ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN
Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel
Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:
- Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
- Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
- Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen
Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!
Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.
Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.
Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der „Initiative Verschickungskinder“ (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen
Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.: IBAN: DE704306 09671042049800 Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de
Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen
Heute gibt es ja im Kontakt mit Hochbegabten und Hochsensiblen zum Glück ganz andere Möglichkeiten!
Zum Glück habe ich dort niemals sexuellen Missbrauch erlebt. Aber ich hatte Mittagsschlaf zu halten, musste meine Schuhe putzen und durfte nachts nicht die Toilette aufsuchen.
In einem riesigen Speisesaal setzte man mich auf Diät. Am Tag gab es festgelegte Zeiten, in denen ein Becher Früchte- oder Pfefferminztee ausgeschenkt wurde.
Bis heute finde ich kalten Tee ganz furchtbar.
An die Zwangsmittagsruhe und den Schlafsaal erinnere ich mich auch noch.
Ich habe es über mich ergehen lassen und war froh, als es vorbei war.
Und da man dort befürchtete, ich sei ansteckend, wurde ich isoliert, alleine in einem großen Zimmer untergebracht, von wo aus ich das Toben der anderen Kinder hören konnte.
Ausgeschlossen! Wen interessierten schon die Qualen eines kleinen Mädchens?
Mehr als zwei Monate sah ich nur andere Menschen, wenn mir das Essen gebracht wurde oder wenn ich zu den medizinischen Untersuchungen gebracht wurde. Ansonsten war ich alleine mit mir selber und meiner Puppe „Toni“ als einzigem Spielzeug.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass in dieser Zeit irgendjemand mit mir geredet hat, geschweige denn gespielt hat. Und eines Tages gingen die Gummibänder kaputt, die Arme, Beine und Kopf meiner Puppe zusammenhielten……
Ich erinnere mich daran, dass ich regungslos im Bett lag und mir vorstellte ich sei tot. Diese unglaubliche Leere!!!
Hier wurde der Grundstein für eine depressive Erkrankung gelegt die mich mein Leben lang nicht mehr verließ.
Am Ende meines dreimonatigen Aufenthaltes kam ich schließlich doch zusammen mit anderen Kindern in ein Zimmer, aber nur, um mich mit Masern und Mumps anzustecken und diese Krankheiten unter Aufsicht durchzumachen. Plötzlich war keine Rede mehr von der angeblichen Ansteckungsgefahr, die von mir ausgehen sollte.
Als Erwachsene wurde ich Erzieherin, getrieben von der Vorstellung, kein Kind solle jemals solche psychische Folter erleiden wie ich unter dem Deckmantel der Medizin.
Weder meine Eltern noch meine späteren Therapeuten haben sich auf meine Geschichten eingelassen. Ich blieb zeitlebens alleine mit diesen Erfahrungen und würde mich nun sehr freuen andere Menschen kennenzulernen, mit denen ich mich austauschen kann.
Mitfühlende Grüße an alle, die ebenfalls leiden mussten
Claudia
Wenn der Heimleiter (ein älterer Herr mit Fassonschnitt) die Station inspizierte, durfte dieser nicht angespochen werden. Zu seinen Ehren, mussten wir auch ein Theaterstück aufführen, während dieser Herr mit Gauleitergehabe auf seinem Sessel thronte.
Vergessen habe ich das nie - besonders der Tag der Ankunft, als mein großer Bruder bitterlich weinte und der Tag der Abreise, wo wir nicht glauben konnten, dass es vorbei war.
Es gab auch ältere Kinder die mehrere Jahre in diesem Heim verbringen mussten - für uns waren die 6 Wochen schon eine Ewigkeit.
wenn ich zurückblicke, dann erinnere ich mich an Gewalt. Keine körperliche Züchtung; vielmehr mentale Anstrengungen der "Erzieher", Kinder in passgerecht in Formen zu pressen. Vermeintliches Fehlverhalten wurde öffentlich gebrandmarkt. Der/die betreffenden Kinder wurden vorgeführt.
Politische Indoktrination, typisch für das Schulsystem der DDR, waren alltäglich. Pädagogik, Einfühlungsvermögen, Sensibilität spielten seitens des Heimes keine Rolle.
Frank von Gliszczynski-Endler
Ich war vorher schon 8 Wochen alleine im Krankenhaus was ja schlimm genug ist und danach die Kur ca. 6 Wochen. Ich kann mich nur an Bruchteile erinnern aber nur schlechtes. Ich war ein "Heimwehkind" und wurde permanent von den Schwertern geärgert mit den Worten: Du kommst nicht mehr nach Hause zurück. Es war ein Schock.
Ich musste nachts Barfuß irgendwo auf Kacheln im stehen Schlafen - ich glaube weil ich zu viel geredet hatte. Es war ein Sammelschlafsaal.
Es wurden Karten an meine Eltern geschrieben - ich konnte ja noch nicht schreiben - das es mir gut geht usw.. die hatten keine Ahnung wie schlecht es mir dort ging. Es waren alles Nonnen - ich kann die Umhänge immer wieder sehen. Am Abreisetag war ich ganz aufgeregt - endlich nach Haus
- da kam wieder eine Schwester und sagte Du fährst nicht nach Hause ...ich fing sofort an zu weinen und eine andere Schwester sagte nun höre doch auf und las sie in Ruhe. Was sind das für Menschen gewesen? Ich musste auf die Krankenstation - warum weiss ich nicht und meine Eltern waren davon gar nicht informiert - und es gab eine Feier - ich glaube Fasching - und ich durfte nicht daran teilnehmen.... Meine Eltern haben mir geglaubt, aber die waren den Obrigkeiten zu sehr hörig-glaube ich. Meine Mutter sagte, als ich wieder zu Hause war, habe ich sie keine Sekunde mehr aus den Augen gelassen und hing an ihrem Bein fest. Meine Eltern sind beide Tod und ich konnte es nie klären. Nach den Berichten hier und im Fernsehen kann man ja fast sagen ich hätte Glück gehabt mit dem Heim wo ich war. Oder ich habe alles andere Verdrängt !?
Danke, wenn jemand etwas zu dem Heim sagen kann. Ich wünsche allen "Verschickungskindern" viel Kraft und Energie. Ich habe eine Hypnosetherapie gemacht die war super - ich war wieder in dem Kindeheim als "kleine Michaela" und in Trance holte ich die "grosse Michaela"
als Hilfe und Unterstützung dazu.
Liebe Grüße Michaela Bayerle
Es war kurz nach der Stillegung der Kleinbahn, die Fähre mit der Kleinbahn fuhr meiner Erinnerung nicht mehr.
Ich wurde in Perlenerg in einen Ikarus-66 Bus gesetzt, die Fahrt ging über Schwerin und weitere Orte wo weitere Kinder in meinem Alter zustiegen.
Am Tag der Anreise war es sehr warm, da dran kann ich mich noch erinnern.
In dem Heim war ich in der Gruppe einer von den schmächtigsten Jungs.
In dem Heim ging es recht streng zu. Es wurde auch Fragen mit wünschen und Kritik gestellt. Ich kann mich nur noch an zwei weitere Dinge erinnern, zum einen hat das Seetang am Strand gestunken, wenn wir zum Strand gingen. Des weiteren kam aus dem Wasserhahn oft braunes Wasser, die Ablagerungen sich zuvor in den Leitungen abgelagert hatten und sich von Zeit zu Zeit lösten.
Auf meine Frage hin zu der braunfärbung des Wassers wurde uns von den Betreuerinnen gesagt es sei nicht schön aber ungefährlich. Das Problem war bekannt, die Ursache sei eine lange Wasserleitung auf der Insel. So wetwas kannte ich nicht von zuhause.
Das Taschengeld glaube ich war im vorhinein auf eine bestimmte Summe festgelegt, ich meine das ich eine Ansichtskarte zu meinen Eltern geschickt habe, auch ein kleines Souvenier zum ende hatte ich gekauft.
Es war in meiner Jugend mal eine Abwechslung, Gewalt von Betreuern habe ich dort nicht erlebt, evenuell von den größeren Jungs in der Gruppe.
An weitere Details kann ich mich nicht mehr erinnern.
Ich, war ein Fan der Milchsuppe und hatte da wohl alles gefuttert, was im tiefen Teller, wie eine Suppe aussah. Fisch war nie mein Ding und da bekam ich dann nur Kartoffeln und Kräutersoße. Oh der Tee, Früh, Mittags und Abends.
Aber bis heute leide ich unter dem Aspekt, dass ich Bettnässer war und immer eine Gummiunterlage hatte und ein bis zweimal Nachts hinausmusste, um zum Klo zugehen. Wenn ich nicht konnte, wurde ich ausgeschimpft! Nach der Ursache wurde nie geforscht! Viel schlimmer war, dass andere Kinder mich geärgert hätten und ich dann, mit Wut im Bauch, mit meiner schwingenden Gummiunterlage hinder den her war. Bestraft wurde ich dann und nicht die, die mich geärgert hatten. In einem Heim musste ich zusätzlich eine Gummihose tragen. Wenn es doch passierte, hatte man mich gezwungen, selber das Bett neu zu beziehen und wurde wieder ausgelachte. Wyk auf Föhr, das Heim war mir bis heute ein Groll!
Dieser Bericht spiegelt so vieles wieder.
Zum Heim in Niendorf, ich war zur Mutter und Kind Kur dort 1986 und 1987 und hatte da auch die Stränge erlebt, allerdings weniger mit den Kindern, nein oft mit uns Müttern. Es gab Schwestern dort, die waren sehr nett und lieb und dann war eine da, groß gewachsen, oft mürrischer Blick, aber lieb zu den Kindern. Leider weiß ich nicht mehr den Namen.
Ich kann nur hoffen, dass der Orden Wort hält und mit hilft bei der Aufklärung ...
Das schlimmste aber war, dass ich trotz meiner eigenen schlechten Erfahrungen, auch meine fünf Kinder, regelmäßig zu Erholungen über die AOK und später DAK geschickt hatte und viel später von den Kindern erfuhr, wie schlimm einige Heime waren.
Ich persönlich bin eine Überlebende und hatte sexuelle Gewalt auf einem Hamburger Spielplatz von 8 bis 10 Lebensjahr erfahren. Kann mich in die Opfer hineindenken? Kenne das Gefühl bis heute und trotz einer Therapie, vergessen kann es keiner von uns...
Ich kann mich noch gut an die Fahrt im Zug erinnern. Schon unmittelbar nach der Abfahrt würde ich von einer Begleitperson angeschrien und geschüttelt weil ich weinte.
Während des Aufenthalt mussten wir alles essen was uns vorgesetzt wurde und durften erst aufstehen wenn der Teller leer war. Nach etwa zwei Wochen habe ich Windpocken bekommen und lag tagelang alleine im Bett. Es gab drei Mal am Tag etwas zu essen, ansonsten sah ich niemanden. Vor lauter Heimweh und Traurigkeit habe ich an der Tapete gezupft. Als die Betreuerin das sah, hat sie mir mit einem Stock so lange auf die Hände geschlagen bis sie bluteten und geschwollen waren. Sie hat mir verboten zu schreien. Als ich mich vor Schmerzen und Angst eingenässt hatte musste ich die ganze Nacht im nassen Schlafanzug im Bett bleiben.
Noch heute ist es mir nicht möglich die Insel Sylt zu besuchen.
Ich war mit meinem Bruder in Herrlingen, müsste so um 1973 oder 1974 gewesen sein.
Es war der Horror. Wir Brüder wurden getrennt, es gab 2 verschiedene Häuser. Einen ekelhaft Brei musste ich essen, ich glaube es war Milchreis oder Grießbtei. Mir wurde der Brei reingeddrückt und nach dem ich diesen erbrochen habe, musste ich das Erbrochene wieder essen.
Ich wurde weinend auf dem Boden herumgekickt und anschließend in ein kleines Zimmer gesperrt.
Ich habe bis heute diese Bilder im Kopf und weiß nicht wie ich damit umgehen soll oder an welche Stelle ich mich wenden kann. Ich wünsche mir, dass ich die Erzieherinnen von damals zur Rechenschaft ziehen könnte. Ich hab immer wieder die Bilder im Kopf.
An die Betreuerinnen kann ich mich weder positiv noch negativ erinnern. Sie waren eher jung und wenig empathisch.
Richtig erholt habe ich mich dort nicht, vor allem nicht die erwünschte Gewichtszunahme erreicht. Das durchgestanden zu haben, hat mich psychisch gestärkt und selbstbewusster zurückkehren lassen. Ich hätte aber keine 2.Kur dieser Art mehr machen wollen. Dennoch faszinieren mich Föhr und die Nordsee bis heute.
Es gab ständig Erdbeerquark mit Haferflocken zu essen, eine zähe Masse, die in großen Mengen jeden Tag gegessen werden musste.
Mittags saßen wir auf Bänken aufgereiht draußen in der Sonne und wurden zwangsgebräunt. Nur diejenigen Kinder, die kollabierten, durften ins Haus zurückgehen. Wir sollten „gesund“ aussehen.
Eine ganz schwache Erinnerung habe ich daran, dass man irgendwie meine Singstimme für schön befunden hatte und ich immer vor allen singen musste, was mir sehr unangenehm war.
Ich lernte ein älteres Mädchen kennen, das viel freundlicher behandelt wurde und Mercedes hieß. Sie war ein Halt für mich - bis sie erkrankte und separat von uns untergebracht wurde. Wir konnten uns nur noch aus der Ferne sehen.
Viele Jahre später habe ich den Ort aufgesucht, wo das Heim stand. Ich kenne sie durch eine Postkarte, die meine Großmutter mir geschrieben hatte. Das Haus steht dort nicht mehr, stattdessen eine Gedenktafel und ein Privathaus. Überhaupt taucht dieses „Berghaus Loretto“ in keiner Schilderung eines ehemaligen Verschickungskindes auf. Ich würde mich gerne mit anderen, die dort waren, austauschen.
Wir hatten ständig Hunger und wurden mittags auf einer großen Wiese wie Tiere gehalten, die nicht ins Haus gehen durften. Wir sangen das Lied „Wir haben Hunger, Hunger…“ und pflückten und aßen Sauerampfer.
Als ich einmal nachts zur Toilette musste, war ich in Panik. Ich erinnerte mich, dass uns erlaubt worden war, ein großes Gefäß, das in der Mitte des Schlafsaals stand, zu benutzen. Ich habe sehr lange gezögert und dann voller Scham das Gefäß benutzt. Am nächsten Morgen wurde dies bemerkt und dann ging es los: Vor aller Augen wurde nach der „Täterin“ gesucht. Nach langem Zögern habe ich es gestanden und wurde denunziert. Ich war fünf Jahre alt!
Pakete, die von Zuhause kamen, wurden geöffnet und der Inhalt an alle Kinder verteilt.
Ein älteres Mädchen formulierte eine Karte für meine Eltern. Es ging mir schlecht und ich war krank vor Heimweh. Diese Nachricht wurde abgefangen, ich einem Verhör unterzogen und dann ein neuer Text geschrieben.
Ich habe nur wenige Erinnerungen an die Zeit im Marienhof, daher würde ich mich gerne mit Menschen austauschen, die auch dort waren. Lücken auffüllen…
Es gibt eine Postkarte, die das Heim an meine Eltern geschrieben hat. Dort wird beschrieben, dass ich mich in einer Gruppe mit 15 kleinen Mädchen befinde. Unterschrieben ist die Karte von einer „Tante“ Waltraud. Eine Klapp-Fotomappe des Heims habe ich auch.
Ich war ein schüchtern-verstörtes Kind, das meist geschwiegen hat. Ängste begleiten mich mein Leben lang und es erforderte eine große Kraftanstrengung, mich im Leben und in der Berufswelt durchzusetzen. Bis heute habe ich ein gestört-schamhaftes Verhältnis zu Körperausscheidungen. Dass es hier einen Zusammenhang zu meinem Aufenthalt im Marienhof geben könnte, wird mir - bei aller Therapieerfahrung - erst in der letzten Zeit deutlich.
Sehe ich mich als Kind, so habe ich mich in eine Phantasiewelt zurückgezogen, meist gelesen, kaum Kontakt zu anderen Kindern aufgenommen.
Rausgehende Briefe an unsere Eltern wurden zensiert, eingehende Briefe wurden auch gelesen und manche kamen nie bei mir an. Wenn meine Eltern ein „Care“-Paket mit ein paar Süßigkeiten schickten, bekam ich sie entweder gar nicht oder musste sie zwangsweise mit allen teilen.
Vor und nach jedem Essen musste gebetet werden. Man musste alles aufessen, was serviert wurde, sonst gab es mächtig Ärger. Egal wie satt ich war, ich musste aufessen.
Täglich mussten endlos lange irgendwelche Volkslieder von uns gesungen werden.
Schlafen durften wir nur in einer bestimmten Position und wehe, wenn einen die Nachtschwester erwischte, dass man anders lag oder gar weinte.
Mein jüngerer Bruder war einmal zeitgleich mit mir dort; wir durften jedoch während des Aufenthaltes keinen Kontakt zueinander haben. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich mich inmitten dieser vielen anderen Kinder und den Nonnen furchtbar einsam und unglücklich gefühlt und viel geweint habe, aber das durfte ich meinen Eltern nicht schreiben.
Während der zweiten Kur dort war ich in der Gruppe einer relativ netten Nonne. Der Brand des Heims war eine schreckliche Erfahrung, aber ich war froh, dass meine Eltern kamen, um mich abzuholen und die Kur so frühzeitig beendet war. Ich habe bis heute starke Angst vor Feuer und kann Brandgeruch jeglicher Intensität nicht haben.
Mehrmals pro Kur mussten wir in einem kleineren Schwimmbecken mit eiskaltem Wasser schwimmen gehen; zum Schluss war ich total blau vor lauter Kälte.
Obwohl man mich immer zum Essen gezwungen hat, war ich bei der Gewichtskontrolle am Ende der Kur immer leichter als vorher; ich denke, ich hatte einfach so viel Stress dort, dass ich gar nicht zunehmen konnte.
Die einzig positiven Dinge, die ich mit diesen Kuren in Verbindung bringe, sind Bastelarbeiten wie Makramee-Eule, Fadenbilder und das Erstellen von Briefbeschwerern mit Muscheln usw., die in Harz gegossen wurden. Außerdem fuhren wir während einer der Kuren einmal mit einer Betreuerin zu 10 Kindern in ihrem VW-Käfer zum Wellenbad. Außerdem wurde dort in einem Dachraum, der sehr sehr kalt war, etwas mit uns gemacht, was sich viele Jahre später als Autogenes Training herausstellte. Diese „geistigen Reisen“ fand ich eigentlich immer schön.
Meine Erlebnisse dort waren -verglichen mit dem, was manch Anderer dort durchgemacht hat- noch relativ harmlos. Trotzdem haben sie ihre Spuren hinterlassen, weil einfach so viel Zwang herrschte und man besonders vor Schwester Gottfriede und ihren Launen immer Angst haben musste. Nicht zu unterschätzen ist auch der Faktor, dass man als so junges Kind einfach in einen Zug gesetzt und sehr weit weg von Zuhause sechs endlos lange Wochen (eine Ewigkeit in dem Alter) mit fremden Kindern und Erwachsenen zubringen muss und man ein wahnsinniges Heimweh hat und gar nicht versteht, warum man dort sein muss.
Ich wünsche allen, die noch heute unter den Geschehnissen während der Kinderverschickung leiden, dass ihre Seele geheilt wird und die Erinnerungen keine Macht mehr über sie haben.
nun, lange Zeit dieses Kindheitstrauma vergessen. Gott sei Dank! (Kinderheim Bethesda Bad Salzufflen)
Durch die Diskussion über diese wohl von der Intention gut gemeinten Verschickung, in der Realität aber katastrophale Umsetzung, hat mich das im Alter wieder eingeholt. Ich habe im Nachhinein eine bodenlose Verachtung über diese Einrichtung. Vielleicht kann man das als Leiden betrachten. Ich habe es aber so verarbeitet, dass ich, insbesondere gegenüber kirchlich-karitativen Einrichtungen, extrem misstrauisch bin.
Die Ursache ist nicht nur das Erlebnis in dieser Einrichtung. Verstärkend sind die aktuellen Missbrauchsfälle der Kleriker aller Konfessionen.
In meiner Studentenzeit habe ich mich intensiv mit der Rolle der Kirchen im 3.Reich beschäftigt. Die Auswirkungen der nationalsozialistischen Doktrin spiegelten sich lange Zeit in den Einrichtungen, die mit Erziehung und Rechtsauffassung zu tun hatten, wieder.
In Schulen waren sehr viele ehemalige Reichswehroffiziere als Lehrer tätig. Was sollte man auch mit denen sonst anfangen. Für die karikativen Einrichtungen galt dies als Weiterführung der Erziehungsideale des NS - und der Kaiserzeit ebenso. Die Ursache, dass Diakonissinnen solche „Erziehungsideale“ weiter praktizierten liegen dort. Ein Umdenken dieser Ideale funktionierte nur durch einen Generationenwechsel. Aber, so ganz hat das nicht funktioniert. Fälle gibt es ja heute noch zuhauf. Die breite Öffentlichkeit ist aber sensibler geworden und reagiert darauf.
Nun zu meiner Erfahrung „Bethesda“:
Aus einem sorgsamen und liebevollen Elternhaus wurde ich als schwer asthmakrankes Kind wegen einer vom Arzt angeraten Luftveränderung nach „Bethesda“ Bad Salzufflen verschickt.
Meine Wäsche wurden mit kleinen Aufnähern mit den Ziffern 13 versehen (meine Mutter war pragmatisch in diesen Dingen- andere Kinder haben bestimmt nicht diese Ziffern am Hemdchen), damit man sie in einer Gemeinschaft zuordnen kann. Nun war ich dort die Nummer 13.
Ein einschneidendes Erlebnis war das Frühstück mit eine schleimigen von einer Haut überzogenen Milchsuppe. Zu Hause hab ich sie immer abgelehnt was auch respektiert wurde. In Bethesda aber ging es dann zur Sache:
Los aufessen! Mit einem Stoß in den Rücken!
Was dann abging war der Horror. Ich erbrach mich in dieser Schüssel.
Man schubste und schleifte mich auf die Toilette. Ich wehrte mich, bekam ein Schlag ins Gesicht, so dass die Nase und die Lippe stark bluteten. Ich musste eine lange Zeit in der Toilettenkabine verbringen. Anschließen musste ich ins Bett. Das Bett wurde natürlich blutig. Dann ging es abermals los. Ich musste das Bett abziehen und wurde als hoffungsloser Nichtsnutz beschimpft.
Da ich untergewichtig war versuchte man es mit einer Mastkur. Nachmittags mussten alle Kinder in einer Freilufthalle für ca. 1 Stunde auf Liegen verbringen. Man musste die Augen geschlossen halten. Bei einer Zuwiderhandlung ging direkt das Theater und Gezeter los.
Die untergewichtigen mageren Kinder mussten den ganzen Nachmittag auf diesen Liegen verbringen Man versprach sich dadurch wohl eine Gewichtszunahme dadurch.
Zum Glück hatten 3 oder 4 Jungs dann etwas Freiraum um z.B. Bücher zu lesen und sich über diese miese Behandlung auszuquatschen. Die anderen Kinder unternahmen irgendwelche Ausflüge mit der Diakonissin und ihrer Hilfskraft. Päckchen und Briefe von den Eltern wurden einbehalten. Kontakte sollten in dieser Zeit nicht stattfinden. Meine Großmutter wohnte in Salzufflen. Sie erschien einmal und wollte mich sehen, da meine Eltern, die in Köln wohnten sich Sorgen machten, da man nichts von mir hörte. Nun die Großmutter war sehr robust und hatte einen heftigen Auftritt im Eingangsbereich veranstaltet. Ich bekam den lauten Disput mit. Die Tafel Schokolade, die sie mir mitbrachte, konnte sie nicht überreichen.
Die Hilfskraft, eine junge Frau, die sich zu nichts äußerte, stand kurz vor der Verlobung oder Hochzeit. Viele Kinder hatten von zu Hause aus etwas Taschengeld mit auf den Weg ins Unbekannte bekommen. Das Geld wurde natürlich von den „Schwarzen-Pädagogen“ einbehalten. Man teilte uns mit, dass wir uns an einem Geschenk für diese Hilfskraft beteiligen müssen. Also wurde mit von unserem Taschengeld, über das wir nicht verfügen durften, eben ein gemeinsames Geschenk gekauft. Ich glaube, es war ein kleines Transistorradio, die damals auf den Markt kamen.
Abschließend möchte ich hier sagen: die Erlebnisse mit Geldansprüchen „wiedergutzumachen“, halte ich für mich persönlich für den falschen Weg.
Meine Erklärung der Ursachen einer solchen Behandlung ist in der Nachkriegsgesellschaft begründet. Dies habe ich vorab dargelegt. Mir bleibt nur -wie schon Anfangs gesagt- eine abgrundtiefe Verachtung der beteiligten Diakonissen. Kirchliche Einrichtungen sind mir bis heute durch ihre Scheinheiligkeit sehr hinterfragungswürdig, um nicht zu sagen suspekt.
Das schlimmste waren die Nächte. Man durfte nicht zur Toilette. Vor dem Zimmer saß eine Tante zur Aufsicht.
Ich habe fast jede Nacht eingenäßt, und dann am Rand ohne Decke, geschlafen, damit das Bett bis zum Morgen trocken wurde.
Briefe an Zuhause durften nichts negatives enthalten.
Es mußte alles gegessen werden, notfalls saß man Stundenlang. Bis heute kann ich Quarkspeise nicht essen.
Als die getragene Unterwäsche verbraucht war, musste ich die getragenen Schlüpfen anziehen.
Wir bekamen sehr wenig zu trinken, hatten immer Durst.Nach dem Mittagessen mussten wir am Tisch Mittagsruhe halten. Den Kopf auf die verschränkten Arme legen, wehe man hat den Kopf gehoben. Für mich war ausser Heimweh am schlimmsten, dass ich nicht alleine zur Toilette gehen konnte. Wenn man an einem Tag keinen Stuhlgang hatte, musste man ein Glas Meerwasser trinken. Ich bin sehr still und angepasst wieder nach Hause gekommen. Es hat lange gedauert, bis ich wieder mehr Lebensfreude bekam und ich mich traute meine Meinung zu sagen.
Das erste mal war ich mit zweieinhalb/ drei Jahren auf Norderney. 1963/64. Das letzte mal Anfang der 70 er Jahr. Insgesamt 5 mal.
Mein älterer Bruder meint es wäre jedes Jahr gewesen.
Leider oder vielleicht sogar Gott sei Dank kann ich mich nicht an mehr erinnern. Auch nicht wie die Kurheime hießen,
Ich selber bin ein sehr ernster Mensch. Ständig sehe ich in allem zuerst die Gefahr und das Böse. Es fällt mir schwer Nähe zu zu lassen und fühle mich mein leben lang minderwertig.
Positiv zu denken fällt mir schwer.
Norderney
Hier war ich das erste mal in Kinderkur zusammen mit meinen beiden Brüdern. Der älteste muss 11/12Jahre gewesen sein und der jüngere ca, 5-6Jahre. ich war ca. 2 oder 3Jahre alt.
Hier herrschten die Pinguine( Nonnen).
Es herrschte ein Befehlston und eisige Kälte.
Sie hatten ihre eigenen Regeln. Wir konnten gar nicht richtig machen!!! So habe ich es empfunden.
Dieses Ständige beten beim aufstehen und zu Bett gehen, vor jeder Mahlzeit.
Zu essen gab es nach meinen Erinnerungen immer einen dicken Klumpen Grießbrei mit Rosinen.
Weil es so viele Rosinen waren habe ich sie auf dem Teller an den Rand gelegt. Ich musste sie trotzdem alle essen. Und als ich erwischt wurde wie ich die Rosinen heimlich in meine Schürzentasche steckt und sie den Möwen beim Strandspaziergang verfütterte war der Teufel los. Ab da wurden mir die Rosinen öfter mal pur in den Mund gestopft.
Rosinen konnte ich Jahrelang nicht mehr essen oder riechen.
Mein Bruder meint er wäre mit mir 2 mal da gewesen. Ich weiß es nicht mehr.
Wenn ich Nonnen sehe bekomme ich Beklemmungen und es steigt eine Wut in mir hoch.
In der Kirche war ich das letzte mal vor 15 Jahren zur Taufe meines Großneffen. Ich habe die Kirche panikartig verlassen. Habe kaum Luft bekommen und musste mich übergeben.
Alles was mit Kirche zu tun hat, ist für mich ein rotes Tuch.
Oberstdorf In der Nähe von der Skisprunganlage ( wir mussten dann den Berg runter)
Ich erinnere mich an den täglichen ca. 2stündigen Mittagsschlaf (egal wie alt die Kinder waren) Wir lagen auf den langen Balkonen auf Liegestühlen im Sommer und auch im Winter ( ich war zweimal da) feste in Decken eingewickelt, so das wir uns nicht rühren konnten.
Es durfte nicht mehr gesprochen oder geflüstert geschweige denn gelacht werden. Dafür gab es dann Strafen.
Besonders hat es ein Mädchen getroffen, es war mit seiner älteren Schwester da. Die kleine war eine schlechte Esserin und machte ab und an noch ins Bett.
Ihr wurde abends vor versammelter Mannschaft eine Stoffwindel (mit Sicherheitsnadel) angezogen und dazu hat die „Tante“ sie ganz schlimm beleidigt. Morgens wurde sie sehr oft über das Knie gelegt und mit einem Schlappen wurde ihr auf den Hintern gehauen. Wir mussten zusehen.
Auch beim Essen hat sie immer wieder Probleme mit den „Tanten bekommen.
Beim Essen durfte man nicht aufstehen, auch nicht zur Toilette.
Eine Szene die mich bis heute verfolgt ist als sie nicht aufessen konnte und wir alle zusehen mussten wie sie das Essen hineingestopft bekam, sich dann übergeben hat und das Erbrochenen unter Androhung ihr eine Spritze zu geben ( die wurde aus dem Schrank geholt und auf den Tisch gelegt) wenn sie nicht ihre eigene Kotze aufisst.
Wir durften aufstehen und den Speisesaal verlassen, wenn alle Kinder mit Essen fertig waren.
Die Erzieherin öffneten die Pakete der Kinder im Speisesaal, der Inhalt wurde einbehalten und /oder an uns alle verteilt. Auch die Post die wir bekamen wurde im Speisesaal vorgelesen.
Briefe und Postkarten die wir geschrieben haben wurden gelesen und wenn der Inhalt nicht deren Wunsch entsprach, setzte es eine und wir mussten einen neuen schreiben der von den Tanten diktiert wurde.
Das erste mal war ich alleine dort. Beim zweiten mal wußte ich ja was auf mich zukommt. Diesmal fuhr meine 4 Jahre jüngere Schwester mit. Sie war eine schlechte Esserin hatte Rachitis und sah sehr mager aus. Ich nahm mir vor auf sie aufzupassen und sie zu beschützen!!!!!!
Ich war ständig in Habachtstellung. Bloß nicht auffallen. Unsichtbar machen.
Dies habe ich sehr lange Zeit meines Lebens so beibehalten.
Und dann war ich noch in Manderscheid. Da war ich schon älter. Meine Schwester war auch mit.
Dort habe ich mich mit einem Mädchen ( ich glaube sie hieß Birgit, Brigitteoder Barbara). Unsere Betten standen nebeneinander.
Auch hier waren Demütigungen an der Tagesordnung. Aber alles nicht zu vergleichen mit Norderney und Oberstdorf.
Mit 23/24 Jahren habe ich meine erste Therapie gemacht. Es folgten weitere. Doch erst vor einigen Jahren wurde mir Bewusst das einiges auch mit den Verschickungen zu tun hat.
Ich habe nur Negativ Erinnerungen - nichts, rein gar nichts Positives.
Gerne würde ich andere Betroffene kennenlernen die an den gleichen Orten waren, wie ich.
ich war in 1962 im Alter von 9 Jahren im Haus Tanneck und wurde seinerzeit über das Bundesbahnsozialwerk (BSW) dorthin vermittelt.
Das Haus gehört offenbar auch heute noch dem BSW und hat die Adresse Olhörnweg 32, das konnte ich soeben über Googlemaps feststellen.
Falls du noch immer auf der Suche bist, kannst du mich gern kontaktieren.
Freundliche Grüße
Dagmar Hassenpflug
Das anscheinend übliche ist mir am deutlichsten in Erinnerung, weil es wohl eine tägliche Prozedur war: Undefinierten billigen Schleim essen, Teller ablecken, dann erbrechen, nochmal essen.
Danach 1 Stunde den Kopf auf den Tisch legen als Mittagsruhe. Schläge bei Bewegung oder Kopf anheben.
Insgesamt bestand der Aufenthalt aus Schlägen, Zwang, Demütigungen und Diebstahl vom christlichen Personal. Einzelne Erlebnisse möchte ich nicht beschreiben, verfüge jedoch auch über einen kompletten Bericht.
Die Eltern berichteten, dass ich nach der Rückreise monatelang nicht mehr gesprochen habe, seitdem geistesabwesend bin, nachts um Hilfe schreie und mich ständig verfolgt fühle.
Meine Mutter hat versucht der Angelegenheit auf den Grund zu gehen, ist aber nicht weiter gelangt als zu den ebenso Ahnungslosen: Dem Arzt und die örtliche Krankenversicherung.
Der Grundstein für eine bislang lebenslange psychische Erkrankung wurde gelegt.
Massive soziale Phobie, Depressionen, Mißtrauen gegenüber anderen Menschen, paranoide Persönlichkeitsstörung.
Insgesamt 7 Jahre in psychiatrischen kliniken. Unzählige Suizidversuche. 35 Jahre lang das Haus nicht verlassen, keine sozialen Kontakte, Frührentner.
Anfang der 90er Jahre habe ich erstmals ausführlich im web von den Erlebnissen berichtet.
Mir ist daran gelegen, dass dieser dunkle Fleck in der Geschichte unverfälscht dokumentiert wird, ausgehend von niederträchtigen Christen, durchgeführt von Einzelstraftätern.
Mehr können die Betroffenen nicht erwarten, denke ich. Auf Entschuldigungen kann komplett verzichten.
Ich mußte allein die Reise aus Stuttgart antreten.
Der Grund war meine Unterernährung.
Dort erwartete mich die Hölle.
Das Hauptgericht in dieser Zeit war Blumenkohl, was ich immer schon hasste. Zudem aß ich damals sowieso zu wenig. Wenn ich nicht meinen Blumenkohl aufgegessen hatte, wurde ich ins Schwesternzimmer geführt und mir wurde mitteils eines Schlauches Nudelsuppe eingetrichtert. Wenn der Schlauch wieder gezogen wurde, war die Nudelsuppe auch wieder draußen. Des Nachts, mußten wir mit den Händen auf der Bettdecke schlafen um nichts böses zu machen.
Wurdest du trotzdem beim Schlafen mit der Hand unter der DEcke erwischt, wurdest du ans Bett gefesselt.
Ich wurde nach 3 Wochen vorzeitig nach Hause geschickt, da sie nicht wollten daß ich im Heim sterbe, da ich weiter abgenommen hatte.
Es war nicht das schlimmste was mich in meinem Leben erwartete, aber damals ein absoluter Schock , der der erste Schritt zur Distanzierung von meinen Eltern war.
ich wurde 01.02.1955 geboren und war insgesamt 2-mal zu den sogenannten „Verschickungsheimen“. 1963 bin ich für 6 Wochen nach Freudenstadt geschickt worden um an Gewicht und Hautfarbe zuzulegen. Vorweggesagt, es war für mich die Hölle!
Gleich am ersten Tag wurden uns Kinder mitgeteilt wie schlimm der Krieg war und wie Froh wir sein sollte, dass wir genug zu essen haben. Die Schwester Oberst oder so hat uns sicher 20 Minuten eingeheizt. Jedes Kind musste zu Mittag mind. 2 Teller vollessen. Eine Schwester hat die Teller gefüllt und darauf geachtet, dass wir auch reichlich von dem „Fraß“ gegessen haben. Ich erinnere mich sehr gut an einem Tag an dem ich keinen Hunger hatte und vor dem vollen Teller saß und versucht hatte das Essen zu entsorgen. Keine Chance, wir wurden beobachtet. Die lange Holzbank auf dem ich saß wurde langsam hart und ungemütlich. In einem unbeobachteten Augenblick habe ich den Telle unter der Band entleert. Ich wurde erwischt um musste noch mal einen Teller essen. Bis in die Nacht hinein saß ich im Speisesaal vor dem Teller. Schließlich hat eine andere Schwester mir den Teller entleert und ich durfte gehen.
Selbst die Toilettenbenutzung war geregelt. Ein Abend musste ich groß um wollte zur Toilette. Am Ende des langen Flures saß an einem Schreibtisch eine Schwester, die alles im Blick hatte. Niemand konnte so einfach aus dem Zimmer gehen. Nach dem ich mehrfach gebeten hatte die Toilette zu besuchen habe ich einen großen Haufen neben mein Bett gemacht. Unglaublich aber der Gang zur Toilette wurde mir verboten. Am nächsten Morgen war die Überraschung groß, ich wurde öffentlich vorgeführt und durfte nicht spielen. Allein vor dem Zimmer im langen Flur musste ich etwa 1 m zur Wand stehen und durfte nicht sprechen. Die ganze Aktion dauerte ca. 3-4 Stunden.
Die schlimmste Zeit meindes Leben......
Mein Problem bei dem Kuraufenthalt war, dass ich immer beim Mittagsschlaf husten musste und so die anderen Kinder im Schlafsaal störte. Ich wurde also im Flur mit dem Gesicht zur Wand an die Wand gestellt - mit einer muffigen grauen Decke über dem Kopf. Als das Husten sich verstärkte und auch immer noch hörbar war, wurde ich ohne Decke in Unterwäsche in den Waschraum gesperrt und erst am Ende der Mittagsruhe wieder herausgeholt. Dies war so über den gesamten Kuraufenthalt. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der ranzige Deckengeruch und das Signallied für den Beginn und das Ende der Mittagsruhe: Puppet on a String von Sandie Shaw.
Ich war im Vorschulalter zwei Mal aus mir unbekannten Gründen zur Kinderverschickung (nach Erinnerung meiner Mutter wohl jeweils 2 Wochen). Ich habe nur sehr bruckstückhafte Erinnerungen daran. Aber auch wenn mir dort nicht immer alles uneingeschränkt gefiel, war es dort besser als zuhause, denn im Gegensatz zu meiner Mutter waren die Erzieherinnen/"Tanten" berechenbar, behandelten alle Kinder gleich und lächelten mich auch mal an. Dort fühlte ich mich akzeptiert, so wie ich war. Ich fühlte mich dort gut aufgehoben, habe keinerlei Erinnerungen an Strafen (in Bad Harzburg mussten diejenigen, die nach dem Mittagessen die Mittagsruhe/den Mittagsschlaf nicht einhielten, still im zentralen Speisesaal sitzen, damit die anderen ungestört schlafen konnten. Das war mir 1x passiert, vorsätzlich, weil ich auch mal draußen sitzen wollte während des Mittagsschlafs. Es war überhaupt nicht schlimm. In Bad Harzburg wurde ich einmal zum Essen gezwungen, bis ich das Essen nach wenigen Bissen auf meinen Teller erbrach. Ich erinnere mich, dass dort auch andere Kinder zum Essen gezwungen wurden durch Nase zuhalten. Bei einem 2. Mal bekamen sie meine Nase nicht zu fassen, weil ich meinen Kopf zu schnell schüttelte. Da hatten sie schließlich aufgegeben. Ich fand es "dumm" von den Erzieherinnen, dass sie meinen Kopf nicht festgehalten hatten, um meine Nase zu packen. Da ich zuhause schon gelernt hatte, dass Essen nicht verschwendet werden darf, hatte ich Verständnis dafür, dass es den Erzieherinnen wichtig war, dass die Teller geleert wurden. Als Kind empfand ich das deshalb nicht wirklich als schlimm, sondern nur als "blöd". So weit ich mich erinnern kann, wurde ich niemals Zeuge von Schlägen, Einsperren, Demütigungen oder Anschreien in einem der beiden Kindererholungsheime. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Heimweh.
Um mich von all diesen schlechten Erinnerungen zu befreien, bin ich im Alter von ca. 50 Jahren extra nach Föhr gefahren, habe aber feststellen müssen, dass das Hamburger Kinderheim noch genauso bedrohlich dort steht, voll mit schreienden Kinder.
Diese Reise hat mir nicht geholfen.
Jetzt bin ich 79 Jahre alt und die Erinnerungen überfallen mich schlimmer denn je, auch durch die mittlerweile versuchte Aufarbeitung in den Medien.
Zu essen gab es sehr oft Kartoffelpüree mit Roter Beete. Ekelhaft.
Das Schlimmste war das Essen. Ich hatte einen Ekel vor Milch und Milchbrei etc. Schon vom Geruch warmer Milch wurde mir schlecht. Aber dort musste ich Milch trinken bzw. Milchbrei essen. Als ich mich weigerte, wurde mir der Milchbrei von der Erzieherin „reingestopft“. Ich habe ihn erbrochen, bekam einen Schlag auf den Mund und dann wurde mir das Erbrochene wieder reingestopft. Sie hatten da trotz meiner Tränen kein Erbarmen.
Ich erinnere mich an einen eher großen Schlafraum, in dem mein Bett irgendwie in der Mitte stand, also nicht an einer Wand. Während der Mittagsruhe spielte ich leise mit meinem Plüschhund. Eine Aufseherin bemerkte das, riss ihn mir aus der Hand und warf ihn in meinen Koffer, der unter dem Bett stand. Der Kopf des Hundes hing noch raus, als sie den Deckel des Koffers zuschlug. Dadurch wurde der Kopf abgetrennt. Sie ließ ihn einfach liegen. Zum Glück hat eins der älteren Mädchen ihn später wieder angenäht.
Überhaupt haben sich die älteren Mädchen öfter um uns Kleine gekümmert. Ich konnte ja noch nicht schreiben und die älteren Mädchen haben dann für mich Briefe geschrieben, die ich ihnen diktierte. Ich schrieb nach Hause, dass es sehr schrecklich sei und dass meine Eltern doch bitte kommen und mich abholen sollten, dass ich ansonsten versuchen würde, abzuhauen. Wir ahnten nicht, dass diese Briefe nie zuhause ankamen. Und ich fühlte mich von meinen Eltern im Stich gelassen, weil sie nicht kamen und in ihren Briefen auch nicht darauf eingingen, dass es mir schlecht ging.
Die Schränke, in denen unsere Sachen verstaut waren, sind in meiner Erinnerung sehr hoch gewesen, so dass ich als Fünfjährige nicht allein an mein Fach kam. Daher wurden einem die Sachen, die man anziehen sollte, von der Erzieherin rausgegeben. Man hatte eine Schürze mitbringen sollen. Ich hasste Schürzen, vor allem diese Kunststoffkittel. Aber ich bekam ab und zu Sachen von einer Groß-Cousine aus Westberlin und da war eine rote Baumwoll-Schürze dabei, die ich mochte. Meine Mutter hatte mir die dann auch extra eingepackt. Die Erzieherin beschimpfte mich, warum ich keine Schürze dabei hätte. Ich sagte, dass ich doch eine Schürze hätte und zeigte sie ihr. Aber die Erzieherin war der Meinung, das sei keine Schürze, sondern ein Kleid und ich durfte sie nicht anziehen. Statt dessen bekam ich einen Kunststoff-Kittel von dort, vor dem ich mich ekelte.
Wir gingen auch viel bei trübem feuchten Wetter spazieren. Aus irgendeinem Grund bekam man Gummistiefel vom Heim. Einer von meinen war undicht und ich hatte immer kalte nasse Füße.
Wenige Tage vor der Abreise hieß es plötzlich, wir könnten nicht nach Hause, weil irgendeine ansteckende Erkrankung aufgetreten sei. Ich hatte schreckliche Angst, jetzt noch länger dableiben zu müssen. Aber das war dann zum Glück doch nicht der Fall. Meine Mutter erzählte mir, als ich aus dem Bus stieg, wäre ich laut weinend auf sie zugelaufen und die konnte mich nur schwer beruhigen.
Mit Anfang 30 bin ich mit meinem Mann in Weimar gewesen und wir haben das Heim gesucht. Ich habe es sofort wieder erkannt, obwohl ich nie ein Foto davon hatte. Als wir das Gebäude betraten, wurde mir plötzlich ganz komisch, ich begann zu zittern und musste heftig weinen. Und es kamen weitere verschwommene Bilder (u.a. an ein Arztzimmer im Obergeschoss und eine Art geschlossene Veranda) hoch. Aber ohne Erinnerungen an konkrete Erlebnisse, sondern nur Gefühle von Angst/Unsicherheit.
Mit dieser heftigen Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Eigentlich war das Thema für mich längst erledigt. Aber aufgrund dieser heftigen Reaktion wurde mir klar, dass das all die Jahre in mir „gearbeitet“ hat.
Ich wollte später viele Jahre lang nicht auf Klassenfahrt oder in Ferienlager fahren. Es wurde als Jugendliche dann etwas besser. Aber
noch heute meide ich nach Möglichkeit Aufenthalte in Einrichtungen mit organisiertem/vorgegebenen Tagesablauf.
Wir wurden von Studentinnen betreut, die sehr liebevoll waren. Sie machten Spiele mit uns, lasen uns täglich aus einem Buch vor, aus dem jeden Tag
weiter gelesen wurde: Im Garten, im Schwimmbad oder beim Beerenpflücken im Wald. Ich weiß heute noch , dass es Daddy Longbein hieß.
Am Abend, um 19.00 Uhr, trafen wir uns täglich auf der Brücke, die über den Wassergraben führte, um bei Gitarrenbegleitung Abendlieder zu singen. Es gab eine Bibliothek mit Kinderbücher zum Ausleihen und es wurde ein Theaterstück geprobt, bei der ich eine von vier Rollen bekam.
Wir mochten unsere Tanten sehr, nicht nur weil sie uns täglich einen Gute Nachtkuss gaben. Lediglich beim Essen hörte auch bei uns der Spaß auf. Bei den wöchentlichen ärztlichen Untersuchungen und den Gewichtskontrollen versagte ich regelmäßig.
Das bescherte mir Extraportionen, die ich nicht essen konnte. Ich versuchte es mit „Bauchschmerzen „ und „Unwohlsein „, das mir aber nichts nützte. Ich wurde dann als Lügnerin aufs Zimmer geschickt und jeweils vom Abendsingen ausgeschlossen. Zugenommen habe ich am Ende trotzdem nur ein halbes Pfund.
Nach der Kindererholung kam ich in ein Internat. Dort hatte ich ebenfalls Probleme mit dem Essen.Erst als Erwachsene konnte ich einen Zusammenhang erkennen.Ich hatte eine Essstörung entwickelt. Dafür gab es damals noch kein Wort, aber übergeben musste ich mich nach dem Essen regelmäßig.
Mit dieser Störung blieb man damals allein.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass im ganzen Haus eine Atmosphäre der Angst herrschte.
Wir mussten jeden Tag 2 Minuten unter die ¨Höhensonne" und mussten uns Sonnencreme und Schutzbrille aufziehen. Dies wurde wahrscheinlich gemacht, damit wir eine "gesunde" Gesichtsfarbe bekamen, wenn die Eltern uns abholten. Wenn wir einander helfen wollten, die Sonnencreme im Gesicht aufzutragen, wurden wir geschlagen, mit dem Kommentar: "Lass das, die kann das alleine!"
Bei Mittagsschlaf, wenn jemand nicht schlief oder sogar aufstand, wurde er/sie ebenfalls geschlagen. Ansonsten kann ich mich noch gut an eine besondere Demütigung erinnern. Ich wurde als "Hexe" verkleidet und bekam am Rücken einen Buckel unter meinen Pullover gesteckt. Die anderen Kinder sollten mich auslachen und ausgrenzen.
Als meine Mutter mich abholte, habe ich sie zuerst gar nicht mehr erkannt. Ich kann mich noch an die Rückfahrt nach Hause erinnern, ich war total schweigsam.
Hinterher bin ich mit meiner Mutter noch einmal dorthin gefahren, weil ich etwas vergessen hatte. Die Aufseherinnen, besonders die Oberin, waren total nett, als wir ankamen. Ich bekam sogar noch Glanzbildchen mitgegeben, meine Mutter konnte mir und meinen Berichten gar nicht glauben, dass ich dort so unglücklich war! Sehr perfide, was mit uns gemacht wurde.
- wir wurden gezwungen Salzwasser zu trinken
- man mußte am Tisch sitzen bleiben bis der Teller leer war
- wer ins Bett gemacht hat, wurde bestraft und bloßgestellt
- wenn man krank war kam man in eine seperate Krankenstation (ich wurde gleich zu Beginn der Kur krank, habe daran aber keine Erinnerung mehr)
Bitte auch endlich endlich nach den "Tanten" suchen, die noch leben, und sie ebenfalls strafrechtlich für ihre Taten zur Verantwortung ziehen. Mögen sie ähnliches heute im Pflegeheim erleiden. Man sieht sich immer 2x im Leben. Ihr schlimmster Albtraum soll wahr werden. Denn den haben sie über Jahrzehnte Tausenden von Kindern selber zugefügt. Für ein Leben lang. Jetzt wird der Spieß endlich umgedreht.
In Meura war ich von Oktober – November 1988 mit damals 10 Jahren. Ich weiß noch, dass irgendwann vorher in der Schule Ärzte waren, die uns alle einzeln anschauten und mit uns redeten. Dort wurde ich damals, soweit es mir in Erinnerung ist, gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mal zu einer Kur zu fahren. Ich weiß noch, dass ich fragte, wie lange denn so was dauert und ich trotz der gesagt bekommenen Aufenthaltszeit die Frage dann scheinbar bejahte. Da ich auch schon im Ferienlager sehr starkes Heimweh hatte, hätte ich wohl besser nein sagen sollen. Ob meine persönliche Entscheidung Einfluss auf den anstehenden Kuraufenthalt hatte kann ich nicht sagen. Meine Eltern wissen leider auch nicht mehr wie genau das damals eigentlich zu Stande kam.
Wie schnell die Entscheidung viel kann ich nicht mehr genau sagen, aber es ging wohl recht schnell. Ein weiterer Freund aus meiner Klasse und ich wurden für eine Kur ausgewählt. Aus heutiger Sicht wohl eher wegen des schlechten Betragens in der Schule als wegen schlechter körperlicher Entwicklung. Den genauen Grund weiß aber leider niemand mehr sicher.
Am Abfahrtstag wurden wir in Berlin-Lichtenberg in Reisebusse gesetzt und führen dann etwa 7 Stunden bis nach Meura. Ich kann noch gut die Tränen in den Augen meiner Mutter sehen, als der Bus losfuhr.
Als wir angekommen waren, sind wir mit unseren Reisetaschen auf unsere Zimmer gegangen und haben die Taschen ausgepackt. Dabei wurden uns alle Süßigkeiten, die wir mitbekommen haben, abgenommen. Soweit ich mich erinnere, wurden diese auch nicht mehr zurückgeben. Als Ausgleich gab es einmal die Woche ein Riegel von einer Tafel Schokolade. Ansonsten gab es noch manchmal zum Frühstück Marmelade. Diese durfte man mit Knäckebrot essen, jedoch nur, wenn man zuvor zwei Schwarzbrotstullen gegessen hatte. Was ich in diesen Zusammenhang sehr lecker fand, war das Müsli, was wir dort bekommen haben. Das Rezept wurde in unser "Büchlein" geschrieben. In dieses Büchlein würden u.a. auch unsere wöchentlichen Verhaltensbewertungen eingetragen.
Wenn man artig war, hat man ein rotes Halstuch eingetragen bekommen, ein blaues gab es für "normales" Verhalten und für schlechtes Betragen hat man, zumindest hab ich es so in Erinnerung ein schwarzen Halstuch oder auch gar keins bekommen. Ebenso wurden dort Tadel vermerkt. Ich habe mindestens einen bekommen und man hat mir gesagt, dass dieser in die Schulakte übernommen wird. Den Tadel hab ich übrigens nicht ganz unberechtigt dafür bekommen, weil ich lose Steine beim Wandern den Hang heruntergestoßen habe. (das hätte eine Gefahr für andere Wanderer weiter unten sein können) Dieser Tadel und die fast immer sehr schlechten Wochenbewertungen in meinem Heft haben dazu geführt, dass ich aus Angst vor Strafe dieses unmittelbar nach meiner Ankunft zu Hause in der Mülltonne unserer Nachbarn entsorgt habe. Heute würde ich gerne noch einmal hinein schauen, was natürlich leider nicht mehr möglich ist!
Ich kann mich auch entsinnen, dass Kinder, die blaue und rote Halstücher bekommen haben, sonntags Fernsehen durften. Einmal muss ich es auch geschafft haben, vermutlich zum Schluss hin, da ich mich auch an eine Fernsehstunde erinnere. Es war jedenfalls etwas Besonderes, wenn man das durfte.
Das Verhalten wurde, soweit ich das noch weiß, täglich bewertet. In meinen Erinnerungen gab es jeden Tag Punkte, die am Ende einer Woche die entsprechenden „Halstücher“ ergaben.
Dass es bei der Kur unter anderem um „korrekte Ernährung“ ging, hab ich so auch in Erinnerung. Wie uns das damals jedoch vermittelt wurde, ist für mich bis heute eine Erfahrung, die ich nicht vergessen kann.
Einmal gab es Rosenkohl zum Mittag und diesen möchte ich überhaupt nicht. Ich wollte ihn nicht essen, was den Erzieherinnen überhaupt nicht gefallen hat. Also sagten sie zu mir, dass ich solange vor dem Teller sitzen bleiben müsse, bis ich alles aufgegessen habe. Ich habe dann Rest des Tages im Essensraum verbracht, aufgegessen habe ich trotzdem nicht. Irgendwann so gegen 18 Uhr bin ich dann weinend in mein Zimmer gegangen. Bevor ich aber den Essensraum verlassen habe, kam meine damalige Kurfreundin Betty zu mir und hat versucht, mich zum essen zu überreden. Ich habe daraufhin vielleicht zwei kalte Rosenkohle gegessen, was die Erzieherin immerhin bewegt hat, mich dann gehen zu lassen.
Meine Kurfreundin hat mir damals sehr geholfen. Wenn ich geweint habe, hat sie mich oft getröstet. Ich weiß noch, dass ich oft sehr starkes Heimweh hatte. Sie war eine von den älteren Kindern, ich glaube, sie war damals schon 14, sicher weiß ich es aber nicht mehr. Sie schrieb mir, während unserer Zeit dort viele Briefe, die ich leider irgendwann mal verlegt oder weggeworfen habe. Wie diese Freundschaft zu Stande gekommen ist weiß ich nicht mehr genau. Ich glaube sie hatte einfach Mitleid mit mir, da ich oft sehr traurig war.
Eine andere Sache, die ich sehr schlimm fand, war das kontrollierte Briefe schreiben. Ab und zu durften wir Briefe an unsere Eltern schreiben. Jedoch durften wir nur positive Sachen schreiben. Einige Dinge, die wir schreiben sollten, wurden an die Tafel geschrieben. Nachdem die Briefe fertig geschrieben waren, wurden sie von der Erzieherin gelesen. Wenn wir von Heimweh oder schlechten Erfahrungen geschrieben haben, wurde der Brief einfach zerrissen. Irgendwann habe ich diesen Betrug verstanden und nur noch Positives geschrieben, so hatte ich zumindest das Gefühl, Kontakt zu meinen Eltern zu haben.
An die strenge Nachtruhe kann ich mich auch noch recht gut erinnern. Wir mussten immer sehr zeitig ins Bett und wollten noch gar nicht schlafen. Wer beim quatschen erwischt wurde, wurde ermahnt. Beim zweiten oder dritten Mal durfte man dann im Flur schlafen.
Ansonsten kann ich mich leider kaum an unseren Tagesablauf erinnern. Wandern waren wir auf jeden Fall recht häufig.
Was mir aber noch einfällt, nachdem ich wieder zu Hause war und in die Schule ging, war ich darüber so froh, dass ich am Ende der ersten Schulwoche in Betragen eine zwei bekommen habe. Was ich vorher sowie danach nie wieder geschafft habe. (Damals gab es noch wöchentlich Noten für Betragen, Ordnung, Fleiß und Mitarbeit)
Rückblickend würde ich heute sagen, ich fühlte mich damals eingesperrt, hilflos, ausgeliefert und allein gelassen.
Es sei aber auch gesagt, dass sicher nicht alles schlecht war, es gibt ja auch schöne Erinnerungen, wie z. B. die an meine damalige Kurfreundin.
Trotzdem verbinde ich bis zum heutigen Tage mit dem Thema Kur hauptsächlich negative Gefühle. Auch heute noch würde ich nicht freiwillig zu einer Kur fahren. Zudem esse ich bis heute kein Rosenkohl, ich hasse ihn förmlich.
Manchmal war ein zwielichtiger Helfer dabei, der mir erzählte, dass er auch bei der Polizei gut bekannt sei. Ich war geschockt. Ich habe mehrfach versucht mit Dr. Häussler zu sprechen, aber er hat dann immer versucht auch mich zu demütigen und gesagt, wie dumm und naiv ich sei. Ich habe deutlich gemacht, dass ich unter diesen Umständen nicht arbeiten kann und zumindest Spielsachen und Materialien brauche um die Kinder zu beschäftigen. Er hat mich ausgelacht und verspottet. Er wollte mich zwingen den Arbeitsvertrag zu unterschreiben und hat gesagt ich sei, wegen der Vermittlung durch das Arbeitsamt dazu verpflichtet zu unterschreiben. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschieden zu gehen. Ich konnte einfach nicht mehr. Das Haus in dem ich untergebracht war wurde abends abgeschlossen. Ich bin mit meinem Koffer am frühen Morgen aus dem Fenster geklettert und nach Mittenwald gelaufen. Vorn dort aus habe ich Dr. Häussler aus einer Telefonzelle angerufen und gekündigt. Er hat getobt, mich angeschrien und gedroht er bringe mich vor Gericht. Ich hab einfach aufgelegt und bin direkt zur Polizei gegangen. Dort wollte Anzeige erstatten. Die Polizisten haben sich meine Geschichte angehört und gesagt es sei bekannt, dass Dr. Häussler ein schlechter Mann sein. Niemand aus der Umgebung wolle da arbeiten, darum hole der Doktor immer Leute von weiter weg. Ich konnte keine Anzeige machen, weil ich selber keine tätliche Gewalt gesehen oder erlebt hatte. Das habe ich bis heute nicht vergessen. Niemand hat geholfen, obwohl man wusste, was dort läuft. Ich bin mit dem Zug nach Hause gefahren. Wochenlang habe ich überlegt, was ich machen kann um dem Leid dort ein Ende zu setzen. Ich habe mit Krankenlassen telefoniert um darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Heim die Hölle für Kinder ist, aber es hat nicht wirklich interessiert. Vor ein paar Jahren war ich in Mittenwald im Urlaub und bin nochmal an den Schmalensee gefahren. Das Kinderheim ist seit langen geschlossen und die Häuser schienen verfallen. Gut so. Es soll zu Staub zerfallen. Es war ein schrecklicher Ort.
Ich habe auch hier nur die besten Erinnerungen, wir wurden stets freundlich und überaus liebevoll behandelt. Meine Mutter sagt heute noch (ich bin 61), dass ich bei der Rückkehr so viele neue Lieder singen konnte. Die einzige negative Erfahrung war, dass es immer süßen Salat gab. Scheinbar war dies auf Borkum Gang und Gebe. Aber dies kann man sicherlich vernachlässigen
Mein Aufenthalt in Borkum ist bis heute in sehr guter Erinnerung. Leider weiß ich nicht mehr den Namen der Klinik.
Kennst Du die Geschichte der Verschickungskinder (VSK)???
VSK wurden von 1948 bis einschl. ca 1991 verschickt. Dort wo man die Kinder hin verschickt hatte, sollten sie genesen, dicker, oder dünner werden. Es war ursprünglich diesmal auch für Kinder aus ärmlichen Elternhaus bestimmt, wo die Eltern sich einen Urlaub an der See, oder in den Bergen, oder in einer Kurtherme für ihr Kind, nicht hätten leisten können. Damals wehrten sich die Eltern nicht gegen solche Maßnahmen. Man gehorchte den Behörden.
Ich war 5 Jahre alt, als ich verschickt wurde. Angeordnet hat das damals 1964 ein Kinderarzt. Er befand mich zu klein und zu dünn, ewig kränklich, wegen Bauchschmerzen und Stuhlproblemen.
Es war Anfang April 1964 als ich weinend am Hauptbahnhof Frankfurt am Main in den Zug steigen musste, alleine.
Den ganzen Reisewege habe ich geheult und musste wohl den anderen Mitreisekinder auf die Nerven gegangen sein. Als wir nach langer Zeit in SPO angekommen waren, nahm man uns das Gepäck ab. Wo es hinkam, weiß ich nicht. Vom Spielzeug dürfte man ein Teil behalten, ich hatte nur eine Puppe Maria dabei. Wir bekamen unser Bett zugeteilt und Abendbrot fiel wegen der Ankunftszeit aus
Am nächsten Morgen schon begann das Drama. (Ich muss dazu sagen, dass ich in diesem Alter nur Haferflockenbrei mit Kaba und keine Milch aß und trank) Meine Eltern übersandten deswegen einige Pakete Haferflocken, Zucker und Kaba, nebst Geld für die Milch, die mit dem Brei verrührt wurde. Aber am Morgen stand da eine große Eisbecher, oder Kompottähnliche durchsichtige Schale, wo ganz unten der Kaba, dann der Zucker und der Rest füllten die Haferflocken. Dazu gab es warme Milch in der Tasse, mit Haut. Gut ich fand das Zeug trocken, doch so zusammen gerührt, wie es die anderen Kinder taten, fand ich es noch ekliger. (Das Paket meiner Eltern wurde auf alle Kinder verteilt.) Man versuchte sowieso zu sparen. So aß ich nur ein bissel trockenes Zeug, aber ich trank die Milch nicht. Das bemerkte eine der Tanten, so nannten sich die Aufsicht, ich nenne sie hier Wärterin denn das ist passender. So musste ich in die Mitte des Raumes und sollte vor ihr den Becher Milch trinken und ihre bedrohliche Art das zu fördern, hat mich dazu gebracht, die Milch mit Haut zu trinken, aber.. ich musste vor Ekel mich übergeben und so landete die Milch über ihre schöne weiße Schürze. Ich bekam zur Strafe mit der Peitsche über die rechte Gesichtshälfte geschlagen. Das spüre ich Heute noch.
Ich war in SPO im Kinderkurheim Köhlbrand am Strandweg in OT Ording angekommen.
Man dürfte nicht laut sein, nicht lachen nicht weinen und und und. Man müsste spüren wie in einer Kaserne. Mir machte das nichts aus, denn Gehorsamkeit usw kannte ich. Ich hatte bloss Probleme mit dem Essen. Gut, neben mir saßen zwei Mädel, die waren zu dick, also um zum abnehmen da. Die aßen mein Essen und tranken ab da meine Milch. Ich nur einmal am Abend etwas Tee.
In der Nacht war es nicht ruhig, denn viele Kinder weinten und würden deswegen geschlagen und mir gegenüber lag ein Mädel, das ins Bett machte. Es wurde jede Nacht verprügelt mit der Peitsche und musste auf dem Boden schlafen mit nur einer Decke.
Ich weinte mit dem Mädel, aber dafür wurde auch ich verprügelt und musste am Fussende schlafen, man nahm mir die Puppe ab.
Im Waschraum hatte ich dann die ersten bewussten Misshandlungen erlebt. Das Verprügeln nahm ich nicht so wahr.
Dadurch dass ich klein war, ( sah mit 5 Jahren aus wie eine 3 jährige) kam ich nicht an das Waschbecken heran und man stellte mir ein kleines Schemelchen hin. Da kippte ich dann um und schlug an das Waschbecken und weinte. Dafür wurde ich in die Dusche gezogen, die Wärterin hielt mich fest, stellte mich darunter und duschte mich mit kaltem Wasser, dass ich keine Luft bekam, danach musste ich den ganzen Tag ohne Essen ins Bett. Ich lag da nicht alleine, das Mädel mit dem durchnässten Bett lag auch da. Aber wir mussten uns so drehen, dass wir uns nicht sagen, mussten schweigen und Augen schließen.
Das waren so die ersten Strafmaßnahmen
Eines Tages dürfte ich mit an den Strand, wir sollten Muscheln sammeln es war kalt und feucht, das Meer sehr weit weg, ich sah es nicht. Ich lieg voller Ekel in dem nassen kalten Schlick herum und suchte mit nach Muscheln und fand eine Art Traube voller Muscheln. Die wollte ich aber nicht abgeben, sondern meiner Mutter mitbringen. Als die Wärterin mich gerade wieder züchtigen wollte, rief die Andere, dass das Meer käme. Was weiß eine 5 Jährige aus Hessen, wie das Meer kommt. Ich hatte Vorstellungen von einer Art Horrorszenarium und rannte zurück zum Kinderkurheim. Aber das war nicht das, was ich hätte tun sollen. So würde ich bestraft. Ich musste für 3 Tage auf dem Dachboden. Dort saß ich, weinte, es war kalt, muffig und dunkel. Ich kann mich nur noch an alten Gerümpel erinnern, dann war alles schwarz. Ich wachte wieder auf,cals ich in einer Klinik in Heide lag, wo man mich auf päppelte. Von dort holten meine Eltern mich ab. Auf eigene Gefahr. Aber davor waren sie in dem Heim und holten meine Sachen ab. An diesem Tag aber, würde auch die Heimleitung abgeholt, verhaftet und weg.....aber nicht weil sie die Kinder misshandelten, sondern weil sie Gelder veruntreuten. (Meine Recherche) Ich fuhr nie wieder in eine Kur, Heute gehe ich in keine Reha usw, es stinkt dort nach SPO
So wie mir erging es von 1955 bis 1991 etlichen Kindern, jeder Altersstufe. Viele trauten sich nichts zu sagen, weil man drohte sie dann zu holen, oder weil man Kindern nicht glaubte. Ich schwieg, weil meine Eltern immer erzähkten, dass ich nichts essen und viel weinen würde und schwierig wäre. Aber ich hatte gute und liebevolle Eltern, ich musste niemehr weg.
Aufgearbeitet habe ich das nie. Meine Kinder mussten niemals weg, auch nicht wenn es ein Schulausflug war. Wenn die nicht wollten, blieben die zu Hause.
Doch ich vergaß SPO nicht und immer musste ich von SPO reden, sodass mein jetziger Mann endlich wissen wollte warum. Ich sprach und wir recherchierten im Netz und wurden fündig.
Bei Interesse: www.kinderverschickung.de
Es gab da noch mehr Menschen, die über ihr Schicksal sprachen und ähnliche, beinahe noch schlimmere Erlebnisse hatte, als oder wie ich.
Ich musste nach SPO und musste das Haus sehen. Es steht noch, es wurde ein Hotel und gin Pleite, es wurde ein Mutter-Kindkurheim es wurde geschlossen. Das Haus Köhlbrand steht unter keinem guten Stern. Jetzt ist es mit einem Zaun geschützt, vor Vandalismus. Es schaut aus, als stünde es hinter Gittern.
Ich habe geweint, als ich es nach 60 Jahren zum ersten Mal wieder sah, dann würde ich versöhnlicher und es wurde leichter. Jetzt tut mir das Gebäude sogar leid. Am liebsten würde ich es kaufen und ein VSK-Museum draus nachen, im alten Haus. Die anderen Trakte an Künstler freigeben, die ihre Kunst ausstellen wollen. Aber ich bin kein Millionär
Ja das Haus und ich sahen uns wieder.
Weit vorher habe ich mit Gleichgesinnten der VSK-Gruppe geschrieben, wir haben uns das Leid von der Seele geschrieben und viele haben ja ähnliche, oder schlimmere Erlebnisse gehabt. Meine Krankheit ging zurück und die Lebensqualität wurde besser. Bei mir war es wohl mehr die Psyche, die sich so belastend auf Magen-Darm auswirkte. Es geht mir etwas besser.
Unsere VSK-Gruppe kämpft nun um Anerkennung und Aussöhnung. Wir wollen keine Entschädigung, denn das Land hat Geld für Afrika, Afghanistan usw, wo nichts erreicht wird. Für uns hat es kaum ein offenes Ohr. Dabei ist es deutsche Geschichte. Man hatte ja eine gute Idee, aber das Personal fehlte dazu, denn es kamen in ganz Deutschland Kinderkurheime vor, auch in Österreich, Schweiz und Holland. Man verdiente plötzlich Geld und das würde wichtiger. Da war es egal, welche Gesinnung das Personal hatte. Es waren überwuegen Erzieherinnen, Krankenschwestern und Ärzte aus der Nazizeit. Alles hat geschwiegen, ich war nicht das einzigste Kind, das halbtot in die Klinik Jam, wegen Dehydrierung usw. Da schwiegen alle, Klinik, soziale Organisationen und die Politik. Damals sehr engagiert die FDP.
Ja so war das und somit habe ich mit meinem SPO-Besuch meinen Frieden gefunden. Vlt kommen wir ja mal wieder. Dann steht hoffentlich das Haus noch und ich besuche das Robbenarium usw. Alles was ich eben diesmal noch nicht sah. Es war trotz des Umstandes ein schöner Urlaub.
Erst seit ein paar Tagen weiß ich, dass ich ein „Verschickungskind“ war. Ich wusste immer, dass ich mehrmals in Kur war, wegen meines Asthmas, das mich als Kind sehr gequält hat. Aber ich wusste nicht, dass es Millionen Kinder gab, die eine ähnliche Geschichte haben. Dass es dafür einen Begriff gibt und Selbsthilfegruppen, und dass zahllose Menschen dort traumatische Erfahrungen machen mussten und an den Folgen oft heute noch leiden.
Ich kann nicht sagen, dass ich traumatische Erfahrungen gemacht habe, schlicht und einfach weil ich keinerlei Erinnerung an diese Zeiten habe, mehr noch, ich habe so gut wie keine Erinnerungen an meine gesamte Kindheit. Meine Erinnerungen setzen ganz schwach erst irgendwo ab dem Alter von 10-13 Jahren ein. Alles, was ich über die „Kuren“ weiß, weiß ich aus Erzählungen meiner Eltern:
Ich bin Jahrgang 1964, ältestes von vier Geschwistern. Als Kleinkind hatte ich sehr schweres Asthma. Als ich fünf war, sollte ich in Kur geschickt werden, bei der Krankenkasse wurde ein Antrag gestellt, der jedoch zunächst abgelehnt wurde. Es war jedoch über das Jugendamt ganz kurzfristig ein Platz in einem Kurheim frei geworden, so dass ich kurzerhand – mit einem Vorlauf von nur drei oder vier Tagen - für vier Wochen zur Kur nach Kempten ins Allgäu geschickt wurde; ich muss gerade sechs geworden sein.
Meine Mutter äußerte dem Arzt gegenüber Bedenken, ob das für ein kleines Kind nicht zu viel sei, so lange von der Familie wegzubleiben (zumal es damals ja ein striktes Besuchsverbot in der Kur gab), aber der Hausarzt wischte die Bedenken mit einem „die Kinder kommen damit klar, die Eltern leiden viel mehr darunter“ zur Seite.
Als ich aus Kempten zurückkam, war in der Zwischenzeit der Kurantrag durch die Krankenkasse doch noch bewilligt worden, so dass ich gleich wieder weggeschickt wurde, weniger als eine Woche nach meiner Rückkehr aus der ersten Kur - diesmal allerdings für ganze sechs Wochen. Die „Verschickung“ geschah wie beim ersten Mal mit Sonderzügen der Deutschen Bahn; bei der Rückkehr nach sechs Wochen sollte der Zug morgens um halb sieben in Düsseldorf ankommen. Meine Mutter war auch pünktlich um halb sieben dort, aber der Zug war bereits eine Stunde vor der angekündigten Zeit angekommen. Alle anderen Kinder waren bereits abgeholt worden, ich war der letzte; sie musste mich bei der Bahnhofsmission abholen.
Während dieser zweiten Kur begann das Schuljahr, mein erstes, so dass ich meine Einschulung verpasst habe. Ich kam erst zwei Wochen danach zurück aus der Kur und wurde in eine Schulklasse aufgenommen.
Vier Jahre später, 1974, kurz vor meinem zehnten Geburtstag, wurde ich erneut weggeschickt, wieder nach Bad Reichenhall, und wieder für sechs Wochen. Ich habe auch hieran keinerlei Erinnerungen. (Interessanterweise hatten auch meine Eltern völlig vergessen, dass ich noch ein drittes Mal weggeschickt worden war. Wären nicht noch ein Brief und eine Postkarte von mir aus Bad Reichenhall aufgetaucht, hätte ich auch geglaubt, dass ich mir das nur einbilde. Und im Zeugnis der Grundschule sind 36 entschuldigte Fehltage, also sechs Wochen, aufgrund einer „ärztlich verordneten Kur“ dokumentiert.)
All das weiß ich nur von meinen Eltern, ich habe keinerlei eigene Erinnerungen daran. Meine Eltern leben beide noch, sind auch trotz des hohen Alters noch geistig fit und klar im Kopf. Aber das oben Geschilderte ist alles, woran sie sich im Zusammenhang mit meinen Verschickungen erinnern können. Ich weiß nicht, ob sie damals zu sehr mit meinen Geschwistern oder anderen Dingen beschäftigt waren, aber sie können mir nicht sagen, wie ich war, als ich aus den Kuren zurückkam, ob ich verändert war, was ich damals erzählt habe, ob ich überhaupt etwas erzählt habe.
Als ich sie jetzt darauf ansprach, dass ich Berichte über ausgeübten Zwang, körperliche Züchtigungen, sogar sexuellen Missbrauch gelesen habe, sagte mein Vater nur: „Das war damals eben so.“ Sie haben es selber nicht anders erlebt (bis auf den sexuellen Missbrauch, vermute ich). Rückblickend bedauern sie, was damals geschah, aber sie hätten es damals nie in Frage gestellt – sie sind gute und anständige, aber eher einfache Menschen und sehr obrigkeitshörig.
Es ist noch nicht einmal sicher, dass ich tatsächlich in Kempten war oder ob nur der Zug bis Kempten fuhr und es von dort aus weiterging, wie andere Betroffene geschrieben haben. Nur von Bad Reichenhall steht fest, dass es die „Asthma-Kinderheilstätte“ in der Kurfürstenstraße war, weil das auf der Postkarte stand.
Es gab Fotos, an die ich mich erinnere, die leider verschollen sind; Ausflüge in die Berge, aber ich habe eben nur Erinnerungen an die Fotos, nicht an die Ereignisse selber.
Wie gesagt, an die gesamte Kindheit habe ich so gut wie keine Erinnerungen, erst recht keine an die „Kuren“. Da, wo die Erinnerung einsetzt - also ungefähr mit Beginn der Pubertät – litt ich wohl schon an Depressionen. Ich bin heute noch schwer depressiv, habe lange Phasen der Arbeitsunfähigkeit hinter mir und einen SB Status. Die genauere Schilderung meiner Depressionsgeschichte erspare ich mir hier, das würde den Rahmen vollends sprengen …
Ich habe schon lange vermutet, dass die „Kuren“ eine Rolle hierbei spielen. Wenn ich mir vorstelle, dass ein kleines Kind von fünf Jahren vier Wochen lang alleine weggeschickt wird, dann wieder zurückkommt und dann sofort wieder für sechs Wochen weggeschickt wird, und dann bei der Rückkehr noch eine Stunde lang alleine am Großstadtbahnhof steht, und das als Dorfkind, dann kann ich mir kaum vorstellen, wie es dem Kind damit gehen mag – das alleine reicht schon als Trauma. Die bloße Vorstellung davon berührt allerdings nichts in mir, das ist für mich ganz abstrakt und hat nichts mit mir zu tun.
Wenn ich nun aber in den Berichten anderer Betroffener lese, was vor Ort in den „Kuren“ anscheinend Alltag war, dann wundert mich nicht, dass ich alles vergessen - oder besser: verdrängt - habe, und dann liegt der Verdacht zumindest sehr nahe, dass hier der Grund für meine Depressionen liegt.
Meine Therapeutin rät mir nicht zu, tiefer zu graben, sie meint, dass die Psyche einen guten Grund habe, warum sie das verschlossen hält. Und trotzdem will ich wissen, was damals passiert ist – schlimmer kann es für mich ohnehin kaum kommen.
Wer war im August/September 1970 und im Mai 1974 in der „Asthma-Kinderheilstätte“ in Bad Reichenhall und kann davon berichten? Gab es 1970 in Kempten eine derartige Einrichtung für asthmakranke Kinder? Oder wer war dort in der Nähe und kann etwas hierüber erzählen?
Ich bin der Jüngste der drei, bin 1966 geboren, meine Schwester ist Jahrgang 1965 und mein Bruder 1962. Bis heute ist uns der damalige Aufenthalt auf Sylt in Erinnerung geblieben. Es sind alles andere, als schöne Erinnerungen. Nach nun über 50 Jahren ist leider (oder Gott sei Dank?) nicht allzu viel hängen geblieben. Doch das, was noch präsent ist, ist durchweg negativ und verstörend. Rückblickend muss man sagen, dass man sich leider nicht immer zweimal im Leben trifft.
Leider wissen wir nicht mehr, in welcher Einrichtung wir waren oder um welchen Träger es sich handelte. Aus der Erinnerung heraus und nach einer Internetrecherche könnte es das Kurt-Pohle-Heim der AWO in Westerland gewesen sein. Es hatte einen kleinen Anbau im Eingangsbereich, in dem wir uns bei Bedarf die dort befindlichen Gummistiefel und Regenjacken angezogen haben - oder angezogen bekommen haben - inklusive einer großen Portion Creme, die uns per Wattestäbchen in die Ohren bugsiert wurde.
Auch, wenn ich mich an körperliche Gewalt oder sexuelle Übergriffe (wie andere berichten) nicht erinnern kann, eine Art der psychischen „Misshandlung“ ist hängengeblieben. Schließt das das Andere zwangsläufig aus?!
Vielleicht liegt es daran, dass ich erst ca. sechs Jahre alt war, vielleicht ist es aber auch eine Art Selbstschutz des Körpers, dass er sich nicht mehr an alle Details erinnern kann oder möchte. Mein Bruder zumindest (er ist vier Jahre älter) kann sich auch nur nebulös und schemenhaft an diese Zeit erinnern. Fakt ist, der Gedanke an diesen Aufenthalt löst bei uns rein gar nichts Positives aus - die wenigen Erinnerungen sind auch heute noch durchweg extrem negativ behaftet. Das wird wohl seine Gründe haben.
Ich erinnere mich ein wenig an den Schlafraum, in dem ich untergebracht war. Ich lag im unteren Teil eines Etagenbettes links neben der Zimmertür - meist weinend - und weiß noch, dass man stets mit dem Gesicht zur Wand liegen musste. Einmal Schlafenszeit, musste absolute Ruhe herrschen. Kein Muks! So lange man nicht schlief, war nicht einmal das Umdrehen im Bett gestattet. Eines Abends fiel das Stoff-Kuschel-Tier des Jungen, der in meinem Etagenbett oben lag, herunter - es war ein kleines Eichhörnchen. Ich stieg aus dem Bett, hob es auf und gab es ihm. In diesem Moment ging die Türe auf und ich wurde auf frischer „Tat“ ertappt. Jegliche Erklärungen und regelrechtes Flehen meinerseits bewirkten nichts und führten schlussendlich dazu, dass ich stundenlang im Treppenhaus auf halber Etage mit dem Gesicht zur Wand, die Arme ausgestreckt, in einer Ecke stehen musste. Ich weiß nicht, wie lange ich dort stand. Auch weiß ich nicht mehr, ob es über den gesamten Zeitraum insgesamt bei dieser einen Bestrafung geblieben ist.
Vor dem Schlafengehen musste der Toilettengang erledigt werden - denn, wer bis zur Schlafenszeit nicht war, durfte auch nicht mehr. So kam es, dass ich einmal nachts das „große Geschäft“ verrichten musste. Ich weiß noch, wie ich mich aus dem Zimmer geschlichen und mit dem Rücken an der Wand entlanghangelte und heilfroh war, die Toilette erreicht zu haben, ohne erwischt worden zu sein. Leider befand sich auf der Toilette kein Klopapier. Vielleicht wurde dieses zur Schlafenszeit absichtlich entfernt!? In meiner Not benutzte ich den Bodenwischer (Aufnehmer). Ich kann mich allerdings nicht mehr erinnern, ob diese Aktion eine Bestrafung oder sonstiges nach sich zog.
Das Essen muss grausam gewesen sein. Auch, wenn ich mich nur an eine, mich betreffende Situation erinnern kann, so sind mir reihenweise, sich übergebende Kinder im Gedächtnis geblieben. Eines Nachmittags gab es Hefeteilchen. Nach dem ersten Bissen verweigerte ich den weiteren Verzehr, wurde aber gezwungen, das Teilchen aufzuessen. Der Zuckerguss schmeckte nach Kerzenwachs - will heißen, er schmeckte so, wie frisch ausgepustete Kerzen riechen.
Briefe und Karten von zuhause wurden im großen Speisesaal laut vorgelesen. Fotos wurden nicht gemacht. Hat man selber welche gemacht, wurden die Filme eingezogen mit dem Hinweis, man würde diese für uns entwickeln lassen und uns zuschicken. Es kam nie etwas an.
Abschließend möchte ich erwähnen, dass ich mich nicht erinnern kann, während dieser Zeit überhaupt Kontakt zu meinen Geschwistern gehabt zu haben. Rückblickend fühlte ich mich durchweg allein und im Stich gelassen. Dies wäre nicht vielleicht so ausgeprägt gewesen, wären wir „zusammen“ da durch gegangen.
An mehr kann ich mich leider (oder Gott sei Dank) nicht erinnern. Ich vermute, dass tief im Innern noch einiges schlummert. Zu negativ sind die Erinnerungen - nichts, rein gar nichts Positives.
Ich wurde einmal gefragt, ob ich mir vorstellen kann, dass das Erlebte mein späteres Leben beeinflusst / geprägt hat. Das ist eine interessante Frage, die ich nicht beantworten kann. Vielleicht habe ich - aus Sicht anderer Leute schlechte, nervige Angewohnheiten und Macken, oder gar gewisse Ängste, Manien oder Phobien, die ich ohne Sylt heute nicht hätte. Auch fällt es mir bisweilen schwer oder empfinde ein unwohles Gefühl dabei, andere Menschen kennenzulernen. Und so dauert es mitunter eine Weile, bis ich mit jemandem „warm“ geworden bin.
Auch nach nunmehr über 50 Jahren stellt man sich die Frage, ob man vielleicht ein anderer Mensch geworden wäre, wäre einem dieses „Erlebnis“ erspart geblieben?!
geb. 1949
Einschulung Hannover- List, 1956
Ärztliche Untersuchung: zu Dünn
Kinderland - Verschickung: Aufpeppen
kleines Kinderlandheim.
Nach der ärztlichen Voruntersuchung und allen Impfungen ( etc.) wurde ich als Unterernährt befunden und zum Aufpeppeln nach Langeoog geschickt.
Meine Mutter brachte mich mit dem armseligen Koffer zum Setra Bus. Eine hübsche blonde Gruppenleiterin,
mit blauen Augen, hielt die Kinder im Griff.
Es ging an die Nordsee. Mit dem Schiff wurde nach Langeoog übergesetzt. Die Möwen begleiteten uns.
Anschließend ging es weiter mit der Inselbahn zum Landheim. Schwestern in weißen langen Schützen empfingen uns und es ging ins Obergeschoss zum auspacken in ein kleinen Spind. Das kleine Landheim mit den vielen weißen Fenstern mit Butzenscheiben sah heimelig aus. Es folgte das Abendessen im großen Saal mit Reihentischen auf Bänken. Graubrot fertig geschmiert mit Teewurst und Leberwurst auf Tablets standen auf den Tischen. Dazu gab es Früchtetee aus großen Blechkannen . Die erste Nacht habe ich fremd mit Heimweh verbracht. Aufstehen um 7:00 Uhr, waschen im Waschraum, anschließend Frühstück. Diesmal stand Graubrot mit Erdbeermarmelade gestapelt auf dem Tablet auf dem Tisch. Die Schwestern mit den weißen Schürzen legten die Brote auf meinen Teller. ISS mein Junge, daß du groß und stark wirst. Die Dicken Kinder in der Reihe hinter mir sollten abnehmen und nahmen gern die nicht geschafften Scheiben Brot an. Anschließend gab es die Wanderung über die Insel.
Das Mitttagessen war recht einfach. Viel Kartoffeln mit Gemüse, manchmal mit Fleisch. Graupensuppe wechselte mit Bohnen- oder Erbsensuppe.
Spiele im Hausgarten folgte. Manchmal kam Heimweh auf. Die Schwestern waren streng. Im Waschraum wurde das spritzen mit Wasser regide bestraft. Die Teilnahme am Anschlussfest wurde mit Verbannung ins Bett, sowie mit Entzug der kleinen kleinen Schokolade geahndet. Das tat weh und ließ das kleine Herz krampfen. Die Tränen rollten. Die Springflut war ein Ereignis und der starke Wind beeindruckte mich sehr.
Dann kam der Abschied. Der Koffer war gepackt und die Schwestern winkten mit weißen Bettlaken uns nach.
Zugfahrt zum Schiff, dann zum Bus. Keine blonde Betreuerin mit hübschen blauen Augen auf der Rückfahrt.
Anschließend die Schuljahre. Kinder der Reichen und der Akademiker kamen aufs Gymnasium, wir in die Lehre und anschließend auf den 2. Bildungsweg.
Vati, nach dem Krieg mit nur noch einem Arm, brachte die Familie gut durch die Aufbaujahre. Zu vererben gab es nichts.
Gerackert, malocht, Haus gebaut und den Eindruck, nur verarscht worden zu sein. Deutschland ist kein Kinderland.
Bisschen Wehmut, und die Erinnerung an eine hübsche blonde Gruppenleiterin mit schönen blauen Augen.
W.R.
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Es ist seltsam, wie viele andere auch, kann ich mich an das Jahr nicht mehr erinnern. Meine zwei Geschwister, die mit mir zusammen in Westerland waren, ebenfalls nicht.
Es gibt keine Aufzeichnungen oder Fotos, sodass wir nicht einmal wissen, in welchem Haus wir untergebracht waren. Alles liegt in dichtem Erinnerungsnebel.
Woran ich mich allerdings gut erinnere: Die Betreuer nannten sich „Moniteure“ also Beobachter. Sie taten jedoch deutlich mehr als zu beobachten. Sie wiesen an. Und zwar unmissverständlich.
Das Essen fand in einem großen Saal statt und es hatte zwei große Nachteile:
1. Es war widerlich
2. Es musste aufgegessen werden
Ich erinnere mich, dass ich große Teile ohne zu kauen einfach herunter gewürgt habe.
Die Nachtruhe begann recht früh und durfte niemals unterbrochen werden. Kein Sprechen, kein Licht.
Drang aus einem der Schlafräume ein Laut, stand auch prompt ein Moniteur im Raum, zog uns aus dem Bett und man durfte barfuss im Flur für eine unerträglich lange Zeit vor der Wand stehen. Lehnte man sich an, musste man zudem noch die Arme ausstrecken.
Die Morgenhygiene fand in einem Raum statt, der mich stark an den Waschraum bei der Bundeswehr erinnerte. Lange Reihen, altertümliche, durchgehende Waschbecken. Anweisung von oben:
„Ihr putzt solange, bis Blut auf der Zahnbürste zu sehen ist“.
Die Toiletten waren ein graus. Ich kann mich nicht erinnern, ob sie nur nicht gereinigt wurden oder irgendwelche Kinder ihr Geschäft im ganzen Raum verrichteten. Jedenfalls bin ich maximal einmal in der Woche dort gewesen und bin somit jedes mal knapp um einen Darmverschluss herumgekommen.
Pakete wurden stets geöffnet übergeben, ob sie vollständig waren, kann ich nur vermuten. In meiner Erinnerung eher nicht.
Auf dem Innenhof befand sich ein Spielplatz.
Ich erinnere mich noch daran, dass ich mit meinem Hass auf diese Anstalt nicht alleine war. Denn wir haben mal das altbekannte „in der Heimat ist es doch am schönsten“ gesungen, was wiederum mit härteren Strafen geahndet wurde.
Wenn jemand mit 7-8 Jahren gute sechs Wochen lang auf Sylt war, sollten doch auch schöne Erinnerungen zu finden sein… Da ist nichts. Auch keine weiteren Details.
Ich weiß, tief in meinem Inneren, dass da noch viel mehr war. Aber auch das ist wie ausgelöscht. Oder aus Selbstschutz verdrängt.
Als wir dann endlich wieder zu Hause waren, wurden unsere Erlebnisse als übertriebene Schauermärchen abgetan. Niemand glaubte uns und so teilten wir Drei diese Erfahrungen ganz alleine. Bis heute.
Es hat allerdings mein Leben klammheimlich und maßgeblich mit geprägt. Sei es, wenn es um die Auswahl meines Essens geht, sei es in größeren Gruppen unterwegs zu sein oder Vertrauen aufzubauen.
Als meine Einberufung zur Bundeswehr kam und ich am Bahnsteig auf dem Weg nach Hamburg stand und abends dann in die Kaserne musste, kamen einige Erinnerungen zurück. Ich fühlte mich plötzlich wieder wie der Siebenjährige:
Ausgeliefert. Ungewiss. Allein. Misstrauisch. Drangsaliert.
Diese Zeit wurde dann allerdings deutlich schöner als meine Sylt-„Erholung“. Und das soll was heißen…
Auch ich hatte die " Ehre " in Friedenweiler mindestens 6 Wochen ( oder auch länger ) zu verbringen. Ich hatte diese schreckliche Zeit für Jahrzehnte verdrängt. Durch Zufall kam ich auf diese Seite und alles kam wieder hoch. Das war vor ein paar Wochen. An Vatertag unternahm ich mit einem Kollegen eine Motorradtour für 4 Tage in den Schwarzwald. Freitags fuhren wir auf meinen Wunsch nach Friedenweiler. Schon als ich das Gebäude von oben sah schnürte es mir den Hals zu. Alle Erinnerungen waren wieder da. Die Erniedrigungen, Ängste und Quälereien. Wir durften leider nur in einen kleinen Bereich des Gebäudes. Darin hingen Bilder die meine Erinnerung noch verstärkten.
Besonders ein Bild fand ich verhönend, es stand darunter " Die ungeliebte Liegekur". Es war nichts anderes als Zwangsschlafen mit Androhung von Schlägen. Ich hätte nie gedacht dass mich die Erlebnisse von damals wieder so einholen würden. Ob das ganze wirklich einmal von der Gesellschaft aufgearbeitet wird bezweifle ich sehr. Mit der Zeit werden wir alle die das erlebt haben sterben und dann kräht kein Hahn mehr danach.
Mit lieben Grüßen R.S.
Ich hab erst nach ca ca 43 Jahre,nach dem ich an ein Mädchen gedacht habe und sie suchen wollte, wo bzw was ich war. Verschickungs Kind. Und heute im TV das Thema. In fast jeder von den betroffenen hat das gleiche erlebt wie ich oder noch schlimmer. Ich kam wegen Untergewicht und Migräne Anfälle dort hin .Wenn ich früher erzählt hab war ich z.b. stolz die Tabletten auf den Platz der anderen zu verteilen und selber von den cacao Tabletten heimlich genascht zu haben. Gelbe weisse, rosa ,braune Kapseln . Nächst durfte ich vor der Tür im langen dunklen Gang sitzen,weil ich zur Mittagsruhe nicht still gelegen bin. Ich durfte mich nicht bewege,wen doch blühte mir immer der Gang in der Nacht . 2 Blätter Klopapier mehr gab's nicht. Essen das dir nicht schmeckte,das du raus gespuckt hast wieder weill sie es dir rein geschoben haben bevor du es überhaupt geschluckt hast wieder essen dürfen. Erlich gesagt kann ich mich an nix dort erinnern bis auf den Spielplatz. Und heim gekommen am Bahnhof auf die Mutter gewartet gewartet und hab ich sie nicht mehr erkannt.
Was Kinder hinnehmen ohne es zu hinterfragen nur weil sie den Erwachsenen vertrauten oder aus Angst ist erschreckend. Es ist schlimm was allen passiert ist und wünsche euch viel Kraft . Ich sagte immer die Zeit heilt Wunden nein es lässt dich Gott sei Dank Stück für Stück den schmerz vergessen.
LG Manu
Seit ich die Berichte hier gelesen habe, sind mir einige Dinge klarer geworden.
Beim Lesen habe ich immer wieder festgestellt, dass mir viele der beschriebenen „Erziehungsmaßnahmen“ bekannt vorkommen, obwohl ich selbst (zum Glück) nie in einer Kinderkur war (bin Jahrgang 1974).
Jedoch war meine Mutter in einer Kinderverschickung, wahrscheinlich 1957 als 9 jährige, wegen Untergewicht. Irgendwo an der Nordsee? Genaueres weiß ich leider nicht!
Nach den Berichten hier sieht es für mich ganz danach aus, als sei meine Mutter wahrscheinlich in dieser Kinderverschickung traumatisiert worden. Darüber wurde aber nie gesprochen (wie über so vieles nicht!). Nie hat meine Mutter diese Erlebnisse aufgearbeitet - sie hat sie einfach eins zu eins an ihre Kinder/an mich weitergegeben.
Auch ich musste vor dem Essen sitzen bis es aufgegessen war (egal was es war) – bisweilen isoliert in meinem Zimmer.
Ich wurde ausgeschlossen aus der Familiengemeinschaft und es wurden mir Kontakte zu Freunden verboten, wenn ich irgendwas gesagt/getan hatte, das (willkürlich) nicht „richtig“ war.
Ich musste im Zimmer schmoren und durfte nicht spielen gehen bis der Vater abends von der Arbeit kam und auch noch was dazu sagen würde (ich war an irgendetwas schuld, was ich nicht nachvollziehen konnte).
Ich wurde vor anderen bloßgestellt.
Mir wurde gedroht, dass wenn ich nicht „lieb“ sei, würde ich ins Kinderheim geschickt werden.
Wenn wir Streit hatten, musste ich meiner Mutter all die Geschenke, die ich von ihr hatte, zurückgeben.
Mit ca. 5 Jahren überredete sie mich, mein geliebtes Kuscheltier in den Müll zu werfen.
Wenn ich Streit mit Freundinnen hatte, diktierte sie mir böse Briefe.
Usw...
Oft habe ich eine Härte, Kälte und Grausamkeit bei meiner Mutter wahrgenommen, die ich mir als Kind (oder bis heute) nicht erklären konnte. Sie zeigte wenig Gnade und keine Reue.
Mich haben diese grausamen Erziehungsmaßnahmen traumatisiert und ich bin seit Jahren mit der Aufarbeitung beschäftigt.
Irgendwann tauchte die Erkenntnis auf, dass eine Mutter ihr Kind nur so behandeln kann, wenn sie selbst so behandelt worden ist, wenn sie selbst auf diese Weise traumatisiert worden ist.
Ob es tatsächlich der Aufenthalt in der Kinderverschickung war, der meine Mutter traumatisiert hat, werde ich wahrscheinlich nie erfahren. Die Berichte hier (Danke dafür!) hörten sich für mich sehr bekannt an. Wahrscheinlich war es eine Kombination aus vielen verschiedenen Missständen, die in der Nachkriegszeit herrschten. Traumatisierung teilweise schon im Mutterleib, durch Krieg/Nachkrieg, durch "wir reden nicht drüber und schauen nach vorn"-Mentalität,...usw. Die Erwachsenen waren ja auch alle größtenteils traumatisiert, die konnten sich nicht liebevoll um die Belange ihrer Kinder kümmern...
Ob meine Mutter ihr Trauma jemals bewältigen wird? Es wäre wünschenswert, ist jedoch sehr unwahrscheinlich.
Sie ist eine alte gebrochene Frau, die während ihres Lebens immer bitterer geworden ist und quasi den Kontakt zu allen nahestehenden Menschen/Familie (inklusive meiner Schwester und mir) abgebrochen hat.
Ich wünsche Ihnen/uns allen viel Kraft!
Abends das rote Licht im Flur bedeutete Toilettenverbot. Ich schlich mich durch den nach Eichenholz und Bohnerwachs riehenden dunklen Flur Richtung Toilette, wurde erwischt, beschimpft und zurück in den Schlafraum geschickt.
Aus Angst nochmal erwischt zu werden habe ich ins Bett gepinkelt, als ich es nicht mehr aushalten konnte.
Das wurde am nächsten Morgen entdeckt und entsprechend "gewürdigt".
Die psychische Erniedrigung, Gewalt an meiner Kinderseele, lief folgendermaßen:
Im Speisesaal, wo es morgens einen Becher Kakao/Milch gab und irgendeine dicke Breisuppe, meist eine Art Milchbrei, setzte ich mich an meinen Platz.
Alle meine Tischnachbarn hatten sowohl den Brei-Teller vor der Nase als auch ihren Becher mit Milch/Kakao.
An meinem Platz fehlte der Becher. Ich dachte mir schon irgendwie, daß das wohl Strafe für das Bettnässen war, also protestierte ich nicht.
Nun kommts:
Kurz nachdem alle mit dem Essen begonnen hatten, erschien eine der "Haubenlerchen" (Schwestern) vorn an der Essenausgabe. Sie trug ein Tablett mit 2 oder drei winzigen Tassen und rief laut "Die Pinkler bitte!".
Nun durfte ich mir mit den anderen Leidensgenossen - vor aller Augen öffentlich als "Pinkler" geoutet - das Mini-Becherchen abholen.
Ich schämte mich fürchterlich ob dieser öffentlichen Erniedrigung.
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In diesem Stil lief es die ganze Zeit. Am gleichen Tag - auf einer "Wanderung" - bekam ich auch noch weniger zu trinken als die anderen Kinder.
Beim Briefeschreiben (war irgendwie einmal die Woche? weiß nicht mehr genau) wurde einem über die Schulter geschaut und mitgelesen. wer traute sich da noch die Eltern im Brief zu bitten dass man doch wieder heim möchte?!?
Nicht nur ich, auch andere haben dort seelische Gewalt erlebt und natürlich den berühmten "Klaps" bekommen, der ja bekanntlich noch niemand geschadet hat...
Ich würde gerne mit Gaby aus Hagen Kontakt aufnehmen.
Abfahrt: Keine Übergabe von den Eltern an das Betreuungspersonal. Wurde rasch und ruppig ins Abteil geschoben, als der Zug eintraf. Bei der Abfahrt habe ich versucht aus dem Zug zu entkommen, wurde von mehreren Erwachsenen festgehalten, habe um mich geschlagen und getreten, mich dann weggeschrien. Totaler blackout. Als ich irgendwann wieder zu mir kam, wurde ich ausgeschimpft: Bist du jetzt endlich wieder lieb!!!
Ankunft: Riesiger Schlafsaal, irgendwo mein mir zugewiesenes Bett dazwischen, mein einziger Halt - meine kleine Schlafbegleiter-Puppe - wurde mir direkt nach Ankunft von der Betreuung weggenommen.
Toilettenverbot + Sprechverbot während der Schlafenszeit mittags und nachts: Wir durften das Bett nicht verlassen, durften nicht die Toilette aufsuchen. Wer erwischt wurde, wurde ausgeschimpft.
Keinerlei Kontakt zu den Eltern. Wöchentliche "Briefe" an die Eltern, dass es einem gut geht (ich sollte immer eine lachende Sonne malen). Traurige Sonnen durften nicht verschickt werden und wurden konfisziert.
Bestrafungsarbeit: Einen Haufen Schuhe putzen.
Essen: Wir mussten den Teller IMMER leer essen, egal wie lange es dauerte, bekamen zu den Mahlzeiten nichts zu trinken. Es hat nicht geschmeckt, es wurde sehr viel geschimpft.
Die Schwimmkuren: Gerade 5 Jahre alt, Nichtschwimmerin, hatte Angst vor Wasser, Schwimmflügel gab es nicht, der aufblasbare Schwimmring war zu groß als dass ich darin Halt fand, trotzdem musste ich mit den größeren bzw. älteren Kindern in das Becken und irgendwie mit den anderen im Kreis herumpaddelm. Per Schlauch Abduschen mit kaltem Wasser, alles begleitet von reichlich Schimpfen
Innerhalb der Kurzeit wurde ich auf eine Krankenstation verlegt, dort verbrachte ich einige Tage eingesperrt in einem Gitterbett. Der Grund ist mir bis heute unklar.
Die Kurzeit war die Hölle und prägt mich bis heute.
Ich dachte, dieses Trauma gut weggesteckt zu haben, und ich war heute nach 57 Jahren sehr erstaunt, dass dieses Leid so sehr in mir hochkam, als ich im Internet davon las, dass dies kein Einzelschicksal von mir war, sondern eine Kinderquälerei sonders gleichen in weit mehr als 1.000 derartiger „Heime“ in Deutschland, dass mir die Stimme zitternd wegblieb, die Tränen liefen und mir erstmal ein Kaffee zur Stärkung angeboten wurde, wo ich mich gerade zu Besuch befand.
ich heiße Ute und bin in dem Zeitraum, in dem du in Bad Kreuznach warst, ebenfalls im Viktoriastift.
Ich habe noch ein Gruppenfoto.
Damals war ich 5 Jahre alt und habe nicht mehr viele Erinnerungen an diese Zeit, aber ich weiß, dass ich damals sehr viel Heimweh hatte und todunglücklich war.
Bad Kreuznach als Ort ist mir auch total verhasst.
Die Zwänge im Jagdhaus Stäckel waren das Essen von Hafersuppe, der Gehorsam gegenüber den Tanten und der ganze Rest.
Nach ungefähr einer Woche durfte ich nur noch an der Hand einer dieser Tanten nach draußen, da ich weglaufen wollte; wohin weiß ich nicht mehr, hauptsache weg.
Ich weiß noch dass ich deshalb unter Druck gesetzt wurde, und man mir drohte dass man mich vorzeitig zurück schicken würde, was sehr teuer wäre, wenn ich mich nicht benehmen würde.
Irgendwann sind wir mal am Loreleyfelsen gewesen, das war ganz schön, besonders die Aussicht auf den Rhein.
Kurz vor Ende der "Ferien" gab es ein Sommerfest auf der Wiese unterhalb der Terrasse, bei dem Süßigkeiten an einer Schnur aufgehängt waren, die man mittels hochspringen abreißen konnte. Leider bin ich beim Betreten der Wiese in eine Hummel getreten, die mich stach. Ich bekam deshalb keine Süßigkeiten und humpelte 2 Tage herum. Wenigstens musste ich da nicht mehr an der Hand der Tante laufen.
Die Postkarte, die ich seinerzeit meiner Familie gesendet habe, besitze ich heute noch und glaube auch dass der Text uns mehr oder weniger diktiert wurde.
Wie ich nach Hause gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Es gab nach meiner Rückkehr keine großartigen Erzählungen oder dergleichen. Ich habe einfach da weitergemacht, wo ich sechs Wochen vorher aufgehört habe.
Was ich weis
Nach der Ankunft bin ich in Haus 1 untergebracht worden. Ich kam in einen Schlafsaal am Ende des Flurs im ersten Obergeschoss. Ich lag in einem Bett mit Blick auf die Tür. Diese stand immer offen, ob nachts oder zur Mittagsruhe. Wir durften manchmal Hörspiele hören. Ich weiß nicht mehr, ob das die mitgebrachten Hörspiele von Kindern waren oder ob diese der Unterkunft gehörten. Jedenfalls wurde immer abgestimmt, was gehört wurde. Meistens gewann immer das selbe Hörspiel. Welches das war, daran kann ich mich nicht erinnern (vielleicht war es "Gullivers Reisen"). Ich weiß aber noch, dass das so eine gruselige Stelle hatte. Deswegen fand ich es immer doof. Der Kassettenrekorder stand immer auf dem Flur, damit alle Zimmer die Kassette hören konnten. Außerdem saß dort auch immer eine der Diakonissen und hat aufgepasst, dass Ruhe herrschte.
Ein Kind in unserem Zimmer hat irgendwann immer wieder angefangen zu reden. Das Kind wurde dann aus dem Zimmer geholt und ich glaube in ein Nebenzimmer gebracht. Ich bin mir unsicher ob dort dann die Tür aufgelassen wurde oder nicht. Generell habe ich genau diese Situation nur sehr umnebelt in Erinnerung. Ich bin mir aber sehr sicher, dass einmal ein Kind wegen "Unruhestiftung" zur Schlafenszeit aus dem Zimmer geholt wurde.
Kurz nachdem ich dort ankam, ging mir meine mitgebrachte Zahnpasta aus. Ich hatte noch Kinderzahnpasta der Marke Blendi, welche süß schmeckte und fragte, ob ich davon eine neue bekommen könnte. Das wurde verneint und eine Diakonisse gab mir eine scharfe nach Minze schmeckende Erwachsenenzahnpasta. Ich war total unglücklich, dass ich diese nun verwenden musste. Andere Kinder haben mich auch gehänselt, weil ich noch Blendi verwendete.
Ich kann mich noch erinnern, dass ich gesehen habe, wie ein anderes Kind im Badezimmer abgeduscht wurde. Eine Diakonisse hat das Kind dabei am Arm festgehalten.
Es gab ein paar Kinder, welche alle eine Art ferngesteuertes Auto hatten. Ich wollte auch so eines und fragte eine der Schwestern, wo es die gäbe. Die Schwester meinte, dass sie einmal mit den Kindern in der Stadt gewesen wären, und diese dort die Autos gekauft hätten. Mir wurde gesagt, dass ich das auch dürfe, wenn wir mal in die Stadt gehen würden. Ich glaube, wir waren nie in der Stadt. Ich bin mir auch unsicher, ob ich überhaupt Taschengeld von meinen Eltern mit bekommen habe.
Ich kann mich noch erinnern, dass ich mal eine Lokomotive aus Bausteinen gebaut hab. Mein Bruder hatte so eine ähnliche aus Lego und ich habe sie nachgebaut. Ein anderes älteres Kind, sein Name war Ronny, hat mir dann meine Lok kaputt gemacht. Ich war sehr traurig und habe geweint. Ronny's Name ist übrigens der einzige, den ich mir aus der gesamten Zeit merken konnte. Ich hab zwar mit ein oder zwei Kindern regelmäßiger gespielt, aber die Namen weiß ich nicht mehr. Ich weiß auch keine Namen der Diakonissen, geschweige denn von Ärzten oder anderen Bediensteten.
Meine Eltern durften zwar, wie beschrieben, nur einmal die Woche zu einer festen Zeit anrufen, ich kann mich aber nur noch an ein einziges Mal erinnern. Ich musste an dem Tag mit einem anderen Kind die Treppe im Haus immer wieder hoch und runter laufen (warum weiß ich nicht, ich glaube das war irgendeine therapeutische Anwendung). Irgendwann wurde ich dann gerufen, weil meine Mutter am Telefon war. An das Gespräch selbst kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich glaube das Telefon war im Erdgeschoss im Flur und eine der Diakonissen saß während des Gesprächs neben mir. Meine Mutter meinte, dass die Gespräche immer völlig normal gelaufen seien und ich Dinge von der Woche erzählt habe, mich jedoch nie beklagt hätte.
Irgendwann bekam ich auch ein Geschenkpaket von zu Hause. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass da ein Spielzeugauto drin gewesen ist. Dieses fand ein anderes Kind toll und hat es direkt nach dem Auspacken genommen und auf den Boden fallen gelassen, um die "Federung" zu testen. Diese ging dabei kaputt und das Auto fuhr nicht mehr richtig. Ich war wieder sehr niedergeschlagen.
Ich war damals starker Pollenallergiker und im Borntal wurde das erste mal bei mir ein Allergietest gemacht (Pricktest). Ich hatte zwar immer große Angst vor Nadeln, aber vor mir war ein anderes Kind dran und sagte mir, dass der Test überhaupt nicht schlimm sei. Das hat mir die Angst genommen und ich hab den Test recht Tapfer durchgestanden. Ich glaube der Test wurde auf meinem Arm gemacht, könnte aber auch der Rücken gewesen sein. Es hat auf jeden Fall sehr gejuckt.
Wir waren auch mal im Wald spazieren. Dort wuchsen wilde Himbeeren und wir haben davon genascht. Bei der Waldwanderung war es verboten zu rennen. Ich habe das aber trotzdem gemacht und bin direkt hingefallen und hab mir beide Knie aufgeschlagen. Ich weiß noch, dass es sehr stark geblutet hat und ich ein paar Tage Verbände um die Knie tragen musste.
Eines Abends, beim Einschlafen, habe ich mich in mein Bett übergeben. Ich hatte aber Angst das zu sagen. Woher diese Angst kam weiß ich nicht mehr, sie war aber sehr groß. Ich schlief also die ganze Nacht in dem voll gespuckten Bett. Am nächsten Tag wurde das Malheur entdeckt. Ich weiß noch, wie ich am nächsten Tag neben dem Bett stand und gewartet hab, bis eine Diakonisse das Bett neu bezogen hat. Den Rest des Tages musste ich dann allein im Bett verbringen. Irgendwann kam die Putzfrau und hat das Zimmer sauber gemacht. Mit dieser habe ich mich unterhalten und war froh, etwas Gesellschaft zu haben.
Ich wurde auch einmal für zwei oder drei Tage in die angeschlossene Klinik verlegt. Der Grund ist mir nicht mehr bekannt, ich hatte dort aber Durchfall. Meine Eltern wurden auch darüber informiert. Ich weiß noch, dass dieser Aufenthalt für mich wie Urlaub war. Ich hatte ein Einzelzimmer und die Schwestern dort waren sehr nett. Als ich anschließend wieder zurück ins Haus 1 musste, ging es mir nicht gut. Ich hatte Angst und wollte nicht wieder dort hin, habe mich aber nicht gewehrt.
Was ich glaube
Ich kann mich noch dunkel daran erinnern, einmal in einem kleinen Zimmer (das war glaube ich unter dem Dach) mit einem Arzt gewesen zu sein. Was der Grund war oder welche Untersuchung es gab, das weiß ich nicht mehr. Dies ist auch die einzige Situation, an die ich mich erinnern kann, wo ich mit einem Arzt zusammen war.
Ich glaube, dass einmal ein paar Kinder an einem Tisch saßen, und Briefe schrieben. Eine der Diakonissen stand daneben. Ob die Kinder frei schreiben durften oder der Brief diktiert wurde, weiß ich nicht mehr. Aber ich kann mich erinnern, dass ich einmal einen Brief "diktieren" durfte. Ich konnte ja noch nicht schreiben. Meine Mutter glaubt ebenfalls, dass einmal ein Brief von mir zu Hause ankam. Was dort drin stand weiß sie jedoch leider nicht mehr.
Wenn ich an die Diakonissen denke, sehe ich nur das Gesicht von einer vor mir. Es war eine ältere Frau, vielleicht Anfang 60. Sie trug eine Brille. In meiner Erinnerung war es eine sehr strenge Schwester.
Was ich nicht mehr weiß
Ich kann mich leider überhaupt nicht mehr an diverse, vermutlich wichtige, Dinge erinnern. Ich weiß nicht mehr, was es dort zu essen gab. Wie die Mahlzeiten überhaupt vor sich gingen. Ich kann mich nicht erinnern, dort überhaupt nur eine einzige Mahlzeit zu mir genommen zu haben. Außerdem weiß ich auch nicht, ob ich dort jemals geduscht oder gebadet habe. Auch an Toilettengänge kann ich mich gar nicht erinnern. Zudem kann ich mich an keine, bis auf die bereits geschilderten klinischen Anwendungen erinnern. Wenn ich die Geschichten anderer Verschickungskinder lese habe ich das Gefühl, dass ich hier irgendetwas verdrängt habe. Es ist mir unbegreiflich, warum ich mich an solch alltägliche Dinge nicht mehr erinnern kann. In Kombination mit meiner Ur-Angst, die mich beim Anblick von Bildern des Borntal ergreift und den Erfahrungsberichten anderer Verschickungskinder habe ich das Gefühl, erfolgreich etwas verdrängt zu haben.
Danach
Die Rückfahrt vom Heim war, so glaube ich, mit den selben zwei Mädchen und der Begleitperson wie bei der Hinreise. Ich erinnere mich noch, dass es eine vollkommen andere Stimmung als zur Hinfahrt war. Die zwei Mädchen wirkten sehr geknickt. Wir haben auch nicht viel gesprochen. Als wir in Hamburg ankamen und ich meine Eltern auf dem Bahnsteig stehen sah, habe ich angefangen zu weinen. Wir sind dann noch zu einem Spielzeugladen gefahren und ich durfte mir was aussuchen. Es war ein He-Man-Fahrzeug. Ich freute mich zwar darüber, hatte aber eine sehr gedrückte Stimmung in mir. Ich erinnere mich noch, wie ich nach meiner Rückkehr im Wohnzimmer damit gespielt habe und sehr unglücklich war.
Meine Eltern haben keine Veränderung an mir feststellen können. Für sie habe ich mich nach der Kur genau so verhalten wie vorher. Ich konnte mit ihnen jedoch erfolgreich erarbeiten, dass ich vor der Kur immer über alles mit meiner Mutter sprechen konnte und grenzenloses Vertrauen in meine Eltern hatte. Ich habe insbesondere immer gesagt, wenn mir irgendetwas nicht gepasst hat oder es mir schlecht ging. Nach der Kur habe ich das nicht mehr getan. Ich habe mich zurückgehalten mich mitzuteilen wenn es mir schlecht ging und wollte keinen Kummer bereiten. Also blieb ich still. Da jedoch vor der Kur, wenn ich still war, es mir ja gut ging, weil ich ja sonst etwas gesagt habe, gingen meine Eltern davon aus, dass alles gut ist. Ich habe außerdem nach der Kur angefangen lieber alleine zu spielen und nur schwer Kontakt zu fremden Kindern aufbauen können.
Ich bin mit meinen Eltern später noch einmal im Rahmen eines Urlaubs in Bad Sachsa gewesen. Wir haben die alte Kinderklinik aufgesucht, sie muss kurz vorher geschlossen worden sein. Vermutlich waren wir also zwischen Anfang und Mitte der 1990er Jahre dort. Mein Vater sagte mir, dass ich auf dem Weg zur alten Klinik wohl sehr reserviert war und nicht viel geredet habe. Ich habe aber auch keine negativen Dinge darüber erzählt. Es lagen noch Spielsachen in den Gärten um die Häuser. Ich erinnere mich, dass ich ein sehr schlechtes Gefühl beim Anblick meines alten Unterbrinungsgebäudes Haus 1 hatte. An die anderen Häuser dort hatte ich gar keine Erinnerung mehr. Aber Haus 1 hat in mir sehr großes Unbehagen ausgelöst. Ich weis noch genau, welchen Gedanken ich hatte, als ich in der verlassenen Anlage stand: "Wenigstens werden hier jetzt keine Kinder mehr gequält."
Die vergangenen fünfzehn Jahre wurde ich mehrfach wegen Depressionen therapiert. Ich habe diverse Verhaltensweisen an den Tag gelegt (Konfliktängste, fehlende Selbstfürsorge, fehlendes Selbstvertrauen, kein Selbstwertgefühl), welche ich mittlerweile auf den Aufenthalt im Borntal zurück führen könnte. Insbesondere wenn sich bestätigen sollte, dass ich dort noch schlimmere als die bereits geschilderten Dinge erlebt habe, würde ich davon ausgehen, dass dort zumindest ein fruchtbarer Nährboden für die Depressionen in meinem Erwachsenenalter gelegt wurde.
Wenn ich mir heute noch Bilder von meiner Unterbringung ansehe kommen immer wieder negative Gefühle hoch. Angst, Unbehagen, Flucht. Und ein Satz: "Dieses Haus frisst Kinder."
Mein Wunsch
Ich hoffe, durch diesen Bericht Kontakte zu anderen Kindern, welche Ende der 1980er Jahre ins Borntal verschickt wurden, zu knüpfen. Ich möchte Antworten auf meine geschilderten Erinnerungslücken finden. Es fühlt sich einfach so an, als fehlen wichtige Erinnerungen. Falls also jemand zur selben Zeit dort war oder mir Informationen zu den Zuständen zu dieser Zeit geben kann, bitte ich innigst um Kontaktaufnahme.
Ich erinnere mich noch ganz genau an meinen Schlafraum, den ich mit 2 Mädchen teilte. In unserem Zimmer stand ein, aus damaliger Sicht toller Einkaufsladen- anfassen und spielen strengstens verboten! Und ich erinnere mich daran, das mindestens 1 Mädchen kein richtiges Bett hatte sondern eine Klappliege. Jeden Mittag mussten wir uns in die Betten legen und niemand durfte einen Mucks von sich geben. Wir lagen wie Zinnsoldaten da und trauten uns nicht zu atmen. Abends wurde kontrolliert, ob wir Unterwäsche anhatten. Das war auch verboten. Ich habe furchtbar geweint, jeden Abend weil ich so furchtbares Heimweh hatte. Eine Erzieherin gab mir einen Kalender, damit ich jeden Tag den ich geschafft hatte durchkreuzen konnte. Sie hatte ein gutes Herz. Die Heimleiterin, ich glaube sie hieß Frau Mühe hat mir manches Mal eine Ohrfeige verpasst, weil sie mein Weinen nicht ertragen hat. Dann wurde ich von den anderen separiert. Mit meinem Bruder durfte ich keinen Kontakt haben, wir wurden strikt getrennt.
Trinken gab es nur zu bestimmten Zeiten. Beim Mittagessen durften wir nicht trinken. Briefe an meine Eltern wurden kontrolliert, bzw. mir wurde vorgegeben was ich schreiben darf.
Ich war ziemlich mager und gehörte zu der Gruppe die zunehmen musste und jeden Morgen Haferschleim zu Essen bekam. Zu meinem Glück mochte ich das Zeug. Die Übergewichtigen Kinder wurden auf Diät gesetzt. Jeder musste auf die Waage und alles wurde laut kommentiert. Ich weiß noch, dass mir die Übergewichtigen Kinder leid taten. Sie haben uns beim Essen zugesehen und wurden vor allen anderen gewogen. Es gab Kinder, die haben eingekotet. In einem großen Waschraum mit langen Waschbecken wurden diese Kinder vor allen gedemütigt. Sie mussten sich vor allen Kindern ausziehen und ihre Kleidung waschen. Dabei wurden sich über sie lustig gemacht. Es gab einen Jungen, seinen Namen weiss ich nicht mehr. Mit ihm habe ich mich immer versteckt, ich glaube in einem Schrank.
Ich habe aber auch schöne Erinnerungen, an das Wellenbad und die vielen Lieder, die wir ständig gesungen haben.
Leider kann ich sagen, dass die Trennung und das Erlebte große Auswirkungen auf mein Leben hatte/hat. Ich habe als Kind bis ins Erwachsenenalter nie mehr entspannt woanders schlafen können. Auch zu Hause hatte ich lange Zeit Schlafstörungen und habe lange Zeit immer wieder im Schlafzimmer meiner Eltern geschlafen. Ich mag mir nicht ausmalen, wie man mit den Kindern in früheren Jahren in diesen Heimen umgegangen ist.
Morgens gab es Caro-Kaffee oder Tee, beides mochte ich nicht. Alternativen gab es nicht. Das Essen musste immer aufgegessen werden. Schreiben konnte ich damals noch nicht, ich erinnere mich aber, dass die Post kontrolliert wurde. Es durfte nur positives geschrieben werden. Zu meinem Geburtstag schickte mir meine Mutter ein Paket mit Süßigkeiten. Alles wurde verteilt. Von meinem Geschenk blieb für mich nicht viel übrig. Einmal die Woche durfte die Unterwäsche gewechselt werden und geschlafen wurde in großen Schlafsälen mit vielen Betten. Es herrschten strenge Regeln die ich befolgte, weil ich Angst und schreckliches Heimweh hatte. Fieber messen jeden Morgen. Auf der Rückreise gab es keine Getränke im Zug, es war Hochsommer und ich hatte schrecklichen Durst. Meine Mutter war damals sehr geschockt darüber, was wir berichteten. Ich habe vieles verdrängt, aber wenn ich nur den Namen Bad Kreuznach höre wird mir übel. Körperliche Gewalt wurde nicht angewandt, aber es herrschte für mich ein liebloses Regiment. Möglicherweise ist das der Grund für die Angst, die ich viele Jahre nicht ablegen konnte, die mich auch heute noch manchmal einholt.
Ich kann mich erinnern, dass wir bei den Mahlzeiten solange sitzen bleiben mussten, bis wir alles aufgegessen hatten , ob wir mochten oder nicht.
Einmal wurde mir so übel, dass ich den Spinat mit Rührei wieder ausspuckte. Die Betreuerin zwang mich dann, solange am Tisch zu sitzen, bis ich das ausgekotzte Essen aufgegessen hatte!!
Abends bekam ich medizinische Sitzbäder. Ein paar Mal vergaßen die Krankenschwestern (?) mich, so dass ich Stunden in dem kalten Raum und dem inzwischen kalten Wasser sitzen musste. Ich habe zwar gerufen aber es kam niemand und irgendwie hab ich mich nicht getraut, allein da rauszugehen.
Wenn wir Postkarten nach Hause zuschrieben, mussten wir immer schreiben, wie schön es dort war und wie gut es uns gefiel. Kein Wort von Heimweh oder den Schikanen, denen man ausgesetzt war.
Ich habe das gut verdrängt aber durch die Berichte Anderer ist die Erinnerung daran wieder sehr präsent.
Gibt es jemand, der auch in dieser Zeit (Sommer 1977) in diesem Heim war?
Ich bin von meinen Eltern immer in den Sommerferien nach Borkum und St. Peter-Ording verschickt worden. Kostenträger waren damals die Barmer und die Continental-Gummiwerke, Hannover. Ich war immer untergewichtig und oft erkältet mit Bronchitis. Mein Vater war Kettenraucher !!
Glücklicherweise habe ich keine bekannten Schäden davon getragen, manche Verhaltensmuster irritieren mich allerdings. Auch ich habe so gut wie gar keine Erinnerungen. Ich kann mich nur an diesen grünen Barmer-Rucksack erinnern und dass ich unsägliches Heimweh hatte. An der Wand und in der Ecke stehen ist mir tatsächlich nicht ganz unbekannt. An Bettnässen kann ich mich auch noch erinnern. Aber sonst.... ???
Ich bin mir noch nicht so sicher, ob ich der Sache wirklich auf den Grund gehen soll. Das Erinnerungsgrab in der Seele hat mich sehr gut über die Jahre gebracht. Wer weiß, was ich zu Tage bringe, wenn ich anfange zu graben?? Andererseits habe ich Befürchtungen, dass es mich u. U. einmal später einholt. Reha, Demenz .... ?
Ich hätte nie gedacht, das es mal ein so großes Thema sein wird!!!