzählte ich die Geschichte nochmal und plötzlich sagte der Freund meiner Schwester" Waaas, du auch?" Und diesmal hörte meine Mutter die Bestätigung meiner Geschichte die ich dort erlebte und glaubte sie. Sie nahm mich in den Arm und bat um Verzeihung und weinte. Ich vergab ich ihr gern.
Später wurde ich Krankenschwester besonders im Notfallbereich, Intensiv- u.Op und habe Patienten geholfen, wenn sie von Ärzten ungerecht behandelt wurden. Weil ich wußte, wie man sich als hilfloses Opfer fühlt.
Jesus in Matth.18,6+7!
Nicht nur Erwachsene haben Rechte, auch Kinder.
Aber Er sagte auch, vergebet euren Feinden und auch das weiß ich nun, wie das sich anfühlt, befreiend, neue Kraftressourcen hervorbringend.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und allen Betroffenen rechtlichen Erfolg aber auch Frieden für ihre Seelen.
Doris Stober
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Inka Rothenhäusler schrieb am 22.11.2019
Nach meiner Erinnerung sind wir im Sommer 1973 oder 74 mit der AWO nach Bad Sooden ALlendorf verschickt worden.
Meine Mutter musste sich einer OP unterziehen und die Kinder sollten gut untergebracht sein.
Meine jüngste Schwester war noch zu klein und kam zu einer Tante von uns.
Wir fuhren mit vielen anderen Kindern im Zug dorthin. Ich war 10 und meine Schwester 6 Jahre alt.
Als wir da waren mussten wir duschen. Das war das einzige Mal in 6 Wochen das wir duschen durften.
Unsere persöhnlichen Sachen, wie Zahnpasta, Toilettenartikel, Süßigkeiten, Bücher ...mussten wir abgeben.
Dann kamen wir auf unsere Zimmer. Ich war in einem sehr großen Mehrbettzimmer mit meiner Schwester.
Mir wurde aufgetragen dafür zu Sorgen, dass sich meine Schwester benimmt.
Wir mussten um 18:00 oder 19:00 Uhr ins Bett und durften weder reden noch uns bewegen.
Uns wurde eine bestimmte Schlafstellung gezeigt, die wir einzunehmen hatten.Dann gingen Erzeiherinnen oder noch schlimmer der Hausmeister rum um uns zu bewachen. Besonders vor dem Hausmeister hatte ich große Angst.
Wer redete/flüsterte oder sich zuviel bewegte musste mit nackten Füßen im Nachthemd auf der zugigen Treppe, unter Aufsicht des Hausmeisters stehen.
Das war so ein älterer Mann der für mich eine sehr böse Ausstrahlung hatte. Der hatte immer so einen Rohrstock dabei. Ob er ihne benutzt hat weiß ich nicht mehr. Ich wurde nicht geschlagen. Der war bestimmt ein alter Nazi.
Zahnpasta und manchmal Seife wurden uns zugeteilt.
Meine Schwester fing dann an einzunässen und einzukoten.
Die Bettlaken und Unterhosen wurden dann immer im Speisesaal , während des Essens, hochgehalten. Dann musste ich die Mahlzeit beenden und alles auswaschen.
Die Malzeiten waren auch schrecklich. Es gab immer sehr dicke, trockene Brotscheiben. Da meine Schwester die Kannten nicht essen konnte, schob sie sie mir unterm Tisch zu. Ich habe sie dann für sie gegessen oder verschwinden lassen. Eines Tages wurden wir jedoch erwischt und meine Schwester musste solange am Tisch sitzen bleiben bis sie sie gegessen hat.
Sie saß von Morgens bis Abends dort da sie die Kanten nicht essen konnte. Ich konnte ihr nicht helfen. Sie durfte auch nicht aufstehen um zur Toilette zu gehen und nässte natürlich wieder ein. Das Ergebnis wurde dann wieder allen Kindern beim Abendessen präsentiert.
Wir hatten keinerlei Spielsachen oder sonstige Beschäftigung. Wir waren einfach draußen. Ich versteckte mich dann oft mit meiner Schwester hinter einem alten Schuppen im Garten.
Es gab ein Schwimmbad im Garten. Im Vorfeld wurde unseren Eltern das auch angepriesen. Sehnsüchtig schauten wir immer aufs Wasser. Wir durften nicht ein einziges Mal hinein. Wen wir still in unseren Betten liegen mussten gingen die Tanten dort hinein.
Es gab eine sehr nette Erzieherin. Sie war jung und hieß Roswita. Sie wurde von den anderen Tanten als Zigeunerin beschimpft und schlecht gemacht. Sie war nach etwa 3 Wochen nicht mehr da.
Dann gab es noch eine Putzfrau die mich und meine Schwester ins Herz geschlossen hatte. Es war eine ältere, etwas dicke Frau die irgendwie aus dem Osten oder Ostpreussen kam. Sie hatte einen so netten Akzent.
Sie kam jeden Morgen etwas früher zur Arbeit um mir und meiner Schwester die Haare zu flechten.
Wir hatten beide sehr lange Haare und uns wurde immer damit gedroht , das sie abgeschnitten würden wenn wir sie offen trügen.
Davor hatte ich große Angst. Zum Glück hat die liebe Tante "Gell" (so nannten wir sie, weil sie immer Gell sagte) sie uns immer geflochten. Ich konnte es nicht selber und die Erzeiherinnen haben es nicht gemacht.
Jeden zweiten Tag mussten wir ins Gradierwerk und dort den salzigen Nebel einatmen. Dabei wurden Volkslieder gesungen.Meine Schwester bekam davon ganz wunde, rissige Haut und der salzige Nebel tat ihr dann weh. Sie musste trotzdem mit
Jeden Sontag mussten wir den Eltern schreiben. Die Briefe wurden zensiert. Ich versuchte heimlich einen unzensierten Brief an unsere Eltern zu schreiben und ihn auf dem Weg zum Gradierwerk einzuwerfen.
Leider misslang es.
Nachts lag ich wach und glaubte immer wieder das Auto meines Vaters zu hören. Ich hatte die Hoffnung das er uns da raus holt. Das ich ihn durch die Kraft meiner Gedanken wissen lassen könne wie schlecht es uns geht.
Am schlimmsten war aber die Ärztin.
Einmal in der Woche mussten wir antreten zur Untersuchung. Wir standen Stundenlang nur mit Unterwäsche bekleidet auf dem Flur vor ihrem Zimmer. Wenn man bei ihr war musste man die Hose runterziehne und sie rammte einem erstmal ein Fiebertermometer hinten rein. Ich empfand das als extrem unwürdig und übergriffig.
Meine arme Schwester wurde auch krank und musste zu dem Drachen auf die Krankenstation. Ich durfet meinen Eltern nichts davon schreiben. Sie sollten sich keine Sorgen machen. Ich machte mir aber Sorgen um meine Schwester. Durfte aber nicht zu Ihr. Sie war dort völlig isoliert.
Einmal bekamen wir ein Päckchen von zu Hause. Es wurde uns mitgeteilt aber wir haben es niemals zu Gesicht bekommen oder etwas vom Inhalt gesehen.
Einmal ist ein Junge abgehauen. Er war etwas jünger als ich. Er hat mithilfe eines Freundes beim Mittagessen einen riesen Tumult verursacht und das Durcheinander genutzt um durch das offene Fenster zu entfliehen.
Als es auffiel war er schon über alle Berge.
Die Erzieher haben 3 Tage nach ihm gesucht. Dann wurde er aufgegriffen. Ich weiß nicht mehr was mit ihm passiert ist.
Ich kann mich noch erinnern das es einmal GRiesbrei gab und ich hatte mir mehr genommen als ich essen konnet.
Ich musste aber alles aufessen. Da es zuviel war erbrach ich und der Teller war wieder voll.
Ich sollte das dann wieder essen, weigerte mich aber. Ich musste dann aufstehen und ins Bett gehen( es war Mittag) durfte mich an dem Tag nicht mehr blicken lassen und bekam an diesem und am nächsten Tag nichts zu essen. Zum Glück schmuggelte meine Schwester ihre Brotkanten, die sie nicht essen konne, raus und ich hatte etwas zu essen.
Als wir wieder zu Hause waren war meine Mutter entsetzt über unseren Zustand. Wir waren verdreckt und verlaust und abgemagert. Auch unseren Erzählungen wurde Glauben geschenkt. Meine Mutter hat sich wohl bei der AWO über die Zustände in dem Heim beschwerd aber sie wurde abgewimmelt.
Wir waren zum Glück nie wieder in Verschickung.
Ich dachte ich hätte das alles vergessen. Als ich den Bericht im Radio hörte überlief es mich jedoch eiskalt und alles kam wieder hoch. Meine jüngere Schwester möchte nicht mehr an die Ereignisse erinnert werden.
Ich hoffe ich konnte Dir helfen.
Liebe Grüße
Inka
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Susanne Speck schrieb am 22.11.2019
Hallo, wie gut, dass es dieses Forum jetzt gibt. Ich werde im nächsten Jahr 60 und habe immer geahnt, dass dieses Erelebnis mein Leben geprägt hat. Ich wurde im Jahr 1966 nach Bayern verschickt. Aus Neumünster in Schleswig - Holstein nach Uffing am Staffelsee. Quer durch Deutschland. Ich wurde abends allein in einen Zug gesetzt. Mir wurde vorher nichts erzählt. Ich weiß nur, dass ich mutterseelenallein war. Noch keine 6 Jahre alt. Untergrbracht wurden wirin einem Kinderkurheim, ich wohnte im Vogelzimmer.
Das furchtbarste Erlebnis war an meinen Geburstag, den ich dort verbringen "durfte" fernab von Geschwisatern und Eltern. Am Tag vor dem Geburtstag wurde in der Morgenrunde Post verteilt. Ein Paket für mich!!!! Die Freude war riesengroß. Doch dann wurde das Paket zurück gerissen. Ohne Begründung. Es war wohl einen Tag zu früh??? Da kommen mir auch heute noch die Tränen. Erinnern tue ich mich an völlige Verloenheit. Da waren ja die Tanten, aber ich kann mich an keine Zuwendung, an kein Gespräch erinnern. Meine Familie erhielt Karten, die aber von den Tanten geschrieben wurden, ich konnte ja noch nicht schreiben. Eine Karte gibt es noch. " Susanne hat sich gut eingelebt...." Nein, nein!! Das Schlimmste waren die Mahlzeiten. Wenn ich etwas nicht mochte, habe ich mich erbrochen und musste dieses dann essen.
Nach der Rückkehr nach Hause ahbe ich bis zum Alter von 12 Jahren am Daumen gelutscht und bin beim Einschlafen immer an einer grauen Wand abgerutscht.
Auc kann ich bis heute nur mit größter Überwindung reisen...Am liebsten bleibe ich Zuhause. Wie gut, dass endlich alles schreiben zu können. Danke für diese Möglichkeit. Tiefste Verbundenheit allen anderen Verschickkindern. Susanne Speck
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Ulrike schrieb am 22.11.2019
Hallo, ich bin Jahrgang 1957 und war 1963 (als noch Fünfjährige) in -ich glaube Sandkrug hieß das Heim - irgendwo in Niedersachsen verschickt. Ich meine, dass es vom Bundesbahn -Sozialwerk war, oder so. Erst als erwachsenen Frau mit eigenen Kindern ist mir richtig klar geworden, dass dort Kindesmisshandlung betrieben wurde. Ich persönlich habe Folgendes erlebt, was ich nie vergessen konnte: Ich war eine schlechte Esserin und musste grundsätzlich an den "Katzentisch" , wo sich die schlechten Esser versammelten. Nachdem alle Drohungen nichts halfen, wurde mir das Essen hineingezwungen und als ich erbrach musste ich mehrere Male in der Zeit das Erbrochene wieder essen. Mir kommt jetzt noch regelmäßig alles hoch.
Ein zweites ungemein entwürdigendes Erlebnis war, dass man nicht auf Toilette gehen durfte, wenn man musste, sondern zu festen Zeiten. Ich habe das nicht immer ausgehalten und einmal, als ich wieder eingenässt hatte, musste ich meine Unterhose zur Wäsche bringen und o h n e weiter herumlaufen - mich so auch in eine Stuhlreihe setzen, als irgendwelche "Offiziellen" kamen, denen die Kinder in Unterwäsche mit ihren Basteleien vorgeführt wurden. Jedes mal, wenn ich mein noch existierendes Bastkörbchen sehe, muss ich daran denken, wie verkrampft ich es auf meinen Schoß gepresst habe, damit die fremden Erwachsenen meinen nackten Unterleib nicht sehen, weil ich mich so geschämt habe! Die jungen Erzieherinnen haben selbst unter der rigiden Heimleitung gelitten, wir haben sie häufiger weinen gesehen. Die Leiterin muss eine Diakonisse oder Schwester gewesen sein, denn sie war immer mit Haube und Schürze.
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Liz schrieb am 22.11.2019
Ich war mit ca. 4 oder 5 Jahren ins Krankenhaus eingeliefert worden (das war ca. 1956 oder 57) wegen ungeklärten Problemen mit dem Bauch. Ich klagte über Verdauungsbeschwerden, häufigen Durchfall und Bauchweh. Es ergab sich kein klinischer Befund. Da ich sehr zart und dünn war, wurde meinen Eltern empfohlen mich in eine Kur zu schicken. So landete ich in Scheidegg, einem kleinen Städtchen im Allgäu, unweit vom Bodensee, das für seine vielen Sonnenstunden bekannt ist. Heute ist es ein anerkannter Kurort bei Zöliakie, da sich der ganze Ort auf glutenfreie Ernährung spezialisiert hat und in fast jedem Gasthaus glutenfreie Gerichte angeboten werden. Wir waren einige Tage mit meiner Tochter dort, damit sie nach Herzenslust zum Essen ausgehen konnte. Ich erinnerte mich, dass ich als kleines Kind dorthin ins Kinderheim verschickt wurde und fragte im Café eine Bedienung, ob das Kinderheim heute noch existiere und wo es sich befinde. Ich würde es mir gerne ansehen, weil ich selbst einige Wochen dort zugebracht hätte. „Oh je“, war ihre Antwort. „Da sind sie nicht die einzige. Prinzregent Luitpold Klinik, Fachklinik für Kinder Reha, nennt sich die Einrichtung heute“, und sie erklärte mir, wo sie zu finden ist. Meine Tochter begleitete mich in das Gebäude, aber meine Erinnerung verband sich nicht mit dem Ort. Umso mehr erinnere ich mich an das, was mir hier widerfahren ist und die Ängste, die mich als Kind lange Zeit nicht losließen. Wir Kinder wurden von Diakonissen betreut, die sich drakonische Strafen für uns ausgedacht hatten. So wurde ich beim Baden plötzlich, für welche Verfehlung weiß ich nicht mehr, untergetaucht. Die Schwester drückte meinen Kopf kraftvoll unter Wasser, sodass ich keine Luft bekam. In meiner Erinnerung zählte sie laut auf 60 bis ich wieder an die Oberfläche durfte, um Luft zu holen. Ich hatte panische Todesangst, konnte mich nicht befreien aus dieser harten Hand und war der Schwester hilflos ausgeliefert. Ein anderes mal hatte ich glaube ich in die Hose gepinkelt und wurde deshalb nackt auf ein Töpfchen gesetzt, das in einen endlos langen Gang gestellt wurde, von dem beidseitig viele Türen abgingen. Der Gang war menschenleer, ich wusste nicht, wo ich war, traute mich nicht alleine wegzugehen und wurde nach meinem Empfinden stundenlang mutterseelenallein frierend sitzen gelassen, bis mich endlich jemand abholte. Diese Erlebnisse waren die traurigen Höhepunkte eines trostlosen Aufenthaltes fernab von meinen Eltern. Ich dachte, ich würde sie nie wieder sehen und hatte keine Ahnung, warum sie mich nie besuchten und trösteten. Ich glaubte, sie wären tot oder hätten mich vergessen. Sonst könnten sie mich doch nicht so lange alleine lassen. Eines Tages stand unerwartet mein Vater vor der Tür, um mich abzuholen. Später erzählte er, dass ich völlig außer mir war, auf meinem Bett auf und ab gehüpft wäre und mich vor Freude gar nicht mehr beruhigen konnte. Er hätte niemals jemanden erlebt, der sich so gefreut hätte. Das Gefühl des Verlassenseins hat mich lange Zeit begleitet und beim Balgen mit meinem Bruder bekam ich Panik, wenn er mir im Scherz ein Kissen aufs Gesicht drückte. Es war für mich keineswegs sicher, dass er nicht zudrücken könnte, bis ich keine Luft mehr bekam. Noch heute ist das Element Wasser für mich bedrohlich und beim Schwimmen recke ich krampfhaft mein Gesicht über Wasser. Den Kopf für kurze Zeit unter Wasser zu halten oder Wasser in die Nase zu bekommen, kann ich bis heute nicht ertragen.33
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Harald schrieb am 22.11.2019
Hallo, ich war mit 4 oder 5 Jahren im Kinderheim in Schönau in Berchtesgaden (Ponyhof?). Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Es begann damit, dass ich von meinen Eltern mit einem Zettel um den Hals alleine in einen Zug gesetzt worden bin. Ich saß gefühlt Stunden alleine in einem Abteil und hatte derartig Panik, da ich nicht wusste wie ich dort ankommen soll. Nach einiger Zeit lief eine Frau durch den Zug und hat alle Kinder mit Zetteln um den Hals eingesammelt.
Ich sollte wegen chron. Bronchitis Luftveränderung erhalten. Im Heim ging es aber nur um Essen und Zunehmen. Wir mussten Unmengen an Marmeladebroten zum Frühstück essen, viele Kinder haben unter dem Esszwang erbrochen und mussten dann das Erbrochene vom Tisch aufessen. Wir durften erst aufstehen, nachdem alles gegessen war.
Die Nächte waren ebenfalls grausam. Der Gang zur Toilette war verboten. Wer ins Bett machte wurde morgens von den Tanten bloßgestellt und von allen Kindern verlacht.
Kontakt zu den Eltern oder gar Besuche waren verboten. Einmal die Woche wurden Briefe von zuhause vor allen Kindern vorgelesen. Ich erinnere mich an die Blicke der Kinder, die keine Post bekommen haben.
Ich wollte mehrfach weglaufen, ich hatte aber keine Ahnung wo ich überhaupt war und wie ich wieder nach Hause kommen konnte. Nach ca. 3 Monaten durfte ich heim. Heute weiß ich, dass ich als Kind das Gefühl hatte, von den Eltern bestraft worden zu sein. Ich konnte von den schrecklichen Erlebnissen nichts erzählen und habe die Utopie aufrecht erhalten, dass es im Ponyheim ganz toll war. (Damals waren wohl die Ponyhof-Urlaube aus Sicht der Eltern das beste was man einem Kind bieten konnte. Ich erinnere mich aber, dass wir nur für Fotos auf ein Pony gesetzt worden sind.) Diese Zeit dort hat mein ganzes Leben beeinflusst und auch einen tiefen Bruch zu meinen Eltern verursacht. Diese wollten sicherlich nur das tun, was Ärzte und Krankenkasse empfohlen hatten.
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Roland Federau schrieb am 22.11.2019
Hallo, ich bin Roland Federau geb. 11.09.1963,. Ich war zur Zeit der Verschickung etwa vier oder fünf Jahre alt und wurde mit meinem eineinhalb Jahre älteren Bruder nach Sylt verschickt. Ich habe nicht viele Erinnerungen an diese Zeit, da ich einfach zu klein war. Ich bin mit einer Dampflock aus Hamburg Altona mit meinem Bruder losgefahren und habe nur eine schreckliche Erinnerung an diese Zeit. Ich musste nachts auf einer Holzbank im Flur schlafen und es wurde ein Lied zum Einschlafen gesungen. Schlaf Kindlein schlaf, dein Vater ist ein Schaf, deine Mutter ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt, schlaf Kindlein schlaf. Dies war für mich eine schreckliche Vorstellung und ich weiß das ich unbedingt wieder nach Hause wollte. Ich hatte Angst und Heimweh. Dann sind mein Bruder und ich aus dem Heim ausgebüchst und wir wurden vorzeitig nach Hause geschickt. Das war unser Glück. Ich weiß noch wie ich zu Hause aus einem Auto ausstieg und von meiner Mutter auf der Strasse in die Arme genommen wurde. Da ich einen Radiobeitrag zu diesen Verschickungen gehört habe, kamen die Erinnerungen daran wieder zu Tage. Vergessen werde ich diese schreckliche Zeit nie.
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Erhard Wischmeyer schrieb am 22.11.2019
Ich war als 11-jähriger im Kinderkurheim Sankta Maria auf Borkum in der Gruppe K1b unter dem Oberkommando von Schwester Martina. In Erinnerung geblieben ist mir eine mehrstündige Nachsitzung vor einem großen Teller Milchreis, obwohl ich angekündigt hatte, kein Milchreisfan zu sein. Die Nachtruhe ab 19 Uhr war ebenfalls sehr ungewohnt für mich. Alles in allem sechs Wochen, die man nur unter dem Kapitel "Lebenserfahrung" abhaken kann.
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Andrea Christiansen schrieb am 22.11.2019
Hallo,
schade, dass ich erst heute durch das Radio von dieser Aktion erfahre. Ich wäre gerne nach Sylt gekommen. Meine Zwillingsschwester und ich waren 1969 für sechs Wochen in einem Heim in Lüneburg. Wir waren fünf Jahre alt. Wir sollten zu nehmen. Ich habe gedacht, unsere Eltern wollen uns nicht mehr haben. Daher war ich ziemlich überrascht, als wir wieder nach Hause durften.
Dieses Heim wurde 1970 geschlossen wegen Kindesmisshandlung. Erst danach haben meine Eltern mal gefragt, was wir erlebt haben. Wir haben gar nicht gewagt davon zu erzählen. Wir durften nachts nicht auf Toilette gehen . Wer erwischt wurde, musste auf der Holzbank im kalten Badezimmer schlafen. Ohne Decke und Kissen, nur so. Sprechen war nach dem Abendessen verboten. Wäre eine Frage der Erzieher beantwortet hat, wurde bestraft, denn er hat ja gesprochen. Er musste z.b. die halbe Nacht stehend neben seinem Bett sein. Auch einen ganzen Tag ohne Essen im Bett bleiben war eine Strafe. Ich bin für zwei Wochen auf der Krankenstation gewesen, da ich krank geworden bin. Dort durfte ich mich im Bett nicht hinlegen wenn ich meinen Mittagessen gegessen habe und fertig war. Ich musste teilweise zwei Stunden sitzen bleiben was ich gar nicht konnte. Für jede Kleinigkeit wurde man bestraft. Die Strafen waren vielfältig. Immer so, dass sie keine Spuren am Körper hinterließen. Badetag bedeutete alle Kinder gingen durch eine kalte Badewanne und wurden kalt abgeduscht. Das Essen in den großen Sälen war von sehr schlechter Qualität. Wir wurden gezwungen alles aufzuessen. Wer sich übergeben musste, wurde gezwungen das Übergebene aufzuessen.
Ich habe zwar keine Albträume davon, wie geht es aber immer noch nahe davon zu berichten.
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Alexander Zeitler schrieb am 22.11.2019
Ich war mit 10 Jahren im Elisabethernherim(?) in Bad Dürrheim. Besuche waren nicht erwünscht.
Post kam geöffnet. antworten mussten offen abgegeben werden. bei spaziergängen wurde vor brielkästen die Strassenseite gewechselt. betreut wurden wir von schwestern.
wecken morgens 5.00 dann solebad. dann wieder ins bett.
es gab viel griesbrei abends oft heringssalat. bei jeder mahlzeit hat sich mindestens 1 kind erbrochen.
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Barbara schrieb am 21.11.2019
Hallo Edwin, auch ich war 1964 in Marwang , ich war 6 Jahre alt und gerade eingeschult. Leider konnte ich noch nicht schreiben und meine Eltern kontaktieren. Am Schlimmsten war damals die katholische Ordensschwester Adele. Sie war eine Sadistin.
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Graubner Marianne schrieb am 21.11.2019
Ich wurde auch circa 1962 in ein Kinderheim verschickt und zwar nach Marwang, weil ich so dünn und blass war. Meine sechs Jahre ältere Schwester war Zweimal verschickt worden, das erste Mal in ein Heim in Sankt Peter Ording, wo ist wunderschön war und ein zweites Mal nach Marwang, wo sie ist schrecklich fand. Als dann für mich der Antrag auf eine Heimverschiebung gestellt wurde, sagte sie: hoffentlich kommst du nicht nach Marwang. Aber genau das passierte. Mir gefiel es dort gar nicht - wir wurden zum Essen gezwungen. Meine Tischnachbarin erbrach sich oft in ihren Teller, was ganz schrecklich war. Dann wurde sie angeschrien und ich glaube auch geschlagen. Kinder nässten ein und wurden bestraft. Ich selber Schlaf wandelte in einer Nacht im Gang und wachte daran auf, dass mich eine Erzieherin fest an den Haaren riss und an fauchte, dass ich nachts nicht herum zu laufen hätte. Es herrschte ganz viel Angst. Unsere Briefe wurden immer zensiert. Als ich ein Päckchen mit Süßigkeiten bekam, musste ich den Erzieherinnen davon abgeben. Um Gewicht zuzulegen, mussten wir eine langen Mittagsschlaf halten und durften uns nicht viel bewegen. Meine Eltern reagierten leider nicht darauf und schickten keine beschwerde los.
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Boerries schrieb am 21.11.2019
Hallo zusammen,

ich bin heute durch eien SPIEGEL Online Artikel auch Euch aufmerksam geworden.

Ich bin Jg. 1963 und war im Herbst 1969 noch vor meiner Einschulung für 6 Wochen auf BORKUM (ich glaube im Concordia Heim). Es war eine Zeit die ich lange ganz tief begraben hatte. Ich weis noch dass während des Aufenthaltes ein Sturm über Borkum zog und dieser mir als positiv in Erinnerung blieb.

Die Erinnerung ist durch zwei Ereignisse in den letzten Jahren wieder hochgekommen, wenn auch nur bruchstückhaft. Ich leide seit Jahren an Depressionen und im Rahmen der Therapie habe ich das erste mal wieder an diese Zeit zurückdenken müssen. Dazu kommt, dass ich letztes Jahr das erste mal seit dieser Zeit wieder auf Borkum war; und dieser Aufenthalt hatte gesundheitliche Folgen.

Auf Borkum selbst und in den Tagen vor der Reise , war ich in einer "komischen" Verfassung, es bedrückte und beschäftigte mich etwas was ich nicht so ganz einordnen konnte. Am ersten Tag auf Borkum waren wir am alten Leutchturm und sind von da aus Richtung neuer Leuchtturm und Promenade gelaufen, als mir auf einmal schwindelig wurde und ich Gänsehaut bekam, as wir vior dem "Weißen Haus" vorbeiliefen. Ich sagte zu meiner Frau "Hier war es" und brach iin Tränen aus.

Zwei Tage später ereilte mich ein Hexenschuß, den ich so noch nicht erlebt habe; körperlich wurden dafür keine Ursachen gefunden und ich war die nächsten vier Wochen wieder mit der Diagnose Depressiver Schub arbeitsunfähig (Die Depression ist erstmals 2016 festgestellt worden).

In dieser Zeit kamen auch wieder Erinnerungen hoch die sich um den Aufenthalt in ´69 drehten; z.B. das miese Essen, ich mochte keinen Reis, musste diesen aber immer essen. Auch Pfefferminztee ist seitdem ein Getränk, dass ich weder gerne trinke noch für andere zubereite. Ob ich auch zu den Kindern gehörte, die ihr Erbrochenes essen mussten weis ich heute nicht mehr, aber bis heute ist der Anblick von Erbrochenem für mich fast unerträglich.

Zudem habe ich in dieser Zeit wieder bettgenässt und und auch eingekotet: ich erinnere mich bildlich an eine Situation in der ich einem großen Treppenhaus mit einer bogenförmigen (Granit- oder dunklen Marmor-) treppe stehe und versuche auf eine Toiliette zu kommen um meine Unterhose zu wechseln, die beschmutzt war. Ich weis aber nicht mehr wie es ausgegangen ist.

Ich habe hier viele Kommentare gesehen (noch nicht gelesen) und bin irgendwie erleichtert, dass ich nicht alleine bin. Ich wünsche allen anderen Betroffenen dass es Euch gelingt dieses Traume zu verarbeiten.

Börries
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Tina schrieb am 21.11.2019
Hallo, ich bin 1964 geboren und war dreimal (1973, 1974, 1976) wegen Excem und Untergewicht zur Erholung in List/Sylt im Kindererholungsheim Möwengrund.
Die Zugfahrt von Stuttgart nach Westerland erlebte ich als spannendes Abenteuer- wir klappten die roten Bundesbahnsitze auseinander und hatten eine 'Liegewiese', teilten unser Vesper und spielten gefühlt stundenlang MauMau. In dem kleinen Heim mit nur 20 Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren gab es ein Zweierzimmer für die Ältesten, Vierer- und Sechserzimmer mit Mittagsruhe, während der wir Märchenschallplatten hörten. Soviele Lego und Bücher, sowie Brettspiele auf einem Haufen waren mir bis dahin nicht begegnet- am liebsten mochte ich aber das zum Strand gehen, je nach Wetter mit Gummistiefeln oder im Meer baden. Auch die Ausflüge zum Wellenbad nach Westerland und ins Legoland vergesse ich nie! Das Essen war sicher nichts Besonderes, aber wir asen um die Wette: manchmal acht! Scheiben Brot abends. Und - für mich eines der Highlights: wir mussten so gut wie nie Hausis machen, nur einzelne Arbeitsblätter, die ich von meiner Schule dabei hatte! Im Großen und Ganzen hat es mir dort sehr gut gefallen - die Hunde Pit und Zottel, sowie die Katze Tiger (der Hauseltern Wentz), die oft zu den Spaziergängen angeleint mitliefen, taten ein Übriges, dass es mir gefiel. Die jungen Erzieherinnen waren unterschiedlich sympathisch, kamen mir als Kind aber nicht irgendwie bösartig vor.
Es tut mir leid für diejenigen, die so schlimme Erfahrungen machten. Ich wollte aber nichtsdestotrotz meine positiven Erinnerungen teilen und freue mich von anderen zu hören, die auch im Kindererholungsheim Möwengrund waren, ob sie wohl ähnliche Erfahrungen machten? vG Tina
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Patrick schrieb am 21.11.2019
Mir fiel heute zufällig der ausführliche Zeitungsbericht der HAZ zu diesem Thema in die Hände und sofort kam hoch, was sich vor 40 Jahren mit 9 bei mir im Sommer 1979 abgespielt hat: vermutlich war ich dann einer der letzten kleinen Kurheimshäftlinge, wenn die meisten Zeitzeugenberichte aus den 50/60er-Jahren sind, und es war ein privates Heim in Bad Rothenfelde, das den zynischen Namen "Kindererholungsheim Behmerburg" trug. Im Netz gibt es geschöntes Ansichtskartenidyll, einfach mal googlen... Die beiden Häuser in der Georgstr. hat man längst abgerissen, laut Maps steht dort ein Seniorenheim drauf. Daher auch der Klarname.

Vieles aus dem HAZ-Artikel was Sabine Schwemm berichtet und auch hier in den Blogs zu lesen ist (bzw. ich noch durchlesen werde - oder auch nicht, falls es mir selbst zuviel werden sollte), war meine eigene Erfahrung, daher brauche ich sicher nicht zu wiederholen, was hier schon dutzendfach steht: Demütigung, Einschüchterung durch die "Aufseher", direktes Kontaktverbot zu Eltern bzw. Briefkontrolle, Schläge (bei anderen sogar richtige Prügel), kalte Duschen, wegsperren, Wegnahme persönlicher Sachen .... und unter den "Insassen" die entsprechenden Reaktionen, die auch zu Aggressivität untereinander, Panikattacken, Bettnässen u.ä. führten - all das, was dem ein oder anderen Therapeuten heute nach vielen Jahrzehnten (immer noch...) Patienten beschert....

Vielleicht war ich diese Art Nazi-Regiment auch aus der Grundschule, Krankenhausaufenthalten, Musikunterricht.... gewohnt, besonders erschreckt hat es mich nämlich nicht - das kam erst einige Jahre später. Die damaligen "Pädagogen" und Erzieher, alles Mittfünfziger und älter, haben somit noch unter dem kleinen schnauzbärtigen Schreihals ihre "Kenntnisse" erworben. Sie konnten es halt nicht besser. In meinem Fall bekamen sie willfährige Unterstützung einer jugendlichen pubertären Kurinsassin, die auf Seite der Betreuer freudig mitschickanierte und mitprügelte. Wahrscheinlich wurde auch sie so konditioniert: mit Pickeln, Panzerbrille und Zahnlücke musste sie in ihrer Schule sicher ähnliches ertragen - nicht als Entschuldigung zu verstehen sondern als Erklärung.

Viel schlimmer fand ich, dass zumindest ab den 1970er-Jahren das Thema Kinderfürsorge auch auf Behördenseite deutlich an Stellenwert gewonnen hat (als Scheidungskind hatte ich in der Zeit öfter mit einer Tante vom Jugendamt zu tun, die sehr um mein Wohl bemüht war, uns mit Hausbesuchen malträtierte und mit unverfänglichsten Aussagen von mir meinen Eltern gleich schlimmste Vorwürfe machte). Bei der Alkoholikerfamilie zwei Häuser weiter kam sie nie rein, deshalb machte sie vielleicht immer Rast bei uns, wo es auch Kaffee und Kekse gab...

Hier wo wirklich eklatant und systematisch mißhandelt wurde unternahm man nichts - anscheinend bis zuletzt. Bei manchen, gerade kirchlichen Trägern bin ich auch nicht verwundert (auch wenn ich heute selbst in der Diakonie arbeite und pikanterweise selbst viel mit Kleinkindern zu tun habe, allerdings in Anwesenheit ihrer Eltern, die meine Arbeit sehr schätzen). Wir werden heutzutage so dermaßen von allen Seiten überwacht, dass selbst der kleinste, nichtigste Anlass einen Rattenschwanz an Untersuchungen und Stellungnahmen nach sich zieht. Von Facebook-Shitstorm (was es vor 50 Jahren ja noch nicht gab) mal ganz abgesehen. Wie blieb sowas so lange unbemerkt?

Als uns nach drei Wochen Bootcamp unsere Eltern wieder am Bahnhof in Empfang nahmen (auch denen man im Heim sagte, sie seien hier zur Adoption freigegeben...), waren natürlich alle von den Berichten ihrer Kinder erschüttert und tönten, dass sie Anzeige erstatten werden und die Presse und den Papst und wen nicht noch alles einschalten. Ich erinnere mich an keine Befragung durch Polizei/Justiz, Journalisten, Jugendschutz (gab es sowas schon?) oder Sozialverbände/Kostenträger dieser "Kuren". Selbst wenn es vereinzelt Anzeigen gegeben haben mag, führten sie wahrscheinlich ins Leere. Nicht einmal die Krankenkassen, die diese Folter mit vierstelligen Beträgen pro Kind bezahlten, haben mal hinterfragt oder überprüft, wofür sie eigentlich Geld ausgeben. Als Privatmensch darf man sich natürlich durch die Instanzen klagen, wenn man für dringende medizinische Behandlung Kostenübernahme haben will.

Leider habe ich diese Seite(n) erst entdeckt und bin leider auch jetzt erst auf die Tagung auf Sylt aufmerksam geworden. Ich stehe also erst am Anfang allen Lesens, des Mitleidens mit den Geschichten und auch des eigenen Aufarbeitens (ich merke, dass dieser Bericht und diese Webseite was mit mir macht - weniger aus meinen eigenen Erlebnissen, wo nur nach 40 Jahren noch Fragmente vorhanden sind - dann aber sehr konkret, vielmehr aus den Schilderungen der anderen, bis hin zu den Todesfällen von Kleinkindern), was mich - so wie die Nicht-Aufarbeitung dieser - völlig fassungslos macht, aber nicht überrascht. Das ist keinesfalls zynisch, sondern eine Folge dieses sadistischen Umgangs in vielen "Kinderkurheimen".

Allen, die hier gleiches, ähnliches oder schlimmeres erlebt haben, wünsche ich, das sie mit dem Erlebten abschließen können. Irgendwie scheint bei mir gerade ein Druckventil aufgegangen zu sein - sorry für das viele Geschwalle.... :o)
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Volker Fabian schrieb am 21.11.2019
Hallo liebe Leidensgenossen, ich bin heute über den Spiegel-Online Artikel über die Verschickungskinder ("Macht was. Bitte! Bitte!") gestolpert. Daher auch hier mein Kommentar, vielleicht erkennt ja jemand die Einrichtung wieder (Ludgeri-Stift auf Norderney, ca.1965):

Ich bin Jahrgang 1960 und war als 5jähriger für eine "Kinderkur" in der oben genannten Einrichtung. Es war für ein kleines, unsicheres Kind wie mich eine verstörende und gewalttätige Erfahrung. Beim Lesen des Artikels kam alles wieder hoch. Und erstaunlich, wie viel Deckungsgleichheit es hier gibt.
Das Ludgeri-Stift (kirchlich-soziale Einrichtung, der reinste Hohn...) wurde von einem Hausdrachen und sadistischen, unreifen Erzieherinnen (Tanten) geführt. Das Taschengeld musste abgegeben werden, jeder Brief wurde zur Zensur der Heimleitung vorgelegt. An das Essen habe ich relativ wenig Erinnerung (nur dass es schlecht war), aber an die Kasernierung im Speiseraum unter absoluter Ruhe samt Strafen, wenn das Schweigen gebrochen wurde. Woran ich genaue Erinnerungen habe, war die willkürliche Gewalt. Ohrfeigen, barfuß Strafe stehen im dunklen Flur, Entwürdigungen. Ein Junge wurde besonders schikaniert, weil er sich wohl etwas sonderbar artikulierte und recht lebendig war. Die "Tante" sperrte ihn für eine halbe Stunde in eine engen Besenspind, in welchen sonst nur zwei Putzeimer und die Besen passten. Das unglaubliche Schreien und Weinen werde ich bis heute nicht vergessen, weil ihm gesagt wurde, dass er für immer dort eingesperrt bleiben würde. Ein anderes Mal musste er sich nackt ausziehen und an die Wand stellen, und dann befahl die nette Tante, dass JEDER von uns (Jungen und Mädchen) in einer Schlange an ihm vorbeigehen musste und ihn entweder einmal hauen oder treten sollte. Das war perfide gesteuerte, organisierte Massengewalttätigkeit mit unschuldigen Kindern...
Einmal in der Woche durften wir eine Stunde zu dritt in den kleinen Ort, um unsere Taschengeldration auszugeben. Wurde natürlich alles kontrolliert, manches musste auch wieder abgegeben werden. Da habe ich im Krämerladen einfach einen heimlich geschriebenen Brief an meine Eltern aufgegeben und damit die Zensur ausgetrickst. Und meine Mutter kam tatsächlich und hat mich vorzeitig abgeholt! Zu Hause gab es dann auch halbherzige Beschwerden und Gespräche mit dem Träger, das verlief aber schnell im Sande. Ja nicht auffallen und immer ducken, das war ihre Devise. Aber dass sie mich da herausgeholt hatte, vergaß ich nie...
Ein halbes Jahr später bin ich dann noch auf eine andere "Kinderfreizeit" geschickt worden. Wo das war, weiß ich allerdings nicht mehr. Herrische Tanten, Willkür, viel Heulen und Heimweh, fast das gleiche Spiel. Auf einmal wurde gesagt, ich hätte Besuch! Das war extrem selten, alles staunte, ich am meisten. Es war mein Vater, der nur mal kurz auf der Durchreise war und nach 10 Minuten wieder weg war. Da war das Heulen danach noch viel größer.
Meine Eltern haben sich übrigens kurz danach getrennt, als ich in die Schule kam. War schon eine tolle Kindheit, damals in den 60ern...
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Karl Hohberg schrieb am 21.11.2019
Als Kind bin ich dreimal "verschickt" worden und habe ähnliche Erfahrungen gemacht, die auch in den Kommentaren der anderenn Betroffenen sind. In einer streng katholischen Familie aufgewachsen, wurde ich dabei immer in die "Obhut" von Ordensschwestern gegeben. Eswaren gjeweils katholische Heime, soviel ich weiß, wurde die Verschickung vondedr Caritas organisiert. Zweimal war ich in einem Kinderheim in Sandebeck ( ca. 1957 mit 6 Jahren und 1961 mit 10 Jahren). Ca. 1958 wurde ich zur Aufpäppelung und um für die anstehende Schulzeit fit zu werden ins Kinderkurerholungsheim nach Mittelberg/Oy verbracht.

Insgesamt war der Umgang der Nonnen und ihrer Helferinnen mit den Kindern geprägt von Respektlosigkeit, Einforderung unbedingten Gehorsams und strengster Sanktionierung von kleinsten Regelverstössen, fanatischer Glaubenserziehung und schwarzer Pädagogik, d.h. Gefügig machen durch Angsteinfößung (Feuer, Hölle, ewige Qualen). Rückblickend kann ich sagen, dass der Umgang und die Erziehungsstrategien sicherlich - wie es auch schon in vielen Kommentaren und Beiträgen zu lesen war - ihre Wurzeln in der NS-Zeit hatten, gepaart aber auch mit masochistisch-sadistischen Tendenzen der Ordensschwestern, deren Persönlichkeiten
durch ihre Unterwerfung unter das katholische Regelwerk (Sünde, Buße, Qualen, Hingabe, absolute Autoritatshörigkeit) deformiert wurde.

Ganz besonders erschreckend war die Zeit in Mittelberg/Oy. Viele Demütigungen und Schrecken habe ich vergessen (das Gesamtbild ist aber heute noch so lebhaft wie damals), aber in mein
fotografisches Gedächtnis hat sich eingebrannt, wie mein 6-jähriger kleinere Bruder, für den ich mich als 7-jähriger doch verantwortlich fühlte - nachts wegen nicht eingehaltener Nachtruhe aus seinem Bett gerissen wurde und in den (Kohlen?)keller gesperrt wurde, wo er die ganze Nacht verbringen musste und ich seine Schreie hören konnte.

Die Essenzeiten waren fast fast jedes Mal Horrorveranstaltungen (Und hier wiederholt sich das, was viele berichten): Das Essen (Milchgrütze etc) war für uns fast ungenießbar, es wurde in uns reingestopft und fast jedes Mal musste ein Kind erbrechen. Nicht nur die Tatsache, dass dieses Kind sein Erbrochenes auslöffeln mußte, nein - und jetzt kommt eine Variante, die ich bislang in den Schilderungen noch nicht gelesen habe - das jeweilige Kinde wurde von zwei Schwestern fixiert und mußte einen Schlauch schlucken, um noch mehr zu erbrechen und anschließend noch mehr auflöffeln. Ich empfand dieses Ritual so schockierend (es war kein Einzelfall, es wiederholte sich immer wieder!), dass ich auch später mit meinen Eltern nicht darüber reden konnte. Die Essenszeiten waren ständig Angst besetzt, dass es mir auch so passieren könnte.
Ich habe aber auch bemerkt, dass diese extreme Behandlung zumeist immer wieder den gleichen Kindern widerfuhren und schon damals , mit meien 7 Jahren - meinte ich, es seien zumeist eine der vielen Waisenkinder, die überhaupt keinen familiären Rückhalt hatten und an denen die Nonnen seine sadistischen Trieben ausleben konnte.

Ich fühle mich nicht traumatisiert, wenngleich die Bilder immer wieder an der Oberfläche erscheinen. Es hat aus mir aber einen militanten Kirchengegner gemacht, der sich nicht damit abfinden will, das eine Institution, deren strukturellen Probleme so offen liegen, noch imnmer diesen großen Einfluss in unserer Gesellschaft hat und deren Lobbyismus immer noch bedeutend die Politik bestimmt.
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Christian schrieb am 21.11.2019
Nach einer eingebildeten Erkrankung meiner Mutter 1967 wurde ich (7) mit meiner Schwester (3) in ein Heim am Schluchsee verschickt. Ich habe die Zeit dort nur in sehr schlechter Erinnerung. Bei der Wohnungsauflösung meiner Eltern habe ich noch eine Postkarte gefunden, auf der das Heim meine Grüße ans Elternhaus mit dem Stempel versehen hatte, dass die Zusendung von Geschenkpaketen an die Kinder verboten sei. Ich glaube, dass damals Kinder nicht als vollwertige Menschen angesehen wurden. Da man zudem als Junge nicht besonders emphatisch erzogen wurde, sondern funktionieren mußte, war das Heimerlebnis nicht traumatisierend, sondern entsprach eher dem Zeitgeist. Nach dem Aufenthalt war jedoch mein Verhältnis zu meinen Eltern nur noch neutral, da sie mich mit meiner kleinen Schwester allein gelassen hatten.
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Gudrun Kroll schrieb am 21.11.2019
Mit acht Jahren kam ich für vier Wochen nach Langeoog, ich hatte solches Heimweh, war noch nie von Eltern und Geschwistern getrennt. Wenn ich darüber erzähle, sage ich auch immer, dass man das heute als Mißhandlung bezeichnen würde. Wer sein Essen nicht aufaß, mußte stundenlang am Tisch sitzen bleiben, bis es gegessen war, In der Mittagspause durfte man nicht auf die Toilette, wer es trotzdem nicht aushielt, mußte den Rest der Pause auf der Toilette bleiben.Manchen Kindern wurden zum Spaß die Augenlider mit Schuhcreme beschmiert und wir wurden aufgefordert, einen Bettnässer auszulachen, das habe ich nicht gemacht, er tat mir so leid.Es herrschte eine Grundlieblosigkeit. Eine Sache war aber schön, wir sangen mit der Mundorgel zum Schifferklavier, ich habe immer gern gesungen. Damals als Kind habe ich mir geschworen, dass meine Kinder nie irgendwohin müßten, wohin sie nicht wollten und das habe ich beibehalten.
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Eggeling Lutz schrieb am 21.11.2019
War zu schmächtig

Kinderkurheim Büsum Deichhausen DAK, Name war ?? Seeschlößchen??
Neben diversen Erlebnissen wie Bunker, Knüppelgasse und iZwangsaufenthalt in der Krankenstation wurden wir gezwungen ständig zu essen. Das übelste Bild, welches mir in Erinnerung geblieben ist, das mein gegenüber, 9 - 10 Jahre, als er das Essen verweigerte, an den Armen festgehalten wurde, die Nase zugedrückt und beim öffnen des Mundes wurde das Essen, reingestopft. Das war eine Abschreckung für uns anderen. Und natürlich mussten wir am Tisch sitzen bleiben, bis alles aufgegessen war.
Ich leide heute ich unter Adipositas, da ich keinen natürlichen Reflex mehr habe, wann ich satt bin. Eine weitere Frage hätte ich auch, ist es bekannt, das damals auch ruhig stellenden Mittel ins Essen kamen?
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Josef schrieb am 21.11.2019
Hallo,
ich bin Jahrgang 1961. Mit 5 Jahren hatte ich einen „ Kuraufenthalt“ auf Norderney.
Eine Kur war wohl auch gerechtfertigt damals. Ich war ein kränkliches Kind und hatte u.a. Krupphusten. Die Seeluft hat mir geholfen.
An den Aufenthalt selber erinnere ich mich nicht so gerne, hatte es zum größten Teil auch verdrängt, bis ich den Artikel las.
Es gibt Erinnerungen von Erbrechen und das regelmäßig. Bloßstellen vor den Anderen. Und da waren sehr viele andere Kinder. Demütigungen. Androhung von Spritzen in den Hals, wenn ich nicht aufhöre zu erbrechen. Ich glaube es gab auch Isolation. Ich habe auch ins Bett gemacht. Die Erinnerungen sind sehr verschwommen, ich habe vieles verdrängt. Ich kann mich aber erinnern, daß ich danach als Kind sehr verängstigt war. Jetzt beim schreiben kommen Bruchstücke wieder zurück. Die Tanten waren groß und übermächtig. Mit Schürze und hochgestecktem Haar. Streng.
Ich kann mich an einen großen Speisesaal erinnern, mit Holztischen. Das Heim selbst war wohl ein sehr altes Gebäude. Es gab doppelte Fenster. Ein Fenster außen und eins innen. Sehr dicke Mauern. Ich hätte zwischen diese Fenster gepaßt.
Eine gute Erinnerung ist der Strand. Muschelsuchen und mit angespülten Quallen Fußball spielen.
Obwohl es sehr wenige und verschwommene Erinnerungen sind, macht sich jetzt beim schreiben ein schlechtes Gefühl breit. Eine innere Unruhe. Als wenn da noch mehr gewesen ist.

Ich glaube, da gibt es etwas, das ich aufarbeiten muß. Vielleicht gibt es noch Briefe. Es muß auch noch min. ein Bild geben.
Was mich aber mein Leben lang begleitet hat, ist die Drohung, eine Spritze in den Hals zu bekommen.

Danke.
Ich habe immer geglaubt, ich wäre der Einzige.
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Michael Brenner schrieb am 21.11.2019
Ich heisse Michael Brenner, bin 1951 geboren und war etwa 1958 zur Verschickung durch die DAK, die Krankenkasse meiner Eltern, aus Hamburg für 6 Wochen in einem Heim des DRK des Roten Kreuz in Muggendorf in der Fränkischen Schweiz.
Über meine Erinnerungen ist der folgende Text entstanden:

Kindheit zu Anfang der 1950er bedeutete ein Leben in zerstörten Städten, in Not und Elend. Doch Hunger musste ich nie erleben. Hatten die Erwachsenen wenig zu essen, hielten meine Großeltern Haferflocken mit Kakao, Zucker und Milch für mich bereit. Als Kleinkind soll ich schwächlich gewirkt haben, auch wenn ich mich selbst nie so gefühlt habe. Mein ausgezehrter Gesundheitszustand war nichts Persönliches, es waren die Zeiten der Nachkriegsnot. Mehrfach schickte mich unser Hausarzt auch zur Höhensonne. Doch es reichte nicht. Deshalb verordnete er mir im Alter von sechs Jahren einen längeren Kuraufenthalt, bezahlt von der DAK, der Krankenkasse meiner Eltern.

Auf dem Hauptbahnhof bestieg ich mit Hundertfünfzig oder gar mehr weiteren Kindern einen Sonderzug, der uns, gezogen von einer Dampflokomotive, für sechs oder in ein Kinderheim nach Muggendorf in Franken verschickte, wie es damals hieß. Dort wurden wir von Schwestern des Roten Kreuzes mit gesunder Luft, viel Bewegung und reichlich Essen aufgepäppelt. Sicherlich war es von meinen Eltern gut gemeint, aber ich habe zwiespältige Erinnerungsbilder in meinem Kopf: große Schlafsäle, eine strenge und kalte Atmosphäre, viele ärztliche Untersuchungen.

Im November 2019 entdeckte ich im Internet einen Kongress zum Thema Das Elend der Verschickungskinder, zu denen ich mich rechne. Verschickungskinder, das war nach 1945 der Sammelbegriff für das Verbringen von Klein- und Schulkindern, wegen gesundheitlicher Probleme, in Kindererholungsheime und -stätten in den 50/60/70er bis in die 80/90er Jahre. Die Kleinkinder wurden allein, in Sammeltransporten, dorthin „verschickt“. Die Kinder erinnern diese Verschickungen traumatisch, verkünden die Veranstalter.

Aus der Presseankündigung zum Kongress: Nach grober erster Schätzung sind in den 50/60/70er und bis in die 80/90er Jahre hinein ca 8 Millionen Klein- und Schulkinder ab 2. Lebensjahr allein über 6-8 Wochen, oft verlängert auf viele Monate, ohne ihre Eltern „verschickt“ worden. Die Stätten waren Kinderkurheime und Kindererholungsstätten auf Nord- und ostfriesischen Inseln, in den Mittel- und Hochgebirgen. Die Kinder wurden in Sammeltransporten verschickt. Die Eltern hatten kein Besuchsrecht. Die Kinder waren der Institution und ihren Bedingungen hilflos und allein ausgeliefert. Während die Eltern sich Erholung und Gesundung ihres Kindes vorstellten, wird der Alltag in diesen Verschickungsheimen von vielen Betroffenen traumatisch erinnert. Es werden Essenszwang und gewalttätige Einfütterung bis zum Erbrechen, harte Behandlung, Erniedrigungen, Strafen, Verbote, u.w. erinnert.

Auch in dem Heim in Muggendorf, in das ich verschickt worden war, hat ein überaus strenges Regime geherrscht und ich erinnere noch, dass ich dort wenig glücklich war und kein Klima von Geborgenheit und Wärme herrschte, aber das hatte ich zuhause auch eher wenig. Ob sie mir dort auch Beruhigungsmittel und Spritzen gegeben haben? Oft mussten wir uns ausziehen und uns medizinisch untersuchen lassen. Was sie genau gemacht haben, kann ich nicht mehr sagen. Die Bilder von ärztlichen Behandlungen bleiben unscharf. Offenbar habe ich viel verdrängt, an weite Teile meiner Kindheit kann ich mich besser erinnern.

Sozialwissenschaftlich und historisch habe ich mich viel mit der in großen Bereichen unmenschlichen Behandlung von Kindern und Jugendlichen in der deutschen Heimerziehung der 1950 und 1960er beschäftigt, die zu Anfang des zweiten Jahrzehnts im 21. Jahrhundert so intensiv diskutiert wurde. Die erste Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs ( Rundes Tisches für Missbrauch) ist mir persönlich bekannt. Daher ist mir schon seit langem ist bewusst, dass die pädagogischen Vorstellungen der dort Arbeitenden aus der Nazi-Ideologie über Erziehung stammten und dass viele der dort Tätigen ihre Berufsvorstellungen im Dritten Reich gewonnen hatten. Doch ich habe, bis zum Lesen der Texte dieses Kongresses von 2019, meine persönlichen Erlebnisse in Muggendorf nie in Verbindung damit gebracht. Manchmal schützen uns das Vergessen und ein blinder Fleck.

Wenn jemand ebenfalls in Muggendorf war, freue ich mich sehr auf seine oder ihre Eindrücke oder eine persönliche mail
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Hartmut Kuhn schrieb am 21.11.2019
Mein Name ist Hartmut Kuhn. Ich war ca 1969/70 im "Erholungsheim" Hafenpreppach.
Und alles, was hier schon beschrieben stand, kann ich bestätigen: Repressionen, Angst, Zwang zum Essen und auch das Essen des Erbrochenen, Einnässen mit Demütigungen, Zensur. Verschickt wurde ich vom Jugendamt / Gesundheitsamt Schweinfurt. Auch wenn ich erst rd. 8 Jahre alt war, ich werde diese Wochen nicht vergessen.
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Wilhelm Lüttebrandt schrieb am 21.11.2019
Es war in den späten 50er Jahren in Westerland auf Sylt , Die Sadistin hiess Charlotte. Daheim hatte ich eine langsame Prozedur des Aufstehens mit Kreislauftropfen auf Sylt gab es gleich Kakao mit Haferflocken,was regelmässig zu Erbrechen führte, zur Belohnung gab es dann einen Gummischlauch in die Speiseröhre. Der war zum Glück dünner als die damals üblichen Endoskope und hat wohl keine Verletzungen erzeugt.
Wurde mittags das Essen erbrochen, so hatte man bis der Teller blank war am Katzentisch zu sitzen, das dauerte meist bis zum Nachmittagskaffee, vermutlich war mit Flüssigkeit, das Erbrochene leichter zu schlucken.
Eine soziale und eigentlich sehr freundliche Sozialeinrichtung der Bahn hatte mich als Halbwaisen dorthin geschickt. Dort wurde der Bericht meiner Mutter kommentiert, mit den Worten: es ist bekannt, dass Charlotte schlägt. An die Schläge erinnere ich mich nicht mehr. Aber ich weiss noch, dass ein eigentlich unauffälliger Knabe regelmässig Asthmaanfälle bekam, sobald er in den Dünen ankam. Vermutlich gab es da keinen Mediziner, der da Verantwortung trug.

Dass ich nicht mit meinem richtigen Vornamen angeredet oder gerufen wurde, hat nur vorübergehend für Aerger gesorgt, ganz schnell habe ich begriffen , dass ich von nun an nur noch der Hans war.
dieser text hat mich total erschöpft
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Stefanie schrieb am 21.11.2019
Ich habe heute Morgen einen Beitrag über das Buch „Schwarze Häuser“ von Sabine Ludwig in Radio Bremen 2 gehört und wurde beim Aufwachen hellhörig. Sofort beim Hören stellte sich jenes bedrückende Gefühl von damals wieder ein und ein weiteres, noch nie gefühltes: ich bin nicht allein! Denn davon war ich bisher ausgegangen!

Ich war eine sogenannte „Bettnässerin“. Grund waren von Geburt an falsch angewachsene Harnleiter und ständige Blasenentzündungen, die mit reichlich Antibiotika behandelt wurden. Mit 4, 6, 8 und 11 Jahren wurde ich operiert, in den 1970er und Anfang der 1980er Jahre. Zunächst wurden die Harnleiter umoperiert, erst links dann rechts, dann festgestellt, dass die übergelassenen Stümpfe weitere Entzündungen verursachten, wieder operiert und wieder…, das alles in wochenlangen Aufenthalten in Krankenhäusern in Wilhemshaven und Trier, weit entfernt von meiner Heimat in Emden. Die Eltern durften damals nicht mit im Krankenhaus schlafen und mich nur zu den Besuchszeiten vormittags und nachmittags besuchen. Ich war einsam. Bei der ersten OP erzählte mir der Arzt, ich müsse nur einen Luftballon aufblasen, dann würde ich schlafen und nichts mehr merken und aufwachen und alles wäre gut. Nichts davon trat ein. Der „Luftballon“ blies mich auf, nicht umgekehrt. Ich fühlte mich belogen und betrogen. Später wurde mir beim Gucken der „Schwarzwaldklinik“ immer bei dem "Beatmungs-Blasebalg" im OP-Saal so übel, dass ich mich fast übergeben musste.

Mit 9 Jahren, 1982, sollte mir eine Kur in Bayern Besserung bringen. Meine Eltern kämpften dafür, dass die Krankenkasse die Kosten übernimmt. 8 Wochen wurden genehmigt, auf 10 Wochen wurde später verlängert (das war die schlimmste von allen schlechten Nachrichten, die ich je bekommen habe!). Das Heim war für Harn- und Kot-inkontinente Kinder gedacht, und stand kurz vor der Schließung. Statt 30 waren max. 3-4 Kinder zur gleichen Zeit da. Wir waren alle nicht so dicke, weil wir ja alle wegen einem sehr peinlichen Thema da waren, über das niemand sprach. Es hieß dann nur, dass man „Erfolg hatte“, wenn man einen Tag nicht eingenässt hatte. Das war nicht so schwer, denn wir bekamen so gut wie nichts zu trinken. Das Zahnputzwasser wurde mit einer rosa Farbe versetzt und uns gesagt, dass diese giftig sei, damit wir das Wasser nicht heimlich tranken, denn wir hatten immer Durst! Hatte ich trotzdem eingenässt, musste ich zur Strafe den Mittagsschlaf auf der harten Speisesaal-Bank verbringen statt im Bett.

Die Leiterin, ein Helfer und eine Betreuerin waren (aus damaliger Perspektive) 75+ und entsprechend pädagogisch-altmodisch, die Köchin burschikos-unsensibel – ich weiß noch alle Namen. Nur die Nachtschwester hatte ein freundliches Wesen und ab und zu Verständnis für mein Heimweh, das sich in Tränen ausdrückte. Das Essen war genauso fremdartig für mich wie der bayrische Dialekt, den ich – wieder „daheim“ – noch einige Zeit behielt. Die Betreuer zwangen uns, das Essen aufzuessen, sie waren stolz, dass ich endlich zunahm, meine Eltern und Großeltern ebenfalls glücklich, da ich immer ein kleines dünnes Kind war - ich jedoch nicht. Dies war vermutlich der Beginn meiner Übergewichtskarriere, die mich bis heute stark beschäftigt, genau wie die Inkontinenz. Freundlichkeit und Empathie, Trost, nette Worte bekam ich während der ganze Zeit von niemandem! Von "meiner" Welt war ich abgeschnitten. Telefonieren durfte ich nur an meinem 10. Geburtstag, ganz kurz und unter Aufsicht der Leiterin.

Die Briefe wurden zensiert. Ich grübelte immer wieder darüber nach, wie ich meinen Eltern heimlich mitteilten konnte, wie schrecklich es hier war und dass sie mich abholen müssen. Ich wollte eine kurze Nachricht in die Innenseite des Briefumschlages schreiben, damit sie wissen, dass mein ständiges „Mir geht es gut!“ nicht wahr ist, habe mich das aber nie getraut. Stattdessen habe ich rote Herzen mit Liebespfeil als geheime Botschaft gemalt und gehofft, dass sie verstehen. Ich wusste nie, ob sie meine Botschaft nicht verstanden oder mir nicht helfen wollten! Erst Jahre später erzählte ich ihnen von meinen Erfahrungen.

Ich habe drei Psychotherapien hinter mir, die letzte war eine EMDR-Trauma-Therapie. Diese hat mich in der Tat von meinem über 40jährigen OP-Trauma befreit, so daß ich danach eine nötige Operation absolvieren konnte. Wie tief die schrecklichen Erfahrungen der Kur noch in mir sitzen, merke ich nun wieder. Dass es scheinbar noch so viel mehr Kinder gab, die ähnliches Leid erfahren mussten, tut mir weh, erleichtert mich aber auf der anderen Seite, da ich somit irgendwie Teil einer Gemeinschaft und nicht allein bin.
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Jürgen schrieb am 21.11.2019
Hallo, ich bin 1952 geboren und war 1961 für 6 Wochen in St. Peter Ording an der Nordsee, Auch ich kann mich an Situationen erinnern, dass Kinder das Essen erbrochen haben und dann die Teller immer wieder aufgefüllt bekommen haben, bis sie den Teller leer gegessen haben ohne zu spucken.
In der Mittagstunde und in der Nacht durften wir nicht auf die Toilette, dadurch bin ich zum Bettnässer geworden. Zur Strafe musste ich dann ohne Bettdecke auf einer Holztruhe mit rundem Deckel schlafen oder ich wurde in die Toiletten gesperrt mit den Worten: "Hier hast du ja dein Klo". Dort musste ich dann auf dem kalten Boden schlafen, nur im Pyjama.
Briefe nach Hause durften nur positiv sein, ansonsten wurde man bestraft.

An mehr kann ich mich nicht mehr erinnern, vielleicht auch weil es zu Hause und in der Schule ähnliche " Erziehungsmassnahmen" gab.

Viele Grüße
Jürgen
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Bernhard schrieb am 21.11.2019
Bernhard, Jahrgang 1963:
Lange Zeit dachte ich, ich sei der Einzige der solche "Kuren" als extrem traumatisierend in Erinnerung hat. Nach der Lektüre eines Spiegel-Artikels darüber heute und einiger Kommentare auf der Internet-Seite hier, weiß ich es besser. Insgesamt fünf Mal wurde ich im Zeitraum von 1969 bis 1974 Jahr für Jahr zu unterschiedlichsten Jahreszeiten in ein Kinderkurheim geschickt. Die Aufenthalte variierten jeweils zwischen 6 und 9 Wochen. Die schlimmsten Erinnerungen habe ich an ein mutmaßlich konfessionell geführtes Kinderkurheim in St. Peter-Ording, an dessen Namen ich mich aber nicht erinnere.
Untergewichtig und mit der Diagnose Asthma und damit einhergehender Neurodermitis wurde ich 1969 gleich in den Sommerferien meines 1. Schuljahres wegen der "guten Seeluft" dorthin geschickt. "Damit du wieder rote Bäckchen kriegst!", hieß die Devise. Die Freude darüber, endlich mal das Meer zu sehen und über die damit verbundene, erste längere Zugfahrt meines Lebens, wich großem Entsetzen, als mir kurz vor der Abfahrt des Zuges im Bahnhof Münster erst richtig klar wurde, dass meine Eltern nicht mitfahren würden.
Die panische Angst, nun für eine gefühlte Ewigkeit von ganzen 7 Wochen in der Fremde auf mich allein gestellt zu sein, kann ich kaum in Worte fassen. Die tränenreich absolvierte Zugfahrt umgeben von zwei völlig überforderten älteren Damen von der Bahnhofsmission und vielen anderen ebenso verstörten Kindern, denen man auch eine Identifikationskarte aus blauer Pappe um den Hals gehängt hatte, werde ich mein Lebtag nicht vergessen.
Was dann vorort darauf Tag für Tag folgte, kann ich aus meiner Erinnerung heraus heute nur als Kindesmisshandlung durch Gewalt und eine widerwärtige, seelische Grausamkeit bezeichnen.
In einer Gruppe von etwa 20/30 gleichaltrigen Kindern wurde mir gleich am ersten Abend klar gemacht, was mich erwartete. Schimpfe und Schläge bei jedem Fehlverhalten. Was da waren: Unpünktlichkeit, vermeintlicher Ungehorsam durch Widerspruch, Reden beim Essen, den Teller nicht leer zu essen, das Aus-der-Reihetanzen- beim marschähnlich vollzogenen Spaziergang in Zweierreihen zum Strand, Nichteinhalten der verbindlichen Zeiten für den Toilettengang, die Augen offenzuhalten bei der erzwungenen Mittagsschlafzeit, sich trotz juckender Dermatitis zu kratzen, sich während einer durch Asthma bedingten, schweren Atemnot im Bett aufzurichten oder gar auf den Bettrand zu setzen, die Nachtwache des Schlafsaals aus dem gleichen Grund "unnötigerweise" um Hilfe und Medikamente zu bitten und vieles, vieles mehr. Die Strafen folgten als Schläge ins Gesicht oder auf den Nacken oder noch perfider, als ich etwa in der zweiten Nacht im Schlaf unfreiwillig mein Bett eingenässt hatte: durch das nackt im Dunklen für eine halbe Stunde unter einer kalten Dusche stehen zu müssen, bis das Bett neu gemacht war. Die damit einhergehenden, verbalen Aggressionen und Demütigungen muss man sich noch dazu vorstellen.
Das Personal bestand zu einem kleinen Teil aus hauptsächlich für die Verpflegung zuständigen Ordensfrauen in einem Habit, der dem heutigen der Diakonissen ähnelte und zahlreichen "zivilen" meist älteren Erzieherinnen, insbesondere verantwortlich für die Tages- und Nachtbetreuung.
Aus Erzählungen meiner Mutter zu ihren Lebzeiten weiß ich, dass sie mich nach der "Kur" am Bahnsteig im Bahnhof Münster als ein vollkommen verstummtes und blasses, kleines Häufchen Elend wieder in Empfang genommen hatte, um mich dann wochenlang wieder auf das gleiche Gewicht wie vor der Kur hochzupäppeln. Trotzdem haben meine Eltern mich, im Vertrauen auf die Aussagen eines Kinderarztes und im festen Glauben, mir damit etwas Gutes zu tun, auch in den vier Folgejahren gegen meinen erklärten Willen in ein Kinderkurheim geschickt.
Die drei weiteren Aufenthalte, in einem Rot-Kreuz-Kinderheim auf der Insel Langeoog danach, habe ich nach den Erfahrungen des ersten Mals als weitaus weniger schrecklich in Erinnerung. Die dort tätigen (wesentlich jüngeren) Erzieherinnen führten zwar auch ein strenges Regiment, jedoch ohne körperliche Züchtigung. Trotzdem habe ich diese Kuraufenthalte dort stets als Bestrafung und nicht als feriengleiche Zeit des Vergnügens empfunden und meine Eltern geradezu dafür gehasst, dass sie mich immer wieder fortschickten. Zumal ich aus keiner dieser Kuren gesünder zurück kam als zuvor. Im Gegenteil.
Erst nach meinem fünften Kuraufenthalt im Alter von nunmehr 11/12-Jahren, in einem Kinderkurheim in Bad Lippspringe, war auch für meine Eltern das Maß voll.
Das Kurheim war an eine Art allergologische und dermatologische Klinik angeschlossen. Die schweren Fälle von Kindern mit Asthma und Neurodermatitis, zu denen ich auch gehörte, wurden dort jede Nacht und auch häufig tagsüber nicht im naheliegenden Kurheim, sondern in Krankenbetten einer Klinik-Station untergebracht und betreut. Der Aufenthalt dort bestand darin, mit unterschiedlichsten Therapien und Anwendungen behandelt zu werden, die mit strikter Bettruhe und engmaschigen Kontrollen der Blutwerte und Herz-/Kreislauffunktionen durch Klinikpersonal einhergingen.
Nahezu jeden zweiten Tag wurden mir über zwei/drei Wochen sogeannte Tests gemacht und dazu subkutan oder intravenös Substanzen verabreicht sowie hinterher die Immunraktion des Körpers darauf beobachtet. Von Nesselfieberschüben, die ich nie zuvor in meinem Leben hatte, bis hin zu Erbrechen und hohem Fieber war da alles dabei. Hinzu kamen häufige UV-Licht-Therapien der erkranken Hautpartien, die für mich äußerst schmerzhaft waren und eine für mich heute noch unbegreiflich hohe Anzahl von Röntgenuntersuchungen des Thorax in nur wenigen Wochen.
Erst viele Jahre später wurde mir klar, das das Ganze mitnichten einen kurativen Sinn hatte. An uns Kindern wurden in der Klinik ganz offensichtlich empirische Untersuchungen zu allergologischen Studien mit unterschiedlichen Allergenen, Therapien und Antihistaminika vorgenommen. Wo sonst, als in einem auf Asthma, Allergien und Neurodermitis spezialisierten Kinderkurheim bekommt man soviele Vergleichsprobanden auf eine Schlag für eine solche Studie zusammen? Möglicherweise haben meine Eltern dem im Vorhinein unwissentlich sogar zugestimmt.
Sechs Wochen später kam ich mit deutlich verschlechterten Krankheitssymptomen und einem erheblichen Gewichtsverlust wieder nach Hause. Meine Eltern waren darüber entsetzt und versprachen mir danach endgültig, mich nie wieder zu einer Kur zu schicken. Meine Eltern haben sich in den Jahrzehnten danach bis zu ihrem Tod immer wieder bei mir für diese Zwangskuren entschuldigt. Dass diese traumatischen Kur-Erlebnisse bei mir selbst schwerwiegende psychische Folgen hinterlassen haben, das glaube ich ehr nicht. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass Vergleichbares bei vielen, psychisch ohnehin schon labilen Menschen, schwerwiegende Folgen hinterlassen kann und auch hat. Umso wichtiger finde ich die historische Aufarbeitung der Geschehnisse in solchen Kurheimen und auch die Unterstützung für dieses Projekt.
Vielen Dank dafür, Frau Röhl!
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Xyzxyz schrieb am 21.11.2019
Mit zehn auf Sylt - heute würde man diese "Erholung" mit den damaligen Zuständen als Trainingscamp bezeichnen - 6 Wochen überleben war alles.
Ekliges Essen in Blumentöpfen verschwinden lassen, hungrigen Dicken die
Leberwurstschnitten zuwerfen, wenn keiner guckte, nachts auf abenteuerliche Weise zur Toilette robben, den Kleinen eine schöne Muschel
heimlich in die kleine Faust drücken und sich mit AlibiPutzlappen in der Hand auf zu den tagelang isolierten Kindern auf die Krankenstation schleichen.
Und die Tante böse fixieren, wenn sie einem mit den Fingerknöcheln strafend gegen die Stirn pockerte.
Die Kreativität wurde dort schon sehr gefördert......
Speziell die Kleinen waren aber einfach nur hilflos ausgeliefert.
Und die Tanten hatten ein Händchen dafür, Freundschaften untereinander
und das Beschützen Schwächerer zu unterbinden.
Eigentlich müsste man sich fragen, in welcher Gefühlskargheit diese Tanten
ihr eigenes Leben verbracht haben, Freude am Kinderquälen ist ja nun nicht
wirkliche Lebensfreude - was für eine seelische Verarmung und das auf einer
schönen Insel wie Sylt. Wir konnten ja wieder raus aus dem Gruselhaus.
Die Tanten waren in ihrer selbst geschaffenen Hölle gefangen.
Kälte Asche lange vor der Urne.
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Diplom-Psychologin Kerstin Thormann-Hofmann schrieb am 21.11.2019
1967, im Alter von 11 Jahren, wurde ich für 6 Wochen nach Klappholttal, Sylt, verschickt und bin fast gestorben.
Ich war das erste Mal allein von zuhause fort. Bei der Ankunft untersuchte uns der Kurarzt, ein, so schien es mir zumindest damals, alter Mann mit stoppeligem Bart. Woher ich das weiß?:
Wir mussten uns mit nacktem Oberkörper der Reihe nach aufstellen. Mir war das zutiefst peinlich, weil ich, im Unterschied zu den anderen, in etwa gleichaltrigen, Kindern, bereits einen Busenansatz hatte. Der Arzt horchte alle mit dem Stethoskop ab. Als ich an der Reihe war, nahm er das Stethoskop aus dem Ohr und legte sein Ohr an meine Brust.
Wir durften keine Briefe nach Hause schreiben, nur Karten. Diese wurden vor dem Abschicken gelesen und vor unseren Augen zerrissen, wenn etwas Kritisches darin stand.
Das Essen war schrecklich. An der Tür standen 2 Erzieherinnen mit Kochlöffeln in der Hand und schlugen die Kinder, wenn sie den Raum verlassen wollten, bevor sie aufgegessen hatten. Überhaupt wurde viel geschlagen.
Beim Ausflug nach Westerland kauften sich die Erzieherinnen vor unseren Augen Leckereien und aßen sie. Wir hatten kein Geld und keine Erlaubnis, schauten zu.
Jeden Abend war Spindkontrolle. Andenken vom Strand etc. wurden weggeworfen, gesammelte Blaubeeren ins Klo gespült.
Am schlimmsten war, dass ich fast gestorben wäre.
Ich hatte erst wenige Wochen zuvor Schwimmen gelernt. Als wir das erste Mal ins Meer durften, war ich begeistert und übte mit Blick zum Horizont meine neu gelernten Schwimmbewegungen. Weil die kleinen Wellen immer auf mich zukamen, unterlag ich, die noch nie am Meer gewesen war, der optischen Täuschung, mich nicht von der Stelle zu bewegen. Als ich mich schließlich umdrehte, sah ich das Ufer in weiter Ferne. Erschrocken, versuchte ich mich hinzustellen, was natürlich nicht gelang, da ich schon viel zu weit draußen war. Ich tauchte unter, versuchte zu schreien und zu winken, schluckte noch mehr Wasser, bemerkte, dass niemand schaute und kam mit einer Art Hundepaddeln panisch zurück an den Strand. ich war etwas abgetrieben und als ich mich berappelt hatte, ging ich zu den anderen Kindern zurück.
Keiner hatte meine Abwesenheit bemerkt und ich sagte nichts.
Heute arbeite ich als Psychotherapeutin, unter anderem mit traumatisierten Patienten.
Ich freue mich über ihre Initiative.
Mit freundlichem Gruß,
Diplom-Psychologin Kerstin Thormann-Hofmann
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Kati schrieb am 21.11.2019
Hallo, Anfang der 60er Jahre wurde ich mit 10 Jahren in ein Schullandheim in Niedersachsen verschickt. Ich hatte mich gefreut und eine Freundin aus meiner Klasse war auch mit. Wir kamen ins selbe Zimmer mit jeweils 4 Mädchen. Als Kleinkind hatte ich Mittagsschlaf gemacht aber längst nicht mehr mit 10. Weil weder meine Freundin noch ich müde waren haben wir uns nur angeschaut, weil Reden eh verboten war. Die Gruppenleiterin machte ihre Zimmerrundgänge und als sie sah, dass wir die Augen offen hatten, hat sie uns dafür bestraft. Am Abend, wenn sie die Gute-Nacht-Geschichte vorlas, wurden meine Freundin und ich zur Strafe auf einer Pritsche für die Zeit im Gruppenraum untergebracht. Ich bei den Mädchen und sie bei den Jungen. Ich höre, wie die Jungen dort rein kamen und johlten. Aber ich hatte so Probleme Äpfel mit der Schale zu essen, die es oft als Nachtisch gab und musste abends auf dem Gang zu den Schlafräumen auf einem Stuhl sitzen und den Apfel essen. Er war in Stücke geschnitten aber mit Schale. Die anderen Mädchen, die alle schon im Bett waren wollten mir helfen und ich sollte ihnen ein paar Stücke abgeben. Das hat die Leiterin auch mitbekommen und ich durfte als Strafe nicht bei der Gute-Nacht-Geschichte dabei sein. Bin da noch sehr krank geworden mit Fieber auf die Krankenstation, ein Arzt musste kommen und als ich wieder in die Gruppe kam meinten einige Mädchen, es sei viel schöner ohne mich dort gewesen. Keine Ahnung warum das so war, hatte vorher zu allen anderen Mädchen ein gutes Verhältnis. Schlimm war für mich der Unterrichtsausfall, da es damals noch eine Aufnahmeprüfung für das Gymnasium gab und ich die gar nicht erst gemacht habe, eben wegen des fehlenden Unterrichtsstoffs.
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kerstin schrieb am 21.11.2019
Ich war 1973 Timmendorfer Strand mit 5 J. und 1974 auf Wyk auf Föhr. Ich habe nur schreckliche Erinnerungen: Bestrafungen, Heimweh, Angst, Verzweiflung und Verlorensein. Die Postkarten, die die Tante schrieb, habe ich alle noch. Sie schreibt immer, wie vergnügt und munter ich sei. Alles gelogen! Dabei war ich auch dort krank. Meine Eltern haben mich fast nicht wiedererkannt, so elend sah ich nach meiner Rückkehr aus.
Geprägt hat mich diese Erfahrung mein Leben lang, negativ natürlich.
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Tanja Perez-Roos schrieb am 21.11.2019
Hallo und guten Tag, ich bin 1964 geboren und habe damals auch ein Trauma erlebt. Ich war in Bad Sassendorf, ich weiß nicht genau welches Jahr das war..vielleicht 70 oder 71? Hätte ich damals nicht eine Tante Elke gehabt, die dort arbeitete und sich so oft wie möglich um mich gekümmert hat (ich klebte auf jeden Fall an ihren Versen, wenn sie Dienst hatte) , hätte ich wohl allen Glauben an gute Menschen verloren.Kinder wurden , wenn sie abends beim Tuscheln erwischt wurden, in stockfinstere Räume gestellt und mussten dort bleiben, bis die Nachtschwester sie wieder erlöste. Leider ist es mir auch einmal so gegangen und es war so schrecklich für mich! Ich glaube, ich habe noch nie im Leben so eine Angst gehabt...furchtbar! Es gab eine Tante Elke mit feuerrotem Haar, der Teufel persönlich! Sie hatte meines Erachtens nach, Spaß daran Kinder zu bestrafen. Sie schlug machmal den Kindern mit der Handinnenfläche, so hart gegen die Stirn, dass sie nach hinten auf den Po vielen. Sie ließ Kindern, ihr Erbrochenes wieder essen..wie pervers muss man sein? Sie holte jede Nacht irgendwelche Kinder aus den Betten, damit sie in der Dunkelheit , irgendwo im Gbäude in einer Ecke verharren mußten, bis die Dame sie wieder aus ihrem Martyrium erlöste. Wir durften teilweise am Nachmittag nicht raus und mussten im Essensraum sitzen bleiben, weil ihr mal wieder irgend etwas nicht passte und sie uns bestrafen musste. Einmal die Woche wurden Briefe geschrieben, die natürlich von den Tanten kontrolliert wurden, damit sich niemand beschwert....es war wirklich eine schreckliche Zeit dort!!! Es gab einige Glückliche, die an einer Kinderkrankheit erkranten und nach Hause durften..mein Gott, wie hab ich mir gewünscht auch krank zu werden!! Das sind meine Erinnerungen an Bad Sassendorf. So etwas nannte sie damals Kindererholungsheim...
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Doris Tonn schrieb am 21.11.2019
Hallo Frau Röhl, auch ich war auf Föhr im Berliner Kinderheim 1957 und habe sehr ähnliches erlebt. Fast 5 Monate war ich dort und viele Nächte habe ich nur mit einem Handtuch versehen im kalten Duschraum auf der Erde verbracht, meistens kamen noch 4-5 andere Mädchen dazu, so daß man nicht ganz allein war. Pakete habe ich bekommen, aber alles wurde an die anderen Kinder verteilt, man selbst bekam nur ein kleines Stückchen Süßigkeit. Gespräche wurde unterbunden grundsätzlich im Schulunterricht, beim Essen und in der Schlafenszeit. Gesehen habe ich oft, das Erbrochenes dem Kind wieder eingeflößt wurde - mehrmals. Besuch der Eltern wurde verboten, Karten nachhause wurden kontrolliert. Ich bin froh, das mir Ihr Bericht bestätigt, das mich meine Erinnerungen nicht betrügen und ich nicht alleine bin, so wie ich es damals war - allein!
Mit freundlichem Gruß Doris Tonn
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Johannes schrieb am 21.11.2019
Ich war im Januar 1955 mit 11 Jahren wegen Unterernährung zu Kur in Rantum auf Sylt. Das Essen und die Luftveränderung taten mir gut und auch die Spaziergänge und Spiele am Strand waren sehr schön. Die Betreuung der Kindergärtnerinnen und das Essen hat mir sehr gut gefallen. Strafen wegen nicht Essen gab nicht. Selbstverständlich ist die Betreuung zu Hause individueller aber die Heimleitung und das Personal machten uns den Aufenthalt zu einem Erlebnis an dem mich gerne zurück erinnere.
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ederi schrieb am 21.11.2019
Ich war auch in einem Posterholungsheim , allerdings in Manderscheid. Die Zustände dort waren ähnlich wie in deiner Beschreibung. Bin interssiert an Erfahrungsaustausch.
Ederi
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