ZEUGNIS ABLEGEN – ERLEBNISBERICHTE SCHREIBEN

Hier haben sehr viele Menschen, seit August 2019, ÖFFENTLICH ihre Erfahrung mit der Verschickung eingetragen. Bitte geht vorsichtig mit diesen Geschichten um, denn es sind die Schicksale von Menschen, die lange überlegt haben, bevor sie sich ihre Erinnerungen von der Seele geschrieben haben. Lange haben sie gedacht, sie sind mit ihren Erinnerungen allein. Der Sinn dieser Belegsammlung ist, dass andere ohne viel Aufwand sehen können, wie viel Geschichte hier bisher zurückgehalten wurde. Wenn du deinen Teil dazu beitragen möchtest, kannst du es hier unten, in unserem Gästebuch tun, wir danken dir dafür! Eure Geschichten sind Teil unserer Selbsthilfe, denn die Erinnerungen anderer helfen uns, unsere eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Sie helfen außerdem, dass man uns unser Leid glaubt. Eure Geschichten dienen also der Dokumentation, als Belegsammlung. Sie sind damit Anfang und Teil eines öffentlich zugänglichen digitalen Dokumentationszentrums. Darüber hinaus können, Einzelne, die sehr viele Materialien haben, ihre Bericht öffentlich, mit allen Dokumenten, Briefen und dem Heimortbild versehen, zusammen mit der Redaktion als Beitrag erarbeiten und auf der Bundes-Webseite einstellen. Meldet euch unter: info@verschickungsheime.de, wenn ihr viele Dokumente habt und solch eine Seite hier bei uns erstellen wollt. Hier ein Beispiel

Wir schaffen nicht mehr, auf jeden von euch von uns aus zuzugehen, d.h. Ihr müsst euch Ansprechpartner auf unserer Seite suchen. ( KONTAKTE) Wenn Ihr mit anderen Betroffenen kommunizieren wollt, habt ihr weitere Möglichkeiten:

  1. Auf der Überblickskarte nachschauen, ob eurer Heim schon Ansprechpartner hat, wenn nicht, meldet euch bei Buko-orga-st@verschickungsheime.de, und werdet vielleicht selbst Ansprechpartner eures eigenen Heimes, so findet ihr am schnellsten andere aus eurem Heim.
  2. Mit der Bundeskoordination Kontakt aufnehmen, um gezielt einem anderen Betroffenen bei ZEUGNIS ABLEGEN einen Brief per Mail zu schicken, der nicht öffentlich sichtbar sein soll, unter: Buko-orga-st@verschickungsheime.de
  3. Ins Forum gehen, dort auch euren Bericht reinstellen und dort mit anderen selbst Kontakt aufnehmen

Beachtet auch diese PETITION. Wenn sie euch gefällt, leitet sie weiter, danke!

Hier ist der Platz für eure Erinnerungsberichte. Sie werden von sehr vielen sehr intensiv gelesen und wahrgenommen. Eure Erinnerungen sind wertvolle Zeitzeugnisse, sie helfen allen anderen bei der Recherche und dienen unser aller Glaubwürdigkeit. Bei der Fülle von Berichten, die wir hier bekommen, schaffen wir es nicht, euch hier zu antworten. Nehmt gern von euch aus mit uns Kontakt auf! Gern könnt ihr auch unseren Newsletter bestellen.

Für alle, die uns hier etwas aus ihrer Verschickungsgeschichte aufschreiben, fühlen wir uns verantwortlich, gleichzeitig sehen wir eure Erinnerungen als ein Geschenk an uns an, das uns verpflichtet, dafür zu kämpfen, dass das Unrecht, was uns als Kindern passiert ist, restlos aufgeklärt wird, den Hintergründen nachgegangen wird und Politik und Trägerlandschaft auch ihre Verantwortung erkennen.

Die auf dieser Seite öffentlich eingestellten Erinnerungs-Berichte wurden ausdrücklich der Webseite der “Initiative Verschickungskinder” (www.verschickungsheime.de) als ZEUGNISSE freigeben und nur für diese Seiten autorisiert. Wer daraus ohne Quellenangabe und unsere Genehmigung zitiert, verstößt gegen das Urheberrecht. Namen dürfen, auch nach der Genehmigung, nur initialisiert genannt werden. Genehmigung unter: aekv@verschickungsheime.de erfragen

Spenden für die „Initiative Verschickungskinder“ über den wissenschaftlichen Begleitverein: Verein Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung / AEKV e.V.:     IBAN:   DE704306 09671042049800  Postanschrift: AEKV e.V. bei Röhl, Kiehlufer 43, 12059 Berlin: aekv@verschickungsheime.de

Journalisten wenden sich für Auskünfte oder Interviews mit Betroffenen hierhin oder an: presse@verschickungsheime.de, Kontakt zu Ansprechpartnern sehr gut über die Überblickskarte oder die jeweiligen Landeskoordinator:innen


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2741 Einträge
Helmut Cilleßen schrieb am 27.06.2023
Ich sehe gerade die Sendung Planet-Wissen über die Verschickungen. Mir fällt auf, dass unerwähnt bleibt, dass auch Arbeitgeber in die Organisation der Verschickungen involviert waren. In meinem Fall der Arbeitgeber meines Vaters, die "fMargerine-Union" (Unilever) in Kleve (NRW).
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Erhard Schurmann aus 59399 Olfen schrieb am 27.06.2023
Hallo zusammen,
ich wurde 01.02.1955 geboren und war insgesamt 2-mal zu den sogenannten „Verschickungsheimen“. 1963 bin ich für 6 Wochen nach Freudenstadt geschickt worden um an Gewicht und Hautfarbe zuzulegen. Vorweggesagt, es war für mich die Hölle!
Gleich am ersten Tag wurden uns Kinder mitgeteilt wie schlimm der Krieg war und wie Froh wir sein sollte, dass wir genug zu essen haben. Die Schwester Oberst oder so hat uns sicher 20 Minuten eingeheizt. Jedes Kind musste zu Mittag mind. 2 Teller vollessen. Eine Schwester hat die Teller gefüllt und darauf geachtet, dass wir auch reichlich von dem „Fraß“ gegessen haben. Ich erinnere mich sehr gut an einem Tag an dem ich keinen Hunger hatte und vor dem vollen Teller saß und versucht hatte das Essen zu entsorgen. Keine Chance, wir wurden beobachtet. Die lange Holzbank auf dem ich saß wurde langsam hart und ungemütlich. In einem unbeobachteten Augenblick habe ich den Telle unter der Band entleert. Ich wurde erwischt um musste noch mal einen Teller essen. Bis in die Nacht hinein saß ich im Speisesaal vor dem Teller. Schließlich hat eine andere Schwester mir den Teller entleert und ich durfte gehen.
Selbst die Toilettenbenutzung war geregelt. Ein Abend musste ich groß um wollte zur Toilette. Am Ende des langen Flures saß an einem Schreibtisch eine Schwester, die alles im Blick hatte. Niemand konnte so einfach aus dem Zimmer gehen. Nach dem ich mehrfach gebeten hatte die Toilette zu besuchen habe ich einen großen Haufen neben mein Bett gemacht. Unglaublich aber der Gang zur Toilette wurde mir verboten. Am nächsten Morgen war die Überraschung groß, ich wurde öffentlich vorgeführt und durfte nicht spielen. Allein vor dem Zimmer im langen Flur musste ich etwa 1 m zur Wand stehen und durfte nicht sprechen. Die ganze Aktion dauerte ca. 3-4 Stunden.
Die schlimmste Zeit meindes Leben......
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Jutta Schottstedt aus Rodenberg schrieb am 27.06.2023
Ich wurde 1967 als 8-jährige von der Gemeinde Kreuztal/Westf. in ein Kindererholungsheim in Nienburg/Ostsee verschickt. Zuvor war ich längere Zeit im Winter 1966/67 im Kreiskrankenhaus in Siegen mit Tuberkulose auf einer Isolierstation. Der Kuraufenthalt war im Anschluss daran. Ich hatte bei der Krankenhaus-Entlassung Keuchhusten und Untergewicht. Durch den Kuraufenthalt hatten sich meine Symptome verschlechtert und ich konnte deshalb erst einmal danach auch nicht mehr in die Schule gehen und versäumte so nach Lücken im 2. Schuljahr auch noch das gesamte 3. Schuljahr. Hätte meine Großmutter mich damals nicht aufgenommen, wäre ich aufgrund der Abwesenheit der Eltern - von der Kur sicher in ein weiteres "Erholungsheim" geraten.

Mein Problem bei dem Kuraufenthalt war, dass ich immer beim Mittagsschlaf husten musste und so die anderen Kinder im Schlafsaal störte. Ich wurde also im Flur mit dem Gesicht zur Wand an die Wand gestellt - mit einer muffigen grauen Decke über dem Kopf. Als das Husten sich verstärkte und auch immer noch hörbar war, wurde ich ohne Decke in Unterwäsche in den Waschraum gesperrt und erst am Ende der Mittagsruhe wieder herausgeholt. Dies war so über den gesamten Kuraufenthalt. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der ranzige Deckengeruch und das Signallied für den Beginn und das Ende der Mittagsruhe: Puppet on a String von Sandie Shaw.
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Mika (damals anderer Vorname) schrieb am 27.06.2023
Überwiegend positive Erinnerungen:
Ich war im Vorschulalter zwei Mal aus mir unbekannten Gründen zur Kinderverschickung (nach Erinnerung meiner Mutter wohl jeweils 2 Wochen). Ich habe nur sehr bruckstückhafte Erinnerungen daran. Aber auch wenn mir dort nicht immer alles uneingeschränkt gefiel, war es dort besser als zuhause, denn im Gegensatz zu meiner Mutter waren die Erzieherinnen/"Tanten" berechenbar, behandelten alle Kinder gleich und lächelten mich auch mal an. Dort fühlte ich mich akzeptiert, so wie ich war. Ich fühlte mich dort gut aufgehoben, habe keinerlei Erinnerungen an Strafen (in Bad Harzburg mussten diejenigen, die nach dem Mittagessen die Mittagsruhe/den Mittagsschlaf nicht einhielten, still im zentralen Speisesaal sitzen, damit die anderen ungestört schlafen konnten. Das war mir 1x passiert, vorsätzlich, weil ich auch mal draußen sitzen wollte während des Mittagsschlafs. Es war überhaupt nicht schlimm. In Bad Harzburg wurde ich einmal zum Essen gezwungen, bis ich das Essen nach wenigen Bissen auf meinen Teller erbrach. Ich erinnere mich, dass dort auch andere Kinder zum Essen gezwungen wurden durch Nase zuhalten. Bei einem 2. Mal bekamen sie meine Nase nicht zu fassen, weil ich meinen Kopf zu schnell schüttelte. Da hatten sie schließlich aufgegeben. Ich fand es "dumm" von den Erzieherinnen, dass sie meinen Kopf nicht festgehalten hatten, um meine Nase zu packen. Da ich zuhause schon gelernt hatte, dass Essen nicht verschwendet werden darf, hatte ich Verständnis dafür, dass es den Erzieherinnen wichtig war, dass die Teller geleert wurden. Als Kind empfand ich das deshalb nicht wirklich als schlimm, sondern nur als "blöd". So weit ich mich erinnern kann, wurde ich niemals Zeuge von Schlägen, Einsperren, Demütigungen oder Anschreien in einem der beiden Kindererholungsheime. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Heimweh.
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Barbara Thorborg aus Königstein schrieb am 27.06.2023
Mit 9 Jahren bin ich für 6 Wochen in obiges Heim verschickt worden. Wir waren dort zusammen mit Berliner Kindern. Schlafen im Schlafsaal mit über 20 Kindern, wir wurden gezwungen ekliges Müsli zu essen, morgens bei eisigem Wind in Turnzeug Gymnastik auf der Promenade, nachmittags Zwang zu stummer Liegekur, einmal wöchentlich in das langweilige Wäldchen, einmal wöchentlich Entlausung, ständige Beobachtung und Angst vor Fräulein Fritzke. Ich habe alle meine Ängste in die Briefe an meine Eltern geschrieben, nur leider sind diese Briefe niemals bei ihnen angekommen.
Um mich von all diesen schlechten Erinnerungen zu befreien, bin ich im Alter von ca. 50 Jahren extra nach Föhr gefahren, habe aber feststellen müssen, dass das Hamburger Kinderheim noch genauso bedrohlich dort steht, voll mit schreienden Kinder.
Diese Reise hat mir nicht geholfen.
Jetzt bin ich 79 Jahre alt und die Erinnerungen überfallen mich schlimmer denn je, auch durch die mittlerweile versuchte Aufarbeitung in den Medien.
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Kontakt Wunsch: Kontakt: Unerwünscht
Birgit aus Wuppertal schrieb am 26.06.2023
Ich habe leider kaum bis keine Erinnerung an diese Zeit. Nur, dass ich sehr krank nach Hause gekommen bin mit Furunkeln an der Haut und völlig abgemagert. Ich kann mich an meinen Schlafsaal erinnern und daran, dass ich starkes Heimweh hatte und viel geweint habe.
Zu essen gab es sehr oft Kartoffelpüree mit Roter Beete. Ekelhaft.
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Noreen aus Bad Belzig schrieb am 25.06.2023
Ich war im Herbst 1972 für vier Wochen zur Kur auf dem Ettersberg. Ich war damals fünf Jahre alt, häufig krank und eher dünn. Ich sollte vor der Schule wohl noch etwas „aufgepäppelt“ werden. Ich war kein Kind, das gern weg von den Eltern war, höchstens mal bei den Großeltern. Daher habe ich auch schon beim Abschied schrecklich geweint. Ich habe nur einzelne Erinnerungsfragmente:
Das Schlimmste war das Essen. Ich hatte einen Ekel vor Milch und Milchbrei etc. Schon vom Geruch warmer Milch wurde mir schlecht. Aber dort musste ich Milch trinken bzw. Milchbrei essen. Als ich mich weigerte, wurde mir der Milchbrei von der Erzieherin „reingestopft“. Ich habe ihn erbrochen, bekam einen Schlag auf den Mund und dann wurde mir das Erbrochene wieder reingestopft. Sie hatten da trotz meiner Tränen kein Erbarmen.
Ich erinnere mich an einen eher großen Schlafraum, in dem mein Bett irgendwie in der Mitte stand, also nicht an einer Wand. Während der Mittagsruhe spielte ich leise mit meinem Plüschhund. Eine Aufseherin bemerkte das, riss ihn mir aus der Hand und warf ihn in meinen Koffer, der unter dem Bett stand. Der Kopf des Hundes hing noch raus, als sie den Deckel des Koffers zuschlug. Dadurch wurde der Kopf abgetrennt. Sie ließ ihn einfach liegen. Zum Glück hat eins der älteren Mädchen ihn später wieder angenäht.
Überhaupt haben sich die älteren Mädchen öfter um uns Kleine gekümmert. Ich konnte ja noch nicht schreiben und die älteren Mädchen haben dann für mich Briefe geschrieben, die ich ihnen diktierte. Ich schrieb nach Hause, dass es sehr schrecklich sei und dass meine Eltern doch bitte kommen und mich abholen sollten, dass ich ansonsten versuchen würde, abzuhauen. Wir ahnten nicht, dass diese Briefe nie zuhause ankamen. Und ich fühlte mich von meinen Eltern im Stich gelassen, weil sie nicht kamen und in ihren Briefen auch nicht darauf eingingen, dass es mir schlecht ging.
Die Schränke, in denen unsere Sachen verstaut waren, sind in meiner Erinnerung sehr hoch gewesen, so dass ich als Fünfjährige nicht allein an mein Fach kam. Daher wurden einem die Sachen, die man anziehen sollte, von der Erzieherin rausgegeben. Man hatte eine Schürze mitbringen sollen. Ich hasste Schürzen, vor allem diese Kunststoffkittel. Aber ich bekam ab und zu Sachen von einer Groß-Cousine aus Westberlin und da war eine rote Baumwoll-Schürze dabei, die ich mochte. Meine Mutter hatte mir die dann auch extra eingepackt. Die Erzieherin beschimpfte mich, warum ich keine Schürze dabei hätte. Ich sagte, dass ich doch eine Schürze hätte und zeigte sie ihr. Aber die Erzieherin war der Meinung, das sei keine Schürze, sondern ein Kleid und ich durfte sie nicht anziehen. Statt dessen bekam ich einen Kunststoff-Kittel von dort, vor dem ich mich ekelte.
Wir gingen auch viel bei trübem feuchten Wetter spazieren. Aus irgendeinem Grund bekam man Gummistiefel vom Heim. Einer von meinen war undicht und ich hatte immer kalte nasse Füße.
Wenige Tage vor der Abreise hieß es plötzlich, wir könnten nicht nach Hause, weil irgendeine ansteckende Erkrankung aufgetreten sei. Ich hatte schreckliche Angst, jetzt noch länger dableiben zu müssen. Aber das war dann zum Glück doch nicht der Fall. Meine Mutter erzählte mir, als ich aus dem Bus stieg, wäre ich laut weinend auf sie zugelaufen und die konnte mich nur schwer beruhigen.
Mit Anfang 30 bin ich mit meinem Mann in Weimar gewesen und wir haben das Heim gesucht. Ich habe es sofort wieder erkannt, obwohl ich nie ein Foto davon hatte. Als wir das Gebäude betraten, wurde mir plötzlich ganz komisch, ich begann zu zittern und musste heftig weinen. Und es kamen weitere verschwommene Bilder (u.a. an ein Arztzimmer im Obergeschoss und eine Art geschlossene Veranda) hoch. Aber ohne Erinnerungen an konkrete Erlebnisse, sondern nur Gefühle von Angst/Unsicherheit.
Mit dieser heftigen Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Eigentlich war das Thema für mich längst erledigt. Aber aufgrund dieser heftigen Reaktion wurde mir klar, dass das all die Jahre in mir „gearbeitet“ hat.
Ich wollte später viele Jahre lang nicht auf Klassenfahrt oder in Ferienlager fahren. Es wurde als Jugendliche dann etwas besser. Aber
noch heute meide ich nach Möglichkeit Aufenthalte in Einrichtungen mit organisiertem/vorgegebenen Tagesablauf.
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Marianne V. schrieb am 20.06.2023
Das Erholungsheim Schloss Sandizell wurde damals teilweise von der Arbeiterwohlfahrt angemietet. Ich wurde auf Anraten des Hausarztes verschickt, weil ich zu dünn war. Ich war 12 Jahre alt.
Wir wurden von Studentinnen betreut, die sehr liebevoll waren. Sie machten Spiele mit uns, lasen uns täglich aus einem Buch vor, aus dem jeden Tag
weiter gelesen wurde: Im Garten, im Schwimmbad oder beim Beerenpflücken im Wald. Ich weiß heute noch , dass es Daddy Longbein hieß.
Am Abend, um 19.00 Uhr, trafen wir uns täglich auf der Brücke, die über den Wassergraben führte, um bei Gitarrenbegleitung Abendlieder zu singen. Es gab eine Bibliothek mit Kinderbücher zum Ausleihen und es wurde ein Theaterstück geprobt, bei der ich eine von vier Rollen bekam.
Wir mochten unsere Tanten sehr, nicht nur weil sie uns täglich einen Gute Nachtkuss gaben. Lediglich beim Essen hörte auch bei uns der Spaß auf. Bei den wöchentlichen ärztlichen Untersuchungen und den Gewichtskontrollen versagte ich regelmäßig.
Das bescherte mir Extraportionen, die ich nicht essen konnte. Ich versuchte es mit „Bauchschmerzen „ und „Unwohlsein „, das mir aber nichts nützte. Ich wurde dann als Lügnerin aufs Zimmer geschickt und jeweils vom Abendsingen ausgeschlossen. Zugenommen habe ich am Ende trotzdem nur ein halbes Pfund.
Nach der Kindererholung kam ich in ein Internat. Dort hatte ich ebenfalls Probleme mit dem Essen.Erst als Erwachsene konnte ich einen Zusammenhang erkennen.Ich hatte eine Essstörung entwickelt. Dafür gab es damals noch kein Wort, aber übergeben musste ich mich nach dem Essen regelmäßig.
Mit dieser Störung blieb man damals allein.
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Caterina aus Koeln schrieb am 18.06.2023
Ich war im Jahr 1970 oder 1971 für 6 Wochen im Haus Bernward in Oberkassel, damals war ich 5 oder 6 Jahre alt und hatte Atemwegsprobleme.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass im ganzen Haus eine Atmosphäre der Angst herrschte.
Wir mussten jeden Tag 2 Minuten unter die ¨Höhensonne" und mussten uns Sonnencreme und Schutzbrille aufziehen. Dies wurde wahrscheinlich gemacht, damit wir eine "gesunde" Gesichtsfarbe bekamen, wenn die Eltern uns abholten. Wenn wir einander helfen wollten, die Sonnencreme im Gesicht aufzutragen, wurden wir geschlagen, mit dem Kommentar: "Lass das, die kann das alleine!"
Bei Mittagsschlaf, wenn jemand nicht schlief oder sogar aufstand, wurde er/sie ebenfalls geschlagen. Ansonsten kann ich mich noch gut an eine besondere Demütigung erinnern. Ich wurde als "Hexe" verkleidet und bekam am Rücken einen Buckel unter meinen Pullover gesteckt. Die anderen Kinder sollten mich auslachen und ausgrenzen.
Als meine Mutter mich abholte, habe ich sie zuerst gar nicht mehr erkannt. Ich kann mich noch an die Rückfahrt nach Hause erinnern, ich war total schweigsam.
Hinterher bin ich mit meiner Mutter noch einmal dorthin gefahren, weil ich etwas vergessen hatte. Die Aufseherinnen, besonders die Oberin, waren total nett, als wir ankamen. Ich bekam sogar noch Glanzbildchen mitgegeben, meine Mutter konnte mir und meinen Berichten gar nicht glauben, dass ich dort so unglücklich war! Sehr perfide, was mit uns gemacht wurde.
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Bianca aus Iserlohn schrieb am 17.06.2023
Ich dachte, das das alles nur mir passiert ist. Das ich schuld bin. Beziehungen und Freundschaften konnte ich nicht aufrechterhalten. Ich kann damit nicht abschließen. Ich möchte nicht in eine Klinik! Klar Depressionen und Vereinsamung. Ich arbeite im sozialen Beruf und helfe anderen Menschen. Mein Leid sieht niemand. Ich bin alleine. Ich habe wieder eine Partnerschaft und Kontakte zur Familie, nach so vielen Jahren. Aber niemand redet mit mir über diese schreckliche Sache. LG Bianca
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Claudia Höver aus Calw schrieb am 17.06.2023
Ich war dort mit meinem 5 - jährigen Bruder. Was ich noch weiß oder mir mein Bruder erzählt hat:
- wir wurden gezwungen Salzwasser zu trinken
- man mußte am Tisch sitzen bleiben bis der Teller leer war
- wer ins Bett gemacht hat, wurde bestraft und bloßgestellt
- wenn man krank war kam man in eine seperate Krankenstation (ich wurde gleich zu Beginn der Kur krank, habe daran aber keine Erinnerung mehr)
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Dohn schrieb am 17.06.2023
Es gibt eine klare Benennung des Verantwortlichen des Köhlbrand in St Peter Ording: Hugo Kraas. Und sein Sohn Godber Kraas. Da kann man also die Familien der Verantwortlichen dingfest machen und sie mit ihrem Vermögen zur Verantwortung und zur Entschädigung heranziehen. Enteignen. Bestrafen.
Bitte auch endlich endlich nach den "Tanten" suchen, die noch leben, und sie ebenfalls strafrechtlich für ihre Taten zur Verantwortung ziehen. Mögen sie ähnliches heute im Pflegeheim erleiden. Man sieht sich immer 2x im Leben. Ihr schlimmster Albtraum soll wahr werden. Denn den haben sie über Jahrzehnte Tausenden von Kindern selber zugefügt. Für ein Leben lang. Jetzt wird der Spieß endlich umgedreht.
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Torsten S. aus Berlin schrieb am 15.06.2023
Das Thema Kur begleitet mich schon sehr lange. Immer wenn irgendwo darüber gesprochen wurde, fiel mir sofort mein Aufenthalt dort ein. Ich sagte dann meistens, für mich war das eine Erziehungsmaßnahme getarnt als Ernährungskur. Bisher dachte ich, dass ich diese Zeit immer etwas überdramatisiert in Erinnerung habe. Bis ich auf die vielen Erfahrungsberichte gestoßen bin. Nun weiß ich, es ging scheinbar vielen anderen ähnlich. Seitdem ich dies nun weiß, lässt mich das Thema nicht mehr los. Daher habe ich beschlossen, meine Erinnerungen mitzuteilen.

In Meura war ich von Oktober – November 1988 mit damals 10 Jahren. Ich weiß noch, dass irgendwann vorher in der Schule Ärzte waren, die uns alle einzeln anschauten und mit uns redeten. Dort wurde ich damals, soweit es mir in Erinnerung ist, gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mal zu einer Kur zu fahren. Ich weiß noch, dass ich fragte, wie lange denn so was dauert und ich trotz der gesagt bekommenen Aufenthaltszeit die Frage dann scheinbar bejahte. Da ich auch schon im Ferienlager sehr starkes Heimweh hatte, hätte ich wohl besser nein sagen sollen. Ob meine persönliche Entscheidung Einfluss auf den anstehenden Kuraufenthalt hatte kann ich nicht sagen. Meine Eltern wissen leider auch nicht mehr wie genau das damals eigentlich zu Stande kam.
Wie schnell die Entscheidung viel kann ich nicht mehr genau sagen, aber es ging wohl recht schnell. Ein weiterer Freund aus meiner Klasse und ich wurden für eine Kur ausgewählt. Aus heutiger Sicht wohl eher wegen des schlechten Betragens in der Schule als wegen schlechter körperlicher Entwicklung. Den genauen Grund weiß aber leider niemand mehr sicher.

Am Abfahrtstag wurden wir in Berlin-Lichtenberg in Reisebusse gesetzt und führen dann etwa 7 Stunden bis nach Meura. Ich kann noch gut die Tränen in den Augen meiner Mutter sehen, als der Bus losfuhr.
Als wir angekommen waren, sind wir mit unseren Reisetaschen auf unsere Zimmer gegangen und haben die Taschen ausgepackt. Dabei wurden uns alle Süßigkeiten, die wir mitbekommen haben, abgenommen. Soweit ich mich erinnere, wurden diese auch nicht mehr zurückgeben. Als Ausgleich gab es einmal die Woche ein Riegel von einer Tafel Schokolade. Ansonsten gab es noch manchmal zum Frühstück Marmelade. Diese durfte man mit Knäckebrot essen, jedoch nur, wenn man zuvor zwei Schwarzbrotstullen gegessen hatte. Was ich in diesen Zusammenhang sehr lecker fand, war das Müsli, was wir dort bekommen haben. Das Rezept wurde in unser "Büchlein" geschrieben. In dieses Büchlein würden u.a. auch unsere wöchentlichen Verhaltensbewertungen eingetragen.

Wenn man artig war, hat man ein rotes Halstuch eingetragen bekommen, ein blaues gab es für "normales" Verhalten und für schlechtes Betragen hat man, zumindest hab ich es so in Erinnerung ein schwarzen Halstuch oder auch gar keins bekommen. Ebenso wurden dort Tadel vermerkt. Ich habe mindestens einen bekommen und man hat mir gesagt, dass dieser in die Schulakte übernommen wird. Den Tadel hab ich übrigens nicht ganz unberechtigt dafür bekommen, weil ich lose Steine beim Wandern den Hang heruntergestoßen habe. (das hätte eine Gefahr für andere Wanderer weiter unten sein können) Dieser Tadel und die fast immer sehr schlechten Wochenbewertungen in meinem Heft haben dazu geführt, dass ich aus Angst vor Strafe dieses unmittelbar nach meiner Ankunft zu Hause in der Mülltonne unserer Nachbarn entsorgt habe. Heute würde ich gerne noch einmal hinein schauen, was natürlich leider nicht mehr möglich ist!
Ich kann mich auch entsinnen, dass Kinder, die blaue und rote Halstücher bekommen haben, sonntags Fernsehen durften. Einmal muss ich es auch geschafft haben, vermutlich zum Schluss hin, da ich mich auch an eine Fernsehstunde erinnere. Es war jedenfalls etwas Besonderes, wenn man das durfte.
Das Verhalten wurde, soweit ich das noch weiß, täglich bewertet. In meinen Erinnerungen gab es jeden Tag Punkte, die am Ende einer Woche die entsprechenden „Halstücher“ ergaben.

Dass es bei der Kur unter anderem um „korrekte Ernährung“ ging, hab ich so auch in Erinnerung. Wie uns das damals jedoch vermittelt wurde, ist für mich bis heute eine Erfahrung, die ich nicht vergessen kann.
Einmal gab es Rosenkohl zum Mittag und diesen möchte ich überhaupt nicht. Ich wollte ihn nicht essen, was den Erzieherinnen überhaupt nicht gefallen hat. Also sagten sie zu mir, dass ich solange vor dem Teller sitzen bleiben müsse, bis ich alles aufgegessen habe. Ich habe dann Rest des Tages im Essensraum verbracht, aufgegessen habe ich trotzdem nicht. Irgendwann so gegen 18 Uhr bin ich dann weinend in mein Zimmer gegangen. Bevor ich aber den Essensraum verlassen habe, kam meine damalige Kurfreundin Betty zu mir und hat versucht, mich zum essen zu überreden. Ich habe daraufhin vielleicht zwei kalte Rosenkohle gegessen, was die Erzieherin immerhin bewegt hat, mich dann gehen zu lassen.

Meine Kurfreundin hat mir damals sehr geholfen. Wenn ich geweint habe, hat sie mich oft getröstet. Ich weiß noch, dass ich oft sehr starkes Heimweh hatte. Sie war eine von den älteren Kindern, ich glaube, sie war damals schon 14, sicher weiß ich es aber nicht mehr. Sie schrieb mir, während unserer Zeit dort viele Briefe, die ich leider irgendwann mal verlegt oder weggeworfen habe. Wie diese Freundschaft zu Stande gekommen ist weiß ich nicht mehr genau. Ich glaube sie hatte einfach Mitleid mit mir, da ich oft sehr traurig war.

Eine andere Sache, die ich sehr schlimm fand, war das kontrollierte Briefe schreiben. Ab und zu durften wir Briefe an unsere Eltern schreiben. Jedoch durften wir nur positive Sachen schreiben. Einige Dinge, die wir schreiben sollten, wurden an die Tafel geschrieben. Nachdem die Briefe fertig geschrieben waren, wurden sie von der Erzieherin gelesen. Wenn wir von Heimweh oder schlechten Erfahrungen geschrieben haben, wurde der Brief einfach zerrissen. Irgendwann habe ich diesen Betrug verstanden und nur noch Positives geschrieben, so hatte ich zumindest das Gefühl, Kontakt zu meinen Eltern zu haben.
An die strenge Nachtruhe kann ich mich auch noch recht gut erinnern. Wir mussten immer sehr zeitig ins Bett und wollten noch gar nicht schlafen. Wer beim quatschen erwischt wurde, wurde ermahnt. Beim zweiten oder dritten Mal durfte man dann im Flur schlafen.
Ansonsten kann ich mich leider kaum an unseren Tagesablauf erinnern. Wandern waren wir auf jeden Fall recht häufig.
Was mir aber noch einfällt, nachdem ich wieder zu Hause war und in die Schule ging, war ich darüber so froh, dass ich am Ende der ersten Schulwoche in Betragen eine zwei bekommen habe. Was ich vorher sowie danach nie wieder geschafft habe. (Damals gab es noch wöchentlich Noten für Betragen, Ordnung, Fleiß und Mitarbeit)

Rückblickend würde ich heute sagen, ich fühlte mich damals eingesperrt, hilflos, ausgeliefert und allein gelassen.
Es sei aber auch gesagt, dass sicher nicht alles schlecht war, es gibt ja auch schöne Erinnerungen, wie z. B. die an meine damalige Kurfreundin.
Trotzdem verbinde ich bis zum heutigen Tage mit dem Thema Kur hauptsächlich negative Gefühle. Auch heute noch würde ich nicht freiwillig zu einer Kur fahren. Zudem esse ich bis heute kein Rosenkohl, ich hasse ihn förmlich.
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Barbara schrieb am 15.06.2023
Ich war 1983 als junge Erzieherin kurzzeitig im Haus am Schmalensee angestellt. Es war meine erste Stelle. Ich kam aus Hessen und wollte unbedingt in Bayern arbeiten. Das Arbeitsamt hat mich dann ins Haus am Schmalensee vermittelt. Die Zustände dort waren das Schlimmste, was ich je erlebt hatte. Als ich angereist bin, wusste niemand was von mir und es war dem vorhandenen Personal nicht klar, was ich eigentlich machen sollte. Wie sich herausgestellt hat, war zu dieser Zeit die einzige ausgebildete Erzieherin dort. Für mich war keine Unterkunft vorbereitet. Ich war fassungslos über diese "Begrüßung" aber noch viel mehr entsetzt, über die Art und Weise, wie die Kinder dort behandelt wurden. Das Haus lag idyllisch aber es wurde von einem Regime von herzlosen, bösartigen und sadistischen Personen geführt, die nicht nur die Kinder, sondern auch das "niedere" Personal unterdrückt haben. Alleinherrscher war Dr. Häußler, ein herrischer, hoch aggressiver, arroganter Lebemann, der sich gerne ahnungslose Praktikanntinnen aus anderen Bundesländern vermitteln liess, die er ausbeuten konnte und die z.B. auch sein Privathaus putzen mussten. Er hat Ihnen die Entlohnung damals nicht ausgezahlt und sie so unter Druck gesetzt. Die Mädchen waren noch ganz jung und nervlich fix und fertig. Sie hatten Angst vor dem Mann. Ich war damals 20 Jahre alt und sollte 50 Jungs im Alter von 5- 15 Jahren zu betreuen. Die jüngeren Kinder, haben immerzu geweint vor Heimweh. Ich war den ganzen Tag damit beschäftigt zu trösten und irgendwie zu helfen, dass es Ihnen ein bisschen besser geht. Sie haben mir so leid getan. Viele Kinder kamen aus Norddeutschland um sich im Bergklima zu erholen. Sie waren alleine, weit weg von den Eltern und waren diesem Despoten und seinen Gehilfen ausgeliefert. Unter- und übergewichtige Kinder mussten im gleichen Raum essen. Für die übergewichtigen Kinder gab es sehr karge Mahlzeiten und sie mussten mit ansehen, wie die anderen normale Portionen bekamen, während sie selber kaum was bekamen. Sie wurden von Dr. Häussler auch geschlagen. Ich habe ihn dabei nie gesehen aber die Kinder haben es mir erzählt. Es war wie in einem schlimmen Gefängnis. Einmal in der Woche mussten die Kinder ihren Eltern schreiben. Diese Briefe sollte ich lesen und auf negative Kommentare prüfen. Wenn ein Kind schlechte Sachen über das Heim geschrieben hat, durfte der Brief nicht versendet werden. Es sollte nochmal neu schreiben, so lange, bis keine negativen Dinge mehr drin standen. In der Freizeit sollte ich mit der riesigen Gruppe täglich an einen nahegelegenen kleinen Badesee gehen. Der Weg dorthin führte durch ein Übungsgelände der Bundeswehr. Da fuhren Militärfahrzeuge herum und bewaffnete Soldaten machten militärische Übungen. Ich bin zu Tode erschrocken, als mir bewusst wurde, in welcher Gefahr ich mit den Kindern war. In diesem Heim gab es auch ein Schwimmbad. Eigentlich eine gute Sache, aber wegen dem fehlenden Personal, wurde die älteren Jungen dazu bestimmt Aufseher zu sein. Sie waren sich in kurzer Zeit ihrer Macht bewusst und haben dann die anderen gequält, sie nicht aus dem Wasser gelassen usw. Als ich dazu kam habe ich das unterbunden, aber die Tatsache, dass die Älteren die Jüngeren so unterdrücken war unerträglich für mich. Ich war die meiste Zeit alleine mit den Kindern. Die älteren Jungs sind jeden Tag abgehauen und haben irgendwo im Wald geraucht und ihr eigenes Programm gemacht. Ich hab sie gelassen, weil ich nicht alle überwachen konnte und ich einfach das Leid der Jüngeren so gut es ging lindern wollte. Besonders am Abend war es so schlimm, wenn sie alle in ihren Betten lagen und so viele geweint haben. Ich hab ihnen Geschichten erzählt und gesungen, damit sie sich beruhigen und immer wieder versucht Mut zu machen, dass sie ganz bald wieder nach Hause fahren. So viele Kinder alleine zu beaufsichtigen war eine Zumutung und aufsichtspflichttechnisch absolut nicht zulässig. Ich habe das immer wieder gesagt, aber es hat niemanden interessiert.

Manchmal war ein zwielichtiger Helfer dabei, der mir erzählte, dass er auch bei der Polizei gut bekannt sei. Ich war geschockt. Ich habe mehrfach versucht mit Dr. Häussler zu sprechen, aber er hat dann immer versucht auch mich zu demütigen und gesagt, wie dumm und naiv ich sei. Ich habe deutlich gemacht, dass ich unter diesen Umständen nicht arbeiten kann und zumindest Spielsachen und Materialien brauche um die Kinder zu beschäftigen. Er hat mich ausgelacht und verspottet. Er wollte mich zwingen den Arbeitsvertrag zu unterschreiben und hat gesagt ich sei, wegen der Vermittlung durch das Arbeitsamt dazu verpflichtet zu unterschreiben. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschieden zu gehen. Ich konnte einfach nicht mehr. Das Haus in dem ich untergebracht war wurde abends abgeschlossen. Ich bin mit meinem Koffer am frühen Morgen aus dem Fenster geklettert und nach Mittenwald gelaufen. Vorn dort aus habe ich Dr. Häussler aus einer Telefonzelle angerufen und gekündigt. Er hat getobt, mich angeschrien und gedroht er bringe mich vor Gericht. Ich hab einfach aufgelegt und bin direkt zur Polizei gegangen. Dort wollte Anzeige erstatten. Die Polizisten haben sich meine Geschichte angehört und gesagt es sei bekannt, dass Dr. Häussler ein schlechter Mann sein. Niemand aus der Umgebung wolle da arbeiten, darum hole der Doktor immer Leute von weiter weg. Ich konnte keine Anzeige machen, weil ich selber keine tätliche Gewalt gesehen oder erlebt hatte. Das habe ich bis heute nicht vergessen. Niemand hat geholfen, obwohl man wusste, was dort läuft. Ich bin mit dem Zug nach Hause gefahren. Wochenlang habe ich überlegt, was ich machen kann um dem Leid dort ein Ende zu setzen. Ich habe mit Krankenlassen telefoniert um darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Heim die Hölle für Kinder ist, aber es hat nicht wirklich interessiert. Vor ein paar Jahren war ich in Mittenwald im Urlaub und bin nochmal an den Schmalensee gefahren. Das Kinderheim ist seit langen geschlossen und die Häuser schienen verfallen. Gut so. Es soll zu Staub zerfallen. Es war ein schrecklicher Ort.
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Werner B. schrieb am 14.06.2023
Bin 1966 für 6 Wochen zur Kur gefahren, weil ich seinerzeit ein schmächtiges Kind war. Diese wurde durch die seinerzeitige Deutsche Bundespost organisiert. Treffpunkt war der Hbf Köln gewesen, wohin mich mein Vater begleitet hat. Von dort aus wurden wir mit dem Sonderzug nach Wilhelmshaven und mittels Schiff/Fähre nach Borkum gebracht.
Ich habe auch hier nur die besten Erinnerungen, wir wurden stets freundlich und überaus liebevoll behandelt. Meine Mutter sagt heute noch (ich bin 61), dass ich bei der Rückkehr so viele neue Lieder singen konnte. Die einzige negative Erfahrung war, dass es immer süßen Salat gab. Scheinbar war dies auf Borkum Gang und Gebe. Aber dies kann man sicherlich vernachlässigen 🙂 Diese Zubereitungsart mag ich aber heute noch nicht 🙂
Mein Aufenthalt in Borkum ist bis heute in sehr guter Erinnerung. Leider weiß ich nicht mehr den Namen der Klinik.
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Werner B. schrieb am 14.06.2023
War 1973 in der Bergklause, weil ich damals ein schmächtiger Junge war. Ich habe nur die besten Erinnerungen an eine sorgenfreie und gut behütete Zeit, vor allem aber an Schwester Maria. Sogar als nach zwei Wochen die Windpocken auftraten, fühlte ich mich gut umsorgt. Alle haben sich sehr gut gekümmert.
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Delia Fuchs aus 84144 Geisenhausen schrieb am 14.06.2023
Mit ca. 5 Jahren wurde ich wegen Appetitlosigkeit und gehäuft auftretender Mandelentzündungen zur 6 Wochen Kur verschickt. Es ist mir ohnehin unbegreiflich, wie man ein so kleines Kind ganz allein so weit (von München) mit dem Zug (an die Nordsee) ins Ungewisse schicken kann. Jedenfalls musste ich dort, weil mir versehentlich die Puppe aus dem Bett gefallen war und aus ihr „Mama“ ertönte, die ganze Nacht auf dem kalten Flur (Dezember) sitzend verbringen. Die Puppe bekam ich erst am Abreisetag wieder zurück. Die Aufseherinnen hab ich als sehr streng und empathielos erlebt. Ich habe alles jahrelang verdrängt, aber durch eine Veränderung in meinem Leben arbeite ich das jetzt alles auf.
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Dohn schrieb am 14.06.2023
Wieso wird nicht mit Hochdruck nach noch lebenden BetreuerInnen gesucht und diese werden zur Rechenschaft gezogen? Wieso schaut man nicht, welche Familien von den Verschickungskindern profitiert haben und entzieht das Vermögen, um zu entschädigen. Bei Heimen auf den Nordseeinseln ist das möglich.
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Karin-Maria Schäfer ehem. Leisegang aus Waldschmidtstr. 7 in 94252 Bayerisch-Eisenstein schrieb am 12.06.2023
Ich bin nicht einfach so nach St. Peter Ording (SPO) gefahren, das war seit etlichen Jahren mein Plan, um dort aufzuarbeiten, was ich erlebt habe. Doch dadurch ich meine Mutter pflegte, ist mir das noch nicht gegönnt worden. Ich könnte sie nicht solange alleine lassen und schade, dass sie nicht dabei sein konnte. Es wäre wohl heilsamer gewesen.
Kennst Du die Geschichte der Verschickungskinder (VSK)???
VSK wurden von 1948 bis einschl. ca 1991 verschickt. Dort wo man die Kinder hin verschickt hatte, sollten sie genesen, dicker, oder dünner werden. Es war ursprünglich diesmal auch für Kinder aus ärmlichen Elternhaus bestimmt, wo die Eltern sich einen Urlaub an der See, oder in den Bergen, oder in einer Kurtherme für ihr Kind, nicht hätten leisten können. Damals wehrten sich die Eltern nicht gegen solche Maßnahmen. Man gehorchte den Behörden.
Ich war 5 Jahre alt, als ich verschickt wurde. Angeordnet hat das damals 1964 ein Kinderarzt. Er befand mich zu klein und zu dünn, ewig kränklich, wegen Bauchschmerzen und Stuhlproblemen.
Es war Anfang April 1964 als ich weinend am Hauptbahnhof Frankfurt am Main in den Zug steigen musste, alleine.
Den ganzen Reisewege habe ich geheult und musste wohl den anderen Mitreisekinder auf die Nerven gegangen sein. Als wir nach langer Zeit in SPO angekommen waren, nahm man uns das Gepäck ab. Wo es hinkam, weiß ich nicht. Vom Spielzeug dürfte man ein Teil behalten, ich hatte nur eine Puppe Maria dabei. Wir bekamen unser Bett zugeteilt und Abendbrot fiel wegen der Ankunftszeit aus
Am nächsten Morgen schon begann das Drama. (Ich muss dazu sagen, dass ich in diesem Alter nur Haferflockenbrei mit Kaba und keine Milch aß und trank) Meine Eltern übersandten deswegen einige Pakete Haferflocken, Zucker und Kaba, nebst Geld für die Milch, die mit dem Brei verrührt wurde. Aber am Morgen stand da eine große Eisbecher, oder Kompottähnliche durchsichtige Schale, wo ganz unten der Kaba, dann der Zucker und der Rest füllten die Haferflocken. Dazu gab es warme Milch in der Tasse, mit Haut. Gut ich fand das Zeug trocken, doch so zusammen gerührt, wie es die anderen Kinder taten, fand ich es noch ekliger. (Das Paket meiner Eltern wurde auf alle Kinder verteilt.) Man versuchte sowieso zu sparen. So aß ich nur ein bissel trockenes Zeug, aber ich trank die Milch nicht. Das bemerkte eine der Tanten, so nannten sich die Aufsicht, ich nenne sie hier Wärterin denn das ist passender. So musste ich in die Mitte des Raumes und sollte vor ihr den Becher Milch trinken und ihre bedrohliche Art das zu fördern, hat mich dazu gebracht, die Milch mit Haut zu trinken, aber.. ich musste vor Ekel mich übergeben und so landete die Milch über ihre schöne weiße Schürze. Ich bekam zur Strafe mit der Peitsche über die rechte Gesichtshälfte geschlagen. Das spüre ich Heute noch.
Ich war in SPO im Kinderkurheim Köhlbrand am Strandweg in OT Ording angekommen.
Man dürfte nicht laut sein, nicht lachen nicht weinen und und und. Man müsste spüren wie in einer Kaserne. Mir machte das nichts aus, denn Gehorsamkeit usw kannte ich. Ich hatte bloss Probleme mit dem Essen. Gut, neben mir saßen zwei Mädel, die waren zu dick, also um zum abnehmen da. Die aßen mein Essen und tranken ab da meine Milch. Ich nur einmal am Abend etwas Tee.
In der Nacht war es nicht ruhig, denn viele Kinder weinten und würden deswegen geschlagen und mir gegenüber lag ein Mädel, das ins Bett machte. Es wurde jede Nacht verprügelt mit der Peitsche und musste auf dem Boden schlafen mit nur einer Decke.
Ich weinte mit dem Mädel, aber dafür wurde auch ich verprügelt und musste am Fussende schlafen, man nahm mir die Puppe ab.
Im Waschraum hatte ich dann die ersten bewussten Misshandlungen erlebt. Das Verprügeln nahm ich nicht so wahr.
Dadurch dass ich klein war, ( sah mit 5 Jahren aus wie eine 3 jährige) kam ich nicht an das Waschbecken heran und man stellte mir ein kleines Schemelchen hin. Da kippte ich dann um und schlug an das Waschbecken und weinte. Dafür wurde ich in die Dusche gezogen, die Wärterin hielt mich fest, stellte mich darunter und duschte mich mit kaltem Wasser, dass ich keine Luft bekam, danach musste ich den ganzen Tag ohne Essen ins Bett. Ich lag da nicht alleine, das Mädel mit dem durchnässten Bett lag auch da. Aber wir mussten uns so drehen, dass wir uns nicht sagen, mussten schweigen und Augen schließen.
Das waren so die ersten Strafmaßnahmen
Eines Tages dürfte ich mit an den Strand, wir sollten Muscheln sammeln es war kalt und feucht, das Meer sehr weit weg, ich sah es nicht. Ich lieg voller Ekel in dem nassen kalten Schlick herum und suchte mit nach Muscheln und fand eine Art Traube voller Muscheln. Die wollte ich aber nicht abgeben, sondern meiner Mutter mitbringen. Als die Wärterin mich gerade wieder züchtigen wollte, rief die Andere, dass das Meer käme. Was weiß eine 5 Jährige aus Hessen, wie das Meer kommt. Ich hatte Vorstellungen von einer Art Horrorszenarium und rannte zurück zum Kinderkurheim. Aber das war nicht das, was ich hätte tun sollen. So würde ich bestraft. Ich musste für 3 Tage auf dem Dachboden. Dort saß ich, weinte, es war kalt, muffig und dunkel. Ich kann mich nur noch an alten Gerümpel erinnern, dann war alles schwarz. Ich wachte wieder auf,cals ich in einer Klinik in Heide lag, wo man mich auf päppelte. Von dort holten meine Eltern mich ab. Auf eigene Gefahr. Aber davor waren sie in dem Heim und holten meine Sachen ab. An diesem Tag aber, würde auch die Heimleitung abgeholt, verhaftet und weg.....aber nicht weil sie die Kinder misshandelten, sondern weil sie Gelder veruntreuten. (Meine Recherche) Ich fuhr nie wieder in eine Kur, Heute gehe ich in keine Reha usw, es stinkt dort nach SPO
So wie mir erging es von 1955 bis 1991 etlichen Kindern, jeder Altersstufe. Viele trauten sich nichts zu sagen, weil man drohte sie dann zu holen, oder weil man Kindern nicht glaubte. Ich schwieg, weil meine Eltern immer erzähkten, dass ich nichts essen und viel weinen würde und schwierig wäre. Aber ich hatte gute und liebevolle Eltern, ich musste niemehr weg.
Aufgearbeitet habe ich das nie. Meine Kinder mussten niemals weg, auch nicht wenn es ein Schulausflug war. Wenn die nicht wollten, blieben die zu Hause.
Doch ich vergaß SPO nicht und immer musste ich von SPO reden, sodass mein jetziger Mann endlich wissen wollte warum. Ich sprach und wir recherchierten im Netz und wurden fündig.
Bei Interesse: www.kinderverschickung.de
Es gab da noch mehr Menschen, die über ihr Schicksal sprachen und ähnliche, beinahe noch schlimmere Erlebnisse hatte, als oder wie ich.
Ich musste nach SPO und musste das Haus sehen. Es steht noch, es wurde ein Hotel und gin Pleite, es wurde ein Mutter-Kindkurheim es wurde geschlossen. Das Haus Köhlbrand steht unter keinem guten Stern. Jetzt ist es mit einem Zaun geschützt, vor Vandalismus. Es schaut aus, als stünde es hinter Gittern.
Ich habe geweint, als ich es nach 60 Jahren zum ersten Mal wieder sah, dann würde ich versöhnlicher und es wurde leichter. Jetzt tut mir das Gebäude sogar leid. Am liebsten würde ich es kaufen und ein VSK-Museum draus nachen, im alten Haus. Die anderen Trakte an Künstler freigeben, die ihre Kunst ausstellen wollen. Aber ich bin kein Millionär
Ja das Haus und ich sahen uns wieder.
Weit vorher habe ich mit Gleichgesinnten der VSK-Gruppe geschrieben, wir haben uns das Leid von der Seele geschrieben und viele haben ja ähnliche, oder schlimmere Erlebnisse gehabt. Meine Krankheit ging zurück und die Lebensqualität wurde besser. Bei mir war es wohl mehr die Psyche, die sich so belastend auf Magen-Darm auswirkte. Es geht mir etwas besser.
Unsere VSK-Gruppe kämpft nun um Anerkennung und Aussöhnung. Wir wollen keine Entschädigung, denn das Land hat Geld für Afrika, Afghanistan usw, wo nichts erreicht wird. Für uns hat es kaum ein offenes Ohr. Dabei ist es deutsche Geschichte. Man hatte ja eine gute Idee, aber das Personal fehlte dazu, denn es kamen in ganz Deutschland Kinderkurheime vor, auch in Österreich, Schweiz und Holland. Man verdiente plötzlich Geld und das würde wichtiger. Da war es egal, welche Gesinnung das Personal hatte. Es waren überwuegen Erzieherinnen, Krankenschwestern und Ärzte aus der Nazizeit. Alles hat geschwiegen, ich war nicht das einzigste Kind, das halbtot in die Klinik Jam, wegen Dehydrierung usw. Da schwiegen alle, Klinik, soziale Organisationen und die Politik. Damals sehr engagiert die FDP.
Ja so war das und somit habe ich mit meinem SPO-Besuch meinen Frieden gefunden. Vlt kommen wir ja mal wieder. Dann steht hoffentlich das Haus noch und ich besuche das Robbenarium usw. Alles was ich eben diesmal noch nicht sah. Es war trotz des Umstandes ein schöner Urlaub.
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Kalle schrieb am 12.06.2023
Drei Verschickungen und keinerlei Erinnerungen… jedoch schwere Depressionen.

Erst seit ein paar Tagen weiß ich, dass ich ein „Verschickungskind“ war. Ich wusste immer, dass ich mehrmals in Kur war, wegen meines Asthmas, das mich als Kind sehr gequält hat. Aber ich wusste nicht, dass es Millionen Kinder gab, die eine ähnliche Geschichte haben. Dass es dafür einen Begriff gibt und Selbsthilfegruppen, und dass zahllose Menschen dort traumatische Erfahrungen machen mussten und an den Folgen oft heute noch leiden.

Ich kann nicht sagen, dass ich traumatische Erfahrungen gemacht habe, schlicht und einfach weil ich keinerlei Erinnerung an diese Zeiten habe, mehr noch, ich habe so gut wie keine Erinnerungen an meine gesamte Kindheit. Meine Erinnerungen setzen ganz schwach erst irgendwo ab dem Alter von 10-13 Jahren ein. Alles, was ich über die „Kuren“ weiß, weiß ich aus Erzählungen meiner Eltern:

Ich bin Jahrgang 1964, ältestes von vier Geschwistern. Als Kleinkind hatte ich sehr schweres Asthma. Als ich fünf war, sollte ich in Kur geschickt werden, bei der Krankenkasse wurde ein Antrag gestellt, der jedoch zunächst abgelehnt wurde. Es war jedoch über das Jugendamt ganz kurzfristig ein Platz in einem Kurheim frei geworden, so dass ich kurzerhand – mit einem Vorlauf von nur drei oder vier Tagen - für vier Wochen zur Kur nach Kempten ins Allgäu geschickt wurde; ich muss gerade sechs geworden sein.

Meine Mutter äußerte dem Arzt gegenüber Bedenken, ob das für ein kleines Kind nicht zu viel sei, so lange von der Familie wegzubleiben (zumal es damals ja ein striktes Besuchsverbot in der Kur gab), aber der Hausarzt wischte die Bedenken mit einem „die Kinder kommen damit klar, die Eltern leiden viel mehr darunter“ zur Seite.

Als ich aus Kempten zurückkam, war in der Zwischenzeit der Kurantrag durch die Krankenkasse doch noch bewilligt worden, so dass ich gleich wieder weggeschickt wurde, weniger als eine Woche nach meiner Rückkehr aus der ersten Kur - diesmal allerdings für ganze sechs Wochen. Die „Verschickung“ geschah wie beim ersten Mal mit Sonderzügen der Deutschen Bahn; bei der Rückkehr nach sechs Wochen sollte der Zug morgens um halb sieben in Düsseldorf ankommen. Meine Mutter war auch pünktlich um halb sieben dort, aber der Zug war bereits eine Stunde vor der angekündigten Zeit angekommen. Alle anderen Kinder waren bereits abgeholt worden, ich war der letzte; sie musste mich bei der Bahnhofsmission abholen.

Während dieser zweiten Kur begann das Schuljahr, mein erstes, so dass ich meine Einschulung verpasst habe. Ich kam erst zwei Wochen danach zurück aus der Kur und wurde in eine Schulklasse aufgenommen.

Vier Jahre später, 1974, kurz vor meinem zehnten Geburtstag, wurde ich erneut weggeschickt, wieder nach Bad Reichenhall, und wieder für sechs Wochen. Ich habe auch hieran keinerlei Erinnerungen. (Interessanterweise hatten auch meine Eltern völlig vergessen, dass ich noch ein drittes Mal weggeschickt worden war. Wären nicht noch ein Brief und eine Postkarte von mir aus Bad Reichenhall aufgetaucht, hätte ich auch geglaubt, dass ich mir das nur einbilde. Und im Zeugnis der Grundschule sind 36 entschuldigte Fehltage, also sechs Wochen, aufgrund einer „ärztlich verordneten Kur“ dokumentiert.)

All das weiß ich nur von meinen Eltern, ich habe keinerlei eigene Erinnerungen daran. Meine Eltern leben beide noch, sind auch trotz des hohen Alters noch geistig fit und klar im Kopf. Aber das oben Geschilderte ist alles, woran sie sich im Zusammenhang mit meinen Verschickungen erinnern können. Ich weiß nicht, ob sie damals zu sehr mit meinen Geschwistern oder anderen Dingen beschäftigt waren, aber sie können mir nicht sagen, wie ich war, als ich aus den Kuren zurückkam, ob ich verändert war, was ich damals erzählt habe, ob ich überhaupt etwas erzählt habe.
Als ich sie jetzt darauf ansprach, dass ich Berichte über ausgeübten Zwang, körperliche Züchtigungen, sogar sexuellen Missbrauch gelesen habe, sagte mein Vater nur: „Das war damals eben so.“ Sie haben es selber nicht anders erlebt (bis auf den sexuellen Missbrauch, vermute ich). Rückblickend bedauern sie, was damals geschah, aber sie hätten es damals nie in Frage gestellt – sie sind gute und anständige, aber eher einfache Menschen und sehr obrigkeitshörig.

Es ist noch nicht einmal sicher, dass ich tatsächlich in Kempten war oder ob nur der Zug bis Kempten fuhr und es von dort aus weiterging, wie andere Betroffene geschrieben haben. Nur von Bad Reichenhall steht fest, dass es die „Asthma-Kinderheilstätte“ in der Kurfürstenstraße war, weil das auf der Postkarte stand.

Es gab Fotos, an die ich mich erinnere, die leider verschollen sind; Ausflüge in die Berge, aber ich habe eben nur Erinnerungen an die Fotos, nicht an die Ereignisse selber.

Wie gesagt, an die gesamte Kindheit habe ich so gut wie keine Erinnerungen, erst recht keine an die „Kuren“. Da, wo die Erinnerung einsetzt - also ungefähr mit Beginn der Pubertät – litt ich wohl schon an Depressionen. Ich bin heute noch schwer depressiv, habe lange Phasen der Arbeitsunfähigkeit hinter mir und einen SB Status. Die genauere Schilderung meiner Depressionsgeschichte erspare ich mir hier, das würde den Rahmen vollends sprengen …

Ich habe schon lange vermutet, dass die „Kuren“ eine Rolle hierbei spielen. Wenn ich mir vorstelle, dass ein kleines Kind von fünf Jahren vier Wochen lang alleine weggeschickt wird, dann wieder zurückkommt und dann sofort wieder für sechs Wochen weggeschickt wird, und dann bei der Rückkehr noch eine Stunde lang alleine am Großstadtbahnhof steht, und das als Dorfkind, dann kann ich mir kaum vorstellen, wie es dem Kind damit gehen mag – das alleine reicht schon als Trauma. Die bloße Vorstellung davon berührt allerdings nichts in mir, das ist für mich ganz abstrakt und hat nichts mit mir zu tun.

Wenn ich nun aber in den Berichten anderer Betroffener lese, was vor Ort in den „Kuren“ anscheinend Alltag war, dann wundert mich nicht, dass ich alles vergessen - oder besser: verdrängt - habe, und dann liegt der Verdacht zumindest sehr nahe, dass hier der Grund für meine Depressionen liegt.

Meine Therapeutin rät mir nicht zu, tiefer zu graben, sie meint, dass die Psyche einen guten Grund habe, warum sie das verschlossen hält. Und trotzdem will ich wissen, was damals passiert ist – schlimmer kann es für mich ohnehin kaum kommen.

Wer war im August/September 1970 und im Mai 1974 in der „Asthma-Kinderheilstätte“ in Bad Reichenhall und kann davon berichten? Gab es 1970 in Kempten eine derartige Einrichtung für asthmakranke Kinder? Oder wer war dort in der Nähe und kann etwas hierüber erzählen?
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René S. aus Sebnitz/Sachsen schrieb am 12.06.2023
Ich war als 11-Jähriger, von Geburt an gehbehindert, in einem DRK-Ferienlager in Großenhein (Sachsen), 14 Tage lang. Ganz schlimm (: wir wurden toll verpflegt, gingen jeden Tag baden, konnten am Fenseher die Mondlandung miterleben, haben jede Menge Spiele gemacht, und ich gewann den ersten Preis bei einem Preisausschreiben, worauf ich richtig stolz war. Ich habe wunderbare Freundschaften geschlossen, sodass ich beim Abschied geheult habe. Ein Gruppenfoto hab ich noch. Es war so toll, dass ich im Folgejahr wieder 2 Wochen beim DRK Ferien machte.
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Bernd B. aus Velbert schrieb am 10.06.2023
Wir waren weder übergewichtig noch unterernährt. Vielleicht dachten unsere Eltern, es sei eine gute Idee und ein paar Wochen an der See täten uns gut - oder wollten einfach mal ein bisschen Zeit für sich haben. Sie schickten uns zur Kinderkur für sechs Wochen nach Sylt. Sylt - heutzutage ein Traum - damals für uns drei Geschwister ein Alptraum.

Ich bin der Jüngste der drei, bin 1966 geboren, meine Schwester ist Jahrgang 1965 und mein Bruder 1962. Bis heute ist uns der damalige Aufenthalt auf Sylt in Erinnerung geblieben. Es sind alles andere, als schöne Erinnerungen. Nach nun über 50 Jahren ist leider (oder Gott sei Dank?) nicht allzu viel hängen geblieben. Doch das, was noch präsent ist, ist durchweg negativ und verstörend. Rückblickend muss man sagen, dass man sich leider nicht immer zweimal im Leben trifft.

Leider wissen wir nicht mehr, in welcher Einrichtung wir waren oder um welchen Träger es sich handelte. Aus der Erinnerung heraus und nach einer Internetrecherche könnte es das Kurt-Pohle-Heim der AWO in Westerland gewesen sein. Es hatte einen kleinen Anbau im Eingangsbereich, in dem wir uns bei Bedarf die dort befindlichen Gummistiefel und Regenjacken angezogen haben - oder angezogen bekommen haben - inklusive einer großen Portion Creme, die uns per Wattestäbchen in die Ohren bugsiert wurde.

Auch, wenn ich mich an körperliche Gewalt oder sexuelle Übergriffe (wie andere berichten) nicht erinnern kann, eine Art der psychischen „Misshandlung“ ist hängengeblieben. Schließt das das Andere zwangsläufig aus?!
Vielleicht liegt es daran, dass ich erst ca. sechs Jahre alt war, vielleicht ist es aber auch eine Art Selbstschutz des Körpers, dass er sich nicht mehr an alle Details erinnern kann oder möchte. Mein Bruder zumindest (er ist vier Jahre älter) kann sich auch nur nebulös und schemenhaft an diese Zeit erinnern. Fakt ist, der Gedanke an diesen Aufenthalt löst bei uns rein gar nichts Positives aus - die wenigen Erinnerungen sind auch heute noch durchweg extrem negativ behaftet. Das wird wohl seine Gründe haben.

Ich erinnere mich ein wenig an den Schlafraum, in dem ich untergebracht war. Ich lag im unteren Teil eines Etagenbettes links neben der Zimmertür - meist weinend - und weiß noch, dass man stets mit dem Gesicht zur Wand liegen musste. Einmal Schlafenszeit, musste absolute Ruhe herrschen. Kein Muks! So lange man nicht schlief, war nicht einmal das Umdrehen im Bett gestattet. Eines Abends fiel das Stoff-Kuschel-Tier des Jungen, der in meinem Etagenbett oben lag, herunter - es war ein kleines Eichhörnchen. Ich stieg aus dem Bett, hob es auf und gab es ihm. In diesem Moment ging die Türe auf und ich wurde auf frischer „Tat“ ertappt. Jegliche Erklärungen und regelrechtes Flehen meinerseits bewirkten nichts und führten schlussendlich dazu, dass ich stundenlang im Treppenhaus auf halber Etage mit dem Gesicht zur Wand, die Arme ausgestreckt, in einer Ecke stehen musste. Ich weiß nicht, wie lange ich dort stand. Auch weiß ich nicht mehr, ob es über den gesamten Zeitraum insgesamt bei dieser einen Bestrafung geblieben ist.

Vor dem Schlafengehen musste der Toilettengang erledigt werden - denn, wer bis zur Schlafenszeit nicht war, durfte auch nicht mehr. So kam es, dass ich einmal nachts das „große Geschäft“ verrichten musste. Ich weiß noch, wie ich mich aus dem Zimmer geschlichen und mit dem Rücken an der Wand entlanghangelte und heilfroh war, die Toilette erreicht zu haben, ohne erwischt worden zu sein. Leider befand sich auf der Toilette kein Klopapier. Vielleicht wurde dieses zur Schlafenszeit absichtlich entfernt!? In meiner Not benutzte ich den Bodenwischer (Aufnehmer). Ich kann mich allerdings nicht mehr erinnern, ob diese Aktion eine Bestrafung oder sonstiges nach sich zog.

Das Essen muss grausam gewesen sein. Auch, wenn ich mich nur an eine, mich betreffende Situation erinnern kann, so sind mir reihenweise, sich übergebende Kinder im Gedächtnis geblieben. Eines Nachmittags gab es Hefeteilchen. Nach dem ersten Bissen verweigerte ich den weiteren Verzehr, wurde aber gezwungen, das Teilchen aufzuessen. Der Zuckerguss schmeckte nach Kerzenwachs - will heißen, er schmeckte so, wie frisch ausgepustete Kerzen riechen.

Briefe und Karten von zuhause wurden im großen Speisesaal laut vorgelesen. Fotos wurden nicht gemacht. Hat man selber welche gemacht, wurden die Filme eingezogen mit dem Hinweis, man würde diese für uns entwickeln lassen und uns zuschicken. Es kam nie etwas an.

Abschließend möchte ich erwähnen, dass ich mich nicht erinnern kann, während dieser Zeit überhaupt Kontakt zu meinen Geschwistern gehabt zu haben. Rückblickend fühlte ich mich durchweg allein und im Stich gelassen. Dies wäre nicht vielleicht so ausgeprägt gewesen, wären wir „zusammen“ da durch gegangen.

An mehr kann ich mich leider (oder Gott sei Dank) nicht erinnern. Ich vermute, dass tief im Innern noch einiges schlummert. Zu negativ sind die Erinnerungen - nichts, rein gar nichts Positives.

Ich wurde einmal gefragt, ob ich mir vorstellen kann, dass das Erlebte mein späteres Leben beeinflusst / geprägt hat. Das ist eine interessante Frage, die ich nicht beantworten kann. Vielleicht habe ich - aus Sicht anderer Leute schlechte, nervige Angewohnheiten und Macken, oder gar gewisse Ängste, Manien oder Phobien, die ich ohne Sylt heute nicht hätte. Auch fällt es mir bisweilen schwer oder empfinde ein unwohles Gefühl dabei, andere Menschen kennenzulernen. Und so dauert es mitunter eine Weile, bis ich mit jemandem „warm“ geworden bin.
Auch nach nunmehr über 50 Jahren stellt man sich die Frage, ob man vielleicht ein anderer Mensch geworden wäre, wäre einem dieses „Erlebnis“ erspart geblieben?!
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Claudia schrieb am 09.06.2023
Das erste Mal sprach ich mit meinem Vater über das auf Wangerooge erlebte, als wir gemeinsam mein bestandenes Physikum feierten -da war ich 23 Jahre alt. Er versicherte, wenn er dies gewusst hätte, hätte er mich sofort dort abgeholt. Das wusste ich auch als kleines Kind, aber: mir war klar, dass er zu lange Zeit benötigte, um mit dem Auto von Hamburg nach Wangerooge zu fahren und befürchtete, von den "Tanten" (tot-)geprügelt zu werden. Vor kurzem sah ich einen Fernsehbeitrag zu diesem Thema und dachte: "das ist genau meine Geschichte"! Gern möchte ich mehr über die Aufarbeitung erfahren. Mein ganzes Leben lang war ich beeinträchtigt und fühlte mich minderwert!
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W.R. aus Hannover schrieb am 08.06.2023
W.R.
geb. 1949
Einschulung Hannover- List, 1956
Ärztliche Untersuchung: zu Dünn
Kinderland - Verschickung: Aufpeppen
kleines Kinderlandheim.
Nach der ärztlichen Voruntersuchung und allen Impfungen ( etc.) wurde ich als Unterernährt befunden und zum Aufpeppeln nach Langeoog geschickt.
Meine Mutter brachte mich mit dem armseligen Koffer zum Setra Bus. Eine hübsche blonde Gruppenleiterin,
mit blauen Augen, hielt die Kinder im Griff.
Es ging an die Nordsee. Mit dem Schiff wurde nach Langeoog übergesetzt. Die Möwen begleiteten uns.
Anschließend ging es weiter mit der Inselbahn zum Landheim. Schwestern in weißen langen Schützen empfingen uns und es ging ins Obergeschoss zum auspacken in ein kleinen Spind. Das kleine Landheim mit den vielen weißen Fenstern mit Butzenscheiben sah heimelig aus. Es folgte das Abendessen im großen Saal mit Reihentischen auf Bänken. Graubrot fertig geschmiert mit Teewurst und Leberwurst auf Tablets standen auf den Tischen. Dazu gab es Früchtetee aus großen Blechkannen . Die erste Nacht habe ich fremd mit Heimweh verbracht. Aufstehen um 7:00 Uhr, waschen im Waschraum, anschließend Frühstück. Diesmal stand Graubrot mit Erdbeermarmelade gestapelt auf dem Tablet auf dem Tisch. Die Schwestern mit den weißen Schürzen legten die Brote auf meinen Teller. ISS mein Junge, daß du groß und stark wirst. Die Dicken Kinder in der Reihe hinter mir sollten abnehmen und nahmen gern die nicht geschafften Scheiben Brot an. Anschließend gab es die Wanderung über die Insel.
Das Mitttagessen war recht einfach. Viel Kartoffeln mit Gemüse, manchmal mit Fleisch. Graupensuppe wechselte mit Bohnen- oder Erbsensuppe.
Spiele im Hausgarten folgte. Manchmal kam Heimweh auf. Die Schwestern waren streng. Im Waschraum wurde das spritzen mit Wasser regide bestraft. Die Teilnahme am Anschlussfest wurde mit Verbannung ins Bett, sowie mit Entzug der kleinen kleinen Schokolade geahndet. Das tat weh und ließ das kleine Herz krampfen. Die Tränen rollten. Die Springflut war ein Ereignis und der starke Wind beeindruckte mich sehr.
Dann kam der Abschied. Der Koffer war gepackt und die Schwestern winkten mit weißen Bettlaken uns nach.
Zugfahrt zum Schiff, dann zum Bus. Keine blonde Betreuerin mit hübschen blauen Augen auf der Rückfahrt.
Anschließend die Schuljahre. Kinder der Reichen und der Akademiker kamen aufs Gymnasium, wir in die Lehre und anschließend auf den 2. Bildungsweg.
Vati, nach dem Krieg mit nur noch einem Arm, brachte die Familie gut durch die Aufbaujahre. Zu vererben gab es nichts.
Gerackert, malocht, Haus gebaut und den Eindruck, nur verarscht worden zu sein. Deutschland ist kein Kinderland.
Bisschen Wehmut, und die Erinnerung an eine hübsche blonde Gruppenleiterin mit schönen blauen Augen.
W.R.
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Kay B. aus Lippetal schrieb am 08.06.2023
Sylt, irgendwann um 1970

Es ist seltsam, wie viele andere auch, kann ich mich an das Jahr nicht mehr erinnern. Meine zwei Geschwister, die mit mir zusammen in Westerland waren, ebenfalls nicht.
Es gibt keine Aufzeichnungen oder Fotos, sodass wir nicht einmal wissen, in welchem Haus wir untergebracht waren. Alles liegt in dichtem Erinnerungsnebel.

Woran ich mich allerdings gut erinnere: Die Betreuer nannten sich „Moniteure“ also Beobachter. Sie taten jedoch deutlich mehr als zu beobachten. Sie wiesen an. Und zwar unmissverständlich.

Das Essen fand in einem großen Saal statt und es hatte zwei große Nachteile:
1. Es war widerlich
2. Es musste aufgegessen werden
Ich erinnere mich, dass ich große Teile ohne zu kauen einfach herunter gewürgt habe.

Die Nachtruhe begann recht früh und durfte niemals unterbrochen werden. Kein Sprechen, kein Licht.
Drang aus einem der Schlafräume ein Laut, stand auch prompt ein Moniteur im Raum, zog uns aus dem Bett und man durfte barfuss im Flur für eine unerträglich lange Zeit vor der Wand stehen. Lehnte man sich an, musste man zudem noch die Arme ausstrecken.

Die Morgenhygiene fand in einem Raum statt, der mich stark an den Waschraum bei der Bundeswehr erinnerte. Lange Reihen, altertümliche, durchgehende Waschbecken. Anweisung von oben:
„Ihr putzt solange, bis Blut auf der Zahnbürste zu sehen ist“.

Die Toiletten waren ein graus. Ich kann mich nicht erinnern, ob sie nur nicht gereinigt wurden oder irgendwelche Kinder ihr Geschäft im ganzen Raum verrichteten. Jedenfalls bin ich maximal einmal in der Woche dort gewesen und bin somit jedes mal knapp um einen Darmverschluss herumgekommen.

Pakete wurden stets geöffnet übergeben, ob sie vollständig waren, kann ich nur vermuten. In meiner Erinnerung eher nicht.

Auf dem Innenhof befand sich ein Spielplatz.

Ich erinnere mich noch daran, dass ich mit meinem Hass auf diese Anstalt nicht alleine war. Denn wir haben mal das altbekannte „in der Heimat ist es doch am schönsten“ gesungen, was wiederum mit härteren Strafen geahndet wurde.

Wenn jemand mit 7-8 Jahren gute sechs Wochen lang auf Sylt war, sollten doch auch schöne Erinnerungen zu finden sein… Da ist nichts. Auch keine weiteren Details.
Ich weiß, tief in meinem Inneren, dass da noch viel mehr war. Aber auch das ist wie ausgelöscht. Oder aus Selbstschutz verdrängt.

Als wir dann endlich wieder zu Hause waren, wurden unsere Erlebnisse als übertriebene Schauermärchen abgetan. Niemand glaubte uns und so teilten wir Drei diese Erfahrungen ganz alleine. Bis heute.

Es hat allerdings mein Leben klammheimlich und maßgeblich mit geprägt. Sei es, wenn es um die Auswahl meines Essens geht, sei es in größeren Gruppen unterwegs zu sein oder Vertrauen aufzubauen.

Als meine Einberufung zur Bundeswehr kam und ich am Bahnsteig auf dem Weg nach Hamburg stand und abends dann in die Kaserne musste, kamen einige Erinnerungen zurück. Ich fühlte mich plötzlich wieder wie der Siebenjährige:

Ausgeliefert. Ungewiss. Allein. Misstrauisch. Drangsaliert.

Diese Zeit wurde dann allerdings deutlich schöner als meine Sylt-„Erholung“. Und das soll was heißen…
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R.S. aus Pforzheim schrieb am 07.06.2023
Hallo
Auch ich hatte die " Ehre " in Friedenweiler mindestens 6 Wochen ( oder auch länger ) zu verbringen. Ich hatte diese schreckliche Zeit für Jahrzehnte verdrängt. Durch Zufall kam ich auf diese Seite und alles kam wieder hoch. Das war vor ein paar Wochen. An Vatertag unternahm ich mit einem Kollegen eine Motorradtour für 4 Tage in den Schwarzwald. Freitags fuhren wir auf meinen Wunsch nach Friedenweiler. Schon als ich das Gebäude von oben sah schnürte es mir den Hals zu. Alle Erinnerungen waren wieder da. Die Erniedrigungen, Ängste und Quälereien. Wir durften leider nur in einen kleinen Bereich des Gebäudes. Darin hingen Bilder die meine Erinnerung noch verstärkten.
Besonders ein Bild fand ich verhönend, es stand darunter " Die ungeliebte Liegekur". Es war nichts anderes als Zwangsschlafen mit Androhung von Schlägen. Ich hätte nie gedacht dass mich die Erlebnisse von damals wieder so einholen würden. Ob das ganze wirklich einmal von der Gesellschaft aufgearbeitet wird bezweifle ich sehr. Mit der Zeit werden wir alle die das erlebt haben sterben und dann kräht kein Hahn mehr danach.
Mit lieben Grüßen R.S.
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Bodo P. aus München (jetzt( schrieb am 07.06.2023
War dort und habe sehr unangenehme Erinnerungen. Zum Frühstück gab es Milchsuppe, wer 2 oder sogar 3 Teller schaffte wurde gelobt. Mir gegenüber übergab sich ein Junge und der Mageninhalt ging in den Teller zurück. Er mußte das Erbrochene erneut aufessen.Das war kein Einzelfall. Man hatte Angst nicht folgsam zu sein, Die Keiterin hieß Vogel, glaub ich. Eine große stattliche Frau mit Knoten, sehr streng und dominant. Vor der hatte man Angst, nicht Respekt! Das einzig positive waren kleine Ausflüge, auch mal zur Adlerrwarte.
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Manuela Schulz aus Karlsruhe schrieb am 06.06.2023
Erst mal hallo
Ich hab erst nach ca ca 43 Jahre,nach dem ich an ein Mädchen gedacht habe und sie suchen wollte, wo bzw was ich war. Verschickungs Kind. Und heute im TV das Thema. In fast jeder von den betroffenen hat das gleiche erlebt wie ich oder noch schlimmer. Ich kam wegen Untergewicht und Migräne Anfälle dort hin .Wenn ich früher erzählt hab war ich z.b. stolz die Tabletten auf den Platz der anderen zu verteilen und selber von den cacao Tabletten heimlich genascht zu haben. Gelbe weisse, rosa ,braune Kapseln . Nächst durfte ich vor der Tür im langen dunklen Gang sitzen,weil ich zur Mittagsruhe nicht still gelegen bin. Ich durfte mich nicht bewege,wen doch blühte mir immer der Gang in der Nacht . 2 Blätter Klopapier mehr gab's nicht. Essen das dir nicht schmeckte,das du raus gespuckt hast wieder weill sie es dir rein geschoben haben bevor du es überhaupt geschluckt hast wieder essen dürfen. Erlich gesagt kann ich mich an nix dort erinnern bis auf den Spielplatz. Und heim gekommen am Bahnhof auf die Mutter gewartet gewartet und hab ich sie nicht mehr erkannt.
Was Kinder hinnehmen ohne es zu hinterfragen nur weil sie den Erwachsenen vertrauten oder aus Angst ist erschreckend. Es ist schlimm was allen passiert ist und wünsche euch viel Kraft . Ich sagte immer die Zeit heilt Wunden nein es lässt dich Gott sei Dank Stück für Stück den schmerz vergessen.

LG Manu
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DKL schrieb am 04.06.2023
Wenn ich all diese Berichte hier lese, bin ich zutiefst berührt und mir kommen Tränen über all die Grausamkeiten welche die Kinderseelen erfahren haben!

Seit ich die Berichte hier gelesen habe, sind mir einige Dinge klarer geworden.
Beim Lesen habe ich immer wieder festgestellt, dass mir viele der beschriebenen „Erziehungsmaßnahmen“ bekannt vorkommen, obwohl ich selbst (zum Glück) nie in einer Kinderkur war (bin Jahrgang 1974).
Jedoch war meine Mutter in einer Kinderverschickung, wahrscheinlich 1957 als 9 jährige, wegen Untergewicht. Irgendwo an der Nordsee? Genaueres weiß ich leider nicht!

Nach den Berichten hier sieht es für mich ganz danach aus, als sei meine Mutter wahrscheinlich in dieser Kinderverschickung traumatisiert worden. Darüber wurde aber nie gesprochen (wie über so vieles nicht!). Nie hat meine Mutter diese Erlebnisse aufgearbeitet - sie hat sie einfach eins zu eins an ihre Kinder/an mich weitergegeben.

Auch ich musste vor dem Essen sitzen bis es aufgegessen war (egal was es war) – bisweilen isoliert in meinem Zimmer.
Ich wurde ausgeschlossen aus der Familiengemeinschaft und es wurden mir Kontakte zu Freunden verboten, wenn ich irgendwas gesagt/getan hatte, das (willkürlich) nicht „richtig“ war.
Ich musste im Zimmer schmoren und durfte nicht spielen gehen bis der Vater abends von der Arbeit kam und auch noch was dazu sagen würde (ich war an irgendetwas schuld, was ich nicht nachvollziehen konnte).
Ich wurde vor anderen bloßgestellt.
Mir wurde gedroht, dass wenn ich nicht „lieb“ sei, würde ich ins Kinderheim geschickt werden.
Wenn wir Streit hatten, musste ich meiner Mutter all die Geschenke, die ich von ihr hatte, zurückgeben.
Mit ca. 5 Jahren überredete sie mich, mein geliebtes Kuscheltier in den Müll zu werfen.
Wenn ich Streit mit Freundinnen hatte, diktierte sie mir böse Briefe.
Usw...
Oft habe ich eine Härte, Kälte und Grausamkeit bei meiner Mutter wahrgenommen, die ich mir als Kind (oder bis heute) nicht erklären konnte. Sie zeigte wenig Gnade und keine Reue.
Mich haben diese grausamen Erziehungsmaßnahmen traumatisiert und ich bin seit Jahren mit der Aufarbeitung beschäftigt.
Irgendwann tauchte die Erkenntnis auf, dass eine Mutter ihr Kind nur so behandeln kann, wenn sie selbst so behandelt worden ist, wenn sie selbst auf diese Weise traumatisiert worden ist.

Ob es tatsächlich der Aufenthalt in der Kinderverschickung war, der meine Mutter traumatisiert hat, werde ich wahrscheinlich nie erfahren. Die Berichte hier (Danke dafür!) hörten sich für mich sehr bekannt an. Wahrscheinlich war es eine Kombination aus vielen verschiedenen Missständen, die in der Nachkriegszeit herrschten. Traumatisierung teilweise schon im Mutterleib, durch Krieg/Nachkrieg, durch "wir reden nicht drüber und schauen nach vorn"-Mentalität,...usw. Die Erwachsenen waren ja auch alle größtenteils traumatisiert, die konnten sich nicht liebevoll um die Belange ihrer Kinder kümmern...

Ob meine Mutter ihr Trauma jemals bewältigen wird? Es wäre wünschenswert, ist jedoch sehr unwahrscheinlich.
Sie ist eine alte gebrochene Frau, die während ihres Lebens immer bitterer geworden ist und quasi den Kontakt zu allen nahestehenden Menschen/Familie (inklusive meiner Schwester und mir) abgebrochen hat.

Ich wünsche Ihnen/uns allen viel Kraft!
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Ulrich Goltsche aus Hamm schrieb am 01.06.2023
Erinnerungen an das Heim in Detmold (Johannaberg, Berlebeck):
Abends das rote Licht im Flur bedeutete Toilettenverbot. Ich schlich mich durch den nach Eichenholz und Bohnerwachs riehenden dunklen Flur Richtung Toilette, wurde erwischt, beschimpft und zurück in den Schlafraum geschickt.
Aus Angst nochmal erwischt zu werden habe ich ins Bett gepinkelt, als ich es nicht mehr aushalten konnte.
Das wurde am nächsten Morgen entdeckt und entsprechend "gewürdigt".
Die psychische Erniedrigung, Gewalt an meiner Kinderseele, lief folgendermaßen:

Im Speisesaal, wo es morgens einen Becher Kakao/Milch gab und irgendeine dicke Breisuppe, meist eine Art Milchbrei, setzte ich mich an meinen Platz.
Alle meine Tischnachbarn hatten sowohl den Brei-Teller vor der Nase als auch ihren Becher mit Milch/Kakao.
An meinem Platz fehlte der Becher. Ich dachte mir schon irgendwie, daß das wohl Strafe für das Bettnässen war, also protestierte ich nicht.
Nun kommts:
Kurz nachdem alle mit dem Essen begonnen hatten, erschien eine der "Haubenlerchen" (Schwestern) vorn an der Essenausgabe. Sie trug ein Tablett mit 2 oder drei winzigen Tassen und rief laut "Die Pinkler bitte!".
Nun durfte ich mir mit den anderen Leidensgenossen - vor aller Augen öffentlich als "Pinkler" geoutet - das Mini-Becherchen abholen.
Ich schämte mich fürchterlich ob dieser öffentlichen Erniedrigung.

==========

In diesem Stil lief es die ganze Zeit. Am gleichen Tag - auf einer "Wanderung" - bekam ich auch noch weniger zu trinken als die anderen Kinder.
Beim Briefeschreiben (war irgendwie einmal die Woche? weiß nicht mehr genau) wurde einem über die Schulter geschaut und mitgelesen. wer traute sich da noch die Eltern im Brief zu bitten dass man doch wieder heim möchte?!?

Nicht nur ich, auch andere haben dort seelische Gewalt erlebt und natürlich den berühmten "Klaps" bekommen, der ja bekanntlich noch niemand geschadet hat...
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Glave Hildegard aus 71636 Ludwigsburg BaWü schrieb am 01.06.2023
Ich dachte lange, ich seit die Einzige, die in der Diakonissenanstalt Schwäb.Hall war. Endlich hat sich jetzt jemand gemeldet. Ich war wegen Bettnässen dort, es war sehr schlimm. Wenn ich wieder das Bett nass gemacht hatte, gab es Strafen (in der dunklen Putzkammer die restliche Nacht verbringen oder im nassen Bett weiterschlafen). Dabei war ich ja dort, um dieses Leiden zu heilen.
Ich würde gerne mit Gaby aus Hagen Kontakt aufnehmen.
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Franziska Walter aus Berlin schrieb am 27.05.2023
Ich wurde wegen chronischer Bronchitis verschickt. Ich war erst 3 oder 4. wegen eines eitrigen Exzems auf dem Kopf u Läusen wurde ich mit einer lila Tinktur eingepinselt u musste in einem winzigen grau-grün gefliestem Raum bleiben, dort wo man Wassertreten musste. Es war kalt und ich hatte große Angst so allein. Den Garten mit den Schaukeln mochte ich, den Bienenstich nicht. Auch nicht, dass wir zum Matrjoschkafest alle Kopftücher tragen mussten. Die mussten die Eltern glaube ich extra mitschicken.
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Gaby S. aus Hagen schrieb am 26.05.2023
Ich war gerade 5 Jahre alt geworden als ich zur Kur verschickt wurde, war die Kleinste.
Abfahrt: Keine Übergabe von den Eltern an das Betreuungspersonal. Wurde rasch und ruppig ins Abteil geschoben, als der Zug eintraf. Bei der Abfahrt habe ich versucht aus dem Zug zu entkommen, wurde von mehreren Erwachsenen festgehalten, habe um mich geschlagen und getreten, mich dann weggeschrien. Totaler blackout. Als ich irgendwann wieder zu mir kam, wurde ich ausgeschimpft: Bist du jetzt endlich wieder lieb!!!
Ankunft: Riesiger Schlafsaal, irgendwo mein mir zugewiesenes Bett dazwischen, mein einziger Halt - meine kleine Schlafbegleiter-Puppe - wurde mir direkt nach Ankunft von der Betreuung weggenommen.
Toilettenverbot + Sprechverbot während der Schlafenszeit mittags und nachts: Wir durften das Bett nicht verlassen, durften nicht die Toilette aufsuchen. Wer erwischt wurde, wurde ausgeschimpft.
Keinerlei Kontakt zu den Eltern. Wöchentliche "Briefe" an die Eltern, dass es einem gut geht (ich sollte immer eine lachende Sonne malen). Traurige Sonnen durften nicht verschickt werden und wurden konfisziert.
Bestrafungsarbeit: Einen Haufen Schuhe putzen.
Essen: Wir mussten den Teller IMMER leer essen, egal wie lange es dauerte, bekamen zu den Mahlzeiten nichts zu trinken. Es hat nicht geschmeckt, es wurde sehr viel geschimpft.
Die Schwimmkuren: Gerade 5 Jahre alt, Nichtschwimmerin, hatte Angst vor Wasser, Schwimmflügel gab es nicht, der aufblasbare Schwimmring war zu groß als dass ich darin Halt fand, trotzdem musste ich mit den größeren bzw. älteren Kindern in das Becken und irgendwie mit den anderen im Kreis herumpaddelm. Per Schlauch Abduschen mit kaltem Wasser, alles begleitet von reichlich Schimpfen
Innerhalb der Kurzeit wurde ich auf eine Krankenstation verlegt, dort verbrachte ich einige Tage eingesperrt in einem Gitterbett. Der Grund ist mir bis heute unklar.
Die Kurzeit war die Hölle und prägt mich bis heute.
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Michael H. aus Wiesbaden schrieb am 24.05.2023
6 schlimme Wochen ohne Kontakt zu den Eltern, heftiges Heimweh- es war nicht nachvollziehbar, warum man keinen Kontakt zu seinen Eltern bekam, Drangsalierungen und miserables Essen. Sollte dort wegen Untergewicht hin und wog nach der "Kur" ganze 100Gramm mehr. Der Heimleiter dort war ein Mann- die Kinder im Nachbarzimmer wurden 2mal von ihm geschlagen, Grund unbekannt. Wir hatten solche Angst, dass er auch zu uns ins Zimmer kommt. Alle Geburtstagsgeschenke wurden mir abgenommen und verteilt, ausser ein Micky Maus Heft und etwas Schokolade. Es war der einzigste Kontakt in 6 Wochen per Glückwunschkarte. Es gab aber auch ein paar nettere Schwestern dort, trotzdem: wie kann man kleinen Kindern nur so etwas antun? Man hatte zeitweise das Gefühl, man sieht seine Eltern nie mehr wieder und wo man genau war, wusste man auch nicht, da man im Kindesalter noch kein Gespür für Entfernungen und Zeit hatte. Dieses Erlebniss war sicher ein Mitauslöser für spätere Ängste und Aggressionen. Es herrschte generell ein strenges und autoritäres Regiment, kann mich aber an viele Details nicht mehr erinnern, nur an ein Mädchen aus Eschwege die sich freute, weil ich 100Gramm zugenommen hatte.Ein kleiner Lichtblick war sie......
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Wilfried Rudolf Franke aus Gönnersdorf/Vulkaneifel schrieb am 22.05.2023
Ein sehr schweres Erleben hatte ich, als ich erst 9 Jahre alt war. Just heute, am 22.5.2023, fand ich „zufällig“ im Internet viele Seiten über das Thema „Verschickungskinder“ in den 1960er bis 1980er Jahren. Ich dachte bisher, dieses Thema gut verarbeitet zu haben, doch erfasste mich mit 66 Jahren das Leid von damals so sehr, dass es mich völlig fassungslos ergriff und die damaligen Gefühle und Erfahrungen wieder in Tränenausbrüchen hoch kamen. Offenbar sitzt das Trauma von damals noch tief und muss von mir noch bearbeitet werden. Was war geschehen? Wohl auch durch die Wohnverhältnisse in kalten Wintern ohne Wärme in eiskalten Zimmern zu schlafen, hatte ich öfter Husten auf den Bronchien festsitzen. Die Ärzte und Jugendämter empfahlen damals Eltern, wenn die Kinder oft husteten, wie ich, oder als zu dünn oder zu dick erachtet wurden, eine sogenannte Kindererholungszeit mit Luftveränderung, also möglichst weit weg. Laut Internet begann man erst seit 2017 so richtig diese Kinderquälereien aufzuarbeiten, wobei ich noch bei den Glücklichen war, nicht sexuell misshandelt oder geschlagen worden zu sein, und auch keine Pillen zu Versuchszwecken einnehmen musste, was man von anderen derartigen Heimen liest. Ich wurde für 6 Wochen ins Allgäu „verschickt“, in das Kinderkurheim Sonnenhang bei Oberstdorf. Mein Vater brachte mich von Orsberg nach Koblenz zum Bahnhof. Ab da fuhr ein Zug ohne umzusteigen nach Kempten im Allgäu, dann ging es mit einem Regionalzug weiter. Meine Eltern hatten mir einen vollen Koffer mit Kleidung und Handtücher gepackt, der beim Ankommen sofort weggeschlossen wurde. Nur Zahnbürste, Zahnpasta, ein Stück Seife und einen Schlafanzug durfte ich herausnehmen. Innerhalb der für mich endlosen 6 Wochen wurden wir einmal an die Koffer gelassen, um uns Wechselkleidung heraus zu holen. Somit brachte ich fast alles ungetragen wieder mit nach Hause. Wir wurden 6 Wochen eingesperrt, mit Bewegungsfreiheit nur im Schlafsaal mit mindestens 10 Etagenbetten und einem Aufenthaltsraum für tagsüber. Die andere Abwechslung war der Gang zum Essen, was möglichst billig zusammen gekocht wurde. Als ich mir erlaubte, an einem nicht so traurigen Tag in meinem Befinden einen Witz über das Essen zu machen, wurde ich sofort heftigst zurecht gestaucht, dass ich nie mehr einen Mucks sagte. Ich schaute Tag für Tag durch verschlossene vergitterte Fenster in die schöne Schneelandschaft, in die wir in 6 Wochen dreimal für eine halbe Stunde raus gelassen wurden. Wir bettelten anfangs täglich, raus in den Schnee zu dürfen, was sich schnell legte, da wir stets ein nein zur Antwort bekamen. Kurz vor Heimreise gab es den einzigsten Spaziergang runter ins Dorf, für ein Mitbringsel für zu Hause zu kaufen. Es kümmerte sich niemand um uns, es gab kein Programm und wir lebten eingesperrt und völlig verwahrlost. Die Zimmer wurden nicht kontrolliert, gefegt oder neue Bettwäsche aufgelegt. Wöchentlich mussten wir einmal eine Karte nach Hause schreiben und ich schrieb, was los war und dass es mir überhaupt nicht gefiel und ich riesiges Heimweh hatte und mich völlig allein gelassen fühlte. Solch eine ehrliche Beschreibung wurde sofort zensiert und nicht verschickt. Ich erhielt meine Karte zurück mit der Aufforderung, ausschließlich zu schreiben, dass es schön sei. Anderes werde nicht verschickt. Ab da musste ich jede Woche den gleichen Satz schreiben, es wäre schön. Meine Eltern wunderten sich über meine Einsilbigkeit ohne wirklich Schönes zu erzählen. Ob durch die psychische Belastung oder/und schlechtes Essen bekam ich jedenfalls eines Nachts einen derart dünnen Durchfall, dass ich nicht schnell genug aus dem Bett zur Toilette kam. Aus mir schoss die ganze stinkende Brühe bereits im Bett. Ich schlief in der Ecke hinten links im oberen Bett. Mein Schlafanzug war voll verschissen und das Bett, Oberbett, Bettlaken und Matratze und es stank fürchterlich. Ich ging mit wenig Licht der Notbeleuchtung zum Klo und wischte mit viel Klopapier meinen Schlafanzug und meine Haut so trocken, wie es notweise ging und legte mich wieder schlafen ins nasse Bett. Von da an lag ich jede Nacht bis zur Heimreise in diesem stinkenden Bett. Wenn ich mich recht erinnere, wurde mir ein weiteres Öffnen meines Koffers für einen reinen Schlafanzug verwehrt und ich traute mich nicht, den Vorfall zu berichten, da das gesamte Personal so unfreundlich war und nur schimpfte. Die Stunden und Tage und Wochen vergingen soooo langsam, dass ich verzweifelt nach einem Plan suchte, aus diesem Gefängnis auszubrechen und zu einem Bahnhof zu gelangen, um irgendwie nach Hause zu kommen, doch es gab keine Lösung. Die Türen wurden stets abgeschlossen wie in einem Gefängnis und alle Fenster waren vergittert. Die Fenster selbst mussten geschlossen bleiben, damit die Heizung nicht zu teuer liefe. Irgendwann endeten diese traumatischen 6 Wochen und die lange Zugfahrt nach Hause stand an. Was hatte ich alles meinen Eltern zu erzählen über die Wahrheit dieser Quälerei und durch meinen Kopf liefen die Berichte an sie zu Hause in der großen Hoffnung, dass das Erlebte geahndet wird, dass meine Eltern etwas unternahmen, sich beschwerten und damit andere Kinder vor diesem Heim warnten und schützen würden. Ich hatte meine Eltern so sehr entbehrt und hoffte so sehr auf deren rückwirkende Unterstützung für mich, ihren Sohn. Sie hörten sich meine Berichte an mit einem ah, deshalb kam immer nur derselbe Satz in der wöchentlichen Karte, die ich schreiben musste. Ich durfte mich nicht weigern, nach Hause zu schreiben. Ich musste schreiben und ich musste lügen. Meine Eltern sahen auch am fast unberührten Kofferinhalt, dass ich Recht hatte mit meinen Beschwerden, wieso sollte auch ein kleiner 9-Jähriger Junge sich kriminelle Geschichten erfinden? Und dann erlebte ich den zweiten Schock nach diesem langen Martyrium, indem meine Eltern sich nicht empörten und nicht vorhatten, sich für meine Behandlung und den Skandal zu beschweren. Ich konnte es nicht fassen und war erneut am Boden zerstört, fühlte mich nach dem Verlassensein in diesem Heim nun von meinen Eltern zu Hause verlassen, die förmlich desinteressiert waren, was mir passiert war.
Ich dachte, dieses Trauma gut weggesteckt zu haben, und ich war heute nach 57 Jahren sehr erstaunt, dass dieses Leid so sehr in mir hochkam, als ich im Internet davon las, dass dies kein Einzelschicksal von mir war, sondern eine Kinderquälerei sonders gleichen in weit mehr als 1.000 derartiger „Heime“ in Deutschland, dass mir die Stimme zitternd wegblieb, die Tränen liefen und mir erstmal ein Kaffee zur Stärkung angeboten wurde, wo ich mich gerade zu Besuch befand.
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Silke Balsser aus Pohlheim schrieb am 22.05.2023
Möchte gerne meine Kindheit aufrecht halten wer war zu diesem Zeitpunkt auch dort
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Julia N. schrieb am 20.05.2023
Ich habe keine Erinnerungen mehr über diese Zeit. Ich war 6 und davor und auch danach ist alles weg.
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Andrea Gellert aus Dresden schrieb am 19.05.2023
Auf der Suche nach Informationen zu meinem Kuraufenthalt bin ich auf diese Seite gestoßen. Ich habe noch ein Foto und einen Brief (mit Anschrift Bad Kösen, Gruppe 3) vom Kindergarten an mich sowie eine gebastelte Mappe aus dieser Zeit. Ich war damals 6 Jahre, Vorschulkind. Es war wohl bereits der zweite Aufenthalt dort. Der erste Aufenthalt ist aus meinem Gedächtnis weg. Ich erinnere mich, dass ich bei Ankunft von einer Erzieherin an den Haaren gezogen wurde und sie meinte: "Bist du auch wieder da!" Meine Mutter hatte mir versprochen, dass sie mich nach 3 Tagen wieder abholt. Ich fragte eine Erzieherin, ob die drei Tage vergangen sind. Dies beantwortete mir die Erzieherin mit einem höhnischem Lachen und sagte: "Drei Tage, nach sechs Wochen kommst du wieder heim!" Ich war sehr unglücklich und hatte Heimweh. Weiterhin habe ich nur fragmentierte Erinnerungen an diese Zeit. Ein großer Schlafsaal und das ich ständig Angst hatte. Heute fällt mir ein, dass ich unsichtbar sein wollte. Nachts durften wir nicht auf Toilette gehen. Ein Mädchen wurde kalt geduscht und hat laut geschrien. Das machte mir sehr Angst. Eine Erzieherin, die mir sagte - auf den Blick in den Wald/Burg? den man aus dem Fenster sehen konnte - dass da ein Bär schläft (ich meine die Wälder ergaben schemenhaft ein Bild eines liegenden Bären). Ich verbinde zumindest damit keine Angst. Ich erinnere mich an Spaziergänge am Gradierwerk vorbei und an heiße Bäder und nachher warm einpacken. Ich meine, dass ich Fieber hatte und es sehr heiß war. Sonst habe ich keine weiteren Erinnerungen an die Kur. Ich sollte noch ein weiteres Mal dahin fahren, was ich jedoch mit Gebrüll und tobend nicht wollte. Mein Wunsch wurde erhört. Wenn gewünscht, stelle ich gern das Foto zur Verfügung. Ich freue mich, wenn Gleichgesinnte treffe.
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Sehmer Adolf aus Sitterswald schrieb am 18.05.2023
Ich war ender der 50 ziger oder Anfang der 60 ziger Jahre als Kind im Erholungsheim Burg Stauf. Leider fehlt mir jede Erinnerung, Es könnte in Eisenberg in der Pfalz gewesen sein. Ich kann man noch an zwei Namen erinnern: Schwester Libich und eventuell an einen jungen Klaus Siliwanowski. Gibt es jemand der zufällig auch dort war. Mir geht es nur um die Erinnerung die leider komplett fehlt. Ach ja wir hatten oft Völkerball auf der Burg gespielt. Vielen Dank
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Ute Magdeburg aus Köln schrieb am 09.05.2023
Hallo Rosi,
ich heiße Ute und bin in dem Zeitraum, in dem du in Bad Kreuznach warst, ebenfalls im Viktoriastift.
Ich habe noch ein Gruppenfoto.
Damals war ich 5 Jahre alt und habe nicht mehr viele Erinnerungen an diese Zeit, aber ich weiß, dass ich damals sehr viel Heimweh hatte und todunglücklich war.
Bad Kreuznach als Ort ist mir auch total verhasst.
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Friedhelm Venjacob schrieb am 09.05.2023
Ich bin zufällig über das Internet auf dieses Thema gestossen, was dazu führte, dass ich mich ebenfalls an meinen Aufenthalt dort erinnerte: Ich weiß noch, dass ich als 7oder 8 jähriger im Sommer mit einem Pappschild um den Hals und einem winzigen abgeranzten Köfferchen in Gütersloh in den Zug gesetzt wurde. Auf dem Schild stand groß "Köln Hbf" drauf. Irdendwie wurde man in Köln aufgegabelt, damit es mit einem Bus in das Ferienheim weitergehen konnte. (Eigentlich hatte ich mir unter Ferien etwas anderes vorgestellt). Alles in allem habe ich das Heim nicht in sehr guter Erinnerung, da dort Zwänge herrschten, die so nicht kannte. Zuhause lief bei uns so einges schief -ist ein anderes Thema- aber dort konnte ich in unserer Siedlung zusammen mit meinem 1 Jahr älteren Bruder größtenteils unbeaufsichtigt herumstreunen und mit den Nachbarkindern spielen.
Die Zwänge im Jagdhaus Stäckel waren das Essen von Hafersuppe, der Gehorsam gegenüber den Tanten und der ganze Rest.
Nach ungefähr einer Woche durfte ich nur noch an der Hand einer dieser Tanten nach draußen, da ich weglaufen wollte; wohin weiß ich nicht mehr, hauptsache weg.
Ich weiß noch dass ich deshalb unter Druck gesetzt wurde, und man mir drohte dass man mich vorzeitig zurück schicken würde, was sehr teuer wäre, wenn ich mich nicht benehmen würde.
Irgendwann sind wir mal am Loreleyfelsen gewesen, das war ganz schön, besonders die Aussicht auf den Rhein.
Kurz vor Ende der "Ferien" gab es ein Sommerfest auf der Wiese unterhalb der Terrasse, bei dem Süßigkeiten an einer Schnur aufgehängt waren, die man mittels hochspringen abreißen konnte. Leider bin ich beim Betreten der Wiese in eine Hummel getreten, die mich stach. Ich bekam deshalb keine Süßigkeiten und humpelte 2 Tage herum. Wenigstens musste ich da nicht mehr an der Hand der Tante laufen.
Die Postkarte, die ich seinerzeit meiner Familie gesendet habe, besitze ich heute noch und glaube auch dass der Text uns mehr oder weniger diktiert wurde.
Wie ich nach Hause gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Es gab nach meiner Rückkehr keine großartigen Erzählungen oder dergleichen. Ich habe einfach da weitergemacht, wo ich sechs Wochen vorher aufgehört habe.
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Jan Henrik schrieb am 08.05.2023
Ich bin im Sommer 1988 mit sechs Jahren in die Kinderklinik im Borntal, Bad Sachsa, verschickt worden. Der Grund war eine Empfehlung vom Amtskinderarzt bei der Schuluntersuchung, weil ich zu unterernährt wäre und sonst die Schule "nicht schaffen" würde. Meine Mutter wollte gerne eine Mutter-Kind-Kur, jedoch war ich dafür schon "zu alt". Für meine Eltern galt die Verschickung als Privileg, was nicht jedem angeboten wurde. Generell hatte die Verschickungskur einen sehr guten Ruf. Natürlich hatten meine Eltern ein schlechtes Gefühl, mich alleine weg zu schicken, gingen aber davon aus, mir mit der Kur etwas gutes zu tun. Besuchen kommen durften sie mich nicht. Anrufen durfte meine Mutter nur einmal in der Woche, immer am selben Tag, zur selben Zeit. Hätte ich nach den Telefonaten Heimweh gehabt, hätte sie nicht mehr anrufen dürfen. Meine Eltern brachten mich zum Hamburger Hauptbahnhof, wo ich von einer Begleitperson, in meiner Erinnerung eine nette Frau, in Empfang genommen wurde. Laut meinen Eltern war ich wohl fröhlich und habe beim Abschied nicht geweint. Zusammen mit zwei weiteren Kindern, zwei Mädchen, sind wir dann von ihr nach Bad Sachsa gebracht worden.

Was ich weis
Nach der Ankunft bin ich in Haus 1 untergebracht worden. Ich kam in einen Schlafsaal am Ende des Flurs im ersten Obergeschoss. Ich lag in einem Bett mit Blick auf die Tür. Diese stand immer offen, ob nachts oder zur Mittagsruhe. Wir durften manchmal Hörspiele hören. Ich weiß nicht mehr, ob das die mitgebrachten Hörspiele von Kindern waren oder ob diese der Unterkunft gehörten. Jedenfalls wurde immer abgestimmt, was gehört wurde. Meistens gewann immer das selbe Hörspiel. Welches das war, daran kann ich mich nicht erinnern (vielleicht war es "Gullivers Reisen"). Ich weiß aber noch, dass das so eine gruselige Stelle hatte. Deswegen fand ich es immer doof. Der Kassettenrekorder stand immer auf dem Flur, damit alle Zimmer die Kassette hören konnten. Außerdem saß dort auch immer eine der Diakonissen und hat aufgepasst, dass Ruhe herrschte.

Ein Kind in unserem Zimmer hat irgendwann immer wieder angefangen zu reden. Das Kind wurde dann aus dem Zimmer geholt und ich glaube in ein Nebenzimmer gebracht. Ich bin mir unsicher ob dort dann die Tür aufgelassen wurde oder nicht. Generell habe ich genau diese Situation nur sehr umnebelt in Erinnerung. Ich bin mir aber sehr sicher, dass einmal ein Kind wegen "Unruhestiftung" zur Schlafenszeit aus dem Zimmer geholt wurde.

Kurz nachdem ich dort ankam, ging mir meine mitgebrachte Zahnpasta aus. Ich hatte noch Kinderzahnpasta der Marke Blendi, welche süß schmeckte und fragte, ob ich davon eine neue bekommen könnte. Das wurde verneint und eine Diakonisse gab mir eine scharfe nach Minze schmeckende Erwachsenenzahnpasta. Ich war total unglücklich, dass ich diese nun verwenden musste. Andere Kinder haben mich auch gehänselt, weil ich noch Blendi verwendete.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich gesehen habe, wie ein anderes Kind im Badezimmer abgeduscht wurde. Eine Diakonisse hat das Kind dabei am Arm festgehalten.

Es gab ein paar Kinder, welche alle eine Art ferngesteuertes Auto hatten. Ich wollte auch so eines und fragte eine der Schwestern, wo es die gäbe. Die Schwester meinte, dass sie einmal mit den Kindern in der Stadt gewesen wären, und diese dort die Autos gekauft hätten. Mir wurde gesagt, dass ich das auch dürfe, wenn wir mal in die Stadt gehen würden. Ich glaube, wir waren nie in der Stadt. Ich bin mir auch unsicher, ob ich überhaupt Taschengeld von meinen Eltern mit bekommen habe.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich mal eine Lokomotive aus Bausteinen gebaut hab. Mein Bruder hatte so eine ähnliche aus Lego und ich habe sie nachgebaut. Ein anderes älteres Kind, sein Name war Ronny, hat mir dann meine Lok kaputt gemacht. Ich war sehr traurig und habe geweint. Ronny's Name ist übrigens der einzige, den ich mir aus der gesamten Zeit merken konnte. Ich hab zwar mit ein oder zwei Kindern regelmäßiger gespielt, aber die Namen weiß ich nicht mehr. Ich weiß auch keine Namen der Diakonissen, geschweige denn von Ärzten oder anderen Bediensteten.

Meine Eltern durften zwar, wie beschrieben, nur einmal die Woche zu einer festen Zeit anrufen, ich kann mich aber nur noch an ein einziges Mal erinnern. Ich musste an dem Tag mit einem anderen Kind die Treppe im Haus immer wieder hoch und runter laufen (warum weiß ich nicht, ich glaube das war irgendeine therapeutische Anwendung). Irgendwann wurde ich dann gerufen, weil meine Mutter am Telefon war. An das Gespräch selbst kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich glaube das Telefon war im Erdgeschoss im Flur und eine der Diakonissen saß während des Gesprächs neben mir. Meine Mutter meinte, dass die Gespräche immer völlig normal gelaufen seien und ich Dinge von der Woche erzählt habe, mich jedoch nie beklagt hätte.

Irgendwann bekam ich auch ein Geschenkpaket von zu Hause. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass da ein Spielzeugauto drin gewesen ist. Dieses fand ein anderes Kind toll und hat es direkt nach dem Auspacken genommen und auf den Boden fallen gelassen, um die "Federung" zu testen. Diese ging dabei kaputt und das Auto fuhr nicht mehr richtig. Ich war wieder sehr niedergeschlagen.

Ich war damals starker Pollenallergiker und im Borntal wurde das erste mal bei mir ein Allergietest gemacht (Pricktest). Ich hatte zwar immer große Angst vor Nadeln, aber vor mir war ein anderes Kind dran und sagte mir, dass der Test überhaupt nicht schlimm sei. Das hat mir die Angst genommen und ich hab den Test recht Tapfer durchgestanden. Ich glaube der Test wurde auf meinem Arm gemacht, könnte aber auch der Rücken gewesen sein. Es hat auf jeden Fall sehr gejuckt.

Wir waren auch mal im Wald spazieren. Dort wuchsen wilde Himbeeren und wir haben davon genascht. Bei der Waldwanderung war es verboten zu rennen. Ich habe das aber trotzdem gemacht und bin direkt hingefallen und hab mir beide Knie aufgeschlagen. Ich weiß noch, dass es sehr stark geblutet hat und ich ein paar Tage Verbände um die Knie tragen musste.

Eines Abends, beim Einschlafen, habe ich mich in mein Bett übergeben. Ich hatte aber Angst das zu sagen. Woher diese Angst kam weiß ich nicht mehr, sie war aber sehr groß. Ich schlief also die ganze Nacht in dem voll gespuckten Bett. Am nächsten Tag wurde das Malheur entdeckt. Ich weiß noch, wie ich am nächsten Tag neben dem Bett stand und gewartet hab, bis eine Diakonisse das Bett neu bezogen hat. Den Rest des Tages musste ich dann allein im Bett verbringen. Irgendwann kam die Putzfrau und hat das Zimmer sauber gemacht. Mit dieser habe ich mich unterhalten und war froh, etwas Gesellschaft zu haben.

Ich wurde auch einmal für zwei oder drei Tage in die angeschlossene Klinik verlegt. Der Grund ist mir nicht mehr bekannt, ich hatte dort aber Durchfall. Meine Eltern wurden auch darüber informiert. Ich weiß noch, dass dieser Aufenthalt für mich wie Urlaub war. Ich hatte ein Einzelzimmer und die Schwestern dort waren sehr nett. Als ich anschließend wieder zurück ins Haus 1 musste, ging es mir nicht gut. Ich hatte Angst und wollte nicht wieder dort hin, habe mich aber nicht gewehrt.

Was ich glaube
Ich kann mich noch dunkel daran erinnern, einmal in einem kleinen Zimmer (das war glaube ich unter dem Dach) mit einem Arzt gewesen zu sein. Was der Grund war oder welche Untersuchung es gab, das weiß ich nicht mehr. Dies ist auch die einzige Situation, an die ich mich erinnern kann, wo ich mit einem Arzt zusammen war.

Ich glaube, dass einmal ein paar Kinder an einem Tisch saßen, und Briefe schrieben. Eine der Diakonissen stand daneben. Ob die Kinder frei schreiben durften oder der Brief diktiert wurde, weiß ich nicht mehr. Aber ich kann mich erinnern, dass ich einmal einen Brief "diktieren" durfte. Ich konnte ja noch nicht schreiben. Meine Mutter glaubt ebenfalls, dass einmal ein Brief von mir zu Hause ankam. Was dort drin stand weiß sie jedoch leider nicht mehr.

Wenn ich an die Diakonissen denke, sehe ich nur das Gesicht von einer vor mir. Es war eine ältere Frau, vielleicht Anfang 60. Sie trug eine Brille. In meiner Erinnerung war es eine sehr strenge Schwester.

Was ich nicht mehr weiß
Ich kann mich leider überhaupt nicht mehr an diverse, vermutlich wichtige, Dinge erinnern. Ich weiß nicht mehr, was es dort zu essen gab. Wie die Mahlzeiten überhaupt vor sich gingen. Ich kann mich nicht erinnern, dort überhaupt nur eine einzige Mahlzeit zu mir genommen zu haben. Außerdem weiß ich auch nicht, ob ich dort jemals geduscht oder gebadet habe. Auch an Toilettengänge kann ich mich gar nicht erinnern. Zudem kann ich mich an keine, bis auf die bereits geschilderten klinischen Anwendungen erinnern. Wenn ich die Geschichten anderer Verschickungskinder lese habe ich das Gefühl, dass ich hier irgendetwas verdrängt habe. Es ist mir unbegreiflich, warum ich mich an solch alltägliche Dinge nicht mehr erinnern kann. In Kombination mit meiner Ur-Angst, die mich beim Anblick von Bildern des Borntal ergreift und den Erfahrungsberichten anderer Verschickungskinder habe ich das Gefühl, erfolgreich etwas verdrängt zu haben.

Danach
Die Rückfahrt vom Heim war, so glaube ich, mit den selben zwei Mädchen und der Begleitperson wie bei der Hinreise. Ich erinnere mich noch, dass es eine vollkommen andere Stimmung als zur Hinfahrt war. Die zwei Mädchen wirkten sehr geknickt. Wir haben auch nicht viel gesprochen. Als wir in Hamburg ankamen und ich meine Eltern auf dem Bahnsteig stehen sah, habe ich angefangen zu weinen. Wir sind dann noch zu einem Spielzeugladen gefahren und ich durfte mir was aussuchen. Es war ein He-Man-Fahrzeug. Ich freute mich zwar darüber, hatte aber eine sehr gedrückte Stimmung in mir. Ich erinnere mich noch, wie ich nach meiner Rückkehr im Wohnzimmer damit gespielt habe und sehr unglücklich war.

Meine Eltern haben keine Veränderung an mir feststellen können. Für sie habe ich mich nach der Kur genau so verhalten wie vorher. Ich konnte mit ihnen jedoch erfolgreich erarbeiten, dass ich vor der Kur immer über alles mit meiner Mutter sprechen konnte und grenzenloses Vertrauen in meine Eltern hatte. Ich habe insbesondere immer gesagt, wenn mir irgendetwas nicht gepasst hat oder es mir schlecht ging. Nach der Kur habe ich das nicht mehr getan. Ich habe mich zurückgehalten mich mitzuteilen wenn es mir schlecht ging und wollte keinen Kummer bereiten. Also blieb ich still. Da jedoch vor der Kur, wenn ich still war, es mir ja gut ging, weil ich ja sonst etwas gesagt habe, gingen meine Eltern davon aus, dass alles gut ist. Ich habe außerdem nach der Kur angefangen lieber alleine zu spielen und nur schwer Kontakt zu fremden Kindern aufbauen können.

Ich bin mit meinen Eltern später noch einmal im Rahmen eines Urlaubs in Bad Sachsa gewesen. Wir haben die alte Kinderklinik aufgesucht, sie muss kurz vorher geschlossen worden sein. Vermutlich waren wir also zwischen Anfang und Mitte der 1990er Jahre dort. Mein Vater sagte mir, dass ich auf dem Weg zur alten Klinik wohl sehr reserviert war und nicht viel geredet habe. Ich habe aber auch keine negativen Dinge darüber erzählt. Es lagen noch Spielsachen in den Gärten um die Häuser. Ich erinnere mich, dass ich ein sehr schlechtes Gefühl beim Anblick meines alten Unterbrinungsgebäudes Haus 1 hatte. An die anderen Häuser dort hatte ich gar keine Erinnerung mehr. Aber Haus 1 hat in mir sehr großes Unbehagen ausgelöst. Ich weis noch genau, welchen Gedanken ich hatte, als ich in der verlassenen Anlage stand: "Wenigstens werden hier jetzt keine Kinder mehr gequält."

Die vergangenen fünfzehn Jahre wurde ich mehrfach wegen Depressionen therapiert. Ich habe diverse Verhaltensweisen an den Tag gelegt (Konfliktängste, fehlende Selbstfürsorge, fehlendes Selbstvertrauen, kein Selbstwertgefühl), welche ich mittlerweile auf den Aufenthalt im Borntal zurück führen könnte. Insbesondere wenn sich bestätigen sollte, dass ich dort noch schlimmere als die bereits geschilderten Dinge erlebt habe, würde ich davon ausgehen, dass dort zumindest ein fruchtbarer Nährboden für die Depressionen in meinem Erwachsenenalter gelegt wurde.

Wenn ich mir heute noch Bilder von meiner Unterbringung ansehe kommen immer wieder negative Gefühle hoch. Angst, Unbehagen, Flucht. Und ein Satz: "Dieses Haus frisst Kinder."

Mein Wunsch
Ich hoffe, durch diesen Bericht Kontakte zu anderen Kindern, welche Ende der 1980er Jahre ins Borntal verschickt wurden, zu knüpfen. Ich möchte Antworten auf meine geschilderten Erinnerungslücken finden. Es fühlt sich einfach so an, als fehlen wichtige Erinnerungen. Falls also jemand zur selben Zeit dort war oder mir Informationen zu den Zuständen zu dieser Zeit geben kann, bitte ich innigst um Kontaktaufnahme.
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Nadine aus Leverkusen schrieb am 04.05.2023
Ich war 6 Jahre alt und wurde gemeinsam mit meinem Bruder für 4 Wochen nach Borkum geschickt. Ich erinnere mich, dass meine Eltern mir erzählten, dass mich etwas schönes erwartet, etwas was meiner Gesundheit gut tun würde. Mein Vater war Angestellter der Bayer AG und das Ganze wurde über die Bayer KK organisiert meine ich .

Ich erinnere mich noch ganz genau an meinen Schlafraum, den ich mit 2 Mädchen teilte. In unserem Zimmer stand ein, aus damaliger Sicht toller Einkaufsladen- anfassen und spielen strengstens verboten! Und ich erinnere mich daran, das mindestens 1 Mädchen kein richtiges Bett hatte sondern eine Klappliege. Jeden Mittag mussten wir uns in die Betten legen und niemand durfte einen Mucks von sich geben. Wir lagen wie Zinnsoldaten da und trauten uns nicht zu atmen. Abends wurde kontrolliert, ob wir Unterwäsche anhatten. Das war auch verboten. Ich habe furchtbar geweint, jeden Abend weil ich so furchtbares Heimweh hatte. Eine Erzieherin gab mir einen Kalender, damit ich jeden Tag den ich geschafft hatte durchkreuzen konnte. Sie hatte ein gutes Herz. Die Heimleiterin, ich glaube sie hieß Frau Mühe hat mir manches Mal eine Ohrfeige verpasst, weil sie mein Weinen nicht ertragen hat. Dann wurde ich von den anderen separiert. Mit meinem Bruder durfte ich keinen Kontakt haben, wir wurden strikt getrennt.

Trinken gab es nur zu bestimmten Zeiten. Beim Mittagessen durften wir nicht trinken. Briefe an meine Eltern wurden kontrolliert, bzw. mir wurde vorgegeben was ich schreiben darf.

Ich war ziemlich mager und gehörte zu der Gruppe die zunehmen musste und jeden Morgen Haferschleim zu Essen bekam. Zu meinem Glück mochte ich das Zeug. Die Übergewichtigen Kinder wurden auf Diät gesetzt. Jeder musste auf die Waage und alles wurde laut kommentiert. Ich weiß noch, dass mir die Übergewichtigen Kinder leid taten. Sie haben uns beim Essen zugesehen und wurden vor allen anderen gewogen. Es gab Kinder, die haben eingekotet. In einem großen Waschraum mit langen Waschbecken wurden diese Kinder vor allen gedemütigt. Sie mussten sich vor allen Kindern ausziehen und ihre Kleidung waschen. Dabei wurden sich über sie lustig gemacht. Es gab einen Jungen, seinen Namen weiss ich nicht mehr. Mit ihm habe ich mich immer versteckt, ich glaube in einem Schrank.
Ich habe aber auch schöne Erinnerungen, an das Wellenbad und die vielen Lieder, die wir ständig gesungen haben.
Leider kann ich sagen, dass die Trennung und das Erlebte große Auswirkungen auf mein Leben hatte/hat. Ich habe als Kind bis ins Erwachsenenalter nie mehr entspannt woanders schlafen können. Auch zu Hause hatte ich lange Zeit Schlafstörungen und habe lange Zeit immer wieder im Schlafzimmer meiner Eltern geschlafen. Ich mag mir nicht ausmalen, wie man mit den Kindern in früheren Jahren in diesen Heimen umgegangen ist.
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Martina aus Oberhausen schrieb am 03.05.2023
Hallo, ich wurde im Sommer 1975 zusammen mit meiner 4 Jahre älteren Schwester Eva für 6 Wochen nach Bad Kreuznach ins Viktoriastift geschickt. Meine Mutter hat uns extra zusammen dorthin geschickt, damit wir nicht alleine sind. Dort angekommen erinnere ich mich sofort von meiner Schwester getrennt worden zu sein, wir durften uns nur einmal in der Woche (ich glaube freitags) für 30 Minuten sehen. Aufgeteilt wurden wir in Altersgruppen nach Vogelarten benannt. Ich meine in der Gruppe der Schwalben gewesen zu sein.
Morgens gab es Caro-Kaffee oder Tee, beides mochte ich nicht. Alternativen gab es nicht. Das Essen musste immer aufgegessen werden. Schreiben konnte ich damals noch nicht, ich erinnere mich aber, dass die Post kontrolliert wurde. Es durfte nur positives geschrieben werden. Zu meinem Geburtstag schickte mir meine Mutter ein Paket mit Süßigkeiten. Alles wurde verteilt. Von meinem Geschenk blieb für mich nicht viel übrig. Einmal die Woche durfte die Unterwäsche gewechselt werden und geschlafen wurde in großen Schlafsälen mit vielen Betten. Es herrschten strenge Regeln die ich befolgte, weil ich Angst und schreckliches Heimweh hatte. Fieber messen jeden Morgen. Auf der Rückreise gab es keine Getränke im Zug, es war Hochsommer und ich hatte schrecklichen Durst. Meine Mutter war damals sehr geschockt darüber, was wir berichteten. Ich habe vieles verdrängt, aber wenn ich nur den Namen Bad Kreuznach höre wird mir übel. Körperliche Gewalt wurde nicht angewandt, aber es herrschte für mich ein liebloses Regiment. Möglicherweise ist das der Grund für die Angst, die ich viele Jahre nicht ablegen konnte, die mich auch heute noch manchmal einholt.
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Susanne Karpinski aus Hamburg schrieb am 03.05.2023
Ich war nach einem 6 wöchigen Krankenhausaufenthalt zur „Kur“ im Kinderheim Linden Au bei Lüneburg. Ich war damals 10 Jahre alt, also muss das. 1958 oder 1959 gewesen sein.
Ich kann mich erinnern, dass wir bei den Mahlzeiten solange sitzen bleiben mussten, bis wir alles aufgegessen hatten , ob wir mochten oder nicht.
Einmal wurde mir so übel, dass ich den Spinat mit Rührei wieder ausspuckte. Die Betreuerin zwang mich dann, solange am Tisch zu sitzen, bis ich das ausgekotzte Essen aufgegessen hatte!!
Abends bekam ich medizinische Sitzbäder. Ein paar Mal vergaßen die Krankenschwestern (?) mich, so dass ich Stunden in dem kalten Raum und dem inzwischen kalten Wasser sitzen musste. Ich habe zwar gerufen aber es kam niemand und irgendwie hab ich mich nicht getraut, allein da rauszugehen.
Wenn wir Postkarten nach Hause zuschrieben, mussten wir immer schreiben, wie schön es dort war und wie gut es uns gefiel. Kein Wort von Heimweh oder den Schikanen, denen man ausgesetzt war.
Ich habe das gut verdrängt aber durch die Berichte Anderer ist die Erinnerung daran wieder sehr präsent.
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Axel Bremer aus Landesbergen schrieb am 02.05.2023
Hallo Sabine, ich war im Winter 1973 im Adolfinenheim, und es war die Hölle. Ich war damals sechs Jahre.
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Brigitte Reinhardt aus Pfullingen schrieb am 02.05.2023
An die Verschickung als Jugendliche (14 Jahre) über die Barmer habe ich nicht viele Erinnerungen. Es war meine 5. Verschickung und letzte Verschickung. Teilweise kann ich mich aber an Ausflüge und eine Tante Frau Haumann erinnern. An negative Erfahrungen, außer die lange Auszeit von zu Hause, kann ich mich nicht erinnern.
Gibt es jemand, der auch in dieser Zeit (Sommer 1977) in diesem Heim war?
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Brigitte Reinhardt aus Pfullingen schrieb am 02.05.2023
Durch die DAK-Studie bin ich auf dieses Thema gestoßen habe begonnen zu recherchieren.
Ich bin von meinen Eltern immer in den Sommerferien nach Borkum und St. Peter-Ording verschickt worden. Kostenträger waren damals die Barmer und die Continental-Gummiwerke, Hannover. Ich war immer untergewichtig und oft erkältet mit Bronchitis. Mein Vater war Kettenraucher !!
Glücklicherweise habe ich keine bekannten Schäden davon getragen, manche Verhaltensmuster irritieren mich allerdings. Auch ich habe so gut wie gar keine Erinnerungen. Ich kann mich nur an diesen grünen Barmer-Rucksack erinnern und dass ich unsägliches Heimweh hatte. An der Wand und in der Ecke stehen ist mir tatsächlich nicht ganz unbekannt. An Bettnässen kann ich mich auch noch erinnern. Aber sonst.... ???
Ich bin mir noch nicht so sicher, ob ich der Sache wirklich auf den Grund gehen soll. Das Erinnerungsgrab in der Seele hat mich sehr gut über die Jahre gebracht. Wer weiß, was ich zu Tage bringe, wenn ich anfange zu graben?? Andererseits habe ich Befürchtungen, dass es mich u. U. einmal später einholt. Reha, Demenz .... ?
Ich hätte nie gedacht, das es mal ein so großes Thema sein wird!!!
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Holger Harms-Bartholdy aus 26655 Westerstede/Neuengland schrieb am 02.05.2023
Ich war im August 1968 als achtjähriger Junge für vier Wochen im Waldhaus Bad Salzdetfurth. Meine Erinnerung an die Zeit und das Haus ist gleich Null und ich frage mich, warum das so ist. Vielleicht finde ich durch Kontakte zu anderen Verschickten aus dem Waldhaus Zugang zu dem, was ich dort erlebt habe.
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Ulrike S schrieb am 01.05.2023
Ich bin im vergangenen Herbst per Zufall (im Zuge einer Google-Suche zu ,Kinderkurheim Pausa‘) auf diese Webseite gestoßen. Zu diesem Zeitpunkt war ich seit ein paar Monaten in Psychotherapie und gerade dabei, meinen Lebenslauf „aufzuarbeiten“. Ich war als 5-Jährige im Oktober 1979 in Pausa auf Kur, habe aber erst wieder an jene Zeit denken müssen, als das Thema früher Trennungsmomente zur Sprache kam. Dazu muss ich außerdem sagen, dass ich nicht in Deutschland wohne und daher die Medienberichte zum Thema Verschickung erst im Nachhinein entdeckt habe.
Ich war schwer erschüttert, als ich die hier vorliegenden Berichte zum Kinderkurheim in Pausa las. Es ist jedoch so, dass ich keine Erinnerungen an jene Zeit habe, was insofern erstaunlich ist, da ich durchaus Erinnerungen an einen Krankenhausaufenthalt im Jahr davor habe. Insofern habe ich mich nicht legitim gefühlt, hier Zeugnis abzulegen. Erst der Bericht von Peggy vom 26.04.2023 (Danke!), die eine ähnliche Situation beschreibt, hat mich nun ermuntert, dennoch ein paar Zeilen zu schreiben. Wie sie erinnere ich mich weder an andere Menschen oder Begebenheiten. Ich habe auch keine Erinnerungen an den Ort oder gar die Fahrt dorthin. In meinem Bewusstsein ist Pausa nur mit der Notwendigkeit des Essens und der Bürstenmassagen verbunden. Auch emotional kann ich zu der damaligen Zeit keine Beziehung herstellen. Allerdings benannte ich nach Aussagen meiner Eltern den Ort danach „Posau“, und es ist auf einmal dieser Name, der ja nun alles andere als schön ist (Po-Sau!), der mich aufhorchen ließ und der vielleicht auf ein bewusstes Verdrängen schließen lässt.
Man darf also spekulieren, dass Fälle wie die von Peggy und mir öfters auftreten, aber natürlich besonders schwer zu erfassen oder zu bewerten sind.
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Daniel Rothensee aus Breitenworbis schrieb am 01.05.2023
Ich war insgesamt 3x jeweils 6 Wochen in dieser Anstalt und 1x 6 Wochen auf Norderney. Insgesamt kam ich also 6 Monate in den Genuß von Kindererholungsheimen.
Wenn ich diese Geschichte in einem Buch verfassen müsste, dann würde ich ihm den Titel “Die Soziopathenfabrik, unschuldige Kinder rein, tickende Zeitbombe raus”, geben.
Entweder begehst du irgendwann in deinem Leben Suizid, oder aber du hast gelernt Schmerzen jeglicher Art zu verstoffwechseln. Du selbst, bleibst trotzdem gebrochen! Am einfachsten geht das, wenn man künftig sein Schmerzempfinden temporär abschaltet und agiert statt reagiert. Das heißt, anderen physische oder psychische Schmerzen zuzufügen, bevor sie es können. Parallel kann man Ängste abventilieren. Dabei aber objektiv und angemessen zu reagieren und die Kontrolle zu behalten ist fast unmöglich. Es gibt ja keinen Kurs oder eine Ausbildung, wie man unter diesen Voraussetzungen Sozialkompetenz behält. Grundlegende Voraussetzungen für soziales Verhalten existieren ja nicht mehr. Wie Vertrauen zu, oder in Menschen. Die Verhältnismäßigkeit ist der schmale Grad, der dich vom Soziopathen trennt!

Mit 4 Jahren, Anfang der 1980er, wurde ich das 1. Mal ins KKH Borntal verschleppt. Mir wurde schweres Asthma von meinem Kinderarzt, Dr. Appelmann aus Duderstadt, attestiert und eine Lungenkur dringend angeraten. Zur Info, ich bin jetzt 45 Jahre alt und ab meinem 16. Lebensjahr, habe ich die ersten verlässlichen Erinnerungen und ab dem Zeitpunkt bis heute, habe / hatte ich keine Asthmaanfälle! Ich habe sogar eine überaus derbe Konstitution. Kein Inhalator, keine Einschränkungen, oder Beeinträchtigungen, keine Allergien, keine regelmäßige Medikamente und ich kann sogar, ohne Sauerstoffzelt Berge hinaufklettern.
Die fragwürdige Diagnose ist der Beginn einer Kette fragwürdiger und mysteriöser Umstände der Kinderverschickung und dem systematischen Horror an sovielen Orten, mit sovielen Tätern! Zufall, oder geplant?

Ich habe letztes Jahr eine Doku über die “Kinder des 20. Juli” gesehen. Als die ersten Bilder von der Einrichtung im Borntal gezeigt wurden, habe ich wie ein Blitzeinschlag, ein so tiefes Gefühl von Panik, Hoffnungslosigkeit und Machtlosigkeit empfunden, daß ich mir nicht hätte vorstellen können. Mir kam es vor, als wenn ich im Vergleich zu diesem Gefühl zuvor niemals Angst gehabt hätte. So überwältigend und real war sie! Also der Begriff wurde neu definiert. Eine so fundamentale Angst, in dieser “Dreifaltigkeit” von Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und vollkommen Ohnmacht! Ich hatte keine Idee warum und war komplett starr, schwitzte und frierte gleichzeitig. Mich beschlich die Befürchtung, das mein Verstand gerade dabei ist, sich zu verabschieden. Immer mehr Bilder wurden im TV gezeigt und genauso blitzartig wusste ich, daß ich diese Gebäude im Fernsehen kannte und schon wußte, wie das Umfeld oder Zimmer aussahen, noch bevor sie gezeigt wurden, was meinen Zustand nicht gerade stabilisierte. Fast gleichzeitig wußte ich auch, daß ich dieser puren Urangst nicht zum 1. Mal begegnet bin. Vielmehr ist sie ein alter, bekannter Weggefährte, aus einer Zeit, an die ich absolut keine Erinnerung hatte!

Ich habe fast 60 Stunden, ohne Schlaf, das abebben dieses Gefühls ausgesessen und krampfhaft versucht mich zu erinnern. Wäre nicht Wochenende gewesen, wäre ich arbeitsunfähig im buchstäblichen Sinn gewesen. Aber ich konnte in dieser Zeit das Internet befragen und immer mehr Filmszenen wurden sichtbar… Der Chefarzt Dr. Kahk (o. Kaak, o. Caak) die Emaillebadewanne im Keller, die “Stirnfliese” im Duschraum, geschmackloser, lauwarmer Haferschleim, der wie Rotz im Mund war (aber nicht der eigene) und den man erst erbrach, um ihn nochmal essen zu müssen, die “Tanten” in ihren blauen Schürzen, die Medikamente, die Untersuchungen, die Schläge, die drakonischen Strafen, die Schmerzen, die Erniedrigungen, die Kinder, die allgegenwärtige Angst. Der Mißbrauch, den man erfuhr, wenn man gezwungen wurde, an einem anderen Kind eine Strafe zu vollziehen, daß diese so verdient hatte, wie man selbst, nämlich nicht ansatzweise.
Einem Kind wurden die Hosen runtergezogen, vor allen anderen erniedrigt und lächerlich gemacht, dann mußte es sich bauchlinks über den Schoß der Tante liegen und alle anderen Kinder mußten ihm der Reihe nach, so fest wie möglich auf den blanken Po hauen, bis alle durch waren und das Opfer weinte. Weinte Es nicht, ging es von vorne los… Manche konnten gar nicht mehr weinen und manche brachten es nicht fertig zuzuschlagen, die mußten dann den Platz mit dem anderen tauschen und der Vorgänger musste zuschlagen, bis der Verweigerer weinte. Weigerte sich derjenige auch, ging es barfuß in den kalten Keller, in die Duschräume. Manchmal wurde man zuvor kalt geduscht, bevor man sich auf zwei bestimmte Fliesen stellen und sich mit der Stirn an eine ebenfalls bestimmte Fliese, an die Wand lehnen musste. So stand der eine auf der einen Seite der Wand und das andere Kind auf der gegenüber liegenden Wand. Eine gefühlte Ewigkeit… Als Kind eine Zeit abzuschätzen ist fast unmöglich, aber danach waren die Füße fast nicht mehr zu spüren und blauweiß und oft mußte man an der Stelle auch an sich herunterurinieren, weil man nicht mehr aufhalten konnte. Wenn auch nur einer gewagt hat, dem anderen zuzuflüstern, wurde derjenige erneut kalt geduscht und ihm wurde erklärt, daß er das seinem Kameraden zu verdanken hat, der sich mit dieser leisen Kontaktaufnahme seelisch etwas wärmen wollte.

Das ist nur ein kleiner Auszug, aus dem pädagogischen Standart-Heilstättenrepartior. Die Familien-Tiefentherapie, ist da schon eher die Kür… Warum die Eltern ihr Kind dahinschickten… weil sie es nicht mehr leiden können, da es daran Schuld ist das Eltern sich streiten und womöglich Mama oder Papa die Familie verlassen, weil ihr Ableger nur Sorgen bereitet und Nerven kostet. Deswegen rufen sie auch nicht an schicken keine Pakete (beides würde zurückbehalten und abgelehnt, um den Heilerfolg nicht zu gefährden). Das wurde so den Kindern eingeredet. Manchmal wurde ein Paket aber doch, jedoch massiv geplündert, weitergegeben, um es als Instrument gegen das Kind zu pervertieren. Druckmittel, oder um Fehlverhalten zu provozieren, oder nur damit man es im nächsten Moment zur Erpressung wieder wegnehmen kann. Vermeintliche Briefe der Eltern wurden vorgelesen, um die Freude über liebe Worte von Mama und Papa in der Einsamkeit zu vernichten, indem der Lügenbrief beschreibt, daß man ein fürchterliches Kind ist, das wenn es nicht tut, was die Tanten sagen, als nächstes und endgültig direkt ins Kinderheim kommt und gar nicht mehr nach Hause.

Die Kreativität in dieser Folter auf allen Ebenen und systematischer Vernichtung des Kindes im Kinde, ist unerfaßbar und ist in keinem Horrorfilm gefühlsecht darstellbar! Selbst mir ringt es noch eine gewisse Bewunderung ab und ich staune immernoch über diese Effektivität in allen Bereichen der “spurlosen” Folter und Zerstörung des unsichtbaren, aber wichtigste, dem Kindergeist- und Seele. Mentale Zerfleischung, untermalt mit einer Sonate spurlosen, physischen Schmerzes. Totaler Verlust von Vertrauen und jedem Sicherheitsgefühl spielen im Duett dazu. Für mich ist es aber seid letztem Jahr eine Kette von Einsichten und Offenbarungen auf die Frage warum ich bin, wie ich bin und wieso ich wurde was ich war. Ein augenscheinlich normaler Mensch, mit einem versteckten Knopf… Wenn man einen entsprechenden Code eingegeben hatte, konnte man per Knopfdruck einen Sardisten, einen Mr. Hide, einen Soziopathen, oder Rachsüchtigen hervorholen, mit selektiver Befreiung von Reue und Empathie und mit einer sehr hohen Schmerztoleranz. Jemand, der auf emotionaler Ebene, je nach Bedarf blinde Flecken erzeugen kann. Wehe dem, der ausversehen auf diesen Knopf kam. Absichtlich hat ihn jedenfalls keiner gedrückt. Von den wenigen, die mich etwas genauer kannten.
Seid über 10 Jahren habe ich meine Traumfrau an meiner Seite und die zwei besten Töchter, die man sich nur wünschen kann, aus erster Ehe. Meine Frau hat mich in diesen Jahren, in so vielen Bereichen therapiert, ohne wahrscheinlich eine Ahnung von dessen Umfang zu haben. Dadurch konnte ich in den letzten Jahren auch ohne meine zurückkehrenden Erinnerungen, zu einem erträglichen Menschen werden. Zwar besteht immer noch eine latente Explosionsgefahr, aber der Zünder wurde viel sicherer verwahrt und eine positive Nutzung der freiwerdenden Energie ist auch möglich. Hätte ich die Erinnerungen zurückbekommen bevor ich meine Frau traf und hätten noch Folterknechte oder Tanten von damals gelebt, hätte ich ihnen sicherlich den Erfolg ihres Tatwerkes in allen Facetten vorgeführt und es ihnen in vollen Zügen erlebbar gemacht, ohne jeglichen Zeitdruck und eventuell Generationsübergreifend. Diese Wut, den Zorn, die Maßlosigkeit der Rachlust und das Verständnis von Schmerz, hätte sie vielleicht beeindruckt. Meiner Traumfrau, meinen Kindern und Jesus Christus verdanke ich es, daß das was restlos zerstört und verloren schien, auferstehen konnte. Vertrauen, Zuneigung, Liebe, Sicherheit, Geborgenheit und ein Weg aus der Einsam- und Hoffnungslosigkeit!
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ilona nass aus Dortmund schrieb am 01.05.2023
Ich war 7 Jahre alt. Es war schrecklich. Ich habe erbrochen und musste es aufessen, stundenlang allein im Speisesaal. Ich hatte Windpocken und wurde allein in einem Raum eingesperrt. Es gab immer Strafen. Noch heute erinnere ich mich mit Grauen an die Zeit. Eine meiner "Erzieherinnen" hieß Fräulein Ohlsen
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Oliver Tollkamp aus Olfen schrieb am 01.05.2023
Ich war im Sommer 1976 für 6 Woche auf Juist im Heim Schwalbennest.Es waren 6 Wochen der Hölle.Ich wurde gezwungen Sachen zu ess die ich nicht mag.Habe ich mich geweigert wurde ich festgehalten und mir wurde das Essen und den Mund gestopft und wenn ich erbrochen habe musste ich das Essen.Weil ich bei der Gesangsrunde husten musste wurde ich den Keller gesperrt und dafür geschlagen.Auch wenn ich nicht essen wollte wurde ich öffentlich gedemütigt und geschlagen.Briefe und Telefonate wurden kontrolliert.Den Heinleiter haben wir Onkel Gert genannt.es war die absolute Hölle für mich .Als ich nach Hause kam war ich völligst traumatisiert ich haben Tage lang in der Ecke gesessen und litt unter Hospitalismus.Warum meine Eltern nichts unternommen haben weiß ich nicht.Ich bin so froh das dieses Thema endlich öffentlich wird .Momentan bin ich in Psychiatrischer Behandlung unter anderem wegen PTBS.
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ullpie aus HH schrieb am 30.04.2023
hm, war wie eine riesen Klassenfahrt. ich war mit einen Mitschüler aus der Grundschule dort, sechs Wochen über die Sommerferien .
das essen war Mist, ach was, das war es überall pfff.
Heimweh? klar, u10 , sechs Wochen weg von zu hause, wen wundert das.
übergrifflichkeiten ? klar, aber n i c h t vom personal!
schulhofstyle, große verkloppen kleine, jedoch nichts was den rahmen staatlichen Schulhöfe sprengen würde, eher andersrum, so what.
positiv war : kein bastel terror, dafür irgendwas mit Tieren, Pferde, Pfauen und Bauernhof kram halt, was schon damals für viele Städter überfällig war.
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Sibylle Braun aus Kenzingen schrieb am 30.04.2023
Ich war im Frühsommer 1971 mit meiner Schwester in Krauchenwies und erinnere mich an eine grausame Zeit. Wir wurden gedemütigt, gequält und für Dinge bestraft, für die man nichts konnte. ....Ich hatte vermutlich die Nase gebrochen, sollte laut Arzt zum Röntgen gebracht werden, das ist aber nie geschehen. Meine Schwester sollte ihr Erbrochenes wieder essen, ich stand daneben. Ich erinnere mich an Kälte, frieren, barfuß auf dem Flur stehen, kaltes Wasser über dem Körper, schreckliche Gerüche, Angst, Horror, Schmerzen, lange, kalte Flure, Fliesen, Speisesaal mit ganz langen Tischreihen, Schwester Richhild, nur nicht auffallen, Zweierreihen, Kasernendrill, laute Befehle, zischende Laute, Tee mit komischem Geschmack, Saft, Schlafsaal, Eisenbetten, Einsamkeit...und mehr. Die Zeit dort hat unsere Kinderseelen gebrochen, unsere Persönlichkeit gab es nicht mehr. Wir leiden bis heute darunter, obwohl wir uns an vieles nur bruchstückhaft erinnern können.
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Christine Heckmann aus Riegelsberg schrieb am 30.04.2023
Prolog : Kinderverschickung 1966 Nordsee!!
‌Irgendwie war eine Unruhe in unserem Haus. Immer Getuschel, aber nichts, was ich später hätte deuten können. Irgendwann ging meine Mutter, mal wieder mit mir zum Arzt, und danach ging das relativ schnell, das ich jetzt immer öfter Gesprächsfetzen mitbekam. "
‌Die kommt jetzt mal weg", oder " nein die muss weg". Ich bin 1960 geboren, sehr spät im Dezember. Ich wurde aber mit meinem Jahrgang 1960 eingeschult. Man nannte das,
‌"Kurzschuljahr". Das hieß in meinem Fall, ich wurde 5Jahre im Dezember 1965 und wurde im April 1966 eingeschult. Ich war mal gerade so 5Jahre und 4Monate alt. Ich ging noch nicht sehr lange zur Schule, konnte aber meinen Namen schon schreiben. Mein Unglück , das ich eine Linkshänderin war, hat mir dann auch in der Schule, jeden Morgen, Prügel beschert. Diese Lehrerin, eine Frau Fischer, hat sich jeden Morgen neben mich gestellt und mir mit dem langen Zeige Stock, auf meine kleinen Hände drauf geschlagen um mir immer wieder klar zu machen, das ich gefälligst mein schönes Händchen zu nehmen hätte . Ich war schon sehr verschüchtert und eher still, ich hatte nämlich auch eine sehr harte Mutter, immer Schläge für alles um dann auch noch in der Schule immer Angst haben zu müssen. Und jetzt hat es angefangen, das ich verstanden habe, das mit den Sätzen, " das die weg muss", ich gemeint war. Nur war mir das Ausmaß nicht genau klar. Ich hatte das Glück, das wunderbare Glück, das wir in einem 4 Generationen Haus gelebt haben, und ich der absolute Liebling von meinem Uropa war. Geliebt, verwöhnt und beschützt. Er hat sich, so gut er konnte, immer vor mich gestellt und mich vor meiner Mutter zu beschützen versucht.
Epilog:
‌Eines Morgens, sind wir alle, also, ich, meine Eltern und auch mein Uropa, mit einem Koffer nach Saarbrücken zum Hauptbahnhof gefahren. Und dort, sollte ich alleine in einen anderen Bus einsteigen. Das wollte ich aber nicht. Ich fing an zu weinen und da bekam ich dann die erste Erklärung was denn hier jetzt passieren sollte. Meine Mutter sagte mir, ich käme jetzt in ein Heim, ich solle dankbar sein, das wäre auf einer Insel. Ich wäre zu dünn und die würden mich gesund machen. Das Wort unterernährt viel ein paar mal, aber damit, konnte ich nichts anfangen. Dann ging das Drama erst los. Ich wurde gezwungen, in diesen Bus einzusteigen. Ich schrie, ich wehrte mich, ich trat um mich und mein Uropa, ist dann zu mir in den Bus gestiegen, um mich zu halten und zu beruhigen. Meine Mutter kam dazu, um ihn wegzureißen. Es war ein absolutes Chaos, mein Uropa rief immer wieder" lass das Kind in Ruhe, lasst sie bei mir". Meine Mutter schrie immer wieder, " nichts da, die kommt jetzt weg". Und jetzt kann ich mich erst wieder richtig erinnern als wir übergesetzt wurden und ich auf einem Schiff war. Mir war tot schlecht, ich hatte schreckliche Angst und war ohne meinen Uropa irgendwo allein auf einem Schiff. Die nächste Erinnerung ist, das wir in einem riesigen Speisesaal ganz viele Kinder waren und wir mussten alle still sitzen. Was genau um mich herum geschah, daran habe ich keine Erinnerung, außer, das uns morgens jemand an den Haaren riss um unseren Kopf nach hinten zu reißen. Dann wurde uns gesagt, das wir Lebertran essen müssen um gesund zu werden. Und diese Prozedur war jeden Morgen die gleiche brutale Art, uns diesen Löffel mit diesem widerlichen Lebertran, einzuflößen. Erinnerungen von Spaziergängen zum Strand und zu einem Leuchturm, von kaltem Wind und der einzigen schönen Erinnerung, ich durfte immer an die Hand, von einer dieser Betreuerinnen. Ich kann mich an Kälte, an Angst, an Verzweiflung erinnern. Ansonsten vom alltäglichen Leben ist nichts in meiner Erinnerung. Bis auf jenen Tag, der sich für immer in meine Seele geschrieben hat. Ich wurde an der Hand gezogen, man sagte zu mir, ich sei krank. Ich müsse für zwei Wochen hier weg. Warum ich mich daran erinnere weiß ich nicht, also zwei Wochen und auch dieses Wort "Quarantäne", war mir keine Begrifflichkeit, aber, das wurde mir bald klar. Ich war noch keine 6Jahre alt und man hat mich, für zwei Wochen, ganz alleine weggeschlossen. Unten an der Tür, war eine Klappe, da hat man mir mein Essen durch geschoben. Ich habe das die ersten Tage, nicht richtig verstanden, aber es wurde mit jedem Tag brutaler. Nichts war mehr wahr, ich war allein, man hat mich einfach weggeschlossen. Niemand hat mit mir geredet, niemanden habe ich gesehen, außer das Geräuch, wenn man mir das Essen durch diese Lucke geschoben hat. Ich weiß noch, das ich den ganzen Tag, neben der Tür auf dem Boden saß , weinte, klopfte, rief, bitte lasst mich hier raus, aber niemand hat darauf reagiert. Dann meine nächsten Erinnerungen, ich war wieder in dem Schlafraum, in dem ich vorher war. Jetzt konnte ich nicht mehr richtig schlafen. Ich habe meine große Zudecke benutzt, um aufrecht zu sitzen, in meinem Bett. Ich hatte Angst zu ersticken, ich konnte mich nicht mehr flach hinlegen. Mein Kopfkissen, habe ich benutzt um mich vor der Kälte zu beschützen. Und ab jetzt gab es jeden Morgen, aufs übelste Geschimpfe, weil ich ins Bett ,Pippi gemacht habe. Ab diesem Zeitpunkt, war ich eine Bettnässerin. Und das war ich danach, eine lange Zeit.
Schlusswort:
‌Jetzt wieder keine Erinnerung, außer das ich irgendwann, wieder Zuhause war. Und vorher, war meine Mutter schon immer bereit zu schlagen, aber jetzt hatte sie einen richtigen Grund. Jetzt habe ich für eine lange Zeit jeden Morgen Prügel und gemeine Worte bekommen, weil ich mich eingenässt hatte. Ich konnte bis fast in mein Erwachsenen Leben, nur sitzend schlafen.
‌Fazit: Kinderverschickung war mein Kindlicher Alptraum.
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Martina aus Niedersachsen schrieb am 30.04.2023
Mit 3 Jahren wurde ich für 10 Wochen zur Kur nach Norderney geschickt. Dort bin ich 4 Jahre alt geworden. Kann sich jemand an ein Heim erinnern, in dem abends gerufen wurde: "Ruhe im Karton und Köpfe zur Wand!"? So bin ich dort eingeschlafen und hatte furchtbare Angst vor der Nachtschwester. Ich glaube, sie wurde "Tante" genannt. Tagsüber habe ich mich vor den weiß bandagierten Kindern gegruselt, weil ich nicht wusste, was mit ihnen los war. Ich selbst war wegen meines Hustens dort. Es gab ein Mädchen, das immer "RRRR-Ripsband" gesagt hat. Sonst habe ich fast alles vergessen, weil ich so klein war oder weil es so furchtbar war, keinerlei Kontakt zu meinen Eltern haben zu dürfen. Bevor ich von der Verschickungskinder-Initiative erfuhr, habe ich in einem Anflug von Trauer und Frustration alle Karten weggeworfen, die mir von Verwandten an das Kinderheim geschrieben worden waren. Ich konnte sie damals alle nicht lesen und später war der Inhalt für mich der blanke Hohn. Jetzt wüsste ich gerne, wo ich war. Meine Mutter war 1978 noch einmal mit mir auf Norderney und wollte das Kinderkurheim besuchen. Ich soll gerufen haben: "Nein, nicht zu dem Haus mit dem grünen Zaun!". Das sind meine einzigen Hinweise. Meine Mutter sagt, sie habe ein ganz verändertes Kind nach Hause bekommen. Besonders auffällig ist meine für immer gebliebene, extreme Schreckhafitgkeit.
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Andreas schrieb am 30.04.2023
Ich war 1967 während der Sommerferien 6 Wochen lang im Kinderheim Warteberg in Bad Sachsa. Ich war 11 Jahre alt, und diese Zeit war die schlimmste meines Lebens.
Heimleiter war Herr Köbrich, ein brutaler und widerwärtiger Verbrecher. Schläge von ihm und den übrigen Erzieherinnen waren an der Tagesordnung, und das für Nichtigkeiten. Beispiel: In einem Brief erwähnte ich, dass es regnet, und kassierte dafür eine Ohrfeige. Unsere Briefe wurden zensiert, damit die Wahrheit nicht bekannt wurde.
Der Zwang zum übermäßigen Essen wurde schon in vielen Beiträgen geschildert. Wir wurden jede Woche gewogen. Wer nicht zugenommen hatte, bekam - natürlich - Prügel. Wir hatten einen Bettnässer in unserer Gruppe, der von Herrn Köbrich auf brutalste Weise misshandelt wurde.
Das regelmäßige Duschritual war eine Qual. Nach dem Waschen musste wir mindestens 10 Minuten unter der eiskalten Dusche stehen bleiben. Mehrfach wurden wir Jungen von Erzieherinnen nackt mit einem eiskalten Wasserschlauch abgespritzt. Auch auf dem Heimgelände gab es eine kalte Dusche, wo wir ebenfalls regelmäßig nackt duschen mussten. An einer Wassertretstelle im Wald mussten wir unbekleidet baden. Herr Köbrich fand offenbar Gefallen am Anblick unbekleideter Knaben.
Unheimlich war auch der Hausmeister. Er hieß "Herr Martsch" oder so ähnlich. Von ihm wurde ich einmal in eine Hütte gezerrt, betascht und geküsst.
Am Ende der "Erholungskur" wurde unsere Jungengruppe dann von einem Friseur heimgesucht, der seine Lehrmädchen im Schlepptau hatte. Diese durften dann an uns das Haareschneiden üben. Das katastrophale Erlebnis wurde dann mit den Worten kommentiert "Die Jungs müssen ja anständig aussehen, wenn sie nach Hause kommen".
Jahre später habe ich das Heim in Bad Sachsa erneut aufgesucht. Leider zu spät, es war inzwischen geschlossen. Ich hätte es ansonsten dem sauberen Herrn Köbrich heimgezahlt.
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Yvonne aus Friedrichsdorf schrieb am 29.04.2023
Ich habe in dem Kinderheim im Alter von 4 Jahren das Lachen verlernt.
Als ich wieder nach Hause kam, hatte ich alles kindliche verloren.
In dem Heim lief vieles schief, aber das Schlimmste war, dass ich jede Nacht von mehreren Jungen, die im gleichen Zimmer geschlafen haben, gequält wurde.
Tagsüber herrschte Drill, es durfte im Speisesaal nicht gesprochen oder gelacht werden.
Alles musste aufgegessen werden.
Ich habe mich vor der Haut auf der Milch geekelt, aber ich durfte sie nicht zur Seite legen.
Im Schwimmbad wurden alle ins Wasser geworfen, egal ob sie schwimmen konnten oder nicht.
Zweimal wurden wir innerhalb der 6 Wochen entlaust.
Dazu mussten wir alle gemeinsam in einen großen Waschraum. Die ganze ‚Zeremonie‘ war demütigend und würdelos.
Jedes Kind musste eine Tafel Schokolade mit ins Heim bringen, aber wir haben kein einziges Stück bekommen.
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MaEu schrieb am 28.04.2023
Ich war als 5 jährige in Bad Wörishofen mit meiner jüngeren Schwester und dann allein als sechs oder sechseinhalbjährige in Berchtesgaden beide Male sechs Wochen.
Auch mich verfolgen die schlimmen Erfahrungen in Form von Flashbacks und anderen Traumasymptomen noch immer. Weil auch ich vor lauter Kummer eingenässt habe und schwere Repressalien in Form von
Demütigungen und Abwertungen erfahren musste (Berchtesgaden)
Ich erinnere mich auch daran, dass ich lange Zeit auf dem dunklen Flur in der Ecke mit dem Gesicht zur Wand stehen musste, weil wir - ich und meine Schwester im Bett noch geredet haben. Ich habe auf dem zugigen Flur in dem dünnen Schlafanzug und mit den nackten Füßen fürchterlich gefroren und war irgendwann völlig übermüdet und erschöpft und durfte nicht ins Bett. Habe ich mich auf den Boden gehockt, weil ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, wurde ich bestraft, in dem ich richtig grob hoch gerissen wurde und wieder auf die Beine gestellt wurde. Das ging stundenlang so, bis es absolut gar nicht mehr ging. Was dann war, weiß ich nicht mehr (Filmriss). Wir mussten uns in der Reihe aufstellen und uns wurde sehr grob ein Teelöffel Honig gewaltsam bis in den Rachen geschoben.
Ich sehe noch heute das Bild vor mir, mit dem schreienden Mädchen, die mit 2 Frauen festhalten wurde und wie sie fürchterlich würgen musste. Sie schrie und schrie und schrie, während ihr Gewalt angetan wurde. Sie stand in meiner unmittelbaren Nähe und ich musste alles mit ansehen. Es war fürchterlich, weil so grausam! Ich
war derart eingeschüchtert und erstarrt, dass ich mich nicht gegen diese Gewalt gewehrt habe. Es wurden Befehle erteilt, denen ich mich nicht im geringsten getraut habe zu widersprechen oder etwas entgegen zu setzen!
Als einer der Folgen habe ich den sogenannten Bambi Reflex( Fawn Response) entwickelt den ich gerade mühsam versuche unter therapeutischer Aufarbeitung abzulegen. Ich habe emotional so fürchterlich gelitten und deshalb eine dissoziative Störung und ebenso eine bis heute anhaltende schwere Essstörung entwickelt, die zuhause auffällig war und nicht richtig eingeschätzt wurde. Ich esse noch heute zwanghaft zu viel und zu schnell und habe deshalb schwere Verdauungsprobleme und eine krasse sehr ausgeprägte Essstörung entwickelt, die bis heute andauert.
Je mehr ich mich angestrengt habe, lieb und gehorsam zu sein, desto schlimmer habeich dissoziiert, bis sich das alles verselbstständigt hat. Ich bin jetzt gerade dabei, das mühsam in einer traumaorientierten Psychotherapie aufzuarbeiten, weil das Gefühl falsch zu sein tief sitzt. Zuhause wurden mir diese Erfahrungen abgesprochen, mit dem Satz: " Das war ganz bestimmt nicht so, du schwätzt dummes Zeug." Seit dem habe ich Schwierigkeiten, meine Wahrnehmung zu vertrauen.

Schlimm und schmerzhaft zu erkennen und zu fühlen wie sehr man der schwarzen Pädagogik durch die Nonnen, den alten Medizinern (Ärzt/Innen in den Kurheimen) schutzlos ausgeliefert war. Es geht mir nicht gut und ich kann die schmerzhaften Erinnerungen kaum aushalten.
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Sabine Boldt aus Berlin schrieb am 28.04.2023
Verschickung 1964

Als vor einigen Tagen die Studie der DAK zum Thema „Verschickungskinder“ in der Tagesschau vorgestellt wurde, war ich augenblicklich emotional sehr stark angesprochen.
Auch mir ist dies passiert und ich dachte die meiste Zeit meines Lebens, dass es ein Einzelfall war. Eine Recherche auf der Website „Verschickungskinder.de“ beweist jedoch das Gegenteil.
Auch wenn ich nun schon 65 Jahre alt bin, man meinen könnte, dass das Erlebte ja gut verarbeitet sein müsste, gerate ich bei diesem Thema immer noch „aus den Fugen“.
Es war traumatisierend und das durch und durch.

Hier ist meine Geschichte aus dem Jahr 1964.

Nach der Geburt meiner Schwester entschieden meine Eltern, dass sie einen Sommerurlaub in Dänemark machen wollten.
Aufgrund der Tatsache, dass sie wahrscheinlich nur wenig Platz im Fiat 600 hatten, wurde die Reise nur mit meiner halbjährigen Schwester, meinen Eltern und meiner Oma durchgeführt.
Ich war gerade sechs Jahre alt geworden und Ostern in die 1. Klasse eingeschult.

Aufgrund von Hautallergien befanden meiner Eltern, dass ich in meinem Alter auch schon alleine verreisen könnte. Hier wurden augenscheinlich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Mir wurde erzählt, dass ich ja schon groß sei und mit vielen Kindern den ganzen Tag spielen könne. Sie meinten es tatsächlich bestimmt gut, aber ich war erst sechs Jahre alt und gerade große Schwester geworden.

Worüber die Reise organisiert wurde, weiß ich nicht genau. Ich vermute, dass mein Vater als Siemens-Mitarbeiter von dort aus Angebote nutzte.

Die Reise ging mit einem Bus nach St. Peter Ording und dauerte ganze SECHS Wochen.

An das Heim habe ich nur die Erinnerung, dass es ein altes hohes Haus war, irgendwo in der Nähe zur Nordsee.

Andere Dinge erinnere ich jedoch gut.

1. Das Essen musste IMMER aufgegessen werden, egal ob es mir schmeckte oder nicht.
Bis heute kann ich keinen Fisch essen und auch Haferschleimsuppe, die es jeden morgen gab, verabscheue ich noch immer zutiefst.
Die Erinnerung, dass ich zumindest an einem Tag aufgrund von Mehlklümpchen in dieser Suppe einen Brechreiz bekam, mich in den Teller erbrach, sitzt tief.
Ich musste dieses Erbrochene nämlich aufessen. Alle Kindern durften schon aufstehen und spielen gehen, ich musste allein so lange am Tisch bleiben, bis ich fertig war.

2. Ich hatte IMMER Heimweh und enorme Sehnsucht nach meiner Mutter. Sie zu erreichen war unmöglich. Ich wäre gerne abgholt worden, völlig ausgeschlossen. Meine Mutter erzählte mir später, dass sie immer dachte, dass ich glücklich war.

3. Irgendwann wurde ich krank. Ich wurde isoliert auf den Dachboden. Stunden- und wahrscheinlich auch tagelang war ich dort allein, einfach ganz allein. Nur eine junge Frau kam, um sich meiner anzunehmen, mich zu versorgen. Sie war nett und sie ist meine einzig gute Erinnerung.

Nach sechs Wochen war das Martyrium vorbei und ich glücklich wieder mit meiner Familie vereint.
Einige Wochen nach der Verschickung pellten sich mir die Handinnenflächen.
Dies erzählte mir meine Mutter später. Ein Kinderarzt diagnostizierte Scharlach, was mir im Nachhinein die Isolierung erklärte.
Hier kommt natürlich der Verdacht auf, dass ich isoliert werden musste, um eventuell eine Meldung ans örtliche Gesundheitsamt zu vermeiden. Es drohte eine Heimschließung oder ähnliches, wer weiß das schon?

Meine Mutter bereute die Verschickung zutiefst. Dies ist in vielen Gesprächen später deutlich geworden. Sie wurde nie über meine Erkrankung informiert. Sie wusste auch nichts von meiner Isolierung und es blieb ihr nur übrig ihrem Kind zu glauben.
Ich glaube, sie tat es. Sie beteuerte immer, dass sie selbst unter der Trennung von mir gelitten habe und mich sofort abgeholt hätte.

Die Wunden des Traumas heilten zwar im Laufe der Jahre, dennoch bleiben Ängste zurück, die selbst heute noch manche Situationen schwer beeinflussen.

Danke, dass ich meine Geschichte erzählen durfte.
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Michael schrieb am 28.04.2023
Im Sommer 1975 wurde ich zusammen mit meinem vier Jahre älteren Bruder als Neunjähriger nach Glücksburg ins Kinderheim St. Ansgar verschickt.
Wir wurden von Beginn an konsequent voneinander getrennt. Im Heim herrschte eine Atmosphäre der Angst und Gleichgültigkeit. Ich wurde von einem verhaltensgestörten Jungen regelmäßig gedemütigt und geschlagen - die Heimfräuleins hat es nicht interessiert. Ich habe mich völlig einsam und verlassen gefühlt, hatte schreckliches Heimweh. Die traumatischen Erlebnisse habe noch heute glasklar vor Augen. Die Betreuerinnen hießen Fräulein Gaul und Fräulein Többen. Wie ich recherchieren konnte hat das Heim noch 1987 existiert.
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Sven Kaulfuss aus Bad Homburg schrieb am 28.04.2023
Hallo mein Name ist Sven geboren 1970. Ich wurde im Zeitraum 1977-1979 6 Wochen nach Norderney verschickt. Zusammen mit meinen beiden Klassenkameraden dachte meine alleinerziehende Mutter wohl das es mir gut tun würde. Habe sehr wenige bis keine guten Erinnerungen an die Zeit. Alles beschriebene bzgl. Essen, Schlafen, Ruhezeiten, Beten, Maßregelungen und Züchtigung, etc kann ich teilen. In Erinnerung blieb mir ein Mittagessen bei dem mir eine Gräte im Hals stecken blieb. Leider hatte ich mein Glas bereits ausgetrunken und es gab kein zweites. Da ich nach Luft hechelte schnappte ich mir irgendeines und wurde dann gemaßregelt. Meine Mutter schickte ein Paket mit meinem Lieblingsstofftier und Süßigkeiten nach. Dieses wurde in großer Runde mit Gelächter ausgepackt. Stofftier an mich Rest an die Gemeinschaft. Ein Spaziergang zum Leuchtturm war sicher ein Highlight - leider mußten wir dies in voller Montur erledigen während andere Kinder mit Ihren Eltern am Strand spielten und badeten. Nach 6 Wochen kam ich mit Scheitel und bis oben zugeknöpft nach Hause und als Begrüßung gab es ein „Guten Tag Mutter“. Das erlebte dort oben war nie positiv und meine Mutter hatte immer Gewissensbisse aber wir haben versucht das beste aus der Situation zu machen. Es verwundert mich allerdings bis heute das ich so wenige Erinnerungen an die Zeit und meine Kindheit habe. Ich freue mich sehr über diese Art der Aufarbeitung und vielleicht gibt es ja Leser die ebenfalls in der genannten Zeit aus dem Hochtaunuskreis nach Norderney verschickt wurden - wäre schön ein wenig Licht ins dunkle zu brigen.
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Fanny schrieb am 27.04.2023
Bis ich heute einen Artikel in unserer Tageszeitung über die Verschickungskinder gelesen hatte, dachte ich, ich habe ein Einzelschicksal / Einzeltrauma…..
Nachdem ich aber hier einige Artikel gelesen habe, mich in vielen wieder gefunden habe, möchte ich auch meine Erinnerungen los werden und vlt. ein Stück Traumabewältigung machen.

Ich war im Dezember 1977 mit 5 Jahren aufgrund einer Stoffwechselstörung und geringem Gewicht zusammen mit meinem Freund im gleichen Alter auf Langeoog in Kur. Verschickt wurden wir alleine mit dem Zug. Versprochen war, dass wir zusammen in ein Zimmer kommen, aber bereits nach der Ankunft wurden wir getrennt. Für mich als extrem schüchternes Mädchen war dies schrecklich. Ich wurde im unteren Stock, er im oberen untergebracht In meinem 4er Zimmer gab es ein Zwillingspaar. Gemein fand ich, dass der Junge unten bei uns Mädchen sein durfte. Ich litt schrecklich unter Heimweh (interessierte niemand) und beim regelmäßigen Schreiben der Postkarten, schrieben die Betreuerinnen, dass es mir sehr gut gehe und es mir gefällt. Meine Mutter glaubte das natürlich.
Die schlimmsten Erinnerungen habe ich allerdings zu den täglichen Essenszeiten. Als schmächtiges untergewichtiges Kind, natürlich auch sehr wählerisch beim Essen, bekam ich immer einen großen Schöpfer auf meinen Teller und den musste ich aufessen, egal ob ich das Gericht möchte oder nicht. Es stand immer eine Betreuerin in meiner Nähe und passte auf. Ein vorzeitiges Beenden gab es nicht. Notgedrungen aß ich auf bzw. würgte das Essen hinunter ….. und danach erbrach ich mich quer über den Tisch, ich glaube täglich. Man schimpfte mit mir, schickte mich zum Waschen, Zähneputzen und zum Mittagsschlaf. Ich fühlte mich so gedemütigt und traurig.
Meinen Freund sah ich täglich im Speisesaal am anderen Ende sitzen, er winkte mir immer. Kontakt zu den Jungs gab es nicht, alles war nach Geschlechtern getrennt.
Wöchentlich kam der Arzt und wir mussten in den oberen Stock ins Behandlungszimmer zum Wiegen usw.
Ausflüge zum Strand gab es auch, aber für mich gab/gibt es keine einzigste Situation, die ich positiv in Erinnerung habe. Ich weiß nur, dass ich in der letzten Nacht mein ganzes Bett verbrochen habe und bei den anderen Kindern dann am Fußende lag.
Von meiner Mutter weiß ich, dass ich mit völlig verschmutzten Kleidern heim kam und so gut wie keine Kleider aus meinem fast unbenutzten Koffer gebraucht hatte. Ich war quasi völlig verwahrlost. Als Positives blieb für meine Mutter zurück, dass ich danach keine Stoffwechselstörungen mehr hatte. Abgesehen von dieser Kur hatte ich eine sehr glückliche Kindheit mit vielen schönen Erinnerungen.
Der Kuraufenthalt war nie ein großes Thema in meinem Leben.
Jedoch zieht es mich bis heute nicht an die Nordsee zu den ostfriesischen Inseln und wenn im Fernsehen ein Bericht über die Inseln kommt, laufen mir einfach die Tränen. Bis vor wenigen Jahren fiel es mir auch schwer darüber zu sprechen und auch heute noch bin ich beim darüber Reden/Schreiben emotional sehr ergriffen. Bei einem Besuch vor ein paar Jahren am gegenüberliegendem Festland hat mich ebenfalls die Vergangenheit eingeholt. Ich kann die Gefühle diesbezüglich bis heute nicht steuern.
Ansonsten leide aber nicht unter diesem Trauma, sofern ich nicht an die Nordsee „muss“
Zum Schluss danke fürs Lesen meines Artikels. Ich sehe ihn als einen weiteren Punkt im Thema Traumabewältigung und hoffe, dass ihr anderen auch Kraft schöpfen könnt, wenn ihr seht, dass ihr nicht alleine dieses Schicksal tragt.
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Peggy Kania aus Angermünde schrieb am 26.04.2023
Ich war den ganzen August 1976 in Pausa zur Kur. Dort sollten Kinder hin, die zu dünn oder schlechte Esser waren. Ich war niemals in meinem Leben dünn und laut meiner Mutter war ich dort, weil noch ein Platz frei war (sie war wohl in der betrieblichen Vergabekommission FDGB, Soziales).
Seit sehr vielen Jahren treibt mich um, dass dieser August 1976 in mir komplett vergraben ist. Als Erinnerungen kann ich sagen, dass ich eine alte Villa umgeben von großen Bäumen in einer parkähnlichen Anlage vor Augen habe. In einem düsteren und ungemütlichen Speisesaal gab's Essen. Ich erinnere mich einzig daran, dass ich viel Butter essen musste und diese über Jahrzehnte gemieden habe. In eben diesem Saal saßen auch alle Kinder und jedem Einzelnen wurden die Finger- und Zehennägel geschnitten.
Ich war 7 Jahre alt, wurde am 1. September eingeschult, kann mich an meine Kindergartenzeit erinnern, an meinen Geburtstag am 31. Juli (also die Kur war genau zwischen meinem 7. Geburtstag und meiner Einschulung), aber die Kurzeit ist komplett "weg". Das macht mir Angst! Während einer Therapie wurde mir gesagt, dass die Erinnerungen alle da sind, irgendwann auftauchen und eventuell zum Selbstschutz ausgeblendet werden.
Seit mehreren Jahren leide ich an Depressionen, bei sonst glücklich verlebter Kindheit. Glücklich allerdings machten Ferienlager mich nicht. Da wollte ich nicht hin und nicht sein und ich kann mich erinnern, dass ich so sehr geweint habe, dass meine Eltern kommen mussten. Meine beiden Schwestern waren ebenso mit im Ferienlager und beide hatten nie Probleme damit, nicht zu Hause zu sein. Ich war bis zur Pubertät quasi am liebsten an der Seite meiner Mutter. Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen wurden mir, so denke ich heute, in Pausa genommen. Ich hoffe inständig, dass ich irgendwann an meine Erinnerungen gelange, um mein Ich verstehen zu können.
Wie gesagt, kann ich nichts zu all den anderen Räumen, Abläufen und Gegebenheiten erinnern. Ich habe auch kein Gesicht von Kindern oder Betreuern vor Augen, auch kann ich mich nicht an Post oder Spielzeug erinnern!
Geht es noch jemandem so?
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Anne aus Norderney schrieb am 26.04.2023
Ich war im Winter 1980/81 auf Norderney. Ich war in der 1 Klasse, Schulunterricht gab es nur Mittwochs meistens fiel er aber aus, Die Lehrerin war sehr nett und jung. Spazieren in Zweierreihen, viel Warten nackt auf dem Flur, nackt ums Haus Laufen im Schnee, Blutwurst, gültige Geschichten aus Was ist Was Bücher Dinosaurier wurden vorgelesen man musste dableiben und zuhören im Dunkeln, zugeteilte Kleidung, eincremen mit Melkfett und dann den Schlafanzug an, kein Besuch, keine Telefonate, Buttermilchsuppe, meine Bettnachbarin Cordula mit dicken blonden Haaren und Bussi Bär ein kleiner dünner immer kranker Junge der ach da war als ich kam und noch immer da war als ich drei Monate später ging, das sind die Dinge die ich erinner.Man wartete nackt auf dem Flur um in einer riesigen Wanne zu baden die Zeit wurde gestoppt das Wasser war für alle Kinder das gleiche. Man musste ständig Fieber messen, eigens Spielzeug wurde in Schränke gepackt auch die Kleidung da kamen wir gar nicht dran. Nachts haben viele Kinder geweint. Ich habe keine schönen Erinnerungen außer vielleicht an Cordula die mich getröstet hat und die nette Lehrerin die ich viel zu selten sah.
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BETTI aus Berlin schrieb am 26.04.2023
Ich besuchte Wennigstedt im Rahmen einer Kinderverschickung.
Ich war solch einen schädlichen Umgang nicht gewöhnt.
Ich kann mich noch an wenige Ding erinnern, zum einen wurde ich stets gezwungen mein Essen aufzuessen, unter Tränen saß ich da und musste achten, mich nicht zu übergeben. Gleichzeitig hatte ich Angst, dass eine Pflegerin füttert und das natürlich brutal mit Nase zuhalten. Eckelhaft. Da ich zuvor noch nie Margarine aß, nur Butter, wurde mir stets schlecht. Graubrot mit Margarine. Ich kann das bis heute nicht essen.
Ich habe ein Kinderbild, aufgenommen genau nach der Reise. Ich war stets ein schlankes Kind mit feinen Gesichtszügen, aber auf dem Bild erkenne ich mich kaum, geschwollenes Gesicht und eine fette Griebe an der Lippe. Einfach schrecklich.

Desweiteren wurden Postkarten unter dem stengen Blick der Pflegerinnen gemalt. Obwohl ich schon etwas schreiben konnte, durfte ich nicht. Wenn ich Regen malen wollte, zwang man mich zur Sonne. Leider war mein Code, den ich mit meiner Mutter vereinbarte, aufgedeckt worden.
Pakete der Eltern wurden geöffnet, gezeigt und an alle verteilt, was mir nicht so sehr leid tat. Grund der Verschickung war, dass meine Mutter jung geschieden war, mein Vater viele Jahre erfolglos ums Sorgerecht kämpfte und das Jugendamt ab und zu auf der Matte stand und rat, dass ich unter Kinder müsste. Ich war von der Vorschule befreit, da ich bereits mit 4 Jahren lesen und rechnen konnte. Die Schulärztin sagte, das Kind würde sich in der Vorschule langweilen. Hat lange gedauert, bis das in den Kopf der Jugenamtdame ankam.
Die Postkarten an die Mutter, durfte ich nicht beschriften, das war den Damen zu viel. Wenn ich darüber nachdenke und oft nachdachte, möchte ich den Umgang mit den Kindern durch die Erzieherinnen mit einem Zuchhaus vergleichen. Wer weiß, wo diese Damen früher einmal als Aufseherinnen vor 1945 tätig waren. Ich möchte nichts unterstellen, aber die Umgang war schlimm.
Meine Familie hatte sich nach meiner Rückkehr schriftlich bei den zuständigen Behörden beschwert und mit RA gedroht. Auch den Vergleich gezogen, wo diese Damen wohl einzuordnen seien. Denn so geht man mit Kindern nicht um. Von da an hatte meine Mutter Ruhe, damals traute man einer jungen Frau ein erfolgreiches Leben als Geschiedene Mutter nicht zu.
Bemerken möchte ich, dass die Kinder auf mich fast alle apathisch wirkten, als hätte man ihnen den Willen gebrochen oder etwas ins Essen getan.
Ich habe auf jeden Fall nie mehr so viel erbrochen, wie auf dieser Fahrt.
Tägluch bat ich darum meine Mutter zu kontaktieren, da ich abreisen wollte. Meine Mutter sagte mir, wenn was ist, hole ich dich sofort ab. Daraus wurde nichts, ich durfte nicht einmal meine Mutter überhaupt anrufen. Da ich das aus meiner Familie kannte, habe ich schon in dem Alter mit dem Rechtsanwalt gedroht. Vielleicht hat man mich deshalb nicht so sehr gequält wie andere Kinder. Ich hoffe, dass kein Kind, solche ekelhaften Erfahrung machen musst. Bei mir ging es mehr ums Essen. Andere Kinder wurden bloßgestellt. Und was ich besonders bedrückend fand, dort herrschte eine düstere und Stille Grundstimmung. Ich komme aus einer sehr lebhaften Familie, in der man viel spricht und viel lacht. Das war ein regelrecht Zombiehaus.
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M.M.G. aus Bad Rothenfelde schrieb am 26.04.2023
Ich war immer ein gesundes, agiles Kind. Als ich 8 Jahre war, meinten die Mitarbeiter*innen der „Werksfürsorge“, dass ich doch mal zur Kur müsse und überredeten meine Eltern zu einer 4-wöchigen Kur über die Knappschaft in Bad Rothenfelde. Das Haus wurde von Nonnen geführt, deren Hauptanliegen es war, Macht über Kinder auszuüben.
Wir mussten in einem großen Saal schlafen, dessen Tür abgeschlossen wurde, so dass wir nicht zur Toilette gehen konnten. Dafür gab es einen Nachttopf. Im Laufe der Zeit machten wir alle ins Bett, weil wir alle Probleme damit hatten, vor allen anderen auf den Topf zu gehen. Damit war das Ziel erreicht, eine konnte Bestrafung erfolgen. Ab dann gab es abends nichts mehr zu trinken, nur noch jeden Abend Zitronensuppe, 4 Wochen lang… irgendwann habe ich diese am Tisch wieder ausgebrochen mit der Folge, dass ich mein Erbrochenes vor allen anderen aufessen musste und zusätzlich geschlagen wurde.
Ich verlor an Gewicht und bekam zusätzlichen Druck, die Suppe zu essen. Am Ende wog ich nach 4 Wochen weniger als zu Beginn.
Zähneputzen nackend in der Gruppe, Unterwäsche durfte nur gewechselt werden, wenn die Nonne es wollte (sowas kannte ich von zu Hause nicht), wer beim Schuhe zubinden nicht schnell genug war, bekam eine Ohrfeige etc.
Bekamen Kinder zum Geburtstag ein Päckchen, wurde dies vor aller Augen konfisziert und verschwand. Post die wir nach Hause schrieben, durfte nur positives enthalten, sonst gab’s Schläge. Post von Zuhause wurde ebenfalls kontrolliert und nicht immer ausgehändigt.
Wieder zu Hause angekommen, wurde mir zunächst nicht geglaubt. Nachdem einem anderen Kind auf Norderney ähnliches widerfahren war, glaubten mir meine Eltern. Ein weiteres Mail musst Ich nicht zur Kur.
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Bettina Lichtenauer aus Buxtehude schrieb am 26.04.2023
Ich war 1985 für 5 Wochen in Alexisbad. Meine Mutter hatte keine andere Wahl, da ich untergewichtig war. Kinder wurden dort misshandelt und gequält. Uns wurden proforma die Haare entlaust. Kinder schrien, da das Zeug in die Augen lief und brannte. Irgendwas muss ich da gemacht haben. Daher durfte ich nie Sandmännchen gucken und musste ins Bett. Zum Essen wurden abends die Namen der Kinder aufgerufen und es musste so lange Stullen gegessen werden, bis die Bleche alle waren. Ein Kind klemmte sich den Kopf im Stuhlrücken ein. Ihm wurde nicht geholfen. Das Kind hat geweint und musste so bleiben, wir haben zugeguckt. Nachts war ich bei einer Frau auf dem Schoss, die vor der Toilette saß. Ich hatte Todesangst, Heimweh und kein Zeitgefühl. Karten wurden vorgstempelt an die Eltern geschickt. Ein Bummi bedeutete lieb und ein Kasper böse. Wenn die Post der Eltern kam, weinte der ganze Saal mit Kindern. Als ich zu Hause in Rostock mit dem Bus ankam, stiegen einige Kinder aus. Der Bus musste dann nur ein Stück vorfahren. Ich habe gedacht, es geht wieder los. Ich hab um mein Leben geschrien. Ich weiß, dass viele Störungen sich danach entwickelt haben, die ich hier nicht öffentlich machen möchte. Bis heute, mit meinen 44 Jahren, trifft es mich und hat mich traumatisiert. Vielleicht bin ich genau deshalb Erzieherin mit Herz und Seele geworden. Ich verfluche Alexisbad.
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Peter Rudolf aus Ingelheim schrieb am 26.04.2023
1973 auf Borkum bei einer „Frau Schiller“. 6 Wochen der blanke Horror. Pakete von Zuhause wurden geöffnet, Inhalte verteilt. Briefe nach Hause komtrolliert, wg. Schreibfehler wirde ich vor allen Kindern lächerlich gemacht. Haferflocken mit Wasser, Jungs mussten in Eimer pinkeln, Mittagsschlaf von 13:00-15:00 Uhr … Harte Zeit.
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Verena Zellweger aus Langnau, Schweiz schrieb am 23.04.2023
Als ich noch keine 5 Jahre alt war, wurde meine Mutter als sie mit mir spazieren ging öfter angesprochen, dass ich ja ein süsses kleines Mädchen sei, aber so dünn und ob mir meine Mama nicht genug zu essen geben würde. Das triggerte sie natürlich als klassisches Kriegskind, welches selbst die Kinderlandverschickung erlebte. Zudem wollte man in den Nachkriegsjahren gern seinen neuen Wohlstand kundtun (und das war meinen Eltern aus gutem Mittelstand sehr wichtig). Da ging es natürlich gar nicht, dass das eigene Kind «unterernährt» aussah. Mein Kinderarzt in Erkrath (b. Düsseldorf) verordnete dann die «Kinder-Kur». Angeblich litt ich auch an azetonämische Erbrechen (Stoffwechselreaktion aufgrund von zu viel Säure und Unterzuckerung, die Appetitlosigkeit auslöst – klar wollte meine Mutter mir da helfen mit der «Kur»). Wenn ich mich recht erinnere, traten diese krampfhaften und heftigen Brechattacken (2x/Jahr) aber erst nach der «Kur» in Bad Orb auf und zogen sich hin bis sie sich mit 15 auswuchsen. Warum ich denke, dass diese Brechattacken erst nach der Kur kamen: erstens tritt diese Körperreaktion oft in Zusammenhang mit psychischen Belastungssituationen – was diese «Kur» definitiv war - auf oder aufgrund von Infekten, die ich als Kleinkind öfter hatte. Resultat war, dass ich bis zu meinem 13./14. Lebensjahr öfter allein im Spital am Tropf lag, damit ich nicht dehydrierte wegen der Kotzerei. Auch kein Spass.
Nun aber zu dieser «Kur» die gar keine war – jedenfalls nicht in dem Sinne, wie man sich eine Kur vorstellt.
Meine Eltern haben die Gelegenheit genutzt, gleich selber in Bad Orb – also in unmittelbarer Nähe zu meiner «Kur»-Stätte eine Badekur zu machen. An die Anreise kann ich mich nicht erinnern. Ich glaube aber, dass es ein Bild gibt, wo ich mit Kindern zu sehen bin, die mir unbekannt sind. Gewundert habe ich mich später immer, warum mich meine Eltern nie besucht haben. Aufgrund der Infos, die ich nun habe ist klar, dass dies nicht zum «Kur»-Reglement gehörte. Sie haben mir aber geschrieben und Esspakete gesendet, von deren Inhalt ich nichts bekommen habe. Mein Zimmer – und das ist ungewöhnlich, wenn ich die anderen Berichte lese – war ein Einzelzimmer. An dieses kann ich mich sehr gut erinnern, da mein Bett mit Blick auf ein kleines Fenster an der rechten Seite eine Wand hatte und auf der Linken konnte ich in einen schlauchartigen kleinen fensterlosen Raum sehen, in dem sich öfter eine Aufseherin aufhielt. Sie bastelte Hampelmänner aus Filzscheiben, wovon mir einer versprochen wurde, wenn ich immer schön lieb und brav sei. Dieser Hampelmann war mein Lichtblick und natürlich wollte ich alles dafür tun, ihn zu bekommen. Das ist mir aber nicht gelungen – wie auch in einer solch lieblosen Atmosphäre ohne Trost und Zuspruch, ohne die geliebten Eltern in einem fremden Bett und als schüchternes Mädel unter sooo vielen fremden Gesichter. Ich habe (fast) jede Nacht ins Bett gemacht – und nicht nur «klein» sondern Durchfall. Zu Hause war ich bereits seit dem 3. Lebensjahr «sauber» - in der «Kur» überkam es mich in der Nacht als ich schlief und es nicht gemerkt habe. Es passierte einfach. Der essigscharfte Geruch meiner Exkremente ist mir bis heute präsent geblieben und immer, wenn ich etwas ähnlich toxisches rieche, bin ich wieder vor Ort und habe das Bild vor mir, wie ich allein im versifften Bett liege. Nun könnte man ja annehmen, dass sich die Aufseherinnen in Nonnentracht in christlicher Manie mit mir kleinem Würmchen erbarmen würden. Weit gefehlt: sie waren verärgert über so viel Boshaftigkeit von mir, ins Bett zu machen. Sie zerrten mich mit Gummischürze bekleidet aus dem Bett und ich musste so wie ich war nackt, verängstigt, verschmiert und stinkend über kalte Flure und Treppen gezerrt in einen Waschsaal laufen. Ich erinnere mich an eine lange Reihe Waschbecken links und einige Badewannen rechts. In einer wurde ich dann nicht sehr liebevoll und mit eher kaltem Wasser abgespritzt, während mich Kinder, die sich grad die Zähne putzten, naserümpfend auszählten. Es war Demütigung pur. Damit aber nicht genug.
Die ersten Tage wurde ich nach dem Wecken so behandelt. Keiner der Nonnen nahm sich die Zeit - geschweige denn das Herz – mal zu ergründen, warum mir das passierte. Im Gegenteil: sie meinten doch allen Ernstes, dass ich das mit Absicht mache und dafür bestraft werden müsste. Die Androhung lautete, dass ich bis Mittag in meinem Kot nackt liegenbleiben müsste, wenn das wieder vorkam. Natürlich kam es wieder vor – ganz entgegen meinem Wunsch – ich wollte doch den Hampelmann. Das wurde aber nicht so gedeutet und so lag ich fast jeden Tag der 6 Wochen im eingekoteten Bett. Ich lag dort, schaute auf das Fenster in den Himmel und erinnere mich, dass ich sterben wollte.
Später in der Schulzeit habe ich immer Sport oder Schwimmen blau gemacht, wenn wir danach hätten duschen sollen. Mein Schamgefühl war zu gross und ich verstand lange nicht, warum das so war. Erst als der Groschen bei meiner Ausbildung mit Eigenprozess fiel – ich war 40 – konnte ich dieses Trauma verabschieden.
An einigen Tagen hatte ich morgens beim Wecken ein sauberes Bett, was mir «na also, geht doch» belobigt wurde. Dies war aber nicht mein Verdienst, sondern der eines kleinen Engels, der das mit mir irgendwie mitbekommen hatte. Sie – leider weiss ich den Namen nicht aber sie war etwas älter als ich (8 glaube ich) – kam mich (sofen sie selber aufwachte) heimlich in der Nacht besuchen und fragte, ob ich schon ins Bett gemacht hätte. Ich schaute dann ängstlich unter die Bettdecke und meist war es noch sauber. Sie fragte mich weiter, ob ich denn «müsse» und ich wisse, wo das WC sei. Ich musste immer aber wusste nicht, wie ich zum WC finden sollte. Beide schlichen wir uns dann leise durch die kalten Gänge zu den WC’s (was in der Nacht wohl verboten war !?), wo ich mein dünnes Geschäft machen konnte, was auch immer höchste Zeit war. Diese Aktion wäre ja mal eher die Betreuungspflicht der Nonnen gewesen…
Bei diesem kleinen mutigen Engel würde ich mich so gerne bedanken. Sie hat sich selber in Gefahr gebracht, um mir zu helfen. Ich meine mich erinnern zu können, dass sie oder wir auch mal erwischt wruden und mir dann sagte, dass sie nicht mehr kommen dürfe und könne. Wenn sich dieser Engel auch hier auf diesen Seiten befindet, würde ich mich freuen, sie einmal in die Arme zu schliessen.
An Spielen, Spazierengehen oder sonstige Vergnügungen kann ich mich nicht erinnern. Auch nicht an Schläge oder an den Speisesaal. Ev. waren die Ess-Erlebnisse noch krasser als das hier berichtete. Ich könnte mir nämlich gut vorstellen, dass ich zum zunehmen dort war. Als ich die Berichte der anderen über das Essen las, kam mir ein Bild von zu Hause nach der Kur. Anscheinend wurden die Eltern mit den hilfreichen und eher weniger schlimmen Methoden der «Kur» geimpft: ich erinnere mich, dass ich nach der «Kur» immer noch nicht viel gegessen habe. Ich sass vor dem halbleeren Teller und war einfach satt. Meine Mutter legte dann einen Kochlöffel neben den Teller und ich sass allein davor und sollte aufessen, sonst würde ich den Kochlöffel zu spüren bekommen. Ich ass nicht auf, sondern entsorgte das Essen entweder heimlich im Müll, oder durfte dann doch nach einer halben Stunde ohne Aufessen gehen. Den Kochlöffel bekam ich nie zu spüren. So lernt Kind lügen, vertuschen und fühlt sich noch schlechter, da es ja etwas Falsches tut. Anscheinend wurden auch die Eltern manipuliert, um uns nach der «Kur» wohlwollend weiter zu therapieren.
An das Abholen durch meine Eltern kann ich mich nicht erinnern; wohl aber an die Autofahrt nach Hause. Ich hatte eine schwere und schmerzhafte Blasenentzündung, die sich über viele Jahre 2–3-mal jährlich wiederholte. Heute weiss ich, dass es meine Wut war, so behandelt worden zu sein. Jeder Trigger löste eine Blasenentzündung aus.
Heute bin ich in der glücklichen Lage, dass ich vor 20 Jahren eine 4-jährige therapeutische Ausbildung mit sehr viel Eigenprozess gemacht habe und mein Trauma der «Kur» bearbeitet habe. Ich lernte, mein inneres Kind an die Hand zu nehmen und zu beschützen. Das hat mir sehr geholfen und ich kann es sehr empfehlen.
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Thomas W. schrieb am 23.04.2023
Hallo an alle,
ich hatte ja unlängst erwähnt, dass ich als Kind damals fünf mal auf „Reise“ musste.
Hier möchte ich zunächst erst einmal auflisten, wann ich wo war und hoffe, doch ein paar Mitstreiter (nicht unbedingt aus dem gleichen Zeitraum - das wäre ja zu perfekt), für einen Erfahrungsaustausch zu finden.
Gerne gehe ich dann später auf die einzelnen Einrichtungen im Detail ein, was meine Erinnerungen so hergeben.

1. 1975 war ich von Anfang Oktober bis Mitte November in Schmalzgrube, 6 Wo (Westerzgebirge)

2. 1976 war ich von Anfang November bis Mitte Dezember in Bad Gottleuba, 6 Wo (Osterzgebirge)

3. 1978 war ich von Mitte März bis Ende April in Kölpinsee, 6 Wo (Usedom)

4. 1979 war ich von Anfang Februar bis Anfang März in Lindow, 4 Wo (heutiges Brandenburg)

5. 1980 war ich von Anfang März bis Anfang April in Klosterheide, 4 Wo ( heutiges Brandenburg)

Bin sehr gespannt, ob sich jemand meldet.
Das wäre schön.
Wünsche euch eine schöne Zeit.
Bleibt alle gesund und viele Grüße Thomas
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Bettina aus Köln schrieb am 23.04.2023
1966 wurde ich mit knapp 6 Jahren zum 2. Mal "in Kur" geschickt nach Adenau. Die Nonnen nahmen mir sofort bei Ankunft mein Kuscheltier ab. Mittags mussten wir in einer Turnhallte auf Pritschen in eine Filzdecke gehüllt 2 Stunden ruhig liegen, Sprechen war nicht erlaubt. Wenn ich zu lange auf der Toilette saß, wurde ich heruntergerissen, auch wenn noch ein Stück Kot klemmte und später die Hose verschmierte. Diese wurde dann den anderen Kindern hämisch präsentiert. Ich ekelte mich vor roten Beeten und wurde gezwungen, diese zu essen. Als ich mich auf den Teller erbrach, musste ich das Erbrochene essen. Meine Eltern kamen 1x zu Besuch, wurden aber nicht zu mir gelassen und ich erfuhr nichts von ihrem Besuch.
Ein Telefon war mir nicht zugänglich. Eine sehr bösartige Ordensschwester ließ sich auf der Rückfahrt des Busses zurück in Köln in einer Kurve auf den Boden fallen unmittelbar vor der Ankunft, um uns zum Lachen zu bringen
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Bettina aus Köln schrieb am 23.04.2023
Ich wurde 1963 mit knapp 3 Jahren zum 1. Mal für 4 bis 6 Wochen nach Berchtesgaden "in Kur" geschickt.
Erinnerlich ist mir das Gefühl des Alleinseins und fehlende Geborgenheit. Eine 8-bis 10 Jährige hat sich manchmal "mütterlich" um mich gekümmert. Bei meiner Rückkehr habe ich meine Eltern nicht mehr erkannt/gekannt.
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Fanny aus Schwäbisch Gmünd schrieb am 21.04.2023
Ich war als 5 jährige 4 Wochen alleine in Alexisbad. Die Frau, die mich am Bahnhof für die lange Busfahrt in Empfang nahm, fragte ich, ob ich mit ihr kommen möchte. Ich sagte "nein".
Ich erinnere mich an den einprägensten Satz in den 4 Wochen: "wenn ihr nicht dick werdet, dann dürft ihr nicht nach Hause". Ich erinnere mich an das Mädchen mit der Brille und den kurzen schwarzen Haaren, dass wegen Heinweh im Speisesaal weinte. Man stellte sie zur Strafe auf die Terasse und sagte ihr: "du kannst ja heim laufen, wenn du so weinst." Ich erinnere mich, dass es einen "Dickentisch" für die Kinder gab, die abnehmen sollten und einen "Dünnentisch" für die, die zunehmend sollten. Ich erinnere mich, dass ich mich vor den dick mit Butter gestrichenen Zuckerbroten ekelte und diese in den Übertopf der Zimmerpflanze verschwinden ließ, die neben meinem Platz stand, denn man durfte erst aufstehen, wenn alles aufgegessen war. Ich erinnere mich daran, dass es Zensuren für das Aufräumen des Kleiderfachs in der Garderobe gab. Ich hatte nur eine drei bekommen. Ich erinnere mich daran, dass ich meistens schlecht einschlafen konnte weil ich Angst und Heimweh hatte. Ich erinnere mich an einen Rotlichtraum, den wir mit Lichtschutzbrillen betreten haben. Ich erinnere mich an einen Rodelberg und roten Plastikschlitten, von denen ich selten einen abbekam. Ich erinnere mich an ein Papiernest zu Ostern mit grünen Bonbons drin. Ich fand vor ein paar Jahren bei meiner Mum eine alte Postkarte von Alexisbad. Darin stand: "Fanny geht es gut. Das Essen schmeckt ihr"
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Marcel Schreiber aus Schallstadt schrieb am 20.04.2023
Hallo zusamme, ich hoffe, dass das hier einige Lesen. Erstmal bin ich total begeistert wie sich das Thema immer mehr aufgearbeitet und erforscht wird. Dass das Thema auch immer mehr Raum gewinnt. Ich bin auch der Meinung, dass diese Epoche mehr in die Öffentlichkeit getragen werrden sollte und aus diesem Grund habe ich mich entschieden eine Facharbeit mit der Frage, wie sich die Erlebnisse heute auf Betroffene in ihrem Alltag auswirken, für meine Fachhochschulreife zu schreiben. Kurz zu mir ich heiße Marcel und bin 25 Jahre alt und komme aus Baden-Württemberg. Ich vermute schon seit einiger Zeit, dass meine Mutter(Jahrgang 1976) auch in einem dieser Heime war. Ich vermute, dass sie schwer durch diese Zeit geprägt wurde, da sie nie viel und genau darüber erzählt hatte, nur sich von ihren Eltern abgeschoben gefühlt hatte und ihnen das bis heute vorwirft. Da ihr psychischer Zustand meinen Zustand in der Kindheit unter anderem durch Vernachlässigung schwer schädigte, habe ich schweren Herzens dazu entschlossen mit ihr den Kontakt abzubrechen um meine Gesundheit nicht weiter zu gefährden und den richtigen Weg für mein Leben zu finden. Nun also ich schreibe eben zurzeit diese Facharbeit und würde gerne ein Interview durchführen um ein genaueres Bild davon zu bekommen. Am liebsten telefonisch oder auch über E-mail oder Whatsapp. Bevor ihr euch bei mir meldet geht doch nochmal in euch und überlegt ob ihr wirklich bereit seid euch dazu so zu öffnen und wie hoch die Triggergefahr ist. Übrigens muss ja auch nicht jede Frage beantwortet werden. Also wenn ihr euch bereit fühlt und Lust habt mit mir dieses Interview zu führen, würde ich mich riesig freuen, wenn sich jemand bei mir melden würde. Hier meine E-mail: schreibermarcel@gmx.net Liebe Grüße Marcel
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Jessica aus Fürstenwalde schrieb am 20.04.2023
Hallo, ich habe lange überlegt, ob ich ein paar Zeilen meiner Erlebnisse teile.
Auf Anraten meiner Therapeutin habe ich mich durchgerungen alle Erinnerungen, auch wenn es nur Fetzen sind aufzuschreiben.

Vorab: Ende 2022 war ich zur Reha. Im Rahmen der Einzeltherapie habe ich einen Zeitstrahl aufgezeichnet indem es um traumatische Erlebnisse in meinem Leben ging. Erst dort habe ich von der Therapeutin vom Begriff „Verschickungskinder“ erfahren. Seitdem beschäftige ich mich sehr intensiv mit dieser Thematik und bin vor kurzem hier eingetreten.

Ich wurde 1982 geboren und wurde kurz nach meinem 5.Geburtstag/ 1987 auf Anraten vom Kinderarzt und dem Gesundheitsamt nach Heiligenstadt (Thüringen) verschickt. Da ich ein Frühchen war und sehr viel krank und schwach war, sollte ich dort vor der Einschulung „aufgepäppelt“ werden.
Ich sollte zunehmen. So wurde es meinen Eltern erklärt.
Meine Mama hat in all meinen persönlichen Sachen (Bekleidung etc.) kleine rosa Herzchen genäht, so dass ich meine Sachen wieder erkenne. Ich kann mich an die Busfahrt erinnern und wie einsam und verlassen ich mich gefühlt habe.
Von dort habe ich Erinnerung, wovon zwei sehr prägend waren:

•ich erinnere mich an einen kalten Schlafraum und an ein Gitterbett indem ich geschlafen habe-mein Bett stand links und die Schränke standen rechts an der Wand entlang

•Bekleidung musste ordnungsgemäß zusammengelegt werden, in der Nacht waren Toilettengänge verboten, wer ins Bett gemacht hatte, der wurde vor allen Anderen bloß gestellt und ausgelacht/verspottet

•ich hab mich oft in den Schlaf gewimmert, man durfte nicht weinen, zur Strafe wurde von der Frau das Kuscheltier entzogen (ich hatte so Angst) oder man wurde aus dem Bett gerissen/gepackt und musste zur Strafe eine Ewigkeit auf kalten Fliesen stehen

•wir mussten ständig Rote Bete essen, ich wurde von einer Frau festgehalten/fixiert und die Andere stopfte mir die Rote Bete rein…bis zum Erbrechen und selbst das Erbrochene musste ich aufessen

•ich erinnere mich wie wir in die Sauna gesperrt wurden…als ich hinaus wollte, war die Tür verschlossen…danach wurden wir kalt abgespritzt

•dann gab es ein Wasserbecken indem wir kniehoch wie „Storche“ watscheln sollten, es gab auch Strafrunden

•wir haben blaue Pillen bekommen, ich nehme an es waren „nur“ Fluorid-Tabletten (Kariesschutz)

•ich erinnere mich, dass wir Kinder über längere Zeit in der Ecke stehen mussten

Bis heute sind Rote Bete und Sauna für mich ein „Rotes Tuch“. Es war eine Qual, in meiner Seele hat es Risse hinterlassen. Mein Aufenthalt dort war geprägt von Emotionaler Kälte, Drill, Angst, Erniedrigung, Essenszwang, harter/schroffer Ton und Umgang, körperliche und seelische Entblößung.
Wir haben in frühester Kindheit traumatische Erlebnisse erfahren und wurden damit allein gelassen. 😔
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Nicole aus Karlsruhe schrieb am 19.04.2023
Ich bin mit knapp 4 Jahren nach Donaueschingen für 6 Wochen zum Zunehmen verschickt worden.
Ich erinnere mich daran, dass es immer eine Art Schokopudding mit Brötchen gab. Ich wurde zum Essen gezwungen und musste sitzen bleiben, während alle anderen Kinder schon spielen durften. Die Schlafsäle sind mir noch sehr präsent. Viele weiße Eisenbetten in einem Raum. Sogar an die Bettwäsche kann ich mich noch erinnern. Nachts hatte ich manchmal Alpträume und sprang zu einem andern Mädchen in`s Bett. Die Nachtwache kam mit einer Taschenlampe und ertappte mich dabei. Statt weiterschlafen zu dürfen, musste ich bei ihr stehen. Noch heute verfolgen mich Nachtwachenträume.
Als ich auf dem frisch geputzten Boden ausrutschte, bekam ich eine Gehirnerschütterung und wurde in ein Einzelzimmer unter dem Dach isoliert. Gefühlt lag ich dort Ewigkeiten. Keine Ahnung. Nachdem ich lange Zeit weinte, erbarmte sich irgendwann mal eine Putzfrau. Weil ich mich wegen der Gehirnerschütterung ständig erbrach, wurde ich angemeckert.
Im Keller gab es Räume mit lauter grünen oder blauen Badewannen. Ich hatte fürcherliche Angst vor dem Wasser und den Solebädern. An Namen und Gesichter von Erziehern oder Schwestern kann ich mich nicht erinnern. Es hat sich für mich so angefühlt, als hätten sich vielmehr die KInder umeinander gekümmert .
Postkarten wurden an die Eltern geschickt. Ich glaube, meine Mutter ließ mich früher abholen. Sie war getrennt von mir in Kur. Das war, gottseidank, die einzige Verschickung. Ein anderes Mal bin ich mit meiner Mutter in Mutter- Kindkur gegangen.
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Marysol aus Zürich schrieb am 19.04.2023
Ich bin 53 Jahre alt und erinnere mich düster an die Verschickungen. Ich habe dies immer als eine Alptraumerfahrung in meinem Leben beschrieben und kannte leider nie jemanden, der auch verschickt wurde. Ich erinnere mich an die Zeiträume von 6 Wochen. Ich war ca.4-6 Jahre alt.
Ich kann mich kaum an längere Phasen erinnern, weil es glaube ich nicht erinnerungswert war, sondern nur schrecklich.
Ich erinnere mich, dass ich in einem Bus im Schwarzwald angekommen bin und direkt in einen riesigen alptraumartigen Raum, wie eine Halle, eine Viehhalle, musste, mich nackt ausziehen und in eine der vielen Badewannen mit Wasser gefüllt reinsetzen musste. Vor entsetzen und Angst hatte ich die Wanne voll geschissen und weinte verzweifelt und wurde mutterseelenallein alleine dort sitzen gelassen gelassen. Ich musste wie ein Sträfling anerkennen, dass ich selber schuld bin dort mit meiner Misere drin sitzen bleiben zu müssen. Weiter erinnere ich mich, dass ich dickflüssige, dunkelrote Flüssigkeiten zu mir nehmen musste, die wiederum roten Kot verursachte. Das fand ich gruselig.Ich habe nie verstanden, wofür das alles war. Ich weiss nur noch, dass ich gezwungen wurde dies und das zu trinken. Weiter wurde ich in Dampfräume mit weissen Kitteln geschickt. Ich habe mir später immer so Gefangenenlager vorgestellt mit Wärterinnen, die einen lieblos abfertigten. Ich erinnere mich daran, dass alles gespenstisch und angsteinflössend war. Die Atmosphäre war von Einsamkeit und Lieblosigkeit geprägt. Weiter erinnere ich mich daran, dass es Gesangsbücher gab, die bis zum Ende keine Eselsohren haben durften. Das muss in Süddeutschland gewesen sein. Es wurde ganz klar gesagt, dass nur diejenigen ein Geschenk bekommen werden, bei denen das Buch am Ende noch so aussieht, wie am Anfang. Meines hat es nicht geschafft. Und wir wahren dann die schlechten Kinder. Postkarten musste ich auch schreiben.
Meine Geschwister, die jünger als ich sind, wahren in einem anderen Haus untergebracht. Ich glaube es war in Plön. Ich erinnere mich nur noch daran, wie sie zusammenbleiben wollten (Zwillinge) aus Angst in der verachtenden, fremden Umgebung auseinander gerissen zu werden. Davon habe ich später gehört. Es gab Zimmer, die Namen hatten wie Esel, etc..Wir hatten während des Aufenthaltes keinen Kontakt. Ich hatte sie dort verloren. Ich fühle mich sehr traurig bei diesen Gedanken an diese abscheuliche Zeit in diesen grauenvollen Heimen mit TäterInnen wie auch Eltern, die dieses System aus Eigennutz gutgeheissen und für sich genutzt haben. Dies wurde ja finanziell gefördert und belohnt. Ich habe eine Mutter, die ebenfalls gewalttätig war. Und ich denke, dass ihre Vergangenheit schwer mit den Kriegsverbrechen an Kindern verknüpft ist. Pervers. So fühlt es sich an. Herzlichen Dank für die Initiative. Es tut gut diese Erinnerungen zu teilen. Ich habe gestaunt, dass es das gibt.
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Monika aus 57234 Wilnsdorf schrieb am 18.04.2023
Ich war 10 J. alt. Als ich unerlaubt Wasser beim Blumengiessen trank, mußte ich den ganzen Tag im Bett bleiben. Kleinkindern wurde Erbrochenes wieder eingelöffelt. Mein Beschwerdebrief an meine Eltern wurde zerrissen, ein erfundener Brief diktiert.
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